Der Dreißigjährige Krieg: Eine europäische Tragödie 3806236283, 9783806236286


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German Pages [1162] Year 2017

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Table of contents :
Front Cover
Titel
Widmung
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
Stammbaum der Habsburger
Vorwort
Erster Teil: Die Anfänge
1. Einleitung
Drei Mann im freien Fall
Interpretationen
Was dieses Buch will
2. Aufruhr im Herzen der Christenheit
Das Heilige Römische Reich
Der Prozess der Konfessionalisierung
Religion und Reichsrecht
3. Die Casa de Austria
Besitz und Dynastie
Stände und Konfession
Das Wiedererstarken des Katholizismus
4. Der Türkenkrieg und seine Folgen
Die Türkengefahr
Kriegsgebräuche
Der Lange Türkenkrieg (1593–1606)
Bruderzwist im Hause Habsburg
5. Pax Hispanica
Die spanische Monarchie
Der Aufstand der Niederlande (1568–1609)
Die Spanische Straße
Die spanische Friedenspolitik
6. Dominium Maris Baltici
Dänemark
Das uneinige Haus Wasa
Polen-Litauen
7. Von Rudolf zu Matthias (1582–1612)
Die deutschen Fürsten und die Religion
Die Konfessionen und die Reichspolitik bis 1608
Union und Liga (1608/09)
Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit (1609/10)
8. Am Rande des Abgrunds?
Kaiser Matthias
Der Uskokenkrieg und die habsburgische Erbfolge (1615–17)
Die Pfalz spielt mit dem Feuer
Zweiter Teil: Der Konflikt
9. Der Böhmische Aufstand (1618–20)
Für Libertät und Privilegien
Der Kampf um die Kronen
Ferdinand sammelt seine Kräfte
Am Weißen Berg
Auf wessen Konto ging das Scheitern?
10. Ferdinand triumphiert (1621–24)
Die pfälzische Sache
Protestantische Söldnerführer
Die katholische Vormachtstellung (1621–29)
11. Olivares und Richelieu
Olivares
Richelieu
Das Veltlin
12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29)
Wirren in Niedersachsen
Wallenstein
Dänemarks Niederlage (1626–29)
13. Die Gefahr eines europäischen Krieges (1628–30)
Die Ostsee
Die Niederlande
Mantua und La Rochelle
Das Restitutionsedikt
Der Regensburger Kurfürstentag von 1630
14. Der Löwe des Nordens (1630–32)
Die schwedische Intervention
Zwischen Löwe und Adler
Das schwedische Imperium
Hilferufe
Auf dem Zenit
15. Ohne Gustav Adolf (1633/34)
Stabilisierungsbemühungen
Spannungen am Rhein
Spanien interveniert
Wallenstein: der letzte Akt
Die beiden Ferdinands
16. Für Deutschlands Freiheit (1635/36)
Richelieu beschließt Krieg
Der Krieg im Westen (1635/36)
Der Prager Frieden von 1635
Patriotische Appelle
Erneuerte Friedensbemühungen
17. Die habsburgische Flut (1637–40)
Pattsituation
Entschlossenheit am Rhein
Frieden für Norddeutschland?
18. In der Schwebe (1641–43)
Die französisch-schwedische Allianz (1641)
Der Krieg im Reich (1642/43)
Die Krise in Spanien spitzt sich zu (1635–43)
Von Breda nach Rocroi (1637–43)
19. Verhandlungsdruck (1644/45)
Der Westfälische Kongress
Frankreich in Deutschland (1644)
Der Ostseeraum wird schwedisch (1643–45)
1645: Annus horribilis et mirabilis
20. Krieg oder Frieden (1646–48)
Eine Vertrauenskrise
Der Konsens kommt in Sicht
Spanien schließt Frieden mit den Niederlanden
Die Endrunde 1648
Dritter Teil: Nach dem Frieden
21. Das Westfälische Friedensabkommen
Die internationale Dimension
Ein christlicher Frieden
Demobilisierung
Das Reich erholt sich
22. Die Kosten des Krieges
Eine alles verzehrende Wut?
Demografische Folgen
Wirtschaftliche Auswirkungen
Die Krise des Territorialstaats
Kulturelle Auswirkungen
23. Die Erfahrung des Krieges
Das Wesen der Erfahrung
Militär und Zivilbevölkerung
Wahrnehmungsweisen
Gedenken
Anhang
Anmerkungen
Zu den Währungsangaben
Verzeichnis der Karten und Schlachtenpläne
Karten
Schlachtenpläne
Legende
Bildnachweis
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Quellen
Literatur
Personenregister
Zusammenspiel
Über den Inhalt
Über den Autor
Back Cover
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Der Dreißigjährige Krieg: Eine europäische Tragödie
 3806236283, 9783806236286

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Peter H. Wilson

Der Dreißigjährige Krieg Eine europäische Tragödie Aus dem Englischen von Thomas Bertram, Tobias Gabel und Michael Haupt

Für meine Familie

Die englische Originalausgabe ist bei Penguin Books Ltd., London erschienen. © Peter H. Wilson 2009 The author has asserted his moral rights All rights reserved Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © der deutschen Ausgabe 2017 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Daphne Schadewaldt, Wiesbaden Gestaltung und Satz: primustype Hurler GmbH, Notzingen Einbandgestaltung: Harald Braun, Berlin Einbandabbildung: Jacques Callot (1592–1635), „Der Galgenbaum“, Blatt 2 der Folge „Les Grandes Misères de la Guerre“ (Die großen Schrecken des Krieges), 1632/33. Radierung. akg-images / Erich Lessing Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3628-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3629-3 eBook (epub): 978-3-8062-3630-9

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stammbaum der Habsburger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 10 12

Erster Teil: Die Anfänge 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei Mann im freien Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was dieses Buch will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18 19 24

2. Aufruhr im Herzen der Christenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Heilige Römische Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Prozess der Konfessionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religion und Reichsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 44 63

3. Die Casa de Austria. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besitz und Dynastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stände und Konfession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wiedererstarken des Katholizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 73 78 92

4. Der Türkenkrieg und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Türkengefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriegsgebräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Lange Türkenkrieg (1593–1606). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruderzwist im Hause Habsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107 107 116 133 144

5. Pax Hispanica. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die spanische Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Aufstand der Niederlande (1568–1609) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Spanische Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die spanische Friedenspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 156 172 200 212

6. Dominium Maris Baltici . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das uneinige Haus Wasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polen-Litauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220 220 232 250

6

Inhaltsverzeichnis

7. Von Rudolf zu Matthias (1582–1612) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die deutschen Fürsten und die Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Konfessionen und die Reichspolitik bis 1608 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Union und Liga (1608/09). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit (1609/10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 256 269 291 297

8. Am Rande des Abgrunds? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaiser Matthias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Uskokenkrieg und die habsburgische Erbfolge (1615–17) . . . . . . . Die Pfalz spielt mit dem Feuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309 309 329 336

Zweiter Teil: Der Konflikt 9. Der Böhmische Aufstand (1618–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Für Libertät und Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kampf um die Kronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ferdinand sammelt seine Kräfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am Weißen Berg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf wessen Konto ging das Scheitern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

344 344 360 376 382 393

10. Ferdinand triumphiert (1621–24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die pfälzische Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protestantische Söldnerführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die katholische Vormachtstellung (1621–29). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

400 400 412 436

11. Olivares und Richelieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olivares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richelieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Veltlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

452 452 462 472

12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29). . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirren in Niedersachsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wallenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dänemarks Niederlage (1626–29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

476 476 483 502

13. Die Gefahr eines europäischen Krieges (1628–30) . . . . . . . . . . . . . . . Die Ostsee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mantua und La Rochelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Restitutionsedikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Regensburger Kurfürstentag von 1630. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

518 518 528 533 541 550

Inhaltsverzeichnis

14. Der Löwe des Nordens (1630–32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schwedische Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischen Löwe und Adler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das schwedische Imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilferufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf dem Zenit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

556 556 562 574 586 593

15. Ohne Gustav Adolf (1633/34). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilisierungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungen am Rhein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanien interveniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wallenstein: der letzte Akt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die beiden Ferdinands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

612 612 619 628 635 645

16. Für Deutschlands Freiheit (1635/36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richelieu beschließt Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Krieg im Westen (1635/36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Prager Frieden von 1635 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patriotische Appelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erneuerte Friedensbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

656 656 661 668 677 687

17. Die habsburgische Flut (1637–40). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pattsituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entschlossenheit am Rhein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frieden für Norddeutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

691 691 701 715

18. In der Schwebe (1641–43) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die französisch-schwedische Allianz (1641) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Krieg im Reich (1642/43). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Krise in Spanien spitzt sich zu (1635–43) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Breda nach Rocroi (1637–43) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

726 726 737 750 765

19. Verhandlungsdruck (1644/45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Westfälische Kongress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich in Deutschland (1644) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ostseeraum wird schwedisch (1643–45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1645: Annus horribilis et mirabilis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

777 777 785 792 799

20. Krieg oder Frieden (1646–48). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine Vertrauenskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Konsens kommt in Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanien schließt Frieden mit den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Endrunde 1648 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

817 817 824 837 848

7

8

Inhaltsverzeichnis

Dritter Teil: Nach dem Frieden 21. Das Westfälische Friedensabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die internationale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein christlicher Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demobilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Reich erholt sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

860 860 868 880 884

22. Die Kosten des Krieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine alles verzehrende Wut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demografische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Krise des Territorialstaats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturelle Auswirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

890 890 897 907 919 926

23. Die Erfahrung des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wesen der Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Militär und Zivilbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrnehmungsweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedenken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

936 936 942 954 961

Anhang Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

970

Zu den Währungsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1059 Verzeichnis der Karten und Schlachtenpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlachtenpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1060 1060 1060 1061

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1062 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1064 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123 Zusammenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144

Vorbemerkung Die in diesem Buch erwähnten Orte werden mit ihrem in der Fachliteratur gebräuchlichen Namen bezeichnet; in den meisten Fällen ist dies ihre deutsche Bezeichnung (die inzwischen mitunter selbst historisch ist). Der in den jeweiligen Ländern gebräuchliche Name wird, wo dies notwendig erscheint, bei der ersten Erwähnung in Klammern angegeben. Die im Text erwähnten Personen werden mit ihren jeweils gebräuchlichsten Namen und Titeln vorgestellt. Vollständige Namen und Titel sowie die Lebensdaten bietet das Register. Seit Friedrich Schillers 1799 abgeschlossenem Dramenzyklus kennt man den „Generalissimus“ Ferdinands II. allgemein als „Wallenstein“. Diese Namensform des Mannes, der als Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein geboren wurde, wird deshalb auch im Folgenden verwendet. In zeitgenössischen Dokumenten wird Wallenstein in der Regel „der Friedländer“ genannt, nach seinem Schloss und Herzogtum Friedland in Nordböhmen. Mit Bezug auf das Herrschaftsgebiet der englisch-schottischen Stuartmonarchie wird bisweilen der Begriff „britisch“ verwendet, der eigentlich einen Anachronismus darstellt; „englisch“ wäre in den betreffenden Fällen jedoch noch irreführender und wird nur dort gebraucht, wo es tatsächlich um England im engeren Sinne geht. Alle Daten sind nach dem „neuen Stil“ des gregorianischen Kalenders angegeben, der in katholischen Territorien Europas und des Heiligen Römischen Reiches um 1582 eingeführt wurde. Dieser war dem „alten Stil“ des julianischen Kalenders, der von den meisten Protestanten des deutschsprachigen Raums bis etwa 1700 beibehalten wurde, um zehn Tage voraus.

Stammbaum der Habsburger (1500 – 1665)

Karl V.

(1500 –1558) röm.-dt. Kaiser 1519 –1558

Isabella von Portugal

(1503 –1539)

Philipp II.

Maria von Spanien

(1527–1598) König von Spanien

Rudolf II.

(1552 –1612) röm.-dt. Kaiser 1576 –1612

Ernst

(1553 –1595)

(1528 –1603)

Matthias

(1557–1619) röm.-dt. Kaiser 1612 –1619

Anna

Maximilian (1558 –1618) Statthalter von Tirol 1602 –1618

(1585 –1618) Tochter Ferdinands von Tirol

Ferdinand III.

(1608 –1657) röm.-dt. Kaiser 1637–1657

Maria Anna von Spanien (1606 –1646)

Maximilian II. (1527–1576) röm.-dt. Kaiser 1564 –1576

Albrecht

(1559 –1621)

Isabella Clara Eugenia

11 weitere Nachkommen

(1566 –1633) Tochter Philipps II. von Spanien; gemeinsam Regenten („Erzherzöge“) der Spanischen Niederlande 1599 –1621/33

Leopold Wilhelm

(1614 –1662) Fürstbischof von Passau und Straßburg etc.

Ferdinand I.

(1503 –1564) röm.-dt. Kaiser 1558 –1564

Anna von Böhmen und Ungarn

(1503 –1547)

Ferdinand von Tirol

Karl II. von Steiermark

(1529 –1595) Erzherzog von Tirol 1564 –1595

Ferdinand II.

(1578 –1637) röm.-dt. Kaiser 1619 –1637

Maria Anna von Bayern (1574 –1616)

Leopold

(1540 –1590) Erzherzog von Innerösterreich 1564 –1590

(1586 –1632) Fürstbischof von Passau und Straßburg 1605/07–1621, dann 1626 Erzherzog von Tirol

Maria Anna (1610 –1665)

Maximilian I.

(1573 –1651) Herzog von Bayern 1598 –1651 und Kurfürst (ab 1623)

10 weitere Nachkommen

Konstanze

(1588 –1631)

Sigismund III. Wasa (1566 –1632) König von Polen 1587–1632

Cäcilia Renata (1611–1644)

Wladyslaw IV. Wasa (1595 –1648) König von Polen 1632 –1648

Margarete

(1584 –1611)

Philipp III.

11 weitere Nachkommen

(1578 –1621) König von Spanien 1598 –1621

Philipp IV.

(1605–1665) König von Spanien 1621–1665

Maria Anna

(1606 –1646) erste Frau Ferdinands III.

Vorwort Zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges gibt es viele Detailstudien, aber nur wenige umfassende Gesamtdarstellungen. Bei den meisten Büchern, die den ganzen Krieg zum Gegenstand haben, handelt es sich um knappe Einführungen für Schule und Studium. Das leuchtet ein: Um tatsächlich alle Aspekte des Dreißigjährigen Krieges angemessen behandeln zu können, müsste man mindestens 14 europäische Sprachen beherrschen – und bräuchte wohl ebenso viele Menschenleben und mehr, um die Masse des verfügbaren Archivmaterials zu bewältigen. Selbst die Literatur zum Thema umfasst Millionen von Seiten; es gibt allein 4000 Titel zum Westfälischen Frieden, der den Krieg beendete. Diese unglaubliche Materialfülle hat die bisherigen Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges auf verschiedene Weise beeinflusst. Manche schlagen eine Schneise durch das Dickicht der Details und versuchen, den Krieg in eine umfassendere Erklärung des europäischen Modernisierungsprozesses einzubetten. Andere Darstellungen geben den handelnden Individuen und den Ereignissen größeren Raum, aber nicht selten bemerkt man eine gewisse Erschöpfung des Autors oder der Autorin, sobald die Geschehnisse sich der Mitte der 1630er-Jahre nähern. Bis zu jener Zeit waren nämlich die meisten der Helden und Schurken tot, die den ersten Kapiteln der Geschichte so viel Spannung und Leben eingehaucht hatten. Andere, deren Namen die Nachwelt längst vergessen hat, waren an ihre Stelle getreten. Aus diesem Umstand folgt nicht selten eine gewisse Beschleunigung, um nicht zu sagen Hastigkeit in der Darstellung, und die letzten 13 Jahre eines 30-jährigen Krieges werden in ein Viertel des Textes (oder noch weniger!) gepresst, wovon noch einmal ein Großteil auf die Erörterung des Friedensschlusses und der Kriegsfolgen entfällt. Das vorliegende Buch möchte dieses Missverhältnis durch eine ausgewogenere Darstellung des gesamten Kriegsverlaufes beheben. Einige Besonderheiten dieses Ansatzes werden im Einführungskapitel erläutert. Entscheidend ist dabei, dass der Dreißigjährige Krieg als ein eigenständiger Konflikt betrachtet wird, der um die politische und religiöse Ordnung Mitteleuropas geführt wurde – und nicht als Teil eines großen europäischen „Gesamtkonflikts“ während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Zwar bringt diese Betrachtungsweise des Krieges als Einzelkonflikt eine gewisse Vereinfachung mit sich; aber andererseits lenkt sie die Aufmerksamkeit auf seine Ursprünge in den komplexen Verhältnissen, die das Heilige Römische Reich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts prägten. Der erste Teil des Buches soll diese Hintergründe erklären und den Krieg gerade

Vorwort

dadurch, auf eine andere Weise als die gerade beschriebene, in seinen europäischen Kontext einbetten. Der zweite Teil folgt dem Verlauf der Tragödie in annähernd chronologischer Ordnung. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Frage, warum jegliche Friedensbemühungen vor Mitte der 1640er-Jahre scheiterten. Im dritten und letzten Teil geht es um die politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen des Dreißigjährigen Krieges sowie um seine langfristige Bedeutung. In allen drei Teilen des Buches werden strukturale Erklärungsansätze mit der Betrachtung von Macht und Ohnmacht der handelnden Personen verknüpft. Neben den altbekannten „Hauptfiguren“ der Erzählung sollen dabei auch weithin unbekannte Zeitgenossen Beachtung finden – mehr Beachtung, als ihnen üblicherweise zuteilwird. Die Literaturangaben bieten eine Auswahl aus der bereits erwähnten Fülle an Material, wobei ein Schwerpunkt auf neueren Werken liegt: Sie sind für viele Leserinnen und Leser leichter zugänglich und enthalten noch dazu weitere Hinweise auf die aktuellste Fachliteratur. Nur zu gern bedanke ich mich für die Unterstützung des Arts and Humanities Research Council, das mir durch ein Forschungsstipendium in den Jahren 2007 und 2008 die Fertigstellung dieses Buches ermöglicht hat. An der University of Sunderland hat ein hervorragendes Forschungsumfeld meine Arbeit um vieles leichter gemacht, und dasselbe gilt für den Fachbereich Geschichte an der University of Hull, wo ich so herzlich aufgenommen wurde und die letzten Kapitel des Buches entstanden sind. Leopold Auer und seine Mitarbeiter am Haus-, Hof- und Staatsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs in Wien haben mir bei meinem allzu kurzen Aufenthalt 2006 wertvolle Unterstützung zukommen lassen. Ich danke Scott Dixon, Robert Evans, Ralph Morrison und Neil Rennoldson für ihre Hilfe bei der Beschaffung seltener oder unbekannter Literatur und vor allem Kacper Rękawek für seine Hilfestellung bei der Sichtung polnischer Quellen und Forschungsbeiträge. Clarissa Campbell Orr, Tryntje Helfferich, Michael Kaiser, Maureen Meikle, Géza Pálffy und Ciro Paoletti haben mir in einigen Detailfragen unendlich weitergeholfen. Zu besonderem Dank bin ich Trevor Johnson verpflichtet, der mir sein Manuskript über die Gegenreformation in der Oberpfalz schon vor Veröffentlichung des Buches zur Verfügung gestellt hat. Leider kann ich mich bei ihm, der 2007 viel zu früh verstorben ist, nicht mehr dafür revanchieren. Mein Lektor Simon Winder hat mir immer wieder Mut zugesprochen und so meinen Glauben daran gestärkt, dass dieses Buch tatsächlich irgendwann fertig werden würde. Durch seinen guten Rat und seine umsichtigen Verbesserungsvorschläge hat das Manuskript beträchtlich an Klarheit gewonnen. Charlotte Ridings hat mit ihrer gründlichen Korrekturarbeit Unstimmigkeiten und Fehler

13

14

Vorwort

beseitigt. Cecilia Mackay hat meinen Illustrations-Wunschzettel Wirklichkeit werden lassen. Eliane, Alec, Tom und Nina haben es geduldig ertragen, dass ich immer wieder in die Vergangenheit „abgetaucht“ bin, und haben mir – wie schon so oft – die größte Hilfe und Inspiration zukommen lassen. Ihnen sei dieses Buch in Liebe gewidmet. Peter H. Wilson

ERSTER TEIL

DIE ANFÄNGE

Mitteleuropa im Jahr 1618

DÄNEMARK

Grenzen des Heiligen Römischen Reiches territoriale Grenzen außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Grenzen ausgewählter Territorien innerhalb des Heiligen Römischen Reiches

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BLIK VENEDIG Venedig

R E I C H

1. Einleitung Drei Mann im freien Fall

K

urz nach neun Uhr früh am Morgen des 23. Mai 1618, es war ein Mittwoch, fand sich Wilhelm Slavata in einer äußerst misslichen Lage, denn er hing aus einem Fenster der Prager Burg. In einer solchen Klemme hatte der 46-jährige Adlige noch nie gesteckt. Als Präsident der Böhmischen Kammer, vormaliger Hofrichter und nun königlicher Statthalter war er immerhin ein führender Vertreter der Obrigkeit in den Ländern der böhmischen Krone und konnte auf eine glänzende Karriere in habsburgischen Diensten zurückblicken. Seine Heirat mit der reichen Erbin Lucie Ottilie von Neuhaus hatte aus ihm zudem einen der wohlhabendsten Männer des ganzen Königreiches gemacht. Nur Augenblicke zuvor hatten fünf Bewaffnete seinen ähnlich illustren Amtskollegen Jaroslav Martinitz ergriffen und – von dessen Flehen, sie möchten ihn doch zuerst noch die Beichte ablegen lassen, nur noch wütender gemacht – kurzerhand aus dem Fenster geworfen, kopfüber aus demselben Fenster, an dessen Sims sich nun Slavata festklammerte und, in 17 Metern Höhe über dem Burggraben, gefährlich umherbaumelte. Ein zorniges Stimmengewirr, das aus dem Inneren des Gemaches drang, ließ ihn menschliche Hilfe kaum erhoffen. Im selben Moment durchfuhr ein scharfer Schmerz Slavatas Finger: Jemand hatte mit dem Griff seines Schwertes daraufgeschlagen. Die Schmerzen wurden unerträglich, sein Griff löste sich, er verlor den Halt und stürzte ab, wobei er sich am steinernen Fenstersims eines unteren Geschosses den Hinterkopf aufschlug. Als Slavata in der Tiefe verschwand, richteten seine Angreifer ihre Aufmerksamkeit auf den Sekretär des Statthalters, Philipp Fabricius von Rosenfeld, der einen von ihnen – vermutlich ein weniger bedrohliches Mitglied des Trupps – fest umklammerte. Auch Fabricius flehte um Gnade; auch ihm half es nichts: Ohne viel Federlesens warf man ihn aus dem Fenster, seinem Herrn und dessen Schicksal hinterher. Das jedoch entwickelte sich anders als gedacht. Während Slavata am Boden des Burggrabens aufschlug, war Martinitz weiter oben gelandet und rutschte nun die Böschung hinab, um seinem Freund zu helfen. Unterwegs verletzte er sich noch mit seinem eigenen Schwert; die Angreifer hatten versäumt, es ihm abzuschnallen. Vom Fenster oben hallten Schüsse. Irgendwie gelang es Martinitz, dem benommenen Slavata auf die Beine zu helfen, und gemeinsam konnten sie sich in den nahe gelegenen Palast des böhmischen Oberstkanzlers Lobkowitz retten, der an ihrem so jäh unterbrochenen Treffen nicht hatte teilneh-

1. Einleitung

men können, weil er sich auf Reisen befand. Von der Burg wurden zwei Männer hinübergeschickt, die Slavata und Martinitz liquidieren sollten, doch Lobkowitz’ Frau Polyxena verriegelte die Tür und konnte die Häscher schließlich zum Abzug überreden. Gleich am nächsten Tag flüchtete Martinitz über die Grenze nach Bayern. Slavata war zu schwer verletzt, als dass er gleich hätte aufbrechen können, und musste sich vorerst verstecken. Fabricius, der erstaunlicherweise auf beiden Beinen gelandet war, eilte derweil nach Wien, in das pulsierende Herz der Habsburgermonarchie und politische Zentrum des Heiligen Römischen Reiches, um den Kaiser zu alarmieren.1 Der geschilderte Vorfall ist als „Prager Fenstersturz“ in die Geschichte eingegangen. Er löste den Böhmischen Aufstand aus, der gemeinhin als Beginn des Dreißigjährigen Krieges gilt – eines Krieges, der acht Millionen Leben kosten und die politische wie religiöse Landkarte Europas vollkommen verändern sollte. Der Dreißigjährige Krieg nimmt in der deutschen und der tschechischen Geschichte einen ähnlich wichtigen Platz ein wie die Bürgerkriege Englands, Spaniens und der Vereinigten Staaten oder die Revolutionen in Frankreich und Russland in der Geschichte dieser Länder. Wie sie alle ist er ein prägendes Moment und ein nationales Trauma, das die Sicht der betroffenen Staaten auf sich selbst und auf ihren Platz in der Welt entscheidend mitgeformt hat. Die Schwierigkeit, die für spätere Generationen darin lag, mit dem schieren Ausmaß der Verwüstung zurechtzukommen, hat man mit der schwierigen geschichtlichen Aufarbeitung des Holocausts verglichen.2 In den Augen der meisten Deutschen sollte der Dreißigjährige Krieg schließlich eine Zeit der nationalen Schmach darstellen, die den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt gehemmt und Deutschland 200 Jahre lang zu innerem Streit und internationaler Machtlosigkeit verdammt hatte.

Interpretationen Die gerade angesprochene Interpretation hat ihren Ursprung in einer sehr viel späteren Niederlage, die nicht nur das Interesse am Dreißigjährigen Krieg erneuert, sondern auch die Sichtweise auf denselben grundlegend verändert hat. Für die Erlebnisgeneration des Dreißigjährigen Krieges und ihre Kinder jedoch behielten die Kriegsereignisse ihre zeitgeschichtliche Unmittelbarkeit. Von Anfang an erregte der Konflikt großes Interesse in ganz Europa und beschleunigte so jene „Medienrevolution“ des frühen 17. Jahrhunderts, aus der auch die moderne Zeitung hervorgehen sollte (siehe Kapitel 23). Der Vertragstext des Westfälischen Friedens, der am Ende des Krieges stand, entwickelte sich zum inter-

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TEIL I: Die Anfänge

nationalen Bestseller, der innerhalb eines einzigen Jahres mindestens 30 Auflagen erlebte. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm das Interesse langsam ab, aber da rutschte Mitteleuropa auch schon in einen weiteren 30-jährigen Konflikt hinein – diesmal vor allem mit Frankreich und dem Osmanischen Reich. Die Erinnerung an den „ersten“ Dreißigjährigen Krieg wurde jedoch wachgehalten – durch alljährliche Feste zur Erinnerung an den Friedensschluss von Münster und Osnabrück, aber auch durch eine (vergleichsweise kleine) Anzahl von Büchern für ein breites Publikum. Wie die öffentlichen Feierlichkeiten vermittelten diese Werke eine im Großen und Ganzen positive Sicht der Kriegsergebnisse, schließlich seien die Freiheiten der deutschen Protestanten bewahrt und die Reichsverfassung gestärkt worden.3 Die Französische Revolution und dann die Zerstückelung des Heiligen Römischen Reiches durch Napoleon trübten diese Sichtweise drastisch ein. Der österreichisch-preußische Gegenangriff auf das revolutionäre Frankreich zog die Deutschen 1792 erneut in den Kreislauf aus Invasion, Niederlage, Aufruhr und Verwüstung hinein. Diese Erfahrungen fielen mit neuen geistigen und kulturellen Strömungen zusammen, die zusammenfassend als „Sturm und Drang“ und „Romantik“ bezeichnet werden. Grell-entsetzliche Episoden aus dem Dreißigjährigen Krieg – Geschichten von Massakern, Vergewaltigungen und Folter – stießen beim Publikum sofort auf Resonanz, während die dramatischen Biografien von Figuren wie dem kaiserlichen Heerführer Wallenstein oder dem schwedischen König Gustav Adolf durch den Vergleich mit Napoleon und anderen Männern der Gegenwart mit neuer Bedeutung aufgeladen wurden. Der maßgebliche Vertreter des „Sturm und Drang“, Friedrich Schiller, fand ein nur zu begieriges Publikum vor, als er 1791 seine Geschichte des dreißigjährigen Krieges veröffentlichte, der er in den Jahren 1797–99 seine Wallenstein-Trilogie folgen ließ. Die romantische Umdeutung des Dreißigjährigen Krieges brachte drei Motive hervor, die sich in Darstellungen des Konflikts noch heute beobachten lassen. Das erste war eine düstere Faszination durch Tod, Verfall und Zerstörung, wobei Deutschland in der Regel als hilfloses Opfer fremder Aggressoren dargestellt wurde. Schauerliche Geschichten von Kriegsgräueln entnahm man Sagen und Märchen aus dem Volk, aber auch der Literatur des 17. Jahrhunderts, allen voran Grimmelshausens Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch, der von den Dichtern der Romantik als „erster echt deutscher Roman“ wiederentdeckt und im frühen 19. Jahrhundert in zahlreichen „verbesserten“ Ausgaben neu aufgelegt wurde.4 Die Wiederkehr solcher Kriegsgeschichten in historischen Romanen, in Historiengemälden sowie als Gegenstand des schulischen Geschichtsunterrichts verstärkte die mündliche Überlieferung zum Dreißigjährigen Krieg in Familien und Gemeinden, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern,

1. Einleitung

die unter den Kampfhandlungen gelitten hatten. Der Dreißigjährige Krieg wurde zum Maßstab für die Beurteilung aller späteren Kriege. So interpretierten die Bewohner des östlichen Frankreich jede weitere Invasion ihrer Heimat im Lichte alter Geschichten von Schweden und Kroaten, die die Gegend in den 1630erJahren verwüstet hatten. Auch Soldaten, die an der Ostfront des Ersten Weltkriegs kämpften, meinten in ihren Schützengräben ein Grauen zu erleben, wie es die Welt seit 300 Jahren nicht mehr gesehen hatte. In seiner Rundfunkansprache vom 3. Mai 1945 verkündete Hitlers Architekt und Rüstungsminister Albert Speer: „Die Verwüstungen, die dieser Krieg Deutschland brachte, sind nur mit denen des Dreißigjährigen Krieges vergleichbar. Die Verluste der Bevölkerung durch Hunger und durch Seuchen dürfen aber niemals das damalige Ausmaß annehmen.“ Nur aus diesem Grunde sehe sich, wie Speer fortfährt, Großadmiral Dönitz genötigt, die Waffen nicht niederzulegen. In den 1960er-Jahren ergaben Meinungsumfragen, dass die Deutschen den Dreißigjährigen Krieg als die größte Katastrophe ihrer Geschichte ansahen, noch vor den beiden Weltkriegen, dem Holocaust und dem Schwarzen Tod.5 Der Einfluss des Fernsehens hat diese Wahrnehmung im späteren 20. Jahrhundert zweifellos verschoben, insbesondere durch die weite Verbreitung von Film- und Fotoaufnahmen der Gräuel aus jüngerer Vergangenheit. Dennoch konnten deutsche Historiker noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts behaupten: „Niemals zuvor und auch niemals nachher, nicht einmal während der Schrecken der Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges, wurde das Land so verheert und die Menschen so gequält“ wie zwischen 1618 und 1648.6 Das zweite Motiv, das die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat, ist die Vorstellung von einer geradezu tragischen Unvermeidlichkeit des Dreißigjährigen Krieges. Dies fällt schon in Schillers Wallenstein auf. Schiller zeichnet die Hauptfigur seiner Trilogie als einen idealistischen, den Frieden suchenden Helden, dessen unabwendbares Schicksal jedoch darin liegt, von seinen engsten Vertrauten ermordet zu werden. Nach den Napoleonischen Kriegen fand dieses Gefühl eines unaufhaltsamen Versinkens im Chaos allgemeine Verbreitung. Die frühere, positive Wahrnehmung des Westfälischen Friedens erschien nun, da das römisch-deutsche Reich 1806 aufgelöst worden war, nicht mehr angemessen. Davon, dass der Dreißigjährige Krieg letztlich sogar die Reichsverfassung gestärkt habe, konnte jetzt keine Rede mehr sein; stattdessen erschien er als der Anfang vom Ende des Alten Reiches. Neuere Forschungen bekräftigen diesen Eindruck, indem sie die Aufmerksamkeit von einzelnen Akteuren und einem möglichen Verfassungsversagen weglenkten und sich stattdessen dem langfristigen Wandel der europäischen Wirtschaft vom Feudalismus zum Kapitalismus zuwandten, der angeblich eine „allgemeine Krise des 17. Jahr-

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TEIL I: Die Anfänge

hunderts“ heraufbeschwor.7 Andere sehen diese Krise als wesentlich politisch oder ökologisch an, oder als Ausdruck zweier oder mehrerer Faktoren zugleich. In allen ihren Varianten jedoch behauptet die „Krisenthese“, ein tief liegender Strukturwandel am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit habe Spannungen verschärft, die sich in den Jahren nach 1600 überall in Europa in gewaltsamen Aufständen und internationalen Konflikten entladen hätten.8 Im 19. Jahrhundert brachten verschiedene Sichtweisen dieser Ereignisse im Heiligen Römischen Reich schließlich das dritte und wohl einflussreichste Motiv in der deutschen Diskussion über den Dreißigjährigen Krieg hervor, indem die Erinnerung an 1618/48 mit der Auseinandersetzung um die „deutsche Frage“ ab 1814/15 verwoben wurde. Es entstanden zwei konkurrierende Narrative, die jeweils mit einer Variante des zukünftigen Deutschland in Verbindung gebracht wurden. Die „großdeutsche Lösung“ sah einen losen Staatenbund vor, dem das habsburgische Österreich und das hohenzollerische Preußen angehören sollten, aber auch das „dritte Deutschland“ der Mittel- und Kleinstaaten, darunter etwa die Königreiche Bayern und Württemberg oder das Herzogtum Nassau. Die „kleindeutsche Lösung“ hingegen schloss Österreich aus, was vor allem an den Schwierigkeiten lag, mit denen die Einbindung der habsburgischen Untertanen in Italien und auf dem Balkan verbunden gewesen wäre. Mit dem preußischen Sieg über Österreich im Deutschen Krieg von 1866 setzte die kleindeutsche Lösung sich durch; durch den deutschen Sieg über Frankreich im Krieg von 1870/71, aus dem das Deutsche Kaiserreich hervorging, wurde sie gefestigt. Beide Zukunftsvisionen, die großdeutsche wie die kleindeutsche, waren eindeutig religiös konnotiert, was auch auf den Streit über die Vergangenheit des Landes übertragen wurde. Die Annahme, der Dreißigjährige Krieg sei ein Religionskrieg gewesen, erschien nun so selbstverständlich, dass sie nur selten infrage gestellt wurde. Als überaus bedeutsam sollte sich herausstellen, dass der Streit um die deutsche Frage mit der Geburt der modernen Geschichtswissenschaft zusammenfiel. Leopold von Ranke, der Gründervater der historisch-kritischen Schule der deutschen Geschichtsschreibung, nahm sich Wallenstein zum Gegenstand der einzigen großen Biografie unter seinen zahlreichen Schriften. Ranke und seine Zeitgenossen scheuten keine Mühen, das erhaltene Archivmaterial zu studieren, und vieles von dem, was sie geschrieben haben, besitzt auch heute noch großen Wert. Zu ihrer Zeit hatte die Ranke-Schule prägenden Einfluss darauf, wie die Historiker anderer Länder über den Dreißigjährigen Krieg dachten, obwohl natürlich ein jeder den Konflikt in seine eigene Nationalgeschichte einzupassen suchte. Die französischen Historiker betrachteten ihn in der Regel durch die Brille von Richelieu und Mazarin, deren Politik angeblich die Grundlagen einer

1. Einleitung

„französischen Vorherrschaft“ auf dem europäischen Kontinent gelegt hatte, die von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die Zeit Napoleons andauerte. In der spanischen Geschichtsschreibung hingegen stand das Motiv eines nationalen Niedergangs im Vordergrund, schien Spanien sich doch nach 1618 deutlich übernommen zu haben. Historiker aus der Schweiz, den Niederlanden und Portugal wiederum verbanden den Dreißigjährigen Krieg mit der Unabhängigkeit ihrer Nationen (jeweils von der Herrschaft der Habsburger), während Dänen und Schweden ihn im Kontext ihrer gegenseitigen Rivalität im Ostseeraum einordneten. Die Sicht der britischen Geschichtsschreibung wich am wenigsten von der deutschen Perspektive ab, was unter anderem daran lag, dass die im 17. Jahrhundert über England und Schottland herrschende Dynastie der Stuarts wegen der Heirat Elisabeth Stuarts mit dem pfälzischen Kurfürsten mit dessen folgenreicher Entscheidung in Verbindung gebracht wurde, sich nach dem Prager Fenstersturz an die Seite der böhmischen Aufständischen zu stellen. Viele britische Historiker des 19. Jahrhunderts betrachteten die Verbindung der beiden Adelshäuser in religiösen Begriffen, nämlich als Ausdruck eines gemeinsamen Kampfes für die „protestantische Sache“; ähnliche Ansichten finden sich auch in den deutlich konfessionell gefärbten Arbeiten deutscher Historiker derselben Zeit, deren Werke wiederum die hauptsächlichen Quellen ihrer britischen Fachkollegen darstellten.9 Die Vorstellung vom Dreißigjährigen Krieg als einem Religionskrieg harmonierte zudem mit der protestantischen Meistererzählung, die hinter einem großen Teil der Historiografie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts stand und der zufolge die Reformation mitsamt ihren Folgen als Befreiung vom katholischen Joch gedeutet wurde. Dieselbe progressive Entwicklungslinie ließ sich aber auch ohne konfessionelle Einfärbung zeichnen, nämlich als rein säkularer Modernisierungsprozess. In einer neueren Darstellung wird der Dreißigjährige Krieg so zur „Entwicklungs- oder … Modernisierungskrise“ der europäischen Zivilisation, zu einem „Inferno“, das die moderne Welt hervorgebracht habe.10 Es ist ein Gemeinplatz der geschichts- und politikwissenschaftlichen Literatur, dass der Westfälische Friedensschluss am Ursprung jenes Systems souveräner Staaten stehe, das in den kommenden Jahrhunderten die zwischenstaatlichen Beziehungen auf der ganzen Welt prägen sollte und deshalb auch als das Westfälische Staatensystem bekannt ist. Unter Militärhistorikern gelten Schlüsselfiguren wie Gustav Adolf gemeinhin als die „Väter“ der modernen Kriegführung. Auf politischer Ebene, heißt es, habe der Dreißigjährige Krieg die Ära des Absolutismus eingeläutet, die das Schicksal weiter Teile Europas bis zur Französischen Revolution bestimmt habe. Die Europäer ihrerseits exportierten ihre Konflikte in die Karibik, nach Brasilien, Westafrika, Mosambik, Ceylon, Indonesien, weit über

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den Atlantik und den Pazifik. Das Silber, mit dem die Soldaten des katholischen Europa entlohnt wurden, förderten indigene Mexikaner, Peruaner und Bolivianer unter entsetzlichen Bedingungen aus den Minen Südamerikas; viele Tausende von ihnen sollten deshalb zu den Opfern des Dreißigjährigen Krieges gezählt werden. Afrikanische Sklaven plagten sich auf den Plantagen niederländischer Zuckerrohrpflanzer, deren saftige Gewinne zur Finanzierung des Unabhängigkeitskampfes ihrer Republik gegen die Spanier beitrugen, neben Einnahmen aus dem Ostseegetreidehandel und der Befischung der Nordsee. Oft dominiert in der englischsprachigen Forschung zum Dreißigjährigen Krieg mittlerweile das Interesse an diesem weiteren Kontext; die Geschehnisse innerhalb des Heiligen Römischen Reiches werden entsprechend als Teil eines größeren Machtkampfes zwischen Frankreich, Schweden und den englischen, niederländischen und deutschen Protestanten auf der einen Seite und den Kräften der spanisch-habsburgischen Hegemonie auf der anderen dargestellt. Nach dieser Lesart war der Krieg innerhalb des Reiches entweder von Anfang an nur das „Anhängsel“ eines größeren Konflikts – oder wurde es doch spätestens, sobald in den 1630er-Jahren Schweden und Frankreich in Deutschland eingriffen. Ein führender britischer Vertreter dieser internationalen Perspektive auf den Dreißigjährigen Krieg hat deshalb die national fokussierte Auffassung in Teilen der älteren Geschichtsforschung zurückgewiesen und insbesondere manchen deutschen Historikern vorgeworfen, sich provinziell zu gebärden, neigten sie doch dazu, „den Krieg fast ausschließlich unter lokalem und regionalem Blickwinkel darzustellen“. Dennoch bleibt auch die „internationale Schule“ tief von der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts geprägt: etwa, indem sie den Ausbruch des Konflikts als unvermeidlich darstellt und den weiteren Kriegsverlauf als stetige Eskalation von Gewalt und konfessionellem Ressentiment beschreibt.11

Was dieses Buch will Das Geschehen des Dreißigjährigen Krieges war außerordentlich komplex. Die angesprochenen Interpretationsprobleme ergeben sich aus dem Versuch, diese Komplexität zu reduzieren und das Kriegsgeschehen zu vereinfachen – meist durch die übermäßige Betonung einer einzelnen Facette des Konflikts zulasten aller anderen. Das vorliegende Buch soll, erstens, die unterschiedlichen Aspekte wieder miteinander verknüpfen, und zwar durch den ihnen gemeinsamen Bezug zur Reichsverfassung. Der Krieg innerhalb der Reichsgrenzen hing mit anderen Konflikten zusammen, aber er blieb doch immer klar umrissen. Selbst außerhalb des Heiligen Römischen Reiches waren viele Zeitgenossen der An-

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sicht, es sei ein und derselbe Krieg, der mit dem Böhmischen Aufstand begann und mit dem Westfälischen Frieden endete. In den frühen 1620er-Jahren begannen sie, von einem „fünfjährigen“ oder „sechsjährigen Krieg“ zu sprechen, und so zählten sie bis 1648 immer weiter.12 Gleichwohl betraf der Konflikt ganz Europa, und die europäische Geschichte wäre wohl sehr viel anders verlaufen, wenn es den Dreißigjährigen Krieg nicht gegeben oder dieser zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Unter den führenden Mächten Europas blieb allein Russland unbeteiligt. Sowohl Polen als auch das Osmanische Reich übten beträchtlichen Einfluss aus, ohne direkt einzugreifen. Den Niederländern gelang es gerade so, ihren eigenen Kampf gegen die Spanier von dem gesamteuropäischen Geschehen getrennt zu halten; zugleich bemühten sie sich aber, das Geschehen im römisch-deutschen Reich durch begrenzte, indirekte Hilfeleistungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das Engagement der englisch-schottischen Krone auf dem Kontinent war substanzieller; ein formeller Kriegseintritt fand jedoch gleichfalls nicht statt. Frankreich und Spanien mischten sich zwar ein, trennten ihre Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg allerdings deutlich von dem Konflikt, den sie zur selben Zeit gegeneinander ausfochten; dieser hatte seine eigenen Ursprünge und sollte nach 1648 noch elf weitere Jahre andauern. Dänemark und Schweden waren vollwertige Kriegsparteien, obgleich ihre Beteiligung kaum etwas mit den Ursprüngen des Konflikts zu tun hatte. Auch andere benachbarte Territorien, wie etwa Savoyen oder Lothringen, wurden in die Auseinandersetzung hineingezogen, ohne darüber ihre eigenen Ziele und lokalen Streitigkeiten aus dem Blick zu verlieren. Die zweite Hauptthese der vorliegenden Studie ist diese: Der Dreißigjährige Krieg war nicht in erster Linie ein Religionskrieg.13 Religion und Konfession stellten wirkmächtige Identifikationsmerkmale dar, keine Frage; doch mussten sie sich dabei gegen politische, soziale, sprachliche, geschlechtliche und andere Unterscheidungen durchsetzen. Die meisten zeitgenössischen Beobachter sprachen von kaiserlichen, bayerischen, schwedischen oder böhmischen Truppen, nicht von katholischen oder protestantischen – überhaupt sind „katholisch“ und „protestantisch“ anachronistische Kennzeichnungen, die sich seit dem 19. Jahrhundert aus Gründen der Bequemlichkeit eingebürgert haben, um zu einer einfacheren Darstellung des Geschehens zu gelangen. Der Dreißigjährige Krieg war nur insofern ein Religionskrieg, als der Glaube in der Frühen Neuzeit das leitende Prinzip in allen Bereichen öffentlichen oder privaten Handelns lieferte. Um den tatsächlichen Zusammenhang zwischen dem militärischen Konflikt und den theologischen Streitigkeiten innerhalb des Christentums zu verstehen, müssen wir zwischen militanten und gemäßigten Gläubigen unterscheiden. Fromm waren sie jedoch alle, und wir sollten die Moderaten unter ihnen nicht gleich für

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die rationaleren, vernünftigeren oder gar säkulareren Menschen halten. Der Unterschied zwischen Moderaten und Militanten lag nicht im Ausmaß ihres religiösen Eifers, sondern darin, wie eng Glauben und Handeln für sie miteinander verbunden waren. Alle waren sie davon überzeugt, dass ihre eigene Spielart des christlichen Glaubens die einzig seligmachende sei, dass sie allein zur Richtschnur in allen Fragen der Gerechtigkeit, der Politik und des alltäglichen Lebens tauge. Die Moderaten allerdings waren pragmatisch gesinnt; für sie stellte die ersehnte Wiedervereinigung aller Christen in einer einzigen Kirche eher ein grundsätzliches Fernziel als ein konkretes Handlungsmotiv dar. Ganz anders die Militanten: Ihnen schien dieses Ziel bereits in Reichweite, und so waren sie nicht nur gewillt, zu seiner Erreichung Gewalt statt guter Worte einzusetzen, sondern verspürten dazu sogar einen göttlichen Auftrag. Die biblische Botschaft sprach zu ihnen mit der Stimme der Vorsehung, als Ankündigung einer bevorstehenden Endzeit, und sie setzten die Ereignisse ihrer Gegenwart in einen direkten Zusammenhang mit dem biblischen Text. Für sie war der Konflikt ein Heiliger Krieg – ein kosmischer Showdown zwischen Gut und Böse, in dem der Zweck fast jedes Mittel heiligte. Wie wir noch sehen werden, blieben die Militanten in der Minderheit. Den Krieg erlebten sie meist als Beobachter oder als Opfer von Kampf und Vertreibung. Dennoch erwies sich, damals wie heute, Militanz genau dann als besonders gefährlich, wenn sie mit politischer Macht in eins fiel. Dann nämlich erzeugt sie bei den Herrschenden das wahnhafte Gefühl, sie seien Gottes Auserwählte, erfüllten Gottes Willen und dürften schließlich auch mit göttlichem Lohn rechnen. Wer so denkt, der glaubt an die absolute und alleinige Geltung der eigenen Normen, an die unbedingte Überlegenheit der eigenen Regierungsform und die alleinige Wahrheit der eigenen Religion. Wenn solche Fundamentalisten „die anderen“ als von Grund auf böse dämonisieren, ist das die psychologische Entsprechung zu einer militärischen Kriegserklärung, die jede Möglichkeit zu Dialog oder Kompromiss torpediert. Einmal radikalisiert meinen sie, ihre Gegner nicht mehr als Menschen behandeln zu müssen. Probleme, die sie vielleicht selbst mitverursacht haben, werden ausschließlich dem Feind in die Schuhe geschoben. Ein derart übersteigertes Selbstbewusstsein birgt freilich Gefahren für beide Seiten. Der Glaube an den göttlichen Beistand ermuntert Fundamentalisten, Risiken einzugehen. Wenn die Chancen auf Erfolg verschwindend gering erscheinen, sehen sie darin lediglich die Absicht der göttlichen Vorsehung, ihren Glauben auf die Probe zu stellen. An ihrer festen Überzeugung, dass der Sieg ihnen am Ende sicher sei, kann nichts rütteln. Eine solche Einstellung kann zu wilder Entschlossenheit oder verbissenem Widerstand führen, aber für einen langfristigen militärischen Erfolg taugt sie kaum. Fundamentalis-

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ten haben keine wirkliche Kenntnis ihrer Gegner, denn sie geben sich nicht die geringste Mühe, diese zu verstehen. Gewiss haben fundamentalistische Auffassungen einigen Schlüsselmomenten des Dreißigjährigen Krieges ihren Stempel aufgedrückt, etwa dem Prager Fenstersturz oder der Entscheidung des pfälzischen Kurfürsten, sich dem Böhmischen Aufstand anzuschließen. Der Einfluss militanter Kräfte mag bisweilen in einem Missverhältnis zu ihrer tatsächlichen Zahl gestanden haben; das heißt aber nicht, dass wir den ganzen Konflikt durch ihre Augen betrachten und interpretieren sollten. Die dritte entscheidende These dieses Buches ist, dass der Dreißigjährige Krieg keineswegs unvermeidlich war. Der Einfluss ökologischer und ökonomischer Probleme auf das gesamteuropäische Kriegsgeschehen im 17. Jahrhundert ist bestenfalls marginal gewesen. Es war ja auch nicht so, dass tatsächlich der gesamte Kontinent von einer Welle der Gewalt überrollt worden wäre: Weite Teile des Heiligen Römischen Reiches blieben nach 1618 friedlich, obwohl sie bestimmte fundamentale Probleme mit den Kriegsgebieten gemein hatten; erst als der Konflikt 1631/32 eskalierte, brach die Gewalt sich hier ebenfalls Bahn. Auch aus dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, der die Spannungen der Nachreformationszeit beilegen sollte, ergab sich nicht zwangsläufig gleich ein Krieg. Zwar folgten ihm einige wenige, über das gesamte Reich verstreute Gewaltausbrüche, aber vor 1618 eben doch kein allgemeiner Konflikt. Wir sprechen hier immerhin von der auf lange Zeit längsten Friedensperiode der neueren deutschen Geschichte – erst 2008, 63 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sollte dieser Rekord gebrochen werden! Was das bedeutet, wird noch deutlicher, wenn wir dem relativen Frieden im Heiligen Römischen Reich des späteren 16. Jahrhunderts etwa die brutalen Bürgerkriege gegenüberstellen, die von den 1560er-Jahren an Frankreich und die Niederlande erschütterten. Angesichts des großen Erfolges der Augsburger Regelung von 1555 erscheint der allgemeine Kriegsausbruch ab 1618 umso erklärungsbedürftiger. Der erste Teil dieses Buches soll eine solche Erklärung liefern; außerdem legt er die allgemeine Situation im damaligen Europa dar und stellt die Hauptproblematik sowie zahlreiche Hauptfiguren des Dreißigjährigen Krieges vor. Im zweiten Teil folgt dann eine weitgehend chronologische Betrachtung der Kriegsereignisse, wobei dem Geschehen ab 1635, das in der bisherigen Forschung zu Unrecht vernachlässigt worden ist, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird – wer die Jahre nach 1635 außer Acht lässt, wird nie verstehen, warum ein Friedensschluss lange Zeit unerreichbar blieb. Die abschließenden Kapitel beleuchten die politischen Konsequenzen des Dreißigjährigen Krieges, seine immensen Kosten (an Material und Menschenleben) sowie die Frage, was der Krieg bedeutete – für jene, die ihn erlebten, aber auch für nachfolgende Generationen.

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2. Aufruhr im Herzen der Christenheit Das Heilige Römische Reich

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uch vor 1618 war das Geschehen im Heiligen Römischen Reich durchaus nicht undramatisch – aber das Drama, von dem hier die Rede ist, war doch eher im Gerichtssaal als auf dem Schlachtfeld angesiedelt. Die Mitteleuropäer des 16. Jahrhunderts sahen sich in diverse langfristige – und oft auch langatmige – Rechtsstreitigkeiten verwickelt, die von späteren Generationen als ermüdend und belanglos abgetan worden sind. Stattdessen verdichtete man die Jahrzehnte vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges zu einem griffigen Narrativ, demzufolge es eine fortschreitende, konfessionelle wie politische Polarisierung gewesen sei, die unausweichlich zum Krieg geführt habe. Da es mitunter sehr schwerfällt, die Komplexitäten des Alten Reiches angemessen darzustellen, ist ein solches Vorgehen nur zu verständlich. Im 18. Jahrhundert musste selbst der unermüdliche Johann Jakob Moser (der neben seiner Juristenkarriere auch noch die Zeit fand, 600 protestantische Kirchenlieder zu schreiben und acht Kinder großzuziehen) seine Gesamtdarstellung der Reichsverfassung nach immerhin mehr als 100 Bänden abbrechen. Anscheinend besteht die einzige Möglichkeit, sich dem Problem zu nähern, tatsächlich darin – wie T. C. W. Blanning so treffend bemerkt hat –, eine Vorliebe für das Anomale zu kultivieren, denn das Alte Reich und seine Teile passten in keine denkbare Schublade.14 In eine ähnliche Richtung geht die viel zitierte Einschätzung des Naturrechtsphilosophen Samuel Pufendorf, der 1667 erklärte, das Reich sei weder eine „reguläre Monarchie“ noch eine Republik, sondern sei „unregelmäßig“ und gleiche einem „Monstrum“. Doch vielleicht bietet eine andere zeitgenössische Metapher den besseren Ausgangspunkt für weitere Überlegungen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts begannen Naturphilosophen wie René Descartes, die Welt auf mechanische Weise zu erklären. Alles, lebendige Wesen wie die Bewegung der Himmelskörper, interpretierten sie als komplexe mechanische Apparate. Vor diesem ideengeschichtlichen Hintergrund erscheint das Alte Reich als ein träger, sperriger Schwertransporter, in dessen Innerem gleichwohl eine ausgefeilte und komplizierte, dabei überraschend robuste Maschinerie von Gewichten und Gegengewichten ihr Werk tat. Die Könige von Frankreich, Schweden und Dänemark mochten mit ihren Schwertern auf dieses Gefährt einschlagen, indessen der osmanische Sultan es mit seinem Szepter traktierte: So zerbeulten sie vielleicht seine äußere Hülle und brachten auch ein

2. Aufruhr im Herzen der Christenheit

paar der empfindlicheren Teile im Inneren durcheinander – aber den gemächlichen, schwerfälligen Gang des großen Ganzen hielten sie nicht auf. Mauern, Türme, Herrschaftssitze Was diesen Koloss vorantrieb, war die harte Arbeit von Millionen von Kleinbauern und anderen einfachen Leuten, die in den 2200 Städten, den mindestens 150 000 Dörfern, den zahlreichen Mönchsund Nonnenklöstern sowie anderen Gemeinschaften im ganzen römisch-deutschen Reich lebten. Dort, auf der Ebene der Gemeinschaften, spielte sich das wirkliche Leben ab: Menschen heirateten, bekamen Kinder, gaben und nahmen Arbeit, brachten die Ernte ein, stellten Waren her und trieben Handel. Diese Gemeinschaften sind es auch, die Matthäus Merians berühmte Kupferstichsammlung Topographia Germaniae dominieren, ein monumentales Verlagsvorhaben, das zur Hochzeit des Krieges in den 1630er-Jahren begonnen und erst 40 Jahre später abgeschlossen wurde.15 Die zuletzt 30 Bände der Topographia enthalten kaum eine Schilderung der natürlichen Umgebung, sondern versammeln, nach Gegenden gruppiert und alphabetisch geordnet, Beschreibungen all jener Ortschaften, die Merian und seine Mitarbeiter entweder selbst besucht oder von denen sie gehört oder gelesen hatten. Die zahlreichen beigegebenen Kupferstiche liefern mit ihren Mauern, Kirchtürmen und Herrschaftsbauten eine perfekte Veranschaulichung der drei Elemente, aus denen sich jedes der abgebildeten Gemeinwesen zusammenfügte, und lassen zudem erkennen, wie diese mit den Machtstrukturen des gesamten Reiches zusammenhingen. In der Darstellung wird jeder Ort deutlich von der ihn umgebenden Landschaft abgesetzt; die Merian-Ansichten zeigen die Stadtgemeinschaft in ihrem klar umgrenzten sozialen Raum. Die meisten der gezeigten Städte und Siedlungen liegen an Flüssen, die für die Kommunikation mit dem Rest der Welt unerlässlich waren, aber auch zur Abfallentsorgung und als erste Barriere gegen Angreifer dienten. Anders als die meisten heutigen Flüsse folgten die Flüsse des 17. Jahrhunderts noch ihrem natürlichen Lauf. Während der Schneeschmelze oder nach starkem Regen schwollen sie an, traten über die Ufer und ergossen sich über Auen und Niederungen. Größere Flüsse änderten mit der Zeit ihren Lauf, schufen Inseln und Nebenarme, die kluge Brückenbauer in die Planung ihrer weit gespannten Meisterwerke einbezogen. Aus dem Mittelalter stammende Mauern umschlossen Städte und größere Dörfer, nach außen oft ergänzt durch einen Verteidigungsgraben, der mit dem Wasser aus Flüssen und Bächen gefüllt wurde. Zu diesen hohen, aber vergleichsweise dünnen Mauern mit ihren markanten Türmen und Torwerken gesellten sich mit der Zeit weitere, modernere Verteidigungsanlagen, die vor der Stadt angelegt wurden, um diese vor Artilleriebeschuss zu schützen. Einige Städte hatten sich schon im 16. Jahrhundert der-

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TEIL I: Die Anfänge

artige Befestigungen zugelegt, aber in den meisten Fällen geschah dies erst in den zunehmend kriegsgeprägten 1620er-Jahren – entweder durch völlige Neubauten oder durch die Modernisierung bestehender Anlagen. Die nunmehr dicken, gedrungenen Festungswälle mit ihren mächtigen, steinernen Bastionen erstreckten sich in einigem Abstand rings um den mittelalterlichen Stadtkern. Neuere Vorstädte schlossen sie bisweilen ein, mitunter wurden diese aber auch rigoros niedergerissen, um ein rundherum freies Schussfeld zu erhalten. Nur ein geübtes Auge konnte die ausgeklügelten geometrischen Muster erkennen, mit denen die neuen Befestigungsanlagen die Landschaft überzogen, denn das Geflecht von Wällen, Vorwerken und Gräben wurde, betrachtete man es aus Bodensicht, meist von zusätzlichen Erdwällen verdeckt, die sich bis weit in das Umland erstreckten. Bei den wenigen Gebäuden, die außerhalb der Befestigungsanlagen verblieben, handelte es sich entweder um Gewerbebauten wie Sägemühlen oder Ziegelöfen oder um kirchliche Stiftungen wie Mönchs- oder Nonnenklöster, die ihrerseits wieder eigene Gemeinschaften bildeten. Sogar kleinere Dörfer und Weiler wurden eingezäunt – einerseits, um wilde Tiere fernzuhalten, aber andererseits auch, um dem Orts- und Heimatgefühl der Bewohner Ausdruck zu verleihen. Die Stadttore wurden bei Einbruch der Dunkelheit verschlossen und waren selbst in vergleichsweise friedlichen Zeiten stets bewacht. Wer sie durchschritt, wurde nach dem Woher und Wohin seines Weges gefragt; mitgeführte Waren mussten nicht selten verzollt werden. Die Stadtmauern – genauer gesagt: die Schwierigkeit ihrer Erweiterung und die damit verbundenen hohen Kosten – sorgten dafür, dass sich in ihrem Inneren die Häuser dicht an dicht drängten, in größeren Städten mit einem dritten oder sogar weiteren Stockwerken versehen wurden und überhaupt jeglicher verfügbare Raum – ob im Keller oder unter dem Dach – genutzt wurde. Stein oder Backstein kamen oft nur im Erdgeschoss zum Einsatz; den Rest des Hauses errichtete man als Fachwerkbau. Feuer war eine ständige Gefahr und richtete oft wesentlich größeren Schaden an als der Krieg. Die Enge in den Städten schärfte so auch die Neugier und Wachsamkeit ihrer Bewohner: Ein allzeit betrunkener Nachbar war nicht nur ein Ärgernis, sondern im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich. Zudem waren die Gemeinwesen der Frühen Neuzeit nur in den seltensten Fällen groß genug, um auch nur den Anschein von Anonymität zuzulassen. Das gesellschaftliche Leben spielte sich weitgehend von Angesicht zu Angesicht ab, und Fremde oder Außenseiter zogen Blicke, Erkundigungen, nicht selten auch Verdächtigungen auf sich. Das Herannahen des Krieges brachte ganze Scharen von bewaffneten Fremden, die von den Hügeln oder aus dem Dunkel der Wälder in Richtung der Siedlungen zogen. Sie sprachen ungewohnte Dialekte, vielleicht sogar fremde Sprachen. Jeder neue Soldatentrupp bedeutete weitere hungrige

2. Aufruhr im Herzen der Christenheit

Mäuler in der Stadt; oft waren es am Ende mehr Soldaten als Stadtbewohner, die verpflegt sein wollten. Stellte man sich dem Eindringen der fremden Truppen entgegen, riskierte man die Beschädigung oder gar Zerstörung wohlvertrauter Bauten. Schlugen die Soldaten eine Bresche in die Mauer, war der Schutzraum der Stadtgemeinschaft verletzt. Der folgende Einfall endete für gewöhnlich in Plündern, Brandschatzen und Schlimmerem. Die Kirchtürme, die sich so imposant über die Mauern und Dächer der Stadt erhoben, verwiesen auf eine zweite, spirituelle Dimension der Siedlung, die immer auch eine Gemeinschaft der Gläubigen war. Kirchen wurden in der Regel aus Stein errichtet und zählten zu den größten Bauten am Ort. In den Kupferstichen Merians sind sie mit großer Sorgfalt abgebildet und beschriftet; jede Kirche wird dort mit ihrem Namen bezeichnet, die bedeutenderen unter ihnen erhalten manchmal sogar eine eigene Bildtafel. Selbst eher kleine Städte konnten vier oder mehr Kirchen haben, die jeweils das Zentrum eines Pfarrbezirks bildeten. Größere (Kirch-)Dörfer deckten auch den Seelsorgebedarf der umliegenden Weiler, mit Mönchs- und Nonnenklöstern standen weitere Gotteshäuser bereit. Die Anzahl und Größe dieser Bauten belegt nicht nur die große Bedeutung des Glaubens in der damaligen Zeit, sondern auch die wirtschaftliche Stärke einer frühneuzeitlichen Amtskirche, die in allen maßgeblichen Gemeinwesen vertreten war. Die andere Sorte von Gebäuden, die ein Reisender schon von fern entdeckt haben würde, waren die repräsentativen Bauten der weltlichen Macht. Rathäuser, Paläste oder Vogteien waren die neben den Kirchen größten Gebäude in den Städten der Frühen Neuzeit. Sie waren in der Regel weit massiver konstruiert als gewerblich genutzte Gebäude; wesentlich schmuck- und eindrucksvoller waren sie ohnehin. Wie die Kirchen standen auch sie symbolisch für alle Einwohner: sowohl als klar umrissene Gemeinschaft von Ortsansässigen wie auch als Angehörige eines größeren Gemeinwesens. Die Städte und die meisten Dörfer erfreuten sich einer beträchtlichen Autonomie, was die Regelung ihrer inneren Angelegenheiten betraf, die in den Händen von gewählten Vertretern der wahlberechtigten Einwohnerschaft lag; wahlberechtigt waren in der Regel männliche, verheiratete Hausbesitzer und Familienväter. Die Befugnisse der gewählten Gemeindevertreter konnten sich im Einzelnen stark unterscheiden, umfassten aber in der Regel die niedere Gerichtsbarkeit, begrenzte Vollmachten zur Erhebung von Abgaben und Diensten für gemeinschaftliche Aufgaben sowie die Verwaltung und Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Besitzes an Grund und Gütern. Entscheidend war, dass zu diesen Befugnissen meist das Recht gehörte, über die Niederlassung ortsfremder Personen zu entscheiden sowie all jene zu bestrafen, die gegen die Regeln der Gemeinschaft verstießen. Dennoch war kei-

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ne Dorf- oder Stadtgemeinschaft vollkommen autark: Jeder, der ein Rathaus, den Amtssitz eines Dorfvorstehers oder ein anderes zentrales Verwaltungsgebäude aufsuchte, würde dort ein geschnitztes, gemeißeltes oder aufgemaltes Wappen vorfinden, das auf eine höhere Macht als die der städtischen oder dörflichen Obrigkeit verwies – eine höhere Macht, der ebenjene Rechenschaft schuldig war. Die Reichsverfassung war es, die Tausende von Städten, Dörfern und anderen Gemeinschaften in einem hierarchisch geordneten System überlappender Jurisdiktionen miteinander verknüpfte. Obwohl sich der Titel von Merians Topographia Germaniae auf Deutschland zu beziehen scheint, ist ihr Gegenstand doch das Heilige Römische Reich – ein Gebiet, das auf einer Fläche von noch immer rund 680 000 Quadratkilometern nicht nur das gesamte heutige Deutschland, Österreich, Luxemburg und Tschechien umfasste, sondern weite Teile Westpolens sowie Lothringen und das Elsass, die heute in Frankreich liegen, noch dazu. Obwohl sie in Merians Topographia fehlen, waren auch die heutigen Niederlande und Belgien um 1600 noch größtenteils mit dem Heiligen Römischen Reich verbunden, genauso wie – auf einer Fläche von weiteren 65 000 Quadratkilometern – diverse Territorien in Oberitalien; in den Institutionen des Reiches waren diese Gebiete gleichwohl nicht vertreten.16 Der Kaiser und die Fürsten Das Reich als Ganzes symbolisierte das spätmittelalterliche Ideal einer geeinten Christenheit. Sein Herrscher war der einzige christliche Monarch, der den Kaisertitel trug, was ihn über alle anderen gekrönten Häupter des Abendlands erhob. Der kaiserliche Anspruch auf die weltliche Oberherrschaft in Europa entsprang der Vorstellung, das Heilige Römische Reich stelle die lückenlose Fortsetzung des Römischen Reiches der Antike dar und sei somit, wie dieses, mit dem letzten der vier großen Weltreiche zu identifizieren, die im biblischen Buch Daniel prophezeit worden waren. Dieses Ideal einer allumfassenden Herrschaft war jedoch von den Schauplätzen ihrer praktischen Umsetzung, von der „Politik vor Ort“, denkbar weit entfernt – eine unmittelbare Herrschaft des Kaisers über die zahlreichen ihm untertanen Territorien war ausgeschlossen. Stattdessen wurde die kaiserliche Autorität über das Reich durch eine Stufenfolge von Zuständigkeiten und Befugnissen vermittelt, die letztlich auf mittelalterlich-feudale Ursprünge zurückging. Der Kaiser war der oberste Lehnsherr einer Heerschar ihm untergebener, geringerer Autoritäten, die untereinander ebenfalls durch Lehnseide verbunden waren. Mit der Zeit waren die Rangunterschiede zwischen den verschiedenen Fürsten des Reiches immer schärfer hervorgetreten, insbesondere weil sich das Reich in den Jahren nach 1480 einer Vielzahl von inneren wie äußeren Problemen hatte stellen müs-

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sen. Namentlich war es zu einer grundsätzlichen Trennung gekommen zwischen jenen Autoritäten, Fürsten und anderen, die dem Kaiser direkt unterstellt waren – die reichsunmittelbar waren –, und jenen mittelbaren Reichsständen, die einer dem Kaiser nachgeordneten Instanz unterstanden. Die reichsunmittelbaren Landesherren waren im Besitz kaiserlicher Volllehen (Reichslehen), die ihnen der Kaiser in seiner Eigenschaft als ihr Lehnsherr verliehen hatte. Diese setzten sich in der Regel aus mehreren sogenannten Unter- oder Afterlehen zusammen, die ihrerseits von Lehnsleuten der reichsunmittelbaren Landesherren – mittelbaren Lehnsleuten des Kaisers also – gehalten wurden, oder aus Jurisdiktionen, die andere, dem kaiserlichen Lehnsnehmer untergebene Körperschaften innehatten. Auf diese Weise waren Städte, Dörfer und andere Gemeinschaften durch ein komplexes, juristisch und politisch definiertes Netz von Rechten, Privilegien und Machtbefugnissen miteinander verknüpft. Diese Rechte wiederum verliehen ihren Inhabern Anspruch darauf, von ihren Untergebenen respektiert und loyal unterstützt zu werden, sowohl materiell als auch mit Dienstleistungen. Der Grundherr eines Dorfes etwa, dem dort auch die (niedere) Gerichtsbarkeit zukam, durfte von dessen Bewohnern Folgsamkeit und Treue erwarten, dazu einen Anteil ihrer Ernte sowie – in einem bestimmten Umfang – auch ihrer Zeit und Arbeitskraft zur Erfüllung gewisser Aufgaben. Im Gegenzug erwartete man von ihm, dass er seine Untertanen gegen äußere Übel verteidigen, ihr Gemeinwesen als solches auch im weiteren Rahmen des Reiches beschützen sowie – im Innern – Streitigkeiten schlichten und ernstere Probleme lösen werde. Die Bedeutung einer solchen Gemeinschaft als sozialer und politischer Raum ging damit einher, dass alle diese Rechte letztlich im Grund und Boden verwurzelt waren: Wem sie zukamen, der hielt auch die Macht über das dazugehörige Gebiet in Händen. Herrschaftstitel verschiedener Herkunft und Qualität schlossen sich dabei nicht zwangsläufig aus: Wer im Besitz eines reichsunmittelbaren, mithin vom Kaiser verliehenen Lehens war, konnte zugleich auch Lehnsnehmer eines anderen Adligen sein. Auch hatte der große Einfluss und Reichtum der Kirche ein Heer von geistlichen Herren hervorgebracht, die traditionell eine enge Verbindung zum Kaisertum pflegten und sich deshalb gemeinsam auch als „Reichskirche“ betrachteten. Die materielle Grundlage dieser Reichskirche bestand in den Siedlungen und Gütern, die ihr kraft kaiserlicher und anderer Lehen und Hoheitsrechte unterstellt waren. Allerdings waren diese territorialen Machtbefugnisse der Kirche keineswegs deckungsgleich mit ihrem geistlichen Machtbereich, der sich auch auf die Kirchsprengel in den Territorien weltlicher Herrscher erstreckte. Schließlich konnten sich mehrere Herren die Macht in ein und demselben Hoheitsbereich teilen oder innerhalb eines Geltungsbereiches je unterschiedliche Hoheitsrechte halten.

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Die meisten der beschriebenen Rechte wurden durch Erbschaft erworben und innerhalb der 50 000 bis 60 000 Adelsfamilien des Reiches weitergegeben. Die überwiegende Mehrheit dieser Familien gehörte dem Landadel an, dessen niedere Gerichtsbarkeit der höheren Gerichtsbarkeit des (wesentlich exklusiveren) reichsunmittelbaren Adels unterstellt war. Insgesamt gab es auf der obersten Ebene der Lehnsordnung etwa 180 weltliche und 130 geistliche Lehen, die zusammen die Territorien des Reiches ausmachten. Ihre Größe variierte beträchtlich, wobei kein direkter Zusammenhang zwischen der Ausdehnung eines bestimmten Territoriums und seinem politischen Einfluss bestand. In der Entstehungszeit des Heiligen Römischen Reiches hatte sich dessen Bevölkerung vor allem im Süden und Westen des deutschen Sprachraums konzentriert. Die Bevölkerungsdichte in diesen Gebieten ermöglichte es, dort eine größere Anzahl von Grundherrschaften aufrechtzuerhalten als im dünner besiedelten Norden und Osten; die letztgenannten Regionen traten erst Anfang des 16. Jahrhunderts vollständig in den Geltungsbereich der Reichsverfassung ein. Bis 1521 hatte die Konsolidierung der Reichsverfassung die weltlichen und geistlichen Herren in drei Gruppen gegliedert. Die kleinste, aber ranghöchste bildeten die sieben Kurfürsten, also jene sieben Reichsfürsten, deren Lehen in der Goldenen Bulle von 1356 mit dem exklusiven Recht verknüpft worden waren, den Kaiser zu „küren“. Die herrschende Gesellschaftsordnung räumte dem Klerus als „erstem Stand“ den Vorrang noch vor dem Adel ein – erfüllten doch die Kleriker durch ihr beständiges Gebet für das Seelenheil der ganzen Christenheit eine unentbehrliche gesellschaftliche Funktion. Der ranghöchste Kurfürst war deshalb der Erzbischof von Mainz, gefolgt von seinen Amtsbrüdern in Köln und Trier; keiner der drei herrschte über mehr als 100 000 Untertanen. Unter den weltlichen Kurfürsten stand der böhmische König an erster Stelle (Böhmen war das einzige Territorium des Reiches, das mit einer eigenen Königswürde verbunden war, siehe Kapitel 3). Das Königreich Böhmen war außerdem das größte Kurfürstentum; es erstreckte sich über 50 000 Quadratkilometer, und seine 1,4 Millionen Einwohner lebten in 102 Städten, 308 Marktgemeinden, 258 Burgen und Schlössern sowie 30 363 Dörfern und Weilern, die insgesamt 2033 Pfarrkirchen vorweisen konnten. Das zweitgrößte – wenn auch rangniedrigste – Kurfürstentum war Brandenburg mit 36 000 Quadratkilometern Fläche, aber nur 350 000 Einwohnern. Kursachsen war kleiner, mit rund 1,2 Millionen Einwohnern aber dichter bevölkert. Die Kurpfalz, rangmäßig an zweiter Stelle hinter den Ländern der böhmischen Krone platziert, erstreckte sich über insgesamt rund 11 000 Quadratkilometer mit etwa 600 000 Einwohnern, die sich auf zwei räumlich getrennte Territorien verteilten: die am Rhein gelegene Unter- oder Rheinpfalz sowie die nördlich des Herzogtums Bayern gelegene Oberpfalz. Zusammen herrschten die Kur-

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fürsten über etwa ein Fünftel des Gebietes und rund ein Sechstel der Bewohner des Heiligen Römischen Reiches. Die restlichen Reichslehen lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen. Zu der ersten gehörten 50 geistliche und 33 weltliche Lehen, deren Inhaber im Fürstenrang standen (wobei ihre konkreten Titel und Adelsprädikate vom Bischof und Erzbischof über den Herzog bis zum Landgrafen und Markgrafen reichten). Die Lehen der weltlichen Fürsten wurden formal durch Erbschaft oder Kauf erworben; in beiden Fällen war die Zustimmung des Kaisers nötig, um die Übertragung zu legitimieren. Die geistlichen Fürsten wurden von den Dom- oder Stiftskapiteln der jeweils bedeutendsten Kirche ihres Territoriums gewählt. Auch dabei musste, zumindest der Form nach, der Kaiser sowie in diesem Fall zusätzlich der Papst seine Zustimmung geben. Die Anzahl der Reichsfürsten lag stets unter der Gesamtzahl der Reichslehen, da sowohl die Kurfürsten zusätzliche Lehen an sich ziehen konnten als auch andere Reichsfürsten mehr als ein Reichslehen zur selben Zeit halten konnten; selbst Fürstbischöfe besetzten zuweilen mehr als einen Bischofsstuhl zugleich. Unter den Fürstendynastien des Reiches erwiesen sich die Habsburger als die Geschicktesten, was diese Art der Einflussmaximierung betraf: Schließlich herrschten sie nicht nur über ihre österreichischen Erblande, sondern auch über das Königreich Böhmen mit seinen Nebenländern sowie über ihre 17 niederländischen Provinzen – alles in allem über ein Territorium von 303 000 Quadratkilometern, was rund 40 Prozent der Gesamtfläche des Heiligen Römischen Reiches entspricht. Einschließlich der 1526 unter habsburgische Herrschaft gekommenen ungarischen Gebiete lag die Zahl der habsburgischen Untertanen um 1600 bei über sieben Millionen – gegenüber rund 17 Millionen Einwohnern im restlichen Reichsgebiet. Diese Hausmacht war es, die den Habsburgern zwischen 1438 und dem Ende des Alten Reiches 1806 im Ringen um den Kaiserthron eine beinah unangefochtene Monopolstellung sicherte. Den anderen Fürsten, von denen die wenigsten über mehr als 100 000 Untertanen geboten, waren die Habsburger haushoch überlegen. Zur zweiten Klasse von Reichslehen, der etwa 220 Lehnsnehmer angehörten, zählten wesentlich kleinere Territorien, deren Inhaber nicht im Fürstenrang standen. Sie waren Grafen, Prälaten oder sonstige Herren; selten hatten sie mehr als ein paar Tausend Untertanen. Daneben gab es noch rund 400 niederadlige Familien – Ritter und Freiherren –, die als Reichsritterschaft zusammen 1500 weitere kaiserliche Lehen hielten. Jeweils für sich betrachtet, waren ihre Herrschaften auch nicht größer als die des – wesentlich zahlreicheren – landständischen Adels, dem der Distinktionsgewinn der Reichsunmittelbarkeit versagt geblieben war, und bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts spielte der reichsritterschaftliche Adel in der Politik des Reiches keine nennenswerte Rolle mehr.

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Die Reichsstädte Die übergroße Mehrheit der Stadt- und Landgemeinden unterstand in der ein oder anderen Form fremder Jurisdiktion, doch eine Minderheit blieb von herrschaftlicher Lenkung und Kontrolle frei. An erster Stelle sind hier die etwa 80 „Freien und Reichsstädte“ zu nennen, die größtenteils in Schwaben und Franken lagen, den alten Kernlanden des Reiches im Süden und Westen. Zu ihnen zählten die meisten urbanen Zentren des Reiches, namentlich Augsburg, mit rund 48 000 Einwohnern größte Stadt des Reiches und etwa viermal so groß wie Berlin zur selben Zeit. Augsburg führte eine kleine Spitzengruppe aus Nürnberg, Hamburg, Köln, Lübeck und Straßburg an, die jeweils rund 40 000 Einwohner hatten. Es folgten Städte wie Frankfurt, Bremen, Ulm und Aachen mit jeweils rund 20 000 Einwohnern sowie eine wesentlich größere Anzahl von Reichsstädten wie Nordhausen, Heilbronn, Rothenburg oder Regensburg, deren Einwohnerzahl unter 10 000 lag. Die meisten zählten sogar weniger als 4000 Einwohner, obwohl manchen (wie etwa Schwäbisch Hall) eine stattliche Anzahl von Dörfern der Umgebung unterstand. Der Einfluss der Reichsstädte beruhte zum Teil auf ihrer unmittelbaren Beziehung zum Kaisertum, die sie vor der Eingliederung in die umgebenden Territorien bewahrte. Jeder, der im Jahr 1619 den Vogt des Dorfes Eriskirch am Bodensee aufsuchte, erblickte über dem Portal des Amtshauses das Emblem der Reichsstadt Buchhorn, des heutigen Friedrichshafen (das noch immer dasselbe Wappen führt). Das „redende“ buchhornische Wappen – eine Buche und ein Signalhorn – zeigte an, dass Eriskirch unter der Herrschaft der nahe gelegenen Reichsstadt stand, die das Dorf 1472 erworben hatte. Der prominent darüber platzierte Reichsadler symbolisierte die Loyalität der Buchhorner Bürgerschaft zu Kaiser und Reich, wobei der doppelköpfige Reichsadler für die Verbindung der Kaiserkrone mit dem römisch-deutschen Königtum stand. Rund um den Reichsadler war die Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies zu sehen, eines 1429 zum Schutz und zur Verteidigung der Kirche gestifteten, ursprünglich burgundischen Ritterordens. Die Aufnahme in den Orden vom Goldenen Vlies war die höchste Auszeichnung, die die Habsburger zu vergeben hatten; sie unterstrich den Anspruch ihrer Familie auf die traditionelle Rolle des Kaisers als Hüter der Christenheit. Auf der Brust des Adlers verwies der Bindenschild in den rot-weiß-roten Farben Österreichs noch einmal auf die Habsburger, auf deren Anspruch auf die Kaiserkrone und die Zugehörigkeit der Stadt Buchhorn zu dem habsburgisch regierten Reich.17 Die Reichsverfassung Der Kaiser und seine Vasallen teilten sich die Lenkung des Reiches, doch angesichts des hierarchischen Charakters der Reichsverfassung konnten die damit verbundenen Rechte und Pflichten nur ungleich verteilt sein. Der Kaiser war oberster Lehnsherr und Souverän; er verfügte über eine

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beträchtliche Anzahl von Hoheitsrechten, die sich nicht von seiner Herrschaft über bestimmte Territorien herleiteten, sondern direkt mit der Kaiserkrone verbunden waren. Unter diesen stachen die sogenannten Reservatrechte hervor, die der Kaiser ohne Mitwirkung oder Zustimmung des Reichstages ausüben durfte. Der genaue Umfang der kaiserlichen Vorrechte blieb absichtlich vage – schließlich hätte eine rechtliche Festlegung den misslichen Eindruck erweckt, dem universalen Herrschaftsanspruch des Kaisers seien irgendwelche Grenzen gesetzt. Allerdings sahen sich der Kaiser und die reichsunmittelbaren Fürsten gezwungen, zur besseren Bewältigung dringlicher Aufgaben die Einzelheiten ihrer Lehnsbeziehung genauer zu bestimmen. Hierdurch entstanden zusätzliche Autoritäten auf diversen niederen Ebenen der Reichshierarchie, die zwischen dem Kaiser und den einzelnen Bestandteilen seines Reiches vermittelten. Wenn mit der Kaiserkrone auch ein habsburgisches Quasi-Monopol verbunden schien, so musste die Betonung doch auf dem „Quasi-“ liegen: Einen tatsächlichen Rechtsanspruch auf den Thron besaßen die Habsburger nicht. Stattdessen mussten sie vor jeder Kaiserwahl mit den Kurfürsten verhandeln, um die Bestätigung des jeweils nächsten habsburgischen Thronanwärters sicherzustellen. Man konnte die Kurfürsten nämlich dazu bewegen, einen bereits vorab designierten Kaiser anzuerkennen, der als „erwählter römischer König“ bezeichnet wurde und der nach dem Tod seines Vaters die Herrschaft übernehmen würde. Andernfalls war ein Interregnum vorgesehen, dessen Einzelheiten die Goldene Bulle regelte: Die kaiserlichen Vorrechte würden in einem solchen Fall vom sächsischen (im Norden) beziehungsweise dem pfälzischen Kurfürsten (im Süden) ausgeübt, bis sich die sieben Kurfürsten innerhalb einer bestimmten Frist – die die Goldene Bulle ebenfalls festlegte – versammelt haben würden, um unter dem Vorsitz des Mainzer Kurfürsten (in seiner Eigenschaft als Reichserzkanzler) einen neuen Kaiser zu wählen. Hierfür konnte freilich nicht jeder Beliebige kandidieren; das Kaiseramt war schließlich keine repräsentative Staatspräsidentschaft auf Lebenszeit, sondern die Würde eines souveränen Monarchen. Gewisse „monarchische Qualitäten“ (nicht zuletzt der Abstammung) musste man also, dem Verständnis der Zeit entsprechend, schon mitbringen. Das Anwachsen seiner Macht und Güter prädestinierte das Haus Habsburg geradezu, einen Kaiser nach dem anderen zu stellen – schließlich autorisierten die kaiserlichen Prärogativen ihren Träger zwar, weitreichende Exekutiventscheidungen zu fällen, gaben ihm aber nur spärliche Mittel an die Hand, diese auch durchzusetzen. Die Kurfürsten erwarteten deshalb vom Kaiser, dass dieser nicht nur zur Finanzierung des kaiserlichen Hofes und diverser Reichsinstitutionen seinen eigenen Besitz aufwenden, sondern auch bei der Verteidigung des Reiches gegen die Osmanen und andere, christliche Feinde einen Großteil der

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Kosten tragen würde. Allerdings erkannten die Kurfürsten, dass Veränderungen in der Kriegführung dies zunehmend unmöglich machten, wenn nicht auch der Rest des Reiches sein Scherflein beitrug. Die Reichsfürsten und -städte sahen dies ebenfalls ein, und die Bereitschaft, Reichssteuern zu zahlen, wurde zur entscheidenden Voraussetzung der Reichsunmittelbarkeit: Wer Reichssteuern zahlte, war anders als die große Mehrheit der Grundherren und Städte, die lediglich in die Staatskassen der ihnen übergeordneten Territorien einzahlten. Zahlungen in die Reichskasse waren als „Römermonate“ bekannt – nach den Kosten der Eskorte, die Karl V. zu seiner Krönung nach Rom geleiten sollte. Ein jedes Territorium wurde nach einem Schlüssel veranlagt, durch den sein spezifischer Zahlungsanteil am Monatssold von 24 000 Soldaten festgelegt wurde. Abgaben wurden entweder als Bruchteile oder als Vielfaches dieses Basistarifs erhoben; eingetrieben wurden sie entweder als Einmalzahlungen oder in Raten über mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. Bis 1521 war die Einschreibung in das Reichssteuerregister zum entscheidenden Faktor dafür geworden, ob ein bestimmtes Territorium auf den Reichstagen vertreten war oder nicht, mithin ob es als Reichsstand anerkannt wurde oder nicht. Der Reichstag war kein Parlament im heutigen Sinne, sondern verkörperte das frühneuzeitliche Repräsentationsprinzip: Sobald es um Angelegenheiten ging, die alle betrafen, war der Monarch verpflichtet, sich mit den „edelsten“ seiner Untertanen – dem Adel – darüber zu beraten. Entsprechend der hierarchischen Gesamtstruktur des Reiches fanden die Beratungen des Reichstages in drei gesonderten Kollegien (oder Kurien) statt: Kurfürsten, Fürsten und Reichsstädte blieben in ihren Kurien jeweils unter sich. Insbesondere die Zusammensetzung des Reichsfürstenrates befand sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch im Wandel; die bestehenden Mitglieder des auch als Fürstenbank bekannten Gremiums, die über jeweils eine Virilstimme verfügten, zögerten, den wesentlich zahlreicheren Grafen und Prälaten, die sich bislang eine Handvoll Stimmen (die sogenannten Kuriatstimmen) geteilt hatten, einen gleichberechtigten Platz in ihren Reihen zu gewähren. Die Initiative im Reichstag lag beim Kaiser, der die Themen der Beratung vorschlug. Im Anschluss an diese fällten die einzelnen Kurien einen Mehrheitsentscheid, wobei der Reihe nach jeder Stimmberechtigte seine Meinung zum Gegenstand kundtat (oder durch einen bevollmächtigten Vertreter mitteilen ließ); es galt eine strenge Rangfolge. Anschließend berieten sich jeweils zwei Kollegien miteinander: In der Regel sprachen die Kurfürsten zuerst mit dem Reichsfürstenrat, bevor sie sich den Vertretern der Reichsstädte zuwandten. Wenn dann schließlich – in einem nicht selten langwierigen Prozess – ein für alle Seiten akzeptabler Kompromiss formuliert worden war, wurde dieser gemeinsame Beschluss aller drei Kurien als „Empfehlung“ dem Kaiser vorge-

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legt – und in der Tat konnte dieser frei entscheiden, ob er seine Zustimmung erteilte oder nicht. Stimmte er zu, so wurde der betreffende Entschluss als „Reichsschluss“ in den bei Ende des Reichstages erlassenen „Reichsabschied“ aufgenommen und erlangte so bindende Wirkung. Als Reaktion auf neu entstandene Probleme hatte sich das System der Reichstage nach 1480 verhältnismäßig rasch herausgebildet, und seine Gesetzgebung schuf Präzedenzfälle, die dann in die Reichsverfassung aufgenommen wurden. Wenngleich der Kaiser formal nicht verpflichtet war, den Reichstag zu konsultieren, so wurden die Reichsabschiede mit der Zeit doch zur einzigen Möglichkeit für ihn, reichsweit verbindliche Abmachungen zu treffen; außerdem erlaubten es die Reichstagsberatungen dem Kaiser, sich ein Bild von der Meinungs- und Stimmungslage unter den Reichsständen zu machen, und verliehen seinen Entscheidungen größere Legitimität. Obwohl der Reichstag eine so schwerfällige Institution war, beriefen die Kaiser des 16. Jahrhunderts doch mit einiger Regelmäßigkeit Reichstage ein, die ein insgesamt beträchtliches Korpus von Gesetzen verabschiedeten sowie – wegen der kostspieligen Verteidigung gegen die Osmanen – immer regelmäßigere Steuerzahlungen bewilligten (siehe Kapitel 4). Zusätzliche Abgaben wurden erhoben, um die andere verfassungsmäßige Hauptaufgabe des Reichstags wahrzunehmen, nämlich die innere Ordnung des Reiches zu sichern sowie Streit unter den Reichsfürsten und -städten zu schlichten. Der Wormser Reichstag von 1495 beschloss einen „Ewigen Landfrieden“, wodurch der Kaiser und alle seine Vasallen verpflichtet wurden, ihre Streitigkeiten zur unabhängigen Schlichtung vor ein neu geschaffenes Höchstgericht, das Reichskammergericht, zu bringen, das ab 1527 in der Reichsstadt Speyer residierte. Der Kaiser durfte lediglich den Präsidenten des Reichskammergerichts sowie einige seiner Beisitzer ernennen. Die Reichsstände schlugen dann weitere Kandidaten vor, die von den amtierenden Richtern bestätigt werden mussten. Der Amtseid, den sie bei Antritt ihrer Tätigkeit zu leisten hatten, entband sie von jeglichen Pflichten, die sie einem territorialen Landesherrn gegenüber haben mochten. Das Rechtssystem des Heiligen Römischen Reiches hat in der Nachwelt einen ziemlich schlechten Ruf gehabt, nicht zuletzt, weil es an der Lösung jener Probleme scheiterte, die schließlich den Dreißigjährigen Krieg herbeiführten. Allerdings erlaubte seine Weiterentwicklung dem Reich einen Fortschritt von brutaler Selbstjustiz zu einem immerhin einigermaßen geregelten Fehdewesen und schließlich zur friedlichen Klärung vor Gericht. Dort ging es nicht so sehr darum, eine absolute Wahrheit oder Schuld festzustellen, sondern allseits akzeptable – und folglich auch umsetzbare – Lösungen zu finden. In den 1520erJahren wurde das Rechtssystem erweitert und befasste sich fortan auch mit Beschwerden und Unruhen, die innerhalb einzelner Territorien aufgekommen wa-

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ren, sowie mit Streitigkeiten zwischen Territorien. Die Kurfürsten und die größeren Reichsstände schufen zwar eigene Gerichtswesen, die teils außerhalb der Jurisdiktion des Reichskammergerichts lagen; Berufungen an die und Interventionen seitens der Reichsgerichtsbarkeit blieben jedoch weiterhin möglich. Der Kaiser akzeptierte die weitgehende Unabhängigkeit des Reichskammergerichts nicht zuletzt deshalb, weil er selbst noch ein weiteres Gericht ins Leben gerufen hatte. Dieser Reichshofrat residierte in Wien und befasste sich mit allen Fragen, welche unmittelbar die kaiserlichen Vorrechte betrafen. Da jene aber notorisch unklar definiert waren, ließen sich auf ihrer Grundlage auch Verfahren in Angelegenheiten eröffnen, für die eigentlich das Reichskammergericht zuständig sein sollte. Wenngleich die Schaffung des Reichshofrates die Möglichkeit von Zuständigkeitskonflikten zwischen den beiden höchsten Gerichten des Reiches heraufbeschwor, schlug doch in Wien nun so etwas wie das „zweite juristische Herz“ des Heiligen Römischen Reiches, das im Fall einer Überlastung des Reichskammergerichts mit einem „erhöhten Puls“ für Abhilfe sorgen konnte. Die Entscheidungen der Gerichte wurden durch regionale Institutionen vollstreckt, die auf der Ebene zwischen dem Reich und seinen Territorien angesiedelt waren. Die einzelnen Territorien wurden einem von zehn Reichskreisen zugeordnet, aus denen Kandidaten für das Reichskammergericht ausgewählt und die zu dessen Finanzierung notwendigen Beiträge erhoben wurden. Außerdem waren auf der Ebene der Reichskreise spezielle Reichssteuern und Truppenkontributionen fällig, die zur Wahrung des inneren Friedens oder zur Verteidigung des Reiches nach außen herangezogen werden konnten. Bis 1570 hatten sich im Reichsrecht genügend Normen herausgebildet, um einem autonomen Vorgehen der Reichskreise beträchtlichen Handlungsspielraum zu eröffnen. Jeder Reichskreis hatte seine eigene Versammlung, den Kreistag, auf dem jedoch – anders als auf dem Reichstag – jeder Vertreter eine eigene Stimme hatte, die in einem gemeinsamen Plenum zum Tragen kam; somit erhielten die kleineren Stände ein proportional größeres Gewicht. Die Kreistage wurden entweder vom Kaiser oder durch einen Reichsabschied einberufen, oder sie trafen sich auf Initiative der dazu in der jeweiligen Region berechtigten Landesfürsten (in der Regel waren dies ein weltlicher und ein geistlicher Fürst je Reichskreis). Die Kreistage boten ein zusätzliches Forum zur Klärung von Streitigkeiten, Formulierung politischer Strategien und zur Abstimmung des sich daraus ergebenden Handelns. Ihre Entwicklung unterschied sich in Abhängigkeit davon, wie regelmäßig sie von ihren Mitgliedern in Anspruch genommen wurden. Die Gebiete der Habsburger waren in einem Burgundischen und einem Österreichischen Reichskreis zusammengefasst, die naturgemäß habsburgischer Kontrolle unterstanden; die böhmischen Territorien waren von der Organisation der Reichs-

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kreise ausgenommen. Die vier rheinischen Kurfürsten schlossen sich zum Kurrheinischen Reichskreis zusammen, obgleich große Teile ihrer Territorien fern der Rheinebene zerstreut lagen. Die kleineren Territorien des Westens und des Südens fanden sich in dem kompakteren Niederrheinischen (oder Westfälischen), dem Oberrheinischen, Schwäbischen, Fränkischen sowie dem Bayerischen Reichskreis vereint. Letzterer wurde vom Herzogtum Bayern dominiert, dem mit 800 000 Einwohnern größten Territorium, das reicher als die Kurfürstentümer war (und 1623 selbst zum Kurfürstentum aufstieg). Allein die Existenz 13 weiterer Kreisstände – darunter der Erzbischof von Salzburg – verhinderte eine völlige Alleinherrschaft des bayerischen Herzogs über den Bayerischen Reichskreis. Die Gebiete im Norden unterteilten sich in den Obersächsischen Reichskreis im Osten und den Niedersächsischen Reichskreis im Westen. Der erstgenannte wurde von den Kurfürstentümern Brandenburg und Sachsen dominiert; im zweiten herrschte größeres Gleichgewicht zwischen einer ganzen Reihe von Bistümern und Herzogtümern. Die politische Kultur des Alten Reiches Die meisten Inhaber von Reichslehen waren somit zugleich Reichsstände und Kreisstände, das heißt, sie waren sowohl im Reichstag als auch in ihrem jeweiligen Kreistag vertreten. Der Kaiser konnte also entweder in seiner Eigenschaft als ihr unmittelbarer Lehnsherr an sie herantreten, oder er bediente sich dazu seiner Vertreter im Reichstag, an den Reichsgerichten oder bei den Kreistagen. Über die allermeisten Einwohner seines Reiches konnte der Kaiser, da diese unter der Herrschaft eines oder mehrerer ihm untergeordneter Landesfürsten lebten, nicht direkt verfügen – die Untertanen in seinen eigenen Erblanden bildeten die Ausnahme. Durch ihre Mitwirkung in den diversen Institutionen des Alten Reiches konnten die Territorialfürsten als Sachwalter der „teutschen Libertät“ auftreten, wie sie in der Reichspolitik des 17. Jahrhunderts aufgefasst wurde. Bei diesem Freiheitsverständnis, das keineswegs mit dem Gedanken einer Gleichheit oder Brüderlichkeit aller Untertanen einherging, drehte sich alles um eine Reihe von ständischen Libertäten, durch die einer rechtlich bestimmten, als Körperschaft greifbaren Gruppe von Individuen bestimmte Privilegien, Exemtionen und Rechte zugesprochen wurden. Die Territorialherren erfreuten sich – in ihrer Eigenschaft als Reichsstände – einer Reihe von Sonderrechten, die sie vor ihren Vasallen oder Untertanen auszeichneten. So besaßen sie etwa das Privileg, vom Kaiser bei bestimmten Entscheidungen zurate gezogen zu werden und somit an der gemeinschaftlichen Regierung des Reiches beteiligt zu sein. Die reichsständischen Freiheiten brachten jedoch auch Pflichten mit sich – so etwa die Pflicht, Rechte und Selbstbestimmung des eigenen Territoriums, der eigenen Untertanen und ihrer Gemeinschaften zu

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verteidigen. An diesem Punkt tritt das ausgeklügelte System der Gewaltenteilung und der gegenseitigen Kontrolle, durch das der römisch-deutsche „Reichskoloss“ sich auszeichnete, am deutlichsten zutage. Jeder Grundherr oder Landesfürst im ganzen Reich war darauf bedacht, seinen jeweiligen Platz in der Reichshierarchie zu behaupten. An so etwas wie Unabhängigkeit dachte keiner. Selbst den größten Kurfürstentümern mangelte es an den notwendigen Ressourcen für eine unabhängige politische Existenz. Stattdessen bezogen sämtliche Landesherren ihre Autorität und ihr Ansehen aus ihrer Zugehörigkeit zum römisch-deutschen Kaiserreich, denn diese erhob sie zugleich über die Adligen anderer Länder, die in ihren Augen „nur“ Untertanen „bloßer“ Könige waren. Allerdings unterschieden die Vertreter des reichsständischen Adels durchaus zwischen Kaiser und Kaiserreich: Loyal waren sie beiden gegenüber, aber ihre Bindung an den Kaiser war persönlicher Natur; dem Reich fühlten sie sich als kollektive Körperschaft verpflichtet. Im 16. Jahrhundert setzte überall in Europa – und also auch im Heiligen Römischen Reich – eine Transformation der politischen Systeme ein, in deren Verlauf die persönlichen Beziehungen zu einem Lehnsherrn zunehmend durch die Subordination unter einen abstrakten, unpersönlichen Staat ersetzt wurden, dessen Lebensdauer die seiner einzelnen Herrscher überstieg. Die Krönung Kaiser Maximilians II. im Jahr 1562 war die letzte Kaiserkrönung, an der sämtliche Kurfürsten persönlich teilnahmen. Während niederadlige Grafen und Prälaten, die um ihre volle Anerkennung als Reichsstände bemüht waren, auch weiterhin selbst beim Reichstag erschienen, ließen andere, regierende Herren ihre Interessen in der Regel durch gelehrte Juristen vertreten. Viele Reichsstädte scheuten die hohen Kosten, die mit dem Entsenden einer ganzen Delegation verbunden waren, und entsandten einen einzigen Vertreter, der für sie abstimmen sollte. Natürlich behielten persönliche Treffen in einer Zeit, in der ein Brief von Berlin nach Heidelberg bis zu zwei Wochen unterwegs sein konnte, weiterhin große Bedeutung. Im direkten Gespräch konnten die Herren gemeinsame Interessen entdecken – zum Beispiel die Jagd oder den Kunstgenuss –, die unter Umständen jahrelange politische oder sogar konfessionelle Spannungen zu lösen vermochten. Und wenn selbst ein gemeinsamer Gottesdienstbesuch oder der reichliche Genuss alkoholischer Getränke keine gesellige Stimmung herbeizuführen vermochten, hielt die vielschichtige Reichsverfassung immer noch genug Möglichkeiten zum Dialog bereit. Dem raschen „Durchdrücken“ eines bestimmten Anliegens zogen die meisten politischen Akteure des Reiches ein geduldiges Taktieren vor: Man wartete ab, bis die Leidenschaften sich etwas gelegt hatten, oder man verschob die Verhandlungen gleich auf eine andere Organisationsebene der Reichsverfassung,

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wo die Verbündeten zahlreicher oder die Erfolgsaussichten größer waren. Das lange Beratungsverfahren bot die Chance, unliebsame Lasten ganz einfach loszuwerden, indem man sich auf eine Änderung der Umstände berief, die seit Gesprächsbeginn eingetreten sei. Oder man zögerte den Abschluss hinaus, indem man dringenden Rücksprachebedarf mit weiteren Parteien geltend machte. Die Reichspolitik vollzog sich so durch eine Reihe formeller, in unregelmäßigen Abständen stattfindender Versammlungen von Herrschern und Abgesandten. Dazu kamen bei Bedarf weitere, kleinere Zusammenkünfte zur Erörterung spezifischer Fragen etwa des Münzwesens oder der Steuerpolitik. In den Zwischenzeiten wurde der Kontakt durch Boten oder informelle persönliche Treffen aufrechterhalten. Die große Anzahl von – jeweils für sich genommen – recht schwachen Einzelgliedern erschwerte politische Alleingänge, wirkte dem Extremismus entgegen und verwässerte jede Absicht so weit, dass alle sich auf den entstehenden Kompromiss einigen konnten. Gebremst durch diesen schwerfälligen Mechanismus, konnte das Heilige Römische Reich nur mit Mühe ein entschlossenes Handeln an den Tag legen, doch verlieh er ihm zugleich eine besondere Stärke, die es dem Reich ermöglichte, den längsten und blutigsten Bürgerkrieg seiner Geschichte zu überstehen. In der modernen Demokratie übernimmt der Staat die Verantwortung dafür, dass die im Mehrheitsverfahren gefassten Beschlüsse auch umgesetzt werden. Die in der Abstimmung unterlegene Minderheit sieht sich dann der ganzen Macht des Staates gegenüber – und wenn sie sich dennoch zum Widerstand entschließt, dann kann die Situation in Gewalt ausarten, denn für eine Missachtung der Staatsgewalt gibt es keine rechtliche Grundlage. Im Alten Reich war eine solche Trennung unbekannt, da Gesetzgebung (Legislative) und Gesetzesvollzug (Exekutive) im Prinzip die gemeinsame Aufgabe von Kaiser und Reichsständen blieben. Die Minderheit stand also stets gegen die Mehrheit – aber niemals gegen das Reich an sich. Es war, als wäre der Prozess der Entscheidungsfindung noch nicht voll ausgereift und bliebe selbst die Mehrheitsmeinung so lange vorläufig, bis auch die Minderheit ein Einsehen gehabt hätte. Dieser Sachverhalt war offenkundig problematisch – ermöglichte er es den Vertretern einer abweichenden Meinung doch, selbst dann noch auf die völlige Umkehrung einer unliebsamen Entscheidung zu hoffen, wenn die Mehrheit, deren Meinungsäußerung so dreist ignoriert wurde, schon längst frustriert war. Das ständige Aufschieben kontroverser Entscheidungen konnte eine endgültige Regelung unmöglich machen. Allerdings blieb die Gefahr eines Gewaltausbruchs erheblich reduziert, solange ein Kompromiss zumindest möglich schien. Außerdem lehnte keine der beiden Seiten das Reich als solches ab, welches so das akzeptierte Forum der Entscheidungsfindung blieb. Wer eine abweichende Meinung vertrat, lehnte dadurch

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eine bestimmte Auslegung der Gesetze ab, nicht jedoch die Institutionen, die diese Gesetze erließen oder durchsetzten. Während die Bewohner des Heiligen Römischen Reiches also durchaus über die korrekte Interpretation der Reichsverfassung stritten, bestritten sie doch niemals das Existenzrecht des Reiches an sich. Am Ende sollte auch ihr Friedensschluss im Rahmen des Reiches erfolgen.

Der Prozess der Konfessionalisierung Religiöse Spannungen behinderten das Funktionieren der Reichsverfassung und trugen so zum Kriegsausbruch des Jahres 1618 bei. So direkt, wie es vielleicht scheinen mag, war der Zusammenhang jedoch nicht. Das 16. Jahrhundert war deutlich weniger blutig gewesen als weite Teile des Mittelalters, in denen nicht nur endlose Fehden gewütet hatten, sondern sogar Kaiser von ihren Vasallen abgesetzt worden waren. Um die Rolle der Religion dabei zu verstehen, müssen wir zuerst nachvollziehen, wie Debatten über Glaubensfragen mit Disputen über weltliche Herrschaftsansprüche verknüpft werden konnten – und dazu müssen wir den Prozess betrachten, in dem während der Nachreformationszeit die Ausformung unterschiedlicher konfessioneller Identitäten erfolgte. Natürlich bezogen sich alle christlichen Konfessionen auf gemeinsame Wurzeln, entwickelten jedoch bald getrennte Dynamiken: aufgrund von je eigenen Absichten und materiellen Interessen, aufgrund von Ängsten um sozialen Status und Prestige, aber auch aufgrund des psychologischen Bedürfnisses, sich als Mitglied einer Gruppe zu empfinden und dieses Zugehörigkeitsgefühl durch die Abgrenzung von Andersdenkenden zu definieren und festzuschreiben. Die theologischen Kontroversen im Anschluss an die Reformation zwangen die Gläubigen, Stellung zu beziehen, weshalb alle größeren konfessionellen Gruppen sehr schnell dazu übergingen, jeweils unterschiedliche Elemente ihres Glaubens als charakteristisch zu betonen. Der Katholizismus hob die Bedeutung der kirchlichen Organisation hervor und postulierte, dass die römische Kirche als einzige befähigt sei, das Wort Gottes für alle Christen auszulegen. Die Lutheraner unterstrichen die Bedeutung der christlichen Glaubenslehre und nahmen für sich in Anspruch, das Wort Gottes vor der Fehlinterpretation durch eine irregeleitete Kirche zu retten. Der Calvinismus wiederum stand für den Primat der Praxis: Luthers reformatio doctrinae müsse – damit Glaube und Verhalten endlich in Einklang stünden – durch eine reformatio vitae, eine Besserung des Lebens, ergänzt und vollendet werden.18

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Die Katholiken Die Kampfansage Martin Luthers an die Adresse der kirchlichen Hierarchie stand ursprünglich im Zusammenhang mit verbreiteten Bemühungen um eine Erneuerung des Katholizismus, aber Luthers Bruch mit Rom zwang den Papst neben der theologischen auch zu einer politischen Reaktion. Die in den Jahren 1545–63 zu einem Konzil im oberitalienischen Trient einberufenen Kardinäle sollten den Riss schließen, der sich in der europäischen Christenheit aufgetan hatte; am Ende verwarfen sie die evangelischen Glaubenssätze dennoch als häretisch. Die abschließenden Dekrete des Tridentinums konzentrierten sich auf eine theoretische Definition des katholischen Glaubens und formulierten ein Programm zur Auslöschung der Häresie durch die praktische Erneuerung des katholischen Glaubenslebens. Ein Streitpunkt betraf die korrekte Auffassung der Eucharistie und damit die Frage nach dem richtigen Verständnis von Christi Einsetzungsworten über Brot und Wein beim Letzten Abendmahl. Der Grund dafür, dass diesem Punkt so große Bedeutung zugemessen wurde, lag letztlich in der zentralen Bedeutung der heiligen Messe als eines gemeinschaftlichen Aktes der Anbetung, der Priester und Gemeinde vereinte. Die tridentinischen Dekrete bestätigten den Primat der Kirche, indem sie darauf hinwiesen, dass es das liturgische Handeln des Priesters sei, durch das die Hostien geweiht und somit in den Leib Christi gewandelt würden, der hierauf inmitten der versammelten Gemeinde gegenwärtig sei. Eine Akzeptanz der in diesem Sinne verstandenen „tridentinischen Messe“ galt als Zeichen der Unterwerfung unter die Autorität des Papstes – und damit als Zeichen für eine Akzeptanz auch der anderen päpstlichen Lehrentscheidungen. Mit dem tridentinischen Ritus ging ein Wiederaufleben der eucharistischen Frömmigkeit des Mittelalters einher, etwa durch Fronleichnamsprozessionen der Gläubigen, die am Donnerstag nach Trinitatis, begleitet von liturgischen Bannern und Kultbildern, der Monstranz mit dem Sakrament durch die Straßen folgten, nachdem sie zuvor gemeinsam die Messe gefeiert hatten. Das Konzil von Trient erließ eine Reihe von Dekreten, die Martin Luthers Kritik, der Klerus sei seiner Vermittlerrolle zwischen Gott und den Menschen nicht gewachsen, zum Schweigen bringen sollten. So wurde die Priesterausbildung erweitert, damit künftige Generationen von Klerikern die Lehren der Kirche besser verstehen und ihre Schäfchen nicht mehr in die Irre führen würden. Bischöfe sollten ihren Diözesen dienen, nicht sie ausbeuten. Zum Vorbild in dieser Hinsicht wurde der Kardinal Karl Borromäus (Carlo Borromeo). Dieser war nach 80 Jahren der erste Erzbischof von Mailand, der wieder in der Stadt residierte, regelmäßig die ihm anvertrauten Kirchen besuchte und die Angehörigen der diversen Orden in seinem Bistum nicht nur dazu aufforderte, sich im Sinne eines aktiven christlichen Lebens stärker in ihren Gemeinden einzubrin-

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gen, sondern sie darin auch finanziell unterstützte. Der Kardinal erfand außerdem den modernen Beichtstuhl, was die Attraktivität des Beichtsakramentes deutlich erhöhte: Vorher ein Akt der Bloßstellung in aller Öffentlichkeit, wurde die Beichte nun immer mehr zu einer individuellen Seelsorgemaßnahme. Borromäus stand nicht nur an der Spitze des antihäretischen Gegenschlages in der Schweiz, sondern bald auch im Zentrum eines eigenen Kultes, der 1610 zu seiner Heiligsprechung führte. Überhaupt wurde eine intensivierte Heiligenverehrung zum Kennzeichen des nachtridentinischen Katholizismus, dem fromme Persönlichkeiten nicht mehr nur als Vorbilder, sondern als direkte Fürsprecher der Menschen bei Gott galten. Die Verehrung von Lokalheiligen sorgte für eine weitere Verfestigung der konfessionellen Identität und unterstützte die katholische Antwort auf die reformatorische Schriftfixierung. Obgleich die Liturgie weiterhin in lateinischer Sprache gefeiert wurde, kamen in anderen Aspekten des Kultus die Volkssprachen zu ihrem Recht, so beim Singen unter musikalischer Begleitung und bei anderen Aktivitäten, die das Gemeinschaftsgefühl der Gemeinde stärken sollten. Das Wallfahrtswesen erfuhr eine Wiederbelebung, vor allem die HeiligBlut-Wallfahrten nach Walldürn und Weingarten, deren Schreine die Reformation überstanden hatten. Indem sie das Patronat über diese Wallfahrten übernahmen, konnten die jeweiligen Landesherren – der Herzog von Bayern beziehungsweise der Mainzer Kurfürst – ihren Katholizismus unter Beweis stellen. Schon in den 1590er-Jahren überschritt die Anzahl der Teilnehmer an den beiden Wallfahrten die Marke von 100 000 Pilgern im Jahr und verdoppelte oder verdreifachte sich bis in die 1620er-Jahre noch einmal; während des Krieges blieben beide Orte – mit Ausnahme der dreijährigen schwedischen Besetzung – gut im Geschäft. Auch die Verehrung der Heiligen Familie trat stärker hervor als bisher. Der heilige Charakter von Jesu „Ziehvater“ Josef wurde betont, was mit seiner Darstellung als treuer Verteidiger und Beschützer aller christlichen Familien einherging. Die Marienverehrung erreichte ebenfalls neue Höhen, vor allem durch die Etablierung beziehungsweise wachsende Anziehungskraft von Pilgerstätten wie Altötting und Passau. Marienbruderschaften vergrößerten ihre Mitgliederbasis, indem sie neben Klerikern auch Laien aufnahmen, was die Verwurzelung des Katholizismus in den Gemeinden weiter vorantrieb. In Köln gehörten 1650 etwa 2000 von rund 45 000 Einwohnern der örtlichen Marienbruderschaft an. Die tridentinischen Reformen rührten an das Innerste der römischen Kirche: Mit einer Reform der päpstlichen Kurie sowie der Ausweitung ihres diplomatischen Netzwerks reagierte der Papst nicht nur auf den Protestantismus, sondern auch auf Verschiebungen im europäischen Gleichgewicht der Kräfte.19 Der Sieg

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der Spanier über Frankreich brachte bis 1559 italienische Territorien zu beiden Seiten des Kirchenstaates unter spanische Kontrolle, was die Umklammerung der päpstlichen Territorien durch die Habsburger noch ein wenig enger werden ließ. Der Papst hatte indes nicht vergessen, dass es kaiserliche Truppen gewesen waren – und nicht etwa protestantische Horden –, die beim berüchtigten Sacco di Roma 1527 die Ewige Stadt verwüstet hatten. Auch erkannte er, dass die römische Kirche auf die habsburgische Herrschaft über Spanien und Österreich dringend angewiesen war – von den neuen habsburgischen Territorien in Übersee (Nord- wie Südamerika, West- und Ostindien) gar nicht zu reden. Sich selbst sah der Papst als padre commune, der seinen Einfluss nutzte, um innerhalb der Christenheit für Aussöhnung zu sorgen. Aber die politische Situation zwang ihn dazu, sich bei der Umsetzung seiner Pläne auf katholische Herrscher zu verlassen; und viele von diesen hatte der Papst im Verdacht, den eigenen dynastischen Vorteil im Zweifelsfall über ihre katholische Konfession zu stellen. Der Papst setzte auf Frankreich und die unabhängig gebliebenen Fürsten Italiens als Gegengewichte zur Vorherrschaft der Habsburger; schließlich sah er sich genötigt, die Initiative beim Vorantreiben katholischer Lokalinteressen an andere Herrscher abzugeben. Die protestantische Propaganda stellte den Dreißigjährigen Krieg als einen päpstlichen Kreuzzug dar, die Jesuiten aber als die Sturmtruppe des Papstes. Der Jesuitenorden (offiziell als Societas Jesu bezeichnet) war 1540 auf Initiative des Ignatius von Loyola durch päpstliches Dekret gegründet worden.20 Die Jesuiten hatten den klaren Auftrag, den Protestantismus – den ihr Ordensgründer als „das Gift [einer] schlimmen Lehre“ bezeichnete – auszumerzen. Zuerst sollten sie die Ursache der „Infektion“ beseitigen, indem sie Protestanten – und unkooperative Katholiken – von einflussreichen Posten verdrängten, danach die „seelische Gesundheit“ wiederherstellen, indem sie die Vitalität der katholischen Lehre und Frömmigkeit förderten. Derartige Taktiken waren unverhohlen politisch; das unterschied die Jesuiten von anderen Orden wie etwa den Kapuzinern, die mit ihrer Arbeit die franziskanische Tradition der Armenpflege fortführten. Kardinal Borromäus entsandte die Kapuziner in die Bergdörfer der Alpen, wo sie von den 1580er-Jahren an die Rekatholisierung der Schweizer Bevölkerung sowie der habsburgischen Untertanen in Tirol betrieben. Die Jesuiten hingegen setzten bei ihren Bemühungen ganz an der Spitze der politischen Hierarchie an; sie glaubten nämlich, dass, wenn sie den Landesherrn und dessen Eliten erst einmal auf ihre Seite gezogen hätten, der Rest der Gesellschaft bald folgen würde. Auf Loyolas Anweisung wurde 1552 ein Jesuit Beichtvater des portugiesischen Königs, womit seitens der Gesellschaft Jesu eine regelrechte Jagd auf derartige Posten einsetzte. Die Protestanten sahen darin eine päpstliche Verschwö-

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rung und wiesen den jesuitischen Beichtvätern rasch die Rolle von hinterlistigbösen Beratern zu, die einen unangemessenen Einfluss auf ihre „Beichtkinder“ ausübten. Selbst unter Katholiken stießen die Jesuiten nicht nur auf Wohlwollen. Die etablierten Orden verübelten es ihnen, dass sie sich überall „vordrängelten“, durch ihre politischen Beziehungen Kirchen, Schulen und andere Güter einfach an sich zogen. Viele beunruhigte auch der offenkundige Radikalismus der Jesuiten. Als 1594 ein geistig verwirrter ehemaliger Jesuit versuchte, den französischen König Heinrich IV. zu ermorden, und fünf Jahre später ein anderes Ordensmitglied in einem Buch den Tyrannenmord verteidigte, fiel es nicht mehr schwer zu glauben, dass die Jesuiten auch hinter anderen Intrigen wie der englischen Pulververschwörung (Gunpowder Plot) von 1605 stecken mochten. Allerdings mussten die Jesuiten ihren gegenreformatorischen Auftrag mit ihrem hierarchischen Weltbild in Einklang bringen und entwickelten eine ganz eigene Einstellung zu ihrer Rolle als Beichtväter der Mächtigen. Sie glaubten nämlich, der Teufel wolle die Fürsten dazu verführen, Häretikern gegenüber Zugeständnisse zu machen. War so etwas tatsächlich einmal vorgekommen, dann versicherten sie dem betreffenden Herrscher, dass Gott ihm gewiss vergeben werde – immer vorausgesetzt, dass diese Zugeständnisse politisch notwendig gewesen waren. Und dass sie selbstverständlich bei der nächsten Gelegenheit zurückgenommen wurden. Solche Argumente ermöglichten einen Pragmatismus, dessen Kompromissbereitschaft seine Militanz verschleiern konnte. Das passte auch zu den vielfältigen Persönlichkeiten dieser Beichtväter, die immerhin eine sehr persönliche Beziehung zu ihrem jeweiligen Fürsten aufbauten. Der geschmeidige Pragmatiker Martin Becanus etwa diente ab 1620 als Vertrauter Kaiser Ferdinands II., wurde jedoch von dem Hardliner Wilhelm Lamormaini abgelöst, der bis zum Tod des Kaisers 1637 dessen Beichtvater blieb. Ferdinands gleichnamiger Sohn und Nachfolger entschied sich für den Jesuiten Johannes Gans, der dafür bekannt war, gern gut zu essen und einen weltlicheren Lebensstil zu pflegen. Eine solch lückenlose Kette von jesuitischen Beichtvätern gab es nirgendwo sonst in Europa, denn nirgendwo sonst hatte der Jesuitenorden so großen Einfluss wie in den durchlässigen politischen Strukturen des Heiligen Römischen Reiches. Die Jesuiten breiteten sich rasch im Reich aus. Ihre Zahl stieg von 50 (von insgesamt 1000 Ordensmitgliedern) bei Loyolas Tod im Jahr 1556 auf 1600 (von 13 100 Jesuiten weltweit) im Jahr 1615 an. Die Hauptaufgabe des Ordens bestand jedoch überhaupt nicht darin, den Mächtigen Europas die Beichte abzunehmen, sondern in der Lehrtätigkeit an Schulen und Hochschulen. Darin – in der Rolle als Lehrer und Pädagogen der weltlichen und geistlichen Elite – lag der

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hauptsächliche Einfluss des Ordens auf die Gesellschaft. Bei Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges gab es im Rheinland 22 Jesuitenkollegien, für die Zeit bis 1630 sind weitere 20 in Süddeutschland und 23 in Österreich und Böhmen nachgewiesen. Die Schülerzahlen stiegen rapide an, in Trier etwa von 135 bei Gründung des Instituts im Jahr 1561 auf 1000 im Jahr 1577. Diese Schulen bildeten die Grundlage für eine Expansion des Ordens in den Hochschulbereich – genauer gesagt überredeten die Jesuiten einzelne Landesherren, bestimmten Einrichtungen den Status einer Universität zu verleihen, weil sie dadurch reichere und sozial bessergestellte Studenten anlocken konnten. Die Erfolge des Ordens sorgten für Aufsehen, und so wurden die Jesuiten bald eingeladen, wirtschaftlich angeschlagene Hochschulen zu übernehmen. Mitte des 16. Jahrhunderts wurden ihnen beispielsweise die Hohen Schulen von Ingolstadt und Dillingen anvertraut, beides humanistische Gründungen. Auch in Wien gelang es ihnen, durch geschicktes Agieren die dortige Universität unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese bemerkenswerte Expansion verdankten die Jesuiten ihren Lehrmethoden, die nach heutigen Maßstäben nur logisch erscheinen, damals jedoch revolutionär waren. Alle Jesuiten besaßen selbst einen Hochschulabschluss und führten an allen ihren Kollegien einen gemeinsamen Lehrplan ein, der das bestehende Modell der humanistischen Gelehrtenschule mit einem vertieften, systematischen Unterricht in Theologie und Philosophie verband. Die jesuitischen Bildungseinrichtungen standen einem jeden offen, der die Aufnahmeprüfungen bestand; Schulgeld oder Studiengebühren waren nicht zu entrichten. Die Eleven wurden je nach ihren Fähigkeiten in Klassen eingeteilt, was dem Lernfortschritt zuträglich war, während die Tätigkeit von mehr als einem einzigen Lehrer pro Schule es zugleich ermöglichte, spezialisierten Fachunterricht und regelmäßige Stundenpläne anzubieten. Dieses Bildungsprogramm fand Zuspruch bei breiten Gesellschaftsschichten im ganzen deutschsprachigen Raum. Wer jedoch in der Kirche Karriere machen sollte, der wurde oft nach Rom geschickt, um seine Ausbildung an dem dortigen Collegium Germanicum fortzusetzen, das 1552 von den Jesuiten gegründet worden war und vom Heiligen Stuhl finanziert wurde. Obwohl die Zahl seiner Studenten während des Dreißigjährigen Krieges deutlich zurückging, hinterließ das Collegium in der Reichskirche deutliche Spuren: Über die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts hinweg hatte rund ein Siebtel aller Domherren des Heiligen Römischen Reiches dort studiert. Wie schon den Fall der jesuitischen Beichtväter, so muss man auch das Bildungsengagement der Jesuiten in seinem Kontext sehen: Es gab daneben durchaus andere katholische Universitäten. Zudem wurden in den 100 Jahren nach der Gründung der Universität Marburg 1527 auch in protestantischen Territorien insgesamt acht Universitäten eingerichtet. Die Studentenzahlen im gesamten Reich stiegen zwi-

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schen 1500 und 1618 von 2700 auf 8000 an – letzterer Wert sollte erst wieder im 19. Jahrhundert erreicht werden.21 Der jesuitische Einfluss wurde außerdem durch andere Traditionen innerhalb des deutschen Katholizismus verwässert. Zwar waren die weltlichen katholischen Fürsten sehr darauf bedacht, häretische Strömungen zu bekämpfen, da religiöses Abweichlertum gemeinhin als erster Schritt in Richtung Revolte galt; doch sorgte die Ausbreitung der Reformation dafür, dass der Katholizismus in der Hauptsache auf die geistlichen Territorien des Reiches zurückgedrängt wurde. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts waren, von den Gebieten der Habsburger einmal abgesehen, Bayern und Lothringen die einzigen weltlich regierten Reichsterritorien von nennenswerter Ausdehnung, die katholisch geblieben waren. Bayern und die Habsburger wurden denn auch die wichtigsten Förderer der Jesuiten im Heiligen Römischen Reich; viele geistliche Fürsten hingegen begegneten dem Orden mit Misstrauen. Wenn sie auch zahlreich waren, so waren die geistlichen Territorien doch eher klein, und ihre politischen Institutionen waren unterentwickelt. Die Regierungsgewalt lag zum größten Teil in der Hand eines Dom- oder Stiftskapitels, das den Fürstbischof oder -abt wählte. Die Jurisdiktion war nicht selten durch das Vorhandensein weiterer Stiftskirchen oder Klöster zersplittert. In Speyer zum Beispiel kontrollierten insgesamt fünf Stiftskirchen ein Viertel der Kirchsprengel, während gar die Hälfte des Erzbistums Trier auf Klöster und andere kirchliche Stiftungen entfiel, die sich der direkten Kontrolle des Kurfürstbischofs entzogen.22 Die tridentinischen Dekrete erweiterten die Machtbefugnisse der Bischöfe hinsichtlich ihrer Aufsicht über autonome Stiftungen und Gemeindepriester, die sich beide einer Einmischung in ihre Angelegenheiten oft widersetzten. Die meisten Angehörigen des mittleren und höheren Klerus im Reich verbanden mit ihrem Glauben vor allem einen bestimmten Lebenswandel und örtliche Interessen. Dieses katholische Establishment war den adligen oder patrizischen Eliten der jeweiligen Gegend eng verbunden und teilte deren diesseitige, vom Renaissancehumanismus geprägte Weltsicht. Nachgeborene Söhne oder unverheiratete Töchter auf einem Posten in der Reichskirche unterzubringen, das hatte beim Adel vielerorts Tradition, denn dort winkte neben dem gebührenden sozialen Prestige auch ein komfortables Einkommen. Als Institutionen des Reiches waren kirchliche Stiftungen und Domkapitel gleichsam in die Reichsverfassung eingewoben; daraus bezogen sie ihre Rechte und Privilegien. Sie übten eine weltliche Herrschaft aus, die lokal und partikular war, und die deshalb mit der ausgeprägten Romtreue der Jesuiten kollidierte. Die Wahl auf einen Abts- oder Bischofsstuhl setzte die Mitgliedschaft in dem entsprechenden Stifts- oder Domkapitel voraus, und die Kapitulare bevorzugten Kandidaten, deren Ansichten ihren eigenen glichen. Selbst der tridentinische

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Vorzeigebischof Kardinal Borromäus stand dem universalen Herrschaftsanspruch des Papsttums mit gemischten Gefühlen gegenüber – vertrat er doch die konziliare Tradition einer Kirche, die vom hohen Klerus gemeinschaftlich regiert wurde. Diese Tradition war durch die energische Durchsetzung der päpstlichen Autorität auf dem Konzil von Trient geradezu zerschlagen worden. Der politische Einfluss, der mit den Ämtern der Reichskirche einherging, ermunterte die führenden Vertreter der Geistlichkeit gleichwohl, auch weiterhin dem gewohnten Muster des Absentismus zu folgen, indem sie Bischofssitze und andere Pfründen sammelten, wo sie nur konnten, sich dann vor Ort aber nicht engagierten. Die tridentinischen Reformen wurden nur langsam und unvollständig umgesetzt – welche Bestimmungen Beachtung fanden, lag ganz im Belieben der jeweils Verantwortlichen. Die größten Auswirkungen des Tridentinums kamen daher erst im späteren 17. Jahrhundert zum Vorschein, lange nach dem Dreißigjährigen Krieg. Auch in den Gemeinden traf die militante Reformbewegung auf starke Gegenwehr: Vor Ort, wo die Priester mitten unter ihren „Schäfchen“ lebten, wussten sie genau, dass ihre Stellung in der Gemeinschaft hauptsächlich davon abhing, ob die Gemeindemitglieder sie akzeptierten. Sie, die Gemeindepfarrer, hatten jenes menschliche Alltagsleben vor Augen, das radikalen Reformern, die sich um nichts scherten als um die konfessionelle Konformität, oftmals verborgen blieb. In der Praxis wurde die Glaubenslehre der Kirche großzügig ausgelegt, um sie an örtliche Gepflogenheiten sowie pragmatische und materielle Interessen anzupassen – und das trug letztlich sowohl zur Vielfalt als auch zur Stärke des Katholizismus im Heiligen Römischen Reich bei. Die Lutheraner Gerade diese bunte Heterodoxie war es, deren Beseitigung sich die lutherische Reformation auf die Fahnen geschrieben hatte. Luther wollte die bestehende Kirche reformieren, nicht eine neue schaffen, und er stellte die päpstliche Autorität erst dann infrage, als der Papst seiner Interpretation der biblischen Lehre nicht zustimmen mochte. Es war die zentrale Bedeutung der Schriftlehre in der Theologie Luthers, die das Luthertum von der römischen Kirche unterschied und zum festen Boden für eine eigene, klar abgegrenzte Glaubensgemeinschaft werden sollte. Luther, der die Bibel als den Quell aller Wahrheit ansah, übersetzte diese nicht zuletzt deshalb ins Deutsche, um sie von der falschen Schriftauslegung der Päpste zu befreien. Luthers Anhänger betrachteten sich selbst als „evangelisch“, also als Anhänger des Evangeliums; erst mit der Zeit identifizierten sie sich auch als „Protestanten“ – eine Bezeichnung, die von der förmlichen Protestation zu Speyer herrührte, mit der lutherische Landesfürsten beim dortigen Reichstag 1529 gegen den Beschluss der katholischen

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Mehrheit, in Zukunft gegen die Anhänger der neuen Häresie vorzugehen, opponiert hatten. Der Streit zwang die Lutheraner, ihre Glaubenssätze in einer Reihe von Dokumenten schriftlich niederzulegen, angefangen mit der Confessio Augustana, dem Augsburgischen Bekenntnis, das dem Kaiser beim Reichstag zu Augsburg 1530 vorgelegt wurde. Der lutherische Fokus auf das in der Bibel offenbarte Wort Gottes schmälerte die Vermittlerrolle des Priesters und veranlasste Luther, die Zahl der Sakramente von sieben auf zwei, nämlich Taufe und Abendmahl, zu reduzieren. Mit Blick auf Letzteres übernahm er weitgehend die katholische Lehre von der Realpräsenz, stärkte aber die Beteiligung der Gemeinde an der Messfeier. Andere Aspekte seiner Lehre gingen in ganz neue Richtungen, namentlich der Gedanke einer Rechtfertigung allein aus dem Glauben (sola fide). Dadurch wurden Rechtfertigung (Erlösung) und Heiligung (durch gute Werke) entkoppelt, denn schließlich sei, so Luther, die Aufnahme in den Himmel ein Gnadengeschenk Gottes und könne auch durch noch so gute Werke nicht „verdient“ werden. Das Individuum war nicht mehr in einem Kreislauf aus Sünde, Beichte, Reue und Buße gefangen – Gott allein entschied, wer errettet werden würde. Die Gläubigen sollten endlich aufhören, durch regelmäßiges Beichten, gute Werke und den Kauf von Ablässen auf einen „guten Tod“ hinzuarbeiten, und stattdessen lieber anfangen, ein gutes, christliches Leben zu führen. Diese Gedanken brachten Implikationen mit sich, die Luther so nicht im Sinn gehabt hatte. So stellte Luthers Überzeugung von einem „allgemeinen Priestertum der Gläubigen“ implizit sowohl die weltlich-politische als auch die geistlich-kirchliche Hierarchie infrage und schuf die Grundlage für einen populären Radikalismus, der schließlich im Bauernkrieg der Jahre 1524–26 kulminierte. Dieser – der ja ein Versuch gewesen war, zahllose lokale Missstände zu beheben – schloss auch die kraftvolle Vision eines Reiches ein, in dem keine Fürsten mehr zwischen dem „gemeinen Mann“ und seinem Kaiser standen. Obwohl der Aufstand mit beträchtlicher Brutalität niedergeschlagen wurde, und zwar von protestantischen wie von katholischen Fürsten, hinterließ er im Reich doch bleibenden Eindruck. Die Landesherren willigten ein, den Beschwerden ihrer einfachen Untertanen in Zukunft den Rechtsweg zu öffnen, was ihre Territorien nur noch fester in das Rechtssystem des Reiches einband und die hierarchische Reichsverfassung stärkte. Die Erfahrung des Bauernkrieges veränderte auch das Luthertum grundlegend, indem sie es in eine konservativere Richtung rücken ließ. Anstatt dem Individuum den Rücken zu stärken, bejahten die Theologen nun wieder den Anspruch der weltlichen Macht auf eine Kontrolle von Laien und Geistlichkeit gleichermaßen; die Geistlichen aber erklärten sie noch deutlicher als zuvor zu Hütern der reinen Glaubenslehre.23

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Angesichts der zersplitterten politischen Landkarte des Heiligen Römischen Reiches folgte aus dieser Entwicklung beinahe zwangsläufig, dass in jedem Territorium, das den neuen Glauben annahm, eine eigene Form des lutherischen Kirchenregiments entstand. Der jeweilige Landesherr brach zunächst mit Rom und übernahm die Kirchenaufsicht, die zuvor der Bischof oder Erzbischof ausgeübt hatte, unter dessen geistlicher Jurisdiktion das fürstliche Territorium stand. In Anbetracht der strikten lutherischen Grenzziehung zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre wurden die vormals bischöflichen Machtbefugnisse an zwei neu geschaffene Institutionen übertragen. Verantwortlich für die geistliche Führung war nun ein Konsistorium von Fachtheologen, die jeden einzelnen Gemeindepfarrer auf seine Konformität mit der herrschenden Lehre hin überprüften. Von jedem Pfarrer wurde erwartet, dass er 200 Predigten im Jahr hielt, darunter zwei an jedem Sonntag. Die Predigtentwürfe mussten dem Konsistorium zur Bewilligung vorgelegt werden, und an den Kanzeln installierte man, gut sichtbar, Sanduhren – nicht nur, damit der Prediger die ihm verbleibende Redezeit besser abschätzen konnte, sondern auch, damit die Gemeinde nicht um die ihr zustehende Predigtzeit betrogen wurde. Das regelmäßige Predigthören stärkte das Gemeinschaftsgefühl der Gläubigen und schuf zugleich einen willkommenen Versammlungsanlass, bei dem die weltliche Obrigkeit ihre Dekrete verlesen lassen konnte. Auf diese Weise verzahnte sich mitunter der Konfessionalisierungsdrang des Luthertums mit den Anforderungen obrigkeitlicher Sozialdisziplinierung, wobei beide Autoritäten, geistliche wie weltliche, sich Gehorsam, Wirtschaftlichkeit und Sittlichkeit versprachen. Die neue Geistlichkeit wurde versorgt, indem man die Vermögenswerte der römischen Kirche, die sich auf dem Herrschaftsgebiet des betreffenden Landesherrn befanden, enteignete. Diesen Vorgang hat man als Säkularisierung bezeichnet, was aber in die Irre führt, denn er folgte nicht dem Muster etwa der englischen Reformation, in deren Verlauf Heinrich VIII. Klostergut einzog, um den Erlös der Staatskasse zuzuführen. Auch in den nun lutherischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches wurde wohl ein wenig des so erlösten Geldes abgezweigt, etwa um die Musik bei Hofe zu bezahlen oder ganz allgemein als Beitrag zur fürstlichen Haushaltsführung; der größte Teil des enteigneten Besitzes wurde jedoch als lutherisches Kirchengut zusammengefasst und einem Kirchenrat anvertraut, der daraus die Finanzierung der Landeskirche bestritt.24 Frömmigkeitspraktiken, für die es in der lutherischen Lehre keine Grundlage mehr gab, wurden abgeschafft, so etwa das Lesen von Messen für die Verstorbenen in katholischen Klöstern, während man andere Dienste, die so oder ähnlich auch von katholischen Stiftungen geleistet wurden, wie etwa die Armenpflege oder den Unterhalt von Hospitälern und Schulen, erweiterte.

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Der politische Führungsanspruch der Landesherren kam auch bei der Verteidigung des Luthertums innerhalb des Reiches zum Tragen. Kaiser Karl V. versuchte, den Streit der Theologen beizulegen, indem er diese zu Gesprächen zusammenkommen ließ. Als dies scheiterte, sah der Kaiser sich gezwungen, ein Verfahren nach dem Landfriedensrecht einzuleiten – schließlich beschuldigten die Katholiken unter den Reichsständen die Protestanten, Besitz ihrer Kirche gestohlen und unter ihren Untertanen aufrührerisches Gedankengut verbreitet zu haben. 1521 bestellte Karl V. Luther nach Worms, damit dieser sich vor dem Reichstag wegen der Anschuldigungen verantworte, die von katholischer Seite gegen ihn erhoben worden waren. Das abschließende Urteil des Kaisers beruhte auf dessen traditioneller Rolle als Schutzherr der Kirche und Verteidiger des Glaubens: Im Wormser Edikt wurde Luther der Häresie für schuldig befunden und unter die Reichsacht gestellt – die höchste weltliche Strafe, die dem Kaiser zu Gebote stand. Luther war nun vogelfrei; als verurteiltem Landfriedensbrecher drohten ihm Verfolgung und Strafe. Die Ausbreitung des Luthertums unter den Reichsfürsten und -städten vertiefte den konfessionellen Graben noch weiter und zerschlug jene Einheit von Gesetz und Religion, auf welcher der kaiserliche Urteilsspruch gegen Luther ja gerade beruht hatte. Die Protestanten sprachen dem Papst ab, in Glaubensfragen überhaupt entscheiden zu dürfen, und behaupteten, ihre direkte Unterordnung unter Gott habe den Vorrang vor ihrer bisherigen Loyalität dem Kaiser gegenüber. Die politische Geschichte der Reformation ist im Wesentlichen eine Reihe von Versuchen seitens der Protestanten, die Wirkung des 1521 von Kaiser Karl V. erlassenen Edikts entweder aufzuschieben oder aufzuheben. Zu diesem Zweck setzten sie sämtliche ihnen verfügbaren Hebel der Reichsverfassung in Bewegung. Obwohl ihre Territorien größer waren und mehr Einwohner hatten, blieben die Protestanten in den Institutionen des Reichs unterrepräsentiert; die Oberhand hatten die kleineren, aber zahlreicheren katholischen Reichsstände. Drohende Rechtsverfolgung durch das Reichskammergericht brachte 1531 den sächsischen Kurfürsten, den hessischen Landgrafen sowie weitere lutherische Fürsten und Städte dazu, den Schmalkaldischen Bund zu schließen. Dies schuf den folgenschweren Präzedenzfall eines protestantischen Verteidigungsbündnisses außerhalb der Reichsverfassung. Probleme mit Frankreich und dem Osmanischen Reich beschäftigten den Kaiser bis in das Jahr 1546; dann erst kehrte er mit einer großen Streitmacht nach Deutschland zurück und schlug das Heer des sächsischen Kurfürsten in der Schlacht bei Mühlberg. Dieser Sieg erlaubte es dem Kaiser, seine Lösung für die Probleme des Reiches durchzusetzen. Der Glaubensstreit zwischen Protestanten und Katholiken wurde 1548 durch das Augsburger Interim zum Schweigen gebracht, eine kaiserliche Verordnung,

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die unter anderem Kompromissformulierungen zentraler Glaubenssätze enthielt und die nur vorläufig gelten sollte, bis der Papst sein Einverständnis gegeben haben würde (deshalb „Interim“). Obwohl es in einigen Details auch Zugeständnisse an die Protestanten machte, vertrat das Interim doch in den meisten strittigen Punkten die katholische Position. Unterdessen wurde das Reich umstrukturiert, um den Habsburgern ein leichteres Regieren zu ermöglichen. Burgund und die habsburgischen Besitzungen in Italien wurden Spanien zugeordnet, wo Karls Sohn Philipp zum Thronfolger bestimmt worden war. Österreich, Böhmen und Ungarn wurden Karls Bruder Ferdinand anvertraut, während die übrigen, nichthabsburgischen Reichsstände in ein besonderes Bündnis mit dem Kaiser eintreten sollten. Der sächsische Kurfürstentitel wurde der älteren, ernestinischen Linie der Wettiner, die sich Karl widersetzt hatte, aberkannt und der jüngeren, albertinischen Linie zugesprochen. Deren Oberhaupt, der Herzog Moritz von Sachsen, hatte sich nämlich im Schmalkaldischen Krieg auf die Seite des Kaisers geschlagen.25 Ein solch machtvolles Durchgreifen des Kaisers konnte nur beunruhigen – selbst diejenigen, die davon profitierten. Durch ein Gemisch politischer und persönlicher Motive animiert – Karl V. hatte sich geweigert, Moritz’ Schwiegervater, den hessischen Landgrafen, freizugeben –, schloss der neue Kurfürst von Sachsen sich einem Komplott an, das die Regelung von 1548 zumindest in Teilen rückgängig machen sollte. Diese Fürstenverschwörung wurde zum Fürstenaufstand. Im Februar 1552 erkauften sich die Verschwörer die Unterstützung Frankreichs, indem sie eine französische Besetzung der Bistümer Metz, Toul und Verdun am westlichen Rand des Heiligen Römischen Reiches zuließen. Der Kaiser, dessen Unterstützung im Reich rapide abnahm, zog sich nach Innsbruck zurück und überließ es seinem Bruder Ferdinand, mit den Aufständischen zu verhandeln. Im Passauer Vertrag gewährte Ferdinand schließlich im Sommer 1552, was Moritz von Sachsen gefordert hatte: die Bestätigung seiner Kurwürde, Freilassung seines Schwiegervaters Philipp von Hessen, Aussetzung des Augsburger Interims sowie die Einberufung eines weiteren Reichstags, auf dem eine endgültige Lösung der Konfessionsfrage ausgehandelt werden sollte. Der zunehmend desillusionierte Kaiser übertrug die Initiative hierfür wiederum seinem Bruder, dem gemäßigteren, pragmatischeren Ferdinand. Und tatsächlich: Beim Reichstag zu Augsburg gelang es diesem 1555, den Augsburger Religionsfrieden zu schließen. Im Jahr darauf übertrug Karl V. die Regierungsgeschäfte des Reiches endgültig auf Ferdinand, der ihm als Kaiser nachfolgen sollte, dankte ab und zog sich nach Spanien zurück. Mit seinem Tod zwei Jahre später zerfiel das Haus Habsburg in eine österreichische und eine spanische Linie. Nur wenige Monate zuvor hatten die Kurfürsten Ferdinand I. als ihren neuen Kaiser anerkannt.

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Für das Luthertum im deutschen Raum bedeuteten diese Entwicklungen eine tiefe Krise. Das umstrittene Handeln etwa eines Moritz von Sachsen stellte den Führungsanspruch des Adels innerhalb der lutherischen Bewegung infrage. Der bewaffnete Aufstand gegen den Kaiser brachte religiöse und politische Loyalitäten in Konflikt. Der Verlust gleich dreier Territorien an Frankreich wurde vom Kaiser nie anerkannt und zeigte allen, was passieren konnte, wenn man zur Verteidigung der Religionsfreiheit auf Hilfe von außen spekulierte. Noch wesentlicher war jedoch: Das Unvermögen, sich auf einen politischen Kurs zu einigen, befeuerte letztlich nur den Streit über Glaubensfragen. Der Tod Luthers fiel 1546 genau in diese Krisenzeit. Sollten seine Anhänger in zentralen Punkten ihres Glaubens Kompromisse eingehen? Oder sollten sie sich dem Kaiser widersetzen und das Reich damit in einen Bürgerkrieg stürzen? So oder so: eine krasse Wahl. Die Pragmatiker schlossen sich Philipp Melanchthon an. Melanchthon verkörperte eine Strömung innerhalb des Luthertums, die vom Humanismus eines Erasmus von Rotterdam geprägt war und sich bereit zeigte, gewisse Details der traditionellen Liturgie wieder einzuführen – wenn dafür im Gegenzug die Lutheraner auf der Reichsebene anerkannt würden. Die Gegner dieser „Philippisten“ nannten sich selbst „Gnesiolutheraner“, vom griechischen gnēsios, „echt“. Sie bestanden auf dem ursprünglichen Augsburgischen Bekenntnis von 1530 und lehnten die revidierte Confessio Augustana variata, die Melanchthon zehn Jahre später mit Luthers stillem Einverständnis ausgearbeitet hatte, strikt ab. Den Gnesiolutheranern schien das Augsburger Interim nur der erste Schritt zu ihrer Auslöschung; überhaupt neigten sie der apokalyptischen Vorstellung zu, der Endkampf zwischen den wahren Christen und dem Antichrist stehe kurz bevor. Als Fanal erschien ihnen der Fall Magdeburgs, das sich dem Interim widersetzt hatte und im November 1552 von kaiserlichen Truppen gestürmt worden war. Im Zuge der Konfrontation zersplitterten die Konfliktparteien auch in sich. Die Gnesiolutheraner säuberten ihre Reihen von den extremeren Vertretern eines „echten Luthertums“, die allgemein als „Flacianer“ bekannt waren – nach dem Theologen Matthias Flacius, der wegen seiner kroatischen Herkunft auch „Illyricus“ genannt wurde. Diesen hatten solche ominösen Vorzeichen wie etwa die Geburt fehlgebildeter Kinder davon überzeugt, dass die Menschheit physisch degeneriere und das Weltende unmittelbar bevorstehe. Orthodoxeren Zulauf bekamen die Gnesiolutheraner aus den Reihen der Jungen, die seit der Reformation herangewachsen waren und nun in den neuen, lutherischen Landeskirchen Karriere machten. Die Hoffnung der Philippisten auf einen Ausgleich mit den Katholiken wiesen sie von sich; stattdessen, meinten sie, solle man die Katholiken lieber zum Luthertum bekehren. Aus Unsicherheit kehrten manche Lutheraner entweder in den Schoß der römischen Kirche zurück oder aber

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wandten sich radikaleren reformatorischen Strömungen zu. Als die führende Macht unter den evangelischen Fürsten des Reiches bemühte sich Kursachsen ab 1573 um Vermittlung zwischen den konkurrierenden Strömungen. Die kursächsischen Hofprediger stellten zwischen 1577 und 1580 das „Konkordienbuch“ zusammen, einen Kanon der wichtigsten lutherischen Bekenntnisschriften, der die gnesiolutherische Sicht der Glaubensdinge bestätigte und die Ansichten der Flacianer – wie auch den größten Teil des Philippismus – verwarf. Der sächsische Kurfürst machte es sich zur Aufgabe, die anderen protestantischen Reichsstände zur Unterzeichnung des Konkordienbuches zu bewegen, was ihm bis 1583 auch bei 20 Reichsfürsten, 30 anderen Herren und 40 Reichsstädten gelang.26 Die Calvinisten Nicht alle Protestanten waren mit dieser Entwicklung zufrieden. Manche sahen in dem zentralen Bekenntnisbuch der – wie es ihnen schien – aufgezwungenen Orthodoxie keinen liber concordiae, sondern vielmehr einen liber discordiae, ein „Buch der Zwietracht“. Damit meinten sie, dass das wahre Potenzial der Reformation, den christlichen Glauben von Grund auf neu zu gestalten, mit dem Konkordienbuch verschenkt worden sei. Die so dachten und eine „zweite Reformation“ einforderten, eine „Reformation der Reformation“, schlossen sich bald der Lehre des französischen Theologen Johannes Calvin an, dessen Ideen sich nach dem Augsburger Religionsfrieden auch im deutschen Raum verbreiteten. Die Konversion des pfälzischen Kurfürsten zum Calvinismus 1560 gab der neuen Bewegung gehörigen Auftrieb und sorgte außerdem dafür, dass der Calvinismus im Heiligen Römischen Reich vom Adel angeführt wurde – anders als im restlichen Europa, wo er meist die „Konfession des einfachen Mannes“ war. Bis 1618 waren etwa 20 Grafen und kleinere Fürsten dem Beispiel des Kurfürsten gefolgt und hatten den neuen Glauben öffentlich bekannt, doch besaßen unter diesen nur der Landgraf von Hessen (1603) und der brandenburgische Kurfürst (1613) nennenswertes politisches Gewicht. Weil die Bezeichnung „Calvinisten“ zu sehr nach einer illegalen Sekte klang – und zudem von ihren lutherischen Kontrahenten geprägt worden war –, nannten sie sich selbst „Reformierte“. Ihr Ziel war es, Luthers Reformation zu vollenden, indem sie auch noch die letzten Überreste des „papistischen Aberglaubens“ beseitigen wollten – in der Liturgie wie in der Dogmatik. Hochaltäre und liturgische Gewänder wurden aus den Kirchen verbannt, Gemälde zerrissen und Skulpturen zerschlagen: Das sollte die Ohnmacht dieser Kultobjekte beweisen. Die reformierten Geistlichen trugen den schlichten Talar der Universitätsgelehrten; sie wollten als Spezialisten wahrgenommen werden, die für Predigt und Lehre bestens ausgebildet waren. Selbst altehrwürdige Glaubenstraditionen wie

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etwa der Exorzismus bei der Säuglingstaufe oder die Annahme der Realpräsenz Christi im Abendmahl wurden nun abgeschafft beziehungsweise verworfen – die Vorstellung, Leib und Blut Christi könnten durch die Verdauung der Hostie und des Messweins in den Gedärmen der Gläubigen zu Kot und Urin werden, erfüllte die Calvinisten mit Abscheu. Vielmehr wurde das Abendmahl zu einer Gedächtnisfeier, bei der die Gemeindemitglieder um einen Tisch saßen, um gemeinsam eine Mahlzeit einzunehmen; in Ostfriesland trank man dabei sogar Bier statt Wein. Allerdings griff auch Calvin – wie zuvor schon Luther – einzelne katholische Ideen auf und entwickelte sie in eine neue Richtung weiter. Die politisch folgenreichste unter diesen Weiterentwicklungen war die ausgeprägte Prädestinationslehre, die dem Calvinismus sein dynamisches Selbstbewusstsein verlieh, in den Köpfen und Herzen mancher Anhänger Calvins zugleich jedoch nagende Zweifel säte. Die frühe Kirche hatte die Ansicht verurteilt, Christen könnten allein durch eigene Verdienste und die Befolgung der christlichen Lehren zum ewigen Heil gelangen. Der heilige Augustinus beispielsweise hatte erklärt, Gott allein entscheide darüber, wer erlöst werde – und da diese Entscheidung bereits vor der Geburt falle, seien manche Menschen eben vorherbestimmt („prädestiniert“), als Gottes „Erwählte“ gerettet zu werden. Diese katholische Lesart der Prädestinationslehre lehnte Calvin strikt ab, schien sie doch zu implizieren, dass Gottes Macht zur Rettung der letztlich Verworfenen schlicht nicht ausreiche. Stattdessen entwickelte Calvin seine eigene Lehre von der „doppelten Prädestination“, der zufolge Gott sowohl die Erwählten als auch die Verworfenen vorherbestimme. Spekulationen der Gläubigen über ihren eigenen Erlösungsstatus missbilligte Calvin: Sie müssten nur auf Gott vertrauen, dann werde ihr Glaube sie von der Sünde wegführen, hin zu einem Leben nach seinen Geboten. Und doch blieb da dieser nagende Zweifel, der die Selbstgewissheit vieler Calvinisten zermürbte: Was, wenn ein persönlicher Schicksalsschlag in Wahrheit ein Beleg dafür war, dass sie nicht zu Gottes Erwählten gehörten? Ein neues Lebensmodell sollte diese Vorstellungen begleiten. Calvins Neuorganisation der Genfer Kirche schuf ein Vorbild, das seine Anhänger in ganz Europa nachahmten, wenngleich mit wechselnder Gründlichkeit. Der (hoch)adlige Charakter der „zweiten Reformation“ im Heiligen Römischen Reich brachte mit sich, dass die deutschen Calvinisten in der Regel bereits über protestantisch-landeskirchliche Strukturen verfügten, denn der neue Glaube fand seine Konvertiten vor allem unter Lutheranern, nicht unter Katholiken. Da die lutherischen Landeskirchen noch nicht lange bestanden, vertrauten die gerade konvertierten Neu-Calvinisten ihnen einfach neue Aufgaben an. Ein System der gegenseitigen Kontrolle wurde errichtet, indem man Gemeindemitglieder wie Geistliche er-

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munterte, über die dogmatische Konformität und die Tugendhaftigkeit der jeweils anderen Seite Bericht zu erstatten. Dieses sozialdisziplinierende Element des Calvinismus gefiel den Fürsten und Stadtoberen des späten 16. Jahrhunderts, die es mit einem kaum lösbar erscheinenden Problemkomplex von Inflation, Übervölkerung, Unterbeschäftigung und Armut zu tun hatten. Sicher: Lutheraner und Katholiken strebten ebenfalls Konformität und moralische Erneuerung an; aber die einmalige Kombination des Disziplinierungsdrangs mit anderen Bestandteilen der calvinistischen Theologie sorgte dafür, dass deren Anhänger sich als die einzig wahren Erben der frühen Christen fühlten. Dass der Calvinismus international agierte, seine Anhänger über ganz Europa verstreut waren und sich nirgendwo in der Mehrheit befanden, leistete deren Fundamentalismus weiteren Vorschub. Die deutschen Lutheraner hatten sich auf eine national-humanistische Tradition berufen können, der zufolge Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit echte „teutsche“ Tugenden darstellten, während die Menschen im Ausland (vor allem südlich der Alpenlinie) durch ihre „welsche“ Verschlagenheit gekennzeichnet seien. Dänen und Schweden teilten diese traditionelle Ansicht weitgehend und konnten so, ganz wie ihre deutschen Glaubensbrüder, ihre neuen lutherischen Kirchen mit einer „nationalen Auflehnung“ gegen Rom in Verbindung bringen. Im Gegensatz dazu breitete sich der Calvinismus in einzelnen Städten und Adelshäusern aus, wodurch ihm die Ausbildung eines definitiven Zentrums versagt blieb. Jede neue Calvinistengemeinde verließ sich, was Rat und Hilfe betraf, auf andere, bereits etablierte. Als naheliegende Identifikationsfigur für die Calvinisten des deutschen Raums bot sich der pfälzische Kurfürst an – immerhin einer der einflussreichsten Fürsten des Reiches –, der den Einfluss Genfs ab den 1580er-Jahren merklich zurückdrängte. Zwischen 1560 und 1610 studierten mehr als 200 ungarische und 500 französische Studenten an der Heidelberger Universität, was das Ansehen der Kurpfalz bei den Calvinisten im Ausland noch erhöhte. Zur Ansiedlung von hugenottischen und anderen calvinistischen Glaubensflüchtlingen aus Frankreich und den Niederlanden gründete der Kurfürst zudem die Stadt Frankenthal, nachdem in den Heimatländern der Geflohenen 1562 beziehungsweise 1566 Religionskriege ausgebrochen waren. Da die Calvinisten dazu neigten, die Geschehnisse ihrer Gegenwart anhand biblischer Vorbilder zu deuten, identifizierten sie sich selbst mit dem Volk Israel. Glaubensflüchtlinge und Studenten verband die Erfahrung eines harten, unsteten Lebens auf den Landstraßen Europas sowie schließlich der Ankunft in einer neuen Gemeinschaft und Heimat. Die auf solcher Grundlage geknüpften Beziehungen überdauerten, auch wenn einzelne Personen nach Hause zurückkehrten oder weiterzogen. Die calvinistischen Gläubigen betrachteten ihre je eigenen, lokalen Beschwernisse als Teil eines all-

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gemeinen Kampfs zwischen Gut und Böse. Das galt besonders, nachdem eine spanische Einmischung in die Bürgerkriege Frankreichs und der Niederlande den Eindruck verstärkt hatte, den international verstreuten „Erwählten“ stehe eine ebenso internationale katholische Verschwörung gegenüber, die jene auf Schritt und Tritt zu vernichten suche. Die Grenzen der Konfessionalisierung Die Herausbildung rivalisierender Konfessionen im westlichen Christentum des 16. Jahrhunderts lässt vermuten, dass die europäische Gesellschaft jener Zeit in religiösen Fragen immer tiefer gespalten war. Zahlreiche Facetten des täglichen Lebens wurden nun konfessionalisiert, was unsichtbare Mauern zwischen oder sogar innerhalb von Gemeinschaften errichtete. Bald konnte man die Konfession eines Menschen fast schon an seinem Namen ablesen: „Maria“ und „Josef “ wurden unter Katholiken immer beliebter, während die Calvinisten diese und andere Namen als Ausdruck von Heiligenverehrung ablehnten. Sie bevorzugten Namen aus dem Alten Testament: „Abraham“, „Daniel“, „Zacharias“, „Rachel“, „Sarah“ und andere. Martin Luthers Bibelübersetzung trug zur Verbreitung einer auf dem sächsisch-meißnischen Kanzleideutsch basierenden Schriftsprache in ganz Mittel- und Norddeutschland bei. Im oberdeutschen Raum bewirkten die Bemühungen der Jesuiten um eine standardisierte hochdeutsche Schriftsprache Vergleichbares, nur eben auf katholischer Seite. Wenn nun ein Landesherr – und damit sein ganzes Territorium – die Konfession wechselte, dann wechselte auch die Schriftsprache. Man hat Entsprechendes sogar bei einzelnen Konvertiten nachgewiesen, etwa bei dem bereits erwähnten Schriftsteller Grimmelshausen, der, lutherisch erzogen, während des Dreißigjährigen Krieges zum katholischen Glauben übertrat. Andere Kunstformen waren zumindest teilweise ebenfalls konfessionalisiert. Das Theater zum Beispiel lehnten die Calvinisten strikt ab, während die Lutheraner es in ihren Schulen und die Jesuiten auf ihren Kollegien einsetzten. Katholische Predigten kreisten um die Muttergottes und die Heiligen, während Lutheraner und Calvinisten vorzugsweise moraltheologische Fragen erörterten.27 Nirgends waren die Unterschiede zwischen den Konfessionen jedoch augenfälliger als auf dem Gebiet von Zeitmessung und Kalenderrechnung. Papst Gregor XIII. ordnete 1582 gleich mehrere Kalenderreformen an. So folgte auf den 4. Oktober dieses Jahres kurzerhand der 15. Oktober – ganze zehn Tage „fielen aus“, um aufgelaufene Unregelmäßigkeiten des traditionellen julianischen Kalenders zu beheben. Außerdem sollte, um den Kalender zu vereinheitlichen, der 1. Januar Neujahrstag werden; zuvor hatte es lokal unterschiedliche Regelungen für den Jahresanfang gegeben, der teils auf Weihnachten oder Ostern gefallen war, teils aber auch auf den 25. März (Mariä Verkündigung) oder andere Termi-

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ne. Bis 1584 übernahmen die Katholiken in den deutschen und allen habsburgischen Territorien des Reiches den neuen, „gregorianischen“ Kalender. Im protestantischen Europa sprachen sich zwar Gelehrte wie der Mathematiker und Astronom Johannes Kepler für die Reform aus; doch die lutherische und reformierte Geistlichkeit lehnte alles, was aus Rom kam, ab – mancher einfältigere Protestant glaubte gar, die „Papisten“ wollten ihm zehn Tage seines Lebens stehlen. Die Diskrepanz zwischen den beiden Kalendern wurde vor allem im Heiligen Römischen Reich deutlich, wo Lutheraner und Katholiken seit dem Augsburger Religionsfrieden auch offiziell zusammenlebten. Neun Zehntel der Einwohner Augsburgs waren Lutheraner, aber der Religionsfrieden hatte die Stadt – zumindest der Form nach – zu einer konfessionell paritätischen gemacht: Katholiken und Protestanten teilten sich Posten und Ämter. Nach schwierigen Verhandlungen führte der Augsburger Magistrat schließlich 1586 den gregorianischen Kalender ein, aber die Protestanten der Stadt hielten weiterhin „ihren“ Sonntag und besuchten Gottesdienste in Kirchen jenseits der Stadtgrenze. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass der Konfessionalisierungsprozess der Gesellschaft damals noch nicht so weit fortgeschritten war, wie es etwa im frühen 18. Jahrhundert der Fall war. In Augsburg beispielsweise waren gemischtkonfessionelle Ehen und soziale Kontakte zwischen Katholiken und Protestanten nichts Ungewöhnliches – zumindest vor der schwedischen Besatzungszeit in den 1630er-Jahren. Protestanten und Katholiken zechten in denselben Wirtshäusern, ohne dass deshalb gleich interkonfessionelle Massenschlägereien aktenkundig geworden wären. In den Gesellenherbergen des Handwerks erfolgte die Trennung der Konfessionen erst nach dem Westfälischen Frieden, als die Stadtoberen das paritätische Prinzip juristisch auf die Spitze trieben. Belege von anderen Orten legen nahe, dass die pragmatische Haltung der Augsburger Bürger keine Ausnahme war.28 Manche Menschen bekannten nach außen hin die eine Konfession, während sie hinter verschlossenen Türen eine andere praktizierten. Wieder andere suchten sich aus unterschiedlichen Quellen die Glaubenssätze und -praktiken zusammen, die ihnen am sinnvollsten und für ihren Alltag tauglichsten erschienen – ganz egal, ob die entstehende Mischung sich mit irgendeiner Orthodoxie deckte. Wer Handel trieb, stellte nicht selten den Profit über die Religion: Wenn ein Andersgläubiger etwas kaufen wollte, sollte man ihn wegschicken? Und obwohl es beinahe unmöglich war, der allgegenwärtigen Zensur zu entgehen, bot der politische Flickenteppich des Alten Reiches doch ausreichende Schlupflöcher, um alle Arten von Meinungen unters Volk zu bringen beziehungsweise kennenzulernen. Vielleicht am wichtigsten war jedoch der Umstand, dass diese Gesellschaft, deren Denken und Handeln unzählige Fundamentalisten der unterschiedlichs-

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ten Bekenntnisse ihren Stempel aufdrücken wollten, nicht erst mit der Reformation ins Dasein getreten war, sondern über ein reiches vorreformatorisches Erbe verfügte. Das humanistische Bildungsideal, das sich im 15. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet hatte, prägte noch immer Schulen und Universitäten, gelehrte und literarische Gesellschaften, ganz unabhängig von der Konfession. Die Unterrichtsinhalte mögen sich unterschieden haben, aber die allseits vergleichbare Form des Unterrichts sorgte doch für eine gewisse gemeinsame Basis. Die Reichen und Mächtigen jedenfalls hielten weiterhin an der Tradition fest, im Zuge ihrer Ausbildung verschiedene Bildungsinstitutionen zu besuchen; auch hier spielte die Konfession oft keine Rolle. Die Bewunderung des klassischen Formenkanons, die beiden Seiten gemein war, trug dazu bei, den Gedankenaustausch zwischen Katholiken und Protestanten über das Niveau konfessioneller Streitigkeiten zu erheben; noch während des Dreißigjährigen Krieges ernannte der Kaiser protestantische Dichter zu poetae laureati des Reiches.29 Die humanistische Tradition hielt überdies das Beispiel eines Erasmus von Rotterdam bereit, der eine privatere, von klerikal-dogmatischer Aufsicht freie Glaubensauffassung vertreten hatte. Sowohl Kaiser Ferdinand I. als auch sein Nachfolger Maximilian II. förderten humanistische Gelehrte, die mit ihrer Suche nach überkonfessionellen Gemeinsamkeiten auf eine Wiedervereinigung der gespaltenen Christenheit hinarbeiteten. Dass Frankreich und die Niederlande in konfessionellem Hass und Gewalt versanken, während im Reich Frieden herrschte, gab den Zeitgenossen zusätzlich zu denken, besonders nach den Massakern der Bartholomäusnacht vom 23. auf den 24. August 1572, als französische Katholiken in Paris und Umgebung mehrere tausend Hugenotten ermordeten, angefangen mit einer hochadligen Hochzeitsgesellschaft. Lazarus von Schwendi, der einflussreichste Militärberater des Kaisers, schrieb damals, derartige Gewaltausbrüche würden die Verteidigungsbereitschaft des Reiches gegen die Osmanen schwächen – und damit alle Christen in große Gefahr bringen. Seine Vorschläge für mehr Toleranz ähneln jener Herangehensweise, die man im Frankreich der Zeit als Position der politique bezeichnete: Angestrebt wurde ein Frieden, der durch die Loyalität aller Untertanen zu einer starken, überkonfessionellen Monarchie gesichert sein würde. Andere gingen noch weiter. Der Reichspfennigmeister und Vorsteher der Reichskasse, Zacharias Geizkofler, etwa, dessen Vorname allein ihn ohne Weiteres als Protestanten kenntlich machte, brachte vor, die weltliche Obrigkeit habe kein Recht, irgendjemandem seinen Glauben vorzuschreiben. Überhaupt müsse jede echte Toleranz aus wechselseitigem Verständnis erwachsen und könne nicht das Werk politischer Berechnung sein. Obgleich Geizkofler eine Minderheitenmeinung vertrat, bleibt doch unbestritten, dass die Europäer des 16. Jahrhunderts mehrere gedankliche Welten

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zugleich bewohnten und sich die unterschiedlichsten Vorstellungen zu eigen machen konnten, ohne sie zwangsläufig in Einklang bringen zu wollen. Sachverhalte, die uns heute widersprüchlich und unvereinbar erscheinen, stellten sich für die Zeitgenossen womöglich ganz anders dar. Gewiss, die konfessionelle Militanz nahm zu – vor allem als in den Jahren um 1580 mit den Angehörigen der „Generation Reformation“ jene in einflussreiche Positionen kamen, die in einer konfessionell gespaltenen Welt aufgewachsen waren und keine andere mehr kannten. Dennoch ist der Kriegsausbruch von 1618 unmöglich aus einer solchen gedanklichen Prägung allein zu erklären. Um die Beziehung zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Religion angemessen einschätzen zu können, müssen wir zunächst einen genaueren Blick auf den Augsburger Religionsfrieden werfen und insbesondere beleuchten, wie sich im Anschluss daran konfessionelle Differenzen mit Verfassungskontroversen verflochten.

Religion und Reichsrecht Der Augsburger Frieden von 1555 ist als „Religionsfrieden“ in die Geschichte eingegangen, aber in Wahrheit befasste sich nur ein kleiner Teil der in Augsburg getroffenen Vereinbarungen mit konfessionellen Streitfragen – den weitaus größeren Teil des auf dem Reichstag geschlossenen Abkommens machte ein vielfältiges Reformpaket aus, das sich mit einer ganzen Reihe von Themen beschäftigte.30 Die Regelung des Religionsstreits wurde somit in den größeren Zusammenhang weiterer Verfassungsreformen gestellt, die entweder um Fragen der öffentlichen Ordnung und des Landfriedens kreisten oder etwa um die Reichssteuerquote, eine Neuordnung der Münz- und Währungspolitik oder die Funktionsweise des Reichskammergerichts. Paragraf 29 verpflichtete den Kaiser, die Religionsklauseln des Textes unter die Grundgesetze des Heiligen Römischen Reiches aufzunehmen. Als Ferdinand von Habsburg, der den Frieden in Vertretung seines Bruders Karls V. ausgehandelt hatte, 1558 selbst Kaiser wurde, bestätigte er diese Vereinbarung. Anders als noch im Augsburger Interim von 1548 wurde die Befriedung des Reiches in dem neuen Frieden nicht an dogmatische Aussagen geknüpft. Keiner der sogenannten Religionsartikel definierte konkrete Glaubensinhalte. Stattdessen zielten sie darauf ab, die Anhänger der beiden zerstrittenen Konfessionen in einem gemeinsamen Rechtsrahmen zu vereinen. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Vorhabens sollten zwar nach 1618 eine Hauptursache für die Eskalation des Krieges darstellen; die Verantwortung für den Ausbruch des Konflikts kann man den Verfassern des Friedens von 1555 aber nicht geben.

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Diese hatten immerhin vor der übermächtigen Aufgabe gestanden, jene zerbrochene Einheit von Glaube und Gesetz wiederherzustellen, die zu Ausgang des Mittelalters noch gegolten hatte. Dass die beiden Elemente notwendig zusammengehörten, war für die meisten Zeitgenossen klar: Weil die Religion eine perfekte Richtschnur für alle Aspekte menschlichen Handelns darstellte und es auch nur eine Wahrheit geben konnte, konnte es auch nur ein Gesetz geben. Jetzt aber erhoben sowohl Katholiken als auch Lutheraner den Anspruch, im Besitz der Wahrheit zu sein. Selbst wenn das Landfriedensrecht die Reichsstände nicht zum Gewaltverzicht untereinander verpflichtet hätte, ließen die fruchtlosen Kämpfe der Jahre 1546–52 erkennen, dass eine Wiederherstellung der alten Einigkeit mit Waffengewalt vollkommen ausgeschlossen war. Eine gänzlich säkulare pax civilis war für das Reich als Ganzes keine Option. Diese Lösung sollte 20 Jahre später von dem französischen Juristen Jean Bodin mit Blick auf sein eigenes, vom Bürgerkrieg zerrissenes Vaterland vorgeschlagen werden. Bei Bodin erscheint der Staat noch immer als ein im Grunde christlicher, der jedoch keiner konkreten Konfession zuneigt und seine Macht zum Schutz der religiösen Vielfalt und öffentlichen Ordnung einsetzt. Eine derart mächtige, quasi-säkulare Monarchie ließ sich jedoch weder mit den „teutschen Freiheiten“ noch mit dem Anspruch des Kaisers vereinbaren, Oberhaupt eines Heiligen Römischen Reiches zu sein. Stattdessen bemühten sich die Friedensstifter von 1555 nach Kräften, alle religiösen Unterscheidungen zu verwischen, damit zumindest ein Hauch der alten Idee von einer umfassenden, einigen Christenheit bewahrt werden konnte. Die Lutheraner nannten sie in ihrem Text die „Augspurgischen Confessions-Verwanten“, ohne im Einzelnen darauf einzugehen, was das denn nun hieß. Durch die Verwendung von Begriffen wie „Frieden“, „Glauben“ und „Reformation“ wollten die Zeitgenossen bestimmte Wertvorstellungen vermitteln, die zwar von allen geteilt, von allen aber auch unterschiedlich verstanden wurden. Für die Lutheraner bedeutete „Reformation“ die Befugnis einer rechtmäßigen Obrigkeit zur Revision der Glaubenspraxis im Einklang mit der ursprünglichen Lehre der Glaubensgründer. Für Katholiken hingegen bestätigte der Begriff die zentrale Rolle ihrer eigenen Kirche in spirituellen und seelsorglichen Fragen. Ähnlich doppelbödige Formulierungen ziehen sich auch durch den Teil des Abkommens, der sich mit im engeren Sinne konfessionellen Fragen befasst. Während in Frankreich, Spanien und den Niederlanden noch immer blutig darum gekämpft wurde, eine einzige Konfession durchzusetzen, erkannte das Heilige Römische Reich – auf der Ebene seiner Territorien – sowohl Katholiken als auch Lutheraner an. Im Gegensatz zu dem später entstandenen Eindruck bedeutete das jedoch nicht, dass die Landesherren völlig frei zwischen den beiden Bekennt-

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nissen wählen konnten. Die bekannte Formel cuius regio, eius religio („Wes das Land, des der Glaube“) findet sich in dem Dokument jedenfalls nicht; sie entstand erst in der späteren Diskussion um die Friedensregelung in den Jahren nach 1586. Der Frieden von Augsburg war auch gar nicht dazu gedacht, einen ständigen Wandel der religiösen Landschaft zu ermöglichen, sondern sollte – ganz im Gegenteil – die Situation der Jahrhundertmitte verbindlich festschreiben. Zwar wurden einige seiner Paragrafen zusammengenommen als ein „Recht auf freie Wahl der Religion“ oder „Reformationsrecht“ (ius reformandi) verstanden, aber damit sollte eher die Pflicht der Landesherren betont werden, in ihren Territorien als säkulare Hüter der Religion aufzutreten, als dass ihnen damit die einseitige Vollmacht zu einem Religionswechsel nach Gutdünken verliehen worden wäre. Andere Paragrafen schränkten das Reformationsrecht stark ein, insbesondere Paragraf 19, der das Datum des Passauer Vertrags von 1552 als Stichtag festlegte. Herzog Moritz von Sachsen hatte sich von Ferdinand zusichern lassen, dass die Lutheraner allen vormals katholischen Besitz, den sie bis zu diesem Tag ihren neuen Landeskirchen einverleibt hatten, würden behalten dürfen, und dies bekundete der Augsburger Frieden nun auch ganz offiziell. Um die Katholiken zu beschwichtigen, ließ Ferdinand gegen lutherischen Protest im Gegenzug den Paragrafen 18 aufnehmen. Dieser bestimmte, dass die Kirchenfürsten der verbliebenen geistlichen Territorien, die nach 1555 zu der neuen Religion übertreten würden, zum Rücktritt von ihren Ämtern verpflichtet seien. Diese als reservatum ecclesiasticum oder „geistlicher Vorbehalt“ bezeichnete Klausel bewahrte den rein katholischen Charakter der Reichskirche und damit die gleichsam „eingebaute“ katholische Mehrheit in den Institutionen des Reiches. Auch nach 1555 blieb das Reich dezidiert „Heilig“ und „Römisch“. Der Reichsritterschaft blieb das ius reformandi verwehrt, da ihre Mitglieder keine vollberechtigten Reichsstände waren. Für die Reichsstädte wiederum wurde der gegenwärtige Stand ihrer konfessionellen Zugehörigkeit als künftig verbindlich festgeschrieben. Das galt auch für acht gemischtkonfessionelle Reichsstädte, die in Zukunft paritätisch, also von Katholiken und Lutheranern gemeinsam, verwaltet werden sollten. Andere Paragrafen sollten Reibungen zwischen den beiden Konfessionen minimieren. So wurde etwa die Jurisdiktion katholischer Bischöfe über lutherische Gebiete aufgehoben, indem man die Anwendung der bestehenden Häresiegesetze in solchen Fällen untersagte und beide Parteien dazu verpflichtete, sich zur Schlichtung im Streitfall an das Reichskammergericht zu wenden. Durch die letztere Bestimmung wurde der Religionsfrieden in den säkularen Rahmen der Reichslandfriedensordnung eingebettet. Die Aufnahme eines Emigrationsrechts (ius emigrandi) stellte einen weiteren säkularen Eingriff dar, durch den das Reformationsrecht der Landesfürsten beschnitten wurde. Untertanen, die sich der

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Konfession ihres Landesherrn nicht anschließen wollten, stand es frei, dessen Territorium zu verlassen, ohne dabei mit Strafe oder Enteignung rechnen zu müssen. Diese neuartige Regelung deutete bereits den späteren Rechtsstandpunkt an, wonach Individualrechte den Vorrang erhalten sollten vor Kollektivund Gruppenrechten. Dahinter stand die Vorstellung einer allgemeinen Gewissensfreiheit, für die sich die protestantischen Unterhändler zu Augsburg eingesetzt hatten, um damit ihre Glaubensbrüder in katholischen Territorien zu schützen. Durch den Widerstand der katholischen Delegation blieb davon letztlich nur das Emigrationsrecht übrig. Ferdinand von Habsburg erließ jedoch eine Zusatzerklärung, die wie der Religionsfrieden selbst auf den 24. September 1555 datiert war und tags darauf, wie dieser, in den Reichsabschied aufgenommen wurde. Diese Declaratio Ferdinandea gewährte dem bestehenden lutherischen Adel und den lutherischen Bürgern der geistlichen Territorien zumindest eine eingeschränkte Gewissensfreiheit. Der Friedensschluss von Augsburg war ohne Frage vieldeutig, ja sogar widersprüchlich. Es wäre jedoch verfehlt, mit Geoffrey Parker zu dem Schluss zu kommen, er habe lediglich „dem offenen Glaubenskrieg in Deutschland vorübergehend ein Ende gemacht“.31 Schließlich kam es in den 63 Jahren nach dem Augsburger Religionsfrieden zu keinem größeren Krieg mehr, und selbst dort, wo in Mitteleuropa nach 1583 offene Konflikte ausbrachen, blieben diese lokal begrenzt und – insgesamt gesehen – weniger brutal als die schier endlosen Gewaltexzesse in Frankreich oder den Niederlanden. Mit Lazarus von Schwendis Angst vor den Osmanen ist ein Faktor bereits angesprochen worden, der zur Wahrung des Friedens beitrug. Allerdings entlud die sogenannte Türkengefahr sich erst 1593, mit Ausbruch des Langen Türkenkrieges, und zu jener Zeit wuchs die konfessionelle Spannung eher, als dass sie nachließ. Der Hauptgrund für die Langlebigkeit des Augsburger Friedens lag letztlich wohl darin, dass dieser für eine ganze Reihe religiöser und politischer Probleme vergleichsweise zufriedenstellende Lösungen bereithielt. Seine Stärke wird auch dadurch deutlich, dass der Westfälische Frieden ihn nicht eigentlich ersetzte, sondern modifizierte und aktualisierte: Noch die innere Neuordnung des Reiches 1648 basierte im Grunde auf dem Augsburger Religionsfrieden. Die drei „Dubia“ Der wirkliche Grund für die späteren Schwierigkeiten lag in der abweichenden Interpretation dreier zentraler Bestimmungen der Augsburger Regelung. Das erste und wichtigste dieser „Dubia“ oder Bedenken betraf das weitere Schicksal des reichsunmittelbaren Kirchenbesitzes. Als anerkannte Reichsstände hatten bis 1552 die meisten Erzbischöfe, Bischöfe und Reichsprälaten ihre Territorien davor bewahren können, in den Besitz der neuen lutheri-

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schen Landeskirchen überführt zu werden. Die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen waren zwar gerade dabei, ihren Fürstentümern jeweils drei Bistümer einzuverleiben, doch rührten diese Bemühungen von alten territorialen Begehrlichkeiten her, die noch aus der Zeit vor der Reformation stammten. Die unmittelbarere Bedrohung war von den Katholiken ausgegangen. Kaiser Karl V. selbst hatte Utrecht annektiert und diverse andere Bistümer, die an seine habsburgischen Territorien grenzten, unter sein „Protektorat“ gestellt. Und Frankreich hatte, wie bereits erwähnt, Metz, Toul und Verdun an sich gebracht. Alles in allem waren die Gebietsverluste für die Reichskirche jedoch zu verschmerzen gewesen, vor allem wenn man bedenkt, dass sie noch immer drei geistliche Kurfürstentümer, etwa 40 Fürsterzbistümer und Fürstbistümer sowie rund 80 Klöster ihr Eigen nannte. Nun wurde der katholische Charakter dieser Gebiete zwar durch den geistlichen Vorbehalt unter Schutz gestellt, die Declaratio Ferdinandea erlaubte es dem dort ansässigen Adel aber, gegebenenfalls seinen lutherischen Glauben zu praktizieren. Die protestantische Infiltration der Domkapitel setzte sich also weiter fort, zumal auch lutherische Fürsten und Adlige sich unter keinen Umständen die politischen und gesellschaftlichen Vorteile entgehen lassen wollten, die der Dienst in der Reichskirche mit sich brachte. Die Tatsache, dass Martin Luther persönlich spätestens in den 1540er-Jahren mit dem Gedanken an protestantische Bischöfe liebäugelte, gab diesbezüglichen Ambitionen die theologische Basis.32 Die Lutheraner argumentierten, der geistliche Vorbehalt sei kein Bestandteil des eigentlichen Friedensschlusses gewesen, da sie dagegen Einspruch erhoben hätten – die Wahl eines protestantischen Bischofs durch ein entsprechend geneigtes Domkapitel sei also prinzipiell nicht ausgeschlossen. Der Kaiser wich der Frage aus, indem er Protestanten im Zweifelsfall als Administratoren eines Bistums anerkannte, nicht jedoch als Bischöfe. Die betreffenden Territorien blieben zwar Teil der Reichskirche, aber ihre neuen Herren übten ihre Herrschaftsrechte als weltliche Landesfürsten aus, nicht als Geistliche. Das verhinderte einerseits eine völlige Säkularisierung und ließ andererseits die Möglichkeit offen, dass bei der nächsten Bischofswahl wieder ein „sicherer“, katholischer Kandidat zum Zuge kommen würde. Auch die protestantischen Fürsten des Reiches waren mit dieser Regelung einverstanden, hatten sie doch kein Interesse daran, die betreffenden Gebiete geradeheraus zu annektieren: Es wären kostbare Stimmen in den Institutionen des Reiches verloren gegangen, wie es etwa tatsächlich geschah, als Brandenburg sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts gleich drei Bistümer einverleibte. Freilich wurden derartige Fragen erst nach 1582 tatsächlich dringlich, denn nun begann die wachsende Zahl der protestantisch kontrollierten geistlichen Territorien, den katholischen Mehrheiten im Reichstag und in anderen Institutionen und Gremien gefährlich zu werden (siehe Kapitel 7).

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Der zweite unklare Punkt betraf jenes mittelbare Kirchengut, das zwar im Herrschaftsbereich eines lutherischen Fürsten lag, jedoch bis 1552 nicht in die Landeskirche seines Territoriums eingegliedert worden war. Der rechtliche Status solcher Stiftungen war schon vor der Reformation viel diskutiert worden, denn weltliche Herrscher hatten immer wieder das Recht in Anspruch genommen, einzelne Klöster unter ihren „Schutz“ zu nehmen oder Rechte und Einkünfte mit ihnen zu teilen. Bisweilen war auch unklar, ob ein bestimmtes Kloster mittelbar oder reichsunmittelbar war – ob es also dem Landesherrn unterstellt war oder selbst als Reichsstand auftreten durfte. Die Reichsstandschaft nahmen etwa einige süddeutsche Äbte in Anspruch, als ihre Klöster von der Annexion durch Württemberg oder andere lutherische Territorien bedroht waren. Landesherren, die erst nach 1555 zum Luthertum konvertierten, standen vor noch größeren Schwierigkeiten, konnten sich aber, wollten sie das Kirchengut ihrer Territorien auch in Zukunft kontrollieren, immerhin auf die Bestimmungen des Augsburger Friedens berufen, denen zufolge die Jurisdiktion katholischer Bischöfe über lutherische Gebiete aufgehoben war. Der dritte Streitpunkt war die Religionsfreiheit der Untertanen. Es gab wohlgemerkt mehr katholische Territorien mit lutherischen Minderheiten als umgekehrt. Wenig überraschend interpretierten nun die Katholiken den Wortlaut des Friedens so, dass dem Landesherrn ein exklusives Vorrecht zur Ausweisung „Irrgläubiger“ zukomme, während die Lutheraner ihn als Garantie für eine Wahlfreiheit ihrer Glaubensgenossen auffassten, ihre lutherische Religionsausübung entweder an Ort und Stelle fortzuführen oder aber – freiwillig – zu emigrieren. Die Klärung dieser Frage wurde immer drängender, nachdem in den 1570er-Jahren katholische Landesherren der zunehmenden Verbreitung des Luthertums in ihren Territorien dadurch einen Riegel vorzuschieben versuchten, dass sie die religiöse Konformität zum Maßstab der politischen Loyalität erhoben (siehe Kapitel 3). Die Diskussion dieser drei Dubia war es, die ab den 1560er-Jahren die Reichspolitik ausfüllte, wobei Katholiken wie Lutheraner jedem neuen Reichstag umfangreiche „Gravamina“ vorlegten, juristisch argumentierende Beschwerdeschriften, in denen sie ihre jeweilige Interpretation des Augsburger Friedens verteidigten. Alle drei Dubia berührten materielle und personelle Interessen gleichermaßen, aber die komplexen Argumente, die vorgebracht wurden, verschleierten nur das grundlegende Problem: Der Friedensschluss hatte zwar den Lutheranern Rechtsgleichheit gegeben, den Katholiken jedoch eine politische Mehrheit. Dies war eine ernste Sache, denn das Rechtssystem des Heiligen Römischen Reiches ließ sich letztlich weder von dessen politischem System trennen noch war es in der Lage, die hohen Erwartungen von 1555 zu erfüllen und alle konfessionellen

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Streitigkeiten beizulegen. Die Unfähigkeit der höchsten Gerichte des Reiches, hierin zu einer Klärung zu gelangen, warf letzten Endes die verfassungsrechtliche Frage auf, wo denn nun die höchste Autorität in derartigen Streitfragen liege. Dass der Papst hinzugezogen würde, war völlig ausgeschlossen – selbst die Katholiken stellten seine juristische und politische Zuständigkeit infrage, sobald es um das Reich ging. Die Idee der „teutschen Freiheiten“ machte es problematisch, sich an den Kaiser zu wenden: Ihn betrachtete man eher als Schiedsrichter denn als Gesetzgeber. Die umstrittensten Bestimmungen des Friedens von 1555 – der geistliche Vorbehalt und die Declaratio Ferdinandea – wurden von ihren jeweiligen Gegnern als autoritäre kaiserliche Diktate angeprangert, die verbindliche Übereinkünfte ersetzten, die zwischen sämtlichen im Reichstag vertretenen Interessengruppen frei ausgehandelt worden wären. Das Vermögen des Kaisers, bei derartigen Meinungsverschiedenheiten für Ausgleich zu sorgen, hing maßgeblich von seinem Ansehen unter den Fürsten des Reiches ab. Sowohl Ferdinand I. als auch Maximilian II. setzten sich unermüdlich für Mäßigung und Kompromiss ein, aber der launenhafte Rudolf II. sah nach seiner Wahl zum Kaiser 1576 einfach zu, wie das zuvor Erreichte zunichtegemacht wurde.33 Recht früh schon waren in allen späteren Streitpunkten klar unterschiedene protestantische beziehungsweise katholische Positionen deutlich geworden, und schon bei Abschluss des Friedens dürfte allen Beteiligten bewusst gewesen sein, dass in wesentlichen Fragen keine wirkliche Einigung erreicht war, sondern weiterhin Unklarheit herrschte. Die verbreitete Ansicht, in den Jahren zwischen 1559 und 1618 habe im Heiligen Römischen Reich eine stetige Polarisierung der konfessionellen Standpunkte stattgefunden, hat folglich kaum eine Grundlage. Vielmehr bestanden auf beiden Seiten gemäßigte und militante Positionen nebeneinander; welches Lager zu einer gegebenen Zeit die Oberhand gewann, hing vom Zusammenspiel einzelner Persönlichkeiten und allgemeiner Rahmenbedingungen ab. Die zeitliche Abfolge dieser Umgewichtungen wird in einem späteren Kapitel aufgegriffen; auf den verbliebenen Seiten des gegenwärtigen Kapitels sollen noch die gegensätzlichen Sichtweisen der beiden konfessionellen Lager skizziert werden. Der katholische Standpunkt Die katholische Position hinsichtlich der Dubia legte 1566 Papst Pius V. fest, der den Frieden von Augsburg als taktisches Zugeständnis interpretierte – als das kleinere Übel konfessioneller Toleranz, um dem größeren Übel eines Religions- und Bürgerkrieges zu entgehen (zumal an den östlichen Grenzen der Christenheit bereits die Osmanen aufmarschierten). Diese Sicht der Dinge begegnet in Äußerungen über den Augsburger Religionsfrieden von katholischer Seite immer wieder, bis hin zu den Worten Papst Pius’ XII.

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anlässlich der Vierhundertjahrfeier von 1955. Allerdings ließ sich dieselbe Position sowohl in gemäßigter als auch in militanter Absicht vertreten. Die Vertreter der gemäßigten Variante sahen in dem Frieden von Augsburg ein festgeschriebenes Zugeständnis an die Lutheraner als die Angehörigen einer widerständigen Glaubensminderheit, die gleichwohl durch einen gemeinsamen Rechtsrahmen mit ihren katholischen Nachbarn verbunden sei. Zum Wohl der Allgemeinheit müssten sie toleriert werden, seien den „Rechtgläubigen“ jedoch nicht völlig gleichgestellt und hätten daher auch keinen Anspruch auf weitergehende politische Rechte. Viele, auch gemäßigte Katholiken gingen weiter und behaupteten, 1555 habe schlicht dem Luthertum eine Schranke gesetzt; wer jedoch von den Abtrünnigen seinen Fehler einsehe, dürfe durchaus in den Schoß des wahren Glaubens zurückkehren. Eine Veränderung der Ausgangssituation sei also möglich und erlaubt – allerdings nur in eine Richtung. Die militanten Katholiken beriefen sich auf die jesuitische Lesart der Lehre vom kleineren Übel und argumentierten, dass der ursprüngliche, 1521 gegen Luther und seine Anhänger ausgesprochene Kirchenbann durch die Regelung von 1555 lediglich ausgesetzt worden sei. Eine gewisse Rechtfertigung erwuchs dieser Ansicht aus Paragraf 25 des Augsburger Vertragstextes, in dem festgehalten war, dass der Friedensschluss nur so lange Bestand haben solle, bis die Theologen ihre Differenzen beigelegt hätten. Aus katholischer Sicht waren jedoch die strittigen Fragen schon durch die tridentinischen Dekrete von 1564 abschließend geklärt worden, woraus sich die Frage ergab, ob der Frieden von Augsburg danach überhaupt noch gültig sei. Sowohl gemäßigte als auch militante Katholiken konnten sich also auf das Reichsrecht berufen, wenn sie behaupteten, sie folgten lediglich dem „klaren Buchstaben“ des Augsburger Religionsfriedens. Protestantische Widerstandslehren Auch auf protestantischer Seite berief man sich auf den Augsburger Frieden und klammerte sich an die Hoffnung, die Einheit der Christenheit werde wiederhergestellt und das Schisma werde bald vorübergehen. Allerdings betrachteten die Protestanten den Reichstag von 1555 nicht als das Ende, sondern vielmehr als den Auftakt ihres Vorhabens, alle Christen zur Annahme von Luthers Reform zu bewegen. Die Calvinisten waren zudem der Ansicht, auch sie sollten in die Regelung aufgenommen werden; schließlich sei ihre Konfession ebenfalls aus dem Augsburgischen Bekenntnis von 1530 hervorgegangen. Sobald die katholische Seite sich jedoch weigerte, bestimmte „Verletzungen“ des Friedens von 1555 hinzunehmen, gingen die Meinungen im protestantischen Lager auseinander: Am militanten Ende des Spektrums wurden Verfassungsänderungen und sogar offener Widerstand in Erwägung gezogen, was unter gemäßigten Protestanten noch lange nicht der Fall war.

2. Aufruhr im Herzen der Christenheit

Die Idee eines grundsätzlichen Widerstandsrechts war dem katholischen Denken durchaus nicht fremd, gewann für die Protestanten aber eine größere Bedeutung, weil sie im Reich als Ganzem ebenso eine politische Minderheit bildeten wie in den habsburgischen Territorien, wo lutherische Adlige und Städte sich einer herrschenden Dynastie gegenübersahen, die entschieden hinter der römischen Kirche stand. Wie schon in der Frage der konfessionellen Spannungen, so sollte man sich auch hier davor hüten, die Diskussion um das Widerstandsrecht als einen stetigen Radikalisierungsprozess zu interpretieren oder etwa davon auszugehen, dass Calvinisten von vornherein rebellischer gewesen seien als Lutheraner. Oft wird die politische Ideengeschichte teleologisch verzerrt, indem man den Urhebern späterhin revolutionärer Ideen schon von Anfang an einen größeren Einfluss zuschreibt als ihren traditionelleren Zeitgenossen.34 Französische und niederländische Widerstandslehren wurden durch die blutigen Bürgerkriege, die diese Länder im späten 16. Jahrhundert verheerten, zumindest teilweise diskreditiert. Im deutschen Raum konzentrierte man sich deshalb in der Diskussion um das Widerstandsrecht vor allem auf die eigene Erfahrung in der ersten Jahrhunderthälfte sowie auf Theorien aus Ungarn und Polen, wo der Widerstand des Adels gegen eine als Tyrannei empfundene Oberherrschaft eine lange Tradition hatte. Jede Widerstandslehre musste sich früher oder später mit drei Fragen auseinandersetzen, die der Einsatz von Gewalt auf internationaler Ebene aufwarf. Ein Krieg oder Aufstand durfte dann als gerechtfertigt gelten, wenn diejenigen, die mit dem Blutvergießen begonnen hatten, ihr Handeln mit den christlichen Geboten in Einklang bringen und so der ewigen Verdammnis entgehen konnten. Ein gerechter Krieg konnte nur von einer anerkannten Autorität erklärt werden – mit Blick auf einen Aufstand war aber schon nicht mehr klar, wer dies sein sollte. Ebenso unklar war, was einen hinreichenden Grund zum Widerstand bildete – und durfte man nur zur Verteidigung religiöser Überzeugungen Widerstand leisten oder auch aus weltlichen Interessen? Zu guter Letzt war unklar, ob ein Widerstandsrecht nur so lange bestand, bis das Unrecht abgestellt war, oder ob man dessen Verursacher stürzen durfte oder sogar sollte. Die Theologen aller Richtungen sprachen sich prinzipiell für den Gehorsam aus. Die weltliche Obrigkeit sei von Gott eingesetzt; selbst die Herrschaft eines Tyrannen müsse als Glaubensprobe erduldet werden. Calvin ermahnte sogar die Christen im Osmanischen Reich, dem Sultan unter allen Umständen zu gehorchen. Diese pauschale Bejahung obrigkeitlicher Autorität begann allerdings zu bröckeln, sobald das Schicksal der eigenen Konfession auf dem Spiel zu stehen schien. Schon 1524 verwiesen manche Protestanten auf das antike Modell von Kontrollinstanzen, speziell auf das Beispiel der spartanischen Ephoren oder der

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römischen Tribunen, welche die Rechte der Bürger gegen einen potenziell tyrannischen Souverän verteidigt hätten. Als man ihn bat, seine Unterstützung für den Schmalkaldischen Bund kundzutun, ließ Luther sich widerstrebend zu einer Parallelisierung von Ephoren und Kurfürsten bewegen. Das kam den Gründern des Fürstenbundes insbesondere deshalb gelegen, weil ihnen durchaus bewusst war, wie gefährlich nahe die (immerhin biblische) Lehre, man müsse „Gott mehr gehorchen als den Menschen“, den Argumenten der aufständischen Bauern kam, deren Rebellion sie in den Jahren 1524–26 selbst blutig niedergeschlagen hatten. Da die Fürstenherrschaft erblich war, akzeptierte Luther sie als gottgewollt – der Kaiser hingegen wurde, so seine Sicht, „nur“ von den Fürsten gewählt. Die Menschen sollten ihren Fürsten gehorchen, die Fürsten jedoch durften sich, so die Überlegung, dem Kaiser widersetzen, sobald dieser den wahren Glauben missachtete. Solche Argumente passten ausgezeichnet zu der Rede von den „teutschen Freiheiten“, der zufolge Kurfürsten und Fürsten gemeinsam für das Wohlergehen des Reiches verantwortlich waren. Der Widerstand gegen einen bestimmten Kaiser konnte so mit einem Gefühl ungebrochener Loyalität zur Reichsverfassung als solcher in Einklang gebracht werden. Die meisten Lutheraner distanzierten sich nach den Erlebnissen der Jahre 1546–52 rasch von derartigen Ansichten. Außerdem ließ die offizielle Anerkennung ihrer Religion im Augsburger Frieden von 1555 ein allgemeines Widerstandsrecht weniger notwendig erscheinen als zuvor. Auch die Ausbreitung des Calvinismus schwächte die lutherische Opposition gegen den Kaiser ab, denn der neue Glauben gewann seine Konvertiten fast ausschließlich auf Kosten der Lutheraner. Deren Loyalität zum Reich wurde zudem durch die Weigerung des Kaisers gestärkt, an der Seite Spaniens und der anderen katholischen Konfliktparteien in die Bürgerkriege Frankreichs und der Niederlande einzugreifen. Die Lutheraner lehnten die calvinistische Auffassung ab, die Massaker der Bartholomäusnacht hätten einen Angriff auf alle Protestanten bedeutet. Die französischen Hugenotten, so das Gegenargument, müssten sich ihr Unglück selbst zuschreiben – immerhin seien sie es gewesen, die gegen ihren König zu den Waffen gegriffen hätten. Als religiöse Minderheit in der Minderheit tendierten die Calvinisten schon eher dazu, zur Verteidigung ihrer Interessen auch Mittel in Erwägung zu ziehen, die der Reichsverfassung zuwiderliefen. Die wachsende Militanz im katholischen Lager sowie Zweifel an den Führungsqualitäten Rudolfs II. brachten manche Lutheraner dazu, sich ihnen anzuschließen. Eine wirkliche Radikalisierung erfolgte dann aber nur, weil die Habsburger ihre protestantischen Untertanen derart bedrängten, dass einige von ihnen zu der Ansicht gelangten, das Widerstandsrecht gelte auch für den Adel und sogar die Bürger, sofern diese unter Verfolgung litten.

3. Die Casa de Austria Besitz und Dynastie

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em Haus Österreich hat man in der Geschichte, die wir erzählen wollen, für gewöhnlich die Rolle des Schurken zugewiesen. Die zu ihrer Zeit viel gelesene Darstellung des Dreißigjährigen Krieges von C. V. Wedgwood erschien 1938, im Jahr des Münchner Abkommens, und zeichnete den englisch-schottischen König Jakob I. als einen schwachen Herrscher, der angesichts einer drohenden Diktatur der Habsburger diese zu beschwichtigen suchte. Der tschechische Historiker Josef Polišenský erlebte die Besetzung Prags durch die Truppen des nationalsozialistischen Deutschland aus nächster Nähe. Später sollte er das Versagen der westeuropäischen Mächte, den böhmischen Aufständischen 1618 beizustehen, explizit mit der Münchner Krise vergleichen, die sich genau 320 Jahre danach ereignet hatte. Die populären Bücher von Günter Barudio zum Thema, Der teutsche Krieg 1618–1648 sowie eine „politische Biografie“ Gustav Adolfs, stellen den Schwedenkönig als einen Vorkämpfer für Frieden und Gerechtigkeit dar, der die „teutsche Freiheit“ gegen die Übermacht der Habsburger verteidigt habe. Die ältere deutsche Forschung gab sich sogar noch parteiischer und zögerte nicht, den Kaiser mit einer „katholischen Tyrannenherrschaft“ in Verbindung zu bringen, mit der er die Kräfte des Lichts und des Fortschritts in der Geschichte habe auslöschen wollen. Es ist zudem eher von Nachteil gewesen, dass die besten englischsprachigen Studien über diese Zeit sich hauptsächlich mit den spanischen Habsburgern beschäftigen, den österreichischen Zweig der Familie aber vernachlässigen – obwohl gerade dessen Probleme zentral waren, was die Gründe, den Verlauf und den Ausgang des Dreißigjährigen Krieges anbetrifft. Der beispiellose Erfolg der Habsburger war das Ergebnis einer langen Vorgeschichte. Den größten Teil des Spätmittelalters hindurch hatte die Dynastie gegenüber stärkeren Wettbewerbern um Macht und Einfluss im Reich das Nachsehen gehabt. Der Erwerb der Kaiserkrone 1438 hatte das Haus Habsburg dann mit einem Mal in den Mittelpunkt des Geschehens katapultiert; seine wirkliche Macht bezog es jedoch aus der Anhäufung immer weiterer Territorien und Königreiche zwischen 1477 und 1526. Die wichtigste unter diesen Erwerbungen war Spanien, das 1516 durch Erbschaft an die Habsburger fiel – just in jenem weltgeschichtlichen Moment, in dem die Spanier begonnen hatten, ein ganzes Weltreich zu erobern. Die Regierung dieses riesigen Reiches blieb dennoch ein

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regelrechter Familienbetrieb mit zahlreichen Akteuren. Nicht nur mangelte es den Habsburgern an der nötigen Expertise und den Ressourcen, um in ihrem Imperium ein einheitliches, zentralisiertes Herrschaftssystem zu errichten: Sie strebten eine solche Zentralisierung noch nicht einmal an. Schließlich kam mit jeder Eroberung, jedem neu erworbenen Territorium auch ein neuer Herrschaftstitel in den Besitz der Familie. Und das mehrte wieder ihre Macht und ihr Prestige unter den gekrönten Häuptern Europas. Der wichtigste habsburgische Titel auf einer langen Liste war zweifellos die Kaiserwürde, die jedoch nur zwischen 1519 und 1558 – in der Person Karls V. – mit der spanischen Krone verbunden war. Karl gebot über ein Reich, in dem, wie es so schön heißt, die Sonne niemals unterging – in dem aber auch kein Problem fehlte, mit dem sich die Welt der Frühen Neuzeit konfrontiert sah: Glaubensspaltung, rapider demografischer und wirtschaftlicher Wandel, Begegnungen mit unbekannten Ländern und Menschen, internationale Konflikte. Diesen und anderen Herausforderungen begegneten die Habsburger, indem sie neue Zweige ihres „Familienunternehmens“ eröffneten – ein Prozess, der, wie in Kapitel 2 bereits deutlich wurde, in den 1540er-Jahren schon in vollem Gange war und beim Tod Karls V. zur offiziellen Teilung des Hauses Habsburg führte. Karls Bruder und Nachfolger, Kaiser Ferdinand I., führte die Geschicke des österreichischen Familienzweiges fort, der zumindest offiziell als die ranghöhere der beiden Linien galt – immerhin waren dort neben der Kaiserkrone auch noch die beiden Königskronen Böhmens und Ungarns verblieben. Karls Sohn, Philipp II., erhielt Spanien und das spanische Kolonialreich, dazu die Niederlande, die – als Burgundischer Reichskreis – nominell noch immer Teil des Heiligen Römischen Reichs waren, sowie die habsburgischen Besitzungen in Italien, die in vielen Fällen ebenfalls unter der Jurisdiktion des Reiches standen. Der niedrigere Status der spanischen Habsburger wurde durch ihren Ressourcenreichtum mehr als wettgemacht: Die Niederlande waren eine wahre Wirtschaftsmacht, und aus Südamerika hatte das Silber nach Europa zu strömen begonnen (siehe Kapitel 5). Im Gegensatz dazu musste Ferdinand sich mit den komplexen Problemen des Heiligen Römischen Reiches herumschlagen – eines Reiches, über das er weithin nur indirekt herrschte und das nur vergleichsweise wenig zum Kampf gegen die Türken beitrug, die bereits weite Teile Ungarns überrannt hatten. Im Verlauf von Ferdinands Regierungszeit verfünffachte sich die österreichische Staatsschuld; bei seinem Tod 1564 hatte sie zehn Millionen Gulden erreicht, was den Einnahmen aus fünf Jahren entsprach. Zur Bedienung dieser Schuld mussten 1,5 Millionen Gulden im Jahr aufgewandt werden, während die Verteidigung der östlichen Grenzen eine weitere Million Gulden kostete. Der Kaiser hinterließ persönliche Schulden in Höhe von 1,5 Millionen Gulden und

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war bei seinem Tod zudem mit den Soldzahlungen an seine Soldaten um eine weitere Million Gulden im Rückstand.35 Ferdinands posthume Lösung dieses Problemkomplexes bestand in der weiteren Aufspaltung des Herrscherhauses. In seinem Testament vermachte er die Kaiserwürde der Linie seines ältesten Sohnes und schuf zwei nachrangige Linien für dessen jüngere Brüder. Kurzfristig brachte diese Regelung den Habsburgern eine Festigung ihrer Herrschaft ein, erlaubte sie es doch, die Regierungslast auf den Schultern dreier Erzherzöge zu verteilen. Die Größenvorteile des ungeteilten Territoriums gingen jedoch verloren, als Ferdinands Schulden unter den drei neuen Herrschern aufgeteilt wurden – nun mussten sie alle drei in ihren Territorien die Steuern erhöhen, um ihren Anteil daran begleichen zu können. Die Zentrifugalkräfte, die schon jetzt in der weitgehenden Autonomie der einzelnen Länder steckten, nahmen in dem Maß weiter zu, in dem jede der drei Linien sich in der Folge auf ihre lokalen Probleme konzentrierte und dabei eine eigene Identität ausbildete. Erzherzog Karl erhielt, als jüngster der drei Brüder, den scheinbar kärglichsten Teil, nämlich fünf Länder, die zusammen als „Innerösterreich“ bekannt waren, oft aber auch „Steiermark“ genannt wurden. Namengebend war das mit rund 460 000 Einwohnern im Jahr 1600 bevölkerungsreichste der fünf Länder, das Herzogtum Steiermark.36 Die anderen vier (die Herzogtümer Kärnten und Krain sowie die Grafschaft Görz mit Gradisca) kamen zusammen auf rund 600 000 Einwohner, wodurch der Erzherzog von Innerösterreich über mehr Untertanen gebot als die meisten Kurfürsten. Allerdings lag sein Herrschaftsgebiet in der äußersten südöstlichen Ecke des Heiligen Römischen Reiches – und damit in direkter Frontstellung zum Reich der Osmanen. Zwar entwickelte die steirische Wirtschaft sich prächtig – das Land war reich an Kupfer und Eisenerz –, aber schon bald floss ein immer größerer Teil der Steuereinnahmen in die Verteidigung der kroatischen und ungarischen Grenzen (der sogenannten Militärgrenze zum Osmanischen Reich). Dennoch nahm die steirische Linie der Habsburger in der internen Rangfolge des Hauses Österreich rasch den zweiten Platz ein. Das lag daran, dass sie mit ihrem relativen Wachstum die Tiroler Linie in den Schatten stellte, die der mittlere der drei Brüder, Erzherzog Ferdinand, begründet hatte. Die Silberminen, die Tirol einst zum reichsten habsburgischen Territorium gemacht hatten, befanden sich endgültig im Niedergang. Zwar eröffnete die Salzgewinnung eine alternative Einnahmequelle, aber auch das konnte nichts daran ändern, dass in den abgelegenen Alpentälern Tirols und im politisch dazugehörigen Vorderösterreich insgesamt gerade einmal 460 000 Menschen lebten. Beim letztgenannten, auch als „österreichische Vorlande“ bekannten Gebiet handelte es sich um eine Ansammlung verstreuter Enklaven, hauptsächlich am Oberrhein, im Schwarzwald und an den Oberläufen von Do-

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nau und Neckar gelegen, die im Westen bis in das Elsass reichten. Freilich war nur ein Drittel des Elsass unmittelbarer Besitz der Habsburger; ihre Autorität in den übrigen Teilen – und auch im übrigen Vorderösterreich – beruhte größtenteils auf Rechtstiteln, die mit der Kaiserwürde des ranghöchsten Familienzweiges zusammenhingen. Maximilian von Habsburg war es, der, als ältester Sohn Kaiser Ferdinands, Österreich sowie die Kronen Böhmens und Ungarns erhielt, und den die Kurfürsten als neuen Kaiser annahmen. Allerdings waren nur Ober- und Niederösterreich (Österreich „ob der Enns“ und „unter der Enns“) Maximilians direkter Erbteil, und mit ihren zusammen rund 900 000 Einwohnern erwirtschafteten sie geringere Einkünfte als Böhmen, das aber auch mehr Einwohner hatte.37 Die Habsburger hatten die Wenzelskrone im Jahr 1526 geerbt, als der letzte König von Böhmen aus der mit ihnen verschwägerten, litauisch-polnischen Dynastie der Jagiellonen im Kampf getötet worden war. Die neuen Herren Böhmens betrachteten ihren Herrschaftsanspruch als erblich, hatten den böhmischen Adel aber noch nicht davon überzeugen können, seine traditionellen Vorstellungen eines Wahlkönigtums auch offiziell aufzugeben. Böhmen war ein Gebilde aus fünf sehr unterschiedlichen Provinzen, mit je eigenen Gesetzen und eigener Regierungsform. Innerhalb dieses Verbundes war es das Königreich Böhmen im engeren Sinne, das den Vorrang beanspruchte – das ging so weit, dass die Böhmen den Vertretern der restlichen Länder sogar die Teilnahme an der Königswahl verwehrten. Mit ihren rund 650 000 Einwohnern war die Markgrafschaft Mähren etwa halb so groß wie Böhmen, hatte mit diesem aber mehr gemein als mit den anderen Kronländern, so etwa die gemeinsame tschechische Sprache und das hussitische Erbe. Die Hussiten waren theologische Vorläufer Luthers gewesen, die im 15. Jahrhundert die Forderung nach religiösen Freiheiten mit einem Feldzug für politische Autonomie verbanden. Der böhmische König hatte ihren Aufstand in den 1430er-Jahren nur mit Mühe – und der Hilfe des deutschen Adels – niedergeschlagen. Diese Erfahrung hatte die Abgrenzung von den anderen, mehrheitlich deutschsprachigen Kronländern Oberlausitz, Niederlausitz und Schlesien verschärft, die nördlich und östlich des böhmischen Kernlandes hinter Gebirgszügen lagen. Am schwächsten war die habsburgische Autorität in Ungarn, das ebenfalls 1526 durch Erbschaft in habsburgischen Besitz gekommen war, als Ludwig II., der junge jagiellonische König von Böhmen, Ungarn und Kroatien, zusammen mit drei Vierteln seines Heeres bei Mohács im Kampf gegen die Türken fiel. Unter den überlebenden ungarischen Adligen kam es in der Frage, ob sie ihr zerfallendes Reich den Habsburgern überlassen sollten, zu erbittertem Streit. Die Mehrheit stellte sich gegen eine Fremdherrschaft; stattdessen wollten sie die Ste-

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phanskrone einem aus ihrer Mitte übertragen: Johann (János) Zápolya, den sie im Einklang mit ihren eigenen Vorstellungen von einem ungarischen Wahlkönigtum als König von Ungarn proklamierten. Eine Minderheit akzeptierte den Anspruch der Habsburger, die sich mit umfassenden Zugeständnissen Unterstützung erkaufen wollten. Der vereinte ungarische Widerstand gegen die Osmanen brach zusammen, woraufhin diese Ungarn auf einer Fläche von mehr als 120 000 Quadratkilometern besetzten, was bis 1541 rund 900 000 dort ansässige Menschen unter osmanische Herrschaft brachte. Zápolya zog sich nach Nordosten zurück und schuf sich sein eigenes Reich, indem er das größtenteils autonome Fürstentum Siebenbürgen mit dem sogenannten Partium vereinte, einem in der historischen Landschaft Ruthenien gelegenen Teil des damaligen Königreiches Ungarn, der heute überwiegend zu Rumänien gehört. Das Partium bestand aus acht ungarischen Komitaten (Grafschaften) östlich der Theiß. Damit herrschte Zápolya über ein Territorium von insgesamt rund 80 000 Quadratkilometern Fläche, auf dem vielleicht 750 000 Menschen lebten. Seinen Anspruch auf den Fürstentitel ließ er sich von den Habsburgern bestätigen; im Gegenzug sollte das vergrößerte Fürstentum Siebenbürgen (und auch die ungarische Krone) nach seinem Tod an das Haus Habsburg fallen. Der örtliche Adel sah es jedoch überhaupt nicht ein, sich seine Rechte nehmen zu lassen, und wählte Stephan (István) Báthory zum Gegenfürsten; 1571 sicherte Báthory sich den Schutz der Osmanen. Das Fürstentum Siebenbürgen wurde so zu einer autonomen Brücke zwischen dem türkisch besetzten Mittelungarn mit der Metropole Buda auf der einen Seite und dem habsburgischen „Rumpfungarn“ mit der Residenz Pressburg (Bratislava) auf der anderen. Der Zustrom von Flüchtlingen vor dem islamischen Vormarsch sorgte dafür, dass in dem habsburgischen Territorium bald – geringfügig – mehr Menschen lebten als in den beiden anderen; allerdings bewirkte die Teilung Ungarns, dass die Habsburger mehr als zwei Drittel ihres vormaligen ungarischen Besitzes verloren.38 Allein die Kroaten nahmen die habsburgische Herrschaft mit voller Überzeugung an, weil sie sich davon eine größere Autonomie von den Ungarn versprachen. Die ungarischen Stände wiederum blieben zwar königstreu und akzeptierten, dass die altehrwürdige Stephanskrone nun von einem Habsburger getragen werden sollte. Zugleich bestanden sie jedoch strikt auf ihren Rechten, nicht nur den König zu wählen, sondern sich ihm auch zu widersetzen, wenn er gegen ihre Verfassung verstieße. Wie schon in Böhmen, stellten diese politischen Differenzen keineswegs einen Konflikt zwischen monarchischen und republikanischen Idealen dar, sondern entsprangen aus abweichenden Vorstellungen von einer Mischverfassung oder monarchia mixta, wobei je nach Sachlage einmal die Rechte des Monarchen betont wurden, einmal die der Stände.

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Stände und Konfession Die Stände der Frühen Neuzeit waren aus dem Mittelalter überkommene, repräsentative Körperschaften, die sich in allen habsburgischen Ländern und vielen deutschen Territorien des Heiligen Römischen Reiches fanden. Und ganz so, wie die weltlichen und geistlichen Fürsten, die Herren und die Freien Städte des Reiches sich als Reichsstände und damit als Teilhaber der kaiserlichen Macht verstanden, so setzten sich aus den bedeutendsten Adligen, Kirchenfürsten und Bürgern der Territorien deren jeweilige Landstände zusammen. Die Sozialstruktur und politische Rolle der Stände ist in der Vergangenheit sehr unterschiedlich gesehen worden. In Texten des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts erscheinen sie nicht selten als Hindernisse guter Regierung und Bollwerke biederer Partikularinteressen – ein spätes Echo auf die Klagen der Landesherren im 17. Jahrhundert. Von liberaler Seite hingegen stellte man die Stände als Vorläufer des modernen Parlamentarismus dar. Demnach hätten sie es tapfer mit selbstsüchtigen, rücksichtslosen Herrschern aufgenommen, denen Leben und Besitz ihrer Untertanen einerlei gewesen seien auf ihrer Jagd nach persönlichem Ruhm. Tschechische und ungarische Historiker gaben dieser Perspektive eine besondere Qualität, indem sie die Stände ihrer Länder zu Hütern der nationalen Traditionen erklärten, die ansonsten der deutsch-habsburgischen Aggression anheimgefallen wären. Von marxistischer Seite wurden jegliche Interessenkonflikte zwischen Landesherren und Ständen heruntergespielt; schließlich hätten sowohl die Monarchen als auch die größtenteils adligen Stände derselben feudalen Klasse angehört, die gemeinsam das bäuerliche „Landproletariat“ ausgebeutet habe.39 Hinter all diesen Interpretationen steht die Frage, auf welche Weise sich die verschiedenen habsburgischen Länder am besten zu einem modernen Staat hätten integrieren lassen: als zentral geführte Monarchie – oder doch mithilfe des Ständesystems? Eine solch übertriebene Konzentration auf das Problem der „Modernisierung“ ist jedoch wenig hilfreich, denn die europäischen Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts kümmerte es herzlich wenig. Fraglos leisteten die Stände einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Habsburgermonarchie, boten sie der Dynastie doch ein Forum, um sich mit ihren einflussreichsten Untertanen zu treffen und auszutauschen. Die Fortentwicklung der habsburgischen Ständeordnung trug auch zur Abschwächung jener Gewalt bei, die das späte 15. Jahrhundert geprägt hatte – vor allem in Österreich, wo der ansässige Adel seinen Landesherrn 1461 sogar in dessen Familienresidenz, der Wiener Hofburg, belagerte. Wie schon bei der „Verrechtlichung“ der Reichspolitik durch eine Weiterentwicklung des Reichstages, so verlagerte sich nun das Gewicht in der inneren

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Politik der habsburgischen Länder weg von der bewaffneten Konfrontation und hin zu einer Diskussion der juristischen Details und genauen Bedeutung eines wachsenden Korpus von Privilegien, Stiftungsbriefen und anderen Verfassungsurkunden. Reichs- wie Landstände vertraten gesellschaftliche Gruppierungen, nicht Individuen, und spiegelten die hierarchische Gliederung der frühneuzeitlichen Gesellschaft wider, die sich entlang funktionaler Grenzen in drei große Geburtsstände aufteilte. Der Klerus, dessen Aufgabe darin bestand, für die Seelen aller Gläubigen zu beten, stand an erster Stelle, denn er war Gott am nächsten. Dann kamen der (kriegerische) Adel als zweiter sowie Bürger und Handwerker als dritter Stand; sie sorgten für den Schutz beziehungsweise den materiellen Wohlstand der Gesellschaft. Repräsentation erfolgte in der Regel indirekt: Bischöfe, Äbte und andere Vorsteher religiöser Einrichtungen vertraten die Masse des Klerus, der insgesamt kaum mehr als zwei Prozent der Bevölkerung ausmachte. Beim Adel bedurfte es eines bestimmten Herrschaftsbesitzes, der mit Sitz und Stimme in der Ständeversammlung, dem Landtag, verbunden war. Adlig war rund ein Prozent aller Österreicher, während der Anteil in Böhmen etwas höher lag und in Ungarn immerhin fünf Prozent erreichte. Dennoch sprachen und handelten diese Minderheiten kollektiv für „das Land“ und vertraten dabei auch ihre abhängigen Pachtbauern und Leibeigenen, denen jede direkte Partizipation verwehrt blieb. Zugang zum dritten Stand hatten nur die Einwohner der Kronstädte, die unmittelbar der habsburgischen Herrschaft unterstanden; die Bewohner all jener Städte und Dörfer hingegen, die sich im Hoheitsgebiet einer weltlichen oder geistlichen Zwischeninstanz befanden, waren davon ausgeschlossen. Nur in Tirol gab es ein etwas höheres Maß an politischer Repräsentation der breiten Bevölkerung, denn dort besaßen zahlreiche Dörfer das Recht, einen gewählten Vertreter zu den Tiroler Landständen zu entsenden (wahlberechtigt waren männliche Haushaltsvorstände, die einen bestimmten Besitz vorweisen konnten). Von allen habsburgischen Ständeversammlungen entsprach allein jene der Grafschaft Görz dem klassischen Dreikammermodell von Klerus, Adel und drittem Stand. Anderswo unterteilte sich der Adel in „Herren“ und „Ritter“. Diese saßen in den innerösterreichischen Ländern in einer gemeinsamen Kammer zu Rate, während sie in Ober- und Niederösterreich getrennt tagten, genauso in Ungarn und den Ländern der böhmischen Krone. Im Jahr 1618 hatten rund 200 Herren und 1000 Ritter Anrecht auf einen Platz im böhmischen Landtag – gegenüber 90 beziehungsweise 189 Anwärtern in Mähren. In Niederösterreich waren 87 standesherrliche und 128 ritterschaftliche Familien im Landtag vertreten, aber daneben gab es stets auch Adlige, denen es an dem erforderlichen Grund-

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besitz mangelte und die deshalb auch keinen Sitz im Landtag erhielten. In Oberösterreich standen 300 adligen Familien, die nicht im Landtag vertreten waren, gerade einmal 43 Standesherren und 114 Ritter gegenüber, die dort Sitz und Stimme hatten. In Schlesien wurde die Situation dadurch verkompliziert, dass die Fürsten und Herzöge von Jägerndorf, Troppau, Liegnitz und anderen Territorien zusammen über rund ein Drittel des Gesamtherzogtums herrschten. Sie beanspruchten den Vorrang vor allen Fürsten Böhmens und spekulierten darauf, dank einiger dynastischer Heiraten bald in den Rang von Reichsfürsten aufzurücken und somit auch in den Reichstag einzuziehen. Das Fortbestehen ihrer Herrschaften hielt den Niederadel und die Städte Schlesiens größtenteils aus der Politik fern; die schlesische Ständeversammlung zählte deshalb nur 40 Delegierte, darunter den Fürstbischof von Breslau. In Tirol existierte neben den Städten der bereits erwähnte vierte Stand von Bauerngemeinden; Klerus und Adel waren hier vergleichsweise schwach. In Vorarlberg fehlten die letztgenannten beiden völlig, die kleinen Vorarlberger Landstände setzten sich allein aus Bürgern und Bauern zusammen. In den anderen Ländern der Tiroler Habsburger besaß der dritte Stand großen Einfluss, was den in sich gekehrten Charakter der dortigen Ständeversammlungen, die sich für die „große Politik“ jenseits ihrer beschaulichen Täler kaum interessierten, noch verstärkte. Überall sonst waren Klerus und Städte mit eigenen Ständen vertreten, außer in Böhmen, wo der Klerus sein Mitspracherecht im Hussitenaufstand verwirkt hatte. Allerdings mangelte es den geistlichen Ständen an Zusammenhalt, was auch am Fehlen starker Bischöfe jenseits von Wien, Prag, Breslau, Olmütz und Gran lag. Durch ein päpstliches Konkordat sicherten sich die Habsburger im 15. Jahrhundert weitreichende Macht über den österreichischen Klerus; 1568 richtete Maximilian II. ein Aufsichtsgremium für die Klöster in den habsburgischen Territorien ein, den fünfköpfigen Klosterrat. Der Klerus in den betroffenen Gebieten saß also gewissermaßen in der Klemme – zwischen der politischen Aufsicht der Habsburger auf der einen Seite und der geistlichen Jurisdiktion von Bischöfen, die in der Regel zur Reichskirche gehörten und jenseits der österreichischen Grenze in Passau, Freising, Bamberg, Regensburg oder Salzburg residierten, auf der anderen. Die Position der Städte in den Ständeversammlungen war sogar noch schwächer, da allein die Städte im unmittelbaren Besitz der Habsburger (Kammergut) dort vertreten waren. Patrimonialstädten, die sich auf dem Territorium weltlicher oder geistlicher Herren befanden, blieb die Standschaft verwehrt. In Mähren etwa waren 100 Städte von der Ständeversammlung ausgeschlossen; ganze sechs „königliche Städte“ waren darin vertreten. In Böhmen spielten die Städte noch eine größere Rolle, und 32 von ihnen waren im böhmischen Landtag vertreten (darunter die vier selbstständigen

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Städte, die zusammen die Stadt Prag bildeten). Nur in Ungarn tagten die Vertreter der königlichen Freistädte und der freien Bergstädte zusammen mit den Vertretern des niederen Adels. Ihnen stand ein Oberhaus aus Angehörigen des höheren Adels und hohen Klerus gegenüber, sodass die Ständeversammlung des Königreichs Ungarn eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Zweikammersystem des britischen Parlaments aufwies. Überall im habsburgischen Herrschaftsbereich jedoch blickte der Adel auf die Stadtbewohner hinab – nicht nur aufgrund des gesellschaftlichen Rangunterschieds, sondern auch, weil die adligen Standesherren den Städtern mit ihrem engen Verhältnis zum Haus Habsburg misstrauten. Die habsburgische Verwaltung Wie in den deutschen Ländern bildeten sich auch die Landstände der habsburgischen Territorien im 15. Jahrhundert heraus, um ihren Herrschern beratend zur Seite zu stehen. Als Vertreter begüterter und körperschaftlich organisierter Gruppen sprachen sie in Fragen von allgemeinem Interesse für das ganze Land und nahmen dabei für sich in Anspruch, zugleich unvoreingenommener und besonnener zu urteilen als unterwürfige Höflinge oder auswärtige Berater. Jedoch waren es die Habsburger bald leid, sich von den Vertretern der Stände unbequeme Wahrheiten sagen zu lassen, und richteten eigene Beratergremien ein, mit deren Hilfe sie die Regierung ihrer zahlreichen Territorien besser koordinieren konnten. Den grundlegenden Verwaltungsrahmen hierfür schuf Ferdinand I., dem sein abwesender älterer Bruder Karl V. bereits 1522 die Regierung Österreichs übertragen hatte. Ferdinand richtete 1527 einen neuen „Geheimen Rat“ ein, dessen Mitglieder er nach Begabung und Abstammung berief, und gründete zudem eine böhmische und eine österreichische Hofkanzlei, die den Schriftverkehr und sonstige Verwaltungsangelegenheiten zwischen Wien und den diversen Provinzen bestreiten sollten. Daneben entstanden noch weitere Fachstellen, namentlich die Hofkammer – eine zentrale Finanzbehörde – und der Hofkriegsrat. Diese sollten in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen die Detailfragen behandeln und dem Geheimen Rat darüber hinaus mit fachkundigem Rat zur Seite stehen. Jedoch darf man sich nicht täuschen: Die habsburgische Verwaltung kennzeichnete auch weiterhin eine geradezu atemberaubende Lässigkeit. Im August 1620 ernannte Ferdinand II. den 40-jährigen Gundaker von Liechtenstein zum Hofkammerpräsidenten, der sich einige Tage darauf über Post wundern musste, die an den (vormaligen) „Hofkammerpräsidenten Seyfried Christoph von Breuner“ adressiert war, während seine Untergebenen allesamt glaubten, ihr neuer Vorgesetzter sei Gundaker von Polheim.40 Trotz ihrer kaiserlichen Stellung fiel es den Habsburgern offenkundig schwer, kompetente und erfahrene Kräfte an sich zu binden. Dies überrascht jedoch kaum, stellt man ihren fürchterlichen Ruf als Dienstherren in Rechnung: Als Kai-

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ser Rudolf II. 1612 starb, schuldete er seinen Beamten und Bediensteten sage und schreibe 2,5 Millionen Gulden an ausstehenden Lohnzahlungen. Auch blieben die Möglichkeiten der habsburgischen Zentralorgane, auf die Verhältnisse vor Ort einzuwirken, eng begrenzt. Zwar konnten die Habsburger für ihre Länder, sofern sie nicht von einem dort ansässigen Erzherzog regiert wurden, einen Statthalter ernennen, mussten jedoch die Landstände um ihre Zustimmung bitten, sobald es an die Berufung eines Landeshauptmanns (in Niederösterreich: Landmarschalls) nebst Stellvertreter ging, die gemeinsam das Landesaufgebot befehligten. Die habsburgischen Herren konnten in den Städten ihres Kronguts auch Vögte ernennen beziehungsweise auf ihrem ländlichen Besitz Verwalter zur Regelung ihrer wirtschaftlichen Angelegenheiten einsetzen – aber dieses Kammergut machte doch selten mehr als fünf Prozent der Landesfläche aus. Der weit überwiegende Anteil der örtlichen Verwaltung befand sich in der Hand des ansässigen Adels. In Böhmen zum Beispiel kontrollierte der Adel das Landgericht, das inneradlige Streitigkeiten schlichtete, Verordnungen erließ und die Gerichtsbarkeit über die gesamte Landbevölkerung ausübte. In Ungarn, wo gut die Hälfte aller Dörfer sich im Besitz von gerade einmal 50 Adelshäusern befand (während der Rest meist einer der 5000 niederadligen Familien gehörte), war die Situation noch extremer: Allein die königlichen Freistädte fielen unter habsburgische Jurisdiktion, aber selbst deren größte, Debrezin, hatte weniger als 20 000 Einwohner. Der König konnte nicht einmal einen Statthalter ernennen – der in Ungarn „Palatin“ genannt wurde –, sondern schlug den Ständen lediglich Kandidaten vor. Die Adelsvertreter trafen dann die Wahl, wer in der Abwesenheit des Monarchen dessen königliche Prärogative ausüben sollte. Da die Mehrzahl der habsburgischen Untertanen außerhalb der österreichischen Kernländer der Donaumonarchie lebte, wurden die Stände der umliegenden Territorien zu einem unverzichtbaren Bindeglied zwischen der Dynastie der Habsburger und ihrem großen, bevölkerungsstarken Reich. Ohne die Hilfe oder auch nur das Einverständnis der Stände ließ sich wenig bewirken. Insbesondere an die Erhebung von Steuern war ohne ihre Mithilfe kaum zu denken, und die Einkünfte aus dem habsburgischen Kammergut deckten nur einen Bruchteil der Gesamtausgaben der Monarchie. Im Mittelalter hatte man von Monarchen erwartet, dass sie „von ihrem Eigen leben“ und den Besitz ihrer Untertanen nur in Krisensituationen antasten würden, also etwa im Falle einer Invasion oder einer Naturkatastrophe. Das mitteleuropäische Ständesystem bildete sich im 15. Jahrhundert auch dazu heraus, die Bewilligung solcher (eigentlich „außerordentlichen“) Steuern zu erleichtern. Dies geschah zu einer Zeit, in der die Herrscher immer umfassendere Zuständigkeiten übernahmen, deren Erfüllung ja auch irgendwie finanziert werden musste. Die zunehmende Verstetigung der Königs-

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herrschaft sowie die steigende Komplexität der Probleme, mit denen die Monarchen sich konfrontiert sahen, führten schließlich zu immer häufigeren Versammlungen, wodurch die unregelmäßige Besteuerung von einst Schritt für Schritt in eine regelmäßige, jährliche Steuererhebung verwandelt wurde. Die Stände sahen sich genötigt, ihre eigenen Institutionen zu schaffen: ständige Kommissionen etwa, die auch dann Kontakt zum Herrscher hielten, wenn die Ständeversammlung gerade nicht tagte, oder ein zentrales Sekretariat, das die Aufzeichnungen über alle Regierungsgeschäfte führte und aufbewahrte und die Steuererhebung und -vergabe verwaltete. Die Wiener Hofkammer empfing die Steuerzahlungen der Stände aus der ganzen Habsburgermonarchie, dazu die Erträge, die von den Verwaltern des königlichen Kammerguts überwiesen wurden. Der Umfang und die Regelmäßigkeit ihrer Steuerzahlungen bestimmten die Bonität der Stände; stand es um diese gut, konnten sie Kredite über weitere Summen erhalten und einen Teil der habsburgischen Schulden übernehmen. Im Gegenzug wurde ihnen dann die Erlaubnis erteilt, zusätzliche Steuern zu erheben, um beides abzubezahlen. Auf diese Weise entstand parallel zum Herrschaftssystem der Habsburgermonarchie eine zweite Regierungs- und Verwaltungsstruktur, wobei die Stände nur geringes Verlangen danach trugen, die politische Macht für sich zu reklamieren. Ihre Vorstellung einer monarchia mixta beließ die Regierungsinitiative in der Hand des Monarchen, insbesondere was die Außen- und die Krisenpolitik anging. Sich selbst sahen die Stände in der Rolle von Hütern der bestehenden Ordnung, die dem Gemeinwohl am besten dienten, wenn sie den Herrscher davon abhielten, sich auf allzu halsbrecherische oder gar unrechtmäßige Abenteuer einzulassen. Ihre Rechte und Freiheiten hatten sie über Jahrhunderte hinweg mit einer ganzen Reihe von Herrschern ausgehandelt; nun betrachteten die Stände es als ihre Pflicht, diese Rechte und Freiheiten zu verteidigen und zu mehren. Gegen neue Gesetze, die mit der angestammten Rechtsüberlieferung brachen, erhoben sie bitteren Widerspruch. Wenn bestimmte Maßnahmen nicht auf ihre Zustimmung stießen, taten sie alles, um deren Umsetzung zu behindern. Und doch ergab das alles in der Summe noch kein modernes parlamentarisches System, da die Stände letztlich nur Vehikel für Partikular-, ja sogar Individualinteressen darstellten. Nirgends wird dies deutlicher als in der Kampagne für Religionsfreiheit, mit der die Ausbreitung der Reformation auf das Territorium der Habsburger einherging: Da wurde der Protestantismus nämlich am Ende zur Chiffre für ständische Privilegien – und nicht für individuelle Freiheit. Der Protestantismus breitet sich aus Allen protestantischen Hoffnungen zum Trotz, dieser oder jener Erzherzog könnte den neuen Glauben annehmen, blie-

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ben die Habsburger ausnahmslos katholisch. Dem Protestantismus fehlte auf habsburgischem Boden deshalb jener politische Rückhalt, der in den anderen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches protestantische Landeskirchen hervorgebracht hatte. Die Anhänger der Reformation im Habsburgerreich sahen sich gezwungen, mit dem Aufbau ihrer kirchlichen Strukturen gewissermaßen bei null anzufangen, wodurch nicht dem Herrscherhaus, sondern dem Adel die führende Rolle zukam. Der Adel war es schließlich, der in weiten Teilen der Habsburgermonarchie die niedere Gerichtsbarkeit ausübte, und dazu gehörte eben oft das Recht, als Patron und „Kirchherr“ die Gemeindepfarrer und Lehrer für seine ansässigen Pachtbauern zu „präsentieren“ (vorzuschlagen) beziehungsweise zu berufen. Die geistliche Gerichtsbarkeit lag zwar noch immer bei dem jeweiligen Ortsbischof; nur residierte der in der Regel weit entfernt und war sogar darauf angewiesen, dass die Grundbesitzer ihre Geistlichen selbst bezahlten. Diese Schwäche der Kirche spiegelte sich auch in den Ständeversammlungen wider, wo der Klerus sich dem Adel unterordnete. In Anbetracht der wichtigen Rolle, die den Ständen bei der Durchsetzung moralischer und gesellschaftlicher Normen zukam, befand sich der Adel also in einer hervorragenden Position, um nicht allein die Reformation des Wortes, sondern auch die „zweite Reformation“ der Besserung des Lebens voranzutreiben. Ganz unabhängig von den persönlichen Überzeugungen einzelner Adliger war der Protestantismus zudem geeignet, bestehende Herrschaftsstrukturen zu festigen, indem er das (geistliche) Patronatsrecht mit anderen (weltlichen) Eigentumsrechten verschmolz. In den Worten eines prominenten niederösterreichischen Adligen: „Alles Geistliche ist unser, so haben wir beschlossen: Wir sind auf unseren Gütern Herren und Bischöfe zugleich. Wir setzen die Pfaffen ein und ab und sind alleinige Herren, denen sie zu gehorchen haben.“41 Waren lutherische Adlige in einer bestimmten Provinz vertreten, führte dies bald zu einem Phänomen, das als „Auslauf “ bezeichnet wurde: Bauern und Bürger der benachbarten katholischen Landgüter und Städte strömten über die Grenzen, um an den protestantischen Gottesdiensten teilzunehmen. Die entscheidende Rolle des Adels zeigt sich auch am Beispiel Tirols, wo der neue Glaube in der allgemeinen Wahrnehmung stark mit der Erfahrung seiner radikalen Spielarten im frühen 16. Jahrhundert verbunden blieb, während die Attraktivität des Katholizismus nach der Entsendung von Kapuzinermissionaren durch Kardinal Borromäus eher wieder zunahm. Der Tiroler Adel jedenfalls blieb stramm katholisch, und die Tiroler Landstände stellten sich geschlossen hinter den Erzherzog, als dieser 1585 die Tiroler Protestanten vor die Wahl stellte, entweder zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Zu jener Zeit war der Katholizismus in den anderen Ländern des Habsburgerreiches bereits stark unter Druck geraten. Neun von zehn Angehörigen des

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niederösterreichischen Adels hatten sich dem Luthertum angeschlossen, ebenso 85 Prozent des Adels von Oberösterreich, wo zudem drei Viertel der Stadtbevölkerung und gut die Hälfte der Bauern protestantisch geworden waren. Auch in Innerösterreich hatten sich rund 70 Prozent der Bevölkerung von Rom losgesagt; im Herzogtum Steiermark waren nur fünf von 135 Adligen katholisch geblieben. Die überwiegend „windische“ (slowenische) Bauernschaft des Herzogtums lehnte zwar die – von ihnen als „deutsche Religion“ empfundene – neue Lehre ab; von den 22 steirischen Kronstädten waren jedoch bis 1572 ganze 16 – und damit gut zwei Drittel – zum Luthertum übergetreten.42 Die zum Protestantismus konvertierten Adligen begannen umgehend, sich in ihren jeweiligen Landtagen für die offizielle Anerkennung ihrer Religion durch die Habsburger einzusetzen. Und da die Anzahl von Katholiken in den Ständeversammlungen immer weiter abnahm, blieb dem Erzhaus keine andere Wahl, als mit den Protestanten Kompromisse einzugehen. Nur so konnten die Habsburger sich deren fortgesetzte Unterstützung bei der Bewältigung ihrer horrenden Staatsschulden sichern. Die Dreiteilung der habsburgischen Länder 1564 zwang die nun getrennt regierenden Linien, jede für sich mit ihren jeweiligen Landständen zu verhandeln. Den Ständen von Ober- und Niederösterreich gelang es 1568 beziehungsweise 1571, sich eine „Assekuration“ genannte Anerkennung ihrer lutherischen Konfession zu sichern, wodurch allen Herren, Rittern und Pachtbauern der betreffenden Territorien die freie Religionswahl zugestanden wurde. Im Gegenzug mussten die Stände habsburgische Schulden in Höhe von 2,5 Millionen Gulden begleichen. Diese Privilegien wurden 1574 dahingehend erweitert, dass lutherische Adlige nun auch in ihren Stadtpalais Gottesdienst halten durften – wodurch diese de facto zu protestantischen Kirchen auch inmitten von (katholischen) Kronstädten wurden, namentlich in Wien. Die innerösterreichischen Landstände übernahmen 1572 eine weitere Million Gulden Schulden und erhielten dafür vergleichbare Privilegien. Sechs Jahre später, 1578, wurden diese Privilegien durch die Brucker Religionspazifikation (das sogenannte Brucker Libell) noch ausgebaut; im Gegenzug sagten die Stände zu, regelmäßige Steuerzahlungen zum Unterhalt der Grenzbefestigungen gegen die Türken zu leisten. Bis 1600 hatten die Innerösterreicher schließlich 1,7 Millionen Gulden für die Schuldentilgung aufgewandt, während sich die Zahlungen für den Unterhalt der Grenze zwischen 1588 und 1608 auf zusätzliche 2,93 Millionen Gulden beliefen.43 Letztlich war es die einfache Bevölkerung, die einen hohen Preis dafür zahlte, dass der österreichische Adel sich – gleichsam auf dem Rücken des „gemeinen Mannes“ – seine eigene Variante derjenigen Religionsfreiheiten erkaufen konnte, die den deutschen Fürsten im Frieden von Augsburg gewährt worden waren.

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Anders stellte sich die Situation in Böhmen dar, wo man bereits 1436 und 1485 Vereinbarungen getroffen hatte, in denen der sogenannte Utraquismus dem Katholizismus gleichgestellt wurde. Beim Utraquismus handelte es sich um eine gemäßigte Spielart des Hussitentums; ihren Namen hatten seine Anhänger daher erhalten, dass sie auf dem Empfang der Eucharistie in beiderlei Gestalt (sub utraque specie), also in Form von Brot und Wein, bestanden. (In anderen Konfessionen blieb der Wein dem Priester vorbehalten, der die Messe feierte.) Die Gottesdienste der Utraquisten wurden in der tschechischen Volkssprache gehalten, und ihre Kirchen lagen außerhalb der bischöflichen Jurisdiktion. Kompromissbereitschaft zeigte die utraquistische Seite, indem sie einwilligte, ihre Priester in Venedig weihen zu lassen. Die Habsburger bestätigten diese Privilegien, als Böhmen 1526 unter ihre Herrschaft kam – nicht zuletzt, weil die utraquistische Bewegung in jener Zeit an Schwungkraft verloren hatte und die meisten Katholiken hofften, ihre Anhänger würden schon bald wieder in den Schoß der römischen Kirche zurückkehren. Allerdings hatte sich bereits eine radikale Splittergruppe der Utraquisten abgespalten, aus der schließlich die „Brüderunität“ (Unitas Fratrum, auch „Böhmische“ beziehungsweise „Mährische Brüder“) hervorging, die eine Unterordnung unter die Autorität des Papstes oder auch die Aufgabe des spezifisch hussitischen Sozialprogramms strikt ablehnte. Insbesondere die enge Bindung des Utraquismus an die böhmischtschechische Volkskultur und Sprache sorgte dafür, dass die Verbreitung des Luthertums in Böhmen sich auf die deutschsprachige Stadtbevölkerung und einen Teil des Adels beschränkte. Als der böhmische Adel sich 1547 weigerte, an der Seite der Habsburger in den Schmalkaldischen Krieg zu ziehen, ging Ferdinand I. mit harter Hand gegen die radikalen „Brüder“ vor und läutete eine groß angelegte Rekatholisierungskampagne ein. In Prag wurde 1556 ein Jesuitenkolleg eröffnet, 1561 auch ein neuer Erzbischof von Prag eingesetzt – nach einer Sedisvakanz von annähernd 150 Jahren! Das Wiedererstarken des Katholizismus veranlasste die anderen Konfessionen dazu, enger zusammenzurücken. Durch Vermittlung und auf Betreiben der protestantischen Stände Böhmens kam 1575 die Confessio Bohemica zustande, eine Bekenntnisschrift, die mit ihrer bewussten Verharmlosung der theologischen Differenzen zwischen Lutheranern, Utraquisten und Böhmischen Brüdern als Fundament zur Errichtung einer gemeinprotestantischen „Kompromisskirche“ gedacht war. Allerdings folgte dem kein politischer Handel, der dem österreichischen Privilegien- und Schuldentausch vergleichbar gewesen wäre. Maximilian II. sah überhaupt keinen Grund, die habsburgische Anerkennung reformatorischer Strömungen über den Kreis der Utraquisten hinaus auszudehnen, und folglich lehnten die Stände das Ansinnen seines Nachfolgers ab, sie

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sollten die Schulden der böhmischen Krone in Höhe von fünf Millionen Gulden übernehmen. Die Brüderunität spaltete sich daraufhin auf; viele Brüder kehrten in die Reihen der gemäßigten Utraquisten zurück (wovon sie sich obrigkeitlichen Schutz erhofften), während sich andere dem Calvinismus anschlossen, den Pfälzer Einwanderer und adlige Scholaren, die vom Studium an deutschen Universitäten heimkehrten, in den 1580er-Jahren nach Böhmen mitgebracht hatten. Das Luthertum konnte allein in Schlesien und den Lausitzen Fuß fassen, wobei unter den schlesischen Fürsten und gebildeten Stadtbürgern im frühen 17. Jahrhundert auch der Calvinismus Boden gewann. Das religiöse Spektrum in den Ländern der böhmischen Krone war vielfältiger als in Österreich. Katholiken machten in Böhmen gerade noch 15, in Mähren immerhin 35 Prozent der Bevölkerung aus; den großen Rest stellten hauptsächlich Utraquisten, „Brüder“ und Lutheraner. Zum Calvinismus bekannten sich gerade einmal drei Prozent der Gesamtbevölkerung, doch besaß diese Minderheit einen überproportional großen politischen Einfluss, denn die Calvinisten gehörten oft der gesellschaftlichen Elite an. Insgesamt blieb die Situation aber im Fluss, da die Stände an ihrer Einschätzung festhielten, die Religion sei eine Gottesgabe, über die bloße Sterbliche nicht nach Gutdünken bestimmen könnten. Die Beziehung der Stände zu ihrem Herrscher beruhte auf einer beiderseitigen Achtung vor den Interessen der Gegenseite, weshalb bei allen Verhandlungen die ernste Absicht verfolgt wurde, einen sicheren, dauerhaften Kompromiss zu erzielen. Diese überlieferte Haltung war tief in das Geflecht einer Gesellschaft eingewoben, in der es durchaus nicht selten war, dass in ein und derselben Familie verschiedene konfessionelle Strömungen vorkamen. Verständlicherweise sahen die meisten Adligen davon ab, ihren persönlichen Glauben öffentlich zu bekennen, insbesondere in Mähren, wo die Brüderunität noch immer Zulauf fand und sich selbst Wiedertäufergemeinschaften halten konnten. Viele Adlige versammelten Bücher ganz gemischter konfessioneller Ausrichtung in ihren Privatbibliotheken, und tatsächlich scheinen die meisten von ihnen, was sie persönlich betraf, einem überkonfessionellen, „erasmischen“ Christentum den Vorzug gegeben zu haben. Gewiss, es gab Spannungen – aber kein Vorgefühl einer drohenden Krise. In Ungarn, wo das Luthertum beinahe schon traditionell als „zu deutsch“ galt, hatte der Calvinismus leichteres Spiel. Weniger als ein Fünftel der magyarischen Bevölkerung war zum Luthertum konvertiert, und diese Minderheit konzentrierte sich noch dazu in abgelegenen Bergdörfern, in die der Arm der adligen Grundherrschaft kaum reichte. Auch unter den Slowaken im oberungarischen Nordosten des Königreiches fiel die lutherische Lehre auf fruchtbaren Boden, ebenso bei den Südslawen Kroatiens und Sloweniens. Allerdings entschied sich

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fast die Hälfte des Adels für den Calvinismus, ganz wie ein großer Teil der magyarischen Bauernschaft. Nur einer von zehn magyarischen Adligen blieb Rom treu, und 1606 gab es im gesamten habsburgischen Ungarn gerade einmal 300 katholische Priester, die sich zum größten Teil in den Gebieten um die Bischofssitze Gran (Esztergom), Raab (Győr) und Neutra (das heute slowakische Nitra) konzentrierten. Kroatien und die drei slowenischen Kernländer blieben vorwiegend katholisch, was hauptsächlich daran lag, dass der ansässige Adel zu seinem Lebensunterhalt auf Posten an der Militärgrenze angewiesen war und dabei die Konkurrenz des innerösterreichischen lutherischen Adels fürchtete. Soziale Spannungen Die Ausbreitung der konkurrierenden Konfessionen war vom Verhalten des örtlichen Adels bestimmt. Obwohl sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Katholiken überall im Habsburgerreich in der Minderheit befanden – mit Ausnahme Kroatiens und Tirols –, war es doch keiner der protestantischen Strömungen gelungen, uneingeschränkte Akzeptanz zu erlangen. Ihre rechtliche Anerkennung beruhte einzig und allein auf den Zugeständnissen, die den Habsburgern durch das Drehen der Stände am Geldhahn abgenötigt worden waren. Noch konnten diese Rechte keineswegs als angestammt gelten; ihr Fortbestand hing ganz davon ab, inwiefern diejenigen, die von ihnen profitierten, auch andere von ihrer Notwendigkeit überzeugen konnten. Der protestantische Adel sah sich nicht nur erheblichen internen Widerständen seitens seiner verbliebenen katholischen Standesgenossen gegenüber, sondern musste erkennen, dass die Unterstützung anderer ständischer Gruppen, auch angesichts einer krisenhaften wirtschaftlichen Gesamtentwicklung, immer schwerer zu erreichen war. Der Wohlstand des Adels entstammte einer überwiegend agrarisch geprägten Ökonomie, beruhte gleichsam auf Roggen, Hafer, Weizen und Gerste. In Tirol und Teilen von Innerösterreich spielte auch der Bergbau eine gewisse Rolle, jedoch befand sich dieser hauptsächlich in habsburgischer Hand. In Oberösterreich, Böhmen und Westmähren expandierte die Textilproduktion, während in anderen Gegenden Mährens und in Ungarn der Pferdezucht große Bedeutung zukam. All diese Wirtschaftsaktivitäten erforderten Land und Arbeitskräfte – und beide Faktoren waren Bestandteil der feudalen Herrschaftsrechte. Wie die Habsburger, so verwalteten auch die meisten niederen Grundherren ihren Besitz nur zu einem kleinen Teil direkt (als Domanialgut); den größeren Rest überließen sie – gegen Zahlung eines bestimmten Pachtzinses – an abhängige Pachtbauern und Hintersassen. Im späteren 16. Jahrhundert machte eine steigende Inflationsrate dieses Modell zunehmend unattraktiver; und da die Pächter oft mehreren Grundherren zugleich einen Zins schuldeten und ihre Herren gegen-

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einander auszuspielen wussten, war es sehr schwer, sie zur Zahlung einer höheren Pacht zu zwingen. Auch weiteten die Habsburger das gerichtliche Beschwerderecht auf den Stand der Bauern aus, was ihnen ein probates Mittel schien, um als Schlichter zwischen Grundherren und Pachtbauern auf dem Land zu intervenieren und so politische Macht an sich zu ziehen. Nur die ungarischen Stände verhinderten 1556 die Einführung dieses Rechts. Das stetige Wachstum der Städte im Nordwesten Europas kurbelte die Getreidenachfrage an, wodurch sich den ost- und mitteleuropäischen Großgrundbesitzern im Verlauf des 16. Jahrhunderts neue und expandierende Absatzmärkte öffneten. Sie erweiterten ihren Grundbesitz durch Zukauf, Zwangsvollstreckung – oder sie vertrieben einfach die bisherigen Bewohner. Zugleich kam es zu einer Stärkung der Feudalgerichtsbarkeit, durch deren Druck die abhängigen Pachtbauern zum Dienst für ihre Grundherren gepresst werden sollten. Man hat diese Entwicklung und ihre Folgen als „zweite Leibeigenschaft“ beschrieben, denn sie erfolgte gerade zu der Zeit, als die mittelalterliche Leibeigenschaft sich anderswo in Europa auf dem Rückzug befand. Besonders deutlich trat die „zweite Leibeigenschaft“ in Polen, Ungarn, Böhmen, Teilen Österreichs und dem Nordosten des deutschsprachigen Raums auf, doch sollte die griffige Bezeichnung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein ziemlich vielgestaltiges Phänomen handelte – und noch dazu um eines, das selbst da, wo es auftrat, nicht zwangsläufig die vorherrschende Form grundherrlicher Ausbeutung darstellte.44 Dennoch brachte die Ausweitung solcher gutswirtschaftlichen Strukturen – die nun einmal zeitgleich mit Inflation, demografischen und ökologischen Wandlungsprozessen erfolgte – eine auf die Dauer immer größere Belastung der Landbevölkerung mit sich und stand zudem für die einsetzende Kommerzialisierung der ländlichen Lebenswelt. Die Grundherren begannen, Wälder und andere Wirtschaftsgüter auf neue Weise wirtschaftlich zu nutzen, etwa indem sie von ihren Pächtern Geld für das Feuerholz verlangten, das diese im Wald sammelten, oder für das Recht, ihre Schweine dort zur Futtersuche hineinzutreiben. Solche und andere Veränderungen sorgten mitunter auch für Spannungen innerhalb der adligen Oberschicht, weil manche Grundherren zur Nutzung der neuen Möglichkeiten besser aufgestellt waren als andere. Am extremsten war die Lage in Ungarn, wo rund 50 Magnatenfamilien über die Jahre 41 Prozent des gesamten Landbesitzes an sich gezogen hatten. Dadurch genossen sie nicht nur die Größenvorteile – in der heutigen Wirtschaft würde man sagen: die Skaleneffekte – einer derartigen Betriebsorganisation, sondern gewannen auch ständig neue Klienten und Parteigänger hinzu, denn durch ihren großen Reichtum konnten sie es sich leisten, „Privatarmeen“ zu unterhalten, die das Banditentum bekämpften und sich sogar den Türken in den Weg stellten.

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Dem Niedergang des ungarischen Kleinadels gegenüber diesen Magnaten entsprach eine ganz ähnliche Entwicklung in Böhmen, dessen Ritterschaft in den fünf Jahrzehnten vor 1618 um annähernd ein Drittel schrumpfte. Der Reichtum des Adels konzentrierte sich auf immer weniger Familien, bis schließlich elf mächtige Adelshäuser ein gutes Viertel des böhmischen Grundbesitzes auf sich vereinten. Der Zorn der Bauern entlud sich zuerst 1595 in Oberösterreich und griff im Jahr darauf in die westlichen Gegenden Niederösterreichs über. Unmittelbarer Auslöser der Unruhen war der wenig feinfühlige Versuch gewesen, einigen protestantischen Gemeinden katholische Pfarrer aufzuzwängen, doch die wahren Gründe reichten tiefer, und bald richtete der Protest der Bauern sich auch gegen die lutherischen Adligen, die die Landstände dominierten. Die Aufständischen verlangten nach der „Schweizer Freiheit“, sie wollten in den Ständeversammlungen vertreten sein und die zuletzt eingeführten Steuern und Abgaben auf dem schnellsten Wege aufgehoben wissen. Als Kopf der Habsburgerdynastie und Erzherzog von Österreich bemühte sich Kaiser Rudolf II. um eine gütliche Einigung, verärgerte jedoch beide Seiten durch ungeschickte Versuche, seine Vermittlerrolle zur Stärkung des Katholizismus zu gebrauchen. Angesichts einer neuerlichen Welle der Gewalt im Herbst 1596 übertrug Rudolf die Gesprächsführung seinem jüngeren Bruder Matthias, den er im Jahr zuvor bereits zum Statthalter in Österreich ernannt hatte. Matthias verband effektivere militärische Gegenmaßnahmen mit einer aufrichtigen Erforschung der bäuerlichen Klagepunkte. Es war dieselbe Strategie, die sich im Kielwasser des deutschen Bauernkrieges von 1525 so hervorragend bewährt hatte. Ungefähr 100 Anführer der Aufständischen wurden hingerichtet; mehreren Tausend anderen schnitt man Nasen und Ohren ab, um die Unrechtmäßigkeit ihrer Rebellion zu betonen. Unterdessen war im Juni 1598 der Protest durch die „ordnungsgemäßen“ Kanäle der habsburgischen Verwaltung erfolgreich, indem die Dienstpflicht der Bauern auf den Gütern ihrer Grundherren per Dekret auf zwei Wochen im Jahr beschränkt wurde. Die Krisensituation des Bauernaufstands offenbarte die unverminderte Abhängigkeit des Adels von dem habsburgischen Herrscherhaus, nicht zuletzt, weil die Landesaufgebote der einzelnen Provinzen sich als unfähig erwiesen hatten, gegen die aufständischen Bauern vorzugehen. Außerdem wurde deutlich, dass sich die diversen Spaltungen in der ständischen Gesellschaft nur schwerlich überwinden ließen, um ein breites Bündnis zu schaffen. Selbst da, wo sie demselben Glauben anhingen, standen sich Adel, Stadtbürger und Bauernschaft in erbitterter Opposition gegenüber. Die Städter verachteten die Bauern und beteiligten sich nicht selten an deren Ausbeutung, etwa indem sie verschuldeten

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Landpächtern Kredite zu Wucherzinsen gewährten oder deren Familien in der gerade aufkommenden Textilindustrie für Hungerlöhne Stückarbeit leisten ließen. In den Städten sah man wenig Grund, die Forderung der Bauern nach einer ständischen Repräsentation auch der Landbevölkerung zu unterstützen. Noch grundlegender war jedoch, dass alle Gemeinschaften, ob auf dem Land oder in der Stadt, von Gräben tiefer Ungleichheit durchzogen wurden, denen gegenüber die nachbarschaftliche Nähe eines geteilten Lebensumfelds meist in den Hintergrund trat. Diese Gräben sorgten dafür, dass die Gemeinschaften vor allem dann gespalten blieben, wenn sie eigentlich hätten zusammenstehen müssen: in der Konfrontation nämlich mit den Forderungen Außenstehender, seien es Grundherren oder andere. Obwohl jede Gemeinschaft ihre eigenen Angelegenheiten im Großen und Ganzen selbst regelte, hatte nur eine Minderheit von Begüterten dabei ein Mitspracherecht. Die arme Mehrheit blieb ohne Stimme, ja oft sogar ohne ein festes Wohn- und Aufenthaltsrecht, vor allem in den Städten. Zur Aufstockung ihrer unregelmäßigen oder saisonalen Arbeitseinkünfte waren diese weitgehend Mittellosen in der Regel auf die Nutzung von Gemeingütern angewiesen, etwa von gemeinschaftlich genutzten Weiden (Allmenden), auf denen sie ihre wenigen Nutztiere halten konnten. Reichere Bauern versuchten, zusätzliche Steuer- und Dienstlasten auf ihre ärmeren, in keinem dörflichen Gremium vertretenen Nachbarn abzuwälzen, nur um gleichzeitig – unter Verweis auf eine Erosionsgefahr durch Übernutzung – deren Zugang zu den überlebenswichtigen Gemeingütern einzuschränken. Die Religion brachte die Menschen nicht nur nicht näher zusammen, sondern säte – durch den Kampf der Konfessionen, der über soziale wie wirtschaftliche Gräben hinweg geführt wurde – neue Zwietracht. Die Frage, wie man die gemeinsamen Ziele am besten erreichen solle, löste immer wieder bitteren Streit aus, da manche auf das Versprechen der Obrigkeit setzten, Missstände auf rechtlichem Wege abzustellen, während andere der Meinung waren, der gewaltsame Protest sei die einzig verbliebene Wahl. Der Adel respektierte bis zu einem gewissen Grad die religiösen Überzeugungen der Bauern – jedenfalls solange diese mit seinen eigenen übereinstimmten. Der Bauernaufstand zeigte allerdings auch, dass sich religiöse und politische Freiheit nur schwer verbinden ließen, denn schon 1596 taten sich lutherische Adlige mit ihren katholischen Standesgenossen zusammen, warben Söldner an und unterstützten den Erzherzog Matthias.

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Das Wiedererstarken des Katholizismus Die führenden Köpfe der Habsburger gelangten zu der Überzeugung, dass die Zukunft ihrer Dynastie ganz davon abhing, ob sie den Katholizismus wieder zur Grundlage politischer Loyalität würden machen können. Das war durchaus kein unrealistisches Ziel, bedenkt man, dass eine Minderheit der Stände noch immer katholisch und die protestantische Seite von heftigem Streit zerrüttet war. Zudem blieben – bei allen konfessionellen Differenzen – auch die meisten Protestanten treue Untertanen der Habsburger. Die in den 1570er-Jahren erzwungenen religiösen Freiheiten waren – als besondere Privilegien – dem Adel und den Städten einzelner habsburgischer Länder verliehen worden und mussten außerdem von allen Mitgliedern der betroffenen Stände als Bestandteil ihrer gemeinsamen Standesrechte angenommen werden. Den Ständen fehlte eine Plattform, auf der sie ihr Verhalten dem Herrscherhaus gegenüber koordinieren konnten; eine brauchbare Generalversammlung aller Landstände der Habsburgermonarchie war nämlich noch nicht zustande gekommen. In diesem Zusammenhang wirkte sich die Dreiteilung von 1564 tatsächlich zum Vorteil der Herrscherfamilie aus, da sie die alte Sitte, mit jedem der Landstände einzeln zu verhandeln, stärkte und überdies dafür sorgte, dass ein österreichischer Generallandtag nach dem frühen 17. Jahrhundert nie wieder zusammentrat. Die Weigerung Böhmens, die anderen vier Länder der böhmischen Krone als gleichberechtigt anzuerkennen, hatte schon zuvor bewirkt, dass es ab 1518 für beinah ein Jahrhundert keinen böhmischen Generallandtag mehr gegeben hatte. Die Initiative lag also in den Händen der Habsburger, und deren Aussichten auf Erfolg standen nicht schlecht – vorausgesetzt, die verschiedenen Zweige der Familie würden geschlossen auftreten und an einem Strang ziehen. Rudolf II. Als Kopf der österreichischen Hauptlinie des Erzhauses war es an Rudolf II., die Führungsrolle zu übernehmen, nachdem er 1576 als Nachfolger seines verstorbenen Vaters Maximilian Kaiser des Heiligen Römischen Reiches geworden war.45 Im Alter von elf Jahren war Rudolf 1563 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Ernst nach Madrid geschickt worden, um dort fern der Gefahr einer protestantischen „Ansteckung“ erzogen zu werden und außerdem die Beziehungen zu dem mächtigen spanischen Zweig der Familie zu pflegen. Das geradezu sprichwörtlich düstere und formelle Umfeld des spanischen Hofs hinterließ bei beiden Knaben bleibenden Eindruck; auch die raue Wirklichkeit monarchischer Machtausübung erlebten sie dort aus nächster Nähe. Der von Schiller verewigte Don Carlos, Infant von Spanien und Sohn Philipps II. aus dessen erster Ehe, war psychisch labil und wurde – nachdem er einen geradezu patho-

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logischen Hass auf seinen Vater entwickelt hatte – inhaftiert. Carlos’ ohnehin zarte Gesundheit wurde durch Hungerstreiks des Prinzen sowie rabiate Gegenund Heilmaßnahmen seiner Wärter und Ärzte weiter zerrüttet. Sein Tod im Alter von nur 23 Jahren löste 1568 sogleich Gerüchte aus, er sei vergiftet worden, um eine politische Last loszuwerden. Die aufständischen Niederländer beschuldigten später ausdrücklich Philipp II., er habe seinen Sohn ermorden lassen. Wenngleich dieser Vorwurf bestimmt nicht zutrifft, trug das unerbittliche Verhalten des Königs, der sich nicht vom Schreibpult und seinen Staatsgeschäften wegrührte, während sein Sohn qualvoll zugrunde ging, doch Züge von entsetzlicher Grausamkeit. Gut möglich, dass dieses Geschehen Rudolf davon überzeugte, er werde es mit der unerbittlichen Pflichterfüllung seines spanischen Onkels niemals aufnehmen können. Jedenfalls bemerkten die Zeitgenossen im Verhalten des jungen Prinzen eine Veränderung, als dieser 1571 nach Wien zurückkehrte. Obwohl er das steife spanische Hofzeremoniell an die Donau mitbrachte, war klar, dass er für das Königreich seines Onkels nur wenig übrighatte. Entgegen dem beträchtlichen Druck seiner Familie, er solle gefälligst für einen männlichen Erben sorgen, weigerte Rudolf sich, Philipps Lieblingstochter Isabella zu heiraten, und zeugte stattdessen etliche illegitime Kinder – mindestens sechs – mit seiner langjährigen Geliebten Katharina Strada. Die enge Beziehung zu Katharina war eine Ausnahme, denn Rudolf konnte mit den Lebenden ansonsten nur wenig anfangen: Immer mehr zog er sich in einen übersteigerten Ahnenkult zurück. Diejenigen, denen doch einmal eine Audienz mit ihrem Kaiser gewährt wurde – was oft erst nach monatelangem Warten geschah –, waren von Rudolfs Intelligenz, seiner großen Wissbegierde und umfassenden Bildung beeindruckt. Der Kaiser wurde ein passionierter Kunstsammler und Mäzen von Astronomen, Alchemisten und Poeten. Seine Jahre in Spanien hatten ihm einen übergroßen Sinn für die eigene Majestät und Erhabenheit eingeimpft, der ihn davon abhielt, Verantwortung an jene zu delegieren, die ihm helfen wollten. Wenn Rudolf auch keineswegs arbeitsscheu war, so drängten sich in seinem Kopf doch zu viele Pläne und Ideen auf einmal, was Unentschlossenheit zur Folge hatte – dies umso mehr, als selbst kleinste Misserfolge ihn sofort entmutigten. Diese Charakterzüge Rudolfs II. wurden gleich zu Beginn seiner Regierungszeit offenbar, als er beschloss, mit der Stärkung des Katholizismus in seiner Residenzstadt Wien ein positives Zeichen zu setzen. Im Jahr 1577 hatten Angehörige des örtlichen Klerus und der Wiener Laienschaft gemeinsam die Fronleichnamsbruderschaft wiederbelebt und planten für den Mai des darauffolgenden Jahres eine große Prozession durch ganz Wien. An der Spitze dieses Fronleichnamszuges marschierte Rudolf höchstpersönlich, begleitet von seinen Brüdern Ernst und Maximilian sowie dem Herzog Ferdinand von Bayern und anderen

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katholischen Würdenträgern. Die Prozession stellte eine unmissverständliche Provokation an die Adresse der überwiegend protestantischen Wiener Bevölkerung dar, vergleichbar etwa den alljährlichen Märschen des (allerdings protestantischen) Oranier-Ordens im heutigen Belfast in Nordirland. Als lutherische Ladenbesitzer und Marktleute sich weigerten, den Weg frei zu machen, war die kaiserliche Leibwache nicht zimperlich, wobei auch der Milchkrug eines Händlers umgestoßen wurde. Die daraufhin losbrechenden Ausschreitungen, die als „Wiener Milchkrieg“ in die Geschichte eingingen, verstörten den Kaiser zutiefst und lösten in den Jahren 1579/80 eine ernste Erkrankung aus, von der er sich nie mehr ganz erholen sollte. Es ist zu bezweifeln, dass Rudolf tatsächlich, wie manchmal behauptet, an einer wahnhaften Psychose litt (wenn auch mindestens eines seiner illegitimen Kinder ebenfalls schizoide Züge aufwies). Stattdessen diagnostizierten Rudolfs Ärzte eine schwere Depression beziehungsweise – in der Sprache der Zeit – „Melancholie“.46 Vermutlich trug die hohe Intelligenz des Kaisers noch zu seinem Leiden bei, denn sie ließ ihn mit scharfem Blick wahrnehmen, wie groß der Abstand zwischen seinem eigenen Majestätsgefühl einerseits und den harschen Realitäten einer eingeschränkten Handlungsfähigkeit andererseits tatsächlich war. Obgleich er nie in einem herzlichen Verhältnis zu seiner Mutter gestanden hatte, beraubte ihn ihr Weggang nach Spanien 1581 doch einer seiner wenigen verbliebenen Vertrauenspersonen. Nach der Verlegung seines Hofes nach Prag zwei Jahre später schottete der Kaiser sich noch stärker ab als zuvor, verkroch sich im Hradschin, der Prager Burg hoch über der Stadt, weigerte sich tagelang, auch nur eine Menschenseele zu sehen oder selbst wichtige Dokumente zu unterzeichnen. Im März 1591 lief eines seiner chemischen Experimente aus dem Ruder, versengte Rudolfs Bart und Wange und tötete einen früheren Oberststallmeister, der das Pech hatte, zum Zeitpunkt der Explosion direkt neben seinem Kaiser zu stehen. Dieser Unglücksfall stürzte Rudolf in nur noch tiefere Verzweiflung, und er schloss sich nun über Monate am Stück in seinen Gemächern ein. Rudolfs hartnäckige Weigerung, zu heiraten, verursachte unter seinen Verwandten wachsende Beunruhigung und veranlasste Philipp II. dazu, 1597 die Vermählung seiner Tochter Isabella mit einem Bruder des Kaisers, dem Erzherzog Albrecht, in die Wege zu leiten. Als die Heirat zwei Jahre später tatsächlich zustande kam, vertiefte dies Rudolfs Misstrauen gegenüber Spanien und zwang ihn schließlich dazu, sich den Enttäuschungen seines eigenen Lebens zu stellen. Seine förmliche Besessenheit von der Astrologie begünstigte einen Verfolgungswahn, der sich mit dem Herannahen der Jahrhundertwende weiter verschlimmerte – insbesondere, nachdem Rudolf die Vorhersagen des Astronomen und Mathematikers Tycho Brahe für den September 1600 dahingehend interpretiert hatte, dass ein Mordkomplott gegen ihn, den

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Kaiser, im Gange sei. Auch wurden die Stimmungsschwankungen Rudolfs immer extremer; er schlug nach Höflingen und verletzte einen von ihnen sogar ernsthaft. Melchior Khlesl Der Umzug Rudolfs II. nach Prag und sein anschließender Nervenzusammenbruch verstärkten die Fliehkräfte, die nach allen Seiten an der Habsburgerdynastie zerrten. Die Regierungsverantwortung in den österreichischen Erbländern wurde Rudolfs jüngerem Bruder Ernst übertragen, doch weder Ernst noch sein Nachfolger (ab 1595) Matthias vermochten viel Zeit für die Stärkung des Katholizismus aufzuwenden – das überließen sie dem Sohn eines lutherischen Bäckermeisters aus Wien: Melchior Khlesl. Der war als Student an der Wiener Universität zum katholischen Glauben konvertiert und stieg, mit der Unterstützung des Jesuitenordens und des Hauses Habsburg, bis 1580 zum Kanzler seiner Alma Mater auf. 1588 wurde er zum Bischof von Wiener Neustadt, zehn Jahre darauf zum Bischof von Wien erhoben. Khlesl, ein raffinierter, mit allen Wassern gewaschener Mann, dessen scharfe Zunge seinem Scharfsinn in nichts nachstand, machte sich rasch zahlreiche Feinde – vor allem weil er mit der Zeit zu der Überzeugung gelangte, er selbst sei als Einziger kompetent genug, die Habsburger zu beraten, deshalb etablierte Machtstrukturen ignorierte und lieber auf eigene Faust Politik betrieb. Man hat ihn, der seinen Machiavelli genauso gründlich studiert hatte wie die Bibel, oft als waschechten Machtpolitiker im Gewand eines Geistlichen dargestellt. Von einem Kardinal Borromäus trennten ihn fraglos Welten: Ab 1590 verbrachte Khlesl mehr Zeit am Prager Kaiserhof als in seinen beiden Bistümern. Diese Rückkehr des Absentismus allein spricht Bände im Hinblick auf das quälend langsame Voranschreiten der katholischen Kirchenreform. Dennoch blieb die Religion ein zentraler Bestandteil von Khlesls Weltbild, wenn auch eher als Grundlage der rechten Ordnung denn als gefühlsmäßige, spirituelle oder gar mystische Bezugsgröße.47 Khlesl nahm Wien ins Visier, wo sich der Protestantismus munter ausbreitete – unter anderem dank der Existenz des Ständehauses der niederösterreichischen Landstände, zahlreicher Stadtpalais des lutherischen Adels sowie des mittlerweile zur festen Tradition gewordenen „Auslaufs“, der jeden Sonntag Tausende Wiener ihre Stadt verlassen ließ, um auf den umliegenden lutherischen Landgütern Gottesdienst zu halten. Der bereits erwähnte Wiener Milchkrieg von 1578 diente als Vorwand, einen katholischen Magistrat einzusetzen und das Abhalten von lutherischen Gottesdiensten im Ständehaus zu untersagen; wer außerhalb der Stadt einen protestantischen Gottesdienst besuchte, musste mit Geldstrafen rechnen. Ein Jahr nach Beginn seines Rektorats entschied Khlesl, dass an der Wiener Universität fortan nur noch Katholiken einen Abschluss erlangen soll-

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ten. In der Folge arbeitete er mit den neuen Ratsherren zusammen, um rund 90 der 1200 Häuser innerhalb der Stadtmauern Wiens in kirchlichen Besitz zu überführen, damit sie als Gotteshäuser oder katholische Bildungseinrichtungen verwendet werden konnten.48 Die katholische Präsenz in der Stadt wurde durch die Rückkehr des kaiserlichen Hofes nach dem Tod Rudolfs II. im Jahr 1612 weiter verstärkt. Hofleute, Adlige und ihre Dienerschaft verdrängten die lutherischen Wiener Stadtbürger aus den begehrten Wohnlagen rund um die Hofburg, insbesondere während der Inflationszeit der frühen 1620er-Jahre, als reiche Katholiken sich hübsche Palais in „langer“, das heißt entwerteter Münze leisteten. Aber schon in der Zeit von Rudolfs Thronbesteigung bis zum Jahr 1594 hatte sich die Anzahl der Wiener Katholiken auf 8000 vervierfacht. Der Zusammenbruch des Bauernaufstands bis 1598 ermunterte Khlesl, seine Aktivitäten auf ländliche Gebiete auszudehnen. Der Landeshauptmann von Oberösterreich wurde mit einer bewaffneten Eskorte ausgesandt, um katholische Gemeindepriester auf ihre neuen Posten zu geleiten und außerdem die protestantische Ständeschule in Linz zu schließen. Im Jahr darauf zog Khlesl selbst an der Spitze von 23 000 niederösterreichischen Pilgern in das steirische Mariazell, womit er eine Tradition begründete, die zunächst unregelmäßige, ab 1617 dann sogar jährliche Wiederholung fand. Andere Pilgerstätten wurden ausgebaut, vor allem solche, die einen Bezug zur österreichischen Geschichte oder zu den Habsburgern aufwiesen; so sollte die Verknüpfung von katholischer Frömmigkeit und Obrigkeitstreue weiter gestärkt werden. Diese Entwicklungen blieben nicht ohne Widerspruch. Als 1600 in Linz die Fronleichnamsprozession eingeführt werden sollte, ergriffen wütende Linzer Bürger den Zelebranten und ertränkten ihn im Fluss. Wie bereits der Wiener Milchkrieg diente auch diese Episode als Vorwand, die Rechte der Protestanten noch weiter zu beschneiden; im vorliegenden Fall wurden sämtliche lutherischen Lehrer aus Oberösterreich ausgewiesen. Als die Salzbergleute des Salzkammerguts aus Protest ihr Handwerkszeug in den Seen ihrer Heimat versenkten, entsandte Erzherzog Matthias im Februar 1602 1200 Bewaffnete, die sie wieder an die Arbeit treiben sollten. So eindrucksvoll indes das Wiedererstarken des Katholizismus im Habsburgerreich auf den ersten Blick scheinen mochte, fehlte ihm doch ein festes Fundament: Noch um 1600 lehnten drei Viertel der 50 000 Einwohner Wiens den offiziellen Glauben ihrer Stadt ab. Die katholische Strategie Größeren Erfolg brachten die Rekatholisierungsmaßnahmen in Innerösterreich, wo die Verbindung von religiöser und politischer Loyalität, nach wenig verheißungsvollen Anfängen, systematischer verfolgt wurde. Der Erzherzog Karl war ein frommer Katholik, hatte sich jedoch

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mit Blick auf seine Schulden und die Höhe seines Etats zur Grenzverteidigung 1578 gezwungen gesehen, das bereits erwähnte Brucker Libell einzugehen. Zwar hatte er gehofft, dies geheim halten zu können, aber zum Entsetzen des Erzherzogs konnten es die protestantischen Stände Innerösterreichs im Hochgefühl ihres Triumphs kaum erwarten, eine unautorisierte Druckfassung der ihnen gemachten Zugeständnisse zu veröffentlichen. Papst Gregor XIII. zeigte wenig Verständnis für diesen (wie er es wohl sah) obrigkeitlichen Fauxpas – und exkommunizierte den Erzherzog umgehend. Der traf sich, gestraft wie er war, im Oktober 1579 in München mit seinem Bruder, Erzherzog Ferdinand von Tirol, und seinem Schwager, Herzog Wilhelm V. von Bayern. Seine Verwandten akzeptierten Karls Beteuerung, der in Umlauf gebrachte Text des Brucker Libells verzerre zwar seine tatsächlichen Absichten, doch wäre eine Rücknahme der nun allgemein als gültig betrachteten Zugeständnisse viel zu gefährlich. Gerade einmal drei Monate zuvor hatten 5000 Wiener vor der Hofburg gegen die katholische Religionspolitik der Habsburger demonstriert. Keiner der Erzherzöge verfügte über mehr als eine Handvoll Truppen; alles, was ihre Gegner dazu drängen konnte, gemeinsame Sache zu machen, war deshalb tunlichst zu vermeiden. Eine wesentlich weniger auf Konfrontation ausgerichtete Politik musste also her, und das Münchner Treffen führte zur Formulierung eines entsprechenden Programms, das gewissermaßen die Blaupause für alle weiteren religionspolitischen Maßnahmen der Habsburger bis 1618 abgab. Darin wurde festgehalten, dass die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gemachten Zugeständnisse das absolute Maximum an Entgegenkommen darstellten, mit dem die Protestanten rechnen konnten. Anstatt bestehende protestantische Privilegien aufzuheben, würden die Erzherzöge in Zukunft auf deren möglichst „katholischer“ Interpretation beharren, wodurch jeglichen protestantischen Aktivitäten, die in den entsprechenden Vereinbarungen nicht ausdrücklich (positiv) gestattet worden waren, ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Die Habsburger hatten durchaus kein Interesse daran, die protestantischen Stände völlig niederzuwerfen, denn ganz ohne die Stände konnten sie nicht regieren. Stattdessen sollten die Protestanten in den Ständeversammlungen isoliert werden, indem man ihnen weitere Zugeständnisse verwehrte, während loyale Katholiken belohnt und gefördert werden sollten. Hierbei konnten sich die Habsburger auf ihre (im Übrigen unbestrittenen) Prärogativen als Erzherzöge, Könige und Kaiser stützen, kraft deren sie befähigt waren, Erhebungen in den Adelsstand vorzunehmen, uneheliche Kinder zu legitimieren sowie Ämter, Titel und andere Ehren zu verleihen. Durch diese herrschaftlichen Kompetenzen konnten sie ihren Einfluss bis in den letzten Winkel des Heiligen Römischen Reiches hinein geltend machen, da selbst die meisten Reichsfürsten nicht befugt waren, Nobili-

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tierungen vorzunehmen, sondern dem Kaiser lediglich Vorschläge unterbreiten konnten, wer nach ihrem Dafürhalten geadelt werden sollte. Als selbstbestimmte und selbstregulierende Körperschaften konnten die Stände zwar entscheiden, wen sie in ihre Reihen aufnehmen wollten, aber sie waren doch von den Habsburgern abhängig, wenn es darum ging, jemanden überhaupt erst in den Adelsstand zu erheben. Auch kam es allein dem Erzhaus zu, bestehenden Rittern zu höheren Ehren zu verhelfen und verschiedene Einflussrechte über die Kirche und die Kronstädte auszuüben. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts starb eine ganze Reihe von österreichischen Adelsfamilien aus, was weitere Möglichkeiten eröffnete, den Anteil loyaler Katholiken unter den Adligen zu erhöhen. So wurden zum Beispiel zwischen 1560 und 1620 insgesamt 40 neue, überwiegend aus Italien stammende Familien in den innerösterreichischen Adelsstand erhoben; immerhin 16 von ihnen gelang auch die Aufnahme unter die Landstände. Weiterhin versuchte man, den Katholizismus wieder attraktiver zu machen, indem zum Beispiel ein besser ausgebildeter, disziplinierterer und zahlreicherer Klerus angestrebt wurde – tatsächliche Seelsorger, die größere Aufmerksamkeit auf die spirituellen Bedürfnisse der einfachen Gläubigen richten sollten. Papst Gregor ließ sich zur Unterstützung des Vorhabens überreden und begann, auch andere Herrscher zur Teilnahme zu ermuntern. Der Bischof Germanico Malaspina, ein langjähriger Verfechter der tridentinischen Reformbemühungen, wurde zum neuen Nuntius für Innerösterreich ernannt und sollte die dortigen weltlichen wie geistlichen Herren dazu bringen, ihre Zankereien über Zuständigkeiten einzustellen. Malaspina war zwar ein fähiger Diplomat, aber alle Streitigkeiten konnte auch er nicht schlichten – nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Bischöfe sich obendrein noch mit ihren Domkapiteln zerstritten hatten. Immerhin schloss 1583 der Fürsterzbischof von Salzburg ein Konkordat mit dem bayerischen Herzog, dem neun Jahre darauf ein österreichisches Abkommen mit dem Fürstbischof von Passau folgte, das eine ganz neue Ära verbesserter Beziehungen zwischen den Landesfürsten in der Region einläutete. Der neue Salzburger Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau kehrte von einer Romreise 1588 völlig begeistert zurück: Er hatte sich vom Feuer der Gegenreformation inspirieren lassen. Auch die vier von Salzburg abhängigen Eigenbistümer bekamen nun stärker reformorientierte Bischöfe, unter denen vor allem Martin Brenner zu nennen ist, der 1585 Bischof von Seckau wurde. Es dauerte jedoch eine Weile, bis das „Münchner Programm“ Wirkung zeigte, und die neu gefundene Einigkeit unter den Landesherren währte nur kurz. Sie zerbrach, als ein voreiliger Versuch Karls von Habsburg, die protestantische Religionsausübung in seinen Kronstädten zu untersagen, im Dezember 1580 Widerstand provozierte. Karls Verbündete befürchteten, nun werde ein großer

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Aufstand losbrechen, bekamen kalte Füße und verweigerten ihm ihre militärische Unterstützung. Der Mangel an Truppen und Führungspersonal verhinderte jegliche Umsetzung von Karls Absichten vor Ort. So war der Erzherzog gezwungen, seine restriktive Religionspolitik auf die Stadt Graz zu beschränken, seine Residenz, wo er einen Kreis loyaler Berater um sich scharte und das dortige Jesuitenkolleg zur Universität erhob, um mehr Priester und Verwaltungsbeamte ausbilden zu können. Schon 1587 fühlte er sich stark genug, die kleineren Provinzstädte zum Ziel seiner Reformvorhaben zu machen; dort erwartete man geringeren Widerstand. Karl berief sich auf das ius reformandi, das ihm als Reichsfürsten nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 zustehe, und richtete eine Reformkommission unter der Leitung des Bischofs Brenner ein, die, beschützt von einer Militäreskorte, durchs Land ziehen sollte, um neue Gemeindepriester einzusetzen, protestantische Schulen zu schließen und sämtliche Magistrate unter katholische Kontrolle zu bringen. Nach außen wurden diese Maßnahmen als moderat und vernünftig dargestellt: Der Erzherzog wolle doch lediglich Frieden und Versöhnung unter seinen Untertanen stiften – er greife zu diesen Mitteln allein, um den katholischen Glauben zu verteidigen und katholischen Kirchenbesitz vor protestantischem Vandalismus zu beschützen! Der Adel befürchtete, man werde ihm die Kommission als Nächstes auf seine Landgüter schicken, und schritt deshalb kaum ein, als seine stadtbürgerlichen Verbündeten nach und nach ihrer Ämter enthoben wurden. Als Erzherzog Karl im Mai 1590 schwer erkrankte, war Brenners Kommission so weit nur auf passiven Widerstand gestoßen. Dann zwangen heftige Ausschreitungen in Graz die dortige Obrigkeit, einen inhaftierten protestantischen Studenten freizugeben. Die Unzufriedenen spürten eine obrigkeitliche Schwäche, und der Aufruhr griff bald auch auf andere Städte über – vor allem nachdem Karl im Juli gestorben und ihm sein zwölfjähriger Sohn Ferdinand als neuer Erzherzog von Innerösterreich nachgefolgt war. Die innerösterreichischen Stände pochten auf ihr traditionelles Recht, für die Zeit der Unmündigkeit des Prinzen einen Regenten zu bestimmen, lehnten jedoch die bayerische Verwandtschaft des Knaben als ungeeignet ab und legten die Regierungsverantwortung stattdessen in die Hände des Erzherzogs Ernst, dem nicht nach einer weiteren Konfrontation zumute war. Erzherzog Ferdinand Als Ferdinand 1595 für volljährig erklärt wurde, schien es alles andere als wahrscheinlich, dass er den an die Stände verlorenen Boden würde gutmachen können – geschweige denn, dass er einer der mächtigsten Männer seiner Zeit werden sollte. Der spätere Kaiser hat in der Forschung ein gemischtes Echo gefunden, besonders unter englischsprachigen Historikern, deren Darstellungen von der zeitgenössischen protestantischen Einschätzung geprägt schei-

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nen, Ferdinand sei „nichts als ein törichter Jesuitenzögling“ – „but a silly Jesuited soule“ – gewesen. Seine Mutter, Maria von Bayern, hatte ihn in der Tat schon im März 1590 an das Jesuitenkolleg von Ingolstadt geschickt, um ihn protestantischen Einflüssen zu entziehen; der Tod seines Vaters Karl zwang dessen jungen Nachfolger dann, seine Studien vor der Zeit abzubrechen und nach Graz zurückzukehren. Ferdinand war klein für sein Alter (was seine Schüchternheit erklären mag), und seine Familie machte sich schon bald Sorgen um seine Gesundheit, zumal bereits zwei seiner Brüder jung gestorben waren. Solche Befürchtungen sollten sich als unbegründet erweisen: Ferdinand wuchs zu einem körperlich gesunden Jungen heran, wurde ein vorzüglicher Reiter und begeisterter Jäger. Anders als sein Vetter Rudolf begegnete Ferdinand seinen Mitmenschen stets freundlich und mit Wohlwollen, ein Eindruck, den wohl seine gesunde Gesichtsfarbe sowie – in späteren Jahren – zunehmende Leibesfülle noch verstärkten. Tatsächlich wurde Ferdinand alles andere als ein Kostverächter, er liebte vor allem Wildbret und üppige Fleischgerichte, die ihm neben seinem Übergewicht wohl auch eine Asthmaerkrankung bescherten. Anders als viele seiner Standesgenossen trank er Alkohol jedoch nur in Maßen, und sein Beichtvater verkündete stolz, der Erzherzog empfange Damenbesuch niemals allein. Angeblich trug Ferdinand vor seiner Hochzeit sogar ein härenes Büßerhemd, um alle sinnlichen Begierden gleich im Keim zu ersticken, und hielt es als Witwer genauso. Der päpstliche Nuntius in Wien, Carlo Carafa, berichtete später: „Abends zehn Uhr legt er [Ferdinand], nach deutscher Gewohnheit, sich nieder; früh um vier Uhr, oft noch früher, ist er schon wieder auf den Beinen. … Jeden Tag pflegen Seine Majestät zwei Messen zu hören, eine für die Seele Ihrer ersten Gemahlin, Schwester des Herzogs von Bayern, die, obwohl wankender Gesundheit, von dem Kaiser zärtlich geliebt wurde. Ist’s ein Festtag, so empfängt er nach diesen Messen die heilige Kommunion, zu welchem Zwecke er sich in die Kirche begibt und dort eine deutsche Predigt anhört. Gewöhnlich wird sie von einem Jesuiten gehalten und dauert eine Stunde. Nach der Predigt wohnt er dem Hochamte bei, was bei ausgesuchter Musik gewöhnlich anderthalb Stunden erfordert. … An solchen Tagen, die nicht Festtage sind, bringt der Kaiser, nachdem er zwei Messen gehört (wovon er niemals abgeht), den Rest des Vormittags, häufig auch einen Teil des Nachmittags in der Ratssitzung zu.“49 Von den üppigen Mahlzeiten, der Regierungsarbeit, der Jagd und stundenlangen Gebetssitzungen in zugigen Kirchen sollte Ferdinand nicht mehr ablassen, solange er lebte. Bei seiner Autopsie wunderten sich die Ärzte, dass der Kaiser überhaupt so lange gelebt hatte.

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Ferdinand nahm sich ab 1595 zwar nacheinander drei Jesuiten zum Beichtvater, war selbst jedoch eher fromm als ein Fanatiker. Sein tiefes Verlangen, dem Katholizismus zum Sieg zu verhelfen, wurde durch einen ebenso tiefen Respekt vor Gesetz und Herkommen abgemildert; gegen diese „Verfassung“, wie er sie verstand, wollte er nicht verstoßen. Während er den Ständen von Innerösterreich gegenüber erklärte, er sei ein „absoluter Fürst“, lehnte er die Vorstellung einer Staatsräson à la Machiavelli strikt ab – glaubte er doch fest daran, dass politischer Erfolg auf christlichen Prinzipien beruhen müsse. Sein Glaube an die göttliche Vorsehung wurde durch eigene Erfahrungen anlässlich der Grazer Ausschreitungen im Sommer 1590 gestärkt, als ein heftiges Gewitter die Protestanten auseinandergetrieben und so – dessen waren die Katholiken sich sicher – ein unmittelbar bevorstehendes Blutbad verhindert hatte.50 Der Erfolg seiner späteren Reformbemühungen festigte Ferdinands Überzeugungen, gerade weil die meisten seiner Berater ihm prophezeit hatten, dass sie in einem allgemeinen Aufstand enden würden. Und doch blieb dem Erzherzog die Befürchtung, Gott werde ihn im Stich lassen, sobald er einen Fehler mache; sie war der Grund für seine Vorsicht und sein stetes Bemühen, umfassenden Rat einzuholen, bevor er zur Tat schritt. Seine Absichten machte Ferdinand bereits deutlich, als er bei seinem Antritt als Erzherzog zu dem alten Antrittseid zurückkehrte, der 1564 abgeändert worden war, um die Protestanten nicht unnötig zu reizen. Auch lehnte er es ab, das Brucker Libell als Teil der innerösterreichischen Grundgesetze anzuerkennen. Vonseiten der Stände suchte jedoch niemand die Konfrontation, und so nahm man Ferdinands Schweigen als Zustimmung; 1597 wurde er vom innerösterreichischen Landtag als Erzherzog anerkannt. Nach Ferdinands Verständnis bedeutete die Unterwerfung der Landstände unter seine Autorität, dass er die 1578 gewährten Privilegien ungeniert würde abschaffen können, sobald er stark genug dazu war. Seine politischen Berater drängten zur Vorsicht – sie jedenfalls hatten das Scheitern des Erzherzogs Karl noch nicht vergessen –, aber der Fürstbischof von Seckau, Martin Brenner, und sein Amtskollege aus Lavant, Georg Stobäus von Palmburg, hielten dagegen und ermunterten Ferdinand, allein seinem Gewissen zu folgen. Nachdem er eigens nach Rom gereist war, um den Papst um Rat zu bitten, und nach langen Diskussionen, die das gesamte erzherzogliche Beraterteam „ins Boot holen“ sollten, rief Ferdinand schließlich im April 1598 die Reformkommission seines Vaters ins Leben zurück. Sorgfältige Vorbereitungen sollten eine Wiederholung der Proteste von 1580 und 1590 verhindern. Alle drei innerösterreichischen Ständekurien wurden zeitgleich, aber getrennt voneinander einberufen – so waren sie beschäftigt, konnten aber keine vereinte Opposition bilden. Die Kurien wurden gezwungen, jeweils einen katho-

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lischen Geistlichen in ihr Leitungsgremium aufzunehmen, der umgehend jegliches gegen die erzherzogliche Obrigkeit gerichtete Vorgehen unterband. Ferdinand schreckte auch vor Gewalt nicht zurück: Zwei Ständevertreter wurden festgenommen und so lange gefoltert, bis sie einwilligten, die wichtigste Schule von Graz in katholische Hand zu geben. Die Grazer Garnison kam in ihrer gesamten regulären Stärke von 800 Mann zum Einsatz, um die Reformkommission zu schützen; wenn ein Bürger protestierte, quartierte man Soldaten bei ihm ein. 1599 dann kam die Operation voll in Schwung, als Fürstbischof Brenner nacheinander sämtliche steirischen Städte besuchte, protestantische Lehrer und Pastoren ihrer Ämter enthob und katholische Priester an ihre Stelle setzte. Wenn die Gemüter sich beruhigt hatten, kehrte die Reformkommission zurück und ordnete weitere provokante Maßnahmen an: schloss die protestantische Schule, ließ den protestantischen Friedhof einebnen und die protestantische Kirche abreißen. Letzteres geschah bisweilen als spektakuläres Exempel: In dem Ort Eisenerz bei Leoben etwa wurde sie gesprengt. Brenner hatte sich auf diese Weise bald den Beinamen „der Ketzerhammer“ verdient – und er ließ wirklich keine Gelegenheit aus, seine Widersacher zu erniedrigen, zu demütigen und alles, was ihnen heilig war, in den Dreck zu treten: „Die Leiber der [protestantischen] Gläubigen hat man ausgegraben, hat sie den Hunden gegeben und vor die Säue geworfen, hat deren Särge auch genommen und sie am Wege hingestellt und etwelche angebrannt, dass es ein barbarisches und unmenschliches Werk war. Auch hat man auf den Grabstätten der Gläubigen Galgen und Richtplätze errichtet, dass man die Frevler dort richte. Und wo vorher die protestantischen Kirchen gestanden, wo die Kanzel gewesen oder der Taufstein, da hielt man stets die unflätigsten und die abscheulichsten Spektakula.“51 Als Brenner 1600 im Triumph nach Graz zurückkehrte, um dort der „feierlichen“ Verbrennung von 10 000 protestantischen Büchern beizuwohnen, gingen die Ereignisse ihrem Höhepunkt entgegen. Ferdinand feierte, indem er Maria Anna von Bayern zur Frau nahm, die fromme und pflichtbewusste älteste Tochter Herzog Wilhelms V. von Bayern. Die Hochzeitsfeierlichkeiten im April zogen sich über acht Tage hin. Anschließend wurden alle verbliebenen protestantischen Pastoren und Lehrer der Stadt verwiesen, ebenso alle Grazer Bürger, die sich weigerten, zum katholischen Glauben zu konvertieren. Insgesamt verließen zwischen 1598 und 1605 rund 11 000 Glaubensflüchtlinge die innerösterreichischen Länder, entweder weil sie vertrieben wurden oder weil sie sich mehr oder minder freiwillig ins Exil begaben. Viele siedelten in protestantische Territorien des Reiches über, etwa nach Württemberg, dessen Herzog sogar das program-

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matisch benannte Freudenstadt gründete, um die Vertriebenen willkommen zu heißen. Die ganze Zeit über hatte Ferdinand sich im Rahmen seiner eigenen – zugegebenermaßen recht engen – Rechtsauffassung bewegt. Zumindest offiziell sollte die Reformkommission nicht das Luthertum bekämpfen, sondern die „Ketzerei“, und erst 1609 wurde ein katholisches Bekenntnis auch formal zur Voraussetzung bei der Ämtervergabe. Auch hatte Brenner nur solche lutherischen Einrichtungen und Strukturen angegriffen, die nicht ausdrücklich privilegiert worden waren, wodurch der private Glaube unangetastet blieb. Besondere Zugeständnisse wurden gegenüber den innerösterreichischen Bergleuten gemacht, weil man ansonsten wirtschaftliche Beeinträchtigungen und Steuerausfälle befürchtete. Bereits 1599 hatten die Landstände die gegenreformatorische Kampagne ihres Erzherzogs dadurch gekontert, dass sie ihm Steuern vorenthielten und überdies beim Kaiser Beschwerde einlegten. Als Ferdinand weitere derartige Beschwerden untersagte, unterzeichneten 238 Adlige eine Petition, in der sie ihm mit ihrer Emigration drohten, falls er nicht augenblicklich die freie Religionsausübung wiederherstelle. Ferdinand setzte darauf, dass sie nur pokerten – und gewann: Die meisten blieben, wo sie waren; ein zweiter Steuerstreik brach 1604 in sich zusammen. Böhmen Die Auswirkungen des innenpolitischen Bebens in den Jahren um 1600 waren sogar in Böhmen zu spüren, wo Kaiser Rudolf sich weiterhin in seiner Burg abschottete. Wie in Österreich auf die Kronstädte, so zielte die Gegenreformation auch in Böhmen auf die Königsstädte als die schwächsten Glieder des ständisch-protestantischen Netzwerks. Im utraquistischen Konsistorium erlangten katholische Sympathisanten eine Mehrheit, indem sie die radikaleren Anhänger der Brüderunität als „fünfte Kolonne“ der Calvinisten darstellten. Mit der Unterstützung der offiziellen und etablierten Kirchenhierarchien, der katholischen wie der utraquistischen, begann die habsburgische Regierung, in den Königsstädten linientreue Vögte einzusetzen. Dadurch gelang es, überall prohabsburgische Magistrate zu erhalten – und das, obwohl von all diesen Städten allein Pilsen (Plzeň) und Budweis (České Budĕjovice) eine mehrheitlich katholische Bevölkerung hatten. 1592 wurde in Prag der Fronleichnamsumzug wieder eingeführt; andere Städte folgten und verpflichteten ihre Würdenträger zur Teilnahme an der Prozession. Die Krone profitierte auch von dem Aussterben zahlreicher böhmischer Adelsfamilien, deren Besitz sie entweder einzog oder erwarb; auf diese Weise vergrößerte sich bis 1603 der Anteil von unmittelbarem Kronbesitz an der Gesamtfläche Böhmens von zuvor rund einem Prozent auf über zehn Prozent. Der Anteil des von der Kirche und den Königsstädten – mit-

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telbar also ebenfalls von der Krone – besessenen Landes stieg auf neun Prozent, wodurch die böhmische Krone insgesamt rund ein Fünftel des Königreiches unter ihre Kontrolle bringen konnte. In Mähren, wo die Kirche größere Besitzungen hatte bewahren können, war der entsprechende Anteil sogar noch höher. Das große Gewicht dieser katholischen Vermögenswerte und der Einfluss, den ihre Besitzer ausüben konnten, wurden durch die Schwäche der böhmischen Wirtschaft – die deutlich unterkapitalisiert war – eher noch verstärkt. Auch der Charakter des böhmischen Katholizismus veränderte sich. Zwischen 1597 und 1611 starben sieben der großen böhmischen Grundbesitzerfamilien aus, und ihr Reichtum fiel überwiegend in die Hände verdienter Militärs – oder solcher, die es werden wollten. Wilhelm Slavata, der, als wir ihm zuletzt begegneten, gerade Hals über Kopf aus einem Fenster des Hradschin geflogen war, hatte 1604 den Besitz der Herren von Neuhaus (Jindřichův Hradec) geerbt, deren Geschlecht seine Frau Lucie Ottilie entstammte. In den 1590er-Jahren erwarb Karl von Liechtenstein den umfangreichen Besitz der mährischen Herren von Boskowitz. Viele Angehörige dieser neuen Generation von „Glücksrittern“ waren Konvertiten; zu ihnen zählten auch die Männer, die bei Ausbruch des Böhmischen Aufstandes die Machtpositionen im Land innehatten. Liechtenstein, der später Statthalter von Böhmen werden sollte, war im Glauben der Böhmischen Brüder erzogen worden, genau wie sein jüngerer Bruder Gundaker, der 1602 zum Katholizismus konvertierte und 1620 Hofkammerpräsident und 1624 kaiserlicher Obersthofmeister wurde. Der Niederösterreicher Michael Adolf von Althan ließ sich 1598 von dem frischgebackenen Wiener Bischof Khlesl zum Katholizismus bekehren, bevor er 1606 zum Gouverneur im ungarischen Gran ernannt und 1610 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde. Ein niederösterreichischer Landsmann Althans, Franz Christoph von Khevenhüller, war nach seiner Konversion kaiserlich-habsburgischer Gesandter am spanischen Hof. Nach seiner Rückkehr schrieb er die Annales Ferdinandei, vordergründig eine Biografie Ferdinands II., in Wahrheit jedoch eine materialreiche Abhandlung zur gesamten Zeitgeschichte. Der steirische Lutheraner Johann (Hans) Ulrich von Eggenberg wurde in den 1590er-Jahren ebenfalls katholisch und war bis 1597 zu einem der engsten Berater Ferdinands geworden. Ein anderer Steirer, Maximilian von Trauttmansdorff, der zum führenden Staatsmann der Habsburgermonarchie aufsteigen sollte, war gleichfalls im lutherischen Glauben erzogen worden, schloss sich aber seinen Eltern an, die während der Tätigkeit von Brenners Reformkommission zum Katholizismus konvertierten. Slavata war aus persönlicher Überzeugung konvertiert, während er sich als junger Mann zum Studium in Siena aufhielt; andere waren noch jünger gewesen, als man sie zum Übertritt bewegte. Peter Pázmány zum Beispiel, der spätere Primas

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von Ungarn, fand im Alter von zwölf Jahren in die Arme Roms – unter jesuitischem Einfluss. Pázmány wurde 1616 Nachfolger des Grafen Franz (Ferenc) Forgách (auch er ein Konvertit!) als Kardinalerzbischof von Gran; er sollte die katholische Reform in Ungarn vorantreiben. Unter anderem durch Konversionen stieg bis 1610 der Anteil der Katholiken am oberösterreichischen Adel auf rund zehn Prozent an; in Böhmen waren 20 Prozent der Adligen katholisch, in Niederösterreich rund 25 Prozent. Die Anhäufung von Reichtum und Ämtern verlieh den militanten Katholiken das nötige Selbstbewusstsein, Protestanten von der Regierung auszuschließen. Der päpstliche Nuntius in Prag überzeugte den labilen Kaiser Rudolf, ausgerechnet am 24. August 1599 – dem 27. Jahrestag der blutigen Bartholomäusnacht – den Katholiken Zdenko von Lobkowitz zum Oberstkanzler von Böhmen zu ernennen. Der wiederum drängte, inspiriert von seiner Lektüre spanisch-katholischer Staatsdenker der Spätscholastik, den Kaiser dazu, seine protestantischen Berater zu entlassen, was Rudolf dann 1600 auch tat, und das kaiserliche Verbot der Böhmischen Brüder zu erneuern. Freie Kirchenämter besetzte man mit neuen Männern voller Elan und Tatendrang. Das Amt des Fürstbischofs von Olmütz (Olomouc) und Metropoliten von Mähren ging 1598 an Franz Seraph von Dietrichstein, einen Absolventen des jesuitischen Collegium Germanicum in Rom, dem schon als junger Mann ein Dreizehntel der Gesamtfläche Mährens gehörte. Der streitbare Wolfgang Selender von Prossowitz wurde zum Abt des Benediktinerklosters Braunau (Broumov) in Böhmen ernannt, während Klostergrab (Hrob) mit den dazugehörigen Prämonstratenserstiften Tepl und Strahov dem Erzbischof Jan Lohelius anvertraut wurde, der in Prag eine Synode zur Förderung der tridentinischen Reformen einberief. Hatten sich noch 1594 sämtliche wichtigen Regierungsämter Mährens in den Händen von Protestanten befunden, war die Verwaltung des Landes nun – kaum zehn Jahre später – durch und durch katholisch. Auf den ersten Blick schien die Lage für den militanten Katholizismus zu Beginn des neuen Jahrhunderts vielversprechend. Das „Münchner Programm“ war in Innerösterreich durchaus mit Erfolg umgesetzt worden, in Ober- und Niederösterreich mit etwas geringerem Erfolg, in Böhmen und Mähren begann es gerade erst, Frucht zu tragen. Jedoch stießen seine Richtlinien zahlreiche Protestanten vor den Kopf, die zuvor dem habsburgischen Herrscherhaus gegenüber noch loyal gewesen waren – und das zu einer Zeit, in der die Katholiken noch mit mindestens drei zu eins in der Unterzahl waren (zumindest außerhalb von Kroatien und Tirol). Ob sich der gegenreformatorische Vorstoß auch weiterhin würde aufrechterhalten lassen, hing vor allem von der inneren Einigkeit des Hauses Habsburg ab, dessen baldiges Auseinanderbrechen sich allerdings

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schon deutlich abzeichnete. Rudolf II. jedenfalls war vollkommen unfähig, seine Führungsrolle als Familienoberhaupt angemessen auszufüllen. Grundsätzlich befürwortete er zwar eine Stärkung des Katholizismus, gehörte seiner ganzen Vorstellungswelt nach jedoch eher dem moderaten Milieu der 1570er-Jahre an als der polarisierten, von konfessionellen Gegensätzen geprägten Gegenwart um 1600. Kaum hatte man den Kaiser mit Schmeicheleien dazu gebracht, radikale Maßnahmen zu autorisieren, da hieß er an seinem Hof auch schon den Astronomen Johannes Kepler willkommen, einen Lutheraner, den Erzherzog Ferdinand gerade erst aus dem steirischen Graz hatte ausweisen lassen. Während der politische Druck von allen Seiten zunahm, verzettelte Rudolf sich in Nichtigkeiten, brachte etwa Monate damit zu, eine neue Kaiserkrone zu entwerfen, obwohl die bestehende Krone, die in Nürnberg sicher verwahrt wurde, eigentlich keine Wünsche offenließ.52 Inzwischen kühlten die Beziehungen unter Rudolfs jüngeren Brüdern und sonstigen Verwandten rapide ab, während das Habsburgerreich in einen langen Krieg gegen die Türken hineingezogen wurde, der nach 1606 schließlich eine tiefe Staatskrise auslöste.

4. Der Türkenkrieg und seine Folgen Die Türkengefahr

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udolf II. trat der Herausforderung durch das Osmanische Reich, der sich seine Länder ab 1593 gegenübersahen, mit Selbstbewusstsein entgegen, und zog sehenden Auges in den Konflikt, der als „Langer Türkenkrieg“ der Jahre 1593–1606 für beide Seiten zum Fiasko werden sollte. Dieser 13-jährige Krieg leistete seinen Beitrag zu einer ganzen Kette von Problemen, die das Osmanische Reich aus dem Dreißigjährigen Krieg heraushielten, und bescherte Ungarn auf diese Weise eine Phase relativer Ruhe. In der Rückschau war dies für die Habsburger zweifellos von Vorteil, denn so konnten sie sich ganz auf die inneren Probleme des Heiligen Römischen Reiches sowie auf den Kampf gegen ihre Feinde im Westen und Norden konzentrieren. Zur damaligen Zeit konnte das jedoch noch nicht klar sein, und so blieben Türkenfurcht und Türkengefahr eine beständige Quelle der Sorge für eine ganze Generation. Und was noch schlimmer war: Der Türkenkrieg bewirkte schließlich den finanziellen wie politischen Bankrott der Habsburger und trug so schließlich doch zum erneuten Ausbruch eines großen Krieges im Jahr 1618 bei.

Die Geißel Gottes Der Türkenkrieg und seine Folgen haben in der Geschichtswissenschaft bislang nicht die Beachtung gefunden, die ihnen eigentlich zukäme. Folglich bleibt das Osmanische Reich in den meisten Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges nichts als ein Schatten, eine schemenhafte Gestalt im Hintergrund des Geschehens. Dabei war das Reich der Osmanen die Weltmacht der Frühen Neuzeit und erstreckte sich auf 2,3 Millionen Quadratkilometern über drei Kontinente. Die osmanischen Sultane geboten über mindestens 22 Millionen Untertanen; das waren mehr als dreimal so viele Menschen, wie im Habsburgerreich lebten.53 Gewiss, die ursprüngliche Dynamik der osmanischen Expansion hatte nach dem Tod Sultan Süleymans des Prächtigen im Jahr 1566 merklich nachgelassen, aber es wäre doch falsch, schon die Zeit unmittelbar danach als Anfang vom Ende des Osmanischen Reiches zu beschreiben. Die Türken blieben der Schrecken Europas, und Protestanten wie Katholiken erblickten in ihnen eine „Geißel Gottes“, mit der die sündige Menschheit gestraft werden sollte, weshalb man mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Abscheu auf sie schaute.54 Das Osmanische Reich expandierte durchaus noch, vor allem im Osten, wo die (sunnitischen) Osmanen zwischen 1576 und 1590 Georgien und

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Aserbaidschan eroberten, die vorher beide zum Reich der persischen (und schiitischen) Safawiden-Dynastie gehört hatten. Das beunruhigte die Habsburger immerhin so sehr, dass sie im November 1590 geradezu entwürdigende Bedingungen akzeptierten, um eine achtjährige Verlängerung des Waffenstillstandes zu erreichen, der am Ende des letzten Türkenkrieges 1568 geschlossen worden war. Trotz der damit verbundenen hohen Kosten unterhielt der Kaiser eine ständige Gesandtschaft in Konstantinopel, während der Sultan es verschmähte, sich mit den Ungläubigen überhaupt zu beschäftigen, und nur selten Gesandte an christliche Höfe schickte. Die österreichischen Diplomaten in Konstantinopel hatten ihre liebe Not, zuverlässige Informationen über den osmanischen Hof zu sammeln, der sich in jeder Hinsicht als würdiger Nachfolger der Kaiserhöfe des mittelalterlichen Byzanz erwies, an denen ja sprichwörtlich „byzantinisch-verworrene“ Zustände geherrscht hatten. Wochenlang ließ man sie warten, und wenn es dann einmal zu einer Audienz mit den Beamten der Hohen Pforte kam, gaben diese ihnen nur ausweichende oder gar widersprüchliche Antworten auf ihre Fragen. Die gleichzeitige Anwesenheit niederländischer, englischer, französischer, venezianischer und anderer christlicher Gesandtschaften in der Stadt bot weiteren Grund zur Sorge, denn alle diese Mächte galten als Feinde des römisch-deutschen Kaisers. Die beschriebene Schwierigkeit, sich ein klares Bild vom Stand der osmanischen Politik und Regierung zu machen, verhinderte, dass den Außenstehenden die wachsenden inneren Probleme des Osmanischen Reiches bewusst wurden. Das Fehlen einer allgemein anerkannten Thronfolgeregelung sorgte immer wieder für blutige Familienfehden und brachte jeden neuen Sultan dazu, taubstummen – und also diskreten – Schergen die Erdrosselung seiner Brüder und Schwestern zu befehlen. Interne Intrigen schwächten das zunehmend orientierungslose Sultanat ausgerechnet zu einer Zeit, in der sein ärgster Feind im Osten, Persien, unter der Dynastie der Safawiden einer neuen Machtblüte entgegenschritt. Selbst die Eroberungen im Kaukasus brachten nicht die erforderliche Beute ein, um diejenigen Gruppen zufriedenzustellen, von denen das Schicksal des Osmanischen Reiches abhing. Das war zunächst die Armee, die einst der mächtigste Pfeiler der Sultansherrschaft gewesen war – und die sich jetzt, mit desaströsen Folgen, in die Politik einzumischen begann. Vor allem die Janitscharen, die Elitetruppe der osmanischen Infanterie, waren es gewohnt, von jedem neuen Sultan mit üppigen Sonderzahlungen entlohnt zu werden. Nun aber fingen sie an, die Sultane zu erpressen: Flossen keine Gelder, so drohten sie, dem Herrscher ihre Gefolgschaft aufzukündigen. Das ging so weit, dass 1622 der junge Sultan Osman II. von seinen eigenen Soldaten ermordet wurde, was einen Präzedenzfall schuf, dem 1648 sowie im späteren 17. Jahrhundert weitere Attentate folgten.55

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Die inneren Probleme ihres Reiches machten die Osmanen immer unberechenbarer, was ihr außenpolitisches Handeln betraf. Die ohnehin schon labile Situation im Südosten Europas, wo das Osmanische Reich mit dem Habsburgerreich im Westen sowie dem polnisch-litauischen Wahlkönigreich im Osten zusammentraf, wurde so noch gefährlicher. Der Krieg, der 1593 ausbrach, war im Grunde ein Kampf um die Vorherrschaft zwischen zweien dieser Mächte, die ihre Herrschaft auf die umstrittene Kontaktzone ausdehnen und ihren Rivalen den Zugang strikt verwehren wollten. Ungarn im Westen war bereits in eine habsburgische und eine osmanische Einflusssphäre aufgeteilt worden: Der römisch-deutsche Kaiser kontrollierte den Norden und den Südwesten des Landes sowie Kroatien, während der Sultan über Mittelungarn und den Südosten des Landes herrschte. In der Region weiter im Osten hatte keine der beiden Großmächte eine feste Machtbasis. Hier sind vier Herrschaftsbereiche zu nennen, die nominell alle der türkischen Oberherrschaft unterstanden, de facto jedoch, mit unterschiedlichen Graden von Autonomie, ihre eigenen Ziele verfolgten. Die Gegend entlang der Nordküste des Schwarzen Meeres besaßen die Krimtataren, jene Nachfahren Dschingis Khans, die dem Sultan seit dem späten 15. Jahrhundert Tribut gezahlt hatten. Sie lieferten der osmanischen Armee im Bedarfsfall wertvolle Hilfstruppen; ansonsten ließ man sie weitgehend unbehelligt, da sie in ihrem Heimatgebiet einen „Puffer“ zwischen dem Osmanenreich und jenem der russischen Zaren bildeten, das weiter im Nordosten gelegen war. Nördlich und westlich der Tatarengebiete lagen die drei christlichen Fürstentümer Moldau, Walachei und Siebenbürgen. Auch sie waren dem Sultan tributpflichtig, zeigten sich aber offener gegenüber polnischer und österreichischer Einflussnahme. Die Polen wiederum suchten Zugang zum Schwarzen Meer zu erlangen, indem sie durch das zwischen Moldau und Krim gelegene Podolien nach Süden vorstießen. Der polnische Einfluss im Fürstentum Moldau wurde während der 1590erJahre deutlich sichtbar, und auch in der Innenpolitik Siebenbürgens und der Walachei spielten polnische Intrigen eine gewisse Rolle. Siebenbürgen Von den drei genannten Fürstentümern ist Siebenbürgen das für unsere Geschichte wichtigste, und eine Betrachtung seiner innenpolitischen Verhältnisse lässt vieles erkennen, was auch für Moldau und Walachei typisch war. Das Fürstentum Siebenbürgen war in den 1540er-Jahren aus den Trümmern des alten Königreichs Ungarn hervorgegangen und stellte einen Flickenteppich aus vier größeren und mehreren kleineren Teilgebieten dar. Neben Bevölkerungsinseln von türkischen Bauern und Ostslawen gab es orthodoxe Rumänen, calvinistische Magyaren (ethnische Ungarn), lutherische deutsche Einwanderer (die Siebenbürger Sachsen) und schließlich noch die Bevölkerungsgruppe der Szekler,

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die im waldreichen Osten des Fürstentums siedelten, sich selbst regierten und auch nach der Reformation katholisch geblieben waren.56 Der Fürst hielt sich an der Macht, indem er Übereinkünfte zwischen diesen Gruppen aushandeln half, insbesondere zwischen den drei ständischen „Nationen“ Siebenbürgens, die auf den Landtagen des Fürstentums vertreten waren: dem magyarischen Adel, den siebenbürgisch-sächsischen Städten und den Szeklerdörfern. Das Gleichgewicht zwischen den dreien war 1568 im Toleranzedikt von Thorenburg (Torda) festgeschrieben worden, das neben Katholiken, Lutheranern und Calvinisten auch den radikalen Unitariern gleiche Rechte einräumte (Letztere lehnten die Dreifaltigkeitslehre ab und bestritten deshalb auch, dass Christus göttlicher Natur gewesen sei). Eigene Toleranzdekrete des Fürsten galten der jüdischen und der beträchtlichen rumänischen Bevölkerung des Fürstentums. In einer Zeit, in der sich die Menschen anderswo in Europa im Namen Gottes gegenseitig abschlachteten, war dies ein Arrangement, das überraschend gut funktionierte. Alle beteiligten Parteien erkannten, wie schutzlos und schwach das Fürstentum war, und wollten auswärtigen Räubern und Abenteurern deshalb keine Gelegenheit zur Einmischung bieten. Mit der Zeit wurde die Toleranz ein integraler Bestandteil der politischen Kultur und Gesellschaft Siebenbürgens, was die Machtposition des Fürsten stärkte, denn dieser konnte als der Verteidiger aller Glaubensrichtungen auftreten, der noch dazu die Freiheiten der unterschiedlichen Gruppen gegen den Absolutismus und Konfessionalismus der Habsburger beschützte. Für die auswärtigen Beziehungen des Fürstentums konnte die konfessionelle Vielfalt Siebenbürgens jedoch auch hinderlich sein, insbesondere nachdem der Fürst 1604 zum Calvinismus konvertiert war. Während damit 90 Prozent des siebenbürgischen Adels nun die Konfession ihres Fürsten teilten, waren die meisten Bauern doch katholisch oder orthodox, die meisten Stadtbürger Lutheraner. Andere christliche Fürsten, die nach Siebenbürgen blickten, sahen dort nur den Landesherrn und hielten das Fürstentum dementsprechend (und fälschlicherweise) für ein Bollwerk des reinen Protestantismus, eine calvinistische Macht, die ihnen selbst womöglich in einer Notsituation beistehen würde. Zwar mochte es bisweilen im Interesse des Fürsten sein, diesem Außenbild entsprechend aufzutreten; er vergaß jedoch nie, dass seine Herrschaft ganz davon abhing, die Balance zwischen den verschiedenen ethnischen und konfessionellen Gruppierungen Siebenbürgens zu sichern. Zudem bestanden ganz beträchtliche materielle Hindernisse, die Siebenbürgen davon abhielten, auf der europäischen Bühne eine größere Rolle zu spielen. Mehr als die Hälfte des Fürstentums war dicht bewaldet; nur auf etwa einem Fünftel seiner Fläche wurde Ackerbau betrieben. Die Bevölkerung konzentrierte sich in vereinzelten Ballungsräumen, die durch Urwälder und Bergketten weit-

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gehend voneinander getrennt waren. Ein stehendes Heer nach westlichem Vorbild zu unterhalten, war unter diesen Bedingungen unmöglich – und was hätte man mit ihm auch anfangen sollen, wo doch überall Bäume und Berge im Weg waren? Wie auch die unmittelbaren Nachbarterritorien verließ sich das Fürstentum Siebenbürgen auf seine leichte Kavallerie, die bis zu 35 Kilometer am Tag zurücklegen konnte, unterstützt von kleineren Trupps mit Musketen bewaffneter Freischärler, die weit verstreute Grenzposten besetzten. In einer offenen Feldschlacht hatten Truppen wie diese kaum eine Chance, weil es ihnen an Durchhaltevermögen mangelte. Sie vermieden deshalb die direkte Konfrontation mit dem Feind und brachen dessen Willen zum Widerstand, indem sie im Hinterland Zivilisten und Nutzvieh zusammentrieben und verschleppten. Diese Taktik wurde jedoch ausgebremst, wenn der Feind in befestigten Städten oder Burgen Zuflucht suchte, denn den Siebenbürgern fehlten die Artillerie und die disziplinierte Infanterie, die eine erfolgreiche Belagerung erst möglich machen. Auch war es ihnen unmöglich, ihre Kampagnen über mehr als ein paar Monate am Stück zu führen, denn bevor sie im Frühjahr losziehen konnten, musste genug Gras für ihre Pferde gewachsen sein – und bevor die sengende Sommerhitze alles wieder ausgedörrt hatte, mussten sie mit ihrer Beute heimkehren. Strategie und Logistik Dieselben logistischen Probleme, denen letztlich alle Konfliktparteien unterworfen waren, fanden sich auch anderswo im Donauraum und insbesondere auf den weiten Ebenen der ungarischen Puszta, wo die Sommer glühend heiß und die Winter bitterkalt waren. Die umliegenden Gebirge versanken vom Herbst bis zum Frühling unter dichten Schneedecken. Wenn dann endlich die Schneeschmelze einsetzte, schwollen selbst kleinste Bergbäche rasch zu reißenden Strömen an, in der Ebene traten die Flüsse über ihre Ufer und überschwemmten für den Großteil des verbleibenden Jahres ein Drittel der Landfläche – Mückenplagen und Malaria waren die Folge. Ungarn lag am nordwestlichen Rand des osmanischen Weltreichs, gut 1100 Kilometer vom europäischen Verwaltungszentrum der Osmanen in Adrianopel (Edirne) entfernt. Ein Heer von 40 000 Fußsoldaten und 20 000 Berittenen benötigte am Tag 300 Tonnen Brot und Futter.57 Dabei waren die Ernteerträge im östlichen Europa nur etwa halb so hoch wie in Flandern oder anderen Ackerbauregionen des Westens, die zehnmal mehr „Nicht-Produzenten“ im Sinne der Landwirtschaft ernähren konnten. Selbst Polen, das rasch zur Kornkammer der Städte Westeuropas wurde, exportierte im späten 16. Jahrhundert gerade einmal zehn Prozent seines landwirtschaftlichen Nettoertrags. Im unteren Donaubecken aber war es oft geradezu unmöglich, Proviant und Futter vor Ort zu requirieren, vor allem weil die Bevölkerung sich, wie in Siebenbürgen, meist in einzelnen, voneinander ge-

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trennten Siedlungsräumen ballte. Im Konfliktfall waren die Türken gezwungen, dem Verlauf des Flusses zu folgen, was ihren Vormarsch auf 15 Kilometer am Tag verlangsamte. Wenn sie im April loszogen, konnten sie Wien nicht vor Juli erreichen. Es überrascht daher kaum, dass die osmanischen Heerführer sich nach Ausbruch des Krieges vor allem auf Belgrad verließen, das – als erste größere Stadt an der Donau westlich des Eisernen Tores – schon auf zwei Dritteln des Weges zur Front gelegen war: Das Eiserne Tor bei Orschowa (Orșova) markiert den Durchbruch der Donau zwischen den Gebirgszügen der Südkarpaten und der Serbischen Karpaten sowie den nördlichen Ausläufern des Balkangebirges im heutigen Bulgarien. Diese strategischen und logistischen Faktoren zwangen dem türkischen Vorgehen eine gewisse Routine auf. Die Kampagne begann gemächlich, mit dem Zusammenziehen von Truppen aus allen Teilen des Osmanischen Reiches in Adrianopel oder Belgrad. Der Hauptteil des Heeres erreichte die Front im Juli, sodass zum Erringen tatsächlicher militärischer Erfolge nur wenige Monate verblieben, bevor ab September der Herbstregen einsetzte; traditionell beendete der Sultan die Kampagne am 30. November, pünktlich zum Winterbeginn. Groß angelegte Feldzüge waren die Ausnahme. Meist beschränkten die Kampfhandlungen sich auf Überraschungsangriffe im Grenzgebiet, die wegen der dortigen politischen, ideologischen und sozialen Rahmenbedingungen so klein aber auch bleiben mussten. Die Region lag am äußersten Ende des Osmanischen Reiches wie des Königreichs Polen, und obschon sie dem Machtzentrum der Habsburger auf der Landkarte näher liegen mochte, trennten sie politisch von diesem doch Welten. Alle Großmächte waren auf die Kooperation der örtlichen Grundherren und ihrer Privatheere angewiesen, denn diese verfügten über die Ressourcen, über die Loyalität und den Respekt der verstreut lebenden Bevölkerung. Die Magnaten Ungarns und Siebenbürgens waren zwar reich, hatten zuletzt aber neue und kostspielige Gepflogenheiten übernommen: mit üppigen Landsitzen, Universitätsstudien im Ausland und Kavalierstouren durch ganz Europa für die Söhne und Erben. Bei all dem Aufwand konnten sie sich nicht auch noch ein großes stehendes Heer leisten, um die Grenze zum Osmanischen Reich zu schützen; außerdem wollten auch ihre ärmeren Klienten versorgt sein, die sich mit kleinen Raubzügen ihre kärglichen Einkommen aus Viehhaltung, Pferdezucht und Ackerbau aufbesserten. Im Zentrum der Macht akzeptierte man diesen Status quo als die einzige Möglichkeit, die widerspenstigen Grundherren der Grenzregion bei Laune und Loyalität zu halten. Und ganz nebenbei konnte man mit der „wilden Grenze“ seine internationalen Rivalen unter Druck setzen. Als säkulare Repräsentanten konkurrierender Weltreligionen konnten weder der Kaiser noch der Sultan einen dauerhaften Friedensschluss

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akzeptieren, ohne damit implizit auch das Existenzrecht der jeweils anderen Kultur anzuerkennen. Das Fehlen fester Grenzen ermöglichte eine Politik der schleichenden Expansion, die durch immer neue Übergriffe, kleine Vorstöße und Gebietsverletzungen vorangetragen wurde. Egal, welche Seite gerade die Nase vorn hatte: Der momentan Stärkere nutzte die Anfälligkeit des Schwächeren aus und sicherte sich zügig – bevor es ein anderer tun konnte – die Kontrolle über einige tributpflichtige Grenzdörfer. Der Grenzverlauf im Gelände wurde vor- und zurückgeschoben wie Sand im Spiel der Gezeiten, während die größeren, befestigten Städte wie Felsen in der Brandung standen, denen erst der offene Krieg mit seinen Mörsern und Kanonen beikommen mochte. Derartige Festungen wurden ab den 1530er-Jahren ausgebaut, als sowohl die Osmanen wie auch die Habsburger ihre Präsenz in Ungarn verstärkten. Den Türken kamen kürzere Defensivlinien im Inneren zugute, denn mit ihren Stellungen entlang der mittleren Donau sowie im südwestlich gelegenen Bosnien waren sie kompakt positioniert. Das Rückgrat ihrer Verteidigung bildeten 65 relativ große Burgen, deren Besatzungen zusammen rund 18 000 reguläre Soldaten zuzüglich Hilfstruppen umfassten, während in den Lücken zwischen diesen Festungen 22 000 Milizionäre patrouillierten, welche die Feldherren des Sultans unter dessen überwiegend christlichen Untertanen in der Region rekrutiert hatten. Die Habsburger hingegen sahen sich gezwungen, im Norden und Westen davon einen 850 Kilometer langen Gebietsbogen zu verteidigen, der von den Ländern Österreichs und Böhmens teils durch Gebirgszüge abgeschnitten war. Die „seitliche“ Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt, da sämtliche Flüsse der türkisch besetzten ungarischen Tiefebene im Osten zuströmten. Jedes der Länder Österreichs und Böhmens verfügte über ein militärisches Aufgebot, dessen Mobilisierung jedoch von der Zustimmung der jeweiligen Landstände abhängig war; diese wiederum wollten ihre militärischen Kräfte vorrangig zur eigenen Landesverteidigung einsetzen. Die osmanische Belagerung Wiens im Jahr 1529 war ein Schock, dem dort in den Jahren 1531–67 die Errichtung neuer, mit Bastionen versehener Festungsanlagen im italienischen Stil folgte. Pläne zur Modernisierung dieser Befestigungen mussten 1596 auf Eis gelegt werden, was einerseits Geldmangel, andererseits den Bauernaufständen in Ober- und Niederösterreich geschuldet war. In der Folge war die Hauptstadt der Habsburger nur schwach verteidigt, als 1619 die Böhmen und Siebenbürger angriffen. Die Wiener Bürgerwehr war zwar 1582 zum „kaiserlichen Fähnlein“, 1618 gar zum Regiment befördert worden, zählte aber letztlich nur 500 Mann.58 Die Militärgrenze Um die Türken in Schach zu halten, reaktivierten beziehungsweise stärkten die Habsburger vormalige und bestehende ungarische Ver-

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teidigungsmaßnahmen entlang der Grenze zum Osmanischen Reich und schufen damit die später so genannte Militärgrenze.59 Diese rund 50 Kilometer tiefe, umfassend militarisierte Zone erstreckte sich entlang der gesamten Grenze zwischen den beiden Machtbereichen und beruhte im Wesentlichen auf zwölf großen Festungen und etwa 130 kleineren befestigten Posten mit insgesamt mehr als 22 000 Mann Besatzung in den 1570er-Jahren. Ausbau und Unterhalt der Militärgrenze wurden maßgeblich vom Reichstag finanziert, der zwischen 1530 und 1582 acht Beihilfen mit einem nominellen Gesamtvolumen von rund zwölf Millionen Gulden bewilligte, dazu noch eine gute weitere Million an Mitteln zum Festungsbau. Mindestens vier Fünftel der Gesamtsumme wurden auch ausgezahlt, den konfessionellen Spannungen innerhalb des Reiches zum Trotz, weil die Osmanen als Bedrohung für die gesamte Christenheit galten.60 Tatsächlich wurden die beiden größten Summen ausgerechnet in den Jahren 1576 und 1582 bewilligt, zu einer Zeit also, in der nach Auffassung vieler Historiker der konfessionelle Gegensatz sich verschärfte. Allerdings sorgten Meinungsverschiedenheiten dafür, dass es bei Auslaufen der letzten Zahlungsvereinbarung im Jahr 1587 nicht sofort zu einer Neuauflage kam. Die Abhängigkeit der Habsburger von der Bereitschaft der Landstände, Steuern zur Verteidigung „ihrer“ Grenzabschnitte zu bewilligen, nahm dadurch zu. Nur etwa die Hälfte der Grenztruppen konnte zugleich aus ihren Garnisonen abgezogen werden, was den Spielraum für Offensivoperationen stark einschränkte. Bei einem großen Heer von etwa 55 000 Mann rechnete man mit Kosten von mindestens 7,4 Millionen Gulden pro Kampagne – eine Summe, die die tatsächlichen Einnahmen der Habsburgermonarchie weit überstieg. Derartige finanzielle Erwägungen brachten die Habsburger dazu, die Verteidigung weiter Grenzabschnitte in die Hände lokaler Autoritäten zu legen. Die südliche oder Meergrenze um das an der Adriaküste gelegene Senj wurde von einem Zusammenschluss von Freischärlern gehalten, die als Uskoken bekannt waren (von einem slawischen Wort für „Flüchtling“). Allerdings konnte die karge Berggegend an der Küste die wachsende Zahl von tatsächlichen Flüchtlingen nicht ernähren, die eigentlich von der Regierung im fernen Wien bezahlt werden sollten, damit sie die Grenze zum osmanischen Bosnien verteidigten. Wegen ihrer chronischen Überschuldung sahen sich die Habsburger gezwungen, ein Auge zuzudrücken, wenn die Uskoken sich stattdessen als Wegelagerer und Piraten ein Zubrot verdienten. Den nächsten Grenzabschnitt in Richtung Norden bildete die kroatische Grenze um die Festung Karlstadt (das heutige Karlovac), die 1579 erbaut und nach dem innerösterreichischen Erzherzog Karl II. benannt wurde. Die dafür benötigten Mittel hatten die Landstände Innerösterreichs im Austausch für die im Brucker Libell gewährten Freiheiten bewilligt.

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Die Festung Karlstadt sicherte den Zugang zum Oberlauf der Save und verhinderte so einen osmanischen Einfall nach Krain. Die slawonische Grenze um Warasdin (Varaždin) an der oberen Drau wurde ebenfalls von den innerösterreichischen Ständen subventioniert, da sie das Herzogtum Steiermark schützte. Etwa die Hälfte der kleineren Posten an der Militärgrenze war in diesen beiden Sektoren konzentriert und mit Kolonisten besetzt, die auf Kronland siedeln durften und als Gegenleistung Milizdienst leisteten. Aus der habsburgischen Staatskasse erhielten sie nur wenig Unterstützung; vielmehr erwartete man von ihnen, dass auch sie die mageren Erträge ihrer Landwirtschaft durch gelegentliche Raubzüge jenseits der Grenze aufbesserten. Die ungarische Grenze war in drei Abschnitte geteilt. Der südlichste erstreckte sich von der Drau bis zur Südspitze des Plattensees (Balaton) und umfasste unter anderem die bedeutende Festung Kanischa (Nagykanizsa). Der mittlere Abschnitt verlief vom Plattensee nach Norden bis zur Donau und schwang sich dann in östlicher Richtung um den osmanischen Vorposten Gran herum, wo der Flussverlauf im beinah rechten Winkel nach Süden, und damit in Richtung Buda und Pest, abknickt. Dieser Teil der Grenze war der am schwersten umkämpfte, weil das Donaubecken beiden Parteien besten Zugriff auf das feindliche Territorium bot. Den Osmanen war daran gelegen, Buda als den Sitz ihrer Regierung und Verwaltung für Ungarn zu schützen – und als ein weit vorgeschobenes Hauptquartier für den Vorstoß nach Wien. Um solches zu vereiteln, ließen die Habsburger am östlichen Ende der Großen Schütt, einer riesigen, von zwei Flussarmen umschlossenen und daher nicht selten überfluteten Donauinsel, die Festung Komorn erbauen. Deren Schwesterfestung errichtete man bei Raab, etwa 40 Kilometer südwestlich von Komorn; so konnte der einzig praktikable Zugang nach Niederösterreich südlich der Großen Schütt bewacht werden. Die kleinere Festung Neuhäusel sicherte die Nordflanke Komorns, indem sie die Passage über den Fluss Neutra (Nitra) versperrte. Der letzte Abschnitt der ungarischen Grenze schließlich erstreckte sich ostwärts bis zur Theiß und der Grenze nach Siebenbürgen. Die wichtigste Festung in diesem Grenzabschnitt war Erlau (ungarisch Eger), das die Straße in Richtung des nordwärts gelegenen Mátra-Gebirges und damit den Zugang nach Oberungarn abriegelte sowie die Kommunikation zwischen Österreich und Siebenbürgen sicherte. Auch hier deckten die zentral bewilligten Mittel gerade einmal die Kosten der wichtigsten Garnisonen; die Grenzabschnitte dazwischen wurden von ungarischen Magnaten verteidigt, die auf eigene Kosten große Kontingente irregulärer Fußsoldaten unterhielten, die „Heiducken“ genannt wurden. Die Heiducken waren ursprünglich nomadische Viehhirten in den weiten Räumen der ungarischen Tiefebene gewesen, hatten sich nach der Teilung Ungarns indes gezwungen gesehen, we-

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nigstens halbsesshaft zu werden: als Grenzwächter, die in eigenen Dörfern unter dem Kommando gewählter Anführer lebten und ihren unregelmäßigen Sold zwischen zwei Kriegszügen mit Räuberei und Viehdiebstahl aufstockten.

Kriegsgebräuche Der Lange Türkenkrieg brachte nicht nur die größte Truppenmobilisierung, die das Heilige Römische Reich oder die Länder der Habsburger seit 1568 gesehen hatten, sondern für viele spätere Söldner des Dreißigjährigen Krieges auch die erste Kampferfahrung in groß angelegten Kampagnen. Die Liste der Offiziere im Heer Rudolfs II. liest sich, als wären die führenden Generäle aus den ersten Jahren nach 1618 zum Appell angetreten. Wallenstein zum Beispiel begann seine Karriere 1604 als Fähnrich in einem Regiment der böhmischen Infanterie und wurde gegen Ende des Türkenkrieges an der linken Hand verwundet. Sowohl Heinrich von Schlick als auch Rudolf von Tiefenbach machten sich im Kampf gegen die Türken früh einen Namen, während Maximilian von Trauttmansdorff, später der bedeutendste Diplomat in habsburgischen Diensten, in diesem Krieg seinen einzigen Kampfeinsatz überhaupt erlebte. Karl (Carlo) Gonzaga, der Herzog von Nevers und spätere Protagonist des Mantuanischen Erbfolgekrieges der Jahre 1628–31, rettete Wallenstein angeblich bei der Belagerung von Kaschau (Košice) das Leben, wo er selbst als einer von zahlreichen katholischen Freiwilligen aus Frankreich Dienst tat. Eine beträchtliche Anzahl jener Italiener, die noch zu allgemeiner Bekanntheit gelangen sollten, war ebenfalls schon im Türkenkrieg mit von der Partie, darunter Graf Collalto, der spätere Präsident des Hofkriegsrates, Rudolf von Colloredo, der zum Feldmarschall aufstieg, sowie Graf Ernesto Montecuccoli, später kaiserlicher Heerführer im Elsass. Manche Italiener traten in österreichische Dienste, weil dies unter den (Ober-)Italienern einer bestimmten Schicht eben Tradition war: Man diente dem Kaiser. Andere trafen mit den Truppen ein, die der Papst und die Spanier zur Unterstützung der kaiserlichen Seite entsandt hatten, darunter Balthasar de Marradas und Henri Duval, Graf von Dampierre, sowie aus den spanischen Niederlanden der Graf Johann t’Serclaes von Tilly. Auch Franz von Mercy, in den letzten Jahren des Dreißigjährigen Krieges Oberbefehlshaber der kaiserlich-bayerischen Armee, begann seine Militärkarriere im Krieg gegen das Osmanische Reich. Dasselbe gilt übrigens für viele derer, die sich später gegen den Kaiser auflehnen sollten, darunter die drei maßgeblichen Anführer des Böhmischen Aufstands: die Grafen Thurn, Hohenlohe und Mansfeld.61

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Die große Bedeutung dieser Veteranen des Langen Türkenkrieges ist in der Militärgeschichtsschreibung oft übersehen worden. Man konzentrierte sich lieber auf den Krieg in Westeuropa und unterschätzte deshalb, welch starken Einfluss die Türkenfeldzüge der Jahre vor 1618 auf die weitere Entwicklung hatten. Dieser Fokus auf den Westen hängt eng mit der Vorstellung einer „militärischen Revolution“ zusammen, die mittlerweile zu einer ganz bestimmten, vorherrschenden Sichtweise auf das Kriegswesen der Frühen Neuzeit geführt hat.62 Die Anhänger dieser Idee behaupten, es hätten wahlweise Spanien, die Niederlande oder Schweden eine Vorreiterrolle bei der Herausbildung neuer Kampfweisen im 16. Jahrhundert gespielt – Kampfweisen, die sich erstmals auf Pulverwaffen verließen und von großen, disziplinierten Truppenverbänden umgesetzt wurden. Auch hätten Innovationen im taktischen und strategischen Bereich die Kriegführung (angeblich) entscheidungsorientierter werden lassen; größer und von stärkerer Wirkung auf Staat und Gesellschaft seien die Feldzüge nun allemal gewesen. Wer so denkt, der ordnet die Geschehnisse vielleicht auch hübsch eines nach dem anderen, sodass im ständigen Wettstreit um die effizienteste Kriegführung stets eine Großmacht die andere ablöst. Die anfängliche spanische Überlegenheit, heißt es dann etwa, sei durch die Niederländer gehörig erschüttert worden, und zwar dank eines flexibleren Militärwesens, das zuerst die Schweden verbessert und die Franzosen schließlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts perfektioniert hätten. Weniger Aufmerksamkeit hat man dagegen dem kaiserlichen Heer im Dreißigjährigen Krieg geschenkt, gilt dieses doch weithin als Relikt eines immer deutlicher veralteten spanischen Systems, das mit dem kleinlich-pedantischen Stellungskrieg im Niederländischen Aufstand in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich ist es jedoch so, dass das Vorgehen der Spanier auf dem Schlachtfeld erstens oft erfolgreich war und zweitens ständigen Anpassungen und Verbesserungen unterworfen. Methoden, die ab den 1570erJahren zum Kampf gegen die aufständischen Niederländer entwickelt worden waren, erwiesen sich im Kampf gegen die Türken durchaus als wirksam, denn diese wie jene vermieden oftmals die direkte Konfrontation und zogen sich stattdessen hinter ihre Befestigungen zurück. Freilich brachte der ungarische Kriegsschauplatz auch seine eigenen Taktiken hervor, die später das Vorgehen der Söldnerheere in Deutschland ebenfalls beeinflussen sollten. Es wäre also insgesamt zutreffender, die kaiserliche Kriegführung als eine Art Amalgam der unterschiedlichsten Erfahrungen und Ideen zu betrachten. Militär und Kriegstechnik Das spanische System entwickelte sich im Gefolge einer wirklichen militärischen Revolution im Sinne jenes größtenteils durch technologische Innovationen vorangetriebenen Wandels in der Kriegführung,

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der zwischen 1470 und 1520 erfolgte und durch die flächendeckende Einführung von Handfeuerwaffen bei Fußtruppen wie Reiterei gekennzeichnet war. Dazu kamen verschiedene Spielarten einer neuen, ganz auf die psychische Überwältigung des Gegners ausgerichteten Schocktaktik, die von großen, diszipliniert agierenden Truppenkörpern ausgeführt wurde.63 Diese Entwicklungen gingen ihrerseits auf Fortschritte in der Metallverarbeitung und Schießpulverproduktion zurück, die zum ersten Mal in der europäischen Geschichte zuverlässige und effektive Feuerwaffen hervorgebracht hatten. In relativ schneller Folge kam es sowohl bei den Handfeuerwaffen als auch bei den Artilleriegeschützen zu technischen Neuerungen, was die Heerführer dazu zwang, sich über den Einsatz jener Waffen im Feld einige neue Gedanken zu machen. Beide Arten von Feuerwaffen wurden nun in wesentlich größerem Umfang eingesetzt, als dies zuvor der Fall gewesen war, nicht selten in Kombination mit etablierten Waffentypen und sowohl in offensiver wie auch in defensiver taktischer Absicht. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an nahm das Tempo des technologischen Wandels merklich ab: Alle grundlegend neuen Typen von Waffen waren bis dahin entwickelt worden, aber die Weiterentwicklung des Erreichten wurde durch Herstellungsprobleme behindert. So hinkte beispielsweise die Geschützproduktion der theoretischen Ballistik weit hinterher, weil es den Stückgießern in ihren Gießereien schlicht nicht gelingen wollte, Kanonen herzustellen, die dem vollen Potenzial dieser Waffen, wie es die Mathematiker kalkuliert hatten, auch nur annähernd nahekamen. Vor der Mitte des 17. Jahrhunderts war es kaum möglich, in ein massiv gegossenes Rohr einen geraden Lauf hineinzubohren (und wirklich brauchbar wurde dieses Verfahren sogar erst Anfang des 18. Jahrhunderts). Stattdessen goss man die Kanonen um einen in Lehm, Rosshaar und Dung eingepackten Eisenstab, den sogenannten Kern, herum, der nach dem Abkühlen entfernt wurde und damit die „Seele“ hinterließ: den langgezogenen Hohlraum im Inneren des Geschützrohres, durch den die Kugel abgeschossen werden sollte. Der Guss erfolgte in einer festen Form, die der späteren Kanone ihre Gestalt gab; als Gussmaterial kam eine Schmelze aus Kupfer, Zinn, Blei und Messing zum Einsatz – eine sogenannte Kanonenbronze, die auch als Rotguss bezeichnet wird. Nachdem der Kern entfernt worden war, setzte man ein Bohrgerät ein, um die noch recht grobe, unebene Seele auf das gewünschte Kaliber aufzubohren und zu glätten. Vor allem dieser letzte Arbeitsschritt war zeitaufwendig, führte aber beileibe nicht immer zum gewünschten Erfolg. Die geradezu schwindelerregende Vielfalt unterschiedlicher Kanonentypen lässt sich ganz grundsätzlich in zwei große Gruppen unterteilen. Auf der einen Seite standen die Kanonen im eigentlichen Sinn, zeitgenössisch „Kartaunen“ genannt. Sie hatten einen kurzen Lauf mit geringer Wandstärke und verschossen

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massive Rundkugeln mit einem Gewicht von 24 bis 75 Pfund (also etwa 13,5 bis 42 Kilogramm). Sie waren Belagerungsgeschütze, die hauptsächlich zum Bombardement von Befestigungsanlagen eingesetzt wurden, und sehr schwer: Man brauchte zehn oder mehr Pferde, um eine Kartaune zu bewegen. Bei den „Feldschlangen“ handelte es sich dagegen um Geschütze mit längeren, dickwandigeren Rohren, die sicherer im Gebrauch waren als die Kartaunen – bei zugleich höherer Reichweite und Treffsicherheit. Jedoch bedeuteten ihre dickeren Rohre natürlich entsprechend mehr Metall, weshalb sie in der Regel doppelt so schwer waren wie Kartaunen von vergleichbarem Kaliber. In der Regel verschossen sie Kugeln von 6 oder 12 Pfund Gewicht (das entspricht 3,5 oder 7 Kilogramm). Es gab aber auch Zwei- und Vierpfünderversionen, die sogenannten Falkonetts, die im Feld von zwei bis acht Pferden gezogen werden konnten. Bei einer Belagerung kamen außerdem Mörser zum Einsatz, kurze, gedrungene Geschütze, die Rundkugeln oder primitive Granaten im hohen Bogen über Mauern und andere Hindernisse schossen. Bis zu den 1590er-Jahren war die ganze Bandbreite an Geschützen und Geschossen im Wesentlichen entfaltet, einschließlich Giftgasgranaten, die in den Niederlanden zum Einsatz kamen und diverse schädliche Substanzen enthielten, die ihre Opfer ersticken oder erblinden lassen sollten. Auch Brandbomben in Form von bis zum Glühen erhitzter Rundkugeln waren bekannt. Mit ihnen konnte man ganze Städte in ein flammendes Inferno verwandeln, indem man die dicht an dicht stehenden, hochentzündlichen Fachwerkbauten in Brand schoss. Es gab als „Bomben“ bezeichnete Sprenggranaten mit Zündern aus Stahl und Feuerstein, aber auch solche, die mit einer Zündschnur versehen waren, welche beim Abschuss von der explodierenden Treibladung gezündet wurde. Anstürmendes Fußvolk konnte mit Kartätschen und anderer Anti-Personen-Munition niedergemäht werden; wo loser Hagel aus einzelnen Stein- oder Metallkugeln zum Einsatz kam, wurden die Artilleriegeschütze gewissermaßen zu riesigen Schrotflinten. Schon im späten 16. Jahrhundert gab es also auf dem Gebiet der Artillerie, lapidar gesagt, wenig, was es (noch) nicht gab. Bei späteren Erfindungen handelte es sich meist um Weiterentwicklungen des bereits Bestehenden. So wurde etwa die Herstellung der Geschütze verbessert, um sie zuverlässiger und in der Handhabung sicherer zu machen. Ein ähnlicher Standardisierungsprozess lässt sich mit Blick auf die Handfeuerwaffen beobachten. Auch sie gab es in großer Vielfalt, doch bürgerten sich allmählich die Bezeichnungen „Muskete“ (für Fußsoldaten) und „Pistole“ (für die Reiterei) ein. Erstere waren zwischen 125 und 144 Zentimeter lang, wogen vier bis zehn Kilogramm und schossen eine Bleikugel von 40 Gramm Gewicht über eine Distanz von 300 Metern – gerade noch effektiv zielen ließ sich jedoch

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eher auf die Hälfte dieser Entfernung. Die schwereren Ausführungen mussten zum Abschießen in eine Stütze eingelegt werden, um den Lauf ruhig zu halten (Gabelmuskete). Bei leichteren Varianten sprach man weiterhin von „Arkebusen“ oder „Hakenbüchsen“; diese waren hauptsächlich bei Infanterie in Gebrauch, die in freier Formation kämpfte, oder bei Kavallerieeinheiten, denen Feuerkraft solider schien als blanker Stahl. Verbesserte Produktionsmethoden ermöglichten es bald, auch aus leichteren Musketen eine größere Ladung abzufeuern, und von etwa 1630 an verschwanden sowohl die Hakenbüchse als auch die Gabelmuskete von den Schlachtfeldern Europas. Die meisten Kavalleristen (auch solche, die für den Kampf mit Lanze und Schwert ausgebildet und gerüstet waren), führten ein Paar langläufige Pistolen mit sich, die in Holstern an den Seiten ihrer Sättel steckten. Als Schusswaffen waren Pistolen zumeist nur auf Entfernungen bis etwa 25 Meter wirklich effektiv, aber im Nahkampf gaben ihre langen, mit Metall beschlagenen und im Inneren beschwerten Kolben hervorragende Schlagwaffen ab. Viele technische Neuerungen im Schusswaffenbereich, die man gemeinhin erst mit späteren Jahrhunderten in Verbindung bringt, gab es tatsächlich schon früher: so etwa den gezogenen Lauf, Hinterladergewehre und diverse Methoden, die Treibladung des Projektils zu zünden. Auch die Radschlossmechanik für Pistolen sowie die Schnappschloss- oder Steinschlossmechanik für Musketen waren schon bekannt; bei Letzterer diente ein Stück Flint (Feuerstein) dazu, die Treibladung des Geschosses zu zünden. Steinschlossgewehre und schließlich auch -pistolen wurden zwischen 1680 und 1840 zu den Hauptwaffen der Infanterie, denn sie waren bei feuchter Witterung zuverlässiger als Waffen mit Rad- oder gar Luntenschlössern und gingen auch nicht so leicht aus Versehen los wie diese. Beim Luntenschloss hatte man einen Hebel betätigen müssen, um einen metallenen Bügel, in dem die langsam glimmende Lunte eingeklemmt war, nach unten auf das lose in die Zündpfanne geschüttete Schießpulver zu drücken. Durch das Zündloch schlug die entstehende Flamme ins Innere des Laufs und löste dort die Hauptladung aus. Bei etwa einem von fünf Schussversuchen geschah es, dass die Flamme nicht durch das Zündloch sprang und es beim bloßen „Pfannenblitz“ blieb – daher noch heute die englische Wendung a flash in the pan für ein sprichwörtliches „Strohfeuer“. Im deutschen Sprachraum bezeichnete man ein solches Missgeschick auch als „Abblitzen“ – daher die Wendung „jemanden abblitzen lassen“, zu der noch das Wörterbuch der Brüder Grimm den Beispielsatz „Das Gewehr blitzte ab“ verzeichnet. Bei einer Steinschlosswaffe war das Risiko der Fehlzündung zwar nur noch halb so hoch, aber ebenso wie bei den Waffen mit Radschlossmechanik handelte es sich um teure, empfindliche Instrumente, die oft ausfielen. Auch wegen ihrer schwierigen und deshalb teuren Herstellung dienten die ersten Steinschlossmusketen

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vorwiegend als Jagdwaffen, während Musketen mit Luntenschloss wohlfeil, schlicht und unverwüstlich blieben. Die Infanterie Aus zeitgenössischen Exerzierbüchern gewinnt man leicht den (falschen) Eindruck, dass zum Laden und Abfeuern frühneuzeitlicher Schusswaffen ein kompliziertes Ballett verschiedener Handgriffe, Armbewegungen und Körperhaltungen ausgeführt werden musste. In Wahrheit spiegelt die penible Auflistung von motorischen Elementen wohl eher das Interesse der damaligen Wissenschaft am genauen Erfassen und Verstehen menschlicher Bewegungsabläufe wider als praktische Notwendigkeiten. Das komplizierteste Manöver war der sogenannte Contremarsch, der ein ununterbrochenes Feuer auch im Vorrücken oder auf dem Rückzug gewährleisten sollte. Dabei schossen jeweils die Soldaten im ersten Glied; dann blieben die, die ihre Waffen gerade abgefeuert hatten, stehen und luden nach, während das nächste, schon bereite Glied zwischen den Nachladenden hindurch nach vorn trat und, nun seinerseits „in erster Linie“ stehend, feuerte. Bis auch das letzte Glied geschossen hatte, waren die Ersten wieder feuerbereit und marschierten nach vorn durch – und so weiter. Um 1595 modifizierte man diese Taktik dahingehend, dass die Soldaten nun in Gruppen von je fünf Mann zusammenstanden und nach ihrem Schuss gemeinsam nach rechts oder links ausscherten, um nachzuladen; auf diese Weise reduzierte man die Anzahl der Lücken, die in der Reihe gelassen werden mussten. Zudem dauerte das Nachladen etwa der Arkebusen und leichten Musketen nur rund eine Minute, gegenüber etwa drei Minuten bei den unhandlicheren Modellen, wodurch man auch mit weniger Reihen von Männern ein Dauerfeuer unterhalten konnte. Die Niederländer praktizierten den Contremarsch auch auf dem Rückzug; so konnten sie das Feuer erwidern, ohne den direkten Kontakt mit dem heranrückenden Feind zu riskieren. Gut ausgebildete, motivierte Truppen konnten mit dieser Taktik bis zu 40 Meter in der Minute vorrücken, ohne ihr Feuer zu unterbrechen (beim Rückzug verlangsamte sich das Tempo etwa auf die Hälfte). Dasselbe System konnte auch auf der Stelle stehend zur Anwendung kommen; dann traten die Soldaten, nachdem sie gefeuert hatten, ins letzte Glied, und die jeweils nächsten rückten nach, ohne dass sich die Formation als ganze nach vorn bewegt hätte. Die Niederländer operierten gewöhnlich mit nur zehn Reihen und nahmen dafür die Beschränkung auf leichtere Schusswaffen in Kauf; entsprechend einfach waren ihre Bewegungsabläufe in der Formation. Die Spanier hingegen bevorzugten tiefer gestaffelte Verbände von 15 bis 25 Reihen; es scheint zudem, dass sie nicht alle gemeinsam feuern ließen, sondern die Soldaten im ersten Glied einfach dann schossen, wenn sie so weit waren. Man stellte lediglich die Männer mit den leichteren, schneller nachzuladenden Musketen zusammen weiter vorn auf.

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Zu ihrer Verteidigung im Nahkampf trugen die Musketiere auch eine Griffwaffe zum Hauen oder Stechen, etwa ein kurzes Schwert oder einen etwas schwereren Säbel. Diese Blankwaffen waren jedoch meist von so minderwertiger Qualität, dass sie sich schnell verbogen oder stumpf wurden. Im Handgemenge griff man deshalb eher doch zur Muskete, die man ganz einfach umdrehte, um den schweren, abgewinkelten Kolben als Knüppel einzusetzen. Gegen feindliche Kavallerie, die rasch heransprengen konnte, bevor die Musketiere Zeit hatten, nachzuladen, vermochten diese Waffen jedoch nur wenig auszurichten. Schon im späten 15. Jahrhundert war es üblich geworden, Schützen und Pikeniere in gemischter Formation aufzustellen. Die Pikeniere waren mit einem Spieß bewaffnet, einer etwa fünf Meter langen Stange, deren eines Ende mit einer stählernen Spitze versehen war. Im offensiven Gebrauch konnten die dicht gedrängten Pikeniere mit waagrecht vorgestreckten Spießen vorrücken wie eine Phalanx im antiken Griechenland. Wenn sie sich in der Defensive sahen, stemmten die Männer im ersten Glied das rechte Bein nach hinten, um festen Halt zu gewinnen, stellten das stumpfe Ende ihres Spießes gegen diesen Fuß und beugten das linke Bein dann vorwärts, um den Spieß im flachen Winkel nach vorn zu richten. Die Männer in den nächsten paar Gliedern hinter ihnen hielten ihre Waffen auf Schulterhöhe, sodass dem Feind ein wahrer Wald von Spießen entgegenstarrte. Aufgrund ihrer eher defensiven Rolle trugen die Pikeniere anfangs zumindest einen nach vorn offenen, stählernen Helm, die „Sturmhaube“, deren Form ein wenig an die Helme heutiger Feuerwehrleute erinnert, sowie einen Brustpanzer. Manche trugen auch einen vollen Körperpanzer, zu dem dann noch ein Rückenschutz und Beinschienen gehörten. Derartige Rüstungen blieben in Gebrauch, weil die Entwicklung hin zu leichteren, besser handhabbaren Musketen zugleich eine Reduzierung von deren Durchschlagskraft bedeutete. Gegen Musketenkugeln bot ein solcher Harnisch also noch immer einen adäquaten Schutz. Dicker, als sie waren, hätte man die Rüstungen auch schwerlich machen können, denn ein Fußknecht konnte insgesamt nicht mehr als 18 Kilogramm an Ausrüstung mit sich herumtragen, sollte er noch einigermaßen leistungsfähig bleiben. Aus diesem Grund wie auch aus Kostengründen trug um 1600 höchstens die Hälfte der Pikeniere einen vollständigen Harnisch mit Rückenplatte und Beinzeug; die Mehrzahl beließ es bei einem ledernen Koller, und immer mehr Fußsoldaten trugen noch nicht einmal einen Helm. Musketiere trugen höchstens einen Helm und ansonsten keinerlei Rüstung, weil sie, um ihre Waffen zu gebrauchen und um in freierer Formation vorzugehen, auf eine größere Bewegungsfreiheit angewiesen waren als die Pikeniere. Sie trugen oft einen Umhang, unter dem sie ihr Pulverhorn trocken halten konnten. Tatsäch-

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lich brauchten sie zwei Pulverhörner: eines für das gröbere Laufpulver der Hauptladung, eines für das feinere Zündpulver, das in die Zündpfanne gegeben wurde. Beide hingen an Schnüren, die über die rechte Schulter geworfen wurden, und wurden an der linken Hüfte des Schützen mit Eisenhaken am Gürtel befestigt, damit sie nicht umherschlenkerten. In meist zwölf kleinen Holzbüchsen (wegen der Anzahl „Apostel“ genannt) trugen die Musketiere bereits abgemessene Pulverladungen für jeweils einen Schuss mit sich; diese waren an einem ledernen Gurt, dem Bandelier, befestigt, der meist nach Art einer Schärpe schräg um den Oberkörper geschlungen wurde. Wo dieser Gurt auf ihrer Hüfte auflag, trugen sie auch einen Lederbeutel mit Kugeln sowie weiteres Zubehör für die Pflege, Verwendung und Reparatur ihrer Muskete. Die „zwölf Apostel“ wurden um 1630 von vorgefertigten Papierpatronen abgelöst, die Kugel und Pulver jeweils schon enthielten und in einer eigenen Gürteltasche, der Kartusche, aufbewahrt wurden. Schließlich musste jeder Musketier noch einen Vorrat von vier bis sechs Metern Luntenstrick mit sich herumtragen, der entweder in großen Schlingen um Schultern und Nacken gelegt oder – auf dem Marsch – am Bandelier festgemacht wurde. Da die Lunte relativ schnell abbrannte (mit etwa 10 bis 15 Zentimetern pro Stunde), ließ unterwegs nur einer von zehn Soldaten seine Lunte weiterschwelen; kündigte sich ein Gefecht an, gab er auch den nächsten Kameraden Feuer. Als Musketier lebte es sich gefährlich, denn die glimmende Lunte konnte, passte man nicht auf, die Apostel zur Explosion bringen oder verschüttetes Schießpulver in Brand setzen, das sich in den Kleidern verfangen hatte. Auch aus diesem Grund marschierten Musketiere stets mit zwei bis vier großen Schritten Abstand zueinander auf; erst unmittelbar vor dem Kampf schlossen sie die Reihen. Für die ersten Uniformen haben sich die Militärhistoriker schon lange interessiert. Oft heißt es, die Schweden hätten sie zuerst eingeführt, aber es steht außer Frage, dass bereits vor 1618 viele deutsche Militäreinheiten farblich einheitlich gehaltene Waffenröcke trugen: Wurden Heere innerhalb einzelner Territorien ausgehoben, war es für den jeweiligen Landesherren oft ratsam, die Bekleidung seiner Mannschaften en gros anfertigen und ausgeben zu lassen. Rot und Blau scheinen hierbei die eigentlich bevorzugten Tuchfarben gewesen zu sein, erforderten zu ihrer Herstellung aber teure Färbemittel, weshalb weiße (beziehungsweise ungefärbte) Stoffe in der Praxis häufiger vorkamen. Leibwachen trugen oft aufwendiger gearbeitete Kleidung, manchmal auch fein geschmückte Zierpanzer. Auch die unter Bauern und Handwerkern ohnehin weite Verbreitung lederner Kniebundhosen dürfte ihren Teil zur Uniformisierung der Militärkleidung beigetragen haben. Das Ausmaß und die Dauer des Krieges nach 1618 sowie die damit verbundene Kostenexplosion unterbrachen diese frühen

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Tendenzen in Richtung „echter“ und zweckmäßiger Uniformen und führten stattdessen zu einem improvisierteren (bisweilen auch zerlumpteren), jedenfalls aber tristeren Erscheinungsbild der Kombattanten: Grau- und Brauntöne mischten sich auf allen Seiten mit dunklem Grün und anderen eher düsteren Farben. Allerdings sorgte die verbreitete Praxis, die Truppen zumindest teilweise in Tuch zu entlohnen, noch immer für ein gewisses Maß an Einheitlichkeit, zumindest im kaiserlichen Heer, dessen Fußvolk ab den 1640er-Jahren überwiegend in perlgraue Röcke gekleidet war. Die optimale Kombination von Pikenieren und Musketieren blieb in den militärtheoretischen Abhandlungen der Zeit Gegenstand heftiger Debatten – sowohl, was das „Mischungsverhältnis“ der beiden Waffengattungen, als auch, was deren Aufstellung im Feld betraf. Wenn man die zahlreichen rein theoretischen Modelle einmal außer Acht lässt, gab es eigentlich nur zwei Formationen, die auch tatsächlich zur Anwendung kamen. Wer den Contremarsch nach niederländischem Vorbild praktizierte, brauchte nur dünne Linien, dafür aber mehr Musketiere als Pikeniere. Ab den 1590er-Jahren kamen zwei Musketiere auf einen Pikenier, insgesamt zehn Mann tief aufgestellt, wobei die Pikeniere im Zentrum platziert waren und links und rechts von Musketieren flankiert wurden. Die Spanier und die Kaiserlichen hingegen bevorzugten größere, tiefere Truppenformationen, wie sie in den früheren Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die Norm gewesen waren. Ihre Pikeniere standen als ein massiver Block in der Mitte, der immer doppelt so tief wie breit war, weil jeder Kämpfer zum Gebrauch seiner Waffe doppelt so viel Platz nach hinten als zur Seite hin benötigte. Im Ergebnis bildete sich eine rechteckige Formation („Gevierthaufen“), der an den Seiten durch „Schützenflügel“ oder „Ärmel“ von Musketieren ergänzt wurde. Für gewöhnlich zog sich entlang der gesamten Vorderseite des Haufens – um die Feuerkraft der Gesamtformation zu maximieren – eine Reihe von Schützen mit leichteren Arkebusen. Wenn sie von einer Kavallerieattacke überrascht wurden, konnten die Schützen unter den weit vorgestreckten Spießen der hinter ihnen postierten Pikeniere Zuflucht suchen. Beim Angriff auf feindliches Fußvolk zogen sich die Arkebusenschützen, nachdem sie gefeuert hatten, um die Flanke des Haufens herum zurück, um den Pikenieren den Weg zum Angriff freizugeben. Die Kommandeure der spanischen und kaiserlichen Heere platzierten an den vier Ecken ihrer Haufen bisweilen noch zusätzliche Vierecksformationen von Musketieren, die auf zahlreichen Schlachten-Kupferstichen des frühen 17. Jahrhunderts zu sehen sind. Das war jedoch nur die Gefechtsordnung für Auf- und Vormarsch; im Kampf schwärmten die zusätzlichen Schützen in Richtung des Feindes aus und zogen sich an eine weniger exponierte Flanke des eigenen Haufens zurück, wenn die Situation für sie zu gefährlich wurde.

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Die großen Gevierte aus Pikenieren und Musketieren, wie sie von den Spaniern bevorzugt wurden, sind unter der Bezeichnung „Terzio“ bekannt geworden (nach dem spanischen tercio für eine Infanterieeinheit von bis zu 3000 Mann). Die schmale, längliche Gefechtsordnung, bei der die Musketiere die Pikeniere flankierten, bezeichnete man als „niederländische Ordonnanz“. Es ist zu einem geschichtswissenschaftlichen Gemeinplatz geworden, dass die letztere der ersteren Taktik himmelhoch überlegen gewesen sei – wohl nicht zuletzt, weil nachfolgenden Generationen ihr Fokus auf Schusswaffen schon von vornherein „moderner“ erschien als die Verwendung von Spießen, wie sie im Grunde bereits die alten Griechen gekannt hatten. Diese Bewertung ist jedoch nicht nur ungenau, sie verfehlt auch die militärisch-taktische Vorstellungswelt des 16. Jahrhunderts, die zutiefst von antiken Vorbildern geprägt war. Die tiefer gestaffelten Gevierthaufen boten eine größere Schlagkraft nach allen Seiten als die dünnen „niederländischen“ Linien, bei denen man immer hoffen musste, dass die angrenzenden Truppenteile die Stellung hielten, weil bei einem feindlichen Durchbruch die eigene Flanke schutzlos daliegen würde. Obwohl nur die vordersten fünf Glieder eines Terzios zugleich feuern konnten, wirkte sich die Anwesenheit von zehn oder mehr weiteren Gliedern in ihrem Rücken positiv auf die Kampfmoral aus – oder erschwerte doch zumindest den vorn Stehenden die Flucht. Ein solcher Terzio wirkte auf dem Schlachtfeld auch ganz anders – nämlich wesentlich imposanter – als dünner gestaffelte Formationen; das konnte gleichfalls von großem Vorteil sein, wenn man auf einen bereits schwankenden Feind vorrückte. Im Zeitalter der Musketen und Kartaunen füllte sich das Schlachtfeld zudem bald mit Pulverdampf, der es den Kommandeuren beinah unmöglich machte, die Situation zu überblicken. Eine lange, dünne Reihe aus zahlreichen kleinen Abteilungen geriet leichter aus dem Blick (und damit außer Kontrolle) als eine kleinere Anzahl mächtiger Terzios. Diese konnten außerdem gestaffelt in einer Art Schachbrettmuster aufgestellt werden (die „spanische Ordonnanz“ im eigentlichen Sinn), wobei die einzelnen Terzios etwa 200 Meter auseinanderstanden. Wenn einer von ihnen abgeschnitten wurde, war er immerhin groß genug, um allein weiterkämpfen zu können, bis Verstärkung eintraf. Die Tendenz, das Verhältnis von Musketieren zu Pikenieren zugunsten der Ersteren zu verschieben und überdies lang gezogenen, dünneren Gefechtsordnungen den Vorzug zu geben, trat spätestens in den 1630er-Jahren deutlich hervor, wie wir später noch sehen werden. Diese Entwicklung hing zumindest teilweise mit kleinen technischen Verbesserungen zusammen, die leichtere Musketen hervorbrachten, und womöglich auch mit einem gewissen Druck vonseiten der Soldaten selbst: Neue Rekruten wollten in der Regel lieber Musketiere als Pi-

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keniere werden, denn Letztere standen nicht selten im Kugelhagel, ohne sich selbst wehren zu können. Dabei hatten die Pikeniere ursprünglich einen höheren Sold erhalten und galten auch den Offizieren als „ehrbarer“ als die Musketiere. Wer eine ordentliche Militärkarriere machte, der tat dies „von der Pike auf “ – und nicht von der Muskete. Pikeniere kämpften und töteten mit dem blanken Stahl, ganz wie die Ritter früherer Zeiten, während die Musketiere vom Schießpulver abhängig waren, einer geradezu teuflischen Erfindung, die dichte Schwaden beißenden Pulverdampfs hervorrief. Sie blickten ihren Feinden noch nicht einmal in die Augen, sondern töteten von fern. Die Pikeniere warfen ihren leichter gerüsteten Kameraden außerdem vor, diese seien die ärgeren Plünderer – schließlich könnten sie selbst mit ihren langen Spießen nicht einfach in ein fremdes Haus hineinmarschieren. (Bei diesem letzten Punkt scheint eine gewisse Portion Neid im Spiel gewesen zu sein.) Ganz gewiss jedoch waren es die Pikeniere, die bei einem feindlichen Durchbruch ihre Spieße von sich warfen und davonrannten, sich also auf dem Rückzug noch nicht einmal verteidigen konnten, während die Musketiere stets in voller Bewaffnung flohen. Die um 1590 einsetzende Tendenz zu einem immer höheren Anteil von Musketieren hing auch damit zusammen, dass man diese in kleineren, flexibleren Formationen einsetzen konnte, entweder als Manöver zur Eröffnung der Schlacht oder zur Verlangsamung des feindlichen Vormarsches, bis die eigenen Truppen ihre Positionen eingenommen hatten. Man platzierte noch vor der eigenen Hauptlinie Abteilungen aus 50 oder mehr Musketieren, die von kleineren Pikenierhaufen von je 250 Soldaten gedeckt wurden, bei denen die Schützen im Bedarfsfall auch Zuflucht suchen konnten. Solche Methoden scheinen ihrer Zeit 200 Jahre voraus, verschwanden aber im Allgemeinen um 1630 wieder, als zuerst die Niederländer eine neue, diszipliniertere Schusswaffentaktik entwickelten, deren massiertes Feuer dann von den Schweden nachgeahmt wurde. Angesichts der mangelnden Treffsicherzeit einzelner Schüsse setzten die Kommandeure auf eine Maximierung der Gesamtfeuerkraft (und später auch der Schussfrequenz), was um 1700 in der routinierten Abgabe von Salven durch ganze Schützenzüge gipfelte. Die Kavallerie Die Kavallerie hatte sich um 1590 in fünf Typen aufgespalten, die bestimmte taktische Aufgaben zu erfüllen hatten wie Überraschungs- beziehungsweise Schockangriffe, zusätzliche Feuerkraft oder Erkundung. Die Schocktaktik der Reiterei setzte auf die physische und psychologische Schlagkraft, die von einem Ansturm schwer bewaffneter und gepanzerter Reiter, ja allein von deren Pferden ausging. Ein solches Schlachtross war gut zwei Meter groß, wog 500 Kilogramm und konnte im Galopp auf über 40 Kilometer pro

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Stunde beschleunigen (wenngleich das Gewicht des Reiters diesen Wert in der Praxis meist erheblich reduzierte). Die Pferde wurden auf Feldern voller lodernder Strohfeuer und Haufen von Tierkadavern ausgebildet, um sie an den Anblick und die Gerüche eines Schlachtfelds zu gewöhnen. Außerdem trainierte man ihnen an, nach dem Feind zu treten und sich – in verschiedenen Gangarten – in der Formation zu bewegen. Zur Umsetzung solcher Taktiken bildeten sich mit der Zeit zwei Arten von schwerer Kavallerie heraus. Die eine, „Lanzierer“ oder „Gens d’armes“ genannt, wurde von Spaniern und Franzosen bevorzugt. Die Reiter trugen einen geschlossenen Helm mit Visier sowie einen vollständigen Reiterharnisch aus Metall an Oberkörper, -armen und -schenkeln. Die Füße und die Unterschenkel schützten hohe, feste Lederstiefel, während Hände und Unterarme von Lederoder Stahlpanzerhandschuhen geschirmt waren. Als Waffe diente ihnen eine etwa drei Meter lange, mit einer Stahlspitze versehene Holzlanze, mit der sie selbst kauernde feindliche Fußsoldaten aufspießen oder gegnerische Reiter aus dem Sattel heben konnten. Die rasante Ausbreitung von Feuerwaffen führte dazu, dass der Anteil schwerer Lanzenreiter in den Heeren West- und Mitteleuropas bis 1610 stark zurückging, aber in Ungarn und Polen kämpften die Adligen als Husaren noch immer in vergleichbaren Ketten- oder Plattenpanzern. Diese Panzerreiter aus dem Osten befestigten bunte Fähnchen an ihren Lanzen und trugen oft „Flügel“ aus Vogelfedern, die auf einem hölzernen Rahmen an ihrem Rücken befestigt waren und bei ihrem Sturmritt ein brausendes Geräusch verursachten, das zu ihrem ohnehin Furcht einflößenden Erscheinungsbild noch einiges beitrug.64 Anderswo schlossen sich die vormaligen Lanzierer der zweiten Abteilung der schweren Reiterei an, den Kürassieren nämlich, die einen ähnlichen Harnisch trugen, aber mit langen, zum Zustechen gedachten Schwertern ausgerüstet waren. Ein Schwert ließ sich im Nahkampf wesentlich besser einsetzen als eine Lanze, die nutzlos wurde, sobald der erste Ansturm nicht „gesessen“ hatte. Beide Arten von schwer Berittenen trugen außerdem ein Paar Pistolen bei sich, die sowohl zum Beschuss stehender Ziele als auch im Nahkampf eingesetzt wurden. Diese steckten in Holstern beiderseits des Sattels, und zwar so, dass der Abzug nach außen zeigte (das lag daran, dass sie wegen ihrer langen Läufe gleichsam aus der Rückhand gezogen werden mussten). Es konnte immer nur eine Pistole auf einmal abgefeuert werden, da der Reiter mit der anderen Hand die Zügel festhalten musste. Idealerweise schoss man, indem man sein Pferd „linksum“ kehren ließ und dann mit ausgestrecktem Arm im rechten Winkel zum Pferdekörper zielte. Auf diese Weise verhinderte man, dass das Tier scheute oder man ihm die Ohren verbrannte (was passieren konnte, wenn man eine

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Pistole direkt über seinem Kopf abfeuerte). Da die meisten Reiter Rechtshänder waren, mussten sie mit ihrer Linken die Zügel festhalten, um mit der rechten Hand ihre (linke) Pistole oder ihr Schwert zu ziehen. Letzteres war gar nicht so einfach, wenn man im Sattel saß, weil man ja keine Hand frei hatte, um die Scheide festzuhalten. Einen Karabiner – ein kurzes Reitergewehr – abzufeuern, war noch schwieriger, denn dazu brauchte man beide Hände. All diese Schwierigkeiten blieben bis zum Verschwinden der Kavallerie zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Grunde stets die gleichen, denn wenngleich Fortschritte in der Technik die Handhabung von Schusswaffen im Sattel erleichterten, trugen sie doch wenig dazu bei, grundsätzliche Probleme des Kampfes zu Pferde zu lösen. Auf gut ausgebildete, disziplinierte Fußtruppen konnte die Schocktaktik der schweren Reiterei freilich nur wenig Eindruck machen. Erfahrene Kavallerieoffiziere erkannten schon an der Art, wie die feindlichen Pikeniere ihre Spieße hielten – schwankten sie? zitterten sie? –, ob diese vor dem Ansturm der Berittenen davonlaufen würden. Blieb das Fußvolk standhaft, dann konnte durchaus auch die Reiterattacke in sich zusammenbrechen, denn auf die Spieße stürzen mochten die Pferde sich nicht. Und wenn es einem Reiter doch gelang, die feindlichen Linien zu durchbrechen, dann ging sein Pferd nicht selten mit ihm durch und brach ohne Besinnung durch jede Lücke, die sich auftat, ohne anzuhalten und geradewegs durch die feindliche Schlachtordnung hindurch. Außerdem waren die Schwerter der Kavalleristen oft stumpf und vermochten nicht viel – nicht einmal gegen die wollenen Umhänge der Musketiere. Die genannten Probleme trieben die Verbreitung von Feuerwaffen auch bei der Kavallerie voran. Dabei kam die Caracolla zum Einsatz, ein taktisches Manöver, das dem Contremarsch ähnelte und in den 1530er-Jahren von deutschen Pistolenreitern erfunden worden war. Die Reiterei trabte in mehreren Linien hintereinander bis in Schussweite, feuerte – nach der beschriebenen Halbdrehung des Pferdes – ihre Pistolen auf den Feind ab und zog sich dann zum Nachladen wieder zurück. Es wurde also die psychologische Wirkung der alten Schocktaktik dem kumulativen Effekt erhöhter Feuerkraft geopfert. Die Caracolla bedeutete weniger Stress für die Pferde als ein Sturmangriff und erforderte auch weniger Mut seitens ihrer Reiter, denn diese mussten sich nicht mehr in den gefährlichen Nahkampf begeben. Selbst erfahrene Kavalleristen, die es gewohnt waren, mit gezogenem Schwert auf den Feind loszureiten, drehten nicht selten etwa zehn Meter vor dem Ziel ab und prallten gleichsam zurück auf ihre Startpositionen. Das erklärt auch, warum zeitgenössische Quellen von mehreren Angriffen ein und derselben Einheit während einer einzigen Schlacht berichten. Der Wunsch, die Feuerkraft berittener Truppen weiter zu verbessern, führte zur Entwicklung einer dritten, „mittelschweren“ Reiterei, die „Arkebusiere“

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oder „Karabiniere“ genannt wurde. Diese waren mit einer leichten Arkebuse oder einem Karabiner bewaffnet, die beide eine höhere Reichweite und Durchschlagskraft boten als die bei der Reiterei sonst übliche Pistole. Sie trugen in der Regel eine leichtere Rüstung als die schwere Kavallerie, meist nicht mehr als einen Helm, Brustpanzer, Lederkoller, Stiefel und Handschuhe. Das bedeutete, dass sie kleinere Pferde reiten konnten und insgesamt kostengünstiger auszuheben waren. Da sie zusätzlich auch noch zwei Pistolen und ein Schwert führten, konnten sie ebenso gut für die traditionelle Schocktaktik eingesetzt werden und verdrängten deshalb um 1630 herum die teureren Kürassiere und Lanzierer. Bis in die 1620er-Jahre hinein setzten sich viele Regimenter aus Kürassieren und Arkebusieren zusammen, wobei Erstere in der Schlachtformation vorn, Letztere hinten aufgestellt wurden. Die vierte Art von Kavallerie, die Dragoner, waren eigentlich eine Art berittene Infanterie. Sie ritten Pferde von geringerem Stockmaß oder sogar Ponys und trugen in der Regel überhaupt keinen Harnisch – noch nicht einmal die schweren Reitstiefel, denn in diesen konnte man nicht gut laufen. Die Dragoner waren zum Teil als Pikeniere, zum Teil als Schützen bewaffnet und setzten ihre Reittiere ein, um schnell die Position wechseln oder Aufklärungstrupps verstärken zu können, um „Plänkler“ der Infanterie auf ihren vorgeschobenen Posten zu unterstützen oder dem Feind in die Flanke zu fallen. Zwar wurden für all diese Aufgaben grundsätzlich auch Arkebusiere oder Karabiniere eingesetzt; jedoch blieben diese beim Kampf im Sattel, während die Dragoner zu Fuß kämpften. Als leichte Kavallerie waren sie am zahlreichsten in den Heeren Ungarns, Polens und Siebenbürgens vertreten und wurden zu einem charakteristischen Bestandteil der Kriegführung „im Osten“, der in das kaiserliche Militär übernommen wurde. Etwa ein Fünftel bis ein Viertel der kaiserlichen leichten Kavallerie war mit Lanzen bewaffnet und wurde „Kosaken“ oder „Polen“ genannt, ganz gleich, wo die Reiter eigentlich herkamen. Den großen Rest bildeten die Kroaten, unverkennbar in ihren roten Umhängen und Fellmützen, die jeweils mit einem Karabiner und einem Paar Pistolen bewaffnet waren. Sie alle waren in Regimenter von zumeist nicht mehr als 500 Mann eingeteilt und griffen in einem rasanten Zickzackritt an, bei dem sie erst ihre rechte, dann ihre linke Pistole abfeuerten, dann – wieder rechts – den Karabiner, bevor sie zum Nachladen davongaloppierten. Die militärische Organisation Wichtigste Organisationseinheit der Infanterie wie der Kavallerie war das Regiment, das sich in Kompanien untergliederte, die im Heiligen Römischen Reich anfangs noch „Fähnlein“ genannt wurden. Diese

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Gliederung ging letztlich auf die Rekrutierungsmethoden der Zeit zurück. Ein Fürst beauftragte einen Obristen mit der Aushebung benötigter Truppen, dieser wiederum betraute eine Anzahl ihm untergebener Hauptleute mit der Rekrutierung einzelner Kompanien. Nach dem klassisch-antiken Vorbild der römischen Legion (die ja aus zehn Kohorten bestanden hatte) bemühten sich die meisten Obristen, Regimenter mit jeweils zehn Kompanien aufzustellen, doch konnte deren tatsächliche Anzahl stark variieren: Von vier oder fünf Fähnlein in schwächeren Regimentern bis hin zu 20 in manchen Großverbänden kam eigentlich alles vor. Hauptleute, die ihr Patent direkt von ihrem Kriegsherrn erhalten hatten, stellten von größeren Truppenverbänden unabhängige Freifähnlein auf. Solche Kontingente wurden etwa als Festungsgarnisonen eingesetzt oder entsprangen den ehrgeizigen Bemühungen von Männern, die sich als fähige „Rekrutenmacher“ einen Namen machen wollten, um so den Grundstein für eine große Militärkarriere zu legen. Die noch im 21. Jahrhundert gebräuchliche, nach Rängen gestufte Militärhierarchie war in ihren wesentlichen Zügen schon um 1600 vorhanden.65 Einem kommandierenden Obristen stand ein Obristleutnant zur Seite, der in seiner Abwesenheit das Kommando übernahm. Ein Major überwachte Ausbildung und Verwaltung und kommandierte mitunter Teile des Regiments, wenn dieses aufgeteilt wurde. Zu diesen drei Stabsoffizieren kamen noch Schreiber, Feldgeistliche, Feldscher und Wundärzte sowie der „Profoss“ oder „Gewaltiger“ zur Vollstreckung von Disziplinarstrafen. Eine vergleichbare Struktur begegnet auf der Ebene der Kompanien: Jeder Hauptmann hatte ein oder zwei Leutnants an seiner Seite, dazu noch einen Fähnrich (bei der Kavallerie: Kornett), dem die Fahne der Kompanie anvertraut war. In der Regel gab es auch einen Kompanieschreiber, einen Feldscher sowie eine Reihe von Unteroffizieren. Zusammen bezeichnete man diese Führungsriege auch als die prima plana, das „erste Blatt“ der Kompanie, weil ihre Namen zuoberst, vor allen anderen, in der Musterungsrolle der Einheit aufgelistet waren. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts fiel die durchschnittliche Größe einer Fußkompanie von zunächst 300 bis 400 Soldaten auf 200 bis 300 Soldaten; bei der Reiterei waren die Kompanien jeweils etwa halb so groß. Die Anzahl der Offiziere blieb jedoch gleich, was einerseits die wachsende Bedeutung hierarchischer Strukturen im Allgemeinen widerspiegelt, konkret und auf dem Schlachtfeld jedoch Voraussetzung für manch komplexeres Manöver war, das nur im Rahmen klarer Befehlsstrukturen ausgeführt werden konnte. Offiziere und Unteroffiziere trugen neben ihren Degen oder Schwertern auch noch eine Stangenwaffe, was zumindest eine mögliche Erklärung für den Begriff „Stabsoffizier“ darstellt. Bei den Offizieren war dies der Sponton, eine Halbpike, die einem Speer mit breiter Klinge ähnelte. Unteroffiziere trugen eine

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Hellebarde, die eine Speerspitze mit einem Axtkopf kombinierte. Beide Waffentypen waren ein Rang- und Statusabzeichen, hatten jedoch auch einen praktischen Nutzen im Sinne der Truppenführung: Wenn man den Stiel in beide Hände nahm, konnte man damit mehrere Soldaten auf einmal hin- und herschieben und sie so „in Reih und Glied“ bringen. Auch konnte man damit die Piken oder Musketen der eigenen Leute nach oben oder nach unten drücken – insbesondere, um allzu ungeduldige Musketiere vom verfrühten Feuern abzuhalten. Nach 1590 blieb das Verhältnis von Offizieren zu Mannschaften relativ stabil; das lag an den technischen Beschränkungen der verfügbaren Waffen, die allesamt en masse eingesetzt werden mussten. Ein Offizier oder Unteroffizier mochte einen Trupp von etwa 15 Soldaten kommandieren, aber den Hauptleuten fiel es schwer, in Pulverdampf und Schlachtengetümmel mehr als 300 zu befehligen: Die eingeschränkte Sicht und der Lärm machten es so gut wie unmöglich, die Lage einzuschätzen oder gar spontan Befehle zu erteilen. Das war ein weiterer Grund dafür, die Infanterie in dicht gestellten Reihen aufmarschieren zu lassen: So konnte der kommandierende Obrist – vom Pferderücken aus – seine Leute im Blick behalten. Fahnen und Trommeln wurden in der Mitte der Formation platziert, von wo aus sie Signale an alle Teile der Einheit geben konnten. Die Tücken der Heerführung sorgten dafür, dass erfahrene Soldaten hoch im Kurs standen: Man kalkulierte, dass mindestens ein Drittel der eingesetzten Truppen routinierte Veteranen sein mussten, damit der nötige Zusammenhalt in der Schlacht gewährleistet war. Außerdem sollten die „alten Hasen“ den neuen Rekruten die Grundlagen des militärischen Drills vermitteln und ihnen beibringen, wie man den harten Alltag während der Kampagne überstand. Allerdings blieb die Rekrutierung Sache der einzelnen Regimenter, deren Obristen ihre erfahrenen Soldaten ungern ziehen ließen, damit sie beim Aufbau neuer Kontingente helfen konnten. Auch bestimmte die Größe eines Regiments das Prestige dessen, der es kommandierte: Die Befehlshaber großer Einheiten waren angesehener und in der Regel auch besser versorgt als die kleinerer Regimenter, die eher aufgelöst oder mit anderen verschmolzen wurden. Die zuletzt genannten Faktoren brachten spanische und kaiserliche Obristen dazu, Infanterieregimenter von 2000 oder 3000 Mann aufzustellen und Kavallerieregimenter von bis zu 1000 Mann. Letztere untergliederten sich in zwei bis fünf Schwadronen zu jeweils zwei Kompanien. Die Kompanien waren die eigentlichen taktischen Einheiten der Reiterei; im Feld standen sie etwa sechs bis zehn Glieder tief. In der niederländischen Ordonnanz wurden die Reiterschwadronen zwischen den Bataillonen der Infanterie verteilt; bei den Terzios der spanischen Ordonnanz standen sie in dichter Formation an den Flanken der Gevierte. In den Feldheeren West- und Mitteleuropas machte die Kavallerie zwischen einem

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Fünftel und einem Drittel der Gesamtstreitmacht aus. Insgesamt war jedoch der Anteil der Infanterie weitaus höher, da zahlreiche Fußsoldaten zur Bemannung von Festungen gebraucht wurden. Große Infanterieregimenter konnten als eigener Terzio in den Kampf ziehen; kleinere mussten mit anderen zusammengefasst werden, um auf die nötige Stärke zu kommen. Die Bataillone der niederländischen Ordonnanz umfassten jeweils zwischen 200 und 700 Mann, sodass ein großes Regiment durchaus auch zwei von ihnen stellen konnte. Bei der Artillerie waren solche formellen Strukturen unbekannt, denn die Kanoniere betrachteten sich noch immer als eine eigene Gilde, die unter dem Schutz der heiligen Barbara, der Patronin der Bergleute, stand. Die Bedienung der Kanonen galt als eine besondere Kunst, sie hatte ihre eigenen Traditionen und Rituale. Katholische Geschützmannschaften schlugen vor dem Schuss ein Kreuzzeichen, und Kanoniere aller Konfessionen gaben ihren Geschützen individuelle Namen. Deutsche Militärtheoretiker der Zeit rechneten mit zwei bis vier Stück Artillerie je 1000 Soldaten, doch in der Regel zogen nur die leichteren Feldschlangen und Falkonetts mit Infanterie und Kavallerie ins Feld. Die größeren Geschütze waren teuer in der Herstellung und schwer zu bewegen, was sie für die siegreiche Seite zur wertvollen (und oft eben doch „leichten“) Beute machte. Die Gefechtstaktik In der Schlacht war man bemüht, Infanterie, Kavallerie und Artillerie optimal miteinander zu kombinieren. Der Kampf wurde in der Regel mit einer Kanonade eröffnet, sobald die verfeindeten Parteien sich auf unter 1000 Schritt angenähert hatten. Währenddessen rückten Plänkler vor, um die gegnerische Verteidigung zu sondieren und Aufklärung zu betreiben. Diese einleitenden Schritte verschafften dem Rest der Truppe die nötige Zeit, um sich auf seine Positionen zu begeben, konnten aber – ganz im Gegenteil – auch eingesetzt werden, um einen Feind so lange aufzuhalten, bis die eigene Seite den Rückzug angetreten hatte. Die zeitgenössische Vorliebe für große Infanterieformationen sorgte dafür, dass die Aufstellung zum Gefecht eine abwechslungsreiche Angelegenheit blieb – schließlich konnte man zwischen den großen Terzios etwa Artillerie und Kavallerie in den verschiedensten Mustern positionieren, je nach der Beschaffenheit des Geländes und den Absichten des kommandierenden Feldherrn. In dem Maß jedoch, in dem die niederländische Ordonnanz an Beliebtheit gewann, wurde die Infanterie auf eine oder mehr Linien im Zentrum zusammengezogen, wobei die einzelnen Bataillone nur schmale Lücken zwischen einander ließen, um der feindlichen Kavallerie nicht den Stoß in ihre ungeschützten Flanken zu ermöglichen. Die zweite und alle weiteren Linien lagen zwischen 100 und 300 Metern hinter der ersten. Wer dichter aufrückte, riskierte

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es, den eigenen Kameraden in den Rücken zu schießen; wer weiter weg blieb, konnte jenen im Notfall nicht beistehen. Die so entstehende „Lineartaktik“ ermunterte die Kommandeure, ihre Kavallerie zu beiden Seiten der Infanterielinien zu platzieren – eine Vorgehensweise, die im späteren 17. und im 18. Jahrhundert zur Norm werden sollte. Einer ausschließlichen Verwendung der Lineartaktik standen allerdings Zweifel entgegen, ob der damit einhergehende Verlust an Schockwirkung durch den Gewinn an Feuerkraft tatsächlich gerechtfertigt werde. Auch im Osten Europas, wo die Türken und andere Kriegsparteien flexiblere Eröffnungstaktiken und einen größeren Anteil leichter Truppen einsetzten, zögerte man, sich ganz auf die Lineartaktik zu verlassen. Die kaiserlichen Feldherren in Ungarn setzten zum Schutz ihrer Fußtruppen auch Erdwerke oder Planwagen und andere bewegliche Hindernisse ein. Im Allgemeinen trat jede der drei Haupttruppengattungen gegen ihr feindliches Pendant an. Die Artillerie versuchte, die Geschütze des Gegners auszuschalten, bevor die eigenen Fuß- und Reitertruppen vorrückten und das Schussfeld versperrten. Die Reiterei wiederum stürzte sich auf die gegnerische Reiterei, um sie vom Feld zu drängen und so die Flanken der feindlichen Infanterie zu entblößen. Beide Seiten konnten nur hoffen, zur Entscheidung der Schlacht noch genügend Artillerie und Kavallerie übrigzuhaben, wenn die langsamere Infanterie endlich in Schussweite gekommen sein würde; schließlich war die Kombination verschiedener Waffengattungen für gewöhnlich besonders effektiv. So konnte die feindliche Infanterie durch eine scharfe Attacke der Kavallerie am Vorrücken gehindert und in die Defensive gedrängt werden, während Kavallerie und eigene Musketenschützen sie mit Feuer belegten. Die eigene Feuerkraft konnte auch eingesetzt werden, um gegnerische Formationen aufzubrechen und so aus dem Konzept zu bringen, dass sie vor der Zeit zum Angriff übergingen oder sich gar völlig auflösten und einem feindlichen Vorstoß schutzlos ausgeliefert waren. Alle Feldherrnkunst und taktische Innovation beruhte auf Variationen dieses Grundmusters, um früh in der Schlacht eine möglichst effektive Verbindung der drei Komponenten Infanterie, Kavallerie und Artillerie zu erzielen und damit einen leichteren und weniger verlustreichen Sieg zu erringen.

Der Lange Türkenkrieg (1593–1606) Während des Türkenkrieges der Jahre 1593–1606, der sich größtenteils in Belagerungen und Scharmützeln vollzog (vergleichbar dem spanischen Vorgehen gegen die Niederländer in Flandern), gab es nur wenig Gelegenheit, die beschriebenen Taktiken in großen Feldschlachten zu erproben. Auslöser der

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Feindseligkeiten waren die systemischen Probleme eines grassierenden (See-) Räuberwesens und instabiler Grenzen. Die Habsburger konnten nur wenig für die Uskoken tun, die mit Übervölkerung zu kämpfen hatten und sich deshalb gezwungen sahen, ihre piratischen Aktivitäten auf der Adria zu verstärken. Die Venezianer, selbst die Hauptleidtragenden der uskokischen Seeräuberei, ermunterten die Piraten von 1591 an, statt ihrer doch lieber das osmanische Bosnien und Ungarn ins Visier zu nehmen. Der Pascha (osmanische Statthalter) von Bosnien übte Vergeltung, indem er einen kroatischen Grenzposten belagerte; dann wurde er selbst jedoch gefangen genommen und von den Verteidigern des Forts hingerichtet. Sinan Pascha, der energische Großwesir des Osmanischen Reiches, überredete 1593 den zaudernden Sultan Murad III. zum Krieg. Als Eröffnungszug und Kriegserklärung ließ Sinan die habsburgischen Gesandtschaftsangehörigen in Konstantinopel ergreifen und in die Sklaverei geben – Teil des Berufsrisikos, wenn man als Diplomat am Sultanshof Dienst tat. Die Berater Rudolfs von Habsburg glaubten, der Krieg werde ihnen eine goldene Gelegenheit zur Ausweitung des habsburgischen Einflusses in der Region bieten, und die Herrschaft über Siebenbürgen noch dazu. Der eigentlich unbedeutende Sieg der Kroaten gegen den Pascha von Bosnien brachte sie gar zu der Überzeugung, das Osmanische Reich als Ganzes befinde sich bereits in der Phase des Niedergangs. Ein großer Krieg gegen die Türken, so ihre weitere Überlegung, würde die Christen des gesamten Reiches um die Fahne ihres Kaisers scharen und die Konflikte der Reichsstände untereinander in den Hintergrund treten lassen. Ganz gewiss wurde Rudolf II. aus seiner Depression gerissen; seine traditionelle Rolle als oberster Feldherr und Verteidiger des wahren Glaubens (wie er sie sah) nahm er gern an. Der Reichstag trat 1594 erneut zusammen und bewilligte ein umfangreiches Steuerpaket, dessen Geltung vier Jahre später und noch einmal 1603 erneuert wurde. Mindestens vier Fünftel der ursprünglich versprochenen 20 Millionen Gulden gelangten auch tatsächlich in die Reichskasse, dazu noch 7 bis 8 Millionen, die Rudolf sich von den Kreistagen erbeten hatte. Die habsburgischen Länder trugen 20 Millionen Gulden bei, der Heilige Stuhl, Spanien und Italien noch einmal 7,1 Millionen. Selbst der eigensinnige König Heinrich IV. von Frankreich versprach seine Unterstützung, und die französischen Katholiken, die in den Hugenottenkriegen zuletzt noch auf der Verliererseite gestanden hatten, strömten in Scharen dem kaiserlichen Lager zu. Andere kamen sogar von noch weiter her, wie etwa der Engländer John Smith, der spätere Mitbegründer der Kolonie Virginia und angebliche Geliebte der Häuptlingstochter Pocahontas. Auch die eigentlich den Osmanen unterstellten Fürsten von Siebenbürgen, der Walachei und Moldau schlossen sich dem kaiserlichhabsburgischen Lager an. Die Polen lehnten eine unmittelbare Beteiligung zwar

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ab, hießen jedoch ihre ukrainischen Kosaken die Krimtataren angreifen, wodurch diese von der Unterstützung des Sultans abgehalten wurden. Die Stärke der kaiserlichen Feldarmee verdoppelte sich auf rund 20 000 Mann, zu denen noch 10 000 ungarische und etwa 20 000 weitere Soldaten aus Siebenbürgen und anderen Gebieten kamen.66 Nach all dem Aufwand war das Ergebnis eine tiefe Enttäuschung. Manche versprochene Hilfe erwies sich in der Praxis als wenig förderlich, so im Fall des russischen Zaren, der eine riesige Ladung von Pelzen schickte, die den Markt überschwemmten und letztlich kaum Gewinn einbrachten. Schlimmer noch: Die kaiserliche Planung war unrealistisch. Gespräche mit dem Sultan von Marokko und dem Schah von Persien sollten die Eröffnung weiterer Fronten gegen das Osmanische Reich bewirken, aber eine Gesandtschaft von Schah Abbas I. traf erst 1600 ein, als ein Sieg des Kaisers über die Türken schon unwahrscheinlich geworden war. Der osmanische Sultan hielt stets 60 000 bis 100 000 Mann im Feld und sicherte sich so meist die Initiative. Der Krieg wurde auf dem südlichen Schauplatz eröffnet, wo der osmanischen Hauptoffensive 1593 einige Erfolge auf Kosten der Kroaten gelangen, bevor der Wintereinbruch Sinan Pascha zum Einhalten zwang. Danach hielten die kroatischen, slowenischen und uskokischen Grenztruppen in ihren jeweiligen Abschnitten wacker stand. Osmanische Vorstöße gegen beide Enden des Plattensees konnten abgewehrt werden, und ab November 1593 unternahmen die Habsburger in diesem Bereich sogar hin und wieder Gegenangriffe, wobei sie die türkische Festung Stuhlweißenburg einzunehmen suchten, die den südwestlichen Zugang nach Buda bewachte. Die nächste osmanische Offensive traf das strategisch so überaus wichtige Mittelungarn, wo ihnen mit der Einnahme von Raab im September 1594 ein großer Erfolg gelang, denn nun konnten sie dessen Schwesterfestung Komorn umgehen und hatten den Weg nach Wien frei gemacht. Die habsburgischen Anstrengungen konzentrierten sich darauf, diesen Verlust rückgängig zu machen oder ihn zumindest anderswo zu kompensieren. Tatsächlich gelang es dem Erzherzog Matthias im darauffolgenden Jahr, den osmanischen Brückenkopf durch die Einnahme von Gran und Visegrád (Plintenburg) zu schwächen. Der Sultan schlug zurück, indem er den Krieg in Richtung Nordosten vorantrug; bei der Einnahme von Erlau 1596 stand er selbst an der Spitze seiner Truppen. Im Oktober desselben Jahres siegten die Türken bei Mezőkeresztes in der einzigen großen Feldschlacht des Krieges über ein habsburgisch-siebenbürgisches Entsatzheer. Nun richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit des Sultans auf die drei Fürstentümer Siebenbürgen, Walachei und Moldau, die sich gegen ihn erhoben hatten, indem sie auf der Seite Habsburgs in den Krieg eingetreten waren.

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Intervention in Siebenbürgen Die Strategen des Kaisers sahen in der siebenbürgischen Allianz ein probates Mittel zur Ausweitung des habsburgischen Machtbereichs; letztlich strebten sie sogar die Rückführung Siebenbürgens unter ungarische Herrschaft an. Der Augenblick schien günstig, da der regierende Fürst, Sigismund Báthory, eine habsburgische Machtübernahme allem Anschein nach begrüßte. Unter Sigismunds Vorgänger war der polnische Einfluss auf Siebenbürgen stark gewesen, doch das änderte sich nun durch die Bündelung der polnischen Aufmerksamkeit in dem neuen Konflikt mit Schweden (siehe Kapitel 6). Kaiserliche Truppen eroberten 1598 Raab zurück, was die entscheidende mittelungarische Front stabilisierte, während wachsende Probleme im Inneren des Osmanischen Reiches 1599 schwere Unruhen auslösten. Der deutliche Erfolg der katholischen Reformbemühungen in Österreich trug zum wachsenden Selbstvertrauen der kaiserlichen Berater und damit zu dem verhängnisvollen Entschluss bei, gemeinsam mit dem Woiwoden (Fürsten) Michael der Walachei – der sich davon außerdem die Herrschaft über Moldau versprach – in Siebenbürgen einzumarschieren. Es folgte eine Periode wirrer Kämpfe, die dank einer verdeckten polnischen Intervention in der völligen Niederlage der Invasoren endete. Sigismund wurde als Fürst von Siebenbürgen wiedereingesetzt, und in den beiden anderen Fürstentümern wurden Marionettenherrscher von polnischen Gnaden installiert. Anstatt ihre Verluste als solche zu verbuchen und damit zu begrenzen, intensivierten die Habsburger ihre Bemühungen in der Region. Ein neues, noch stärkeres Heer wurde aufgestellt, dessen Befehlshaber Giorgio Basta sich durch sein weiteres Verhalten in der ungarischen und rumänischen Geschichtsschreibung den Ruf eines grausamen Tyrannen verdient hat. Basta, einer von zahlreichen Italienern in habsburgischen Diensten, war zunächst vom halbwüchsigen Trommler zum Kommandeur einer Einheit berittener Arkebusiere aufgestiegen, die in spanischen Diensten in Flandern kämpfte. Nach Ungarn war er 1597 mit einem spanischen Truppenkontingent gekommen und stand schon bald im Rang eines Generals. Schlick, Marradas, Collalto und Ernesto Montecuccoli haben allesamt unter ihm gedient, aber sein Einfluss als Verfasser zahlreicher militärtheoretischer Abhandlungen und Memoranden (in denen er nicht selten seine Herren scharf dafür kritisierte, dass sie ihren Soldaten den Sold schuldig blieben) reichte noch wesentlich weiter. Die nun folgende Kampagne in Siebenbürgen ließ bereits vieles von dem ahnen, was von 1618 an auch dem Heiligen Römischen Reich drohte. Als Mann vor Ort musste Basta schnell und unter sich rapide verändernden Umständen handeln. Oft war es schlicht nicht möglich, mit der kaiserlichen Regierung in Prag Rücksprache zu halten, und ohnehin waren die Absichten und Vorstellungen Rudolfs alles andere als eindeutig. Nach-

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dem er mit Unterstützung des Fürsten Michael im August 1600 Siebenbürgen zurückerobert hatte, ließ Basta seinen Verbündeten im Sommer des Folgejahres ermorden, weil er in ihm eine Belastung sah. Als die Polen sich weigerten, Sigismund Báthory ein zweites Mal zu Hilfe zu kommen, dankte dieser – gegen Zahlung einer habsburgischen Pension – im Juni 1602 ab, was dem siebenbürgischen Landtag keine andere Wahl ließ, als Rudolf zu huldigen, der im Gegenzug die siebenbürgischen Privilegien bestätigte. Es war ein Pyrrhussieg. Dass fähige Kräfte nach Siebenbürgen abgezweigt wurden, schwächte die Verteidigung in den anderen Grenzgebieten, und im Sommer 1600 rückten die Türken entlang der Save vor, nahmen Kanischa ein und eröffneten sich so den Weg in Richtung Steiermark. Zwar gelang Erzherzog Matthias 1601 die Eroberung von Stuhlweißenburg, doch fiel dieses schon im Jahr darauf wieder an ein türkisches Belagerungsheer, während eine zweite türkische Streitmacht tatsächlich in die Steiermark einfiel. Wachsende finanzielle Probleme verhinderten eine strategisch koordinierte Verteidigung, indes Teile der Reichsarmee von Meutereien gelähmt wurden; manche französischen und wallonischen Truppenteile liefen gar zur osmanischen Seite über.67 Matthias rettete die Situation durch die Einnahme von Pest im Oktober 1602, was die osmanische Staatskrise nur verschärfte: In fünf Provinzen des Osmanischen Reiches tobten nun Aufstände. Als Sultan Mehmed III. 1603 infolge eines Herzinfarkts starb, folgte ihm sein 13-jähriger Sohn Ahmed I. auf dem Thron nach. Schah Abbas I. witterte seine Chance und griff die Osmanen von Persien her an; 1604 gelang ihm die Rückeroberung von Aserbaidschan und Georgien. Angesichts des nun eröffneten Zweifrontenkrieges nahm der junge Sultan Ahmed im Februar 1604 Friedensverhandlungen mit Kaiser Rudolf II. auf. Durch seine völlig überzogenen Forderungen vergeudete Rudolf auch diese letzte Chance, den Krieg zu beenden, bevor seine eigene Herrschaft in sich zusammenbrach. Der ständige Krieg hatte Siebenbürgen derart verwüstet, dass es die habsburgischen Garnisonen nicht mehr ernähren konnte. Ohne Aussicht auf die geringste Hilfe aus Prag verlegte Giorgio Basta sich auf die Beschlagnahme fremder Güter: Jeder siebenbürgische Adlige, der sich Bastas Herrschaft widersetzte, musste fortan um Haus und Hof bangen. Nachdem der General jedoch geheime Befehle seines Kaisers erhalten hatte, auch in Siebenbürgen die habsburgische Rekatholisierungspolitik zu betreiben, geriet die Lage völlig außer Kontrolle. Wie schon in Österreich, so kamen auch hier zuerst die Städte an die Reihe; die ländlichen Gegenden wollte man nach Kriegsende mit katholischen Kolonisten und entlassenen Soldaten besiedeln. Andere Maßnahmen wurden in Oberungarn ergriffen, wo der General Jacopo Belgiojoso im Januar 1604 begann, lutherische Pastoren aus der oberungarischen „Hauptstadt“ Kaschau zu

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vertreiben, während zugleich die magyarischen Garnisonen von 90 Grenzposten ausgewechselt wurden; 12 000 deutsch-österreichische Soldaten nahmen ihre Stelle ein. Die von Basta in Siebenbürgen begonnene Konfiszierungspolitik wurde nun auch auf Ungarn ausgeweitet, wo Matthias sogar die Landgüter des Grafen István Illésházy beschlagnahmen ließ, eines protestantischen Magnaten, den man seines Amtes als Palatin von Ungarn enthoben hatte. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Die empörten Magyaren machten von nun an gemeinsame Sache mit ihren siebenbürgischen Leidensgenossen. Der Bocskai-Aufstand (1604–06) Die ungarische Opposition sammelte sich um Stephan (István) Bocskai, einen calvinistischen Gutsbesitzer aus Großwardein in Oberungarn (dem heutigen Oradea in Rumänien). Bocskais Entwicklung vom treuen Diener seiner Herren zum Anführer einer Rebellion gegen sie steht beispielhaft dafür, wie die Habsburger mit ihrem Vorgehen zahlreiche ihrer einflussreichsten Untertanen vor den Kopf stießen. Bocskai hatte während der ersten Kampagnen in Siebenbürgen einheimische Hilfstruppen befehligt, mit seiner Konfession jedoch das Misstrauen des Kaisers erregt, der ihm 1598 sein Kommando entzog und ihn nach Prag bringen ließ. Bocskai entging der Hinrichtung und zog sich auf seine Güter zurück, die nun zum Treffpunkt der politisch Unzufriedenen wurden.68 Obgleich ihn die calvinistische Geistlichkeit am Ort als „magyarischen Moses“ feierte, vermied es Bocskai, die religiöse Zwietracht weiter anzufachen, denn er wollte potenzielle Unterstützer nicht abschrecken. Stattdessen bediente er sich der allgemeinen Verärgerung unter den Einheimischen über den schier nicht enden wollenden Türkenkrieg. Nachdem Belgiojoso Briefe der Verschwörer abgefangen hatte, rückte er mit seinen 3500 Mann von Kaschau aus, um Bocskai festzunehmen, aber dieser entkam und scharte 5000 Heiducken um sich, indem er ihnen Adelstitel verlieh und herrenloses Land unter ihnen verteilte. Belgiojoso zog sich nach Kaschau zurück, doch die verärgerten Einwohner der Stadt öffneten Bocskai ihre Tore: Am 12. Dezember 1604 zog er im Triumph nach Kaschau ein. Die Einnahme der Stadt unterbrach die Kommunikationslinien zwischen Belgiojoso in Oberungarn und den 5000 habsburgischen Soldaten, die Siebenbürgen besetzt hielten. Der Umstand, dass sich ihm noch immer weitere Heiducken anschlossen, erlaubte es Bocskai, einen Sperrverband gegen seine Verfolger zurückzulassen und im Januar 1605 mit 4000 Mann leichter Kavallerie in Siebenbürgen einzufallen. Zwar konnten die Habsburger auf die Unterstützung der Szekler bauen, doch waren die habsburgischen Truppen in vereinzelten Garnisonen im ganzen Land verstreut. Bis September hatte Bocskai sie, eine nach der anderen, überwältigt. Bereits im Februar hatte der siebenbürgische Landtag Bocskai als neuen Fürsten anerkannt;

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als er im April mit dem Rest seiner Armee nach Westen zurückkehrte, empfing man ihn dort als „durchlauchtigsten Fürsten von ganz Ungarn“. Mittlerweile stand die habsburgische Herrschaft in der Region kurz vor dem Zusammenbruch. Basta war im Juli 1604 nach Mittelungarn zurückbeordert worden, aber selbst mit 36 000 Mann gelang es ihm nicht, die Stadt Pest zu retten, die bald darauf ihren osmanischen Belagerern in die Hände fiel. Beim Rückzug in Richtung Norden löste das kaiserliche Heer sich auf, was den Türken die Rückeroberung von Gran und Visegrád ermöglichte. Bocskai seinerseits nahm Neuhäusel ein und traf am 11. November 1605 vor Pressburg mit dem neuen osmanischen Großwesir Lala Mehmed Pascha zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurde Bocskai zum neuen König von Ungarn gekrönt; seine Krone war eigens in Konstantinopel angefertigt worden. Unter dem Druck seiner Verwandten ersetzte Rudolf, durchaus widerstrebend, Giorgio Basta durch den Erzherzog Matthias, der im Mai ermächtigt wurde, Verhandlungen mit Bocskai aufzunehmen. Im Sommer des Jahres boten die böhmischen Stände 17 000 Milizionäre auf, die – teils schon unter dem Kommando Wallensteins sowie des Grafen Thurn – den Vormarsch der Rebellen nach Mähren aufhalten sollten. Viele von Bocskais adligen Unterstützern erfasste nun die Sorge, der neue König werde womöglich nur das Regime der Habsburger gegen das der Türken eintauschen. Auch zweifelten sie an Bocskais Fähigkeit, seine Heiducken, denen er so viel versprochen hatte, unter Kontrolle zu halten, und sahen im Übrigen die Rebellion an ihr ursprüngliches Ziel gelangt: Siebenbürgen zu befreien und die Rekatholisierung Ungarns aufzuhalten. Nach einem im Januar 1606 vereinbarten Waffenstillstand schlossen der ungarische und der siebenbürgische Adel am 23. Juni mit Matthias den Frieden von Wien. Das Nachsehen hatten sowohl Rudolf als auch die breite Masse der Bevölkerung von Ungarn und Siebenbürgen. Zwar erreichten der lutherische und der reformierte Adel Ungarns nun die offizielle Duldung ihres Glaubens, die auch auf die Kronstädte und den Bereich der Militärgrenze ausgedehnt wurde – die Landbevölkerung jedoch ging leer aus, ihr wurde die Toleranz verweigert. Durch die Wiedereinführung des Palatinats, die Beseitigung der Finanzaufsicht durch die Wiener Hofkammer, die bevorzugte Besetzung von Verwaltungsposten mit Einheimischen sowie die Ablösung der deutsch-österreichischen Grenztruppen durch magyarische wurde die politische Autonomie Ungarns gestärkt. Die siebenbürgische Autonomie wurde ebenfalls ausgeweitet. Bocskai verzichtete auf seine ungarische Königskrone, behielt jedoch den Ehrentitel „König“ und wurde von den Habsburgern, die dem Fürstentum zudem fünf Komitate Oberungarns östlich von Kaschau abtraten, als Fürst von Siebenbürgen anerkannt.

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Während Bocskai wenig Lebenszeit vergönnt war, um sich an seinen Erfolgen zu freuen – er starb schon 1606 unter fragwürdigen Umständen –, schuf die von ihm angeführte Revolte einen folgenschweren Präzedenzfall. Schließlich war der militante Katholizismus nicht durch passiven Widerstand zurückgeworfen worden, wie er zuvor schon in Innerösterreich so kläglich gescheitert war, sondern durch Waffengewalt. Und während die österreichischen Protestanten der 1570er-Jahre ihren Einfluss in den diversen Landtagen jeweils getrennt voneinander geltend gemacht hatten, um lokal beschränkte Zugeständnisse auszuhandeln, hatten ihre Glaubensbrüder in Ungarn und Siebenbürgen ein stabiles Bündnis zwischen ihren beiden Ländern zustande gebracht. Dies war das Beispiel, dem die böhmischen Stände 1618 nacheifern sollten. Die habsburgisch-osmanischen Beziehungen nach 1606 Zunächst jedoch machte der Frieden von Wien den Weg für Erzherzog Matthias frei, um auch den aufreibenden Konflikt mit dem Sultan zu beenden, was dann am 11. November 1606 im Frieden von Zsitvatorok auch geschah. Ein dauerhafter Frieden – den beide Seiten ablehnten – wurde daraus jedoch nicht. Immerhin sahen sich Kaiser wie Sultan genötigt, den jeweils anderen als ebenbürtig anzuerkennen; zudem sollte der erniedrigende Tribut von 30 000 Gulden, den die Habsburger seit 1547 jedes Jahr an die Hohe Pforte entrichtet hatten, nach der einmaligen Zahlung einer „freiwilligen Gabe“ von 200 000 Gulden auslaufen. Der Sultan behielt Kanischa und Erlau, musste dem Kaiser allerdings die Errichtung neuer Festungen in direkter Nachbarschaft gestatten. Die Friedensregelung sollte 20 Jahre gelten, in welchem Zeitraum kleinere Raubzüge im Grenzgebiet zu tolerieren waren, solange keine regulären Truppen daran teilnahmen. Es war ein Glücksfall für die Habsburger, dass die Osmanen den Krieg nicht über 1606 hinaus fortsetzen konnten. Bis 1608 schaffte es der Sultan nämlich, die inneren Unruhen in seinem Reich niederzuschlagen, bevor er 1618 einen Friedensschluss mit Persien akzeptieren musste, was den endgültigen Verlust Aserbaidschans und Georgiens zu bedeuten schien. Die Perser nutzten die weiterhin schwelende Unruhe im Osmanischen Reich, um 1623 den Krieg wiederaufflammen zu lassen; sie nahmen Bagdad ein und töteten alle Sunniten, die nicht rechtzeitig fliehen konnten. Der Verlust Mesopotamiens sandte Schockwellen durch das ganze Osmanische Reich, die sich unter anderem in großen Aufständen in Syrien und dem Jemen äußerten; betroffen war neben der Steuererhebung auch das Pilgerwesen an den heiligen Stätten des Islam. In der Zwischenzeit entwanden sich die Krimtataren der Kontrolle des Sultans und begannen einen unerklärten Krieg gegen Polen, der – mit Unterbrechungen – bis 1621 andauerte. Angesichts all dieser Probleme war der Sultan nur zu bereit, den Frieden von

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Zsitvatorok schon 1615 zu bestätigen, wovon ihn auch kleinere Veränderungen in der Grenzziehung – von denen die Habsburger sich eine bessere Verteidigung der exponierten Gegend um Gran versprachen – nicht abhalten konnten. Der Böhmische Aufstand fiel mit dem persischen Triumph zusammen, und der Sultan tat wirklich alles, um dem nunmehrigen Kaiser Matthias gefällig zu sein. Im Sommer 1618 offerierte er ihm sogar ein paar Tausend bulgarische oder albanische Söldner. Obwohl man diese dankend ablehnte, ließ es sich im Jahr darauf Osman II. nicht nehmen, einen Sonderbotschafter zu entsenden, der dem neuen Kaiser Ferdinand II. zu seiner Wahl gratulieren sollte. Dieses Wohlwollen vonseiten der Osmanen war umso willkommener, als der Reichstag 1615 eine Verlängerung der nunmehr auslaufenden Reichshilfe zum Unterhalt der Militärgrenze abgelehnt hatte. Die böhmische Krise zwang die Österreicher, ihre Truppen von der südlichen Grenze abzuziehen; schon 1619 wurden in Kroatien und Ungarn 6000 Reiter aufgestellt. Danach dienten bis 1624 rund 4000 Grenzsoldaten im kaiserlichen Heer, die von dem Grafen Johann Ludwig von Isolani (Giovanni Lodovico Isolano) kommandiert wurden, einem Zyprioten mit Grundbesitz in Kroatien, der sich im Langen Türkenkrieg einen Namen gemacht hatte. Zur Bezahlung der verbleibenden Grenzgarnisonen blieb hingegen kaum Geld übrig, was im Juli 1623 zu Meutereien in den slawonischen und kroatischen Sektoren der Militärgrenze führte. Obwohl die Siebenbürger sich auf die Seite der Böhmen schlugen, verzichtete der Sultan darauf, die Lage auszunutzen, und ohne seine Unterstützung brach ihr Aufstand bald in sich zusammen.69 Da die Aufmerksamkeit der jeweiligen Regierungen durch anderweitige Kriege gebunden war, übertrug man die Verantwortung für die Grenzkontakte zwischen Habsburg und dem Osmanenreich an den ungarischen Palatin beziehungsweise den osmanischen Pascha in Buda. Ersteres Amt hatte 1625–45 Graf Nikolaus (Miklós) Esterházy inne. Dieser hegte eine humanistische Vision von Ungarn als dem Bollwerk der Christenheit und ermunterte den magyarischen Adel, die Habsburger zu unterstützen: als Beschützer und Verteidiger in der Gegenwart – und als die besten Bürgen für eine Rückeroberung der türkisch besetzten Gebiete Ungarns in der Zukunft.70 Esterházys 1627 in Szőny nahe Komorn geführte Verhandlungen mit dem Pascha von Buda resultierten in einer Verlängerung des Friedens von Zsitvatorok um 15 Jahre, was dem Kaiser Zeit verschaffte, mit seinen christlichen Feinden fertigzuwerden. Die Osmanen nutzten 1631 den Mantuanischen Erbfolgekrieg, um 14 Dörfer im oberen Murtal zu plündern, wiesen jedoch das Ansinnen der Venezianer ab, ihren Raubzug noch weiter auszudehnen. Um 1632 herum gelang es zwar Sultan Murad IV., die innere Ordnung des Osmanischen Reiches wiederherzustellen, indem er die Aufstände in den Provinzen brutal niederschlug; aber dann zog er es vor, die Perser

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anzugreifen, die er zu besiegen hoffte, während die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der Habsburger noch in Deutschland gebunden waren. Osmanische Heere eroberten Aserbaidschan, Georgien und Mesopotamien zurück, nahmen 1638 Bagdad ein und zwangen im Jahr darauf die Safawidendynastie, diese Verluste anzuerkennen. Die relative Ruhe an der Grenze zum Osmanischen Reich erlaubte es dem Kaiser, weitere Truppen von dort abzuziehen, als der Krieg in Deutschland sich 1625 verschärfte. Noch im selben Jahr wurde ein erstes Kroatenregiment aufgestellt, dem 1630 zwei weitere folgten. Die ebenfalls 1630 erfolgte schwedische Intervention sorgte für einen dramatischen Anstieg der Rekrutierungszahlen: Bis 1633 waren 14 Regimenter Kroaten aufgestellt, dazu 1500 Mann Kapelletten (leichte Kavallerie, die in Dalmatien und im Friaul angeworben wurde). Ihren mit 25 höchsten Stand erreichte die Anzahl der Kroatenregimenter 1636; drei Jahre später waren es noch zehn, bei Kriegsende nur noch sechs. Die anhaltende Rekrutierung von Truppen im Grenzgebiet sorgte dafür, dass die Garnisonen der Militärgrenze an Personalmangel litten: 1641 dienten dort gerade einmal 15 000 kampfbereite Soldaten, rund 7000 unter Soll.71 Das war freilich noch immer eine ansehnliche Truppe, nämlich etwa so viele Soldaten, wie in der Spätphase des Krieges in einer großen Feldschlacht aufgeboten wurden. Sie band enorme Ressourcen an Männern, Geld und Material, und das zu einer Zeit, in der dem Kaiser das sprichwörtliche Wasser schon bis zum Hals stand – ein Faktor, der bei der Bewertung der kaiserlichen Kriegführung bisher oft übersehen worden ist. Ihre fortgesetzte Militärpräsenz entlang der Grenze ließ erkennen, wie groß die Türkenfurcht der Habsburger noch immer war. Die Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten, als die Osmanen ihrem Friedensschluss mit den Persern 1639 eine Reihe groß angelegter Raubzüge folgen ließen, die wohl ihre Herrschaft über Kanischa festigen sollten. Die Lage hätte sich – aus Sicht der Habsburger – noch wesentlich verschlechtern können, wenn nun nicht der Krieg mit den Safawiden wiederaufgeflammt wäre, was den Sultan 1642 dazu bewog, den Frieden von Zsitvatorok noch einmal zu erneuern, diesmal gleich auf 20 Jahre. Die allseitigen Probleme des Sultans ließen Siebenbürgen, das seit 1606 zumindest nominell unter osmanischer Oberherrschaft gestanden hatte, langsam seiner Kontrolle entgleiten. Dass Siebenbürgen inzwischen an Unabhängigkeit gewonnen hatte, ermutigte seinen Fürsten, sich 1644/45 erneut in den Dreißigjährigen Krieg einzumischen (siehe Kapitel 19). So hatte, während die osmanische Schwäche den Sultan gerade aus dem europäischen Krieg heraushielt, dieselbe Schwäche den umgekehrten Effekt auf das Fürstentum Siebenbürgen: Ihm machte sie den Kriegseintritt überhaupt erst möglich. Aus habsburgischer Pers-

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pektive war freilich die Auseinandersetzung mit dem Fürsten von Siebenbürgen einem Krieg mit dem – wesentlich mächtigeren – osmanischen Sultan allemal vorzuziehen. Befürchtungen, der Pascha von Buda könnte die Siebenbürger mit Fußtruppen und Artillerie unterstützen, erfüllten sich nicht, weshalb die siebenbürgische Intervention im Dreißigjährigen Krieg auch weitgehend folgenlos blieb. Gerade als das Fürstentum wieder Frieden schloss, sah sich der Sultan in einen neuen Konflikt mit den Venezianern verwickelt, der sich bis 1669 hinziehen sollte. Die allgemeine Demobilisierung im Anschluss an den Westfälischen Frieden verpflichtete den Kaiser, seine Truppen aus dem Reich abzuziehen, weshalb er sie nach Ungarn verlegte, wo sie neuerliche osmanische Einfälle bis 1655 abhielten. Erst Ende der 1650er-Jahre waren die Osmanen wieder so stark geworden, dass sie für Habsburg zur ernsthaften Bedrohung wurden. Ihre erneuten Versuche, Einfluss über Siebenbürgen zu gewinnen, lösten von 1662 an einen weiteren Krieg mit dem Kaiser aus, der zwei Jahre darauf durch die Erneuerung des (nun allerdings modifizierten) Friedens von Zsitvatorok beendet wurde. Die Pattsituation wurde erst durch die gescheiterte osmanische Belagerung Wiens aufgebrochen, die den Großen Türkenkrieg der Jahre 1683–99 eröffnete. Mit internationaler Hilfe gelang es den Habsburgern, die Türken aus Ungarn zu vertreiben, das 1687 von einem Wahl- in ein Erbkönigtum umgewandelt wurde, worauf vier Jahre später die Annexion Siebenbürgens folgte. Der Sieg im Großen Türkenkrieg ließ Österreich zur Großmacht aus eigenem Recht aufsteigen, während zugleich die Bedeutung des römisch-deutschen Kaisertitels abnahm.72 Von solchen Ruhmeshöhen konnten die Habsburger des frühen 17. Jahrhunderts, die in den Jahren nach 1606 vor dem Trümmerhaufen der rudolfinischen Politik standen, nur sehnsuchtsvoll träumen. Zu ihrer Zeit nämlich war die Militärgrenze durch den Verlust von zweien ihrer mächtigsten Festungen geschwächt, die Dynastie hatte in der ungarischen Innenpolitik wertvollen Boden verloren, ihr Einfluss in Siebenbürgen war völlig erloschen. Die Konsequenzen dieser Rückschläge beschränkten sich jedoch keineswegs auf den Südosten des Habsburgerreiches, sondern erschütterten die Monarchie in ihren Grundfesten. Obwohl er im Verlauf des Langen Türkenkrieges mehr als 55 Millionen Gulden an Subsidien und Steuern erhalten hatte, stiegen die Schulden Rudolfs II. mit der Zeit auf stolze zwölf Millionen Gulden. Frühere Haupteinkommensquellen der Habsburger, wie etwa die ungarischen Kupferminen, waren verpfändet worden, um weitere Darlehen aufnehmen zu können. Die Soldrückstände der Grenztruppen betrugen schon 1601 eine Million Gulden, während sich die entsprechenden Summen für das Feldheer bei Kriegsende auf das Doppelte beliefen. 6000 habsburgische Soldaten lungerten in Wien herum und verlangten, dass man ihnen ihr Geld austeile – insgesamt mindestens eine Million Gulden. Die

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Unfähigkeit der Habsburger, selbst in ihrer eigenen Hauptstadt für Ordnung zu sorgen, ließ ihr sonstiges Versagen mehr als deutlich werden. Enttäuschung und Ernüchterung breiteten sich auch im Heiligen Römischen Reich aus, wo die Fürsten es kaum glauben konnten, dass all ihr Geld nicht ausgereicht haben sollte, den Sieg zu erringen. Der Reichspfennigmeister Geizkofler wurde wegen Veruntreuung vor Gericht gestellt – die Anklage lautete auf die Hinterziehung einer halben Million Gulden –, und obwohl er 1617 freigesprochen wurde, unterließen es viele Fürsten, ihren Anteil an der letzten, 1613 bewilligten Reichshilfe für die Militärgrenze zu zahlen; noch 1619 fehlten an der versprochenen Summe 5,28 Millionen Gulden.

Bruderzwist im Hause Habsburg Die Suche nach Sündenböcken machte selbst vor den Angehörigen des Herrscherhauses nicht halt. Nachdem der Feldmarschall Hermann Christoph von Rußwurm – ein Calvinist wie Bocskai – für den Verlust der Festung Gran aufs Schafott geschickt worden war, gingen die Erzherzöge aufeinander los, kaum dass Frieden herrschte. Der nun folgende Bruderzwist verschärfte den Schaden, den der Krieg angerichtet hatte. Die ohnehin angeschlagene Dynastie wurde weiter geschwächt; radikale Kräfte in den Ständeversammlungen sahen sich bestärkt und hielten die Zeit für gekommen, durch gewaltsame Konfrontation ihre konfessionellen und politischen Ziele zu erreichen. Entscheidend war dabei, dass durch besagte Familienfehde die Aufmerksamkeit des Kaisers zu einer denkbar ungünstigen Zeit vom Reich abgelenkt wurde, wodurch auch noch der letzte Rest an Wohlwollen seitens der Reichsstände aufgezehrt wurde und die Bemühungen aller Friedwilligen um eine verträgliche Lösung des Konflikts zunichtegemacht wurden. Die Interpretation dieses sprichwörtlich gewordenen „Bruderzwists im Hause Habsburg“ ist maßgeblich durch Franz Grillparzers Drama Ein Bruderzwist in Habsburg beeinflusst worden. In diesem Meisterwerk der österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts tritt Erzherzog Matthias in der Rolle des rücksichtslosen, machthungrigen Usurpators auf, während Rudolf trotz all seiner Fehler als gütiger, friedliebender Monarch dargestellt wird. Tatsächlich war Matthias’ Haltung wesentlich komplexer, und auch die anderen Erzherzöge spielten in dem Drama, das die Wirklichkeit entfaltete, mehr als nur eine Nebenrolle. Die von allen Seiten erhobenen Vorwürfe wegen des Krieges zwangen die Herrscherfamilie dazu, sich gründlich mit der ansonsten gern ignorierten – und durchaus problematischen – Frage der österreichischen Erbfolge auseinander-

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zusetzen. Rudolf kam im April 1578 mit seinen fünf Brüdern überein, es auf keinen Fall wie ihr Großvater Ferdinand zu machen, der bei seinem Tod 1564 die österreichischen Erblande aufgeteilt und sie damit – wie es nun erschien – zersplittert hatte. Als ältester Vertreter der habsburgischen Hauptlinie würde Rudolf Österreich, Böhmen und Ungarn erhalten, während seinen Brüdern standesgemäße Apanagen sowie Posten als Provinzstatthalter zustehen sollten – solange sie nicht anderswo etwas Besseres fanden. Misslicherweise hatte die Ausbreitung der Reformation im Heiligen Römischen Reich dafür gesorgt, dass die Anzahl geeigneter Posten in der Reichskirche drastisch geschrumpft war; schon in den 1580er-Jahren waren zahlreiche Bistümer lutherisch geworden. Nach dem frühen Tod des Erzherzogs Wenzel im September 1578 waren immerhin noch vier Brüder zu versorgen. Ernst, der nächstälteste, schien mit seinem Posten als Statthalter in Österreich und Befehlshaber an der ungarischen Militärgrenze ab 1577 durchaus zufrieden; durch seinen Tod 1595 trat aber auch er von der Bühne des Bruderzwistes ab. Albrecht, der jüngste überlebende Bruder, blieb nach 1571 in Spanien, wo ihn schließlich Philipp II. zum Gatten seiner Tochter Isabella erkor (die zu heiraten sich Albrechts Bruder Rudolf ja zuvor geweigert hatte). Obwohl sein Name von verschiedenen Seiten ins Spiel gebracht wurde, verhinderte Albrechts enge Bindung an die spanische Krone doch von vornherein, dass er einen ernst zu nehmenden Anspruch auf Österreich und das Reich erhob. Eine Erkrankung im Kindesalter hatte Erzherzog Maximilian, den mittleren der Brüder, davon abgehalten, die bei den österreichischen Habsburgern traditionelle Bildungsreise nach Spanien anzutreten. Stattdessen war er von seiner Mutter auf eine Karriere in der Reichskirche vorbereitet worden, zeigte aber eigentlich eher militärische Ambitionen. Ein Kompromiss wurde gefunden, und ab 1585 amtierte Maximilian zuerst als Koadjutor, dann als Hochmeister des – als Ritterorden noch aus der Zeit der Kreuzzüge stammenden – Deutschen Ordens. Bei der umstrittenen Wahl von 1586/87 wurde Maximilian zwar als Kandidat der Minderheit zum polnisch-litauischen König erwählt, konnte sich aber nicht gegen den Favoriten, Sigismund III. Wasa aus Schweden, durchsetzen, der ihn in der Schlacht gefangen nahm. Obwohl Rudolf ihn 1589 freikaufte, gab Maximilian seinem Bruder, der ihn nicht genügend unterstützt habe, die Schuld am letztendlichen Scheitern seiner Kandidatur. Der Ausbruch des Langen Türkenkrieges eröffnete Maximilian ein neues Betätigungsfeld, und nach Aussage seiner Zeitgenossen erwies er sich tatsächlich als der fähigste Feldherr unter den Erzherzögen. Bei Mezőkeresztes kostete ihn jedoch die Disziplinlosigkeit seiner Truppen den Sieg, und auch ein kurzes Gastspiel im Sumpf der siebenbürgischen Politik trug zu seiner Desillusionierung bei. Erst der Zusammenbruch Rudolfs im Jahr 1600

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veranlasste, wie es scheint, Maximilian zu neuem Handeln. Von allen Erzherzögen unterhielt er die umfassendsten Kontakte zu den deutschen Reichsfürsten, was er wohl vor allem seiner Stellung als Hochmeister des Deutschen Ordens verdankte. Auch nach der Reformation blieb nämlich der Orden gewissermaßen „ökumenisch“, indem er sich nicht der einen oder anderen Konfession anschloss. Das entsprach ganz Maximilians eigener, pragmatischer Haltung in Glaubensfragen sowie seinem ausgeprägten Friedenswillen nach innen. So wurde er, den seine früheren Enttäuschungen derart entmutigt hatten, dass er an die Nachfolge seines Vaters keinen Gedanken verschwendete, zum ehrlichen Makler zwischen Fürsten und Erzherzögen. Zudem konzentrierte er sich auf die Festigung der habsburgischen Macht in Tirol, dessen Statthalter er 1602 wurde.73 Also blieb nur noch Matthias, nächstältester der Brüder nach Ernst und ab 1595 Hauptanwärter auf die Kaiserkrone.74 Auch er war der spanischen Erziehung entgangen, weshalb ihm die steife Förmlichkeit seiner Brüder fehlte. Auf den ersten Blick mag er dennoch als der unsympathischste unter den Erzherzögen erscheinen, der das Leben eines Playboy-Prinzen führte, mit allen Ausschweifungen und zunehmender Trägheit. Freilich besaß er einen gewissen Charme, und in einer Familie, die ansonsten für ihre mürrisch-düstere Veranlagung bekannt war, muss sein so ganz und gar untypischer Sinn für Spaß und Geselligkeit eine erfrischende Abwechslung bedeutet haben. So überraschend es scheinen mag: Zumindest ein wenig verkörperte er auch die gemäßigte Denkungsart seines Vaters, Kaiser Maximilians II., und fühlte sich deshalb zur Beilegung konfessioneller Streitigkeiten berufen. Eines Nachts im Jahr 1577 brach Matthias auf, ohne irgendjemandem auch nur ein Sterbenswörtchen von seinen Reiseplänen gesagt zu haben, und tauchte wenig später in den Niederlanden auf, als die dortige Krise gerade ihren schrecklichen Höhepunkt erreicht hatte. Gern nahm Matthias die Einladung der Aufständischen an, ihr Statthalter zu werden. Nur war dieser Posten, so viel wurde bald deutlich, gleich ein paar Nummern zu groß für ihn. Die Anführer des Aufstands bedienten sich seiner bloß, um das Gesicht zu wahren, und nur so lange, bis sie ihre Kräfte mobilisiert hatten; dann trieben sie ihn 1581 umstandslos außer Landes. Das war eine ernüchternde Erfahrung und noch dazu eine, die ihn zur Untätigkeit verdammte – denn seine Verwandten trauten ihm nun nicht mehr über den Weg. Dennoch war er der einzige verfügbare Erzherzog, der 1595 Ernst als Statthalter von Österreich ersetzen konnte, während der Türkenkrieg reichlich Gelegenheit bot, militärische Kommandoerfahrung zu sammeln. Bei Anbruch des neuen Jahrhunderts mehrten sich die Anzeichen dafür, dass der einstige Lebemann merklich gereift war; zum Teil war das wohl auf den Einfluss des Bischofs Khlesl zurückzuführen, mit

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dem er in Österreich eng zusammenarbeitete: zur Förderung des Katholizismus und zur Befriedung des Bauernaufstands. Erzherzog Ferdinand und sein Bruder Leopold aus der jüngeren Tiroler Linie erhoben ihre eigenen Ansprüche auf das österreichische Erbe. Als junge Männer der „Generation Gegenreformation“ verkörperten sie eine attraktivere Alternative zu Spanien oder Bayern als die älteren Erzherzöge, die sich an die Hoffnung ihrer Väter auf einen konfessionellen Ausgleich klammerten. Ferdinand war mit Bayern durch Heirat verbunden und hatte in Spanien sowie beim Papst mit seiner tiefen Frömmigkeit und seiner Hingabe für die Sache der Gegenreformation einigen Eindruck hinterlassen. Leopold war, als ein jüngerer Bruder, für die geistliche Laufbahn bestimmt gewesen – ein Schicksal, für das er zutiefst ungeeignet erschien. Obwohl er Bischof von Passau (1605) und Straßburg (1607) wurde, empfing er doch nie die höheren Weihen und blieb somit ein „Joker“ unter den Erzherzögen, der ohnehin viel mehr Interesse am Krieg und an der großen Politik zeigte als an seinen Bistümern. Die Auftaktrunde Das zunehmend erratischere Verhalten Rudolfs II. brachte die Erzherzöge zu der Überzeugung, dass es Zeit war zu handeln. Der spanische Botschafter hatte bereits 1603 die Möglichkeit zur Sprache gebracht, den Kaiser ganz einfach abzusetzen, aber der Papst hatte gezögert, einem solchen Vorgehen seinen Segen zu geben – immerhin war es alles andere als ausgemacht, dass Rudolf tatsächlich unzurechnungsfähig war. Der Ausbruch des Bocskai-Aufstandes zerstreute derartige Bedenken im Handumdrehen. Im April 1605 traten die Erzherzöge in Linz zusammen und vereinbarten, dass sie Rudolf, gleichsam als ersten Schritt, zur Abtretung Ungarns zwingen würden. Bischof Khlesl war bemüht, Matthias zu lenken, damit dieser nicht irgendetwas Unüberlegtes anstellte – aus den Händen der ungarischen Aufständischen die Stephanskrone entgegennehmen, beispielsweise –, und gab außerdem sein Bestes, um die Spanier günstig zu stimmen, die Matthias noch immer für die Eskalation des Niederländischen Aufstandes verantwortlich machten. Als ein Experte in Public Relations wusste der Bischof ganz genau, wie er Matthias zu präsentieren hatte: als einen Mann, der die Sorgen und Nöte seiner Untertanen verstand – im Gegensatz zu Rudolf, der ein traditionelles, distanzierteres Herrschaftsverständnis verkörperte.75 Am 25. April 1606 rief Khlesl die Erzherzöge noch einmal zusammen, diesmal in Wien, und gewann ihnen die Zusage ab, Matthias als alleinigen Nachfolger Rudolfs zu unterstützen. Dieser wurde für regierungsunfähig erklärt, was Matthias den Zugriff auf die habsburgischen Erblande eröffnete: Dergestalt ausgestattet konnte er aus einer Position der Stärke heraus mit den Kurfürsten verhandeln, die ihn ja schließlich zum „Kö-

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nig der Römer“ (rex Romanorum) wählen sollten, was Matthias zugleich den Kaisertitel sichern würde. Spanien unterstützte den Plan und ließ Albrecht im November seine Zustimmung dazu geben. Nun spielte aber Ferdinand ein doppeltes Spiel, indem er vorgab, Matthias zu unterstützen, insgeheim jedoch hoffte, Rudolf würde ihn selbst als seinen Nachfolger benennen. Als Matthias dies zu Ohren kam, machte er den Wortlaut der Vereinbarung vom April 1606 öffentlich, wodurch er Rudolfs Vertrauen in Ferdinand erschütterte und seinen Rivalen auf diese Weise kurzzeitig aus dem Rennen warf. Rudolfs beherzter Widerstand gegen den Plan verunsicherte die Kurfürsten, die sich ungern auf einen Nachfolger einigen wollten, solange der amtierende Kaiser noch am Leben war. Ohnehin zogen, was die Nachfolge als Kaiser betraf, der pfälzische Kurfürst und die protestantischen Reichsstände den Erzherzog Maximilian seinem Bruder Matthias vor. Als im Oktober 1607 die Heiducken einen Aufstand anzettelten – sie fühlten sich nach dem Ende der Bocskai-Revolte im Stich gelassen –, steuerte die Sache auf ihre Entscheidung zu. Die ungarischen Magnaten hatten Rudolf im Verdacht, den Heiducken-Aufstand angestiftet zu haben, um den Wiener Frieden vom Juni 1606 zu sabotieren. Jedenfalls zerschlug die Krise die Hoffnungen Khlesls auf eine unkomplizierte Erbfolgeregelung ohne weitere Zugeständnisse an die Stände, weshalb der Bischof sich nun auf die hochriskante Strategie verlegte, Rudolf mit ungarischer Unterstützung zum Einlenken zwingen zu wollen. Matthias wiederum wandte sich, nachdem es ihm im Juni 1607 endlich gelungen war, sich den Posten des Statthalters von Ungarn zu sichern, offen gegen Rudolf und berief im Januar des darauffolgenden Jahres die ungarischen Stände nach Pressburg. Auch die Stände Ober- und Niederösterreichs schickten Abgesandte und schlossen sich der im Februar zwischen Matthias und den Ungarn geschlossenen Allianz an. Vordergründig ging es darum, die nach dem Ende des Bocskai-Aufstandes gefundene Regelung zu stützen und sicherzustellen, dass Rudolf den Waffenstillstand mit den Türken einhielt. In der Praxis jedoch wurde Matthias die Krone Ungarns übertragen, wofür dieser im Gegenzug den ungarischen Protestanten weitere Garantien zusagte und dem Adel Zugeständnisse auf Kosten der Bauern machte. Rudolf genoss zwar noch immer den Rückhalt der katholischen Minderheit Ungarns, die sich weigerte, der Allianz gegen den Kaiser beizutreten; aber mit seinen wenig feinfühligen politischen Manövern schien er hart am Werk, auch noch seine letzten Unterstützer zu verprellen. Eine ungeschickte Intervention Rudolfs in die inneren Angelegenheiten Mährens brachte das Fass dort zum Überlaufen, und im April traten die mährischen Stände geschlossen Matthias’ Bündnis bei. Der wiederum tat nun alles, um die Situation weiter eskalieren zu

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lassen, weil er hoffte, dass eine große Krise ihm auch die böhmischen Stände zutreiben und Rudolf vollkommen isoliert zurücklassen würde. Mit Unterstützung der protestantischen Mehrheit im mährischen Landtag zog Matthias bei Znaim (Znojmo) in Südmähren, nahe der Grenze zu Niederösterreich und unweit Wiens, ein Heer von 20 000 Österreichern und Mährern zusammen. Weiter im Osten, am Ufer der March, versammelten sich 15 000 weitere Bewaffnete aus Ungarn. Matthias plante offenbar, in voller Stärke beim Generallandtag der habsburgischen Stände zu erscheinen, den er in das mittelböhmische Tschaslau (Čáslav) einberufen hatte, eine Königsstadt genau auf halbem Weg zwischen seinem Heerlager und Prag. In einem an die deutschen Fürsten gerichteten Manifest rechtfertigte er sein Vorgehen mit der Wiederherstellung der Stabilität sowohl in den habsburgischen Ländern als auch im Reich. Nun hielten die Böhmen den Trumpf in der Hand. Wenn sie sich Matthias ebenfalls anschlössen, dann würden Schlesien und die beiden Lausitzen nachziehen – Rudolf stünde allein da. Ermuntert durch ihre militanter auftretenden Glaubensgenossen in Deutschland, ergriffen die Anführer der böhmischen Protestanten die Gelegenheit, ihrem Glauben endlich jene offizielle Anerkennung zu verschaffen – wenn nötig mit Gewalt –, die ihm die Habsburger 1575 durch ihre Ablehnung der Confessio Bohemica verweigert hatten (siehe Kapitel 3). Dem Kaiser standen gerade einmal 5000 unbesoldete Freiwillige unter ihrem Obristen Tilly zur Verfügung, die sich allerdings bereits auf dem – schleunigen – Rückzug in Richtung Prag befanden. Das Vertrauen des spanischen Botschafters hatte er verloren; dieser riet dem Kaiser, er solle rasch eine Vereinbarung treffen, solange dies noch möglich sei. Durch sein Stillschweigen gestattete es Rudolf den böhmischen Ständen, in Prag zusammenzukommen und im Mai mit ihren eigenen militärischen Vorbereitungen zu beginnen. Als sie jedoch merkten, dass auch Matthias’ Geld zur Neige ging, legten die Böhmen ihre Karten auf den Tisch, indem sie die kaiserliche Ladung nach Tschaslau abwiesen und stattdessen offen für Rudolf Partei ergriffen. So wurden beide, Matthias wie Rudolf, von ihren vermeintlichen Unterstützern ausmanövriert, die mit dem am 25. Juni 1608 geschlossenen Frieden von Lieben unter dem Deckmantel innerhabsburgischer Versöhnung ihre je eigenen Ziele verfolgten. Rudolf wurde gezwungen, seine Pläne für einen erneuten Krieg gegen die Türken aufzugeben, die Stephanskrone an seinen Bruder Matthias abzutreten und ihn überdies als Herrscher über Mähren, Ober- und Niederösterreich anzuerkennen. Die Mährer erhielten größere Autonomie innerhalb des böhmischen Kronverbandes und setzten eine neue Regierung unter Karl von Žerotin ein, einem klugen, aufrichtig um Frieden bemühten Anhänger der Böhmischen Brüder.

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Die Österreicher, Mährer und Ungarn nutzten die Gelegenheit ihres Treffens in Matthias’ Lager, um am 29. des Monats ihre eigene Allianz zu schmieden; sie wollten in Zukunft zusammenarbeiten, um den Habsburgern weitere Zugeständnisse abzupressen. Matthias und Bischof Khlesl hatten so etwas schon erwartet, weshalb sie nun versuchten, durch Einzelverhandlungen mit den jeweiligen Landständen Schadensbegrenzung zu betreiben. Im August 1608 empfing Matthias die Huldigung der mährischen Stände, denen er im Gegenzug die Freiheit von religiöser Verfolgung zusagte. Das blieb zwar weit hinter der völligen rechtlichen Gleichstellung zurück, wie sie den radikalen Protestanten vorschwebte, doch Žerotin hielt sie in Schach: Er war schon froh, dass sein Land nun überhaupt zu größerer politischer Autonomie gelangt war. In Österreich stellte die Lage sich gänzlich anders dar, denn hier dominierten in den Ständevertretungen zunehmend Männer wie der Freiherr Georg Erasmus von Tschernembl, der seit 1598 auf der Herrenbank des oberösterreichischen Landtags saß. Als ehemaliger Student der radikalprotestantischen Universität Altdorf bei Nürnberg hatte Baron Tschernembl schon in den 1580er-Jahren das gesamte protestantische Europa bereist, sich mit führenden Gelehrten und Reformern getroffen und mit ihnen über den Widerstand gegen die Tyrannei der Fürsten diskutiert. Obwohl er dem Bauernaufstand von 1595–97 ablehnend gegenübergestanden hatte, war Tschernembl doch eher als viele seiner Standesgenossen bereit, auch dem „gemeinen Mann“ ein Widerstandsrecht einzuräumen. Daher erklärt sich auch das große Interesse, auf das Tschernembl in der späteren Forschung gestoßen ist (die seine Bedeutung freilich oft überschätzt hat).76 Als Calvinist gehörte er einer Minderheit unter den österreichischen Protestanten an, aber die inneren Streitigkeiten der Habsburger hatten ihm die Chance eröffnet, sich nach oben zu kämpfen und Wortführer der oberösterreichischen Stände zu werden. Allerdings sollte es ihm nie gelingen, auch die lutherischen Stände restlos auf seine Seite zu ziehen, und sein Radikalismus sorgte dafür, dass die wenigen Übereinstimmungen, die bislang zwischen gemäßigten Katholiken und Protestanten noch bestanden hatten, schon bald Geschichte waren. Georg Erasmus von Tschernembl war der Ansicht, Rudolfs Verzicht auf seine österreichischen Länder habe ein Interregnum geschaffen, wodurch die Macht so lange in die Hand der Stände gefallen sei, bis diese Matthias als Thronfolger akzeptiert haben würden. Mit dieser ganz auf Formalien und Verfahrensfragen abgestellten Argumentation gelang es Tschernembl, 166 protestantische Herren und Ritter aus Ober- und Niederösterreich in der niederösterreichischen Protestantenhochburg Horn zu versammeln und am 3. Oktober 1608 zum feierlichen Bundesschwur zu bewegen: Die Anhänger der Horner Bewegung sagten sich endgültig von den Katholiken und den moderaten Protestanten los und riefen

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eine unabhängige Regierung ihrer beiden Länder aus. Sie bewilligten Gelder (die freilich ihre Pachtbauern aufbringen sollten), um Truppen auszuheben, und schickten Gesandte nach Ungarn sowie an den Hof des calvinistischen Pfälzer Kurfürsten. Um ihnen zuvorzukommen, zog Matthias rasch nach Pressburg, um seinerseits mit den ungarischen Ständevertretern zu verhandeln. Er willigte ein, den Vereinbarungen des Wiener Friedens Taten folgen zu lassen, und musste zusehen, wie der ungarische Landtag den Protestanten Illésházy erneut zum Palatin wählte. Nachdem sie die ungarische und die siebenbürgische Autonomie bekräftigt hatten, erkannten die Ständevertreter endlich, am 19. November, Matthias als neuen König von Ungarn an. Angesichts der noch immer aufsässigen Österreicher auf der einen sowie seines in Prag Intrigen spinnenden Bruders auf der anderen Seite war Matthias’ Position alles andere als gesichert. In einer von vielen schlaflosen Nächten, heißt es, soll er ausgerufen haben: „Mein Gott, was soll ich tun? Halte ich nicht, was ich ihnen bewilligt, so komme ich um Land und Leute. Halte ich’s dann, so bin ich verdammt!“77 Am 19. März 1609 willigte er in die meisten von Tschernembls Forderungen ein, setzte alle gegenreformatorischen Maßnahmen aus, indem er die Assekuration von 1571 erneuerte, und fügte alldem noch das mündliche Versprechen hinzu, für die freie Religionsausübung in den Kronstädten sorgen zu wollen. Auf einen Schlag waren sie wie weggefegt, die akribischen Bemühungen der letzten 30 Jahre, habsburgische Autorität und katholische Konformität zugleich durchzusetzen. Während die österreichischen Stände ihn nun als Erzherzog anerkannten, hatte Matthias die katholische Minderheit, die sich von ihrem Herrscher im Stich gelassen fühlte, gründlich vor den Kopf gestoßen. Der listenreiche Bischof Khlesl hielt sich diskret im Hintergrund. Er war in Wien zurückgeblieben, als sein Fürst 1608 zu seinem provokanten Einmarsch nach Böhmen aufgebrochen war. Zu Ostern 1609 verweigerte er Matthias öffentlich die heilige Kommunion – und hatte doch hinter verschlossenen Türen selbst zu den Zugeständnissen geraten, die in seinen Augen nicht mehr als ein taktisches Mittel zum Zweck darstellten. Von Tschernembl gedrängt, den „Erzverschwörer“ Khlesl von seinem Hof zu verbannen, erwog Matthias, diesen zur Wahrung seines Ansehens nach Rom zu entsenden, um ihn – dazu wollte freilich der Papst überredet sein – zum Kardinal erheben zu lassen. Doch da sich die Beziehungen zwischen Matthias und seinem wichtigsten Berater eintrübten, konnte der Erzherzog gegenüber den Ständen kein Stückchen Boden gutmachen. Die Majestätsbriefe von 1609 Die Böhmen hatten indessen keine Zeit verloren, den Kaiser zur Einhaltung seines nachgerade faustischen Paktes zu drängen. Durch den Machtkampf mit seinem Bruder war Rudolfs verbliebenes An-

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sehen ruiniert worden, und er hatte niemanden mehr, der ihm gegen die unaufhaltsame Erosion seiner kaiserlichen Würde beistehen wollte. Nachdem die böhmischen Stände 1608 vertagt worden waren, traten die Protestanten unter ihnen im April 1609 auf eigene Faust wieder zusammen und erzwangen sich Zutritt zum „Allerheiligsten“ des Kaisers in der Prager Burg – gegen seinen ausdrücklichen Befehl, er wolle von niemandem gestört werden. Wie schon in Österreich waren es vor allem die radikalen Kräfte, die in der aufgeladenen Atmosphäre ihre große Chance witterten und sich entsprechend in den Vordergrund drängten. „Dieser König taugt nichts!“, schrien manche; „Wir brauchen einen neuen!“ Graf Thurn wiederum erntete Applaus, als er zur Mobilmachung aufrief, diesmal freilich gegen den Kaiser.78 Die Familie des Grafen – ursprünglich als „della Torre“ bekannt – stammte aus Oberitalien, hatte aber, wie so viele ihrer adligen Landsleute, Grundbesitz in Österreich und Böhmen erworben. Der Graf von Thurn, um den es hier geht, Heinrich Matthias, ist in der Geschichtsschreibung fast ausnahmslos schlecht weggekommen. Ohne Frage war er ein außergewöhnlich unfähiger Politiker – und ein schlechter Stratege obendrein. Zwar war er Lutheraner, doch lässt sein Verhalten eher persönlichen Ehrgeiz denn religiösen Eifer als Hauptantrieb seines Handelns vermuten. Sein radikales Auftreten im Frühjahr 1609 rührte vornehmlich daher, dass er dem Kaiser mangelnde Erkenntlichkeit für seine Dienste im Langen Türkenkrieg vorwarf. Thurn sorgte dafür, dass in den kommenden Wochen ein gnadenloser Hagel immer neuer Forderungen auf den labilen Kaiser einprasselte, der schließlich am Abend des 9. Juli entnervt aufgab und jenen berühmt-berüchtigten Majestätsbrief unterzeichnete, der den böhmischen Protestanten religiöse und politische Freiheiten gewährte, die weit über die entsprechenden Privilegien ihrer österreichischen und ungarischen Glaubensbrüder hinausgingen. Von nun an sollten die Herren, Ritter und Königsstädte Böhmens frei wählen dürfen, welcher Konfession sie angehören wollten. Außerdem sollte jede Glaubensgemeinschaft zehn „Defensoren“ (Verteidiger) ernennen, die für die Wahrung aller verbrieften Rechte eintreten würden. Auf diese Weise entstand de facto eine Parallelregierung unter dem Vorsitz des Václav Budovec von Budov, die neben der offiziellen habsburgisch-böhmischen Verwaltung unter dem Oberstkanzler Lobkowitz existierte. Thurn sowie Leonhard Colonna von Fels – ein weiterer militärischer Dilettant italienischer Abstammung – wurden zu Oberbefehlshabern der protestantischen Miliz ernannt. Andere Protestanten übernahmen die Prager Universität und das utraquistische Konsistorium, wodurch der institutionelle Rahmen für die Schaffung einer eigenen protestantischen Landeskirche geschaffen wurde.79 Am 20. August 1609 erzwangen die schlesischen Stände ei-

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nen ganz ähnlichen Majestätsbrief, durch den auch die Lutheraner und Katholiken Schlesiens gleichgestellt wurden. Seit 1599 waren die böhmischen Katholiken im Aufstieg begriffen gewesen, doch nun wurden sie von der Dynastie fallen gelassen, die ihr einziger Schutz war. Slavata verlor seinen Posten als Burggraf von Karlstein, der traditionell für den Schutz der Reichsinsignien (Kaiserkrone, Schwert und Heilige Lanze, dazu viele weitere Kostbarkeiten) des Heiligen Römischen Reiches verantwortlich gewesen war und noch immer die böhmischen Kronjuwelen bewachte. Neuer Burggraf von Karlstein wurde Heinrich Matthias von Thurn. An der Spitze einer Gruppe von Katholiken, die sich weigerten, den Majestätsbrief durch ihre Unterschrift anzuerkennen, stand Fürst Lobkowitz, der Oberstkanzler von Böhmen. Diese Weigerung isolierte den Kaiser noch weiter. Das Prestige der Habsburger stürzte auf einen neuen Tiefpunkt ab, was Tschernembl in Österreich und seine radikalen Verbündeten in Deutschland davon überzeugte, der Zusammenbruch des Herrscherhauses stehe unmittelbar bevor. Ihre Hoffnungen schienen sich zu erfüllen, als Rudolf nun auch den österreichischen Protestanten einen Majestätsbrief anbot – vorausgesetzt, sie liefen zu ihm über. Diese tiefe Krise fiel zusammen mit der Herausbildung untereinander verfeindeter Lager unter den protestantischen und katholischen Fürsten des Reiches. Dazu kamen internationale Spannungen rund um den Jülich-Klevischen Erbfolgestreit (dazu weiter in Kapitel 7). Der große Krieg blieb dennoch aus, und die unmittelbare Bedrohung des Hauses Habsburg ging bald zurück. Das verlangt nach einer Erklärung, bevor wir uns dem Geschehen in anderen Gegenden Europas zuwenden. Die Radikalen wurden Opfer ihres eigenen Erfolgs. Zwar bedeuteten die Zugeständnisse von 1608/09 auf den ersten Blick nicht weniger als die Erfüllung eines lang gehegten Traums, die eine Mehrheit der Protestanten tief befriedigen musste und ihr Verlangen, engere Verbindungen zu den Glaubensgenossen im Reich und darüber hinaus zu knüpfen, deutlich dämpfte. Weil diese Wunscherfüllung jedoch mit vorgehaltener Klinge erzwungen worden war, wollten die meisten deutschen Protestanten nichts mit jenen österreichischen und böhmischen Radikalen zu tun haben, die sie erwirkt hatten und die man landläufig als treulose Verräter am kaiserlichen Herrscherhaus betrachtete. Geblendet von ihrem vermeintlichen Erfolg, bemerkte die radikale Minderheit überhaupt nicht, wie rapide sie an Akzeptanz verlor. Eine Gesandtschaft, die bei den protestantischen Reichsständen um ein Darlehen nachsuchen sollte, kehrte gegen Ende des Jahres 1608 mit leeren Händen zurück, und bis Februar 1610 mussten die Böhmen einsehen, dass sie ihre kostspielige Miliz am besten auflösten.80 Während in Mähren das gütige Wesen Karls von Žerotin weiterhin für einen Ausgleich zwi-

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schen Protestanten und Katholiken sorgte, redeten in den restlichen habsburgischen Ländern zu diesem Zeitpunkt beide Lager schon nicht mehr miteinander. Der radikalprotestantische Boykott der offiziellen Landtage ermöglichte es der katholischen Minderheit, die Kontrolle über die Ständeversammlungen zurückzuerlangen, wogegen sich ihre Gegner in sektiererischen Privatversammlungen trafen, denen jegliche Verfassungsgrundlage fehlte. Der Ausbruch des Türkenkrieges hatte 1593 zahlreiche Gefahren mit sich gebracht – aber auch günstige Gelegenheiten. Rudolf II. fand zu einem neuen Lebenssinn, während die deutschen Fürsten und die habsburgischen Stände sich geschlossen hinter ihn stellten und große Geldsummen für seinen glorreichen „Kreuzzug“ bewilligten, Militante und Extremisten aller Couleur jedoch ins Abseits gedrängt wurden. Das Unvermögen, im ungarischen „Burgenkrieg“ gegen die Osmanen bleibende Fortschritte zu erzielen, führte unter Rudolfs Verwandten und Untertanen allerdings zu wachsender Frustration. Die Situation wurde immer heikler, nachdem zuerst der innerösterreichische Erzherzog Ferdinand, später dann Matthias und Rudolf selbst in ihren jeweiligen Herrschaftsbereichen die radikale Gegenreformation zur Richtschnur aller Politik gemacht hatten. Das Wiedererstarken des Katholizismus war aufs Engste mit den gleichzeitigen Bemühungen um eine Festigung der habsburgischen Herrschaftsgewalt und Autorität verknüpft. Das war ein entscheidender Umschwung, denkt man an die Zeit vor 1576 zurück, als Ferdinand I. und Maximilian II. ihren ganzen Einfluss geltend machten, um eine Versöhnung der rivalisierenden Konfessionen herbeizuführen. Durch die Verquickung konfessioneller und dynastischer Interessen wurde die habsburgische (Religions-)Politik immer rigider und doktrinärer, bis es am Ende unmöglich geworden war, der einen Gruppierung in der einen Gegend Zugeständnisse zu machen, ohne damit die Position und das Ansehen des Herrscherhauses an anderem Ort und bei anderen Frommen zu untergraben. Diese Schwierigkeiten traten klar zutage, als Rudolf um 1600 begann, seine rigorose Rekatholisierungspolitik auf Oberungarn und Siebenbürgen auszuweiten. Angesichts des noch immer tobenden Türkenkrieges war dies der Gipfel der Torheit. Rudolfs unbedachtes Handeln provozierte den Bocskai-Aufstand, der wiederum Matthias zum Eingreifen zwang und zu dem in gleich mehrerlei Hinsicht unbefriedigenden Friedensschluss mit den Osmanen führte. Vor noch Schlimmerem bewahrte die Habsburger einzig und allein die Tatsache, dass der Sultan in den Jahren nach 1606 mit anderen Problemen zu kämpfen hatte; und doch taumelten die Habsburger nun vom Regen des Türkenkrieges in die Traufe ihres Bruderzwistes, der rasch als Bürgerkrieg außer Kontrolle geriet. In der riskanten Partie, die nun folgte, setzten die rivalisierenden Erzherzöge Rudolf und Matthias auch noch den letzten Rest ihres familiären Ansehens aufs Spiel – und

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verloren am Ende beide. Während Matthias sich zwar spätestens 1609 ansehnlicher Gewinne in Österreich, Mähren und Ungarn brüsten konnte, hatte er dafür doch den hohen Preis einer Stärkung der protestantischen Stände in den dortigen Landtagen gezahlt. Die Zugeständnisse, die Rudolf in seinen Majestätsbriefen den Böhmen und Schlesiern machte, sollten sich sogar als noch verhängnisvoller herausstellen. Tirol kam wohl einzig und allein deshalb unbeschadet davon, weil es dort seit 1595 keinen erblichen Erzherzog mehr gegeben hatte, und der zeitweilige „Ausstieg“ des Bruders Ferdinand aus der Familienfehde hielt auch Innerösterreich aus zumindest dieser Phase der Streitigkeiten heraus. Trotz alledem sollte diese Periode von 16 Jahren ununterbrochener Kriege, im Inneren wie im Äußeren, nicht spurlos an der Donaumonarchie vorbeigehen, ja die Habsburger im Gegenteil deutlich geschwächt zurücklassen. Den Nutzen trugen ihre reichen spanischen Vettern davon.

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5. Pax Hispanica Die spanische Monarchie

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ie Epoche von 1516 bis 1659 gilt als das Goldene Zeitalter Spaniens und überhaupt als Ära europäischer Vormacht auf der ganzen Welt. In internationaler Perspektive wird der Dreißigjährige Krieg so zu einem aus einer ganzen Reihe von Konflikten, die verschiedene europäische Mächte zur Abwehr eines – wie sie es sahen – spanischen Griffs nach der Weltherrschaft führten. Ganz gewiss war Spanien, war auch das spanische Überseereich dafür verantwortlich, dass die Auswirkungen des mitteleuropäischen Krieges in den Jahren nach 1618 auf der ganzen Welt zu spüren waren. Die Anwesenheit der Spanier auf dem europäischen Schauplatz prägte den gesamten Kriegsverlauf, selbst wenn, wie wir noch sehen werden, die spanischen Habsburger durchaus ihre eigenen Probleme hatten, die von denen der österreichischen Habsburger deutlich verschieden waren. In einer entscheidenden Hinsicht glichen sich jedoch die Probleme der beiden Familienzweige. Wie ihre österreichischen Vettern herrschten die spanischen Habsburger über ein riesiges Reich, das sich nur mit Mühe zusammenhalten und regieren ließ. Das Reich der Spanier war in der letzten Zeit noch beträchtlich gewachsen, nachdem Philipp II. 1580 die Portugiesen zu einer gesamtiberischen Kronunion gezwungen hatte, die Portugal – und damit auch dessen Kolonialreich – unter spanische Kontrolle brachte. Zwei Jahre zuvor war der junge portugiesische König Sebastian I. – Dom Sebastião o Desejado, „der Ersehnte“ – zusammen mit der ganzen Blüte des portugiesischen Adels in der verhängnisvollen Schlacht von Alcácer-Quibir (al-Qaṣr al-Kabīr) in Marokko gefallen, was das Ende des Hauses Avis bedeutete, das Portugal seit 1385 beherrscht hatte. Die Kronunion war eine Zwangsheirat, an deren Zustandekommen ein spanisches Invasionsheer maßgeblich beteiligt war. Dennoch lernten viele Portugiesen die Vereinigung ihres Königreiches mit dem spanischen bald zu schätzen, da sie ihnen den Zugang zu spanischen Handels- und Verdienstmöglichkeiten eröffnete. Portugal brachte zwar nur 1,1 Millionen neue Untertanen in die Union ein, konnte aber Gebietsansprüche in Brasilien, Afrika und Asien vorweisen. Die portugiesische Herrschaft über diese Besitzungen war allerdings denkbar schwach ausgeprägt: Um 1600 hielten sich in ganz Brasilien vielleicht gerade einmal 30 000 Europäer und 15 000 aus Afrika verschleppte Sklaven auf, denen immerhin 2,4 Millionen Ureinwohner gegenüberstanden, die sich über das un-

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ermessliche, größtenteils noch unerforschte Landesinnere verteilten. Ein paar Tausend Portugiesen waren in den Küstenfestungen von Angola und Mosambik stationiert, rund 10 000 weitere auf Posten in ganz Portugiesisch-Indien (Estado da Índia) verstreut; Letzteres umfasste die Besitzungen östlich des Kaps der Guten Hoffnung, die von Goa im Westen Indiens aus verwaltet wurden.81 Spanien hatte rund 8,75 Millionen Einwohner in Kastilien und den damit verbundenen Regionen Katalonien, Aragón, Valencia und dem Baskenland. Im Gegensatz zur Entwicklung im restlichen Europa kam das Bevölkerungswachstum Kastiliens um 1580 völlig zum Erliegen, was durch Missernten, Seuchen, Auswanderung in die Kolonien und – das vor allem – die doppelte Belastung von Krieg und hohen Steuern bedingt war. Bis 1631 waren nur noch 4 Millionen Kastilier übrig, rund eine Million weniger als 40 Jahre zuvor. Die spanischen Überseegebiete waren ebenfalls von Bevölkerungsschwund betroffen – doch in diesem Fall lag die Ursache in der europäischen Eroberung, die Krankheiten und brutale Ausbeutung über die indigene Bevölkerung brachte. In der Folge sank deren Zahl von über 34 Millionen zu Beginn der Kolonialzeit auf nur etwa 1,5 Millionen um 1620. Zu diesem Zeitpunkt lebten bereits 175 000 Kolonisten und rund noch einmal so viele afrikanische Sklaven und Mestizen verstreut über Mexiko, die Karibik, die West- und Nordküsten Südamerikas sowie in und um Manila auf den Philippinen.82 Diese statistischen Daten helfen, das spanische Überseereich in die rechte Relation zu den europäischen Machtbereichen der Spanier zu setzen, wo etwa in den südlichen Niederlanden 1,5 Millionen Untertanen lebten, im Herzogtum Mailand und dem Königreich Sizilien jeweils rund eine Million und im Königreich Neapel 3 Millionen. Die Bedeutung der spanischen Herrschaftsgebiete und Kolonien wurde durch die Stagnation der Wirtschaft im Mutterland noch vergrößert. Von der Wiederausfuhr lateinamerikanischen Silbers einmal abgesehen, bestand der hauptsächliche Beitrag Spaniens zum europäischen Binnenhandel in Rohstoffen und einigen Nahrungsmitteln. Das spanische Wirtschaftswachstum wurde durch ein System von Kartellen und Monopolen ausgebremst, durch das der Handel mit bestimmten Waren streng reglementiert wurde – eine Praxis, die sich auch auf die Kolonien erstreckte. Zugleich sorgte die Privilegierung des Hafens Sevilla seitens der spanischen Krone dafür, dass dieser auf lange Zeit das einzige Tor zur Neuen Welt blieb. Ernteausfälle und eine schwer drückende Steuerlast lösten Landflucht aus: Die Menschen zogen entweder in die Städte – oder gleich in die Kolonien. Das wiederum schwächte die Position der Überlebenden beziehungsweise Daheimgebliebenen, die sich umso schlechter gegen adlige und klerikale Übergriffe auf das verbliebene Gemeindeland zur Wehr setzen konnten. Private Investoren und Kaufleute waren auf die Silberlieferungen aus der Neuen Welt

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angewiesen, um den allgemeinen Konsum anzukurbeln, da Spanien allein nicht einmal seine Bevölkerung ernähren konnte und einen Großteil des Nahrungsbedarfs durch Importe aus anderen Ländern decken musste. Ihre Unfähigkeit, ausreichende Mengen gefragter Waren für den Export zu produzieren, schloss die Spanier vom Kolonialhandel, der proportional zum Wachstum der europäischen Kolonialbevölkerung in Nord- und Südamerika expandierte, in weiten Teilen aus. Stattdessen drängten niederländische und andere Kaufleute auf den Markt und sicherten sich um 1600 besondere Konzessionen, um die spanischen Atlantikhäfen nutzen zu dürfen. Fünfzig Jahre später lebten in Spanien 120 000 Ausländer, die meisten davon in Sevilla, wo sie ein Zehntel der Einwohnerschaft ausmachten. Silber: der Lebenssaft des Riesenreiches Obwohl die Kolonialwirtschaft sich mit der Zeit durchaus diversifizierte, blieb der Silberhandel das wirtschaftliche Hauptinteresse der Spanier. Zwischen 1540 und 1700 produzierte die Neue Welt 50 000 Tonnen Silber, wodurch sich der europäische Silberbestand binnen vergleichsweise kurzer Zeit verdoppelte. Der Export des wertvollen Metalls kam richtig ins Rollen, nachdem zuerst reichhaltige Vorkommen im bolivianischen Potosí (1545) sowie im mexikanischen Zacatecas (1548) entdeckt worden waren und die Einführung deutscher Abbaumethoden im Jahr 1555 – man benutzte nun Quecksilber, um das Edelmetall aus dem Erz zu lösen – die Effizienz des Silberbergbaus erhöht hatte. Zacatecas bezog sein Quecksilber aus Almadén in Spanien, aber in Potosí schnellte die Förderrate geradezu in die Höhe, nachdem in Huancavelia in Peru Quecksilberminen eröffnet worden waren.83 Der Bergbau von Potosí beruhte auf Zwangsarbeit nach dem System der mita, nach welchem die Ureinwohner genötigt wurden, alle sieben Jahre vier Monate lang in den Minen zu arbeiten. Die Todesraten waren immens; jeden Tag starben 40 Arbeiter an Krankheiten, giftigen Dämpfen und Überarbeitung. Die Arbeitseinsätze auf 6000 Metern Höhe dauerten jeweils sechs Tage am Stück. Immer mehr indigene Dorfgemeinschaften kauften sich von der Dienstpflicht frei, indem sie einen Tribut zur Anwerbung von Lohnarbeitern entrichteten, die um 1600 schon mehr als die Hälfte der Bergleute ausmachten. Aber das System wurde noch immer von einer korrupten einheimischen Elite kontrolliert, die auch nicht davor zurückschreckte, einen königlichen Berginspektor mit einer Tasse vergifteter Trinkschokolade zu ermorden. Das Silber wurde auf den Rücken Tausender Lamas und Maultiere von den Bergen hinunter nach Arica an der Pazifikküste transportiert, wo es abgeladen wurde und im Gegenzug Quecksilber sowie Vorräte für den Rücktransport aufgeladen wurden. Während die Karawane sich wieder die steilen Andenpfade hinaufquälte, wurde das kostbare

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Silber nach Panama im Norden verschifft, um dort über die Landenge transportiert zu werden, damit man es schließlich mit dem Schiff nach Sevilla bringen konnte. Versuche des spanischen Vizekönigs vor Ort, die entsetzlichen Arbeitsbedingungen in der Quecksilbermine von Huancavelia zu verbessern, trugen in Potosí ab 1591 zu verstärkten Produktionsschwankungen bei; ab 1605 ist ein stetiger Rückgang der Fördermenge zu verzeichnen. Der Spitzenwert von 7,7 Millionen Pesos im Jahr war 1592 erreicht gewesen; 1650 waren es nur noch 2,95 Millionen. Dieser Einbruch wurde jedoch durch Zacatecas ausgeglichen, wo die Fördermenge sich ab 1615 durch einen Zuwachs an Arbeitskräften deutlich erhöhte. Allerdings blieb die mexikanische Silberproduktion stets von spanischem Quecksilber abhängig, was sie anfällig machte, sobald der Seeweg nach Europa aus irgendeinem Grund versperrt war. Die Lebensader der spanischen Kolonien war ein 1564 eingeführtes Konvoisystem, das in den meisten Jahren zwei Flotten über den Atlantik führte. Die eine Flotte, galeones genannt, verließ Sevilla im August, segelte auf Kurs Südwest der afrikanischen Küste zu und passierte die Kanarischen Inseln, um den günstigen Passatwind auszunutzen, der sie – mit Kurs genau nach Westen – direkt zu den Islas de Sotavento, den karibischen „Inseln unter dem Winde“, brachte. Von dort steuerten sie in Richtung Südwesten entweder Cartagena im heutigen Kolumbien oder Portobello in Panama an. Insgesamt dauerte die Reise von umgerechnet 6880 Kilometern etwa acht Wochen. Im Normalfall wurde der Transport von einem Geschwader aus acht Kriegsschiffen begleitet, die rund 2000 Matrosen und Marinesoldaten mit sich führten; die größeren Handelsschiffe waren jedoch auch selbst bewaffnet. Nachdem sie das Silber aus Potosí abgeholt hatten, dazu Cochenille (einen wertvollen karmesinroten Farbstoff, der aus einer in Lateinamerika vorkommenden Schildlausart gewonnen wurde) und andere Kolonialerzeugnisse, überwinterte die Flotte in Havanna, bevor sie sich im Frühjahr auf den Rückweg nach Sevilla machte. Die andere Flotte, flota genannt, verließ im April oder Mai mit zwei Kriegsschiffen den Hafen von Cadiz. Bis zu den Inseln unter dem Winde verlief ihre Route wie jene der galeones; dann jedoch nahm die flota Kurs nach Nordwesten, um in Hispaniola, Kuba und dann Veracruz in Mexiko anzulegen, wo sie das Quecksilber aus Almadén ablieferte und das Silber aus Zacatecas an Bord nahm. Beide Flotten mussten auf ihrer Heimreise über Kuba auch den Bahama-Kanal passieren, wegen drohender Hurrikane und tückischer Riffe die gefährlichste Partie der gesamten Rückfahrt. Die galeones fuhren während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 29 Mal über den Atlantik und zurück, aber nur zweimal – 1628 und 1656 – fiel der Silberkonvoi feindlichen Angriffen zum Opfer. Um 1600 hatte der spanische Handel mit den beiden Amerikas ein Volumen von rund zehn Millionen Dukaten im Jahr

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erreicht; das war in etwa doppelt so viel, wie die Portugiesen im Handel mit ihren ostindischen Besitzungen erlösten. Auch die Portugiesen setzten ein Konvoisystem ein, cafila genannt, um ihren Anteil an dem überaus lukrativen Gewürzhandel zu sichern, dessen Routen über den Indischen Ozean und rund um Afrika verliefen. Außerdem bauten sie Stützpunkte bei Axim (Fort São Antonio) und Elmina (São Jorge da Mina) an der westafrikanischen Goldküste (im heutigen Ghana), um auch den Handel mit Gold und Sklaven unter ihre Kontrolle zu bringen. Weitere Forts errichteten sie an der Mündung des Kongo sowie 1617 bei dem südlich von Luanda an der Küste Angolas gelegenen Benguela. Die Kommunikationswege nach Portugal waren durch den Besitz der Kapverdischen Inseln und von São Tomé gesichert. Wie im Fall anderer Kolonialmächte auch hing das Wohl und Wehe der portugiesischen Expansion ganz von einem guten Verhältnis zu den einheimischen Machthabern ab. In Angola war das etwa der König von Ndongo östlich von Luanda. Den Zugriff auf das Landesinnere eröffneten ihnen die Imbangala, von den Portugiesen „Jaga“ genannt, die fern der Küste auf Sklavenjagd gingen, um ihre grausige Beute dann an den portugiesischen Handelsstationen einzutauschen. Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts importierten die Portugiesen mehr als 700 afrikanische Sklaven pro Jahr; 1535 begannen sie, diese auch nach Brasilien zu verschiffen. Ein Sklave kostete etwa 400 Pesos, was acht Monatslöhnen eines Indio-Arbeiters entsprach. Ab den 1570er-Jahren wurden Sklaven in großer Zahl nach Lateinamerika verschleppt, um dort Ersatz für die rapide schwindende einheimische Bevölkerung zu schaffen. Ihr Vordringen in das Innere des Kongos sowie nach Angola hinein ermöglichte es den Portugiesen, in den 1620er-Jahren 4000 Sklaven im Jahr zu verschiffen; zu diesem Zeitpunkt hatten afrikanische Arbeitskräfte auf den brasilianischen Zuckerplantagen bereits die letzten indigenen Zwangsarbeiter ersetzt. Bis zum Verbot des Sklavenhandels im Jahr 1850 sollten mindestens 3,65 Millionen Menschen auf diese Weise nach Brasilien verschleppt werden. Sklaven wurden unentbehrlich für die brasilianische Wirtschaft, die überhaupt erst mit dem Zuckerboom um 1600 zu florieren begann. Schon um 1628 wurden 300 Schiffe benötigt, um die jährliche Zuckerernte im Wert von 4 Millionen Cruzados nach Portugal zu transportieren. In der Folge verdreifachte sich die durchschnittliche Jahresproduktion bis 1650 auf 40 000 Tonnen, die neun Zehntel der brasilianischen Exporterlöse abwarfen. Bis zum Erstarken der karibischen Konkurrenz im Zuckerrohranbau zu Beginn des 18. Jahrhunderts blieb diese Situation im Wesentlichen unverändert. Die portugiesische Kolonie in Brasilien expandierte, ausgehend von ihrem Hauptstützpunkt Salvador da Bahia, entlang der Küste nach Norden, wo sich im Gebiet von Pernambuco etwa zwei Drittel des Zuckerrohranbaus konzentrierten.

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So eindrucksvoll diese kolonialen Expansionsbewegungen auch waren, blieb doch Spanien mitsamt seinen europäischen Herrschaftsbereichen das wahre finanzielle Fundament des Weltreiches. Trotz einer stagnierenden Wirtschaft und ineffizienter Verwaltungsstrukturen konnte das spanische Mutterland zwischen 1566 und 1654 stolze 218 Millionen Dukaten für den Krieg in Flandern aufbringen, während die Einkünfte aus dem lateinamerikanischen Silberabbau sich in derselben Zeit auf gerade einmal 121 Millionen beliefen.84 Um 1600 warfen direkte und indirekte Steuern, welche die kastilischen cortes (Ständeversammlungen) bewilligt hatten, 6,2 Millionen Dukaten im Jahr ab. Die wichtigste dieser Steuern war die 1590 eingeführte Verbrauchssteuer millones, die zwischen 1621 und 1639 ein Gesamtvolumen von 90 Millionen Dukaten erzielte – dreimal so viel, wie in derselben Zeit die transatlantischen Silberimporte einbrachten. Im Gegensatz dazu trugen Katalonien, Valencia und Aragón so gut wie nichts zum Staatshaushalt bei, weil ihre regionalen Ständeversammlungen sich weigerten, regelmäßige Steuerzahlungen an die Krone zu bewilligen. Die Kirche zahlte drei verschiedene Steuern, die als die drei päpstlichen Gnaden (Tres Gracias) bekannt waren und sich jährlich auf etwa 1,6 Millionen Dukaten beliefen. Die spanischen Niederlande steuerten 3,6 Millionen bei, das Herzogtum Mailand rund 2 Millionen und das Königreich Neapel 4 Millionen; allerdings wurden diese Summen in den meisten Fällen durch die Kosten der Landesverteidigung am Ort gleich wieder aufgezehrt. Im Gegensatz zu den genannten Summen spülte der Silberhandel an der Schwelle zum 17. Jahrhundert gerade einmal 2 Millionen Dukaten pro Jahr in die spanische Staatskasse, da der König lediglich den Überschuss aus den Finanztöpfen der einzelnen Kolonien erhielt, zuzüglich eines gewissen Anteils an den (wesentlich größeren) privaten Warenlieferungen, die in Sevilla eintrafen. Der Realwert des aus der Neuen Welt importierten Silbers stellte die Kreditversorgung auf den spanischen Märkten sicher, denn die Geldverleiher glaubten fest, dass die Krone ihre rasch anwachsenden Schulden eines Tages mit zukünftigen Silberlieferungen würde bezahlen können. Die Kreditgeber erhielten sogenannte consignaciones, das waren Anrechte auf bestimmte künftige Einnahmen, oder juros, das waren festverzinsliche Staatsanleihen. Letztere entwickelten sich zu einer Art fundierter Schuld, weil sie durch genuesische Bankiers, die bis 1670 die meisten externen Kreditangelegenheiten der spanischen Könige managten, langfristig auf dem internationalen Finanzmarkt platziert wurden. Das Grundmuster war bereits Mitte des 16. Jahrhunderts fest etabliert: Nur ein Bruchteil der laufenden Ausgaben konnte durch die ordentlichen Einnahmen gedeckt werden, ein wesentlich größerer Anteil stammte aus der Aufnahme von Schulden, wobei die Erträge aus dem Silberimport als Sicherheit für die

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Kredite eingesetzt wurden. Das politische Kalkül verdrängte das ökonomische in dem Maße, in dem das Finanzwesen ganz vom öffentlichen Vertrauen auf die zukünftige Bonität der Krone abhängig wurde – und die Schulden der Krone waren enorm. Sobald dieses öffentliche Vertrauen erschüttert wurde (was durchaus vorkam), war Bankrott die Folge – so geschehen 1559, als die Staatsschulden sich auf 25 Millionen Dukaten beliefen, oder beim Tod Philipps II. im Jahr 1598, als sie auf 85 Millionen Dukaten (das Zehnfache der durchschnittlichen jährlichen Staatseinnahmen) angewachsen waren. Die dringende Notwendigkeit, ihre Bonität aufrechtzuerhalten, zwang die spanische Krone zu einer Reihe von Notlösungen, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Sowohl auf der Iberischen Halbinsel als auch in den Kolonien konnte man sich Ämter und Würden ganz einfach kaufen. Das betraf zwar vor allem die Aufnahme in den untitulierten Adel, aber zwischen 1625 und 1668 wurden auch 169 neue Adelstitel geschaffen, was die spanische Aristokratie binnen Kurzem auf das Doppelte ihrer vorherigen Größe anschwellen ließ. Königliche Anrechte in 3600 kastilischen Städten und Dörfern wurden verpfändet, während so gut wie überall im Herrschaftsbereich der spanischen Habsburger weite Teile des Zollwesens privatisiert wurden. Abgesehen von der so dringend benötigten Liquidität brachten diese Behelfsmaßnahmen die Herausbildung einer neuen Elite mit sich, die ein ganz persönliches Interesse mit dem transatlantischen Silberhandel verband – schließlich waren die meisten von denen, die nun Adelstitel und Privilegien erwarben, mit Silber reich geworden. Infolgedessen wurde es immer schwieriger, Veränderungen an dem bestehenden Handelssystem vorzunehmen, ohne dabei zugleich die wichtigsten Geldgeber der Krone zu verprellen. Außerdem schmälerten die Behelfslösungen das langfristige Einkommen, zum Beispiel dadurch, dass sie den Anteil des steuerbefreiten Adels an der kastilischen Bevölkerung auf zehn Prozent anwachsen ließen. Die spanischen Könige hatten ein Monster in die Welt gesetzt, das in Afrika wie in Lateinamerika Tausende unschuldiger Leben verschlang, ihre europäischen Untertanen über Gebühr belastete – und dem letztlich auch sie selbst nicht entkommen konnten. Wie verteidigt man ein Weltreich? All diese Wirtschaftsbemühungen dienten letzten Endes zur Aufrechterhaltung des spanischen Imperialismus. Die Militärausgaben stiegen von 7 Millionen Dukaten im Jahr 1574 auf 9 Millionen Dukaten zu Beginn der 1590er-Jahre an. Zwischen 1596 und 1600 wandten die Spanier 3 Millionen Dukaten im Jahr allein zum Unterhalt ihrer Flandernarmee auf; insgesamt verschlang der Krieg in den Niederlanden zwischen dem Tod Philipps II. 1598 und dem Waffenstillstand von 1609 satte 40 Millionen Dukaten. Im Jahr 1600 zählten die auf der ganzen Welt verteilten spanischen Truppen

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rund 100 000 Mann, davon allein 60 000 in der Flandernarmee, der größten aktiven Streitmacht Europas. Während der letzten beiden Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts stieg Spanien zudem zur weltweit führenden Seemacht auf. Spanische Schiffe spielten eine entscheidende Rolle beim Sieg der Heiligen Liga über die Osmanen in der Seeschlacht von Lepanto 1571. Nachdem die osmanische Mittelmeerflotte vor Lepanto zerschlagen worden war, konnten die Spanier ihre ständige Präsenz im Mittelmeer auf etwa 20 Galeeren zurückfahren, die durch kleinere Geschwader mit Heimathäfen in Sizilien, Neapel und Genua verstärkt wurden. Nachdem der gescheiterte Invasionsversuch der Spanischen Armada in England 1588 das Fehlen moderner Kriegsschiffe offenbart hatte, flossen zusätzliche Ressourcen in den Aufbau einer neuen Hochseeflotte, der Armada del Mar Océano. Die neue Millones-Steuer ermöglichte die Kiellegung von Schiffen mit einer Gesamttonnage von 56 000 Tonnen, wovon die meisten zwischen 1588 und 1609 in La Coruña an der spanischen Nordküste gebaut wurden; schon 1600 stand eine Flotte von 60 großen Kriegsschiffen bereit.85 Diese wurde in drei ungefähr gleich große Geschwader aufgeteilt, deren eines von Lissabon aus auf dem Atlantik patrouillierte, als zusätzlicher Schutz für die beiden wertvollen Silberkonvois. Ein zweites Geschwader schützte die Straße von Gibraltar und sicherte so die Zufahrt zum Mittelmeer, während das dritte in La Coruña stationiert war und von dort aus gegen Frankreich und die protestantischen Seemächte eingesetzt werden konnte. Ein kleines Pazifikgeschwader von sechs Schiffen wurde 1580 aufgestellt, um die Silbertransporte zwischen Arica und Panama zu schützen. Bemühungen um ein ähnliches Geschwader in der Karibik zerschlugen sich, da die hierfür vorgesehenen Schiffe immer wieder zu Geleitschutzaufgaben in den Atlantik abkommandiert wurden. Der rapide Ausbau der spanischen Marine ließ deren Personalbedarf bis 1590 auf 27 000 Mann anwachsen – zu einer Zeit, in der auch die spanische Landarmee händeringend Rekruten suchte und das Bevölkerungswachstum in Kastilien stagnierte. Der frühere Strom von Freiwilligen drohte zu versiegen, was das traditionelle Rekrutierungssystem infrage stellte: Bisher hatte man einzelne Offiziere per Kommission beauftragt, sich ihre Einheiten selbst zu rekrutieren. Nun modifizierte die Krone ihr Vorgehen, indem sie zwar die Lenkung von Armee und Kriegsmarine in der eigenen Hand behielt, bei zentralen Aspekten der Rekrutierung, Logistik und Rüstungsbeschaffung jedoch Outsourcing betrieb. Philipp II. engagierte den ortsansässigen Adel und die Magistrate zur Rekrutierung von Soldaten und bemühte sich außerdem um eine Reaktivierung der zwischenzeitlich aufgelösten Milizen, um im Hinterland entlegenerer Provinzen wie Katalonien, der iberischen Levante, Andalusien oder Galicien ein gewisses Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Unterdessen wurde ab 1598 nach und nach

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das staatliche Monopol in der Rüstungsproduktion aufgeweicht, das immerhin seit 1562 bestanden hatte. Bis 1632 waren – mit Ausnahme der Pulvermühle von Cartagena – alle Rüstungsbetriebe in private Hände übergegangen.86 Die Privatisierung bedeutete nicht unbedingt eine Schwächung. Zum Beispiel waren private Werften um 1630 in der Lage, ein Kriegsschiff für 31 Dukaten pro Tonne zu bauen und damit vier Dukaten günstiger, als es die königlichen Werften konnten. Auf ein ganzes Schiff gerechnet, bedeutete das eine Ersparnis von 2000 Dukaten. Allerdings waren derartige Effekte offenbar eher günstiger Zufall als das Ergebnis wirtschaftspolitischer Planung. Die spanische Krone sah sich schlicht zum Handeln gezwungen, weil sie ihre wachsenden Schulden nicht mehr in den Griff bekam. Von den spanischen Staatseinkünften des Jahres 1598 konnte die Krone nur über 5,1 Millionen Dukaten direkt verfügen, weil die restlichen 4,1 Millionen bereits durch Zahlungsverpflichtungen an Gläubiger gebunden waren oder benötigt wurden, um fällige Staatsanleihen (juros) zu bedienen. In den Folgejahren wurde ein immer größerer Anteil des Steueraufkommens ausgegeben, bevor es überhaupt eingenommen war, was den „freien“ Budgetanteil bis 1618 auf gerade einmal 1,6 Millionen Dukaten zusammenschrumpfen ließ. Zugleich stiegen die Jahresausgaben auf 12 Millionen Dukaten an. Dem standen Gesamteinnahmen gegenüber, die beim Tod Philipps II. noch 12,9 Millionen Dukaten betragen hatten, bis 1621 aber auf 10 Millionen oder weniger abfielen. Philipp III. brach mit einer langen Tradition spanischer Solidität in der Währungspolitik, indem er im Jahr nach seiner Thronbesteigung 1598 minderwertigeres Geld schlagen ließ. Obwohl der König 1608 im Austausch gegen höhere Steuerbewilligungen zusagte, die vellón genannten Münzen, die aus einer Kupfer-Silber-Legierung bestanden, nicht mehr auszugeben, tat er es 1617 und 1621 erneut, wodurch „gute“ Münzen aus dem Verkehr gedrängt wurden: Die Leute wollten sie lieber nicht mehr hergeben. Auf lange Sicht machte die Krone so ein Verlustgeschäft, denn die Spanier zahlten ihre Steuern in vellón, während die Soldaten als Bezahlung nur gutes Silber akzeptierten. Die fundierten Schulden aus juros stiegen im Verlauf der Regierungszeit Philipps III. von 92 auf 112 Millionen Dukaten an, was jährliche Zinsschulden von 5,6 Millionen oder der Hälfte der ordentlichen Einnahmen bedeutete. All diese Probleme ließen viele Spanier zu der Ansicht gelangen, dass – in den Worten des greisen Grafen von Gondomar – „das Schiff nun sank“ („se va todo a fondo“), und spätere Historiker haben diese latente Untergangsstimmung in ihren Darstellungen aufgegriffen. Wer in den 1590er-Jahren so etwas sagte oder schrieb, der bezog sich auf die antike Vorstellung eines gewissermaßen natürlichen Lebenszyklus der Staaten, in dem Aufstieg, Reife und schließlich der Nie-

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dergang aufeinander folgten. In Spanien fürchteten nun viele, ihrem Land stehe der Eintritt in die letzte Phase dieses Zyklus unmittelbar bevor. Zwar war man sich einig, dass grundsätzlich nur Gott den besagten Prozess umkehren könne; in der Frage jedoch, ob und wie weit menschliches Eingreifen imstande sei, ihn zu verlangsamen, gingen die Meinungen weit auseinander. Der königlichen Regierung fehlte es gewiss nicht an Ideen, denn beinah täglich gingen neue Vorschläge aus der Bevölkerung ein, wie man mögliche Schwächen vermeiden und bestehende Mängel beheben könne.87 Allen lag die reputación der spanischen Krone am Herzen, nicht zuletzt, weil der gute Ruf – nicht zu Unrecht – als Grundlage der spanischen Kreditwürdigkeit angesehen wurde. Weniger besorgt zeigte man sich mit Blick auf die noch fundamentaleren Probleme von Bevölkerungsschwund, wirtschaftlichem Verfall, Agrarkrise und Handelsflaute, die erst in der späteren historischen Forschung in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind. Während jedoch im geschichtswissenschaftlichen Denkmodell eines „spanischen Niedergangs“ der politische Einflussverlust schnell zur notwendigen Folge wirtschaftlicher Rückschläge erklärt wird, waren die spanischen Zeitgenossen des frühen 17. Jahrhunderts nicht über Gebühr pessimistisch. Sie erkannten zwar, dass die regelmäßige Zahlungsunfähigkeit ihres Königs zu solchen „Demütigungen“ wie dem 1609 geschlossenen Waffenstillstand mit den Niederländern führte; aber einen plötzlich bevorstehenden Zusammenbruch ihre Staates scheinen sie nicht erwartet zu haben. Spanien war noch immer ein vergleichsweise reiches Land, in dem es sich sehr gut leben ließ – zumindest galt das für die wenigen Glücklichen an der Spitze der spanischen Gesellschaft: Die 115 Granden des Königreiches verfügten zusammen über ein Jahreseinkommen von fünf Millionen Dukaten, was der Hälfte des Staatshaushalts entsprach. Auch besaß Spanien noch immer zahlreiche erfahrene Soldaten, Seeleute, Beamte und Diplomaten mit weitreichenden Kontakten in ganz Europa. Es blieb stark im Verhältnis zu seinem Hauptrivalen Frankreich, das bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts von schweren Krisen erschüttert wurde. Aber vor allem hatte Spanien bis 1621 offenkundig genug politischen und militärischen Schwung aufgenommen, dass sein „Weltreichskoloss“ sich sogar noch voranschob, als der Tank schon seit zwei Jahrzehnten leer war. Die Sorge um die reputación bedeutet, dass jede Analyse der spanischen Weltmacht bei deren Monarchie ansetzen muss. Das spanische Majestätskonzept betonte die erhabene Natur eines Königtums, dessen Monarch von Gott eigens erwählt worden war, um zu herrschen, in der Verantwortlichkeit für sein eigenes Schicksal und das seiner Untertanen. Die Stände, Ratsversammlungen und anderen Instanzen, die in älteren Vorstellungen einer monarchia mixta noch eine so große Rolle gespielt hatten, waren zwar nicht verschwunden – aber sie unter-

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standen nun klar der Autorität des Königs, der wichtige Entscheidungen allein treffen sollte.88 Wie so oft hinkte die Praxis der Theorie weit hinterher. Philipp II. hatte versucht, seine Berater zur Zusammenarbeit zu zwingen, indem er absichtlich keinem einzelnen von ihnen besondere Gunst erwies, doch das drängte die persönlichen Rivalitäten lediglich in den Untergrund. Die Situation wurde dadurch noch verschärft, dass der König sich jegliche verfassungsmäßige Prüfung seines Handelns strikt verbat und etablierte Kontrollinstanzen einfach umging, indem er zur Erledigung bestimmter Aufgaben Ad-hoc-Komitees (juntas) einsetzte. Das konnte durchaus zu einem Gewinn an Flexibilität führen, schuf jedoch in der Regel nur weitere bürokratische Verkrustungen – Chaos und Kompetenzstreit waren die Folge. Hauptsächliches Diskussionsforum für alle Fragen der Politik war der Staatsrat (Consejo de Estado). Aus ihm ging eine große Zahl spezialisierter juntas hervor, von denen sich viele zu einer Art ständigem Ausschuss verfestigten. So gab es juntas für Verteidigungsfragen, Finanzen, den „Kreuzzug“ (der Gegenreformation) sowie für die verschiedenen Teile der Monarchie: einen Indienrat (Consejo de Indias, für West- und Ostindien) und entsprechende Räte für Portugal, Kastilien, Aragón, die italienischen Besitzungen und Flandern. Die Existenz etwa eines Flandernrates deutet bereits darauf hin, wie sehr das spanische Weltreich Stückwerk blieb, ein bunt zusammengesetzter Flickenteppich, in dem einzelne Vizekönige oder Gouverneure in den Niederlanden, dem Herzogtum Mailand, den Königreichen Neapel, Sizilien und Sardinien oder auch den Kolonien die Macht in Händen hielten. Um dem Nationalstolz der Portugiesen Genüge zu tun, gab es auch in Lissabon weiterhin eine Lokalregierung. Die Gouverneure, denen Beratergremien aus örtlichen Notabeln gegenüberstanden, waren in der Tat gut beraten, in Ausübung ihrer Pflicht die provinzeigenen Interessen und die Anweisungen aus Madrid gleichermaßen zu berücksichtigen, insbesondere da ihr eigenes Salär wie das ihrer Berater und Soldaten ganz vom örtlichen Steueraufkommen abhing. Wenig überraschend kam der Verteidigung ihres Weltreichs in der Gesamtstrategie der Spanier die überragende Rolle zu.89 Die schiere Ausdehnung des spanischen Herrschaftsbereichs bedeutete eine Vielzahl potenzieller Feinde, während die Ausbreitung der protestantischen „Ketzerei“ das Gespenst innerer Unruhen heraufbeschwor – ein Gespenst, das nach dem Ausbruch des Niederländischen Aufstands schreckliche Wirklichkeit gewann. Auch der Aufwand zur Verteidigung des Handelsmonopols mit West- und Ostindien stieg nach dem Erwerb Portugals merklich an, denn nun bedurften die vormals portugiesischen Kolonien ebenfalls des spanischen Schutzes. Was den Spaniern allerdings ihr charakteristisches Sendungsbewusstsein verlieh, war das Gefühl, sie seien zur Verteidigung des Katholizismus berufen, ein Gefühl, das schon bald untrennbar

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mit dem spanischen Nationalbewusstsein verschmolzen war. Den Abschluss der Reconquista hatte 1492 die Zerschlagung des Emirats von Granada markiert, des letzten muslimischen Territoriums auf der Iberischen Halbinsel. Die spanischen Monarchen Isabella I. und Ferdinand II. durften sich dafür mit dem vom Papst verliehenen Titel einer „Allerkatholischsten Majestät“ schmücken. Durch ihre Eroberungen in Übersee fanden die Spanier sich unversehens in der Rolle von Missionaren wieder, die die Neue Welt christianisierten und „zivilisierten“. Der Seekrieg gegen die Osmanen auf dem Mittelmeer erhielt derweil das alte Kreuzzugsideal lebendig, das jedoch mit dem Kampf gegen die Häresie in ganz Europa eine neue Ausweitung erfuhr. Die Mission zur Rettung des Katholizismus umfasste schließlich sogar die Eingliederung Roms selbst in das „informelle Imperium“ der Spanier, sprich: in jenen Einflussbereich, in dem sie zwar nicht nominell herrschten, aber doch hinter den Kulissen die Fäden zogen.90 Alles begann 1492 mit der Wahl des Borgia-Papstes Alexander VI., der zwei Jahre darauf im Vertrag von Tordesillas die Neue Welt zwischen Spanien und Portugal aufteilte. Diese Zweiteilung entwickelte sich zu einer regelrechten Symbiose der beiden Kolonialmächte, aus der Spanier wie Portugiesen ihren Vorteil zogen – wenngleich Spanien stets der dominante Partner blieb. In einer Zeit, in der andere Monarchen sich von Rom abwandten, blieb der spanische katholisch: Ferdinand respektierte den Papst. Die päpstliche Lehnsherrschaft über das Königreich Neapel erkannte Spanien formal an, indem die Spanier dem Heiligen Stuhl einen jährlichen Tribut von 7000 Dukaten und einem prächtigen Schimmel zollten; auch Einkünfte aus vakanten Bistümern im ganzen spanischen Machtbereich leitete man anstandslos an die Apostolische Kammer, die Staatskasse des Papstes, weiter. Rom war in wachsendem Maße auf Getreideimporte aus Sizilien und anderen spanischen Territorien angewiesen, und die Mildtätigkeit der Spanier finanzierte Armenkassen, Hospitäler und Kirchen auch in Rom selbst. Die spanische Gemeinde in Rom wuchs im späten 16. Jahrhundert auf ein Viertel der gesamten Einwohnerschaft an und gewann bald großen Einfluss im politischen und gesellschaftlichen Leben der Ewigen Stadt. Der spanische Botschafter beim Heiligen Stuhl veranlasste, dass die jährliche Übergabe des Tributpferdes aus Neapel ab 1560 im Rahmen der Feierlichkeiten zum Hochfest der Heiligen Peter und Paul stattfand, was Spanien symbolisch im Herzen der päpstlichen Politik verankerte. Zahlungen von bis zu 70 000 Dukaten im Jahr sorgten dafür, dass der spanische Botschafter im Kardinalskollegium immer auf offene Ohren traf und, wenn nötig, mit einem Abstimmungsergebnis nach dem Interesse seines Königs rechnen durfte. Obwohl die starke spanische Präsenz in Rom bei der Bevölkerung, gelinde gesagt, nicht auf Gegenliebe stieß, wussten die Päpste die Vorteile zu schät-

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zen, die ihnen daraus erwuchsen. Unter Spaniens Schutz und Schirm konnten sie die eigenen Verteidigungsausgaben drastisch reduzieren: von über der Hälfte des päpstlichen Jahresbudgets auf weniger als ein Fünftel. Solange ein steter Geldstrom von Spanien nach Rom floss, floss sogar noch mehr Geld geradewegs in die spanischen Schatzkammern, und das mit ausdrücklichem Einverständnis des Papstes: Die „Drei Gnaden“ und andere Kirchensteuern brachten der spanischen Krone um 1621 satte 3,68 Millionen Dukaten im Jahr ein, was einem Drittel der ordentlichen Jahreseinnahmen entsprach. Die engen Verbindungen zur römischen Universalkirche bekräftigten das globale Sendungsbewusstsein der spanischen Könige, das sich nicht hinter dem Herrschaftsanspruch der römisch-deutschen Kaiser zu verstecken brauchte. Obgleich der Kaisertitel Karls V. auf seinen Bruder in Österreich, nicht seinen Sohn Philipp in Spanien übergegangen war, schärfte dieses Vermächtnis doch das spanische Empfinden für (Welt-)Macht und Größe, und bis ins 17. Jahrhundert hinein wehte über spanischen Schiffen und Armeen die Fahne mit dem doppelköpfigen Reichsadler. Während der österreichische Familienzweig der Habsburger auch weiterhin den römisch-deutschen Kaiser stellte, verfolgten zeitgenössische spanische Autoren die Wurzeln ihrer eigenen Monarchie bis weit in vorrömische Zeiten zurück: Ein Sohn Noahs sei der erste König von Spanien gewesen.91 Den Kritikern erschien das spanische Machtstreben als ein Gespenst, das nicht nur in Europa umging und die Religion dabei als Deckmäntelchen zur Errichtung einer Universalmonarchie missbrauchte. Die Feinde Spaniens wussten so gut wie nichts von den zahlreichen Problemen, die das Land im Inneren plagten, und glaubten vielmehr, die Reichtümer der Neuen Welt würden den Spaniern bald eine Aufrüstung ermöglichen, vor der ihre eigenen Heere in einem großen Krieg zugrunde gehen müssten. Dies empfand man besonders stark in Frankreich, wo viele sich umzingelt fühlten: von Spanien im Süden, dem spanisch beherrschten Herzogtum Mailand und der Freigrafschaft Burgund (der Franche-Comté) im Osten, Luxemburg und Flandern im Norden, während die Spanische Armada im Westen den Atlantik abriegelte. In den Augen des protestantischen Europa symbolisierte die Fahrt der Armada gegen England 1588 die doppelte Bedrohung durch Willkürherrschaft und religiöse Verfolgung, und dieses Bild eines aggressiven Spanien hat in der späteren Geschichtsschreibung deutliche Spuren hinterlassen. Spanien und das Reich Tatsächlich intervenierten die Spanier erst dann in anderen Ländern, wenn ihnen ihre Kerninteressen bedroht schienen, und in der Regel tendierte die Konsensmeinung im Staatsrat eher zu Vorsicht und Zurückhaltung. Das wird auch deutlich, wenn man sich die spanische Haltung dem

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Heiligen Römischen Reich gegenüber einmal genauer ansieht, die sich ganz entscheidend auf das Engagement der Spanier im Dreißigjährigen Krieg auswirken sollte.92 Philipp II. hatte die Jahre 1548–51 in Deutschland verbracht und kannte viele Fürsten des Reiches persönlich, ebenso Rudolf von Habsburg und seine Brüder Ernst und Albrecht, die er bei deren Aufenthalten in Spanien kennengelernt hatte. Diese persönlichen Kontakte bildeten auch in der Zeit nach der Spaltung des Hauses Habsburg 1558, als Spanier und Österreicher je eigene Interessen entwickelten, eine solide Grundlage für die spanische Diplomatie. Selbst Philipps stark ausgeprägter Katholizismus konnte eine gute Zusammenarbeit mit konservativ-lutherischen Fürsten wie etwa Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel oder dem sächsischen Kurfürsten August nicht verhindern. Zum Herzog von Bayern und anderen führenden Katholiken des Reiches unterhielt Philipp gleichfalls gute und produktive Beziehungen. Der spanische König hatte allerdings kein Interesse daran, im Reich eine permanente Präsenz aufzubauen. Eher versuchte er – wie schon im Fall des Heiligen Stuhls –, seine Beziehungen spielen zu lassen, um ein möglichst reibungsloses „Durchregieren“ der mit ihm verbündeten Fürsten zu ermöglichen, etwa indem er durch Geldzahlungen oder andere Geschenke die öffentliche Meinung am Ort zu deren Gunsten beeinflussen ließ. Insbesondere konzentrierte er sich darauf, im Reich eine pro-spanische Partei unter der Führung Bayerns und Kurkölns zu etablieren, die mobilisiert werden konnte, um kaiserliche Initiativen zu blockieren, wenn diese den spanischen Interessen zuwiderliefen. Auch bei der Platzierung oder Anwerbung von Fürsprechern an Rudolfs Prager Hof hatte Philipp einigen Erfolg. Der böhmische Oberstkanzler Fürst Lobkowitz war mit Hurtado de Mendoza verschwägert, dem vormaligen spanischen Botschafter am Kaiserhof, während der Kardinal Franz Seraph von Dietrichstein nicht nur in Spanien geboren, sondern auch mit der einflussreichen katalanischen Adelsfamilie Cardona verwandt war. Wie wir gesehen haben (in Kapitel 3), waren solche Verbindungen von höchstem Nutzen, als es darum ging, von 1598 an Rudolf zu einer Unterstützung der militanten Katholiken in Böhmen und Ungarn zu bewegen. Die Protestanten argwöhnten damals, eine finstere Intrige unter spanischpäpstlicher Federführung sei im Gang, aber die meisten derer, die damals als Angehörige der „spanischen Partei“ gebrandmarkt wurden, wollten in Wirklichkeit nur die Machtposition Österreichs stärken und kooperierten mit Madrid daher auch nur so weit, wie es ihren eigenen Interessen entsprach. Als der Kaiserhof nach Rudolfs Tod 1612 wieder von Prag nach Wien zog, nahm auch der spanische Einfluss ab. Der neue spanische Botschafter Zúñiga knüpfte zwar Beziehungen zu dem steirischen Erzherzog Ferdinand, doch die innerösterreichische Linie der Habsburger blieb München enger verbunden als Madrid. So-

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wohl Ferdinands Mutter als auch seine erste Frau waren bayerische Prinzessinnen gewesen, während in kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht das nahe gelegene Italien einen stärkeren Einfluss auf den Grazer Hof ausübte, als Spanien es gekonnt hätte. Dies änderte sich auch nicht, als 1619 der Kaisertitel auf die innerösterreichischen Habsburger überging, und obwohl die spanische Ehefrau Ferdinands III. ein gewisses Interesse an der iberischen Kultur wach werden ließ, blieb Italien das ganze 17. Jahrhundert hindurch in Wien tonangebend.93 Dazu passte, dass auch die österreichische Präsenz in Spanien immer weiter abnahm. Noch Maximilian II. hatte gleich drei seiner Söhne nach Madrid geschickt, damit sie dort eine spanische Erziehung genössen; und ausgerechnet Albrecht, der als Einziger zu Hause geblieben war, wurde im Urteil seiner Zeitgenossen „mehr Spanier als Österreicher“. Weder Rudolf noch Matthias hatten Kinder, die sie ihrerseits nach Spanien hätten schicken können, und beiden war die spanische Einflussnahme im Reich ein Dorn im Auge. Die Österreicher unterhielten zwar eine Vertretung in Madrid, aber im Gegensatz zu ihrer Gesandtschaft bei der Hohen Pforte in Konstantinopel war jene nicht ständig besetzt. Margarete von Österreich, eine Schwester Ferdinands von Steiermark, heiratete 1599 Philipp III. von Spanien. Durch acht Schwangerschaften hindurch wusste sie sich die Aufmerksamkeit ihres Gatten zu sichern, aber nach ihrem frühen Tod 1611 reduzierte sich die österreichische Präsenz in Spanien auf eine weitere Habsburgerin namens Margarete, genannt „Margarete vom Kreuz“, die jüngste Tochter Maximilians II. und damit jüngste Schwester Matthias’ von Habsburg, die als Nonne im Kloster Descalzas Reales in Madrid lebte und den Kindern der ersten Margarete zur Ersatzmutter wurde. Ironischerweise nahm das spanische Interesse am Heiligen Römischen Reich ab, weil Philipp II. glaubte, Rudolf sei ein verlässlicher Katholik, der seine Sache besser machen werde als sein Vater Maximilian II. vor ihm. Bayern und Steiermark schienen ebenso zuverlässige Verbündete, während ein 1587 mit den katholischen Schweizer Kantonen geschlossenes Abkommen die strategische Bedeutung Tirols reduzierte, da den Spaniern nun eine Alternativroute über die Alpen zur Verfügung stand; eine mögliche Bedrohung der Kommunikationswege zwischen den verschiedenen spanischen Einflussbereichen gab immer Anlass zur Sorge. In den Ratschlägen, die für Philipp III. zu seiner Thronbesteigung 1598 vorbereitet worden waren, nahm Deutschland nur eine marginale Rolle ein und wurde außerdem auf eine Weise dargestellt, die den Analysen späterer Historiker radikal widerspricht. Die protestantischen Reichsfürsten, hieß es etwa in dem Dokument, seien viel zu uneins, um gefährlich zu werden, während die Österreicher unfähig seien, auf eigene Faust zu handeln. Sie mochten zwar den Kaisertitel führen, seien aber

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inzwischen doch zu „Juniorpartnern“ innerhalb der Casa de Austria geworden. Vorausgesetzt, der spanische König lasse sie in Frieden, würden die Deutschen keinen Ärger machen. Nationale Vorurteile verstärkten die spanische Tendenz, sich lieber nicht in die inneren Angelegenheiten des Reiches einzumischen. Die Berichte der spanischen Botschafter zeichneten das Bild eines Landes, das im moralischen Verfall begriffen war. Die katholischen Fürsten des Reiches, hieß es, liebäugelten bereits mit der Heterodoxie und hätten es überdies versäumt, ihren vollen Anteil der Kosten des Türkenkrieges zu bezahlen. Die Deutschen überhaupt seien rückständig und bäurisch, könnten nichts, als fettes Essen in sich hineinzustopfen und Bier gleich fassweise zu saufen; die lichten Höhen der kastilischen Zivilisation würden sie niemals erreichen. Aber sie lebten ja auch in einem verregneten Land voller düsterer Wälder, schlammiger Straßen und völlig überteuerter, dabei aber ungastlicher Wirtshäuser. Anders als sein Vater besaß Philipp III. keinerlei persönliche Kenntnis des Heiligen Römischen Reiches, und entsprechend noch weniger Raum nahm das Reich im politischen Kalkül des Sohnes ein. Man hat den jungen Monarchen den faulsten Herrscher, den Spanien jemals hatte, genannt, worin wohl der Stoßseufzer Philipps II. nachklingt: „Gott, der mir so viele Königreiche gegeben hat, hat mir keinen Sohn gegeben, der fähig wäre, sie zu regieren.“94 Nach anfänglichem Interesse, das jedoch nur von kurzer Dauer war, legte Philipp die Regierungsverantwortung – so die vorherrschende Meinung – in die Hände seines Favoriten, des Grafen (und späteren Herzogs) von Lerma, und zog sich in eine Privatwelt aus Selbstverherrlichung und Narzissmus zurück. Dies führte in den Worten eines neueren Historikers dazu, dass „in Madrid überhaupt niemand regierte; ein ganzes Weltreich lief auf Autopilot“.95 Eine solche Kritik ist nicht nur ungerecht, sie unterstellt auch einen Unterschied – den es so aber nicht gegeben hat – zwischen einem angeblich tatkräftigen und durchsetzungsstarken Spanien unter Philipp II. und einem verfallenden Königreich mit dessen Sohn an der Spitze. Dabei nahm Philipp III., seit er 15 war, fast täglich an den Sitzungen des Staatsrats teil und zeichnete für seinen immer kränklicheren Vater schon seit 1597 wichtige Dokumente. Von seinem Vater geerbt hatte er dessen ausgeprägtes Majestätsgefühl und wollte deshalb bei allen Entscheidungen von Gewicht das letzte Wort behalten. Der wahre Unterschied zwischen Vater und Sohn lag jedoch in der realistischeren Herangehensweise Philipps III., als es darum ging, diesen absolutistischen Anspruch auch in die Tat umzusetzen. Als König konzentrierte er sich ganz auf die symbolische Repräsentation von Macht, indem er die ohnehin schon strengen Vorstellungen seines Vaters von Unnahbarkeit, Erhabenheit und Stolz eines Monarchen noch einmal steigerte – und zwar dadurch, dass er den leibhaften König einfach aus der Regierungsgleichung strich. Alle tagespoliti-

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schen Aufgaben wurden dem Herzog von Lerma übertragen, der sich nun mit den verschiedenen Ministern und juntas auseinanderzusetzen hatte. Lerma war auf einem klassischen Weg an die Macht gelangt, indem er sich dem Gefolge des Thronerben angeschlossen und dann alles darauf angelegt hatte, sich unverzichtbar zu machen. Seine Karriere veranschaulicht all die typischen Schwachstellen eines Favoriten am Königshof, mithin eines Mannes, der viele Klienten, aber kaum Freunde hat. Lerma betonte seine eigene Größe, um sich von seinen Rivalen abzusetzen und die angeblich einzigartige Befähigung hervorzustreichen, die ihn zur rechten Hand Philipps III. hatte werden lassen. Das war jedoch ein schmaler Grat, denn sein arrogantes Auftreten ließ Lermas Feinde schnell behaupten, dieser wolle wohl dem König selbst den Rang ablaufen. Sein Einfluss wurde bereits zwischen 1606 und 1608 geschwächt, als sukzessive seine wichtigsten Verbündeten starben, sich aufs Altenteil zurückzogen oder arretiert wurden wie der Graf von Villalonga, der als Sündenbock für den Staatsbankrott von 1607 herhalten musste. Sogar der Dominikanermönch Luis de Aliaga, der Lermas Beichtvater gewesen war, wandte sich gegen ihn, als er 1608 Beichtvater des Königs wurde. Die Kritik wurde stärker, als Lerma 1609 den Zwölfjährigen Waffenstillstand mit den Niederländern schloss, wodurch auf absehbare Zeit alle Versuche, deren Aufstand niederzuschlagen, eingestellt waren.

Der Aufstand der Niederlande (1568–1609) Der Aufstand in den Niederlanden wurde im späteren 16. Jahrhundert zum vordringlichen Problem der spanischen Krone und bestimmte deren Politik auch noch in der ersten Hälfte des folgenden Jahrhunderts. Der Aufstand gab vor, wie die Spanier mit Problemen an anderem Ort umgingen, da diese oft nicht mit voller Kraft angegangen werden konnten, solange die niederländische Angelegenheit nicht erledigt war. Zwar löste der Niederländische Aufstand den Dreißigjährigen Krieg nicht aus; aber er verschärfte die Spannungen in der internationalen Politik, und Militante aller Lager – vor allem in Mitteleuropa – waren schnell bei der Hand, Parallelen zwischen ihren eigenen Kämpfen und dem Kampf der Niederländer zu ziehen. Man muss einfach die politische, strategische, religiöse und wirtschaftliche Situation in den Niederlanden verstehen, um nachvollziehen zu können, wie die Spanier nach 1618 auf die Schwierigkeiten ihrer österreichischen Vettern reagierten. Zuerst stießen Bestrebungen, von Madrid aus eine striktere Kontrolle über die niederländischen Provinzen zu etablieren, im protestantischen Adel der Region – und namentlich beim Haus Oranien – auf Widerwillen. Die Oranier wa-

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ren einerseits Landesherren des gleichnamigen Fürstentums Oranien (Orange) in Südfrankreich, andererseits aber mit den Grafen von Nassau verwandt, die im mittelrheinischen Raum und dessen Hinterland ansässig waren. Die Abneigung vertiefte sich, als die Spanier auch nach ihrem Friedensschluss mit Frankreich 1559 auf der Zahlung der zu Kriegszeiten deutlich erhöhten Steuern bestanden. Die Überzeugung Philipps II., man müsse der protestantischen Häresie entschlossener und härter entgegentreten, tat ein Übriges und brachte ein konfessionelles Element in den Konflikt ein, der sich ab 1566 rasch vom Volkskrawall zum – allerdings schlecht organisierten – Aufstand ausweitete. Im April 1567 goss Philipp einiges an Öl ins Feuer, indem er den Herzog von Alba mit 10 000 Soldaten auf der später so genannten Spanischen Straße nach Norden schickte. Alba besetzte Antwerpen und andere wichtige Städte, ließ neue Festungen bauen, um deren Bewohner einzuschüchtern, und richtete ein Tribunal ein, das Häresie und Hochverrat ein für alle Mal ausrotten sollte. Obwohl die Zahl der Hinrichtungen wohl hinter den in der protestantischen Propaganda gemeldeten 100 000 zurückblieb, war der Terror doch schrecklich genug, um bis 1572 rund 60 000 Glaubens- und andere Flüchtlinge nach Nordwestdeutschland und England strömen zu lassen.96 Die spanischen Repressalien ließen den Aufstand ab 1571 erneut aufflammen. Im April 1572 eröffnete Alba eine große Gegenoffensive auf Flandern und die anderen südlichen Provinzen, um die Aufständischen im Norden von ihren hugenottischen Verbündeten in Frankreich abzuschneiden. Die Überlebenden zogen sich nach Holland und Seeland zurück. Diese Provinzen stellten eine Art natürlichen Rückzugsraum dar, da sie von der Nordsee, Flüssen und tief liegendem Küstenland umgeben sind, das bei Bedarf geflutet werden konnte. Ihre dezentrale politische Struktur spielte den Aufständischen in die Hände, da jede Provinz ihre eigene Ständeversammlung hatte, die hier „Staaten“ hieß und sich aus Vertretern der landsässigen Ritterschaft und der städtischen Führungsschicht der Regenten zusammensetzte.97 Der Aufstand breitete sich von Stadt zu Stadt aus und brachte seinen Anführern schließlich eine Mehrheit in den Staaten von Holland ein, die den Fürsten Wilhelm von Oranien, später auch „der Schweiger“ genannt, zum stadholder wählten, einer Art Landeshauptmann mit militärischer Befehlsgewalt. Nachdem Ähnliches auch in den anderen nördlichen Provinzen geschehen war, kontrollierten die Aufständischen auch dort bald alle Schlüsselpositionen und konnten Parteigängern der Spanier den Zugang zu hohen Ämtern verwehren. Der Niederländische Aufstand erschütterte die reputación der Spanier bis ins Mark und zwang die königliche Regierung, erneut den Bankrott zu erklären, was 1576 den Gewaltausbruch der „Spanischen Furie“ entfesselte, als Söldner,

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denen man ihre Bezahlung vorenthalten hatte, in einer mehrtägigen Gewaltorgie die reiche Stadt Antwerpen plünderten, zu großen Teilen niederbrannten und unter den Einwohnern ein Blutbad anrichteten.98 Die grausamen Ausschreitungen brachten das militärische Vorgehen der Spanier zum Erliegen und schienen die im protestantischen Europa kursierende „Schwarze Legende“ zu bestätigen, die Spanien als brutal und tyrannisch, als regelrechtes Reich des Bösen darstellte. Im Februar 1577 mussten die Spanier in einen Waffenstillstand einwilligen und zogen sich nach Luxemburg und Flandern zurück, um sich neu zu formieren. Nach Abzug der spanischen Truppen konnten die Aufständischen das von ihnen kontrollierte Rückzugsgebiet um die Provinz Utrecht und den nordwestlichen Teil des Herzogtums Geldern erweitern. Nach Osten schützte sie nun der Flusslauf der Ijssel mit dem wichtigen Übergang bei Zutphen, nach Süden hin Rhein und Maas, gen Westen die Inseln vor Zeeland, die nun ebenfalls unter ihre Kontrolle kamen. Den südöstlichen Zugang zum Territorium der Aufständischen blockierten das neutrale Fürstbistum Lüttich und die karge Kempener Heide; die Einnahme Antwerpens sicherte zudem das Mündungsdelta der Schelde und den Zugang aus Richtung Südwesten. Allein der Weg aus Deutschland im Osten blieb ein Schwachpunkt – und diesen versperrte nun der Kaiser, der sich vergeblich um eine friedliche Beilegung des Konflikts bemühte. Nachdem alle sieben nördlichen Provinzen der Niederlande unter ihre Kontrolle gebracht waren, schlossen sich die Aufständischen im Januar 1579 zur Union von Utrecht zusammen, die 1581 eine Abschwörungsakte verabschiedete, um den Herrschaftsanspruch Philipps II. zurückzuweisen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit. Obwohl keine der beiden Seiten es damals schon begriffen haben dürfte, bedeuteten diese Schritte in der Summe doch nicht weniger als eine Teilung der Niederlande: Die Spanier waren außerstande, deren nördliche Hälfte zurückzuerobern; den Aufständischen war es nicht gelungen, auch die fünf südlichen Provinzen zu befreien. Der Konflikt dauerte aber an, weil der spanische König sich weigerte, den Verlust der verlorenen Provinzen offiziell anzuerkennen, während die Niederländer einen klaren Sieg anstrebten, der ihre unsichere Stellung auf dem internationalen Parkett verbessern sollte. Beide Seiten begannen nun mit der Ausbildung der notwendigen Institutionen, um das fortzuführen, was sich als weitere sieben Jahrzehnte voller Gewalt erweisen sollte. Der Sieg über die osmanische Flotte vor Lepanto sowie die Probleme des Sultans mit den Persern reduzierten die Türkengefahr im Mittelmeerraum, was den Spaniern ermöglichte, umfassende Ressourcen nach Norden umzuleiten, während gleichzeitig die Silberimporte aus der Neuen Welt weiter anzogen. Alessandro Farnese, der Herzog von Parma, wurde zum Statthalter der spanischen Niederlande und

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Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen ernannt. Als taktvoller Diplomat und geschickter Stratege eine echte Doppelbegabung, avancierte Parma zum Vordenker jener „flämischen Schule“ der Kriegführung, die das spanische Militärwesen entscheidend prägen sollte. Die „flämische Schule“ im Kriegswesen Diese „flämische Schule“ – andere gab es bekanntlich in der Musik und der Malerei – stand für eine umsichtige, methodische Herangehensweise an die Kriegführung. Parma eröffnete eine jede Kampagne, indem er seine Reiterei in sämtliche Richtungen ausschwärmen ließ, um den Feind zu verwirren. Unterdessen zog er mit der Hauptmacht seines Heeres umher und eliminierte, Stadt für Stadt, die Hochburgen der Aufständischen. Vor allem hatte er es auf jene Stützpunkte abgesehen, die an einem der zahlreichen Kanäle oder Flüsse des Landes gelegen waren und damit lebenswichtige Knotenpunkte zum Transport von Truppen und Material bildeten. Die Niederländer hatten ihre Städte mit konzentrisch angeordneten Befestigungsanlagen nach italienischem Vorbild umgeben, die den Feind auf Distanz halten und ihm den Beschuss der eigentlichen Stadt unmöglich machen sollten. Da sie sich mit dem Bau und Unterhalt ihrer Deiche auskannten – also auch wussten, wie man diese effizient durchstach –, konnten sie im Handumdrehen wahlweise entweder die gesamte Umgebung fluten oder auch nur die Gräben rund um ihre Befestigungen, deren Schussfeld durch die üblichen Vorwerke erweitert wurde. Wer eine solche Festung erobern wollte, benötigte dazu nicht wenige Soldaten. Die Belagerer mussten Gräben ausheben, die parallel zu den Befestigungsanlagen verliefen, um sich gegen das Feuer der eingeschlossenen Verteidiger zu schützen. Wenn sie dann ihre eigene Artillerie in (geschützte) Stellungen gebracht hatten, damit diese ihnen Feuerschutz geben konnte, begann ein mühsamer Prozess, in dessen Verlauf zunächst ein Stichgraben auf den ausgewählten Angriffspunkt vorgetrieben wurde. Wenn dann eine zweite oder sogar dritte, immer näher an die feindlichen Befestigungen herangeschobene „Parallele“ ausgehoben war, brachte man die Belagerungsgeschütze weiter nach vorn, bis sie geradewegs auf die eigentliche Stadtmauer feuern und eine Bresche hineinschlagen konnten. Ein tatkräftiger Garnisonskommandant hatte zu diesem Zeitpunkt freilich längst Ausfälle organisiert, insbesondere bei Nacht, um die Belagerer ihrerseits zu bedrängen, ihre Gräben zu zerstören und ihre Kanonen zu „vernageln“, also die Zündlöcher mit Nägeln oder Bolzen so zu verstopfen, dass die ganze Kanone – zumindest fürs Erste – unbrauchbar war. Außerdem mussten die Belagerer nicht selten einen zusätzlichen äußeren Verteidigungsring aus Gräben und Schanzen anlegen, um sich gegen den möglichen Angriff eines Entsatzheeres zu schützen.

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Da diese Vorgehensweise langwierig und auch für die Belagerer nicht ungefährlich war, wurde es mit der Zeit üblich, die belagerte Garnison in regelmäßigen Abständen zur Aufgabe aufzufordern. Manchmal sagten die Eingeschlossenen auch zu, dass sie sich ergeben würden, wenn nicht innerhalb einer festgelegten Zeitspanne ein Entsatzheer einträfe. Je früher die Soldaten einer Garnison die Waffen streckten, desto besser standen ihre Chancen, mit kriegerischen Ehren ausmarschieren zu dürfen: in Begleitung ihrer Familien, mit ihrem Hab und Gut und ihren Fahnen, vielleicht auch ein oder zwei Kanonen, um sich auf dem schnellsten Weg in die nächstgelegene verbündete Stadt zu begeben. Wer sich erst spät ergab, kam oft in Kriegsgefangenschaft – allerdings bedeutete das nur für Offiziere tatsächlich die Internierung, denn keine Macht Europas konnte es sich leisten, gemeine Soldaten in Gefangenschaft durchzufüttern. In der Regel wurde das breite Fußvolk schlicht zum Dienst im Heer der Sieger gezwungen – was die Gefangenen auch akzeptierten, wenn ihnen ihr Leben lieb war. Ihre letzte Gelegenheit zur Kapitulation war gekommen, sobald der Feind eine Bresche in die innere Stadtmauer geschlagen hatte. Wenn sie nun weiterkämpften, stand ihnen und ihrer Stadt ein Sturmangriff bevor, dem Plünderung und Massaker folgten, sofern den Angreifern der Durchbruch gelang.99 Die Entschlossenheit der Spanier, den Widerstand der aufständischen Niederländer zu brechen, führte – sobald Parma die fünf loyal gebliebenen Provinzen überredet hatte, ab 1582 wieder spanische Truppen ins Land zu lassen – zur Aushebung des größten Heeres im Europa jener Zeit. Schon im Oktober jenes Jahres zählte die Flandernarmee Philipps II. insgesamt über 61 000 Mann, während in Italien 15 000 und in Spanien selbst und den sonstigen Besitzungen der spanischen Krone mehr als 20 000 weitere Soldaten dienten.100 In Flandern standen jedoch nur rund 2000 Kavalleristen, während andernorts mehr als ein Viertel der spanischen Truppe beritten war. Man hat diese Schwächung des traditionellen „Donnerarms“ der frühneuzeitlichen Feldtaktik als einen Rückschritt bewertet, der nun die Spanier dazu zwang, einen Zermürbungskrieg zu führen, anstatt in offener Feldschlacht die Entscheidung zu suchen. Und doch war die Strategie des Herzogs von Parma gut geeignet, unter den gegebenen Umständen zum Sieg zu führen – die zahlenmäßig unterlegenen Niederländer vermieden nach 1579 nämlich gerade die offene Schlacht. Außerdem blieb die spanische Taktik selbst mit reduzierter Reiterei noch hinreichend flexibel, zumal der Belagerungskrieg und der Dienst auf Vorposten wertvolle Erfahrungen für das Operieren in Kleinverbänden brachten. Nur ein kleiner Bruchteil der riesigen spanischen Flandernarmee bestand tatsächlich aus Spaniern. Die Kastilier galten als Elitetruppe, es folgten die Italiener, dann die Soldaten aus der Franche-Comté und aus Luxemburg sowie katholi-

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sche Iren. Die Wallonen im spanischen Heer galten als unzuverlässig, wenn sie in ihrer südniederländischen Heimat eingesetzt wurden, aber als gute Kämpfer in Deutschland und anderswo; sie stellten den Großteil der Kavallerie in der Flandernarmee. In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts hatten die Spanier gern deutsche Landsknechte angeworben, nun aber standen diese weniger hoch im Kurs; wo Deutsche in der Flandernarmee Dienst taten, begegneten ihnen ihre Kommandeure oft mit Geringschätzung. Viele, die im später Dreißigjährigen Krieg eine bedeutende Rolle spielten, hatten jedoch zuvor in der Flandernarmee gedient. Der Bedeutendste unter ihnen war zweifellos Johann t’Serclaes, Graf von Tilly, dessen frühe Jahre die schwierige Beziehung zwischen Spanien und den Niederlanden beispielhaft veranschaulichen. Tillys Vater hatte beim Ausbruch des Aufstandes eine gewisse Rolle gespielt und musste das Land verlassen, um Albas Tribunalen zu entgehen. Der junge Tilly wurde in die Obhut der Jesuiten gegeben – möglicherweise als Geisel für das künftige Wohlverhalten seines Vaters. Johann trat 1576 in spanische Dienste, zwei Jahre nachdem die Besitzungen seines Vaters zurückgegeben worden waren, und diente in Flandern sowie bei den Kampagnen um Köln und Straßburg herum, bevor er 1594 in kaiserliche Dienste trat.101 Andere bedeutende Feldherren des Dreißigjährigen Krieges, die aus den südlichen Niederlanden stammten, waren Graf Johann Jakob von Brockhorst zu Anholt (genannt „Graf Anholt“), der Tillys Untergebener wurde, und Karl (Charles) Bonaventura von Longueval, Graf von Bucquoy, der sich in der Schlacht von Nieuwpoort und der Belagerung von Ostende einen Namen gemacht hatte, bevor er 1618–21 den Posten des kaiserlichen Oberbefehlshabers einnahm. Sein Nachfolger, der Italiener Girolamo Carafa, hatte ab 1587 in der Flandernarmee gedient, bevor er 1607 zur spanischen Truppe in seinem Heimatland versetzt wurde. Der spanische Einfluss beschränkte sich jedoch nicht auf das katholische Deutschland und Europa: Auch protestantische Fürsten traten in die Flandernarmee ein. Georg von Braunschweig etwa, der künftige Herzog von Calenberg, entschloss sich 1604, für den letzten Schliff seiner militärischen Ausbildung die Seiten zu wechseln und, nachdem er zunächst für die Sache der Aufständischen gekämpft hatte, den Rest des Krieges im spanischen Lager zu verbringen. Obschon das Offizierskorps weiterhin vom Adel dominiert wurde, wurde es doch zugleich immer professioneller, und Männer von Talent konnten durchaus vom einfachen Soldaten zum Feldherrn aufsteigen. Johann Aldringen, der Sohn eines luxemburgischen Stadtschreibers, trat 1606 in die Flandernarmee ein und wurde, inzwischen geadelt, nach Tillys Tod 1632 kaiserlich-bayerischer Oberbefehlshaber. Johann Beck, geboren als Sohn eines einfachen Botengängers, begann seine Laufbahn im Alter von 13 Jahren als gemeiner Soldat in der Flan-

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dernarmee, trat 1634 im Generalsrang in kaiserliche Dienste über und kehrte sechs Jahre darauf wieder in die Flandernarmee zurück. Jan Werth, ein Bauernsohn aus Kurköln, trat ebenfalls um 1610 als einfacher Soldat in spanische Dienste und nahm seinen Abschied als Kommandeur der kaiserlichen Reiterei. Das militärische Renommee des Herzogs von Parma sowie das Prestige seiner Methoden zogen begabte junge Soldaten von überallher an, die in seiner Armee ihre kriegerische Ausbildung vollenden wollten. So etwa Graf Heinrich von Schlick (oder Schlik), der 1604 als Offizier zur Flandernarmee kam, nachdem er zuvor gegen die Türken im Feld gestanden hatte. Solche Männer trugen später dazu bei, das militärische Know-how der Spanier im ganzen römisch-deutschen Reich zu verbreiten, wo es vor dem Hintergrund deutscher Traditionen sowie der Erfahrungen aus dem Langen Türkenkrieg weiterentwickelt wurde. Die Republik der Vereinigten Niederlande Der Erfolg seiner Strategie in den Jahren nach 1579 gab Parma recht: Maastricht, Tournai, Oudenaarde, Brügge, Gent sowie endlich, nach langer Belagerung, im August 1585 auch Antwerpen fielen wieder in spanische Hand. Diese Rückeroberungen sicherten den Spaniern die südlichen Provinzen und animierten die immer noch calvinistische Landbevölkerung im Norden, sich nun ihrerseits gegen die (ebenfalls calvinistische) Führungsriege der Aufständischen zu empören, was dazu führte, dass drei weitere Provinzen kurzzeitig wieder an die Spanier gingen. Diese Entwicklungen, die zeitlich obendrein mit der Ermordung des Statthalters Wilhelm von Oranien (des „Schweigers“) zusammenfielen, bewogen die Niederländer dazu, die Herrschaft über die nördlichen Provinzen der englischen Königin Elisabeth I. anzutragen. Diese schreckte zwar davor zurück, von Rebellen irgendetwas anzunehmen, war aber durch den spanischen Vormarsch hinreichend beunruhigt, sodass England zur ersten Großmacht wurde, die sich mit den niederländischen Freiheitskämpfern verbündete. Im Jahr 1585 wurde ein kleines Expeditionsheer unter dem Kommando des Earl of Leicester entsandt, den auch die Niederländer als ihren politischen und militärischen Anführer annahmen. Es war keine sonderlich glückliche Konstellation. Die englischen Truppen, auch sie lange ohne Sold, konnten (oder wollten) die Niederländer nicht verteidigen, während Leicester selbst mit militanten Calvinisten konspirierte, um noch größere Macht an sich zu reißen. Das Scheitern seines versuchten Staatsstreichs 1587 ließ die Niederländer – unter dem Einfluss des moderaten Juristen und Wortführers der Staaten von Holland, Johan van Oldenbarnevelt – noch entschiedener in Richtung einer rein republikanischen Regierungsform rücken. Angesichts des konfessionellen Radikalismus bevorzugte Oldenbarnevelt eine breite Koalition zum Kampf gegen die Spanier und sicherte sich die Unterstüt-

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zung des Hauses Oranien, indem er die Provinzen Holland und Zeeland dazu überredete, den 17-jährigen Sohn des ermordeten Wilhelm von Oranien, Moritz, zu ihrem neuen Statthalter zu wählen. Dieser geniale Zug begründete eine feste Allianz zwischen Holland, das in der Regel eher moderat gesinnt war, und dem Haus Oranien, auf das sich zuvor meist die Hoffnungen militanter Kräfte gerichtet hatten. Langsam bildete sich ein Republikanismus genuin niederländischer Prägung heraus, wozu die Schriften des politischen Philosophen Hugo Grotius maßgeblich beitrugen. Die republikanischen Ideale beruhten vor allem auf dem Mythos der „batavischen Freiheit“ (Batavia war der Name, den die Römer den Niederlanden gegeben hatten) und verband die ins Utopische gewendete Vision eines biblischen Judäa mit dem Bild des klassischen Athen zu der Überzeugung, dass Freiheit, Stabilität, Tugend und Wohlstand am besten gesichert seien, wenn ein Rat finanziell unabhängiger, gebildeter Männer die Regierung übernähme, denen durch ihren Reichtum die Muße gegeben war, sich voll und ganz dem Gemeinwohl zu widmen.102 Diese Ideale fanden 1588 ihren praktischen Ausdruck in einem formellen Bündnis der abtrünnigen Provinzen, das die Autonomie einer jeden wahrte, gewisse Befugnisse aber an eine Versammlung von „Generalstaaten“ delegierte, in der jede Provinz eine Stimme haben sollte. Die Generalstaaten traten ab 1593 täglich in Den Haag zusammen, blieben jedoch ein reines Diskussionsforum, da alle wichtigen Entscheidungen von den sieben Provinzstaaten gesondert ratifiziert werden mussten. Ein Gegengewicht hierzu bildete das Amt des Statthalters Moritz von Oranien, dessen Einfluss eher auf gesellschaftlichem Prestige beruhte denn auf formaler Autorität und durch seine Verbindungen zum europäischen Hochadel und seine persönliche Hofhaltung unterstrichen wurde. Von der Finanz- und Militärverwaltung abgesehen, blieben die zentralen Institutionen der jungen Republik auf das Nötigste beschränkt; das meiste wurde dezentral, in den Provinzen und Gemeinden, entschieden. Das machte zwar jeden Entscheidungsprozess zu einer schwerfälligen Angelegenheit, funktionierte aber dennoch, weil es der Republik gelang, ihre lokalen Glieder in einen gemeinsamen Rahmen einzubinden. Nachdem sie die Einmischung Philipps II. in ihre Angelegenheiten deutlich zurückgewiesen hatten, brauchten die lokalen Oligarchen schlicht und einfach die Republik, um eine Rückkehr der Spanier an die Macht zu verhindern. Das phänomenale Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum Hollands war es, das den frisch geschlüpften Staat während seines langen Unabhängigkeitskampfes am Leben hielt. Die Bevölkerung der nördlichen Provinzen verdoppelte sich zwischen 1520 und 1650; schon 1600 hatte sie die Zahl von 1,5 Millionen erreicht, die zwischen 1572 und 1621 durch den Zustrom zusätzlicher 150 000

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Flüchtlinge aus dem Süden weiter anschwoll.103 Holland mit seinen 760 000 Einwohnern im Jahr 1650 war die weitaus größte der Provinzen; Friesland (160 000 Einwohner) folgte mit großem Abstand. Drenthe, die kleinste, hatte nur 22 000. Holland war außerdem die am stärksten städtisch geprägte Provinz. Allein in Amsterdam lebten 175 000 Menschen; auf 22 weitere Städte verteilten sich noch einmal 365 000. Die dreifache Bündelung von Menschen, Geld und Talent befeuerte das Wirtschaftswachstum und brachte den Niederländern bis 1590 den Spitzenplatz im Welthandel ein. Diese Vorrangstellung beruhte hauptsächlich auf der Seefahrt, wobei gleichermaßen an den Schiffbau und den Warentransport aus Europa und der ganzen Welt zu denken ist. Die Zeitgenossen faszinierte ganz besonders der Handel mit den Kolonien, aber die Hauptaktivitäten der niederländischen Schifffahrt spielten sich nach wie vor in Nord- und Ostsee ab. Die Fischereiflotte der Niederländer im Jahr 1634 umfasste 2250 Boote, während zugleich weitere 1750 Schiffe im Ostsee- und Mittelmeerhandel eingesetzt waren, gegenüber gerade einmal 300 im Handelsverkehr mit den Kolonien. Die Schiffe im europäischen Handel konnten bis zu vier Fahrten im Jahr unternehmen; eine einzige Reise nach West- oder Ostindien nahm dagegen zwei Jahre in Anspruch. Ein großer Teil des Handels mit den Kolonien stand in engem Zusammenhang mit der europäischen Wirtschaft. So fuhren beispielsweise 800 Schiffe zwischen 1599 und 1605 in die Karibik, um dort Salz aus Venezuela an Bord zu nehmen, das in Europa zur Haltbarmachung von Fisch aus der Nordsee benötigt wurde. Natürlich war insbesondere der Gewürzhandel hochprofitabel: Die 2710 Tonnen Gewürze, die um die Wende zum 17. Jahrhundert in den Häfen der Niederlande jährlich gelöscht wurden, waren 137 Tonnen Silber wert, während die 125 000 Tonnen Ostseegetreide, die im selben Zeitraum pro Jahr importiert wurden, gerade einmal 88 Tonnen Silber kosteten.104 Die Vormachtstellung der Niederländer im Seetransport ließ ihre Republik zu dem Umschlagplatz schlechthin für europäische wie Kolonialwaren werden und kurbelte die Nachfrage auch nach ihren eigenen Produkten an, darunter Stoffe, Salzfisch und andere Lebensmittelerzeugnisse. Der ständige Warenstrom, der durch ihre Häfen lief, brachte den niederländischen Kaufleuten einen Löwenanteil des europäischen Handelsvolumens ein – denn wen fragte man, wenn man ein bestimmtes Produkt bei sich zu Hause nicht bekam? Die Niederländer. Indem sie so nach allen Seiten Engpässe behoben, zogen die niederländischen Handelshäuser Investitionen und Kredite an sich, was Amsterdam die Nachfolge der traditionellen Finanzzentren Antwerpen und Genua antreten ließ. Die Amsterdamer Wechselbank, gegründet 1609, wuchs und gedieh – im Gegensatz zu vielen anderweitigen Gründungsversuchen dieser Art –, weil sie auf die beträchtlichen Ressourcen privater Investoren und umliegender Gemeinden zu-

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rückgreifen konnte. Aus ihrer günstigen Position heraus konnten die Niederländer zudem billigere und langfristige Kredite aufnehmen, was den von ihrer Regierung gezahlten Zins zwischen 1600 und 1640 von zehn Prozent auf die Hälfte drückte.105 Dadurch gewann das niederländische Finanzsystem eine Stabilität, von der seine Konkurrenten nur träumen konnten. Jedes Jahr bewilligten die Generalstaaten einen Zentralhaushalt für die nächsten zwölf Monate, dessen Volumen nach einem festen Schlüssel auf die einzelnen Provinzen umgelegt wurde. Eine zentrale Staatskasse gab es nicht; stattdessen wurden einer jeden Provinz bestimmte Ausgabenposten zugeteilt, die sie dann aus ihren eigenen Steuereinnahmen begleichen musste. An diesem Punkt machte sich der große Einfluss Hollands bemerkbar, denn es trug allein 60 Prozent der Staatsausgaben, während die verbliebenen Provinzen den Rest unter sich aufteilten – Overijssel beispielsweise zahlte für gerade einmal vier Prozent des Gesamthaushalts. Trotz des wirtschaftlichen Wachstums und der damit verbundenen Einnahmesteigerungen blieb die Finanzlast jedoch sehr hoch, und die Niederländer zahlten im Kampf um ihre politische Freiheit zweifellos sehr viel höhere Steuern, als sie dies unter der Knute ihrer früheren spanischen Herren getan hatten. Die Händler des Todes Zum Kapital kamen Kanonen, denn die niederländische Wirtschaft stellte neben Finanzdienstleistungen auch wertvolle Rüstungsgüter zur Verfügung: Die Niederlande waren das Zentrum der europäischen Waffenproduktion. Weil sie auch weiterhin über die südlichen Provinzen herrschten, stand den Spaniern die Geschützgießerei von Mecheln zur Verfügung, dazu die Herstellungsstätten für Handfeuerwaffen in Maastricht sowie die Harnisch- und Büchsenmacherwerkstätten von Namur. Bedeutendstes Zentrum der Waffenproduktion im Süden war jedoch das Fürstbistum Lüttich; hier wurde die ganze Palette an Kriegsausstattung hergestellt, vor allem Schusswaffen, Rüstungen und Blankwaffen. All diese Erzeugnisse verkauften die Lütticher an beide Konfliktparteien – zur Wahrung ihrer Neutralität, versteht sich. Auch die nächstgelegenen Reichsstädte, Aachen und Essen, produzierten Schusswaffen, und überhaupt war die ganze Region eine Hauptquelle von Rüstungsgütern für das restliche Europa, wo der Ausstoß an Waffen begrenzt war. Die später berühmte Waffenmanufaktur von Steyr in Oberösterreich wurde erst 1639 gegründet und hatte dann eine Kapazität von nur rund 3000 Musketen im Jahr. Das Zentrum der Schusswaffenproduktion in Deutschland war das thüringische Suhl, dessen 4000 Einwohner zwischen 1620 und 1655 mindestens 70 000 Musketen und 13 000 Pistolen produzierten, zumeist für die kaiserlichen Truppen. Die traditionelle Metallverarbeitung in Solingen und Nürnberg blieb zwar eine Größe in der Blankwaffenherstellung, aber alles in allem lief die Produktion in

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den nördlichen Niederlanden ihrer mitteleuropäischen Konkurrenz den Rang ab. Amsterdam stellte leichte Waffen, Kanonen, Schießpulver und Rüstungen her, während andere Produktionsorte sich stärker spezialisiert hatten: Aus Delft und Dordrecht kamen leichte Waffen, Gouda lieferte Lunten, Utrecht Harnische und Granaten, während in Den Haag Geschütze gegossen wurden. Allerdings waren es erst ihre weit gespannten Handelsnetzwerke, die den niederländischen Waffenhändlern eine überragende Stellung verschafften. Sie bezogen Salpeter aus Asien und dem Ostseeraum, Schwefel aus Sizilien und von der Insel Elba sowie Roh- und Einzelteile, die dann in der Republik zu fertigen Waffen zusammengebaut wurden. Die Kombination von hoher Bevölkerungsdichte, Waffenproduktion und kurzen Kommunikationswegen machten die südlichen wie die nördlichen Niederlande für all diejenigen so attraktiv, die sich für den Kriegsfall wappnen wollten. Sowohl die spanische Obrigkeit in Brüssel als auch die niederländische in Den Haag stellten zuweilen überzählige Waffen aus ihren Magazinen zur Verfügung, damit die einheimischen Waffenhändler auch bei Engpässen ihre Lieferzusagen an befreundete Mächte einhalten konnten. Die niederländischen Rüstungserzeugnisse waren derart gefragt, dass die Händler niemals Rabatte gaben; aber die niederländische Regierung veräußerte manchmal zu günstigen Preisen Teilbestände aus ihren Arsenalen an Verbündete. Der Zugang der Niederländer zu Krediten und allerlei Warenlagern erlaubte es ihnen, für die Interessenten regelrechte Angebotspakete zu schnüren. So lieferten sie 1622 der Armee des Herzogs Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel vollständige Sätze aus Waffen, Harnischen, Gürteln, Pulver, Lunten, Kugeln, Spitzhacken und Schaufeln. Konstant hohe Staatsausgaben sowie die Nachfrage durch die beiden Indienkompanien trugen den Händlern zusätzlich satte Gewinne ein. Die Niederländische Ostindienkompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC) beispielsweise gab regelmäßig rund 1,5 Millionen Gulden im Jahr aus, was eine stabile Nachfrage sicherte. Die politische Lage bestimmte die Exportsituation: Die letzte größere Lieferung an den Kaiser erfolgte 1624, vorgeblich zum Kampf gegen die Türken, in Wirklichkeit aber zur Verwendung gegen die Siebenbürger. Die Waffenexporte an die protestantischen deutschen Mächte versiegten um 1625, teils, weil diese als einzelne Kriegsparteien nun größtenteils ausgeschaltet waren, teils aber auch, weil die Republik nicht in den eskalierenden Krieg hineingezogen werden wollte. Nach Frankreich, England, Dänemark, Schweden und Venedig, die der Republik der Vereinigten Niederlande allesamt freundlich gegenüberstanden, ging der Exporthandel mit Waffen jedoch weiter; Portugal wurde in den Kundenkreis aufgenommen, nachdem es 1640 mit Spanien gebrochen hatte. Wenn es ums Geschäft ging, zeigten sich die Niederländer allerdings

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auch den Spaniern gegenüber nicht nachtragend, sondern lieferten ihnen sofort nach dem Friedensschluss von 1648 Waffen – obwohl diese ganz offenkundig gegen Frankreich eingesetzt werden sollten, den früheren Verbündeten der niederländischen Republik. Die Gesamtexporte der niederländischen Waffenschmieden beliefen sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf mindestens 200 000 leichte Waffen im Wert von 1,2 Millionen Gulden. Dazu kamen 100 000 ins Ausland verkaufte Harnische, die noch einmal eine halbe Million Gulden eintrugen, dazu 2700 Tonnen Lunte und mehr als 2200 Tonnen Schießpulver im Wert von über 25 Millionen Gulden. Der Handel brachte mindestens 50 Millionen Gulden ein, was fünf Prozent des gesamten Wirtschaftsaufkommens entsprach und damit dem Beitrag der Niederländischen Ostindienkompanie zum Bruttosozialprodukt vergleichbar war. Hinzu kam etwa noch einmal so viel Geld, das durch den Verkauf von Schiffsproviant, Kupfer, Blei, Zinn, Salpeter und anderem Kriegsbedarf erlöst wurde. Manch einer verdiente sich eine goldene Nase, so die Patrizierfamilie Trip, die in ihren Anfängen eine bescheidene Flussschifffahrtsgesellschaft betrieben hatte, oder die De Geers, die als Flüchtlinge aus Lüttich nach Amsterdam gekommen waren. Dabei ist bemerkenswert, dass beide Familien ihren Reichtum überaus breit gefächerten, gleichwohl integrierten Geschäftszweigen verdankten. Elias Trip und Louis de Geer waren in den Besitz des schwedischen Kupfermonopols gelangt, indem sie Gustav Adolf von Schweden Kredite gewährt hatten; das Betriebskapital des Konsortiums, an dessen Spitze sie standen, betrug mehr als ein Drittel des Kapitals der Niederländischen Ostindienkompanie. Das 1660–62 in Amsterdam für die Familie Trip erbaute Stadtpalais, dessen Schornsteine die Gestalt von Kanonenrohren hatten, kostete eine Viertelmillion Gulden; heute beherbergt das Trippenhuis die Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften. Louis de Geer hinterließ bei seinem Tod ein Vermögen von 1,7 Millionen Gulden.106 Die enge Verbindung von Krieg und Geschäft trat am deutlichsten hervor, wenn es um die niederländische Marine ging. Diese wurde nämlich durch Zölle und Gebühren finanziert, die ausländische Kaufleute für den Schutz ihrer Schiffe zu entrichten hatten. Wie es der politischen Gesamtstruktur der Republik entsprach, war auch die Marineverwaltung dezentral angelegt; die fünf niederländischen Admirale verteilten sich mit dreien auf Holland sowie mit je einem Admiral auf Zeeland und Friesland. Das schuf zwar Gelegenheit für persönliche Rivalitäten, erleichterte jedoch die Zusammenarbeit mit den Kaufleuten am Ort, die im Bedarfsfall noch immer eine wichtige Quelle für zusätzliche Schiffe und Mannschaften waren. Die niederländische Marine war ursprünglich ganz darauf ausgelegt, von den Wasserstraßen des Landesinneren aus die Landstreitkräfte

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der Republik zu unterstützen; mit der Zeit erweiterte sich allerdings ihr Aufgabenbereich, etwa auf die Blockade der flämischen Küste, das Patrouillieren auf der Nordsee und im Ärmelkanal sowie den Geleitschutz von Handelsschiffen. Für Letzteres zahlten die Kaufleute, während die Fischereiflotte ihre eigenen Geleitboote ausrüstete und auch die beiden Indienkompanien jeweils eigene Geschwader zum Schutz ihrer kostbaren Handelskonvois aus Ost- und Westindien unterhielten. Von 1596 an zogen die Niederländer eine Flotte aus größeren, schwerer bewaffneten Schiffen zusammen, mit der sie auch die spanische Küste und die Azoren angreifen konnten.107 Die Verteidigung von Heim und Herd übernahmen städtische Bürgerwehren, „Schützen“ (schutters) genannt, die in den 1570er-Jahren neu organisiert wurden und sich aus den Bürgern und anderen wohlhabenden Einwohnern der Städte rekrutierten. Zwar konnte man sich vom Dienst in diesen Einheiten freikaufen, doch es wurde bald zur Ehrensache jedes aufrechten Republikaners, „gedient“ zu haben – männerbündische Geselligkeit und Verbrüderung spielten gewiss auch eine Rolle. Die Schützengilden beauftragten oft namhafte Künstler, ihre Gruppenporträts zu malen; das berühmteste Beispiel ist wohl Rembrandts Die Kompanie des Hauptmanns Frans Banning Cocq, besser bekannt als Die Nachtwache. Im Feld wurden statt dieser Kompanien allerdings reguläre Truppenverbände der einzelnen Provinzen eingesetzt, die unter dem Oberbefehl ihres Generalkapitäns, des Fürsten von Oranien nämlich, zu einer Armee vereint wurden. Die oranische Heeresreform Obwohl diese Vereinigung der Provinztruppen bereits im November 1576 geschah, nahm die so geschaffene Gesamtarmee doch erst ein Jahrzehnt später, unter dem Befehl Moritz’ von Nassau, tatsächlich Gestalt an.108 Der junge Prinz war nach der Ermordung Wilhelms von Oranien völlig unerwartet als Statthalter von Holland und Zeeland an die Macht gelangt, weil sein älterer Bruder Philipp Wilhelm sich in spanischer Geiselhaft befand und deshalb nicht die Nachfolge antreten konnte. Der Titel eines Generalkapitäns blieb ihm verwehrt, weil Friesland, Utrecht und Gelderland sich für andere Statthalter entschieden, wodurch das nominell auf eine Person vereinigte Oberkommando der niederländischen Armee aufgespalten wurde. Dennoch erhielt Moritz die politische Unterstützung Hollands, weil Johan van Oldenbarnevelt sich für ihn einsetzte, und ging aus dieser Übergangsphase als der dominierende Heerführer und Vertreter des Hauses Oranien in der niederländischen Politik hervor. Sein Name wird für immer mit einer Reihe von Militärreformen verbunden sein, die nicht nur die niederländische Kriegführung dauerhaft prägten, sondern auch beträchtlichen Einfluss auf die Heeresorganisation in Deutschland und Schweden ausübten. Zwar sollten diese Reformen ein Problem behe-

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ben, das in ganz Europa verbreitet war; weil sie in den Niederlanden aber früher zum Erfolg führten als ähnliche Bemühungen in anderen Ländern, wurde die oranische Heeresreform zum Vorbild der Zeitgenossen, später dann zum Bezugspunkt für die historische Forschung.109 Moritz war bestrebt, sich den disziplinierten Zusammenhalt von Söldnerverbänden zunutze zu machen, wollte sie zugleich jedoch einer festen politischen Kontrolle unterwerfen. Seine Maßnahmen stellten den Versuch dar, alte und neue Erkenntnisse aus Philosophie, Naturwissenschaft und Medizin zur Lösung gegenwärtiger Probleme praktisch anwendbar zu machen. Die Denker und Gelehrten des späten 16. Jahrhunderts waren von der Vorstellung fasziniert, die Aufdeckung verborgener Gesetzmäßigkeiten in der Natur werde ihnen Einblick in die innersten Geheimnisse von Gottes Schöpfung gewähren. Diese frühmoderne Form der Rationalität verband sich mit der späthumanistischen Relektüre antiker Autoren, denn auch in den Schriften der Griechen und Römer vermutete man Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart. Ihre deutlichste Ausprägung fanden diese beiden Denkansätze im Werk von Justus Lipsius, der an der Universität Leiden lehrte, wo Moritz von Oranien studiert hatte, und der dem Fürsten 1589 sein Werk Politicorum sive civilis doctrinae libri sex („Sechs Bücher über Politik“) präsentierte.110 Wie viele Europäer seiner Generation war Lipsius entsetzt über die konfessionelle Gewalt, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer wieder aufflackerte. Er durchforstete die antike Literatur auf der Suche nach einem „Heilmittel“ und stieß schließlich auf die Philosophie der griechischen und römischen Stoa, die er zum Neustoizismus weiterentwickelte. Lipsius glaubte, dass ihre Leidenschaften die Menschen blind für ihr gemeinschaftliches Bestes machten, woraus dann irrationale Gewaltausbrüche folgten. Folglich sei es geboten, jegliche Emotion zu unterdrücken: am besten durch eiserne Selbstdisziplin; falls das jedoch nicht gelinge, durch äußeren Zwang. Mit einer Interpretation der römischen Geschichte – namentlich der Kaiserzeit und des Imperium Romanum – erweiterte Lipsius seine Philosophie zu einem Plädoyer für einen entschlossenen, zugleich aber verantwortungsbewussten Regierungsstil, der dem Herrscher die Verpflichtung auferlegte, seine Untertanen von gegenseitiger Schädigung abzuhalten und äußere Gefahr von ihnen abzuwenden. Ihre besondere Schlagkraft bezogen solche Ideen aus dem Umstand, dass sie mit hohen Dosen genau jener christlichen Moralvorstellungen kombiniert wurden, deren umfassende Geltendmachung protestantischen wie katholischen Reformern ein Herzensanliegen war. Auf dieser Basis also formulierte Lipsius sein Konzept von Disziplin, das sich in vier Elemente gliederte. Deren erstes war der Drill. Drill hatte die römischen Legionen unbesiegbar gemacht, und Drill sollte auch jetzt angewandt werden – nicht nur bei der Ausbildung an der Waffe, sondern ganz allgemein, um Solda-

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ten den Gehorsam innerhalb einer disziplinierten Einheit zu lehren. Eine solche Denkweise musste sich auf andere Lebensbereiche ebenfalls auswirken. Tatsächlich veränderte sich etwa die Tanzmode, weg vom Formationstanz in Reihen, bei dem die Tanzpartner geschwind miteinander interagierten, hin zu kreisförmigen oder anderen geometrischen Bewegungsmustern, bei denen die einzelnen Tänzer den ihnen zur Verfügung stehenden Raum besser ausnutzten. Unnötige Bewegungen sollten vermieden werden, indem der Tänzer – oder der Soldat – nur Teile seines Körpers bewegte; der Rest verblieb in einem stabilen Gleichgewicht. So trichterte man etwa den Pikenieren ein, sie sollten, wenn sie ihren Spieß nach vorn stießen, den Kopf nicht rühren, sondern starr geradeaus blicken, genau auf einer Linie mit ihren Nebenmännern. Ordnung bildete das zweite Element, denn man brauchte eine hierarchische Befehlsstruktur, um die Bewegungen einzelner Soldaten und Truppenteile zu lenken und sicherzustellen, dass alle Rädchen im Getriebe der großen Militärmaschine funktionierten. Entscheidend war hierbei, dass die Geltung dieser neuen Ordnung sich auch auf die höheren Ränge erstreckte, die ihre Untergebenen nun nicht mehr behandeln sollten, wie es ihnen gerade passte. Drittens sollte der regelmäßige militärische Drill als Teil einer weiter gefassten Zwangsstrategie dazu dienen, die autonomen Strukturen der bestehenden Söldnerkultur aufzubrechen und die Verinnerlichung einer neuen Selbstdisziplin voranzutreiben. Das vierte und letzte Element zielte auf Strafen und Belohnungen. Die sogenannten Kriegsartikel, in denen der rechtliche Rahmen des Kriegsdienstes abgesteckt wurde, waren nun nicht mehr Ausdruck einer kollektiven Selbstorganisation der Soldaten, sondern wurden zu einem Mittel, die neue Militärkultur rasch zu institutionalisieren. Die neuen Kriegsartikel wurden von gelehrten Juristen formuliert und gingen mit neuen Zeremonien für Musterung und Fahneneid einher. Ihr Ziel war, an die Stelle der bisherigen Soldverhandlungen zwischen einzelnen Befehlshabern und ihren Truppen standardisierte Dienstverträge zu setzen, die alle Mannschaften in einen einheitlichen Rechtsrahmen einbanden. Solche proto-absolutistischen Vorstellungen passten hervorragend zu der von geistlichen wie weltlichen Autoritäten verfolgten Sozialdisziplinierungs-Agenda; was Lipsius damit im Sinn hatte, war aber tatsächlich, den Krieg in Zukunft weniger grausam und schädlich zu machen. Seine Ideen machten die Heeresreform Moritz’ von Nassau intellektuell respektabel und fanden weite Verbreitung, weil die Niederlande – neben ihrer Bedeutung als Handelsmacht – auch ein Zentrum des frühneuzeitlichen Druck- und Verlagswesens waren. Der aus Antwerpen gebürtige Kupferstecher Jacob de Gheyn veröffentlichte 1607 eine später berühmt gewordene, illustrierte Gebrauchsanleitung für alle Arten von Waffen, die noch im selben Jahr in dänischer Übersetzung und im Jahr darauf auf

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Deutsch erschien, Letzteres unter dem Titel Waffenhandlung; Von den Röhren Mußquetten undt Spiessen; … Mit beygefügter schrifftlicher Vnterrichtung, wie alle Hauptleute und Befehlshabere ihre jungen vnd vnerfahrne Soldaten zur vollkommenen Handlung derselben Waffen desto besser abrichten köndten. Weitere praktische Handbücher folgten, so etwa drei aus der Feder von Johann Jacobi von Wallhausen, die 1615/16 erschienen und das ganze 17. Jahrhundert hindurch vielfach nachgedruckt oder wiederveröffentlicht wurden.111 Für eine noch größere Ausstrahlung sorgten die zahlreichen Freiwilligen, die von überall her in die Niederlande strömten, um in den Diensten Moritz’ von Nassau die Kriegskunst zu erlernen. Durch das Bündnis mit England und die Gründung der Republik war das Stigma der Rebellion beseitigt und der Dienst in den Niederlanden attraktiver geworden. Wie im Fall der Flandernarmee sollte das Netzwerk persönlicher Beziehungen, das auf diese Weise entstand, im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges noch große Bedeutung erlangen. Wieder schafften es einige von ganz unten nach ganz oben. So etwa Peter Eppelmann, Sohn eines reformierten Bauern aus dem nassauischen Hadamar, der dank guter Familienbeziehungen ein Universitätsstudium genossen und seinen ursprünglichen Namen in der Folge gegen das kultiviertere „Melander“ – griechisch etwa „Äpfelmann“ – eingetauscht hatte. Melander diente Moritz von Oranien als persönlicher Sekretär, bevor er als Fähnrich in die Armee des Statthalters eintrat, später in venezianische und hessen-kasselsche Dienste wechselte und schließlich, auf dem Höhepunkt seiner Karriere als kaiserlicher General und Graf von Holzappel, 1648 tödlich verwundet wurde. Viele Angehörige des protestantischen deutschen Adels traten in niederländische Dienste, darunter Johann (von) Geyso, der wie Melander aus einfachen Verhältnissen stammte und diesen 1640 als hessen-kasselscher Generalleutnant ablöste. Der Freiherr Dodo zu Knyphausen wurde 1603 zum niederländischen Hauptmann, später zum schwedischen General ernannt. Andere kamen noch weiter herum, wie etwa der Waliser Charles Morgan, der ein britisches Expeditionsheer in Norddeutschland kommandieren sollte, oder der Schotte Alexander Leslie, der 1602–08 als Hauptmann unter Moritz von Oranien diente, bevor er in schwedische Dienste übertrat und schließlich – inzwischen zum Earl of Leven erhoben – in den Kriegen der Drei Königreiche kämpfte, zunächst aufseiten der Covenanters, später für die Royalisten. Der Franzose Gaspard de Coligny kommandierte derweil zwei hugenottische Regimenter in niederländischen Diensten und half so mit, das Gedankengut der oranischen Heeresreform auch in Frankreich zu verbreiten. Politische Verbindungen boten einen dritten Weg, auf dem sich niederländischer Einfluss geltend machte, insbesondere durch Graf Johann VII. von Nassau-Siegen, einen Neffen Wilhelms von Oranien, der unter Moritz gedient hatte

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und dessen Reformideen dann in seinen eigenen Territorien umsetzte. Das von Jacob de Gheyn illustrierte Exerzierbuch hatte Johann VII. verfasst, und Johann Jacobi von Wallhausen amtierte in den Jahren 1616–23 als Direktor der Militärakademie, die der Graf in seiner Residenz Siegen unterhielt. Johann von NassauSiegen verband niederländische Ideen mit deutschen Traditionen und brachte die oranischen Methoden auf diese Weise in eine Form, die der Situation im Reich angemessener war. Der Vormarsch des Herzogs von Alba entlang ihrer Grenzen versetzte die rheinischen Fürsten 1567 in große Aufregung, allen voran die Grafen von Nassau als Vettern der Männer an der Spitze des Aufstands. Aus der Befürchtung heraus, die regulären spanischen Verstärkungstruppen, die hinter Alba herzogen, könnten in ihre eigenen Gebiete einfallen, schlossen die Grafen von Nassau ein Bündnis mit dem Adel der benachbarten Wetterau. Sie alle herrschten über kleine, vergleichsweise dünn besiedelte Territorien, die keine großen stehenden Heere unterhalten konnten. Johann erkannte, dass zwar bei Offensivoperationen Milizionäre kein Ersatz für professionelle Soldaten sein konnten, glaubte aber doch, dass man sie sehr wohl zur Verteidigung ihrer Heimat würde motivieren können. Ohnehin bestand für die Untertanen die Verpflichtung, im Notfall Waffendienste zu leisten; dann freilich traten sie mit einer kuriosen Mischung aus rostigen Schwertern, landwirtschaftlichem Gerät und bloßen Knüppeln an. Was diese Männer brauchten, dachte Johann, war eine ordentliche Dosis oranischer Disziplin, die ihnen Entschlossenheit einflößen und ihre Kampfkraft mit modernen Waffen optimieren würde. Die Amtleute vor Ort erhielten den Auftrag, die männliche Bevölkerung zu erfassen und nach Alter, Familienstand und körperlicher Tauglichkeit in Gruppen einzuteilen; die unverheirateten jungen Männer wurden dann zum regelmäßigen Drill durch professionelle Ausbilder eingezogen. Die Rekruten wies man Kompanien einer zuvor festgelegten Größe zu, wobei größere Dörfer und Städte komplette Einheiten stellten, während kleinere zur Mobilisierung einer gemeinsamen Kompanie beitrugen. Diese als „Auswahl“ bezeichneten Truppen exerzierten jeden Sonntag auf dem Dorfplatz oder im freien Feld, wurden in regelmäßigen Abständen aber auch in Übungslagern zusammengezogen, um in größeren Formationen Manöver abzuhalten. Im Bedarfsfall wurden sie durch das Läuten der Kirchenglocken mobilisiert, woraufhin sie sich im Haus des Dorfvogts ihre Waffen abzuholen und gemeinsam anzutreten hatten; den Befehl führten ihre Ausbilder sowie etwaige Angehörige des örtlichen Adels mit Militärerfahrung. Bis 1595 waren alle Elemente des neuen „Landesdefensionswesens“ in Nassau eingeführt und wurden in der durch Johann VII. von NassauSiegen verschriftlichten Form unter den protestantischen Fürsten des Reiches verbreitet, die um 1600 vielfach ähnliche Milizen einführten.112

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Die beschriebenen Reformen machten einen entscheidenden Aspekt im sich wandelnden Verhältnis von Herrschern und Beherrschten greifbar. Die deutschen Reichsfürsten und anderen Grundherren waren auch vorher schon berechtigt gewesen, ihre Untertanen bei Invasionen oder Naturkatastrophen im Rahmen der Landfolge zu Wehr- und Hilfsdiensten heranzuziehen; zur Aufklärung und Ahndung von Verbrechen bestand zudem die Pflicht der Untertanen zur Gerichtsfolge. Die Herausbildung der Reichslandfriedensordnung (siehe Kapitel 2) hatte diese herrschaftlichen Dienstansprüche bis etwa 1570 noch gestärkt, denn nun konnten die Landesherren ihre Untertanen auch mobilisieren, um das Reichsrecht zu wahren und das Reich zu verteidigen. Allerdings äußerten die Stände in den einzelnen Territorien starke Zweifel daran, dass die entsprechenden Befugnisse auch zur Verpflichtung der Untertanen zu Angriffskriegen gebraucht werden durften, und weigerten sich in der Regel, für derartige Ansinnen Steuern zu bewilligen.113 Die Fürsten sahen die neue Miliz als eine Möglichkeit an, die Autorität über ihre Untertanen zu stärken und auszuweiten, und glaubten, dass das regelmäßige Exerzieren einen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben werde – und zwar ganz im Sinne des Disziplinierungs- und Moralisierungsdrangs, der durch die Konfessionalisierung spürbar wurde. Wie deren Maßnahmen hing allerdings auch die erfolgreiche Einführung des Landesdefensionswesens von einem ganzen Netzwerk aus Gemeindeseelsorgern, Dorfvorstehern und grundherrlichen Vögten ab. Die Landesfürsten stießen dabei nicht selten auf den Widerstand ihres Territorialadels, der „seine“ Pachtbauern nicht zum Dienst in der Auswahl hergeben wollte. Das Ergebnis war ein Kompromiss, weil die Umsetzung der Reformen zumindest teilweise von der Bereitschaft der Stände abhing, die Ausbilder und Waffen zu bezahlen sowie Bier und andere Anreize zur Verfügung zu stellen, damit die Rekruten auch zum Training erschienen. In Brandenburg beschränkte sich das Milizwesen auf jene Städte, die unmittelbar dem Kurfürsten unterstanden, während von den rund 93 000 als tauglich gemusterten Untertanen des sächsischen Kurfürsten gerade einmal 9664 verpflichtet wurden – unter den 47 000 Tauglichen aus den Territorien der Reichsritterschaft wurden sogar nur 1500 Pioniere ausgehoben. Die Angehörigen des Adels konnten dem System jedoch nicht ganz entgehen, da zu ihren Lehnspflichten auch die Leistung von Militärdienst zählte. Diese traditionsreichen persönlichen Verpflichtungen wurden nun in das neue Landesdefensionswesen eingegliedert, indem man aus dem adligen Heerbann einfach Kavallerieeinheiten bildete. Die kursächsische Ritterschaft wurde zur Stellung von zwei Regimentern mit insgesamt 1593 Mann verpflichtet, während andernorts der Anteil des Adels an der Streitmacht in der Regel etwa zehn Prozent betrug. Generell wurde etwa einer von zehn tauglichen Männern zum Milizdienst herangezogen, das entsprach etwa 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung.114

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Die Milizen sollten reguläre Truppen keineswegs in der Schlacht ersetzen, wie mancher spätere Historiker spekuliert hat. Stattdessen sollten sie eine Art von militärischer Erster Hilfe leisten und ihre Dörfer und Städte gegen Eindringlinge und Marodeure verteidigen sowie bei Bedarf die Besatzung strategisch wichtiger Festungen verstärken. Letzterer Aspekt erwies sich als das Kostspieligste an dem neuen System überhaupt, da die Landesfürsten nun begannen, neue Verteidigungsanlagen nach niederländischem Vorbild errichten zu lassen, oder bestehende Befestigungen auf den neuesten Stand bringen ließen. Vor allem die Kurpfalz, deren Landesfürst wegen der Verstreutheit und Verwundbarkeit seiner Territorien ein ambitioniertes Festungsbauprogramm auflegte, stach in dieser Hinsicht hervor. So wurde zwischen 1606 und 1622 Mannheim um ein älteres Dorf herum erbaut, inklusive einer Zitadelle mit sieben Bastionen (der Friedrichsburg) sowie sternförmigen Befestigungsanlagen nach neuestem Standard (mit sechs Bastionen und zwei Halbbastionen) für die eigentliche Stadt. Eine weitere Festung wurde 1608 in Frankenthal errichtet und 1620/21 verstärkt; das bereits bestehende Heidelberger Schloss wurde ebenfalls erweitert. Im Allgemeinen unterhielten die Landesherren kleine Kontingente von Berufssoldaten als Leibwachen und Garnisonen. Es war ebendiese Kombination von Milizen, Festungen und kleinen, hochprofessionalisierten Leibwachen, die die Grundlage der Militärorganisation in den deutschen Territorien um 1600 bildete. Man sieht leicht, warum die Stände den Beteuerungen ihrer Landesfürsten, dies alles seien reine Defensivmaßnahmen, von Anfang an misstrauten. Schließlich konnten die Berufssoldaten auch eingesetzt werden, um die Schlagkraft der Milizen im Feld zu erhöhen. Die Untertanen sahen das regelmäßige Exerzieren als eine weitere lästige Pflicht an, die sie neben immer umfangreicheren sonstigen Diensten nun eben auch noch erfüllen sollten; und die Saufgelage, die mit dem Training nicht selten einhergingen, widerlegten schon bald die Vorhersagen der Theoretiker, der militärische Drill werde gleichsam automatisch in christliche Moralvorstellungen einmünden. Die brandenburgischen Städte überzeugten ihren Kurfürsten 1610, den Milizdienst wieder abzuschaffen und zu der vorherigen Sitte zurückzukehren, nach welcher der Kurfürst Soldaten zu seiner Unterstützung dann anwarb, wenn er sie brauchte. Solche Rückschläge verlangsamten die Umsetzung der Reformen im Reich als Ganzem; in der Kurpfalz seit 1577 bestehende Pläne waren erst 1600 vollständig umgesetzt, während die kursächsischen Stände die Aufstellung einer Miliz in ihrem Territorium bis 1613 herauszögerten. Die historische Bewertung all dieser Maßnahmen sowie der niederländischen Reformbemühungen überhaupt ist nicht selten dadurch getrübt worden, dass man – ohne Rücksicht auf Anachronismen – spätere Anliegen und Absichten

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dort hineinprojizierte, wo sie eigentlich noch gar nicht vermutet werden konnten. Konservative deutsche Historiker sahen das Landesdefensionswesen als Meilenstein auf dem Weg zu einer allgemeinen Wehrpflicht aus patriotischer Verpflichtung; als eine Errungenschaft, welche die politische Zersplitterung des Alten Reiches schließlich zunichtegemacht habe, weshalb die Fürsten nach 1618 gezwungenermaßen wieder auf Söldner hätten zurückgreifen müssen. Andere interpretierten die Milizen als Volksarmeen avant la lettre und wiesen darauf hin, dass Bauern sich die Milizstrukturen wiederholt bei ihren Aufständen zunutze machten. Keine dieser beiden Perspektiven enthält die ganze Wahrheit. Sowohl die Gilden der niederländischen schutters als auch das deutsche Milizwesen beruhten auf unverkennbar frühneuzeitlichen Rollenverständnissen: jene auf dem Selbstbild privilegierter Stadtbürger in einer dezentralisierten Republik, diese auf einer Verpflichtung von gehorsamen Untertanen ihres Landesherrn. Der niederländische Einfluss war ohnehin nur eine Quelle der deutschen Maßnahmen. Fabian von Dohna, der 1602 für die Heeresreform in Preußen verantwortlich zeichnete, hatte unter Moritz von Oranien gedient und zuvor bereits bei der Aufstellung der kurpfälzischen Miliz geholfen. Dennoch nannte man die Milizionäre in Preußen „Wibranzen“, nach dem polnischen Wort wybrańcy, was „die Erwählten“ bedeutet. Andernorts wurden die Reformen unter dem Eindruck der Türkengefahr nach 1593 begonnen. Außerdem begannen auch die katholischen Territorien, ihr traditionelles Landesaufgebot nach einem ähnlichen Muster neu zu organisieren, wobei sich insbesondere Bayern hervortat: Die hier 1593–1600 umgesetzten Maßnahmen brachten schließlich 22 000 Mann in 39 Land- und fünf Stadtregimentern zusammen. Viele der Ideen, die in der oranischen Heeresreform und dem deutschen Landesdefensionswesen umgesetzt werden sollten, waren hochtheoretisch und befassten sich mit komplizierten geometrischen Formationen ohne großen praktischen Nutzen. Und selbst diejenigen Reformvertreter, deren Herangehensweise eine praktischere war, stellten sich oft gegen den technischen Fortschritt: so Wallhausen, der den Niedergang der Lanze als Hauptwaffe der Reiterei bejammerte. In zahlreichen Punkten unterschieden sich die Methoden der Niederländer kaum von der Herangehensweise ihrer Gegner, etwa in der Zurückstufung der Kavallerie auf einen Bruchteil der Gesamtarmee. Ihre Vorliebe für dünnere Linien in der Schlacht zielte nicht allein auf die Maximierung der Feuerkraft ab, sondern war zugleich die Notlösung für ein ernstes Problem: Zahlenmäßig waren die Niederländer meist unterlegen. Vor allem hing der niederländische Erfolg in der Schlacht aber nicht von neuartigen Waffen oder avancierter Militärtheorie ab, sondern von der finanziellen Stabilität ihres Landes und einer spezifischen Geschäftsmentalität seiner Bewohner. Die Spanier verließen sich, trotz

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ihres großen Reichtums, noch immer auf Ehrgefühl und Loyalität gegenüber gesellschaftlich Höherstehenden, um die Soldaten auch dann „bei der Stange zu halten“, wenn das Geld einmal knapp wurde. Eine solche Herangehensweise war für die Niederländer vollkommen indiskutabel, denn für sie ging der einmal geschlossene Vertrag als Verpflichtung über alles. Wie hätte es in einer sich stetig weiter kommerzialisierenden Wirtschaft, deren fortgesetztes Wachstum ganz von der Bonität einzelner Akteure abhing, anders sein können? Soldaten waren Angestellte und hatten als solche Anrecht auf regelmäßige Bezahlung. Seit der allgemeinen Ausbreitung des Söldnerwesens um die Wende zum 16. Jahrhundert war es üblich geworden, den Soldaten monatlich ihren Sold auszubezahlen, ihnen ein oder mehrere Monatssolde zusätzlich als Anwerbeprämie in die Hand zu drücken und einen weiteren Bonus, wenn sie ihren Abschied nahmen. In den fünf Jahrzehnten vor 1530, als die Landesherren begannen, Soldobergrenzen für die einzelnen Rangstufen festzuschreiben, waren die Monatssolde zwischen 50 und 100 Prozent gestiegen. Durch die Androhung von Meutereien zwangen die Soldaten ihre Obrigkeiten jedoch auch nach 1530, ihnen immer größere Monatsbeträge in Silbermünzen auszuzahlen, obwohl der Sold etwa eines Fußsoldaten offiziell auf vier (Gold-)Gulden im Monat begrenzt war. Als die Spanier und die Niederländer anfingen, stehende Heere aufzustellen, stiegen ihre Kosten noch einmal deutlich an, weil sie diese Soldaten nun das ganze Jahr über bezahlen mussten und nicht mehr nur während der sommerlichen Kampfsaison, wie es noch Anfang des 16. Jahrhunderts gang und gäbe gewesen war. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde 1576 der „holländische Monat“ eingeführt: Das Jahr zerfiel fortan in acht Blöcke von je 42 Tagen plus einen mit 29 Tagen, wodurch die Anzahl der Soldzahlungen, die die Regierung pro Jahr leisten musste, auf neun reduziert wurde. Andere kopierten dieses Vorgehen, etwa die Österreicher, die 1607 ebenfalls ein System mit neun Soldmonaten einführten (wobei in zweien dieser Monate der Sold in Tuch ausgezahlt wurde, von dem Uniformen anzufertigen waren). Diese österreichische Maßnahme provozierte allerdings nur noch mehr Meutereien, da im kaiserlichen Heer ohnehin schon riesige Soldrückstände aufgelaufen waren. Dagegen kamen die Niederländer mit ihrem Vorgehen durch, weil sie wenigstens den gedrückten Sold pünktlich zahlten. Die gute Zahlungsmoral der Niederländer war es, die in einer Armee, deren Angehörige zu mehr als 50 Prozent Landesfremde waren, Zusammenhalt schuf und trotz regelmäßiger Niederlagen für Loyalität sorgte – zumal die Kreditwürdigkeit der Republik trotz allem unerschüttert blieb. In Böhmen und im protestantischen Deutschland konnte man von einer solchen finanziellen Solidität nur träumen, weshalb die dortigen Versuche, nach 1618 niederländische Taktik und Organisationsformen zu kopieren, unweigerlich auf tönernen Füßen stehen mussten.

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Die Verteidigung der Republik (1590–1609) Während die niederländischen Truppen also auf einer solideren finanziellen Grundlage operierten, blieben sie doch deutlich in der Unterzahl. Moritz von Oranien konnte 1588 rund 20 500 Mann aufbieten, die Spanier etwa dreimal so viele. Allerdings profitierte Moritz davon, dass Philipp II. seine Ressourcen gleich mehrmals anderweitig einsetzte: erst zum gescheiterten Invasionsversuch in England 1588, nach 1590 dann bei einer ähnlich fruchtlosen Intervention in die französischen Hugenottenkriege. Der Herzog von Parma leistete diesen Befehlen aus Madrid jeweils nur zögerlich Folge, und Erzherzog Albrecht, der ihm 1593 als Statthalter nachfolgte, musste die Kampagnen im Artois zur Unterstützung der katholischen Franzosen dann wohl oder übel fortführen. Das erlaubte es Moritz von Oranien, zum Angriff überzugehen und in einer Reihe von Vorstößen, welche die südliche Grenze der Republik festigen sollten, gleich mehrere strategisch wertvolle Städte einzunehmen. Die Eroberung von Breda im März 1590 vergrößerte die niederländische Gebietszunge im Südwesten bis nach Brabant hinein und schuf so einen Brückenkopf für weitere, tiefere Vorstöße in die spanisch beherrschten Gebiete. Das eroberte Territorium wurde nicht als neue, gleichberechtigte Provinz unter die sieben Provinzen der Republik aufgenommen, sondern unterstand – unter der Bezeichnung „Generalitätslande“ – direkt den Generalstaaten. Ab den 1620erJahren sollte es zu dem am heißesten umkämpften Gebiet der Region werden. Im Folgejahr 1591 erbrachte ein dreifacher Vorstoß der Niederländer, bei dem auch das nur 16 Kilometer von Antwerpen entfernte Hulst eingenommen wurde, zusätzliche Landgewinne. Zutphen und Deventer waren weitere Städte, die bei dieser Gelegenheit wieder unter niederländische Herrschaft gelangten, was die Ijssel-Linie sicherte, während die Eroberung von Nimwegen an der Waal die Kampflinie in Richtung Südosten arrondierte. Nachdem auf diese Weise die gesamte südliche Front gesichert worden war, wandte Moritz sich 1592 nach Norden, um die katholische Rebellion in den nördlichen Provinzen niederzuschlagen, die sieben Jahre zuvor ausgebrochen war. Mit der Einnahme von Groningen 1594 kam auch diese Kampagne an ihr Ende. Nun waren alle sieben Provinzen wieder vollständig in den Händen der Republik. Nachdem er seine Kräfte 1595/96 neu formiert hatte, stieß Moritz im August 1597 über die Ijssel auf das verbliebene Territorium der Spanier vor – ein schicksalhafter Schachzug, der für das Reich noch schwere Folgen haben sollte, da er den Krieg in Richtung der Reichsgrenze vorantrug. In schneller Folge nahmen die Niederländer noch sieben weitere befestigte Städte ein und erweiterten ihr Territorium damit so weit, dass es nunmehr an den Westfälischen Reichskreis grenzte. Außerdem nahmen sie den strategisch bedeutsamen Übergang über den Niederrhein bei Rheinberg ein und besetzten die Stadt, die zum Kurfürsten-

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tum Köln gehörte.115 Die katholische Bevölkerung der nördlichen Niederlande war nun völlig von den Spaniern abgeschnitten, es sei denn Madrid wäre bereit, die Neutralität des Heiligen Römischen Reiches zu verletzen, um die niederländische Flanke mit einem Marsch durch Westfalen im Osten zu umgehen. Und genau das taten die Spanier auch, reagierten allerdings zu spät und entsandten erst im September 1598 ein Expeditionsheer von 24 000 Mann nach Münster, Recklinghausen und in die vier niederrheinischen Herzogtümer Jülich, Kleve, Mark und Berg, um sich diese Städte und Territorien zu sichern, bevor die Niederländer es tun konnten. Die dezentralisierte Struktur der Reichslandfriedensordnung erlaubte es den betroffenen Landesherren, die Reichsverteidigungsmaschinerie in Gang zu setzen, wenngleich Kaiser Rudolf darauf nicht reagierte. Die fünf westlichen Reichskreise mobilisierten schließlich 16 000 Mann, aber diese konnten effektiv nicht vor Juli 1599 aufgeboten werden – drei Monate, nachdem die Spanier abgezogen waren und lediglich ein paar kleine Garnisonen zurückgelassen hatten, die sich gerade noch so auf deutschem Gebiet befanden. Der Versuch, eine dieser spanisch besetzten Städte zu erobern, scheiterte kläglich, und das Heer der Reichskreise zerstreute sich, als es im September nicht mehr weiter bezahlt werden konnte.116 Diese Episode, die als „Spanischer Winter“ in die Geschichte eingegangen ist, verstärkte den Wunsch der deutschen Anrainer, sich möglichst aus dem spanisch-niederländischen Konflikt herauszuhalten, und Köln, Münster sowie andere Territorien in der Umgebung nahmen Gespräche mit beiden Kriegsparteien auf, um sie zu einer Beschränkung ihrer Grenzverletzungen zu bewegen. Der spanische Vorstoß nach Deutschland hinein war eine direkte Folge des im Mai 1598 geschlossenen Friedens von Vervins, der den Zweifrontenkrieg für die Spanier beendete und es dem Statthalter Albrecht von Habsburg ermöglichte, wieder die gesamte Flandernarmee gegen Moritz von Oranien einzusetzen. Er richtete seine Aufmerksamkeit nun wie zuvor ganz auf den Westen und eröffnete erneut eine spanische Offensive auf die schwer befestigten Grenzstellungen der Niederländer rund um das Mündungsgebiet der Schelde. An der niederländischen Verteidigungslinie kam der Vorstoß bald zum Erliegen und brach dann sogar völlig in sich zusammen, als im spanischen Heer aufgrund von wachsenden Soldrückständen eine Meuterei ausbrach. Moritz von Oranien stieß von der brabantischen Gebietszunge entlang der flämischen Küste in Richtung Süden vor, um den spanischen Kriegshafen Dünkirchen auszuschalten. Der Versuch Albrechts, ihn daran zu hindern, führte am 2. Juli 1600 zur Schlacht bei Nieuwpoort, dem ersten größeren Aufeinandertreffen der verfeindeten Parteien im Feld seit Mitte der 1570er-Jahre. Im Schlachtverlauf traten die Nachteile der „flämischen Schule“ des Stellungskrieges klar zutage.

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Obwohl die Flandernarmee zum damaligen Zeitpunkt 4000 Kavalleristen und 60 000 Mann Infanterie zählte, hatte Albrecht alle Mühe, 1500 Reiter und 8000 Fußsoldaten aufzubieten, weil der Rest entweder als Garnison der befestigten Städte im Einsatz war oder die Befehle des Statthalters aufgrund der Meuterei noch immer ignorierte.117 Zugleich machte Nieuwpoort aber auch die Grenzen einer aggressiveren Strategie deutlich, die andauernd die Entscheidung in der Schlacht suchte. Obwohl es ihm gelang, das spanische Heer zu besiegen, konnte Moritz doch Dünkirchen nicht einnehmen und musste seinen Feldzug dort beschließen, wo er ihn begonnen hatte. Albrecht entschied sich, etwaigen weiteren Vorstößen auf Dünkirchen dadurch zuvorzukommen, dass er im Juli 1601 die englisch-niederländische Garnison von Ostende angriff. Dieser Eroberungsversuch sollte für das 17. Jahrhundert das werden, was die Schlacht um Verdun für den Ersten Weltkrieg gewesen ist. Beide Seiten warfen enorme Mengen an Soldaten und Kriegsgerät in die Schlacht, und der Kampf um diesen einen Hafen wurde zum Symbol, dessen Strahlkraft in keinerlei Relation zu seiner tatsächlichen strategischen Bedeutung stand. Die Niederländer sahen sich gezwungen, ihre Armee von 35 000 Mann im Jahr 1599 auf 51 000 im Jahr 1608 zu vergrößern, nicht zuletzt, weil Moritz’ frühere Erfolge der Republik eine wesentlich längere Grenze beschert hatten, die nun auch verteidigt sein wollte. Dennoch verschaffte die spanische Fixierung auf Ostende Moritz eine weitere Chance, seine Stellungen nach Osten hin vorzuschieben. Diesmal konzentrierte er sich dabei auf die Sicherung der nordöstlichen Grenze zum Schutz der gerade erst zurückeroberten Gebiete um Groningen. Es handelte sich dabei um eine jener zahlreichen durchlässigen Grenzregionen in Europa, in denen es den anliegenden Territorialmächten noch nicht gelungen war, feste Landesgrenzen zu etablieren. Entlang der gesamten Nordseeküste dominierte eine einzige Landschaftsform, herrschten ähnliche Gesellschaftsformen und politische Kulturen vor, wiewohl der östliche Teil dieser Region innerhalb der Reichsgrenzen lag, während der Rest nun zur Republik der Vereinigten Niederlande gehörte. Die Menschen beiderseits der Grenze schätzten die weitgehende Autonomie ihrer bäuerlichen Dorfgemeinschaften, die sie als „friesische Freiheit“ hochhielten. Die Friesen am östlichen Rand der Region verloren diese Freiheit, als Mitte des 16. Jahrhunderts der dänische König ihre Dörfer im heutigen Holstein seinem Reich einzuverleiben begann. Die Friesen im äußersten Westen bemühten sich, sie in einer eigenen Provinz der neuen Republik der Vereinigten Niederlande zu bewahren. Zwischen diesen beiden Rändern lag die Grafschaft Ostfriesland, die erst 1464 Teil des Heiligen Römischen Reiches geworden war und von dem aus bescheidenen Anfängen hervorgegangenen Geschlecht der Cirksena regiert

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wurde, das 1660 in den Reichsfürstenstand aufsteigen sollte. Wie so viele deutsche Territorien im späten 16. Jahrhundert – namentlich Jülich-Kleve, Hessen, Baden, Kurköln und Straßburg (siehe Kapitel 7) – wurde auch Ostfriesland von inneren Streitigkeiten erschüttert. Obschon keine dieser Auseinandersetzungen zu einem ausgewachsenen Krieg führte – weder in Ostfriesland noch in den anderen genannten Gebieten –, so betrafen sie doch allesamt auch Streitpunkte, die die Interessen ausländischer Mächte berührten, weshalb sich eine oder andere der beteiligten Parteien um Unterstützung an diese wandte. Die Geschichte dieser Konflikte haben vielerorts Lokalhistoriker geschrieben – oder auch solche, die das große Panorama der europäischen Beziehungen in den Blick nehmen wollten und dazu neigten, lokale Auseinandersetzungen nur als Auslöser oder Brennpunkte für Konflikte zwischen den Großmächten zu betrachten. Diese beiden Perspektiven müssen aber kombiniert werden, denn die tatsächliche Bedeutung jener Lokalkonflikte lag in ihrer Neigung, auswärtige Großmächte Schritt für Schritt immer tiefer in die inneren Angelegenheiten des Heiligen Römischen Reiches hineinzuziehen. Die Intervention von außen war stets nur als zeitlich begrenzt gedacht und sollte andere, verfeindete Parteien von einer Einmischung abhalten. Auf eine „Ausstiegsstrategie“ verschwendete man wenig Gedanken, und wenn man erst einmal in die Sache hineingeraten war, konnte man schwerlich den Rückzug antreten, ohne dass das entstehende Machtvakuum von verfeindeten Kräften aufgefüllt wurde. Die Entwicklungen in Ostfriesland veranschaulichen erstens diese allgemeine Problematik; zweitens bilden sie aber auch den Hintergrund für andere wichtige Geschehnisse im deutschen Nordwesten, auf die Kapitel 10 noch genauer eingehen wird. Wie viele weltliche Herrscherdynastien in Norddeutschland nahm die Familie Cirksena schon im frühen 16. Jahrhundert den lutherischen Glauben an. Dies blieb auch der Glaube des ärmsten Drittels ihrer Untertanen, die in einer kargen Moor- und Heidelandschaft unter der direkten Herrschaft des Grafen lebten. Die restlichen zwei Drittel Ostfrieslands waren wohlhabender, weil das dortige Marschland mit seinen fruchtbaren Böden einen marktorientierten Ackerbau über die reine Subsistenz hinaus erlaubte. Die Marschbauern sicherten sich schließlich Sitz und Stimme in den Landständen und zwangen den Grafen, jegliche künftige Pachtzinserhöhung zu verbieten. Zusammen mit den wenigen ansässigen Adligen konvertierten diese selbstbewussten Bauern zum Calvinismus und schlossen ein Bündnis mit den Bürgern von Emden, der einzigen größeren Stadt in ganz Ostfriesland. Strategisch günstig an der Mündung der Ems in die Nordsee gelegen, war Emden der am weitesten westlich gelegene Nordseehafen und wickelte einen großen Teil des westfälischen Außenhandels ab. Nach dem Ausbruch des Niederländischen Aufstandes erlebte die Stadt ei-

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nen wahren Boom, da viele Kaufleute einen sichereren Standort für ihre Handelshäuser suchten, aber auch viele Flüchtlinge in Emden ein neues Leben beginnen wollten. Nach und nach verband sich der calvinistische Glaube immer enger mit der Opposition der Emdener Bürger und ihrer Verbündeten, der reicheren Bauern, gegen die Versuche der lutherischen Cirksena, ihrer landesherrlichen Autorität größere Geltung zu verschaffen. Als 1599 Enno III. Cirksena in Amt und Würden kam, begannen die Niederländer, sich Sorgen zu machen, denn der neue Graf von Ostfriesland schien fest entschlossen, seinen Willen durchzusetzen – wesentlich entschlossener, als seine Vorgänger es gewesen waren. Außerdem hatte er Verwandte in spanischen Diensten. Der gescheiterte Versuch Moritz’ von Nassau, Dünkirchen einzunehmen, beschwor das Schreckgespenst einer neuen spanischen Seekriegsstrategie herauf, die den Handel und mit ihm das Fundament der niederländisch-republikanischen Unabhängigkeit bedrohte. Schon längst waren Freibeuter von Dünkirchen aus im Ärmelkanal unterwegs und brachten immer wieder niederländische Handelsschiffe auf. Wenn sie auch noch den Hafen von Emden würden nutzen können, fürchtete man in Den Haag, dann wäre womöglich der Ostseehandel bedroht. Die Generalstaaten überredeten deshalb 1602 die Emdener Bürgerschaft, eine niederländische Garnison in ihrer Stadt zuzulassen, die später noch durch den Vorposten Leerort ergänzt wurde, eine Festung, die ein Stück weit die Ems hinauf gegenüber der Stadt Leer gelegen war, den einzigen Zugang nach Ostfriesland aus Richtung Südwesten – über Marsch und Heide – abriegelte und den Niederländern ab 1611 als Stützpunkt diente. Emden wurde nun zu einem Zentrum des politischen und religiösen Radikalismus und einem der wenigen Orte in Deutschland, an dem die Calvinisten jene presbyterial-synodale Kirchenverfassung mit ihren flachen Hierarchien einführten, die für ihre Glaubensbrüder im europäischen Ausland so typisch war. Die Stadt Emden stellte 1604 den Juristen Johannes Althusius als ihren Stadtsyndikus ein, wobei ausdrücklich dessen berühmt-berüchtigtes Werk Politica den Ausschlag gegeben hatte, in dem Althusius die These vertrat, Magistraten stehe gegenüber „tyrannischen“ Fürsten ein Widerstandsrecht zu – das hatte weithin für Aufsehen gesorgt.118 Ein Zermürbungskrieg Die Spanier steckten vor Ostende in ihren Gräben fest. Der Krieg in den Niederlanden hatte sie seit 1582 jedes Jahr 1500 gefallene Soldaten gekostet, von den Verlusten unter ihren wallonischen, italienischen und deutschen Söldnern ganz zu schweigen. Bei der vierjährigen Belagerung von Ostende starben noch einmal 40 000 Mann. Erst unter dem Kommando von Ambrogio Spinola gelang es den Spaniern im September 1604, die Stadt einzu-

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nehmen. Spinolas im Vorjahr erfolgte Berufung auf diesen Posten war symptomatisch für die finanziellen und militärischen Probleme der Spanier. Er stammte aus Genua, dem Zentrum des spanischen Kredit- und Logistiknetzes. Sein jüngerer Bruder hatte beim Aufbau der spanischen Flandernflotte nach der Eroberung von Dünkirchen 1583 eine entscheidende Rolle gespielt, aber Ambrogio war in der Heimat geblieben, hatte geheiratet und das Bankhaus der Familie geführt. Wie viele Bankiers verdankte er seinen Erfolg einer Diversifizierung der Geschäftsbereiche: Einem seiner Söhne verschaffte er den Kardinalshut, indem er Truppenaushebungen finanzierte, ebenso war er aber auch stark im spanischen Mittelmeerhandel involviert. Das Bankhaus Spinola häufte so ein Betriebskapital von zwei Millionen Dukaten an, was es Ambrogio erlaubte, für seinen König bis 1602 13 000 Soldaten anzuwerben und auszurüsten. Seine eigenen Interessen waren mit jenen der spanischen Krone verschmolzen: Der König war angesichts der großen Kriegsanstrengungen auf Finanziers wie ihn angewiesen, während Spinola den militärischen Erfolg auch deshalb suchte, weil jede Niederlage auf dem Schlachtfeld ein Risiko für seine Bonität bedeutete. Die Eroberung Ostendes bestätigte, dass seine Ernennung zum Befehlshaber keine Fehlentscheidung gewesen war; 1605 wurde er offiziell der Nachfolger Albrechts von Habsburg als Oberkommandierender der Flandernarmee. Was im Desaster hätte enden können, wurde zu einer effizienten Partnerschaft. Beide waren vernünftige Männer, und dank seines Taktgefühls und seiner Befähigung erwarb sich Spinola bald den Respekt seiner routinierteren Untergebenen. Spinola kehrte zu der alten Strategie zurück, die Niederländer an ihrem östlichen Flügel zu umgehen, indem er mit 15 000 Mann in das Ijsselgebiet vorstieß, um viele der dort 1597 verlorenen Städte zurückzuerobern, darunter 1606 auch Rheinberg. Es gelang ihm allerdings nicht, den inneren Verteidigungsgürtel der Republik zu durchbrechen, während die Niederländer auf ein im November 1598 seitens der Spanier gegen sie verhängtes Handelsembargo mit der Eröffnung eines uneingeschränkten Freibeuterkrieges reagierten. Tatsächlich trifft die Wortwahl es genau, denn das niederländische Vorgehen war durchaus dem „uneingeschränkten U-Boot-Krieg“ des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg vergleichbar, und wie dieser war es heftig umstritten. Kleine Schiffe wurden mit Kaperbriefen ausgestattet, was sie zum Aufbringen feindlicher Handelsschiffe ermächtigte. Dazu tarnten sie sich als harmlose Fischkutter oder spanische Schiffe in Seenot, um die fremden Kapitäne zu täuschen. Zwischen einem solchen Vorgehen und unverhohlener Seeräuberei war es nur ein schmaler Grat, und die Piraten wüteten ohnehin schlimm genug – so schlimm, dass die Schiffe der Barbaresken-Korsaren von Algier regelmäßig bis in den Ärmelkanal vor-

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drangen und sogar Dorfbewohner aus Cornwall in die Sklaverei verschleppten. Die Niederländer beruhigten freilich ihr frommes Bürgergewissen, indem sie Bestimmungen erließen, die zwischen patriotischen Freibeutern und gottlosen Piraten unterscheiden sollten. Wenn diese Bestimmungen dann aber verletzt wurden, drückten sie nicht selten ein Auge zu. Die Freibeuterei war nicht nur eine effektive Kriegswaffe, sie war auch tief in der niederländischen Kultur verwurzelt. Als Seefahrernation feierten die Niederländer noch immer die Heldentaten der freibeuterischen Wassergeusen aus den ersten Jahren des Aufstands gegen die spanische Herrschaft: In der Zeit zwischen den Repressalien Albas und der Eroberung des holländisch-zeeländischen Rückzugsgebiets 1572 waren sie es gewesen, die der Sache der Aufständischen den Rücken gestärkt hatten. Wie im Fall des deutschen U-Boot-Kriegs wurde der Seekrieg gegen die Spanier mit der Zeit jedoch immer mehr zum Abnutzungs- und Zermürbungskrieg, in dem die Niederländer selbst unter den von Dünkirchen ausgehenden Plünderfahrten der spanischen Flotte zu leiden hatten.119 Die niederländischen Verteidigungsausgaben hatten sich über zehn Jahre hinweg verdoppelt und erreichten 1604 eine Höhe von zehn Millionen Gulden. Es gab deutliche Anzeichen dafür, dass das fiskalisch-militärische System der Republik trotz seiner Effizienz kurz vor dem Zusammenbruch stand. Die Gesamtschuld der niederländischen Regierung stieg auf zehn Millionen Gulden, während die inländischen Provinzen in Zahlungsverzug gerieten und die Armee bis 1607 auf einen Mannschaftsstand von 51 000 zusammenschmolz, der deutlich unter ihrer Sollstärke von 62 000 Soldaten lag. Da also beide Seiten in ein langwieriges Kräftemessen zur See und an Land hineingezogen waren, wurde die Logistik zum entscheidenden Faktor. Das Erstarken der regulären niederländischen Flotte machte es den Spaniern – vor allem im Zusammenspiel mit den Kaperfahrten der Freibeuter – sehr schwer, die Flandernarmee von See aus zu versorgen. Zwar hatten die Spanier 1585 Antwerpen zurückerobert, aber die niederländische Präsenz auf den Inseln vor Zeeland bewirkte de facto eine völlige Blockade der Scheldemündung, während die zahlreichen Sandbänke, die Dünkirchen schützten und es zu einem derart tauglichen Freibeuternest machten, zugleich die Einfahrt größerer (Transport-)Schiffe verhinderten. Diese Probleme waren im Zuge der Armada-Kampagne von 1588 schlagartig zutage getreten, als die spanische Flotte vergeblich einen sicheren Hafen suchte, um ihren englischen Verfolgern zu entkommen und Parmas Truppen an Bord zu nehmen.120 Die Schwierigkeiten der Versorgung auf dem Seeweg erhöhten die strategische Bedeutung jener Marschroute, die der Herzog von Alba 1567 eingeschlagen hatte und die inzwischen als „Spanische Straße“ zu allgemeiner Bekanntheit gelangt war.

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Die Spanische Straße Obwohl sie insgesamt als „Straße“ bezeichnet wurde, bedeutete eine Reise auf der Spanischen Straße doch erst einmal eine Reise auf dem Seeweg: von der spanischen Mittelmeerküste nach Genua, das – wie Rom – zum informellen Imperium der Spanier gehörte. Truppen, Geld und Nachschub wurden vom Galeerengeschwader der Genuesen transportiert, das auf diese Weise zum ebenso inoffiziellen Bestandteil der spanischen Mittelmeerflotte wurde. Von Genua aus marschierten die Soldaten in Richtung Norden, nach Mailand, dem Zentrum der spanischen Macht in Oberitalien, wo sie sich erholen konnten und ihre Reihen oft durch Rekruten aus den italienischen Besitzungen der Spanier verstärkt wurden. Die Hauptroute führte dann von der Festung Alessandria im Südwesten des Mailänder Territoriums hinüber nach Asti im Piemont, das dem Herzog von Savoyen gehörte, einem Verbündeten der Spanier bis 1610. Hier teilte sich der Weg: Der eine Abzweig führte in nordwestlicher Richtung über Pinerolo auf den Alpenpass am Monte Cenisio und von dort hinunter in das eigentliche Savoyen und an den Oberlauf der Rhône, der die Soldaten flussaufwärts nach Norden bis in die Franche-Comté folgten. Eine Nebenstrecke lief durch das Susatal westlich von Turin und über den Pass am Mont Genèvre. Wahlweise konnten die Truppen auch von Mailand aus direkt nach Norden marschieren, das Tal von Ivrea hinauf, dann durch das Aostatal, um über den Großen oder den Kleinen Sankt Bernhard auf die andere Seite des Gebirgsmassivs zu gelangen, wo sie durch das Tal der Arve in Obersavoyen hinunter nach Genf kamen und dann, in nordöstlicher Richtung am Kamm des Jura entlang, ebenfalls in die FrancheComté. Hier liefen die drei Streckenvarianten wieder zusammen und nahmen Kurs nach Norden, durch das Herzogtum Lothringen nach Luxemburg hinein, womit bald auch das Kampfgebiet erreicht war. Die Seereise aus dem nordspanischen La Coruña um die Iberische Halbinsel herum nach Genua erfolgte über Tagesdistanzen von bis zu 200 Kilometern – fast zehnmal schneller als der mühsame Marsch über die Alpen und weiter über Land, bei dem die rund 1000 Kilometer von Mailand nach Flandern mit immerhin 23 Kilometern am Tag zurückgelegt wurden. Dennoch war der Überlandweg die sicherere Wahl, und so marschierten zwischen 1567 und 1620 mehr als 123 000 Soldaten auf der Spanischen Straße nach Norden, während im selben Zeitraum nur 17 600 auf dem Seeweg nach Flandern gelangten.121 Die Hugenottenkriege Die Sorge um „ihre Straße“ zog die Spanier in den 1580er-Jahren immer tiefer in die inneren Angelegenheiten Frankreichs und Savoyens hinein – in etwa so, wie die Niederländer und andere Nachbarn in die

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innerdeutschen Streitigkeiten hineingezogen wurden. Im Fall der Spanier kam es jedoch nicht zum Ausbruch eines Großkonflikts, da Frankreich für Spanien eine wesentlich größere Bedrohung darstellte, als dies irgendein deutsches Fürstentum vermocht hätte. Frankreich war nach seinem Sieg über die Engländer im Hundertjährigen Krieg in eine Phase dynamischer Expansion eingetreten. Die französischen Könige aus dem Haus Valois konsolidierten ihre Herrschaft in den Kernprovinzen des Landes und zwangen auch vormals autonome Grenzregionen unter ihre Kontrolle: die Normandie (1450), Provence (1481) und Bretagne (1491), das Bourbonnais und die Auvergne (1523) sowie die piemontesische Markgrafschaft Saluzzo (1548). Bestrebungen, nach dem Tod des letzten Herzogs von Burgund 1477 auch dessen Erbe einzuziehen, führten zu einem langwierigen Krieg mit den Habsburgern, der nach der Invasion Italiens durch Karl VIII. von Frankreich im Jahr 1494 auf neue Schauplätze übergriff. Zwar endete dieser Konflikt schließlich, 1559, mit einer französischen Niederlage, aber die Bevölkerung Frankreichs hatte sich über das vergangene Jahrhundert hinweg verdoppelt und wuchs sogar noch weiter, sodass sie um 1600 die Zahl von 19 Millionen Einwohnern erreichte. Das Vermögen der französischen Krone, aus diesem Potenzial Nutzen zu ziehen, wurde jedoch durch den tödlichen Unfall Heinrichs II. bei einem Turnier 1559 stark eingeschränkt. Die französische Krone ging an seine Witwe, Katharina de’ Medici, die nacheinander als Regentin für eine ganze Reihe minderjähriger Söhne des verstorbenen Königs fungierte: Franz II. (1559–60), Karl IX. (1560–74) und Heinrich III. (1574–89). Die französische Aristokratie und überhaupt alle, die während des vergangenen Jahrhunderts zunehmender Königsmacht andauernd zu kurz gekommen waren, bemühten sich nun, ihren Einfluss wieder geltend zu machen, und schlossen sich unter der Führung diverser Prinzen von Geblüt gegen die Krone zusammen. Diese waren Angehörige des Hochadels, die durch Heirat mit dem Königshaus verschwägert, durch die Prinzipien der Erbfolge und das Verlangen der Krone, alle Macht bei sich zu konzentrieren, jedoch von der Herrschaft ausgeschlossen waren. Durch die Religion wurde die Sache kompliziert, da viele Angehörige des französischen Hochadels und ihre Klientel in den Provinzen um 1560 Hugenotten wurden, also die französische Spielart des calvinistischen Glaubens annahmen, während ihre Rivalen katholisch blieben. Nach 1562 kam es deshalb zu einer Reihe erbitterter Auseinandersetzungen, die als Hugenottenkriege in die Geschichte eingegangen sind und die königliche Autorität der Valois nachhaltig beschädigten, weil sie allen zeigten, dass dieses Königshaus keinen Frieden garantieren konnte.122 Der europäische Frieden wurde nun nicht mehr durch eine mögliche französische Aggression nach außen bedroht, sondern vielmehr von der Gefahr, eine

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Implosion des Königreiches könnte die umgebenden Länder in seinen Bürgerkrieg gleichsam „hineinsaugen“. Diese Gefahr drohte insbesondere dem Heiligen Römischen Reich, dessen Fürsten schließlich als eine ihrer „teutschen Libertäten“ das Recht ansahen, verbündeten christlichen Mächten im Bedarfsfall Waffenhilfe zu leisten. Obwohl die Reichsverfassung einer Aushebung von Soldaten zu diesem Zweck durchaus Grenzen setzte – sie durfte nicht gegen den Kaiser oder den Landfrieden gerichtet sein –, konnte man aufgrund der starken Zersplitterung der Reichsterritorien nur schlecht kontrollieren, welcher Fürst gerade irgendwo Truppen zusammenzog, um sie seinen Verwandten oder sonstigen Verbündeten jenseits der Reichsgrenze zur Verfügung zu stellen.123 Bereits im April 1562 hatten sich die Anführer der Hugenotten mit der Bitte um Unterstützung an die protestantischen Reichsstände gewandt – und diese auch prompt erhalten: 4000 Mann Kavallerie waren nach Frankreich gezogen, das erste von sieben deutschen Expeditionsheeren, die in den Hugenottenkriegen zum Einsatz kamen und insgesamt über 70 000 Soldaten umfassten. Auch den aufständischen Niederländern leisteten die protestantischen Fürsten des Reiches militärische Unterstützung, was nicht heißen soll, dass die katholischen Reichsstände in dieser Hinsicht weniger aktiv gewesen wären: Allein zwischen 1567 und 1575 stellten sie den Spaniern 57 200 Mann zur Verfügung, während im sogenannten Dreikronenkrieg zwischen Schweden und Dänemark (1563–70) auf beiden Seiten rund 25 000 Deutsche dienten. Diese Zahlen belegen das große Gewicht, das den Interventionen der Reichsfürsten in auswärtigen Konflikten zukam; insgesamt stellten sie mehr Truppen für die Kriege in Frankreich und den Niederlanden zur Verfügung als irgendeine andere „inoffizielle“ Konfliktpartei. Zwischen 1562 und 1591 dienten in den Heeren der Hugenotten und der Niederländer rund 20 000 Briten, im (annähernd) selben Zeitraum 50 000 Schweizer für die französische Krone und 20 000 weitere aufseiten der hugenottischen Aufrührer. Treibende Kraft hinter den deutschen Rekrutierungsanstrengungen für die Sache der Hugenotten war die Kurpfalz, deren Landesfürst ja 1560 zum Calvinismus konvertiert war und die zudem mit Teilen ihres Territoriums direkt an die „Endstation“ der Spanischen Straße angrenzte. Das Bevölkerungswachstum in Deutschland sorgte dafür, dass den Fürsten die Rekruten nicht ausgingen; für die Finanzierung der benötigten Truppen hingegen waren die Hugenotten selbst sowie deren internationale Gönner zuständig. Allerdings trafen diese Gelder stets verspätet ein und deckten die entstandenen Kosten niemals ganz. Aus diesem Grund beschränkte sich die deutsche Intervention in die Hugenottenkriege denn auch auf ein sporadisches Eingreifen von höchstens einigen Monaten am Stück, wonach die meisten dieser kurzlebigen Expeditionen in blutigem Chaos endeten.

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Lothringen und Savoyen Ihre Einmischung trug den protestantischen Reichsfürsten die Feindschaft und damit potenzielle Vergeltung der französischen Katholiken ein, die 1584 eine – wie sie selbst sagten – „Heilige“ Liga (Sainte Ligue) gegründet hatten, als klar wurde, dass der einzig plausible Erbe Heinrichs III., des letzten Valois, kein anderer als Heinrich von Bourbon sein würde, König von Navarra und Anführer der Hugenotten. Die Liga war ein Vehikel für das mächtige Haus Guise, das mit den Valois verwandt war und neben der Champagne und ihrem Umland im Nordosten Frankreichs auch über das größtenteils frankophone Herzogtum Lothringen herrschte, das formell zum Heiligen Römischen Reich gehörte. Die Herzöge von Guise betrachteten sich als Hüter des französischen Katholizismus und waren zu allem bereit, damit nur kein König auf Frankreichs Thron komme, der womöglich ihre politische Autonomie hätte beschneiden wollen. Durch die Lage ihrer Territorien spielten sie im strategischen Denken der Habsburger eine zentrale Rolle, denn wenn es darum ging, den letzten Streckenabschnitt der Spanischen Straße zu sichern oder französische Aggressionen in Richtung Elsass und Rhein zu kontern, war die Kooperation der Guise unerlässlich. Die Entscheidung Philipps II., die Liga ab Dezember 1584 mit Geldzahlungen zu unterstützen, verwandelte eine Abfolge von sieben heftigen, aber kurzen Bürgerkriegen in einen langwierigen, internationalen Konflikt, der bis 1598 andauern sollte. Die Situation innerhalb Frankreichs wurde allerdings überschaubarer, weil die diversen Splittergruppen sich rasch zu zwei verfeindeten Lagern formierten, die jeweils auf mächtige Verbündete im Ausland bauen konnten. England ergänzte sein Engagement im Niederländischen Aufstand 1585 durch eine Allianz mit Heinrich von Bourbon-Navarra und finanzierte außerdem das bislang größte deutsche Expeditionsheer, das ab August 1587 fünf Monate lang gegen die Liga der französischen Katholiken ins Feld zog. Diese wiederum rächten sich, indem sie in die protestantischen Territorien westlich des Rheins einfielen und allein in der Grafschaft WürttembergMömpelgard 62 Dörfer niederbrannten. Ähnlich engagiert wie die Lothringer zeigte sich das Herzogtum Savoyen, ein weiteres auf seine gefährdete Autonomie bedachtes Territorium an der westlichen Peripherie des Reiches.124 Im früheren 16. Jahrhundert war Savoyen um Haaresbreite dem französischen Expansionsdrang entgangen – dank einer habsburgischen Intervention, die die Franzosen 1559, nach einer Besatzungszeit von 23 Jahren, zur Rückgabe des Territoriums zwang. Herzog Emanuel Philibert von Savoyen sah in den anschließenden inneren Wirren Frankreichs eine Chance, endlich der Bevormundung durch fremde Könige zu entfliehen. Er verlegte 1560 seine Residenz von Chambéry in Savoyen auf die andere Seite der Alpen, in das vergleichsweise sichere Turin im Piemont, und begann in der Folge, die Heraus-

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bildung einer eigenen, deutlicher savoyischen Identität zu befördern. Italienisch wurde zur offiziellen Sprache des Herzogtums erklärt, und 1578 kam das kostbare Heilige Grabtuch nach Turin (weshalb es heute als Turiner Grabtuch bekannt ist). Schriftstellern zahlte man ein hübsches Sümmchen dafür, dass sie einen Gründungsmythos des Herzogtums Savoyen ausfabulierten – so sei die neue Hauptstadt Turin etwa, wie es nun hieß, von einem umherwandernden ägyptischen Prinzen gegründet worden und somit älter als Rom und Troja. All diese Aspekte überzogen die savoyischen Autoren des 19. Jahrhunderts dann noch mit einer gehörigen Schicht von nationalistischem Zuckerguss, insbesondere nachdem das Haus Savoyen 1860 die Krone des frisch vereinten Königreiches Italien erlangt hatte. Im 16. Jahrhundert hatte die Familie freilich noch keine ganz so hochfliegenden Pläne, sondern konzentrierte sich zunächst voll und ganz darauf, von den anderen Herrscherhäusern Europas als ebenbürtig anerkannt zu werden und ein ausreichend großes Territorium zu gewinnen, um die Unabhängigkeit Savoyens auch in Zukunft wahren zu können. Die Rückeroberung Genfs wurde den Herzögen von Savoyen zu einer Frage der Ehre. Die Stadt war während der französischen Invasion 1536 verloren gegangen und zur unabhängigen calvinistischen Republik Genf geworden, während ihre abhängigen Gebiete im umliegenden Waadtland sich der Schweizerischen Eidgenossenschaft angeschlossen hatten. Außerdem plante man in Turin, über den ligurischen Apennin nach Süden vorzustoßen, Genua einzunehmen und damit Zugang zum Mittelmeer zu erlangen. Auch auf mögliche Vorstöße nach Westen, in die Provence und die Dauphiné, sowie nach Osten, auf das Territorium des Herzogtums Mailand, setzte man gewisse Hoffnungen. Derart ambitionierte Pläne ließen sich allein jedoch nicht umsetzen, und das politische Kalkül der Herzöge von Savoyen bestand vor allem darin, aus ihrer strategischen Position als „Torhüter der Alpen“ Kapital zu schlagen: Neben dem Tendapass zwischen Nizza und dem südlichen Piemont kontrollierte Savoyen auch den südlichen Abschnitt der Spanischen Straße, die in allen drei Streckenvarianten über savoyisches Territorium führte. Als 1580 Karl Emanuel I. Herzog von Savoyen wurde, war das der Startschuss für eine aggressivere Politik des kleinen Herzogtums. Man hat diesen Herzog als einen Opportunisten abgetan, der sich über die nächsten 40 Jahre hinweg immer dort – und nur dort – in die Kriege Europas einmischte, wo es für ihn etwas zu holen gab. Allerdings muss man auch sehen, dass dem Herzog seine häufigen Kurswechsel auf dem internationalen Parkett gewissermaßen aufgezwungen wurden, denn er konnte es sich schlicht nicht leisten, die stets gefährdete Selbstständigkeit seines Territoriums allzu eng an das Schicksal einer einzigen Großmacht zu binden, zumal er dabei ja fortwährend noch auf einen Machtzuwachs

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für das Haus Savoyen spekulierte. Ein gescheiterter Versuch, Genf zurückzuerobern, überzeugte Karl Emanuel 1582 von der Notwendigkeit eines mächtigen Bündnispartners, und so heiratete er 1585 die spanische Infantin Katharina Michaela, eine Tochter Philipps II., dem der frischgebackene Schwiegersohn versprach, im Rahmen seiner Möglichkeiten die spanische Intervention in Frankreich zu unterstützen. 1588 eroberte Savoyen die im oberen Po-Tal am Ostrand der Cottischen Alpen gelegene Markgrafschaft Saluzzo zurück, die 40 Jahre zuvor an Frankreich gefallen war. Im Jahr darauf marschierten savoyische Truppen im Waadtland ein; eine erneute Belagerung Genfs scheiterte wie zuvor, was Karl Emanuel veranlasste, seine Aufmerksamkeit auf die Provence und die Dauphiné zu lenken, von denen er annahm, dass sie eine leichtere Beute sein würden. Unterstützt durch eine savoyische Invasion aus Richtung Süden gelang es der Heiligen Liga im Mai 1588 – gegen den ausdrücklichen Befehl Heinrichs III. –, Paris einzunehmen. Die Ermordung des Königs durch einen katholischen Extremisten am 2. August 1589 beseitigte das letzte Hemmnis der Liga, die nun eine grausame Hugenottenverfolgung begann. Jedoch war der vermeintliche Sieg für die Liga zugleich der Anfang vom Ende, denn einen eigenen Kandidaten für den nun verwaisten französischen Thron hatte sie nicht. Die meisten moderaten Katholiken betrachteten Heinrich von Navarra als den legitimen Thronfolger, aber die Aussicht, dass er diesen Thron tatsächlich besteigen könnte, war für die Spanier – und deren mit Stolz gepflegte reputación – ein Schlag ins Gesicht. Schließlich war dieser Heinrich nicht nur ein „Ketzer“, sondern befand sich bereits in einer Auseinandersetzung mit den Spaniern, die 1512 die Hälfte seines Königreichs Navarra besetzt hatten. Nachdem er sich bislang der Liga und Savoyens bedient hatte, um einen Stellvertreterkrieg gegen Navarra zu führen, griff Philipp II. nun direkt in die französische Politik ein, indem er 1590 dem Herzog von Parma befahl, mit seiner Flandernarmee im Artois einzumarschieren. Wie wir bereits gesehen haben, sollte dieser Schritt erheblichen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Krieges in den Niederlanden haben. Der sächsische und der pfälzische Kurfürst stellten 1591/92 das siebte und letzte deutsche Expeditionsheer zur Unterstützung Heinrichs von Navarra auf, doch die französische Königskrone verdankte dieser wohl zum größten Teil seinem im Juli 1593 erfolgten Übertritt zum Katholizismus – ein Entschluss, den Heinrich in den berühmten Worten geäußert haben soll: „Paris vaut bien une messe“ – „Paris ist eine Messe wert!“ Während Heinrichs Konversion die radikaleren Hugenotten vor den Kopf stieß, erlaubte sie den – wesentlich zahlreicheren – moderaten Katholiken, sich ihm anzuschließen, und so konnte auf seine förmliche Krönung als Heinrich IV. von Frankreich im Februar 1594 einen Monat später sein Einzug nach Paris folgen. Philipp II. befand sich zu dieser Zeit schon nicht mehr bei bester Gesund-

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heit, weshalb er sich – nach etlichen anderen Rückschlägen – im August 1595 außerstande sah, Papst Clemens VIII. von einem Treffen mit Heinrich abzuhalten, bei dem der französische König gewissermaßen offiziell in den Schoß der Kirche aufgenommen werden sollte. Heinrich IV. hatte offenbar einiges von den Spaniern gelernt, was deren Umgang mit den Päpsten betraf, denn er gab sich einerseits nachsichtig in puncto päpstlicher Einflussnahme und Jurisdiktion in der französischen Kirche, schuf sich im Gegenzug aber rasch eine „Eingreiftruppe“ von etwa 20 Kardinälen, die sich in Rom für Frankreichs Interessen einsetzten. Obwohl Spanien in Rom die dominierende Macht blieb, war es nun doch nicht mehr die einzige, insbesondere da der wachsende französische Einfluss es dem Papst erlaubte, die eine Macht gegen die andere auszuspielen und auf diese Weise größeren Handlungsspielraum zu erlangen. Nachdem Heinrich IV. erst einmal als König von Frankreich anerkannt war, wirkte die Heilige Liga immer mehr wie eine Marionette der Spanier, und so setzten sich ihre Anführer einer nach dem anderen ab, bis Spanien mit seinen Interessen allein zurückblieb. Im Januar 1595 erklärte Heinrich der spanischen Krone offiziell den Krieg, marschierte in Burgund ein und schnitt damit die Spanische Straße ab. Spanien musste auf diesem Streckenabschnitt also für eine „Umleitung“ sorgen, die weiter im Osten über Saarbrücken verlief – und damit über Reichsgebiet. Zwei Jahre später vertrieb der Feldmarschall Lesdiguières die Savoyer aus der Dauphiné und eroberte die Täler der Maurienne und der Tarantaise für Frankreich, wodurch die Heerstraße auch in ihrem südlichen Abschnitt unterbrochen wurde. Der spanische Gegenangriff erfolgte aus den Niederlanden und endete nach erbitterten Kämpfen mit der Einnahme von Amiens; dennoch war klar, dass die Intervention der Spanier in Frankreich sich alles in allem als kontraproduktiv erwiesen hatte. Beide Seiten akzeptierten ein Vermittlungsangebot des Papstes, das schließlich im Mai 1598 in den Frieden von Vervins mündete, in dem Spanien den Anspruch Heinrichs IV. auf den französischen Thron anerkannte, Amiens und Calais an Frankreich zurückgab und Lothringen zwang, die von ihm besetzten Städte Metz, Toul und Verdun aufzugeben. Die Franzosen zogen als Gegenleistung aus Savoyen ab und willigten ein, die strittige Frage der Markgrafschaft Saluzzo durch ein päpstliches Schiedsgericht klären zu lassen.125 Savoyen bot an, seine frankophonen Territorien zwischen Rhône und Saône aufzugeben, wenn es im Gegenzug Saluzzo behalten dürfte – denn dieses war ein wesentliches Puzzlestück des savoyischen Herrschaftsbereichs im Westalpenraum. Der Vorschlag beunruhigte die Spanier, weil die Spanische Straße damit nach der Alpenquerung ungeschützt daliegen würde, und das ausgerechnet in der Nähe des calvinistischen Genf. Heimlich redete man Karl Emanuel von Sa-

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voyen zu, er solle auf besseren Konditionen bestehen, und versprach ihm dafür spanische Militärhilfe. Heinrich IV. verlor die Geduld und entsandte erneut Truppen nach Savoyen, 20 000 Mann, bevor die versprochene Unterstützung aus Spanien eintreffen konnte. Am 17. Januar 1601 besiegelte Karl Emanuel seine Abmachung mit Heinrich im Vertrag von Lyon und überließ dem französischen König das frankophone Savoyen im Gegenzug für Saluzzo. Die Spanische Straße verengte sich nun auf das Tal von Chézery zwischen dem Monte Cenisio und der zweibogigen Rhônebrücke von Grésin, westlich von Genf; ihre Anfälligkeit wurde deutlich, als Frankreich sie im Juli 1602 vorübergehend sperrte. Die Spanier versuchten, die Route nach Genf tiefer in das Gebirge hinein zu verlegen, und stellten im Dezember desselben Jahres Karl Emanuel die nötigen Mittel für einen Angriff auf die calvinistische Stadtrepublik zur Verfügung. Die berühmt gewordene „Escalade de Genève“ – eine Anspielung auf die Ersteigung der Stadtmauern mittels Leitern – scheiterte jedoch, Genf blieb unabhängig und die Beziehungen zwischen Spanien und Savoyen verschlechterten sich rapide. Da den Savoyern vor allem an einem guten Verhältnis zu dem erstarkenden Frankreich gelegen war, schränkten sie die spanische Nutzung der Route über Grésin immer weiter ein und verwiesen schließlich 1609 die permanenten Streckenposten der Spanier des Landes. Im Jahr darauf wurde die Neuausrichtung in der savoyischen Außenpolitik durch den Abschluss eines formellen Bündnisses mit den Franzosen abgeschlossen. Die Spanier mussten sich also einen anderen Weg über die Alpen suchen. Die Schweizer Pässe Die Sorge um ihre westliche Marschroute hatte die Spanier bereits im Mai 1587 dazu veranlasst, mit fünf der sieben katholischen Kantone der Eidgenossenschaft einen Vertrag über die Nutzung des Gotthardpasses zu schließen. Auf diese Weise sicherten sie sich den einzig praktikablen Weg durch das schweizerische Mittelland, der durch die katholischen Kantone an den östlichen Ufern des Vierwaldstätter und des Zuger Sees verlief, dann von Luzern aus dem Tal der Reuss hinunter zur Aare folgte und vor dort aus hinab zum Rhein. Ab hier marschierten die spanischen Truppen durch die oberrheinischen Besitzungen der verbündeten Österreicher, den Breisgau und die Landgrafschaft Oberelsass, bevor sie auf der ursprünglichen Strecke der Spanischen Straße durch das nördliche Lothringen nach Luxemburg gelangten. Die einzige Alternativstrecke durch die Innerschweiz – über den Simplonpass an den Oberlauf der Rhône – war lang und beschwerlich und konnte zudem durch den mächtigen (und protestantischen) Kanton Bern versperrt werden. Dem spanischen Gouverneur von Mailand gelang es 1604, den 1587 geschlossenen Vertrag zu erneuern, aber die katholischen Schweizer wurden langsam unruhig, was den

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wiedererstarkten Einfluss der französischen Krone betraf, und so verweigerte einer der ursprünglich beteiligten Kantone die Erneuerung des Abkommens. Zwar hatten die katholischen Kantone 1586 ihre eigene Liga geschlossen; einen Krieg gegen ihre protestantischen Eidgenossen wollten sie indes nicht beginnen. Die Schweizer Politik war ein Gewirr lokaler Beziehungen, vergleichbar den Verhältnissen im Reich, wobei der vielfältige Widerstreit der Interessen einen Ausbruch konfessioneller Gewalt zumindest hemmte. Der neue Vertrag verpflichtete die Spanier, ihre Soldaten in Trupps von höchstens 200 Mann mit zwei Tagen Abstand marschieren zu lassen. Ihre Waffen durften sie nicht am Leib tragen, sondern mussten diese gesondert auf Wagen transportieren. Zwischen 1604 und 1619 nutzten die Spanier die Gotthardroute sechs Mal, aber die katholischen Kantone Uri und Schwyz sperrten die Durchfahrt 1613 vorübergehend, was den Gouverneur von Mailand daran hinderte, in seinem Krieg gegen Savoyen deutsche Söldner einzusetzen. Das war kein Zustand, den eine Großmacht lange hinnehmen konnte.126 Es war durchaus möglich, Truppen auf dem Seeweg über die Adria nach Triest und dann über Innerösterreich und Tirol an den Rhein zu bringen. Allerdings war dies nicht nur ein riesiger Umweg, sondern hatte auch den Nachteil, dass die Venezianer den Truppentransport stören konnten – und Venedig stand der spanischen Italienpolitik oft feindselig gegenüber. Außerdem kontrollierten die Venezianer den Brennerpass und damit den besten Zugang nach Tirol von Italien aus. Zwischen diesen östlichen Varianten und den Pässen durch das schweizerische Mittelland verblieben nur drei mögliche Routen: Eine Straße verlief von Mailand aus nach Norden, über den (östlich des Gotthardpasses gelegenen) Splügenpass und durch das Hinterrheintal hinab, an Chur und dem Bodensee vorbei in den Breisgau. Östlich des Splügen wiederum lag das Engadin, ein Hochtal, durch das der Oberlauf des Inn nach Tirol hineinführte. Schließlich gab es noch das Veltlin, ein 120 Kilometer langes Tal, das vom Comer See aus in Richtung Nordosten ebenfalls nach Tirol führte, entweder über das Stilfser Joch (begehbar von Juni bis September) oder den etwas tiefer gelegenen Umbrailpass (Wormser Joch), der in der Regel ganzjährig genutzt werden konnte. Das Veltlin lag zwar weiter im Osten als der Gotthardpass, bot aber – mit vier gegenüber zehn Tagen – die schnellere Route über die Alpen. Alle drei zuletzt beschriebenen Alpenübergänge befanden sich in der Hand des Rätischen Freistaats, besser bekannt als Graubünden oder die Drei Bünde (bestehend aus dem später namengebenden Grauen Bund, Gotteshausbund und Zehngerichtebund). Es handelte sich dabei um einen Zusammenschluss von Gerichtsgemeinden auf dem Gebiet des heutigen Kantons Graubünden, der sich lose mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft verbunden hatte, zumindest

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Das Veltlin und die Schweizer Alpenpässe

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protestantische Schweizer Kantone

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nominell aber auch mit den österreichischen Habsburgern verbündet war. Wie die Eidgenossenschaft war auch der Rätische Freistaat aus einem Netzwerk von Allianzen hervorgegangen, das einzelne Alpengemeinden im 14. und 15. Jahrhundert im Rahmen ihres Freiheitskampfes gegen die habsburgische Herrschaft gesponnen hatten. Der Graue Bund herrschte über die Hinter- und Vorderrheintäler. Der Gotteshausbund umfasste das Engadin sowie die Stadt Chur, deren Bischof sich einem offiziellen Beitritt jedoch widersetzte, während der kleinere Zehngerichtebund an Tirol im Nordwesten grenzte. Alle drei Bünde setzten sich aus „Dörfer“ genannten selbstverwalteten Gerichtsgemeinden zusammen, die Vertreter in einen „Allgemeinen Bundstag“ entsandten, der unter anderem die Drei Bünde nach außen vertrat. Der Graue Bund war die stärkste Kraft auf den Allgemeinen Bundstagen, jedoch war für einen verbindlichen Beschluss die Zustimmung von mindestens zweien der drei Bünde nötig. Die strategische Bedeutung des Freistaats verdankte sich einer Reihe von Gebietseroberungen auf Kosten des Herzogtums Mailand in den Jahrzehnten zwischen 1500 und 1532. Während dieser Zeit hatten die Bergler nicht nur das Veltlin für sich erobert, sondern auch die Grafschaft Chiavenna in ihren Besitz gebracht, die sich am südlichen Ende des Tales erstreckte. Dadurch kontrollierten sie nun sowohl den Zugang nach Mailand im Süden als auch die nördlich gelegenen Alpenquerungen über den Splügenpass und durch das Engadin. Die Regierung des Rätischen Freistaats war, wie übrigens die der Schweizerischen Eidgenossenschaft auch, nach heutigen Maßstäben keine demokratische. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung war politisch geradezu entrechtet, denn während man den Einwohnern Chiavennas und des Veltlins immerhin ihre Selbstverwaltung gelassen hatte, betrachteten die Drei Bünde ihre Heimat als „Untertanengebiete“, die auf den Allgemeinen Bundstagen des Freistaats keine Stimme hatten. Durch ein Bevölkerungswachstum, das die vergleichsweise dürftigen Ressourcen bald überforderte, nahmen die sozialen Spannungen in der Region ab den 1570er-Jahren zu. Die kommunale Verwaltung geriet in die Hände von einigen „großen Hansen“ und deren Familien, die sich nicht nur Mehrheiten in den Dorfräten sicherten, sondern auch Adelstitel und -angewohnheiten annahmen. Wie in der Eidgenossenschaft sorgte die dezentralisierte politische Struktur dafür, dass Kontrollgewalt auf lokaler Ebene zu immer größeren Chancen auf Reichtum und Einfluss führte, je weiter man die hierarchische Leiter hinaufstieg. Auswärtige Mächte waren bereit, für günstige Beschlüsse des rätischen Bundstages hohe Summen zu zahlen – zur Öffnung der Alpenpässe etwa, oder um die Rekrutierung in den übervölkerten Untertanengebieten zu genehmigen. Die Einflussnahme von außen führte jedoch zur Lagerbildung im Inneren, wobei die einzelnen Parteien verschiedenen auswärtigen Mächten zu-

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neigten, was die bestehenden Spannungen weiter verschärfte. Konflikte im Bundstag wirkten auf die Ebene der Dörfer zurück, da die „großen Hansen“ ihren Einfluss in den Dorfgerichten geltend machten, um persönliche Rachefeldzüge zu führen. Diese Entwicklung traf das Gemeinschaftsideal, auf dem die rätische (und auch die eidgenössische) Gesellschaft gründete, ins Mark; war es doch der oberste Zweck aller frühneuzeitlichen Vergesellschaftung, den öffentlichen Frieden zu wahren – und dafür waren die Gerichte ja gerade gedacht gewesen. Ab den 1520er-Jahren machte die Ausbreitung des Luthertums die Sache noch einmal komplizierter, da viele Familien zu dem neuen Glauben übertraten, während andere katholisch blieben. Die Protestanten sahen ihren Glauben als Ausdruck der Unabhängigkeit von der Herrschaft der (katholischen) Habsburger und des (katholischen) Bischofs von Chur. Ihre entrechteten Untertanen (sudditi) im Veltlin hielten am Katholizismus fest, der ihnen Ausdruck der eigenen Identität schien. Unterschiedliche Sprachen vertieften die Spaltung, da die Menschen im Norden Deutsch und Rätoromanisch sprachen, im Süden aber Italienisch. Die Lage verschärfte sich, als die Kirche des Rätischen Freistaats unter calvinistischen Einfluss geriet und eine strenge Kirchenaufsicht und eine Besserung des Lebens auf der Ebene der einzelnen Gemeinden einforderte, während zugleich Kapuziner und andere katholische Missionare in der Region eintrafen, die der Kardinal Borromäus aus Mailand und der Ortsbischof aus Chur geschickt hatten, damit sie die Rekatholisierung des Alpenraumes vorantrieben. Die Führungsriege des Rätischen Freistaats fühlte sich zunehmend unter Druck gesetzt, nicht zuletzt, weil die Einwohnerschaft der Drei Bünde gegenüber ihren sudditi in der Grafschaft Chiavenna und im Veltlin weit in der Unterzahl war. Diese wurden nämlich immer unruhiger und erhoben sich 1572 und 1607 gegen die Bündner Herrschaft. Noch verzwickter wurde die Lage dadurch, dass die meisten Einwohner im Gebiet des tonangebenden Grauen Bundes ebenfalls katholisch geblieben waren, während im Veltlin immerhin 4000 Protestanten um ihr Leben fürchten mussten. Es überrascht kaum, dass die (calvinistische) politische Führung der Drei Bünde im Katholizismus eine subversive Kraft sah und ihren Einfluss in den Dorfgerichten dahingehend geltend machte, dass nach 1617 eine groß angelegte Verfolgungskampagne gegen die katholische Bevölkerung einsetzte. Der spanische Gouverneur von Mailand, Graf Fuentes, brachte die Bündner dahin, dass sie von 1592 an den Durchmarsch zumindest kleiner spanischer Truppenkontingente durch das Veltlin erlaubten, aber dann versprach im Dezember 1601 der Allgemeine Bundstag den Franzosen alleinigen Zugang zu diesem so wichtigen Tal – und schloss noch einmal zwei Jahre später ein ganz ähnliches Abkommen mit den Venezianern. Der Gouverneur rächte sich, indem er

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ein Getreideembargo gegen die Drei Bünde verhängte und zudem 1603 hoch über Colico am Comer See die Festung Fuentes errichten ließ, die den Zugang nach Chiavenna und ins Veltlin blockierte. Die Bündner zeigten sich unbeeindruckt, was zur Folge hatte, dass den Spaniern bis 1610 keine einzige zufriedenstellende Alpenquerung mehr geblieben war. Glücklicherweise war das nun, nach Abschluss des Zwölfjährigen Waffenstillstands mit den Niederländern 1609, nicht mehr so wichtig.

Die spanische Friedenspolitik In der französischen und der protestantischen Geschichtsschreibung haben die Spanier lange Zeit die Rolle der niederträchtigen Aggressoren spielen müssen. Ihre tatsächlich gar nicht seltenen Versuche, die eigenen Probleme um 1600 friedlich zu lösen, sind dagegen in den Hintergrund getreten. Nun war Spanien nicht die einzige Macht der Zeit, die so handelte, und natürlich hing der Erfolg der spanischen Friedensbemühungen im Einzelfall immer davon ab, dass andere europäische Mächte ebenfalls Frieden schließen wollten. Auch beendete niemand einen Krieg aus altruistischen Motiven, sondern hatte dabei stets die eine oder andere Vorstellung einer europäischen Friedensordnung im Blick, bei der eine dominante Macht ihre Interessen wahrte, indem sie Streitigkeiten zwischen ihren Rivalen entschied. Sowohl Jakob I. von England als auch Heinrich IV. von Frankreich waren überzeugt davon, dass ihr eigener Einfluss und Nachruhm ganz entscheidend von ihrer Fähigkeit abhänge, europäische Konflikte zu lösen. Die Päpste hofften ebenfalls, sich von der Einflussnahme Spaniens und Frankreichs befreien zu können, wenn sie eine solche Vermittlerrolle einnähmen.127 Derartige Bestrebungen sind auch Ausfluss eines grundlegenden Wandels in den europäischen Beziehungen, der vom christlich-mittelalterlichen Weltbild weg- und zu einer internationalen Ordnung hinführte, die auf souveränen Staaten beruhte. Zugleich banden zwar wirtschaftliche und politische Beziehungen diese souveränen Staaten wieder in ein gemeinsames System ein; die genaue Beschaffenheit dieses Beziehungsgeflechts musste jedoch erst noch geklärt werden. Im Denken der Zeit bedeutete „Ordnung“ Hierarchie, nicht Gleichheit; von einer „Ordnung“ erwartete man, dass eine herausragende Macht an ihrer Spitze stehen und Frieden für alle garantieren werde – wie ein Monarch in seinem Reich oder der Magistrat in einer Stadt. Die Vision einer pax Hispanica in einem ganzen Weltreich war für das Sendungsbewusstsein der spanischen Krone von zentraler Bedeutung. Wie die Frie-

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densbemühungen anderer europäischer Monarchen auch, so zielte die Politik der Spanier darauf ab, Konflikte aus einer Position der Stärke heraus beizulegen. In der Praxis lief es freilich nicht selten darauf hinaus, dass der Friedensschluss eher durch spanische Schwäche erzwungen wurde. Angesichts der bunt gemischten Motive und der daraus hervorgehenden brüchigen Vereinbarungen mag es naheliegen, die Friedenspolitik der Spanier und anderer als bloß taktische Rückzugsmanöver in längerfristigen Auseinandersetzungen abzutun. So jedenfalls ist die spanische Politik in den 20 Jahren zwischen dem Tod Philipps II. 1598 und dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 immer wieder interpretiert worden – zumindest von denen, die in der gesamten Epoche nichts als einen einzigen, langwierigen „Kampf gegen Habsburg“ erkennen können. Dennoch war das Vorgehen der Spanier weder naiv noch zynisch, und bei genauerer Betrachtung der Friedensverhandlungen wird deutlich, wie sehr die Zeitgenossen sich als in einer ganzen Reihe von durchaus verschiedenen – wenn auch miteinander in Verbindung stehenden – Konflikten verwickelt und verpflichtet betrachteten. Die pax Hispanica war aus dem Friedensschluss zwischen Spanien und Frankreich hervorgegangen, der 1559 den Machtkampf der ersten Jahrhunderthälfte beendet hatte und die Ruhe in Italien auf 50 Jahre sichern sollte. Ein erneuter Staatsbankrott im November 1596 sowie das Scheitern der (dritten) Armada von 1597 überzeugten Philipp II. von der Unmöglichkeit seines Vorhabens, Frankreich, England und die Niederländer zugleich zu besiegen, und führten zur Aufnahme jener Verhandlungen, die 1598 den Friedensschluss von Vervins erzielten. In gewisser Hinsicht war der Frieden von Vervins ein taktischer Zug in dem andauernden Kampf Spaniens gegen die Niederländer, denn er sprengte die französisch-englisch-holländische Tripelallianz von 1596, in der die drei Feinde Philipps II. geschworen hatten, mit der spanischen Krone auf keinen Fall einen Separatfrieden zu schließen. Zugleich ließ Vervins jedoch einen allgemeineren Friedenswillen erkennen, einen Willen zur Beilegung der europäischen Konflikte überhaupt. Das zeigte sich etwa daran, dass sowohl der Papst als auch Elisabeth I. von England dabei vermittelten. Auch war den Spaniern sichtlich daran gelegen, dass dieser Frieden Bestand haben werde. Der Herzog von Lerma ließ sich selbst durch wiederholte Appelle aus spanischen Regierungskreisen nicht dazu bewegen, die innere Instabilität Frankreichs nach der Ermordung Heinrichs IV. 1610 auszunutzen, und hielt stattdessen an der in Vervins beschlossenen Annäherungspolitik fest. Im April 1611 stimmte Heinrichs Witwe Maria de’ Medici dem Plan Lermas für eine dynastische Doppelhochzeit zwischen Spanien und Frankreich zu, die vier Jahre später auch stattfand.128

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Die Autonomie der spanischen Niederlande Auch die ernsthaften Bemühungen der Spanier um eine Beendigung des Niederländischen Aufstandes setzte Lerma fort. Diese hatten damit begonnen, dass der bereits todkranke Philipp II. den spanischen Niederlanden im Mai 1598 ein höheres Maß an Autonomie zugestanden hatte, indem er sie seiner Tochter Isabella überließ. Die Regelung war zum Teil dadurch motiviert, dass Philipp seine Lieblingstochter gut versorgt wissen wollte, nachdem klar geworden war, dass Kaiser Rudolf sie nicht heiraten würde. Isabellas „Ersatzhochzeit“ mit dem Erzherzog Albrecht fand 1599 (also nach Philipps Tod) statt, war von ihrem Vater aber bereits eingeplant worden: Der König hatte verfügt, dass die südlichen Niederlande auch dann selbstständig bleiben sollten, wenn aus der Ehe des Paares ein Sohn hervorgehen würde. Bis dahin sollten Albrecht und Isabella, zusammen als „die Erzherzöge“ bezeichnet, von Brüssel aus gemeinsam regieren. Philipps Hoffnung war es gewesen, dass ein autonomes Staatswesen im Süden der Niederlande die Aufständischen im Norden versöhnlich stimmen würde, sie den Kampf gegen die spanische Herrschaft einstellen und stattdessen einer Vereinigung mit Brüssel zustimmen würden.129 Zweifellos reichte das Entgegenkommen jedoch nicht annähernd aus, und es kam auch noch zu spät: ein volles Jahrzehnt nach Gründung der Republik der Vereinigten Niederlande. Außerdem wurde das gesamte Vorhaben schon allein dadurch unglaubwürdig, dass im Süden der Niederlande noch immer die spanische Flandernarmee stand, deren Befehle direkt aus Madrid kamen. Trotzdem sollte man die Überlegung, die dahinterstand, nicht allzu schnell abtun. Albrecht und Isabella waren entschlossen, ihre Autonomie gegenüber dem spanischen Mutterland zu behaupten, und vielleicht wäre alles anders ausgegangen, wenn sie tatsächlich einen Sohn gehabt hätten. Isabella war eine der anziehendsten Persönlichkeiten, die der düstere spanische Hof hervorgebracht hat. Auf Doppelporträts mit ihrem Gemahl erscheint Isabella größer als Albrecht, und ganz bestimmt war sie eine resolute, temperamentvolle Person – die beim Wettschießen der Brüsseler Schützen 1615 gleich mit ihrem ersten Schuss voll ins Schwarze traf. Dieses Ereignis führte dazu, dass man sie in Text, Bild und Zeremoniell als wahre Amazonenkönigin feierte, was zweifellos ein sorgsam inszenierter Versuch war, den Herrschaftsstatus der beiden „Erzherzöge“ zu festigen. Diese Propagandabemühungen wurden von praktischen Maßnahmen flankiert, welche sowohl die Loyalität der Untertanen in den südlichen Provinzen sichern sollten als auch auf die abtrünnigen Provinzen im Norden abzielten, deren Sympathien Albrecht und Isabella zu gewinnen hofften. Obwohl sie ihre Herrschaft über Brüssel und andere Städte betonten, respektierten sie lokale Privilegien für gewöhnlich durchaus. Ihre Rekatholisierungspolitik umfasste die übliche Förderung der Jesuiten, knüpfte aber eher an eine ältere, erasmische Tra-

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dition an, deren Wiederbelebung den Katholizismus für potenzielle Konvertiten aus dem Norden wieder attraktiver machen sollte. Albrecht verfügte über Regierungserfahrung aus seiner Zeit als Vizekönig von Portugal (1583–93). Es gelang ihm, mit dem Kommandeur der Flandernarmee, General Spinola, zusammenzuarbeiten, ohne die Autonomie der südlichen Niederlande zu kompromittieren, er schickte eigene Gesandtschaften nach England, Frankreich und Rom und eröffnete 1600 direkte Verhandlungen mit der niederländischen Republik. Albrecht spielte auch eine große Rolle, als die Madrider Regierung nach dem Tod Elisabeths I. von England 1603 erst einmal davon überzeugt werden musste, Jakob VI. von Schottland als ihren legitimen Nachfolger anzuerkennen – und damit einen Friedensschluss zwischen Spanien und England zu ermöglichen. Die Vermittlung der südlichen Niederlande war es dann auch, die 1604 zum Vertrag von London führte, durch den der 19-jährige Krieg mit den Engländern beendet wurde und eine Politik der langsamen Annäherung zwischen den beiden Mächten in Gang kam, die – trotz ernster zwischenzeitlicher Krisen – bis Mitte des 17. Jahrhunderts Bestand haben sollte. Der Zwölfjährige Waffenstillstand (1609) Die Erzherzöge Albrecht und Isabella erkannten, dass ihre Autonomie langfristig von einem Friedensschluss mit den republikanischen Niederländern im Norden abhing. Das militärische Vorgehen der Flandernarmee zielte deshalb immer stärker darauf ab, diese zur Annahme zumutbarer Vertragsbedingungen zu bewegen. Im März 1607 handelte Albrecht eine Waffenruhe aus, um Zeit für den erfolgreichen Abschluss der Gespräche zu gewinnen. Die Weigerung der Republik, den im Norden lebenden Katholiken die offizielle Duldung zu gewähren, sorgte in Madrid für beträchtliche Unruhe, zumal jede Waffenruhe eine Unterordnung geistlicher Belange unter den Pragmatismus der Sachzwänge – wie etwa des erneuten Bankrotts der spanischen Krone im November 1607 – mit sich bringen musste. Manche befürchteten auch, ein Waffenstillstand würde den Niederländern die Gelegenheit geben, sich neu zu formieren, wodurch sie dann in Zukunft noch schwerer zu besiegen sein würden. Die Schelde blieb für den Handel gesperrt, und viele spanische Kaufleute argwöhnten, dass die Niederländer nun mit Nachdruck in den umkämpften Indienhandel einsteigen würden – obwohl sie eigentlich versprochen hatten, die Gründung ihrer geplanten Westindienkompanie (Geoctroyeerde West-Indische Compagnie, WIC) zu verschieben. Jedenfalls weigerten sie sich, ihre bereits bestehende Ostindienkompanie aufzulösen, mit der sie den Portugiesen schon jetzt wichtige Märkte streitig machten. Unter anderem deshalb beschränkte sich der Waffenstillstand in seiner endgültigen Fassung effektiv auf Europa. Gemeinsam überstimmten Philipp III. und der Herzog von Lerma jegliche Einwände gegen

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das Schweigen der Waffen, indem sie darauf hinwiesen, dass eine Fortsetzung des Krieges womöglich noch schlimmere Folgen nach sich ziehen würde, und schlossen am 9. April 1609 den Zwölfjährigen Waffenstillstand mit der Republik der Vereinigten Niederlande. Durch Verträge mit Frankreich, England und den abtrünnigen Niederländern hatte sich Spanien auf diese Weise zwischen 1598 und 1609 seiner drei Kriege mit europäischen Mächten entledigt. Dabei hatte sich die Diplomatie als militärische Strategie klar bewährt: Die feindliche Tripelallianz war zerbrochen; der Waffenstillstand mit den Niederländern ließ gewisse innere Spannungen im Norden auf ein solches Maß ansteigen, dass die Republik beim Auslaufen des Vertrags 1621 in mancher Hinsicht schwächer war als zuvor. Nur weil Philipp III. seine Friedenspolitik als Notlösung darstellte, sollten wir ihm darin nicht unbedingt folgen.130 Angesichts der Kontroversen, die um diese Abkommen geführt wurden – und das gilt ganz besonders von dem Vertrag mit den häretischen Niederländern –, hätte der König sein Handeln in der Öffentlichkeit wohl kaum anders präsentieren können, ohne sein Ansehen zu beschädigen. Lerma wurde rasch zur Hauptzielscheibe für all jene, die in den Friedensbemühungen der Krone einen Verrat an den spanischen Kerninteressen erblickten. Sogar Lermas eigener Sohn, der Herzog von Uceda, schloss sich der wachsenden Opposition gegen seinen Vater an. Um die öffentliche Aufmerksamkeit von der Sache abzulenken, befahl Lerma die Ausweisung der Morisken aus Spanien – und zwar für denselben Tag, an dem der Waffenstillstand unterzeichnet werden sollte. Die Morisken waren Nachfahren von zum Christentum (zwangs)konvertierten Mauren, die auch nach der offiziellen Vertreibung der Mauren von der Iberischen Halbinsel noch in Spanien lebten und dort etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten. Mit Blick auf die wirtschaftliche und demografische Stagnation, unter der Spanien ohnehin litt, war dies eine fatale Entscheidung. Der Landbau in Valencia wurde durch die Ausweisung der Morisken auf die reine Subsistenzwirtschaft zurückgeworfen; die Zahl der Piraten, die Nachschublieferungen an die spanischen Garnisonen in Nordafrika (Ceuta und Tanger) abfingen und ausraubten, stieg rapide an. Spanien musste immer mehr Ressourcen zur Verteidigung seiner eigenen Südküste aufwenden. Die fruchtlose Kampagne gegen die Barbaresken-Korsaren, die nun folgte, erlaubte es den Spaniern aber wenigstens, sich mit Engländern und Franzosen zusammenzutun, die ebenfalls unter deren Seeräuberei zu leiden hatten. Und ganz nebenbei konnte Philipp auch noch das traditionelle spanische Kreuzfahrerimage aufpolieren. Savoyen und Mantua Der Kampf gegen die Korsaren war zugleich Bestandteil von Lermas genereller Neuausrichtung der spanischen Außenpolitik auf den

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Mittelmeerraum, den er als den wahren Aufgabenbereich Spaniens in Europa ansah. Lerma hatte sich in den Kopf gesetzt, Savoyen für sein Überlaufen ins französische Lager zu bestrafen und so die spanische reputación wiederherzustellen; außerdem wollte er erreichen, dass die Spanische Straße in die Niederlande wieder freigegeben würde. Der Marqués de Hinojosa, ein Verwandter und politischer Verbündeter Lermas, wurde nach dem Tod des Grafen Fuentes zum Gouverneur von Mailand ernannt und bekam die umgehende Anweisung, den Druck auf Savoyen zu erhöhen. Durch unvorhergesehene Entwicklungen kam es zu einem Krieg, den eigentlich niemand gewollt hatte und der als erster in einer ganzen Reihe von Konflikten um das Herzogtum Mantua stehen sollte. Die strittige mantuanische Erbfolge, um die es dabei ging, sollten wir uns genauer anschauen – nicht nur, weil sie die Bedeutung dynastischer Fragen als Casus Belli veranschaulicht, sondern weil ohne ihr Verständnis die gesamte italienische Dimension des Dreißigjährigen Krieges unverständlich bleiben muss. Als 1612 der Herzog Francesco IV. Gonzaga von Mantua nach einer Regierungszeit von unter einem Jahr starb, riss sein Bruder Ferdinando die Macht an sich und jagte seine noch trauernde Schwägerin Margarete von Savoyen unter dem Vorwand aus der Stadt, dass sie seinem verstorbenen Bruder keinen männlichen Erben geboren hatte. Margarete war die älteste Tochter von Karl Emanuel von Savoyen, der in diesem Vorfall eine Gelegenheit sah, die östliche Grenze seines Herzogtums zu arrondieren, und nun die Markgrafschaft Montferrat als Entschädigung verlangte. Anders als Mantua selbst, das ein Mannlehen war (also nur in männlicher Linie vererbt werden konnte), stand die Erbfolge von Montferrat auch Frauen offen, was es Karl Emanuel gestattete, die Markgrafschaft im Namen seiner Tochter einzufordern. Die Angelegenheit hätte eigentlich durch den Kaiser geklärt werden müssen, weil sowohl Mantua als auch Savoyen Teile Reichsitaliens waren, also zu den italienischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches zählten. Allerdings ließ der habsburgische Bruderzwist dem Kaiser zur betreffenden Zeit nur wenig Raum, sich um seine italienischen Herrschaftsgebiete zu kümmern, weshalb der Herzog von Savoyen im April 1613 kurzerhand in Montferrat einmarschierte und so den ersten größeren Krieg in Italien seit 1559 auslöste. Der spanische Gouverneur Hinojosa in Mailand hatte eigentlich Instruktion, sich aus militärischen Konflikten herauszuhalten, fühlte sich aber zum Eingreifen verpflichtet, weil das umstrittene Territorium genau zwischen den Herzogtümern Mailand und Savoyen lag. Madrid stellte das spanische Handeln als eine Parteinahme für den rechtmäßigen Erben Ferdinando dar, und nach langem Hin und Her eröffnete Hinojosa schließlich 1614 einen Gegenangriff, durch den die savoyischen Truppen aus Montferrat vertrieben wurden, hielt dann aber keineswegs inne, sondern marschierte gleich in das

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Piemont ein. Lerma wollte einen großen Krieg vermeiden und war auch eher pessimistisch, was Hinojosas Aussichten auf einen völligen Sieg über Savoyen betraf. Auf ein französisches Vermittlungsangebot ging Hinojosa aber ein und schloss im Juni 1615 in Asti ein vorläufiges Friedensabkommen, das ihn zum Rückzug aus dem Piemont verpflichtete und das Schicksal Montferrats vollkommen offenließ. Der Krieg erhöhte den Druck auf Lerma am spanischen Hof, insbesondere da sein Sohn, der Herzog von Uceda, sich die Strategie seines Vaters zu eigen machte, die Freundschaft des Kronprinzen zu erlangen suchte und sich auch mit allen anderen gut stellte, die auf einen Machtwechsel in Madrid spekulierten. Persönliche Rivalitäten mischten sich mit Grundsatzdiskussionen darüber, was für Spanien das Beste wäre. Nachdem Lerma immer schärfer kritisiert wurde, verweigerte Philipp III. dem Friedensschluss von Asti seine Zustimmung, und Lerma sah sich gezwungen, den Sündenbock Hinojosa durch dessen Absetzung zu opfern, um seine eigene Position zu retten. Die Position Karl Emanuels wurde indes durch Unterstützung von außen gestärkt. Frankreich hatte es zwar nicht auf einen Krieg abgesehen, nutzte allerdings die spanische Schwäche nur zu gern aus, um seine eigene internationale Stellung zu verbessern, und entsandte Hilfstruppen bis zu 10 000 Mann zur Verstärkung des savoyischen Heeres.131 Auch die Venezianer sahen in Savoyen vor allem den potenziellen Stachel im Fleisch der Habsburger und kamen 1616/17 für ein Drittel der savoyischen Militärausgaben auf. Unter anderem durch diese großzügige Beihilfe war es Karl Emanuel möglich, 4000 deutsche Söldner unter dem Kommando Ernsts von Mansfeld anzuwerben, die rechtzeitig zur Kampagne von 1617 in Oberitalien eintrafen. Savoyen hatte den Krieg bereits 1616 wieder eröffnet und sogar Montferrat zurückerobert, obwohl der Großteil der französischen Hilfstruppen noch auf sich warten ließ. Die Venezianer waren inzwischen in ihren eigenen Krieg mit dem Erzherzog Ferdinand verstrickt (siehe Kapitel 8) und lehnten es deshalb ab, eine zweite Front gegen Mailand zu eröffnen. Zudem stieß die Rhetorik von einem unabhängigen Italien, deren sich Karl Emanuel bediente, bei den benachbarten Herrschern nicht gerade auf Begeisterung; in ihren Augen war noch immer Spanien die beste Garantiemacht für den Frieden in der Region. Als neuer Gouverneur traf der Marqués de Villafranca in Mailand ein und begann umgehend mit einer Reorganisation der spanischen Truppen. Die katholischen Schweizer stellten ihre Bedenken in puncto einer spanischen Nutzung der Gotthardstrecke über die Alpen vorübergehend hintan, was das Eintreffen von Verstärkungen aus der Flandernarmee sowie von deutschen Rekruten ermöglichte. Nach einer sechsmonatigen Belagerung nahm Villafranca das piemontesische Vercelli ein, was eine Lücke in die Grenzbefestigun-

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gen des Piemont riss. Da der Krieg sich nun zu ihren Gunsten zu wenden schien, erneuerten die Spanier ihre Bemühungen um einen (für sie möglichst vorteilhaften) Friedensschluss, der durch die Vermittlung der französischen Krone sowie des Heiligen Stuhls zustande kommen sollte. Im Herbst 1617 wurde ein Doppelfrieden geschlossen: Der Vertrag von Pavia beendete die Auseinandersetzung um die mantuanische Erbfolge; Innerösterreich und Venedig einigten sich im Frieden von Paris. Im Gegenzug für einen savoyischen Abzug aus Montferrat, das Herzog Ferdinando von Mantua überlassen wurde, gaben die Spanier Vercelli an Savoyen zurück. Keine dieser Regelungen war sonderlich zufriedenstellend, und Savoyen sollte die mit Blick auf Montferrat getroffene Vereinbarung schon 1627 wieder infrage stellen. Allerdings gab es in den Beziehungen zwischen den europäischen Herrschern der Frühen Neuzeit immer ein gewisses Maß an Spannungen. Wichtiger ist deshalb, dass 1617 eigentlich nichts auf einen großen, auf einen unvermeidlichen Konflikt hinwies. Der Waffenstillstand mit den Niederländern hatte ein Drittel seiner Laufzeit noch vor sich, und die Regierung in Brüssel war ebenso wie viele Verantwortliche in Madrid durchaus der Meinung, dass er verlängert werden sollte – gesetzt den Fall, dass die Niederländer sich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen einlassen würden. Aber vor allem waren auch im westlichen und südlichen Europa keinerlei Anzeichen dafür zu beobachten, dass binnen Jahresfrist in Mitteleuropa ein furchtbarer Krieg losbrechen würde.

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ie skandinavische Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg verband mitteleuropäische Probleme mit dem Machtkampf im Ostseeraum. Wie die Interventionen der Spanier und Franzosen führte auch der Kriegseintritt Dänemarks und Schwedens eher zu einer Verlängerung und Ausweitung des Konflikts, als dass diese Länder unmittelbar zu seinen Ursachen beigeträgen hätten. Auch blieben die Anliegen der Skandinavier immer klar erkennbar und von den Angelegenheiten der mitteleuropäischen Mächte deutlich getrennt. Der Kampf um die Ostsee, um das Dominium Maris Baltici, hatte geraume Zeit vor dem Ausbruch des Krieges in Mitteleuropa begonnen, und er sollte nach dem Westfälischen Frieden noch weiterschwelen. Im Vergleich zu den westeuropäischen Kriegsparteien jedoch waren Dänemark und Schweden verhältnismäßig tief in die Verfassungsprobleme verstrickt, die das Reich eigentlich, in seinem tiefsten Inneren, quälten. Im Fall Dänemarks lag das daran, dass der dänische König die Reichsstandschaft besaß und intensiven Anteil an der norddeutschen Religionspolitik nahm. Schweden war zunächst noch eine relativ entfernte Macht und dürfte von vielen Deutschen noch kaum zur zivilisierten Welt gezählt worden sein. Allerdings machte die schwedische Intervention von 1630 die Reichspolitik noch wesentlich komplexer, als sie ohnehin schon war, und führte schließlich dazu, dass Schweden auf verschiedene Weise in die Reichsverfassung eingebunden wurde: sowohl als Garantiemacht des Westfälischen Friedens wie auch durch den Erwerb von Territorien, die auch unter schwedischer Herrschaft Teil des Heiligen Römischen Reiches blieben. Nach 1599 gesellte Polen-Litauen sich Schweden und Dänemark zu im Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Die polnische Beteiligung verband das dortige Geschehen mit noch weiter östlich angesiedelten Entwicklungen, insbesondere der bürgerkriegsartigen „Zeit der Wirren“ im russischen Zarenreich sowie den Krisenherden entlang der polnischen Südgrenzen zu Siebenbürgen, der Walachei und Moldau. Alle drei Ostseerivalen waren durch Heirat und politische Allianzen mit Fürstenhäusern des römisch-deutschen Reiches verbunden, in den Fällen Dänemarks und Polens sogar mit den Habsburgern. Durch wirtschaftliche Interessen bestand zudem eine gewisse Verbundenheit mit westlichen Mächten wie etwa der Republik der Vereinigten Niederlande oder der englisch-schottischen Stuartmonarchie auf den Britischen Inseln. Letztere Ver-

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bindung war 1590 durch die Heirat Jakobs VI. von Schottland mit der Prinzessin Anna von Dänemark gefestigt worden. Von den drei rivalisierenden Mächten war ursprünglich Dänemark die bedeutendste gewesen, hatte es doch seit deren Gründung im Jahr 1397 an der Spitze der Kalmarer Union gestanden, die den gesamten skandinavischen Raum beherrschte. Die Kalmarer Union war eine reine Personalunion gewesen, da Dänemark, Schweden und Norwegen ihre eigenen Reichsräte behalten hatten, in denen die führenden Adligen jedes Landes zusammentraten, um ihre Interessen und die überkommenen Gesetze zu verteidigen.132 Dänemark war außerdem besonders eng mit der römisch-deutschen Reichspolitik verbunden, weil seit 1448 ein Zweig des Hauses Oldenburg den dänischen Thron innehatte, weshalb am Kopenhagener Hof in der Folge Deutsch gesprochen wurde. Die jüngere Linie des Hauses Oldenburg herrschte weiterhin über die kleine norddeutsche Grafschaft Oldenburg (mit dem Fürstbistum Lübeck), während ein weiterer Familienzweig mit Stammsitz auf Schloss Gottorf in Schleswig sich die Herrschaft über die Herzogtümer Schleswig und Holstein mit dem dänischen König teilte. Dabei gehörte Schleswig zum Königreich Dänemark, während Holstein ein Territorium des Niedersächsischen Reichskreises war, was sowohl den dänischen König als auch seinen Gottorfer Vetter zu römisch-deutschen Reichsständen mit Sitz und Stimme im Reichstag machte. Die Dominanz Dänemarks innerhalb der Kalmarer Union wurde ab 1387 durch die faktische Eingliederung Norwegens in den dänischen Herrschaftsbereich festgeschrieben. Um 1620 herrschten die Oldenburger auf dem dänischen Königsthron über 1,18 Millionen Untertanen, von denen zwei Drittel in Dänemark lebten, der Rest in Norwegen. In Holstein lebten noch einmal 185 000 Menschen unter dänischer Herrschaft, während die Gottorfer in ihrem Anteil des Herzogtums 50 000 Einwohner zählten, in Schleswig noch einmal doppelt so viele. Durch den Besitz der Färöer und Islands kamen noch einige Tausend Seelen dazu, aber im europäischen Vergleich war die Gesamtbevölkerung des dänischen Hoheitsgebiets vergleichsweise klein, entsprach sie doch gerade einmal der Bevölkerung des Königreichs Böhmen. Schweden und Finnland hatten 1620 zusammen 1,2 Millionen Einwohner, dazu noch 250 000 weitere in einigen verstreuten Besitzungen entlang der südlichen Ostsee (von denen gleich noch die Rede sein wird). Wie Dänen und Norweger lebten auch Schweden und Finnen ganz überwiegend in den südlichen Gebieten ihrer Länder; das riesige Landesinnere blieb jeweils so gut wie unbewohnt. Der Machtkampf im Ostseeraum war nach dem Zerfall der Kalmarer Union in den Jahren 1520–23 ausgebrochen. Damals hatte der schwedische Adel den Herrschaftsanspruch des dänischen Königs zurückgewiesen und seinen eigenen

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Monarchen proklamiert. Die beiden „Bruchstücke“ der vormaligen Union, Dänemark-Norwegen und Schweden-Finnland, stritten nun untereinander über ihre bilateralen Beziehungen, während im Inneren jeweils Kämpfe um die künftige Regierungsform tobten. Beide Könige, der dänische wie der schwedische, beanspruchten das Vermächtnis aller drei Kronen (Schweden, Dänemark, Norwegen). Dänemark weigerte sich überdies, den schwedischen Austritt aus der Kalmarer Union zu akzeptieren; noch hatte man in Kopenhagen die Hoffnung nicht aufgegeben, Norwegen wieder unter die dänische Knute zwingen zu können – oder doch zumindest die eigene Stellung als dominierende Macht im Ostseeraum zu behaupten. Der Machtkampf konzentrierte sich auf die westliche Ostsee, insbesondere auf den Öresund – zeitgenössisch schlicht als „der Sund“ bezeichnet –, der den einzigen Ausgang zur Nordsee bot. Auf symbolischer Ebene verlieh man solchen durchaus handfesten Interessen dadurch Ausdruck, dass man um das Recht stritt, das alte Wappen mit den drei Kronen führen zu dürfen. Die anhaltende Rivalität schloss zwar Phasen relativer Ruhe, ja sogar Kooperation nicht aus, führte über die Jahre aber dennoch zu den sechs sogenannten Nordischen Kriegen (1563–70, 1611–13, 1643–45, 1657/58, 1658–60 und 1675–79), bevor sie schließlich in dem letzten, dem Großen Nordischen Krieg der Jahre 1700–21 vollends eskalierte und beide Rivalen so sehr schwächte, dass Russland den östlichen Teil des umstrittenen Gebiets unter seine Kontrolle bringen konnte.133 In der Frühphase des Konflikts hielt Dänemark die südschwedische Provinz Schonen fest in seiner Hand, was den Zugang der Schweden zum Sund auf einen schmalen Streifen Land entlang des Flusses Göta Älv beschränkte, der vom Vänersee in die Nordsee fließt. Diesen Korridor von höchster strategischer Bedeutung sicherte die Festung Älvsborg nahe der heutigen Stadt Göteborg; er sollte ein Zankapfel bleiben, bis die Schweden 1658 die gesamte westliche und südliche Küste des Sundes erobert hatten. Schweden wollte zunächst seine Unabhängigkeit sichern und dann Dänemark von der Spitze vertreiben. Um beide Ziele zu erreichen, mussten die Dänen auch noch von der Nordküste des Sundes vertrieben und das schwedische Königshaus zu europäischer Prominenz gebracht werden. Reichtum und Macht Dänemarks Weder der schwedische noch der dänische König konnte in den Kriegen, die ihre beiden Länder gegeneinander führten, auf die uneingeschränkte Unterstützung seiner Bevölkerung hoffen. Eine solche Rivalität auf internationalem Niveau erforderte Ressourcen, die der dünn besiedelte Ostseeraum nur mit Mühe aufbringen konnte. Das erzeugte Spannungen zwischen den Monarchen und ihren Untertanen, die sich im Mittelalter, zu Zeiten

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der eher dezentral organisierten Kalmarer Union, einer weitgehenden Autonomie erfreut hatten. In Dänemark ging Christian III. siegreich aus der „Grafenfehde“ hervor, einem Bürgerkrieg, der von 1534 bis 1536 andauerte und dem König in der Folge eine beträchtliche Autoritätssteigerung gestattete.134 Norwegen und Island verloren ihre Autonomie und wurden unmittelbar dem König unterstellt. Zur Stärkung des Luthertums wurde eine Staatskirche nach dem Vorbild der deutschen lutherischen Landeskirchen eingerichtet. Die katholischen Bischöfe Dänemarks setzte man gefangen, wodurch der einst so mächtige Reichsrat unversehens zu einem Rumpfgremium von etwa 20 weltlichen Ratgebern schrumpfte. Diese wurden gezwungen, den Treueeid auf ein abstraktes Konzept von „Krone“ zu schwören, deren Bedeutung das Leben des einzelnen Königs weit überstieg. Den kirchlichen Grundbesitz, der sich auf etwa ein Drittel des bebauten Landes belief, zog Christian ein. Damit regierte der König nun über gut die Hälfte seines Reiches unmittelbar. Die etwa 2000 Adligen besaßen zusammen rund 44 Prozent des bebauten Landes und blieben somit durchaus einflussreich. Die neue Regierungsform machte Christian ihnen schmackhaft, indem er sie mit größerer Autorität über ihre Pachtbauern ausstattete, die dadurch faktisch zu Leibeigenen wurden. Der Wahlcharakter der dänischen Monarchie blieb – zumindest der Form nach – erhalten, und um Steuern zu erheben oder Kriege zu erklären, musste noch immer die Zustimmung des Reichsrates eingeholt werden. Die Umgestaltung der dänischen Monarchie infolge der Grafenfehde brachte ein System hervor, in dem ein deutlich gestärkter Herrscher und ein noch immer einflussreicher Adel sich die Waage hielten. In seiner Eigenschaft als Herzog von Holstein besaß der König eine gewisse Autonomie auch jenseits der dänischen Verfassung, was ihm erlaubte, den Reichsrat zu umgehen. Beispielsweise zwang Christian IV. die Reichsräte 1611 dazu, einer Wiederaufnahme seines Krieges mit Schweden zuzustimmen, indem er drohte, er werde ihn andernfalls eben als Herzog von Holstein weiterführen. Die Krone mischte sich außerdem in das Verhältnis zwischen Grundherren und Pachtbauern ein und verfügte Obergrenzen für den Pachtzins, was verhindern sollte, dass die Monarchie auch noch den letzten Rückhalt in der Landbevölkerung verlor. Unter den Adligen sorgte ein Wirtschaftsaufschwung für verbreitete Zufriedenheit; insbesondere profitierten sie vom florierenden Getreidehandel. Auf subtilere Weise beeinflussten die dänischen Könige die Zusammensetzung des Adels, indem sie das Lehnsrecht so manipulierten, dass frei gewordene Lehen an königstreue Familien vergeben wurden. Bis 1625 hatte ein Drittel des Adels drei Viertel aller Kronlehen auf sich vereint; die so entstehende Aristokratie war dem König eng verbündet. Da ihr Reichtum es ihnen erlaubte, ihre Söhne auf ausländische Universitäten und Kava-

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lierstouren durch Europa zu schicken, teilte diese neue Oberschicht bald den weiteren Horizont ihres Königs und war wie dieser fest entschlossen, das Luthertum und den dänischen Machtanspruch im Ostseeraum zu verteidigen. Vor allen anderen jedoch war es der dänische König, der immense Reichtümer anhäufte, was ihn von den haushaltspolitischen Zwängen, die seine europäischen Standesgenossen immer wieder zu Kompromissen zwangen, weitgehend befreite.135 Hauptsächliche – und strategisch sensibelste – Quelle für die königlichen Einkünfte war der Sundzoll, eine Abgabe, die ausländische Schiffe bei der Durchfahrt durch den Öresund zu entrichten hatten. Dänemark kontrollierte alle drei Passagen zwischen Nord- und Ostsee: Zwei weniger befahrene Routen verliefen zwischen den Inseln Seeland und Fünen vor der jütländischen Küste hindurch; der breite Öresund zwischen Seeland und der Küste Schonens war die einzig praktikable Route für größere Schiffe. Der Ostseehandel blühte, angetrieben durch die symbiotische Entwicklung von westeuropäischer Bevölkerung auf der einen und osteuropäischer Gutswirtschaft auf der anderen Seite. Neben Getreide (vor allem Gerste) produzierte die Region auch Bau- und Nutzholz, Pech und Teer, Hanf (für Seile), Kupfer und andere wichtige Produkte für den Bedarf der Seefahrt, die folglich alle Seefahrernationen einkaufen mussten. Allein im Jahr 1583 passierten annähernd 5400 Schiffe den Sund, dreimal so viele wie noch 50 Jahre zuvor. In Helsingør, wo an der engsten Stelle des Sundes der Sundzoll erhoben wurde, bildete sich mit der Zeit ein immer ausgefeilteres Abgabensystem heraus, das auf Wert und Gewicht der gehandelten Ware beruhte. Weitere Zollstellen wurden in Nordnorwegen eingerichtet, um auch von der Alternativroute nach Russland über Murmansk profitieren zu können. Zwischen 1560 und 1608 verzehnfachten sich die jährlichen Zolleinnahmen und beliefen sich schließlich auf 241 000 Reichstaler. Der wahre Wert dieses Zollsystems für den König lag jedoch darin, dass es ihm eine unabhängige Einkommensquelle eröffnete, weil die Erträge nicht etwa in die Staatskasse flossen, sondern direkt in die Schatzkammern der Krone.136 Die Zölle am Sund und im Nordmeer stärkten zudem den internationalen Einfluss des dänischen Königs, konnte er doch Verbündete mit günstigeren Zöllen belohnen, was im hart umkämpften Seehandel mitunter entscheidend war. Ähnlich dem spanischen Silber überdeckten die dänischen Zölle tiefer liegende Probleme wirtschaftlicher und fiskalischer Natur. Die daraus resultierenden Schwächen traten jedoch erst nach dem Eintritt des Landes in den Dreißigjährigen Krieg zutage. Denn Dänemark mochte die Zollstationen besitzen, den Handel kontrollierte es nicht. Mehr als die Hälfte der Schiffe, die den Sund passierten, segelte unter niederländischer Flagge; die übrigen kamen meist aus englischen oder deutschen Häfen. Der dänische Beitrag zum Ostseehandel be-

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schränkte sich auf die Erzeugung gewisser Mengen an Holz und Getreide für den Export, dazu kamen die Erträge der norwegischen Hochseefischerei. Dänemark blieb somit ein „Domänenstaat“, das heißt, die dänische Krone blieb zutiefst abhängig von den Erträgen der Krondomänen, die 1608 ganze 67 Prozent der königlichen Einnahmen ausmachten. Die Domänenwirtschaft beruhte auf Tauschhandel, denn anstelle von Geldzahlungen entrichteten die Kronpächter ihren Zins in Form von Naturalien. Zu einem großen Teil wurden diese Erzeugnisse dann entweder vom Königshof verbraucht oder als Vergütung an die Amtleute der königlichen Verwaltung weitergereicht, deren Bezahlung in Geld noch nicht allgemein üblich war. Was übrig blieb, wurde auf dem freien Markt verkauft; der Erlös floss in die königliche Schatulle. Der Wunsch der dänischen Krone, sich von der Kontrolle durch den Adel frei zu machen, führte mittelfristig dazu, dass die Könige den Reichsrat und dessen Steuerbewilligungsrecht möglichst umgingen. Tatsächlich wurden Steuern nur als Notlösung erhoben, so während des Nordischen Krieges der Jahre 1563–70 und im Anschluss bis 1590, um die Kriegsschulden zu begleichen. Dieselbe Strategie kam beim Krieg der Jahre 1611–13 zum Einsatz – offenbar mit Erfolg, denn sie erzeugte eine optimistische Stimmung im ganzen Land, die aufgrund des fortgesetzten Wirtschaftsbooms in Dänemark bis 1640 anhielt, länger als irgendwo sonst in Europa. Die Einkünfte aus der Krondomäne stiegen weiter an und erzeugten ab 1615 regelmäßig einen Überschuss von mehr als 200 000 Reichstalern im Jahr. Obgleich er enorme Summen in die Kriegsrüstung investierte, konnte Christian IV. Barreserven in Höhe von mindestens einer Million Reichstalern horten, was ihn zur drittreichsten Einzelperson in Europa machte, nach Herzog Maximilian von Bayern, dessen Vermögen dem Vernehmen nach zehn Millionen Gulden betrug, und Christians eigener Mutter, Sophie von Mecklenburg, die bei ihrem Tod 1631 den Erben 2,8 Millionen Reichstaler hinterließ. Die dänische Krone war somit in der – für eine frühneuzeitliche Monarchie – ungewöhnlichen Position, als Gläubiger auftreten zu können und nicht als Schuldner. Der König investierte 432 000 Reichstaler in seine eigene Ostindienkompanie, die in Tranquebar an der Koromandelküste, im Südosten des Indischen Subkontinents, eine kleine Kolonie errichtete. Außerdem subventionierte Christian die dänische Walfangflotte, damit diese ihre niederländischen und britischen Konkurrenten aus dem Wettbewerb drängen konnte, förderte den Islandhandel und ließ in Kopenhagen eine Seidenmanufaktur einrichten. Dazu kamen noch etliche weitere Unternehmungen, die sowohl das Ansehen Dänemarks in der Welt mehren als auch den realwirtschaftlichen Aufschwung stärken sollten. Um 1605 war Christian zum Bankier und Geldgeber des dänischen Adels geworden und gewährte diesem weitere Kredite, als die Gutswirtschaft

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1618–23 zeitweilig in die Krise geriet. Auf politischer Ebene zahlte sich dieses Vorgehen aus, weil es die Adligen davon abhielt, allzu laute Kritik an den Entscheidungen ihres Königs zu äußern. Internationale Kredite ergänzten derweil die bereits erwähnten Zollermäßigungen und gewannen Christian zahlreiche Verbündete im Ausland. Allerdings war dieser Reichtum trügerisch. Er verschaffte der dänischen Krone zwar die Mittel (und auch das Selbstvertrauen), sich in internationale Abenteuer zu stürzen. Zugleich verschleierte er aber, wie instabil das fiskalische Fundament der dänischen Großmachtpolitik tatsächlich war. Die Einnahmen aus Zöllen und Getreideexporten brachen ein, wenn ein begonnener Krieg nicht sofort zum Erfolg führte – insbesondere da Schweden, der häufigste Kriegsgegner, bestens positioniert war, um beide Geldquellen zum Versiegen zu bringen. Und wenn dann die Reserven erst einmal aufgebraucht waren, stand dem dänischen König nur noch seine relativ unflexible Binnenwirtschaft zur Verfügung, der es noch dazu an dem Steuersystem mangelte, das sie überhaupt erst profitabel gemacht hätte. Den Löwenanteil der dänischen Kroneinkünfte verschlang das Militär. Seine großen Geldreserven verliehen dem König von Dänemark ein formidables Erstschlagpotenzial, mit dem er binnen vergleichsweise kurzer Zeit einen großen Krieg beginnen konnte. Als Dänemark 1563 in seinen ersten Krieg gegen Schweden zog, befanden sich in dem dänischen Heer von 28 000 Mann nicht weniger als 24 000 deutsche Söldner.137 Christian IV. verschob nach 1596 den Schwerpunkt in der dänischen Rüstungspolitik, indem er sich auf den Ausbau der permanenten Verteidigungsfähigkeit seines Landes konzentrierte. Die Barreserven der dänischen Krone blieben dennoch von entscheidender Bedeutung, wenn es darum ging, bei Bedarf schnell Kampftruppen zu mobilisieren. Zwischen 1596 und 1621 floss mindestens eine Million Reichstaler in die Modernisierung und den Ausbau der dänischen Festungen. Allein zur Sicherung Schonens sowie der anderen dänischen Provinzen in Süd- und Westschweden wurden acht neue Verteidigungsanlagen errichtet, während zum Schutz Norwegens die Befestigungen bei der Stadt Christiania, dem heutigen Oslo, erweitert wurden. Auf Seeland, der größten dänischen Insel, entstanden zwei weitere Festungen, welche die Hauptstadt Kopenhagen schützen sollten. Noch drei weitere wurden gebaut, um den Zugang zum westlichen Holstein zu bewachen: die Festung Stade auf dem Gebiet des Erzstifts Bremen, Glückstadt am rechten Ufer der Elbe sowie das in geringer Entfernung nordöstlich von Glückstadt gelegene Krempe. Auch in Ostholstein, Schleswig und Jütland wurden Befestigungsanlagen errichtet. Zwischen 1599 und 1602 wurde das dänische Militärwesen neu organisiert: einerseits, weil für die gerade errichteten Festungen noch Besatzungen benötigt wurden; andererseits als günstige Alternative in der Landesverteidigung im Ver-

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gleich zu einem kostspieligen stehenden Heer. Aus dem Wehrdienst der dänischen Ritterschaft (rostjeneste, „Rüst-“ oder „Rossdienst“) entstanden Kavallerieeinheiten, zu deren Aufstellung und Unterhalt alle Inhaber von Kronlehen verpflichtet waren. Unter den Freibauern und Kronpächtern wurden Infanterieregimenter ausgehoben. Die Miliz wurde 1609 in ein landesweit einheitliches System gebracht und nach dem zweiten Krieg mit Schweden in zwei Stufen, 1614 und 1620/21, nochmals umstrukturiert. Am Ende umfasste sie 5400 wehrpflichtige Bauern, deren Dienstzeit drei Jahre betrug. Ihre Einheiten wurden aufgestellt, indem einzelne Musterungsbezirke jeweils ein zugewiesenes Kontingent an Rekruten aufbieten mussten; die Kosten beglich der dänische König aus den Erträgen seiner Krondomäne. Der Adel unterhielt eine ständige Kavallerietruppe aus zwölf Schwadronen. Die Krone akzeptierte gewisse Einschränkungen als Preis für die Kooperation des Adels und sagte deshalb zu, die Miliz ausschließlich zur Landesverteidigung einzusetzen. Die Wehrpflichtigen, die man 1617 zur Errichtung der Festung Glücksstadt abkommandiert hatte, legten diese Bestimmung allerdings wesentlich enger aus als ihr König und desertierten in Scharen. Die Militärreformen Christians IV. hatten unverkennbar dänische Wurzeln, aber bestimmt hatte der König sich von dem nassauischen Milizsystem Graf Johanns VII. inspirieren lassen – jedenfalls überrascht es nicht, dass er Johanns Exerzierbuch in dänischer Übersetzung drucken ließ. Wie Johann von Nassau, so war auch Christian von Dänemark überzeugt, dass zur Stärkung der Truppenmoral neben den neuen Rekruten ein gewisser Kader von Berufssoldaten benötigt wurde. Er begann deshalb, ein Kontingent von etwa 4000 erfahrenen Kräften zu unterhalten, die zu einem großen Teil in Norddeutschland angeworben wurden. Diese bildeten die Kerntruppe des dänischen Heeres in den Jahren 1611 und 1625, in beiden Fällen verstärkt durch weitere Söldner, die man aus der königlichen Barreserve entlohnte, während die Miliz mobilisiert wurde, um die Festungen zu bemannen. Christian IV. hatte außerdem erkannt, welch entscheidende Rolle die dänische Marine im Kampf um die Ostsee spielen würde, weshalb er bei ihrem Ausbau keine Kosten und Mühen scheute. Die dänische Flotte war 1588 bereits so groß wie die englische, die im selben Jahr die Spanische Armada besiegte. 1618 waren die Marineausgaben sechsmal so hoch wie die Kosten für das Festungsbauprogramm. Mithilfe derartiger Summen konnte die Gesamttonnage der dänischen Kriegsflotte von 11 000 Tonnen im Jahr 1600 auf 16 000 Tonnen im Jahr 1625 gesteigert werden. Noch wichtiger war jedoch, dass der König ganz gezielt in neue Schiffstypen investierte und dass nun größere, stärker bewaffnete Kriegsschiffe die dänischen Werften verließen, darunter etwa das 44-Kanonen-Schiff „Victor“, das 1599 vom

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Stapel lief, oder die „Store Sophia“ mit ihren 54 Kanonen, die 1627 als Flaggschiff der königlich-dänischen Marine nachfolgte.138 Dänemark und das Reich Zeitgenossen wie Nachgeborene haben versucht, sich ihren Reim auf diese enormen Rüstungsanstrengungen zu machen, was nicht immer einfach war; schließlich ist Dänemark in den Jahrhunderten seither eher als eine friedliebende, kleinere Macht in Erscheinung getreten. Manche haben dieses spätere Image Dänemarks in die Geschichte zurückprojiziert und argumentiert, der Reichsrat mit seinem Streben nach Frieden und Neutralität habe schon damals die wahren dänischen Interessen vertreten – und zwar gegen das rücksichtslose Machtstreben Christians IV. Die neuere Forschung legt hingegen nahe, dass es auch dem König nicht ausschließlich um den eigenen Ruhm, sondern zugleich immer um die Sicherheit Dänemarks ging, und dass ihn diese Sorge um sein Königreich schließlich in die europäische Politik hineinzog. Der wahre Grund für den Widerstand des Reichsrats lag außerdem darin, dass den Adligen eine Sache klar geworden war: Wenn der König sich auf außenpolitische Abenteuer einließ, gefährdete das ihre eigenen Einkommen und ihren innenpolitischen Einfluss. In dänischen Darstellungen der nun folgenden Ereignisse dominiert in der Regel das Interesse am Ostseeraum. Dabei behielt das Haus Oldenburg doch seine deutschen Wurzeln und damit auch ein gewisses Interesse an den Entwicklungen im Reich. Die ältere Schwester des späteren dänischen Königs Friedrich II. hatte 1548 den sächsischen Kurfürsten geheiratet, was eine enge Verbindung zwischen Dänemark und der lutherischen Führungsmacht Kursachsen etablierte. Zugleich brachte es das nordische Königreich in unmittelbaren Zusammenhang mit dem kursächsischen Eintreten für die 1555 getroffenen Regelungen in Religion und Politik.139 Die dänische Politik nahm aggressivere Züge an, als 1596 Christian IV., Friedrichs Sohn, volljährig wurde. Nachdem er seinem Vater im Alter von nur elf Jahren auf den Thron gefolgt war, hatte Christian zunächst acht Jahre unter der Anleitung eines Regentschaftsrates aus vier adligen Mentoren regiert. Diese Erfahrung verschaffte ihm wertvolle Einblicke in die Mentalität seines Adels, und er lernte schnell, die Empfindlichkeiten dieses speziellen Menschenschlages für seine Zwecke zu manipulieren. Dänemark war das mächtigste protestantische Königreich neben England, und sowohl Friedrich II. als auch sein Sohn verstanden sich als Hüter und Verteidiger lutherischer Interessen in ganz Europa. Allerdings blieb Christian, der nach außen ein orthodoxes Ideal zur Schau trug, tatsächlich wohl eher gemäßigt, was seinen religiösen Eifer betraf; es war wohl eher das Pflichtgefühl gegenüber seinem Königreich als irgendein konfessionelles Motiv, das ihn zu seinem Handeln bewegte. Er war ein Mann von schier uner-

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schöpflicher Energie und neigte dazu, sich voller Enthusiasmus in ein neues Vorhaben zu stürzen – nur um dann beim ersten Rückschlag in umso tiefere Verzweiflung zu geraten, bevor er sich irgendwann mit frischer Zuversicht wieder ans Werk machte. Zwar war er ein guter Organisator, machte die eigenen Pläne jedoch nicht selten durch Ungeduld oder seine Abneigung gegen das Delegieren von Verantwortlichkeiten selbst zunichte. Trotz bedeutender Niederlagen ist er in das kollektive Gedächtnis der Dänen als der beliebteste König eingegangen, den ihr Land jemals hatte – wohl auch wegen seiner lebhaften Art, seines gesunden Appetits und stürmischen Liebeslebens. Auf eine reine Zweckehe mit der Prinzessin Anna Katharina von Brandenburg folgte eine ganze Reihe von Mätressen, gipfelnd in einer zweiten, morganatischen Heirat mit Kirsten Munk, einer bestens vernetzten, wesentlich jüngeren Tochter aus immerhin adligem Hause, die die Zuneigung ihres Gatten jedoch nicht erwiderte und später sogar ein Mordkomplott gegen ihn anzettelte. Schon Christians erste Ehe hatte, trotz fehlender Leidenschaft, drei Söhne hervorgebracht. Der älteste Prinz hieß Christian wie sein Vater und hatte anscheinend auch dessen Vorliebe für ausgiebige Trinkgelage in die Wiege gelegt bekommen, nicht jedoch den Intellekt und den Elan des Königs. Er starb bereits 1647, einige Monate vor seinem Vater. Ulrich, der jüngste, war schon 1633 im Alter von 22 Jahren verstorben, wodurch beim Tod Christians IV. im Jahr 1648 nur Friedrich, der mittlere der drei Brüder, als Thronfolger übrig geblieben war. Dass gleich zwei seiner Söhne früh sterben würden, hätte natürlich niemand voraussehen können, weshalb sich Christian IV. auch – über einen großen Teil seiner Regierungszeit hinweg und aus einem typisch lutherischen Gefühl familiärer Verantwortlichkeit heraus – für die beiden Prinzen eingesetzt hatte, die, wie er glaubte, sein Königreich nicht würden erben können. Die Suche nach einer angemessenen Versorgung seiner nachgeborenen Söhne war denn auch ein Faktor gewesen, der Christian zu seiner Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Reichskirche im Norden Deutschlands bewogen hatte. Es wäre allerdings verfehlt, die strategischen Entscheidungen der dänischen Krone auf eine allzu einfache Gegenüberstellung von „baltischen“ (auf die Ostsee bezogenen) und „deutschen“ (auf das Heilige Römische Reich bezogenen) Optionen zu reduzieren; schließlich verfolgte Christians Politik in der Regel verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Ziele zur selben Zeit. Der Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum war nicht etwa eine innerskandinavische Angelegenheit, sondern betraf auch Dänemarks Stellung in Europa, und diese hing wiederum mit den Verflechtungen (und Verpflichtungen) des Hauses Oldenburg im römisch-deutschen Reich als dem „Herzen der Christenheit“ zusammen. Die Oldenburger waren mit so gut wie allen protestantischen Fürsten-

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familien des Reiches verschwägert. Und obwohl dem Herzogtum Holstein die Kurfürstenwürde abging, ließ ihre königlich-dänische Abstammung die Herzöge doch auftreten, als stünde über ihnen, was Rang und Einfluss betraf, nur noch der Kaiser. Der Einfluss im Reich wiederum wirkte sich positiv auf das dänische Ansehen in der Welt aus und hielt die schwedischen „Emporkömmlinge“ – so die dänische Perspektive – zunächst davon ab, sich auf der Ostsee, gewissermaßen im „Hinterhof “ Christians IV., allzu sehr einzumischen. Indem er seinen nachgeborenen Söhnen Ulrich und Friedrich Versorgungsposten als Koadjutor oder Administrator in protestantischen Bistümern Norddeutschlands verschaffte, sicherte Christian nicht nur jenen ehrenvolle Ämter und ein sicheres Auskommen, sondern unterstrich zugleich die Rolle Dänemarks als Schutzmacht des lutherischen Glaubens, die sich auch in Zukunft für die protestantische Bevölkerung der betroffenen Territorien einsetzen würde. Das Erzbistum Bremen und die anderen Hauptziele der dänischen Bestrebungen im norddeutschen Raum lagen in einem ringförmigen Korridor, der sich von der Nordsee bis zur Südspitze des Herzogtums Holstein und dann in einem nordöstlichen Bogen bis zur Ostsee erstreckte. Es konnte für die äußere Sicherheit des Königreichs Dänemark nur förderlich sein, wenn sich diese Gebiete in den Händen verbündeter Fürsten befanden. Außerdem würde die dänische Krone auf diese Weise entscheidenden Einfluss im Niedersächsischen Reichskreis gewinnen. Und zu guter Letzt lagen die betreffenden geistlichen Territorien entlang der Weser, der Elbe sowie anderer Flüsse, die Norddeutschland in Richtung Nord- oder Ostsee durchzogen. Sobald sie diese Wasserstraßen unter ihre Kontrolle gebracht haben würden, konnten die Dänen ihr Zollsystem nach Deutschland hinein ausdehnen und so auch dort ihre Vormachtstellung gegenüber der mächtigen Hanse beanspruchen. Der Bund der Hanse war um 1160 entstanden und umfasste schließlich 70 deutsche Städte sowie rund 100 assoziierte Mitglieder von Flandern bis Finnland. Er war der langfristig erfolgreichste einer ganzen Reihe mittelalterlicher Städte- und Kaufmannsbünde, deren vorrangige Rolle es war, die Herrscher Europas zur Einräumung umfassender Handelskonzessionen zu zwingen. Die militärische Schlagkraft der europäischen Großmächte erlangte die Hanse jedoch nie, und nach dem Ende des Mittelalters geriet sie in einen langsamen, unaufhaltsamen Niedergang. Mit der Zeit sahen etliche ihrer Mitglieder in einer Aufnahme in das römisch-deutsche Reich die bessere Garantie für wirtschaftliche und politische Selbstständigkeit, weshalb viele Hansestädte den Status einer Reichsstadt anstrebten und auch erreichten. Lübeck, die erste Hansestadt, hatte diese Reichsfreiheit schon früh erlangt; andere, wie Magdeburg und Braunschweig, sahen in einer Hansemitgliedschaft die Möglichkeit, der Jurisdiktion

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ihrer eigentlichen Landesherren zu entkommen. Die tatsächliche Stellung der Hansestädte war deshalb einigermaßen unklar; große Hansestädte wie Bremen oder Hamburg betrachteten sich zwar selbst als autonom, waren jedoch (noch) nicht als Reichsstädte anerkannt. Diese Situation ermöglichte es der dänischen Krone, enge Beziehungen zu anderen norddeutschen Fürsten zu knüpfen, die ebenfalls stadtbürgerliche Autonomiebestrebungen unterdrücken und Bistümer für ihre Söhne und sonstigen Verwandten erwerben wollten. Der wichtigste Verbündete Christians IV. in dieser Hinsicht war der Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, der die Hansestadt Braunschweig unterwerfen wollte und bereits 1566 Administrator des Bistums Halberstadt geworden war. Er heiratete Christians Schwester Elisabeth, wodurch Dänemark eine enge Bindung mit dem Geschlecht der Welfen einging, das in der Reichspolitik schon lange eine wichtige Rolle spielte und die einflussreichsten weltlichen Fürsten im nordwestdeutschen Raum hervorbrachte. Heinrich Julius bevorzugte es natürlich, wenn ihm andere Welfen auf seine Posten nachfolgten, und das galt insbesondere für seinen jüngsten Sohn, Christian, der 1616 Administrator von Halberstadt wurde. Die Witwe des verstorbenen Welfenherzogs allerdings setzte sich für Friedrich, den mittleren Sohn Christians IV. von Dänemark, ein, der im April 1623 in das Halberstädter Domkapitel aufgenommen wurde und zum Kandidaten für das Amt des Administrators aufgebaut werden sollte. Philipp Sigismund von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein Bruder Heinrich Julius’, war protestantischer Bischof von Verden und Osnabrück und beförderte Friedrichs Karriere ebenfalls, indem er dem Dänenprinzen 1623 die Nachfolge als Administrator des Bistums Verden verschaffte. Inzwischen war dessen Bruder Ulrich zum Administrator des Bistums Schwerin bestimmt worden, was den dänischen Einfluss nach Osten ausdehnte. Das Erzstift Bremen war der große Fang, auf den alle spekulierten, denn es war nicht nur das größte geistliche Fürstentum der Region, sondern durch seinen kirchlichen Rang als Erzbistum auch das prestigeträchtigste. Durch den Erwerb Bremens würde Dänemark sowohl die Wesermündung unter seine Kontrolle bringen als auch das linke Ufer der Unterelbe. Durch den Besitz des Herzogtums Holstein kontrollierte Christian bereits einen Abschnitt des rechten Elbufers, und das setzte er nun ein, um auch Hamburg zu beanspruchen, die größte, dynamischste und erfolgreichste aller Hansestädte. Mit dem Argument, dass Hamburg ja wohl zu Holstein gehöre, entsandte er im Oktober 1603 ein Truppenkontingent, das die Hamburger zum Treueeid auf die dänische Krone zwingen sollte. Die Hamburger Bürgerschaft strengte jedoch einen Gerichtsprozess an und war damit auch erfolgreich: Im Juli 1618 entschied das Reichskammergericht, dass das Vorgehen des dänischen Königs unrechtmäßig gewesen sei.

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Dieser rächte sich, indem er am holsteinischen Ufer der Elbe, ein Stück flussabwärts von Hamburg, Glückstadt gründete. So konnte er von den Schiffen, die zwischen Hamburg und der Nordsee verkehrten, einen Zoll erheben. Christians Bemühungen um das Erzbistum Bremen wiederum stießen auf den erbitterten Widerstand seiner Verwandten aus der Gottorfer Linie, die in Bremen sowie in dem kleinen Bistum Lübeck seit 1585 den Administrator gestellt hatten. Allein auf das unnachgiebige Drängen Christians hin akzeptierten sie im November 1621 den Dänenprinzen Friedrich als Koadjutor, was dessen Wahl zum Erzbischof von Bremen 13 Jahre später ermöglichte. Dänemark umschloss nun sowohl Hamburg als auch die Stadt Bremen.140

Das uneinige Haus Wasa Das Anwachsen des dänischen Einflusses in Norddeutschland wurde relativiert durch das Erstarken eines Rivalen im östlichen Ostseeraum: Schweden. Der Aufstieg Schwedens zur europäischen Großmacht zählt zu den bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten, die in den Annalen der internationalen Beziehungen im 17. Jahrhundert verzeichnet sind. Obgleich die materielle Grundlage des schwedischen Imperialismus schon früher geschaffen worden war – durch die Eroberung der livländischen und estnischen Häfen nämlich –, sollten es doch erst die 1630–32 errungenen Siege Gustav Adolfs in Deutschland sein, die der neu entstandenen Großmacht internationale Anerkennung verschafften. Die rapide Expansion des schwedischen Territoriums war begleitet von ebenso dramatischen Entwicklungen im religiösen und kulturellen Leben eines Landes, dessen Elite sich von ihren europäischen Standesgenossen akzeptiert wissen wollte, derweil fremde Künstler, Gelehrte und Handwerker Ideen und Einflüsse aus ganz Europa in den hohen Norden trugen. Die Entwicklung Schwedens im Inneren war ungefähr mit jener Dänemarks vergleichbar. Mit dem Zerfall der Kalmarer Union war das Land zunächst in einen Bürgerkrieg geraten. Gustav I. Wasa hatte den Widerstand des Adels gegen eine Erbmonarchie niedergeschlagen und die wirtschaftliche Basis der schwedischen Krone gestärkt, indem er ihren Anteil an den 100 000 Bauernhöfen des Königreichs auf über 21 Prozent steigerte, während zugleich der vom Adel kontrollierte Anteil auf 16 Prozent absank. Die restlichen Höfe – 67 Prozent der Gesamtzahl! – befanden sich in der Hand von Freibauern, was einen enormen Unterschied zu Dänemark bedeutete, wo gerade einmal 6 Prozent aller Höfe von Freibauern bewirtschaftet wurden. Diese Statistik verdeutlicht die relative Schwäche des schwedischen Adels, der um 1600 gerade einmal 400 Familien

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zählte. Eine winzige Oberschicht von 15 Großadligen besaß 60 Prozent allen Landes, das überhaupt in grundherrlicher Hand war; die restlichen Grundherren verfügten in der Regel über nicht mehr als zehn Pächter je Herrschaft. Neun von zehn Schweden waren Bauern, und nahezu die gesamte wirtschaftliche Aktivität des Landes war auf kleinbäuerlicher Betriebsebene organisiert; große Landgüter wie in Dänemark oder Polen gab es in Schweden nicht. Die soziale Schichtung war weniger extrem, die Gesellschaftspyramide weniger steil als anderswo, und obwohl die Lebensbedingungen gerade der einfachen Bevölkerung natürlich auch in Schweden hart waren, waren selbst die Armen nicht ganz so bettelarm wie in manchen anderen Ländern. Die einfachen Bauern trugen dicke, schwarze Wollmäntel, Hüte und Handschuhe, dazu derbe Lederstiefel anstelle der Holzschuhe, die in weiten Teilen Westeuropas üblich waren. Der schwedische Adel lebte vergleichsweise bescheiden, und wenngleich man auch hier um 1600 begann, seine Söhne auf große Bildungsreisen zu schicken, blieben Prasserei und Verschwendungssucht, wie sie in Dänemark oder Polen zur selben Zeit bereits in Mode gekommen waren (mit feinen Kleidern, üppigem Essen und prächtigen Landsitzen), in Schweden noch weithin unbekannt.141 Die drängenden Probleme der schwedischen Krone hatten nicht etwa mit widerspenstigen Adligen zu tun, sondern vielmehr mit einer Fehde innerhalb des Herrscherhauses, die in gewisser Hinsicht an den Bruderzwist der österreichischen Habsburger erinnerte. Dort wie hier kämpften rivalisierende Brüder um die Vorherrschaft. Erik XIV., der älteste Sohn Gustav Wasas, war als König anfangs allgemein akzeptiert und begann eine Expansionspolitik im östlichen Ostseeraum. Dabei machte er sich den endgültigen Zusammenbruch der Deutschordensherrschaft im Baltikum in den Jahren 1560/61 zunutze. Der Deutsche Orden hatte im Mittelalter ein gewaltiges Territorium vom späteren West- und Ostpreußen über das heutige Litauen und Lettland bis hinauf nach Estland erobert und unter seine Herrschaft gebracht. Mit dem triumphalen Sieg der Polen über ein Ordensheer in der Schlacht bei Tannenberg 1410 war jedoch der Niedergang des Deutschen Ordens eingeläutet. Polen hatte das westliche Preußen mitsamt der Weichselmündung an sich gezogen (als „Preußen königlichen Anteils“) und herrschte damit über ein Gebiet, das unmittelbar an Pommern und damit an das Heilige Römische Reich grenzte. Ebenfalls unter polnische Oberhoheit kam das Gebiet von Semgallen, das im Nordosten an das restliche Preußen grenzte und den Ordensstaat nun in zwei Teile teilte. Das östliche Preußen entging der Annexion durch Polen nur deshalb, weil der dort residierende Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, zum Luthertum konvertierte, das ihm unterstehende Ordensterritorium als Herzogtum Preußen säkularisierte und 1525 der polnischen

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Lehnshoheit unterstellte. Albrechts Linie starb 1618 aus, nachdem sich mehrere seiner Nachkommen als geistig und körperlich labil erwiesen hatten, und das Herzogtum Preußen fiel an die Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern. Die im Baltikum verbliebenen Deutschordensritter des livländischen Ordenszweiges hatten sich in dem Gebiet nördlich von Semgallen zunächst mehr schlecht als recht allein durchgeschlagen – wie in ihren Anfangszeiten nun wieder als selbstständiger Livländischer Orden. Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts gerieten sie jedoch zunehmend unter den Druck des russischen Zarenreiches. Sie riefen den römisch-deutschen Kaiser um Hilfe an, doch die Mehrheit der Reichsfürsten äußerte Zweifel daran, dass das Ordensgebiet überhaupt zum Reich gehöre. Also sahen sich die Ordensritter gezwungen, dem preußischen Beispiel zu folgen: Sie konvertierten zum Luthertum und äußerten ihre Bereitschaft, unter die Schutzherrschaft der polnischen Krone zu treten. Allerdings gelang dies nur den Rittern im südlichsten Teil des Ordensgebiets (heute im Westen Lettlands gelegen), das 1561 zum polnisch-litauischen Lehnsherzogtum Kurland wurde.142 Erik XIV. von Schweden witterte seine Chance, den restlichen Teil Livlands unter seine Herrschaft zu bringen, und ließ ein Expeditionsheer an der livländischen Küste landen. Nachdem die Schweden im Juni 1561 Reval (Tallinn) besetzt hatten, standen Schweden und Polen kurz vor einem Krieg. Am Ende waren es die Dänen, die 1563 zu den Waffen griffen. Sie glaubten, eingreifen zu müssen, bevor ihre schwedischen Rivalen in Livland Fuß fassen konnten. Da das Vorgehen Eriks die Feindseligkeit Polens und Russlands geweckt hatte, sah Dänemark zudem die Chance, sogar Schweden selbst zurückzuerobern. Ein dänisches Heer griff Livland an, während ein zweites die bereits erwähnte, strategisch überaus bedeutsame Festung Älvsborg einnahm, was in Schweden eine Staatskrise auslöste. Herzog Johann von Finnland, der zweite Sohn Gustav Wasas und Halbbruder Eriks XIV., hatte 1562 Katharina Jagiellonica geheiratet, eine Schwester des letzten Jagiellonenkönigs, und verfügte deshalb über enge Kontakte zum polnischen Königshaus. Er verschwor sich mit seinem jüngsten Bruder und dem kleinen Kreis der schwedischen Aristokratie gegen Erik und betrieb erfolgreich dessen Absetzung, indem er den König für wahnsinnig erklären und 1568 wegsperren ließ – unter anderem wegen dessen Heirat mit einem Mädchen aus dem Volk. Johann konnte sein Land aus dem Krieg gegen Dänemark herausziehen und zahlte eine immense Lösegeldsumme für die Festung Älvsborg. Estland jedoch, den nördlichsten Teil des alten Deutschordensstaates, wollte er nicht wieder hergeben, auch wenn ihm dies ein langwieriges Kräftemessen mit Russland eintrug, das noch bis 1595 andauern sollte. Der wahre Nutznießer des dänisch-schwedischen Dreikronenkrieges war allerdings

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Polen, welches den Rest des livländischen Territoriums annektierte und sich auf diese Weise einen beträchtlichen Teil der südöstlichen Ostseeküste sicherte. Obwohl Johann III. 1569 als schwedischer König anerkannt worden war, musste er seine Macht mit einem Reichsrat teilen, den der schwedische Hochadel dominierte. Die Beziehungen zwischen dem Monarchen und seinen Räten verschlechterten sich zusehends, als seine polnischen Ambitionen Johann zu einer Rücknahme der – in Schweden ohnehin nur zögerlich erfolgten – Reformation und zu einer Förderung des Katholizismus animierten. Sein Sohn Sigismund wurde, genau wie viele Schweden seiner Generation, katholisch erzogen; man bereitete ihn darauf vor, einst die Nachfolge der 1572 ausgestorbenen polnischen Jagiellonendynastie anzutreten. Diese Vorbereitungen zeitigten den gewünschten Erfolg, als der polnische Adel den schwedischen Prinzen 1587 als Sigismund III. zu seinem König machte. In Schweden allerdings wurde die Situation nach dem Tod Johanns 1592 nicht gerade einfacher, denn dessen Erbe Sigismund befand sich ja in Polen. Das eigentliche Regierungsgeschäft übernahm Gustav Wasas dritter Sohn Karl, den sein Bruder Johann zum Herzog von Södermanland erhoben hatte, um etwaigen Thronansprüchen gleich das Wasser abzugraben. Karl, in vielerlei Hinsicht der unattraktivste der drei Wasa-Brüder, schmiedete ein Komplott gegen seinen Neffen, dem er die Krone neidete, und erklärte das Luthertum 1593 offiziell zur schwedischen Staatsreligion. Als Sigismund endlich nach Schweden kam, sah er sich vor vollendete Tatsachen gestellt und wurde gedrängt, diese zu sanktionieren; bei seiner Rückkehr nach Polen, die bald erforderlich wurde, musste er überdies die schwedischen Regierungsgeschäfte in den Händen Karls zurücklassen. Die Herausbildung zweier verfeindeter Lager um den Onkel und seinen Neffen wurde durch religiöse, regionalpolitische und persönliche Faktoren begünstigt. Als Sigismund 1598 an der Spitze eines vergleichsweise kleinen polnischen Heeres nach Schweden zurückkehrte, spitzte sich die Lage endgültig zu. Im Zeichen des Luthertums scharte Karl Bürger und Bauern um sich und trieb seinen Neffen und dessen katholische Soldaten im Frühjahr 1600 aus dem Land. In diesem Zusammenhang kam es auch zum berüchtigten „Blutbad von Linköping“, bei dem fünf oppositionelle Mitglieder des Reichsrates enthauptet wurden. Die überlebenden Räte erkannten ihn 1604 als ihren König Karl IX. an. Der Krieg im weiteren Sinne war damit jedoch noch nicht zu Ende, und nach der Schlacht von Kirchholm gelang es den Polen 1605, die Schweden aus Livland zu vertreiben; selbst danach schwelte der Konflikt noch bis 1611 weiter. Die Wasa-Dynastie war nun auf Dauer in zwei verfeindete Zweige gespalten, einen katholisch-polnischen und einen lutherisch-schwedischen, und die erbitterte Feindschaft zwischen den beiden Ländern sollte bis in das 18. Jahrhundert hinein Bestand haben.

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Der Bürgerkrieg ließ Schweden isoliert zurück. Die protestantischen Fürsten Europas orientierten sich lieber an Dänemark, weil sie Karl IX. als einen Usurpator und Thronräuber betrachteten – trotz seiner hervorragenden Referenzen als Verteidiger des Luthertums. Außerdem hatte Karl sich bei dem Versuch übernommen, den Handel im östlichen Ostseeraum ebenfalls unter seine Kontrolle zu bringen. Die schwedische Eroberung Estlands – und insbesondere des Hafens von Narva 1581 – hatte dem Moskauer Staat seinen einzigen direkten Zugang zur Ostsee genommen und zwang Zar Iwan IV. („den Schrecklichen“), den russischen Handel vermehrt über das Nordmeer abzuwickeln, wozu 1583 die Hafenstadt Archangelsk gegründet wurde. Karl bemühte sich daraufhin, diesen Handel zu unterbinden, indem er Lappland und die nördliche Spitze Norwegens, die Finnmark, für die schwedische Krone beanspruchte. Diese Gegenden waren zwar weitgehend unbewohnt, hatten jedoch große strategische Bedeutung, wenn Schweden wie geplant Zölle auf den Handel über das Weiße Meer erheben wollte. Diese Bestrebungen lösten 1611 einen erneuten Krieg zwischen Dänemark und Schweden aus (den Kalmarkrieg), der im Grunde aber nur eine Wiederholung des ersten Konflikts darstellte. Wieder demonstrierte Dänemark seine militärische Überlegenheit, indem es die Festung Älvsborg und andere strategische Punkte besetzte, aber diese Überlegenheit war schon nicht mehr ganz so souverän wie beim ersten Mal, und so schlossen beide Kriegsparteien 1613 erleichtert den Frieden von Knäred. Schweden verzichtete auf seine Ansprüche in Nordnorwegen und auf die vor der estnischen Küste gelegene Insel Ösel (Saaremaa) und musste für Älvsborg wieder einmal tief in die Tasche greifen: 1616–19 wurde eine ganze Million Reichstaler als Lösegeld fällig.143 Ein König und sein Kanzler Schweden akzeptierte diese Bedingungen, weil durch den Tod Karls IX. im Oktober 1611 die Regierungsverantwortung auf dessen 17-jährigen Sohn Gustav II. Adolf übergegangen war, der jedoch nach schwedischem Recht erst an seinem 21. Geburtstag König werden konnte. Die schwedische Aristokratie sah ihre Chance gekommen, ein wenig von dem Einfluss zurückzuerobern, der durch die Unterstützung des „falschen Wasa“ im Bürgerkrieg verloren gegangen war. Viele Angehörige des Hochadels sympathisierten noch immer mit Sigismund und drohten mit einer polnischen Intervention, um Zugeständnisse zu erpressen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Niederlage gegen Dänemark hätte diese Krise leicht zu einem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges führen können – und tatsächlich gab es auf dem Land bereits Unruhen wegen der hohen Steuerlasten, die der Krieg und das Lösegeld für Älvsborg verursachten. Auf Vermittlung des 28-jährigen Adligen Axel Oxenstier-

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na kam es jedoch 1611 zu einem Vertrag über die Thronfolge, den fortan jeder neue König unterzeichnen musste, bevor er die Herrschaft antreten durfte. Die Vorrangstellung des Hochadels im Reichsrat wurde bestätigt, ebenso sein Anspruch auf die fünf hohen Reichsämter (Kanzler, Drost, Schatzmeister, Marschall und Admiral). Oxenstierna selbst wurde schwedischer Reichskanzler. Expertise, Rat und Zustimmung des Reichsrats waren notwendig, um Kriege anzufangen, Steuern einzutreiben und Truppen auszuheben. Die Krone war zudem verpflichtet, mit dem Reichstag (Riksdag) zu verhandeln, der sich in vier Kurien aus den Ständen des Königreichs zusammensetzte (Adel, Klerus, Städte und Bauern) und der die Besteuerung einschränken konnte. Dass diese Regelung langfristig Erfolg hatte, war auch der begrenzten Anzahl der schwedischen Adelselite zu verdanken. Zum betrachteten Zeitpunkt gab es in Schweden nicht mehr als 600 männliche Adlige im Erwachsenenalter, von denen nur wenige überhaupt in der Reichs- oder Provinzpolitik aktiv waren. Das schwedische Regierungssystem bestand in einer Reihe von persönlichen Beziehungen, und es war Schwedens großes Glück, dass die beiden Hauptprotagonisten nicht nur außergewöhnlich begabt, sondern auch noch eng befreundet waren. Gustav Adolf war eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts und wurde schon zu Lebzeiten zu einer beinahe mythischen Figur.144 Offenbar hinterließ der König gehörigen Eindruck bei allen, die ihn persönlich trafen, und bestimmt hätte man ihn in späteren Zeiten einen Charismatiker genannt. In einer Zeit, in welcher der persönliche Eindruck ein zentraler Aspekt politischer Beziehungen war, besaß Gustav Adolf die Schlüsselkompetenz, mit Menschen ohne Ansehen ihres Standes sprechen zu können, ohne dabei sein eigenes Ansehen zu gefährden oder den Respekt seiner Untergebenen zu verlieren. Eine solche Gabe war in einem Land, dessen König regelmäßig mit dem einfachen Volk in Kontakt kam – sei es auf Reisen oder weil er auf den Reichstagen und den Provinzversammlungen mit den Vertretern der Bauern zu tun hatte –, von entscheidender Bedeutung. Auch zeigten sich die schwedischen Bauern im Umgang mit der Obrigkeit weniger unterwürfig, als es andernorts von ihnen erwartet wurde; einer sagte Gustav Adolf ins Gesicht: „Wenn mein Weib so schmuck angezogen wäre wie deins, König Gustav, so wäre sie wohl ebenso hübsch!“145 Gewiss stellten die einfachen Schweden den grundsätzlichen Kurs ihrer Regierung nicht infrage, aber dass sie dafür tief in die Tasche greifen sollten – davon musste man sie schon überzeugen. Noch schwerer wog, dass jedes Jahr Tausende ihrer Söhne zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Das Talent Gustav Adolfs, seine Ziele den unterschiedlichsten Personengruppen auf überzeugende Weise darzustellen, war ausschlaggebend dafür, dass er für seine weit gespannten Pläne die nötige Unterstützung einwerben konnte.

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Gustav Adolfs Charakter beeinflusste auch den Gang der Ereignisse. Viele Zeitgenossen bemerkten in seinem Wesen einen impulsiven Zug. Der König neigte zu heftigen Gefühlsausbrüchen, die er umgehend bereute, obwohl es dabei nur selten zu Tätlichkeiten kam, sondern meist bei Kraftworten blieb. Zwar bemühte er sich, seine Leidenschaften unter Kontrolle zu halten, behielt jedoch einen Hang zu bissigen Bemerkungen und einem insgesamt herrischen Auftreten. Der rastlose Enthusiasmus des Königs hingegen konnte geradezu ansteckend wirken. Gustav Adolf schätzte es einerseits, verschiedene Optionen abzuwägen und den Rat anderer einzuholen, wurde dann aber nicht selten von seinem Temperament übermannt und zu einem plötzlichen Kurswechsel verleitet. Er ging zwar mit Plan und Methode ans Werk, blieb aber vor allem doch ein Mann der Tat, der seine Soldaten persönlich exerzieren ließ, neue Kanonen testete und Kriegsschiffe befehligte. An der einfachen Lebensweise seiner Landsleute hielt er stets fest, war im Feldlager genügsam und teilte ganz bewusst die Nöte seiner Soldaten, bis hin zu dem Punkt, dass er nicht abgekochtes Wasser trank – eine äußerst gefährliche Angewohnheit, die ihm mindestens eine schwere Erkrankung eintrug. Unter dem Einfluss der deftigen deutschen Küche wurde er ab 1630, in den letzten zweieinhalb Jahren seines Lebens, zunehmend korpulent. Für Pomp und Pracht hatte er keinen Sinn, verstand aber durchaus deren politische Zweckmäßigkeit in der Betonung seines königlichen Status. Als er bei einem Ball in Frankfurt 1631 bemerkte, dass nicht genug Damen für alle Tänzer zugegen waren, befahl er kurzerhand, in der Stadt „Verstärkung auszuheben“. Gustav Adolfs Ruhm wurde dadurch noch vermehrt, dass er dem Vernehmen nach unverwundbar war. Bei gleich mehreren Gelegenheiten hatte man ihm das Pferd unter dem Sattel weggeschossen, oder er war mitsamt dem Tier durch die Eisdecke eines zugefrorenen Flusses gebrochen. Freunde und Kampfgefährten waren direkt neben ihm von Geschossen zerfetzt worden – der König aber hatte jedes Mal wie durch Zauberkraft überlebt. Man erzählte sich, bei der Belagerung von Riga 1621 habe eine Kanonenkugel die Leinwand seines Zeltes zerrissen, sei dann aber geschlingert und habe Gustav Adolfs Kopf nur knapp verfehlt. Im August 1627 traf ihn in der Schlacht bei Dirschau (Tczew) an der Weichsel tatsächlich eine Kugel in den Nacken, und obwohl es nicht gelang, das Projektil zu entfernen, genas der König beinahe völlig: Einzig der Nacken blieb steif. Solche Erlebnisse bestärkten Gustav Adolf in seinem Glauben an die göttliche Vorsehung und daran, dass er selbst ein Werkzeug dieser Vorsehung sei. Manche späteren Autoren, namentlich Georg Wilhelm Friedrich Hegel, nahmen den König beim Wort und sahen in ihm einen „Helden des Protestantismus“, dessen Bestimmung es gewesen sei, den Lauf der Geschichte offenbar werden zu lassen. Gustav Adolf war mit der Propaganda seines Vaters aufgewachsen, die das Rin-

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gen des Hauses Wasa um die Macht mit dem Kampf für den Protestantismus verknüpft hatte. Allem Anschein nach war auch der Sohn fest davon überzeugt, dass diese beiden Belange letztlich identisch waren. Während einer Deutschlandreise 1620 bestach Gustav Adolf in Erfurt einen katholischen Priester, damit dieser ihn heimlich eine Messfeier beobachten ließ. Das Erlebnis bestätigte selbst die schlimmsten Vorurteile, die der junge König über den Katholizismus gehabt hatte. Sein persönlicher Glaube blieb jedoch protestantisch im weiten Sinne des Begriffs und ließ sich nicht auf eine eng konfessionelle Orientierung festlegen. Die Forderung der lutherischen Geistlichkeit Schwedens, er solle in seinem Thronvertrag zur Unterzeichnung des konservativen Konkordienbuches verpflichtet werden, wies er 1611 ab. Außerdem war er durchaus bereit, religiöse Gefühle für seine politischen Zwecke zu manipulieren. Dass sein Vater calvinistische Neigungen gehabt hatte, war allgemein bekannt; und obwohl er selbst eher dem Luthertum zuneigte, ließ Gustav Adolf die calvinistischen Fürsten des römisch-deutschen Reiches hübsch in dem Glauben, er sei einer von ihnen. Axel Oxenstierna war der zweite Mann in diesem Doppelgespann. In einer berühmten Anekdote, die Oxenstierna selbst mitgeteilt hat, sagt er über Gustav Adolf: „Wenn es bei diesem König einen Fehler gegeben hat, dann war es dieser, dass er manchmal sehr cholerisch sein konnte. Das war sein Temperament und er pflegte gewöhnlich mir zu sagen: ‚Ihr seid zu phlegmatisch. Würde sich nicht etwas von meiner Hitze mit diesem Phlegma mischen, würden meine Geschäfte nicht zu einem solch guten Effekt kommen, den sie haben.‘“ Darauf habe Oxenstierna geantwortet: „Sire, wenn mein phlegmatisches Temperament nicht ein wenig Kälte mit Eurer Hitze mischen würde, hätten Eure Geschäfte nicht so ein gutes Gedeihen …“ – und der König habe „herzlich gelacht“.146 In mancher Hinsicht war der neue Kanzler wohl tatsächlich das genaue Gegenteil seines Königs. Oxenstierna hatte zusammen mit seinen Brüdern in Rostock, Wittenberg und Jena eine gut protestantische Universitätsbildung genossen. Er war ein Musterstudent gewesen, hatte bis tief in die Nacht über seinen Büchern gesessen und diese Angewohnheit auch dann nicht aufgegeben, als er 1605 in den Dienst der schwedischen Krone getreten war. Der sächsische Kurfürst nannte ihn verächtlich einen „Schreiberling“, und tatsächlich äußerte Oxenstierna wiederholt sein Bedauern darüber, dass die Staatsgeschäfte ihn von seiner Bibliothek und seinen geistigen Interessen fernhielten (so wurde er im Februar 1634 in die „Fruchtbringende Gesellschaft“ Ludwigs von Anhalt aufgenommen). Sein überragendes Gedächtnis und sein Auge für Details sicherten ihm einen raschen Aufstieg in immer höhere Ämter – freilich werden seine Beziehungen zu den führenden Familien des schwedischen Adels dabei auch nicht geschadet haben. Seine privilegierte Erziehung bewirkte einen Hang zur Arroganz, und

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Oxenstierna konnte seinen Mitstreitern gegenüber geradezu beleidigend werden, wenn er wieder einmal der Meinung war, er selbst sei der einzige fähige Mann im Raum. Anders als sein König besaß er nicht den geringsten Sinn für Humor, war aber dafür mit einem gesunden Schlaf gesegnet, blieb allzeit gelassen und bewahrte sich seine kühle Berechnung selbst unter äußerstem Druck. Die Grundlagen der schwedischen Macht Die Partnerschaft zwischen Gustav Adolf und seinem Kanzler Oxenstierna lässt sich grob in fünf Phasen einteilen. In den ersten sechs Jahren ihres Zusammenwirkens waren sie damit beschäftigt, das Land aus den Konflikten zu befreien, in die Karl IX. es hineinmanövriert hatte. Dann folgte eine kurze Phase innerer Reformen, die der schwedischen Militärmacht entscheidenden Auftrieb gab. Auf die Probe gestellt wurde diese neue Schlagkraft erstmals ab 1621, als Gustav Adolf einen langwierigen Krieg mit Polen begann, der bis 1629 andauern sollte (siehe Kapitel 13). Bereits 1630 folgte die Intervention in Deutschland, ehe der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen Oxenstierna zwei Jahre darauf als einzigen Mentor für dessen junge Tochter, die Königin Christina, zurückließ. Die Beendigung der Kriege mit Dänemark und Russland in den Jahren bis 1617 erlaubte es dem König und seinem Kanzler, die schwedische Monarchie durch die bewusste Inszenierung der lange aufgeschobenen Krönung Gustav Adolfs zu stabilisieren. Außerdem hoben sie die autonomen Herzogtümer auf, die verschiedenen Mitgliedern der Königsfamilie verliehen worden waren, damit diese nicht zu Einfallstoren für die Intrigen schwedischer Katholiken im polnischen Exil werden konnten. Auch das schwedische Regierungssystem wurde reformiert, wobei man die Auswirkungen dieser Reformen nicht zu hoch veranschlagen sollte. Es stimmt zwar, dass sie für andere Staaten zum Vorbild wurden, namentlich für Brandenburg-Preußen und das Russland Zar Peters des Großen, doch geschah dies erst später im 17. Jahrhundert und dann infolge der verbreiteten Bewunderung für die schwedischen Siege der 1630er- bis 1650er-Jahre. Die Reformen wurden nach und nach eingeführt; ein klarer Entwurf für rational oder, nach einem Schlagwort der Zeit, more geometrico erfolgende Veränderungen war nicht zu erkennen. Der königliche Rat löste sich langsam aus der adligen Kurie im Riksdag heraus und wurde schließlich zu einem professionell agierenden Gremium, das in einem beinahe modernen Sinne die Regierung verkörperte und nicht mehr eine bestimmte soziale Schicht. Dies hing zusammen mit einer funktionalen Differenzierung nach bestimmten Zuständigkeitsbereichen innerhalb der schwedischen Verwaltung, die zur Schaffung von Reichskollegien im Umfeld der ihnen entsprechenden fünf Reichsämter führte: Kanzlei, Oberstes Gericht, Schatzkammer, Admiralität und Kriegsrat. In der Praxis hatten sich

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diese Kollegien bereits um 1630 voll ausgebildet; vier Jahre später wurden sie im Zuge weiterer Reformen auch formell festgeschrieben. Keine dieser Veränderungen war sonderlich bemerkenswert. Tatsächlich hatten die meisten deutschen Fürstentümer ganz ähnliche Reformen ihrer Verwaltung schon ein gutes Jahrhundert vorher eingeführt. Doch sobald Schweden erst einmal damit begonnen hatte, drängte es, was die Effizienz der Umsetzung betraf, bald an die Spitze und schuf so die Voraussetzung für weitere Steuer- und Militärreformen. Die dringende Notwendigkeit, das Lösegeld für die Festung Älvsborg aufzubringen, zwang die schwedische Krone zu einer Revision ihrer Finanzen und bewirkte die Einführung neuer Steuern auf der Grundlage einer Volkszählung, die mithilfe der lutherischen Geistlichkeit durchgeführt wurde. Die neuen Steuerlisten erlaubten von 1620 an die Erhebung permanenter Steuern, die nicht mehr jedes Mal mit dem Riksdag ausgehandelt werden mussten. Der Adel akzeptierte diese Regelung, weil er selbst von ihr ausgenommen war, während seine bäuerlichen Pächter nur die Hälfte der Steuern zu entrichten hatten, die von den Pächtern der Krone erhoben wurden. Schweden modernisierte seine Domänenwirtschaft schneller als der Rivale Dänemark und führte anstelle der alten Pachtzahlung in Naturalien Geldzahlungen ein. Außerdem wurde die Produktion von Handelsgütern für den internationalen Markt vorangetrieben. Niederländische Steuerfachleute halfen 1623 bei der Einführung der Akzise, einer städtischen Verbrauchssteuer, sowie der Doppik (doppelten Buchführung) bei der schwedischen Schatzkammer im Jahr darauf. Bald verfügte die schwedische Verwaltung über das modernste Rechnungswesen in ganz Europa. Andere Experten wurden verpflichtet, um die Bodenschätze und anderen natürlichen Ressourcen Schwedens zu erschließen. Dabei tat sich vor allem das Konsortium der bereits erwähnten Familien Trip und De Geer aus den Niederlanden hervor, das in den 1620er-Jahren quasi im Alleingang den schwedischen Bergbau begründete. Unter niederländischer Anleitung verfünffachte sich über die nächsten 30 Jahre die jährliche Fördermenge an Kupfer auf schließlich 3000 Tonnen; schon 1637 machten Eisen und Kupfer 67 Prozent des schwedischen Exportvolumens aus.147 Die Teilnahme am internationalen Handel war für die weitere militärische Expansion unerlässlich, denn sie öffnete der schwedischen Krone die Tür zu ausländischen Krediten. Schweden knüpfte ein Netz von Handelsagenten, die in allen wichtigen Geschäftszentren vertreten waren – darunter etwa Johan Adler Salvius, der in Hamburg mit den politischen und finanziellen Unterstützern der schwedischen Krone verhandelte. Die Einnahmen aus dem Kupferexport dienten zusammen mit den verlässlicheren Einkünften aus der Domänenwirtschaft als Sicherheit für Kredite, mit denen die schwedischen Agenten Kriegsgüter einkauften und Söldner anwarben.

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Große Summen flossen in den Ausbau der schwedischen Kriegsflotte, die bis 1630 auf 31 Segelschiffe mit insgesamt 5000 Mann Besatzung angewachsen war. Die Marine diente Schweden sowohl als Bollwerk wie auch als Brücke.148 Ihre Offensivkapazität lag in der Fähigkeit, ein schwedisches Heer zur südlichen Küste der Ostsee oder auf eine der dänischen Inseln zu transportieren und anschließend von See aus Feuerschutz zu geben. Zugleich bildete sie aber auch die erste Verteidigungslinie, um ein feindliches Heer erst gar nicht in Schweden landen zu lassen. Um mit der vielfältigen Beschaffenheit der Ostsee und ihrer Küsten umgehen zu können, wurden zwei verschiedene Schiffstypen benötigt. Die Gewässer vor der schwedischen Ost- und der finnischen Südküste waren flach, die Durchfahrten zwischen den unzähligen vorgelagerten Inseln eng. Die mecklenburgische Küste bis zur Odermündung war gleichfalls eher seicht; zahlreiche Sandbänke erschwerten die Navigation. Dasselbe gilt für viele Küstenregionen und Häfen im Baltikum. Die Schweden entwickelten deshalb vergleichsweise kleine, mit Rudern versehene Schiffe zur Unterstützung ihrer Heere im unmittelbaren Küstenbereich sowie auf den Flüssen, die in die Ostsee mündeten. Diese Galeeren konnten freilich auch eingesetzt werden, um Schwedens eigene Küsten zu verteidigen. Für die eigentliche Schlachtflotte wurden daneben große Segelschiffe benötigt, mit denen man die stärkeren dänischen Kriegsschiffe noch auf dem offenen Meer abfangen konnte. Für Operationen in den tieferen Gewässern vor der schwedischen Westküste und der norwegischen Küste, wo es ebenfalls zahlreiche Inseln gab, wurden beide Schiffstypen kombiniert. Zwei getrennte Flotten konnte die schwedische Krone sich nicht leisten, und so musste der Bedarf an hochseetauglichen Schlachtschiffen auf der einen Seite und an flachbödigen Galeeren für Landungsoperationen und Küstenverteidigung auf der anderen sorgsam austariert werden. Die schwedischen Heeresreformen haben in der Forschung größere Aufmerksamkeit auf sich gezogen als die Entwicklungen innerhalb der schwedischen Marine. Das Land wurde 1617/18 in Rekrutierungsbezirke eingeteilt, wobei man auf Meldelisten zurückgreifen konnte, die bereits seit 1544 geführt wurden. Jeder Bezirk sollte aufgrund der regelmäßigen Musterung aller wehrfähigen Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren ein Regiment (später mehrere) zur Verfügung stellen. Manche Städte waren von dieser Verpflichtung befreit, dasselbe galt für die Besitzungen des Hochadels sowie all jene Gebiete, in denen Eisenoder Kupferbergbau betrieben wurde. Wie bei den Verwaltungsreformen dauerte es auch hier mehrere Jahrzehnte, bis das schwedische Militärsystem sich zu seiner vorerst endgültigen Form entwickelt hatte. Fixiert wurde das Ergebnis erst 1634, als die schwedische Armee auf 13 schwedische und 10 finnische Infanterieregimenter festgelegt wurde, zu denen 5 schwedische und 3 finnische Kaval-

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lerieregimenter traten; jedes Regiment war nach der Provinz benannt, aus der es stammte. Dieses System blieb im Grunde bis 1925 unverändert. Die Rekruten aus Küstenregionen schickte man zur Marine, obgleich nur wenige von ihnen vor ihrer Musterung zur See gefahren waren. Die Verwaltungsabläufe wurden verbessert, indem man die einzelnen Regimenter dazu verpflichtete, ihre Rekrutenzahlen regelmäßig der königlichen Kriegsakademie zu melden; zudem wurden 1621 und 1632 neue Disziplinarordnungen eingeführt.149 Die Aushebung wurde 1642–44 verschärft durch die neue Verwaltungseinheit der rotar, zu denen noch unter der Gemeindeebene jeweils eine bestimmte Anzahl von Bauernhöfen zusammengefasst wurde. Jede Gruppe von Bauern musste für einen Soldaten zahlen. Dies bereitete den Boden für die letzte Stufe der Reform, die 1682 mit der Einführung des „Einteilungswerkes“ (indelningsverket) erreicht war und bis 1901 Bestand haben sollte: Je ein Hof in jeder Aushebungseinheit wurde zum Unterhalt eines Soldaten in Friedenszeiten vorgesehen; wenn nun der Krieg kam und die Armee mobilmachte, übernahmen die Nachbarn die Bestellung von dessen Landstück. Spätere Kommentatoren haben viel in diese Maßnahmen hineingelesen – vor allem in den Vereinigten Staaten, wo Gustav Adolfs Vermächtnis auf den Lehrplan der Militärakademie von West Point gesetzt wurde. So wird der König etwa gepriesen als „einer der herausragenden Soldaten der Weltgeschichte und zugleich vielleicht der größte militärische Organisator und Innovator aller Zeiten“, der „eine vollkommen neuartige Militärdoktrin“ formuliert habe.150 Der führende britische Militärtheoretiker des 20. Jahrhunderts hat Gustav Adolf den „Begründer der modernen Kriegführung“ genannt, weil er angeblich als Erster die volle Bedeutung der Feuerwaffen auf dem Schlachtfeld erfasst habe und als Erster mit einer klaren Zielvorstellung ins Feld gezogen sei.151 Die schwedischen Militärreformen hätten „die erste moderne Armee“ geschaffen, indem sie auf eine landesweite Wehrpflicht und ein Offizierskorps aus Berufssoldaten setzten und zu offensivem wie defensivem Vorgehen gleichermaßen befähigten.152 Derartige Lobeshymnen haben ihre Ursache in der starken teleologischen Färbung eines großen Teils der Militärgeschichtsschreibung, der in der Vergangenheit nach Lehrstücken oder Präzedenzfällen für die Doktrinen unserer Gegenwart sucht. Ganz ähnliche Bewertungen wurden auch dem Preußenkönig Friedrich dem Großen zuteil, der Mitte des 18. Jahrhunderts mit einer zumindest in Teilen aus Wehrpflichtigen bestehenden Armee das habsburgische Österreich bezwang. Beide Monarchen, Gustav Adolf wie den „Alten Fritz“, hat man als Kriegerkönige dargestellt, die in scheinbar aussichtsloser Lage spektakuläre Siege errangen. Insbesondere hat man die militärischen Erfolge Preußens im 18. Jahrhundert – genau wie jene Schwedens im 17. Jahrhundert – auf die

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vermeintlichen „Nationalarmeen“ beider Länder zurückgeführt, die homogener und also motivierter gewesen seien als die zusammengewürfelten Heere ihrer Gegner. Dabei bestanden sowohl die schwedische als auch die preußische Armee in Wirklichkeit zu über 50 Prozent aus professionellen Söldnern, von denen viele aus dem Ausland kamen.153 Wie die preußische Wehrpflicht war auch das System Gustav Adolfs eigentlich die Behelfslösung eines armen Landes mit einem unterkapitalisierten Agrarsektor, das noch dazu am äußeren Rand des europäischen Handelsraumes lag. In einem Staat, in dem das nötige Kleingeld für die Anwerbung weiterer Söldner fehlte, leistete die Konskription einen sprichwörtlichen Blutzoll. Das war auch den Zeitgenossen bewusst, und entsprechend wurde über die Musterungsquoten ebenso wie über andere Steuern im Riksdag debattiert. Am schwersten traf es die Ärmsten, denn wer sich augenscheinlich nicht selbst versorgen konnte, wurde automatisch eingezogen, während die wohlhabenderen Männer einer Gemeinde Lose zogen. Davon ganz abgesehen lenkt die ständige Fixierung auf Gustav Adolf als den „größten Feldherrn seiner Zeit“ völlig davon ab, wie – und warum – das schwedische System tatsächlich funktionierte. Die größtenteils auf Weidewirtschaft beruhende Agrarökonomie Schwedens und Finnlands ging mit einer dezentralisierten, auf viele kleine Einzelbauernhöfe verteilten Wirtschaftsweise einher, bei der viele Aufgaben von den Frauen übernommen werden konnten, wenn ihre Männer in den Krieg zogen. Es konnte deshalb ein wesentlich höherer Anteil der männlichen Bevölkerung zum Militärdienst verpflichtet werden, als dies in den Getreidewirtschaften Mittel- und Osteuropas möglich war, wo die Männer stattdessen zur Erntearbeit auf den Feldern ihrer Grundherren verpflichtet wurden. Der Griff nach der Macht Die tiefere Bedeutung der schwedischen Reformen nach 1617 liegt indes darin, dass sie bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die internationale Stellung des Landes nachhaltig veränderten: Schweden wandelte sich von einer besiegten und erniedrigten Mittelmacht zu der Großmacht im Ostseeraum. Allerdings kann der Aufbau einer fiskalisch-militärischen Infrastruktur nur erklären, wie die Schweden ihren Machtbereich ausdehnten – aber nicht, weshalb sie das taten. Die letztere Frage ist eine berechtigte, gab es doch etliche Gründe, weshalb die schwedische Krone jeglichen Krieg hätte vermeiden sollen; immerhin liegt Schweden am Rand Europas und verfügte sein König nur über begrenzte Mittel und keine nennenswerten Verbündeten. Die Erklärungsansätze für den schwedischen Imperialismus lassen sich grob in zwei Lager einteilen.154 Deren „alte Schule“ wird vertreten durch Gustav Adolfs maßgebliche Biografen, nach deren Auffassung die schwedische Expansion nur einer Umzingelung durch Dänemark und Polen zuvorkommen sollte. Obwohl diese Autoren struk-

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turelle Aspekte durchaus nicht vernachlässigen – so verweisen sie etwa auf die geografische Lage Schwedens oder das europäische Gleichgewicht der Kräfte –, liegt ihr Hauptaugenmerk auf dem Handeln „großer Männer“, sprich des Königs und seines engsten Beraterkreises. Nach 1600 sei klar gewesen, dass Sigismund fest entschlossen war, den schwedischen Thron zurückzuerobern; allein die mangelnde polnische Bereitschaft zu seiner Unterstützung habe ihn zurückgehalten. Die dynastische Spaltung innerhalb des Hauses Wasa sei durch den konfessionellen Gegensatz verstärkt worden, wobei die Schweden außerdem von jenem Nationalmythos inspiriert gewesen seien, der in ihnen die Nachfahren der Goten sah – und die hatten ja immerhin das Römische Reich bezwungen. Die „neue Schule“ betont im Gegensatz dazu den Unterschied zwischen (tatsächlichem) Handlungsmotiv und (geäußerter) Handlungsbegründung. Die „Selbstverteidigung“ Schwedens sei nur vorgeschoben gewesen, um wirtschaftliche Absichten zu kaschieren. Schweden habe den lukrativen Ostseehandel an sich reißen wollen und es dabei vor allem auf Getreide, Pelze und andere Handelsgüter aus Russland abgesehen. Im Jahr 1623 stammten gerade einmal 6,7 Prozent der schwedischen Nettoeinnahmen aus der Erhebung von Zöllen, was einerseits einen Mangel an Handelsaktivität im Inland offenbart, andererseits die Auswirkungen der dänischen Herrschaft am Sund deutlich werden lässt. Für gut 23 Prozent der Staatseinnahmen sorgte der Kupferexport, eine reine Rohstoffindustrie, während rund 45 Prozent der Einnahmen noch immer auf die Domänenwirtschaft entfielen. Eine solche Wirtschaftsstruktur ließ weder Großmachtstatus noch aristokratischen Prunk erhoffen. Wenn es nun aber, so die Vertreter der „neuen Schule“, Schweden gelungen wäre, die östliche Ostseeküste für sich zu gewinnen, dann hätte es die russischen und polnischen Handelswaren direkt an der Quelle erwerben und besteuern können – unter Umgehung der dänischen Zollstationen. Manche haben diesen Argumentationsstrang sogar noch schärfer gefasst und behauptet, die schwedische Krone habe absichtlich Kriege vom Zaun gebrochen, um sich selbst und ihre adligen Gefolgsleute zu bereichern. Zweifellos eröffnete die Teilnahme an einem Krieg neue Möglichkeiten – vor allem für den Adel, der sich in dieser Zeit zu einer reicheren und klarer abgegrenzten sozialen Gruppe entwickelte, als dies vorher der Fall gewesen war. 1633 erreichten die schwedischen Adligen für ihre Pächter eine Teilbefreiung von den seit 1620 eingeführten Steuern, wohingegen die Kronpächter noch immer den vollen Satz zu zahlen hatten. Auch die Wehrpflicht traf die Kronpächter und Freibauern härter als die abhängigen Bauern: Aus der ersten Kategorie wurde einer von zehn Männern eingezogen; bei der zweiten war es einer von zwanzig. Das bedeutete im Grunde eine Umverteilung landwirtschaftlicher Vermögenswerte in die Kornkammern und Geldbörsen des Adels, dem es die niedrigere Belastung durch den

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Staat nämlich ermöglichte, einen größeren Anteil von der Ernte der ihm unterstellten Bauern einzuziehen. Er profitierte aber auch auf direktere Weise vom Krieg, weil der König gezwungen war, anstelle von Geldzahlungen Kronrechte an die Adligen abzutreten, etwa so, wie es seit den 1590er-Jahren auch zwischen der spanischen Krone und den Adligen in Kastilien geschehen war. Im Grunde hat die „neue Schule“ natürlich recht: Man sollte durchaus zwischen Handlungsbegründungen und den tatsächlich zugrunde liegenden Motiven unterscheiden. Alles in allem kann ihre Interpretation aber nicht überzeugen. Schließlich war das Anhäufen von Reichtümern selbst für den schwedischen Adel kein Selbstzweck, sondern diente dem Erreichen diverser anderer Ziele. In der letzten Zeit hat man den schwedischen Imperialismus dadurch zu erklären gesucht, dass man auf ein Geltungsbedürfnis der schwedischen Elite hinwies, die sich auf dem internationalen Parkett habe beweisen wollen, zu ihrem eigenen Vorteil und dem ihres Königreichs.155 Ein solches Geltungsbedürfnis empfanden tatsächlich sämtliche europäischen Monarchen und Aristokraten, aber es ist wenig ersichtlich, warum ausgerechnet dieses Motiv über andere (konfessionelle, dynastische oder strategische) Interessen hätte gestellt werden sollen. Stattdessen handelte es sich dabei wohl eher um eine Facette eines wesentlich komplexeren Bündels von Motiven, deren Gewichtung sich je nach Situation verschieben konnte. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gustav Adolf, Oxenstierna und andere Schlüsselfiguren jener Zeit ihre Entscheidungen nicht im luftleeren Raum trafen, sondern sich mit bestimmten Rahmenbedingungen zu arrangieren hatten, die sich ihrer Kontrolle entzogen. Sobald Schweden seine ersten Schritte in Richtung Großmachtstellung getan hatte, verlief die weitere Entwicklung zudem nach einer gewissen inneren Logik, der man sich nur mit Mühe entziehen konnte. Da dem Land die nötigen Ressourcen für einen langwierigen Krieg eigentlich fehlten, musste es seine Truppen „auf Pump“ mobilisieren und dann hoffen, einen raschen Sieg zu erringen, um mit der Kriegsbeute seine Schulden begleichen zu können. Allerdings reichten die Anfangserfolge der Schweden nie aus, um langfristig die benötigten Mittel für eine Fortsetzung des Konflikts oder auch nur die Absicherung der bereits eroberten Gebiete zu beschaffen. So wurden immer weitere Kriegszüge erforderlich, um ein Reich zu erhalten, das sich ein Stehenbleiben schlicht nicht leisten konnte. Solche strukturellen Faktoren traten zeitgenössisch nur dann ins Bewusstsein, wenn der König und seine Berater von Verteidigung sprachen und ihre Sorge über die feindseligen Absichten fremder Mächte äußerten. Denn Verteidigung war in ihren Augen ein legitimes Anliegen, hatten sie doch als Diener Gottes auf Erden den wahren Glauben und die Rechte des Königs als eines Herrschers von Gottes Gnaden zu beschützen.

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Schweden und das Reich Den Ausschlag gaben dynastische Erwägungen. Sowohl Gustav Adolf als auch jene Adligen, die ihn als schwedischen König akzeptiert hatten, konnten nur verlieren, falls Sigismund eine Rückeroberung des Landes gelingen sollte. Die Besorgnis Gustav Adolfs über eine mögliche Verschwörung schwedischer Katholiken im polnischen Exil mag uns aus heutiger Sicht an den Haaren herbeigezogen erscheinen, war aber letztlich nichts anderes als die frühneuzeitliche Entsprechung des heutigen Glaubens an die Allgegenwart terroristischer Netzwerke. Die Polen, glaubte man, steckten mit den Habsburgern und dem französischen Adel unter einer Decke, um einen neuen katholischen Ritterorden zu begründen, der einen Kreuzzug gegen die lutherischen Wasa führen sollte. Auf dem Reichstag von Örebro wurde 1617 den schwedischen Katholiken ein Ultimatum gestellt: Sie sollten innerhalb von drei Monaten das Land verlassen, andernfalls hätten sie ihr Leben verwirkt. Der Katholizismus als solcher wurde mit dem verräterischen Kontakt zu Sigismund gleichgesetzt. Trotz intensiver Überwachungsmaßnahmen gelang es der schwedischen Obrigkeit jedoch nicht, mehr als drei ihrer Untertanen vor Gericht zu bringen; diese hatten einem deutschen Jesuiten dabei geholfen, katholisches Schriftgut zu verbreiten. Internationalen Verschwörungen, so viel war sicher, musste man mit einer ähnlich breit aufgestellten Allianz der Gerechten entgegentreten. Gustav Adolf war bereits mit mehreren bedeutenden Familien des protestantischen deutschen Adels verwandt. Seine Mutter (die zweite Frau Karls IX.) war Christina von Holstein-Gottorf, eine Enkelin des Reformationshelden Landgraf Philipp von Hessen. Über Anna Maria von der Pfalz, die älteste Tochter von Kurfürst Ludwig VI. und erste Frau Karls IX., stand Gustav Adolf zudem in einem Verwandtschaftsverhältnis zu der mächtigsten calvinistischen Familie des Reiches. Gustav Adolfs ältere Halbschwester Katharina, das einzige Kind aus der ersten Ehe seines Vaters, das bis ins Erwachsenenalter überlebte, heiratete den Pfalzgrafen Johann Casimir von Zweibrücken-Kleeburg, was die Verbindung zwischen Schweden und der Calvinisten-Dynastie aus der Pfalz noch enger werden ließ. Bald stand auch die Frage von Gustav Adolfs eigener Verehelichung auf der Tagesordnung; schließlich musste er dringend einen legitimen Thronfolger zeugen, um die Gefahr einer polnischen Restauration zu bannen. Seine Familie zeigte sich tief beunruhigt über sein Verhältnis mit Margareta Slots, der niederländischen Ehefrau eines Offiziers der schwedischen Armee, die ihm 1616 einen unehelichen Sohn namens Gustav Gustavsson gebar. Im Jahr 1615 begannen Verhandlungen über eine mögliche Heirat zwischen Gustav Adolf und Maria Eleonora von Brandenburg, der ältesten Tochter des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund. Die geplante Verbindung

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würde Schweden mit einem weiteren protestantischen Kurfürstentum verbinden und versprach deutliche strategische Vorteile: Brandenburg würde in absehbarer Zeit das Herzogtum Preußen erben (was 1618 dann auch geschah). Sobald dieses Territorium erst einmal in freundlichen Händen sein würde, befände sich das polnische Livland quasi in einer Zwickmühle, denn Schweden kontrollierte ja bereits Estland im Norden. Nach der Heirat Christians IV. von Dänemark mit Johann Sigismunds Schwester Anna Katharina bestand so außerdem die Möglichkeit, den dänischen Einfluss in Brandenburg zu neutralisieren. Allerdings brachte der schwedische Antrag den Kurfürsten in Bedrängnis: Eine Allianz mit Schweden mochte ihm Polen gegenüber zwar ein Druckmittel in Sachen Preußen an die Hand geben; zugleich wäre ihm damit aber die langfristige Feindschaft des polnischen Königs Sigismund sicher. Johann Sigismunds Gemahlin, Anna von Preußen, befürchtete, die Polen würden im Fall einer brandenburgisch-schwedischen Heiratsallianz ihre Heimat besetzen, und erklärte deshalb, sie sähe ihre Tochter lieber tot als in Schweden. Dann trafen weitere Heiratsanträge aus Dänemark und Polen ein, was den Entscheidungsdruck deutlich erhöhte. Offenbar überschätzten sämtliche beteiligten Parteien das brandenburgische Potenzial, denn von den vier weltlichen Kurfürstentümern war Brandenburg fraglos das schwächste. All die Aufregung um ihre Person stieg Maria Eleonora zu Kopf, und sie steigerte sich in eine leidenschaftliche Verliebtheit in Gustav Adolf hinein, mit dem sie freilich nicht unter vier Augen zusammentreffen durfte, bis ihr Schicksal entschieden war. Gustav Adolf verlor die Geduld und wurde – gegen den Rat seiner Familie und engsten Vertrauten – im April 1620 persönlich in Berlin vorstellig. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte er sich kaum aussuchen können. Der Kurfürst Johann Sigismund war Monate zuvor gestorben, und sein Sohn und Erbe Georg Wilhelm weilte gerade in Königsberg, um sich die polnische Bestätigung seines preußischen Erbes zu sichern. Nach einem frostigen Empfang durch die Kurfürstinwitwe gab Gustav Adolf dem Drängen seines Schwagers Johann Casimir nach und reiste eilends nach Heidelberg ab, um sich lieber dort eine pfälzische Prinzessin vorstellen zu lassen, von der er schon viel Gutes gehört hatte. Kaum hatte der Schwede Berlin verlassen, änderte Anna ihre Meinung, weil ihr eine polnische Heirat plötzlich als die noch schlechtere Option für ihre Tochter erschien. Die brandenburgischen Eilboten waren erfolgreich, Gustav Adolf kehrte um und konnte bei einem privaten Zusammentreffen mit Maria Eleonora am 18. Juni seinen ganzen Charme spielen lassen. Tags darauf wurde die Verlobung bekannt gegeben, und im November reisten Gustav Adolfs Braut und seine künftige Schwiegermutter nach Stockholm, wo die Hochzeit sein sollte. Kurfürst Georg Wilhelm war klugerweise in Königsberg geblieben und hatte die ganze

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Zeit über verlautbaren lassen, er für seinen Teil habe mit dieser Sache nicht das Geringste zu tun. Die Ehe war ein Desaster für alle Beteiligten. Gustav Adolf hatte Maria Eleonora aus politischem Kalkül geheiratet und bezeichnete seine intelligente, empfindsame Frau als „ein schwaches Weib“. Maria Eleonora ihrerseits hasste ihr neues Zuhause zutiefst, da es nach ihren eigenen Worten nichts zu bieten hatte als „Felsen und Berge, eiskalte Luft und dergleichen“.156 Sie hatte einen Ehemann gewollt – und einen König bekommen. Der wiederum fand Maria Eleonoras eifersüchtige, besitzergreifende Art über die Maßen lästig. Schlimmer noch: Sie gebar ihm nicht den ersehnten Sohn und Erben, sondern stattdessen zwei Töchter, von denen nur die zweite, Christina, überlebte, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Die schwedische Thronfolgeregelung ließ eine weibliche Erbfolge zu, aber der Großteil der Bevölkerung fand allein die Vorstellung, eine Königin zu haben, überaus befremdlich. Gezielt wurde Gustav Adolfs Neffe Karl Gustav, ein Sohn Johann Casimirs von Pfalz-Zweibrücken, mit Christina zusammen erzogen, damit man auf ihn im Bedarfsfall würde als Ersatzthronfolger zurückgreifen können. Tatsächlich sollte er ihr nach ihrer Abdankung 1654 als Karl X. auf den schwedischen Thron folgen. Die erhofften politischen Vorteile aus der brandenburgisch-schwedischen Allianz blieben ebenfalls aus. Georg Wilhelm von Brandenburg vermied es tunlichst, den polnischen König zu verärgern, und erhielt von diesem denn auch das Herzogtum Preußen zum Lehen. Gustav Adolf sah das Verhalten seines Schwagers mit wachsender Verbitterung; als Schweden in den Dreißigjährigen Krieg eintrat, hatte er eigentlich nur noch Verachtung für ihn übrig. Obwohl die Heirat Gustav Adolfs mit Maria Eleonora von Brandenburg also nicht besonders glücklich war – weder in persönlicher noch in politischer Hinsicht –, ist sie doch aus zwei Gründen bedeutsam. Zum einen veranschaulicht sie, welch großes Gewicht dynastischen Erwägungen in der europäischen Politik zukam, in der so nicht allein die Männer, sondern auch deren weibliche Familienangehörige eine Rolle spielten. Insbesondere wird deutlich, wie beschränkt der schwedische Horizont zu der betreffenden Zeit noch war. Gustav Adolf hatte die Option einer weiter ausgreifenden Heiratsallianz mit der Kurpfalz verworfen, um stattdessen in eine weniger einflussreiche Familie einzuheiraten, die dafür in Ostseenähe residierte. Schweden war schlicht noch nicht in der Position, als strahlender Verteidiger des Protestantismus aufzutreten – dieser Ehrentitel gebührte noch immer Dänemark.

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Polen-Litauen Die polnisch-litauische Adelsrepublik (Rzeczpospolita) war der größte – und potenziell mächtigste – der drei Konkurrenten um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Bis 1618 hatte sie sich auf rund 900 000 Quadratkilometer ausgedehnt, war also zweimal so groß wie Frankreich, und umfasste nicht nur das Gebiet der heutigen Staaten Polen und Litauen, sondern auch Lettlands und Weißrusslands sowie die westliche Hälfte der Ukraine. Obgleich sie nur dünn besiedelt war, brachte sie doch elf Millionen Einwohner auf – etwa dreimal so viele wie ihre Rivalen Dänemark und Schweden zusammen. Wie diese war die Adelsrepublik ein Unionsstaat, aber einer, in dem die einzelnen Bestandteile ein höheres Maß an Autonomie behielten und in dem die monarchische Zentralgewalt erheblich schwächer war als in den skandinavischen Ländern.157 Auch nach der Union von Lublin 1569 blieben das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen als eigene Staatsgebilde erhalten; sie einigten sich jedoch auf einen gemeinsamen Monarchen, den die Ständeversammlung des Sejm wählte, der alle zwei Jahre auf einem Feld in der Nähe von Warschau zusammentrat. Wie auch im Heiligen Römischen Reich schloss das Wahlprinzip eine Defacto-Erbmonarchie nicht aus. Die Dynastie der Jagiellonen hatte von 1386 bis 1572 die polnischen Könige gestellt; nach einer kurzen Unterbrechung folgte ihr von 1587 bis 1668 das Haus Wasa nach. Allerdings entwickelte sich das politische System in Polen-Litauen anders als in Mitteleuropa, wo die adlige Elite ihre verfassungsmäßigen Rechte durch den Besitz ererbter Ländereien und Titel legitimierte. Die Angehörigen des polnischen Kleinadels, der szlachta, verstanden sich als Abkömmlinge der Lachiten, eines ehrwürdigen Stammes von Kriegern, und regierten ihr Land gemeinsam und als Gleiche. Von einigen wenigen Litauern abgesehen führten sie keine Titel, sondern ihr Status beruhte allein auf dem (erblichen) Besitz bestimmter Ämter, die unterhalb der beiden Provinzen Großpolen und Kleinpolen angesiedelt waren: als Palatin oder Woiwode einer Woiwodschaft, Starost (etwa: Landvogt) eines Bezirks (powiat) oder Kastellan einer Stadt oder Burg. Während einige Posten in der Verfügungsgewalt des Königs verblieben, wurden andere – wie etwa das Amt des Großhetmans, der die polnische Armee kommandierte – dem einmal zum Zuge gekommenen Kandidaten auf Lebenszeit übertragen. Die Beteiligung des polnischen Adels an der Regierung entzog sich somit weitgehend dem königlichen Einfluss. Was ihr Vermögen betraf, bestanden unter den Angehörigen der szlachta große Unterschiede. Einige wenige Familien, wie etwa die Radziwills, besaßen riesige Landgüter, während die große Mehrheit der polnischen Adligen vergleichsweise arm war und mitunter eher wie bessere Bauern lebte. Unabhängig von ihrem Vermögen

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betrachteten jedoch alle Angehörigen des Adels sich selbst als „die Nation“ und die polnisch-litauische Verfassung als Ausdruck ihrer ständischen Freiheiten. Ehrgeizige Adlige nutzten ihren Landbesitz, um sich über den Sejm eine Rolle in der Landespolitik zu erspielen, oder bildeten regionale Allianzen oder Konföderationen, die bei einem rokosz genannten Adelstreffen geschlossen werden konnten. Das Recht, im rokosz zusammenzutreten, sah die polnisch-litauische Verfassung zum Schutz gegen einen tyrannischen König vor. Die inneren Konflikte der Adelsrepublik waren eher politischer als religiöser Natur. Ihre dezentralisierte Struktur und konsensorientierte politische Kultur begünstigten eine entspanntere Haltung in Sachen religiöser Pluralismus, als diese in Mittel- oder Westeuropa verbreitet war. Wie die Obrigkeit in Siebenbürgen, so waren die Verantwortlichen in der Rzeczpospolita bestrebt, den Ausbruch konfessioneller Gewalt durch Vereinbarungen zu verhindern, welche die Gleichheit aller beteiligten Parteien sowie deren Jurisdiktionen und Rechte festschrieben. Den politischen Konsens begleitete das irenische, also auf die Sicherung des Friedens gerichtete Bestreben, theologische Differenzen zu überwinden und Gemeinsamkeiten zwischen den Konfessionen zu betonen. So wurde etwa die griechisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft in Litauen nach 1563 den Katholiken völlig gleichgestellt, und 1596 fusionierten beide sogar zur unierten oder griechisch-katholischen Kirche, die den orthodoxen Ritus beibehielt, zugleich aber die Autorität des Papstes anerkannte. Insbesondere in den deutschsprachigen Städten des Königlichen Preußen verbreitete sich auch das Luthertum; allerdings distanzierten sich diese Lutheraner bewusst von ihren Glaubensbrüdern im römisch-deutschen Reich, indem sie das Konkordienbuch von 1580 ablehnten und stattdessen lieber engere Beziehungen zu den polnischen Protestanten knüpften. Zu Letzteren zählten neben Calvinisten und Böhmischen Brüdern auch Lutheraner. Ihre Vertreter schlossen 1570 den Consensus von Sandomir, in dem eine überkonfessionell akzeptable Formulierung wesentlicher Glaubensinhalte festgehalten wurde, um künftige dogmatische Streitigkeiten zu vermeiden. Die polnische Krone bestätigte den Consensus trotz gewisser Bedenken der katholischen Bischöfe, womit die Protestanten und deren Rechte in die Verfassung der Adelsrepublik aufgenommen waren.158 Die Macht des polnisch-litauischen Wahlkönigs hing wesentlich davon ab, dass er auf dem langen Verfahrensweg durch die repräsentativen Institutionen das Vertrauen seiner führenden Adligen gewann. Die regionalen Adelsversammlungen (Sejmiki) entsandten Delegierte zum Sejm, wo die Zustimmung aller dieser „Landboten“ nötig war, um die gefassten Beschlüsse verbindlich werden zu lassen. Diese Regelung bedeutete in der Praxis, dass jedem einzelnen Adligen ein Vetorecht zukam, das sogenannte Liberum Veto, und so wurde der

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Sejm allein zwischen 1576 und 1606 sechsmal aufgelöst, ohne auch nur eine einzige Entscheidung getroffen zu haben. Nachdem er erfolglos versucht hatte, den polnischen Adel zur Unterstützung seiner Ambitionen auf die schwedische Krone zu bewegen, ging Sigismund III. immer mehr dazu über, im Verborgenen zu handeln. Aber anders als etwa Christian IV. von Dänemark hatte er eben keine unabhängigen Einnahmequellen, aus denen er sein Vorhaben hätte finanzieren können. Zuletzt verlegte er sich darauf – ähnlich wie die österreichischen Habsburger –, bei der Ämtervergabe Katholiken zu bevorzugen, um auf diese Weise eine loyalere Klientel innerhalb der Ständeversammlung aufzubauen. Nach der Vertreibung der Schweden aus Livland 1605 plante Sigismund die Einführung weitreichender Reformen, darunter ein Mehrheitswahlrecht für den Sejm und ein System regelmäßiger Besteuerung. Das Ergebnis war ein Adelsaufstand im Jahr 1606 (der „Rokosz“), der sich zeitlich mit dem ungarischen Bocskai-Aufstand überschnitt und wie dieser die Verteidigung von Adelsprivilegien zum Ziel hatte. Anders als in Ungarn fehlte dem polnischen Aufstand jedoch eine starke konfessionelle Prägung, denn die polnischen Protestanten waren zu wenige, als dass sie ohne katholische Unterstützung hätten einen Aufstand beginnen können. Ihren konfessionellen Unmut mussten sie vielmehr hinunterschlucken, um die Konföderation von Sandomir schließen zu können, deren Grundlage eine gemeinsame Abneigung gegen Sigismunds Reformpläne war. Diese Abneigung war allerdings nicht so weit verbreitet, wie die Aufständischen gehofft hatten: Die großen Grundbesitzer blieben ihrem König, trotz all seiner Fehler, treu ergeben, denn er hatte sie immer mit Respekt behandelt. Die Basis der Konföderation beschränkte sich somit weitgehend auf den unzufriedenen Kleinadel, der den Magnaten ihren wachsenden Reichtum verübelte. Schon 1607 brach der Aufstand in sich zusammen. Polens Stärke Dieses ungestüme Zwischenspiel scheint das Klischee von der chaotischen „Polenwirtschaft“ im politischen System der Adelsrepublik zu bestätigen. Wie das Alte Reich auch ist die Rzeczpospolita immer wieder als ineffizient und veraltet kritisiert worden – als Relikt in einem Europa, dessen politische Entwicklung hin zu einem stärkeren, vor allem auch stärker zentralisierten Staat tendierte. Letztlich zahlte der polnisch-litauische Adel einen hohen Preis für seine Freiheiten, als sein Königreich zwischen 1772 und 1795 von den drei absoluten Monarchien Österreich, Preußen und Russland „totgeteilt“ wurde. Jedoch sollte man das Polen des 17. Jahrhunderts nicht durch die Brille jener späteren Entwicklungen betrachten; vorerst nämlich blieb die Adelsrepublik einer der mächtigsten und erfolgreichsten Staaten in Europa. Nachdem Sigismund ab 1613 erst einmal das Vertrauen seiner Adligen zurückerlangt hatte, bewilligte

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der Sejm ihm regelmäßige – und regelmäßig ansteigende – Steuerzahlungen; nur bei einer Zusammenkunft im Jahr 1615 konnte keine Einigung erzielt werden. Im Gegensatz zu anderen Ländern der Zeit gelang es Polen-Litauen, seine Kriege ohne Überschuldung zu führen. Außerdem besiegte es so gut wie jeden Feind, auf den es traf – zumindest bis in den Jahren 1648–54 der große Aufstand der Saporoger Kosaken eine ganze Epoche einläutete, die als „Sintflut“ in die polnische Geschichte eingegangen ist: Nacheinander wurde das Land von den Schweden, Russen, Siebenbürgern und Brandenburgern überfallen, ausgeplündert und besetzt. Selbst diese Krise jedoch meisterte die Rzeczpospolita und stellte ihre Zähigkeit unter Beweis, indem sie zum Sieg über die Osmanen vor Wien 1683 einen gehörigen Beitrag leistete.159 Man hat die militärische Stärke der Adelsrepublik unterschätzt, weil ihre Truppen nicht nach dem Muster westeuropäischer Heere organisiert waren. Es gab ein kleines, stehendes Kontingent leichter Kavallerie (etwa 3000 bis 5000 Mann), das „Viertelsheer“ (wojsko kwarciane) genannt wurde, nach dem Anteil des königlichen Steueraufkommens, das zu seinem Unterhalt aufgebracht werden musste. Es patrouillierte entlang der südöstlichen Grenzen des polnischen Territoriums, um Überfälle der Tataren abzuwehren, und konnte nur dann vergrößert werden, wenn der Sejm die entsprechenden Steueraufstockungen bewilligte. Allerdings verfügte der König über seine eigene Leibwache und konnte unter der Bauernschaft seiner Kronländer eine Miliz von etwa 2000 Mann einberufen, die sogenannte Auswahl (wybranka, ähnlich den bereits erwähnten Wibranzen). Außerdem konnte er auf die Privatarmeen seiner Magnaten zurückgreifen, die als Adelsaufgebot (pospolite ruszenie) für die Landesverteidigung mobilisiert wurden. Meistens dauerte es freilich Monate, bis diese Aufgebote tatsächlich zur Verfügung standen, und selbst dann zogen sie mitunter nicht gleich ins Feld, sondern wurden von den Adligen als Plattform genutzt, um ihrem Unmut über bestimmte Missstände Luft zu machen. Andererseits bot die auf Reitertrupps und Überfallkommandos basierende Art der Kriegführung, wie sie in Osteuropa praktiziert wurde, reichlich Gelegenheit zum Plündern und zog deshalb zahlreiche Freiwillige an, die sich der leichten Kavallerie anschlossen. Ab 1578 verpflichtete die Rzeczpospolita auch ukrainische Kosaken für eine Grenzmiliz, die jener an der habsburgischen Militärgrenze ähnelte. Um 1619 zählten diese Kosakeneinheiten rund 11 000 Mann. Die Polen selbst verließen sich auf ihre Husaren oder Panzerreiter, die von mittlerer Kavallerie (den sogenannten pancerni) unterstützt wurden; zusammen machten sie mindestens die Hälfte eines typischen polnischen Feldheeres aus. Sogar gegen Soldaten, die nach der modernsten niederländisch-oranischen Methode ausgebildet worden waren, konnten derartige Reiterheere überaus effektiv sein. In der Schlacht von

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Kirchholm boten die Schweden 10 900 Soldaten auf, darunter eine große Zahl deutscher und anderer Söldner bei der Infanterie. Gegen ein vergleichsweise kleines Heer von 2600 polnischen Reitern mit nur rund 1000 Fußsoldaten als Verstärkung hatten sie dennoch keine Chance und wurden aufgerieben.160 Allerdings verschloss sich auch die Adelsrepublik nicht den neuesten militärischen Entwicklungen, rekrutierte sogenannte „deutsche“ Fußsoldaten und Reiter, die das disziplinierte Schießen in der Formation gelernt hatten. Viele dieser Söldner waren tatsächlich Deutsche oder andere Ausländer, aber der Kriegsausbruch in Mitteleuropa sorgte – zusammen mit dem Misstrauen des polnischen Adels gegenüber Fremden in der Armee ihres Königs – dafür, dass spätestens in den 1630er-Jahren selbst solche Einheiten vorwiegend aus der eigenen Bevölkerung rekrutiert wurden. Die Heere der polnisch-litauischen Krone verbanden also taktische Elemente aus Ost und West – und das mussten sie auch, wollten sie sich erfolgreich gegen ihre Feinde aus beiden Himmelsrichtungen zur Wehr setzen. Kriege mit Russland und Schweden Der polnisch-schwedische Machtkampf wurde nach 1605 durch die Implosion des Moskauer Zarentums gleichsam auf Eis gelegt. Dort im Osten hatte sich eine ganze Reihe von angeblichen Thronerben und „falschen Dimitris“ die Klinke in die Hand gegeben. Allesamt gaben sie vor, der Zarewitsch Dimitri, jüngster Sohn Iwans des Schrecklichen und damit letzter Spross der Rurikiden-Dynastie, zu sein – dieser war jedoch schon 1591 gestorben. Die auf seinen Tod folgende „Zeit der Wirren“ bot sowohl Schweden als auch Polen-Litauen eine Gelegenheit, sich am russischen Territorium gütlich zu tun. Sigismund intervenierte 1609 in dem östlichen Nachbarland und beabsichtigte, seinen Sohn Władysław IV. Wasa zum neuen Zaren zu machen. Stattdessen einigten sich die verfeindeten Parteien innerhalb Russlands nach langem Hin und Her 1613 auf Michail Fjodorowitsch Romanow, als Zar Michael I. genannt, dessen Dynastie bis 1917 Bestand haben sollte. Mit dem Vertrag von Deulino endete im Dezember 1618 Sigismunds Intervention in Russland. Jedoch blieb das Gebiet um Smolensk, mit dessen Eroberung 1611 die Adelsrepublik ihre weiteste Ausdehnung – bis weit über den Dnjepr hinaus – nach Osten gefunden hatte, in polnischer Hand. Diesem Gewinn stand ein schwedisches Vorrücken auf russischem Boden gegenüber, seit der Friedensschluss mit Dänemark Gustav Adolf 1613 freie Hand zur Ausnutzung der russischen Wirren gegeben hatte. Der neue Zar trat im Frieden von Stolbowo (März 1617) die Provinzen Ingermanland und Karelien an die schwedische Krone ab, wodurch diese den gesamten Finnischen Meerbusen unter ihre Kontrolle brachte und Russland bis ins frühe 18. Jahrhundert hinein von der Ostsee abgeschnitten wurde. Aller-

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dings gelang es den Schweden auch damit nicht, den Russlandhandel vollkommen an sich zu reißen, denn noch hielt Dänemark die Nordroute nach Archangelsk in seiner Hand. Obgleich die von Anbeginn hohen Erwartungen niemals nachließen, machte der Handel mit Russland die Schweden nicht reich, und schon bald nach 1617 richtete Gustav Adolf seine Aufmerksamkeit weiter nach Westen und an der Südküste der Ostsee entlang in Richtung Polen.161 Nach dem Friedensschluss von Stolbowo war der Schwedenkönig sich seiner Sache ein wenig zu sicher und versuchte noch im selben Jahr 1617, aus dem noch andauernden Kampf der polnischen Adelsrepublik gegen Zar Michael Kapital zu schlagen, indem er von Estland aus südwärts nach Livland einrückte. Im darauffolgenden Frühjahr entsetzte der litauische Hetman Christoph Radziwill mit einer großen Streitmacht Riga, was die Schweden zwang, einen zweijährigen Waffenstillstand zu akzeptieren. Ein dauerhafter Friedensschluss blieb in weiter Ferne, weil Sigismund sich weigerte, seine Ansprüche auf die schwedische Krone aufzugeben. Seine Kriege gegen das lutherische Schweden und das orthodoxe russische Zarenreich mehrten das Ansehen des polnischen Königs in der katholischen Welt und brachten ihm wohlwollende Grußschreiben aus Spanien und vom Heiligen Stuhl ein. Sigismund revanchierte sich, indem er die Beziehungen zu den österreichischen Habsburgern verbesserte, die 1587 versucht hatten, seine Königswahl zu hintertreiben. Wegen Interessenkonflikten in Siebenbürgen, der Walachei und Moldau war das polnisch-österreichische Verhältnis in der Folge angespannt geblieben, aber Sigismund hatte nach 1592 eine enge Verbindung zum innerösterreichischen Familienzweig der Habsburger geschaffen.162 Dynastische Heiraten führten schließlich zu einer Formalisierung des Bündnisses im März 1613. Man versprach sich gegenseitigen Beistand gegen „Rebellen“ – was zunächst auf die schwedische Wasa-Dynastie gemünzt war, nach dem Ausbruch des Böhmischen Aufstands fünf Jahre später indes eine ganz neue Bedeutung bekommen sollte.

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7. Von Rudolf zu Matthias (1582–1612) Die deutschen Fürsten und die Religion

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ie im Augsburger Religionsfrieden angelegten Probleme traten ab 1582, dem sechsten Regierungsjahr Kaiser Rudolfs II., immer deutlicher hervor – als das 17. Jahrhundert anbrach, waren sie nicht mehr zu übersehen. Es war gewiss keine leichte Erbschaft, die Rudolfs Bruder Matthias antrat, als 1612 er der nächste Kaiser wurde. Aber obwohl die Spannungen innerhalb des Reiches sich verschärften, bestand kein offenkundiger, zwingender Grund für einen Krieg. Die bestehenden Probleme waren ernst, doch nicht unüberwindbar – insbesondere, wenn der neue Kaiser entschlossener und konsequenter einschreiten würde als der alte und ebendie unparteiische Führung von ihm ausgehen würde, welche sich die meisten Fürsten des Reiches wünschten. Wie in diesem Kapitel deutlich werden wird, hatte eine Polarisierung der Reichspolitik entlang konfessioneller Grenzen beträchtliche Widerstände zu überwinden. Nach 1608 bildeten sich zwar zwei miteinander verfeindete Blöcke heraus, aber beide blieben ein Ausdruck ungleicher und teilweise sogar widersprüchlicher Interessen ihrer reichsständischen und sonstigen Mitglieder. Diese Interessen sind es, die zunächst herausgearbeitet und genau betrachtet werden sollen, denn sie können uns verraten, warum manche nach 1618 bereit waren, gegen ihren eigenen Kaiser zu den Waffen zu greifen, während andere sich an seine Seite stellten – und die Mehrheit eigentlich den Frieden wollte. Potenzielle Anführer des katholischen Lagers Die hierarchische Struktur des Alten Reiches begünstigte es, dass selbst unzufriedene Fürsten auf „Befehle von oben“ warteten. Für die Katholiken war der Kaiser als Anführer die natürliche Wahl. Der hielt sich allerdings sehr damit zurück, seine Glaubensbrüder und -schwestern allzu offensichtlich zu bevorzugen. Seit sie die Augsburger Einigung von 1555 vermittelt hatten, waren die österreichischen Habsburger im allgemeinen Bewusstsein mit einer Politik des interkonfessionellen Ausgleichs verknüpft. Es mangelte ihnen nicht an Gründen, diesem Bild weiterhin gerecht werden zu wollen, denn viele ihrer Untertanen waren Lutheraner, und insbesondere zur Verteidigung gegen die osmanische Bedrohung war die breite Unterstützung aller konfessionellen Gruppen unabdingbar. Kaiser Ferdinand I. hatte 1556 den Landsberger Bund gegründet, dessen ausdrückliches Ziel es war, den Augsburger Religionsfrieden zu erhalten und auf religiös motivierte Gewalt zu verzich-

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ten. Bayern, Salzburg und weitere führende katholische Stände schlossen sich dem Bündnis an, aber auch protestantische Stände wie die Reichsstädte Nürnberg und Augsburg. Den Aufnahmeantrag des Herzogs von Alba lehnte Maximilian II. ab, weil der bikonfessionelle Charakter des Landsberger Bundes nicht gefährdet werden sollte.163 Die übermächtige Stellung der Habsburger ließ andere katholische Stände davor zurückschrecken, aus dem Schatten des Erzhauses zu treten und ein zweites katholisches Lager zu eröffnen. Als ranghöchster katholischer Reichs- und Kurfürst sowie Reichserzkanzler war der Erzbischof von Mainz der nächste potenzielle Anführer der Katholiken im Reich nach dem Kaiser, dessen Bereitschaft zum friedensorientierten Dialog mit den gemäßigten Lutheranern freilich ganz seiner eigenen Position entsprach. Wie den beiden anderen geistlichen Kurfürsten fehlten auch dem Mainzer die Mittel, um unabhängig zu agieren; die konfessionelle Gewalt gleich jenseits seiner Grenzen, in Frankreich und den Niederlanden, konnte er deshalb nur entsetzt mit ansehen. Außerdem führte in den Territorien der Reichskirche die fehlende Erblichkeit dazu, dass die Aufmerksamkeit der geistlichen Herren sich eher auf unmittelbarere Fragen und Probleme richtete, etwa den Nepotismus oder die Kirchenreform. Persönliche Ambitionen kreuzten sich mit unterschiedlichen Vorstellungen von Katholizismus und schufen immer neue Zerwürfnisse innerhalb der und zwischen den zahlreichen Bistümern, Propsteien und anderen Gliedern der Reichskirche. Was manche Historiker in der Vergangenheit als Belege für eine geschlossene gegenreformatorische Front gewertet haben, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine Ansammlung lokaler Machtkämpfe, die in der Summe ein einheitliches Vorgehen gegen den Protestantismus blockierten. Ein gutes Beispiel liefert der ehrgeizige Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, der 1573 mit einer knappen Mehrheit auf den Bischofsstuhl des heiligen Kilian gewählt worden war. Auf den ersten Blick erscheint er als typischer Gegenreformator, der die Verbreitung protestantischer Lehren in seinen fränkischen Hoheitsgebieten rückgängig machen wollte. Schon bald erlangte er finanzielle Unabhängigkeit von seinem Domkapitel, indem er den Unterschied zwischen lokalen und Reichssteuern verwischte und seinen Untertanen mehr abpresste, als das Fürstbistum eigentlich zum Türkenkrieg beisteuern musste. Das ermöglichte es dem Fürstbischof, den Einfluss der fränkischen Reichsritter zurückzudrängen, die das Würzburger Domkapitel dominierten und einer nach dem anderen zum lutherischen Glauben konvertierten, und Maßnahmen zur Stärkung des katholischen Glaubenslebens zu finanzieren. 1582 gründete er ein neues Hospital, das heutige Juliusspital, sowie die Würzburger Universität und reorganisierte sein Bistum in 24 Pfarreien, denen jeweils

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ein neuer, besser qualifizierter Priester zugeteilt wurde.164 1586 wurden 600 Lutheraner aus dem Hochstift Würzburg ausgewiesen; drei Jahre später wurden in den Kirchen des Fürstbistums die tridentinischen Dekrete offiziell verkündet. Nachdem er sein eigenes Bistum auf diese Weise gesichert hatte, wandte Echter seine Aufmerksamkeit den Nachbarbistümern zu, beginnend mit Fulda, wo er 1576 erfolgreich die Abdankung des Fürstabtes Balthasar von Dernbach erzwang. Dieser war als Kind zwar lutherisch getauft, nach dem Tod seines Vaters jedoch von seinem Onkel (und Amtsvorgänger als Fuldaer Abt) streng katholisch erzogen worden. Nach dessen Tod hatte er 1571 sein eigenes katholisches Reformprogramm begonnen. Die Intrige Echters hatte ein juristisches Nachspiel vor den Reichsgerichten, und 1602 wurde Dernbach wieder in Amt und Würden gesetzt. Bis dahin hatten die meisten Adligen der Umgebung freilich Ausnahmegenehmigungen für ihren lutherischen Glauben erwirkt; 1652 sollten sie als Reichsritter ohnehin von der Jurisdiktion des Fürstabts befreit werden. Die katholische Reform kam nach der Wiedereinsetzung Dernbachs ins Stocken, weil dieser sich nun ganz auf die Erhebung Fuldas zum Bistum konzentrierte, um als Bischof die Unabhängigkeit seines Territoriums verteidigen zu können. Ganz ähnlich spitzte sich die Situation in Bamberg zu, wo Echter sich zum Bischof wählen lassen wollte, obwohl der Amtsinhaber sich schon nach Kräften bemühte, selbst Reformen durchzuführen. Durch die Gegenwart von Echters Parteigängern wurde das pro-tridentinische Lager gespalten, als es 1599 in Bamberg zu einer Sedisvakanz kam, wodurch die Wahl auf Johann Philipp von Gebsattel fiel, einen Vertreter des traditioneller gesinnten Renaissancekatholizismus, der ein Wiederaufleben lutherischer Aktivität in seinem Machtbereich zuließ. Im Austausch gegen großzügige Kredite an Bayern gewann Echter die nötige politische Rückendeckung für seinen Schützling Johann Gottfried von Aschhausen, der nach Gebsattels Tod 1609 der nächste Fürstbischof von Bamberg wurde und umgehend – wenn auch spät – eine gegenreformatorische Kampagne einläutete. Andernorts stritten sich die Kirchenfürsten über ihre Rangordnung in den Institutionen des Reiches oder um die Jurisdiktion über einzelne kirchliche Stiftungen. Keiner von ihnen hatte das Zeug – oder den Willen – zum Anführer, und die Vorstellung einer koordinierten Gegenreformation erscheint in der Rückschau als eine Ausgeburt der protestantischen Paranoia. Zwar gab es wesentlich mehr katholische als protestantische Reichsfürsten, doch herrschten die meisten Angehörigen dieser Mehrheit über (relativ schwache) geistliche Territorien; nur wenige weltliche Herrscher von Gewicht blieben Rom treu. Der Herzog von Lothringen war zu stark in die französische Politik verwickelt, als dass er den deutschen Katholiken ein Anführer hätte sein können. So blieb Bayern als einzige Alternative zu Habsburg übrig.165 Schon vor den

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habsburgischen Erzherzögen hatten die Herzöge von Bayern sich darum bemüht, ihre politische Autorität auf der Basis katholischer Konformität zu festigen. Zugegebenermaßen war der bayerische Protestantismus deutlich schwächer als der österreichische gewesen, was es den Herzögen erlaubte, die wenigen Hochadligen, die es einmal mit dem Luthertum versuchen wollten, ohne größere Schwierigkeiten ins politische Abseits zu drängen. Das gelang ihnen, indem sie sich mit dem Niederadel verbündeten, der in der überwältigenden Mehrheit katholisch blieb. Bis 1600 war das Herzogtum Bayern auf diese Weise zu dem am straffsten regierten deutschen Territorium geworden, woran ein vergleichsweise umfassendes Verwaltungsnetz, das sich zur Erhebung regelmäßiger Steuern bis in kleinste Dorfgemeinschaften hinein erstreckte, entscheidenden Anteil hatte. Gewisse Anzeichen wiesen durchaus darauf hin, dass der kämpferische Katholizismus der Bayernherzöge demnächst in politischen Aktivismus umschlagen könnte. Die alte Rivalität mit ihren Verwandten aus der Pfalz hatte an Schärfe zugenommen, seitdem jene sich in den 1560er-Jahren dem Calvinismus zugewandt hatten. Außerdem konnte der Herzog von Bayern mit einem gewissen Stolz auf seine Vorfahren verweisen, unter denen Ludwig der Bayer herausragte, der als Ludwig IV. nach einem langwierigen Thronfolgestreit im Reich von 1328 bis 1347 römisch-deutscher Kaiser gewesen war. Eine größere Rolle für das Herzogtum Bayern hätte jedoch unweigerlich dessen Beziehungen zu den Habsburgern belastet, die ihre Nachbarn bislang gern unterstützt hatten – immer vorausgesetzt natürlich, der bayerische Herzog blieb seines niederen Status als „Juniorpartner“ des Hauses Habsburg stets eingedenk. Herzog Albrecht IV. von Bayern hatte 1487 Kunigunde von Österreich geheiratet, die einzige überlebende Schwester Kaiser Maximilians I., der im bayerischpfälzischen Erbfolgekrieg der Jahre 1503–05 (Landshuter Erbfolgekrieg) seinen Verwandten den Rücken stärkte. Sowohl Albrecht V., der 1550 Herzog von Bayern wurde, als auch sein Enkel Maximilian I. nahmen habsburgische Prinzessinnen zur Frau. Albrechts Tochter Maria wiederum heiratete einen Erzherzog und Maximilians Schwester Maria Anna den späteren Kaiser Ferdinand II. Allerdings war Bayern im Süden und Osten von österreichischem Territorium geradezu umzingelt, und die Habsburger hatten noch 1505 Kufstein und andere bayerische Gebiete entlang der Grenze zu Tirol an sich gerissen. Auch machten die Österreicher den bayerischen Herzögen deren Einfluss im zwar großen, aber nur dünn besiedelten Erzstift Salzburg streitig, dessen Territorium zwischen ihren beiden Ländern lag, und waren zudem Rivalen im Salzhandel, der für beide den Großteil ihres Exportvolumens ausmachte. Bayern musste mit Bedacht vorgehen und unterstützte die Habsburger deshalb in der Regel – erwartete im Gegenzug aber Ausgleichszahlungen, die dem

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Herzog den Aufstieg in die erste Liga des europäischen Hochadels ermöglichen sollten. Diese angestrebte Standesbesserung konnte schließlich 1623 mit dem Erwerb der Kurfürstenwürde durch Herzog Maximilian I. erreicht werden. Der Vorgang ähnelte der Erhebung der sächsischen Albertiner zur Kurwürde auf Kosten der Ernestiner, die 1547 im Gefolge des Schmalkaldischen Krieges geschehen war. Die bayerischen Herzöge hatten vor dem 17. Jahrhundert keine Möglichkeit gehabt, eine eigene Forderung dieser Art durchzusetzen – und wie es scheint, hegte von den Vorgängern Maximilians I. auch kein einziger derartige Ambitionen. Albrecht V. hatte stets die habsburgische Politik eines interkonfessionellen Ausgleichs unterstützt und sogar sein Veto gegen die Aufnahme des Fürstbischofs von Augsburg in den Landsberger Bund eingelegt, weil dieser für Albrechts Geschmack zu militant katholisch auftrat. Sein Nachfolger als Herzog, Wilhelm V., zeigte schon größeres Interesse daran, den bayerischen Einfluss in der Reichskirche auszuweiten, beschränkte sich aber ansonsten auf sein eigenes Territorium, etwa indem er seine Residenzstadt München durch ein umfassendes Bauprogramm aufzuwerten suchte. Die vielleicht größte Hürde auf dem Weg zu einem katholischen Bündnis war der Katholizismus selbst. In den Augen der meisten Katholiken war das römischdeutsche Reich noch immer eine einzige respublica Christiana innerhalb einer ungeteilten Christenheit. Da ihr eigener Glaube ihnen als die einzig „wahre“ Religion erschien, sahen sie überhaupt keinen Grund, sich durch die Bildung eines katholischen Blocks von irgendwelchen bestehenden Institutionen abzugrenzen. So zu handeln hieße letztlich, die Unvollkommenheit der herrschenden Ordnung einzugestehen – und womöglich sogar zugeben zu müssen, dass die Protestanten mit ihrer Kritik an den bestehenden Verhältnissen gar nicht so unrecht hatten. Potenzielle Anführer des protestantischen Lagers Die protestantischen Reichsstände zeigten noch weniger Einigkeit als die katholischen, weil bei ihnen zu den üblichen Streitereien über Statusfragen und dynastische Interessen noch diverse Meinungsverschiedenheiten in Glaubensfragen hinzukamen. Mit der Zeit bildeten sich – in dem Maße, in dem die dogmatischen Streitpunkte klarer bestimmt wurden – zwei Parteien heraus. Die meisten protestantischen Fürsten schlossen sich dem moderat-lutherischen Lager unter kursächsischer Führung an, dessen Anhänger sich im Rahmen der Reichsverfassung dafür einsetzen wollten, das 1555 Erreichte zu bewahren. Die andere, radikalere, calvinistisch orientierte Partei wurde vom pfälzischen Kurfürsten angeführt und wollte die Reichsverfassung selbst umgestalten – notfalls auch per Konfrontation. Von den niederadligen Grafen und Angehörigen des Territorialadels konnte dieser Kurs

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jedoch nur wenige überzeugen. Die skizzierte Trennung galt weder uneingeschränkt, noch war sie in Stein gemeißelt. Die calvinistischen Territorien Brandenburg (ab 1613) und Hessen-Kassel schwankten zwischen beiden Lagern hin und her, während einflussreiche lutherische Reichsstände wie Württemberg und Ansbach sich über beträchtliche Zeiträume hinweg an die Seite der calvinistischen Kurpfalz stellten. Und obgleich man seine Differenzen nun bevorzugt unter konfessionellen Gesichtspunkten formulierte, gingen die Meinungsverschiedenheiten in Sachen Taktik doch auf eine Zeit zurück, in welcher der Calvinismus im Reich noch überhaupt keine politische Rolle gespielt hatte. Als Mutterland der Reformation schien Sachsen die naheliegende Wahl, wenn eine protestantische Führungsmacht gesucht wurde. Unter den Historikern hat Kursachsen in der Regel nur wenig Verständnis gefunden; es ist der meistverkannte Protagonist des Dreißigjährigen Krieges. Wenn man davon ausgeht – was viele ja getan haben –, dass der Krieg unvermeidlich und das Reich im endgültigen Niedergang begriffen war, dann müssen die kursächsischen Versuche, den Augsburger Religionsfrieden zu retten, zwangsläufig als naiv und zum Scheitern verurteilt erscheinen.166 Allerdings hatte der Frieden von 1555 tatsächlich eine weitgehende Erfüllung der kursächsischen Ziele gebracht, indem er eine religiöse und politische Balance innerhalb des Reiches zugleich herstellte und festschrieb. Da es sich ganz der lutherischen Orthodoxie verpflichtet sah, hatte Kursachsen auch überhaupt kein Interesse daran, die radikale Kampagne zur Berücksichtigung des Calvinismus im Vertragstext von Augsburg zu unterstützen. Obwohl Kursachsen formell erst zwischen 1561 und 1581 in den Besitz der Bistümer Naumburg-Zeitz, Meißen und Merseburg gekommen war, behauptete man dort, die Territorien der entsprechenden Hochstifte seien bereits 1542 säkularisiert gewesen und ihr Erwerb somit von den Bestimmungen des Augsburger Friedens gedeckt. Der sächsische Kurfürst zeigte Bestrebungen, die Administratorenposten der benachbarten Bistümer Magdeburg und Halberstadt mit Verwandten zu besetzen, aber den hauptsächlichen Widerstand leisteten hierauf nicht die Katholiken, sondern rivalisierende Protestanten. Vor allem jedoch hatte der sächsische Landesherr nicht vergessen, dass er seinen Kurhut ganz maßgeblich dem habsburgischen Wohlwollen von 1547 zu verdanken hatte. Dass Herzog Moritz von Sachsen eine führende Rolle bei dem antihabsburgischen Fürstenaufstand von 1551/52 gespielt hatte, war in der langen Geschichte albertinisch-habsburgischer Zusammenarbeit, die bis 1487 zurückreichte, eine absolute Ausnahme gewesen – und nicht umsonst war Moritz, nachdem Kaiser Ferdinand ihm im Passauer Vertrag die entsprechenden Zugeständnisse gemacht hatte, unverzüglich wieder an dessen Seite getreten. Moritz’ Bruder und Nachfolger August setzte die pro-habsburgische Politik Kursachsens während

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seiner Regentschaft 1553–86 fort, weil er in ihr die beste Garantie für den neu gewonnenen sächsischen Status sah. Aus demselben Grund neigte August dazu, sich von seiner ernestinischen Verwandtschaft und dem restlichen Hochadel eher fernzuhalten, und pflegte stattdessen lieber seine Beziehungen zu den anderen Kurfürsten, zu deren illustrem Kreis er nun ja auf jedem Reichstag zählte. Die Entschlossenheit des sächsischen Kurfürsten zur Erhaltung des Status quo bedeutete freilich nicht, dass seine Politik deswegen gänzlich unflexibel gewesen wäre, ganz im Gegenteil: August entwickelte eine Taktik, die seine Nachfolger noch bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein anwenden sollten: Jedes neu auftretende Problem musste zunächst auf diplomatischem Wege isoliert werden, damit es nicht zu einer Bedrohung für die Verfassungsbalance im Reich werden konnte. Anschließend würde man es an eine der Institutionen des Reiches verweisen, wo ein friedlicher Kompromiss gefunden werden konnte. Die Entwicklung in der Kurpfalz ließ deren Fürsten eine derartige Taktik ablehnen und stattdessen eine Verfassungsreform favorisieren. Die Kurpfalz hatte im Spätmittelalter über beträchtlichen Einfluss verfügt, vor allem zwischen 1400 und 1410, als der Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz auf dem römisch-deutschen Königsthron gesessen hatte. Zusätzlich zu ihrem Landbesitz hielten ihre Herren den prestigeträchtigen Titel eines Pfalzgrafen bei Rhein, der ihnen den Reichsfürstenstand sicherte und sie zu quasi-souveränen Akteuren in der Reichspolitik werden ließ, einschließlich des Rechts, ihrerseits Erhebungen in den Adelsstand vorzunehmen, und der Lehnsherrschaft über eine ganze Reihe abhängiger Territorien im mittelrheinischen Raum. Nach dem Aussterben des einstmals mächtigen Hauses Luxemburg im Jahr 1437 – die Luxemburger hatten ein gutes Jahrhundert lang die böhmische Wenzelskrone besessen – waren die kurpfälzischen Wittelsbacher die Hauptkonkurrenten der Habsburger im Reich, und das war ein gewichtiger Faktor im Bündnis Kaiser Maximilians I. mit den Bayern, das 1505 zur kurpfälzischen Niederlage im Landshuter Erbfolgekrieg führen sollte. Die Festigung der habsburgischen Kaiserherrschaft in der Regierungszeit Kaiser Karls V. verschob das politische Gravitationszentrum vom Mittelrhein, wo es das gesamte Spätmittelalter hindurch gelegen hatte, in Richtung Osten. Durch ihre Einführung der Reformation in den 1540er-Jahren entfremdete sich die Kurpfalz immer weiter von den geistlichen Kurfürsten und anderen früheren Verbündeten in der Reichskirche. Der pfälzische Kurfürst übernahm nun die Rolle eines Wortführers der militanten Protestanten, die sein kursächsischer Standesgenosse nach 1547 dezenterweise aufgegeben hatte. Dieses Engagement begann auf dem Regensburger Reichstag von 1556/57, dem ersten nach der Augsburger Einigung im Jahr zuvor. In Regensburg legte die Kurpfalz eine Reihe von Forderungen vor, die bis

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nach dem Kriegseintritt 1618 ihr politisches Programm bestimmten. Vor allem sollte die gleichsam „eingebaute“ katholische Mehrheit im Reichstag ausgehebelt werden, indem das Plenum in zwei Teile auseinandertrat und nach Konfessionen getrennt weiter debattierte, sobald religiöse Fragen zur Diskussion standen. Katholiken und Protestanten besprachen diese dann zunächst untereinander, unabhängig von ihrem reichs- oder kurfürstlichen Status, und traten schließlich wieder zusammen, um einen gemeinsamen Beschluss zu fassen. Dieses Verfahren, für das sich die Bezeichnung itio in partes einbürgerte und das im Westfälischen Frieden 1648 verbindlich festgeschrieben wurde, war in der älteren Verfassungsgeschichte des Reiches ohne Beispiel. Kursachsen und andere Reichsstände befürchteten, ein solches Vorgehen könne die hierarchische Struktur des Reiches untergraben, und protestierten scharf. Die zweite kurpfälzische Forderung betraf die Beschwerden (Gravamina) der protestantischen Reichsstände in Bezug auf verbliebene Missstände. Diese sollten auf Grundlage der protestantischen Interpretation der strittigen Punkte des Augsburger Vertragstextes geklärt werden. Während nun Kursachsen eine Abschaffung etwa des geistlichen Vorbehalts und andere konkrete Punkte grundsätzlich befürwortete, verwahrte es sich doch entschieden gegen die kurpfälzische Konfrontationsstrategie, die zur Durchsetzung dieser Anliegen führen sollte. So schlug der pfälzische Kurfürst beispielsweise vor, ganz einfach die Reichssteuern einzubehalten, die zum Kampf gegen die Türken erhoben wurden, oder die Wahl des nächsten römischdeutschen Königs zu blockieren. Das letztgenannte Vorgehen würde beinahe zwangsläufig ein Interregnum herbeiführen, währenddessen der pfälzische und der sächsische Kurfürst in ihrer Eigenschaft als Reichsvikare (auch: Reichsverweser) die kaiserliche Herrschaftsgewalt gerade lang genug ausüben würden, um die beabsichtigten Veränderungen herbeizuführen. Kursachsen hatte eine solche Taktik in den 1530er-Jahren befürwortet, hielt sie inzwischen jedoch für zu konfliktträchtig. Das kurpfälzische Programm traf exakt den wunden Punkt des Augsburger Friedensschlusses, den Kursachsen lieber ignorieren wollte: Die Vereinbarung von 1555 hatte versucht, konfessionelle Spannungen abzubauen, indem sie die Religion aus der Politik herauszuhalten suchte; sie hatte allerdings keinerlei Schritte eingeleitet, die konfessionellen Lager – die nun einmal existierten – in den Reichstag oder die anderen Institutionen des Reiches einzubeziehen. Solange die Protestanten sich aber selbst als eine Partei mit klar definierten Interessen betrachteten, so lange würden sie sich auch durch die „automatische“ Mehrheit der Katholiken in den Reichsinstitutionen bedroht fühlen. Das radikale kurpfälzische Programm setzte an diesem Bedrohungsgefühl an und bemühte sich um eine Neuausrichtung der Reichspolitik entlang konfessioneller Trennlinien. Die

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Katholiken sahen indes überhaupt nicht ein, warum sie derart weitreichende Zugeständnisse hätten machen sollen, was der Kurpfalz kaum eine andere Wahl ließ, als den Rahmen der Reichsverfassung zu verlassen und die Gründung eines unabhängigen konfessionellen Bündnisses in Angriff zu nehmen – ganz wie Kursachsen in den 1530er-Jahren. Es sollte mehr als 30 Jahre dauern, bis die taktische Uneinigkeit tatsächlich zwei getrennte protestantische Parteien hervorgebracht hatte. Weder Sachsen noch die Pfalz wollten zulassen, dass die internen protestantischen Differenzen den Katholiken einen Vorteil verschafften. Der sächsische Kurfürst hatte den Herzog von Württemberg in die Schranken gewiesen, nachdem dieser im Anschluss an die Konversion des pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. zum Calvinismus 1560 gefordert hatte, die Pfalz müsse innerhalb des Reiches isoliert werden. Schon der nächste Kurfürst von der Pfalz, Ludwig VI., leitete nach seinem Regierungsantritt einen Kurswechsel ein und wandte sich wieder dem Luthertum zu, was die innerprotestantische Spaltung – zumindest bis zu seinem Tod 1583 – weitgehend aufhob. Mitunter standen auch politische Interessen einer konfessionellen Polarisierung im Weg. Beide Kurfürsten, der pfälzische wie der sächsische, arbeiteten mit ihren katholischen Kollegen zusammen, um ihre gemeinsame Vormachtstellung über die anderen Fürsten des Reiches zu behaupten, insbesondere in der Übergangszeit zwischen der Abdankung Karls V. und dem Regierungsantritt Ferdinands I. ohne Krönung und päpstliche Bestätigung, den sie gemeinsam vorbereiteten. Im Gegenzug gestattete ihnen der Kaiser, ihren Zusammenschluss im Kurverein auch in Zukunft durch regelmäßige Treffen auszuüben, um die Angelegenheiten des Reiches im kleinen Kreis zu besprechen. Uneinigkeit im protestantischen Lager Auf einer grundsätzlicheren Ebene gespalten waren die protestantischen Fürstenhäuser des Reiches durch Interessenkonflikte verschiedenster Art, welche die Bildung stabiler Allianzen allein auf konfessioneller Grundlage nachhaltig verhinderten. Obwohl sie sämtliche größeren Territorien, mit Ausnahme Österreichs und Bayerns, kontrollierten, schwächten die protestantischen Reichsfürsten ihre machtpolitisch eigentlich gute Ausgangssituation durch häufige dynastische Teilungen. Die Reformation hatte den allgemeinen Trend zur Annahme des Primogeniturprinzips (bei dem der erstgeborene Sohn, in seltenen Fällen auch eine Tochter, alles erbte, während etwaige Geschwister leer ausgingen) gestoppt; in den protestantischen Territorien war die Erbteilung entweder nicht abgeschafft oder sogar wieder eingeführt worden, um die gleiche Versorgung aller Nachkommen des Landesherrn zu gewährleisten.167 Unglücklicherweise traf diese Entwicklung mit Veränderungen

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im Reichsrecht zusammen, durch die bis 1583 die Ausübung politischer Rechte an die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Reichslehen geknüpft wurde. Fortan konnten Landesherren nicht mehr durch die Teilung ihrer Territorien zusätzliche Stimmen in den Reichsinstitutionen generieren, sondern mussten sich entscheiden: Entweder sie teilten ihre fürstlichen Vorrechte unter ihren Erben auf – oder sie vermachten das gesamte „Rechtepaket“ einem einzigen Haupterben und speisten die Nachgeborenen mit Apanagen ab, die aus Teilen des Territoriums eingerichtet wurden. Entschieden sie sich für die zweite Möglichkeit, reduzierten sie damit die Chancen ihrer Nachkommenschaft auf eine standesgemäße Heirat, weil der Landbesitz der jüngeren Söhne diesen nun keine verfassungsmäßigen Rechte mehr verlieh. In gewisser Hinsicht trug diese Situation zum Aktionismus im protestantischen Lager bei. Nachgeborene Söhne hielten nach anderen Karrieren Ausschau, hoben Söldnereinheiten für die Niederländer oder die Hugenotten aus oder bemühten sich um einen (protestantischen) Administratorenposten in der Reichskirche. Die ernestinischen Wettiner geben ein gutes Beispiel hierfür ab. Durch Erbteilung waren nach 1572 die vier Familienzweige Altenburg, Coburg, Eisenach und Weimar entstanden. Aus Schwäche suchte man die Annäherung an das starke Kursachsen (dem allerdings an einem besseren Verhältnis zu der ernestinischen Verwandtschaft ebenfalls gelegen war). Weitere Teilungen hätten die neuen Kleinstterritorien auch nicht mehr zugelassen: Als Johann Ernst von Sachsen-Weimar 1615 sein Herzogtum übernahm, hatte er sieben Brüder zu versorgen; es überrascht kaum, dass er und seine nächsten Verwandten unter den kleineren Reichsfürsten, die in den protestantischen Heeren des Dreißigjährigen Krieges Dienst taten, zu den aktivsten gehören sollten. Ganz allgemein gesprochen schwächten solche Erbteilungen die protestantischen Territorien, weil sie deren Ressourcen zersplitterten oder lähmende Erbstreitigkeiten heraufbeschworen. Das erstere Problem hatte Brandenburg zu bewältigen, das unter anderem deshalb das schwächste weltliche Kurfürstentum blieb – was die brandenburgischen Markgrafen dazu verdammte, sich auf der großen Bühne der Reichspolitik mit einer Nebenrolle zu begnügen. Das Kurfürstentum war 1535 geteilt worden, wobei die Kurwürde an den älteren von zwei Brüdern gegangen war, und nachdem Johann Georg von Brandenburg es 1571 wieder vereint hatte, schuf die Einführung der Primogenitur bei dessen Tod 1598 neue Probleme. Der neue Kurfürst, Joachim Friedrich, war 52 Jahre alt und ganz von seiner lutherischen Pflicht beseelt, auch seine Angehörigen zu versorgen, welche das Fürstentum ja nun nicht mehr erben konnten. Die Eingliederung der im gleichen Jahr 1598 säkularisierten Hochstifte Havelberg, Brandenburg und Lebus in das brandenburgische Kurfürstentum ließ gleich drei Alter-

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nativposten (nämlich als Administrator des jeweiligen Bistums) auf einmal wegfallen. Joachim Friedrich von Brandenburg selbst war vor seinem Regierungsantritt seit 1566 Administrator von Magdeburg gewesen, und es gelang ihm, diesen Posten an seinen jüngsten Sohn Christian Wilhelm weiterzureichen. Allerdings zog er sich dafür den Unmut Kursachsens zu. Als er 1603 von seiner fränkischen Verwandtschaft die Bistümer Ansbach und Bayreuth erbte, behielt er sie nicht etwa für sich, sondern verlieh sie seinen Halbbrüdern und seinem zweiten Sohn.168 Andere Territorien hatten mit erbitterten Erbstreitigkeiten zu kämpfen. Der wohl schwerwiegendste Fall betraf mit der Landgrafschaft Hessen dasjenige Territorium, das während der Reformation gemeinsam mit Sachsen eine Führungsrolle unter den protestantischen Reichsständen eingenommen hatte. Beim Tod Landgraf Philipps des Großmütigen waren 1567 durch Erbteilung vier Linien entstanden, von denen drei (Marburg, Kassel und Darmstadt) auch nach 1583 noch Bestand hatten.169 Die ursprüngliche Erbteilung hatte die Beibehaltung einer gemeinsamen lutherischen Landeskirche vorgesehen, aber als die Hessen 1576 zur Unterzeichnung des Konkordienbuches aufgefordert wurden, weigerte sich der Landgraf von Hessen-Kassel, Wilhelm IV. Auf seinem Territorium kam es in der Folge zu intensiver calvinistischer Aktivität, die 1603 zu der formellen Konversion von Wilhelms Sohn und Nachfolger Landgraf Moritz zum reformierten Glauben führte. Der konfessionelle Gegensatz verschärfte den Erbstreit, der mit dem Aussterben der Marburger Linie im Oktober 1604 ausbrach. Nicht genug, dass Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt lutherisch geblieben war – er wollte sich auch nicht länger mit dem Erbteil einer jüngeren Linie zufrieden geben und verlangte nicht nur, das hessen-marburgische Territorium ungeteilt zu erhalten, sondern beanspruchte auch die Stadt Marburg selbst und damit das kulturelle Zentrum des ganzen Landes, Sitz der von Philipp dem Großmütigen gegründeten Landesuniversität und des gemeinsamen hessischen Konsistoriums. Einen von einer Schlichtungskommission ausgearbeiteten Kompromiss, der dem Kasseler Landgraf die nördliche, dem Darmstädter die südliche Hälfte des Marburger Territoriums zusprach, nahm Moritz an, Ludwig jedoch nicht. Dennoch besetzten beide die ihnen nach dieser Regelung zustehenden Landesteile. Dann untergrub Moritz seinen eigenen Anspruch, indem er 1605 im nördlichen Teil des Marburger Territoriums den Calvinismus einführen ließ. Diesen Umstand ließ sich Ludwig nicht entgehen und klagte vor dem Reichshofrat, was einen langwierigen Prozess zur Folge hatte, der Hessen-Darmstadt den ganzen Dreißigjährigen Krieg hindurch fest an das kaiserliche Lager band. Der Fall Hessen illustriert einen zweiten wichtigen Faktor, der die Einigkeit der protestantischen Reichsstände zerrüttete: Es waren nicht nur die Fürsten, die

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in Glaubensfragen unterschiedlicher Meinung waren, sondern auch ihre Untertanen, und bisweilen entschieden diese sich eben für eine andere Spielart des Protestantismus als ihr Landesherr. Der calvinistische Landgraf Moritz stieß auf beträchtlichen Widerstand, als er in Hessen-Kassel und auf dem Gebiet des vormaligen Hessen-Marburg seine „Reformation der Reformation“ durchführen wollte. Sein Nachbar Graf Simon VI. zur Lippe sah sich gar einem offenen Aufstand gegenüber, als er 1607 dasselbe versuchte; letztlich wurde er gezwungen, seine Residenz von Detmold nach Lemgo zu verlegen. Auch in Brandenburg kam es nach dem öffentlichen Bekenntnis des Kurfürsten Johann Sigismund zum Calvinismus an Weihnachten 1613 zu schweren Unruhen. Außerhalb seines engsten Hofkreises sowie der Professorenschaft der brandenburgischen Landesuniversität in Frankfurt an der Oder fand der Kurfürst nur wenig Unterstützung. Sogar seine Frau, Anna von Preußen, kritisierte ihn in aller Öffentlichkeit und scharte die lutherische Opposition um sich.170 Die protestantischen Fürstentümer des Reiches wurden durch zwei weitere Formen von Rivalität entzweit. Die Landesherren größerer Territorien versuchten oft, kleinere und schwächere Nachbarterritorien unter ihre Jurisdiktion zu zwingen. Dazu benutzten sie nicht selten die Religion als Vorwand, um Forderungen aufgrund älterer Feudalrechte zu untermauern. So erwarteten die Pfalzgrafen bei Rhein etwa von den kleineren gräflichen und ritteradligen Familien in ihrem Umfeld, dass diese ihrem Vorbild nacheifern und zum Calvinismus übertreten sollten, während Landgraf Moritz das lutherische Waldeck zur Nachahmung der „zweiten Reformation“ von Hessen-Kassel zu bewegen suchte.171 Auch entzweiten sich protestantische Fürsten über rivalisierende Ansprüche auf (ehemals) katholische Territorien, die oft bis in die Vorreformationszeit zurückreichten. Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel etwa stritten sich um den Besitz der vormaligen Reichsabtei Hersfeld mit ihren zahlreichen Ländereien, die seit 1432 unter der erblichen Schirmherrschaft der Landgrafen von Hessen gestanden hatte. Hessen-Kassel, Kleve und die Welfenherzöge meldeten allesamt Ansprüche auf das Hochstift Paderborn an und waren durch rivalisierende Fraktionen in dessen Domkapitel vertreten. Der Kasseler Einfluss regte viele Adlige aus dem Herrschaftsbereich des Fürstbistums an, selbst zum Calvinismus überzutreten, was dem Konflikt eine zusätzliche, konfessionelle Dimension eröffnete. Das hatte zur Folge, dass die widerstreitenden protestantischen Einflüsse auf Paderborn sich letztlich gegenseitig aufhoben und 1585, nach acht Jahren lutherischer Administration, die Wahl eines katholischen Bischofs erfolgen konnte – sogar die protestantischen Domherren aus Hessen stimmten für Dietrich von Fürstenberg, weil sie einen Sieg des Welfenkandidaten unter allen Umständen verhindern wollten. Eine ähnliche welfisch-hessische Rivalität erlaubte auch das

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Wiederaufleben des katholischen Einflusses in der strategisch wichtigen Reichsabtei Corvey.172 Politische Interessen konnten im Zweifelsfall vor konfessioneller Solidarität gehen. So führte die Hoffnung auf einen günstigen Schiedsspruch im hessischen Erbstreit das lutherische Hessen-Darmstadt zurück an die Seite des katholischen Kaisers. Württemberg scheute sich, die Habsburger gegen sich aufzubringen, die das Herzogtum schon einmal eingezogen hatten, nachdem Herzog Ulrich 1517 den Landfrieden gebrochen hatte. Obwohl Kaiser Ferdinand I. Württemberg bereits 1534 zurückgegeben hatte, verzögerten die Kaiser die Bestätigung des Herzogtums als Reichslehen noch bis 1599 und vollzogen sie selbst dann erst unter der Bedingung, dass Württemberg an das Haus Habsburg fallen solle, falls die herzogliche Familie ausstürbe. Auch die mächtige Welfendynastie hatte gute Gründe, sich von der radikalprotestantischen Politik fernzuhalten. Wie die Wittelsbacher blickten sie auf eine lange und stolze Familiengeschichte zurück. Einst hatten sie über das ganze Stammesherzogtum Sachsen geherrscht, welches das gesamte heutige Niedersachsen, Westfalen und Lippe sowie Teile des heutigen Bundeslands Sachsen-Anhalt umfasste. Dann jedoch hatte Kaiser Friedrich Barbarossa 1180 den Sachsenherzog Heinrich den Löwen gestürzt und ihm sein Herzogtum genommen. Der langwierige Prozess, in dem die Welfen daraufhin ihren Einfluss in der Region wieder aufzubauen suchten, war durch das Fehlen einer Primogeniturregelung erheblich beeinträchtigt. Eine solche Regelung wurde erst 1592 eingeführt, als die Dynastie in zwei Hauptlinien geteilt war, die gemeinsam über die Teilfürstentümer des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg herrschten. Die Nebenlinie Braunschweig-Dannenberg des Mittleren Hauses Lüneburg regierte von Celle aus das Fürstentum Lüneburg, während die Linie Braunschweig-Wolfenbüttel neben ihrem Kerngebiet noch das Teilfürstentum Calenberg-(Grubenhagen-)Göttingen hielt. Beide Linien erhoben Anspruch auf die Schutzherrschaft über die Stadt Braunschweig, die mit ihren 20 000 Einwohnern ein großes und florierendes Handelszentrum war. Aber selbst die Tatsache, dass sowohl die Braunschweiger Bürgerschaft als auch die beiden Welfenherzöge den lutherischen Glauben angenommen hatten, sorgte nicht für Eintracht, denn Braunschweig bemühte sich, durch seine schon seit Langem bestehende Zugehörigkeit zur Hanse größere Unabhängigkeit zu gewinnen. Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel war einer der fähigsten und gebildetsten Fürsten seiner Zeit und teilte viele künstlerische und geistige Interessen mit Kaiser Rudolf II. 1602 reiste der Herzog nach Prag, um seiner Klage gegen das Verhalten der Braunschweiger Bürgerschaft Nachdruck zu verleihen. Allerdings stellten sich seine Lüneburger Verwandten gegen ihn, obwohl doch beide Linien ein Interesse daran hatten, die welfische Autorität über die Stadt Braunschweig

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durchzusetzen. Nachdem er zweimal erfolglos versucht hatte, die Stadt mit Gewalt einnehmen zu lassen, musste Heinrich Julius sich schließlich 1606 einer Verfügung des Reichskammergerichts beugen, die ihn aufforderte, diese Feindseligkeiten sofort einzustellen. Er blieb in Prag, wo seine Anwesenheit im Geheimen Rat Rudolfs II. viele moderate Lutheraner ermutigte, den Habsburgern auch weiterhin die Treue zu halten. Unterdessen hatte sein aggressives Vorgehen gegenüber der Hansestadt Braunschweig die protestantischen Reichsstädte beunruhigt, die bei jeder Form von reichsfürstlicher Bündnispolitik argwöhnten, diese könne nicht so sehr zum Schutz der Religion, sondern gegen sie selbst gerichtet sein. Der Verdrängungswettbewerb um das Kirchengut hatte Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel sogar dazu gebracht, drei seiner Söhne katholisch erziehen zu lassen. 1578 erhielten sie die bei Klerikern übliche Tonsur, damit sie später einmal in einem der umliegenden Bistümer zur Bischofswahl antreten konnten.173

Die Konfessionen und die Reichspolitik bis 1608 Der Kölnische Krieg (1583–90), auch als „Truchsessischer Krieg“ oder „Truchsessische Wirren“ in die Geschichte eingegangen, hatte eine längere Vorgeschichte. Bereits in der Hildesheimer Stiftsfehde der Jahre 1519–23 war der Versuch der Welfen, das gesamte Fürstbistum Hildesheim unter ihre Herrschaft zu bringen, gescheitert. Von 24 Ämtern des Hochstifts hatten sie 1523 aber immerhin 21 erobert, was dem Fürstbischof nur noch das sogenannte Kleine Stift ließ, bestehend aus den drei Ämtern, die die Stadt Hildesheim umgaben. Die Stadt selbst trat 1542 zum lutherischen Glauben über und akzeptierte eine welfische Schutzherrschaft. Im Angesicht des drohenden Untergangs wählten die verbliebenen katholischen Domherren 1573 den 18-jährigen Ernst von Bayern zum neuen Fürstbischof.174 Dieser war der siebte Sohn Herzog Albrechts V. von Bayern – anders als den Protestanten unter den Reichsfürsten stand den Katholiken die Reichskirche noch immer offen, um ihre nachgeborenen Söhne zu versorgen. Ernst von Bayern war mit seinem ausschweifenden Lebenswandel das genaue Gegenteil zu dem Idealbild eines nachtridentinischen Bischofs, das Kardinal Borromäus vorgeschwebt hatte. Aber der Heilige Stuhl hatte sich beeindruckt darüber gezeigt, mit welchem Engagement die bayerischen Herzöge sich für eine Erneuerung des Katholizismus einsetzten, und hielt die Wittelsbacher deshalb für bessere Söhne der Kirche als die österreichischen Habsburger, die ja in den Augsburger Religionsfrieden eingewilligt hatten. Der Papst und die Spanier stellten sich also ganz hinter Ernst: Er sollte ihr Mann sein, wenn es darum ging,

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deutsche Bischofsstühle vor der drohenden „Entweihung“ durch einen protestantischen Administrator zu bewahren. Hildesheim war Ernsts zweites Bistum; bereits 1566 war er im Alter von zwölf Jahren Bischof von Freising geworden. Später folgte noch die Wahl zum Fürstbischof von Lüttich, aber das Hauptziel der Kampagne, deren Galionsfigur er war, stellte das Kurerzbistum Köln dar. Dort sollte eine umstrittene Bischofswahl zum ersten nennenswerten Ausbruch konfessioneller Gewalt im Reich seit den Tagen des Schmalkaldischen Krieges führen. Dieselbe Art von Rivalität zwischen den Katholiken, durch die eine Umsetzung der tridentinischen Reform in Franken verzögert wurde, hatte auch im Kurfürstentum Köln das Vordringen des Protestantismus begünstigt. Als Ernst von Bayern hier 1577 zur Wahl antrat, stellte sich ihm Johann von Manderscheid, der bereits Bischof von Straßburg war, als Kandidat entgegen, woraufhin Gebhard Truchsess von Waldburg mit denkbar knappem Vorsprung zum neuen Erzbischof von Köln gewählt wurde. Die Spanier machten sich daraufhin nicht allzu viele Sorgen, denn der neue Fürsterzbischof schien ein guter Katholik zu sein, der überdies hervorragende Kontakte zu den Jesuiten unterhielt. Ernst von Bayern war noch nicht einmal zum Priester geweiht. Allerdings verliebte Gebhard von Waldburg sich bald in eine protestantische Stiftsdame, Agnes von Mansfeld, und heiratete sie im Februar 1582, was in Teilen der Bevölkerung seines Kurfürstentums für Empörung sorgte. Der Barockkatholizismus tolerierte zwar in der Regel ein Konkubinat seiner Würdenträger – aber was zu viel war, war zu viel. Die Kontroverse führte zu einer Radikalisierung Waldburgs, der Truppen aushob, die kurfürstliche Residenz Bonn besetzte und dann am 19. Dezember seinen Übertritt zum Calvinismus bekanntgab. Immerhin erklärte er, er wolle das Kurfürstentum nicht an seine Erben weitergeben – und erwartete also offenbar, dass der Kaiser ihn als einen weiteren protestantischen Administrator eines Bistums akzeptieren würde. Jedoch verlangten das Gewicht des Fürsterzbistums Köln als eines Kurfürstentums sowie die Tatsache, dass Waldburg nicht zum – noch moderaten – Luthertum, sondern gleich zum Calvinismus konvertiert war, eine andere, eine grundsätzliche Entscheidung. Der Fall Köln zwang die deutschen Reichsfürsten, den Unklarheiten der Augsburger Regelung von 1555 ins Auge zu blicken. Aber anstatt nur einen weiteren Schritt in Richtung eines vermeintlich unvermeidlichen Krieges darzustellen, zeigt der Streit um das Erzbistum Köln uns, zu welch hohem Grad die Komplexität der zugrundeliegenden Probleme eine Polarisierung in zwei klar getrennte Lager verhinderte. Waldburgs Absetzung durch den Papst am 1. April 1583 alarmierte die verbliebenen katholischen Kurfürsten, die ganz wie ihre protestantischen Standesgenossen starke Zweifel daran hegten, dass irgendjemand – und sei es der Papst

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– befugt war, einen der mächtigsten Fürsten des Reiches so einfach zu demontieren.175 Die Lutheraner wiederum waren verstimmt, weil Waldburg sich ausgerechnet für den Calvinismus entschieden hatte. Sie fürchteten nämlich – und das völlig zu Recht –, dass dies die bisherige, stillschweigend tolerante Haltung des Kaisers mit Blick auf die protestantischen Administratoren in Zukunft unhaltbar machen würde. Die kurpfälzische Interpretation der gegenwärtigen konfessionellen Lage lehnten sie ab – und das, obwohl die Konversion des Kölner Fürsterzbischofs der protestantischen Seite im Kurfürstenkollegium eine Mehrheit verschaffte. Der pfälzische Kurfürst stellte ein Heer von 7000 Mann auf, von denen er 1000 gleich als Verstärkung für Waldburg nach Bonn schickte. Die calvinistischen Wetterauer Grafen und die Niederländer sagten ebenfalls ihre Unterstützung zu. Allerdings schreckte die ablehnende Haltung Kursachsens und Kurbrandenburgs andere, wie etwa den Landgrafen von Hessen-Kassel, von einem Eingreifen ab. Selbst die meisten kurpfälzischen Offiziere weigerten sich, die Grenze nach Kurköln zu überschreiten, weil mittlerweile ein kaiserlicher Befehl zur Auflösung ihrer Einheiten ergangen war. Jetzt ergriffen die Bayern ihre Chance und verlangten nicht nur die Absetzung Waldburgs (die der Papst ja bereits angeordnet hatte), sondern wollten zugleich ihren Verwandten Ernst auf dem Kölner Erzstuhl sehen. Spanien sah indes seinen Fehler ein und bangte nunmehr um die Sicherheit der Spanischen Straße, die ganz in der Nähe des kölnischen Territoriums verlief. So setzten sich also 3000 Mann spanischer Infanterie in Marsch (einschließlich eines jungen Fähnrichs Tilly), während das Kölner Domkapitel zusammentrat, um einen neuen Erzbischof zu wählen. Allerdings zeigten beileibe nicht alle Katholiken einen solchen Enthusiasmus. Die meisten Bischöfe und Äbte reagierten nur zögerlich – wenn überhaupt – auf die Bitten Ernsts um Geld für seine Kriegskasse, während Kaiser Rudolf die spanische Einmischung genauso verurteilte wie die schamlose bayerische Hausmachtpolitik. Allerdings hatte der habsburgische Kandidat für die Bischofswahl nicht den Hauch einer Chance,176 was den widerstrebenden Kaiser schließlich doch dazu brachte, eine Wahlempfehlung für Ernst von Bayern abzugeben, der denn auch am 23. Mai 1583 zum neuen Fürsterzbischof von Köln gewählt wurde. Nachdem er seine Truppen zusammengezogen hatte, schlug Ernst ab Dezember zu, nahm im Januar mithilfe des katholischen Adels der Umgebung Bonn ein und zwang Gebhard Truchsess von Waldburg zur Flucht in die Niederlande. Die Kurpfalz war zu diesem kritischen Zeitpunkt handlungsunfähig, weil im November 1583 Kurfürst Ludwig gestorben war, woraufhin die Pfälzer Kurwürde dessen erst siebenjähriger Sohn erbte. Die anderen Kurfürsten fügten sich und erkannten Ernst von Bayern bis Januar 1585 als einen der ihren an. Schon im Mai desselben Jahres sicherte der sich seine

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fünfte Diözese, indem er mit päpstlicher und spanischer Unterstützung zum Fürstbischof von Münster gewählt wurde. 1584 traten Nürnberg und Tirol im Protest aus dem gemischtkonfessionellen Landsberger Bund aus. Damit hörte er als handlungsfähige Organisation eigentlich auf zu existieren, obwohl er offiziell noch bis 1598 fortbestand. Das zeigte, wie weit die Erosion der moderaten Mitte im Reich bereits fortgeschritten war. Allerdings war der Niedergang des Landsberger Bundes eher das Ergebnis einer Desillusionierung, die durch den Umgang Kaiser Rudolfs mit der Kölner Affäre beschleunigt worden war, als dass er irgendetwas mit einer konfessionellen Polarisierung in einem abstrakten Sinne zu tun gehabt hätte. Die Sache war mit Waffengewalt geklärt worden; dass die Institutionen des Reiches komplexe Probleme noch immer auch friedlich lösen konnten, durfte daraufhin bezweifelt werden. Das spanische Eingreifen verstärkte die Verstrickung auswärtiger Mächte in die Reichspolitik. Die Spanier ließen ein Truppenkontingent auf kurkölnischem Gebiet zurück, weil sich in einigen Städten noch Anhänger Gebhards von Waldburg und niederländische Hilfstruppen verschanzt hielten. Nachdem Ernst von Bayern bei der Wahl in Münster erneut erfolgreich gewesen war, zog dies die Spanier noch tiefer in die angespannte Situation hinein, denn nun herrschte der Kirchenfürst auch über ein großes Stück Land am Niederrhein, unmittelbar östlich der Republik der Vereinigten Niederlande. Die Niederländer wiederum betrachteten Ernst als einen Verbündeten der Spanier und behandelten sein Territorium als Feindesland. Die Spanier fühlten sich in der Pflicht, ihm gegen diese niederländischen Übergriffe beizustehen, aber die spanischen Soldaten, die schon seit Jahren nicht mehr ordentlich bezahlt worden waren, sahen eher die Gelegenheit gekommen, sich an dem reichen Kirchenland gütlich zu tun. Die Kampfhandlungen beschränkten sich zunächst auf kleinere Überfälle nach beiden Seiten der Grenze, bis im Dezember 1587 ein Trupp von 600 Protestanten die Stadt Bonn überfiel, wo die Spanier eine Garnison von lediglich 140 Mann zurückgelassen hatten. Der Herzog von Parma entsandte umgehend eine Streitmacht, die Bonn im darauffolgenden September nach sechsmonatiger Belagerung zurückeroberte. Sodann zogen die Spanier nach Norden und nahmen im Februar 1590 die kurkölnische Exklave Rheinberg mit ihrem strategisch wichtigen Rheinübergang ein, der die folgenden spanischen Kampagnen zur strategischen Umgehung der Niederländischen Republik im Osten wesentlich erleichterte. Damit war zwar die territoriale Integrität des Reiches kompromittiert – aber doch nur in seinem nordwestlichsten Zipfel. Der Schaden hielt sich auch deshalb in Grenzen, weil weder die Spanier noch die Niederländer in die innerdeutsche Politik hineingezogen werden wollten. Spanien beugte sich sogar

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dem Einspruch der Protestanten und sah davon ab, Bonn zu seinem befestigten Hauptstützpunkt in der Region auszubauen.177 Der Straßburger Bischofskrieg (1592–1604) Auf die Probleme in Kurköln folgten ganz ähnliche Verwicklungen auch im Fürstbistum Straßburg, dieses Mal jedoch mit härteren Konsequenzen für das Ansehen Kaiser Rudolfs. Das Hochstift Straßburg am Oberrhein erstreckte sich rund um die (übrigens protestantische) Reichsstadt gleichen Namens, die um 1600 noch die nördlichste ständige Brücke über den Rhein vorzuweisen hatte. Wie Köln lenkte Straßburg die internationale Aufmerksamkeit auf sich, weil sein Territorium unmittelbar an der Spanischen Straße lag – aber wie so oft in der Reichspolitik entsprang der Streit, um den es hier geht, persönlichen Animositäten, die mit den Anliegen der großen Mächte nicht das Geringste zu tun hatten. Gebhard Truchsess von Waldburg war Dekan des Straßburger Domkapitels gewesen, und drei der Domherren, die ihn bei der Kölner Wahl unterstützt hatten, waren zugleich auch Mitglieder des Domkapitels in Straßburg, neben elf weiteren Protestanten und sieben Katholiken. Der Straßburger Kapitelstreit, wie die folgenden Ereignisse auch genannt werden, brach nun aus, als 1592 der Fürstbischof Johann von Manderscheid gestorben war. Die protestantische Mehrheit im Domkapitel zeigte sich beunruhigt darüber, dass seit Neuestem Karl von Lothringen in ihrer Mitte weilte, den die katholische Minderheit als Domherren in das Straßburger Kapitel aufgenommen hatte und der somit neben dem aktiven auch das passive Wahlrecht besaß. Als Kardinal und Fürstbischof von Metz war Karl bereits eine einflussreiche Persönlichkeit mit weitreichenden Beziehungen. (Unter anderem war er ein Enkel von Katharina de’ Medici und mit Herzog Wilhelm V. von Bayern verschwägert.) Die protestantischen Straßburger Domherren fürchteten nun, sie könnten einer spanisch-lothringisch-bayerischen Verschwörung zum Opfer fallen und – ganz wie ihre Amtsbrüder in Köln – aus ihren Benefizien verdrängt werden. Also sammelten sie einige Anhänger um sich und besetzten den Bruderhof, einen weitläufigen Gebäudekomplex direkt neben dem Straßburger Münster, in dem sich neben dem Kapitelhaus und der domkapitularischen Finanzverwaltung auch eine lutherische Akademie zur Erziehung junger Adliger befand. Hinter den sicheren Mauern der Stadt und des Bruderhofs wählten sie dann den erst 15-jährigen Markgrafen Johann Georg von Brandenburg, der an der Akademie studierte, zum Administrator des Fürstbistums. Da Johann Georg ein Enkel des regierenden brandenburgischen Kurfürsten war, zielte diese Wahl darauf ab, die Unterstützung der lutherischen Reichsstände zu gewinnen. Auch hofften die protestantischen Domherren auf die Hilfe Württembergs, das noch immer kleine Exklaven im Elsass hielt und nach der Verwüstung Württem-

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berg-Mömpelgards durch die Truppen der französischen Heiligen Liga 1587/88 in erbitterter Feindschaft zu Lothringen stand. Aber unter einer dünnen Schicht aus protestantischer Solidarität lauerten, unverkennbar, dynastische Interessen. Herzog Friedrich I. von Württemberg nutzte die unsichere Position des jungen Administrators aus, indem er ihm einen benötigten Kredit in Höhe von 330 000 Gulden gewährte und sich im Gegenzug eine Kontrollbeteiligung am Fürstbistum Straßburg einräumen ließ. Württemberg erhielt das Amt Oberkirch, wodurch eine Landverbindung zwischen dem Mutterterritorium und den elsässischen Exklaven geschaffen wurde. Außerdem wurde Friedrichs sechsjähriger Sohn in das Straßburger Domkapitel aufgenommen und zu Johann Georgs Nachfolger bestimmt.178 Die katholischen Domherren waren inzwischen in die sichere Bischofsstadt Zabern (Saverne) im Unterelsass geflohen, wo sie, wie zu erwarten, Herzog Karl zum Gegenbischof von Straßburg wählten. Die nun folgende Auseinandersetzung war keineswegs ein klarer Zweikampf zwischen Katholiken und Protestanten, sondern viel eher ein von konkreten Akteuren geführter Dreikampf zwischen Lothringen, Johann Georg und Württemberg, während sich Außenstehende um eine friedliche Beilegung des Konflikts bemühten. Christian von Anhalt übernahm den Befehl über die wenigen Truppen, die Johann Georg rund um Straßburg ausgehoben hatte, und konnte damit die Lothringer 1592 immerhin von der völligen Einnahme des Fürstbistums abhalten. Nachdem Kaiser Rudolf keine Einigung hatte vermitteln können, gelang es im Jahr darauf Heinrich IV. von Frankreich, eine zeitweilige Teilung des Straßburger Territoriums auszuhandeln. Zabern sowie sechs weitere Ämter gingen an Lothringen, die verbliebenen sechs, darunter Oberkirch, an Johann Georg. Daraufhin ließ Württemberg seine finanziellen Muskeln spielen und drängte erfolgreich auf eine Revision der geschlossenen Vereinbarung, woraus 1604 gleich zwei neue Verträge hervorgingen. Johann Georg trat seinen Anspruch auf das Amt des Administrators an Württemberg ab und erhielt im Gegenzug eine jährliche Pension sowie den vollständigen Erlass seiner Schulden. Württemberg überließ das Fürstbistum dem Herzog von Lothringen, der dafür das Amt Oberkirch auf 30 Jahre an die Württemberger abtrat. Im sogenannten Straßburger Bischofskrieg wurde sogar noch weniger gekämpft als im Kölnischen Krieg. Die beteiligten Parteien zeigten sich stets verhandlungsbereit, und letztlich bestimmten materielle und dynastische Interessen das Endergebnis. Dennoch war der Landfrieden im Reich ein zweites Mal gebrochen worden, was dem Ansehen Kaiser Rudolfs weiteren Schaden zufügte. Und was noch schlimmer war: Nach dem „Spanischen Winter“ von 1598/99 beschwor der katholische Sieg im Streit um das Fürstbistum Straßburg endgültig das Schreckgespenst einer konzertierten Gegenreformation herauf.

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Der Traum von einem protestantischen Bündnis Die spanische Intervention am Rhein in den Jahren nach 1583 wirkte wie der Vorbote dafür, dass die Kriege in Frankreich und den Niederlanden nun auf das römisch-deutsche Reich übergreifen würden. Dänemark und England sahen die Entwicklung mit Sorge. Ihre Angst vor spanischen und/oder jesuitischen Umtrieben in ihrer eigenen Heimat ließ die Führungsriegen dieser Länder ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass (auch) in Deutschland katholische Verschwörungen im Gang sein könnten. England schloss 1585 ein Bündnis mit den abtrünnigen Niederländern und unterstützte die französischen Hugenotten mit Geld und Freiwilligen. Dänemark lenkte seine Hilfszahlungen für die Hugenotten über die Kurpfalz. Beide, England wie Dänemark, wünschten engere Beziehungen zu den protestantischen Reichsfürsten, die in den Planspielen der Strategen eine weitaus größere Rolle spielten, als sie in der Realität eines tatsächlichen Bündnisses hätten leisten können.179 Ein zentrales Dogma des militanten Protestantismus besagte nämlich, dass der Papst bei seinem großen Gegenschlag wohl zuerst über Deutschland herfallen würde – das Mutterland der Reformation. Auch war es um das internationale Renommee der deutschen Fürsten um 1600 wesentlich besser bestellt als dies später, nach 1648, der Fall sein sollte: Obwohl die Reichsfürsten im Rang klar unter den souveränen Monarchen der umliegenden Königreiche standen, waren sie doch Teil der internationalen Gemeinschaft und reisten regelmäßig ins Ausland. Ihre Territorien lagen im Herzen Europas; leicht gelangte man von dort nach Skandinavien, in die Niederlande oder nach Frankreich, was sie zu einem idealen Aufmarschgebiet gegen die empfundene katholische Bedrohung machte. Und nicht zuletzt hatten deutsche Freiwillige und Söldner, die in allen Armeen des protestantischen Europa dienten, einen ausgezeichneten Ruf, der ohne Weiteres auch auf das Militär ihrer Heimatterritorien übertragen wurde. In Wahrheit entbehrte die Hoffnung auf ein internationales protestantisches Militärbündnis jeglicher Grundlage – sie war rein illusorisch. Die unterschiedlichen nationalen Entwicklungen der dänischen und der anglikanischen Staatskirche sowie die voneinander abweichenden politischen Ziele der beiden Monarchen verhinderten jede feste Übereinkunft zwischen den beiden potenziellen Förderern der protestantischen Reichsstände im Ausland. Indem die eine Macht militanter wurde, ließ die andere in ihrem protestantischen Eifer nach, was eine Abstimmung der Interessen erschwerte. Die Kontroverse um das konservativlutherische Konkordienbuch schuf ein weiteres Hindernis, das nach 1582 nur noch größter wurde – und das, obwohl die Streitigkeiten um Köln und Straßburg derart dringlich schienen. Grundsätzlich hing selbst die Realisierbarkeit einer Allianz unter den protestantischen Reichsständen davon ab, ob diese auf ausländische Unterstützung bauen konnten. Freilich würden sich weder Eng-

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land noch Dänemark zur Finanzierung eines solchen Bündnisses bereit erklären, wenn nicht die zwei protestantischen Führungsmächte im Reich, Kursachsen und die Kurpfalz, beide mit von der Partie wären. Deren Verhältnis aber war zuletzt deutlich abgekühlt, nachdem der sächsische Kurfürst sich geweigert hatte, den pfälzischen im Streit um Kurköln zu unterstützen. Die Stimmung verschlechterte sich weiter, als die Regierung des rheinischen Fürstentums auf den Pfalzgrafen Johann Casimir aus der Nebenlinie Pfalz-Lautern überging, der 1583–92 als Administrator der Kurpfalz amtierte. Anstelle der etablierten Führungsriege des Kurfürstentums umgab Johann Casimir sich mit calvinistischen Exulanten und mit Veteranen der Religionskriege in Frankreich und den Niederlanden. Er sah die Welt ganz mit den Augen eines Soldaten – für die traditionelle Konsenspolitik des Reiches hatte er wenig übrig. Entsprechend rigoros nahm der Administrator die Einführung des Luthertums in der Kurpfalz zurück, die der letzte Kurfürst Ludwig VI., sein eigener Bruder, verfügt hatte. Tatsächlich ging Johann Casimir dabei so rabiat vor, dass in der Oberpfalz 1592 ein Aufstand losbrach; dort blieb das Luthertum erhalten. Der Ruck in Richtung eines calvinistischen Extremismus, den sein Vorgehen bedeutete, entfremdete die Kurpfalz noch weiter von ihren potenziellen lutherischen Verbündeten im Reich. Eine gewisse Rolle dürften dabei auch persönliche Enttäuschungen gespielt haben: Die Ehen sowohl einer Nichte als auch einer Tochter des sächsischen Kurfürsten August, eines strammen Lutheraners, mit den Calvinisten Wilhelm von Oranien beziehungsweise Johann Casimir von Pfalz-Lautern waren in den Jahren vor 1583 beide gescheitert. Da ein Zusammenwirken mit Sachsen im Kurfürstenrat mithin ausgeschlossen schien, konzentrierte sich die kurpfälzische Politik wieder ganz darauf, einen protestantischen Block (corpus Evangelicorum) außerhalb des formellen Rahmens der Reichsverfassung zu schaffen. Den protestantischen Reichsständen eröffnete sich also eine klare Wahl, was ihre weiteren konfessionellen Ziele betraf: Entweder sie schlossen sich Kursachsen an und trugen durch ihre Mitarbeit in den Institutionen des Reiches dazu bei, den 1555 erreichten Status quo zu bewahren. Oder sie schlossen sich der neuen Gruppe unter kurpfälzischer Führung an, die ausschließlich auf den gemeinsamen Glauben gegründet war und ihre Zusammenkünfte getrennt von den Reichs- und Kreistagen abhielt. Im weiteren Verlauf der 1580er-Jahre wurde deutlich, dass die meisten protestantischen Reichsfürsten das sächsische Modell dem pfälzischen Konfrontationskurs vorzogen. Nach dem Tod des Fürsten August erneuerte Kursachsen 1587 sein altes Bündnis mit Hessen-Kassel, wodurch es auch die (neben Sachsen selbst) zweite Führungsmacht des einstigen Schmalkaldischen Bundes in sein Lager bringen konnte. Württemberg, Pommern, Mecklenburg und die Er-

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nestiner stellten sich gleichfalls geschlossen hinter Kursachsen, 1614 folgte noch Kurbrandenburg. Aus diesen Gründen hing von der Haltung des sächsischen Kurfürsten in konfessionellen Fragen von nun an vieles ab. Als 1586 Christian I. von Sachsen seinem Vater August als Kurfürst nachgefolgt war, mehrten sich die Anzeichen für eine mögliche Aussöhnung zwischen Kursachsen und Kurpfalz. Christian lehnte die orthodoxen Ansichten seines Vaters ab und vertrat stattdessen eine Spielart des Luthertums, die dem mit calvinistischen Positionen zumindest sympathisierenden Philippismus in der Nachfolge Melanchthons nahestand. Da er sich jedoch niemals öffentlich zum Calvinismus bekannte, bleiben Christians tatsächliche Absichten unklar. Ein spielsüchtiger Alkoholiker war er wohl schon gewesen, bevor er Kurfürst wurde; nach seinem Regierungsantritt gelang es ihm nicht, die persönlichen Rivalitäten an seinem Hof in den Griff zu bekommen, wodurch andere großen Einfluss erlangen konnten. Auch Christians Kanzler Nikolaus Krell neigte dem Philippismus zu und führte – gegen einen Widerstand, der nach 1589 stetig zunahm – eine neue Bibelübersetzung in Kursachsen ein. Der internen Neuausrichtung des Kurfürstentums entsprach ein Kurswechsel in der Reichspolitik: Nachdem im Februar 1590 Gespräche mit den Abgesandten der Kurpfalz eröffnet worden waren, kam es im Januar darauf zum Abschluss der Torgauer Union. Man hat diesen Schritt als einen radikalen Bruch interpretiert, als einen ersten Vorboten der geschlossenen protestantischen Front späterer Tage.180 Diese Einschätzung trifft indes nur bedingt zu. Einer Kooperation mit dem pfälzischen Kurfürsten stand Christian von Sachsen gewiss offener gegenüber, als es sein Vater getan hatte; aber eher als eine Konversion Kursachsens zum pfälzischen Radikalismus anzuzeigen, diente die Union dazu, den neuen Bündnispartner auf einen gemäßigteren Kurs zu bringen. Und auch wenn die beiden Kurfürsten ein gemeinsames Expeditionsheer nach Frankreich entsandten, war das nun, nach der Thronbesteigung Heinrichs IV., kein allzu radikaler Schritt mehr. Im Reich beschränkte sich ihre Kooperation darauf, einen gemeinsamen Protest an Kaiser Rudolf zu richten, worin sie darauf drängten, die von den Protestanten beklagten Missstände auf verfassungsmäßigem Wege abzustellen. Von den anderen protestantischen Fürsten des Reiches schloss sich der Union allein der Landgraf von Hessen-Kassel an; bald nach Christians Tod im September 1591 brach das Bündnis wieder auseinander. Die Brüchigkeit der Torgauer Union wurde offenbar, als nach dem unerwarteten Tod des sächsischen Kurfürsten sofort Gerüchte laut wurden, dieser sei vom lutherischen Establishment Sachsens vergiftet worden, um eine calvinistische „zweite Reformation“ in ihrem Land zu verhindern. Auch wenn Christian nicht so jung gestorben wäre, ist es unwahrscheinlich, dass die Torgauer Union zu ei-

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ner echten Herausforderung für die kaiserliche Autorität im Reich geworden wäre, insbesondere nachdem der Ausbruch des Langen Türkenkrieges 1593 Kaiser Rudolf allgemeine Unterstützung eingebracht hatte. Christian von Sachsen hinterließ drei Söhne, von denen der älteste, Christian II., erst acht Jahre alt war. Die Regentschaft im Kurfürstentum Sachsen übernahmen deshalb vorerst Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar sowie der Großvater väterlicherseits des Kurerben, Kurfürst Johann Georg von Brandenburg. Die Mutter des jungen Christian ordnete 1591–93 eine „Säuberung“ Kursachsens von Philippisten und Kryptocalvinisten an, bei der auch der Kanzler Krell inhaftiert wurde. Alle Pastoren der sächsischen Landeskirche mussten sich auf das Konkordienbuch verpflichten; die Zustimmung der breiten Bevölkerung zu diesen und anderen Maßnahmen äußerte sich in anticalvinistischen Ausschreitungen. Einerseits kehrte Sachsen so zu seinen vorherigen Positionen in der Reichspolitik zurück, nahm aber eigentlich eine passive Haltung in allen politischen Fragen ein, da die Regenten des Kurfürstentums jedes Risiko scheuten. Christian II. wurde ein Säufer wie sein Vater, konnte sich jedoch noch weniger durchsetzen als dieser, was es seiner Mutter erlaubte, die kursächsische Unterstützung für Kaiser Rudolf aufrechtzuerhalten. Oder wie ein Mitglied des kursächsischen Hofrats es 1610 formulierte: „Politice seint wir bäpstisch.“181 Der einzig greifbare Lohn für diese Kaisertreue bestand allerdings darin, dass der Reichshofrat ein Todesurteil gegen den unglücklichen Krell bestätigte, obwohl für dessen angebliche Verschwörung keinerlei Beweise vorlagen und sowohl Elisabeth I. von England als auch der französische König Heinrich IV. Gnadengesuche für ihn eingereicht hatten. Sophie von Brandenburg, die überzeugt war, Krell habe ihren verstorbenen Mann korrumpiert, nahm bei der Hinrichtung des ehemaligen Kanzlers auf dem Dresdener Neumarkt am 9. Oktober 1601 einen Ehrenplatz ein. Diese schaurige Äußerung persönlicher Rachgier interpretierten viele Zeitgenossen als ein Zeichen für die feste Entschlossenheit Kursachsens, dem Calvinismus die Stirn zu bieten. Die Verbissenheit, mit der Kursachsen nun alte Rechnungen beglich, ermöglichte es der Kurpfalz, auf die politische Bühne zurückzukehren und ihre Bemühungen um ein alternatives Bündnis auf konfessioneller Grundlage wieder aufzunehmen. So entfernten sich die Positionen der protestantischen Reichsstände erneut voneinander, und der kursächsische Konservatismus unterschied sich scharf von der wachsenden kurpfälzischen Militanz. Der neue Pfälzer Kurfürst Friedrich IV. war gleichwohl auf den ersten Blick nicht das, was man sich unter einem Radikalen vorstellt. Lutherisch erzogen, war er unter dem Einfluss seines Onkels Johann Casimir, dessen Regentschaft erst 1592 geendet hatte, zum Calvinismus konvertiert. Die berühmte Arbeitsmoral der Calvinisten machte er sich allerdings nicht zu eigen, war launisch und oft krank, vor allem in den Jahren

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nach 1602. Friedrichs Liebe zum Prunk brachte den kurpfälzischen Hof in ernste finanzielle Schwierigkeiten; bis 1613 hatten sich schließlich Staatsschulden in Höhe von 1,8 Millionen Gulden angehäuft.182 Die Expansion der Hofhaltung erlaubte es dem kurpfälzischen Adel, seine bereits unter der Regentschaft Johann Casimirs gestärkte Position weiter auszubauen und schließlich sogar bestimmenden Einfluss auf den politischen Kurs des Kurfürstentums zu gewinnen. Zuvor hatte die Regierung in der Hand eines als „Oberrat“ bezeichneten Gremiums gelegen, das 1557 eingerichtet worden war und sich zumeist aus Nichtadligen zusammensetzte, die an einer humanistischen Universität studiert hatten. Ihr akademisch geprägter Arbeitsmodus, der die gemeinsame Entscheidungsfindung betonte, ließ sie eher vorsichtig agieren, wohingegen die wachsende Abhängigkeit Friedrichs IV. von adligen Höflingen und Militärs der Einflussnahme Einzelner Tür und Tor öffnete. Die Situation wurde verschärft durch eine Verschlechterung von Friedrichs Gesundheitszustand, die seinen religiösen Eifer erneut anfachte und ihn dazu neigen ließ, alle Angelegenheiten seines Fürstentums gewissermaßen durch die konfessionelle Brille zu betrachten. Insbesondere ein Mann war es, der Friedrichs Aufmerksamkeit und Gunst auf sich zog: Christian von Anhalt. Er spielte in den Geschehnissen, die schließlich zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges führen sollten, eine zentrale Rolle. Obwohl er oft als leichtfertiger Intrigant abgetan wird, kann eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass Christian heute als weitsichtiger Stratege gelten würde – wenn das böhmische Abenteuer nur von Erfolg gekrönt gewesen wäre. Seine Anwesenheit in der Kurpfalz verdeutlicht erneut die zahlreichen Probleme, denen sich die protestantischen Fürstenhäuser des Reiches gegenübersahen: Obgleich er im Dienst des pfälzischen Kurfürsten stand, war er ja eigentlich selbst ein Fürst und entstammte dem altehrwürdigen Geschlecht der Askanier, das schon damals eine mehr als tausendjährige Familiengeschichte für sich in Anspruch nahm und einst zu den mächtigsten Dynastien des Heiligen Römischen Reiches gezählt hatte. Ende des 16. Jahrhunderts mussten die Askanier sich allerdings mit der Herrschaft über Anhalt begnügen, ein kleines Fürstentum, das zwischen den größeren Mächten Brandenburg und Sachsen wie eingeklemmt lag. In Anhalt gab es keine Primogeniturregelung, weshalb das (ohnehin nicht besonders große) Fürstentum bei seiner Aufteilung an Christian und dessen Brüder 1586 in fünf Teile zersplittert worden war. Christians Anteil, Anhalt-Bernburg, war für einen Mann von seinen Ambitionen gleich mehrere Nummern zu klein, und so suchte er sich einen namhaften Hof, an dem er größeren Einfluss würde gewinnen können. Zuerst ging Christian 1586 nach Kursachsen, wo er zum Calvinismus übertrat und den neuen Glauben auch mit besonderer Inbrunst praktizierte, wobei es

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ihm vor allem der eklektisch formulierte, universelle Wissensanspruch der reformierten Lehre angetan hatte, in deren beinahe magisch anmutende Verästelungen er sich mit Begeisterung vertiefte. Wie so viele glühende Calvinisten war er überzeugt, man könne den Willen Gottes erkennen, wenn man das Weltgeschehen nur anhand der Bibel richtig zu deuten lerne. 1591 erhielt er das Oberkommando über das sächsisch-pfälzische Expeditionsheer, das zur Unterstützung Heinrichs IV. nach Frankreich entsandt wurde. Allerdings machten, wie schon zuvor in ähnlichen Fällen, die vermeintlichen Geldgeber des Vorhabens ihre Zusagen nicht wahr, und Christian von Anhalt blieb auf den Kosten von 1,3 Millionen Talern allein sitzen – eine Schuld, die seine Nachfahren noch 1818 von Frankreich einzutreiben versuchten.183 Immerhin brachte der elfmonatige Feldzug ihn in Kontakt mit den wichtigsten Vertretern des Calvinismus auf dem internationalen Parkett, allen voran mit dem Grafen Johann von Nassau-Siegen. Nachdem er das protestantische Heer im kurzen Straßburger Bischofskrieg befehligt hatte, wollte Christian eigentlich dem Ruf Kaiser Rudolfs folgen, der ihm 1593 das Kommando im Kampf gegen die Türken antrug. Johann von Nassau überzeugte ihn aber davon, dass dies der protestantischen Sache schaden würde, und verschaffte ihm stattdessen den Posten eines Statthalters der Oberpfalz, den Christian 1595 antrat. Die Ernennung zum Statthalter gab Christian von Anhalt eine Chance, seine zweifellos zahlreichen Talente unter Beweis zu stellen. Die heute zum Freistaat Bayern gehörige Oberpfalz lag in beträchtlicher Entfernung östlich des rheinischen Kurfürstentums, das sie 1329 erworben hatte. Mit der Statthalterschaft in Amberg verfügte die Oberpfalz über ihre eigene Regierung, während das Kernland des kurpfälzischen Territoriums, die Unter- oder Rheinpfalz, von Heidelberg aus regiert wurde. Auch die religiösen Traditionen der Oberpfalz unterschieden sich von denen der Unterpfalz, denn während das Luthertum dort immer auf den Heidelberger Hof beschränkt blieb, waren die Oberpfälzer standhafte Lutheraner und wehrten sich verbissen gegen die (erneute) Einführung des Calvinismus durch den Regenten Johann Casimir. Christian von Anhalt gelang es, durch eine Mischung aus Feingefühl und Hinterlist die Loyalität der Bevölkerung zurückzugewinnen; tatsächlich war er dabei so erfolgreich, dass die oberpfälzischen Stände das spätere böhmische Abenteuer begeistert unterstützten.184 Sein Erfolg als Statthalter sorgte dafür, dass man am Heidelberger Hof auf Christian aufmerksam wurde, und sein Einfluss stieg weiter an, nachdem einige seiner Günstlinge und andere Vertreter des internationalen Calvinismus dort in wichtige Ämter berufen wurden.

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Der Vierklösterstreit (1598–1601) Bis in die späten 1590er-Jahre hatte Christian von Anhalt so viel Einfluss gewonnen, dass er die aktivistische Konfessionspolitik Johann Casimirs wieder aufnehmen und zu ihrem logischen Abschluss bringen konnte: der Formung eines protestantischen Bündnisses unter kurpfälzischer Führung. Um die anderen protestantischen Reichsfürsten von dem kursächsischen Festhalten an der Reichsverfassung abzubringen, bemühte sich Christian nachzuweisen, dass die Institutionen des Reichs keinen Schutz protestantischer Interessen mehr gewährleisten konnten. Er entschied sich ganz bewusst dafür, die Reichsgerichtsbarkeit infrage zu stellen, weil die Augsburger Regelung von 1555 gerade darauf beruhte, dass das Reich auftretende Streitigkeiten durch Gerichtsverfahren friedlich zu lösen vermochte. Wahrscheinlich glaubten Christian oder zumindest andere kurpfälzische Entscheidungsträger tatsächlich an eine antiprotestantische Voreingenommenheit der Reichsinstitutionen, ja sogar an eine Unterwanderung dieser Institutionen durch die Jesuiten als Sturmtruppen der Gegenreformation. Gleichwohl sorgte die Politisierung der Reichsgerichtsbarkeit durch Christian von Anhalt für eine deutliche Eskalation der Spannungen im Reich. Die Auswirkungen der kurpfälzischen Agitation werden deutlich, wenn man die Situation nach 1598 mit den 40 Jahren davor vergleicht. Im Augsburger Religionsfrieden war das Reichskammergericht mit der Klärung von religiösen Streitfällen betraut worden. Die meisten Richter und Mitarbeiter des Gerichts waren Katholiken, weil das Vorschlagsrecht beim Freiwerden einer Richterstelle bei den Territorien innerhalb der einzelnen Reichskreise lag. Da die Stimmberechtigten eben ihre Glaubensgenossen wählten, war in den drei Jahrzehnten vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges gerade einmal ein Drittel der Richter am Reichskammergericht protestantisch, was in etwa dem Anteil von Protestanten unter den Reichsfürsten entsprach. Dennoch leisteten alle protestantischen Territorien ihren regelmäßigen Beitrag zur Finanzierung des Gerichts. Auch hatten sie sich nicht beschwert, als zwischen 1559 und 1570 gleich mehrere der Vorsitzenden Richter in Folge katholisch gewesen waren. Erst 1576 hatte die Kurpfalz ernsthaft begonnen, die Einführung konfessioneller Parität am Reichskammergericht zu fordern, insbesondere sollte der Vorsitz immer abwechselnd von einem Katholiken und einem Protestanten geführt werden.185 Der Kaiser wies dieses Ansinnen als einen Affront gegen seine herrscherliche Prärogative zurück, bezeichnete es aber zugleich als unnötig, weil konfessionell heikle Fälle ohnehin schon von einem gemischten Senat aus drei protestantischen und drei katholischen Assessoren (Richtern) bearbeitet wurden. Wenn ein solcher Senat zu keinem Urteil gelangte, musste er den Fall an einen anderen Senat verweisen, der ebenfalls konfessionell paritätisch besetzt

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war. Dieses Verfahren hatte bislang so gut funktioniert, dass es zwischen 1559 und 1589 zu nur sieben formellen Beschwerden gegen Entscheidungen des Reichskammergerichts gekommen war. Keiner der Streitfälle im sogenannten Vierklösterstreit, deren Revision die Kurpfalz ab 1598 betrieb, unterschied sich substantiell von denen, die in der Vergangenheit erfolgreich geklärt worden waren. Der erste, er stammte aus dem Januar 1597, betraf ein Urteil zugunsten des Kartäuserordens gegen den Grafen von Oettingen, das diesen verpflichtete, dem Orden das 1556 infolge der Reformation eingezogene Kloster Christgarten bei Nördlingen zu restituieren, da diese Aufhebung nach dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens erfolgt war. In einem zweiten Fall hatte das Reichskammergericht gegen die Reichsritter von Hirschhorn ganz ähnlich entschieden, die 1568 ein von ihrer Familie an deren Stammsitz in Hirschhorn am Neckar gestiftetes Karmeliterkloster säkularisiert hatten. Die dritte einschlägige Entscheidung des Reichskammergerichts wies die Reichsstadt Straßburg an, sich nicht weiter in die Angelegenheiten des dortigen Magdalenenklosters einzumischen. Und schließlich entschied das Gericht, der Markgraf von Baden und die Grafen von Eberstein müssten die Äbtissin und die Priorin des Klosters Frauenalb freilassen, die sie wegen angeblichen Sittenverfalls in jenem Kloster gefangen gesetzt hatten. Alle diese Urteile des Reichskammergerichts waren in gemischtkonfessionellen Senaten durch Mehrheitsentscheid gefällt worden – zumindest einige der protestantischen Richter hatten sich also auf die Seite ihrer katholischen Amtskollegen geschlagen. Die Kurpfalz politisierte nun diese Fälle, indem sie nicht juristisch, sondern konfessionell begründete Einwände gegen die ergangenen Urteile vorbrachte. Das Reichskammergericht hatte jeden Fall für sich nach den bestehenden Eigentumsrechten und Jurisdiktionen beurteilt, doch ging es in allen vier Verfahren letztlich um die Klärung derselben fundamentalen Unstimmigkeit: Wie und mit welcher Zielsetzung sollte mit Kirchenbesitz umgegangen werden? Den Urteilssprüchen mangelte es zudem an Verbindlichkeit, weil das etablierte Revisionsverfahren am Reichskammergericht zusammengebrochen war. Das als Visitation bekannte Verfahren war 1532 geschaffen und durch den Augsburger Religionsfrieden bestätigt worden. Bei den jährlich stattfindenden Visitationen prüfte eine Sonderkommission, deren wechselnde Mitglieder unter allen Reichsständen ausgewählt wurden, die aktuell bei dem Gericht anhängigen Fälle. In der Folge des Kölnischen Krieges hatte 1588 Kaiser Rudolf den lutherischen Administrator von Magdeburg daran gehindert, den ihm turnusmäßig zustehenden Platz in der Visitationskommission einzunehmen, wodurch das gesamte Revisionsverfahren zum Erliegen kam. Allerdings wünschten sich nicht nur die protestantischen, sondern auch die katholischen Stände ein funktionierendes

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Reichskammergericht und nutzten deshalb den Regensburger Reichstag von 1594, um den folgenden Vorschlag einzubringen: Die Visitation des Reichskammergerichts sollte fortan der ordentlichen Reichsdeputation anvertraut werden, also einer Art ständigem Ausschuss, dessen Mitglieder unter den Reichsständen ausgewählt wurden und dem die Erledigung bestimmter Probleme übertragen wurde, solange der Reichstag gerade nicht tagte. Angesichts der Tatsache, dass die Reichsdeputation zu jener Zeit sogar noch weniger protestantische Mitglieder hatte als die Visitationskommission, witterten die protestantischen Reichsstände indes auch in diesem Vorschlag ein katholisches Komplott. Das Problem war kein rein konfessionelles, sondern offenbarte zugleich einen ernsthaften Mangel der Reichsverfassung. Das Reichskammergericht war kein oberstes Verfassungsgericht moderner Prägung, das etwa befugt gewesen wäre, Gesetzeslücken zu schließen oder neuartigen Problemen durch die Formulierung seiner eigenen Rechtsauffassung zu begegnen. Stattdessen war es seine Aufgabe, die von den Reichstagen verabschiedeten Rechtsvorschriften zur Anwendung zu bringen; das letzte Wort hatte im Zweifelsfall der Kaiser. Da der „melancholische“ Rudolf seine Beteiligung an dem Verfahren jedoch verweigerte, wurden ungeklärte Fälle im Zweifel an den Reichstag zurückverwiesen, was zur Folge hatte, dass selbst vergleichsweise unbedeutende Streitsachen plötzlich zum Gegenstand hitziger politischer Debatten werden konnten. Die protestantischen Prozessparteien in den Verfahren des Vierklösterstreits hatten lediglich gefordert, die Deputation solle konfessionell paritätisch besetzt werden, um ein faires Berufungsverfahren zu ermöglichen – aber diese moderate und durchaus verständliche Forderung wurde von der Kurpfalz schlicht ignoriert, die stattdessen die Reichsstände Brandenburg und Braunschweig mobilisierte, um die grundsätzliche Revisionsbefugnis auch der Reichsdeputation infrage zu stellen. Bis 1601 war die Deputation auf diesem Weg vollkommen lahmgelegt, und die Kurpfalz konnte die Angelegenheit vor den nächsten Reichstag bringen, der von März bis Juli 1603 wiederum in Regensburg zusammentrat. Der pfälzische Kurfürst und seine Berater hofften, der Vierklösterstreit werde auch die letzten Zauderer davon überzeugen, das kursächsische Lager zu verlassen und sich einer „echt protestantischen“ Koalition anzuschließen. Seit dem Reichstag von 1594 hatte die Kurpfalz bei einer Reihe von sechs Zusammenkünften protestantischer Reichsstände den Vorsitz geführt. Auf der Tagesordnung stand jeweils die Frage, welche Taktik in den etablierten Institutionen des Reiches verfolgt werden solle. Während die Delegierten gehorsam der kurpfälzische Linie folgten und ihren Beitrag zum Türkenkrieg verweigerten, machte der kursächsische Boykott dieser Treffen ihr Ergebnis weitgehend bedeutungslos. Das spanische Vordringen am Niederrhein bewegte 1596 die Reichsstände

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Brandenburg-Ansbach und Hessen-Kassel dazu, Gespräche zur Schaffung einer neuen protestantischen Union aufzunehmen, aber hier zeigte sich wiederum, dass ohne eine kursächsische Beteiligung nicht mit der Unterstützung Dänemarks oder Englands gerechnet werden durfte. Wie schwach die Position der radikalen Protestanten tatsächlich war, wurde nach Eröffnung des Reichstags von 1603 deutlich: Jakob VI. von Schottland, der gerade als Jakob I. auch König von England geworden war, lehnte die Einladung Christians von Anhalt, die Führung eines neuen protestantischen Bündnisses zu übernehmen, dankend ab. Auch Frankreich wies ähnliche Anfragen zurück, weil Christian dem Herzog von Bouillon Zuflucht gewährt hatte, einem führenden Hugenotten und souveränen Fürsten von Sedan an der Maas, der Kopf einer Verschwörung gegen Heinrich IV. gewesen war. Weil sie fürchteten, sie könnten sich mit ihrem Einsatz für eine aussichtslose Sache einen Nachteil einhandeln, zogen BrandenburgAnsbach und Hessen-Kassel ihre Unterstützung für die Kurpfalz in letzter Minute zurück und sprachen sich nun für eine Unterstützung der kaiserlichen Türkenpolitik aus. Wie vergiftet die Atmosphäre im protestantischen Lager daraufhin war, zeigt sich daran, dass, als im April 1603 jemand bei einem Ausritt auf den jungen sächsischen Kurfürsten Christian II. schoss, Kursachsen sofort von einem Mordkomplott Christians von Anhalt ausging.186 Die kursächsische Anschuldigung wurde von zahlreichen moderaten Katholiken mitgetragen, die durch den Zusammenbruch der Reichsdeputation aufgeschreckt worden waren; so erhielt der kurpfälzische Gesandte keinen Vorwand, den Reichstag im Protest zu verlassen. Bayern Zwar endete der Reichstag von 1603 mit dem üblichen Reichsabschied, in dem die einmütigen, vom Kaiser bestätigten Beschlüsse der drei Reichstagskurien aufgeführt wurden. Aber es gab deutliche Anzeichen dafür, dass die traditionelle politische Konsenskultur des Alten Reiches sich in einer Zerreißprobe befand. Das kurpfälzische Vorgehen gab dem Verdacht der Katholiken neue Nahrung, alle Protestanten seien von Haus aus irrational. Die Folge war, dass (vermeintlichen) Verstößen gegen die Augsburger Regelung von 1555 nun auch von katholischer Seite immer weniger Duldsamkeit entgegengebracht wurde. Die Unnachgiebigkeit der Katholiken nahm noch zu, nachdem Wilhelm V. von Bayern seinem 24-jährigen Sohn Maximilian zunächst 1594 die Regierungsgeschäfte überlassen und vier Jahre später dann die volle Verantwortung für das Herzogtum Bayern übertragen hatte, um sein Leben fortan ganz dem Glauben zu widmen.187 Im Gegensatz zu anderen Führungsfiguren der Zeit um 1600 sollte Herzog Maximilian noch den gesamten Dreißigjährigen Krieg erleben; unter den katholischen Reichsfürsten war er zweifellos der einflussreichste und dyna-

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mischste. Sein Charakter ist freilich nicht unumstritten: Während allgemeine Einigkeit darüber herrscht, dass Maximilian ein willensstarker, ambitionierter Mann war, scheint sein wichtigster Biograf Dieter Albrecht die angeborene Vorund Umsicht des Herzogs ein wenig zu stark zu betonen. Maximilian, der wie sein Schwager Ferdinand von Steiermark ein überzeugter Katholik war, unterwarf sich einem harten persönlichen Frömmigkeitsregime und verbrachte jeden Tag mehrere Stunden im Gebet oder bei der Messe. Besonders ausgeprägt war seine Marienverehrung: 1616 erklärte er die Gottesmutter offiziell zur patrona Bavariae; 1645 weihte er ihr sein eigenes Leben in einem Gelübde, das er mit seinem eigenen Blut niederschrieb und in einem silbernen Tabernakel im Marienschrein von Altötting hinterlegte. Vor wichtigen Entscheidungen wurde die Heilige Jungfrau um ihre Fürbitte angerufen, so geschehen etwa vor der Intervention in Donauwörth 1606/07, auf die gleich noch einzugehen sein wird, und dem bayerischen Einmarsch in die Oberpfalz 1621. Außerdem wurden beide Aktionen so terminiert, dass sie mit einem Marienfest zusammenfielen. Wie auch bei Ferdinand von Steiermark schloss die persönliche Frömmigkeit Maximilians von Bayern jedoch einen Dialog des Herzogs mit Andersgläubigen nicht aus. 1601 sorgte Maximilian für eine Reprise der legendären Heidelberger und Leipziger Disputationen zwischen Luther und katholischen Theologen, indem er führende Vertreter von Katholizismus und Luthertum nach Regensburg einlud, wo diese eine gemeinsame Grundlage für die künftige Annäherung erarbeiten sollten (Regensburger Religionsgespräch). Dieter Albrecht hat bestimmt recht, wenn er Maximilian eine gewissermaßen legalistische Sicht auf die praktische Politik zuschreibt, die derjenigen Ferdinands ähnelte; das Resultat war eine Neigung zur Fügsamkeit dem Kaiser gegenüber, die sowohl psychologische als auch pragmatische Gründe hatte. Wie seine kursächsischen Zeitgenossen verstand Maximilian das Heilige Römische Reich noch immer als ein hierarchisches System von Gottes Gnaden; so war es nur selbstverständlich, dass er sich vom Kaiser Orientierung in schwierigen Zeiten erhoffte. Ohne dessen vorheriges Einverständnis handelte Maximilian eher ungern; deshalb bemühte er sich in der Regel um eine ausdrückliche kaiserliche Bestätigung seiner Pläne, bevor er irgendetwas unternahm – und für den Fall eines Scheiterns versuchte er Absicherungen auszuhandeln. Eine solche Grundhaltung prädestinierte Bayern dazu, in der Reichspolitik diskret im Hintergrund zu bleiben. Wenig wahrscheinlich ist es auch, dass die bayerischen Herzöge schon seit Langem die Schaffung eines katholischen Blocks im Sinn führten. Aber es scheint doch klar, dass Maximilian von Bayern (wie übrigens auch die Kurfürsten von Sachsen und der Pfalz) seine eigenen konfessionellen und dynastischen Zielsetzungen mit den allgemeineren Zielsetzungen

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seiner Kirche und des Reiches überhaupt in eins setzte. Der Herzog war der Ansicht, dass die katholische Seite in den Jahren seit 1555 schon zu große Zugeständnisse gemacht habe – und dass es für die Katholiken nun höchste Zeit sei, klar Stellung zu beziehen, bevor das Reich vollends ins Chaos stürzen würde. Diese Position war maßgeblich beeinflusst von einem 1586 in München veröffentlichten Buch aus der Feder Andreas Erstenbergers, seines Zeichens Sekretär beim Reichshofrat. In De Autonomia kritisierte Erstenberger die in den französischen Religionskriegen um Ausgleich bemühte katholische Fraktion der politique, weil diese zur Befriedung der Hugenotten zu große Toleranz habe walten lassen. Nach Erstenbergers Auffassung durfte es keine „Autonomie“ geben, weil die angebliche Glaubens- und Gewissensfreiheit in Wahrheit nur eines sei: ein Freibrief zum Teufelsdienst. Bayern war die treibende Kraft hinter der Drohung der katholischen Stände beim Reichstag von 1593/94, umgehend abzureisen, sollte der gewählte Administrator von Magdeburg sein Bistum tatsächlich erhalten. Das katholische Vorgehen schien eine konzertierte Ablehnung aller protestantischen Administratoren zu bedeuten – mit der Implikation, dass man deren Bistümer schnellstmöglich wieder in katholische Hand bringen wolle. Beim nächsten Reichstag 1597/98 hielt Maximilian an seinem Kurs fest, indem er die Gültigkeit von Mehrheitsvoten im Plenum gegen die kurpfälzische Forderung verteidigte, einen paritätischen Abstimmungsmodus samt itio in partes einzuführen. Der Fall Donauwörth Die katholische Position wurde durch eine Reihe kaiserlicher Urteilssprüche noch verhärtet, die zwischen 1604 und 1608 ergingen und darauf abzielten, der katholischen Interpretation des Augsburger Religionsfriedens für die Reichsstädte wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Während die Protestanten vorbrachten, gewisse Formulierungen des Augsburger Vertrages ließen sich im Sinne der Glaubensfreiheit auslegen, verwiesen die Katholiken auf andere Klauseln, die ein konfessionelles „Einfrieren“ der Reichsstädte auf dem Stand von 1555 zu fordern schienen. In den Städten war das Luthertum immer beliebt gewesen; Stadtbürger hatten zu seinen ersten Anhängern gehört. Noch nach 1555 hatte es sich in Aalen, Colmar, Essen, Hagenau und andernorts verbreitet; dadurch war der (offiziell) katholische Charakter dieser Städte untergraben worden. So gab es beispielsweise in Dortmund 1602 nur noch 30 Katholiken, während in Kaufbeuren 80 Katholiken 700 Protestanten gegenüberstanden; in Donauwörth waren unter 4000 Einwohnern gerade einmal 16 Haushalte Rom treu geblieben. Zwar hatte jeder dieser Fälle seine eigene lokale Färbung, aber die Probleme, die damit zusammenhingen, ähnelten sich sehr. Die katholische Minderheit sah sich mit zunehmenden Einschüchterungsversuchen durch bewaffnete Banden konfrontiert – insbesondere wenn Magistratswahlen

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anstanden. In der Folge gelangte die städtische Verwaltung vielerorts in protestantische Hand, so zum Beispiel 1581 in Aachen. Wenn die neuen Magistrate dann erst einmal das Sagen hatten, erließen sie Verordnungen, die ihre eigene Konfession begünstigten, indem sie beispielsweise die Einführung des gregorianischen Kalenders verhinderten oder neu zugezogenen Katholiken das Bürgerrecht verweigerten – so geschehen etwa in Donauwörth, obwohl die Stadt, zumindest der Form nach, bikonfessionell war. Das rasche Dahinschwinden der katholischen Bevölkerung machte auch die katholischen Institutionen verwundbar, was den Protestanten die Übernahme von Hospitälern, Schulen, Kirchen und anderen wertvollen Immobilien ermöglichte. Derartige Vorgänge hatten einen weiten Widerhall durch das dichte Netz aus überlappenden Jurisdiktionen im Reich. So gehörte etwa die einzige katholische Kirche, die bis 1605 in Donauwörth übrig geblieben war, zu dem Benediktinerkloster Heilig Kreuz, das sich auf eine Befreiung von der städtischen Gesetzgebung berief und unter der Protektion des Bischofs von Augsburg stand. Durch die beschriebene Lähmung des Reichskammergerichts verblieb der Reichshofrat in Wien als das einzige voll funktionsfähige Organ der Reichsgerichtsbarkeit. Seine Mitglieder wurden ausnahmslos von den Habsburgern ernannt und fungierten neben ihrer Rolle als Richter auch als politische Berater des Kaisers. Der Reichshofrat arbeitete nicht nur schneller als das Reichskammergericht, sondern durfte bei seinen Entscheidungen auch mit der unmittelbaren Zustimmung des Kaisers rechnen. Dies machte das Gericht beliebt: Seine Auslastung stieg von 280 Fällen im Jahr vor Mitte der 1580er-Jahre bis 1590 auf das Doppelte an, bevor die Zahlen dann langsam abflauten. Die Zahl der politisch brisanten Fälle stieg von etwa 25 im Jahr vor 1585 bis Anfang des 17. Jahrhunderts auf rund 60 Fälle im Jahr an. Obwohl sie seine Kompetenz in lehnsrechtlichen Fragen anerkannten, trauten die Protestanten dem Reichshofrat niemals völlig, sondern brachten insbesondere konfessionelle Streitigkeiten stets vor das Reichskammergericht als das Organ mit der größeren richterlichen Unabhängigkeit.188 Die Reichsstädte waren unmittelbar der kaiserlichen Autorität Rudolfs II. unterstellt, und seine Vorgänger auf dem Kaiserthron hatten sich durchaus in die inneren Angelegenheiten „ihrer“ Städte eingemischt, hatten Stadtverfassungen umgeschrieben und bei Unruhen die Ordnung wiederhergestellt. Aus diesem Grund war es nichts Ungewöhnliches, als Rudolf seinen Reichshofrat von 1604 an eine Reihe von Verfügungen gegen die protestantischen Magistrate von Aachen, Dortmund, Esslingen, Hamburg und Kaufbeuren aussprechen ließ. Wie schon im Vierklösterstreit, so waren die Einzelfälle auch hier nicht sonderlich ernst, wurden es aber durch ihre politische Instrumentalisierung seitens

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der Kurpfalz, die Unterstützung für ihren Plan eines großen protestantischen Bündnisses einwerben wollte. Der Fall Donauwörth erwies sich deshalb als besonders kontrovers, weil er auf gleich mehrere Fälle von katholischen Restaurationsbemühungen in anderen Städten folgte – und weil Rudolfs unglückliche Handhabung der Episode rasch den Vorwurf einer kaiserlichen Willkürjustiz erregte. Auslöser des fraglichen Vorfalls war eine katholische Prozession gewesen, die allerdings – wie schon in ähnlichen Fällen in Österreich – einen allgemeineren Machtkampf innerhalb der Stadtgemeinde symbolisierte. Der Augsburger Fürstbischof Heinrich V. von Knöringen und die Jesuiten an dessen Universität in Dillingen hatten den Abt des Donauwörther Klosters Heilig Kreuz dazu ermutigt, die traditionelle Bittprozession zum Markustag (25. April) wieder einzuführen. Im Mai 1605 entschied der Magistrat von Donauwörth jedoch, die Mönche dürften ihre Prozession nur mit eingerollten Bannern durchführen. Gegen diesen Beschluss reichte der Abt – mit Augsburger Unterstützung – vor dem Reichshofrat Klage ein. Dieser lud den Magistrat ein, seine Sicht der Dinge darzustellen, wies ihn zugleich jedoch an, sich bis zu einem endgültigen Urteilsspruch aus der Angelegenheit herauszuhalten und die Prozession ungestört stattfinden zu lassen. Das wiederum fassten die Donauwörther Katholiken als eine implizite Bestätigung ihrer eigenen Position auf und zogen im April 1606 mit buchstäblich fliegenden Fahnen um die Felder und auch durch die Stadt. Bei dem „Kreuz- und Fahnengefecht“, das nun folgte, zerrissen protestantische Donauwörther Bürger die katholischen Kirchenfahnen und trieben die Benediktinermönche zurück in ihr Kloster. Der Reichshofrat entschied am 3. September, dass dieses Verhalten einen klaren Friedensbruch dargestellt habe, und wies die Rechtfertigung des Magistrats zurück, man habe den wütenden Pöbel schlicht nicht bändigen können. An diesem Punkt verwandelte das Eingreifen Kaiser Rudolfs eine – wenngleich außergewöhnliche – Provinzposse in ein hochdramatisches Stück Politik. Maximilian von Bayern hatte bereits die Reichsexekution gegen Kaufbeuren 1604 übernommen; am 17. März 1607 beauftragte der Kaiser ihn, dasselbe mit Donauwörth zu tun. Maximilian schien ein loyaler Katholik zu sein, und Rudolf hoffte angesichts des habsburgischen Bruderzwistes auf das Wohlwollen Bayerns, wenn er den Herzog mit einer solch repräsentativen Aufgabe wie der Vollstreckung der Reichsacht betraute. Allerdings verstieß seine Wahl gegen die reichsrechtliche Gepflogenheit, eine solche Exekution stets dem vornehmsten Fürsten des zuständigen Reichskreises zu übertragen. Da Donauwörth nämlich zum Schwäbischen und nicht zum Bayerischen Reichskreis gehörte, fasste Herzog Friedrich von Württemberg, der Kreisobrist des Schwäbischen Kreises, es als eine absichtliche Kränkung auf, dass der Kaiser ihn übergangen hatte, und for-

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derte die süddeutschen Protestanten zur Beschwerde auf. Nun zögerte Rudolf, was sein Ansehen beschädigte, während Maximilian sich weigerte, seine Truppen ohne den expliziten Befehl des Kaisers in Marsch zu setzen. In der Zwischenzeit zettelten militante Protestanten in Donauwörth – aus Ärger über die vermeintliche Feigheit ihres Magistrats – nach einer erneuten Markusprozession im April 1607 Ausschreitungen an, bei denen auch Mitglieder einer bayerischen Untersuchungskommission aus der Stadt gejagt wurden, die zur Aufklärung der Vorfälle von 1606 nach Donauwörth entsandt worden war. Damit hatte Maximilian von Bayern den Vorwand, den er brauchte, wartete aber dennoch ab, bis Rudolf II. schweren Herzens die Reichsacht gegen Donauwörth verhängte und endlich, am 1. Dezember 1607, Bayern offiziell mit deren Vollstreckung beauftragte. Jetzt musste Maximilian rasch handeln, denn der nächste Reichstag war bereits einberufen worden, und er fürchtete, die Angelegenheit könnte, anstatt nun Tatsachen zu schaffen, dort noch einmal zur Verhandlung gebracht werden. Binnen einer Woche nach Rudolfs Entscheidung hatte Bayern 6500 Mann Truppen in Bewegung gesetzt. Als das Exekutionsheer sich Donauwörth näherte, flohen die radikalprotestantischen Agitatoren aus der Stadt, die daraufhin am 17. Dezember ohne Gegenwehr besetzt wurde. Der Vorfall beschädigte das Ansehen des Reichshofrates und lieferte der Kurpfalz so Munition, um ihre Anklage gegen die „korrupten“ Reichsinstitutionen auszuweiten. Rudolf hatte sich wohl tatsächlich eine friedliche Beilegung des Konfliktes gewünscht, bei der Ausführung dieser Absicht jedoch kläglich versagt. Den guten Rat Sachsens, er solle eine Stellungnahme über die konfessionelle Neutralität seiner Entscheidung abgeben, hatte er ignoriert. Sein übertriebenes Majestätsgefühl ließ ihn die Notwendigkeit verkennen, für sein Handeln nachvollziehbare Gründe anzugeben. Das musste schließlich Bayern übernehmen, was die Glaubwürdigkeit des Kaisers weiter untergrub und das Schreckgespenst einer Willkürherrschaft heraufbeschwor. Obwohl diese Geschehnisse weithin als direkte Vorboten der späteren Bildung konfessioneller Allianzen gelten,189 zeigten die protestantischen Kreisstände Schwabens nur wenig Begeisterung für den Protestaufruf des Herzogs von Württemberg; schon 1609 traten sie wieder mit ihren katholischen Kollegen im Kreistag zusammen. Auch Maximilian von Bayern bemühte sich, die Lage nicht weiter anzuheizen. Er ließ zwar Donauwörther Gemeindekirchen wieder in katholische Hände geben, verzichtete aber bis 1609 auf die formelle Verdrängung des Luthertums aus der Stadt – und selbst dann geschah dies erst im Zusammenhang mit seinem weiter gefassten Plan, Donauwörth zu annektieren. Rudolf stellte die Stadt unter bayerische Verwaltung, bis sie die Kosten für Maximilians Strafexpedition beglichen haben würde. Eine solche Regelung war für die

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Reichsgerichtsbarkeit von zentraler Bedeutung, indem sie die Gerichtskosten letztlich auf die schuldigen Parteien umlegte, für deren Eintreibung aber einzelne Territorien verantwortlich machte. Allerdings hatte Maximilians absichtlich exzessive Mobilmachung mehr als 300 000 Gulden gekostet – eine Summe, die für eine Stadt wie Donauwörth, deren Jahreseinnahmen sich auf etwa 15 000 Gulden beliefen, kaum je zu begleichen war. Tatsächlich hatte der Bayernherzog überhaupt nicht vor, wieder abzuziehen, und ging bereits ab 1609 dazu über, den Titel „Reichsstadt“ aus allen Donauwörth betreffenden Dokumenten zu entfernen. Da er die Einwohner von Donauwörth nun als seine Untertanen betrachtete, fühlte er sich auch nicht mehr verpflichtet, ihren abweichenden Glauben zu respektieren. Der Reichstag von 1608 Selbst unter den gegebenen Umständen hatte Christian von Anhalt große Mühe, genügend Unterstützer für ein protestantisches Bündnis zusammenzutrommeln. Ein 1605 mit Kurbrandenburg und der Republik der Vereinigten Niederlande geschlossenes Abkommen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil die Brandenburger ihre eigenen dynastischen Interessen über die gemeinsame Sache des internationalen Protestantismus stellten und das Geld, das eigentlich zur Zahlung an die Niederländer vorgesehen war, lieber an die polnische Krone zahlten, um sich einen Erbanspruch auf das Herzogtum Preußen zu sichern. Württemberg und Baden-Durlach bevorzugten eine örtlich begrenzte Einigung mit dem Fürstentum Pfalz-Neuburg, wodurch die Kurpfalz in ihrer 1607 geschlossenen Allianz auf die Bündnispartner Ansbach, Bayreuth und Nürnberg zurückgeworfen war. Und dieses Bündnis beschränkte sich noch dazu auf die Verteidigung der Oberpfalz gegen einen möglichen bayerischen Angriff. Dennoch überzeugte das Zusammentreffen des Falls Donauwörth mit dem habsburgischen Bruderzwist den sächsischen Kurfürsten von der Notwendigkeit, etwas zur Verteidigung der protestantischen Interessen zu unternehmen. Die Entscheidung Kaiser Rudolfs II., sich bei dem anstehenden Reichstag durch seinen Vetter, den Erzherzog Ferdinand von Steiermark, vertreten zu lassen, ließ von etwaigen kaiserlichen Verhandlungsangeboten nur wenig erwarten. Kursachsen hatte sich inzwischen die kurpfälzische Position zu eigen gemacht, zumindest bei Abstimmungen mit religiösem Bezug solle das sonst übliche Mehrheitswahlrecht außer Kraft gesetzt werden. Wie schon im Fall der Torgauer Union bedeutete das aber keine offenkundige Radikalisierung Sachsens, denn das hohe Prestige des Kurfürstentums machte es innerhalb des protestantischen Lagers gewissermaßen zur Galionsfigur – und als eine solche kommunizierte es das kurpfälzische Programm zur Verfassungsreform natürlich in einer gemäßig-

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ten Form. Die Kurpfalz passte sich diesem moderaten Kurs an und führte sogar Gespräche mit dem (geistlich-katholischen) Mainzer Kurfürsten, um strittige Punkte zu klären und im Vorfeld des Reichstages schon einmal schön Wetter zu machen. Der Reichstag begann im Februar 1608 mit der Antwort des Erzherzogs Ferdinand auf die protestantische Forderung nach einer formellen Bestätigung des Augsburger Religionsfriedens. Ferdinand bot an, den Frieden zu bestätigen, wenn die Protestanten im Gegenzug sämtlichen katholischen Kirchenbesitz zurückgäben, den sie seit 1552 an sich gebracht hatten. Dieses Anerbieten stellte eine deutliche Verhärtung der katholischen Position dar, suggerierte es doch, dass eine Restitution auf der Grundlage einer definitiven Interpretation des Vertragstextes von 1555 beruhen müsse und nicht etwa auf der individuellen Klärung strittiger Fälle durch die Reichsgerichte. Man hat den Vorstoß von 1608 deshalb – mit Recht – als das Urbild jenes Restitutionsedikts bezeichnet, das Ferdinand 1629 auf dem Höhepunkt seiner politischen und militärischen Macht als Kaiser erlassen sollte.190 Angesichts eines solchen Vorschlags war kursächsische Mäßigung nicht mehr angebracht; die Initiative auf protestantischer Seite ging deshalb wieder auf die Kurpfalz über, die prompt mit einer Reihe ähnlich kühner Forderungen konterte, darunter etwa das Ansinnen, Rudolf solle die religiöse Toleranz auch auf die ungarischen Protestanten ausdehnen – was deutlich außerhalb der Zuständigkeit des Reichstags lag. Kursachsen und Kurmainz bemühten sich noch um Ausgleich und Vernunft, wurden aber rasch übertönt, indem die Emotionen um sie herum hochkochten. Auf dem Höhepunkt der hitzigen Auseinandersetzung verließ die kurpfälzische Delegation den Saal; Hessen-Kassel, Baden-Durlach und andere schlossen sich an. Damit waren die maßgeblichen protestantischen Stände aus dem Reichstag ausgezogen. Viele gemäßigte Katholiken waren zutiefst verärgert und schlossen sich nun Bayern und noch radikaleren Kräften wie dem Fürstbischof von Augsburg an.

Union und Liga (1608/09) Der Reichstag von 1608 war der erste, der ohne den üblichen Reichsabschied zu Ende ging. Sein Scheitern deutete darauf hin, dass nun – nach dem Zusammenbruch der Reichskammergerichts-Visitation und der Reichsdeputation – ein Zustand der permanenten Verfassungslähmung erreicht war. Die Überzeugung des sächsischen Kurfürsten, dass die etablierten Institutionen ausreichenden Schutz vor einer Eskalation der Konflikte bieten würden, war zunehmend infrage gestellt. Christian von Anhalt hatte keine Zeit zu verlieren und nutzte – taktisch

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geschickt – die Beerdigung Friedrichs von Württemberg im Februar 1608, um den protestantischen Fürsten seine Vorschläge bei diesem emotionalen Anlass persönlich zu unterbreiten. So traf sich anschließend eine Gruppe von ihnen in Auhausen bei Nördlingen – mithin an einem symbolträchtigen Ort, denn das ehemalige Benediktinerkloster Auhausen war von Brandenburg-Ansbach säkularisiert worden. Am 14. Mai, nur elf Tage nach dem unglücklichen Ausgang des Reichstages, schlossen sie dort ein neues Bündnis: die Protestantische Union.191 Die Protestantische Union Im Grunde verschmolz die Union das bestehende kurpfälzische Defensivbündnis von 1607 mit der südwestdeutschen Allianz von Pfalz-Neuburg, Baden-Durlach und Württemberg aus dem Jahr 1605. Bis zum Frühjahr 1609 waren dem Bund gerade einmal vier weitere Fürsten beigetreten, aber wegen des Jülich-Klevischen Erbfolgestreits (siehe unten) schlossen sich der Union dann in rascher Folge zahlreiche neue Mitglieder an: Kurbrandenburg, Hessen-Kassel, Zweibrücken, Anhalts Brüder und der Graf von Oettingen sowie 16 Reichsstädte, darunter Nürnberg, Ulm und Straßburg. Aber selbst nach dieser beträchtlichen Vergrößerung gehörte der Union noch immer nur rund die Hälfte der protestantischen Reichsstände an: Die Mitgliedschaft HessenKassels bedeutete, dass Hessen-Darmstadt ganz bestimmt nicht beitreten würde. Die Welfenherzöge verzichteten auf einen Beitritt, weil sie in ihrem Streit mit den Braunschweigern auf kaiserliche Unterstützung hofften. Augsburg und andere bedeutende Reichsstädte waren misstrauisch, was die Absichten der Fürsten betraf. Aber am stärksten glänzte durch seine Abwesenheit doch einer: der Kurfürst von Sachsen, dessen Weigerung, sich der Union anzuschließen, auch die restlichen Herzöge und Grafen aus dem Nordosten des Reiches auf Distanz bleiben ließ. Da „die“ Protestantische Union also nur gut die Hälfte der protestantischen Akteure in der Reichspolitik vertrat, blieb sie letztlich ein süddeutsches Regionalbündnis, das noch dazu auf dem bestehenden dynastisch-politischen Netzwerk der Kurpfalz beruhte. Die beteiligten Reichsstädte schlossen sich der Union vor allem deshalb an, weil diese die völlige Restitution der vormaligen Reichsstadt Donauwörth zu einer ihrer Hauptforderungen gemacht hatte. Obwohl ihre Anzahl in der Union die der Fürsten überstieg, wurden die Reichsstädte durch eine Änderung der Unionssatzung 1610 de facto zu Bündnispartnern zweiter Klasse erklärt, indem den Fürsten in den Mehrheitsvoten der Verbündeten stets zwei Stimmen mehr zugesprochen wurden als den Städten. Die Union wurde auf vorerst zehn Jahre geschlossen; während der ersten drei sollte sie unter kurpfälzischer Leitung stehen. Diese Regelung blieb jedoch vorläufig, da man davon ausging, dass nach dem späteren Beitritt Kursachsens ein zweites,

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norddeutsches Direktorium des Bündnisses geschaffen werden würde. Alle Mitglieder der Union verpflichteten sich zum Gewaltverzicht gegenüber den anderen Mitgliedern und sagten zu, ihre Mitwirkung in den Reichsinstitutionen untereinander abzustimmen. Im Laufe ihres 13-jährigen Bestehens hielt die Union 25 Vollversammlungen ab, bildete aber keine eigenen Institutionen aus. Und obwohl sie eigentlich als ein Vehikel für das radikale kurpfälzische Reformprogramm gedacht gewesen war, brachte ihre eigene Schwäche sie dazu, sich bei ihren finanziellen und militärischen Absprachen denkbar eng an der bestehenden Reichsverfassung zu orientieren. Wollte die Union etwa ein Heer aufstellen, griffen ihre Mitglieder bei der Berechnung des von ihnen zu leistenden Beitrags auf ihre jeweiligen Reichssteuerquoten zurück. Der Rückgriff auf die Reichsverfassung war auch politisch opportun, da die Union sich – zumindest nach außen – als ein „Anhängsel“ der offiziellen Friedensordnung des Reiches darstellen musste, um nicht als rechtswidrig geächtet zu werden. Folglich schuf sie sich keine eigene Gerichtsbarkeit oder irgendwelche Mechanismen, durch die es einfachen Mitgliedern der Union möglich gewesen wäre, deren Führungsspitze zur Rechenschaft zu ziehen. Sämtliche Korrespondenz der Union wurde über den Knotenpunkt Heidelberg geführt, da die Kurpfalz als einziges beteiligtes Territorium über die dafür nötigen bürokratischen Kapazitäten verfügte. Die Katholische Liga Vierzehn Monate nach der Gründung der Protestantischen Union schloss eine Gruppe katholischer Fürsten ein Konkurrenzbündnis, das als Katholische Liga in die Geschichte eingegangen ist. Diese Bezeichnung verdankt sich jedoch in erster Linie der protestantischen Propaganda, die den Bund als deutsches Äquivalent zu der französischen Sainte Ligue stigmatisieren wollte. Wie zuvor die Union, so entstand auch die Liga aus der Vereinigung zweier bestehender Gruppierungen. Die drei geistlichen Kurfürsten waren von dem Ergebnis des Reichstags von 1603 enttäuscht gewesen und hatten deshalb bereits den Abschluss eines konfessionellen Bündnisses in Erwägung gezogen, das die katholische Interpretation des Augsburger Religionsfriedens verteidigen sollte. Allerdings zog es der neue, seit 1604 amtierende Mainzer Kurfürst Johann Schweikhard von Kronberg vor, die Verhandlungen mit Kursachsen fortzuführen, um so eine gütliche Einigung zu erreichen. Die Kurfürsten von Trier und Köln wiederum waren der Ansicht, an einer solchen Allianz müsse – aus Gründen der Legitimation – unbedingt auch der Kaiser beteiligt sein; Rudolfs Passivität schreckte sie daher eher ab. Ebenfalls kaum vorstellbar schien ein großes katholisches Bündnis ohne Bayern, dessen Herzog Maximilian jedoch eine konfessionelle Blockbildung zum damaligen Zeitpunkt noch strikt ablehnte. Vor allem wollte er kein Bündnis mit habsburgischer Beteiligung eingehen – aus Angst, in

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den österreichischen Bruderzwist hineingezogen zu werden. Die politischen Nachwirkungen des Falls Donauwörth brachten den Bayernherzog dann zum Umdenken, und so setzte er sich nun für die Schaffung eines katholischen Bündnisses ein, das Bayerns Sicherheit vergrößern sollte. Dabei hielt er sich wohlweislich im Hintergrund und benutzte den Augsburger Fürstbischof Heinrich von Knöringen als seinen Strohmann, der die restlichen Bischöfe Schwabens, Frankens und Bayerns von dem Plan überzeugen musste. Die Kernmitglieder der künftigen Liga kamen bei einem persönlichen Treffen mit Maximilian im Juli 1609 zusammen und schlossen ein wechselseitiges Defensivbündnis auf zunächst neun Jahre, das dem recht vage gehaltenen Vertragstext zufolge zur „Verteidigung des Katholizismus“ dienen sollte. Beteiligt waren neben dem Herzog von Bayern die Fürstbischöfe von Augsburg, Konstanz, Kempten, Passau, Regensburg, Ellwangen und Würzburg. Die organisatorischen Details der Allianz blieben ebenso vage wie ihre Zielsetzung, weil vorerst keine Einigung mit den drei geistlichen Kurfürsten erzielt worden war. Daraufhin beauftragte Maximilian die Fürstbischöfe von Augsburg und Konstanz mit der Rekrutierung weiterer süddeutscher Bündnispartner und spornte seinen Onkel Ernst, den Kurfürsten und Erzbischof von Köln, an, sich für die Schaffung eines rheinischen Ablegers der Liga einzusetzen. Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit veranlasste den Mainzer Kurfürsten Schweikhard von Kronberg, seine Vorbehalte gegenüber einem konfessionellen Bündnis hintanzustellen, und so kamen beide Seiten bei einem geheimen Treffen im Februar 1610 in Würzburg zusammen. Dies war die Gründung der Katholischen Liga in ihrer endgültigen Form. Bayern sollte dem süddeutschen („oberländischen“) Direktorium der Liga vorstehen, das sich aus den acht Gründungsmitgliedern von 1609 zusammensetzte, ergänzt durch den Fürstbischof von Bamberg und die 19 schwäbischen Prälaten, die man rekrutiert hatte. Diese 28 Territorien wurden, entsprechend ihrer Zugehörigkeit zum Bayerischen, Schwäbischen oder Fränkischen Reichskreis, in drei Unterabteilungen eingeteilt. Einem zweiten, rheinischen Direktorium der Liga stand der Kurfürst von Mainz vor; zu seinen Mitgliedern zählten Kurköln, Kurtrier sowie die Fürstbischöfe von Speyer und Worms.192 Viele ihrer Schwachpunkte hatte die Katholische Liga mit der Protestantischen Union gemein. Wie diese stellte sie sich als eine Stütze der Reichsverfassung dar, die nur dann aktiv werden würde, wenn die bestehenden Institutionen ihre Probleme nicht mehr bewältigen konnten oder die innere Sicherheit des Reiches bedroht schien. Die kleinteiligere und explizitere Struktur der Liga passte jedoch besser zur Reichsverfassung als die vage und von Leerstellen durchsetzte Struktur der Union. Das lag daran, dass Bayerns Ziele konservativ waren, während die Kurpfalz eine Umgestaltung der Reichsverfassung anstrebte. Wie in

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der Protestantischen Union diente auch in der Katholischen Liga die Reichssteuerquote zur Berechnung der Beitragspflichten, egal, ob es nun um Soldaten oder Geld ging. Auf der katholischen Seite gab es eine klarere, stärker zentralistisch organisierte Kommandostruktur, aber auch eine größere Verantwortlichkeit der führenden Mächte Bayern und Kurmainz gegenüber Vollversammlungen ihrer Direktorien, von denen sämtliche Entscheidungen ratifiziert werden mussten. Gemeinsame Probleme Sowohl Bayern als auch die Kurpfalz waren entschlossen, ihre neuen Bündnisse zur Verfolgung ihrer eigenen dynastischen und konfessionellen Ziele einzusetzen. Indem sie sich dazu mit anderen Reichsständen verbündeten, hofften sie, ihren Einfluss in den Institutionen des Reiches zu vergrößern. Die Bündnisse dienten zugleich als Plattformen, um internationale Unterstützung finanzieller oder militärischer Art einwerben zu können – vor allem dann, wenn die Spannungen im Reich wieder einmal zu offener Gewalt geführt hatten. Obwohl sie eigentlich als Defensivbündnisse gedacht waren, ließen sowohl die Union als auch die Liga ihre jeweiligen Führungsmächte zu einer waghalsigeren Politik neigen, denn die entstehenden Kosten – etwa für militärische Unternehmungen – konnten sie ja unter ihren Bündnispartnern aufteilen. Aber auch kleinere Stände schlossen sich den Bündnissen nicht ohne Eigennutz an; das galt vor allem für die protestantischen Fürsten, die sich von einem Beitritt zur Union die Beförderung ihrer dynastischen Interessen versprachen. Das vorrangige Anliegen blieb indes die gemeinsame Sicherheit, und alle Bündnispartner betrachteten ihren Zusammenschluss als eine Art von Versicherung für den Fall, dass die Institutionen des Reichs sie im Stich lassen sollten. Bald trat das Spannungsverhältnis zwischen dynastischer Ambition und gemeinschaftlichem Sicherheitsstreben offen zutage, denn in drei zentralen Punkten waren die Führungsmächte und ihre kleineren Verbündeten unterschiedlicher Meinung. Das betraf erstens die Rolle des Kaisers. Für die Kurpfalz und andere radikale Protestanten waren die Habsburger als unparteiische Herrscher auf dem Kaiserthron schlicht unhaltbar geworden, weil sie die Glaubensfreiheit der Protestanten in ihren eigenen Ländern immer wieder verletzten und insbesondere Rudolf II. die Anhänger der Reformation mit dem Anschein von Willkürjustiz gegen sich aufgebracht hatte. Die gemäßigteren Protestanten hofften hingegen, der Kaiser werde schon wieder zur Vernunft kommen und zu einer aktiven, aber überparteilichen Rolle in der Reichspolitik zurückfinden. Selbst Bayern begegnete der Habsburgerdynastie mit Misstrauen und verweigerte – sogar gegen das Drängen des Papstes, Spaniens und Kurmainz’ – den österreichischen Erzherzögen die Aufnahme in die Liga: Sobald nämlich die Habsburger Eingang in das Bündnis gefunden hätten, wäre es mit der bayerischen Füh-

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rungsrolle darin vorbei gewesen. In der Folge hätte die Katholische Liga eben auch nicht mehr als ein Vehikel für Maximilians dynastische Ambitionen dienen können. Da er den förmlichen Aufnahmeantrag eines Habsburgers schlecht hätte ablehnen können, ließ er sich etwas anderes einfallen, um den Erzherzögen den Zutritt zur Liga zu verwehren. Er gewann das Vertrauen des spanischen Botschafters Balthasar de Zúñiga und konnte der Liga auf diese Weise im August 1610 die Unterstützung Spaniens und des Heiligen Stuhls sichern; im Gegenzug erkannte Bayern den spanischen König Philipp III. und Erzherzog Ferdinand als „Protektoren“ der Katholischen Liga an. Letztlich zahlte Spanien nicht einen Dukaten, und der Papst gab nur einen Bruchteil des Zuschusses, den er eigentlich zugesagt hatte – aber das machte nichts: Die offizielle Anerkennung des bayerischen Führungsanspruchs innerhalb der Katholischen Liga war wertvoller als Gold. Spanien akzeptierte, dass die vergleichsweise geringe Bedeutung Österreichs im Reich die dortigen Habsburger zur Kooperation mit Bayern zwang. Zugleich schob Maximilians Beharren auf der klar konfessionellen Ausrichtung der Liga den österreichischen Beitrittswünschen einen weiteren Riegel vor, denn selbst Rudolf II. sah ein, dass er einer unverhohlen katholischen Allianz auf keinen Fall beitreten konnte. Schweikhards Forderung, man solle Kursachsen, Hessen-Darmstadt und anderen moderat lutherischen Ständen den Beitritt zur Liga ermöglichen, wies Maximilian gleichfalls ab, denn deren Mitgliedschaft hätte dem Bündnis seinen streng konfessionellen „Stallgeruch“ genommen und Rudolf damit wieder die Tür geöffnet. Beide Körperschaften waren, zweitens, innerlich uneins, was ihre eigene Zielsetzung betraf. Die Kurpfalz sowie die radikaleren Mitglieder der Union glaubten, dass ein großer Religionskrieg unausweichlich sei, und drängten zur Vorbereitung, damit man im rechten Augenblick zuschlagen könne. Die anderen sahen in der Union schlicht ein Mittel, um in den laufenden Verhandlungen ein wenig Druck auf die Katholiken auszuüben und diese damit auf einen akzeptableren Kurs zu bringen. Auf der Seite der Liga war Maximilian von Bayern weniger kriegslüstern als sein kurpfälzisches Gegenüber, betrachtete „sein“ Bündnis aber dennoch als die Grundlage für einen Finanzierungsrahmen, der die Kosten der bayerischen Landesverteidigung auf die Schultern zahlreicher Nachbarn und Bundesmitglieder verteilte. Diese ihrerseits sahen in der Liga eine Art militärische Zusatzversicherung und hofften ansonsten, dass schon die bloße Existenz des Bündnisses die Protestanten davon abschrecken würde, irgendwelche Dummheiten zu versuchen. Drittens bestand Uneinigkeit hinsichtlich der Außenbeziehungen beider Bündnisse. Christian von Anhalt und die restliche Führungsriege der Kurpfalz waren überzeugt davon, dass überall in Europa katholische Verschwörungen ge-

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gen den einzig wahren – protestantischen – Glauben geschmiedet würden, und wollten dieser umfassenden katholischen Bedrohung in einem ebenso umfassenden Krieg die Stirn bieten. Die Weigerung der gemäßigten Protestanten in der Union, ein solches Vorhaben zu unterstützen oder auch nur zu dulden, brachte die Radikalen mit der Zeit so weit, dass sie ihre eigene Geheimdiplomatie im Namen der Union betrieben, ohne die anderen Mitglieder davon in Kenntnis zu setzen, geschweige denn sie zu konsultieren. Aufseiten der Liga war die Situation genau umgekehrt: Die Führungsmacht Bayern wies alle Forderungen nach einer formellen Aufnahme Spaniens zurück, weil Maximilian fürchtete, sich damit nicht nur einen Beitritt Rudolfs einzuhandeln, sondern außerdem in den habsburgischen Kampf gegen die Niederländer verwickelt zu werden.

Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit (1609/10) Diese internen Unstimmigkeiten belasteten beide Bündnisse, als mit dem Jülich-Klevischen Erbfolgestreit ihr erster Ernstfall eintrat. Diese Krise brachte – nach den Streitigkeiten um Kurköln und Straßburg – einen dritten Gewaltausbruch am Rhein. Grundsätzlich fügt sie sich in eine Art Meistererzählung vom Anwachsen konfessioneller Spannungen im Reich ein, denn es war der Machtkampf zwischen katholischen und protestantischen Anwärtern auf die vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, der auswärtige Mächte in den Konflikt hineinzuziehen drohte. Manche haben in der Krise von 1609 sogar den eigentlichen Beginn des Dreißigjährigen Krieges gesehen oder die Meinung geäußert, ein unvermeidlicher Großkonflikt sei damals nur aufgeschoben worden, weil er nicht den Interessen der Spanier und Niederländer entsprochen habe.193 Allerdings waren die verantwortlichen Akteure innerhalb des Reichs durchaus in der Lage, selbst zu entscheiden, ob und wann sie untereinander Krieg führen wollten – die Unterstützung oder gar Erlaubnis fremder Mächte brauchten sie dazu nicht, das sollten die Ereignisse von 1618 schmerzlich beweisen. Dass es 1609/10 nicht zum Ausbruch eines großen Krieges kam, lag vielmehr daran, dass eine Gewaltanwendung allgemein abgelehnt wurde und die Mehrheit der Akteure eine friedliche Lösung aushandeln wollte. Das jülich-klevische Erbe Es stand einiges auf dem Spiel. Die Territorien, um die der Streit sich drehte, waren – mit einer Gesamtfläche von rund 14 000 Quadratkilometern – nicht gerade klein und lagen strategisch günstig am Endpunkt der Spanischen Straße sowie vor den südöstlichen Zugängen zur Republik der Vereinigten Niederlande. Das Herzogtum Kleve erstreckte sich beiderseits des

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Rheins an der Grenze zu den Niederlanden und trennte damit das kurkölnische Territorium vom Gebiet der niederländischen Republik. Die Herzogtümer Berg und Jülich lagen rheinaufwärts, östlich und westlich der Stadt Köln, wobei Jülich im Westen die wichtigen Handels- und Heerstraßen zwischen Rhein und Maas kontrollierte. Die Grafschaft Mark, die ebenfalls zu dem vereinigten Herzogtum gehörte, erstreckte sich im Osten jenseits des „Bergischen Landes“ (wie das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Berg noch heute bezeichnet wird); die kleinere Grafschaft Ravensberg umschloss die Stadt Bielefeld im Nordosten. Die relativ unbedeutende Herrschaft Ravenstein war eine Enklave im niederländischen Gebiet. Alle diese Territorien waren unzweifelhaft Glieder des Heiligen Römischen Reiches, dessen Westfälischem Kreis sie angehörten, aber sie lagen an der äußersten nordwestlichen Peripherie des Reichsgebiets, wo spanische, niederländische und französische Territorien und Interessen zusammenstießen. Auch wirtschaftlich besaßen sie einiges Gewicht. Das Herzogtum Jülich allein hatte 180 000 Einwohner, was es zu einer der am dichtesten besiedelten Regionen des Reiches machte. Handel und Gewerbe waren durch Glaubensflüchtlinge und Migranten aus den nördlichen wie den südlichen Niederlanden zu neuer Blüte geführt worden. In Jülich hatte davon insbesondere das Tuchfärberhandwerk profitiert; in den stärker bewaldeten Territorien Berg und Mark der Bergbau und das Hüttenwesen; im Herzogtum Kleve die Landwirtschaft. Die Einwohner von Jülich-Kleve-Berg teilten zahlreiche politische Traditionen mit ihren niederländischen Nachbarn, denen sie konfessionell, kulturell und wirtschaftlich eng verbunden waren. Jedes der Territorien hatte seine eigenen Landstände, mit deren Einwilligung Kleve und Jülich-Berg bereits 1496 die Klever Union schlossen, bevor es 1521 zur tatsächlichen Vereinigung der beiden Dynastien kam. Wieder andere Traditionen banden Jülich und Berg sowie Kleve und Mark aneinander, während die ungleichmäßige Verteilung der Protestanten in den Territorien Verbindungen schuf, die auch vor Landesgrenzen nicht haltmachten. Berg und Ravensberg waren bis 1609 weitgehend protestantisch geworden, aber in Kleve und Mark stellten Katholiken noch immer die Hälfte der Bevölkerung, in Jülich sogar die Mehrheit. Der Calvinismus fand Verbreitung durch Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden, die in den 1570er-Jahren über die Grenzen kamen und sich insbesondere in der auf klevischem Gebiet gelegenen Stadt Wesel ansiedelten, deren Einwohnerzahl von rund 7000 sich durch den Zustrom der Exulanten binnen Kurzem beinah verdoppelte.194 Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg war bereits psychisch krank gewesen, bevor er seinem Vater 1592 als Herzog nachfolgte; da er selbst keine Kinder hatte, konnten die Fürsten in Johann Wilhelms weiterer Verwandtschaft seinen Tod kaum abwarten.195 Die Habsburger hatten durch Heirat gewisse Ansprüche auf

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die Herzogtümer erworben; außerdem hatte Karl V. bereits in den 1540er-Jahren versucht, das Herzogtum Kleve seinen niederländischen Besitzungen einzuverleiben. Karls Großneffe Rudolf II. konnte sich ein derart offenkundiges Vorgehen nicht erlauben, weil er damit unweigerlich seinen Ruf als unparteiischer Richter aufs Spiel gesetzt hätte. Stattdessen bemühte er sich darum, das Erbe einer verbündeten Dynastie zuzuspielen; sollte das nicht gelingen, blieb, als wirklich allerletztes Mittel, immer noch der Einzug der Territorien durch den Lehnsherrn, sprich die Beschlagnahmung der Herzogtümer durch das Reich. Auch Sachsen besaß gewisse Anrechte – genau wie mindestens sieben weitere Parteien, wovon aber nur die Ansprüche Brandenburgs und Pfalz-Neuburgs einigermaßen belastbar waren, weil sie auf den in jüngerer Zeit erfolgten Verheiratungen von Tanten Johann Wilhelms beruhten. Rudolf konnte sich wieder einmal nicht entscheiden und versuchte, die endgültige Klärung des Erbstreits aufzuschieben, denn er wollte weder die ernüchterten Anwärter noch deren potenzielle Verbündete im Ausland gegen sich aufbringen. Dieses Zaudern, das für Rudolf so typisch war, schuf in Jülich-Kleve-Berg ein Machtvakuum, in dem diverse Parteien hin- und hermanövrierten, um sich für den Fall von Johann Wilhelms Tod eine möglichst gute Position zu sichern. Wie schon in Kurköln und Straßburg folgte die Trennlinie zwischen den Lagern auch hier nicht immer einer konfessionellen Grenze. Johann Wilhelms Herzogin Jakobe von Baden, eine fromme Katholikin, verbündete sich mit den vorwiegend protestantischen Landständen von Jülich-Kleve-Berg, um dem Einfluss der katholischen Berater ihres Mannes zu entgehen, die sich wiederum bei Kaiser Rudolf einzuschmeicheln suchten, in der Hoffnung, ihre eigenen Zukunftsaussichten zu verbessern. Die Räte überredeten schließlich Rudolf, die Herzogin verhaften zu lassen, und es wurde Anklage gegen sie erhoben: Sie habe ihren Mann eingesperrt und sich der Korruption und des Ehebruchs schuldig gemacht. 1597 starb sie eines gewaltsamen Todes. Inzwischen verfolgte die jülich-klevische Regierung einen mittleren Kurs zwischen Spanien und der Republik der Vereinigten Niederlande, durch den die Neutralität der Herzogtümer gewahrt werden sollte. Alle ernsthaften Anwärter auf das jülich-klevische Erbe waren Lutheraner und zunehmend beunruhigt – nicht so sehr über diese Ausgleichspolitik als über die Einmischung Rudolfs II., die bereits vermuten ließ, dass der Kaiser ihnen durch das Einziehen der Herzogtümer zuvorkommen wollte. Das dichte Gewirr dynastischer, konfessioneller und militärisch-strategischer Interessenkonflikte verhinderte eine Polarisierung des Erbfolgestreits, und so schienen, als Herzog Johann Wilhelm am 25. März 1609 starb, noch gute Aussichten auf eine friedliche Beilegung zu bestehen. Die Protestantische Union war zwar schon zehn Monate alt, aber die Katholische Liga war noch nicht gegrün-

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det, und Spanien und die Niederländer standen kurz vor dem Abschluss ihres Zwölfjährigen Waffenstillstands (am 9. April 1609). Frankreich zeigte sich nicht übermäßig interessiert – vorausgesetzt, dass weder Spanien noch Österreich die Herzogtümer an sich bringen würden –, und alle anderen Anwärter bevorzugten eine gütliche Lösung. Misslicherweise war jedoch Rudolf II. noch immer in seinen Zwist mit dem Erzherzog Matthias verstrickt und sann deshalb auf Möglichkeiten, die Klärung des Erbfolgestreits zu verzögern, ohne dabei seine Autorität zu gefährden. Schon am 2. April wurde Jülich-Kleve-Berg unter eine Regentschaftsregierung gestellt, die sich aus der zweiten Frau des verstorbenen Herzogs, Antonie von Lothringen, den Räten des Herzogtums sowie einem kaiserlichen Kommissar zusammensetzte. Am 24. Mai verkündete Rudolf dann, der Reichshofrat werde binnen vier Wochen ein endgültiges Urteil fällen. Sowohl Pfalz-Neuburg als auch Brandenburg interpretierten diese Ankündigung dahingehend, dass man sie um ihr rechtmäßiges Erbe bringen wolle. Im Dortmunder Rezess verbündeten sie sich am 10. Juni 1609 gegen die anderen Anspruchsteller und vereinbarten die Errichtung einer vorläufigen Regierung für Jülich-Kleve-Berg in Zusammenarbeit mit den Landständen der Herzogtümer. Außerdem verständigten sie sich darauf, den Konflikt um ihre eigenen Ansprüche innerhalb von zwölf Monaten beizulegen oder die Angelegenheit einer Kommission unparteiischer Fürsten vorzulegen. Die implizite Ablehnung sowohl des Kaisers als auch seines Reichshofrates, die aus dieser Vereinbarung spricht, spiegelt die Enttäuschung wider, mit der nicht nur Pfalz-Neuburg und Brandenburg, sondern auch andere Reichsstände nach dem Fall Donauwörth auf die Reichsgerichtsbarkeit blickten. Der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund entsandte seinen Bruder, den Markgrafen Ernst, als Stellvertreter in die vereinigten Herzogtümer, während Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg seinen Sohn und Erben Wolfgang Wilhelm mit der Sicherung seines Anspruchs betraute. Die beiden Abgesandten, die jeweils ein kleines Truppenkontingent mit sich führten, konnten sich bald als die „Possedierenden“ (Besitzer) der Herzogtümer etablieren – im Widerspruch nicht nur zu der Regentschaftsregierung in Jülich, sondern auch zu Kaiser Rudolf in Prag. Es ist unwahrscheinlich, dass Rudolf gegen die Possedierenden vorgegangen wäre, wenn sich nicht sein Vetter Erzherzog Leopold eingemischt hätte. Der war zwar erst 23 Jahre alt und noch nicht zum Priester geweiht, hatte sich jedoch bereits zum Bischof von Passau und Straßburg wählen lassen – als Teil einer habsburgischen Strategie zur Eindämmung des bayerischen Einflusses in der Reichskirche. Leopold besaß ein übergroßes Selbstvertrauen und glaubte, dass ein energisches Vorgehen in Jülich-Kleve-Berg nicht nur das Ansehen des Kaisers aufbessern, sondern ihm selbst zu einer stärkeren Position im habsburgi-

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schen Bruderzwist verhelfen würde. Rudolf ließ sich also von Leopold überreden, kraft seiner kaiserlichen Autorität den Dortmunder Rezess für ungültig zu erklären, und ernannte den jungen Erzherzog – ohne Rücksprache mit dem Reichshofrat zu halten – am 14. Juli zum kaiserlichen Kommissar und Administrator für die umstrittenen Territorien. Leopold eilte nach Jülich, wurde dort jedoch bald von den Kräften der Possedierenden umzingelt, die dreimal so viele Truppen aufgeboten hatten wie er.196 Jülich war in den Jahren 1547–49 stark befestigt worden, aber Leopold fehlten schlicht die Soldaten, um sich einen Weg aus der Stadt heraus freizukämpfen. Nachdem sie einen Vorstoß auf Aachen abgewehrt und Düren eingenommen hatten, zogen die Possedierenden die Schlinge immer enger. Leopolds Lage schien aussichtslos. Da der Jülich-Klevische Erbfolgestreit mit inneren Unruhen in den habsburgischen Ländern sowie der Gründung von Union und Liga als konfessionellen Militärbündnissen zusammenfiel, beunruhigte er die Zeitgenossen zutiefst. Die Mehrheit der Reichsfürsten drängte auf eine Schlichtung des Streits, und so sah sich Kaiser Rudolf gezwungen, der Bitte um eine Zusammenkunft stattzugeben, die am 1. Mai 1610 in Prag eröffnet wurde und eine völlige Klärung des Konflikts herbeiführen sollte. Die Erzherzöge Ferdinand und Maximilian nahmen persönlich an den Gesprächen teil, während sich der in den Niederlanden weilende Erzherzog Albrecht durch einen Gesandten vertreten ließ. Die gemäßigten Stimmen unter den deutschen Reichsständen waren durch die Kurfürsten von Mainz, Köln und Sachsen vertreten, außerdem durch Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel und Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt. Die Fürsten drängten Rudolf, anstelle Leopolds einen neutraleren Kandidaten zum kaiserlichen Kommissar für Jülich-Kleve-Berg zu ernennen. Das sollte der erste Schritt zu einer gütlichen Einigung sein. Rudolf, der um sein Ansehen fürchtete, traf eine seiner spontan-berüchtigten Willkürentscheidungen und belehnte am 7. Juli Kursachsen mit dem gesamten jülich-klevischen Erbe. Das kam dem sächsischen Kurfürsten zwar nicht ungelegen – aber angesichts der Tatsache, dass Brandenburg und Pfalz-Neuburg mittlerweile das gesamte fragliche Territorium überrannt hatten (mit Ausnahme der Stadt Kleve, wo Leopold noch immer ausharrte), bestand kaum eine Chance darauf, dass der solcherart Beschenkte tatsächlich in den Genuss seiner neuen Besitzungen kommen würde. Die in Prag versammelten Fürsten setzten Rudolf weiter unter Druck, bis dieser schließlich seine Entscheidung revidierte und eine weitere Friedenskonferenz anberaumte, die im August in Köln stattfinden sollte. Frankreich greift ein Jede neue Verzögerung erhöhte nur das Risiko einer unliebsamen Einmischung von außen. Frankreich war bereits in Parallelverhand-

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lungen mit der Protestantischen Union und Savoyen getreten, die im Dezember 1609 zu einer Heiratsallianz mit Savoyen und im Januar 1610 zum Entwurf eines Militärpakts mit der Union geführt hatten. Dieser Schachzug ließ einen Doppelangriff auf beide Enden der Spanischen Straße erwarten – und die Vermutung schien sich zu bestätigen, als Savoyen das spanische Regiment, das seit 1602 die Brücke von Gresin bewacht hatte, kurzerhand des Landes verwies. In der Zwischenzeit hatte Heinrich IV. seine Armee auf mehr als das Doppelte ihrer vorherigen Größe aufgestockt und im Nordosten Frankreichs 22 000 Mann unter dem Kommando des Marschalls Claude de la Châtre zusammengezogen.197 Die Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts hat diese Entwicklungen durch die Linse der Französischen Revolution sowie der Unterstützung des Hauses Savoyen gegen Österreich durch Napoleon III. im Jahr 1859 betrachtet, wodurch das Vorgehen Heinrichs IV. als Teil eines großen Plans zur Befreiung unterdrückter Völker vom spanischen Joch erscheint. In Wirklichkeit war die französische Mobilmachung zu Beginn des 17. Jahrhunderts kaum mehr als bloßes Säbelrasseln, das Spanien einschüchtern und Heinrichs Rolle als Schiedsrichter und Friedensbringer in der europäischen Politik unterstreichen sollte. Nachdem der König seit dem Ende der Hugenottenkriege alles darangesetzt hatte, sich mit dem Nimbus eines Friedensgaranten im Inneren zu umgeben, bemühte sich die französische Krone nun, diesen Ruf auch auf internationaler Ebene zu verbreiten. Das bedeutete eine implizite Herausforderung an die Adresse Rudolfs II., da Heinrich gewissermaßen versuchte, sich die positiven Elemente des traditionellen Kaiserbildes anzueignen, was Rudolf nur die negativen Assoziationen des Kaisertums mit habsburgischer Willkürherrschaft und Unterdrückung gelassen hätte. Frankreich hatte eigentlich nicht die Absicht, einen offenen Streit vom Zaun zu brechen – insbesondere jetzt nicht, da Spanien gerade seinen Waffenstillstand mit den Niederländern geschlossen hatte. Immerhin war Heinrich deutlich verärgert über die Unfähigkeit der Possedierenden, das jülich-klevische Erbe einfach unter sich aufzuteilen, und der Protestantischen Union traute er – wegen der Sympathien Christians von Anhalt für den abtrünnigen Herzog von Bouillon – nicht über den Weg. Letztlich sollten seine massiven militärischen Vorbereitungen aber die anderen Parteien allesamt einschüchtern und einen tatsächlichen Waffengang überflüssig machen. Die Gerüchte über ein bevorstehendes Eingreifen Heinrichs IV. in den Erbfolgestreit jenseits der Grenze beunruhigten auch die französischen Katholiken, die befürchteten, ihr König könnte gegen Spanien und den Kaiser ins Feld ziehen. Um seine Stellung als Herrscher zu stärken – und wohl auch als Vorwand dafür, dass er noch immer nicht bei seinen Truppen eingetroffen war – nahm Heinrich am 13. Mai 1610 in Saint-Denis vor den Toren von Paris an der Krö-

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nung seiner Gattin Maria zur Königin von Frankreich teil. Schon früh am nächsten Tag kehrte er nach Paris zurück, um alles für Marias prachtvollen Einzug in die Stadt vorzubereiten, der zwei Tage darauf stattfinden sollte. Im morgendlichen Verkehrsstau auf der Rue de la Ferronnerie jedoch lehnte sich plötzlich ein Mann durch das Fenster der königlichen Kutsche und stach mit einem Dolch auf Heinrich ein. Bis auf jenen Tag hatte der König 23 Attentate überlebt; dieses überlebte er nicht. Die Ermordung Heinrichs IV. durch François Ravaillac bedeutet, dass wir über Heinrichs Pläne keine letzte Gewissheit erlangen können, aber es ist bezeichnend, dass die französischen Rüstungsanstrengungen auch nach dem Tod des Königs unvermindert weiterliefen. Aus Angst, man könnte sie für Sympathisanten oder gar Komplizen des Meuchelmörders halten, ließen die frommen Katholiken Frankreichs ihre Kritik am Vorgehen Heinrichs fallen und stimmten unter der Regentschaft seiner Witwe ein lautes Loblied auf die Tugenden des ermordeten Friedensbringers an. Alle stimmten nun bei, dass die Außenpolitik Frankreichs selbstverständlich auf die Rückgewinnung seines früheren Einflusses gerichtet sein müsse, und akzeptierten auch die Darstellung der Krone, die laufenden militärischen Maßnahmen hätten keinen anderen Zweck, als die verfeindeten Parteien des Jülich-Klevischen Erbfolgestreits zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Der Erbstreit erlangte in dieser Hinsicht bleibende Bedeutung, weil die spätere französische Intervention in Deutschland mit jener früheren Episode in Zusammenhang gebracht wurde – und mit dem seligen Angedenken an den ermordeten König. Später mussten sich sowohl Richelieu als auch Mazarin mit den inneren Widersprüchen der Politik Heinrichs IV. auseinandersetzen. Das französische Prestige beruhte ganz auf der Beteuerung, Frankreich wolle den Frieden in Europa sichern – aber diese Schiedsrichterrolle war ohne militärische Stärke eben nicht möglich. Wenn die französische Krone zum Schutz des europäischen Kräftegleichgewichts intervenierte, stellte sie zwangsläufig den Herrschaftsanspruch der beiden Großmächte Spanien und Österreich infrage. Zugleich drohte ein solches Vorgehen das katholische Frankreich jedoch in die „Ketzerecke“ der niederländischen und deutschen Protestanten zu stellen. Als die französische Intervention dann tatsächlich erfolgte, war sie vergleichsweise begrenzt – was die Tatsache unterstreicht, dass Frankreich den Krieg nicht suchte. Im August 1610 wurden gerade einmal 9000 Soldaten nach Jülich-KleveBerg entsandt, die sich zudem für nur vier Monate verpflichtet hatten. Von Metz aus rückten sie langsam die Maas hinunter vor, mitten durch das Fürstbistum Lüttich hindurch, für das ihnen der Erzherzog Albrecht am 13. Mai freien Durchzug gewährt hatte. Die Lage war angespannt, weil andere Mächte ihre Truppen ebenfalls mobilisierten. Mitte Juli zog Fürst Moritz von Oranien in

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Schenkenschanz bei Kleve 14 000 niederländische Fußsoldaten und 8000 Reiter zusammen, aber der routinierte Diplomat Johan van Oldenbarnevelt hatte keineswegs die Absicht, den Waffenstillstand mit den Spaniern zu brechen: Der Aufmarsch sollte lediglich die militärische Stärke der Republik demonstrieren.198 Philipp III. autorisierte seinen Statthalter Albrecht, Leopold zu unterstützen – aber nur, falls Frankreich und die Niederländer sich einer Belagerung von Jülich anschlossen. Albrecht verstärkte daraufhin seine Garnisonen entlang der Grenze zum Herzogtum Jülich, sandte aber zugleich einen Botschafter nach Prag, der bei den dortigen Gesprächen auf eine Verhandlungslösung hinwirken sollte. Spanien ging es, wie auch den Niederländern, vorrangig darum, sein Gesicht zu wahren. Der Herzog von Lerma sorgte sich um Italien, nicht um den Rhein – auf keinen Fall würde er die Situation dort im Norden eskalieren lassen. Albrecht und Moritz waren in ständigem Kontakt, und der Habsburger erlaubte es dem Oranier, mit seinen Truppen von Schenkenschanz aus den Rhein hinaufzuziehen und bei Rheinberg auf das rechte Ufer überzusetzen. Die deutsche Intervention Die Truppenbewegungen verstärkten die Angst im Reich, wo es kaum gesicherte Informationen über die tatsächlichen Absichten der fremden Mächte gab. Die kurpfälzische Regierung hatte den Erbfolgestreit anfänglich als eine Privatangelegenheit von Brandenburg und Pfalz-Neuburg betrachtet und eine Intervention deshalb abgelehnt. Christian von Anhalt schreckte zudem vor einer Einmischung zurück, bevor er nicht ein verlässliches Bündnis mit einer befreundeten Macht abgeschlossen haben würde. Die anderen Mitglieder der Protestantischen Union stellten sich jedoch gerade deshalb gegen ein auswärtiges Bündnis, weil sie befürchteten, in einen großen Krieg hineingezogen zu werden. Folglich musste Christian seine Verhandlungen mit Frankreich, England und der Republik der Vereinigten Niederlande im Verborgenen führen und legte sie erst bei einem Treffen der Union im Januar und Februar 1610 in Schwäbisch Hall offen. Die Mitglieder der Protestantischen Union stimmten zu, 5000 Mann zu mobilisieren – vorausgesetzt, dass die Possedierenden am Ende für die Kosten aufkommen würden. Leopold wandte sich mit seiner Bitte um Hilfe natürlich an die Katholische Liga, aber während Kurmainz ihm immerhin Geldzahlungen anbot, war Maximilian von Bayern fest entschlossen, das Thema gar nicht erst auf die Tagesordnung zu setzen, denn eine Verstrickung in die Angelegenheiten der Habsburger wollte er unter allen Umständen vermeiden. Leopold hatte demnach beträchtliche Schwierigkeiten, ein Entsatzheer zur Befreiung Jülichs aufzustellen. Sein Fürstbistum Passau konnte er nicht einsetzen, denn ein dort ausgehobenes Heer hätte einen wahren Spießrutenlauf durch die Territorien der fränkischen oder

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schwäbischen Protestanten absolvieren müssen, bevor es an den Niederrhein gelangt wäre. Erzherzog Maximilian verweigerte dem Vetter die Genehmigung, in seinem Tiroler Territorium Truppen zu rekrutieren, und gab seinem Bruder Rudolf die Schuld an der Krise. Damit blieb allein Leopolds zweites Fürstbistum Straßburg übrig, wo seine Obristen 1000 Reiter und 3000 Fußsoldaten aushoben, die sie aber in den Dörfern verteilt hielten, um sie vor den Spähern der nahebei liegenden kurpfälzischen Einheiten zu verbergen. Die Mitglieder der Katholischen Liga begannen nun, ihrerseits Truppen aufzustellen, wenn auch nur zur Selbstverteidigung. Die Nachricht von dieser Mobilmachung sorgte, im Zusammenspiel mit Gerüchten über Leopolds Vorgehen, für Angst und Aufregung im protestantischen Lager. Am 13. März 1610 traf der pfälzische Kurfürst in Heidelberg mit dem Herzog von Württemberg und dem Markgrafen von Baden-Durlach zusammen und vereinbarte mit ihnen einen Gegenschlag, ohne die restlichen Mitglieder der Union zu konsultieren. Graf Otto von Solms-Braunfels zog an der Spitze von 2000 Mann – überwiegend Angehörige der Landmiliz – auf straßburgisches Gebiet.199 Daraufhin ließ Leopolds Oberbefehlshaber die katholische Taktik aus dem Straßburger Bischofskrieg wiederaufleben und zog sich nach Zabern und in die anderen befestigten Städte des Hochstifts zurück – so lange, bis die Eindringlinge nach einigen Wochen kein Geld mehr hatten und ihre nur schlecht disziplinierten Soldaten den Rückweg nach Hause antraten. Damit war die Schwäche der Protestantischen Union offenbar geworden. Immerhin hatte das Manöver Leopolds Truppen daran gehindert, nach Norden zu ziehen und Jülich zu entlasten. Dort war die Lage für die Eingeschlossenen zunehmend hoffnungslos geworden, vor allem nachdem Moritz von Oranien im Mai ein anderes Entsatzheer abgefangen hatte, das im Fürstbistum Lüttich ausgehoben worden war. Die drei protestantischen Fürsten riefen die Union zu einem zweiten Invasionsversuch auf, rekrutierten in ihren eigenen Territorien 7300 Mann Infanterie und 2500 Mann Kavallerie und quartierten einige davon in Würzburg und Bamberg ein – teils, um die Katholiken einzuschüchtern, teils aber auch, um Geld zu sparen. In der Zwischenzeit zogen die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Baden-Durlach mit einem zweiten Heer über die Rheinbrücke von Straßburg, um Leopolds Truppen anzugreifen.200 Diese zogen sich wiederum in die Städte zurück, aber dieses Mal hatten die Soldaten der Union Artillerie mitgebracht und konnten so bald Dachstein, Molsheim und Mutzig einnehmen. Leopolds Kavallerie zog allerdings noch immer ungehindert in der Gegend umher, während seine Infanterie sich in Zabern verschanzt hielt. Und das zweite Expeditionsheer der Protestantischen Union war zwar größer und besser ausgerüstet als das erste – aber dadurch eben auch entsprechend teu-

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rer. Die Bürger von Straßburg waren empört über die Hinterzimmerdiplomatie der Fürsten und weigerten sich, die Truppen weiterhin mit Vorräten zu versorgen. So kam deren Kampagne erneut zum Erliegen. Am 10. August wurde ein lokaler Waffenstillstand vereinbart, der es dem Herzog von Lothringen und den elsässischen Adligen erlauben sollte, einen beiderseitigen Truppenabzug auszuhandeln. Bis dahin war das Schicksal Jülichs aber schon besiegelt. Leopold war bereits im Mai die Flucht aus der eingeschlossenen Stadt gelungen; seine 1500 Mann starke Garnison hatte er zurückgelassen. Das Eintreffen der Unionstruppen verstärkte das Blockadeheer der Possedierenden bis zum 28. Juli auf 2200 Reiter und 8000 Fußsoldaten; damit war es endlich groß genug für eine „richtige“ Belagerung. Moritz von Oranien und Claude de la Châtre brachten noch einmal 23 000 Mann mit, und so ergab sich die Garnison von Jülich am 1. September nach vierwöchiger Belagerung und gegen freies Geleit ins Oberelsass, wo die restlichen Truppen Leopolds sie erwarteten. Franzosen und Niederländer mussten bei dieser Aktion einfach dabei sein, wenn sie ihr Gesicht nicht verlieren wollten, denn dafür, dass sie unbeteiligte Zuschauer hätten bleiben können, war das Belagerungs- und Invasionsgeschehen rund um die Stadt und das Herzogtum Jülich bereits zu weit eskaliert. Wäre Leopolds Jülicher Garnison weniger hartnäckig gewesen und hätte sich früher ergeben, wären wohl weder Moritz von Oranien noch der französische Marschall de la Châtre eingeschritten. Nach Lage der Dinge erregte jedoch der quälend langsame Anmarsch des Letzteren die Maas hinunter vor allem den Argwohn der Protestanten, die dahinter einen Fall von Drückebergerei, ja Verrat witterten. De la Châtre traf erst am 19. August vor Jülich ein, als die Vorwerke der Stadt bereits erstürmt waren, und konnte es nach dem Auszug der besiegten Garnison kaum erwarten, wieder abzuziehen. Eine Woche später brachen auch die Niederländer auf und ließen in Jülich nur ein kleines Truppenkontingent unter dem Befehl des Obristen Friedrich Pithan zurück. Dazu kam im Jahr darauf eine niederländische Garnison in Wesel, dem strategisch wichtigen Rheinübergang im Herzogtum Kleve, wo der niederländische Einfluss in etwa so groß war – und mit ähnlichen Wirkungen ähnliche Ziele verfolgte – wie in Emden. 1612 trat die Stadt Wesel offiziell zum calvinistischen Glauben über, und ihre Garnison bedrohte die Kommunikation der Spanier mit ihren Vorposten östlich der Ijssel, die General Spinola 1605/06 erobert hatte. Abgesehen davon strebten nun aber alle Parteien ein rasches Ende der Kampfhandlungen an. Am 24. Oktober 1610 vereinbarten Union und Liga einen beiderseitigen Truppenabzug; bis zum neuen Jahr hatten sie ihre Heere aufgelöst. Im Dezember zog sich Leopold über Schwaben nach Passau zurück.

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Die Auswirkungen Der erste „Jülicher Krieg“ war keine Generalprobe für den Dreißigjährigen Krieg, obgleich er durchaus einige militärische Lektionen bereithielt, aus denen die später Krieg führenden Parteien nur eben nichts lernten. In den Jahren 1609/10 waren die militärischen Operationen nur von kurzer Dauer und beschränkten sich im Wesentlichen auf das Elsass und Teile des Niederrheins. Leopold verfügte wohl zu keinem Zeitpunkt über mehr als 7000 Mann, während seine Gegenspieler bei ihrer größten Mobilisierung im August 1610 rund 30 000 Mann ins Feld führten, dazu kamen 23 000 Mann französische und niederländische Hilfstruppen. Die Liga hatte bis September 19 000 Mann mobilisiert, griff aber letztlich nicht in die Kämpfe ein. Diese großen Rüstungsanstrengungen waren erschöpfend für alle Beteiligten. Zwei der drei pfalz-neuburgischen Kompanien, die in Jülich zurückgeblieben waren, mussten nach Meutereien über Soldrückstände 1611 aufgelöst werden; Brandenburg beließ gerade einmal 100 Mann in Jülich und 400 in Aachen. Leopold behauptete, sein Engagement als kaiserlicher Kommissar habe ihn schlussendlich 2,6 Millionen Gulden gekostet, während die entstandenen Schäden allein für den vorderösterreichischen Teil des Elsass auf 1,14 Millionen Gulden beziffert wurden. Leopold hatte überhaupt nur nach Jülich aufbrechen können, weil der spanische Botschafter ihm das nötige Geld geliehen hatte. Die spanische Passivität während der Krise war zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass der Statthalter Albrecht von Habsburg fürchtete, die Soldaten der Flandernarmee könnten ihren ausstehenden Sold einfordern, sobald man sie an die Front schickte. Die französische Intervention kostete 5,38 Millionen Gulden, das entsprach einem Drittel des Kriegsbudgets, das Heinrich IV. seit 1598 angespart hatte. Selbst neutrale Territorien litten unter der Krise, so etwa Tirol, das sich im Januar 1612 gezwungen sah, seine Weinsteuer anzuheben; der daraufhin ausbrechende Bauernaufstand dauerte bis zum September 1614 an.201 Die finanziellen Folgen des Jülich-Klevischen Erbfolgestreits verstärkten den politischen Schaden, den die beiden konfessionellen Bündnisse genommen hatten, denn zu inhaltlichen Streitpunkten kam nun die potenziell noch schwierigere Frage, wer die Zeche am Ende zahlen sollte. Als die Krise ausbrach, waren weder die Union noch die Liga vollständig entwickelt; in ihrem Verlauf strömten beiden Seiten zahlreiche neue Mitglieder zu, die nun um ihre Sicherheit besorgt waren – aber durch die vorgefundenen Zustände rasch ernüchtert wurden. Leopold war verbittert über die bayerische Weigerung, den Erbfolgestreit zu einer Angelegenheit der Liga zu machen. Obwohl bei einer Zusammenkunft der Liga im August 1610 die defensive Mobilmachung der Bündnispartner beschlossen wurde, bereuten die meisten diese Entscheidung schon bald: wegen der hohen Kosten, die damit verbunden waren, aber auch, weil ihre eigene Mobilisierung

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sie zur Zielscheibe ihrer protestantischen Nachbarterritorien machte. Die kleineren Mitglieder der Liga waren verärgert über den anhaltenden Widerstand Bayerns gegen einen Beitritt der Habsburger und glaubten, dass sie erst dann wirklich sicher sein würden, wenn auch die österreichischen Erzherzöge zur Liga gestoßen waren. Ihrem Missmut verliehen sie Ausdruck, indem sie ihre Beiträge zur Liga nur unvollständig zahlten und es dem bayerischen Herzog überließen, für die Fehlbeträge aufzukommen. Im Fall der Protestantischen Union waren die Auswirkungen des Erbfolgestreits sogar noch verheerender, denn sie hatte ja unmittelbar an dem Konflikt teilgenommen. Keiner der beiden Possedierenden zahlte für die empfangene Unterstützung, während die Kurpfalz noch nicht einmal die 300 000 Gulden für ihre eigene Kampagne von 1610 aufbringen konnte. Obwohl sich die Union weitgehend auf kostengünstige Milizen verließ, überstieg ihr Vorgehen doch alle denkbaren Budgetvorstellungen, nicht zuletzt, weil die Kosten durch den enormen Tross ihres Heeres aufgebläht wurden. Im Oktober 1610 marschierte der Markgraf von Brandenburg-Ansbach mit den 18 000 Männern, Frauen und Kindern sowie 4000 Wagen der Expeditionsstreitmacht vom Elsass nach Ulm, um das versprochene Geld einzufordern. Nachdem die Soldaten nun gewissermaßen direkt vor ihrer Haustür standen, konnten die schwäbischen und fränkischen Mitglieder der Union gar nicht anders, als tief – sehr tief – in ihre Taschen zu greifen. Dieses finanzielle Chaos dämpfte die Freude über die Einnahme von Jülich und verstärkte das Misstrauen gegenüber der Geheimdiplomatie Christians von Anhalt – vor allem weil der eigentliche Erbstreit ungeklärt blieb.

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er Jülich-Klevische Erbfolgestreit brachte nicht nur eine vernichtende Niederlage für Rudolf II., sondern kündigte auch die baldige Fortsetzung des habsburgischen Bruderzwistes an. Dennoch wurden in der Zeit nach Rudolfs Tod und der Kaiserwahl des Erzherzogs Matthias im Januar 1612 etliche Probleme mit Erfolg angegangen. Die Katholische Liga allerdings löste sich vorerst auf, und die Protestantische Union wurde an den Rand gedrängt; bis 1618 stand auch sie kurz vor dem Zusammenbruch. Die Institutionen des Reiches hingegen lebten wieder auf: 1613 trat der Reichstag zusammen und gelangte auch wieder zu einem Reichsabschied; die Reichsgerichte nahmen ihre Arbeit wieder auf. Den Habsburgern war es gelungen, zumindest einen kleinen Teil des von ihnen verspielten Vertrauens wiederzugewinnen. Nichts schien darauf hinzudeuten, dass das Reich am Rande der Katastrophe stand. Freilich war diese Erholungsphase zu kurz, als dass sie eine völlige Wiederherstellung des seit den 1570erJahren Verlorenen hätte bringen können. Vor allem – und das war entscheidend – blieb das habsburgische Kaiserhaus vergleichsweise schwach und verletzlich, sofern seine Gegner das Risiko eines Angriffs auf sich nehmen mochten. Die habsburgische Schwäche war personeller, aber auch struktureller Natur. Zwar war Matthias dynamischer als sein Bruder, doch hatte der lange Kampf um die Kaiserkrone den mittlerweile 55-Jährigen zermürbt und erschöpft, und als er dann endlich den Thron besteigen konnte, musste Matthias sich dort erst einmal ausruhen: Für das Regieren war dem neuen Kaiser kaum noch Kraft geblieben.

Der letzte Akt im Bruderzwist Der Übergang von Rudolf zu Matthias erfolgte in zwei Stufen. Zuerst nahm Matthias seinem Bruder, was diesem an Macht verblieben war, und überzeugte dann die Kurfürsten davon, ihn selbst zu Rudolfs Nachfolger zu wählen. Die erste Runde ihres Bruderstreits hatte beide erschöpft und auch politisch geschwächt: Nach 1608 waren beide völlig von ihren Ständen abhängig gewesen (siehe Kapitel 4). Dieses Patt im Bruderzwist brach erst der Erzherzog Leopold, der ja – auch nach dem Rückschlag von Jülich – noch immer über sein Heer verfügte, das sich im Dezember 1610 bei Passau neu formierte. Unter dem Kommando des Obristen Laurentius Ramée wurde diese Streitmacht auf 4000 Berittene und 8000 Fußsoldaten aufgestockt, indem man – mit der heimlichen Unterstützung des österreichischen Hofkriegsrats – ar-

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beitslose Veteranen des Türkenkrieges anwarb. Leopold, den seine jüngsten Rückschläge keineswegs entmutigt hatten, sah nun seine Chance gekommen, nachdem im Februar 1610 die böhmischen Stände ihre Milizen nach Hause geschickt hatten. Er glaubte, dass sein Vetter Rudolf ihn zu seinem Nachfolger als Kaiser ernennen würde, wenn er ihn aus seiner 1609 durch die Protestanten veranlassten Quasi-Inhaftierung auf dem Prager Hradschin befreien würde. Das war ein hochriskanter Plan, denn Leopold hatte nicht einmal die Kosten für seinen Krieg in Jülich beglichen; ein neues Heer konnte er nur anwerben, wenn er seinen Soldaten versprach, Rudolf werde sie entlohnen, wenn sie erst einmal in Prag angekommen seien. Der Aufmarsch dieses Heeres, das als Passauer Kriegsvolk bekannt werden sollte, ließ rasch die Befürchtung eines erneuten Krieges aufkommen. Die gemäßigten Fürsten drängten Rudolf zu Verhandlungen. Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel brachte sogar ein Treffen unter Beteiligung des Kaisers zustande, aber Rudolf brach bei dieser Gelegenheit nur in eine Schimpftirade gegen seine nichtsnutzige Verwandtschaft aus. Schließlich entschuldigten sich die Erzherzöge Ferdinand und Maximilian sowie die Abgesandten Matthias’ und Albrechts in aller Form bei dem Jähzornigen, indem sie ihm die zerrissenen Fetzen der Vereinbarung überreichten, die sie im April 1606 gegen ihn unterzeichnet hatten (siehe Kapitel 4). Im Gegenzug versprach der Kaiser, Leopold zu bezahlen, damit dieser sein Heer entlasse. Der als Matthias’ Berater anwesende Bischof Khlesl sah sofort, dass diese Vereinbarung wertlos war, denn Rudolf hatte weder den Anreiz noch die Mittel, seinen Teil der Abmachung einzuhalten und Leopolds Truppen auszubezahlen. Also überschritten Ramée und sein unbezahltes Heer am 21. Dezember 1610 die Grenze nach Oberösterreich, wo sie sich fünf Wochen lang aufhielten und einen Schaden in Höhe von zwei Millionen Gulden anrichteten, bevor sie mit 269 Wagenladungen Beute nach Böhmen weiterzogen. Ein anderes Truppenkontingent, das sich noch auf Straßburger Territorium befunden hatte, plünderte derweil die Besitzungen des Herzogs Maximilian im Oberelsass. Nachdem sie sich in den Jahren 1606–09 so gehörig die Finger verbrannt hatten, scheuten Rudolf und Matthias nun beide davor zurück, auch nur das Geringste zu unternehmen, denn jede Gegenmaßnahme hätte weiterer Zugeständnisse an ihre Ständeversammlungen bedurft, damit diese das nötige Geld bewilligten. Allein Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel eilte in der Gegend umher und versuchte, das nötige Bestechungsgeld aufzutreiben, damit Ramée zur Auflösung seines Heeres bewegt werden konnte. Leopold, dessen Heer das Passauer Kriegsvolk ja eigentlich war, wurde durch das Betragen seiner Söldner zunehmend in Verlegenheit gebracht, weshalb er persönlich zu seinen

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Truppen stieß, um am 15. Februar 1611 mit ihnen von Westen her nach Prag einzuziehen. Die böhmischen Stände hatten allerdings in der Zwischenzeit ihre Milizen zurückgerufen, die nun die Karlsbrücke blockierten, wodurch der Zugang zum größeren, am jenseitigen Ufer der Moldau gelegenen Teil der Stadt versperrt war. Die Kavallerie der Passauer stahl das Lösegeld, das Heinrich Julius gesammelt hatte, setzte sich ab und ließ die Infanterie allein zurück. Diese drohte nun, zu den böhmischen Ständen überzulaufen – irgendjemand würde sie schon bezahlen. Damit war klar, dass Leopold nur geblufft hatte; Rudolf weigerte sich, überhaupt mit ihm zu reden. Am späten Abend des 10. März schlich sich der junge Erzherzog nach Einbruch der Dunkelheit aus der Stadt davon. Matthias witterte seine Chance und brach, nachdem er 2500 Söldner zusammengetrommelt hatte, von Wien aus in Richtung Prag auf. Unterwegs sammelte er – mit der Begründung, er wolle die öffentliche Ordnung wiederherstellen – weitere österreichische und mährische Aufgebote ein. Als er zwei Wochen später in Prag ankam, hatte er 18 000 Mann um sich geschart und konnte aus einer Position der Stärke heraus in die Verhandlungen eintreten. Mit Leopold traf er eine Vereinbarung, die es jenem erlaubte, sein Gesicht zu wahren: Offiziell gab man die Schuld an der gesamten Episode dem Obristen Laurentius Ramée, der zum Tode verurteilt wurde (jedoch entkommen konnte). Die verbliebenen Passauer erhielten eine Abfindungszahlung. Matthias erntete den Dank der deutschen und böhmischen Protestanten, die es ihm hoch anrechneten, dass er sie vor den mörderischen Söldnerhorden gerettet habe. Auch seine Bereitschaft, die Privilegien der böhmischen Protestanten schriftlich zu bestätigen, kam sehr gut an. In der Zwischenzeit hatten sich die Spanier von Leopold losgesagt, der ihnen nur noch ein Klotz am Bein war. Stattdessen sprach sich die spanische Krone nun für Matthias als Rudolfs Nachfolger aus und übersandte ihm ein Willkommensgeschenk von 200 000 Dukaten. Im April 1611 trafen sich die böhmischen Stände zu einem Generallandtag in Prag und nahmen Matthias als ihren König an. Der neue Monarch musste erst damit drohen, die Lebensmittellieferungen auf die Prager Burg aussetzen zu lassen, bis Rudolf ihm im Mai 1611 schließlich die Krone überließ. Der Kaiser wurde in seinen Gemächern unter Hausarrest gestellt und mit einer schmalen Apanage abgefunden. Matthias gehörten nun Österreich, Ungarn und alle Länder der böhmischen Krone, während Ferdinand weiterhin über Innerösterreich herrschte, Maximilian seine gefürstete Grafschaft Tirol behielt und Leopold unverändert als Fürstbischof von Straßburg und Passau amtierte. Die Kaiserwahl von 1612 Von September bis November 1611 traten die Kurfürsten in Nürnberg zusammen, um über die Nachfolge im Reich zu beraten.

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Ganz unabhängig von ihrer jeweiligen Konfession kam es ihnen zunächst einmal darauf an, einen „ordentlichen“ Machtübergang von einem Kaiser zum nächsten sicherzustellen. Das sollte den noch immer schwelenden Bürgerkrieg in den habsburgischen Ländern unterdrücken und ganz allgemein die Spannungen im Reich reduzieren. Der aufdringliche Leopold war für das Kollegium daher ein vollkommen inakzeptabler Kandidat. Die geistlichen Kurfürsten sprachen sich für den ebenso reifen wie fähigen Albrecht aus, der noch immer in Brüssel weilte, aber Kursachsen verweigerte seine Zustimmung wegen der engen Verbindungen Albrechts nach Spanien. Maximilian zögerte, sich selbst zur Wahl zu stellen. Matthias hingegen galt nach wie vor als ein Intrigant und – in den Augen der orthodoxen Katholiken – als ein „Protestantenfreund“. Diese Verzögerung bei Matthias’ Bestätigung durch die Kurfürsten nutzte Rudolf prompt aus und verbrachte seine letzten Tage mit dem fieberhaften Schmieden von Plänen, durch die er sein verlorenes Reich zurückzubekommen hoffte. Schon machten Gerüchte die Runde, der betagte Kaiser – Rudolf war 59 Jahre alt – wolle die verwitwete Mutter des pfälzischen Kurfürsten heiraten, sich der Protestantischen Union anschließen und ein neues Heer unter dem Befehl des Markgrafen Joachim Ernst von Brandenburg-Ansbach aufstellen.202 Weil die Kurfürsten jedem Ärger aus dem Weg gehen wollten, vertagten sie sich auf den 21. Mai 1612, um dann einen neuen römischen König zu wählen. Bischof Khlesl, der an den Gesprächen in Nürnberg als kurböhmischer Wahlgesandter teilgenommen hatte, sah sehr wohl, welch große Hindernisse seinen Gebieter noch von einer erfolgreichen Wahl trennten. Er traf deshalb gründliche Vorkehrungen und überzeugte Spanien und die anderen österreichischen Erzherzöge im Dezember 1611 davon, Matthias zu ihrem einzigen, gemeinsamen Kandidaten zu machen, wodurch Albrecht aus dem Rennen geworfen wurde. Am 4. Dezember heiratete Matthias seine Cousine Anna von Tirol, was die Aussicht auf Nachkommen eröffnete und eine ordentliche Erbfolge in seiner Linie erwarten ließ. Matthias’ Wahlspruch „Concordia lumine maior“ – „Eintracht ist stärker als Licht“ – signalisierte unmissverständlich die Entschlossenheit des Kandidaten, über konfessionelle Grenzen hinweg für Frieden und Einigkeit einzutreten. Kaum war der Boden für die Wahl Matthias’ zum König bereitet, da machte der Tod Rudolfs II. am 20. Januar 1612 aus dem geplanten Wahlgang eine vollwertige Kaiserwahl. Angesichts einer deutlichen Schwäche der Protestanten war die Gelegenheit günstig. Der sächsische Kurfürst Johann Georg war seinem älteren Bruder Christian II. gerade erst nachgefolgt und wollte die gesamte Angelegenheit der Kaiserwahl gern so schnell wie möglich erledigen. Die Kurpfalz war durch den Tod Friedrichs IV. am 8. Oktober 1610 – auf dem Höhepunkt des Jülich-Klevi-

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schen Erbfolgestreits – politisch noch immer gelähmt, denn wie bereits 1583 war der neue Kurfürst noch minderjährig. Als Regenten für den 14-jährigen Friedrich V. wählte der calvinistische Heidelberger Hof den erfahrenen und tüchtigen Herzog Johann II. von Pfalz-Zweibrücken aus. Allerdings fochten die lutherischen Verwandten in Pfalz-Neuburg diese Entscheidung an, und die nun aufwallende Rivalität verschlang nicht nur Johanns gesamte Energie, sondern durchkreuzte auch die Pläne Christians von Anhalt, der sich von dem Interregnum im Reich das reibungslose „Durchwinken“ seiner kontroversen Verfassungsreform erhofft hatte.203 Die Kurfürsten traten indes wie vereinbart in Frankfurt zusammen und wählten – nach einer Debatte, in deren Verlauf dem kurpfälzischen Wahlgesandten eine absichtliche Verzögerung des Verfahrens vorgeworfen wurde – Matthias am 13. Juni 1612 geschlossen zum Kaiser. Bischof Khlesl Der neue Kaiser war schon bei seiner Wahl erschöpft. Zwar neigte er persönlich zu Frieden und Eintracht und wollte wohl tatsächlich die Probleme des Reiches lösen, doch für die Klärung der Details fehlte ihm der Sinn. Ihm reichte es völlig, mit seiner frisch angetrauten Gemahlin – die halb so alt war wie er – das Leben am Kaiserhof in Saus und Braus zu genießen. Die Politik überließ er dem Bischof Khlesl, der spätestens jetzt als die zentrale Figur in der Reichspolitik hervortrat. Khlesls Rolle bleibt umstritten und wurde schon damals scharf kritisiert: Seine Feinde stellten seine Aufrichtigkeit infrage und beschuldigten ihn, die Lösung bestimmter Probleme absichtlich zu verschleppen, um sich so unverzichtbar zu machen. Andere haben seither Khlesls Motive milder beurteilt, sein Vorgehen aber dennoch – angesichts übermächtiger Krisen- und Kriegstendenzen – als vergeblich bewertet.204 Selbst Khlesl war außerstande, etwas gegen den internationalen Ansehensverlust des Kaisers zu unternehmen. Mochten sich die österreichischen Habsburger auch den Kaisertitel gesichert haben – mit der Macht und dem Reichtum ihrer spanischen Vettern konnten sie nicht mehr mithalten. Die formelle Neutralität des Reichs in allen größeren Konflikten in Westeuropa nach 1562 hatte seine Stellung auf dem internationalen Parkett weiter geschwächt. Dennoch war der Kaiserhof ein bedeutender diplomatischer Knotenpunkt geblieben, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, dass der Kaiser sich bemüht hatte, eine friedliche Beilegung der besagten Konflikte zu vermitteln. Die Konzentration auf das Osmanische Reich und die zunehmende Abschottung Rudolfs II. hatten die Präsenz des Reiches im Westen ab den 1580er-Jahren merklich zurückgehen lassen. So unterhielt der Kaiser zum Beispiel keine ständigen Gesandtschaften mehr in den Hauptstädten und Residenzen Westeuropas, wodurch die Führungsspitze des Reiches, was auswärtige Informationen betraf, neben den „Fug-

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gerzeitungen“ der Augsburger Kaufmannsdynastie (einem handschriftlichen Vorläufer heutiger Agenturmeldungen) auf Mitteilungen der Brüsseler und Madrider Höfe angewiesen war, die oft eine verzerrte Sicht des Geschehens vermittelten. Auch der Misserfolg im Türkenkrieg wirkte sich negativ auf das Ansehen des Kaisertums aus; Jakob I. von England war hierüber ganz besonders verärgert, denn er hatte den anfänglichen Beteuerungen Glauben geschenkt, es handle sich um einen „neuen Kreuzzug“.205 Khlesl hielt an der Ostausrichtung des Reiches fest, teils weil es anfangs keineswegs ausgemacht war, dass der 1606 mit dem Osmanischen Reich geschlossene Waffenstillstand Bestand haben würde, teils weil die Türkengefahr ein probates Mittel darstellte, Matthias die geschlossene Unterstützung seiner Reichsstände zu sichern. Dieser letzte Punkt kam auch zum Tragen, als es den Versuch der Stände abzuwenden galt, den Machtwechsel von 1612 zur Durchsetzung weiterer Zugeständnisse zu missbrauchen: Die Protestanten drängten Matthias, er solle einen Generallandtag aller habsburgischen Stände einberufen; sie planten, bei dieser Gelegenheit eine Allianz nach dem Vorbild der ober- und niederösterreichischen Adelsbündnisse von 1608 zu schmieden (siehe Kapitel 4). Khlesl konterte mit der Forderung nach neuen Steuern zur Ausbesserung der Militärgrenze. Dies wurde von den Ungarn befürwortet, die mit ihrer 1608 gewonnenen Autonomie ohnehin recht zufrieden waren und der geplanten Versammlung deshalb fernblieben. In Separatverhandlungen mit den einzelnen Landständen – den Generallandtag hatte er nach der Devise „Teile und herrsche!“ abwenden können – gelang es Khlesl 1615/16, deren Zusagen zu einer gewaltigen Tilgung zu erwirken: Von den 30 Millionen Gulden Schulden, die Rudolf hinterlassen hatte, sollten die Stände 21 Millionen übernehmen. Obwohl der Reichstag 1613 zusätzliche Steuern bewilligte, hielt sich der Enthusiasmus für einen erneuten Krieg gegen die Osmanen in engen Grenzen, und so akzeptierte Khlesl 1615 klugerweise eine Bestätigung und Verlängerung des Waffenstillstandes. „Komposition“ oder „Sukzession“? Vor jedem Versuch, das lädierte internationale Ansehen der Reichskrone aufzubessern, mussten zunächst einmal die inneren Probleme des Reiches selbst gelöst werden. Die vordringlichste Aufgabe war dabei die Auflösung der beiden konfessionellen Allianzen Union und Liga, die den Weg für eine allgemeinere Befriedung des Reiches bereiten sollte. Neben der ungeklärten Frage des jülich-klevischen Erbes waren es vor allem der Streit der Welfen mit Braunschweig und die religiösen Streitigkeiten in diversen Reichsstädten, die der Kaiser dringend schlichten musste: Die Union verlangte noch immer die vollständige Restitution Donauwörths, und in Aachen hatten die Protestanten das Interregnum genutzt, um dem katholischen Magistrat die

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Macht in der Stadt zu entreißen. Das hatte geradezu Symbolkraft für die schwindende Macht des Kaisers: Aachen war der traditionelle Krönungsort der römisch-deutschen Kaiser, aber wegen der dortigen Unruhen war Matthias gezwungen, nach Frankfurt auszuweichen. Bischof Khlesl war fest entschlossen, dem Reich wieder zu seinem alten Ansehen zu verhelfen, und hatte erkannt, dass dafür zunächst das Vertrauen in die Reichsgerichtsbarkeit wiederhergestellt werden musste. Seine Pläne gingen allerdings weiter: Er wollte auch die tiefer liegenden, die fundamentalen Probleme des Reiches lösen. Khlesl schwebte nichts Geringeres als die völlige Aufhebung des konfessionellen Gegensatzes vor, die er durch eine Strategie der „Komposition“ erreichen wollte. Dieser Begriff leitete sich von dem zeitgenössischen Rechtskonzept der amicabilis compositio her, das eine „freundliche“, gütliche Einigung in religiösen Streitfragen bezeichnete. Um zu einer solchen Einigung zu gelangen, sollten Kompromisse auch außerhalb des etablierten Rahmens der Reichsinstitutionen ausgehandelt werden. Einen ersten Vorschlag dieser Art hatte schon die Kurpfalz gemacht, als sie beim Reichstag von 1603 forderte, Protestanten und Katholiken sollten sich nach Konfessionen getrennt beraten, anstatt in die traditionellen, hierarchisch gestuften, aber konfessionell gemischten Kollegien auseinanderzutreten. Während der kurpfälzische Vorstoß jedoch darauf abzielte, Politik und Religion zu verschmelzen, wollte Khlesl sie gerade voneinander trennen. Dazu hatte er die Bildung einer bikonfessionellen Kommission vorgeschlagen, die sich zu gleichen Teilen aus Protestanten und Katholiken zusammensetzen und auftretende Streitfragen getrennt vom politischen Tagesgeschäft klären sollte, damit der möglichst ruhige Gang der Reichsinstitutionen nicht gestört werde. Zu denen, die Khlesl in seinem Vorhaben bestärkten, zählte auch der Reichspfennigmeister Geizkofler, ein Lutheraner, der schon lange auf eine friedliche Beilegung des Konfessionsstreits hoffte und sich in einem umfangreichen Briefwechsel mit Khlesl über dessen Idee austauschte. Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, dass ausgerechnet Melchior Khlesl sich für ein solches Vorgehen einsetzte. Wie viele Konvertiten lebte Khlesl seinen neuen katholischen Glauben mit größerer Inbrunst als mancher, der als Katholik aufgewachsen war; zudem hatte er in führender Funktion dabei geholfen, das Vordringen des Luthertums nach Niederösterreich einzudämmen. Seine plötzliche Kompromissbereitschaft betrachteten die protestantischen Reichsfürsten daher mit Misstrauen. Auch die Katholiken waren beunruhigt und begannen, an der Ratsamkeit der gerade erst – im Dezember 1615 – erfolgten Erhebung Khlesls in den Kardinalsstand zu zweifeln. Tatsächlich war Khlesls vermeintlich neue Strategie nichts weiter als die Fortsetzung der alten – nur dass er sie jetzt, da sein Herr und Förderer nicht mehr „nur“ ein Erzherzog, sondern

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Kaiser war, mit mehr Elan und größerer Konsequenz umsetzen konnte. Die Stärkung des Katholizismus in den Ländern der Habsburger sollte weitergehen, aber sie sollte mit einem pragmatischeren Vorgehen im Rest des Reiches kombiniert werden. Wie zahlreiche Zeugen berichten, sagte Khlesl protestantischen Fürsten bei vielen Gelegenheiten, dass er selbst nicht an eine vollständige Wiederherstellung des vorreformatorischen Katholizismus glaube, und es scheint, dass er die Erosion der Reichskirche durch die Reformation als unumkehrbar hingenommen hat – unumkehrbar zumindest auf mittlere Frist. Es fällt jedenfalls auf, dass er nicht – wie zuvor Rudolf II. – gegen die Anwesenheit des Administrators von Magdeburg protestierte, als der Reichstag 1613 wieder zusammentrat und der Administrator dort seinen Platz einnahm. Khlesl argumentierte, dass es sich bei dem fraglichen Posten um ein weltlich-politisches, nicht um ein geistliches Amt handle. Kurz gesagt sollte die Komposition für eine Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten sorgen, die weit genug ging, um das Reich zumindest wieder regierbar zu machen. Und indem die Spannungen dann nachließen, würden beide Seiten Gelegenheit haben, auch über geteilte Glaubensinhalte wieder näher zueinanderzufinden. Die Katholiken wurden nicht nur deshalb sofort misstrauisch, weil Khlesls Vorschlag dem kurpfälzischen Reformprogramm ähnelte, sondern es für die geplante überkonfessionelle Kommission in der Reichsverfassung auch keinerlei Präzedenz gab. In den Augen der katholischen Reichsfürsten zäumte Khlesl das Pferd von hinten auf, da doch vor einer Komposition erst einmal die offene Frage der „Sukzession“, der Thronfolge im Reich nämlich, geklärt werden müsse. Als die Kurfürsten Matthias und seiner frisch vermählten Frau ein reich verziertes Kinderbett zum Hochzeitsgeschenk gemacht hatten, war die Botschaft kaum zu übersehen gewesen: Ein Erbe musste her, um der lähmenden Unsicherheit über die Zukunft des Hauses Habsburg ein Ende zu machen. Anna von Tirol war erst 27 Jahre alt, es schien also noch reichlich Raum zur Hoffnung zu geben, aber allen Schwangerschaftsgerüchten zum Trotz blieb die Ehe kinderlos. Schon bald war klar, dass die Kaiserwahl von 1612 das beherrschende Problem von Rudolfs Regierungszeit nicht gelöst, sondern lediglich verschoben hatte. Schließlich wurde die Sache immer dringlicher: durch Matthias’ schlechten Gesundheitszustand, aber auch durch das zunehmende Übergewicht Annas, das zu ihrem frühen Tod am 15. Dezember 1618 beitrug. Der Verlust seiner Frau stürzte den zwar gichtgeplagten, aber stets jovialen Kaiser in eine tiefe Depression, von der er sich nicht mehr erholen sollte. Der „Bierjörge“ von Sachsen Khlesl war fest entschlossen, die Klärung der habsburgischen Erbfolge so lange aufzuschieben, bis seine Kompositionspolitik

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ihre ersten Früchte getragen haben würde – nicht nur, um seinen politischen Einfluss zu verlängern, sondern auch, um mit den rivalisierenden Anwärtern auf die Kaiserkrone aus einer Position der Stärke heraus verhandeln zu können. Er hatte einige Unterstützer in den Reihen der moderaten Katholiken, etwa den Mainzer Kurfürsten Johann Schweikhard von Kronberg, der sich schon seit Langem für eine Politik des Ausgleichs eingesetzt hatte. Auch dem Kurfürsten Johann Georg von Sachsen sagte Khlesls Programm zu, da es dazu gedacht war, die Regelung von 1555 zu stabilisieren. Wie Matthias schien der neue sächsische Kurfürst seinem Charakter nach einer vergangenen politischen Ära anzugehören: Er teilte die Neigung des Kaisers zu einer Prachtentfaltung im Stil der Renaissance, liebte die Jagd, den Frohsinn und regelmäßige Zechgelage. Letztere Vorliebe war so ausgeprägt, dass sie Johann Georg die Spottnamen „Bierjörge“ und „Merseburger Bierkönig“ einbrachte. Als zweiter Sohn seines Vaters war er 1601 zu einer 14-monatigen Bildungsreise nach Italien aufgebrochen und hatte bei seiner Rückkehr nur geringe Aussichten gehabt, jemals an die Macht zu kommen. Sein älterer Bruder, Kurfürst Christian II., trug schon im Alter von 28 Jahren den charakteristischen Bierbauch des sächsischen Herrscherhauses. Bei einem Turnier in der Sommerhitze des 23. Juli 1611, an dem er in voller Rüstung teilnahm, stieg Christian nach einem Waffengang von seinem Pferd, ließ sich einen Humpen eiskalten Bieres reichen, den er gierig trank – und stürzte, von einem Herzinfarkt getroffen, tot zu Boden. Eigentlich sprach nur wenig dafür, dass Johann Georg ein milderes Schicksal beschieden sein würde, doch dann regierte er Sachsen 45 Jahre lang, darunter den gesamten Dreißigjährigen Krieg hindurch. Im Vergleich zu dem emsigen Herzog Maximilian von Bayern war der „Bierjörge“ ein fauler Gesell, der die eine Hälfte seiner Zeit mit Jagen und Saufen verbrachte – und die andere mit Saufen und Jagen (zwischen 1611 und 1653 soll der Kurfürst sage und schreibe 113 629 Stück Wild erlegt haben). In die Geschichte ist Johann Georg als ein Stümper eingegangen, der das politische Kapital Kursachsens vergeudete, indem er es zuließ, dass andere ihn aus seiner Rolle als Wortführer der protestantischen Reichsstände verdrängten.206 Gewiss: Der neue Kurfürst überließ einen Großteil der Entscheidungen seinem Geheimen Rat, aber das hatten seine Vorgänger auch nicht anders gehandhabt. Zudem blieben die Räte bei der bestehenden politischen Linie, indem sie den Augsburger Religionsfrieden verteidigten. Die kursächsische Regierungspraxis beruhte zu einem nicht unwesentlichen Teil auf langwierigen Beratungen, bei denen die Räte dem Kurfürsten ihre Einschätzung der Lage mündlich vortrugen, was es äußerst schwierig macht, Johann Georgs Rolle bei der Entscheidungsfindung zu rekonstruieren. Es scheint, als habe er sich nur selten eingemischt und sei in der Regel den Empfehlungen seiner Bera-

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ter gefolgt. Diese wurden ihm stets als ein einmütiges Memorandum präsentiert, hinter dem sich mit Sicherheit bisweilen hitzige Vorgespräche verbargen. Daran, dass Johann Georg „Papisten“ und Calvinisten etwa gleichermaßen verabscheute, besteht kaum Zweifel; allerdings war er, wie Khlesl, durchaus in der Lage, zwischen seinen persönlichen Empfindungen und den pragmatischen Erfordernissen der Politik zu unterscheiden. Es bereitete ihm großes Vergnügen, auswärtige Würdenträger zu empfangen, bei denen er in der Regel auch einen günstigen Eindruck hinterließ. Ein Besuch des Kaisers Matthias war ein großer Erfolg für den Kurfürsten, aber Johann Georg kam sogar mit katholischen Hardlinern wie Ferdinand von Steiermark aus, der ein ebenso begeisterter Jäger war wie er. Allerdings fiel es ihm schwer, sich an mündlich gegebene Zusagen auch dann noch zu halten, wenn der Überschwang des Augenblicks verstrichen war und seine jovialen Versprechungen an den harten politischen Realitäten gemessen sein wollten. Friedrich V. von der Pfalz Während die politische Bierkultur Johann Georgs von Sachsen sich an der Vergangenheit des Reiches als eines Netzwerks persönlicher Kontakte orientierte, hatten sich die Weintrinker aus der Kurpfalz einem ganz anderen Leitbild verschrieben. Im Juli 1614 übertrug der Regent Johann II. von Pfalz-Zweibrücken die Regierungsgewalt im Kurfürstentum an den jungen Friedrich V. Der neue Kurfürst war ein ernsterer und in mancher Hinsicht talentierterer Mann als sein Vater, aber er war auch ehrgeiziger und eigensinniger als dieser.207 Er war fest davon überzeugt, dass eine katholische Verschwörung zur Ausrottung des deutschen Protestantismus im Gange sei, die das Reich auch formell in eine habsburgische Erbmonarchie verwandeln sollte. In Friedrichs Augen ließ sich die Verteidigung des Protestantismus nicht vom Kampf der Reichsfürsten um ihre Freiheiten trennen. Als standhafter Calvinist war er von der Rechtmäßigkeit seiner Sache dermaßen überzeugt, dass ihm der letztendliche Sieg des Protestantismus nur eine Frage der Zeit schien. Gott war auf seiner Seite, dessen war Friedrich sich sicher: „Lass meine Schritte fest sein, Herr, in deinem Wort“ – das war (nach dem 119. Psalm) sein Motto. In gesellschaftlicher und politischer Hinsicht jedoch war der Calvinismus Friedrichs weit entfernt von dem spartanischen Puritanertum, das sich zur selben Zeit unter den Stadtbürgern Englands und der Niederlande ausbreitete. Als der führende weltliche Kurfürst und Vertreter einer Familie, die in der Reichspolitik schon seit Langem eine gewichtige Rolle gespielt hatte, sah er sich nicht nur als ein Fürst, sondern als Gottes auserwähltes Werkzeug. Dieser herrscherliche Stolz wurde durch Friedrichs Heirat mit Elisabeth Stuart, der einzig überlebenden Tochter Jakobs I. von England, noch deutlich aufgebläht. Der Regent Johann II. hatte die Ehe 1611

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ausgehandelt, um die Protestantische Union mit der mächtigen Stuartmonarchie zu verbinden. Im April 1612 schlossen Jakob I. und die Union eine sechsjährige Allianz; im Mai 1613 folgte ein Bündnis mit den Niederländern auf sogar 15 Jahre. Friedrich reiste nach England, um seine Braut heimzuführen. Sein künftiger Schwiegervater ließ sich nicht lumpen und gab zu Ehren des jungen Kurfürsten ein Hochzeitsbankett, das 53 294 Pfund Sterling kostete. Ehrengast der Festlichkeiten war George Abbot, der puritanische Erzbischof von Canterbury, der sich im Vorfeld für die Verheiratung von Elisabeth und Friedrich eingesetzt und das Paar schließlich auch getraut hatte; nachdem Elisabeth im April 1613 in ihre neue Heimat abgereist war, führte er mit ihr einen Briefwechsel. Abbot sah – genau wie Christian von Anhalt – die Welt, wie er sie sehen wollte: Sein König Jakob war, wie es ihm schien, Mitglied einer internationalen Allianz im Kampf gegen den Antichrist. Tatsächlich war Jakob I. einer der ganz wenigen vollkommen vernünftigen Monarchen Europas: Frieden war ihm wesentlich lieber als Krieg. Aus seiner Sicht diente die Heirat seiner Tochter dazu, im Rahmen einer umfassenderen Strategie das Widerspiel verfeindeter Mächte in Europa auszutarieren. Nachdem er seine Tochter also im protestantischen Lager „untergebracht“ hatte, machte Jakob sich auf die Suche nach einer spanischen Braut für seinen Sohn, den späteren Karl I.208 Die Frischvermählten reisten standesgemäß, mit einem Gefolge von 4000 Mann, in 34 prächtig dekorierten Kähnen den Rhein hinauf und erreichten Heidelberg am 7. Juni. Ihre Ankunft bot einen willkommenen Vorwand für weitere Festivitäten, darunter auch ein Turnier, wie es seit der Hochzeit des Herzogs Johann Friedrich von Württemberg mit der Tochter des brandenburgischen Kurfürsten im Jahr 1609 Brauch unter den protestantischen Fürsten geworden war.209 Friedrich verkleidete sich bei solchen Anlässen gern als eine mythologische oder historische Figur aus der Antike; mit der jeweiligen Figurenwahl zielte er vor allem darauf ab, den habsburgischen Herrschaftsanspruch infrage zu stellen. So trat er etwa als Jason auf, der als Anführer der Argonauten das Goldene Vlies gestohlen hatte – der Orden vom Goldenen Vlies war jedoch der wichtigste Hausorden der Habsburger. Auch als Scipio Africanus, der Eroberer Karthagos, hatte er sich schon verkleidet – eine versteckte Drohung in Richtung Spanien, wo die moderne Stadt Cartagena lag, die zur Zeit Scipios Carthago Nova geheißen hatte. Die Wahl von Arminius („Hermann der Cherusker“) war da schon offensichtlicher, denn der hatte schließlich als germanischer Anführer im 1. Jahrhundert n. Chr. über Roms Legionen triumphiert – eine kaum verhüllte Anspielung auf die Habsburger und ihre „römische“ Religion. Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten von 1613 kam unter anderem ein Theaterstück zur Aufführung, in dem die

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allegorische Figur der Germania zusammen mit ihren sie umspielenden Nymphen (den Reichskreisen) einen gereimten Kommentar zu dem letzten Reichstag abgab und für dessen unbefriedigenden Ausgang die Spanier, die Jesuiten und die Kapuziner verantwortlich machte. Die Aussage dahinter war nur allzu deutlich: Die protestantischen Reichsfürsten standen fest zusammen für eine deutsche Einheit und Freiheit, die von böswilligen, auswärtigen Kräften bedroht wurde. Reich illustrierte Bücher über die Festivitäten sorgten dafür, dass diese Botschaft auch fern von Heidelberg gehört und verstanden wurde – Jakob I. erhielt sogar eine englische Übersetzung. Am Heidelberger Hof herrschte nun ein deutlich majestätischeres Klima als zuvor – immerhin war die neue Kurfürstin eine Königstochter. Die französische Sprache und Kultur hatten freilich schon vor 1613 am Neckar Fuß gefasst, denn der junge Kurfürst war am hugenottischen Hof des Herzogs von Bouillon in Sedan erzogen worden. Dies alles trug dazu bei, die Kurpfalz noch weiter vom Großteil der Reichsfürsten abzusondern, in deren späthumanistischer Welt noch immer Deutsch und Latein die Sprachen der Wahl waren und die ihre Ausbildung an deutschen Universitäten genossen hatten, wo nach wie vor das altüberlieferte Reichsrecht gelehrt wurde. Sie neigten eher dazu, zwischen Person und Krone zu unterscheiden, als dies in dem proto-absolutistischen Weltbild des französischen Hochadels vorgesehen war, wo der Monarch unter keinen Umständen kritisiert werden durfte.210 In diesem neuen Umfeld blühte der Einfluss Christians von Anhalt auf. Er hatte bereits während der Regentschaft ab 1610 freiere Hand bekommen als zuvor und nutzte diesen Spielraum, um eine Außenpolitik nach seinen eigenen Vorstellungen zu verfolgen. Die kurpfälzischen Räte waren auch nicht mehr die Jüngsten – und außerdem viel zu beschäftigt, um sich in Christians Leitung der Protestantischen Union einzumischen. Die eng mit den Niederlanden verbundenen Grafen aus den nassauischen Territorien und der Wetterau, die seit den 1580er-Jahren eine tragende Rolle in der kurpfälzischen Regierung gespielt hatten, verloren nach dem Abschluss des Zwölfjährigen Waffenstillstands 1609 ihr Interesse, denn nun drohte ihnen und ihren Verwandten ja keine unmittelbare Gefahr mehr. Schon zuvor waren sowohl Johann VI. als auch Johann VII. von Nassau aus kurpfälzischen Diensten geschieden; allein Graf Johann Albrecht von Solms-Braunfels diente dem Kurfürsten weiter als dessen Hofkanzler und nomineller Kopf der kurpfälzischen Regierung. Der Abschied vieler altgedienter Kräfte erzeugte ein Vakuum, das sich jedoch rasch füllte – auch wenn die neuen „starken Männer“ oftmals gar nicht offiziell ernannt worden waren. So geschah es etwa im Fall der Grafenbrüder Dohna aus dem Herzogtum Preußen, die nach 1606 eine maßgebliche Rolle bei der Erziehung des jungen Friedrich spielten,

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aber schon bald als Geheimbotschafter im Auftrag Christians von Anhalt umherreisten. Die Ermordung Heinrichs IV. von Frankreich brachte Christian endgültig zu der Überzeugung, Friedrich V. sei von Gott persönlich erwählt worden, um die Verschwörung der Katholiken ein für alle Mal zu zerschlagen. Beiden, Friedrich wie Christian, fiel es zunehmend schwer, über die paranoide Fantasiewelt des Heidelberger Hofes hinauszublicken – vor allem nachdem in den Jahren 1614– 21 eine Reihe von Traktaten erschienen war, die einem gewissen „Christian Rosenkreuz“ zugeschrieben wurden. Sie enthielten angeblich die Lehre der „Rosenkreuzer“, eines (fiktiven) Geheimbundes weiser und wohlmeinender Philosophen, die den Schlüssel zur Erkenntnis Gottes gefunden haben wollten und sich nun anschickten, die Menschheit in ein neues, aufgeklärtes Zeitalter zu führen. Allerdings war die ganze Sache eine Fälschung, erdacht von einem gewissen Johann Valentin Andreae, einem Sohn des orthodox-lutherischen Pfarrers und Superintendenten, der die Württembergische Landeskirche aufgebaut hatte. Christian von Anhalt, der sich schon seit Jahren in kabbalistische Schriften und sonstige Esoterik versenkte, glaubte den Schwindel ohne Weiteres: Das Rosenkreuzertum bestätigte ihn in seiner Überzeugung, die Protestantische Union sei von Gott erwählt, ein neues Zeitalter heraufzubringen. Der Reichstag von 1613 Friedrich V. und Christian von Anhalt hielten Ausschau nach einer Gelegenheit, die infolge der jülich-klevischen Krise verlorene Initiative zurückzugewinnen. Diese Gelegenheit war gekommen, als Matthias seinen ersten Reichstag einberief, der 1613 stattfinden sollte: Die erste Zusammenkunft des Gremiums seit dem Desaster von 1608 bot die Chance, durch das Inszenieren einer weiteren Krise die protestantischen Reichsstände geschlossen auf die Seite der Union zu ziehen. Der Reichstag von 1613 sollte außerdem die erste Bewährungsprobe für Bischof Khlesls Kompositionspolitik sein; zur Vorbereitung hatte er bereits im Vorfeld des Treffens eine ganze Reihe von Zugeständnissen lanciert, die alle moderaten Protestanten von seiner Aufrichtigkeit überzeugen und die Kurpfalz damit politisch isolieren sollten. So ordnete Khlesl eine Untersuchung aller Beschwerden über die Reichsgerichtsbarkeit an (einschließlich des Vierklösterstreits) und hob die Reichsacht gegen Aachen auf. Auch die Wiederzulassung des Administrators von Magdeburg zum Reichstag bedeutete einen ernsthaften Versuch, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen – war es doch sein Ausschluss gewesen, der 1588 den Zusammenbruch des Visitationsverfahrens am Reichskammergericht ausgelöst und in der Folge zu einem Rückstau von 300 unerledigten Berufungsverfahren geführt hatte. Um Missverständnissen vorzubeugen, schrieb Khlesl viele protestantische Reichs-

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stände, darunter auch Christian von Anhalt, vor Beginn des Reichstages persönlich an, um seinen innigen Wunsch nach einer friedlichen Einigung zu betonen. All dies beunruhigte natürlich die Katholiken, und auch manche von Khlesls Kollegen unter den hohen Würdenträgern der habsburgischen Länder stellten sich gegen die Vorschläge. Hans Ludwig von Ulm beispielsweise lehnte sie vehement ab, weil er sie für eine ungehörige Anbiederung an das protestantische Lager hielt. Seine Kritik hatte Gewicht, denn als Reichsvizekanzler war er der Verbindungsmann zwischen den habsburgischen Behörden in Wien und der Mainzer Reichskanzlei; die Reichskanzlei wiederum war (zumindest formalrechtlich) mit der Aufsicht über Institutionen wie den Reichstag betraut. Herzog Maximilian von Bayern wiederum argwöhnte – und das nicht zu Unrecht –, Khlesls Vorstoß solle auch die Katholische Liga isolieren beziehungsweise spalten; schon jetzt hatte er die größte Mühe, seine Autorität innerhalb der Allianz durchzusetzen. Ende Oktober 1611 hatte er 10 000 Bewaffnete auf das Gebiet des Erzstifts Salzburg geschickt und den Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau gefangen setzen lassen, weil dieser sich der Liga und dem bayerischen Einfluss überhaupt schon lange widersetzt hatte. Den Protest des Papstes, Raitenau sei doch ein guter Katholik, entkräftete Maximilian, indem er die Existenz von zehn Kindern enthüllte, die der Fürsterzbischof mit seiner langjährigen Mätresse Salome Alt gezeugt hatte. Bis zu seinem Tod sechs Jahre später blieb Raitenau also in seinem eigenen Palast gefangen. Das Salzburger Domkapitel mochte sich der bayerischen Autorität dennoch nicht beugen und wählte zum neuen Erzbischof einen Kandidaten, der ebenso entschlossen war, sich von einer konfessionellen Allianz tunlichst fernzuhalten.211 Am Rhein hatte der Bayernherzog mehr Erfolg: Nachdem ihr Onkel Ernst im Jahr 1612 gestorben war, verschaffte Maximilian seinem jüngeren Bruder Ferdinand nicht nur den Kölner Kurhut, sondern auch Ernsts weitere Bistümer. Ferdinand war mit neun Jahren in die Obhut der Jesuiten gegeben worden und wurde später zu einem der größten Förderer des Ordens. Seine religiösen Ansichten entsprachen eher denen seines post-tridentinisch gesinnten Bruders als jenen ihres gemeinsamen Onkels, der zeit seines Lebens ein „Renaissancekatholik“ geblieben war. Auch war Ferdinand noch vergleichsweise jung und unerfahren und fügte sich in der Regel dem Willen seines älteren Bruders – solange der ihn vorsichtig anpackte.212 Allerdings konnte selbst dieser bayerische Erfolg nicht verhindern, dass der Mainzer Kurfürst Schweikhard von Kronberg sich für die Aufnahme Kursachsens in die Liga und damit verbunden für die Schaffung eines dritten Direktoriums einsetzte. Das jedoch hätte nicht nur den konfessionellen Charakter des Bündnisses zerstört, sondern auch einen Beitritt der Habsburger ermöglicht. Von 1612 an machte sich Bischof Khlesl die Mainzer Forderung zu eigen, weil er sich davon entweder

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die Unterwerfung der Liga oder zumindest ihre Neutralisierung erhoffte. Maximilian hatte einen schweren Stand, als die Liga im März 1613 in Frankfurt zusammentrat (man wollte sich auf den anstehenden Reichstag vorbereiten) und er die Mitglieder davon überzeugen musste, sich dem Mainzer Ansinnen zu widersetzen. Sobald der Herzog das Treffen verlassen hatte, überzeugten die Mainzer Gesandten in einer gesonderten Sitzung die anderen Mitglieder davon, sich Khlesls Vorhaben anzuschließen. Zur gleichen Zeit trafen sich die Anhänger der Union in der protestantischen Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, wo Christian von Anhalt sie dazu bringen konnte, das radikale Programm der Kurpfalz für sich anzunehmen. Sie weigerten sich, ihren Bund aufzulösen, solange es die Liga gab, und wiederholten ihre mittlerweile wohlvertrauten Forderungen nach konfessioneller Parität, Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie der Restitution Donauwörths. Als sie im Sommer in Regensburg erneut zusammentraten – der Reichstag wurde am 13. August eröffnet –, hatten die meisten Mitglieder der Union ihren Text noch nicht vergessen und schlossen sich abermals der kurpfälzischen Gesandtschaft an, als diese im Protest den Saal verließ, weil man auf ihre Forderungen nicht sofort und vollumfänglich eingegangen war. Diesmal scherte jedoch der Herzog von Pfalz-Neuburg aus der Reihe, indem er sich dem Protestzug nicht anschloss, genauso wie Kursachsen und andere moderate Protestanten, die am 22. Oktober gemeinsam mit den katholischen Reichsständen das traditionelle Mehrheitsvotum für den Reichsabschied abgaben. Der Reichstag bewilligte darin begrenzte Mittel für die habsburgische Grenzverteidigung und legte fest, dass er im Mai 1614 erneut zusammentreten wolle, um die Gespräche über einen Kompromiss in der Religionsfrage wiederaufzunehmen. Das war gewiss ein dürftiges Ergebnis, aber es bewahrte zumindest einen Anschein von Einigkeit und vermied den Affront gegen die kaiserliche Autorität, mit dem der Skandalreichstag von 1608 geendet hatte. Doch auch Khlesl dürfte an diesem Punkt klar gewesen sein, dass er nichts erreichen konnte, solange Union und Liga existierten, und deshalb ließ er sich immer neue Ausreden einfallen, um den Reichstag auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Erst 1640 sollte er wieder zusammentreten. Die Habsburger und die Liga Khlesl bemühte sich nun, die konfessionellen Allianzen auf direkterem Wege zu unterminieren. Bei der Katholischen Liga hatte er (dem Mainzer Kurfürsten Schweikhard von Kronberg sei Dank) bereits einen Fuß in der Tür, also konzentrierte er seine Bemühungen in diese Richtung und arbeitete auf die Zersetzung der Liga hin – damit die Kurpfalz keinen Vorwand mehr hatte, die Protestantische Union noch länger aufrechtzuerhalten. Als die Liga nach dem Ende des Reichstages in Regensburg wieder zusammentrat,

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brachte Schweikhard seine schwächeren Mitstreiter dazu, die Bündnisurkunde der Liga neu aufzusetzen: Ihre schwäbischen Mitglieder wurden der bayerischen Aufsicht entzogen und fortan dem Erzherzog Maximilian von Tirol unterstellt, für den das bereits zuvor geplante dritte Direktorium geschaffen wurde. Außerdem sollte das Bündnis fortan unter der offiziellen Bezeichnung „gemeine (christliche) Defension“ firmieren, um jeden Anschein von konfessioneller Parteilichkeit zu vermeiden. Bei einem weiteren Treffen in Augsburg wurde diese Neuordnung im März 1614 bestätigt und die Gültigkeit der Bündnisurkunde um zunächst neun Jahre verlängert. Der neue „Direktor“ Maximilian neigte einer irenischen Politik der Aussöhnung zwischen den Konfessionen zu und hatte die Liga deshalb lange abgelehnt. Dann hatten ihn allerdings sein Vetter Karl, Markgraf von Burgau, und andere schwäbische Katholiken dazu gedrängt, sich doch zu beteiligen, und so übernahm der Erzherzog schließlich im April 1615 sein Direktorium. Die Hardliner unter den katholischen Ständen Schwabens, der Fürstbischof von Augsburg und der Fürstpropst von Ellwangen, zogen es vor, auch weiterhin dem bayerischen Direktorium des Bündnisses anzugehören, während die anderen schwäbischen Mitglieder des Bündnisses es schlicht unterließen, ihre Beiträge zu zahlen. Tirol konnte die Kosten aber unmöglich allein tragen, weshalb die bereits geschmiedeten Pläne für eine neue Landmiliz vorerst wieder in der Schublade verschwanden. Dennoch machte die habsburgische Beteiligung die Katholische Liga für die Interessen Bayerns unbrauchbar. Herzog Maximilian von Bayern musste einsehen, dass man ihn überlistet hatte, und schloss im März 1614 mit einigen seiner nächsten Nachbarn eine Schattenallianz, die auch dann noch fortbestand, nachdem er am 14. Februar 1616 von seinem Direktorium zurückgetreten war.213 Khlesl setzte sich rasch dafür ein, die verbliebenen Teile des Bündnisses so bald wie möglich abzuwickeln; am 3. April 1617 ordnete Kaiser Matthias die Auflösung der Katholischen Liga an. Der Niedergang der Liga lässt erahnen, wie stark das Kaisertum unter Matthias wieder geworden war; dass es auch gegen den Willen der Habsburger eine eigene katholische Fraktion unter bayerischer Führung geben könnte, schien mittlerweile unmöglich. Das Ende der Liga hielt die katholischen Fürsten aber auch davon ab, sich aufs Neue in den Erbstreit um Jülich-Kleve-Berg verwickeln zu lassen. Erneuter Streit um Jülich-Kleve-Berg (1614) Die Frage der jülich-klevischen Erbfolge war seit 1610 ungeklärt geblieben, weil der Besitz des Territoriums durch Brandenburg und Pfalz-Neuburg allein auf deren militärischem Sieg beruhte, nicht aber auf Rechtsansprüchen. Die Herrschaft der Possedierenden war zudem von den Landständen der Herzogtümer nicht völlig akzeptiert. Diese

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Unsicherheit erlaubte es Sachsen und anderen Anwärtern, ihre eigenen Forderungen zu erneuern. Die Protestantische Union war außerstande, eine Einigung zu vermitteln, weil die widerstreitenden Ansprüche in den Jahren 1610–14 in den Streit zwischen Zweibrücken und Pfalz-Neuburg über die Regentschaft der Kurpfalz verstrickt wurden. Im Februar 1613 bestätigte zwar Matthias die Belehnung Kursachsens mit den Territorien des jülich-klevischen Erbes, die sein Vorgänger Rudolf ausgesprochen hatte, war aber eigentlich nicht in der Position, diese Entscheidung auch durchzusetzen. Während in der ersten Runde des Streits zwei protestantische Erbanwärter sich gemeinsam gegen einen Einzug der Herzogtümer durch den Kaiser gestellt hatten, trug die Auseinandersetzung in ihrer zweiten Runde schon deutliche Anzeichen konfessioneller Polarisierung. Der kurbrandenburgische Statthalter in den vereinigten Herzogtümern, Markgraf Ernst, war 1610 zum Calvinismus konvertiert und bemühte sich nun überall dort, wo seine Truppen standen, um die Verbreitung seines neuen Glaubens. Der öffentliche Übertritt seines Bruders, des brandenburgischen Kurfürsten, muss drei Jahre später wirklich aus tiefer persönlicher Überzeugung erfolgt sein, denn er schwächte die Unterstützung, mit der Johann Sigismund vonseiten der lutherischen Fürsten in der Erbstreitfrage rechnen durfte. In der Zwischenzeit war Wolfgang Wilhelm, der Statthalter Pfalz-Neuburgs, ungeduldig geworden und hatte bereits 1609 geheime Gespräche mit Erzherzog Leopold aufgenommen. Auf die Ermunterung des spanischen Botschafters Zúñiga hin wandte Wolfgang Wilhelm sich an seine Wittelsbacher Verwandten in München und konvertierte am 19. Juli 1613 zum Katholizismus, ohne seinem Vater etwas davon zu sagen. Vier Monate später schloss seine Heirat mit Magdalene von Bayern, der jüngsten Tochter Herzog Wilhelms V., die heimliche Neuausrichtung Wolfgang Wilhelms ab. Im Jahr darauf, 1614, kam nach dem Tod des Vaters Pfalz-Neuburg in seine Hand.214 Bis Anfang 1614 war das Verhältnis zwischen den Possedierenden bereits so zerrüttet, dass die Vertreter Brandenburgs und Pfalz-Neuburgs nicht einmal mehr miteinander sprachen. Wolfgang Wilhelm gelangte zu der Überzeugung, die Brandenburger schmiedeten mit niederländischer Unterstützung ein Komplott gegen ihn, nachdem im Mai 300 niederländische Soldaten das Kontingent des Obristen Pithan in Jülich verstärkt und die pfalz-neuburgischen Truppen aus der Stadt verdrängt hatten, während im nahen Moers weitere Niederländer bereitstanden. Wolfgang Wilhelm konterte, indem er die brandenburgische Verwaltungsdelegation aus Düsseldorf ausweisen ließ und seinerseits 900 zusätzliche Soldaten anwarb. Dabei war alles nur ein unglückliches Missverständnis: Der neue brandenburgische Statthalter, Kurprinz Georg Wilhelm, plante zwar tatsächlich ein Komplott, aber die Niederländer dachten gar nicht daran, ihn zu

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unterstützen – tatsächlich hatte Johan van Oldenbarnevelt sich darum bemüht, die beiden zerstrittenen Parteien zu versöhnen, und die zusätzlichen niederländischen Truppen sollten dazu beitragen, eine erneute Eskalation des Konflikts zu verhindern. Im Juli entsandten die Niederländer weitere 2000 Mann nach Jülich, um die Lage zu stabilisieren; ihren finanziellen Einfluss nutzten sie derweil, um Brandenburg zu zügeln, das 3900 Söldner angeworben hatte, die es sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Peter Hoefyser, der Generalempfänger der niederländischen Admiralität, hatte den Brandenburgern dazu einen Kredit über 100 000 Gulden zu einem Zinssatz von acht Prozent vermittelt. Da Brandenburg aber noch nicht einmal die Zinsen bedienen konnte, musste es sich den Wünschen der Niederländer für die Region beugen.215 Weitere Missverständnisse folgten, denn die Spanier interpretierten den niederländischen Aufmarsch als eine Kampfansage und Infragestellung ihres eigenen Einflusses am Niederrhein. Erzherzog Albrecht und General Spinola entschieden, dass es nun wohl einer Machtdemonstration bedurfte, um die Niederländer zum Einhalten des Zwölfjährigen Waffenstillstandes zu bewegen. Da der Herzog von Lerma noch immer in Italien beschäftigt war, mobilisierten sie auf eigene Faust 13 300 Infanteristen und 1300 Kavalleristen der Flandernarmee. Als die Soldaten schließlich bereit waren, hatte sich gezeigt, dass Oldenbarnevelt einen Krieg in Wirklichkeit gerade vermeiden wollte, aber nun war es zu spät, die Truppen wieder nach Hause zu schicken, ohne dabei selbst das Gesicht zu verlieren. Am 22. August 1614 brach Spinola mit seinem Heer aus Maastricht auf; zwei Tage später erreichten sie Aachen, wo der General zur Erklärung seines Erscheinens die willkommene Ausrede vorbrachte, er wolle ein erneutes kaiserliches Mandat gegen den protestantischen Magistrat der Stadt vollstrecken. Er zog dann rasch nach Düren weiter und schloss sich den Truppen Wolfgang Wilhelms bei der Besetzung der Herzogtümer Jülich und Berg an. Die gesamte Aktion verlief weitgehend unblutig, weil alle beteiligten Parteien sich tunlichst aus dem Weg gingen. Immerhin griff Spinola den strategisch wichtigen Flussübergang von Wesel an, der seit 1611 unter niederländischer Besatzung stand, aber die Garnison ergab sich am 5. September, nachdem gerade einmal 36 Schüsse gefallen waren. Unterdessen sicherte Moritz von Oranien mit einem ungefähr gleich starken niederländischen Heer das restliche Herzogtum Kleve, besetzte die Grafschaft Mark und verstärkte die Garnison von Jülich. Am 13. Oktober wurden in Xanten (also auf klevischem Territorium) Verhandlungen aufgenommen, die am 12. November zum Abschluss eines vorläufigen, unter französischer und englischer Vermittlung ausgehandelten Teilungsvertrages führten. Das Erbe wurde, entsprechend den historischen Verbindungen der größten vier unter den umstrittenen Territorien, als Jülich-Berg und Kleve-

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Mark in zwei Stücke geteilt. Da Kleve und Mark kleiner waren als Jülich und Berg, wurden ihnen noch Ravensberg und Ravenstein zugeschlagen, obwohl die Grafschaft Ravensberg formell mit Jülich assoziiert gewesen war. Brandenburg und Pfalz-Neuburg sollten daraufhin Lose ziehen, um zu bestimmen, wer welches Paket bekommen würde. Da die vorgeschlagene Teilung in etwa der Situation vor Ort entsprach, rechtfertigte der geschlossene Vertrag im Grunde die Interventionen der Spanier und Niederländer. Brandenburg löste seine Besatzungstruppen bis 1616 vollkommen auf, die pfalz-neuburgischen Kontingente wurden zumindest stark reduziert. Spanien und die Republik der Vereinigten Niederlande willigten ebenfalls ein, den größeren Teil ihrer Truppen abzuziehen; nur in den Städten, die sie erobert hatten, behielten sie Garnisonen zurück. Diese Garnisonen wurden 1615/16 noch einmal durch kleinere Truppenbewegungen modifiziert, als die beiden Erbanwärter Garantien gegen ein erneutes militärisches Eingreifen von außen vereinbaren wollten. Spanien hatte durch die Intervention im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit seine strategische Position in Nordwesteuropa beträchtlich verbessert: Insgesamt waren 10 Städte im Herzogtum Kleve, 28 im Herzogtum Jülich und 24 auf den Territorien von Berg und Mark unter spanische Besatzung gekommen. Die Einnahme der drei wichtigen Rheinübergänge Wesel, Rheinberg und Orsoy verschaffte den Spaniern einen bedeutenden Vorteil und ermöglichte wieder die Kommunikation mit ihren anderen Garnisonen östlich der Ijssel, die 1610 durch den Vorstoß der Niederländer abgeschnitten worden waren. Die niederländische Garnison in Jülich war zwar verstärkt worden, lag nun aber völlig isoliert da; die Gebietsgewinne der Republik waren weniger bedeutend als die der Spanier. Moritz von Oranien hatte den Rheinübergang von Emmerich im Herzogtum Kleve eingenommen, dazu die meisten Städte der Grafschaft Mark. Auch ließ er nun auf dem Kemper Werth zwischen Bonn und Köln eine Festung bauen, die spöttisch „Pfaffenmütz“ genannt wurde und zur Einschüchterung des Kölner Kurfürsten dienen sollte. Dennoch wurden seine Stellungen zu beiden Seiten von spanischen Kräften in die Zange genommen. Sowohl Spanien als auch die Niederlande waren gegen ihren Willen in die jülich-klevische Krise hineingezogen worden, und obwohl sie durchaus Gewinn aus ihr schlugen, zeigten beide verfeindeten Parteien nur wenig Kampfeslust. Bis zum Auslaufen des Zwölfjährigen Waffenstillstands im April 1621 vermieden ihre Garnisonen jegliche Konfrontation. Das Reich kommt wieder zu Kräften Die Krise wirkte sich zu Khlesls Gunsten aus, denn sie schwächte die Protestantische Union ganz ohne sein Zutun: Nicht nur lief Pfalz-Neuburg nach der Konversion seines Fürsten zur Katholischen

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Liga über, sondern auch andere Mitglieder stellten ihre Beitragszahlungen ein. Allein Brandenburg war der Union bis Dezember 1613 160 000 Gulden schuldig geblieben und weigerte sich, diese Schuld zu begleichen – schließlich sei die brandenburgische Intervention in Jülich im Interesse der gemeinsamen Sache geschehen. Nachdem der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 1615 wieder einmal versucht hatte, die Stadt Braunschweig in seine Gewalt zu bringen, schwanden die letzten Aussichten dahin, die norddeutschen Protestanten für eine Mitgliedschaft in der Union zu gewinnen. Auch auf der Reichsebene geriet die Kurpfalz zunehmend in die Defensive, weil der zweite Protest-Auszug der Unionsanhänger aus dem Reichstag zu deren politischer Isolation geführt hatte. Bereits 1614 hatte ein protestantischer Richter am Reichskammergericht den bis dato völlig beispiellosen Schritt unternommen, von seinem Richteramt zurückzutreten. Auslöser war gewesen, dass der Vorsitzende Kammerrichter, ein Katholik, mit der geheiligten Tradition gebrochen hatte, religiöse Streitfälle durch eine konfessionell ausgewogene Revisionskommission begutachten zu lassen.216 Allerdings konnte die Kurpfalz aus dieser Affäre keinen politischen Gewinn schlagen, weil viele Protestanten inzwischen – durch Khlesls Bemühungen – mit der Reichsgerichtsbarkeit ausgesöhnt waren. Nach 1612 gingen die Beschwerden über Verletzungen des Religionsfriedens drastisch zurück, während die Zahlen der beim Reichshofrat vorgebrachten Streitfälle in die Höhe schnellten: von unter 200 zu Beginn des Jahrzehnts auf 440 im Jahr 1618. Diese erhöhte Auslastung des Reichshofrats sollte jedoch nicht als Signal wachsender Spannungen gedeutet werden, sondern als ein Anzeichen für die wieder zunehmende Bereitschaft seitens der Reichsfürsten, ihre andauernden Familien- und Lehnsstreitigkeiten der kaiserlichen Gerichtsbarkeit anzuvertrauen. Erbstreitigkeiten wie jene in Jülich-Kleve-Berg, Hessen oder Baden sah man gerade nicht mehr im schlichten Schwarz-Weiß-Schema des konfessionellen Gegensatzes – selbst die Kurpfalz gab ihren Widerstand gegen die ungeliebten Reichsgerichte auf und ließ sie 1615 einen Grenzstreit mit ihrem Nachbarn, dem Fürstbischof von Speyer, entscheiden. Diese Entwicklung beruhte ganz maßgeblich auf Matthias’ zwangloserem Regierungsstil. Anders als Rudolf nahm er die Ratschläge etwa Kursachsens an und sorgte dafür, dass der Reichshofrat in kontroversen Fällen zunächst die Meinung der Kurfürsten einholte, bevor er sein Urteil fällte.

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Der Uskokenkrieg und die habsburgische Erbfolge (1615–17) Die größte Bedrohung für den Frieden im Reich ging nicht etwa von konfessionellen Spannungen aus, sondern von der fortwährenden Unsicherheit mit Blick auf die habsburgische Erbfolge. Die Situation spitzte sich zu, als die Konfrontation an der osmanisch-habsburgischen Grenze sich erneut in Gewalt entlud; die nun folgenden Kampfhandlungen waren deutlich heftiger als alles im JülichKlevischen Erbfolgestreit Geschehene.217 Der unbefriedigende Ausgang des Türkenkrieges hatte dazu geführt, dass die ohnehin übervölkerte Uskokenkolonie von Senj noch zahlreiche neue Flüchtlinge an die Adriaküste zog. Verantwortlich für diesen Abschnitt der Militärgrenze war der spätere Kaiser Ferdinand in seiner Eigenschaft als Erzherzog von Innerösterreich. Senj konnte er nicht einfach aufgeben, weil 1592 schon das nicht allzu weit entfernte Bihać in türkische Hand gefallen war. Die Erneuerung der Waffenruhe mit dem Sultan machte es 1615 indes erforderlich, dass die Osmanen fortan nicht mehr durch Streifzüge und Überfälle im Grenzgebiet provoziert würden, was die habsburgischen Amtleute in der Region darauf brachte, die Wegelagerei der Uskoken ganz einfach in Piraterie auf der Adria umzumünzen. Schon bald stellten die Uskoken eine ernste Bedrohung für venezianische und andere Handelsschiffe dar. In Venedig war man ohnehin verstimmt darüber, dass die Habsburger sich nördlich und östlich der venezianischen Besitzungen an der Adria breitgemacht hatten; schließlich hinderte dies die Markusrepublik daran, auch in das Landesinnere vorzustoßen. Nachdem Habsburg die Grafschaft Görz an sich gebracht und damit über die Häfen Istriens Zugang zur Adria erlangt hatte, war zugleich der venezianische Exklusivanspruch auf das dominium culfi bedroht, wie die See- und Handelshoheit im Golf von Venedig und in der gesamten Adria auch bezeichnet wurde. Venedig nahm die Piraterie der Uskoken zum Vorwand, den Triester Kaufleuten horrende Zölle abzuverlangen, und hoffte, deren ärgerliche Handelskonkurrenz damit auszuschalten. Ferdinand war erpicht, die Angelegenheit friedlich zu regeln, aber ihm fehlten schlicht die Mittel, um den Piraten aus Senj Einhalt zu gebieten. Also verschärften die Venezianer ihre Seeblockade und rüsteten sich zum Krieg. Als Handelsrepublik pflegte Venedig in Glaubensfragen eine pragmatische Haltung, zumindest im Umgang mit auswärtigen Mächten. So schlossen die katholischen Venezianer nun Bündnisse mit den protestantischen Engländern und Dänen, deren Schiffe ebenfalls unter den Überfällen der Uskoken-Piraten zu leiden hatten. Auch mit der Protestantischen Union wurde ein Abkommen getroffen, wonach die Union Truppen zur Verfügung stellen sollte. Die protestantischen Schweizer wiederum sollten die Alpenpässe

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sperren, um die Verlegung habsburgischer Verstärkungen an die Adria zu verhindern. Da die Spanier noch durch den Mantuanischen Erbfolgekrieg gebunden waren und Kaiser Matthias mit seinen Angelegenheiten im Reich mehr als genug zu tun hatte, waren die Venezianer zuversichtlich, mit dieser Art von „Kanonenbootdiplomatie“ rasch Erfolg zu haben. Am 20. Dezember 1615 eskalierte das Säbelrasseln zum offenen Krieg, als venezianische Truppen den schmalen Streifen österreichischen Territoriums westlich des Isonzo besetzten; erst die kleine Garnison von Gradisca hielt ihren Vormarsch auf. Die Offensive der Venezianer kam genau dort zum Stehen, wo sich Italien und Österreich-Ungarn 300 Jahre später in den großen Isonzoschlachten des Ersten Weltkriegs gegenüberstehen sollten. Bis zum Februar 1616 hatten die Venezianer 12 000 Mann zusammengezogen und konnten Gradisca damit einer „ordentlichen“ Belagerung unterziehen. Zudem durften sie auf die Hilfe der Einheimischen aus dem osmanisch regierten Bosnien bauen, denn diese waren das uskokische Raubwesen ebenfalls gründlich leid. Binnen Kurzem verzehnfachte sich die Häufigkeit osmanischer Überfälle im Grenzgebiet, wodurch die kroatisch-slowenischen Milizen dort gebunden wurden und von Ferdinand nicht an den Isonzo verlegt werden konnten. Mit gerade einmal 600 deutschen und einer ähnlichen Anzahl von uskokischen Kämpfern war der Erzherzog gezwungen, in der Defensive zu bleiben. Von den innerösterreichischen Landständen erhielt er etwas Geld und einige Milizkontingente zur Verstärkung; darüber hinaus wollten die Stände mit dem Konflikt jedoch nichts zu tun haben und warfen Ferdinand vor, sich dieses Unheil selbst eingehandelt zu haben. Die Lage war ernst, da eine Niederlage Ferdinands es den Ständen ermöglicht hätte, dessen hart umkämpfte Rekatholisierungspolitik erneut infrage zu stellen. Die Garnison von Gradisca hielt jedoch durch, während ihre venezianischen Belagerer durch Krankheiten dahingerafft wurden. Bei Einbruch des Winters hatte sich der Belagerungsring bereits gelockert. Für das neue Jahr 1617 intensivierten die Venezianer ihre Bemühungen allerdings wieder, ernannten einen neuen Befehlshaber für ihre Truppen und verstärkten diese durch 3000 niederländische Söldner unter dem Kommando Johann Ernsts von Nassau-Siegen. Bis Mai 1617 standen im venezianischen Lager wieder 16 000 Mann. Bald darauf erreichten 2000 weitere niederländische Söldner Gradisca, denen im November noch englische Truppen folgten; zugleich stieß ein starkes englisch-niederländisches Geschwader zu den 86 Schiffen der venezianischen Flotte. Man hat die starke Unterstützung Venedigs durch die Engländer und Niederländer dahingehend bewertet, dass die Konsolidierung verfeindeter Bündnisblöcke zumeist entlang konfessioneller Trennlinien den Ausbruch eines großen europäischen Konflikts deutlich näher gebracht habe.218 Ganz bestimmt haben das

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die Militanten auf allen Seiten damals so gesehen – aber weder Engländer noch Niederländer wollten einen offenen Bruch mit Spanien riskieren, und so blieb der Uskokenkrieg trotz englischer und niederländischer Beteiligung eine weitgehend österreichisch-venezianische Angelegenheit. Die 22 englischen und niederländischen Schiffe beispielsweise segelten unter venezianischer Flagge und waren – wie die Soldaten – nicht zur freiwilligen Waffenhilfe unter Verbündeten entsandt, sondern für Geld angeworben worden. Die Truppen waren sämtlich über das Meer gekommen, weil der spanische Gouverneur von Mailand – ganz im Sinne der offiziellen Neutralitätspolitik seiner Regierung – die südlichen Ausgänge der Alpenpässe blockiert hielt. Die spanische Beteiligung an dem Konflikt beschränkte sich mithin auf die Aktivitäten des Vizekönigs von Neapel, Pedro Téllez-Girón, Herzog von Osuna, der jedoch auf eigene Faust handelte, ohne aus Madrid dazu ermächtigt worden zu sein. In Neapel sah man die Handelsdominanz der Venezianer mit wachsender Verärgerung, weshalb schon 1617 neapolitanische Freibeuter auf die Adria geschickt worden waren, die den Handelsschiffen aus Venedig das Leben schwer machen sollten. Die Ankunft des englisch-niederländischen Geschwaders trieb die Freibeuter in ihre Häfen zurück und veranlasste Osuna, an ihrer Stelle die reguläre neapolitanische Kriegsflotte auslaufen zu lassen. Diese stellte die Venezianer am 20. November 1617 zu einer ergebnislosen Seeschlacht, um sich dann wieder zurückzuziehen.219 Philipp III. billigte Osunas Vorgehen nicht, weil er nach dem Streit um die Markgrafschaft Montferrat keinen weiteren Konflikt in Italien ausfechten wollte. Spanien und die habsburgische Erbfolge Das Hauptinteresse Philipps III. im Uskokenkrieg war auch überhaupt nicht die Beteiligung niederländischer und englischer Kräfte, sondern die potenzielle Rückwirkung des Konflikts auf die habsburgische Erbfolge. Bereits im Nachklang von Leopolds Scheitern in Jülich 1610 hatte der spanische Botschafter am Prager Kaiserhof, Zúñiga, auf die Problematik der Erbfrage hingewiesen. In Madrid drehte sich alles darum, möglichst umfassende eigene Ansprüche auf den Besitz der österreichischen Habsburger anzumelden – und auch für den Rest einen geeigneten Kandidaten zu finden. Philipp III. hatte, wie seine Räte glaubten, einen gut begründbaren Anspruch auf die Stephans- und die Wenzelskrone, weil seine Mutter, Anna von Österreich, ihre Anrechte auf Ungarn und Böhmen nie aufgegeben hatte.220 Philipp, der überzeugt war, dass seine reputación darunter leiden würde, wenn er auf diesen Erbanspruch verzichtete, wollte seine österreichischen Verwandten nun dazu bringen, ihn offiziell als Oberhaupt des Hauses Habsburg anzuerkennen.

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Allerdings waren die spanischen Minister uneins darüber, wie man dies bewerkstelligen sollte. Die einen hielten sich an den Mythos vom europäischen Großreich Karls V. und schlugen vor, Philipp solle doch gleich das ganze habsburgische Erbe für sich beanspruchen und sich selbst oder seinen ältesten Sohn als den nächsten Kaiser vorschlagen. Andere waren realistischer und sprachen sich dafür aus, die formal bestehenden spanischen Anrechte gegen strategische Zugeständnisse der österreichischen Habsburger einzutauschen. Die Erzherzöge sollten dazu gebracht werden, den Verpflichtungen nachzukommen, die ihnen – zumindest nach spanischer Interpretation – der Burgundische Vertrag von 1548 auferlegte; dieser schien nämlich zu besagen, dass die aufständischen Niederländer auch weiterhin dem Heiligen Römischen Reich angehörten und wegen ihres Landfriedensbruchs deshalb vom Reich bestraft werden mussten. Obwohl der Zwölfjährige Waffenstillstand diesem Punkt vorerst seine Dringlichkeit nahm, sollte er während des Dreißigjährigen Krieges zum rechtlichen Hauptargument der Spanier avancieren, wenn sie von ihren österreichischen Verwandten Waffenhilfe im Kampf gegen die Niederländer verlangten. Zunächst waren Philipps Minister jedoch der Ansicht, Österreich solle zumindest etwas von seinem Territorium an Spanien abtreten, zur Sicherung des spanischen Herrschaftsbereichs im Allgemeinen und der Spanischen Straße im Besonderen. Welche Gebiete dies konkret sein sollten, darüber gingen die Meinungen wieder auseinander. Manche Berater äußerten Zweifel daran, dass die Erzherzöge jemals einen Teil ihrer Erblande aus der Hand geben würden, und schlugen stattdessen vor, für Spanien gewisse Teile der ligurischen Küste als Reichslehen zu beanspruchen, um so die spanische Position in Italien zu festigen. Die Gegenpartei unter der Führung des Generals Spinola indes wollte die Abtretung des Elsass und Tirols verlangen, um so den Mittelteil der Spanischen Straße unter spanische Kontrolle zu bringen. Beide Seiten wollten mit dem Heiligen Römischen Reich nur so weit zu tun haben, wie es den Interessen der spanischen Krone entsprach. Folglich musste sich Spanien auf einen Kandidaten festlegen, den es als Nachfolger Matthias’ auf dem Kaiserthron unterstützen würde, um zu verhindern, dass die Probleme Mitteleuropas wie bei einem Flächenbrand auch auf Flandern oder Italien übergriffen, die ja Teil der spanischen Einflusssphäre waren. Das unberechenbare Verhalten des Erzherzogs Leopold schloss ihn von vornherein aus, während Maximilian im Oktober 1612 zugunsten seines Bruders Ferdinand auf seine eigenen Ansprüche verzichtet hatte. Da dieser einzig brauchbare Kandidat nun aber gerade in seinen Krieg mit den Venezianern verwickelt war, beschlossen die Spanier, Matthias zu einer raschen Anerkennung Ferdinands als Nachfolger zu drängen, bevor die Kurfürsten sich auf eine – aus spanischer Sicht – weniger angenehme Alternative verständigten.

8. Am Rande des Abgrunds?

Die spanische Einmischung durchkreuzte Khlesls Plan, die Klärung der Erbfolgefrage so lange aufzuschieben, bis seine Kompositionspolitik erste Erfolge gezeitigt haben würde. Der Bischof griff nun zu schmutzigen Tricks, um nicht nur Ferdinand zu desavouieren, sondern auch dessen Vetter Albrecht, der sich unter deutschen Katholiken noch immer beträchtlicher Sympathien erfreute. Zunächst ließ er 1616 Christian von Anhalt die Details eines Plans zuspielen, der zwei Jahre zuvor vom Präsidenten des Reichshofrates ausgearbeitet worden war und vorsah, dass Albrecht an der Spitze eines Heeres von Brüssel nach Deutschland hineinziehen sollte, um gemeinsam mit den Kräften der Liga die kaiserliche Autorität wiederherzustellen. Damit blieb als Aspirant auf den Kaiserthron nur noch Ferdinand übrig, dessen Position im Uskokenkrieg Khlesl heimlich unterminierte, indem er den Abmarsch von Verstärkungstruppen aus Österreich verzögerte. Es ist nicht auszuschließen, dass eine gewisse persönliche Abneigung des Bischofs gegen den Erzherzog dabei eine Rolle spielte; aber wahrscheinlich war Khlesl eher von der Überzeugung angetrieben, dass eine offene Unterstützung Ferdinands alle Hoffnung auf eine friedliche Komposition mit den Protestanten zunichtemachen würde. Es erscheint jedenfalls verdächtig, dass der Große Rat der Republik Venedig 1616 beschloss, Khlesl ein Geldgeschenk von 8000 Scudi zu machen. Die Situation hatte sich inzwischen durch die Phantomkandidatur Maximilians von Bayern weiter verkompliziert, dessen Name schon in den 1590er-Jahren die Runde gemacht hatte, wo immer über den nächsten Kaiser spekuliert wurde. Christian von Anhalt missverstand den Rücktritt Maximilians vom Direktorium der Katholischen Liga als ersten Schritt in Richtung eines überkonfessionellen, antihabsburgischen Schulterschlusses. Im Mai 1616 wandte er sich mit dem Vorschlag an den Bayernherzog, Union und Liga zu vereinen, um gemeinsam eine habsburgische Nachfolge im Reich zu verhindern. Ungeachtet Maximilians höflicher, aber bestimmter Zurückweisung dieses Ansinnens ließ Christian nicht von seiner närrischen Idee ab und brachte schließlich sogar den Pfälzer Kurfürsten Friedrich V. so weit, im Februar 1618 zu Gesprächen nach München zu reisen. Mittlerweile hatte Maximilian begonnen, das Spiel mitzuspielen, weil er damit die Habsburger in diversen Gebietsstreitigkeiten unter Druck setzen konnte und hoffte, ihnen auf diese Weise Zugeständnisse zugunsten Bayerns abpressen zu können. Friedrich verließ München nicht nur mit dem – vollkommen falschen – Eindruck, dass Maximilian sich zur Wahl stellen würde, sondern war sogar felsenfest davon überzeugt, der Herzog werde sich zum Protestantismus bekennen!221

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Der Oñate-Vertrag (1617) Khlesls Weigerung, der spanischen Krone österreichisches Territorium abzutreten, zwang die Spanier, ihre Forderungen im Hinblick auf Tirol fallen zu lassen und sich stattdessen auf die vorderösterreichischen Gebiete von Elsass und Breisgau zu konzentrieren, über die gerade der Erzherzog Maximilian herrschte, ein Mann ohne direkte Erben. Ferdinands Gegenangebot – die Häfen an der Adriaküste nebst einem großen Stück Innerösterreich – wies Madrid als für die Interessen der spanischen Krone irrelevant zurück. Matthias’ schlechter Gesundheitszustand sowie die Uskokenkrise zwangen Ferdinand schließlich dazu, mit den spanischen Habsburgern eine Reihe von Vereinbarungen zu „weichen“ Konditionen zu treffen. Die einzelnen Abkommen werden zusammen auch als Oñate-Vertrag bezeichnet – nach dem spanischen Chefunterhändler Graf Oñate. Die öffentlichen Vereinbarungen vom 6. Juni 1617 enthielten den formellen Verzicht Philipps III. auf Böhmen und Ungarn, gaben seinen Söhnen dafür aber den Vortritt vor Ferdinands Töchtern, was etwaige zukünftige Forderungen betraf. Außerdem wurde vereinbart, dass Spanien zu einem späteren Termin mit einer nicht näher benannten „Oesterreichischen Provintz“ entschädigt werden solle.222 Matthias stimmte dem zu, als man es ihm vorlegte, aber weder er noch die anderen Erzherzöge wussten von einer streng geheimen zweiten Zusage aus dem März desselben Jahres, die Ferdinand am 29. Juli ratifizierte. Darin verpflichtete er sich, die österreichischen Anteile des Elsass sowie die am rechten Ufer des Oberrheins gelegene Ortenau an Spanien abzutreten, sobald er sie von seinem Vetter Maximilian geerbt haben würde. Außerdem sollte Ferdinands ältester Sohn – ebenfalls Ferdinand mit Namen – Philipps Tochter Maria Anna heiraten; andeutungsweise war auch davon die Rede, dass Spanien mit gewissen oberitalienischen Reichslehen belehnt werden sollte. Bis zum Februar 1619 wussten allein Ferdinand und sein Berater Eggenberg von dieser Vereinbarung; ohne sie hätte Ferdinand wohl kaum Matthias’ gesamtes Erbe erhalten. Jetzt konnte er unbesorgt seine Verhandlungen mit der katholischen Partei in Böhmen aufnehmen, um sich die Wenzelskrone zu sichern – und musste nicht befürchten, dass die Spanier ihm Steine in den Weg legen würden. Oberstkanzler Lobkowitz brachte die böhmischen Protestanten dazu, ihre Einwände gegen Ferdinand zurückzuziehen; im Gegenzug schien dieser den Majestätsbrief seines Vetters Rudolf zu bestätigen. Mit der nötigen Zustimmung Matthias’ wurde Ferdinand am 29. Juni 1617 zum König von Böhmen gekrönt. Das Ende des Uskokenkrieges Ferdinands Zugeständnisse an den Sonderbotschafter Oñate fielen zeitlich mit dem Beginn der lang erwarteten venezianischen Großoffensive am Isonzo zusammen. Die Verteidiger von Gradisca wehr-

8. Am Rande des Abgrunds?

ten sich nach Kräften, und Ferdinand bemühte sich fieberhaft um Verstärkung. Sein Schwager aus Bayern sandte etwas Geld und Schießpulver, während die Landstände Innerösterreichs endlich die dringend benötigten Mittel bewilligten und Khlesl seinen Widerstand gegen die Aushebung von Truppen in Matthias’ Territorien aufgab. Als König von Böhmen verfügte Ferdinand über eine wesentlich bessere Bonität als zuvor und konnte so bis zum Ende des Jahres 4000 Mann zusammenziehen. Sobald ihm Geld zur Verfügung stand, wandte Ferdinand sich an seine Kontaktleute aus dem Türkenkrieg – Marradas, Dampierre und Colloredo. Wallenstein ergriff die Chance, seiner Karriere einen Schub zu geben, und traf mit 260 Mann in Ferdinands Lager ein. Seine Leute hatten sich auf dem ganzen langen Weg aus Mähren buchstäblich quer durch das Land geplündert, ja den Bauern noch die Kleider vom Leib geraubt. Auch Aldringen war bereits mit von der Partie, und zwar als Fähnrich in einem Infanterieregiment; andere Beteiligte wie Torquato Conti und Otto Heinrich von Fugger sollten im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges ebenfalls Berühmtheit erlangen. Als Ferdinand kaum ein Jahr später mit dem Böhmischen Aufstand konfrontiert war, folgten viele dieser Männer seinem Ruf erneut. Obwohl zahlenmäßig im Verhältnis vier zu eins überlegen, gelang es den Venezianern nicht, die österreichischen Verteidigungsstellungen entlang der Isonzolinie zu brechen. Ferdinand wollte den aussichtslosen Krieg unbedingt beenden, um sich voll und ganz auf seine bevorstehende Königs- und Kaiserwahl konzentrieren zu können. Ein Vermittlungsangebot der Franzosen und Spanier nahm er deshalb an, woraufhin am 26. September 1617 der Frieden von Madrid geschlossen wurde. Die Venezianer erklärten sich zum Rückzug bereit, sofern im Gegenzug die Habsburger für eine Umsiedlung der Uskoken in das Landesinnere sorgen würden. Die Serenissima Repubblica verringerte also ihre Truppenpräsenz – unter anderem durch die Entlassung der niederländischen und englischen Söldnerverbände, die inzwischen ohnehin zu meutern begonnen hatten –, während Ferdinand seine Kräfte zunächst auf 1000 Mann reduzierte und diese dann verwendete, um die Uskoken bis Juni 1618 entlang der Militärgrenze nach Nordosten zu treiben. Venedig hatte nun freie Hand, sich mit den lästigen Neapolitanern auseinanderzusetzen, die schon seit Langem ein Komplott zum Sturz der Republik planten. Die Marineoperationen auf der Adria wurden ausgeweitet, bis schließlich 1620 Philipp III. den Herzog von Osuna verhaften und einsperren ließ, weil dieser sich gegen die spanische Krone verschworen habe, um sich selbst zum unabhängigen Fürsten von Neapel ausrufen zu lassen.

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Die Pfalz spielt mit dem Feuer Während die habsburgische Erbfolgefrage sich also nach und nach zugunsten Ferdinands klärte, hatte Christian von Anhalt seine liebe Not damit, den Kampfgeist der radikalen Protestanten im Reich aufrechtzuerhalten. Bei der Zusammenkunft der Protestantischen Union im April 1617 in Heilbronn begehrten die Reichsstädte auf und verlangten zuerst umfassende Zugeständnisse, bevor sie einer Fortsetzung des Bündnisses auch gegen den ausdrücklichen Auflösungsbefehl des Kaisers zustimmen mochten. Diese Zugeständnisse umfassten ein Vetorecht der Reichsstädte bei künftigen Militäraktionen sowie das Verbot von Hilfsaktionen für Fürsten, die selbst nicht Mitglieder der Union waren. Im Gegenzug erklärten sich die Reichsstädte zu einer Verlängerung der Allianz um drei Jahre ab dem Auslaufen des ursprünglichen Bündnisvertrags 1618 bereit. Brandenburg trat aus Entrüstung über diese Zugeständnisse aus der Union aus, während etwa Landgraf Moritz von Hessen-Kassel gar nicht erst an dem Treffen teilnahm, weil ihm die Protestantische Union keinerlei Vorteile zu bieten schien. Diese ernüchternden Resultate trieben Christian von Anhalt nur in immer tiefere Täuschungsmanöver hinein, und obwohl die Union bis 1621 noch weitere elf Male zusammentreten sollte – wesentlich häufiger als zuvor –, handelte es sich dabei nicht mehr um die früheren Plenarversammlungen, sondern um persönliche Treffen im kleinen Kreis, an denen die Kernmitglieder Kurpfalz (vertreten durch Christian von Anhalt), Württemberg, Ansbach und BadenDurlach teilnahmen. Anhalt hatte das Netz seiner geheimen Kontakte schon 1616 erweitert, indem er Christoph von Dohna nach Prag geschickt hatte, um mit den böhmischen Radikalen zu verhandeln, während andere Emissäre zum Baron Tschernembl nach Oberösterreich sowie nach Savoyen und Venedig ausgesandt wurden.223 Die Apokalypse naht Ein solches Vorgehen ergibt nur dann Sinn, wenn man es aus der zunehmend fieberhaften Atmosphäre des kurpfälzischen Hofes betrachtet, wo sich mit dem Anbruch des neuen Jahrhunderts ein eifernder Millenarismus breitgemacht hatte. Derartige Endzeiterwartungen hatten im Christentum eine lange Tradition, von der sich das Papsttum jedoch in den tridentinischen Dekreten distanziert hatte, ähnlich wie die Lutheraner in ihrem Konkordienbuch. Das calvinistische Establishment von Genf hatte den Glauben an ein heraufziehendes Goldenes Zeitalter auf Erden 1566 ebenfalls verurteilt. All das hatte indes nicht verhindern können, dass solche Vorstellungen seit den 1580erJahren zusehends an Boden gewannen. Sie fanden sich bei ganz gewöhnlichen Calvinisten wie etwa Christoph Kotter, einem Gerber aus dem schlesischen

8. Am Rande des Abgrunds?

Sprottau, der ab 1616 behauptete, Visionen zu empfangen. Größeren Einfluss auf den kurpfälzischen Adel hatten die Schriften von Johann Heinrich Alsted und Johann Amos Comenius, die an der calvinistischen „Hohen Schule“ lehrten, die Johann VI. von Nassau-Dillenburg 1584 im benachbarten Herborn gegründet hatte. Alsted wurde rasch der bekannteste Herborner Gelehrte, und Comenius, der bei ihm studiert hatte, trug die Ideen seines Lehrers mit sich, als er in seine mährische Heimat zurückkehrte. Nach eingehenden Textstudien waren beide zu der Überzeugung gelangt, dass mit den Mächten der Finsternis, die nach der biblischen Offenbarung des Johannes das Weltende ankündigen würden, niemand anderes als die Habsburger gemeint waren. Das eröffnete eine Alternative zur positiven Sichtweise der translatio imperii, der zufolge das Heilige Römische Reich die direkte Fortsetzung der letzten, christlichen Phase des antiken Römerreiches war. In Alsteds Deutung wandelte sich das Heilige Römische Reich – das man für gewöhnlich mit dem guten vierten Weltreich aus der alttestamentlichen Danielprophezeiung identifizierte – zu dem schrecklichen vierten Tier aus der Johannesoffenbarung. Alsted war überzeugt, dass das Alte Reich schon bald zu Fall gebracht werden würde, und zwar durch einen großen Kampf der Könige, der ebenfalls im Buch Daniel vorhergesagt wird. Zuerst werde der „König des Südens“ mächtig werden, Heiligtum und Burg entweihen und die Menschen zwingen, vom rechten Glauben abzufallen. Dann jedoch werde der „König des Nordens“ einschreiten, seinen Rivalen besiegen und Gottes Volk erretten. Mit der Unterstützung von Gelehrten wie Alsted und Comenius wurde derartige Apokalyptik, die an den ohnehin durchlässigen Grenzen von Naturphilosophie und Okkultismus angesiedelt war, bald hoffähig. Die zunehmende Häufigkeit von Hagelschauern und anderen widrigen Naturphänomenen ließ ebenfalls vermuten, dass es mit der Welt zu Ende gehe. Heute wissen wir, dass es sich bei dem Zeitraum zwischen 1570 und 1630 um eine Extremphase jener Klimaperiode handelte, die von Forschern als die Kleine Eiszeit bezeichnet wird. Der Hexen- und Dämonenwahn im selben Zeitraum war ein weiteres, schreckliches Symptom der herrschenden Endzeitstimmung. Für diejenigen, die daran glaubten, lag es klar auf der Hand, dass mit „Heiligtum und Burg“ der Danielprophezeiung das protestantische Deutschland gemeint war, während die spanischen und die österreichischen Habsburger zusammen den „König des Südens“ darstellten. Alsted sagte voraus, dass der „König des Nordens“ 1625 auftreten werde – also in dem Jahr, in dem tatsächlich Dänemark in den Dreißigjährigen Krieg eintreten sollte – und dass dies ein tausendjähriges Reich der Gerechten herbeiführen müsse, das von 1694 bis zum Weltgericht im Jahr 2694 andauern werde. Die Verwendung des Löwen – eines Tieres, das mit dem König des Nordens as-

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soziiert wurde – in den Wappen der Kurpfalz, Hessen-Kassels, Böhmens, Englands und Schwedens erschien als ein weiterer Beleg dafür, dass Alsted mit seiner Interpretation tatsächlich die göttliche Wahrheit des heiligen Textes entschlüsselt hatte. Nach dem Auftreten eines großen Kometen war im Herbst des Jahres 1618 der Gipfel der Endzeithysterie erreicht. Innerhalb weniger Wochen erschienen rund 120 Flugschriften voller düsterer Prophezeiungen, aber das war beim Erscheinen eines Kometen nichts Ungewöhnliches. Schon anlässlich einer früheren Kometensichtung im Jahr 1577 hatte etwa der dänische Astronom Tycho Brahe große Not für Spanien und das Reich vorhergesagt – angesichts des Niederländischen Aufstandes eine ziemlich sichere Wette.224 Was den gegenwärtigen Ausbruch des „Endzeitfiebers“ so gefährlich machte, war ein einziger, gleichwohl aber entscheidender Umstand: Diesmal hatte das Fieber nicht nur die Köpfe von Gerbern und Gelehrten befallen, sondern die radikalen Protestanten unter den Reichsfürsten. Und diesen Männern standen alle Mittel zur Verfügung, aus apokalyptischen Prophezeiungen schreckliche Wirklichkeit zu machen. Zwietracht unter Protestanten Weil er überzeugt war, dass ein großer Krieg unmittelbar bevorstehe, intensivierte Christian von Anhalt seine Bemühungen, die weitaus zahlreicheren moderaten Protestanten ins Lager der Radikalen zu ziehen. Ihm war klar, dass die jüngsten kurpfälzischen Rückschläge sowie die französisierte Heidelberger Hofkultur das Ansehen der Kurpfalz im Reich geschwächt und sie von der trinkfesten Kameraderie Dresdens und anderer protestantischer Höfe entfremdet hatten. Anhalt suchte deshalb nach Möglichkeiten, den Radikalismus kurpfälzischer Prägung insgesamt attraktiver zu machen, und wollte zu diesem Zweck einflussreiche Lutheraner und Calvinisten in angenehmer Atmosphäre zusammenbringen. Nachdem schon seine Gemahlin Anna von Bentheim 1617 in der oberpfälzischen Residenzstadt Amberg mit dem „Güldenen Palmorden“ einen Adelsorden gegründet hatte (L’Ordre de la Palme d’Or), unterstützte Christian noch im selben Jahr seinen Bruder Ludwig von Anhalt-Köthen, der mit dem Weimarer Hof verschwägert war, bei der Gründung der einflussreichen „Fruchtbringenden Gesellschaft“. Die Fruchtbringende Gesellschaft wurde zur wichtigsten einer ganzen Reihe literarischer Gesellschaften und zog rasch eine große Zahl von Mitgliedern an.225 Angesichts ihrer vordergründigen Zielsetzung, „die Hochdeutsche Sprache in jhren rechten wesen und standt / ohne einmischung frembder außländischer wort / auffs möglichste und thunlichste [zu erhalten]“ sowie die Entwicklung neuer literarischer Formen zu fördern, ist der Fruchtbringenden Gesellschaft oft

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eine nationalistische Ausrichtung unterstellt worden. Tatsächlich kamen ihre Mitglieder aus ganz Europa; es waren Schweden darunter und sogar sechs Schotten. Und obwohl ihr später auch bayerische und kaiserliche Generäle angehörten, war ihr ursprünglicher Zweck doch gewesen, das Programm der humanistisch geprägten Irenik jener Zeit so zu verbiegen, dass Christian von Anhalt damit sein politisches Ziel einer Annäherung zwischen Lutheranern und Calvinisten erreichen konnte. Flankiert wurde dieser Vorstoß von den Bemühungen calvinistischer Theologen, die das Gespräch mit ihren lutherischen Kollegen suchten. Der gemäßigte Calvinist David Pareus etwa, Theologieprofessor in Heidelberg, legte in einer 1614 erschienenen Abhandlung dar, dass die beiden protestantischen Hauptströmungen mehr verbinde als trenne. Diese Position stieß bei der protestantischen Geistlichkeit in Hessen und Kurbrandenburg auf breiten Zuspruch, aber auch unter den verbliebenen Philippisten, die ihre Hochburgen in Sachsen-Weimar und dort insbesondere an der ernestinischen Landesuniversität in Jena hatten. In Dresden trafen die calvinistischen Avancen jedoch auf wenig Gegenliebe. Stattdessen organisierte der kurfürstlich-sächsische Hofprediger Matthias Hoë von Hoënegg den orthodox-lutherischen Gegenschlag.226 Wie der beinahe gleichaltrige Melchior Khlesl war Hoë ein gebürtiger Wiener aus lutherischem, wenn auch um einiges reicherem Hause und hatte wie jener die Universität seiner Heimatstadt besucht. Während Khlesl jedoch bekanntlich zum Katholizismus konvertiert war, hatte der Druck seiner katholischen Umwelt auf Hoë den genau umgekehrten Effekt gehabt und einen felsenfesten Lutheraner aus ihm gemacht. Er verließ Wien, um sein Studium in Speyer und Wittenberg fortzusetzen, wo in orthodox-lutherischer Atmosphäre der Hass auf alle blühte, die sich von Luthers reiner Lehre entfernt hatten. Bis 1613 hatte Hoë sieben Bücher veröffentlicht, die meisten davon Streitschriften gegen das Papsttum. Beim Hofkaplan des katholischen Pfalzgrafen von Neuburg hatte einer dieser Traktate einen solchen Eindruck hinterlassen, dass er umgehend zum lutherischen Glauben konvertiert war. Noch zur Zeit von Bismarcks „Kulturkampf “ gegen die katholische Kirche im 19. Jahrhundert hat man diese Schriften Hoës nachgedruckt. Nachdem Hoë 1613 die Stelle als kursächsischer Hofprediger angetreten hatte, wurden bald die Calvinisten zur hauptsächlichen Zielscheibe seiner Polemik. In Dresden ging er mit aller Bosheit gegen sie vor und drängte beispielsweise seinen calvinistischen Stellvertreter aus dem Amt, indem er dessen Predigten unterbrach und ihn wüst beschimpfte. Die Calvinisten hielten dagegen, indem sie auf Hoës österreichische Herkunft verwiesen, um seine Integrität infrage zu stellen; sie nannten ihn den „sächsischen Papst“ und einen „neuen Judas“, der insgeheim mit den „papistischen“ Habsburgern paktiere.

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Die Schlammschlacht erreichte ihren Tiefpunkt während der Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum im Oktober 1617. Eine solche Gelegenheit, seine theologische Vormachtstellung im deutschen Protestantismus zu behaupten, wollte sich Kursachsen unter keinen Umständen entgehen lassen und griff deshalb, ganz in der Tradition Luthers, den Papst als Feind des Christentums an. Allein die Tatsache, dass die Hundertjahrfeier der Reformation überhaupt begangen wurde, war eine Herausforderung an die Adresse Roms, denn seitdem Papst Bonifatius VIII. im Jahr 1300 das erste Jubeljahr ausgerufen hatte, hielt die Kirche das Monopol für Jubiläen aller Art – und eine Gedenkfeier für Martin Luther konnte ihr natürlich schon gar nicht gefallen. Jetzt wurde der große Held der Reformation überall in Sachsen als „deutscher Moses“ gefeiert: in kurfürstlichen Dekreten und in Schulaufführungen, mit Feuerwerken, Prozessionen und Predigten, Holzschnitten und Medaillen.227 Der Kurfürst Johann Georg sah durchaus keinen Widerspruch zwischen einer derart provokativen Lutherverehrung und seinem politischen Engagement für den katholischen Kaiser Matthias – schließlich hatte man in Sachsen schon immer unterschieden zwischen braven deutschen Katholiken, die sich an die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens hielten, und hinterhältigen „Papisten“ aus dem Ausland, die sich zur Destabilisierung des Reiches verschworen hatten. Diese politische Unterscheidung war auch theologisch wasserdicht, denn Luther selbst hatte zwar die Verfälschung der Glaubenswahrheit durch den Papst angeprangert, nicht jedoch die Kirche selbst infrage gestellt, als deren Glieder sich seine Anhänger noch immer empfanden. Tatsächlich geschah es auch aus Rücksicht auf die Empfindlichkeiten der deutschen Katholiken, dass die kursächsische Polemik gegen die Calvinisten derart heftig ausfiel. Noch im April 1617 hatte Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz die Heilbronner Zusammenkunft der Protestantischen Union dazu genutzt, zu einer gemeinsamen Reformationsfeier von Calvinisten und Lutheranern aufzurufen, und sein Hofprediger hatte die Calvinisten als in der Reformtradition Luthers stehend dargestellt. Nun beschimpfte Hoë sie rundheraus als zynische Heuchler, die sich als Lutheraner ausgäben, um in den Genuss aller Vorzüge des Augsburger Religionsfriedens zu gelangen. Die schöngeistigen Initiativen Christians und Ludwigs von Anhalt seien nichts weiter als eine hinterlistige Kampagne, um fromme Lutheraner von ihrem wahren Glauben zu entfremden. Als Textgrundlage für ihre Reformationsfeierlichkeiten wählte die kursächsische Obrigkeit ganz bewusst das Konkordienbuch von 1580, und es sollte zu einer Loyalitätsprobe für die anderen protestantischen Reichsfürsten werden, ob sie diesem Vorbild folgten. Württemberg etwa distanzierte sich von der calvinistisch geprägten Union, indem es sich bei seinen Jubelfeiern 1617 am

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Beispiel Sachsens orientierte und sie allesamt verurteilte: Calvinisten ebenso wie „falsche Lehrer undt bluethgierige Tyrannen, Türkh und Bapst, Jesuiten, Zwinglianer … und andere Rottengeister [d. h. Sektierer]“, deren gemeinsames Ziel es sei, den einzig wahren Glauben zu unterdrücken.228 Das Scheitern der Kompositionspolitik Paradoxerweise schwächten die Grabenkämpfe der Protestanten untereinander auch die Kompositionspolitik Bischof Khlesls, denn sie bestärkten die katholische Seite in ihrer alten Angst, die Protestanten seien eben alle unzuverlässig und damit nicht vertrauenswürdig. Khlesl hatte sich nach 1613 vom Reichstag abgewandt und stattdessen auf ein Zusammentreten der bikonfessionellen Kommission hingearbeitet, die er vorgeschlagen hatte. Weil es dafür aber keinerlei historische Vorbilder gab, traten etliche Fragen auf, deren Unlösbarkeit das ganze Projekt schließlich zum Scheitern brachte. Zum Beispiel bestand Uneinigkeit darüber, ob es sich bei den Treffen des geplanten Gremiums im Grunde um Kurfürstentage handeln sollte oder nicht vielmehr um größere Zusammenkünfte einer je gleichen Anzahl protestantischer und katholischer Reichsfürsten. Den Vorsitz der Kommission trug Khlesl dem Erzherzog Maximilian an – schließlich sollte die Verantwortung nicht bei Kaiser Matthias selbst liegen, falls das Vorhaben scheiterte. Aus demselben Grund zögerte jedoch auch Maximilian, das Angebot anzunehmen. Andere meinten, die Kommission solle am besten ganz ohne Habsburger auskommen. Vor allem wollten aber die führenden katholischen Reichsstände zuerst einmal die Nachfolge im Reich geklärt wissen, während die Kurfürsten der Pfalz und Brandenburgs darauf bestanden, zuvor noch klärende Religionsgespräche abzuhalten. Diese letzte Forderung griff Khlesl nur zu gern auf, um sich ja nicht mit der leidigen Erbfolgefrage auseinandersetzen zu müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus plausibel, auch die Unterstützung Christians von Anhalt für die (vermeintliche) Kaiserkandidatur Herzog Maximilians von Bayern als einen Versuch zu betrachten, im katholischen Lager Zwietracht zu säen und zugleich Zeit für die schwierige Mobilisierung der „protestantischen Internationale“ zu gewinnen. Matthias legte Ferdinand ebenfalls Steine in den Weg, indem er behauptete, er könne diesem unter keinen Umständen die Herrschaft über Ungarn anvertrauen, ohne selbst dorthin zu reisen – und dafür sei er im Moment einfach zu krank. Daraufhin zwang Ferdinand seinen Vetter durch den Hinweis zum Handeln, der ungarische Landtag könne durchaus auch ohne die Erlaubnis des Königs zusammentreten. Nun musste Matthias ihn einfach einberufen, um sein Gesicht zu wahren. Bevor sie Ferdinand als neuen König akzeptierten, bestanden die ungarischen Magnaten darauf, dass man ihnen im Gegenzug den Wahlcharakter

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ihrer Monarchie bestätige. Khlesl überlistete sie, indem er im Protokoll vermerken ließ, die ungarischen Stände hätten, nachdem Matthias Ferdinand als seinen Nachfolger vorgeschlagen hatte, ihre „traditionellen Rechte“ ausgeübt – ein Schachzug, der die Habsburger später behaupten ließ, Ferdinands Thronbesteigung sei „aus erblichem Recht“ erfolgt. Khlesls Einwirken spiegelte vermutlich seine Besorgnis über den immer schlechteren Gesundheitszustand des Kaisers wider, die natürlich mit dem dringenden Bestreben verbunden war, sich mit Ferdinand als dessen Nachfolger auszusöhnen. Am 16. Mai 1618 wählten die ungarischen Stände Ferdinand ordnungsgemäß zu ihrem König und den Katholiken Sigismund (Zsigmond) Forgách zu Ferdinands Nachfolger als Palatin von Ungarn. König Ferdinand befand sich noch in seinem neuen Reich und speiste gerade mit dem Erzbischof von Gran zu Mittag, als am 27. Mai die Nachricht eintraf, seine Statthalter in Böhmen seien aus einem Fenster gestürzt worden.

ZWEITER TEIL

DER KONFLIKT

9. Der Böhmische Aufstand (1618–20) Für Libertät und Privilegien

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er Böhmische Aufstand war der erste ernsthafte Konflikt, der sich aus den politischen und konfessionellen Streitfragen im Reich ergab. Anders als noch in den Fällen Jülich-Kleve-Berg oder Donauwörth sollte sich nun jeder Versuch, die Gewalt einzudämmen, als hoffnungslos erweisen: Immer neue Konfliktparteien wurden von außen in den Kampf hineingezogen. Die schnelle Internationalisierung des Konflikts mag jedoch in die Irre führen, denn Europa stand 1618 keineswegs vor einem großen Krieg, dem nur noch ein Auslöser gefehlt hätte. Vielmehr hatten alle großen Mächte Europas mit ihren eigenen Problemen genug zu tun. Und genau darin lag die Gefahr. Weil ihre europäischen Rivalen ja mit sich selbst beschäftigt schienen, zögerten die einzelnen Großmächte nicht, im Reich zu intervenieren. Die wenigsten wollten mit ihrer Einmischung einen großen Krieg herbeiführen – und an einen Krieg von 30 Jahren dachte wohl überhaupt niemand. Der Böhmische Aufstand wird in der Forschung normalerweise als eine klar umgrenzte Phase des Konflikts betrachtet; sie endete mit der Niederlage der Aufständischen 1620 und der darauffolgenden Verlagerung des Krieges an den Rhein bis 1624. Diese übliche Periodisierung des Dreißigjährigen Krieges hat durchaus etwas für sich, denn sie hebt hervor, was für die einzelnen Stadien des Konflikts charakteristisch war – aber sie ist doch auch das Produkt einer spezifisch deutsch beziehungsweise tschechisch geprägten Nationalgeschichtsschreibung. Tatsächlich standen die Ereignisse in Böhmen und am Rhein in einem engen Zusammenhang, da erst der Böhmische Aufstand die ganze Schwäche des Kaisers offenbar werden ließ und den pfälzischen Kurfürsten so zu einem Eingreifen ermutigte.

Eine Adelsverschwörung Nur in der Rückschau erscheinen die Anzeichen für den nahenden Aufstand unübersehbar. Die Zeitgenossen traf er völlig überraschend. Um dies verständlich zu machen, müssen wir kurz auf die Situation in Böhmen nach dem Tod Rudolfs II. 1612 zurückkommen. Der Böhmische Aufstand war kein Volksaufstand, sondern ein Adelsputsch, den eine kleine, verzweifelte Minderheit radikaler Protestanten anführte. Obgleich Matthias die böhmischen und schlesischen Majestätsbriefe bestätigt hatte, ruhten die protestantischen Institutionen in diesen Territorien doch auf ungesicherter Grundlage. Die Anführer der Protestanten waren daher bemüht gewesen, diese fester in

9. Der Böhmische Aufstand (1618–20)

der Verfassung ihres Königreichs zu verankern, indem sie ihnen ein größeres außenpolitisches Gewicht und mehr militärischen Einfluss zu verschaffen suchten. Matthias und Bischof Khlesl hatten gekontert, indem sie Rudolfs bisherige Strategie bei der Postenvergabe – die nach dem Motto „Katholiken bevorzugt“ vorging – noch verstärkten und die Protestanten somit in ihren Parallelinstitutionen isolierten. Die wichtigste dieser Institutionen war ein Rat von 30 „Defensoren“, der 1609 zum Schutz der böhmischen Verfassung eingerichtet worden war. Dieses Organ besaß jedoch keinerlei exekutive Befugnisse, denn diese lagen auch weiterhin – und ausschließlich – in der Hand von zehn „Regenten“, die von den Habsburgern ernannt wurden. Die Defensoren hingegen wurden von den böhmischen Ständen gewählt und nahmen für sich in Anspruch, für ganz Böhmen zu sprechen – dabei waren die Stände selbst gespalten zwischen einer katholischen Minderheit, die den Defensoren mit Misstrauen gegenüberstand, und einer protestantischen Mehrheit, die ihrerseits von konfessionellen und politischen Gräben durchzogen war. Dass die von den Habsburgern ernannten katholischen Würdenträger ebenfalls Böhmen waren, „machte sie gegen den Vorwurf, nur ausländische Handlanger der Herrscherdynastie zu sein, immun“.1 Die böhmische Politik war konfessionell polarisiert, weil die Religion die einzige Grundlage bot, auf der man die königliche Regierungsweise angreifen konnte. Matthias war überzeugt, dass man seinem Bruder den böhmischen Majestätsbrief mit unlauteren Mitteln abgepresst hatte, und fühlte sich deshalb nur zur Einhaltung von dessen formalen Bestimmungen verpflichtet. Ein gewisser Anteil des böhmischen Kronguts wurde der katholischen Kirche überschrieben, um die Fläche der von Matthias’ erneuerter Toleranzverfügung betroffenen Gebiete zu minimieren. Den Kronbauern (Bauern auf dem königlichen Domanialgut) wurde verboten, zum Gottesdienstbesuch auf benachbarte Privatgüter „auszulaufen“, und 1614 wurde die protestantische Religionsausübung in zwei deutschsprachigen Städten Nordostböhmens ganz untersagt – mit der Begründung, dass Braunau (Broumov) mit seinem Kloster unter die Jurisdiktion des (katholischen) Stifts Breunau (Břevnov) bei Prag falle, während Klostergrab (Hrob) dem Prager Erzbischof direkt unterstellt sei. Als Ferdinand drei Jahre später König von Böhmen wurde, bestätigte er diese Anordnungen. Sie passten zu seiner legalistischen Grundhaltung und waren rein formal auch nicht zu beanstanden – aber die Art ihrer Umsetzung durch den Prager Erzbischof Jan Lohelius war eine absichtliche Provokation. Und dann machte Ferdinand alles nur noch schlimmer, indem er erstens Bitt- und Klagesteller inhaftieren ließ, die sich bei seinen Amtleuten darüber beschwerten, dass der Erzbischof die Klostergraber Klosterkirche hatte abreißen lassen, und zweitens seine Richter mit der Auf-

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sicht über die öffentlichen Finanzen betraute, um protestantischen Gemeinden ihre finanzielle Grundlage zu entziehen. Diese Maßnahmen spielten in der Apologie der Aufständischen, die sie nach dem Prager Fenstersturz zur Rechtfertigung ihres gewaltsamen Vorgehens veröffentlichten, eine entscheidende Rolle.2 Derartige Repressalien, mochten sie wohl denken, waren erst der Anfang – dabei waren sie auch nicht schlimmer als die üblichen habsburgischen Schikanen und hätten, für sich genommen, keinen großen Aufstand auslösen dürfen. Dazu bedurfte es erst einer eklatanten Fehleinschätzung seitens der Habsburger, die gar keine Vorstellung davon hatten, wie groß die Unzufriedenheit innerhalb des protestantischen böhmischen Adels mittlerweile war. Das überrascht kaum, wenn man bedenkt, mit wie wenig Widerstand die habsburgischen Herren bislang ihren Willen bekommen hatten: Beim böhmischen Landtag von 1617 hatten nur zwei Delegierte gegen die Annahme Ferdinands als König von Böhmen gestimmt. Ferdinand hatte die protestantischen Privilegien bestätigt und – nach seiner Auffassung – stets respektiert. Der habsburgische Hof kehrte nun nach Wien zurück, was an diesem kritischen Punkt die Distanz zwischen dem böhmischen König und seinen Ständen vergrößerte: Trotz Rudolfs Distanziertheit, ja Abschottung hatten die Böhmen sich daran gewöhnt, ihren König mitten unter sich zu haben. Unter den zehn Regenten waren zwar auch drei Protestanten, aber die sieben restlichen waren als katholische Hardliner bekannt, darunter Oberstkanzler Lobkowitz, Jaroslav Martinitz und Wilhelm Slavata. Anführer der Opposition war Graf Heinrich Matthias von Thurn – einer der beiden Abweichler von 1617. Als Folge seines Widerspruchs war Thurn seines Postens als Burggraf von Karlstein enthoben und durch Martinitz ersetzt worden. Das entsprach einer Umkehr von Rudolfs Vorgehen sechs Jahre zuvor, als dieser den Katholiken Slavata als Burggrafen abgesetzt hatte, um die Unterstützung der Protestanten zu gewinnen. In beiden Fällen handelte es sich um eine hochsymbolische Handlung, da der Burggraf von Karlstein mit dem Schutz der böhmischen Kronjuwelen betraut war und Ferdinand verhindern wollte, dass diese geraubt und zur Krönung eines Rivalen missbraucht würden. Thurn wurde mit dem Posten eines Hofrichters abgefunden, der nicht nur weniger prestigeträchtig, sondern auch weitaus schlechter vergütet war als sein vorheriges Amt und überdies sein Ausscheiden aus dem Rat der Defensoren bedingte. Seine Absetzung wurde deshalb als ein gezielter Versuch zur Schwächung der protestantischen Führungsriege angesehen, die mit ihren katholischen Amtskollegen in der böhmischen Regierung inzwischen kaum noch ein Wort wechselten. Diese Spaltung vertiefte sich, als Thurns Verbündete unter den Defensoren im März 1618 einen Protestantentag nach Prag einberiefen, um den Beschwer-

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den wegen einer vermeintlichen Verletzung ihrer Rechte Nachdruck zu verleihen. Viele Städte verzichteten darauf, eine Abordnung zu dem Treffen zu schicken, aber die Anführer der Protestanten ließen sich nicht beirren: In Abwesenheit kritischer oder gemäßigter Stimmen fiel es ihnen sogar noch leichter, die Gekommenen davon zu überzeugen, dass der Majestätsbrief als ganzer in Gefahr sei. Eine Petition wurde verabschiedet und an Kaiser Matthias übersandt; dann vertagte sich die Versammlung bis zum 21. Mai, um über die bis dahin erwartete Antwort des Kaisers zu beraten. Bischof Khlesl sah in Thurns relativer Isolation eine Chance, königliche Entschlossenheit zu demonstrieren, und verfasste eine scharfe Entgegnung, in der er die für Mai geplante Zusammenkunft kurzerhand untersagte. Während Khlesl also die Peitsche schwang, lockte Matthias mit dem Zuckerbrot und versprach, zu einem klärenden Gespräch nach Böhmen zurückzukehren. Khlesls Schreiben wurde durch Vermittlung der Regenten zugestellt, die als Vertreter der Krone vor Ort fungierten. Graf Thurn nutzte die Gelegenheit, seine Unterstützerbasis im protestantischen Lager auszubauen; schließlich war es wesentlich einfacher, die Regenten als „böse Ratgeber“ zu diffamieren, als sich offen gegen Ferdinand oder Matthias zu stellen. Er überzeugte die Defensoren davon, dass Khlesls Versammlungsverbot einen Verstoß gegen den Majestätsbrief bedeute, und forderte insbesondere die protestantischen Pfarrer dazu auf, bei ihren Sonntagspredigten auf die geplante Zusammenkunft hinzuweisen. Dort wolle man nämlich die „geheimen Schliche und Ränke“ der Katholiken erörtern, welche die Einheit des Königreiches zu untergraben drohten. Wie angekündigt traten die Protestanten also am 21. Mai wieder zusammen, doch obwohl die Zahl der teilnehmenden Adligen sich gesteigert hatte, blieben viele Vertreter des Stadtbürgertums noch immer fern. Thurn und seine Mitstreiter konnte das freilich nicht entmutigen, ja sie setzten sich sogar über eine weitere, etwas versöhnlicher formulierte Aufforderung der Regenten hinweg, die Versammlung umgehend abzubrechen. Die Mitglieder der protestantischen Führung taten nichts dergleichen, sondern heizten stattdessen die Stimmung weiter an, indem sie behaupteten, die Regenten hätten sie festnehmen wollen. Es sei höchste Zeit gewesen, erklärten Thurn und die anderen Verschwörer wenige Tage nach ihrer Tat, und so habe man „alle beyde [Slavata und Martinitz] sampt einem Secretario ihrem Adulatore [Schmeichler] … nach alten Gebrauch aus dem Fenster geworffen“.3 Dies war eine deutliche Anspielung auf den (ersten) Prager Fenstersturz vom 30. Juli 1419, als der Bürgermeister von Prag und mehrere seiner Ratsherren bei Ausbruch des Hussitenaufstandes ermordet worden waren. Am Abend des 22. Mai traf sich Thurn im nahe dem Hradschin gelegenen Haus des Adligen Albrecht Jan Smiřický von Smiřice mit seinen engsten Vertrauten, um den Anschlagsplan für den kom-

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menden Tag abzusprechen. Wahrscheinlich wollte Thurn das Vorgehen vom April 1609 kopieren, als eine Abordnung der Protestanten sich Zutritt zur Prager Burg verschafft und Rudolf II. mit dieser Drohkulisse zum Erlass des Majestätsbriefes gezwungen hatte. Die Verschwörer von 1618 jedoch waren vollauf bereit, Gewalt anzuwenden, um die schleppenden Verhandlungen auf Touren zu bringen und ihre eigene Anhängerschaft zu radikalisieren. Auf Veranlassung Thurns stießen am frühen Morgen des 23. Mai die Ratsherren der Stadt Prag zu den Verschwörern und anderen Delegierten. Mit Kirchenliedern sang man sich Mut an. Dann ging es hinüber zur Burg, deren katholischer (!) Kommandant den Trupp – wie zuvor abgesprochen – hineinließ. Über eine enge Wendeltreppe gelangten sie in das Gemach, in dem für gewöhnlich die Regenten tagten, fanden dort jedoch nur vier von ihnen mitsamt einem Schreiber vor. Die Verschwörer wollten beweisen, dass in Wahrheit die Regenten für Khlesls unerbittlichen Brief verantwortlich gewesen waren, und verlangten von den Anwesenden ein Geständnis. Dergestalt festgenagelt – und wortwörtlich gegen die Wand gedrückt – stritten die ersten beiden Männer jegliche Verantwortung ab und wurden unsanft aus dem Zimmer befördert, bevor die Eindringlinge sich Slavata und Martinitz zuwandten, denen die ganze Aktion von vornherein gegolten hatte. Beide glaubten zunächst, sie sollten „nur“ festgenommen werden. Als ihnen dämmerte, dass sie sterben sollten, war es bereits zu spät, denn Thurns engste Vertraute hatten inzwischen selbst die harmloseren unter den versammelten Defensoren bis zur Raserei aufgestachelt. Dennoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass vielen Anwesenden selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, was die Verschwörer eigentlich vorhatten. Der Graf Joachim Andreas von Schlick hatte gegen das Vorgehen protestiert, aber in dem Gemenge konnte man nicht leicht erkennen, was dort am Fenster überhaupt vor sich ging. Als die beiden Statthalter dann kopfüber aus dem Fenster verschwunden waren, gab es ohnehin kein Zurück, und der arme Sekretär Fabricius kam als Nächster an die Reihe. Sein Ziel, die Situation zu radikalisieren, hatte Thurn zweifellos erreicht. Das Scheitern der geplanten Morde an Slavata und Martinitz bescherte dem Aufstand dennoch einen wenig verheißungsvollen Beginn. Die protestantische Propaganda versuchte zu retten, was zu retten war, und behauptete, die Opfer seien kopfüber in einem stinkenden Abfallhaufen gelandet – eine Behauptung, der Friedrich Schiller zu allgemeiner Bekanntheit verhalf, indem er sie unhinterfragt in seine Geschichte des dreißigjährigen Krieges übernahm.4 Martinitz hatte – wie Slavata in seinen Lebenserinnerungen berichtet – „im Herabfliegen unaufhörlich den Namen ‚Jesus, Maria‘ gerufen“, nachdem Ulrich von Kinsky, einer der führenden Verschwörer, „ihm beim Herauswerfen die Spottworte gesagt [hatte]: ‚Wir wollen sehen, ob ihm seine Maria helfen wird!‘“. Als er Martinitz

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unten am Boden schwankend wieder auf die Beine kommen sah, habe Kinsky oben am Fenster ausgestoßen: „Ich schwöre zu Gott, dass ihm seine Maria geholfen hat!“5 Daraus entstand dann die Legende, die Heilige Jungfrau habe ihren Mantel unter den Fallenden ausgebreitet, was die Identifizierung der Katholiken mit ihrer „Himmelskönigin“ – ob in Schlachtrufen oder auf Mariensäulen, die oft zum Dank für einen Sieg errichtet wurden – noch verstärkte. Zwar spielten Mäntel damals wohl tatsächlich eine Rolle – aber es waren die Mäntel von Slavata und Martinitz selbst. Die Morgenluft war kühl gewesen an jenem Mittwoch, zu kühl vielleicht für den Marienmonat Mai, aber mit typisch habsburgischer Sparsamkeit hatte man im Sitzungszimmer der Regenten nicht geheizt, weshalb diese darauf verzichteten, ihre dicken Mäntel und Hüte abzulegen. Bei den Adelstiteln zeigten die Habsburger sich weniger sparsam: Der Kanzleisekretär Fabricius, der erst wenige Jahre zuvor als „Fabricius von Rosenfeld“ in den Adelsstand erhoben worden war, durfte sich nun – wohl zur Erinnerung an sein Glück im Unglück – „Fabricius von Rosenfeld und Hohenfall“ nennen. Die Anführer des Aufstands Die Verschwörer handelten nun unverzüglich und bildeten aus ihren bestehenden Parallelinstitutionen eine Übergangsregierung. Am 25. Mai erklärte sich eine protestantische Versammlung zum Landtag und wählte aus den drei Ständen der Herren, Ritter und Städte jeweils zehn „Direktoren“, die gemeinsam ein „Direktorium“ bilden und die Aufgaben der Regenten und der böhmischen Hofkanzlei übernehmen sollten. Ansonsten blieb die bisherige Verwaltung intakt; lediglich loyale Anhänger des Hauses Habsburg wurden auf ihren Posten abgelöst. Einstweilen verzichteten die Rebellen darauf, Ferdinand abzusetzen, sondern ignorierten ihn ganz einfach, indem sie ihre – demonstrativ untertänig gehaltenen – Forderungen direkt an Kaiser Matthias richteten. Die Situation ähnelte der Frühphase des Niederländischen Aufstandes, in der die Rebellen sich als loyale Patrioten dargestellt hatten, deren Widerstand einer korrupten Lokalregierung galt, nicht jedoch dem spanischen König selbst. Das Resultat in Böhmen war eine gewisse Orientierungslosigkeit, da moderate Kräfte noch immer versuchten, die Bewegung von einem klaren Bruch mit den Habsburgern wegzusteuern. Im Gegensatz zu den Niederlanden gab es in Böhmen keinen charismatischen Anführer vom Format eines Wilhelm von Oranien. Dem Direktorium stand mit Wenzel Wilhelm von Ruppa ein Kompromisskandidat vor, dem es nicht gelang, die zerstrittenen Fraktionen in Einklang zu bringen. Die Rivalität unter den böhmischen Adligen brachte schließlich Thurn (den wahren Anführer des Aufstandes) dazu, sich gar nicht erst um einen Sitz im Direktorium zu bemühen, sondern stattdessen ein Armeekommando anzustreben, das ihm die

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Direktoren auch übertrugen; sein Freund Colonna von Fels wurde sein Stellvertreter. Weil sie Sorge hatten, Thurn könnte als alleiniger Befehlshaber der protestantischen Truppen zu mächtig werden, ernannte das Direktorium den Grafen Georg Friedrich von Hohenlohe zu einer Art Verteidigungsminister. Für seine guten Dienste im Langen Türkenkrieg war Hohenlohe zwar von den Habsburgern reich belohnt worden; durch seine religiösen Überzeugungen und verwandtschaftlichen Beziehungen stand er jedoch mit beiden Beinen fest im radikalprotestantischen Lager: Seine Mutter Magdalena von Nassau-Dillenburg war eine Schwester Wilhelms und damit eine Tante Moritz’ von Oranien; seine Ehefrau Eva von Hohenlohe entstammte dem weit verzweigten böhmischen Adelsgeschlecht derer von Waldstein. Es dauerte nicht lange und Hohenlohe begann, Thurn und dessen Stab offen zu kritisieren; schließlich bestand er darauf, am Kommando der Armee im Feld beteiligt zu werden.6 Auch in den politischen Entscheidungen des Direktoriums war eine gewisse Richtungslosigkeit nicht zu übersehen. In ihrem Manifest hatten die Rebellen düstere Andeutungen über ein jesuitisches Komplott gegen den Majestätsbrief fallen lassen. Thurn ordnete an, sämtliche Prager Jesuiten aus der Stadt zu weisen, was sich als weniger kontrovers erwies, als man vielleicht denken könnte: Selbst unter den Katholiken waren die Jesuiten weithin unbeliebt. Immerhin ein Katholik wurde in das Direktorium berufen, das zunächst davon absah, Kirchengut zu enteignen. Tatsächlich schien es inzwischen so gut wie unmöglich, die Religion in den Vordergrund zu stellen, ohne dabei in ein Wespennest zu stechen: Was sollte schließlich in Böhmen, einem Land verschiedenster Bekenntnisse, die einzig wahre Religion sein? Mit Verfassungsfragen konnte man jenseits des inneren Zirkels der Aufständischen schon eher punkten, denn die meisten Moderaten glaubten, dass die Ausführenden des Fenstersturzes gegen geltendes Recht gehandelt hatten. Anfang Juni berief das Direktorium jeden zehnten Bauern und jeden achten Stadtbürger zum Militärdienst ein und leitete außerdem eingehende Steuerzahlungen in die eigene Kasse, um daraus eine professionelle Armee bezahlen zu können. Bis zum Ende des Monats hatte Thurn jedoch gerade einmal 4000 Söldner angeworben – ein Aufgebot, das sich bis September auf immerhin 12 000 vergrößern sollte, während der Versuch, eine Miliz aufzustellen, völlig scheiterte. Zur Verteidigung einer Fläche von annähernd 50 000 Quadratkilometern waren derartige Zahlen kaum angemessen, von einem möglichen Vorstoß nach Wien ganz zu schweigen. Bereits Ende Juni ging Thurn dennoch in die Offensive, auch wenn die Gespräche mit der Gegenseite vorerst fortgesetzt wurden – teils, um Zeit zu gewinnen, teils aber auch, um potenziellen Unterstützern zu vermitteln, dass die Schuld an der Eskalation der Krise bei den Habsburgern lag.

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Die Reaktion der Habsburger Ferdinand hatte sich, nachdem die Spanier im Oñate-Vertrag ihre Unterstützung für seine Thronfolge zugesagt hatten, in Geduld geübt und den Tod des kränklichen Matthias abgewartet. Mit der Verschärfung der böhmischen Krise sah es nun jedoch so aus, als könnte die gesamte Habsburgermonarchie sich auflösen, bevor er auch nur die Chance bekam, sein Erbe anzutreten. Vor allem dem Bischof Khlesl stand er mit zunehmender Unduldsamkeit gegenüber, war dieser doch auf so gut wie alle früheren Forderungen der Rebellen eingegangen, weil er hoffte, die Situation auf diese Weise rasch entschärfen zu können. Doch mittlerweile waren Thurn und seine Gefolgsleute zu weit gegangen, als dass sie Khlesls großzügige Angebote hätten annehmen können, und so nahmen sie die Bedingung des Bischofs, sie sollten ihre Waffen niederlegen, zum Vorwand, um dessen jüngstes Gesprächsangebot auszuschlagen. Schon Mitte Juni war Khlesl zu der Überzeugung gelangt, dass er seine Ziele nur mit Gewalt erreichen könne; allerdings würde es seine Zeit dauern, bis eine ausreichend starke Armee zusammengezogen war.7 In Ferdinands Augen war es eher Khlesl selbst (und nicht etwa ein Mangel an Soldaten), der einem entschlossenen Durchgreifen im Weg stand. Mittlerweile hatte Khlesl nämlich selbst unter moderaten Protestanten einen derart schlechten Ruf, dass seine bloße Beteiligung an den Verhandlungen, wie manche meinten, einen Kompromiss verhindere. Seit 1616 – dem Jahr, in dem der Bischof zum Kardinal erhoben worden war – hatte es bereits mehrere erfolglose Verschwörungen zu seiner Absetzung gegeben, und während des Banketts zu Ehren von Ferdinands Krönung zum König von Ungarn am 1. Juli 1618 hatte eine Kugel seinen Kopf nur um ein Haar verfehlt. Weil er um den Ruf der Kirche fürchtete, überzeugte der päpstliche Nuntius den Erzherzog Maximilian jedoch davon, Khlesl auf weniger drastischem Wege seines Amtes zu entheben. Maximilian lud den Kardinal daraufhin zu einem Treffen ein, bei dem er selbst, Khlesl, Ferdinand und der spanische Gesandte Oñate am 20. Juli 1618 in der Wiener Hofburg zusammenkommen sollten. Als Khlesl eintraf, fand er die drei anderen Männer bereits mitten in der Diskussion vor und wurde vom Leibdiener des Erzherzogs in ein Vorzimmer komplimentiert. Dort wurde er von dem Grafen Dampierre festgenommen, der ihn in Windeseile nach Innsbruck verschleppte. Khlesls Barvermögen und Schmuck im Wert von 300 000 Gulden verschwanden in der gähnenden Leere der kaiserlichen Kriegskasse. Der bettlägerige Matthias war machtlos. Wütend schleuderte seine loyale Gemahlin, die Kaiserin Anna, Ferdinand entgegen: „Ich sehe wohl, mein Gemahl lebt Euer Liebden zu lang, ist dies der Dank, daß er Euer Liebden zwei Kronen gegeben und noch mehr geben wollte?“8 Erst im Juli 1619 wurde Khlesl schließlich der Prozess gemacht, in dem er als Sündenbock für die Fehler und Fehlschläge der Habsburgermonarchie in

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der jüngeren Vergangenheit herhalten musste, darunter auch die Majestätsbriefe und die Niederlage im Uskokenkrieg. Nachdem das Kardinalskollegium den unvermeidlichen Schuldspruch bestätigt hatte, wurde er ab 1622 in Rom unter Hausarrest gestellt. Nach drei Jahren gestattete Ferdinand ihm, nach Wien zurückzukehren, wo Khlesl seinen Lebensabend mit allen Annehmlichkeiten genießen konnte. Der Tod des Erzherzogs Maximilian am 2. November 1618 brachte Ferdinand seinem Ziel einen weiteren Schritt näher. Zwischen ihm und der Kaiserkrone stand jetzt nur noch Matthias. Der behielt auch weiterhin – zumindest nominell – die Initiative in der Hand, aber nach dem Tod seiner Frau am 15. Dezember verschlechterte sich Matthias’ eigener Zustand rapide: Die letzten drei Monate seines Lebens verbrachte er damit, sich Sorgen um sein Horoskop zu machen und das riesige Kuriositätenkabinett seines verstorbenen Bruders Rudolf zu durchstöbern. Binnen Tagen nach dem Fenstersturz befahl der örtliche Kommandeur der habsburgischen Truppen sämtliche verfügbaren Männer in Eilmärschen nach Budweis und Krumau, um die Straße von Prag nach Linz zu sichern. Neben Pilsen waren nämlich Budweis und Krumau die einzig verbliebenen habsburgtreuen Städte im Königreich Böhmen. Eine gewisse Anzahl von Soldaten konnte von der Militärgrenze abgezogen werden, um die 1000 Mann zu verstärken, die Ferdinand nach dem Uskokenkrieg unter seinem Kommando behalten hatte. Aber selbst nachdem man noch zusätzliche Rekruten ausgehoben hatte, standen ihm in Niederösterreich bis zum 21. Juli gerade einmal 14 200 Mann zur Verfügung. Graf Bucquoy, der seit 1614 in Ferdinands Diensten stand, nachdem er sich zuvor in der Flandernarmee einen Namen gemacht hatte, traf im August bei der Truppe ein, um das Kommando zu übernehmen. Aber da hatte Thurn bereits Dampierres Versuch abgewehrt, von Niederösterreich aus zu den drei loyalen böhmischen Städten durchzubrechen.9 Der Wettlauf um Waffenhilfe Beide Seiten bemühten sich jetzt um Unterstützung. Die Böhmen setzten auf konfessionelle oder konstitutionelle Argumente – je nachdem, an wen sie sich gerade wandten. Das mag inkonsequent erscheinen, spiegelt indes eine tiefe Spaltung im Lager der Aufständischen wider, die sich über ihre mittel- und langfristigen Ziele keineswegs einig waren. Viele sahen in den militärischen Vorbereitungen nur ein Druckmittel, um die Habsburger zu Bestätigung der bereits 1608/09 gemachten Zugeständnisse zu nötigen. Andere wollten durchaus noch weiter gehen – aber nur wenige spielten wohl schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken, die Habsburgerherrschaft ganz abzuwerfen. Die Vertreter der Dynastie wiederum präsentierten sich als gütige,

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geduldige Patriarchen, denen die Aufständischen wie ungezogene, sture Kinder gegenüberstanden. Als es dann tatsächlich zu ersten Kampfhandlungen kam, betonten die Habsburger den Radikalismus ihrer Gegner und behaupteten, diese wollten eine Republik nach niederländischem oder Schweizer Vorbild errichten.10 Die Begeisterung potenzieller Unterstützer hielt sich auf beiden Seiten in Grenzen. Auch die Reaktion Papst Pauls V. im Juli 1618 kann man nur als halbherzig bezeichnen; die erste Rate seiner Unterstützungszahlung für den habsburgischen Kampf erreichte Wien erst im September. Der Papst war fest davon überzeugt, dass die Habsburger mit ihrem Schreckensszenario eines völligen Umsturzes maßlos übertrieben; er ging davon aus, dass die Krise bis Weihnachten vorüber sein würde. Spanien war mit anderen Dingen beschäftigt und hatte auch überhaupt nicht damit gerechnet, dass es im Reich zu Problemen kommen könnte. Die Frage einer spanischen Intervention wurde jedoch bald in diverse Manöver zur Absetzung des Herzogs von Lerma verstrickt, sodass die Meinung bei Hof uneinheitlich blieb. Der Herzog war kürzlich zum Kardinal ernannt worden und wollte sich eigentlich aus der Hofpolitik zurückziehen. Jetzt aber drängte er zur Vorsicht, und selbst unter seinen Kritikern glaubten manche, dass eine Einmischung in die böhmische Krise Spanien von seinen Hauptinteressen im Mittelmeerraum ablenken und Venedig wie Savoyen nur Gelegenheit zu erneuten Aggressionen geben würde. Wieder andere erklärten, Spaniens eigentliche Aufgabe sei der Kampf gegen die osmanischen Türken – und nicht gegen böhmische Ketzer. Der vormalige Botschafter Zúñiga, im Vorjahr erst aus Prag zurückgekehrt, stand mit seinem Eintreten für eine Intervention im Juni und Juni fast völlig allein da. Schließlich konnte er den Staatsrat aber doch davon überzeugen, dass die tiefsten Demütigungen der spanischen Krone allesamt von Christen ausgegangen waren, nicht von Muslimen, und dass Spanien deshalb die Krise beenden solle, um sein Prestige zu mehren. Sein Hauptargument war das folgende: Wenn Österreich Böhmen verliere, sei damit auch die österreichische Kurstimme verloren. Dies bedeute, dass die Kurfürsten womöglich den Angehörigen einer anderen deutschen Dynastie zu Matthias Nachfolger wählen würden – zum Nachteil des gesamten Hauses Habsburg. Dennoch hatte Zúñiga keineswegs die Absicht, den Konflikt unbedacht auszuweiten; die Bitte des Speyerer Fürstbischofs Philipp Christoph von Sötern, zur Auslöschung des deutschen Protestantismus doch das katholische Bündnis Karls V. von 1546 wiederzubeleben, wies er dementsprechend ab. Eine Intervention sollte sich keineswegs zu einem groß angelegten Feldzug gegen den Protestantismus auswachsen, sondern lediglich die böhmische Krise im Keim ersticken, das Reich stabilisieren und somit auch einer Gefährdung spanischer Interessen an anderen Orten vorbeugen. Ab Juli un-

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terstützte die spanische Krone Ferdinand mit Geld, wobei ihm der größte Teil dieser Zahlungen ohnehin bereits versprochen worden war, damit er nach dem Ende des Uskokenkrieges seine Truppen demobilisieren konnte. Anstatt jedoch seine Soldaten aus dem letzten Krieg auszubezahlen, wurde das Geld nun dazu eingesetzt, neue Truppen anzuwerben, und bis Oktober hatten die Spanier rund 3000 Söldner für ihn angeworben, die meisten davon Deutsche.11 Auch bei Protestanten baten die Habsburger um Hilfe. Johann Georg von Sachsen zögerte nicht, seine Milizen zu mobilisieren und die Grenze nach Böhmen abzuriegeln. Nachdem er die Entwicklungen eine Weile beobachtet und mit Emissären beider Seiten gesprochen hatte, entschied der Kurfürst im August, dass die Böhmen die Tatsachen verdrehten, wenn sie ihren Aufstand als Konfessionskonflikt darstellten. Kursachsen verfolgte deshalb weiterhin eine Entspannungspolitik auf der Grundlage der bestehenden Reichsverfassung, und der Kurfürst lud alle betroffenen Parteien zu Friedensgesprächen in die böhmische Stadt Eger (Cheb) ein, an denen er auch selbst teilnehmen wollte.12 Die Reaktion der Protestantischen Union war für ihre böhmischen Glaubensbrüder wohl ähnlich ernüchternd. Die Nachricht vom Prager Fenstersturz hatte die Führungsriege der Union kalt erwischt. Friedrich V. von der Pfalz und Christian von Anhalt waren gerade damit beschäftigt gewesen, einen Streit mit ihrem Nachbarn, dem Speyerer Fürstbischof Sötern, vom Zaun zu brechen. Als Vorwand diente ihnen der Bau einer hochmodernen Festung, die von Sötern um seine Residenzstadt Udenheim am Rhein bauen ließ. Diese Festung, so die kurpfälzische Sichtweise, stellte eine unzumutbare Bedrohung dar. Die Anführer der Protestantischen Union hofften, die Krise um Udenheim werde das zuletzt eher schwache Interesse an ihrem Bündnis wiederbeleben und damit auch eine Erneuerung der Bündnisurkunde ermöglichen. Mit der Unterstützung Württembergs und Baden-Durlachs setzte die Kurpfalz am 15. Juni 5200 Milizionäre und Bauern mit Pionierwerkzeug in Marsch, um die noch im Bau befindliche Festung einzureißen. Der Versuch ging jedoch nach hinten los, denn er versetzte die anderen Mitglieder der Protestantischen Union in höchste Unruhe und entfremdete sie ihrer Führung noch weiter.13 In dem Bemühen, die Situation noch zu retten, übersandte Friedrich V. nun seinerseits ein Vermittlungsangebot an Matthias, das der Kaiser jedoch dankend ablehnte.14 Im Oktober 1618 trafen sich die Mitglieder der Protestantischen Union, um über die Lage zu beratschlagen. Mit der Ausnahme dreier Reichsstädte folgten sie der Einschätzung Christians von Anhalt, bei der Krise in Böhmen handele es sich um einen religiösen Konflikt. Einen Handlungsbeschluss mochten sie dennoch nicht verabschieden, was ihre grundsätzliche Zustimmung gleich wieder entwertete. Anhalt setzte sich hinter den Kulissen weiterhin für eine Intervention ein, musste aber einse-

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hen, dass England und andere Mächte das Vorhaben wohl erst dann unterstützen würden, wenn neben Böhmen auch die anderen Länder der böhmischen Krone sich dem Aufstand angeschlossen hätten.15 Mähren spielte eine entscheidende Rolle. Zwar war es nur etwa halb so groß wie Böhmen, lag jedoch, strategisch bedeutsam, zwischen diesem, Niederösterreich, Schlesien und Ungarn und bot über Znaim (Znojmo) und das umliegende Hügelland der Pollauer Berge eine recht gute Anbindung nach Wien. Mangelnde mährische Beteiligung war einer der Gründe für das Scheitern des böhmischen Ständeaufstandes von 1547 gewesen. Die zentrale Figur bei den mährischen Landtagen war der Kardinal und Fürstbischof von Olmütz, Franz Seraph von Dietrichstein, ein glühender Verfechter der Gegenreformation, dessen Loyalität zu den Habsburgern kaum überraschte. Eher unerwartet kam die Unterstützung Karls von Žerotin, der seine Friedensbemühungen selbst unter dem Eindruck habsburgischer Undankbarkeit unermüdlich fortgesetzt hatte. Als Anhänger der Brüderunität war Žerotin unter den mährischen Protestanten weithin geachtet; die meisten von ihnen wollten die bestehende Balance zwischen Krone und Ständen – für die Žerotin mit seiner Politik des Ausgleichs stand – erhalten. Zwar gelang es Sympathisanten des Aufstands im August, den mährischen Landtag zur Mobilisierung von 3000 Mann zu überreden, aber Žerotin und Dietrichstein sorgten dafür, dass diese Mähren nicht verließen, die mährische Neutralität also gewahrt blieb. Zugleich gestatteten sie allerdings habsburgischen Truppen den Durchmarsch. Die Protestanten andernorts zögerten, sich dem Aufstand anzuschließen, solange es die Mährer nicht auch taten; die Ungarn hielten sich ohnehin aus allem heraus. Der Krieg bricht aus Bucquoy beschloss, Thurns Heer zu umgehen und durch Mähren nach Prag vorzustoßen; auf dem Weg wollte er noch die Männer Dampierres aufsammeln. Thurn brach inzwischen seine wenig aussichtsreichen Belagerungen der drei verbliebenen Loyalistenhochburgen ab und verschanzte sich in Tschaslau in Mittelböhmen, um Bucquoys Vormarsch in das Elbtal aufzuhalten. Bauernfreischärler aus der Umgebung unterbrachen die habsburgischen Nachschublinien. Nachdem seine Truppen auf der Suche nach Lebensmitteln 24 Dörfer rund um Tschaslau niedergebrannt hatten, zog sich Bucquoy im September in Richtung Südwesten zurück, um näher an Budweis zu sein. Die militärische Lage entwickelte sich nun ganz zugunsten Thurns: Graf Mansfeld traf mit über 2000 Schweizer Söldnern ein, um Pilsen zu belagern. Die Schweizer waren noch aus den Kämpfen gegen die Venezianer in Italien „übrig geblieben“; ihren Einsatz in Böhmen hatten sie im Fürstentum Ansbach abgewartet. Zu ihnen stießen 3000 Schlesier unter dem Kommando des Markgrafen Johann Georg

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von Brandenburg-Jägerndorf, die im Oktober mobilisiert worden waren, nachdem die Radikalen auch unter den schlesischen Ständen die Oberhand gewonnen hatten. Pilsen ergab sich am 25. November und wurde in der Folge Mansfelds Hauptstützpunkt. Bucquoy und Dampierre zogen sich der eine nach Budweis, der andere nach Krems zurück, nachdem sie die Hälfte ihrer Männer durch Krankheit und Desertion verloren hatten. Der vergleichsweise leicht errungene Erfolg ermutigte Thurn, seine Kräfte zu teilen. Hohenlohe ließ er zur Belagerung Bucquoys zurück, während Thurn selbst nach Osten zog, um die Mährer zu drangsalieren, und Schlick auf Wien vorstieß. Durch die Aufspaltung der Kräfte blieben diese Einzelmanöver jedoch beinahe ohne Wirkung. Am 25. November erreichte Schlick die niederösterreichische Stadt Zwettl, hatte aber nur 4000 Mann bei sich, die überdies kaum Winterkleidung hatten und nicht mehr weitermarschieren konnten. Über den Winter schrumpften die Mannschaftsstärken wieder, und bis zum Februar 1619 waren in allen drei Abteilungen zusammen nicht mehr als 8000 Soldaten vorhanden. Die Anhänger des Kaisers nutzten die Flaute, um sich neu zu formieren. Zwar verwehrten die oberösterreichischen Protestanten ihnen den Durchmarsch durch ihre Region, aber Mansfeld hatte es versäumt, den Goldenen Steig zu versperren, ein Netzwerk von Handelswegen, das von Passau und der Donau aus durch den südlichen Böhmerwald nach Böhmen hinein führte. Jetzt ergriffen die Habsburger ihre Gelegenheit und sicherten sich rasch die wichtigsten Saumpfade mit Palisadenforts und anderen Befestigungen aus Holz. Fortan diente der Goldene Steig zur Versorgung der habsburgischen Truppen sowie als Aufmarschroute, denn die Verstärkungen näherten sich ihrem Einsatzgebiet entlang der Donau. So etwa ein frisches Kürassierregiment von 1300 Wallonen, das der Obristleutnant La Motte für den Obristen Wallenstein aufgestellt hatte, und das nun nach Böhmen hinüberzog, um Hohenlohes bereits deutlich geschwächte Blockade zu durchbrechen und Bucquoy in Budweis zu verstärken. Da keine der beiden Seiten einen klaren Vorteil erlangen konnte, erklärten sie sich bereit, an den Gesprächen teilzunehmen, die Kurfürst Johann Georg von Sachsen angeregt hatte. Die Gesandten versammelten sich gerade in Eger, da erreichte sie die Nachricht vom Tod Kaiser Matthias’ am 20. März 1619. Nun fielen Ferdinand, der ja bereits König von Böhmen und Ungarn war, auch die österreichischen Erblande der Habsburger zu. Allerdings blieb seine Position unsicher, solange ihm seine Untertanen nicht – vertreten durch die Stände – in aller Form gehuldigt hatten. Die oberösterreichischen Radikalen warteten auf eine Besserung der Lage und klammerten sich derweil an die schöne Einbildung, Matthias’ Bruder Erzherzog Albrecht – und nicht sein Vetter Ferdinand – sei ihr wahrer Herrscher. Ferdinand bemühte sich, rasch die Zustimmung sei-

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ner Untertanen zu gewinnen, bestätigte nach einigem Zögern die böhmischen Privilegien und bot den Rebellen sogar Straffreiheit an, wenn sie die Waffen niederlegten. Indem sie dieses Angebot ausschlugen, bekräftigten die Aufständischen ein für alle Mal ihren offenen Ungehorsam gegenüber der Krone. Keinesfalls konnten sie weiter behaupten, ihr Widerstand gelte lediglich Ferdinand und nicht der gesamten Habsburgerdynastie. Nun führte kein Weg mehr zurück. Am 18. April autorisierte das böhmische Direktorium den Grafen Thurn, in Mähren einzumarschieren. Der überschritt, nachdem er seine 4000 Söldner durch 5000 frische Milizionäre verstärkt hatte, fünf Tage später die Grenze und rückte auf Znaim vor, wo die mährischen Stände noch immer tagten. Dampierre standen in Krems gerade einmal 2000 Mann zu Gebot. In Eilmärschen hastete er nach Norden, konnte aber nicht mehr verhindern, dass die mährische Neutralität in Fetzen gerissen wurde. Eines der drei mährischen Regimenter lief zu den Invasoren über. Auch das Infanterieregiment Wallensteins meuterte. Wallenstein tötete den Major der Aufrührer und marschierte mit den loyal gebliebenen Soldaten nach Olmütz, wo er die mährische Landeskasse plünderte und anschließend über die Grenze in Richtung Süden davonzog.16 Ferdinands Reaktion auf dieses Husarenstück mag überraschen, beweist aber nur sein legalistisches Politikverständnis: Mit der Begründung, Wallenstein habe ohne die Order seiner Vorgesetzten gehandelt, schickte er dessen Truppen nach Hause (mit dem Geld) und hoffte wohl, auf diese Weise den Loyalisten unter Kardinal Dietrichstein Zulauf zu verschaffen, die inzwischen in Brünn (Brno) mit Thurn verhandelten. Thurn nutzte Wallensteins Aktion, um den Kardinal zu diskreditieren, marschierte in dessen Palais am Brünner Krautmarkt und wies auf ein Fenster – mit dem Hinweis, den Kardinal erwarte ein ganz ähnliches Schicksal wie die armen Prager Regenten. Dietrichstein trat umgehend von seinen Ämtern in der mährischen Ständevertretung zurück, aber Karl von Žerotin weigerte sich, einem Bündnis mit den Böhmen zuzustimmen. An seinem Widerstand zerbrach die Einheit der Protestanten, und Thurn musste sich mit einem viermonatigen Waffenstillstand zufrieden geben. Dietrichstein ergriff die Gelegenheit zur Flucht – dass ihm die Soldaten des mährischen Ständeheeres seinen Weinkeller im Wert von 30 000 Gulden leer gesoffen hatten, war endgültig zu viel gewesen. In der befestigten Bischofsresidenz Schloss Nikolsburg hielt seine Leibwache noch bis zum 3. Februar 1620 durch.17 Die „Sturmpetition“ Thurn spekulierte darauf, dass er durch einen Angriff auf Wien die Mährer und andere Unentschlossene auf die Seite der Aufständischen bringen könnte. Ende Mai 1619 überschritt er mit 10 000 Mann bei Znaim die Grenze nach Niederösterreich. Der letzte verbliebene Protestant im Wiener Ma-

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gistrat hielt sich mit einer Gruppe von Verschwörern bereit, die Kontrolle in der Stadt zu übernehmen, sobald Thurn eine Bresche in die Mauern geschlagen haben würde. Bei Fischamend, einige Kilometer südöstlich von Wien an der Donau gelegen, hatte ein ansässiger Adliger Boote versammelt, mit denen Thurns Männer den Fluss überqueren konnten, um die spärlichen Wachkontingente leichter ungarischer Kavallerie zu vertreiben, die zum Schutz der Hauptstadt abgestellt waren. Als Thurns Männer am 5. Juni das Dorf St. Marx vor den Toren Wiens erreichten, flohen die Bewohner der Vorstädte aus ihren Häusern. Dort, südlich der Stadt, wartete Thurn auf das Signal der Verschwörer im Inneren der Mauern.18 Thurns Vormarsch zwang die Niederösterreicher, Farbe zu bekennen. Erst im Mai waren die Protestanten aus einem Landtag, den Ferdinand einberufen hatte, hinausgestürmt, hatten aber am 4. Juni wieder zusammengefunden. Am Vormittag des nächsten Tages marschierten sie – durch die Nachricht vom Eintreffen Thurns ermutigt – zur Hofburg und verlangten, Ferdinand persönlich zu sprechen. Nachdem die aufgebrachten Ständevertreter sogar in den Palast eingedrungen waren, ergriff einer von ihnen – so will es zumindest die Legende – Ferdinand, um ihn zur Erfüllung ihrer Forderungen zu zwingen. Der soll sich daraufhin aber losgerissen und in seiner Hauskapelle Zuflucht gesucht haben, wo er, ein Kruzifix in Händen, um seine Errettung betete. Noch im selben Augenblick seien fünf Kompanien von Dampierres frisch aufgestelltem Arkebusierregiment in den Burghof geritten gekommen und hätten die Menge auseinandergetrieben, womit die „Sturmpetition“ beendet worden sei. Tatsächlich hatte Ferdinand die Vertreter der Protestanten selbst zu sich gebeten, weil er ihre Aussöhnung mit den niederösterreichischen Katholiken unterstützen wollte. Zwar stimmt es, dass sie sich nach dem Eintreffen Dampierres zurückzogen; aber schon am Nachmittag kehrten sie zu weiteren Gesprächen mit Ferdinand in die Hofburg zurück, nachdem dieser sich in aller Form für das plötzliche Auftauchen der Kavallerie entschuldigt hatte. Dennoch hatte das Eintreffen der 400 Berittenen Ferdinands Kampfgeist gestärkt. Der Einheit, die bis 1918 Bestand hatte (zuletzt als „k. u. k. Böhmisches Dragonerregiment Nr. 8“), wurde die besondere Ehre zuteil, „unter eigener Musik“ in die Hofburg einzuziehen. Das Kruzifix aber, an dem Ferdinand sich festgeklammert haben soll, wird bis heute in der Hofburgkapelle aufbewahrt. Durch das Eintreffen weiterer Verstärkungen sowie ein Aufgebot der Wiener Studentenschaft stieg die Anzahl der Stadtverteidiger auf über 5000. Einige besetzten die Praterinseln, während vier von Heiducken bemannte Kanonenboote Thurns Kommunikationslinien über die Donau gefährdeten. Da er keine Belagerungsgeschütze mit sich führte und bislang auch noch kein Signal von der

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„fünften Kolonne“ im Inneren der Stadt erhalten hatte, zog Thurn am 12. Juni in Richtung Norden ab. Sobald sein Tross außer Sicht war, ordnete Erzherzog Leopold eine Durchsuchung sämtlicher Häuser Wiens an, bei der er selbst die Oberaufsicht führte. Ziel war die Ergreifung „subversiver Elemente“ und Beschlagnahmung versteckter Waffenarsenale. Die ganze Episode überzeugte die niederösterreichischen Katholiken davon, ihre Zweifel bezüglich Ferdinands hintanzustellen und ihn als ihren Herrscher anzunehmen. Die protestantischen Adligen hingegen waren als Verschwörer enttarnt worden und flohen in die kleine, aber befestigte Stadt Horn, die zehn Jahre zuvor das Zentrum der „Horner Bewegung“ gewesen war. Hier richteten sie ihr eigenes Direktorium ein und begannen, die Aushebung von Truppen auf ihren Territorien in die Wege zu leiten. Das Scheitern der Aufständischen vor Wien wäre vielleicht nicht ganz so schlimm gewesen, hätten sie nicht auch in Böhmen – in der ersten offenen Feldschlacht des Krieges – eine herbe Niederlage einstecken müssen. Nachdem man Bucquoy zugetragen hatte, Mansfeld versuche sich nicht länger an einer Blockade des Goldenen Steigs, sondern befinde sich mit 3000 Mann auf dem Weg zu Hohenlohe, unternahm der noch immer in Budweis Verschanzte seinerseits einen Ausfall mit 5000 Mann, um Mansfeld den Weg abzuschneiden. Am 10. Juni tappte dieser bei Netolitz in Bucquoys Falle und zog sich rasch in Richtung des nahe gelegenen Ortes Sablat zurück, an dessen Rand er sich mit seinen Männern verbarrikadierte. Dann forderte er Hohenlohe auf, zu ihm zu stoßen. Bucquoy hingegen setzte, nachdem er alle Fluchtwege nach Norden versperrt und Mansfelds Vorposten zu ihrer Truppe zurückgetrieben hatte, Sablat in Brand. Die meisten Häuser des Dorfes waren aus Holz und hatten Strohdächer; sie brannten wie Zunder. Infolge des rasch um sich greifenden Brandes explodierte schließlich ein Munitionslager. Die meisten Soldaten Mansfelds wurden von der kaiserlichen Kavallerie niedergemacht, als sie zu fliehen versuchten. Eine Gefangennahme konnte sich Mansfeld, der seit Februar 1619 in Acht und Bann stand, unter keinen Umständen erlauben. Irgendwie gelang ihm und 15 Getreuen die Flucht nach Nordosten, aber das Pech blieb ihnen dicht auf den Fersen: Die Wachtposten der böhmischen Garnison von Moldautein eröffneten das Feuer auf den Trupp, weil sie Mansfeld für einen kaiserlichen Offizier hielten. Erst als sie ihren Fehler endlich bemerkten, ließen sie ihn hinein. In der Zwischenzeit hatte Bucquoy etwa die Hälfte von Mansfelds verbliebenen Männern an einem Wäldchen in die Enge getrieben. Gegen einen Monatssold im Voraus wechselten sie, die schon seit Längerem nicht mehr bezahlt worden waren, die Seiten. Hohenlohe war mit seinen Männern zwar nur sieben Kilometer entfernt, griff aber nicht ein. Am Ende war er gezwungen, seine Blockade von Budweis aufzuheben und sich dem von Wien her zurückweichenden Thurn an-

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zuschließen. Die zerstrittenen böhmischen Heerführer formierten sich neu; zahlenmäßig waren sie Bucquoy, dessen Truppen nun das südliche Böhmen überrannten, noch immer überlegen. Der Krieg ging weiter, aber durch Bucquoys Sieg erhielt die habsburgische Sache einen Schub zur rechten Zeit, und Ferdinand konnte voller Zuversicht nach Frankfurt reisen, wo er zu Matthias’ Nachfolger gewählt werden sollte.

Der Kampf um die Kronen Anders als während des Bruderzwistes war der Streit um die habsburgische Erbfolge nun keine innere Angelegenheit der Herrscherdynastie mehr. Aus Ferdinands Sicht war der Böhmische Aufstand nur eine ärgerliche Störung auf dem Weg zu seinem hauptsächlichen Ziel: der Kaiserkrone. Bereits am 12. April 1619 hatte er in einem Brief an die Reichsstände betont, dass die Rebellen seine Angebote einer gütlichen Einigung ausgeschlagen hätten.19 Die Verbesserung der militärischen Lage erlaubte es ihm, am 10. Juli nach Frankfurt aufzubrechen, wo auch die Kurfürsten sich versammelten. Die Kaiserwahl kam einer Bankrotterklärung der kurpfälzischen Politik gleich. Friedrich V. war mit seinem Versuch gescheitert, die Unterstützung Kursachsens zu gewinnen. Seine Pläne, die Kaiserwahl als Druckmittel zur Erreichung von Zugeständnissen einzusetzen, hatten sich damit ebenfalls zerschlagen. Da er keinen brauchbaren Alternativkandidaten zu Ferdinand vorweisen konnte, sah sich Friedrich unversehens in die paradoxe Situation gedrängt, ausgerechnet Herzog Maximilian von Bayern für die Kaiserwahl vorzuschlagen. Der Plan, Frankfurt mit den Truppen der Protestantischen Union zu besetzen, wurde aufgegeben, als der Landgraf von Hessen-Kassel seine Mitwirkung verweigerte. Durch Gerüchte von einem bevorstehenden protestantischen Staatsstreich wurde die ohnehin gespannte Lage weiter aufgeheizt. Die Frankfurter Bürgerwehr hielt die Leibwache des Mainzer Kurfürsten für ein nahendes Invasionsheer und eröffnete das Feuer. Die Mainzer zogen sich zurück, um eine Eskalation zu vermeiden, aber der kurfürstliche Kurier wurde von den Wachen dennoch erschossen, als er die Stadt zu verlassen suchte.20 Als Ferdinand schließlich nach Frankfurt gelangte, waren die geistlichen Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln bereits in der Stadt; Sachsen, Brandenburg und die Pfalz ließen sich durch Wahlgesandte vertreten. Die böhmischen Stände wurden zur Wahl nicht zugelassen, aber Ferdinand durfte gemäß dem Entscheid der Kurfürsten das böhmische Wahlrecht ebenso wenig ausüben. Der Habsburger machte sich die Sache nicht gerade leichter, als er – und zwar auf einem

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Jagdausflug während einer Verhandlungspause – versehentlich den Pagen des Kölner Kurfürsten erschoss.21 Dennoch war er der einzig aussichtsreiche Kandidat – Gespräche über mögliche Herausforderer führte man allein der Form halber. Sobald sich deutlich abzeichnete, dass Ferdinand gewählt werden würde, gab auch der kurpfälzische Wahlgesandte seine Zustimmung, weil eine Weigerung, wie er fürchtete, seinen Herrn nur noch weiter isoliert hätte. Die Böhmische Konföderation Ferdinands einstimmiger Wahl zum römischdeutschen Kaiser am 28. August standen die Bemühungen seiner Feinde gegenüber, ihn seiner böhmischen und seiner ungarischen Königskrone zu berauben. Am 31. Juli 1619 schlossen sich die fünf Länder der böhmischen Krone zu einer Konföderation zusammen, die durch ein Treffen ihrer Vertreter in Prag besiegelt wurde. Am 16. August schlossen sich ihnen in einer feierlichen Zeremonie auf dem Hradschin die Protestanten Ober- und Niederösterreichs als Verbündete an.22 Die 100 Artikel umfassende Konföderationsakte ersetzte das im Grunde republikanisch verfasste Direktorialsystem der Aufständischen durch eine Wahlmonarchie, deren Grundlage die im Majestätsbrief geschaffenen protestantischen Institutionen bildeten. Als Hüter der neuen Verfassung wurden die Defensoren wiedereingesetzt; künftig sollten sie in allen Ländern der böhmischen Krone über die Einhaltung der religiösen Privilegien wachen (deren Gültigkeit nämlich ebenfalls auf alle Kronländer ausgedehnt wurde). Die geistliche Jurisdiktion von Katholiken über Protestanten wurde abgeschafft. Zwar durften Katholiken – zumindest auf niederer Ebene – durchaus Posten in der neuen Regierung übernehmen, aber sie mussten zuerst einen Treueeid auf die Konföderationsakte leisten. Die böhmische Monarchie wurde als Wahlmonarchie grundsätzlich bestätigt. Entscheidender war jedoch, dass Böhmen den anderen vier Kronländern (Mähren, Schlesien und den beiden Lausitzen) in Zukunft gleiche Wahl- und Mitspracherechte einräumte; nur für den Fall einer Stimmengleichheit behielt sich Böhmen vor, den Ausschlag zu geben. Die Böhmische Konföderation stellte den Versuch dar, einen Staat nach aristokratischen Prinzipien zu gestalten, ähnlich wie in der Republik Venedig oder der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Ihr volles Potenzial hat sie nie entfalten können, denn sie wurde aus dem Krieg geboren und versank auch wieder im Krieg. Dennoch scheint es bedeutsam, dass es der Böhmischen Konföderation – im Gegensatz etwa zu den Systemen der Niederländer oder Schweizer – niemals gelang, sich gegen die Macht der Habsburger durchzusetzen. Die österreichischen Protestanten traten der Konföderation nicht bei, blieben aber deren Verbündete. Eine vollwertige Mitgliedschaft lehnte ihr Anführer Georg Erasmus von Tschernembl ab; er sah in der Zusammenarbeit mit den Böh-

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men lediglich ein Mittel, Ferdinand zu lokalen Zugeständnissen zu bewegen. Da die Mehrheit der Landstände in Ober- wie in Niederösterreich noch nicht einmal eine solche Zusammenarbeit wünschte, beruhte die österreichische Unterstützung für die Böhmische Konföderation einzig und allein auf den improvisierten Institutionen der protestantischen Radikalen.23 Unter den Mitgliedern der Konföderation gab es manche, die sich zu dem Bündnis gezwungen fühlten, insbesondere viele Mährer. Die Schlesier traten der Konföderation bei, weil ihnen im Gegenzug besondere Zugeständnisse gemacht wurden, die ihre Verwaltungsautonomie stärkten und erweiterten. Mähren erhielt überdies sein eigenes Konsistorium und eine eigene Universität. Man bemühte sich sogar um ein gewisses Maß an Zentralisierung und Koordinierung der einzelnen Länder, von denen jedes freilich seine eigene Ständeversammlung und seine eigenen Gesetze behielt. Dass sie zuerst ihre Konföderation gründeten und sich dann erst der böhmischen Kronfrage zuwandten, zeigt, dass die Rebellen gegenüber der Monarchie unter allen Umständen ihre Vormacht beweisen wollten. Am 19. August setzten die Delegierten der Konföderation Ferdinand offiziell als König ab – oder besser: sie lehnten ihn ab, denn nach ihrer Interpretation war die Königswahl von 1617 verfassungswidrig und Ferdinand also zu keinem Zeitpunkt tatsächlich König von Böhmen gewesen. Die meisten hofften wohl, Johann Georg von Sachsen würde sich zu einer Kandidatur bereit erklären, aber der spielte nur deshalb mit der Idee, damit die Böhmen das Interesse an seinen Friedensplänen nicht verloren.24 Der zweite Favorit war Gabriel Bethlen (ungarisch: Bethlen Gábor) von Iktár, der aus erneuten inneren Wirren Siebenbürgens 1613 als Fürst hervorgegangen war.25 Bethlen entstammte einer vergleichsweise armen Familie des magyarisch-calvinistischen Kleinadels. Seine Mutter, eine Szeklerin, hatte ihm eine gute Erziehung und Ausbildung angedeihen lassen. Manche haben seine Behauptung für bare Münze genommen, er habe ein großes Bündnis ostmitteleuropäischer Territorien angestrebt, aber wahrscheinlich ging es ihm eher darum, die doppelte Unabhängigkeit Siebenbürgens zu demonstrieren: von den Habsburgern und den Osmanen. Habsburgische Diplomaten überzeugten den Sultan davon, dass man Bethlen nicht trauen könne, was die Gefahr eines siebenbürgisch-osmanischen Doppelangriffs auf Ungarn bannte und Bethlens Einfluss in Prag schwächte. Noch unwahrscheinlicher war eine Kandidatur Karl Emanuels von Savoyen für die böhmische Königswahl. Ein Königstitel war für den Savoyerherzog – wie auch für Bethlen – vor allem eines: ein Mittel, um die prekäre Unabhängigkeit des eigenen Fürstentums zu untermauern. Karl Emanuel zeigte sich, was die Herkunft der begehrten Königskrone anging, noch weniger wählerisch als sein Rivale aus Siebenbürgen: So hatte er sich auch schon erboten, Al-

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banien von der osmanischen Herrschaft zu befreien, wenn die Albaner ihn anschließend zu ihrem König machen würden. Obwohl er Katholik war, hatte er seine Feindschaft gegen Habsburg bereits auf den Schlachtfeldern Italiens unter Beweis gestellt; zudem war er, wie man glaubte, sagenhaft reich. Heimlich hatte Karl Emanuel den Feldzug Mansfelds mitfinanziert, war darüber jedoch gestolpert, als die Sache ans Licht kam (Bucquoy waren in Sablat Dokumente in die Hände gefallen, die den Savoyer belasteten). Der Herzog war deshalb schleunigst zurückgerudert – so weit zurück, dass er 1620 dem Habsburger Ferdinand 12 000 Mann anbot, wenn er dafür nur im Gegenzug die Wenzelskrone erhielte. Damit blieb – aus der Sicht der Aufständischen – als einzig praktikabler Thronanwärter nur noch Friedrich V. von der Pfalz übrig. Gesagt, getan: Am 26. August 1619, seinem 23. Geburtstag, wurde Friedrich mit 144 Stimmen zum König von Böhmen gewählt; sechs Delegierte hatten für Johann Georg von Sachsen gestimmt, obwohl dieser erklärt hatte, nicht zur Verfügung zu stehen.26 Eine folgenschwere Entscheidung Friedrich war von Natur aus wenig entscheidungsfreudig, aber doch intelligent genug, um die enorme Tragweite dieses Vorgangs zu begreifen. Seine Ratgeber brachten den ganzen folgenden Monat damit zu, die nächsten Schritte zu durchdenken. Friedrichs Mutter und die einheimischen Kurpfälzer unter seinen Beratern drängten ihn dazu, die Krone abzulehnen, da eine Annahme unweigerlich zum Krieg führen würde. Christian von Anhalt und Ludwig Camerarius, ein weiterer einflussreicher Auswärtiger, plädierten dennoch dafür. Der alten Mär von dem schwachen Kurfürsten, der unter dem Pantoffel seiner ehrgeizigen englischen Gattin, die unbedingt Königin werden will, so lange schikaniert wird, bis er der Wahl zustimmt, sollte man gewiss nicht allzu viel Glauben schenken. Aber zweifellos nährte Elisabeth die falsche Hoffnung, ihr Vater Jakob I. von England werde Friedrich im Konfliktfall unterstützen. Jakob hatte sein Bündnis mit der Protestantischen Union im Januar 1619 erneuert, während die Niederländer im Monat darauf eine bescheidene Hilfszahlung für Böhmen in Aussicht stellten. Friedrich fiel es schwer, zwischen dem Möglichen und dem Wahrscheinlichen zu unterscheiden; er verwechselte vage Gunst- und Absichtsbekundungen mit festen Zusagen. Nach einer anderen Lesart drängte Christian von Anhalt den Kurfürsten, die Krone anzunehmen, weil er große Summen in das Metall verarbeitende Gewerbe der Oberpfalz investiert hatte – einen Sektor, der zuletzt in immer größere Abhängigkeit vom Handel mit Böhmen geraten war.27 Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass dieser Aspekt bei der Entscheidung letztlich eine große Rolle gespielt hat. Viel wichtiger war eine potente Mixtur aus langjährigen dynastischen Ambitionen und der festen Überzeugung, dass Gott selbst Friedrich zu seinem Werkzeug auf

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Erden machen wollte. Überall in der Kurpfalz, Schlesien und den Lausitzen verkündeten radikale Protestanten bereits den Anbruch eines Goldenen Zeitalters, in dem Friedrich als der legendäre „letzte Kaiser“ vor dem Weltuntergang herrschen werde. Einen bodenständigeren Hinweis auf die Natur der kurpfälzischen Ambitionen gibt die Entscheidung des Kurfürsten, sein viertes Kind, einen am 17. Dezember 1619 in Prag geborenen Sohn, auf den Namen „Ruprecht“ taufen zu lassen. Ruprecht, der später als Herzog von Cumberland in englischen Diensten Karriere machen sollte, war nach einem berühmten Vorfahren benannt: Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz war 1400 zum römisch-deutschen König gewählt worden; die Kaiserwürde war ihm aus finanziellen und machtpolitischen Gründen freilich versagt geblieben. Die dynastischen Ambitionen seines Nachfahren Friedrich wurden bestätigt, als die kurpfälzischen Stände dessen erstgeborenen Sohn Friedrich Heinrich im April 1620 als designierten Nachfolger annahmen. Friedrichs öffentliche Verlautbarungen in Sachen der böhmischen Krone blendeten diese Hintergründe natürlich aus. Stattdessen beschränkte er sich darauf, die Beschwerden aus der Apologie der böhmischen Aufständischen zu wiederholen, und verwies zudem, wie es üblich war, auf die dringend nötige Stabilisierung des Reiches im Angesicht der osmanischen Bedrohung.28 Am Montag, den 7. Oktober 1619, verließ Friedrich Heidelberg in Richtung Böhmen. Die Regierung seines Kurfürstentums hatte er Johann Casimir von Pfalz-Zweibrücken anvertraut. Auf dem Weg in sein Königreich begleiteten ihn die wagemutigeren unter seinen Beratern sowie ein Tross von 153 Wagen, die unter anderem kistenweise Spielzeug für seinen ältesten Sohn geladen hatten, und einer Kutsche mit seiner bereits hochschwangeren Frau. Beinahe hätte ein Erdrutsch auf der Reise das Leben des künftigen Herzogs von Cumberland noch vor seiner Geburt beendet: Ein Steinbrocken landete in Elisabeths Schoß. In der Oberpfalz stieß Christian von Anhalt mit 1000 Soldaten zu ihnen. Da sich ihnen keine kaiserlichen Truppen in den Weg stellten, erreichten sie Ende Oktober Prag. Unter den jubelnden Menschenmassen befanden sich auch 400 Prager Bürger, die sich als aufständische Hussiten verkleidet hatten. Und falls Friedrich diesen Wink nicht verstanden haben sollte, trug die Gedenkmedaille, die anlässlich seiner Krönung geprägt wurde, eine bezeichnende Inschrift: „König von Gottes und der Stände Gnaden“.29 Böhmen rüstet zum Krieg In Böhmen hatte man erwartet, dass der neue König massive internationale Unterstützung mitbringen werde. Diese Erwartung wurde nun bitter enttäuscht. Beim Rothenburger Unionstag im September wussten die Delegierten mit Blick auf die Königswahl Friedrichs kaum zu sagen, ob diese „schickhung des Almechtigen“ nun ein Geschenk oder eine Strafe Got-

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tes sei.30 Nachdem deutlich geworden war, dass die böhmischen Stände Friedrich tatsächlich als ihren König annehmen würden, trafen die Vertreter der Union sich im November erneut. Ihnen war mulmig zumute, wenn sie daran dachten, wie 1546/47 der Schmalkaldische Bund und ein böhmischer Aufstand zugleich zerschlagen worden waren. Nur Brandenburg-Ansbach und Baden unterstützten Friedrich; Hessen-Kassel trat sogar im Protest aus dem Bündnis aus. Die Union zog zwar Truppen zusammen, doch sollten diese lediglich zum Schutz vor katholischen Vergeltungsmaßnahmen dienen. Die Niederländer gestatteten, dass man aus Briten und Deutschen, die in ihrer Armee Dienst taten, zwei Regimenter zur Unterstützung Böhmens zusammenstellte, lehnten eine direkte Beteiligung indes ab und stellten im August 1620 sogar ihre Subsidienzahlungen ein (die ohnehin nie die versprochene Höhe erreicht hatten). Die Uneinigkeit der deutschen Protestanten wurde auf drastische Weise offenbar, als lutherische Fundamentalisten in Berlin mit der Behauptung Krawalle auslösten, die britischen Truppen seien in Wahrheit überhaupt nicht auf dem Weg nach Böhmen, um dort den Aufständischen beizustehen, sondern vielmehr nach Brandenburg, um dessen Bewohner mit Gewalt zum Calvinismus zu bekehren. Was noch schlimmer war: Jakob I. von England zeigte sich „höchlich betrübt“ darüber, dass Friedrich als sein Schwiegersohn vor der Annahme der böhmischen Krone nicht seinen, Jakobs, Rat abgewartet hatte. „England gab den Zeitgenossen – und nach ihnen den Historikern – Rätsel auf.“31 Dass Englands König ein schwieriger Charakter war, machte die Sache nicht einfacher. Jakob war ein selbstgefälliger Wichtigtuer und mitunter ein Fantast, der sich nicht selten in Widersprüche verwickelte. Und doch war er ehrlich um Frieden bemüht und führte Friedensverhandlungen mit verfeindeten Parteien im In- und Ausland. Ein Kernelement seiner auf Ausgleich bedachten Politik war die Suche nach einer katholischen Braut für seinen Sohn Karl; durch diese Heirat sollten seine eigene Ehe mit einer dänischen Prinzessin sowie die Verheiratung seiner Tochter Elisabeth mit Friedrich V. gewissermaßen „ausbalanciert“ werden. Die meisten Briten hatten eine stark vereinfachte, übermäßig konfessionell geprägte Vorstellung vom Geschehen auf dem Kontinent und konnten deshalb nicht verstehen, warum ihr König den unterdrückten Protestanten in Böhmen und den anderen habsburgischen Ländern nicht einfach zu Hilfe eilte. Wehmütig blickten sie auf das goldene Elisabethanische Zeitalter zurück, als eine britische Flotte die Spanische Armada vernichtet und so – wie man meinte – die Niederländer und die französischen Hugenotten gerettet hatte. Damals hatte man über die Mittel debattiert, nicht aber über den Zweck. Mittlerweile war das anders: Es bestanden ernsthafte Meinungsverschiedenheiten darüber, wohin das englisch-schottische Staatsschiff steuern sollte. Eine kleine, gleichwohl einflussreiche Minder-

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heit teilte Jakobs Ansicht, die wahre Aufgabe seines Königreichs bestehe in der Schlichtung europäischer Konflikte – als eine Art Schiedsrichter, der über den verfeindeten Parteien stehen sollte. Im Fall des Böhmischen Aufstandes hatten britische Vermittlungsversuche wenig Aussicht auf Erfolg. Die wichtigste diplomatische Mission jener Zeit – sie stand unter der Leitung des Viscount Doncaster – zeigte bereits die grundsätzlichen Probleme, an denen alle Versuche einer Einflussnahme auf den Dreißigjährigen Krieg seitens der Stuartmonarchen scheitern sollten: Die Briten waren schlecht informiert und sie kamen zu spät. Doncasters Abreise wurde durch eine Krankheit Jakobs verzögert, und so konnte die Delegation erst im Mai 1619 überhaupt in Richtung Kontinent aufbrechen. Auch die britische Schwäche für aufwendige Gesandtschaften alter Schule sorgte für Verzögerungen (Doncaster reiste mit einem Gefolge von 150 Mann; insgesamt kostete seine Mission 30 000 Pfund Sterling). Aber vor allem hatte Jakob I. überhaupt nichts anzubieten. Die Habsburger waren an Verhandlungen mit ihm nur dann interessiert, wenn er im Gegenzug seinen Schwiegersohn im Zaum halten würde – aber das war natürlich völlig ausgeschlossen! Weitere britische Gesandtschaften empfingen die Habsburger allein deshalb, weil sie der radikalen Londoner Fraktion, die eine groß angelegte Militäraktion zur Unterstützung der „protestantischen Sache“ forderte, keine neue Nahrung geben wollten. Friedrich verlangte derweil nicht nach weiteren Ratschlägen seines Schwiegervaters, sondern nach Geld und Soldaten, und konnte einfach nicht verstehen, warum dieser sein noch jüngst erneuertes Hilfsversprechen an die Protestantische Union nicht einlöste. Nicht einmal einen Kredit wollte Jakob den Protestanten vom Kontinent gewähren, obwohl der kurpfälzische Gesandte in London 64 000 Pfund Sterling an Spenden gesammelt hatte, um ein Regiment von 2500 Briten unter Sir Andrew Grey aufstellen zu können.32 Jakobs angeheiratete Verwandte in Dänemark blieben auf Distanz, während die Brautfahrt Gustav Adolfs nach Heidelberg im Frühjahr 1620 dem Schwedenkönig deutlich vor Augen führte, wie zerstritten die deutschen Protestanten tatsächlich waren (siehe Kapitel 6). Ganz Europa scherzte, dass Friedrich wohl am ehesten wie folgt gerettet werden würde: Die Dänen würden 1000 eingelegte Heringe schicken, die Niederländer 10 000 Pakete Butter – und Jakob I. ein Heer von 100 000 Gesandten.33 Da die militärischen Ressourcen der Kurpfalz nun voll und ganz dafür in Anspruch genommen wurden, das gefährdete eigene Territorium zu schützen, wandte sich Friedrich, als er Ende 1619 von dem enttäuschenden Treffen der Protestantischen Union zurückkehrte, an seine neuen böhmischen Untertanen. Er brach zu einer großen Rundreise durch sein neues Reich auf, bis die militäri-

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schen Entwicklungen ihn im März 1620 zum Abbruch des Vorhabens zwangen. Sein nobles Auftreten und sein rhetorisches Talent verschafften Friedrich einen freundlichen Empfang, wo immer er Halt machte; mit seiner Gattin wurden die böhmischen Untertanen nicht so schnell warm, was wohl vor allem an ihrer gewagten französischen Garderobe lag – und an ihren fehlenden Deutschkenntnissen. Friedrichs Vorstellung von den Rechten der Katholiken war ungefähr so beschränkt wie Ferdinands Vorstellung von den Rechten der Protestanten. Zwar behauptete Friedrich, er werde Katholiken akzeptieren, solange sie sich ihm gegenüber loyal verhielten, aber er tat nur wenig, um sie vor örtlichen Übergriffen zu beschützen. Sein chronischer Geldmangel führte schon bald zur Beschlagnahmung katholischer Ländereien und katholischen Kirchenguts.34 Die böhmischen Aufständischen konnten mit einem solchen Vorgehen gut leben; was ihnen jedoch Sorge bereitete, war Friedrichs Umgang mit den ortsansässigen Protestanten. Der neue König und sein Gefolge zeigten nur sehr geringes Verständnis für die Komplexitäten des böhmischen Protestantismus. In den Augen des calvinistischen Hofpredigers Abraham Scultetus waren die Utraquisten nichts als Kryptokatholiken und Umstürzler. Ohne Rücksicht auf sein früheres Scheitern bei der „zweiten Reformation“ in Brandenburg begann Scultetus eine Kampagne gegen alle, die er wegen ihres „fehlgeleiteten“ Glaubens verachtete. Seine Pläne, die Heiligenfiguren von der Prager Karlsbrücke entfernen zu lassen, wurden allerdings durch den Widerstand der Bevölkerung vereitelt. Dafür kühlten Pfälzer Calvinisten zu Weihnachten 1619 ihr bilderstürmerisches Mütchen im Prager Veitsdom, entfernten oder zerstörten unschätzbare Kunstwerke aus dem Mittelalter, rissen das große Kruzifix über dem Altar herunter, durchstachen Gemälde und brachen Reliquiare und Heiligengräber auf. Die Böhmen waren hochempört, allerdings nicht so sehr aus konfessionellen Gründen, sondern weil der Veitsdom ihre böhmische Identität verkörperte. Derartige Übergriffe schwächten die allgemeine Bereitschaft, für König Friedrich Opfer zu bringen. Im militärischen Bereich verließ sich die Böhmische Konföderation auf Rekrutierungsmethoden, die schon während des habsburgischen Bruderzwistes zum Einsatz gekommen waren. Jedes Land der böhmischen Krone hob seine eigenen Regimenter aus und stellte einige (oder alle) einem gemeinsamen Heer zur Verfügung. Die böhmischen Soldaten werden gemeinhin als „Milizen“ bezeichnet, waren jedoch in der Hauptsache Söldner, die von Offizieren im Auftrag der böhmischen Stände angeworben wurden. Im September 1618 hatten die Böhmen durch ein allgemeines Aufgebot 30 000 Untertanen einberufen, von denen jedoch nur 10 500 tatsächlich antraten und einen Monat später unverrichteter Dinge nach Hause geschickt wurden. Das Experiment wurde im März 1619 wiederholt. Diesmal erging der Aufruf lediglich an

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12 000 Männer; man hoffte wohl, dass man durch eine engere Auswahl ein motivierteres und letztlich kampfstärkeres Heer erhalten würde. Zur Mobilisierung des Adels berief man sich auf alte Lehnspflichten – obwohl die Aufständischen zu jenem Zeitpunkt noch überhaupt keinen König hatten. Die bei dieser Gelegenheit mobilisierten Milizen wurden bald wieder aufgelöst oder in die regulären Einheiten der böhmischen Krone übernommen. Später mobilisierten Mähren und Schlesien zu ihrer Verteidigung ebenfalls Milizen, verließen sich ansonsten aber auch auf Berufssoldaten. Die Zahlen schwankten beträchtlich: Böhmen im engeren Sinne führte in der Regel etwa 12 000 Mann ins Feld, Mähren und Schlesien je rund 3000, und die Lausitzen zahlten einen Geldausgleich. Die Protestanten Ober- und Niederösterreichs begannen erst 1619 mit der Mobilisierung und schlossen ihre Kriegsvorbereitungen nie ab; letztlich entsandten sie nur ein paar Tausend Mann zum konföderierten Heer. Die ausländische Unterstützung konzentrierte sich im Heer Mansfelds, das im Westen Böhmens unabhängig von der Hauptstreitmacht der Konföderation operierte und aus dem Ausland leichter erreicht werden konnte. Dort dienten neben den beiden britischen Regimentern mindestens sieben deutsche, eine niederländische und vier wallonische Einheiten mit insgesamt rund 7000 Soldaten.35 Mit den aufständischen Niederländern und ihrer oranischen Heeresreform oder später den englischen und schottischen Parlamentaristen und ihrer New Model Army, die beide ihre jeweiligen königstreuen Gegner durch schlagkräftige militärische Innovationen besiegten, konnten die Konföderierten sich nicht messen. Thurn und die anderen böhmischen Heerführer verließen sich ganz auf ihre Erfahrung aus dem Türkenkrieg und ahmten die Organisationsstruktur und Taktik der kaiserlichen Armee nach. Für die Einführung „niederländischer Methoden“ setzten sich die deutschen Protestanten und andere Freiwillige im konföderierten Lager ein, deren Zahl stetig zunahm. Nachdem im Frühjahr 1620 Christian von Anhalt das Kommando übernommen hatte, wurden die entsprechenden Reformen auch tatsächlich umgesetzt.36 Viele Böhmen lehnten die Veränderungen jedoch ab; so kamen zu bestehenden Streitigkeiten über Kommandofragen noch weitere über die Organisation der Truppe. Die Probleme waren teils struktureller Natur und entsprangen dem vorherrschenden System separater Kontingente, die jeweils einem eigenen Heerführer unterstanden und den Ständen verantwortlich waren, die sie aushoben und bezahlten. Größere militärische Operationen erforderten ausgiebige Beratungen, und nicht selten standen einer Einigung die widerstreitenden Persönlichkeiten Einzelner im Weg. Das betraf vor allem die Gespräche der böhmischen Ständevertreter untereinander sowie ihre Kommunikation mit Anhalt und Mansfeld. Thurn war außerstande, seine politische und seine militärische Rolle in Einklang zu bringen,

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und bevorzugte diejenigen Operationen, die am offensichtlichsten die Sache der Aufständischen vorantrieben. Das bedeutete immer wieder, dass er das Kommando in einem Gebiet niederlegen und weite Strecken reisen musste, um an anderer Stelle eingreifen zu können – so etwa Ende 1618, als er Hohenlohe im Südwesten Böhmens zurückließ, um sich mit den Mährern auseinanderzusetzen. Im Oktober 1619 tat er es schon wieder und erlaubte Bucquoy auch diesmal, zu entkommen und seine Truppen neu zu formieren. Außerdem wurde das weitere Vorgehen der Konföderierten ab März 1620 um zwei Monate verzögert, während die Truppe auf das Eintreffen Anhalts wartete. Die mangelnde Bereitschaft der konföderierten Führung, von ihren bisherigen Gepflogenheiten zu lassen, sorgte im Zusammenspiel mit der kümmerlichen Unterstützung aus dem Ausland dafür, dass die Böhmische Konföderation chronisch knapp bei Kasse war. Die böhmischen Stände bewilligten schließlich eine Verdopplung der Steuerlast, verglichen mit ihrer letzten Festlegung von 1615. Auch die anderen Länder der böhmischen Krone führten neue Steuern ein, aber selbst in ihren Sollwerten lagen die Steuereinnahmen noch beträchtlich unter dem eigentlich Benötigten. Die mährischen Einnahmen etwa entsprachen nur 60 Prozent der Ausgaben – unter der Annahme, dass alle fälligen Zahlungen auch wirklich erfolgt wären. Der Krieg und die allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung sorgten jedoch für erhebliche Zahlungsausfälle. Die Mitglieder des Direktoriums sowie einzelne Adlige gewährten der Konföderation große Kredite oder verkauften sogar ihr Land, um eigene Regimenter aufstellen zu können. Nicht jeder Beitrag erfolgte freiwillig: Die jüdische Gemeinde von Prag wurde gezwungen, zusätzliche Zahlungen zu leisten. Auch durch den beschlagnahmten Besitz geflohener Habsburger-Loyalisten kam Geld in die Kassen der Konföderation. Immerhin entschieden sich die Direktoren dagegen, die Kunstund Kuriositätensammlung Rudolfs II. zu veräußern, weil sie glaubten, keinen Käufer finden zu können. Tatsächlich ließ sich noch nicht einmal das konfiszierte Land so ohne Weiteres verkaufen; teils wurde es hergegeben, um die wachsenden Schulden der Konföderation zumindest im Ansatz zu begleichen. Das allgemein geringe Interesse an der Konföderation sowie das Widerstreben potenzieller Geldgeber, ihr Kredite zu gewähren, lassen erkennen, wie unsicher ihre Zukunft vielen schien. Die Stephanskrone Die Böhmen hofften mit wachsender Dringlichkeit auf eine Rettung durch den siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen. Dieser hatte inzwischen ein Auge auf die ungarische Krone geworfen – wohl stets ein realistischeres Ziel als die böhmische. Am 18. August 1619 kündigte er den Böhmen brieflich an, er werde bald in Mähren zu ihnen stoßen. Das war jedoch nur eine

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List, um ihre Unterstützung zu gewinnen und so seine Verhandlungsposition gegenüber den ungarischen Ständen zu verbessern, die in Pressburg zusammengetreten waren. Eine Welle von Rekonversionen unter den Magnaten im Westen und Nordwesten des Landes hatte seit etwa 1608 wieder zu einer katholischen Mehrheit im ungarischen Landtag geführt. Allerdings wollten weder die Katholiken noch die Protestanten Ungarns sich in den böhmischen Konflikt hineinziehen lassen. Bethlen trat als Vermittler auf und gewann so die Unterstützung der unzufriedenen protestantischen Magnaten Oberungarns, darunter Georg (György) Rákóczi und die Grafen Stanislaus (Szaniszló) und Emmerich (Imre) Thurzó. Ein Abgesandter Bethlens überzeugte den osmanischen Großwesir Mehmed Pascha nicht nur davon, einem Krieg gegen die Habsburger zuzustimmen, sondern erhielt von ihm sogar das Versprechen türkischer Unterstützung in Form von Infanterieeinheiten. Bethlens Intervention ließ bereits die Probleme erkennen, durch die das siebenbürgische Engagement im Krieg auch später noch erschwert werden sollte. Der Fürst war fest davon überzeugt, dass Friedrich und die Böhmen reich seien und ihm nicht nur die nötigen Subsidien zahlen würden, um sein größtenteils aus irregulären Truppen bestehendes Reiterheer im Feld zu halten, sondern auch die Infanterie und Artillerie, die er brauchen würde, um die habsburgischen Festungen zu erobern. Friedrich und seine Berater wiederum sahen nur, was sie sehen wollten: Ein Mann, der wie Bethlen behauptete, die ganze Bibel nicht weniger als 26-mal gelesen zu haben, musste doch ganz einfach ein Kämpfer für das Gute sein, der geborene Anführer eines Kreuzzugs gegen die katholisch-habsburgische Tyrannei! Bereits im Juni hatte Bethlen 400 000 Taler und ganz Innerösterreich gefordert, hatte seine Truppen dann aber schon in Marsch gesetzt, bevor Friedrich zugestimmt hatte, denn er brauchte einen greifbaren Erfolg, um auch die Unterstützung der böhmischen Stände und des Sultans zu gewinnen. Am 26. August verließ er mit 35 000 Mann Klausenburg (Cluj); eine Woche darauf rückte Rákóczi mit 5000 Oberungarn in Kaschau ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Georg (György) Széchy und andere oberungarische Kräfte drohten mit einem Angriff auf Pressburg, um die Bemühungen des königstreuen Palatins Sigismund Forgách um einen organisierten Widerstand zum Scheitern zu bringen. Die oberungarischen Bergstädte erklärten sich für Bethlen, der jedoch seinen Vormarsch verzögerte, um in Kaschau eine Sonderversammlung seiner Getreuen einzuberufen, die ihn am 21. September zum protector Hungariae („Beschützer Ungarns“) erklärten, womit Forgách als Palatin von Ungarn de facto abgesetzt war. Franz (Ferenc) Rhédey wurde mit einem Reiterkontingent von mehr als 12 000 Mann über die Kleinen Karpaten nach Mähren geschickt, während Bethlen mit

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dem Rest seines Heeres in Richtung Pressburg weitermarschierte. Einer habsburgischen Streitmacht, die zur Rettung der Stadt ausgeschickt worden war, fügte er unterwegs eine vernichtende Niederlage zu. Aus Sicht der Habsburger sah die Lage düster aus. Überall entlang der Militärgrenze liefen jetzt Garnisonen zu Bethlen über; einzig Komorn, Raab und Neutra blieben loyal. Forgách konnte nicht mehr als 2500 Soldaten ins Feld führen, während Wien von gerade einmal 2650 Mann unter Erzherzog Leopold verteidigt wurde; in Krems und den anderen Städten an der Donau standen insgesamt noch einmal 560 Mann. Bucquoy befand sich mit dem kaiserlichen Hauptheer von 17 700 Mann in der Gegend von Tabor und Pisek in Südwestböhmen; Dampierre und 8600 weitere Kaiserliche standen entlang der mährischen Grenze.37 Aus Sicht der Böhmen hätte der Zeitpunkt nicht besser gewählt sein können: Ferdinand befand sich noch auf dem Rückweg von seiner Krönung in Frankfurt, während sie selbst gerade ihre Konföderation gegründet und Friedrich von der Pfalz zu ihrem König gewählt hatten. Bucquoy war gezwungen, seinen Vormarsch auf Prag abzubrechen, 5000 Mann zur Sicherung seiner gegenwärtigen Stellungen zurückzulassen und mit dem Rest unverzüglich zur Verteidigung Wiens zu eilen. In Niederösterreich machte sich derweil Panik breit, als Bethlens leichte Kavallerie bei Pressburg über die Donau setzte und in der zweiten Oktoberhälfte die Gegend südlich des Flusses unsicher machte. In der Stadt selbst drängten sich die Zufluchtsuchenden; wer es sich leisten konnte, floh über die Alpen. Bucquoy war inzwischen zu Dampierre gestoßen, schreckte jedoch davor zurück, das einzige Heer seines Kaisers aufs Spiel zu setzen: Im Verhältnis zu den vereinten Kräften von Hohenlohe, Thurn und Rhédey, der sich aus Richtung Mähren näherte, war die habsburgische Seite im Verhältnis zwei zu drei unterlegen. Bucquoy zog sich deshalb bei Wien über die Donau zurück; am 25. Oktober setzten seine Männer die dortige Flussbrücke in Brand. Obwohl sie nun das gesamte linke Donauufer besetzt hielten, konnten die Böhmen Wien nicht erreichen. Sie mussten erst ein Stück flussabwärts nach Osten marschieren, um die Donau bei Pressburg überqueren zu können. Bethlen nutzte die Verzögerung, um seine Position in Ungarn zu festigen. Er zwang Forgách, den er in Pressburg gefangen genommen hatte, für den 18. November einen Landtag einzuberufen; dieser sollte die Absetzung Ferdinands als König von Ungarn auch ganz offiziell in die Wege leiten. Am 21. November gelang den Truppen der Böhmischen Konföderation endlich der Übergang über die Donau, woraufhin sie sich am rechten Flussufer wieder nach Westen bewegten und fünf Tage später Bucquoy zurückschlugen, der ihnen bei Bruck an der Leitha den Weg versperren wollte. Die niederösterreichischen Protestanten zogen mit 3000 Mann in Richtung Osten,

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nach Krems, wodurch sie das habsburgische Heer von der anderen Seite einschlossen. Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres stand der Feind vor den Toren von Ferdinands Hauptstadt. Der Kaiser ließ sich allerdings auch von Schnee, Flüchtlingsmassen und siebenbürgischen Marodeuren nicht aufhalten und kehrte so schnell wie möglich nach Wien zurück. Leopold hatte seit dem letzten Angriff umfassende Vorbereitungen getroffen und genügend Lebensmittelvorräte anlegen lassen, um die 20 000 Soldaten und 75 000 Zivilisten zu versorgen, die sich jetzt in der Stadt befanden. Die Belagerer waren wieder einmal ohne Belagerungsartillerie angerückt, und Bucquoys Männer hatten in der näheren Umgebung alles niedergebrannt, was es unmöglich machte, das Belagerungsheer von 42 000 Mann zu versorgen. Heftige Regenfälle verschärften ihre Misere – vor allem die der böhmischen Truppen, die schon seit Monaten keinen Sold mehr erhalten hatten. Die versprochenen türkischen Hilfstruppen ließen auf sich warten. Die beiderseitige Ernüchterung Bethlens und seiner Verbündeten trug ebenfalls zu den Spannungen im konföderierten Lager bei. Durch Krankheiten war unterdessen die Hälfte der konföderierten Streitmacht zumindest kampfuntauglich geworden. Am 27. November traf eine Nachricht ein, die das Fass endgültig zum Überlaufen brachte: Siebenbürgen war angegriffen worden. Eine Woche später gaben die Belagerer auf und eilten schleunigst nach Hause – mit Ausnahme der böhmischen Truppen, die in Niederösterreich verblieben. Die polnische Intervention Dem Angriff auf Siebenbürgen waren lange Bemühungen der Habsburger um polnische Unterstützung vorausgegangen. PolenLitauen war ein potenziell wichtigerer Verbündeter als Spanien, und Sigismund III. war ein genauso frommer Katholik wie Philipp III. Die militärische Stärke Polens sollte 1621 deutlich werden, als die Adelsrepublik ein Heer von 45 000 Mann ins Feld führte, die durch 40 000 Kosaken verstärkt wurden.38 Noch wichtiger war jedoch, dass Polen an Schlesien und Ungarn grenzte und deshalb schnelle Hilfe in diese Länder schicken konnte. Im Jahr 1613 hatte Sigismund III. einen Beistandspakt mit den Habsburgern geschlossen; vor allem gegen Rebellionen wollten sie sich gegenseitig beistehen. Als Schwester Ferdinands drängte die polnische Königin Konstanze ihren Gatten natürlich zur Intervention, aber Sigismund blieb unentschlossen. Seine eigenen Ambitionen richteten sich auch weiterhin ganz auf den Ostseeraum, und er war noch immer enttäuscht über die mangelnde Hilfsbereitschaft seiner habsburgischen Verwandten während der schwedischen Invasion Livlands in den Jahren 1617/18. (Auch bei einer zweiten Invasion 1621 sollte Ferdinand übrigens seine Hilfe verweigern.) Sigismund musste außerdem die Interessen der

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polnischen Adligen berücksichtigen, die lieber Raubzüge gegen ihre traditionellen Ziele, Türken und Moskowiter, führen wollten. Allerdings hatte der Moskauer Staat im Dezember 1618 einen Frieden mit der Adelsrepublik geschlossen, was Sigismunds Handlungsspielraum erweiterte. Im polnischen Klerus zeigten sich viele empfänglich für das Argument der Habsburger, die protestantischen Böhmen stellten eine Bedrohung sowohl für Österreich wie für Polen dar. Sigismund hatte seinen Sohn Władysław angewiesen, eine Einladung zur böhmischen Königswahl abzulehnen.39 Als die Lage sich im Verlauf des Jahres 1619 verschlechterte, versuchte Ferdinand die Polen mit diversen Anreizen auf seine Seite zu bringen; unter anderem versprach er, ihnen das Bistum Breslau abzutreten. Vielen polnischen Historikern gilt der Dreißigjährige Krieg deshalb als eine vertane Chance. Sie meinen, dass Sigismund das Angebot Ferdinands hätte annehmen oder sich Schlesien vielleicht auf andere Weise sichern sollen, etwa indem er die letztlich von Gustav Adolf gespielte Rolle übernommen und sich den deutschen Protestanten angeschlossen hätte.40 Doch Sigismund plante nichts dergleichen. Stattdessen suchte er einen Weg, die pro-habsburgische Lobby Polens zufriedenzustellen, ohne sich auf einen allzu langen Krieg einzulassen, der ihn von seinem Hauptziel – der Rückgewinnung Schwedens – ablenken würde. Die Wortführer im Sejm willigten ein, nicht zuletzt, weil eine begrenzte Intervention die Chance bot, 30 000 Kosaken mit offenen Soldforderungen ganz einfach außer Landes zu schaffen. Diese Truppen waren nach dem kürzlich zu Ende gegangenen Krieg gegen Russland entlassen worden, und nun erhöhten ihre Raubzüge entlang der südlichen Grenze das Risiko eines erneuten Konflikts mit dem Sultan. Diese Kosaken sind als „Lisowczycy“ in die Geschichte eingegangen, nach ihrem ursprünglichen Anführer Alexander Lisowski, einem litauischen Veteranen, der im Krieg gegen Russland ein Regiment kommandiert hatte. Die Lisowczycy waren die Art von Kavallerie, „die Gott keine Freude machen und dem Teufel Angst einjagen würde“.41 Anders als die reguläre polnische Kavallerie trugen sie keine Körperpanzerung, sondern verließen sich ganz auf ihre Geschwindigkeit – und auf angetäuschte Rückzüge, mit denen sie ihre Gegner in die Falle lockten. Natürlich ließen sie sich gern bezahlen, aber unter Umständen kämpften sie auch für die Beute. Dann terrorisierten sie die Zivilbevölkerung so lange, bis diese noch ihr letztes Hab und Gut herausrückte. Der habsburgische Gesandte in Polen wollte die Kosaken anwerben, damit sie das kaiserliche Heer verstärkten. Diese zögerten jedoch, allzu weit von ihrer Heimat entfernt in den Kampf zu ziehen, noch dazu in einem Land voller – wie sie glaubten – unbezwingbarer Festungen, wo Beute nur sehr schwer zu machen sein würde. So wurden die Pläne also geändert, und die 4000 Lisowczycy verein-

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ten sich mit 3000 anderen Kosaken, die der oberungarische Magnat Georg (György) Homonnai angeworben hatte. Homonnai hatte zugleich Sitz und Stimme im siebenbürgischen Landtag und war ein persönlicher Feind Bethlens, der ihn – wie er glaubte – bei der siebenbürgischen Fürstenwahl von 1613 um den Sieg betrogen hatte. Ins Exil gezwungen, hatte Homonnai schon zwei gescheiterte Rebellionen angestiftet. Nun, Ende Oktober 1619, schlug er von seinen jenseits des Dnister in Podolien gelegenen Besitzungen aus zu. Bethlen hatte Rákóczi mit nur 4000 Mann in Siebenbürgen zurückgelassen; dass Homonnai tatsächlich eine Bedrohung darstellen sollte, konnte und wollte er nicht glauben. Bei Stroppkau (heute Stropkov im Osten der Slowakei) trafen die beiden Heere am 22. November aufeinander. Rákóczis Streitmacht wurde aufgerieben, nachdem seine Männer den klassischen Scheinrückzug der Kosaken für bare Münze genommen hatten.42 Homonnais Angriff machte die Lage in Ostmitteleuropa noch brisanter, als sie ohnehin schon war. Entgegen dem Versprechen des Großwesirs hatten die Osmanen gezögert, ihren Waffenstillstand mit Habsburg zu brechen. Dennoch betrachteten sie Bethlen als ihren Schützling und wollten vermeiden, dass er aus Siebenbürgen vertrieben würde – vor allem nicht von den Polen, die sich bereits im benachbarten Fürstentum Moldau einmischten. Gerade hatte das Osmanische Reich einen Frieden mit den persischen Safawiden geschlossen, was es dem Sultan erlaubte, die Tataren – verstärkt durch ein Kontingent regulärer osmanischer Truppen – nach Moldau hineinzuschicken. Im Oktober 1620 fügten sie einem polnischen Entsatzheer bei Cecora (Țuțora) eine vernichtende Niederlage zu. Im Jahr darauf schickte Sigismund eine riesige Armee, die sich bei Chocim (Hotin) am Dnister verschanzte und im Spätsommer eine rund doppelt so große Streitmacht aus Türken, Tataren und anderen osmanischen Verbündeten zurückschlug. Erneute Spannungen mit Schweden zwangen Sigismund gegen Ende des Jahres 1621 zu einem Friedensschluss, womit die Situation von vor 1619 wiederhergestellt war – auch wenn Polen nun den Kandidaten des Sultans als Fürsten von Moldau akzeptieren musste. Dieser Konflikt hing zwar nicht direkt mit dem Dreißigjährigen Krieg zusammen, war aber für das Reich insofern von Bedeutung, als er Polen-Litauen und das Osmanische Reich von einer Einmischung abhielt. Die Gefahr für Bethlen ließ bereits nach, bevor dieser auch nur sein Feldlager vor Wien verlassen hatte. Die meisten von Homonnais Anhängern hatte er bereits nach den früheren Umsturzversuchen verhaften lassen. Homonnai selbst befand sich, da er nur noch wenige Unterstützer mobilisieren konnte, am 2. Dezember schon wieder auf dem Rückzug. Da die allgemeine Lage jedoch unklar blieb, musste Bethlen ein Vermittlungsangebot des ungarischen Landtags an-

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nehmen und stimmte am 16. Januar 1620 einem achtmonatigen Waffenstillstand mit Ferdinand zu. Bethlen blieb zwar eine Bedrohung für Ferdinand, aber die akute Gefahr war nun vorüber. Sigismund verweigerte den Lisowczycy die Rückkehr nach Polen und lotste sie stattdessen entlang der Berge nach Schlesien, wo sie sich dem kaiserlichen Heer anschließen sollten. Zwischen Januar und Juli 1620 machten sich fünf Kontingente mit insgesamt 19 000 Bewaffneten auf den Weg; manche wurden allerdings unterwegs von den schlesischen Milizen abgefangen. Diese stetige Verstärkung erlaubte es Bucquoy, seine Offensive wiederaufzunehmen. Im März, April und Anfang Juni führte er von Krems aus drei Angriffe gegen die böhmischen und österreichischen Truppen Thurns, die sich rund um den etwas weiter nordöstlich gelegenen Ort Langenlois verschanzt hatten. Dann kehrten die Schlesier und Mährer vollends zurück und verstärkten das Heer der Konföderation bis zum Eintreffen Christians von Anhalt, der im Mai das Kommando übernahm, auf rund 25 000 Mann.43 Dazu kamen noch 8000 ungarische und siebenbürgische Reiter, die Bethlen geschickt hatte. Dieser misstraute Ferdinand nämlich – trotz der großzügigen Konditionen, die der Kaiser ihm im Waffenstillstand gewährt hatte – weiterhin und hatte deshalb beschlossen, erneut in den Krieg einzutreten. Bereits im März 1620 hatten Bethlen und Friedrich eine gemeinsame Gesandtschaft nach Konstantinopel geschickt, um osmanische Unterstützung für den Böhmischen Aufstand zu erbitten. Im Juli desselben Jahres kam nun der türkische Gesandte Mehmed Aga nach Prag, um Friedrich die verspätete Gratulation des Sultans zu seiner Krönung zu entbieten. Er wollte die Stelle sehen, an welcher der Fenstersturz von 1618 stattgefunden hatte, und versprach Friedrich voller Begeisterung 60 000 Mann osmanische Hilfstruppen für Böhmen. Vielen in Prag war dieses Werben um die Gunst des Sultans zutiefst unangenehm, aber schließlich ließ die böhmische Führung sich von dem fantastischen Vorhaben einer großen Allianz verführen, die sowohl Polen-Litauen als auch das Habsburgerreich zerschmettern sollte. Der Hofprediger Scultetus unternahm die kühnsten theologischen Verrenkungen, um die Gemeinsamkeiten von Calvinismus und Islam herauszuarbeiten, während Baron Tschernembl verlauten ließ, jedes Mittel sei recht, solange es nur der Rettung des wahren Glaubens vor den Papisten diene. Trotz seiner Bedenken ließ Friedrich am 12. Juli eine positive Antwort an den Sultan aufsetzen und machte Böhmen damit – im Gegenzug für die osmanische Militärhilfe – zu einem tributpflichtigen Vasallenstaat der Hohen Pforte.44 Eine Delegation von 100 Böhmen, Ungarn und Siebenbürgern brach also nach Konstantinopel auf – im Gepäck ein Bakschisch von 70 000 Gulden, das den Handel besiegeln sollte. In der Zwischenzeit versprach Friedrich Bethlen 300 000 Gulden und versetzte sogar seine Juwelen, um die erste Rate aufzubringen.

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Dank wachsender Unterstützung konnte Bethlen, der im August 1620 einen weiteren Vorstoß Homonnais mühelos abgewehrt hatte, einen Landtag im oberungarischen Neusohl (heute Banská Bystrica in der Slowakei) unter seine Kontrolle bringen. Die Versammlung war im Mai auf Verlangen Ferdinands zusammengetreten, um einen Friedensschluss für ganz Ungarn auszuhandeln. Nun erklärten die Anhänger Bethlens den geistlichen Stand für abgeschafft und kündigten die Enteignung all jener an, die sich ihnen widersetzen wollten. Am 13. August befahl Ferdinand die Auflösung des Landtags. Zwölf Tage später wählten Bethlens Getreue ihn zum neuen König von Ungarn. Während dieser ganzen Episode wies in Kroatien der dortige, stramm katholische Landtag (Sabor) die ungarischen Avancen zurück und stellte sich an die Seite seiner innerösterreichischen Nachbarn, die den Habsburgern noch immer treu ergeben waren.

Ferdinand sammelt seine Kräfte Immerhin sorgte die Verschlechterung der Lage im Lauf des Jahres 1619 dafür, dass Ferdinands potenzielle Unterstützer seine dringenden Bitten um Hilfe ernst nahmen. Die Habsburgermonarchie war an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Schon bei Regierungsantritt hatte Ferdinand 20 Millionen Gulden Schulden. Die jährlichen Kroneinkünfte betrugen nur 2,4 Millionen Gulden, und obendrein wurde inzwischen der Großteil dieser Summe von den rebellischen Ständen kontrolliert, deren jährliche Steuerzahlungen in Höhe von 3 Millionen Gulden Ferdinand ebenfalls vorenthalten blieben. In den zehn Monaten von August 1618 bis Juni 1619 verschlang allein die kaiserliche Armee 5 Millionen Gulden für Sold, Proviant und Munition. Durch Kroneinkünfte, Zwangsanleihen sowie spanische und päpstliche Subsidien flossen jedoch im selben Zeitraum nur 3 Millionen Gulden in Ferdinands Kassen. Rechnete man die Soldrückstände und sonstigen Verbindlichkeiten der Krone ein, betrug das Militärdefizit – zusätzlich zur bestehenden Verschuldung – noch einmal 4,3 Millionen Gulden.45 Ferdinand konnte sich vielleicht von Behelf zu Behelf retten, so lange, bis die Polen Bethlen schließlich doch noch ausgeschaltet haben würden – aber ohne substanzielle Hilfe von außen würde es ihm nie gelingen, alle seine Gegner endgültig zu besiegen. Von seiner Kaiserkrönung an bemühte er sich mit aller Kraft um diese dringend benötigte Unterstützung. Spanien, Frankreich und der Papst erhielten Bittschreiben um Geld und diplomatischen Beistand, der die Protestantische Union von einem Eingreifen abhalten sollte; Bayern und Sachsen bat Ferdinand um ihre direkte militärische Unterstützung.

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Bayern Herzog Maximilian sah die Chance gekommen, seine lang gehegten Ambitionen endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Die habsburgischen Bitten um Unterstützung ignorierte er das ganze Jahr 1618 hindurch und bereitete stattdessen heimlich die Neugründung der Katholischen Liga vor, zu deren Auflösung ihn die Habsburger ja gezwungen hatten. Durch die böhmische Krise verängstigt, begrüßten die vormaligen Mitglieder der Liga jede Gelegenheit, ihre Sicherheit zu erhöhen. Maximilian achtete sehr darauf, sich nicht in die Karten blicken zu lassen, und überließ die offizielle Führungsrolle bei der Wiederbelebung der Liga dem Kurfürsten von Mainz; ab August 1619 war das Bündnis de facto wieder aktiv.46 Im Oktober konnte Maximilian bei dem Besuch, den Ferdinand auf der Rückreise von seiner Frankfurter Krönung in München machte, zur „Stufe 2“ seiner Pläne übergehen: Jetzt bat er den Kaiser nicht nur um seinen Segen für die Liga, sondern verlangte auch Zugeständnisse auf Kosten der Kurpfalz. Das Aufziehen der Krise in Wien zwang Ferdinand, den „böhmischen Teufel“ mit dem „bayerischen Beelzebub“ auszutreiben.47 Im Vertrag von München bestätigte Ferdinand am 8. Oktober 1619 die Liga und forderte ihre Waffenhilfe an. Damit war die rechtliche Grundlage für alles weitere Vorgehen Bayerns gelegt. Als „rechter Hand“ des Kaisers bei der Wiederherstellung des Landfriedens im Reich stand Maximilian natürlich eine angemessene Entlohnung zu. Obwohl die ganze Liga zum Einsatz kommen sollte, würde der Kaiser nur die Kosten Bayerns erstatten; so wurde es in einer separaten Vereinbarung festgelegt, die Maximilian einen Teil Österreichs zusagte, bis Ferdinand seine Schulden beglichen hatte.48 Im Dezember trafen die Mitglieder der Liga sich in Würzburg – es war ihre erste Zusammenkunft seit 1613 – und vereinbarten die Aufstellung eines Heeres von 25 000 Mann, das durch die Beiträge der Mitglieder finanziert werden sollte. Die ursprüngliche Organisationsstruktur wurde wiederhergestellt, mit einem süddeutschen („oberländischen“) Direktorium unter bayerischer und einem rheinischen unter kurmainzischer Führung. Die Mitgliedschaft war katholischen Territorien vorbehalten und die Mitgliederschaft überwiegend geistlich, da die kleineren Reichsgrafschaften und Reichsstädte nur von Zeit zu Zeit mit der Liga kollaborierten oder sich gänzlich fernhielten. In Salzburg hatte man aus dem Schicksal des unglücklichen Erzbischofs Raitenau gelernt und machte mit, wenn auch ohne eine formelle Mitgliedschaft einzugehen.49 In allen militärischen Fragen, die die Liga betrafen, behielt Maximilian sich die alleinige Kontrolle vor, was durch die effiziente bayerische Verwaltung und den Grafen Tilly als erfahrenen Feldkommandeur untermauert wurde. Als Maximilians Amtszeit an der Spitze der Liga 1621 zu Ende ging, verzichtete der Mainzer Kurfürst darauf, die Leitung zu übernehmen. So blieb die grundsätzliche Ausrichtung der

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Liga während der gesamten verbleibenden Zeit ihres Bestehens in den Händen des Herzogs von Bayern. Maximilians Bruder Ferdinand von Bayern lehnte es als Kurfürst und Erzbischof von Köln zwar ab, der Liga offiziell beizutreten, arbeitete aber eng mit ihr zusammen und wurde sogar so etwas wie der heimliche Anführer ihres rheinischen Direktoriums. Für Maximilian war jeder Krieg eine Demonstration von Macht (potestas), nicht Gewalt (violentia). Obwohl er sich als Kriegsfürst in voller Rüstung porträtieren ließ, hatte er nur geringes Interesse an persönlichem Ruhm. Pflichtbewusst begleitete er 1620 sein Heer, überließ das Kommando jedoch Tilly, dem er vollauf vertraute. Das Vorgehen der Liga sollte in der gesetzmäßigen, kontrollierten Gewaltanwendung zur Erreichung klar definierter Ziele bestehen.50 Maximilian weigerte sich, auch nur einen Finger zu rühren, bevor nicht der Kaiser alles Nötige in die Wege geleitet hatte, um den Einsatz der Liga juristisch abzusichern. Außerdem musste Ferdinand hoch und heilig versprechen, dass er die zugesagte Belohnung tatsächlich zahlen werde. Bereits am 19. Januar 1620 hatte der Kaiser die Wahl Friedrichs V. zum König von Böhmen annulliert. Auf das Drängen Maximilians ließ er diesem Schritt ein Ultimatum folgen: Friedrich solle die Krone bis zum 1. Juni niederlegen; ansonsten werde er unter die Reichsacht gestellt. Bei Missachtung dieser Frist wäre Friedrich also vogelfrei, was es dem Kaiser gestatten würde, seinen gesamten Besitz einzuziehen und nach Gutdünken neu zu verteilen. Fünf Tage nach Verstreichen des Termins ermächtigte Ferdinand Maximilian dazu, in Böhmen zu intervenieren; am 23. Juli folgte ein vergleichbares Mandat zur Bestrafung der oberösterreichischen Rebellen. Mit seiner charakteristischen Vorsicht bemühte sich Maximilian auch noch um die Bestätigung Spaniens und des Papstes. Erst die Annahme der böhmischen Krone durch Friedrich hatte dem Pontifex den vollen Ernst der Lage bewusst gemacht, und er verdoppelte seine Subsidienzahlungen an den Kaiser. Insgesamt zahlte Papst Paul V. zwischen 1618 und 1621 allerdings nur 380 000 Gulden – das entsprach dem Sold von einem Monat für das gesamte kaiserliche Heer.51 Gegenüber Maximilian zeigte er sich großzügiger, weil die Liga es ihm ermöglichte, seinen katholisch-universalen Anspruch zum Ausdruck zu bringen, ohne dabei direkt die Habsburger zu unterstützen. Allerdings griff Paul auch hier nicht allzu tief in seine eigenen Taschen; stattdessen verfügte er eine Sonderabgabe des deutschen und italienischen Klerus, die von 1620 bis 1624 1,24 Millionen Gulden einbrachte. Die Zahlungen von anderen Mitgliedern der Liga beliefen sich im selben Zeitraum auf 4,83 Millionen Gulden – etwa ein Sechstel der Summe, die Paul V. für Bauprojekte und Vetternwirtschaft ausgab. Für den Papst war dieser Krieg ganz offensichtlich kein Religionskrieg.

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Maximilians Annäherung an Spanien hatte da schon weiter reichende Konsequenzen. Grundsätzlich hatte der Bayernherzog eine Einmischung der Spanier immer abgelehnt, jetzt freilich war er auf sie angewiesen. Schließlich konnte er nichts gegen die Konföderation in Böhmen oder Österreich unternehmen, ohne zugleich die Territorien der Liga schutzlos und den möglichen Repressalien der Protestantischen Union ausgeliefert zurückzulassen. Eine spanische Intervention im Rheinland würde die Kräfte der Union binden und es dem Heer der Liga unter Tilly ermöglichen, sich nach Osten zu wenden. Nach dem Tod des Kaisers Matthias hatte Spanien nicht sofort auf die neue Situation reagiert, weil der spanische König sich zur selben Zeit in Portugal aufhielt, dem 1580 von Spanien erworbenen Nachbarreich, wo ein von langer Hand geplanter Staatsbesuch die Stellung der spanischen Krone festigen sollte. Nachdem er seit April 1619 auf Reisen gewesen war, erkrankte Philipp III. nach seiner Rückkehr im September und sollte sich von dieser Krankheit nie mehr ganz erholen. Im Umfeld des spanischen Hofes waren viele noch immer gegen eine Intervention in Deutschland, aber Friedrichs Annahme der böhmischen Krone galt als ein solcher Affront gegenüber der Casa de Austria, dass sie nicht ungesühnt bleiben durfte.52 Um die ganze Komplexität der spanischen Beteiligung in dieser Phase des Krieges ermessen zu können, muss man zunächst einige Details betrachten. In den Jahren 1619–21 zahlte die spanische Krone etwas mehr als zwei Millionen Gulden als Beitrag zu den laufenden Kosten der kaiserlichen Armee sowie zur Bezahlung der polnischen Kosaken. Kaiserliche Offiziere durften auf spanischem Territorium neue Einheiten aufstellen; das betraf vor allem die rund 6000 Wallonen, die ab Januar 1619 angeworben wurden. Eine gewisse zusätzliche Unterstützung lieferten die italienischen Verbündeten Spaniens, allen voran der Großherzog von Toskana – er hatte jenes Regiment Dampierres aus Deutschen und Wallonen finanziert, dessen Einreiten in die Hofburg die Niederösterreicher so erschreckt hatte. Andere Verstärkungen standen direkt unter dem Befehl und im Sold der Spanier, obgleich die meisten dieser Einheiten ebenfalls frisch rekrutiert waren: Die spanische Krone hatte zu jener Zeit gerade einmal 58 000 Soldaten zur ständigen Verfügung.53 Wie Bayern stellte Spanien sein Engagement als einen Beitrag zum Schutz der Reichsverfassung dar. Eine erste Kolonne aus 6000 Fußsoldaten und 1000 Reitern unter dem Befehl von Marradas und Johann VIII. von Nassau-Siegen brach in den spanischen Niederlanden als Kontingent „burgundischer Kreistruppen“ auf, erfüllte also vordergründig nur die Pflicht des Burgundischen Reichskreises im Rahmen der Reichslandfriedensordnung. Bei ihrem Marsch vom Elsass nach Passau vermieden sie tunlichst die Territorien der Protestantischen Union und erreichten schließlich im Juli 1619 Oberösterreich, wo sie sich den Truppen Bucquoys anschlossen. Eine zweite Ko-

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lonne aus 7000 Italienern überquerte den Gotthardpass und zog das Engadin und das untere Inntal hinunter bis nach Innsbruck, das sie am 15. November 1619 erreichten. 4000 von ihnen zogen weiter zum Rheintal und dann nach Westen, um die Flandernarmee wieder auf ihre Sollstärke zu bringen. Die übrigen 3000 marschierten unter dem Kommando der Generäle Verdugo und Spinelli nach Norden und im Januar über den Goldenen Steig nach Böhmen hinein. Gegen Ende des Jahres 1620 war in Italien noch eine dritte Kolonne von 9000 Spaniern und Italienern aufgebrochen, die durch das westlich von Genf gelegene Tal von Chézery nach Norden geschickt wurden, um ebenfalls die Flandernarmee zu verstärken. Dabei handelte es sich um die letzte größere Truppenbewegung auf der westlichen Variante der Spanischen Straße, die durch den Übergang Savoyens auf die Seite Frankreichs inzwischen zu unsicher geworden war. Der Aufmarsch war Teil einer größeren strategischen Erweiterung der spanischen Offensivkapazität in den südlichen Niederlanden, wo der Zwölfjährige Waffenstillstand mit der Republik der Vereinigten Niederlande im Norden sich seinem Ende zuneigte. Bis Juni 1620 war die spanische Flandernarmee auf 44 200 Mann Infanterie und 7000 Mann Kavallerie angewachsen.54 Allerletzte Schritte Das Scheitern der sächsischen Vermittlungsbemühungen zwang den Kurfürsten Johann Georg zu einem Kurswechsel, der ihn an die Seite Kaiser Ferdinands brachte. Er hoffte, durch seine Mitwirkung werde sich die Krise auf Böhmen beschränken lassen. Johann Georg ließ seinen Einfluss im Ober- und Niedersächsischen Reichskreis spielen, um die Rekrutierungsanstrengungen der Protestantischen Union in diesen Gebieten zu durchkreuzen. Allerdings konnte er nicht verhindern, dass seine ernestinischen Verwandten aus Thüringen einige Einheiten nach Böhmen schickten. Maximilian und der Mainzer Kurfürst weigerten sich, ihre Forderung nach einer Rückgabe von nach 1552 in protestantische Hände gelangtem Kirchengut fallen zu lassen, schlossen bei einem Treffen in Mühlhausen im März 1620 aber immerhin einen Kompromiss mit Kursachsen und Hessen-Darmstadt. Johann Georg akzeptierte die bayerische Interpretation der Geschehnisse, der zufolge Friedrich von der Pfalz den Landfrieden gebrochen hatte. Im Gegenzug versprachen Bayern und Kurmainz, die vormals katholischen Bistümer nicht gewaltsam zurückzuholen, solange deren lutherische Administratoren dem Kaiser treu blieben.55 Im März drängte Maximilian Ferdinand, den letzten Schritt zu gehen und Friedrich endlich unter die Reichsacht zu stellen. Als ihm jedoch klar wurde, dass er damit eigene Ambitionen auf die Kurwürde seines Vetters Friedrich zu erkennen gab, zog er sein Ansinnen wieder zurück. Man vereinbarte, stattdessen einen klaren Sieg über die Aufständischen abzuwarten, der eine bessere Gele-

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genheit für Friedrichs Absetzung bieten würde. Ferdinand berücksichtigte auch die Bedenken Johann Georgs hinsichtlich der Zulässigkeit eines kursächsischen Einschreitens, indem er ihm im April 1620 ausdrücklich den Auftrag erteilte, die Ordnung in den beiden Lausitzen wiederherzustellen. Der genaue Wortlaut der kaiserlichen Weisung wurde im Juni noch einmal überarbeitet, nachdem Johann Georg sich gewisse Sicherheitsklauseln für die lutherische Bevölkerung ausbedungen hatte. Einen Monat später willigte Ferdinand dann noch ein, dem Kurfürsten die gesamte Lausitz so lange zu überlassen, bis er selbst in der Lage sein werde, die kursächsischen Auslagen zu erstatten. Mit der Neutralisierung der Protestantischen Union war auch das letzte Handlungshindernis beseitigt. Bei einem Treffen der Union im Juni 1619 war die Mobilisierung von 11 000 Mann zur Verteidigung der eigenen Territorien beschlossen worden. Im Vertrauen legten die Delegierten fest, sogar noch wesentlich mehr Soldaten aufzustellen, aber bis Mai 1620 hatten sie erst 13 000 Mann bereitgestellt, die unter dem Kommando des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach bei Ulm zusammengezogen wurden, nachdem ihnen das Abfangen der spanischen Verstärkungen aus Flandern missglückt war. Die Liga hatte der Union, was ihre Rekrutierungsanstrengungen betraf, derweil voll und ganz den Rang abgelaufen: Bei Günzburg und bei Lauingen lagerten ihre 30 000 Mann nicht weit von Ulm entfernt am anderen Ufer der Donau.56 Dennoch wollte Maximilian ganz sichergehen, dass die Union nicht doch angreifen würde, sobald Tilly mit seinem Heer nach Böhmen aufgebrochen war. Am 18. Juni wurden Gespräche eröffnet, die für Deutschland einen völligen Gewaltverzicht erzielen sollten; auch der französische König Ludwig XIII. intervenierte nun, indem er den Herzog von Angoulême als Vermittler aussandte. Ferdinand hatte sich mit dem Argument um französische Unterstützung bemüht, die Aufständischen in Böhmen stellten – genau wie die Hugenotten in Frankreich – eine religiöse und politische Bedrohung des katholischen Königtums dar. Ludwig wies diesen Aufruf zur Solidarität allerdings zurück und besann sich stattdessen auf die – nach seiner Ansicht – eigentliche Rolle Frankreichs als einer Art europäischer Schiedsrichter (siehe Kapitel 11). Durch Vermittlung des Herzogs von Angoulême kam am 3. Juli ein Waffenstillstand zwischen Liga und Union zustande. Beide Seiten vereinbarten, sich in Deutschland nicht zu bekämpfen; allerdings sollte Maximilian in Böhmen freie Hand haben, während die Mitglieder der Union sich gegen Spanien stellen durften, wenn sie wollten. Angoulême hoffte, diese Regelung noch zu einem allgemeinen Frieden ausbauen zu können, aber dann nutzte Ferdinand die Chance zum Angriff.

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Am Weißen Berg An Ferdinands Offensive waren sechs getrennt operierende Heere beteiligt: Bucquoy ließ mehr als 5000 Mann unter dem Kommando Dampierres in Wien zurück, die zum Schutz der Hauptstadt gegen einen möglichen Angriff Bethlens dienen sollten; er selbst stieß mit 21 500 Mann von Krems aus vor, um Christian von Anhalt von seinem niederösterreichischen Stützpunkt zu vertreiben. Maximilian postierte 8600 Mann an seiner Grenze zur Oberpfalz und zog mit seinem Hauptheer von 21 400 Mann – Truppen aus der Blockade gegen die Union vor Ulm – am 24. Juli nach Oberösterreich hinein. Die Spanier beteiligten sich mit einem Einfall in die Unterpfalz, was Johann Georg von Sachsen keine andere Wahl ließ, als im September mit seinen Operationen in der Lausitz zu beginnen. Diese Schritte waren allesamt notwendige Vorbereitungen für den abschließenden Angriff auf Böhmen selbst. Der glanzlose Feldzug der Böhmischen Konföderation in der ersten Jahreshälfte 1620 war eine schreckliche Ernüchterung für all jene Niederösterreicher, deren Häuser und Höfe bei den Kämpfen zerstört wurden. Ferdinand spaltete die Gegenpartei mit der mündlichen Zusage, dass er die religiösen Privilegien einzelner Adliger respektieren werde, sofern diese ihm huldigten. Daraufhin nahmen am 13. Juli neben 81 katholischen Standesherren und Rittern sowie den Abgesandten von 18 Kronstädten auch 86 lutherische Adlige Ferdinand als rechtmäßigen Herrscher über Niederösterreich an. Die anderen 62 Protestanten aus dem niederösterreichischen Adel flohen nach Retz an der mährischen Grenze, von wo aus sie eine trotzige Widerstandserklärung abgaben. Die Bauernmilizen aus den Alpentälern Oberösterreichs leisteten nur minimalen Widerstand, als die Bayern bei Passau über die Grenze strömten: Schon am 3. August nahmen sie Linz ein. Tschernembl und die anderen Radikalen flohen; die verbliebenen Moderaten ergaben sich am 20. August und stellten ihre regulären Truppen – immerhin 3500 Mann – der Liga zur Verfügung. Ferdinand erklärte nun 33 Unterzeichner der Retzer Deklaration für vogelfrei. Zwar verblieben einige österreichische Regimenter beim Heer Christians von Anhalt, aber de facto waren damit sowohl Nieder- als auch Oberösterreich für die Sache der Konföderation verloren. Als Statthalter von Oberösterreich wurde Adam von Herberstorff eingesetzt, dem ein Kontingent von 5000 Mann unterstellt blieb. Maximilian und Tilly zogen derweil entlang der österreichisch-böhmischen Grenze weiter nach Osten, um sich Bucquoy anzuschließen. Trotz ihrer protestantischen Bevölkerungsmehrheiten waren die beiden Länder unter und ob der Enns damit auf Dauer wieder an die katholischen Habsburger geraten – und das ohne eine einzige Schlacht.

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Am Rhein, wo sich seine Unterstützer zum Kampf gegen die Spanier sammelten, wurde die Lage für Friedrich sogar noch ernster. Joachim Ernst von Brandenburg-Ansbach war, nachdem er mit seinem Heer Ulm verlassen hatte, in Richtung Nordwesten bis nach Oppenheim marschiert, um dort, zwischen Worms und Mainz, den linksrheinischen Teil der Unterpfalz (das spätere Rheinhessen) zu sichern. Zählte man die rund 5700 Milizionäre aus der näheren Umgebung hinzu, unterstanden ihm inzwischen 21 800 Mann. Dazu kamen im Oktober noch 2000 englische Freiwillige unter Sir Horace de Vere, die gemeinsam mit 2000 niederländischen Kavalleristen unter dem Befehl des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien – des jüngsten Bruders Moritz’ von Oranien – nach Süden gezogen waren. Sir Horace entstammte der illustren Familie de Vere, deren Mitglieder wegen ihrer vielfältigen militärischen Erfolge auch als die „Fighting Veres“ bekannt waren. Er selbst hatte in den Niederlanden und im Rheinland große Kampferfahrung gesammelt, unter anderem bei der Belagerung von Jülich. Im Kampf um Böhmen war sein Regiment die zweite britische Einheit nach dem Regiment von Sir Andrew Grey, das bereits fünf Monate zuvor im Aufmarschgebiet eingetroffen war.57 Einen Kampf zögerte Ansbach hinaus, obwohl sein Heer dem Gegner zahlenmäßig überlegen war: Er hoffte noch immer auf die Vermittlung Jakobs I. von England. In Flandern hatten die Spanier 18 000 Mann unter dem Kommando des Don Luis de Velasco y Velasco zusammengezogen, damit die Niederländer nicht auf dumme Gedanken kamen. Am 18. August verließ Spinola mit 19 000 weiteren Soldaten Brüssel und marschierte in östlicher Richtung bis in das Kurfürstentum Trier. Nachdem er die kurtrierische Residenz Koblenz gesichert hatte, überrannte er mit seinen Truppen in Windeseile die linksrheinische Unterpfalz, wobei er Kreuznach und Alzey eroberte. Abgesehen von flüchtigen Scharmützeln zwischen der Reiterei beider Seiten vermied Ansbach jeglichen Kontakt. Dennoch beunruhigte Spinola die Möglichkeit einer substanzielleren Intervention der Niederländer, zumal der Zwölfjährige Waffenstillstand in wenigen Monaten auslaufen würde. Seine italienischen Truppen weigerten sich indessen, so spät im Jahr noch eine Belagerung zu beginnen, da das Wetter bereits schlechter wurde. Als sich beide Seiten im Dezember in ihre Winterquartiere zurückzogen, hielt Ansbach die bedeutenden Festungen Oppenheim, Heidelberg, Mannheim und Frankenthal. Die Niederländer waren dennoch entrüstet über die – wie sie fanden – mangelnde Tatkraft der Unionsführung und zogen in ihre Heimat zurück. Mit diesen Operationen zerschlugen sich die Hoffnungen Johann Georgs von Sachsen auf eine friedliche Lösung des Konflikts. Er begann deshalb seine eigene Offensive, auch wenn seine Offiziere darüber nur wenig begeistert waren. Graf Wolfgang von Mansfeld, ein entfernter Verwandter von Friedrichs Heerführer

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Ernst von Mansfeld, zog bei Dresden 8300 Reguläre und 3000 Milizen zusammen. Als Reaktion stellten die Böhmen den Getreideexport nach Sachsen ein. Nachdem er die Lausitzer Stände aufgefordert hatte, sich mit ihm zu treffen, begann Johann Georg schließlich am 3. September 1620 seine Invasion und überrannte den westlichen Teil der beiden Territorien. Die Osthälfte hielt noch immer der Markgraf von Brandenburg-Jägerndorf, der eine Garnison von 2000 Mann in Bautzen stationiert hatte. Ein Sieg der Lausitzer über den sächsischen Kurfürsten hätte dessen Ansehen im protestantischen Deutschland endgültig ruiniert und den Böhmen damit den dringend benötigten Auftrieb verschafft. Gegen den Widerstand seiner Offiziere rückte Wolfgang von Mansfeld deshalb weiter vor und konnte am 5. Oktober Bautzen zur Aufgabe zwingen, nachdem ein kurzes Bombardement den größten Teil der Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte. Die meisten Lausitzer Adligen nahmen das kursächsische Angebot an und erhielten im Gegenzug für die Abkehr von der Konföderation eine Garantie ihrer Privilegien. Johann Georg von Brandenburg-Jägerndorf hatte jedoch nicht aufgegeben, sondern sich lediglich nach Görlitz im äußersten Osten der Oberlausitz zurückgezogen. Für einen Vorstoß der kursächsischen Truppen nach Schlesien war es mittlerweile zu spät im Jahr.58 Das Hauptheer der Böhmischen Konföderation war seit Ende Juni durch drei Soldmeutereien gelähmt, die erst am 2. August endeten, nachdem die böhmische Regierung der Prager jüdischen Gemeinde weitere Gelder abgepresst hatte. Durch die Verzögerung verlor Christian von Anhalt seine letzte Gelegenheit, Bucquoy zu schlagen, bevor Maximilian zu ihm stieß. Anhalt verließ also seine Stellungen in Niederösterreich und zog sich in nördlicher Richtung nach Mähren zurück, weil er glaubte, dass auch seine Gegner in diese Richtung marschieren würden. Tatsächlich hatte Bucquoy dies vorgehabt, aber Ferdinand überstimmte seinen Heerführer und stellte ihn unter das Oberkommando Maximilians von Bayern, der Tillys Rat befolgte, direkt auf Prag vorzustoßen. Maximilians Heer war inzwischen durch 5000 weitere Soldaten der Liga verstärkt worden, hatte indes schon vor dem Abmarsch aus Bayern 500 Kranke gemeldet und war nun vollends in der Gewalt des „Ungarischen Fiebers“, nach heutiger Diagnose entweder einer Art von Fleckfieber oder Cholera. Bis Kriegsende sollten allein 12 000 Soldaten der katholischen Seite an dieser Krankheit sterben.59 Die Epidemie von 1620 mag uns daran erinnern, dass die Schrecken des Krieges sich in diesem Konflikt nicht erst nach und nach einstellten – etwa mit einer fortschreitenden Eskalation der Barbarei –, sondern von Beginn an in vollem Umfang präsent waren. Die irregulären Truppen beider Seiten waren schon jetzt für ihre Grausamkeit berüchtigt. Der erste Kosakentrupp, der im Januar 1620 durch Mähren gezogen war, hatte unter anderem eine Hochzeitsgesellschaft ge-

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sprengt, den Bräutigam ermordet und die Braut entführt. Nach der Belagerung Wiens schrieb Ferdinand den sächsischen Kurfürsten, es habe „der Feind, vor wenig Tagen, widerumben seinen Abzug genommen, zuvor aber, zumal die Hungarn, an denen Orten wo dieselbe ihre Quartiere gehabt, Alles in Grund verwüstet, ausgebeutet und verbrennet, die Leut (wie man zu sagen pflegt) fast bis auf den letzten Faden ausgezogen, spoliirt [ruiniert], niedergehaut, eine grosse Anzahl derselben mit sich gefangen hinweggeführt, denselben unerhörte Tormenta [Folterungen] zu Erforschung Geld und Guts angelegt, unsäglich viel junger Knaben von zwölf bis sechzehn Jahr mit sich geführt, der Schwangeren und anderer Weibsbilder also missbraucht, dass derselben auf den Landstrassen allenthalben viel todt gefunden werden, die Mannspersonen aber mit Stricken um die Köpf also gerädelt, dass ihnen die Augen aus dem Kopf hervorliegen …“60 Der Kaiser schloss mit einer Bemerkung, die im Verlauf des Krieges oft wiederholt werden sollte: „Ja es hat in Summa obgenannter Feind aller Orten dermassen gehauset, dass man sich fast nicht erinnern kann, ob und dass dergleichen Tyrannei von den Türken jemals erhört worden sei, usw.“ In Oberösterreich hausten die Truppen der Liga ebenfalls ganz entsetzlich – und dabei waren sie noch gut versorgt. Bei diesen Gewaltausbrüchen mag es teils um Vergeltung gegangen sein – Vergeltung für den Widerstand der Bauern entlang der bayerisch-oberösterreichischen Grenze –, aber es war nicht nur schon auf dem Marsch durch Bayern zu Ausschreitungen gekommen, sondern die Männer zeigten sich auch nicht wählerisch, was die Ziele ihre Übergriffe anging: Katholische Mönchs- und Nonnenklöster plünderten sie ebenso wie die Häuser und Höfe der Protestanten. In den Tagebüchern katholischer Zeitgenossen werden solche krassen Verstöße gegen die militärische Disziplin oft als Strafe Gottes für die „ketzerischen“ Rebellen aufgefasst – und viele hochrangige Militärs machten sich diese Ausrede gleichfalls zu eigen. Über die Bemühungen Maximilians um ein Mindestmaß an Recht und Ordnung setzten sie sich einfach hinweg, so etwa einige Hofleute des Herzogs, die sich an der Plünderung von Schloss Greillenstein in Niederösterreich beteiligten.61 Den religiösen Hass fachte eine große Zahl von Feldpredigern an, die das kaiserliche und bayerische Heer begleiteten, darunter der Generalprior der Unbeschuhten Karmeliten, Dominicus a Jesu Maria. Dieser war als Domingo Ruzzola im aragonesischen Calatayud geboren, stand bereits im Ruf eines Sehers und Mystikers und genoss – nachdem er unter anderem eine Augeninfektion geheilt und andere Wundertaten vollbracht hatte – das tiefe Vertrauen Maximilians.62 Christian von Anhalt, der seinen Fehler erkannte, eilte nach Westen, um das kaiserlich-bayerische Invasionsheer, das inzwischen Budweis erreicht hatte, aus

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einer Stellung bei Tabor heraus aufzuhalten. Thurn war noch immer gekränkt, weil man ihn durch Anhalt ersetzt hatte, während Ernst von Mansfeld die Beförderung Hohenlohes zum Generaloberstleutnant und obersten Kriegsrat der böhmischen Stände missfiel, weshalb er seine Mitwirkung bei der geplanten Aktion verweigerte und stattdessen in Richtung Südwesten marschierte, um so – was aussichtslos war – Maximilian durch eine Gefährdung des bayerischen Territoriums abzulenken. Der Herzog umging Tabor im Westen, nahm am 26. September Prachatitz (Prachatice) und marschierte über Pisek nach Pilsen, das er am 5. Oktober erreichte. Mansfeld hetzte zurück und traf gerade noch rechtzeitig bei Pilsen ein, während Anhalt noch bis in das ein kleines Stück weiter östlich gelegene Rokitzan (Rokycany) weitermarschierte. Mansfeld eröffnete die erste einer ganzen Reihe von geheimen Unterredungen über eine mögliche Kollaboration oder gar ein Überlaufen seiner selbst ins kaiserliche Lager (siehe Kapitel 10). Maximilian und Bucquoy glaubten, dies sei lediglich eine List, um Zeit zu schinden – die Vorräte der Liga gingen nämlich zur Neige: Der Herzog von Bayern ernährte sich angeblich nur noch von trockenem Schwarzbrot, während man Tilly dabei beobachtet haben wollte, dass er einem vorbeigehenden Dominikanermönch einen Apfel wegnahm. Es war mittlerweile so kalt geworden, dass des Nachts immer wieder Soldaten erfroren.63 Tilly war fest entschlossen, sich seinen Schwung nicht nehmen zu lassen – auf gar keinen Fall würde er den ganzen Winter untätig in Pilsen hocken! Mit der Unterstützung Maximilians überredete er Bucquoy deshalb dazu, nach Norden und in Richtung Prag zu marschieren. Marradas wurde zurückgelassen, um Pilsen abzuriegeln, während Wallenstein mit einem kleinen Truppenkontingent nach Nordwestböhmen entsandt wurde, um dort Kontakt mit den kursächsischen Verbündeten jenseits der Berge aufzunehmen. Christian von Anhalt eilte nordwärts, um bei Rakonitz (Rakovník) eine wichtige Wegkreuzung zu besetzen und auf diese Weise den Zugang nach Prag zu versperren. Friedrich, der sich hierin womöglich ein Beispiel an Maximilian nahm, stieß nun zu seinem Heer, was Anhalts Autorität bestätigte und einstweilen auch die Kampfmoral der Truppe hob. Die Soldaten willigten ein, eine weitere Soldmeuterei vorerst auszusetzen, und begannen stattdessen, an einem waldreichen Höhenzug hinter einem nahe gelegenen Sumpf Schanzen auszuheben. Ab dem 27. Oktober steckten Maximilian und seine Männer vor dieser böhmischen Verteidigungsposition fest. Bei einem Gefecht am 3. November wurde Bucquoy schwer verwundet, doch das Eintreffen einer Nachschubkolonne am Tag darauf stärkte zumindest den Kampfgeist der Truppe. Maximilian und Tilly wussten, dass ihnen nur wenig Zeit blieb, eine Schlacht zu erzwingen, denn schon bald würde der Winter die Kampagne beenden und Friedrich damit eine Atempause verschaffen. Im

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Schutz des dichten Morgennebels – und unter dem lärmenden Feuer einiger Musketiere, die man zur Verwirrung der Konföderierten zurückgelassen hatte – schlich sich das Heer der Liga am 5. November eilig um den Berg herum und hastete nach Prag. Erst am Abend desselben Tages erkannte Anhalt, was geschehen war – und in welcher Gefahr die Konföderation sich befand. In Eilmärschen zwang er seine Männer, den Feind sogar noch zu überholen, und erreichte am 7. November um Mitternacht den Weißen Berg etwa acht Kilometer westlich von Prag, wo seine Männer sich umgehend kampfbereit machten. Die Schlacht am Weißen Berg Die nun folgende Schlacht war der erste größere Waffengang des Krieges und sollte der folgenreichste bleiben.64 Anhalts Position war vergleichsweise stark. Der Weiße Berg, der seinen Namen wegen der dortigen Kreide- und Kiesvorkommen erhalten hatte, erstreckte sich über zwei Kilometer in nordöstlich-südwestlicher Richtung und erreichte eine Höhe von bis zu 60 Metern über dem umliegenden Terrain. Am stärksten war die Position der Verteidiger an seinem nördlichen (rechten) Ende, wo der Anstieg am steilsten war. Diesen Teil des Höhenzugs nahm ein bewaldeter, von einer Mauer umgebener Wildpark ein, in dem sich das Schloss Stern befand, ein kleines Lustschloss, in dem Friedrich und seine Frau vor ihrem triumphalen Einzug nach Prag im Jahr zuvor logiert hatten. Etwa zwei Kilometer vor den Stellungen der Konföderierten verlief die Scharka, ein kleiner, ziemlich morastiger Fluss, der aber nach Einschätzung der Kommandierenden zu weit vom Weißen Berg entfernt war, als dass man ihn hätte verteidigen können. Anhalt hatte 11 000 Mann Infanterie unter seinem Kommando, dazu 5000 Mann schwere und 5000 Mann leichte Kavallerie, Letztere aus Ungarn und Siebenbürgen. Eigentlich wollte er die gesamte Länge des Höhenzuges mit Schanzwerken, Gräben und Wällen versehen wissen, aber seine Soldaten meuterten – sie waren erschöpft und außerdem, murrten sie, seien solche Buddeleien doch nur etwas für Bauern. Friedrich zog weiter nach Prag und überredete die Stände, ihm irgendwo 600 Taler für Spaten aufzutreiben – doch da war es eigentlich schon zu spät, und so gelang es den Soldaten gerade noch, fünf kleine Schanzen anzulegen. Die Artillerie hatte mit den Eilmärschen der letzten Tage nicht Schritt halten können und war zum größten Teil noch immer nicht eingetroffen; die zehn Stück Feldartillerie, die bei der Truppe geblieben waren, wurden entlang der Verteidigungslinie aufgeteilt. Johann Ernst von Sachsen-Weimar hielt mit seinem Infanterieregiment das Lustschloss Stern, während der Rest der konföderierten Kräfte sich entlang des Höhenzuges nach Art der niederländischen Ordonnanz aufstellte: in zwei Reihen Infanterie, deren Bataillone in regelmäßigen Abständen durch Kavallerieschwadronen verstärkt wurden. Die Männer der

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leichten Kavallerie waren schon vor Beginn der Schlacht entmutigt, weil sie früher am Abend in einen Hinterhalt geraten waren. In der Schlachtordnung platzierte man sie – einigermaßen überflüssig – in dritter Linie, einige deckten auch die äußerste rechte Flanke. Trotz offenkundiger Schwächen blieb Anhalt optimistisch, denn er glaubte, der Feind werde – wie schon bei Rakonitz – vor seinen Stellungen ins Stocken geraten. Friedrich blieb derweil in Prag und frühstückte. Am Sonntagmorgen des 8. November verdeckte dichter Nebel das Heranrücken der kaiserlich-bayerischen Streitmacht. Die Vorhut sicherte die beiden Übergänge über die Scharka; ab etwa acht Uhr folgte der Aufmarsch des restlichen Heeres. Die Regimenter der Liga nahmen linker Hand Aufstellung, gegenüber der Nordspitze des Weißen Berges, während Bucquoys Kaiserliche sich auf der rechten Seite positionierten. Insgesamt verfügten sie über 2000 Männer und zwei Kanonen mehr als ihre Gegner – und sie waren in besserer Gemütsverfassung. Beide Hälften des Gesamtheeres stellten sich nach der spanischen Ordonnanz auf, indem die insgesamt 17 000 Infanteristen in zehn große Terzios gruppiert und mit kleineren Kavallerieschwadronen umgeben wurden. Die Kommandeure hielten Kriegsrat, während ihre Männer sich auf ihre Positionen begaben und – ein letztes Mal? – die Heilige Messe hörten. Bucquoy wollte die List von Rakonitz wiederholen und sich um den Berg herum nach Prag schleichen, aber Maximilian und Tilly waren überzeugt, dass nun die Stunde der Entscheidung gekommen war. Angeblich wurde der Streit dadurch beendet, dass Bruder Dominicus in die Versammlung geplatzt kam und ein Bild der Madonna schwenkte, dem calvinistische Bilderstürmer die Augen ausgestochen hatten. Wenn dies stimmt, dann war es ein kühl berechneter Schritt, denn die derart verstümmelte Ikone hatte der Karmelit schon drei Wochen zuvor in einer Ruine gefunden. Die katholischen Truppen reagierten euphorisch, als sie den Befehl zum Angriff erhielten; sie waren es leid, die Konföderierten quer durch Böhmen zu verfolgen, und freuten sich schon auf die Plünderung Prags. Die Artillerie hatte bereits seit einiger Zeit gefeuert, damit jedoch wenig Wirkung erzielt. Gegen Viertel nach zwölf Uhr mittags feuerten alle zwölf Geschütze zugleich. Das war das Signal zum Angriff. Die Kaiserlichen standen näher am Fuß der Anhöhe als die Bayern, die zudem einen steileren Aufstieg vor sich hatten. Christian von Anhalt entschied sich für eine aktive Verteidigung und sandte zwei Kavallerieregimenter den Abhang hinab, um die kaiserliche Kavallerie zurückzuschlagen, welche die Flanken der zuvorderst anstürmenden Fußsoldaten aus Italien und der Wallonie deckte. Dann folgte Thurns Infanterieregiment, das die gegnerischen Fußtruppen angreifen sollte, während diese sich noch die Böschung hinaufmühten. Als sie sahen, dass ihre eigene Reiterei sich zurückzog, feuerten Thurns Männer aus größtmöglicher Entfernung eine Generalsalve ab

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und flohen dann ebenfalls. Anhalts Sohn versuchte, die Situation mit seinem Kavallerieregiment zu retten, das sich in der zweiten Linie der Konföderierten bereitgehalten hatte. Mit ihren Pistolen schossen seine Männer sich den Weg bis in das Innere eines kaiserlichen Terzios frei. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als sei ein Sieg der Konföderation doch noch möglich – aber dann stürmte neue kaiserliche Reiterei herbei. Selbst Bucquoy kam jetzt – obwohl selbst verwundet – mit seinen Männern nach vorn, um der Infanterie frischen Mut zu geben. Der jüngere Anhalt wurde gefangen genommen, und binnen einer Stunde nach Beginn der eigentlichen Schlacht befand die konföderierte Reiterei sich auf ganzer Linie im Rückzug; etliche Einheiten lösten sich sogar aus der Linie, ohne überhaupt in Feindkontakt gekommen zu sein. Wenig später taten die böhmischen Fußtruppen es ihnen gleich, während die Reiter aus Ungarn eine wilde Flucht ergriffen: Manche von ihnen ließen sogar ihre Pferde zurück, um sich zu Fuß in die Weinberge zu schlagen, die das Gelände bis nach Prag bedeckten. Zwar hieß es später, es sei das plötzliche Auftauchen des Predigers Dominicus aus den Pulverschwaden gewesen, das den konföderierten Truppen eine solche Panik eingejagt habe; aber in Wirklichkeit war es wohl die Meldung, Bucquoys polnische Kosaken seien um das südwestliche Ende des Weißen Berges herumgeritten und befänden sich nun schon im Rücken der Verteidiger. Auf der rechten Flanke hielten Schlicks Mährer etwas länger durch; das lag freilich hauptsächlich daran, dass Tillys Kontingent eben länger brauchte, um sie zu erreichen. Selbst hier brach der Widerstand der Verteidiger gegen halb zwei Uhr in sich zusammen. Ein paar Überlebende hielten sich noch eine weitere halbe Stunde im Schloss Stern verschanzt, bevor auch sie sich ergaben. Friedrich hatte sich den ganzen Tag über in Prag aufgehalten und ließ sich gerade sein Mittagessen schmecken, als die ersten Flüchtigen eintrafen. Viele ertranken bei ihrem verzweifelten Versuch, dem Feind zu entkommen, in der Moldau. Das kaiserlich-bayerische Heer hatte 650 Tote und Verwundete zu beklagen, die meisten davon aufgrund der kühnen Attacke des jüngeren Christian von Anhalt. Von den Soldaten der Böhmischen Konföderation blieben 650 tot auf dem Schlachtfeld zurück; 1000 weitere, die auf der Flucht getötet worden waren, lagen im Gelände bis nach Prag verstreut. Dazu kamen 1200 Verwundete. Das waren gewiss hohe Verluste, auch wenn die meisten Böhmen sich doch hatten retten können. Prag war eine große, stark befestigte Stadt, und angesichts des nahenden Winters schien es wenig wahrscheinlich, dass der Feind eine Belagerung beginnen würde. An diesem Punkt zahlte sich Tillys Strategie unerbittlichen Drucks aus, denn sie erst machte aus einem respektablen Erfolg auf dem Schlachtfeld einen entscheidenden Sieg. Die konföderierte Kampfmoral, die durch Tillys energischen Feldzug bereits geschwächt gewesen war, brach endgültig zusam-

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men. Selbst Maximilian zeigte sich überrascht darüber, wie demoralisiert der Gegner nun war; als er Prag zur Kapitulation aufforderte, hatte er eigentlich mit trotziger Gegenwehr gerechnet. Die Führungsriege der Konföderation war in einem jämmerlichen Zustand. Tschernembl und Thurns Sohn Franz versuchten, mit einer Verteidigungsstellung an der Karlsbrücke die Bayern am Überqueren des Flusses zu hindern. Friedrich zögerte, aber Anhalt und der ältere Thurn hielten die Lage für aussichtslos. Königin Elisabeth, die mit ihrem fünften Kind hochschwanger war, verließ Prag im Morgengrauen des nächsten Tages. Ihr Mann fürchtete, von den aufgebrachten Prager Bürgern an der Flucht gehindert zu werden, wenn er die Krone mitnähme, also ließ er sie zurück, genau wie seine anderen Insignien und etliche vertrauliche Dokumente, und schloss sich dem Flüchtlingsstrom an, der in Richtung Osten aus der Stadt quoll. Der Zusammenbruch der Konföderation Die Kaiserlichen drangen bereits von Westen her nach Prag ein, sodass sie den königlichen Tross gleichsam noch am Rockzipfel zu fassen bekamen. In der Stadt hielten sich noch zahlreiche Soldaten der Konföderierten auf, die ihren ausstehenden Sold einfordern wollten, aber nachdem Maximilian ihnen am 10. November Straffreiheit zugesagt hatte, zerstreuten sie sich rasch. (Die wenigen, die dumm genug waren zu bleiben, wurden im Verlauf der nächsten Tage ermordet.) Prag war geradezu übervoll mit Wertgegenständen, Vieh und anderen Gütern, die vor der Schlacht zur sicheren Verwahrung in die Stadt gebracht und von ihren Besitzern bei deren überstürzter Flucht zurückgelassen worden waren. Zusammen mit einer großen Anzahl leer stehender Palais und Häuser war das eine Verlockung, der die siegreichen Truppen nicht widerstehen konnten. Sie begannen damit, sich zu nehmen, was sie auf der Straße fanden, gingen dann dazu über, in einzelne Häuser einzudringen, und raubten und plünderten schließlich mit Gewalt, was nicht niet- und nagelfest war: „Wo nichts ist, so sind sie ihres Halses nicht sicher, und gereut es jedermann, daß man nicht bald anfangs zur Wehre gegriffen und bis auf den letzten Mann geschlagen.“65 Unter solchen Umständen war eine weitere Verfolgung der fliehenden Konföderierten aussichtslos. Zudem wurde der Winter 1620/21 außergewöhnlich hart; sogar der Bosporus soll damals zugefroren sein. Mansfeld hielt noch immer den größten Teil Westböhmens, während Jägerndorf in Schlesien und Bethlen in Ungarn stand. Der Zusammenbruch von Friedrichs Herrschaft war aber durch nichts mehr aufzuhalten, nachdem die moderaten Kräfte Böhmens erst einmal begonnen hatten, sich von ihm loszusagen. Schon Ende Dezember huldigten die mährischen Stände Ferdinand als ihrem neuen König. Friedrich floh Mitte November nach Osten und über die Sudeten nach Schlesien, wo ihm allerdings ein

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frostiger Empfang bereitet wurde: Die schlesische Bevölkerung hielt ihn für einen calvinistischen Extremisten. Weil er befürchtete, die Sachsen könnten ihm den Fluchtweg nach Norden abschneiden, eilte Friedrich schon im Dezember an der Oder entlang nach Brandenburg und überließ es den Lausitzern und Schlesiern, sich dem Kurfürsten Johann Georg nach langen Verhandlungen im März 1621 zu ergeben. Erst am 1. September 1620 hatte Bethlen seinen Waffenstillstand mit dem Kaiser gebrochen, hatte mit 30 000 Reitern Oberungarn überrannt und erneut Pressburg eingenommen, wo er plante, sich mit der im Vorjahr erbeuteten Stephanskrone zum König von Ungarn krönen zu lassen. Die meisten der polnischen Kosaken, die im Jahresverlauf eingetroffen waren, hatte man dem Kommando Dampierres unterstellt, der sie zum Schutz der Ernte gegen Plünderer aus Siebenbürgen eingesetzt hatte. Ende September 1620 traf ein Regiment der Liga ein, dazu Kroaten und die Gefolgsleute magyarischer Magnaten, die von Bethlens Plünderungen genug hatten. Die innerösterreichischen Stände mobilisierten 2500 Mann, während ihre Gegenüber aus Niederösterreich ein protestantisches Regiment entsandten, das es versäumt hatte, sich dem konföderierten Heer anzuschließen. Dampierre rückte vor, um Bethlens Krönung zu verhindern, und obwohl er selbst am 9. Oktober getötet wurde, war es ihm doch vorher gelungen, die Brücke von Pressburg niederzubrennen und damit den Zugang zum rechten Donauufer zu versperren. Zwar sandte Bethlen 9000 weitere Soldaten zu Friedrichs Unterstützung; für die Schlacht am Weißen Berg kamen diese allerdings zu spät und eilten deshalb noch im November durch Mähren in ihre Heimat zurück. Obwohl der Großwesir das Bündnis bestätigte, das Friedrich im Juli mit dem Osmanischen Reich geschlossen hatte, wurde schnell klar, dass der Sultan lediglich nach einem Druckmittel suchte, mit dem er Ferdinand zu einer Neuaushandlung des Waffenstillstands von 1606 bewegen konnte. Die Nachricht von der Schlacht am Weißen Berg erreichte Konstantinopel im Januar; spätestens jetzt erwies es sich als eine kluge Entscheidung, nicht mit dem Kaiser gebrochen zu haben. In der Zwischenzeit eroberte der osmanische Pascha von Buda die ungarische Grenzstadt Waitzen (Vác), auf die sein Herr und Meister schon seit Langem ein Auge geworfen hatte. Dies versetzte den magyarischen Adel in helle Aufregung, offenbarte es doch nicht nur die Folgen ihrer inneren Kämpfe, sondern auch die Unfähigkeit Bethlens, sie vor den Osmanen zu beschützen. Die führenden Adelsfamilien traten nun entweder offen an Ferdinands Seite oder schlossen sich zumindest dem Drängen des französischen Gesandten an, der Bethlen für Januar 1621 zur Wiederaufnahme von Gesprächen in Hainburg an der Donau bewegen konnte.

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Auf wessen Konto ging das Scheitern? In Briefen an Friedrich versuchten die konföderierten Heerführer, jede Schuld von sich zu weisen.66 Thurn gab im Wesentlichen die Ansichten der calvinistischen Propaganda wieder, als er die Ursache für die erlittene Niederlage in den Sünden des böhmischen Volkes suchte und die gegenwärtige Situation mit der Bestrafung der Israeliten durch Gott verglich – bei genauer Betrachtung sogar ein verhalten hoffnungsvolles Argument, denn Gott hatte sein Volk ja schließlich doch aus Ägypten errettet. Christian von Anhalt war schon verbindlicher. Auch er führte Punkte an, die andere vor ihm geltend gemacht hatten – etwa hätten manche Einheiten den Kampf gescheut –, betonte aber vor allem den nachlassenden Zusammenhalt in der Truppe überhaupt sowie einen zunehmenden Ungehorsam. Schuld an beidem waren aus seiner Sicht mangelnde internationale Unterstützung sowie das mutwillige Versäumnis der böhmischen Zivilverwaltung, welche die Soldrückstände des Heeres nicht beglichen habe, obwohl diese zum Zeitpunkt der Schlacht bereits auf 5,5 Millionen Gulden angewachsen waren. Es ist gewiss richtig, dass die Konföderation erhebliche organisatorische Schwächen aufwies. Erst im August 1620 war ein Kriegsrat eingerichtet worden, der Soldzahlungen, Nachschubbeschaffung und Festungsbau überwachen sollte. Eine schlechte Buchführung blähte die Gesamtrückstände zusätzlich auf, denn kaum einmal wurde überprüft, ob die von den Soldaten erhobenen Forderungen den Tatsachen entsprachen. Auf einen Mangel an Ressourcen war die Niederlage jedenfalls nicht zurückzuführen: Mansfelds Männer waren zum Zeitpunkt des Debakels von Sablat schon seit sechs Monaten nicht mehr bezahlt worden, und doch fand Bucquoy unter den Hinterlassenschaften ihres Anführers 100 000 Gulden in Gold, dazu Mansfelds persönliches Silberbesteck im Wert von noch einmal 50 000 Talern. Bei der Eroberung südböhmischer Schlösser stieß Bucquoy später auf weitere Horte, darunter 300 000 Talern allein auf Schloss Frauenberg (Hluboká).67 Die von den Heerführern zu ihrer Verteidigung vorgebrachten Punkte waren Symptome, keine Gründe der Niederlage. Dass es ihr nicht gelang, die nötigen Ressourcen zu mobilisieren, weist wohl auf die Unfähigkeit der konföderierten Führung hin, das volle Potenzial ihrer Revolte zu entfalten. Dieses Potenzial hätte in einer gemeinsamen politischen Kultur gelegen – und nicht in der Religion, Sprache oder Herkunft. All jene Kategorien trennten die Anhänger der Konföderation nämlich eher, als dass sie sie geeint hätten. Zwar gab es in Böhmen, Mähren, Schlesien, den Lausitzen sowie Ober- und Niederösterreich eine protestantische Mehrheit; ein gemeinsames Bekenntnis hatten die verschiedenen

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protestantischen Strömungen jedoch nicht. Selbst da, wo es starke theologische Gemeinsamkeiten gab – wie etwa zwischen den kurpfälzischen Calvinisten und den Böhmischen Brüdern –, konnten andere kulturelle Faktoren durchaus den Vorrang haben, wie Friedrich mit seinen bilderstürmerischen Ambitionen in Prag bald feststellen musste. Die Böhmen waren größtenteils Tschechen, aber viele ihrer Adligen sprachen Deutsch. Andererseits sprachen viele Familien, die einen deutschen Namen trugen, Tschechisch, während die Mährer Tschechisch oder Slowakisch sprachen, die Schlesier Deutsch oder Polnisch und die Lausitzer Deutsch oder Wendisch (Sorbisch). Führende Habsburger Loyalisten wie Lobkowitz, Martinitz und Slavata sprachen Tschechisch, während andere adlige Familien wie die Waldsteins, Dietrichsteins, Kinskys, Kaunitz, Czernins und Tiefenbachs gemischtsprachig waren: Manche Teile der Familie sprachen Deutsch, andere Tschechisch – oder beides. Es gab gemeinsame Gründungsmythen, wonach beispielsweise Polen und Tschechen die Nachfahren von zwei Brüdern namens Lech und Čech waren. Und doch bestritt Pavel Stránský, der den Böhmischen Aufstand unterstützte, dass die Tschechen Böhmens und Mährens Angehörige desselben Volkes seien. Kurz gesagt gab es also keinen festen Zusammenhang zwischen Konfession, Sprache und politischer Loyalität – und wer versucht, die damaligen Ereignisse zu einer Art von „nationaler Bewegung“ im Widerstand gegen die deutsche Unterdrückung zu stilisieren, begeht einen groben, anachronistischen Fehler.68 Was die böhmischen Aufständischen vereinte, war ihre kulturelle und politische Identifikation mit der Wenzelskrone und allem, wofür diese stand. Stránský und andere Apologeten des Aufstands verstanden die „böhmische Frage“ primär als eine Frage ständischer Rechte – und nicht der Sprache oder der Religion –, und diese politische Kultur war es auch, die der Böhmischen Konföderation den Bündnisschluss mit Österreichern, Siebenbürgern und Oberungarn erlaubte.69 Der böhmische Oberstlandeskämmerer Wilhelm von Rosenberg (tschechisch: Vilém z Rožmberka) fand zum Beispiel überhaupt nichts dabei, sich bei der polnischen Königswahl von 1573 als „einheimischer“ Kandidat zur Wahl zu stellen. Aber obwohl etwa Stránský ein Bürgerlicher war und es durchaus auch bürgerliche Netzwerke gab, die alle Länder der böhmischen Krone erfassten (etwa durch Handelsbeziehungen oder Bildungsaufenthalte), blieb die gemeinsame politische Kultur doch weitgehend dem Adel vorbehalten – und genau darin lag, zu einem großen Teil, das Problem. Wenn die Anhänger der Konföderation ihren Schlachtruf nach ständischen Rechten ertönen ließen, ging es dabei um eine bestimmte Ausprägung von Monarchie – und nicht etwa um eine generelle Ablehnung der Königsherrschaft.70 Sie hatten überhaupt nichts dagegen, einen König zu haben – sie hatten nur et-

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was dagegen, an der königlichen Machtausübung nicht beteiligt zu werden. Die konstituierende Versammlung der Böhmischen Konföderation verwarf 1619 ausdrücklich die Idee einer Republik nach niederländischem Vorbild. Ihre Legitimation bezog sie aus dem tradierten Recht und nicht aus neuartigen, abstrakten Idealen wie „Freiheit“ oder „Volksherrschaft“. Auch deshalb gelang es dem ostmitteleuropäischen Adel nicht – anders als den aufständischen Niederländern oder den englischen und schottischen Parlamentsanhängern –, die soziale Basis seiner Protestbewegung zu erweitern. Im Jahr 1620 war Tschernembl schließlich bereit, im Gegenzug für die Unterstützung der Bauern die Leibeigenschaft abzuschaffen, aber seine Standesgenossen lehnten dies ab und wollten stattdessen lieber ein Bündnis mit dem Sultan schließen. Wenn Bauern das Heer der kaiserlich-bayerischen Invasoren angriffen, so geschah dies meist zur Selbstverteidigung. Ganz genauso wehrten sie sich gegen konföderierte Truppen, wenn diese etwa – wie am Vorabend der Schlacht am Weißen Berg – auf der verzweifelten Suche nach Feuerholz ganze Dörfer niederrissen. Im böhmischen Stadtbürgertum dominierten die Utraquisten, die sich kulturell und politisch vollkommen auf der Linie der Lutheraner und der Böhmischen Brüder befanden, obwohl sie theologisch dem Katholizismus näherstanden. Schon der Fenstersturz hatte sie beunruhigt; als die Adligen dann versuchten, die Last der Kriegssteuern auf die Städte abzuwälzen, ließ die Sympathie der Bürger für den Aufstand rasch nach.71 Auch drängte der Hochadel die ärmeren Ritter an den Rand – mit der Folge, dass viele von ihnen ab 1619 dem konföderierten Heer fernblieben, indem sie gesundheitliche Gründe vorschützten. Durch persönliche Rivalitäten wurde die Solidarität der Aufständischen selbst innerhalb des adligen Führungszirkels untergraben. Und dann sorgte der besondere Charakter der frühneuzeitlichen Politik noch für eine weitere Schwachstelle: Weil die Lehnsbeziehung eine persönliche, zwischen Individuen geknüpfte Verbindung war, konnte man vergleichsweise leicht die Seiten wechseln – wer dem neuen Lehnsherrn nur untertänig genug huldigte, durfte auf Straffreiheit hoffen. Ferdinand machte sich dies zunutze, indem er nur sehr wenige seiner Gegner für vogelfrei erklärte. Die große Mehrheit durfte sich auch weiterhin um seine Vergebung bemühen. Die böhmische Spielart des Protestantismus war keineswegs die Religion des (historischen) Fortschritts, sondern Ausdruck eines vom Adel dominierten und letztlich überholten Ständestaates, der durch das Aufkommen stärker zentralistisch geprägter Staatsformen bedroht wurde. Die habsburgische Entscheidung, den katholischen Glauben zum entscheidenden Maßstab politischer Loyalität zu machen, gab diesem Zentralisierungsprozess einen konfessionellen Charakter, obwohl eigentlich überhaupt nichts spezifisch Katholisches daran war, wie die

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umgekehrte Verbindung des politischen Establishments mit dem Protestantismus etwa in England zeigt. Ihre eingeschränkten Möglichkeiten, auf einen politischen oder militärischen Posten zu gelangen, ließ die Protestanten von einem romantisch verklärten Paternalismus träumen – was seinen Ausdruck etwa in der hohen Bedeutung von Patronage bei der Besetzung von Pfarrstellen fand. Durch ihren Landbesitz hatten sie weiterhin Sitz und Stimme im Landtag und blieben auf diese Weise in die „kleine“ wie die „große“ Politik eingebunden. Mit der Zunahme regelmäßiger Besteuerung allerdings, die es dem König ermöglichte, Loyalität durch Geld statt durch Land zu entlohnen, kam es zu einer Machtverschiebung in das Zentrum, hin zur Krone. Die so entstehenden Beziehungen waren noch immer frühneuzeitlich, weil sie durch den Hof des Herrschers und nicht durch einen unpersönlichen Staat vermittelt waren; und weil sie persönlich blieben, spielte kulturelles Kapital eine beträchtliche Rolle. Wie andere Fürsten ihrer Zeit legten die Habsburger großen Wert auf emotional gefärbte Kategorien wie Vertrauen, Treue, Prestige und Ehre, und wer in ihrem Dienst diese Tugenden verkörperte, durfte mit reicher Belohnung rechnen. Dieses soziale Kapital war notwendig, um bestehende ökonomische Ressourcen voll auszuschöpfen, was sich nicht zuletzt an den vielen armen Adligen zeigte, die gesellschaftlich dennoch über (teils wesentlich reicheren) Bürgerlichen rangierten. Die noch schwach entwickelten Kommunikationsmöglichkeiten verstärkten die Bedeutung des Hofes als jenes Ortes, an dem man – wenn man denn adlig war – soziales und kulturelles Kapital erwerben konnte. Hier traf man die Leute mit Einfluss und gewann die nötigen Erfahrungen und Fertigkeiten, um es als Adliger zu Erfolg zu bringen.72 Die Patronagebeziehungen bei Hofe waren ihrer Natur nach instabil und hingen stets davon ab, inwieweit der Patron die konkurrierenden Aspirationen seiner Klienten mit den begrenzten Mitteln unterstützen konnte, die ihm zur Verfügung standen. Der Hofstaat der habsburgischen Könige und Kaiser vergrößerte sich von 600 Personen unter Ferdinand I. auf 800 unter Rudolf II.; durch die Nebenlinien des Hauses kamen vielleicht noch einmal 600 Plätze hinzu. Das waren immer noch recht bescheidene Verhältnisse etwa im Vergleich zu England, wo Elisabeth I. mehr Höflinge hatte als Kaiser Rudolf – ja selbst der Kardinal Richelieu unterhielt ein Gefolge von 480 Getreuen. Als Kaiser mussten die Habsburger zudem Klienten aus dem gesamten Reich versorgen, wodurch dem Adel ihrer eigenen Territorien zu wenige Posten zur Verfügung standen, als dass sie ihn vollständig durch Patronagebeziehungen hätten an sich binden können. Ohnehin handelte es sich bei der Patronage nur um eine „weiche“ Form herrschaftlicher Kontrolle. Sie beruhte auf einer Gegenseitigkeit, die sich nicht auf dem Rechtsweg erzwin-

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gen ließ. Einen etwaigen Treubruch konnte der Patron nicht anders bestrafen als durch die öffentliche Ächtung und Verstoßung. Außerdem spricht einiges dafür, dass das Patronagesystem – durch seine Verlagerung politischer Aushandlungsprozesse von ihrem verfassungsmäßig angestammten Platz in den Ständeversammlungen in die eher informelle Welt des Hofes – die Fortentwicklung des politischen Systems bremste. Und schließlich stiftete die Patronage Uneinigkeit, da die Bevorzugung einiger fast zwangsläufig zur Verbitterung anderer führen musste. Die Situation wurde dadurch noch verschärft, dass es binnen vergleichsweise kurzer Zeit zweimal einen Wechsel auf dem Kaiserthron gegeben hatte. Alle Funktionsträger des Reiches waren immer noch „Fürstendiener“, keine „Staatsdiener“. Bei einem Regierungswechsel gab es also keine Beschäftigungssicherheit, und ein neuer Herrscher konnte die Berater und Amtleute seines Vorgängers nach Belieben entlassen und durch seine eigenen Favoriten ersetzen. Besonders kontrovers gestaltete sich der Übergang nach der Kaiserwahl von 1619, als Ferdinand sein bestehendes Gefolge aus innerösterreichischen Katholiken in die habsburgische und die Reichsregierung mitbrachte, wodurch viele der dort noch immer amtierenden Protestanten ihre Posten verloren. Der Adel sah sich im selben Zeitraum einem immer härteren Wettbewerb um Land ausgesetzt, der in manchen Fällen zu einem Einbruch der Einnahmen führte. Dazu kamen gewisse kulturelle Zwänge, die sich teilweise unter dem Einfluss des Hofes entwickelten: Plötzlich musste man seine Söhne auf teure Bildungsreisen schicken, aufwendige Stadtpalais und Landsitze unterhalten. Die Anzahl der protestantischen Adligen ohne Landbesitz stieg in Niederösterreich zwischen 1580 und 1620 von 61 auf 117 an. Bis 1620 war es so weit gekommen, dass von 334 protestantischen Adligen nur 43 einen königlichen oder kaiserlichen Versorgungsposten innehatten – gegenüber 72 von 123 Katholiken. Mehr als die Hälfte der katholischen Adligen ohne Landbesitz lebte von einem solchen Posten; sie konnten sich auf eine Einnahmequelle verlassen, die ihren protestantischen Standesgenossen zumeist verwehrt blieb. Auch war es zuletzt eher der Dienst für den Herrscher gewesen – und nicht mehr der persönliche Reichtum –, der den Zugang zum Adelsstand eröffnete: Die Habsburger adelten diejenigen, die ihnen zu Diensten gewesen waren. Und wer erst einmal geadelt war und in herrschaftlichen Diensten stand, hatte wiederum Zugang zu (mehr) Land, konnte doch die erhaltene Vergütung dazu eingesetzt werden, die Ländereien verarmter Adelsfamilien aufzukaufen. Nachdem sie noch im späten 16. Jahrhundert meist nur über kleinere Anwesen verfügt hatten, entwickelten die Katholiken sich bis 1620 zu den größten Grundbesitzern Niederösterreichs.73 Die Protestanten reagierten hierauf, indem sie ihre Söhne

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nach Deutschland schickten, damit sie an den dortigen Universitäten jene Ausbildung erhielten, die für einen einträglichen Posten immer wichtiger wurde. Allerdings radikalisierten sich viele dieser Fürstensöhne in dem konfessionell aufgeheizten Klima an den deutschen Hochschulen derart, dass sie sich bei ihrer Rückkehr für die Stellen, die sie eigentlich angestrebt hatten, selbst disqualifizierten. Die konfessionelle Differenz verschärfte lediglich bestehende Spannungen, die sich aus dem Widerstreit zwischen der „horizontalen“ Solidarität verwandtschaftlicher und innerständischer Beziehungen des Adels auf der einen und der „vertikalen“ Abhängigkeitsbeziehung zwischen Patronen und Klienten auf der anderen Seite ergaben. Obwohl sie im Adel der habsburgischen Länder die Mehrheit stellten, gelang es den Protestanten letztlich nicht, gemeinsame Front gegen das Herrscherhaus zu machen. Von den protestantischen Vertretern des niederösterreichischen Adels huldigten Ferdinand im April 1619 immerhin 77, während 121 neutral blieben und 102 sich dem Aufstand anschlossen – von diesen griffen gerade einmal 50 tatsächlich gegen die Krone zu den Waffen. Dass in der Frage der Loyalität zu den Habsburgern scheinbar durch so viele protestantische Familien ein Riss ging, mag mitunter daran gelegen haben, dass das Familienoberhaupt auf Nummer sicher gehen wollte, seine Söhne auf beiden Seiten kämpfen ließ, während er selbst oder ein Onkel neutral blieb und sich weiterhin um den Familienbesitz kümmerte. Wie dem auch im Einzelnen gewesen sein mag: Die verhältnismäßig kleine Zahl aktiver Unterstützer der Konföderation weist darauf hin, dass sich wohl nur wenige österreichische Protestanten wirklich mit der Sache der Aufständischen identifizieren mochten – ja dass diese sogar eher auf Abneigung stieß. Das Scheitern des Aufstands war mithin letztlich eher nicht das Scheitern eines standesbewussten Adels im Kampf gegen die absolute Monarchie. Vielmehr stellte sich die verklärte Sicht der böhmischen Protestanten auf den ständischen Korporatismus als weniger attraktiv heraus als die alternative, ebenso standesbewusste Identität eines Adels, der durch die Gunst seines Königs belohnt und geeint wurde. Auch andere Faktoren spielten eine Rolle. Anders als die Niederländer mit ihren Poldern und Deichen verfügten die Böhmen über kein natürliches Reduit, wohin sie sich hätten zurückziehen können. Da es ihnen nicht gelungen war, Budweis und Krumau (Český Krumlov) auf ihre Seite zu bringen, blieben diese Städte den Habsburgern als wertvolle Stützpunkte entlang der Grenze erhalten; mit dem Eintreten Kursachsens in den Konflikt waren die Aufständischen effektiv umzingelt. Das Fehlen eines frühen Sieges für die Konföderation schreckte manchen davon ab, sich dem Aufstand anzuschließen. In einem vergleichbaren Fall hatte freilich 1585 England die aufständischen Niederländer schon unter-

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stützt, als es noch lange nicht ausgemacht war, dass diese die Spanier besiegen würden. Der Umstand, dass sich keine auswärtige Macht – mit der Ausnahme Gabriel Bethlens – offen an Friedrichs Seite stellte, deutet darauf hin, dass die Sympathien für Rebellen und Aufstände überall in Europa schwanden.74 Das erklärt schließlich auch, warum in der pro-böhmischen Propaganda die Religion derart betont wurde: Es war wesentlich leichter, einen religiös gefärbten Hilfsappell an die protestantischen Glaubensgenossen zu formulieren, als ihnen das unkonventionelle, föderative Herrschaftsmodell schmackhaft zu machen, das die Aufständischen propagierten.

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innen weniger Wochen nach der Schlacht am Weißen Berg tauchten in Brüssel und Wien Anschlagzettel in der Art eines Steckbriefs auf, die einen König namens Friedrich als verloren gegangen meldeten und für sein Einbringen eine Belohnung aussetzten. Alter des Gesuchten: erwachsen, Hautfarbe: sanguinisch, Größe: mittel, besonderes Merkmal: schielt auf einem Auge. Er sei nicht von schlechter Wesensart, solange ihm kein gestohlenes Königreich im Wege liege.75 In Anspielung auf die Kürze seiner Herrschaft wurde der Flüchtige schon bald als „Winterkönig“ verspottet. Seine gesamte Welt schien zusammenzubrechen, während er von Schlesien aus nach Norden eilte. Seine restlichen Unterstützer waren demoralisiert und nicht vertrauenswürdig. Er suchte Zuflucht in Berlin, aber der Kurfürst jagte ihn fort, nachdem er im Januar einen kaiserlichen Tadel erhalten hatte. Bethlen hatte Gespräche mit den Kaiserlichen in Hainburg eröffnet, während die Schlesier sich im Februar ergaben. In jenem Monat begann die Protestantische Union auch Verhandlungen zur Räumung der Unterpfalz, und Mansfeld stimmte einem sechswöchigen Waffenstillstand mit Tilly zu. Sachsen, Dänemark und England rieten Friedrich allesamt, Frieden zu schließen, da klar war, dass Ferdinand Böhmen zurückgewonnen hatte. Der Zwölfjährige Waffenstillstand sollte im April auslaufen, aber viele hofften noch, er könnte erneuert werden. Die Aussicht auf Frieden, zumindest im Heiligen Römischen Reich, war nicht unrealistisch, die Notlage schien vorüber zu sein, und der Ligatag in Augsburg stimmte im März dafür, die Armee der Katholischen Liga auf 15 000 Mann zu verkleinern.76 Der Frieden scheiterte an Friedrichs Weigerung zum Kompromiss. Sein Trotz ermutigte andere, im Felde zu bleiben, während die Wiederaufnahme des Spanisch-Niederländischen Krieges im Frühjahr darauf hindeutete, dass in Kürze mit ausländischer Hilfe zu rechnen sein würde. Zwar begannen im Januar unter sächsischer Vermittlung Gespräche, und Friedrich erklärte, er sei bereit, Böhmen aufzugeben und Ferdinand als König anzuerkennen, aber er knüpfte Bedingungen daran, die sogar Johann Georg von Sachsen für unangemessen hielt: Ferdinand sollte die Konföderationsakte bestätigen, uneingeschränkte Religionsfreiheit gewähren, sämtliche böhmischen Schulden Friedrichs übernehmen und die pfälzischen Militärausgaben erstatten!77 Als Reaktion darauf verhängte Ferdinand am 29. Januar 1621 die Reichsacht über Friedrich, Christian von An-

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halt, den Grafen Georg Friedrich von Hohenlohe und den Markgrafen Johann Georg von Brandenburg-Jägerndorf, womit der Weg zur Beschlagnahme ihrer Ländereien und Titel geebnet war. Friedrich wurde aber bloß noch unbeugsamer. Angesichts der Tatsache, dass ihm lediglich seine Würde geblieben war, meinte er die seinen Unterstützern gegebenen Versprechen nicht brechen zu dürfen, von denen die meisten nun ebenfalls Verbannte waren. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, weiterzukämpfen. Die Aussichten dafür schienen schlecht zu stehen, als Friedrich und Elisabeth Mitte April in Den Haag eintrafen. Ihre erste Unterkunft war ein von den Generalstaaten gemietetes Haus, das Cornelis van der Mijle gehörte, einem Mann, den die Republik in ihrem eigenen internen Machtkampf zwei Jahre zuvor aus den Niederlanden ausgewiesen hatte. Später stellten die Holländer dem Paar den Wassenaer Palast zur Verfügung, der für die nächsten 40 Jahre Elisabeths Zuhause wurde. Die holländischen und englischen Geldzuwendungen waren anfangs vergleichsweise großzügig, wurden aber bald weniger – vor allem nachdem 1639 in England, Irland und Schottland die Kriege der Drei Königreiche begonnen hatten. Am Ende berichteten Besucher von Wassenaer, sie hätten unter Elisabeths Röcken Ratten herumwuseln sehen.78 Anhalt hatte die Pfalz bereits verlassen, angeblich, um Friedrich in Norddeutschland zu vertreten. Nach der Schlacht am Weißen Berg, wo sein Sohn gefangen genommen worden war, war er abgekämpft und niedergeschlagen. Christian IV. von Dänemark gewährte ihm schließlich unter der Bedingung Asyl, dass er sich jeglicher Ränke enthielt. Aus Sorge um die Freilassung seines Sohnes und um die kaiserliche Beschlagnahme von Bernburg zu verhindern, reiste der Fürst 1624 nach Wien und erwirkte eine Begnadigung. Die verbleibenden sechs Jahre seines Lebens verbrachte er in dem steten Bemühen, seinen Ländereien die Folgen eines Krieges zu ersparen, den zu entfesseln er viel beigetragen hatte. Hohenlohe floh nach Emden, bis seine Verwandten 1623 eine Begnadigung für ihn erwirkten. Danach widmete er sich dem Versuch, das Stigma der Niederlage auf einen Obristen namens Stubenvoll abzuwälzen. Auch viele jüngere, rangmittlere Beamte verließen auf der Suche nach besseren Aussichten und einer sicheren Beschäftigung die Pfalz. Andere sahen sich gezwungen, mit den bayerischen und spanischen Truppen, die bald in das Kurfürstentum einfielen, Kompromisse zu schließen. Die Hauptlast der Arbeit entfiel auf die verbliebenen älteren Getreuen, die von einigen rasch beförderten Jüngeren unterstützt wurden, denen oftmals die entsprechende Ausbildung oder Erfahrung fehlte.79 Diejenigen, die wie Camerarius das böhmische Abenteuer aktiv unterstützt hatten, fielen vorübergehend in Ungnade. Das dadurch entstehende Vakuum wurde zum Teil von Elisabeths englischen Sekretären gefüllt, was die Abhängigkeit

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des Hofes vom Beistand ihres Vaters widerspiegelte. Fortgesetzte Niederlagen entmutigten jene, die blieben, wie etwa Achatius (Achaz) zu Dohna, der sich 1624 auf seine ostpreußischen Güter zurückzog. Die personellen Veränderungen trugen ebenso zur allgemeinen Orientierungslosigkeit bei wie zu Friedrichs Unfähigkeit, seine Autorität zu behaupten. In den folgenden beiden Jahren kam es zum Streit zwischen zwei Fraktionen: Auf der einen Seite standen diejenigen, die wie der Hofrichter, Rat und Diplomat Andreas Pawel eine maximalistische Agenda forcierten, die auf die Rückgewinnung von allem, einschließlich Böhmens, zielte. Die andere Seite bestand aus Befürwortern einer realistischeren Option, wie etwa dem jungen aufsteigenden Stern Johann Joachim von Rusdorf, der eine britische Vermittlung zu akzeptieren gewillt war, um so wenigstens eine teilweise Wiedereinsetzung Friedrichs als Kurfürst zu erreichen. Als die Habsburger Friedrich als Usurpator hinstellten, reagierten die pfälzischen Propagandisten, indem sie den Mythos von einem gerechten König verbreiteten, der unrechtmäßigerweise ins elende Exil gezwungen worden sei. Es wurden gar Vergleiche mit David und Goliath gezogen, wenn es um Friedrichs Bemühen ging, seine von den mächtigen Habsburgern besetzte Heimat wiederzuerlangen. Elisabeth hatte ihr Königreich verloren, galt ihren Anhängern aber immer noch als die „Königin der Herzen“, womit bewusst der habsburgischen Darstellung Elisabeths als „Helena von Deutschland“, die das Land in einen zerstörerischen Konflikt geführt habe, entgegengewirkt werden sollte. Der romantische Abenteuersinn, der Partei ergreift für den Schwächeren und Unterlegenen, sprach zumindest einige englische Diplomaten und Adlige an, die Sonette verfassten oder sich sogar – was für eine sehr viel praktischere Veranlagung spricht – Friedrichs verbliebenen Truppen als Freiwillige anschlossen.80 Das Ende der Protestantischen Union Wenngleich Friedrich nominell der Anführer der Union blieb, fiel die Organisation doch bereits auseinander. Württemberg, früher eines der aktivsten Mitglieder, hatte sich zurückgezogen, sobald Friedrich sich in Böhmen engagiert hatte, und kehrte auf Basis der offiziellen Gliederung des Reiches in Reichskreise zur Zusammenarbeit mit seinen katholischen Nachbarn zurück.81 Auch viele andere zweifelten am Nutzen ihres außerhalb der Reichsverfassung stehenden konfessionellen Bündnisses. Kaiser Ferdinand wählte jedenfalls genau den richtigen Zeitpunkt für die Verkündung der Reichsacht, machte er damit doch just in dem Moment, als der Unionstag zusammentrat, um über die Erneuerung des Unionsvertrages zu debattieren, deutlich, welche Konsequenzen Widerstand gegen ihn hatte. Die Mehrheit nahm denn auch das Vermittlungsangebot von Mainz und Hessen-Darmstadt

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an, die als Nachbarn der Pfalz nicht erleben wollten, wie der Krieg sich in ihre Nähe verlagerte. Spinola, der sich dessen bewusst war, dass der Zwölfjährige Waffenstillstand zwischen Spanien und den Niederlanden demnächst auslief, stimmte dem sogenannten Mainzer Akkord am 12. April gerne zu. Die Union räumte ihre Stellungen in der Unterpfalz als Gegenleistung dafür, dass Spinola weitere Operationen aufschob und versprach, sie endgültig einzustellen, wenn Jakob I. seinen Schwiegersohn überreden könne, Ferdinands Bedingungen anzunehmen. Die Delegierten des Unionstages gingen am 14. Mai 1621 auseinander, ohne den Unionsvertrag erneuert zu haben, womit die Organisation praktisch aufgelöst war. Obwohl sie das Profil der Pfalz geschärft und zu der Eheverbindung mit dem Hause Stuart geführt hatte, konnte die Union es nie mit dem Zusammenhalt ihrer Rivalin, der Katholischen Liga, aufnehmen. Während Maximilian von Bayern dynastische Ziele innerhalb eines konfessionellen Kontextes verfolgte, hatten einige führende pfälzische Vertreter versucht, diese Beziehung quasi umzudrehen, und dadurch die Kluft zwischen sich und den übrigen Mitgliedern der Union, die immer nur lokale Sicherheit angestrebt hatten, vergrößert. Die Wiederaufnahme des Spanisch-Niederländischen Krieges (1621) Das Auseinanderbrechen der Union fiel zeitlich zusammen mit dem Ende des Zwölfjährigen Waffenstillstands. Die Entscheidung, den Waffenstillstand auslaufen zu lassen, hatte allerdings wenig zu tun mit der Situation im Reich. Krieg war für bestimmte Parteiungen sowohl in Spanien als auch in den Niederlanden schlicht das Mittel der Wahl, um Einfluss auf ihre Regierungen zu nehmen und zu befördern, was ihrer Ansicht nach das Beste für ihr Land war. Der Waffenstillstand hatte tiefe Gräben in der holländischen Gesellschaft aufgerissen – ganz wie seine spanischen Befürworter gehofft hatten. Das Ende des spanischen Handelsembargos nützte einigen Holländern, während es anderen wehtat. Wer in militarisierte Unternehmungen, etwa die Niederländische Ostindienkompanie, investiert hatte, machte schwere Verluste; Gleiches galt für die Textilindustrie, die sich erneuter flämischer Konkurrenz gegenübersah.82 Als schwerwiegendste Spaltung jedoch erwies sich jene innerhalb des Calvinismus. Die Führung der Republik war geschlossen calvinistisch, aber der Anteil von Gläubigen im Rest der Gesellschaft stieg bis 1609 nur langsam auf etwa ein Fünftel. Den Calvinisten fiel es schwer, sich von einer geheimen Bewegung zu einer organisierten Kirche weiterzuentwickeln. Ihr Beharren auf strengen moralischen Maßstäben und gründlichen theologischen Kenntnissen schreckte potenzielle neue Mitglieder ab. Ein Großteil der ländlichen Bevölkerung hing an der alten Religion, entweder um für den Fall einer Rückgewinnung der nördlichen

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Provinzen durch Spanien auf Nummer sicher zu gehen, oder weil sie den noch immer lebendigen vortridentinischen Katholizismus bevorzugten. Zudem sorgte der Zustrom lutherischer Wirtschaftsmigranten, der sich aus Norddeutschland in die holländischen Städte ergoss, für ein alternatives Glaubensangebot. Gemeinde- und Stadträte und sogar die Provinzregierung waren häufig noch in katholischer Hand. Die Calvinisten blieben in ihren eigenen Häusern isoliert, „gequält von einem tiefen Gefühl der eigenen Unsicherheit“.83 Als Reaktion darauf wendeten sie sich in einem erbitterten Streit über die wahre Lehre gleichsam nach innen, wobei theologische Fragen rasch mit Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Waffenstillstands verbunden wurden. Viele teilten das Unbehagen der Lutheraner über Calvins Prädestinationslehre. Eine Gruppe, die als Remonstranten oder Arminianer (nach ihrem führenden Theologen Jacobus Arminius) bekannt war, wollte daher Calvins strenge Sichtweise, wonach der Einzelne keinerlei Einfluss auf sein eigenes Seelenheil habe, abmildern. Unterstützung fanden sie sowohl unter den Kaufleuten, die naturgemäß auf einen toleranteren Glauben erpicht waren, der erweiterten Handelsbeziehungen nicht im Wege stünde, als auch unter den Befürwortern einer Erneuerung des Waffenstillstands. Zu den Letzteren gehörte Johan van Oldenbarnevelt, der als Landesadvokat – als solcher erfüllte er die Funktion eines Rechtsberaters der Staaten – seit 1586 praktisch Chef der zivilen Regierung der Republik war. Er argumentierte, dass der Waffenstillstand bereits die meisten Vorteile der Unabhängigkeit gebracht habe und der Unsicherheit des Krieges vorzuziehen sei. Die kompromisslose calvinistische Position wurde von den Kontraremonstranten verfochten, an deren Spitze Franciscus Gomarus stand, der für die zivile Unabhängigkeit der calvinistischen Kirche eintrat und wollte, dass der Glaube die Politik leitete. Unterstützung fand diese Position bei jenen, die wirtschaftlich unter dem Waffenstillstand zu leiden hatten, ferner bei Flüchtlingen aus den südlichen Niederlanden, die hofften, ein erneut aufflammender Krieg werde ihnen wieder zu ihren Häusern verhelfen, daneben aber auch beim Statthalter in Holland, Seeland und Utrecht und Generalkapitän der Land- und Seestreitkräfte der Vereinigten Niederlande, Prinz Moritz von Oranien.84 Die Situation wurde bedrohlich, als Moritz sich weigerte, Oldenbarnevelt durch Bereitstellung von Soldaten dabei zu helfen, die Ordnung gegen die wachsende gomaristische Agitation aufrechtzuerhalten. Arminianische Räte wurden von gomaristischen Pöbelhaufen aus dem Amt gejagt, was das politische Gleichgewicht in den Generalstaaten nach 1617 veränderte. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt, als Moritz im Juli 1618 seine Karten aufdeckte, indem er von den verbliebenen Arminianern hastig aufgestellte Bürgerwehren entwaffnen und auflösen ließ. In der Hoffnung, die Schwierigkeiten noch abwenden zu können,

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berief Oldenbarnevelt eine nationale Synode in Dordrecht ein, um die theologische Kontroverse beizulegen. Doch inzwischen hatte er die Kontrolle über die Generalstaaten verloren, die am 28. August einen geheimen Antrag annahmen, der Moritz ermächtigte, Oldenbarnevelt und andere arminianische Führer zu verhaften, darunter auch Hugo Grotius, den nachmals berühmten Theoretiker des modernen Völkerrechts. Nachdem sie sich derart der Unterstützung für ihre Sache vergewissert hatten, überwanden die Gomaristen ihre Rivalen mühelos, als die Synode schließlich im November zusammenkam. Oldenbarnevelt wurde nach einem Schauprozess vor einem Sondergericht am 13. Mai 1619 hingerichtet. Grotius wurde ins Gefängnis gesteckt, konnte jedoch nach Paris fliehen. Der Staatsstreich schien die gomaristische Sichtweise der Prädestination – dass die Erwählten Gottes allen Widrigkeiten zum Trotz triumphieren würden – zu bestätigen. Oldenbarnevelts Tod brach den Widerstand der mächtigen Staaten Hollands gegen Moritz’ politischen Einfluss, aber drei Provinzen widersetzten sich nach wie vor einer Wideraufnahme des Krieges mit Spanien. Die Gomaristen sahen sich mit einer gewaltsamen Gegenreaktion konfrontiert, als die Republikaner sich hinter dem Arminianismus scharten, um sich den monarchischen Neigungen des Hauses Oranien-Nassau entgegenzustellen. Das sich entfaltende Chaos bestimmte die Reaktion der Republik auf den Böhmischen Aufstand. Moritz lehnte es ab, sich zur Erneuerung des Waffenstillstands zu äußern, solange er sich noch Widerstand im Innern gegenübersah. Obwohl Friedrich niemals als zuverlässiger Bundesgenosse angesehen wurde, leistete Moritz gerade so viel Beistand, wie nötig war, um die mitteleuropäischen Feuer zu schüren und die spanischen Feuerwehrmänner wegzulocken. Trotz seines innenpolitischen Bündnisses mit den Gomaristen verschrieb Moritz sich nicht der Sache des internationalen Calvinismus und war entschlossen, sich alle Möglichkeiten offenzuhalten. Bis 1646 unterhielt die Republik nicht einmal einen dauerhaften Gesandten im Reich und achtete stets sorgfältig darauf, sich niemals in aller Form im Krieg dort zu engagieren. Unterdessen setzte Moritz die Gespräche mit Erzherzog Albrecht, dem Regenten der Spanischen Niederlande, fort und nährte damit falsche Hoffnungen, dass er den Waffenstillstand doch noch erneuern würde.85 Die Niederlage der holländischen Tauben fiel zeitlich zusammen mit einem Sieg für die spanischen Falken: Der Herzog von Lerma wurde 1618 zum Rücktritt gezwungen, während sein wichtigster Unterstützer, Rodrigo Calderón, verhaftet und später aufgrund erfundener Anklagen wegen Hexerei hingerichtet wurde. Die Macht verlagerte sich auf Balthasar de Zúñiga und dessen Neffen, den Grafen von Olivares, den er strategisch im Haushalt des künftigen spanischen Königs Philip IV. untergebracht hatte. Zúñiga behauptete, dass Spanien

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bereits zu viel Reichtum auf den Versuch verwendet habe, die Holländer zu bezwingen, um jetzt aufzugeben. In diesem Zusammenhang soll er voll Pathos ausgerufen haben: „Eine Monarchie, die ihre reputación verloren hat, ist, selbst wenn sie kein Territorium verloren hat, ein Himmel ohne Licht, eine Sonne ohne Strahlen, ein Körper ohne Seele.“86 Dennoch befürworteten Albrecht und Isabella die Erneuerung des Waffenstillstands, denn ihnen war bewusst, welche Vorteile das Schweigen der Waffen der Wirtschaft in den südlichen Niederlanden gebracht hatte. Sie favorisierten eine Lösung ähnlich der, die den Schweizern im Jahr 1499 von Österreich zugestanden worden war, und die im Kern darauf hinauslaufen würde, den Holländern als Gegenleistung für eine dauerhafte Allianz die Unabhängigkeit zu schenken. Die Forderung, dass die Republik ihren katholischen Untertanen Religionsfreiheit gewähren müsse, gehörte selbstverständlich ebenfalls auf die Agenda – schon um religiösen Empfindlichkeiten in Madrid zu genügen. Auch konnte man die holländischen Katholiken nicht im Stich lassen, ohne dem Ansehen Spaniens zu schaden. Die Gewissensfreiheit war bereits als Artikel 13 in die Gründungsurkunde der Republik, die am 10. Januar 1579 unterzeichnete Union von Utrecht, aufgenommen worden, wurde aber in der Praxis von der herrschenden calvinistischen Schicht eingeschränkt. Ernsthafter waren Spaniens Forderungen nach einem Ende der holländischen Einmischung in Ost- und Westindien und nach einer Aufhebung der Scheldeblockade, die weiterhin Antwerpens Wirtschaft strangulierte. Moritz konnte diese Bedingungen nicht erfüllen, ohne seine Unterstützer vor den Kopf zu stoßen. Als offenbar wurde, dass Albrecht Madrid nicht überreden konnte, seine Forderungen zu mäßigen, spekulierte Moritz auf ein Scheitern der Gespräche, um seine verbliebenen Widersacher in den Generalstaaten zu zwingen, ihm die politische und militärische Initiative zu überlassen. Wie die Republik hatte auch Spanien nicht die Absicht, sich in Deutschland zu engagieren, und betrachtete den Krieg dort zunehmend als massives Ablenkungsmanöver. Ein erheblicher Teil der Flandernarmee verblieb in der Unterpfalz und setzte noch bis 1623 Operationen mit kaiserlichen und ligistischen Truppen fort, aber Madrid wie Brüssel strebten beide einen raschen Abzug an, um sich auf den Kampf gegen die Holländer zu konzentrieren. Operationen entlang des Niederrheins erlaubten Spanien, die Holländer aus vielen der Gebiete hinauszuwerfen, die sie seit 1614 besetzt hatten. Das Ziel war jedoch, sie in Schach zu halten, und nicht, den Krieg auf Nordwestdeutschland auszuweiten. Tilly und der kaiserlichen Armee wurde in begrenztem Rahmen Beistand zuteil, um ihnen zu helfen, Friedrichs noch verbliebene deutsche Unterstützer zu besiegen – ganz im Einklang mit Spaniens allgemeinem Ziel, das Reich zu befrieden. Dies blieb während des gesamten Dreißigjährigen Krieges das spanische

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Anliegen, da klar war, dass als Gegenleistung von Österreich erst Hilfe erwartet werden konnte, wenn dies erreicht war. Die protestantischen Kronen Die protestantischen Monarchien sträubten sich gleichfalls, Friedrich zu helfen. Dänemark war zu diesem Zeitpunkt zweifellos das mächtigste protestantische Königreich und erfreute sich herzlicher Beziehungen zu Friedrichs angeheirateten Stuart-Verwandten. (Im Gegensatz dazu stellte Gustav II. Adolf von Schweden eine massive Intervention in Deutschland in Aussicht, einfach um Interesse an seinen eigenen Plänen zur Eroberung von Polens Ostseeküste zu wecken.) Zu Friedrichs Pech war Christian IV. von Dänemark nicht erbaut von seinem Tun und wollte wissen: „Wer hat euch geraten, Könige zu vertreiben und Königreiche zu erobern?“87 Nichtsdestotrotz fühlte der dänische König sich verpflichtet zu handeln. Wie Kurfürst Johann Georg von Sachsen fürchtete auch er, Friedrichs unbedachtes Handeln habe die deutschen Lutheraner gefährdet. Ferdinand könnte sie, etwa unter dem Einfluss von Jesuiten und anderen „schlechten Ratgebern“, womöglich ihrer verfassungsmäßigen Rechte berauben, so wie Karl V. es nach seinem Sieg in der Schlacht bei Mühlberg im Jahr 1547 getan hatte. Christian verband daher eine Demonstration lutherischer Entschlossenheit mit Druck auf Friedrich, Ferdinand durch eine demütige Unterwerfung zu besänftigen. Für den März 1621 berief er eine Versammlung im holsteinischen Segeberg ein, an dem Friedrich und Vertreter des Niedersächsischen Reichskreises, der Protestantischen Union, Brandenburgs, des englischen Königs Jakob I. und der Holländer teilnahmen. Dänemark stationierte 5000 Mann in seinen deutschen Besitzungen, während die Niedersachsen sich auf ihrem eigenen Kongress im April zur Mobilmachung bereit erklärten. Dieses recht kraftlose Bemühen um protestantische Solidarität scheiterte, weil keiner der Beteiligten auch nur die mindeste Absicht hatte, Ferdinand dazu zu zwingen, ihrem Wunsch stattzugeben, er möge die Reichsacht gegen Friedrich aufheben. Viele bezweifelten die Rechtmäßigkeit ihrer eigenen Mobilmachung, die nach außen hin dargestellt wurde, als halte sie den öffentlichen Frieden aufrecht. Noch grundlegender war, dass die entscheidenden Akteure einander entgegenarbeiteten. Schweden weigerte sich, überhaupt mitzumachen, während Christian die Stationierung nutzte, um die Hansestädte unter Druck zu setzen, dänische Gerichtsbarkeit und Zollrechte über die norddeutschen Flüsse zuzugestehen. Dies beunruhigte nicht nur die Niedersachsen, sondern stieß auch die Holländer vor den Kopf, die sich bereits über die hohen Sundzölle ärgerten und bedeutende Handelspartner der Hanse waren.88 Christian konnte sich Ferdinand nicht offen entgegenstellen, ohne die Positionen seiner Söhne zu gefährden, die lutherische Administratoren in Schwerin

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und Verden waren. Folglich akzeptierte er die Bestätigung der Mühlhausener Erklärung vom März 1620 durch den Kaiser, welche diese Bistümer in protestantischer Hand beließ. Die britische Politik lavierte weiter unentschieden und reagierte auf die Ereignisse mit wenig systematischen, oftmals unbedachten Interventionen. Weder Jakob I. noch nach 1625 seinem Sohn Karl I. gelang es, die Spannung zwischen konfessionellen Bestrebungen und politischen Realitäten auszugleichen. Ersterer schlug ein Eingreifen im Namen Friedrichs vor, Letzterer verlangte Verhandlungen mit den Habsburgern, die bald die gesamte Pfalz besetzt hielten. Ein Eingreifen war risikobehaftet, während Verhandlungen dazu führen konnten, Englands ohnehin mangelnden Einfluss auf den eigensinnigen Kurfürsten weiter auszubremsen. Doch die Krone meinte handeln zu müssen, und sei es nur, um allgemeinem Druck nachzugeben und ihr Gesicht zu wahren. Regelmäßig wurden Militärexpeditionen ausgeschickt, anfangs Freiwillige, um Friedrich zu unterstützen, später offizielle Truppen, um Druck auf Spanien oder Frankreich auszuüben. Die ganze Zeit über durften fremde Mächte mit mehr oder minder starker königlicher Rückendeckung Briten direkt für ihre eigenen Heere anwerben (siehe Tabelle 1). Die Werbung stellte eine drückende Last dar. Die elisabethanischen Aushebungen hatten sich auf 106 000 Mann belaufen, als das Land sich zwischen 1586 und 1602 im Krieg befand, was zwei Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach. Unter den Stuarts lag die Rekrutierung um mindestens 25 Prozent höher, und die Auswirkung der Maßnahmen wurde umso stärker empfunden, als die Jahre zwischen 1603 und 1620 praktisch frei von jeglicher militärischen Anstrengung gewesen waren. Schwer traf die Rekrutierung Südostengland, weil es bequem war, für Expeditionen auf den Kontinent hier zu werben, und Schottland, wo sich etwa zehn Prozent der männlichen Erwachsenen anwerben ließen. Und die Werbung war kostspielig: Für den Unterhalt des Pfälzer Hofs im Exil und für die Werbung zu seinen und Mansfelds Gunsten gab die Monarchie zwischen 1620 und 1632 1,44 Millionen Pfund aus, während die Schulden der Krone bis 1625 bereits eine Million Pfund überstiegen.89 Um die Dinge in die rechte Perspektive zu rücken: Die Anzahl der Männer, welche die Stuart-Königreiche verließen, um auf dem Kontinent zu kämpfen, entsprach in etwa der Anzahl derjenigen, die zwischen 1621 und 1648 in Schweden und Finnland ausgehoben wurden, doch der Aufwand zeitigte vergleichsweise überschaubare diplomatische Wirkung und brachte keine strategischen Gewinne. Bethlen und Jägerndorf Nur im Osten nahmen Friedrichs alte Unterstützer den Kampf tatsächlich wieder auf. Der Markgraf von Brandenburg-Jägerndorf

10. Ferdinand triumphiert (1621–24) Tabelle 1 Militärisches Engagement der Briten Expedition

Datum

A) Für die „protestantische Sache“ Sir Andrew Grey Jan. 1620 Sir John Seton 1620 Sir Horace de Vere 1620–22 andere Freiwillige 1620–22 engl.-holl. Brigade* 1621 engl.-holl. Brigade* 1624–26 Mansfeld Jan. 1625 Cádiz Sept. 1625 Sir Charles Morgan 1627–29

Angeworbene insgesamt 2500 1200 2250 2000 8000 6000 13 300 10 000 18 700

In Diensten von

Zusammensetzung

Böhmen Böhmen Pfalz Böhmen/Pfalz Holland Holland Mansfeld** Karl I. Dänemark

Île de Ré Marquess of Hamilton schwedische Armee Lord Craven französische Armee

1627 1631 1632–39 1638 1624–44

6000 6000 24 000 3000 25 000 127 950

Karl I. Schweden Schweden Pfalz Frankreich

Anglo-Schotten Schotten Engländer Anglo-Schotten Anglo-Schotten Anglo-Schotten Anglo-Schotten Engländer 75 % Schotten, der Rest Engländer und Waliser*** Anglo-Waliser 80 % Schotten 80 % Schotten Engländer Schotten/Iren

B) Für die Habsburger Jerzy Ossoli´ nski Flandernarmee Flandernarmee Flandernarmee Flandernarmee direkt nach Spanien Flandernarmee Flandernarmee

März 1621 1621–23 1631–33 1635 1640 1641–53 1642 1649–53

5000 2300 1800 7000 150 4337 2000 20 000 42 587 170 537

Polen Spanien Spanien Spanien Spanien Spanien Spanien Spanien

Briten Iren Iren Iren Iren Iren Iren Iren

Die Tabelle gibt die Anzahl der jeweils Entsandten an, nicht die Gesamtzahl der zu einem bestimmten Zeitpunkt Dienenden. * Verstärkung derer, die bereits dienten und deren Zahl sich 1621 auf 5000 belief. ** Die Überlebenden schlossen sich 1626 den Dänen an. *** Überlebende wurden 1629 an Schweden abgegeben. Quellen: S. Murdoch, Britain, Denmark-Norway and the House of Stuart, 1603–1660, East Linton 2003, S. 49–51, 56, 62, 227–228; M. C. Fissel, English Warfare 1511–1642, London 2001, S. 105–110, 271; R. B. Manning, An Apprenticeship in Arms. The origins of the British army 1585–1702, Oxford 2006, S. 62–93, 98, 101; M. Glozier, Scottish Soldiers in France in the Reign of the Sun King, Leiden 2004; F. G. J. Ten Raa u. a., Het staatsche Leger 1568–1795, 8 Bde., Den Haag 1911–59, III, S. 167–170, 178–182; R. A. Stradling, The Spanish Monarchy and Irish Mercenaries. The Wild Geese in Spain 1618–68, Blackrock 1994; R. I. Frost, „Scottish soldiers, Poland-Lithuania and the Thirty Years’ War “, in: S. Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years War, Leiden 2001, S. 191–213.

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hielt nach wie vor sowohl Görlitz in der Oberlausitz als auch Glatz, das die Hauptroute zwischen Böhmen und Schlesien blockierte. Ihm schlossen sich jene Böhmen und Mährer an, die es ablehnten, sich Ferdinand zu unterwerfen; der jüngere Graf von Thurn gehörte zu ihnen. Jägerndorfs Position wurde dennoch unhaltbar, sobald die Oberlausitzer und schlesischen Stände sich dem Kurfürsten von Sachsen unterwarfen und einwilligten, als Gegenleistung für die Bestätigung der von Johann Georg ausgesprochenen religiösen Garantien durch Ferdinand das kaiserliche Heer zu unterstützen. Jägerndorf verließ Görlitz am 3. März 1621, beschloss aber weiterzukämpfen, da er geächtet worden war. Bethlens Entscheidung, die Hainburger Friedensgespräche am 22. April abzubrechen, stellte für ihn eine zusätzliche Ermutigung dar. Ferdinand war bereit, die Bethlen bereits im Januar 1620 angebotenen umfassenden territorialen Zugeständnisse auch wirklich zu machen, bestand aber darauf, König von Ungarn zu bleiben. Doch wie Friedrich war Bethlen gleichfalls der Ansicht, dass er die Böhmen nicht im Stich lassen konnte, ohne seine Ehre aufs Spiel zu setzen, und verlangte, dass sie in den geplanten Frieden einbezogen würden. Und er beharrte darauf, selbst König zu bleiben. Beide Seiten hatten während der Gespräche immer wieder Überfälle auf die Stellungen des jeweils anderen verübt und die Pause genutzt, um ihre Truppen zu sammeln. Die mährischen Stände schwenkten auf die Linie ihrer Kollegen in Nieder- und Innerösterreich ein, indem sie Regimenter in der kaiserlichen Armee finanzierten, während die ungarischen Magnaten Husaren und Heiducken stellten und die Kroaten Freischärler schickten. Der Kaiser hatte 2000 Kosaken behalten und besaß außerdem deutsche Fußtruppen, womit Bucquoy über ansehnliche 20 000 Mann nördlich der Donau verfügte, während Collalto mit weiteren 5000 das Südufer schützte. Bethlen konnte nur 17 000 leichte Reiter und 4000 Fußsoldaten aufbieten.90 Diese Zahlen lassen das Ausmaß der Kämpfe in Ostmitteleuropa erkennen, das den sehr viel besser bekannten Operationen längs des Rheins zu diesem Zeitpunkt entsprach. Bucquoy setzte sich in Marsch, sobald die Gespräche endeten, und zog nach kurzer Beschießung am 5. Mai in Pressburg ein, während Collalto kleinere Stellungen südlich des Flusses einnahm, wobei er nur auf geringen Widerstand stieß. Bucquoy eroberte anschließend Tyrnau und Neutra, um Mähren und Niederösterreich gegen weitere Überfälle aus Siebenbürgen zu sichern, bevor er Neuhäusel an der Neutra belagerte, eine wichtige Festung an der Militärgrenze, die 1619 zu Bethlen übergelaufen war und nun von Szaniszló Thurzó gehalten wurde. Bethlen zog sich in östlicher Richtung nach Kaschau (Košice) zurück und ersuchte Jägerndorf, zu ihm zu stoßen. Der Markgraf hatte sich in Schweidnitz-Jauer neu formiert, aber der Vorstoß von 8000 Sachsen durch Schlesien ließ

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ihm keine Wahl, und im Juli zog er sich entlang der Berge südwärts nach Oberungarn zurück. Bethlen schickte unterdessen 6000 Mann leichte Reiterei seiner Hauptstreitmacht voraus, um Neuhäusel zu entsetzen, das bereits seit sieben Wochen belagert wurde. Die Reiterei preschte in die kaiserlichen Außenposten, und bald wurden die Belagerer selbst belagert. Bucquoy wurde getötet, als er ein paar Reiter hinausführte, um Verpflegung aufzutreiben. Sein Tod galt als schwerer Schlag, und der Kaiser fand bis 1625 keinen anderen General von ähnlichem Format.91 Der Oberbefehl ging auf den Oberst-Feldzeugmeister Maximilian von Liechtenstein über, dessen Lage verzweifelt wurde, als Bethlen mit dem Rest seiner Männer eintraf, wodurch die siebenbürgischen Truppen auf 15 000 Mann anwuchsen. Unter Zurücklassung seines Belagerungsgeräts versuchte Liechtenstein am 11. Juli 1621 nachts über die Neutra zu entkommen, wurde aber in dem sumpfigen Gelände gefasst. Nur 8000 Mann schafften es auf die Große Schüttinsel, wo sie im Grunde in der Falle saßen und auf Nachschub aus den Garnisonen in Raab, Komorn und Pressburg angewiesen waren. Bethlen beachtete sie nicht und wandte sich nach Westen, um am 30. Juli Tyrnau zurückzuerobern. Hier schloss sich ihm Jägerndorf mit mehr als 8000 Mann, hauptsächlich Infanterie mit Geschützen, an – genau die Truppen, die er brauchte. Vom 18. August an wurde Pressburg belagert, und die Siebenbürger fielen raubend und plündernd in Mähren ein, während Bethlens westungarische Unterstützer ihre Angriffe auf Gebiete in Nieder- und Innerösterreich südlich der Donau wieder aufnahmen. Dennoch entwickelten sich die Dinge in ihrem tiefsten Grund gegen ihn: Seine Armee war nur halb so groß, wie sie im Jahr zuvor gewesen war. Er hatte kein Geld, um Jägerndorfs Infanterie zu entlohnen, während die Ungarn des Kämpfens müde waren und Kontingente aus elf Ländern nach Hause gingen. Das Unvermögen, Pressburg einzunehmen, schwächte die Moral weiter. Wallenstein sammelte in Mähren 4000 Mann für den Kaiser, während die Hauptarmee wieder auf 12 000 Mann gebracht wurde. Ferdinand wollte eine rasche Entscheidung und verbesserte die in Hainburg angebotenen Bedingungen. Getreu seiner üblichen Praxis hatte Bethlen bereits während seines Vorstoßes im Juli Unterhandlungen eröffnet. Im Oktober wurden die Operationen zeitweilig eingestellt, als Szaniszló Thurzó im mährischen Nikolsburg mit Kardinal Dietrichstein und Miklós Esterházy verhandelte. Ende 1621 verständigte man sich auf Bedingungen, die am 6. Januar ratifiziert wurden. Bethlen durfte die ihm im Januar 1620 angebotenen sieben oberungarischen Komitate (die heutige Slowakei) mit der Stadt Kaschau behalten, wodurch Ferdinand in ganz Ungarn nur noch 24 Komitate verblieben. Seine Unterstützer wurden amnestiert und die

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religiösen Privilegien der Ungarn bestätigt. Außerdem wurde Bethlen mit den vakanten schlesischen Herzogtümern Oppeln und Ratibor belehnt, während Ferdinand die siebenbürgische Unabhängigkeit faktisch anerkannte. Im Gegenzug gab Bethlen die Stephanskrone zurück und verzichtete auf den Königstitel, den er im August 1620 angenommen hatte. Das Abkommen wurde durch Thurzós Übertritt besiegelt. Ferdinand nahm ihn als einzigen Protestanten unter die vier dem ungarischen Landtag vorgeschlagenen Kandidaten auf, von denen einer den Palatin Sigismund Forgách ersetzen sollte, der im Juni 1621 gestorben war. Thurzó wurde dann auch zum Statthalter gewählt, woraufhin er im August 1622 zum Katholizismus übertrat, wie mit dem Kaiser insgeheim vereinbart.92 Solcherart im Stich gelassen, zog sich Jägerndorf nach Norden Richtung Glatz zurück, seiner einzigen noch existierenden Garnison, aber ohne Land und folglich ohne Geld zerfiel sein Heer. Bis März 1622 hatten sächsische, kaiserliche und schlesische Truppen Glatz eingeschlossen. Am 25. Oktober kapitulierte die Stadt schließlich. Die Sachsen räumten Schlesien, der Kaiser jedoch ließ 10 000 Mann zurück, um Mähren zu besetzen und die slowakischen Bauern zu unterdrücken, die von den böhmischen Exulanten zum Aufstand angestachelt worden waren.

Protestantische Söldnerführer Die Lücke wurde gefüllt durch neue Streiter, für welche die pfälzische Angelegenheit zum achtbaren Deckmantel für eine Vielzahl persönlicher Ambitionen wurde. Diese – mehr oder weniger – treuen Gefolgsleute der protestantischen Sache agierten ohne sichere Grundlagen. Ihr Respekt vor Friedrich hing größtenteils davon ab, inwieweit er britische Rückendeckung beschaffen konnte. Sie waren bereit, außerordentliche Risiken einzugehen, manchmal einfach, um eine drohende Katastrophe zu verhindern, aber auch in der Hoffnung, dass ein überwältigender Sieg ihr Ansehen mehren sowie verlässlichere politische und finanzielle Unterstützung einwerben würde. An ihrer Spitze stand Graf Peter Ernst II. von Mansfeld, eine der umstrittensten Figuren des Krieges. Seine Motive sind bis heute unklar, und sein Handeln war betrügerisch. Den meisten erscheint er als der archetypische Söldner, als ein Sinnbild für Soldaten dieser Epoche ganz allgemein.93 Während die Kontroverse um Wallenstein sich um seine politischen Ambitionen dreht, werden Mansfeld nur niedere Motive zugeschrieben. Vielleicht ist der Schlüssel zum Verständnis dieses vielschichtigen Mannes seine illegitime Geburt als 13., natürlicher Sohn von Peter Ernst I., Graf von Mansfeld-Vorderort, einem kleinen Territorium in

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Obersachsen, und spanischer Feldmarschall. Ohne Aussicht, das Land zu erben, welches sein Vater sich ohnehin mit zahlreichen Verwandten teilen musste, entschied sich Mansfeld für eine militärische Laufbahn, in der Hoffnung, sowohl Legitimität als auch reichen Lohn zu erlangen. Sein fehlender Status sorgte dafür, dass er schnell gekränkt war, und trug ihm kaum Sympathie ein. In Verbindung mit schlichtem Pech machte dies jegliche Hoffnung auf raschen Aufstieg zunichte und hinterließ in ihm ein Gefühl des Grolls gegen die Habsburger, das noch verstärkt wurde, als sie es versäumten, ihm seine Auslagen zu erstatten, und ihn wegen unterlaufener Fehler zweimal aus dem Kommando entließen. Schließlich erklärte Rudolf II. ihn nach dem Türkenkrieg für legitim, aber Mansfeld suchte weiter Anerkennung auch von anderer Seite, beispielsweise ließ er sich 1613 durch den Herzog von Savoyen in den Adelsstand erheben. Während der ersten Jülicher Krise 1610 lief er zur Union über, allerdings erst, nachdem er gefangen genommen worden war. Mansfeld war als Katholik erzogen worden, tolerierte den Protestantismus jedoch, ohne dass es für eine Konversion klare Beweise gäbe. Sehr wahrscheinlich hegten jene, die echten Glaubens waren, eine Abneigung gegen ihn, und es scheint, dass die Treue zu seinen neuen Dienstherren sich aus besseren Zukunftsaussichten und einer schwelenden Animosität gegenüber den Habsburgern speiste. Mansfelds nachfolgende Bedeutung rührt von seinen Fähigkeiten als Organisator her, die wiederum auf einem Netzwerk erfahrener Werbeoffiziere beruhten. Einige dieser Verbindungen gingen zurück auf seinen Dienst in Savoyen in den Jahren 1613–18, etwa Joachim Karpzow, der in dem protestantischen Schweizer Regiment diente, das Mansfeld 1618 nach Böhmen führte. Karpzow erlangte später traurige Berühmtheit, weil er seine Gemahlin ohne Gerichtsverhandlung enthaupten ließ. Der Umgang mit solchen Charakteren trug nicht dazu bei, Mansfelds eigenen Ruf zu verbessern, auch wenn er sich in seiner 1612 veröffentlichten Apologie als galanten Ritter hinstellte, der die Ehre der „Winterkönigin“ verteidigte. Er verfügte über beträchtliches strategisches und taktisches Geschick, verbunden mit Rücksichtslosigkeit und der Bereitschaft, das Leben seiner Männer aufs Spiel zu setzen. Oft verschlimmerte er seine Niederlagen durch schnelle Rückzüge, in deren Verlauf seine Truppen sich auflösten, was die Inanspruchnahme seiner Dienste kostspielig machte. Der Graf war aber auch ein Opfer des Umstands, dass seine Dienstherren es versäumten, ihn ordnungsgemäß zu entlohnen, wodurch er gezwungen war, Geld und Vorräte den Gebieten abzupressen, in denen er operierte. Unsicher war seine Situation bereits im Februar 1619, als die Reichsacht über ihn verhängt wurde, lange bevor der kaiserliche Bann Friedrichs andere Unterstützer traf. Schon vor der Schlacht am Weißen Berg handelte Mansfeld unabhängig und

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festigte seine Macht über Westböhmen, um sie gegen eine Begnadigung und Entschädigung einzutauschen. Im Oktober 1620 bot er als Gegenleistung für 400 000 Gulden zur Auszahlung seiner Truppen an, Pilsen zu übergeben. Ähnliche Vorschläge folgten, nach November 1621 waren sie meist verknüpft mit Forderungen nach territorialer Entschädigung und einem militärischen Kommando, vorzugsweise im Dienst der Erzherzöge.94 Es war niemals klar, ob er es ernst meinte oder lediglich auf Zeit spielte. In den frühen 1620er-Jahren verschlechterte sich auch seine Gesundheit: Er litt unter Herzbeschwerden und Asthma, sodass er gezwungen war, in einer Kutsche zu reisen. Seine territorialen Forderungen waren opportunistisch und richteten sich hauptsächlich auf das nördliche Elsass (Unterelsass) und Teile des Bistums Speyer, in das er im November 1621 einfiel, später auf Ostfriesland, das er 1622 besetzte. Mansfelds enge Verbindung mit Friedrich gewährleistete, dass er nicht nur Bargeld und Milizen aus der Pfalz, sondern auch den Großteil der ausländischen Hilfe erhielt. Dank dieser Vorteile kam er auf eine Einsatzstärke von 15 000 bis 20 000 Mann – was die Heeresstärken der anderen Söldnerführer übertraf –, aber angesichts der Zersplitterung des pfälzischen Territoriums waren im Gegenzug auch seine strategischen Schwierigkeiten größer. Anfangs, im Jahr 1621, konzentrierte er seine Streitkräfte in der dicht bewaldeten, hügeligen Oberpfalz, dazu kamen einige isolierte Garnisonen in Nordwestböhmen. Diese Stellungen waren 175 Kilometer von der besser befestigten Unterpfalz entfernt, die selbst unter dem strategischen Problem litt, vom Rhein zweigeteilt zu werden. Die rechte Hälfte war in Flussnähe von fruchtbaren Mais- und Weizenfeldern bedeckt, wurde aber weiter östlich in der Gegend um Heidelberg hügeliger und stärker bewaldet. Der Schlüssel zu dieser Region war Mannheim, eine befestigte neue Stadt am Zusammenfluss von Neckar und Rhein. Der Rhein konnte außerdem stromabwärts bei Oppenheim und stromaufwärts bei Germersheim überquert werden. Das Gebiet westlich des Flusses war von einer Reihe bewaldeter Höhenrücken durchzogen, die es von Mainz im Norden und Trier im Westen trennten. Die Route nach Westen über Trier ins spanische Luxemburg wurde von Kreuznach bewacht, aber das wahre Bollwerk war Frankenthal, erbaut unmittelbar westlich der Petersau, einer Flussaue des Rheins, gegenüber von Mannheim. Nach Auflösung der Union wurden diese Stellungen von 7000 Mann unter dem englischen General de Vere verteidigt.95 Friedrichs andere Unterstützer waren hingegen durchweg regierende Fürsten oder ihre legitimen Nachkommen. Landgraf Moritz und Markgraf Georg Friedrich waren seine Nachbarn in Hessen-Kassel beziehungsweise Baden-Durlach. Beide unterstützten das böhmische Abenteuer, und beide verband die Angst, dass Friedrichs Niederlage sie der mitleidlosen kaiserlichen Gerichtsbarkeit aus-

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liefern würde. Moritz hatte guten Grund zu glauben, dass Ferdinand ihm Marburg wegnehmen würde, das 1604 bei der Aufteilung der Erbmasse des verstorbenen Landgrafen Ludwig IV. von Hessen-Marburg zusammen mit Nordhessen an Hessen-Kassel gekommen war. Denn als der 1605 zum Calvinismus übergetretene Moritz versuchte, entgegen der testamentarischen Konfessionsgarantie im Marburger Landesteil calvinistische Prinzipien durchzusetzen, nahm sein Darmstädter Vetter, Landgraf Ludwig V., dem Südhessen zugesprochen worden war, dies zum Anlass, vor dem Reichshofrat das gesamte Erbe für sich zu beanspruchen. Obwohl lutherisch, verbrachte Ludwig die Jahre 1618/19 mit Reisen nach Frankreich, Spanien, Rom und München, wo er Unterstützung für den Kaiser mobilisierte, und half dem Kurfürsten von Mainz, den Waffenstillstand mit Spinola auszuhandeln, der den Zerfall der Union im Mai 1621 auslöste. Mit einem großen, gut verwalteten Territorium verfügte Moritz über die reichhaltigsten einheimischen Ressourcen von allen Söldnerführern und bot Ende 1620 2950 reguläre Soldaten und 9350 Milizen auf. Außerdem war sein Land strategisch günstig unmittelbar nördlich des Mains gelegen, zwischen Westfalen und Niedersachsen im Norden sowie der Pfalz und Franken im Süden.96 Voller geistreicher Ideen zum Wohle seiner Untertanen, wie er war, hatte der Landgraf doch die Ritterschaft gegen sich, die größtenteils lutherisch geblieben war und sich weigerte, militärische Abenteuer zu unterstützen. Seine Isolation verstärkte sich, je mehr er sich auf calvinistische Außenseiter verließ, wie etwa Dr. Wolfgang Günther, bis 1623 als Kanzleidirektor Chef der Zivilverwaltung.97 Beide deuteten sie die Situation im Jahr 1621 völlig falsch, als sie die Gelegenheit zum Handeln ergriffen, aber mit typischer protestantischer Uneinigkeit die benachbarte lutherische Grafschaft Waldeck angriffen. Obgleich Waldeck mit seinen guten Beziehungen zum Haus Nassau ein natürlicher Verbündeter zu sein schien, bestritt Moritz den Status der Grafschaft als Reichslehen und beanspruchte die Oberherrschaft. Der Graf war Mitglied des Wetterauer Grafenvereins, der in dem zwischen Rhein, Main und Hessen eingeklemmten Flickwerk aus calvinistischen, lutherischen und wenigen katholischen Kleinstterritorien die Sicherheit koordinierte. Diese Territorien mobilisierten nun ihre Beziehungen, und in der Folge beschuldigten die Holländer Moritz, den Protestantismus zu verraten, während die Katholiken ihn als zweiten Winterkönig verteufelten. Die hessischen Stände verhandelten hinter seinem Rücken mit Darmstadt und dem Kaiser, und nach dem Urteil des Reichshofrates gegen ihn im April 1623, das den Streit um die Marburger Erbschaft beendete und ganz Oberhessen dem kaisertreuen Landgrafen von Hessen-Darmstadt zusprach, gab der Landgraf von Hessen-Kassel Waldeck auf. Diese Geschehnisse ruinierten Moritz’ Ansehen und beraubten ihn jeglichen Rückhalts, als kaiserliche Truppen unter Tilly

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zur Durchsetzung des Urteils in Hessen einrückten und das Land zu verwüsten drohten. Georg Friedrich von Baden-Durlach befand sich in einer noch angreifbareren Position, nachdem er den Bankrott seiner Verwandten zum Vorwand genommen hatte, sich 1594 ihr Territorium, Baden-Baden, anzueignen. Die verweigerte kaiserliche Zustimmung zu diesem Akt sowie der Wunsch, sich dem Einfluss seines mächtigeren lutherischen Nachbarn Württemberg zu entziehen, bestärkten Georg Friedrich darin, sich dem Calvinismus zuzuwenden und der Protestantischen Union beizutreten. Er behauptete, die Bibel 58 Mal gelesen zu haben, doppelt so häufig wie Bethlen, doch seine lutherischen Untertanen widersetzten sich dem Konfessionswechsel. Milizen machten die Hälfte seines 11 500 Mann starken Heeres aus, aber sein Territorium war zu klein und arm, um Berufssoldaten zu bezahlen. Abgesehen von seiner eigenen Leibwache umfasste der Rest seiner Streitmacht einige Regimenter, die ihm Mansfeld überlassen hatte, und daneben zwei weitere, die Magnus von Württemberg zur Verfügung gestellt hatte und die sich höchstwahrscheinlich aus dem im März 1621 entlassenen Unionskontingent des Herzogtums rekrutierten.98 Magnus war der deutlich jüngere Bruder des regierenden Herzogs Johann Friedrich. Da er kaum Aussicht hatte, zur Herrschaft zu gelangen, ergriff er eine Gelegenheit zum Ruhm, die ihn in der Schlacht bei Wimpfen am 6. Mai 1622 das Leben kosten sollte. Johann Friedrichs Weigerung, das Abenteuer zu unterstützen, verwehrte Georg Friedrich allerdings den Zugang zu den sehr viel reichhaltigeren Ressourcen Württembergs. Die restlichen Söldnerführer glichen dem jungen Magnus: Sprösslinge fürstlicher oder adliger Familien ohne ausreichende Mittel, um ihren Status zu behaupten oder Aktivitäten zur Befriedigung ihrer Ambitionen zu finanzieren. Der wichtigste war Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein jüngerer Sohn von Herzog Heinrich Julius.99 Christian hatte seinen älteren Bruder, den erheblich weniger fähigen, gleichwohl regierenden Herzog Friedrich Ulrich, gegen sich aufgebracht, indem er taktloserweise enthüllte, dass dessen brandenburgische Gattin eine Affäre hatte. Seine eigene Stellung als lutherischer Administrator von Halberstadt verdankte Christian teils dem Einfluss seiner Mutter, der Schwester Christians IV. von Dänemark. Als Administrator war sein Status keineswegs gesichert, doch kann das allein nicht verantwortlich sein für seinen voreiligen Entschluss, sich für Friedrich zu erklären – wenngleich er typisch war für sein allgemeines Verhalten, das ihm den Beinamen „der tolle Halberstädter“ einbrachte. Als Teil Niedersachsens fiel Halberstadt unter die Mühlhausener Garantie, die sowohl Sachsen als auch Dänemark zufriedenstellte. Und angesichts seiner dänischen Verwandtschaft, seiner mächtigen welfischen Verwandten und

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seines eigenen gemäßigten Luthertums konnte er relativ zuversichtlich sein, dass Ferdinand ihn nicht absetzen würde. Münzen, auf die er sein Porträt und die Umschrift „GOTTES FREVNDT – DER PFAFFEN FEINDT“ prägen ließ, die sogenannten Christiansthaler (auch „Pfaffenfeindtaler“ oder „Gottesfreundtaler“), deuten auf herkömmliche konfessionelle Motive hin. Dass auf einem der Feldzeichen seiner Truppen die Devise „Pour Dieu et pour Elle“ („Für Gott und für Sie“) – womit die Winterkönigin gemeint war – prangte, war freilich angeregt durch die ritterliche Dimension der pfälzischen Sache. Zweifellos hegte er territoriale Ambitionen, vermutlich auf Kosten des Bischofs von Paderborn, aber aufgrund der Kürze und Unbeständigkeit von Christians Engagement sind sie schwer zu ermitteln. Er agierte aus einer äußerst ungünstigen Position heraus, da Halberstadt nur eine unzureichende Basis zur Aufstellung eines großen Heeres bot. Abgesehen von etwas Geld, das ihm seine Mutter schickte, war er bis zu seinem vorübergehenden Eintritt in holländische Dienste im August 1622 bar jeglicher zusätzlicher Mittel. Folglich umfasste seine Truppe selten mehr als 10 000 Mann und enthielt einen hohen Anteil Reiterei. Obwohl auf dem Papier kostspieliger als Infanterie, waren Reiter in der Pferdezuchtregion Niedersachsen relativ leicht zu werben und konnten, da sie mobiler waren, besser aus dem Land leben als Fußsoldaten. Die Weimarer Brüder engagierten sich mehr oder weniger in ähnlicher Weise, wenngleich sie sich bereits stark für Friedrichs Sache eingesetzt hatten, nachdem sie im Jahr 1620 Einheiten nach Böhmen geschickt hatten. Herzog Johann Ernst, der älteste Bruder, hielt sich abseits, um den Familienbesitz nicht zu gefährden, während seine jüngeren Geschwister eine Sache unterstützten, von der im Erfolgsfall auch er profitieren würde. Friedrich und Wilhelm gingen nach Böhmen, wo 1621 Bernhard zu ihnen stieß, der jüngste und später berühmteste der Brüder, der Offizier in Wilhelms Regiment wurde. Wie Anhalt fehlten den Weimarern die entsprechenden Mittel, um die politische und konfessionelle Agenda umzusetzen, die sie verfolgten. Sie hatten in Jena studiert, einer der radikaleren lutherischen Universitäten, wo Meinungen gelehrt wurden, die denen der calvinistischen Widerstandstheorie ähnelten. Über die Aussicht, katholische Länder zu erobern, hinaus bestand die Hoffnung, von ihrem Verwandten Johann Georg von Sachsen, dessen Treue zu Ferdinand ihn zu einem potenziellen Ziel machte, den Kurfürstentitel zurückzubekommen.100 Ihr Altenburger Verwandter, Herzog Friedrich, verhielt sich opportunistischer: Nachdem er erwogen hatte, zum katholischen Glauben überzutreten, schloss er sich im Januar 1623 Herzog Christian an, nachdem Spanien die von ihm aufgestellten Truppen nicht entlohnt hatte.101

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Hinter dem plötzlichen protestantischen Aktivismus standen auch strukturelle Faktoren. Bayern und die Liga warben in den Jahren 1619 und 1620 mindestens 50 000 Mann an, von denen die Hälfte an Krankheiten starb, desertierte oder im Gefecht getötet wurde. Trotzdem gab es noch viele, die bereit waren, Soldat zu werden. Angesichts eines rapiden Bevölkerungswachstums seit den 1530er-Jahren, das erst durch den Krieg abgeschwächt oder umgekehrt werden sollte, blieb die Unterbeschäftigung hoch. Die Preise für Nahrungsmittel übertrafen die Löhne, und die Situation war aufgrund der Hyperinflation in den Jahren 1621–23 besonders akut. Das „Kriegshandwerk“ schien leichtes Geld zu bieten, da die Werber ein sogenanntes Laufgeld sowie guten Sold und eine Prämie bei der Entlassung versprachen. Die Aussicht auf Beute war ein weiterer Anreiz, im Verbund mit all den üblichen Zwängen, welche die Anwerbung begünstigten – wie etwa der Wunsch, unerfreulichen persönlichen Lebensumständen zu entfliehen. Außerdem hatten deutsche Werber praktisch keine Konkurrenz von anderen Mächten zu fürchten. Obwohl die Flandernarmee wie auch die Republik der Vereinigten Niederlande ihre Truppenstärke in den Jahren 1618–22 etwa verdoppelten, rekrutierten sie ihre Mannschaften größtenteils auf lokaler Ebene, während Frankreich, Dänemark und Schweden zusätzlich Deutsche in beträchtlicher Zahl anwerben mussten. Hilfreich war ferner, dass ein Fundus an erfahrenen Soldaten vorhanden war, auf die man sich stützen konnte. Darunter waren etwa solche, die während des Türkenkrieges, der Jülicher Krisen oder in den jüngsten Kämpfen in Italien gedient hatten. Sie stellten die Kader, die gebraucht wurden, um unerfahrene Einheiten zu stärken, und waren folglich sehr gesucht. Es war ein Zufall, dass mehrere befreundete Regierungen ihre Armeen just zu dem Zeitpunkt auflösten, als die Söldnerführer Kräfte anwarben. Mansfeld konnte die Masse der früheren Unionisten in Dienst nehmen, während Herzog Christian ungefähr 2500 Mann anwarb, die Hamburg nach dem Konflikt der Hansestädte mit Dänemark entlassen hatte. Zu den Letzteren gehörte Dodo Freiherr von Innhausen und zu Knyphausen, der zuvor auch den Holländern gedient hatte und nun eines der besseren Regimenter in Christians ziemlich undiszipliniertem Heer aufstellte. Die Gegenmaßnahmen des Kaisers Weil die Söldnerführer sich auf ganz West- und Norddeutschland verteilten, verlagerte sich der Krieg in diese Regionen und weg von den habsburgischen Ländern, wo die Kämpfe sich dem Ende zuneigten. Die Sachsen gaben Schlesien im Mai 1622 wieder in die Obhut der Habsburger zurück und lösten ihre Armee auf. Der Kaiser verfügte noch über 15 000 bis 20 000 Mann, aber die hatten gegen Bethlen alle Hände voll zu tun.

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Erzherzog Leopold hatte weitere 6000 Mann im Elsass stehen, wo er für den Sommer 1622 Verstärkung durch 9000 Kosaken erhielt.102 Das spanische Kontingent blieb bis Juni 1622 bei der kaiserlichen Hauptarmee. Es belief sich auf 7500 Mann unter General Caracciolo und schloss sich den Operationen in der Unterpfalz an, bevor es im folgenden Jahr nach Flandern abzog. Die Wiederaufnahme des Spanisch-Niederländischen Krieges hatte Spinola bereits veranlasst, etwa 10 000 Mann unter dem Grafen von dem Bergh nach Jülich zu entsenden, sodass 1621 in der Unterpfalz nur noch 11 000 Mann unter General Córdoba verblieben. Spanien verfolgte seine eigenen Ziele. Mit Ausnahme von Caracciolos Korps unterstanden seine Streitkräfte nicht kaiserlichem Oberbefehl, und Córdobas Aufgabe war es, das linksrheinische Gebiet zu sichern und sich nicht in die innerdeutschen Händel hineinziehen zu lassen. Während Bergh um den Besitz des Niederrheins gegen die örtlichen holländischen Garnisonen kämpfte, führten die beiden Anwärter auf das Jülicher Erbe ihre eigene Fehde fort. Die Hauptoperation war Berghs Belagerung der Holländer in Jülich von September 1621 an. Da die Spanier Stroh und Hafer aus den Territorien Herzog Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg bezogen, fingen die Holländer an, als Vergeltung Geiseln zu nehmen; dieser „Mechanismus der erpresserischen Gefangennahme, das sogenannte Fangen und Spannen also“, setzte sich in einem Teufelskreis den ganzen Krieg über fort.103 Wolfgang Wilhelm stellte seine eigenen Streitkräfte auf, die am Ende 2500 Mann zählten, um Bergh zu helfen, im Juli 1622 Jülich und anschließend im Januar 1623 die Pfaffenmütze (eine Landzunge zwischen Rhein und Sieg, heute das Kemper Werth) einzunehmen, womit eine Bedrohung von Bonn genommen wurde. Weil es fürchtete, seine eigenen Besitztümer könnten als Nächstes dran sein, überführte Brandenburg seine 1300 Soldaten in dem Gebiet auf eigene Kosten in holländische Dienste, um auf diese Weise Einfluss zu behalten, ohne sich über die Maßen zu exponieren. Weil Brandenburg nicht kämpfen wollte, übergab es im Mai 1624 die Herrschaft Ravenstein an Wolfgang Wilhelm – als Gegenleistung für seine Anerkennung der beiderseitigen Besitztümer.104 Spanien hatte inzwischen die Oberhand gewonnen, nachdem es die Holländer und die Brandenburger aus Jülich sowie dem größten Teil der westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg hinausgeworfen hatte. Nun ließ es in Jülich, Kleve und bis in den westlichen Teil von Münster hinein 50 Außenposten von 11 000 Mann halten. Sein strategisches Ziel lautete jedoch, die Republik der Vereinigten Niederlande zu isolieren, nicht, dem Kaiser zu helfen. Aufgrund von Spaniens Desinteresse an Reichsangelegenheiten und der Schwäche seiner eigenen Streitkräfte war Ferdinand auf die Katholische Liga an-

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gewiesen. Herzog Maximilian hatte ein direktes Interesse an der Eroberung der Pfalz als seiner Belohnung dafür, dass er den Kaiser in Böhmen gerettet hatte. Doch Ferdinand behielt einen gewissen Einfluss, weil Maximilian zum Handeln seiner Zustimmung bedurfte. Bayern verschob den Einmarsch in die Oberpfalz, bis Ferdinand am 9. Juli 1621 seine Einwilligung gab, während Tillys Marsch an den Rhein im November von einer Kommission damit legitimiert wurde, dass er den geächteten Mansfeld gefangen nehmen sollte. Mehrere Tausend Bayern hielten weiter Oberösterreich unter Kontrolle, und den Rest ließ Tilly größtenteils in der Oberpfalz zurück, als er Mansfeld verfolgte, und beanspruchte stattdessen die Kontingente der anderen Mitglieder der Liga. Maximilian blieb deren Oberbefehlshaber, weil der Kurfürst von Mainz sein satzungsgemäßes Recht zur Übernahme der Führung, sobald das Heer das Gebiet seines rheinischen Direktoriums erreichte, ausschlug. Nichtsdestotrotz veränderte die neue Situation die Organisation grundlegend. Die assoziierten westfälischen Mitglieder fühlten sich angesichts der Wiederaufnahme des Spanisch-Niederländischen Krieges und der räuberischen Einfälle Herzog Christians von Braunschweig-Wolfenbüttel in Paderborn ungeschützt. Ferdinand von Köln stellte 1621 sein eigenes Kontingent auf, das bald durch andere Einheiten verstärkt wurde, sodass ein gesondertes ligistisches Korps von etwa 12 000 Mann unter Tillys stellvertretendem Befehlshaber, dem Grafen von Anholt, entstand. Es wurde zur Keimzelle einer eigenständigen, von Köln geführten westfälischen Armee, die den ganzen Krieg über ein wichtiger Faktor blieb.105 Tilly gegen Mansfeld Mansfeld erwies sich als einfallsreicher und hartnäckiger Widersacher. Nachdem es ihm im Mai 1621 nicht gelungen war, nach Nordwestböhmen durchzubrechen und sich Jägerndorf anzuschließen, verschanzte er sich mit 13 000 Mann bei Waidhaus an der Handels- und Heerstraße zwischen Franken (Reichsstadt Nürnberg), der Oberpfalz und dem Königreich Böhmen (Prag, Pilsen), unmittelbar auf oberpfälzischem Gebiet. Die übrigen 2000 wurden in Amberg und Cham postiert, um ihn gegen die Bayern abzusichern, während er selbst Tilly und Marradas entgegentrat, die ihm gegenüber auf der anderen Seite des Passes bei Roßhaupt (Rozvadov) mehr als 18 000 Mann ligistische und kaiserliche Truppen zusammengezogen hatten. Die nächsten vier Monate verbrachten die beiden Heere damit, die gegnerischen Feldlager abwechselnd anzugreifen und zu beschießen. Es war der erste in einer ganzen Reihe langwieriger Kämpfe, die nicht minder typisch waren für diesen Krieg wie die besser bekannten offenen Feldschlachten. Tilly blieb trotz seiner zahlenmäßigen Überlegenheit schwach, weil Maximilian seine besten Regimenter zurückgezogen hatte, um bei Straubing ein zweites

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bayerisches Heer aufzustellen, das sich auf 14 500 Mann belief. Die Soldaten wurden durch zahlenmäßig schwächere Milizen ersetzt, die sich in dem anhaltenden Stellungskrieg schlecht schlugen.106 Maximilians Vorbereitungen bei Straubing waren schließlich Mitte September 1621 abgeschlossen. Binnen einer Woche hatte er Cham erobert und rückte gegen Amberg vor, um Mansfeld an den Bergen in die Enge zu treiben. Als seine üblichen Verhandlungen zu nichts führten, brach Mansfeld in einer stürmischen Nacht aus und eilte nach Neumarkt. Sobald Tilly den Pass überquert hatte, um sich Maximilian anzuschließen, wurde Mansfelds Position allerdings unhaltbar, und am 9. Oktober stürmte er, Nachzügler zurücklassend, westwärts über Nürnberg nach Mannheim, wo er zwei Wochen später mit 7000 undisziplinierten, unbesoldeten Soldaten eintraf. Dass er entkommen konnte, war peinlich für Tilly, aber eine Gelegenheit für Maximilian. Die Oberpfalz ergab sich ohne weiteren Widerstand, was Tilly Zeit verschaffte, Mansfeld zu verfolgen. Maximilian war in Sorge, die Spanier könnten sich der gesamten Unterpfalz bemächtigen, und wollte mindestens ihre Hauptstadt Heidelberg einnehmen, da sie mit dem kurfürstlichen Titel verbunden war. Mansfeld entkam über den Rhein, um das Unterelsass zu verwüsten, und überließ das Gebiet im Osten Tilly. Krankheit und Detachements hatten die Stärke des Hauptheers der Liga reduziert, und die verbliebenen weniger als 12 000 Mann konnten weder Heidelberg noch Mannheim einnehmen. Córdoba und den Spaniern gelang es derweil ebenso wenig, die britischen Verteidiger aus Frankenthal zu verdrängen. Der Widerstand seiner Festungen belebte aufs Neue Friedrichs Hoffnungen, und er reiste inkognito durch Frankreich, um am 22. April 1622 in Germersheim zu Mansfeld zu stoßen. Georg Friedrich von Baden-Durlach legte die Karten auf den Tisch, übergab die Regierungsgeschäfte an seinen ältesten Sohn und sammelte bei Knielingen, in der Nähe des heutigen Karlsruhe, seine Truppen. Herzog Christian hatte Ende 1621 Anholts Kordon nicht durchbrechen können, warf aber im Januar Wolfgang Wilhelms Garnison aus Lippstadt in der Grafschaft Mark hinaus. Holländische Festungsingenieure halfen, die Stadt in eine große Festung zu verwandeln, während Christians Reiterei das nahe gelegene Paderborn plünderte. Der Inhalt des bischöflichen Schatzes wurde verkauft, um Waffen zu kaufen und das Heer auf etwa 10 000 Mann zu vergrößern. Tilly stand vor der gewaltigen Aufgabe, die drei Söldnerführer zu besiegen, bevor sie sich vereinigen konnten. Mit neuen Rekruten verfügte er nun über 20 000 Mann und war bereit, Heidelberg zu belagern. Friedrich und Mansfeld überquerten bei Germersheim den Rhein und zogen plündernd durch das Bistum Speyer, mussten jedoch feststellen, dass Tillys Stellung bei Wiesloch zu

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stark war. Sie zogen sich zurück und hofften, dass Georg Friedrich zu ihnen stoßen würde. Tilly schlug am 27. April im Morgengrauen zu und erwischte sie, als sie bei dem Dörfchen Mingolsheim, zehn Kilometer südlich von Wiesloch, den angeschwollenen Kleinbach überquerten.107 Tilly hatte etwa 15 000 Mann bei sich, 3000 weniger als Mansfeld. Die Vorausabteilung der Liga stürzte Mansfelds Reiterei in Verwirrung, die versuchte, die Überquerung des restlichen Heeres abzusichern. Der Zusammenhalt ging verloren, als Männer auf die Brücke zurannten und die Straße von stehen gelassenen Fuhrwerken verstopft wurde. Tillys Kroaten setzten das Dorf in Brand, aber ein protestantisches Schweizer Regiment hielt es lange genug, damit die Flüchtenden sich auf einem Hügel im Süden neu formieren konnten. Mansfeld und Friedrich waren dem Heer voraus gewesen, kehrten nun jedoch zurück, ritten die Linien ab und ermahnten die Männer, die auf dem Weißen Berg verlorene Ehre zu retten. Tilly griff über die Brücke hinweg an, als am Nachmittag seine Fußtruppen eintrafen, aber Mansfeld startete mit seiner Reiterei hinter dem Hügel hervor einen Gegenangriff und jagte Tillys Truppen durch Mingolsheim zurück, bis sie von dem aus altgedienten ligistischen Söldnern bestehenden Fußregiment Valentin Schmidt von Wellenstein gestoppt wurden. Mansfelds Nachhut blieb bis zur Abenddämmerung auf dem Hügel, um dann dem Rest des Heeres zu folgen, der sich nach dem Verlust von 400 Mann bereits zurückgezogen hatte. Die Disziplin brach zusammen. Viele von Mansfelds Männern hatten ihre Stiefel verloren, als sie durch den morastigen Bach krochen, und verbrachten den Nachmittag damit, die Toten auszuziehen. Tillys Verluste waren größer, möglicherweise 2000 Mann, und er zog sich in östlicher Richtung nach Wimpfen zurück. Die erste Runde war unentschieden ausgegangen. Der zahlenmäßige Vorteil lag nach wie vor bei den Söldnerführern, da Georg Friedrich am 29. April bei Sinsheim zu Friedrich und Mansfeld stieß. Zusammen geboten sie nun über eine Streitmacht von 30 000 Mann. Sie vergeudeten Zeit mit der Belagerung der kleinen Stadt Eppingen und versäumten es dadurch, Tilly zu vernichten, bevor Córdoba zu ihm stieß, der mit 3500 Mann den Rhein überquert hatte. Knapp an Vorräten, rückte Mansfeld ab, um die spanische Garnison in Ladenburg anzugreifen, welche die Straße zwischen Mannheim und Heidelberg unterbrach, wobei er ein paar Regimenter zurückließ, mit denen Georg Friedrich über 12 700 Mann verfügte.108 Tilly brachte Córdoba davon ab, loszumarschieren, um Ladenburg zu retten, und überredete ihn stattdessen, den Markgrafen anzugreifen, der zu selbstsicher war und die Ankunft der Spanier nicht bemerkte. Die verbrachten die Nacht des 5. Mai 1622 damit, auf einem bewaldeten Hügel südlich von Wimpfen Stellung zu beziehen. Da er einem König diente, nahm

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Córdoba den Ehrenplatz auf dem rechten Flügel ein, während Tillys 12 900 Mann starke ligistische Streitmacht den linken Flügel besetzte. Der nächtliche Regen hatte am Morgen aufgehört, und es herrschte warmes, sonniges Wetter. Die Männer ruhten sich im Schatten aus und stärkten sich mit Frühstück und einer Weinration, während ihre Artillerie das im Süden aufmarschierte badische Heer beschoss. Georg Friedrich hatte eine ungünstige Stellung in dem rechten Winkel gewählt, der vom Neckar und dem morastigen Böllinger Bach im Rücken des Markgrafen gebildet wurde. Zu seiner Linken erstreckte sich ein kleiner Wald, und sein rechter Flügel grenzte an das Dorf Obereisesheim, unmittelbar westlich des Neckars. Die gesamte Front sicherten 70 Fuhrwerke, von denen einige kleine Kanonen in Stellung brachten, die 2000 Musketiere schützten, während die restlichen Fußtruppen dahinter aufgestellt waren. Der Aufmarsch machte einen starken Eindruck, ließ aber kaum Rückzugschancen, wenn irgendetwas schiefging. Um elf Uhr vormittags starteten Tilly und Córdoba einen Generalangriff, wurden indes durch schweren Beschuss zurückgedrängt und zogen sich in den Schatten der Bäume zurück. Auch Georg Friedrich machte Mittagspause und beorderte seine Außenposten zurück, darunter auch jene in dem Wäldchen zu seiner Linken. Sofort besetzte Córdoba das Gehölz mit spanischen Musketieren. Die Schlacht ging weiter, als Georg Friedrich Fußtruppen zur Rückeroberung des Waldes aussandte, während er zugleich einen Großteil seiner Reiterei von Obereisesheim aus in einen Überraschungsangriff warf. Ihr Vorstoß wurde verdeckt durch die dicken Rauchwolken aus der wirkungslosen Kanonade und durch Staub, der von Plänklern aufgewirbelt wurde, die auf der Ebene zwischen den beiden Heeren herumritten. Mehrere ligistische Einheiten lösten sich auf, und der gesamte linke Flügel gab allmählich nach, als Georg Friedrichs Reiter entlang des Hügels ausschwärmten und die Geschütze eroberten. Männer des Fußregiments Valentin Schmidt von Wellenstein sahen, wie einer ihrer Kameraden, der die Reihen verlassen hatte, um sich zu erleichtern, plötzlich angerannt kam: „Der kam gelaufen und hielt die Hosen in den Händen und schrie: ‚Feind! Feind!‘“109 Rasch formierte sich das Regiment zu einem Abwehrigel, bei dem die Piken in alle Richtungen zeigten, während ein paar Musketiere losstürzten, um vier Geschütze zu ihrer Linken zu besetzen, welche die Kanoniere gerade im Stich gelassen hatten. Georg Friedrichs Reiterei verlor den Zusammenhalt, als einige um das unnachgiebige Regiment Schmidt herumwirbelten, während andere hinter den Einheiten herstürmten, die sich zuvor abgesetzt hatten. Seine Fußtruppen saßen noch immer hinter ihren Fuhrwerken fest, zu weit weg, um zu helfen. Unterdessen hatten sich Córdobas Musketiere einen Weg um das andere Ende der Front-

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linie gebahnt und bedrohten sie in ihrem Rücken. Am Ende gaben zahlenmäßige Überlegenheit und Erfahrung den Ausschlag, indem die ligistische und spanische Reiterei sich neu formierten und ihre Gegner bis zum Spätnachmittag vom Schlachtfeld drängten. Gegen sieben Uhr abends starteten die Fußtruppen einen abschließenden Angriff auf die von den Fuhrwerken gebildete Linie. In diesem Augenblick explodierten hinten ein paar Pulverwagen, wodurch weiterer Rauch in den Abendhimmel aufstieg und den Mythos von der weiß gekleideten Frau schuf, welche die Katholischen zum Sieg angetrieben habe. Obwohl es sich größtenteils um Milizen handelte, leisteten die badischen Fußtruppen beherzt Widerstand, die letzte Abteilung ergab sich um neun Uhr abends. Der Angriff kostete Tilly und Córdoba 1800 Opfer, aber Georg Friedrichs Heer hatte aufgehört zu existieren. Ein Viertel war getötet oder gefangen genommen worden, und etwa die Hälfte lief auseinander, sodass nur noch knapp 3000 Mann zu Mansfeld stießen, der schließlich am 8. Mai Ladenburg eroberte. Mansfeld überquerte vorübergehend erneut den Rhein, um Erzherzog Leopold zu verjagen, der seinen neuen Stützpunkt Hagenau im Elsass bedrohte. Das Heer von Herzog Christian näherte sich endlich dem Main, doch sein Weg nach Süden, wo er sich mit Mansfeld vereinigen wollte, führte durch die Ländereien des vordergründig neutralen, insgeheim indes pro-kaiserlichen Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Mansfeld kehrte Anfang Juni aus dem Elsass zurück und nahm den Landgrafen als Geisel, um ihn zu zwingen, Christian freien Durchzug zu gewähren. Córdoba überquerte mit den meisten seiner Männer erneut den Rhein in der anderen Richtung, wofür Tilly freilich mehr als entschädigt wurde durch die Ankunft sowohl von General Caracciolos anderem spanischen Korps aus Böhmen als auch von Anholt, der Christians Marsch von Westfalen her verfolgt hatte. Damit verfügte er über 30 000 Mann, die größte Streitmacht, die er bislang befehligt hatte. Nachdem er Mansfelds Marsch nach Norden am 10. Juni bei Lorsch gestoppt hatte, gab Tilly in einem gewagten Schritt das Gebiet südlich des Mains auf, setzte bei Aschaffenburg über und zog an Frankfurt vorbei, um Christian zu erwischen, als der am 20. Juni bei Höchst, ein paar Kilometer westlich der Stadt, den Main überquerte. Mansfeld war es gelungen, Christian mit 5000 Mann zu verstärken, aber der blieb trotzdem zahlenmäßig eins zu zwei unterlegen. Diesmal gab es keine Wiederholung der Fehler bei Mingolsheim. Tilly schnitt die 2000 Fußsoldaten, die Christian in Sossenheim zurückgelassen hatte, um ihn aufzuhalten, systematisch ab und verließ sich darauf, dass Kopflosigkeit den Rest erledigen würde. Die Höchster Brücke wurde von Fuhrwerken verstopft und gab nach, als gerade einmal 3000 Mann den Fluss überquert hatten. Christian befahl seinen Reitern hinüberzuschwimmen, doch viele ertranken bei dem Versuch. Das Durcheinan-

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der vergrößerte sich mit dem Auftauchen eines ligistischen Reiterregiments, das genau zu diesem Zweck ausgesandt worden war. Das Höchster Schloss hielt bis zehn Uhr abends aus, allerdings um den Preis, dass Christian ein Drittel seines Heeres verlor und viele der Überlebenden ohne Waffen waren. Tilly reparierte die Brücke und setzte die Verfolgung südwärts am nächsten Tag fort. Christian vereinigte sich mit Mansfeld, der weitere 2000 Mann einbüßte, die den gemeinsamen Rückzug nach Mannheim deckten. Der restliche Tross fiel Tilly in die Hände, während Christians Reiter dem guten westfälischen Schinken nachtrauerten, den sie verloren hatten, als sie sich ihrer Satteltaschen entledigten, um zu entkommen.110 Die Schlacht besiegelte das Schicksal der Pfalz. Georg Friedrich hatte bereits Verhandlungen um einen Pardon aufgenommen. Die ihm noch verbliebenen Truppen löste er am 22. Juni auf, dankte zugunsten seines Sohnes ab und gab das seinen Verwandten weggenommene Land zurück. Mansfeld und Christian zogen sich nach Hagenau zurück. Von König Jakob unter Druck gesetzt, den Kaiser zu beschwichtigen, löste Friedrich am 13. Juli 1622 Mansfelds Vertrag auf. Tilly blieb, während er Anholt hinter Mansfeld herschickte, östlich des Flusses, eroberte Ladenburg zurück und nahm schließlich nach langen Belagerungen am 15. September Heidelberg und am 2. November Mannheim ein. Herzog Maximilian besaß nun die gesamte östliche Hälfte der Unterpfalz und setzte den Obristen Heinrich von Metternich als Statthalter ein.111 Gehetzt von Anholt, Leopold und den 9000 Kosaken, die soeben eingetroffen waren, transportierte Mansfeld sein Beutegut aus Hagenau ab und zog sich mit Christian durch das neutrale Lothringen nach Sedan zurück. Die Beziehungen zwischen den beiden Befehlshabern waren angespannt, und beinahe hätten sie sich duelliert. Abermalige Verhandlungen mit allen Parteien führten dazu, dass sie am 24. August per Vertrag für drei Monate in holländische Dienste traten. Spinola hatte 20 600 Mann zusammengezogen, um Bergen op Zoom zu belagern, die Festung, die den holländischen Landzipfel südlich des Rheins sicherte und die erdrückende Blockade Antwerpens unterstützte. Die beiden Söldnerführer sollten bei ihrem Entsatz helfen, mussten dazu allerdings quer durch die spanischen Niederlande vorstoßen. Sie hatten bereits 11 000 Mann durch Desertion verloren, seit sie das Elsass verlassen hatten, und verfügten nur noch über 6000 Reiter und 8000 Fußsoldaten, die größtenteils rebellisch waren und Befehlen kaum gehorchten. Córdoba war ihnen hinterhermarschiert. Jetzt überholte er ihre Kolonnen und versperrte ihnen am 29. August bei Fleurus, westlich von Namur, mit 9000 Fußsoldaten und 2000 Berittenen den Weg. Nach wiederholten Angriffen gab der rechte Flügel der Spanier nach, und wer konnte, stürmte vorbei. Die Söldnerführer büßten ihren gesamten Tross und die Artillerie sowie den

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größten Teil ihrer Fußtruppen ein, von der Reiterei immerhin erreichten viele am nächsten Tag Breda. Christian, der am linken Ellenbogen verwundet worden war, ließ sich zu kriegerischen Fanfarenklängen in Breda den linken Unterarm amputieren und gab anschließend eine Gedenkmünze heraus mit der Inschrift „Altera restat“ – „Den anderen hab ich noch!“ Wie Mingolsheim wurde die Schlacht als großartiger protestantischer Sieg gefeiert, obwohl sie kaum Effekt auf die Belagerung von Bergen hatte. Spinola gab diese schließlich am 4. Oktober auf, als klar wurde, dass die Holländer die Garnison auf dem Seeweg versorgen konnten.112 Der Krieg kommt nach Nordwestdeutschland Angesichts der Tatsache, dass der Vertrag mit den Deutschen auslief, wollten die Holländer die undisziplinierten Truppen unbedingt loswerden. Sie hatten keine Lust, in Deutschland zu intervenieren, aber Berghs Operationen in Jülich gefährdeten die Sicherheit ihrer östlichen Grenze. Man einigte sich darauf, Mansfeld nach Ostfriesland zu schicken, wo er auf Kosten der Einheimischen leben und den lutherischen Grafen Enno III. daran hindern konnte, sich mit Bergh zusammenzutun, um die holländische Garnison aus Emden zu verdrängen. Nachdem er von den Holländern bezahlt und neu ausgerüstet worden war, marschierte Mansfeld Ende Oktober 1622 mit 6000 Mann von Schenkenschanz entlang der Westgrenze des Bistums Münster und dann emsabwärts nach Ostfriesland. Die Einwohner von Emden sabotierten Ennos Versuch, das Grenzland zu fluten, und einmal in der Grafschaft, war Mansfeld hinter Ostfrieslands natürlichen Verteidigungslinien sicher. Der Westen wurde von der holländischen Grenze geschützt, der Norden vom Meer, während der Großteil des Südens und Ostens aus kargem Heideland und Marsch bestand. Mansfeld machte die Tür hinter sich zu, indem er Meppen und Leer an der Ems im Südwesten mit einer Garnison belegte. Der einzige andere Zugangsweg verlief durch das Herzogtum Oldenburg im Nordosten, und das stand unter dänischem Schutz. Emden hatte Hilfe gewollt, aber nicht so. Mansfelds Einfall brachte Unheil. Mithilfe der Steuerregister machte er sich an die systematische Plünderung. Emdens Handelsboom kam abrupt zum Stillstand, als die Stadt mit Flüchtlingen überschwemmt wurde, die aus den ländlichen Gegenden flohen.113 Christian traf im Januar ein, nachdem er holländische Waffen für 7000 Mann gekauft hatte. Mansfeld ernannte ihn zum Reitergeneral, doch weil die beiden sich entzweit hatten, zog Christian mit seinen wenigen Anhängern weiter ostwärts über die Weser nach Niedersachsen. Beide Söldnerführer rückten in den Mittelpunkt intensiver diplomatischer Bemühungen. Maximilian und die Habsburger wollten die Sache unbedingt zu

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Ende bringen. Friedensgespräche mit britischen Vermittlern führten auf Jakobs Befehl zur Übergabe Frankenthals am 20. März. Zwei der Söhne von Sir Thomas Fairfax waren bei der Verteidigung der Festung gefallen, und viele der Verteidiger waren wütend, aber ihre Lage war hoffnungslos. Jakob hoffte, die Übergabe würde Ferdinand darin bestärken, Friedrich, der sich inzwischen wieder in seinem holländischen Exil aufhielt, bessere Bedingungen anzubieten. Der Kaiser verkündete einen Waffenstillstand für das ganze Reich, um Erzherzogin Isabella, der Statthalterin der spanischen Niederlande, Zeit zu geben, eine Konferenz zur Regelung der pfälzischen Frage zu organisieren. Doch es war klar, dass der Kaiser beabsichtigte, die Sache zu seiner Zufriedenheit zu lösen, wenn er einwendete, dass die fortgesetzte Anwesenheit Mansfelds im Reich ihn jeder Verpflichtung enthebe, versöhnlich gegenüber Friedrich zu sein.114 Im Januar 1623 trat in Regensburg ein Fürstentag zusammen, um Maßnahmen gegen Mansfeld zu empfehlen und vom Kaiser großzügige Belohnungen zu empfangen. Der Ligatag beriet in paralleler Sitzung und einigte sich darauf, Tillys Armee mit einer Stärke von 15 000 Mann zu erhalten. Die protestantischen Mächte und Frankreich arbeiteten weiter alle einander entgegen. Frankreich suchte momentan Verbündete, um Spanien in Italien zu bekämpfen (siehe Kapitel 11). Es willigte daher ein, einen Ablenkungsangriff Mansfelds gegen Spanien zu finanzieren, und schickte ihm im Juni auf dem Seeweg Geld und 6000 Rekruten. Durch ihre Ankunft wuchs sein Heer auf mehr als 20 000 Mann, was einem Drittel der einheimischen Bevölkerung entsprach und weit mehr war, als Ostfriesland unterhalten konnte. Unterdessen brachte die Anwesenheit von Herzog Christian in Niedersachsen seine welfischen Verwandten in Verlegenheit, die fürchteten, sie würde Ferdinand einen Vorwand liefern, von dem Mühlhausener Versprechen abzurücken. Christian IV. war derselben Meinung und schickte dänische Truppen, um Christian von Bremen und Mansfeld von Oldenburg fernzuhalten. Christian wurde von seinem Bruder, Friedrich Ulrich, gerettet, der seinen Einfluss im Niedersächsischen Reichskreis nutzte, um ihn im März als „Protektor“ anzuheuern, der für drei Monate die Neutralität der Region wahren sollte. Das Geld und die Frist ermöglichten Christian, in Halberstadt und Wolfenbüttel bis Juni 21 000 Mann zu sammeln. Kurfürst Johann Georg mobilisierte in jenem April die Obersachsen, um ihn davon abzuhalten, nach Osten zu ziehen.115 Ferdinand hatte Tilly bereits im Februar 1623 ermächtigt, Westfalen zu schützen, doch dieser blieb vorerst im Süden, teils, um sich neu zu organisieren, teils, um den Gesandten des Kaisers Zeit zu lassen, die Situation zu entschärfen. Ferdinand bot Christian und Mansfeld einen Pardon an und Christian obendrein, dass er Halberstadt behalten dürfe, vorausgesetzt, sie lösten ihre Streitkräfte auf.

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Obschon dies großzügige Bedingungen waren, wurden sie als unehrenhaft zurückgewiesen. Christian bestand darauf, dass der Kaiser seinen Pardon auf seine Offiziere ausweitete, auch auf jene, bei denen es sich um böhmische Exulanten handelte. Unterdessen schrieb Graf Thurn ermutigend aus Konstantinopel, dass Bethlen sich dem Kampf wieder anschließen werde. Anholt verlegte 12 000 Mann, um die südliche Hälfte von Westfalen abzusichern, während Tilly im April in der Wetterau 17 000 Mann sammelte, um ein neues Reichshofratsurteil gegen den Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel durchzusetzen. Es sprach Marburg Hessen-Darmstadt zu, in klarer Anerkennung der Loyalität des Darmstädter Landgrafen und als Entschädigung für die durch Mansfelds Soldateska auf Darmstädter Territorium angerichteten Schäden, die sich auf drei Millionen Gulden bezifferten. Collalto verstärkte Tilly im Mai mit 8000 Kaiserlichen aus Böhmen, und zusammen zogen sie Ende Juni nach Eschwege an der niedersächsischen Grenze. Auf Maximilians Ersuchen forderte Ferdinand die Niedersachsen in einem Ultimatum auf, Tilly zu unterstützen, sollte Christian sich weigern nachzugeben. Christians Reiterei lieferte sich bereits Scharmützel mit Kaiserlichen, während er von Halberstadt aus westwärts zog, um die Grenze bei Göttingen abzuriegeln. Tilly rückte vor, und Christian brach schließlich am 16. Juli die Verhandlungen ab. Die Schlacht bei Stadtlohn Christians Aussichten waren trostlos. Weil er fürchtete, dass seine Verwandten Tilly helfen würden, eilte er nach Westen, in der Hoffnung, abermals in holländische Dienste treten zu können. Am 28. Juni verzichtete er zugunsten des Sohnes des Königs von Dänemark auf sein Bistum Halberstadt, ohne dass ihm dieser Schritt Gunst eingetragen hätte. Mansfeld weigerte sich, Ostfriesland zu verlassen, obwohl Christian, um die Distanz zwischen ihnen zu verringern, Richtung Norden auf Osnabrück zumarschierte. Dies ermöglichte Tilly aufzuholen, weil er den direkteren Weg nach Westen einschlug und Greven an der Ems nur eine halbe Stunde, nachdem Christian am 4. August abmarschiert war, erreichte. Anholt stieß jetzt zu ihm, aber Detachements und der übliche Schwund auf Feldzügen bedeuteten, dass sie, Collaltos kaiserlichen Heerhaufen inbegriffen, nur etwas mehr als 5000 Reiter, 15 000 Mann zu Fuß und 14 Geschütze zusammenbrachten.116 Christian trennten noch mehr als 50 Marschkilometer über relativ flaches Gelände, durchschnitten von kleinen Flüssen und Grenzgräben, von der holländischen Garnison Bredevoort. Er wählte die bei Höchst angewandte Taktik und ließ eine starke Nachhut zurück, die seinen Rückzug von einem Hohlweg oder Engpass zum nächsten decken sollte. Am Abend des 5. August, einem Samstag, gelang es ihm, die Steinfurter Aa, einen Nebenfluss der Vechte, zu überschreiten.

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Bei Burgsteinfurt holten Tillys Kroaten auf, wodurch Christian gezwungen war, sich an Horstmar vorbei überstürzt zurückzuziehen und im Strönfeld unmittelbar auf dem gegenüberliegenden Ufer der Vechte zu lagern. Nachdem er Anweisungen hinterlassen hatte, dass der Tross um elf Uhr abends aufbrechen sollte, stufenweise gefolgt vom Rest des Heeres, schlief er ein. Als er um drei Uhr in der Frühe erwachte, stellte er fest, dass seine erschöpften Soldaten noch schlummerten. Seine Nachhut gab den Vechte-Übergang bei Metelen schließlich um acht Uhr morgens auf, ohne die Brücke zu zerstören, und zog sich, vorbei an Nienborg, zurück, wo der Obrist Styrum mit einer frischen Abteilung aus 500 Reitern zurückgelassen wurde, um den Übergang über die Dinkel bei dem Dorf Heek zu halten. Tillys Streitmacht war ihm bereits dicht auf den Fersen und überschritt die Vechte, vorbei an der noch glühenden Asche von Christians Lagerfeuern. Anholt griff die Männer des Obristen Styrum um neun Uhr an, sodass Christian gezwungen war, 500 Musketiere zu entsenden, um ihn rauszuhauen, und sich über die Ahauser Aa zurückzuziehen, wo der Baron Knyphausen mit einer umfangreicheren Nachhut von 2000 Musketieren und zwei Geschützen zwischen Wessum und Wüllen, westlich des Flusses postiert war. Christian ließ den Rest des Heeres südlich von Wüllen auf dem hoch gelegenen Quantwicker Esch aufmarschieren und hielt diese Stellung drei Stunden lang, um seinem Tross Zeit zu geben, die Berkel zu überqueren, das letzte Hindernis vor Bredevoort, etwa neun Kilometer weiter südwestlich. Obwohl das heiße Wetter den Pegelstand gesenkt hatte, waren die Ufer weiter feucht, was sie für Fuhrwerke unpassierbar machte. Diese mussten den Fluss entweder über die Stadtlohner Brücke oder eine andere unmittelbar östlich überqueren. Christians Heer bestand inzwischen nur noch aus 15 000 Mann mit 16 Geschützen. Etwa die Hälfte waren unerfahrene Rekruten, viele ohne Waffen, und sie zeigten bereits Anzeichen von Panik. Knyphausens Männer gerieten ins Wanken, wodurch Christian gezwungen war, sich hinter der Wüllener Landwehr, einer mit dichten Hecken bewachsenen Wall- und Grabenanlage auf halbem Wege zwischen dem Dorf und Stadtlohn, zum letzten Gefecht zu stellen. Die verlässlichsten Einheiten, hauptsächlich die der Weimarer Brüder, wurden im Zentrum postiert. Sein linker Flügel marschierte im Lohner Bruch auf, einer von der Hitze größtenteils ausgetrockneten sumpfigen Heidelandschaft, die rechte Flanke wurde vom Liesner Wald und dem tief eingeschnittenen Bachlauf der Lepping Welle gedeckt. Heide und Bach verengten sich nach Südwesten zu einem Trichter und beengten dadurch Christians Truppen, die sich an der Berkel drängten, während sie Tilly im Norden ein größeres Aufmarschgebiet ermöglichten.

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Es war jetzt zwei Uhr nachmittags am 6. August, dem Fest der Verklärung Christi, was die Katholiken für ein verheißungsvolles Omen hielten. Während Anholt aufmarschierte, begann die ligistische Artillerie für Verwirrung und Unruhe unter Christians Infanterie zu sorgen. Zwei Gegenangriffe scheiterten, sodass Tilly etwa anderthalb Stunden später vorrücken konnte. Seine altgedienten Fußtruppen näherten sich auf Musketenschussweite, während die Reiterei um die rechte Flanke des Gegners herumwirbelte. Christians Heer war in heller Auflösung begriffen, als es in Richtung Stadtlohn getrieben wurde. Die vielfach frisch angeworbenen Soldaten fielen auf die Knie und baten um Gnade, aber die Kroaten und Kosaken metzelten bis zum Morgengrauen des folgenden Tages Flüchtende nieder. Tilly verlor 1000 Mann, die getötet oder verwundet wurden; unter den Letzteren war auch sein Neffe Werner, der eines der Reiterregimenter befehligt hatte. Die meisten Berichte beziffern die Toten auf protestantischer Seite mit 6000, weitere 4000 gerieten in Gefangenschaft. Die Katholischen erbeuteten außerdem große Mengen Munition und den gesamten Tross inklusive zweier mit Silber beladener Wagen. Sämtliche Geschütze wurden erobert und auf dem Marktplatz von Coesfeld zur Schau gestellt. Etwa 1000 Gefangene ließen sich von Tilly werben, desertierten aber bald, als sie merkten, dass er auf besserer Disziplin bestand, als sie gewohnt waren. Die Übrigen wurden nach Münster gebracht, wo man sie unter derart entsetzlichen Bedingungen festhielt, dass Einwohner und Geistlichkeit Hilfe für sie organisierten. Nachdem sie versprochen hatten, nicht mehr gegen den Kaiser zu den Waffen zu greifen, wurden sie freigelassen. Mehr als 60 höhere Offiziere, darunter sechs Fürsten und Grafen, wurden dem Kaiser übergeben. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar wurde bis Dezember 1625 festgehalten. Sein Bruder Bernhard wurde verwundet, konnte indes entkommen. Der Verlust so vieler Offiziere erschwerte es Christian außerordentlich, ein neues Heer anzuwerben. Begleitet von 5500 Überlebenden, trat er für zehn Wochen in holländischen Sold, während er zu Unrecht Knyphausen für die Katastrophe verantwortlich machte. Das große Aufräumen Die spanische Seite hoffte, dass die holländische Entscheidung, abermals einem fliehenden Heer Unterschlupf zu gewähren, Maximilian und Ferdinand veranlassen würde, sich ihr gegen die Republik der Vereinigten Niederlande anzuschließen. Maximilian weigerte sich jedoch, weil er die beiden Konflikte hartnäckig für eigenständig hielt.117 Außerdem war Tillys Heer nicht in der Verfassung, weitere größere Operationen zu unternehmen. Unterdessen löste Anholts Ankunft in Westfalen im November 1622 erstmals breiten Widerstand gegen den Krieg in Deutschland aus. Die Städte des Bistums Müns-

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ter waren überwiegend protestantisch, aber ihre Gegenwehr war von dem allgemeinen Wunsch getrieben, Gewalt zu vermeiden. Aus Furcht vor holländischen Vergeltungsmaßnahmen weigerten sie sich, Anholts Soldaten für den Winter ihre Tore zu öffnen. Unbesoldet und hungernd durchstreifte sein Korps das umliegende Land, während die Bauern in die Sümpfe flohen. Die Schäden allein im Herzogtum Westfalen wurden auf das Sechsfache der üblichen jährlichen Steuerlast geschätzt. Kurfürst Ferdinand von Köln war gegenüber den Städten bereits übel gesinnt und hielt ihren Trotz für einen Akt des Aufruhrs. Anholt verbrachte das Frühjahr 1623 damit, sie zu belagern, während er darauf wartete, dass Christian und Tilly nach Westen zogen. Stadtlohn machte dann den Weg frei für umfassendere Maßnahmen. Unterstützt von Ligatruppen, reiste eine Kommission bis ins Jahr 1624 hinein durch die Städte, änderte ihre Ordnungen ab und zwang den Städten neue katholische Ratsversammlungen auf. Nur Münster selbst kam davon, ohne dass seine Privilegien angetastet wurden, weil die Stadt bereits eingewilligt hatte, keinen weiteren Protestanten das Bürgerrecht zu gewähren und die Armee mit Verpflegung zu beliefern. Doch die Ankunft von Tillys Truppen in der Umgebung erschöpfte ihre Ressourcen, was zu einwöchigen Plünderungen führte, als seine ausgehungerten Soldaten im September 1623 in Klöster und Häuser einbrachen.118 Tilly musste noch mit Mansfeld fertigwerden, der die natürlichen Bollwerke Ostfrieslands verstärkt hatte, indem er die Grenzdörfer niederbrannte und die verbleibenden Pfade durch die Heide flutete. Er versuchte auf jener Route Zutritt zu der Grafschaft zu erlangen, die Mansfeld im vergangenen Oktober eingeschlagen hatte, und eroberte im August Meppen, kam aber nicht weiter. Ein Marsch in östlicher Richtung nach Oldenburg erwies sich als ebenso aussichtslos, da auch dieser Weg blockiert war. Angesichts des nahenden Winters verteilte Tilly seine Männer auf Quartiere entlang der Grenze und hoffte, Mansfeld auszuhungern. Die wachsende Krise einte die sich befehdende Bevölkerung. Emden arbeitete mit dem Grafen zusammen, um von den Holländern geschickte Vorräte abzufangen. Die Situation verschlimmerte sich, als Christians kleine Streitmacht nach Ostfriesland zurückkehrte, nachdem ihr zweiter holländischer Vertrag ausgelaufen war. Mansfeld musste feststellen, dass Furagiertrupps, die ausgeschickt wurden, um entlang der Grenze zu plündern, einfach desertierten. Der Herzog von Oldenburg kratzte 90 000 Taler zusammen, die Christian annahm, um im Januar 1624 die ihm noch verbliebene 2000 Mann starke Streitmacht aufzulösen. Da Mansfeld auf mehr bestand, liehen die Holländer den ostfriesischen Ständen eine Summe, die dem Steueraufkommen dreier Jahre entsprach und die er im Namen der 4500 Mann annahm, die bei seiner Fahne blieben. Die

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meisten ließen sich prompt in der holländischen Armee anwerben, nachdem sie Ende des Monats ihren Anteil kassiert hatten. Unterdessen hatte Tilly einen Heerhaufen Richtung Süden nach Hessen-Kassel entsandt, um Landgraf Moritz im Oktober 1623 zu zwingen, die Waffen zu strecken. Wie Georg Friedrich im Jahr zuvor floh auch Moritz und dankte schließlich zugunsten seines Sohnes, Wilhelm V., ab, um dem Territorium die Sequestration zu ersparen. Tillys Truppen blieben bis 1625 und pressten dem Land über fünf Millionen Gulden an Kontributionen ab. Wilhelm beugte sich einheimischem Druck und ließ Wolfgang Günther als Sündenbock für die Politik seines Vaters hinrichten.119 Zurück in Oberungarn hatte Gabriel Bethlen, ermutigt durch den unermüdlichen Thurn, das ganze Jahr 1623 hindurch Pläne geschmiedet – in dem Glauben, Christian werde nach Osten marschieren, um zu ihm zu stoßen. Er grub das große Projekt von 1620 wieder aus: Für die Zusage, Ungarn und Böhmen zu tributpflichtigen Staaten zu machen, sobald sie unterworfen worden seien, versprach der Sultan ihm eine Streitmacht von 30 000 Türken und Tataren. Die Hilfstruppen begannen sich im Juni 1623 zu sammeln, während im darauffolgenden Monat die kroatischen und slowenischen Grenzmilizen aus Protest gegen die Bezahlung in minderwertiger Münze meuterten. Weil die Ernte eingebracht werden musste, verzögerte sich Bethlens Vormarsch bis Mitte August. Die Kaiserlichen waren bereits im Mai gewarnt worden, als die Unzufriedenen Ungarns ihre Raubzüge verstärkten. Carafa und Wallenstein zogen 7500 Soldaten an der March zusammen, um den Weg nach Mähren und Niederösterreich zu versperren, unterstützt von 10 000 Kosaken. Weitere 9000 Mann wurden als Verstärkungen von Deutschland und Österreich aus in Marsch gesetzt. Bethlen unterbrach die Operationen vorübergehend, als er von Christians Niederlage erfuhr, machte aber im September weiter. Bei Göding (Hodonín) an der March schloss er die Kaiserlichen ein und führte 15 000 Einheimische beiderlei Geschlechts als Sklaven ab. Wien wurde abermals von Panik ergriffen. Ferdinand erwog, nach Innsbruck zu fliehen, während die Dinge in der Stadt Göding so schlecht standen, dass Wallensteins Männer ihre eigenen Pferde essen mussten. Wie im Jahr 1622 war die grundlegende Entwicklung eindeutig gegen Bethlen. Die schlesische Miliz machte mobil, um seinen Vormarsch nach Norden zu stoppen, während weitere Kosaken eintrafen, um die Überfälle einzudämmen. In Unkenntnis der Panik aufseiten des Feindes und einzig seiner eigenen Isolierung bewusst, akzeptierte Bethlen im November einen neuerlichen Waffenstillstand, der im Mai 1624 in einen Frieden umgewandelt wurde. Ferdinand gewährte Bethlen milde Bedingungen, die im Wesentlichen den Vertrag von Nikolsburg bestätigten. Er konnte es sich leisten, großherzig zu sein. Es war ein knapper Sieg

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gewesen, aber ein endgültiger. Bethlens Glaubwürdigkeit war erschüttert. Die Holländer hatten Hilfe verweigert, während dem Sultan – erfolgreich – zugeredet wurde, nicht seinen eigenen Waffenstillstand mit den Habsburgern aufs Spiel zu setzen. Bethlen schickte einen katholischen Adligen mit dem Angebot nach Wien, die Seiten zu wechseln, Ferdinands Tochter zu heiraten und Siebenbürgen dem Kaiser zu vermachen. Ferdinand nahm das nicht ernst. Er festigte seine Macht über seinen Teil Ungarns, als er in Begleitung eines großen Gefolges auf dem nächsten Pressburger Landtag im Oktober 1625 erschien. Unterstützt von Erzbischof Pázmány, erhielt er die Zustimmung der Mehrheit zu seinen Forderungen. Der Landtag wählte den Katholiken Miklós Esterházy zum neuen Palatin anstelle des verstorbenen Thurzó und akzeptierte im Dezember den 17-jährigen Sohn des Kaisers, Erzherzog Ferdinand, als König. Obwohl Ferdinand die religiösen Zugeständnisse von 1606 bestätigte, war klar, dass die Zunahme des katholischen Einflusses im Landtag die Aussicht bot, diese in der Zukunft zu widerrufen.120 Die protestantischen Söldnerführer waren besiegt worden, und der Krieg im Reich schien vorüber zu sein. Ferdinand und seine Unterstützter konnten sich darauf konzentrieren, ihren Sieg auszunutzen.

Die katholische Vormachtstellung (1621–29) Die Schlacht am Weißen Berg galt lange als ein Wendepunkt. Wer den Habsburgern gewogen war, behauptete, sie sei ein Sieg für den Fortschritt gewesen, der die feudale Anarchie beendet und Böhmen davor bewahrt habe, in eine „polnische Zukunft“ abzurutschen.121 Für die meisten Tschechen war sie hingegen eine nationale Katastrophe, mit der ein „Zeitalter der Finsternis“ und der kulturelle Niedergang unter fremder Herrschaft begonnen hätten. Am 3. November 1918, eine Woche, nachdem die Tschechen sich am 28. Oktober mit der Proklamation eines selbständigen tschechoslowakischen Staates122 von der österreichisch-ungarischen Monarchie gelöst hatten, versammelte sich eine große Menschenmenge auf dem Schlachtfeld am Weißen Berg, um Reden zu lauschen, welche die Unabhängigkeit als Triumph über die Schande von 1620 priesen. Anschließend marschierten die Leute zum zentralen Marktplatz der Prager Altstadt, dem Altstädter Ring, und zerstörten die Mariensäule, die als Symbol des habsburgischen Absolutismus galt. Diese Sichtweise herrscht bis heute vor, und der Titel einer neueren populären Darstellung der Schlacht lautet übersetzt „Schwarzer Tag auf dem Weißen Berg“.123 Erst in den 1950er-Jahren wurde diese Interpretation von Sozial- und Wirtschaftshistorikern infrage gestellt, indem sie auf langfristige Kontinuitäten über

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die politische Kluft der Jahre 1618–20 hinweg hinwiesen. Die Verknüpfung dieser alternativen Deutung mit der staatlich geförderten marxistischen Geschichtsauffassung zwischen 1948 und 1990 trug viel dazu bei, sie zu diskreditieren. Und natürlich können die Ereignisse nicht auf einen Kampf um ökonomische Vorteile innerhalb einer einzelnen herrschenden Klasse reduziert werden. Nichtsdestotrotz gab es in der Tat wichtige Kontinuitäten, und Analysen des Adels liefern wichtige Hinweise auf das, was sich änderte. Um die Auswirkung der militärischen Ereignisse zu verstehen, müssen die Folgen für Böhmen gemeinsam mit denen im Rest des Reiches gesehen werden. Die Situation in Böhmen war nur deshalb verschieden, weil das Königreich zu den Habsburger Erblanden gehörte, ein Umstand, der Ferdinand dort größere Handlungsfreiheit verschaffte als in den besiegten deutschen Territorien. Auf Sprache und angeblichen kulturellen Unterschieden beruhende nationale Unterscheidungen spielten nirgendwo eine Rolle außer in der Propaganda der besiegten Aufständischen und den späteren Schriften derjenigen, die die tschechische Unabhängigkeit ersehnten. Die Bedeutung, die den Siegen der Jahre 1620–23 zukam, lag nicht in radikalen konstitutionellen oder institutionellen Veränderungen, sondern in der Neuverteilung von Macht und Reichtum an die Unterstützer des Kaisers. Diese wiederum waren größtenteils gekennzeichnet durch ihren Katholizismus, dessen Verbreitung allerdings lediglich Teil eines umfassenderen Programms zur Stabilisierung der habsburgischen Dynastie nach ihrem Niedergang unter Rudolf II. war. Ferdinands Haltung gegenüber seinen Gegnern blieb dieselbe, unabhängig davon, ob sie Tschechisch sprachen oder Deutsch. Wer zu den Waffen griff, war ein Aufrührer, der seine Rechte verwirkt hatte. Seine Siege machten ihn zum Eroberer, der befugt war, nach Gutdünken über ihren Besitz zu verfügen. Dennoch ließ er sich bei seinen Handlungen weiter von dem leiten, was er für die korrekte Interpretation der Reichsverfassung und seiner Pflichten als Kaiser hielt. Seine Mandate und Ultimaten wurden als ehrliche Ermahnung betrachtet. Wer seine Milde verschmähte, setzte sich demonstrativ ins Unrecht. Weitere Bestrafung bedurfte der formellen Reichsacht. Die angemessenen Strafen wurden anschließend durch Konsultation mit Kurfürsten und Fürsten beschlossen oder im Falle der Erblande durch Gerichte. Der Unterschied lag im je verschiedenen Charakter von Ferdinands doppelter Stellung. In Böhmen und Österreich betrachtete er sich als erblichen Herrscher, der es mit seinen eigenen Untertanen zu tun hatte, die sowohl Leben als auch Besitz verlieren konnten. Anderswo fungierte er als Kaiser gegenüber ungehorsamen Vasallen. Die Vorstellung von „notorischen Reichsrebellen“ machte eine formale Anhörung unnötig, aber es war auch unklug, kaiserliche Prärogativen der Kritik auszusetzen, indem man über-

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mäßig strenge Urteile anstrebte. Ferdinand jedenfalls ging es nicht um die Todesstrafe, sondern um die Enteignung der Ländereien und Titel seiner Gegner. Dies ließ sich am besten durch Konsultation mit seinen Unterstützern und im Idealfall auch mit den Angeschuldigten erreichen, die zu begnadigen Ferdinand durchaus bereit war, vorausgesetzt, sie erkannten ihre „Schuld“ an und fügten sich in eine Verkleinerung ihres Territoriums. Die Dynastie wird gefestigt Ferdinands Festhalten an althergebrachten Normen ist am augenfälligsten in den politischen Veränderungen, die er vornahm. Wie leicht vorherzusehen, ging die allgemeine Tendenz dahin, die herrscherliche Autorität zu stärken – in Richtung auf das hin, was wir „Absolutismus“ nennen. Doch wir sollten Zentralisierung oder Modernisierung nicht überbetonen. Es wurden keine neuen Institutionen geschaffen. Stattdessen wurden bestehende Regelungen modifiziert, um die Möglichkeiten für formelle Opposition einzuschränken. Ferdinand nahm das Vermächtnis des Habsburger Bruderzwists in Angriff, indem er am 10. Mai 1621 seinem Testament einen Nachtrag hinzufügte, mit dem er die Primogenitur, das Recht der Erstgeburt, einführte. So wollte er sicherstellen, dass sein Sohn, Erzherzog Ferdinand, in allen seinen Ländern die Nachfolge antreten würde. Doch auch hier hielten sich ältere Gewohnheiten: So trat der Kaiser die Tiroler Lande in zwei Stufen (1623 und 1630) an seinen Bruder Leopold ab, der dort nach dem Tod Erzherzog Maximilians im Jahr 1618 zum Statthalter ernannt worden war. Außerdem ließ Ferdinand Pläne fallen, Österreich 1623 zum Königreich zu erheben, weil Leopold fürchtete, dies würde seine Stellung innerhalb der Habsburger „Kompositmonarchie“ mindern.124 Trotz der Rolle, die sie in dem Aufstand gespielt hatten, wurde kein Versuch unternommen, die Stände abzuschaffen. Die Besetzung der Lausitz und die Intervention in Schlesien durch Sachsen bedeuteten, dass die dortigen Institutionen dank der Garantien des Kurfürsten davonkamen, ohne dass ihre Privilegien angetastet wurden. Anderswo konnte Ferdinand energischer handeln, verkündete aber am Ende lediglich die „Verneuerte Landesordnung“, 1625 für Oberösterreich (1627 revidiert), 1627 für Böhmen und 1628 für Mähren; sie sollte bis zur Revolution von 1848 in Kraft bleiben. Die Monarchie wurde für erblich erklärt, womit sich Forderungen der Böhmen nach einer Wahl ihres Königs erledigten. Die Stände behielten das Recht, über die Besteuerung abzustimmen, verloren hingegen das Recht der Versammlungsfreiheit sowie die Kontrolle über die offiziell erblichen hohen Staatsämter. Rudolfs Majestätsbrief wurde für nichtig erklärt, wodurch der Katholizismus zur einzigen offiziellen Konfession wurde, wenngleich Sonderregelungen für Juden bestehen blieben. Die Macht der

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Stände beruhte nun auf kaiserlicher Gnade, nicht auf unveräußerlichen korporativen Rechten. Die Landtage verloren an Bedeutung, da der wirkliche Einfluss sich auf dauerhafte, bezahlte Gremien verlagerte. Selbst in Tirol, einer Region, die loyal geblieben war und derartigen Veränderungen entging, suchten sich die freien Bauern mit der zunehmenden Bürokratisierung und Verfachlichung von Herrschaft immer häufiger Juristen, die sie im Landtag vertreten sollten.125 Auch ungeachtet all der Kämpfe war die Rolle der Stände in dieser Zeit im Wandel begriffen: Vormals eine korporative Vertretung, nahmen sie nun Verwaltungsaufgaben wahr. Mittels ihres Steuerbewilligungsrechts sollten sie der Krone helfen, diejenige Geldsumme zu ermitteln, die das Land halbwegs tragen konnte, und sich am Eintreiben dieser Summe beteiligen. In den auswärtigen Beziehungen repräsentierte jetzt der Monarch allein das Land. Dieses zentrale Element von Ferdinands Programm griff ein Projekt Karls V. aus dem Jahr 1548 wieder auf, durch die Sicherung der uneingeschränkten Autonomie der Erblande die Verwaltung des Reiches zu erleichtern. Bereits im Jahr 1620 gliederte Ferdinand eine selbstständige österreichische Hofkanzlei aus der Reichshofkanzlei aus; Letztere war 1559 aus der Vereinigung von Hof- und Reichskanzlei des Heiligen Römischen Reiches hervorgegangen. Die österreichische Hofkanzlei führte nun Ferdinands Geschäfte als erblicher Herrscher, darunter auch die diplomatische Korrespondenz, während die Reichshofkanzlei sich um die Beziehungen zu den Reichsständen kümmerte. Offiziell blieb der Kurfürst von Mainz Leiter der Reichshofkanzlei, aber die Habsburger Politik im Reich lief über den Vizekanzler, der vom Kaiser ernannt wurde. Die böhmische Kanzlei blieb bestehen, zog allerdings 1624 nach Wien. Sie begann, ebenso wie ihr österreichisches Gegenstück, Adelsbriefe auszustellen, womit beide Kanzleien die Schirmherrschaft des Hauses Habsburg ausweiteten – unabhängig vom Kaisertitel, der traditionell zur Nobilitierung berechtigte. Für Koordination sorgte der Geheime Rat. Dieser war schon in den 1520er-Jahren entstanden, gewann aber jetzt unter seinem Präsidenten Fürst Eggenberg, Ferdinands getreuem Ratgeber, an Gewicht. Die institutionellen Änderungen waren weniger bedeutsam als die Veränderungen beim Personal. Der Aufstand hatte gezeigt, dass das Problem nicht bei den Ständen als solchen lag, sondern in der Art und Weise, wie die Gegner der herrschenden Ordnung sie nutzten. Die real existierenden Stände hatten sich gespalten, wobei ein erheblicher Anteil ihrer Mitglieder nach 1618 loyal oder zumindest neutral blieb. Genau hier lässt sich die Bedeutung der Religion ermessen, da der Katholizismus das augenfälligste Zeichen von Loyalität blieb. Die Siege nach 1620 ermöglichten Ferdinand, seine bestehende Schirmherrschaft auf den Rest des Reiches auszudehnen. Indem er erobertes Land neu verteilte,

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schwächte er die ökonomische Basis der Opposition und stärkte die seiner Unterstützer. Und indem er die Ländereien der Gemäßigten oder jener, die Reue zeigten, verschonte, konnte er sie für sich gewinnen und das ihm zur Verfügung stehende Reservoir an Talenten vergrößern. Man darf allerdings die Stimmigkeit dieser Strategie nicht überschätzen. Ihre Umsetzung war improvisiert und teils ganz klar von Erwägungen fiskalischer Zweckdienlichkeit bestimmt. Die volle Wirkung entfaltete sich erst nach mehreren Generationen. Die unmittelbaren Nutznießer verdankten Status und Reichtum ihrer Unterstützung der Siegerseite. Belohnt mit Land und hohen Ämtern, lieferten sie den Kitt, der die Monarchie den ganzen Krieg über zusammenhielt. Ihr Schicksal war direkt verknüpft mit dem der Dynastie – so wie das Los der böhmischen Exulanten und anderer Opfer vom Erfolg der noch verbliebenen Feinde des Kaisers, etwa Schweden, abhing. Die Nachkriegsgeneration bestand überwiegend aus den Kindern dieser Nutznießer. Im Gegensatz zu jenen, die sich 1618 im Aufstand erhoben hatten, hegten sie keinerlei Ambitionen, die politischen Verhältnisse zu ändern, sondern arbeiteten eher darauf hin, ihren Platz am Hof und in der Verwaltung des Hauses Habsburg zu verbessern. Dank des kontinuierlichen Wachstums von Armee und Bürokratie und weil sie neue Titel und Auszeichnungen schuf, erfüllte die Dynastie ihre Erwartungen. Die Vertretung von lokalen und Provinzinteressen lief nun größtenteils über solche informellen Kanäle, da die bedeutenden Adelsgeschlechter ihre eigenen Klienten innerhalb des Systems förderten. Das Prager Blutgericht Das erste Stadium dieses Prozesses begann mit der Sommeroffensive 1620 und beinhaltete die Ermittlung der Opfer. Drei nach dem August 1620 erlassene Mandate benannten insgesamt 65 Nieder- und 51 Oberösterreicher als Rebellen, die ihren Besitz verwirkt hatten. Die anderen wurden im Januar und Februar 1621 ins Visier genommen, als über Friedrich und seine wichtigsten deutschen Unterstützer die Reichsacht verhängt wurde, während eine Sonderkommission unter Leitung von Karl von Liechtenstein und Kardinal Dietrichstein in Prag ihre Arbeit aufnahm. Wien schickte eine Liste von 82 Männern, die verhaftet werden sollten, darunter sowohl die böhmischen Direktoren als auch die Beteiligten am Prager Fenstersturz. Einige, wie Colonna von Fels, waren bereits tot oder geflohen. Viele schenkten Tillys Andeutungen im November 1620, sich besser zu retten, keine Beachtung und blieben naiverweise in Prag. Der Prozess vor einem Sondergericht dauerte zwei Monate. Johann Georg ignorierte protestantische Apelle und lieferte den Fensterstürzer Joachim Andreas von Schlick, der Zuflucht in Sachsen gesucht hatte, aus. 32 Männer wurden mit der Begründung zum Tode verurteilt, dass ihre Verbrechen Hochverrat dar-

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stellten. Ebenso wie elf andere, deren Leben verschont wurde, verloren sie ihren Besitz, womit ihre Familien gleichfalls bestraft wurden. Die Form der Hinrichtung war bewusst barbarisch: Den meisten sollte die Zunge herausgerissen oder die rechte Hand abgehackt werden, bevor man sie tötete. Als er die Urteilssprüche erhielt, rang Ferdinand mit seinem Gewissen, konsultierte seine Ratgeber und reiste zwecks göttlicher Erleuchtung zum Wallfahrtsort Mariazell. Der böhmische Kanzler Lobkowitz und der künftige kaiserliche Vizekanzler Stralendorf drängten den Kaiser, die Urteile in Galeerendienst umzuwandeln. Auch Slavata und Martinitz hegten keine Rachegelüste und sprachen sich gegen die Todesurteile für ihre Fensterstürzer aus. Ferdinand begnadigte fünf und schwächte für einige andere die Form der Hinrichtung ab. Doch am 23. Mai 1621, dem dritten Jahrestag des Fenstersturzes, unterschrieb er 28 Hinrichtungsbefehle. Liechtenstein wurde angewiesen, die Urteile unverzüglich vollstrecken zu lassen, weil der Kaiser nicht wollte, dass sein triumphaler Einzug in Prag zeitlich mit den Hinrichtungen zusammenfiel. Die Garnison wurde verstärkt und die Stadttore wurden geschlossen. Am 21. Juni wurden 27 Männer zusammen mit dem Leichnam des letzten Verurteilten, der im Gefängnis Selbstmord begangen hatte, auf den Altstädter Ring geführt. Die Opfer waren drei Standesherren, sieben Ritter und 17 Bürger, darunter der Rektor der Universität, der am Ende der Einzige war, dem bei lebendigem Leib die Zunge herausgerissen wurde, um seine Rede zum Lobpreis Friedrichs zu ahnden. Unter den Verurteilten war ein Katholik: Diwisch Czernin von Chudenitz, der Hauptmann der Prager Burg, der die Fensterstürzer in den Hradschin geführt hatte. Der Henker, Jan Mydlář, brauchte vier Schwerter für seine grausige Aufgabe, obwohl drei der Bürgerlichen gehängt wurden. Zwölf Köpfe, zwei Hände und die Zunge des Rektors wurden am Altstädter Brückenturm der Karlsbrücke aufgesteckt, wo sie blieben, bis der sächsische Feldherr Hans Georg von Arnim sie 1631 bei seinem Einmarsch in Prag entfernen ließ. Weitere 29 Flüchtlinge wurden in absentia zum Tode verurteilt. Das Ereignis ist als „Blutgericht“ in die tschechische Geschichte eingegangen. Es war die logische Konsequenz von Ferdinands Interpretation der Geschehnisse als Rebellion. Die Zahl der Opfer war verhältnismäßig klein, verglichen mit dem „Blutrat“ des Herzogs von Alba zu Beginn des niederländischen Aufstands oder der Repression nach gescheiterten Rebellionen im England des 17. und 18. Jahrhunderts. Dennoch war es zweifellos unnötig und ein Fehler. In Prag schlug die Stimmung um: Obgleich die Führungsspitze der Aufständischen für die Katastrophe verantwortlich gemacht worden war, begegnete man ihr nun mit Sympathie und Mitgefühl.126 Die Sachsen lieferten drei Lausitzer an Ferdinand aus und verurteilten elf andere zu Geldbußen. Von den Mährern wurde nur Friedrich Freiherr von Tiefen-

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bach, der General der mährischen Stände, am 27. Mai 1621 in Innsbruck hingerichtet. Dietrichstein und Slavata hielten ein zweites Strafgericht ab, das zwölf Mährer zum Tode verurteilte, aber keiner von ihnen wurde hingerichtet. Einige waren geflohen, während Dietrichstein und Karl von Žerotin im Namen der anderen vermittelten. Offenbar lernte Ferdinand aus seinem Fehler in Prag und wandelte die Urteile in lebenslange Haft um – alle wurden freigelassen, noch bevor das Jahrzehnt um war. Landumverteilung in großem Maßstab Die Hinrichtungen verstärkten den erbitterten Hass der Exulanten auf den Kaiser, aber historisch bedeutsamer war die Konfiskation ihrer Ländereien. Nach dem Prager Blutgericht begann die Liechtenstein-Kommission mithilfe von Listen, die seit November 1620 erstellt worden waren, mit der Enteignung von Rebellenbesitz. Es war der größte Transfer von Grundbesitz in Europa vor den Beschlagnahmungen im Rahmen der kommunistischen Machtübernahme nach 1945 – bei der unter anderem die Nachfahren derer, die in den 1620er-Jahren profitiert hatten, ihre Güter verloren. Proteste nötigten die Kommission im Oktober 1623, mit der Beschlagnahme adligen Grundbesitzes aufzuhören, dies allerdings zu einem Zeitpunkt, da sie längst die Besitztümer jener Adligen konfisziert hatte, die den Aufstand unterstützt hatten. Bürgern wurde weiterhin Grundbesitz weggenommen, aber natürlich in sehr viel kleinerem Umfang. Die Maßnahme betraf 680 böhmische Adelsgeschlechter, von denen 166 alles verloren, sowie 135 Prager Bürger und weitere Bürger in 50 anderen Städten. Etwa 150 mährische Herrschaften wurden von 250 Familien eingezogen. Da das Verfahren auch die Übertragung der Feudalgerichtsbarkeit der früheren Eigentümer über ihre Pächter beinhaltete, lässt sich das Ausmaß des Geschehens aus der Tatsache ermessen, dass die Hälfte der mährischen Bevölkerung den Grundherrn wechselte. In Oberschlesien wurden nur wenige Besitzungen eingezogen, doch die Hauptnutznießer der Umverteilung in Böhmen und Mähren erlangten auch dort Grund und Boden. Auf spätere Generationen hatte der ganze Vorgang eine noch größere emotionale Wirkung als die Hinrichtungen. Tschechische Historiker bezeichneten ihn als „vorsätzlichen Raub“.127 Die Slavata waren das einzige ranghohe tschechische Adelsgeschlecht, das seine Besitzungen in Böhmen vergrößerte, wo die Familie nun über mehr als 2000 abhängige bäuerliche Haushaltungen herrschte. Weitere 16 tschechische Familien hatten die Gewalt über insgesamt 10 000 Haushalte, was 18 Prozent aller böhmischen Haushalte entsprach. Während das Tschechische unter böhmischen Adligen die vorherrschende Sprache blieb, wurde es in Mähren durch Deutsch ersetzt. Dort verloren die Mitglieder des Adelsge-

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schlechts der Žerotin, das den Aufstand unterstützt hatte, nahezu drei Viertel ihrer 10 000 Haushaltungen. Die Landkonfiskation war die Standardstrafe für Aufruhr. Keiner derjenigen, die protestierten, zweifelte ihre grundsätzliche Rechtmäßigkeit an, stattdessen baten die Betroffenen um Gnade, indem sie mildernde Umstände geltend machten. Das Verfahren war mit einem massiven Machtzuwachs des Staates verbunden, ohne die grundlegenden Rechts- und Besitzverhältnisse anzutasten. Die Krone eignete sich das Land nicht selbst an und behielt nur 1,6 Prozent der Gesamtmenge. Und sie vermied es, Verwandte zu bestrafen, die sich nicht an dem Aufstand beteiligt hatten, wodurch der zum Familienfideikommiss gehörende Grundbesitz unangetastet blieb. Vielmehr zog sie nur Land ein, das direkt Rebellen gehörte. Oft glich die Konfiskation einem Zwangsverkauf, da manchmal eine Entschädigung gezahlt wurde, wenngleich in minderwertiger Münze. Die Zunahme staatlicher Macht vollzog sich somit im Wege der Neuordnung persönlicher Beziehungen, indem Ferdinand seine Klientel umstrukturierte und erweiterte und Getreue ohne Rücksicht auf die familiäre Herkunft oder die geografische Lage des Besitzes belohnte. Die Reichweite der Monarchie wurde universal, ohne dass sie für einzelne Provinzen charakteristische Privilegien abbauen musste. Mehr Familien besaßen nun Land in mehreren Provinzen gleichzeitig, und Neulinge wurden in die habsburgische Elite integriert. Deutsche, Spanier, Italiener und Belgier stellten 281 der 417 Familien, die zwischen 1621 und 1656 in den böhmischen Adel eintraten. In der Mehrzahl handelte es sich um Offiziere der kaiserlichen Armee oder um Katholiken aus anderen Gegenden der Monarchie. Der Reichtum konzentrierte sich immer stärker in den Händen einiger weniger führender Familien, größtenteils solchen, die Ferdinand schon vor 1618 unterstützt hatten. Die Liechtensteins und die Lobkowitz besaßen riesige Güter in Böhmen, Mähren und Schlesien, den Slavata gehörte Land in Böhmen und Mähren. Zusammen mit den Dietrichsteins kontrollierte das Haus Liechtenstein ein Viertel von Mähren, während Fürst Eggenberg sich zum bedeutendsten böhmischen Grundbesitzer entwickelte. Konfiskation, Exil und der Zustrom von Auswärtigen zerstörten den sozialen Zusammenhalt des altböhmischen Adels. Der Heiratsmarkt expandierte. Sprache und lokalpolitisches Engagement hörten auf, bestimmende Kriterien zu sein. In dem Maße, wie die Präsenz bei Hofe und die Beteiligung an der Zentralregierung größere Bedeutung erlangten, wurden viele Adlige zu abwesenden Grundherren. Kurpfalz zu vergeben Diese Politik wurde über die habsburgischen Erblande hinaus ausgeweitet, noch bevor Tillys Jahr der Siege 1622 ihre Umsetzung zu

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einer realistischen Option machte. Eine Hamburger Zeitung spekulierte schon im September 1619, dass Ferdinand die pfälzische Kurwürde anderweitig vergeben würde, sollte Friedrich die böhmische Krone annehmen.128 Der naheliegende Empfänger war Herzog Maximilian I. von Bayern, der in einer starken Position war, um auf der Grundlage des Münchner Vertrages vom Oktober 1619 Entschädigungen zu verlangen, und zudem seit Mai beziehungsweise Juni 1620 die kaiserliche Kommission und das Patent zur Unterwerfung Oberösterreichs und zur Exekution gegen Böhmen besaß.129 Maximilian war sich bewusst, wie schwierig es war, Verantwortung für Böhmen zu übernehmen, und lehnte es am 13. Januar 1621 ab, der Aufforderung Ferdinands nachzukommen und die böhmische Statthalterschaft zu übernehmen.130 Er behielt nur Oberösterreich, das ihm von Ferdinand offiziell am 15. Februar als Pfand übertragen wurde, bis der Kaiser in der Lage wäre, Bayerns Kriegskosten zu erstatten.131 Dies verschaffte Maximilian Einfluss auf den Kaiser, da es äußerst unwahrscheinlich war, dass die habsburgische Hofkammer jemals das Geld auftreiben würde, um die Provinz auszulösen. Die juristischen Vorbereitungen für die Neuvergabe der Kurwürde waren abgeschlossen, als Ferdinand sich am 29. Januar 1621 bayerischem Druck beugte und die Reichsacht über Friedrich verhängte. Doch Ferdinand hatte es mit dem weiteren Vorgehen nicht eilig, da ihm klar war, dass Friedrich unversöhnlich würde, wenn er sowohl seiner Kur- als auch der böhmischen Königswürde beraubt wäre. Er sah auch vorher, dass die Sequestration der Pfalz anderen Mächten einen Vorwand liefern würde, Friedrichs Sache weiterzuführen. Außerdem gab es das Problem Spanien, dessen Einmischung in seiner Eigenschaft als Mitglied des Burgundischen Reichskreises es ebenfalls zu Entschädigungen berechtigte. Nur wenige habsburgische Ratgeber waren für eine Übertragung der pfälzischen Kurwürde auf Bayern, aber Friedrichs Uneinsichtigkeit in Segeberg im März überzeugte Ferdinand, dass es keinen Sinn hatte, nachsichtig zu sein. Er weitete Maximilians Kommission und Patent im Juni 1621 auf die Oberpfalz aus und übertrug ihm dann in einer unter dem 22. September 1621 ausgestellten heimlichen Belehnungsurkunde die Kurwürde. Die Belohnung würde allerdings erst wirksam werden, wenn Ferdinand sie öffentlich bestätigte. Maximilian zögerte, ihn diesbezüglich unter Druck zu setzen, bis beide sich der Unterstützung Spaniens sicher wären, und Spanien wollte die westliche Unterpfalz, einen wertvollen Aktivposten in Verhandlungen mit Jakob I., nicht preisgeben. Hingegen betrachtete der neue Papst, Gregor XV., im Gegensatz zu seinem Vorgänger den Konflikt als Heiligen Krieg und überzeugte Spanien, dass es von Vorteil sei, den Titel dieser calvinistischen Hochburg auf den katholischen Maximilian zu übertragen.

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Tillys Siege sicherten die Grundlage, vor allem mit der Einnahme von Heidelberg und Mannheim im September und November 1622. Im Dezember trat in Regensburg eine Reichsdeputation zusammen, die sich im Januar 1623 zu einem Fürstentag erweiterte, der, wie wir gesehen haben, parallel zur Jahresversammlung der Liga und zu von Jakob und Isabella geförderten Friedensgesprächen stattfand. Ferdinand wollte wieder Einigkeit herstellen und war bereit, großherzig zu sein. Anhalt, Hohenlohe und anderen wurde vergeben. Mit Mansfeld und Herzog Christian gingen die Verhandlungen weiter, ihnen wurde eine milde Behandlung angeboten, wenn sie die Waffen niederlegten. Anders als in Böhmen gab es keine Pläne, Gegner hinzurichten. Und Ferdinand hatte auch nicht vor, im Falle der norddeutschen Bistümer von dem Mühlhausener Versprechen abzurücken. Von einigen geistlichen Fürsten kamen bereits Forderungen nach einer vollständigen Restitution ehemals kirchlicher Ländereien, aber sie wurden nicht in das Programm des Kaisers aufgenommen. Bei der Restitution ging es ausschließlich um weltliche Fürstentümer – Baden-Baden, Marburg, Waldeck. Damit blieb lediglich die Pfalz übrig – ein Territorium, das groß genug war, um mehr als nur Maximilian zufriedenzustellen. Friedrichs Anteil an drei Bezirken in Nordbayern wurde seinen Pfalz-Neuburger Verwandten gegeben, um sie mit Maximilians neuem Status auszusöhnen. Die Bergstraße, die Mainz im 15. Jahrhundert an die Pfalz verloren hatte, wurde dem Erzbistum zurückgegeben, während Sinsheim an Speyer fiel, als Entschädigung für die Zerstörung Udenheims im Jahr 1618 durch Friedrich. Darmstadt erhielt zwei Bezirke zur Abgeltung der 1622 angerichteten Schäden sowie einige Besitzungen, die den Grafen Löwenstein, Solms-Braunfels und Isenburg gehörten, die als Obristen in Mansfelds Heer gedient hatten.132 Die Übertragungen waren relativ geringfügig: Die beiden Bezirke, die an Darmstadt fielen, hatten nur 850 Bewohner. Der eigentliche Nutznießer blieb Maximilian, der am 25. Februar 1623 die gesamte Oberpfalz und den Rest der östlichen Unterpfalz bekam. Die Kurwürde wurde am selben Tag öffentlich neu verliehen, bezeichnenderweise fast auf den Tag genau 75 Jahre nach der Übertragung der sächsischen Kurwürde von der ernestinischen auf die albertinische Linie der Wettiner und der feierlichen Belehnung des frischgebackenen Kurfürsten durch Karl V. auf dem Augsburger Reichstag von 1548. Pfalz-Neuburg, Sachsen, Brandenburg und der spanische Gesandte Oñate boykottierten das Ereignis, während Isabella eine Protestnote schickte. Es blieb ein Eindruck von Unbeständigkeit, da die Landübertragungen mit Maximilians vorübergehendem Besitz Oberösterreichs verknüpft waren und zusammen Ferdinands Verpflichtung gegenüberstanden, seine Kriegskosten zu erstatten, die einvernehmlich auf zwölf Millionen Gulden veranschlagt wurden. Maximilian blieb an Ferdinand gebunden, dessen Hilfe er

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brauchte, um sich die breitere Anerkennung seines neuen Status zu sichern. Mainzer Vermittlung überzeugte im Juli 1624 den sächsischen Kurfürsten Johann Georg, nachdem der Kaiser Sachsen die Lausitz zu Bedingungen überlassen hatte, die den Zusagen an Bayern in puncto Oberösterreich ähnelten – diesmal zur Abgeltung von Ausgaben, die auf 3,93 Millionen Gulden festgesetzt wurden.133 So wichtig diese Entscheidungen waren, haben sie dennoch einen anderen Strang von Ferdinands Programm überschattet. Angefangen in Regensburg, hatte der Kaiser bis August 1624 elf neue Reichsfürsten geschaffen, im Gegensatz zu gerade einmal vier Erhebungen während der vorangegangenen 70 Jahre. Zu den neuen Reichsfürsten gehörten sowohl drei Mitglieder der katholischen Linie der Hohenzollern als auch ihr Verwandter Graf Philipp Otto zu Salm, der von 1603 bis 1616 unter Ludwig XIII. gedient hatte, zuletzt als Generalleutnant. Die anderen kamen aus dem eigenen territorialen Adel der Habsburger, und zu ihnen gehörten die drei Brüder Liechtenstein, Kardinal Dietrichstein und General Wallenstein. Die Kurfürsten waren nur mäßig begeistert von diesem Versuch, einen künftigen Reichstag mit Anhängern Habsburgs zu füllen, und bestanden darauf, dass die neuen Fürsten entsprechende Lehen bekommen müssten, bevor sie ihr Stimmrecht ausüben konnten. Die Anforderung verstärkte die Integration des habsburgischen und des Reichsadels. Zum einen bekamen nämlich die Reichsgrafen und Reichsritter, die in der Armee des Kaisers dienten, Grundbesitz, der in den habsburgischen Erblanden von den Rebellen konfisziert worden war, zum anderen eigneten sich habsburgische Adlige jetzt einen bedeutenderen Anteil an Ländern und Titeln des Reiches an. Zudem machte Ferdinand ausgiebig von seinem Vorrecht Gebrauch, mehr als 100 Familien in den Reichsfreiherrenstand und weitere 70 in den Reichsgrafenstand zu erheben, darunter im September 1622 auch Tilly.134 Jene Grafen, die Land erwarben oder in entsprechenden Grundbesitz einheirateten, erlangten eine Stimme im Kreistag. Hier bestand wieder eine enge Verbindung zur habsburgischen Elite: Zwischen 1627 und 1654 stießen zehn der Geheimen Räte des Kaisers zu den schwäbischen Grafen. Wie in den habsburgischen Landen funktionierte Ferdinands Programm, indem Menschen ausgetauscht wurden und nicht Institutionen geändert, indem also Getreue in den Vordergrund gerückt und Gegner ausgegrenzt wurden. Das Ausmaß der Veränderungen war bereits erheblich, befand sich aber durchaus im Einklang mit der Reichsverfassung. Die echten Probleme begannen erst nach 1627, als die Niederlage Dänemarks und seiner norddeutschen Verbündeten Gelegenheiten für eine grundlegendere Neuverteilung von Land und Titeln bot (siehe Kapitel 12).

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Rekatholisierung Ferdinands Maßnahmen waren nichtsdestotrotz umstritten, nicht zuletzt, weil sie mit der Förderung des Katholizismus verbunden waren. Man hat diesen Prozess als „Rekatholisierung“ bezeichnet, obschon viele der Betroffenen ihr ganzes Leben als Protestanten zugebracht hatten. Bei dem Katholizismus, der da aufgezwungen wurde, handelte es sich um die nachtridentinische Version, nicht um jene, die vorher existiert hatte. Dies sorgte für Spannungen unter denjenigen, welche die Politik umzusetzen hatten, da einige den weniger strengen vorreformatorischen Katholizismus bevorzugten. Obschon der Katholizismus der wichtigste Test für politische Loyalität war, widersprach die politische Notwendigkeit manchmal der spirituellen Dimension des Rekatholisierungsprogramms.135 Der Hauptzweck bestand in der Schaffung einer politischen und gesellschaftlichen Elite, die durch und durch katholisch war, und weder Maximilians noch Ferdinands wichtigste Ratgeber verlangte es groß danach, die Maßnahmen auf den Rest der Bevölkerung auszuweiten. Maximilian und die führenden habsburgischen Beamten waren dafür, den vor dem Krieg beschrittenen behutsamen Weg fortzusetzen, sprich: direkte Angriffe auf rechtsgültig anerkannte protestantische Bevölkerungsgruppen zu vermeiden und sie gleichzeitig zum Übertritt zu ermuntern. Überzeugung blieb bis weit in die Nachkriegszeit hinein ein Hauptelement der Rekatholisierung und wurde von vielen Geistlichen bevorzugt. Der Papst, die Jesuiten und einige andere befürworteten jedoch eine energischere Vorgehensweise. Als die Jesuiten in dem kleinen Fürstentum Sulzbach ohne örtlichen Rückhalt vorpreschten, scheiterten sie freilich kläglich.136 Der Erfolg hing ohne Frage von politischer Unterstützung ab, und der päpstliche Nuntius drängte Ferdinand, den Einsatz von Gewalt zu billigen. Obwohl der Kaiser innerhalb seiner Rechtsauffassung bleiben wollte, war er durchaus empfänglich für militante Argumente. Seine Ansicht, dass es sich bei seinen Gegnern um Rebellen handele, überzeugte ihn davon, dass sie ihre religiösen wie auch politischen Rechte und ihren Besitz verwirkt hatten. Maximilian war vorsichtiger, teils, weil sein Besitz der Pfalz so lange unsicher blieb, wie er nicht von den anderen Kurfürsten anerkannt wurde, was erst im Jahr 1628 geschah. Die Verzögerung erlaubte ihm, sowohl die Probleme, auf die Ferdinand in seinen Erblanden stieß, als auch die Schwierigkeiten Herzog Wolfgang Wilhelms von PfalzNeuburg in Jülich-Berg mit seinen dem Katholizismus abgeneigten Untertanen zu beobachten. Trotz dieser Differenzen folgte das Programm dem 1579 zur Förderung des Katholizismus in Österreich und Bayern entwickelten Muster (siehe Kapitel 3). Zunächst wurde die protestantische Infrastruktur ins Visier genommen, indem Pastoren und Lehrer ausgewiesen, Kirchen und Schulen Katholiken übertragen

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wurden. Dies begann 1621 in Böhmen, wenngleich Liechtenstein anfangs versuchte, Lutheraner auszunehmen, denen erst im Oktober 1622 befohlen wurde zu gehen. In Niederösterreich wurden die Maßnahmen bis 1626 hinausgeschoben, und Maximilian wendete diese Politik auf Calvinisten in der Oberpfalz erst drei Jahre nach seiner Eroberung an. Anschließend nahmen die Habsburger sich die protestantischen Städte vor. Bereits 1623 war der Katholizismus zu einem Kriterium für das Wiener Bürgerrecht geworden, und diese Praxis wurde nun auf böhmische und dann auf ober- und niederösterreichische Städte ausgeweitet. Die „Verneuerte Landesordnung“ zerstörte die rechtliche Grundlage für die noch verbliebenen protestantischen Rechte und machte den Weg frei für eine Reihe „allgemeiner Mandate“ in Böhmen, Ober- und Niederösterreich (alle 1627) und dann in Mähren und Innerösterreich (beide 1628), die der Bevölkerung sechs Monate Zeit gaben, zu konvertieren oder auszuwandern. Maximilian führte die Maßnahmen in umgekehrter Reihenfolge durch. In der Oberpfalz erließ er im April 1628 ein allgemeines Mandat, bevor er weiter ging als Ferdinand und 1629 die dortigen Landstände vollständig abschaffte. Er erhielt Ferdinands Erlaubnis für diesen Schritt, der eine Institution mit sehr viel schwächeren Wurzeln als ihr Pendant in der Habsburgermonarchie beseitigte. Die bayerischen Maßnahmen attackierten auch den Calvinismus, eine bei den überwiegend lutherischen Oberpfälzern weithin verhasste und sogar in einem Großteil der Unterpfalz unbeliebte Glaubensrichtung. Dort begann die Rekatholisierung erst 1628 und erfolgte sehr viel weniger systematisch, da Maximilian nur Gewalt über ein Drittel des Territoriums hatte; eine Hälfte war in spanischer Hand, und der Rest aufgeteilt zwischen Mainz, Speyer und Darmstadt. Die Spanier ließen die Religion in Ruhe, so wie sie es in ihren niederrheinischen Garnisonen taten. Darmstadt war lutherisch, während Mainz und Speyer es aufgrund von Zuständigkeitsstreitigkeiten versäumten, sich mit Bayern abzustimmen. Lutherische Städte, die sich Tilly ergeben hatten, wurden ebenfalls in Frieden gelassen, und die bayerischen Besatzungsbehörden waren generell zu sehr damit beschäftigt, Kriegssteuern zu erheben, um in Glaubensfragen Druck auszuüben. Die anderen Elemente der Rekatholisierung führten die Bayern gleichwohl ein, darunter den gregorianischen Kalender und spezielle Zertifikate zum Nachweis der Observanz. Wer nicht zur heiligen Messe ging oder wer zu verbotenen Zeiten Fleisch aß, der konnte zu Bußen verurteilt werden, aber wenn es um die Ausweisung Andersgläubiger ging, waren die Bayern weniger energisch als die Habsburger. Das Mandat für die Oberpfalz galt nur für Maximilians Hauptzielgruppe, den Adel. Bis 1630 konvertierten 90 Familien, und obwohl weitere 93 das Land verließen, mussten sie ihren Besitz nicht verkaufen und wurden ein-

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fach abwesende Grundherren. Andere soziale Gruppen waren erst im Juli 1660 betroffen, und selbst da waren Haushaltsvorstände ausgenommen. In Bayern, wo nur wenige Menschen den protestantischen Glauben angenommen hatten, waren diese Maßnahmen nicht notwendig. Maximilian ließ auch die bayerischen Landstände unangetastet und baute auf ökonomische Zwänge, die Anstellungen bei Hofe, in Verwaltung und Militär zunehmend attraktiv für die einheimischen Adligen machten. Da diese Anstellungen nur Katholiken offenstanden, wurde hierdurch ein verlockender Anreiz zur Konversion für protestantische Adlige geschaffen.137 Auch ein beträchtlicher Teil des habsburgischen Adels konvertierte. Der Aufstand stärkte die Verbindung zwischen Protestantismus und Subversion, was den Glauben sowohl gefährlich als auch moralisch fragwürdig machte. Die Schlacht am Weißen Berg schien anzuzeigen, dass Gott die Katholiken begünstigte. Manche konvertierten, um der Bestrafung zu entgehen oder an der Beute beteiligt zu werden. Ein bemerkenswertes Beispiel für Opportunismus war Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, der 1629 dem Calvinismus abschwor, um wegen eines strittigen Erbes Ferdinands Unterstützung zu bekommen. Er wurde als Erster aus dem Hause Nassau in den Reichsfürstenstand erhoben (1639) und vertrat den Kaiser auf dem Westfälischen Friedenskongress. Für andere bedeutete die Konversion einfach eine Ausweitung ihrer bestehenden Loyalität gegenüber der Dynastie. Der steirische Lutheraner Rudolf von Tiefenbach hatte auf dem Weißen Berg die Artillerie befehligt und konvertierte 1623, trotz der Hinrichtung seines Bruders, der auf der anderen Seite erwischt wurde. 21 ungarische Magnaten traten zwischen 1613 und 1637 über und reduzierten damit den protestantischen Anteil im Landtag weiter. Selbst in Niederösterreich, wo der lutherische Adel die Gewissensfreiheit behielt, blieb bis 1650 nur ein Drittel der 420 Adligen protestantisch. Hauptfaktoren für den Erfolg des Katholizismus waren die Strafmaßnahmen, welche die meisten Protestanten ins Exil trieben. Eine beträchtliche Zahl war nach der Schlacht am Weißen Berg und den Konfiskationen geflohen. Andere, meist einfacheres Volk, folgten nach den allgemeinen Mandaten. Wahrscheinlich verließen zwischen 1598 und 1660 100 000 Menschen Inner- und Niederösterreich, um der Verfolgung zu entgehen. Eine ähnliche Anzahl floh aus Schlesien, trotz der sächsischen Intervention zur Sicherung lutherischer Rechte, während im Laufe desselben Zeitraums etwa 150 000 Menschen Böhmen und Mähren verließen. Die Mehrzahl ging in den 1620er-Jahren. Obwohl er nur eine Minderheit der Emigranten bildete, litt der Adel unverhältnismäßig. Das innerösterreichische Mandat von 1628 veranlasste 750 steirische und 160 Kärntner Adlige, ihre Heimat zu verlassen, während mehr als 300 der 1400 böhmischen

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und mährischen Adelsgeschlechter fortgingen. Der Exodus trieb den Umbau der habsburgischen Elite voran, weil die Emigranten ihr Land verkauften. Der politische Gewinn für die Habsburger hatte einen hohen Preis, weil er die Bevölkerung um mindestens sieben Prozent verringerte und ihren Reichtum dezimierte. Es gingen oftmals die, die konnten: Die 150 Bürger, die nach 1623 Wien verließen, nahmen Eigentum im Wert von 300 000 Gulden mit.138 Diese Verluste verstärkten die durch den Krieg angerichteten Schäden und wälzten die Last auf jene ab, die blieben, darunter die gläubigen Katholiken. Von den Letzteren waren außerdem zu wenige qualifiziert, die in Kirche und Verwaltung entstandenen Lücken zu füllen. So fehlte zwei Drittel der böhmischen Gemeinden im Jahr 1640 ein Priester. Derartige Probleme sorgten dafür, dass der Katholizismus nur schleppend akzeptiert wurde. Dabei wurde beträchtliche Mühe aufgewendet, den offiziellen Glauben attraktiver zu machen. Wallensteins Schwager, Kardinal Ernst Adalbert von Harrach, war unermüdlich darin, den Katholizismus als Fixpunkt einer loyalen tschechischen Identität zu fördern. So unterstützte er den bestehenden Kult des böhmischen Priesters und Märtyrers Johannes Nepomuk, der schließlich 1729 heiliggesprochen wurde und zu einem Symbol habsburgischer Frömmigkeit avancierte.139 Die Jesuiten verbrannten in der Oberpfalz 10 000 protestantische Bücher, verteilten aber ihre eigene kostenlose Erbauungsliteratur und entwickelten ein kulturelles Programm rund um das sogenannte Jesuitentheater, das der breiten Masse die christliche Verkündigung in prachtvoll ausgestatteten Bekehrungsstücken nahebringen und sie zur Konversion animieren sollte. Sobald die Adligen fortgegangen oder konvertiert waren, fanden die Obrigkeiten sich damit ab, dass Geduld vonnöten war. Maximilian gab es im Grunde auf, die lutherischen Erwachsenen in der Oberpfalz bekehren zu wollen, und überließ es den Jesuiten, deren Kinder zu indoktrinieren. Die Dynamik der österreichischen, bayerischen und tschechischen katholischen Kultur zeugt von der langfristigen Wirkung dieser Maßnahmen, wenngleich protestantische Minderheiten fortbestanden und 1781 vom Toleranzedikt Kaiser Josephs II. profitierten.140 Nichtsdestotrotz brachte die Rekatholisierung Elend über eine ganze Generation, die gezwungen wurde, Überzeugungen und Rituale aufzugeben, die ihrem Leben Sinn gegeben hatten. Der tschechische Utraquismus, der Glaube der Armen, wurde größtenteils unterdrückt. Die Exulanten erlitten zusätzliche Unbill und wurden von ihren Gastgebern, für die sie entweder peinlich waren oder aber ein brauchbares politisches Faustpfand, schlecht behandelt. Die Innerösterreicher flohen überwiegend nach Westungarn oder zogen westwärts nach Württemberg, Franken und in die süddeutschen Reichsstädte. Ober- und Niederösterreicher wanderten donauaufwärts in protestanti-

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sche Städte wie Regensburg aus. Viele Mährer zogen nach Nordwestungarn, von den Böhmen floh mindestens die Hälfte nach Sachsen, wo ihnen ein frostiger Empfang zuteil wurde. Die sächsische Regierung arbeitete bei der Beschlagnahme von Grundbesitz mit dem Kaiser zusammen und lieferte sogar führende Persönlichkeiten zur Gerichtsverhandlung aus. Erst als Ferdinands allgemeine Mandate von 1627/28 ergingen, fragte Johann Georg seine Ratgeber, ob den Flüchtlingen Asyl aus religiösen Gründen gewährt werden solle. Das konservative Konsistorium befürwortete das Asyl für orthodoxe Lutheraner, obwohl viele höhere Geistliche skeptisch blieben. Das Wachstum von Tschechisch sprechenden Minderheiten in Pirna und anderen Grenzstädten schürte Ängste vor calvinistischer Infiltration, weil die dortigen sächsischen Beamten nicht verstehen konnten, was in den Kirchen der Exulanten gesprochen wurde. Die Exulanten galten zwar als arme verfolgte Christen, die Mitgefühl verdienten, aber es wurde von ihnen erwartet, dass sie, vom Kurfürsten geduldet, warteten – dankbar natürlich –, bis die Lage ihnen die Heimkehr erlaubte. Wie willkommen jemand war, hing von seiner gesellschaftlichen Stellung ab, und Bauern und ärmeren Bürgern wurde erst im Zuge der zweiten Flüchtlingswelle in den frühen 1630er-Jahren Asyl gewährt. Die Beschränkungen für Exulanten wurden erst in den 1650er-Jahren gelockert, um das entvölkerte Kurfürstentum wiederzubesiedeln, und 1680 wurden sie erneut in Kraft gesetzt.141 Verbittert hefteten die Exulanten ihre Hoffnungen an eine Fortsetzung des Krieges, wie etwa die südniederländischen Flüchtlinge, die ihren Einfluss geltend machten, damit die Holländer den Zwölfjährigen Waffenstillstand nicht erneuerten. Friedrich V., der prominenteste Exulant, rückte in den Blickpunkt jener Mächte, die den Habsburgern feindlich gesinnt waren. Die pfälzische und die böhmische Sache, obwohl beide klar unterlegen, lebten weiter als Rechtfertigung für die dänische und die schwedische Intervention.

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11. Olivares und Richelieu Olivares

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er Wiederaufschwung des Katholizismus im Heiligen Römischen Reich wurde von Frankreich und Spanien mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Ihre Reaktion auf die Krise im Reich unterstreicht zum einen den Umstand, dass ihre eigene Rivalität und der Bürgerkrieg im Reich zwei verschiedene Dinge waren, und veranschaulicht zum anderen die Schwäche der konfessionellen Solidarität. Frankreich empfand Ferdinands Triumphe als Bedrohung seiner eigenen Interessen, während Spanien sich darüber ärgerte, weil sie Energie und Ressourcen zweckentfremdeten, die andernfalls gegen die Holländer hätten eingesetzt werden können.

Der Conde-Duque Die Wiederaufnahme des Spanisch-Niederländischen Krieges fiel zeitlich mit einem Wechsel in der spanischen Regierung zusammen. Philipp III. starb nach einem zweijährigen Siechtum am 31. März 1621. Der neue König, Philipp IV., sollte 44 Jahre regieren, ohne dass sein Land in dieser Zeit einen einzigen Tag des Friedens erlebte. Philipp reifte zu einem kultivierten Manne heran, der durchaus ein gewisses Mitgefühl für die Nöte seiner Untertanen aufbrachte, sich aber nichtsdestotrotz leicht von persönlichen Vergnügungen und vor allem von schönen Frauen ablenken ließ. Da er bei seiner Thronbesteigung erst 16 Jahre zählte, war Philipp stark auf Zúñiga und zunehmend auf Zúñigas ehrgeizigen Neffen Don Gaspar, Graf Olivares, angewiesen. Wie Zúñiga stammte Olivares aus der Guzmán-Sippe, einer jüngeren Linie des bedeutenden Adelsgeschlechts der Herzöge von Medina Sidonia. Nachdem er 1607 die Ländereien und Titel seines Vaters geerbt hatte, verwendete er seine beträchtlichen Energien darauf, bei Hofe Fuß zu fassen, und errang schließlich einen Platz im Gefolge des Prinzen Philipp. Geschickt überwand er die anfängliche Feindseligkeit des künftigen Königs und gewann sein Vertrauen, indem er sich ehrerbietig und respektvoll verhielt, aber zugleich bereit war, freimütigen Rat anzubieten und unangenehme Wahrheiten zu übermitteln. Als er von der Thronbesteigung Philipps IV. erfuhr, bemerkte Olivares: „Jetzt gehört alles mir.“142 Gemeinsam mit seinem Onkel machte er sich daran, die noch verbliebenen Anhänger des vorherigen Günstlings, des Herzogs von Lerma, auszuschalten. Seine Entschlossenheit, sich von dem früheren Regime zu distanzieren, wurde nach Zúñigas Tod im Oktober 1622 noch ausgeprägter, und

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binnen zwei Jahren hatte Olivares sich zum unbestrittenen Herrn von Hof und Regierung gemacht. Er verlor keine Zeit, sondern sicherte sich Belohnungen, vergrößerte seine Güter in Andalusien und reihte sich 1625 als Herzog (duque) von Sanlúcar la Mayor in die Reihen der spanischen Granden ein. Fortan kannte man den bisherigen Grafen (conde) als Conde-Duque. Seine Sippe förderte er ebenfalls, und viele seiner Verwandten erlangten hohe Ämter oder häuften private Vermögen an. Mit Mitte 30 war Olivares, eine dunkle, wuchtige Erscheinung, von ungeduldigem und unduldsamem Charakter, fest überzeugt, dass er allein es am besten wusste, und bereit, bis tief in die Nacht zu arbeiten, um das zu beweisen. Er vermied bewusst den ostentativen Pomp eines Lerma oder Kardinal Richelieu, seines französischen Pendants, und pflegte stattdessen das neue Bild des passionierten Bürokraten. Statt eine neue Position für sich zu schaffen, übernahm er Sitze in den bestehenden Räten; auch persönlich blieb er ein Asket, verbarg seinen Reichtum und überließ das Rampenlicht dem König. „Es hätte kaum einen auffälligeren Kontrast geben können als zwischen dem Kardinal Richelieu, der vom Scheitel bis zur Sohle aussah wie ein Kirchenfürst, wenn er mit seinem beeindruckenden Gefolge in einen Raum rauschte, und dem Conde-Duque, der mit Staatspapieren, die ihm im Hutband steckten oder von der Hüfte baumelten, im Palast geschäftig hin- und hereilte und jene, die ihn sahen, an nichts weiter als eine Vogelscheuche erinnerte.“143 Der Stil signalisierte sein Programm, als er auf einer Welle des Abscheus über die vermeintliche Verderbtheit, Verschwendung und Erfolglosigkeit der Ära Lerma an die Macht stürmte. Die Sprache der Enthaltsamkeit und Askese passte zu der düsteren Stimmung nach der Wiederaufnahme des Spanisch-Niederländischen Krieges, die im Februar 1623 in einer eklektischen Mischung aus Finanz-, Verwaltungs- und Moralreformen gipfelte. Der Versuch einer besseren Regierung wurde konterkariert durch die Wiederaufnahme des Krieges, die jede Chance eines ausgeglichenen Haushalts zunichtemachte. Olivares konnte den Umständen, die Spanien antrieben zu kämpfen, nicht entkommen. Im Gegensatz zu Lerma und Isabella war er nicht imstande, sich vorzustellen, wie Spaniens Ansehen und ein Frieden mit den Holländern unter einen Hut zu bringen seien. Die Hauptveränderung bestand darin, dass er die spanische Strategie energischer, in sich stimmiger und flexibler machte. Dennoch war die Welt nicht stehen geblieben seit den Tagen Philipps II., und Olivares sah ein, dass ein totaler Sieg nicht mehr möglich war. Militäroperationen sollten die Holländer zwingen, ein buen concierto, eine für Spanien annehmbare Einigung, zuzulassen. Dabei war in erster Linie daran gedacht, dass sie ihre kolonialen Ambitionen aufgaben, die Glaubensfreiheit für

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ihre katholischen Untertanen wiederherstellten und eine gewisse symbolische Unterordnung unter die spanische Majestät akzeptierten. Wie sein Onkel stellte sich auch Olivares vor, dass die Seemacht beim Erreichen dieser Ziele eine größere Rolle spielen sollte, indem sie spanische Kolonien schützte und den holländischen Handel erstickte. Operationen zu Lande wurden in eine Strategie eingebunden, die sich bis 1625 zu dem ehrgeizigen Versuch verdichtete, die Republik der Vereinigten Niederlande einzukreisen.144 Von der spanischen Partie bis Breda Spanien strebte trotz religiöser Unterschiede und einer latenten kolonialen Rivalität nach guten Beziehungen zu England. Während des vorangegangenen Jahrzehnts waren die Beziehungen relativ herzlich gewesen, was Olivares’ Hoffnungen bestärkte, dass Jakob I. sich zu Seeunterstützung gegen die Holländer bereitfinden könnte, zumal diese vor Kurzem englische Kaufleute in Indonesien angegriffen hatten. In dem Wissen, dass spanische Truppen einen Großteil der Unterpfalz besetzt hielten, wollte auch Jakob eine Annäherung. Freilich wählte er dazu eine gänzlich ungeeignete Methode, indem er vorschlug, dass sein Sohn Karl die fromme katholische Infantin heiraten solle. Madrid hatte sich bereits 1621 dagegen entschieden, aber Jakob ließ nicht locker, und Karl machte sich auf den Weg, um seine Braut nach romantischer schottischer Tradition abzuholen. Er traf im März 1623 mit seinem Freund George Villiers, dem späteren Herzog von Buckingham, unangekündigt in Madrid ein, wo die beiden sich – wenig glaubhaft – als John und Tom Smith ausgaben. Olivares sah sich gezwungen, ernsthafte Verhandlungen zu eröffnen, und zu seiner Überraschung bot Karl an, zum Katholizismus überzutreten. Olivares bezweifelte, dass es ihm ernst war, derweil Karl ungeduldig wurde und heimkehrte, wo ihm ein unverhohlen protestantischer Empfang zuteilwurde. Um ihre Blamage zu kaschieren, gab die englische Regierung angeblich unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten wegen der Pfalz die Schuld an dem Fehlschlag.145 Während Jakob in militärischen Vorbereitungen ein Mittel sah, Spanien zu zwingen, in der Pfalz Zugeständnisse zu machen, planten Karl und Buckingham Krieg. Buckingham war überzeugt, dass spanische „Arroganz“ weitere Heiratsgespräche sinnlos mache. Mit Karls Verlobung mit der jüngsten Schwester Ludwigs XIII., Henrietta Maria, fädelte er im Dezember 1624 eine alternative französische Partie ein. England wurde in ein verwickeltes Netz von Verhandlungen hineingezogen, das die Frommen als evangelische Allianz deuteten, das in Wahrheit aber lediglich ein schäbiger Versuch war, andere dazu zu bringen, das Kämpfen zu übernehmen. Da weder Dänemark noch Schweden bereit waren, sich für die Wiedereinsetzung Friedrichs V. zu engagieren, setzten die West-

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mächte stattdessen ihre bestehende Politik der Finanzierung der protestantischen Söldnerführer fort. Weil er als einziger Befehlshaber Ende 1624 noch im Felde stand, richtete sich alle Aufmerksamkeit nun auf den Grafen Mansfeld. Verschiedene Projekte wurden ausgebrütet, um ihm bei der Aufstellung eines neuen Heeres am Niederrhein zu helfen, das stromaufwärts vorstoßen und die Pfalz befreien sollte. Englands Interesse war hauptsächlich dynastischer Natur, wohingegen Frankreich und die Holländer darin eine Chance sahen, Spanien abzulenken, und wollten, dass Mansfeld anschließend die Spanische Straße abschnitt, indem er in die Franche-Comté einfiel. Mansfeld sah eine Chance, sein eigenes Fürstentum wieder aufleben zu lassen, das im Elsass zum Jahreswechsel 1622 kurz bestanden hatte. Jakob versprach am 4. Mai 1624 im Vertrag von London, Mansfeld die Anwerbung von 13 000 Engländern zu finanzieren. Herzog Christian traf in England ein, in der Hoffnung, die Reiterei zu befehligen, während Georg Friedrich von Baden-Durlach aus seiner Zuflucht am Oberrhein schrieb, dass er dazustoßen würde, sobald sie landeten. Die Werbung ging schleppend voran, und Jakob griff zum Mittel der Zwangsrekrutierung, um die Reihen zu füllen. Ludwig XIII. schloss sich dem Bündnis nicht an und verweigerte Mansfeld die Erlaubnis, in Frankreich zu landen. Die Männer wurden auf Transportschiffen festgehalten, um sie daran zu hindern, zu desertieren oder Dover zu plündern. Es wurde bitterkalt, und viele erkrankten, nachdem sie dazu getrieben worden waren, Seewasser zu trinken. Als Mansfeld im Februar 1625 nach Seeland auslief, waren sowohl England als auch Frankreich durch eigene Probleme abgelenkt. Ein Hugenottenaufstand in jenem Winter beanspruchte die französische Aufmerksamkeit und wendete das Blatt der öffentlichen Meinung in England gegen Karls neue Gemahlin. Durch Krankheit auf 7000 Mann reduziert und ohne Aussicht auf französische Unterstützung, ignorierte Mansfeld Jakobs Instruktionen und arbeitete stattdessen mit den Holländern zusammen.146 Die Letzteren wurden von General Spinola hart bedrängt, der ein Drittel seiner 70 000 Mann starken Flandernarmee hatte aufmarschieren lassen, um Revanche für seine Niederlage bei Bergen op Zoom zu nehmen, indem er ab August 1624 das nahe gelegene Breda belagerte. Die holländische Armee zählte nur 48 000 Mann, einschließlich 9000 in der Festung. Spinola ließ rings um Breda eine doppelte Befestigungslinie aus Feldschanzen und Geschützbatterien anlegen, um die Stadt durch Aushungern zur Unterwerfung zu zwingen. Mansfelds Eintreffen machte kaum einen Unterschied. Holländische Entsatzversuche wurden durch den Tod Moritz’ von Oranien am 23. April 1625 erschwert. Der Oberbefehl ging auf seinen jüngeren Bruder Friedrich Heinrich über, aber dessen

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Angriff im Mai konnte Spinolas Verschanzungen nicht durchbrechen, und nachdem 13 000 Verteidiger und Zivilisten gestorben waren, kapitulierte die Stadt am 5. Juni. Das Geschehen in Breda wurde mit Cäsars monumentaler Belagerung von Alesia im Jahr 52 v. Chr. verglichen und von den Spaniern in Gedichten, Theaterstücken und Velázquez’ berühmtem Gemälde als grandioser Sieg gefeiert.147 Der Seekrieg Breda war der erste von vier Triumphen in einem Jahr, das sich als Spaniens Jahr der Siege erweisen sollte. Die anderen wurden zur See errungen, wo Olivares’ neue Strategie mit einer Periode rascher Veränderung zusammenfiel. Die allgemeine Entwicklung ging weg von großen, plumpen, hochbordigen Schiffen, die Duelle gegeneinander austrugen, bei denen die jeweilige Besatzung versuchte, das gegnerische Schiff zu entern und in ihre Gewalt zu bringen. An ihre Stelle traten längere, schlankere Schiffe, die eine verbesserte Schiffsartillerie führen sollten. Sie kämpften in disziplinierteren Formationen, die sich, um das Feuer der Breitseiten zu maximieren, zu der klassischen Kiellinie entwickelten. Noch war nicht klar ersichtlich, welche Konstruktion oder Taktik sich als überlegen erweisen würde, und viel hing vom Geschick und der Tapferkeit einzelner Besatzungen ab. Die Holländer bauten allmählich immer größere Schiffe, und aus 80 bis 160 Tonnen im Jahr 1590 waren 30 Jahre später 300 oder 400 Tonnen geworden. Inzwischen besaß die Niederländische Ostindienkompanie allerdings bereits 1000-Tonnen-Schiffe für ihre langen bewaffneten Handelsreisen.148 Große Kriegsschiffe konnten bis zu 100 Kanonen führen und waren Prestigeobjekte. Gustav II. Adolf befahl seinem holländischen Schiffbauingenieur, den Bau von vier großen Schiffen in Stockholm zu leiten. Das wichtigste dieser vier, geehrt durch den Namen „Vasa“, hatte eine Wasserverdrängung von 1400 Tonnen und war mit 64 Bronzegeschützen bestückt. Die Besatzung bestand aus 430 Seeleuten und Seesoldaten. Durch den Einbau eines zweiten Batteriedecks mit der gleichen Anzahl Kanonen des gleichen Kalibers wie auf dem unteren Batteriedeck litt jedoch die Lagestabilität des Schiffes, während der größere Tiefgang zugleich bedeutete, dass die Geschützpforten zu nahe an der Wasserlinie waren. Am 10. August 1628 kenterte und sank die Vasa auf ihrer Jungfernfahrt in einer leichten Brise bereits 1300 Meter nach dem Ablegen.149 Der Vorfall veranschaulicht die Risiken und Kosten, die das Experimentieren mit neuen Technologien und der Aufbau einer Seemacht mit sich brachten. Spanien hatte bislang im Atlantik auf große Galeonen und im Mittelmeer auf Galeeren vertraut. Der Bau dieser Schiffe verschlang gewaltige Mengen Holz: Ein hochseetüchtiges Kriegsschiff von 560 Tonnen erforderte 900 Eichen, eine

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Galeere brauchte über 200 Kiefern. Spanien profitierte von den großen Eichenwäldern Galiciens, Asturiens und am Rest seiner nördlichen Küste, während die katalanischen Kiefernwälder die Galeerenflotte versorgten. Spanien bewirtschaftete seine Ressourcen besser als seine Rivalen – vor allem besser als die Stuarts, die bis zu den 1640er-Jahren große Teile Englands abgeholzt hatten und von Importen aus Schottland, Irland und Amerika abhängig wurden. Richelieus Flottenprogramm beraubte die Bretagne ihrer schönen Bäume und zwang Frankreich, Bauholz aus dem Rheinland zu importieren. Die Republik der Vereinigten Niederlande war größtenteils baumlos und war von Anfang an auf Importe angewiesen; auf die Einfuhr von Kiefern, Teer und Hanf aus dem Ostseeraum waren ohnehin alle Mächte angewiesen. Weil ihre Werften hervorragend geführt wurden, konnten die Holländer in dieser Zeit zwischen 500 und 1000 hochseetüchtige Schiffe pro Jahr bauen. Die so entstehende Flotte war groß genug, um die flandrische Küste zu blockieren, und verstärkte die Kontrolle der Republik über den Seehandel. Spanien schlug 1620 von Dünkirchen aus mit einem neuen Geschwader aus 20 eigens zu diesem Zweck gebauten, staatseigenen Kaperschiffen zurück, zu denen noch etwa 60 privat betriebene Schiffe kamen, die der Krone zehn Prozent ihres Profits abtraten und den Rest zwischen dem Kapitän, der Besatzung und den Eignern aufteilten. Diese Schiffe, Prototypen der späteren Fregatten, waren kleiner als herkömmliche Kriegsschiffe und relativ leicht bewaffnet. Sie vertrauten auf Geschwindigkeit, jagten einzeln oder in Rudeln, und ihre Namen – Katze, Fuchs, Hase, schwarzer Maulwurf, Wilder, Hackebeil – spiegelten ihre Taktik wider.150 Geführt von wagemutigen Kapitänen wie Jan Jacobsen begannen die Dünkirchener mit den Überfällen, sobald der Zwölfjährige Waffenstillstand 1621 auslief. Binnen weniger Monate verdoppelten sich die holländischen Frachtkosten, während die Seeversicherungstarife hochschnellten, was die Profite reduzierte. In den Jahren 1621–27 riskierten nur 52 holländische Schiffe die Ärmelkanalroute zwischen Mittelmeer und Ostsee, im Vergleich zu 1005 Schiffen zwischen 1614 und 1620. Andere Sektoren der Wirtschaft erlebten ebenfalls einen ernsthaften Niedergang, wodurch eine Rezession ausgelöst wurde, die das ganze Jahrzehnt anhielt. Die Dünkirchener fingen auch Schiffe anderer Nationen ab, die auf dem Weg in die Republik waren oder einfach am falschen Ort erwischt wurden. Die Engländer verloren zwischen 1624 und 1628 390 Schiffe, was einem Fünftel ihrer Handelsflotte entsprach, und bis 1626 wurden 35 der 58 in Dover registrierten Schiffe außer Dienst gestellt. Die holländischen Kaufleute forderten unverzügliche Vergeltungsmaßnahmen gegen dieses neue „Algier des Nordens“. Die Hälfte der holländischen Flotte wurde vor der Küste von Dünkirchen stationiert, und schließlich brachte man

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Jacobsens Schiff auf, als er Ende 1622 versuchte, die Blockade zu durchbrechen. Jacobsen handelte sich den Märtyrerstatus ein, als er sich in die Luft sprengte, statt sich gefangen nehmen zu lassen. Die Holländer hängten seine überlebende Mannschaft, konnten die anderen Freibeuter indes nicht abschrecken. Ihren größten Triumph feierten die Dünkirchener im Herbst 1625, als die Entscheidung der Holländer, mit der englischen Flotte gegen Spanien zusammenzuarbeiten, sie zwang, ihre Blockade des Hafens zu lockern. Ein Sturm zerstreute die übrigen Blockadeschiffe und ermöglichte so den Freibeutern, in großer Zahl in die Nordsee auszulaufen und im Oktober die holländische Fischfangflotte vor den Shetlandinseln anzugreifen. Nach zwei Wochen hatten sie 150 Fischerboote zerstört, darunter 20 Fischereischutzboote, und 1400 Seeleute gefangen gesetzt. Spätere Erfolge waren bescheidener, zwangen die Niederländische Ostindienkompanie aber dennoch, für ihre Schiffe in europäischen Gewässern Konvois einzuführen. Nach 1626 beliefen sich die holländischen Verluste an Schiffen und Handelswaren auf mindestens 23,3 Millionen Gulden, während die Franzosen 2,35 Millionen verloren, nachdem sie 1635 zu Zielen geworden waren. Das Ganze zog sich hin, bis Dünkirchen 1646 eingenommen wurde. Spanien fügte alles in allem mehr Schäden zu, als es erlitt. In den 1630er-Jahren zerstörten die Dünkirchener 250 Schiffe im Jahr, während die von Sevilla aus startende Atlantikflotte in dem gesamten Jahrhundert nach 1546 nur 62 Schiffe durch Feindeinwirkung verlor. Die globale Dimension Da sie außerstande waren, die Spanier in europäischen Gewässern zu besiegen, trugen die Holländer den Krieg nach Amerika. Spaniens karibische Stützpunkte erwiesen sich als zu stark, eine im Jahr 1623 um Kap Hoorn in den Pazifik entsandte große Expedition wurde jedoch zurückgeschlagen und schleppte sich erst drei Jahre später nach Hause zurück. Weil Spanien abgelenkt war, konnten Briten und Franzosen in Amerika Fuß fassen. Spanien hatte wegen der Piraterie die kleineren karibischen Inseln bereits aufgegeben, und der Herzog von Buckingham finanzierte Versuche, sie zu kolonisieren, vor allem St. Kitts und Barbados. Unterdessen fielen die Franzosen in Hispaniola ein und besetzten weitere Inseln, darunter Martinique und Guadeloupe. Die wirtschaftliche und strategische Bedeutung der Karibik für Briten wie Franzosen übertraf die ihrer Außenposten in Kanada, aber die Region sollte erst noch die Bedeutung annehmen, die sie im 18. Jahrhundert besaß. Die Hauptbestrebungen der Holländer richteten sich auf die portugiesischen Besitzungen in Indonesien und Brasilien. Die Generalstaaten hatten den Zwölfjährigen Waffenstillstand bereits 1614 in Ostindien für beendet erklärt, und fünf Jahre später setzte sich die Niederländische Ostindienkompanie in Batavia fest.

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Der Druck auf die Portugiesen nahm zu, als die rivalisierende Britische Ostindienkompanie sie aus Hormus am Eingang zum Persischen Golf vertrieb, einer Festung, die bis dahin als uneinnehmbar gegolten hatte. Im Jahr 1621 starteten die Niederländer eine Offensive, in deren Verlauf sie binnen zwei Jahren die meisten indonesischen Besitzungen Portugals eroberten, womit sie sich die beherrschende Position im Gewürzhandel sicherten. Im Juni 1621 gründeten die Niederländer eine neue Westindienkompanie, um bei dem brasilianischen Zuckerboom mitzumischen, der in der Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstands gediehen war. Den Portugiesen fehlte die Leistungsfähigkeit, um das ökonomische Potenzial Brasiliens auszubeuten, und die Niederländische Westindienkompanie kontrollierte bald mehr als die Hälfte des Zuckerhandels nach Europa. Von ihren calvinistischen Investoren gedrängt, höhere Erträge zu erwirtschaften, organisierte die Kompanie große Expeditionen, um durch Eroberung die beiden südlichen Eckpunkte des großen „atlantischen Dreiecks“ in Besitz zu nehmen, dessen nördliche Spitze die Niederlande bildeten: die schutzlosen portugiesischen Siedlungen entlang der brasilianischen Küste im Westen und die Sklavenstützpunkte in Luanda (Angola) und Elmina an der Goldküste (dem heutigen Guinea) im Osten. Die afrikanische Expedition wurde zurückgeschlagen, aber im Mai 1624 eroberte Piet Hein, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, mit 26 Schiffen und 3300 Mann die wichtigste brasilianische Hafenstadt, Bahia. Die Portugiesen reagierten mit der „Reise der Vasallen“ (Jornada dos vassalos), der größten Militäraktion seit dem unglückseligen portugiesischen Kreuzzug in Marokko von 1577/78. Es war der Adel des Landes, der die 52 Schiffe und 12 566 Mann aussandte, die nicht nur bis Anfang Mai 1625 Bahia zurückeroberten, sondern auch die Holländer aus der Karibik vertrieben und rechtzeitig zurückkehrten, um die Engländer aus Cádiz zu verjagen.151 Cádiz Der Tod Jakobs I. am 27. März 1625 befreite Karl und Buckingham von der letzten Fessel. Sie waren nach wie vor entschlossen, ihre Demütigung in Madrid zu ahnden. Am 18. September wurde im Vertrag von Southampton ein kombinierter anglo-holländischer Angriff vereinbart und ein holländisches Geschwader stieß zur englischen Flotte. Die gemeinsame Streitmacht bestand aus 33 Kriegsschiffen, 70 Truppentransportern und 11 000 Soldaten. Die Flotte griff Cádiz an, nur um festzustellen, dass die Spanier ihre Schiffe in Sicherheit gebracht hatten und sie hinter eindrucksvollen Verteidigungsanlagen erwarteten. Die englischen Truppen landeten schließlich, betranken sich an geraubtem Wein und fingen in der Verwirrung an, sich gegenseitig zu erschießen. Sie wurden wieder eingeschifft, und im November kehrte die Expedition nach Hause

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zurück. Karl und Buckingham wurden heftig getadelt, weil sie kläglich daran gescheitert waren, dem Ruhm und der Herrlichkeit des Elisabethanischen Zeitalters gerecht zu werden. Doch das übliche Bild vom Niedergang unter Karl ist durch die neuere Forschung modifiziert worden, die darauf verweist, dass Englands Schwäche relativ und nicht absolut gewesen sei. Buckingham hatte die Flotte von 23 Schiffen bei seiner Ernennung zum Lord High Admiral im Jahr 1619 immerhin auf 34 im Jahr 1625 vergrößert. Allerdings gingen andere Mächte beim Aufbau staatlicher Kriegsflotten systematischer vor, wenn sie auf eigens gebaute Kriegsschiffe setzten. Frankreich, das 1620 nur drei Schiffe besessen hatte, verfügte 1625 über 17 und 1640 bereits über 53.152 England vertraute nach wie vor darauf, dass Handelsschiffe seine Seestreitkräfte ergänzten, wie im Elisabethanischen Zeitalter. Doch der lange Frieden mit Spanien seit 1604 hatte die englischen Kaufleute überzeugt, dass der Profit im Handel lag, nicht in der Freibeuterei, und sie hatten wenig Interesse daran, sich den Kaperexpeditionen der Krone anzuschließen. Die Niederlage beschädigte Englands Ansehen in Europa und minderte die Glaubwürdigkeit Karls I. als Verbündeter. Frankreich ging auf Distanz, indem es im März 1626 ein Abkommen mit Spanien unterzeichnete. Karl setzte den Krieg bis 1626 fort und beauftragte Admiral Sir John Pennington, im Ärmelkanal zu kreuzen und spanische Schiffe abzufangen. Pennington erbeutete Prisen im Wert von 50 000 Pfund, aber weil er auch französische Schiffe kaperte, verstärkte die Operation bloß Englands Isolation. Die Waffenunion Die spanischen Erfolge zu Lande und zur See ermutigten Olivares, die Anstrengungen zu verdoppeln, um die Holländer zu besiegen. Seine berühmte Waffenunion (Unión de las Armas) hatte ihren Ursprung in seinen früheren Reformen und ist als Versuch interpretiert worden, Spanien zu zentralisieren und zu einen.153 Jede Provinz sollte ein bestimmtes Kontingent an Soldaten zur eigenen Verteidigung unterhalten und sich außerdem durch eine Abgabe am Unterhalt der Hauptarmee und der Kriegsflotte beteiligen, womit die bestehenden Streitkräfte um eine Reserve von 140 000 Mann ergänzt worden wären. Der Plan bedrohte die geschätzte Provinzautonomie, und Olivares stieß auf beträchtlichen Widerstand, als er von November 1625 an nacheinander mit den Provinzen verhandelte. Die Umsetzung des Vorhabens wurde durch fehlende korrekte Informationen über die Ressourcen des Landes untergraben. Beispielsweise wurde Katalonien mit seinen 400 000 Bewohnern aufgefordert, genauso viele Männer zu stellen wie Portugal und Neapel, deren Bevölkerungen jeweils dreimal so groß waren. Die Bedeutung der Waffenunion lag darin, dass sie Olivares’ imperialer Vision Ausdruck gab und eine Basis für zusätzliche Steu-

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ern schuf, statt die Reservisten einzuberufen. Der Umsetzungsgrad war unterschiedlich. Katalonien weigerte sich, überhaupt mitzumachen, Valencia stellte zusätzliche Geldbeträge zur Verfügung, und Aragón schickte schließlich nach 1641 zusätzliche Männer.154 Die oft zitierte prahlerische Behauptung Philipps IV. aus dem Jahr 1625, er habe 800 000 Mann unter Waffen, ist eine Übertreibung und übersteigt sogar die theoretischen Grenzen der Waffenunion.155 Die tatsächliche Gesamtstärke lag eher im Bereich von 130 000 bis 150 000 Mann, von denen etwa 17 000 auf der Iberischen Halbinsel, in Neapel und den atlantischen Außenposten standen, während der Rest in Flandern und der Lombardei stationiert war. Die Flotte bestand ebenfalls aus weniger als den vom König behaupteten 108 Schiffen, war aber dennoch eindrucksvoll. Die Segelflotte war bis 1630 durch Neubauten auf etwa 50 größere Schiffe verdoppelt worden, was dem Höchststand im Jahr 1600 entsprach, während die Galeerenflotte nur knapp unter der früheren Gesamtzahl von etwa 40 Schiffen lag. Olivares blieb optimistisch, und Philipp galt bei seinen Untertanen als der rey planeta oder „Planetenkönig“, weil seine Feinde und deren Satelliten alle durch seine Brillanz eingeschüchtert zu sein schienen. Breda hatte gezeigt, was Landoperationen kosteten, wodurch Olivares sich veranlasst sah, das seit April 1621 verhängte Handelsembargo zu einer umfassenden Strategie zu entwickeln, um die holländische Wirtschaft zu ersticken. Die Kriegsflotte würde die Seewege unterbrechen, während die Armee sich mithilfe ihrer Kette von Garnisonen der Flüsse Rhein, Ems, Weser, Maas und Schelde bemächtigte. Im Jahr 1626 begannen die Arbeiten an einem „Fossa Eugeniana“ genannten Kanal, der den Handel unmittelbar südlich von Wesel vom Rhein wegführen und auf spanisches Territorium, nach Venlo an der Maas, umleiten sollte. Unterdessen wurde von Ende 1624 an ein System von Lizenzen entwickelt, um den nordeuropäischen Handel zu monopolisieren. Das als „Admiralität des Nordens“ (Almirantazago de los Países Septentrionales) bekannte System bestand aus einem Netzwerk von Agenten, die von einem Gerichtshof mit Sitz in Sevilla beaufsichtigt wurden. Ihre Aufgabe war es, den Herkunftsort für Handelsgüter zu bescheinigen, die zu und von spanischen Häfen transportiert wurden. Damit sollte der Schmuggel holländischer Waren unterbunden werden, die als deutsche Produkte oder Erzeugnisse anderer Nationen ausgegeben wurden. Nach Ansicht der spanischen Experten waren die nordeuropäischen Gewässer für die Holländer nämlich wichtiger als West- und Ostindien.156 Versuche, eine konkurrierende Handelskompanie zu schaffen, scheiterten, aber das Lizenzsystem wurde mit Nachdruck betrieben. Dänemark und der Hanse wurden Anreize geboten, die Holländer beim Transport von Schiffsbedarf und Textilien zu ersetzen, und die Briten wurden in das System einbezogen, sobald sie im November

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1630 Frieden schlossen. Spanien weigerte sich, Ladungen ins Land zu lassen, die mit in Holland gebauten Schiffen befördert wurden, was einen Boom auf den norwegischen und norddeutschen Werften auslöste. Obwohl das System nie vollständig durchgesetzt wurde, beeinträchtigte es die Holländer doch stark, bis 1640 die portugiesische Adelsrevolte wieder einige iberische Häfen öffnete. „Zusammen stellt das Gesamtpaket der merkantilistischen Maßnahmen Spaniens in den 1620er- und 1630er-Jahren einen der grundlegendsten und entscheidendsten Faktoren dar, welche die Entwicklung der Weltwirtschaft im 17. Jahrhundert prägten.“157

Richelieu Die spanischen Rüstungsbemühungen richteten sich gegen die Holländer, aber sie versetzten Frankreich in Besorgnis, da es seinen südlichen Nachbarn weiterhin mehr fürchtete als die Unruhe östlich des Rheins. Frankreichs Fähigkeit, darauf zu reagieren, wurde durch seine eigene Instabilität stark eingeschränkt. Obwohl er vier Jahre älter war als Philipp IV., wurde Ludwig 1610 im noch zarteren Alter von acht Jahren König, als sein Vater ermordet wurde. Die Regentschaft wurde auf die Königinmutter, Maria de’ Medici, übertragen, die bis 1614 Regentin blieb. Die Situation wies eine verblüffende Ähnlichkeit mit der des Jahres 1559 auf, als eine andere Königin aus dem Hause Medici, Katharina, für drei junge Könige nacheinander – ihre Söhne Franz II., Karl IX. und Heinrich III. – die Macht ausgeübt hatte. Diesmal nahm Frankreich Abstand vom Bürgerkrieg. Obwohl Heinrich IV. von einem katholischen Fanatiker getötet worden war, hatte er sich im ganzen Land breiter Unterstützung erfreut. Nach seiner Ermordung fielen sogar die Jesuiten in den beinahe einmütigen Chor der Lobpreisungen ein, der schnell den Mythos vom gütigen und erfolgreichen Monarchen begründete, der wollte, dass jeder Bauer ein Huhn im Topf hatte.158 Im Gegensatz zu 1559, als die Monarchie bankrott gewesen war, verfügte Maria über Einkünfte von 24 Millionen Livre und eine Bargeldreserve von zwölf Millionen. Doch viele Probleme, die Frankreich nach 1559 destabilisiert hatten, bestanden 1610 weiterhin fort und sollten die Möglichkeiten des Königs, in europäischen Konflikten zu intervenieren, einschränken. Da waren zuvorderst die Differenzen innerhalb der Herrscherfamilie und ihrer engen Verwandtschaft unter den Prinzen von Geblüt, die eindrucksvolle Titel und riesige Güter besaßen und hohe Staatsämter, wie etwa Provinzstatthalterschaften und Armeekommandos, als ihnen von Rechts wegen zustehend betrachteten. Einige dieser Aristokraten waren katholisch, wie das Haus Guise, einschließlich der Herzöge

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von Lothringen, die durch Heirat mit der früheren Herrscherdynastie der Valois verbunden waren. Andere waren, zumindest bis vor Kurzem, Hugenotten gewesen und mit der gegenwärtigen Dynastie der Bourbonen verwandt. Der Ranghöchste unter ihnen, Henri II. de Bourbon, Fürst von Condé, ein Enkel des Anführers der Hugenotten im Jahr 1562, stellte sich 1614 an die Spitze einer Rebellion und verlangte eine größere Rolle in der Regentschaft. Ein Großteil der finanziellen Reserven Marias wurde für die Abwehr dieser Bedrohung verschwendet. Doch das Problem lag tiefer und hörte damit keinesfalls auf zu existieren: Der französischen Monarchie fehlten die Mittel, ihre stolzen, reichen Aristokraten und deren zahlreiche Anhänger in den Provinzen in das politische System zu integrieren. Traditionell war der Monarch mit diesem Problem in der Weise fertiggeworden, dass er sich kraft seiner Persönlichkeit behauptete und durch die umsichtige Verteilung von Ämtern und Vergütungen für einen Ausgleich zwischen rivalisierenden Aristokraten sorgte. Eingedenk dessen wurde Ludwig XIII. 1614 vorzeitig für volljährig erklärt. Doch Maria war nicht bereit, die Macht preiszugeben, und behandelte ihren Sohn weiter wie ein Kind. So musste der neue König seine Mutter formell darum ersuchen, ihn für seine Fehler nicht mehr zu schlagen. Man hält Ludwig allgemein für eine schwache Persönlichkeit, für einen Herrscher, der nach 1624 die Vormundschaft seiner Mutter gegen die Richelieus ausgetauscht habe. Sicherlich gingen ihm die gute Laune und der Charme seines Vaters ab. Er wuchs auf, verzogen von Eltern, Ärzten und Gouvernante, deren Einmischung gut gemeint, aber unangebracht war. Sein Vater hatte ihm angeblich direkt nach seiner Geburt eine Waffe in die Hände gelegt. Mit 13 Jahren besaß Ludwig bereits 55 Arkebusen und nahm sein Waffenkabinett überallhin mit. Sein Spielzimmer glich einer Rüstkammer. Als man ihm meldete, dass Ravaillac seinen Vater ermordet habe, rief er aus: „Ha! Wenn ich dort gewesen wäre mit meinem Schwert, hätte ich ihn getötet.“ Diesem gespielten Draufgängertum entsprach keinerlei Geschick als Befehlshaber, und es fiel ihm sehr viel schwerer, reale Männer zu führen als seine Spielzeugsoldaten. Trotzdem mangelte es ihm nicht an Ideen, und ein neuerer Biograf behauptet, Ludwig habe gut mit Richelieu zusammengearbeitet, weil beide Männer im Prinzip ähnliche Ansichten gehabt hätten.159 Richelieus Einfluss erwuchs aus seiner Fähigkeit, Ludwigs ungezügelte Leidenschaften in konstruktivere Bahnen zu lenken. Ludwig vertraute ihm, aber er brauchte Richelieu auch als Schild, um Kritik an seiner eigenen Persönlichkeit und seinen eigenen Fehlern zu parieren. Die Kluft zwischen Mutter und Sohn währte bis zu ihrem Tod 1642 und wurde nach 1614 noch ergänzt durch die zusätzliche Rivalität zwischen Ludwig und

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seinem jüngeren Bruder, dem schlicht als „Monsieur“ bekannten Gaston de Bourbon.160 Obschon ein wertvoller Aktivposten in Zeiten, wo die Sterblichkeit von Königen eine politische Belastung war – Ludwig überlebte seine Mutter nur um ein Jahr und starb, als sein eigener Sohn erst viereinhalb war –, war die Rolle des königlichen Bruders unklar definiert und schwer zu spielen. Gaston ärgerte sich auf jeden Fall über seinen untergeordneten Part. Zu den persönlichen Differenzen traten tiefe Unstimmigkeiten darüber, wie das Land regiert werden sollte und wie auf Ereignisse im Ausland zu reagieren sei. So konnte es leicht geschehen, dass sich von Zeit zu Zeit einzelne Personen aus der königlichen Familie oder der Aristokratie herauskristallisierten, in denen sich die konkurrierenden politischen und religiösen Bestrebungen quasi fokussierten, aber die Situation blieb im Fluss, weil rivalisierende Lager ebenso schnell zerfielen, wie sie sich verbanden. Die Hugenotten Der Grundkonsens bestand darin, dass der Monarch im Inund Ausland als Schiedsrichter fungierte. Die Vorstellung eines solchen arbiter war durch Bodins Theorie der Allianzen gestärkt worden, wonach jede Gruppe, die aus mehr als drei Personen besteht, einen Führer braucht, der die Richtung vorgibt und gewährleistet, dass Unstimmigkeiten nicht den Bund gefährden. Das konnte, wie man meinte, im Innern durch die Rolle des Monarchen umgesetzt werden und international mithilfe eines einzigen mächtigen Landes, das den europäischen Frieden gewährleistete.161 Es gab mithin eine gewisse Unterstützung dafür, dass der König die Zügel straffer in der Hand hielt und einen neuerlichen Bürgerkrieg verhinderte. Doch die königliche Autorität blieb begrenzt, vor allem in den entlegenen Provinzen, die Frankreich erst im Laufe des vorangegangenen Jahrhunderts eingegliedert worden waren. Selbst in den Kernprovinzen wurden königliche Entscheidungen erst Gesetz, wenn sie von den zuständigen parlements, den obersten Gerichtshöfen, registriert worden waren. Die religiöse Kluft verstärkte den Provinzialismus in all den Gebieten, für welche das Edikt von Nantes galt (ausgenommen waren Paris und Umgebung sowie Städte mit Bischofssitz oder königlichem Schloss), das den früheren Zyklus der Bürgerkriege 1598 beendete. Diese Regelung war freilich von ganz anderer Art als der Augsburger Religionsfrieden. Letzterer war ein wesentlicher Bestandteil der Reichsverfassung und räumte Lutheranern Rechte in offiziellen Institutionen ein. Hingegen registrierten die französischen parlements nur jene Hälfte des Edikts, die den Katholizismus als Mehrheitsglauben bestätigte und der hugenottischen Minderheit eingeschränkte Gewissensfreiheit gewährte. Diese Minderheit zählte 904 000 Menschen, die in einem Landstreifen lebten, der sich diagonal von La Rochelle an der

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Atlantikküste über die Flüsse Dordogne, Lot und Tarn bis nach Montauban und weiter zum Languedoc am Mittelmeer erstreckte. Weitere 120 000 Hugenotten gab es in der Provinz Béarn im äußersten Südwesten, dem kümmerlichen Rest des alten Königreichs Navarra, der erst 1620 mit der französischen Monarchie vereint worden war. Trotz ihrer beachtlichen Gesamtzahl repräsentierten die Hugenotten einen viel kleineren Anteil der 20 Millionen Einwohner Frankreichs als die Protestanten im Heiligen Römischen Reich. Sie lebten verstreut auf adligen Gütern und an den besonders privilegierten Sicherheitsplätzen (places de sûreté), die in ergänzenden Bestimmungen zum Edikt qua königlicher Autorität geschaffen wurden. In den meisten dieser Orte lagen von der Krone finanzierte protestantische Garnisonen, in einigen Städten durften die Reformierten ihre eigenen Milizen in Garnison legen. Obwohl all dies den französischen Katholiken zum Ärgernis gereichte, blieben die hugenottischen Privilegien weit hinter jenen zurück, derer sich deutsche Protestanten erfreuten. Entscheidend war, dass den Hugenotten eine politische Plattform fehlte, die der Vertretung im Reichstag entsprochen hätte; das Edikt bewilligte lediglich Konsistorien und Synoden. Anfangs vertrauten die Hugenotten auf den Einfluss ihrer adligen Herren am königlichen Hof. Allerdings tat sich eine Kluft auf zwischen den reichen Aristokraten und den ärmeren Provinzadligen, von denen viele zu religiöser Militanz neigten und ein Reservoir von Unterstützern für jene grandes darstellten, die beim König in Ungnade fielen. Ein wichtiges Beispiel war Henri de la Tour d’Auvergne, Vizegraf von Turenne, der durch Heirat mit Charlotte de la Marck, souveräner Herzogin von Bouillon und Fürstin von Sedan, das kleine Territorium seiner Frau in den Ardennen nördlich der Stadt Sedan erlangt hatte. Henris zweite Frau war Elisabeth von Oranien-Nassau, die Tante Friedrichs V., was ihn mit der calvinistischen Internationale verband und Illusionen von Größe nährte. Nachdem er sich 1602 gegen Heinrich IV. verschworen hatte und fliehen musste, war seine Anwesenheit in der Pfalz ein Hauptgrund gewesen, warum Frankreich der Protestantischen Union nicht zu Hilfe kam. Die Hugenotten trachteten nach einer stabileren Plattform für ihre Interessen, weshalb sie ihre religiösen Versammlungen in politische Treffen umfunktionierten und 1611 Henri II. de Rohan zum militärischen Anführer wählten. Obschon aus relativ bescheidenem Provinzadel stammend, war Rohan weit gereist und hatte sowohl für Moritz von Oranien als auch für Heinrich IV. gekämpft, der ihn 1603 zum Herzog erhob. Rohan war überzeugt, dass die Hugenotten das politische Gleichgewicht innerhalb Frankreichs bewahrten, und weigerte sich, 1614 Condés Rebellion zu unterstützen.162 Die Existenz der Hugenotten verkomplizierte die französische Politik erheblich. Angesichts der Tatsache, dass die herrschende Dynastie der Bourbonen erst

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1593 zum Katholizismus übergetreten war und Ludwig XIII. das Edikt von Nantes bei seiner Thronbesteigung bestätigt hatte, sahen die protestantischen Mächte Frankreich als potenziellen Partner. Frankreichs Besorgnis um eine mögliche spanische Einkreisung sorgte für eine weitere Gemeinsamkeit. Die französische Krone ihrerseits bemühte sich auch durchaus um Verbindungen mit protestantischen Staaten, die deutschen Fürsten eingeschlossen. Doch hinderten Differenzen innerhalb der Monarchie und des Hochadels den König daran, die auswärtigen Beziehungen in seiner Person zu monopolisieren. Wenn es um seriöse Alternativen ging, boten sich, da dem Königshaus angehörig, sowohl die Mutter Ludwigs XIII. als auch sein Bruder ausländischen Mächten als potenzielle Partner an, während Bouillon, Rohan und andere hugenottische Große über das calvinistische Netzwerk ihre eigenen Kontakte unterhielten. Wie die böhmischen Rebellen verspürten auch die Hugenotten die Sorge einer ehrgeizigen Minderheit ohne einen festen Platz in der bestehenden politischen Ordnung. Die Monarchie war nun dezidiert katholisch, und obwohl sie den österreichischen Habsburgern nicht darin folgte, die Konfession zu einem Test für Loyalität zu machen, war ihr der privilegierte Platz der Hugenotten in der französischen Gesellschaft zweifellos ein Dorn im Auge – und sei es auch nur, weil er es dem König erschwerte, rivalisierende Forderungen nach Status und Ressourcen zufriedenzustellen. Dass die Krone mit dem Edikt von Nantes in Verbindung gebracht wurde, erschwerte außerdem ihr Verhältnis zu den katholischen Mächten. Der Erste Minister seines Königs Wie diese Situation zu meistern sei, darüber gingen die Meinungen auseinander. Eine Gruppe, die sich les bons catholiques nannte, übernahm das geistige und politische Vermächtnis der Heiligen Liga aus den Religionskriegen. Sie waren inspiriert von Franz von Sales, der fest daran glaubte, dass aus menschlichen Handlungen katholische Frömmigkeit sprechen solle. Seine Ansichten legte er ausführlich in seiner Introduction à la vie dévote (1609) dar, dem Buch, das der Gruppe ihren anderen Namen gab: dévots, die Devoten. Ihrer Auffassung nach sollte sich die Politik von der Religion leiten lassen, da das Göttliche in jedem Fall Vorrang habe vor der Staatsräson. Frankreich könne seine angemessene Funktion als Schiedsrichter Europas nur ausüben, wenn es den Respekt anderer katholischer Mächte wie Spanien erringe. Dieses Ziel sei indes unerreichbar, solange im eigenen Land Häretiker geduldet oder im Ausland Bündnisse mit protestantischen Mächten geschlossen würden.163 Richelieu stellte die Devoten später als naiv hin, aber ihre Vertreter – wie Michel de Marillac, nach 1624 Oberintendant der Finanzen – brachten auch stichhaltige praktische Gründe für ihre Strategie vor. Marillac argumentierte,

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ein Bündnis mit Spanien würde Frankreich die Kosten eines großen Krieges ersparen, sodass Geld abgezweigt werden könne, um Leid zu lindern und die Gefahren eines Volksaufstands zu bannen, die in einem Zeitalter von Missernten und krasser sozialer Ungleichheit allgegenwärtig seien. Die Devoten hofften, Richelieu als Mann der Kirche werde ihre Interessen vertreten, sobald er in die Regierung eintrat. Sie wurden bitter enttäuscht. Richelieu war für eine militärische Laufbahn bestimmt gewesen, sattelte jedoch um und übernahm im Jahr 1607 den Platz eines älteren Bruders als Bischof von Luçon, um die klerikalen Interessen seiner Familie zu wahren. Seine gewissenhafte Durchsetzung der tridentinischen Dekrete trug ihm päpstliche Anerkennung ein. Seine politische Karriere begann 1614, und die nächsten zehn Jahre verbrachte er damit, die tückischen Gewässer höfischer Politik zu befahren. Dabei gelang es ihm, sowohl mit Ludwig und Maria als auch mit dem Papst auf gutem Fuß zu stehen, der ihn 1622 zum Kardinal ernannte. Am 29. April 1624 berief Ludwig XIII. ihn auf Druck seiner Mutter in den „Oberen Rat“ (conseil d’en haut), das Gremium, in dem alle wichtigen politischen Entscheidungen getroffen wurden und das – daher sein Name – im ersten Stock des Palastes zusammenkam. Nach vier Monaten bot der Monarch ihm die Leitung des Rats an, und am 13. August 1624 ernannte er Richelieu zum Ersten Minister (principal ministre) in Frankreich.164 Auf dem Weg zu dieser Position hatte Richelieu mehrfach politische Rückschläge überwunden, die einen schwächeren Mann zugrunde gerichtet hätten. Er entwickelte eine eiserne Entschlossenheit und rücksichtslose Zielstrebigkeit, untermauert vom Neostoizismus, der Philosophie hinter den holländischen Armeereformen, die er sich zu eigen machte. Gewiss war er habgierig, wenn er ein Vermögen von 20 Millionen Livre anhäufte; all der Pomp und das Gepränge waren aber politische Taktik, um Rivalen zu überstrahlen, während er privat asketisch blieb. Zweifellos wollte er seine Spuren in der Geschichte hinterlassen, als er um seinen Stammsitz bei Richelieu an der Grenze zwischen dem Poitou und der Touraine eine neue Stadt bauen und diese 1631 zum Herzogtum erheben ließ. Seine oft zitierten Memoiren waren ein weiterer Versuch, die Meinung der Nachwelt zu prägen. Sie gingen mit geschickter Propaganda einher, die sich an seine Zeitgenossen richtete und von seinem Freund, dem Kapuzinermönch Père Joseph, koordiniert wurde, der als die „graue Eminenz“ hinter der „roten Eminenz“ des Kardinals in die Geschichte eingegangen ist.165 Diskrepanzen zwischen dem sorgsam gepflegten Bild, der tatsächlichen Politik und den Hoffnungen und der Kritik der Zeitgenossen haben dazu geführt, dass die spätere Meinung in allen relevanten Punkten radikal abgewichen ist. Richelieu gilt abwechselnd als grausam oder edelmütig, als Kriegstreiber oder

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Friedensstifter, als Architekt des modernen Frankreich oder als der Mann, der das Land in einen langwierigen und kostspieligen Krieg stürzte. Kritiker beschuldigen Richelieu des Machiavellismus, und selbst jene, die ihm gewogen sind, betonen seine kühle, berechnende Strategie. Ein Opportunist war er nur insoweit, als er bestrebt war, die Umstände zu seinem Vorteil zu wenden. Politik war wie eine Schachpartie – auch damals schon eine gängige Metapher –, und Richelieu dachte mehrere Züge voraus, wusste aber, dass es noch viele weitere waren bis zum Schachmatt. Richelieu, der während der letzten und zerstörerischsten Phase der Religionskriege aufwuchs, glaubte ebenso wie Bodin an eine starke Monarchie als Bollwerk gegen Tyrannei und Anarchie. Und er akzeptierte die gallische Tradition der Anerkennung der geistlichen Rolle des Papstes, während er zugleich die Verwaltungsautonomie der französischen Kirche verfocht. „Die Interessen eines Staates und die Interessen der Religion sind zwei grundverschiedene Dinge“, erklärte er 1616.166 Der Staat müsse christlichen Zielen dienen, aber er sei ein politisches Kollektiv ohne eine unsterbliche Seele und könne sich daher Maßnahmen leisten, die einzelnen Christenmenschen nicht erlaubt seien. Diese Sichtweise brachte ihn den Gegnern des parti dévot näher, den bons Français, die bereit waren, für das übergeordnete Wohl Frankreichs Kompromisse mit den Hugenotten zu schließen. Die Hugenotten galten nach wie vor als Bedrohung für die Monarchie und den wahren Glauben, aber ihrer Meinung nach wäre es dennoch falsch, einen neuerlichen Bürgerkrieg zu riskieren, vor allem angesichts der ausländischen Gefahren. Das Wachstum der spanischen Macht wurde als Bedrohung der „traditionellen“ Rolle Frankreichs als Schiedsrichter empfunden und stellte daher eine größere Gefahr für die Christenheit dar als die Existenz von Häretikern im eigenen Land. Richelieus Ziel war ein „guter Frieden für die Christenheit“, eine Vorstellung, die er bewusst nicht näher ausführte. Allerdings verwendete er gezielt die Metapher der Sonne, wenn er Ludwig XIII. als den gütigen Mittelpunkt eines harmonischen Universums darstellte, der über Frankreich hinaus Ordnung ausstrahle. Inwieweit Richelieu selbst daran glaubte, ist bis heute umstritten. Nichtsdestotrotz wurde diese Metapher zur Hauptrechtfertigung für die Innen- und Außenpolitik Frankreichs. Die Aufstände der Hugenotten Im Innern war Richelieu bestrebt, die königliche Macht zu festigen, indem er die Macht der Großen und der Hugenotten allmählich eindämmte. Ludwig XIII. hatte damit bereits begonnen, als er 1618 dem Béarn seine Autorität aufzwang. Dieser unblutige Feldzug hilft – zusammen mit zwei kurzen Zusammenstößen mit seiner Mutter, die zu den Waffen griff, um Einfluss zurückzuerlangen –, Frankreichs relativ zurückhaltende Poli-

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tik während des Böhmischen Aufstands zu erklären. Die seit 1621 wieder aufflammenden Kämpfe gegen die Hugenotten verhinderten anschließend eine Einmischung in die Schwierigkeiten des Heiligen Römischen Reiches. Das zeitliche Zusammentreffen des neuerlichen Bürgerkriegs in Frankreich mit der Fortsetzung des spanisch-niederländischen Konflikts und den Kämpfen im Reich vermittelt den Eindruck eines allgemeinen Flächenbrands. Genauso erschienen die Ereignisse gewiss vielen Hugenotten und der Partei der Devoten. Wie die Anführer der böhmischen Stände waren auch die Militanten unter den Hugenotten überzeugt von der Existenz einer katholischen Verschwörung zur Ausrottung ihres Glaubens und zur Ausschaltung ihres politischen Einflusses. Die hugenottische Versammlung im Dezember 1620 in La Rochelle kam ohne königliche Genehmigung zusammen. Die Stadt war durch internationalen Handel reich geworden und gut integriert in das protestantische Handelsnetz. Beinahe vollständig vom Meer und von Salzsümpfen umgeben, ergänzte sie ihren natürlichen Schutz mit modernen Befestigungen, die zwischen 1596 und 1611 erbaut wurden. Radikale Kongregationalisten brachten die Stadt unter ihre Kontrolle und wendeten sich an England um Schutz. Viele waren unzufrieden mit Rohan und der adligen Führung, denen sie unterstellten, Karrieren bei Hofe über die religiöse Pflicht zu stellen. La Rochelle nahm den Charakter einer abtrünnigen Regierung an, die königlicher Autorität trotzte, und erlangte in dem Maße Bedeutung, wie der hugenottische Einfluss anderswo schrumpfte.167 Ebenso wie der neu aufgeflammte Spanisch-Niederländische Krieg folgten auch die Aufstände der Hugenotten ihrer eigenen Logik, getrennt von den Zwistigkeiten anderswo auf dem Kontinent. Ihre Ursprünge lagen im katholischen Unmut über das Edikt von Nantes und in der hugenottischen Sorge über den eigenen mangelnden politischen Einfluss. Der Konflikt brach dreimal offen aus, von April 1621 bis Oktober 1622, von Januar 1625 bis Februar 1626 und von Juli 1627 bis Juni 1629. Zu Kämpfen kam es nur periodisch, weil keine Seite willens oder fähig war, die Sache mit Gewalt zum Abschluss zu bringen. Die Krone konnte selten mehr als 20 000 Mann für mehr als ein paar Monate am Stück zusammenbringen und nutzte diese Streitmacht, um sich die vorübergehende Vorherrschaft in bestimmten Regionen zu sichern. Vor 1627 konzentrierten sich die Operationen auf den Süden und Osten. Die Kämpfe waren oft grausam und schonungslos, weil der Konflikt lokale Fehden aus den früheren Religionskriegen erneuerte. Die Krone milderte ihre Repression, indem sie gelegentlich Milde zeigte, um auf diese Weise das königliche Ansehen zu erhalten und die Akzeptanz für den fortschreitenden Abbau der hugenottischen Autonomie zu fördern. Die Friedensschlüsse von 1622 und 1626 bestätigten die Freiheit der Religionsausübung und begnadigten jene, die zu den Waffen gegriffen hatten; eroberte

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Festungen wurden indes nicht zurückgegeben. Bis 1627 waren die Hugenotten im Wesentlichen zurückgeworfen auf Montauban und La Rochelle. Der Zugang zur letztgenannten Stadt wurde eingeschränkt durch die königliche Einnahme der Inseln Oléron und Ré, welche die Mündung der Charente beherrschten. Diese Inseln wurden ebenso wie die Stadt Brouage im Süden befestigt, um Richelieus neuer Kriegsflotte als Stützpunkte zu dienen.168 Die Hugenotten stellten nach wie vor eine Bedrohung dar, und Richelieu fürchtete, dass Maria, Gaston d’Orléans oder andere Große, die eifersüchtig auf seinen Einfluss waren, jeden Rückschlag und jede Niederlage ausnutzen würden. Gerüchte über Verschwörungen, echte und falsche, umschwirrten ihn und erregten das Interesse Spaniens, da Olivares ihn zunehmend als gefährlichen Widersacher empfand. Angebliche spanische Verwicklungen in diese Verschwörungen bestärkten Richelieu nur in seiner Überzeugung, dass alle europäischen Konflikte zusammenhingen, nicht qua Religion, sondern qua habsburgischer Böswilligkeit. Er glaubte, dass Philipp IV. Ferdinand zum absoluten Herrscher machen und deutsche Ressourcen mobilisieren wolle, um die Holländer zu bezwingen. Das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Philipp ärgerte sich darüber, wie schäbig Ludwig seine Schwester Anna behandelte, die den französischen König im Jahr 1615 geheiratet hatte. Die Eheschließung war Teil der von Maria und Lerma betriebenen Annäherungspolitik gewesen. Seit ihrer Ankunft war Anna allerdings von der Politik und von der Zuneigung des Königs ausgeschlossen worden – Maßnahmen, die pervertierten, was Spanien als natürliche katholische Solidarität betrachtete. Frankreich schien mit dem Teufel im Bunde zu sein, wenn es im eigenen Land Häretiker duldete und im Ausland die Holländer unterstützte. Die spanische Propaganda setzte die französische Kriegslust wirkungsvoll in Kontrast zu dem spanischen Anspruch, die älteste Monarchie und das erste christliche Volk zu sein.169 Richelieus Strategie Richelieu entwickelte vier Methoden, um der spanischen Bedrohung zu begegnen, und verfolgte diese Optionen je nach den Umständen mit unterschiedlicher Intensität.170 Seine bevorzugte Strategie bestand aus einem Netz von Allianzen, das Frankreich ermöglichen sollte, die spanische Hegemonie zu überwinden und die gewünschte allgemeine Befriedung Europas zu bewerkstelligen. Dies erklärt seine Beteiligung an langen Verhandlungen mit den mächtigeren europäischen Staaten für eine gewaltige antihabsburgische Front nach 1624. Er war sich sehr wohl bewusst, welche Hindernisse dem entgegenstanden, und führte deshalb parallele Gespräche mit dem Ziel gesonderter deutscher und italienischer Bündnisse. Die Gespräche über eine italienische Allianz standen unter dem Motto der „Freiheit Italiens“ von spanischer Vorherr-

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schaft und beinhalteten Bemühungen, Venedig, Savoyen, Parma, den Kirchenstaat und weitere Staaten in einem Defensivbündnis zusammenzuschließen, um die spanischen Garnisonen in Mailand und Neapel zu isolieren. Verhandlungen im Heiligen Römischen Reich beschworen die „teutsche Libertät“ als Mittel zur Schwächung des Kaisers. Richelieus bevorzugter Plan bestand in einer Verständigung mit Bayern, um die Katholische Liga in eine pro-französische, neutrale Partei zu verwandeln, die Ferdinand davon abhalten könnte, Truppen gegen die Holländer zu entsenden. Doch er war auch bereit, mit protestantischen Fürsten wie Johann Georg von Sachsen zu verhandeln, wenn sie willens waren, an diesem Ziel mitzuarbeiten. Bilaterale Allianzen mit einzelnen Staaten waren eine zweite Strategie, die vergebliche Versuche, andere zum Eintritt in umfassendere Bündnisse zu überreden, kompensieren sollte. Solche Allianzen waren bewusst vage gehalten, um Frankreichs katholische Legitimation nicht aufs Spiel zu setzen oder das Königreich auf Ziele zu verpflichten, an denen es wenig Interesse hatte. Richelieus bevorzugte Vorgehensweise bestand darin, Subsidien anzubieten statt Rekruten – so konnte er einem Verbündeten helfen, ohne ihn offen zu unterstützen. Dies kennzeichnete seine Unterstützung für die Holländer und Schweden bis 1635, die, wie er hoffte, beide Habsburger Linien beschäftigen würden. Die dritte Option bestand darin, schwächeren Territorien – die Frankreich möglicherweise halfen, indem sie französischen Truppen freien Durchzug gewährten – „Protektion“ anzubieten.171 Bereits im Jahr 1552 hatte Frankreich die Bistümer Metz, Toul und Verdun militärisch besetzt und sie mitsamt der dazugehörigen Städte der Krone unterstellt. Damit hatte Frankreich sich nicht nur einen Zugang nach Lothringen verschafft, sondern bedrohte auch die Spanische Straße (siehe Kapitel 5). Die französische Position wurde um 1600 ausgebaut, indem Frankreich Sedan und Genf Schutz anbot und wegen ähnlicher Vereinbarungen an kleinere elsässische und italienische Herrscher herantrat. Frankreichs Wiederaufblühen nach den Religionskriegen hatte solche Angebote attraktiv gemacht. Die Unfähigkeit Rudolfs II. schwächte den Wert des Reichsschutzes, insbesondere für gefährdete Territorien an der Peripherie des Reiches. Die Schweizer Neutralität war von sehr begrenztem Wert, da es der Eidgenossenschaft widerstrebte, neue Partner aufzunehmen oder sich in Angelegenheiten jenseits der Alpen zu engagieren. Die Stärke Frankreichs machte indes aus seinem Schutz auch einen ersten möglichen Schritt zur Annexion. Denn damit dieser Schutz wirkungsvoll war, musste Frankreich eine Militärpräsenz schaffen, die ebenso drückend für das Schutzgebiet wie beunruhigend für seine Nachbarn war. Schutz wurde folglich zur letzten Option für die Schwachen, sobald klar war, dass andere ihre Neutralität nicht respektieren würden.

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Schutz konnte aber auch Frankreich Probleme bereiten. In diesem Fall sah Richelieu sich zu seiner vierten und am wenigsten gewollten Option genötigt: militärischem Handeln. Waffengewalt sollte der Diplomatie Gewicht verleihen, insbesondere in Verbindung mit Allianzen. Eroberungen waren begrenzt und eng mit Schutz verbunden. Beides waren Mittel, sich über die französischen Grenzen hinweg Zugangswege, Verbindungslinien und Durchzugsrechte zu verschaffen, um eine ausländische Invasion zu vereiteln und es Frankreich zu ermöglichen, andernorts zu intervenieren. Diese Strategie war keine richelieusche Erfindung. Schon das französische Engagement in Italien seit 1600 war darauf gerichtet gewesen, sich mittels der Alpenpässe Susa, Pinerolo, Saluzzo und Casale eine gefahrlose Route über die Alpen zu sichern. Vordergründig defensiv, war diese Politik von Natur aus aggressiv und neigte dazu, Frankreich in Konflikte unmittelbar jenseits seiner Grenzen zu verwickeln. Der seit Langem bestehende Wunsch, Metz, Toul und Verdun zu annektieren, leistete der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Lothringens Vorschub, um den Einfluss des Herzogs in den drei Bistümern auszuschalten. Die Intervention in Lothringen wiederum zog Frankreich in die Auseinandersetzungen in den benachbarten deutschen Territorien hinein und war, wie wir in Kapitel 16 sehen werden, ein Hauptgrund für den Krieg mit Spanien 1635. Wie Olivares’ Strategie war auch die Richelieus von Grund auf fehlerhaft. Beide Männer sahen, ganz im Sinne von Clausewitz, den Krieg als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln. Keiner von beiden wollte einen größeren Konflikt. Die Anwendung von Gewalt sollte die andere Seite vernünftiger machen. Leider besaßen beide keine präzisen Informationen hinsichtlich der Stärke oder der Interessen des anderen. Nachdem der Konflikt einmal begonnen hatte, wurde es schwierig, den Kreislauf zu durchbrechen, da Druck von der einen Seite die andere veranlasste, die Dinge anderswo zuzuspitzen. Einzeln betrachtet, blieben die Ereignisse relativ unbedeutend, doch in dem Maße, wie die Streitpunkte sich häuften und das Misstrauen wuchs, wurden die Verhandlungen darüber zunehmend schwieriger.

Das Veltlin Die Schwierigkeiten werden am besten veranschaulicht durch die Spannungen wegen des Veltlins – ein Streit, der Richelieus Machtantritt vorausging. Der Böhmische Aufstand hatte hier das Patt zwischen dem spanischen Gouverneur des Herzogtums Mailand und dem Rätischen Freistaat (den Drei Bünden), der das Alpental kontrollierte, gestört. Die radikalen Calvinisten, welche nach der Macht

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im Freistaat griffen, begrüßten die Wahl Friedrichs zum böhmischen König und unterstützten ihn später mit Truppen.172 Madrid wies den im August 1618 zum Gouverneur ernannten Herzog von Feria, Gómez Suárez de Figueroa, an, den Pass wieder zu öffnen, vorausgesetzt, er könne die Militäraktion auf das Veltlin beschränken. Feria ging über seine Anweisungen hinaus. Ohne Madrid zu informieren, tat er sich mit den Veltliner Katholiken zusammen, die um Hilfe gegen ihre protestantischen Herren ersucht hatten. Kapuzinermönche fungierten als Kuriere in genau der Art von Verschwörung, die militante Protestanten überall witterten. Als sie sahen, dass sich spanische Truppen in der Festung Fuentes bei Colico am südlichen Ende des Tals sammelten, ergriffen die Bündner Gegenmaßnahmen. Weil sie fürchteten, entdeckt zu werden, schlugen die Katholiken allerdings los, bevor Feria so weit war, und lösten im Juli 1620 den 15 Tage währenden „Veltliner Mord“ – auf Italienisch auch sacro macello, „heilige Schlächterei“, genannt – aus, an dessen Ende mindestens 400 Protestanten tot waren. Die Überlebenden flohen nach Westen und Norden in die Schweiz und nach Rätien.173 Unterstützt von 1500 protestantischen Schweizern, gingen Truppen der Drei Bünde zum Gegenangriff über, schlugen die Einheimischen in die Flucht und zerstörten ihre Kirchen. Anschließend rückten 1000 Spanier von der Festung Fuentes aus vor und eroberten bis September Chiavenna und die südliche Hälfte des Tals. Die katholischen Aufständischen bildeten im Schutz neuer spanischer Festungen in Morbegnio, Sondrio, Nova und Riva ihre eigene Regierung. Der Druck auf die Bündner nahm zu, da Erzherzog Leopold V. eine Gelegenheit sah, abermals die österreichische Zuständigkeit durchzusetzen, und vom Salzburger Erzbischof militärischen Beistand anforderte. Der erste Vorstoß der Habsburger wurde im März 1621 am nördlichen Ende des Tals zurückgeschlagen, aber bis zum darauffolgenden Januar hatten die Bündner kapituliert und traten die Gewalt sowohl über die acht Hochgerichte des Zehngerichtebundes – einer der namengebenden drei Bünde – als auch über das zum Gotteshausbund – ein weiterer dieser drei Bünde – gehörende Unterengadin ab. Damit war der Rätische Freistaat um fast ein Drittel geschrumpft und sein Einfluss auf das nördliche Veltlin bedroht. In der Südhälfte wurde der Katholizismus gewaltsam durchgesetzt, reformierten Predigern wurde ein Jahr gegeben, um das Land zu verlassen. Ein protestantischer Aufstand im April 1622 im bündnerischen Prättigau vertrieb die österreichischen Besatzungstruppen vorübergehend, aber frische Truppen schlugen die Erhebung im September nieder. Im Lindauer Vertrag mit Erzherzog Leopold vom 30. September 1622 musste der Rätische Freistaat das Münstertal, das Unterengadin und das Prättigau an Österreich abtreten. Der folgende Hungerwinter verursachte allenthalben Leid und Elend in Graubünden.

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Obwohl Madrid Ferias Handeln im Nachhinein gebilligt hatte, erwies es sich als äußerst fatal. Die Intervention hatte die Pattsituation nicht beseitigt, die dazu führte, dass am Ende niemand das Tal nutzen konnte, sondern nur Aufregung in Italien verursacht, wo Venedig und der Kirchenstaat 1621 Gespräche für eine Allianz mit Frankreich aufgenommen hatten. Ein französisches Engagement war das Letzte, was Spanien wollte, und strebte daher eine diplomatische Lösung an. Abgelenkt durch seine eigenen Probleme, wollte auf der anderen Seite auch Frankreich einen Kampf vermeiden, musste aber handeln, um seinen Einfluss in Italien zu wahren. Die Abgesandten Ludwigs begannen eine Reihe von Gesprächen mit Savoyen und Venedig, die bewusst weithin publik gemacht wurden und im Februar 1623 im Vertrag von Lyon gipfelten. Der sah vor, dass eine 40 000 Mann starke Armee, möglicherweise unter dem Befehl Mansfelds, die Spanier vertreiben sollte. Spanien war nicht bereit, einen Krieg zu riskieren, und akzeptierte, um das Gesicht zu wahren, die Vermittlung des Papstes. Eine Woche nach dem Lyoner Vertrag verständigten sich beide Seiten darauf, dass päpstliche Truppen die spanischen im Tal ersetzen sollten. Obwohl es Spanien im Oktober 1623 gelang, 7000 Mann Verstärkungen über die Spanische Straße durch das Tal nach Deutschland zu schicken, blieb die Situation unbefriedigend. Überdies signalisierte die Wahl des frankophilen Urban VIII. zum neuen Pontifex in jenem August eine Veränderung zuungunsten der Habsburger. Urban war überzeugt, dass die religiöse Krise vorüber war, und stoppte die Subsidien seines Vorgängers an den Kaiser und die Katholische Liga. Der antihabsburgische Trend setzte sich nach Richelieus Machtübernahme 1624 fort, da dieser in dem Veltliner Streit eine Chance sah, den Druck auf Spanien zu verschärfen, ohne Frankreich über Gebühr zu exponieren. Der Krieg von 1625 Richelieu erhielt eifrigen Beistand von Karl Emanuel I. von Savoyen, der seinen seit Langem bestehenden Streit mit Genua wegen des Lehens Zuccarello beilegen wollte und im November 1624 einen geheimen Pakt mit Frankreich unterzeichnete.174 Ein Angriff auf Genau würde das südliche Ende der Spanischen Straße abschneiden und die Genueser Bankiers der spanischen Krone ausschalten. Da auch die Protestanten Habsburg momentan offenkundig feindlich gesinnt waren, schien der Zeitpunkt günstig, was die französische Teilnahme an den Londoner Gesprächen mit Mansfeld erklärt. Richelieu hoffte, England und die Holländer würden eine Flotte entsenden, um seinem eigenen Geschwader dabei zu helfen, den Seeweg zwischen Spanien und Genua zu unterbrechen, während Venedig Mailand angriff. François Annibal d’Estrées und 3500 französische Sol-

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daten durchquerten protestantisches Schweizer Territorium, um zu einer ähnlichen Anzahl Söldner aus der Eidgenossenschaft und den Drei Bünden zu stoßen, die mit französischem Geld ausgehoben worden waren. Weitere Subsidien und Truppen strömten nach Savoyen, wo die Franzosen ein Drittel des 30 000 Mann starken Heeres bildeten, das im Februar 1625 unter dem Kommando von d’Estrées mit den Operationen gegen Genua begann. Der Angriff erwischte Spanier und Genuesen unvorbereitet. Der größte Teil Genuas wurde überrannt, während im März 4000 Mann Verstärkungen aus Spanien von französischen Kriegsschiffen abgefangen wurden. D’Estrées eroberte rasch das Veltlin, weil die päpstlichen Garnisonen außer in Riva und Chiavenna keinen Widerstand leisteten. Dann begann Richelieus ausgeklügelter Plan sich zu entwirren. Durch das Veltliner Unternehmen geriet Frankreich in direkte Gegnerschaft zu einem im Prinzip frankophilen Papsttum, was die Devoten erzürnte. Der Herzog von Feria entsandte 6000 Mann, um die Stadt Genua selbst zu verstärken, die der Belagerung durch Franzosen und Savoyer weiterhin standhielt. Venedig hielt sich von den Kämpfen fern, und auch die britische und holländische Unterstützung blieb aus, wodurch es Spanien ermöglicht wurde, die relativ schwache französische Flotte zu durchbrechen und im August Genua zu entsetzen. Ein neuer hugenottischer Aufstand 1625 lenkte unterdessen Richelieu zu Hause ab. Es war typisch für die verworrene Politik der calvinistischen Internationale, dass die französischen Protestanten dazu beitrugen, dass ihre Regierung ihren alpinen Glaubensbrüdern nicht beistehen konnte. Immerhin lieferte der Aufstand Richelieu einen Vorwand, Gespräche zu eröffnen, um einer zunehmend gefährlichen Situation zu entkommen. Die päpstliche Vermittlung gipfelte am 5. März 1626 im Vertrag von Monzón, der die Situation, wie sie vor 1617 bestanden hatte, wiederherstellte – mit wichtigen Einschränkungen. Die Zuständigkeit der Drei Bünde über das Veltlin wurde nominell wiederhergestellt; Letzteres wurde nun als katholisch anerkennt, was seine Autonomie stärkte und Zweifel aufwarf, was die Entscheidung über das Durchgangsrecht durch das Tal betraf. Päpstliche Truppen ersetzten die französischen, wenngleich die Festungen geschleift werden sollten.175 Monzón stellte eine schwere Niederlage für Richelieu dar, der seinen Gesandten für die Bedingungen verantwortlich machte und Krankheit vorschützte, um den wütenden savoyischen Botschafter nicht sehen zu müssen. Solcherart im Stich gelassen, sah Savoyen sich gezwungen, seinen eigenen Frieden zu schließen; es strebte nun eine spanische Allianz an und intrigierte mit französischen Unzufriedenen gegen Richelieu. Möglicherweise war das Herzogtum auch in die Verschwörung des Grafen von Chalais zur Ermordung des Kardinals im Jahr 1626 verwickelt. Die erste Runde hatte Spanien gewonnen.

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12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29) Wirren in Niedersachsen

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ls Mansfeld im Januar 1624 Ostfriesland räumte, endete damit im Grunde der Krieg im Heiligen Römischen Reich. Mit der dänischen Intervention im Juni 1625 begann stattdessen der von den Dänen so genannte Kejserkrig, der Krieg gegen den Kaiser. Die Kämpfe konzentrierten sich auf Niedersachsen, eine Region, die bis dahin von dem Konflikt verschont worden war. Wenngleich es sich um eine gesonderte Phase in der Auseinandersetzung handelte, hielten die meisten Menschen sie für die Fortsetzung der früheren Wirren. Ein Element der Kontinuität stellte die pfälzische Frage dar, vor allem für die Engländer, die hofften, Dänemark würde Erfolg haben, wo Mansfeld gescheitert war. Doch weit bedeutungsvoller waren die Hoffnungen und Ängste, die im Reich nach 1618 durch die Machtverschiebung geschürt wurden, die mit der Restitution der seit 1552 an Protestanten übergegangenen Territorien verbunden war. Die norddeutschen Bistümer Es ging um sieben niedersächsische und fünf westfälische Bistümer; beide Gruppen machten jeweils mehr als ein Viertel ihrer Region aus (siehe Tabelle 2).176 Der katholische Einfluss in dem Gebiet beschränkte sich auf das südwestliche Westfalen, wo er zur Gänze von Kurfürst Ferdinand von Köln abhing. Die Präsenz der Protestanten wurde verstärkt durch die Tatsache, dass praktisch der gesamte weltliche Grund und Boden ebenfalls in ihrer Hand war. Doch wurde ihr Einfluss geschmälert durch Rivalitäten unter den einheimischen Dynastien sowie zwischen ihnen und dem dänischen König. Die Differenzen führten zum Verlust von Osnabrück, wo im April 1623 der Kurienkardinal Eitel Friedrich von Hohenzollern zum ersten katholischen Bischof seit 49 Jahren gewählt wurde. Obwohl Kaiser Ferdinand die Mühlhausener Erklärung nach wie vor respektierte, war er zweifelsohne verärgert, weil die Niedersachsen nicht verhindert hatten, dass Herzog Christian in den Jahren 1621 und 1622/23 Heere aufgestellt hatte. Die Niedersachsen ihrerseits argwöhnten, dass die wiederholten Forderungen des Kaisers nach Geld, um Bethlen und die Türken abzuwehren, eine List seien, um Ressourcen für einen Schlag gegen sie zu sammeln. Tillys fortgesetzte Anwesenheit jenseits der Weser in Westfalen vergrößerte ihre Sorge.

12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29) Tabelle 2 Besitz der norddeutschen Bistümer (ca. 1590–1650) Territorium Größe (km2) Niedersachsen Bremen 5170

Magdeburg

5005

Halberstadt

1705

Hildesheim Schwerin

1760* 770

Lübeck

522

Ratzeburg

374

Westfalen Münster Paderborn Osnabrück

10 500 975 2025

Verden

1320

Religion

Herrscher

P 1596–1634 P 1634–45 P 1645–1714 P 1598–1631 K 1631–38 P 1638–80 P 1616–23 1623–25 K 1627–48 K 1612–50 P 1603–24 P 1624–33 P 1634–48 P 1607–34 P 1634–55 P 1610–36 K 1629–30 P 1636–48

Johann Friedrich von Holstein-Gottorf Friedrich III. von Dänemark Schweden Christian Wilhelm von Brandenburg Erzherzog Leopold Wilhelm (Habsburg) August von Sachsen-Weißenfels Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel vakant Leopold Wilhelm (siehe Magdeburg) Ferdinand von Köln Ulrich II. von Dänemark Ulrich III. von Dänemark Adolf Friedrich von Mecklenburg Johann Friedrich (siehe Bremen) Johann X. von Holstein-Gottorf August von Braunschweig-Lüneburg Bernhard von Mallinckrodt Gustav Adolf von Mecklenburg

K 1612–50 K 1618–50 P 1591–1623

Ferdinand von Köln Ferdinand von Köln Philipp Sigismund von BraunschweigWolfenbüttel Eitel Friedrich von Hohenzollern Franz Wilhelm von Wartenberg Philipp Sigismund (siehe Osnabrück) Friedrich III. von Dänemark (siehe Bremen) Franz Wilhelm (siehe Osnabrück) Johann Friedrich (siehe Bremen) Friedrich III. von Dänemark (siehe Bremen) Schweden Christian von Braunschweig-Lüneburg Franz Wilhelm (siehe Osnabrück) Brandenburg-Preußen

K 1623–25 K 1625–61 P 1586–1623 P 1623–29 K 1630–31 P 1631–34 P 1634–45

Minden

1198

P 1645–1714 P 1599–1629 K 1629–48 P 1648–1806

Bremen und Magdeburg waren Erzbistümer, der Rest Bistümer. * einschließlich des „Großen Stifts“ im Besitz der Welfen K katholisch P protestantisch

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TEIL II: Der Konflikt

Dänische Motive Christian IV. von Dänemark beobachtete diese Entwicklungen mit Interesse. Er betrachtete die geistlichen Territorien als passsende Pfründen für seine jüngeren Söhne und als Mittel, den dänischen Einfluss über die großen Handelsflüsse Elbe und Weser hinaus auszuweiten. Freilich hatte sich herausgestellt, dass die dänische Einmischung den Welfen und den Hansestädten ebenso wenig willkommen war wie den Holstein-Gottorfs, die Vasallen Christians und zugleich seine Rivalen insbesondere um die Kontrolle Bremens waren. Christian strebte nach besseren Beziehungen und größerem Einfluss in Niedersachsen, einem Gebiet, das lange eine Domäne der Welfen gewesen war. Seit Anfang 1624 ermutigte ihn nun eine Kombination mehrerer Faktoren, eine militärische Intervention in Erwägung zu ziehen. Um religiöse Solidarität ging es dabei kaum, da der Zeitpunkt, den böhmischen und deutschen Protestanten zu helfen, längst verstrichen war. Allerdings bestärkte die Sorge, dass Schweden eine Armee entsenden könnte, Christian darin, über einen Erstaufmarsch nachzudenken, und sobald Gustav Adolf sich in seinem eigenen Krieg mit Polen verzettelte, konnte der Dänenkönig gefahrloser eine Intervention in großem Stil in Deutschland in Betracht ziehen. Der dänische Adel, der die Kosten eines für Christians dynastische Interessen geführten Krieges fürchtete, hielt nicht viel davon. Doch Christians große Bargeldreserve bedeutete, dass er die Opposition im eigenen Land ignorieren und ohne zusätzliche Steuern loslegen konnte. Weil ihm klar war, dass ein langer Konflikt mehr Unterstützung bräuchte, begrüßte er einen neuerlichen Appell in Friedrichs Namen, den dessen Schwager Jakob I. vorbrachte. Im Januar 1625 stieß Dänemark zu den Verhandlungen in Den Haag über eine evangelische Allianz. Im Juni traf Sir Robert Anstruther, der fließend Dänisch sprach, mit der ersten Rate einer großen englischen Unterstützungszahlung ein. Christian hatte inzwischen mehr als 20 000 Mann in Holstein zusammengezogen und eine Flotte von 30 Schiffen aufgeboten. Man hat behauptet, dass er beabsichtigte, an Tilly vorbei durchzubrechen und potenzielle Verbündete wie Hessen-Kassel oder die unruhigen oberösterreichischen Bauern zu sammeln.177 Dies ist zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich. Christians Aktivitäten blieben auf Niedersachsen beschränkt, wo seine Vertreter auf der Kreisständeversammlung im März 1625 für seine Wahl auf den vakanten Posten des Kreisobersten warben, um ihm das Kommando über sämtliche zum Schutz der Bistümer mobilisierten Truppen zu verschaffen. Er trachtete nach einem rechtmäßigen Rahmen, um den dänischen Einfluss zu festigen und seine dynastischen Ziele als auf die Wahrung der Reichverfassung gerichtet darzustellen. Die Niedersachsen durchschauten diese Absicht und wählten stattdessen Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Christian zwang die

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Kreisstände, im Mai erneut zusammenzukommen. Nun wurde die frühere Entscheidung annulliert, und der Kreistag wählte wie erwartet den Dänenkönig zum Obersten des Niedersächsischen Reichskreises. Außerdem stimmten die Stände zu, 12 900 Mann aufzubieten, und billigten die Heereskosten, ersuchten aber um dänische Vorfinanzierung.178 In Wirklichkeit sammelten sich nur etwa 7000 Soldaten bei Verden am Zusammenfluss von Aller und Weser. Anfang Juni überquerten Christians Truppen unmittelbar westlich von Hamburg die Elbe und zogen nach Nienburg an der Weser. Die Machtdemonstration sollte ihm bessere Karten bei Verhandlungen mit Tilly und Ferdinand verschaffen, mit denen er, nachdem die Operationen begonnen hatten, per Kurier Kontakt hielt. In Den Haag war im Januar keine feste Vereinbarung erzielt worden, und erst als Christian Ende 1625 isoliert dastand, fand er sich zu einem umfassenderen antihabsburgischen Bündnis bereit. Schon löste sein Vorgehen in Niedersachsen Bestürzung aus, weil es gegen die Auflage der Stände verstieß, das Heer ausschließlich zur Verteidigung des Kreises einzusetzen, was mit der offensiven Agenda der antihabsburgischen Mächte unvereinbar war.179 Die Lüneburger Welfen verurteilten Friedrich Ulrichs Entscheidung, auf das Kreiskommando zu verzichten. Herzog Georg, der künftige Großvater von Großbritanniens König Georg I., gab im Februar 1626 sein Patent eines Obersten in der dänischen Armee ab und trat in kaiserliche Dienste ein. Der Wechsel war Teil einer Abmachung, die den Besitz seines älteren Bruders Christian, das Herzogtum Lüneburg, vor der kaiserlichen Sequestration bewahren sollte. Das Problem der Neutralität Die Krise macht eine der Hauptursachen des Krieges deutlich: den Streit um die Autorität im Heiligen Römischen Reich. Schon der Böhmische Aufstand hatte das Dilemma aufgeworfen, ob Reichsstände während eines Konfliktes im Reich neutral bleiben konnten. Der Kaiser hatte die niedersächsische Neutralität trotz ihrer Verletzung durch Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel geduldet, aber die dänische Intervention machte dies unmöglich. Ferdinand befahl den Reichsständen, den Dänen nicht beizustehen, und erließ am 7. Mai ein Mandat, das die Liga ermächtigte, den Feinden des Reiches entgegenzutreten. Eine Weigerung, diesen Anweisungen Folge zu leisten, drohte das Reich handlungsunfähig zu machen. Spätere Generationen haben in diesem Zusammenhang vom „Trittbrettfahrerproblem“ gesprochen: Die Reichsstände genossen zwar gern den Schutz des Reiches, leisteten aber oft nur ungern einen Beitrag zu den Kosten dieses Schutzes, vor allem wenn Probleme fern von ihren eigenen Landen auftauchten. Die konfessionellen Spannungen lieferten nur einen weiteren Grund, sich nicht zu beteiligen. Die Weigerung der Protestanten seit 1618, ihren Beitrag zu leisten, ging freilich längst nicht bis

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zur offenen Sezession, und die Niedersachsen stellten ihre bewaffnete Neutralität so hin, als wahrten sie damit den öffentlichen Frieden und entsprächen somit den Wünschen des Kaisers. Aber für Ferdinand hatte die Freiheit des Reiches Vorrang vor der Freiheit einzelner Territorien, die keinesfalls selbst entscheiden durften, wann sie helfen wollten. Dieses Verfassungsproblem hatte auch eine internationale Dimension, da unklar blieb, ob der Kaiser oder die Fürsten Verbündeten andernorts helfen durften. Maximilian von Bayern war besonders beunruhigt, weil er fürchtete, Ferdinand könnte seine momentanen Vorteile ausnutzen, um deutsche Ressourcen als Hilfe für Spanien abzuzweigen. Für Maximilian war das Reich ein Kollektiv, und jede Entscheidung, es in externe Konflikte hineinzuziehen, bedurfte der Konsultation, zumindest mit den Kurfürsten, in deren Reihen er soeben aufgestiegen war.180 Die moderne Vorstellung von Neutralität hatte weder in der Reichsverfassung des 17. Jahrhunderts einen Platz noch im Völkerrecht, das weiterhin christlicher Moral unterlag. Dies spiegelte sich in Hugo Grotius’ grundlegendem Werk De jura belli ac pacis wider, das 1625 erschien. Im Krieg ging es darum, Gerechtigkeit wiederherzustellen, was bedeutete, dass eine Seite recht hatte und die andere unrecht. Absolute Neutralität war moralisch nicht vertretbar, weil sie Gleichgültigkeit gegenüber beiden Seiten mit sich brachte. Ein Neutraler sollte zumindest die gerechte Sache begünstigen, indem er beispielsweise den Durchzug fremder Truppen erlaubte oder Kriegsmaterial oder sogar Hilfstruppen zur Verfügung stellte. Diese Richtlinien ließen die tatsächlichen Erwartungen kriegführender Parteien an Länder durchblicken, die gerne neutral geblieben wären. Natürlich hielt jede Partei ihre Sache für gerecht und verlangte Kooperation als Gegenleistung dafür, dass sie die territoriale Integrität eines neutralen Landes respektierte und es unterließ, die volle Beteiligung zu erzwingen. Die Situation war besonders schwierig für die Reichsstände, da sie dem Kaiser, der in dem gegenwärtigen Konflikt eindeutig Kriegspartei war, Treue schuldeten. „Es heiße nicht Neutralität, es heiße Gehorsam der Fürsten und Stände des Reiches“, habe Tilly die hessischen Gesandten wissen lassen, die sich über die Verheerungen des Landes beschwerten, „ihr Herr sey Fürst des Reiches, der Kaiser dessen Oberhaupt.“181 Wohlwollende Neutralität war möglich für jene, die mit einer Seite sympathisierten und von der anderen weit genug entfernt waren, um vor Vergeltungsmaßnahmen sicher zu sein. Wenn Salzburg während des Krieges mit Protestanten zu tun hatte, präsentierte es seine Weigerung, der Liga beizutreten, als Beweis seiner Neutralität, versorgte jedoch zugleich Bayern und den Kaiser mit Soldaten und Bargeld.182 Straßburg begünstigte die andere Seite, verkaufte Vorräte und gewährte gelegentlich den Zugang über seine strategisch wichtige Brü-

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cke. Die drei Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck erfreuten sich einer ausgeglicheneren Neutralität, teils dank moderner, während der 1620er-Jahre verstärkter Befestigungen, aber auch wegen ihrer ambivalenten Haltung gegenüber bedeutenden protestantischen Mächten wie Dänemark. Diese erschienen ihnen durchaus bedrohlicher als der Kaiser, dem sie symbolische Zahlungen leisteten, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Ihr katholisches Gegenstück war die Freie Reichsstadt Köln, die sich ebenfalls weitläufiger Handelsbeziehungen ungeachtet der Konfession erfreute und ein günstiger Ort für Verhandlungen und Finanzgeschäfte wurde. Wie Salzburg weigerte sich auch Köln, der Liga beizutreten, zahlte aber Reichssteuern und lieh dem Kaiser Geld. Ferdinand duldete, dass die Kölner den Holländern Vorräte verkauften, tadelte jedoch den Rat, als die Stadt Geschäfte mit seinen unmittelbaren Feinden im Reich machte.183 Friedensgespräche scheitern Ferdinand hatte nicht die Absicht, den Niedersachsen zu erlauben, neutral zu bleiben, aber ebenso wenig wollte er einen neuen Krieg gegen einen mächtigen Gegner. Die kaiserliche Armee war nicht fähig, es mit den Dänen aufzunehmen, vor allem nicht, seit Spanien Ende 1623 seine Hilfstruppen zurückgezogen hatte. Wegen fortgesetzter Spekulationen über Bethlens Absichten blieb die Lage in Ungarn unsicher. Ferdinand verband eine Machtdemonstration mit versöhnlichen Gesten und bestätigte am 27. Juli 1625 die Mühlhausener Erklärung. Zwei Tage später besetzte Tilly die Weserübergänge bei Höxter und Holzminden und versperrte Christian damit den Weg nach Süden. Maximilian kooperierte, weil Christians Aktivitäten in Niedersachsen darauf hindeuteten, dass er eine neue protestantische Union organisierte. Tilly verfügte nur über 18 000 Mann, nachdem er den Rest bei Anholt am Niederrhein gelassen hatte, falls Mansfeld von den Vereinigten Niederlanden aus angreifen sollte. Er blieb westlich der Weser in Westfalen, während König Christian seine Streitkräfte am gegenüberliegenden Ufer bei Hameln im Norden konzentrierte. Am 30. Juni ritt er, angeblich betrunken, die Verteidigungsstellungen rings um Hameln ab, stürzte vom Pferd in einen sieben Meter tiefen Graben und verlor das Bewusstsein. Obwohl er sich erholte, verfiel er in eine zweimonatige Schwermut. Wie ernst sein Zustand genau war, bleibt unklar, da seine Verletzung den Vorwand lieferte, die Verhandlungen sowohl mit dem Kaiser als auch mit seinen potenziellen Verbündeten in Den Haag fortzusetzen. Die meisten Niedersachsen ergriffen die Gelegenheit, während dieser Gespräche ihre Kontingente abzuziehen, während die Dänen sich im August nach Verden zurückzogen. Johann Georg von Sachsen bekam Ferdinands Einwilligung, in Braunschweig eine Friedenskonferenz auszurichten, wo er seine nunmehr übliche Lösung auf die Tagesordnung setzte: Abzug der ausländischen Truppen als

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Gegenleistung für die Bestätigung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 und der Mühlhausener Erklärung von 1620 durch Ferdinand. Philipp IV. und Isabella drängten Ferdinand, sich mit Christian zu einigen, um eine Fortsetzung des Krieges im Reich zu verhindern. Ferdinand war bereit, darauf einzugehen, vorausgesetzt, Christian zog sich zuerst zurück. Diese scheinbar belanglose Forderung war unerlässlich, um seine Autorität zu wahren, andernfalls würde der Eindruck entstehen, er sei erpressbar. Christian redete in Braunschweig über Frieden, während er in Den Haag zum Krieg rüstete. Seine protestantische Legitimation bewies er, indem er nicht nur darauf bestand, dass Tilly sich zurückzog, sondern auch, dass die Liga sich auflöste. In einem Abkommen vom 19. Dezember 1625 versprach England 30 000 Pfund pro Monat, auf welche Summe die Holländer 5000 Pfund draufsattelten. Unterdessen verlegte Mansfeld seine 4000 Überlebenden nach Kleve, sobald Breda an die Spanier gefallen war. Zu ihm stießen weitere 2000 britische und 4000 deutsche, französische und holländische Rekruten, während Herzog Christian drei Reiterregimenter warb. Zusammen marschierten sie quer durch das nördliche Westfalen, um im Oktober zu den Dänen zu stoßen. Tilly war zu schwach, um sie aufzuhalten oder Nienburg an der Weser einzunehmen. Sein Heer verlor 8000 Mann durch Seuchen und Hunger und eroberte nur eine einzige Stellung östlich des Flusses, am 3. November bei Calenberg. Die Aussicht auf anglo-holländische Subsidien ermöglichte es Christian IV., ehemalige Söldnerführer, wie den Markgrafen Georg Friedrich und die Weimarer Brüder, in Dienst zu nehmen, um weitere Deutsche auszuheben. Im Laufe des Jahres 1626 trafen auch weitere 8000 Briten ein, darunter das durch Robert Monros Memoiren berühmt gewordene schottische Regiment von Donald MacKay.184 Die lang erwartete evangelische Allianz nahm endlich Gestalt an, was die Hoffnung der Militanten auf einen Doppelschlag gegen Habsburg erhöhte, der von Christians verstärkter Armee in Nordwestdeutschland geführt werden sollte, während Bethlen von Südosten zuschlug. Solche Träume waren völlig unrealistisch. Bethlens Vertreter in Den Haag konnte niemanden davon überzeugen, dass sein Herr tatsächlich erscheinen würde. Moritz von Oranien scherzte sogar, er bezweifle, dass Bethlen eine reale Person sei.185 Die Hilfe von Engländern und Holländern wurde durch deren gesonderte Entscheidung gefährdet, in jenem September Cádiz anzugreifen. Tatsächlich gerieten beide mit den versprochenen Subsidien bald in Verzug. Christian zögerte die Ratifizierung der Haager Vereinbarung bis März 1626 hinaus und billigte sie letztendlich nur, weil die Ankunft eines neuen kaiserlichen Heeres unter Wallenstein ihm keine andere Wahl ließ.

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Wallenstein Wenig an Wallensteins frühem Leben deutet darauf hin, dass er zur umstrittensten Figur des Krieges werden sollte. Aus einer jüngeren Linie des weit verzweigten Herrengeschlechts von Waldstein stammend und im Alter von elf Jahren Vollwaise, wurde er von einem Onkel großgezogen und übernahm später die Leitung der väterlichen Grundherrschaft Hermanitz (Heřmanice) an der Elbe. Mit nur 92 abhängigen Haushalten rangierte er in den Reihen des niederen böhmischen Adels. „Groß von Wuchs, schlank, hager und beinahe fortwährend melancholisch“, betonte er seine düstere Physiognomie durch strenge, schwarze Kleidung und indem er sein dunkles Haar kurz hielt und nach hinten kämmte. Alle Zeitgenossen bezeugten seinen durchdringenden Blick und den frostigen, ernsten Gesichtsausdruck. Er konnte charmant sein und „war sehr liberal, und wenn er Geschenke machte, freute er sich sehr und war in der Tat ein Mann, der dem am meisten gab, der es am wenigsten erwartete, aber seine Geschenke waren goldene Schlingen, die unauflösbar verpflichteten“.186 Schwankend zwischen eisiger Selbstbeherrschung und gewalttätigen Ausbrüchen, die mit schwindender Gesundheit häufiger wurden, scheint er ein Mann gewesen zu sein, den zu mögen schwerfiel. Er erholte sich nie vollständig von einer Malariaerkrankung im Jahr 1605, und obwohl er maßvoll trank und (nach zeitgenössischen Maßstäben) gesund aß, machte ihm schon 1620 die Gicht zu schaffen. Ein Jahrzehnt später hatte er Herzbeschwerden und litt unter Panikattacken, Nervenstörungen, Verstopfung, Koliken und Schwermut, die allesamt zweifellos sein Interesse an der Astrologie anregten. Wallensteins Erziehung war konventionell und umfasste eine kurze Zeit an der calvinistischen Universität Altdorf, von der er wegen Raufens und Fluchens verwiesen wurde. Während des Langen Türkenkrieges (1593–1606) trat er in habsburgische Dienste und konvertierte zum Katholizismus, um seine Karriere zu befördern. Seine echte Chance kam, als er 1609 eine reiche Witwe heiratete, deren früher Tod an der Pest ihn zum Herrn über ein Vermögen im Wert von fast 400 000 Gulden machte. Im Jahr 1615 wurde er von den mährischen Ständen zum Obristen ernannt, wechselte aber vier Jahr später zur Partei des Kaisers, für den er bereits zwei Regimenter aufgestellt hatte. Seinen späteren Einfluss verdankte er nicht militärischem Ruhm, sondern geschickter Integration in die Ordnung nach dem Böhmischen Aufstand. Statt dem Krieg hinterherzuziehen, der sich nach 1620 an den Rhein verlagerte, blieb er als Liechtensteins Untergebener in Böhmen, wo er mithalf, Rebellenbesitz zu beschlagnahmen, und sich an dem berüchtigten Prager Münzkonsortium von 1622/23 beteiligte, das zu der damaligen Hyperinflation beitrug. Aus den Landübertragungen ging er als einer

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der Hauptnutznießer hervor, wobei er seinen Anteil durch einige kluge Käufe und Verkäufe vergrößerte und fast 1200 Quadratkilometer in Nordostböhmen anhäufte, darunter neun Städte sowie 57 Dörfer und Schlösser. Die Gewinne investierte er, um seinen Einfluss zu erhöhen, indem er etwa dem Kaiser zwischen 1619 und 1623 insgesamt 1,6 Millionen Gulden lieh. Angesichts einer leeren Staatskasse entschädigte Ferdinand seine Gläubiger mit Ehren und Standeserhöhungen. Wallensteins Güter und Besitzungen, deren Keimzelle die ihm von Ferdinand zunächst verpfändeten und dann 1622 als ewiges Erblehen überlassenen Herrschaften Friedland und Reichenberg bildeten, erhob der Kaiser im März 1624 zunächst zum Fürstentum und im Juni 1625 zum Herzogtum. Die Beziehungen des neuen Herzogs von Friedland zur habsburgischen Elite wurden durch Wallensteins zweite Ehe mit Isabella gestärkt, der jüngeren Tochter des Reichsgrafen Karl von Harrach, eines kaiserlichen Geheimrats und Mitglieds der „spanischen“ Fraktion um Ferdinands getreuen Ratgeber Eggenberg.187 Der schnelle Aufstieg zu Reichtum und Einfluss hatte Wallenstein schon bis 1625 zu einer umstrittenen Figur gemacht. In der Folgezeit wurde das historische Interesse an seiner Person durch Schillers Drama geprägt, das den Topos eines vom Schicksal auserwählten Menschen begründete, der akzeptierte Normen überschreitet und dafür bestraft wird. Spätere Autoren haben ihn – größtenteils aufgrund von Spekulationen, wonach er bereit gewesen sei, die Habsburger zu verraten, um die böhmische Unabhängigkeit zu erreichen oder Deutschland Frieden zu bringen – mal als Militärdiktator, mal als deutschen beziehungsweise tschechischen Nationalhelden dargestellt. In jüngerer Zeit haben wir ihn als einen Mann kennengelernt, der irgendwie aus der Zeit gefallen war, der letzte der großen Condottieri, die durch die Entwicklung des modernen Staates in Kürze bedeutungslos wurden.188 Trotz der Veröffentlichung praktisch jedes erhaltenen Dokuments, das irgendeinen Bezug zu ihm hat, besteht das „Problem Wallenstein“ fort, weil seine Motive weiter unklar sind. Gewiss wurde er von einem Statushunger getrieben, der im Jahr 1625 ungestillt blieb, aber Gerüchte, er wolle König oder gar Kaiser sein, waren nichts als wilde Spekulationen. Man vergisst oft, dass Wallenstein ein entscheidendes Element fehlte, das der Motor dynastischer Ambitionen war. Seine Tochter war mit Rudolf Freiherr von Kaunitz, Oberstjägermeister im Königreich Böhmen, gut verheiratet, während sein einziger Sohn im Januar 1628 im Alter von knapp drei Monaten starb. Sechs Monate später benannte Wallenstein seinen Vetter Max als Erben. Sein Hauptaugenmerk scheint sich vom persönlichen Fortkommen auf die Konsolidierung dessen verlagert zu haben, was er erreicht hatte, bevor seine Gesundheit sich verschlechterte: Ende 1633 gaben

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ihm seine Ärzte nur noch zwei Jahre zu leben. Er wurde abwehrend und war zunehmend enttäuscht über den Vorwurf, sein Aufstieg komme jemandem aus seinem Stand nicht zu, und er sei nicht würdig, mit Fürsten und gekrönten Häuptern zu verkehren. Die wachsende Kritik verstärkte geradezu seine tief sitzende Arroganz, vor allem als Ende 1631 offenkundig wurde, dass Ferdinand ihn für unentbehrlich hielt. Überzeugt, dass er allein den Krieg gewinnen könne, nahm er jeden Versuch der Beaufsichtigung übel, doch wurde sein Selbstvertrauen durch die wachsende Einsicht untergraben, dass die kaiserliche Regierung ihm nicht mehr vertraute. Die Schaffung eines neuen Heeres (1625/26) Wallenstein war im Juni 1623 für seine Dienste gegen Bethlen zum Generalwachtmeister befördert worden. Obwohl es der unterste Generalsrang war, ermöglichte sein enormer Reichtum ihm ein weit mehr als seiner Stellung gemäßes Auftreten. So konnte er in jenem Jahr anbieten, ein ganzes Heer aufzustellen, um sich auf diese Weise an die Spitze der politischen und militärischen Elite zu katapultieren. Er hatte bereits die Unterstützung sowohl mächtiger Freunde in Wien als auch des neuen spanischen Botschafters, des Marqués de Aytona, der gleichfalls von Wallensteins glücklicher Hand überzeugt war. Zudem war Eile geboten, hatte doch die jüngste Krise in Niedersachsen das Ausmaß der Abhängigkeit Ferdinands von der Liga enthüllt. Das ursprüngliche Gleichgewicht war verloren gegangen, sodass die verbliebenen kaiserlichen Einheiten Tillys Heer als Hilfstruppen zugeteilt wurden. Wenn er nun sein eigenes Heer ins Feld stellte, konnte Ferdinand Maximilian übertrumpfen, der angefangen hatte, ihn zu kritisieren, weil er keinen Beitrag zur Bekämpfung der dänischen Bedrohung leiste.189 Die Verhandlungen mit Wallenstein wurden im April 1625 eröffnet. Sie führten im Juni zu den Vereinbarungen von Nikolsburg in Mähren: Wallenstein wurde zum Herzog erhoben und ermächtigt, 6000 Reiter und 18 000 Fußsoldaten auszuheben.190 Es wird oft vergessen, dass dies nicht die einzige Streitmacht des Kaisers war. Ferdinand schickte außerdem 2000 Mann von Tirol nach Italien und erlaubte Spanien, 10 000 weitere zu werben, um die Armee der Lombardei zu verstärken, die den Angriff von Franzosen und Savoyern abwehren sollte. 16 000 Mann behielt er in Ungarn und den habsburgischen Erblanden zurück und wies seinem neuen General weitere 12 500 zu, die früher in jenem Jahr aus Ungarn abgezogen worden waren. Demzufolge musste Wallenstein nur noch 11 500 neue Rekruten auftreiben, um dem vom Kaiser am 27. Juni unterschriebenen Dekret zur Aufstellung eines Heeres von 24 000 Mann zu entsprechen. Die offizielle Stärke der neuen Streitmacht entsprach dem, was Zeitgenossen für ein exercitus formatus, ein gehörig eingerichtetes Feldheer, hielten, das in der

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Lage war, eine große Schlacht auszutragen. Die Größe war bewusst so gewählt, dass sie Tillys Streitmacht entsprach und Ferdinand militärisch mit der Liga gleichziehen konnte. Wallenstein ließ Tilly wissen, dass er eine „Konjunktion“ anstrebe, sprich: eine Zusammenarbeit auf autonomer Grundlage. Seine Weigerung, sich Tilly unterzuordnen, passte zweifellos zu seinem eigenen Wunsch nach Unabhängigkeit, diente aber auch Ferdinands Absicht, die führende Rolle in dem Krieg zu übernehmen. Diese hing ganz von der Aufstellung ausreichender Truppen ab. Obwohl Wallenstein Anfang 1626 prahlerisch von 50 000 Mann redete, bot er in Aschersleben, dem Ort südlich von Halberstadt, der seine neue Operationsbasis wurde, weniger als 16 000 auf. Überdies handelte es sich bei vielen um unerfahrene, disziplinlose Rekruten. Aytona beeindruckten sie jedenfalls nicht; nach dessen Einschätzung war Ferdinand nach wie vor auf Maximilian angewiesen.191 Der anschließende Militärzuwachs machte das Ungleichgewicht im Laufe des Jahres 1626 mehr als wett: Tilly bot 35 000 Mann auf, von denen sich 20 000 bei seinem Hauptheer befanden und die übrigen in Garnisonen lagen. Die kaiserliche Armee wuchs unterdessen auf etwa 70 000 Kämpfer an, eine enorme Steigerung gegenüber der früheren Phase des Krieges, wenngleich die unter Wallensteins unmittelbarem Kommando stehenden Truppen zahlenmäßig kaum je Tillys eigene Feldstärke übertrafen. Die Aufrüstung wurde teils vorangetrieben von strategischer Notwendigkeit, da Mansfelds Einfall in Schlesien im Oktober 1626 Wallenstein nötigte, dort eine zweite Streitmacht aufmarschieren zu lassen. Die Vermehrung der Truppenstärke war aber auch Teil einer bewussten Strategie, die König Christian durch Ansammlung einer erdrückenden Streitmacht dazu zwingen sollte, Frieden zu schließen. Wallenstein präsentierte diesen Plan bei einem Treffen mit seinem Schwiegervater Harrach und mit Eggenberg am 25. und 26. November in Bruck an der Leitha. Obwohl seine Forderung nach 100 000 Soldaten einstweilen auf 70 000 reduziert wurde, erwirkte er durch einen persönlichen Besuch in Wien im Mai 1627 die Ermächtigung für die höhere Sollstärke.192 Weitere Einheiten wurden, teils in Reaktion auf Ferdinands wachsende Verpflichtungen, nach 1628 genehmigt, doch ist es unwahrscheinlich, dass die gesamte Iststärke jemals über 110 000 hinausging, einschließlich jener Einheiten, die nicht unmittelbar Wallenstein unterstanden (siehe Tabelle 3). Wallensteins Befugnisse und Untergebene Wallensteins Stellung war nicht so außergewöhnlich, wie manchmal behauptet wird, und er war keineswegs allmächtig. Gewiss ärgerten sich die vorhandenen Generäle über seine schnelle Beförderung und seine Selbstständigkeit. Auch sorgte seine strenge Persönlichkeit zweifellos für Spannungen, aber es gab ein tiefer liegendes strukturelles Pro-

12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29) Tabelle 3 Stärke der kaiserlichen Armee Datum

1625 1626 1627 1628 1629 1630

Stärke auf dem Papier

Wahrscheinliche Iststärke

Fußsoldaten

Reiter

Insgesamt

Insgesamt

45 300 86 100 83 100 102 900 111 000 129 900

16 600 25 000 29 600 27 300 17 900 21 000

61 900 111 100 112 700 130 200 128 900 150 900

40 000 – 50 000 60 000 – 70 000 100 000 110 000 110 000 95 000

Stärke auf dem Papier berechnet nach den Kriegslisten, abgedruckt in Documenta Bohemica bellum tricennale illustrantia, Bd. IV, S. 414–446.

blem außerhalb seiner Kontrolle. Allen frühneuzeitlichen Armeen fehlten klare, einheitliche Befehlsstrukturen, und selbst Monarchen wie etwa Gustav Adolf, die ihre Truppen persönlich führten, fiel es schwer, gegenüber manchen ihrer Untergebenen ihre Autorität zu behaupten. Talent und bewiesene Erfahrung waren nur zwei von mehreren Faktoren, die über eine Ernennung entschieden. Hohe Adlige verlangten oft den Oberbefehl qua Recht ihrer höheren Geburt oder weil sie auf eigene Kosten Regimenter aufstellten, wie in Spanien und Frankreich. Doch auch Offiziere von bescheidenerer Herkunft konnten genug Einfluss erlangen, um auf ihren eigenen Kommandos zu bestehen. Die Folge war, dass wichtigen Offizieren praktisch unabhängige Kommandos zugewiesen wurden, in denen sie frei schalten und walten konnten. Festungen wurden Gouverneuren anvertraut, die ebenfalls nicht gegenüber dem nächsten Feldkommandanten verantwortlich waren. Was Zeitgenossen als „Generalstab“ bezeichneten, war kaum mehr als eine Sammelbezeichnung für sämtliche Offiziere, die den Generalsrang bekleideten. Die kaiserliche Armee folgte diesem Muster. Ferdinand behielt die ausschließliche Kontrolle über die Ernennung und Beförderung von Generälen, obwohl Wallenstein seit April 1628 Kandidaten benennen durfte.193 Dem Kaiser zur Seite stand der Hofkriegsrat, der allerdings lediglich als administrative Abrechnungsstelle mit begrenzter strategischer Planungsbefugnis fungierte. Weil Ferdinands Feinde weit verstreut waren, war die Zersplitterung umso größer: Höhere Offiziere wurden Kommandos in Ungarn, dem Elsass und den Erblanden zugewiesen und Kontingente nach Italien und ins Reich entsandt. Jeder General unterstand direkt dem Kaiser, wobei die Frage ihres relativen Vorrangs bewusst in der Schwebe gelassen wurde. Wallensteins Ernennung bewirkte hier nur teilweise eine Zentralisierung, indem sie ihm die Gewalt über alle Streitkräfte im Reich übertrug, einschließlich der zwei Regimenter im Elsass, die bis dahin Erzherzog Leopold unterstanden hatten, und der sechs, die Spanien in den

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Niederlanden helfen sollten. Die anderen Einheiten in den Erblanden und in Ungarn blieben außerhalb seiner Zuständigkeit, ebenso jene, die ins Herzogtum Mailand entsandt wurden. Der Veteran Marradas, der 20 Jahre älter war als Wallenstein, wurde durch die Beförderung zum Feldmarschall im Jahr 1626 besänftigt, außerdem behielt er den Oberbefehl in den habsburgischen Erblanden. Carafa war unter großen Kosten von der spanischen Armee abgeworben worden, verhinderte 1621 in Ungarn die Vereinigung Bethlens mit den aufständischen Böhmen und kehrte 1628 nach Spanien zurück, nachdem er von Ferdinand für seine Verdienste zum Reichsfürsten und geheimen Rat ernannt worden war. Liechtenstein, Wallensteins früherer Vorgesetzter, ging in den Ruhestand, ebenso Tiefenbach, während Collalto Präsident des Hofkriegsrates blieb. Und Wallenstein stand es offiziell auch keineswegs frei, sich seine Untergebenen auszusuchen. Er konnte Verträge aushandeln, um neue Regimenter aufzustellen, aber bei der Ernennung seiner Obristen behielt Ferdinand das letzte Wort. Werbepatente wurden weiterhin vom Reichskriegsrat ausgestellt, mit Ferdinands Unterschrift. Doch Wallenstein stellte sie bis 1627 zweifellos eigenmächtig aus, obwohl er dies bestritt, und seine Auswahl der Obristen stieß auf wenig Widerspruch – umso weniger nach der Brucker Konferenz, wo er sich das Recht sicherte, auch Protestanten vorzuschlagen. Einer der ersten war Hans Georg von Arnim-Boitzenburg, ein brandenburgisch-kursächsischer lutherischer Adliger, der 1626 in kaiserliche Dienste trat und zu Wallensteins rechter Hand wurde, nachdem er Schweden, Polen und Mansfeld gedient hatte. Arnim, ein Mann von außerordentlicher Befähigung, wurde schon im April 1628, nachdem er sich bei der Rückeroberung Schlesiens sowie der Besetzung Mecklenburgs und Pommerns ausgezeichnet hatte, zum Feldmarschall ernannt. Viele schottische, englische und irische Offiziere traten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in kaiserliche Dienste.194 Wallenstein ernannte auch französischsprachige Wallonen, zuvorderst Johann II., Graf von Merode, der zu Wallensteins wichtigstem Werber wurde und bis 1629, in welchem Jahr er weitere 2500 Mann anwarb, mindestens 74 Kompanien aufstellte. Die Ernennung eines weiteren Wallonen ist ein klarer Hinweis darauf, dass Wallenstein den Standesdünkel seiner Zeitgenossen nicht teilte: Guillaume Gil de Haas, ein kaum des Lesens und Schreibens kundiger Steinmetz aus Ypern, brachte es am Ende bis zum bayerischen General. Nichtsdestotrotz waren viele ältere Offiziere der Ansicht, dass den Neulingen Erfahrung fehlte, und machten sich lustig über Obristen, die angeblich zu jung waren, um sich einen Bart stehen zu lassen. Der rasche Ausbau der kaiserlichen Armee nach 1626 führte zweifellos zu einem allgemeinen Qualitätsverfall. Von den 15 Regimentern in kaiserlichen Diensten zu Beginn des Jahres 1625 existierten nach Wallensteins Entlas-

12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29) Tabelle 4 Regimenter der kaiserlichen Armee (1618–30) Datum der Aufstellung

Insgesamt in dem Jahr aufgestellte Regimenter

Mitte 1625 noch bestehend

vor 1618 1618 1619 1620 1621 1622 1623 1624 1618–24 insgesamt

– 10 18 11 17 5 5 3 69

2 2 4 – 5 – – 2 15 plus 3 im Jahr 1625 aufgelöste Im Dezember 1630 Weniger als bestehend zwei Jahre bestehend

1625 1626 1627 1628 1629 1630 1625–30 insgesamt 1618–30 insgesamt

18 19 21 10 14 21 103 172

11 8 7 7 14 19 66

1 5 12 2 – 10 30

Quellen: G. Tessin, Die Regimenter der europäischen Staaten im Ancien Régime, Osnabrück 1986; A. Wrede, Geschichte der k.u.k. Wehrmacht, 5 Bde., Wien 1898–1905.

sung im November 1630 noch 14, während von den 103 im Zuge seines ersten Generalats aufgestellten Regimentern nur 66 übrig blieben. Von den vor 1631 aufgelösten existierten 30 weniger als zwei Jahre (siehe Tabelle 4). Die rasche Auflösung resultierte selten aus Verlusten im Kampf; stattdessen spiegelte sie gewöhnlich das Unvermögen eines Obristen wider, genug Rekruten zu finden, um seinen Vertrag zu erfüllen. Unbeständigkeit verhinderte gute Disziplin, und es ist nicht überraschend, dass es heißt, das Wort „Marodeur“ habe seinen Ursprung in Merodes Namen. Die traurige Berühmtheit, die einige der Neuernennungen Wallensteins erlangten, täuscht darüber hinweg, dass es einen Kern von höheren Offizieren gab, die er von der bestehenden Armee erbte und mit denen er aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung oder ihrer Beziehungen zusammenarbeiten musste. Zu ihnen gehörten vier Reichsfürsten: Herzog Adolf von Holstein-Gottorf und drei der vier Herzöge von Sachsen-Lauenburg, die zum Katholizismus übergetreten waren und bereits Regimenter gegen die böhmischen Rebellen aufgestellt hatten. Sowohl Franz Albrecht von Lauenburg als auch Herzog Adolf waren

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schlechte Befehlshaber und lasche Vorgesetzte, aber sie mussten geduldet werden. Die Übrigen waren zuverlässige Berufssoldaten, wie die Vettern Breuner aus Niederösterreich, oder auch Mährer und Schlesier, die bereits die Seiten gewechselt hatten, wie Heinrich Graf von Schlick und Hans Ulrich von Schaffgotsch. Der Letztere diente Wallenstein treu, Schlick und die meisten Böhmen waren indes nur mäßig begeistert von ihrem neuen Oberbefehlshaber. Dasselbe galt für die vielen Italiener, die bereits in kaiserlichen Diensten standen, etwa die Brüder Colloredo, ebenso für jene, die von Spanien übergewechselt waren, wie Octavio Piccolomini und Ernesto Montecuccoli, oder für diejenigen, die vom ligistischen Heer dazugestoßen waren, wie Matthias Gallas. Ihre Verbindungen nach Spanien und in die italienischen Staaten brachten Alternativen für mögliche Gönner ins Spiel, insbesondere im Fall von Piccolomini, der aus einer prominenten Florentiner Familie stammte, die schon zwei Päpste gestellt hatte.195 Andere verfügten über makellose adlige Stammbäume, wie etwa Torquato Conti, der 1619 in den Niederlanden die Anwerbetrommel für Wallensteins Reiterregiment gerührt hatte.196 Conti war Marchese di Guadagnolo, während Collalto ein entfernter Verwandter der zweiten Gemahlin des Kaisers, Eleonora Gonzaga, war. Wallensteins Unvermögen, die Ambitionen seiner Untergebenen zufriedenzustellen, begünstigte Untreue und Illoyalität. Francesco Grana stellte fest, dass Wallensteins Abneigung gegen seine habgierigen Plündereien seiner Karriere im Wege stand. Piccolomini und Gallas verdächtigten Wallenstein, Böhmen und Deutsche zu bevorzugen, was schlicht nicht der Wahrheit entsprach. Einige waren einfach die Opfer seiner gewalttätigen Ausbrüche. Zu einem ernsthaften Zerwürfnis kam es mit Johann Aldringen, den Wallenstein 1625 zum Obristen und De-facto-Stabschef ernannt hatte. Während eines Streits zwei Jahre später nannte Wallenstein ihn einen „Tintenkleckser“197, eine Bemerkung, die zu verzeihen sich Aldringen, dem seine bescheidene Herkunft als Schreiber sehr bewusst war, außerstande sah. Obwohl 1629 zum Generalwachtmeister befördert, stellte Aldringen fest, dass kürzlich Ernannte ihn karrieremäßig überflügelten, weshalb er versuchte, die Freundschaft alternativer Gönner zu gewinnen, darunter Gallas, der sein Schwager wurde, als beide sich im Jahr 1630 mit Töchtern des Grafen Arco verheirateten. Schließlich ließ die Fortdauer getrennter Kommandos außerhalb der Zuständigkeit Wallensteins dem Kaiser alternative Betätigungsfelder für Protektion. Das beste Beispiel ist einer der entfernten Verwandten Ernsts von Mansfeld, Graf Wolfgang von Mansfeld, der in den Jahren 1619–21 die Sachsen befehligte, bevor er 1622 zum Katholizismus konvertierte und sich der kaiserlichen Partei anschloss. Als einer der wichtigsten, wenn auch heute vergessenen Befehlshaber

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in der mittleren Phase des Krieges diente er bis 1628 in Italien und blieb so außerhalb von Wallensteins Einfluss. Die Kriegsfinanzierung Auch die Finanzierung der Armee hatte Wallenstein weniger fest im Griff, als man gemeinhin annimmt. Er gilt weithin als der Vollender, wenn nicht Erfinder eines als „Kontributionen“ bekannten militärischen Finanzierungssystems. Von John Lynn treffend als „Gewaltsteuer“ bezeichnet, dezentralisierte dieses System die Kriegsfinanzierung, entzog sie den Ständen und legte sie in die Hand von Offizieren, die dann die Gemeinden zwangen, ihre Einheiten zu unterhalten. Die Methode bot einem fast bankrotten Monarchen die Möglichkeit, Krieg auf Kosten seiner Feinde zu führen. Allerdings war es nicht Wallensteins Absicht, Krieg mittels „offensiver Logistik“ zu führen, wie gelegentlich behauptet worden ist, sprich: bewusst mehr Männer auszuheben als erforderlich, um seinem Gegner Territorium streitig zu machen.198 Der Hauptbeleg für diese Aussage stammt aus Khevenhüllers beinahe zeitgenössischer Darstellung der Herrschaft Ferdinands, worin er behauptet, Wallenstein habe mehr als das Doppelte der bewilligten Sollstärke verlangt. In Wirklichkeit erhielt er lediglich die Erlaubnis, Kontributionen in Feindesland zu erheben – von dem im Jahr 1625 noch nichts erobert war. Die tatsächliche Heeresfinanzierung stützte sich auf vielfältigere Methoden, von denen die sogenannten Kontributionen nur ein Element waren. Das echte Kernstück war Kredit, nicht Erpressung, was die Bedeutung der persönlichen Beziehung Wallensteins zum Kaiser erhöhte. Wie Spinola war auch Wallenstein in der Lage, ein ganzes Heer aufzustellen, weil er bereits ein vermögender Mann war. Offiziere erboten sich, neue Einheiten aufzustellen, weil sie wussten, dass Wallenstein nicht nur Startkapital vorschießen, sondern auch, dank des kaiserlichen Vertrauens, die Erstattung ihrer Auslagen garantieren konnte. Das Werbesystem selbst sorgte für den Großteil des Geldes. Ausgestattet mit einer kaiserlichen Vollmacht, wies Wallenstein Städte an, Soldaten einzuquartieren, während ihre Einheit sich versammelte. Obristen wurden ermächtigt, Verpflegung und Sold für den vollen Mannschaftsbestand vom ersten Tag an zu verlangen, auch wenn es vielleicht Wochen dauerte, alle Rekruten zusammenzubringen. Wallenstein erhöhte die persönliche Vergütung seiner Obristen auf 500 Gulden wöchentlich (1629 wurde sie wieder auf 300 Gulden gesenkt). Obristen in der katholischen Liga wurden hingegen nur 402 Gulden im Monat bewilligt. Der Sold der einfachen Kriegsknechte fiel nicht weiter ins Gewicht, ein Fußsoldat erhielt jeden Monat 7,5 Gulden plus Brot im Wert von 2,5 Gulden.199 Während andere Herrscher nach wie vor versuchten, die Kosten ihrer Offiziere direkt zu bestreiten, befreite Wallenstein Ferdinand von dieser Ver-

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pflichtung, indem er seinen Obristen erlaubte, die Auslagen für Ausrüstung, Kleidung und Ernährung ihrer Männer bei der einheimischen Bevölkerung wieder hereinzuholen. Wallenstein entlastete die verschuldete kaiserliche Hofkammer auch von der Verpflichtung, die Soldaten zu entlohnen, sobald sie an die Front marschierten. Ligistische wie kaiserliche Heere hatten sich nach 1618 gleichermaßen bemüht, direkte monatliche Soldzahlungen für ihre Männer beizubehalten. Dabei griffen sie zu Notlösungen, die schon während des Langen Türkenkrieges ausprobiert worden waren – sie kürzten ganz einfach Soldsätze oder überredeten die Männer, Verpflegung oder Uniformen anstelle von Geld zu akzeptieren. Soldrückstände auflaufen zu lassen wurde in den 1640er-Jahren zur gängigen Praxis des Krieges und sollte seinen Verlauf nicht unwesentlich beeinflussen. Die Regierungen durften hoffen, einen Teil des Geldes abschreiben zu können, wenn Männer während des Feldzugs starben. Aber der dem Rest geschuldete Betrag überstieg jede realistische Hoffnung auf Begleichung. Es wurde unmöglich, Heere zu demobilisieren, weil Regimenter die Auflösung verweigerten, bevor sie nicht bezahlt worden waren. Das übliche Procedere sah so aus, dass die Verantwortung auf die Stände abgewälzt wurde, die für aufgenommene Darlehen bürgen mussten und als Gegenleistung für die Tilgung weiterer Schulden Konzessionen erreichten. Ferdinand hatte die böhmischen Stände bereits 1623 genötigt, Schulden in Höhe von 8,2 Millionen Gulden zu übernehmen. Die Probleme Christians IV. veranschaulichen die Grenzen des direkten Unterhalts der Truppen durch den Staat. Der Krieg kostete Dänemark zwischen 1625 und 1627 8,2 Millionen Reichstaler. Die normalen Einnahmen deckten kaum mehr als ein Viertel dieser Summe, während auswärtige Subsidien ungefähr drei Millionen einbrachten, was etwa der Hälfte dessen entsprach, was zugesagt worden war. Die Niedersachsen steuerten lediglich 120 000 Reichstaler bei, sodass Christian gezwungen war, sich mehr als 2,5 Millionen zu leihen, hauptsächlich von seiner Mutter. Dies erschöpfte seine Reserven und beschwor nach 1627 eine Krise herauf, als die Subsidien versiegten, während die Wiederaufnahme der schwedisch-polnischen Feindseligkeiten dazu führte, dass die Zolleinnahmen auf ein Drittel ihres Vorkriegsniveaus einbrachen.200 Wallenstein brach mit dieser Konvention, indem er darauf bestand, dass die einheimische Bevölkerung sämtliche Kosten für Sold und Verpflegung übernahm, was gegen Reichsrecht verstieß. Der Reichstag hatte 1570 entschieden, dass Soldaten auf dem Marsch Quartier erwarten durften, aber für alles andere vorher festgesetzte Preise zahlen oder Quittungen ausstellen sollten. Anfangs wurden einige Anstrengungen unternommen, sich an die Vorgaben zu halten. Wallensteins Offiziere schickten im Jahr 1625 an die Territorien, die auf ihrer

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Marschstrecke aus Böhmen heraus lagen, die erforderlichen Benachrichtigungsschreiben (requisitoriales), damit die lokalen Behörden Vorkehrungen zur Verpflegung und Einquartierung der Truppen treffen konnten.201 Aufgrund der Größe der neuen Armee, der Schnelligkeit ihres Vormarschs und vor allem der völligen Unfähigkeit, für ihren Unterhalt zu bezahlen, erübrigte sich dies allerdings rasch. Geldmangel vergrößerte die Kluft zwischen der strategischen Notwendigkeit von Geschwindigkeit und Flexibilität und den begrenzten Kapazitäten der überwiegend agrarischen Wirtschaft, das Heer zu unterhalten. Die militärischen Vorschriften sahen eine tägliche Zuteilung von etwa einem Kilogramm Brot, einem halben bis einem Kilogramm Fleisch und etwa anderthalb Litern Wein oder der doppelten Menge Bier vor. Zusätzlich hatte jeder Soldat Anspruch auf das sogenannte „Servis“: Kerzen, Feuerholz, Salz und, falls beritten, Futter für sein Pferd, bestehend aus 3,5 Litern Hafer oder entsprechendem anderen Futter. Dieser Speiseplan wurde gewöhnlich ergänzt (genau genommen auf eigene Rechnung des Soldaten) durch Erbsen, Bohnen und Grieß, die mit dem Fleisch gegessen wurden, plus Kohl oder Sauerkraut und Trockenobst je nach Jahreszeit sowie Butter und Eier, soweit verfügbar. Wenn man sich damit abfand, dass ein Großteil der ausgegebenen Fleischration aus Knochen und Knorpel bestand, die ungenießbar waren, so war die Zuteilung immer noch proteinhaltiger als die Ernährung eines Durchschnittsbauern und lieferte 3000 Kalorien täglich.202 Die meisten Soldaten waren gezwungen, ihr Essen mit ihrem Anhang zu teilen. Anzahl und Zusammensetzung dieser „Bagage“ gehören zu den am wenigsten erforschten Aspekten des Krieges.203 Viele spätere Kommentatoren haben sich auf Bemerkungen von Kritikern wie Wallhausen oder Gronsfeld gestützt und behauptet, auf jeden Soldaten seien drei bis vier Nichtkämpfer gekommen. Erhaltene Stammrollen deuten darauf hin, dass das Verhältnis häufiger bei eins zu eins lag, manchmal indes auf vier Soldaten nur ein einziger Nichtkämpfer entfiel.204 Etwa die Hälfte der Zivilpersonen im Tross eines Heeres waren Frauen, oftmals gesetzlich verheiratet mit den Soldaten, oder Witwen, außerdem Gefangene und Prostituierte. Letztere hatten ein Jahrhundert zuvor offiziellen Schutz erfahren, wurden aber nun, unter dem Einfluss des neuen moralischen Elans im Anschluss an die Reformation, zum Ziel von Strafbestimmungen. Praktische Bemühungen, die Größe der Bagage zu beschränken, spielten dabei ebenfalls eine Rolle, war diese doch, wie Bernhard von Weimar behauptete, „eine der Wurzeln der Desordre und Ursachen der Confusion bei der Armee“.205 Daneben zogen weitere Frauen im Tross mit, die ein unabhängigeres Leben als Marketenderinnen führten. Sie handelten mit Diebesgut und verkauften Alkohol und andere Dinge, die der Landsknecht brauchte, wie etwa Mutter Courage,

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eine der Figuren von Grimmelshausen, heute besser bekannt durch die spätere Dramatisierung Bertolt Brechts. Augenzeugen berichten, dass die Frauen ihre Kinder in Bündeln auf dem Kopf trugen, um die Arme frei zu haben für weitere Säcke.206 Frauen beteiligten sich auch an Überfällen und Plünderungen, sie säuberten Wäsche und Kleidung und fungierten als tragende Säule des rudimentären Sanitätsdienstes. Die übrigen Zivilpersonen im Tross waren „Jungen“, meist Jugendliche, die die Waffen trugen und die Pferde versorgten. Viele wurden später Soldaten, wie Grimmelshausens halbautobiografische Figur des Simplicissimus, der zuerst Knecht und dann Musketier wurde, nachdem sein Zuhause geplündert worden war. Obwohl sie von offiziellen Zuteilungen ausgeschlossen war, vergrößerte die zahlreiche Bagage zweifellos den tatsächlichen Bedarf an Ressourcen. Eine Bauernfamilie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie nach Steuer und Pacht noch genug Überschuss hatte, um sich zwischen zwei Ernten zu ernähren. Ein großes Gehöft hätte bestenfalls Vorräte einlagern können, die 3000 Tagesrationen entsprachen – der tägliche Bedarf eines kaiserlichen Infanterieregiments in voller Stärke. Selbst ein kleineres Städtchen verfügte höchstwahrscheinlich nicht über ausreichend Nahrungsmittel, um eine größere Streitmacht länger als ein paar Tage versorgen zu können. Schlimmer wurde die Sache, wenn die einheimische Bevölkerung ihre Vorräte versteckte oder sie mitnahm auf ihrer Flucht in die Wälder, Sümpfe oder die nächste befestigte Stadt. Schon 1625 berichteten Mainzer Beamte, dass Dorfbewohner mit dem völligen Ruin rechnen mussten, wenn Wallensteins Regimenter durchmarschierten.207 Angst durchzieht die zeitgenössische Korrespondenz, da die Behörden in dem verzweifelten Versuch, Vorkehrungen zu treffen, jedes Gerücht über Truppenbewegungen begierig aufgriffen. Wallenstein begann im Juni 1625 mit der Werbung, erließ seine Anordnungen zu Sold und Verpflegung allerdings erst, als er in jenem November Halberstadt besetzte. Die „Kontributionen“, die er davor verlangte, kamen dem nahe, was die Zeitgenossen wegen der Folgen bei Nichtzahlung als „Brandschatzung“ bezeichneten. Mit diesen Geld- oder Naturalabgaben wurden Gebiete belegt, die von Truppen bedroht, aber nicht tatsächlich besetzt waren. Holländer und Spanier hatten bereits nach 1575 Überfälle angedroht, um deutschen Stadt- und Landgemeinden Geld abzupressen. Wallenstein benutzte das Werbesystem, um solche Zahlungen von den wohlhabenden süddeutschen Handelsstädten zu erzwingen. Diese willigten ein, pauschale Summen zu zahlen, wenn er im Gegenzug die Vollmacht seiner Obristen widerrief, innerhalb ihrer Territorien neue Einheiten auszuheben. Er bediente sich während seines gesamten ersten Generalats dieser Methode und holte damit allein aus Nürnberg mindestens 440 000 Gulden heraus. Die Städte gingen auf den Handel ein, weil die Zahlungen im-

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mer noch weniger schwer wogen als die Kosten und die Zerstörung, die unweigerlich auf die tatsächliche Besetzung folgten. Was die Zeitgenossen am Ende „Kontributionen“ nannten, war eine regulärere Form dieser anfänglichen Erpressung. Die Armee traf eine formale Vereinbarung mit den Behörden eines bestimmten Territoriums, das regelmäßige monatliche Raten an Truppen zahlte, die nicht zwangsläufig Besatzungstruppen waren. Im Gegenzug erließen die Befehlshaber Schutzbriefe (salvaguardias), welche die Bevölkerung von weiteren Lasten ausnahmen und das Wohlverhalten derjenigen Soldaten versprachen, die zur Absicherung der Zahlungen zurückgelassen wurden. Wallenstein bediente sich dieser Methode, als die Operationen sich nach März 1626 in die unbedeutenden obersächsischen Territorien und im darauffolgenden Herbst nach Brandenburg verlagerten. Die herzoglichen Teile Holsteins wurden nach September 1627 einbezogen, trotz einer ausdrücklichen gegenteiligen Garantie des Kaisers, während etwa 12 000 Mann schon im Juli Württemberg besetzten und das System so auf Südwestdeutschland ausweiteten. Pommern musste im November 1627 in der Franzburger Kapitulation Herzog Bogislaws XIV. Kontributionen akzeptieren und Mecklenburg nach seiner Besetzung im folgenden Monat. In dieser Form waren Kontributionen ein Mittel, bestehende Territorialsteuern zu enteignen. Brandenburg leitete die Zahlungen nach November 1627 einfach vom Kurfürsten auf die kaiserlichen Besatzungstruppen um. Pommern erreichte insofern eine bemerkenswerte Ausnahmeregelung, als es die Kontributionen in Naturalien liefern durfte. Hier wurden neue Steuern eingeführt, um Getreide zu kaufen, das vor der Verteilung an die Soldaten in örtlichen Speichern gesammelt wurde. Dieselbe Methode wurde in den Habsburger Erblanden angewendet, vor allem in Schlesien, wo die Stände im Juni 1627 die übliche direkte Abgabe billigten, sie aber in „Soldatensteuer“ umbenannten und sie wöchentlich eintrieben statt in den gewohnten höheren, aber weniger häufigen Raten.208 Wie sie in der späteren historischen Literatur verstanden wurden, waren Kontributionen eigentlich eine Form der Einquartierung. Obristen durften Lebensmittel direkt von den Gemeinden eintreiben, die ihre Männer einquartierten, und zwar in Mengen, die in der Halberstädter „Verordnung des Generals Wallenstein Herzogs von Friedland wegen Verpflegung der Truppen“ von 1629 genau festgelegt waren. Diese Regelung überschnitt sich erheblich mit den ausgehandelten Kontributionen, vor allem da Letztere Mengen beinhalteten, die nach der vorgeschriebenen Verpflegungs- und Besoldungsliste berechnet waren. Der Unterschied war, dass ausgehandelte Kontributionen weiterlaufen sollten, nachdem die Hauptstreitmacht abgezogen war, während die Einquartierung oft einen stärker improvisierten Charakter annahm, da die Einheiten ihre Quartiere

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wechselten. Häufig erwies es sich auch als schwierig, Kontributionen zu erpressen, nachdem das Heer abgezogen war, sodass die Soldaten Geiseln nahmen, um Willfährigkeit zu gewährleisten. Wurde nicht gezahlt, so hatte das wenig mit religiösen oder politischen Beweggründen zu tun, sondern mit der schieren Unmöglichkeit, die weit über die örtlichen Ressourcen hinausgehenden Summen aufzutreiben. Beispielsweise legte die Franzburger Kapitulation für Pommern monatliche Raten von 40 000 Talern fest, die 22 000 Mann unterhalten sollten, während die normale jährliche Steuerschuld nur 90 000 Taler betrug. Im Jahr 1630, so wurde behauptet, sei das Herzogtum von 7540 Reitern und 31 500 Fußknechten besetzt gewesen und diese hätten allein die östliche Landeshälfte seit ihrer Ankunft mehr als 6,6 Millionen Taler gekostet.209 Fehlende Rechenschaftspflicht machte die Sache noch schlimmer. Die Stabsarbeit war nicht so unterentwickelt, wie manchmal behauptet wird, und es wurden durchaus Anstrengungen unternommen, Bücher zu führen und mit den Zivilbehörden zusammenzuarbeiten. Dennoch erhielten die Obristen einen beträchtlichen Spielraum und tauchten oft unangemeldet auf oder mit weit mehr Soldaten als erwartet. Regelmäßig erpressten sie weitere Summen dafür, dass sie Disziplin wahrten, auch wenn ihre Männer die Vorschriften anschließend ignorierten. Häufig wurden die offiziellen Forderungen von dem zum Verhandeln entsandten Offizier bewusst überhöht – als Gegenleistung für die Vereinbarung einer vernünftigeren Summe konnte er dann von der dankbaren Gemeinde ein Geschenk erwarten. Zusätzliche Forderungen wurden erhoben, vor allem nach Kleidung und Beförderungsmitteln, während es selbst die reichsten Herzöge und Fürsten nicht unter ihrer Würde fanden, sich ein paar Extras in Form von Luxusartikeln unter den Nagel zu reißen.210 Geschäftemacherei war weit verbreitet, obwohl nur wenige dabei große Vermögen machten. Fritz Redlichs heute klassische Studie über die „Kompaniewirtschaft“ misst dem kaufmännischen Charakter der Söldnerwerbung zu viel Gewicht bei.211 Offiziere zahlten häufig für Waffen und Kleidung, aber ebenso klar ist, dass beides von staatlichen Magazinen und auf dem Wege zentralisierter Beschaffung gestellt wurde. Gewinne, soweit vorhanden, stellten sich schrittweise ein, wenn Bestechungen, Plünderungen und andere Tricksereien, etwa der Bezug von Verpflegungsrationen für nicht existierende Soldaten, sich häuften. Solches Geld war ebenso leicht wieder verloren, sei es durch persönliche Torheit oder – wie für gewöhnlich – durch Glücksspiel, sei es durch Pech, vor allem im Anschluss an eine Niederlage. Bis zu den 1640er-Jahren, als der Austausch von Gefangenen üblicher wurde, mussten gefangen genommene Offiziere im Allgemeinen ihre eigenen Lösegelder zahlen. Regierungen versäumten es häufig, Gehälter zu zahlen oder rechtmäßige Ausgaben zu erstatten. Wie wir sehen wer-

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den, waren die Hauptursache für Meutereien in den beiden letzten Jahrzehnten des Krieges unbezahlte Offiziere, die Unzufriedenheit unter den Soldaten schürten. Vermögen anzuhäufen war selten ein persönliches Ziel, und nur wenige Offiziere hatten einen kaufmännischen Sinn fürs „Geschäft“.212 Geld lieferte die nötigen Mittel, um eine Karriere zu befördern, die den Status verbessern sollte. Echter Reichtum stammte nach wie vor aus Grund und Boden, wenngleich umsichtige Profiteure wie Aldringen Geld bei Bankiers an sichereren Orten investierten, als Besitz nach 1631 riskanter wurde. Der hierarchische, ständische Charakter der Gesellschaft bewirkte, dass Lasten ungleich verteilt wurden. Vereinbarungen wie die Franzburger Kapitulation nahmen Adlige, fürstliche Residenzen, privilegierte Städte, den Klerus, Universitätspersonal und andere Berufsgruppen aus. Magistrate und städtische Beamte waren normalerweise von der Einquartierung befreit, was sie veranlasste, sich gegenüber den Forderungen von Offizieren entgegenkommender zu verhalten. Auch wussten sie um die Fähigkeit der Soldaten, Weinberge und andere Vermögenswerte zu verwüsten, die reicheren Bürgern jenseits der Stadtmauern gehörten. Dies hilft, die sozialen Spannungen zu erklären, die durch eine Belagerung erzeugt wurden: Die Armen waren oftmals am entschiedensten zum Widerstand entschlossenen, wohl wissend, dass ihnen die Mittel fehlten, sich Schutz zu erkaufen, sollten die Soldaten ihre Stadt erobern. Widerstand war mit beträchtlichen Risiken verbunden. Piccolomini belegte die pommersche Stadt Stargard mit einer Geldbuße von 10 000 Talern, nachdem ein Fähnrich beim Versuch, die Stadt zu betreten, getötet worden war. Allerdings waren solche Gewalttätigkeiten relativ selten (siehe Kapitel 22). Städte, die bewaffneten Widerstand leisteten, erhielten meist Hilfe durch reguläre Garnisonen, obwohl ihre Einwohner und die Soldaten gleichermaßen Plünderung und Gemetzel ausgesetzt waren, wenn sie nicht kapitulierten, bevor die Belagerer eindrangen. Der dezentrale Charakter von Wallensteins System wird meist dahingehend interpretiert, dass es den Krieg „privatisiert“ und dadurch noch unterentwickelten Staaten wie der Habsburgermonarchie ermöglicht habe, gewaltige Armeen aufzustellen – ohne den gleichzeitigen Ausbau ihrer Verwaltungs- und Fiskalstrukturen. Kontributionen und militärisches Vertragswesen werden solcherart zu vorübergehenden Notlösungen auf einem linearen Weg zur Modernisierung, eingesetzt, bis der Staat ausreichend entwickelt sei, um die Kriegführung zu „renationalisieren“.213 Dies ist irreführend, weil es die Aufmerksamkeit sowohl von der fortgesetzten Bedeutung der regulären Besteuerung als auch vom persönlichen Treueverhältnis zwischen dem Feudalherrn (dem Kaiser) und den Vasallen (seinen Offizieren) ablenkt. Selbst dort, wo bestehende fiskalische Strukturen unter der Belastung zusammenbrachen, war die Armee auf zivile Beamte ange-

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wiesen, um Geld und Quartiere aufzutreiben. Plünderung konnte Krieg nicht wirklich profitabel machen und beschränkte die Größe der Armeen. Kurzfristig war sie ohnehin unwirtschaftlich und ineffektiv, da die Soldaten sich entweder vollstopften und wegwarfen, was sie nicht sofort verzehren konnten, oder aber die Lebensmittel und Wertsachen gar nicht fanden, die Zivilisten sorgfältig versteckt hatten. Auf längere Sicht war Plünderung selbstzerstörerisch, da die normale Wirtschaftstätigkeit zum Erliegen kam und die Ressourcen verschwanden. Lokale Chroniken sind voll von Berichten über Garnisonen, zusammengepfercht in ein paar noch übrig gebliebenen Häusern, nachdem die Soldaten alle anderen zerstört hatten, um an Feuerholz zu kommen. Vor allem waren Soldaten zumeist Außenstehende, die weder die örtlichen Gegebenheiten und Verstecke noch den wahren Reichtum einer Region kannten. Kontributions- und Einquartierungsforderungen wurden als pauschale Summen präsentiert, und es blieb den lokalen Amtsträgern überlassen zu berechnen, wer in ihrem Gemeinwesen was zur Verfügung stellen musste. Amtspersonen und Beamte waren gefangen zwischen den unentwegten Forderungen der Offiziere und den Bitten der Einwohner, verschont zu werden. Zweifellos brach die Territorialverwaltung im Laufe der 1630er-Jahre in vielen Gebieten zusammen, und es wurde schwer, für all die Amtsträger Ersatz zu finden, die getötet worden waren oder einfach aufgegeben hatten. Beamte fälschten zuweilen auch Berichte oder machten bei der Aufteilung der Beute mit den Offizieren gemeinsame Sache. Der Gesamteindruck jedoch ist der von einer Gruppe unterbezahlter, schlecht unterstützter Männer, die sich in furchtbaren Zeiten abmühten, ihr Bestes zu tun. Da wäre etwa der Hohenloher Vogt zu nennen, der seine Bücher sorgfältig führte, obwohl seine Amtsstube achtmal von rivalisierenden Truppen durchwühlt wurde.214 Dennoch zersetzten nach 1625 die steigenden Lasten althergebrachte Beziehungen. Wenn manche Leute eine Befreiung erreichten oder sich vor ihrem Anteil drückten, fiel die Last umso schwerer auf den Rest des Gemeinwesens. Das gutnachbarliche Verhältnis erlitt Schaden, wenn Familien jene öffentlich anprangerten, die verdächtigt wurden, Steuererklärungen zu fälschen. Der vorrangige Wunsch, die Gewalt einzudämmen, zwang die Behörden, sich von den bisherigen Mustern fürsorglichen Verhaltens zu verabschieden. Im 16. Jahrhundert hatten Herrscher und Grundherren bei Existenz- und anderen Krisen im Allgemeinen verringerte Einnahmen hingenommen, um ihren Untertanen Zeit zu lassen, sich zu erholen. Solche Toleranz war nun unmöglich, da militärische Forderungen keinen Aufschub duldeten. Sogar vergleichsweise kleine Territorien wie die Grafschaft Hohenlohe waren gezwungen, ihre rudimentären Fiskalsysteme auf eine solidere Grundlage zu stellen, und betrieben den Einzug von Steu-

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ern und Abgaben rücksichtslos, um dem größeren Übel militärischer Repressalien vorzubeugen.215 Wallenstein prahlte, er unterhalte eine Armee, ohne auf die bereits überbeanspruchte habsburgische Hofkammer zurückzugreifen, aber in der Praxis verließ er sich stark auf die bestehenden Steuern und Abgaben der Monarchie. Die Hofkammer hatte bereits im November 1626 eingeräumt, dass es ihr unmöglich sei, die vergrößerte Armee zu unterhalten.216 Dennoch trugen die regulären habsburgischen Steuereinnahmen weiterhin jährlich mit 1,2 Millionen Gulden zum Unterhalt der Militärgrenze bei, und 4 Millionen Gulden an Steuergeldern wurden von 1625 bis 1630 Wallenstein zur Verfügung gestellt, der in demselben Zeitraum spanische Subsidien im Wert von 3 Millionen erhielt.217 Das Bargeld floss in Wallensteins Kriegskasse, die außerdem prall gefüllt war mit Geld, das Städten und Territorien abgepresst worden war, die im Gegenzug von Werbung und Einquartierung befreit wurden. Das Bargeld wurde einerseits zur Finanzierung von Operationen und zur Beschaffung von Artillerie und Munition in großem Stil verwendet, andererseits zur Absicherung der unverzichtbaren Kreditvereinbarungen. Auch das Geld, das Wallenstein seinen Obristen, der habsburgischen Hofkammer und sogar dem Kaiser vorschoss, stammte teilweise aus Krediten. So war es beispielsweise, als Wallenstein für Ferdinands Besuch auf dem Regensburger Kurfürstentag aufkam, der 1630 sein erstes Generalat beendete. Solche Vorschüsse beliefen sich bis 1628 auf insgesamt 6,96 Millionen Gulden, finanziert aus Wallensteins Privatvermögen und aus Anleihen, die von seinem Bankier, Hans de Witte, aufgenommen wurden. Bei diesem handelte es sich um einen calvinistischen Flüchtling aus Antwerpen, der sich in Prag niedergelassen hatte und als Kreditgeber für Rudolf II. große Profite machte. Witte bot das Gegenmittel gegen den Liquiditätsengpass, der Wallensteins System den Garaus zu machen drohte. Steuern und Kontributionen reichten nämlich für gewöhnlich nicht aus und trafen zu spät ein. Aschersleben sollte Ende 1625 106 400 Gulden zahlen, lieferte aber nach 28 Wochen nur 40 000 ab, während die Zahlungen aus Brandenburg 1627 nach den ersten vier Monaten völlig versiegten. Witte stellte Überbrückungskredite bereit, die anfangs über bestimmte künftige Einnahmequellen abgesichert wurden, bald jedoch nur noch an Wallensteins persönliche Garantie gebunden waren. Das verschachtelte Kreditnetzwerk erstreckte sich auf 67 Städte, von London bis Konstantinopel, und funktionierte über Mittelsmänner, sodass viele Kreditgeber keine Ahnung hatten, wohin ihr Geld tatsächlich floss. Gegen 2,5 Prozent Abzug zahlte Witte regelmäßige monatliche Raten, die nur teilweise durch Überweisungen aus Wallensteins Kriegskasse wieder hereinkamen.218

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Das System war von Natur aus unsolide. Im Gegensatz zur holländischen Kreditaufnahme, die durch eine expandierende Wirtschaft gestützt wurde, fehlten dem Kaiser die Mittel, um die Gesamtschuld zurückzuzahlen. Zusätzlich zu dem von Wallenstein geforderten Geld schuldete Ferdinand Merode, Arnim und Adolf von Holstein 1628 die Summe von 912 000 Gulden. Die Armee erreichte unterdessen eine Gesamtstärke von 100 000 Mann, die größte Streitmacht, die man bislang in Mitteleuropa gesehen hatte. Die wachsende Krise enthüllte das wahre Fundament des Systems – die persönliche Beziehung zwischen dem Kaiser, seinem General und den Offizieren. Obwohl es Ferdinand an Geld mangelte, blieb er der feudale Oberherr, der das letzte Wort hatte, was den Besitz von Rechten und Ländereien betraf. Die Konfiskation von Rebellenbesitz in den habsburgischen Erblanden hatte bereits die kaiserlichen Kriegsanstrengungen vor 1625 getragen. Land wurde verkauft, um Geld für laufende Ausgaben aufzutreiben, oder anstelle von Sold und zur Abgeltung von Zahlungsrückständen verteilt. Ferdinand II. und sein Nachfolger, Ferdinand III., handhabten geschickt jeden Aspekt ihrer Vorrechte, um den Wert solcher Transaktionen zu maximieren. Während in einigen besonders dringenden oder verdienstvollen Fällen die Anwärter sofort Land erhielten, wurden andere auf Wartelisten für bestimmte Besitztümer gesetzt, die in der Zwischenzeit der Hofkammer Einkünfte verschafften. Die Plätze auf solchen Listen wurden austauschbare Handelsgüter, die gehandelt oder vererbt werden konnten, vorausgesetzt, der Kaiser stimmte zu. Jedes Mal wurden Gebühren einbehalten, was den Kaiser in die Lage versetzte, bestehende Verbindlichkeiten zu reduzieren oder den Betrag auf neue anzurechnen. Selbst wenn eine Person den Alleinanspruch erhielt, konnte weiteres Geld für die förmliche Belehnung oder für bestimmte Privilegien erhoben werden, etwa die Statuserhöhung des Besitztums, wie im Falle von Wallensteins Herzogtum Friedland.219 Politische Auswirkungen Die Konfiszierung von Grundbesitz war bereits im Gefolge der Siege Tillys über die protestantischen Söldnerführer auf das Rheinland ausgedehnt worden, und die Ausbreitung des Krieges auf Norddeutschland eröffnete wiederum neue Möglichkeiten, Macht zugunsten von Ferdinands Unterstützern umzuverteilen. Die Proteste über den materiellen Schaden häuften sich, sobald Wallenstein im September 1625 von Böhmen heranmarschierte. Der Herzog von Coburg beklagte sich, dass kaiserliche Offiziere sich in seinem Territorium aufführten „wie in einem ofnen wirthshauß“.220 Solche Beschwerden waren aufrichtig gemeint und sind auf großes historisches Interesse gestoßen. Dabei waren es die politischen Auswirkungen, die sich als wahrhaft brisant erwiesen, führte die Neuverteilung von Land und Ressourcen doch zu einer grundlegenden Machtverschiebung im Heiligen Römischen Reich.

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Dem früheren Muster folgend, verhängte Ferdinand im Dezember 1625 die Reichsacht über Christian IV. und befahl allen Einwohnern des Reiches, ihm jede Hilfe zu versagen, andernfalls müssten sie mit ähnlichen Konsequenzen rechnen.221 Als die militärische Lage sich besserte, ernannte der Reichshofrat von Februar 1628 an Bevollmächtigte, um in Westfalen und Niedersachsen Güter von Offizieren zu beschlagnahmen, die in Christians Armee dienten. Bis Juni 1630 war Grund und Boden im Wert von mindestens 740 000 Gulden konfisziert worden; weiterer Grundbesitz wurde in den zum Königreich Dänemark gehörenden Teilen Holsteins und der Halbinsel Jütland beschlagnahmt. Noch schwerwiegender war, dass die kaiserlichen Bevollmächtigten autorisiert waren, gegen jene Fürsten vorzugehen, die sich Ferdinands Mandat nicht fügten. Finanzen, Politik und Religion überschnitten sich im Schicksal von Magdeburg und Halberstadt. Diese beiden geistlichen Territorien lagen zu beiden Seiten der Elbe zwischen dem neutralen Brandenburg und der dänischen Armee, welche die welfischen Herzogtümer besetzte, und sicherten somit Christians östliche Flanke. Wallensteins Anmarsch im Oktober 1625 veranlasste ihren lutherischen Administrator, Christian Wilhelm von Brandenburg, sich Christian IV. anzuschließen, was Ferdinand augenblicklich den Vorwand lieferte, seine Territorien zu konfiszieren. Diese versorgten Wallenstein nicht nur beim Herannahen des Winters mit willkommenen Quartieren, sondern bildeten auch eine vorgeschobene Operationsbasis, die durch die Elbe mit Böhmen verbunden war, wo er in seinem gewaltigen persönlichen Territorium Friedland eine Art Planwirtschaft organisierte. Bestimmte dort angesiedelte Branchen wie etwa die Eisenerzeugung belieferten die Armee direkt, obschon Wallenstein im Allgemeinen sparsam mit den Ressourcen Friedlands umging. Die Truppen waren ohnehin angewiesen, diese terra felix zu meiden – während er das Geld mit vollen Händen für einen neuen Palast in der Residenzstadt des Herzogtums Friedland, Gitschin (heute Jičín in Tschechien), und für einen weiteren in Prag ausgab.222 Unterdessen sicherte ihm Tilly zu, in jenem Winter westlich der Leine zu bleiben, sodass Magdeburg und Halberstadt den kaiserlichen Truppen vorbehalten blieben und Ferdinand die Möglichkeit erhielt, die Wittelsbacher im Gerangel um die Bistümer zu übertrumpfen. Der Kaiser hatte sich den Bayern schon in jenem Oktober gefügt, als er den Cousin Ferdinands von Köln, Franz von Wartenberg, als neuen Bischof von Osnabrück anerkannte.223 Ferdinand musste seine eigene Familie berücksichtigen und wollte Magdeburg und Halberstadt für seinen jüngeren Sohn Leopold Wilhelm sichern. Obwohl er erst 1638 ordiniert wurde, war Wartenberg doch bereits ein erfahrener Administrator und 21 Jahre älter als sein Habsburger Rivale. Die Katholiken vor Ort und der Papst waren

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angetan von seinem echten Glaubenseifer, was zu einem langwierigen Hin und Her darüber führte, wer gewählt werden sollte. Wallenstein hegte wenig Begeisterung für die kaiserlichen Pläne, da diese ihn daran hindern würden, die Ressourcen der Bistümer nach Belieben auszubeuten. Das Halberstädter Domkapitel wählte schließlich im Dezember 1627 Leopold Wilhelm, während die protestantischen Kanoniker in Magdeburg sich für August von Sachsen-Weißenfels entschieden, den zweiten Sohn Johann Georgs von Sachsen. Magdeburg selbst trotzte allen Parteien und weigerte sich in einer bis Mai 1631 andauernden Pattsituation, eine kaiserliche Garnison in die Stadt zu lassen.

Dänemarks Niederlage (1626–29) Die Ratifizierung der Haager Allianz durch Christian IV. im März 1626 verpflichtete Dänemark unwiderruflich zum Krieg. Seine schwindenden Mittel vergrößerten seine Abhängigkeit von seinen unzuverlässigen Verbündeten und erschwerten es ihm, sich bei den Generälen, die zu ihm stießen, Autorität zu verschaffen. Kontributionen befreiten Armeen nicht von Nachschublinien, trotz gegenteiliger Behauptungen.224 Die Armeen wurden größer, aber die Feldstärke blieb dieselbe, weil die zusätzlichen Truppen eingesetzt wurden, um Stützpunkte zu sichern, die Geld und Verpflegung lieferten. Außerdem gab es eine – bereits 1626 erkennbare – Tendenz, so lange wie möglich in den Quartieren zu bleiben, um sich auf Kosten der Einheimischen zu erholen. Es erwies sich als schwierig, während des Winters Nachschub zu bunkern, um Operationen außerhalb der Kontributionsgebiete zu unterstützen, ganz zu schweigen davon, dass aufgrund der Ungewissheit über die feindlichen Absichten nicht einmal klar war, wo Vorräte deponiert werden sollten. Die Kampfpause bot eine Chance für Verhandlungen, die ein konstantes Merkmal des gesamten Krieges waren. Die abgebrochenen Braunschweiger Gespräche wurden schon im Mai 1626 wieder aufgenommen und nach dem Feldzug jenes Sommers im September fortgesetzt, um dann mit Unterbrechungen das ganze Jahr 1627 weiterzugehen. Operationen sollten im Grunde örtliche militärische Vorteile sichern, um diesen Verhandlungen Gewicht zu verleihen und die andere Seite zu nötigen, vernünftiger zu sein. Christian war gezwungen, die 20 000 Mann seiner Hauptarmee Anfang 1626 bei Wolfenbüttel zu konzentrieren, um die Welfen einzuschüchtern und dafür zu sorgen, dass Wallenstein und Tilly sich nicht vereinigten. Wallenstein befand sich bei Halberstadt im Südosten mit etwa der gleichen Truppenzahl, während Tilly in etwas geringerer Stärke an der Weser im Westen stand, mit dem Harz zwischen

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ihnen. Christian schickte Johann Ernst von Weimar mit einer kleinen Abteilung über die Weser, um Tilly abzulenken und zu versuchen, Osnabrück einzunehmen. Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel marschierte bei Göttingen auf, bereit, südlich nach Hessen vorzustoßen, wo Graf Philipp Reinhard von Solms 4000 Bauern gesammelt hatte. In dem Wissen, dass Landgraf Moritz von Hessen-Kassel zu ihnen stoßen würde, wenn er durchkam, wollte Tilly Münden, Nordheim und Göttingen einnehmen, um die Grenze zu sichern und Hessen zu schützen, das weiterhin einen Großteil seiner Armee bezahlte. Tillys Weigerung, den Harz zu überqueren, um zu Wallenstein zu stoßen, entmutigte den kaiserlichen Oberbefehlshaber, der zwischen Februar und März 1626 aus Protest gegen das erbärmliche Versäumnis der kaiserlichen Hofkammer, Geldmittel bereitzustellen, nicht weniger als sechs Mal seinen Rücktritt anbot. Außerdem war Wallenstein besorgt über eine neue Bedrohung seiner vorgeschobenen Operationsbasis durch Mansfeld, der jetzt mit 12 000 Mann bei Lauenburg an der Elbe stand und bereit war, in Brandenburg einzufallen und Wallensteins Flanke zu umgehen. Ferdinand hatte kein Verlangen, den Krieg nach Obersachsen zu tragen, und befahl Wallenstein, westlich der Elbe zu bleiben. Der begann dort in der Gegend von Goslar mit Operationen gegen Herzog Christian, war aber Mitte Februar gezwungen, kehrtzumachen, als Mansfeld am rechten Elbufer entlang durch Westbrandenburg vorstieß, während ein kleines dänisches Korps unter General Fuchs westlich der Elbe folgte. Mansfeld verkündete, er komme, um das Erzbistum Magdeburg zu befreien, und fing an, anhaltinisches Territorium östlich des Flusses zu besetzen. Wallenstein jagte Fuchs binnen Kurzem davon, erfuhr aber, dass Mansfeld seinen Außenposten unter Aldringen bei Roßlau in der Nähe von Dessau bedrohte, der die einzige dauerhafte Brücke zwischen Magdeburg und Dresden schützte. Wenn diese fiel, konnte Mansfeld den Nachschub aus Böhmen für die kaiserliche Armee unterbrechen. Vom 12. April an erhöhte Mansfeld den Druck auf Aldringens Verschanzungen am östlichen Ufer. Wallenstein führte Verstärkungen heran und traf selbst mit der Hauptarmee am 24. April ein, womit die Zahl der Verteidiger auf mindestens 14 000 anwuchs. Mansfeld hatte sich zu viel zugemutet, nachdem er mit Fuchs gestritten hatte, der noch zu weit nördlich war, um helfen zu können. Mit nur 7000 Mann und 25 Geschützen war er zu schwach, um die Verschanzungen einzunehmen. Er setzte alles auf einen letzten Angriff am 25. April um sechs Uhr morgens, ohne zu merken, dass Wallenstein ein Kürassierregiment unter dem Grafen Schlick in einem Wäldchen im Osten versteckt hatte. Diese Truppen starteten just in dem Moment einen Gegenangriff, als Mansfelds Attacke erlahmte. Seine Reiterei flüchtete flussabwärts nach Havelberg und ließ die Infanterie im Stich, die sich ergab.225

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Das Versäumnis, den Sieg auszunutzen, wird gewöhnlich der Rivalität zwischen Tilly und Wallenstein sowie ihren fortgesetzten logistischen Problemen angelastet. Tilly war gezwungen gewesen, Anholt abzukommandieren, um Osnabrück zu befreien, während er sich in Abwesenheit Wallensteins mit Herzog Christian befasste. Der Tod des Herzogs am 16. Juni 1626 beendete die dänischen Aktionen in dem Gebiet vorübergehend. Wallenstein traf schließlich am 30. Juni in Duderstedt bei Göttingen mit Tilly zusammen und sicherte sich dessen Zustimmung zum Einmarsch in Niedersachsen. Der Angriff wurde durch einen Aufstand in Oberösterreich verzögert, der den bis dato bedeutendsten Ausbruch von Unzufriedenheit im Volk darstellte. Der oberösterreichische Aufstand von 1626 Im Gegensatz zur Situation des Jahres 1620 waren viele Protestanten in Oberösterreich nun bereit, Rebellion stillschweigend zu dulden – vor allem wenn sie ihren Glauben verteidigte. Religiöse Missstände halfen allemal, die Unruhen zu entfachen.226 Ferdinand erwartete, dass der Statthalter des bayerischen Kurfürsten in Oberösterreich, Adam Graf von Herberstorff, selbst ein Konvertit vom Luthertum, die Rekatholisierungsmaßnahmen durchsetzte. Im Oktober 1624 wurden protestantische Geistliche und Schullehrer ausgewiesen, 1625 wurde eine Geldbuße von einer Million Gulden gegen jene verhängt, die beschuldigt wurden, den Aufstand von 1618 unterstützt zu haben, und allen Protestanten wurde befohlen, zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Die Maßnahmen provozierten Widerstand, insbesondere unter den Ständen der Provinz, die eine Kampagne zur Diskreditierung Herberstorffs lancierten, um die einheimische Kritik von ihrem eigenen Misserfolg im Jahr 1618 abzulenken. Herzog Maximilian war nicht daran gelegen, Oberösterreich zu beunruhigen, da er auf seine Steuerzahler angewiesen war, um die 1623 mit Ferdinand vereinbarte gewaltige Kriegsentschädigung zu bezahlen. Die Geldbuße wurde auf 600 000 Gulden ermäßigt und die bayerische Garnison auf 5000 Mann reduziert. Es ist schwer einzuschätzen, was genau die Bauern wollten, da ihre Forderungen von einem ehemaligen Richter und einem Juristen niedergeschrieben wurden, welche die bäuerlichen Gefühle zum Ausdruck bringen mochten oder auch nicht. Das Dokument attackierte das neue „Reformationsmandat“, das Herberstorff auf Druck Ferdinands am 10. Oktober 1625 erlassen hatte und das die Frist für den Glaubenswechsel bis Ostern 1626 verlängerte. Der Hauptkritikpunkt lautete, dass den Behörden die Rekatholisierung wichtiger sei als gute Regierung und dass echte Missstände sie nicht kümmerten – die bäuerliche Verschuldung und Pleiten hatten nach der Hyperinflation des Jahres 1622 stark zugenommen. Die Rekatholisierungsmaßnahmen betrafen auch die Gemein-

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deautonomie, weil die Verfügung über Schulen und dörfliche Rücklagen den örtlichen Gewalten aus der Hand genommen wurde, während viele doch statt der Kleriker die Bauern in den Landständen vertreten wissen wollten. Zeitgenössische Flugblätter zogen Parallelen mit dem Deutschen Bauernkrieg und zeigten Bilder der Anführer von 1525, aber mit den Waffen und Forderungen von 1626.227 Der Aufstand wurde geplant wie der im Jahr 1595. Stefan Fadinger, ein wohlhabender Bauer, verschwor sich mit seinem Schwager, dem Gastwirt Christoph Zeller, aber nach einem gewaltsamen Zusammenstoß mit bayerischen Soldaten in der Marktgemeinde Lembach am 17. Mai 1626 kam es zum vorzeitigen Ausbruch. Die Aufrührer stützten sich auf die Erfahrungen mit dem Passauer Kriegsvolk 1610/11 und den Aufstand von 1619/20 und nutzten das Milizsystem der Provinz, um aus einer nur 300 000 Köpfe zählenden Bevölkerung 40 000 Mann zu mobilisieren. Ihnen fehlten Artillerie und Reiterei, bis einige Bürger ihre Unterstützung erklärten. Auch drei Adlige schlossen sich an, darunter Achaz Wiellinger, der den Oberbefehl übernahm, nachdem Fadinger getötet worden war. Ansonsten hielt sich die lokale protestantische Elite zurück, weil sie glaubte, dass der Aufstand scheitern und lediglich ihren Interessen schaden würde. Die Bewegung blieb dezentral und bestand aus einzelnen Scharen, die von zunehmend verbitterten Männern angeführt wurden. Einige waren äußerst streitbar, wie etwa der nicht ordinierte evangelische Prädikant, der schlicht als „Student“ bekannt war und den die Behörden für geistesgestört hielten. Doch auch das populäre Luthertum artikulierte Forderungen nach umfassenderen Freiheiten, wie sie 1525 gestellt worden waren. Der Aufstand begann in der Nordwestecke Oberösterreichs zu beiden Seiten der Donau in der Nähe der bayerischen Grenze. Herberstorff marschierte von Linz los, um ihn zu unterdrücken, wurde aber von Zeller am 21. Mai bei Peuersbach aus dem Hinterhalt überfallen, bei welcher Gelegenheit die meisten seiner Männer niedergemetzelt wurden. Herberstorff entkam nach Linz, doch sein Einfluss auf die Stadt wurde durch die unter den Bewohnern weit verbreitete Sympathie für die Rebellen draußen untergraben. Diese verspielten freilich wie so viele frühneuzeitliche Aufrührer ihren anfänglichen Vorteil, indem sie zur Mobilisierung weiterer Unterstützung das Land durchstreiften. Um Zeit zu gewinnen, eröffnete Herberstorff am 25. Mai Gespräche. Die Bauern waren bereit, die Hypothek von 1623 zu bezahlen, um die Provinz für Ferdinand zurückzukaufen, immer vorausgesetzt, der Kaiser gewährte religiöse Toleranz. Der Waffenstillstand wurde durch häufige Scharmützel gebrochen, bei denen Fadinger und Zeller getötet wurden. Weiter demoralisiert wurde das Bauernheer auf den Höhen oberhalb von Linz durch unbedeutende Niederlagen, die ihm von klei-

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nen kaiserlichen und ligistischen Trupps zugefügt wurden, die von Böhmen und Bayern aus operierten. Maximilian zog in Bayern südlich der Donau 8000 Mann zusammen, die Hälfte von ihnen Rekruten. Ihr Vormarsch am 18. September beendete den Waffenstillstand, aber sie wurden von den Bauern in den Bergen entlang der Grenze binnen Tagen vernichtend geschlagen. Maximilian ließ General Pappenheim kommen, der am 4. November von Passau aus mit 4750 Mann vorrückte, um Linz zu entsetzen. Verstärkt durch die Linzer Garnison und eine kleine kaiserliche Abteilung, unterwarf Pappenheim in vier erbitterten Schlachten das Gebiet südlich der Donau, wobei 12 000 Aufrührer getötet wurden. Der Widerstand brach zusammen, was Herberstorff in die Lage versetzte, 100 mutmaßliche Anführer festzunehmen. Es erwies sich als unmöglich, Beweise gegen andere oberösterreichische Adlige als Wiellinger zu finden, der zusammen mit mehr als 20 anderen hingerichtet wurde. Fadingers Leichnam wurde sogar exhumiert, damit er gehängt werden konnte. Ferdinand weigerte sich, abermalige Geldstrafen zu verhängen, und verschob die Maßnahmen zur Rekatholisierung bis 1631. Politische Unsicherheit In der Zwischenzeit war Christian IV. in Wolfenbüttel untätig geblieben und hatte im Mai der Wiederaufnahme der sächsischen Vermittlung zugestimmt. Er stand vor derselben Schwierigkeit, der Gustav Adolf sich 1630 gegenübersehen sollte: Wie ließ sich die breitere deutsche Unterstützung mobilisieren, die erforderlich war, um den Kaiser zu besiegen? Christian brauchte Hessens Unterstützung, um nach Süden zu marschieren, und Brandenburgs Zustimmung, um sich gen Osten wenden zu können. Hessen wollte ohne einen dänischen Sieg seine Karten nicht aufdecken, während Kurfürst Georg Wilhelm nicht erbaut war von Mansfelds Übergriffen. Die Calvinisten verfügten über die Mehrheit im Geheimen Rat des brandenburgischen Kurfürsten, und der den Rat leitende Kanzler Pruckmann erklärte: „Dass [ist] ein Religionskrieg.“ Sie wurden von der lutherischen alten Garde um die Mutter des Kurfürsten und Adam Graf von Schwarzenberg, den einzigen katholischen Rat, blockiert. (Gustav Adolf meinte, die Calvinisten „sollten ihre herrn Graffen devenestrieren und auf böhmisch tractieren oder den hals entzwey schlagen“.)228 Die Lutheraner teilten die Zweifel des Kurfürsten hinsichtlich der angeblichen religiösen Dimension des Krieges, während Schwarzenberg glaubte, der Kaiser würde Brandenburg belohnen, wenn es ihn unterstützte. Wallensteins Sieg an der Dessauer Brücke verstärkte den Druck auf Brandenburg und wurde in Dresden still und heimlich begrüßt, wo Johann Georg den Kaiserlichen die Erlaubnis gab, Sachsen zu durchqueren, sollte Mansfeld ostwärts ziehen.

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Nachdem er sein Heer reorganisiert und auf 10 000 Mann verstärkt hatte, verließ Mansfeld, unterstützt von 7000 Dänen unter Johann Ernst von Weimar, unvermutet am 11. Juli Havelberg und umging Berlin im Norden, um die Oder zu erreichen. Dort wendete er sich nach Süden und fiel neun Tage später, nachdem er 250 Kilometer zurückgelegt hatte, in Schlesien ein. Die schlesische Miliz löste sich auf, was ihm erlaubte, die Provinz zu überrennen und sich nach Oberungarn zu wenden. Dieser kühne Streich eröffnete eine neue Front und erneuerte die Möglichkeit einer siebenbürgischen Intervention. Bethlen war soeben in die Haager Allianz aufgenommen worden, nachdem er im März durch eine Eheschließung mit der Schwester Georg Wilhelms von Brandenburg, Katharina, sein Ansehen aufpoliert hatte. Wallenstein hatte nicht erwartet, dass Mansfeld sich so schnell wieder aufrappeln würde. Um den Machtkampf in Berlin wissend, zögerte er, die pro-kaiserliche Partei durch Verletzung der brandenburgischen Neutralität zu schwächen. Nach drei Wochen wurde klar, wohin Mansfeld wollte, und Wallenstein machte sich mit 20 000 Mann an die Verfolgung. 16 000 Mann ließ er zurück, sie sollten seine Operationsbasis schützen und mit Tilly zusammenarbeiten. Die Schlacht bei Lutter am Barenberge Letzterer hatte die drei von den protestantischen Streitkräften zwischen Niedersachsen und Hessen-Kassel gehaltenen Stützpunkte Münden, Northeim und Göttingen systematisch unterworfen. Münden wurde Anfang Juli erstürmt und verlor dabei zwischen zwei und vier Fünftel seiner Einwohner, die niedergemetzelt wurden, als die Truppen der Liga die Stadt plünderten.229 Anschließend zog Tilly Bergleute aus dem Harz hinzu, die sich unter den Verteidigungsgraben in Göttingen vorarbeiten sollten, um das Wasser daraus abzulassen. Ein Entsatzheer unter dem Rheingrafen von SalmKyrburg wurde am 27. Juli bei Rössing aus dem Hinterhalt überfallen und aufgerieben. Göttingen kapitulierte nach siebenwöchigem Widerstand am 11. August 1626. Christian IV. eilte nach Norden, um seine letzte Garnison in Northeim zu retten, konnte Aldringen aber nicht daran hindern, mit 4300 Kaiserlichen zu Tilly zu stoßen. Am 25. August zog der König sich durch Seesen nach Norden zurück, in der Absicht, nach Wolfenbüttel zu entkommen. Sein Entschluss schwächte die dänische Moral und belebte erneut Tillys sinkenden Mut. Das ligistische Heer bedrängte die Dänen beim Rückzug und schnitt Kommandos ab, die zurückgelassen worden waren, um die Verfolger aufzuhalten. König Christian stand vor demselben Dilemma, dem sich sein Namensvetter bei Höchst und Stadtlohn gegenübergesehen hatte: Sollte er sich von seinem wertvollen Tross trennen? Er entschied sich dagegen, und binnen Kurzem verstopften die Fuhrwerke die Straße nach Wolfenbüttel, dort, wo sie nordöstlich von Lutter am Ba-

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Lutter am Barenberge (1626)

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renberge dichte Wälder durchquerte. Früh am Morgen des 27. August, einem Donnerstag, war Christian gezwungen, sich in Gefechtsformation aufzustellen. Er hoffte, dass ein größeres Rückzugsgefecht die Verfolger verjagen würde. Tilly hatte jedoch nicht die Absicht, aufzugeben, und suchte die Entscheidungsschlacht. Beide Heere zählten ungefähr 20 000 Mann, wobei die Dänen ein paar Kanonen mehr mit sich führten. Ihre Stellung lag in einem von Wald umgebenen Rodungstal. Die jüngste Hitzeperiode hatte die Neile, einen Bach an der rechten Flanke der Dänen, ausgetrocknet, während die Hummecke, ein zweiter Bach vor der dänischen Stellung und zu ihrer Linken, offenbar noch Wasser führte.230 Tilly brachte seine schweren, von Musketieren geschützten Kanonen heran, um die Dänen mit Beschuss zu belegen, derweil der Rest seines Heeres um die Mittagsstunde auftauchte. Seine Männer aßen zu Mittag, während die Dänen unruhig im Regen warteten. Am frühen Nachmittag eröffnete Anholt das Hauptgefecht, indem er die Hummecke überquerte und den linken Flügel der Dänen angriff. Christian war vorausgeeilt, um Ordnung in den Tross zu bringen, ohne klarzustellen, wer in seiner Abwesenheit das Kommando hatte. Weil er versuchen wollte, den Beschuss zum Schweigen zu bringen, startete des Landgrafen Moritz jüngerer Sohn Philipp einen eigenmächtigen Gegenangriff. Unterdessen bahnten sich Abteilungen, die Tilly früher losgeschickt hatte, einen Weg durch die Wälder, um beide dänischen Flanken zu umgehen. Gegen vier am Nachmittag gerieten die Dänen ins Wanken, wodurch es Tillys Zentrum möglich war, den Bach zu überqueren und ihre Artillerie zu erobern. Die königliche Eskorte der Dänen griff erfolgreich an, um den Rückzug der zweiten und dritten Linie zu decken, aber die erste konnte nicht abziehen und musste sich ergeben. Christian hatte bis zu 3000 Tote zu beklagen, darunter Philipp von HessenKassel, General Fuchs und andere höhere Offiziere. Weitere 2000 Mann desertierten, und 2500 fielen zusammen mit der Artillerie und einem Großteil des Trosses, darunter zwei mit Gold beladene Wagen, den Kaiserlichen in die Hände. Tilly verlor etwa 700 Mann durch Tod und Verwundung. Christian gab Herzog Friedrich Ulrich die Schuld, der das Wolfenbütteler Kontingent vier Tage zuvor abgezogen hatte. Die Dänen brannten 24 Dörfer in der Umgebung von Wolfenbüttel nieder und zogen auf ihrem Rückzug nach Verden raubend und plündernd durch Lüneburg. Die Welfen handelten die unblutige Räumung Hannovers und anderer Städte aus und unterstützten die Belagerung der nach wie vor von den Dänen gehaltenen Festung Wolfenbüttel durch die Kaiserlichen. Der Sieg stärkte Tillys Ansehen und ermöglichte seinem geliebten Neffen Werner, die Tochter des wohlhabenden Karl von Liechtenstein zu

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heiraten. Prompt fiel das Heer der Liga in das Erzbistum Bremen ein und schickte eine Abteilung nach Brandenburg, um Georg Wilhelm auf die Sprünge zu helfen, Maximilian als Kurfürst anzuerkennen. Doch Tillys Truppen kamen dabei in ein Gebiet, dessen Ressourcen bereits unter den Dänen vollends erschöpft worden waren. Christian bot jedem Deserteur, der sich wieder seinem Heer anschloss, sechs Taler, und die meisten der 2100 in die Reihen der Liga gepressten Gefangenen wechselten prompt die Seiten. Schwach und erschöpft, wie sie waren, konnten Tillys Truppen den entscheidenden Schlag nicht führen. Die Bedingungen verschlechterten sich im Laufe des Winters, und das bayerische Reiterregiment Schönburg verlegte sich auf Straßenraub, um sich am Leben zu erhalten.231 Mansfelds letzter Feldzug Lutter verhinderte, dass Christian Mansfeld Hilfe schickte, der jetzt in Oberungarn abgeschnitten war. Es ist wahrscheinlich, dass Wallenstein seine Verfolgung absichtlich hinausschob, bis Mansfeld zu weit weg war, um kehrtmachen zu können. Sein Hasardspiel zahlte sich aus, da Mansfeld in der Tatra festsaß, wo er auf Bethlen wartete, der sich wie üblich verspätete. Trotz der zahlreichen Exulanten bei seinem Heer weigerten sich die böhmischen und mährischen Bauern, dem oberösterreichischen Beispiel zu folgen, und blieben loyal zum Kaiser. Die Bauern aus Oberungarn versteckten ihre Ernte, bevor Mansfeld und Johann Ernst von Weimar eintrafen. Mansfeld verlor schließlich den Glauben daran, dass Bethlen noch auftauchen würde, und wollte der Sache ein Ende machen und quer durch Böhmen nach Oberösterreich eilen, wo der Aufstand noch im Gange war. Doch Johann Ernst vertraute Bethlen weiter und hielt Mansfelds Plan für zu riskant. Wallenstein durchquerte Schlesien in der zweiten Augusthälfte und marschierte an seinen Gegnern vorbei zur Militärgrenze, wo die Türken immer wieder die Forts überfielen. Diese Machtdemonstration genügte, um den Pascha von Buda davon abzuhalten, Bethlen zu helfen, der am 11. November einem Waffenstillstand mit dem Kaiser zustimmte. Entbehrung, Krankheit und Desertion hatten Mansfelds und Johann Ernsts Streitkräfte auf 5400 Mann dezimiert. Nachdem er sich mit dem Herzog zerstritten hatte, brach Mansfeld mit einer kleinen Eskorte in der Absicht auf, den Gebirgszug zu überqueren und nach Venedig zu entkommen. Obwohl er erst 46 Jahre alt war, machten Asthma, Herzbeschwerden, Typhus und die fortgeschrittenen Stadien einer Tuberkulose ihn praktisch handlungsunfähig. Darauf beharrend aufzustehen, fand er angeblich sein Ende in voller Rüstung, als ihn am 29. November 1626 in einem Dorf bei Sarajewo der Tod ereilte. Johann Ernst starb nur eine Woche später, am 6. Dezember, an der Pest.232

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Bethlen hatte gewartet, bis die Ernte eingebracht war, bevor er mit 12 000 Reitern und einer ähnlichen Anzahl türkischer Hilfstruppen vorrückte, um Mansfeld zu treffen. Die Letzteren waren bereits wieder abgezogen, als Mansfeld Oberungarn erreichte, und Bethlens Aktionen liefen parallel zu seinen Gesprächen mit Vertretern Ferdinands. Der Waffenstillstand wurde am 20. Dezember als Frieden von Pressburg bestätigt, und Bethlen musste Änderungen am Vertrag von Nikolsburg zugunsten Ferdinands hinnehmen. Der Pascha von Buda hatte die Operationen bereits eingestellt und erneuerte im September 1627 in Szőny den Waffenstillstand von 1606. Bethlen blieb nicht vertrauenswürdig. Im Folgenden bot er seine leichte Reiterei Gustav Adolf für dessen Krieg gegen Polen an, starb allerdings am 15. November 1629, bevor Einvernehmen erzielt werden konnte. Sein einstiger Stellvertreter, György Rákóczi, inszenierte im September 1630 einen Putsch und vertrieb Bethlens Witwe Katharina, die Verhandlungen zur Anerkennung der habsburgischen Oberherrschaft führte. Siebenbürgen wurde in innere Kämpfe gestürzt, aus denen Rákóczi 1636 dank seiner engeren Verbindungen zum Sultan und der einheimischen calvinistischen Geistlichkeit als Sieger hervorging.233 Viele waren der Ansicht, dass Wallenstein Bethlen hätte besiegen sollen, statt mit ihm zu verhandeln. Wallenstein verteidigte sich auf der Brucker Konferenz im November 1626 und während seines ausgedehnten Besuchs in Wien im darauffolgenden April gegen seine Kritiker und sicherte sich freie Hand für den kommenden Feldzug. Sein Erfolg veranlasste Georg Wilhelm von Brandenburg, sich für den Kaiser zu erklären. Der Kurfürst hatte sich in den Osten begeben, nach Preußen, und nur Schwarzenberg mitgenommen. Frei von seinen calvinistischen Räten in Berlin, unterzeichnete er im Mai 1627 ein Bündnis. Winterfeld, der brandenburgische Gesandte, der 1624–26 unermüdlich daran gearbeitet hatte, eine protestantische Allianz zu schmieden, wurde drei Monate später unter erdichteten Hochverratsvorwürfen verhaftet. Das Bündnis erlaubte einem kaiserlichen Korps unter Arnim den Durchzug durch Brandenburg nach Frankfurt an der Oder, um die Überreste von Mansfelds Heer, die in den schlesischen Festungen ausharrten, einzuschließen. Diese verbliebenen Haufen waren unter das Kommando Joachim von Mitzlaffs gekommen, eines pommerschen Adligen in dänischen Diensten, dem es gelang, das Heer zu reorganisieren und auf 13 400 Mann zu verstärken sowie in den oberschlesischen Bergen um Troppau und Jägerndorf eine effektive Operationsbasis einzurichten.234 Wallenstein zog im Juni 1627 40 000 Mann bei Neisse (Nysa) zusammen. Als seine Festungen sich eine nach der anderen ergaben, machte Mitzlaff sich mit 4000 Reitern nach Norden auf, in der Hoffnung, an Arnim vorbeischlüpfen zu können. Wallenstein schickte ihm Merode und den

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Obristen Pechmann hinterher, der seine Abteilung am 3. August stellte und vernichtete. Mitzlaff entkam, aber zahlreiche böhmische Exulanten wurden gefangen genommen, darunter Wallensteins Cousin Christoph, den der General prompt einkerkerte. Anschließend marschierte er nordwestlich durch Brandenburg in Richtung Lauenburg, während er Arnim nordwärts nach Mecklenburg hineinschickte. Die zunehmenden Rückschläge bestärkten Christian IV. darin, wieder Verhandlungen aufzunehmen. Ferdinand plante bekanntlich eine Konferenz, um die Entscheidungen des Regensburger Kurfürstentages von 1623 als Grundlage für einen allgemeinen Frieden zu bekräftigen. Er wusste, dass die Pfalz und ihre Stuart-Unterstützer einbezogen werden müssten, und begrüßte entsprechend eine Initiative von Württemberg und Lothringen, Gespräche im elsässischen Colmar im Juli 1627 auszurichten. Christian drängte Friedrich V., die Bedingungen des Kaisers anzunehmen, weil er auf diese Weise Frieden schließen könne, ohne das Gesicht zu verlieren. Endlich gab Friedrich wirklich nach, indem er anbot, auf Böhmen zu verzichten, Maximilian als Kurfürsten zu akzeptieren – vorausgesetzt, der Titel kehre bei seinem Tod in die Pfalz zurück – und sich durch einen Stellvertreter der kaiserlichen Autorität zu unterwerfen, um die persönliche Demütigung zu vermeiden. Eine Einigung war zum Greifen nahe, da Ferdinand seine Forderung nach Entschädigungen wahrscheinlich fallen gelassen hätte, wenn Friedrich seinen Stolz hinuntergeschluckt und sich in eigener Person unterworfen hätte. Das allerdings war zu viel verlangt, und die Gespräche scheiterten am 18. Juli.235 Der Feldzug von 1627 Christian war gezwungen weiterzukämpfen und erhielt einige Verstärkungen aus England und Frankreich. Die 5000 Mann britische und holländische Hilfstruppen wurden an der Niederweser postiert, mit Außenposten in Nienburg und Wolfenbüttel, während das 15 000 Mann starke Hauptheer die Elbe bei Lauenburg hielt. Markgraf Georg Friedrich traf ein, um das Kommando über die bei Havelberg verbliebenen 10 000 Soldaten zu übernehmen, die den Osten decken sollten. Die Festungen Glückstadt, Krempe und Pinneberg nördlich der Elbe schützten den westlichen Zugang nach Holstein, während Rendsburg im Norden den Zugang zur Halbinsel Jütland sicherte. Die Schwachstelle lag im Südosten zwischen dem neutralen Hamburg und der Ostsee; sie wurde nur durch das Trittauer Schloss und die holsteinische Miliz geschützt. Die Operationen begannen spät, da Tilly erst am 15. Juli von der Aller in Richtung Elbe vorrückte, es Pappenheim überließ, Wolfenbüttel zu belagern, und Anholt schickte, um Nienburg und die anderen Stellungen entlang der We-

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ser zu erobern, während Herzog Georg von Lüneburg Havelberg angriff. Georg Friedrich gab Havelberg auf, sobald er von Mitzlaffs Niederlage erfuhr, und zog sich quer durch Mecklenburg nach Norden auf die Insel Poel in der Wismarer Bucht zurück, wo er fünf Wochen lang darauf wartete, dass Transportschiffe ihn nach Holstein evakuierten. Wallenstein traf mit seinem Heer aus Schlesien ein und schickte Schlick, den Markgrafen zu verfolgen, während er durch die nun offene östliche Flanke der Dänen weiter vorrückte. Tilly überlistete derweil Christian, indem er vortäuschte, in Richtung Lauenburg zu marschieren, und dann die Elbe stromaufwärts bei Bleckede überquerte. Monro vermerkt eine heldenhafte Verteidigung von Boitzenburg, wo 800 Schotten angeblich Tilly zurückschlugen und ihm 2000 Mann Verluste zufügten. Obwohl einige moderne Historiker dies gelten lassen, war das dänische Heer demoralisiert und leistete in Wirklichkeit kaum Widerstand.236 Christian wiederholte seinen Fehler bei Lutter, indem er dem unfähigen böhmischen Grafen Thurn die Verantwortung für die Verteidigung überließ, während er sich nach Holstein begab, um Verstärkungen zu organisieren. Thurn gab die Elbe bald auf und zog sich nordwestlich nach Glückstadt zurück. An General Morgan wurden verspätete Befehle geschickt, die britischen Truppen, welche die Weser verteidigten, zu evakuieren, bevor sie abgeschnitten wurden. Morgans Männer waren ohne Sold und in Meuterstimmung. Er kam mit dem englischen Botschafter überein, die Befehle zu ignorieren und sich stattdessen nach Stade zurückzuziehen, von wo er eine Chance hatte, auf dem Seeweg nach England zu entkommen. Wallenstein stieß am 5. September unmittelbar nördlich von Lauenburg zu Tilly, und in nur zwei Wochen überrannten sie Holstein. Thurn und die überlebenden 8000 Dänen flohen nach Norden und überließen die verbliebenen Garnisonen ihrem Schicksal. Pinneberg fiel am 28. September, Wolfenbüttel und Nienburg leisteten beide bis Dezember Widerstand, und Morgan hielt Stade noch bis zum 5. Mai 1628. Als er nach England abgesegelt war, waren die Belagerer wegen der vielen verwesenden Leichen drei Tage außerstande, die Stadt zu betreten. Die Glückstädter Garnison konnten die Dänen erneut auf dem Seeweg versorgen, während am 17. November 1628 die Elbe über die Ufer trat und die dortigen kaiserlichen Belagerungswerke zerstörte. Tilly wurde bei Pinneberg durch eine Musketenkugel verwundet und verbrachte den Rest des Feldzugs als Rekonvaleszent – was möglicherweise eine Ausrede war, um nicht die zweite Geige neben Wallenstein zu spielen, der jetzt das Gesamtkommando übernahm.237 Chaos und schlechte Führung behinderten die weitere Verteidigung. Ein Mangel an Transportmitteln hatte zur Folge, dass Georg Friedrich 2000 Mann auf der Insel Poel lassen musste. Mit den restlichen 6000 landete er in Heiligen-

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hafen an der Spitze einer schmalen Halbinsel an der ostholsteinischen Küste, von wo aus er beabsichtigte, zu Thurn zu stoßen. Der überstürzte Rückzug des Letzteren ermöglichte jedoch Schlick, den Markgrafen einzuschließen. Die Dänen rannten in Panik auseinander, als die Kaiserlichen am 26. September ihr Lager beschossen. Nur 1000 gelang es, auf ihren Schiffen zu entkommen. Wie die Festungsgarnisonen hatten auch die meisten der Männer, die sich ergaben, keinen Sold erhalten und meldeten sich prompt zum kaiserlichen Heer.238 Nach dem Fall von Rendsburg am 16. Oktober stand die dänische Halbinsel Ferdinand offen. Die einheimischen Adligen reagierten entweder nicht auf Christians Aufruf oder flüchteten, als die Kaiserlichen sich näherten, alldieweil die bäuerlichen Milizen sich den dänischen Behörden widersetzten. Weitere 3000 Reiter wurden zurückgelassen, als das Hauptheer aus Ålborg zu den dänischen Inseln evakuiert wurde. Wallenstein wird Herzog von Mecklenburg Der dänische Rückzug überließ Niedersachsen der Gnade Ferdinands und seiner Verbündeten. Der Kaiser hielt Friedrich Ulrichs Treuebruch unmittelbar vor Lutter für opportunistisch, verhängte 400 000 Taler Geldbuße gegen ihn und legte eine Garnison in seine Residenz Wolfenbüttel, um die Zahlung zu garantieren. Andere Ländereien wurden verteilt, um die wachsenden Zahlungsrückstände des Heeres zu bewältigen. Teile von Magdeburg und Halberstadt wurden Schlick und Merode übertragen, während Wallenstein schon im Mai 1627 das schlesische Herzogtum Sagan erhalten hatte, anstelle von 150 850 Gulden, die der Kaiser ihm schuldete. Abteilungen unter Arnim fielen in jenem September in Mecklenburg ein, nachdem seine beiden Herzöge Truppen für Christian bereitgestellt und sich geweigert hatten, sich der kaiserlichen Autorität zu unterwerfen.239 Gerüchte über eine anstehende Übertragung Mecklenburgs verbreiteten sich, nachdem Wallenstein dem kaiserlichen Hof einen seiner seltenen Besuche abgestattet hatte. Und sie bestätigten sich, als der Kaiser ihm im Februar 1628 das Herzogtum und dazu noch das benachbarte Bistum Schwerin übertrug.240 Die Regelung spiegelte das frühere Arrangement über die Oberpfalz und die Lausitz wider, und sie erlaubte der Habsburger Hofkammer, 4,75 Millionen Gulden abzuschreiben, die sie Wallenstein schuldete. Das ihm zunächst pfandweise überlassene Herzogtum Mecklenburg erhielt dieser dann am 16. Juni 1629 als erbliches kaiserliches Lehen. Drei Wochen später, am 9. Juli 1629, wurde per kaiserlichem Mandat die Reichsacht über dessen frühere Herrscher verhängt. Wallensteins Erhöhung zum reichsunmittelbaren Fürsten war beispiellos und vom ersten Moment an umstritten. Ihre volle Wirkung ist nur im Kontext der dramatischen Veränderungen im Heiligen Römischen Reich seit 1621 zu ermessen.

12. Dänemarks Krieg gegen den Kaiser (1625–29)

Friedrich V., der führende weltliche Kurfürst, war abgesetzt und seine Besitztümer waren den Unterstützern des Kaisers gegeben worden. Obwohl die über seine prominentesten Mitstreiter, Anhalt und Hohenlohe, verhängte Acht zwischenzeitlich wieder aufgehoben worden war, erging es den von Ferdinand enteigneten Mecklenburger Herzögen wie Georg Friedrich von Baden-Durlach – sie wurden zu Flüchtlingen. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel war gezwungen worden abzudanken, und Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel hatte man gedemütigt. Die Anwesenheit der Truppen Wallensteins in Pommern, Holstein und Württemberg, in Teilen Brandenburgs, in Anhalt und anderen Territorien deutete darauf hin, dass weitere altehrwürdige Herrscherhäuser bald ihre Besitztümer verlieren würden. Wallenstein schürte diese Ängste bewusst – nicht zuletzt, um Kritik von seiner eigenen Erhöhung abzulenken. So äußerte er etwa, dass Tilly Herzog von Calenberg werden sollte, während Pappenheim Wolfenbüttel haben könne.241 Zeitgleich mit diesen Entwicklungen erhoben die geistlichen Fürsten und religiösen Orden immer vernehmlicher ihre Forderung nach Rückgabe von Kirchenland, sodass Lutheraner wie auch überlebende Calvinisten allen Grund hatten, zutiefst beunruhigt zu sein. Der Kurfürstentag zu Mühlhausen Trotz einer anfänglichen Begeisterung für die Restitution von Kirchenland (siehe Kapitel 13) teilte die Führung der Liga diese Besorgnisse durchaus. Vor allem Herzog Maximilian war gegen die Vergrößerung des wallensteinschen Heeres, weil er fürchtete, dass sie Ferdinand die Möglichkeit eröffnen würde, das Reich in den Spanisch-Niederländischen Krieg zu verwickeln. Zudem war die Intaktheit des ligistischen Heeres gefährdet, weil seine Offiziere in kaiserliche Dienste wechselten. Das vor 1625 herrschende militärische Gleichgewicht war mehr als aufgehoben worden, da Wallenstein nun dreimal so viele Soldaten hatte wie Tilly, dem Ferdinand noch obendrein Befehle schickte, ohne Maximilian zu Rate zu ziehen. Klagen über die wachsende militärische Belastung nach dem Oktober 1625 unterschieden häufig nicht zwischen ligistischen und kaiserlichen Einheiten. Im Jahr 1627 richteten sich die Proteste fast ausschließlich gegen Wallenstein – nicht dass Tillys Männer sich besser aufführten, aber das Thema war zu einem Politikum geworden. Am 2. Februar 1627 erhoben die drei geistlichen Kurfürsten gemeinsam Protest gegen Wallensteins Art der Kriegführung und vereinbarten, die Besorgnisse der anderen Reichsstände nachdrücklich auf dem Fürstentag zu betonen, der auf eine Nürnberger Petition hin in Kürze stattfinden sollte.242 Der Fürstentag sollte nicht nur die pfälzische Frage und den niedersächsischdänischen Krieg beilegen, sondern auch das Gleichgewicht zwischen den siegreichen Katholiken regeln. Er begann am 18. Oktober und dauerte bis zum

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12. November 1627. Persönlich anwesend waren der Mainzer und der sächsische Kurfürst, während die anderen Vertreter schickten. Die Anwesenheit zahlreicher fürstlicher und bürgerlicher Delegationen gab dem Treffen den Anschein eines Reichstages, und als erste bedeutende Zusammenkunft seit vier Jahren bot der Fürstentag eine Gelegenheit, die habsburgische Politik zu diskutieren und zu kritisieren.243 Maximilian hatte der Kritik an Wallenstein bereits im April seine Stimme geliehen, aber als Hauptnutznießer der katholischen Siege war er unwiderruflich kompromittiert. Trotz seiner Besorgnis um das Schicksal altehrwürdiger fürstlicher Dynastien scheute er sich nicht, seinen Archivaren zu befehlen, mögliche bayerische Ansprüche auf Brandenburg zu ermitteln.244 Außerdem konnte er so lange keinen Staub aufwirbeln, wie sein eigener Status nicht gesichert war. Sachsen hatte die Übertragung der pfälzischen Kurwürde 1624 anerkannt. Brandenburg akzeptierte sie in seinem Vertrag mit dem Kaiser im Mai 1627 und machte damit den Weg frei für den nächsten Schritt: die Umwandlung von einem personenbezogenen in einen erdblichen Titel. Dafür brauchte Maximilian sowohl Ferdinands Zustimmung als auch die seiner kurfürstlichen Kollegen, was ihn zwang, seine Kritik an des Kaisers General zu dämpfen.245 Maximilian fand genau den richtigen Mittelweg, indem er die schlimmsten Übergriffe der Untergebenen Wallensteins verurteilte und gleichzeitig die Politik des Kaisers unterstützte. Am 12. November wurde er, trotz sächsischer und brandenburgischer Einwände, mit der Anerkennung als erblicher Kurfürst belohnt. Überdies befreite Bayern sich von der kostspieligen Besetzung Oberösterreichs, das Ferdinand überlassen wurde, wofür Maximilian im Gegenzug am 22. Februar 1628 mit der gesamten Oberpfalz und der östlichen Hälfte der Unterpfalz belehnt wurde. Die Regelung beinhaltete das zusätzliche Versprechen, dass Ferdinand dem Bayern die Kriegskosten erstatten würde, die nun auf 13 Millionen Gulden festgesetzt wurden, sollte Maximilian diese Länder in der Folgezeit verlieren. Diese Übertragung erfolgte parallel zur Belehnung Wallensteins mit Mecklenburg, was die schlimmsten Befürchtungen der anderen Fürsten bezüglich Ferdinands offenkundiger Missachtung ihrer traditionellen Freiheiten bestätigte. Der Frieden von Lübeck Christian IV. hatte seine festländischen Besitztümer verloren, hielt sich aber noch auf den dänischen Inseln. Der relativ milde Winter 1627/28 erlaubte seiner Flotte, kaiserliche Stellungen entlang der Küste zu überfallen und die Insel Fehmarn zurückzuerobern, wobei den Dänen 80 Boote in die Hände fielen, die Wallenstein zusammengebracht hatte, um sein Heer nach Kopenhagen überzusetzen. Das dänische Heer wurde mittels Ausweitung der

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Aushebungen auf Norwegen wieder aufgebaut und erreichte schließlich eine Stärke von 20 000 Mann, ohne die Garnisonen in Glückstadt und Norwegen. Die dänischen Raubzüge begünstigten Bauernaufstände in Dithmarschen, Holstein, Teilen von Jütland und auf Nordstrand, einer der friesischen Inseln vor Westschleswig, wo ein Drittel der 9000 Bewohner zu den Waffen griff. Dänische Truppen intervenierten auch bei Arnims Belagerung von Stralsund, während ihre Kriegsschiffe Wallensteins frischgebackene kaiserliche Flotte störten. Christian versuchte sich wieder eine sichere Ausgangsposition auf dem Festland zu verschaffen, indem er mit 6000 Mann bei Wolgast an der pommerschen Küste östlich von Greifswald landete. Wallenstein griff, nachdem er die Belagerung von Stralsund aufgegeben hatte, am 2. September 1628 mit 8000 Mann an und schloss die Dänen ein, so wie Schlick es ein Jahr zuvor in Heiligenhafen getan hatte. Christians Truppen leisteten hinter einem Sumpfgebiet hartnäckigen Widerstand und ermöglichten ihrem König damit die Flucht zu seiner Flotte. Zurück blieben 1000 Tote, weitere 1100 Mann wurden gefangen genommen. Im Frühjahr 1629 kehrte der Dänenkönig zurück. Er landete mit 10 000 Mann an der Ostküste Jütlands und marschierte nach Süden in der Absicht, sich mit Morgan zu vereinigen, der mit 4750 Briten und Holländern auf Schiffen von Glückstadt ausgelaufen war, um auf Nordstrand zu landen. Obwohl er Hilfstruppen für einen neuen Krieg in Mantua abstellte, war Wallenstein mühelos in der Lage, zu reagieren, und am 6. Juni war er bereit, die Einschließung von Wolgast gegen den neuen dänischen Brückenkopf zu wiederholen. Zum Glück schloss Christian gerade noch rechtzeitig Frieden, indem er am Tag zuvor in Lübeck mit dem Austausch der entsprechenden Urkunden den Friedensvertrag perfekt machte und die revidierten Bedingungen des Kaisers akzeptierte. Auf Drängen seiner Adligen hatte der König am 22. Januar 1629 wieder Gespräche aufgenommen. Wallenstein wollte unbedingt Frieden und hatte Ferdinand geraten, die eroberten dänischen Provinzen zurückzugeben, ohne Entschädigung zu verlangen, um Christian so als Verbündeten gegen die mögliche schwedische Intervention zu gewinnen. Angesichts der mantuanischen Krise willigte Ferdinand ein – unter der Voraussetzung, dass Christian die Niedersachsen fallen lassen würde. Christians Zustimmung versetzte der ohnehin schon brüchigen Haager Allianz den Todesstoß. Richelieu tadelte ihn als Feigling, aber den Dänen erschien der Frieden als ein Geschenk des Himmels, und sie vergaßen bereitwillig das Ideal protestantischer Solidarität, das für ihre Einstellung gegenüber dem Krieg sowieso keine besondere Rolle gespielt hatte.246

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in gefährliches Zusammentreffen politischer und militärischer Faktoren drohte nach 1628, Europas Konflikte zu einem gemeinsamen Ringen zu verschmelzen. Der kaiserliche Vorstoß zur Ostsee beunruhigte Schweden, das erwog, sich mit Dänemark zu verbünden, und er ermutigte Polen, Ferdinand Hilfe anzubieten. Letzterer verhandelte mit Spanien um Unterstützung beim Aufbau einer kaiserlichen Kriegsflotte, die Schweden herausfordern und die Holländer angreifen könnte. Dänemarks Niederlage entband kaiserliche Truppen, die nun sowohl Spanien in den Niederlanden und Italien helfen als auch Polen gegen Schweden beistehen konnten. Frankreich intervenierte in Italien, während England die Hugenotten bei ihrem letzten Aufstand unterstützte. Eine Verquickung all dieser verschiedenen Konflikte und Kämpfe hing am Ende von sieben großen Belagerungen ab: La Rochelle, Danzig, Stralsund, Magdeburg, Casale, Mantua und ’s-Hertogenbosch. Das Schicksal jeder Stadt entschied darüber, ob es einer oder mehreren Mächten freistehen würde, anderswo zu intervenieren. Der Charakter von La Rochelle, Stralsund und Magdeburg als protestantische Hochburgen schärfte die konfessionelle Heftigkeit der Konflikte. Ferdinand erhöhte die religiösen Spannungen weiter, indem er im Restitutionsedikt von 1629 die Rückgabe sämtlicher geistlicher Territorien forderte. Das fieberhafte Tempo der Ereignisse schien die Ankunft des lange prophezeiten Weltuntergangs zu bestätigen. Doch alle Parteien scheuten vor dem Abgrund zurück. Interventionen blieben begrenzt und kurzlebig. Vor allem waren sie keinesfalls dazu gedacht, einen allgemeinen Krieg zu provozieren, sondern sollten gesonderte Probleme lösen und andere davon abhalten, sich einzumischen. Während einige Diplomaten für neue Allianzen warben, bemühten sich andere nach Kräften, Streitigkeiten beizulegen und neue Feindseligkeiten zu verhindern. Jene Vertreter der historischen Zunft, die vorauseilend die schwedische Verstrickung in Deutschland nach 1630 in den Mittelpunkt ihres Interesses stellen, übersehen die echten Chancen für Frieden in diesen Jahren und die ernst gemeinten Versuche, eine allgemeine Lösung für die Probleme des Reiches zu finden. Der polnische Krieg Obwohl sie sich parallel zueinander abspielten, hatte jeder Konflikt seine eigenen Wurzeln. Der Streit in der baltischen Region bietet einen

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logischen Ausgangspunkt, weil er sich mit der Niederlage Dänemarks überschnitt. Der schwedische König Gustav II. Adolf war entschlossen, Livland zu erobern, eine Region, die Angriffen von Schwedens Brückenkopf in Estland aus schutzlos ausgeliefert war. Der osmanische Angriff auf Südpolen in den Jahren 1620/21 bot Gustav Adolf eine Gelegenheit, die bis dato größte amphibische Operation Schwedens zu starten, als 12 000 Soldaten an der livländischen Küste landeten, während 4000 weitere die estländische Grenze überschritten, um Riga anzugreifen.247 Die Stadt fiel im September 1621 nach einer fünfwöchigen Belagerung. Bei der Invasion des Landes erwies sich jedoch ein Muster als wirkmächtig, das zu durchbrechen Gustav Adolf außerstande war. Die Seeherrschaft gestattete ihm zwar, sich seinen Angriffspunkt auszusuchen, aber einmal an Land, hatte er nur kurze Zeit, sein Ziel zu erreichen, bevor Krankheiten und die herbstlichen Regenfälle weitere Operationen unmöglich machten. Das Gebiet war dünn besiedelt, und es zeigte sich, dass die großen Entfernungen zwischen den Ansiedlungen oft ein größeres Hindernis darstellten als die zahlenmäßig unterlegenen Polen. Die Schweden mussten in großer Zahl landen, weil Krankheit ihre Reihen rasch lichtete und zusätzliche Männer gebraucht wurden, um eroberte Städte mit einer Garnison zu belegen. Die besser berittenen Polen entkamen leicht der schwedischen Reiterei, weil jene ihre kleinen Pferde nicht einholen konnte. Diese Umstände bestärkten Gustav Adolf darin, jeden Herbst einen Waffenstillstand anzustreben, um seine territorialen Gewinne über den Winter zu sichern, während er in Schweden Verstärkungen sammelte. Wenn die Polen sich weigerten, geschah es oft, dass sie große Teile des verlorenen Landes zurückholten; sie fielen tief in schwedisch besetztes Territorium ein und pickten sich abgeschiedene Garnisonen heraus. Diese Erfolge reichten nicht, um die Schweden zum Abzug zu zwingen, aber normalerweise genügten sie, um Gustav Adolfs Pläne für den kommenden Feldzug zu stören. Im August 1622 akzeptierte Sigismund III. einen Waffenstillstand. Verhandlungen wurden geführt, um ihn in einen Frieden umzuwandeln, scheiterten allerdings an seiner Weigerung, auf die schwedische Krone zu verzichten. Es dauerte eine Weile, bis Gustav Adolf glaubte, dass Dänemarks Kriegsvorbereitungen sich nicht gegen ihn richteten. Doch sobald er überzeugt war, dass Christian IV. Deutschland angreifen würde, förderte er die dänische Intervention, um zu gewährleisten, dass sein Rivale im Sumpf der Probleme des Reiches stecken blieb. Verhandlungen mit England und den Holländern wurden geführt, weil man sie zu überreden hoffte, einen neuerlichen polnischen Krieg als „Ablenkungsmanöver“ zu finanzieren. Der holländische Gesandte reiste nach Schweden, nur um festzustellen, dass Gustav Adolf schon im Juli nach Livland aufgebrochen war.

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Als er den schwedischen Monarchen schließlich fand, kamen sie in den Genuss einer langatmigen Tirade auf Latein, gehalten von Reichskanzler Oxenstierna, der darin die Sünden der polnischen Wasa schilderte. Englische Bemühungen, Gustav Adolfs Misstrauen gegenüber den Dänen zu zerstreuen, scheiterten, und so blieb Schweden außerhalb der Haager Allianz. Gustav Adolfs Sieg bei Wallhof (heute Valle in Lettland) im Januar 1626 beendete schließlich seine Eroberung Livlands und erlaubte ihm, Kurland im Süden zu besetzen. Er entschied sich dagegen, ins spärlich besiedelte Litauen vorzustoßen, und richtete sein Augenmerk stattdessen auf das polnische Preußen („Preußen königlichen Anteils“) weiter die Küste hinunter. Diese reichere, dichter besiedelte Provinz war auf dem Seeweg leichter zu erreichen und besser imstande, die Eindringlinge zu versorgen. Gustav Adolfs Hauptziel war Danzig, der größte Hafen der polnisch-litauischen Adelsrepublik und eine der reichsten Handelsstädte Europas. Die überwiegend deutschsprachigen Bürger zogen freilich ihre momentane privilegierte Stellung in der Rzeczpospolita einer Übereinkunft mit Schweden vor. Da Danzig vor direkten Angriffen gut geschützt war, konzentrierte sich Gustav Adolf darauf, das sumpfige, fruchtbare Weichseldelta im Osten zu erobern und dazu die Bucht, welche die Stadt von der Ostsee trennte, um so den Handel in und aus der Rzeczpospolita zu kontrollieren. Die Proteste seines Schwagers Georg Wilhelm von Brandenburg in den Wind schlagend, festigte er seinen Einfluss durch Besetzung der herzoglich-preußischen Hafenstadt Pillau (heute das russische Baltijsk) weiter östlich.248 Der zunächst durch Tatareneinfälle abgelenkte Sigismund III. schickte schließlich seinen besten General, den Hetman Stanisław Koniecpolski, um die wenigen Truppen im polnischen Preußen zu verstärken, während die Hanse ihrem Mitglied Danzig half, deutsche Söldner anzuwerben. Koniecpolski vermochte Gustav Adolf im August 1627 bei Dirschau jedoch nicht zu besiegen, was den Beginn eines langen Abnutzungskrieges markiert. Die Schweden konnten Danzig nicht einnehmen, und die Polen waren ebenso wenig in der Lage, das Delta zurückzugewinnen. Der Ostseeplan Der schwedische Vormarsch entlang der südlichen Ostseeküste fiel zusammen mit der Ankunft der Kaiserlichen in Pommern im November 1627. Um Verpflegung für sein Heer aufzutreiben, verhandelte Wallenstein mit Herzog Bogislaw XIV. über die Besetzung des Herzogtums. Allerdings bot der Besitz des westlichen Endes der Ostseeküste eine Möglichkeit, die dänischen Inseln anzugreifen, auf welche Christian sich zurückgezogen hatte. Dafür wurden Schiffe gebraucht, und es sah so aus, als würde Spanien sie zur Verfügung stellen. Bekannt als Wallensteins „Ostseeplan“, erregte diese österrei-

13. Die Gefahr eines europäischen Krieges (1628–30)

chisch-spanische Zusammenarbeit im 19. Jahrhundert beträchtliches Interesse, weil man in ihr einen Vorläufer zur Flotten- und Kolonialpolitik des kaiserlichen Deutschland sah.249 Tatsächlich hatte der Plan seinen Ursprung in Spanien und gehörte zu Olivares’ Versuch, durch das unter dem Namen „Admiralität des Nordens“ bekannte Lizenzsystem (siehe Kapitel 11) den holländischen Handel zu ersticken. Spanien wollte, dass der Kaiser die Hanse überredete, das Projekt zu unterstützen. In Beratungen wurde rasch festgelegt, dass Wallenstein die erforderlichen Häfen besetzen und mit Garnisonen belegen sollte, während Spanien Know-how, Ausrüstung und den Großteil des Geldes bereitstellen würde. Nach dem Januar 1626 wurde Sigismund III. in die Gespräche mit einbezogen. Die Habsburger unterhielten eine Flottille aus Kanonier-Barken auf der Donau, hatten aber keinerlei Erfahrung mit dem Aufbau einer Hochseeflotte, während die Polen immerhin über eine bescheidene Streitmacht zur Küstenverteidigung verfügten, die im November 1627 in der Danziger Bucht einen kleinen Sieg gegen die Schweden errang. Das erste wirklich seetüchtige polnische Kriegsschiff lief 1622 vom Stapel; 1628 besaß Sigismund zwölf Schiffe, und weitere 15 wurden gerade ausgerüstet.250 Die Gespräche gerieten ins Stocken, da eine Seite just in dem Moment das Interesse verlor, da eine andere sich für das Projekt erwärmte. Der Standort der Flottenbasis erwies sich als wichtiger Streitpunkt. Spanien hatte sich ursprünglich vorgestellt, dass Emden oder irgendein anderer Nordseehafen die Blockade der holländischen Küste unterstützte, während Ferdinand und Sigismund die Ostsee befürworteten. Die polnische Beteiligung wurde weiterhin als nicht so dringlich erachtet, weil Sigismunds Ziel einer Invasion Schwedens, um seine Krone wiederzuerlangen, nicht nur von geringem Interesse für beide habsburgischen Linien war, sondern auch als geradezu fantastisch erschien. Ein Ostseestützpunkt warf für Spanien erhebliche Probleme auf, nicht zuletzt, weil eine Flotte durch den von den Dänen kontrollierten Öresund geschickt werden musste. Olivares widerstrebte es, die spanischen Verpflichtungen auszuweiten, und er bestand darauf, dass jede Kampfhandlung in der Ostsee im Namen des Kaisers zu erfolgen habe, auch wenn Spanien das Geld und die Ausrüstung bereitstellte. Die Chancen einer Einigung schwanden vorübergehend, da der Kaiser erwartete, dass Olivares Beistand leistete, ohne dass er umgekehrt Spanien gegen die Holländer half. Doch im Februar 1628 war Olivares bereit, 28 Schiffe zu entsenden, wenn Ferdinand sich denn bereit erklärte, die Reichsacht gegen die Holländer zu verhängen. Nachdem es seit 1621 keine Subsidien mehr gezahlt hatte, unterstützte Spanien Ferdinand ab 1626 erneut und schickte bis 1629 insgesamt 2,49 Millionen Gulden. Davon wurde der Großteil 1628 überbracht, als

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die Verhandlungen über die Flotte konkreter wurden. Gabriel de Roy, ein Marine- und Handelsexperte, wurde mit 200 000 Talern losgeschickt, um Schiffe zu kaufen und Mannschaften anzuwerben. Ferdinand war der Ansicht, dass die Bereitstellung von Stützpunkten in Mecklenburg und Pommern bereits ausreiche, und weigerte sich, den Holländern den Krieg zu erklären. Das Augenmerk richtete sich zunehmend auf die Hansestädte, die durch das Angebot einer Vorzugsbehandlung im spanischen Lizenzsystem dazu verlockt werden sollten, 24 Schiffe abzustellen. Wallenstein sollte mit De Roys Geld weitere 24 Schiffe kaufen. Die Flotte sollte im Namen des Kaisers operieren, und entsprechend wurde Wallenstein am 21. April 1628 von Ferdinand zum „General des Ozeanischen und Baltischen Meeres“ ernannt. Stralsund und Magdeburg Trotz ihrer Feindschaft gegen Dänemark misstraute die Hanse weiter dem Kaiser und seinen Motiven. Jede Aussicht, sie eines Besseren zu belehren, wurde durch Wallensteins Umgang mit den Hansestädten Stralsund und Magdeburg zunichtegemacht. Stralsund wird gerne isoliert als die letzte protestantische Hochburg betrachtet, die der katholischen Tyrannei trotzte, bis sie von Schweden errettet wurde. Doch die gewaltige Belagerung der Stadt muss in einen umfassenderen Kontext von hanseatischer Diplomatie und Wallensteins paralleler Blockade Magdeburgs eingeordnet werden. Die Besetzung Magdeburgs verschaffte Wallenstein die Kontrolle über Rostock, aber er wollte einen anderen Stützpunkt für seine Flotte. Bogislaw war darauf bedacht, die Aufmerksamkeit von seiner eigenen Residenz in Stettin abzulenken, und bestärkte Wallenstein darin, stattdessen Stralsund auszuwählen. Die Stadt gehörte zu Pommern, widersetzte sich jedoch seit Jahr und Tag der herzoglichen Autorität, und Bogislaw dachte, dass er die kaiserliche Einquartierung eigentlich als Möglichkeit nutzen könnte, erneut seine Zuständigkeit geltend zu machen. Unterdessen blieb Wallensteins vorgeschobene Operationsbasis an der Elbe so lange unsicher, wie Magdeburg sich weigerte, eine kaiserliche Garnison aufzunehmen. Seine Vorgehensweise war in beiden Fällen die gleiche. Er delegierte die Befehlsgewalt an den General, der die Militäreinheit in dem Gebiet befehligte: Arnim in Stralsund, Wolfgang von Mansfeld in Magdeburg. Beide verhängten eine lockere Blockade über „ihre“ Stadt und forderten erdrückende Kontributionen, um die Räte an den Verhandlungstisch zu zwingen. Keiner der beiden Generäle wollte dem kaiserlichen Ansehen durch Anwendung von Gewalt schaden, und beide akzeptierten hanseatische Vermittlung. In beiden Fällen schien ein Vergleich wahrscheinlich, da in den Stadträten reiche Patrizier den Ton angaben,

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die einen Kompromiss befürworteten. Die ärmeren Bürger waren gegen eine Einigung, weil sie fürchteten, dass sie unter der Aufnahme von Truppen am meisten zu leiden hätten. Pfarrer schürten den Widerstand, vor allem in Magdeburg – einer Stadt mit einer stolzen Tradition der Widersetzlichkeit gegen den Katholizismus –, indem sie die Bedeutung des Namens der Stadt als „Jungfrauenburg“ herausstrichen, um die Reinheit ihrer Sache zu betonen.251 Interne Differenzen wurden durch Außenstehende verstärkt, welche die Städte zum Widerstand drängten. Die Dänen und dann die Schweden ermutigten die Stralsunder auszuharren, während Christian Wilhelm, der Markgraf von Brandenburg und enteignete Magdeburger Administrator, sich mit seinen Unterstützern in der Stadt verschwor, um Wolfgang von Mansfeld entgegenzutreten. Stralsund war auf einer dreieckigen Insel erbaut, vom Festland getrennt durch drei Stadtteiche, die im Sommer zu Sumpfland austrockneten und nur über fünf Dämme überquert werden konnten. Der offene Kanal im Osten bot eine geschützte Reede für die Schifffahrt zwischen der Küste und der Insel Rügen. Diese natürlichen Verteidigungsanlagen wurden auf Drängen der von dem radikalen Juristen Justquinus von Gosen angeführten militanten Fraktion im Winter 1627/28 verstärkt, indem man die Vorstädte niederbrannte und 1000 Söldner warb, welche die 2450 Mann starke Miliz verstärken sollten.252 Arnims kaiserliches Heer brachte es nur auf 8000 Mann, und er bot an, gegen die Zahlung von 150 000 Talern seine Forderung nach Aufnahme einer Garnison in der Stadt fallen zu lassen. Um seinem Angebot Gewicht zu verleihen, besetzte er am 14. Februar die Insel Dänholm am südöstlichen Hafeneingang. Angesichts von kaiserlichen Kanonen in Reichweite der Stadt willigte der Rat ein, 80 000 Taler zu zahlen, und übergab die ersten 30 000. Eine Fraktion hoffte, dass hanseatische Vermittlung die Situation ohne weitere Gewalt bereinigen würde, aber Gosen und seine Partei schworen, bis zum Tod zu kämpfen, und zwangen den Rat, eine Blockade gegen Dänholm zu verhängen, bis die Insel sich am 15. April ergab. Verstärkt durch 6000 Mann, versuchte Arnim einen Monat später einen nächtlichen Angriff, nur um zurückgeschlagen zu werden. Am 23. Mai wurden die Bemühungen erneuert und zehn Tage ohne Erfolg fortgesetzt. Stralsunds Widerstand erwies sich als willkommenes Ablenkungsmanöver für Christian; er schickte der Stadt 1000 Deutsche und Schotten zu Hilfe, darunter MacKays Regiment mit Monro. Das Scheitern der Gespräche Ferdinands mit der Hanse seit Dezember 1627 bedeutete, dass es immer noch keine kaiserliche Flotte gab, um die Dänen aufzuhalten. Durch den Verlust von Dänholm war der Hafen wieder offen, und am 7. Juni liefen die dänischen Schiffe ein. Die Annahme der fremden Hilfe gefährdete die Stralsunder unwiderruflich, da sie nun offen mit Ferdinands Feinden verbunden waren.

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Stralsund (1628)

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Das dänische Engagement verletzte schwedische Interessen. Stralsund war der Schweden nächstgelegene deutsche Hafen, und weil er sich dessen bewusst war, hatte sich Gustav Adolf seit 1625 um eine Übereinkunft mit der Stadt bemüht. Er hatte Dänemarks missliche Lage begrüßt und das ganze Jahr 1627 hindurch heimlich mit Wallenstein über eine Allianz verhandelt, die ihm erlauben würde, in Norwegen einzufallen. Wallenstein hatte auf eigene Initiative gehandelt und erst im Dezember Ferdinands nachträgliche Billigung erhalten – zwei Wochen, bevor Gustav Adolf die Gespräche abbrach. Wallenstein fürchtete aufrichtig eine schwedische Intervention und hielt den Plan einer kaiserlichen Flotte für rein defensiv. Doch aus Gustav Adolfs Sicht straften Wallensteins Handlungen seine schönen Worte Lügen, schien er doch alles zu tun, um Schweden zu provozieren. Im April 1628 traf Gustav Adolf eine Vereinbarung mit Christian zur Rettung Stralsunds. Im darauffolgenden Februar trafen sich die beiden Monarchen im Pfarrhaus von Ulvsbäck an der Grenze zwischen Halland und Schonen. Die Annäherung verbesserte Christians Position bei den Lübecker Friedensgesprächen, aber die dänisch-schwedischen Meinungsverschiedenheiten waren zu gravierend, um ein dauerhaftes Bündnis zuzulassen. Gustav Adolf empfand eine persönliche Abneigung gegen seinen Nachbarn, der zu viel trank und auf der dänischen Vorrangstellung beharrte. Das Gleichgewicht verschob sich bereits in die andere Richtung. Am 20. Juni 1628 trafen schwedische Verstärkungen im Hafen von Stralsund ein, weigerten sich aber, an Land zu gehen, bevor die Stadt nicht einen auf 20 Jahre befristeten Pakt unterzeichnete und Sir Alexander Leslie als Statthalter akzeptierte. Am 27. September fügte sich Dänemark, indem es auf alle Ansprüche, Stralsund zu schützen, verzichtete. Die Schweden waren gerade rechtzeitig gekommen. Am 7. Juli tauchte Wallenstein auf, sodass die Belagerer jetzt 25 000 Mann zählten, und startete sogleich einen neuen Angriff, der drei Tage dauerte. Die Stadt wurde mit schwerem Beschuss belegt: Eine Kugel enthauptete 14 Verteidiger auf einen Schlag, und „wer dies bezweifelt, der möge hingehen und sich die Überreste ihrer Gehirne ansehen, die bis heute an den Mauern kleben“.253 Stralsund blieb trotzig, und Wallenstein sah sich gezwungen, abermals Verhandlungen aufzunehmen. Der Rat stimmte der Zahlung der restlichen 30 000 Taler zu und akzeptierte eine herzoglich-pommersche statt einer kaiserlichen Garnison.254 Schwedische Offiziere hielten den Rat indes davon ab, sein Versprechen einzulösen, und am 31. Juli hob Wallenstein die Belagerung unter dem gesichtswahrenden Vorwand auf, Herzog Bogislaw habe seinen Abzug verlangt. Stralsund hatte sich die Kaiserlichen erfolgreich vom Leib gehalten, allerdings zum Preis von – wie sich herausstellen sollte – 187 Jahren schwedischer Besatzung. Was Wallenstein befürchtet hatte, geschah nun. Gustav Adolf verfügte

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über eine deutsche Operationsbasis. Unklar blieb einstweilen, was er damit anfangen würde. Das Ergebnis machte der Hanse Mut, den Flottenplan im September abzulehnen. Der Städtebund weigerte sich sogar, Schiffe oder Speicher zu verkaufen, und Wallenstein war gezwungen, stattdessen den kleineren mecklenburgischen Hafen Wismar zu benutzen. Selbst mit De Roys Hilfe erwies es sich als schwierig, erfahrene Seeleute anzuwerben oder die 40 Schiffe aufzutreiben, die Wallenstein nun für notwendig erachtete. In jenem Frühjahr fingen dänische Kriegsschiffe das unerfahrene kaiserliche Geschwader vor der pommerschen Küste ab und fügten ihm beträchtlichen Schaden zu. Zunehmend verzweifelt, erhielt Wallenstein von Wien die Erlaubnis, in Pommern uskokische Piraten anzusiedeln, und schlug seinerseits vor, die schwedische Flotte durch einen gedungenen schottischen Kauffahrer verbrennen zu lassen. Kaiserliche Intervention in Polen Wallenstein eröffnete auch Verhandlungen mit Sigismund, der als Gegenleistung für militärischen Beistand im Weichseldelta sein Seegeschwader anbot. Die Polen hatten 35 000 Mann zusammengezogen, aber nur ein Drittel von ihnen befand sich bei Koniecpolski im Delta, da der Rest gebraucht wurde, um den Osmanen und anderweitigen schwedischen Bedrohungen entgegenzutreten. Ferdinand befahl Wallenstein einzuwilligen, und im Mai 1629 wurde Arnim aus Pommern entsandt. Der Feldzug war ein militärischer Erfolg, wenngleich ein diplomatischer Fehlschlag. Die Polen misstrauten Arnim, der früher Schweden gedient hatte, und behaupteten, dass er nur 5000 Mann mitgebracht habe. In Wirklichkeit traf er mit 7000 bis 8000 ein, auch wenn das immer noch 7000 weniger waren als versprochen.255 Arnim selbst war erklärtermaßen gegen die Intervention und klagte darüber, dass die Polen seine Truppen weder bezahlten noch ernährten. Dennoch gelang es ihm, die schwedischen Außenposten zu umgehen und die Weichsel zu überqueren, um auf dem Ostufer zu Koniecpolski zu stoßen. Gustav Adolf verfügte über 23 000 Mann, aber die meisten waren mit der Blockade Danzigs beschäftigt, sodass ihm nur 7000 in der Nähe von Marienwerder (Kwidzyn) an der Weichsel nördlich von Graudenz (Grudziądz) blieben. Er beschloss, sich flussabwärts in sein Hauptquartier bei Marienburg (Malbork) zurückzuziehen. Am 27. Juni 1629 brach er frühmorgens auf, schickte seinen Tross über die Landstraße los, während die Hauptstreitmacht eine Nebenroute nach Osten quer durch die Stuhmer Heide nahm. Obwohl die Polen kaiserliche Fußsoldaten gewollt hatten, wartete Koniecpolski nicht, bis diese aufholten, sondern eilte hinter den in weiten Abständen marschierenden Schweden her und griff bei dem Dorf Honigfelde ihre Nachhut an. Nach anfänglichem Widerstand knick-

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ten die Schweden ein und flüchteten sich nach Norden in das nächste Dorf, Pulkowitz, wo sie sich um eine Abteilung unter dem Obristen Hermann Wrangel scharten. Die polnischen und kaiserlichen Reiter holten sie ein und griffen ihre Gegner erneut von den Flanken an. Ein österreichischer Reiter packte Gustav Adolfs Gürtel, aber der König streifte ihn sich über den Kopf und entkam lediglich unter Verlust seines Hutes, den Arnim Wallenstein als Trophäe schickte. Die Verfolgung ging weiter bis Neudorf, wo die Nebenstraße wieder auf die Hauptstraße stieß, um den Neudorfer Bach zu überqueren. An diesem Engpass steckten die Schweden fest, und einige wurden in die Sümpfe zu beiden Seiten der Straße getrieben, wo sie sich ergaben. Dann hielt ein letzter Gegenangriff ihre Verfolger lange genug auf Distanz, damit die Übrigen entkommen konnten, nachdem sie mindestens 1000 Mann und so viele Pferde verloren hatten, dass der Rest der Kavallerie zu Fuß gehen musste. Nur etwa 3000 polnische und kaiserliche Reiter waren an dem Kampfgeschehen beteiligt gewesen; sie hatten 400 Mann Verluste erlitten. Es war die Art von Gefecht, bei dem die Polen sich hervorragend schlugen, und Gustav Adolf hatte, als er seinen Rückzug antrat, die Risiken stark unterschätzt. Der Sieg trug nicht dazu bei, die Spannungen zwischen den Verbündeten abzubauen. Arnim behauptete, die Polen hätten während der Schlacht versehentlich 20 seiner Männer getötet. Als Brandenburger weigerte er sich, Sigismunds Plan zu unterstützen, tiefer in das weniger stark verwüstete herzogliche Preußen vorzudringen. Schließlich trat er aus Protest von seinem Kommando zurück, weil die Polen es versäumten, seine Soldaten zu versorgen, die gezwungen waren, Gras zu essen. Sigismunds Adlige drängten ihn zu verhandeln, weil die Schweden nach wie vor den größten Teil des Deltas hielten. Gustav Adolf war klar, dass auch er nicht gewinnen konnte. Von den 50 000 ausgehobenen Rekruten, die seit 1625 nach Preußen geschickt worden waren, waren mehr als 35 000 tot oder desertiert, was die Abhängigkeit des Schwedenkönigs von ausländischen Söldnern vergrößerte und nebenbei dazu beitrug, seine Kriegskosten auf über 5,3 Millionen Reichstaler zu erhöhen.256 Beide Seiten akzeptierten eine anglo-französische Vermittlung. Angesichts der Tatsache, dass Dänemark aus dem Rennen war und die Situation in Italien sich verschlechterte, wollte Richelieu, dass Schweden sich von seinen polnischen Kämpfen freimachte und stattdessen das Heilige Römische Reich bedrohte. Am 26. September 1629 vermittelte sein Gesandter Charnacé den Waffenstillstand von Altmark zwischen der Republik Polen-Litauen und dem Königreich Schweden. Schweden musste Kurland räumen, behielt aber den größten Teil Livlands und – mit Ausnahme von Danzig, Königsberg und Puck – praktisch alle preußi-

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schen Häfen, die ihm jährliche Zolleinnahmen im Wert von einer halben Million Reichstalern einbrachten. Die überlebenden Kaiserlichen verließen das Delta sofort. Sigismunds Verdruss steigerte sich, als er feststellte, dass er seine Marine verloren hatte, die nun in Wismar festsaß. Die acht polnischen Schiffe, die Wismar 1629 erreichten, bildeten den Kern der kaiserlichen Flotte. Zu ihnen gehörte die „König David“, die mit 400 Tonnen und 33 Geschützen das stärkste war.257 Bis Ende 1629 wuchs die Flotte auf 25 Schiffe, aber Wallenstein ging das Geld aus, obwohl er bei seinen neuen Mecklenburger Untertanen eine Art Schiffsgeldsteuer erhob. Er hatte auch einen italienischen Ingenieur angeworben, der einen Kanal von Wismar durch die Schweriner Seen bis zur Elbe graben sollte, damit seine von Spanien lizensierten Schiffe und Kaufleute die dänischen Sundzölle vermeiden könnten. Das Projekt war überaus ehrgeizig und weitsichtig, ging es doch der Idee des Nord-Ostsee-Kanals um mehr als 260 Jahre voraus. De Roy griff zur Freibeuterei, um die Flotte zu unterhalten – trotz der Befehle Wallensteins, jede Provokation der Schweden zu vermeiden. Der Frieden von Lübeck beseitigte die dänische Gefahr, aber die Schweden nahmen ganz einfach ihren Platz ein, um Wismar zu blockieren. De Roy vertrieb sie, doch nach Wallensteins Entlassung fehlte der Flotte ihr Fürsprecher. Die unbesoldeten Besatzungen desertierten, und die Schiffe wurden stillgelegt, bis die Schweden ihre verrottenden Überreste eroberten, als Wismar im Januar 1632 kapitulierte.258

Die Niederlande Die spanische Beteiligung an dem Ostseeplan stieß in Madrid und Brüssel auf permanente Kritik vonseiten derjenigen, die ihn für eine kostspielige Vergeudung von Ressourcen hielten.259 Die Einnahme von Breda (siehe Kapitel 11) erwies sich als Pyrrhussieg, der die Spanier mehr kostete, als er den Holländern schadete. Die Besteuerung verdoppelte sich zwischen 1621 und 1627, während die Kreditaufnahme um 500 Prozent hochschnellte. Obwohl Philipp IV. 300 000 Dukaten Haushaltsausgaben strich, machte dies keinen nennenswerten Unterschied, als die Kosten des Spanisch-Niederländischen Krieges von 1,5 auf 3,5 Millionen Dukaten kletterten, während der Etat für die Atlantikflotte sich auf eine Million verdoppelte. Da Spaniens traditionelle Genueser Gläubiger nervös wurden, schluckte die Krone ihre religiösen Skrupel und lieh sich zum ersten Mal Geld von den portugiesischen Juden und conversos.260 Der Schritt schürte den portugiesischen Groll über die spanische Herrschaft, ohne den finanziellen Kollaps im Januar 1627

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abzuwenden: Die Regierung setzte nun Zinszahlungen aus und gab zusätzliche Papier-juros aus, um die laufenden Ausgaben zu decken. Diese Schwierigkeiten hinderten Spanien daran, die vorübergehende Verwirrung unter den Holländern nach dem Tod des Fürsten Moritz von Oranien im April 1625 auszunutzen. Die Generalstaaten entschieden sich für Kontinuität und wählten seinen jüngeren Bruder, Friedrich Heinrich, zum neuen Statthalter. Friedrich Heinrich stand in Verbindung mit den militanten Calvinisten und engagierte sich, wie sein Bruder, für die Wiedervereinigung von nördlichen und südlichen Niederlanden als protestantische Republik. Als Dritter seiner Familie, der die Holländer führte, dachte er allerdings dynastischer, vor allem nach der Geburt seines Sohnes 1626, und suchte breitere Unterstützung, indem er die gomaristische Verfolgung der Arminianer beendete.261 Das Eintreffen französischer Subsidien nach dem Vertrag von Compiègne im Juni 1624 sorgte für weitere Stabilität. Mit einer Million Gulden jährlich deckten die Beihilfen sieben Prozent der Militärausgaben und ermöglichten der Republik, ihre Armee im März 1626 um 7000 Mann aufzustocken. Durch nachfolgende Erhöhungen stieg die Gesamtstärke bis 1629 auf 70 000 Mann, unterstützt von 50 000 Milizionären – zumeist Mitgliedern der örtlichen Schützenkompanien – und einer Kriegsflotte, die 40 000 Tonnen und 8500 Mann Besatzung umfasste. Die Flotte war ein Drittel größer als 1621, und der Oberbefehl ging auf Admiräle mit mehr Erfahrung und Wagemut wie Piet Hein und später Maarten Tromp und Michiel de Ruyter über. Hein besaß mehr als 30 Jahre Erfahrung, hatte den Uskokenkrieg und die Bahia-Expedition 1624 mitgemacht. Im Jahr 1626 befehligte er die zweite BahiaExpedition, bei der er den Rio Capivari hinaufsegelte, um die portugiesische Zuckerflotte aufzustöbern, die sich dort versteckte. Im darauffolgenden Jahr kreuzte er im Atlantik, was ihm 55 Prisen einbrachte. Hein war genau der Mann, um den dringend benötigten großen Sieg zu erringen. Frühere Versuche, die spanische Schatzflotte abzufangen, waren fehlgeschlagen. Selbst wenn es den Holländern gelungen war, den Konvoi im riesigen Atlantik ausfindig zu machen, hatten sich die großen spanischen Galeonen als mächtige Gegner erwiesen. Finanziert von der Niederländischen Westindienkompanie, stach Hein 1628 mit einer neuen Expedition aus 31 Schiffen in See und kreuzte vier Monate, bevor er die Spanier am 8. September 1628 vor Kuba entdeckte. Er kämpfte die neun kleineren Schiffe rasch nieder, aber die anderen sechs entkamen in die Bucht von Matanzas, östlich von Havanna. Als Hein sie einholte, ging gerade die Sonne unter – dennoch beschloss er anzugreifen, um sie daran zu hindern, ihre kostbare Fracht zu löschen oder ihre Schiffe zu verbrennen. Tatsächlich gaben die spanischen Besatzungen ihre Schiffe auf, sobald die Holländer das Feuer eröffneten.

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Hein erbeutete mehr als 80 000 Kilogramm Silber sowie Tausende von Tierhäuten, Kisten mit Zucker und Säcke voll teuren Cochenille- und Indigo-Farbstoffs. Die Beute war mindestens elf Millionen Gulden wert, möglicherweise sogar sechs Millionen mehr. Auf seiner Rückreise musste er schweren Stürmen ausweichen und wurde sowohl von den Dünkirchenern als auch von englischen Zollbeamten in Falmouth abgefangen, die ihren Anteil einforderten, aber schließlich wurde er zu Hause wie ein Held empfangen. Anteilseigner der Westindienkompanie erhielten eine 75-prozentige Dividende, gewöhnliche Matrosen wurden mit 17 Monatsheuern entlohnt und Hein selbst wurde mit 6000 Gulden und einer Goldmedaille bedacht. Doch er lebte nicht mehr lange, um sein Vermögen zu genießen: Am 18. Juni 1629 fiel er in einem unbedeutenden Gefecht mit Kaperschiffen aus Ostende. Die wahre Bedeutung von Heins Erfolg lag auf psychologischer Ebene, machte er doch Olivares’ Versuche zunichte, nach dem Staatsbankrott von 1627 das Vertrauen in die spanische Wirtschaft wiederherzustellen. Weil sie einen weiteren Angriff fürchteten, wichen die flotas von ihren regulären Fahrplänen ab und fingen an, später loszufahren, während der Hurrikansaison. Die Folgen wurden 1631 spürbar, als die Veracruz-Flotte vor Yucatán Schiffbruch erlitt und weitere fünf Millionen Dukaten verloren gingen. Ein Jahrzehnt später ging die gesamte Neuspanien-Flotte mit dem Gegenwert eines Drittels der Matanzas-Beute unter. Im Jahr 1629 konfiszierte die Krone ein Drittel des privaten Silbers, das mit der Tierra-Firme-Flotte (also der Festlands- oder Kolumbien-Flotte) eintraf, eine Maßnahme, die das Vertrauen weiter untergrub und allenthalben Betrug begünstigte, um solchen Beschlagnahmungen in Zukunft zu entgehen. Spanien rutschte in eine tiefe Rezession, die durch die Rückkehr von Pest, Hungersnot und Dürre verschlimmert wurde. Im Herzen der Monarchie schlug das Unheil zu, als im August 1627 der König selbst schwer erkrankte. Erzherzogin Isabella war jetzt 60 Jahre alt und des Krieges müde. General Spinola wollte aus dem Dienst ausscheiden, bevor eine größere Niederlage seinen Ruf ruinierte, und fürchtete ohnehin, Madrid würde ihm seine beträchtlichen Auslagen niemals erstatten. Die Nachricht, dass Olivares wegen Mantua einen neuen Krieg angefangen hatte, überzeugte ihn davon, dass die spanische Regierung den Bezug zur Realität verloren hatte. Den Kampf noch fortzusetzen schien sinnlos, weil die früheren Siege die Holländer bereits veranlasst hatten, 1625 eine Erneuerung des Zwölfjährigen Waffenstillstands vorzuschlagen. Da Olivares Philipps Korrespondenz kontrollierte, tat Spinola den außergewöhnlichen Schritt, im Januar 1628 nach Madrid zu reisen. Er stellte Olivares vor eine krasse Wahl: einen Kompromiss mit den Holländern schließen oder massive Verstärkungen schicken. Olivares war bereit, zu den 1621 angebotenen Bedin-

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gungen über Frieden zu sprechen, aber das Äußerste, was er zugestehen wollte, war der Handel mit Ost-, nicht mit Westindien. Er blieb überzeugt, dass Spaniens Position sich gerade verbesserte, und wies Spinolas Bitten hochmütig zurück. Schließlich hätten die Römer die Welt mit 100 000 Soldaten erobert, spottete er, während Spinola fast genauso viele habe und die Holländer nicht besiegen könne.262 Weil Spanien außerstande war, Verstärkungen in die Niederlande zu schicken, wurde der kaiserliche Beistand umso wertvoller. Die Brüsseler Regierung hatte bei der Katholischen Liga unablässig versucht, Hilfe durchzusetzen. Anholt war 1622 bei der Verfolgung Mansfelds kurz in die Spanischen Niederlande eingefallen, und dass Herzog Christian nach Stadtlohn holländisches Territorium als Zufluchtsort genutzt hatte, lieferte einen weiteren Grund zur Intervention. Isabella bot Subsidien und gegenseitigen Beistand an. Um den Spaniern vor Breda zu helfen, verlegte Anholt im Februar 1625 das kleine Korps, das Köln schützte – unter dem Vorwand, die Reichsacht gegen Mansfeld zu vollstrecken, der soeben im holländischen Lager eingetroffen war. Anholt zog im Juni ab, aber das Auftauchen Mansfelds in den holländischen Garnisonen am Niederrhein beunruhigte Erzbischof Ferdinand von Köln, der spanischen Schutz erbat und auf einen Angriff drängte, um die Holländer gewaltsam aus Emden zu vertreiben. Isabella schickte 2000 Mann, doch Maximilian von Bayern weigerte sich, sie über den Rhein zu lassen, und untersagte den ligistischen Einheiten jede Kooperation, um zu vermeiden, dass die Situation im Reich angeheizt wurde. Sein Bruder, der Kölner Kurfürst, unterstützte diese Linie, sobald die Krise vorüber war, weil Mansfeld quer durch Westfalen zog, um sich den Dänen anzuschließen. Die Gefahr kehrte 1627 zurück, als der Graf von dem Bergh ein spanisches Korps ins Bistum Münster führte, in dem vergeblichen Versuch, Groenlo (Groll) davor zu bewahren, von Friedrich Heinrich angegriffen zu werden.263 Die Führung der Liga war nun fest davon überzeugt, dass die Holländer sie in Ruhe lassen würden, vorausgesetzt, man half Spanien nicht, und Kurfürst Ferdinand bemühte sich nach Kräften, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Die Belagerung von ’s-Hertogenbosch Die neuerliche Offensive Friedrich Heinrichs gegen die südlichen holländischen Provinzen im Jahr 1629 brachte die Situation durcheinander. Der Statthalter wollte einen großen Sieg, um seine Position im Innern zu festigen, und die Matanzas-Beute lieferte die Mittel. Nachdem er Ablenkungskräfte gegen Wesel und Lingen im Osten geschickt hatte, schlug er im Westen mit 28 000 Mann und 118 Geschützen zu, um ’s-Hertogenbosch (Bois-le-Duc) zu belagern, die zweitgrößte Stadt Brabants nach Antwerpen. Der Ort lag mitten in einem Sumpfgebiet und war umgeben von drei

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starken Vorwerken. Die Garnison beherbergte 4600 reguläre Soldaten und 2000 Milizionäre, die sich zumeist aus den örtlichen Schützengilden rekrutierten. Die holländische Belagerung begann am 1. Mai, und bis zum 18. Juli hatten die Belagerer die Vorwerke erobert und waren nur noch 25 Meter von der Hauptmauer entfernt. Nachdem es ihm nicht gelungen war, die Stadt direkt zu entsetzen, überquerte von dem Bergh am 22. Juli mit 25 000 Mann die Ijssel, weil er die Belagerung aufzuheben hoffte, indem er Amsterdam bedrohte. Der Frieden von Lübeck hatte soeben kaiserliche Einheiten freigesetzt, und der Kaiser wies Graf Johann VIII. von Nassau-Siegen an, sich mit 17 000 Mann Bergh anzuschließen.264 Am 13. August besetzten die Kaiserlichen Amersfoort, wodurch es Bergh möglich wurde, bis auf 40 Kilometer gegen Amsterdam vorzustoßen und die Republik der Vereinigten Niederlande förmlich in zwei Hälften zu teilen. Friedrich Heinrich ließ sich nicht ablenken. Die holländischen Bürgerwehren machten mobil – eine eher symbolische Geste –, während Seeleute ausgeschifft wurden, um ihren Beitrag zur Aufstockung der Landstreitkräfte auf beispiellose 128 000 Mann zu leisten. Die Disziplin der Kaiserlichen war schlecht, und der Vormarsch kam zum Stillstand. Am 19. August eroberten die Holländer bei einem Angriff den strategischen Rheinübergang bei Wesel. Die heftigen Kämpfe in ’s-Hertogenbosch gipfelten am 10. September in der Explosion einer gewaltigen Mine unter der Hauptmauer. Die Garnison hielt noch eine weitere Woche durch, bevor sie nach fünfeinhalb Monaten heldenhaften Widerstands kapitulierte. Nassau-Siegens Korps wurde zurückbeordert und zog nach Duisburg ab. Wallenstein wollte es unbedingt zurückbringen, nachdem er von Anfang an gegen die Intervention gewesen war. Die Holländer schickten 12 000 Mann den Rhein entlang, die den Großteil der noch verbliebenen spanischen Außenposten eroberten. Spaniens Niederlage war der schwerwiegendste Rückschlag zwischen dem Sieg über die spanische Armada 1588 und der Schlacht bei Rocroi 1643.265 Auf jeden Fall dämpfte sie das letzte bisschen Optimismus im Lande und verhinderte, dass Verstärkungen nach Italien geschickt wurden, womit sie auch zu der dortigen Niederlage beitrug. Die Arbeiten am unvollendeten Fossa-EugenianaKanal wurden eingestellt. Viele der kleineren Garnisonen waren bereits 1628 aus Deutschland abgezogen worden, nun schleifte Spanien die Befestigungen auf der Pfaffenmütze (Kemper Werth) und übergab der Liga im Juli 1630 Lingen sowie sechs Stellungen in den Grafschaften Mark und Ravensberg. Die Spanier behielten nur Düsseldorf, Orsoy, Rheinberg und den zwischen dem Rhein, Lüttich und Jülich gelegenen Teil des ehemaligen Herzogtums Geldern. Ihr Rückzug verschärfte die Demarkationslinie zwischen dem Krieg im Reich und jenem in den Niederlanden.

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Unterdessen gewann Philipp IV. die Oberhand über Olivares und ermächtigte Isabella, erneut Gespräche über einen Waffenstillstand zu eröffnen. Friedrich Heinrich war bereit zu verhandeln, zumal eine wachsende Fraktion um den neuen Ratspensionär der Niederländischen Republik, Adriaan Pauw, Frieden befürwortete. Beide Seiten waren nach wie vor weit auseinander, einigten sich aber zumindest darauf, dass Nordwestdeutschland künftig neutraler Boden sein sollte: eine Vereinbarung, die der Kaiser und die Kurfürsten 1630 gerne akzeptierten.266

Mantua und La Rochelle Wie Spinola vorausgesagt hatte, schwächte Olivares’ Entscheidung, in Italien zu intervenieren, Spaniens Widerstand in Flandern. Der neue Konflikt war ein Streit über die mantuanische Erbschaft, die Mantua selbst und sein „Anhängsel“ Montferrat umfasste. Beide waren weder besonders groß noch besonders wohlhabend, erstreckten sich aber in strategisch wichtiger Lage längs des Po, zu beiden Seiten des von Spanien beherrschten Herzogtums Mailand. Kaiser Ferdinand seinerseits entsandte ein Heer über die Alpen, um seine Zuständigkeit für Reichsitalien zu untermauern. Trotz des Engagements der Großmächte waren die Konfliktursachen lokaler und dynastischer Natur, vergleichbar denen in der früheren Jülicher Krise. Krieg hätte vermieden werden können, wenn einer der beiden letzten mantuanischen Herzöge einen legitimen männlichen Erben hervorgebracht hätte. Das Geschlecht der Gonzaga versuchte die Erbschaftsfrage selbst zu regeln. Leider wurde der beste Anspruch von ihrem französischen Verwandten, Herzog Carlo I. Gonzaga, vorgetragen, der die Herzogtümer Nevers und Rethel im nordöstlichen Frankreich beherrschte. Carlo war von unbekümmerter Tapferkeit, impulsiv und erfüllt von katholischem Eifer und einem Gespür für sein eigenes Geschick. Im Jahr 1602 diente er als Freiwilliger bei der Belagerung von Buda und war einer der Gründer des 1618 ins Leben gerufenen aristokratischen und internationalen „Ordens der christlichen Miliz“, der in verschiedene Verschwörungen verwickelt war, darunter ein Versuch, Gustav Adolf zu entthronen. Wie anderen französischen Aristokraten fiel es auch ihm schwer, seinen übersteigerten Stolz auf die eigene Abstammung mit seiner untergeordneten Stellung als Vasall der französischen Krone in Einklang zu bringen. Die Gelegenheit, die Nachfolge in einem souveränen Fürstentum anzutreten, wollte er sich nicht entgehen lassen, und schickte seinen Sohn vor, um den anderen Anspruchsberechtigten zuvorzukommen. Der Sohn heiratete am 23. Dezember 1627 mit päpstlichem Segen die Nichte des im

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Sterben liegenden Herzogs Vincenzo II. Gonzaga. Nur drei Tage später starb Vincenzo, und die Frischvermählten ließen Carlo von ihren Unterstützern zum Herzog erklären, ohne zuvor Spanien oder den Kaiser zu informieren. Carlo traf am 17. Januar in Mantua ein und schickte einen Boten nach Wien, der um die kaiserliche Anerkennung ersuchen sollte.267 Der Coup beunruhigte alle Großmächte, von denen keine den Kampf in Italien suchte. Es kam dennoch zum Krieg, weil Spanien und Ferdinand weder ihre Beamten vor Ort im Griff hatten noch ihre Reaktion abstimmten, wodurch ein Riss entstand, den Richelieu ausnutzte. Selbst da hätte ein Konflikt noch vermieden werden können, wenn Carlo zu einem Kompromiss bereit gewesen wäre. In Frankreich, wo Richelieu sich bis Oktober 1628 ganz auf die Hugenotten konzentrierte, misstraute man ihm. Spanien und der Kaiser wollte beide nicht gegen Frankreich kämpfen, und viele glaubten, dass die Devoten Richelieu ohnehin bald ausschalten würden. Formal lag die Angelegenheit bei Kaiser Ferdinand, dessen Zuständigkeit für Norditalien als Teil des Heiligen Römischen Reiches ihn zum letzten Schiedsrichter in dem Erbfolgestreit machte. Die Habsburger hatten das Geschlecht der Gonzaga gefördert, um französischem und päpstlichem Einfluss entgegenzuwirken. Ferdinand hatte 1622, sechs Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau, Vincenzos Schwester Eleonora geheiratet. Eleonora mochte Carlo nicht, wollte aber auch nicht, dass ihre Heimat verwüstet wurde, und beförderte daher in Wien seine Sache. Es war genau diese Verbindung, die Richelieu veranlasste, es sich zweimal zu überlegen, bevor er ihn unterstützte, da es so aussah, als würde Carlo sich der Habsburger Klientel anschließen. Ferdinand widerstrebte es, ihn sofort anzuerkennen, weil er fürchtete, es sich mit den übrigen Gonzaga zu verscherzen, die ihm während des Böhmischen Aufstands treu gedient hatten. Er wollte, dass Carlo die Gonzaga für den Verzicht auf ihre Ansprüche entschädigte, und erwartete, dass er die strategische Festung Casale in Montferrat kaiserlicher Kontrolle übergab. Vor allem aber wollte er alle anderen von der Entscheidung ausschließen, um seine höhere, kaiserliche Zuständigkeit zu demonstrieren. Die früheren Auseinandersetzungen um Montferrat hatten unmissverständlich klargemacht, dass sowohl Spanien als auch Savoyen nach dem Territorium trachteten. Die spanische Einmischung war besonders unwillkommen, da sie in einer langen Tradition von Bemühungen stand, die kaiserliche Zuständigkeit für Norditalien abzulösen. Bereits am 26. Januar 1628 hatte Gonzalo Fernández de Córdoba, seit 1627 Spaniens Statthalter in Mailand, den Befehl des Kaisers erhalten, keine Truppen nach Mantua oder Montferrat zu entsenden. Zwei Monate später ernannte Ferdinand Johann VIII. von Nassau-Siegen zum Kommissar,

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um bis zu einem endgültigen Urteil beide Territorien zu beschlagnahmen.268 Der Graf von Nassau erreichte Mailand am 17. Mai. Inzwischen hatte sich die Situation allerdings dramatisch verändert. Córdoba hatte Madrid wiederholt vor der drohenden Krise gewarnt, aber keine Instruktionen erhalten, weil Olivares mit dem Spanisch-Niederländischen Krieg beschäftigt war. Sich selbst überlassen, beschloss er, Spaniens langjährige Spannungen mit Savoyen auf Kosten Mantuas beizulegen, und unterzeichnete am 25. Dezember ein Abkommen mit Karl Emanuel I., dem Herzog von Savoyen, zur Aufteilung Montferrats, wobei Casale an Spanien fallen sollte. Zwei Tage später bat er in einem Schreiben nach Spanien um die Erlaubnis, Montferrat im Namen des Kaisers zu besetzen. In Madrid war man geteilter Meinung, vor allem nach Spinolas Ankunft im Februar, aber die Regierung schloss aus Córdobas Brief, dass er Casale bereits besaß, und billigte daher sein Handeln.269 In Wirklichkeit wurde Córdoba erst am 29. März 1628 aktiv, weil die Armee der Lombardei unterbesetzt war. Nur 10 000 Mann konnten aufgeboten werden, während Savoyen 5500 ins Feld schickte. Kurz darauf fielen sie in ihre jeweiligen Hälften von Montferrat ein, blieben aber vor Casale stecken, wo Carlos Kommandant es darauf ankommen ließ, als Córdoba behauptete, einen Brief des Kaisers zu besitzen, der die Festung zur Übergabe auffordere. Um mit einer förmlichen Belagerung beginnen zu können, war Córdoba gezwungen, sich wegen Ingenieuren, Artillerie und einer großen Anleihe an Genua zu wenden. Die Verzögerung ermöglichte es Carlo, in Casale und Mantua 13 500 Milizionäre und Söldner zusammenzuziehen, während weitere 6600 unter General d’Huxelles auf seinen französischen Besitzungen geworben wurden. Sicher hinter den Mauern Mantuas, wie er war, lehnte Carlo spanische und kaiserliche Vorschläge ab, er solle im Gegenzug für die Anerkennung seiner Ansprüche auf Mantua Casale übergeben. Schlüsselfiguren in Frankreich waren nach wie vor gegen eine Intervention, und die Gouverneure von Burgund und der Dauphiné bemühten sich nach Kräften, d’Huxelles’ Vorbereitungen zu sabotieren. Weil seine Männer anfingen zu desertieren, überquerte d’Huxelles im August in Eilmärschen die Alpen mit dem Ziel Casale, wurde aber von savoyischen Truppen abgepasst, woraufhin sich sein Heer zerstreute. Die Belagerung von La Rochelle Ungeachtet seiner trotzigen Haltung war offenkundig, dass Carlo ohne Beistand nicht lange durchhalten konnte. Hilfe konnte nur von Frankreich kommen, aber Richelieu hatte alle Hände voll zu tun in La Rochelle, nachdem er beschlossen hatte, das Problem mit der „Synagoge des Satans“ – wie der Papst die Stadt nannte – endlich zu lösen. Die Kontrolle

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über die Inseln Oléron und Ré erlaubte ihm, eine Blockade gegen die Rochellaiser zu verhängen, deren missliche Lage beträchtliches Mitgefühl in England erregte. Die Ankunft der Französin Henrietta Maria als Königin Karls I. verstärkte die Kritik an der königlichen Politik im Allgemeinen und am Herzog von Buckingham im Besonderen. Buckingham suchte seine Position zu sichern, indem er auf die wachsende Frankophobie einschwenkte. Außerdem investierte er 70 000 Pfund aus seiner Privatschatulle in die Ausrüstung einer Flottenexpedition, um britische Entschlossenheit zu demonstrieren und Richelieu davon abzuhalten, La Rochelle zu belagern. Es war ein Riesenunterfangen: Zu einer Zeit, als England nur 145 Schiffe über 200 Tonnen besaß, trieb Buckingham 115 Wasserfahrzeuge mit 4500 Mann Besatzung und 7000 Soldaten auf. Am 21. Juli 1627 landete er auf der Île de Ré, in der Absicht, durch Eroberung der Insel Richelieus Blockade zu brechen. Die 3000 königlichen Fußsoldaten zogen sich allerdings einfach in ihre neue Zitadelle zurück, deren Proviantvorräte soeben ergänzt worden waren. Die sandige Insel bot nur wenige Ressourcen, und die Frage war letztlich, wem die Vorräte zuerst ausgingen. Obwohl Buckingham im September 70 Versorgungsschiffe und 1900 Iren als Verstärkung erhielt, verschlechterte sich seine Lage zusehends. Die Franzosen nutzten eine mondlose Nacht, um weitere Verpflegung zu ihrer Garnison zu befördern. Um die hungernden Belagerer zu verspotten, präsentierten die Königlichen ihnen am nächsten Morgen frische Hühner, die sie auf ihre Piken gespießt hatten. Am 6. November setzte Buckingham bei einem Angriff alles auf eine Karte, nur um festzustellen, dass die Leitern, die seine Soldaten gebaut hatten, zu kurz waren und sie die Mauer nicht überwinden konnten. Zwei Tage später wurden die 2000 Überlebenden evakuiert. Buckingham war wie immer zu selbstsicher gewesen und hatte es versäumt, einen Plan B für den Fall auszuarbeiten, dass es mit der Eroberung der Insel nicht so klappte, wie er sich dies bei der Landung vorgestellt hatte. Seine Anwesenheit gefährdete lediglich die Rochellaiser, lieferte sie Richelieu doch einen Vorwand, seine Blockade zu einer vollständigen Belagerung auszuweiten. Im Frühling traf der Kardinal mit dem König und 15 000 frischen Soldaten ein, um die Operationen zu beginnen, die zunächst den Bau eines 1500 Meter langen Damms und die Versenkung von Schiffen zur Blockierung des Hafens umfassten.270 Die Rochellaiser unter ihrem entschlossenen Bürgermeister Jean Guiton blieben zuversichtlich. Henri de Rohan hatte im Languedoc ein Heer aus 5000 Hugenotten aufgestellt, und Buckingham plante einen weiteren Entsatzversuch. Die englische Flotte traf am 15. Mai 1628 ein, aber ihrem Admiral fehlte die Entschlossenheit, die Barriere gegenüber dem Hafen anzugreifen. Die Spannung stieg, während Europa wartete, um zu sehen, ob Córdoba Casale einnehmen

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könnte, bevor La Rochelle an Richelieu fiel. Am 18. September kehrten die Engländer zurück und beschossen die Barriere mit Granaten, ohne Erfolg. Inzwischen war es wahrlich zu spät. Die Zahl der Belagerer war auf mehr als 25 000 gestiegen, während unter den Verteidigern eine Hungersnot wütete, der von den 27 000 Einwohnern der Stadt 8000 zum Opfer fielen. Die Belagerung verlief nicht so glatt, wie Richelieus Propaganda behauptete, aber er überwand beträchtliche praktische Probleme und profitierte von dem allgemeinen Konsens unter der katholischen Elite, dass es an der Zeit sei, die Hugenotten zu erledigen. Am 28. Oktober, fast vier Wochen, nachdem die Engländer abgesegelt waren, kapitulierten die Rochellaiser bedingungslos.271 Der Fall von La Rochelle veränderte die internationale Lage, doch nach dem Fehlschlag vor drei Jahren zögerte Richelieu, sich abermals in Italien einzumischen. Für eine Intervention war eine große Streitmacht erforderlich, und sie barg das Risiko eines Krieges mit Spanien. Alle Parteien unternahmen einen letzten Versuch, den Herzog von Nevers zur Annahme eines Kompromisses zu bewegen, was dieser ablehnte, da offensichtlich war, dass Richelieu sein Gesicht verlieren würde, sollte Casale fallen. Der Herzog verstand es perfekt, den Kardinal zu reizen, indem er Verhandlungen mit den Devoten eröffnete und in einem Schreiben erklärte, er wäre gezwungen, spanischer Vasall zu werden, wenn er nicht gerettet werde. Richelieu spielte ein riskantes Spiel, als er beschloss, von La Rochelle abzurücken, um Casale zu entsetzen, und dann erneut die Alpen zu überqueren, bevor die überlebenden Hugenotten sich erholen konnten. Sein Ziel war es, Casale zu retten, nicht, das vollständige Erbe des Herzogs zu sichern. Das Unternehmen war dennoch riskant, da die französischen Truppen sehr viel weniger zählten als die 40 000 Mann, die seiner Ansicht nach für einen Erfolg notwendig waren. Am 28. Februar 1629 führte der König 9400 Fußsoldaten durch Schneeverwehungen über den Col de Montgenèvre zu dem Hohlweg bei Susa, wo 4000 Spanier und Savoyer hinter einer sechs Meter hohen Barrikade den Weg versperrten. Bei einem Angriff am 5. März um drei Uhr morgens wurde die Stellung erobert, wobei die Franzosen mehr Männer durch Lawinen als durch Feindeinwirkung verloren.272 Zwei Tage später schloss Savoyen Frieden, der im Mai bestätigt wurde, als Ludwig XIII. versprach, für Frankreichs Recht, Casale mit einer Garnison zu belegen, im Gegenzug Karl Emanuels Besitz seines Teils von Montferrat anzuerkennen. Entmutigt durch die fehlende Unterstützung vonseiten Madrids und Wiens, akzeptierte Córdoba diese Vereinbarung und hob die Belagerung am 19. März auf. 3000 Franzosen verstärkten die Garnison von Casale, während andere nun Susa hielten, um die Route über die Alpen zu bewachen und Savoyens Wohlverhalten zu gewährleisten.

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Nachdem Richelieus Ziel erreicht war, führte Ludwig XIII. das Gros der Truppen wieder zurück über die Alpen, um sich mit den Hugenotten zu befassen, die im Languedoc aushielten. In einem bewussten Versuch, den Widerstand zu brechen, wurden sämtliche 3000 Einwohner von Privas getötet oder vertrieben, nachdem die Stadt am 26. Mai gefallen war. Es funktionierte, und am 28. Juni akzeptierten die Hugenotten das Gnadenedikt von Alès, das ihre religiösen und rechtlichen Privilegien bestätigte, jedoch abschaffte, was von ihrer militärischen und politischen Autonomie noch übrig war. Rohan wurde gestattet, ins Exil nach Venedig zu gehen. Richelieu schlug Kapital aus seinem Erfolg, indem er die heldenhafte Rolle des Königs hochspielte und den Alpenfeldzug und die nachfolgende Unterdrückung der Hugenotten als großartigen Triumph darstellte, der den inneren und äußeren Feinden der Monarchie einen Strich durch die Rechnung gemacht habe. Kaiserliche Intervention in Italien Das war allzu viel für Olivares, der fürchtete, die Welt würde denken, der Verlust seines Silbers in der Bucht von Matanzas habe Spanien so geschwächt, dass es gezwungen gewesen sei, sich in Italien zu fügen. Der Staatsrat distanzierte sich von Córdobas Handlungsweise und drängte den Kaiser, gemeinsam mit Spanien die Franzosen aus Casale hinauszuwerfen und in Mantua ihre eigene Regelung durchzusetzen. Die Armee der Lombardei wurde verstärkt, indem vom Herzogtum Parma und vom Großherzogtum Toskana Gefälligkeiten eingefordert wurden. Durch zusätzliche neapolitanische Rekruten wuchs die Streitmacht bis September 1629, als Spinola eintraf, um Córdoba abzulösen, auf 18 000 Mann an.273 Richelieus Handel mit Savoyen versetzte Herzog Carlo in Wut, der die Gelegenheit der französischen Intervention nutzte, um eine zweite Front zu eröffnen, indem er von Mantua aus in Cremona im Ostmailändischen zuschlug. Von Carlos Unbeugsamkeit überzeugt, glaubte Ferdinand II. nun, dass ein militärisches Eingreifen der einzige Weg sei, die kaiserliche Autorität über seine italienischen Vasallen aufrechtzuerhalten. Der Graf von Merode hatte bereits im April 1629 mit einer Vorausabteilung von 5000 Mann das Veltlin besetzt. Der Frieden mit Dänemark erlaubte Ferdinand, im Mai weitere Truppen zu entsenden, und im Laufe der nächsten zwei Monate strömten 30 000 Mann unter Collalto durch das Tal in Richtung Mantua, während die Spanier Casale abriegelten. Angesichts der neuen militärischen Kräfteverhältnisse stellte sich Savoyen um und schloss sich wieder Spanien an. Obwohl Collalto mit den spanischen Truppen zusammenarbeitete, blieben die diplomatischen Beziehungen angespannt. Madrid begriff nicht, dass sein eigenes selbstbewusstes Vorgehen in Italien den Kaiser gezwungen hatte zu intervenieren, um seine Autorität zu

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Mantua (1630)

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Angriffe der Kaiserlichen

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Angriffe der Kaiserlichen

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wahren, und dieser gar nicht in erster Linie Frankreich entgegentreten wollte. Überdies verringerte die Verlegung Collaltos über die Alpen die Wahrscheinlichkeit kaiserlichen Beistands gegen die Holländer, die nach wie vor Spaniens Hauptziel waren. Die Ankunft von 7000 Mann venezianischer Hilfstruppen konnte die Kaiserlichen nicht aufhalten, die bis Oktober die ländlichen Gebiete des Herzogtums Mantua überrannten, wodurch Herzog Carlo sowie 4000 Franzosen, Schweizer und Italiener auf Mantua selbst zurückgeworfen wurden. Die Stadt lag inmitten von Seen, die von einem Flussknie des Mincio gebildet wurden. Sie war von Westen, Norden und Osten nur über lange, exponierte Brücken oder im Süden durch die Übergänge zur Isola del Te erreichbar. Die kaiserlichen Truppen nahmen die Insel zwar ein, aber das Hochwasser überflutete ihre Gräben. Angriffe von Osten über die Brücke San Giorgio wurden unter schweren Verlusten zurückgeschlagen, und die Belagerungsbatterien waren wegen der Seen zu weit entfernt aufgestellt, um effektiv zu sein. Nachdem er geprahlt hatte, er werde den Ort in zwei Wochen erobern, musste Collalto sich nun darauf verlegen, Mantua durch Aushungern zur Kapitulation zu zwingen. Auch Spinola hatte in Casale kein Glück, und beide Armeen waren gezwungen, ihren Griff bei Einbruch des Winters zu lockern. Die kaiserliche Intervention brachte Richelieu in eine schwierige Lage. Er würde das Gesicht verlieren, wenn er Carlo im Stich ließe, aber die im Oktober an der savoyischen Grenze zusammengezogenen 18 000 Mann hatten es nicht vermocht, die Habsburger abzuschrecken. Eine weitere Expedition über die Alpen wäre bei den pro-spanischen Devoten extrem unpopulär, und noch dazu wies die französische Armee nur die Hälfte der für einen Erfolg als notwendig erachteten Größe auf. Nichtsdestotrotz rückte Ludwig XIII. im Februar 1630 entlang der Straße unmittelbar südlich des Susapasses vor, eroberte am 31. März Pinerolo und nahm Saluzzo ein. Die savoyische Hauptstreitmacht wurde aus Casale zurückbeordert, um auf die Franzosen zu stoßen, wurde indes im Juli bei Avigliana unmittelbar westlich von Turin geschlagen. Dieser Erfolg minderte den Druck auf Casale, aber Richelieu blieb weit von seinem Ziel entfernt. Bis September rafften Krankheiten zwei Drittel der 20 000 französischen Soldaten hinweg, was die Franzosen zwang, die Operationen einzustellen, bis Verstärkungen die Berge überquerten. Von Mai an waren sowohl Casale als auch Mantua einer neuerlichen geschlossenen Belagerung unterworfen. Angestachelt von Frankreich, schickte Venedig 17 000 Soldaten, um Mantua zu entsetzen; diese wurden jedoch von Gallas und Aldringen bei Villabuona aufgerieben. Danach verschlechterte sich die Lage der Verteidiger rapide. Bereits im Laufe des Jahres 1629 war die Pest in der Lombar-

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dei aufgetaucht. Nach einem Abflauen über den Winter wurde der Ausbruch mit dem wärmeren Frühlingswetter heftiger, vor allem in Mantua, wo die mehr als 30 000 Köpfe zählende Bevölkerung durch Flüchtlinge weiter angewachsen war. Mitte Juli waren nur noch 700 Soldaten diensttauglich. Collalto war sich des mehr als angeschlagenen Zustands der Verteidiger bewusst und griff am 16. Juli, unterstützt von zusätzlichen Soldaten in Booten, über die Brücken an. Carlo zog sich in die Zitadelle zurück, kapitulierte aber zwei Tage später. Mantua wurde schwer geplündert (Sacco di Mantova). Collalto und Aldringen stahlen die Kunstsammlung des Herzogs, dieweil die Beute sich insgesamt auf 18 Millionen Dukaten oder das Doppelte der Jahreseinkünfte des Königreichs Neapel belaufen haben soll. Wenigstens 10 000 Einwohner starben während der Belagerung, und nicht mehr als 9000 blieben danach in der Stadt übrig. Das Ausmaß der Tragödie fand kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Carlo nahm sie schlicht als göttlichen Willen hin und suchte Zuflucht in Rom. Die meisten Zeitgenossen gaben seiner unzureichenden Verteidigung oder den lustlosen Entsatzversuchen der Venezianer die Schuld an den Geschehnissen und nicht den kaiserlichen Befehlshabern oder ihren Männern, die das Morden besorgten.274 Jetzt, wo Mantua in kaiserlicher Hand war, schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bevor Casale an Spinola fiel.

Das Restitutionsedikt Die kaiserliche Intervention in Italien wurde von den Ereignissen in Deutschland überholt, wo Ferdinand mit dem Erlass des Restitutionsedikts im März 1629 einen schwerwiegenden Fehler beging. Wie ein Großteil seiner Politik sollte auch diese Maßnahme den Frieden erleichtern, erreichte aber das Gegenteil. Weit davon entfernt, aus seinem Sieg über Dänemark Kapital zu schlagen, wie seine Kritiker behaupteten, verstand Ferdinand das Edikt als Ergänzung der Lübecker Gespräche, um eine allgemeine Beilegung der Probleme im Reich herbeizuführen. Indem es den rechtlichen Rahmen für die Rückgewinnung kirchlichen Grund und Bodens schuf, suchte das Edikt durch Wiedereinführung dessen, was Ferdinand für die korrekte Interpretation des Augsburger Religionsfriedens von 1555 hielt, die Harmonie im Reich wiederherzustellen. Das Ziel war unrealistisch und die Methode unklug. Vor allem war der Prozess der Restitution – ebenso wie die umstrittenen Landübertragungen, Kontributionen und militärischen Forderungen, die bei vielen Katholiken wie Protestanten wohlbegründeten Argwohn schürten – unmöglich von anderen Maßnahmen zur Wiederherstellung des katholischen Glaubens zu trennen.

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Die Restitution erwuchs aus der neuerlichen Durchsetzung der politischen und geistlichen Autorität des Katholizismus, wie sie in großem Stil nach 1620 begegnet. Der Prozess gestaltete sich zunehmend kontrovers, als er, ausgehend von den habsburgischen und pfälzischen Landen, weitere Kreise zog, um nach 1623 weite Teile Frankens und des Rheinlands zu erfassen. Die anfänglichen Ziele waren die Wehrlosesten, wie etwa die protestantischen fränkischen Ritter, die gezwungen wurden, Pastoren von ihren Gütern zu verjagen und sich erneut der katholischen geistlichen Zuständigkeit Bambergs und Würzburgs zu unterwerfen.275 In einigen Fällen wurden Truppen eingesetzt, um einzelne Klöster zurückzubekommen, aber im Allgemeinen ersuchten die früheren Besitzer oder deren Erben die Reichsgerichte, die Restitution zu genehmigen. Die dänische Intervention unterbrach den Prozess vorübergehend, aber nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge wurde er fortgesetzt und stand seit Februar 1627 nachdrücklich auf der Tagesordnung, als nämlich die Bischöfe von Konstanz und Augsburg eine Unmenge Klagen gegen Württemberg – das erste bedeutende protestantische Territorium, das betroffen war – eröffneten. Viele Katholiken glaubten, die Zeit sei reif für entschiedene Maßnahmen, um Millionen von Seelen zurückzugewinnen, die seit der Reformation an die Häresie verloren gegangen seien. Die nahezu ungebrochene Folge katholischer Siege seit 1620 deutete darauf hin, dass Gott nicht nur auf ihrer Seite war, sondern sie auch zum Heiligen Krieg aufforderte. Ereignisse wie das augenscheinlich wunderbare Überleben der drei aus dem Fenster gestürzten Amtspersonen oder der Fall von La Rochelle wurden als Beweis göttlicher Gunst gedeutet. Und sowohl der jesuitische Beichtvater und Ratgeber Herzog Maximilians, Adam Contzen, als auch Ferdinands Beichtvater Wilhelm Lamormaini unterstützten diese Interpretation voller Eifer.276 Lamormaini war der Einflussreichere, da er das Ohr des Kaisers hatte. Ursprünglich aus Luxemburg gebürtig, schloss er sich im Alter von 20 Jahren den Jesuiten an und stieg am habsburgischen Hof rasch auf. Im Jahr 1622 wurde er Rektor des Jesuitenkollegs in Wien und zwei Jahre später Beichtvater des Kaisers. Er besaß keine von Ferdinands angenehmen Eigenschaften und übertraf ihn an religiösem Fundamentalismus, womit er dem protestantischen Stereotyp des arglistigen jesuitischen Verschwörers nahekam. Energisch, eigensinnig und streng, war er derart eifersüchtig auf seine Stellung bedacht, dass er seinen vorgesetzten Ordensgeneral, Vitelleschi, dazu überredete, die gesamte Korrespondenz zwischen den Jesuiten und Ferdinand über ihn laufen zu lassen. Als die Forderungen nach Restitution Fahrt aufnahmen, versprach Vitelleschi 2500 Messen pro Woche, um Ferdinand zu einem Unternehmen zu ermutigen, das von Lamormaini für „glorreich“ erklärt worden war – ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass

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Spaniens unglückselige Armada von 1588 mit demselben Prädikat belegt worden war. Solch eine rauschhafte Atmosphäre macht es schwer, politische von religiösen Motiven zu unterscheiden. Und vielleicht sollten wir auch gar nicht versuchen zu trennen, was die Zeitgenossen für zusammengehörig hielten. Trotzdem kam das Ziel der Militanten, den Katholizismus zu fördern, nur voran, weil es politische Ambitionen ergänzte. Außerdem distanzierten sich viele höhere Geistliche von Lamormainis Providentialismus und drängten auf größere Zurückhaltung.277 Auch Ferdinand zögerte und bat am 3. Juli 1627 die katholischen Kurfürsten um Rat. Diese wollten Kirchenbesitz zurückbekommen, nicht den Protestantismus ausmerzen. Der Mainzer Kurfürst verfasste ihre Antwort, die sich auf die Klöster konzentrierte, denn diese waren mittelbarer Besitz und deshalb weniger umstritten als Bistümer. Doch Maximilian drängte den Kaiser zu erklären, dass nur Anhänger der Confessio Augustana in der Fassung von 1530 die Vorteile des Augsburger Religionsfriedens genießen könnten. Dies würde die Calvinisten ausdrücklich ausschließen und sollte verhindern, dass Friedrich V. die pfälzischen Lande und die Kurwürde wiedererlangte. Die Kurfürsten dachten, Ferdinand würde einfach neue Richtlinien für die Reichsgerichte erlassen, die mit den Petitionen befasst waren, und beschlossen entsprechend im Oktober 1627 in Mühlhausen, ihn einen geeigneten Text ausarbeiten zu lassen.278 Die Nachricht sickerte zeitig aus Wien durch, sobald der Reichshofrat im Januar 1628 mit der Arbeit an dem Dokument begann. Protestantische Gesandte baten um Klarstellung, aber viele fanden sich damit ab, dass die Restitution nicht nur wahrscheinlich, sondern auch rechtmäßig war.279 Trotz einiger Bemühungen, Protestanten zu Rate zu ziehen, übten militante Jesuiten zweifellos unverhältnismäßigen Einfluss auf den endgültigen Text aus. Der Vizepräsident des Reichshofrates, Reichsvizekanzler Stralendorf, stützte sich direkt auf Argumente, die von Paul Laymann ausgearbeitet worden waren, einem führenden Theologen an der Jesuitenuniversität Dillingen. Laymanns Traktat von dem Religionsfrieden (Pacis compositio) konzentrierte sich auf rechtliche Argumente, welche die extreme katholische Interpretation von 1555 zusammenfassten. Das Edikt wurde auf den 6. März 1629 datiert, aber tatsächlich am 25. März erlassen, jenem Tag, an dem Laymanns Werk die Stände auf der Frankfurter Buchmesse erreichte.280 Bestürzung im Heiligen Römischen Reich Während die Kurfürsten und Protestanten eine Richtschnur erwartet hatten, die den Gerichten erlauben würde, weiter Entscheidungen auf Einzelfallbasis zu treffen, begriff Ferdinand das Edikt

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selbst als das maßgebliche Urteil. Seiner Ansicht nach entsprach er damit den Forderungen vonseiten aller Parteien, darüber zu entscheiden, was genau den „klaren Buchstaben“ des Friedens von 1555 ausmache. Das war freilich unmöglich, weil die Stärke jenes Dokuments in seiner bewussten Uneindeutigkeit lag. Ferdinands Edikt folgte schlicht der extremen katholischen Auslegung, die den Calvinismus ausschloss und die Rückgabe des gesamten seit 1552 weggenommenen Grund und Bodens verlangte, einschließlich der Bistümer. Wie die Enteignungen „notorischer Reichsrebellen“ warf auch das Edikt ein Schlaglicht auf die Kontroverse um die Reichsverfassung. Obwohl Ferdinand die Fiktion aufrechterhielt, dass Mühlhausen den Charakter einer Gerichtsverhandlung gehabt habe, blieb höchst strittig, ob er die Befugnis hatte, eine derart weitreichende einseitige Entscheidung zu treffen. Als kaiserliche Verfügung galt das Edikt als unanfechtbar – was noch zu tun verblieb, war lediglich, es durch Rückführung der Erzbistümer Magdeburg und Bremen, von 13 norddeutschen Bistümern und mehr als 500 Klöstern, hauptsächlich in Niedersachsen, Württemberg und Franken, in Kraft zu setzen. Der Reichshofrat ernannte ordnungsgemäß kaiserliche Kommissare für jeden Reichskreis. Im Allgemeinen fiel die Wahl auf einen einheimischen katholischen Fürsten, dem habsburgische Beamte und Armeeoffiziere zur Seite standen. Bereits am 24. März wurden Wallenstein und Tilly ermächtigt, nötigenfalls Gewalt anzuwenden. Das Edikt war kein gleichförmiger Angriff auf sämtliche deutschen Protestanten, weil der frühere Kirchenbesitz ungleich unter ihnen verteilt war. Brandenburg und Sachsen konnten je drei Bistümer verlieren, einstweilen blieb indes unklar, ob diese vom Augsburger Religionsfrieden geschützt wurden, weil ihre Eingliederung nach und nach im Laufe des 16. Jahrhunderts erfolgt war. Die Hauptopfer waren Dänemark, das seine Verluste in Lübeck akzeptierte, und die Welfen und andere protestantische Kräfte in Norddeutschland sowie Württemberg, wo die Katholiken Anspruch auf 50 Klöster erhoben, die ein Drittel der Vermögenswerte des Herzogtums darstellten.281 Es war nicht so sehr das Ausmaß der potenziellen Verluste als die Furcht, dass es damit nicht sein Bewenden hätte, die sich als so beunruhigend erwies. Deutschland schien zu den düsteren Zeiten des Augsburger Interims von Karl V. zurückgekehrt zu sein. Als der Magdeburger Bürgermeister Johann Dauth eine Kopie des Edikts zu lesen bekam, bemerkte er gegenüber seinem Reisegefährten, dass sie zu ihren Lebzeiten wohl kaum noch Frieden erleben würden. Die protestantischen Schweizer glaubten, dass sie als Nächste dran wären, und dachten, die kaiserlichen Truppen, die in jenem Sommer auf dem Weg nach Italien durch ihr Land zogen, seien gekommen, um das Edikt bei ihnen durchzusetzen.282

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Auch viele Katholiken waren bestürzt. Lamormaini freilich war, wie vorauszusehen, begeistert und schrieb an den Papst, dass „kein römischer Pontifex seit der Zeit Karls des Großen eine derartige Ernte von Freuden aus Deutschland empfangen hat“. Urbans Antwort war sorgfältig formuliert. Er beglückwünschte Ferdinand, dass die „Häresie gelernt haben wird, dass die Pforten der Hölle nicht die Oberhand gewinnen gegen die Kirche … und auch nicht gegen die Waffen des mächtigen Österreich“.283 Dies entsprach keiner uneingeschränkten Bestätigung, die Urban auch nicht aussprechen konnte, ohne die Gültigkeit des Augsburger Religionsfriedens von 1555 anzuerkennen. Der Papst ärgerte sich darüber, dass seine Nuntien von der Beaufsichtigung der Restitution ausgeschlossen waren, da Ferdinand diese für eine Sache der Gerichte, nicht der Geistlichkeit hielt. Später erklärte Urban, zweifellos aus der Rückschau, er habe das Edikt niemals gebilligt. Ausgeprägter war die Gegnerschaft in Spanien und Wien. Philipp IV. riet Ferdinand, „ein geeigneteres Ventil für seine Frömmigkeit und seinen Eifer zu finden“.284 Spanien hatte seit Langem für Zugeständnisse an die deutschen Lutheraner plädiert, um das Reich zu befrieden und Unterstützung für eine Allianz zu gewinnen, die Frankreich und andere davon abhalten sollte, den Holländern beizustehen. Eine konzertierte Anstrengung wurde unternommen, um Lamormaini zu entfernen, vor allem durch den Kapuziner Quiroga, der Anfang 1631 als Beichtvater für die Gemahlin Erzherzog Ferdinands, die Infantin Maria Anna, in Wien eintraf. Ferdinands getreuer Ratgeber Eggenberg zog sich auf seine Güter zurück, während Collalto protestierte, dass die ganze Kontroverse zulasten des Mantuanischen Erbfolgekriegs gehe. Der höhere habsburgische Klerus, etwa Bischof Wolfradt von Wien sowie die Kardinäle Pázmány und Dietrichstein, fiel in den Klagechor ein. Umsetzung in die Praxis Wallenstein opponierte offen gegen das Edikt, schrieb sogar an Johann Georg von Sachsen, um ihm davon zu berichten.285 Vom 12. März 1629 an unterwarfen kaiserliche Truppen Magdeburg einer 28 Wochen dauernden geschlossenen Blockade, aber diese hatte wenig mit dem Edikt zu tun. Die Stadt hatte übelgenommen, dass die Kaiserlichen die Elbe benutzten, um böhmisches Getreide heranzutransportieren, argwöhnte man doch, dass manch ein Offizier unter dem Deckmantel der Truppenversorgung versuchte, die ortsansässigen Händler im Preis zu unterbieten. Der Rat schien die Kontrolle zu verlieren, als die Militanteren unter den Bürgern sich eines kaiserlichen Getreidetransports bemächtigten. Pastoren wie Spaignart schreckten davor zurück, dem Kaiser offen die Stirn zu bieten, aber ihre Predigten trugen zu den selbstgerechten, vollkommen unrealistischen Erwartungen bei, welche die Führung der Stadt beherrschten. Die Ratsmitglieder rechtfertigten ihre Weigerung,

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eine Garnison aufzunehmen, mit dem Hinweis, dass Kaiser Otto ihre Stadt vor 700 Jahren von allen militärischen Verpflichtungen befreit habe – eine Behauptung, die ihren parallelen Bemühungen um den Status als Reichsstadt widersprach. Sie schworen – in Anbetracht dessen, was kam, törichterweise –, „daß sie lieber würden sterben wollen, denn eine solche Dienstbarkeit auf sich laden, auf allen Fall steckten sie eher ihre eigenen Häuser an und ließen alles in Rauch und Asche dahin gehen“.286 Weil er ein weiteres Stralsund vermeiden wollte, zeigte Wallenstein untypische Geduld und akzeptierte hanseatische Vermittlung, um die Situation zu entschärfen. Der Stadtrat wurde umstrukturiert und populären Forderungen insofern Genüge getan, als die Kooption der Ratsmitglieder durch deren direkte Wahl ersetzt wurde. Gegen die Zahlung von 150 000 Talern, zu denen die Hanse weitere 50 000 beisteuerte, ließ Wallenstein die Forderung nach einer Garnison fallen und nahm die Stadt von dem Edikt aus.287 Die Kaiserlichen zerstörten ihre Verschanzungen, hielten aber eine lockere Kette aus Reitern um die Stadt aufrecht, die alle kontrollierten, die ein- und ausgingen. Wallenstein tat nichts, um Ferdinands Projekt zu fördern, seinen jüngeren Sohn, Erzherzog Leopold Wilhelm, als Erzbischof einzusetzen. Schließlich bildete der Kaiser ein neues, nachgiebiges Domkapitel, das den sächsischen Fürsten August absetzte und statt seiner im Mai 1630 den Erzherzog wählte. Außer dem Erzbistum Magdeburg entzogen die kaiserlichen Kommissare das Erzbistum Bremen, die Bistümer Verden, Halberstadt, Minden und Ratzeburg, zwei Reichsabteien und etwa 150 Klöster, Konvente und Kirchen, darunter 50 in Württemberg und 30 in Wolfenbüttel, protestantischer Verfügungsgewalt. Die schwedische Intervention beendete die Restitution im Herbst 1631, auf ernste Schwierigkeiten war sie indes schon lange zuvor gestoßen. Von den Kommissaren wurde erwartet, lokale Veränderungen rückgängig zu machen, die 70 oder mehr Jahre zurückreichten. Klöster waren oft abgerissen oder anderen Zwecken zugeführt worden, während Kirchenland verkauft oder bebaut worden war. Die ursprünglichen Bewohner waren längst tot, was die Frage aufwarf, wer ihre Besitztümer nun erhalten sollte. Das Ergebnis war ein ungehöriges Gerangel, bei dem die Jesuiten sich durch ihre Habgier hervortaten. Keine der früheren Besitzungen hatte ihnen gehört, aber wegen ihres besonderen Beitrags zum Zustandekommen des Edikts und ihres regen missionarischen Eifers in Deutschland in jüngerer Zeit meinten sie, einzig und allein anspruchsberechtigt zu sein. 1630 war Lamormainis Neujahrsgeschenk für Ferdinand eine Liste von 90 Konventen und Häusern, die er haben wollte. Diese Forderung eröffnete den „Klosterstreit“, der noch bis ins 20. Jahrhundert Widerhall fand, als rivalisierende Orden ihre Besitzrechte anfochten.288

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Die Orden lagen auch im Streit mit den Bischöfen, denen die klösterliche Autonomie schon lange ein Dorn im Auge gewesen war und die nun den restituierten Besitz direkt ihren Bischofssitzen eingliedern wollten. Solche internen Machtkämpfe schadeten dem katholischen Ansehen ebenso wie der unverhohlene Opportunismus eines Johann von Nassau-Siegen, selber erst seit 1613 Konvertit, der Gerüchte streute, dass seine Vettern in Diez die Dänen unterstützt hätten, um sich Gründe für die Beschlagnahme ihres Besitzes zu verschaffen. Derartige Verhaltensweisen machten es all jenen Katholiken schwerer, die einen freundschaftlichen Kompromiss mit ihren Nachbarn anstrebten.289 Häufig blieb die Rekatholisierung oberflächlich. Es gab nicht genug Mönche, Nonnen und Priester, die sich um die wiedererlangten Besitzungen hätten kümmern können. Protestantische Pastoren wurden ausgewiesen und Stadträte ersetzt, im Allgemeinen durch schlechtere, weniger gut qualifizierte Kandidaten. Die protestantische Reaktion Ferdinands Verständnis des Edikts als gerichtliche und nicht als geistliche Angelegenheit erlaubte den Protestanten, es juristisch anzufechten, womit das Ziel einer sauberen, einfachen Regelung durchkreuzt wurde. Beispielsweise musste Ludwig Friedrich von Württemberg auf klösterlichen Besitz verzichten, rief aber das Reichskammergericht an, um Forderungen nach Erstattung von mehr als einem Jahrhundert Steuern abzuwenden, die Klöster seit der Säkularisierung gezahlt hatten. Ferdinand unterstützte die Behauptung des württembergischen Herzogs, für seine verlorenen Klöster weiter politisch zuständig zu sein, und räumte ein, diese seien nur von der lutherischen Kirche getrennt worden, nicht vom Herzogtum. Solche Rangeleien lieferten der einheimischen Bevölkerung eine willkommene Rechtfertigung für Ungehorsam, wenn zwei oder mehr künftige Herren sich um die Herrschaft stritten. Ferdinand hatte sein Blatt schlecht ausgespielt. Das Edikt befremdete die gemäßigten Lutheraner, während es unter militanten Katholiken unrealistische Erwartungen schürte. Einmal abgegeben, war es schwierig, eine derart kompromisslose Erklärung zurückzuziehen oder zu modifizieren, ohne die kaiserliche Autorität zu schwächen. Johann Georg tat sein Bestes, Ferdinand einen ehrenvollen Ausweg zu eröffnen, indem er betonte, dass der Augsburger Religionsfrieden ein Vertrag sei, der nicht ohne beiderseitige Zustimmung geändert werden könne. Ohne Ferdinands rechtliche Autorität direkt anzugreifen, argumentierte der sächsische Kurfürst, jeder Fall solle von den Gerichten für sich selbst beurteilt werden. Er erteilte Bitten vonseiten Württembergs und anderer Opfer eine Absage, Einwände gegen das Edikt mit Protesten über Wallensteins Militärkontributionen zu verknüpfen. Stattdessen brachte er vor, dass Druck ausgeübt wer-

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den solle, um die Katholiken zu bewegen, ihre Forderungen zu mäßigen und sich zu ihrer Durchsetzung weniger konfliktträchtiger Methoden zu bedienen. Dies beinhaltete eine engere Zusammenarbeit mit Brandenburg, um eine vereinte Front zu präsentieren. Ein solcher Kurs erwies sich als schwer zu steuern, weil die militanten Protestanten die sächsische Politik als Schritt hin zu einem neuen konfessionellen Bündnis missverstanden. Ihre lautstarken Versuche der Einflussnahme erschwerten es wiederum Johann Georg, die Katholiken von seinen guten Absichten zu überzeugen. Die Gespräche mit Brandenburg begannen im Oktober 1629 und führten zu einem gemeinsamen Gipfel in Annaburg im April 1630, der von theologischen Diskussionen zur Überbrückung lutherisch-calvinistischer Differenzen begleitet war.290 Johann Georg weigerte sich, die Frage des Edikts auf dem von Ferdinand im Juli 1630 einberufenen Kurfürstentag zur Sprache zu bringen, weil sie zu stark polarisiere. Stattdessen wurden Gespräche hinter den Kulissen geführt. Der Vorschlag, im September eine protestantische Versammlung abzuhalten, war ein Mittel, um die Katholiken an den Verhandlungstisch zu zwingen. Kurfürst Anselm von Mainz war bereits empfänglich und plädierte dafür, Kardinal Khlesls alte „Kompositionspolitik“ zweiseitiger Gespräche zwischen katholischen und protestantischen Delegationen wiederaufzunehmen. Er griff einen Darmstädter Vorschlag auf, das Edikt nicht direkt infrage zu stellen, sondern seine Durchführung für 50 Jahre auszusetzen und den kirchlichen Besitzstand so zu lassen, wie er 1621 gewesen war. Dies kam dem Kompromiss nahe, der fünf Jahre später im Prager Frieden akzeptiert wurde, und hatte eine echte Erfolgschance. Alle drei geistlichen Kurfürsten waren willig, und sogar Herzog Maximilian räumte unter vier Augen ein, dass er ihn akzeptieren würde. Die Nachricht alarmierte die Glaubenseiferer. Vitelleschi versicherte Lamormaini, dass jede Woche 1000 Messen gelesen und 4000 Rosenkränze gebetet würden, um Ferdinands Entschlossenheit zu stärken. Fatalerweise stieg Maximilian anschließend auf die Bremse. Er hatte die Restitutionsfrage benutzt, um Ferdinand zu zwingen, Zugeständnisse hinsichtlich der Entlassung Wallensteins zu machen. Sobald der Kaiser zugestimmt hatte, zog Maximilian seine Unterstützung für den Kompromiss zurück. Später gab er zu, das sei ein schwerer Fehler gewesen, und behauptete, er sei von seinem jesuitischen Beichtvater umgestimmt worden, um katholische Interessen zu schützen.291 Drei Aspekte aus der Kontroverse um die Restitution sind besonders auffällig. Erstens verweisen die Meinungsverschiedenheiten unter den Katholiken auf die Schwäche der konfessionellen Solidarität und den Primat der Politik über die Religion. Wichtige Katholiken waren von Anfang an gegen das Edikt und nicht erst, als es nach dem Sieg Schwedens bei Breitenfeld politisch opportun wurde.

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Natürlich motivierte religiöse Überzeugung die Unterstützer des Edikts, die sich, selbst nachdem seine politischen Mängel deutlich geworden waren, an seine Rechtsgültigkeit klammerten – aber es war die unrepräsentative, hierarchische Struktur der kaiserlichen Regierung, die dieser Minderheit erlaubte, ihre Ansichten in die Praxis umzusetzen. Zweitens war das Edikt ein Fehler allererster Güte. Zwar beschleunigte es nicht die schwedische Intervention, da diese wenig mit der misslichen Lage der deutschen Protestanten zu tun hatte, aber es garantierte auf jeden Fall, dass die Tür weit offen stand, als Gustav Adolf landete. Die Kontroverse machte jede Chance zunichte, den Frieden von Lübeck zu einer allgemeinen Regelung für das Reich zu erweitern. Die meisten Protestanten hatten bis 1627 irgendeine Form der Restitution erwartet und sich sogar damit abgefunden, dass die Katholiken in einigen Fällen berechtigte Ansprüche hatten. In Anbetracht der offenen Unterstützung, die ihre Administratoren den Dänen gewährt hatten, hätten die meisten wahrscheinlich die Restitution einiger mittelbarer Güter und Herrschaften und den Verlust von Magdeburg und Halberstadt geschluckt. Doch weil er auf pauschaler Restitution ohne Rücksicht auf individuelle Umstände beharrte, machte Ferdinand den ganzen Prozess unhaltbar und vergrößerte die Zahl verbitterter deutscher Protestanten. Drittens unterstrich die Kontroverse die Lebendigkeit einer reichsweiten politischen Kultur, die konfessionelle Differenzen weiterhin überbrückte. Selbst diejenigen, die von dem Edikt profitieren konnten, bezweifelten, ob es der richtige Weg war, ihren Besitz wiederzuerlangen. Die Mehrheit favorisierte die traditionelle Methode, jeden Fall für sich selbst zu beurteilen, denn nur so bestand die Chance, den eigenen Ansprüchen sowohl gegen potenzielle Rivalen als auch gegen die momentanen Besitzer Rechtskraft zu verleihen. Sogar die Militanten erkannten die Stärke der Verfassung an, indem sie das Edikt mit juristischen statt mit geistlichen Argumenten begründeten. Trotz einer überwältigenden militärischen Überlegenheit verzichteten sie auf pauschale Inbesitznahme zugunsten des juristischen Verfahrens. Dies erklärt auch, warum die Kontroverse den Kaiser derart verblüffte: Er glaubte wirklich, im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Rechte zu handeln. Noch bezeichnender war die Reaktion der Opfer. Statt sich in einer Rebellion zu erheben, wie es die französischen Großen und Hugenotten nach 1614 getan hatten, erwirkten die Einwohner des Reiches gerichtliche Verfügungen und verhandelten über einen Kompromiss. Sogar die belagerten Stralsunder hielten es für lohnenswert, Hilfe vom Mainzer Kurfürsten zu erbitten.292

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Der Regensburger Kurfürstentag von 1630 Die Widerstandsfähigkeit der politischen Kultur im Reich legt nahe, dass wir Ferdinands Versuch, die Probleme des Reiches durch ein Treffen mit den Kurfürsten in Regensburg von Juli bis November 1630 zu bereinigen, nicht abschreiben sollten. Die Zusammenkunft wurde überschattet von der Landung Gustav Adolfs in Pommern ein paar Tage nach ihrer Eröffnung, und die Diskussionen in Regensburg werden in der Regel so dargestellt, als seien sie beherrscht gewesen von Ereignissen jenseits der Reichsgrenzen – und diese Ereignisse bezeichneten angeblich „das Ende desjenigen Abschnittes, der allein mit einigem Recht die Zeit des deutschen Krieges genannt werden kann, und den Anbruch der Epoche, in welcher auswärtige Mächte in den Krieg verwickelt waren“.293 Etwas ist dran an dem Vorwurf des Versagens, der gegen den Kaiser und die Kurfürsten erhoben wurde, die trotz der durch die parallele Mainzer und Darmstädter Friedensinitiative angebotenen Lösung unfähig waren, die tiefer liegenden verfassungsrechtlichen und konfessionellen Probleme zu lösen. Dennoch war die Versammlung eine bedeutsame Demonstration des kollektiven Bestrebens im Reich, die von mehr als 2000 Personen besucht wurde. Sie begann inmitten der weit verbreiteten Sorge, dass Ferdinand seine Befugnisse überschritten habe. Die Zielsetzungen des Kaisers wurden in seinen Forderungen skizziert, die den Kurfürsten bereits im April zugingen. Keiner erhob Einwände gegen seine Absicht, Lübeck zu einer allgemeinen Regelung zu erweitern, aber sie waren besorgt darüber, wie er dies zu erreichen gedachte. Ferdinand wollte das Reich nämlich stabilisieren, indem er durch die Wahl seines ältesten Sohnes, des Erzherzogs Ferdinand, zum Römischen König weitere Zweifel hinsichtlich der habsburgischen Erbfolge ausräumte. Die Kurfürsten waren nicht bereit, auf dieses – ihr wichtigstes – Druckmittel zu verzichten, während so viele andere Streitfragen ungelöst blieben. Ferdinands Lösung für die äußeren Bedrohungen des Reiches wurde ebenfalls vereitelt. Die Kurfürsten weigerten sich, militärischen Beistand für Spanien in den Niederlanden oder Italien zu bewilligen, ebenso wenig wollten die Katholiken der Auflösung der Liga und der Verschmelzung ihrer Truppen mit Wallensteins kaiserlichem Heer zustimmen. Stattdessen verlangten die Kurfürsten Wallensteins Entlassung, bevor sie irgendetwas in Erwägung ziehen würden. Mehrere kaiserliche Räte zögerten, einen solchen Schritt zu unternehmen, weil sie fürchteten, der General werde das Heer gegen Wien marschieren lassen. Doch der scheinbar allmächtige Generalissimus erwies sich als überraschend schutzlos.

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Im Gegensatz zu Richelieu oder Olivares hatte Wallenstein bei Hofe kein Netz aus ihm treu ergebenen Anhängern geknüpft. Seine Abneigung, bei wichtigen Ereignissen – wie etwa der Krönung Erzherzog Ferdinands zum böhmischen König im November 1627 – zu erscheinen, befremdete ranghohe Persönlichkeiten, vor allem den Erzherzog selbst, der Wallensteins Generalat nie gebilligt hatte und sich für einen potenziellen Nachfolger hielt. Seine Distanz zum Hof schuf Raum für Missverständnisse, zumal seine Neigung zu eigenmächtigem Handeln den Verdacht weckte, dass er seine Befugnisse überschreite. Er war also in einer denkbar schlechten Ausgangsposition, um den Gerüchten zu widersprechen, die von Maximilian, der durch Kapuziner am kaiserlichen Hof mit geheimen Informationen gefüttert wurde, bewusst gestreut wurden.294 Entscheidend jedoch war, dass das Scheitern des Ostseeplans Botschafter Aytona enttäuschte, der Wallenstein bis dahin unterstützt hatte, ihm nun jedoch vorwarf, Spanien zwar stets Hilfe zu versprechen, diese aber nie zu leisten. Schon die zeitgenössische Kritik nahm das spätere historische Bild von Wallenstein als hochmütig, durchtrieben und nicht vertrauenswürdig vorweg. Nach 1625 erschien eine wachsende Zahl von Flugschriften, die Parallelen zogen mit Lucius Aelius Seianus, der als Ratgeber des römischen Kaisers Tiberius aufgestiegen war, nur um schmachvoll in Ungnade zu fallen. Kritik an Wallenstein bot auch ein sicheres Ventil für protestantischen Groll, erlaubte sie doch den Lutheranern, sich an die Hoffnung zu klammern, dass Ferdinand in Wirklichkeit ein gütiger Monarch war, der einfach von bösen Ratgebern getäuscht werde. Wallensteins eigene lautstarke Einwände sowohl gegen das Edikt wie auch gegen den Mantuanischen Erbfolgekrieg erschütterten allmählich sogar Ferdinands Glauben an seinen General. Schließlich war offensichtlich, dass er seine glückliche Hand in Geldangelegenheiten verloren hatte. Im Mai 1629 konnte er die Zinsen auf De Wittes Darlehen nicht mehr bezahlen, wodurch sein Finanzier gezwungen war, seinen eigenen Besitz zu veräußern und sich zu Wucherzinsen Geld zu leihen. Wallensteins Vorschlag, Truppen zurück nach Schlesien zu schicken, um Steuerrückstände einzutreiben, ließ die Gefahr erkennen, die ein solcher Schritt für die habsburgische Monarchie darstellte. Am 13. August willigte Ferdinand ein, seinen General zu entlassen. Er wartete zwei Wochen, bevor er Boten mit der Nachricht zu Wallenstein schickte, der sich nach Memmingen in Süddeutschland begeben hatte, um den mantuanischen Operationen näher zu sein. Anfangs blieben die Dinge unklar, weil Ferdinand noch keinen Nachfolger ernannt hatte und weiterhin erwartete, dass Wallenstein Rat erteilte. Wallenstein drängte den Kaiser, seinen Kritikern keinen Glauben zu schenken, und prophezeite zutreffend, seine Entlassung werde das Heer lähmen und eine wirkungsvolle Reaktion auf die momentan noch begrenz-

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te schwedische Intervention verhindern. Dann zog er sich verärgert in sein Palais in Gitschin zurück. Die Nachricht stürzte De Witte in Verzweiflung. Ohne Hoffnung, sein Geld zurückzubekommen, ertränkte er sich am 11. September im Brunnen seines Prager Wohnsitzes. Der finanzielle Zusammenbruch fiel zeitlich mit dem Anbruch des Herbstes und den damit einhergehend knapper werdenden Vorräten zusammen. Der Zustand des Heeres hatte sich ohnehin bereits kontinuierlich verschlechtert, seit Wallenstein im März 1630 die Kontributionen, welche die Offiziere fordern durften, halbiert hatte und dann im April auf Ferdinands Befehl hin die weitere Anwerbung gestoppt hatte. Die Heeresreform Die Frage der Nachfolge Wallensteins wurde verkompliziert durch die Weigerung Maximilians, die Selbstständigkeit der Liga aufzugeben. Am 9. November einigte man sich schließlich darauf, dass der Oberbefehl beim Kaiser verblieb, der ihn Tilly übertragen würde, der zum kaiserlichen Generalleutnant ernannt wurde. Die kaiserlichen und ligistischen Truppen würden selbstständig bleiben, unterstanden aber jetzt einem gemeinsamen Oberbefehlshaber.295 Eine echte Anstrengung wurde unternommen, um das Problem der Kriegsfinanzierung anzugehen. Wallensteins System wurde zugunsten eines kleineren, aber solider finanzierten Heeres abgeschafft. Die kaiserlichen Truppen sollten auf 40 000 Mann verkleinert werden, größtenteils durch Auflösung der noch in Italien stehenden Einheiten, während das Heer der Liga um ein Drittel auf 20 000 Mann reduziert wurde. Sämtliche Territorien im Reich sollten Kriegssteuern nach dem Matrikularsystem entrichten, insgesamt 96 Römermonate jährlich, wobei zwei Drittel an die Kaiserlichen und der Rest an die Liga fließen sollte. Beiden Heeren wurden bestimmte Winterquartiere zugewiesen. Erhaltene Quittungen über solche Steuern aus der Zeit Rudolfs II. lassen vermuten, dass der Kaiser mit 5,7 Millionen Gulden von den nichthabsburgischen Teilen des Reiches rechnen konnte – immer gesetzt den Fall, dass alle Territorien ihren Anteil zahlten. Dies hätte etwa einem Drittel der früheren Belastung entsprochen. Allerdings sah man ab, dass viele Territorien in Verzug geraten würden, weshalb Tilly ermächtigt wurde, Kontributionen zu erheben, um den Fehlbetrag zu decken. Elemente des alten Systems blieben somit bestehen und mit ihnen der Groll über die kaiserliche und katholische Präsenz. Die Vereinbarungen bedeuteten auch, dass die Verfassung überarbeitet werden musste, wurden die Reichskreise doch auf ein System zum Unterhalt eines permanenten Heeres unter ausschließlicher Kontrolle des Kaisers reduziert. Diese unbefriedigende Regelung wurde von der kaiserlichen Politik diktiert und hatte nichts mit der schwedischen Bedrohung zu tun. Tilly war der Kompromisskandidat, der die kaiserlichen und bayerischen Interessen ausgleichen

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sollte. Er war in keiner beneidenswerten Position, da er zwei Herren mit unterschiedlichen Absichten Rechenschaft schuldig war. Die Kommandostruktur blieb dezentral, weil die kaiserlichen Einheiten in Italien und in den habsburgischen Erblanden ebenso weiter ihren eigenen Generälen unterstanden wie das Korps der Liga in Westfalen, das von Anholt befehligt worden war, bei dessen Tod 1630 aber an Pappenheim überging. Pappenheim ist als Glaubenseiferer in die Geschichte eingegangen, nachdem er 1616 zum Katholizismus übergetreten war und sechs Jahre später gelobt hatte, er wolle für jedes Jahr, das er als Ketzer gelebt habe, eine Wunde erleiden. Sein Versprechen erfüllte sich am Weißen Berg, wo man ihn, eingeklemmt unter seinem erschossenen Pferd, als vermeintlich tot zurückließ, nachdem er diverse Hieb- und Stichwunden erlitten hatte, die ihm hinfort den Spitznamen „Schrammenheinrich“ oder auch „Schrammenhans“ einbrachten. Sein Ruf litt wegen seiner Rolle bei der Unterdrückung des oberösterreichischen Bauernaufstands (1626) und der Zerstörung Magdeburgs (1631). Zweifellos war er skrupellos ehrgeizig, aber seine Vorliebe für kühnes Handeln entsprang der Absicht, den Krieg schnell zu gewinnen, und er war frei von vielen der Laster, die seine Zeitgenossen an den Tag legten – vor allem enthielt er sich des Alkohols.296 Sein Wunsch nach einem unabhängigen Kommando passte zur Sicherheitspolitik Ferdinands von Köln, machte Tillys Aufgabe aber schwieriger. Frieden in Italien Die Kurfürsten waren durchweg gegen den Mantuanischen Erbfolgekrieg, der für Ferdinand doch so gut zu laufen schien. Casale leistete weiter beherzt Gegenwehr, aber es war offenkundig, dass die Festung nicht viel länger durchhalten konnte. Richelieu entsandte auf päpstlichen Druck im August seine „graue Eminenz“, Père Joseph, und Brûlart de Leon nach Regensburg. Beunruhigt durch Berichte aus Italien, erbaten die beiden Gesandten zusätzliche Instruktionen von Richelieu, erhielten indes nur verwirrende Antworten. Ludwig XIII. lag Gerüchten zufolge im Sterben, und es war wohlbekannt, dass die Devoten planten, den Kardinal abzusetzen. Manche sehen in den Verhandlungen eine verpasste Gelegenheit und behaupten, dass Ferdinand zu selbstsicher gewesen sei und es versäumt habe, Frankreich befriedigende Zugeständnisse anzubieten.297 Gerüchte über italienische Fürstentümer, die Wallenstein und Collalto versprochen worden seien, machten die Runde, gaben die Ziele des Kaisers freilich falsch wieder. Ferdinand war bereits zum Kompromiss entschlossen und bot Père Joseph und Leon großzügige Bedingungen, die sie am 13. Oktober annahmen. Frankreich und der Kaiser sollten sich zurückziehen, Casale würde entmilitarisiert werden, aber Ludwig XIII. konnte Susa und Pinerolo behalten. Ferdinand würde den mantuanischen Streit schlichten und versprach, Herzog

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Carlo anzuerkennen, wenn dieser seine Verwandten aus dem Hause Gonzaga entschädigte und Savoyen einen Teil von Montferrat behalten ließ. Die kaiserliche Zuständigkeit wurde gewahrt, während alle Parteien außer Spanien bescheidene Gewinne machten. Verstärkt auf 20 300 Mann, hatten die Franzosen ihren Vormarsch in Savoyen fortgesetzt und waren nur wenige Kilometer von Casale entfernt, als ein staubiger päpstlicher Bote, der künftige Kardinal Mazarin, mit der Nachricht von dem Frieden eintraf. Der Vertrag schien die Festung just in dem Moment zu rauben, wo sie für Richelieu zum Greifen nahe war. Schlimmer noch: Seine Bevollmächtigten hatten zugestimmt, dass Frankreich den Feinden des Kaisers nicht beistehen würde. Diese standardmäßige Goodwill-Bekundung drohte Richelieus diplomatische Optionen einzuengen. Erpicht auf die lange erwartete Annäherung zwischen Frankreich und Habsburg, drängten die Devoten auf Ratifizierung. Abzulehnen schien töricht, doch eine Annahme wäre einem Eingeständnis der Niederlage Richelieus gleichgekommen. Die Krise verschärfte sich mit der Erkrankung des Königs, und am 30. September erhielt er die Sterbesakramente. Es schien absehbar, dass der Herzog von Orléans, Gaston de Bourbon, die Nachfolge seines Bruders antreten würde. Am Nachmittag des 10. November, einem Sonntag, trafen sich die Devoten und andere Gegner des Kardinals in Maria de’ Medicis Palais du Luxembourg und einigten sich darauf, den Regensburger Frieden zu akzeptieren. Maria beschloss die Zusammenkunft, indem sie Richelieu wissen ließ, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle. Daraufhin traf der Kardinal, der um sein Leben fürchtete, Anstalten, nach Le Havre zu fliehen, erhielt aber eine Aufforderung, im königlichen Jagdschloss von Versailles den König zu treffen. Bei seiner Ankunft am 11. November fand er den König völlig genesen vor und wurde der fortgesetzten königlichen Unterstützung versichert. Am Ende waren diejenigen die Betrogenen, die ihren Triumph schon in Händen zu halten glaubten, weshalb man von jenem Tag bald als dem „Journée des dupes“ sprach. Am nächsten Morgen unterzeichnete Ludwig Haftbefehle zur Festnahme von Richelieus Widersachern. Jetzt, wo seine Kritiker inhaftiert oder im Exil verstreut waren, konnte Richelieu seine Pläne wiederaufnehmen und verwarf den Friedensvertrag von Regensburg. Spinola hatte die Operationen gegen Casale in Anbetracht der Regensburger Gespräche am 4. September eingestellt. Die Pest suchte sein Heer heim und tötete ihn selbst binnen Monatsfrist. Weil es nicht gelungen war, die schwedische Besetzung Pommerns aufzuhalten, wurden die mit der Seuche infizierten kaiserlichen Truppen nach Deutschland zurückbeordert. Ferdinand war gezwungen, wieder Gespräche über die Regensburger Vereinbarung aufzunehmen. Die

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Änderungen an der dortigen Friedensregelung fanden ihren Niederschlag im Frieden von Cherasco, zwei Verträgen, die am 6. April und 19. Juni 1631 unterzeichnet wurden, diesmal ohne das Versprechen Frankreichs, den kaiserlichen Feinden nicht zu helfen. Der Mantuanische Erbfolgekrieg hatte Spanien zehn Millionen Escudos gekostet, und es war kein Geld mehr übrig, um die Bedingungen der Vereinbarung anzufechten. Carlo I. Gonzaga wurde als Herzog eingesetzt und erlaubte Frankreich prompt, 2400 Mann in Casale zu stationieren, wo sie bis 1652 blieben. Richelieu schüchterte Savoyen so weit ein, dass es Pinerolo abtrat, das bis 1696 unter französischer Herrschaft stehen sollte. Der Frieden von Cherasco hielt schlussendlich die kaiserliche Zuständigkeit für ganz Norditalien weiter aufrecht, aber um den erheblichen Preis sich verschlechternder Beziehungen zu Spanien.298

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14. Der Löwe des Nordens (1630–32) Die schwedische Intervention

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ur wenige konnten vorhersehen, dass Gustav Adolfs Landung auf Usedom vor der pommerschen Küste am 6. Juli 1630 den Krieg um weitere 18 Jahre verlängern würde. Schweden besaß den technischen Sachverstand und das Menschenpotenzial für seine Intervention, aber nicht die Ressourcen, um sie durchzuhalten. Gustav Adolf setzte das Schicksal seines Landes auf die Chance, dass er Erfolg haben könnte, wo Christian IV. von Dänemark gescheitert war, und es ihm gelingen würde, von seinem Brückenkopf aus nach Süden durchzubrechen. Die seit 1621 einberufenen 80 000 Mann stellten bereits eine erhebliche Belastung für die Bevölkerung Schwedens dar. Im Jahr 1630 gab es 43 000 Schweden und Finnen sowie 30 000 ausländische Söldner in Armee und Kriegsflotte, aber kein Geld. Die 4000 Reiter, die noch in Preußen standen, wollten sich nicht vom Platz rühren, bevor sie nicht ihren rückständigen Sold für 16 Monate erhalten hatten. Gustav Adolf und Oxenstierna schätzten, dass sie 75 000 Mann brauchten, um die norddeutsche Küste zu erobern, und weitere 37 000, um Schwedens bestehende Besitzungen zu schützen. Sie hatten vor, mit 46 000 Mann anzugreifen, doch fehlende Transportmittel reduzierten diese Zahl auf 13 600, die zu jenen 5000 stießen, die sich bereits in Stralsund befanden. Eine zweite Welle von 7000 traf im Sommer ein und vereinigte sich mit zusätzlichen deutschen Rekruten, aber noch im November bestand die Armee aus gerade mal 29 000 Mann, von denen ein Drittel krank war.299 Das waren mehr, als Gustav Adolf zuvor befehligt hatte. Während er es früher mit den zahlenmäßig unterlegenen Polen zu tun gehabt hatte, stand er freilich in Norddeutschland 50 000 Mann kaiserlicher und ligistischer Truppen gegenüber, zu denen noch einmal 30 000 im Westen und Süden kamen. Selbst ohne Wallenstein und in ihrer momentanen schlechten Verfassung waren sie eindrucksvolle Gegner. Das Ungleichgewicht hilft zu erklären, warum der Kaiser und die Kurfürsten, obschon in Sorge, durch seine Ankunft nicht übermäßig beunruhigt waren. Gustav Adolf sollte den vollen Glanz seiner Berühmtheit – die das Bewusstsein für das gewaltige Risiko, das er einging, getrübt hat – erst noch erreichen. Die großartige Siegesserie ab September 1631 legt den Schluss nahe, dass der Erfolg zwangsläufig war, und hat viele Militärhistoriker zu der Annahme verleitet, die schwedische Armee sei von Hause aus überlegen gewesen. Die Moral war sicherlich hoch. Den Schweden und Finnen, die an die rauen Bedingun-

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gen des polnischen Kriegsschauplatzes gewöhnt waren, erschien Deutschland zwölf Jahren Krieg zum Trotz als ein Land des Überflusses. Die finnischen und schottischen Kontingente standen ohnehin schon in einem fürchterlichen Ruf und Erzählungen von Reisenden über sonderbare Skandinavier hatten längst ein Interesse geweckt, das Gustav Adolfs Landung nur noch weiter steigerte. Hamburger Zeitungen meldeten ein Kontingent grimmiger Lappländer, die auf Rentieren ritten. Die Finnen waren nach ihrem Schlachtruf „Hakkaa päälle“ – auf gut Deutsch: „Hau drauf!“ – als „Hakkapeliitta“ bekannt. Angeblich besaßen sie magische Kräfte, konnten das Wetter ändern oder Flüsse ohne Furten überqueren. Gustav Adolf machte sich dies zunutze und erschien stets in Begleitung einer Abteilung finnischer Reiter und des genauso exotischen schottischen Fußvolks. Seine Propaganda behauptete, seine Männer seien unempfindlich gegen Kälte, meuterten oder flüchteten niemals, kämen mit minimalen Rationen aus und kämpften bis zum Umfallen.300 Doch einem „westlichen“ Gegner musste Gustav Adolf erst noch entgegentreten. Seine militärische Organisation und Taktik waren für den Kampf gegen die Polen entwickelt worden – mit durchaus gemischtem Erfolg. Er war kein Neuerer, sondern stützte sich auf bewährte Praktiken vor allem dänischer Herkunft.301 Kirkholm (1605) und andere Niederlagen gegen die Polen veranlassten die Schweden, Infanterie, Kavallerie und Artillerie in enger gegenseitiger Unterstützung zu kombinieren. Die berühmten leichten Lederkanonen, welche zur Begleitung der Infanterie entworfen wurden, waren alles andere als neu; es gab sie seit dem 14. Jahrhundert. Auch waren sie nicht besonders erfolgreich und wurden nach 1626 zugunsten haltbarerer, auf leichte Lafetten montierter Bronzekanonen abgeschafft, die knapp über 280 Kilogramm wogen und eine Kugel von 1,5 oder 2 Kilogramm etwa 800 Meter weit feuerten. Diese Geschütze konnten von drei Männern oder einem Pferd gezogen werden, um mit der Infanterie Schritt zu halten und deren Feuerkraft zu erhöhen.302 Die Infanterie marschierte in Brigaden von drei bis vier jeweils 400 Mann starken Einheiten (sogenannten Schwadronen) auf, kombinierte Pike und Schusswaffe und nahm zur besseren gegenseitigen Unterstützung in Schachbrettformation Aufstellung. Zusätzliche Musketiere wurden abgestellt, um die Reiterei zu unterstützen, manchmal auch begleitet von der leichten Kanone. Spätere Autoren betonen Geschwindigkeit und Entschlossenheit der Schweden, aber in Wirklichkeit handelte es sich um eine Defensivtaktik, die entwickelt worden war, um die überlegene polnische Reiterei zurückzuschlagen. Die Musketier-Abteilungen sollten der Reiterei helfen, einen feindlichen Angriff durch Feuerkraft zum Erliegen zu bringen, und erst dann würde die Reiterei einen Gegenangriff starten. Den Fußtruppen wurde bis 1631 eingedrillt, in Salven zu feuern, andernfalls drohte die Entlassung. Sal-

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ven sollten vor einem Gegenangriff die psychologische Wirkung auf den Feind maximieren. Kavallerie- und Infanterieformationen wurden auf nur sechs Reihen ausgedünnt, um die Feuerkraft zu erhöhen und ihre Frontbreite auszudehnen, wodurch verhindert werden sollte, dass sie von den Flanken angegriffen wurden. Diese Taktiken waren größtenteils unerprobt, und die Schweden trafen in Deutschland ein, nachdem sie in der Schlacht bei Honigfelde, ihrem letzten größeren Gefecht, gegen Polen und Kaiserliche eine vernichtende Niederlage erlitten hatten. Strategie und Ziele Die Rückschau verzerrt auch die Einschätzung der schwedischen Strategie und Ziele. Der bedeutendste Biograf Gustav Adolfs sieht hinter der schwedischen Expansion durch ganz Deutschland hindurch eine Gesamtstrategie, mit sorgfältig geplanten Phasen, die in der Invasion der habsburgischen Erblande gipfeln sollten. Tatsächlich landete der König aber mit einer Karte, die an der sächsischen Grenze endete, und als er die erreichte, ließ er seine Kartografen eine neue anfertigen, die das Gebiet im Süden abdecken sollte.303 Die Ziele waren ebenfalls improvisiert. Natürlich war Gustav Adolf schon lange zum Krieg entschlossen und hatte deshalb bewusst Gelegenheiten ignoriert, ihn zu vermeiden. Die Intervention in Deutschland war schon im Dezember 1627 erwogen worden, als es Oxenstierna gelang, den König zu überreden, zuerst eine Vereinbarung mit Polen zu treffen, und im Februar Verhandlungen eröffnete, die schließlich im Waffenstillstand von Altmark endeten. Vertreter wurden zur Lübecker Friedenskonferenz entsandt, jedoch abgewiesen, da Schweden an Dänemarks Krieg mit dem Kaiser nicht beteiligt war. Dänemark war dennoch um eine Verbesserung der schwedisch-kaiserlichen Beziehungen bemüht, und im April 1630 schickte der Kaiser Gesandte nach Danzig. Schweden stimmte Gesprächen zu, um Frankreich so weit zu beunruhigen, dass es sein Bündnisangebot verbesserte, und seine angebliche Friedensbereitschaft zu demonstrieren. In Wirklichkeit hatte Oxenstierna gegenüber dem englischen Botschafter, Sir Thomas Roe, bereits im Januar 1630 offen von „dem bevorstehenden Feldzug“ gesprochen.304 Im April stimmte der Staatsrat widerstrebend einem Angriffskrieg zu und akzeptierte Gustav Adolfs Behauptung, dass ein solcher notwendig sei, um die in Lübeck erlittene Demütigung zu rächen. Der König hielt die Dänen und den Kaiser mit verschiedenen Ausreden hin, um die Danziger Gespräche zu verzögern, bevor er schließlich im Juni völlig inakzeptable Forderungen präsentierte. Damit war sichergestellt, dass die Gespräche scheiterten, kurz bevor seine Truppen landeten. Gustav Adolf erwartete, dass der Kaiser sich aus Norddeutschland zurückzog, ohne dass er selbst Stralsund räumte. Was genau er darüber hinaus wollte, kann

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man nur vermuten, da er Ferdinand nie präzise Forderungen überreichte. Öffentliche Erklärungen, wie sein berühmtes Kriegsmanifest, waren Propaganda, um die Invasion zu rechtfertigen, und enthielten keine konkreten Forderungen. Verfasst von Johan Salvius und im Juni 1630 auf Deutsch und Latein in Stralsund veröffentlicht, erlebte das Manifest noch vor Jahresende 23 Ausgaben in fünf Sprachen. Zwischen den Fassungen gab es kleine, aber bedeutsame Unterschiede, die widerspiegelten, wie Schweden sich in dem jeweiligen Land präsentieren wollte. Gustav Adolf und Oxenstierna gaben je nach Zielgruppe verschiedene, ja widersprüchliche Erklärungen ab, wenn sie auch stets darauf achteten, sich nicht festzulegen. Ideen wurden oft scheinbar im Scherz in den Raum gestellt, um Verbündete und Feinde zu beunruhigen oder ihre Reaktion zu testen, so etwa der Vorschlag, dass Ludwig XIII. Kaiser und Richelieu Papst werden solle.305 Die von einigen späteren Historikern konstatierten ökonomischen Motive sind schwer zu finden. Tatsächlich wurden kaum Anstrengungen unternommen, um die deutschen Eroberungen in einen von Schweden beherrschten Markt zu integrieren.306 Der Protestantismus spielte eine Rolle in der innerschwedischen Propaganda, wurde aber in dem Manifest weggelassen, weil die Intervention als konfessionell neutral dargestellt werden musste, um Frankreich nicht zu verprellen. Nachdem sie von Friedrich V. und Christian IV. enttäuscht worden waren, setzten die militanten Protestanten ihre Hoffnungen auf Gustav Adolf als ihren neuen Heilsbringer. Ein kurz nach seiner Landung herausgegebener Druck zeigt den König, wie er heldenhaft in voller Rüstung posiert, während seine Truppen sich in Pommern ausschiffen. Aus einer Wolke langt die Hand Gottes, um ihm das Schwert der göttlichen Gerechtigkeit zu überreichen, auf dass er die katholische Tyrannei zerschmettere. Viele Katholiken glaubten das. Die Äbtissin Juliane Ernst vom Ursulinenkloster in Villingen war überzeugt, dass der Herzog von Württemberg und andere protestantische Fürsten Gustav Adolf „jn das Land gelockt vnd Vrsach geben vnd ihn vm Hilff angeriefft das er die Klester wider bekum“.307 Gustav Adolf beabsichtigte nichts dergleichen. Oxenstierna räumte später ein, dass die Religion nur ein Vorwand gewesen sei, und Gustav Adolf ließ verlauten, wenn es darum gegangen wäre, dann hätte er auch dem Papst den Krieg erklärt. Das erste echte Motiv, das öffentlich vorgebracht wurde, lautete „Sicherheit“ (assecuratio). Sämtliche in dem Manifest angeführten Bedrohungen verflüchtigten sich bereits: Die kaiserliche Kriegsflotte wurde stillgelegt; Ferdinand hatte Gesprächen zugestimmt und war dabei, Wallenstein zu entlassen und die Armee zu verkleinern. Vor diesem Hintergrund ging es Gustav Adolf darum, sicherzustellen, dass der Kaiser nie wieder zu einer Bedrohung werden könnte. Schwedens Sicherheit verlangte daher eine Revision der Reichsverfassung, um den

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Kaiser zu schwächen, und eine Zurücknahme des jüngsten Aufschwungs der habsburgischen Macht, vor allem in Norddeutschland. Die Details änderten sich mit dem Charakter und Ausmaß des schwedischen Engagements. Anfangs vermied Gustav Adolf noch Kritik an Ferdinand und erklärte ihm auch nicht den Krieg. Stattdessen wurde die Intervention mit dem humanistischen Argument der Hilfe für die Unterdrückten bemäntelt. Dies war eine äußerst schwache Position, da es Gustav Adolf trotz intensivster Bemühungen seiner Gesandten nicht gelang, außer den Stralsundern noch andere Deutsche zu überreden, seinen Beistand zu erbitten.308 Seine Behauptung vor dem schwedischen Reichstag, dass ein Kriegszustand bestehe, weil Arnim Stralsund vorsätzlich angegriffen habe, verschleierte die Tatsache, dass seine Gesandten den Stadtrat überhaupt erst so weit eingeschüchtert hatten, dass er um Hilfe bat. Um Ferdinands Behauptung, es handle sich um eine grundlose Aggression, zu kontern, machte sich Gustav Adolf zum Verfechter der „teutschen Libertät“. Die schwedische Propaganda entwickelte die Vorstellung, dass das innere Gleichgewicht des Heiligen Römischen Reiches unerlässlich sei für den europäischen Frieden. Folglich handele Schweden im besten Interesse Europas, wenn es den „rechten“ Zustand der Reichsverfassung wiederherstelle. Deutsche Vertreter der schreibenden Zunft wurden großzügig dafür bezahlt, darzulegen, was genau das war. Der einflussreichste war der Staatsrechtler und Historiker Bogislaw Philipp von Chemnitz, besser bekannt unter seinem Pseudonym Hippolithus a Lapide. Weil er Zugang zu vertraulichen schwedischen Schriftstücken hatte, ist seine Geschichte der Ereignisse nach 1630 auch heute noch nützlich. Seine Auslegung der Verfassung war allerdings bewusst parteiisch. Das Reich wurde als Aristokratie dargestellt, mit dem Kaiser lediglich als Erstem unter Gleichen. Wie zu erwarten, wurde sein Buch verboten und von Ferdinands Henker symbolisch verbrannt.309 Weit wortkarger waren die Schweden in Bezug auf ihr zweites Ziel der Satisfaktion (satisfactio) oder Belohnung für ihre edlen Bemühungen. Territoriale Ambitionen waren von Anfang an vorhanden, wenngleich ihr Ausmaß sich mit dem Kriegsglück wandelte. Sobald die Kaiserlichen die Belagerung Stralsunds aufgegeben hatten, erreichte Oxenstierna in Nachverhandlungen, dass aus Schwedens Stellung dort ein offizielles Protektorat wurde. Knapp zwei Jahre später, im Mai 1630, beschloss der schwedische Staatsrat, Stralsund auf unbestimmte Zeit zu behalten. Und nachdem er im Juli gelandet war, marschierte Gustav Adolf nach Stettin und beschied den kinderlosen Herzog Bogislaw, dass Pommern nach Eroberungsrecht ihm gehöre. Dieser Anspruch stützte sich auf das hilfreiche jüngste Buch von Hugo Grotius, das besagte, dass die Schweden tun konnten, was sie wollten, vorausgesetzt, sie behandel-

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ten die unterworfenen Völker menschenwürdig.310 Gustav Adolf bot Bogislaw sogar an, stattdessen als Zeichen besonderer Gunst eine Allianz zu akzeptieren. Am 20. Juli kapitulierte der Herzog und fand sich mit der schwedischen Obergewalt über sein Herzogtum und dessen Seezölle ab. Artikel 14 der Vereinbarung berechtigte Schweden, Pommern nach dem Tod des Herzogs zu sequestrieren, nominell aber nur, wenn die anderen Anspruchsberechtigten (in erster Linie Brandenburg) eine einvernehmliche Regelung ablehnten. Obwohl die pommerschen Stände noch hofften, ihre Autonomie wiederzuerlangen, war das Herzogtum faktisch annektiert worden. Das dritte Ziel war die Zufriedenstellung der Armee, quasi die militärische satisfactio, da mit der Zeit immer klarer wurde, dass Schweden ohne zusätzliche Mittel zur Auszahlung seiner Truppen gar nicht Frieden schließen konnte. Obschon im Jahr 1630 noch nicht vorherzusehen, war dies im Grunde bereits in dem Wunsch enthalten, Krieg auf Deutschlands Kosten zu führen. Denn, wie ein Mitglied des Reichstages bemerkte: „Es ist besser, die Ziege am Gatter des Nachbarn festzubinden als am eigenen.“311 Allianz mit Frankreich Gustav Adolf hatte sich für Krieg entschieden, lange bevor er seine Allianz mit Frankreich schloss. Die Allianz verschaffte Schweden nicht nur Zugang zum französischen Einfluss in Deutschland, sondern auch jährliche Subsidien in Höhe von 400 000 Talern. Die Vereinbarung war auf Nützlichkeit ausgerichtet. Das französische Interesse an Schweden war bis 1629 schwach gewesen. Schweden hatte engere Verbindungen zu Spanien, das nach wie vor ein wichtiger Markt für sein Nutzholz und seine Bodenschätze war, und es wollte sich auch nicht an Frankreichs Krieg mit Spanien nach 1635 beteiligen. Dennoch hielt die französisch-schwedische Allianz bis zum späten 18. Jahrhundert und erweiterte den ausländischen kulturellen Einfluss in einem Land, das zuvor von protestantischen Deutschen und Briten dominiert worden war. Richelieu hatte wider die bessere Einsicht seines Abgesandten Charnacé auf das Bündnis gedrängt. Charnacé wusste, dass Frankreich den schwedischen Löwen nicht würde bändigen können, sobald er auf Deutschland losgelassen wurde, aber Richelieu wollte unbedingt ein Gegengewicht als Ersatz für Dänemark, um die Habsburger zu kontrollieren. Er brauchte Schweden, um eine Ablenkung zu schaffen, wollte Frankreich indes aus der Zerstörung heraushalten, die dies verursachen würde. Außerdem ging es ihm um den Schutz des Katholizismus, und er bestand darauf, dass Gustav Adolf in allen deutschen Territorien, die er eroberte, Glaubensfreiheit garantierte – etwas, das im Waffenstillstand von Altmark gefehlt hatte, auf den prompt die Unterdrückung des katholischen Glaubens im schwedisch besetzten Livland und Preußen gefolgt war.

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Richelieus wahres Interesse galt Bayern, nicht Schweden. Die französische Hilfe beim Abschluss des Ulmer Waffenstillstands (1620) und die Unterstützung für Maximilians neue Kurwürde erzeugten einen günstigen Eindruck in München. Richelieu sah in Maximilian einen potenziellen Nachfolger Kaiser Ferdinands und wollte eine Allianz mit der Liga, um Süd- und Westdeutschland zu neutralisieren und Österreich davon abzuhalten, Spanien beizustehen. Maximilians Abneigung gegen einen Bruch mit den Habsburgern überzeugte Richelieu, dass er stattdessen mit Schweden unterhandeln musste. Er wollte seine Brücken nach Bayern dennoch nicht abbrechen und bestand darauf, dass Gustav Adolf versprach, Ligamitglieder nicht anzugreifen. Gustav Adolf widerstrebte es, sich in irgendeiner Form einschränken zu lassen, aber nachdem es ihm nicht gelungen war, aus Pommern auszubrechen, war er gezwungen, im Vertrag von Bärwalde am 23. Januar 1631 Richelieus Bedingungen anzunehmen. Frankreich würde Schweden fünf Jahre lang finanziell unterstützen, in dieser Zeit würde Gustav Adolf Richelieus Bedingungen respektieren und keinem Frieden zustimmen, ohne ihn zu konsultieren.312 Maximilian hatte sich in einem mit Richelieus Abgesandten während des Regensburger Kurfürstentages im November 1630 vereinbarten Vertrag bereits französische Garantien zur Verteidigung seiner Kurwürde gesichert. Richelieu ratifizierte die Vereinbarung widerstrebend am 31. Mai 1631 im Vertrag von Fontainebleau, obwohl das Abkommen Frankreich formell verpflichtete, Bayern gegen alle Feinde zu verteidigen, einschließlich Schwedens, während es Maximilian davon befreite, Frankreich gegen die Habsburger beizustehen. Beide Seiten erkannten an, dass der Vertrag ohne rechtsverbindliche Kraft war, vielmehr betrachteten sie ihn als eine Erklärung gegenseitiger guter Absichten.

Zwischen Löwe und Adler Die Einnahme von Stettin war leicht im Vergleich zum Ausbruch aus Pommern. Das Herzogtum war zu klein und arm, um eine große Armee zu unterhalten, und es erwies sich als unmöglich, genug Soldaten zusammenzuziehen, um durch den kaiserlichen Kordon zu stoßen, der den ganzen Rest des Jahres 1630 hindurch entlang der Oder im Osten und mecklenburgischem Gebiet im Westen Angriffe zurückschlug. Der Erfolg hing zur Gänze von den deutschen protestantischen Fürsten ab, die nun hin und her gerissen waren zwischen dem schwedischen Löwen und dem kaiserliche Adler. Gustav Adolf war eine weithin unbekannte Größe. Man wusste nur wenig über Schweden. Gerüchte über seine halb barbarischen Einwohner schienen sich durch die harten Forderungen Gus-

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tav Adolfs zu bestätigen. Seinem brandenburgischen Schwager beschied er: „Ich will von keiner neutralität nichts wissen noch hören. Seine Liebden muß Freund oder Feind sein. Wenn ich an ihre Grenze komme, so muß Sie kalt oder warm sich erklären. Hier streitet Gott und der Teufel. Will Seine Liebden es mit Gott halten, wohl, so trete Sie zu mir; will Sie es aber lieber mit dem Teufel halten, so muß Sie fürwahr mit mir fechten, tertium non dabitur, das seid gewiß.“313 Doch der Mittelweg war genau das, was die Mehrheit der Protestanten wollte. Trotz ihres Entsetzens über das Restitutionsedikt hofften die meisten, Ferdinand könnte ohne Rückgriff auf Gewalt überzeugt werden, seine Forderungen zu mäßigen. Sachsen und Mainz hatten ihre Gespräche fortgesetzt und sicherten sich die Erlaubnis des Kaisers für einen konfessionsübergreifenden „Kompositionstag“, der in Frankfurt am Main stattfinden sollte. Johann Georg rief unterdessen die Protestanten zu einem parallelen Konvent in Leipzig zusammen, der am 16. Februar 1631 begann. Alle großen Territorien schickten Vertreter, mit Ausnahme Darmstadts, das Ferdinand unterstützte, und Pommerns, das von Schweden gehindert wurde. Obwohl Sachsen im Jahr zuvor ein fanatisch anmutendes anticalvinistisches Jubiläum zur Feier des Augsburgischen Bekenntnisses gefördert hatte, unterstützte Brandenburg Johann Georg weiter. Der neue kurfürstlich-brandenburgische Kanzler Sigismund von Götzen erklärte vor dem Konvent, der Schwede sei ein ausländischer König, der im Reich nichts zu suchen habe.314 Der radikale lutherische Theologe Matthias Hoë von Hoënegg dämpfte seine Kritik an den Calvinisten und deutete sogar an, dass Widerstand geboten sein könnte. Dies war jedoch keine Aufforderung zum Heiligen Krieg, auch wenn später das Gegenteil behauptet wurde.315 Das abschließende Manifest des Konvents am 12. April sah ein Heer von 40 000 Mann vor, das durch Zweckentfremdung der Zahlungen finanziert werden sollte, die im vergangenen November in Regensburg für den Unterhalt der kaiserlichen Armee vereinbart worden waren. Das Ganze war kein konfessionelles Bündnis. Es fehlte jeder Verweis darauf, dass das eigene Handeln Gottes höherer Autorität gehorche. Stattdessen sollte es „die elementaren Gesetze, die Reichsverfassung und die deutschen Freiheiten der evangelischen Stände hüten“. Das war gewiss kein „törichter Plan“.316 Indem er die Protestanten in einem neutralen Block sammelte, erhöhte Johann Georg ihr kollektives Gewicht. Maximilian wusste dies zu schätzen, und der Ligatag in Dinkelsbühl einigte sich im Mai darauf, die Durchsetzung des Restitutionsedikts zu bremsen, während die Delegierten in Frankfurt weiter über den Vorschlag Darmstadts debattierten, es für 50 Jahre auszusetzen. Nichtsdestotrotz kostete Johann Georgs legitimistische Linie ihn viele Sympathien unter denjenigen, die nach wie vor unter der Einquartierung kaiserli-

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cher und ligistischer Truppen ächzten. Die schwedische Landung bedeutete die Annullierung der in Regensburg vereinbarten Truppenreduzierungen, und obwohl ihre Iststärke weiter niedriger war als unter Wallenstein, blieb die Armee kostspielig. Viel hing von Ferdinands Reaktion ab, doch der bot wenig an. Das unspektakuläre Auftreten der Schweden seit ihrer Landung begünstigte eine falsche Zuversicht, die von der Aussicht auf die Rückkehr von Einheiten aus Mantua zur Verstärkung Tillys getragen wurde. Ferdinands hartnäckige Weigerung, den ihm von Johann Georg angebotenen Ausweg zu akzeptieren, verschlimmerte den Fehler des Edikts. Die fehlenden Zugeständnisse überzeugten manche, dass sie keine andere Wahl hatten, als sich Schweden anzuschließen. Zu diesen Aktivisten zählten die üblichen Verdächtigen: die flüchtigen Mecklenburger Herzöge, sodann Wilhelm und Bernhard von Sachsen-Weimar, ferner Württemberg, Hessen-Kassel und Markgraf Friedrich V., der Sohn des geächteten Söldnerführers Georg Friedrich von Baden-Durlach. Hessen-Kassel war bankrott und stand kurz vor dem Zerfall, da die einheimischen Ritter mit Ferdinand verhandelten, um sich der landgräflichen Jurisdiktion zu entziehen. Das Leipziger Manifest bot einen passenden Vorwand, um Truppen zu sammeln. Gemeinsam mit den Weimarer Brüdern zog Landgraf Wilhelm V. in seinen Festungen Kassel und Ziegenhain 7000 Mann zusammen. Er hörte auf, Kontributionen an die jetzt stark reduzierten ligistischen Besatzungstruppen zu zahlen, und stoppte Nachschub, der für Tillys Garnison im Erzbistum Bremen bestimmt war, was dort beinahe zur Meuterei führte. Regent Julius Friedrich von Württemberg-Weiltingen schickte seine jungen Mündel, Herzog Eberhard III. und dessen zwei Brüder, auf eine Kavalierstour und steckte ihre Mutter zur Sicherheit ins Schloss Urach, während seine Miliz anfing, kaiserliche Garnisonen gewaltsam zu vertreiben. Gespräche mit seinen fränkischen Nachbarn wurden eröffnet, die – hauptsächlich in Nürnberg – 2600 Mann zusammenzogen.317 Alle blieben vorsichtig und schreckten davor zurück, sich offen auf Gustav Adolfs Seite zu schlagen, bis er sich als fähig erwiesen hätte, sie vor kaiserlicher Vergeltung zu schützen. Außerdem zählten sie weiter darauf, dass Kurfürst Johann Georg eine energischere Haltung einnehmen und Ferdinand zwingen würde, ihre Forderungen zu akzeptieren, ohne dass sie sich einem ausländischen Eindringling anschließen mussten. Die Belagerung von Magdeburg Nur Christian Wilhelm, der enteignete Administrator von Magdeburg, erklärte sich für Schweden. Er schlich sich an den kaiserlichen Wachtposten vorbei in die Stadt, wo er am 27. Juli 1630 mit einer Handvoll Unterstützer das Rathaus stürmte. Die Stiftsherren und die Stadträte

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hatten ihre Hoffnungen auf Sachsen gesetzt. Christian Wilhelms Ankunft brachte sie nun in Zugzwang, und sie stimmten einem schwedischen Bündnis zu. Um sicherzustellen, dass sie es sich nicht anders überlegten, sandte Gustav Adolf den Obristen Dietrich von Falkenberg, als Schiffer verkleidet, in die Stadt, wo er im Oktober die Festungskommandantur übernahm und die Verteidigung der Stadt organisierte. Die Kaiserlichen unter Pappenheim jagten die Bürgerwache und die Miliz zurück hinter die Stadtmauern, aber mit nur 3000 Fußsoldaten konnte er keine Belagerung beginnen.318 Tilly wollte eine Offensive starten, um Gustav Adolf ins Meer zu treiben, aber Maximilian weigerte sich, weil dazu ligistische Einheiten hätten gegen die Schweden kämpfen müssen, womit der im Januar geschlossene Vertrag von Bärwalde infrage gestellt worden wäre, den der Schwedenkönig aus ebendiesem Grund höchst absichtsvoll veröffentlichte.319 Stattdessen schickte man Pappenheim 7000 Mann an Verstärkungen, um Magdeburg fester in die Zange zu nehmen. Gustav Adolf konnte es sich nicht leisten, die Stadt fallen zu lassen, da dies potenzielle Verbündete abgeschreckt hätte. Spätestens Anfang 1631 wollte er 100 000 Mann zur Verfügung haben, aber in Wirklichkeit brachte er nur 20 000 Mann Feldtruppen zusammen, von denen ein Drittel krank war, sowie 18 000 Mann in Garnisonen. Der Fehlbestand konnte nur durch deutsche Rekruten ausgeglichen werden, die sich freilich erst melden würden, wenn er einen größeren Erfolg erzielt hatte. Eine unerwartete schwedische Offensive verjagte die Kaiserlichen aus Gartz und Greifenhagen und sicherte am 5. Oktober die untere Oder. Die brandenburgische Garnison in Küstrin stoppte seinen Vormarsch stromaufwärts jedoch, während Tilly mit 7500 Mann Verstärkungen von Halberstadt herbeieilte, indem er in zehn Tagen 320 Kilometer zurücklegte, um die demoralisierten kaiserlichen Truppen zu sammeln. Angesichts der Hindernisse nahm Gustav Adolf denselben Weg zurück, wobei er Brandenburg sorgfältig mied, durchquerte Pommern und marschierte in Mecklenburg ein, wo er am 25. Februar Demmin eroberte. Tilly eilte ihm hinterher und stürmte am 19. März Neubrandenburg. Ein Drittel der schwedischen Verteidiger starb während des Sturmangriffs. Um die Meinung auf dem Leipziger Konvent zu beeinflussen, stellten übereifrige Propagandisten das Geschehen als Massaker während eines Gottesdienstes dar.320 Als er erkannte, dass seine Truppen zahlenmäßig unterlegen waren, zog Tilly sich nach Magdeburg zurück, womit dort die Zahl der Belagerer auf 25 000 stieg. Weitere 5000 wurden an der Dessauer Brücke stationiert, während Ferdinand von Köln 7000 Mann Verstärkungen in Westfalen zusammenzog und Maximilian sowie andere Ligamitglieder weitere 8000 bei Fulda aufmarschieren ließen. Der Frieden in Italien erlaub-

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te Ferdinand, von dort 24 000 Mann zurückzubeordern, die sich im Mai an die erneute Überquerung der Alpen machten. Diese Zahlen schlossen jeden direkten Entsatz für Magdeburg aus, sodass Gustav Adolf ein paar Mann zurückließ, die den Mecklenburger Herzögen bei der Belagerung der noch verbliebenen kaiserlichen Garnisonen in ihrem Herzogtum helfen sollten, und mit etwa 18 000 Soldaten abermals nach Osten zur Oder marschierte. Am 13. April stürmte er Frankfurt an der Oder, wo als Vergeltung für die angeblichen Gräuel in Neubrandenburg von den 6400 Mann der Garnison 1700 getötet wurden. Die Eroberung von Landsberg zwei Wochen später sicherte den Schweden Ostpommern und die untere Oder.321 Tilly wollte sich von seiner Belagerung Magdeburgs nicht ablenken lassen, die so richtig in Gang kam, als er am 1. Mai die Vorwerke einnahm. Die Vorstädte fielen zwei Wochen später. Die Verteidiger verfügten nur über 2500 Mann reguläre Truppen, unterstützt von 5000 bewaffneten Bürgern, von denen nur 2000 im Erwachsenenalter waren. Die Bevölkerung zählte etwa 25 000 Seelen und war bereits durch einen Pestausbruch fünf Jahre zuvor sowie durch den langjährigen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt reduziert worden. Viele der Stadträte waren nur mäßig begeistert von dem Bündnis mit Schweden und drängten Falkenberg, Tillys wiederholte Angebote für eine ehrenhafte Kapitulation anzunehmen. Falkenberg behauptete indes weiter beharrlich, dass Gustav Adolf im Anmarsch sei, obwohl er noch 90 Kilometer entfernt bei Potsdam stand, als Tilly am Dienstag, den 20. Mai, um sieben Uhr morgens seinen abschließenden Sturmangriff startete. Pappenheim hatte, um die Moral zu heben, eine Weinration an die Belagerer ausgegeben. Auf ein vereinbartes Signal hin fielen 18 000 kaiserliche und ligistische Soldaten aus fünf Richtungen in die Stadt ein. Die nachfolgenden Ereignisse sind durch mehrere ergreifende Augenzeugenberichte dokumentiert, die allerdings mit Vorsicht zu genießen sind. Der bekannteste Bericht ist der von Guericke, einem Ratsherrn, der sehr daran interessiert war, Falkenberg und dem Klerus die Schuld zuzuschieben, während er zugleich seine Kollegen, die später die Macht an sich rissen, entlastete.322 Falkenberg wurde überrascht, war er doch davon ausgegangen, dass Tilly die Unterhandlungen fortsetzen würde. Er stritt noch mit den Ratsherren im Rathaus, als gegen acht Uhr in der Frühe die Kaiserlichen in die Stadt eindrangen. Mehrere Ratsherren machten sich auf die Suche nach ihren Familien. Die Verteidigung wurde durch Munitionsmangel erschwert, aber wer auf den Mauern kämpfte, leistete heftigen Widerstand. Zwei Schwadronen Kroaten verbreiteten Panik, als sie durch das Niedrigwasser nahe am Flussufer entlang ritten, um durch ein Seitentor an der schlecht befestigten Elbfront zu schlüpfen. Zu diesem

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Zeitpunkt entflammte auch das berühmt-berüchtigte Feuer, das eine Kontroverse entfachte, die weit länger und fast ebenso hell bis ins 20. Jahrhundert loderte. Einige protestantische Propagandisten schufen den Mythos von der Magdeburger Jungfrau, die sich lieber opferte, als zu kapitulieren, während andere einfach den katholischen Befehlshabern die Schuld gaben. Nach dem Bericht von Gronsfeld, der dabei keine eigennützigen Zwecke verfolgte, hatte Pappenheim nach eigener Aussage befohlen, ein Haus anzuzünden, um ein paar Musketiere hinauszujagen, die seine Männer am Betreten der Stadt hinderten. Andere präsentieren ähnliche Geschichten. Es scheint daher sicher, dass die Feuersbrunst ein Versehen war, zumal ja der ganze Zweck der Belagerung darin bestand, die Stadt unversehrt einzunehmen.323 Das Feuer verbreitete sich rasch, sobald es das Haus eines Apothekers erreichte, der Schießpulver zu lagern pflegte, und um zehn Uhr morgens brannte die ganze Stadt lichterloh. Der Widerstand brach an der nördlichen Front zusammen, sodass Pappenheims Truppe Einlass fand. Sobald sie in der Stadt war, brachen auch die anderen Abschnitte zusammen. Falkenberg wurde schon relativ früh von einer Kugel tödlich getroffen. Die Einwohner begannen sich in ihren Häusern zu verbarrikadieren, sobald sie sahen, dass die Verteidiger die Mauern verließen. Tilly betrat die Stadt und befahl seinen Männern, die Plünderungen einzustellen und die Brände zu löschen. Viele Soldaten waren außer Rand und Band, aber diejenigen, die noch Befehlen gehorchten, genügten, um den Dom zu retten, wo 1000 Menschen Zuflucht gesucht hatten. Die Prämonstratenser schützten weitere 600 Frauen in ihrem Kloster, das ebenfalls den Flammen entkam, aber es erwies sich als unmöglich, mehr Menschen zu retten, da der Wind die Brände anfachte, die 1700 der 1900 Gebäude der Stadt zerstörten. Selbst katholische Berichte räumen die Gewalttätigkeiten ein, die mehrere Tage lang weitergingen. Die Mönche sahen, wie sechs Soldaten in ihrem Innenhof ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigten. Obwohl das Mädchen starb, hatten sie zu viel Angst, den Vorfall zu melden. Als schließlich einer von ihnen doch zu Tilly ging, konnten die Täter nicht mehr identifiziert werden.324 Der Ratsherr Daniel Friese kam davon, indem er alte Kleider anzog, damit er nicht als reicher Mann – den gegen Lösegeld als Geisel zu halten sich lohnte – ergriffen würde. Sein Haus wurde trotzdem geplündert. Manche Soldaten waren einfach froh, wenn sie bloß ein neues Paar Schuhe fanden. Andere wurden gewalttätig, wenn sie nichts Wertvolleres auftreiben konnten. Friese hielt sich mit seiner Familie auf dem Dachboden versteckt, bis seine Dienstmagd versuchte, just in dem Moment von ihrem Versteck im Kohlenschuppen zu ihnen zu stoßen, als eine neue Gruppe von Plünderern auftauchte. Inzwischen war nichts mehr zu sehen, was man mitgehen lassen konnte, und die Männer fingen an,

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Friese zu schlagen, bis sein kleiner Sohn einen Soldaten ansprach: „Ach lass doch nur den Vater leben, ich will euch gern meinen Dreier, den ich auf den Sonntag bekomme, geben.“ Laut seinem ältesten Sohn bewegte „das Wort dieses unerzogenen, damals einfältigen Kindes … vielleicht durch Gottes gnädige Schickung dem Soldaten sein Herz. Er änderte sich alsbald und wendete uns statt eines grausamen Gemütes ein freundliches zu und sagte: ‚Ei, das sind feine Büble!‘“ Der Soldat half ihnen, ins kaiserliche Lager zu entkommen, wo seine eigene Frau höchst ungehalten war, als sie feststellen musste, was er statt Beute mitgebracht hatte. Die Familie hatte insgeheim ein paar Wertsachen beiseiteschaffen können, und drei Tage später erkauften sie sich ihren Weg aus dem Lager.325 Dies war kein Einzelfall inmitten des Grauens; andere Soldaten halfen ebenfalls Zivilisten, darunter auch Geistliche, zu entkommen. Etwa 20 000 Verteidiger und Zivilisten kamen uns Leben, zusammen mit mindestens 1300 Belagerern, die während des Angriffs getötet wurden, und 1600 weiteren, die verwundet wurden. Da es zu viele Leichen zu begraben gab, wurde die Mehrzahl in den Fluss geworfen. Die meisten von ihnen waren in der Feuersbrunst gestorben oder in ihren Kellerverstecken erstickt. Eine Zählung im Februar 1632 ergab nur 449 Einwohner, und noch 1720 lag ein Großteil der Stadt in Trümmern. Die Magdeburger Katastrophe wurde zu einem prägenden Ereignis in dem Krieg und trug viel dazu bei, seine spätere Interpretation als Maßstab für Brutalität zu prägen. Allein im Jahr 1631 erschienen mindestens 205 Flugschriften, die den Fall der Stadt schilderten, und spätere Massaker, wie etwa die cromwellschen Gräueltaten in Drogheda und Wexford 1649, wurden sofort mit Magdeburg verglichen. Das Ende der Neutralität Noch bevor Magdeburg fiel, ging Ferdinand gegen die anderen militanten Protestanten vor. Am 14. Mai annullierte ein kaiserlicher Erlass das Leipziger Manifest und befahl den Unterzeichnern, ihre Truppen aufzulösen. Die aus Italien zurückkehrenden Einheiten waren bereits vor Ort am Bodensee, um mit der Durchsetzung des Erlasses zu beginnen. Schnell überrannten sie Württemberg, bevor die Franken eintreffen konnten. Der zahlenmäßig unterlegene württembergische Regent kapitulierte am 24. Juli und willigte ein, erneut Kontributionen an eine kaiserliche Garnison zu entrichten. Die Franken kapitulierten kurz darauf, als Aldringen mit der Hauptstreitmacht aus Württemberg eintraf. Der Fall Magdeburgs verschaffte Tilly den Freiraum, sich gegen Hessen-Kassel zu wenden, doch er wartete, bis er die kaiserliche Ermächtigung erhielt. Landgraf Wilhelm machte Ausflüchte, als er aufgefordert wurde, seine Truppen aufzulösen, und wurde durch Gustav Adolf gerettet, dessen Vorstoß über die Elbe Tilly am 19. Juli zur Umkehr zwang. Da er sich mit seiner

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Weigerung abzurüsten klar gegen den Kaiser gestellt hatte, erklärte sich Wilhelm am 27. Juli offen für Schweden. Seine Unterstützung zählte wenig, solange Gustav Adolf nicht Brandenburg und Sachsen auf seine Seite ziehen konnte, deren Ansehen andere überzeugen würde zu folgen. Während Tillys Truppen Magdeburg stürmten, belagerten Gustav Adolfs Männer die Brandenburger in Küstrin und rückten auf Köpenick vor, um Georg Wilhelm zum Verhandeln zu zwingen. Als Württemberg überfallen und Hessen-Kassel bedroht wurde, zog Gustav Adolf 26 000 Mann außerhalb Berlins zusammen und schulte seine Artillerie am kurfürstlichen Palast. Am 20. Juni kapitulierte Georg Wilhelm und willigte ein, regelmäßige Kontributionen zu zahlen und die Schweden den Großteil Brandenburgs besetzen zu lassen. Außerdem bedrängte der Schwedenkönig Georg Wilhelm, seinen Sohn Friedrich Wilhelm mit Prinzessin Christina zu verheiraten. Der Kurfürst zögerte, weil er wusste, dass die Ehe nur ein Mittel war, um sich seiner Ansprüche auf Pommern zu bemächtigen.326 Der König entsandte Åke Tott mit 8000 Mann, um die Unterwerfung Mecklenburgs zu vollenden, und zog anschließend 16 000 Mann in einem verschanzten Lager bei Werben zusammen. Tilly rückte an, nachdem er die Einheiten gesammelt hatte, die er rings um Magdeburg zurückgelassen hatte. Maximilian war außerstande, Zusammenstöße zwischen ligistischen Einheiten und den Schweden zu verhindern, und diese lieferten Gustav Adolf einen Vorwand, Richelieus Einschränkungen zu ignorieren. Bei den Gefechten in der sengenden Hitze Ende Juli und Anfang August zog Tilly den Kürzeren, aber seine Verluste betrugen nur ein Bruchteil der von Gustav Adolf reklamierten 7000. Bei seiner unermüdlichen Kampagne zur Gewinnung von Verbündeten war der Schwedenkönig gezwungen, auch die geringsten Erfolge aufzubauschen. In seiner Hauptarmee hatte er nach wie vor weniger als 24 000 Mann stehen, während Tillys Truppen mit der Ankunft Fürstenbergs aus Süddeutschland auf 35 000 Mann anwuchsen. Weitere 24 000 waren unterwegs, zusätzlich zu den Männern, die sich noch in Köln sammelten. Der Durchbruch erfolgte, als der sächsische Kurfürst Johann Georg, nachdem er bis zum letzten Moment gewartet hatte, seine Neutralität aufgab. Ferdinand und Maximilian hatten es unterlassen, die militärischen Vorbereitungen Sachsens zu verurteilen, die sich nun auf 18 000 Mann beliefen, und Tilly angewiesen, nicht auf sächsisches Territorium überzugreifen. Selbst das Vorgehen gegen Hessen-Kassel war aus Rücksicht auf Johann Georg hinausgeschoben worden, und Tillys Vorhut hatte lediglich an der Grenze geräubert und die Truppen des Landgrafen nicht angegriffen. Die ganze Zeit über bemühten sich die kaiserlichen Diplomaten, Sachsen zu gewinnen, indem sie Zugeständnisse in

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Bezug auf die Lausitz anboten. Maximilian war außerdem bereit, taktische Zugeständnisse bezüglich des Restitutionsedikts zu akzeptieren, und unterstützte den Frankfurter Kompositionstag, der noch im Gange war.327 Schließlich wurde Tilly ermächtigt, zur sächsischen Grenze vorzurücken und Vorräte zu verlangen, um der Diplomatie Nachdruck zu verleihen. Als dies misslang, fielen die kaiserlichen Truppen ein und entwaffneten am 5. September die kurfürstliche Garnison in Merseburg. Die Tatsache, dass die Protestanten seit April keine Kriegssteuern mehr zahlten, hatte erhebliche Probleme verursacht. Weil sein Heer durch Verstärkungen größer geworden war, blieb Tilly gar nichts anderes übrig, als das verwüstete Umland von Magdeburg zu verlassen und ins fruchtbare Sachsen einzumarschieren. Er stieß weiter vor gegen Leipzig, das am 15. September kapitulierte. Obwohl er angefangen hatte, sächsische Dörfer niederzubrennen, hoffte er noch immer, eine Einigung zu erzielen. Stattdessen hatte sich der Kurfürst am 12. des Monats für Schweden entschieden. Von protestantischen Beobachtern wurde die Entscheidung begrüßt. Auf Flugblättern, die rasch neu in Umlauf gebracht wurden, sah man nun dort, wo bisher das Konterfei des Schwedenkönigs geprangt hatte, den sächsischen Kurfürsten neben diesem einherreiten. Allerdings bedeutete Johann Georgs Schritt einen Wechsel der Taktik, nicht der Politik. Der Kurfürst war nicht begeistert von den grandiosen Plänen des Königs und weigerte sich, sie als Glaubenskrieg zu verstehen. Sein Bündnis sollte einfach den Druck auf Ferdinand erhöhen, auf der Grundlage der Wiederherstellung der Vorkriegssituation Frieden zu schließen. Trotz ihrer Gesprächsbereitschaft hatten die Katholiken sich nicht genug bewegt. Ihre Unnachgiebigkeit sollte das Reich teuer zu stehen kommen, war eine Verständigung doch offenbar zum Greifen nahe. Mitte November vertraten sechs von Ferdinand zu Rate gezogene Theologen die Meinung, dass es besser wäre, das Edikt zu annullieren, als den Zerfall des Reiches zu riskieren. Doch inzwischen war es bereits zu spät.328 Es ist unklar, ob die Schweden verstanden, wie weit die sächsischen Ziele von ihren eigenen abwichen. Auf jeden Fall war das Bündnis für sie äußerst wichtig, und sie gewährten dem Kurfürsten weit größere Autonomie, als sie jedem anderen deutschen Partner zugestanden. Die Schlacht bei Breitenfeld Gustav Adolf überquerte bei Wittenberg die Elbe und marschierte nach Süden, um bei Düben, nordöstlich von Leipzig, zum Kurfürsten zu stoßen. Die 16 000 anwesenden Sachsen, zu denen auch 1500 Angehörige des einheimischen niederen Adels und ihre Dienstmannen gehörten, wirkten prächtig in ihren neuen Uniformen. Sie überstrahlten die 23 000 Schweden, die, „nachdem sie die Nacht über auf einer Parzelle gepflügten Bodens gelegen hatten, so staubig waren, dass sie mit ihren unreinen Klamotten aussahen

nach Breitenfeld

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wie Küchenbedienstete“.329 Die Schweden waren allerdings alte, erfahrene Hasen, während die Sachsen erst seit April gedrillt wurden. Ihr Kommandeur, Arnim, stieß dazu, nachdem sein eigener Herr, Georg Wilhelm von Brandenburg, im Juni ebenfalls das schwedische Bündnis akzeptiert hatte. Ihre vereinte Streitmacht war die größte, die Gustav Adolf bislang zusammengebracht hatte, und er war fest entschlossen, den entscheidenden Schlag zu führen, der – wie er hoffte – die deutschen Protestanten endlich überzeugen würde, sich ihm anzuschließen. Tilly war ebenso entschlossen zu kämpfen, stand es ihm doch endlich frei, die Offensivstrategie zu verfolgen, für die er seit Anfang des Jahres plädiert hatte.330 Auch die Herren seiner Führungsriege standen hinter ihm, weil sie erkannten, dass nur ein klarer Sieg andere davon abschrecken würde, dem Beispiel Brandenburgs und Sachsens zu folgen. Die beiden Parteien trafen auf einer relativ weiten Ebene bei dem Dorf Breitenfeld, unmittelbar nördlich von Leipzig, aufeinander. Die folgende Schlacht sollte die zweitgrößte des Krieges und eine der wichtigsten sein. Tilly verfügte über ungefähr 37 000 Mann mit 27 Geschützen, was bedeutete, dass er sowohl zahlenmäßig (um mehr als 1000) als auch waffentechnisch (um mindestens 29 Geschütze) unterlegen war. Die 7000 Kaiserlichen unter Fürstenberg waren gerade erst angekommen und noch müde, aber die Moral war hoch, denn die Männer „hatten einen ohnverzageten Muth, in Meynung, die Victoria zu erlangen “.331 Tilly stellte seine Truppen auf einer leichten Anhöhe auf, die am Rand der Ebene von Ost nach West verlief. Das Fußvolk wurde in zwölf großen Blöcken formiert, die zu Dreiergruppen angeordnet wurden; je zwei weitere Bataillone wurden an den Flanken postiert, um die Reiterei zu unterstützen. Von Letzterer standen etwa 4000 auf dem linken Flügel unter Pappenheim, der über die Elite der kaiserlichen Kürassiere gebot. Fürstenberg befehligte etwa 3100 Mann schwere Reiterei der Liga und 900 Kroaten auf dem rechten Flügel. Weitere 1000 Mann waren zurückgelassen worden, um Leipzig zu halten. Die Schweden und Sachsen hatten etwa acht Kilometer nördlich gelagert und das Frühstück ausgelassen, um früh am 17. September mit der Morgensonne in den Augen vorzurücken. Es dauerte mehrere Stunden, bis sie einen sumpfigen Flusslauf überquert und sich Tilly auf Kanonenschussweite genähert hatten, und erst gegen Mittag begann die schwedische Artillerie das Feuer der kaiserlichen Geschütze zu erwidern, die aus ihren Stellungen vor den Fußtruppen bereits den Beschuss eröffnet hatten. Das Artillerieduell dauerte zwei Stunden, wobei die tieferen kaiserlichen Formationen schwerere Verluste erlitten. Gustav Adolf hielt seine eigene Armee bewusst getrennt von den unerprobten Sachsen, die in einer relativ tiefen Formation östlich der Straße von Leipzig nach Düben aufgestellt waren. Die Schweden formierten sich im Westen: mit General Horn, der die

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Reiterei unmittelbar neben der Straße befehligte, dann sieben Infanteriebrigaden in zwei Linien mit Gustav Adolf und dem Rest der Reiterei auf dem äußersten rechten Flügel gegenüber von Pappenheim. Gustav Adolf zog seine Truppen weiter auseinander nach Westen, weil er die Kaiserlichen umfassen wollte. Als Pappenheim das sah, griff er gegen zwei Uhr nachmittags an, wurde aber durch eine allgemeine Salve von 2500 schwedischen Reitern zurückgeschlagen, die durch 860 Musketiere verstärkt wurden. Pappenheims Kürassiere ritten noch sieben Mal vor, wobei sie bis auf Pistolenschussweite herankamen, und jedes Mal zogen sie den Kürzeren bei dem Schlagabtausch. Unterdessen stürzte sich Fürstenberg auf die Sachsen und ließ Isolanis Kroaten um ihre Flanke schwenken. Obwohl sie durch den Artilleriebeschuss ins Wanken gerieten, leisteten die Sachsen anfangs Widerstand, bis das adlige Aufgebot Reißaus nahm. Zwei Kavallerieregimenter mit den einzigen erfahrenen Soldaten des Kurfürsten blieben, um sich mit Horn zu vereinigen. Der Rest flüchtete, nahm Johann Georg mit und verlor, hauptsächlich bei der Verfolgung, 3000 Mann. Inzwischen wurde es schwierig, zu sehen, was passierte, da der Pulverdampf durch den trockenen Staub verdickt wurde, den Tausende Füße und Hufe aufwirbelten. Fürstenberg war außerstande, seine Reiter zu sammeln, von denen viele die Sachsen verfolgten oder deren Tross plünderten. Er hatte bei seinem schnellen Vorstoß die Fußtruppen hinter sich gelassen, die erst gegen halb vier Uhr nachmittags die vormalige sächsische Stellung erreichten. Horn hatte Zeit, sich entlang der Straße im rechten Winkel zum Rest der Armee neu zu gruppieren, wobei er seine Front mit Fußvolk aus der zweiten Linie des Zentrums verstärkte. Die kaiserlichen und ligistischen Fußtruppen wurden bei ihrem Eintreffen einzeln vorgeschickt, während Horns frische Kavallerie Fürstenbergs ermüdete Reiter bald versprengte. Schlimmer war, dass Tillys rechter Flügel nach Osten schwenken musste, um sich Horns neuer Stellung zuzuwenden, wodurch eine Lücke zwischen ihm und Pappenheim entstand. Nach zwei Stunden fruchtloser Angriffe waren Pappenheims Männer erschöpft. Sie wurden in die Flucht geschlagen, als Gustav Adolfs Gegenangriff sie traf, sodass das überdehnte Zentrum der Kaiserlichen entblößt wurde. Dieses wurde gegen fünf Uhr nachmittags angegriffen, gerade als Tillys rechter Flügel zusammenzubrechen begann. Die geschlagenen Fußtruppen traten den geordneten Rückzug an, um in einem Gehölz hinter ihrer ursprünglichen Stellung zum letzten Gefecht anzutreten. Der Widerstand fiel in der Abenddämmerung in sich zusammen, sobald die Schweden ihre Kanonen in Schussweite gezogen hatten. Ungefähr 6000 wurden auf dem Schlachtfeld ergriffen, und weitere 3000 Flüchtige ergaben sich am nächsten Tag in Leipzig. Weit über 7000 Kaiserliche lagen tot auf dem Schlacht-

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feld, und unter denen, die entkamen, waren viele Verwundete, darunter auch Tilly. Andere desertierten, sodass Tilly ein paar Tage später in Halberstadt insgesamt nur 13 000 Überlebende sammeln konnte. Die Schweden verloren 2100 Mann, kompensierten diese Verluste aber reichlich, indem sie die kaiserlichen Gefangenen in ihre Armee pressten. Endlich hatte Gustav Adolf den spektakulären Sieg errungen, der ihm seit seiner Landung versagt geblieben war. Die protestantischen Propagandisten posaunten den Erfolg schnell als allgemeinen Ruf zu den Waffen heraus und präsentierten den Sieg als göttliche Vergeltung für die Plünderung Magdeburgs. Breitenfeld war die erste große Niederlage katholischer Streitkräfte seit Ausbruch des Krieges, und die Schlacht festigte den Glauben der militanten Protestanten an Gustav Adolf als ihren Heilsbringer. Für spätere Kommentatoren war sie das zwangsläufige Ergebnis eines vermeintlich überlegenen Militärsystems.332 Gewiss hatten Tillys tiefere Formationen zu den schwereren Verlusten der Kaiserlichen beigetragen, aber die wahren Schwächen, die Gustav Adolf die Gelegenheit für den entscheidenden Gegenangriff geboten hatten, lagen in der Führung derart großer Kontingente.

Das schwedische Imperium Breitenfeld verwandelte das Bild des schwedischen Königs. Die protestantische Meinung vergaß ihre frühere Vorsicht und nahm einen militanteren Ton an; Mitte des darauffolgenden Jahres wurde Gustav Adolf üblicherweise als ein neuer Josua dargestellt. Heldenverehrung verbreitete sich unter den Gottesfürchtigen. Sir Thomas Roe ließ sich Bart und Schnurrbart wachsen, um den Stil des Königs nachzuahmen. Viele waren jedoch auch enttäuscht, dass er die Gelegenheit nicht nutzte, um über Frieden zu verhandeln.333 Ein heidnischer Unterton deutete seine wahren Motive an. Als Gustav Adolf Süddeutschland erreichte, häuften sich Spekulationen, dass er die Alpen überqueren und Rom plündern werde, wie die Goten es 410 n. Chr. getan hatten. Schweden setzte bereits stark auf sein gotisches Erbe, um sich als ein Imperium zu präsentieren, das jeder europäischen Monarchie ebenbürtig sei. Eine humanistische Pseudo-Historie behauptete, das Schwedische leite sich vom Hebräischen ab und das Land sei nach der Sintflut von Noahs Enkel gegründet worden – und daher das älteste überhaupt auf der Welt. Auf einem Turnier zur Feier seiner Krönung im Jahr 1617 erschien Gustav Adolf im Gewand eines Goten. Einige gingen noch weiter und behaupteten, er sei ein neuer Alexander, womit sie andeuten wollten, dass er, fernab der „teutschen Libertät“, sein eigenes Imperium Macedonicum anstrebe.

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Tilly zog sich rasch westwärts durch Westfalen zurück, dann südlich durch Hessen bis nach Franken hinein, um zu seinen lange erwarteten Verstärkungen zu stoßen; insgesamt verfügte er nun über 40 000 Mann. Weitere 20 000 Kaiserliche sammelten sich in Schlesien, während einige noch aus Italien zurückkehrten. Eine direkte Verfolgung war keine Option mehr für Gustav Adolf, und ein Vorstoß oderaufwärts nach Österreich kam ebenfalls nicht infrage. Die Schweden, die in weiten Teilen des protestantischen Deutschland nach wie vor nicht willkommen waren, wussten sehr gut, dass es beinahe unmöglich wäre, in den feindseligen habsburgischen Landen zu operieren. Gustav Adolf beschloss, stattdessen nach Südwesten zu schwenken, durch Thüringen, um so viel Land wie möglich zu erobern, bevor der Winter hereinbrach. Zudem hätten damit Wilhelm von Hessen-Kassel und möglicherweise auch Württemberg und andere Süddeutsche die Gelegenheit, zu ihm zu stoßen. Der Widerstand erwies sich als unerwartet schwach. Erfurt fiel am 2. Oktober. Würzburg folgte als Nächstes und kapitulierte am 15. Oktober. Die Residenzstadt des reichen gleichnamigen Bistums war fortifikatorisch besonders stark wegen der Festung Marienberg, die auf der gegenüberliegenden Mainseite auf einem steilen Bergrücken thronte. Die Bitten der Garnison um Gnade wurden während des Angriffs mit dem Ruf „Magdeburger Pardon“ beantwortet.334 Nach einer kurzen Ruhepause drängte Gustav Adolf mainabwärts, nahm Frankfurt ein und überquerte dann am 23. Dezember bei Oppenheim den Rhein, um Mainz zu erobern. Im Laufe der nächsten zwei Wochen wurde ein Großteil der rechtsrheinischen Unterpfalz einschließlich Heidelbergs erobert. Eine zweite, kleinere Armee beendete unterdessen die Eroberung Mecklenburgs, bevor sie die Elbe überquerte und in die welfischen Lande einfiel. Schwedens Verbündete Diese Eroberungen etablierten das Muster für die schwedische Anwesenheit in Deutschland bis zum Ende des Krieges, indem sie vier konstitutive Elemente einführten: Verbündete, den Brückenkopf an der Ostsee, strategische Stützpunkte und deutsche Kollaborateure. Verbündete waren unverzichtbar, stellten jedoch ein schwaches Glied dar. Gustav Adolf bestand gegenüber seinen Partnern auf „absoluter Führung“, aber das erwies sich als schwer umsetzbar. Die Sachsen waren die wichtigsten. Ihre schwache Leistung bei Breitenfeld verdeckt ihr Potenzial. Nachdem er seine versprengten Truppen gesammelt hatte, setzte Johann Georg seine Werbungen fort und brachte bis 1632 24 000 Mann zusammen. Diese wurden unterstützt durch etwa 13 000 Brandenburger und ein paar Tausend Mann Reiterei, die von den 200 böhmischen und mährischen Exulanten aufgestellt worden war, die sich Schweden seit 1630 angeschlossen hatten. Selbst wenn man die Garnisonen abrechnete, war

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dies eine starke Streitmacht.335 Arnim fiel am 1. November 1631 in Böhmen ein und besetzte zwei Wochen später Prag. Dieser Schritt erleichterte Gustav Adolfs siegreichen Vormarsch, weil er Ferdinand zwang, 18 000 Mann aus Tillys Heer zurückzubeordern. Diese Demonstration sächsischer Kampfeslust sollte Ferdinand schlichtweg zum Verhandeln zwingen. Da Johann Georg wusste, dass jeder tragfähige Frieden hinter den Erwartungen der militanten Protestanten zurückbleiben würde, wollte er aus einer Position der Stärke heraus verhandeln. So würden Zugeständnisse auf Kosten der Protestanten als großmütige Gesten erscheinen. Diese Absichten behielt er noch für sich, aber die Entscheidung für Arnim als Oberbefehlshaber hatte bereits den Argwohn der Schweden geweckt. Als die böhmischen Exulanten eines von Wallensteins Schlössern verwüsteten, schrieb Arnim an seinen früheren Vorgesetzten, um sich zu entschuldigen. Kontakte entwickelten sich über Kinsky und andere, weniger rachsüchtige Böhmen und dauerten an bis zu Wallensteins Tod.336 Alle Parteien waren tunlichst darauf bedacht, sich nicht zu binden, und wenn sie doch einmal etwas schriftlich festhielten, war das oftmals ein Trick, um die andere Seite zu kompromittieren. Folglich ist es geradezu unmöglich, die wahren Motive der Protagonisten zu ermitteln. Manche haben spekuliert, dass Wallenstein durch seine Entlassung bereits desillusioniert war und Tillys Oberbefehl absichtlich sabotierte, indem er Getreide in Mecklenburg und Friedland zurückhielt. Obwohl er wenig tat, um Tilly zu helfen, scheint es unwahrscheinlich, dass er von Rache motiviert war.337 Angeführt vom Grafen Thurn, waren die Exulanten bereit, ihn seine Güter behalten zu lassen und ihn sogar zum König von Böhmen zu machen, falls ihnen dies helfen würde, ihre früheren Besitzungen wiederzubekommen. Wallenstein spielte mit, weil dies dem Kaiser einen nützlichen Draht nach Sachsen und Schweden bot. Schweden und Frankreich regten 1633 Gespräche über eine mögliche böhmische Krone an, um ihn zum Überlaufen zu verleiten; zugleich sammelten sie belastendes Material für den Fall, dass er loyal bleiben sollte. Weil Schweden sich weigerte, über Frieden zu sprechen, setzte Wallenstein seine Hoffnungen auf eine Verständigung mit Sachsen, auf dem Wege über Arnim und die Exulanten. Ferdinand wusste von diesen Gesprächen, auch wenn er über ihren genauen Inhalt im Dunkeln blieb. Einvernehmen mit Sachsen war die ganze Zeit über sein Ziel gewesen, und genau vor diesem Hintergrund müssen wir die umfassenden Befugnisse sehen, die Wallenstein bei seiner Wiedereinsetzung als Oberbefehlshaber Ende 1631 eingeräumt wurden. Die Nachricht von Arnims Kontakten sickerte durch, da er sich mehrmals mit Wallenstein traf, während der früher unter Wallensteins Kommando dienende Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg Anfang 1631 in Dresden eintraf. Gustav

1. Der Prager Fenstersturz von 1618. Martinitz verschwindet gerade kopfüber durch das eine Fenster, während Slavata sich noch dagegen wehrt, aus dem anderen geworfen zu werden. In der Mitte des Raumes wird dem entsetzten Fabricius klar, dass er wohl als Nächster an die Reihe kommen wird. 2. „Christenverfolgung“. Dieses protestantische Flugblatt von 1622 verbindet in der Darstellung der „Spanischen Inquisition“ Katholiken- und Fremdenfeindlichkeit miteinander.

3. Die Reichsstadt Nördlingen, ein typisches Beispiel aus Merians Topographia Germaniae.

4. Das Dorf Friedenswunsch (Ildehausen) im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Deutlich zu erkennen sind das Gutshaus (rechts), die Kirche (Bildmitte) sowie die Umzäunung des Dorfes.

5. Wappenstein mit dem Wappen der Reichsstadt Buchhorn. Der Stein befand sich ehemals über dem Portal des Amtshauses in Eriskirch.

6. Kaiser Rudolf II., wie er selbst gern gesehen werden wollte. Detail der Rudolfskrone von 1602.

7. Ferdinand II. in einem zwar idealisierten, aber doch lebensnahen Porträt, das den Kaiser mit der Kette des Ordens vom Goldenen Vlies zeigt.

8. Kaiser Matthias und seine Frau, Anna von Tirol, inmitten einer religiösen Szene. Ein frühes Beispiel habsburgischer Barockfrömmigkeit.

9. Musketiere aus einem Schweizer Exerzierbuch von 1644. Während der zweiten Hälfte des Krieges dürften die meisten Soldaten so ausgesehen haben.

10. Berittene Arkebusiere beim Ausführen einer Caracolla, aus einem spanischen Exerzierbuch von 1630.

11. Erzherzogin Isabella mit ihrem Landsitz, Schloss Mariemont, im Hintergrund.

12. König Gustav II. Adolf von Schweden in einer Porträtskizze, die aus der Zeit seiner Invasion in Deutschland stammt.

13. Axel Oxenstierna, Schwedens großer Reichskanzler.

14. Herzog Maximilian I. von Bayern in martialischer Pose.

15. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz als König von Böhmen, 1619.

16. Fürst Christian I. von AnhaltBernburg, eine Schlüsselfigur für die Ausweitung des Konflikts.

17. Graf Tilly, um die Zeit seines Sieges in der Schlacht am Weißen Berg lebensnah porträtiert von einem unbekannten Künstler.

18. Die Hinrichtung der böhmischen Rebellen beim „Prager Blutgericht“ von 1621. Ein Regiment Infanterie ist aufmarschiert, um die Schaulustigen in Schach zu halten.

19. Der „tolle Halberstädter“, Herzog Christian von BraunschweigWolfenbüttel, in einer zum Schutz gegen Rost brünierten Rüstung.

20. Die Schlacht bei Stadtlohn, 1623. Herzog Christians Armee löst sich auf, als Tilly (von der rechten Bildseite her) angreift.

21. Die niederländische Stadt Breda (Bildmitte), die während Spinolas Belagerung 1624/25 von spanischen Verschanzungen umgeben ist.

22. Ein protestantischer Propagandadruck von 1631 zeigt Kurfürst Johann Georg von Sachsen, wie er sich Gustav Adolf (vorn im Bild) anschließt.

23. Wallenstein als kaiserlicher Generalissimus, 1626.

24. Bei der Landung seiner Truppen an der pommerschen Küste empfängt Gustav Adolf das Schwert der göttlichen Gerechtigkeit. Protestantischer Druck von 1630.

25. Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen, 1632. Getroffen vom ersten der tödlichen Schüsse eines kaiserlichen Musketiers sinkt der König zu Boden.

26. Wallensteins Brief an Pappenheim, nach der Schlacht bei Lützen mit dessen Blut befleckt.

27. Königin Christina von Schweden im Alter von acht Jahren.

28. Das „Blutbad von Eger“, 1634. Hauptmann Deveroux durchbohrt Wallenstein mit einer Partisane.

29. Ferdinand III., als Kaiser pragmatischer und letztlich erfolgreicher als sein Vater.

30. Das Porträt von Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel ist zwar wenig schmeichelhaft, lässt aber einiges von ihrer eisernen Entschlossenheit erkennen.

31. Die Seeschlacht in den Downs im Ärmelkanal, 1639: Niederländische Boote retten spanische Seeleute vor dem Ertrinken. 32. Graf Maximilian von Trauttmansdorff, der kaiserliche Chefunterhändler auf dem Westfälischen Friedenskongress.

33. Die Weihe der Mariensäule, die in München zum Gedenken an die siegreiche Schlacht am Weißen Berg errichtet wurde. Im Zelt zur Linken sind Sänger und Musiker am Werk.

34. Dieses Votivgemälde wurde von den sieben bayerischen Kavalleriesoldaten im Vordergrund gestiftet. Sie dankten damit für ihre Rettung in der Schlacht bei Alerheim, 1645, die im Hintergrund abgebildet ist.

35. „Memento mori“. Radierung von Hans Ulrich Franck.

36. Die Rache der Bauern: Ein Kavalleriesoldat ist im Wald in einen Hinterhalt geraten.

37. Soldaten plündern ein Dorf.

38. Fahne der Kompanie des Hauptmanns Concin vom kaiserlichen Infanterieregiment Graf Hardegg, 1632, mit einer Abbildung der „Fortuna“.

39. Schwedisches Feuerwerk zur Feier der Umsetzung des Westfälischen Friedens auf dem Nürnberger Exekutionstag, 1650. Der Kaiser veranstaltete sein eigenes Feuerwerk.

40. Gerard ter Borchs berühmte Darstellung des Friedensschlusses zu Münster zwischen Spanien und den Niederlanden am 15. Mai 1648. Der Künstler schaut ganz links hinter dem Mann hervor, der einen Hut in der Hand hält.

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Adolf war hinlänglich beunruhigt, um jede weitere Vermittlung durch deutsche Fürsten zu verbieten, aber dies unterband Johann Georgs geheime Korrespondenz nicht. Die sächsischen Operationen verliehen den Verhandlungen weiterhin Nachdruck. Arnim pflegte monatelang scheinbar tatenlos zu verharren, nur um einen plötzlichen aggressiven Schritt zu unternehmen, sobald Johann Georgs Position ins Wanken geriet. Gustav Adolf konnte wenig tun. Offene Kritik hätte die Fassade protestantischer Geschlossenheit zum Einsturz gebracht und Brandenburg verstimmt, das, obschon sehr viel schwächer, sein Rivale um Pommern war. Der König war mit seinem Vorstoß zum Rhein ein beträchtliches Risiko eingegangen, weil die Verteidigung der Oder und der Nachschublinien zur Ostsee dadurch auf den beiden halbherzig agierenden Kurfürsten ruhte. Im Gegensatz dazu engagierte sich Hessen-Kassel stärker für die schwedische Sache, weil Ferdinands Unnachgiebigkeit Wilhelm V. kaum eine Wahl gelassen hatte. Als Herrscher über das größte weltliche Fürstentum, aber noch ohne Kurwürde, war der Landgraf ehrgeizig und unterstützte Gustav Adolfs Plan einer Revision der Reichsverfassung. Wilhelm schlug vor, die drei geistlichen Kurwürden neu an weltliche Fürsten zu vergeben, und erwartete natürlich, einer der Nutznießer zu sein. Da er etwa 10 000 Mann ins Feld führen konnte, besaß Wilhelm einiges Gewicht als Verbündeter, zumal er bereits geholfen hatte, Mainz zu erobern, und Gustav Adolf ihm als Einzigem umfängliche territoriale Gewinne versprochen hatte. Für die Abtretung Marburgs an Darmstadt, dessen Neutralität Gustav Adolf akzeptierte, sollte Wilhelm den größten Teil des westfälischen Kirchenlandes erhalten.338 Die Gefahr einer solchen Verabredung war bald offenkundig, da die Hessen, statt den Schweden zu helfen, sich darauf konzentrierten, diese Gebiete zu erobern. Die Pfalz behandelte Gustav Adolf weit weniger rücksichtsvoll. Wie Dänemark betrachtete auch er die pfälzische Sache als eine Möglichkeit, britische Hilfe zu bekommen. Das Scheitern des Île-de-Ré-Feldzugs und die anschließende Ermordung Buckinghams verschärften die innenpolitische Krise Englands. Mit der Geburt des Prince of Wales – der künftige Karl II. – war es aus dynastischen Gründen nicht mehr zwingend erforderlich, die Winterkönigin und ihre Kinder zu unterstützen, da Karl I. nun seinen eigenen Erben hatte. Er kehrte zur Politik seines Vaters zurück und brachte im November 1630 die Beziehungen zu Spanien wieder ins Lot, in der Hoffnung, damit zumindest eine teilweise Wiederherstellung der Pfalz auf den Weg zu bringen. Seine Schwester wurde ungeduldig und drängte auf ein Zusammengehen mit Schweden: „Wenn diese Gelegenheit vernachlässigt wird, können wir alle Hoffnung fahren lassen, jemals irgendetwas zurückzubekommen, denn per Vertrag wird es niemals geschehen.“339

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Typisch für die Stuarts, beließ Karl es bei einem halbherzigen Engagement. Er verärgerte die Habsburger, indem er ein Expeditionskorps entsandte, bot es aber lediglich als Hilfstruppe an, ohne Gustav Adolf zu verpflichten, sich für die Wiederherstellung der Pfalz einzusetzen. Mit dem Kommando wurde James Hamilton, der unerfahrene Marquess of Hamilton, betraut, der als „Captain Luckless“ in die Militärgeschichte eingegangen ist.340 Die Nachricht, dass 20 000 Briten an der Weser landen würden, erwies sich im Laufe des Jahres 1631 als ernsthafte Ablenkung für Tilly. In Wirklichkeit brachte Hamilton nur 6000 Soldaten mit. Er schiffte sich im August bei Stettin aus und marschierte anschließend oderaufwärts, um die Kaiserlichen in Schlesien im Auge zu behalten. Weil Gustav Adolf fürchtete, Hamilton könnte dort mit den Pfälzer Exulanten eine eigenständige pfälzische Präsenz begründen, dirigierte er den Marquess quer durch Sachsen um, damit er die schwedischen Operationen in den welfischen Landen unterstützte. Der englische Einfluss nahm ab, als Hamiltons Streitmacht durch Desertion, Mangelernährung und Krankheit dahinschmolz, bis im Dezember nur noch 500 Mann übrig waren. Von den Holländern war die schwedische Intervention im Reich begrüßt worden, verringerte sie doch die Wahrscheinlichkeit kaiserlichen Beistands für Spanien. Allerdings wiesen die Führer der Vereinigten Niederlande Vorstellungen von einem Glaubenskrieg zurück und zahlten in den Jahren 1631/32 nur begrenzte Subsidien, um Gustav Adolf zu veranlassen, seine Pläne zur Monopolisierung des Ostsee-Getreidehandels fallen zu lassen. Als Friedrich V. sich im Januar 1632 Gustav Adolf am Rhein anschließen wollte, weigerten sie sich, ihn über die Begleichung der Reisekosten hinaus zu unterstützen. Gustav Adolf kam die Anwesenheit des Kurfürsten gelegen, weil sie Herzog Maximilian unter Druck setzte, der nun glaubte, Schweden würde Friedrich wieder in seinen Landen einsetzen. Gustav Adolf machte die Wiedereinsetzung jedoch davon abhängig, dass England weitere 12 000 Mann schickte und 25 000 Pfund monatlich auszahlte. Dafür könne Friedrich seine Ländereien zurückhaben, aber nur als Lehen der schwedischen Krone. Diese Bedingungen hätten ihn zur „Marionette“ degradiert und wurden dann auch im März abgelehnt. Empört verließ Friedrich im September das Gefolge des Königs. Bereits krank kam er nach Mainz, wo er am 29. November 1632 starb, was die pfälzische Sache weiter schwächte.341 Der Brückenkopf an der Ostsee Schwedens Hauptinteresse galt der Festigung seines Einflusses an der Ostseeküste. Den irreduziblen Kern bildete Stralsund, das preiszugeben sich Schweden schon aus Prestigegründen weigerte. Gustav Adolf wollte auf jeden Fall sowohl den Rest Pommerns als auch die mecklenburgische Hafenstadt Wismar halten, die als kaiserlicher Marinestützpunkt gedient

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hatte. Das Interesse an Bremen und Verden erwuchs aus der Furcht, dass Dänemark sich im Namen des Kaisers einmischen könnte. Der lutherische Administrator in Bremen, Johann Friedrich von Holstein, glaubte, Ferdinand würde eine Vereinbarung auf seine Kosten treffen, und erklärte sich Ende 1631 für Schweden. Das Erzbistum kontrollierte nicht nur die Weser, sondern seine Festung Stade beherrschte auch die Unterelbe. Die Situation wurde akut, als dänische Truppen sich im Frühjahr 1632 außerhalb Bremens einen Schusswechsel mit den Schweden lieferten. Die Schweden sahen in dem Administrator ein Mittel, um die Dänen nördlich der Elbe zurückzuhalten, und halfen ihm, Verden im Süden zu erobern und die kleine ligistische Garnison zu vertreiben. Doch Johann Friedrichs Tod 1634 und der spätere Treuebruch der Welfen 1635 überzeugten Oxenstierna davon, auf unzuverlässige lokale Verbündete zu verzichten. Allerdings konnte Schweden Bremen und Verden erst 1645 erobern und beide seiner Liste territorialer Forderungen hinzufügen (siehe Kapitel 19). Zusammen mit Pommern verbanden diese Länder Schweden mit seinen Armeen in Deutschland. Sie wurden mit einheimischen schwedischen und finnischen Garnisonen unter vertrauenswürdigen Befehlshabern belegt und erhielten das Gros der zusätzlichen, ab Mitte der 1630er-Jahre entsandten Wehrpflichtigen. Strategische Stützpunkte Der Brückenkopf wurde durch vorgeschobene strategische Stützpunkte in den Einsatzregionen erweitert. Der erste und wichtigste war Erfurt, eine Stadt, die seit 1618 Eigentum des Erzstifts Mainz war, aber auf eine lange Tradition der Autonomie zurückblickte und danach strebte, sich als Reichsstadt zu emanzipieren. Erfurt kontrollierte die Straßen zwischen Magdeburg, Sachsen, Hessen und Franken und sicherte damit die Route von Pommern ins Innere Deutschlands. Auch das benachbarte Magdeburg diente als Stützpunkt, sobald es Anfang 1632 erobert worden war. Allerdings schmälerte sein ruinöser Zustand zusammen mit Johann Georgs Anspruch, dass seinem Sohn der Administratorentitel gebühre, seinen Nutzen. Würzburg sicherte Franken, vor allem da Bamberg weiter mainaufwärts schwer zu verteidigen war. Mainz wurde der Hauptstützpunkt im Rheinland und die inoffizielle Hauptstadt von Schwedens deutschem Imperium. Auf Darmstädter Gebiet wurde gegenüber der Stadt auf dem anderen Ufer eine gewaltige Festungsanlage errichtet, die Gustavsburg. Sie sollte als sichere Zuflucht dienen, falls die Armee sich aus Süddeutschland zurückziehen müsste.342 Bei den anderen Stützpunkten handelte es sich um Reichsstädte, die dazu verleitet wurden, sich Schweden anzuschließen. Eine Garnison in Frankfurt bewachte den unteren Main, während in Franken Nürnberg Würzburg ergänzte. Augsburg bot einen Stützpunkt in Schwaben, war allerdings aufgrund seiner Nähe zu Bayern gefährdet.

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Während Erfurt den ganzen Krieg über gehalten wurde, gingen die anderen Stützpunkte bis 1635 wieder verloren. Die Tatsache, dass es sich fast ausnahmslos um katholische Territorien handelte, war ein zusätzlicher Faktor, warum die schwedische Präsenz dort vorläufiger war als in dem Brückenkopf. Katholische Observanz bedeutete Missachtung der Besatzer und wurde, wo immer möglich, vom militanten Klerus befördert. Die meisten Priester wurden zwar ausgewiesen, aber Rücksicht auf Frankreich zwang Gustav Adolf, ein paar Kirchen in katholischer Hand zu belassen. Die Schweden und ihre deutschen Beauftragten sahen sich starkem Druck vonseiten der einheimischen protestantischen Minderheiten gegenüber, die auf Rache sannen. Die besonders unversöhnlichen Rekatholisierungsmaßnahmen in Augsburg wurden 1632 rückgängig gemacht. Örtliche Initiativen wie die Vertreibung der Kapuziner durch die Stadt Frankfurt oder Versuche der Hohenloher Grafen, den eroberten Gebieten den Protestantismus aufzuzwingen, wurden nicht wirkungsvoll unterbunden.343 Anderswo erwies es sich als schwieriger, den Protestantismus zu fördern. Mainz war ganz und gar katholisch, und die lutherische Gemeinde war auf die schwedische Garnison beschränkt. Der Universitätsbetrieb brach zusammen, nachdem das Lehrpersonal und die Studenten geflohen waren. Ansonsten blieben katholische Schulen in der Regel geöffnet, und viele Kommunalbeamte behielten ihre Posten, weil den Besatzern qualifizierte loyale Protestanten in ausreichender Zahl fehlten, um sie zu ersetzen. Die Stützpunkte ermöglichten Schweden, deutsche Ressourcen anzuzapfen, um seine Kriegsanstrengungen aufrechtzuerhalten. Das Bargeld, mit dem Gustav Adolf gelandet war, deckte gerade mal die Soldkosten für eine Woche. Die anfänglichen Erwartungen, dass der Krieg schon den Krieg finanzieren werde, erwiesen sich als übertrieben optimistisch. Die jährlichen Gesamtkosten für den Unterhalt eines Soldaten betrugen durchschnittlich 150 Taler – oder das Dreifache dessen, was erwartet worden war. Während man geglaubt hatte, dass 1,9 Millionen Taler für einen einjährigen Feldzug ausreichen würden, überstiegen die Militärausgaben schon im Laufe des Jahres 1631 die Zehn-Millionen-Grenze, requirierte Lebensmittel und andere Zahlungen in Naturalien nicht mitgerechnet. Den Start der Invasion finanzierte Schweden mit 2,3 Millionen Talern eigenem Geld, beschränkte seinen eigenen Ausgabenanteil aber im Laufe der nächsten drei Jahre auf weitere 3,2 Millionen Taler. Preußische Zölle erbrachten in den Jahren 1629–35 weitere 3,7 Millionen Taler; die Zolleinkünfte aus Pommern erwiesen sich mit 171 000 Talern – was in etwa dem dürftigen holländischen Zuschuss entsprach – als eher enttäuschend. Die französischen Zahlungen waren umfangreicher und ermöglichten Schweden, über Gustav Adolfs ortsansässigen Agenten Salvius in Hamburg und Amsterdam Darlehen aufzunehmen. Diese Fi-

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nanzquellen, die sich auf elf Millionen beliefen, deckten dennoch nur 30 Prozent der tatsächlichen Kosten des deutschen Krieges für Schweden.344 Den Rest wollte Gustav Adolf sich in Deutschland beschaffen, und zu diesem Zweck kopierte er Wallensteins Kontributionssystem. Ein Hauptgrund, warum Schweden deutsche Verbündete suchte, war, dass man ihre Steuern abzweigen wollte, um die schwedische Armee zu unterhalten. Pommern, Mecklenburg, Brandenburg und Magdeburg zahlten alle beträchtliche Summen, aber Gustav Adolf hegte abwegige Erwartungen, was den deutschen Wohlstand betraf. Von Augsburg verlangte er 1632 240 000 Taler, zu einer Zeit, als das normale jährliche Steueraufkommen nicht mehr als 50 000 betrug.345 Die Schweden wollten immer sofort große Summen, wodurch das empfindliche Gleichgewicht zwischen Steuer und Produktion gestört wurde. Gemeinden waren gezwungen, sich Geld zu leihen, und standen am Ende schwer verschuldet da. Noch schlimmer war die Situation in den eroberten Gebieten, wo die Schweden umso weniger Zurückhaltung zeigten. Würzburg erhielt im Oktober 1632 Anweisung, 150 000 Taler zu zahlen, gefolgt von weiteren 200 000 nur neun Monate später. München zahlte 1632 100 000 in bar und 40 000 in Schmuck, aber die Schweden wollten weitere 160 000 und nahmen 42 Geiseln. Eine entkam, aber vier starben, bevor die übrigen drei Jahre später befreit wurden. Mainz wurde im Dezember 1631 nur eine zwölftägige Frist eingeräumt, um 80 000 aufzubringen, was dem 18-Fachen seiner gewöhnlichen Abgabe entsprach. Die Schweden akzeptierten widerwillig wöchentliche Zahlungen von 1500 Talern, die im Juni aufhörten, als den Einwohnern das Geld ausging. Die jüdische Gemeinde zahlte unterdessen 20 000, um ihre Synagoge zu retten. Wie bei Wallensteins System bot der dezentrale Charakter der Kontributionen Spielraum für Korruption und Ineffizienz. Der Obrist Baudissin wurde verdächtigt, sich von dem im Herbst 1631 aus Thüringen eingesammelten Geld 50 000 Taler in die eigene Tasche gesteckt zu haben, während Gustav Adolfs Kommissar von Würzburg 6000 Taler als Gegenleistung für die Halbierung der ursprünglichen Forderung annahm.346 Die Situation änderte sich, als es so aussah, als würde Schweden seine Eroberungen behalten. Quittungen lebten wieder auf, als in Mainz die Kontributionen zugunsten des bestehenden kurfürstlichen Steuersystems aufgegeben wurden, das 80 Prozent des Geforderten lieferte. Mit deutschem Geld wurden nicht nur die Söldner bezahlt, sondern auch 51 Prozent jener eine Million Reichstaler gedeckt, die zwischen 1630 und 1648 jedes Jahr für das schwedische und finnische Kontingent ausgegeben wurden. Deutsche Kollaborateure Das deutsche Menschenpotenzial war äußerst wichtig, da Gustav Adolf feststellen musste, dass seine Soldaten im Reich genauso

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schnell starben, wie sie in Polen gestorben waren. Obwohl sie in dem Ruf standen, zäh und robust zu sein, waren von denen, die im Juli 1630 landeten, 46 Prozent binnen sechs Monaten tot, was in erster Linie auf Infektionen mit unvertrauten Mikroben zurückzuführen war. Bis Ende 1631, als seine Armee in Deutschland bloß noch aus 13 000 Schweden und Finnen bestand, hatte der schwedische König 50 000 Mann verloren. Danach lag die normale jährliche Schwundquote unter den Wehrpflichtigen bei einem von fünfen, wobei die meisten nach ihrer Ankunft in Deutschland noch maximal vier Jahre lebten.347 Erfahrung zählte ebenso wie zahlenmäßige Stärke. Viele mit Gustav Adolf nach Deutschland gekommene Offiziere waren der Aufgabe nicht gewachsen. Åke Tott, ein finnischer Veteran mit einem in den preußischen Feldzügen erworbenen furchterregenden Ruf, zeigte sich außerstande, mit dem kleinen Heer fertigzuwerden, das zur Unterwerfung Niedersachsens ausgesandt worden war. Baudissin, ein Lausitzer, der ihn im Mai 1632 ablöste, erwies sich als kaum besser. Deutsche Kollaborateure sprangen ein, um Truppen aufzustellen und zu befehligen. Im Gegensatz zu den Schweden verfügten sie über Ortskenntnisse, und oftmals waren ihre eigenen kleinen Territorien in der Lage, Männer und Geld bereitzustellen. Die Eroberung von Würzburg überzeugte viele Fürsten und Adlige davon, dass Breitenfeld kein vereinzelter Erfolg gewesen war, und sie strömten in Scharen herbei, um den siegreichen Helden zu begrüßen. Keiner erhielt noch die umfassende Autonomie, die Sachsen blieb, oder die De-facto-Freiheit, die Hessen-Kassel zugestanden wurde. Stattdessen mussten die Kollaborateure ihre Festungen und Truppen der absoluten Führung Schwedens überlassen und ihre Einkünfte umverteilen, um den Krieg zu unterstützen.348 Sie erhielten Patente und, wenn sie Glück hatten, kleine Barvorschüsse, um zusätzliche Regimenter zu werben. Fast 500 deutsche Regimenter wurden im Laufe des Krieges für Schweden geworben, wobei zu jedem beliebigen Zeitpunkt bis zu 100 in Dienst standen. Diese Einheiten bildeten die neuen regionalen Armeen. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar wurde mit der Verteidigung Erfurts betraut, während sein jüngerer Bruder Bernhard Franken hielt. Beide verwendeten ihre eigenen Regimenter sowie von Nürnberg bereitgestellte Einheiten, fränkische Ritter und Miliz aus Sachsen-Coburg. Württemberg und Baden-Durlach bauten im Mai 1632 ihre Miliz zu einer schwäbischen Armee aus. Von den Nassauer und Wetterauer Grafen wurde eine rheinische Streitmacht zusammengestellt, die von Mainz aus operieren sollte. In Niedersachsen sammelte sich eine eher disparate Armee um Einheiten, die von den Mecklenburger Herzögen und dem Administrator von Bremen aufgestellt wurden. Zu ihnen stießen der Herzog Georg von Lüneburg, der sein kaiserliches Patent aufgab, und Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel.

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Keine dieser Armeen war hundertprozentig verlässlich. Mit einer Stärke von jeweils etwa 5000 Mann waren sie zu klein, um ohne zusätzliche Hilfe viel zu erreichen. Ihnen wurden schwedische Einheiten und Offiziere zugeteilt, vor allem in Niedersachsen und im Rheinland, aber teils als Aufpasser und zudem selbst oft wenig souverän. Herzog Georg führte seinen eigenen Krieg zur Eroberung von Hildesheim, während Friedrich Ulrich sich auf den Versuch konzentrierte, Wolfenbüttel wiederzuerlangen. Die schwedischen Einheiten machten mit, um zu vermeiden, den örtlichen ligistischen Truppen am Ende alleine gegenüberzustehen. Insgesamt verdoppelte sich die Truppenstärke Anfang 1632 und wuchs um weitere 40 000, um Mitte des Jahres ein Allzeithoch von 140 000 zu erreichen. Die königliche Kampftruppe blieb jedoch relativ klein. Anfang 1632 standen Gustav Adolf in Mainz lediglich 16 000 Mann zur Verfügung, während Horn in Franken 10 000 hatte. Die deutschen Einheiten schworen Schweden die Treue, aber dies blieb abhängig von fortgesetztem Erfolg. Einige Kollaborateure waren bereits unwiderruflich der protestantischen Sache verpflichtet, sodass sie kaum eine Alternative hatten. Die beiden Befehlshaber der rheinischen Armee, Otto Ludwig von SalmKyrburg-Mörchingen und Christian I. von Pfalz-Birkenfeld-Bischweiler, waren altgediente Söldnerführer. Graf Kraft VII. von Hohenlohe-Neuenstein, im Mai 1632 zum Generalstatthalter von Franken ernannt, war ein ehemaliges Mitglied der Protestantischen Union, während sein Bruder Georg Friedrich der böhmische Feldmarschall gewesen war. Wie diese Beispiele zeigen, kamen Schwedens Unterstützer größtenteils aus den Reihen der niederen Fürsten, Grafen und Reichsritter. Sie waren Protestanten, obschon viele Calvinisten waren – ein Bekenntnis, das anzuerkennen Schweden sich weigerte. Wichtiger war, dass sie zu den Reihen der teilweise Entrechteten innerhalb der Reichsverfassung gehörten. Wie Hessen-Kassel hofften sie von den erwarteten Veränderungen zu profitieren. Graf Philipp Reinhard I. von Solms-Hohensolms-Lich, ein weiterer Söldnerführer, der sich 1627 Schweden anschloss, nachdem er gemeinsam mit den Dänen gekämpft hatte, schlug vor, die Position des Kaisers abzuschaffen und dem Heiligen Römischen Reich einen status aristocratus zu verleihen. Auf kürzere Sicht erwarteten alle, eingezogenes Kirchenland ihrer Nachbarn zu bekommen. Diese Praxis, euphemistisch als „Donationen“ bekannt, begann ab 1630 das schwedische Kriegsungeheuer zu ernähren. Landbesitz, der Herzog Bogislaw in Pommern gehörte, wurde enteignet und für 100 000 Taler an Stralsund verkauft. Jesuiten und andere Orden gerieten ins Visier von Strafmaßnahmen, als die Schweden 1631 nach Süden zogen, während das Eigentum derjenigen, die flohen, automatisch konfisziert wurde. Allein der auf diese Weise in Frankfurt eingezogene Besitz war 800 000 Gulden wert.349 Spätestens 1633

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nahm die Enteignung systematischen Charakter an, als Kraft von Hohenlohe die Fürstpropstei Ellwangen und die Zisterzienserabtei Schöntal, beides reiche Klöster, erhielt, während seinem Bruder die Besitztümer des Grafen Fugger und Teile von Mainz und Würzburg überlassen wurden. Wie zuvor schon die Nutznießer der Restitution merkten viele, dass die „Schenkungen“ vergiftete Früchte waren. Kraft von Hohenlohe bekam Ellwangen erst, nachdem er 18 000 Taler an den Obristen Sperreuther gezahlt hatte, dessen Truppen das Kloster erobert hatten. Er stellte fest, dass Oxenstierna erhebliche Vermögenswerte der Propstei bereits anderen Offizieren geschenkt hatte. Entscheidende Dokumente waren verloren gegangen, und in den Amtsstuben vor Ort herrschte Chaos. Weil die katholische Bevölkerung sich nicht entgegenkommend verhielt, war Kraft auf Außenstehende angewiesen, die nicht in der Lage waren, die Forderung der Schweden nach regelmäßigen Kontributionen zu erfüllen. Am Ende schätzte Kraft, der bereits drei Regimenter für Gustav Adolf aufgestellt hatte, dass die Vereinbarung ihn bis 1634, als die Kaiserlichen die Propstei wiedererlangten, 100 000 Taler gekostet hatte. Donationen weckten außerdem unrealistische Erwartungen, was unweigerlich zu bald einsetzender Desillusionierung über den schwedischen Dienst führte. Christian Wilhelm war enttäuscht, als er nach der Einnahme von Magdeburg und Halberstadt im Februar 1632 dort nicht wiedereingesetzt wurde, und trat nach seiner Gefangennahme durch kaiserliche Truppen prompt zum Katholizismus über. Unterdessen versuchte der schwedische Statthalter, Ludwig von Anhalt-Köthen, beide Bischofssitze in sein eigenes Fürstentum einzugliedern, war jedoch im Juli 1635, als er sich dem zwischen Kursachsen und dem Kaiser geschlossenen Separatfrieden anschloss, gezwungen, seinen Posten niederzulegen.350 Ein neuer Augustus? Die Donationen waren ein Notbehelf, der dennoch Gustav Adolfs Pläne für das Reich enthüllte. Ein venezianischer Diplomat merkte an, dass „Gustav“ ein Anagramm von „Augustus“ sei, dem Namen des ersten römischen Kaisers.351 Gustav Adolf ließ die imperiale Richtung seiner Ambitionen durch einen sorgfältig inszenierten triumphalen Einzug in Frankfurt am 17. November 1631 erkennen. Zeitgenossen verstanden durchaus, dass er „nun … in demselben Raum saß, wo früher die Kaiser bei ihrer Krönung bewirtet wurden. Es mag ein Zeichen von Glück darin liegen: & vielleicht wird er dort nicht zum letzten Mal sitzen.“352 Solche Spekulationen begreifen nicht, dass er nicht die Absicht hatte, die bestehende Verfassung intakt zu lassen. Unter Berufung auf das der Eroberung innewohnende Recht erklärte Gustav Adolf besetzte Gebiete zu schwedischen Lehen, die unter der Bedingung an Unterstützer verteilt wurden, dass sie wieder an Schweden fallen würden, falls ihre neuen Herrscher

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ohne Erben starben. Diese Bedingung wurde sogar auf „befreite“ Gebiete wie Mecklenburg und die Unterpfalz angewendet. Verbündete, die der Eroberung entgingen, wie die Welfen oder Hessen-Kassel, mussten trotzdem schwedischen Schutz annehmen, der bestehende Bindungen an den Kaiser ablöste. Dasselbe wurde in Abkommen mit den Reichsstädten schriftlich festgehalten, während Städten wie Magdeburg, Rostock und Erfurt der Status als Reichsstadt unter der Voraussetzung versprochen wurde, dass sie die schwedische Oberherrschaft akzeptierten. Zu Beginn des Jahres 1632 wurden verbündete und eroberte Territorien angewiesen, kaiserliche Mandate zu ignorieren und ihre reichsrechtlich geschuldeten Abgaben stattdessen an Gustav Adolf zu entrichten. Im Juni sprach Gustav Adolf davon, seine Militärallianzen unter Rückgriff auf Elemente der bestehenden Verfassung in ein dauerhaftes corpus politicorum umzuwandeln, natürlich unter seiner „absoluten Führung“. Die Kreisstruktur diente bereits dazu, Verbündete und Kollaborateure auf regionaler Basis zu gruppieren. Dass Franken und Schwaben ebenso wie Thüringen, das kein Reichskreis war, Statthalter aufgezwungen wurden, lässt jedoch darauf schließen, dass dieses Element der Verfassung schlicht der Einfachheit halber benutzt wurde. Die Statthalter wurden beauftragt, die schwedische Oberherrschaft durchzusetzen, und hatten nicht die Absicht, den Kreistagen zu erlauben, sie zur Rechenschaft zu ziehen.353 Bestehende Grenzen und Jurisdiktionen wurden nicht respektiert. Städte und Bezirke wurden dem einen Territorium fortgenommen und einem anderen übertragen, ganz wie es in das schwedische System von Bestrafung und Belohnung passte. Der Familie Thurn und Taxis wurde ihr kaiserliches Postmonopol entzogen, und die Poststationen wurden stattdessen protestantischen Beamten anvertraut, um schwedische Propaganda zu verbreiten.354 Streitigkeiten sollten vom Reichskammergericht entschieden werden, aber dem Gericht stand eine Umbildung bevor, um Katholiken auszuschließen, die außerhalb des neuen corpus Evangelicorum bleiben sollten. Wie dieses corpus mit dem Reich zusammenhängen würde, blieb unklar. Gustav Adolf sprach von ihm als corpus in corpore, aber es ist mehr als unwahrscheinlich, dass er sich dem römisch-deutschen Kaiser untergeordnet hätte. Nach der Eroberung von Mainz schossen bereits die Spekulationen ins Kraut, dass Oxenstierna als neuer Kurfürst und Reichskanzler eingesetzt würde. Wenngleich über solche Details vermutlich nie entschieden wurde, zielte Schwedens Deutschlandpolitik eindeutig darauf ab, die kaiserliche Autorität zu usurpieren und das Reich aufzuteilen, wodurch der Einfluss der Habsburger auf ihre Erblande beschränkt worden wäre.355 In seinem inneren Kreis waren Gustav Adolfs Ambitionen keineswegs populär. Gabriel Oxenstierna, Axels jüngerer Bruder und oberster Richter des schwe-

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dischen Reiches, drang auf einen maßvollen Frieden auf der Grundlage der Wiederherstellung eines idealen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Teilen des Reiches. Alles, was darüber hinausginge, argumentierte er, würde Schwedens Freunde verstimmen und das Land in einen endlosen Krieg hineinziehen. Selbst Axel bezweifelte, ob es klug sei, den Krieg auf Süddeutschland auszuweiten, und räumte rückblickend ein, dass dieser Schritt schlicht den Kaiser verärgert und den Krieg verlängert habe. In Deutschland war der Widerstand gegen die schwedischen Pläne noch größer. Johann Georg wachte eifersüchtig über seine führende Stellung in Obersachsen, während die Welfen sich schwedischen Versuchen widersetzten, den niedersächsischen Kreistag zu beeinflussen. Die Präsenz zahlreicher Katholiken verhinderte die eigenmächtige Nutzung der schwäbischen Institutionen, aber besonders bemerkenswert ist Schwedens Scheitern in Franken, weil der Widerstand dort von dem lutherischen Markgrafen Christian von Bayreuth angeführt wurde, der Kreisoberst war. Er weigerte sich, seine Miliz der regionalen Armee Bernhards von Sachsen-Weimar anzugliedern, und zwang die Schweden, statt einer umfassenden, kreisweiten Allianz Vereinbarungen mit einzelnen Kooperationswilligen zu treffen.356

Hilferufe Der schnelle schwedische Vormarsch verbreitete im gesamten katholischen Deutschland Schrecken und Besorgnis. Tillys Streitkräfte waren unorganisiert und demoralisiert. Breitenfeld hatte sein Selbstvertrauen erschüttert, und er mied die Schlacht. Während die Schweden sich in den relativ frisch eroberten geistlichen Territorien ausruhten, waren Tillys Truppen eingepfercht in Bayern und ein paar Außenposten in Westfalen. Mit dem Anbruch des Winters und unter dem Einfluss der Pest, welche die aus Italien zurückkehrenden Einheiten eingeschleppt hatten, sank die Truppenstärke weiter. Katholische Adlige und Geistliche rangen mit dem Dilemma, ob sie bleiben sollten, um ihr Eigentum zu schützen, oder ob sie um ihr Leben fliehen sollten. Maria Anna Junius, eine Dominikanernonne im Kloster vom Heiligen Grab am Rande von Bamberg, schenkte bereitwillig Berichten Glauben, wonach das Blut von den Mauern des benachbarten Würzburg geflossen sei, als die Schweden die dortige Garnison niedermetzelten, die derweil – wie die Nonne dachte – in der Festungskapelle beim Gebet war.357 Sie registrierte das schwedische Anrücken mit wachsender Furcht, während ihre Mutter Oberin verzweifelt Rat suchte, ob sie ihre Heimat verlassen sollten. Sie blieben, aber andere flohen, und viele reisten in weltlicher Kleidung, um der Gefangennahme zu entgehen. Einigen gelang

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es, Wertsachen mitzunehmen, wie etwa der Äbtissin von Buchau, die mit 27 Pferden und einer Herde Kühe entkam. Wer konnte, begab sich zu anderen Häusern seines Ordens in der Schweiz oder in Österreich, doch diese waren oft schon überfüllt und wollten nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Konstanz, Tirol und Salzburg waren gastfreundlicher. Franken und Rheinländer machten sich meist auf in die Freie und Reichsstadt Köln, die bald den Kurfürsten von Mainz und Köln, den Bischöfen von Würzburg, Worms und Osnabrück, dem Herzog von Pfalz-Neuburg und einer Menge anderer zur Heimat wurde. Gelegentlich erwiesen sich die Ängste als unbegründet. Mit einiger Beschämung berichtet Junius vom ritterlichen Verhalten der schwedischen Offiziere, nachdem Bamberg im Februar 1632 gefallen war. Viele waren neugierig auf das klösterliche Leben und brachten ihre Ehefrauen mit, um die Nonnen zu besuchen. Später unterhielten Junius und ihre Mitschwestern Bernhard von SachsenWeimar während eines Besuchs der schwedischen Offiziere mit Gesang. Als die Schweden wieder abrückten, machten die Schwestern einer dankbaren Schildwache, die das Klostertor bewacht hatte, ein Geschenk. Solche zivilisierten Beziehungen erregten Unmut unter den Bambergern, die über die überstürzte Flucht ihres Bischofs ohnehin bereits wütend waren. Den meisten Menschen, gleich welchen Glaubens, brachte die Ausbreitung des Krieges Krankheit, Not und Ungewissheit. Die frühere kaiserliche Unnachgiebigkeit hinsichtlich der Restitution wurde bitter bedauert. Maximilian unterstützte nun gemeinsam mit dem Mainzer Erzbischof den unermüdlichen Landgrafen Georg von Darmstadt, der nach wie vor für einen Kompromiss auf Grundlage einer Suspendierung des Edikts warb.358 Von Sachsens Johann Georg wurden die Annäherungsversuche begrüßt, aber angesichts der momentanen Dominanz Schwedens war der Zeitpunkt schlecht gewählt. Weil das Gros der kaiserlichen Armee sich nach Böhmen und Schlesien zurückgezogen hatte und viele der Ligamitglieder anderweitig beschäftigt waren, kam die Liga sich ungeschützt vor. Papst Urban war derart in Sorge, Maximilian könnte Frieden schließen, dass er Ende 1631 kurzzeitig die Zahlung päpstlicher Subsidien an die Liga wiederaufnahm. Die Beträge waren nicht gerade erheblich, und Maximilian suchte nach substanziellerer Unterstützung, wobei er sich als Erstes an Herzog Karl IV. von Lothringen wandte.359 Lothringen Lothringen war formell Teil des Heiligen Römischen Reiches, genoss aber umfassende Autonomie, und seine Herrscher waren tief in französische Angelegenheiten verstrickt. Maximilians Gemahlin, Elisabeth Renate, war Karls Tante, und die Familie hatte während der Hugenottenkriege die militante Heilige Liga geführt. Karl bemühte sich während der 1620er-Jahre wiederholt

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um Anschluss an die Katholische Liga, wurde aber aus Frucht, Frankreich zu verärgern, stets abgewiesen. Es war ein Indiz für Maximilians Verzweiflung, dass er nun um Zusammenarbeit ersuchte. Für die französisch-habsburgischen Beziehungen symbolisierte Lothringen ein Pulverfass, und Karls Aktivitäten brachten diese Mächte dem Krieg unabsichtlich näher. Schuld daran war teils sein eigener Charakter. Obwohl er charmant und großzügig sein konnte, trug sein rastloses Ränkeschmieden ihm den Ruf ein, wankelmütig und unbeständig zu sein. Sein Hof in Nancy wurde ein Zufluchtsort für im Exil lebende RichelieuGegner, darunter die Erz-Intrigantin Madame de Chevreuse. Nach dem „Tag der Betrogenen“ wuchsen ihre Reihen an durch keinen Geringeren als den Bruder des Königs, Gaston de Bourbon.360 Seine Anwesenheit erregte die Aufmerksamkeit der Spanier, da man ihn, als königlichen Bruder, für einen geeigneteren Verbündeten hielt als die hugenottischen Rebellen, mit denen Olivares 1625 kurz geliebäugelt hatte. Lothringen blieb in enger Verbindung mit den Exilierten, auch nachdem Gaston zu seiner Mutter gestoßen war, die im Juni 1631 nach Brüssel geflohen war. Das Pläneschmieden ging weiter, bis die Hauptverschwörer 1641 besiegt wurden. Die Details variieren, aber im Grunde strebte Gaston eine größere Rolle in Frankreich an. Er ärgerte sich darüber, dass sein Bruder ihn nicht heiraten lassen wollte, eine List, die offensichtlich verhindern sollte, dass er einen potenziellen Thronerben zeugte (Ludwig XIII. war bis 1638 kinderlos). Im Januar 1632 heiratete Gaston heimlich Karls jüngere Schwester, Marguerite von Vaudémont. Der Herzog wollte den Einfluss Frankreichs abschütteln, der aufgrund des Reichsvikariats der französischen Krone über die Grenzbistümer Metz, Toul und Verdun überall in sein Herzogtum einsickerte. Nachdem es bereits gelungen war, auf die letzteren beiden Bischofssitze Verwandte wählen zu lassen, wollte Karl den Einfluss von Metz, dem wichtigsten französischen Stützpunkt in der Region, neutralisieren. Auf seine Aufforderung hin besetzten im Februar 1630 2700 Kaiserliche die Metzer Enklaven Vic und Moyenvic, die zu beiden Seiten der Hauptroute von Frankreich durch die Vogesen ins Elsass lagen. Weil dies just auf dem Höhepunkt der mantuanischen Krise geschah, hielt Richelieu das Ganze für das Werk eines Vorauskommandos einer ausgewachsenen Invasionsstreitmacht und zog daraufhin unmittelbar westlich in der Champagne eine Armee zusammen. In Wirklichkeit hatte Ferdinand nicht die Absicht, weiterzugehen, aber Olivares war bereit, Karl mit Geldmitteln zu versehen, damit er Gaston half, in Frankreich einzufallen. Mit diesem Schachzug, der dazu gedacht war, Frankreich davon abzulenken, den Holländern zu helfen, erhöhte er den Einsatz beträchtlich.361 Gaston begab sich nach Mömpelgard, einer württembergischen Besit-

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zung zwischen dem Elsass, Basel und Lothringen. Er traf im September 1631 ein und hatte bis Mai 1632 2500 Reiter versammelt, während Karl 15 000 Mann zusammenzog. Da er zu ihrem Unterhalt außerstande war und zudem fürchtete, ihre Anwesenheit könnte die noch in der Champagne stehende französische Armee zu einem Einfall veranlassen, überquerte Karl im Oktober 1631 den Rhein, um Tilly beizustehen. Seine Streitmacht wurde durch Fieber dezimiert und versagte ganz und gar dabei, die Schweden von der Eroberung der Unterpfalz abzuhalten. Binnen eines Monats waren die ungefähr 7000 disziplinlosen Überlebenden wieder auf der anderen Rheinseite. Ihre vorübergehende Abwesenheit erlaubte den Franzosen, in Lothringen einzufallen, und Ende Dezember übergab die nun stark dezimierte kaiserliche Garnison Vic und Moyenvic. Ein kurzer Versuch, den französischen Einfluss wieder auszuschalten, wurde im Mai 1632 mit einer zweiten Invasion bestraft, die am 20. Juni zum Vertrag von Liverdun führte. Karl übergab strategisch wichtige Städte und Brücken, wodurch die Franzosen die eroberten Enklaven mit den drei Bistümern verbinden und sich auf diese Weise eine Route ins Elsass sichern konnten. Gaston fiel drei Tage später natürlich genau zum falschen Zeitpunkt mit nur 5000 Mann in sein Heimatland ein. Obwohl der Gouverneur des Languedoc sich ihm anschloss, hatten die Hugenotten und die Granden ihre Lektion gelernt und erhoben sich nicht zu seiner Unterstützung. Gaston entkam, aber die Hinrichtung des bedauernswerten Gouverneurs lieferte einen Sündenbock und erlaubte im Oktober 1634 eine vorübergehende Versöhnung der königlichen Brüder.362 Spanien Der spanische Beistand erwies sich als ebenso problematisch und ineffektiv. Erzherzogin Isabella glaubte, der schwedische Vormarsch würde die Katholische Liga zwingen, ihren Widerstand gegen die Unterstützung Spaniens endlich aufzugeben. Sie bot mehr als 3000 Mann an, um Köln mit einer Garnison zu belegen, aber die Stadt lehnte höflich ab. In der Unterpfalz standen etwa 9000 Spanier, als Gustav Adolf den Rhein erreichte, doch sie befanden sich alle westlich des Flusses. Nur 400 kamen, um Mainz zu verstärken, und bei diesen handelte es sich um verdrossene Deutsche, die, sobald die Stadt kapituliert hatte, in schwedische Dienste traten.363 Maximilian misstraute Spanien nach wie vor und lehnte Isabellas Bedingungen ab. Der Kaiser war nach den Misserfolgen des Ostseeplans und des Mantuanischen Erbfolgekrieges um bessere Beziehungen zu Spanien bemüht gewesen. Erzherzog Ferdinand hatte im Februar 1631 die spanische Infantin Maria Anna geheiratet. Doch erst ein Jahr später versprach der spanische Botschafter 24 000 Mann und monatlich 200 000 Escudos, um die Schweden aufzuhalten. Spanien

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erhöhte die Streitmacht in der Unterpfalz vorübergehend auf 18 000 Mann und lieferte zwischen 1630 und 1633 Subsidien sowie andere indirekte Hilfe im Gesamtwert von 2,59 Millionen Gulden. Der Vertrag vom Februar 1632 wurde allerdings nie ratifiziert, weil Ferdinand das Elsass, Vorderösterreich und Tirol als erbliche Besitztümer seinem jüngeren Bruder, Leopold von Passau, übertrug. Mit diesem Schritt wurden die internationalen Spannungen wegen der österreichischen Erbfolge beigelegt, aber er verstieß gegen den Vertrag von Oñate aus dem Jahr 1617, in dem das Elsass Spanien versprochen worden war. Frankreich Zu Ferdinands Entsetzen trat Maximilian an Frankreich als alternative Hilfsquelle heran. So lästig Lothringen auch war, hatte Richelieu doch nicht vor, Karl mit aller Härte zu bestrafen. Das unerwartete Eintreffen der Schweden am Rhein zwang ihn zum Handeln. Mit seiner Landung in Pommern hatte Gustav Adolf Richelieus Wunsch entsprochen, den Kaiser daran zu hindern, Spanien beizustehen. Sein anschließender Raubzug durch das katholische Deutschland stand auf einem anderen Blatt, veränderte er doch das gesamte Machtgleichgewicht in Mitteleuropa. Richelieu hatte bereits im Oktober 1631 Verhandlungen eröffnet, um seine momentane Verständigung mit Bayern in ein vollwertiges Bündnis umzuwandeln. Am liebsten wäre ihm gewesen, wenn die Katholische Liga sich für neutral erklärt und dadurch einen Puffer zwischen dem Spanisch-Niederländischen Krieg und dem Krieg zwischen Schweden und dem Kaiser errichtet hätte. Andernfalls wollte er Schutzverträge mit einzelnen Fürsten in strategischen Positionen aushandeln. Mit dem französischen Einmarsch in Lothringen im Dezember 1631 ging eine offene Aufforderung an alle katholischen Fürsten einher, gegen Schweden wie gegen Spanien den Schutz Frankreichs in Anspruch zu nehmen. Die Eroberung von Vic und Moyenvic machte dieses Angebot noch attraktiver, weil französische Truppen nun das Elsass erreichen konnten. Der Trierer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern nahm Richelieus Angebot am 23. Dezember an. Als seriöser Kleriker und langjähriges Ligamitglied war er enttäuscht über spanische Übergriffe auf seinen Besitz in den Niederlanden und darüber, dass Spanien ihn jetzt nicht schützte.364 Maximilian zögerte. Er stand unter erheblichem Druck vonseiten Gustav Adolfs, der sich aufgrund des Widerstands ligistischer Einheiten seit März 1631 von seiner Verpflichtung enthoben sah, Bayern als neutral zu behandeln. Der Schwede gab Maximilian zwei Wochen Zeit, seine Eroberung von Kirchenland zu akzeptieren und die ligistischen Truppen auf 12 000 Mann zu verringern – oder er müsse mit einem Einmarsch rechnen.365 Die Verhandlungen wurden erschwert, weil Richelieu durch Gastons Verschwörung abgelenkt war und zudem der Mainzer Kurfürst und Franz von

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Hatzfeldt, der Fürstbischof von Würzburg, in Metz ihre eigenen Gespräche mit den Franzosen eröffneten. Richelieus Unvermögen, bei Gustav Adolf bessere Bedingungen zu erreichen, überzeugte Maximilian, dass Frankreich den schwedischen Löwen nicht zähmen konnte. Auch zögerte er, seine neuen Länder und den neuen Titel durch einen Bruch mit Ferdinand zu gefährden. Im Februar 1632 bemühte sich Maximilian nach Kräften, seine Beziehungen mit Wien zu reparieren, und ließ Einwände gegen Wallensteins Wiedereinsetzung fallen. Als sich abzeichnete, dass Maximilian loyal bleiben würde, bot Ferdinand militärischen Beistand an. Unterdessen versprachen sowohl er als auch Spanien, das Mainzer Territorium für seinen Kurfürsten zurückzugewinnen. Diese Zusicherungen überzeugten die anderen geistlichen Fürsten, das leckende kaiserliche Schiff nicht für das französische Rettungsboot aufzugeben. Wallensteins Rückkehr Angesichts der Tatsache, dass Lothringen, Spanien und Frankreich das katholische Deutschland offenbar nicht zu befreien vermochten, sahen Bayern und die anderen Fürstentümer, dass sie keine andere Wahl hatten, als sich wieder dem Kaiser anzuschließen und weiterzukämpfen. Allen war klar, dass dies nur möglich war, wenn Wallenstein zurückgerufen wurde. Viele kaiserliche Soldaten hatten das Vertrauen in Tilly verloren und dienten äußerst ungern unter ihm. Nach dem Fall von Frankfurt an der Oder im April 1631 eröffnete Ferdinand ernsthafte Gespräche mit seinem früheren General. Die Verhandlungen nahmen im November konkretere Formen an und liefen parallel zu Wallensteins Kontakten mit Arnim und seinen Gesprächen mit Christian IV., die darauf abzielten, dass Dänemark sich dem Kaiser anschloss.366 Am 15. Dezember ernannte Ferdinand Wallenstein auf drei Monate zum „General-Capo“ und verhandelte gerade über eine Verlängerung, als die Lage sich weiter verschlechterte. Sobald Maximilian Zustimmung signalisiert hatte, ließ Ferdinand die Vereinbarung am 13. April 1632 durch seinen Minister Eggenberg in Göllersdorf nördlich von Wien ausfertigen. Die Originalurkunde ist verloren, wahrscheinlich zerstört zusammen mit anderen Papieren, die Ferdinand nach Wallensteins Ermordung hätten belasten können. So sind wir gezwungen, die Bedingungen aus verschiedenen beinahe zeitgenössischen Druckfassungen zu rekonstruieren.367 Zusätzlich zu einem großzügigen Salär und Schutzmaßnahmen für seine Besitztümer sicherte sich Wallenstein die unbeschränkte militärische Gewalt und Generalvollmacht in absolutissima forma. Dies sollte die Reibereien mit Wien beenden, die nach Wallensteins Überzeugung zu seiner Entlassung geführt hatten. Ferdinand stimmte dem zu, weil er glaubte, dass Wallenstein der einzige Mensch sei, der die Situation retten könne. Obwohl zuweilen behauptet wird, der

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Vertrag habe Walleinstein zum Diktator gemacht, blieb er dem Kaiser untergeordnet, ohne dessen Einverständnis kein Vertrag bindend gewesen wäre. Wallenstein konnte nun Werbepatente ausstellen und Obristen ernennen, aber alle höheren Beförderungen blieben von kaiserlicher Bestätigung abhängig. Auch durfte er auf die Ressourcen der habsburgischen Erblande zurückgreifen, was angesichts der Tatsache, dass die Kaiserlichen aus dem Rest Deutschlands vertrieben worden waren, freilich kaum überraschend war. Wallensteins Wiederernennung stärkte zugleich Ferdinands Autorität, der bei dieser Gelegenheit mit der Maximilian 1630 zugestandenen dualen Befehlsstruktur Schluss machte. Tillys Tod am 30. April 1632 beseitigte dann ohnehin jede mögliche Komplikation wegen der Frage, wer der ranghöhere General sei. Maximilian übernahm, beraten von Aldringen, den Oberbefehl über seine eigenen Truppen in Bayern, während Pappenheim endlich das uneingeschränkte Kommando über die verstreuten kaiserlichen und ligistischen Garnisonen in Nordwestdeutschland erhielt. Trotz seiner neuen Vollmachten blieb Wallenstein isoliert. Mit dem Tod seines Schwiegervaters, des Reichsgrafen von Harrach, 1628 hatte er einen wichtigen Fürsprecher in Wien verloren, mit Eggenbergs Rücktritt 1634 folgte ein weiterer. Mehrere seiner früheren Offiziere waren fort, hatten sich entweder der anderen Seite angeschlossen, wie Arnim, oder waren dienstunfähig, wie Conti, der tödlich an Tuberkulose erkrankt war. Er verließ sich sehr auf Gallas und Aldringen, die er beide im Dezember 1631 beförderte. Ansonsten rekrutierte sich sein Mitarbeiterstab aus den vorhandenen Obristen. Zu nennen sind hier vor allem Bönninghausen, ein Angehöriger des westfälischen niederen Adels, der sich in erster Linie durch seine Fähigkeit auszeichnete, Reiterei aufzustellen, und Johann von Götzen, ein Lüneburger Lutheraner, der 1626 von dem Trümmerhaufen des mansfeldschen Heeres überlief und 1633 zum General erhoben wurde. Der Obrist Henrik Holk verließ Dänemark erst im März 1630, war aber schon im Dezember 1632 kaiserlicher Feldmarschall. Alle waren sie fähige und erfahrene Männer. Dennoch ist auffallend, dass Wallenstein jetzt seinen Schwager Trčka von Leipa (Lípa) begünstigte, der in nur drei Jahren vom Obristen zum Feldmarschall aufstieg. Auch Christian Ilow förderte er, einen schmeichlerischen niederen Adligen aus Brandenburg, dessen geschwätzige, reizbare Art er früher verachtet hatte. Nach Holks Tod im September 1633 wurde er sein wichtigster Untergebener. Der relativ zügige Wiederaufbau der kaiserlichen Armee nach dem Dezember 1631 wurde begünstigt durch die Verfügbarkeit von Männern, die seit den Abrüstungen des voraufgegangenen Jahres beschäftigungslos gewesen waren. Hilfreich war auch, dass die Rekruten aus den habsburgischen Landen bereit waren, sich für nur die Hälfte des früheren „Laufgeldes“ zu verpflichten.368 Die

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Regimenter waren im Allgemeinen kleiner als jene der 1620er-Jahre, teils notgedrungen, aber auch als Folge des neuen taktischen Denkens, das Einheiten von 500 bis 1000 Mann bevorzugte anstelle der größeren Terzios. Die Infanterie ließ man nun in sieben bis zehn Reihen oder etwa der Hälfte der früheren Tiefe aufmarschieren, um ihre Feuerkraft zu maximieren, sie besser gegen Artilleriebeschuss zu schützen und die Führung zu verbessern. Sowohl die kaiserlichen als auch die ligistischen Fußtruppen wurden inzwischen darin ausgebildet, Salven abzufeuern, und im Feld wurden sie – genau wie die Schweden – von Regimentsgeschützen begleitet. Kavallerieregimenter sollten nach wie vor 1000 Mann stark sein, blieben aber oft schwächer. In der Schlacht wurden sie zu Schwadronen von 100 bis 400 Mann gruppiert, wobei unerfahrene Reiter eher die größeren Einheiten bildeten, während Veteranen in kleineren Abteilungen aufmarschierten. Schwadronen stellten sich wie die Holländer in vier bis fünf Reihen auf, und damit noch immer eine Reihe tiefer als die Schweden. Für die Leistung auf dem Schlachtfeld blieb Erfahrung der entscheidende Faktor – und wenn die kaiserliche Reiterei bei Lützen (1632) und Hessisch Oldendorf (1634) floh, lag dies daran, dass sie aus Rekruten bestand, und nicht etwa daran, dass ihre Organisation oder Aufstellung der schwedischen unterlegen gewesen wäre.

Auf dem Zenit Der Krieg war jetzt in seine zerstörerischste Phase eingetreten, und beide Seiten führten jeweils etwa 100 000 Mann ins Feld. Der Feldzug von 1632 markierte den Zenit der schwedischen Macht in Deutschland und war der heftigste des ganzen Krieges, da Gustav Adolf bestrebt war, sein Imperium zu festigen. Fünf große Schlachten wurden ausgetragen – bei Bamberg, bei Rain am Lech, bei Steinau, an der Alten Veste und bei Lützen –, dazu kamen zahlreiche kleinere Gefechte. Der Schauplatz dieser Kampfhandlungen lässt die vergrößerte Reichweite des Konflikts erkennen, verweist aber auch auf seinen von der physischen und politischen Geografie des Reiches diktierten zunehmend regionalen Charakter. Die logistischen Schwierigkeiten der Konzentration großer Truppenkontingente an einem Ort gingen damit Hand in Hand, dass Schweden und der Kaiser darauf angewiesen waren, dass deutsche Verbündete die Armeen des jeweiligen Rivalen über das ganze Reich versprengten, womit sie jenes strategische Muster schufen, das mit einigen wichtigen Modifikationen bis 1648 Bestand hatte. Zu diesem Zeitpunkt führten beide Seiten mehrere große Heere gleichzeitig ins Feld, was dazu beitrug, dass häufiger größere Schlachten stattfanden. Da die

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Gesamttruppenstärke nach 1635 abnahm, sank die Zahl der Feldheere, anfangs auf zwei pro Seite und dann bis 1647 auf jeweils eines. Die regionalen Operationen hielten an, weil aufgrund der raschen Ausbreitung der Feindseligkeiten in den Jahren 1631/32 am Ende jeder Kriegsteilnehmer Garnisonen im ganzen Reich unterhielt. Diese Außenposten führten, oft durch ein paar zusätzliche Regimenter ergänzt, ihre eigenen Kämpfe gegen örtliche Rivalen um regionale Vorherrschaft. Sie hielten sich, indem sie in ihrer unmittelbaren Umgebung Kontributionen erhoben, womit sie begünstigten, was Zeitgenossen den „kleinen Krieg“ der Überfälle und Belagerungen zur Beschaffung zusätzlicher Ressourcen und zur Eroberung weiteren Territoriums nannten. Garnisonen boten den Hauptheeren Stützpunkte, sollten diese in der Region operieren müssen. Fußtruppen konnten als vorübergehende Verstärkungen abkommandiert werden, und Artillerie konnte von den großen Festungen abgezogen werden, um anderswo den Bedürfnissen einer Belagerung zu dienen. Später, insbesondere von 1638 an, als die Feldstärke auf beiden Seiten abnahm, konnten aus Garnisonsfußtruppen, neuen Rekruten und allem, was an Regimentern noch verfügbar war, bunt zusammengewürfelte Heere improvisiert werden. Das kaiserliche Bemühen konzentrierte sich in der Hauptsache auf die Verteidigung der erblichen Besitztümer des Kaisers gegen schwedische und (bis 1634) sächsische Angriffe. Abgesehen von einer vorübergehenden Erholung zwischen 1634 und 1638, als das Hauptheer an den Rhein und dann an die Elbe zog, war damit das wichtigste kaiserliche Operationsgebiet bezeichnet. Ob es dem kaiserlichen Oberbefehlshaber möglich war, Hilfe anderswohin zu schicken, oder nicht, hing von der Sicherheit Böhmens und Schlesiens ab, nicht zuletzt, weil diese Länder nun einen Großteil des Geldes zum Unterhalt der Kaiserlichen aufbrachten. Das Hauptheer der Liga wurde auf bayerische Regimenter reduziert, die ihre Heimat verteidigten und, wenn möglich, in Franken und Schwaben eindrangen. Die verbleibenden ligistischen Einheiten wurden in Westfalen zusammengezogen. Einige wurden westlich des Rheins stationiert, um möglichen holländischen Einfällen vorzubeugen, während die Hauptmasse, die Anfang 1632 weniger als 10 000 Mann zählte, auf Stellungen im Osten verteilt wurde und die Kaiserlichen einschloss, die in Wolfenbüttel aushielten. Die Westfalen sahen sich mehr als 50 000 Mann gegenüber, die von Gustav Adolfs niedersächsischen und hessischen Kollaborateuren zur Verfügung gestellt worden waren, deren gegenseitige Rivalität freilich dazu führte, dass sie in sechs Korps mit getrennter Agenda aufgeteilt wurden. Gustav Adolf machte alles noch schlimmer, indem er versuchte, die Operationen per Kurier zu leiten, und 20 000 Soldaten befahl, Mitte des Jahres in Franken zu ihm zu stoßen. Pappenheim führte einen brillanten Feldzug und streute Gerüchte, er rücke mit 10 000

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Mann vor – und nicht mit den 3000, die er von seinen Garnisonen tatsächlich bekommen konnte. Im Januar eilte er nach Osten, befreite die 3500 Mann, die in Magdeburg aushielten, zog die besten Geschütze ein, kippte die anderen in die Elbe, sprengte die Verschanzungen in die Luft und entkam im Nebel nach Wolfenbüttel. Nachdem er die Schweden und Hessen im März bei Höxter überrascht hatte, wiederholte er den Coup, indem er die Stader Garnison evakuierte. Den Sommer verbrachte er dann damit, seine Gegner regelrecht vorzuführen, die es versäumten, sich gegen seine Truppen zu vereinigen.369 Die kaiserlichen Einheiten, die in Südwestdeutschland blieben, gingen an die nun autonome Tiroler Verwaltung in Innsbruck über. Ein paar vereinzelte Garnisonen kämpften gegen die viel größere Armee der von Mainz aus operierenden rheinischen Grafen um die Herrschaft über das Elsass. Der Rest hielt sich an die strategischen Routen rund um den Schwarzwald. Eine starke Garnison bewachte die Rheinbrücke bei Breisach und hielt die schlechter zu verteidigende vorderösterreichische Provinzhauptstadt Freiburg. Andere Militäreinheiten belegten die vier „Waldstädte“ Rheinfelden, Laufenburg, Säckingen und Waldshut, die den Oberrhein zwischen Basel und Bodensee kontrollierten, mit Garnisonen. Dies war der einzige mögliche Weg vom Elsass um die Südspitze des Schwarzwalds herum, wo die Route sich gabelte. Eine Abzweigung führte um die württembergische Enklave Tuttlingen herum in nordöstlicher Richtung zum Oberlauf der Donau und von dort weiter nach Bayern. Diese Route wurde von der herzoglichen Gipfelburg Hohentwiel, die 263 Meter über der umliegenden Ebene auf einem erloschenen Vulkan thronte, überwacht. Die andere Abzweigung verlief in östlicher Richtung durch die Städte Überlingen, Lindau und Radolfzell am Nordufer des Bodensees entlang zur Bregenzer Klause, dem Pass, der Zugang nach Tirol und zum Veltlin gewährte. In dem Gebiet zwischen Bodensee, Donau und bayerischer Grenze wimmelte es von ummauerten Reichsstädten, allen voran Ravensburg, Kempten, Memmingen, Ulm und Augsburg. Der Kaiser war kaum in der Lage, nennenswerte Ressourcen zur Verteidigung dieser Stellungen zu opfern, trotz ihrer strategischen Bedeutung, die mit der französischen Intervention 1635 wuchs. Die Verteidigung blieb größtenteils der lokalen Miliz überlassen, insbesondere in Villingen und der Reichsstadt Rottweil, die die Hintertür von Württemberg durch den Schwarzwald nach Breisach bewachte. Nach dem Tod von Erzherzog Leopold im September 1632 fiel die Zuständigkeit für seine österreichischen und Tiroler Ländereien an seine Witwe, die unbeugsame Claudia de’ Medici, Prinzessin der Toskana, als Regentin für ihren Sohn. Die hochintelligente Fürstin verfolgte ihre eigene militärische und diplomatische Strategie, oft mit wenig Hilfe aus Wien.370 Wie in Westfalen wurde die Verteidigung der Region durch Uneinigkeit unter ihren Gegnern begünstigt.

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Württemberg hätte Neutralität vorgezogen und setzte die Gespräche mit schwäbischen Katholiken und Bayern bis Mai 1632 fort, als schwedischer Druck den Regenten Julius Friedrich zwang, ein Offensivbündnis zu unterzeichnen. Gustav Adolf führte nicht nur die an die Restitution verlorenen Klöster zurück, sondern versprach Württemberg auch das katholische weltliche Fürstentum Fürstenberg als schwedisches Lehen. Julius Friedrich erwartete nicht, zusätzliches Territorium zu behalten, betrachtete vorübergehende territoriale Gewinne aber als Verhandlungsmasse im Austausch gegen den katholischen Verzicht auf Restitution. Wie die Welfen führte auch er seinen eigenen Krieg, meist ohne schwedischen Beistand und nur in lockerem Zusammengehen mit seinem Nachbarn BadenDurlach auf der anderen Seite des Schwarzwalds. Die württembergischen Streitkräfte zählten etwa 6200 Mann, aber es handelte sich größtenteils um Milizsoldaten, die zudem nicht über geeignete Belagerungsartillerie verfügten. Außerdem griffen sie erst ins Geschehen ein, nachdem die anfängliche katholische Panik nachgelassen hatte. Während nach Breitenfeld Städte gefallen waren wie Kegel, lernte die katholische Bevölkerung bald, dass Kapitulation Enteignung, Verfolgung und Erpressung bedeutete. Die daraus resultierende neue Entschlossenheit wurde durch mehrere Vorfälle bewiesen, nachdem der schwedische Feldmarschall Horn den Waffenstillstand mit Bayern gebrochen hatte, indem er am 10. Februar die Stadt Bamberg angriff. Von den regulären Ligatruppen im Stich gelassen, verteidigten sich die Bamberger Bürger und Milizen neun Stunden lang erfolgreich, bis ihnen die Munition ausging und sie kapitulieren mussten. Verstärkt durch ein paar Berufskrieger, konnten Milizen selbst großen Truppenverbänden trotzen. Andererseits kontrollierten die Schweden, obwohl sie die Residenzstadt hielten, niemals den Rest des Hochstifts, weil die beiden kleinen befestigten Städte Kronach und Forchheim den ganzen Krieg über sämtliche Versuche, sie einzunehmen, zurückschlugen. Wenngleich Rottweil im Januar 1633 an Württemberg fiel, blieb Villingen ebenfalls unbezwingbar, und die Tiroler Bauern schlugen im Juli 1632 den Versuch Bernhards von Sachsen-Weimar zurück, die Bregenzer Klause zu erobern. Die Schlachten bei Bamberg und bei Rain am Lech Mit Horns Angriff auf Bamberg ging der Krieg wieder richtig los. Tilly zog Garnisonen aus der Oberpfalz mit hinein, berief 8000 bayerische Milizen ein und rückte von Nördlingen aus mit 22 000 Mann nach Norden vor, um Horn am Abend des 9. März bei Bamberg zu überraschen. Dort standen nur zwei schwedische Regimenter, der Rest der 12 000 Mann waren deutsche Rekruten, die von den böhmischen Exulanten und Gustav Adolfs neuen deutschen Bundesgenossen zusammengezogen

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worden waren. Die Vorhut der Liga schlug Horns Kavallerie-Außenposten südöstlich der Stadt in die Flucht. Die fliehenden Reiter versetzten die Verteidiger hinter ihren unfertigen Verschanzungen in der Vorstadt östlich der Regnitz in Panik. Die Kaiserlichen drangen in das Kloster vom Heiligen Grab ein, wo Schwester Junius sah, „das ein crawadt [Kroate] einen schwedten / auf unsern strichen / bey unsern Camer botten hat nider gemacht … dissen ist der kopf hindten von ein nandter gehieben gewessen / und das ein ohr rab gehangen“.371 Die Verteidiger wurden rasch überwältigt, aber an der Brücke, die Zugang zum Hauptteil der Stadt im Westen gewährte, entwickelte sich ein heftiger Kampf. Nachdem zwei von Horns Infanterieregimentern die Brücke zurückerobert hatten, stellte Tilly zwei schwere Geschütze im Garten eines Wirtshauses auf, um über den Fluss zu feuern. Der erste Schuss verwundete angeblich den Grafen Heinrich Wilhelm von Solms-Sonnenwalde, einen Veteranen der Schlacht am Weißen Berg, tödlich. „Der ander schus so von unsern in die statt geschehen / ist in ein haus gangen und im andtern haus durch zwen wendt in die kugen / da ist ein kind in der wigen gelegen / hat aber die kugel dem kind gar keinen schadten gethon / dan das ein wenig staubes von der wend auff das kind gefallen ist.“ Der Kampf ging weiter bis Mitternacht, als die schwedische Nachhut die Stadt verließ, nachdem der Rest der Armee entkommen war. Horn verlor ein Drittel seines Heeres, größtenteils durch Desertion, und zog sich nach Schweinfurt zurück. Tilly war zu schwach, um seinen Sieg auszunutzen, während Gustav Adolf handeln musste, um den Schwung des Erfolgs aufrechtzuerhalten: Schon zögerte Württemberg wegen Horns Niederlage, seine Allianz zu unterzeichnen. Der König marschierte von Mainz ab, sammelte Horn und andere Einheiten, um in Nürnberg einzuziehen, wo er zwei Wochen später, am 31. März, als der rächende „Löwe aus Mitternacht“ mit Jubel begrüßt wurde. Binnen einer Woche hatte er Donauwörth erobert, wobei der Erfolg durch ein wahlloses Gemetzel an kapitulierenden katholischen Soldaten und gastfreundlichen protestantischen Bürgern getrübt wurde.372 Weitere Verstärkungen bescherten ihm 37 000 Mann und 72 Kanonen – genug, um Bayern anzugreifen. Gustav Adolf stand vor dem Dilemma, mit dem alle Invasoren konfrontiert sind. Die Donau schnitt das Kurfürstentum in zwei Teile, und es gab nur ein paar Brücken – bei Ingolstadt, Kehlheim, der bedeutenden Reichsstadt Regensburg und schließlich weiter östlich bei Straubing und Passau. Er konnte nicht gleichzeitig den Norden und den Süden angreifen, ohne seine Armee zu teilen, und deshalb beschloss er, in die Südhälfte einzufallen, weil dort die reiche Residenzstadt München lag. Dazu musste er den Lech überqueren, der von den oberbayerischen Bergen hinunter zur schwäbischen Grenze floss, um zwischen Donauwörth und Ingolstadt in die Donau zu münden. Die Hauptbrücke bei Augsburg

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wurde noch von 5000 Bayern gehalten, während andere den zweiten Übergang bei Rain sicherten, wo der Lech in die Donau mündete. Tilly und Aldringen hatten 21 000 Mann und 20 Geschütze auf dem festen Untergrund südlich von Rain verschanzt. Der Lech teilte sich in eine Reihe paralleler, schnell fließender Wasserläufe auf, die jeweils 60 bis 80 Meter breit waren. Durch schwere Frühjahrsregenfälle und schmelzenden Schnee von den Bergen waren sie bis zu einer Tiefe von mindestens vier Metern angeschwollen, während der größte Teil des bayerischen Ufers aus halb überschwemmtem Wald und Sumpfland bestand. Die Überquerung dieses Hindernisses sollte eine der größten Leistungen Gustav Adolfs sein. Die einzige gangbare Route lag fünf Kilometer südlich von Rain, wo es eine Insel gab, die durch einen tiefen Flussarm vom westlichen Ufer getrennt war, von der aus man aber zur östlichen Seite übersetzen konnte. Am 14. April nahm Gustav Adolf auf dem offenen Gelände direkt gegenüber von Tillys Lager Aufstellung und begann mit einem Artilleriebeschuss, der darauf hindeutete, dass er den Fluss hier überqueren würde. Unterdessen rückten andere Truppen in den Wald gegenüber der Insel ein und bauten eine Brücke über den Flussarm. Am nächsten Morgen sammelten sich Musketiere auf der Insel. Verdeckt von einem Rauchvorhang aus brennendem nassem Stroh, vermischt mit Schießpulver, ruderten 334 Finnen, beflügelt vom Versprechen eines Extrasolds für fünf Monate, hinüber zum bayerischen Ufer. Anschließend wurden vorgefertigte Brückenteile zu Wasser gebracht und befestigt, sodass der Rest des Heeres, gedeckt vom Feuer zusätzlicher Batterien, die in dem Wald am westlichen Ufer und auf der Insel verborgen waren, mit der Überquerung beginnen konnte. Sobald Tilly davon erfuhr, entsandte er Truppen, und südlich des ligistischen Lagerplatzes entspann sich ein heftiger Kampf. Allerdings hatten, ohne dass Tilly es wusste, 2000 schwedische Elitereiter den Lech zwei Kilometer weiter südlich durchquert; sie trafen ein, als die Kämpfe um vier Uhr nachmittags ihren Höhepunkt erreichten. Aldringen wurde durch eine kleine Kanonenkugel, die ihn streifte, vorübergehend geblendet, während eine zwei- bis dreipfündige Kugel Tillys rechten Oberschenkel zerschmetterte, woraufhin er das Bewusstsein verlor und zwei Wochen später starb. Das Kommando fiel dem persönlich tapferen, aber unerfahrenen bayerischen Kurfürsten zu, der einen Rückzug befahl. Beide Seiten hatten etwa 2000 Mann verloren; der Rückzug führte dazu, dass weitere 1000 bayerische und kaiserliche Soldaten gefangen genommen wurden. Die Niederlage demoralisierte die Augsburger Garnison, die zehn Tage später unter Gewährung kriegerischer Ehren abrückte.373 Maximilian verstärkte die Ingolstädter und die Regensburger Garnison und zog sich über die Donau nach Norden zurück. Gustav Adolf verlor am 3. Mai bei

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dem vergeblichen Versuch, Ingolstadt zu stürmen, fast so viele Männer wie am Lech. Weiter bis nach Österreich hinein vorstoßen konnte er nicht, solange Maximilian an seiner Flanke lauerte. Also verwüstete er die südliche Hälfte des Kurfürstentums, um Maximilian auf diese Weise zu zwingen, Frieden zu schließen. Am 17. Mai zog Gustav Adolf in Begleitung von Friedrich V. in München ein, wo er zehn Tage blieb, um 119 Kanonen auszugraben, die auf Maximilians Befehl vergraben worden waren, und alles mitzunehmen, was die Bayern nicht hatten in die Berge schaffen können. Sein Besuch einer katholischen Messe überzeugte niemanden von seiner Toleranz. Katholische Bauern führten gegen die Eindringlinge einen erbitterten Guerillakrieg, der auf Schwaben übergriff und sich gegen Raub und Plünderei der Schweden richtete.374 Maximilian blieb trotzig. Gustav Adolf hielt sich in der Nähe Augsburgs auf, bis er Württemberg und die anderen Schwaben so weit eingeschüchtert hatte, dass sie sich ihm anschlossen, und marschierte dann nordwärts durch Donauwörth, um Wallensteins neuer Armee entgegenzutreten. Die Schlachten bei Steinau und an der Alten Veste Wallenstein hatte die kaiserliche Armee wieder auf etwa 65 000 Mann gebracht. Ende April rückte er mit fast der Hälfte dieser Zahl von Znaim (Znojmo) aus in Böhmen ein. Der sächsische Widerstand brach zusammen. Die Sachsen und die böhmischen Exulanten hatten die Böhmen durch ihre Plünderei gründlich gegen sich aufgebracht, sodass selbst die Protestanten froh waren, sie Mitte Juni wieder die Berge überqueren zu sehen. Wallenstein entschied sich gegen einen Einfall in Sachsen. Er ließ Truppen zum Schutz Böhmens und Schlesiens zurück und marschierte nach Westen, um am 1. Juli bei Eger zu Maximilian zu stoßen. Beide Männer bemühten sich offensichtlich, miteinander auszukommen. Maximilian achtete darauf, Wallenstein als Herzog von Mecklenburg anzusprechen, und lieh ihm 300 000 Gulden für Vorräte. Gustav Adolf hatte Johann Georg allein kämpfen lassen. Er wusste, dass der Kurfürst noch mit Wallenstein verhandelte, und fürchtete, er könne abtrünnig werden. Er machte sich auf nach Norden und verschanzte sich am 16. Juni gerade bei Nürnberg, als er erfuhr, dass kaiserliche Abteilungen bereits unterwegs waren, um ihn abzufangen. Es wäre sicherer gewesen, wenn er Richtung Nordwesten nach Würzburg marschiert wäre, um seinen anderen Armeen in Niedersachsen und im Rheinland näher zu sein, aber Gustav Adolf konnte es sich nicht leisten, eine bedeutende protestantische Stadt wie Nürnberg zu verlieren. 6000 Bauern wurden zwangsverpflichtet, um einen gewaltigen Graben rings um die Stadt auszuheben und 300 aus dem Zeughaus der Stadt ausgeliehene Kanonen in Stellung zu bringen. Die Reiterei wurde draußen gelassen, um die Verbindungen

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aufrechtzuerhalten, während Gustav Adolf darauf wartete, dass seine anderen Armeen zu ihm stießen. Nachdem er am 17. Juli eingetroffen war, beschloss Wallenstein, nicht Tillys Fehler bei Werben zu wiederholen und die Schweden lieber auszuhungern, statt ihre Verschanzungen anzugreifen. Er errichtete sein eigenes Lager westlich der Stadt bei Zirndorf. Es hatte einen Umfang von 16 Kilometern, und bei seiner Errichtung wurden 13 000 Bäume gefällt und umgerechnet 21 000 Lkw-Ladungen Erde bewegt.375 Kaiserliche Garnisonen in Fürth, Forchheim und anderen Städten beherrschten die Zufahrtsstraßen nach Nürnberg, während Reiterei in den ländlichen Gegenden patrouillierte. Gustav Adolf saß in der Falle. Er verfügte über 18 000 Soldaten, stand aber vor unüberwindlichen Versorgungsproblemen, da zu den 40 000 Einwohnern noch 100 000 Flüchtlinge gestoßen waren. Die Kaiserlichen brannten sämtliche Mühlen außerhalb der schwedischen Verschanzungen nieder, und die Verteidiger lebten bald von halben Rationen. In Wallensteins Lager war die Situation anfangs viel besser, weil Nachschub bis aus dem fernen Böhmen und Österreich eintraf. Doch mit dem wärmeren Wetter im August verschlechterten sich die Dinge. Die Konzentration von 55 000 Soldaten und etwa 50 000 Personen aus dem Tross des Heeres produzierte mindestens vier Tonnen menschlicher Ausscheidungen täglich, dazu kamen die Exkremente der 45 000 Kavallerie- und Bagage-Pferde. Im Lager wimmelte es von Ratten und Fliegen, die Krankheiten verbreiteten. Wallenstein war ein Opfer seiner eigenen Strategie geworden, und spätestens Mitte August war seine Armee nicht mehr voll einsatzfähig, nachdem die Schweden einen Nachschubkonvoi erbeutet hatten. Zu allem Überfluss gelang es Wallenstein seinerseits nicht, 24 000 Mann Entsatz und 3000 Versorgungswagen abzufangen, die Oxenstierna zu Gustav Adolf losgeschickt hatte. Während die Spannungen in Franken zunahmen, versuchte Johann Georg seine Verhandlungsposition zu verbessern, indem er Arnim in Schlesien einfallen ließ. Die Hagiografie um die Person Gustav Adolfs hat diese Ereignisse überschattet, die erhebliche Truppenkontingente erforderten und sehr viel verraten über Spannungen innerhalb der schwedischen Allianz. Arnim hatte 12 000 Sachsen sowie 3000 Brandenburger und 7000 Schweden zur Verfügung. Die Letzteren standen unter dem Befehl von Jacob Duwall alias MacDougall, einem gebürtigen Schotten, der Schweden seit 1607 diente und zwei deutsche Regimenter aufgestellt hatte, die das Gros seines Korps bildeten. Duwall sollte sicherstellen, dass Arnim loyal blieb.376 Er war ein Mann von beträchtlicher Energie, aber wie so viele Berufsoffiziere war er zum Alkoholiker geworden. Aus Böhmen wurden schnellstens kaiserliche Verstärkungen herangeführt, um die schlesischen Garnisonen unter dem betagten Marradas zu unterstützen, der

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Steinau (1632)

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Geisendorf kaiserliche Reiterei 29. August 1632

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Angriff der Kaiserlichen

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bei Steinau (Ścinawa), einem wichtigen Oderübergang zwischen Glogau (Głogów) und Breslau (Wrocław), 20 000 Mann zusammenzog. Er verschanzte sich auf dem Galgenberg südöstlich von Steinau, zwischen dem Ort und dem Fluss, und postierte Reiterei auf dem Sandberg westlich der Stadt, die den Anmarsch beobachten sollte. Musketiere besetzten den Vorort Geisendorf im Westen und einen nahe gelegenen Friedhof. Am 29. August gegen Mittag traf die Vorausabteilung unter dem Heißsporn Duwall ein und griff sofort die kaiserliche Reiterei an. Nach einem zweistündigen Scharmützel zogen sich die Kaiserlichen in das sumpfige Kaltenbachtal südlich von Steinau zurück. Sächsische Artillerie hatte jetzt den Sandberg erreicht und zwang die Reiterei, sich weiter in Marradas’ Lager zurückzuziehen, wodurch die Musketiere entblößt wurden. Duwalls jüngerer Bruder führte 1000 schwedische und brandenburgische Musketiere an, die den Vorort und den Friedhof stürmten. Die Kaiserlichen setzten die Stadt in Brand, um weiteren Angriffen vorzubeugen, und zerstörten sie praktisch. Duwall wollte nachstoßen, aber Arnim weigerte sich. Die beiden redeten kaum miteinander, und Duwall war überzeugt. dass Arnim nach wie vor mit dem Feind auf dem Galgenberg verhandelte. Statt am nächsten Tag das Lager anzugreifen, marschierte Arnim nach Süden zu dem weiter stromaufwärts gelegenen Dieban (Dziewin), wo er eine Brücke baute, weil er vorhatte, den Fluss zu überqueren und Marradas von der anderen Seite aus abzuschneiden. Marradas griff Dieban verspätet an, wurde aber am 4. September zurückgeschlagen und zog sich zurück, nachdem er eine kleine Abteilung an der Steinauer Brücke zurückgelassen hatte, um die Verfolgung zu verzögern. Die Verluste der Verbündeten waren gering. Die Kaiserlichen dagegen verloren 6000 Mann, wobei die meisten davon entweder gefangen genommen worden waren oder während des ersten Gefechts geflohen waren. Diese hohen Verluste sind ein Indiz für den fortgesetzten schlechten Zustand von Teilen der kaiserlichen Armee – der sich vor allem dann bemerkbar machte, wenn sie unentschlossen geführt wurde. Arnim drängte weiter und nahm Breslau und Schweidnitz ein, wo er die Rekatholisierungsmaßnahmen rückgängig machte. Die Kaiserlichen wurden in die Berge getrieben. Arnim hatte Schlesien mit weniger Truppen und mit weniger Aussicht auf Erfolg erobert als Friedrich II. von Preußen bei seinem gefeierten Einfall im Jahr 1740. Wallenstein beschloss, Sachsen zu bestrafen, und befahl Holk, mit 10 000 Mann aus Forchheim ins Vogtland einzufallen, das die Südwestspitze von Johann Georgs Territorium bildete. Als Holk mit dem systematischen Plündern begann, um den Kurfürsten einzuschüchtern, stieg der Druck auf Gustav Adolf, aus Nürnberg auszubrechen. Die von Oxenstierna entsandten Verstärkungen trafen am 27. August ein; mit ihnen verfügte Gustav Adolf über die größte Ar-

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mee, die er je befehligt hatte: 28 000 Fußsoldaten, 17 000 Reiter und 175 Feldgeschütze. Krankheiten und Holks Kommando hatten Wallensteins Streitmacht auf 31 000 Mann Infanterie und 12 000 Mann Reiterei verkleinert. Dennoch sprach nichts für Gustav Adolf, vor allem in Anbetracht des Umstands, dass Wallenstein sich auf erhöhtem Gelände oberhalb der Rednitz, mehr als sechs Kilometer von Gustav Adolfs Lager entfernt, verschanzt hatte. Der Fluss verhinderte Angriffe aus dem Osten, während die offeneren Seiten im Süden und Westen am weitesten von Gustav Adolf entfernt und für ihn schwer erreichbar waren, wollte er seine Flanke nicht entblößen. Damit blieb nur der Norden, der von ligistischen Einheiten unter Aldringen gehalten wurde. Es war die stärkste, höchste Seite. Die Verschanzungen waren durch Baumverhaue gesichert, dem Äquivalent des 17. Jahrhunderts für die Stacheldrahtverhaue des Ersten Weltkriegs: Bäume wurden gefällt und so behauen, dass lauter zugespitzte Äste auf den Feind zeigten. Die Burgruine, die der Stellung den Namen gab, die Alte Veste, bot zusätzlichen Rückhalt. Überraschung war unmöglich. Gustav Adolfs Absichten waren klar, sobald er Fürth eingenommen hatte, um in der Nacht vom 1. auf den 2. September die Rednitz zu überqueren. Einiges spricht dafür, dass Gustav Adolf nur angriff, weil er Wallenstein auf dem Rückzug wähnte, aber möglicherweise wurde diese Version auch verbreitet, um das Debakel zu entschuldigen.377 Der König wollte Wallenstein mit Artilleriefeuer vom östlichen Ufer der Rednitz aus festnageln, während er und Wilhelm von Weimar Aldringen angriffen und Bernhard von Sachsen-Weimar den Flügel umging, um gegen die schwächere westliche Seite vorzugehen. Dem die Operation eröffnenden Beschuss gelang es jedoch nicht, die kaiserliche Artillerie zum Schweigen zu bringen. Gustav Adolf drängte trotzdem vor und schickte am 3. September in der Frühe seine Fußtruppen den bewaldeten nördlichen Hang hinauf. Nieselregen hatte den Boden bereits rutschig gemacht, und es erwies sich als unmöglich, die Regimentsgeschütze hinaufzuschaffen, als der Regen im Tagesverlauf heftiger wurde. Der Sturmangriff wurde bis in die Nacht hinein mehrmals wiederholt, erreichte indes nur ein paar kaiserliche Vorwerke auf der westlichen Seite. Gustav Adolf gab auf. Gedeckt von seiner Reiterei, zog er sich zurück, nachdem er mindestens 1000 Tote und 1400 Schwerverwundete verloren hatte. General Banérs Verwundungen machten ihn für den Rest des Jahres dienstunfähig. Schlimmer war, dass die allgemeine Demoralisierung 11 000 Männer zur Desertion veranlasste. Insgesamt starben in Gustav Adolfs Lager während der andauernden Pattsituation mindestens 29 000 Menschen, und aufgrund der Verluste an Reittieren saßen am Ende nur noch 4000 seiner Reiter auf einem Pferd.

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Außerstande, länger in Nürnberg zu bleiben, zog Gustav Adolf am 15. September ab. Er wartete eine Woche in Windsheim im Westen, bevor er zu dem Schluss kam, dass Wallenstein keine unmittelbare Bedrohung mehr darstellte, und nach Süden marschierte, um den Winter in Schwaben zu verbringen. Wallenstein hatte weniger als 1000 Mann verloren, aber sein Heer war krank. Auch waren so viele Pferde gestorben, dass 1000 Proviantwagen stehen gelassen wurden, als er am 21. September sein Lager niederbrannte. Er zog nach Norden, überrannte den Rest von Franken und fiel in Thüringen ein, während Gallas durch Nordostböhmen marschierte, um Holks Plünderer zu verstärken, die Druck auf Sachsen ausübten. Die Kaiserlichen besetzten Meißen und schickten Kroaten mit der Botschaft in Richtung Dresden, dass Johann Georg keine Kerzen mehr für seine Bankette benötige, weil jetzt die Kaiserlichen für Licht sorgen würden, indem sie Sachsens Dörfer niederbrannten. Maximilian und Wallenstein gingen Mitte Oktober in Coburg getrennter Wege. Der Kurfürst war einverstanden, dass Pappenheim und das ligistische Feldheer aus Westfalen zu Wallenstein stießen; im Gegenzug würden Aldringen und 14 kaiserliche Regimenter den Auftrag erhalten, die Bayern zu verstärken. Die Vereinbarung erwies sich als unbefriedigend, und die daraus resultierende Bitterkeit offenbarte die fortgesetzten Spannungen zwischen Maximilian und dem Kaiser. Wallenstein beklagte sich, dass Pappenheim nicht schnell genug eintraf, und in der Tat mussten wiederholt Befehle geschickt werden, bevor General Pappenheim endlich seine unabhängige Rolle aufgab und nach Sachsen marschierte.378 Maximilian ärgerte sich darüber, dass Aldringen nach wie vor Wallenstein unterstand, der bereits Ende November einige der Regimenter zurückbeorderte. Maximilian kehrte nach Süden zurück, um Bayern zu schützen, während Wallenstein nordostwärts und nach Sachsen marschierte, wo er befahl, mit dem Plündern aufzuhören, da er nun in dem Kurfürstentum überwintern wollte. Die Schlacht bei Lützen Gustav Adolf erkannte seinen Irrtum: Wallenstein bedrohte nicht nur seinen wichtigsten Verbündeten, sondern gefährdete auch die Verbindungen mit dem Brückenkopf an der Ostsee. Gegen Oxenstiernas Rat eilte er nach Norden, wobei er auf Kosten von 4000 Pferden in 17 Tagen 650 Kilometer zurücklegte. Unterwegs kam er knapp an Maximilian vorbei, der in die entgegengesetzte Richtung marschierte. Die Heere waren nur 25 Kilometer voneinander entfernt, bemerkten einander aber nicht. Die sächsische Hauptarmee war noch bei Arnim in Schlesien. Johann Georg hatte nur 4000 Mann sowie 2000 Lüneburger unter Herzog Georg, der Pappenheim durch Niedersachsen hindurch beschattete. Leipzig ergab sich ein zweites Mal den Kaiserlichen, und

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sein Kommandant wurde von dem wütenden Kurfürsten hingerichtet, der anschließend die Witwe die Kosten des Feldgerichts bezahlen ließ.379 Pappenheim stieß am 7. November zu Wallenstein, während die Sachsen sich nach Torgau zurückzogen und Gustav Adolf sich nach seinem langen Marsch in Erfurt ausruhte. Es war jetzt sehr kalt. Wallenstein zerstreute seine Truppen, um Nahrungsmittel aufzutreiben, und schickte den Obristen Hatzfeldt mit 2500 Mann, um Torgau im Auge zu behalten. Pappenheim war unruhig und wollte nach Westfalen zurückkehren, wo die Schweden, wie er wusste, dabei waren, seine Garnisonen eine nach der anderen anzugreifen. Von Gicht geplagt, fehlte Wallenstein die Energie, zu streiten, und er ließ ihn mit 5800 Mann ziehen. Gallas wurde von der böhmischen Grenze herbeibefohlen, um Pappenheim zu ersetzen, doch bis zu seinem Eintreffen würde es einige Zeit dauern. Gustav Adolf war saaleabwärts nach Süden gezogen und hatte am 10. November Naumburg eingenommen. Er beschloss, eine Schlacht zu erzwingen, in der Hoffnung, ein weiteres Breitenfeld werde seinen durch die Alte Veste lädierten Ruf wiederherstellen. Als er sich den Kaiserlichen näherte, erfuhr er von Bauern, wie schwach Wallenstein war, und drängte vorwärts, um ihn zu erwischen. Doch General Rudolf von Colloredo, der eine Abteilung aus 500 Dragonern und Kroaten befehligte, versperrte ihm am 15. November an dem sumpfigen Flüsschen Rippach östlich von Weißenfels den Weg und hielt ihn vier Stunden auf. Für die Schlacht war es nun zu spät, und Gustav Adolf war gezwungen, für die Nacht zu lagern.380 Auf die Nachricht von Colloredo hin brach Wallenstein seinen Rückzug nach Leipzig ab und machte, noch 20 Kilometer von seinem Ziel entfernt, bei Lützen Halt. Er verfügte lediglich über 8550 Fußsoldaten, 3500 Reiter und 20 schwere Geschütze. Sein rechter Flügel wurde durch den Mühlgraben, einen sumpfigen Wasserlauf, geschützt. Die Straße von Weißenfels nach Leipzig überquerte das Gewässer bei Lützen, einer ummauerten Stadt, die aus 300 Häusern und einem alten Schloss bestand. Wallenstein vermutete richtig, dass Gustav Adolf keinen weiteren Frontalangriff versuchen würde, sondern den Fluss weiter südöstlich überqueren würde, um ihn auf dem Flügel zu umgehen. Entsprechend marschierte er unmittelbar nordöstlich der Stadt parallel zu der Straße auf. Musketiere verbrachten die Nacht mit der Verbreiterung der Gräben zu beiden Seiten der Straße, während Holk den Aufmarsch des Hauptheeres überwachte und Kerzen anzündete, um die Einheiten zu ihrer Stellung zu geleiten. 400 Musketiere wurden in Lützen postiert, um die rechte Flanke zu sichern, und 13 Geschütze wurden auf dem Windmühlenhügel, einer Anhöhe unmittelbar nördlich der Stadt, in Stellung gebracht. Etwa die Hälfte der Reiterei nahm dahinter Aufstellung, der Rest auf dem linken Flügel. Die Fußsoldaten stellten sich dazwischen

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Lützen (1632)

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in zwei Reihen auf, mit weiteren sieben Geschützen zu ihrer Linken und 420 Musketieren, welche die Gräben vor ihnen säumten. Es gab nicht genug Reiterei, um die Lücke vom linken Flügel bis zum Floßgraben zu schließen, der die Straße jenseits von Wallensteins Stellung kreuzte. Isolanis 600 Kroaten wurden als Schutz gegenüber der Lücke postiert, während Tross und Bagage sich im Hintergrund sammelten und Laken als Fahnen schwenkten, um den Eindruck starker Streitkräfte hinter sich zu erwecken. Sie sollten warten, bis der während der Nacht zurückgerufene Pappenheim sie ersetzen würde. Johann Georg weigerte sich, Verstärkungen von Torgau zu entsenden, aber Gustav Adolf verfügte über fast 13 000 Fußsoldaten, 6200 Reiter und 20 schwere Geschütze und blieb daher zuversichtlich. Am 16. November in der Frühe versammelte sich seine Armee in dichtem Nebel etwa 3000 Meter westlich, um der bewegenden Ansprache des Königs zu lauschen. Wie Wallenstein vorhergesagt hatte, schwenkte Gustav Adolf nach Osten über den Mühlgraben und dann nach Norden über den Floßgraben, einen kleinen Kanal für Holzschiffer, um gegen zehn Uhr morgens vor ihm aufzumarschieren. Das Gefecht begann, als sich etwa eine Stunde später der Nebel lichtete und die Schweden einen allgemeinen Vorstoß gegen die kaiserlichen Stellungen unternahmen. Gustav Adolf benutzte seine übliche Aufstellung in zwei Reihen, wobei die Reiterei an den Flanken durch Musketier-Abteilungen verstärkt wurde. Die besten Fußsoldaten standen in der ersten Reihe, während der König den größten Teil der schwedischen und finnischen Reiter auf dem rechten Flügel befehligte und Bernhard von SachsenWeimar die 3000 größtenteils deutschen Reiter zur Linken anführte. Die Kroaten stoben bald auseinander, was die Täuscheinheiten veranlasste, die Flucht zu ergreifen. Nichtsdestotrotz wurde Gustav Adolf durch die in dem Graben versteckten Musketiere aufgehalten. Oft kolportierte Berichte, wonach Wallenstein den Tag in eine Sänfte verfrachtet zugebracht habe, sind Produkte schwedischer Propaganda. Trotz seiner Gichtschmerzen bestieg er sein Pferd, um einen energischen Abwehrkampf zu leiten. Lützen wurde in Brand gesteckt, um die Schweden davon abzuhalten, die Stadt zu betreten und seine Flanke aufzurollen. Der Wind blies seinen Feinden den Rauch ins Gesicht, und wie bei Breitenfeld war es binnen Kurzem unmöglich zu erkennen, was auf dem Schlachtfeld vor sich ging. Bernhards Männer konnten weder Lützen noch den Windmühlenhügel einnehmen. Eine echte Chance bot sich auf der anderen Flanke, wo Gustav Adolf mehr Raum hatte, um das Ende der kaiserlichen Linie zu umgehen. Wallenstein verlegte Reiterei von seinem rechten Flügel, um den Vorstoß des Königs aufzuhalten. Pappenheim traf am frühen Nachmittag mit 2300 Reitern ein, nachdem er die Nacht hindurch 35 Kilometer geritten war. Seine Ankunft ermutigte die Kroaten

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kehrtzumachen, und zusammen trieben sie die Schweden über die Straße zurück. Auch die kampferprobten schwedischen Fußtruppen erlitten schwere Verluste und zogen sich zurück, nachdem es ihnen nicht gelungen war, die Kaiserlichen aus ihrer Stellung im Zentrum zu verdrängen. Die Leibwache Wilhelms von Sachsen-Weimar flüchtete, was Panik unter der schwedischen Bagage auslöste, die sich nun gleichfalls davonmachte. Auch mehrere kaiserliche Einheiten hatten sich inzwischen aufgelöst, und beide Armeen verloren den Zusammenhalt. Pappenheim war gleich zu Beginn seines Angriffs von Kugeln schwer verwundet worden und erlag am nächsten Morgen seinen Verletzungen; Wallensteins schriftlicher Befehl, der ihn herbeordert hatte, wurde später blutbefleckt von seinem Leichnam geborgen. Die Schlacht zerfiel in isolierte Angriffe einzelner Einheiten. Gustav Adolf scheint sich verirrt zu haben, als er losritt, um sein versprengtes Fußvolk zu sammeln, und wurde angeschossen, vermutlich von einem kaiserlichen Korporal der Fußtruppen. Sein Gefolge versuchte ihn in Sicherheit zu geleiten, geriet aber in den inmitten des Rauchs auf dem rechten Flügel noch tobenden wirren Nahkampf der Reiterei. Der Schwedenkönig wurde abermals von einer Kugel getroffen, abgefeuert von dem Leutnant Moritz Falkenberg – einem katholischen Verwandten des Verteidigers von Magdeburg –, der daraufhin von dem schwedischen Oberstallmeister erschlagen wurde.381 Dieser Schuss war nicht nur tödlich für den König, sondern verbrannte auch dem Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, der den König als eine Art Freiwilliger begleitete, das Gesicht. Der nun selbst verletzte Herzog konnte den König nicht länger im Sattel halten, und Gustav Adolf stürzte tot zu Boden. Die Schweden verziehen dem Herzog nie, dass er den Leichnam ihres Monarchen liegen ließ, der anschließend von Plünderern durchbohrt und entkleidet wurde. Gerüchte über den Tod des Königs trugen zu der wachsenden Mutlosigkeit in den schwedischen Reihen bei. Knyphausen, der das Fußvolk befehligte, behauptete beharrlich, Gustav Adolf sei nur verwundet, und der königliche Feldprediger, Jakob Fabricius, ließ zur Hebung der Moral Psalmen absingen. Von dem Geschehen nichts ahnend, setzte Bernhard seine fruchtlosen Angriffe auf Lützen fort. Gegen drei Uhr nachmittags flauten die Kämpfe ab. Knyphausen riet zum Rückzug, aber Bernhard, inzwischen über die Situation im Bilde, drängte auf einen weiteren Angriff, bei dem schließlich der Windmühlenhügel erobert wurde. Zwei Stunden später, nach Einbruch der Dunkelheit, hörte das Schießen auf. Eine Stunde danach trafen Pappenheims 3000 Fußsoldaten ein. Wallenstein war erschöpft und entsetzt über den Verlust von mindestens 3000 Toten und Verwundeten, darunter viele ranghohe Offiziere. Er beschloss abzuziehen und gab seine Artillerie sowie weitere 1160 Verwundete auf, die in Leipzig zurückgelas-

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sen wurden, während er sich nach Böhmen aufmachte. Die Schweden verloren 6000 Mann und standen eben im Begriff, sich gleichfalls zurückzuziehen, als ein Gefangener verriet, dass die Kaiserlichen bereits weg waren. Das Missverhältnis der Verluste, verschärft durch den Umstand, dass sich Gustav Adolf unter den schwedischen Toten befand, befeuerte die Kontroverse darüber, wer tatsächlich gewonnen hatte. Die protestantische Propaganda und Gustav Adolfs fester Platz in den Lehrplänen späterer Militärakademien haben dafür gesorgt, dass Lützen meist als „großer schwedischer Sieg“ gefeiert wird.382 Wallenstein hatte freilich weit überlegene Feldherrnkunst bewiesen, wohingegen Gustav Adolf sich auf einen einfallslosen Frontalangriff einer zahlenmäßigen Übermacht verlassen hatte. Die Schweden konnten schlussendlich den Sieg beanspruchen, weil Wallenstein die Nerven verlor und sich zurückzog – nicht zuletzt, weil er bis zum 25. November keine Gewissheit über Gustav Adolfs Tod erlangte. Wahrscheinlich bedauerte Wallenstein diesen Fehler. Derweil ließ er seine Wut an den Einheiten aus, die in der Schlacht geflohen waren, und bestand auf der Hinrichtung von elf Männern. Aber er verteilte auch Zulagen an die Verwundeten und belohnte jene reich, die sich ausgezeichnet hatten, wie etwa Holk und Piccolomini. Die wahre Bedeutung von Lützen lag im Tod Gustav Adolfs. Die Schweden setzten den Kampf fort und halfen den Sachsen, die noch verbliebenen Kaiserlichen bis Januar aus dem Kurfürstentum zu vertreiben. Aber ihre Absichten hatten sich geändert: Oxenstierna war bestrebt, obschon mit geringem Erfolg, sein Land unter den bestmöglichen Bedingungen aus dem Konflikt herauszulösen.

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ie schwedische Regierung stellte den Tod des Königs als nationalen Notfall dar und forderte die Bevölkerung auf, die Reihen fest zu schließen und den Krieg doch noch zu einem guten Ende zu bringen. Propagandamaterial, das für ein auswärtiges Publikum gedacht war, schilderte Gustav Adolf als Märtyrer für die protestantische Sache. Sein Andenken sollte lebendig erhalten werden, um die Deutschen an die in ihrem Namen erbrachten Opfer Schwedens zu erinnern. Frieden wurde nicht in Betracht gezogen, weil die Regierung fürchtete, Verhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt würden als Zeichen von Schwäche gedeutet – hätten sie doch den Eindruck vermittelt, dass die schwedische Macht allein auf dem König beruhte.383 Gustav Adolf hinterließ eine sechsjährige Tochter, Christina, und eine Verfassung, die eine Herrschaft ohne König nicht vorsah. Seine Witwe, Maria Eleonora, war nicht in der Lage, die Macht auszuüben. Verzweifelt über die schlechte Nachricht schloss sie sich und ihre Tochter in einem Zimmer ein und verhängte die Fenster. Als der einbalsamierte Leichnam ihres Gatten schließlich im August 1633 in Nyköping eintraf, befahl sie, der Sarg solle offen bleiben, damit sie ihn jeden Tag besuchen könne. Zehn Monate später schaffte es Oxenstierna, die Leiche in der Riddarholmskyrkan in Stockholm beisetzen zu lassen, aber er musste Wachen postieren, nachdem sie versucht hatte, ihn wieder auszugraben. Die Trauer lässt auf psychische Labilität schließen, mag indes auch ein Versuch gewesen sein, ihren zwangsläufigen Verlust an Einfluss aufzuschieben. Die Kontrolle über Christina stellte Maria Eleonoras einziges Kapital dar. Am Ende befreite Oxenstierna Christina aus der düsteren Wohnung ihrer Mutter, indem er die Königin 1636 auf die Insel Gripsholm verbannte. Vier Jahre später floh sie verkleidet nach Dänemark und verbrachte sieben elende Jahre in Brandenburg, bevor ihre Tochter einwilligte, sie wieder zu sehen.384 Das politische Vakuum wurde von zehn hohen Würdenträgern – bestehend aus Inhabern der obersten Reichsämter und Mitgliedern des Staatsrats – ausgefüllt, welche die Verantwortung für die Regentschaft übernahmen, bis Christina 1644 für volljährig erklärt wurde. Der Riksdag ratifizierte diese Anordnungen Anfang 1633, und im darauffolgenden Jahr wurden sie durch die von Oxenstierna entworfene und von den Ständen beschlossene „Regierungsform von 1634“ bestätigt. Obgleich die zumeist aristokratischen Regenten nicht rückhaltlos hin-

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ter Oxenstierna standen, respektierten ihn alle als unverzichtbar, und im Januar 1633 wurde er als Schwedens Reichskanzler und Gesandter in Deutschland bestätigt. Er erhielt umfassende Vollmachten, aber „wo der König einfach befohlen hätte, musste der Kanzler zu überreden und zu überzeugen suchen“.385 Er blieb der Mann vor Ort, der Politik in erster Linie auf eigene Initiative betrieb, da Briefe aus Stockholm einen Monat oder länger brauchten, bis sie ihn erreichten. Er unterhielt herzliche Beziehungen zu der frühreifen Christina, die anfangs Ehrfurcht vor ihm hatte, sich aber recht schnell über seine Bevormundung ärgerte. Nach Erreichen der Volljährigkeit wusste sie sich durchaus zu behaupten, wobei sie insbesondere jene Räte unterstützte, die eher geneigt waren, im Interesse des Friedens Zugeständnisse zu machen. Doch die schwedische Politik war inzwischen fest gefügt, und es gab wenig, was sie hätte tun können, um daran etwas zu ändern, und wenig Hinweise, dass sie es wirklich wollte. Aufgrund ihrer frankophilen kulturellen Sympathien und ihres Interesses am Katholizismus tendierte sie ohnehin zu Schwedens Hauptverbündetem. Als bedenklicher erwiesen sich ihre schlechte Gesundheit und ihr Widerwille gegen eine Heirat, weil damit die Frage der Thronfolge offenblieb und polnische Hoffnungen auf Rückgewinnung der schwedischen Krone genährt wurden. Wer soll das Kommando führen? Während die Heimatfront sich als relativ unproblematisch erwies, sah sich Oxenstierna in Deutschland weit größeren Schwierigkeiten gegenüber. Dort genoss die Wahrung der Loyalität der Armee höchste Priorität. Dank des Prestiges, das den Siegen Gustav Adolfs anhaftete, blieb der schwedische Dienst attraktiv, und auch nach seinem Tod traten weiterhin hervorragend qualifizierte Offiziere in die schwedische Armee ein. Jedoch gab es nur wenige in Schweden gebürtige Generäle, deren Erfahrung und Ruf ausreichten, um ihnen Respekt in der Armee zu verschaffen. Oxenstierna wusste, dass er nicht selbst die Führung übernehmen konnte, da seine Fähigkeiten als Stratege weit hinter seinem staatsmännischen Geschick zurückblieben und ihm das persönliche Charisma fehlte, um auf dem Schlachtfeld Autorität auszustrahlen. Seine bevorzugte Wahl war sein Schwiegersohn, Gustav Horn, seit 1625 selber Staatsrat. Horn war allerdings ein zurückhaltender Befehlshaber und vermochte sich gegenüber den anderen Generälen nicht durchzusetzen. Johan Banér, ein energischerer Charakter, musste sich noch bewähren und trat erst ganz in den Vordergrund, als Horn 1634 gefangen genommen wurde. Gustav Adolfs aufsteigender Stern, der Artilleriegeneral Lennart Torstensson, war in der Schlacht an der Alten Veste in Gefangenschaft geraten. Obwohl er 1633 im Zuge eines Gefangenenaustauschs freigelassen wurde, war seine Gesundheit durch die schlechten Haftbedingungen in Ingolstadt ruiniert, bis 1635 war er außer Gefecht.

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Doch selbst wenn ein geeigneter Schwede verfügbar gewesen wäre, hätte Oxenstierna ihn den deutschen Generälen schwerlich aufzwingen können. Niemals war daran gedacht, den Oberbefehl Johann Georg von Sachsen zu übertragen, dem Oxenstierna misstraute und den er als „unbedeutenden Säufer“386 verachtete. Wilhelm von Sachsen-Weimar war als Gustav Adolfs offizieller stellvertretender Oberkommandierender formell der Nächste in der Reihe, aber er hatte das Heer nach der Schlacht an der Alten Veste unter Vorschützung schlechter Gesundheit verlassen, um seine Enttäuschung darüber zu verbergen, dass man ihm keine eroberten Ländereien übertragen hatte. Nachdem er sich von der Spitzenposition solcherart praktisch selbst ausgeschlossen hatte, versuchte er mit der Aufstellung eines eigenen Heeres als Schwedens Statthalter von Erfurt Einfluss zurückzugewinnen. Er wurde jedoch bereits von seinem ehrgeizigen jüngeren Bruder Bernhard in den Schatten gestellt, der Oxenstiernas Hauptproblem wurde. Das Bild des Herzogs von Sachsen-Weimar ist von den deutschen Historikern des 19. Jahrhunderts beschönigt worden, die ihn als nationale protestantische Alternative sowohl zum Kaiser als auch zu den Schweden darstellten.387 Die Tapferkeit und Begeisterung des Herzogs nötigten seinen Männern – auch als „Bernhardiner“ bekannt – Loyalität ab. Er war zu plötzlichen, kühnen Schritten fähig, die seine Gegner verwirrten, aber oftmals in der Beinahe-Katastrophe endeten. Außerdem änderte er häufig seine Meinung und vergeudete Zeit, indem er mit wenig Erfolg in verschiedene Richtungen marschierte. Schon dies machte ihn – lange vor seinem späteren Übertritt auf die Seite Frankreichs im Jahr 1635 – zu einer umstrittenen Figur, aber es war sein politischer Ehrgeiz, der die größten Schwierigkeiten verursachte. Als jüngster der (ursprünglich elf) Weimarer Brüder fügte er sich äußerst ungern seinen älteren Geschwistern. Die Anordnung ihres Vaters aus dem Jahr 1605, die ihnen die Herrschaft gemeinsam übertrug, ließ Bernhard wenig Raum, als vollwertiger Reichsfürst zu handeln. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass Schweden ihn mit seinem eigenen Fürstentum belohnen würde, und er bestand darauf, zum Oberbefehlshaber ernannt zu werden. Oxenstierna wusste nur zu gut um Bernhards Ambitionen und bemühte sich, eine verbindliche Festlegung zu vermeiden. Eine solche würde ihm zwangsläufig die Aufgabe erschweren, den Kaiser und andere Fürsten davon zu überzeugen, Schwedens eigene territoriale Ansprüche zu akzeptieren. Die Situation war heikel, weil die „Eigentümerschaft“ über das Heer unklar war. Deutsche Offiziere hatten mit Patenten Gustav Adolfs Regimenter aufgestellt. Sein Tod weckte Zweifel hinsichtlich ihrer fortgesetzten Verpflichtungen gegenüber Schweden, und man schuldete ihnen erhebliche Soldrückstände. Es bestand die Gefahr, dass Johann Georg die Deutschen überzeugen würde, dass ihre Zukunft darin

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liege, sich im Gegenzug für eine Amnestie und kleine Zugeständnisse Ferdinand anzuschließen. Das Thema wurde von einem Sonderausschuss in Wien diskutiert, der am 28. Januar 1633 Bericht erstattete und die Restitutionspolitik verurteilte. Trauttmansdorff, Stralendorff und Wallenstein drängten alle auf Frieden, aber Ferdinand hatte die Lektionen der zwei vorangegangenen Jahre nicht gelernt und begriff die Erholung der militärischen Lage als Chance, seine harte Linie wiederaufzunehmen. Nichtsdestotrotz erlaubte der Tod seines schwedischen Rivalen es Christian IV. von Dänemark, sich erneut als Vermittler anzubieten, und er schickte Emissäre nach Sachsen und zu Wallenstein. Solcherart einerseits ermutigt, fürchtete Johann Georg andererseits schwedische Vergeltungsmaßnahmen und hielt sich daher diskret hinter dem Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt, der seinen Vorschlag einer vorübergehenden Aufhebung des Restitutionsedikts zügig vorantrieb. Sachsen führte im März 1633 kurz direkte Gespräche mit kaiserlichen Bevollmächtigten in Leitmeritz, konnte Brandenburg aber nicht überzeugen, sich von Schweden abzuwenden.388 Ferdinand gab nach und ermächtigte Trauttmansdorff im Juli, eine Aufhebung des Edikts und eine Änderung des „Normaljahres“ auf 1612 anzubieten, wodurch die protestantischen Administratoren geschützt wären. Dänemark könne Bremen und Verden zurückbekommen, nur Magdeburg und Halberstadt sollten dem jüngeren Sohn des Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm, vorbehalten bleiben. Oxenstierna handelte prompt, um die Gefahr zu neutralisieren. Er lehnte Bernhards Forderung ab, für einen entscheidenden Schlag gegen den Kaiser sämtliche Heere unter seinem Oberbefehl zu vereinigen. Stattdessen erhielt Bernhard das Kommando in Schwaben und Franken, und Horn, der vom Elsass aus zu Bernhard stoßen sollte, wurde angewiesen, ein Auge auf ihn zu haben. Banér wurde mit der Ehre beschäftigt, Gustav Adolfs Leichnam nach Schweden zurückzubringen. Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg und Landgraf Wilhelm V. ließ man ihre getrennten Kommandos in Niedersachsen beziehungsweise Westfalen. Die besten schwedischen Einheiten wurden abgezogen, um Mecklenburg und Pommern mit Garnisonen zu belegen, obschon Oxenstierna zu diesem Zeitpunkt noch hoffte, Bremen, Verden und Mainz zu bekommen, und auch dort Garnisonen zurückließ. Ein paar von deutschen und böhmischen Exulanten befehligte Regimenter wurden beauftragt, Sachsen und Brandenburg zu helfen und beide daran zu hindern, überzulaufen. Das Kommando in Schlesien wurde Thurn übertragen. Oxenstierna wusste, dass er ein schlechter General war, brauchte jedoch eine prominente Figur als Gegengewicht zu Arnim. Der tatsächliche Oberbefehl wurde von Duwall ausgeübt, der sich weigerte, Befehle von Herzog Franz Albrecht entgegenzunehmen, den Johann Georg zum sächsi-

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schen Feldmarschall befördert hatte. Duwalls kleines, größtenteils aus Deutschen bestehendes Kontingent war Oxenstiernas Versicherung für die Oder, sollte Sachsen die Seiten wechseln.389 Der Heilbronner Bund Nachdem er sich die Armee fürs Erste gesichert hatte, kam Oxenstierna dem Versuch Johann Georgs zuvor, Schwedens deutsche Verbündete in einer neutralen Körperschaft zu organisieren, indem er im Januar 1633 das von Gustav Adolf geplante protestantische corpus politicorum vorantrieb. Entscheidend war, dass rasch gehandelt wurde, weil Richelieu erwog, Schweden zugunsten der Unterstützung des leichter kontrollierbaren Sachsen fallen zu lassen.390 Frankreichs finanzielle Zuschüsse waren bereits im Laufe des Jahres 1632 zurückgegangen und hörten nach Gustav Adolfs Tod ganz auf. Richelieu ließ seinen Sondergesandten Manassès de Pas, den Marquis de Feuquières, sondieren, wer der bessere Partner für Frankreich wäre. Im März eröffnete Oxenstierna in der relativ sicheren protestantischen Reichsstadt Heilbronn seinen Konvent, auf dem er starke Unterstützung von den minderen Grafen und Fürsten erhielt, die als Kollaborateure ohnehin gefährdet waren. Johann Georgs Konkurrenzveranstaltung in Dresden war hingegen schlecht besucht. Weil ihm sehr daran lag, dass Frankreich sich nicht zwischen alle Stühle setzte, erneuerte Feuquières am 19. April 1633 den Vertrag von Bärwalde. Dies beinhaltete Frankreichs Einwilligung, weiter Subsidien an Schweden zu zahlen – und eben nicht an das neue Bündnis, das Oxenstierna mit den Vertretern der evangelischen Reichsstände aus dem Kur- und Oberrheinischen, dem Schwäbischen und dem Fränkischen Reichskreis ausgehandelt hatte. Damit konnte Oxenstierna die beherrschende Position in jenem Zusammenschluss behalten, der am 27. April 1633 formell als „Heilbronner Bund“ begründet wurde. Die Deutschen willigten ein weiterzukämpfen, bis Schweden eine „gebührende“ Entschädigung für seine Bemühungen erlangt hatte. Oxenstierna seinerseits versprach, den Kaiser zur Wiederherstellung des Reichs in seinem Vorkriegszustand zu drängen, was nun zur offiziellen Verhandlungsposition des Bundes wurde. Die Bundesgenossen akzeptierten Oxenstierna als ihren Direktor mit einem absoluten Veto in militärischen Angelegenheiten. Ihm sollten zehn Räte zur Seite stehen, von denen drei Schweden waren, die anderen größtenteils altgediente Kollaborateure, wie der Graf von Solms-Hohensolms-Lich, oder andere Enthusiasten, etwa der württembergische Kanzler Jakob Löffler. Die Gründung des Bundes war angesichts der Umstände eine bemerkenswerte Leistung. Allerdings hing seine Effektivität vom fortgesetzten militärischen Erfolg ab, der allein seine Mitglieder dazu bringen konnte, an Bord zu bleiben. Diese versprachen zwar, regelmäßige Kontributionen zum Unterhalt

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von 78 000 Soldaten zu leisten, aber dem Zusammenschluss fehlte es schlicht an Potenzial, um das für eine ordentliche Besoldung der Männer benötigte Geld zu beschaffen. Die Kontributionen der Mitglieder würden bestenfalls 2,5 Millionen Taler im Jahr erbringen, während die tatsächlichen Kosten des Heeres bei 9,8 Millionen lagen. Richelieu war außerdem wenig erfreut über Schwedens autonomes Schalten und Walten und wies Feuquières an, Oxenstiernas Autorität als Direktor zu untergraben. In der Folge unterbreitete der Gesandte das Angebot, die französischen Subsidien auf den Bund umzulenken, wenn dessen Mitglieder Frankreich als Protektor anerkannten. Diese Politik war widersprüchlich. Frankreich brauchte den Bund als Notbehelf, während es die Deutschen in einen breiten konfessionsübergreifenden und neutralen Block zu führen bestrebt war. Aber um sein Ziel zu erreichen, müsste es den Zusammenschluss zerstören. Oxenstierna musste die Nieder- und Obersachsen, einschließlich Sachsens und Brandenburgs, für sich gewinnen, damit sein neuer Bund wirklich effektiv wäre. Tatsächlich wäre es Feuquières auf dem ersten allgemeinen Konvent des Bundes, der von Juli bis September 1633 zusammentrat, beinahe gelungen, Brandenburgs Georg Wilhelm von seinen Vorzügen zu überzeugen. Doch schlussendlich schloss Brandenburg sich erst am 28. Oktober einer französischschwedischen Allianz an und nicht dem Bund, weil dieser zugestimmt hatte, dass Schweden Pommern haben könne. Oxenstierna setzte Darmstadt mit der Androhung eines Einmarschs so sehr unter Druck, dass es Kontributionen zahlte, aber Besuche in Niedersachsen und Berlin trafen allesamt auf den pommerschen Stein des Anstoßes, an dem des Kanzlers „gesamte deutsche Politik zerschellte“.391 Meuterei in den schwedischen Reihen Die sich verschlechternde militärische Lage war dem Gewinn breiterer Unterstützung kaum förderlich. Aldringen hatte die Verwirrung nach Lützen ausgenutzt, um zu Beginn des Jahres 1633 Süddeutschland von schwedischen Garnisonen zu säubern. Horn unternahm mit dem rheinischen Heer vom Elsass aus einen Gegenangriff, während Bernhard mit den Resten des königlichen Heeres seinen Weg durch Thüringen nahm und dort und in Franken Einheiten auflas. Nachdem er bei Donauwörth die Donau überquert hatte, stieß er am 9. April bei Augsburg zu Horn, wodurch eine Gesamtstreitmacht von 42 700 Mann entstand. Sie war den Bayern und den Kaiserlichen in Süddeutschland zahlenmäßig mehr als doppelt überlegen, aber jede Chance, diese Überlegenheit zu nutzen, wurde durch eine Meuterei am 30. April zunichtegemacht – just in dem Moment, als das vereinte Heer die bayerische Grenze überschritt.

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Die Soldaten waren seit 1631 nicht in vollem Umfang bezahlt worden, dazu schuldete man ihnen Zulagen, die nach Breitenfeld und Lützen versprochen worden waren. Die Disziplin verfiel, wie Bernhards ungeordneter Marsch durch Franken und die viertägige Plünderung von Landsberg am Lech demonstrierten, wo 300 Mann der kapitulierenden Garnison niedergemacht wurden, zusammen mit 154 Einwohnern, darunter Kinder. Viele haben den Schluss gezogen, dass die Offiziere die Kontrolle verloren hatten und dass die im Krieg noch folgenden Zerstörungen der Insubordination durch gemeine Soldaten geschuldet waren.392 In Wirklichkeit wurden alle großen Meutereien von höheren Offizieren eingefädelt, welche die Klagen der Soldaten für ihre eigenen Zwecke manipulierten oder deren Groll schürten. Die Meuterei offenbarte, in welchem Ausmaß Schweden seine Politik an deutsche Offiziere verpfändet hatte. Das Gefühl, einem großartigen, siegreichen Führer zu dienen, hatte Unzufriedenheit unterdrückt, solange Gustav Adolf am Leben war. Doch nun waren die Soldaten nicht mehr bereit zu warten, vor allem da die Kunde von dem Heilbronner Bund und den erneuerten französischen Subsidien darauf schließen ließ, dass Schweden die drei Millionen Taler, die es ihnen schuldete, locker zahlen könnte. Dies war nicht der Fall, und Geld allein war auch nicht das Problem: Bernhard nutzte die Pause bei den offiziellen Operationen für seine eigenen Eroberungsversuche und überfiel im Mai mit den aufrührerischen Truppen Eichstätt. Oxenstierna gab auf, als Bernhard in Heilbronn eintraf, um nachdrücklich seine Forderungen zu erheben. Gustav Adolf hatte einzelne Klöster und Kreise schenkungsweise übertragen, sich dabei aber sorgsam die schwedische Oberherrschaft vorbehalten, um sein Imperium zu vergrößern. Der Kanzler gab dieses politische Programm auf und übertrug Territorien massenweise, um die Offiziere zufriedenzustellen. Die Bistümer Eichstätt und Augsburg wurden dem Obristen Brandenstein zusammen mit vier großen Herrschaften und einer Abtei für 800 000 Taler verkauft, ergänzt um das Versprechen einer weiteren Million im Laufe der nächsten zwei Jahre für das noch zu erobernde Bistum Konstanz. Brandenstein war ein Opportunist. Der vormalige sächsische Offizier war zu den Schweden desertiert, obwohl er vom Kaiser zum Grafen gemacht worden war. Weil er nur ein minderer Adliger war, konnte er die genannten Summen unmöglich selbst bezahlen – und durfte sie daher aus Kontributionen aufbringen. Um diese Lizenz zum Plündern zu legitimieren, wurde Brandenstein zum Schatzmeister des Heilbronner Bundes ernannt. Die ganze Regelung war bezeichnend für die Art von Notlösungen, die nun Schwedens Kriegsanstrengungen untergruben, da sie lediglich einem Offizier Vermögenswerte gegen Geld übertrug, das die Armee ohnehin beschafft hätte.393 Klöster

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und Kreise wurden an Obristen und Kriegsräte des Bundes verteilt. Als unehelicher Sohn Gustav Adolfs wurde der Obrist Gustavsson mit der Stadt Osnabrück besonders großzügig belohnt. Die meisten bezweifelten Schwedens langfristige Chancen, diese kürzlich erworbenen Ländereien zu halten, und verkauften ihre neuen Besitztümer zu Schleuderpreisen. Insgesamt wurden in den Jahren 1631–35 250 Schenkungen gemacht, darunter 92 in Schwaben. Der Wert der Schenkungen in Franken allein wurde auf 4,9 Millionen Taler geschätzt. Der bedeutendste Deal von allen war die im Juni 1633 erfolgte und mit dem Titel eines Herzogs von Franken verbundene Übertragung Bambergs und Würzburgs als erbliche Besitztümer auf Bernhard. Er sollte über vier Jahre verteilt 600 000 Taler zahlen, zusätzlich zu den von seinen Territorien als Mitgliedern des Bundes erwarteten Kontributionen. Er hatte allerdings nur wenig Zeit, sich seiner neuen Stellung zu erfreuen. Die Regierung wurde seinem Bruder Ernst übertragen, der gegen wachsenden lokalen Widerstand und die Feindseligkeit der anderen Franken zu kämpfen hatte. Ihr Bruder Wilhelm wurde im August mit dem Eichsfeld entschädigt. Horn hatte im Jahr zuvor bereits das Hauptquartier des Deutschen Ordens in Mergentheim bekommen und war gegen die Meuterei, was die Kluft zwischen ihm und Bernhard vertiefte.

Spannungen am Rhein Bernhard und Horn nahmen die Operationen erst im Juli 1633 wieder auf. Inzwischen hatte sich die politische und militärische Großwetterlage entschieden zuungunsten Schwedens verändert. Um dies zu verstehen, müssen wir uns noch einmal den Ereignissen am Rhein seit Gustav Adolfs Eroberung von Mainz Ende 1631 zuwenden. Aufgrund seiner wachsenden Schwierigkeiten schied Schweden als Konkurrent Frankreichs im Rheinland aus. Richelieu setzte seine durchaus gewagte Strategie fort, dafür zu sorgen, dass Schweden auch nach 1631 in die Angelegenheiten des Reiches verwickelt blieb. Er bewerkstelligte das, indem er heimlich die Holländer unterstützte, den Schutz der deutschen Katholiken ausbaute und Lothringen neutralisierte, alles, ohne spanische Vergeltungsmaßnahmen zu provozieren. Diese Strategie konnte aber nur bis ins Jahr 1634 weiter funktionieren, weil Schweden in Deutschland erfolgreich blieb, während Spanien neuerliche Rückschläge erlitt. Von der Katholischen Liga wurden die Entwicklungen mit tiefem Argwohn betrachtet, zumal das Schicksal Triers sie einmal mehr davon überzeugte, dass es 1632 ein weiser Entschluss gewesen war, den französischen Schutz abzulehnen.

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Das neue Bündnis, das der Trierer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern mit Frankreich schloss, war unpopulär unter seinen Domherren. Diese hatten nämlich vor der Ankunft der Franzosen im April 1632 spanische Truppen in die Stadt Trier und nach Koblenz gelassen. Der Obristleutnant Kaspar Bamberger, Kommandant der Festung Philippsburg (die Sötern in seiner Eigenschaft als Fürstbischof von Speyer gehörte), lief zum Kaiser über und verwehrte Frankreich eine wichtige Brücke, die Zugang auf rechtsrheinisches Gebiet und weiter um das nördliche Ende des Schwarzwalds herum gewährte. D’Effiat und ein angeblich 23 000 Mann starkes französisches Heer rückten im Mai von Lothringen aus vor, um die Spanier aus Trier zu verjagen, und taten sich kurz mit schwedischen Truppen zusammen, um die Festung Ehrenbreitstein zu erobern, die den Übergang bei Koblenz beherrschte. Trier und Koblenz wechselten kurzzeitig wieder den Besitzer, als die Franzosen durch Gastons Aufstand und d’Effiats Tod abgelenkt wurden, aber im August kehrten die Franzosen zurück und sicherten sich beide erneut.394 Diese Besitzwechsel waren bedeutsam, weil sie sowohl französische als auch schwedische Truppen just in dem Moment in unmittelbarer Nähe zu den Spaniern in Stellung brachten, als die Holländer unter Friedrich Heinrich von Oranien Maastricht angriffen. Einmal mehr sah es so aus, als könnten Europas Feindseligkeiten zu einem allgemeinen Krieg verschmelzen. Friedrich Heinrich setzte seine Hoffnungen darauf, einen Aufstand in den Provinzen der südlichen Niederlande auszulösen, die angeblich zunehmend unruhig wurden unter der fortgesetzten Kriegslast. Heinrich Graf von dem Bergh, der Spinola 1628 als Oberbefehlshaber in Flandern abgelöst hatte, war überzeugt, dass der Konflikt nicht gewonnen werden könne, und war 1632 ins neutrale Lüttich geflohen. Während eine holländische Einheit bei Antwerpen ein Täuschungsmanöver durchführte, rückte Friedrich Heinrich mit 30 000 Soldaten maasaufwärts vor, durch Lüttich hindurch, um am 8. Juni 1632 Maastricht, die zweitgrößte Stadt des Bistums, anzugreifen. Der Angriff verletzte die mit Ferdinand von Köln, der auch Bischof von Lüttich war, vereinbarte Neutralität. Doch die Holländer hatten kein Verlangen, sich im Krieg des Reiches zu engagieren. Ihr Angriff wurde vielmehr von strategischen Überlegungen diktiert, da der Besitz von Maastricht helfen würde, die Kommunikationswege zwischen den beiden Hälften der Spanischen Niederlande zu unterbrechen. Die Brüsseler Regierung bat um Hilfe. Trotz der kritischen Situation in Deutschland führte Pappenheim 8000 Mann der westfälischen Armee über den Rhein, um die Stadt als Gegenleistung für dringend benötigte spanische Subsidien zu entsetzen.395 Die Belagerung von Maastricht trieb einen Keil zwischen die beiden großen Konflikte, indem sie die Spanier zwang, sich aus Trier zurückzuziehen und den Großteil ihrer Truppen aus der Unterpfalz zurückzubeordern. Ein gemeinsamer

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Angriff mit Pappenheim am 17. August konnte die holländischen Belagerungslinien nicht durchbrechen. Drei Tage später brachten holländische Ingenieure unter den Mauern Minen zur Explosion, und am 23. August kapitulierten die überlebenden Spanier. Limburg im Südosten ergab sich nach leichtem Widerstand am 5. September. Die noch verbliebenen spanischen Garnisonen weiter östlich am Niederrhein und in Westfalen waren nun von den südlichen Provinzen abgeschnitten. Die Krise nötigte Isabella dazu, den Ständen der Niederlande wieder die Erlaubnis zu ihrer Versammlung zu erteilen. Es sollte ihr letztes Treffen unter spanischer Herrschaft sein. Isabella war ohnehin für Frieden und eröffnete im November Verhandlungen, zu denen auch die Stände ihre eigene Delegation schickten.396 Viele hofften, dass am Ende eine allgemeine Befriedung ganz Nordwesteuropas stehen werde. Richelieu war derart beunruhigt, dass er im Januar 1633 Charnacé entsandte, um die holländische Entschlossenheit zu stärken. Friedrich Heinrich setzte unterdessen seine Operationen fort, um Isabella bessere Bedingungen abzupressen, und startete im April 1633 mit 16 000 Mann eine weitere Offensive an Maas und Niederrhein. Dabei wurden die Proviantvorräte der Maastrichter Garnison ergänzt und die Rheinübergänge bei Rheinberg und Orsoy erobert, wodurch die spanischen Besitztümer auf Jülich selbst, Düren und ein paar andere Städte westlich des Flusses schrumpften. Der Feldzug beendete die Verlegung von Garnisonen, die im Gange war, seit Spanien die meisten seiner deutschen Außenposten im Jahr 1630 aufgegeben hatte (siehe Kapitel 13). Die ligistischen Truppen, die seit 1630 Lingen besetzt hielten, verließen die Stadt jetzt, um den Kontakt mit den anrückenden Holländern zu vermeiden. Die Holländer hatten ihre Standorte in den Herzogtümern Jülich und Berg bereits geräumt und übergaben jene in Mark im April 1632 wieder brandenburgischer Kontrolle, was ihnen erlaubte, ihre Truppen heimatnäher, im Herzogtum Kleve, zu konzentrieren. Die schwedischen Streitkräfte am Mittelrhein waren bis Juni 1632 auf 19 000 Mann angewachsen, aber 8000 wurden im darauffolgenden Monat abberufen, um an der Alten Veste zu Gustav Adolf zu stoßen. Obwohl Horn ins Elsass vordrang und im November die dem Bischof von Straßburg gehörende Festung Benfeld eroberte, fehlten ihm die Männer, um den Rest der Provinz zu unterwerfen. Die Kriege blieben getrennt, weil die Interessen der Kriegführenden voneinander abwichen und sie nicht die Absicht hatten, sich neue Feinde zu machen. Lothringen (1633/34) Die Kunde, dass Spanien ein neues Heer ins Elsass schickte, war im Jahr 1633 für Richelieu der Anlass, mit dem Herzog von Lothringen abzurechnen. Karl IV. war ohnehin dabei, sich den ihm im Juni 1632

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auferlegten Beschränkungen zu entwinden, und hatte seine Armee bis August 1633 wieder auf 9000 Mann aufgestockt. Die neuerliche Stärke verbesserte seine Chancen als potenzielle Schutzmacht für die Rheinländer, und der habsburgische Statthalter im Elsass hatte ihn bereits im Dezember 1632 aufgefordert, Hagenau und Saverne mit Garnisonen zu belegen. Richelieu fädelte einen Bruch zwischen Frankreich und Lothringen ein, indem er verlangte, dass Karl die französische Oberhoheit über sein Herzogtum Bar anerkannte, und erklärte ihn dann im Juli – als der Herzog sich, wie vorauszusehen, weigerte – prompt zum Aufrührer. Anschließend warteten die Franzosen, bis er mit dem größten Teil seiner Armee die Grenze zum Elsass überschritt, um Hagenau zu entsetzen, das durch Christian von Birkenfelds 8000 Mann starke schwedische Rheinarmee belagert wurde.397 Am 11. August überraschte Birkenfeld den Herzog bei Pfaffenhofen und besiegte das lothringische Heer in einer Schlacht, die den Herzog 1500 Mann kostete. Jetzt, wo ein Angriff kein Risiko mehr darstellte, befahl Richelieu drei Tage später dem Marshall La Force, Bar zu besetzen. Verstärkt auf 30 000 Mann, überrannte La Force in der Folge den Großteil Lothringens und eroberte am 25. September Nancy, wo er Karls Gemahlin Nicole als Geisel ergriff. Karl entzog sich französischer Verfolgung, indem er sich mit 1000 Anhängern in die FrancheComté zurückzog. Sein Bruder, Kardinal Nikolaus Franz von Vaudémont, stimmte den französischen Bedingungen anfangs zu, konnte aber als Kammerdiener verkleidet entkommen, während seine Schwester Marguerite sich in Soldatenkluft davonmachte. Dies lieferte Richelieu den Vorwand, den Rest Lothringens zu besetzen, dessen letzte Feste er im August 1634 eroberte. Die Rheinländer beugten sich den neuen Verhältnissen, und bis Januar 1634 erhielten die Franzosen Zutritt zu Mömpelgard, Hagenau, dem Bistum Basel und den elsässischen Besitzungen des Grafen von Hanau.398 Die Schlacht bei Hessisch Oldendorf Schweden entglitt auch die Herrschaft über Nordwestdeutschland, wo seine einheimischen Bundesgenossen sich weigerten, dem Heilbronner Bund beizutreten. Oxenstierna versuchte sie erneut schwedischem Einfluss zu unterwerfen, indem er die von Gustav Adolf versprochenen territorialen Zugeständnisse erweiterte, verstärkte damit jedoch nur die Fragmentierung, weil jeder sich umso stärker auf seine eigenen Eroberungen konzentrierte. Die Hessen unter Melander fielen in Westfalen ein und waren fest entschlossen, Münster einzunehmen, während Herzog Georg und die Lüneburger die noch verbliebenen kaiserlichen Außenposten Corvey, Höxter und Hameln belagerten. Herzog Friedrich Ulrich verweigerte jegliche Zusammenarbeit, in der Hoffnung, dass Verhandlungen mit dem Kaiser eine Rückgabe von

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Wolfenbüttel sicherstellen würden. Die wenigen schwedischen Einheiten unter Knyphausen waren zu klein, um irgendein zentrales Kommando zu schaffen. Die Zersplitterung der schwedischen und verbündeten Streitkräfte ermöglichte es dem regionalen Oberkommandierenden der Liga, Graf Jost Maximilian von Bronckhorst-Gronsfeld, sein Heer um ein paar Einheiten herum wieder aufzubauen, die Pappenheim bei seinem Abmarsch nach Lützen zurückgelassen hatte. Verstärkt wurde er von 4000 Wallonen, die Merode mit Geld geworben hatte, das die flüchtigen katholischen Fürsten in Köln zur Verfügung gestellt hatten. Mit diesen Truppen schlug er Anfang 1633 einen Versuch der schwedischen Rheinarmee zurück, von Mainz aus stromabwärts vorzurücken. Bis Juni hatte er 10 800 Fußsoldaten, 3900 Reiter und 15 Geschütze zusammengezogen und marschierte nach Osten, um Hameln zu entsetzen. In einer seltenen Demonstration von Solidarität legten Melander und Knyphausen einen Gewaltmarsch zurück, um bei Hessisch Oldendorf, 20 Kilometer nordwestlich von Hameln, zu Herzog Georg zu stoßen, wo sie am 7. Juli mit 7000 Mann Fußvolk, 6000 Pferden und 37 Geschützen eintrafen.399 Die Schlacht am nächsten Tag war die größte Kampfhandlung in Westfalen während des gesamten Krieges, und wie Steinau (1632) erlaubt sie wertvolle Einblicke in die relativ flexible Taktik des 17. Jahrhunderts. Die Verbündeten marschierten in der Nacht auf einem nach Nordwesten gehenden 20 Meter hohen Plateau westlich der Stadt auf, wobei der linke Flügel unter Knyphausen bei Oldendorf stand und der rechte unter Melander vor dem Dorf Barksen, wo das Gelände steil zum Weserbergland hin anstieg. Georg befehligte das Fußvolk und die Artillerie im Zentrum, während die gesamte Linie durch einen sumpfigen Wasserlauf geschützt wurde. Dies hinderte Gronsfeld an der Überquerung und machte zugleich seine zahlenmäßige Überlegenheit beim Fußvolk zunichte. Gronsfeld ging etwa 500 Meter entfernt in Stellung, wobei sein linker Flügel unter Geleen durch zwei weitere Bäche und einen bewaldeten Hügelausläufer recht gut gegen den Feind abgeschirmt war. Er verfügte über etwas mehr Infanterie, freilich überwiegend neue Rekruten, während seine Reiterei zahlenmäßig unterlegen war. Er schlug vor, an Ort und Stelle zu bleiben und den Feind festzunageln, während Bönninghausen sich vorbeischmuggeln sollte, um Hameln zu entsetzen, das jetzt nur noch von ein paar Hundert feindlichen Musketieren belagert wurde. Merode und die anderen Offiziere wendeten ein, man würde ihnen Feigheit vorwerfen, und meinten, sie würden eine Gelegenheit verpassen, den Feind mit einem Schlag zu vernichten. Das Gefecht begann um sieben Uhr in der Frühe mit der üblichen Kanonade, während Gruppen von Musketieren um den Besitz des Waldes kämpften. Melanders Regimentsgeschütze und die Reiterei unterstützten die Fußtruppen,

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kleine Abteilungen Kavallerie preschten vor, um eine Entscheidung zuungunsten der Infanterie Geleens herbeizuführen. Im Gegensatz dazu weigerten sich die kaiserlichen und ligistischen Kavallerieoffiziere, ihre Einheiten nach vorne zu führen, und behaupteten, sie würden zwischen den Bäumen in Unordnung geraten. Geleen verlor den Wald und wich zurück. Dadurch entblößte er das Zentrum, das nun sowohl zunehmendem Beschuss an seiner Flanke als auch von vorne dem Feuer der Geschütze Geleens ausgesetzt war. Knyphausen führte unterdessen 900 Reiter über den Bach gegen den rechten Flügel der Kaiserlichen. In der Erwartung, sie von dem Plateau zu vertreiben, griff Gronsfeld an, wurde aber selber zurückgeschlagen, was weiteren Schweden ermöglichte auszuschwärmen. Weitere Angriffe wurden ebenfalls abgeschlagen, und kurz darauf umfasste Knyphausen die kaiserliche Rechte, die zusammenbrach und flüchtete. Etwa um dieselbe Zeit wichen Geleens Reiter zurück und ließen die Fußtruppen im Stich. Sie kämpften tapfer bis zwei Uhr nachmittags, wurden aber umzingelt und niedergemacht. Nur 4200, zumeist Berittene, entkamen, während mindestens 6000 in den letzten Stadien des Kampfes und bei der Verfolgung getötet wurden. Die Verbündeten verloren etwa 300 Mann. Es war einer der vollständigsten Siege des Krieges. Hameln kapitulierte am 18. Juli, im Oktober gefolgt von Osnabrück. Die letztere Stadt blieb bis 1643 der Hauptstützpunkt der Schweden in der Region, weil Oxenstierna sich weigerte, sie Herzog Georg zu übergeben. Im August zog er außerdem fünf von Knyphausens Regimentern nach Franken ab, schwächte damit das gemeinsame Heer und durchkreuzte hessische und Lüneburger Pläne, mehr Land westlich der Weser zu erobern. Entmutigt trat Knyphausen am 26. Februar 1634 von seinem Kommando zurück, womit die noch bestehenden schwedischen Einheiten im Grunde führerlos waren. Die hessische Politik Die schwedische Schwäche verunsicherte die Hessen, die mit ihren Operationen in Westfalen beabsichtigten, die Bistümer zu erobern und dadurch eine Landbrücke zur Republik der Vereinigten Niederlande zu schaffen. Man hatte sich seit Langem um holländische Hilfe bemüht, und Landgraf Wilhelm V. verdoppelte nun seine Anstrengungen, in der Hoffnung, die Republik würde sich als verlässlicherer Partner erweisen als Schweden. Oxenstierna wiederum sah in der hessischen Diplomatie ein probates Mittel, die Holländer zu verleiten, den Heilbronner Bund zu unterstützen. Im August 1633 stieß Melander mit 1000 hessischen und 2600 schwedischen Reitern zu Friedrich Heinrichs Armee. Wie die früheren schwedischen Vorstöße nach Trier und Köln drohte auch diese Aktion die beiden Kriege zu verschmelzen. Doch Friedrich Heinrich war verärgert über die verspätete Ankunft der Hessen und dachte,

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sie seien überhaupt nur gekommen, weil sie Westfalen kahlgefressen hätten. Ende Oktober schickte er sie und die Schweden zurück über den Rhein. Die Hessen wurden von den Holländern zunehmend als Rivalen gehasst, vor allem nachdem sie im Dezember Lippstadt erobert hatten. Hierauf folgten die Einnahme der gesamten Lippelinie und die Besetzung von Garnisonen, welche die Holländer gerade erst Brandenburg zurückgegeben hatten. Über weitere Außenposten kontrollierten die Hessen den größten Teil der Westhälfte des Bistums Münster unmittelbar an der holländischen Grenze.400 Melander betrieb die Verhandlungen über eine holländische Allianz bis ins Jahr 1635 hinein. Einer Einigung kam er 1634 am nächsten, als die Republik ein Subsidium und 3500 Mann Hilfstruppen anbot. Die Holländer beabsichtigten, die Hessen zur Schaffung eines Puffers entlang der holländischen Ostgrenze zu benutzen, um die Republik gegen den deutschen Krieg abzuschirmen. Der Erfolg hing davon ab, ob es den Hessen gelang, die Stadt Münster zu erobern, die noch von den Kaiserlichen gehalten wurde. Dafür waren die Hessen jedoch zu schwach, und die Welfen wollten nicht helfen. Sie zogen es vor, stattdessen Hildesheim und Minden zu belagern, die sie schließlich im Juni bzw. November 1634 einnahmen. Die Feldzüge der Jahre 1633/34 schufen ein regionales Gleichgewicht, das mit kleineren Änderungen bis 1648 Bestand hatte. Die Schweden waren auf Osnabrück beschränkt, bis sie 1645 Bremen und Verden eroberten. Die Welfen hielten Minden und Hoya in Nordostwestfalen sowie Hildesheim und Niedersachsen südlich der Elbe. Die hessischen Eroberungen schnitten die ligistischen und kaiserlichen Positionen in zwei Teile und separierten die verbliebenen Garnisonen im Tal der Ems im Osten des Bistums Münster von den Schlüsselpositionen im Kurfürstentum Köln, in dem zu Kurköln gehörenden Herzogtum Westfalen und in Paderborn. Die Kaiserlichen hatten Niedersachsen fast vollständig verloren; nur Wolfenbüttel blieb als Stützpunkt für den Fall, dass ihr Hauptheer diese Region durchqueren musste, mit einer starken Garnison belegt. Periodische Versuche, das Tal der Lippe zu erobern, erwiesen sich als kontraproduktiv, weil dabei ein Großteil des Gebietes verwüstet wurde. Dass sie es versäumt hatten, die Hessen gewaltsam zu vertreiben, zerstörte die westfälischen Hoffnungen auf Neutralität. Ferdinand von Köln hatte 1633 die Bitte der Erzherzogin Isabella um Beistand gegen Friedrich Heinrich bewusst abgelehnt, um die Holländer nicht zu verstimmen. Die Stände seines Herzogtums Westfalen und verschiedene andere sehr kleine katholische Territorien schlossen in diesem August ein Abkommen mit den benachbarten calvinistischen Grafschaften, um die Neutralität eines Großteils der Region südlich der Lippe zu wahren. Unterdessen animierte der teilweise holländische Rückzug im

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Jahr 1632 Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Jülich und Berg für neutral zu erklären. Zu demselben Zweck erneuerten die Stände dieser beiden Herzogtümer ihr Bündnis mit ihren Kollegen in Kleve und Mark. Diese verheißungsvollen Entwicklungen wurden durch das Scheitern der holländisch-belgischen Gespräche im Anschluss an den Tod Isabellas am 1. Dezember 1633 vereitelt. Olivares hatte ihren Bemühungen seit Langem misstraut, und sein Interimsstatthalter, der Marqués de Aytona, löste die südliche Ständeversammlung auf und half, ihre Unterhändler wegen angeblicher Verbindungen zu dem Grafen Bergh festzunehmen. Die holländische Politik bewegte sich in eine ähnliche Richtung, da Friedrich Heinrich sich hinter die gomaristische Kriegspartei stellte. Obwohl Richelieu sich weigerte, ein offenes Bündnis zu unterzeichnen, willigte er am 15. April 1634 ein, die der Republik seit 1630 gezahlte Beihilfe von einer Million auf 2,3 Millionen Livre zu erhöhen, wenn die Holländer die Gespräche einstellten. Entmutigt sah Ferdinand von Köln keine andere Möglichkeit, als die Bemühungen zur gewaltsamen Vertreibung der Hessen zu erneuern. Die Hessen ihrerseits verschanzten sich, weil sie sich darüber klar waren, dass die eroberten Gebiete nicht nur ihre Armee unterhielten, sondern auch Druckmittel bei Verhandlungen waren, sollten fremde Truppen in ihre Heimat einfallen. Beide Seiten waren knapp an Männern und Geld und betrachteten die Territorien Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg als das einzige noch verbliebene ungeschützte Ziel. Der Herzog, der sich der Gefahr bewusst war, verstärkte seine Armee auf (auf dem Papier) 7365 Mann – um 52 Burgen und Städte zu verteidigen. Freilich regte diese Maßnahme den Appetit Ferdinands und der Hessen nur an, die hofften, seine Soldaten ihren eigenen Streitkräften eingliedern zu können. Ferdinand schickte Bönninghausen, um Berg zu überfallen, während die Hessen im November 1633 Elberfeld eroberten, die Pfalz-Neuburger Garnison entwaffneten und die Männer demütigten, indem sie sie zwangen, sich zu entkleiden, und ihnen Fetzen ihrer Fahne als Kleidung gaben. Der Kaiser billigte unterdessen die Weigerung der Stände, die Soldaten des Herzogs zu bezahlen, in der Hoffnung, sie würden ihr Geld stattdessen ihm zufließen lassen. Unbesoldet und demoralisiert, desertierten die Pfalz-Neuburger Soldaten in Scharen, aber der Herzog blieb bei seiner Neutralität.401 Diese Ereignisse sind recht ausführlich behandelt worden, weil sie im Allgemeinen übersehen werden. Sie veranschaulichen die Gefahr, welche das erste Auftauchen der Schweden am Rhein darstellte, weil es die ligistisch-kaiserliche Dominanz zunichtemachte, die seit 1622 vorgeherrscht hatte, und ein Vakuum schuf, das zunehmend von Frankreich ausgefüllt wurde. Frankreich und Spanien steuerten auf Krieg zu, aber Europas Konflikte blieben voneinander getrennt.

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Wie sich gezeigt hat, war die konfessionelle Solidarität zu schwach ausgeprägt, um eine Allianz zwischen holländischen, schwedischen und deutschen Protestanten zu schmieden. Die Letzteren blieben in sich zerstritten, verfolgten ihre eigenen Ziele, ohne große Rücksicht auf Schweden, und schafften es nicht, aus ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit Kapital zu schlagen. Dieses Versagen schürte wiederum die Rivalität und den Unmut über Schwedens angeblich mangelnde Unterstützung und trug 1635 zu der Bereitschaft bei, zum Kaiser überzulaufen.

Spanien interveniert Frieden war unmöglich, solange die schwedische Macht in Süd- und Mitteldeutschland ungebrochen blieb. Die Aufgabe, die Schweden zu vertreiben, fiel Wallenstein und einem kaiserlichen Heer zu, das allein in Böhmen und Schlesien 72 000 Mann zählte. Weitere 30 000 Mann waren in Garnisonen im Elsass, in Westfalen, am Bodensee und an der Donau verstreut.402 Wallensteins Strategie stand und fiel damit, ob er Sachsen und Brandenburg dazu bringen konnte, Schweden fallen zu lassen, wodurch der Ostsee-Brückenkopf entblößt und die schwedischen Stützpunkte andernorts abgeschnitten würden. Was genau er beabsichtigte, ist bis heute unklar, aber vermutlich strebte er einen echten Kompromiss an, der eine teilweise Aufhebung des Restitutionsedikts und die Abtretung zumindest eines Teils von Pommern an Schweden umfasste, um Oxenstierna einen ehrenvollen Rückzug zu ermöglichen. Oxenstierna zog die Verhandlung mit Wallenstein den dänischen Vermittlungsbemühungen vor, die völlig inakzeptabel blieben. Wallenstein hielt Ferdinand auf dem Laufenden, berichtete sogar, dass er sich böhmischer Exulanten als Mittelsmänner bediente, und machte einige Mitteilungen zu den Bedingungen, die zur Diskussion standen.403 Viele waren gegen einen Kompromiss, nicht zuletzt Brandenburg, das Pommern verlieren konnte. Wenig deutet auch darauf hin, dass Wallenstein die Forderungen der böhmischen Exulanten unterstützt hätte, da er und seine engsten Verwandten zu den Hauptnutznießern der Landübertragungen gehörten. Dennoch weckten seine Gespräche mit dieser Gruppe in Wien Argwohn, der noch genährt wurde durch seine Angewohnheit, jedem Partner andere Bedingungen zu präsentieren. Ungereimtheiten wurden zunehmend offenkundig, als die verschiedenen Parteien sich berieten und Gerüchte durchsickerten. Beispielsweise fingen die Schweden im Oktober 1633 einen Brief Wallensteins an den Herzog von Lothringen ab, der darauf schließen ließ, dass der Generalissimus vorhatte, sie ganz aus Deutschland auszuschließen.404

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Obwohl er Anfang 1633 ein paar Einheiten entsandte, um Aldringen in Bayern zu verstärken, vertat er die Gelegenheit, die sich durch die Meuterei in den schwedischen Reihen bot. Weil er nicht aus den habsburgischen Erblanden abrückte, mussten diese die finanzielle Hauptlast tragen. Bereits im Januar 1632 hatte er 200 000 Gulden im Voraus verlangt, gefolgt von 100 000 Gulden monatlich. Mindestens 1,3 Millionen erhielt er, um Artillerie und Ausrüstung zu kaufen. Ein Teil der Kosten wurde durch eine zweite Runde von Konfiskationen im Anschluss an die Vertreibung der Sachsen und Exulanten aus Böhmen im Mai 1632 wieder hereingeholt, als von 16 adligen Herren, 126 Rittern und 190 Bürgerlichen Eigentum im Wert von drei Millionen Gulden beschlagnahmt wurde.405 Der unverhoffte Gewinn war bald aufgebraucht, während Wallenstein zugleich erwartete, dass Böhmen und Schlesien seine Truppen das ganze Jahr 1633 hindurch ernährten, beherbergten und kleideten. Seine vornehmeren Kritiker beschwichtigte er, indem er ihre Besitztümer von der Einquartierung ausnahm. Dadurch wurde die Last einfach auf die mittleren und kleineren Grundherren verlagert, deren Bauern in dieser Situation oft die Flucht ergriffen. Die Landwirtschaft kam zum Erliegen, was einen Teufelskreis mit weiteren Forderungen nach Kontributionen in Gang setzte, um die hungrigen Truppen zu ernähren. Statt abzumarschieren schickte Wallenstein im April Emissäre zu Arnim und Thurn. Der Zeitpunkt war günstig, da die Bildung des Heilbronner Bundes in Sachsen Bestürzung auslöste. Ohne die anderen Protestanten fühlte sich Johann Georg indes zu schwach, um von Schweden abzufallen. Arnim drängte den Kurfürsten, die Armee zu vergrößern, um einen unabhängigeren Kurs verfolgen zu können, aber es war kein Geld da. Er misstraute Wallenstein weiterhin, dessen Truppen den seinen zwei zu eins überlegen waren. Gerüchte über die stattgefundenen Gespräche beunruhigten Oxenstierna dennoch, und er befahl Banér, in Pommern zu bleiben, um, falls nötig, den Oberbefehl über die sächsischen Truppen zu übernehmen. Zuverlässige Offiziere wurden nach Schlesien geschickt, um sicherzustellen, dass das kleine brandenburgische Korps dort unter schwedischem, nicht sächsischem Kommando diente. Wallenstein marschierte Mitte Mai mit 25 000 Mann und 28 neuen (aus eingeschmolzenen Prager Kirchenglocken gegossenen) Kanonen los, um sich mit Gallas zu vereinen, der eine ähnliche Truppenstärke in Oberschlesien stehen hatte. Der zahlenmäßig stark unterlegene Arnim zog sich Richtung Norden nach Langenöls in der Nähe von Schweidnitz (Świdnica) zurück. Die beiden Heere näherten sich auf Kanonenschussweite, aber Wallenstein bot am 7. Juni 1633 einen Waffenstillstand an, der für weitere Gespräche um zwei Wochen verlängert wurde. Am 2. Juli erklärte Wallenstein den Waffenstillstand für beendet

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und versuchte zwei Tage später, die 1800 Mann starke Garnison der Verbündeten in Schweidnitz zu überraschen. Er wurde allerdings zurückgeschlagen und zog sich nach Wilkau zurück, während Arnim sich in der Nähe bei Bunzelwitz praktisch auf demselben Gelände verschanzte, das 1761 von Friedrich dem Großen besetzt wurde. Am 11. August beorderte Wallenstein Holk mit 10 000 Soldaten aus Eger herbei. Sie sollten in das Meißner- und Vogtland einfallen, um Druck auf den sächsischen Kurfürsten auszuüben. Nach zwei Wochen zog Holk sich zurück und nahm auf Befehl Wallensteins abermals Gespräche mit Arnim auf, der damals zu Besuch bei Johann Georg weilte. Die beiden Generäle trafen sich gerade zum Abendessen, als Holk plötzlich erkrankte. Er fürchtete, vergiftet worden zu sein, wurde aber anderweitig beruhigt und fuhr in seiner Kutsche davon, um sich mit seinen Untergebenen zu beraten. Inzwischen war klar, dass er die Pest hatte, und sie weigerten sich, ihn zu sehen. Er starb allein am Straßenrand, nachdem sein Kutscher einen Priester holen gegangen war. Wallensteins Verhalten befremdete inzwischen die Spanier, die seine Wiedereinsetzung anfangs begrüßt hatten. Über Quiroga und eine Reihe von Sondergesandten, die von Mai 1632 an Subsidien brachten, die sich bis Ende 1633 auf insgesamt eine Million Gulden beliefen, nahm Olivares inoffiziell Kontakt mit dem Generalissimus auf. Spaniens Absichten waren klar. Das Geld sollte den deutschen Krieg zu einem raschen Abschluss bringen, damit Wallenstein die Holländer angreifen konnte. Als Ausgleich für den Verlust Mecklenburgs bot man ihm den Titel eines Herzogs von Westfriesland an, das erst noch von der Republik der Vereinigten Niederlande zurückerobert werden musste. Er lehnte den Köder ab. Für ihn hatten die Probleme Spaniens nichts mit denen im Heiligen Römischen Reich zu tun.406 Feria wird entsendet Die Gespräche zogen sich bis in den Januar 1634, aber Olivares hatte sich schon seit dem vorangegangenen Februar um einen Alternativplan bemüht und war zu einer umfassenden Intervention im Reich entschlossen, um die sich verschlechternde Situation am Rhein zu wenden. Die Entscheidung stellte einen bedeutsamen Kurswechsel dar und erwuchs aus dem Versuch, mehrere, einander teilweise widersprechende Ziele in Einklang zu bringen. Eines lautete, die bisherige Politik der Stärkung des Kaisers fortzusetzen, nun aber auf anderem Wege als durch Wallenstein. Diego de Saavedra Fajardo wurde nach München geschickt, um Pläne zur Wahl Erzherzog Ferdinands zum Römischen König wiederzubeleben, die 1630 ad acta gelegt worden waren. Dies führte zu nichts und erschwerte es Spanien, Unterstützung für Olivares’ Plan zu gewinnen, durch Entsendung von zusätzlichen Truppen über die seit 1632 blockierte Spanische Straße die Flandernarmee zu verstärken.

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Im Mai 1633 erhielt Feria, der Gouverneur von Mailand, Instruktionen, ein Heer zusammenzuziehen, um die Alpen zu überqueren und die Straße wieder zu öffnen. Dieser Feldzug würde noch ein weiteres Ziel erfüllen, nämlich den jüngeren Bruder Philipps IV., Fernando, zu eskortieren, der die damals kränkelnde Isabella als Statthalterin in den Spanischen Niederlanden ablösen sollte. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl potenzieller Rekruten in der gesamten spanischen Monarchie zurückging, bezahlten Olivares’ Agenten die Tiroler Regierung, damit sie 6000 Deutsche anwarb, während weitere 4500 Burgunder in der Franche-Comté aufgeboten wurden. Sobald Feria zu ihnen stieß, müsste er 4000 Reiter und 20 000 Fußsoldaten zur Verfügung gehabt haben. Dieser mächtige „Ejército de Alsacia“ würde den Franzosen entgegentreten und im gesamten Rheinland die spanische Macht wiederherstellen.407 Weil Fernando erkrankt war, brach Feria an der Spitze von 11 000 Spaniern und Italienern im August 1633 ohne ihn auf und unternahm die erste Durchquerung des Veltlin seit zehn Jahren.408 Richelieu hatte Vorkehrungen getroffen, um genau einen solchen Schritt zu verhindern, und dem Rätischen Freistaat seit 1631 den Unterhalt einer kleinen Streitmacht unter dem ehemaligen Anführer der Hugenotten, Henri de Rohan, finanziert. Doch der Kardinal erwies sich als klüger, als für ihn gut war. Weil er Rohan der Verschwörung mit den protestantischen Schweizern verdächtigte, hatte er Ende 1632 befohlen, alle von Frankreich finanzierten Regimenter bis auf eines wieder aufzulösen. Auf die Kunde von Ferias Kommen erfolgte nun die hastige Anweisung an Rohan, sich wieder zu sammeln, aber es war zu spät, und die spanische Vorausabteilung stand bereits im Tal. Ferias Anmarsch veränderte die Situation in Deutschland. Bernhard und Horn hatten im Juli die Operationen gegen Bayern erneut aufgenommen, während Wallenstein in Schlesien unerklärlicherweise untätig blieb. Ferdinand ersuchte Philipp IV. formell, Feria nach Deutschland umzuleiten, sobald er die Alpen überschritten habe. Der Kaiser war inzwischen ernsthaft in Sorge über Wallensteins Untätigkeit, die er für Rückschläge anderswo verantwortlich machte. Hofkriegsratspräsident Schlick wurde entsandt, um herauszufinden, was Wallenstein trieb und warum er sich Ferias Marsch so hartnäckig widersetzte. Als Schlick am 22. August in Schlesien eintraf, stellte er fest, dass Wallenstein soeben einen weiteren vierwöchigen Waffenstillstand vereinbart hatte, der schließlich bis Oktober verlängert wurde. Nun brach Ferdinand die Göllersdorfer Vereinbarung mit Wallenstein, die jenem den alleinigen Oberbefehl über das kaiserliche Heer übertragen hatte, indem er am 18. September Aldringens kaiserliche Abteilung in Bayern direkt dem Kommando Maximilians unterstellte. Dies veranlasste den Kurfürsten, der spanischen Intervention zuzustimmen,

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und die Einigung wurde bestätigt, als Spanien Bayern für ein Jahr eine kleine Beihilfe gewährte.409 Die Belagerung von Konstanz Ferias Anmarsch veranlasste Bernhard und Horn, ihre Truppen zu trennen. Ersterer setzte die Operationen gegen Aldringen und die Bayern unter Werth fort, wurde aber besiegt und musste die meisten der früheren territorialen Gewinne, darunter auch Eichstätt, wieder aufgeben. Horn brach unterdessen am 18. August Richtung Süden auf, in der Absicht, Konstanz zu erobern und den Zugang von den Tiroler Pässen nach Südwestdeutschland zu versperren. Die (damals österreichische) Stadt Konstanz lag auf einer Landzunge am südlichen Ufer des Bodensees und war nur erreichbar, indem man den Oberrhein ein Stückchen weiter flussabwärts überquerte und dann durch Schweizer Territorium marschierte, um von Süden her anzugreifen. Einzelne Schweizer hatten sich den Schweden angeschlossen, aber die protestantischen Kantone hatten Annäherungsversuche in Sachen Allianz stets zurückgewiesen, weil sie wussten, dass dies die Eidgenossenschaft spalten würde. Gustav Adolfs imperiale Ambitionen widersprachen ihren republikanischen Idealen, dazu kam die Verärgerung über seine feindselige Haltung gegenüber ihrem calvinistischen Glauben. Horn ging das Risiko einer Verletzung der Schweizer Neutralität dennoch ein und hoffte, dass die Eroberung von Konstanz die protestantischen Kantone dazu bringen würde, sich ihm anzuschließen und die Alpenpässe für immer zu sperren. Er ließ Fußtruppen und Kanonier-Barken zurück, um die Stadt vom Nordufer aus zu beobachten, überquerte am 7. September bei Stein den Rhein und traf am nächsten Tag vor Ort ein, um Konstanz zu beschießen. Er verfügte über etwa 10 000 Mann und hätte eindringen können, wenn er sofort angegriffen hätte, weil die Stadt sich auf die Schweizer Neutralität verlassen hatte und ihre Befestigungen nur zum See hin ausgerichtet waren. Es gab lediglich 1200 Verteidiger, von denen die Hälfte Milizionäre waren. Der Bischof und die Geistlichen flohen per Boot nach Lindau auf der anderen Seeseite, aber der örtliche Kommandeur zeigte größere Entschlossenheit. Lücken in den Befestigungen auf der südlichen Seite der Stadt wurden rasch mit Erde verstopft, während Fußtruppen und Milizen übergesetzt wurden, um die Garnison auf mehr als 3000 Mann zu verstärken. Obwohl Bernhard und andere im Anmarsch waren, um ihrerseits Horn zu verstärken, wurde die Lage kritisch, als die Nachricht eintraf, dass Feria die Berge überwunden hatte. Frankreich bot Vermittlung an. Die Franzosen hofften, Horns Ziel zu erreichen, wenn sie die Stadt dazu brächten, Neutralität mit einer Schweizer Garnison zu akzeptieren. Einige Bürger waren bereit dazu, aber die Behörden lehnten ab. Von den Schweizern verschloss nur Zürich die Augen vor

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Horns Anwesenheit, die nach Ansicht der anderen ihre Neutralität gefährdete. Aus Verzweiflung startete Horn eine Reihe verlustreicher Angriffe auf die Stadt, derweil Feria sich am 29. September bei Ravensburg mit 9200 Mann Aldringen und weiteren 12 000 Mann anschloss und gegen Überlingen am Nordwestende des Sees vorstieß, um die Schweden in der Schweiz einzuschließen. Horn zog am 2. Oktober ab, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Stadt in einem abschließenden Sturmangriff zu nehmen, und entkam gerade noch rechtzeitig. Die Franzosen behaupteten, er sei aus Höflichkeit gegen die Schweizer abgezogen, aber davon war niemand überzeugt. Der Vorfall schwächte den Einfluss der militanten Protestanten innerhalb der Eidgenossenschaft und veranlasste die katholischen Kantone, das Transitabkommen mit Spanien aus dem Jahr 1587 zu erneuern, das 1626 abgelaufen war. Im März 1634 bezog die Eidgenossenschaft auch die spanische Franche-Comté in ihre Neutralität ein.410 Die Katastrophe Der unerwartete und plötzliche Zusammenbruch Lothringens nach dem französischen Einfall in jenem September hatte die Situation am Rhein verändert, als Aldringen und Feria eintrafen. Angesichts der starken Armee von La Force auf der anderen Seite der Vogesen war es jetzt gefährlich, durch das Elsass zu marschieren. Horn hatte bereits den Rhein überschritten und stieß zu Birkenfeld im nördlichen Elsass, wodurch Feria und Aldringen im Süden eingeschnürt wurden. Derweil machte Bernhard mit 12 000 Mann kehrt, überraschte Werths kleine bayerische Abteilung und eroberte am 14. November nach nur zehntägiger Belagerung Regensburg. Der Verlust einer so glanzvollen Reichsstadt war ein schwerer Schlag für den Kaiser, während er Bernhard ermöglichte, vormals unberührte Gebiete in Ostbayern zu verheeren. Aldringen war gezwungen, seine Reiterei zurück nach Bayern zu schicken, um Maximilian zu helfen, wodurch das vereinte Heer am Rhein weiter geschwächt wurde. Angesichts des nahenden Winters und erschöpfter Vorräte überschritten Feria und Aldringen, von Horn bedrängt, abermals den Rhein. Die durch die Pest geschwächten habsburgischen Truppen waren jetzt in Auflösung begriffen. Maximilian weigerte sich, ihnen Zutritt nach Bayern zu gewähren, und Ferdinand erklärte sich widerstrebend damit einverstanden, dass einige in Niederösterreich überwinterten, während der Rest nach Salzburg weiterzog. Maurus Friesenegger, Subprior des Klosters Andechs, berichtete: „… da war ein Spektakel zu sehen. Mehrere, nur halb volle Kompanien, schwarze und gelbe Gesichter, ausgemergelte Körper, halb bedeckte, oder mit Lumpen umhängte, oder in geraubte Weibskleider einmaskierte Figuren, eben so wie Hunger, und Not aussieht. Beinebens waren aber die Offiziere ansehnliche und prächtig gekleidete Leute.“411 Der Erzbischof von Salzburg verweigerte ebenfalls Unter-

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schlupf, und im Januar 1634 stießen die Überlebenden schließlich in Österreich zu ihren Kameraden. Da war Feria bereits tot. Die schnelle Ausbreitung des Krieges seit 1631 erregte im Verein mit der Pest allenthalben einen Unmut, der ein wichtiger, von der Wissenschaft gleichwohl vernachlässigter Aspekt des Krieges war. Während die bürgerliche Rebellion in Westfalen 1622/23 (siehe Kapitel 10) und der oberösterreichische Aufstand von 1626 (Kapitel 12) politische und religiöse Missstände auf ihre Fahnen schrieben, speisten sich die neuerlichen Unruhen in erster Linie aus Verbitterung über die Soldaten und die Störung des Alltagslebens. Die Bewegung war primär ländlich und unkoordiniert. Bauern überfielen herumstöbernde Trupps und Nachzügler aus dem Hinterhalt oder wehrten sich gegen Überfälle auf ihre Dörfer. Hilfe vonseiten der Behörden erfuhren sie dort, wo das kaiserliche Militär nur wenig präsent war, sodass hier die Schweden zu den Hauptzielscheiben für den Volkszorn wurden. Im Sundgau, einem habsburgischen Besitztum im südlichen Elsass, erhoben sich im Januar 1633 katholische Bauern gegen die Schweden; ihren Genossen in Westfalen schlossen sich örtliche Adlige und Bönninghausens kaiserliche Reiterei an, um die Hessen zu drangsalieren. Bauern in Oberschwaben und Bamberg halfen der offiziellen Miliz bei Überfällen auf schwedische Außenposten, während die Bayern im Sommer 1633 Widerstand gegen den Einfall Horns und Bernhards leisteten. Schwedische Vergeltungsmaßnahmen folgten auf dem Fuße. Allein im Sundgau wurden mindestens 4000 Menschen getötet und zahlreiche Dörfer wurden angezündet, ohne dass die Bauernguerilla jemals vollständig hätte unterdrückt werden können.412 Die Unzufriedenheit enthielt allerdings auch ein starkes Element des Protests gegen die Behörden, hatten diese doch bei der eigentlich ihnen obliegenden Aufgabe, die Ruhe aufrechtzuerhalten, versagt. Der bayerische Unmut richtete sich gegen die marodierenden kaiserlichen Einheiten, die von Aldringen zur Verteidigung des Kurfürstentums zurückgelassen worden waren, als er im September 1633 abmarschierte, um zu Feria zu stoßen. Deshalb konzentrierte er sich auch auf das Gebiet zwischen Isar und Inn, wo diese Einheiten stationiert waren, und reichte nicht weiter westlich Richtung Lech, wo die Schweden operierten. An dem Aufruhr beteiligten sich am Ende mindestens 20 000 Personen, als nämlich die von der Pest befallenen habsburgischen Truppen Ende des Jahres versuchten, die Grenze zum Kurfürstentum zu überschreiten. Bei Ebersberg standen kaiserliche Truppen am 18. Januar einer großen Zusammenrottung gegenüber und griffen an, als sie erkannten, dass die Bauern schlecht bewaffnet waren. Ungefähr 200 wurden getötet, und 100 mutmaßlichen Rädelsführern wurde im Folgenden der Prozess gemacht. Die lokalen Behörden akzeptierten den Einwand der Bauern, sie hätten in Notwehr gehandelt. Selbst Maximilian

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konnte am Ende überzeugt werden, die in der Summe relativ milden Gerichtsurteile zu bestätigen. Einer wurde wegen Aufruhrs enthauptet, fünf wurden wegen Mordes an Soldaten hingerichtet und elf für drei Jahre verbannt, aber der Rest wurde freigelassen.413 In Oberösterreich verschärfte sich nach 1632 die schon seit 1630 vereinzelt bemerkbare Unzufriedenheit. Anders als im Jahr 1626 beschränkte sie sich diesmal auf jene Schichten, die am meisten unter der sozialen Entwurzelung des Krieges litten. Fiskalische Zwänge beendeten die patrimoniale Fürsorge, da die Behörden nicht mehr bereit waren, am Hungertuch nagenden Familien, die ihre Steuern nicht zahlen konnten, Zahlungsaufschub zu gewähren. Dies mag erklären, warum die verzweifelte Volksstimmung sich hier in mystischen, religiösen Kategorien ausdrückte und der Anführer der Bauernbewegung, der protestantische Prädikant Martin Aichinger, genannt Laimbauer, sich auf Visionen von einer besseren Zukunft berief. Er lebte, geschützt von Sympathisanten, auf der Flucht, bis er schließlich in den Ruinen der Frankenberger Kirche von einer zusammengewürfelten Streitmacht aus 1000 Söldnern, lokalen Amtspersonen und bewaffneten katholischen Zivilisten eingeschlossen wurde. Nur 60 seiner 300 Anhänger waren bewaffnete Männer, der Rest bestand aus Frauen und Kindern. Nachdem man ihn, angeblich versteckt unter den Röcken zweier Anhängerinnen, aufgefunden hatte, wurde er zusammen mit sechs anderen, darunter sein vierjähriger Sohn, am 20. Juni 1636 auf dem Linzer Hauptplatz öffentlich enthauptet und gevierteilt.414

Wallenstein: der letzte Akt Dieselbe Seuche, die Holk und Feria hinwegraffte, suchte die Heere in Schlesien heim, wo die Auswirkungen durch Ruhr im kaiserlichen und Hunger im sächsischen Lager verschlimmert wurden. Wallensteins Iststärke fiel um 9000 auf 36 000, während Arnim fast ein Drittel seiner 25 000 Mann verlor.415 Schließlich beendete Wallenstein am 2. Oktober 1633 den Waffenstillstand und schickte Piccolomini mit einer kleinen Abteilung nach Westen durch die Lausitz. Piccolomini streute Gerüchte aus, dass er die Vorhut der Hauptarmee sei, und täuschte damit Arnim, der ihm hinterhermarschierte. Wallenstein folgte, um sich zu vergewissern, dass die Sachsen weg waren, und schickte dann Isolani und sieben kroatische Regimenter, um die Verfolgung fortzusetzen, während er mit 30 000 Mann nordostwärts zur Oder zurückmarschierte. Er hatte vor, Steinau zu erobern, um die 6000 Schweden und Sachsen abzuschneiden, die schlesische Festungen weiter südlich hielten. Thurn und Duwall brachten nur 2400 Fußsolda-

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ten in Marradas’ altem Lager bei der ausgebrannten Stadt auf, während 2300 Reiter in Dörfern östlich des Flusses verstreut waren.416 Thurn ignorierte Warnungen von seinen Außenposten, dass 8000 kaiserliche Reiter unter Schaffgotsch flussabwärts bei Köben übergesetzt hatten. Diese preschten früh am 11. Oktober nach Süden, während Wallenstein und die Infanterie auf den Sandhügel westlich der Stadt vorrückten. Die Schweden behaupteten, die Offiziere, welche die Außenposten befehligten, hätten ihren Reitern absichtlich befohlen, nicht zu feuern, als Schaffgotschs Männer den Fluss überquerten. Auf jeden Fall traten beide Offiziere später in kaiserliche Dienste. Duwall war sternhagelvoll und unfähig, auch nur ein Befehlswort zu äußern. Thurn kapitulierte und schloss alle Garnisonen in seine Kapitulation mit ein, was verständlicherweise den schwedischen Verratsverdacht steigerte. Wallenstein behielt Thurn und Duwall bei sich, als er die Festungen aufforderte, diese Bedingungen anzunehmen. Glogau und Liegnitz willigten ein, aber die anderen weigerten sich. Duwall entkam und organisierte von Breslau aus eine energische Verteidigung, bis er im April 1634, vermutlich an Leberversagen, starb. Georg Wilhelm von Brandenburg verstärkte seine Garnison in Küstrin für den Fall, dass Wallenstein beschloss, oderabwärts vorzurücken. Doch stattdessen marschierten 11 000 Kaiserliche vorbei und eroberten Frankfurt an der Oder und Landsberg an der Warthe, bevor sie nach beiden Seiten ausschwärmten, um große Teile Ostpommerns und Brandenburgs zu überrennen. Oxenstierna schickte verzweifelte Appelle an Bernhard, er solle aus Süddeutschland hermarschieren, um Böhmen von der Oberpfalz aus zu bedrohen. Bernhard gehorchte verspätet, sobald er Regensburg eingenommen hatte. Seine Belagerung der Stadt hatte in München und Wien große Besorgnis ausgelöst und zu der Forderung geführt, Wallenstein solle sich in Marsch setzen und die Stadt entsetzen. Wallenstein war dann auch – unter Zurücklassung einiger Abteilungen, die mit den Resten der verbündeten Truppen in Schlesien aufräumen sollten – bereits auf dem Weg durch Böhmen, als Regensburg fiel. Angesichts der neuen Lage überließ er es seinem aus 2000 Reitern bestehenden Vorauskommando, über die Berge nach Passau weiterzuziehen, machte indes mit der Hauptstreitmacht kehrt und begab sich in der Nähe von Pilsen ins Winterquartier. Die Verschwörung gegen Wallenstein Wallensteins Handeln schien längst nicht mehr von Vernunft geleitet zu sein – die Leute fanden seine Untätigkeit vielmehr unerklärlich. Viele Beobachter schrieben sein Verhalten nun offen einer angeblichen Besessenheit von der Astrologie zu. Gewiss war er fasziniert von diesem Zweig der magischen Künste, den die Zeitgenossen ebenso sehr mit

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der Medizin wie mit der Astronomie in Verbindung brachten. Bekanntermaßen beauftragte er Johannes Kepler 1608 und noch einmal 1625, als er Oberbefehlshaber wurde, mit der Erstellung seines Horoskops. Formell trat Kepler 1628 in seine Dienste, während Wallenstein später andere zu Rate zog, vor allem Giovanni Battista Senno aus Genua, der Keplers Assistent gewesen war. Wallenstein besaß auch ein Astrolabium und ein Amulett, und er hatte Arnim gebeten, Gustav Adolfs Geburtsdatum festzustellen, damit er sein Horoskop lesen könne. Zweifellos war ihm bewusst, dass die Kirche Astrologie als Blasphemie verurteilte, und er achtete, wie bei allen Dingen, sorgsam darauf, seine wahren Gedanken zu verbergen. Sein astrologisches Interesse war allerdings schon 1627 bekannt, als Flugschriften erschienen, die behaupteten, er lasse sich bei seinen Entscheidungen durch die Prophezeiungen von Astrologen leiten. Hierbei handelte es sich um ein von Maximilian bewusst verbreitetes Lügenmärchen. Es war Teil einer Kampagne des bayerischen Kurfürsten, um die Entlassung Wallensteins zu erreichen, und zielte darauf ab, Ferdinands Frömmigkeit anzusprechen. Über diplomatische Berichte verbreitete es sich schnell und hatte bis 1633 weithin an Akzeptanz gewonnen, womit die alte Geschichte jenen in die Hände spielte, die Wallenstein nun abermals absetzen wollten.417 Während bei Wallensteins erster Entlassung äußerer Druck ausschlaggebend gewesen war, erwuchs der Widerstand diesmal aus dem Inneren der Habsburgermonarchie, wo Ferdinand die Untätigkeit seines Oberbefehlshabers mit zunehmendem Argwohn betrachtete. Maximilian bemühte sich diskret, Ferdinands Zweifel zu schüren, verlangte aber erst am 18. Dezember Wallensteins Entlassung und spielte keine direkte Rolle bei den Ereignissen. Lamormaini und die Jesuiten, gewiss keine Freunde des Generalissimus, waren gleichfalls nicht maßgeblich an seiner Absetzung beteiligt. Wesentlicher war spanischer Druck. Obwohl Quiroga Wallenstein bewunderte und nach wie vor positive Berichte schrieb, spürte Oñate sofort den Stimmungsumschwung in Wien, als er im November dort eintraf, nachdem er Ferias Armee begleitet hatte.418 Entscheidend war, dass die gemäßigte Fraktion, die einen Kompromissfrieden in Richtung der Vorschläge Wallensteins befürwortete, ihm nicht mehr zutraute, einen solchen Frieden auch zu erreichen. Die Opposition wurde persönlich, nicht politisch, als Gemäßigte und Militante zusammenrückten und unisono behaupteten, Wallensteins Verhalten untergrabe Autorität und Ansehen des Kaisers. Wallensteins Aversion gegen das Leben am Hof wirkte sich nun negativ für ihn aus. Er hatte seit 1628 nicht mit Ferdinand gesprochen und hatte es 1632 bewusst versäumt, die Unterhandlungen im nahe gelegenen Göllersdorf zu einem Besuch in Wien zu nutzen. Dort gab es jetzt praktisch niemanden mehr, der Partei für ihn ergriffen hätte. Man war allgemein überzeugt, dass er den böhmischen Exulanten ge-

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sagt hatte, Ferdinand sei zu sehr von Pfaffen abhängig, um die für einen Frieden notwendigen Zugeständnisse zu machen, und dass er selbst Bedingungen ausmachen und die Armee benutzen würde, um den Kaiser zur Annahme dieser Bedingungen zu zwingen. Das war gleichbedeutend mit Hochverrat. Nachdem er sich mit Trauttmansdorff und Bischof Anton Wolfradt beraten hatte, schickte Gundaker Liechtenstein Ferdinand am 11. Januar 1634 ein formelles Memorandum, in welchem er empfahl, Wallenstein „des Lebens [zu] privieren“. 419 Wallensteins Entfremdung von der Armee machte den Plan durchführbar. Er hatte den größten Teil des Jahres 1633 in Schlesien verbracht, weit weg von anderen ranghohen Offizieren, die er größtenteils sich selbst überließ. Seine Passivität löste Besorgnis aus. Die Untätigkeit beeinträchtigte Moral und Gesundheit der Armee, während sie den Offizieren keine Gelegenheiten bot, sich auszuzeichnen und aufzusteigen. Weil es ihnen aus Furcht vor seinen berüchtigten Wutanfällen widerstrebte, ihren Vorgesetzten direkt anzusprechen, diskutierten sie die Dinge unter sich, wurden dabei immer konspirativer und korrespondierten spätestens seit August 1633 verschlüsselt miteinander. Als ihr Anführer trat Piccolomini auf. Obwohl er dank Wallensteins Gunst kontinuierlich aufstieg, spürte Piccolomini die wachsende Unzufriedenheit des Kaisers mit dem General und hoffte womöglich, zum neuen kaiserlichen Oberbefehlshaber auserkoren zu werden.420 Einer von Piccolominis Untergebenen, Fabio Diodati, schrieb eine anonyme Abhandlung, die als Bamberger Schrift bekannt ist und den Groll der Armee gegen ihren General zusammenfasste. Ferdinand schickte Trauttmansdorff, um Wallenstein zu treffen, nachdem Schlick im August ohne eine zufriedenstellende Erklärung für sein Verhalten aus Schlesien zurückgekehrt war. Trauttmansdorff traf den Generalissimus dann auch am 28. November in Pilsen, nachdem der seinen Marsch nach Regensburg bereits abgebrochen hatte. Wallenstein wusste um die Kritik und verteidigte sich. Beispielsweise konterte er Ferdinands Wut darüber, dass er Thurn aus der Gefangenschaft entlassen hatte, mit der Behauptung, es sei von größerem Nutzen, den unfähigen Grafen die feindliche Armee befehligen zu lassen, als ihn ins Gefängnis zu stecken. In einem Schreiben an den Kaiser erklärte er, dass er die Gesundheit der Armee nicht in einem Winterfeldzug aufs Spiel setzen wolle, ein Argument, das er Ende Dezember noch einmal wiederholte.421 Diese Briefe besiegelten im Grunde sein Schicksal, lieferten sie doch den Beleg für seinen direkten Ungehorsam gegen kaiserliche Befehle. Er schien sich nicht im Klaren zu sein über die Konsequenzen, zumal es in der Tat gute Gründe dafür gab, nicht nach Bayern weiterzumarschieren, das sich nun mit Aldringens und Ferias Truppen füllte, die sich vom Rhein zurückzogen. Aber weil sie nach Monaten verdächtigen Benehmens eintrafen, schienen seine Weigerungen nun

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zu bestätigen, dass er vorhatte, zum Feind überzulaufen. Er verschlimmerte die Situation, indem er sich der Loyalität seiner Untergebenen zu versichern suchte, seine Obristen nach Pilsen beorderte und mit Rücktritt drohte. Von den Anwesenden unterzeichneten 47 am 12. Januar ein persönliches Treuebekenntnis, den sogenannten ersten Pilsener Revers. Wallenstein wies Schaffgotsch an, die Unterschriften der noch in Schlesien befindlichen Offiziere zu beschaffen, während General Scherffenberg instruiert wurde, dasselbe in Oberösterreich zu tun. Die meisten unterschrieben, weil sie davon ausgingen, dass Wallensteins Rücktritt oder Entlassung einen weiteren Kreditzusammenbruch auslösen würde wie schon im November 1630 – was sie persönlich ruinieren und den Zusammenhalt der Armee zerstören würde. Piccolomini präsentierte derweil am 10. Januar seine eigene vernichtende Kritik an Wallenstein. Sie machte Eindruck in Wien, wo man ihn für den getreuen Untergebenen des Oberbefehlshabers gehalten hatte, zumal die Kunde von dem Pilsener Revers seine Anschuldigungen zu bestätigen schien. Mitte Januar traf sich Ferdinand mit Trauttmansdorff, Bischof Anton und Eggenberg im Palais des Letzteren und stimmte zu, dass Wallenstein ergriffen werden solle, „Lebend oder Tot“422. Die Beteiligung Eggenbergs lässt darauf schließen, dass Wallenstein inzwischen völlig isoliert war. Als Piccolomini am 22. Januar Nachricht von dieser Entscheidung erhielt, hatte er bereits Kontakt mit einer kleinen Gruppe schottischer und irischer Offiziere aufgenommen, die bereit waren, als Attentäter zu fungieren. Walter Butler war Obrist eines deutschen Dragonerregiments, dessen Offiziere überwiegend irische Landsleute waren. Zu ihnen gehörten Major Robert Fitzgerald und die Hauptleute Walter Deveroux, Dennis MacDonnell und Edmond Boorke. John Gordon, ein Schotte, war insoweit eine Ausnahme, als er Calvinist war, während die anderen alle Katholiken waren. Als Obristleutnant in Trčkas Infanterieregiment diente er als Kommandant der Egerer Garnison, unterstützt von seinem Freund, Major Walter Leslie.423 Es ist wahrscheinlich, dass hohe habsburgische Beamte all dies wussten. Angesichts der Tatsache, dass Wallenstein jetzt als „notorischer Reichsrebell“ galt, erübrigte sich ein formelles Gerichtsverfahren ohnehin. Am 24. Januar unterzeichnete Ferdinand ein Patent, das alle Offiziere von ihren Verpflichtungen gegen Wallenstein entband und sie anwies, „unsern lieben getreuen Grafen Matthias Gallas … alle gebührende Respect, Gehorsam und Folge [zu] leisten“424, bis ein neuer Oberbefehlshaber ernannt sei. Ein zweites, strengeres Patent wurde am 18. Februar unterfertigt. Dieses später so genannte Proskriptionspatent beschuldigte Wallenstein geradewegs der Verschwörung und war im Prinzip ein Todesurteil. Es wurde nicht sofort bekannt gemacht, weil alle von der Notwendigkeit der Diskretion überzeugt waren, um eine Spaltung der Armee zu vermei-

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den. Noch war unklar, wie viele Offiziere Wallenstein folgen würden. Zu diesem Zeitpunkt gab es 54 000 Kaiserliche in Böhmen, Schlesien und den östlichen Teilen von Brandenburg und Pommern. Weniger als ein Drittel waren um Pilsen verstreut, während weitere 20 000 unter Aldringen in Österreich, unter Ossa in Tirol und unter Gronsfeld in Westfalen standen. Piccolomini unterzeichnete den Pilsener Revers, um keinen Verdacht zu erregen. Auf Wallensteins Befehl hin kehrte er mit Gallas zu Beratungen nach Pilsen zurück, schaffte es aber, am 15. Februar wieder aufzubrechen. Abschriften von Ferdinands erstem Patent wurden an loyale Offiziere zur sofortigen Bekanntmachung in ihren Einheiten verteilt. Die ober- und niederösterreichischen Stände kamen zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen und einigten sich darauf, zusätzliche Gelder zu bewilligen, um Unzufriedenheit unter den Soldaten vorzubeugen. Nachdem der Wallenstein ergebene Scherffenberg am 17. Februar in Wien verhaftet worden war, überschlugen sich die Ereignisse. Am nächsten Tag ordnete Ferdinand die Verstärkung der Prager Garnison an; Aldringen erhielt Befehl, loyale Truppen zu sammeln, um Wallenstein gefangen zu nehmen. Andere Einheiten wurden in Budweis und in der Oberpfalz zusammengezogen, um seine Flucht zu verhindern. Wallenstein ahnte nichts, bis der Obrist Diodati in der Nacht vom 17. auf den 18. Februar mit seinem Regiment aus Pilsen abrückte. Eine Reihe von Kurieren wurde mit Briefen nach Wien entsandt, welche die Gerüchte gegen ihn widerlegten, während die restlichen Offiziere abermals zusammengerufen wurden, um am 20. Februar eine neuerliche Erklärung, den zweiten Pilsener Revers, zu unterschreiben. Nur 30 willigten diesmal ein und wurden losgeschickt, ihre Einheiten zu sammeln und sich in Prag zu treffen. Von den noch in Pilsen stehenden Regimentern begannen die Soldaten zu desertieren, und Wallenstein erkannte, dass er der Armee nicht mehr trauen konnte. Nachdem er die Nacht mit Packen verbracht hatte, brach er am 22. Februar nach Westen auf und begab sich nach Eger, um von dort aus zu den Sachsen oder den Schweden zu stoßen. Franz Albrecht von Lauenburg fungierte nach wie vor als Mittelsmann für die Geheimgespräche mit Sachsen und wurde vorausgeschickt, um Bernhard auszurichten, er solle Wallenstein in der Oberpfalz treffen. Nichts deutet darauf hin, dass dieser Abfall geplant worden war. Noch am 18. Februar instruierte Johann Georg von Arnim, die Gespräche fortzusetzen und, sollten die Gerüchte stimmen, Wallenstein davon abzubringen, die Seiten zu wechseln. Der zweite Waffenstillstand von August bis Oktober 1633 hatte Oxenstierna von Wallensteins Unaufrichtigkeit überzeugt. Arnim war es nicht gelungen, den schwedischen Kanzler während eines fünfstündigen Treffens am 11. September davon zu überzeugen, dass Wallenstein ernsthaft um Frieden bemüht war. Mit dem Tod von Lars Tungel, dem schwedischen Gesandten in Dres-

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den, im Oktober hatte Oxenstierna zudem seine wichtigste Nachrichtenquelle verloren, und er misstraute Sachsen hinfort noch mehr. Er wollte nun Wallensteins Sturz, um ihn daran zu hindern, Sachsen in einem Separatfrieden aus der Allianz zu lösen, und verbreitete über die Frankfurter Zeitungen Gerüchte, die Wallensteins bekannten Widerstand gegen Ferias Marsch geschickt ausnutzten, um in Wien Zwietracht zu säen. Das Blutbad von Eger Wallenstein verließ den größten Teil der langsamen Infanterie und Artillerie, die noch bei ihm in Pilsen war, und rückte mit etwa 1300 Mann aus. Butler befahl er, mit seinen 900 Dragonern zu ihm zu stoßen. Der schickte seinen Beichtvater, Patrick Taaffe, um Piccolomini zu versichern, dass er nach wie vor loyal sei und ausschließlich unter Zwang handle. Die Verschwörer hatten einen langen Kampf erwartet und wurden durch die Schnelligkeit ermutigt, mit der die Armee sich von Wallenstein abwendete. Der Obrist Wangler sicherte die Prager Garnison, und aus den umliegenden Unterkünften strömten Einheiten herbei, um ihre Treue zu Ferdinand zu bekunden. Piccolomini brach mit 200 Reitern zur Verfolgung Wallensteins auf und schnitt außerhalb von Mies (Stříbro) seine Nachhut ab. Er machte dort Halt und behauptete später, seine Männer seien zu müde gewesen, um weiterzureiten, aber vermutlich wollte er sich von dem kommenden Gemetzel distanzieren. Wallensteins schrumpfende Gruppe erreichte Eger am späten Nachmittag des 24. Februar. Gordon überließ ihm sein eigenes Quartier im Pachelbelhaus, einem schönen dreistöckigen Gebäude zwischen Marktplatz und Schulgasse, das aus dem Besitz eines im Exil lebenden lutherischen Bürgers eingezogen worden war. Die meisten Soldaten mussten außerhalb der Stadt lagern, da sie bereits von Gordons 1200 Infanteristen besetzt war. Ilow, Wallensteins getreuer stellvertretender Befehlshaber, hielt am nächsten Tag eine Reihe von Treffen mit Gordon, Leslie und Butler ab, bei denen er sie zu überreden versuchte, ihrem Vorgesetzten treu zu bleiben. Alle drei rangen mit ihrem Gewissen. Bekundungen religiöser und dynastischer Loyalität spielen eine große Rolle in ihren späteren Erklärungen, aber das persönliche Vorwärtskommen war zweifellos ebenfalls ein Faktor. Außerdem war ihnen klar, dass sie bereits zu weit gegangen waren: Wenn sie Wallenstein nicht exekutierten, würden sie in seine Verbrechen verwickelt werden. Sie kamen insgeheim überein, Wallenstein von seinem verbliebenen inneren Kreis aus Ilow, Trčka, Kinsky und Rittmeister Niemann, der seine Leibwache befehligte, zu trennen. Sie gingen ein kalkuliertes Risiko ein, indem sie alle fünf zu einem Festbankett in den Speisesaal der Burg einluden, in der korrekten Annahme, dass Wallenstein ablehnen würde. Das Essen begann nach sechs Uhr abends mit Gordon als Gastgeber. Leslie entschuldigte sich, um MacDonnell

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und eine Gruppe von Butlers Dragonern in die Burg zu lassen. Nachdem er zu Tisch zurückgekehrt war, wartete er, bis ein Diener eintrat und nickte – das Zeichen, dass alles bereit war. Mit dem Ruf „Wer ist guett Kayserisch?“ platzten sechs Dragoner herein. Gordon, Leslie und Butler sprangen auf und schrien: „Vivat Ferdinandus! Vivat Ferdinandus!“ Kinsky wurde auf seinem Stuhl ermordet, während die anderen nach einem kurzen, aber heftigen Kampf, bei dem der Tisch umgeworfen wurde, niedergemetzelt wurden. Anschließend eilte Butler zum Pachelbelhaus, wo er gegen zehn Uhr abends eintraf. Fitzgerald sicherte die Eingänge, während Deveroux mit einigen Dragonern die Treppe hinaufstürzte. Mundschenk und Kammerdiener, die ihnen in die Quere kamen, wurden niedergestochen. Weil er sein Schwert zerbrochen hatte, griff Deveroux sich eine Partisane und stürmte in Wallensteins Schlafgemach. Der General hatte Schwert, Stiefel und Rock abgelegt und wollte gerade zu Bett gehen. Nach einem kurzen Moment des Zögerns durchbohrte Deveroux ihn. Der Leichnam wurde die Treppe hinuntergeschleift und zur Burg gebracht.425 Den nächsten Tag verbrachten die Mörder damit, sich der Loyalität der Soldaten zu versichern. Leslie reiste zum Rapport nach Wien, während Butler, der detaillierte Kenntnis von Wallensteins Plänen gehabt haben muss, einen Trupp Dragoner schickte, um den nichts ahnenden Franz Albrecht gefangen zu nehmen, der auf dem Ritt zurück von einem Besuch bei Bernhard war. Außerdem versuchten sie in einem weiteren Coup, Arnim zu kidnappen, indem sie einen gefälschten Brief schickten, der mit Kinskys Siegelring verschlossen worden war, aber es kursierten bereits Gerüchte über die Mordtat. Die Sachsen hatten tatsächlich geglaubt, Wallenstein werde überlaufen, während Bernhard ahnte, dass seine Appelle nur wieder ein neuer Trick waren. Die Situation blieb verworren. In Unkenntnis der Geschehnisse erklärte sich der Kommandant von Troppau (Opava) am 1. März für Wallenstein, war jedoch gezwungen zu kapitulieren, als seine Männer eine kaiserliche Amnestie annahmen. Die kaiserlichen Garnisonen in Schwaben leisteten kaum Widerstand, als Horn die Situation ausnutzte und 3000 Mann für sein Heer anwarb.426 Bernhard verließ Regensburg erst am 1. März, als er von der Ermordung erfuhr, und eilte nach Norden. Er hoffte, Eger erobern und missmutige kaiserliche Einheiten um die Verbündeten scharen zu können, aber es war bereits zu spät. Belohnung und Vertuschung Die Unzufriedenheit dauerte trotzdem an, weil nicht nur die Kredite, wie befürchtet, zusammenbrachen, sondern die Verschwörung auch das Offizierskorps spaltete. Die treibenden Kräfte waren Italiener gewesen, während Schotten und Iren die Tat begangen hatten. Die Opfer waren Böhmen, Schlesier oder Norddeutsche. Melchior von Hatzfeldt hielt seine Beru-

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fung in den Vorsitz des Kriegsgerichts, das die Ereignisse untersuchen sollte, für einen Trick von Gallas, um einem Deutschen diese unangenehme Aufgabe aufzuhalsen. Es gelang ihm, sich vor dieser Pflicht zu drücken, aber der Groll blieb, vor allem gegen den unsympathischen Piccolomini.427 Die protestantische Propaganda, deren Haltung anfangs feindselig gegen Wallenstein gewesen war, verlegte sich nun darauf, die Spannungen anzufachen und die Armee zu destabilisieren. Der Kaiser handelte rasch. Am 27. April berief er seinen Sohn, Erzherzog Ferdinand, zum neuen Oberbefehlshaber, mit Gallas als Stellvertreter. Er übernahm wieder selbst die Verantwortung für die Ernennung von Obristen, denen es nun verboten war, mehr als zwei Regimenter gleichzeitig zu befehligen. Es wurden noch ein paar weitere Versuche unternommen, die Disziplin zu verbessern und die Artillerie zweckmäßiger zu organisieren, im Prinzip blieben die Armee und ihre Finanzierung jedoch unverändert.428 Finanzlage und Loyalität profitierten sehr von der Beschleunigung der bereits am 20. Februar genehmigten Beschlagnahme der Besitztümer Wallensteins und seiner Kollaborateure, die ein geschätztes Nettovermögen von mehr als 13 Millionen Gulden einbrachte.429 Butler, Leslie und Gordon erhielten jeder ein Gut. Butler konnte sich an seinem neuen Besitz allerdings nicht lange erfreuen, denn er starb im Dezember 1634 an der Pest, während Gordon den kaiserlichen Dienst bald gegen den holländischen eintauschte – wahrscheinlich, weil er es sich durch seine Arroganz mit seinen Kameraden verscherzt hatte. Einzig Leslie wurde eine wohlhabende und einflussreiche Persönlichkeit, ohne noch einmal ein aktives Kommando auszuüben. Die eigentlichen Attentäter erhielten Bargeld und bescheidenere Auszeichnungen, blieben aber ohne größere Bedeutung. Deveroux starb fünf Monate später als Obrist. Die wahren Nutznießer waren die Hauptverschwörer, wie Piccolomini, Gallas und Aldringen. Sie erhielten alle große Ländereien, teils als Belohnung, teils zum Ausgleich ihrer Soldrückstände. Die zeitgenössische Presse meldete 24 Hinrichtungen.430 In Wirklichkeit wurden nur der Kommandant von Troppau und, trotz fehlender Beweise, General Schaffgotsch hingerichtet. Sieben anderen wurden ihrer Regimenter entzogen, und ein paar weitere wurden vorübergehend eingesperrt, darunter Franz Albrecht, der im August 1635 freigelassen wurde, sobald Sachsen die Seiten wechselte. Eine Reihe von Berichten kam bis Juli 1634 zu dem Schluss, dass die beiden Pilsener Revers den Tatbestand des Aufruhrs erfüllten, und rechtfertigten die Ermordung mit dem „notorischer Reichsrebell“-Argument. Die Ergebnisse wurden verspätet im Oktober als offizielle Rechtfertigung veröffentlicht. Die Suche nach Beweisen ging weiter, aber über ein Geständnis von Rasin, einem der böhmischen Mittelsmänner Wallensteins, hinaus konnte nur wenig zutage gefördert werden.

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Ferdinand wollte keine Hexenjagd, vor allem nachdem die ersten Untersuchungen bestätigt hatten, dass Wallenstein größtenteils allein gehandelt hatte. Wie Maximilian war auch er einfach erleichtert, dass die Gefahr vorüber war, und wollte, dass die Sache begraben wurde. Natürlich wurden potenziell belastende Dokumente, etwa die Göllersdorfer Vereinbarung, vernichtet, um mögliche Kritik am Kaiser zum Schweigen zu bringen. Wallensteins Verwandte protestierten nicht, und für seine Witwe wurde verspätet Vorsorge getroffen, indem man ihr eine Herrschaft aus Wallensteins Besitz als Witwensitz zuerkannte. Nur Eggenberg zeigte überhaupt Anzeichen echter Beunruhigung, als er seinen Posten als Hofkammerpräsident niederlegte und sich vom kaiserlichen Hof zurückzog. Aber sein Tod kurz danach, im Oktober 1634, minderte die Auswirkungen dieses Schritts. Wallenstein, soeben noch Gegenstand aktueller Kontroversen, wurde rasch zu einer Figur von Literatur und Drama; schon 1640 wurde ein Stück über ihn in London aufgeführt. Um 1700 schwand das Interesse, lebte aber mit Schillers Dramen-Trilogie Wallensteins Lager, Die Piccolomini und Wallensteins Tod am Ende des 18. Jahrhunderts wieder auf, wodurch die historische Diskussion über seine Bedeutung entfacht wurde. Die eigentliche Tragödie lag vielleicht darin, dass Wallenstein zum Zeitpunkt seiner Ermordung bereits in die Bedeutungslosigkeit entschwand. Angesichts der Tatsache, dass die Sachsen sich emsig um Frieden bemühten, war er mehr Hemmnis als Hilfe. Das allgemeine Fazit lautet, dass er den letzten der Condottieri verkörperte, jener Söldnerführer, die in der italienischen Renaissance in Erscheinung traten.431 Man glaubt, dass solche Gestalten für einen Übergang in der historischen Entwicklung stehen und ihre Dienste als Behelfslösungen von den Staaten in Anspruch genommen wurden, bis diese selbst zur Aufstellung von Armeen in der Lage waren. Diese Auffassung ist irreführend. Dass es Wallenstein nicht gelang, sich die Loyalität seiner Untergebenen zu sichern, ist eher ein Zeichen für die relative Stärke des habsburgischen Staates. Die Offiziere erkannten, dass es letztendlich der Kaiser war, nicht Wallenstein, der ihre Finanzierung garantierte und ihr Tun legitimierte. Möglich, dass Wallenstein Unterstützung gewonnen hätte, wenn er sich zum Sprecher für die Beschwerden der Offiziere gemacht hätte, wie Bernhard es während der schwedischen Meuterei getan hatte. Der erste Pilsener Revers legt diesen Schluss nahe. Doch wie die späteren Ereignisse zeigen, waren nur sehr wenige bereit, ihm bei einem Akt politischer Illoyalität zu folgen.

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Die beiden Ferdinands Die Ermordung Wallensteins machte den Weg frei für Olivares, der nun zu seiner Strategie von 1633 zurückkehrte, die Wiederherstellung der spanischen Macht am Rhein mit entsprechendem Druck auf den Kaiser zu verbinden, damit dieser den Spaniern gegen die Holländer beistand. Olivares erwartete nicht, dass Ferdinand der Republik der Vereinigten Niederlande den Krieg erklärte, hoffte aber, die Verbesserung seiner Position im Reich würde den Kaiser veranlassen, einen Teil seiner Armee nach Flandern abzukommandieren. Nach Isabellas Tod im Dezember 1633 und weiteren Beweisen für die Verschwörung des Grafen von dem Bergh waren die dortigen Angelegenheiten dringend. In Mailand wurde ein neues Heer zusammengezogen, um Philipps Bruder Fernando in die Spanischen Niederlande zu eskortieren. Es sollte auf seinem Weg dorthin die Überlebenden von Ferias Feldzug aufsammeln, die sich noch in Bayern befanden, die Situation in Süddeutschland wiederherstellen, die Spanische Straße frei machen und schließlich eine wirkungsvolle Verstärkung für Flandern bereitstellen. Oñate wurde angewiesen, die Freigabe umfangreicherer Subsidien für den Fall in Aussicht zu stellen, dass Ferdinand sich mit militärischem Beistand revanchierte.432 Ende April 1634 traf sich Oñate in Wien mit ranghohen bayerischen und kaiserlichen Ratgebern, um die notwendigen Absprachen zu treffen und die Befreiung Süddeutschlands zu planen. Mit bayerischer Unterstützung überredete er die Kaiserlichen, gegen Sachsen in der Defensive zu bleiben und ihre Hauptanstrengungen gegen Bernhard und Horn zu richten. Einen Monat später rückten Erzherzog Ferdinand und Gallas mit 25 000 Mann aus Pilsen ab, um zu Aldringen zu stoßen, der mit 3000 Kaiserlichen, 7500 Bayern und 4000 spanischen Überlebenden an der Donau stand. Rudolf von Colloredo wurde mit 25 000 Mann in Böhmen zurückgelassen, während sein Bruder Hieronymus in Schlesien und entlang der Oder über 22 000 Mann verfügte. Etwa 6000 hielten Breisach und die noch verbliebenen Außenposten rings um den Bodensee, während die ligistischen Einheiten in Westfalen sich auf 15 000 Mann beliefen.433 Das waren eindrucksvolle Zahlen, und sie deuten darauf hin, dass die kaiserlichen Anstrengungen nicht nachgelassen hatten und dass Habsburg nach wie vor in der Lage war, mehrere große Armeen gleichzeitig zu unterhalten. Zudem war das Kommando jetzt, wo Wallenstein weg war, einheitlicher – ganz im Gegensatz zu den Schweden, die zerstritten blieben. In dem Bemühen, die Bodenseeroute zu Fernando zu verschließen, verzettelte Horn sich weiter mit der Belagerung von Überlingen. Bernhard war noch in Franken und rechnete nicht damit, dass die Kaiserlichen bis zum Eintreffen der Spanier irgendetwas versuchen

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würden. Das verschaffte ihm, wie er glaubte, Zeit, die vergeblichen Angriffe auf Kronach und Forchheim wiederaufzunehmen, die ihm sein Besitztum Bamberg sichern würden. Die Zersplitterung der beiden schwedischen Hauptheere entblößte Regensburg, ihre wichtigste Beute aus dem vorangegangenen Jahr. Vom 23. Mai an belagerten kaiserliche und bayerische Truppen die Stadt. Lars Kaage organisierte mit seiner 4000 Mann starken Garnison eine energische Verteidigung, konnte aber nicht auf unbestimmte Zeit ausharren. Horn und Bernhard vereinigten sich am 12. Juli bei Augsburg, doch die bisherigen Kämpfe hatten ihre vereinte Stärke auf gerade mal 22 000 Mann reduziert. Sie überschritten ostwärts die Grenze nach Bayern und besiegten bei Landsberg am Lech eine Sperreinheit unter Aldringen. Bei diesem Gefecht fand der kaiserliche Heerführer am 22. Juli den Tod. Eine Woche wurde vergeudet, bevor Horn und Bernhard ihren Vormarsch wieder aufnahmen. Inzwischen war es jedoch schon zu spät, weil Regensburg am 26. Juli kapitulierte. Kaage wurde in Schimpf und Schande nach Schweden zurückbeordert, obgleich er seine Aufgabe mit der Schwächung der Belagerer, die 8000 Mann Verluste und 6000 Deserteure zu verzeichnen hatten, gut erfüllt hatte. Der statische Charakter einer Belagerung bot Krankheiten und Hunger reichlich Gelegenheit, zuzuschlagen, was Belagerungen oftmals verlustreicher machte als Schlachten. Die kaiserlichen Verluste wurden durch schlechte Nachrichten aus den habsburgischen Erblanden verschlimmert, wo eine Kombination aus schlechter Führung und zahlenmäßiger Schwäche verhinderte, dass die Vorteile im Anschluss an die zweite Schlacht bei Steinau ausgenutzt wurden. Oxenstierna war entschlossen, die Bedrohung Pommerns auszuschalten und Johann Georg von seinen Friedensgesprächen abzubringen. Am 16. März eroberte Alexander Leslie Landsberg an der Warthe zurück, während Hieronymus von Colloredo damit beschäftigt war, weit im Süden Breslau zu belagern. Erst im Mai brachte Banér die Trümmer von Thurns Heer wieder auf eine Stärke von 14 000 Mann. Georg Wilhelm schickte 3000 Brandenburger, während Arnim mit 14 000 Sachsen eintraf. Am 8. Mai fügte das vereinte Heer Hieronymus von Colloredo bei Liegnitz (Legnica) in einer hart umkämpften Schlacht, die von den besser disziplinierten sächsischen Fußtruppen entschieden wurde, eine vernichtende Niederlage zu. Die kaiserliche Armee löste sich auf und verlor mehr als 5000 Mann. Colloredo wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und kurzzeitig in Ödenburg inhaftiert. Bis Mitte Juni hatte Banér die Stellungen entlang der mittleren Oder einschließlich Frankfurts zurückerobert. Anschließend wandte er sich zusammen mit Arnim nach Westen, um in Böhmen einzufallen, und erschien just an dem Tag, als Regenburg fiel, vor den Toren Prags.

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Erzherzog Ferdinand marschierte donauabwärts Richtung Böhmen, machte jedoch am 2. August Halt, als die Nachricht eintraf, dass Arnim bereits abgezogen war. Als Ausrede, warum er Banér im Stich gelassen hatte, führte er fehlende Vorräte an. Elf Regimenter verstärkten weiterhin Rudolf von Colloredo, während der Rest der erzherzoglichen Truppen zurückmarschierte, um am 16. August Donauwörth zu erobern. Die Krise der Kaiserlichen war vorüber, aber sie hatte Spanien hinreichend beunruhigt, dass Fernando angewiesen wurde, einen Umweg zu machen und den Kaiserlichen in Franken beizustehen. Die 11 700 Spanier und Italiener, die im Juli das Veltlin durchquerten, waren nicht nur das größte, sondern auch das letzte Kontingent, das diese Route benutzte. Am Taleingang wurde ihr Vormarsch durch Hochwasser am Comer See verzögert, doch im August schlossen sie sich den Überresten von Ferias Armee an; die gemeinsame Streitmacht umfasste nun 3892 Reiter und 18 700 Fußsoldaten.434 Erzherzog Ferdinand rückte unterdessen eine kurze Strecke nach Nordwesten vor, um Nördlingen zu belagern, das von nur 500 Mann gehalten wurde, und schickte Reiter, um Forchheim zu entsetzen, das nach wie vor von 4000 Soldaten unter Johann Philipp Cratz von Scharffenstein belagert wurde. Der Vorstoß ins Innere Frankens traf das Herzstück des Heilbronner Bundes. Auf dem zweiten Konvent des Bundes, der gerade in Frankfurt tagte, bemühte sich Oxenstierna nach Kräften, die erlahmende Unterstützung aufrechtzuerhalten. Obschon Nördlingen nur von geringem strategischem Wert war, konnte Oxenstierna es sich nicht leisten, die Stadt zu verlieren, und stellte sämtliche verfügbaren Kräfte zu ihrem Entsatz ab. Die Schlacht bei Nördlingen Nachdem sie sich nach Schwaben zurückgezogen hatten, um sich neu zu formieren, vereinigten sich Horn und Bernhard bei Ulm abermals und marschierten ostwärts durch Aalen und Bopfingen. Allerdings kamen sie zu spät, um Erzherzog Ferdinand daran zu hindern, am 18. August mit seiner Belagerung von Nördlingen zu beginnen. Horn weigerte sich, auf dem anderen Ufer der Eger einen zahlenmäßig überlegenen Feind anzugreifen. Er wusste, dass die Spanier unterwegs waren, ging aber davon aus, dass die von Oxenstierna organisierten Verstärkungen zuerst eintreffen würden. Nachdem er am 24. August die Kroaten ausgeschaltet hatte, welche die Stadt abschirmten, schickte Horn 250 Musketiere hinein und versprach, die Verteidiger binnen sechs Tagen zu entlasten. Am 28. August trafen etwa 7000 Soldaten ein, bei denen es sich allerdings hauptsächlich um württembergische Miliz handelte, die von geringem Nutzen war. Bernhard und Horn hörten die Feiergeräusche, als Fernando am 3. September im feindlichen Lager eintraf. Die Begegnung der beiden Ferdinands wurde von Rubens in einem Gemälde für die Nachwelt festge-

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halten. Die beiden Vettern kamen gut miteinander aus, wobei der eigentliche Oberbefehl ohnehin von ihren erfahrenen Stellvertretern ausgeübt wurde – Gallas und Spinolas Schwiegersohn, der Marqués de Leganés. Der flüchtige Herzog von Lothringen traf nach Aldringens Tod als bayerischer Oberbefehlshaber ein.435 Die Spanier waren bereits mit der Pest infiziert, die seit ihrer Ankunft in Bayern 4000 Mann getötet hatte; nichtsdestotrotz war das vereinte Heer mit 15 000 Reitern, 20 500 Fußsoldaten und mindestens 25 Kanonen immer noch stark. Von den Soldaten waren 15 000 „Spanier“, 8500 Bayern, 10 000 Kaiserliche und 2000 Kroaten. Am 4. September geriet Nördlingen unter heftigen Beschuss und wäre beinahe einem Sturmangriff zum Opfer gefallen. Durch Notraketen alarmiert, besprachen sich Horn und Bernhard um Mitternacht. Horn wollte auf Solms warten, der binnen sechs Tagen mit 6000 Mann erwartet wurde. Bernhard glaubte – durchaus zu Recht –, dass die Stadt sich nicht so lange halten würde, und wendete ein, dass sie mit Cratz’ Ankunft aus Forchheim am nächsten Tag bereits 16 000 Fußsoldaten, 9700 Reiter und 70 Geschütze bekommen würden. Wahrscheinlich war ihnen nicht bewusst, wie die Chancen wirklich standen, und sicherlich hatten sie nur eine vage Vorstellung von dem Gelände jenseits des Flusses, weil die kaiserlichen Kroaten und Dragoner effektive Aufklärung verhinderten. Sie beschlossen, zuerst nach Westen zu marschieren, als würden sie sich nach Ulm zurückziehen, dann aber die Eger stromaufwärts bei Bopfingen zu überqueren und anschließend eine südliche Richtung einzuschlagen, um eine Hügelkette zwei Kilometer südlich von Nördlingen zu besetzen und die beiden Ferdinands zu umfassen. Um fünf Uhr in der Frühe aufbrechend, nahmen sie Cratz auf, ließen ihren Tross unter der Bewachung von 3000 Württembergern bei Neresheim zurück und marschierten über die bewaldeten Hügel des Schwäbischen Jura nach Osten. Horn und Bernhard befehligten die Vorhut abwechselnd – so würde sich keiner als Untergebener des anderen fühlen. Bernhard war gerade mit dem Kommando an der Reihe, und er drängte weiter, kam allerdings entlang der einspurigen Straße nur langsam voran. Gegen vier Uhr am Nachmittag wurde er von kaiserlichen Vorposten entdeckt. Leganés und Gallas reagierten augenblicklich, um die Hügelkette zu ihrer Linken zu sichern. Diese verlief südlich der Eger von Nordwesten nach Südosten und war durch den sumpfigen Retzenbach vom Jura getrennt. Bernhards Truppen erschienen kurz nach vier Uhr nachmittags am Riegelberg im Westen, auch „Himmelreich“ genannt, und griffen die spanischen und kaiserlichen Vorposten an, darunter auch Butlers Dragoner.436 Ein Kampf entwickelte sich, als Bernhard versuchte, die Hügel von West nach Ost einen nach dem anderen vom Feind zu säubern. Obwohl seine Truppen sich nach wie vor aus dem Jura heraus ergossen und den

Neresheim

Hohenberg

nach Ulm

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Nördlingen (1634)

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Retzenbach überquerten, hatte er nach drei Stunden das Himmelreich, den bewaldeten Ländle und den offenen, niedrigeren Lachberg in Folge erobert. Die Zeit hatten Spanier und kaiserliche Musketieren genutzt, um sich auf dem bewaldeten Heselberg zu sammeln, wo sie, unterstützt von Reiterei, weiter Widerstand leisteten. Horn traf um kurz nach zehn Uhr abends ein, um Bernhards erschöpfte Truppen zu entlasten, und vier Stunden später fiel endlich auch der Heselberg. Die Verzögerung erwies sich als entscheidend, ermöglichte sie doch 6600 spanischen und 1500 bayerischen Infanteristen, den Albuch am östlichen Ende der Hügelkette zu besetzen, welcher der Schlüssel für die gesamte Stellung war, weil er den Weg um die habsburgische Flanke versperrte. Die Nacht verbrachten sie damit, drei kleine Verschanzungen für 14 Kanonen zu graben, während 2800 burgundische und italienische Reiter in der Nähe Stellung bezogen. Der Rest des Heeres marschierte entlang einer anderen Hügelkette auf, die in nördlicher Richtung gen Nördlingen verlief, wo 2000 Fußsoldaten in den Verschanzungen zurückgelassen wurden, um einen Ausfall zu verhindern. Die Habsburger gingen davon aus, dass der Feind das Himmelreich überqueren und auf dem Herkheimerfeld zwischen ihrer Position und der Eger aufmarschieren würde. Bernhard und Horn hatten nicht die Absicht, ein so gefährliches Manöver auszuführen. Stattdessen würden Bernhards erschöpfte Truppen auf dem Ländle und dem Lachberg warten, während Horns etwas frischere Männer vom Heselberg und vom Tal des Retzenbachs aus den Albuch angriffen. Horn verfügte über ungefähr 4000 Reiter und 9400 Fußsoldaten, unter Letzteren allerdings 3000 Mann württembergische Miliz. Er griff im Morgengrauen des 6. September an, wahrscheinlich verfrüht, weil der Befehlshaber seiner Reiterei in Verkennung der Lage einen Angriff den steilen Südosthang hinauf startete. Die Reiterei wurde zurückgeschlagen, aber die schottischen und deutschen EliteFußtruppen aus der ersten Angriffswelle überrannten binnen Kurzem die habsburgische Frontlinie, die größtenteils aus Deutschen bestand, die in diesem Winter für den spanischen Dienst geworben worden waren. Für die anschließende Katastrophe machten die Protestanten einen explodierenden Pulverwagen verantwortlich, der ihr siegreiches Fußvolk vorübergehend in Verwirrung gestürzt habe. Wahrscheinlicher ist, dass sie von einem plötzlichen Gegenangriff durch das altgediente, aus gebürtigen Spaniern bestehende Regiment Idiáquez überrascht wurden, das hinter den Verschanzungen gewartet hatte. Binnen einer Stunde waren Horns Truppen wieder in ihren Ausgangsstellungen. Mit jedem der nachfolgenden Angriffe schwand die Begeisterung ein wenig mehr, während die Spanier aus ihren Reserven nördlich des Hügels frische Truppen heranführen konnten. Außerdem wussten sie, wie sie mit der gefürchteten schwedischen Salve fertigwerden konnten, indem sie jedes Mal in die Ho-

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cke gingen, wenn der Feind sich zum Feuern bereit machte. Sobald die Kugeln über ihre Köpfe pfiffen, sprangen die Spanier auf und feuerten eine eigene Salve. Bernhard schickte zwei Brigaden Fußvolk zur Unterstützung herüber und verlegte seine eigene Reiterei in die Ebene, um die Habsburger abzulenken und sie davon abzuhalten, den Albuch zu verstärken. Die frischen Fußtruppen wurden kurz darauf von spanischen Musketieren am Fuße des Hügels festgenagelt und anschließend von der italienischen Reiterei angegriffen, die im Norden gewartet hatte. Ein heftiges Kavallerie-Mêlée entwickelte sich, als Horn seine eigene Reiterei zu Hilfe schickte, während Herzog Karl, den das tatenlosen Herumhocken am anderen Ende der Linie natürlich langweilte, in diesem Augenblick herüberritt und einen Gegenangriff organisierte. Der Schlachtenlärm war noch bis ins 120 Kilometer entfernte Andechs zu hören.437 Gegen zehn Uhr vormittags wich Horn zurück und entblößte damit Bernhards andere Fußtruppen, die noch auf dem Lachberg warteten. Verstärkt durch weitere Bayern, eroberten die Spanier den Heselberg und versprengten die letzten Truppen Horns, der über den Retzenbach zu entkommen suchte. Unterdessen hatten sich die Kroaten entlang der Eger vorgearbeitet, um das Himmelreich zu passieren, wobei sie Bernhards Flanke aufrollten. Selbst der erkannte, dass die Situation hoffnungslos war, und versuchte, sich aus der Ebene zu retten. „Die spanniessen haben alles niedergeMacht“, resümierte ein kaiserlicher Soldat.438 Bernhard entkam nur, weil ein Dragoner ihm ein frisches Pferd ausborgte. Horn wurde zusammen mit 4000 anderen gefangen genommen. Die in schwedischen Dienst gepressten bayerischen und kaiserlichen Gefangenen schlossen sich nun wieder ihren Einheiten an, und viele Männer aus den Regimentern des Heilbronner Bundes, die in Gefangenschaft gerieten, taten es ihnen gleich. Ungefähr 8000 wurden getötet, darunter 2000 Württemberger, die niedergemetzelt wurden, als die Kroaten den bei Neresheim zurückgelassenen Tross erbeuteten. Nur etwa 14 000 Mann waren noch übrig, als Bernhard ein paar Tage später Heilbronn erreichte. In einem Brief an Oxenstierna räumte er ein, die Schlacht sei „das grosse unglück, … welches so arg, das es nicht ärger sein kann“.439 Schweden verliert Süddeutschland Dagegen erschienen mit 2000 Mann die Verluste auf der Gegenseite gering und erlaubten es den Habsburgern, einen großen Triumph für sich zu beanspruchen. Nach einer langen Abfolge von Niederlagen schien Nördlingen die Rechtfertigung für Wallensteins Ermordung zu sein, und die Schlacht festigte den Einfluss von Gallas und Piccolomini, indem sie beide mit Sieg in Verbindung brachte. Wie bei Breitenfeld erschien das Ausmaß des Sieges durch die Demoralisierung des feindlichen Heeres nur umso größer. Die Nachricht von der Niederlage erreichte Frankfurt am 12. September zusammen

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mit einer Flut von Flüchtlingen. Die noch verbliebenen Heilbronner Delegierten flohen am nächsten Tag. Oxenstierna versuchte eine neue Verteidigungslinie entlang des Mains zu improvisieren, um die Niederlage auf den Süden einzugrenzen. Niemand kooperierte. Johann Georg versäumte es, den erbetenen Ablenkungsangriff gegen Böhmen zu starten, während Herzog Georg sich weigerte, nach Süden zu marschieren, um den mittleren Flussabschnitt zu halten. Wilhelm von Sachsen-Weimar verließ Franken und zog sich mit 4000 Mann in seinen Stützpunkt bei Erfurt zurück, womit er den oberen Main Piccolomini und Isolani preisgab, die mit 13 000 Mann aus Nördlingen und Nordwestböhmen anrückten. Piccolomini eroberte Schweinfurt, während Isolani die Suhler Waffenwerkstätten zerstörte, die seit 1631 den Großteil der schwedischen Handfeuerwaffen und Munition geliefert hatten. Im November marschierten Isolani und 6000 Kroaten dann mainabwärts und wüteten in dem hessischen Besitztum Hersfeld. Die kaiserliche Hauptarmee wendete sich nach Westen, umging dabei Ulm und zog am 19. September in Stuttgart ein. Herzog Eberhard III. floh in die Schweiz, und die letzte württembergische Festung kapitulierte im November. Nur die abgeschiedene Veste Hohentwiel an der oberen Donau harrte aus. Während die Kaiserlichen es sich bequem machten, zogen die Spanier nach Westen weiter, und die Bayern, nun unter dem Oberbefehl Werths, eroberten am 19. November Heidelberg, dessen Schloss gleichwohl unnachgiebig blieb. Werths Reiterei eilte voraus und bedrängte die Überreste von Bernhards Heer auf ihrer Flucht nach Frankfurt. Die Kommandeure der schwedischen Rheinarmee weigerten sich, zu ihm zu stoßen, mit der Begründung, damit würde die Demoralisierung auf ihre eigenen Truppen übergreifen. Birkenfeld verließ Heilbronn und zog sich zum Brückenkopf Kehl gegenüber von Straßburg zurück. Seine Hoffnungen, Bernhard zu ersetzen, wurden von Oxenstierna zerschlagen, der fand, es gebe keine realistische Alternative zu dem besiegten General. Der Tod des Grafen Salm-Kyrburg durch die Pest am 16. Oktober ermöglichte Bernhard immerhin, die ehemaligen elsässischen Einheiten seinem Kommando einzugliedern. Fernando überließ es Werth und Herzog Karl, die Eroberung der Oberpfalz zu vollenden, und führte seinen Marsch rheinabwärts fort. Am 16. Oktober setzte er bei Köln über und erreichte 19 Tage später Brüssel. Unterdessen sammelte Philipp von Mansfeld die Westfalen bei Andernach, angeblich in Begleitung von 100 Kutschenladungen katholischer Herren und Geistlicher, die begierig darauf waren, ihren Besitz wiederzuerlangen.440 Als er nach Süden marschierte, sah es so aus, als würde Bernhard zwischen seinem Hammer und Gallas’ Amboss zerquetscht. Die Situation spiegelte die des Jahres 1631 wider, nur waren diesmal protestantische Gebiete die Leidtragenden, als die Herrschaft infolge der überstürzten

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Flucht von Schwedens deutschen Kollaborateuren zusammenbrach. Zudem war das Leid allgemeiner, weil die Pest die Ernte behinderte, was zu weit verbreiteter Not führte. Es gab Anzeichen, dass Kaiser Ferdinand die Lektion von 1629 gelernt hatte, da Anstrengungen unternommen wurden, übereifrige Katholiken zurückzuhalten. So schritt er etwa ein, um Bischof Hatzfeldt davon abzuhalten, die fränkischen Ritter wegen Kollaboration mit den Schweden zu bestrafen, und den Jesuiten wurde die Erlaubnis verwehrt, Württembergs Universität in Tübingen zu übernehmen. Zweifellos spielten hier politische Erwägungen eine Rolle, da Wien die aussichtsreichen Verhandlungen mit Sachsen nicht gefährden wollte. Die Anwesenheit von Erzherzog Ferdinand war ein weiterer mäßigender Faktor. Allerdings erwies es sich oft als unmöglich, Offiziere und Administratoren davon abzuhalten, die Situation auszunutzen – sei es, um sich selbst zu bereichern oder Bargeld für die dauernd unterbezahlte Armee aufzutreiben.441 In Würzburg begann relativ rasch wieder die katholische Herrschaft, obwohl die schwedische Garnison auf der Marienburg und in Königshofen bis Januar beziehungsweise Dezember 1635 ausharrte. Oxenstierna bemühte sich fieberhaft, von der Situation zu retten, was zu retten war, und berief den Konvent des Heilbronner Bundes auf den 2. Dezember in Worms ein. Obwohl einige Mitglieder bereit waren weiterzukämpfen, suchten die meisten durch sächsische Vermittlung einen Ausweg. Am 24. November 1634 vereinbarten sächsische und Darmstädter Delegierte im Entwurf die Friedensbedingungen. Dieser Vorfrieden ist als „Pirnaer Noteln“ bekannt. Oxenstierna versuchte der Desertion Einhalt zu gebieten, indem er alles, was er über die Bedingungen herausfinden konnte, bekannt machte – vor allem den Vorschlag, das Jahr 1627 als neues „Normaljahr“ festzulegen, womit viele der katholischen Gewinne gesichert würden.442 Eine freundliche Übernahme Seine Position wurde von Richelieu untergraben, der eine Gelegenheit erblickte, Schweden zu verdrängen und den Heilbronner Bund in einen konfessionsübergreifenden neutralen Block zu verwandeln. Frankreich hatte Schweden am 15. September 1633 eine engere Allianz angeboten, machte die Ratifizierung aber von der Übergabe Philippsburgs abhängig, das schlussendlich im Januar 1634 von Salm-Kyrburg erobert worden war. Oxenstierna zögerte, die Festung abzutreten, weil Frankreich damit nach Deutschland hineingelassen würde. Die verbliebenen Militanten des Heilbronner Bundes sahen Frankreich derweil verstärkt als den wünschenswerteren Partner. Alle wussten, dass der Sultan die Operationen gegen Südpolen 1633 vorübergehend eingestellt hatte, um Persien anzugreifen. Polen schloss nach zweijährigem Kampf im Juni 1634 Frieden mit Russland und hatte dadurch Zeit, den

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Krieg mit Schweden wiederaufzunehmen, sobald der Waffenstillstand von Altmark 1635 auslief.443 Wilhelm V. von Hessen-Kassel hatte, parallel zu seinen Verhandlungen mit den Holländern, bereits Gespräche mit Frankreich eröffnet und im Februar 1634 eine französische Pension akzeptiert. Am 26. August wurden französische Truppen in Philippsburg aufgenommen, obwohl die Festung mit dem Herzog von Württemberg als Kommandanten nominell weiter der Kontrolle des Bundes unterstand. Der württembergische Kanzler Löffler und der pfälzische Gesandte Streiff von Lauenstein reisten nun nach Paris, um hinter Oxenstiernas Rücken zu verhandeln. Die Bedingungen, die sie am 1. November im Namen des Bundes akzeptierten, geben einen guten Hinweis auf Richelieus Ziele. Frankreich würde im Prinzip die Kontrolle über den Heilbronner Bund übernehmen, und der Bund versprach, ohne Frankreichs Zustimmung weder einen Waffenstillstand noch einen Frieden zu schließen. Ein Subsidium von 500 000 Livre würde unter Umgehung Schwedens direkt an die Kasse des Bundes gezahlt. Außerdem würde Richelieu 12 000 Soldaten schicken – die keine Franzosen sein würden, um Ludwig XIII. von offenem Krieg mit dem Kaiser zu distanzieren. Der Bund würde in sämtlichen ihm noch verbliebenen eroberten Territorien den katholischen Kultus wiedereinführen. Schließlich würde er in Form der österreichischen Teile des Elsass, von Breisach und Konstanz sowie sämtlicher Rheinforts dazwischen angemessene „Satisfaktion“ für Frankreichs Bemühungen anbieten.444 Einige dieser Zugeständnisse waren bereits in französischer Hand, bevor die Tinte trocken war. In der auf Nördlingen folgenden Panik und Konfusion hatten schwedische Amtsträger eigene Vereinbarungen getroffen. So hatte Mockel, der schwedische Generalbevollmächtigte am Oberrhein, den Franzosen am 9. Oktober 17 Städte übergeben, darunter Colmar und Schlettstadt (Sélestat), und behielt nur Benfeld. Während Rohan diese Städte mit 5000 Mann besetzte, verlegte La Force 19 000 an den Rhein gegenüber von Mannheim, und weitere 3000 in Nancy hatten Lothringen unter Kontrolle. Das Gerangel um die Aktivposten des Bundes konzentrierte sich nun auf sein Heer bei Frankfurt, das immer noch 18 000 Mann zählte, sowie die Garnisonen in Mainz, Speyer, Hanau und im Heidelberger Schloss. Feuquières war bereit, Oxenstierna zu entführen, um ihn daran zu hindern, die Truppen durch Verlegung auf die nördliche Mainseite französischem Einfluss zu entziehen. Die Heilbronner Delegierten in Worms boten ihrerseits Bernhard den alleinigen Oberbefehl unter der Voraussetzung an, dass er im Süden bleibe, um sie zu beschützen. Am 12. März 1635 gestand Oxenstierna widerstrebend die absolute Kontrolle über das Heer zu, knüpfte daran freilich die Bedingung, dass Bernhard ihm als dem Direktor des Bundes untergeordnet blieb. Die Vertreter der Fürsten hatten

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den in Paris von Löffler und Streiff ausgehandelten Vertrag im Dezember 1634 ratifiziert, aber ihre bürgerlichen Kollegen und Oxenstierna weigerten sich. Feuquières hielt die versprochene Beihilfe zurück, musste aber ein militärisches Einschreiten genehmigen, als die Situation sich mit Philipp von Mansfelds langsamem Vormarsch rheinaufwärts und Gallas’ Forcierung der Belagerung des Heidelberger Schlosses verschlechterte. Am 22. Dezember schickte La Force 7000 Mann über die Mannheimer Schiffsbrücke, um Bernhard dabei zu helfen, Heidelberg zu entsetzen. Mansfeld erreichte den Main erst, nachdem die Franzosen eingetroffen waren, und zog sich zurück, um ein Aufeinandertreffen zu vermeiden. Dennoch stieg der Druck weiter. Am 24. Januar 1635 schmuggelten als Bauern verkleidete Kaiserliche sich in die Festung Philippsburg und überwältigten die Garnison aus französischer Infanterie und württembergischer Miliz. Jetzt, wo diese Bedrohung ausgeschaltet war, führte Werth am 2. Februar 3700 Mann über den zugefrorenen Rhein, um Speyer zu erobern. Karl von Lothringen setzte stromaufwärts bei Breisach mit 9000 Bayern und Kaiserlichen über, besetzte Mömpelgard und begann mit der Rückeroberung des Elsass. La Force blieb nichts anderes übrig, als Heidelberg preiszugeben und am 22. Februar bei Mannheim abermals den Rhein zu überqueren. Zwar gewann er das Elsass und Speyer wieder, doch die Operation zog Männer ab, die für ein anderes Heer bestimmt waren, das nach dem Willen Richelieus den Holländern helfen sollte. Nach dem Winterfeldzug verfügte La Force noch über gerade mal 9000 Kombattanten, sodass er gezwungen war, sich nach Metz zurückzuziehen, um zu den 11 000 Mann Verstärkung zu stoßen, die sich unter Kardinal La Valette sammelten. Beide waren bis Juni damit beschäftigt, die Versuche Herzog Karls, sein Herzogtum wiederzuerlangen, zurückzuschlagen.445 Der Wormser Konvent kam am 17. Februar 1635 nach vier Wochen Pause wieder zusammen. Die lutherischen Mitglieder akzeptierten die Pirnaer Noteln, die von den Calvinisten nach wie vor abgelehnt wurden. Am 30. März ging der Konvent ohne Einigung auseinander, was praktisch der Auflösung des Heilbronner Bundes gleichkam. Die Pirnaer Noteln boten Schweden nichts. Oxenstierna hatte bereits im Februar Hugo Grotius nach Paris entsandt, doch Richelieu weigerte sich, ihn zu empfangen. Der Kanzler schluckte seinen Stolz, kaufte sich neue Kleider und brach mit einer bewusst großen, 200 Köpfe zählenden Entourage auf, um am 27. April den Kardinal in Compiègne zu treffen. Ludwig XIII. schenkte Oxenstierna einen Ring als Zeichen des Respekts, war aber nicht geneigt, irgendeiner Vereinbarung zuzustimmen, die über einen vagen Freundschaftsvertrag hinausging. Schweden war inzwischen nämlich nicht länger das einzige Problem Frankreichs, da Richelieu und sein Herr gerade dabei waren, einen völlig anderen Krieg anzufangen.

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ährend Ferdinand aus dem Sieg bei Nördlingen Kapital schlug, indem er im Reich Frieden schloss, gingen Frankreich und Spanien auf Kriegskurs. Die beiden Entwicklungen hingen zusammen, hatten aber unterschiedliche Wurzeln. Der Kaiser erreichte eine teilweise Befriedung des Reichs durch den von Sachsen vermittelten Prager Frieden, wodurch Schweden Mitte 1635 isoliert dastand. Bevor wir darauf weiter eingehen, wenden wir uns den französisch-spanischen Spannungen zu. Wie die nächsten beiden Abschnitte zeigen, suchte Frankreich durchaus nicht den Krieg im Reich, sondern wurde tiefer in diesen Konflikt hineingezogen, weil es Schweden unterstützen und Ferdinand daran hindern wollte, Spanien beizustehen. Die Einmischung funktionierte: Der Kaiser war hinreichend abgelenkt, und Schweden erhielt die Chance, sich zu erholen. Dennoch blieb Frieden zwischen dem Kaiser und Schweden bis ins Jahr 1636 hinein möglich, und es ist wichtig, die Wechselwirkung von Diplomatie und militärischen Operationen zu untersuchen, um zu verstehen, warum beide Seiten die Gelegenheit vergaben. Kaiserliche und bayerische Truppen schlossen sich den spanischen Streitkräften bei ihrem Angriff auf Frankreich an, scheuten aber davor zurück, gegen die Holländer zu marschieren. Spanien begrüßte Ferdinands Beistand, hatte sich Unterstützung allerdings gerade für das Ringen in den Niederlanden erhofft. Die militärische Zusammenarbeit von Österreichern und Spaniern setzte sich bis 1639 fort, doch der Kaiser hielt sein Engagement begrenzt und ließ nicht zu, dass spanische Interessen die Politik im Reich diktierten.

Richelieu beschließt Krieg Es gibt gute Gründe, die Propaganda der Spanier zu ignorieren, die sich als unschuldige Opfer französischer Aggression hinstellten. Olivares war Frankreich seit dem Mantuanischen Erbfolgekrieg zunehmend feindlich gesinnt. Am 12. Mai 1634 unterzeichnete er einen neuen Geheimpakt mit Gaston de Bourbon, dem er 6000 Mann Hilfstruppen plus Subsidien versprach, damit er abermals in Frankreich einfallen konnte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er aktiv einen großen Krieg mit Frankreich anstrebte, um sich unentbehrlich für Philipp IV. zu machen.446 Der spanische Staatsrat hatte am 13. April gegen Krieg gestimmt, und die Abmachung mit Gaston war lediglich eine Wiederho-

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lung der früheren Vereinbarung aus den Jahren 1631/32, um Richelieu zu beschäftigen.447 Oñate brachte die Verhandlungen mit Ferdinand am 31. Oktober 1634 im Vertrag von Ebersdorf zum Abschluss, der in seiner veröffentlichten Fassung auf die Wahrung der Integrität des Reiches abzielte. Geheime Zusatzartikel bestätigten Spaniens Interpretation des Burgundischen Vertrags von 1548, dass der Kaiser den Spaniern gegen die Holländer beistehen müsse, weil die Niederlande Teil des Heiligen Römischen Reiches seien. Oñate überzeugte Ferdinand sogar, eine sehr weitgehende Definition dieser Verpflichtungen zu akzeptieren, wonach Beistand gegen alle Feinde Spaniens verlangt wurde. Dennoch achtete Ferdinand darauf, seine Zusage auf Österreich zu beschränken, und verpflichtete sich lediglich, sein Bestes zu tun, um die anderen Reichsstände zu überreden, sich ihm anzuschließen. Zudem wurde rasch klar, dass die beiden habsburgischen Linien sehr unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie die Hilfe konkret aussehen sollte. Olivares erwartete, dass der Kaiser einen Teil der kaiserlichen Armee entsandte, während Ferdinand Spanien nur erlauben wollte, weitere deutsche Soldaten anzuwerben. Trotz der potenziellen Verpflichtung, Spanien Hilfe gegen Frankreich zu leisten, blieb das Abkommen gegen die Holländer gerichtet. Fernandos Heer war nach Flandern marschiert, nicht nach Frankreich. Die kaiserlichen Operationen zu Beginn des Jahres 1635 beschränkten sich weiter darauf, die Franzosen und Bernhardiner aus Speyer und von anderem Reichsterritorium zu vertreiben. Herzog Karl fiel im April und Mai auf eigene Faust in Lothringen ein. Außerdem hatte der ganze Zweck von Olivares’ Strategie seit 1633 darin bestanden, genug Truppen in Flandern zusammenzuziehen, um eine eindeutige Überlegenheit zu erlangen und die Holländer zu zwingen, einen ehrenvollen Frieden zu akzeptieren. Der spanische Staatsrat billigte dies abermals am 2. Februar 1635, als er zustimmte, dem Spanisch-Niederländischen Krieg weiterhin Vorrang einzuräumen.448 Freilich war und blieb die allgemeine Tendenz der spanischen Politik frankreichfeindlich. Richelieu konnte es sich genauso wenig leisten, Spanien die Holländer besiegen zu lassen, wie er zulassen konnte, dass der Kaiser Schweden vernichtete. Beide protestantischen Mächte blieben Gegengewichte zur gefühlten spanischen Vorherrschaft. Dann fiel die ungünstige Entwicklung am Oberrhein auch noch mit einer spanischen Intervention weiter stromabwärts zusammen, die unabsichtlich zu einer direkten Herausforderung an die Adresse Richelieus wurde. Weil es Feria auf seinem Feldzug nicht gelungen war, das Elsass zu räumen, sah Olivares sich veranlasst, den Statthalter von Luxemburg dazu zu ermächtigen, die Franzosen

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aus Trier zu entfernen und dadurch eine alternative Route von Deutschland in die Niederlande zu öffnen. Beunruhigt über Pläne des Kurfürsten Sötern, Richelieu zu seinem Koadjutor zu ernennen, kooperierten die Trierer Domherren mit dem Luxemburger Statthalter, der 1200 Mann entsandte. Diese überraschten die Franzosen am 26. März in Trier und ergriffen Sötern, während die Domherren die Regierung übernahmen. Weitere 1500 Kaiserliche vertrieben im April die Franzosen aus Koblenz, die aber flüchteten sich in die Festung Ehrenbreitstein, wo sie weitere 28 Monate ausharrten. Olivares hatte nichts mit Söterns Gefangennahme zu tun, die möglicherweise von Fernando inszeniert wurde, um einen von ihm für unausweichlich gehaltenen Konflikt mit Frankreich heraufzubeschwören und so das Reich im Allgemeinen und Österreich im Besonderen zu zwingen, ihren Verpflichtungen nachzukommen.449 Französische Kriegslust Ermutigt von einer Kriegspartei um Abel Servien, der Richelieu zu entschlossenerem Handeln drängte, wurde die französische Regierung von Dezember 1633 an kriegerischer. Richelieu steuerte gewiss auf einen offenen Konflikt mit Spanien zu, wollte ihn aber nicht so schnell. Krieg mit Spanien war gleichbedeutend damit, sich offen mit den Holländern zusammenzutun, die angesichts einer starken Friedenspartei, die eine Wiederaufnahme der im April 1634 ausgesetzten Gespräche befürwortete, weiterhin gespalten waren. Friedrich Heinrich umging die Institutionen, in denen die Friedensfraktion eine Mehrheit innehatte, und nutzte seinen – durch französische Bestechungsgelder vergrößerten – Einfluss in den Provinzen, um Unterstützung für eine Ausweitung des Krieges zu gewinnen. Am 8. Februar 1635 wurde der indirekte französische Beistand in ein Offensivbündnis umgewandelt. Beide Parteien versprachen, jeweils 30 000 Mann und 15 Schiffe für eine gemeinsame Invasion der Spanischen Niederlande bereitzustellen. Im Anschluss an die Invasion sollte die Region drei Monate Zeit bekommen, um ihre Unabhängigkeit zu erklären, oder sie sollte zwischen Frankreich und der Republik der Vereinigten Niederlande aufgeteilt werden.450 Der Vertrag war noch nicht ratifiziert worden, als die Nachricht von Söterns Verhaftung am 30. März Paris erreichte. Spaniens Maßnahme brachte Richelieu in Zugzwang. Seine gesamte Position seit dem „Tag der Betrogenen“ beruhte auf einer selbstbewussten Außenpolitik, und er konnte es sich nicht leisten, die Demütigung tatenlos hinzunehmen, die in der Verhaftung des höchsten ausländischen Fürsten unter französischem Schutz lag.451 Eine Reihe eilig einberaumter Treffen mit Ludwig XIII. führte am 5. April zu der Entscheidung für Krieg. In der Zwischenzeit schickte Richelieu seine Forderung nach Freilassung Söterns nach Brüssel, um Zeit zu gewinnen und Gründe für einen „gerechten Krieg“ zu

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schaffen, indem er vordergründig Frankreichs Friedenswillen bekundete. Die Festnahme des Kurfürsten versetzte ihn praktischerweise in die Lage, den Konflikt als Kampf gegen spanische Tyrannei hinzustellen. Das von Père Joseph entworfene Manifest vermied sorgfältig Kritik am Kaiser. Französische Einheiten rückten bereits in die Niederlande ein, als ein mit traditionellem Wappenrock und federgeschmücktem Hut prächtig gewandeter Herold in Begleitung eines Trompeters in Brüssel einritt, um das Manifest zu überbringen. Fernando weigerte sich, ihn zu empfangen, wodurch er gezwungen war, es am Grenzpfahl zu befestigen und nach Hause zu reiten.452 Französische Kriegsbereitschaft Nach fast 40 Jahren ohne einen großen Krieg war Frankreich relativ schlecht auf einen solchen vorbereitet und nutzte sein wahres Potenzial erst, als das Ringen schon ein paar Jahre im Gange war. Über die Größe der französischen Armee hat es beträchtliche Diskussionen gegeben. Mittlerweile sind die Historiker zwar immer noch verschiedener Ansicht über die genaue Gesamtstärke, korrigieren ältere Schätzungen aber durchweg nach unten. Auf jeden Fall dürfte die Gesamtstärke unter den für das erste Kriegsjahr allgemein angegebenen 120 000 bis 150 000 Mann gelegen haben. Ende 1634 zählte die Armee wahrscheinlich ungefähr 49 000 Mann, erreichte 1635 maximal 65 000 Infanteristen und 9500 Reiter und im darauffolgenden Jahr insgesamt 90 000.453 Die meisten Soldaten waren unerprobt und ihre Offiziere unerfahren. Der Graf von Guiche, später Herzog von Gramont, erinnerte sich an die Ereignisse des Jahres 1635: „… die Eröffnung des Feldzugs und alles erschien den Truppen und sogar den Offizieren schwierig, die zu lange ein verweichlichtes Leben geführt hatten; die Reiterei war es nicht gewohnt, ein Lager aufzuschlagen, und tat es unbeholfen. … Die Armee hielt es für ein Wunder, vier oder fünf Tage ohne Brot auskommen zu müssen, und ihre Einstellung erzeugte beinahe einen allgemeinen Aufruhr.“454 Die üblichen finanziellen Probleme halfen, Richelieus optimistische Erwartungen eines schnellen Erfolgs zunichte zu machen. Obwohl der Krieg mit einer Offensive begann, verbrachten die Franzosen den größten Teil der ersten sechs Jahre damit, auf ihrem eigenen Boden zu operieren. Sie waren außerstande, von ihren Feinden Kontributionen zu erheben, und obwohl Neutrale für „Protektion“ bezahlten, mussten trotzdem Truppen stationiert werden, damit es auch dabei blieb. Lothringen und dem Elsass wurde Geld abgepresst, aber Letzteres wurde nach 1634 zunehmend als französische Provinz behandelt, was eine gewisse Zurückhaltung zur Folge hatte. Einheiten, die in Deutschland (und später in Katalonien) operierten, lebten in der Tat auf Kosten der Einheimischen, doch

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zahlte Frankreich auch weiterhin erhebliche Subsidien an die Holländer, an Schweden und andere Bundesgenossen. Die jährlichen Staatseinnahmen stiegen beträchtlich, von 32,5 Millionen Livre im Jahr 1610 auf 57,5 Millionen am Vorabend des Krieges, und erreichten 1643 79 Millionen. Die Inflation war für einen Teil der zunehmenden Geldmengen verantwortlich, aber der Rest war Ergebnis eines unablässigen Wettlaufs, um mit den wachsenden Militärausgaben Schritt zu halten. Die Letzteren beliefen sich schon in den 1620er-Jahren im Schnitt auf fast 16 Millionen im Jahr, näherten sich mit den Kämpfen in La Rochelle und Mantua der 20-Millionen-Marke, schnellten dann im Jahr 1635 auf mehr als 33 Millionen in die Höhe, um nach 1640 die 38-Millionen-Marke zu überschreiten. Mit 138 Prozent übertraf die Steigerungsrate die der Bruttoagrarproduktion, die nur um 37 Prozent stieg. Die Steuerlast pro Kopf stieg auf mehr als das Doppelte und entsprach schließlich fast fünf Wochenlöhnen, verglichen mit weniger als einem Zweiwochenlohn unter Heinrich IV.455 Da dies zu einer Zeit geschah, in der ein Durchschnittshaushalt den größten Teil seines Einkommens für Nahrungsmittel ausgab, war weit verbreitete Not die Folge, und die wiederum löste bis zur Mitte des Jahrhunderts eine Reihe größerer Aufstände aus. Der Krieg strapazierte ein System, das selbst in Friedenszeiten nur unvollkommen funktionierte. Die Monarchie gab immer zu viel aus und war dadurch gezwungen, sich hoch zu verschulden. Wie in Spanien wurden bestimmte Einnahmequellen als Gegenleistung für Kredite an Geldgeber verpfändet. Damit wurden nicht nur Einnahmen verbraucht, bevor sie eingetrieben worden waren, sondern große Teile des Steuersystems wurden in Privathand überführt und befanden sich nun praktisch außerhalb der Kontrolle der Regierung. Von den Ausgaben wurden unter Richelieu lediglich 49 Prozent dem königlichen Rechnungshof vorgelegt, während der Rest nur in Summe präsentiert wurde. Die Regierung beanspruchte dafür aus Gründen der nationalen Sicherheit eine Ausnahme, aber der wahre Grund war, dass man die den Geldgebern bezahlten exorbitanten Zinssätze geheim halten wollte. Zwischen 1620 und 1644 wurden insgesamt 700 Millionen Livre an Krediten (affaires extraordinaires) zum Preis von 172 Millionen aufgenommen.456 Das formale Gerüst der ordentlichen Besteuerung „war zum Schluss kaum mehr als eine Fassade, hinter der die Finanziers ihre Geschäfte betrieben, mit demonstrativer Gleichgültigkeit gegen den Schaden, den sie der Regierung zufügten, und Verachtung für das Leid des Steuern zahlenden Teils der Bevölkerung“.457 Richelieu kannte diese Probleme und unternahm regelmäßig Anstrengungen, die schlimmsten Missbräuche abzustellen. Viele der an Finanziers veräußerten Steuern wurden 1634 zurückgeholt, als eine neue Militärsteuer, die soge-

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nannte subsistence, eingeführt wurde. Der Krieg verhinderte indes eine Reform, und 1642 wurden Steuern erneut verpfändet. Das System war über fast zwei Jahrhunderte entwickelt worden, und es gab erhebliche Widerstände, sobald die – wie sie meinten – berechtigten Interessen derjenigen tangiert wurden, die das Geld im Auftrag der Krone eintrieben und ausgaben. Grundlegender war vielleicht, dass die Verantwortlichen es gar nicht für notwendig hielten. Die Zentralregierung lag spätestens 1635 fast vollständig in den Händen der Anhänger und Unterstützer Richelieus, womit jeder Anreiz entfiel, an bestehenden Einrichtungen zu rütteln. Die Monarchie mochte von einer Finanzkrise zur nächsten taumeln, aber zumindest bewegte sie sich weiter vorwärts. Die berühmten zentral ernannten Inspektoren, die sogenannten intendants, waren gewiss keine unparteiischen Vertreter des königlichen Absolutismus, wie man früher glaubte, doch sorgten sie immerhin dafür, dass Geld in die Staatskasse floss, Soldaten entlohnt und Kriegsschiffe ausgerüstet wurden.458 Obschon die französischen Truppen weiterhin schlecht diszipliniert waren, meuterten sie immerhin nicht wie Schwedens deutsches Heer.

Der Krieg im Westen (1635/36) Die französische Kriegserklärung an Spanien kam Ferdinand, der einen Konflikt gern vermieden hätte, höchst ungelegen. Der kaiserliche Gesandte verließ Paris im August, doch es wurde Ende Dezember, bevor der Kaiser gemeinsame Operationen mit Spanien genehmigte, und März 1636, bis der französische Botschafter aus Wien ausgewiesen wurde. Weder Ludwig XIII. noch Ferdinand erklärten einander den Krieg. Noch hoffte der Kaiser, Frankreich und Spanien würden ihre Differenzen ohne einen langwierigen Konflikt beilegen.459 Die militärische Zusammenarbeit mit Spanien war bereits in Gang gekommen, aber die kaiserlichen Streitkräfte beschränkten ihre Beteiligung auf Ziele innerhalb des Reiches. Fernandos Heer, das bei seiner Ankunft in Brüssel 11 400 Mann zählte, wurde in die Flandernarmee integriert. Der Ebersdorfer Vertrag sah vor, mit spanischen Subsidien ein neues Heer von 13 300 Mann aufzustellen. Ferdinand erlaubte Spanien widerstrebend, bis Februar 1635 etwa 8000 Deutsche anzuwerben, und verlegte 5000 kroatische und polnische Reiter, die vor Kurzem zu Gallas am Rhein gestoßen waren. Weitere 9000 Rekruten wurden im Oktober über den Gotthardpass nach Süden geschickt, um die spanische Armee der Lombardei zu verstärken, die in Norditalien operierte. Außerdem gestattete Ferdinand Spanien, 10 781 Mann zu sammeln, die im September aus der polnischen Armee entlassen worden waren. Nachdem sie in Schlesien überwintert hatten, schlos-

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sen sich 7000 schließlich im Oktober 1636 Gallas an, während der Rest die Spanier im Herzogtum Mailand verstärkte. All dies waren lediglich indirekte Hilfen, und sie hatten ihren Preis, da Spanien in den Jahren 1635–37 910 000 Gulden für Rekrutierungskosten bereitstellte, verglichen mit 1,2 Millionen an Direkthilfe für Österreich während desselben Zeitraums.460 Im Jahr 1635 hielt Spanien von der zugesagten Beihilfe 540 000 Gulden zurück, um Ferdinand zu zwingen, mehr direkten Beistand zu leisten. Von den damals 90 000 Soldaten der kaiserlichen Armee wurden Gallas 35 000 für ein Ablenkungsmanöver am Rhein zugeteilt. Maximilian willigte ein, die Aktion zu unterstützen, weil die französische Einmischung in die Belagerung von Heidelberg im Dezember 1634 ihn bewog, Richelieus erneuertes Schutzangebot abzulehnen. Die Bayern zählten ungefähr 18 000 Mann, während die kölnisch-westfälischen Truppen nur etwa 6000 Mann stark waren. Einige Bayern halfen, die Franzosen der Festung Ehrenbreitstein zu blockieren, während die anderen entlang des Oberrheins mit Gallas kooperierten. Spanien wendete sich direkt an Gallas und bot ihm den Herzogstitel an, während es zugleich diskret seine Vergangenheit auf belastendes Material hin untersuchte, das man verwenden könnte, sollte er sich als schwierig erweisen. Er blieb trotzdem loyal zum Reich und schob operative Probleme vor, die ihn angeblich an einem Einfall in Frankreich hinderten. Viele dieser Schwierigkeiten waren in der Tat echt. Gallas war gezwungen gewesen, 10 000 Mann zu entsenden, die Spanien dabei helfen sollten, das Veltlin freizuräumen, das gerade durch Henri de Rohans Korps aus dem Oberelsass blockiert worden war (siehe Kapitel 18). Das klägliche Scheitern dieser Operation schreckte die Österreicher zusätzlich davon ab, ihren Vettern zu helfen. Weitere 6000 wurden abgestellt, um Karl von Lothringen zu verstärken, der im Prinzip seinen eigenen Krieg zur Wiedergewinnung seines Herzogtums führte. Schließlich ordnete Gallas noch einmal 10 000 ab, die Piccolomini unterstützen sollten, der in Franken überwintert hatte und im Juni mainabwärts zurückkehrte. Piccolominis Streitmacht zählte am Ende 22 000 Mann, darin dürften allerdings kaiserliche Einheiten unter Mansfeld eingeschlossen sein, der sich zur Unterstützung der Westfalen weiter östlich des Rheins hielt.461 Piccolomini überquerte in der Nähe von Andernach den Rhein und rückte westwärts in Richtung Maas vor. Sein Anmarsch war äußerst hilfreich für Fernando, der nun – wie sein ferner Vorgänger, der Herzog von Parma, in den 1580erJahren – vor einem Zweifrontenkrieg stand. Einheiten mussten abkommandiert werden, um sowohl die Städte entlang der Südgrenze zu Frankreich als auch die bestehenden Posten im Norden, die den Holländern gegenüberstanden, mit Garnisonen zu besetzen. Dazu brauchte es fast die Hälfte seiner 70 000 Mann, was

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ihn den französisch-holländischen Feldheeren zahlenmäßig unterlegen machte. Den Franzosen fehlten wegen der Anfang des Jahres zur Unterstützung von La Force im Elsass abgestellten Truppen 4000 Mann zu der den Holländern zugesagten Stärke. Nichtsdestotrotz rückten sie von Sedan aus maasabwärts vor und besiegten am 22. Mai eine spanische Sperreinheit unter dem Fürsten von Carignan, Thomas Franz von Savoyen. Nachdem sie bei Namur zu den Holländern gestoßen waren, wandte sich das vereinte Heer nach Westen in Richtung Brüssel und eroberte am 9. Juni Tienen (Tirlemont). Danach begann alles schiefzugehen, da sie bei der Belagerung von Löwen (Louvain) nicht weiterkamen. Neben den holländischen Veteranen gaben die Franzosen eine schlechte Figur ab. Als der Nachschub zusammenbrach, verfügten die Franzosen zur Bestürzung der Holländer nur noch über 8000 Mann einsatzbereite Truppen. Während Piccolomini in Kleve einrückte, eroberten die Spanier die Festung Schenkenschanz, die den Rhein direkt unterhalb von Emmerich beherrschte. Diese Aktionen drohten die Holländer in den Spanischen Niederlanden scheitern zu lassen, was sie zu einem schnellen Rückzug zwang, während die Franzosen wieder maasaufwärts eilten. Im Ergebnis vereitelte die französisch-holländische Invasion zwar immerhin spanische Pläne zur Rückeroberung von Maastricht, aber ihr Scheitern belastete trotzdem die Beziehungen zwischen den beiden Verbündeten. Der Rheinfeldzug des Jahres 1635 Für die Erfordernisse des neuen Krieges spielte die Mannschaftsstärke eine besondere Rolle. Die schwache Leistung der Franzosen in Flandern ebenso wie die von La Force erlittenen Verluste Ende 1634 verweisen auf die Bedeutung erfahrener Soldaten. Richelieu wollte einen offenen Bruch mit dem Kaiser vermeiden, doch er brauchte eine schlagkräftige Armee, wenn er um die Herrschaft über das Elsass kämpfen wollte. Es wurde daher unumgänglich, sich die Verfügung über Schwedens Armee am Rhein zu sichern, entweder durch den Heilbronner Bund oder durch ein Abkommen mit Bernhard von Sachsen-Weimar. Die wachsende Bedeutung des Letzteren blieb Ferdinand nicht verborgen, und er beauftragte Ende 1634 den schottischen Obristen John Henderson, den Herzog zum Überlaufen zu überreden. Diese Bemühungen sollten weitergehen, scheiterten aber stets daran, dass es dem Kaiser widerstrebte, die von Schwedens deutschen Offizieren verlangten politischen und finanziellen Zugeständnisse zu gewähren.462 Ferdinands Betonung der patriotischen Pflicht verblasste im Vergleich zu Frankreichs Angebot an Bernhard im April, ihm als Entschädigung für den Verlust Bambergs und Würzburgs das Elsass als Lehen zu übertragen, zusammen mit einem erneuerten Versprechen, seine Armee um 12 000 Mann zu verstärken. Bernhard zögerte und wollte einen Beweis, dass Frankreich seine Zusagen halten konnte.

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Dies schien anfangs unwahrscheinlich, weil die Situation entlang des Oberrheins unsicher blieb. Es lohnt sich, die Operationen im Detail zu verfolgen, weil sie zeigen, dass die Dinge trotz Frankreichs Krieg mit Spanien und trotz des Friedens, den der Kaiser mit den meisten deutschen Protestanten in Prag schloss, im Fluss blieben. Die Unfähigkeit der Generäle Ferdinands, Bernhard zu neutralisieren, verwickelte nicht nur Frankreich tiefer in den deutschen Krieg, sondern bestärkte auch Schweden darin, weiterzukämpfen. Die Operationen am Rhein begannen erst wieder, als sich im Juni die Nachricht von der Prager Friedensregelung verbreitete. Erzherzog Ferdinand traf mit Verstärkungen ein, womit Gallas Heer nun wieder über 20 000 Mann verfügte. Diese wurden ausschließlich zur Abstützung des Prager Friedens eingesetzt, indem sie die noch verbliebenen schwedischen Außenposten entlang des Rheins belagerten und versuchten, Bernhard niederzuwerfen. Während die Bayern unter Gronsfeld die rechtsrheinischen Außenposten einen nach dem anderen ausschalteten, belagerte Gallas im Westen Mainz und Saarbrücken. Bernhard blieben, nachdem er 6000 Mann abgestellt hatte, um diese Positionen zu halten, nur noch 7500, zu wenige, um viel auszurichten. Am 24. Juli kapitulierte das Heidelberger Schloss vor Gronsfeld, gefolgt von Frankfurt am 21. August und Mannheim am 10. September. Richelieu wies den Kommandeur des 26 000 Mann starken französischen Heeres in Lothringen, Kardinal La Valette, an, Bernhard mit 10 000 Mann zu Hilfe zu kommen, und zusammen entsetzten sie im August Mainz.463 Gallas zog sich zurück, aber die Franzosen litten unter den gleichen Problemen, die ihre Operationen in den Niederlanden behinderten. Zwei Drittel von La Valettes Heer desertierten, als der Nachschub zusammenbrach. Als klar wurde, dass die Hessen nicht kooperieren würden, zog sich der Kardinal noch im September überstürzt nach Metz zurück. Gronsfeld überquerte mit 6500 Bayern den Rhein, um sich Gallas’ Vorstoß von Saarbrücken aus nach Süden ins Innere Lothringens anzuschließen. Diese Aktion zielte eindeutig auf französische Interessen, sollte aber lediglich die Situation dort wiederherstellen, wie sie vor der französischen Invasion von 1632 bestanden hatte, und war keinesfalls als Angriff auf Frankreich selbst gemeint. Herzog Karl hatte in diesem Jahr seinen dritten Versuch gestartet, sein Herzogtum wiederzuerlangen, indem er Ende Juni von Breisach aus mithilfe zweier bayerischer Reiterregimenter überall im Elsass zuschlug. Seine Schwester Henriette von Pfalzburg begleitete die Truppen in Männerkleidung und nahm an den Kämpfen teil. Ludwig XIII. war gezwungen, sein Ersatzheer aus 12 000 frisch geworbenen Schweizer Söldnern in Marsch zu setzen, um den Herzog aus dem Westen zu vertreiben, während La Valette, La Force und Bernhard Gallas’ Einfall aus dem Norden entgegentraten. Zwischen dem 12. Oktober und dem 23. November

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standen die beiden Parteien einander in befestigten Lagern in der Nähe von Moyenvic gegenüber. Beide litten schrecklich unter der Pest und an Mangelernährung, so wie Wallenstein und Arnim 1633 oder die beiden Heere bei Nürnberg im Jahr davor. Die Situation verschlechterte sich schneller im kaiserlichen Lager, wo Herzog Karls Ankunft den Druck auf die Ressourcen verschärfte, während Gallas die Tage mit Trinken verbrachte. Schließlich gab er auf und zog sich im Schnee durch Zabern (Saverne) zurück, nachdem er seine Artillerie hatte zurücklassen müssen, weil die Soldaten die Transporttiere gegessen hatten. Sein Heer verlor bis zu 12 000 Mann, wobei die französischen Verluste, einschließlich Deserteuren, vermutlich mindestens genauso hoch waren.464 Gleichwohl hatte Gallas die Franzosen daran gehindert, Bernhards Garnison in Mainz zu entsetzen, die unter kaiserlicher Blockade verblieb. Ohne Aussicht auf Hilfe und mittlerweile gezwungen, ihre Stiefel zu essen, kapitulierten die überlebenden 1000 Verteidiger von Mainz im Januar im Gegenzug für sicheres Geleit nach Metz. Der Fall der Stadt beseitigte die letzte bedeutende schwedische Position am Oberrhein. Obwohl ihm an Stützpunkten in Deutschland nur noch das von Sir James Ramsay gehaltene Hanau am Main geblieben war, wurde Bernhard dennoch hinlänglich französischer Hilfe versichert, sodass er am 27. Oktober in SaintGermain-en-Laye einem formellen Bündnis zustimmte.465 Er verlegte sein Heer nach Frankreich und gab sich nicht länger den Anschein, als würde er dem längst nicht mehr existenten Heilbronner Bund dienen. Eine Geheimklausel versprach ihm eine Pension sowie den österreichischen Teil des Elsass als französisches Lehen, sobald die Region vollständig gesichert wäre. Richelieu hoffte, dank dieser Vereinbarung den Krieg im Elsass fortsetzen zu können, ohne weitere französische Truppen dafür aufbringen zu müssen. Diese könnten dann auf die in Lothringen in Garnison liegenden Einheiten reduziert werden. Der Vertrag erwies sich indessen für beide Parteien als unbefriedigend. Obwohl er nun offiziell französischer Weisung unterstand, blieb Bernhard eigenständig, und seine Operationen waren – wie sein früherer schwedischer Dienst – zumindest teilweise weiterhin darauf ausgerichtet, sich das versprochene Territorium zu sichern. Frankreich versprach einen jährlichen Zuschuss von vier Millionen Livre (1,6 Millionen Taler), wodurch freilich nur ein Drittel der Kosten für die 6000 Reiter und 12 000 Fußsoldaten gedeckt sein würde, die er unterhalten sollte. Mithin war er geradezu gezwungen, die Operationen auf der Suche nach Kontributionen auszuweiten. Diese reichten nie aus, und er bekam selten mehr als die Hälfte des offiziellen Mannschaftsbestandes zusammen – mit der Folge, dass Frankreich einen Teil des Zuschusses zurückhielt, was das Problem wiederum verschlimmerte. Zudem erregte Richelieus Weigerung, Schwedens ehema-

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lige elsässische Außenposten abzutreten, bei Bernhard den Verdacht, dass die Franzosen vorhatten, die Provinz zu behalten. Das Jahr von Corbie Auch im Jahr 1636 hatte für Olivares der Krieg gegen die Holländer Vorrang, der auch in den Spanischen Niederlanden populärer war als ein Kampf gegen Frankreich.466 Fernando verfügte noch über fast 70 000 Mann, aber Friedrich Heinrich schlug zuerst zu, als er Schenkenschanz und die anderen im Jahr zuvor verlorenen Orte zurückeroberte. Die holländische Offensive kam zum Stillstand, da der Republik der Vereinigten Niederlande vorübergehend das Geld ausging, doch sie hatte einmal mehr die spanischen Pläne durcheinandergebracht. Frankreich richtete unterdessen seine Hauptanstrengungen gegen die Franche-Comté, blieb gegen die Spanischen Niederlande in der Defensive und startete lediglich Nebenangriffe in Italien. Der Fürst von Condé führte 20 000 Mann in die Franche-Comté und belagerte am 26. Mai ihre Hauptstadt Dôle. Die Invasion verletzte die von der Schweizer Eidgenossenschaft garantierte Neutralität, galt indes als notwendig, um Herzog Karl zu beseitigen, der sich Ende 1635 dorthin zurückgezogen hatte. Karl und die spanischen Truppen vor Ort waren zu schwach, um Widerstand zu leisten. Olivares drängte Ferdinand zum Handeln, aber der Kaiser stimmte einmal mehr nur indirekter Hilfe zu. Am 30. Dezember 1635 war ein neuer Vertrag geschlossen worden, in dem Spanien als Gegenleitung für den Eintritt von 25 000 Deutschen in seine Dienste monatliche Subsidien von 100 000 Talern bis zum Ende des Krieges zusagte. Olivares hielt das Geld zurück und gab nur dann Teilzahlungen frei, wenn kaiserliche Generäle etwas unternahmen, das im spanischen Interesse lag.467 Gallas weigerte sich, aus seinem verschanzten Lager bei Drusenheim im Elsass abzurücken. Er war noch dabei, sein Heer wiederaufzubauen, und führte lange und letztendlich fruchtlose Verhandlungen mit Straßburg über die Benutzung seiner Rheinbrücke. Sein Fernbleiben ermöglichte es Bernhard und La Valette, sich im Elsass zu behaupten. Die fortgesetzte Untätigkeit der kaiserlichen Generäle veranlasste Olivares, Fernando zu befehlen, einen Ablenkungsangriff von den Spanischen Niederlanden aus zu starten. Daraufhin fielen Fernando und Thomas Franz von Savoyen mit 25 000 Mann in die Picardie ein. Endlich marschierte Piccolomini vom Rhein nach Westen, um zu Werth und sieben bayerischen Regimentern zu stoßen, die in Lüttich überwintert hatten, und zusammen griffen sie mit etwa 12 000 Soldaten die Champagne an. Das fruchtbare französische Ackerland wurde von den erfahrenen Räubern gründlich ausgeplündert.468 Die Eindringlinge fegten die 9000 Franzosen unter Soissons beiseite und eroberten im Juli nach minimalem Widerstand die unbedeutenden Grenzfestungen La Chapelle

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und Le Châtelet. Am 7. August belagerte Fernando Corbie an der Somme nördlich von Noyon, während Werths Reiterei das ferne Compiègne überfiel. Corbie fiel am 15. August, und Fernando marschierte nach Süden, um zu Werth zu stoßen, während weitere 10 000 spanische Soldaten die westlichen Pyrenäen überquerten und Saint-Jean-de-Luz eroberten. Panik ergriff den französischen Hof, Richelieus gesamte Politik lag dem Anschein nach in Trümmern. Flüchtlinge strömten Richtung Süden nach Chartres und Orléans. Ludwig XIII. berief die Miliz und die königlichen Garden ein. Selbst Gaston schloss sich der Sache an. Er eilte von seinen Gütern herbei, wo er seit 1634 geschmollt hatte, und traf mit hastig aufgestellten 4800 Mann Verstärkung ein. Friedrich Heinrich startete mit 13 000 Holländern einen Angriff auf die südlichen Niederlande, um die habsburgischen Streitkräfte abzulenken, während Condé am 15. August die Belagerung von Dôle aufgab und 9000 Mann schickte, die sich dem König anschließen sollten. Piccolomini wollte weiter vorstoßen, bis nach Frankreich hinein, aber die Spanier waren von ihrem Erfolg überrascht worden und hatten keine Ressourcen, um ihn auszunutzen. Fernando hatte niemals vor, Paris zu erobern, und wollte lediglich seine augenblicklichen Positionen festigen, um in der Picardie und in der Champagne zu überwintern. Er zog sich zurück, als Ludwig und Gaston von Paris aus vorrückten. Am 14. November wurde Corbie zurückerobert, und die Lage stabilisierte sich. Die Krise ermöglichte indes Gallas, vom Elsass aus durch die Burgundische Pforte in die Franche-Comté vorzurücken und zu Herzog Karl zu stoßen, womit sie zusammen über 40 000 Mann verfügten. Jede Chance, ihre zahlenmäßige Überlegenheit zu nutzen, wurde jedoch durch die Pest und herbstliche Regenfälle zunichtegemacht. Die Kaiserlichen zogen sich ostwärts entlang der oberen Saône zurück und beschlossen das Jahr in Breisach. Herzog Karl fiel in sein Herzogtum ein und eröffnete mit dem guerre des châteaux einen Teufelskreis aus Angriffen und Gegenangriffen zwischen Garnisonen in ganz Lothringen.469 Die Invasion Frankreichs war improvisiert, und es bestand keine echte Chance, Ludwig XIII. zu einem Friedensschluss zu zwingen.470 Die eigentliche Bedeutung des Geschehens lag darin, dass es den französischen Hof zu der Einsicht zwang, dass Frankreich jetzt an einem langwierigen Ringen beteiligt war. Die habsburgische Zusammenarbeit blieb ineffektiv, verfolgten die österreichische und die spanische Linie doch je eigene Ziele. Gallas’ Operationen konnten das Elsass nicht sichern und steigerten lediglich Richelieus Entschlossenheit, alles zu beseitigen, was seiner Ansicht nach seinen Besitz Lothringens gefährdete.

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Der Prager Frieden von 1635 Der Frieden im Heiligen Römischen Reich blieb Ferdinands höchste Priorität. Der Sieg bei Nördlingen erlaubte ihm endlich, aus jener Position der Stärke heraus zu verhandeln, die notwendig war, um Zugeständnisse zu vermeiden, die als Schwäche erscheinen würden. Er verfolgte, was Konrad Repgen als Dreistufenplan beschrieben hat: die Vereinigung aller Reichsstände hinter der Person des Kaisers, die Realisierung militärischer Überlegenheit und die Vertreibung der Ausländer aus dem Reich.471 Diese Ziele sollten durch einen allgemeinen Frieden erreicht werden, der Ferdinands größtenteils katholische Unterstützer sowie Schwedens deutsche Bundesgenossen und Kollaborateure einschloss. Der Kaiser war bereit, beim Restitutionsedikt ein wenig nachzugeben, um sich eine hinreichend breite Zustimmung zu sichern und jene zu isolieren, die seine Bedingungen nicht annehmen wollten. Alle Streitkräfte innerhalb des Reiches sollten unter kaiserlichem Oberbefehl vereint werden, um die zahlenmäßige Stärke und die Abstimmung zu erreichen, die für einen Sieg über Schweden erforderlich waren. Schweden sollte ebenfalls Frieden angeboten werden, aber lediglich in Gestalt der Aufforderung, die Regelung des Kaisers zu akzeptieren. Allgemein sieht man in dieser Strategie den Grund dafür, dass der Konflikt säkularisiert wurde, den – so die Annahme – fortan die ausländische Beteiligung aufrechterhielt. Der französischen Intervention sei die Vereitelung des Versuchs zuzuschreiben, den Frieden auf den „Reichsabsolutismus“ zu gründen.472 Auf jeden Fall verlor der Krieg seinen vordergründig konfessionellen Charakter, als Sachsen, Brandenburg und die Mehrzahl der lutherischen Territorien am 30. Mai 1635 die Bedingungen des Kaisers annahmen. Militante wie Lamormaini büßten ihren früheren Einfluss auf die Politik weitgehend ein, während Trauttmansdorff und andere pragmatischere Männer die Zügel fest in die Hand nahmen. So wenig der Krieg allerdings je ein ausschließlich religiöses Ringen gewesen war, so wenig fanden auch die mit dem Verfassungsstreit verbundenen konfessionellen Fragen mit 1635 ein plötzliches Ende, ließen Ferdinands Bedingungen doch eine unzufriedene Minderheit zurück, der es neben politischen Zielen weiterhin auch um religiöse Missstände ging. Der Krieg änderte gleichwohl seinen Charakter, weil der Kaiser darauf bestand, dass die ursprünglichen Probleme beigelegt worden seien und es sich bei den Feinden nun um böswillige fremde Kronen handele, die darauf aus seien, den Frieden des Reiches zu stören und sein Territorium an sich zu reißen. Er musste dies behaupten, weil die in Prag erreichten Vertragsbedingungen in vielem seinen Vorstellungen entsprachen, und er wollte das Erreichte keinesfalls in

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späteren Verhandlungen gefährden. Doch es waren genau diese Bedingungen, die Frankreich und Schweden anfochten. Der Prager Frieden machte Ferdinand nicht zu einem absoluten Monarchen, und er beabsichtigte durchaus wiederherzustellen, was er für die rechte verfassungsmäßige Ordnung hielt.473 Trotzdem war es eine monarchische Lösung, eingefädelt durch eine Reihe von exklusiven Deals mit den Kurfürsten und den anderen Reichsständen ohne weitere Diskussion vorgelegt. Ferdinand behauptete, es sei in Anbetracht der wachsenden französischen Einmischung unmöglich, einen Reichstag abzuhalten, womit die Friedensstiftung praktischerweise zu einem dem Kaiser vorbehaltenen Vorrecht wurde. Aus dem allgemeinen Tenor der Prager Vertragsbedingungen sprach eine kaiserliche Machtvollkommenheit, die inakzeptabel war für Schweden und Frankreich, die daher enger zusammenrückten, um das sich abzeichnende Wiedererstarken der Habsburger zu verhindern. Ihre fortgesetzte Einmischung wurde dadurch erleichtert, dass Ferdinand den schweren Fehler beging, einige Fürsten von der in Prag angebotenen Amnestie auszuschließen. Dies erlaubte den beiden Kronen, sich als Fürsprecher „teutscher Libertät“ zu präsentieren, ein Schlagwort, das die eigentlichen Ziele ihrer Einmischung verschleierte – nämlich dafür zu sorgen, dass der Kaiser schwach blieb und das Reich offen für äußere Beeinflussung. Ferdinands Ratgeber waren besorgt über seine nachlassende Gesundheit, die es zwingend erforderlich machte, sich auf die Wahl seines ältesten Sohnes zum Römischen König vorzubereiten. Angesichts der Tatsache, dass Wallenstein nicht mehr da und Schweden auf dem Rückzug war, fiel es leichter, direkte Gespräche mit Sachsen auf der Basis der Pirnaer Noteln zu führen.474 Ferdinand war klar, dass der Frieden nur funktionieren würde, wenn er auch die Zustimmung seiner katholischen Unterstützer gewann, vor allem da der Papst bereits seinen Widerstand gegen Zugeständnisse angekündigt hatte, die kirchliche Güter betrafen. Es war relativ einfach, die geistlichen Fürsten auf dem Laufenden zu halten, weil sie nach wie vor zusammen in Köln Schutz suchten.475 Viele, mit Mainz an ihrer Spitze, waren bereit, beim Restitutionsedikt nachzugeben, aber Ferdinand wollte weiter gehen und die Katholische Liga auflösen, um zum einen protestantische Ängste zu zerstreuen und zum anderen sich selbst die Kontrolle über Krieg und Frieden zu sichern. Mehrere katholische Fürsten waren unzufrieden mit der Handlungsweise Bayerns, und seit Tilly es versäumt hatte, sie nach Breitenfeld zu beschützen, hatte die Liga ohnehin entschieden an Attraktivität verloren. Stadion, der Hochmeister des Deutschen Ordens und Ratgeber Erzherzog Ferdinands, war ein einflussreicher Kritiker, der behauptete, dass das katholische Bündnis einem einheitlichen Oberkommando im Weg stehe, das indes unerlässlich sei, um den Krieg zu gewinnen.476

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Die bayerische Einwilligung zu bekommen wurde zur entscheidenden Voraussetzung für Frieden. Maximilian wurde durch besondere, im Stuttgarter Rezess am 19. November 1634 vereinbarte Zugeständnisse überzeugt, die ihm erlaubten, die Befehlsgewalt über das bayerische Heer als eigenständiges Korps in der neuen, gemeinsamen „reichsarmada“ zu behalten. Das Abkommen wurde durch ein dynastisches Bündnis nach dem Tod von Maximilians erster Gemahlin am 4. Januar 1635 besiegelt. Der Kurfürst war noch kinderlos und brauchte einen Sohn, um sich seine territorialen Gewinne als erbliche Besitztümer zu sichern. Am 17. Juli 1635 heiratete er die älteste Tochter des Kaisers, Maria Anna, und konnte sich am 31. Oktober des darauffolgenden Jahres über die Geburt eines Sohnes, des künftigen Kurfürsten Ferdinand Maria, freuen. Die bayerische Unterstützung machte den fortgesetzten Widerstand des Kurfürsten von Köln relativ unbedeutend.477 Alles, was im weiteren Verlauf der Gespräche mit Sachsen noch zu tun blieb, war, die verbliebenen Militanten in Wien zum Schweigen zu bringen und das Gewissen des Kaisers zu beruhigen. Auf Ferdinands Anordnung hin berief Kardinal Dietrichstein im Februar eine Kommission aus 24 Theologen ein. Lamormaini und die acht Jesuiten wurden von der Mehrheit überstimmt, die argumentierte, nach der Lehre vom geringeren Übel seien Zugeständnisse gerechtfertigt. Die Bedingungen Der Prager Frieden löste sämtliche Unionen, Ligen und sonstige Bündnisse auf, ausgenommen einzig den Kurverein als Zusammenschluss der Kurfürsten. Er betonte die fortwährende Gültigkeit der Fundamentalgesetze, der Goldenen Bulle und anderer Reichskonstitutionen neben dem aktuellen Friedensschluss und sicherte den protestantischen Ständen mit Blick auf den Friedensvertrag zu, es solle „hierinnen keinem standt, er sei einer oder der andern religion zugethan oder verwandt, einige außflucht oder verzögerung nicht verstattet, sondern eine dürchgehende gleichheit hierinne gehalten und trewlich, Teutsch und ufrecht in allen verfahren werden“.478 Eine Amnestie sollte auch diejenigen miteinschließen, die seit 1630 gegen den Kaiser zu den Waffen gegriffen hatten. Die beiden Herzöge von Mecklenburg wurden ausdrücklich begnadigt und wieder eingesetzt. Mit Blick auf den Pfalzgrafen Friedrich als den „haubtanfänger und ursacher“ all des in Böhmen und im Reich entstandenen Unheils bestätigte Artikel 32 allerdings den Verlust seiner Kurwürde und seiner Lande und bekräftigte die früheren Verfügungen zugunsten Bayerns.479 Eine mit Sachsen vereinbarte separate Liste schloss auch Württemberg, HessenKassel und andere aus, die aber zugleich aufgefordert wurden, ihren eigenen Frieden mit dem Kaiser zu schließen. Der Prager Frieden folgte insoweit dem

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Restitutionsedikt, als er die Protestanten als Anhänger des Augsburgischen Bekenntnisses bezeichnete, was Lutheraner meinte, vermied es aber, dies auf den Text von 1530 zu beschränken, was Calvinisten wie den Brandenburger Kurfürsten ausdrücklich von der Regelung ausgeschlossen hätte. Wer von der Amnestie ausgenommen war, der musste sich mit der vollständigen Restitution gemäß dem Edikt von 1629 abfinden. Die anderen „Augspurgischen confessionsverwandten“ erhielten einen 40-jährigen Aufschub für Bistümer und andere geistliche Güter, die sie sich zwischen 1552 und dem 12. November 1627 angeeignet hatten. Das letztere Datum wurde als Stichtag für das neue Normaljahr festgelegt, weil es auf den Mühlhausener Kurfürstentag folgte, der die rechtliche Grundlage für das Edikt geschaffen hatte. Mit anderen Worten: Die grundlegende Legitimität der Politik Ferdinands wurde bestätigt, ihre Umsetzung hingegen erheblich modifiziert. Der Prager Frieden betonte, dass die Bemühungen, zu einer gütlichen Einigung bezüglich der Restitution zu kommen, während der Zeit ihrer Aussetzung weitergehen sollten. Die Gespräche sollten von friedliebenden Ständevertretern, die sich zu gleichen Teilen aus beiderlei Konfession zusammensetzten, geführt werden und möglichst innerhalb der ersten zehn Jahre zu einem Vergleich bezüglich der geistlichen Güter führen. Artikel 10 legte allerdings fest, dass für den Fall, dass diese konfessionsübergreifenden Gespräche keine Einigung erzielen könnten, das neue Normaljahr 1627 auch nach Ablauf der 40 Jahre in Kraft bleiben sollte. In der Praxis lief dies auf die dauerhafte Aussetzung des Edikts hinaus. Der Kaiser bewilligte dem Sohn des Kurfürsten Johann Georg auf Lebenszeit Magdeburg, während ein separater Artikel Sachsen den uneingeschränkten Besitz der Lausitz einräumte. Halberstadt blieb weiter Erzherzog Leopold Wilhelm vorbehalten, aber für die protestantischen Einwohner wurden Schutzmaßnahmen in das Vertragswerk aufgenommen. Ferdinand gab so weit nach, weil sein Kernziel, nämlich den Protestantismus von den habsburgischen Erblanden fernzuhalten, sichergestellt war – sieht man von einigen kleineren Zugeständnissen in Schlesien ab, damit Sachsen das Gesicht wahren konnte. Artikel 46 brachte zum Ausdruck, dass der Krieg eine gemeinsame Anstrengung sein sollte. Der vorgesehene Beistand beschränkte sich nicht auf den Kaiser und die Katholiken, sondern bezog ausdrücklich auch die loyalen Protestanten mit ein. Die Unterzeichner kamen überein, sich coniunctis viribus, also mit vereinten Kräften, darum zu bemühen, das Reichsgebiet von fremdem, insbesondere schwedischem Kriegsvolk zu befreien. Dies sollte mithilfe „der Ksl. Mt. und des Hl. Reichs armaden“ bewerkstelligt werden.480 Artikel 73 verpflichtete alle Reichsstände, zur Finanzierung dieser Armee vom 1. September 1635 an 120 Römermonate in sechs Raten zu zahlen. Der folgende Absatz hielt fest, dass Ein-

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quartierungen und Verpflegung der Soldateska sich überall gleichermaßen an die Verpflegungsordonnanz zu halten hatten, wofür spezielle kaiserliche Kommissare Sorge tragen sollten. Proviant und Furage seien sodann mit den von den Ständen geleisteten Kontributionen zu verrechnen – dies war ein unrealistischer Versuch, die Praxis der Kriegführung zu domestizieren. Der Prager Frieden wurde nur zwischen kaiserlichen und sächsischen Vertretern vereinbart, die anderen Reichsstände wurden lediglich aufgefordert, sich anzuschließen. Um sie zu ermutigen, verteilte der Kaiser gedruckte Exemplare, in denen die umstrittenen Ausschlüsse von der Amnestie nicht erwähnt wurden. Nach einem Festbankett in Prag schrieb Trauttmansdorff optimistisch, dass die Armee jetzt verkleinert werden könne, um sich auf die wenigen noch verbliebenen Feinde zu konzentrieren.481 Bemühen um Akzeptanz Sachsen spielte weiter eine wichtige Rolle als Mittler zwischen dem Kaiser und seinen noch verbliebenen Feinden. Johann Georg wurde zum kaiserlichen Kommissar in beiden sächsischen Reichskreisen ernannt, um den Frieden durchzusetzen und mit Schweden zu verhandeln. Wie Bayern wurde auch ihm gestattet, seine Armee als eigenständiges Korps zu behalten. Arnim war durch seinen Dienst gegen den Kaiser nach 1631 kompromittiert, legte sein Kommando nieder und zog sich schlussendlich auf seine Güter in Brandenburg zurück. Die Schweden setzten eine Belohnung auf seinen Kopf aus und nahmen ihn im März 1637 gefangen, doch ihm gelang die Flucht. Als sächsischer Oberbefehlshaber wurde er im August 1635 durch Baudissin ersetzt, der im März desselben Jahres aus dem schwedischen Dienst ausgeschieden war. Die Sachsen räumten Schlesien und zogen ihre 25 000 Mann im Juli bei Leipzig zusammen.482 Unterstützt wurden sie von 7000 Kaiserlichen an der unteren Oder unter dem Obristen Marazzino, einem weiteren italienischen Offizier, der Wallensteins Ermordung unterstützt hatte. Brandenburg hatte bereits im Februar 1635 einen Waffenstillstand mit dem Kaiser unterzeichnet und akzeptierte den Prager Frieden prompt. Kurfürst Georg Wilhelm blieb in Sorge wegen möglicher schwedischer Repressalien, zumal die Schweden noch viele seiner Städte besetzt hielten. Er erfüllte schließlich seine militärischen Verpflichtungen, indem er im Oktober drei Regimenter sächsischer Befehlsgewalt unterstellte, ansonsten aber versuchte, neutral zu bleiben.483 Schwedens niedersächsische Kollaborateure hatten im Februar ebenfalls einen Waffenstillstand mit dem Kaiser vereinbart und verhandelten nach Mai über die Annahme des Prager Friedens. Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg war hier zur beherrschenden Figur geworden, nachdem der kinderlose Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel im August 1634 in seinem Palast die Trep-

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pe hinuntergefallen und gestorben war. Georg nötigte seine Verwandten, die Territorien der Familie bis Mai 1636 neu zu verteilen, und tauchte am Ende mit seinem eigenen Fürstentum auf, das Calenberg, Göttingen und Hildesheim umfasste. Die letztere Stadt war besonders problematisch, weil sie nach den Bestimmungen des Prager Friedens eigentlich Ferdinand von Köln zurückgegeben werden sollte. Georg akzeptierte die Prager Bedingungen am 10. August 1635, legte sein schwedisches Kommando nieder und entsandte ein paar Einheiten, um kurzzeitig mit den Sachsen zu kooperieren. Er weigerte sich jedoch, sich Ferdinand vollständig zu unterwerfen, der ihm lediglich anbot, ihn wieder zum kaiserlichen General zu ernennen. Er behielt sechs Regimenter gemeinsam mit seinem älteren Bruder August II., der Wolfenbüttel geerbt hatte. Ihr unkooperatives Verhalten veranlasste Ferdinand, die kaiserliche Garnison unter dem Obristen Johann von Reuschenberg in der Stadt Wolfenbüttel zu belassen, um über ein Druckmittel für die Rückgabe von Hildesheim zu verfügen. August protestierte, die Garnison, die einschließlich der Angehörigen und sonstigen Anhangs angeblich 7000 Personen zählte, sei eine unerträgliche Belastung. Die Einwohnerschaft der Stadt sei von 1200 auf 160 gesunken, und das gesamte Fürstentum sei fast völlig verwüstet worden.484 Brandenburg und die Welfen entgingen Repressalien, weil weder die Schweden noch der Kaiser stark genug waren, sie auf ihre Seite zu zwingen. Ihre Haltung engte die Operationen auf die natürlichen Korridore von Elbe und Oder ein und bot somit Schwedens Brückenkopf in Pommern einen gewissen Schutz. Die Tatsache, dass er Hildesheim nicht zurückbekam, war nur ein Faktor hinter der skeptischen Einstellung Ferdinands von Köln zum Prager Frieden. Versöhnt wurde er durch Zugeständnisse, die Maximilian in seinem Namen im Oktober 1635 aushandelte. Damit wurde der militärischen Struktur eine weitere Ausnahme hinzugefügt, indem auch der westfälischen Armee erlaubt wurde, ein eigenständiges Korps unter ihren eigenen Generälen zu bleiben. Ihre Autonomie war eingeschränkter als die, derer sich Bayern und Sachsen erfreuten, was hauptsächlich daran lag, dass die Armee kleiner war und auf zusätzliche bayerische und kaiserliche Einheiten angewiesen blieb, die in einem anderweitigen Krisenfall oft zurückbeordert wurden. Dagegen stärkte die Vereinbarung vom Oktober 1635 die bayerische Autonomie, zumal es Maximilian gelang, Herzog Karl loszuwerden und ihn im Januar 1636 durch den Grafen Johann von Götzen als seinen neuen Feldmarschall zu ersetzen. Die anderen Territorien behielten ebenfalls Einheiten gemäß den Schlupflöchern der Artikel 64 und 66, die es den Reichsständen erlaubten, in ihren eigenen Territorien Garnisonen zu halten. Würzburg beispielsweise unterhielt im Jahr 1636 etwa 2000 Mann, wenngleich einige abgestellt wurden, um die Reichs-

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armee zu verstärken.485 Nichtsdestotrotz wurde Wolfgang Wilhelm von PfalzNeuburg, der einzige Katholik, der sich weigerte, gemäß dem Prager System zu kooperieren, gehörig unter Druck gesetzt. Die Episode veranschaulicht den zentralen Stellenwert der Verfassung als Friedensgrundlage. Statt einzumarschieren, belangte der Kaiser den Herzog gerichtlich über den Reichshofrat. Piccolomini drohte dennoch mit Gewalt – vor allem als seine Männer Ende 1635 verzweifelt nach warmen Quartieren suchten. Unbezahlt, wie sie waren, liefen die meisten Pfalz-Neuburger Soldaten zu den Kaiserlichen über, sodass nur noch 870 Mann in Düsseldorf ausharrten. Die Amnestiefrage Der Ausschluss der wichtigeren Mitglieder des Heilbronner Bundes von dem Frieden wurde unter dem Schlagwort „Amnestiefrage“ bekannt und zerstörte letztendlich die Prager Friedenshoffnungen. Erzherzog Ferdinand hatte eine umfassende Amnestie für all jene befürwortet, die bereit waren, den Prager Frieden zu akzeptieren, aber sein Vater schloss den Kurfürsten von der Pfalz sowie Hessen-Kassel, Württemberg, Hohenlohe, viele rheinische Grafen und sämtliche böhmischen Exulanten aus. Einige der Letzteren waren prominente Calvinisten, doch die Konfession spielte bei dieser schicksalhaften Entscheidung nur eine untergeordnete Rolle. Johann Georg behauptete zwar stets, für Calvinisten gelte der Augsburger Religionsfrieden nicht, den die Prager Abmachung ebenfalls bestätigte. Doch Ferdinands Entscheidung war gegen seine hartnäckigen Feinde gerichtet, deren Besitztümer größtenteils schon seinen Bundesgenossen übertragen worden waren. Dem Kurfürsten von der Pfalz konnte keine Amnestie gewährt werden, ohne die Vereinbarungen mit Bayern zu konterkarieren. Die Hohenloher Grafen waren 1634 wegen ihrer herausragenden Stellung unter Schwedens Kollaborateuren geächtet worden. Sie wurden 1635 allesamt begnadigt, mit Ausnahme eben von Georg Friedrich, dessen Unterstützung für Schweden gegen die Bedingungen seiner früheren Amnestie nach dem böhmischen Aufstand verstieß. Der Ausschluss Württembergs hatte nichts mit Religion zu tun, da es lutherisch war. Die Erbeutung seines Archivs enthüllte das Ausmaß der Kollaboration mit Schweden seit 1632 und lieferte einen Vorwand, das Herzogtum zur Erfüllung der nach Nördlingen lautstark erhobenen Forderungen nach Belohnung zu benutzen. Bayern wollte Heidenheim, die Tiroler Habsburger waren versessen auf die württembergischen Enklaven in ihren schwäbischen Besitzungen, die Prälaten erwarteten ihre Klöster zurück, und auch hohe kaiserliche Beamte ersuchten um einen Anteil an der Beute. Sieben Kreise gingen im Juni und Juli 1635 an Schlick, Trauttmansdorff und Bischof Wolfradt, wenngleich Ferdinand sich den anderen Ansprüchen widersetzte. Ebenso wies er Forderungen zurück,

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die Reichsritter von der Amnestie auszuschließen, was es Würzburg und anderen ermöglicht hätte, deren Güter zu enteignen.486 Darmstadts Erwartung, ganz Kassel zu erhalten, war trotz seines aufrichtigen Beitrags zum Prager Frieden völlig unangemessen. Dennoch fühlte sich Ferdinand verpflichtet, ihm ein paar pfälzische Distrikte sowie Territorium, das den Grafen von Solms und Isenburg-Büdingen gehörte, zu überlassen. Die vier Grafschaften der walramischen Linie des Hauses Nassau wurden an Mainz, Schwarzenberg, Fürst Lobkowitz und Herzog Karl von Lothringen verteilt, während Zweibrücken nach seiner Eroberung im Oktober 1635 mit der Begründung sequestriert wurde, sein Fürst, Johann Casimir, sei Gustav Adolfs Schwager.487 Die Entscheidungen waren unverständlich. Die Nutznießer waren die loyalen Unterstützer des Kaisers, von denen viele durch jene gelitten hatten, deren Ländereien sie nun erhielten. In jedem Fall erschwerte Ferdinand die Amnestiefrage außerordentlich, indem er die Zahl derjenigen vergrößerte, die ein persönliches Interesse daran hatten, eine Begnadigung abzulehnen. Und indem er so viele ausschloss, untergrub er den erwünschten Charakter des Prager Friedens als eines allgemeinen Friedens. Seinem Sohn fiel dadurch die beinahe unmögliche Aufgabe zu, die Diskrepanz zu lösen, die sich zwischen der teilweisen Begnadigung, die er den geächteten Herrschern anbieten konnte, und der vollständigen Wiedereinsetzung, die sie und ihre ausländischen Unterstützer forderten, auftat. Das Problem Hessen-Kassel Die bislang behandelten Fälle waren politisch, aber nicht militärisch wichtig, da die Geächteten nur über wenige Truppen verfügten und diese nun außerhalb ihrer Kontrolle unter Bernhards Kommando standen. Hessen-Kassel war gefährlicher, weil es noch seine eigene Armee besaß, die sich in weiten Teilen Westfalens verschanzt hatte. Die Herrscherfamilie war aufrichtig besorgt über den Ausschluss der Calvinisten vom Prager Frieden und zugleich entschlossen, nicht mit leeren Händen aus dem Krieg hervorzugehen. Zumindest wollte sie die ehemalige Reichsabtei Hersfeld behalten, die erst 1606 in ihren Besitz übergegangen war. Landgraf Wilhelm V. war der Meinung, dass Ferdinand seine Familie mit unnötiger Härte behandelt hatte. Im Juli 1635 versicherte er Oxenstierna, dass er weiter loyal zu Schweden stehen werde, aber nachdem Bernhard sich über den Rhein zurückgezogen hatte und die schwedische Hauptarmee abermals meuterte, ließ er alle Hoffnung fahren. Besatzungen wurden in Kassel und Ziegenhain zurückgelassen, als der Landgraf Ende August mit 4000 Mann unter Melander abzog, um zu seinen westfälischen Außenposten zu stoßen. Die Kaiserlichen zogen 12 000 Mann von der westfälischen Armee und Piccolominis Truppen an der Lahn zusammen und waren bereit, in Hessen-Kassel

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einzufallen, was Melander zwang, im Oktober in Wilhelms Namen einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Erzherzog Ferdinand wollte unbedingt eine Einigung sehen und intervenierte. Er setzte die Operationen gegen die Hessen aus, die gerade Fulda besetzten, und bot ein paar Zugeständnisse an. Auch Ferdinand von Köln befürwortete einen Kompromiss, weil sich so am ehesten die hessischen Parasiten entfernen ließen, die seine westfälischen Territorien verseuchten.488 Die Aussichten schienen rosig zu sein, da Wilhelm am 12. November den Prager Vertrag vorläufig anerkannte. Der Kaiser versäumte es jedoch, die Übereinkunft zu besiegeln, und kaiserliche Truppen rückten in die westfälischen Bistümer ein. Über den Bischof von Würzburg erneuerte der Kaiser den Kontakt, aber der Landgraf traute ihm nicht mehr und setzte die Gespräche lediglich fort, um Frankreich so weit zu beunruhigen, dass es ein besseres Angebot machte. Oxenstierna schickte Alexander Leslie, um den Oberbefehl über die noch verbliebenen schwedischen Einheiten zu übernehmen, die durch Knyphausens Tod im Januar 1636 führerlos geworden waren. Leslie, der in der britischen Geschichte besser unter seinem späteren Titel „Earl of Leven“ bekannt ist, zählte zu den wenigen fähigen schottischen Offizieren in schwedischen Diensten; er war 1608 eingetreten und hatte unter Gustav Adolf mit Auszeichnung gedient.489 Augenblicklich richtete er die Moral der etwa 3000 deutschen Söldner wieder auf, die noch in Osnabrück und anderen norddeutschen Garnisonen ausharrten. Im Mai liefen mehrere Regimenter Herzog Georgs von Braunschweig-Lüneburg zu ihm über, und im August beherrschte er die Weser und Teile Lüneburgs. Diese Entwicklungen ermutigten Wilhelm, den Waffenstillstand im Mai 1636 aufzukündigen. Sein Entschluss war von seiner Frau, Amalie Elisabeth, beeinflusst, der es als geborener Gräfin von Hanau-Münzenberg darum ging, ihre Heimatstadt zu retten, die nach wie vor von Ramsays Bernhardiner-Garnison verteidigt wurde. Zusammen mit Königin Christina, Erzherzogin Isabella und Claudia von Tirol gehörte sie zu einer Gruppe weiblicher Herrscher, die beträchtlichen Einfluss auf die Ereignisse ausübten. Obwohl als Friedensstifterin dargestellt490, war sie in Wirklichkeit noch entschlossener als ihr Ehemann, sich neues Territorium zu verschaffen. Hessische Truppen marschierten von Hamm aus nach Südwesten, wo sie sich mit Leslie vereinigten, um den kaiserlichen Kordon zu durchstoßen und Hanau mit Nachschub zu versorgen.491 Die westfälische Armee nutzte die Abwesenheit der Hessen, um die meisten ihrer Außenposten entlang der Lippe zu erobern, sodass die Hessen vorübergehend auf Lippstadt, Dorsten und Coesfeld zurückgeworfen waren. Im August sah Oxenstierna sich genötigt, Leslie nach Osten zurückzubeordern, was den Hessen keine andere Wahl ließ, als sich von Hanau aus nach Norden zurückzu-

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ziehen und einmal mehr ihre Heimat zu entblößen. Ferdinand verlor die Geduld. Im Oktober verhängte er die Reichsacht gegen Wilhelm und begann Truppen zusammenzuziehen, um Hessen-Kassel zu sequestrieren.

Patriotische Appelle Die Amnestiefrage half Oxenstierna, den Prager Frieden als unvereinbar mit der „teutschen Libertät“ hinzustellen. Der Zusammenbruch der Verbündeten nach Nördlingen rief Bestürzung in der schwedischen Regierung hervor. „Friede, Friede, Friede riefen hier alle“, berichtete Salvius.492 Auch der Kanzler war ernüchtert: „Der polnische Krieg ist unser Krieg; gewinnen oder verlieren, es ist unser Gewinn oder Verlust. Dieser deutsche Krieg, ich weiß nicht, was er ist, nur, dass wir hier unser Blut um des Ruhmes willen vergießen und nichts als Undank zu erwarten haben.“493 Die Prager Regelung bestätigte seine schlimmsten Erwartungen: „Der Kaiser hat mit diesem Frieden mehr erreicht als mit zwei Schlachten bei Nördlingen.“ Es herrschte weit verbreitete Verbitterung über das, was man als deutschen Verrat empfand. Auf der Frankfurter Herbstmesse veröffentlichten schwedische Propagandisten Dokumente, die beweisen sollten, wie uneigennützig die deutsche Politik Schwedens sei. Kritik an Sachsen wurde gedämpft, bis klar wurde, dass Johann Georg nicht zurückzugewinnen war. Chemnitz, Schwedens führender deutscher Autor, verfasste anschließend einen vernichtenden persönlichen Angriff, worin er dem Kurfürsten vorwarf, Gustav Adolfs Opfer zu entehren. Die schwedische Propaganda versuchte sich der patriotischen Sprache des Kaisers zu bemächtigen. „Ob du daher Katholik oder Protestant bist“, schrieb Chemnitz, „so bist du doch in jedem Falle ein Deutscher, dessen Vorfahren lieber den Tod als die Knechtschaft ertragen wollten.“494 Dieser Versuch, den Prager Frieden mit spanischer Tyrannei in Verbindung zu bringen, wirkte heuchlerisch angesichts der eigenen kostspieligen Präsenz Schwedens im Reich. Ebenso wurden Schwedens Bemühungen, die Rolle der besiegten protestantischen Aktivisten zu übernehmen, indem es konfessionelle Fragen hochspielte, durch die Allianz mit Frankreich konterkariert. In Wirklichkeit suchte Oxenstierna nach einem ehrenhaften Abgang aus Deutschland und war bereit, die früheren umfassenden Forderungen fallen zu lassen und sich mit ein paar symbolischen pommerschen Häfen zu begnügen. Im Jahr 1635 sah die Lage verzweifelt aus. Sämtliche südlichen und westlichen Armeen waren verloren, entweder vernichtet oder mit Bernhard französischer Kontrolle überstellt. Die Sachsen, Brandenburger und Lüneburger waren abgefallen, während die Hessen bekanntlich gerade darüber verhandelten. Die Streit-

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kräfte in Nordwestdeutschland waren auf neun Regimenter reduziert, die 3000 Mann unter dem Obristen Sperreuther zählten und in Niedersachsen festsaßen; hinzu kamen weitere 4000 unter Wilhelm von Sachsen-Weimar in Erfurt. Das Hauptheer unter Banér zählte nur 26 000 Mann, das waren 18 000 Mann unter Sollstärke. Etwa 11 000 Angehörige dieses Heeres lagen in Pommern in Garnison, sodass das Feldheer sich auf gerade mal 15 000 Mann in Magdeburg und Halberstadt belief. Von diesen waren weniger als 3000 Schweden und Finnen. Schweden selbst hatte vier Missernten in Folge erlebt. Für ein Land, in dem ein Großteil der Steuern und Abgaben noch in Naturalien entrichtet wurde, war dies ein schwerer Schlag. Oxenstierna wusste, dass er der Armee wenig zu bieten hatte. Der Frieden hing von Ferdinands Bereitschaft ab, realistische Bedingungen anzubieten, und davon, wie sehr seine patriotische Rhetorik Schwedens noch verbliebene deutsche Söldner zum Überlaufen verleiten würde. Beide Kernfragen wurden an Johann Georg als kaiserlichen Kommissar in Nordostdeutschland delegiert. Der Kurfürst reagierte höchst empfindlich auf schwedische Kritik und entschuldigte seinen Treuebruch mit der Notwendigkeit, das Reich durch Stiftung des langersehnten Friedens vor der Zerstörung zu bewahren. Selbstverständlich machte er sich den weit verbreiteten Unmut über schwedische Plünderungen zunutze. Das Kernargument war jedoch ein neuer, bewusst konfessionsübergreifend formulierter Appell an den Patriotismus, der das Heilige Römische Reich als gemeinsames Vaterland präsentierte. Diese Argumente sollten am Ende den Konsens herstellen, der den Westfälischen Frieden erleichterte, stießen kurzfristig indes auf ernsthafte Schwierigkeiten. Solange die Hoffnung bestand, dass Schwedens deutsche Truppen überlaufen könnten, musste Johann Georg es unterlassen, sie als Verräter zu brandmarken, und stattdessen an sie appellieren, Deutschlands Leid durch einen Seitenwechsel zu beenden.495 Dies lähmte die sächsische Politik, war der Kurfürst doch gezwungen, militärisches Vorgehen aufzuschieben und Oxenstierna eine entscheidende Atempause zu lassen. Die Kunde vom Prager Frieden veranlasste die Offiziere von Banérs Heer zur Wahl eines Ausschusses, der sowohl mit Schweden als auch mit Sachsen verhandeln sollte. Sie waren zutiefst verdrossen, ganz im Gegensatz zu den kaiserlichen Offizieren, deren Zufriedenheit die jüngste Verteilung von Besitz garantierte, der nach Wallensteins Ermordung beschlagnahmt worden war. Wer seit 1632 in schwedischen Schenkungen bezahlt worden war, hatte diese nach Nördlingen verloren. Viele dieser Offiziere waren Untertanen von Fürsten, die soeben den Frieden des Kaisers akzeptiert hatten. Der im Juli verfügte kaiserliche Erlass (avocatoria), der sie ultimativ aufforderte, aus dem schwedischen Dienst auszuscheiden,

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verschaffte ihnen eine gesichtswahrende Ausrede, sich unter Berufung auf die dem Kaiser geschuldete höhere Loyalität von Schweden abzuwenden. Allerdings würden sie mit einem solchen Schritt automatisch den rückständigen Sold verlieren, den Schweden ihnen schuldete.496 Der Frieden wurde zu einer Sache des Feilschens um die Forderungen der Offiziere. Oxenstierna verhandelte hauptsächlich zur Schau; und um die Deutschen nicht zu verstimmen, verhehlte er sorgfältig seine Absicht, zumindest einen Teil Pommerns zu behalten. Er halbierte seine ursprüngliche Forderung nach acht Millionen Talern zur Auszahlung der Armee und schlug als Gegenleistung für eine uneingeschränkte Amnestie und die Wiederherstellung des Zustands von 1618 im Reich einen stufenweisen Rückzug vor. Dies war vollkommen unrealistisch – was allerdings ebenso für Johann Georgs Angebot von nur einer Million Talern galt, zu zahlen von Sachsen und den protestantischen Deutschen, als Gegenleistung für Schwedens Verzicht auf sämtliche territorialen Ambitionen. Weil sie spürten, dass Oxenstiernas Gesandte nicht ihre Interessen vertraten, schickten die Offiziere ihre eigene Delegation zum Kaiser.497 Am 19. August erhöhte der Kurfürst den Druck, indem er Banér ultimativ aufforderte, Magdeburg zu verlassen. Damit einher ging eine weitere avocatoria an die Offiziere, welche die Prager Bedingungen darlegte. Als sie erkannten, dass die Schweden diese falsch dargestellt hatten, ergriffen die Offiziere Oxenstierna, der gerade in ihrem Lager angekommen war, nachdem er auf dem Seeweg von seinem Treffen mit Richelieu nach Deutschland zurückgekehrt war. Das Ergebnis war eine dem Kanzler am 21. August 1635 abgerungene Konvention: Oxenstierna versprach, keinen Frieden ohne vorherige Beratung mit seinen Offizieren zu schließen und die Befriedigung ihrer Kompensationsforderungen in die schwedischen Kriegsziele aufzunehmen. Das Letztere war ein Trick, um sie zum Weiterkämpfen zu bewegen, indem die Zuständigkeit für ihre Entlohnung dem Feind aufgebürdet wurde. Trotzdem blieb ihre Loyalität zweifelhaft. Mitzlaff, ein ehemaliger dänischer Offizier aus Pommern, dem wir zuletzt 1627 begegnet sind und der später in schwedische Dienste trat, fädelte am 24. August den Abfall des unter dem Befehl Wilhelms von Sachsen-Weimar stehenden Korps ein. Vier Regimenter schlossen sich den Sachsen an, die übrigen wurden aufgelöst. Noch hielten die Schweden Erfurt, aber Johann Georg rückte elf Tage später von Leipzig aus vor, um sein Ultimatum gegen Banér in Magdeburg durchzusetzen. Die Nachricht, dass der Kurfürst von Brandenburg dem Prager Vertrag zugestimmt hatte, überrumpelte Banér, der fünf Regimenter zurückließ, um Magdeburg zu halten, und sich am 28. September nordwärts nach Stendhal zurückzog. Oxenstierna ergriff die

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Gelegenheit, um sich heimlich zu der verlässlicheren Garnison in Wismar davonzumachen. Johann Georg nutzte die neuerliche Wut der Offiziere aus, um mit ihrer Delegation in Schönebeck an der Elbe stromaufwärts von Magdeburg direkte Gespräche aufzunehmen. Während seine Truppen Halberstadt überrannten, verbesserte der Kurfürst sein Angebot auf 2,5 Millionen Taler, zahlbar direkt an die Generäle. Erst als Graf Kurtz, der kaiserliche Gesandte, am 16. Oktober eintraf, ermächtigte Johann Georg General Baudissin, Gewalt anzuwenden. Der Kurfürst war übertrieben zuversichtlich und erwartete, dass die deutschen Regimenter neutral blieben. Verstärkt durch Brandenburger und Lüneburger Einheiten, rückten die Sachsen stromabwärts vor und eroberten am nächsten Tag Werben. Banér traute seinen Männern nicht mehr und versuchte über Dömitz nach Mecklenburg zu entkommen. Baudissin schickte 7000 Fußsoldaten über die Elbe auf das rechte (nördliche) Ufer, um ihm den Weg abzuschneiden, aber sie wurden von einem plötzlichen Gegenangriff durch Banérs noch verbliebene verlässliche Einheiten überrascht und in die Flucht geschlagen. Die Sachsen verloren 5000 Mann, und Baudissin entkam nur schwimmend über die Elbe. Der Erfolg stärkte die Autorität Banérs, der trotzdem kein Risiko einging und seinen Rückzug nach Malchin hinter die pommerschen Seen fortsetzte. Johann Georg folgte nach Parchim, während Marazzino Gartz eingenommen hatte und nun nach Westen marschierte, um zu ihm zu stoßen. Der Waffenstillstand von Stuhmsdorf Die französische Diplomatie rettete die Schweden aus dieser verzweifelten Lage. Die Offiziere hatten abgewartet, was passieren würde, wenn der schwedisch-polnische Waffenstillstand von Altmark in jenem September auslief. Die Nachfolge von Sigismund III. hatte 1632 sein pragmatischerer Sohn Władysław angetreten. Nachdem Schweden sein Angebot, für eine Entschädigung auf seine Ansprüche auf die Wasa-Krone zu verzichten, zurückgewiesen und Russland darin bestärkt hatte, noch im selben Jahr Smolensk anzugreifen, erlaubte Władysław Ferdinand, mehr Reiter zu werben, und erneuerte 1633 Polens Bündnis mit den Habsburgern. Obwohl er ein weiteres Heer entsenden musste, um tatarische und türkische Einfälle im Süden zurückzuschlagen, entsetzte Władysław im September 1633 Smolensk, was den Zaren zwang, im Mai 1634 Frieden zu schließen und den polnischen Besitz der 1618 abgetretenen Länder zu bestätigen. Nach diesem Sieg obenauf, überzeugte Władysław den Sejm, einem Angriffskrieg gegen Schweden zuzustimmen, sobald der Waffenstillstand von Altmark auslief. Die Ostseekrise hätte für Richelieu zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können, fiel sie doch mit dem Beginn des französisch-spanischen Krieges,

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dem Prager Frieden und der schwedischen Meuterei zusammen. Der Kaiser bot Polen Schlesien an, falls Władysław das erneuerte Bündnis in eine gemeinsame Offensive gegen Schweden umwandeln würde. Als Machtdemonstration entsandte Oxenstierna 20 000 Mann, um seine preußischen Besatzungstruppen zu verstärken, aber ihm war klar, dass er unmöglich zwei Kriege gleichzeitig führen konnte. Am 12. September akzeptierte er eine von Richelieus Gesandtem d’Avaux bei Gesprächen in Stuhmsdorf vermittelte Verlängerung von Altmark um 26 Jahre. Schweden machte dabei bedeutende Zugeständnisse. Seine bisherige Expansion in den Ostseeraum war stufenweise vor sich gegangen: Auf die gewaltsame Eroberung von Land folgte der Waffenstillstand, der die anfängliche Besetzung bestätigte, die dann durch weitere Kriegführung in vollumfänglichen Besitz umgewandelt wurde. Schweden konnte durchaus davon ausgehen, auf diese Weise das polnische Preußen („Preußen königlichen Anteils“) zu annektieren. In Stuhmsdorf darauf zu verzichten stellte daher einen bedeutenden Rückzug dar: Das Land verabschiedete sich vom bisherigen Hauptschauplatz seiner imperialen Ambitionen, um sich auf einen sehr ungewissen deutschen Krieg zu konzentrieren.498 Władysław hegte weiterhin Hoffnungen, Schwedens Schwierigkeiten ausnutzen zu können, und erneuerte im September 1637 sein habsburgisches Bündnis, indem er die Tochter Ferdinands II., Cäcilia Renata, heiratete. Allerdings waren seine Untertanen längst nicht mehr begeistert von einer Offensive gegen Schweden. Und die Beziehungen zu den Habsburgern ruinierte er, indem er zum einen parallele Gespräche mit England und Frankreich führte, zum anderen Dänemark durch Erhöhung der preußischen Zölle verstimmte. Er war bereit, Spanien 30 000 Mann Hilfstruppen für Flandern werben zu lassen, aber der Sejm vereitelte dies 1641.499 Der Stuhmsdorfer Waffenstillstand hielt jedenfalls und begrenzte den Dreißigjährigen Krieg auf das Territorium des Heiligen Römischen Reiches. Eine unmittelbarere Folge des Waffenstillstands war, dass Oxenstierna Lennart Torstensson und 9700 Mann aus Preußen abziehen konnte. Diese Truppen trafen Ende Oktober 1635 zusammen mit einer die Moral hebenden Lieferung neuer Kleidung für Banérs zerlumptes Heer nach und nach in Pommern ein. Torstenssons Einheiten überraschten Marazzino, was Johann Georg veranlasste, im Dezember zurückzuweichen, um Berlin zu schützen, während Banér im Januar 1636 Werben zurückeroberte und Magdeburg entsetzte. Die unbesoldeten, hungrigen Sachsen zogen sich nach Halle zurück, praktisch dorthin, wo sie im vergangenen Sommer losmarschiert waren.

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Warum Sachsen scheiterte Der sächsische Kurfürst hatte im November erneut Verhandlungen aufgenommen. Die verbesserte militärische Lage erlaubte es Oxenstierna jedoch, sich bewusst querzustellen, indem er nun verlangte, dass jede Abmachung vom gesamten Reich ratifiziert werden müsse. Das Ergebnis war höchst enttäuschend. Die Unruhen in Banérs Heer setzten sich bis Mai 1636 fort. Mindestens sechs Generäle und mehrere erfahrene Obristen liefen über, aber aus der massenhaften Abkehr von Schweden wurde nichts. Beispielsweise fühlte sich der Obrist Sperreuther als Mecklenburger nicht mehr an Schweden gebunden, sobald seine eigenen Herzöge den Prager Frieden akzeptiert hatten. Knyphausen kam aus dem Ruhestand zurück und beeilte sich, die Loyalität der Soldaten Sperreuthers mit 15 000 Talern sicherzustellen, die vom französischen Botschafter vorgeschossen worden waren: Nur acht Reiter folgten Sperreuther im Dezember 1635 zu den kaiserlichen Linien.500 Appelle an den deutschen Patriotismus erwiesen sich in einigen Fällen zweifellos als wirkungsvoll, normalerweise war die Entscheidung allerdings das Ergebnis einer Mischung aus persönlichen Motiven. Ein anschauliches Beispiel dafür ist Augustus von Bismarck. Der ferne Vorfahr des späteren deutschen Reichskanzlers war der Sohn eines brandenburgischen Grundbesitzers und trat im Juni 1631 in schwedische Dienste. Im Jahr 1635 wechselte er mit seiner Einheit unter Bernhard zu den Franzosen über. Sein Bruder schrieb ihm, dass ihr Landesherr, der Kurfürst von Brandenburg, den Prager Frieden akzeptiert habe und seine Untertanen auffordere, aus dem feindlichen Dienst auszuscheiden. Der Brief erreichte Augustus drei Tage, nachdem er befördert worden war, und er steckte ihn in die Tasche und wartete ab. Erst sehr viel später holte er ihn wieder hervor: als sein Regiment nach Norddeutschland marschierte und er ein kleines Vermögen angehäuft hatte, das ihm erlaubte, sich in ein behaglicheres Leben als brandenburgischer Festungskommandant zurückzuziehen.501 Die Hoffnung, weitere Offiziere zum Abfall zu überreden, erschwerte Sachsens militärische Operationen zu einem Zeitpunkt, als entschlossenes militärisches Handeln Banérs Heer hätte zerschlagen können. Das ständige Zaudern untergrub die Moral, die ohnehin niedrig war, weil viele Sachsen wenig begeistert davon waren, gegen ihre früheren Bundesgenossen zu kämpfen. Sie hatten geringes Zutrauen in Baudissin als ihren neuen Oberbefehlshaber. Früher ein energischer Offizier, war er jetzt ein Alkoholiker, der sogar Johann Georg unter den Tisch trank und einmal während einer Schlacht einschlief. Nach einem der fast schon alltäglichen kleineren Rückschläge notierte ein Offizier in seinem Tagebuch: „Des Morgens früh lies der Baudißin der Cavallerie, so in Drecke bis an die knie hielten, sagen, Sie sollten Ihre Pferde wohl füttern, er hätte ei-

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nen anschlag vor auff den feind; was fluchen und Maledeyen sich da erhub, mag ich nicht sagen. Sage den Hundsfot, er soll seine Frau, die H., füttern, sollen wir den Pferden Dreck zu freßen geben.“502 Ernsthafte finanzielle Probleme trugen zu dem Kuddelmuddel bei. Johann Georg wollte es vermeiden, seine Stände einzuberufen, damit sie – und im Besonderen die Ritter – keine Gelegenheit erhielten, seine Politik zu kritisieren. Im Jahr 1618, während der Kontroverse um seine Entscheidung, die Böhmen nicht zu unterstützen, war kein Landtag einberufen worden. Ständeversammlungen waren dann 1622 und 1628 zusammengetreten und hatten bestehende Steuern mit höheren Sätzen verlängert, aber dies hatte nicht einmal die Kosten der bescheidenen Mobilmachung in den Jahren 1618–24 decken können. Bis 1628, als die Steuereintreibung in Rückstand geriet, waren die kurfürstlichen Schulden bereits um mehr als das Doppelte auf sieben Millionen Gulden gestiegen. Das volle militärische Engagement nach 1631 verschärfte die Krise. Im Januar 1635 trat ein Landtag zusammen, verlängerte indes lediglich bestehende Regelungen. Das Kurfürstentum geriet noch tiefer in die Verschuldung, die bis 1657 auf 25,2 Millionen Gulden anstieg, obwohl im Jahr zuvor Zinsrückstände im Wert von zehn Millionen Gulden abgeschrieben worden waren.503 Der Vertrag von Wismar (1636) Sachsens Erfolglosigkeit stärkte Oxenstiernas Entschlossenheit. Die Fälle von Abtrünnigkeit hatten Schweden einiger erfahrener Offiziere beraubt, gleichzeitig freilich auch die schwedischen Verbindlichkeiten reduziert, da die Soldrückstände abgeschrieben werden konnten. Wer bei Schweden blieb, war nun der Reichsacht verfallen und hatte kaum eine andere Wahl, als weiterzukämpfen. Oxenstierna wusste, dass es dringend geboten war, Schwedens Bündnis mit Frankreich auf eine solidere Grundlage zu stellen. Auch Richelieu wollte die Beziehungen unbedingt verbessern. Das Scheitern der französischen Offensive im Sommer 1635 erhöhte die Bedeutung Schwedens, und der Kardinal entsandte den Marquis de Saint-Chamond, um dafür zu sorgen, dass der schwedische Reichskanzler keinen Separatfrieden mit Ferdinand schloss. Oxenstierna traf den Gesandten im Februar 1636 in Wismar und vereinbarte am 30. März einen neuen Vertrag, der am 11. Mai von Ludwig XIII. ratifiziert wurde. Frankreich zahlte die 60 000 Taler Rückstand, die Schweden noch von dem bei Gustav Adolfs Tod abgelaufenen Zuschuss beanspruchte. Das Geld ermöglichte Oxenstierna, weitere vier britische Regimenter zur Verstärkung seiner Armee zu werben. Obwohl jetzt sogar höhere Subsidien versprochen wurden, weigerte sich der Kanzler plötzlich, den vereinbarten Vertrag zu ratifizieren, weil er ihn dazu verpflichtete, keinen Frieden ohne Frankreich zu schließen. Das Bündnis war bereits verkündet worden, was Oxenstiernas Zweck hinrei-

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chend diente, Druck auf den Kaiser auszuüben und neuerliche dänische Vermittlungsangebote zu vereiteln. Frankreich konnte es sich während des katastrophalen „Jahres von Corbie“ nicht einmal leisten, einen so unzuverlässigen Verbündeten wie Schweden zu verlieren, und Richelieu gab die Subsidien widerstrebend auch ohne Ratifizierung frei. Im Juli 1636 konnte Oxenstierna schließlich nach Hause zurückkehren, um seine einheimischen Kritiker zum Schweigen zu bringen. In seiner Abwesenheit sollten Sten Bielke und Salvius Schweden im Heiligen Römischen Reich vertreten.504 Die Gespräche gingen ohne Ergebnis weiter, weil Ferdinand übertrieben zuversichtlich blieb, während Oxenstierna überzeugt war, mit einer Fortsetzung der Kämpfe bessere Bedingungen zu erreichen. Angesichts der Tatsache, dass Niedersachsen unter den Welfen vorübergehend neutralisiert war, und die Operationen in Westfalen während der Gespräche mit Hessen-Kassel größtenteils ruhten, blieben die Kämpfe auf das Gebiet zwischen Elbe und Oder beschränkt. Die Schlacht bei Wittstock Die Ruhepause bei den westfälischen Operationen gab Ferdinand Gelegenheit, 10 000 Kaiserliche unter Melchior Graf von Hatzfeldt von dort zu verlegen, um die Sachsen zu verstärken. Hatzfeldt war einer von mehreren höheren Offizieren, die aus den Regimentern der Brüder von Sachsen-Lauenburg hervorgegangen waren. Er hatte dem Kaiser seit 1620 gedient, hatte in bedeutenden Gefechten wie Dessau und Breitenfeld gekämpft und war dafür mit einem Teil der 1634 von Schaffgotsch beschlagnahmten Güter belohnt worden. Er war vergleichsweise gebildet und verfügte über gute Beziehungen: Sein Bruder Franz war Bischof von Bamberg und Würzburg. Er war ein fähiger Stratege, aber sein Versuch, Schlachten bis ins kleinste Detail vorauszuplanen, brachte mit sich, dass er oft die Kontrolle über seine Truppen verlor, sobald sie im Gefecht standen. Zudem hatte er die unangenehme Neigung, Untergebene für seine eigenen Fehler verantwortlich zu machen. Als ein an den Rand gedrängter und entmutigter Baudissin am 10. Juli 1636, nachdem er bei Magdeburg schwer verwundet worden war, aus dem militärischen Dienst ausscheiden musste, war der Weg frei für Hatzfeldts Ernennung auch zum sächsischen Oberbefehlshaber. Schwedens deutsche Armee war auf 45 000 Mann geschrumpft, die in erster Linie Mecklenburg und Pommern hielten. Die Ostsee fror den Winter über zu, was die Entsendung von Verstärkungen aus Schweden verhinderte, sodass die Feldtruppen am Ende nur 6000 Mann in Westfalen unter Leslie und 12 000 unter Banér bei Magdeburg zählten. Banér misstraute seinem Heer nach wie vor und wich am 5. Mai nach Werben zurück. Hatzfeldt, der energischer vorging als Johann Georg, belagerte Magdeburg, statt es nur abzuriegeln, und eroberte die

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Stadt am 13. Juli. Obwohl sie noch immer gerade mal 2600 Einwohner hatte, sicherte ihre Eroberung doch ein wichtiges sächsisches Kriegsziel, das im Prager Frieden versprochen worden war. Angesichts der Tatsache, dass einmal mehr die Pest das Gebiet verheerte und sämtliche Felder kahl gefressen waren, verließ Banér Werben am 12. August und zog nach Westen, um auf Leslie zu treffen, der sich durch Niedersachsen zurückzog. Hatzfeldt kommandierte Klitzing und 4000 Mann ab, um Brandenburg zu schützen, das noch nicht hundertprozentig auf Krieg gegen Schweden eingeschworen war. Marazzino wurde von der Oder herbeibeordert und sollte zum Gros der Reichsarmee stoßen, das jetzt bei Tangermünde stand, um in Westpommern und Mecklenburg einzufallen. Banér setzte alles auf eine Schlacht, um den Brückenkopf zu retten. Er marschierte nach Nordosten über die Elbe, um 3800 Mann zu treffen, die von den pommerschen Garnisonen abgestellt worden waren, womit er insgesamt über 17 000 Mann verfügte. Anschließend wandte er sich nach Osten, unterbrach Hatzfeldts Nachschublinien und zwang ihn, Klitzing zurückzubefehlen und sich bei Wittstock unmittelbar südlich der Pommerschen Seen zu sammeln. Banér beeilte sich anzugreifen, bevor Klitzing eintreffen konnte. Beide Seiten waren zahlenmäßig ungefähr gleich stark, obschon Hatzfeldt wahrscheinlich etwa 1000 Mann mehr hatte und zudem eine starke, nach Süden gehende Stellung längs des südöstlichen Ausläufers des niedrigen Schreckenbergs südwestlich von Wittstock innehatte. Sein linker (östlicher) Flügel wurde von dem Fluss Dosse und der bewaldeten Fretzdorfer Heide gedeckt. Der Südhang des Bergrückens wurde durch Verschanzungen und aneinandergekettete Fuhrwerke verstärkt und war quer durch die bewaldete und sumpfige Natteheide in jedem Fall schwer zugänglich. Der Anmarsch von Westen her wurde durch den großen Heiligengraber Forst blockiert. Banér nahm die einzig praktikable Route. Am Samstag, den 4. Oktober, überquerte er in der Frühe die Dosse bei Fretzdorf und rückte über die Heide gegen den – zwischen dem Fluss und Hatzfeldts Stellung gelegenen – Scharfenberg vor. Er schätzte die Schwierigkeiten rasch richtig ein, entschloss sich aber trotzdem zum Angriff. Er teilte sein Heer, indem er King und Stalhansk mit 3100 Reitern nach Westen quer durch die Natteheide schickte, um die andere Flanke des Feinds zu umfassen. Leslie und 5800 Mann wurden nach Nordwesten dirigiert, um die Kräfte von Hatzfeldts Front zu binden, während Banér und der Rest den Scharfenberg umrundeten, um seine linke Flanke zu umfassen. Das Ganze war ein höchst riskanter Plan, da die drei Teile des Heeres Gefahr liefen, einzeln besiegt zu werden. Das Gelände verbarg ihren Anmarsch zunächst, aber gegen halb drei Uhr nachmittags wurden sie entdeckt, und es entspann sich ein heftiger Kampf um den Besitz des Scharfenbergs. Hatzfeldt ver-

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stärkte seinen linken Flügel mit Männern aus seinem Zentrum und drängte die Schweden von der Anhöhe und in den Fretzdorfer Wald. Leslies Männer wurden hinzugezogen, um den Vorstoß der Kaiserlichen aufzuhalten. Gerüchte verbreiteten sich, Banér sei getötet worden. Erst um halb sieben Uhr abends feuerte King Signalgeschütze ab, um anzuzeigen, dass er auf der anderen Seite des Schlachtfelds in Stellung sei. Der rechte Flügel der Kaiserlichen wurde überrumpelt und verlor seine Artillerie, aber es wurde dunkel, und King musste seinen Angriff bald einstellen. Banér hatte mindestens 3500 Mann verloren. Es war unklar, wer bei Einbruch der Dunkelheit im Vorteil war, doch die kaiserlich-sächsische Armee war so weit geschlagen und demoralisiert, dass Hatzfeldt und Johann Georg sich zum Rückzug entschlossen. Banér behauptete später, während der Verfolgung 5000 Mann gefangen genommen zu haben, dies ist jedoch unwahrscheinlich, weil Sachsen und Kaiserliche wohlgeordnet abzogen. Ihre Verluste beliefen sich insgesamt auf etwa 5000 Mann, darunter 2000 Tote, und ihre gesamte Artillerie und der Tross mussten aufgegeben werden.505 Wittstock war eine der wichtigsten Schlachten des Krieges. Eine schwedische Niederlage hätte das letzte Feldheer in Deutschland vernichtet und Hessen-Kassel ermuntert, seinen Waffenstillstand in einen Frieden umzuwandeln. Hatzfeldts Niederlage verhinderte nicht nur dies, sondern brachte auch die Welfen davon ab, sich dem Kaiser zu beugen. Panik ergriff Berlin, als der Kurfürst und sein Hof nach Küstrin flohen. Hatzfeldts Kaiserliche verloren den Zusammenhalt und zogen raubend und plündernd nach Westen zum Niederrhein, während die Sachsen nach Hause gingen. Banér nahm seinen Weg südwestlich durch Thüringen, um Erfurt zu entsetzen und die Verbindungen mit den Hessen wiederaufzunehmen, bevor er sich nach Osten wandte, die sächsische Grenze überschritt und im Februar Torgau eroberte.

Erneuerte Friedensbemühungen Papst Urban VIII. war aufrichtig entsetzt über das Leid, war aber weder bereit, einen habsburgischen Sieg zu unterstützen, noch Zugeständnisse an die Protestanten zu billigen, um Frieden zu bekommen. Er wollte sein Ansehen als padre commune wahren, als gütiger Vater, der seine katholischen Kinder tadelnd mahnte, ihre kleinlichen Streitigkeiten beizulegen, um sich gegen die protestantischen Rabauken zusammenzuschließen. Dies verlangte von ihm, auf Distanz zu den Habsburgern zu bleiben, die zu mächtig erschienen und viele andere Katholiken befremdeten. In dem mantuanischen Konflikt hatten sich seine Ge-

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sandten als Friedensvermittler betätigt (siehe Kapitel 13), aber seitdem hatte Urban wenig erreicht und sich stattdessen darauf konzentriert, durch die Annexion von Urbino den Kirchenstaat zu vergrößern. Richelieus Kriegserklärung an Spanien zwang ihn zum Handeln, insbesondere weil sie zu neuen Kämpfen in Norditalien führte (auf die in Kapitel 18 ausführlich eingegangen wird). Im August 1635 wurde Kardinal Ginetti zum päpstlichen Legaten ernannt, was für die katholischen Mächte ein Dilemma darstellte. Die päpstliche Vermittlung war unerwünscht, vor allem aufseiten Ferdinands, der bereits die Notwendigkeit von Zugeständnissen auf Kosten der Reichskirche eingesehen hatte. Doch der Pontifex konnte nicht offen brüskiert werden. Am 18. August stimmte Ferdinand Gesprächen zu, rechnete indes damit, dass die anderen Parteien die Sache schleifen lassen würden.506 Da der Papst sich weigerte, Protestanten einzuladen, während Frankreich darauf bestand, dass seine Verbündeten einbezogen wurden, bot Venedig schließlich an, zwischen ihnen und den Habsburgern zu vermitteln. Die Verschlimmerung der militärischen Situation machte einen Kongress realistischer, und Ginetti brach im Juli auf und erreichte am 22. Oktober 1636 schließlich Köln. Der Sohn Friedrichs V., Karl Ludwig, war im Januar 1636 gerade 18 geworden, sodass er im Falle einer Wiedereinsetzung alt genug gewesen wäre, um zu regieren. Karl I. von England ergriff die Gelegenheit, seine eigene Friedensinitiative zu starten, und ließ sich im April die Entsendung einer aufwendigen Gesandtschaft, die von Thomas Howard, Earl of Arundel, angeführt wurde, 70 000 Pfund kosten. Arundel reiste rheinaufwärts in die habsburgischen Lande, wo man ihn höflich empfing, doch es war offenkundig, dass sowohl Ferdinand als auch Maximilian die pfälzische Frage für erledigt hielten. Nach einer ausgiebigen Besichtigungstour durch jene Gebiete, die der Zerstörung entgangen waren, kehrte Arundel durch die verwüstete Rhein-Main-Region nach Hause zurück.507 Frankreich stimmte unterdessen Gesprächen in Köln zu, schickte dann aber keinen Vertreter. Ferdinands Gesandter traf verspätet im April 1637 ein, gefolgt von seinem spanischen Kollegen. Richelieu schickte Bedingungen. Er sei bereit, auf das Elsass zu verzichten und über Lothringen zu verhandeln, freilich nur, wenn Ferdinand das französische Protektorat über Metz, Toul und Verdun anerkenne und die deutschen Fürsten zu dem Kongress zulasse. Das war ein besserer Handel als der, auf den der Kaiser schließlich elf Jahre später in Westfalen einging. Die Einbeziehung der Fürsten stellte eine erhebliche Fortentwicklung in der französischen Diplomatie dar, die damit die Reichsverfassung ins Zentrum ihrer öffentlichen Forderungen rückte, um zum einen ihr wachsendes militärisches Engagement im Reich zu legitimieren und zum anderen den Prager Frieden zu untergraben. Im Jahr 1637 war dies absolut inakzeptabel für den Kaiser,

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der nach wie vor erwartete, dass die militärische Lage sich besserte.508 Ohne die Einbindung der Protestanten als vollwertige Partner hatten die Kölner Gespräche keine Erfolgschance, zumal die (seit 1633 laufende) konkurrierende dänische Initiative alternative Besprechungen in Hamburg anbot. Obwohl Ginetti im Oktober 1637 abreiste, ließ Urban nicht locker und betraute eine Reihe von Würdenträgern mit der undankbaren Aufgabe, bevor er sie Ende 1643 Fabio Chigi übertrug, der im August 1639 den Posten des Nuntius in Köln übernommen hatte. Der Regensburger Kurfürstentag (1636/37) Die päpstliche Initiative und Arundels Mission wurden im Reich von einer wichtigeren Versammlung überschattet: jener der Kurfürsten in Regensburg, die am 15. September 1636 eröffnet wurde und bis zum 23. Januar 1637 tagte.509 Es war die erste Reichsversammlung seit 1630. Drei Kurfürsten und mehrere weitere Fürsten nahmen persönlich teil, während viele andere Gesandte schickten, wie etwa Dänemark, Polen, Frankreich, Spanien und der Papst. Nach dem enttäuschenden Feldzug von 1635 war Ferdinand entschlossen, Unterstützung zu gewinnen und den Prager Frieden zu festigen, indem er seinen Sohn zum Römischen König wählen ließ. Spanien sah eine Gelegenheit, Österreich zur Einhaltung des Ebersdorfer Vertrags und zu vermehrtem Beistand gegen Frankreich zu drängen. Oñate finanzierte den Fürstentag und zahlte mindestens 209 000 Gulden an Bayern, Mainz, Köln und Sachsen, die ohnehin alle für Erzherzog Ferdinand stimmen würden. Nichtsdestotrotz erleichterte das Geld ihnen die Ablehnung der holländischen Forderung, das Reich solle sich im holländischen Krieg mit Spanien offiziell für neutral erklären. Auch war Oñate zufrieden mit ihrer augenscheinlich harten Haltung gegenüber Frankreich, verlangten sie doch die Rückgabe von Metz, Toul und Verdun. Solche Erklärungen waren freilich schon Routine und wiesen keineswegs auf echte Begeisterung für den Kampf gegen Frankreich hin. Tatsächlich waren die Kurfürsten geneigt, päpstliche Vermittlung zu akzeptieren, und es kostete Ferdinand einige Mühe, sie davon zu überzeugen, dass die Probleme des Reiches auch weiterhin von dem französisch-spanischen Konflikt getrennt werden müssten. Den Trierer Kurfürsten Sötern entließ Spanien in kaiserlichen Gewahrsam, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, in den Angelegenheiten des Reiches mitzumischen. Das Trierer Stimmrecht wurde suspendiert. Johann Georg von Sachsen und Georg Wilhelm von Brandenburg entschuldigten beide ihr Fernbleiben mit dem Krieg. Unter schwedischem Druck bestand Georg Wilhelm darauf, den Fortgang der Gespräche Sachsens mit Oxenstierna zu erörtern. Allerdings sah keiner der Kurfürsten eine Alternative zu Johann Georgs Vorschlag,

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dass die protestantischen Deutschen die Schweden bezahlten sollten, damit sie das Reich verließen. Bis das Geld ausgehändigt würde, könne Schweden Zölle und einen mecklenburgischen Hafen behalten. Paradoxerweise stärkte die Niederlage bei Wittstock Ferdinand, weil die anschließende schwedische Besetzung Brandenburgs dessen Kurfürsten davon überzeugte, dass er rein gar nichts von Oxenstierna erwarten konnte. Nachdem er gen Osten nach Preußen geflohen war, eröffnete Georg Wilhelm im November Verhandlungen mit Ferdinand für ein neues Bündnis, weil sich der Kaiser so am ehesten davon abhalten lassen würde, Pommern zu opfern, um Frieden mit Schweden zu erreichen. Der Tod Herzog Bogislaws am 10. März 1637 verlieh den Verhandlungen neuen Schwung, die am 22. Juni abgeschlossen wurden. Als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung versprach Georg Wilhelm ein großes Korps zur Verstärkung der Reichsarmee. Seine Position blieb schwächer als die Bayerns oder Sachsens, weil seine Armee kleiner war; im Juni 1638 kam sie auf gerade mal 11 000 Mann. Das Korps wurde dem Oberbefehl von Klitzing unterstellt, der in brandenburgische Dienste trat; die Eigenständigkeit der bayerischen und sächsischen Truppen blieb ihm jedoch verwehrt, und seine Soldaten mussten sowohl Ferdinand als auch dem Kurfürsten Treue schwören.510 Die engere Zusammenarbeit mit Brandenburg half, Ferdinands andere Ziele zu erreichen. Die Kurfürsten verlängerten die in Prag vereinbarten finanziellen Regelungen um ein weiteres Jahr. Erzherzog Ferdinand wurde am 22. Dezember 1636 wie erwartet zum Römischen König gewählt (gerade noch rechtzeitig, denn einen Monat nach dem Ende des Kurfürstentages starb sein Vater). Seine Wahl wurde um den Preis weiterer Einschränkungen seiner Vorrechte erkauft, von denen die wichtigste das Versprechen betraf, die Kurfürsten zu Rate zu ziehen, bevor gegen irgendjemand die Reichsacht verhängt wurde.511 Trotzdem war eine weitere Gelegenheit für Frieden verstrichen. Der Kaiser und die katholischen Kurfürsten hatten nichts getan, um Johann Georg die Aufgabe als Vermittler etwas zu erleichtern. Sie waren der Meinung, dass die Protestanten allein die Schweden bezahlen sollten, damit sie verschwanden, weil sie sie ja angeblich ins Reich eingeladen hatten. Johann Georg war außerstande, sein Angebot an Oxenstierna zu erhöhen, und weigerte sich, weiter zu vermitteln. Die Verhandlungen wurden über andere Mittelsmänner größtenteils der Form halber fortgesetzt. Für alle sollte sich die Fortsetzung des Krieges als weit kostspieliger erweisen als der Frieden, den sie in den Jahren 1635/36 hätten bekommen können.

17. Die habsburgische Flut (1637–40) Pattsituation

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rst 29 Jahre alt, war der neue Kaiser inmitten von dynastischer Krise und Krieg aufgewachsen. Seine Mutter war die erste Gemahlin Ferdinands II., Maria Anna von Bayern, was ihn zum Neffen des Kurfürsten Maximilian machte. Obwohl er als kränkliches Kind galt, starben seine beiden älteren Brüder vor ihm. Seine eigene Gesundheit besserte sich dank regelmäßiger körperlicher Ertüchtigung, aber die Beanspruchung durch seine frühe Verwicklung in die Politik – er wurde mit 17 Jahren zum König von Ungarn gekrönt – forderte ihren Tribut und führte 1657 zu einem frühen Tod. Zwei seiner drei Ehefrauen und sechs ihrer gemeinsamen elf Kinder starben vor ihm, was seinen natürlichen Hang zur Melancholie verstärkte. Von aufrichtigem Pflichtgefühl erfüllt, nahm er zugleich regen Anteil an der zeitgenössischen Kultur und zählte zu den künstlerisch begabtesten Habsburgern. Nicht genug damit, dass er neue Palastgärten entwarf und die ohnehin schon beträchtliche Kunstsammlung der Familie erweiterte, war er außerdem ein versierter Musiker, der mehrere respektable Werke im damals modischen Stil des frühen italienischen Barock komponierte. Obwohl von den Jesuiten erzogen, blieb er gemäßigter als sein Vater und unterschied deutlicher zwischen privater Moral und öffentlichem Pragmatismus. Er teilte die väterliche Überzeugung, dass das Schicksal der Familie davon abhing, die Ketzerei von ihren Erblanden fernzuhalten. Der Katholizismus blieb der Test für politische Loyalität. Dieses Ziel war nach der Schlacht am Weißen Berg erreicht und 1635 in Prag gesichert worden, doch der Schutz der Zugewinne, welche die Dynastie in ihrer Heimat hatte verbuchen können, blieb ein zentraler Programmpunkt Ferdinands III. Flexibler war er in Bezug auf das Heilige Römische Reich, wo die Wahrung verfassungsmäßiger Vorrechte Vorrang hatte vor der Durchsetzung konfessioneller Ziele. Der neue Kaiser sah sich mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert, die nicht zuletzt aus der Amnestiefrage resultierten. Seine Anwesenheit in Nördlingen hatte ihm jedoch eine Aura des Erfolgs verschafft, und er wurde von fähigen Beratern unterstützt. Ihr wichtigster war Maximilian, Graf von Trauttmansdorff, der seit 1634 als leitender Minister Ferdinands II. der einzige Mensch war, dem der Kaiser bedingungslos vertraute. Der aufrichtige, loyale und klarsichtige Trauttmansdorff war als Österreichs Spitzendiplomat ohnehin fest etabliert, nachdem er den Frieden mit Bethlen 1622, den bayerischen Rückzug aus Ober-

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österreich und den Prager Frieden ausgehandelt hatte. Im Jahr 1637 ernannte Ferdinand III. ihn zum Obersthofmeister und kurz darauf zum Präsidenten des Geheimen Rates. Gestärkt wurde seine Stellung durch die Ernennung seines Freundes Kurtz von Senftenau zum Reichsvizekanzler des Heiligen Römischen Reiches als Nachfolger für Peter Heinrich von Stralendorf, der im Oktober 1637 starb. Beide waren für Frieden, vorausgesetzt, Schweden bot annehmbare Bedingungen. Der Wechsel in der Regierung schwächte den spanischen Einfluss, allerdings war dieser nach 1634 ohnehin im Niedergang begriffen. Olivares unternahm eine konzertierte Anstrengung, Unterstützung für eine große Offensive gegen Frankreich zu gewinnen, wobei er behauptete, dass Schweden sich zurückziehen würde, wenn Frankreich besiegt wäre. Das „Jahr von Corbie“ verhieß Gutes für einen abermaligen kombinierten Angriff, und Spanien ersuchte um eine Verstärkung von Piccolominis Truppen an der Maas auf 30 000 Mann. Außerdem sollte eine weitere Reichsarmee auf der anderen Rheinseite angreifen, und man erbat die Erlaubnis, weitere 16 000 Deutsche zu werben. In Wien gab es Stimmen, die nach wie vor eine Zusammenarbeit mit Spanien befürworteten. Noch ein Jahr später, während der Planungen für den Feldzug des Jahres 1638, schlug Schlick einen Vorstoß auf Paris vor, der, so behauptete er, in Frankreich „factiones und Meuttereyen“ auslösen würde.512 Doch die Reichsarmee war nicht in der Verfassung, Spaniens Erwartungen zu erfüllen. Die Hauptstreitmacht unter Gallas zählte bei der Thronbesteigung Ferdinands III. nur 16 110 Mann.513 Als Kaiser konnte Ferdinand die Armee wegen des politischen Schadens, der aus der Assoziation mit einer Niederlage folgen würde, nicht mehr begleiten. Trotzdem willigte er ein, 26 000 Kaiserliche und Bayern unter Gallas, Piccolomini und Werth von Luxemburg aus maasaufwärts in die Champagne zu schicken, während Herzog Karl von der Franche-Comté aus mit 12 000 Mann angreifen würde, von denen die Hälfte Spanier sein sollten. Diese Zangenbewegung sollte Lothringen befreien, ein Einmarsch in Frankreich war nicht vorgesehen. Und selbst diese Operation wurde aufgrund anderer Ereignisse abgebrochen. Ferdinand III. fühlte sich nicht verpflichtet, mehr zu tun, weil Olivares die zugesagte Beihilfe immer noch nicht in voller Höhe auszahlte. Bankgebühren zehrten den Wert dessen, was geschickt wurde, auf, was zu Österreichs Misstrauen beitrug. Im Laufe des Jahres 1637 sah sich Philipp IV. genötigt, Oñate als Sündenbock für die sich verschlechternden Beziehungen zurückzubeordern.514 Piccolominis Korps blieb, um die Spanier in Luxemburg zu unterstützen, bis sein Kommandeur und die meisten seiner 12 000 Mann Ende 1639 abgezogen wurden. Zurück blieb eine kleinere Streitmacht unter Baron Lamboy, einem Lütticher, der schon 1621 kaiserlicher Obrist gewesen war, aber einen schlechten

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General abgab. Das kaiserliche Korps half den Spaniern nicht gegen die Holländer, sondern sicherte stattdessen den Niederrhein gegen französische Einfälle und leistete Herzog Karl begrenzte Hilfe. Der Rheinfeldzug des Jahres 1637 Werths Bayern wurden im Januar 1637 aus der Picardie abgezogen und stießen zu den Kaiserlichen, die seit August 1635 die Franzosen auf dem Ehrenbreitstein belagerten. Frankreich zahlte, damit 117 Wagenladungen mit holländischem Nachschub durch Melanders Hessen von Dorsten aus in das Gebiet geleitet wurden. Dieser internationale Entsatzversuch scheiterte, als Werth den Konvoi aufbrachte. Die Lage der Verteidiger war verzweifelt. Generalmajor Charles de Bussy-Lameth, der Kommandant der Garnison, behauptete, nur überlebt zu haben, weil er 80 Ratten gegessen habe, und er linderte die angespannte Versorgungslage, indem er seiner halben Garnison gestattete, die Mauern hinabzuklettern und sich davonzumachen. Ramsay schickte Lastkähne mit weiteren Lebensmitteln von Hanau aus über den Main, aber sie wurden bei Mainz abgefangen. Seit dem 8. Mai 1637 unter Beschuss, kapitulierten die 195 Überlebenden der ursprünglich aus 2000 Soldaten bestehenden Besatzung am 28. Juni im Gegenzug für die Rückführung nach Frankreich.515 Die Kaiserlichen hatten das Kurfürstentum Trier besser unter Kontrolle gebracht und hielten die Hessen weitab von französischer Hilfe östlich des Rheins in Schach. Im Verein mit der glanzlosen Vorstellung Bernhards von Sachsen-Weimar im Elsass veranlasste die Niederlage Richelieu, das französische Engagement längs des Rheins zu verstärken. Von der Beihilfe für Bernhard hatte er 1,6 Millionen Livre zurückgehalten, weil der General nur 9000 Mann aufbot. Statt Geld, das Bernhard zu unabhängig machen könnte, schickte Richelieu 5800 französische Reiter unter François de L’Hospital. Nachdem er an der oberen Marne überwintert hatte, stieß Bernhard im Mai südostwärts in die Franche-Comté vor – in erster Linie, weil sie ein ungeschützteres Ziel zu sein schien als das Elsass.516 Er schloss sich Henri II. d’Orléans-Longueville an, der Condé als Kommandeur der 10 000 Mann starken Armee von Burgund abgelöst hatte und im März durch Lothringen vorgerückt war. Zusammen besiegten sie im Juni Herzog Karls 6000 Soldaten an der Saône und begannen mit der systematischen Unterwerfung der spanischen Provinz. Dabei mieden sie Hauptstützpunkte wie Besançon und zwangen stattdessen abgelegene Burgen zur Übergabe. Die weitere Durchführung des Auftrags überließ Bernhard sodann Longueville und fiel selbst Anfang August im Oberelsass ein. Seinen Nachschub bezog er aus der Garnison in Benfeld, die gegenüber Schweden loyal blieb. Da er knapp bei Kasse war, beschloss er, das Gebiet auf der anderen Rheinseite zu erobern,

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um auf Kosten des Feindes zu überwintern. Der Zeitpunkt erschien günstig, weil das Gros der Reichsarmee unter Gallas im Juni nach Osten marschiert war, um den Sachsen zu helfen, und nur schwache Abteilungen unter dem unfähigen Savelli und dem Überläufer Sperreuther zurückgelassen hatte. Richelieu billigte den Plan in der Hoffnung, Frankreich zu entlasten und zugleich den Druck auf den Kaiser zu erhöhen. Dieses Ziel sollte die französische Strategie in der Region während der nächsten drei Jahre beherrschen. Die Reichsstadt Straßburg hielt an ihrer Neutralität fest und verwehrte beiden Seiten die Benutzung ihrer Brücke. Bernhard versuchte am 6. August, mithilfe der Inseln bei Rheinau (Rhinau) nordöstlich von Schlettstadt überzusetzen. Der Versuch war allzu optimistisch, weil sein Heer zu schwach war. Nach viel Bitten willigte Maximilian ein, Werth mit 7000 Bayern, die seit der Eroberung des Ehrenbreitsteins verfügbar waren, freizustellen. Sie verstärkten die kaiserlichen Einheiten bei Ettenheim und warfen Bernhard am 2. September über den Fluss zurück. Die Bernhardiner verfügten jetzt nur noch über 6900 Mann einschließlich der Männer L’Hospitals. Unter Ignorierung Schweizer Proteste zogen sie sich nach Süden in das Bistum Basel zurück. Die einheimische Bevölkerung flüchtete und verschlimmerte dadurch eine ohnehin schon kritische Versorgungslage. Bernhard überstand den Winter nur dank Vorräten, die von der französischen Garnison in Mömpelgard geschickt wurden. Hessen-Kassel Der Misserfolg in Westfalen bestätigte die Erfahrung des Rheinfeldzugs – dass Frankreich seine Ziele im Reich nicht ausschließlich durch deutsche Stellvertreter verfolgen konnte. Richelieu hatte gewollt, dass Hessen-Kassel in Nordwestdeutschland eine ähnliche Rolle erfüllte, wie Bernhard sie im Elsass spielen sollte. Da kaum Aussicht auf schwedische Hilfe bestand, hatte Landgraf Wilhelm V. am 21. Oktober 1636 im Vertrag von Wesel ein Bündnis mit Ludwig XIII. geschlossen. Er stimmte den üblichen Bedingungen Richelieus zu, keinen Frieden ohne Frankreich zu schließen und in eroberten Gebieten den katholischen Glauben zu respektieren. Als Gegenleistung würde er 200 000 Taler pro Jahr als Beihilfe für den Unterhalt von 10 000 Soldaten und das Versprechen diplomatischer Unterstützung für seine Ziele erhalten.517 Richelieu hatte vor, mit französischem Geld weitere 12 000 Mann am Niederrhein zu werben, um die Hessen zu verstärken, die anschließend als Barriere zwischen dem Krieg im Westen und Schwedens Konflikt mit dem Kaiser fungieren konnten. Der mit dieser Aufgabe betraute Mann war Josias Rantzau, ein protestantischer Holsteiner, der den Holländern, den Schweden und dem Kaiser gedient hatte, bevor er sich 1635 Frankreich anschloss. Er war ein Günstling der französischen Königin und soll später angeblich Ludwig XIV. gezeugt haben. Er

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behauptete, sechsmal verwundet worden zu sein, und auf jeden Fall verlor er im Laufe seiner Karriere ein Auge, einen Fuß, eine Hand und ein Ohr. Nach seiner Ankunft im März 1637 gelang es ihm jedoch bis September lediglich, 1000 Rekruten aufzutreiben.518 Zusammen mit dem Misserfolg bei der Entsetzung des Ehrenbreitsteins erregte dies weiteren Argwohn hinsichtlich der Zuverlässigkeit Frankreichs als Verbündeter. Ferdinand III. hätte es vorgezogen, mit Wilhelm V. zu verhandeln, aber sein Vater hatte bereits im Oktober 1636 die Reichsacht verkündet und Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt zum kaiserlichen Kommissar ernannt. Fehlende Truppen lieferten einen Vorwand für Gespräche in letzter Minute, die Wilhelm indes nicht davon überzeugen konnten, den Krieg aufzugeben. Widerstrebend billigte Ferdinand III. im April 1637 den Einmarsch. Die Masse der westfälischen Armee unter Götzen und Hatzfeldt war allerdings bereits im März abmarschiert, um Gallas zu verstärken, und hatte nur schwache Abteilungen unter Geleen, Wahl und Velen zurückgelassen. Darmstadt hatte den Kaiser seit Prag energisch unterstützt und 5500 Mann ausgehoben, von denen die meisten jedoch bei den Kaiserlichen in Sachsen dienten oder Ramsay in Hanau beobachteten.519 Wilhelms Truppen konnten daher gen Norden nach Westfalen entkommen, wo sie ihren Kameraden im Juni halfen, Vechta und Bielefeld zurückzuerobern. Der Fall des Ehrenbreitsteins setzte schließlich genug Kaiserliche frei, um im Oktober in Hessen-Kassel einzufallen, wo 17 Städte und 300 Dörfer in Brand gesteckt wurden, um den Landgrafen einzuschüchtern. Hessische Garnisonen harrten noch in Kassel und Ziegenhain aus, während Wilhelm sein neues französisches Bündnis nutzte, um wieder Verhandlungen mit den Holländern aufzunehmen. Die Republik der Vereinigten Niederlande hatte seine Angebote regelmäßig zugunsten guter Beziehungen mit Köln zurückgewiesen. Doch als sie ihre eigene französische Allianz im Oktober 1636 erneuerte, sah sie Vorteile darin, die Hessen als Puffer entlang ihrer östlichen Grenze zu benutzen. Eingedenk der früheren Schwierigkeiten mit dem Grafen von Mansfeld (siehe Kapitel 10) leisteten die Holländer gründliche Vorarbeit, indem sie von Emden und den ostfriesischen Ständen die Zustimmung einholten, 12 000 Taler monatlich zu zahlen, um 2500 Hessen zu unterhalten. Im September 1637 zog sich Wilhelm nach Ostfriesland zurück. Die Vereinbarung sollte sechs Monate gelten, aber die Hessen blieben bis August 1650. Bezeichnenderweise zogen es sowohl Ferdinand von Köln als auch der Kaiser vor, ihre Präsenz nicht anzufechten, um das stillschweigende Einvernehmen mit der Republik nicht zu stören. Götzen kehrte mit 4000 Mann durch Thüringen zurück und vertrieb die Hessen bis November aus Paderborn und Lemgo, unterließ es aber, sie bis nach Ostfriesland zu verfolgen.520

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Wilhelm V. starb am 1. Oktober in Leer und hinterließ seinen kleinen Sohn in der Obhut seiner Witwe Amalie Elisabeth. Als entfernte Verwandte der Bourbonen erwartete sie, dass Frankreich ihre Ambitionen unterstützte. Richelieu unternahm beträchtliche Anstrengungen, sich ihrer Loyalität zu versichern, schickte ihr ein diamantbesetztes Kreuz und übertrug die Pension ihres Mannes auf ihren Sohn. Befürchtungen, dass der Obrist Ramsay ihren Familienbesitz Hanau an Frankreich übergeben könnte, veranlassten die Kaiserlichen, den unsicheren Waffenstillstand zu brechen, der dort seit dem hessischen Entsatz im Jahr 1636 geherrscht hatte. Am 18. Februar 1638 stürmte Wilhelm von Metternich, ein Obrist in Mainzer Diensten, den Ort, ohne einen einzigen Mann zu verlieren, obschon Ramsay im Kampfgeschehen tödlich verwundet wurde. Metternich wurde mit der böhmischen Herrschaft Königswart (Kynžvart) belohnt, das zur Heimat seines Nachfahren, des österreichischen Staatsmannes Klemens Fürst von Metternich, wurde.521 Amalie Elisabeth war schon vor diesem Ereignis überzeugt, dass Frankreich wenig direkte Hilfe leisten würde, und wendete sich stattdessen an die Holländer, denen sie sich, wie Elisabeth von Böhmen, als arme Witwe präsentierte. Die pragmatischen Bürger gewährten ihr bis 1639 Zuflucht, waren aber nicht bereit, ihre guten Beziehungen mit dem Kurfürsten von Köln für sie zu opfern. Sie wurde den Holländern genauso peinlich, wie es die Winterkönigin gewesen war. Ihre Truppen in Ostfriesland und Westfalen störten den holländischen Handel und tyrannisierten Städte, die der Republik ansonsten freundlich gesinnt waren. Folglich hoffte der Kaiser nach wie vor, die Hessen könnten überlaufen. Spanien bot Geld, Schlick verhandelte mit Melander, während die Kurfürsten von Mainz und Köln Ferdinand überredeten, den streitlustigen Darmstädter Kommissar zu entlassen und für die Zeit der Minderjährigkeit ihres Sohnes Amalie Elisabeth als Regentin anzuerkennen. Außerdem verzichtete der Kaiser auf Ansprüche auf Hersfeld und war bereit, dem Calvinismus eine De-facto-Toleranz zu gewähren, wie er es im Falle von Anhalt und Brandenburg getan hatte. Von Amalie Elisabeth wurde im Gegenzug lediglich erwartet, sich mit dem Verlust Marburgs an Darmstadt abzufinden. Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg und andere rieten ihr, auf dieses großzügige Angebot einzugehen, doch sie nahm die angebliche Feindseligkeit des Kaisers gegen den Calvinismus zum Vorwand, es abzulehnen. Erst am 3. März 1638 sollte sie schließlich einem Waffenstillstand zustimmen, ihre bestehenden Garnisonen aber in Besitz behalten, während sie darauf wartete, dass die allgemeine Situation sich besserte. Der letzte Coup der Pfalz Ferdinand akzeptierte dies, weil er wollte, dass sich Götzens kleine Streitmacht darauf konzentrierte, mit einer neuen Bedrohung

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fertigzuwerden, die unerwartet von den pfälzischen Vertriebenen ausging. Das Scheitern der Gesandtschaft des Earl of Arundel im Jahr 1636 löste einen der typischen heftigen Umschwünge in der Politik der Stuarts aus: Karl I. gab seine 1634 geschlossene nominelle Allianz mit Spanien auf und unterzeichnete am 27. Februar 1637 einen neuen Vertrag mit Frankreich. Im Gegenzug für ein ziemlich vages Versprechen diplomatischer Rückendeckung in der pfälzischen Frage war Karl bereit, den Habsburgern den Krieg zu erklären, 30 Schiffe zur Verfügung zu stellen und Frankreich 6000 Mann werben zu lassen. Richelieu ratifizierte das Abkommen nie. Er wollte die Beziehungen mit Kurfürst Maximilian nicht gefährden, der sein bevorzugter Partner im Reich blieb. Die Aussicht auf französische Hilfe genügte Karl, um Sir Thomas Roe auf eine nutzlose Reise nach Hamburg zu schicken, wo sich französische, schwedische und kaiserliche Gesandte unter nomineller dänischer Vermittlung versammelten. Die Dänen grollten den Engländern noch immer wegen der als unzureichend empfundenen Unterstützung in den 1620er-Jahren, während die Schweden nicht verstanden, wieso Karl als protestantischer Monarch und noch dazu Onkel Karl Ludwigs die Pfalz nicht bis an die Grenzen des Möglichen unterstützte. Ihre Ungeduld verleitete sie im Juli 1638 dazu, den schottischen Unzufriedenen Waffen zu verkaufen, deren offener Ungehorsam gegen den König zum Ersten Bischofskrieg führte. Damit trugen sie dazu bei, dass 1639 die Kriege der Drei Königreiche eröffnet wurden, wodurch das Land für mehr als ein Jahrzehnt als aktiver Teilnehmer an den europäischen Angelegenheiten praktisch ausgeschaltet wurde.522 Elisabeth von Böhmen hatte die Hoffnung auf eine vollständige Wiedereinsetzung „anders als durch Waffengewalt“ längst aufgegeben.523 Die militärische Kampagne ihres Sohnes erwies sich als noch abenteuerlicher denn die Feldzüge der früheren Söldnerführer. Knyphausens Witwe ließ eine kleine Gruppe nach Meppen hinein, eine dem Bischof von Münster entrissene und ihrem Ehemann von den Schweden schenkungsweise überlassene Stadt. Neben Karl Ludwig gehörten sein jüngerer Bruder Ruprecht und eine Reihe der Winterkönigin ergebener englischer Kavaliere dazu, wie etwa der Earl of Northampton und Lord Craven. An der Grenze zwischen dem Bistum Münster und Ostfriesland gelegen, bot Meppen eine Ausgangsbasis, um ein Heer zu sammeln, das nach Süden marschieren und die Unterpfalz zurückerobern konnte. Doch selbst wenn man bedenkt, dass sie 41 Fässer mit englischem Gold mitbrachten, war der Plan weit hergeholt. Lange Verhandlungen, um sich hessische Unterstützung zu sichern, scheiterten, da Amalie Elisabeth ihren Waffenstillstand mit dem Kaiser nicht aufs Spiel setzen wollte.524 James King, ein schottischer Veteran, der 1637 den Oberbefehl über die Schweden in Westfalen übernommen hatte, versprach 1000

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Mann von seinem Stützpunkt zwischen Minden und Nienburg, angeblich weil er an Ruhestand dachte und Karl I. gefällig sein wollte. Karl Ludwig gelang es, 4000 Mann zu werben, darunter einige, die vor Kurzem von den Katholiken entlassen worden waren.525 Ferdinand von Köln fürchtete das Schlimmste, da abermals kaiserliche Einheiten abgezogen worden waren. Mit dem Oberbefehl wurde Hatzfeldt betraut, der Anweisung hatte, aus im März 1638 von den westfälischen Garnisonen abgestellten Männern eine neue Armee von 4500 Mann aufzustellen. Im Mai war er stark genug, um Meppen zu überrumpeln, wobei er 20 Kanonen erbeutete und die pfälzischen Truppen versprengte. Im Schutz der örtlichen holländischen Garnisonen formierte sich Karl Ludwig in Kleve im Süden neu, aber er verfügte nur noch über 1700 Mann, während Hatzfeldt bis Juli 6420 Mann zusammenbrachte.526 Am 9. September stieß Karl Ludwig bei Stadtlohn zu King und den Schweden, und sie wendeten sich nach Norden, um Meppen zurückzuerobern. Die Stadt wurde von den Kaiserlichen jedoch zu stark gehalten, während die Ostfriesen ihr Grenzgebiet fluteten, sodass weder die Pfälzer hinein- noch die Hessen hinauskonnten, um zu ihnen zu stoßen. Die Pfälzer zogen ostwärts durch Osnabrück in der Hoffnung, Lemgo als neuen Stützpunkt zu erobern und damit den schwedischen Posten entlang der Weser näher zu sein. Hatzfeldts Vorstoß zwang sie, ihre Belagerung aufzugeben und sich Richtung Minden zurückzuziehen. Sie nahmen an, dass Hatzfeldt zufrieden damit wäre, lediglich Lemgo zu entsetzen, und erwarteten nicht, dass er sie verfolgen würde. Doch er verfügte über 5800 Mann, hauptsächlich Reiterei, und eilte nach Osten, um den Pfälzern am 17. Oktober an der Brücke bei Vlotho den Rückzug abzuschneiden. Prinz Ruprecht von der Pfalz und die schwedische Reiterei unternahmen den Versuch, durchzubrechen, aber er wurde von Walter Deveroux, Wallensteins Mörder, zusammen mit 1200 anderen gefangen genommen. King erreichte mit nur fünf Kameraden Minden. Karl Ludwig versuchte (wenig heldenhaft) in seiner Kutsche zu entkommen, diese versank jedoch in der Weser und ertränkte die Pferde und den Fahrer. Er überlebte, indem er einen Weidenzweig packte und sich an Land zog. Zwei Monate versteckte er sich in Minden, bevor er schließlich in sein holländisches Exil zurückkehrte. Hatzfeldt erlitt nur 79 Mann Verluste und knüpfte an seinen Erfolg an, indem er in jenem November auch noch Vechta eroberte. Die Niederlage ließ das letzte Aufflackern einer unabhängigen pfälzischen Sache erlöschen, die nun vollkommen von skrupellosen ausländischen Unterstützern abhängig war. Deren konsequentester fiel mit dem Beginn der Kriege der Drei Königreiche aus, und die Kriege im eigenen Land veranlassten zudem viele Briten zur Heimkehr. Spanien weigerte sich, die 6000 Mann freizugeben, die in

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seiner Flandernarmee dienten; aus dem schwedischen Dienst schieden indes im Laufe des Jahres 1639 mindestens 30 erfahrene schottische Offiziere aus. Nach 1638 wurden jedes Jahr nicht mehr als zehn Schotten schwedische Offiziere – eine verschwindende Zahl im Vergleich zu den 1900, die im Laufe des vorangegangenen Jahrzehnts in schwedische Dienste getreten waren.527 Der schwedische Rückzug Angesichts festgefahrener Verhandlungen unternahmen die Kaiserlichen einen dritten Versuch, die Schweden ins Meer zu treiben, und räumten den Operationen gegen sie zum ersten Mal Vorrang ein. Gallas nahm das 20 000 Mann starke Hauptheer vom Rhein, um im Juni 1637 bei Pretzsch an der Elbe, zwischen Wittenberg und Torgau, zu den stark geschwächten kaiserlichen und sächsischen Truppen zu stoßen, die etwa 10 000 Mann zählten. Weitere sächsische Einheiten belegten Magdeburg und Wittenberg mit Garnisonen, womit sie Banérs 14 000 Mann in Torgau abschnitten, der dort seit März belagert wurde. Gallas ließ oberhalb und unterhalb der Stadt Brücken bauen und machte sich bereit, den Fluss zu überqueren und die Schweden zu umfassen. Doch Banér entging abermals der Vernichtung. Diesmal brach er am 28. Juni nachts aus, nachdem er 300 000 Liter Wein ausgeteilt hatte, die aus den Kellern des Kurfürsten geraubt worden waren. Im Gegensatz zu Mansfeld und Herzog Christian hatte Banér keine Skrupel, seinen Tross zu verbrennen und seine Fußsoldaten im Interesse einer schnellen Flucht auf den Transportpferden aufsitzen zu lassen. Die direkte nördliche Route nach Pommern wurde von den Brandenburgern blockiert, die nun im Namen des Kaisers aufrüsteten. Banér zog stattdessen nordostwärts, durch Jüterbog und Lübben an der Oder. Gallas verfolgte die Schweden nicht nur, sondern schickte auch schnelle Vorausabteilungen los, die Küstrin zuerst erreichen sollten, sodass Banér zwischen dem Fluss und der polnischen Grenze in der Falle säße. Banér schickte die Ehefrauen der Offiziere, darunter auch seine eigene, und den restlichen Tross Richtung Grenze, als beabsichtigte er, auf diesem Wege zu entkommen, machte dann aber kehrt Richtung Westen, überquerte südlich von Frankfurt den Fluss und eilte anschließend auf dem anderen Ufer nach Norden, um Wrangel und 5000 Mann bei Eberswalde zu treffen. Allerdings standen in Pommern nur 9000 Garnisonssoldaten und gerade mal 1200 in Mecklenburg. Alle waren unbesoldet und demoralisiert. Die Festungen waren in schlechtem Zustand, und die Garnisonen hatten die Palisaden längst als Feuerholz verheizt. Banér konnte wenig tun, um Gallas daran zu hindern, sie eine nach der anderen einzunehmen. Landsberg, Gartz, Demmin und andere fielen alle wieder an die Reichsarmee, sodass den Schweden nur noch Stettin, Stralsund, Wismar, Warnemünde, Greifswald, Anklam, Kammin und Kolberg

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blieben. Der verlustreiche Rückzug machte die im vorigen Jahr durch die Schlacht bei Wittstock geweckten Hoffnungen zunichte.528 Die Situation zwang Oxenstierna, seine Forderungen herunterzuschrauben. Er war jetzt bereit, Frieden zu schließen, wenn Schweden dafür einige Ostseehäfen 15 Jahre behalten durfte, während die Deutschen drei Millionen Taler zahlten, von denen ein Teil für die Auflösung der Armee verwendet würde. Sämtliche Forderungen nach Verfassungsänderungen wurden fallen gelassen. Der schwedische Kanzler bestand einzig auf einer Amnestie für jene, die vom Prager Frieden ausgeschlossen waren, um seine gegenwärtigen Verbündeten als potenzielle Gegengewichte gegen die habsburgische Macht zu behalten. Er war sogar bereit, den verhassten Franz Albrecht von Lauenburg und dessen Brüder Franz Karl und Julius Heinrich als neue Vermittler zu akzeptieren. Ferdinand III. entsandte Vizekanzler Kurtz zu direkten Gesprächen nach Hamburg, die im Januar 1638 stattfinden sollten. Gallas war optimistisch, aber nun mauerten die Schweden unter Verweis auf die Weigerung des Kaisers, über die pfälzischen und böhmischen Exulanten zu verhandeln. Das war bloß ein Trick, da Schweden beide im Jahr 1648 mit Freuden fallen ließ, um Frieden zu bekommen. Der wahre Grund war, dass Oxenstierna jetzt schlichtweg auf Zeit spielte, bis er parallele Verhandlungen mit Frankreich zum Abschluss gebracht hatte. Angesichts der Tatsache, dass seine eigenen Truppen nicht vorankamen, war Frankreich darauf angewiesen, dass Schweden den Druck auf das Reich aufrechterhielt und die gefürchtete Habsburger Vereinigung verhinderte. Am 15. März 1638 akzeptierte Richelieu im Vertrag von Hamburg Oxenstiernas Bedingungen. Der jährliche Zuschuss von 400 000 Reichstalern wurde um drei Jahre verlängert, und Richelieu fand sich damit ab, dass Schweden keine Partei in seinem Krieg gegen Spanien war. Ähnliche Absprachen wurden für die französisch-holländische Allianz getroffen, die im März ebenfalls erneuert wurde, wobei Richelieu die Republik der Vereinigten Niederlande immerhin verpflichtete, keinen Separatfrieden mit Spanien zu schließen, während Oxenstierna lediglich einwilligte, diplomatische Aktivitäten mit Frankreich abzustimmen.529 Die militärische Lage war zu jener des Sommers 1630 zurückgekehrt, nur dass diesmal mehr für Schweden sprach. Banér hatte in seinem Brückenkopf mit Stettin als Hauptstützpunkt Fuß gefasst. Die neuen französischen Subsidien ermöglichten Oxenstierna, bis Juli 1638 sowohl drei Schiffsladungen neuer Uniformen als auch 14 000 Rekruten und 180 000 Taler in bar zu liefern. Gallas brachte hingegen nur 15 000 Mann zusammen und war gezwungen gewesen, in einem ausgedehnten Kordon quer durch Mecklenburg und Pommern zu überwintern, um den Feind in Schach zu halten. Während die Sachsen eifrig Erfurt

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belagerten, wurde Gallas zwar durch 8500 Brandenburger verstärkt, aber diese waren schlecht organisiert und wurden stümperhaft geführt von Männern wie Conrad von Burgsdorf, die „kaum besser waren als Verbrecher“.530 Für Brandenburg war es dennoch ein beträchtlicher Kraftakt, der die Entschlossenheit des Kurfürsten widerspiegelte, nach Herzog Bogislaws Tod Anspruch auf Pommern zu erheben. Brandenburgs Regierung war unter Adam Graf von Schwarzenberg bereits deutlich autoritärer und militaristischer geworden. Der einflussreiche Berater des Kurfürsten wurde durch Generationen von Preußenhistorikern, welche die Regierungszeit von Georg Wilhelms Sohn nach 1640 als Herrschaftdes„GroßenKurfürsten“glorifizierten,überdieMaßenschlechtgemacht.531 Der Kurfürst betraute Schwarzenberg mit dem Oberkommando, und der organisierte die Armee im Dezember 1638 neu, was jedoch Klitzing verstimmte, der sich im darauffolgenden Mai den Welfen anschloss, während ein weiterer Obrist mit seinem Regiment zu den Schweden überlief. Die Iststärke fiel auf unter 6000 Mann, und die brandenburgischen Operationen beschränkten sich darauf, die eigenen Festungen zu verteidigen. Banér durchbrach unterdessen den kaiserlichen Kordon, indem er im Oktober 1638 Gartz zurückeroberte und anschließend Mecklenburg befreite. Gallas wich über die Elbe zurück, plünderte Brandenburg und schickte Einheiten nach Böhmen und Schlesien, um den Druck auf die knappen Vorräte zu mildern.532 Es hatte sich als unmöglich erwiesen, Truppen in ausreichender Zahl zusammenzuziehen, um die letzten schwedischen Verteidigungsanlagen zu knacken, weil das Gebiet zwischen Elbe und Oder durch die Kämpfe seit 1635 verwüstet worden war. Obschon es zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war: Die Kaiserlichen würden keine weitere Chance mehr bekommen.

Entschlossenheit am Rhein Finanzielle Schwierigkeiten trugen zu dem Scheitern bei. Der Prager Frieden hatte im Wesentlichen das 1630 in Regensburg ersonnene System der Militärfinanzierung übernommen, um durch regelmäßige Zahlungen vonseiten der Reichsstände die vorgesehene eine Reichsarmee zu unterhalten. Veranschlagt auf 80 Römermonate jährlich, würden diese Zahlungen bestenfalls acht Millionen Gulden erbringen. Die prognostizierten Einkünfte blieben erheblich dahinter zurück, weil die Schweden nach wie vor Pommern, Mecklenburg und andere Gebiete hielten. Weil es nicht gelang, Hessen-Kassel oder die Welfen auf die Seite des Kaisers zu ziehen, brachen die Einnahmen weiter ein. Gallas beschwerte sich, dass die Städte Hamburg, Bremen und Lübeck dem Feind Milli-

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onen liehen, sich aber weigerten, seine erschöpften Truppen einzuquartieren.533 Bei denjenigen, die zahlten, handelte es sich hauptsächlich um frühere Ligamitglieder, die sich nun für Verbündete des Kaisers hielten und erwarteten, entsprechend behandelt, sprich von Einquartierung und Winterquartier befreit zu werden. Der Kurfürstentag erhöhte die Beihilfe im Oktober 1636 um weitere 120 Römermonate, doch der Kaiser hatte bereits begonnen, Regionen zu bestimmen, welche die eigenständigen Korps seiner Hauptverbündeten unterstützen sollten. Die obersächsischen Zahlungen flossen direkt an Johann Georgs Truppen, während die Kölner Einheiten sich auf Kosten Westfalens selbst unterhielten. Die Zahlungen des Bayerischen, des Fränkischen und des Schwäbischen Reichskreises waren im Januar 1636 Maximilians Heer zugeschlagen worden. Diese Praxis untergrub die ohnehin schwache Unterscheidung zwischen den offiziellen Kriegssteuern und den vielen anderen Zahlungen, die von einzelnen Kommandeuren verlangt wurden. Die Franken behaupteten im Februar 1638, dass diese zusätzlichen Kosten sich auf das Zwei- bis Fünffache dessen beliefen, was sie an Römermonaten schuldeten, und sie versuchten diese Kosten zu kompensieren, indem sie die offiziellen Steuern zurückhielten. Außerdem erbaten sie Maßnahmen, um die Heeresdisziplin zu verbessern, den Sold zu reduzieren und den Kreisbeamten zu erlauben, den Durchzug durch ihre Region zu kontrollieren.534 Ferdinand III. reagierte auf diese Klagen, indem er sich über die Kreistage an sämtliche Reichsstände wandte, statt bloß an die Kurfürsten, als der Zuschuss des Jahres 1636 im November 1638 auslief. Sachsen und Brandenburg unterstützten auf dem obersächsischen Kreistag die Zahlungsaufforderung, weil sie genau wussten, dass die 120 Römermonate, denen die Landstände zustimmten, ihren eigenen Soldaten zugutekommen würden. Westfalen machte es ebenso, aber die Franken weigerten sich mit der Begründung, dass ihre Region bereits zusätzlich zu den einheimischen Garnisonen einen Großteil der Reichsarmee unterstütze. Daraufhin wies der Kaiser am 20. November Schwaben und Bayern Maximilian zu, während er Franken und den Oberrhein seinen eigenen Truppen vorbehielt.535 Diese Schwierigkeiten trugen zu einem langsamen, doch stetigen Schwund der Reichsarmee von ihrem Höchststand unter Wallenstein bei. Die Prager Vereinbarungen hatten 80 000 Mann vorgesehen, tatsächlich hatte die Armee einschließlich der Bayern und Sachsen noch mehr als 100 000 Mann gezählt. Die Auswirkungen der Pest, fehlende Geldmittel und wachsende logistische Probleme machten es freilich unmöglich, diese Zahlen nach 1635 aufrechtzuerhalten. Anfang 1638 schätzte der habsburgische Hofkriegsrat, dass einschließlich der Sachsen, Bayern und einiger Hilfstruppen 73 000 Mann von Spanien bezahlt

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wurden, und wollte sie lediglich um 10 000 Rekruten ergänzen. Die Entscheidung, Gallas und das Hauptheer 1637 nach Sachsen zu verlegen, dezimierte die unter Savelli am Oberrhein zurückgelassenen Truppen gravierend. Die 14 kaiserlichen Reiterregimenter dort bestanden jeweils nur aus 80 bis 200 Mann, während die zehn Fußregimenter – mit Ausnahme der Einheit des Obristen Johann Heinrich von Reinach in Breisach, die 800 Mann stark war – im Schnitt nur auf je 200 kamen. Im Februar besserten sich die Zahlen leicht, aber die Regimenter blieben alle weit unter der vollen Stärke und in schlechter Verfassung. Viele Offiziere waren krank, und die unbesoldeten Soldaten griffen zu Raub und Plünderung als Mittel der Selbstversorgung. Besorgt um das Wohlergehen seiner eigenen Einheiten, gestattete Maximilian Werth, die Bayern in etwas blühendere Gegenden in Oberschwaben, Württemberg und bei Donauwörth zurückzuverlegen. Das bayerische Heer blieb in allgemein besserer Verfassung, und seine Reiter- und Fußregimenter zählten in den Jahren 1639–45 im Schnitt jeweils zwischen 800 und 1000 Mann, und auch danach kam es nur zu einem leichten Rückgang.536 Die Unmöglichkeit, die vorgesehenen Regimentsstärken aufrechtzuerhalten, führte zu erheblichen Problemen. Einheiten mussten zusammengelegt werden, um die für taktische Formationen erforderliche Stärke zu erreichen. Erschwerend kam hinzu, dass solche Umstrukturierungen unverhältnismäßig teuer waren, weil die höher besoldeten Offiziere bessere Überlebenschancen hatten als ihre Männer. Im November 1638 wurden Pläne entworfen, die zahlreichen Regimenter, die nicht die volle Stärke hatten, zu weniger, dafür größeren und schlagkräftigeren Regimentern zusammenzufassen. Man schätzte, dass zu diesem Zeitpunkt in den beiden Hauptarmeen am Oberrhein und unter Gallas nur noch 29 500 Mann übrig waren.537 Die für 1639 anvisierte Gesamttruppenstärke betrug nur 59 000 Mann, ohne die Bayern und Sachsen. Das war knapp die Hälfte dessen, was die Reichsarmee fünf Jahre zuvor aufgeboten hatte. Partisanenanführer Die horrenden Verluste des Rheinfeldzugs von 1638 trugen wesentlich zu diesem Schwund bei. Bernhard von Weimar war entschlossen, das im Vorjahr gesetzte Ziel zu erreichen und Frankreich östlich des Flusses eine feste Ausgangsposition zu verschaffen. Diesmal bereitete er sich gründlich vor. Da er in Mömpelgard und im Bistum Basel überwintert hatte, war er dem Rheinabschnitt entlang der Schweizer Grenze bis zum Bodensee bereits nahe. Diese Route bot eine Alternative zum Versuch des Vorjahres, direkt durch den Schwarzwald vorzustoßen. Obwohl sich ihm Rohan persönlich angeschlossen hatte, der aus dem Veltlin entkommen war (siehe Kapitel 18), verfügte Bernhard dennoch nur über wenige Truppen. Savellis Kaiserliche hielten mit 500 Mann

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TEIL II: Der Konflikt

Rheinfelden, hinzu kamen weitere Garnisonen in Waldshut, Freiburg und Philippsburg sowie Reinachs Regiment in Breisach. Diese Standorte müssten erobert werden, wenn der Fluss gesichert werden sollte. Außerdem brauchte er einen Stützpunkt jenseits des Schwarzwalds, um die reichen Ressourcen Württembergs und des Donautals abzugreifen. Zum Glück besaß Bernhard ein ausgezeichnetes Spionagenetz und wusste, wie schwach seine Gegner waren. Darüber hinaus standen ihm die Dienste des Obristen Erlach zur Verfügung, eines Veteranen aus holländischen Diensten, der in der Schlacht am Weißen Berg verwundet worden war und anschließend bis 1627 Mansfeld und Schweden gedient hatte. Seitdem hatte er die Miliz seiner Heimat, des protestantischen Kantons Bern, befehligt. Er stieß im September 1637 zu Bernhards Heer, obwohl er erst im darauffolgenden Mai aus dem Berner Dienst ausschied. Seine Beziehungen zum Patriziat des Kantons gewährleisteten einen reibungslosen Strom von Vorräten für Bernhards Heer. Außerdem eröffnete Erlach Verhandlungen mit dem Major Konrad Widerholt, einem Hessen, der Drillmeister der württembergischen Miliz und ab 1634 Kommandant des Hohentwiel war, der einzigen Festung des Herzogtums, die sich noch gegen den Kaiser behauptete. Obwohl er heute aus dem allgemeinen Bewusstsein der Einheimischen verschwunden ist, nahm Widerholt bis ins 20. Jahrhundert hinein einen herausragenden Platz in der patriotischen Folklore Schwabens ein. Er steht beispielhaft für jene Partisanenanführer, die eine zunehmend wichtige Rolle spielten, als im Zuge der raschen Eskalation des Konflikts über das ganze Reich verstreut zahlreiche isolierte Garnisonen entstanden. Diese versorgten sich durch Überfälle und fungierten als potenzielle Stützpunkte, sollten befreundete Truppen in ihr Gebiet zurückkehren. Die Schweden in Benfeld, Reuschenbergs Kaiserliche in Wolfenbüttel und Ramsays Bernhardiner in Hanau sind drei Beispiele, denen wir bereits begegnet sind. Zu nennen wären beispielsweise auch noch die Hessen in Lippstadt unter dem Freiherrn von Saint-André, einem hugenottischen Flüchtling, und seinem Untergebenen Jacques Mercier aus Mömpelgard, bekannt als der „Kleine Jakob“, der es in ungarischen, böhmischen, russischen und holländischen Diensten bis zum Offizier brachte. Beide waren zeitgenössische Berühmtheiten, die von Grimmelshausen in seinen Roman aufgenommen wurden. Ein Pendant im habsburgischen Dienst war der 1624 als von Mohr in den Adelsstand erhobene Schweizer Patrizier Franz Peter König, der sich in den frühen 1630er-Jahren bei Gefechten in der Nähe des Bodensees auszeichnete. Wie diese Herkunftsskizzen zeigen, stammten solche Männer meist aus relativ bescheidenen Verhältnissen, schufen sich einen Ruf mit wagemutigen Heldentaten und machten dabei ein Vermögen. Sie stiegen nie zu Heerführern auf und waren oft schwer zu kontrollieren. König

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wurde entlassen, nachdem er in eine Fehde mit dem höchst unsympathischen Wolfgang Rudolf von Ossa, dem kaiserlichen Generalkriegskommissar für Südwestdeutschland, verwickelt worden war. Widerholt handelte nominell im Namen Herzog Eberhards III. von Württemberg, verfolgte aber seine eigene Agenda. Terror mit Güte mischend, scheute er die unmittelbare Nachbarschaft des Hohentwiel und konzentrierte sich auf weiter ausgreifende Überfälle auf katholische Gemeinden. Dabei zwang er 56 Dörfer, Klöster und Bauernschaften, seine Garnison mit Proviant zu beliefern, die bis Ende 1638 auf 1058 Mann und 61 Geschütze anwuchs.538 Befreundete Dörfler, die häufig an seinen Raubzügen teilnahmen, versorgten ihn reichlich mit Informationen. Bei seinem Tod erwiderte er die Gefälligkeit, indem er eine ansehnliche Stiftung für die einheimischen Armen hinterließ. Seine Heldentaten wurden legendär. Einmal erwischte er den Bischof von Konstanz auf der Jagd und stahl ihm sein Pferd und Silber, bei einer späteren Gelegenheit sackte er 20 000 Taler ein, als er in Balingen die örtliche kaiserliche Kriegskasse erbeutete. Nachdem Gespräche zur Einbeziehung Württembergs in den Prager Frieden wiederaufgenommen worden waren, willigte der seit Nördlingen blockierte Widerholt ein, ab Februar 1636 neutral zu bleiben. Im Jahr 1637 erklärte Ferdinand III. die Kapitulation des Hohentwiel zur Bedingung für die Wiedereinsetzung Eberhards III., aber Widerholt ignorierte herzogliche Anweisungen, sich zu fügen, und erklärte sich im Februar 1638 für Bernhard. Er blieb den Habsburgern ein ständiger Dorn im Auge, nicht zuletzt, weil er die Tiroler Enklaven überfiel, und unterwarf sich erst 1650 der herzoglichen Autorität. Die Schlachten bei Rheinfelden Der Rheinfeldzug von 1638 war ein gewaltiges Ringen, das anschaulich zeigt, wie schwierig es war, Heere zusammenzuziehen und zu unterhalten. In der Eröffnungsphase kämpfte Bernhard um die Kontrolle der Route, die vom Rhein über die Waldstädte zur oberen Donau führte, während es im zweiten Abschnitt zu einem heftigen Kampf um den österreichischen Breisgau kam, der als französische Basis dienen konnte und daher zu einer der territorialen Forderungen Richelieus wurde. Bernhard rückte mit nur 6000 Mann und 14 Geschützen durch Schweizer Territorium vor, überquerte am 28. Januar den Rhein bei Basel und überraschte Savellis Männer bei Rheinfelden. Die Garnison leistete Widerstand, blockierte seinen Weitermarsch und zwang Bernhard, mit seinen begrenzten Mitteln eine Belagerung zu beginnen. Die Hauptbelagerungswerke lagen auf dem Südufer nach der Stadt zu, zwei Reiterregimenter waren auf der anderen Seite gegenüber dem Torhaus postiert, das die Brücke schützte. Ein Infanterieregiment wurde abgestellt, um die Laufenburger Brücke weiter stromaufwärts zu bewachen,

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17. Die habsburgische Flut (1637–40)

während vier Reiterregimenter die Fähre bei Beuggen, einer befestigten Kommende des Deutschen Ordens, sicherten.539 Werth erkannte augenblicklich die Notwendigkeit, Rheinfelden zu entsetzen, und drängte Savelli dazu, ihm zu helfen, 2600 Fußsoldaten und 4500 Reiter aus den Breisgauer Außenposten zu sammeln und mit nur einem Minimum an Munition und ohne Artillerie durch die Berge zu eilen. Die Kaiserlichen tauchten früh am Sonntag, dem 28. Februar 1638, außerhalb von Beuggen auf, wurden aber von Bernhards hinter Hecken postierten Dragonern aufgehalten. Da sie nicht in der Lage waren, aufzumarschieren, nahmen die Kaiserlichen einen anderen, schwierigeren Weg parallel zum Fluss und wendeten sich nach Westen in Richtung Rheinfelden. Bernhard nutzte die vier Stunden, die sie benötigten, um 600 Musketiere und acht leichte Geschütze überzusetzen und die bereits nördlich des Flusses stehende Reiterei unter Taupadel auf dem höheren Gelände oberhalb der Stadt zu konzentrieren. Taupadel griff an, als die bayerische Reiterei versuchte, von der Straße bei Karsau auszuschwärmen. Die Bayern wurden zurückgeworfen, aber Rohan und Johann Philipp Rheingraf von Salm-Kyrburg, ein weiterer Veteran unter den Söldnerführern, wurden beide tödlich verwundet, während der Obrist Erlach gefangen genommen wurde. Nun trafen Savelli und das kaiserliche Fußvolk ein und erreichten die Höhen. Bernhard hielt seine Stellung bis zum Einbruch der Dunkelheit und schlich sich dann am Feind vorbei, um sich, nachdem er 150 Mann verloren hatte, unter Aufgabe von mindestens drei Geschützen längs des Flusses ostwärts nach Säckingen zurückzuziehen. Dass er nicht verfolgt wurde, ist angesichts der Tatsache, dass Savelli und Werth ihre Männer soeben im Winter bei knappen Rationen in Gewaltmärschen durch die Berge geführt hatten, nicht weiter verwunderlich. Bernhard formierte sich 14 Kilometer stromaufwärts, bei Laufenburg, neu, wo am 2. März der Rest seines Heeres vom Südufer zu ihm stieß. Nun wagte er einen der riskanten Schachzüge, die ihn berühmt machten, indem er früh am nächsten Tag aufbrach und am Nordufer entlang zurück nach Beuggen marschierte und die drei Kanonen einsammelte, welche die Kaiserlichen nicht gefunden hatten.540 Gegen sieben Uhr am Morgen wurde er von kaiserlichen Vorposten gesichtet. Werth und Savelli gingen hastig hinter einem Graben in Stellung, der im rechten Winkel Wasser in den Rhein abließ, doch „ehe wir vnser volg zusamen brachten, waren die ersten schon totgeschossen“.541 Das bernhardinische Fußvolk rückte geordnet vor und feuerte, unterstützt von seiner leichten Kanone, auf halbe Schussweite eine Salve. Dann griff die Reiterei auf beiden Flanken an. Die kaiserlichen Fußtruppen antworteten mit einer Salve, waren aber noch beim Nachladen, als ihre Gegner in Eile über den Graben setzten. Sie stoben auseinander und entmutigten damit ihre Reiterei, die jetzt zu entkommen suchte, wobei

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manche ihre Rüstung abwarfen, um die Last zu erleichtern. Werth leistete mit dem besten bayerischen Reiterregiment Widerstand, bis sie gezwungen waren, sich zu ergeben. Insgesamt wurden 500 Mann getötet und 3000 gefangen genommen, darunter Savelli, General Enkevort und Sperreuther. Der Letztere war einer der Ersten, der floh, weil er um sein Leben fürchtete, wenn er seinen früheren Brotherren in die Hände fiel, wurde aber auf Baseler Gebiet ergriffen. Bernhard hasste Werth, der ihn offen als Verräter am Reich angeprangert hatte. Er amüsierte sich köstlich, als er beobachten durfte, wie Werth und Savelli sich auf einem Bankett, das er zur Feier seines Sieges für die gefangenen Offiziere gab, gegenseitig die Schuld an der Niederlage in die Schuhe schoben. Savellis Verhalten ähnelte ein wenig dem von Taddäus Kröte aus Kenneth Grahams Kinderbuch Der Wind in den Weiden. Mithilfe der Frau, die ihm Essen in seine Zelle bringen sollte, gelang es ihm bald zu entkommen. Leider waren die Behörden nicht so nachsichtig wie die Figuren in Grahams Geschichte, und sie wurde zusammen mit sieben anderen mutmaßlichen Komplizen hingerichtet. Stattdessen hätte Bernhard lieber feiern sollen – war Savelli, der sein Kommando seinen Beziehungen bei Hofe verdankte, doch für jede Armee eher eine Belastung als ein Gewinn. Enkevort, ein fähiger Offizier, der teils dank eines rechtzeitigen Abfalls von Wallenstein im Jahr 1634 zu seinem Kommando gekommen war, wurde von den Franzosen zusammen mit Werth festgehalten, bis beide 1641/42 gegen schwedische Generäle ausgetauscht wurden. Sperreuther wurde zusammen mit seiner Frau und seinem Kind auf dem Hohentwiel als Geisel gehalten und 1641 gegen Taupadel ausgetauscht, der in der Zwischenzeit gefangen genommen worden war. Seine Gefangenschaft war eher weniger behaglich als die von Enkevort und Werth, die französische Gesellschaftsereignisse besuchten, und seine Familie starb im Juli 1639 beim Beschuss des Hohentwiel. Der – wenngleich zuweilen nur vorübergehende – Verlust solcher Offiziere war gravierend zu einer Zeit, als militärische Effizienz eng mit dem Geschick, der Tüchtigkeit und dem Ruf von Befehlshabern verbunden war. Rheinfelden vereitelte außerdem die Versuche des Kaisers, Hessen-Kassel aus dem Weg zu räumen, weil Götzen und die ehemals ligistischen Einheiten im April von Westfalen an den Oberrhein umgeleitet werden mussten. Rheinfelden leistete noch weitere drei Wochen tapfer Widerstand, war aber am 24. März gezwungen, sich zu ergeben. Selbst nachdem die kaiserlichen Gefangenen zum Dienst gepresst worden waren, zählte Bernhards Streitmacht immer noch gerade mal 12 000 Mann, von denen die Hälfte Reiter waren. Ihm fehlten die Fußtruppen, um die anderen Städte zu belagern, die sich noch widersetzten. Während L’Hospitals französische Abteilung Ende 1637 zurückbeordert worden war, schickte Richelieu nun ein Kontingent von 4500 Infanteristen, das

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bei Bernhards Heer bleiben sollte. Die französischen Truppen sahen allerdings im Rhein eine Art Styx und fürchteten, nie mehr zurückzukehren, wenn sie sich ins Innere Deutschlands vorwagten. Obschon die neue Abteilung binnen eines Monats 2000 Mann durch Desertion verlor, wollte Richelieu unbedingt, dass Bernhard die Bedrohung für das Elsass beseitigte, und schickte im Juli weitere 1900 Infanteristen. Beide Abteilungen wurden von außergewöhnlichen Offizieren geführt, die bis zum Ende des Krieges französische Interessen in Deutschland vertreten sollten. Guébriant, der ältere, kannte Bernhard schon vom Feldzug des Jahres 1636 und erbot sich, die Verstärkungen zu führen. Er war ein tapferer und redlicher Mann und dazu in der Lage, sich gegenüber seinen aufsässigen Untergebenen durchzusetzen. Seine ebenso couragierte Ehefrau unterstützte ihn nach Kräften und führte sogar 400 Rekruten von Paris her, die für seinen letzten Feldzug zu ihm stoßen sollten. Sein früher Tod 1643 hinderte ihn daran, in die erste Reihe jener französischen Generäle aufzurücken, derer zu gedenken sich die Militärgeschichte entschlossen hat – wodurch er im Schatten von Turenne steht, der die zweite Abteilung befehligte. Die Verbindung von Turenne, einem jüngeren Bruder des Herzogs von Bouillon, zu den Hugenotten bremste zunächst seine Karriere, und er diente stattdessen bis 1632 den Holländern. Trotz schwacher Physis und eines Sprachfehlers tat er sich als mutiger und geschickter Befehlshaber hervor und wurde der einzige Franzose, den Napoleon später für einen wahrhaft großen General hielt. Nach 1638 wurde er gleich nach Italien und ins Roussillon versetzt, kehrte aber nach Guébriants Tod zurück, um das Kommando in Deutschland zu übernehmen, und blieb dort bis1648.542 Die Belagerung von Breisach Statt entlang der Route über die Waldstädte vorzustoßen, wendete Bernhard sich gegen den unmittelbar nördlich gelegenen Breisgau. Freiburg, das Verwaltungszentrum, war schwer zu verteidigen und fiel am 10. April 1638. Vom 15. Juni an konzentrierte er dann seine Infanterie und Artillerie außerhalb von Breisach. Taupadel und die Reiterei ließ er östlich des Schwarzwalds zurück, um Entsatzversuche zu vereiteln. Auf einer felsigen Anhöhe oberhalb des Rheins thronend, beherrschte Breisach eine feste Brücke, die auf zwei Inseln ruhte und durch Verschanzungen auf dem Westufer geschützt war. Der Kommandant der Festung Breisach, der Obrist Reinach, war ein erfahrener bayerischer Offizier, der Pappenheims Fußvolk bei Lützen befehligt hatte. Seine Garnison war auf 3000 Mann mit 152 Kanonen verstärkt worden. Der Rest des kaiserlichen Feldzugs von 1638 wurde eine Serie zunehmend verzweifelter Versuche, ihn zu entsetzen. Mit der Aufgabe wurde Johann Graf von Götzen betraut, einer der vielen Lutheraner in der kaiserlichen Armee. Aus Lüneburg stammend, hatte er der Pfalz

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gedient und dann den Holländern, bevor er sich der kaiserlichen Armee anschloss. Er wurde Wallensteins „deutscher“ Fraktion zugerechnet, überlebte aber die Säuberungen des Jahres 1634. Sein Ruf als tapferer und erfahrener Soldat trug ihm 1636 seine Ernennung zum bayerischen Befehlshaber ein, obwohl Maximilian normalerweise eine Antipathie gegen protestantische Offiziere hatte. Außerdem genoss er das Vertrauen Ferdinands III. und wurde im März 1638 zum kaiserlichen Befehlshaber am Rhein ernannt. Bei Rottweil östlich des Schwarzwalds sammelte Götzen 13 500 Mann in der Absicht, einen Entsatzversuch mit Karl von Lothringen abzustimmen, der sich nach wie vor mit 5000 Mann in der Franche-Comté gegen Longuevilles 13 000 Franzosen behauptete. Götzen überschritt die Berge und erschien am 26. Juni nördlich von Breisach. Er schmuggelte Vorräte in die Stadt, war aber zu schwach für einen direkten Entsatzversuch und überquerte die Grenze zum Elsass, in der Hoffnung, dass die Einnahme französischer Stellungen dort Bernhard zwingen würde, die Belagerung aufzuheben. Doch die französischen Garnisonen erwiesen sich als stärker als gedacht, und zugleich verlegte Bernhard Taupadels Reiterei auf die westliche Rheinseite, um Götzen entgegenzutreten. Der zog sich, solcherart ausgebremst, nach Württemberg zurück, während Savelli gegenüber von Straßburg die Stellung hielt. Nachdem Götzen sich erholt hatte, stieß er erneut zu Savelli, sodass beide zusammen am 7. August bei Offenburg über insgesamt 15 000 Mann verfügten. Die Schlacht bei Wittenweier Götzen versuchte Breisach erneut zu verproviantieren, indem er seine ganze Armee zur Begleitung von Vorräten einsetzte, die bei Rheinau auf Lastkähne verladen werden sollten. Bernhard war sich im Klaren darüber, dass er Breisach niemals einnehmen konnte, solange Götzen im Felde blieb, und beschloss, eine Schlacht zu erzwingen. Er zog 11 400 Mann von seinen Belagerungslinien ab und marschierte durch Kensingen und Lahr nach Norden. Erst als Kundschafter am Sonntag, den 8. August, sein Heranrücken meldeten, wurde den kaiserlichen Kommandeuren klar, dass Bernhard nicht mehr bei Breisach stand. Die kaiserliche Reiterei in der Vorhut wurde in das Dorf Friesenheim, etwa vier Kilometer nördlich von Lahr, zurückgetrieben. Götzen reagierte schnell und postierte Infanterie und Artillerie zwei Kilometer westlich auf einem von Weinreben bedeckten Hügel bei Schuttern, während der Rest des Heeres hinter einem Grenzgraben zwischen diesem Ort und Friesenheim aufmarschierte. Bernhard schickte seine französischen Fußtruppen, die Friesenheim räumten, das die Kaiserlichen in Brand gesteckt hatten. Götzen formierte seine Truppen auf dem Hügel neu, während Bernhard Artillerie in die Weinberge gegenüber verlegte. Er merkte bald, dass das Terrain ungeeignet war

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für die Reiterei, die mehr als die Hälfte seiner Streitmacht ausmachte, und brach den Kampf daher ab. Er wich auf offeneres Gelände bei Mahlberg zurück, nachdem er etwa 50 Mann verloren hatte gegenüber 120 feindlichen Verlusten. Die Kampfhandlungen waren typisch für die vielen relativ unblutigen Aufeinandertreffen von Armeen, die größtenteils undokumentiert blieben, aber den Auftakt zu einem bedeutenderen Gefecht bildeten.543 Entschlossen, seinen Nachschubkonvoi durchzubekommen, überließ Götzen Savelli zwei Drittel seines Heeres und schickte ihn früh am nächsten Tag in Richtung Wittenweier, um Rheinau zu erreichen. Götzen hoffte, der weiträumige Kaiserwald würde diesen Schritt verbergen, doch Bernhard wurde von seinen Vorposten gewarnt und marschierte im Anschluss an das Morgengebet nach Nordwesten, um Savelli zu erwischen, wenn er aus einer Lücke im Wald auftauchte. Savelli hatte es versäumt, entsprechende Vorsicht walten zu lassen, und war der Nachschubkolonne, welche den Weg dahinter blockierte, zu weit vorausgeeilt. Bernhard und Guébriant trafen als Erste an der Öffnung ein, formierten die Reiterei auf ihrem linken Flügel, gefolgt vom Fußvolk in der Mitte und Taupadel und dem Rest der Reiterei, die auf dem rechten Flügel auftauchten. Savellis Reiter wurden von 400 Musketieren und zwei Geschützen, die Bernhard in einem Wald am Rhein postiert hatte, in Unordnung gebracht. Sie wichen unter Bernhards Angriff zurück, einige Einheiten flohen, brachten dabei ihr Fußvolk in Unordnung und plünderten den Versorgungstross. Savelli und die Flüchtigen entkamen durch den Hohlweg, als Götzen mit der Nachhut eintraf. Taupadels Reiterei auf dem rechten Flügel bekam es nun allerdings mit besseren Regimentern zu tun und wurde von Götzen zurückgeworfen, der Bernhards Fußtruppen angriff und ihre Geschütze erbeutete. Bernhard reagierte mit dem Einsatz von Kanonen, die Savelli stehen gelassen hatte, während von der Reserve zwei altgediente Infanterieregimenter eintrafen. Götzen unternahm mit seiner Reiterei wiederholte Angriffe, bis er sich gegen Mitternacht zurückzog, nachdem er bereits 3000 Verwundete nach Offenburg abtransportiert hatte. Dennoch verlor er 2000 Mann, die getötet wurden, weitere 1700, die gefangen genommen wurden, dazu 13 Kanonen und mehr als 300 Wagen voll mit Lebensmitteln und Munition. Bernhards Verluste betrugen 1000 Mann, die er aber wettmachte, indem er feindliche Gefangene und Deserteure zum Dienst presste. Es war eine schwere Niederlage, die erhebliche Schwächen in einer kaiserlichen Armee offenbarte, die sich während des Rückzugs dann vollends auflöste. Regimenter blieben unter der vollen Stärke und enthielten zu wenige erfahrene Männer. Als Götzen Offenburg erreichte, bestand die Truppe nur noch aus 3000 Mann. Er war wütend auf Savelli, dessen Beziehungen bei Hofe ihm ermöglichten, sich einem Kriegsgerichtsverfahren zu entziehen, obwohl andere Offiziere,

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darunter Werths Bruder, verhaftet wurden. Götzen beklagte, dass die Straßburger Bürger seine flüchtigen Soldaten schlechter behandelten als den Feind, ihnen die Kleidung stahlen und sie schlugen, bevor sie sie zum Teufel jagten.544 Verzweifelte Maßnahmen Obwohl selbst verwundet, ließ Götzen nicht locker und formierte sich bei Rottweil neu, um auf General Lamboy und 3000 Mann zu warten, die ursprünglich die Spanier in Italien hatten verstärken sollen, nun aber angewiesen wurden, zusammen mit anderen, die von Garnisonen in Böhmen und Franken organisiert wurden, zu ihm zu stoßen. Die Soldaten hatten das Vertrauen in ihren Befehlshaber verloren und glaubten fälschlicherweise, dass er „nicht Recht, beiris, sondern mehr weimris“ – „nicht recht bayrisch, sondern mehr weimarisch“ – sei und in Geheimverhandlungen mit Bernhard stehe.545 Ein Versuch, die Breisacher Garnison mitten durch den Schwarzwald mit Lebensmitteln zu versorgen, scheiterte, aber Savelli, der jetzt in Philippsburg stationiert war, schmuggelte immerhin einiges über den Fluss, indem er Kroaten das Westufer hinunter zum Breisacher Brückenkopf schickte. Bernhard verfügte nur noch über 9000 Mann und konnte die Festung nicht mehr vollständig abschneiden. Bauern konnten hineingelangen und Lebensmittel zu halsabschneiderischen Preisen verkaufen. Trotzdem wurde die Situation in der Stadt und Festung Breisach immer verzweifelter; Reinach hatte die Zivilisten bereits ausgewiesen und hatte nur noch 1600 einsatzbereite Männer bei sich. Bernhard versuchte, Zwietracht innerhalb der Garnison zu säen, und schickte Briefe, die er in Savellis Tross erbeutet hatte und worin behauptet wurde, dass die Habsburger den Kommandanten der Illoyalität verdächtigten. Herzog Karl unternahm zur Unzeit seinen eigenen Entsatzversuch, bevor Götzens neues Heer einsatzbereit war, und marschierte mit 4000 Mann von der Franche-Comté ins Oberelsass, ohne von den Franzosen unter Longueville gestört zu werden. Bernhard spekulierte zu Recht darauf, dass Götzen nicht eingreifen konnte, und überquerte den Rhein. Mit den Abteilungen, die er auf der anderen Seite aufnahm, verfügte er über 4800 Mann, um Karl am 15. September außerhalb von Thann, südwestlich von Colmar, zu stoppen. Bernhards Kavallerie zeigte überragende Disziplin, indem sie ins Feld zurückkehrte, nachdem sie die lothringische Reiterei aufgerieben hatte, und der eigenen Infanterie half, Karls Fußsoldaten niederzuwerfen, die noch zwei Stunden weiterkämpften, bevor sie auseinanderliefen. Götzen war erst einen Monat später wieder zur Tat bereit. Er marschierte mit 10 000 Mann an Freiburg vorbei das Glottertal hinauf und tauchte am 22. Oktober bei Breisach auf, nur um festzustellen, dass Bernhard längst wieder sicher in seinen Verschanzungen hockte. Nachdem er zurückgeschlagen worden war,

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schickte Götzen 1000 Musketiere über den Rhein, um die Belagerer von der elsässischen Seite aus zu überwinden, diese wurden jedoch von Turenne versprengt. Niedergeschlagen durchquerte er abermals den Schwarzwald.546 Weil sein Heer in schlechter Verfassung war, verließ er sich in einem letzten Versuch, Breisach zu entsetzen, darauf, dass die einheimische Miliz die Waldstädte angriff, indem sie die Berge am südlichen Ende umging, während Karl erneut auf Thann vorrückte und Savelli einen Ausfall von Philippsburg aus unternahm. Zusammen waren die drei Abteilungen Bernhards Heer zahlenmäßig überlegen, aber jede war einzeln zu schwach, um irgendetwas zu erreichen, und die Operation wurde Ende November abgebrochen. Die Einheimischen waren geflohen, sodass die Kaiserlichen sich von Disteln, Schlangen und mageren Brotrationen ernähren mussten. Sie besaßen weder Schuhe noch Strümpfe. Ihre Pferde verendeten. Die Verstärkungen, die im Oktober eintrafen, büßten binnen eines Monats die Hälfte ihrer Stärke ein, und die Gesamtzahl sank auf 12 000 einschließlich der Truppen Savellis, obwohl seit August 13 000 Mann zu ihnen gestoßen waren.547 Götzen wurde als Sündenbock inhaftiert, doch obwohl Savellis Freunde sich vor Gericht alle Mühe gaben, wurde er entlastet und übernahm 1640 erneut den Oberbefehl. Der Fall von Breisach Die Garnison war auf 400 Mann geschrumpft, die seit vier Wochen kein Brot hatten und überlebten, indem sie Pferde- und Kuhhäute kauten. Im Gegenzug für freies Geleit willigte Reinach schließlich in die Übergabe von Stadt und Festung ein und zog am 19. Dezember mit seinen Mannen ab.548 Bernhard stellte wütend fest, dass 30 seiner Kriegsgefangenen während der Belagerung verhungert waren. Drei der Leichen waren angeblich von den Überlebenden gegessen worden, was weithin Aufsehen erregte. Geschichten über Kannibalismus zirkulierten seit 1629 und wurden Mitte der 1630er-Jahre häufiger. Obwohl ihre Zahl nach 1640 rückläufig war, lebten sie in der Erinnerung des Volkes weiter und tauchten unter dem Einfluss anderer Kannibalenerzählungen aus der Epoche des europäischen Kolonialismus Mitte des 19. Jahrhunderts in der Literatur erneut auf. Damals wurden sie zweifellos geglaubt und noch ein Jahrhundert später als eindeutige Beweise angeführt.549 Die Berichte des 17. Jahrhunderts waren bereits von der klassischen Mythologie und vom barocken Drama beeinflusst, die Geschichten über Mütter, die ihre Kinder aßen, als Leitmotive für absolutes Grauen und völlige Verderbtheit benutzten. Es gab zahlreiche unmittelbare Berichte über Menschen, die in der Not Hunde, Mäuse und andere weniger genießbare Tiere aßen, aber die Nachrichten über Kannibalismus beruhten immer auf Hörensagen.550 Die Geschichten wurden erfunden und sicher propagandistisch ausgeschmückt. Ihre Autoren

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waren meistens südwestdeutsche Protestanten, die mit ihren Schilderungen Mitgefühl erzeugen wollten oder sie als Metapher für den durch den Krieg verursachten moralischen Verfall benutzten. Als Vergeltung für die angebliche Gräueltat demütigte Bernhard Reinachs Soldaten bewusst, als sie aus Breisach herauswankten. Er war entschlossen, seinen Triumph einzufordern, und ritt beim Einzug in die Festung auf Werths bei Rheinfelden erbeutetem Pferd. Reinach zwang er, das Regierungsarchiv zurückzulassen, da er Breisach als Residenz für sein eigenes Fürstentum auserkoren hatte. Außerdem bestand er darauf, es mit einer Garnison aus seinen eigenen Männern und nicht mit Franzosen zu belegen. Letztere hatten schlussendlich 1,1 Millionen Taler für einen Feldzug ausgegeben, der mindestens 24 000 Menschenleben forderte. Flugblätter erschienen, die Bernhard als deutschen Achilles feierten, der für Ludwig XIII. die porta Germaniae erobert habe. In Wirklichkeit hatte Bernhard weniger ein Tor nach Deutschland geöffnet als eines nach Frankreich geschlossen. Breisach war ein nützlicher Brückenkopf, aber Frankreich brauchte Städte auf der anderen Seite des Schwarzwalds, die einen Weg ins Innere Deutschlands eröffneten. Die Festung war nicht deshalb von Bedeutung, weil sie die Spanische Straße abschnitt, die bereits unterbrochen war, sondern weil sie kaiserliche Einfälle ins Elsass vereitelte und Frankreich dadurch eine echte Möglichkeit verschaffte, diese Provinz dauerhaft zu halten. Frankreich ging von der Militär- zur Zivilverwaltung über und behandelte die Elsässer nicht mehr als Ausländer.551 Darüber hinaus bedeutete Breisach das Ende für Herzog Karl. Thann, sein letzter elsässischer Außenposten, fiel Anfang 1639. Er selbst entkam im Februar mit seiner Mätresse und 1600 Soldaten durch die westliche Ecke seines Herzogtums nach Sierck an der luxemburgischen Grenze. Zurück ließ er ein paar isolierte Garnisonen in Lothringen, gab aber die Franche-Comté preis. Der Krieg hatte sich tiefer ins Reich verlagert, da Bernhard nun verstärkt werden konnte, um östlich des Rheins zu operieren.

Frieden für Norddeutschland? Die militärische Lage verschlechterte sich offensichtlich, und dieser Umstand bestärkte Ferdinand darin, die ihm von seinem Vater hinterlassene Amnestiefrage anzugehen. Es wurden nochmals Anstrengungen unternommen, HessenKassel und die Welfen für die Prager Regelung zu gewinnen und den noch verbliebenen militärischen Schwung zu nutzen, um Schweden zum Friedensschluss zu bewegen.

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Frankreich und Schweden reagierten, indem sie den Druck auf die Deutschen erhöhten, ihnen gegenüber loyal oder wenigstens neutral zu bleiben. Dem Kaiser waren durch die Politik seines Vaters die Hände gebunden. Hildesheim war Köln für seine Unterstützung auf dem Regensburger Kurfürstentag von 1636 versprochen worden, und die Tiroler Habsburger und der bayerische Kanzler Bartholomäus Richel hatten noch Anfang 1637 fünf weitere württembergische Distrikte zur Belohnung erhalten. Johann Georg von Sachsen sorgte sich, dass die Ausnahmen von der Amnestie die Chancen auf Frieden untergraben könnten, während Herzog August von Braunschweig-Wolfenbüttel Ferdinand III. bei dessen Thronbesteigung um die Rückgabe seiner Residenz Wolfenbüttel ersuchte.552 Ferdinand tat sein Bestes. Georg Friedrich, dem einzigen von der Amnestie in Prag ausgeschlossenen Hohenloher Grafen, verzieh Ferdinand III. 1637 nach einem persönlichen Gespräch.553 Der Kaiser ließ auch gelten, dass Eberhard III. nicht für Widerholts Verhalten verantwortlich war, und willigte ein, ihn wieder nach Württemberg zu lassen, vorausgesetzt, er fand sich mit dem Verlust der Klöster und der anderweitig verschenkten Distrikte ab. Zweibrücken wurde in diese Regelungen aufgenommen, die alle bis Oktober 1638 durchgeführt waren. Den vier Grafen der walramischen Linie des Hauses Nassau wurde 1640 ebenfalls verziehen, aber da ihre Ländereien nicht zurückgegeben wurden, blieben sie französische Pensionäre in Metz und Straßburg. Wolfenbüttel erwies sich als weit schwieriger, weil es zum Dreh- und Angelpunkt von Initiativen zur Neutralisierung ganz Nordwestdeutschlands wurde. Sächsische und brandenburgische Truppen versuchten die Welfen 1637 zu zwingen, wieder in den Krieg einzutreten, indem sie aus dem Osten einmarschierten. Herzog Georg konnte sie allerdings zum Abzug bewegen, indem er seinerseits die Schweden zum Verlassen der Stadt Lüneburg überredete, die sie seit April 1636 besetzt hatten. Eine neue dritte Partei Überzeugt davon, dass er seine Neutralität untermauern musste, eröffnete Georg Verhandlungen mit Amalie Elisabeth von HessenKassel, nachdem sie im März 1638 ihren Waffenstillstand mit dem Kaiser erneuert hatte. Zusammen verfügten sie über 12 000 Soldaten, was eine realistische Grundlage zur Wahrung einer gemeinsamen Neutralität bot.554 Das Vorhaben gefiel dem hessischen Oberbefehlshaber Melander, der dafür plädierte, die Neutralität auf Köln, Pfalz-Neuburg und Hessen-Darmstadt auszuweiten, um solcherart eine neue dritte Partei zu bilden, die einen allgemeinen Frieden erreichen konnte, indem sie den Kaiser zur Modifikation des Prager Friedens zwang.

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Die Initiative fiel mit Bemühungen Dänemarks zusammen, nach der Erneuerung der französisch-schwedischen Allianz in Hamburg im März 1638 seine niedersächsischen Interessen zu schützen. Christian IV. unterstützte Georgs Plan und bat Banér in einem Brief darum, dass die schwedischen Truppen die welfischen Herzogtümer verschonten.555 Dies zwang Ferdinand dazu, Gallas Anweisung zu erteilen, er solle auf die Forderung nach niedersächsischen Quartieren verzichten, und Reichsvizekanzler Kurtz zu schicken, um den Plan zu erörtern. Christian intervenierte auch in Herzog Augusts Namen und bat Reuschenberg, Wolfenbüttel zu verlassen.556 Die kaiserliche Garnison zählte jetzt 2500 Mann ohne Anhang und kostete die Einwohner 6428 Taler monatlich, zusätzlich zur Furage für die Pferde. Außerdem fällten die Soldaten wertvolle Bäume in den umliegenden Wäldern zum Heizen. Der Herzog empfand ihre Anwesenheit an seinem Stammsitz als Beleidigung seiner Würde und erklärte, sie störten die gute Regierung seines Herzogtums. Die dänische Unterstützung erwies sich als ausschlaggebend für Ferdinands Entscheidung, dem Herzog in jenem September die Rückkehr in die Stadt zu erlauben, aber die Garnison blieb.557 Obwohl strategische Gründe bei der Entscheidung, die Garnison bestehen zu lassen, gewiss eine Rolle spielten, war es auch politisch unmöglich, Wolfenbüttel preiszugeben, weil sowohl Köln als auch Bayern darauf bestanden, die Stadt als Sicherheit für die Rückgabe von Hildesheim zu behalten. Leider war Hildesheim von Georg besetzt, nicht von August, der seinen jüngeren Bruder nicht zur Kooperation überreden konnte.558 Georg verfolgte seine eigenen Pläne weiter und nahm die kaiserliche Bitte um Kriegssteuern im November zum Anlass, den niedersächsischen Kreistag einzuberufen – um stattdessen über Neutralität zu debattieren. Ferdinand verurteilte diesen Schritt zur Schaffung einer „privat defension“ als dem Prager Frieden zuwiderlaufend und befahl den welfischen Truppen, sich der Reichsarmee anzuschließen.559 Die Aussicht auf norddeutsche Neutralität wurde von Richelieu und vor allem von d’Avaux, der nach 1637 die französischen Interessen in Hamburg vertrat, anfangs begrüßt. Beide sahen darin eine Chance, den langersehnten neutralen Block um Bayern zustande zu bringen. Maximilian lud die Kurfürsten von Mainz, Köln und Sachsen ein, im Juni in Nürnberg zusammenzukommen, und eröffnete im Kloster Einsiedeln in der Schweiz als geheim deklarierte Gespräche mit Frankreich. Oxenstierna fürchtete, dass Frankreich die Gelegenheit ergreifen könnte, sich abzusetzen, sodass Schweden allein weiterkämpfen müsste. Im Januar 1639 überquerte der inzwischen wegen eines tödlichen Fiebers an eine Sänfte gefesselte Banér von Mecklenburg aus die Elbe und fiel in Lüneburg ein. Obwohl sie Vorräte zur Verfügung stellten, wollten die Welfen sich Schweden nicht anschließen, was Banér zwei Monate später zwang, in Sachsen einzumar-

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schieren. Am 22. März erklärte der niedersächsische Kreistag das Kreisgebiet offiziell für neutral, wobei er geltend machte, dass es im öffentlichen Interesse liege, Schweden von dem Gebiet auszuschließen.560 Banérs Offensive Banérs Einmarsch in Sachsen erwies sich als unerwartet erfolgreich und ermutigte ihn, in die habsburgischen Erblande vorzustoßen. Obwohl der Angriff mit einem Fehlschlag endete, lieferte er den ersten echten Beweis dafür, dass die Flut der kaiserlichen Macht seit Nördlingen allmählich verebbte. Ferdinand III. wirkte just zu dem Zeitpunkt verwundbar, als er die Zweifler überzeugen musste, sich ihm anzuschließen. Banér stürmte, nachdem er Mitte März bei Erfurt Truppen versammelt hatte, durch das Erzbistum Magdeburg, um mit 18 000 Mann in Sachsen einzufallen. Zwickau und Chemnitz fielen früh, aber vor Freiberg, wo er Johann Georgs Silberbergwerk zu erobern hoffte, geriet der Vormarsch ins Stocken. Die Bergleute verstärkten eine Garnison, die beherzt Widerstand leistete. Wütend über die Verzögerung, befahl Banér einen Sturmangriff, der ihn 500 Mann kostete. Die bittere Kälte verhinderte ihre Beerdigung, da die Leichen fest gefroren. Den Oberbefehl über die Sachsen hatte im Oktober 1638 General Marazzino übernommen und bei dieser Gelegenheit die schwächeren Regimenter zusammengelegt. Doch selbst mit den Einheiten, die Gallas schickte, brachte er nur 5000 Mann zusammen. Nachdem er Freiberg entsetzt hatte, beging er den Fehler, Banér nach Chemnitz zu verfolgen. Banér machte kehrt und schlug seine Truppen am 14. April 1639 in die Flucht, wobei er 1500 Gefangene machte. Die Sachsen waren am Boden zerstört. Ferdinand lehnte Johann Georgs Nachsicht ab und ließ Marazzino vor ein Kriegsgericht stellen. Banér rückte in Eilmärschen wieder nach Südosten vor und eroberte am 3. Mai Pirna, womit ihm Böhmen offenstand. Unter Zurücklassung von 3000 Mann zur Sicherung des Elbdurchbruchs drängte er nach Süden in ein Land, das seit 1634 von Krieg frei gewesen war. Gallas zog 10 000 Mann unter Hofkirchen zusammen, um ihn bei Melnik (Mĕlník) aufzuhalten, als er am 29. Mai aus den Bergen herauskam. Gegen den Rat seiner Untergebenen verschenkte Hofkirchen seinen Anfangsvorteil durch einen verfrühten Angriff, bei dem er 1000 Mann verlor und 400 gefangen genommen wurden.561 Die Position der Kaiserlichen brach weiter ein, als der schwedische General Lilliehook von Pommern aus vorrückte und weitere brandenburgische Garnisonen eroberte, während Stalhansk mit einer anderen Abteilung oderaufwärts vorstieß, Mansfeld besiegte und bis Mitte des Jahres über den größten Teil Schlesiens herfiel. Die Erfolge waren überwiegend der Schwäche der Kaiserlichen nach ihrem verlustreichen Rheinfeldzug im Jahr zuvor geschuldet. Banérs Armee war zu

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klein, um Böhmen zu besetzen, und er konnte Prag nicht erobern.562 Seine Männer waren undiszipliniert. So töteten sie etwa während ihres Angriffs auf Pirna 38 böhmische Exulanten und verwundeten 153 weitere. Wie zu erwarten, reagierte kaum jemand auf Banérs Proklamation, die böhmische Freiheiten versprach. Ferdinand befahl Hatzfeldt aus Westfalen herbei und zog die meisten von Geleens Kaiserlichen aus Süddeutschland ab. Diese vereinigten sich im Juli bei Prag mit den Überresten von Gallas’ Heer zu einer 30 000 Mann starken Streitmacht unter dem jüngeren Bruder des Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm. Ohne Prag konnte Banér nicht in Böhmen bleiben. Im Oktober wandelte er sich vom Befreier zum Zerstörer und verwüstete in der vergeblichen Hoffnung, den Kaiser einzuschüchtern, in der bis dato schlimmsten Orgie der Zerstörung ein Drittel des Königreichs. Wettstreit um die deutschen Armeen Im April 1639 wurde das welfische Bündnis mit Hessen-Kassel durch einen von dem hessischen Oberbefehlshaber Melander vermittelten Vertrag formalisiert. Melander bemühte sich, zusätzliche Mitglieder zu werben, und eröffnete über Arnim, der im vorangegangenen Herbst aus schwedischer Gefangenschaft entkommen war und sich wieder in Dresden befand, Verhandlungen mit Sachsen. Andere Kontakte liefen über Melanders Kollegen in der Fruchtbringenden Gesellschaft, über die er sein Netzwerk auf die schwedischen, kaiserlichen und bayerischen Heere ausdehnte.563 Richelieu wurde besorgt, als Melander sich mit dem Angebot an Bernhard wendete, ihn zum Oberbefehlshaber der geplanten gemeinsamen Armee der dritten Partei zu machen. Bernhard verfügte im April über etwa 15 000 Mann, während die Hessen weniger als 11 000 zählten, von denen sich die Hälfte in Garnisonen befand. Bernhard war trotz der Eroberung Breisachs nicht in der Lage gewesen, seine Armee im verwüsteten Breisgau zu unterhalten. In jenem Januar überquerte er abermals den Rhein, um in die praktisch unverteidigte Franche-Comté einzufallen, wo er die Bauern auseinandertrieb, die versuchten, den Weg ins Tal des Doubs zu blockieren. Nachdem er sich bei Pontarlier eingerichtet hatte, verbrachte er die nächsten sechs Monate mit Rauben, Brandschatzen und Plündern. Er war inzwischen verärgert über Frankreich, wollte mehr sein als Richelieus deutscher Werbeoffizier und verlangte, dass man ihm das Elsass, den Breisgau und das Bistum Basel als eigenes Fürstentum überließ. Für solche Ambitionen war in Melanders Plan kein Platz, zielte er doch auf einen Kompromissfrieden. Mit dem Einwand, „eine neue Verbündniß, eine dritte Partei, sei ein neuer und dritter Krieg“, eröffnete Bernhard Gespräche, um sich stattdessen wieder Schweden anzuschließen.564

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Bevor diese Gespräche zu einem Abschluss gebracht werden konnten, starb er am 18. Juli 1639, wahrscheinlich an derselben Epidemie, die in jenem Winter bereits die Franche-Comté heimgesucht hatte. Als ihm klar wurde, dass er im Sterben lag, ließ er am Tag vor seinem Tod seine Obristen kommen und ernannte Erlach, Reinhold von Rosen, Johann Bernhard Ohm und Graf Wilhelm Otto von Nassau zu „Direktoren“ der Armee. Es gab jetzt drei starke bündnisfreie Armeen, in deren Händen das Schicksal West- und Norddeutschlands lag: die hessische in Westfalen, die Bernhardiner am Rhein und die welfischen Truppen in Niedersachsen. Ferdinand hatte seit 1637 sowohl mit Melander als auch, über Savelli, mit Bernhard verhandelt. Er bot an, Melander zum Reichsgrafen zu machen, und appellierte an seinen Patriotismus, um ihn zum Seitenwechsel zu bewegen. Zwang war unmöglich: Hatzfeldt hatte 7600 Mann aus Westfalen abgezogen, als er im April nach Böhmen marschierte, sodass dort nur noch 9000 Kaiserliche standen, darunter 5500 Kölner Soldaten unter Velen. Nun begann eine gemeinsame, von Mainz, Darmstadt und Baden-Baden unterstützte Anstrengung, die bernhardinischen Direktoren zum Überlaufen zu überreden.565 Zwei Emissäre wurden mit dem Angebot geschickt, Bernhards Leichnam mit vollen militärischen Ehren nach Weimar überführen zu lassen. Joachim von Mitzlaff, der maßgeblich am Übertritt der Armee Wilhelms von Sachsen-Weimar auf die Seite des Kaisers im Jahr 1635 beteiligt gewesen war, wurde entsandt, um den Coup zu wiederholen. Frankreich und Schweden antworteten auf diese Maßnahmen. Die fortgesetzten Verluste und der Exodus der Schotten im Jahr 1638, die zu Hause kämpfen wollten, hatten die Zahl qualifizierter, verlässlicher höherer Offiziere in schwedischen Diensten reduziert. Oxenstierna ging ein kalkuliertes Risiko ein, als er Königsmarck, einen Deutschen, trotz dessen schwacher Leistung an der Vlothoer Brücke zum Nachfolger von King ernannte. Der verarmte brandenburgische Adlige Königsmarck hatte sich 1620 als Reiter in ein kaiserliches Regiment eingeschrieben, den Dienst jedoch 1630 quittiert, nachdem er nur zum Fähnrich aufgestiegen war. Seine Beförderung in schwedischen Diensten nach 1631 ging rascher vonstatten, da seine Talente bald erkannt wurden. Nun befehligte er etwa 5000 Mann, deren Aktionsradius sich hauptsächlich auf Erfurt beschränkte. Es waren zu wenige, um die Welfen zu bezwingen, aber sie stellten eine potenzielle Verstärkung dar, sollten sie sich offen für Schweden erklären. Als Königsmarck im August beim ersten Einfall in Franken seit 1634 Bamberg, Würzburg und Kulmbach plünderte, war dies auch eine Demonstration schwedischer Stärke. Mitzlaff erreichte Weimar erst Ende Oktober 1639. Seine Anwesenheit beunruhigte die Herzöge Wilhelm und Ernst, die schwedische Vergeltungsmaßnah-

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men fürchteten; auf die bernhardinischen Direktoren hatten sie ohnehin keinen Einfluss. Mitzlaff kehrte mit leeren Händen zurück und entkam nur knapp 700 schwedischen Reitern, die von den Garnisonen in Zwickau und Chemnitz ausgeschickt worden waren, um ihn gefangen zu nehmen.566 In der Zwischenzeit handelte Frankreich, um jeden, einschließlich der Schweden, daran zu hindern, sich die Armeen zu sichern. Melanders bestehende französische Pension wurde verdoppelt auf 18 000 Livre, und er wurde zum stellvertretenden Kommandeur der deutschen Truppen Ludwigs XIII. ernannt. Die Beihilfe für Amalie Elisabeth wurde im Vertrag von Dorsten um weitere 20 000 Taler aufgestockt. Allerdings verpflichtete die Witwe Richelieu, die Vereinbarung so lange geheim zu halten, bis Schweden seinen Vertrag mit Frankreich ratifizierte. Damit sollte ihr brüchiger Waffenstillstand in Westfalen gewahrt werden, der ihre Garnisonen schützte.567 Ein Versuch Karl Ludwigs, die Bernhardiner für die pfälzische Sache anzuwerben, wurde von Richelieus Agenten mühelos vereitelt, die den glücklosen Fürsten verhafteten, als er inkognito durch Frankreich reiste. Unterdessen überredete Guébriant, der das Kommando über das französische Kontingent in Bernhards Armee hatte, die Direktoren in einem am 9. Oktober unterzeichneten Vertrag, loyal gegenüber Frankreich zu bleiben.568 Die Truppen gingen als „Armee d’Allemagne“ vollständig in französische Dienste über. Ihr Ziel war die Wiederherstellung und Festigung der „teutschen Libertät“. Alle ihre Eroberungen wurden Ludwig XIII. übergeben, aber Erlach blieb Gouverneur von Breisach, und die Obristen behielten die innere Führung ihrer Einheiten. Ferdinand hielt die dritte Armee der Welfen bereits für verloren. Am 22. August belehnte er den Kurfürsten von Köln formell mit Hildesheim und ermächtigte Hatzfeldt im Oktober, dies durchzusetzen und die welfischen Truppen zu zwingen, sich mit der Reichsarmee zu vereinigen.569 Piccolomini hatte seine 15 000 Mann bereits im September aus Luxemburg abgezogen, um helfen zu können. Herzog Georg reagierte, indem er am 9. November seinen gegenseitigen Verteidigungspakt mit Hessen-Kassel festigte, während Melander den hessischen Waffenstillstand brach, um Bielefeld zu erobern. Die Massierung kaiserlicher Streitkräfte östlich des Rheins entblößte das andere Ufer. Guébriant war sich bewusst, dass die Bernhardiner zu schwach für eine neuerliche linksrheinische Offensive waren, marschierte aber, beschattet von den Bayern auf der anderen Seite, am Westufer entlang nach Norden, um die soeben von Piccolomini aufgegebene untere Mosel zu besetzen. Obschon der Schritt teilweise von Vorratsmangel getrieben war, sollte er Frankreichs Hauptstreitmacht auch durch größere räumliche Nähe eine Unterstützung der Hessen erleichtern. Einige der Bernhardiner überquerten den Rhein bei Bingen, um ins Kurfürstentum Mainz

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einzufallen und den Westerwald im Rücken des jüngsten kaiserlichen Truppenaufmarschs zu besetzen. Tatsächlich genehmigte der Kaiser Operationen, um Guébriant zu vertreiben, der am 27. Dezember abermals den Rhein überquerte, sich durch Limburg und dann nach Süden zurückzog, um bei Hagenau und Breisach zu überwintern. Allerdings bevorzugte Ferdinand nach wie vor eine diplomatische Lösung und schob den Einmarsch in die welfischen Lande hinaus. Verhandlungen mit Banér wurden eröffnet, von dem Ferdinand glaubte, dass er von Schweden autorisiert sei, Frieden zu schließen.570 Außerdem bestand immer noch Hoffnung, dass einige der bernhardinischen Offiziere überlaufen könnten. Der Kaiser begnadigte öffentlich all jene, die sich ihm anschließen würden, um das „fremde Joch“ abzuschütteln.571 Rosen blieb streitlustig, doch die anderen bezweifelten die Aufrichtigkeit französischer Behauptungen, man kämpfe für la liberté Germanique. Der Obrist Ohm sagte einem Mainzer Bevollmächtigten, wenn Frankreich sich einem echten Frieden widersetze, „dann solle der Teuffel dem holen, der alß dann einem degen oder pistol in die hand nimme, wieder S. Käys. Mayt: zur fechten; sie seyen alle deß Kriegs müde“. Wie üblich erwies sich Bargeld als Knackpunkt. Die Offiziere wollten vom Kaiser Zusicherungen, dass er ihre Soldrückstände begleichen würde. Derart hart bedrängt, konnte Ferdinand mit den Franzosen nicht mithalten, die Geld über Frankfurter Bankiers transferierten, um die Obristen bei Laune zu halten.572 Widerholt lehnte auch das großzügige Angebot der Erzherzogin Claudia – eine vollständige Begnadigung, 30 000 Gulden und ein Posten in den Tiroler Streitkräften – ab. Nichtsdestotrotz war Guébriant ausreichend beunruhigt, dass er die bernhardinischen Obristen am 17. August 1640 bat, ihre Loyalität gegenüber Frankreich nochmals zu bekräftigen, und Richelieu behandelte sie weiterhin mit Respekt. Der Krieg zieht nach Norden Indem er andere Regionen ihrer Truppen beraubte, gelang es Ferdinand III., bis Januar 1640 44 000 Mann in Böhmen zu sammeln.573 Von diesen waren allerdings nur 12 400 als Feldheer unter Erzherzog Leopold Wilhelm verfügbar, verstärkt durch 4100 Mann unter Hatzfeldt, der in Franken überwintert hatte. Piccolomini verfügte in Westfalen nur noch über 13 000 Soldaten, während die Sachsen 6648 zusammenbrachten, was einem Viertel ihrer Stärke fünf Jahre früher entsprach. Die Brandenburger waren praktisch ausgeschieden. Die Bayern zählten noch etwa 17 000 Mann, von denen die meisten am Oberrhein waren, wo einschließlich einiger Kaiserlicher insgesamt vielleicht 10 000 Mann standen. Der Rest lagerte in Winterquartieren in der Nähe von Donauwörth und Ingolstadt. Wie diese Zahlen nahelegen, war es jetzt

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sehr schwierig, größere Operationen in mehr als einer Region gleichzeitig zu starten. Ferdinands Feinde befanden sich in einer ähnlichen Lage. Banér verfügte nur noch über 10 000 einsatzbereite Soldaten, während die anderen schwedischen Kommandeure gerade genug Männer hatten, um ihre gegenwärtigen Stellungen zu halten. Banér blieb kaum eine andere Wahl, als Böhmen Ende März zu verlassen und sich über den Weg zurückzuziehen, über den er im Jahr zuvor gekommen war, um in Erfurt zu Königsmarck zu stoßen. Die Einheiten, die zurückgelassen wurden, um Sachsen zu halten, wurden am 20. April 1640 bei Plauen besiegt, was die Garnison in Chemnitz zur Kapitulation zwang, während die meisten anderen ihre Position aufgaben.574 Für Frankreich und Schweden bestand die Herausforderung im Laufe der kommenden zwei Jahre darin, einen realistischen Rahmen für die militärische und politische Zusammenarbeit zu schaffen, der die Hessen und Welfen einbeziehen musste. Dagegen setzte Ferdinand seine Hoffnungen darauf, ebendies mit einer letzten Anstrengung, alle Deutschen hinter der Prager Vereinbarung zu sammeln, zu vereiteln. Die Vorliebe des Kaisers für Verhandlungen wurde von den Welfen und Hessen brutal ausgenutzt. Diese hatten nämlich den Winter genutzt, um ihre Kräfte zu bündeln, und deckten nun im Mai 1640 ihre Karten auf. Herzog Georg tat dies öffentlich, indem er Banér Truppen schickte und auf schwedische Hilfe zählte, um eine Invasion Hildesheims zu verhindern. Nominell brachte er 20 000 Mann zusammen, verfügte aber tatsächlich nur über 6000 bei Göttingen und in Garnisonen entlang der Weser, dazu kam ein Feldheer von 4500 unter Klitzing. Amalie Elisabeth bestätigte im März ihre französische Allianz, versprach jedoch, den Waffenstillstand in Westfalen zu beachten. Mit französischer Zustimmung verlegte Melander das 4000 Mann starke hessische Feldheer gen Osten ins Eichsfeld, um Banér zu verstärken. Richelieu beorderte Longueville aus Italien herbei, in der Hoffnung, dass er als Herzog genügend persönliche Autorität besaß, um das 8000 Mann starke bernhardinische Feldheer unter Kontrolle zu bringen. Letzteres marschierte wieder rheinabwärts, um sich dem verbündeten Truppenaufmarsch anzuschließen. Der Kaiser war gezwungen, auf diese Schritte entsprechend zu reagieren. Er hoffte noch immer, die Hessen für sich zu gewinnen, und glaubte daher Amalie Elisabeths Zusicherungen. Nichtsdestotrotz war Wahl, der neue Kölner Befehlshaber, befugt, die Stellungen zurückzuerobern, die ihre Truppen im Laufe der letzten zwei Jahre unter Bruch des Waffenstillstands eingenommen hatten. Außerdem wurden die hessischen Garnisonen dreister, indem sie jetzt Paderborn überfielen. Piccolomini folgte Melander nach Osten und stieß am 5. Mai bei Saalfeld, südlich von Erfurt, zu Leopold Wilhelm. Sie verschanzten sich, um den

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Weg nach Franken zu blockieren. Nach einem zweiwöchigen Patt wich Banér nordwestlich nach Niedersachsen zurück, was die Welfen beunruhigte, die fürchteten, er würde sie im Stich lassen. Sobald sie weitere 5000 Mann zugesagt hatten, marschierte er wieder Richtung Süden nach Göttingen und Kassel. Leopold Wilhelm beschattete ihn und zog durch Hersfeld, um sich im August bei Fritzlar erneut zu verschanzen. Es war das ganze Jahr über kalt, der Sommer war nass und trübe, und Essbares erwies sich als schwer aufzutreiben.575 Banérs zweite Ehefrau starb, und Longueville wurde krank, sodass er den Oberbefehl wieder Guébriant überließ. Aus Ingolstadt traf das bayerische Feldheer ein, womit Leopold Wilhelm wieder über 25 000 Mann verfügte. Nach einem weiteren vierwöchigen Patt zog sich Banér zurück, was dem Erzherzog erlaubte, weserabwärts nach Norden vorzurücken, um sich mit Wahls 4000 Mann starken Feldtruppen zu vereinigen. Zusammen eroberten sie im Oktober Höxter, aber die Männer waren erschöpft und undiszipliniert. Das Wetter wurde windig und noch kälter. Leopold Wilhelm zog sich nach Süden zurück, um bei Ingolstadt zu überwintern. Banér ließ 7000 Mann zurück, um Wolfenbüttel zu belagern, während der Rest seiner Armee es sich auf Kosten der Dorfbewohner der welfischen Lande gemütlich machte. So ereignislos, wie dieser Feldzug schien, verschob er doch den Schwerpunkt des Krieges komplett auf Norddeutschland. Entsprechend verlagerte sich der „kleine Krieg“ der Außenposten von Westfalen an den Oberrhein. Die bernhardinischen Garnisonen operierten unter Erlachs Führung von Breisach und den Waldstädten aus gemeinsam mit Widerholt auf dem Hohentwiel. Die Bayern schlugen von Philippsburg, Heidelberg und Offenburg aus zurück, während die Kaiserlichen Ausfälle von Konstanz und Villingen aus unternahmen. Keine Seite schaffte es, mehr als 3000 Mann aus ihren Festungen zu entbehren, was ihre Möglichkeiten massiv einschränkte. Erlach half 1640, Pläne zur Belagerung des Hohentwiel zu durchkreuzen, indem er Reiter entsandte, um die schwäbische Ernte einzubringen. Claudia organisierte 1641 einen weiteren Feldzug gegen Widerholt, aber schwerer Schneefall und Nahrungsmangel erzwangen im Januar 1642 die Aufgabe dieses Vorhabens. Den einzigen Erfolg erzielten Erlach und Widerholt, als sie sich im darauffolgenden Januar kurz zusammentaten, um Überlingen zu überrumpeln.576 Was Süddeutschland als Ruhepause gewann, verlor der Norden. So verzweifelt die Weimarer Herzöge es auch versuchten, sie konnten die Kriegsteilnehmer nicht zur Beachtung der thüringischen Neutralität bewegen. Die Holländer fürchteten, dass die Ankunft von Frankreichs Deutschlandarmee (Armee d’Allemagne) in ihrer Nachbarschaft die beiden Kriege verschmelzen würde. Allerdings reduzierte der Rückzug von Piccolominis Korps aus Luxemburg Ende

17. Die habsburgische Flut (1637–40)

1639 die kaiserliche Präsenz westlich des Rheins auf ein paar Einheiten unter Lamboy, die ihre Zeit hauptsächlich damit zubrachten, den letzten Rest an PfalzNeuburger Autorität in Jülich auszulöschen. Dasselbe machten die Hessen in Berg auf der anderen Rheinseite, obendrein eroberten sie 1641 Kalkar, ein Schritt, der ihnen einen Brückenkopf auf dem linken Flussufer verschaffte und die Verbindung mit den Franzosen herstellte. Kalkar wurde in eine große Festung verwandelt. Die für ihren Unterhalt erforderlichen regelmäßigen Kontributionen wurden durch Geiselnahmen aus den umliegenden Gemeinden gewährleistet. Obwohl die Hessen es unterließen, die Spanier in Jülich selbst zu provozieren, war Melander bereits Ende 1640 aus Protest über die Politik Amalie Elisabeths von seinem Kommando zurückgetreten. Im darauffolgenden Dezember wurde er zusammen mit seinem Bruder Jakob von Ferdinand zum erblichen Reichsgrafen von Holzappel (auch Holzapfel) erhoben. Melander erhielt darüber hinaus im Februar 1642 das kaiserliche Feldmarschallspatent, war aber zu kompromittiert und zugleich zu nützlich als Diplomat, um ihm ein aktives Kommando zu geben. Stattdessen schickte Ferdinand ihn auf die letztendlich erfolglose Mission, Frieden zwischen Spanien und der Republik der Vereinigten Niederlande zu vermitteln. Erst im Oktober 1645 wurde Melander anstelle Wahls als westfälischer Oberbefehlshaber eingesetzt. Noch kontrollierte der Kaiser den größten Teil Süd- und Mitteldeutschlands; der Verlust des Nordens bedeutete jedoch, dass die Gesamtsituation nun in der Schwebe war.

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18. In der Schwebe (1641–43) Die französisch-schwedische Allianz (1641)

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elanders spektakulärer Aufstieg vom bescheidenen Bauern in die höheren Ränge des Reichsadels stand sinnbildlich für eine Welt, in der die Verhältnisse auf den Kopf gestellt wurden. Er häufte ein gewaltiges Vermögen an, das sich angeblich auf 1,5 Millionen Taler belief, und erwarb von seinem früheren Herrn, dem Fürsten Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, 1643 für 64 000 Taler die Herrschaft Esterau. Wenngleich oft als rüpelhafter Bauerntölpel abgetan577, war Melander in Wirklichkeit gebildet, sprach fließend Französisch (und wahrscheinlich auch Italienisch) und hatte bereits 1608 einen Adelsbrief erhalten, was seine spätere Berühmtheit ein klein wenig relativieren dürfte.

Das Verhältnis von Krieg und Diplomatie Nicht einmal der Lebensweg eines Melander sprengte also den Rahmen etablierter gesellschaftlicher Konventionen. Ein ähnliches Beharrungsvermögen kann der politischen Kultur des Heiligen Römischen Reiches attestiert werden, die nach wie vor das Verhalten der Akteure lenkte, mochte der Konflikt auch eine arge Belastungsprobe darstellen. Die meisten Darstellungen lassen den Krieg nach 1640 in seine zerstörerischste und sinnloseste Phase eintreten, da er angeblich in „universelle, anarchische und eine Eigendynamik entwickelnde Gewalt“ überging.578 Diese Entwicklung wird oft dem Tod der „großen Söldnerkapitäne“ wie Gustav Adolf, Wallenstein und Bernhard zugeschrieben und in Zusammenhang mit der vermeintlichen Internationalisierung des Krieges gebracht. „In Wirklichkeit herrschten einzig die Soldaten“, lautet dann schnell das Resümee. Viele niedere Offiziere hätten auf eigene Faust gehandelt, um ihre Einheiten zu versorgen oder sich selbst zu bereichern.579 Vieles davon ist ein Mythos, der nach dem Krieg von den Territorialgewalten bewusst gehegt wurde, um eine strengere Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung zu rechtfertigen. Herrscher wollten ihre Untertanen dazu bringen, weiterhin hohe Steuern zu zahlen, um auch in Friedenszeiten Armeen unterhalten zu können. Letztere galten als notwendig zur Beförderung des fürstlichen Ansehens und als hilfreich, um der eigenen Rolle in den europäischen Angelegenheiten größeres Gewicht zu verleihen. Die Nachkriegsmannschaften wurden, vor allem als sie in den 1660er-Jahren zahlreicher wurden, als disziplinierte Soldaten dargestellt, nicht als gesetzlose Soldateska, wie sie angeblich für die Epoche vor 1648 typisch gewesen war.580

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In der Tat gab es in den 1640er-Jahren ernsthafte Probleme. Die rasche Ausweitung des Krieges erschütterte die Wirtschafts- und Sozialstruktur und lähmte die Territorialverwaltung. Die Werbung gestaltete sich mittlerweile deutlich schwieriger, sogar wenn „Laufgeld“ geboten wurde.581 Allerdings waren die Heere jetzt kleiner und beweglicher als vor 1635. Die Gesamtzahlen sanken um mindestens ein Drittel, und obwohl die für einzelne Schlachten aufgebotenen Streitkräfte noch beträchtlich waren, hatte sich ihre Zusammensetzung erheblich verändert. Während vor 1635 die Reiterei zwischen einem Viertel und einem Drittel der Feldheere ausgemacht hatte, war danach gewöhnlich mehr als die Hälfte einer Armee beritten. Manche der Fußsoldaten bewegten sich jetzt auf dem Marsch ebenfalls zu Pferde, um schneller voranzukommen. Mit einigen wichtigen Ausnahmen wurde in Deutschland weniger Zeit auf Belagerungen verwendet – im Gegensatz zu den Operationen in Flandern, die weiter von langwierigen Kämpfen rings um entscheidende Städte geprägt waren. Einiges deutet darauf hin, dass die Kommandanten von Garnisonen bereitwilliger kapitulierten, da es nicht mehr so oft zu Massakern kam. Offiziere wurden im Allgemeinen auf ihr Ehrenwort hin auf freien Fuß gesetzt, aber die gemeinen Soldaten wurden normalerweise zum Dienst in den Reihen des Siegers gepresst. Diese Praxis funktionierte selten gut, und die meisten desertierten so bald wie möglich zu ihren früheren Dienstherren. Verschärft durch einen zunehmenden Mangel an erfahrenen Soldaten erklärt dies wahrscheinlich, warum manche glaubten, die Desertion sei nun ein schwerwiegenderes Problem gewesen als in den 1620er-Jahren.582 Der gestiegene Anteil der Reiterei gegenüber dem Fußvolk glich den zahlenmäßigen Gesamtrückgang teilweise aus, da die Befehlshaber mit einer solchen Armee schneller auf unverhoffte Bedrohungen in schlecht verteidigten Regionen zu reagieren vermochten. Allerdings war die vermehrte Mobilität auch durch logistische Zwänge diktiert: Berittene konnten schlicht in einem größeren Radius furagieren und Vorräte auf ihren Sätteln transportieren. Dies machte bäuerliche Rekruten besonders wertvoll, da die Armeen Männer brauchten, die sowohl reiten als auch für ihre Reittiere sorgen konnten. Die Verluste an Tieren waren im Allgemeinen hoch, vor allem wenn Operationen im Winter weitergingen, wo Futter knapp wurde. Etwa die Hälfte der Reiterei wurde am Ende jedes Feldzugs ausgemustert, was zu einem oft langsamen Auftakt im darauffolgenden Jahr beitrug, wenn neue Reittiere erst beschafft werden mussten und Generäle darauf warteten, dass das Gras wuchs. Die geänderte Zusammensetzung der Landstreitkräfte geht mit der gängigen Auffassung von militärischer Entwicklung nicht konform. Für die Militärgeschichtsschreibung mit ihrem zumeist technologielastigen Ansatz wird der Wandel durch die Bewaffnung diktiert. Der Anteil der Pikeniere ging von 35 bis

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50 Prozent im Jahr 1618 bis zu den 1640er-Jahren auf etwa 20 Prozent oder weniger zurück. Dieser Rückgang wird gewöhnlich in Zusammenhang gebracht mit einer angeblichen Tendenz hin zur Lineartaktik, bei der Infanterieeinheiten nicht mehr unabhängig voneinander, sondern in langen Linien mit nur schmalen Abständen zwischen den Regimentern kämpften.583 Dadurch sollte die Feuerkraft maximiert werden, wie es schon das Ziel der oranischen Heeresreform in den 1590er-Jahren gewesen war. Tatsächlich geschah es aber erst seit den 1670erJahren, dass die hohe Frequenz und Menge der unter strenger Aufsicht abgefeuerten Musketen für alle Armeen vorrangig wurden und die Lineartaktik sich zur Norm in der europäischen Kriegführung entwickelte. Der Anteil der Reiterei sank entsprechend bis 1700 wieder auf unter ein Drittel. Diese Entwicklungen wurden bewusst gefördert – im Gegensatz zu jenen des späteren Dreißigjährigen Krieges. Der Mangel an Pikenieren galt als Nachteil, weil sie in der Regel die erfahreneren Kämpfer waren, wie man sie für Angriffsmanöver brauchte. Das wachsende Vertrauen in Musketiere minderte allerdings den offensiven Nutzen der Fußtruppen. Sie wurden oft hinter den Schanzen oder in Gehölzen postiert, um sie vor den nun zahlreicheren Reitern zu schützen. Während die Qualität der Truppe schwankte, nahm die Befähigung der höheren oder niederen Offiziere nicht merklich ab. Der Tod jener Riege von Generälen, die die Militärgeschichte in ihren Olymp erhoben hat, wirft freilich einen langen Schatten auf jene, die in den späteren Phasen des Krieges die Befehlsgewalt hatten. Das Auftreten eines Turenne und des jüngeren Condé in der französischen Armee oder auch des weniger allgemein gefeierten Wrangel und Königsmarck in den schwedischen Streitkräften hat einen Autor gar zu der Behauptung bewogen, der Kaiser sei in puncto Generäle quasi ausgestochen worden.584 Doch Männer wie Mercy, Melander, Montecuccoli und Piccolomini waren Wallenstein, Tilly und den anderen früheren kaiserlichen Generälen zumindest ebenbürtig. Die fortgesetzte Effektivität der Kombattanten führt zu einem weiteren wichtigen Punkt. Nach wie vor richtete Krieg Chaos und Verwüstung an, aber er blieb zugleich streng kontrolliert und zielgerichtet.585 Militärische Operationen waren weiterhin darauf ausgerichtet, politische Ziele zu unterstützen, da die Herrscher ihre Verhandlungspositionen zu verbessern suchten. Womöglich wurde die Wechselbeziehung zwischen Kriegführung und Diplomatie sogar enger, da offensichtlich wurde, dass niemand seine Ziele ausschließlich mit militärischen Mitteln erreichen konnte. Der Regensburger Reichstag von 1641 Das Ausbleiben eines entscheidenden Sieges bewog Ferdinand III., den ersten Reichstag seit 27 Jahren einzuberufen.

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Wenngleich er der Prager Regelung neues Leben einhauchen sollte, wichen seine Beschlüsse vom politischen Programm des Jahres 1635 ab. Ferdinand II. hatte versucht, die Reichspolitik zu leiten, indem er lediglich die Kurfürsten zu Rate zog. Den anderen Reichsständen hatte er ein öffentliches Forum verwehrt, damit sie seine Politik nicht kritisieren oder ihr gar Beschränkungen auferlegen konnten. Ferdinand III. hatte sich bereits flexibler in seiner Vorgehensweise gezeigt, wusste indes seine Vorrechte dennoch zu hüten. Seine Annäherung an die Kreistage im November 1638 integrierte die unbedeutenderen Territorien wieder in den formellen politischen Prozess, sollte die Diskussionen aber auf die vom Kaiser betriebene Erhöhung der Kriegssteuern eingrenzen. Die hierüber und über die norddeutsche Neutralität geführten Diskussionen ließen dann den wachsenden Wunsch nach Frieden erkennen. Die Kurfürsten fügten diesem Ruf ihre Stimmen hinzu, indem sie von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machten und am 3. Februar 1640 in Nürnberg zu ihrem eigenen Kongress zusammenkamen. Maximilian von Bayern hatte bereits 1636 die päpstliche Friedensinitiative unterstützt. Nun ließ er seine Bereitschaft erkennen, die kreisausschreibenden Fürsten ebenfalls zum Nürnberger Kurfürstentag einzuladen.586 Der Kaiser beschloss zu verhindern, dass der Kurfürst als Anführer einer Friedenspartei in Erscheinung trat, indem er stattdessen sämtliche Reichsstände zu einem Reichstag kommen ließ, auf dem er die Tagesordnung festlegen konnte. Die Einladung machte den Nürnberger Kurfürstentag überflüssig, der daraufhin am 7. Juli endete. Am 13. September versammelten sich die Vertreter der Kurfürsten erneut zusammen mit den anderen Reichsständen in Regensburg, wo sie bis zum 10. Oktober 1641 tagten. Die Tagesordnung ähnelte stark der des Kurfürstentages von 1636/37. Das Reich wurde aufgefordert, die von einigen Kreistagen 1638 bewilligten Steuern zu verlängern, die inzwischen ausgelaufen waren. Alle sollten sich geschlossen hinter den Kaiser stellen, um die beiden Kronen von Frankreich und Schweden zu besiegen, die wild entschlossen seien, die „teutsche Libertät“ zu unterdrücken.587 Ferdinand machte ein paar Zugeständnisse. Ein Angriff auf den Hohentwiel wurde verschoben, um die protestantischen Schwaben nicht zu verärgern. In der Amnestiefrage erging ein Angebot, wonach die Württemberg bereits gewährten Bedingungen durch die Rückgabe einiger Klöster erweitert werden sollten und eine Begnadigung sogar auf Hessen-Kassel und die Pfalz ausgeweitet werden könnte – immer unter der Voraussetzung, dass diese sich den kaiserlichen Kriegsanstrengungen anschlossen. Es wurde vorgeschlagen, eine neue, achte Kurwürde zu schaffen, um den Kurfürsten von der Pfalz zu bewegen, den neuen Status seines bayerischen Cousins zu akzeptieren. Zu guter Letzt deutete Ferdinand an, dass er 1627 als dauerhafteres Normaljahr akzeptieren könnte, was einigen der protestan-

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tischen Administratoren erlauben würde, ihre Bistümer auf unbestimmte Zeit zu behalten. Diese Vorschläge wurden vom päpstlichen Nuntius verurteilt, von den katholischen Fürsten aber schließlich angenommen, auch von solchen wie den Kurfürsten von Mainz und Köln, die Territorium verlieren konnten. Die am Prager Frieden vorgeschlagenen Änderungen kamen den im Westfälischen Frieden schlussendlich angenommenen Korrekturen sehr nahe. Wären sie 1636 oder noch 1637 angeboten worden, hätte der Kaiser die von ihm gewünschte vereinte Front erreichen können. Jetzt war es zu spät, da die Welfen und die Hessen an eine schwedische Allianz gebunden waren. Der Kaiser erneuerte das Mandat, das die Deutschen aufforderte, aus französischem und schwedischem Dienst auszuscheiden. Ein kaiserlicher Rezess, der Ferdinands Vorschläge enthielt, wurde dank der Unterstützung der Kurfürsten und Städte angenommen, obwohl 31 der 46 fürstlichen Vertreter dagegen stimmten. Der Rezess bestätigte das Mandat und verlängerte die Kriegssteuern, indem er rückwirkend 240 Römermonate für den Zeitraum 1640/41 bewilligte. Doch haperte es mit der Befolgung, weil selbst loyale Territorien die Kosten von Einquartierung und Plünderung abziehen wollten.588 Banérs Winteroffensive Trotz seiner begrenzten Ergebnisse beunruhigte der Reichstag Frankreich und Schweden, die an der Loyalität ihrer deutschen Verbündeten zweifelten. Im Januar 1641 schlug Banér trotz angegriffener Gesundheit südlich von Thüringen zu, um die Beratungen zu stören. Guébriant und Taupadel führten Frankreichs Deutschlandarmee nach Nordfranken, freilich nicht zum Zwecke der Eroberung wie ein Jahrzehnt zuvor, sondern um Kontributionen zu erpressen. Banér blieb es überlassen, den Hauptangriff zu führen, und er stieß trotz tiefen Schnees rasch über 200 Kilometer via Hof und Bayreuth vor. Er war darauf angewiesen, genauso schnell voranzukommen wie jeder Bote, um allen Gegenmaßnahmen zuvorzukommen, und schaffte es tatsächlich, am 20. Januar Regensburg zu erreichen. Drei Reiterregimenter überquerten stromabwärts die zugefrorene Donau, um sich der Stadt unerwartet von der Südseite her zu nähern, und überraschten die kaiserliche Jagdgesellschaft. Die wertvollen Falken des Kaisers wurden mit einem Netz eingefangen, Ferdinand selbst jedoch, der beim Verlassen der Stadt aufgehalten worden war, entging der Gefangennahme. Plötzlich einsetzendes Tauwetter ließ das Eis auf dem Fluss dünner werden und zwang die Schweden, schnell den Rückzug anzutreten. Banér legte die Stadt noch kurz unter Beschuss, hatte aber nur leichte Artillerie dabei, sodass die Kanonade kaum mehr als eine Machtdemonstration darstellte. Ferdinand weigerte sich, die Stadt zu verlassen, und seine Kaltblütigkeit unter feindlichem Feuer brachte ihm neue Anerkennung ein.

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Weil er ahnte, dass der Feldzug schlecht für ihn ausgehen könnte, wandte Banér sich wieder gen Norden. Guébriant wollte auf keinen Fall in Operationen gegen die habsburgischen Lande verwickelt werden und zog sich nach Nordwesten in Richtung Niedersachsen zurück, womit es den Schweden überlassen blieb, allein ins oberpfälzische Cham abzuziehen. Banér hoffte, inmitten der bewaldeten Hügel eine Pause einlegen zu können, bevor er via Eger in Böhmen einfiel. Der Kaiser reagierte mit unerwarteter Heftigkeit. Erzherzog Leopold Wilhelm, Piccolomini und Mercy sammelten 22 000 Kaiserliche und Bayern an der Donau und rückten im März nach Norden vor. Banér forderte seine Truppen eilends auf, bei Cham wieder zu ihm zu stoßen, und wurde nur durch eine Abteilung unter dem einarmigen Erik Slang gerettet, der den Feind am 19. März bei Neunburg kurz aufhielt. Die anderen Schweden entkamen über Straßen, die das abermals einsetzende Tauwetter in Matsch verwandelt hatte, in strapaziösen Märschen von 20 Kilometern pro Tag nach Norden und dann Anfang April über den Preßnitzer Pass nach Sachsen. Sie verloren dabei ihren Tross, außerdem mehr als 2000 Mann durch Gefangennahme sowie 4000 durch Krankheit und Desertion.589 Erneute Meuterei bei den Schweden Banér starb am 10. Mai, kurz nachdem sein Heer bei Halberstadt wieder zu Guébriant gestoßen war. Nur einen Monat nach dem Tod Herzog Georgs von Lüneburg stand Schweden damit gefährlich ungeschützt da.590 Skrupellos und energisch, wie er war, hatte Banér maßgeblichen Anteil am Wiederaufbau der Armee und an der Sicherung der schwedischen Position in Deutschland nach 1635 gehabt. Die Folgen seines Fehlens waren sofort offenkundig. Gemäß Krisenplan ging der Oberbefehl an drei Generalmajore über: den Schweden Carl Gustav Wrangel, den Finnen Avid Wittenberg und den Deutschen Adam von Pfuhl. Nur 500 der 16 000 Soldaten waren gebürtige Schweden. Die Situation glich der des Jahres 1635, als die meuternden Offiziere Oxenstierna gehörig unter Druck gesetzt hatten. Nun bildeten 23 der 30 Obristen einen Ausschuss unter dem Generalmajor der Infanterie, Kaspar Kornelius Mortaigne de Potelles, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ferdinand ergriff die Gelegenheit, um eine Amnestie anzubieten, und bemühte sich nach Kräften, Pfuhl für sich zu gewinnen. Pfuhls Schwester war eine der Zofen der schwedischen Königin Maria Eleonora von Brandenburg und zudem Banérs erste Gemahlin gewesen. Aufgrund dieser Verbindungen und seiner eigenen Leistungen in schwedischen Diensten erwartete Pfuhl, zum Nachfolger Banérs ernannt zu werden. Oxenstierna hingegen hatte nicht die Absicht, einen Deutschen auszuwählen, und ernannte trotz dessen angeschlagener Gesundheit Lennart Torstensson.591 Torstensson befand sich allerdings noch in Schweden, wodurch ein Vakuum entstand, das rasch von Pfuhl ausgefüllt wur-

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de, der sich auf die Seite der Obristen schlug. Sie eröffneten Unterhandlungen mit August dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel, der die Gelegenheit, die der Tod seines streitlustigen Bruders bot, genutzt hatte, um wieder Gespräche mit dem Kaiser aufzunehmen. Die Unzufriedenheit erfasste auch die deutschen Offiziere in Guébriants Heer. Wie in den Jahren 1635/36 begannen erneut Friedensverhandlungen, die parallel zu Gesprächen mit den Offizieren liefen. Frankreich und Schweden hatten es versäumt, ihre Ziele aufeinander abzustimmen, als sie ihr Bündnis 1638 erneuerten. Richelieu wollte einen universellen Frieden, der alle Konflikte Frankreichs zu seiner Zufriedenheit beilegen würde. Oxenstiernas Ziele blieben auf Deutschland beschränkt, weshalb er zu überlegen begann, ob er mit seinem Partner brechen solle, um einen Separatfrieden mit Ferdinand zu besiegeln. Schwedens Unmut über Frankreich wuchs, nachdem Richelieu 1639 Bernhards Heer aufgenommen hatte. Kurtz und die Lauenburger Herzöge hatten seit 1639 im Namen des Kaisers in Hamburg verhandelt. Die Stimmung auf dem Reichstag veranlasste Ferdinand dann, eine eigene Gesandtschaft nach Brüssel zu schicken, um einmal mehr zwischen Spanien und den Holländern zu vermitteln. Unterdessen übermittelten die Lauenburger Herzöge Schweden ein stark verbessertes Angebot, das die in Regensburg besprochenen Zugeständnisse berücksichtigte, mit denen der Pfalz, den Welfen und Hessen-Kassel im Rahmen des Prager Friedens entgegengekommen werden sollte. Im Gegensatz zu seinem Vater reagierte Ferdinand auch durchaus auf den Wunsch Oxenstiernas nach territorialem Gewinn, um es Schweden zu ermöglichen, ehrenhaft aus dem Krieg auszuscheiden. Die Schweden hatten 1640 die im Westen der Mark Brandenburg gelegene Altmark und Frankfurt an der Oder erobert. In jenem Dezember starb Kurfürst Georg Wilhelm, und seinem ehrgeizigen Nachfolger, Friedrich Wilhelm, war klar, dass Pommern nicht mit Waffengewalt erlangt werden konnte. Unter dem Deckmantel einer Gesandtschaft zur Bekanntgabe seiner Nachfolge eröffnete der neue Kurfürst Verhandlungen mit Schweden. Der Tod des Grafen Schwarzenberg im März 1641, des einzigen Katholiken im Geheimen Rat des Herzogtums, beseitigte den Hauptgegner dieser Annäherung. Ferdinand sah richtig voraus, dass Brandenburg im Begriff stand, die Seiten zu wechseln, und suchte dies zu verhindern. Ende 1640 sicherte er sich die Zustimmung von Bayern und Mainz, um Schweden ganz Pommern anzubieten.592 Leider gelang es Ferdinands Gesandten nicht, Salvius von der Ernsthaftigkeit des Angebots zu überzeugen. Gerüchte über die Gespräche beunruhigten dennoch die Franzosen, die Oxenstierna dazu gedrängt hatten, die Allianz von 1638 zu erneuern, die nun im März 1641 erneut auslaufen würde. D’Avaux erhöhte die

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jährlichen Hilfsgelder um weitere 80 000 Reichstaler, die so lange zahlbar waren, bis beide Parteien einen zufriedenstellenden Frieden erreichten. Oxenstierna war der Meinung, dass es sich für diese feste Unterstützung lohne, die diplomatische Unabhängigkeit zu opfern, und gab am 30. Juni 1641 seine Zustimmung. Die beiden Kronen hatten sich damit auf eine gemeinsame Front festgelegt, und jede war verpflichtet zu kämpfen, bis beide zufrieden waren. Die Bekräftigung der französischen Allianz verbesserte Oxenstiernas Position in seinen anderen Verhandlungen. Brandenburg akzeptierte am 24. Juli 1641 eine zweijährige Waffenruhe, die Schweden im Besitz von Gardelegen, Driesen, Landsberg, Crossen und Frankfurt an der Oder beließ und dadurch den Zugang zwischen Pommern und Schlesien sicherte. Friedrich Wilhelm versprach außerdem, jeden Monat 10 000 Taler an die ausländischen Truppen zu zahlen und mehr als 177 Kiloliter Getreide zu liefern. Den unvermeidlichen kaiserlichen Protesten versuchte er zuvorzukommen, indem er einen Teil seiner Armee an den Kaiser abtrat, sodass nur 2200 Mann übrig blieben, die Berlin, Spandau, Küstrin und Peitz hielten. Viele seiner Offiziere waren wütend. Der Obrist Rochow drohte, Spandau in die Luft zu sprengen, während der Obrist Goldacker sein Regiment zu den Kaiserlichen mitnahm. Obwohl Franz Albrecht von Lauenburg, jetzt kaiserlicher Feldmarschall, Stalhansks Abteilung aus Schlesien vertrieb, sicherte Brandenburgs Abfall die Zugänge nach Pommern und verschaffte Oxenstierna Zeit, sich um die Meuterei der Offiziere zu kümmern. Im Juli forderte der Kanzler die Obristen auf, zwei Vertreter nach Stockholm zu entsenden. Beiden zu Ehren wurden Feste gegeben, man umschmeichelte und belohnte sie, und der Sprecher des Ausschusses, der Obrist Mortaigne, wurde zum Generalmajor befördert und erhielt zur Begleichung seines Soldrückstands Land in Pommern. Salvius trieb 60 000 Taler auf, um die drängendsten Forderungen der anderen Offiziere zu erfüllen. Sodann wurde die Armee umstrukturiert, indem man die Regimenter, die nicht die volle Stärke hatten, zusammenlegte und vereinbarte, die bei 330 000 Talern liegenden Soldrückstände unter den verbliebenen Einheiten aufzuteilen. Am Ende übergab Salvius 486 260 Taler, die unter Einsatz der neuen französischen Hilfsgelder als zusätzliche Sicherheit größtenteils auf Kredit beschafft worden waren. Pfuhl wurde bis zum Eintreffen von Torstensson durch den Schweden Lilliehook als Interimsbefehlshaber ersetzt. Guébriant überzeugte unterdessen seine eigenen Offiziere, von ihren Unterhandlungen mit dem Kaiser abzulassen, indem er sie vor dem Schicksal Sachsens seit 1635 warnte. Die Schlacht bei Wolfenbüttel Geheime Kontakte mit dem Kaiser bestanden weiter bis in den Herbst 1641, aber die Armee hatte ihre Verlässlichkeit bereits

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unter Beweis gestellt, indem sie bei Wolfenbüttel intervenierte. Schweden musste sich die welfische Loyalität sichern und beweisen, dass es seinen deutschen Partnern beistehen konnte. Klitzing hatte deshalb seit dem Herbst Reuschenbergs kaiserliche Garnison blockiert, aber seine 7000 Mann reichten nicht, um die Festungsstadt einzunehmen. Wolfenbüttel war auf holländische Art mit Erdwällen verstärkt worden, die bombensichere Kasematten aus Stein bedeckten, welche die Verteidiger schützten. Die Stadt war umgeben von einem breiten Flutgraben, der über Schleusenkanäle von der Oker gespeist wurde, während eine separate Burg als Zitadelle diente. Klitzing kopierte Pappenheims Methoden aus der Belagerung von 1627, indem er Bauern einzog, die ab Mitte März 1641 die Oker unterhalb der Stadt aufstauen sollten. Trotz Reuschenbergs Ausfällen wurde der sogenannte „Schwedendamm“ Ende Juni fertig, mit einer starken Schanze an jedem Ende. Ein großes verschanztes Lager bei Thiede westlich des Flusses schützte die Belagerer, während sie darauf warteten, dass das Wasser sich staute und die Stadt überflutete.593 Erzherzog Leopold Wilhelm und Piccolomini warteten bei Egeln an der Saale, dass die Unterhandlungen mit den meuternden Offizieren Früchte trugen, bevor sie sich im Juni, als die Situation in Wolfenbüttel kritisch wurde, nach Westen aufmachten. Wahls Bayern wurden aus Westfalen herbeibeordert, was eine Gesamtstreitmacht von 22 000 Mann ergab. Guébriant, Königsmarck und die noch verbliebenen loyalen schwedischen Einheiten erreichten in Gewaltmärschen das Gebiet, wo sie am 28. Juni zu Klitzing stießen – nur zwei Stunden, bevor die Kaiserlichen eintrafen. Zusätzlich zu den 7000 welfischen Soldaten waren nun 6000 ehemalige Bernhardiner und 13 000 Schweden vor Ort. In ihrer Mitte beförderte eine schwarz drapierte Kutsche Banérs Leichnam. Die große Überflutung durch die Oker verhinderte jeden Angriff auf die linke Flanke der Verbündeten (Osten), während ihr Lager zugleich zu stark war, um frontal angegriffen zu werden. Leopold Wilhelm befahl Wahl, durch die Wälder westlich von Fümmelse vorzurücken, um den Feind auf der anderen Seite zu umfassen, während die Kaiserlichen einen Ablenkungsangriff auf das Lager unternahmen. Am 29. Juni war Wahl schon um neun Uhr morgens gegenüber den Schweden auf dem rechten Flügel der Verbündeten in Stellung, aber die Kaiserlichen wurden durch das Gelände aufgehalten. Mittags griffen die Bayern ohne sie an. Es kam zu einem heftigen Kampf um den Besitz eines Waldes unmittelbar jenseits der schwedischen Stellung, als Königsmarck versuchte, Wahl daran zu hindern, ihn von der Flanke anzugreifen. Schließlich trafen die Kaiserlichen ein, doch statt lediglich einen Scheinangriff gegen die feindliche Front zu führen, wurden sie in den Kampf um den Wald verwickelt. Die dicht gedrängte Masse des Fußvolks geriet ins Kreuzfeuer zwischen einer Schanze am Ende des Lagers

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und Königsmarcks Truppen auf freiem Feld. Die Schüsse rissen Stücke von Bäumen ab, was zu weiteren Verlusten führte. Die Bayern ließen indes nicht locker, schlugen das Eliteregiment „Altblau“ in die Flucht und eroberten die Schanze. Zudem brach ihre Reiterei weiter westlich durch, aber alle wurden durch einen Gegenangriff zurückgeworfen. Guébriant und Klitzing schickten aus dem Lager ihre Reiterei, um die Kaiserlichen im Osten zu bedrohen. Das Ringen setzte sich fort bis zum Spätnachmittag, als Leopold Wilhelm seinen erschöpften Truppen befahl, sich zurückzuziehen, nachdem sie mindestens 3000 Mann Verluste erlitten hatten. Die Verbündeten waren ebenfalls angeschlagen. Sie verloren ungefähr 2000 Mann und verspürten keinerlei Bedürfnis, ihre Verschanzungen zu verlassen und die kaiserlichen Truppen zu verfolgen. Die Untätigkeit schürte Meinungsverschiedenheiten zwischen den Generälen, während das kaiserliche Heer eine lange und letztendlich erfolglose Belagerung Göttingens im Süden begann. Nachdem sie den Damm am 1. Oktober zerstört hatten, zogen die Verbündeten sich schließlich nach Sarstedt zwischen Hannover und Hildesheim zurück, wo sie zwei Monate blieben und das Ergebnis der wiederaufgenommenen Gespräche abwarteten. Die hatten am 7. Oktober in Goslar erneut begonnen, nachdem Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel sich beim Kaiser für die jüngste Schlacht entschuldigt hatte. Der Nachfolger Herzog Georgs, Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg, Fürst zu Calenberg, war ein unerfahrener junger Mann und seinem Onkel nicht gewachsen, der die Rückendeckung des Herzogs Friedrich IV. von Braunschweig-Lüneburg, Fürst zu Lüneburg, hatte. Da er kein unmittelbares Interesse an Hildesheim hatte, opferte August die Stadt, um seine eigene Residenz wiederzuerlangen. Wahl arrangierte am 16. Januar 1642 einen Kompromiss, der durch mehrere spätere Vereinbarungen bestätigt und erweitert wurde. Die Welfen akzeptierten den Prager Frieden und gaben im Gegenzug für das gesichtswahrende Versprechen Ferdinands von Köln, den lutherischen Kultus dort während der nächsten 40 Jahre zu respektieren, die umstrittenen Hildesheimer Distrikte zurück. Den Welfen wurde in aller Form verziehen, und Reuschenberg verließ schließlich am 23. September 1643 Wolfenbüttel. Der Vertrag von Goslar stellte einen Sieg über die welfischen Ambitionen dar. Zwar behielten die Welfen für den Rest des Krieges ein paar Tausend Mann Garnisonstruppen, konnten den Gang der Ereignisse aber nicht mehr beeinflussen.594 Mit der welfischen Neutralität erledigte sich auch die militärische Zusammenarbeit von Franzosen und Schweden, indem das Bindeglied Niedersachsen wegfiel. Guébriant marschierte nach Westen, um den Hessen beizustehen, während die Schweden sich schlussendlich nach Osten wandten und in Schlesien einfielen.

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Der Abfall Brandenburgs und das Scheitern der nochmaligen Gespräche mit den feindlichen Offizieren machten jedoch den bescheidenen kaiserlichen Erfolg in Niedersachsen zunichte. Angesichts der Tatsache, dass die Reichsstände unruhig wurden, fand Ferdinand sich zu einer weiteren Friedensgeste bereit. Am 25. Dezember 1641 hatte sein bevollmächtigter Vertreter in Hamburg mit Frankreich und Schweden die Friedenspräliminarien vereinbart. Diese regelten die Form, wenn auch nicht den Inhalt des künftigen Friedenskongresses. Frankreich und die katholischen Mächte würden in der westfälischen Stadt Münster zusammenkommen. Schweden und die Protestanten würden sich im nahe gelegenen Osnabrück versammeln. Beide Tagungsorte würden für neutral erklärt und Garantien abgegeben für die Sicherheit der Gesandten sowie die Post zwischen ihnen und den heimatlichen Hauptstädten. Diese Bedingungen signalisierten eine radikale Abkehr von dem früheren kaiserlichen Standpunkt, erst mit Schweden allein zu verhandeln, um den Krieg im Reich beizulegen, bevor man sich mit Frankreich befasste. Schweren Herzens ratifizierte Ferdinand nun im Juli 1642 die Vorvereinbarungen, wohl wissend, dass Verhandlungen mit Frankreich einen Bruch mit Spanien zur Folge haben könnten. Gleichwohl zögerte er den Austausch der Beglaubigungsschreiben hinaus, welche die Gesandten benötigten, um sich zu versammeln – in der Hoffnung, dass die militärische Lage sich vielleicht noch besserte.595 Vorläufig waren die Dinge weiter in der Schwebe.

Der Krieg im Reich (1642/43) Der Kaiser konnte sich eine Niederlage, wie unbedeutend auch immer, nicht leisten. Die Hessen wiederum brauchten, nachdem sie sich für Schweden erklärt hatten, einen Sieg, bevor sie die Gespräche mit Ferdinand wieder aufnehmen konnten. Sie sammelten 7000 Mann unter Generalleutnant Kaspar Graf von Eberstein, einem pommerschen Adligen, der 1631 von den Schweden in den Dienst des Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel gewechselt war und 1640 befördert wurde, um Melander zu ersetzen. Guébriant traf im Dezember 1641 ein, aber er musste drohen, in Overijssel einzufallen, bevor die Holländer das vereinigte Heer schließlich am 12. Januar 1642 bei Wesel über den Rhein ließen. Guébriants zwölf Infanterieregimenter kamen nur auf 2000 Mann, und die zwölf Regimenter der Reiterei standen mit insgesamt 3500 Mann kaum besser da. Ebersteins Streitmacht war bereits auf 4000 Mann geschrumpft, von denen die Hälfte Reiter waren.596 Dennoch stellten sie eine ernsthafte Gefahr für das Kurfürstentum Köln dar, als sie nun anfingen, es zu verheeren. Lamboys 9000 Kaiserliche, die zu den Spa-

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niern abgestellt waren, wurden zurückbeordert und überquerten die Maas, um Köln zu schützen, während Hatzfeldt mit 7000 Mann Verstärkung aus seinen Winterquartieren in Würzburg herbeieilte. Hatzfeldt traf am 8. Januar vor seinen Truppen ein und stellte Boote bereit, damit sie bei Andernach übersetzen konnten. Guébriant und Eberstein beschlossen, Lamboy anzugreifen, bevor Hatzfeldts Männer vor Ort waren. Es war ein großes Risiko, da ihnen bereits die Verpflegung ausgegangen war und sie im Falle einer Niederlage keine andere Wahl gehabt hätten, als sich in die Republik der Vereinigten Niederlande davonzumachen, wie es Mansfeld und Herzog Christian 1622/23 getan hatten. Ein Drittel von Lamboys Männern war entweder krank oder unzureichend bewaffnet, außerdem hatte er nur sechs Kanonen gegenüber 23 auf der feindlichen Seite, doch Lamboy war zu selbstsicher und ignorierte Anweisungen, auf Hatzfeldt zu warten. Er lagerte bei Hüls, heute ein Stadtteil von Krefeld, und marschierte hinter einem doppelten, wasserlosen Grenzgraben zwischen Kempen, Hüls, Krefeld und St. Tönis auf der Kempener Heide auf, der das kommende Gefecht seinen Namen verdankte. Lamboy frühstückte noch, als der Feind am 17. Januar auf der anderen Seite des Grabens auftauchte. Das Gefecht wogte hin und her, bis an Lamboys Flanken von Guébriant abkommandierte Dragoner und Musketiere erschienen, die beide Seiten seiner Stellung passiert hatten. Die Kaiserlichen brachen zusammen und hatten am Ende 2000 Tote zu beklagen. Lamboy und weitere 5000 Mann wurden gefangen genommen. Nur 2000 entkamen. Aus Furcht, zum Dienst in der Flandernarmee gepresst zu werden, lehnten sie spanische Verpflegungsangebote ab und überquerten schließlich den Rhein, um zu Hatzfeldt in der Wetterau zu stoßen. Lamboy hatte eine wertvolle Gelegenheit vertan, Frankreichs Deutschlandarmee zu vernichten. Sie hatte kurz vor dem Zerfall gestanden und seit der Eroberung von Breisach vor mehr als drei Jahren keinen bedeutenden Erfolg mehr errungen. Ein dankbarer Ludwig XIII. beförderte Guébriant zum Marschall von Frankreich und schickte 3600 bretonische Rekruten per Schiff nach Rotterdam, die sich ihm anschließen sollten. Als zusätzliche Verstärkung entließen die Holländer 3000 Mann in französische Dienste. Die nächsten sechs Monate verbrachte Guébriant damit, unbedeutende Orte im Kurfürstentum Köln zu erobern, darunter sowohl Kempen und Neuss als auch Düren im Herzogtum Jülich. Seine Truppen erbeuteten so viele Nahrungsmittel, dass hungrige spanische und kaiserliche Soldaten zu ihnen desertierten. Die kaiserlichen Gegenmaßnahmen zeigen, wie schwierig es allmählich wurde, neue Armeen aufzustellen. Der Kaiser schickte 135 000 Taler, während Hatzfeldt 8000 aus eigener Tasche beisteuerte und Kurfürst Ferdinand sein Silber

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versetzte, um noch mehr zu beschaffen. Als der Feind begann, Reisende festzuhalten und Kaufleute gegen Lösegeld als Geiseln zu nehmen, lockerte die Stadt Köln ihre Neutralität, um 500 Mann und sechs Kanonen von ihrer Bürgerwache zur Verfügung zu stellen, während zugleich 2000 Lothringer aus Luxemburg eintrafen und die Spanier 1500 Mann einsetzten, um Aachen zu schützen. Im Juni traf Wahl mit 2600 Bayern ein, zwei Monate später gefolgt von dem soeben aus französischer Gefangenschaft entlassenen Werth, der an der Spitze dreier kaiserlicher Reiterregimenter erschien. Werths Ankunft zeigte, eine wie große Rolle die Persönlichkeit spielte: Selbst Bauern fielen auf die Knie, als sie den berühmten Kommandeur sahen, weil sie glaubten, er würde sie vom Feind befreien.597 Die Kaiserlichen verfügten jetzt über ungefähr 15 000 Mann, womit sie ihren Gegnern gleichkamen, aber Hatzfeldt zögerte, eine weitere Schlacht zu riskieren, vor allem weil er knapp an Pferden und in puncto Verpflegung auf die Spanier angewiesen war – die von den einheimischen Händlern verlangten exorbitanten Preise konnte er sich nicht leisten. Die Verbündeten hatten ihre frühere Beute auch längst verschlungen und waren ebenfalls hungrig. Guébriant und Eberstein stritten andauernd, weil der Franzose sich weigerte, den Hessen zu erlauben, die eroberten Städte mit Garnisonen zu belegen. Diese gaben zuerst auf und zogen sich Ende September über den Rhein zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte Guébriant Amalie Elisabeth bereits derart unter Druck gesetzt, dass sie ihm als Gegenleistung dafür, dass die eroberten Städte ihrer Kontrolle unterstellt wurden, 1000 Mann aus Ebersteins Heer überließ.598 Guébriant marschierte nach Osten, in einem vergeblichen Versuch, die Welfen davon abzuhalten, den Vertrag von Goslar zu unterzeichnen. Das Kurfürstentum Köln hatte seine schlimmsten Verheerungen während des gesamten Krieges erlitten, aber das Gleichgewicht der Kräfte am Niederrhein war wiederhergestellt worden. Schweden erholt sich Nachdem sie die Belagerung von Wolfenbüttel aufgegeben hatten, blieben die Schweden untätig bei Winsen (in der Nähe von Celle), bis endlich am 25. November 1641 Torstensson mit 7000 Mann eintraf. Er zog das Heer in ostelbisches Gebiet auf eine Position in der Nähe von Werben zurück, wo er die nächsten vier Monate damit verbrachte, nach der Meuterei die Disziplin wiederherzustellen. Lamboys Niederlage bei Kempen beraubte den Kaiser jeder Chance, diese Untätigkeit auszunutzen. Torstensson zeigte seine beträchtlichen strategischen Fähigkeiten, als er im April Königsmarck und die Reiterei losschickte, um Sachsen zu überfallen. Damit lockte er die kaiserlichen Truppen dorthin, während er selbst seine 15 000 Mann starke Hauptstreitmacht quer durch Brandenburg führte, um sich mit Stalhansks 5000 Mann an der Oder zu vereinigen.

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Torstensson erkannte, dass Banérs Invasion der habsburgischen Lande 1639 fehlgeschlagen war, weil sie in erster Linie auf Geschwindigkeit gebaut hatte und es nicht gelungen war, die Festungen zu erobern, die notwendig waren, um das eingenommene Territorium zu behaupten. Er begann daher seine Invasion Schlesiens am 4. Mai mit der Erstürmung von Glogau, auf seinem südwestlichen Vorstoß nach Schweidnitz eroberte er anschließend Jauer (Jawor) und Striegau (Strzegom). Die Provinz war schwach verteidigt, aber Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg schickte eilends 7000 kaiserliche und sächsische Reiter von Sachsen herüber, um das weitere Vordringen zu stoppen. Dem Herzog war nicht klar, dass Striegau bereits gefallen war, und er nahm irrtümlich an, Torstensson würde direkt nach Süden auf Breslau zumarschieren. Und er wusste auch nicht, dass Königsmarck ihm von Sachsen mit 6000 schwedischen Reitern gefolgt war. Am 31. Mai täuschte Königsmarck den Herzog, indem er auftauchte und bald darauf vorgab, sich zurückzuziehen. Auf diese Weise lockte er die Kaiserlichen zu der auf einem Hügel östlich von Schweidnitz postierten schwedischen Infanterie. Einige kaiserliche Regimenter flohen schon früh, die anderen kämpften fünf Stunden lang weiter, bevor sie sich zurückzogen. Wie bei Kempen bedeutete die Niederlage praktisch die Vernichtung des Heeres, da die Einheiten rasch den Zusammenhalt verloren. 1800 Mann fielen und 2000 wurden gefangen genommen. Unter den Ersteren war Franz Albrecht, dem seine tödlichen Wunden von wütenden Schweden beigebracht wurden, die nach wie vor davon überzeugt waren, dass er am Tod ihres Königs Gustav Adolf schuld sei. Schweidnitz kapitulierte drei Tage später, was den schwedischen Sieg komplett machte.599 Torstensson ließ Lilliehook mit der Hälfte des Heeres die Eroberung Oberschlesiens beenden, während er den Rest über Troppau nach Mähren führte, wo er Olmütz (Olomouc) eroberte, das schnell kapitulierte – angeblich, weil die Schweden die Frau des Kommandanten gefangen nahmen.600 Banér war 1639 nicht so weit nach Osten vorgedrungen, und die Region war noch relativ blühend. Die Schweden erbeuteten 5000 neue Uniformen, brachen in Klöster ein, gaben die Mönche nur gegen Lösegeld frei und öffneten die Krypten, um den Toten die Ringe zu stehlen. Noch mehr nahmen sie den Lebenden, darunter 10 000 Bücher, die sie an Königin Christina schickten, um deren Wissensdurst zu stillen. Als sie Olmütz 1650 verließen, lebten von den einstmals 30 000 Einwohnern der Stadt noch 1675. Die reicheren Bürger waren sofort geflohen und hatten in Wien Panik verbreitet. Doch noch leistete in Schlesien Brieg (Brzeg) Widerstand, während die Kaiserlichen sich bei Brünn, südlich von Olmütz, sammelten, wo 2670 böhmische Milizionäre zu ihnen stießen. Bis Juli 1642 hatte Leopold Wilhelm 20 000 Mann zusammengezogen, wenngleich viele von ihnen Rekruten waren, die nach Hau-

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se gehen wollten, sobald der kalte, nasse Herbst einsetzte.601 Während einige Olmütz belagerten, stießen die Übrigen an Troppau vorbei vor, um Brieg zu entsetzen, wobei sie bis August den größten Teil Schlesiens wieder in ihren Besitz brachten. Torstenssons Strategie zahlte sich jetzt aus, weil Leopold Wilhelm Glogau nicht zurückerobern konnte, das die schwedischen Nachschublinien nach Pommern schützte und den 6000 zur Sicherung der Oder zurückgelassenen Schweden ermöglichte, zum Hauptheer zu stoßen. Weil die Kaiserlichen auch Olmütz nicht zurückerlangten, behielt Schweden darüber hinaus einen Stützpunkt tief in habsburgischem Territorium, der bis zum Ende des Krieges eine Bedrohung blieb. Die Kaiserlichen wurden westwärts durch die Lausitz bis nach Sachsen getrieben, zur Verzweiflung des sächsischen Kurfürsten, der erlebte, wie sein Land einmal mehr zum Schlachtfeld wurde.602 Die zweite Schlacht bei Breitenfeld Torstensson verfolgte das kaiserliche Heer und belagerte Leipzig, um seinen Gegner zu zwingen, sich zum Kampf zu stellen. Leopold Wilhelm traf wie erwartet mit 26 000 Mann ein, darunter 1650 Sachsen, und die Schweden zogen sich nach Breitenfeld zurück, dem Schauplatz von Gustav Adolfs großartigem Triumph elf Jahre zuvor.603 Piccolomini war misstrauisch und riet eindringlich zur Vorsicht, doch es waren beunruhigende Meldungen eingetroffen, dass Guébriant und die Hessen unterwegs seien, um zu Torstensson zu stoßen. Also entschied der Erzherzog am 2. Dezember, den Kampf anzunehmen.604 In der Nacht davor lagerten die beiden Heere im rechten Winkel zu den 1631 eingenommenen Stellungen. Die Kaiserlichen befanden sich auf der östlichen Seite bei Seehausen und blickten nach Westen, ihnen gegenüber bei Breitenfeld stand Torstensson. Zwischen beiden lag der Linkelwald, ein Fichtenwäldchen, wo Tillys Fußvolk letzten Widerstand geleistet hatte, mit einem flachen Tal im Süden, das von dem Flüsschen Ritsche gebildet wurde. Torstensson war zahlenmäßig um 7000 Mann unterlegen, aber entschlossen, das einzige noch übrige starke Heer des Kaisers zu zerschlagen. Beide Heere rückten im Morgengrauen vor. Torstensson überquerte die Ritsche, um vor dem Linkelwald Gefechtsformation anzunehmen. Leopold Wilhelm nahm Piccolominis Rat an und schickte 16 Kürassierregimenter nach Norden um den Wald herum, um den linken Flügel der Schweden zu umfassen und sie von der Straße nach Torgau abzuschneiden. Torstensson verlegte sein Heer nach Norden, um dem zu begegnen, und gegen zehn Uhr vormittags wurde das Gefecht allgemein. Das kaiserliche Fußvolk, obschon durch den Wald geteilt, rückte gegen seine Gegner in Torstenssons Zentrum vor. Wie die Schweden setzten auch die Kaiserlichen jetzt Regimentsgeschütze ein, um ihre Infanterie

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zu unterstützen. Sie feuerten Kettenkugeln ab, die halfen, die Schweden zurückzutreiben und einige ihrer Kanonen zu erbeuten. Wittenberg und Stalhansk auf dem rechten Flügel der Schweden rückten vom Tal der Ritsche aus vor, wobei sie den begleitenden Musketieren davonritten. Der schnelle Vorstoß funktionierte, ließ er doch Puchheim keine Zeit, die kaiserliche Reiterei richtig einzusetzen. Mehrere Regimenter in der ersten Linie der Kaiserlichen lösten sich vor Feindberührung auf und nahmen die Sachsen in der zweiten Linie bei ihrer Flucht mit. Die Übrigen leisteten beherzt Widerstand, unterlagen aber der Übermacht. Stalhansk setzte mit der Hälfte der schwedischen Reiterei nach, während Wittenberg den Rest hinter Torstenssons Fußvolk führte, um Slang auf dem linken Flügel zu helfen. Der hatte sich an Gustav Adolfs Taktik gehalten, langsam vorzurücken, damit die Musketiere Schritt halten konnten. Er wurde beim ersten kaiserlichen Ansturm getötet, und seine Männer knickten ein, als Kroaten ihre Flanke im Norden umfassten. Königsmarck sammelte sie und behauptete sich so lange, bis gegen Mittag General Wittenberg auftauchte. Die Schweden waren hier nun überlegen, stürmten um die Flanke ihrer Gegner und trieben sie zurück in Richtung der Fußtruppen, die sich im Zentrum noch wehrten. Leopold Wilhelm und Piccolomini führten ihre Leibtruppen zu einem Gegenangriff, um der Infanterie nördlich des Waldes ein Entkommen zu ermöglichen. Ein schwedischer Dragoner richtete seine Pistole auf den Erzherzog, verfehlte ihn jedoch. Für jene, die sich südlich des Waldes befanden, konnte nichts getan werden; sie leisteten noch etwa eine Stunde Widerstand, bevor sie sich ergaben. Es war eine hart umkämpfte Schlacht gewesen. Die Schweden verloren 4000 Mann, die getötet oder schwer verwundet wurden. Auf kaiserlicher Seite war es letztlich die schlechte Qualität eines Teils der Reiterei von Leopold Wilhelm, die ihn die Schlacht kostete. Die Kaiserlichen hatten nicht nur 3000 Tote zu beklagen, sondern verloren auch fast 5000 Mann in die Gefangenschaft, dazu sämtliche 46 Kanonen, ihre gesamte Feldkasse und die Nachschubkolonne. Wenngleich der schwedische Sieg sehr viel knapper ausfiel als im Jahr 1631, waren die Auswirkungen der Kampfhandlungen doch beträchtlich. Die Kunde von der Niederlage verbreitete Angst und Schrecken im gesamten katholischen Deutschland, befürchtete die Bevölkerung doch, dass sich die Folgen der ersten Schlacht wiederholen könnten.605 Maximilian rief seine bayerische Miliz zusammen und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Leipzig kapitulierte erwartungsgemäß am 7. Dezember, leistete eine hohe Geldzahlung, um Raub und Plünderung zu verhindern, und ließ eine schwedische Garnison in die Stadt, die bis 1650 blieb. Die Schweden entsetzten ihren Außenposten bei Chemnitz, der seit 1639 isoliert gewesen war, und unternahmen im Februar 1643 einen weite-

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ren erfolglosen Angriff auf Freiberg, bei dem sie 2000 Mann verloren. Ferdinand beeilte sich, Johann Georg zu beruhigen, dass er alles in seiner Macht Stehende tun würde, um Sachsen zu retten, und die Schweden waren enttäuscht, dass der Kurfürst nicht sofort Frieden schloss.606 Die Tendenz zur Neutralität Friedrich Wilhelm von Brandenburg war nicht so zuversichtlich. Überzeugt, dass der Kaiser Pommern den Schweden opfern würde, um Frieden zu erreichen, arbeitete der Kurfürst an der Verbesserung seiner Beziehungen zu Schweden, indem er die Waffenruhe aus dem Jahr 1641 am 9. Mai 1643 in einen Waffenstillstand verwandelte, der bis zu einer endgültigen Friedensregelung dauern sollte. Im Gegenzug für die Verlängerung der 1641 vereinbarten Kontributionen setzte Oxenstierna im ländlichen Raum Brandenburgs die kurfürstliche Verwaltung wieder ein. Da Brandenburg aufgrund seiner fortgesetzten Neutralität vertrauenswürdig wirkte, gab Oxenstierna im Juli 1644 auch Crossen und Frankfurt an der Oder zurück. Andere Verhandlungen mit Frankreich seit September 1643 weiteten als Gegenleistung dafür, dass die Hessen ihre sämtlichen Positionen in Kleve mit Ausnahme von Lippstadt räumten, die Neutralität auf die westfälischen Besitzungen des Kurfürsten aus. Die Vereinbarung verschaffte dem Kurfürsten größere Unabhängigkeit, brachte seinen Untertanen indes kaum Erleichterung. Von ihnen wurde auch weiterhin erwartet, dass sie Kriegssteuern zahlten – mit dem einzigen Unterschied, dass diese nun der bescheiden erweiterten brandenburgischen Armee zuflossen.607 Brandenburgs Neutralität stand in direktem Widerspruch zu dem kaiserlichen Rezess von 1641, der solche Abmachungen ohne ausdrückliche Billigung des Kaisers verbot. Zu seiner Entschuldigung brachte Friedrich Wilhelm vor, die militärische Lage lasse ihm keine andere Wahl. Aufgrund seines politischen Formats und der fehlenden militärischen Stärke des Kaisers sollte er Repressalien denn auch tatsächlich entgehen. Anderswo vermieden die Herrscher solche offenen Abmachungen, zogen sich aber trotzdem schrittweise aus dem Konflikt zurück. Häufig handelten örtliche Beamte mit stillschweigender Billigung ihrer Landesherren Abkommen für ihre Verwaltungsbezirke aus. Die bayerische Verwaltung in Heidelberg zahlte regelmäßige Kontributionen an die nahe gelegene französische Garnison, um deren Verwüstungszüge in der Unterpfalz zu stoppen.608 Solche Regelungen stellten in jedem Fall einen ersten Schritt hin zum Ausstieg aus dem Krieg dar. Der Bischof von Bamberg und Würzburg unterzeichnete im Anschluss an eine Reihe lokaler Vereinbarungen, die von Beamten in den Grenzdistrikten geschlossen worden waren, am 21. März 1641 einen formellen Vertrag mit der schwedischen Garnison in Erfurt. Der Bischof versprach im Gegenzug für die

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Freilassung von Geiseln nicht nur regelmäßige Kontributionen, sondern beide Parteien vereinbarten auch eine Zusammenarbeit, um den Handel in der Gegend wiederzubeleben. Als Johann Philipp von Schönborn im Juni 1642 Bischof von Würzburg wurde, bestätigte er die Abmachung. Bamberg und Würzburg zahlten bis zum Westfälischen Frieden relativ bescheidene 500 Gulden im Monat. Das war praktisch Neutralität.609 Der Trend beschränkte sich nicht auf die Kerngebiete des Reiches. Seit die Franzosen 1636 in die Franche-Comté eingefallen waren, hatten die Schweizer sich bemüht, die zwischen Spanien und Frankreich 1522 vereinbarte Neutralität ganz Burgunds wiederherzustellen. Nachdem die Niederlagen Herzog Karls sie von jeglicher Aussicht auf Hilfe abgeschnitten hatten, vereinbarte die spanische Verwaltung in Dôle im April 1642 einen lokalen Waffenstillstand, der mit Madrids Erlaubnis im Juli 1644 verlängert wurde und bis zu einem Friedensschluss gelten sollte. Dies minderte die Spannungen am Oberrhein, was wiederum die Franzosen darin bestärkte, 1645 in Mömpelgard im Gegenzug für sein Neutralitätsversprechen wieder die lokale württembergische Verwaltung einzusetzen.610 Diese Entwicklungen sind wichtig. Erstens räumen sie mit der irrigen Vorstellung auf, dass in den späteren Phasen des Krieges allgemeine, grenzenlose Zerstörung geherrscht habe. Vielmehr wurden beträchtliche Anstrengungen unternommen, die Gewalt zu zügeln und einzudämmen, wenngleich mit der bedauernswerten Folge, dass die Kämpfe sich in Gebiete verlagerten, für die es keine Aussicht auf ein Entkommen gab. Zweitens reduzierte die Tendenz zur Neutralität weiter die Ressourcen, die für die kaiserlichen Kriegsanstrengungen verfügbar waren, und entmutigte die noch verbliebenen Unterstützer des Kaisers. Da sie ohne unmittelbare Aussicht auf Sieg die Hauptlast trugen, waren sie zunehmend enttäuscht von Ferdinands Führung. Der kaiserliche Rezess von 1641 hatte die Frage einer Justizreform erneut vertagt, aber immerhin eine Reichsdeputation versprochen, um sie zu erörtern. Eine Reichsdeputation war ein aus Vertretern aller drei Reichstagskollegien bestehender formeller Ausschuss. Mit ihrer im Mai 1642 erhobenen Forderung nach Einberufung der Reichsdeputation signalisierten die Kurfürsten von Bayern, Mainz und Köln ihre Bereitschaft, die umfassende Zusammenarbeit mit den Fürsten und Städten fortzusetzen, statt zu ihrer exklusiven Beziehung zum Kaiser zurückzukehren. Ferdinand konnte sie nicht daran hindern, den Auftrag der Reichsdeputation um die Themenfelder Frieden und militärische Disziplin zu erweitern. Auf ähnliche Resonanz stieß er, als er in jenem Sommer die Kreistage einberief, um über eine Verlängerung der im Vorjahr in Regensburg vereinbarten Kriegssteuern zu beraten.611

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Der Feldzug von 1643 Ferdinand musste die Operationen fortsetzen und zugleich ernsthafte Risiken vermeiden, um den inzwischen unabwendbaren Friedenskongress aus einer Position der Stärke heraus zu beginnen. Es galt als unumgänglich, Leopold Wilhelm als Oberbefehlshaber der Reichsarmee abzulösen. Hatzfeldt weigerte sich, die Führung zu übernehmen, weil er der Meinung war, dass sein Rat in der Vergangenheit nicht beachtet worden sei. Am Ende berief Ferdinand Gallas, wobei er die Tatsache ignorierte, dass der kaiserliche Generalleutnant inzwischen dem Alkohol verfallen war. Piccolomini fühlte sich übergangen und akzeptierte das Angebot Philipps IV., den Oberbefehl über die Flandernarmee zu übernehmen. Der mittlerweile verkrüppelte Wahl wurde durch Mercy als bayerischer Oberbefehlshaber ersetzt. Die vereinte Streitmacht blieb mit mehr als 70 000 Mann – nicht eingerechnet die Truppen an der habsburgischen Militärgrenze – durchaus eindrucksvoll. Gallas unterstanden 32 000 von ihnen, ein Drittel davon Reiterei, während Hatzfeldt 15 000 Mann kaiserliche und Kölner Truppen befehligte, darunter die ehemalige Wolfenbütteler Garnison. Die Bayern zählten inzwischen 22 650 Mann, aber die Sachsen waren auf wenige Tausend geschrumpft, die hauptsächlich in Magdeburg und anderen Garnisonen stationiert waren. Ein paar Tausend weitere Kaiserliche und Tiroler schützten nach wie vor den Oberrhein. Nachdem es ihm nicht gelungen war, Sachsen so weit einzuschüchtern, dass es Frieden schloss, marschierte Torstensson abermals in die habsburgischen Lande ein. Im März 1643 überfiel er, aus der Lausitz kommend, Nordböhmen in der Absicht, Olmütz zu entsetzen und auf mögliche Siebenbürger Unterstützung zu treffen. Gallas konzentrierte seine Truppen bei Königgrätz (Hradec Králové), um ihm den Weg zu verstellen, und schickte als Ablenkungsmanöver General Krockow und 4000 Reiter nach Pommern. Krockow war einer der zahlreichen Pommern, die aus Empörung über die Behandlung ihres Heimatlandes den schwedischen Dienst quittiert hatten. Leider war er zu optimistisch. Obwohl er schnell den größten Teil Ostpommerns überrannte, war er zu schwach, um die besser befestigte Westhälfte anzugreifen, und wurde bald abgeschnitten, als Königsmarck sich mit der zur Besetzung Sachsens zurückgelassenen 3000 Mann starken verbündeten Abteilung beeilte, ihn einzuholen. Krockow ritt strapaziöse 50 Kilometer am Tag, um zu entkommen, und erreichte Ende Oktober mit nur 1200 Überlebenden Breslau.612 Das Ablenkungsmanöver verhinderte immerhin, dass Verstärkungen Torstensson erreichten, der über den Entsatz von Olmütz hinaus nichts erreichen konnte, bevor er sich nach Schlesien zurückzog. Die Kaiserlichen folgten und eroberten schließlich 1644 Schweidnitz zurück. Nach dem erfolglosen Versuch, die Welfen am Friedensschluss zu hindern, war Guébriant Ende 1642 an der sächsischen Grenze eingetroffen. Torstensson

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brachte die Franzosen von einem Einmarsch ab, in der vergeblichen Hoffnung, dass dies die Sachsen veranlassen könnte, ihrerseits Frieden zu schließen. Mit einer eigenen Streitmacht von nur 7000 Mann und ohne Aussicht auf militärische Kooperation mit den Schweden riskierte Guébriant, abgeschnitten zu werden. Er marschierte daher wieder nach Westen, diesmal durch das Maintal und nach Württemberg hinein, bis er im Januar von den Bayern hinausgejagt wurde. Als er Breisach erreichte, hatte er bereits 1600 Mann verloren. Frankreichs Deutschlandarmee war wieder dort, wo sie vor fünf Jahren gewesen war. Der Schwerpunkt des Krieges verlagerte sich mit ihr, was einmal mehr Nordwestdeutschland Erleichterung brachte, wo die Hessen nunmehr isoliert waren. Die militärische Lage gestaltete sich im Einklang mit den neuen französischen Zielen nach Richelieus Tod im Dezember 1642 und dem neuen Regime unter Mazarin einfacher. Statt direkter Zusammenarbeit entwickelten die beiden Kronen eine militärische Arbeitsteilung. Die Franzosen würden durch den Schwarzwald zuschlagen, um Bayern auszuschalten, während die Schweden von ihren neuen Positionen in Sachsen, im Odertal und in Olmütz aus gegen die habsburgischen Erblande losschlugen. Die Hessen würden die Westfalen beschäftigen. Es dauerte zwei Jahre, bis diese Strategie zur praktischen Anwendung kam – nicht zuletzt, weil die Schweden und die Hessen zuerst andere Ziele erreichen mussten. Aber sobald sie 1645 eingeführt war, bestimmte sie den Rest des Krieges. Für Frankreich lief es zunächst nicht gut. Das Land war nach wie vor mit seinem vorrangigen Krieg gegen Spanien beschäftigt und außerstande, genügend Ressourcen nach Deutschland umzulenken. Die französischen Schwierigkeiten erklären, warum Ferdinand schließlich bereit war, den Friedenskongress zu eröffnen. Guébriant verfügte, nachdem seine Frau mit ein paar Verstärkungen und Männern aus seinen Garnisonen eingetroffen war, im Juni 1643 über ein Feldheer von 11 000 Mann. Auf Mazarins Wunsch hin, der Erfolge zur Stabilisierung seiner Regierung brauchte, rückte Guébriant über die Waldstädte auf den Hohentwiel vor. Als Mercys Bayern donauaufwärts marschierten, um ihn zu stoppen, beschränkte er seine Pläne darauf, die Südosthänge des Schwarzwaldes besetzt zu halten, um im darauffolgenden Jahr sofort eine neuerliche Offensive starten zu können. Er griff Rottweil an, aber wieder war Mercy zur Stelle, um die Stadt im Juli zu entsetzen. Guébriant gab auf und zog sich über die Berge zurück, während Mercy gen Norden marschierte und abermals Baden-Durlach sowie Teile des Niederelsass besetzte.613 Die Schlacht bei Tuttlingen Das war nicht das, was Mazarin wollte. Der Fall von Sierck in Lothringen im September ermöglichte die Entsendung von 6000 Mann

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an weiteren Verstärkungen unter Rantzau. Guébriant rückte wieder vor, wurde aber bei der Einnahme von Rottweil am 18. November tödlich verwundet. Der Oberbefehl ging auf Rantzau über, der von den ehemaligen bernhardinischen Obristen verachtet wurde. Rantzau ließ Taupadel zurück, um Rottweil zu halten, und bezog – mit Abteilungen zu beiden Seiten des Flusses, bei Mühlheim und Möhringen – Winterquartiere entlang der oberen Donau bei Tuttlingen. Die hessische Untätigkeit erlaubte die Entsendung von Hatzfeldt mit sechs Regimentern vom Niederrhein, während der flüchtige Herzog Karl aus Sierck eintraf, womit Mercy über etwa 15 000 Mann verfügte, was ungefähr der Stärke von Rantzaus Streitmacht entsprach. Der ursprünglich aus Lothringen stammende Mercy hatte wertvolle Erfahrungen in der Reichsarmee gesammelt, bevor er 1638 in bayerische Dienste wechselte. Er war ein herausragender General, geschickt im Umgang mit allen drei Waffengattungen und fähig, die Schritte seiner Gegner vorauszusehen. Er gewann die Zustimmung der anderen Generäle für einen kühnen Marsch nach Osten um den Schwarzwald herum und dann südlich durch Württemberg, um die Franzosen zu überraschen. Nachdem er bei Sigmaringen die Donau überschritten hatte, marschierte er nach Westen über Messkirch, um sich Tuttlingen von Südosten zu nähern. Der Plan war gut durchdacht, da der direktere Weg über Balingen im Norden seine Flanke gegenüber Taupadels Garnison in Rottweil entblößt und einen Angriff über die Donau hinweg erfordert hätte. Die Wälder hinter Messkirch ermöglichten Mercy, sich Tuttlingen am 24. November mitten am Nachmittag unbeobachtet zu nähern. Die bayerischen Dragoner nahmen die französischen Vorposten gefangen, sodass Rantzau kalt erwischt wurde, als der Feind zwischen den Bäumen hervorbrach und seinen schwach bewachten Geschützpark auf dem Friedhof vor der Stadt erbeutete. Andere Einheiten überraschten die Franzosen, die im nahe gelegenen Schloss Honberg postiert waren. Rosen schickte eilends die ehemaligen bernhardinischen Reiter von ihren Quartieren stromabwärts bei Mühlheim herauf. Sie wurden schnell von Mercys Bruder Kaspar verjagt, der auch das von Rosen zurückgelassene französische Fußvolk vernichtete. Unterdessen stießen Werth und 2000 Berittene stromaufwärts bei Möhringen auf die französische Reiterei und ritten dabei das 500 Mann starke Infanterieregiment Mazarin nieder – ein Gefecht, das hernach bedauert wurde, da die Einheit größtenteils aus spanischen Kriegsgefangenen bestand, die eine Gelegenheit begrüßt hätten, die Seiten zu wechseln. Die französische Reiterei floh, wobei sie den Rest ihrer Fußtruppen im Stich ließ. Die wiederum übergaben Möhringen dem Feind, sobald die erbeuteten Geschütze am nächsten Tag gegen sie gerichtet wurden. Rantzau und die beiden Fußregimenter in Tuttlingen kapitulierten nun ebenfalls, eine Woche später gefolgt von den 2000 Mann in Rottweil.

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Sämtliche französischen Generäle und die Ehefrauen der Offiziere fielen in Feindeshand, zusammen mit Tafelsilber im Wert von 100 000 Talern und einem Monatssold in bar. Bauern metzelten Nachzügler nieder, und nur knapp 4500 Mann erreichten die französischen Garnisonen entlang des Rheins. Rosen, Taupadel und ein paar deutsche Offiziere entkamen, die meisten der noch verbliebenen Bernhardiner fanden indes den Tod. Der französische Hof spielte die Katastrophe so erfolgreich herunter, dass die Schlacht in den meisten Geschichtswerken über den Krieg kaum vorkommt, aber sie war tatsächlich ein großer Rückschlag. Frankreich hatte eine erfahrene Armee verloren und war am Rhein nach wie vor nicht weiter als vor fünf Jahren.

Die Krise in Spanien spitzt sich zu (1635–43) Tuttlingen stellte vorübergehend das Gleichgewicht im Reich wieder her, aber der allgemeine Trend wendete sich gegen den Kaiser. In Frankreichs Fähigkeit, seine Deutschlandarmee im Laufe des Winters wiederaufzubauen, spiegelte sich eine generelle Stärkung seiner Position seit den anfänglichen Rückschlägen gegen Spanien. Dessen wachsende innere Probleme wiederum beendeten jede Aussicht auf weitere Hilfe für Ferdinand. Mit zunehmender Schwäche Spaniens wurde es schwieriger, den in den Hamburger Präliminarien vereinbarten Westfälischen Kongress hinauszuschieben. Um diese Entwicklungen zu verstehen, müssen wir nochmals die Kriege betrachten, die sich seit Mitte der 1630er-Jahre in Westeuropa abspielten. Diese Konflikte hatten vom Umfang her beträchtlich zugenommen. Frankreich war 1635 zum direkten Beteiligten am Spanisch-Niederländischen Krieg geworden, und die beiden Verbündeten stimmten Angriffe auf die Spanischen Niederlande seitdem aufeinander ab. Darüber hinaus begann Frankreich seinen – wie sich zeigen sollte – eigenen Krieg gegen Spanien, als es dessen italienische Besitzungen angriff. Nach 1637 wurde eine neue Front in den Pyrenäen eröffnet, wodurch 1640 Aufstände in Katalonien und Portugal heraufbeschworen wurden. Der Krieg in Italien (1635–42) Die französische Intervention in Italien bedeutete einen Eingriff in die kaiserliche Zuständigkeit und störte das 1631 durch den Frieden von Cherasco hergestellte Gleichgewicht (siehe Kapitel 13). Entsprechend der allgemeinen Strategie Richelieus erfolgte der Angriff auf Spaniens Besitzungen nicht im Alleingang, sondern gemeinsam mit italienischen Fürsten. Die als Liga von Rivoli bekannte Allianz erwies sich allerdings als ziemlich kraftlos. Das stärkste Mitglied war Savoyen, das im Gegenzug für französische Rü-

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ckendeckung für seine königlichen Ambitionen und das Versprechen eines Teils von Mailand 12 250 Berufssoldaten ins Feld führte. Mantua war noch dabei, sich von dem früheren Krieg zu erholen, und konnte nur 3000 Mann zur Verfügung stellen, während Parma weitere 4500 schickte. Die anderen italienischen Herrscher blieben neutral. Den Zusagen an seine Verbündeten zum Trotz stufte Richelieu Italien als nicht so dringlich ein, und die dortige französische Armee erreichte nicht vor dem Oktober 1635 eine Stärke von 12 000 Mann. Inzwischen waren die ersten Operationen unter dem Gezänk zwischen französischen und italienischen Kommandeuren bereits fehlgeschlagen. Spanien behauptete sich nicht nur in der Lombardei, sondern startete sogar einen Gegenangriff vom Meer her, bei dem es im September die Îles de Lérins, eine Inselgruppe vor der Küste der Provence, eroberte. Französische Versuche, sie zurückzuerobern, wurden in den Jahren 1636/37 zurückgeschlagen, was Spanien in die Lage versetzte, den Strom der Hilfe für Richelieus Bundesgenossen zu unterbrechen. Eine bedeutendere Anstrengung gegen die Lombardei unternahm Frankreich 1636, fing das Unternehmen jedoch einen Monat zu spät und mit lediglich zwei Dritteln der beabsichtigten Stärke an. Französische Truppen halfen, einen Angriff auf Vercelli zurückzuschlagen, das Savoyen schützte, aber das Ablenkungsmanöver ermöglichte es Spanien, im Februar 1637 Parma und Mantua auszuschalten.614 Die Kämpfe erlangten eine gewisse Bedeutung für das Reich, indem sie kaiserliche Truppen in das abschließende Ringen um das Veltlin verwickelten. Dass Spanien den Pass in den Jahren 1633/34 genutzt hatte, um in Deutschland zu intervenieren, überzeugte Richelieu davon, dass er geschlossen werden musste und dass dies nur gelingen konnte, wenn die Herrschaft des protestantischen Rätischen Freistaats über die katholischen Bewohner wiederhergestellt würde. Er schickte Henri de Rohan aus dem Elsass durch protestantisches Schweizer Territorium, um zu 2000 Rätern zu stoßen, die mit französischem Geld ausgehoben worden waren. Am 27. März 1635 überquerte die etwa 7400 Mann starke vereinte Streitmacht in hüfthohem Schnee den Splügenpass, um die Spanier bei Chiavenna am südlichen Ende des Tals zu überraschen. Nach dessen Einnahme saßen die anderen Garnisonen weiter oben in der Falle und waren bald ausgeschaltet. So begann ein Feldzug, der zu den besonders wagemutigen und glänzend geführten des ganzen Krieges zählt. Weil Rohans Streitmacht zu schwach war, um beide Enden des Tals gleichzeitig zu halten, bezog er Stellung in der Nähe des ungeschützteren nördlichen Taleingangs bei Bormio, während einzelne Trupps den Süden überwachten. Der Versuch der Habsburger, das Tal zu erobern, offenbarte die Schwäche in ihrer militärischen Zusammenarbeit nach Nördlingen. Gallas stellte widerstre-

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bend 10 000 Mann unter Fernemont ab und schickte sie nach Tirol, um das nördliche Ende des Tals anzugreifen, aber Kardinal Gil Carillo de Albornoz, der neue spanische Statthalter von Mailand, fürchtete einen französisch-savoyischen Angriff und schickte erst verspätet Graf Serbelloni mit 2000 Mann zum südlichen Ende. Fernemont rückte vor, bevor die Spanier bereit waren. Rohan ließ ihn die nördliche Hälfte des Tals überrennen und griff ihn dann auf dem Wege über das Oberengadin von der Flanke an, überrumpelte ihn und jagte ihn Mitte Juli zum Teufel. Serbelloni hatte gerade erst den südlichen Taleingang besetzt und zog sich schnell zurück, als Rohan sich gegen ihn wendete. Das Scheitern der französisch-savoyischen Offensive gegen Mailand im Oktober 1635 machte den Habsburgern Mut, den milden Herbst für einen weiteren Versuch auszunutzen. Fernemont war auf 15 000 Mann verstärkt worden, während Serbelloni jetzt 5000 zusammenbrachte. Wieder handelten die Österreicher verfrüht und wurden nach heftigen Kämpfen von Rohan besiegt, dessen überragende Kenntnisse im Gebirgskrieg es ihm ermöglichten, sie von der Flanke anzugreifen. Dann eilten die Franzosen nach Süden, um am 9. November die Spanier vernichtend zu schlagen.615 Rohan war von den Rätern als der „Erzengel Gabriel in Person“ begrüßt worden, wurde aber in eine unangenehme Lage gebracht durch Richelieus Anweisung, er dürfe nicht zulassen, dass die Räter erneut den protestantischen Glauben im Tal durchsetzten. Der spanische Durchzug durch das Veltlin in den Jahren 1629–34 hatte die Pest gebracht und die Bevölkerung praktisch halbiert. Die 40 000 Überlebenden hatten Mühe, auch nur Rohans kleine Streitmacht zu ernähren. Die Räter ihrerseits hatten kein Interesse an weiter ausgreifenden französischen Zielen und weigerten sich, Rohans Versuch einer Invasion des Herzogtums Mailand im Mai 1636 zu unterstützen. Die Rückkehr des Krieges in die Alpen erhöhte zudem die Spannungen mit der Schweizer Eidgenossenschaft. Die dortigen Katholiken gestatteten Spanien, seine 10 000 deutschen Rekruten in jenem Jahr über den Gotthardpass zu schicken, um auf diesem Weg die Armee der Lombardei zu verstärken, die jetzt Leganés unterstand, der Albornoz abgelöst hatte. Rohan war abgeschnitten. Er schuldete seinen rätischen Fußtruppen eine Million Livre an Sold, und viele Offiziere teilten die Zweifel ihrer Regierung bezüglich der französischen Absichten. Der Obrist Jenatsch, ein ehemaliger fundamentalistischer evangelischer Pastor, der aus unbekannten Gründen kürzlich zum katholischen Glauben konvertiert war, führte im Oktober 1636 eine Meuterei unter Rohans Truppen an und besetzte strategische Punkte entlang des Tals. Die Habsburger waren überrascht, akzeptierten aber am 17. Januar 1637 eilig sein Bündnisangebot. Darin erklärte er sich bereit, die Franzosen zu vertreiben,

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wenn Spanien im Gegenzug die Soldrückstände der Soldaten begleichen und zugleich Österreich das Verbot des Protestantismus in jenen Gebieten des Zehngerichtebundes, die unter seine Zuständigkeit fielen, aufheben würde. Rohan war gezwungen, seine restlichen französischen Truppen im April abzuziehen. Das Bündnis mit den Ketzern wurde anfangs als notwendiges Übel hingestellt, aber 1639 ließ Spanien seine restlichen Skrupel fallen und überstellte im Gegenzug für Garantien, dass der Rätische Freistaat den katholischen Charakter des Tals nicht verfälschen und den spanischen Durchzug gestatten würde, das Veltlin in aller Form wieder rätischer Herrschaft. Letztere Bedingung war inzwischen freilich größtenteils wertlos, weil die Spanische Straße abgeschnitten war, seit Frankreich das Elsass kontrollierte. Nichtsdestotrotz garantierte das Bündnis die Dienste der protestantischen Räter, die 1640 ein Siebtel von Leganés’ Armee ausmachten. Der savoyische Bürgerkrieg Das französische Scheitern in Italien vergrößerte die Meinungsverschiedenheiten am savoyischen Hof nach dem unbefriedigenden Ausgang des Mantuanischen Erbfolgekrieges. Obwohl Savoyen die nördliche Hälfte von Montferrat bekommen hatte, war es gezwungen gewesen, Pinerolo an Frankreich zu übergeben und Frankreich damit Zugang zu seinem Territorium zu verschaffen. Lothringens Schicksal während der 1630er-Jahre unterstrich die Gefahren einer solchen Position. Nach dem Tod des Herzogs von Nevers, Carlo I. Gonzaga, im September 1637 wuchs der französische Einfluss in dem Herzogtum. Französische Truppen nahmen seinen Teil von Montferrat einschließlich Casale in Besitz, während die Venezianer Mantua besetzten. Nach dem Tod des Herzogs Viktor Amadeus I. im darauffolgenden Monat weiteten sich die Spannungen zum Krieg aus.616 Die pro-französische Fraktion wurde angeführt von der Schwester Ludwigs XIII. und Witwe des Herzogs, Maria Christina, die als Regentin für ihre beiden jungen Söhne fungierte, von denen einer bereits 1638 verstarb. Es ist möglich, dass sie neidisch auf ihre Schwestern war, die Königinnen von England beziehungsweise Spanien waren. Ganz gewiss spiegelten ihre eigenen Ambitionen die eines Hauses Savoyen wider, das auf der Grundlage angeblicher Verbindungen zum Königreich Zypern ohnehin königliches Blut für sich in Anspruch nahm. Richelieu manipulierte diese Ambitionen, indem er behauptete, dass Frankreich Savoyen nur als Königreich anerkennen könne, wenn es sich auf Mailands Kosten vergrößere. Madame Reale, wie sie sich selbst nannte, wurde bekämpft von ihren beiden Schwagern, den von der Regentschaft ausgeschlossenen Fürsten Thomas Franz und Kardinal Moritz. Thomas Franz war vor Kurzem aus dem Dienst in der Flandernarmee ausgeschieden. Er hatte 1625 Marie de Bourbon

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geheiratet, die der Anti-Richelieu-Fraktion nahestand. Es kursierten Gerüchte, dass Madame Reale ihren Ehemann vergiftet habe, um zu verhindern, dass Savoyen auf die Seite Spaniens überlief. Außerdem zehrten Thomas Franz und Moritz von der Abneigung in den Regionen gegen die Zentralisierungspolitik Turins. Doch obwohl diese Faktoren eine Rolle spielten, war der savoyische Bürgerkrieg im Kern ein dynastisches Ringen um die Kontrolle über die Regentschaft.617 Der Konflikt zwischen Madames Anhängern, den madamisti, und denen ihrer fürstlichen Gegenspieler, den principisti, schwächte Frankreichs Position in Italien just zu dem Zeitpunkt, als Richelieu Truppen abziehen wollte, um sich auf die anderen Fronten zu konzentrieren. Die Franzosen brachten kaum je mehr als 10 000 Mann in dem Herzogtum zusammen, von denen die Hälfte gebraucht wurde, um Casale und andere Festungen zu halten. Leganés stieß 1638 mit 13 000 Spaniern zu den principisti, um Vercelli, Ivrea, Verrua Savoia und Nizza zu erobern. Die französischen Beziehungen zu Madame Reale verschlechterten sich, als Richelieu ihre momentane Zwangslage nutzte, um sie unter Druck zu setzen, ihre anderen Garnisonen französischer Kontrolle zu überlassen. Ferdinand III. nahm seine kaiserliche Zuständigkeit wahr und erklärte Thomas Franz und Moritz im März 1639 zu Regenten, als die Spanier tiefer nach Savoyen vorstießen. Am 27. Juli hielt Thomas Franz an der Spitze von 10 500 Mann Einzug in die Hauptstadt, aber Madame Reale entkam mit ihrer 2000 Mann starken französischen Leibwache in die Zitadelle. Die übrigen französischen Truppen vereinbarten einen Waffenstillstand, der bis Oktober Bestand hatte und es den Spaniern ermöglichte, ihre Kontrolle über das Herzogtum auszubauen – während Thomas Franz seine Schwägerin belagerte. Eine neue, 7000 Mann starke französische Armee unter dem Grafen von Harcourt traf ein, und obwohl sie das spanische Feldheer besiegte, war sie außerstande, die Turiner Zitadelle vor dem Winter zu entsetzen. Leganés versuchte Harcourt abzulenken, indem er Anfang 1640 Casale belagerte, um Thomas Franz dadurch Zeit zu verschaffen, die Zitadelle zu erobern. Harcourt entblößte die noch verbliebenen französischen Garnisonen, um sein Feldheer zu verstärken, und entsetzte Casale. Nachdem er weitere Verstärkungen erhalten hatte, mit denen er über insgesamt 19 000 Mann verfügte, erschien er im Mai vor den Toren Turins. Es begann eine außergewöhnliche Dreifachbelagerung. Madame Reale verteidigte die Zitadelle gegen Thomas Franz und 12 000 Mann, die in Turin von Harcourt belagert wurden, während Leganés und 17 000 spanische Soldaten außerhalb der Stadt Harcourt einkesselten. Thomas Franz gingen zuerst die Vorräte aus, und er brach aus, was den Franzosen die Gelegenheit gab, im November 1640 die Zitadelle zu entsetzen.

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Die Folge war ein Patt. Angesichts von lediglich 8000 kampffähigen Kräften im Feld waren die Franzosen außerstande, die Spanier aus den eroberten Städten zu vertreiben. Auf der anderen Seite verhinderten die katalanischen und portugiesischen Aufstände am Ende des Jahres, dass Verstärkungen Leganés erreichten. Sowohl Madame Reale als auch die Fürsten mussten schließlich erkennen, dass das, wofür sie kämpften, dabei zerstört wurde. Obwohl Spanien seine Frau und seine Kinder als Geiseln hielt, nahm Thomas Franz Unterhandlungen mit den Franzosen auf. Im Mai 1642 wurden er und sein Bruder als Mitregenten akzeptiert, und beide erhielten hohe französische Pensionen und ihre eigenen Paläste. Thomas Franz übernahm das Kommando über die vereinte savoyischfranzösische Armee, die bis Ende der 1640er-Jahre auf 20 000 Mann anwuchs. Frankreich gab Turin an Madame Reale zurück, behielt aber bis 1657 eine Garnison in seiner Zitadelle, welche für den Rest des Krieges die Loyalität des Herzogtums garantierte. Das Papsttum Papst Urban VIII. war bestürzt über die französische Intervention in Italien nach 1635. Ihm waren jedoch die Hände gebunden, weil er auf Frankreich als Gegengewicht zu Spanien angewiesen war. Außerdem war er durch seinen eigenen Opportunismus kompromittiert. Nachdem er 1631 bereits Urbino annektiert hatte, nutzte er Spaniens Ablenkung für den Versuch, den Kirchenstaat zu vergrößern, indem er im Oktober 1641 das kleine Herzogtum Castro angriff. Modena, Venedig und Toskana hegten alle seit Langem einen Groll gegen das Papsttum und schlossen sich dem Herzog von Parma, dem Castro gehörte, im August 1642 zu einem Gegenangriff an. Urbans Streitkräfte erwiesen sich bei der Abwehr des Ansturms als überraschend erfolgreich. Dennoch war klar, dass er sich übernommen hatte, und nachdem er einen von Frankreich vermittelten Waffenstillstand angenommen hatte, gab er Castro im März 1644 an Parma zurück. Sein Tod vier Monate später versetzte dem durch die Rückkehr ihres Anführers Mazarin nach Frankreich ohnehin geschwächten französischen Lager in Rom einen schweren Schlag. Spanien war entschlossen, seinen Einfluss wiederzuerlangen, als 50 Kardinäle in der sengenden Augusthitze zusammenkamen, um Urbans Nachfolger zu wählen. Spanische Truppen sammelten sich in Neapel im Süden, während die Streitkräfte ihres toskanischen Verbündeten zur nördlichen Grenze des Kirchenstaates marschierten. Unterdessen erreichte die Malaria Rom, und die ersten Kardinäle starben oder flohen. Urbans Verwandte aus dem Adelsgeschlecht der Barberini schlugen sich als Gegenleistung für ein Schutzversprechen auf die Seite Spaniens und wählten entsprechend Spaniens Kandidaten als Innozenz X. zum Papst. Die Neuorientierung des Papsttums

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zeigte sich, als Innozenz den Rivalen Mazarins, Jean de Retz, zum Kardinal machte. Frankreichs römische Klientel, wie etwa die Orsini, nahm spanische Pensionen an. Der abermals erstarkte Einfluss Spaniens in Rom stabilisierte die Präsenz dieser Macht in Italien und erwies sich als hilfreich bei der Niederschlagung des Aufstands, der 1647 Neapel erschütterte. „Wäre Urban VIII. an der Macht gewesen, dann hätte er zweifellos versucht, Neapel für sich zu beanspruchen, oder es Frankreich überlassen.“618 Die Pyrenäenfront An der savoyisch-mailändischen Grenze gingen die Kämpfe zwar weiter, doch nahm Italiens strategische Bedeutung nach 1642 ab, da Frankreich es angesichts der katalanischen und portugiesischen Aufstände nun leichter fand, Spanien direkt zu treffen. Frühere Angriffe entlang der Pyrenäen waren an den spanischen Verteidigungsanlagen stecken geblieben, aber der Preis für ihre Abwehr trug zum Ausbruch der beiden Aufstände bei. Es gab nur zwei gangbare Routen über die Pyrenäen. Frankreich konnte ganz im Westen von der Gascogne aus das spanische Navarra angreifen, das allerdings von der Festung Fuenterrabía geschützt wurde. Am östlichen Ende des Gebirgszuges versperrte Perpignan in der Grafschaft Roussillon den Zugang nach Katalonien. Einfallsversuche an beiden Enden wurden in den Jahren 1636/37 durch Geldmangel, Bauernunruhen und die schlechte Koordination zwischen Heeres- und Marinekommandeuren vereitelt. Spanien schickte anschließend 15 000 Soldaten aus Katalonien gegen die französische Festung Leucate an der Mittelmeerküste nördlich von Perpignan. Der Angriff wurde unvermutet zurückgeschlagen, und auch eine 5000 Mann starke Militäreinheit, die das am anderen Ende der Grenze, in der Gascogne, gelegene Saint-Jean-de-Luz eingenommen hatte, zog sich im Oktober 1637 zurück.619 Dieser bescheidene Erfolg ermutigte Richelieu, zusätzliche Mittel für eine neue Offensive abzuzweigen. Anstelle von Provinzgouverneuren und lokalen Milizen boten die Franzosen nun Condé auf mit einer beträchtlichen, 17 000 Mann starken Armee, um Fuenterrabía anzugreifen. Die Entscheidung, sich auf das westliche Ende der Pyrenäen zu konzentrieren, wurde beeinflusst von der wachsenden Bedeutung der Atlantikküste – jetzt, wo die französische Besetzung des Elsass die Spanische Straße abgeschnitten hatte. Dank eines umfangreichen Schiffsbauprogramms verfügte Spanien inzwischen über 150 Kriegsschiffe, und mit weiteren Neubauten, die noch in Werften am Golf von Biskaya auf Stapel lagen, hoffte das Land, im Jahr 1638 über 50 000 Tonnen schwimmenden Schiffsraum zu verfügen. Mit dem Kommando über ein neues Geschwader in La Coruña wurde Lope de Hoces betraut, der aus den Reihen der Dünkirchener Freibeuter aufgestiegen war. Unterstützt von den Dünkirchenern, hatte er be-

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reits Ende 1637 5000 Mann Verstärkung nach Flandern eskortiert. Auf der Rückfahrt durch den Ärmelkanal kaperte er 32 feindliche Schiffe.620 Der französische Angriff sollte die spanischen Vorbereitungen stören und den Ausbau der Kanalroute verhindern. Richelieus Protegé, Admiral Sourdis, befehligte eine Flotte von 41 Schiffen, um Fuenterrabía zu blockieren, das auf einer Landzunge nördlich von San Sebastián liegt, während Condé es von der Landseite aus belagerte. Sourdis kommandierte einen Teil der Flotte ab, der entlang der Küste spanische Werften zerstörte und Hoces am 22. August 1638 in dem kleinen Hafen von Guetaria erwischte. Die Spanier verloren elf Schiffe und 4000 Mann; Hoces rettete sich, indem er ans Ufer schwamm. An Land rückte jedoch ein 8000 Mann starkes spanisches Entsatzheer gegen die französischen Belagerungslinien vor. Sourdis landete Matrosen, um die Armee zu verstärken, die Condé am 7. September in einem verzweifelten Versuch, in die Festung einzudringen, gegen Fuenterrabía warf. Er wurde jedoch zurückgeschlagen, gab die Belagerung am nächsten Tag auf und zog sich in die Gascogne zurück. Das Scheitern der Armee machte den Erfolg der Flotte zunichte und schürte die persönlichen Rivalitäten innerhalb des französischen Oberkommandos. Ein General floh sogar nach England, weil er fürchtete, man würde ihn zum Sündenbock für den Rückschlag machen. Die Entsetzung von Fuenterrabía wurde in Madrid als großartiger Erfolg aufgenommen, wo der Pöbel in den königlichen Weinkeller eindrang, um auf Olivares als den Architekten des Sieges zu trinken. Doch eigentlich war das Jahr zugunsten Frankreichs ausgegangen. Die Verluste bei Guetaria, vor allem unter den erfahrenen Offizieren, beeinträchtigten die Schlagkraft der spanischen Marine. Unheil verheißender war vielleicht, dass Philipp IV. gezwungen gewesen war, zur Unterstützung bei Fuenterrabía zwei irische Eliteregimenter aus Flandern zurückzubeordern. Künftige Kontingente irischer Rekruten wurden direkt nach Spanien befördert, was dem übergeordneten Ziel der Spanier widersprach, ihre Anstrengungen gegen die Holländer in Flandern zu verstärken.621 Das Muster wiederholte sich im darauffolgenden Jahr, als Frankreich dazu überging, Roussillon am anderen Ende des Gebirges anzugreifen. Unter Zurücklassung von 6000 Mann zum Schutz der Provence und des Languedoc schlug Condé mit 16 500 Mann im Süden zu. Am 10. Juni 1639 eroberte er Opoul an der Grenze und anschließend am 19. Juli das wichtigere Fort von Salses in dem Ort Salses-le-Château unmittelbar nördlich von Perpignan. Der Vizekönig von Katalonien, Dalmacio de Queralt, Graf von Santa Coloma, mobilisierte 11 237 katalanische Milizionäre, aber Condé war der Ansicht, dass er genug erreicht hatte, zumal in seiner durch Krankheiten geschwächten Streitmacht nur noch 8000 Mann einsatzbereit waren. Er postierte also eine Garnison in Salses und

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zog sich auf französisches Territorium zurück. Die Spanier unternahmen einen Gegenangriff mit einem Heer aus 17 000 Mann unter Felipe Spinola, dem Sohn des großen Feldhauptmanns. Bei seinen vergeblichen Angriffen verlor Spinola 2500 Mann, während Condé mit 24 000 Mann zurückkehrte, um die Garnison zu entsetzen. Den spanischen Belagerungstruppen gelang es allerdings, Condés Armee am 2. November zu vertreiben, woraufhin die französische Armee sich unter sintflutartigen Regenfällen auflöste; nur 2500 Mann blieben noch bei der Truppe. Condé zog sich ein zweites Mal zurück und ließ Salses vier Tage später kapitulieren. Für Spanien erwies sich der Feldzug von Salses als noch verlustreicher als die Verteidigung von Fuenterrabía. Die Spanier verloren 10 000 Mann, während von den katalanischen Milizionären nur noch 2146 übrig waren, als der Ort zurückerobert war. Die meisten von ihnen kehrten den Winter über nach Hause zurück, sehr zur Entrüstung von Olivares, der fand, dass die Provinz nicht ihren Beitrag gemäß der Waffenunion leiste. Obwohl Roussillon zum Fürstentum Katalonien gehörte, war es von einem größtenteils kastilischen, irischen, wallonischen und italienischen Heer gerettet worden.622 9000 Kastilier wurden im südlichen Teil der Grafschaft einquartiert, was wiederum Proteste vonseiten der katalanischen Behörden hervorrief, die dadurch ihre historischen Freiheiten verletzt sahen. Aufstände in Katalonien und Portugal Olivares’ anfängliche Reaktion fiel relativ maßvoll aus, aber er wurde ungeduldig, als die Katalanen ihre Proteste fortsetzten, aus denen bis April 1640 ein regelrechter bewaffneter Widerstand gegen die zu ihrer Verteidigung stationierten Truppen wurde. Die fremden Soldaten waren lediglich der Kristallisationspunkt einer viel tiefer gehenden allgemeinen Unzufriedenheit mit Jahren der korrupten Verwaltung. Die viel beschworenen Freiheiten beschränkten sich überwiegend auf den Adel, der die Ständeversammlung des Fürstentums (die corts) beherrschte und ihre Privilegien geschickt für seine eigenen Zwecke einsetzte. So wurde etwa das Recht, Waffen zu tragen, zur Bemäntelung des weit verbreiteten Banditentums benutzt, und adlige Herren protegierten Banden, um selber Fehden mit ihren Nachbarn auszutragen. „In Teilen Kataloniens herrschte ein mafiaartiges Regime, das durch Gewalt und Erpressung aufrechterhalten wurde.“623 Angesichts solcher Zustände verstanden die Protestler ihr Tun nicht als Ungehorsam, sondern als Versuch, die Aufmerksamkeit Philipps IV. auf ihre Misere zu lenken. Am 22. Mai 1640 zogen mit Sensen bewaffnete Bauern in Barcelona ein und öffneten gewaltsam das Gefängnis. Beunruhigt sagte der Vizekönig die für den 7. Juni angesetzte Fronleichnamsprozession ab. Ungefähr 2000 „Schnitter“ (se-

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gadors) protestierten trotzdem und lösten viertägige Krawalle aus.624 Der Vizekönig und ein führender Richter wurden ermordet, andere Beamte flohen oder versteckten sich. Madrid und die Provinzbehörden gaben sich gegenseitig die Schuld an dem Aufruhr, der sich nun in dem Fürstentum ausbreitete. Der „Aufstand der Schnitter“ (Guerra dels Segadors) bedrohte die Privilegien des Adels, aber diese würden auch eingeschränkt werden, sollte Philipp IV. die Revolte niederschlagen. Die Adligen suchten daher einen anderen Ausweg. Sie nahmen Verhandlungen mit Frankreich auf und erklärten sich am 29. September bereit, die Häfen für französische Schiffe zu öffnen und die 3000 Mann Hilfstruppen zu unterhalten, die von Richelieu zu ihrer Unterstützung entsandt worden waren. Olivares glaubte derweil, mit einem neuen holländischen Aufstand konfrontiert zu sein, und befahl aufgrund des Notstands die Aushebung von Männern in allen loyalen Provinzen. Am 23. November wurde der Marqués de los Vélez an der Spitze von 20 000 Mann in Südkatalonien als neuer Vizekönig vereidigt. Er eroberte Tortosa und die wichtige Hafenstadt Tarragona zurück, die auch der Sitz des Erzbischofs von Katalonien war. Richelieu hielt den Aufstand anfangs für eine willkommene Ablenkung von der Krise in Italien, wo die Belagerung von Turin ihren Höhepunkt erreichte. Er war bereit, Katalonien als Adelsrepublik anzuerkennen, die als nützlicher Puffer zwischen Frankreich und Spanien dienen konnte. Die sich verschlechternde Lage nach Los Vélez’ Vormarsch zwang ihn, weitere 13 000 Mann zu entsenden, um die Aufständischen zu verstärken. Ende Dezember erreichten die Royalisten Barcelona. Ihr Erscheinen gefährdete die Provinzregierung, der man vorwarf, bei der Verteidigung des Fürstentums zu versagen. Nach der Ermordung von fünf weiteren Richtern stellten sich die Überlebenden am 23. Januar 1641 unter französischen Schutz, akzeptierten Ludwig XIII. als „Grafen von Barcelona“ und traten praktisch das Roussillon ab. Drei Tage später besiegten die vereinten französisch-katalanischen Truppen Los Vélez auf dem Montjuïc, einem Hügel vor der Stadt. Die Aufständischen hatten längst den Punkt überschritten, an dem es noch ein Zurück gegeben hätte, aber sie ernteten nur „die Last der Macht ohne irgendwelche ihrer Früchte“.625 Die französischen Anstrengungen richteten sich zur Hälfte auf die Eroberung der Grafschaft Roussillon, wo Spanien noch Perpignan und andere strategisch entscheidende Festungen hielt. Nur die Hälfte der Armee wurde nach Katalonien entsandt, wo die Kämpfe sich auf Lérida (Lleida) westlich von Barcelona konzentrierten, den Ort, der die Hauptstraße von Kastilien in das Fürstentum beherrschte. Von Dezember 1640 an erhielten die aufmüpfigen Katalanen Gesellschaft von den Portugiesen, die eine neue Front im Westen Spaniens eröffneten. Die Portu-

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giesen hatten nach 1619 bescheidene eine Million Cruzados zu Spaniens Kriegsanstrengungen beigesteuert. Madrids Forderung nach drei Millionen im Jahr 1634 kam ihnen vollkommen unverschämt vor. Im Laufe des Jahres 1637 brachen in drei Provinzen des Königreichs Steuerrevolten aus – just zu dem Zeitpunkt, als auch entscheidende Teile des portugiesischen Imperiums an die Holländer verloren gingen. Diese Probleme entfachten den latenten Unmut über den Verlust der Unabhängigkeit. Die Unterdrückung des Rates von Portugal durch Olivares im Jahr 1638 trug nicht dazu bei, dem abzuhelfen. Anti-Hispanismus vermischte sich mit Antisemitismus, seit Lissaboner Juden und Konvertiten nach 1627 in das spanische Finanzsystem integriert wurden, um für die Fehlbeträge aufzukommen, die das mangelhafte Schuldenmanagement der Genueser Bankiers hinterlassen hatte. Der Antisemitismus begünstigte im Volk wie im Klerus die Bereitschaft zum Bruch mit Spanien. Das Verlangen nach Unabhängigkeit fand seinen Ausdruck im Sebastianismus – einem portugiesischen Mythos, wonach der letzte einheimische König des Landes, der in der Schlacht von Alcácer-Quibir in Marokko 1578 „verschwand“, irgendwann zurückkehren würde. Im Gegensatz zu Böhmen oder Katalonien bot in Portugal auch die Existenz der einheimischen Adelsdynastie Braganza dem kommenden Aufstand einen starken Fokus. Zu dessen Auslöser wurde im Juni 1640 die Forderung nach 6000 portugiesischen Soldaten, die bei der Niederwerfung der Katalanen helfen sollten. Am 1. Dezember stürmten unzufriedene Portugiesen den Palast der spanischen Vizekönigin von Portugal, Margarete von Savoyen, und warfen ihren Berater Miguel de Vasconcelos nach böhmischem Vorbild aus dem Fenster. Die Vizekönigin wurde über die Grenze geschafft, und der spanische Widerstand brach zusammen. Mit der Ausnahme von Ceuta in Nordafrika erkannte das portugiesische Kolonialreich das neue Regime 1641 an.626 Der nun ausbrechende Konflikt ist in der portugiesischen Geschichte als Restaurationskrieg (Guerra da Restauração) bekannt und dauerte von 1640 bis 1668. Obwohl fast völlig auf sich selbst gestellt, waren die Portugiesen imstande, beinahe aus dem Nichts eine Armee aufzustellen und im Juni 1641 eine Offensive über die spanische Grenze zu starten. Im Jahr 1642 empfing Papst Urban ihren Botschafter, was Anerkennung bedeutete, während die Engländer ein Bündnis vereinbarten, das später (1660) durch die Heirat Katharinas von Braganza mit Karl II. erneuert wurde – jener Verbindung, die erleben sollte, wie Bombay und kurzzeitig auch Tanger unter englische Herrschaft gelangten. Allerdings blieben die Kämpfe bis in die 1650er-Jahre begrenzt, weil Olivares sich darauf konzentrierte, den katalanischen Aufstand zu bekämpfen, da dieser einer französischen Invasion Tür und Tor öffnete. Auch widersetzten sich zwar

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die Portugiesen der spanischen Herrschaft, aber ihnen blieb ein gemeinsamer Feind in den Holländern, die ihre Eroberungen in den portugiesischen Kolonien fortsetzten. Finanz- und Militärlasten Die Aufstände zeigten Spaniens imperiale Überdehnung. Die Monarchie blieb reich, aber die wachsenden Kriegskosten konnte sie nicht mehr bewältigen. Die Verteidigungsausgaben stiegen aufgrund des neuen Ringens mit Frankreich von 7,3 Millionen Escudos im Jahr 1636 sprunghaft auf über 13 Millionen zwei Jahre später. Die Krone hatte schon in den 1620er-Jahren in fahrlässiger Weise auf finanzielle Notlösungen gebaut, die kaum noch Optionen zur Deckung zusätzlicher Ausgaben ließen. Bis 1640 waren die Erträge des Steuersystems kontinuierlich gesunken. Der zunehmende Gebrauch kupferner vellón-Münzen seitens der Regierung bestärkte die Gläubiger darin, auf der Bezahlung in Silber zu bestehen. Die Silberimporte blieben trotz regelmäßiger Verluste – wie etwa der Kaperung der Silberflotte bei Matanzas – hoch, sodass die Krone hieraus zwischen 1618 und 1648 alle fünf Jahre im Schnitt sechs bis acht Millionen Dukaten Zufluss verbuchen konnte. Weil das nicht reichte, fing sie an, in Privatbesitz befindliche Silberladungen zu beschlagnahmen, wenn sie in Sevilla gelöscht wurden. Auf diese Weise gelangte sie bis 1640 in den Besitz von Silber im Wert von weiteren fünf Millionen Dukaten. Die Kaufleute reagierten, indem sie ihre Ladungsverzeichnisse fälschten oder durch andere betrügerische Maßnahmen, was sich wiederum auf die regulären Zollabgaben auf privates Silber auswirkte, die nun ebenfalls sanken. Derweil bezahlten die Steuerzahler die Regierung in ihrer eigenen minderwertigen Währung, wodurch die realen Einnahmen um ein Drittel zurückgingen. Die Krone häufte einfach neue Steuern an, indem sie 1632 in Kastilien Abgaben auf Zucker, Papier, Schokolade, Fisch und Tabak einführte und zugleich die bestehende, als millones bekannte, indirekte Steuer verdoppelte.627 Gleichzeitig stiegen die Anforderungen an die militärische Manpower. Zwischen 1631 und 1639 wurden Jahr für Jahr mehr als 3000 Kastilier nach Flandern geschickt, während die gesamte Anwerbung auf der Iberischen Halbinsel wahrscheinlich dreimal so hoch war.628 Im Jahr 1638 beschlossen die kastilischen cortes, als Reaktion auf die Fuenterrabía-Krise die bereits von ihnen besoldeten 18 000 Mann um weitere 8000 aufzustocken. Obschon dies als vorübergehende Maßnahme angekündigt war, beabsichtigte die Krone, im Jahr 1640 weitere 12 000 Kastilier auszuheben. Während Katalonien sich weigerte, die im Jahr 1637 geforderten 6000 Mann bereitzustellen, schickten Aragón, Valencia und Mallorca jetzt ebenfalls mehr Bargeld und Rekruten. Die Bedrohung der Pyrenäen hatte bereits 1632 die Wiedereinführung einer Miliz erzwungen, womit

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eine weitere Belastung hinzukam, da die Milizionäre auf Kosten der Provinzen bewaffnet und unterhalten werden mussten. Insgesamt stieg die Anwerbung zwischen 1620 und den 1640er-Jahren je nach Region um das Sechs- bis Zehnfache. Die Armee erreichte ihre größte Stärke von etwa 200 000 Mann in den frühen 1640er-Jahren. Die Eröffnung neuer Fronten auf der Iberischen Halbinsel bedeutete freilich, dass nun ein höherer Anteil im Inland eingesetzt wurde. Die Flandernarmee schrumpfte von 88 280 Mann im Januar 1640 – ihrem Höchststand – langsam, aber stetig auf 65 458 Mann im Februar 1647. Obwohl das immer noch mehr waren als unter Philipp II., reichte es nicht, um sowohl Frankreich als auch die Republik der Vereinigten Niederlande erfolgreich zu bekämpfen. Selbst diese Zahlen konnten nicht länger aufrechterhalten werden. Nach 1635 könnten die Verlust- und Abgangsraten 20 000 pro Jahr erreicht haben, und es wurde behauptet, dass im Jahr 1646 Witwen ein Drittel der Bevölkerung von Mérida ausmachten. Die Auswanderung aus Spanien in die Neue Welt stieg nach 1621, da die Menschen ein besseres Leben suchten. Zwischen den 1580erund den 1630er-Jahren nahm die Bevölkerung der Iberischen Halbinsel wahrscheinlich um ein Viertel ab, während die Agrarproduktion um 40 Prozent zurückging. Es gab also immer weniger Menschen, um die steigende Last zu tragen. Die kastilischen Steuern stiegen von umgerechnet weniger als 25 Tageslöhnen im Jahr 1621 auf den Gegenwert von 42 Tageslöhnen im Jahr 1640. Zahlungsrückstände häuften sich aufgrund säumiger Steuerzahler, die dem Staat allein im Jahr 1649 36 Millionen Dukaten an millones schuldeten. Es erwies sich nun zugleich als schwieriger, Kredite aufzunehmen, um den Fehlbetrag zu decken. Zwischen 1621 und 1640 beliefen sich die Ausgaben durch das königliche Schatzamt auf mehr als 250 Millionen Dukaten. Davon flossen 30,5 Millionen in den zivilen Haushalt, 44,2 Millionen direkt an die Streitkräfte und 175,8 Millionen an Gläubiger und Berechtigte für Kredite und Zinsen.629 Die Krone war zur Dezentralisierung gezwungen und wies die noch rentablen Einkommensquellen direkt bestimmten Ausgabenposten zu, etwa Festungsgarnisonen, verspielte damit aber Aufsicht und Verantwortlichkeit. Die Aufstände verschlimmerten die Lage weiter. Im Jahr 1644 gingen der Krone die Vermögenswerte aus, die sie verkaufen oder versetzen konnte, nachdem sie schon die Staatseinkünfte der nächsten vier Jahre verpfändet hatte, um ihre bestehenden Verbindlichkeiten abzudecken. Der Militärdienst stieß auf wachsenden Widerstand. Soldaten erhielten nur ein Drittel von dem, was ein Landarbeiter verdiente. Besonders verhasst war der Dienst in der Miliz, da er augenscheinlich eine verkappte Form der Zwangsaushebung war. Nur ein Viertel der im Jahr 1636 mobilisierten 11 000 kastilischen

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Milizionäre konnte bewaffnet werden. Einige derjenigen, die 1641 dienten, waren lediglich mit Steinschleudern ausgestattet, und selbst wer eine Muskete in Händen hielt, bekam nur vier bis sechs Kugeln dazu. Wie nicht anders zu erwarten, grassierte die Desertion. Vor der Aushebung drückten sich sogar die Granden, die 1632 aufgefordert wurden, ihre eigenen Regimenter aufzustellen – als Gegenleistung für die zweifelhafte Ehre, sich Obrist nennen zu dürfen. Als die Aufforderung 1634 wiederholt wurde, hob Olivares 1500 Mann aus, aber die anderen schickten Ausreden.630 Der Widerstand gegen Rekrutierung und Besteuerung war durch mehr motiviert als die bloße Angst zu sterben oder die Unfähigkeit zu zahlen. Es herrschte auch zunehmend das Gefühl, dass die königlichen Forderungen nicht mehr angemessen waren. Die Katalanen fühlten sich nicht nur wegen der traditionellen Befreiung ihres Fürstentums von derartigen Lasten im Recht, wenn sie die Zwangsaushebung ablehnten, sondern auch, weil sie auf andere Weise ihren Beitrag leisteten, indem sie etwa ihre Miliz schickten. In allen Schichten der Gesellschaft waren die Menschen der Ansicht, dass sie bereits mehr taten, als sie eigentlich tun müssten. Sie fühlten sich nicht verantwortlich für die Niederlagen, da das Kommando der Monarchie vorbehalten war. Wo die Krone Ungehorsam sah, sahen ihre Untertanen Unfähigkeit und Ungerechtigkeit. Die starke Ausbreitung der von Olivares geschaffenen, speziellen juntas zur Lösung der wachsenden Probleme hemmte lediglich ein ohnehin schwerfälliges Verwaltungssystem und bot zusätzliche Gelegenheiten, unerwünschte Anordnungen zu umgehen.631 Die in Kapitel 11 angesprochenen persönlichen Unzulänglichkeiten Philipps IV. einmal beiseitegelassen, war die spanische Monarchie strukturell schlecht gerüstet, um zu reagieren. Ihr Ideal von Majestät verlangte, dass der Monarch sich abseits hielt, um zu vermeiden, dass er mit möglichen Fehlschlägen in Verbindung gebracht wurde. Außerdem hatte Olivares ein persönliches Interesse daran, den König aus den Alltagsgeschäften möglichst herauszuhalten. Um den Monarchen zu beschäftigen, fing er nach 1630 an, die königlichen Gemächer im Kloster San Jerónimo am östlichen Stadtrand von Madrid zu erweitern, woraus der Palast Buen Retiro entstand. Zum Gedenken an spanische Siege seit 1621 gab man bei führenden Künstlern einen Zyklus aus zwölf Gemälden in Auftrag, der den 1635 eingeweihten „Saal der Königreiche“ (Salón de Reinos) schmücken sollte. Das Projekt beinhaltete beträchtliche Risiken – die Farbe auf Velázquez’ Meisterwerk, das die Übergabe von Breda zeigt, war kaum trocken, als die Holländer die Stadt 1637 zurückeroberten. Die vorübergehende patriotische Aufwallung im Anschluss an die französische Kriegserklärung wurde vertan, als der König in seinem Lustschloss blieb, während seine Untertanen unter der erdrückenden Last ächzten.632

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Der Kolonialkrieg Das allgemeine Gefühl des Scheiterns wurde durch schlechte Nachrichten aus Ostindien vergrößert, der Region, die mittlerweile iberischen Reichtum und iberische Macht symbolisierte. Die Portugiesen behaupteten sich in Goa und Mosambik, wurden aber durch einheimischen Widerstand 1639 aus Japan vertrieben. Ein langwieriges Ringen mit dem König von Kandy um die Kontrolle über Ceylon öffnete die Insel den Holländern, die sich nach 1636 dem einheimischen Feldzug zur Vertreibung der Portugiesen anschlossen. Der Konflikt zehrte die Mittel von Portugiesisch-Indien auf und schwächte anderswo den Widerstand gegen die Holländer, die bis 1641 die meisten der indonesischen Gewürzinseln erobert hatten.633 Die Situation in Westindien war ebenso trostlos. Mithilfe der Matanzas-Beute rüstete die Niederländische Westindienkompanie 67 Schiffe mit 1170 Geschützen und 7280 Mann Besatzung unter Admiral Hendrick Lonck aus. Das waren das Doppelte der Mannschaftsstärke und die dreifache Anzahl von Schiffen, wie sie zur Verteidigung Portugiesisch-Brasiliens aufgeboten wurden. Im Februar 1630 eroberte Lonck Olinde und Recife, die Haupthäfen von Pernambuco. Olivares entsandte Spaniens ranghöchsten Admiral, Antonio de Oquendo, mit 56 Schiffen und 2000 Soldaten, um die Städte zurückzuerobern, bevor die Holländer in das Zucker produzierende Hinterland vordringen konnten. Oquendo besiegte die Holländer schließlich im September 1631 vor der Abrolhos-Inselgruppe im Südatlantik. Arg ramponiert und ohne einen Hafen, wo er seine Schiffe hätte überholen können, war Oquendo jedoch gezwungen, nach Lissabon zurückzukehren.634 Die Holländer bauten inzwischen ihre Positionen aus und besetzten die guayanische Küste zwischen dem Amazonas und dem heutigen Venezuela. Mit der anschließenden Eroberung der Insel Curaçao im Jahr 1634 sicherten sie sich den einheimischen Salzhandel, der unverzichtbar war für die holländische Heringsindustrie. Auch mit einer zweiten Hilfsaktion im Jahr 1635 gelang es nicht, die Holländer zu vertreiben – im krassen Gegensatz zu der erfolgreichen Expedition ein Jahrzehnt zuvor. Die brasilianischen Pflanzer erkannten, dass sie, um ihre Einkünfte zu sichern, mit den Besatzern zusammenarbeiten mussten. Nach der Ankunft des tatkräftigen Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen als Generalgouverneur von Niederländisch-Brasilien im Januar 1637 verfiel die portugiesische Herrschaft über Brasilien dramatisch. Johann Moritz gewann Unterstützung vor Ort, indem er gestattete, dass katholische Konvente und Klöster geöffnet blieben, die erste wissenschaftliche Vermessung des Gebiets durchführte und mit einer Streitmacht, die aus gerade mal 3600 Europäern und 1000 Indianern bestand, die holländische Herrschaft bis 1641 auf 1800 Kilometer Küste ausdehnte. Zwei weitere portugiesische Expeditionen wurden in den Jahren

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1638 und 1640 zurückgeschlagen. Unterdessen fiel den Holländern mit der Eroberung von Elmina an der afrikanischen Goldküste im Jahr 1637 Portugals Haupthandelsplatz für Sklaven in die Hände. Die Holländer nutzten Portugals Schwierigkeiten mit Königin Nzinga, um bis 1641 Luanda und andere Standorte in Angola zu erobern. Axim, das letzte portugiesische Fort an der Goldküste, fiel im darauffolgenden Jahr. Bis 1654 hatten holländische Sklavenschiffe 30 000 Afrikaner nach Brasilien befördert. Die holländischen Zuckerexporte nach Europa zwischen 1637 und 1644 beliefen sich bereits auf einen Gegenwert von 7,7 Millionen Gulden, während in demselben Zeitraum andere koloniale Erzeugnisse im Wert von 20,3 Millionen verschifft wurden.635 In den Jahren 1638–41 brach auch Spaniens transatlantischer Handel zusammen. Im Jahr 1640 erreichten keine Reichtümer Sevilla. Die Tierra-Firme-Flotte erbrachte im darauffolgenden Jahr nur eine halbe Million Dukaten, während die Neuspanien-Flotte zu spät in der Saison auslief und beim Verlassen des BahamaKanals in einen Hurrikan geriet. Zehn Schiffe mit 1,8 Millionen Dukaten an Bord sanken. Die Gesamttonnage, die in den späten 1640er-Jahren den Atlantik überquerte, lag fast 60 Prozent unter jener zu Zeiten des Zwölfjährigen Waffenstillstands. Silber kam zwar weiterhin durch, es wurden jedoch kaum mehr als 40 Prozent der in der Neuen Welt geförderten Menge in Sevilla offiziell deklariert, weshalb auch die Kroneinnahmen daraus weniger als die Hälfte ihrer Einkünfte in den 1630er-Jahren betrugen. Der Rückgang war zum Teil den gestiegenen Kosten der Kolonialverteidigung geschuldet. Viel Silber „verschwand“ aber auch durch Betrug oder aufgrund der Tatsache, dass der Krieg die Kolonien zwang, autarker zu werden und ihren eigenen Handel außerhalb des offiziellen Systems zu entwickeln.

Von Breda nach Rocroi (1637–43) Spaniens wachsende Probleme betrafen das Heilige Römische Reich, weil sie den Krieg Philipps IV. gegen die Holländer untergruben. Ein spanischer Erfolg in den Niederlanden hätte Ferdinand III. ermöglicht, seine Truppen aus Luxemburg abzuziehen, während eine spanische Niederlage Frankreich den Freiraum verschafft hätte, seine Armee in Deutschland zu verstärken. Als der Krieg sich hinzog, drängte Ferdinand seinen Cousin, sich wenigstens mit den Holländern zu einigen und sich auf den Konflikt mit Frankreich zu konzentrieren. Spanien betrachtete die Ereignisse im Reich mit ähnlicher Ungeduld, weil man in Madrid nicht verstand, warum der Kaiser nach Nördlingen nicht in der Lage gewesen war, Schweden in die Knie zu zwingen. Die kaiserlichen Befehlshaber ver-

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sprachen Spanien während der winterlichen Planungsrunden wiederholt Kooperation, nur um dann, wenn der Feldzug begann, in die entgegengesetzte Richtung zu marschieren, um schwedische Angriffe auf Sachsen und Böhmen zu verhindern. Die Folgen waren 1637 zu spüren und zerstörten den Optimismus im Anschluss an das „Jahr von Corbie“. Der unverhoffte Erfolg des nicht geplanten Einfalls in Frankreich im Jahr 1636 bewog Olivares, drei Siebtel der damals 65 000 Mann starken Flandernarmee zur Vorbereitung einer Invasion der Picardie in das Artois und den Hennegau zu verlegen. Doch er weigerte sich, die noch verbliebenen Außenposten am Niederrhein im Interesse eines Friedens mit den Holländern zu übergeben und hielt das Gros der anderen Truppen in Garnisonen gebunden. Da er sich der Unzulänglichkeit der Kampftruppe bewusst war, drängte er Ferdinand, Ablenkungsmanöver entlang der Mosel und im Elsass zu unternehmen, aus denen – wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben – freilich nichts wurde. Während Spanien im Süden aufmarschierte, setzte in den Vereinigten Niederlanden Friedrich Heinrich sein politisches Kapital auf einen entscheidenden Schlag gegen die nördliche Grenze. Er stand unter wachsendem Handlungsdruck. Obwohl es ihm gelang, Adriaan Pauw, den Führer der holländischen Friedenspartei, kaltzustellen, indem er ihn 1636 als Botschafter nach Paris schickte, schwand sein Rückhalt. Die gomaristischen Militanten, einst die Hauptbefürworter des Krieges, waren geteilter Meinung über die Allianz mit Frankreich nach 1635, weil Friedrich Heinrich Richelieu versprochen hatte, dass er in den eroberten Gebieten den katholischen Glauben akzeptieren werde. Außerdem hatten die Amsterdamer Kaufleute kein Interesse daran, Antwerpen zu befreien – eine Stadt, die ihren früheren Platz als Wirtschaftszentrum der Region dann wieder einnehmen könnte. Die Unterstützung für den Krieg beschränkte sich zunehmend auf drei Gruppen. Die südlichen Provinzen Zeeland, Utrecht und Gelderland fühlten sich nach wie vor schutzlos und wollten, dass Friedrich Heinrich mehr Land jenseits des Rheins als Puffer eroberte. Außerdem waren diese Provinzen die Heimat vieler belgischer calvinistischer Flüchtlinge geworden, die hofften, ein militärischer Erfolg würde ihnen die Rückkehr nach Hause ermöglichen. Und schließlich gab es noch jene, die vom Krieg materiell profitierten, vor allem die Aktionäre der Niederländischen Westindienkompanie – einer Organisation, die sich als bemerkenswert erfolgreich dabei erwies, Investoren von außerhalb der Republik zu ködern.636 Diese Gruppen waren 1637 noch stark, doch war es bezeichnend, dass die Staaten Hollands die erste Haushaltskürzung seit dem Zwölfjährigen Waffenstillstand durchführten, indem sie im Winter 1636/37 die zuletzt aufgestellten Regimenter auflösten.

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Am 21. Juli 1637 ergriff Friedrich Heinrich seine Chance, Breda anzugreifen, während die Spanier noch dabei waren, Truppen an der südlichen Grenze zusammenzuziehen. Fernando musste wieder nach Norden marschieren. Da er die holländische Belagerung nicht aufzuheben vermochte, versuchte er den Statthalter abzulenken, indem er Venlo und Roermond eroberte. Seine Abwesenheit ermöglichte Kardinal de la Valette und 17 000 Franzosen, Landrecies und Maubeuge einzunehmen, wodurch Fernando gezwungen war, erneut denselben Weg nach Süden zurückzugehen. Breda fiel am 7. Oktober, womit Spanien seine letzte Ausbeute aus dem Jahr der Siege 1625 verlor. Die Niederlage veranlasste Olivares, zu seiner holländischen Strategie zurückzukehren. Am 17. März 1638 wies er Fernando an, er solle die Republik der Vereinigten Niederlande wenn irgend möglich zwingen, in den Unterhandlungen, die nun wiedereröffnet wurden, vernünftige Bedingungen zu akzeptieren. Ein Sieg wurde nicht mehr erwartet. Das Ziel lautete nun, ehrenhaft aus dem Krieg auszuscheiden.637 Das Ende des kaiserlichen Beistands (1638/39) Die geplante spanische Offensive im Artois wurde aufgegeben, als im Mai 1638 gut koordinierte französischholländische Angriffe gleichzeitig sowohl die nördliche als auch die südliche Grenze der Spanischen Niederlande trafen. Friedrich Heinrich und 22 000 Holländer marschierten auf Antwerpen, während der Maréchal de Châtillon und 13 000 Franzosen, gedeckt von La Force und weiteren 16 000 Soldaten in der Picardie, gegen Saint-Omer vorstießen. Die Spanier wurden festgenagelt, aber Friedrich Heinrich zog sich zurück, nachdem bei einem Ausfall aus Antwerpen 2500 der Belagerer bei Kallo gefangen genommen worden waren – eine der schlimmsten holländischen Niederlagen des Krieges. Der Rückschlag schwächte den Statthalter, dessen zunehmend majestätisches Gebaren republikanische Kritik erregte. Piccolomini war, wie gewöhnlich, gezwungen zu warten, bis genügend Truppen zusammengezogen worden waren, um Köln zu schützen, bevor er nach Westen marschierte, um dem Fürsten Thomas Franz von Savoyen zu helfen, im Juli Saint-Omer zu entsetzen. Die Franzosen nahmen ein paar kleinere Garnisonen ein und eroberten Le Câtelet zurück, aber Ludwig XIII. war enttäuscht. Mit dem französischen Oberkommando wurde ein Verwandter Richelieus betraut, der Herzog von La Meilleraye, der 1639 mit 14 000 Mann auf Hesdin marschierte, gedeckt von Châtillon und einem ähnlich starken Truppenkontingent an der Grenze. Feuquières und 20 000 Soldaten sollten Piccolomini in Luxemburg binden und durch die Einnahme von Thionville – der Stadt, die Zugang zu dem Gebiet zwischen Namur und Koblenz gewährte – jede weitere kaiserliche Einmischung verhindern. Spanien hatte seine Beihilfe zurückgehalten, um Ferdinand zu zwingen, Piccolomini in Luxemburg zu belassen.638 Nachdem

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Herzog Karl von Lothringen zu ihm gestoßen war, erschien Piccolomini unerwartet am 7. Juni bei Sonnenaufgang mit 14 000 Kaiserlichen und Spaniern außerhalb von Feuquières’ Belagerungslinien bei Thionville. Die Franzosen waren außerstande, sich aus ihren Quartieren zu sammeln, und wurden vernichtend geschlagen. Sie verloren 7000 Mann in die Gefangenschaft – und einige der besten Regimenter ihrer Armee. Die Anwesenheit Ludwigs XIII. bei der Hauptstreitmacht bedeutete, dass die Belagerung von Hesdin nicht ohne einen ernsthaften Ansehensverlust aufgegeben werden konnte; also wurde sie fortgesetzt, bis der Ort sich am 29. Juni ergab. Der größte Teil der Truppen Piccolominis wurde anschließend aus dem Gebiet abgezogen, um dem schwedischen Einfall in Böhmen zu begegnen, womit die direkte militärische Zusammenarbeit zwischen Spanien und dem Kaiser beendet war. Letzte Anstrengungen zur See Die Umleitung französischer Ressourcen nach Flandern und in den äußersten Osten der Pyrenäen bot Spanien die Chance, in La Coruña eine neue Armada zusammenzuziehen. Diese erhielt den Auftrag, die Blockade von Dünkirchen zu durchbrechen und umfangreiche Truppenverstärkungen für eine neue Offensive im Jahr 1640 an Land zu bringen. Es war ein gewaltiges Unterfangen, und zur Sicherung von Seeunterstützung wurden im Februar Verhandlungen mit England aufgenommen. Die spanische Flotte umfasste 70 Kriegs- und 30 Transportschiffe, zusammen 36 000 Tonnen Schiffsraum, dazu 6500 Matrosen, 8000 Seesoldaten und 9000 Mann reguläre Truppen zur Verstärkung der Flandernarmee. Im Juni und August überfiel Admiral Sourdis die spanische Küste, konnte die Vorbereitungen aber nicht stören und zog sich erschöpft zurück. Er überließ es den Holländern, die Armada abzufangen, als diese schließlich am 27. August auslief. Der niederländische Admiral Maarten Tromp griff mit 17 Schiffen an, als die Spanier am 16. September in den Ärmelkanal einliefen. Oquendo war zu selbstsicher und versäumte es, seinen Untergebenen passende Instruktionen zu erteilen. Nachdem er 1631 die Schlacht vor Pernambuco gewonnen hatte, indem er das holländische Flaggschiff zerstörte, blieb er der traditionellen Taktik der Duelle zwischen gegnerischen Schiffen treu. Tromp fuhr indes in dichter Formation in Kiellinie, sodass jedes Mal, wenn ein spanisches Schiff anzugreifen wagte, es von seiner geballten Feuerkraft getroffen wurde. Ein erfahrener portugiesischer Offizier bemerkte, dass „Oquendo wie ein wackerer Stier [war], der von einem Rudel Jagdhunde wütend attackiert wird und blindlings jene angreift, die ihn anfallen. So heftete er sich mit seinem Schiff voller Toter, Verwundeter und Verstümmelter tapfer an jene, die ihm am nächsten waren.“639 Obwohl er Tromp und seine Flotte gegen die französische Küste hatte abdrängen können, gab

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Oquendo gegen drei Uhr nachmittags auf, weil sein eigenes Schiff zu stark beschädigt war, um das Gefecht fortzusetzen. Am nächsten Tag gerieten die beiden Flotten in eine Flaute, aber am 18. September erhielt Tromp Verstärkung durch weitere 17 Kriegsschiffe und nahm das Gefecht wieder auf, bis sein Pulver knapp wurde. Da Dünkirchen ja nach wie vor blockiert war, gab es für Oquendo keinen sicheren Hafen zur Reparatur und Überholung, wenn er über Calais hinaus segelte. Also überquerte er den Ärmelkanal, um in den Downs zu ankern – einem Seegebiet vor der Stadt Deal an der Küste von Kent, das als Reede diente –, in dem Glauben, dass die Engländer Hilfe leisten würden. Admiral Pennington erschien mit 30 Schiffen, aber nur, um die englische Neutralität zu wahren. Zwar halfen die Engländer, die Truppen und drei Millionen Escudos in bar bis November nach Flandern zu befördern, taten darüber hinaus – abgesehen vom Verkauf von überteuertem Schießpulver – indes wenig, um der spanischen Flotte beizustehen. Die meisten kleineren Schiffe entkamen an den Holländern vorbei in den Hafen von Dünkirchen, doch Tromp war durch große bewaffnete Handelsschiffe aus den Flotten der holländischen Indienkompanien verstärkt worden und verfügte nun über 103 Kriegsschiffe gegenüber Oquendos 46 Schiffen. Er segelte daher in englische Gewässer, um am Morgen des 21. Oktober anzugreifen. Oquendo setzte seine zwölf leichteren Schiffe auf den Strand und kämpfte sich mit dem Rest den Weg frei. Sein Flaggschiff wurde 1700 Mal getroffen, schaffte es aber bis nach Mardyck. Zehn der auf den Strand gesetzten Schiffe wurden Anfang November wieder flottgemacht und entkamen ebenfalls nach Flandern. Tromp wurde hart kritisiert, weil er das spanische Flaggschiff nicht gekapert hatte. Oquendo wurde in Dünkirchen neu ausgerüstet und segelte Anfang des nächsten Jahres mit 24 Schiffen zurück nach Spanien. Obwohl 1500 Soldaten abgefangen worden waren, war ein Teil der Mission erfolgreich abgeschlossen worden, und die Flandernarmee bot im Dezember 1639 immerhin 77 000 Mann auf, während die Marine über 34 131 Tonnen Schiffsraum verfügte. Trotz der fortgesetzten Blockade gelang es Spanien, von 1640 an weitere 4000 Rekruten unter Konvoi nach Flandern zu bringen, bis Dünkirchen 1646 fiel. Nichtsdestotrotz kostete der Feldzug mindestens 35 Schiffe, mehr als 5000 Tote und 1800 Gefangene. Die Verluste in den Jahren 1638–40 beliefen sich auf 100 Kriegsschiffe, zwölf Admiräle und 20 000 Seeleute, was zehn Trafalgar-Schlachten entsprach.640 Diese Verschleißquote konnte Spanien nicht durchhalten. Die Anstrengung war vergebens, weil die gesamte Strategie mangelhaft war. Wie der Feldzug von 1640 einmal mehr bewies, konnte Spanien eine Offensive weder im Norden noch im Süden starten, solange Frankreich und die Vereinigten Niederlande ihre Angriffe gegen beide Grenzen koordinierten. Während die Holländer zurückge-

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schlagen wurden, eroberten die Franzosen am 9. August nach zweimonatiger Belagerung Arras. Nach der Niederlage der Armada und dem Ausbruch des katalanischen Aufstands war dies ein schwerer Schlag. Tausende flohen nach Lille, als die Franzosen das übrige Artois überrannten. Weitere schlechte Nachrichten trafen im November ein, als die Franzosen Turin entsetzten, und im Dezember erreichte die Situation mit der Erhebung der Portugiesen ihren Tiefpunkt. Die wiederholten Rückschläge brachten die österreichisch-spanischen Beziehungen aus dem Gleichgewicht. Nachdem Madrid noch im Jahr 1640 ansehnliche 426 000 Gulden an Österreich gezahlt hatte, war Spanien bald darauf nicht mehr in der Lage, weiter zu helfen. Es händigte im darauffolgenden Jahr nur 12 000 Gulden aus und im Jahr 1642 dann 60 000, allerdings als Kredit. Piccolomini war aus Luxemburg zurückbeordert worden, und der Kaiser gab die Hohentwiel-Operation auf, für die Spanien Geld an Tirol gezahlt hatte, damit es 4000 Mann aushob.641 Der Einfluss Spaniens nahm weiter ab, als sein erfahrener Botschafter Castañeda 1641 nach Madrid zurückkehrte, während Ferdinand in Madrid nun durch Feldmarschall Grana vertreten wurde, eine starke Persönlichkeit, die wie Ferdinand der Meinung war, dass Spanien seine Ressourcen verschwende und Friedenschancen vertue. Man klammert sich an Strohhalme In seiner wachsenden Verzweiflung nahm Olivares erneut Verbindung mit den französischen Unzufriedenen auf, die sich seit 1636 gegen Richelieu verschworen hatten. Mehrere waren nach London geflohen, wo sie Spaniens vergebliche Bemühungen unterstützten, Karl I. zu überreden, sich einer Allianz gegen Ludwig XIII. anzuschließen. Der Ausbruch der Kriege der Drei Königreiche machte dies zu einer aussichtslosen Sache. Spätestens 1640 hatte Olivares deshalb seine Aufmerksamkeit einer Gruppe um den Grafen von Soissons, Louis de Bourbon, zugewandt, der in das souveräne Herzogtum Bouillon an der niederländischen Grenze geflohen war. Bestärkt durch den ehrgeizigen Marquis de Cinq-Mars, glaubte diese Gruppe den Rückhalt der französischen Königin, Anna von Österreich, zu besitzen und hoffte darauf, dass eine Machtdemonstration Ludwig veranlassen würde, Richelieu zu entlassen. Olivares hielt die Verschwörer für das einzige Mittel, das einen Schiffbruch noch abwenden konnte, und versprach Unterstützung.642 Die Unzufriedenen im englischen Exil sollten mit einer bunt zusammengewürfelten Flotte auslaufen, um die Hugenotten in der Guyenne aufzuwiegeln, kamen dort indes niemals an. Einzelheiten der Verschwörung hatten bereits im April 1641 Richelieu erreicht, und er änderte seinen Feldzugsplan, um dem Komplott zu begegnen. Er zog 12 000 Mann unter Châtillon in der Champagne zusammen, um Soissons in Bouillon zu blockieren. Die Verschwörer gerieten in

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Panik. Frédéric-Maurice de Bouillon erklärte, dass seine momentane Funktion als französischer Oberbefehlshaber in Italien ihn daran hindere, sich dem geplanten Feldzug der Rebellen anzuschließen. Dennoch drängte er Soissons zum Handeln. Im Juni traf General Lamboy mit 7000 Spaniern und Kaiserlichen in Bouillon ein, sodass Soissons nun über insgesamt 9500 Mann verfügte. Sie rückten nach Süden vor und besiegten am 9. Juli Châtillon bei La Marfée. Jede Hoffnung, Kapital aus dem Sieg schlagen zu können, wurde allerdings durch Soissons’ Tod zunichte gemacht – den er angeblich selbst verschuldete, indem er sein Visier mit einer geladenen Pistole öffnete, die versehentlich losging.643 Der Aufstand brach zusammen, und Richelieu konnte die Verschwörer, sobald er weitere Beweise gesammelt und sich der Unterstützung Ludwigs XIII. versichert hatte, im darauffolgenden Juni vollends erledigen. Cinq-Mars wurde hingerichtet, während Bouillon dem Tod entging, indem er zum katholischen Glauben übertrat und auf sein Herzogtum Verzicht leistete. Abermals in Verrat verwickelt, floh Ludwigs Bruder Gaston nach Savoyen. Herzog Karl IV. von Lothringen hatte unterdessen am 2. April 1641 die französischen Bedingungen vertraglich angenommen, um sein Herzogtum als französisches Lehen wiederzuerlangen. Die Tatsache allerdings, dass er Frankreich während Soissons’ Invasion nicht beigestanden hatte, erregte Verdacht und führte, nach einem erneuten Paktieren mit Spanien, noch im Sommer zu seinem abermaligen Abgang aus dem Herzogtum. Im April 1642 fiel er mit 5000 Mann von Luxemburg aus in das Herzogtum ein und errang ein paar bescheidene Erfolge, ohne jedoch über die Mittel zu verfügen, diese auszunutzen, woraufhin er sich binnen fünf Monaten wieder über die Grenze zurückzog. Die Situation war nun im Prinzip dieselbe wie im April 1641, sieht man davon ab, dass der Herzog Sierck, La Mothe und Longwy zurückerobert hatte.644 Die Einmischung von Soissons und Karl IV. von Lothringen verhinderte jedenfalls, dass Frankreich aus der Einnahme von Arras unmittelbar Kapital schlug. Richelieu verlegte anschließend Ressourcen nach Katalonien, während die Holländer durch die Rückkehr des Krieges nach Nordwestdeutschland Anfang 1642 abgelenkt wurden. Endlich konnten die Spanier in die Offensive gehen, aber statt darauf abzuzielen, die Holländer zum Friedensschluss zu zwingen, sollten die Operationen jetzt schlicht Frankreich davon ablenken, Spanien selbst anzugreifen. Der neue Statthalter der Spanischen Niederlande, Francisco de Melo, stieß scheldeaufwärts ins Artois vor, wo er am 19. April Lens und am 11. Mai La Bassée zurückeroberte. Die beiden kleinen französischen Armeen in dem Gebiet unter Harcourt und Guiche schafften es nicht, eine wirkungsvolle Gegenwehr zu koordinieren. Am 26. Mai erwischte De Melo mit 19 000 Soldaten die 10 000 Mann Guiches bei dem Kloster Honnecourt, tötete 3200, nahm

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3400 gefangen und erbeutete den Großteil des Trosses sowie die Soldkiste.645 Nach diesem Sieg gelang es De Melo ohne größere Probleme, die Eroberung des nördlichen Artois abzuschließen. Wachwechsel in Spanien und Frankreich Der Erfolg war kaum eine Hilfe für Olivares, der zum Sündenbock für Spaniens wachsende Probleme geworden war. Sein Absturz veranschaulicht, dass die Machtausübung im frühneuzeitlichen Europa ebenso sehr auf persönlichen Beziehungen beruhte wie die Politik. Olivares hatte die Menschen in seiner Umgebung in dem Maße verstimmt, wie seine „Regierungsmethode immer autokratischer, sein Auftreten taktloser, seine Reaktionen unverschämter wurden“.646 Der Dichter Francisco de Quevedo war nicht der Einzige, der die Übellaunigkeit des Conde-Duque zu spüren bekam, als er im Jahr 1639 eines Nachts aus seiner Herberge entführt wurde und zu einem der vielen „Verschwundenen“ (desaparecidos) wurde – er hatte dem König einen auf eine Serviette geschriebenen satirischen Angriff auf Olivares gereicht. Der Unmut wurde geschürt von der Königin und anderen Hofdamen, unter denen sich Margarete von Savoyen besonders hervortat, die Olivares beschuldigte, sie in Portugal nicht unterstützt zu haben. Diskret angefeuert wurden ihrer aller Bemühungen in Ferdinands Namen durch Botschafter Grana. Am 17. Januar 1643 schickte Philipp IV. Olivares einen umsichtigen und taktvollen Brief, in welchem er die Entlassung als gnädige Antwort auf seine wiederholten Rücktrittsgesuche darstellte. Die Granden eilten nach Madrid, um sicherzustellen, dass der König es sich nicht anders überlegte, und wütende Menschenmengen strömten zusammen, als Olivares schließlich fünf Tage später zu seinen Gütern abreiste. Ein paar der engsten Vertrauten des Conde-Duque wurden verhaftet, aber an der Politik änderte sich nichts. Philipp beabsichtigte, selbst zu regieren. Nach dem Tod seiner Gemahlin (1644) und seines Sohnes (1646) weckte er ein gewisses Mitgefühl, blieb indes ein fader Monarch. Er verließ sich zunehmend auf Olivares’ Neffen Haro, der schließlich nach 1648 als neuer Erster Minister in Erscheinung trat. Viele von Olivares’ anderen Protegés behielten ihre Posten, weil man ihre Erfahrung nicht missen wollte. Die Probleme blieben die gleichen, und sie waren nicht in der Lage, sich eine Alternative zur Strategie des CondeDuque einfallen zu lassen, die da conservación und reputación lautete. In Frankreich starb am 4. Dezember 1642 Richelieu, am 14. Mai des nächsten Jahres gefolgt von Ludwig XIII., der die Krone seinem viereinhalbjährigen Sohn hinterließ. Königin Anna war während der vergangenen 13 Jahre weitgehend ignoriert worden, da ihr Gemahl ihr wegen ihrer spanischen Herkunft misstraut hatte. Jetzt stach sie sowohl Gaston als auch den Fürsten von Condé aus und

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beanspruchte die alleinige Regentschaft. Um sich die benötigte Unterstützung zu sichern, verteilte sie so viele Belohnungen, dass ein Höfling scherzte, die französische Sprache sei auf die fünf Worte „Die Königin ist so freundlich“ reduziert worden.647 Die Regierung wurde mit Männern besetzt, die stärker zur Friedenspolitik der Devoten neigten, doch für Kontinuität stand Anna selbst, die im Palais Cardinal Wohnsitz nahm, welcher von Richelieu der Krone vermacht worden war und jetzt in Palais Royal umgetauft wurde. Außerdem vertraute sie auf seinen Protegé Mazarin, der an der Formulierung der französischen Friedensziele beteiligt gewesen war. Trotz ihrer ausländischen Herkunft identifizierten sich sowohl Anna als auch Mazarin mit Frankreich und lehnten Anreize vonseiten Philipps IV. für einen raschen Friedensschluss ab. Sie waren entschlossen, ihre Gegner durch einen Abnutzungskrieg mürbe zu machen, bis sie ihre Bedingungen verbesserten. Mazarin war pragmatischer als Richelieu und bereit, das Hirngespinst eines universellen Friedens und das Motto der „teutschen Libertät“ aufzugeben, die als unabdingbar für das französische Prestige gegolten hatten. Stattdessen war er stärker an größeren territorialen Gewinnen interessiert, da diese in der heimischen Öffentlichkeit besser ankamen, die überzeugt werden musste, dass er der beste Mann zur Lenkung der Monarchie war. Die Schlacht bei Rocroi (1643) Der Flandernfeldzug sollte die beiden neuen Regime auf die Probe stellen. De Melo wurde die Aufgabe zuteil, seinen Erfolg aus dem vergangenen Jahr zu wiederholen, um Frankreich davon abzuhalten, anderes spanisches Territorium anzugreifen. Er ließ also zum Schutz der nördlichen Grenze 15 000 Mann zurück und rückte in vier Kolonnen vor. Diese vereinigten sich bei der kleinen befestigten Stadt Rocroi in der Nähe des Maastals und legten diese vom 15. Mai an unter Belagerung. Trotz De Melos Behauptung, das Städtchen sei „der Schlüssel zur Champagne“648, besaß Rocroi keinen besonderen strategischen Wert, aber angesichts des Todes von Ludwig XIII. am Tag zuvor gewann der Angriff große politische Bedeutung. Das neue Regime in Frankreich konnte es sich nicht leisten, mit einer Niederlage zu starten. Der Oberbefehl über das nördliche Heer war soeben Condés Sohn, dem Herzog d’Enghien, anvertraut worden. Die Maßnahme war Teil der Strategie Richelieus, Bedrohungen vonseiten der Granden durch Gunstbezeigungen zu neutralisieren. Nachdem er den älteren Condé als Belastung beseitigt hatte, hatte der Kardinal Ludwig XIII. überredet, die Familie durch Berufung des unerfahrenen Fürstensprosses an eine vermeintlich zweitrangige Front zu entschädigen. Nun war es zu spät, diese Verabredung zu ändern, die nur im Nachhinein als klug erscheint. D’Enghien ist nach dem Titel, den er beim Tod seines Vaters 1646

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annahm, als „le Grand Condé“ oder „der große Condé“ in die französische Geschichte eingegangen. Als Vierter in der Thronfolge war er empfindlich und aufgeblasen, freilich gab ihm die Überzeugung von seiner eigenen vornehmen Abstammung auch ein unerschütterliches Selbstvertrauen.649 D’Enghien war entschlossen, sich im Kampf zu beweisen, und lehnte den Rat ab, De Melo zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen, indem er seine Verbindungslinien in die Spanischen Niederlande bedrohte. Stattdessen setzte er bei einem äußerst riskanten direkten Angriff Frankreichs Stabilität aufs Spiel. Rocroi war nur über Pfade durch einen Wald zu erreichen, und das französische Heer wäre, wenn es auftauchte, so lange ungeschützt, bis es auf der Ebene südöstlich der Stadt aufmarschieren konnte. Außerdem war d’Enghien mit 15 000 Fußsoldaten, 6000 Reitern und zwölf Geschützen gegenüber De Melos 18 000 Infanteristen, 5000 Berittenen und 18 Kanonen leicht in der Unterzahl. Ganz nebenbei gehörten zum spanischen Heer auch noch viele der Regimenter, die im Jahr zuvor geholfen hatten, Guiche zu vernichten. Ob durch Glück oder mit Absicht, jedenfalls wählten die Franzosen einen günstigen Zeitpunkt für ihr Eintreffen, als sie am späten Nachmittag des 18. Mai auftauchten. Der Tag war zu weit fortgeschritten, als dass De Melo noch ein Gefecht hätte beginnen können. Er marschierte auf der Ebene gegenüber den Franzosen auf und schickte dringende Befehle an General Beck bei der vierten und letzten seiner Einheiten, er solle zu ihm stoßen. Beide Heere nächtigten auf der Ebene, aber d’Enghien wurde durch einen Deserteur vor den Plänen seines Gegners gewarnt, der ihm berichtete, dass De Melo 300 Musketiere am Rand des Waldes postiert habe. Die Spanier überraschten diese 300 französischen Musketiere dort um drei Uhr morgens im Tiefschlaf und schlugen sie in die Flucht. Anschließend eröffnete auf beiden Seiten die Artillerie das Feuer. Die Sicht war allerdings noch zu schlecht, was den Heeren Zeit gab, ihre Stellungen zu beziehen. Beide Oberbefehlshaber stellten ihr Fußvolk in zwei Linien im Zentrum auf mit der Artillerie davor, flankiert von zwei Linien Reiterei auf jedem Flügel.650 Die Franzosen hatten außerdem eine Reserve aus ihren besten Fuß- und Reitertruppen als dritte Linie unter Sirot hinter dem Zentrum stehen. Die spanische Linie erstreckte sich über 2500 Meter zwischen dem östlichen Waldrand und dem Sumpfgebiet Saint-Anne im Westen. Die Franzosen würden durchbrechen müssen, wenn sie Rocroi entsetzen wollten. Die spanische Reiterei war noch in unabhängigen Schwadronen organisiert, während die Franzosen ihre Kavallerie unter strengerer Kontrolle in Regimentern gruppiert hatten. Sie kopierten die schwedische Praxis, die Reiterei durch Musketiere zu verstärken, um die Feuerkraft zu erhöhen. De Melo wartete gerne, weil er die Ankunft Becks erwartete. D’Enghien, der ungeduldig war, führte die Reiterei auf dem rechten Flügel und griff gegen fünf

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Uhr in der Frühe an, kurz darauf gefolgt von La Ferté und den Reitern auf der Linken. La Ferté begann seinen Angriff aus zu großer Distanz, und seine Pferde waren bereits verausgabt, als sie sich der deutschen Reiterei unter Isenburg auf dem spanischen rechten Flügel näherten. Die Franzosen wurden vernichtend geschlagen, und viele flüchteten in den Sumpf oder den Wald. Die französische Infanterie wich zurück, wobei sie einige ihrer Geschütze stehen ließ. Unterdessen war d’Enghiens Angriff durch Albuquerques Gegenangriff gestört worden, der die unterstützenden französischen Musketiere zum Großteil überrollte. Doch jetzt fiel die überragende französische Organisation ins Gewicht. Die spanische Reiterei hatte sich zerstreut und brauchte zu lange, um sich zu sammeln. Sirot ergriff die Gelegenheit, die Reserve zu verlegen, um Isenburg lange genug zu blockieren, damit ein paar französische Reiter auf dem linken Flügel zurückkommen und ihm helfen konnten, die deutschen Kavalleristen aus dem Feld zu schlagen. D’Enghien schickte Gassion mit der Hälfte seiner Reiterei zu einem zweiten Angriff, der Albuquerques versprengte Männer schließlich zum Rückzug zwang. Nun waren die spanischen Fußtruppen ungeschützt. Mit der anderen Hälfte seiner Reiterei griff d’Enghien ihre zweite Linie an und stieß dabei auf dem linken Flügel auf die wallonischen Regimenter. Er griff der Reihe nach jedes Regiment an, wobei er seine zahlenmäßige Überlegenheit und eine Kombination aus Angriffen und unterstützender Feuerkraft seiner Infanterie nutzte. Eines nach dem anderen verließen die wallonischen Regimenter das Schlachtfeld, gefolgt von den Deutschen weiter westlich. Jetzt wendeten sich die Franzosen gegen die stärkere erste Linie und trafen dabei auf deren linkem Flügel auf die Italiener. Die schlugen den ersten Angriff zurück, verließen dann allerdings, wahrscheinlich auf eigene Faust, wohlgeordnet das Schlachtfeld. Die Franzosen ließen sie gerne ziehen, weil dadurch die fünf spanischen Terzios isoliert wurden. Drei waren nach weiteren schweren Kämpfen mürbe, die beiden anderen schlugen jedoch drei weitere Angriffe mit einer allgemeinen Salve auf 50 Schritt zurück. Es war jetzt zehn Uhr morgens, und ihnen ging allmählich die Munition aus. Auch die Franzosen waren erschöpft und fürchteten Becks Eintreffen. D’Enghien bot Bedingungen an. Ein Regiment legte gegen die Erlaubnis, durch Frankreich nach Hause zu marschieren, seine Waffen nieder. Obwohl die anderen Soldaten trotzig blieben, war weiterer Widerstand hoffnungslos, und sie ergaben sich kurz darauf als Gefangene. De Melo war entkommen und hatte dabei seinen Marschallstab fallen lassen, um auf der anderen Seite des Waldes zu Beck zu stoßen. D’Enghien eroberte am 10. August nach einer langen Belagerung Thionville und dann am 2. September Sierck, womit er den Hauptstützpunkt des Herzogs von Lothringen ausschaltete. Dies waren will-

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kommene territoriale Gewinne, die aber schwerlich auf den spanischen Zusammenbruch schließen ließen. Seinen Platz in der Militärgeschichte verdankt Rocroi sowohl der französischen Propaganda, welche die Schlacht als bedeutenden Sieg feierte, als auch d’Enghiens Eigenwerbung, da Rocroi natürlich seinen Ruf festigte. So kam es, dass d´Enghien Generäle des 18. und 19. Jahrhunderts beeinflusste und seinen Weg in die Lehrpläne von Militärakademien fand. Letztere führen die Schlacht regelmäßig als Demonstration der Überlegenheit französischer Lineartaktik an, welche die Feuerkraft der Infanterie mit Kavallerieangriffen kombinierte.651 Tatsächlich war der Sieg überragender Regimentsführung und -kontrolle zu verdanken. Die spanische Feuerkraft warf die Franzosen zwar erfolgreich zurück, doch ihre wichtigsten Befehlshaber wurden schon relativ früh getötet oder verwundet, und De Melo versäumte es, aus dem anfänglichen Erfolg Nutzen zu ziehen, indem er seine Fußtruppen nach vorne schickte. Die spanischen Verluste wogen schwer, vor allem weil sie so viele Altgediente umfassten und in der demütigenden Form der Kapitulation auftraten.652 Die Franzosen nahmen 3862 Mann gefangen, nicht eingerechnet jene, die mit ihrer Erlaubnis nach Hause abzogen. Die meisten Gefangenen wurden im Juli 1643 gegen die bei Honnecourt ergriffenen Männer ausgetauscht. Die sonstigen spanischen Verluste beliefen sich auf 3500 Mann, im Vergleich zu 4500 Franzosen, die getötet und verwundet wurden. Die Franzosen verloren auf dem Rest des Feldzugs weitere 7000 Mann, meist durch Krankheit. Die Flandernarmee blieb mit 77 517 Mann im Dezember gleichwohl stark verglichen mit der holländischen Truppenstärke, die auf 60 000 gesunken war. Die eigentliche Bedeutung von Rocroi lag darin, dass die Franzosen eine Niederlage vermieden, die Annas Regentschaft hätte destabilisieren und das Land hätte zwingen können, Frieden zu schließen. An Frankreichs Erfolg reichten seine holländischen Verbündeten nicht heran, die allmählich das Interesse an dem europäischen Krieg verloren. Manch einer in der Republik begann die Spanischen Niederlande nicht mehr als Bedrohung, sondern als Puffer gegen ein aggressives, expansionistisches Frankreich zu betrachten. Dass Spanien holländische Gesandte als vollwertige Botschafter empfing, signalisierte eine Bereitschaft zum Frieden auf der Basis der Anerkennung der Unabhängigkeit. In den Jahren 1641/42 erzwangen die Staaten Hollands eine weitere Verkleinerung der Armee und schränkten 1643 die Befugnisse des sogenannten Geheimen Rats ein, mit dem zusammen Friedrich Heinrich unbeaufsichtigt den Gang von Krieg und Diplomatie hatte bestimmen können. Seine eigene angegriffene Gesundheit trug zu der wachsenden Friedensneigung bei, und im März 1644 widersetzten sich nur noch Zeeland und Utrecht einem Kompromiss mit Spanien. Der Westfälische Friedenskongress konnte endlich beginnen.

19. Verhandlungsdruck (1644/45) Der Westfälische Kongress

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er Westfälische Friedenskongress begann mit zweijähriger Verspätung und benötigte weitere fünf Jahre bis zu seinem Abschluss, erwies sich aber als ein Meilenstein in der Entwicklung der globalen politischen Beziehungen. Seine direkten Ergebnisse waren inhomogen und entsprachen nicht den Erwartungen der Zeitgenossen. Dennoch erwiesen sich die praktischen Resultate als substanziell, und die Ideale und Methoden der Friedensstifter haben bis zum heutigen Tag ihren Einfluss auf die Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen ausgeübt. Ausschlaggebend für den Erfolg der Verhandlungen war der Entschluss des Kaisers, am Kongress teilzunehmen. Ferdinand ratifizierte den Hamburger Präliminarfrieden erst im Juli 1642; Philipp IV. zögerte lange, bis er am 22. April 1643 dem Beispiel des Kaisers folgte. Angesichts der wenig erfreulichen militärischen Lage und der Aussicht, dass noch weitere Fürsten ihre Neutralität erklären würden, war der Kaiser 1643 endgültig bereit, den Kongress einzuberufen. Johann Krane traf im Mai in Westfalen ein, um alle notwendigen formalen Vorbereitungen zu treffen, damit sich die Delegierten in den vorgesehenen Verhandlungsorten, Münster und Osnabrück, versammeln konnten. Sein spanischer Kollege traf im Oktober ein, während die französische Delegation erst im April 1644 den Schauplatz betrat. Andere folgten nach und nach – die Niederländer schließlich im Januar 1646. Die meisten zögerten die Entsendung von Delegierten hinaus, bis sich ihre eigenen Verhältnisse so weit verbessert hatten, dass sie von einer Position der Stärke aus verhandeln konnten. Manchen allerdings gereichte das Warten zum Nachteil, und die Teilnahme der Spanier stand unter dem Diktat einer sich verschlechternden Lage und war von dem dringenden Wunsch getragen, die Einheitsfront mit Österreich aufrechtzuerhalten. Der Kongress war mit der Absicht einberufen worden, eine pax generalis zu schließen, doch verstanden alle Beteiligten darunter etwas anderes, und es gab keine klare Vorstellung davon, was „Europa“ denn eigentlich sei oder wie dieser Kontinent mit anderen Weltteilen in eine wie auch immer geartete Beziehung treten solle. In der Praxis unternahm man keine Versuche, Spannungen im Ostseeraum oder auf dem Balkan abzubauen oder den britischen Bürgerkrieg beizulegen – die daran beteiligten Parteien waren auf dem Kongress nicht einmal vertreten, ebenso wenig wie die Russen, das Osmanische Reich und einige kleinere italienische Staaten wie Modena. Stattdessen widmete sich der Kongress

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den drei großen Konflikten in Mittel- und Westeuropa, wobei der Dreißigjährige Krieg an erster Stelle stand. 178 der 194 offiziellen Teilnehmer stammten aus dem Reich: der Kaiser, die Kurfürsten, 132 weitere Reichsstände sowie 38 andere Parteien, darunter die Reichsritter und die Hanse.653 Die anderen 16 Teilnehmer waren europäische Staaten wie Frankreich, Schweden und Spanien. Dänemark und Polen waren anwesend, um ihre territorialen Interessen an Deutschland zu wahren, und verhandelten über ihre Anliegen nicht mit Schweden. Die italienischen Angelegenheiten galten als untergeordnete Bestandteile des spanischfranzösischen Kriegs, desgleichen die Aufstände in Katalonien und Portugal, wobei Spanien sich Gesprächen darüber verweigerte. Kolonialfragen wurden in den Gesprächen zwischen Spanien und der Republik der Vereinigten Niederlande erörtert; es gab keinen Versuch, Nichteuropäer in diese Verhandlungen mit einzubeziehen. Trotz dieser Mängel war der Kongress ein bahnbrechendes Ereignis, vergleichbar am ehesten den mittelalterlichen Kirchenkonzilen. Aber hier handelte es sich um die erste rein weltliche internationale Zusammenkunft. Sie konnte sich auf überlieferte Verhandlungsformen und ein tradiertes Protokoll stützen, aber ihr gewaltiger Umfang und die Vielschichtigkeit der Themen zwangen zur Erneuerung und Abwandlung vertrauter Richtlinien. Vor allem wurde das mittelalterliche Hierarchieprinzip aus den Angeln gehoben. Die Anwesenheit von so vielen Delegierten, die Herrscher unterschiedlichster Rangstufen vertraten, erforderte eine neue, einfachere Form des Umgangs miteinander. Man kam darin überein, dass alle Könige den Titel „Majestät“ trugen, während alle königlichen und kurfürstlichen Gesandten mit „Exzellenz“ anzureden waren und in einer von sechs Pferden gezogenen Kutsche vorfahren durften. Solche Protokollfragen waren alles andere als nebensächlich, sondern stellten einen entscheidenden Schritt in Richtung auf das moderne Konzept einer Ordnung der internationalen Beziehungen dar, bei der souveräne Staaten einander als Gleiche begegnen, unabhängig von Regierungsform, Ressourcen oder militärischer Stärke. Der Kongress bahnte den Weg zu einer neuen Methode, internationale Probleme durch Verhandlungen zwischen allen beteiligten Parteien beizulegen. Spätere Versuche, kriegerische Konflikte in Europa friedlich zu lösen, bezogen sich direkt auf das westfälische Beispiel, vor allem die Kongresse von Utrecht (1711– 13) und Wien (1814/15). Die Methode wurde im Rahmen der sich wandelnden globalen Ordnung auf der Pariser Konferenz von 1919 und schließlich durch die Charta der Vereinten Nationen weiter ausgebaut.654 Die Verhandlungsmethoden Allerdings lag die Anerkennung vollständiger Gleichheit noch in ferner Zukunft. Schon durch ihr Eintreffen wollten die Dele-

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gationen beeindrucken. Das gehörte zur Strategie, Status zu demonstrieren und Rivalen einzuschüchtern. Zusammengenommen saßen 235 offizielle Gesandte und Vertreter an den Verhandlungstischen, doch lag die Gesamtzahl der Beteiligten sehr viel höher, weil alle Gesandten mit zusätzlichem Begleitpersonal angereist waren. So umfasste das schwedische Gefolge 165 Personen, darin eingeschlossen eigene Ärzte, Köche, ein Schneider und ein persönlicher Einkäufer.655 Die beiden französischen Hauptgesandten trafen mit 319 Assistenten ein, während der französische Chefunterhändler, der Herzog von Longueville, 139 Leibwächter und 54 livrierte Diener mit sich führte. Frankreich und Spanien gaben beide mehr als eine halbe Million Taler für ihre Vertretung aus, wogegen der Kaiser, die Schweden und die Niederländer mit je einer Viertelmillion noch relativ bescheiden dastanden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 3,2 Millionen Taler, die hauptsächlich für Verpflegung und Unterhaltung, nicht aber für Bestechung und ähnliche Kosten Verwendung fanden.656 Die Anwesenheit so vieler Menschen stellte für die Gastgeber einerseits eine erhebliche Herausforderung dar. Der 29 Mann umfassenden bayerischen Delegation standen 18 Betten zur Verfügung, während der Vertreter der Schweiz in einem Zimmer über einer Wollweberei logierte, das nach Wurst und Fischöl stank. Andererseits gab der Kongress der vom Krieg arg gebeutelten einheimischen Wirtschaft natürlich enormen Auftrieb. Sogar Gebäude wurden renoviert, damit die Delegationen ein ihren politischen Ambitionen entsprechendes Ambiente vorfanden. Die Westfalen selbst galten den Fremden zumeist als Hinterwäldler, die Bier statt Wein tranken und Pumpernickel aßen.657 Die Verhandlungen erregten großes öffentliches Interesse, was von den Delegierten gepflegt wie auch manipuliert wurde. Mindestens 27 deutschsprachige Veröffentlichungen berichteten über die Verhandlungen, sodass die neuesten Nachrichten aus Westfalen noch die abgelegensten Gegenden des Reichs erreichten. Schlüsseldokumente wie die französisch-schwedischen Friedensvorschläge erschienen schon nach kurzer Zeit in gedruckter Form, wenn auch nicht immer im genauen Wortlaut. Auch bildliche Darstellungen kursierten, vor allem Stiche nach Gerard ter Borchs Gemälde von dem feierlichen Schwur, mit dem im Mai 1648 der Frieden zwischen Spanien und den Niederlanden besiegelt wurde.658 Neu war auch, dass der Kongress auf einen offiziellen Vorsitzenden oder Vermittler verzichtete. Ironischerweise untergrub der päpstliche Nuntius Fabio Chigi die Absicht des Pontifex, den Friedensstifter zu geben, durch tätige Beihilfe zur Vereinfachung des Protokolls. Anstelle von Plenarsitzungen gab es bilaterale Gespräche, die oftmals parallel mit verschiedenen Partnern geführt wurden. Die Verhandlungen mit Schweden fanden in Osnabrück statt, die mit Frankreich in Münster. Chigi und sein fähiger venezianischer Kollege Alvise Contari-

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ni wirkten als Mittelsmänner zwischen Frankreich und den Habsburgern, die formelle direkte Gespräche ablehnten – aber darauf blieb die Vermittlung dann auch schon beschränkt. Auf diese Weise wahrten der Kaiser und Spanien jedenfalls eine gemeinsame Front. Mit den Niederländern konnte Spanien direkt verhandeln, weil Ferdinand an diesem Konflikt nicht beteiligt war. Religiöse Differenzen spielten keine große Rolle; Protestanten und Katholiken waren an beiden Verhandlungsorten zugegen. Großmächte wie der Kaiser unterhielten in beiden Städten Gesandte, und zu informelleren Gesprächen traf man sich häufig in Lengerich, Ladbergen und anderen Dörfern auf halbem Wege zwischen Osnabrück und Münster. Solche Treffen waren für Frankreich und Schweden von entscheidender Bedeutung, damit sie ihr gemeinsames Vorgehen auf dem Kongress koordinieren konnten.659 Für die Spanier und Niederländer war Münster der Ort, an dem sie die Gespräche zur Beilegung ihres Konflikts führten, und dort fanden auch die Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und dem Reich statt. Osnabrück erlangte größere Bedeutung, als die Reichsstände zu den Verhandlungen zugelassen wurden, und sollte dann der Ort werden, an dem die meisten Probleme des Reichs gelöst wurden. Der Friedensprozess kam nicht besonders schnell voran, weil es für die Gesandten unabdingbar war, sich mit ihren jeweiligen Regierungen abzustimmen, insbesondere wenn die veränderte militärische Lage neue Möglichkeiten eröffnete und andere zunichtemachte. Ein Brief benötigte acht bis zehn Tage, um nach Paris zu gelangen; nach Wien dauerte es länger, und nach Madrid musste ein Monat veranschlagt werden. Eigentlich sollte die Postbeförderung garantiert sein, doch die niederländische Garnison in Maastricht, die – von der Republik abgeschnitten, wie sie war – ihr Recht selbst setzte, sorgte für unliebsame Unterbrechungen, bis internationale Proteste schließlich ab 1646 zu besserem Betragen führten. Daneben gab es auch andere, verdeckte Operationen, da die Gesandten versuchten, auf verschiedenen Wegen etwas über die Absichten ihrer Gegner herauszufinden.660 Die Gesandten und ihre Ziele Das eindrucksvollste Verhandlungsteam hatte der Kaiser, wobei der Verhandlungsführer Maximilian von Trauttmansdorff erst im November 1645 eintraf und zur „beherrschenden Gestalt des Kongresses“ wurde.661 In der Zwischenzeit regelte der kompetente Graf von Nassau-Hadamar die Angelegenheiten, unterstützt von den Grafen Auersperg und Lamberg, die aufgrund ihres sozialen Status und ihrer Erfahrung als Mitglieder des Reichshofrats ausgewählt worden waren. Ihre nichtadligen Assistenten waren äußerst fähige Männer. Neben dem Westfalen Krane, der an der Eröffnung des Kongresses beteiligt war, ist als zweite Schlüsselfigur noch Dr. Volmar zu nennen. Der

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elsässische Kanzler hatte das Vertrauen des Kaisers wie auch der Erzherzogin Claudia von Tirol gewonnen. Zweifellos besaß Volmar einen unerfreulichen Charakter und setzte beispielsweise Kollegen herab, um seine eigene Karriere zu befördern. Doch kannte er sich mit der schwierigen Lage im Elsass bestens aus, und sein Rat erwies sich in den Verhandlungen mit Frankreich als unschätzbar. Die Anwesenheit des Kaisers wurde durch weitere Gesandte verstärkt, die ihn in seiner Eigenschaft als König von Böhmen und als Erzherzog von Österreich vertraten. Außerdem gab es noch eine Delegation, die für Erzherzog Leopold Wilhelm im Namen seiner acht geistlichen Territorien tätig war. Die schwächste Vertretung stellte Spanien: Hier waren nur niedere Beamte zugegen, bis Graf Peñaranda, ein Protegé von Olivares, im Juli 1645 eintraf. Seine Karriere in der Finanzverwaltung hatte ihn nur unzureichend auf eine Aufgabe vorbereitet, die durch seine mangelhafte Beherrschung des Französischen nicht eben leichter wurde. Obendrein hasste er den Aufenthalt in Münster. Fortwährend beschwerte er sich darüber, dass das nasskalte Wetter seine Gesundheit ruiniere und die Verhandlungen ihn von seiner Familie fernhielten. Sein Freund Castel Rodrigo wurde als Gouverneur der Spanischen Niederlande schon bald durch Leopold Wilhelm ersetzt, den Peñaranda mit Recht verdächtigte, eher die Interessen Österreichs als die Spaniens zu verfolgen. Als wäre dies alles nicht schon schlimm genug, lag er auch im Streit mit seinem wichtigsten Assistenten Saavedra, dem – als führendem politischen Denker Spaniens – seine untergeordnete Rolle gar nicht behagte. Wenigstens waren beide sich einig in ihrer pessimistischen Bewertung der spanischen Aussichten. Saavedra hielt sein Land für im freien Fall befindlich. Als er im Sommer 1646 in die Heimat zurückgerufen wurde, war Peñaranda noch stärker isoliert. Das wahre Problem bestand jedoch darin, dass keiner der spanischen Vertreter je wirklich in Verhandlungen eintrat, sondern lediglich die Wünsche der Regierung kundtat, die häufig genug bei ihrem postalischen Eintreffen von den militärischen Ereignissen bereits überholt waren. Auch innerhalb der schwedischen und französischen Delegationen gab es Eifersüchteleien. Oxenstierna wollte nicht besonders gern nach Deutschland zurückkehren und hatte im Oktober 1641 bereits seinen Sohn Johan zum Hauptgesandten ernannt. Johan wartete in Stralsund auf die Kongresseröffnung, die 1643 erfolgte. Anders als sein Vater war er ungehobelt und unangenehm, zudem fest entschlossen, die schwedische Machtposition zu behaupten und für die kostspielige Intervention seines Landes in Deutschland das Maximum herauszuholen. Damit – wie auch mit der Person selbst – konnte Johan Salvius nichts anfangen. Salvius, 20 Jahre älter als Oxenstierna jr., hatte Schweden im Reich vertreten, seit der Kanzler 1636 nach Stockholm zurückgekehrt war. Seine lange Erfahrung mit der Reichspolitik hatte ihn davon überzeugt, dass Frieden nur

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durch Kompromisse erreichbar sei. Er unterhielt einen privaten Briefwechsel mit Königin Christina, die ebenso dachte und in Paris diese Linie durch ihren eigenen Gesandten, Hugo Grotius, vertreten ließ. Die Divergenzen im französischen Team waren eher persönlicher denn politischer Natur. Die zwei Verhandlungsführer gehörten dem Amtsadel an, aber der Graf d’Avaux war reicher und prunkversessener und darauf bedacht, seinen Kollegen Abel Servien loszuwerden. Der genoss jedoch die volle Unterstützung des Kardinals Mazarin und war entschlossen, für Frankreich den größtmöglichen Gewinn herauszuschlagen. Dagegen war d’Avaux flexibler, wenngleich ebenso besorgt, Frankreich nicht in den Ruf geraten zu lassen, es mache den Protestanten Konzessionen. Der Herzog von Longueville wurde im Juni 1645 nach Münster geschickt, um dem Hickhack ein Ende zu bereiten und als eindrucksvolle Führungsspitze der Delegation zu fungieren. Französische wie spanische Instruktionen enthielten die identisch formulierte Zielvorgabe, „Ruhe für die Christenheit“ zu erreichen (repos de la Chrestienté beziehungsweise reposo de la Christiandad).662 Das war nicht in einem abstraktunrealistischen Sinn der friedlichen Lösung aller europäischen Konflikte gemeint. Vielmehr gedachten beide Länder all ihre eigenen Probleme mit einem Abkommen beizulegen, an das die andere Partei später fest gebunden sein sollte. Die Franzosen verstanden dies im Sinne ihrer generellen politischen Linie, wonach ihrem Land die Rolle eines europäischen Schiedsrichters zukam. Der Frieden würde ein vorteilhaftes Bündnis schmieden, das den Vertrag garantieren und Frankreich dabei unterstützen würde, ihn in der Zukunft aufrechtzuerhalten. Die Spanier hatten freilich eher die traditionelle Vorherrschaft Habsburgs im Sinn, was auch ihren Widerwillen dagegen erklärt, dass der Kaiser einen Frieden ohne sie schließen könnte. Tragischerweise schlossen sich diese Ziele gegenseitig aus. Beide Seiten waren daher dazu verurteilt, weiterzukämpfen in der Hoffnung, den für die Durchsetzung ihrer Friedensziele notwendigen militärischen Vorteil zu erringen. Ihre Ziele blieben damit eindeutig der Frühmoderne verhaftet, während dem Kongress ein zukunftweisender Trend zugrunde lag. Immer noch ging es zuallererst um die eigene Reputation, denn nur so ließ sich der Anspruch auf die Führungsposition in einer weiterhin als hierarchisch gedachten europäischen Ordnung untermauern. Sollten die Verhandlungen scheitern, wollte jede Partei der anderen die Schuld zuweisen können. Das schuf eine Atmosphäre des Misstrauens, und die rivalisierenden Delegationen waren mit dem Vorwurf schnell bei der Hand, der jeweils andere benutze die Religion als Mittel zum Zweck – der Errichtung einer universell-hegemonialen Monarchie. Spaniens Friedensangebote wurden im Juni 1643 formuliert; die Leitlinien waren bereits 1636 von Olivares für den Kölner Kongress vorbereitet worden.

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Indes spiegelten sie eine Ära vergangener spanischer Stärke, und das Gesamtziel, den Vorkriegsstatus mit Frankreich wiederherzustellen, war nach den Revolten in Katalonien und Portugal völlig unrealistisch geworden. Peñaranda war zu nicht mehr autorisiert als zur Rückgabe einiger Städte im Artois, die von den Franzosen bereits erobert worden waren, und womöglich durfte auch die Franche-Comté, die ohnehin nicht zu verteidigen war, an Frankreich zurückfallen. Allerdings galt dies alles als Mitgift für eine Heirat von Maria Theresia, der Tochter Philipps IV., mit dem noch unmündigen König Ludwig XIV., um das spanische Prestige zu wahren. Im Gegenzug sollten sich die Franzosen aus Lothringen, Italien und Katalonien zurückziehen. Jedoch war die einzige Karte, die Spanien ausspielen konnte, ein Separatfrieden mit den Niederländern, um die Kräfte auf den Gewinn des Kriegs gegen Frankreich zu fokussieren. Die kaiserlichen Instruktionen vom Juli 1643 waren absichtlich vage gehalten, um die gemeinsame Front mit Bayern und Sachsen, die Abschriften erhalten hatten, bewahren zu können. Die Gesandten des Kaisers erhielten die Anweisung, die bisherige Politik fortzusetzen und einen Kompromissfrieden mit Schweden zu schließen, um Frankreich zu isolieren. Formell sollten Schweden die nämlichen Bedingungen angeboten werden, die schon Sachsen in den Verhandlungen von 1635 vorgelegt hatte, aber insgeheim hatte der Kaiser bereits erlaubt, Pommern zu opfern. Frankreich dagegen sollten keine Konzessionen gemacht werden, weil Ferdinand alle Angelegenheiten schon durch den Friedensvertrag von Regensburg, den Richelieu 1630 zu ratifizieren versäumt hatte, geregelt sah. Zuerst mussten die internationalen Streitpunkte geklärt werden, um sie von den verfassungsmäßigen Problemen abgrenzen zu können, die Ferdinand weiterhin auf der Grundlage des Prager Friedens zu regeln hoffte. Frankreich und Schweden hatten sich bereits darauf eingestellt, indem sie öffentlich für die „teutsche Libertät“ eintraten und die Forderung erhoben, die Reichsstände als vollberechtigte Kongressteilnehmer zuzulassen. In ihren anfänglichen Angeboten vom 4. Dezember 1644 und der zweiten, detaillierteren Vorlage vom 11. Juni 1645 ließen sie ihre eigenen territorialen Forderungen mit Vorbedacht unerwähnt, um die Deutschen nicht zu verprellen. Die Franzosen machten viel Aufhebens um die Wiedereinsetzung von Philipp von Sötern, seines Zeichens Kurfürst von Trier, dessen Verhaftung in ihrer Kriegserklärung von 1635 so hervorgehoben worden war. Zudem sollte der Kaiser eine umfassende Amnestie erlassen, die auch die Böhmen mit einbezog, und die Landverteilung und religiöse Observanz von 1618 wiederherstellen. Schwerwiegende Konflikte zwischen den Herrschern von Frankreich und Schweden zwangen sie dazu, weitere Punkte aus ihren gemeinsamen Vorschlägen zu streichen. Schweden unterstützte die vollständige Wiederherstellung der

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Pfalz und die Rückkehr der Exilierten, um seinen Status als Verteidiger verfassungsmäßiger Freiheiten zu wahren. Frankreich wiederum hofierte nach wie vor Bayern und plante, Maximilian die Oberpfalz und den Anspruch auf die Pfalz zu sichern. Jeder der beiden Herrscher verlangte vom anderen, auf territoriale Ansprüche zu verzichten, um zu einem Kompromiss mit Ferdinand zu gelangen. Frankreich lehnte Zugeständnisse zum Nachteil der Reichskirche ab, während die Schweden in der Pommernfrage uneins waren: Graf Horn war strikt gegen eine Annexion, Salvius hätte sich mit der Hälfte zufrieden gegeben, während Johan Oxenstierna das gesamte Herzogtum forderte. Doch lag diesen Streitigkeiten etwas anderes zugrunde: Den beiden Verbündeten gelang es nicht, ihre so ganz unterschiedlichen Prioritäten aufeinander abzustimmen. Schweden benötigte Geld, um seine Armeen ehrenvoll auflösen und die Soldaten entlassen zu können, während Frankreich zwischen Ferdinand und Spanien einen Keil treiben musste, um der Notwendigkeit zu entrinnen, zwei Kriege zugleich führen zu müssen. Die Vorschläge waren noch nicht dafür gedacht, den Frieden herzustellen, sondern sollten der Öffentlichkeit ein freundliches Gesicht zeigen und die Verhandlungsbereitschaft des Feindes prüfen. Die Diplomatie blieb eng an die Kriegführung gebunden, die den Kongress während der nächsten fünf Jahre prägen sollte. Die erste Runde galt der Entscheidung darüber, wer an den Gesprächen teilnehmen durfte. Spanien trug gegen die Anwesenheit katalanischer und portugiesischer Delegationen Einwände vor, Frankreich wiederum weigerte sich, mit Vertretern Lothringens zu sprechen, Schweden wies dänische Ansprüche auf Vermittlung zurück, und der Kaiser wehrte sich gegen die Teilnahme der Stände. Diese strittigen Punkte wurden durch die Feldzüge von 1644/45 gelöst, was zur Eröffnung der zweiten Runde führte. Nun ging es um die Reichsverfassung und die von Frankreich und Schweden vorgebrachten Territorial- und Entschädigungsforderungen. Diese Themen machten den Großteil der gesamten Friedensregelungen aus und wurden während der Jahre 1646/47 in einer Reihe von zweiseitigen Abkommen entschieden. Der Fortschritt wurde durch fortwährende Befürchtungen und Bedenken gebremst, denn alle Regelungen blieben provisorisch und konnten einseitig aufgehoben werden, wenn eine Partei durch das Schlachtenglück begünstigt wurde. Der Kongress glich einer Baustelle, auf der verschiedene Teams streitlustig miteinander konkurrierten, indem die einen von Zeit zu Zeit das abrissen, was andere gerade aufbauten. Die letzte Runde betraf den Kampf um die Überführung dieser provisorischen Abkommen in einen gemeinsamen, endgültigen Vertrag und die Entscheidung darüber, ob bisherige Teilnehmer der Verhandlungen 1648 vom Frieden ausgeschlossen sein würden.

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Frankreich in Deutschland (1644) Zu Beginn des Jahres 1644 sah die Lage für Kaiser Ferdinand vielversprechend aus. Durch Schwedens Entschluss, Dänemark Ende 1643 anzugreifen, waren die habsburgischen Erblande keiner Bedrohung mehr ausgesetzt. Die dort stationierten Streitkräfte wurden auf 11 000 Mann unter dem Kommando des rehabilitierten Feldmarschalls Götzen reduziert, sodass Ferdinand 21 500 Soldaten unter Gallas zusammenziehen konnte, die nun elbabwärts marschierten, um den Dänen zu helfen. Durch ihren Erfolg bei Tuttlingen im vorangegangenen Jahr waren Mercys Bayern in Hochstimmung und zählten nun 19 640 Mann – zweimal so viel wie die französische Armee in Deutschland, obwohl Mazarin zwei Millionen Livre ausgegeben hatte, um sie im Winter neu aufzubauen. Zum ersten Mal seit 1637 hatten der Kaiser und seine Verbündeten schon zu Jahresbeginn eine Armee, die groß genug war für eine Offensive am Oberrhein. General Turenne war zurückgerufen worden, um im Elsass das Kommando zu übernehmen, aber seine Streitkräfte waren zu schwach, um Mazarins Erwartung, es könnten Ländereien jenseits des Schwarzwalds erobert werden, zu erfüllen. Stattdessen griff Mercy an und gewann am 10. Mai Überlingen zurück, womit der letzte französische Gewinn von 1643 dahin war. Nachdem er am Hohentwiel zurückgeschlagen worden war, ließ Mercy 1000 Mann zurück, die die Garnison von Widerholt blockieren sollten, und durchquerte dann den Schwarzwald, um die im Verlauf des Feldzugs von 1638 verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Turenne war nun gezwungen, seinen Vormarsch durch die Ortschaften im Schwarzwald abzubrechen und ins Elsass zurückzukehren, um anschließend zur Rettung von Breisach erneut den Rhein zu überschreiten. Herzog Karl brach eine weitere seiner periodisch stattfindenden Unterhandlungen ab und unternahm neue Beutezüge in Lothringen. Mazarin musste d’Enghien aus der Champagne abziehen, damit er die Lage am Rhein wieder in den Griff bekam. Obwohl d’Enghien mit seinen Leuten 33 Kilometer am Tag zurücklegte, kam er zu spät: Freiburg hatte sich nach längerem Beschuss am 29. Juli den Bayern ergeben. D’Enghien kam mit Elitetruppen in einer Stärke von 4000 Mann Kavallerie und 6000 Mann Infanterie. Somit betrug die geballte Stärke der Franzosen bei Krozingen (südwestlich von Freiburg) 9000 Reiter, 11 000 Fußsoldaten und 37 Kanonen. In seiner kämpferischen Art schlug d’Enghien einen sofortigen Angriff vor, um Mercy über die Berge zurückzutreiben. Bei einem Kriegsrat am 3. August wies Turenne jedoch auf die Stärke der feindlichen Positionen hin. Freiburg lag nahe dem westlichen Ende eines tiefen Tals, das sich weiter östlich in den Bergen zu einem Pass verengte, über den man nach Tuttlingen und an

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den Oberlauf der Donau gelangte. Der Taleingang wurde zum Süden hin vom steilen, bewaldeten Schönberg und zum Norden hin vom dichten Mooswald flankiert. Ein waldnaher Fluss erschwerte den Zugang noch mehr, und die andere Seite wurde durch zwei von Mercy auf dem Bohlberg errichtete Schanzen blockiert. Der Bohlberg war als niederer Abhang Teil des Schönbergs oberhalb des Dorfes Ebringen. Beide wurden von einer weiteren Schanze, der größeren Sternschanze, überragt, während dahinter eine kleinere Schanze an der Wolfgangskapelle eine dritte Barriere bildete. Diese Positionen wurden von fünf kampferfahrenen bayerischen Infanterieregimentern unter Johann von Reuschenberg (ehemals Kommandant der Festung Wolfenbüttel) gehalten. Das übrige Heer befand sich weiter nördlich auf der anderen Seite des Flusses hinter einer weiteren Reihe von Verschanzungen zwischen Wendlingen und Haslach, 340 Mann waren in Freiburg selbst postiert. Der übliche Schwund während einer Kampagne hatte Mercys Streitkräfte verringert, doch verfügte er immer noch über 8200 Mann Kavallerie, 8600 Mann Infanterie und 20 Kanonen.663 Turenne und Rosen wollten nordwärts am Rhein entlang marschieren, um den Schwarzwald durch das Glottertal bei Denzingen oberhalb von Freiburg zu durchqueren. Auf diese Weise könnten sie Mercys Verbindungswege nach Württemberg gefährden und ihn so zum Rückzug zwingen. Derartige Manöver sollten ab dem späteren 17. Jahrhundert üblich werden, aber damals bestand d’Enghien auf einem Frontalangriff. Immerhin entschloss er sich, Turennes Heer über den Bannsteinpass zu schicken, der den Schönberg nach Osten hin vom Schwarzwald trennte und zu einem engen Tal bei Merzhausen hinter Mercys Hauptstellung führte. Obwohl der Weg von Krozingen zum Bannsteinpass lang war, entschloss sich d’Enghien zum Angriff noch am selben Tag. Beide Angriffe sollten um fünf Uhr nachmittags stattfinden, sodass nur noch drei Stunden Tageslicht übrig blieben, um die Attacke erfolgreich vorzutragen. D’Enghien synchronisierte zwei Uhren, deren eine Turenne erhielt. D’Enghien begann pünktlich mit dem Angriff, indem er drei Infanteriebrigaden von Ebringen aus zum Angriff auf die Schanzen am Bohlberg schickte. Die Franzosen erlitten schreckliche Verluste, als sie sich unter schwerem Beschuss über zugespitzte Äste und andere Hindernisse, die ihren Vormarsch verlangsamen sollten, vorankämpften. Die aufeinander folgenden Angriffe der ersten beiden Brigaden wurden zurückgeschlagen. Die dritte Attacke führte d’Enghien selbst an, wobei eine Schar von Musketieren ihm Feuerschutz gewährte. Mit solch rücksichtsloser Tapferkeit zeigte d’Enghien sich von seiner besten Seite. Angeblich soll er den Marschallstab in die erste Schanze geworfen und seine Leute aufgefordert haben, ihn wiederzuholen. Seine Anwesenheit motivierte einige Soldaten der ersten zwei Brigaden, sich dem Angriff erneut anzuschließen.

1 Sternschanze 2 Bohlberg

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Ebringen

D'Enghien 3. August

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französische Artillerie

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Freiburg (1644)

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Die ermüdeten Verteidiger hatten bei der Abwehr der ersten Angriffe ihre Munition praktisch verschossen und flohen, als in ihrem Rücken einige Franzosen auftauchten, die sich den Weg durch den Wald gebahnt hatten. D’Enghiens Verluste betrugen 1200 Mann – ein Drittel seiner Streitkräfte – und lagen doppelt so hoch wie die der Bayern. Mittlerweile war es dunkel geworden, heftiger Regen hatte eingesetzt und die Hauptverteidigungsanlagen der Bayern mussten noch erstürmt werden. Turenne hatte seinen Angriff eine Dreiviertelstunde eher begonnen und 1000 Musketiere zum Bannsteinpass geschickt. Dort hatte Mercy jedoch vorgesorgt und das Tal mit fünf Verschanzungslinien blockiert. Ein Vorposten hoch oben auf dem Schönberg hatte Turennes Anmarsch signalisiert, wodurch es Mercy gelang, aus seinem Heer vier Infanterieregimenter zu der bereits am Pass befindlichen Einheit zu entsenden. Sie kamen gerade rechtzeitig, um Turennes Vorhut zurückzuschlagen. Turenne erneuerte den Angriff, aber die Enge des Tals hinderte ihn daran, seine numerische Überlegenheit auszuspielen. Um vier Uhr morgens brach er die Kampfhandlungen ab. Er hatte 1600 Mann verloren, viermal so viel wie der Feind. Die alte bernhardinische Infanterie, die schon bei Tuttlingen hohe Verluste erlitten hatte, war nun praktisch nicht mehr existent. Ungeachtet dessen wusste Mercy, dass er von seiner Verstärkung abgeschnitten sein würde, wenn ein weiterer Angriff der Franzosen den Durchbruch schaffte. So ordnete er den allgemeinen Rückzug zum Kamm des Schlierbergs talaufwärts bei Freiburg an.664 Auch am nächsten Tag regnete es, sodass sich der Talboden in Schlamm verwandelte. Die Franzosen besetzten Merzhausen und Mercys ehemaliges Lager in Uffhausen, waren indes danach zu erschöpft, um mehr zu erreichen, und überließen so den Bayern den ganzen Tag zur Befestigung ihrer neuen Positionen. Am Nordende wurde eine große Schanze für zehn Kanonen errichtet, sieben weitere platzierten die Bayern am südlichen, höher gelegenen Ende namens Wonnhalde. Eine dritte, weniger umfangreiche Geschützbatterie wurde auf dem Sattel zwischen den beiden Bergspitzen aufgebaut. Die linke, südliche Batterie ließ sich nicht drehen, weil zwischen der Wonnhalde und dem Sporn des Schwarzwalds, der vom Bannsteinpass in nördliche Richtung verlief, praktisch kein Platz mehr war. Mercy massierte also seine Kavallerie zur Rechten zwischen dem Schlierberg und der Dreisam, die durch Freiburg floss. Wollten die Franzosen den Kampf von Neuem beginnen, mussten sie einen weiteren Frontalangriff wagen. Der Morgen des 5. August war klar und sonnig. Die Franzosen brachten sich in Position. D’Enghien befahl Turenne, den Hauptangriff von Merzhausen aus gegen die Wonnhalde zu führen, da bei deren Fall die Bayern sämtliche Positio-

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nen räumen müssten. Turennes Vormarsch würde durch die Lärchen des Becherwalds geschützt, wo zudem nur wenig Unterholz das Vorankommen behinderte. D’Enghien würde einen Ablenkungsangriff gegen die restlichen auf dem Bergrücken versammelten Truppen unternehmen, um Mercy daran zu hindern, den linken Flügel stark zu machen. Der Plan wurde jedoch durch eine mangelhafte Ausführung vereitelt. Beide Generäle ritten davon, um einen Bericht über einen bayerischen Rückzug zu prüfen, und konnten mithin den Befehlshaber ihres linken Flügels nicht davon abhalten, irrtümlich einen Frontalangriff zu beginnen. Kanonendonner ertönte, woraufhin Turennes Untergebene ebenfalls zum Angriff übergingen. Nun stürzte sich d’Enghien erneut ins Kampfgetümmel, versammelte die bereits von der Wonnhalde zurückgeschlagene Infanterie um sich und startete weitere, gleichfalls fruchtlose Angriffe. Am Nachmittag hatte er den überwiegenden Teil von Turennes Armee geopfert, ohne nennenswerte Wirkung zu erzielen. Er ritt jetzt nach Norden, zu seinem Heer auf dem linken Flügel, das bereits am Morgen zurückgeschlagen worden war. D’Enghien schickte die Infanterie wieder an die Front. Der Abhang war hier nicht so steil, doch machte der Aufstieg zwischen den Rebstöcken der Weingärten viel Mühe, zumal von oben die bayerischen Geschütze und Musketiere unablässig feuerten. Drei Angriffe wurden abgewehrt, sodass d’Enghien seinen Reitern befahl abzusitzen und sich der Infanterie anzuschließen. Da die Bayern müde wurden, führte Mercys Bruder Kaspar die Kavallerie um das Nordende der Bergkette herum, um durch einen Gegenangriff den französischen Vormarsch zu stoppen. Als sich die Franzosen um fünf Uhr nachmittags zurückzogen, war der Himmel dunkel von Pulverdampf. Sie hatten weitere 4000 Gefallene und Verwundete zu beklagen. D’Enghien soll, wenig mitfühlend, ausgerufen haben: „Eine einzige Nacht in Paris gibt mehr Menschen das Leben als diese Aktion getötet hat.“665 Bei den Bayern gab es 1100 Opfer, in der Mehrzahl Verwundete, aber Kaspar war bei seinem Angriff getötet worden, was Mercy ganz offenkundig in tiefe Verzweiflung stürzte.666 Gewiss war er pessimistisch und davon überzeugt, einem übermächtigen Feind gegenüberzustehen. Zudem war das Heer erschöpft und die Pferde aufgrund von Futtermangel geschwächt. D’Enghien hatte tatsächlich für über 5000 Mann Verstärkung gesorgt, die aus allen nahe gelegenen Garnisonen zusammengezogen waren. Jedoch sah selbst er die Notwendigkeit ein, auf den Rat seiner Untergebenen zu hören, und so brach er vier Tage später auf, um Mercys Position in einem Marsch durch das Glottertal zu umgehen. Mercy witterte allerdings die Gefahr und begab sich eilends zum Peterstal, das am Kloster St. Peter von der Glotter durchschnitten wird. Am Abend konnte seine Kavallerie das Kloster beschützen, und das übrige Heer traf in der Morgendämmerung des nächsten Tages ein, gerade als General Rosen mit

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der bernhardinischen Kavallerie auftauchte. Die bayerische Infanterie setzte Rosens Angriff mit einer gezielten Salve ein Ende, und die Kavallerie jagte ihn glotteraufwärts zurück. Dennoch waren die Bayern demoralisiert, weil sie sich nach so hartem Kampf zurückziehen mussten. Die Pferde der Kavallerie waren aufgrund der ständigen Alarmbereitschaft acht Tage lang gesattelt geblieben. Zu Rosens Unterstützung traf nun die gesamte französische Armee ein, und Rosen fiel das Verdienst zu, Mercys überstürzten Rückzug nach Villingen bewirkt zu haben. Die Franzosen plünderten das zurückgelassene Gepäck, brannten das Kloster St. Peter nieder und machten sich auf den Rückweg durch den Schwarzwald. Freiburg sah die längste und eine der härtesten Schlachten des Kriegs. Schlimm genug war der Schaden, den die bayerische Armee erleiden musste, doch ihre wahre Bedeutung erhielten die Ereignisse erst durch den unerwarteten Zusammenbruch der kaiserlichen Position am Mittelrhein. Turenne überredete d’Enghien dazu, keine Zeit mit der Einnahme von Freiburg zu verschwenden, sondern nach Norden in die praktisch unverteidigte Rheinpfalz vorzustoßen. Die Franzosen überrannten Baden, dann die Bistümer Speyer und Worms und eroberten nach dreiwöchiger Belagerung am 12. September Philippsburg. Die Stadt, die sich seit Januar 1635 in kaiserlicher Hand befand, wurde nur von 250 Mann verteidigt. Zudem hatte trockenes Wetter die schützenden Sümpfe ausgetrocknet. Auf den Verlust von Philippsburg folgte der Fall von Mainz, das sich fünf Tage später bedingungslos ergab, weil die Domherren eine Belagerung vermeiden wollten. Außerdem war eine Besetzung durch die katholischen Franzosen eine ganz andere Sache als die vormalige Präsenz der protestantischen Schweden. Die Franzosen richteten auf Kosten der Mainzer Bürger eine mit 500 Mann besetzte Garnison ein, überließen die Verwaltung des Kurfürstentums aber bis zum Ende ihrer Besatzung 1650 den Domherren. Die rasche Kapitulation der Stadt durchkreuzte Mercys Gegenmaßnahmen, da seine zur Verstärkung entsandten Truppen die Franzosen bereits als Herren von Mainz vorfanden. Immerhin gewann er Anfang Oktober Pforzheim und Mannheim zurück. Die Mannheimer Verteidigungsanlagen ließ er schleifen, um den Franzosen keine Gelegenheit zu geben, die Stadt als Stützpunkt zu nutzen. General Gallas’ Niederlage hinderte ihn daran, noch mehr zu tun, und so zog er sich zurück, um in Franken, Württemberg und am Bodensee zu überwintern. Mercys taktischer Sieg in Freiburg war durch die nachfolgenden strategischen Erfolge der Franzosen vollständig ins Gegenteil verkehrt worden. Mit Philippsburg, Speyer und Mainz besaß Frankreich endlich eine nutzbare Route nach Deutschland, mit der man den Schwarzwald vermeiden konnte. Der Krieg verlagerte sich vom Rheinland nach Schwaben und Franken, womit Herzog Karls

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Schicksal besiegelt war. Der Kaiser, Bayern und Spanien waren allesamt zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um ihm beistehen zu können. Die Franzosen eroberten 1645 La Mothe und ein Jahr später Longwy, womit seine letzten lothringischen Bastionen fielen und er zum Flüchtling in den Niederlanden wurde. Westfalen Auch Köln war im Wesentlichen auf sich selbst gestellt. 1641 war deutlich geworden, dass der Frieden Konzessionen an die protestantischen Fürsten zulasten geistlicher Territorien mit sich bringen würde. Obwohl Ferdinand von Bayern als Kurfürst und Erzbischof von Köln kein dynastischer Herrscher war, nahm er seine Verantwortung gegenüber der kaiserlichen Kirche sehr ernst. Der Friedensvertrag von Goslar hatte Hildesheim zurückgeholt und durch die Neutralisierung der Welfen die Zahl seiner unmittelbaren Feinde verringert. Mit Beginn des Westfälischen Friedenskongresses wurde die Neutralität auf Münster und Osnabrück ausgedehnt; Osnabrück war nun kein schwedischer Stützpunkt mehr. Der Kurfürst erweiterte dieses Spektrum, indem er sich im Dezember 1643 bereit erklärte, Schweden monatlich 5500 Taler zu zahlen, damit die Schweden Hildesheim als neutral anerkannten. Durch diese Schachzüge wurde Hessen-Kassel isoliert. Amalie Elisabeth hatte kein Interesse daran, die weiter gesteckten Ziele Frankreichs zu unterstützen, und rief Ebersteins Truppen aus Guébriants Armee zurück, als dieser 1642 an den Oberrhein zurückkehrte. Sie hielt 4000 Mann angriffsbereit, um sie gegen die Konkurrenz aus Hessen-Darmstadt einzusetzen, als sie von der französischen Niederlage bei Tuttlingen erfuhr. Allerdings mussten Einheiten 1644 nach Ostfriesland umdirigiert werden, denn es galt eine Kraftprobe mit dem dortigen Grafen auszufechten, der seine eigenen Truppen versammelte, um die hessische Garnison abzustoßen. Die verbleibenden Streitkräfte waren zu schwach, als dass man in diesem Jahr noch hätte etwas unternehmen können. Offenbar waren die Hessen nicht in der Lage, an mehreren Fronten zugleich zu agieren. Nun sah Ferdinand von Köln die Möglichkeit gekommen, sie ohne Weiteres loszuwerden. Er rief die Nachbarn von Köln zusammen, damit sie ihre schwindenden Ressourcen in einen Topf warfen und eine gemeinsame Armee unter der kollektiven Führung des Westfälischen Kreises auf die Beine stellten. Damit wären sie von den kaiserlichen Truppen, die allzu oft im unpassenden Moment herbeigerufen wurden, unabhängig. Die Armee würde die Hessen vertreiben und dann die Neutralität gegen jedermann verteidigen. Brandenburg verweigerte die Zusammenarbeit und zog es vor, die eigenen Garnisonen in Cleve und Mark zu verstärken. Auch Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg hatte Bedenken: Er fürchtete, der Plan würde fehlschlagen, und ließ sich im Sommer 1643 auf Verhandlungen mit Frankreich ein. Dabei ging er fälschlicherweise davon

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aus, dass Kardinal Mazarin als Gegenleistung dafür, dass er – Wolfgang Wilhelm – Frankreich geholfen hatte, Ferdinand von Kölns Absichten zu durchkreuzen, die Hessen in die Schranken weisen würde. Die anderen westfälischen Herrscher kamen im Juni 1644 überein, die Kriegssteuern direkt der neuen Armee zukommen zu lassen. Da der Kurfürst nicht mehr daran glaubte, dass Hatzfeldt seine Beutezüge einstellen würde, ernannte er Geleen zum Befehlshaber, einen aufrechten Lütticher, der seit 1618 im Dienst der Katholischen Liga gestanden und dort Karriere gemacht hatte. Obwohl viele kleinere Territorien schon bald mit den Zahlungen in Rückstand gerieten, umfasste die Armee 15 000 Mann, nur 4000 weniger als geplant. Auch verfügte Ferdinand über zusätzliche Garnisonen in Lüttich und Köln unter dem Kommando von Velen, der 1646 durch Otto Christoph von Sparr ersetzt wurde.667 Köln übernahm praktisch die Rolle des Kaisers, indem es Spanien bei der Verteidigung der Moselregion unterstützte. Die Brüsseler Regierung erklärte sich im Dezember 1644 bereit, 260 000 Taler zu zahlen, damit 7000 Soldaten für den kommenden Feldzug aufgestellt werden konnten. Sie wurden dem Kommando von Lamboy unterstellt, der selbst das Lösegeld bezahlt hatte, um nach Kempen französischer Gefangenschaft zu entgehen. Der Kaiser akzeptierte die Regelung als einzige Möglichkeit, den Niederrhein zu verteidigen. Die vergrößerte westfälische Armee sollte dann auch ihren Wert erweisen, als der Krieg Anfang 1646 in die Region zurückkehrte (siehe Kapitel 20).

Der Ostseeraum wird schwedisch (1643–45) Anfang Oktober 1643 erhielt Torstensson einen auf den 5. Juni datierten Brief von Oxenstierna, der ihn anwies, Vorbereitungen für einen Krieg gegen Dänemark zu treffen. Der General zögerte, weil er befürchtete, seine kürzlich erworbenen Territorialgewinne in Böhmen und Schlesien zu verlieren, wenn er gen Norden marschierte. Schließlich sicherte er seine Garnisonen, indem er die stärker gefährdeten Außenposten räumte, kündigte dann an, er sei auf dem Weg nach Pommern, und machte sich am 13. November von Oberschlesien aus auf den Weg, der ihn zunächst durch Brandenburg führte. Der augenscheinlich plötzliche Wechsel in der schwedischen Strategie war in Wirklichkeit seit Langem geplant gewesen. Oxenstierna hatte bemerkt, wie schnell Dänemark sich seit 1629 erholt hatte. Die vom dänischen Adelsrat 1628 verfügte rigide Steuerpolitik griff zwar sehr zum Unwillen von König Christian IV. in dessen Vorrechte ein, doch konnten die Kriegsschulden schnell beseitigt werden und es gelang, unterstützt durch die zwei Millionen Reichstaler, die

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Christian von seiner Mutter geerbt hatte, die königliche Zahlungsfähigkeit 1631 wiederherzustellen. Neue Steuern erlaubten den Wiederaufbau der Armee, deren Kern aus einer wehrpflichtigen Miliz bestand, die 1641 – nun in doppelter Stärke – 16 000 dänische und 6500 norwegische Infanteristen sowie 2000 Mann Kavallerie umfasste. Ein Verteidigungspakt mit dem Herzog von HolsteinGottorf beförderte den Ausbau der regulären Armee, die 1642 eine Stärke von 11 000 Soldaten aufwies, während die Marine bei insgesamt 20 000 Tonnen 35 große Kriegsschiffe zählte. Diese Vorbereitungen verstärkten Dänemarks Verteidigungsbereitschaft. Sie waren nicht für die Offensive gedacht und insofern keine direkte Bedrohung für Schweden. Sorgen bereiteten Oxenstierna indes Christians hartnäckige Versuche, sich in den Krieg um das Reich als Vermittler einzuschalten. Eine das Reich begünstigende Vermittlung hatte im Prager Frieden bereits dazu geführt, Bremen und Verden für Christians Sohn Friedrich zu sichern. Obwohl der dänische Einfluss sich danach allgemein abschwächte, konnte Christian von Kaiser Ferdinands Schwierigkeiten profitieren und eine größere Rolle spielen, wobei er vor allem nach 1638 die norddeutsche Neutralität förderte (siehe dazu Kapitel 17). Die in Köln ins Stocken geratenen Friedensgespräche wurden 1641 nach Hamburg verlegt, in die unmittelbare Nähe seiner Einflusssphäre. Der Hamburger Präliminarfrieden wurde unterzeichnet, als Christian in dem nur zehn Kilometer entfernten Fuhlsbüttel 10 000 Soldaten zusammengezogen hatte. Mit der Eröffnung des Westfälischen Kongresses schien es Schweden dringend geboten, Christian daran zu hindern, sich als Vermittler zu präsentieren. Oxenstiernas Befürchtungen waren nicht aus der Luft gegriffen, hatte die dänische Delegation doch Anweisung erhalten, Schweden zur Auflösung seiner deutschen Armee zu verpflichten und das Königreich daran zu hindern, sich baltisches Territorium inklusive Pommern anzueignen. Ein Angriff auf Dänemark würde solche Bestrebungen unterbinden und zudem Oxenstiernas Kritiker zum Schweigen bringen, die ihn beschuldigten, er würde Schwedens „wahre“ Interessen im Baltikum vernachlässigen.668 Ende Mai 1643 gelang es dem Kanzler in einer siebentägigen Debatte, an der zum ersten Mal auch die 17-jährige Königin Christina teilnahm, seine Kollegen im Reichsrat dazu zu bewegen, einem Krieg gegen Dänemark zuzustimmen. Als Grund wurde die nationale Empörung über Christians zweieinhalbprozentige Erhöhung der Sundzölle Ende der 1630er-Jahre angegeben. Dänische Kriegsschiffe hatten zeitweise die Elbe blockiert und damit begonnen, Zölle für Schiffe einzufordern, die aus den unter schwedischer Kontrolle stehenden pommerschen Häfen kamen. Diese Beschwerden wurden in einem Brief vorgetragen, dessen Formulierungen sorgfältig genug gewählt waren, um nicht den Verdacht

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zu erregen, Schweden plane einen Krieg – die jedoch später angeführt werden konnten, um Oxenstiernas Präventivschlag zu rechtfertigen. Außerdem stellte der Streit über die Zölle den idealen Moment für einen solchen Angriff dar, weil die Holländer über die Erhöhung ebenfalls erzürnt waren. Auch Christians Verbot, Waffenexporte durch den Sund zu verschiffen, war dazu angetan, die einflussreichen niederländischen Kaufleute zu verärgern, allen voran Louis de Geer, der den größten Teil des Waffen- und Eisenerzhandels mit dem Ostseeraum kontrollierte.669 Da es Dänemark nicht gelang, mit Polen, Russland oder England Abkommen zu schließen, nahm seine Isolation zu. Schweden war jetzt besser vorbereitet als im Krieg mit den Dänen von 1611 bis 1613. Trotz der Verluste im Krieg um das Reich verfügte Schweden noch über 90 000 Soldaten, von denen 50 000 Deutsche waren. Im Gegensatz zu den Dänen waren die schwedischen Truppen durch zwei Jahrzehnte Einsatz auf dem Kontinent kampferfahren. Zudem besaß Schweden, was Wallenstein in den 1620er-Jahren gefehlt hatte: militärische Überlegenheit zur See. Seit 1640 war der Ausbau der Kriegsflotte beschleunigt worden, sodass 1645 35 000 Tonnen mehr zur Verfügung standen. Dazu gehörten 58 Kriegsschiffe, ferner Galeeren für den Angriff auf Küstenregionen, bemannt mit 6152 Matrosen und 3256 Marinesoldaten. Um ganz sicherzugehen, beauftragte Oxenstierna De Geer, in den Niederlanden eine mit Söldnern bemannte Flotte auszurüsten. Sie umfasste 32 Schiffe mit einer Besatzung von 3000 Matrosen der Handelsmarine unter Maarten Thijsen, einem erfahrenen Marineoffizier.670 Schwedens Überraschungsangriff Der Sundzoll war das beherrschende Thema im schwedischen Riksdag, der schließlich den Krieg am 26. November genehmigte. Zu diesem Zeitpunkt war Torstensson schon unterwegs und erreichte Havelberg am 16. Dezember. Erst dort setzte er seine 16 000 Mannen davon in Kenntnis, wohin es eigentlich ging. Viele waren dagegen, weil sie sich nicht zu einem Kampf außerhalb des Reichs verpflichtet hatten, und fragten kritisch, wie denn der Krieg gegen Dänemark mit Schwedens erklärtem Ziel, für „teutsche Libertät“ zu kämpfen, vereinbar sei. Oxenstierna beruhigte sie mit der Aussicht auf ein Winterlager in Jütland, einer Region, die seit 1629 kein Kriegsgeschehen mehr erlebt hatte. Am 22. Dezember überquerte die Armee ohne formelle Kriegserklärung die Grenze nach Holstein, als suche sie lediglich ein Winterquartier. Die überraschten Dänen schickten einen Herold zu Torstensson, der nachfragen sollte, was das alles zu bedeuten habe, während Protestnoten nach Stockholm gingen. Oxenstierna zögerte die Übermittlung der förmlichen Kriegserklärung bis zum 28. Januar 1644 hinaus, um Torstensson die Möglichkeit zu geben, Dänemarks Verwirrung weiter auszunutzen. Unterdessen erstürmten

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schwedische Truppen die Festung Christianpreis, die dem Schutz von Kiel diente. Die 60 Verteidiger wurden massakriert und die Festung wurde in Christinapreis umbenannt. Die brutale Vorgehensweise demoralisierte die Besatzungen der anderen Garnisonen in Holstein. Sie ergaben sich und machten so für Torstensson den Weg nach Jütland frei. Herzog Friedrich III. von Holstein-Gottorf kündigte seinen Verteidigungspakt auf und zahlte als Gegenleistung für eine Neutralitätsgarantie Torstensson beträchtliche Summen.671 Da die Reichen noch von Wallensteins Feldzug in der Region wussten, was sie zu erwarten hatten, flohen sie nach Hamburg oder auf die dänischen Inseln. Der offizielle Widerstand brach schnell zusammen, doch gab es, wie schon gegen die kaiserlichen Armeen, einen bäuerlichen Widerstandskampf. Auch hatten die Dänen noch 10 000 Soldaten in Glückstadt und, südwestlich davon, im Erzbistum Bremen. Der zweite Teil von Oxenstiernas Plan stieß auf erhebliche Schwierigkeiten. Der im Ruhestand befindliche General Horn war reaktiviert worden und sollte mit 10 600 Wehrpflichtigen Schonen, den von Dänemark gehaltenen Südteil Schwedens, besetzen. Er eroberte Helsingborg im Februar 1644 und blockierte Malmö, während eine kleinere Streitkraft die damals norwegische Provinz Jämtland okkupierte. Die einheimische Bevölkerung war schon von Berichten über das schwedische Verhalten in Deutschland in Angst und Schrecken versetzt worden und floh. Doch der Gouverneur von Schonen mobilisierte 8000 Milizionäre, warf sich Horns Vormarsch entgegen und führte, Vergeltung übend, Überfälle auf schwedisches Gebiet aus. Dann blockierten die Norweger Göteborg auf der Landseite, während ein dänisches Geschwader unter Christian IV. vor dem Hafen kreuzte. Die Schweden saßen fest, bis ihre Flotte die Herrschaft über das Meer zurückerlangen würde. Nun segelte Christian mit neun Schiffen von Göteborg nach Süden, um Thijssens Hilfsflotte aufzuhalten. Am Lister Tief zwischen Sylt und Rømø vor der Südwestküste Jütlands trafen die Kriegsparteien am 26. Mai aufeinander. Obwohl zahlenmäßig weit unterlegen, waren die dänischen Schiffe für den Krieg ausgerüstet. Sie verfügten über 36-Pfünder, die damit doppelt so groß waren wie die größten Kanonen der Niederländer. Thijssens Flotte wurde schwer beschossen und sah sich gezwungen, Zuflucht im Lister Tief zu suchen. Torstensson bestand auf einem weiteren Angriff, der nicht besser verlief. Da Thijssens Mannschaften meuterten, musste die Heimfahrt angetreten werden. Die Niederlage bewirkte, dass sich die öffentliche Meinung in den Niederlanden gegen die Schweden kehrte, und De Geer, einer der führenden Unterstützer des Bündnisses, traute sich eine Zeitlang nicht aus dem Haus. Christian ließ ein Geschwader zurück, das die Blockade von Göteborg fortsetzen sollte, und segelte durch den Sund in die Ostsee, um sich seiner Haupt-

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streitmacht unter Admiral Mundt anzuschließen, die den Kampf gegen die schwedische Ostseeflotte führte. Mundts Gegner, Admiral Fleming, war mit 41 Schiffen in Kiel eingetroffen und hatte Torstensson unterstützt, indem er – als ersten Schritt zur Eroberung der dänischen Inseln – Fehmarn besetzte. Christians Ankunft ermöglichte der dänischen Flotte am 11. Juli den Angriff. Sie erwischte Fleming auf der sogenannten Kolberger Heide, einem Meeresgebiet am östlichen Ende der Kieler Bucht. Keine Seite unternahm Enterversuche, sondern man beschränkte sich auf Geschützfeuer auf Distanz. Christian verlor ein Ohr und sein rechtes Auge durch umherfliegende Holzsplitter, weigerte sich aber, den Kampf abzubrechen, der bis zum Einbruch der Nacht fortdauerte. Es gab kaum Tote und Verwundete, doch Fleming zog es vor, sich in die Bucht zurückzuziehen, wo ihn die Dänen in der Falle hatten. Der Kaiser interveniert Die Misserfolge der schwedischen Flotte demonstrierten, welches Risiko Oxenstierna einging, indem er einen neuen Krieg begann, ohne sich zuerst von den Konflikten im Reich zu lösen. Ferdinand III. ließ sich von einem erneuten Gesprächsangebot nicht täuschen, das allzu offensichtlich darauf angelegt war, ihn von einer möglichen Hilfe für Dänemark abzubringen. Seit 1629 hatte es herzliche Beziehungen zu Christian gegeben, ohne dass Ferdinand II. viel getan hätte, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gegen Schweden zu nutzen. Sein Sohn dagegen war entschlossen, den Dänen sogar ohne formelles Bündnisabkommen zu helfen.672 Gallas begab sich elbabwärts und schwenkte dann nördlich auf holsteinisches Gebiet, das er im Juli 1644 mit 18 000 Soldaten erreichte, um Torstensson in Jütland und Fleming in der Kieler Bucht zum Kampf zu stellen. Ungünstige Winde verhinderten Flemings Flucht. Die Dänen schafften Kanonen an Land und beschossen die festsitzenden schwedischen Schiffe. Durch einen Schuss verlor Fleming am 4. August sein rechtes Bein. Auf Torstenssons Empfehlung hin übernahm General Carl Gustav Wrangel das Kommando und richtete die Besatzungen wieder auf. Der Wind drehte, und mit gelöschten Lichtern glitten sie in der Nacht des 12. August an der dänischen Flotte vorbei. Als Gallas am nächsten Morgen das Ufer der Bucht erreichte, sah er ihre Segel gerade noch am Horizont verschwinden. Während Gallas also Torstensson beschäftigt hielt, verschiffte Christian im September einen Teil seiner Armee von den dänischen Inseln nach Malmö, um die Stadt zu entsetzen und Horn aus Schonen zu vertreiben. Ein norwegischer Gegenangriff hatte im August bereits Jämtland zurückerobert. Oxenstiernas Strategie schien nicht aufzugehen. Sein neuer Krieg belastete die Beziehungen zu Frankreich just im Augenblick der Eröffnung des Westfälischen Kongresses. Es musste dringend ein Erfolg her, und Wrangel brachte ihn zustande. Der

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Hauptteil der schwedischen Flotte war wieder instand gesetzt worden und hatte sich dem Geschwader von Thijssen angeschlossen, der mit 21 Schiffen der Hilfsflotte im August zurückgekommen war und sich durch den Sund geschlichen hatte. Nun verfügte die schwedische Streitmacht über 37 Schiffe und segelte an der mecklenburgischen Küste westwärts bis nach Kiel, wo sie am 23. Oktober auf Admiral Mundt traf. Die Dänen hatten in diesem Jahr keine weiteren Aktivitäten zur See erwartet und schon die halbe Flotte zur Überwinterung auf Kiel gelegt, sodass Mundt nur 17 unvollständig bemannte Schiffe zur Verfügung standen, von denen einige befehlswidrig kurz nach Beginn der Schlacht zu entkommen suchten. Mundt wurde getötet, als die Schweden sein Flaggschiff enterten; die anderen Schiffe gingen in Flammen auf. 1000 Mann gerieten in Gefangenschaft und nur drei Schiffe entkamen. Durch diese katastrophale Niederlage war Christian gezwungen, seine Pläne zur Invasion Schwedens aufzugeben. Er erwog sogar, Island und Schonen zu verpfänden, um über Notkredite an Geld zu kommen. Die Situation verschlimmerte sich mit der allmählichen Vernichtung der kaiserlichen Armee durch Scharmützel, Hunger und Desertion. Gallas hatte Kiel und Rendsburg erobert, wurde dann aber durch Torstensson ausmanövriert, der die Reichstruppen zwang, sich über die Elbe und dann flussaufwärts auf dem Weg, auf dem sie zuvor gekommen waren, wieder zurückzuziehen. Nun war die Region vollständig erschöpft. Torstenssons Truppen wurden durch ein kleines Kommando unter Königsmarck und die hessischen Landstreitkräfte verstärkt. Als Gallas einmal sinnlos betrunken war, wollten zwei seiner desillusionierten Untergebenen mit 4000 Mann Kavallerie entkommen, wurden indes im November aufgegriffen. Etwa 3000 Überlebende der Hauptstreitmacht erreichten im Dezember endlich Wittenberg. Die Gesamtverluste waren nicht so dramatisch wie häufig behauptet, doch groß genug, um den Vorwurf der Soldaten, ihr General sei ein „Heerverderber“, zu rechtfertigen.673 Gallas wurde am 24. Januar 1645 entlassen, wobei es ungerecht wäre, die Katastrophe allein ihm zuzuschreiben. Die kaiserliche Armee hatte seit 1638 nicht mehr in der Region operiert und ihren Stützpunkt von Böhmen 750 Kilometer weit nach Nordwestdeutschland verlegen müssen. Die Planungen hatten auf der unrealistischen Erwartung beruht, man könne im verwüsteten Mecklenburg, wo alle größeren Städte in schwedischer Hand waren, Verpflegung organisieren. Schon im August mussten die Truppen auf halbe Ration gesetzt werden; Transporttiere waren so knapp, dass Nachschub nicht rechtzeitig eintraf. Der entscheidende Schlag gelang den Schweden im Januar, als Königsmarck mit 3000 Soldaten nach Nordwesten ins Erzbistum Bremen marschierte, während ein weiteres Kommando die noch verbliebenen dänischen Einheiten in den

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Marschen von Westholstein mattsetzte. Stade fiel am 15. Februar 1645, und im März hatte Königsmarck mit Bremen und Verden das in Besitz genommen, was seit 1629 Christians Haupterwerb durch diplomatische Bemühungen gewesen war. Schon 1644 konnten die Niederländer einen Konvoi von Handelsschiffen in die Ostsee schicken, ohne mehr als die alten Zölle zahlen zu müssen. Ihre Flotte kehrte im Juli 1645 mit 300 Handelsschiffen zurück, die diesmal überhaupt nichts bezahlten. Der Frieden von Brömsebro Allerdings waren Frankreich und die Vereinigten Niederlande im Januar 1644 übereingekommen, die schwedischen Gewinne zu begrenzen, weil keines dieser Länder Dänemark einfach durch Schweden als Vormacht im Ostseeraum ersetzt sehen wollte. Im Februar 1645 wurden die Friedensgespräche in Brömsebro an der schwedisch-dänischen Grenze im südlichen Schweden eröffnet. Christian hatte seine Ambitionen, im August 1644 auf dem Westfälischen Kongress als Vermittler zu wirken, bereits aufgegeben. Ein Jahr später stimmte er den Ergebnissen der Brömsebroer Verhandlungen zu und trat die Ostseeinsel Ösel und Gotland wie auch die norwegischen Provinzen Härjedalen und Jämtland ab. Die Provinz Halland an der schwedischen Westküste sollte 30 Jahre lang als Bürgschaft dafür dienen, dass sich Dänemark an eine neue Zollvereinbarung hielt und auf die Kontrolle der Schiffsfrachten verzichtete. Die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck hatten Schweden während des Krieges diplomatisch unterstützt und waren in die Friedensverhandlungen einbezogen. Nachfolgende Gespräche verpflichteten Dänemark, bei Glückstadt keine Zölle mehr zu erheben und Hamburgs Eigenständigkeit zu akzeptieren (endgültig wurden die dänischen Ansprüche auf die Stadt erst 1768 fallengelassen).674 Die neuen Zollabkommen führten bei den königlich-dänischen Einkünften zu erheblichen Einbußen, eröffneten Christian jedoch einen Weg aus der diplomatischen Isolation, weil nun der Hauptstreitpunkt mit anderen Ländern ausgeräumt war. Christian war ferner gezwungen, dem Adel weitere Zugeständnisse zu machen, konnte aber im Gegenzug neue Steuern erheben. Sein Sohn und Nachfolger führte 1660 die absolutistische Herrschaft ein, die bis zur Revolution von 1849 währte. So konnte die Monarchie im Land ihren Status zurückgewinnen, wenngleich Dänemark außenpolitisch zunehmend entmachtet wurde. Versuche, an die einstige Rolle anzuknüpfen, endeten 1679 im Desaster, als auch die letzten südschwedischen Besitzungen verloren gingen. Die Sundzölle immerhin wurden erst 1857 auf internationalen Druck hin abgeschafft. Oxenstierna hatte schließlich sogar mehr erreicht als ursprünglich geplant. Nicht nur war die Drohung einer dänischen Vermittlerrolle aus der Welt ge-

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schafft, sondern Schweden hatte auch mit weiteren Siegen seine Verhandlungsposition auf dem Westfälischen Kongress verbessert. Im November 1645 erhielt die schwedische Delegation neue Instruktionen: Schwedens „Satisfaktion“ sollte nun auch Bremen und Verden sowie Pommern und Wismar umfassen.

1645: Annus horribilis et mirabilis 1645 erwies sich für Ferdinand III. als ein entscheidendes Jahr, das er selbst als schrecklich und wundersam zugleich charakterisierte.675 Eine Reihe weiterer kaiserlicher Niederlagen brachte die Schweden bis vor die Tore von Wien. Diese erste Bedrohung für die kaiserliche Hauptstadt seit 1620 konnte dank des anhaltenden österreichischen Widerstands abgewendet werden. Es war nicht alles verloren, aber gegen Ende des Jahres musste Ferdinand einsehen, dass ein Wendepunkt erreicht war, der ihn zwang, in den Friedensverhandlungen von Westfalen endlich konkret zu werden. Die Schlacht von Jankau Dänemarks Niederlage und die Vernichtung von Gallas’ Armee veranlassten Kurfürst Maximilian zur Eröffnung neuer Gespräche mit Frankreich. Der Kaiser, dessen Lage immer bedenklicher wurde, rief am Neujahrstag seine engsten Berater zusammen und fragte sie nach ihrer aufrichtigen Meinung.676 Keiner von ihnen hielt einen Sieg noch für möglich oder glaubte an die Prager Strategie, das Reich zur Vertreibung der ausländischen Mächte zu einen. Nichtsdestotrotz waren sie noch nicht bereit, die 1635 gemachten Gewinne aufzugeben, zumal sie nicht erwarteten, dass in Westfalen ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden könnte. Sie empfahlen daher erneute militärische Anstrengungen, um Schweden zu annehmbareren Zugeständnissen zu zwingen, während sie – unrealistischerweise – von der Wahl eines neuen Papstes im Jahre 1644 (der sich Innozenz X. nannte) Hilfestellung für ein separates Abkommen mit Frankreich erhofften. Die österreichischen Stände waren bereits zusammengerufen worden und votierten für die Erhöhung der Steuern und die Aufstockung der Lebensmittelvorräte. Der Kaiser verkaufte einen Teil der Kronjuwelen, während die Kirchen, seinem Beispiel folgend, ihr Silber opferten und der Adel Kredite bereitstellte. Ferdinand schloss sich wieder der Armee an – eine Geste, mit deren Hilfe er die Unterstützung der Bevölkerung und der göttlichen Macht zu erlangen hoffte. Diese Strategie fand ihren Höhepunkt, als Ferdinand am 29. März in Wien eine religiöse Prozession anführte und seine Absicht verkündete, zum Gedenken an die Schlacht am Weißen Berg eine der Heiligen Jungfrau geweihte monumenta-

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le Säule zu errichten, wie das schon sieben Jahre zuvor in München geschehen war. Das Kommando über die Streitkräfte wurde Graf Hatzfeldt anvertraut, der 1644 die meiste Zeit als Befehlshaber der Reservearmee in Böhmen und Franken gedient hatte. Maximilian wurde dazu beredet, Werth mit 5000 bayerischen Veteranen zu entsenden, obwohl die Lage am Oberrhein höchst kritisch war, während Johann Georg 1500 sächsische Kavalleristen schickte. Das ergab eine Gesamtstreitmacht von 11 000 Mann Kavallerie, mehr als 500 Dragonern, 5000 Mann Infanterie und 26 Geschützen. Die Truppen wurden im Januar in Pilsen zusammengezogen.677 Die Schweden waren fest entschlossen, das unerwartete Geschenk der Auflösung von Gallas’ Armee zu nutzen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie 43 000 Soldaten in Deutschland. Einige Truppen vollendeten unter Königsmarck die Eroberung von Bremen und Verden, während andere auf dem Ostsee-Brückenkopf sowie in Schlesien und Mähren Garnisonen errichteten, um die Positionen zu festigen. Die Hauptstreitmacht unter Torstensson umfasste 9000 Reiter, 6500 Fußsoldaten und 60 Kanonen. Sie befand sich in Westsachsen, bis wohin sie Gallas verfolgt hatte. Am 19. Januar war Torstensson bereits wieder auf dem Marsch, um den Kaiserlichen keine Zeit zur Erholung zu geben. Hatzfeldt nahm richtigerweise an, dass Torstensson nach Olmütz marschieren wollte, wusste indes nicht, ob er dafür eine nördliche oder südliche Route wählen würde. Die Operationen wurden im Februar durch Tauwetter unterbrochen, das die Wege in Schlamm verwandelte. Als es wieder kälter wurde, umging Torstensson Prag im Süden und querte die zugefrorene Moldau. Hatzfeldt holte schnell wieder auf und marschierte ostwärts, um Torstensson am 6. März bei Jankau (auch Jankowitz, heute Jankov) den Weg zu verstellen. Der rechte Flügel der kaiserlichen Armee wurde von steil ansteigendem Gelände und dichtem Wald geschützt, während der linke stärker exponiert war. Doch vor der gesamten Front verlief die überfrierende Jankowa und südlich von Jankau bot ein Areal mit Teichen zusätzlichen Schutz. Torstensson entschloss sich zu einem Scheinangriff auf den rechten Flügel des Feindes, während er den linken umging. Dieser Umfassungsangriff ähnelte der Taktik, die Friedrich der Große 1757 in der Schlacht von Leuthen anwenden sollte. Die Schweden begannen mit dem Angriff um sechs Uhr morgens, ungefähr eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang. Sie marschierten zum Kapellenberg, einer kleinen Erhebung, die sie besetzen mussten, um sicher an den Teichen vorbeizukommen. Hatzfeldt war auf Geländeerkundung und hatte Graf Götzen mit der vagen Instruktion, den Hügel zu halten, zurückgelassen. Unerklärlicherweise bewegte Götzen den gesamten linken Flügel südwärts in das zum Hügel führende Tal. Diese Verlagerung wurde durch dichten Wald beiderseits der Route behindert, und als Hatz-

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feldt zurückkehrte, musste er sehen, wie seine Soldaten über ebenjene Hindernisse stolperten, mit deren Hilfe er den Vormarsch des Feindes hatte aufhalten wollen. Aber jetzt war es zur Umkehr zu spät. Auf dem gefrorenen Boden kamen die Schweden gut voran und konnten ihre schweren Geschütze auf den Hügel ziehen, während die kaiserliche Artillerie im Wald stecken blieb. Hatzfeldt bewegte das Zentrum und den rechten Flügel südwärts, um Götzen zu Hilfe zu kommen, als ein heftiges Gefecht ausbrach, das die Schweden daran hindern sollte, an den Teichen vorbeizugelangen. Werth überrannte mit der bayerischen und sächsischen Kavallerie zwei schwedische Infanteriebrigaden, wurde dann jedoch durch Artilleriefeuer zum Rückzug gezwungen. Nun drangen die Schweden ostwärts vor, erreichten den Abhang oberhalb der kaiserlichen Flanke und zwangen Hatzfeldt zum Rückzug in Richtung Norden. Nach einstündigem Musketenfeuer zog Hatzfeldt sich weiter hinter seine ursprüngliche Position in Richtung des Dorfes Skrysov zurück, wo er seine Truppen neu ordnete. Sie waren nun nach Süden ausgerichtet mit der Jankowa zur rechten und dem Dorf Hrin zur linken Seite. Torstensson folgte ihm und positionierte seine Truppen zwischen Jankau und Radmeritz. Er hatte erwartet, dass Hatzfeldt seinen Rückzug fortsetzen würde, bemerkte aber, dass sich kaiserliche Musketiere auf einem kleinen bewaldeten Hügel vor Skrysov verschanzten. Hatzfeldt hatte das als Außenposten gedacht, um den Einbruch der Nacht abzuwarten und im Schutz der Dunkelheit abzuziehen. Als die Schweden nun die Musketiere vertrieben, war er indes beunruhigt genug, um einen Gegenangriff zu starten, woraufhin um ein Uhr mittags die Schlacht erneut begann. Der jetzt auf dem linken Flügel angekommene Werth führte einen weiteren erfolgreichen Angriff gegen die beste schwedische Kavallerie, die sich vor ihm bei Radmeritz aufgebaut hatte. Allerdings waren die im Zentrum und auf dem linken Flügel kämpfenden Kameraden nach der morgendlichen Niederlage mutlos und erneutem Kampfstress nicht gewachsen. Die bayerische Kavallerie hatte sich inzwischen auf Beutejagd begeben: Sie plünderte die schwedischen Armeebestände und bemächtigte sich der Frauen, darunter auch Torstenssons Gattin. Die Schweden eilten herbei und vertrieben die Bayern, wodurch die Frauen gerettet waren. Da auch die kaiserliche Kavallerie auf dem rechten Flügel gewichen war, sah sich die Infanterie in der Mitte isoliert, ganz so wie die Spanier bei Rocroi und ihre eigenen Kameraden in den beiden Schlachten von Breitenfeld. Dennoch dauerten die Kämpfe bis zum Einbruch der Dunkelheit. Einige kaiserliche Truppen entkamen in die Wälder hinter ihnen, aber 4500 Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Götzen nebst anderen hohen Offizieren wurde getötet, ebenso wie an die 4000 Mann, viele davon noch auf der Flucht. Hatzfeldt geriet in Gefangen-

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schaft, weil sein Pferd erschöpft war. Er wurde ausgeraubt und dann Torstensson übergeben. Für den Kaiser war die Schlacht eine Katastrophe. Als eine Woche später vor den Toren Prags 36 Regimenter zur Musterung antraten, stellte sich heraus, dass nur 2697 Offiziere und einfache Soldaten übrig geblieben waren. Weitere 2000 Flüchtige waren bei dem schnellen Vormarsch der Schweden durch Mähren versprengt worden und lebten nun als Marodeure in ständigem Konflikt mit den einheimischen Bauern. Die bayerische Kavallerie war so gut wie vernichtet, während der Verlust vieler hochrangiger Offiziere die Armee führerlos machte. Wie verzweifelt Ferdinand war, zeigte sich auch daran, dass er Gallas reaktivierte, um die Armee zu reorganisieren. Doch sind Vergleiche mit den Schlachten bei Rocroi oder am Weißen Berg übertrieben, weil die Niederlage von Jankau keinen militärischen oder politischen Zusammenbruch bewirkte.678 Torstensson verlor, eigenen Angaben zufolge, nur 600 Mann, doch später bezifferte der schwedische Generalstab die Verluste realistischerweise auf 3000 bis 4000 Soldaten. Dank dieses Sieges konnte Torstensson ehrgeizigere Ziele ansteuern als nur Nachschublieferungen für Olmütz. Er marschierte im Eiltempo durch Mähren und über das Grenzgebirge nach Niederösterreich. Am 9. April stand er mit 16 000 Mann vor Wien. Damit war erneut die Möglichkeit gegeben, dass Siebenbürgen in den Konflikt eingreifen könnte – mit der Folge einer weiteren gemeinsamen Belagerung der kaiserlichen Hauptstadt. Siebenbürgen tritt wieder in den Krieg ein Schweden hatte den neuen Herrscher von Siebenbürgen, Georg (György) I. Rákóczi, seit 1637 hofiert und am 16. November 1643 mit ihm ein Bündnis geschlossen. Rákóczi erklärte sich bereit, Oberungarn anzugreifen und in Schlesien zu kooperieren. Als Gegenleistung sollte er Subsidien und 3000 Infanteristen zur Stärkung seiner aus Kavallerie bestehenden Armee erhalten. Innenpolitisch saß er mittlerweile fester im Sattel und wollte Gabriel Bethlens Expansionspolitik fortsetzen. Der Sultan hatte einer abermaligen Verlängerung des 1606 bei Szőny geschlossenen Waffenstillstandsabkommens um weitere 25 Jahre im März 1642 zugestimmt, aber Ferdinand hatte die Ratifizierung hinausgezögert, weil er der Schmach entgehen wollte, die Tributzahlung von 200 000 Gulden zur Bestätigung des Abkommens leisten zu müssen. So fühlte sich der Sultan von Verpflichtungen frei und gab Rákóczi seine Zustimmung, der daraufhin im Februar 1644 die Grenze nach Oberungarn überschritt. Schweden sah den Angriff zu diesem Zeitpunkt als nützliche Ablenkung, um den Abzug von Torstenssons Armee – mit dem neuen Ziel Dänemark – zu decken. Rákóczis Angriff führte in Wien zu erhöhter Alarmbereitschaft. Gallas’ Abmarsch nach Holstein verzögerte sich, und Götzen musste seine Operationen

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zur Entsetzung von Olmütz unterbrechen. Rákóczi stieß unterdessen in Ungarn auf unerwarteten Widerstand. Dort nämlich waren, anders als in den 1620erJahren, die meisten Magnaten jetzt als Katholiken auch loyale Anhänger Habsburgs. Außerdem wollte Rákóczi seine gesamte Streitmacht erst einsetzen, wenn seine Verbündeten ihm mit konkreten Maßnahmen zu Hilfe kamen. Dazu jedoch waren die Schweden aufgrund ihres Engagements in Dänemark nicht in der Lage. Mithin akzeptierte Rákóczi Ferdinands Gesprächsangebot und unterbrach den Feldzug, der erst im April 1645 wieder aufgenommen wurde, nachdem die Schweden bei Jankau gesiegt und die Franzosen materielle Unterstützung zugesagt hatten. Ferdinand und Leopold Wilhelm hielten sich in Prag auf, als die Nachricht aus Jankau eintraf. Der Erzherzog begab sich direkt nach Wien, um die Verteidigung der Stadt zu organisieren, während sein Bruder sich eilends auf den Weg durch die Oberpfalz nach Bayern machte, wo er Maximilian versichern wollte, dass noch nicht alles verloren sei.679 Am 20. März war er in Wien wieder mit seinem Bruder vereint und zeigte dort die nämliche Seelenruhe wie während Banérs Beschuss von Regensburg. Die österreichischen Stände riefen ihre Milizen zusammen, während 5500 Bürger und Studenten die 1500 Mann starken regulären Streitkräfte der Stadt unterstützten. Die Blockade von Olmütz wurde aufgegeben und alle Kräfte wurden südlich der Donau positioniert, abgesehen von einer verstärkten Garnison in Brünn und den Soldaten, die Prag halten sollten. Nach langen Verhandlungen akzeptierte Leopold Wilhelm am 1. Mai, als die Hauptarmee 15 000 Mann stark war, das Kommando. Unterdessen verübten 6000 Kavalleristen Überfälle auf die schwedischen Nachschublinien in Böhmen und Schlesien, und eine Sturmkolonne war auf dem Weg zum Elbdurchbruch zwischen Böhmen und Sachsen, während weitere Einheiten den Truppen von Rákóczi in Ungarn entgegentraten. Torstensson sah sich nun mit genau jenen Problemen konfrontiert, die 1619/20 dem Grafen Thurn seine Niederlage bereitet hatten. Zunächst einmal konnte er nicht die Donau überqueren, um Wien anzugreifen. Seine finnischen Pioniere benutzten für den Brückenbau üblicherweise vor Ort befindliche Boote, die jedoch von den Kaiserlichen vorsorglich ans Südufer gebracht worden waren. Dann erwiesen sich die 14 200 Siebenbürger Soldaten, die im Mai zu ihm stießen, als unzuverlässig, indem sie Sold verlangten, den er nicht hatte. Überdies war Torstensson besorgt wegen der weiten Distanz zum pommerschen Brückenkopf, da nunmehr nur noch Olmütz die Verbindung zu den schwachen Kommandos war, die Sachsen und Schlesien hielten. Er entschloss sich daher, Brünn zu erobern, um Mähren den Winter über sicher halten zu können, bis Verstärkung eintraf. Die Festung wurde von 1500 Dragonern, Jesuitenschülern und unwilli-

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gen Bürgern verteidigt. Sie unterstanden dem Kommando von De Souches, einem hugenottischen Flüchtling aus La Rochelle, der den schwedischen Dienst nach einer Auseinandersetzung mit Stalhansk quittiert hatte. Torstensson drohte ihm an, ihn als Deserteur hängen zu lassen, wenn er sich nicht ergebe, aber De Souches hielt der Belagerung zwischen dem 5. Mai und dem 19. August stand und sorgte damit für den Hauptanteil an „Wunder“ in Ferdinands annus horribilis et mirabilis. Die Schweden und Siebenbürgen verloren während der Belagerung 8000 Mann, hauptsächlich durch einen neuen Ausbruch der Pest. Dieser schlechte Ausgang entmutigte die Siebenbürger, die nun wieder Verhandlungen mit dem Kaiser aufnahmen. Im Juni 1644 hatte Ferdinand den böhmischen Grafen Czernin und ein beeindruckendes Gefolge von 160 Personen nach Konstantinopel geschickt, wo Czernin in einem entscheidenden Augenblick anlangte. Die Johanniter hatten gerade einen ganzen türkischen Geleitzug in der südlichen Ägäis aufgebracht. Der Sultan machte dafür die Venezianer verantwortlich, musste sich aber entscheiden, ob er sie bekämpfen oder Rákóczi unterstützen wollte. Mit viel Geschick konnte Czernin seine französischen und schwedischen Kollegen ausmanövrieren und den Sultan davon überzeugen, des Kaisers verspätete Ratifizierung der Verlängerung des Waffenstillstands von Szőny anzunehmen. Die Osmanen griffen im April 1645 Kreta an und begannen so einen Krieg mit Venedig, der bis 1669 dauern sollte, als ihnen die Insel endlich in die Hände fiel. Rákóczi ließ sich schon nach kurzer Zeit ebenfalls auf einen Handel ein und akzeptierte im August Ferdinands Angebot, die sieben oberungarischen Komitate, die zuvor Bethlen überlassen worden waren, auf Lebenszeit zu behalten.680 Der Rückzug der Siebenbürger zwang Torstensson zunächst dazu, die Belagerung von Brünn abzubrechen, doch der in jenem Monat geschlossene Frieden von Brömsebro ermutigte ihn, wieder nach Süden aufzubrechen, um einen zweiten Angriffsversuch auf Wien zu wagen. Die Kaiserlichen hatten zur Unterstützung 3000 Mann nach Sachsen und 1200 nach Bayern geschickt, verfügten aber dank neuer Aushebungen dennoch über etwa 20 000 Soldaten. Torstensson war mittlerweile so krank, dass er kaum länger als zwei Stunden im Sattel sitzen konnte. Seine eigene Streitmacht war im Oktober auf 10 000 Mann geschrumpft, sodass er schließlich aufgab und sich über Sachsen nach Thüringen zurückzog, wo er das Kommando am 23. Dezember an Admiral Wrangel übergab. Nachdem Leopold Wilhelm im Oktober für kurze Zeit Maximilian Beistand geleistet hatte, kehrte er nun mit bayerischer Unterstützung zurück und vertrieb im Februar 1646 die letzten schwedischen Garnisonsbesatzungen aus Böhmen. Jankau war eine schwere, wenngleich keine entscheidende Niederlage gewesen, und die Habsburgermonarchie erwies sich angesichts des gleichzeitigen

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Angriffs von Schweden und Siebenbürgern als so widerstandsfähig wie einfallsreich. Von entscheidender Bedeutung sollte allerdings sein, dass damit für die meiste Zeit des Jahres Sachsen und Bayern keine wirksame Hilfe zuteilwerden konnte, was zu Niederlagen führte, die Ferdinand auf sehr gefährliche Weise isolierten. Die Schlacht bei Herbsthausen Die Einnahme von Philippsburg und Mainz hatte Frankreich eine sichere Rheinquerung verschafft, aber die Rheinpfalz war zu verwüstet, als dass sie der französischen Armee einen angemessenen Stützpunkt innerhalb Deutschlands hätte bieten können. Der regionale Waffenstillstand schloss die Franche-Comté nach Süden hin für solche Zwecke aus, wodurch sich die Bedeutung des schwäbischen Territoriums östlich des Schwarzwalds für den Unterhalt der französischen Truppen im Reich erhöhte. Die Nachricht von der Niederlage der Kaiserlichen bei Jankau veranlasste Mazarin zu der kühnen Hoffnung, es gäbe eine reelle Chance, Bayern aus dem Krieg hinauszuwerfen. Turenne erhielt den Befehl, dafür zu sorgen.681 Beide Seiten verbrachten die ersten Monate des Jahres 1645 mit gegenseitigen Überfällen quer durch den Schwarzwald. Turenne benötigte noch Zeit, um seine bei Freiburg dezimierte Infanterie neu aufzubauen, während Mercy Werth mit fast der gesamten Kavallerie nach Böhmen entsandt hatte. Im April kehrten nur 1500 Kavalleristen zurück. Turenne konnte als Erster angreifen. Er überquerte am 26. März mit 11 000 Mann den Rhein bei Speyer und marschierte neckaraufwärts nach Württemberg hinein, wo er umfangreiche Plünderungen vornahm. Dann wandte er sich nach Nordosten und eroberte Rothenburg ob der Tauber als Einfallstor für den Weg nach Franken. Mercy täuschte Defätismus vor und blieb im Süden, während er seine Streitkräfte sammelte. Turenne bewahrte Vorsicht, konnte aber selbst seine relativ kleine Armee im Taubertal nicht ausreichend versorgen. Er begab sich mit seinen Soldaten nach Mergentheim und brachte die Kavallerie im April in den umliegenden Dörfern unter. Nachdem Mercy von Maximilian die Erlaubnis bekommen hatte, eine Schlacht zu riskieren, plante er, den Erfolg von Tuttlingen zu wiederholen. Werths Ankunft verschaffte ihm 9650 Mann und neun Geschütze. Die Armee lagerte bei Feuchtwangen. Am 5. Mai brachte Mercy die Truppen in einem Gewaltmarsch von 60 Kilometern nach Mergentheim, dem sie sich von Südosten aus näherten. Turenne war von einer Patrouille, die Rosen ausgeschickt hatte, um zwei Uhr nachts alarmiert worden, hatte indes nur wenig Zeit, seine Truppen bei Herbsthausen, unmittelbar im Südosten der Stadt, zu sammeln. Da er wusste, dass er seiner weitgehend unerfahrenen Infanterie in offenem Gelände nicht trauen konnte, postierte er sie auf einer Anhöhe, wo die Männer vom

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Waldrand aus die Hauptstraße überblicken konnten. Die Kavallerie war größtenteils auf dem linken Flügel massiert, um die Bayern angreifen zu können, sobald diese aus einem südlich gelegenen dichten Wald auftauchten. Turenne verfügte über nur 5000 Kavalleristen und eine vergleichbare Zahl an Infanteristen. Allerdings waren nicht alle am Platz, als die Schlacht begann, und weitere 3000 befanden sich noch in ihren Quartieren in der Umgegend. Sie verpassten das Kampfgeschehen ganz und gar. Als Erster erschien Werth an der Spitze der halben bayerischen Kavallerie, um den Aufmarsch der übrigen Armee auf der anderen Seite des engen Tals zu decken. Mercy ließ die Bäume beschießen, was erste Opfer unter den Franzosen forderte, weil umherfliegende Äste auf die Soldaten herabstürzten. Genauso hatten es die Schweden mit den Bayern in der Schlacht von Wolfenbüttel gemacht. Von den sechs französischen Kanonen war noch keine angekommen. Die Infanterie feuerte eine unwirksame Salve auf lange Distanz und zog sich zurück, als die Bayern den allgemeinen Vormarsch begannen. Turenne griff talabwärts an und zersprengte die bayerische Kavallerie auf dem linken Flügel, zu der auch die bei Jankau geschlagenen Einheiten gehörten. Allerdings warf sich ein in Reserve gehaltenes Regiment dem Angriff entgegen, während die schwach besetzte Kavallerie auf dem äußersten linken Flügel von Turenne unter Werths Angriff zusammenbrach. Die französische Armee geriet in Panik und löste sich auf, wobei viele Infanteristen noch um Herbsthausen herum aufgegriffen wurden. Turenne schlug sich fast allein durch und traf endlich auf drei frisch eingetroffene Kavallerieregimenter, die gerade rechtzeitig kamen, um den Rückzug zu decken. In der Folge ergaben sich die Garnisonen von Mergentheim und anderen Orten, sodass die französischen Verluste sich insgesamt auf 4400 Mann beliefen, während es bei den Bayern nur 600 waren.682 Der Erfolg reichte an den von Tuttlingen nicht heran, vermochte aber die nach Jankau in München und Wien aufgekommene Verzweiflung zu dämpfen. Die Abfolge der Aktionen zeigt deutlich, wie die Beziehung zwischen Krieg und Diplomatie im Wesentlichen beschaffen war: Wurde eine Partei von dem wechselhaften militärischen Geschick begünstigt, wuchs ihre Hoffnung darauf, die eigenen diplomatischen Ziele zu erreichen, während die anderen Parteien nur in ihrem Entschluss bestärkt wurden, auch weiterhin Widerstand zu leisten, bis die Lage sich besserte. In dem eben geschilderten Fall war Mercy zu schwach, um mehr aus dem Sieg herauszuholen als nur die Sicherung der Region südlich des Mains. Mazarin beeilte sich, das französische Prestige wiederherzustellen, bevor die Verhandlungen in Westfalen weitergingen. D’Enghien wurde angewiesen, weitere 7000 Mann Verstärkung linksrheinisch in Speyer zu positionieren. Die Schweden signalisierten erneute Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln und

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waren bereit, Königsmarck von Bremen abzuziehen, damit er sich den Franzosen anschlösse. Nachdem er die Garnisonen in Meißen und Leipzig verstärkt hatte, erreichte Königsmarck dann auch mit 4000 Mann den Main, und so war der Krieg in die Region zurückgekehrt. Das wiederum erlaubte es Amalie Elisabeth, unter dem Deckmantel des allgemeinen Kriegs hessische Pläne zum Angriff auf Darmstadt wiederzubeleben. Sie stellte 6000 Soldaten unter ihrem neuen Befehlshaber, Johann von Geyso, zur Verfügung. Die Truppen versammelten sich in Hanau, um im Juni Darmstadt anzugreifen.683 Die Schlacht bei Alerheim Ferdinand von Köln schickte Geleen mit 4500 westfälischen Soldaten an den Verbündeten vorbei nach Süden, wo sie sich am 4. Juli den Truppen von Mercy anschlossen, der damit über 16 000 Mann verfügte, während der Feind 23 000 ins Feld schicken konnte. Nun zog sich Mercy nach Heilbronn zurück, um den Weg nach Schwaben zu blockieren. Die Zusammenballung verbündeter Truppen brach derweil rasch auseinander. Als Grund wird gewöhnlich angegeben, dass es d’Enghien gelungen war, sowohl Geyso wie auch Königsmarck zu beleidigen. Letzterer jedoch brach Mitte Juli auf, weil Torstensson ihm befohlen hatte, in Sachsen reinen Tisch zu machen. Die vom 10. Mai (alter Zählung) datierenden Instruktionen wurden später in Kopie an Johann Georg gesandt, um ihn zu Verhandlungen zu zwingen.684 Angesichts dessen, dass Torstensson Brünn nicht hatte einnehmen können, blieb nur noch wenig Zeit, um Sachsen einzuschüchtern, bevor die Kaiserlichen sich ausreichend erholt hatten und Johann Georg zu Hilfe eilen konnten. Unterdessen griff d’Enghien Turennes früheren Plan wieder auf und marschierte nach Osten durch Südfranken in Richtung Bayern. Die militärische Arbeitsteilung, die sich seit 1642 entwickelt hatte, war damit perfektioniert: Schweden würde Sachsen ausschalten und den Kaiser angreifen, während Frankreich dafür sorgte, dass Bayern aus dem Krieg ausschied. Mercy hielt den französischen Vormarsch zunächst dadurch auf, dass er eine Anzahl von fast uneinnehmbaren Positionen besetzte und so d’Enghien zwang, seine Truppen zu umgehen, was Zeit kostete. Bei Alerheim, am Zusammenfluss von Wörnitz und Eger, kam es dann am 3. August zum Kampf. Zwar ist das Geschehen auch als zweite Schlacht von Nördlingen bekannt, doch fanden die Auseinandersetzungen 1634 auf der anderen Seite der Eger statt. Mercy hatte seine Truppen mit dem Rücken zur Wörnitz zwischen zwei steil aufsteigenden Hügeln gruppiert und dort auch einige seiner 28 Kanonen verschanzt. Die Infanterie, nicht ganz die Hälfte seiner Armee, hatte sich hinter Alerheim im Zentrum aufgestellt. Friedhof, Kirche und einige feste Häuser waren mit Musketieren besetzt, während andere sich vor dem Dorf und seitlich davon verschanzt hatten. Die

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Kavallerie hielt die Flügel besetzt, wobei Geleen und die Kaiserlichen rechts (nördlich) bis zum Wennenberg standen, während Werth mit den Bayern auf der Linken beim Schlossberg positioniert war, der seinen Namen von der Ruine auf dem Gipfel trug.685 D’Enghien hatte nicht erwartet, den Feind anzutreffen, ergriff aber trotz der Bedenken seiner Untergebenen die Gelegenheit zum Kampf. Nach Königsmarcks Abmarsch verfügte er über 6000 französische Soldaten, weitere 5000 kämpften unter Turenne, hinzu kamen 6000 Hessen mit 27 Geschützen. D’Enghien gruppierte den überwiegenden Teil der Infanterie und 800 Mann Kavallerie in der Mitte gegenüber Alerheim, während Turenne mit den Hessen und seiner eigenen Kavallerie auf dem linken Flügel stand. Die übrigen Franzosen unter Gramont wurden auf der Rechten (südlich) gegenüber dem Schlossberg aufgestellt. Erst um vier Uhr nachmittags hatten sie die Vorbereitungen abgeschlossen, aber d’Enghien wusste von Freiburg her, wie schnell sich die Bayern in ihren Stellungen einigeln konnten und wollte ihnen keine Zeit geben, in der Nacht ihr Werk zu vollenden. Die französischen Kanonen konnten es nicht mit den bayerischen aufnehmen, die durch Feldschanzen geschützt waren, sodass d’Enghien um fünf Uhr einen Frontalangriff befahl. Schon bald war er mit dem Kampf um Alerheim voll beschäftigt. Eine Welle von Infanteristen nach der anderen führte er über die Verschanzungen, wurde indes immer wieder von frischen bayerischen Einheiten, die Mercy aus der Mitte nach vorne warf, zurückgeschlagen. Schon bald fingen die Strohdächer der Häuser im Dorf Feuer, was die Verteidiger dazu zwang, in den steinernen Gebäuden Schutz zu suchen. Dem französischen Befehlshaber wurden zwei Pferde sozusagen unter dem Hintern weggeschossen; er selbst kam mit dem Leben davon, als eine Musketenkugel an seinem Brustpanzer abprallte. Mercy hatte weniger Glück. Als er gegen sechs Uhr das brennende Dorf betrat, um die ermattenden Verteidiger aufzumuntern, traf ihn ein Kopfschuss, an dem er sofort starb. Reuschenberg übernahm das Kommando und trieb die Franzosen zurück. Unterdessen setzte Werth den Truppen von Gramont hart zu. Der Franzose hatte einen Graben vor seiner Stellung für unpassierbar gehalten und die Bayern bis auf 100 Meter herankommen lassen. Die französische Kavallerie raffte sich noch zu einer kurzen Verteidigung auf, bevor sie floh und Gramont mit zwei Infanteriebrigaden weiterkämpfen ließ, bis er gezwungen war, sich zu ergeben. Werths Kavallerie zerstreute sich bei der Verfolgung, und möglicherweise verdunkelte der Rauch der brennenden Häuser von Alerheim das Schlachtfeld. Jedenfalls kehrte er gegen acht Uhr zu seiner Anfangsposition zurück, und da erst bemerkte er, dass der Rest der Armee kurz vor dem Zusammenbruch stand.

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Turenne hatte die Sache für die Franzosen noch herausgerissen, indem er einen Verzweiflungsangriff gegen den Wennenberg wagte. Damit bot sich den Hessen als letzten frischen Truppen die Chance, die bayerische Artillerie zu überrennen und Alerheim von der Flanke aus anzugreifen. Im Kampfgetümmel wurden Teile der bayerischen Infanterie von der Hauptarmee abgeschnitten und ergaben sich. Werth übernahm das Kommando, sammelte die Truppen am Schlossberg und trat um ein Uhr morgens den geordneten Rückzug an, der ihn zum Schellenberg oberhalb von Donauwörth führte. Werth musste, insbesondere von späteren Kommentatoren wie Napoleon, erhebliche Kritik einstecken, weil er es versäumt hatte, seinen anfänglichen Erfolg auszunutzen, indem er das französische Zentrum umging und Turenne den entscheidenden Schlag versetzte, wie es d’Enghien mit den Spaniern bei Rocroi getan hatte. Zu seiner Verteidigung wies Werth auf die Kommunikationsschwierigkeiten hin, welche die zweieinhalb Kilometer weite Ausdehnung der bayerischen Armee mit sich brachte. Zudem waren seine Kavalleristen knapp an Munition, und als sie sich versammelten, dunkelte es bereits. Die späte Stunde könnte durchaus von entscheidender Bedeutung gewesen sein, weil sie Werths Gesichtskreis einengte. Sein Rückzug war unter diesen Umständen klug: Zwar beraubte er die Bayern der Siegeschance, doch vermied er zumindest eine Niederlage, die zur Vernichtung der Armee geführt hätte. D’Enghien hatte mit viel Glück den Sieg davongetragen, musste aber erhebliche Verluste – 4000 Tote und Verwundete – beklagen. Die Infanterie im Zentrum war fast vollständig ausgelöscht worden, und der französische Hof nahm mit Entsetzen die Opferzahlen zur Kenntnis; auch etliche hochrangige Offiziere waren im Felde geblieben. Wie schon bei Freiburg war es auch diesmal der bayerische Rückzug, der die Aktion zu einem strategischen Erfolg machte – nicht zuletzt, weil mindestens 2500 Mann in Gefangenschaft gerieten, als Werth sich aus Alerheim zurückzog. Hinzu kamen noch 2500 Tote und Verwundete. Und ein Rückzug nach einem so harten Gefecht nagte stets an der Moral. Die Bayern ließen ihre Wut an dem unglückseligen Gramont aus, der in ihre Gefangenschaft geraten war. Er entging nur knapp einem Mordanschlag durch Mercys Diener und war froh, als er im nächsten Monat gegen Geleen ausgetauscht wurde. Der Waffenstillstand von Kötzschenbroda Die militärischen Erfolge waren nur von kurzer Dauer. Die Franzosen eroberten Nördlingen und Dinkelsbühl, blieben jedoch vor Heilbronn stecken, wo d’Enghien erkrankte. Mazarin weigerte sich, Verstärkung als Ersatz für die Toten und Verwundeten zu schicken. So hatte Turenne Leopold Wilhelm und seinen 5300 Kaiserlichen, die Anfang Oktober aus Böhmen herüberkamen, nichts entgegenzusetzen. Im Dezember war

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Turenne erneut im Elsass und hatte alle im Lauf des Jahres eroberten Städte wieder verloren. Die Stabilisierung von Süddeutschland wurde durch einen gewaltigen Rückschlag im Nordosten außer Kraft gesetzt, der zeigte, dass die neue Strategie der Verbündeten funktionierte. Zwar hatten die Franzosen nicht die Bayern ausschalten können, doch ihr Feldzug in Franken verhinderte, dass Sachsen Unterstützung erhielt. Ohnehin war das Land nach der Niederlage von Jankau isoliert. Königsmarck hatte die Schweden in Gewaltmärschen mainaufwärts gebracht und fiel Anfang August in das Kurfürstentum ein. Johann Georg appellierte an Ferdinand und beschwerte sich darüber, dass die Schweden sein Land verheerten. Der Kaiser erwiderte am 25. August, dass er gerade mit Rákóczi Frieden geschlossen habe und Unterstützung auf dem Wege sei. Aber es war schon zu spät. Bevor der Brief ankam, hatte der Kurfürst die Hoffnung aufgegeben und am 6. September 1645 in Kötzschenbroda einen Waffenstillstand geschlossen.686 Sachsen erwirkte einen sechsmonatigen Waffenstillstand zu recht günstigen Bedingungen. Die Schweden akzeptierten die Neutralität des Kurfürstentums und gestatteten ihm sogar die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser, indem drei Kavallerieregimenter bei der kaiserlichen Armee bleiben durften. Als Gegenleistung hatte Sachsen 11 000 Taler für den Unterhalt der schwedischen Garnison in Leipzig zu zahlen, der einzigen Stadt des Kurfürstentums, die Königsmarck in schwedischer Hand behalten wollte. Die Schweden durften durch das Kurfürstentum marschieren, hoben aber die Blockade der sächsischen Garnison in Magdeburg auf. Ferdinand gibt nach Schweden und Frankreich hatten keine entscheidende militärische Vorherrschaft erreicht, doch wogen ihre Erfolge bei Jankau, Alerheim und Kötzschenbroda schwerer als ihre Niederlagen von Herbsthausen und Brünn. Schwedens Separatkrieg mit Dänemark hatte das Gespenst einer Vermittlung durch Christian IV. bei den westfälischen Friedensverhandlungen gebannt, und indem Frankreich auf der Teilnahme von Portugal und Katalonien beharrte, setzte es Spanien unter Druck. Spanien wehrte sich mit einer Gegenforderung betreffend Lothringen. Vertreter aller drei Territorien trafen ein, doch wurden ihre Beglaubigungsschreiben nicht anerkannt.687 Die Teilnahme der Reichsstände konnte Ferdinand allerdings nicht verhindern. Damit war die Form des Kongresses festgelegt und die Diskussionen konnten endlich zu den Friedensinhalten voranschreiten. Die Stände nutzten die Reichsdeputation, um ihre Zulassung einzufordern. Wie vom kaiserlichen Rezess versprochen, der 1641 auf dem Regensburger Reichstag beschlossen worden war (siehe Kapitel 18), trat der Deputationstag

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schließlich im Januar 1643 in Frankfurt am Main zusammen, wo Vertreter von 40 Territorien seit September auf die Eröffnung warteten. Der Mainzer Kurfürst berief sich auf sein Vorrecht als Erzkanzler, um Diskussionen über den Frieden an die erste Stelle der Agenda zu setzen.688 Der Kaiser hatte nichts dagegen, dass die Stände am Kongress in Westfalen als Beobachter teilnahmen, wollte aber seine Prärogative wahren, indem er ihnen das Recht zu verhandeln absprach. Schweden und Frankreich sahen nun eine Möglichkeit, die kaiserliche Position zu schwächen, indem sie im Namen „teutscher Libertät“ alle Stände an den Verhandlungstisch baten. Zu ihrem Erstaunen schickte Württemberg die Einladung ungeöffnet zurück, und auch die anderen Stände scheuten sich, dem Kaiser die Stirn zu bieten. Immerhin war Amalie Elisabeth zur Teilnahme entschlossen und übernahm die von der Pfalz verschmähte Rolle des Vorreiters einer auf die Adelsinteressen abgestimmten Verfassungsinterpretation. Die hessische Position war sogar noch radikaler, weil hier der Herrscher kein Kurfürst war und ein umso geringeres Interesse an der etablierten Hierarchie hatte. Die Hessen zitierten aus den Schriften Bodins und führten historische Beispiele an, um die beiden Kronen von Frankreich und Schweden zur Forcierung von Verfassungsänderungen zu bewegen. Mit Ausnahme von Marburg gingen alle hessischen Territorialforderungen zulasten der Katholiken. Dementsprechend erneuerten die Hessen die alte pfälzische Forderung, dass die Stände sich als zwei konfessionelle Körperschaften (corpora) statt als die üblichen drei hierarchischen Kollegien versammeln sollten. Schweden und Frankreich akzeptierten und teilten das Ziel, den Kaiser zu schwächen, hatten freilich nicht die Absicht, spezielle hessische Vorstellungen zu unterstützen, wenn diese sich später als Hemmnisse erweisen sollten. Frankreich hatte mehr Erfahrung im Umgang mit den Kurfürsten, befürwortete aber schon bald das umfassendere Konzept der „teutschen Libertät“ und machte es zum Schwerpunkt seines ersten Friedensvorschlags vom Dezember 1644. Die Siege der Jahre 1644/45 gaben in Frankreich und Schweden den Wünschen nach eigenen territorialen Forderungen Auftrieb, doch einigten sie sich im April 1645 darauf, sich in dieser Hinsicht bedeckt zu halten, und erneuerten stattdessen in ihrem zweiten gemeinsamen Vorschlag vom 11. Juni den Ruf nach Verfassungsänderungen. Beide ließen sich gern von Hessen über die Reichsverfassung beraten und hatten Amalie Elisabeths Erklärung vom 30. August 1643 begrüßt, in der es hieß, alle Stände sollten auch ohne Genehmigung des Kaisers am Kongress teilnehmen. Im November schickte Schweden allen protestantischen Reichsständen eine Einladung; im April 1644 zog Frankreich mit einem vergleichbaren Schreiben an die katholischen Stände nach. Der hessische Gesandte kam im Juni 1644 in

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Osnabrück an, fast auf dem Fuß gefolgt von seinem Braunschweiger Kollegen. Die übrigen blieben dem Kongress fern, weil sie fürchteten, dass eine Annahme der Einladung auf die Unterstützung der französischen Forderungen hinausliefe. Freilich machten französische Erfolge wie die Einnahme von Mainz im September 1644 es schwerer, wiederholte Einladungen zu ignorieren. Zudem zeigten sich die Delegierten in Frankfurt zunehmend besorgt angesichts der ausbleibenden Fortschritte in Westfalen. Der neue Bischof von Würzburg, Johann Philipp von Schönborn, bewegte die Fränkische Kreisversammlung dazu, im November 1644 die Forderungen nach Teilnahme zu unterstützen, und die Schwaben schlossen sich dem im Januar an. Der Ausgang der Schlacht von Jankau veranlasste Ferdinand, die Fürsten einmal mehr seiner ernsthaften Friedensabsichten zu versichern, doch ihre Antworten drängten ihn nur zu Zugeständnissen, um tatsächlich Frieden zu erlangen.689 Kurfürst Maximilian spürte den Sinneswandel und beförderte ihn nach Kräften, indem er forderte, alle Stände inklusive der Reichsstädte zuzulassen. Der Kaiser akzeptierte schließlich die bayerische Argumentation, der zufolge eine Teilnahme der Stände in den drei Kollegien der französisch-schwedischen Option zweier konfessioneller Gruppen vorzuziehen sei, da die Katholiken sich so auf ihre Stimmenmehrzahl verlassen könnten. Er hatte am 12. April bereits den Trierer Kurfürsten Sötern freigelassen und damit den französischen Forderungen, die das zur Vorbedingung von Friedensverhandlungen gemacht hatten, Genüge getan. Ferdinand ignorierte die wachsende Besorgnis der Katholiken, die Zugeständnisse auf Kosten ihrer Kirche befürchteten, und schickte allen Reichsständen am 29. August eine förmliche Einladung zum Kongress.690 Dann, nach dem Frieden von Brömsebro, dem Waffenstillstand von Kötzschenbroda und Torstenssons zweitem Angriff auf Wien, verfasste Ferdinand höchstpersönlich eine Reihe von Geheiminstruktionen, die er am 16. Oktober an Trauttmansdorff schickte. Endlich erhielt der kaiserliche Bevollmächtigte die Erlaubnis, inhaltliche Friedensverhandlungen zu beginnen und die Angelegenheit nicht länger mit Ausreden aufzuschieben in der Hoffnung, dass die Armee die Kohlen noch aus dem Feuer holen könnte. Die militärischen Operationen sollten fortgeführt werden, aber Ferdinand sah ein, dass große Zugeständnisse unvermeidlich waren. So wurde denn eine sorgfältig abgestufte Abfolge dessen erstellt, was der Kaiser meinte, opfern zu können, während er den harten Kern seiner Interessen wahrte. Trauttmansdorff war autorisiert, stufenweise nachzugeben, bis der Feind sich auf bestimmte Bedingungen einließ. Der erste Schritt bestand darin, Schweden die gewünschten Ostseegebiete zu überlassen. Ferdinand hatte das bereits 1643 akzeptiert, fügte nun aber dem, was aufgegeben werden konnte, Bremen und Verden hinzu. Das war ein bedeutsa-

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mer Schritt, denn es handelte sich um kirchliche Territorien, deren Verlust in deutlichem Widerspruch stand zu den Prager Bemühungen von 1635, am Programm der Restitution katholischer Besitztümer festzuhalten. Des Weiteren sollte Brandenburg als Ausgleich für den Verlust von Pommern auch noch in den Genuss des Besitzes von Magdeburg und Halberstadt kommen. Der zweite Schritt umfasste Zugeständnisse an Frankreich zulasten Österreichs. Damit sollte Maximilian zufriedengestellt werden, der davon überzeugt war, dass Mazarin nur auf diese Weise zur Beendigung des Krieges bewegt werden könne.691 Trauttmansdorff konnte zu diesem Zweck das Elsass Frankreich überlassen, denn genau das begehrte Frankreich. Zudem gehörte das Elsass den hoch verschuldeten Tiroler Habsburgern, die wohl – bei Aussicht auf französische Entschädigungszahlungen – dazu überredet werden könnten, sich von diesem Besitz zu trennen. Der dritte Schritt sah vor, das Restitutionsprogramm aufzugeben, wie es schon die Zugeständnisse an Schweden und Brandenburg erkennen ließen. Hier war Ferdinand bereit, falls nötig zum konfessionellen Gleichgewicht der Besitzstände im Reich von 1618 zurückzukehren, sofern die habsburgischen Erblande davon unangetastet blieben. Dann stand noch das Problem der Pfalz an: Ferdinand wollte unbedingt alles vermeiden, was Bayern, seinen hauptsächlichen deutschen Verbündeten, vor den Kopf stoßen würde. In dieser Sache durfte Trauttmansdorff einer Regelung zustimmen, wonach der Titel eines Kurfürsten zwischen den beiden Linien des Hauses Wittelsbach alternieren würde, oder, falls das fehlschlüge, die Schaffung eines achten Titels befürworten, um die Pfalz zu entschädigen. Der fünfte und letzte Schritt betraf Spanien. Ferdinand war bereit, sich von Spanien zu trennen, wenn es keinen anderen Weg zum Frieden gab. Die Feldzüge der nächsten drei Jahre würden entscheiden, wie weit Trauttmansdorff gehen musste.

20. Krieg oder Frieden (1646–48) Eine Vertrauenskrise

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it dem Beginn ernsthafter Gespräche in Westfalen konzentrierte sich die Aufmerksamkeit deutlicher auf die Alternative zwischen Krieg und Frieden. Da Ferdinands Gegner das militärische Übergewicht erlangt hatten, kämpfte er um den Erhalt der deutschen Loyalität, während seine Generäle die für einen annehmbaren Kompromiss notwendige militärische Stärke wiederherzustellen bestrebt waren. Gleich zu Beginn des Jahres 1646 konnte er einen soliden Erfolg verbuchen, der nicht auf dem Schlachtfeld, sondern durch Trauttmansdorffs Verhandlungsgeschick errungen wurde. Die Reichsstände hatten die Einladung des Kaisers dankbar angenommen. Zwar versammelten sich Katholiken und Protestanten an getrennten Orten, doch debattierten sie in den drei Kollegien – Kurfürsten, Fürsten und Städte –, indem sie schriftliche Stellungnahmen austauschten. Frankreich und Schweden hatten sich das anders vorgestellt – auch weil es den Fortgang der Verhandlungen verzögerte –, konnten aber nicht dagegen angehen, ohne mit ihrer öffentlich bekundeten Unterstützung für die Verfassung in Widerspruch zu geraten. Der Kaiser gewann die Initiative zurück, als die drei Kollegien im Oktober 1645 den zweiten französisch-schwedischen Vorschlag erörterten. Ganz offensichtlich wollten die beiden Königreiche dem Hause Habsburg den Kaisertitel entwinden. Die meisten Ständevertreter sahen hierin freilich keine realistische Alternative zu den Österreichern und billigten im Dezember die kaiserliche Verfassungsinterpretation. Das wiederum wurde von Frankreich und Schweden in ihrem dritten Vorschlag, den sie am 7. Januar 1646 vorlegten, ignoriert. Sie wollten die Verfassungsfragen offenlassen, bis sie ihre territorialen Forderungen durchgesetzt hatten, und schoben Nebensächlichkeiten in den Vordergrund, um vom Wesentlichen abzulenken. Einige Zweifel gab es zum Beispiel noch im Hinblick auf die Rechte der Reichsstädte, aber Ferdinands Entschluss, sie ebenfalls zu den Verhandlungen zu laden, festigte ihren Status als Reichsstände. Die meisten anderen Angelegenheiten wurden im Mai geregelt, als Ferdinand einräumte, dass er die Zustimmung des Reichstags zu einer formellen Kriegs- oder Friedenserklärung, die für das ganze Reich bindend sei, benötige. Schweden wollte den Fortgang der Dinge weiter verschleppen, indem es sich für die Belange von Erfurt und Eger stark machte, die beide als Reichsstädte anerkannt werden wollten.

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TEIL II: Der Konflikt

Das war jedoch nichts als blanker Opportunismus, denn die schwedischen Unterhändler hatten ähnliche Petitionen von Rostock, Stralsund, Osnabrück, Münster, Magdeburg, Minden und Herford unbeachtet gelassen, weil hier schwedische Interessen unmittelbar berührt waren. Da die bereits existierenden Reichsstädte in ihren eigenen Streit mit den Reichsrittern über Statusfragen verwickelt waren, wollten sie keine neuen Mitglieder zulassen, und so waren alle Petitionen vergeblich. Auch die Ritter bemühten sich um das Stimmrecht in den Reichsinstitutionen. In dieser Hinsicht waren sie nicht ohne Einfluss, denn mehr als 80 von ihnen dienten als Obristen oder Generäle in der kaiserlichen Armee. Doch hatten einige Ritter Gustav Adolf allzu begeistert unterstützt, wodurch sich der gesamte Stand kompromittiert sah und zufrieden sein musste, dass der Kaiser den Status quo bestätigte.692 Ein bedeutenderes Problem stellte das Schicksal der Pfalz dar. Kurfürst Maximilian erkannte, dass sein eigener Status nur dann sicher sein würde, wenn er internationale Anerkennung fände, um dem Einfluss seines dynastisch gut vernetzten Pfälzer Rivalen etwas entgegensetzen zu können. Diese Probleme erlaubten es Frankreich und Schweden, im Januar 1646 ihre eigenen territorialen Forderungen mit Nachdruck vorzutragen – allerdings nur mündlich, um ihrem Ruf in Deutschland nicht unnötig zu schaden. Maximilian unterstützte Mazarins Anspruch auf das Elsass und stellte dies als Verteidigung katholischer Interessen dar, weil – so begründete er seinen Schritt – ein Frieden mit Frankreich es Ferdinand ermöglichen würde, durch einen Sieg über Schweden die in Kirchenbesitz befindlichen Ländereien zu retten. Trauttmansdorff durchschaute diesen Winkelzug sofort und setzte den Kaiser davon in Kenntnis, dass der Kurfürst von Bayern sich die Gunst der Franzosen durch Überlassung des Elsass erkaufen wolle.693 Maximilian ließ jedoch nicht locker und versorgte die französischen Unterhändler mit detaillierten Informationen über das komplexe Geflecht aus Hoheitsund Eigentumsrechten im Elsass. Sein Interesse an weiteren militärischen Operationen bestand hauptsächlich darin, Frankreich dazu zu bewegen, seine Forderungen in einer für Ferdinand annehmbaren Form zu präsentieren. Am 7. April drohte er, dem Beispiel von Brandenburg und Sachsen zu folgen und einen Waffenstillstand zu unterzeichnen, wenn Ferdinand das Elsass nicht preisgab. Unterdessen akzeptierte Mazarin die Versicherung Maximilians, dass Bayern keine Kriegsanstrengungen unternehme, solange Turenne westlich des Rheins bleibe. Der Kaiser hatte natürlich Bedenken, das Territorium den Franzosen zu überlassen, weil er dadurch seine Beziehungen zu Spanien und Tirol aufs Spiel setzte. Noch hatte zudem auch Trauttmansdorff ein paar Asse im Ärmel. Trotz bayerischer Unterstützung blieben den Franzosen die elsässischen Verhältnisse unklar, und erst im März 1646 verschafften sie sich eine Landkarte der Provinz.

20. Krieg oder Frieden (1646–48)

Im Gegensatz dazu konnte Trauttmansdorff auf Dr. Volmars 26-jährige Erfahrung mit der elsässischen Verwaltung zurückgreifen. Auf dessen Rat hin bot er Frankreich die Souveränität über die Landgrafschaft im oberen und niederen Elsass an, was höchst eindrucksvoll klang, dazu noch den Sundgau. Weil Kurfürst Sötern bereits am 19. Juli das Recht auf eine Garnison in Philippsburg eingeräumt hatte, fügte Trauttmansdorff diese Gabe gleichfalls noch hinzu. Andere ebenso sorgfältig formulierte Bestimmungen ließen durchblicken, dass der Kaiser die Souveränität über Metz, Toul und Verdun bestätigte. Der genaue Status der anderen elsässischen Territorien, darunter Straßburg und die zehn als Dekapolis bekannten Reichsstädte, wurde bewusst im Ungefähren belassen. Da die französischen Delegierten, Servien und d’Avaux, nunmehr der Meinung waren, alles bekommen zu haben, was ihr Herr und Meister wünschte, akzeptierten sie Trauttmansdorffs weitere Bedingungen in einem am 13. September gefertigten Vertragsentwurf. Frankreich würde den Tiroler Habsburgern als Entschädigung drei Millionen Livre (1,2 Millionen Taler) zahlen und auch zwei Drittel der zusammen mit den elsässischen Besitzungen vermachten Schulden übernehmen. Forderungen betreffend den Breisgau und den Schwarzwald wurden fallen gelassen. Ferdinand schob die Ratifikation erst einmal auf, weil er hoffte, das Elsass noch auf dem Schlachtfeld retten zu können. Oder es gelang Trauttmansdorff, Frankreich und Schweden durch einen Separatvertrag über Pommern auseinanderzudividieren.694 Der Feldzug von 1646 Die militärische Lage allerdings war düster. Ferdinands Unfähigkeit, Sachsen zu Hilfe zu kommen, veranlasste Johann Georg zu dem Entschluss, statt sich wieder in den Krieg zu begeben, den Waffenstillstand von Kötzschenbroda zu verlängern. Am 31. März 1646 stimmte er dem Vertrag von Eulenberg zu, der das Versprechen enthielt, bis zum Ende des Kriegs neutral zu bleiben. Im Gegenzug waren die Schweden bereit, die monatliche Zahlung von 7000 Talern zu reduzieren. Die sächsische Neutralität sicherte die Pufferzone um den schwedischen Brückenkopf. Die Schweden konnten einen oderabwärts geführten Angriff leicht blockieren, und die Kaiserlichen wären in jedem Fall zu weit nach Osten abgedrängt, um den Bayern zu helfen. Tatsächlich benötigten zwei kleine kaiserliche Armeen fast das ganze Jahr 1646, um die von Torstensson im Vorjahr eroberten Städte Niederösterreichs und Schlesiens zurückzuholen. Weil es an sächsischer wie auch bayerischer Unterstützung mangelte, vertiefte sich Erzherzog Leopold Wilhelms Pessimismus, und der Hauptteil der kaiserlichen Armee blieb bis Mai in Quartieren rund um die fränkische Stadt Bayreuth. Die Schweden hielten immer noch Olmütz als vorgelagerten Stützpunkt, von dem aus sie entweder ihren Angriff auf Österreich erneuern oder in Böhmen

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zuschlagen konnten. Nach dem Sieg über Sachsen kehrte Königsmarck zur Hauptarmee unter Wrangel zurück, die in Thüringen überwintert hatte. Insgesamt waren es nun 15 000 Mann Kavallerie und 8000 Mann Infanterie, zudem befanden sich 17 000 Wehrpflichtige auf dem Weg von Schweden her. Allerdings wollten die Schweden nicht unbedingt ihre Verhandlungsposition auf dem Kongress gefährden, indem sie eine Schlacht riskierten. Nach langen Beratungen entschlossen sich die Generäle, eher Westfalen anzugreifen als die habsburgischen Erblande, die eine härtere Herausforderung darstellten. Diese Entscheidung wurde auch durch die zögernde Haltung der Franzosen beeinflusst, die sich schwertaten, einen neuen Waffengang zu wagen. Frankreich musste nämlich nicht nur seine Armee in Deutschland nach dem kostspieligen Feldzug von 1645 neu aufbauen, sondern wollte auch das stillschweigende Einverständnis mit Maximilian keinesfalls auf die Probe stellen. Um das Verhältnis zum Bündnispartner nicht zu belasten, beauftragte die französische Delegation in Münster General Bönninghausen mit der Rekrutierung von Verstärkungstruppen für die Schweden. Bönninghausen hatte den Dienst im kaiserlichen Heer 1640 quittiert, weil er seine Talente nicht ausreichend gewürdigt fand. Er nutzte nun seinen in kaiserlichen Diensten erworbenen Ruf, um 2300 Soldaten zu täuschen. Die Soldaten glaubten nämlich, für die Armee des Kaisers angeworben zu werden, während sie sich dann tatsächlich in hessischen Diensten wiederfanden.695 Wrangel marschierte im April westwärts, nahm die hessischen Streitkräfte unterwegs mit und überrannte den schwachen Kordon der Kaiserlichen entlang der Weser, der Westfalen abschirmen sollte. Wrangel wiederholte die von Königsmarck zur Einschüchterung Sachsens verwendete Strategie und zerstörte Häuser, jagte Kirchen in die Luft, vernichtete Feldfrüchte, hackte Obstbäume um und vergewaltigte und ermordete, was ihm in den Weg kam.696 Wenn Ferdinand von Köln sich dennoch nicht einschüchtern ließ, lag dies vor allem daran, dass seine Kerngebiete immer noch von der jüngst vergrößerten westfälischen Armee verteidigt wurden. Im Juni schließlich kam Leopold Wilhelm aus Franken herüber, um sich in der Wetterau den bayerischen und westfälischen Truppen anzuschließen. Damit waren 40 000 Mann zusammengezogen, was Mazarin dazu zwang, Turennes 8000 Mann am 15. Juli bei Wesel über den Rhein zu schicken, um die Truppen der Verbündeten auf 34 000 Soldaten aufzustocken. Turennes Eindringen in Nordwestdeutschland war ein kalkuliertes Risiko zur Unterstützung der französischen Verbündeten, ohne die Beziehungen zu Bayern abzubrechen. Die Ankunft der Franzosen gab Trauttmansdorffs Ringen um die Abtretung des Elsass neuen Schwung.

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Der Hessenkrieg Die Anwesenheit der französischen wie auch der schwedischen Armee störte den brüchigen Frieden zwischen den beiden Linien der hessischen Dynastie. Amalie Elisabeth hatte eine Invasion von Hessen-Darmstadt zweimal verschoben – das erste Mal nach Tuttlingen und das zweite Mal im Sommer 1645, als der hessische Befehlshaber Geyso an der Schlacht von Alerheim teilnahm. Der Obrist Saint-André griff im September 1645 von Westfalen aus an, war aber zu schwach, um Gießen oder die anderen Städte zu erobern. Wie Torstensson in Holstein gaben die Hessen sich den Anschein, nur nach Winterquartieren zu suchen. Die Täuschung flog auf, als sie Ende Oktober Marburg beschossen. Die Söhne des Landgrafen von Hessen-Darmstadt studierten damals zusammen mit den Söhnen anderer Fürsten an der dortigen Universität. Die Väter erhoben stürmischen Protest gegen die Übergriffe von Amalie Elisabeth, und Darmstadt verwies empört auf den 1631 geschlossenen Neutralitätsvertrag mit Gustav Adolf, während Württemberg und Sachsen anboten, als Vermittler zu fungieren. Amalie Elisabeth ging das Risiko ein, das ganze protestantische Deutschland gegen sich aufzubringen, und setzte die Angriffe trotzdem fort, weil sie mit Recht den Verdacht hegte, dass Frankreich und Schweden die Ziele von HessenKassel auf dem Friedenkongress opfern würden, falls sie es für notwendig hielten. Ihre Stände verweigerten allerdings die Unterstützung und warfen ihr vor, das Land zu ruinieren. Als Geyso mit seinem Kontingent von Alerheim zurückkehrte, konnten ihre Truppen am 15. Januar Marburg einnehmen, aber die lokale Verwaltung verweigerte die Zusammenarbeit, und die Universität musste schließen, weil Studentenschaft und Lehrkörper flohen. Darmstadt erneuerte seine Armee unter dem Kommando von Graf Ernst Albrecht von Eberstein, einem fränkischen Verwandten des ehemaligen Befehlshabers von Hessen-Kassel.697 Die Streitmacht umfasste schließlich 5000 Mann und Landgraf Georg schloss sich am 26. Juli 1646 formell mit dem Kaiser zusammen. Allerdings erhielten seine Gegner Nachschub aus Kassel, während die militärische Logistik der Kaiserlichen versagte, was Leopold Wilhelm zu einer Positionsverschiebung zwang. Ende August umgingen Wrangel und Turenne seine Truppen, überquerten den Main und marschierten in zwei Verbänden durch Württemberg und Franken südwärts, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Ferdinand von Köln untersagte es der 8000 Mann umfassenden Streitmacht Geleens, sich dem Erzherzog bei der Verfolgung der Alliierten anzuschließen. Geleen zog sich nach Norden zurück, um die fortwährenden hessischen Überfälle auf den Niederrhein zu unterbinden, und überließ Kassel und Darmstadt ihrem Krieg. Im Oktober hatte Eberstein, mit Ausnahme von Marburg, alle Verluste wieder wettgemacht und lancierte nun seinerseits die Invasion von Hes-

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sen-Kassel. Doch wurde er von Geyso am 20. November bei Frankenberg besiegt, und so musste Darmstadt einen neuen Waffenstillstand akzeptieren. Unterdessen war Leopold Wilhelm zunächst durch Bamberg nach Osten marschiert, um dann südwärts in Bayern einzufallen, wobei er Ende September bei Regensburg die Donau überquerte. Er bewegte sich auf sicherer Route, doch konnten dadurch Wrangel und Turenne über den Lech vorstoßen und Westbayern verwüsten. Nur Augsburg widerstand ihnen. Anders als 1632 blieben die Stadttore geschlossen, weil der nun bikonfessionelle Stadtrat die protestantischen Einwohner mit Zugeständnissen für sich gewinnen konnte. Die Stadt überstand einen drei Wochen währenden Beschuss, bis endlich Leopold Wilhelm am jenseitigen Lechufer auftauchte und am 12. Oktober der Belagerung ein Ende machte.698 Jedoch war die kaiserliche Armee erschöpft und infolgedessen nicht in der Lage, Wrangel und Turenne daran zu hindern, die Besetzung Schwabens noch weiter zu festigen. Die Schweden bezogen ihr Winterquartier bei Isny am Bodensee. Patrouillen hatten Wrangel darauf aufmerksam gemacht, dass Bregenz am Ostufer des Sees leicht einzunehmen sei. Außerdem hatten sie herausgefunden, wo die Wertsachen aus der gesamten Umgebung versteckt gehalten wurden. Am 4. Januar tauchte er mit 8000 Mann und 24 Geschützen vor dem Pass auf. Die Bregenzer Klause nahe dem Seeufer war die einzig gangbare Route durch die Bergwälder, die sich hinter Bregenz entlang der Grenze zu Tirol erstreckten. Die Klause wurde durch drei befestigte Tore hintereinander und hügelaufwärts nach Osten durch eine Reihe von Palisaden gesichert und von 2200 Tiroler Soldaten und Milizionären bewacht, die in den vergangenen zwei Tagen unter Kälte und heftigem Schneefall gelitten hatten. Dennoch leisteten sie heftigen Widerstand, bis eine schwedische Abteilung einen Bergpfad erklimmen, die Palisaden überwinden und die Stellungen entlang der Straße umgehen konnte. Die Verteidiger schlossen sich der Bevölkerung an, die sich schon am Morgen auf die Flucht begeben hatte. Die Schweden eroberten Bregenz und erbeuteten über vier Millionen Gulden – mehr, als der schwedischen Armee je zuvor in die Hände gefallen war, wie ein schwedischer Offizier später festhielt.699 Wrangel verbrachte zwei Wochen mit der Plünderung von Westtirol. Anders als bei Horns Operationen 1633 bestand diesmal nicht die Absicht, das Veltlin zu besetzen, da es seinen strategischen Wert verloren hatte. Stattdessen versuchte Wrangel, den Bodensee in seine Gewalt zu bekommen. Er stellte eine kleine Flotte mit Kanonenbooten zusammen und eroberte die Insel Mainau, wo weitere Schätze verborgen lagen. Dann belegte er die auf einer Insel gleich nördlich von Bregenz gelegene Reichsstadt Lindau mit einer Blockade, während Turenne Überlingen belagerte.

20. Krieg oder Frieden (1646–48)

Der Ulmer Waffenstillstand (1647) Die wiederholten Fehlschläge ließen Maximilian zu der Überzeugung kommen, dass der Kaiser ihn nicht länger schützen könne. Er verzweifelte am beklagenswerten Zustand der kaiserlichen Armee und Leopold Wilhelms Defätismus. Der Erzherzog trat Ende Dezember zurück und wurde von Gallas ersetzt, der jedoch unfähig war, das Kommando auszuüben. Er starb am 25. April 1647. Maximilian war jetzt 73 Jahre alt, sein Sohn aber noch ein Junge von neun Jahren. Der um sein Erbe besorgte Kurfürst setzte seine Hoffnungen nunmehr auf einen allgemeinen Waffenstillstand, der dann schnell zum endgültigen Friedensschluss führen würde. Wrangel argwöhnte freilich, dass ein Waffenstillstand lediglich für Bayern eine Gelegenheit wäre, sich wieder zu erholen. Und die schwedische Regierung befürchtete zudem, dass Frankreich sich von den Auseinandersetzungen um das Reich zurückziehen könnte, da die Bildung eines neutralen katholischen Bündnisses ein seit Langem verfolgtes Ziel der französischen Politik war. Auf französischen Druck hin erklärte Wrangel sich nach einigem Zögern am 8. Dezember 1646 zu Gesprächen in Ulm bereit. Am 14. März 1647 wurde mit den Vertretern Maximilians der Waffenstillstand geschlossen. Die Bedingungen waren günstiger als die zuvor Brandenburg und Sachsen auferlegten. Bayern musste keine Kontributionen zahlen, sondern lediglich die schwäbischen Außenposten Memmingen und Überlingen den schwedischen Garnisonen und Heilbronn den Franzosen überlassen. Im Gegenzug räumten die Verbündeten ihre Positionen in Westbayern. Maximilian versprach, bis zu einem Friedensabkommen neutral zu bleiben. Augsburg und die Rheinpfalz wurden in den Waffenstillstand eingeschlossen; die Bedingungen dafür unterzeichnete Maximilian im Namen seines Bruders in Köln. Dieser wurde verpflichtet, die kaiserlichen Garnisonen in Westfalen zu räumen. Die Oberpfalz war explizit kein Verhandlungsgegenstand, weil Wrangel sich den Zugang nach Böhmen zu Angriffszwecken erhalten wollte. In einem neuen Vertrag, den Sötern am 29. November 1645 mit Frankreich geschlossen hatte, war bereits die Neutralität Triers bestätigt worden. Anselm Casimir sah keine andere Möglichkeit, als einen solchen Vertrag auch für Mainz zu schließen, was am 9. Mai 1647 geschah. Abgesehen von Ferdinand befand sich nun keiner der Kurfürsten mehr im Krieg. Viele weitere Fürsten waren praktisch neutral – und Spanien stand am Rand des Zusammenbruchs, als das Königreich Neapel von einer Revolte erschüttert wurde.

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Der Konsens kommt in Sicht Als Ferdinand von Bayerns Verhandlungen erfuhr, erneuerte er schnell seine Versuche, sich mit Schweden zu einigen. In der Pommernfrage waren die Dinge ins Stocken geraten. Schweden war nicht bereit, seine Stellung im Reich zu gefährden, indem es Brandenburg zur Aufgabe von Pommern zwang. Kurfürst Friedrich Wilhelm erkannte allerdings, dass Schwedens Zögern für ihn keine Sicherheit bedeutete. Außerdem bereitete ihm sein Rivale von Pfalz-Neuburg in Westfalen Sorgen. Da er ein dynastisches Bündnis zur Beilegung der Fehde um Jülich-Kleve brüsk zurückgewiesen hatte, konnte sich der Kurfürst nur selbst die Schuld geben, als Wolfgang Wilhelms Sohn Philipp Wilhelm im Juni 1642 die Tochter des Königs von Polen heiratete. Zu allem Überfluss hatte er Zinsrückstände von insgesamt einer Million Taler auf dem Schuldenkonto und sah keine Möglichkeit, den 1616 von Peter Hoefyser gewährten Kredit zurückzuzahlen, der die niederländische Präsenz in Kleve und der Grafschaft Mark legitimierte. Da die Garnisonen der Republik besseren Schutz boten als die unzureichenden Streitkräfte des Kurfürsten, wurde die bereits brüchige Loyalität seiner westfälischen Untertanen weiter geschwächt. Da Friedrich Wilhelm befürchten musste, diese Provinzen gänzlich zu verlieren, beschloss er, seinem Ruf durch ein Militarisierungsprogramm aufzuhelfen.700 Von späteren preußischen Historikern wurde das als angemessene Reaktion gefeiert, doch war es in Wirklichkeit eine völlig fehlgeleitete Politik. Ihr Förderer war Johann von Norprath, ein ehemaliger Offizier von Neuburg, der abtrünnig geworden und in brandenburgische Dienste getreten war. Nun diente er als Gouverneur von Kleve und Mark und sann auf Rache an seinem früheren Landesherrn. Die brandenburgischen Streitkräfte in der Region wurden auf 4100 Mann, im Kurfürstentum auf 2900 und in Preußen um 1200 plus 6000 Milizionäre aufgestockt. 1646 verlegte der Kurfürst seinen Sitz von Berlin nach Kleve, um näher an den Orten zu sein, wo der Friedenskongress stattfand. Immerhin zeitigte die gewachsene Militärpräsenz einige positive Resultate insofern, als die Hessen einige Städte in der Grafschaft Mark räumten. Der Kurfürst eröffnete Verhandlungen mit Frankreich, um Unterstützung zu erhalten, und seine Heirat mit der ältesten Tochter von Statthalter Friedrich Heinrich diente dazu, möglichen niederländischen Bedenken schon im Vorfeld zu begegnen. Mittlerweile allzu selbstbewusst wollte der Kurfürst nunmehr seinen Streit mit Pfalz-Neuburg beenden, indem er im November 1646 in Berg einmarschierte. Aber es kam anders als gedacht. Wolfgang Wilhelm hatte während seiner ganzen bisherigen Regierungszeit ausländische Streitkräfte im Land dulden müssen. Er ließ sich von den Neuankömmlingen nicht einschüchtern. Schon

20. Krieg oder Frieden (1646–48) Tabelle 5 Die territorialen Regelungen Schwedische Gewinne Fläche (km2)

Brandenburgische Gewinne

Westpommern Erzbistum Bremen Bistum Verden Hafen von Wismar

Ostpommern Erzbistum Magdeburg Bistum Kammin Bistum Halberstadt Bistum Minden

9600 5170 1320 181,5 16 271,5

Fläche (km2) 19 635 5005 2365 1705 1198 29 908

bald mangelte es ihnen an Brot und sie kehrten heim. Friedrich Wilhelm erreichte lediglich kleine Änderungen am Teilungsvertrag von 1629: So fiel ihm der Anteil von Pfalz-Neuburg an Ravensberg zu. Zudem hatten die großen Mächte nicht die Absicht, ehrgeizige Fürsten ihre Angelegenheit selber regeln zu lassen. Als Brandenburg das mittlerweile doch sehr schal gewordene schwedische Angebot einer dynastischen Heirat ablehnte, wurde Oxenstierna mit Trauttmansdorff handelseinig und Pommern wurde geteilt. Schweden bekam den reicheren westlichen Teil mit Stralsund, Stettin, Garz und den Inseln vor der Odermündung unter der Bedingung, dass diese weiterhin zum Reich gehörten. Nach seiner fehlgeschlagenen Invasion war Friedrich Wilhelm eifrig bemüht, auch noch einen Teil vom Kuchen zu ergattern. Der Kaiser zeigte sich großzügig und rückte den Nutzen von Brandenburgs Unterstützung in den Vordergrund. Er wies den französisch-bayerischen Vorschlag zurück, den kirchlichen Landbesitz zu retten und Brandenburg stattdessen mit Schlesien zu entschädigen. Vielmehr erklärte Ferdinand sich sogar bereit, Brandenburg neben Ostpommern auch die Bistümer Kammin, Halberstadt und Minden zu überlassen. Zudem sollte das Erzbistum Magdeburg mit dem Tod des gegenwärtigen sächsischen Administrators an Friedrich Wilhelm fallen. Das verärgerte Sachsen, da aber Johann Georg nicht mehr am Kriegsgeschehen teilnahm, konnte er nichts gegen die Entscheidung tun. Brandenburg akzeptierte die Gebietsregelungen am 19. Februar 1647. Es hatte beträchtlich mehr an Landfläche hinzugewonnen als Schweden und sein Territorium um ein Drittel vergrößert (siehe Tabelle 5).701 Ferdinands Großzügigkeit hatte ihre Gründe. Zum einen brauchte er Brandenburg als Puffer, um den schwedischen Brückenkopf einzugrenzen. Zum anderen waren die Zugeständnisse Teil einer von Trauttmansdorff bewirkten, überaus günstigen Gesamtregelung. Friedrich Wilhelm ließ von seiner bisherigen Unterstützung des radikalen hessischen Verfassungsprogramms ab und schloss sich der Position der anderen Kurfürsten an, die ihren kollektiven Vorrang vor den übrigen Reichsständen betonten. Da sie erkannten, dass ihr eigener Status von der hierarchischen Struktur des Reichs abhing, die mithin zu bewah-

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ren war, verteidigten sie mit Nachdruck die dem Kaiser verbliebenen Vorrechte.702 Schweden sagte sich für Westpommern ebenfalls von seiner Unterstützung der Verfassungsreform los, und Mazarin schloss sich dem im April 1647 an, weil Trauttmansdorff das Abkommen vom September 1646 über die Abtretung des Elsass bestätigt hatte. Beide Königreiche konnten nun ihr Gesicht wahren, indem sie Trauttmansdorffs trickreichen Vorschlag akzeptierten, die Diskussion der noch verbleibenden Verfassungsfragen auf den ersten Reichstag nach dem Friedensschluss zu verschieben. Festlegung des Normaljahres Für die militanten Kräfte in beiden Konfessionen waren die Abkommen über Pommern ein Schlag ins Gesicht. Die Umverteilung kirchlicher Ländereien entsprach einem neuen Konsens, was das dornige Problem des Kirchenbesitzes betraf. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatte man drei Lösungswege eingeschlagen.703 Der Augsburger Religionsfrieden hatte sich in einem bewusst mehrdeutigen Dokument, das beide Parteien ohne Gesichtsverlust akzeptieren konnten, letztlich der Heuchelei bedient. Darin schlug sich das frühmoderne Ideal eines Kompromissfriedens ohne klare Sieger oder Verlierer nieder. Von diesem Ideal ließen sich auch die Diskussionen auf dem Westfälischen Kongress leiten, wo man zunehmend darin übereinkam, dass ein dauerhafter Frieden nur möglich sei, wenn alle Signatarmächte ihre Ehre bewahren konnten. Allerdings war ebenso deutlich, dass die neu zu treffenden Regelungen die besonders problematischen Uneindeutigkeiten des Friedensabkommens von 1555 beseitigen mussten. Ein zweiter Lösungsansatz war gleichfalls bereits in dem Abkommen von 1555 enthalten, insofern als beide Seiten es als nützliche Richtlinien für eine zeitweilige Koexistenz ansahen, bis die eine Seite die jeweils andere von der ausschließlichen Richtigkeit ihrer Interpretation dessen, was Christentum sei, überzeugt haben würde. Das Restitutionsedikt von 1629 war der definitive Versuch, die katholische Interpretation zu begünstigen. Doch ließ die kaiserliche politische Kultur immer Raum für Ausnahmen, um Spannungen durch die Verschiebung schwieriger Entscheidungen zu entschärfen. Der Kaiser hatte bereits seit den 1560er-Jahren die faktische Tolerierung auf die Calvinisten ausgedehnt, obwohl ihre Glaubensinhalte sich ganz offenkundig von denen unterschieden, die durch den Augsburger Religionsfrieden geschützt wurden. Der Prager Frieden fügte nur weitere provisorische Regelungen hinzu, indem er das Edikt für 40 Jahre aussetzte. Trauttmansdorff eröffnete die Verhandlungen in Westfalen mit dem Vorschlag, diesen Zeitraum auf 100 Jahre auszudehnen. Der dritte Ansatz sah einen Kompromiss auf der Grundlage des aktuellen Besitzstands (uti possidetes) vor, der ebenfalls schon 1555 zur Anwendung ge-

20. Krieg oder Frieden (1646–48)

kommen war. Man erklärte damals 1552 zum „Normaljahr“, was es den Lutheranern erlaubte, solche Kirchengüter zu behalten, die sie zu dieser Zeit bereits in Besitz gehabt hatten. Die späteren Probleme ergaben sich vor allem aus den unterschiedlichen Interpretationen dieser Regelung. Die Katholiken sahen darin eine feste Grenze, während die Protestanten sich weigerten, eine Jahreszahl als Hindernis für die weitere Ausbreitung ihres Glaubens durch friedliche Überzeugungsarbeit zu akzeptieren. Die Katholiken führten dagegen das Restitutionsprinzip ins Feld und bestanden darauf, dass der Frieden nur wiederhergestellt werden könne, wenn die Protestanten begangenes Unrecht durch Rückgabe des „gestohlenen“ Eigentums wieder gutmachten. Dieses Argument lag auch dem Restitutionsedikt zugrunde, das die militanten Katholiken für immer noch gültig hielten. Die Lösung bestand darin, Restitution und Besitzrecht in einer dauerhaften Regelung miteinander zu verbinden. Diese vierte Option war bereits von gemäßigten Lutheranern im Jahrzehnt vor 1618 vorgeschlagen worden. Sie zeigten sich damals bereit, ihre elastische Interpretation des Normaljahres aufzugeben, wenn die Katholiken im Gegenzug den Landbesitz akzeptierten, den die Lutheraner in der Zwischenzeit erworben hatten. Aber der Vorschlag scheiterte am Misstrauen der Katholiken und dem schieren Umfang dessen, was aufzugeben ihnen angetragen wurde. Dennoch griff die Idee um sich, als Darmstadt und Sachsen versuchten, das Edikt von 1629 annehmbarer zu gestalten, indem sie einen konfessionsübergreifenden Kompromiss anstrebten. Im Wesentlichen wurde dabei die Aufmerksamkeit von der Auseinandersetzung über die „richtige“ Interpretation weggelenkt und auf die Frage verschoben, welche praktischen Folgen die Festlegung alternativer Normaljahre haben würde. Damit bildeten Restitution und Besitz keine Gegensätze mehr, da beide Prinzipien für beide Seiten gelten würden: Protestanten und Katholiken würden viel von ihrem Land behalten und zugleich einige Gebiete miteinander tauschen, um die Lage an das neu gewählte Jahr anzupassen. Die Herausforderung bestand nun darin, ein Datum zu finden, auf das sich beide Seiten einigen konnten. Das war auch deshalb nicht einfach, weil noch das Amnestieproblem hineinspielte. Der Kaiser hatte den Krieg als Rebellion interpretiert und darin den Grund gefunden, seine Gegner zu enteignen und ihre Ländereien in Besitz zu nehmen. In Ferdinands Sichtweise waren es zwei Kriege gewesen: Der erste hatte 1618 mit dem böhmischen Aufstand begonnen und war 1629/30 mit dem Restitutionsedikt, dem Frieden von Lübeck und dem mit Frankreich geschlossenen, aber nicht ratifizierten Vertrag von Regensburg beigelegt worden. Der zweite Krieg hatte 1630 mit der schwedischen Invasion begonnen und war fünf Jahre später mit dem Prager Frieden partiell beigelegt wor-

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den. Trauttmansdorff war angewiesen, die Verhandlungen im Mai 1646 mit der Prämisse zu beginnen, dass die Amnestie nur bis 1630 zurückreichen könne, während das Normaljahr, wie in Prag vereinbart, 1627 sein solle. Nur als letzte Möglichkeit solle er für beide Fälle 1618 anbieten. Allerdings wollte Ferdinand es tunlichst vermeiden, die Amnestie auf die böhmischen Exulanten auszuweiten, da dies bedeutet hätte, dass es den Habsburgern nicht gelungen war, ihre Revolte niederzuschlagen. Die radikalen Protestanten beharrten auf 1618 als dem Normaljahr und wurden dabei von den Schweden in beiden Punkten – Amnestie und Restitution – unterstützt, während Frankreich nur die Amnestie befürwortete, weil dieses Restitutionsdatum einen erheblichen Verlust an Kircheneigentum bedeutet hätte. Aus dieser Sackgasse wies der sächsische Vertreter einen Weg, indem er – aus bis heute nicht geklärten Gründen – 1624 als Normaljahr und den 1. Januar als Stichtag vorschlug. Das sollte so nur für das Reich gelten, während für die Habsburgermonarchie weiterhin die Bestimmungen des Prager Friedens verbindlich blieben. Der Vorschlag veranlasste beide Seiten dazu, Listen von Ländereien anzufertigen, die – je nachdem, welches Jahr als Normaljahr gewählt würde – zurückzugeben waren. Die konfessionelle Solidarität wurde dabei freilich geschwächt, denn die Gruppen waren in sich gespalten in jene, die der sächsische Vorschlag benachteiligte, und die anderen, die ihn akzeptieren oder gar von ihm profitieren konnten. Im November 1646 hatten sich drei Gruppen herausgeschält. Die größte, bestehend aus Protestanten wie auch Katholiken, stimmte dem sächsischen Vorschlag zu. Bayern schloss sich der Gruppe an, sobald Maximilian eine weitere Ausnahme ausgehandelt hatte, um die Rekatholisierung der Oberpfalz zu bewahren, die erst nach 1624 begonnen hatte. Ferdinand war natürlich erfreut über die Ausnahmeregelung für die Habsburgermonarchie, wobei die von Johann Georg 1621 auf die Schlesier ausgeweiteten Garantien nicht angetastet werden sollten, damit Sachsen seinen Ruf nicht verlöre. Die Amnestie wurde auf derselben Grundlage geregelt, weil dank der Sonderbestimmungen für die Habsburgermonarchie und Bayern Ferdinand und Maximilian im übrigen Reichsgebiet vollständig Pardon geben konnten. Damit wäre der pfälzische Kurfürst rehabilitiert, doch könnte Maximilian Titel und Oberpfalz behalten. Auch ließen sich viele Lutheraner für das von Sachsen vorgeschlagene Datum gewinnen, weil damit die Versuche des Kaisers, Magdeburg und Halberstadt einem habsburgischen Fürsten zu unterstellen, beendet wurden und katholische Ansprüche auf weitere norddeutsche Bistümer wie auch die württembergischen Klöster hinfällig wurden. Dieser breite, konfessionsübergreifende Konsens machte die Militanten beider Seiten zu kleinen Gruppen kompromissloser Extremisten. Die Katholiken dieser Couleur wurden von Franz Wilhelm von Wartenberg, dem Bischof von

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Osnabrück, Verden und Minden, angeführt, der ein Drittel der anderen geistlichen Fürsten vertrat. Unterstützt wurde er von Adam Adami, dem Abt des Benediktinerklosters von Murrhardt, der die schwäbischen Prälaten repräsentierte, und von Dr. Johann Leuchselring, einem bigotten Ratsherrn aus Augsburg, der diverse schwäbische Grafen vertrat. Ihre gemeinsame Haltung fasste Vincenzo de Carafa, der neue Generalsuperior der Jesuiten, in die Worte: „Ein Friede, der die Seelen versklavt, ist schlimmer als jeder Krieg, und die Verderbnis der Seelen muss strenger vermieden werden als die der Körper.“704 Der Papst hatte bereits 1641 beschlossen, keine Zugeständnisse zu machen. Damit wollte er durchaus nicht jeglichen Frieden verhindern, sondern die Rechtmäßigkeit der harten katholischen Linie bewahren für den Fall, dass sich die Lage verbesserte. Als Heinrich V. von Knöringen, der Bischof von Augsburg, 1646 starb, verlor die Gruppe ein wichtiges langjähriges Mitglied. Die übrigen sahen sich durch den Ulmer Waffenstillstand kompromittiert, der Trauttmansdorff zu der Behauptung berechtigte, das katholische Bayern und Köln hätten Österreich die Waffen aus der Hand geschlagen und zwängen den katholischen Kaiser zu Zugeständnissen. Bayerns Unterstützung für die Eiferer war nur taktischer Art gewesen, und Maximilian suchte jetzt seinen Bruder dazu zu bewegen, Bischof Wartenberg aus der offiziellen Kölner Delegation zu entfernen. Kurfürst Ferdinand war zwar darauf bedacht, sich nicht offen zu den kaiserlichen Zugeständnissen zu bekennen, aber er zeigte Wartenberg die kalte Schulter und gestattete dem pragmatischen Paderborner Kanzler Peter von Buschmann, der Einigung über das Normaljahr zuzustimmen.705 Wartenberg blieb auf eigene Initiative zusammen mit Adami bei den Verhandlungen, doch waren sie isoliert. Viele ihrer früheren Unterstützer waren inzwischen desillusioniert, wie etwa Georg Gaisser, Abt des Benediktinerklosters von St. Georgen im Schwarzwald, das 1630 von Württemberg zurückerlangt worden war. Obwohl er vom Restitutionsedikt hatte profitieren können, hatte er die meiste Zeit mit fruchtlosen Verhandlungen zugebracht, die katholische Offiziere dazu bewegen sollten, der Disziplinlosigkeit und Zerstörungswut ihrer Soldaten Einhalt zu gebieten. Seine Erfahrungen ließen ihn Adamis Auffassung vom Krieg als göttlichem Strafgericht für das Reich und dessen „sündige“ Tolerierung des Ketzertums zurückweisen. Stattdessen sah Gaisser den Krieg als Ergebnis menschlichen Versagens.706 Größerer Einfluss ging von Johann Philipp von Schönborn aus, der bereits Bischof von Würzburg war und am 19. März 1647 Nachfolger von Anselm Casimir in Mainz wurde. Er erkannte die Notwendigkeit, die Hauptmasse der Reichskirche durch größere Zugeständnisse zu retten. Diese sollten nicht nur Territorien betreffen, sondern auch die „Freistellung“ der Religion für anerkannte Glaubensminderheiten. Der erzbischöfliche

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Vertreter verbrachte mehr Zeit mit den Protestanten in Osnabrück als mit den katholischen Kollegen in Münster. Da nun Österreich, Bayern, Mainz und Köln die gemäßigte Position unterstützten, schlossen sich andere Fürstentümer wie Salzburg dem an, um nicht isoliert zu werden. Brandenburg stimmte dem Kompromiss im Februar 1647 zu, wodurch die militanten Protestanten marginalisiert wurden, die aufgrund von Sachsens hartnäckiger Opposition gegen die Einbeziehung von Calvinisten ohnehin bereits in sich gespalten waren. Johann Georg hatte an Glaubwürdigkeit verloren, als er – durch den Prager Frieden in den Vollbesitz der Lausitz gelangt – Minderheitenrechte für Katholiken akzeptierte. Nun sahen seine ernestinischen Verwandten, angeführt von Herzog Friedrich Wilhelm von Altenburg, die Gelegenheit gekommen, ihre durch die Übertragung des sächsischen Kurfürstentitels (1547) verloren gegangene Führungsrolle für die deutschen Protestanten zurückzuerlangen. In ihrer Haltung verbanden sich konfessionelle Ziele mit dem seit Langem schwelenden Groll der kleineren Territorien über ihren untergeordneten Platz in der Verfassung. Dr. Lampadius, der Braunschweig-Grubenhagen vertrat, empfahl die Auferlegung einer capitulatio perpetua, also einer ständigen Wahlkapitulation, um die kaiserlichen Vorrechte ein für alle Mal festzulegen und zu verhindern, dass die Kurfürsten mit jedem neuen Kaiser neue Privilegien aushandelten. Zusammen mit Wolfgang Thumbshirn, seinem Altenburger Kollegen, schlug Lampadius vor, die „teutsche Libertät“ auf die gewöhnlichen Leute auszudehnen, indem man ihnen die vollständige Gewissensfreiheit gewährte. So weit wollten jedoch die wenigsten Protestanten gehen, zumal sie erkannten, dass es dann schwierig sein würde, katholischen Minderheiten dieses Recht zu verweigern.707 Der calvinistische Millenarismus hatte viele ermutigt, in den Krieg zu ziehen. Zwar sagten einige Unverbesserliche immer noch den Untergang der Habsburgermonarchie für zehn Jahre nach Kriegsende voraus, doch glaubten die meisten an solchen Unsinn schon lange nicht mehr. Der Krieg war zum Bestandteil des Alltagslebens geworden und wurde nicht mehr als plötzlich geschwungene Geißel Gottes empfunden.708 Die spanische Erbfolge Im April 1647 wollte Trauttmansdorff den wachsenden Konsens nutzen, um auch die übrigen Probleme zu bewältigen, indem er über Entschädigungsansprüche verhandelte, die von Hessen-Kassel, Baden-Durlach, den Welfen und den böhmischen Exulanten gestellt wurden. Schweden und die protestantischen Reichsstände stimmten einem Kompromiss im Juni im Wesentlichen zu. Allerdings benötigte Schweden noch Geld, um seine Soldaten zufriedenzustellen, und durfte auch die Exulanten nicht außer Acht lassen, von denen viele in der schwedischen Armee als Offiziere dienten. Seine Forderungen

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beliefen sich auf 20 Millionen Taler, während die Reichsstände nur 1,6 Millionen anboten. Nachdem Schweden Lampadius’ Vorschläge zunächst ignoriert hatte, pries es sie bald als geeignetes Mittel, um dem Kaiser mehr Geld für die Armee abzuzwingen. Als wirkliches Hindernis erwies sich Frankreichs beharrliche Forderung, dass Ferdinand Spanien nicht in die Friedensverhandlungen einbeziehen solle. Spaniens Position hatte sich durch den im Januar 1647 vorgelegten Entwurf eines Vertrags mit den Niederländern verbessert, der zur Einstellung der Militäroperationen an der niederländischen Grenze führte. Spanien hielt es nun nicht mehr für unbedingt notwendig, auf Mazarins Bedingungen einzugehen, wodurch Frankreich seine Bemühungen, die Habsburger zu spalten, verdoppeln musste. Obwohl Spanien seit 1642 keine Hilfe mehr geleistet hatte, war Ferdinand mehr denn je daran gelegen, Madrid nicht vor den Kopf zu stoßen. Die Ehefrau Philipps IV. war im Oktober 1644 gestorben, und der König heiratete erst fünf Jahre später erneut. Nach dem Tod von Philipps jüngerem Bruder Ferdinand 1641 und dem des eigenen Sohns im Oktober 1646 war die Thronfolge auf die österreichischen Verwandten übergegangen. Die Situation blieb zunächst offen und änderte sich erst 1661 mit der Geburt des zukünftigen Karl II., der sich als der letzte der spanischen Habsburger erweisen sollte. Madrid wusste es zu würdigen, dass die offene Erbfolgefrage Österreich viel stärker unter Druck setzen konnte als die früheren Subventionszahlungen. Philipp IV. akzeptierte Erzherzog Leopold Wilhelm als neuen Gouverneur der Niederlande. Er kam im April 1647 in Münster an und blieb bis zum Juli 1656, wobei er die zuvor guten Beziehungen zwischen Brüssel und der spanischen Delegation erheblich störte. Außerdem setzte der König seine Tochter Maria Theresia als Lockmittel ein und pries sie als eine mögliche Partie für des Kaisers Sohn Ferdinand an; dabei ließ er indes unerwähnt, dass er seit 1644 versucht hatte, den Krieg mit Frankreich zu beenden, indem er sie mit Ludwig XIV. verheiraten wollte. Unterdessen arrangierten die Spanier Gespräche für Maria Anna, die Tochter des Kaisers, die Philipps Ehefrau werden sollte. Da solcherart die Erbfolge für das gesamte spanische Reich auf dem Spiel stand, wollte Ferdinand seinen Vetter nicht durch einen Separatfrieden ohne Spanien kränken. Bischof Wartenbergs fortgesetzte Einwände gegen die Zugeständnisse in Sachen Religion boten eine geeignete Ausrede, um den Friedensschluss hinauszuzögern und den Generälen mehr Zeit zu geben, damit sie Frankreich zur Aufgabe seiner Forderung zwingen konnten.709 Militärische Operationen während des Waffenstillstands Wrangels besorgte Einschätzung des Ulmer Waffenstillstands erwies sich als gut begründet. Frank-

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reich profitierte davon am meisten, weil die Kapitulation von Heilbronn die französischen Positionen östlich des Schwarzwalds endlich konsolidierte. Turenne verbrachte die letzten Tage im März 1647 damit, einige kleine kaiserliche Außenposten, die in den Bedingungen nicht enthalten waren, zu beseitigen, während Wrangel die fruchtlose Belagerung von Lindau abbrach und seine Stellungen in Tirol räumte. Weil Bayern nun kein Angriffsziel mehr war, marschierte Wrangel durch Ravensburg und Nördlingen nach Nordosten und in Franken ein. Königsmarck wurde zur Unterstützung der Hessen an den Main geschickt. Wie bedeutsam es war, dass man die Oberpfalz aus dem Waffenstillstand ausgenommen hatte, wurde jetzt klar, als Wrangel dort ankam, um Nordwestböhmen anzugreifen. Er glaubte, dass alle bisherigen Invasionen in Böhmen aufgrund mangelhafter Vorbereitung und zu geringer Truppenstärke gescheitert seien. Er ließ das 7000 Mann starke Korps unter dem Befehl von Wittenberg aus Schlesien kommen. Es sollte Sachsen durchqueren und sich ihm in Eger anschließen. Er selbst versorgte seine Truppen während der Wartezeit mit reichlich Essen und Trinken auf Kosten der Franken. Die strategischen Prioritäten der Franzosen hatten sich verändert. Mazarin befürchtete mittlerweile, dass der spanisch-niederländische Waffenstillstand vom Januar Leopold Wilhelm die Verlegung von Truppen an die Südgrenze gestatten würde. Turenne empfing geheime Instruktionen, die ihn zur Ablenkung Luxemburg angreifen hießen. Zuerst dachten seine Männer, sie würden einfach nur den Hessen zu Hilfe kommen, aber dann wandte sich Turenne nach links und überquerte bei Philippsburg den Rhein. Als er mit seinen Truppen am 15. Juni Saverne erreichte, war allen klar, dass sie das Reichsgebiet verließen. Elf Regimenter unter ehemaligen bernhardinischen Offizieren weigerten sich, auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Die Offiziere trugen die üblichen Beschwerden vor: Weil Soldzahlungen noch ausstanden, wollten sie sich nicht zu weit von Breisach und den anderen Städten entfernen, die von ihren Kameraden als Zahlungssicherheit gehalten wurden. Doch dieses Mal hatte die Meuterei einen tieferen Grund, der von der Herkunft der Soldaten herrührte. Die Mehrheit der 3000 Mann stammte nämlich aus Niedersachsen und war während der dortigen Operationen 1640–42 angeworben worden. Wie die Franzosen, die seit 1637 den Rhein in entgegengesetzter Richtung überquert hatten, befürchteten sie, dass sie nie wieder nach Hause zurückkehren würden. Die Ängste wurden noch durch (allerdings grundlose) Gerüchte geschürt, ihr wahres Ziel sei Katalonien. Da sie ihren Offizieren misstrauten, wählten sie einen Kameraden aus ihrer Mitte, Wilhelm Hempel, einen ehemaligen Studenten der Universität Jena, zu ihrem Anführer, und im Juli kehrten sie über Rhein und Neckar zurück.

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General Bönninghausen wechselte nun erneut die Seiten und kehrte gegen Gewährung von Pardon zum Kaiser zurück. Er wurde entsandt, um mit den Meuterern zu verhandeln, von denen 300 für die Sache des Reichs gewonnen werden konnten. Aber Turenne überquerte erneut den Rhein und ritt gegen die übrigen einen Überraschungsangriff. An die 1660 Soldaten entkamen im August nach Norden und schlossen sich Königsmarck an, der mittlerweile in Hildesheim stationiert war. Diese Mannen bildeten zwar eine willkommene Verstärkung, doch war die schwedische Regierung mit der neuen Lage nicht wirklich glücklich, da sie befürchtete, dass Königsmarck ein weiterer Herzog Bernhard mit einer eigenen Armee werden könnte.710 Der Ulmer Waffenstillstand nahm den Schweden nicht nur die Unterstützung Frankreichs, sondern ermöglichte es auch den Kaiserlichen, sich zu erholen. Da Bayern nun als neutrales Territorium eine Pufferzone war, konnte man sich auf die Verteidigung der österreichischen Lande konzentrieren. Melander, der die Westfalen seit 1645 führte, wurde zum Oberbefehlshaber ernannt. Er übernahm das Kommando am 17. April, eine Woche vor Gallas’ Tod. Melander genoss nicht nur die Unterstützung des Kaisers, sondern auch die des kaiserlichen Vizekanzlers Kurtz – und das Vertrauen der Armee. In gemeinsamer Anstrengung sollten Disziplinlosigkeit und logistische Komplikationen überwunden werden. Unfähige oder korrupte Offiziere wurden bestraft, und jede Kompanie erhielt eine Wagenladung mit in Fässern verpacktem Schiffszwieback, falls das Brot einmal knapp werden sollte.711 Die Hauptstreitmacht, etwa 20 000 Mann, war in Böhmen konzentriert, um Wrangels erwarteten Angriff abzuwehren. Die Verteidigung Schlesiens blieb dem sächsischen Kontingent überlassen, das sich gemäß dem Waffenstillstand seines Kurfürsten noch bei der kaiserlichen Armee befand. Unterstützt wurde es von einigen kroatischen Verbänden und kaiserlicher Kavallerie, während polnische Truppen Oppeln und Ratibor für den Kaiser sicherten. Melander wartete bei Pilsen, weil Ferdinand hoffte, dass die 18 700 Bayern überlaufen würden. Sie wurden am 8. Mai zusammengerufen, um der kaiserlichen Oberhoheit unterstellt zu werden. Obwohl Ferdinand Maximilian versicherte, dass sich der Ruf nur an vier kürzlich entlassene Regimenter richtete, lag den Vorgängen die klare Absicht zugrunde, die ganze Armee zum Abfall von Maximilian anzustiften. Der Konflikt bestand darin, dass der Kaiser an den „deutschen Patriotismus“ appellierte, während die Soldaten Kurfürst Maximilian als ihrem Territorialherrn Loyalität geschworen hatten. Werth hatte den Waffenstillstand von vornherein abgelehnt und sich persönlich zurückgesetzt gefühlt, als nicht er, sondern Gronsfeld zum Nachfolger von Mercy als Befehlshaber der bayerischen Armee ernannt wurde. Er marschierte

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mit zwölf Regimentern nach Passau, um – wie er behauptete – Rekruten anzuwerben. Maximilian schätzte den Vorgang indes richtig ein und setzte ein Kopfgeld von 10 000 Talern auf Werth aus, lebendig oder tot. Zwar gewährten bayerische Beamte ihm weder Transportmöglichkeiten noch Nachschub, aber die kurfürstentreuen Regimenter vermieden die Konfrontation mit ihren meuternden Kameraden. Die meisten Meuterer wiederum wollten nicht nach Böhmen einmarschieren, weil es dort kaum etwas zu essen gab. General Gayling organisierte eine Gegenmeuterei, woraufhin Werths Gefolgschaft erheblich schrumpfte. Er hatte nun noch General Sporck, 800 Dragoner und zwei vereinzelte Garnisonen in Schwaben, die sich für den Kaiser aussprachen. General Sparr, Melanders Ersatz in Westfalen, sorgte mithilfe der Kölner Domherren, die ebenfalls gegen den Waffenstillstand waren, für einige weitere Garnisonen. Doch am Ende siegte die Loyalität zu Maximilian, und die überwiegende Mehrheit der Soldaten blieb Bayern treu. Maximilian verzieh Werth die Meuterei nicht und ernannte statt seiner General Gayling zum Befehlshaber der Kavallerie.712 Weil Melander auf Werth warten musste, verzögerte sich sein Abmarsch, und so erreichte er Eger erst, als sich die Stadt am 18. Juli Wrangel und Wittenberg ergeben hatte. Davon unbeeindruckt durchquerte er das Egertal und blockierte den Weg nach Böhmen. Ferdinands Ankunft hob die Kampfmoral sichtlich, und Melander landete einen seiner berühmten Coups, indem er am 22. August Wrangels Lager mit einem Angriff überraschte. Der Kampf kostete die Schweden 1000 Tote und Verwundete; Melander machte, bei nur geringen eigenen Verlusten, 300 Gefangene. Das Ende des Waffenstillstands Dieser unspektakuläre Sieg verbesserte die Position des Kaisers bei den Verhandlungen mit Bayern und Köln. Kurfürst Ferdinand hatte den von seinem Bruder ausgehandelten Waffenstillstand nur zögernd akzeptiert, weil die Hessen darin nicht eingeschlossen waren. Er hatte nicht die Absicht, die kleinen kaiserlichen Garnisonen zum Abzug aus Westfalen zu zwingen, und sie weigerten sich, wie erwartet, es freiwillig zu tun. Damit hatte Königsmarck einen Vorwand zum Angriff, nachdem er, aus Hessen-Kassel kommend, in Westfalen eingetroffen war. Er eroberte Vechta im Mai, und im Juni Wiedenbrück. Köln hob den Waffenstillstand formell am 15. August auf und ließ Lamboy die Armee wieder ins Feld führen. Lamboy bewies seine mangelnde Befähigung als General bei einem stümperhaften Angriff auf die hessische Position in Ostfriesland, der buchstäblich ins Wasser fiel, als die Verteidiger das Land fluteten. Im November war er bis ins Sauerland zurückgedrängt. Die Unterstützung durch Bayern war wichtiger, wenn der Kaiser dem Krieg eine ausreichende Wendung geben wollte, um einen Frieden ohne Spanien zu

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vermeiden. Ferdinand hatte das Problem der Pfalz bei den westfälischen Verhandlungen beharrlich vor sich hergeschoben, um Bayern im Griff zu behalten. Als jedoch im April die Gespräche mit Maximilian eröffnet wurden, gab Ferdinand rasch nach und schloss im August einen Vertrag ab, der erstmals seit 1356 an den Grundlagen der Reichsverfassung rührte: Vorgesehen war die Schaffung eines achten Kurfürstentitels für Karl Ludwig, der die Rheinpfalz (Unterpfalz) zurückerhalten sollte. Maximilian würde den höherrangigeren, älteren Titel eines pfälzischen Kurfürsten samt der Oberpfalz behalten und dazu vom Kaiser mit 660 000 Gulden für den Verlust der Rheinpfalz entschädigt werden.713 Als deutlich wurde, dass Frankreich kein besseres Angebot unterbreiten würde, kündigte Maximilian im Passauer Rezess vom 7. September den Ulmer Waffenstillstand auf. Damit erweiterte er seine militärische Autonomie, denn nun verfügte er über den Bayerischen, Fränkischen und Schwäbischen Kreis, um seine Truppen zu unterhalten; außerdem erlangte er den Befehl über die kaiserlichen Einheiten in diesem Gebiet. Im Gegenzug trat Maximilian wieder in den Krieg ein, jedoch nur gegen Schweden, da er darauf setzte, dass die nach Turennes Luxemburg-Abenteuer angespannten Beziehungen zwischen den beiden Königreichen ihn der Notwendigkeit entheben würde, auch gegen Frankreich zu kämpfen. Die erneute Beteiligung von Bayern und Kurköln am Krieg hatte die kaiserliche Sache wieder an Fahrt gewinnen lassen und nährte kurzfristig Hoffnungen auf eine vollständige „Vereinigung“, die mit der Ankunft sächsischer und brandenburgischer Truppen gegeben wäre. Etwa ein Drittel der bayerischen Armee schloss sich General Enkevort an, der seit Wrangels Abmarsch im März die schwedischen Positionen rund um den Bodensee verwüstet hatte. Der aus Brabant stammende Enkevort gehört zu jenen kompetenten Offizieren, die von der Militärgeschichte übersehen wurden. Aus Rücksicht auf Maximilian vermied er den Angriff auf Städte mit französischen Garnisonen wie Heilbronn, eroberte aber nach zweimonatiger Belagerung am 23. November das von den Schweden gehaltene Memmingen zurück; weitere, weniger bedeutende Orte in Schwaben und Franken fielen ebenfalls in seine Hand. Er setzte seine energischen Operationen gegen die Schweden während des ganzen Jahres 1648 fort und baute sogar eine eigene kleine Flotte aus Kanonenbooten, um den Schweden die Kontrolle über den Bodensee streitig zu machen.714 Die anderen 12 000 bayerischen Soldaten sollten sich unter dem Kommando von Gronsfeld den kaiserlichen Truppen anschließen, was allerdings zunächst einmal aufgeschoben wurde, weil Maximilian erbost war über die Anwesenheit der ehemaligen Meuterer Werth und Sporck im kaiserlichen Heer. Ferdinand erklärte sich schließlich bereit, sie vom aktiven Kommando zu entbinden, und sie zogen sich mit üppigen Abfindungen nach Prag in den Ruhestand zurück.

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Schließlich traf Gronsfeld am 15. Oktober in Böhmen mit Melander zusammen. Die Koordinierung blieb mangelhaft, weil Gronsfeld niemals darüber hinwegkam, 1633 von Melander bei Hessisch Oldendorf besiegt worden zu sein. Zudem wollte Maximilian nicht, dass seine Bayern sich in Deutschland zu weit nach Westen bewegten, weil er befürchtete, damit Frankreich zu provozieren. Sie konnten im Übrigen weder Eger zurückerobern noch Wrangel daran hindern, sich entlang der sächsischen Grenze über Thüringen und Niedersachsen an die Weser zurückzuziehen. Melander folgte ihm gemächlich und zog im November in Hessen-Kassel ein. Amalie Elisabeth hatte der Waffenstillstand große Vorteile gebracht. Königsmarck und Turenne hatten ihr Unterstützung gewährt, als sie im April von Schwaben kommend durch Hessen-Kassel marschierten. Da nun das regionale Machtgleichgewicht sich zu ihren Gunsten geneigt hatte, wollte sie mit ihrem Darmstädter Rivalen ins Reine kommen, bevor der Kongress eine weniger annehmbare Regelung traf. Ein vergleichbarer Drang hatte Brandenburg zur Invasion von Berg bewegt, die kläglich gescheitert war. Amalie Elisabeth hatte aus dem brandenburgischen Misserfolg nichts gelernt. Auch ihre Truppen waren anfänglich erfolgreich. Sie eroberten Rheinfels am 18. Juli und zwangen Darmstadt, einen weiteren Waffenstillstand zu akzeptieren. Aber dann traf Melander ein und Darmstadt fühlte sich zum Gegenschlag ermutigt. Obwohl es den Kaiserlichen im Dezember nicht gelang, Marburg einzunehmen, war Amalie Elisabeth durch ihre bloße Anwesenheit an der Verwirklichung ihrer Ziele gehindert. Die anderen Fürsten hatten diese Auseinandersetzungen herzlich satt. In ihren Augen handelte es sich um eine Privatangelegenheit, die den Fortgang der Friedensverhandlungen verzögerte. Schweden und die deutschen Lutheraner reagierten mit gereiztem Unverständnis auf Amalie Elisabeths Lobpreisung der Rechte der Calvinisten, und sogar ihre engsten Unterstützer erschraken zutiefst, als sie am 25. April 1646 das Ausmaß ihrer territorialen Forderungen offenlegte. Da diese zulasten der Reichskirche gehen würden, erhob Frankreich Einspruch. Der Kongress stellte beiden Seiten zum 2. April 1648 ein Ultimatum, um einen Vermittler zu akzeptieren, was zwölf Tage später zu einer Regelung führte. Darmstadt behielt ein paar Distrikte, erklärte sich aber mit dem Verlust von Marburg und Rheinfels, die beide an Hessen-Kassel fielen, einverstanden. Hessen-Kassel wiederum war bereit, in Marburg das Luthertum zu dulden; Kassel und Darmstadt würden gemeinsam die Verwaltung der Marburger Universität übernehmen. Unterdessen überredete Frankreich Amalie Elisabeth, von ihren territorialen Forderungen gegen eine Zahlung von 800 000 Talern Abstand zu nehmen. Ein Viertel des Geldes sollte zur Bezahlung ihrer Truppen verwendet werden.

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Melanders bescheidener Erfolg hatte der kaiserlichen Armee neues Leben eingehaucht. Sie trat nun wieder als glaubwürdige Streitmacht auf, was dazu beitrug, Maximilian zum Wiedereintritt in den Krieg zu bewegen. Doch blieb die Lage für den Kaiser weiterhin ungünstig. Auf schwedischen Druck hin schickten die Franzosen Ende 1647 einen Boten nach München, um zu verkünden, dass sie sich nicht mehr an den Waffenstillstand gebunden fühlten. Bayerns zeitweilige Neutralität hatte Ferdinand erneut die Bedeutung Maximilians vor Augen geführt – umso mehr, als von Spanien nichts mehr zu erwarten war.

Spanien schließt Frieden mit den Niederlanden 1643 wurde Spanien von den Turbulenzen der Aufstände in Katalonien und Portugal in die Defensive gezwungen. Danach brauchte das Land all seine Energie, um die vielerorts auflodernden Brandherde zu bekämpfen. Es hielt sie unter Kontrolle, konnte sie aber nicht löschen. Sobald es auf einem Schauplatz Fortschritte gab, waren die Kräfte auch schon anderswo gefordert. In Italien beruhigte sich die Lage zwischenzeitlich, weil die italienischen Fürsten mit dem ersten Krieg um Castro beschäftigt waren und ihre Armeen deshalb weder Frankreich noch Spanien zur Verfügung standen. Spaniens lombardische Armee, die 1635 noch fast 25 000 Mann umfasst hatte, zählte Mitte der 1640er-Jahre nur noch 15 000. 1646 lancierte Mazarin einen großen Feldzug gegen die spanischen Besitzungen auf Elba und an der toskanischen Küste. Er wollte damit die Verbindungslinien zwischen Genua und Neapel kappen und die Fürsten dazu animieren, wieder in den Krieg einzutreten. Die Neapolitaner waren als politisch unruhig bekannt, und Mazarin glaubte, dass ein kühner Schlag sie zum Aufstand gegen ihre spanischen Herren bewegen könne. Fürst Thomas Franz von Savoyen präsentierte sich als möglicher Kandidat für den Thron des Königreichs Neapel. Die französische Mittelmeerflotte brachte ihn mit 8000 Soldaten zu jenen toskanischen Hafenstädten, die – vom übrigen Festland durch den malariaverseuchten Streifen der Maremma getrennt – als „Stato dei Presidi“ („Staat der Festungen“) bekannt waren. Thomas landete im April an, konnte indes die Festung Orbetello nicht einnehmen. Seine Soldaten starben unterdessen an Typhus und Malaria. Im Juni näherte sich die spanische Flotte, sodass Thomas mit den Überlebenden abziehen musste. Trotz dieses Rückschlags erhoben sich die Neapolitaner im Juli 1647. Wie die Vorgänge in Katalonien und Portugal hatte auch der neapolitanische Aufstand – neben unmittelbaren Auslösern – langfristige Ursachen. Die Wirtschaft war

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durch Investitionen in spanische Regierungsanleihen ins Schlingern geraten, die hohe Zinsen einbrachten, während die neapolitanischen Exportmärkte schrumpften. Die Investitionstätigkeit breitete sich in der ganzen Gesellschaft aus, wobei einige Personen Anleihen im Wert von mehreren Tausend Dukaten hielten, während viele andere Anteilsscheine im Wert von nur einem Dukaten besaßen. Die Folgen dieser Wirtschaftspolitik machten sich nach 1622 bemerkbar, als die spanische Regierung zunehmend Schwierigkeiten hatte, die Zinsen zu bezahlen, bis sie den Zinsdienst 1642 endgültig einstellte. Die Anleihen verloren rapide an Wert. 1637 fand eine offizielle Abwertung statt, die allein schon Geld im Wert von über 20 Millionen Dukaten vernichtete, wodurch die lokale Wirtschaft an Kapitalmangel litt. Kleinbauern gerieten in die Schuldenfalle und andere Arten von Abhängigkeit. Die landbesitzenden Barone nutzten die Situation aus, indem sie aus den Schulden ein Mittel der sozialen Kontrolle machten und die Armen und Landlosen in Fehden mit Nachbarn als Banditen einsetzten. Aufgrund der zunehmenden Landflucht kam es zu Nahrungsmittelmangel, denn Neapel wuchs binnen Kurzem auf 225 000 Einwohner an und war damit die größte Stadt im spanischen Reich. Spaniens Vizekönig hatte alle Hände voll zu tun, den Forderungen der Regierung nachzukommen, die Soldaten und Steuern benötigte. Allein in den Jahren 1631–36 stellte das Königreich Neapel 48 000 Mann und 5500 Pferde zur Verfügung. Obwohl die Staatseinnahmen von 4,3 Millionen Dukaten im Jahre 1616 auf 5,8 Millionen im Jahre 1638 stiegen, handelte es sich vielfach um geliehenes Geld. Die Schulden vervierfachten sich auf 40 Millionen Dukaten, womit vier Fünftel der Einkünfte für Zinszahlungen verwendet werden mussten.715 Zur Abhilfe verkaufte man Ämter, wodurch sich wiederum die Korruption ausbreitete, zumal die Regierung die Jurisdiktion über die kleineren Städte gleich mit an die Barone verkaufte. Die einfachen Untertanen litten unter Nahrungsmangel, Schulden, Korruption und Gewalt, während die politische Lage undurchsichtig blieb. Die Eliten waren gespalten: Da waren diejenigen, die als Repräsentanten Spaniens agierten, dann diejenigen, die von der spanischen Politik profitierten, und schließlich jene, die zu den Verlierern gehörten. Einige Barone konspirierten mit den Franzosen, die meisten jedoch blieben auf Distanz und suchten ihren eigenen direkten Vorteil. Die Lage verschlimmerte sich, als es in der Mittelmeerregion 1647 durch Winterfluten, die Pest und eine Reihe von Missernten zu Hungersnöten kam. Im Mai gab es Unruhen auf Sizilien, in deren Verlauf die Behörden sich gezwungen sahen, einige Steuern zu suspendieren. Am 7. Juli, einem Sonntag, hatten sich in der Innenstadt von Neapel große Menschenmengen versammelt, um ein religiöses Fest zu begehen, als Nachrichten von den Auseinandersetzungen in Paler-

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mo eintrafen. Die Situation ähnelte der in Barcelona sieben Jahre zuvor, als die Gewalt eskalierte, sobald die Behörden die Kontrolle über die Straße verloren. Zum Anführer der Revolte wurde Tommaso Aniello, ein in der italienischen Folklore als Masaniello bekannter Fischer, der den Ausbruch öffentlicher Gewalt gegen die Symbole der allgemeinen Unterdrückung zu richten wusste. Die Menge plünderte den Palast des Vizekönigs und griff die Banditen an, die von den Baronen für ihre Fehden eingesetzt wurden. Masaniello wurde von seinen Anhängern zum „König“ ausgerufen, konnte aber die Gewaltspirale von Ritualmorden und Enthauptungen nicht unter Kontrolle bringen. Anders als in Katalonien entkam der Vizekönig dem Tod und blieb an der Regierung. Er konnte die Gemäßigten, die von der Gewalt abgestoßen waren, für sich gewinnen, beschuldigte Masaniello der Absicht, eine Diktatur zu errichten, und ließ ihn enthaupten. Doch die Angst vor in astronomische Höhen kletternden Nahrungsmittelpreisen verlieh Masaniello postum schier übermenschliche Qualitäten, sodass die Regierung gezwungen war, ihm ein Staatsbegräbnis zu geben. Sogleich verbreiteten sich Behauptungen über ein Wunder: Kopf und Körper seien, so hieß es, wieder vereint. Schon in den 1650er-Jahren sollte er mit Oliver Cromwell verglichen werden und 1799 gar den Sturz der neapolitanischen Monarchie inspirieren. Obwohl der Vizekönig in dieser Situation die Kontrolle über die Stadt verlor, konnte er sich in die Festung Castel dell’Ovo auf der kleinen Insel Megaride in der Bucht vor Neapel flüchten. Die spanische Flotte unter Don Juan José, dem außerehelichen Sohn Philipps IV., landete Verstärkungen an und beschoss die Stadt am 1. Oktober, woraufhin die Rebellen drei Wochen später die Unabhängigkeit Neapels ausriefen. Frankreich wurde von der Revolte kalt erwischt. Man bot den Aufständischen nur sehr verzögert Hilfe an, was nicht nur an der Entfernung lag, sondern auch mit einer Abneigung gegen Rebellionen zu tun hatte. Schließlich konnten die Rebellen aber Henri de Guise dazu bewegen, ihr Anführer zu werden. Der Herzog, der in Rom gerade seine Scheidung regelte, hatte einen entfernten Anspruch auf den neapolitanischen Thron und war für die Franzosen ein respektablerer Partner. Die französische Mittelmeerflotte erreichte Neapel am 18. Dezember, woraufhin Juan José gezwungen war, seine Truppen wieder einzuschiffen. Nun geriet die Rebellion ins Stocken. Mazarin misstraute dem Herzog von Guise. Er gehörte zum Clan der Lothringer, und seine Beteiligung hatte schon die Pläne zur Unterstützung Thomas’ von Savoyen scheitern lassen. Auch konnte der Herzog von Guise keinerlei Autorität als Regent erlangen. Die Neapolitaner kannten das Schicksal von Katalonien und waren sich in der Frage, wie begrüßenswert die französische Intervention sei, uneins. Viel Zeit ging mit ehrenwerten Debatten über soziale Gerechtigkeit und utopische Reformen verloren. Auf dem Fest-

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land gelang es nicht, mit den Sizilianern ein gemeinsames Handeln abzustimmen; die sizilianische Führung war in sich gespalten und konnte die Wiedereroberung der Insel durch Spanien im Juli 1648 nicht verhindern. Als die spanische Flotte nach Neapel zurückkehrte und eine Armee anlandete, öffnete Neapel am 6. April 1648 die Tore und lieferte den Herzog von Guise aus, um eine Generalamnestie zu erlangen. Am 4. Juni kreuzte die französische Flotte mit Fürst Thomas auf, aber nun war es zu spät. Trotzdem versetzte die Revolte Spanien einen weiteren schweren Schlag. Es gab keine Möglichkeit, den Staatshaushalt auszugleichen, und die Krone musste wieder einmal einen Bankrott verkünden, die Zinszahlungen einstellen und den Verpflichtungen mithilfe einer nächsten Ausgabe von Anleihen nachkommen. Die Schwäche der französischen Intervention und schließlich der Zusammenbruch der Revolte zeigten allerdings auch, dass Spanien immer noch widerstandsfähig war. Bei aller regionalen Bedeutung brachte die Revolte für die Gesamtposition der Monarchie praktisch keine Veränderung. Wie immer erwiesen sich die Niederlande als der entscheidende Schauplatz. Der Krieg gegen die Niederländer Das Bündnis zwischen Frankreich und den Niederlanden war am 1. März 1644 erneuert worden, wobei jede Partei das Versprechen abgegeben hatte, den Kampf fortzusetzen, bis beide zufriedengestellt sein würden. In einer gemeinsamen Aktion sollten die Dünkirchener durch die Eroberung der flämischen Küste ausgeschaltet werden. Die Niederländer unterstützten den Angriff von See her, indem sie jede Position unter Blockade legten, die von einer der aus dem Artois anrückenden französischen Armeen belagert wurde. Mit dem Fall von Gravelines wurden im Juli 1644 die äußeren Befestigungswerke von Dünkirchen durchbrochen. Ein Jahr später eroberten die Franzosen Mardyck, und im Juni 1646 Courtrai. Die Spanier wehrten sich tapfer und konnten Mardyck im Dezember 1645 zurückerobern, verloren es jedoch wieder im darauffolgenden August. Unter d’Enghien, dem nunmehrigen Fürsten von Condé, nahmen die Franzosen im September 1646 Furnes ein, und im Oktober schließlich Dünkirchen. Die Auswirkungen waren sofort spürbar: Während die Dünkirchener zwischen 1627 und 1635 2029 niederländische Schiffe versenkt oder gekapert hatten, waren es zwischen 1642 und 1646 nur noch 547.716 Die Landoperationen der Niederländer waren nicht so erfolgreich. Friedrich Heinrich stand vor einer schwierigen Aufgabe, weil er jeden Feldzug nördlich des Rheins beginnen musste, wohingegen die Franzosen zwischen ihren Ausgangspositionen und der flandrischen Küste kein natürliches Hindernis zu bewältigen hatten. Außerdem musste er, genau wie die Franzosen, seine Streitkräfte aufteilen und einige Truppen an die Grenzen abkommandieren, um eventuel-

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le spanische Überfälle zurückzuschlagen. Auch wollte er die Pufferzone der Republik nach Süden und Osten ausdehnen. Der Feldzug von 1626/27 hatte zu Landeroberungen östlich der Ijssel geführt, während die Einnahme von ’s-Hertogenbosch 1629 das Territorium nach Südosten erweiterte und Sicherheit für Gelderland brachte. Die Eroberung von Maastricht im Jahr 1632 sorgte für einen Außenposten am Oberlauf der Maas und durchtrennte die spanischen Nachschublinien zu ihren verbliebenen Positionen am Niederrhein. Der Feldzug von Breda im Jahre 1637 verbesserte die Position weiter im Westen, indem Utrecht nun geschützt werden konnte. Friedrich Heinrichs weitere Operationen dehnten die Pufferzone durch die Eroberung von Sas van Gent 1644 und Hulst 1645 aus, wodurch die Republik die Kontrolle über die Region westlich der Scheldemündung erlangte. Der Feldzug von 1646 sollte mit der Einnahme von Antwerpen den Abschluss bilden. Frankreich spürte, dass der Bündnispartner schwächelte, und erhöhte die materiellen Zuwendungen. Auch versprach Paris als weitere Hilfsleistung 6000 Soldaten unter Gramont. Dem gelang es, von Frankreich nach Flandern zu eilen und sich Friedrich Heinrich beim Marsch auf Antwerpen anzuschließen. Aber die Operation schlug fehl und die Niederländer zogen sich zurück. Die Franzosen registrierten mit einigem Ärger, dass die niederländische Flotte zu spät vor Dünkirchen auftauchte, und Gramont meinte, Friedrich Heinrich sei verrückt geworden.717 Die Niederländer beschwerten sich ihrerseits über die schlechte Disziplin der Franzosen und brachten Gramonts Streitmacht schließlich per Schiff nach Hause. Enttäuschend waren auch die Nachrichten aus den Kolonien. Die Niederländer verloren die führende Position, die sie 1644 errungen hatten. Trotz ihres toleranten Regimes in Pernambuco blieben viele Brasilianer Portugal treu und gingen nach Süden, um in Bahia eine konkurrierende Zuckerindustrie aufzubauen. Eine weitere neue Kolonie wurde in Maranhão nordwestlich von Pernambuco im Amazonasbecken gegründet, die zusammen mit Bahia schon bald die niederländische Zuckerproduktion marginalisierte. Die Kosten zur Verteidigung der neuen Eroberungen kamen die Westindienkompanie teuer zu stehen, und sie brauchte Regierungssubventionen, um im Geschäft zu bleiben. Trotz weiterer Eroberungen war ihr Börsenwert schon nach 1629 gefallen. 1640 hatten die Schulden der Handelskompanie 18 Millionen Gulden erreicht und die Aktienwerte fielen von derzeit noch 117 auf 14 Punkte im Jahr 1650. Die Direktoren der Kompanie fuhren, bereits unter dem Druck von Investoren, das Verteidigungsbudget 1644 zurück. Zugleich wurde Johann Moritz von Nassau-Siegen als Gouverneur abberufen, was 1645 den Weg für einen brasilianischen Aufstand frei machte. Keine Seite konnte mehr als 1000 Soldaten ins Feld schicken. Die

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niederländischen Verstärkungen trafen 1646 ein, aber die Rebellen erhielten Unterstützung durch Bahia, und die Handelskompanie sah sich schon bald auf Recife und drei weitere Küstenfestungen zurückgeworfen. Die Aktivitäten der Westindienkompanie kompromittierten die niederländische Diplomatie, indem sie eine wirksame Zusammenarbeit mit den portugiesischen Rebellen verhinderten, die in Europa natürliche Verbündete, in den Kolonien aber Feinde waren. Immerhin schloss die Republik für Ostindien mit Portugal 1644 einen Waffenstillstand ab, der bis 1652 währte. König Johann von Portugal stellte die Unterstützung für Brasilien in der Hoffnung ein, dass die Niederländer bei den westfälischen Verhandlungen die portugiesische Unabhängigkeit unterstützen würden. Aber die Brasilianer organisierten einfach ihre eigene Expedition, die 1648 den Atlantik überquerte und Angola und São Tomé zurückeroberte. Portugal nutzte den ersten englisch-niederländischen Krieg (1652–54), um die Westindienkompanie bis 1654 endgültig aus Brasilien zu vertreiben, musste freilich bis 1663 viele seiner noch verbliebenen ostindischen Stützpunkte an die Niederländische Ostindienkompanie verloren geben. Doch zumindest die Westindienkompanie verfiel und wurde 1674 aufgelöst. 1645 hielt die Mehrheit der Niederländer den Krieg nicht mehr für profitabel. Die Direktoren der Westindischen Kompanie ließen von ihrer bisherigen Opposition gegen den Frieden ab und begannen über Alternativen nachzudenken, auch und gerade deshalb, weil der Handel ihrer Rivalin, der Ostindischen Kompanie, mit Asien, Spanien, der Levante und Archangelsk mittlerweile 50 Millionen Gulden pro Jahr wert war. Auch anderen Wirtschaftsbereichen ging es schlecht. Landwirtschaft und Textilhandel hatten vom Preisverfall in den Spanischen Niederlanden profitiert, der auf Frankreichs Kriegseintritt gefolgt war. Zusammen mit dem Zuckerboom und dem Sklavenhandel führte das zu einer Überhitzung der niederländischen Wirtschaft, die in der Tulpenmanie von 1636/37 ihren Höhepunkt fand. Spekulanten bereicherten sich an der modischen Leidenschaft für die exotischen Blumen. Als die Blase dann platzte, waren die Niederländer nicht mehr ganz so bereit, weiterhin für den Krieg zu bezahlen. Es gab Anzeichen dafür, dass ihr berühmtes Finanzsystem an seine Grenzen gestoßen war. Zwar konnten durch Steuern immer noch hohe Summen generiert werden, aber die Streitkräfte hielten sich jetzt an private Geldgeber (soliciteurs militaires), die den Hauptleuten zur Erhaltung ihrer Kompanie oder Mannschaft Geld vorschossen und dann, wenn der offizielle Sold eintraf, einen Anteil bekamen. So sehr die Kredite auf prompter Rückzahlung beruhten: Im Januar 1643 beliefen sich die Zinsschulden der sieben Provinzen auf fünf Millionen Gulden. Zwei Monate später schraubten die Generalstaaten das offizielle Truppenkontingent der Armee um 20 000 auf 60 000 Mann zurück.718

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Dieser Vorgang war zugleich Ausdruck der Einsicht, dass die Mehrheit der Niederländer nicht mehr den Glauben der Kriegsbefürworter an einen vollständigen Sieg teilte. Ironischerweise schadeten Friedrich Heinrichs militärische Erfolge ihm politisch. Die Eroberung von Land jenseits des Rheins führte dazu, dass die südlichen Provinzen sich sicherer fühlten. Sogar der Calvinismus selbst veränderte sich; er schlug tiefere Wurzeln und entwickelte eine festere kirchliche Struktur. Die meisten Calvinisten fühlten sich nicht mehr als bekämpfte Minderheit in ihrer eigenen Heimat. Bei manchen führte das zur Ausbildung größerer Toleranz, aber der religiöse Eifer fand auch weiterhin sein Betätigungsfeld in einem breiten Spektrum von kleinen Grüppchen religiöser Abweichler.719 Spanien verhandelt mit den Niederlanden und Frankreich Diese Neigung zum Frieden schuf in der Republik ein günstiges Klima für Spaniens erneutes Angebot eines Waffenstillstandsabkommens, das am 28. Januar 1646 unterbreitet wurde. Obwohl die Niederländer verpflichtet waren, Frankreich zu konsultieren, erlaubte ihnen das 1644 erneuerte Bündnis eigenständige Verhandlungen, und die Republik schickte nunmehr Vertreter nach Münster. Die Gespräche begannen im Mai und führten schnell zu einem Vertragsentwurf, der der Republik praktisch formelle Unabhängigkeit zusicherte. Von Holland nachdrücklich unterstützt waren die anderen Provinzen am 8. Januar 1647 bereit, den Entwurf in einen dauerhaften Frieden mit Spanien zu überführen. Bis zur förmlichen Ratifizierung waren die Feindseligkeiten ausgesetzt, und eine spanisch-niederländische Kommission begann schon damit, auf der Grundlage dessen, was jede Seite an Landbesitz hielt, die neue Grenze festzulegen. Zwar gab es Befürchtungen, dass die Republik allzu exponiert wäre, wenn sie durch die Ratifizierung Frankreichs Wohlwollen verlöre, doch die meisten verbliebenen Kriegsbefürworter waren aus eher egoistischen Gründen gegen den Vertrag. Friedrich Heinrichs ungeduldiger Sohn, Wilhelm II., wurde nach seines Vaters Tod im März 1647 endlich Statthalter und wollte seinen neuen Status durch militärische Glanztaten festigen. Die drei Brüder van Reede, die die Staaten von Utrecht dominierten, waren Söhne eines Flüchtlings aus den südlichen Niederlanden. Dieser Godard van Reede vertrat Utrecht in Münster und hatte viel Geld in die Niederländische Westindienkompanie und den Waffenhandel mit Schweden investiert. Er lebte über seine Verhältnisse und ließ sich von Frankreich mit 100 000 Gulden bestechen, um gegen die Ratifizierung zu arbeiten. Tatsächlich gelang es ihm, seinen Kollegen Johan de Knuyt, der Zeeland vertrat, zu überreden, es ihm gleichzutun.720 Die Verfassung der Republik machte diese persönlichen Haltungen politisch relevant, weil die Utrechter Union

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(1579) vorsah, dass Verträge nur dann Gültigkeit erlangten, wenn die Einstimmigkeit der sieben Provinzen gegeben war. Der französische Gesandte Servien verließ Münster am 29. Dezember 1646, um Feldzugspläne für das nächste Jahr zu schmieden. Er erreichte Den Haag am 8. Januar, dem Tag, an dem die Niederländer den Entwurf für den Friedensvertrag abschlossen. Der Zeitpunkt war für Frankreich ungünstig, weil die eigenen Gespräche mit Spanien ins Stocken geraten und kaum über den schon vor zwei Jahren vollzogenen Austausch von anfänglichen Vorschlägen hinausgekommen waren. Deutlich geworden war inzwischen des Kaisers Bereitschaft, Frankreichs territoriale Forderungen im Rheinland zu erfüllen, deutlich stand aber auch das noch verbleibende Hindernis für den Frieden im Raum – Ferdinand sollte, darauf bestand Mazarin, im Krieg zwischen Frankreich und Spanien neutral bleiben. Peñaranda befürchtete, dass Trauttmansdorff sich darauf einlassen könnte, und bot im März 1646 Zugeständnisse an, die von den Franzosen freilich als lächerlich eingeschätzt wurden. Daraufhin verbesserte Spanien sein Angebot und war nun bereit, das Roussillon den Franzosen zu überlassen und den katalanischen Rebellen Amnestie zu gewähren. Mazarin jedoch war enorm zuversichtlich und glaubte, ein weiterer Feldzug würde Frankreich das Artois und sogar noch Katalonien einbringen. Doch im Sommer 1647 schmolz diese Zuversicht dahin. Da an der Nordgrenze zu den Niederlanden Waffenstillstand herrschte, konnte Spanien seine Truppen südwärts verlagern und im Juni Armentières, im Juli Landrecies zurückerobern. Der französische Befehlshaber Jean de Gassion verteidigte geschickte das Artois und eroberte im Juli La Bassée, wurde im Oktober jedoch bei Lens getötet. Unterdessen verzögerte die Meuterei in der französischen Deutschlandarmee den Ablenkungsangriff gegen Luxemburg, der gerade eben begonnen hatte, als Turenne nach dem Ende des Ulmer Waffenstillstands ins Reich zurückbeordert wurde. Auch in den Pyrenäen verschlechterte sich die Lage für die Franzosen. Die Entlassung von Olivares erlaubte einen flexibleren Umgang mit den Katalanen. Insbesondere die Einnahme von Lérida im August 1644 gestattete es Philipp IV., als Geste der Großzügigkeit Zugeständnisse anzubieten. Nachdem er im Triumph in die Stadt eingezogen war, schwor er, die katalanischen Freiheiten aufrechtzuerhalten. Das war ein starker Gegensatz zu Frankreich, das nach der Eroberung von Perpignan im September 1642 ganz andere Absichten kundgetan hatte. Ludwig XIII. behandelte das Roussillon wie seinen Besitz und führte dort die französische Gesetzgebung ein. Folglich wandten sich die katalanischen Eliten mehrheitlich Philipp zu, dessen Truppen im November 1646 einen Angriff auf Lérida zurückschlugen. Der Fürst von Condé unternahm im Juni 1647 einen zweiten Versuch,

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der ebenfalls fehlschlug. Zwar nahmen die Franzosen im Juli 1648 Tortosa, doch blieben die Spanier in Lérida und Tarragona verschanzt. In Italien konnten die Spanier nicht nur ihre Herrschaft über Neapel wiederherstellen, sondern auch zwei Angriffe auf Cremona abwehren. Der eine ging von den Franzosen aus, der andere wurde vom Herzog von Modena geführt, dem einzigen italienischen Fürsten, der sich dem Bündnis gegen Habsburg erneut angeschlossen hatte. Den Vermittlern Chigi (für den Papst) und Contarini (für Venedig) gelang es im April 1647, die Gespräche zwischen Frankreich und Spanien wiederzubeleben. Die Niederländer durften die Friedensverhandlungen unterstützen – ein Zeichen des Vertrauens seitens der Spanier. Am 16. November wurde Einigkeit über 43 Artikel hergestellt. Sechs problematische Punkte blieben vorläufig ungeklärt, wobei territoriale Zugeständnisse an Frankreich das Haupthindernis bildeten. Beide Seiten blieben misstrauisch, vor allem Spanien, das in der Ratifizierung des Vertragsentwurfs mit den Niederländern eine Möglichkeit sah, Frankreich zur Zurückhaltung zu zwingen. Die Niederländer jedenfalls ließen sich von der Ernsthaftigkeit der spanischen Absichten überzeugen, und sie bestätigten ihren Vertragsentwurf am 30. Januar 1648 als Frieden von Münster. Spanien erkannte die Unabhängigkeit der Niederlande an und erklärte sich bereit, die Schelde für den Handel geschlossen zu halten. Die Niederländer behielten ihre Eroberungen südlich des Rheins, Maastricht eingeschlossen, und waren nun nicht mehr – wie zuvor von Spanien gefordert – verpflichtet, den Katholizismus zu respektieren. Sie behielten auch ihre überseeischen Eroberungen und das Recht, dort Handel zu treiben.721 Diese ausgezeichneten Bedingungen wurden am 9. März von sechs der sieben Provinzen ratifiziert. Damit erhöhte sich der Druck auf Godard van Reede, der, gesundheitlich angeschlagen, am 30. April endlich nachgab. Am 15. Mai 1648 wurde feierlich der Friedensschwur geleistet. Es ist diese Zeremonie, die Gerard ter Borch in einem großen Gemälde festgehalten hat. Der letzte Kampf zwischen Spaniern und Niederländern fand im Juli 1649 in den Wäldern der Insel Ternate statt, weil die Nachricht über den Frieden noch nicht in Ostindien angekommen war. Frankreich verlor seinen Verbündeten zu einem kritischen Zeitpunkt. Der zehnjährige Ludwig XIV. erholte sich gerade von einer potenziell tödlichen Pockenerkrankung, während sein jüngerer Bruder krank blieb. Die spanische Regierung war davon überzeugt, dass Mazarin bald von französischen Adligen gestürzt würde, die dann günstigere Friedensbedingungen anbieten würden. D’Avaux wurde im März 1648 nach Frankreich zurückgerufen, um auf die Kritik zu reagieren, die von den Prinzen königlichen Geblüts geäußert wurde. Longueville, ein Gegner Mazarins, hatte den Kongress schon im Vormonat verlassen, sodass nur noch Servien die Franzosen vertrat. Die Ratifizierung des Friedens-

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vertrags zwischen Spanien und den Niederländern fiel mit dem Ende der neapolitanischen Revolte zusammen. Es kam mithin nicht überraschend, dass Philipp IV. den Vertragsentwurf mit Frankreich am 6. Mai 1648 verwarf und Peñeranda anwies, neu zu verhandeln. Der Gesandte konnte vom König schließlich die Erlaubnis erlangen, Münster am 29. Juni mit der Begründung zu verlassen, sein weiterer Verbleib sei nun, ohne die hauptsächlichen Vertreter Frankreichs, mit der spanischen Ehre nicht mehr zu vereinbaren. Die Verhandlungen wurden in die Hände subalterner Beamter gelegt, was den Stellenwert zeigt, den beide Regierungen den Friedensgesprächen nur mehr einräumten. Von Lens zu den Pyrenäen Frankreich brauchte einen militärischen Erfolg, und Mazarin befahl dem Fürsten von Condé, dafür zu sorgen. Er schickte ihn wieder an die flandrische Front mit Instruktionen zur Einnahme von Ypern. Die Operationen wurden durch schlechtes Wetter und den Mangel an Pferdefutter behindert, doch nach nur zwei Wochen konnte Condé Ypern am 28. Mai 1648 erobern. Im Gegenzug jedoch holte Leopold Wilhelm Courtrai zurück. Er hatte als Gouverneur das Kommando über die flandrische Armee von Piccolomini übernommen. Ein französischer Angriff auf Ostende wurde zurückgeschlagen, und am 2. August eroberten die Spanier Furnes zurück. Selbst solche relativ geringfügigen spanischen Erfolge waren doppelt gewichtig, weil sie nicht nur die öffentliche Meinung in Paris, sondern auch die französische Position in Westfalen negativ beeinflussten. Die französische Armee lag danieder, ihre Soldaten waren unterernährt und demoralisiert. Mazarin überredete Erlach, 3500 Mann aus der DeutschlandArmee zu übernehmen und vom Elsass aus zu den Truppen von Condé zu stoßen, um ihn zu unterstützen. Diesmal meuterten die Soldaten nicht, und Erlachs Ankunft verschaffte Condé eine Gesamtstärke von 16 000 Mann und 18 Kanonen. Leopold Wilhelm hatte Lens am 17. August zurückerobert und stellte seine 18 000 Soldaten und 38 Geschütze auf einem westlich davon gelegenen Höhenzug auf, der von einem Sumpf geschützt war. Condé bezog am 19. August auf der gegenüberliegenden Ebene Stellung; seine Truppen waren erschöpft und durstig. Ganz offensichtlich war die spanische Position zu stark, und Condé begann mit dem Rückzug. Ein Teil von Leopold Wilhelms Armee verließ den Hügel, um die Verfolgung aufzunehmen, und rieb die französische Nachhut auf. Dieser Erfolg bewog den Erzherzog unglücklicherweise dazu, die ganze Armee in Bewegung zu setzen, was dann doch noch beide Seiten in das Kampfgeschehen involvierte. Condés Truppen erholten sich schnell und besiegten die spanische Kavallerie, die auf ihrer Flucht Leopold Wilhelm mitnahm und die Infanterie wie bei Rocroi im Stich ließ. Die Franzosen nahmen 5000 Soldaten gefangen

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und hatten Verluste von 1500 Mann zu beklagen, die spanische Seite zählte dagegen mehr als 3000 Gefallene.722 Lens war dennoch alles andere als ein eindeutiger Triumph. Zunächst wuchs Mazarins Prestige beträchtlich, was ihn dazu ermutigte, die neuen spanischen Vorschläge zurückzuweisen. Ferner nutzte er den Gottesdienst zum Erntedankfest am 26. August, um zwei seiner entschiedensten Gegner im parlement von Paris verhaften zu lassen. Doch schlug der Versuch fehl und führte vielmehr zu Aufständen; in den Straßen von Paris wurden Barrikaden gebaut. Damit begann die sogenannte Fronde, der Kampf um die Kontrolle über die Regentschaftsregierung, die Anna von Österreich ausübte.723 Als das parlement am 8. Januar 1649 Mazarin für vogelfrei erklärte, brach offener Krieg aus. Im März herrschte zeitweilig Ruhe, doch als Condé, der sich für den Erretter der Monarchie hielt, 1650 rebellierte, kam es erneut zu landesweiten Gewalttätigkeiten. 1653 hatte Mazarin alle Versuche, ihn loszuwerden, überstanden, was Condé zur Flucht in den Dienst der spanischen Armee zwang. Die Verhandlungen in Münster wurden der Form halber fortgesetzt, bis die letzten Gesandten im März 1649 abgereist waren; der Krieg zwischen Frankreich und Spanien sollte noch ein ganzes Jahrzehnt dauern. Der Herzog von Modena hatte bereits im Februar 1649 mit Spanien Frieden geschlossen. Obwohl er 1654–58 wieder zu Frankreich überlief, konnten die Spanier in Italien ihren Besitzstand wahren. Die Fronde verhinderte, dass Verstärkungstruppen Katalonien erreichten, wo die Franzosen an Unterstützung verloren. Zwischen 1650 und 1654 starben zudem zehn Prozent der Katalanen an der Pest, was die Kriegsbegeisterung weiter verminderte. Don Juan José belagerte Barcelona ab 1651. Da es keine Aussicht auf Entsatz durch Frankreich gab, kapitulierte die Stadt am 13. Oktober 1652 und akzeptierte Juan José als Vizekönig. Spanien eroberte auch den Rest von Katalonien zurück, desgleichen (wenn auch nur kurz) Dünkirchen und Gravelines im Jahr 1652. Allerdings verhinderten erneute schwere Kämpfe an mehreren Fronten, dass Spanien vollen militärischen Nutzen aus der Fronde ziehen konnte. Wie auch immer: Schlussendlich war Mazarin gezwungen, im Pyrenäenfrieden von 1659 weitaus weniger günstige Bedingungen anzunehmen, als er sie im November 1647 hätte haben können. Spanien überließ Frankreich nur einen Teil des Artois, dazu das Roussillon (ohne die Festung Rosas) und einen Teil der Cerdagne (Cerdanya) – Letzteres aber, wie Philipp gehofft hatte, als Mitgift für die Heirat der Infantin mit Ludwig XIV. Frankreich musste den Herzog von Lothringen wieder als Herrscher einsetzen, während es Dünkirchen bereits dem Regime Cromwells überlassen hatte, das nach 1655 gegen Spanien interveniert hatte. Dünkirchen fiel erst an Frankreich zurück, als der englische König Karl II. es 1662 wieder verkaufte.724

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Die Endrunde 1648 Spaniens partielle Erholung in den Jahren 1647/48 beschränkte Frankreichs Handlungsfähigkeit im Reich, wo noch unklar war, wie der Krieg ausgehen würde. Offenkundig war der Kaiser auf der Verliererseite, doch selbst ein lokaler Sieg konnte den beiden Kronen von Frankreich und Schweden in Westfalen noch einen Strich durch die Rechnung machen. Sie hatten an Boden gewonnen, wenngleich ihnen immer noch ein entscheidendes Übergewicht fehlte, und Berichte, dass sie Ende 1648 doppelt so stark gewesen seien wie die kaiserlichen und bayerischen Streitkräfte, sind übertrieben.725 In der schwedischen Armee war – aufgrund deutschen Misstrauens – der Anteil gebürtiger Schweden nun sehr viel höher und lag bei 18 000 von 63 000 Mann. Große Anstrengungen wurden unternommen, um den Zustand der Kavallerie zu verbessern, denn sie umfasste 22 000 von 37 500 Mann der Feldarmee. Die elf von Turenne übergelaufenen deutschen Kavallerieregimenter wurden zu vier größeren Einheiten zusammengestellt, während in ganz Niedersachsen 14 000 Pferde als Remonten zusammengetrieben wurden. Das Verhältnis von Berittenen zu Fußsoldaten war nun genau die Umkehrung dessen, was 1618 der Fall gewesen war. Weiterhin waren logistische Gründe dafür ausschlaggebend, aber die Schweden mussten auch beweglich sein, um ihren Unterhändlern in Westfalen Beistand leisten zu können. Fast ein Drittel der Garnisonstruppen wurde zurückgelassen, um den Brückenkopf an der Ostsee zu sichern, während 1000 Mann aus politischen Gründen das elsässische Benfeld hielten – war es doch der einzige schwedische Außenposten in der von Frankreich so heiß begehrten Provinz. Andere verteidigten die übrigen Stützpunkte, während Truppen in einer Stärke von 7500 Mann in Franken und Thüringen unter Wittenberg aufgestellt waren; dazu kamen weitere 5700 Mann in Schlesien und Mähren. Der Hauptstreitmacht unter Wrangel blieben so noch 12 500 Mann Kavallerie und 6000 Mann Infanterie, während Königsmarck die Vorhut mit 1500 Kavalleristen unter sich hatte.726 Die Hessen mit ihren noch etwa 10 000 Soldaten waren vollauf damit beschäftigt, die augenblicklichen Positionen zu halten. Das intensivierte die Bedeutung von Turennes Rückkehr an den Rhein Ende 1647. Er kam mit 4000 Reitern und 5000 Fußsoldaten. Weitere 8000 Franzosen hielten Breisach und andere Standorte im Rheinland. 1648 bestand Melanders schwierigstes Unterfangen für den Kaiser darin, die Vereinigung von Wrangels und Turennes Truppen zu verhindern, da er nur über 10 000 kaiserliche und 14 000 bayerische Soldaten verfügte. Etwa die Hälfte seiner Armee bestand aus Kavalleristen; in Südwestdeutschland und Böhmen be-

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fanden sich noch weitere kaiserliche und bayerische Einheiten. Melander beendete den Feldzug des Jahres 1647 zwischen Oberweser und Main, zwischen Wrangel an der Unterweser und Turenne am Oberrhein. Seine Position war nicht nur exponiert, sondern er befand sich auch in einer Region, die durch die Kämpfe der Jahre 1645–47 ausgelaugt war. Zudem konnte er weder gegen Wrangel noch gegen Turenne vorgehen, ohne seine Verbindungslinien nach Böhmen und Bayern zu gefährden. Politisch war es wichtiger, den Schweden entgegenzutreten. Also entwickelte Melander den Plan, sie nach Böhmen zu ziehen, während Lamboy und die westfälische Armee rheinaufwärts marschierten, um Turennes Nachschublinien mit Frankreich unter Druck zu setzen. Das aber verhinderte der autonome Status von Köln, weil Kurfürst Ferdinand sich weigerte, Lamboy aus Westfalen herauszulassen. So setzte Lamboy für den Rest des Jahres seinen fruchtlosen Krieg gegen Geysos hessische Außenposten fort. Da die Franzosen den Mittelrhein kontrollierten, verfügten sie über Brücken, die der schwedischen Stellung näher lagen. Turenne überquerte am 15. Februar den Rhein bei Mainz mit 6000 Mann und marschierte am Nordufer des Mains in östlicher Richtung, während Wrangel weseraufwärts nach Süden vorstieß, um sich Turenne anzuschließen. Melander entkam dieser Zange, indem er sich in Richtung Südosten nach Nürnberg zurückzog. Der Vormarsch der Bündnispartner wurde zeitweilig durch Schneefall und Uneinigkeit zwischen den Befehlshabern behindert. Schließlich überquerten sie den Main nach Franken hin, wobei sie unterwegs kleinere Garnisonen aufmischten. Melander zog sich langsam weiter zurück, während Gronsfeld die Bayern bei Ingolstadt in Stellung brachte. Die Alliierten nahmen gemeinsam Donauwörth ein, trennten sich dann aber; die Streitereien über die Eingliederung von Turennes aufrührerischer Kavallerie in die schwedische Armee im Jahr zuvor überdeckten tiefer sitzende politische Divergenzen in der Frage nach dem eigentlichen Kriegsziel. Mazarin zögerte immer noch, Bayern anzugreifen, und Turenne zog sich nach Nordwesten ins Taubertal zurück, um die Pferde mit frischem Frühlingsgras versorgen zu können. Auch die Soldaten sollten sich erholen, bis der Streit geklärt war. Unterdessen marschierte Wrangel nach Nordosten, um kaiserliche Standorte in der Oberpfalz zu erobern und das seit dem Herbst blockierte Eger zu entsetzen. Diese Schwerpunktverlagerung entsprach Schwedens Gesamtstrategie, den Habsburger Erblanden einen substanziellen Schlag zu versetzen, damit Ferdinand zum Friedensschluss gezwungen war. Allerdings sahen die schwedischen Generäle in einem erneuten Angriff auf Böhmen auch die letzte Chance, vor dem unvermeidlichen Frieden das Land zu plündern.727 Da es Wrangel nicht gelang, von Eger aus durchzubrechen, gab Turenne seine Zustimmung zu weite-

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ren gemeinsamen Operationen, die nun die Absicht verfolgten, Bayern zu schlagen und in Österreich entlang der Donau einzumarschieren. Die Schlacht bei Zusmarshausen Melander war zu schwach, um die kurzfristigen Zwistigkeiten seiner Feinde ausnutzen zu können; zudem hatte er geheime Instruktionen erhalten, die Armee keinem Risiko auszusetzen. Ferdinand sah ein, dass ein Sieg zum jetzigen Zeitpunkt nur mäßigen Ertrag bringen, eine Niederlage dagegen verheerend sein würde. Melander begab sich nach Westen in das Gebiet zwischen Ulm und Augsburg, um die Nachschubsituation zu verbessern; nach einigem Zögern schlossen sich ihm Gronsfeld und die Bayern an. Ihre gemeinsame Truppenstärke war auf 15 370 Mann zurückgegangen, und etwa 2000 der 7220 Kavalleristen besaßen kein Pferd mehr.728 Die Verbündeten marschierten in Richtung Südwesten nach Württemberg, bevor sie nach Osten schwenkten und Lauingen erreichten, einen von den Franzosen gehaltenen Außenposten an der Donau östlich von Ulm. Sie überquerten die Donau am 16. Mai und eilten dann nach Süden, um Melanders Armee von Bayern abzuschneiden. Melander aber hatte sich in Erwartung ihres Vormarsches ostwärts über Burgau nach Zusmarshausen zurückgezogen. Dennoch war er alarmiert, als er am Abend die Nachricht empfing, dass der Feind die Donau bereits überquert habe. Er verwarf Gronsfelds Rat, den Alliierten nach Norden entgegenzumarschieren, weil nicht klar war, wie viele Truppen bereits den Fluss überschritten hatten. Stattdessen marschierte er ostwärts in Richtung Augsburg, um über den Lech nach Bayern zu entkommen. Diese Entscheidung brachte ihn in eine Lage vergleichbar der von Mansfeld bei Mingolsheim oder der von Herzog Christian bei Höchst und Stadtlohn: Er trat, behindert durch Gepäck, im Angesicht des Feindes den Rückzug an. Um ins Lechtal zu gelangen, musste Melander eine Strecke von 20 Kilometern durch bewaldete Hügel zwischen den Flüssen Zusam und Schmutter zurücklegen. Raimondo Montecuccoli wurde mit 800 Musketieren, 2000 Mann Kavallerie und Kroaten als Nachhut zurückgelassen, während sich Melander mit der übrigen Armee am 17. Mai um vier Uhr morgens auf den Weg machte. Mit 14 500 Mann Kavallerie und 7500 Infanteristen waren Wrangel und Turenne beträchtlich in der Überzahl, konnten das aufgrund der Beschaffenheit des Terrains indes nicht voll ausnutzen. Die Operation entwickelte sich zu einem ständigen Hin und Her der Kämpfe mit Montecuccolis Nachhut, die auf der engen Straße durch den Wald zurückwich. Die Vorhut der Alliierten bestand aus drei französischen und sechs schwedischen Kavallerieregimentern, die gegen sieben Uhr angriffen. Montecuccoli hielt die Stellung über eine Stunde lang, bevor er sich über die Zusam zurückzog, als er erkannte, dass die gesamte Armee

nach Ulm

sam

Zu

Zusmarshausen

Rothberg

1 km

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Wald

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Auerbach

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Schlipsheim

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mu

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Streitheimer

nach Augsburg

Zusmarshausen (1648)

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des Feindes im Anmarsch begriffen war. Nun suchte er Deckung in einem dichten Waldstück beim Dorf Herpfenried und wollte dort Widerstand leisten, bis Melander weiter weg bei Horgau Stellung bezogen hatte. Die französische Kavallerie drang südlich der Straße, wo das Vorankommen leichter war, vor und umging Montecuccoli, woraufhin Melander mit seiner Leibwache zurückeilte, um ihn zu retten. Er hatte jedoch beim raschen morgendlichen Aufbruch keine Zeit gefunden, den Brustpanzer anzulegen, und wurde jetzt von einer Pistolenkugel in die Brust getroffen. Der Tod ereilte ihn kurz vor der Mittagsstunde. Kaiserliche Einheiten leisteten weiterhin Widerstand, aber das Kampfgeschehen wurde unübersichtlich, als die Verbündeten auf der Straße voranstürmten und einen Teil des Gepäcks erbeuteten. Dennoch verschaffte Montecuccolis Widerstand Gronsfeld genügend Zeit, den Hauptteil der Armee über die Schmutter östlich von Biburg zu bringen und sich dort auf dem Sandberg zu verschanzen. Als Montecuccoli um zwei Uhr mittags den Fluss mit den Resten der Nachhut überquerte, hatten sich die Bayern schon kniehoch eingegraben. Alsdann zerstörten sie die Brücke, bevor die Alliierten mit ihrer Streitmacht angerückt waren. Die Franzosen benutzten sechs erbeutete Kanonen, um einen Überquerungsversuch zu unterstützen, wurden aber zurückgeschlagen. Die französische Infanterie mühte sich noch auf der Straße ab, sodass die Verbündeten aus ihrer Überzahl keinen Vorteil ziehen konnten. Gronsfeld gelang es, bei Anbruch der Dunkelheit nach Augsburg zu entkommen. Er hatte 1582 Tote und Verwundete zu beklagen, jedoch nur 315 Mann durch Gefangenschaft verloren, dazu 353 Wagen. Melanders Ziel war erreicht worden, wobei die Verluste wohl geringer ausgefallen wären, wenn man das Gepäck geopfert hätte. Den Verbündeten war es nicht gelungen, die letzte Armee des Kaisers zu vernichten, die weitere Vorstöße der Franzosen und Schweden am Lech zurückschlug. Gronsfeld hatte aus Tillys Erfahrung 1632 gelernt und hielt sich vom Fluss fern, war aber bereit zuzuschlagen, sobald der Feind die Überquerung wagte. Wrangel wollte zu Ruhm gelangen, indem er Gustav Adolfs Heldentat wiederholte: Am 26. Mai schickte er Kavalleristen ins Wasser, die den Fluss durchschwimmen sollten. Eine von Gronsfelds Patrouillen begegnete ihnen und berichtete irrtümlicherweise, dass die gesamte Armee des Feindes bereits den Fluss durchquert habe. Gronsfeld zog sich nach Ingolstadt zurück und überließ, wie schon 1632/33 und 1646, Südbayern dem Feind. Der Hauptteil der kaiserlichen Armee löste sich beim Rückzug auf, sodass nur noch 5000 kampfbereite Soldaten übrigblieben; bei den Bayern waren es kaum mehr. Dieser letzte Rückzug kostete Gronsfeld, der durch die Kämpfe bei Zusmarshausen und die ständige Alarmbereitschaft in den zwei vorangegangenen Wochen zerrüttet war, Ma-

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ximilians Vertrauen. Am 3. Juni wurde er zusammen mit zwei Untergebenen verhaftet und durch General Hunolstein ersetzt, der seinerseits im August Adrian Enkevort weichen musste. Der Kurfürst ließ seine Enttäuschung an der Armee aus, und Befehlshaber zweitrangiger Stützpunkte wie der Stadt Windsheim wurden, falls sie kapitulierten, hingerichtet. Realistischer war eine andere Reaktion auf die Krise: Maximilian ließ seine Bedenken gegen Werth fallen und befahl ihm, die Bayern mit 6000 kaiserlichen Reitern aus Böhmen zu verstärken. Unterdessen vertraute Ferdinand den Oberbefehl über die kaiserliche Armee Piccolomini an, der seit seinem Rücktritt 1647 in den Niederlanden keinen Posten mehr innegehabt hatte. Es waren alles fähige Offiziere, doch würden sie Zeit benötigen, um die demoralisierte Armee jenseits der Isar neu aufzubauen. Erst einmal floh Maximilian mit 12 000 seiner Untertanen nach Salzburg, wohin er schon vor zwei Jahren sein Archiv und seinen Schatz in Sicherheit gebracht hatte. Relative Erholung Wrangel und Turenne marschierten mit 24 000 Mann in Bayern ein. Bis auf München wurde das ganze Gebiet zwischen Isar und Lech systematisch geplündert, um Maximilian zu einem weiteren Waffenstillstandsabkommen zu zwingen. Dann verlangsamten sich die Operationen, als die Generäle auf Nachrichten aus Westfalen warteten. Schließlich stieß Wrangel bei Freising über die Isar in Richtung Inn vor, den er Ende Juni erreichte. Der Fluss war durch heftige Regenfälle angeschwollen und von Hunolstein stark befestigt. Piccolomini traf mit 3100 Kaiserlichen ein; ihm folgten Werth und die Kavallerie am 3. August. Ihre Ankunft stärkte die Kampfmoral beträchtlich, wozu Piccolomini beitrug, indem er seinen eigenen Lohn unter die bislang unbezahlten Truppen verteilte. Die kaiserliche Armee umfasste nun 14 000 Soldaten, und die Bayern waren wieder auf 10 000 Mann aufgestockt; hinzu kamen Milizen und Garnisonen am Inn sowie weitere Standorte im ganzen Kurfürstentum. Am 17. Juli setzten sich die Truppen in Bewegung. Wrangel und Turenne zogen sich langsam zurück, um eine Niederlage zu vermeiden, die den in der Endrunde befindlichen Friedensverhandlungen hätte schaden können. Zudem wollte Wrangel Königin Christina keinen Vorwand liefern, um ihn als Befehlshaber zu ersetzen. In der Tat hatte sie bereits ihren Vetter, Carl Gustav von Pfalz-Zweibrücken, am 2. Juni zum Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte im Reich ernannt. Die Entscheidung gehörte zu ihren vielfältigen Manövern, das Problem der Thronfolge zu lösen, ohne heiraten zu müssen. Die Schwierigkeit, die darin liegen würde, ihren Untertanen den Vetter als plausiblen Nachfolger zu präsentieren, war ihr durchaus bewusst, weshalb sie sein Ansehen dadurch zu steigern suchte, dass sie ihn mit dem endgültigen Sieg

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im Reich in Verbindung brachte. Immerhin hatte er sich bereits unter Torstensson als guter Untergebener erwiesen. Einwände, die der schwedische Reichsrat vortrug, verwarf sie und schickte ihm Ende Juli einheimische Truppen in der Stärke von 7150 Mann nach Pommern.729 Obwohl Piccolomini 2000 Mann nach Böhmen abordnen musste, um dort das militärische Gleichgewicht wiederherzustellen, setzte er seine Strategie der Nadelstiche fort. Er erfuhr, dass Wrangel und Turenne mit großem Gefolge am 6. Oktober in den Dachauer Wäldern nördlich von München auf die Jagd gegangen waren. Obwohl die Verbündeten zur Sicherheit ganz in der Nähe 1400 Mann Kavallerie postiert hatten, blieben die Schüsse von Werths angreifenden Truppen unbemerkt, bis ein schwedischer Hauptmann zusammenbrach und gleich darauf der Leutnant neben ihm zu Boden fiel. Werth hatte den Sicherheitskordon durchbrochen und befand sich im Wald. Die Jäger wurden zu Gejagten. Von den Offizieren verschwanden 20 im tückischen Sumpfgelände. Auch Wrangel drohte zu versinken, bis – so behauptete er – ein Reh vorübersprang und ihm so den Ausweg zeigte. Er konnte entkommen, doch Werth machte 94 Gefangene und erbeutete 1000 Pferde. Zur Vergeltung für dieses wenig waidmännische Verhalten brannten die Verbündeten nahe gelegene bayerische Dörfer nieder.730 Kriegsende in Prag Unterdessen hatte sich das eigentliche Kampfgeschehen nach Böhmen verlagert. Am 18. Mai war Königsmarck vom Lech aufgebrochen und durch die Oberpfalz und das Egertal marschiert, wobei er unterwegs noch Garnisonstruppen mitgenommen hatte. Am 22. Juli traf er in Pilsen ein. Seine Aufgabe bestand darin, in die Beziehungen zwischen Bayern und Österreich einen Keil zu treiben, indem er den Kaiser zwang, seine Truppen zum Schutz Böhmens zurückzurufen. Piccolomini hatte alle Truppen aus dem Königreich abgezogen, um die Hauptarmee neu aufzubauen, sodass Prag nur mit schwachen Kräften verteidigt werden konnte. Königsmarck wollte die Stadt mit einem Überraschungsangriff nehmen. Es würde die letzte Gelegenheit zur Bereicherung sein, bevor der Frieden weitere Plünderungen verhinderte. Königsmarck war von Ernst Ottovalsky angesprochen worden, einem protestantischen Oberstleutnant, der im Dienste des Kaisers seinen rechten Arm verloren, aber keine Entschädigung erhalten hatte und nun einen beträchtlichen Groll hegte. Ottovalsky stellte Königsmarck eine Liste mit Adressen von reichen und berühmten Personen zur Verfügung und führte in der Nacht vom 25. Juli einen Trupp von 100 Schweden über das ehemalige Schlachtfeld am Weißen Berg zur Prager Kleinseite links der Moldau. Dort wusste er eine Stelle, wo die Mauer neu verstärkt worden war und die Arbeiter einen Erdhaufen hatten liegen lassen. Ihn nutzten die Schweden als Rampe, um über die Verteidigungsanlagen zu gelangen,

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die Wachen zu überwältigen und ein Stadttor zu öffnen, damit Königsmarck mit dem Hauptteil der Truppen eindringen konnte. Die Schweden besetzten rasch die Kleinseite mitsamt dem Hradschin, doch Rudolf von Colloredo, der Befehlshaber der Kaiserlichen, konnte mit dem Boot ans andere Moldauufer entkommen, wo der Bürgermeister die Sturmglocken läuten ließ. Prag hatte sich 1620, 1631 und 1632 kampflos ergeben, und die Einwohner hatten daraus gelernt, was ihnen von den Besatzern drohte. Diesmal waren sie zum Widerstand entschlossen. Studenten und Bürger riegelten die Karlsbrücke ab und hinderten die Schweden so daran, die größere Altstadt rechts der Moldau zu betreten. Königsmarck ließ seinen Truppen drei Tage lang freie Hand. Sie ermordeten 200 Einwohner und plünderten die umfangreichen Schätze der böhmischen Aristokratie und Geistlichkeit, darunter auch den des Grafen Heinrich von Schlick, der allein eine halbe Million Taler wert war. Wertvolle Bestände aus Klosterbibliotheken wurden mitsamt den Resten der Kunstsammlung Rudolfs II. nach Stockholm gebracht, um Christina eine Freude zu machen. Die Adligen, die das Pech hatten, in Gefangenschaft zu geraten, wurden als Geiseln festgehalten, um Lösegeld zu erpressen. Die Schweden drohten auch mit der Beschlagnahme der Knochen des heiligen Norbert (ebenfalls zwecks Lösegelderpressung), bis sie entdeckten, dass die Reliquien bereits in Sicherheit gebracht worden waren. Die Beute war an die sieben Millionen Taler wert und übertraf damit sogar den Raubzug von Bregenz. Weitere schwedische Abteilungen machten sich auf den Weg, um von den Plünderungen zu profitieren. Wittenberg tauchte am 30. Juli mit 6000 Mann aus Schlesien kommend am rechten Moldauufer auf, ihm folgte Carl Gustav am 4. Oktober von Sachsen mit 8000 Mann. Aber Puchheim kam ihnen mit 3500 Kaiserlichen zuvor. Er marschierte rasch moldauaufwärts und erreichte Prag drei Tage vor Wittenberg. Die Schweden hatten auf leichte Erfolge gehofft und waren nun vom hartnäckigen Widerstand der Prager Bürger entmutigt. Wittenberg wandte sich zeitweilig von Prag ab, um das Land zu verwüsten, was den Verteidigern die Gelegenheit gab, die Befestigungsanlagen zu verstärken und die Miliz zu drillen. Erst als Carl Gustav eintraf, waren die Schweden stark genug für eine reguläre Belagerung und postierten Artillerie nördlich und südöstlich der Altstadt. Weitere Geschütze feuerten von der Kleinseite aus, während Infanterieeinheiten die durch eine bewegliche Barrikade geschützte Karlsbrücke zu überqueren suchten. Die Kämpfe verstärkten sich am 11. Oktober, als die Belagerer einen letzten Versuch unternahmen, durchzubrechen, bevor der Friedensvertrag unterzeichnet wurde. Nachrichten vom Frieden trafen am 5. November ein, doch setzten die Schweden ihre Angriffe noch fünf weitere Tage fort, bis endlich die Vorhut von Piccolominis Armee aus Bayern eintraf.731 Die Kaiserlichen wa-

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ren Wrangel gefolgt, der im Oktober ebenfalls auf dem Weg nach Prag war, den Vormarsch dann aber in Nürnberg unterbrach, als er die Berichte aus Westfalen hörte. Piccolomini setzte den Marsch fort, und am 20. November war die gesamte kaiserliche Armee in Böhmen versammelt. Schon führte man Gespräche mit Carl Gustav, um die Gebiete abzugrenzen, die beide Seiten besetzen würden, bis die Demobilisierung abgeschlossen war. Friedensschluss Die Kämpfe verliehen der letzten Verhandlungsrunde in Osnabrück und Münster Dringlichkeit. Trauttmansdorff war jetzt von Mainz und Bayern unter Druck gesetzt worden, mit Schweden zu einem Ergebnis zu kommen, weshalb er seit Anfang März in Johan Oxenstiernas Residenz in Osnabrück getrennte Gespräche mit Vertretern der gemäßigten Protestanten und Katholiken führte. Die noch bestehenden Hindernisse wurden aus dem Weg geräumt, indem Trauttmansdorff die konfessionelle Parität sowohl auf das Reichskammergericht als auch auf den Reichshofrat ausdehnte, wenn religiöse Fälle zur Verhandlung anstanden. Zudem erklärte er sich damit einverstanden, die Calvinisten in den Friedensprozess mit einzubeziehen. Sachsen erhob gegen diese Konzession formellen Protest, kooperierte aber weiterhin mit Brandenburg, um die meisten anderen Protestanten zur Annahme der von Trauttmansdorff ausgehandelten Ergebnisse zu bewegen, während Bayern und Mainz die Katholiken dafür gewinnen konnten. Endlich gab Schweden seine taktische Unterstützung für die Exulanten auf und nahm am 12. Juni Trauttmansdorffs Vorschlag an, die noch verbleibenden Verfassungsprobleme auf dem nächsten Reichstag zu behandeln. Im Gegenzug versprachen die Reichsstände eine Zahlung von fünf Millionen Talern, um damit die schwedische Armee zufriedenzustellen. Die schwedischen Truppen blieben auf Kosten der Stände im Reich, bis das Geld zur Auszahlung bereit lag. Die Einigung auf die Höhe der Kompensation hatte den Abschluss des Übereinkommens verzögert. Allerdings belief sich die Beute von Bregenz und Prag allein schon auf elf Millionen Taler, was zeigt, dass Reichsadel und -klerus die Schweden schon viel eher hätten auszahlen können, um sie zur Heimreise zu bewegen. Diese Regelungen wurden am 6. August zu einem Abkommen zusammengefasst, das im Wesentlichen den Frieden von Osnabrück ausmachte. Schweden blieb nur deswegen im Feld, weil Frankreich dem Frieden noch nicht zugestimmt hatte und Carl Gustav Prag plündern wollte. Da der Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden schon im Januar in Münster beendet worden war, blieben nur noch Frankreichs Streitigkeiten mit den Habsburgern weiterhin ungelöst. Mazarin stellte im Juni dem Reich ein Ultimatum: Wenn die Reichsstände nicht den Burgundischen Kreis (also Spaniens Territorium im Reich) vom Frieden ausschlössen, würde Frankreich seine Ope-

20. Krieg oder Frieden (1646–48)

rationen östlich des Rheins fortsetzen. Nach einigem Zögern stimmten die Stände am 9. September Mazarins Bedingung zu und ermöglichten damit den Vertretern von Frankreich und Mainz, sechs Tage später den Frieden von Münster zwischen Frankreich und dem Reich zum Abschluss zu bringen. Ferdinand blieb nur die Wahl, diese Bedingung zu akzeptieren und damit Spanien zu verärgern oder ohne deutsche Unterstützung weiterzukämpfen. Zumindest konnte er, da die Stände bereits zugestimmt hatten, diese dafür verantwortlich machen, dass ihm letztlich nichts anderes übrigblieb, als Spanien im Stich zu lassen. Philipp IV. war enttäuscht und erhob am 14. Oktober förmlichen Protest, womit er gleichzeitig auch seine Ansprüche auf das Elsass aufrechterhielt (die er erst 1659 aufgab). Privatim akzeptierte er jedoch Ferdinands Argumente.732 Mit den beiden Verträgen war der Dreißigjährige Krieg beendet. Kaiser und Reich regelten ihre internen Probleme und ihre Streitpunkte mit Schweden im Frieden von Osnabrück (Instrumentum Pacis Osnabrugense, kurz IPO), der zugleich als neue Feststellung der im ganzen Reich gültigen Reichsverfassung diente. Der parallel dazu mit Frankreich geschlossene Frieden von Münster (Instrumentum Pacis Monasteriense, kurz IPM) war nicht so vollständig, weil er den Burgundischen Kreis ebenso ausschloss wie das Herzogtum Lothringen, das von französischen Truppen besetzt blieb. Aber er deckte Österreichs territoriale Zugeständnisse an Frankreich ab und enthielt überdies Artikel, die die mit Schweden und den Reichsständen im Frieden von Osnabrück ausgehandelten Verfassungsregelungen bestätigten. Beide Verträge wurden am 24. Oktober, begleitet von einem Salut aus 70 Kanonen, förmlich beeidet. Für die Zeremonie waren zwei Abschriften jedes Vertrages vorbereitet worden. Ihnen folgten in den nächsten Tagen weitere Abschriften, die von den Gesandten beglaubigt wurden, damit sich keine Änderungen einschleichen konnten. Diese Abschriften wurden dann den beteiligten Fürstenhöfen zugesandt, während im darauffolgenden Jahr mindestens 42 000 Exemplare für ein erwartungsfreudiges Publikum gedruckt wurden.733

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DRITTER TEIL

NACH DEM FRIEDEN

21. Das Westfälische Friedensabkommen Die internationale Dimension

I

m Großen und Ganzen hat es zwei unterschiedliche Positionen bei der Interpretation des Friedensabkommens gegeben: Die Politikwissenschaft sieht die Angelegenheit im Allgemeinen positiv und begreift die Verträge als Geburt einer neuen internationalen Ordnung, deren Grundlage der souveräne Staat ist. Die Geschichtsschreibung dagegen hat bis vor Kurzem vorwiegend negativ reagiert: „Der Krieg löste keine Schwierigkeit. Seine unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen waren entweder negativ oder verheerend. Sittlich umstürzlerisch, wirtschaftlich zerstörend, sozial herabsetzend, verworren in seinen Ursachen, schwankend in seinem Verlauf und geringfügig in seinem Erfolg, ist dieser Krieg in der europäischen Geschichte das hervorragende Beispiel eines sinnlosen Konflikts.“1 Die deutschen Historiker zogen vorwiegend den Schluss: „Das Reich im alten Sinn hat zu existiren aufgehört.“2 „Deutschland“ war allem Anschein nach keine Nation mehr, sondern ein Sammelsurium unabhängiger Fürstentümer. Österreich führte jetzt ein eigenes Dasein. Es wurde nach 1683 durch Expansion auf den Balkan zulasten des Osmanischen Reichs und 1700 durch die Übernahme von ehemals spanischen Besitzungen in den Niederlanden und Italien eine Großmacht. Angeblich vernachlässigte es die „deutschen“ Angelegenheiten, bis ihm der Preußenkönig Friedrich II. 1740 den Fehdehandschuh hinwarf. Wie so vieles in der überkommenen Interpretation deutscher Geschichte ist auch dies eine Verzerrung seitens all derjenigen, die die nationale Einigung unter preußischer Führung während der 1860er-Jahre in den Vordergrund stellten. Spuren davon finden sich bis heute, und die jüngste Ausgabe der Standardgeschichte des Westfälischen Friedens spricht von 1648 als einem der „großen Katastrophenjahre“ der deutschen Geschichte.3 Diese Interpretationsprobleme haben ihren Grund in fehlerhaften Auffassungen vom Charakter des Kriegs wie auch des Friedens. Der Dreißigjährige Krieg war kein allgemeiner europäischer und erst recht kein globaler Konflikt. Die Jahreszahlen 1618/1648 bilden keinen sinnvollen Rahmen für die Geschichte der Länder außerhalb Mitteleuropas, und ebenso wenig kann der Krieg im Reich einer allgemeinen, globalen Krise zugerechnet werden.4 Gewiss litten auch andere Länder unter schweren Konflikten. Shah Jahan, der Großmogul von Indien, zog sich tieftraurig über den Tod seiner Frau zurück und löste so den Bürger-

21. Das Westfälische Friedensabkommen

krieg zwischen seinen Söhnen aus, der 1657/58 in ganz Indien tobte. Der letzte Kaiser der Han erhängte sich, als die Mandschu 1644 China überrannten. Trotz der Anwesenheit einiger europäischer Händler hatten diese Ereignisse keinerlei Verbindung zu dem, was damals in Spanien und Österreich geschah. Auch liefen die Tumulte anderswo in der Welt weder auf unbegrenzte Zeit noch blieben sie ergebnislos. Das Mogulreich brach nicht zusammen, während die neue mandschurische Qing-Dynastie Chinas Vorherrschaft in der Mongolei, Tibet und Turkestan festigte. Dem Aufruhr in Japan nach 1600 folgte eine Periode relativer Stabilität unter dem Shogunat der Tokugawa und eine von 1639 bis 1858 währende, selbst gewählte internationale Isolierung. Spaniens Konflikte mit den Niederländern, Franzosen, Portugiesen und Engländern wurden auch in Brasilien, Teilen Afrikas, Indonesien und auf Ceylon (Sri Lanka) militärisch ausgetragen. Es war zugleich die Zeit der Entstehung der europäischen Handelskompanien, und vormals zweitrangige Kräfte mischten sich mehr und mehr in die überseeischen Unternehmungen ein. Allen voran die Engländer, die sich in den 1620er-Jahren in Virginia und anderswo an der nordamerikanischen Atlantikküste niederließen, dann in die Karibik vorstießen und 1639 einen Stützpunkt in Madras errichteten. Im Gegensatz zu den Verträgen, mit denen der Spanische Erbfolgekrieg (1701–14) oder der Siebenjährige Krieg (1756–63) beendet wurden, führten die Westfälischen Friedensabkommen nicht zur Beilegung dieser kolonialen Konflikte, obschon der Vertrag von Münster den Kämpfen zwischen Spanien und den Niederlanden in Niederländisch-Indien ein Ende setzte. Wenn dem Siebenjährigen Krieg die zweifelhafte Ehre zugesprochen wird, der realiter erste Weltkrieg gewesen zu sein,5 gilt das jedenfalls weder für den Dreißigjährigen Krieg noch für die damit zusammenhängenden Konflikte zwischen Spanien und den Niederlanden beziehungsweise zwischen Frankreich und Spanien. Und schaut man näher hin, so ist auch der Siebenjährige Krieg kein Weltkrieg im Sinne des Wortes, sondern reflektiert die Erfahrungen des 17. Jahrhunderts, in dem Konflikte von den Europäern exportiert wurden, ohne dass die außereuropäischen Staaten gleichwertige Kriegsteilnehmer gewesen wären. Allerdings ist die negative Bewertung des Westfälischen Friedens dann einigermaßen sinnvoll, wenn man die Ergebnisse an den Erwartungen der Initiatoren misst. Der Frieden beendete keineswegs alle europäischen Kriege und verhinderte auch keine neuen Konflikte, die schon bald nach 1648 aufbrachen. Der Krieg zwischen Frankreich und Spanien dauerte bis 1659, und während die Katalanen 1652 ihren Unabhängigkeitskampf verloren, gewannen die Portugiesen den ihren 1668. Die Fortdauer dieser Konflikte liegt in einem Versagen der Friedensverhandlungen begründet, denn alle drei standen in Westfalen auf der

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TEIL III: Nach dem Frieden

Agenda. Es gab keinen Versuch, die englischen Bürgerkriege oder den Konflikt zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich, der 1645 begann, zu beenden. Die Spannungen im Ostseeraum waren durch den Frieden von Brömsebro 1645 entschärft worden, wuchsen aber nach 1655 erneut zu Kriegen zwischen Schweden, Polen und Russland heran. Außerdem kam es zu drei weiteren Auseinandersetzungen zwischen Schweden und Dänemark, die bis ins 18. Jahrhundert andauerten. Wer den Dreißigjährigen Krieg partout auf alle damaligen Konflikte in Europa ausdehnen will, sieht im Pyrenäenfrieden zwischen Frankreich und Spanien (1659) sowie im Vertrag von Oliva (1660), der für Frieden im Ostseeraum sorgte, den wahren Abschluss der westfälischen Verhandlungen.6 Daraus erwächst dasselbe Problem, mit dem wir es schon bei der Erklärung der Ursprünge des Dreißigjährigen Krieges zu tun hatten, denn Gründe, Verlauf und Abschluss sind für jeden einzelnen dieser Konflikte getrennt zu betrachten, und die Tatsache, dass einige Länder an mehr als einer Auseinandersetzung militärisch beteiligt waren, macht aus ihnen allen zusammen noch keinen allgemeinen Krieg. Die Bedeutung des Westfälischen Friedens liegt nicht in der Anzahl der Konflikte, die er zu lösen beabsichtigte, sondern in den Methoden und Idealen, die er dabei anwendete. Der jeweils erste Artikel in den Verträgen von Osnabrück und Münster artikulierte das allgemeine Friedensgebot. Demnach sollten ein „christlicher allgemeiner und immerwährender Friede“ sowie eine „wahre und aufrichtige Freundschaft“ zwischen den europäischen Mächten herrschen. Das war mehr als nur eine Bekundung guter Absichten. Der Kongress schuf eine neue Charta für die zwischenstaatlichen Beziehungen. Die Abschnitte über die Reichsverfassung bezogen sich auf die früheren Abkommen von 1552 und 1555, doch ansonsten erwähnten die Dokumente keine anderen europäischen Verträge, sondern stellten stattdessen einen neuen Rahmen für den Frieden vor. Die Verträge, die später andere Kriege beendeten, galten als Erweiterungen des Westfälischen Friedens, die zusätzliche Teile des Kontinents befriedeten. Immer wieder hat man sich in bedeutenden europäischen Vertragswerken auf die Abkommen von Münster und Osnabrück berufen, sogar noch auf dem Wiener Kongress von 1814/15, mit dem die Napoleonischen Kriege endeten. Diese späteren Abkommen teilten dasselbe Verständnis des internationalen Rechts als freiwilliger Kontrakt, der allen sonstigen weltlichen und religiösen Gesetzen überlegen war.7 Wie bei vielen bedeutenden Neuerungen waren die dieser Entwicklung zugrunde liegenden Absichten bescheidener als die Auswirkungen – die entsprechenden Artikel über das internationale Recht hatten nämlich schlicht den zu erwartenden Protesten des Papstes einen Riegel vorschieben sollen. Allerdings

21. Das Westfälische Friedensabkommen

erhob nicht nur der Papst Einwände. Spanien und Lothringen protestierten gegen ihren Ausschluss aus dem Frieden von Münster, Sachsen gegen die Einbeziehung der Calvinisten in den Frieden von Osnabrück. Bischof Wartenberg verwarf grundsätzlich die religiösen Zugeständnisse, während Mainz, Magdeburg und andere Beschwerdeführer einzelne Punkte monierten.8 18 Territorien unterzeichneten nicht, weil sie auf dem Kongress nicht vertreten gewesen waren. Alle jedoch, auch Wartenberg, akzeptierten die allgemeine Gültigkeit der Verträge. Nur der Papst erteilte dem gesamten Vertragswerk eine Absage in seinem Dekret Zelo domus Dei, das er im August 1650 veröffentlichte, aber auf den 26. November 1648 zurückdatierte, um den früheren mündlichen Protesten seines Gesandten Chigi Nachdruck zu verschaffen.9 Die positive Interpretation des Westfälischen Friedens sieht in ihm die Geburt der modernen internationalen Ordnung, die auf souveränen Staaten beruht, welche (formell) als einander Gleichgestellte innerhalb eines gemeinsamen säkularisierten Rechtsrahmens miteinander umgehen, unabhängig von Größe, Macht oder innerer Beschaffenheit der einzelnen Staatsgebilde. Der klassische „westfälische Staat“ beruht auf unteilbarer Souveränität, die äußere Einflüsse ausschließt und nach innen eine einheitliche, nicht mit anderen Körperschaften geteilte Regierungstätigkeit vorsieht. Des Weiteren verfügt dieser Staat über genau festgelegte, undurchlässige Grenzen, während eine gemeinsame Identität und Kultur seine Untertanen verbindet. Letzteres gewann im 19. Jahrhundert an Bedeutung, als das Ideal des Nationalstaats propagiert wurde, das jeder Nation ihren eigenen Staat verschaffen wollte. Damit steuerte man auf neue Konflikte zu, galt es doch nun, Minderheiten auszuweisen oder Grenzen auszuweiten, um all jene einschließen zu können, die die eigene Sprache und Kultur teilten, aber der „Fremdherrschaft“ ausgesetzt waren. Handbücher über internationale Beziehungen und Diplomatiegeschichte greifen immer noch gern auf 1648 zurück, um ihren Ausführungen einen Rahmen zu geben, doch sind die Historiker und die meisten Politikwissenschaftler nicht mehr so überzeugt davon, dass dieses Datum einen geschichtlichen Wendepunkt bezeichnet.10 Ein Grund dafür ist die zeitliche Länge des Gesamtprozesses, der um einiges vor 1648 begann und 1648 nicht zu Ende war. Ein weiterer Grund liegt darin, dass der Nationalstaat mittlerweile nicht mehr das Endziel aller politischen Entwicklung zu sein scheint. Eine neuere Studie sieht die Europäische Union nicht länger als einen einzigen zentralisierten Superstaat des westfälischen Typus, sondern als eine Art „neo-mittelalterliches Reich“, das bei der Neumodellierung des Kontinents einen Integrationsprozess entlang von Linien durchläuft, die den Verhältnissen im Heiligen Römischen Reich nicht unähnlich sind.11

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TEIL III: Nach dem Frieden

Das sind wichtige Punkte, die aber nicht von der Bedeutung des Westfälischen Friedens als Markstein der internationalen Entwicklung ablenken sollen. Obwohl Europa auch nach 1648 ein hierarchisches und fragmentiertes internationales System blieb, bewegte es sich doch deutlich in Richtung einer säkularen Ordnung, die auf eher gleichberechtigten souveränen Staaten beruhte. Durch die Befriedung Mitteleuropas sorgten die Verträge von 1648 für ausreichende Stabilität, um auf diesen Grundsätzen eine neue internationale Ordnung zu errichten.12 Globale Bedeutung erlangte dieses Modell, indem es in diverse Theorien der internationalen Beziehungen Eingang fand und von den westlichen Kolonialmächten in ihren Beziehungen mit anderen Weltregionen angewendet wurde. Das Reich und Europa Die negative historische Bewertung des Westfälischen Friedens ist insofern berechtigt, als das Abkommen den Niedergang des Reichs bezüglich seiner Fläche und internationalen Bedeutung bestätigte, doch geschah dies weder so plötzlich noch mit solcher Deutlichkeit, wie deutsche Historiker einst dachten. Das zeigt das Thema der „Unabhängigkeit“ der Niederlande und der Schweiz. Spanien verzichtete auf seine Herrschaft über die Niederländer bereits im ersten Artikel des Vertrags von Münster, aber das Wort sovereignty taucht nur in der englischen Übersetzung des Originaltextes auf.13 Spanien akzeptierte auch die neutrale Haltung der Niederlande gegenüber dem Reich. Der Kaiser fand sich damit ab, dass die Niederländer 1653 nicht zur Reichsverteidigung beitragen würden, doch wollten weder er noch der Reichstag anerkennen, dass die Republik nicht mehr zum Reich gehörte; das geschah erst 1728. Die Schweizer waren, dank der Lobbyarbeit des Baseler Bürgermeisters Johann Wettstein, in den beiden Verträgen von Münster und Osnabrück berücksichtigt worden. Wettstein hatte am Kongress teilgenommen, weil Basel sich der Schweizer Eidgenossenschaft 1501 angeschlossen hatte – zwei Jahre, nachdem Kaiser Maximilian I. die Schweiz von ihrer Verpflichtung, zur Reichsverteidigung und zur Konfliktlösung im Reich beizutragen, hatte befreien müssen. Basel wollte nun einen vergleichbaren Ausnahmestatus erreichen und nicht länger für die Reichsinstitutionen bezahlen; 1647 kostete allein der Unterhalt für das Reichskammergericht die Stadt 14 239 Taler. Kaiser Ferdinand III. kam dem Gesuch nach, doch blieb die Schweiz formell Bestandteil des Reichs, woran weder der Basler Frieden von 1499 noch die Verträge von Münster und Osnabrück etwas änderten. Was noch an Bindungen übrig blieb, war unbedeutend. Weder die Niederländer noch die Schweizer nahmen als Reichsstände Einfluss auf die Politik des Reichs und fühlten sich auch nicht dazu verpflichtet, dem Kaiser Beistand zu leisten, obgleich die Niederländer nach 1673 im Allgemeinen Verbündete Öster-

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reichs waren. Dennoch weist das Fehlen dezidiert anderslautender Aussagen darauf hin, dass untergründig die Auffassung vom Reich als Verkörperung des Ideals von der einen europäischen politischen Gemeinschaft fortbestand. Zürich entfernte das Reichswappen 1698 vom Rathaus, während Schaffhausen sich noch bis 1714 als Teil des Reichs sah. Savoyen gelang es nicht, Pinerolo von Frankreich zurückzuholen oder kurfürstlichen Status zu erlangen; nichtsdestotrotz blieb es ebenfalls Bestandteil des Reichs und sah sein loses Bündnis mit der Institution nördlich der Alpen als nützlichen Sicherheitsbonus angesichts einer ungewissen internationalen Lage.14 Die Verträge von Münster und Osnabrück kombinierten Änderungen der Reichsverfassung mit der internationalen Friedensregelung und machten Schweden und Frankreich zu Garanten der neuen Ordnung im Reich. Die ältere Einschätzung, wonach das Reich damit der Gnade der zwei Kronen ausgeliefert worden sei, kann nicht aufrechterhalten werden. Beide Mächte hatten nur dann das Recht einzugreifen, wenn die Reichsstände es nicht schafften, eine Streitigkeit binnen drei Jahren gütlich zu regeln. Zudem konnte eine Intervention nur auf Aufforderung der in ihren Rechten verletzten Partei erfolgen. Diese formellen Rechte erweiterten die Einflussmöglichkeiten der beiden Königreiche auf die Reichsangelegenheiten kaum; vielmehr hingen diese immer noch maßgeblich vom jeweiligen militärischen Potenzial derjenigen Macht ab, die Einfluss nehmen wollte, sowie von ihrem diplomatischen Ansehen im Reich selbst. Am Beispiel von Trier lässt sich zeigen, wie schnell der französische Einfluss nach 1648 dahinschwand. Söterns Wiedereinsetzung als Kurfürst hatte den Hauptgrund für die französische Intervention nach 1635 abgegeben. Allerdings wurde er von seinen Untertanen nicht eben respektiert. Da er von Frankreich abhängig war, unterstützte er im April 1659 Mazarins Kandidaten als Koadjutor. Dagegen begehrten die Domherren mehrheitlich auf und stellten mit österreichischer und spanischer Hilfe Truppen von etlichen Hundert Mann auf die Beine. Mazarin war durch den Kampf gegen die Fronde abgelenkt und erkannte zudem, dass sein Eingreifen in Trier Frankreichs Ruf in Deutschland beschädigte. Von Frankreich solcherart im Stich gelassen und mittlerweile bettlägerig, hatte Sötern nicht mehr die Macht, die Einsetzung eines pro-kaiserlichen Koadjutors zu verhindern, und dieser wurde nach Söterns Tod im Februar 1652 dann auch dessen Nachfolger.15 Frankreich bediente sich seiner Rechte als Garantiemacht bei einer Auseinandersetzung zwischen Mainz und der Pfalz zu Beginn der 1660er-Jahre, aber die darauffolgende aggressive Vorgehensweise Ludwigs XIV. ließ weitere Hilfsgesuche an Frankreich als nicht angeraten erscheinen.16 Philippsburg wurde 1676 zurückerobert, 1688 erneut an Frankreich verloren, aber neun Jahre später end-

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TEIL III: Nach dem Frieden

gültig deutsch. Österreich erlangte auch Breisach wieder, indem es die Franzosen über den Rhein zurückdrängte. Nun nutzte Frankreich allerdings seine militärische Stärke, um eine eigene Interpretation des Westfälischen Friedens durchzusetzen. Mit seiner „Reunionspolitik“ (1679–84) betrieb Ludwig XIV. die Annexion von Straßburg und den anderen Territorien, die Volmar und Trauttmansdorff durch mehrdeutige Formulierungen für das Reich gerettet hatten. Frankreich eroberte in den 1670er-Jahren auch die Franche-Comté und erwarb 1766 Lothringen. Frankreich bestritt stets, dass diese seine territorialen Zugewinne zum Reich gehörten, weil damit der französische König die Oberherrschaft des Kaisers hätte anerkennen müssen. Frankreich verzichtete lieber auf den formellen Einfluss, den die Verfassungsrechte ihm boten, um sich die Freiheit zu bewahren, sich – falls notwendig – mit diversen Fürsten zu verbünden. Nach und nach wechselte Frankreich zu höherrangigen Partnern und ging von einem Bündnis kleinerer Fürstentümer 1658–68 im späten 17. Jahrhundert zu Bayern und dann zu Preußen über und verbündete sich schließlich nach 1756 mit Österreich. In diesen Veränderungen spiegelt sich eine politische Annäherung an den Kaiser: Hatte Frankreich sich früher auf die Verfassung gestützt, um einer vermeintlichen Bedrohung durch Habsburg etwas entgegenzusetzen, so sorgte es schließlich für die Bewahrung der existierenden Ordnung, um seinen europäischen Hauptverbündeten zu erhalten.17 Schweden verfolgte einen ähnlichen Kurs, agierte aber unmittelbarer und aus anderen Gründen. Im Gegensatz zu Frankreich akzeptierte Schweden den Status seiner Territorialgewinne als Reichsstände und stellte ihre Vertretung im Reichstag wie auch in den ober- und niedersächsischen Kreisversammlungen sicher. Der schwedische Monarch handelte hierin ebenso wie der Dänenkönig, der in den Reichsinstitutionen als Herzog von Holstein vertreten war. Allerdings blieben die schwedischen Einflussmöglichkeiten durch das Reichsgesetz eingeschränkt. Das Königreich konnte, ähnlich wie die Kurfürsten, nicht vor den Reichsgerichten belangt werden, musste aber ein eigenes Gericht in Wismar errichten, um dem Reichsgesetz Geltung zu verschaffen. Praktisch bedeutete das, dass die existierenden Rechtssysteme unverändert fortbestanden und die Privilegien der Stände in den neu erworbenen Territorien respektiert wurden. Die Steuern wurden erhöht, doch vor Ort für die mit deutschen Berufssoldaten besetzten Garnisonen verwendet. Die Schweden unternahmen nicht den Versuch, eine nationale Wehrpflicht einzuführen, wie sie es im eigenen Land und in Finnland getan hatten. Auch die religiösen Angelegenheiten wurden lokal geregelt: Ein deutsches Konsistorium kümmerte sich um die Verwaltung der Kirchen und um theologische Fragen.18

21. Das Westfälische Friedensabkommen

Ferdinand III. konnte zwar nicht die Eingliederung des verbliebenen mittelbaren Kirchenbesitzes durch die Schweden verhindern, vereitelte aber immerhin schwedische Versuche, den Besitz des Erzbistums Bremen auch auf die Stadt selbst auszudehnen. Unmittelbar nach der Eroberung des Erzbistums 1645 hatte der Kaiser den Status der Stadt bestätigt – als Gegenleistung für dringend benötigte 100 000 Gulden. Schweden erhob erst 1654, also verspätet, Protest, wollte es indes nicht zum offenen Bruch kommen lassen.19 Während Schwedens Vertreter auf dem Westfälischen Kongress als selbstbewusste Erben von Gustav Adolfs ruhmreichem Vermächtnis aufgetreten waren, suchten sie nun die engere Zusammenarbeit mit dem Kaiser, um Schwedens Besitztümer zu bewahren. Wie verwundbar diese waren, zeigte sich bald darauf, als das in den Zweiten Nordischen Krieg mit Polen (1655–60) verstrickte Schweden von Brandenburg und Dänemark angegriffen wurde. Dass das Königreich nicht mehr ganz auf der Höhe war, trat nach 1675 noch deutlicher zutage. Es ließ sich während des von Ludwig XIV. gegen die Niederlande geführten Krieges (1672–79) von Frankreich dazu überreden, in Brandenburg einzumarschieren. Brandenburg, Dänemark, Münster und die Welfen taten sich indes zusammen und eroberten in kurzer Zeit alle schwedischen Besitztümer in Deutschland, und nur dank Frankreichs Eingreifen beim Frieden von Saint-Germain (1679) wurden sie zurückgegeben. Der schützende Rahmen, den sich das Reich zugelegt hatte, konnte seinen Nutzen bereits mit der Neutralisierung von Nordwestdeutschland erweisen: So blieben Bremen und Verden während des Zweiten Nordischen Kriegs geschützt. Schweden revanchierte sich, indem es dem Kaiser ein Kontingent Soldaten schickte, damit dieser 1664 einen Angriff der Osmanen abwehren konnte. Weitere Truppen und Geldzuwendungen flossen dem Kaiser im Großen Türkenkrieg 1683–99 zu, als Habsburg Ungarn und Siebenbürgen von den Osmanen eroberte. Als der schwedische König Karl XII. 1705–07 im Reich Krieg führte, sprach die Presse von einer Rückkehr Gustav Adolfs – nicht zuletzt, weil die Schweden bei ihrem Versuch, Polen zu erobern, Sachsen überrannten. Doch als Karl 1709 in Russland unterlag, waren seine deutschen Besitzungen erneut gefährdet, und er verlor 1714 Bremen und Verden auf Dauer an Hannover. Schweden verblieben somit Wismar und Westpommern. In der Bewahrung der Reichsverfassung sah es die wichtigste Schutzvorrichtung, weshalb Stockholm sich im Siebenjährigen Krieg Frankreich anschloss, um Österreich gegen Preußen zu unterstützen. Schweden war damit zu einer der Hauptstützen der etablierten Ordnung geworden. Im Gegensatz zu Bayern und anderen süddeutschen Staaten, die sich Napoleon anschlossen, wehrte sich Schwedens König Gustav IV. erbittert gegen

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die Auflösung des Reichs 1806 und gab gegenüber seinen deutschen Untertanen der Hoffnung Ausdruck, es könne wiederhergestellt werden.20

Ein christlicher Frieden Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass der Westfälische Kongress den Frieden gebracht habe, indem er alle religiösen Aspekte aus der Politik entfernte.21 Auch wenn er auf lange Sicht die Säkularisierung förderte, war es doch kein vollständig säkularer Frieden. Das Reich blieb „heilig“ im Sinne von „christlich“. Die Tolerierung erstreckte sich nur auf die Calvinisten, während anderen religiösen Abweichlern ebenso wie den orthodoxen Christen, den Juden und Muslimen vergleichbare Verfassungsrechte verwehrt blieben. Formell bestätigte der Westfälische Frieden die in Augsburg 1555 getroffenen Regelungen und korrigierte deren Unzulänglichkeiten im Rahmen eines dauerhaften Abkommens. Artikel V, 50 des Friedens von Osnabrück untersagte jedweden Versuch, öffentlich oder privat den Religionsfrieden und insbesondere den vorliegenden Friedensvertrag zu bestreiten, in Zweifel zu ziehen oder seinem Geist „zuwiderlaufende Behauptungen daraus abzuleiten“. Alle zukünftig auftretenden Streitigkeiten in Religionsangelegenheiten sollten gemäß Artikel V, 52 durch einen „gütlichen Vergleich“ (amicabilis compositio) beigelegt werden, wie ihn gemäßigte Kräfte schon vor 1618 befürwortet hatten. Das ist auch der Gedanke hinter der Verfassungsänderung, die Diskussionen nunmehr in zwei konfessionellen Körperschaften statt der üblichen drei hierarchischen Kollegien erlaubte. Bekannt als itio in partes blieb diese Praxis auf religiöse Themen beschränkt und galt nicht, wie das frühere radikale Programm der Protestanten vorgesehen hatte, für alle Angelegenheiten.22 Die Bedeutung dieser Änderung wurde dadurch begrenzt, dass man den 1. Januar 1624 als Stichtag des Normaljahres bestimmte. Damit war der offizielle Glaube jedes Territoriums auf den Stand festgelegt, wie er an jenem Tag gewesen war. Die neuen Regelungen beschnitten die fürstlichen Vorrechte in erheblichem Maße. Die Herrscher behielten zwar das 1555 gewährte ius reformandi, doch nur als Aufsicht über ihre territorialen Kirchen. Sie konnten ihre eigenen Glaubensüberzeugungen nicht mehr den Untertanen aufzwingen. Von nun an war die Konversion Privatsache. Die Herrscher gewannen die Gewissensfreiheit, verloren aber einen Schlüsselaspekt ihrer politischen Autorität. Damit war den Kontroversen um das reservatum ecclesiasticum (den „geistlichen Vorbehalt“) der Boden entzogen. Obschon formell bestätigt, war der Vorbehalt nunmehr weitgehend irrelevant, da weitere Säkularisierungen ausgeschlossen waren.

21. Das Westfälische Friedensabkommen

Nur die Habsburger behielten das volle ius reformandi in seiner bisherigen Form, weil der Frieden von Osnabrück sie lediglich dazu verpflichtete, den protestantischen Glauben des niederösterreichischen Adels, der Stadt Breslau sowie der schlesischen Fürsten und ihrer Lehnsleute zu respektieren. In anderen Regionen stand es ihnen frei, protestantische Minderheiten zu unterdrücken, selbst wenn diese 1624 bereits existiert hatten. Außerdem bestätigte Artikel IV, 53 ausdrücklich die Beschlagnahme des Eigentums von Rebellen in Böhmen und Österreich und befreite die habsburgischen Lande damit von den Restitutionsforderungen, mit denen sich die Herrscher anderer Territorien auseinandersetzen mussten. Ferdinand III. und seine Nachfolger konnten auch weiterhin in ihren Herrschaftsgebieten den Katholizismus und eine loyale Aristokratie fördern. Während 1590 halb Europa unter protestantischer Herrschaft gewesen war, hatte sich das Verhältnis ein Jahrhundert später auf ein Fünftel reduziert, wobei der Katholizismus in der Habsburgermonarchie den meisten Boden gutgemacht hatte.23 In den anderen Territorien sicherten die Verfassungsänderungen die politische Gleichberechtigung zwischen den drei anerkannten Konfessionen und gewährten ihren Anhängern ein breites Spektrum persönlicher Freiheiten. Artikel V, 35 sprach ein Diskriminierungsverbot aus, wonach niemand wegen seines Bekenntnisses aus der Gemeinschaft der Kaufleute, Handwerker und Zünfte, aus Spitälern, Siechenhäusern, öffentlichen Kirchhöfen oder von Erbschaften und Vermächtnissen ausgeschlossen werden durfte. Dennoch handelte es sich um keine vollständige Tolerierung im modernen Sinn. Stattdessen gab es verfassungsmäßige Garantien für drei Ebenen religiöser Freiheit. Das neue Normaljahr legte für jedes Territorium eine der drei Konfessionen fest. Deren Anhänger erhielten volles Recht auf öffentliche Religionsausübung samt Prozessionen, Glockengeläut, Kirchtürmen, Feiertagen und was die jeweilige Glaubensrichtung sonst so erfordern mochte. Diejenigen Minderheiten, denen zu irgendeinem Zeitpunkt des Jahres 1624 die abweichende Religionsausübung öffentlich oder privat gestattet gewesen war, durften diese im selben Umfang beibehalten. Beispielsweise blieb ihnen auch weiterhin das Recht versagt, die Glocken zur Versammlung der Gläubigen zu läuten oder öffentliche Prozessionen durchzuführen. Minderheiten schließlich, denen 1624 die öffentliche oder private Religionsausübung nicht zugestanden hatte, durften sich nur innerhalb der eigenen vier Wände ihrer Andacht widmen oder Kirchen in benachbarten Territorien besuchen. Dergestalt beruhte die Tolerierung nicht auf gleichen Rechten für Individuen, sondern auf der Mitgliedschaft in einer Glaubensgemeinschaft mit körperschaftlichen Rechten. Wohl genossen alle Menschen in ihrer Glaubensausübung

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rechtlichen Schutz, doch war dieser für die Gläubigen der dritten Kategorie im Umfang deutlich reduziert. Auch wenn diejenigen, denen 1624 zu keinem Zeitpunkt die Religionsausübung gestattet gewesen war, „mit Nachsicht geduldet“ werden sollten, bestätigte der Frieden von Osnabrück neben dem im Augsburger Religionsfrieden niedergelegten Recht auf Auswanderung auch die sich indirekt daraus ergebende Befugnis der Landesherren zur Ausweisung; in einem solchen Fall betrug die Frist, um den Besitz zu verkaufen und das Land zu verlassen, mindestens drei Jahre.24 Trotz dieser unausgewogenen Rechtslage waren religiöse Abweichler im Reich besser abgesichert als in anderen Ländern, weil sie in ein Rechtssystem eingebettet waren, das nicht auf der Willkürmacht eines zentralisierten Staats beruhte. Selbst die für ihre Toleranz berühmte Republik der Vereinigten Niederlande bot Nicht-Calvinisten keinen rechtlichen Schutz. Die Regelungen funktionierten, weil sie als echter Kompromiss Katholiken wie Protestanten gleichermaßen Vorteile brachten. Die Protestanten überwanden das verhasste Restitutionsedikt, indem sie 1624 als geeigneteres Normaljahr durchsetzten und ihre politische Lage durch größere konfessionelle Parität in den Reichsinstitutionen verbesserten. Den Calvinisten sicherte das Reichsrecht den vollen Schutz zu, und die Katholiken hielten ihre starre Interpretation des Religionsfriedens aufrecht, indem sie die Protestanten verpflichteten, weiteren Ansprüchen auf Kirchenland zu entsagen. Das reservatum ecclesiasticum wurde bestätigt, galt freilich nun in beide Richtungen, insofern die Katholiken akzeptieren mussten, dass ehemaliges Kirchenland säkularisiert blieb, auch wenn der Herrscher sich vom Protestantismus wieder abwandte. Die Festlegung des Normaljahrs auf 1624 war – bei allen schmerzlichen Verlusten – für die Katholiken beträchtlich akzeptabler als die ursprünglich von den Protestanten vorgeschlagenen Termine, denn immerhin mussten die Protestanten die nach der schwedischen Intervention angeeigneten Besitztümer zurückerstatten. Das versöhnte die Katholiken mit den Regelungen zur Gewissensfreiheit, zumal sie ja auch weiterhin das Recht hatten, Abweichler auszuweisen. Der Dreißigjährige Krieg säkularisierte nicht die Politik, sondern diskreditierte die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung konfessioneller oder politischer Ziele im Reich. Die konfessionelle Militanz lebte auch nach 1648 weiter; geradezu als eine Personifikation kann Christoph Bernhard von Galen gelten, bekannt als „Kanonenbischof “ von Münster, weil er seine Autorität in der überwiegend protestantischen Bischofsstadt höchst gewaltsam durchsetzte.25 Galen hatte auch einigen Erfolg, hinkte aber zunehmend den eher gemäßigten Katholiken hinterher. An ihrer Spitze stand Bischof Johann Philipp von Schönborn, der Kurfürst von Mainz, bis zu seinem Tod 1673 die beherrschende Gestalt der Reichskirche. Schönborn förderte langjährige Bemühungen, um die deutschen

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Christen wieder in einer nationalen Kirche zu vereinen, was schließlich – wie er hoffte – die drohende Säkularisierung der geistlichen Territorien verhindern würde. Sein Programm der Wiederannäherung der Konfessionen wurde von anderen Kirchenmännern aufgegriffen, vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als die katholischen Kirchenterritorien häufig fortschrittlichere Sozialreformen durchführten als ihre „aufgeklärten“ protestantischen Nachbarn. Aber das Programm schlug fehl, weil die weltlichen katholischen Herrscher, einschließlich Österreichs und Bayerns, die Reichskirche zunehmend als geeignetes Kampffeld für ihre territorialen Ambitionen ansahen und während der letzten Reorganisation des Reichs 1802/03 ihr die Unterstützung für eine selbstständige Existenz entzogen.26 Auch andere praktische Erwägungen rieten Mäßigung und Vermittlung an. Viele Territorien waren nach 1648 auf Bevölkerungszuwachs angewiesen, was die Herrscher dazu ermunterte, es mit der konfessionellen Konformität nicht allzu genau zu nehmen. Bereits 1662 dehnten die Grafen von Neuwied mittels einer eigenen Gesetzgebung die Tolerierung auf christliche Minderheiten aus, die hier nun mehr Rechte genossen, als das Reichsgesetz garantierte. Andere kleine Territorien weiteten die Tolerierung auf gleicher Basis auf Juden aus. Viele Rechte konnten von den Untertanen auch ganz unabhängig von ihrer Religion in Anspruch genommen werden. So konnten beispielsweise Juden vor den Reichsgerichten Christen auf der Grundlage des Eigentumsrechts verklagen. Dieses vielschichtige Gewebe von Rechten verband sich, zumindest in einigen Fällen, mit dem Geist wahrer Toleranz und bot ein Spektrum an Freiheiten, die anderswo in Europa kaum denkbar waren: So konnten etwa die jüdischen Insassen des Hamburger Werk- und Zuchthauses den Sabbat feiern.27 Die Regelung der konfessionellen Verhältnisse im Reich bot eine Alternative zu dem von Zentralstaaten üblicherweise eingeschlagenen Weg hin zu einer modernen säkularen Gesellschaft. Frei von Nachteilen waren indes beide Wege nicht. Zentralisierte Staaten verordneten offizielle Gleichförmigkeit durch eine etablierte Kirche und erweiterten dann die Möglichkeiten für andere Glaubensrichtungen durch begrenzte Tolerierung. In den meisten Fällen führte ein solcher stufenweise fortschreitender Pluralismus schließlich dazu, dass die offizielle Kirche ihre Vorrangstellung verlor – so etwa in der modernen französischen Republik, wo der Staat vollständig säkular ist. Der Nachteil dieser Vorgehensweise liegt in den langen Zeiten der Verfolgung, die religiöse Minderheiten erleiden mussten, weil die ihnen vom Staat geschenkweise gewährten Freiheiten von diesem auch wieder kassiert werden konnten. So geschah es in Frankreich, als 1685 das Edikt von Nantes widerrufen wurde und die Hugenotten ihre religiösen Freiheiten verloren. Das Reich schlug einen anderen Weg ein, indem es drei

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privilegierte Kirchen mit gleichem rechtlichem Status akzeptierte. Dadurch wurden staatliche Verfolgung und Intoleranz eingeschränkt und die Möglichkeiten gegenseitiger Verständigung auch insofern vermehrt, als die nationale Identität nicht primär an einen bestimmten Glauben gebunden war. Nachteilig war, dass die religiöse Freiheit in einem Gewebe aus körperschaftlichen Rechten und damit in einer konservativen Gesellschaftsordnung wurzelte, in der die Herrschaft des Rechts, nicht die Demokratie, als Garantin von Stabilität galt. Der Nürnberger Exekutionstag Das eben Gesagte wird deutlicher, wenn wir die praktische Umsetzung der Friedensverträge untersuchen. Ihr Erfolg bestand nicht darin, für jede denkbare Auseinandersetzung die Lösung bereitzuhalten, sondern Leitlinien für die friedliche Entschärfung von Konflikten an die Hand zu geben. Der Frieden von Osnabrück hatte absichtlich die Behandlung eines ganzen Spektrums an Problemen auf später verschoben, um den Krieg beenden zu können. Das heißt nicht, dass diese Probleme ignoriert wurden. Ein wichtiges Beispiel war das Normaljahr. Hier setzte der Frieden eine Basisregelung in Kraft und überließ es dem Kaiser und den Reichsständen, die Einzelheiten der Exekution gemeinsam auszuarbeiten. In ähnlicher Weise legte der Vertrag die Höhe der Entschädigungszahlungen an Schweden und Hessen-Kassel fest, stellte jedoch keinen detaillierten Truppenabzugsplan auf. Die Termine waren eng gesteckt: Die Umsetzung des Normaljahrs sollte binnen zwei Monaten abgeschlossen sein, der Reichstag innerhalb von sechs Monaten zusammenkommen, um die noch offenen Verfassungsfragen zu erörtern, und die Demobilisierung sollte ebenfalls in diesem Zeitraum abgewickelt sein. Keiner dieser Termine wurde eingehalten. Der Frieden war am 18. Februar 1649 ratifiziert worden, doch erst 1654 wurde die letzte ausländische Garnison abgezogen. Der Reichstag trat – drei Jahre zu spät – im Juni 1653 zusammen und schloss im Mai 1654 mit einem Reichsabschied, der immer noch viele wichtige Fragen offenließ.28 Ein Reichsdekret vom 7. November 1648 vertraute die Umsetzung des Normaljahrs den kreisausschreibenden Fürsten an, doch waren selbst bei der Auflösung des Reichs 1806 immer noch einige Fälle anhängig. Es ist unschwer zu erkennen, warum viele den Friedensschluss für einen Fehlschlag und das Reich nach 1648 für eine leere Hülle hielten. Aber in der unrealistisch engen Terminsetzung spiegelte sich die verbreitete Ungeduld, friedliche Beziehungen so schnell wie möglich wiederherzustellen und ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten zu verhindern. Diese grundlegenden Ziele wurden erreicht, auch wenn die Details sehr viel mehr Zeit benötigten. Die Eröffnung des Reichstags verzögerte sich, weil Schweden sich unwillig zeigte, Brandenburg das östliche Pommern zu überlassen. Da Ferdinand III. die

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Vorteile von Brandenburgs Reichsgeneigtheit zu schätzen wusste, verweigerte er Königin Christina die förmliche Belehnung und hinderte sie so daran, die mit ihren deutschen Besitzungen verbundenen Verfassungsrechte wahrzunehmen. Im Mai 1653 gab sie nach, verlangte aber für die Rückgabe von Ostpommern die Hälfte der pommerschen Zolleinnahmen. Damit war der Weg für ihre Lehnsinvestitur frei. Endlich reiste ihr Vertreter nach Regensburg, wo der Kaiser und die anderen Delegierten mit wachsender Ungeduld gewartet hatten. Die dringenderen Angelegenheiten wie Truppenrückzug und Normaljahr waren unterdessen von einem Exekutionstag in Nürnberg behandelt worden, der für die „Exekution“ oder Umsetzung der Friedensbestimmungen sorgen sollte. Verzögerungen bei der Demobilisierung und der Rückgabe von Eigentum ließen das Vertrauen in das Abkommen schwinden. Bei der praktischen Anwendung der Normaljahrsregelung traten genau jene Schwierigkeiten auf, die schon 1629 bei der Durchsetzung des Restitutionsedikts begegnet waren. Es war alles andere als einfach, die miteinander konkurrierenden Ansprüche, gewachsen in Jahrzehnten wechselnder Besitzerschaft, zu entwirren.29 Ferdinand wollte seine Autorität unbedingt dadurch wiederhergestellt sehen, dass er die Angelegenheit dem Reichshofrat übergab, der einen protestantischen und einen katholischen Fürsten als Bevollmächtigte für solche Fälle ernannte, in denen die kreisausschreibenden Fürsten auf lokalen Widerstand trafen. Einige Fürsten appellierten direkt an dieses Gericht, um sich ihre Interpretation des Normaljahrs bestätigen zu lassen. Ein paar von ihnen waren Protestanten, doch viele misstrauten dem Reichshofrat, weil von seinen 14 Richtern nur zwei protestantischen Glaubens waren. Überdies dauerten die Entscheidungsprozesse sehr lang, weil die Bevollmächtigten die Beweise prüfen mussten, bevor sie den Richtern gegenüber eine Empfehlung aussprachen. Die Schweden waren ausgesprochen besorgt über die Verzögerungen. Sie betrachteten die Rückgabe protestantischen Eigentums als wesentlichen Bestandteil des Vermächtnisses, das Gustav Adolf hinterlassen hatte, und wollten damit zum Abschluss kommen, bevor sie ihre Truppen abzogen. Andererseits drängten Christina und ihre Berater auf einen schnellen Abzug, weil sie fürchteten, die Kontrolle über eine Armee zu verlieren, die ansonsten vielleicht auf eigene Faust handeln könnte. Es gab den Verdacht, dass hochrangige Offiziere nicht länger auf rückständigen Sold warten, sondern sich Territorien aneignen würden. So schädlich solch einseitiges Handeln für Schwedens Ruf wäre – man konnte die Armee auch nicht einfach auflösen. Unter wachsendem Handlungsdruck lud der Befehlshaber Carl Gustav seine französischen, hessischen und bayerischen Kollegen nach Nürnberg ein, um einen stufenweisen Abzug auszuhandeln. Als deutlich wurde, dass Frankreich und Spanien keinen Frieden

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schließen würden, wechselten die meisten noch in Münster und Osnabrück weilenden Gesandten Anfang Mai 1649 nach Nürnberg. Während die Generäle über die Demobilisierung berieten, ergriffen die Reichsstände die Initiative im Hinblick auf das Normaljahr, indem sie ihre eigene bikonfessionelle Deputation auf die Beine stellten, um die noch anhängigen Fälle in Augenschein zu nehmen. Ferdinands Reaktion auf diese Infragestellung seiner gerichtlichen Autorität zeigt seine Bereitschaft, innerhalb des neuen verfassungsrechtlichen Rahmens zu arbeiten. Er akzeptierte die Deputation als Hilfsinstanz für den Reichshofrat, der ihre Entscheidungen im Nachhinein billigte. So blieb Ferdinand zwischenzeitlich die schwierige Aufgabe erspart, die Eingaben zu beurteilen. Die Deputation wurde im Mai 1651 aufgelöst, nachdem sie nur 31 der 117 ihr vorgelegten Fälle gelöst hatte. Alle übrigen wurden an den Reichshofrat zurückverwiesen. Damit begann wieder die Ernennung von Bevollmächtigten, die bei manchen Protestanten zunehmend Verdacht erregten. Es ist jedoch hervorzuheben, dass es keine Rückkehr zu jenen Prozessen in Glaubenssachen gab, die im späteren 16. Jahrhundert die Reichsjustiz untergraben hatten. Brandenburg manipulierte das Thema 1653 auf dem Reichstag; es war ein Versuch, das radikale politische Programm des Protestantismus neu zu beleben. Ferdinand konterte die Herausforderung elegant, indem er seine eigene überarbeitete Ordnung für den Reichshofrat kundtat, bevor die Radikalen selbst eine lancierten.30 Die Anzahl der protestantischen Richter wurde auf sechs von 18 erhöht, was genügte, um für bikonfessionelle Ausschüsse, die sich mit Einzelfällen befassten, Parität zu garantieren. Nichtsdestotrotz blieb das Gericht weiterhin der unmittelbaren Rechtshoheit des Kaisers unterstellt. Relativer Erfolg Was noch an Fällen hinsichtlich des Normaljahrs zu klären übrig blieb, wurde auf einen anderen Reichsdeputationstag verwiesen, der 1655 in Frankfurt am Main zusammentrat. Schon bald mussten dort allerdings andere Angelegenheiten bearbeitet werden, sodass der Rückstand wiederum liegen blieb. Ungeklärtes ging an den Reichshofrat oder, nach 1663, an das wieder erstandene Reichskammergericht. Dennoch können diese fortgesetzten Streitigkeiten nicht vom Gesamterfolg ablenken. Von den 313 bis Juni 1651 eingereichten Petitionen war 1654 gut die Hälfte entschieden worden, die andere Hälfte wurde zum Großteil innerhalb des folgenden Jahrzehnts geklärt. Dabei ging es überhaupt nur in fünf Prozent der Fälle um substanzielle Eigentumsrechte. Meistens drehte sich der Streit um die Ausübung fiskalischer Vorrechte wie der Eintreibung des Zehnten, ferner um religiöse Gemälde, Dokumente oder Entschädigungen für angeblich erlittene Schädigungen.31

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Einige der bedeutenden Fälle konnten noch vor dem Nürnberger Exekutionstag gelöst werden. Der Herzog von Württemberg erlangte seine Klöster zurück, während im bikonfessionellen Augsburg die Rechte der Protestanten wiederhergestellt wurden. Danach wurde das Normaljahr in den meisten anderen schwäbischen Fällen erfolgreich angewendet. Anderswo wurde die Regelung ignoriert oder den lokalen Herrschaftsverhältnissen angepasst. Ferdinand konnte die Schweden nicht daran hindern, den in ihren deutschen Besitzungen noch verbliebenen Kirchenbesitz als zusätzliche Entschädigung für ihre hohen Offiziere neu zu verteilen. Andere Herrscher unterdrückten Glaubensminderheiten und zogen entgegen dem offiziell gewährten Schutz deren Kirchen zugunsten ihres eigenen Glaubens ein. Ein gutes Beispiel für diese Praxis war Osnabrück, wo die Verhältnisse durch einen Sonderartikel geregelt waren, um den katholischen Bischof Wartenberg und die protestantischen Welfen mit dem Friedensvertrag zu versöhnen. Wartenberg blieb Bischof unter der Bedingung, dass Osnabrück bei seinem Tod an einen Welfenherzog fiel. Danach würde die Herrschaft zwischen einem gewählten katholischen Bischof und einem protestantischen Welfenherzog wechseln. Es galt das Normaljahr, ebenso wie in den Teilen des Fürstentums Hildesheim, die unter welfischer Herrschaft standen. Dort mussten die Welfen 50 katholische Pfarrbezirke dulden, die neben den 80 lutherischen existierten. Wartenberg fälschte Dokumente, um zu „beweisen“, dass die Beschlüsse des Konzils von Trient in Osnabrück bereits 1571 Geltung erlangt hatten und nicht erst 1625. Die Fälschung wurde erst 1988 aufgedeckt.32 Dennoch blieben die Protestanten in der Mehrheit, wobei ein hoher Anteil von interkonfessionellen Heiraten auf ein gewisses Maß an sozialer Harmonie schließen lässt. Die Auswirkungen des Friedensschlusses waren regional unterschiedlich. Mancherorts führte die Koexistenz von zwei Glaubensrichtungen in ein und derselben Gemeinschaft zu verstärkter Abschottung entlang einer „unsichtbaren Grenze“. Ein besonders berühmt-berüchtigtes Beispiel war Augsburg, wo Zünfte, Kneipen und sogar Schweineställe konfessionell getrennt waren. Doch in vielen Territorien wurden konfessionelle Minderheiten erfolgreich integriert, und sogar einzelne Gemeinden beherbergten zwei Glaubensrichtungen. Nach anfänglichen Konflikten einigten sich in Goldenstedt, einer zwischen Bremen und Minden gelegenen Ortschaft, nach 1650 Katholiken und Lutheraner auf die gemeinsame Nutzung der Kirche (Simultaneum mixtum). Die Lutheraner wohnten dem Hochamt bei, der katholische Organist spielte lutherische Kirchenlieder, und die Lutheraner schwiegen wiederum, während die Katholiken sangen. Der Priester war von der katholischen Obrigkeit vor Ort angewiesen, Kontroversen zu vermeiden.33 Allerdings darf man das nicht als fortschreitende Säkularisierung oder modernes Toleranzverhalten begreifen. Vielmehr zeigt sich da-

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rin eine Rückkehr zum früheren Pragmatismus, der im Krieg konfessioneller Militanz gewichen war. Beispielsweise hatte es schon vor 1618 in Gebieten, die territorial und konfessionell fragmentiert waren, gemischte Heiraten gegeben, und als nach 1648 Furcht und Feindseligkeit schwanden, wurde dieser Brauch wieder belebt.34 Der Düsseldorfer Kuhkrieg Von entscheidender Bedeutung war nicht die unvollkommene Verwirklichung des Normaljahrs, sondern die Tatsache, dass Gewalt als Repressionsmittel diskreditiert war. Das zeigte sich, als Brandenburg 1651 den seit Langem währenden Streit um Jülich-Kleve mit Gewalt zu entscheiden suchte. Gemäß dem Vertrag, den Kurfürst Friedrich Wilhelm 1647 Herzog Wolfgang Wilhelm aufgezwungen hatte (siehe Kapitel 20), durfte Brandenburg Kleve, Mark und Ravensberg beanspruchen, während Jülich und Berg zu Pfalz-Neuburg gehörten. Bezüglich des Kirchenbesitzes in allen fünf Territorien entsprach die Regelung den früheren Abkommen von 1609 und 1614. Diese Abkommen gingen zeitlich dem Normaljahr voraus. Wolfgang Wilhelm argumentierte nun, dass das Normaljahr als Reichsgesetz Vorrang genieße, und ordnete im März 1651 dessen Durchführung in seinen zwei Herzogtümern an. Er hoffte, seine Herrschaft dadurch stabilisieren zu können, weil es 1624 mehr katholische Pfarrbezirke gegeben hatte als im Jahrzehnt davor. Friedrich Wilhelm erhob Einwände gegen dieses einseitige Vorgehen, während die zuständige Kommission des Reichshofrats noch dabei war, die Unterlagen zu prüfen. Friedrich Wilhelm trat als Schutzherr der 62 000 in den Herzogtümern lebenden Protestanten auf und entsandte im Juni 3800 Soldaten nach Berg. Die Brandenburger töteten auf ihrem Vormarsch zwei Zivilisten, beschossen dann einen von Wolfgang Wilhelms Palästen und bemächtigten sich einer Herde Kühe, die seiner Frau gehörte. Der Gesandte von Pfalz-Neuburg in Wien prägte den Ausdruck „Kuhkrieg“, um Brandenburgs Ziele als nichtig und den Kurfürsten als einen Viehdieb erscheinen zu lassen. Allerdings war die Invasion keine geringfügige Angelegenheit. Die ausländischen Mächte hatten ihren Truppenabzug noch nicht beendet, und es stand zu befürchten, dass sie sich auf die Seite ihrer jeweiligen Glaubensgenossen schlagen würden. Im Juli erhöhte Brandenburg seine Truppen in der Region auf 7500 Mann und mobilisierte angeblich 16 000 Soldaten in seinen sonstigen Besitzungen. Wolfgang Wilhelm war mit nur 3000 Soldaten deutlich unterlegen, weshalb er Herzog Karl von Lothringen um Hilfe bat, der sich seit 1644 als Hilfskraft der Spanier an der Herrschaft hielt. Karl gab sich nun als guter Katholik und lancierte eine Gegeninvasion in das Herzogtum Mark, die in Wirklichkeit darauf abzielte, seiner kleinen Armee Lebensmittel zu verschaffen.

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Der Konflikt war eine echte Bedrohung für den Frieden, weil sich hier ebendie Spannungen zeigten, die 1618 zum Krieg geführt hatten. Dadurch erhält die Reaktion auf die Krise ihre eigentliche Bedeutung. Während der 1640er-Jahre hatten die niederländischen Garnisonen in Orsoy und Rheinberg noch regelmäßig Priester aus Jülich und Berg entführt, um Wolfgang Wilhelm zu zwingen, protestantischen Gottesdienst in seinen Herzogtümern zu dulden. Jetzt aber verurteilten die Niederländer Brandenburgs Einmarsch rundheraus und unterstützten die Stände aller fünf Territorien, die keiner von beiden Seiten Geld zukommen lassen wollten. Schweden wies Friedrich Wilhelm an, sich zurückzuziehen, während Hatzfeldt extra aus Wien anreiste und Wolfgang Wilhelm mit Drohungen dazu bewegte, in einen Waffenstillstand einzuwilligen. Durch kaiserliche Vermittlung wurde Brandenburg überredet, im Oktober eine neue Kommission des Reichshofrats zu akzeptieren, und gegen Ende des Jahres zogen beide Seiten ihre Truppen zurück. Die Aufteilung des Kirchenbesitzes blieb zunächst gemäß dem Stand von 1651 erhalten, während die Kommission sich um eine endgültige Beilegung des Konflikts bemühte. Sie setzte dabei nicht das Normaljahr in Kraft, was jedoch nicht als Fehlschlag gewertet werden sollte. Die getroffene Regelung verfolgte schließlich den Zweck, gewalttätige Auseinandersetzungen zu beenden. Die Krise hatte gezeigt, dass der Einsatz von Gewalt kontraproduktiv war. Pfalz-Neuburg war gescheitert und Brandenburg durch die Invasion diplomatisch isoliert. Selbst glühende Protestanten bemerkten, dass der Kurfürst tatsächlich – wie schon 1646 – nur das Ziel verfolgt hatte, das gesamte Erbe zu erobern. Nun musste er sich Ferdinand unterordnen, was die Stellung des Kaisers am Vorabend des neuen Reichstags erheblich stärkte. Selbst das Scheitern der Kommission machte da nur wenig aus. Brandenburg und Pfalz-Neuburg mussten letztendlich ihre Differenzen durch gütliche Einigungen 1666 und 1672 selbst beilegen. Diese bestätigten die Aufteilung der Territorien und des Kirchenbesitzes auf der Grundlage der Abkommen von 1647 und 1651.35 Der Streit um die Pfalz Der allgemeine Erfolg der Friedensregelungen kann an den Auseinandersetzungen in der Rheinpfalz (Unterpfalz) gemessen werden, die die heftigste und längste Kontroverse um das Normaljahr darstellten. Der Dreißigjährige Krieg hatte dem calvinistischen Kurfürsten Karl Ludwig so wenig Untertanen gelassen, dass er sich gezwungen sah, für die lutherischen Gemeinden Kirchen zu bauen und Katholiken begrenzte Duldung zu gewähren. Der Kurfürstentitel ging 1685 an seinen Verwandten von Pfalz-Neuburg über, den Katholiken Philipp Wilhelm (Sohn von Wolfgang Wilhelm). Der neue Kurfürst startete im Verein mit Gleichgesinnten eine Kampagne, um unter Missachtung

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des Normaljahrs den Katholizismus zu fördern. Die Angelegenheit schlug einige Wellen, weil sie ein Kurfürstentum betraf und in eine Zeit allgemeinen Niedergangs des Protestantismus fiel. Dasselbe Jahr, in dem Philipp Wilhelm Kurfürst wurde, sah auch die Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV., während der Protestantismus im Reich allmählich seine Schutzherren verlor, indem zwischen 1648 und 1769 31 deutsche Fürsten zum Katholizismus übertraten. Am schwersten wog die Konversion von Kurfürst August von Sachsen, der 1697 katholisch wurde, um zum König von Polen gewählt zu werden. Das fiel mit der Wiedereinführung des Katholizismus in Teilen der Rheinpfalz zusammen. Sie geschah mit stillschweigendem Einverständnis Frankreichs und führte zu einer partiellen Rekonfessionalisierung der Reichspolitik, die bis in die 1730er-Jahre währte.36 In diese Epoche fiel ein Drittel der 750 offiziellen Beschwerden über Verstöße gegen religiöse Rechte, die bei Reichsinstitutionen zwischen 1648 und 1803 eingereicht wurden.37 Die Religion spielte weiterhin eine wichtige Rolle, sonst wären konfessionell orientierte Appelle ohne Resonanz geblieben. Die eigentliche Ursache der Kontroverse war jedoch politischer Art und lag in der Entwicklung ehrgeiziger Ziele in Brandenburg nach 1648, wo man zu den oberen Rängen der europäischen Mächte aufschließen wollte. Der damalige Kurfürst Friedrich III. (ab 1700 König Friedrich I. von Preußen) sah eine Gelegenheit, die politische Führerschaft über die deutschen Protestanten den Händen Sachsens zu entreißen, indem er auf die Gefahren verwies, die der Konversion Augusts des Starken und einer Rekatholisierung der Pfalz innewohnten. Diese Episode lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die mit dem Westfälischen Frieden eingeführten Verfassungsänderungen zur Entschärfung konfessioneller Spannungen. Das neue Itionsrecht (itio in partes) erlaubte den protestantischen Reichsständen die Zusammenkunft als corpus Evangelicorum, wenn es Angelegenheiten zu erörtern galt, die ihre religiösen Rechte betrafen. Das blieb allerdings weit hinter dem ursprünglichen radikalen Vorschlag zurück, den Reichstag dauerhaft gemäß Konfessionszugehörigkeit aufzuteilen. Das bescheidenere Format ermöglichte es Sachsen, die Führerschaft in dieser Gruppe zu übernehmen, die am 21. Juli 1653 ins Leben gerufen wurde. Die Entscheidung Sachsens wurde von den Lutheranern allgemein begrüßt und stellte sicher, dass der Zusammenschluss ein Forum zur Diskussion gemeinsamer Probleme blieb, statt eine Alternative zum Reichstag zu bilden. Sachsen war sich der Gefahr einer durch das Itionsrecht verursachten Beschlussblockade bewusst. Während die Protestanten also miteinander debattierten, nahm Sachsen davon Abstand, sich im Reichstag selbst auf die neuen Rechte zu berufen. Dort trafen sich die Stände weiterhin in ihren drei hierarchischen Kollegien und fällten Entscheidungen per Stimmen-

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mehrheit. Der corpus Evangelicorum wurde erst problematisch, als die sächsische Führung infolge der Konversion des Kurfürsten zum Katholizismus schwächelte. In seinem Versuch, die Führung an sich zu reißen, erwies sich Brandenburg-Preußen im Vergleich zur Pfalz ein Jahrhundert zuvor als sehr viel auf- und zudringlicher, musste indes gleichfalls einsehen, dass die Konfession ein zu schwaches Zugpferd für ein lebensfähiges Bündnis war. Sachsen wies alle Vorstöße zurück und legte einer weiteren Konfessionalisierung der Politik Hindernisse in den Weg. Das Itionsrecht wurde nach 1648 nur fünfmal genutzt; zum ersten Mal 1727. Jedes derartige Vorkommnis war Ergebnis einer preußischen Manipulation, um Österreich-Habsburg die Kontrolle über das Reich zu entreißen. Der letzte Versuch wurde 1780 unternommen und unterbrach den Reichstag für fünf Jahre, konnte aber nicht verhindern, dass diese Institution wieder auflebte und bis 1806 gut funktionierte.38 Unterdessen entschärfte der pfälzische Kurfürst die konfessionellen Probleme, indem er 1705 allen drei christlichen Kirchen auf seinem Territorium gleiche Rechte zusicherte. Allerdings gab es noch weitere zehn Jahre Gezänk über kleinere Rechtsverstöße.39 Die Kontroverse zeigt, wie der Dreißigjährige Krieg die politische Kultur im Reich veränderte. In den Auseinandersetzungen nach 1648 ging es nicht mehr um die Glaubenswahrheit selbst, sondern um das relative Gewicht von protestantischen und katholischen Territorien in den Reichsinstitutionen. Dieser politische Aspekt hatte auch schon vor 1618 existiert, war aber von einer theologischen Militanz überlagert worden, die nach 1648 nicht mehr gegeben war. Die Theologen hatten nun keinen Einfluss mehr auf die Politik. Die Preußenkönige Friedrich I. und sein Sohn, Friedrich Wilhelm I., öffneten sich ab den 1690er-Jahren der als Pietismus bekannten fundamentalistischen Strömung des Luthertums. Dabei waren ihre Gründe eher pragmatischer Natur, versprachen sie sich davon doch die Förderung nützlicher Werte wie Gehorsam, Sparsamkeit und Pflichtbewusstsein. Friedrich der Große, 1740–86 König von Preußen, stand der Religion gleichgültig gegenüber. Er bediente sich ihrer opportunistisch in seiner Rivalität mit Österreich, ordnete sie aber in der praktischen Politik der Verfassung unter. Im Gegensatz zum pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. ging es dem preußischen Friedrich um die Beibehaltung der Verfassung, nicht um ihre Veränderung. Für ihn war der verfassungsmäßige Nachkriegszustand das beste Mittel, um den Einfluss Österreichs zurückzudrängen.40

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Demobilisierung Neben seiner Aufgabe, die konfessionellen Regelungen umzusetzen, betätigte sich der Nürnberger Exekutionstag auch erfolgreich in der Kontrolle der Demobilisierung. Der Abzug der ausländischen Garnisonen machte den Frieden greifbar, stellte das Vertrauen wieder her und gab das Startsignal für Wiederaufbaumaßnahmen. Das Ganze war eine äußerst schwierige Aufgabe, galt es doch, 160 000 Soldaten und wohl noch einmal so viele Trossangehörige zu verlegen oder zu entlassen (siehe Tabelle 6). Sie waren über das ganze Reich verstreut, oftmals weit entfernt von ihrer Heimat oder den Ländern ihrer Soldherren. Die Schweden hielten 84 Städte und Festungen besetzt und verfügten in den qua Friedensschluss erworbenen Gebieten über 31 Garnisonen. Die Franzosen waren an 56 Orten vertreten, die Hessen an 27, dazu kamen 10 Garnisonen auf ihrem eigenen Gebiet. Die Kaiserlichen, Bayern und Westfalen befanden sich mehrheitlich bereits auf ihrem jeweiligen Grund und Boden und kamen nur noch auf insgesamt 33 Außenposten. Problematischer war die Präsenz der Spanier in Frankenthal und der Lothringer in sieben Festungen zwischen Saar und Rhein, weil diese Konfliktparteien nicht in den Friedensschluss einbezogen waren. Solange die Soldaten sich noch in fremden Territorien aufhielten, befürchteten die Menschen einen neuen Kriegsausbruch. Nachdem der Bevölkerung jahrzehntelang die Kosten des Krieges aufgebürdet worden waren, ersehnte sie eine „Friedensdividende“. Aber der Frieden von Osnabrück besagte, dass die Kosten für den Unterhalt der Soldaten bis zum vollständigen Abzug vor Ort aufgebracht werden mussten. Um so viel Geld wie möglich aus Deutschland herauszupressen, behaupteten die Schweden anfänglich, ihre Armee umfasse 125 000 Mann. Schon bald mussten sie freilich detaillierte Listen vorlegen, aus denen hervorging, dass es in Wirklichkeit nur halb so viele waren. Königin Christina hegte den Verdacht, dass ihr Vetter Carl Gustav die Demobilisierung absichtlich hinauszögere, um seinen Einfluss zu behalten. Tatsächlich aber machte er seine Befehlsgewalt über andere Generäle wie Wrangel geltend und arbeitete hart daran, den Abzug zu beschleunigen. Er entledigte sich des hinderlichen Gepäcks und fusionierte Regimenter, wobei er Anfang 1649 die Gesamtzahl an Kompanien von 952 auf 403 reduzierte. Die Entlassung der 2200 nun überflüssigen Offiziere senkte die monatlichen Unterhaltskosten stark ab, und die Ausgaben konnten bis Oktober 1649 um die Hälfte auf 500 000 Taler verringert werden. Dennoch musste das Reich für die schwedische Armee 15 Millionen Taler aufwenden, die noch zu den fünf Millionen an Satisfaktionszahlungen hinzukamen.41

21. Das Westfälische Friedensabkommen Tabelle 6 Militärische Stärke im Reich (Oktober 1648) Armee schwedisch französisch hessisch kaiserlich westfälisch bayerisch spanisch

Kavallerie und Dragoner 23 480 4 500 2 280 30 260 20 300 3 200 9 435 ? > 32 935

Infanterie

Gesamt

40 218 4 500 8 760 53 478 22 000 9 300 11 128 1 000 43 428

63 698 9 000 11 040 83 738 42 300 12 500 20 563 > 1000 > 76 363

Diese Angaben beziehen sich nicht auf die spanischen Streitkräfte im Burgundischen Kreis, auf die Streitkräfte im kaiserlichen Italien sowie auf die österreichisch-habsburgischen Truppen in Ungarn. Die 6000 bis 7000 Lothringer (hauptsächlich in Luxemburg) bleiben ebenso unberücksichtigt wie die neutralen brandenburgischen, welfischen und sächsischen Streitkräfte, deren Gesamtzahl sich auf etwa 15 000 belaufen haben dürfte. Die Zahlen für die westfälische Armee beziehen sich auf den Februar 1649; zu diesem Zeitpunkt waren etliche Soldaten bereits entlassen worden. Die Gesamtzahl für den Oktober 1648 dürfte bei 15 000 gelegen haben. Quellen: T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung (Leipzig 1894), S. 184–192; P. Hoyos, „Die kaiserliche Armee 1648–1650“, in: Der Dreißigjährige Krieg (hg. v. Heeresgeschichtlichen Museum, Wien 1976), S. 169–232; H. Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg (Münster 1990), S. 154–161; B. B. Kroener, „‚Der Krieg hat ein Loch …‘ Überlegungen zum Schicksal demobilisierter Söldner nach dem Dreißigjährigen Krieg“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 599–630; C. Kapser, Die bayrische Kriegsorganisation 1635–1648/49 (Münster 1997), S. 220.

Auch viele Soldaten reagierten mit Groll auf die Verzögerungen und mutmaßten, man wolle sie um den rückständigen Sold und die versprochenen Belohnungen bringen. Einige in Süddeutschland stationierte schwedische Einheiten meuterten, woraufhin Carl Gustav die dortigen Garnisonen räumte und die Truppen nach Norddeutschland verlagerte, wo er die Soldaten besser unter Kontrolle hatte. Damit verlor Schweden seinen Einfluss auf die süddeutschen Territorien und befürchtete, die dortigen Gebiete würden nun nicht mehr ihren Anteil an der Entschädigung zahlen. Also setzte Carl Gustav die norddeutschen Protestanten stärker unter Druck und behinderte die Umsetzung des Normaljahrs, um Zahlungen zu erzwingen. Auch verzögerte sich der Truppenabzug, weil einige Herrscher die verbliebenen Einheiten benutzten, um widerspenstige Gebiete in ihren Herrschaftsbereich zurückzuholen. Im Sommer des Jahres 1649 schickte Ferdinand von Köln 3500 westfälische Soldaten nach Lüttich, um seine dortigen Untertanen gefügig zu machen.42 Diese Probleme beschäftigten die in Nürnberg Versammelten. Am 21. September 1649 einigte man sich auf einen stufenweisen Abzug und legte fest, welche Städte eine Armee jeweils zu räumen hatte, wenn die Entschädigung gezahlt war. Ein Zusatzabkommen vom 4. März 1650 stockte die schwedische Entschädigungssumme um 200 000 Taler auf, damit der Abzug beschleunigt wurde. Im Juni konnten die Regelungen mit Schweden, im Juli die mit Frankreich abge-

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schlossen werden. Die Franzosen hatten sich bereits Ende 1648 weitgehend auf eigenes Territorium zurückgezogen. Die wenigen Außenposten in Südwestdeutschland wurden im Sommer 1650 geräumt. Die Zahlungen erfolgten über das reichsspezifische System, jedem Territorium bestimmte Steuerquoten zuzuweisen. Der Kaiser erhielt 100 Römermonate, um seine Truppen zu reduzieren, die er bereits Anfang 1649 in die habsburgischen Erblande zurückgezogen hatte, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er verschleppe den Friedensprozess. Die Gesamtstärke der Armee betrug im September 1650 nur noch 26 230 Mann, eine Zahl, die danach auch beibehalten wurde, sodass Ferdinand in Friedenszeiten über ein weitaus größeres stehendes Heer verfügte als seine Vorgänger vor 1618. Unterdessen überwachten die Generäle Hatzfeldt und Sparr die Auflösung der westfälischen Armee, die im September 1650 abgeschlossen war.43 Weitere 13 Römermonate (250 000 Taler) erhielt Spanien für den Abzug aus Frankenthal 1652; für dieses Geschäft hatte der Kaiser gesorgt. Schweden erhielt 133,5 Römermonate (5,2 Millionen Taler) aus sieben der zehn Reichskreise. Der Burgundische Kreis gehörte nicht dazu, weil er am Friedensschluss nicht beteiligt war. Die österreichischen Erblande waren ausschließlich für die kaiserliche Armee zuständig, während der Bayerische Kreis – mit Ausnahme von Salzburg, das Einwände erhob – bei der Auszahlung von Maximilians Truppen helfend einsprang. Seine Mitglieder zahlten eine hohe Abgabe von 125 Römermonaten (753 303 Gulden), um den rückständigen Sold zu begleichen.44 Auch die Kurfürstentümer Mainz und Köln sowie die von den Hessen besetzten westfälischen Gebiete waren von der allgemeinen Entschädigungsleistung ausgenommen, weil ihre Zahlungen dazu verwendet wurden, Amalie Elisabeths Truppen aufzulösen. Die Hessen erhielten die gesamten 800 000 Taler, die man ihnen versprochen hatte, und räumten 1652 ihren letzten Posten (Lippstadt). Die Schweden erhielten bemerkenswerte neun Zehntel ihres Geldes per ultimo im Juni 1650, wobei ein Großteil von katholischen Territorien kommen musste. Die protestantischen Gebiete allein hätten die Summe nicht, wie in den Verhandlungen von 1635 vorgesehen, aufbringen können. Als die Schweden 1654 Vechta räumten, das sie als Sicherheit für die letzten Zahlungen gehalten hatten, fehlten nur noch drei Prozent. Die 18 000 Schweden und Finnen wurden heimwärts transportiert. 6000 deutsche Soldaten behielten die Schweden für die Garnisonen in ihren deutschen Besitzungen, der Rest wurde entlassen. Am vollständigsten war die bayerische Demobilisierung, weil hier nur die Leibwache des Kurfürsten übrig blieb. Sachsen und Brandenburg rüsteten bis auf jeweils an die 1500 Soldaten ab, während die anderen Fürsten lediglich ihre Leibwachen und einige Garnisonskom-

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panien behielten. Außer dem Kaiser verfügte kein Fürst realiter über eine Armee. In Bayern wurden erst ab 1657 neue Truppen ausgehoben, und die meisten Territorien bevorzugten bis in die 1660er-Jahre reorganisierte Milizen statt Berufssoldaten. Man kann also nicht sagen, dass es im Reich noch nach 1648 deutsche Heere gegeben habe, die „stehen geblieben“ seien.45 Erst als nach 1666 Frankreich angriffslustig wurde, stellten die bedeutenderen Fürsten wieder eigene Heere auf. Mindestens 130 000 Soldaten wurden ins Zivilleben entlassen – zu einer Zeit, als auch die Niederländer ihr Militär um rund 20 000 Mann reduzierten. Die Schweden verwendeten einen Teil der Entschädigung darauf, ihre eigenen Landsleute heimzuholen, und verteilten das Übrige an die Demobilisierten. Die anderen Armeen wurden auf ähnliche Weise ausbezahlt; manchmal erhielten die Soldaten auch statt einer Soldnachzahlung überschüssige Waffen und Munition. Ein einfacher Infanterist in schwedischen Diensten wurde mit sechs Talern verabschiedet, während sein Kamerad in der Kavallerie zehn Taler mehr bekam. Das waren anständige Beträge, aber zu wenig für den Ruhestand. Beide Friedensverträge, Münster und Osnabrück, verboten den Wechsel von Soldaten in Armeen solcher Länder, die noch im Krieg lagen. Eine Ausnahme war Venedig, das eine Sondererlaubnis erhielt, weil es gegen die ungläubigen Osmanen kämpfte. Diese Möglichkeit, wieder in Lohn zu kommen, nutzte eine beträchtliche Anzahl von bayerischen, niederländischen und womöglich auch anderweitig beheimateten Soldaten. Unter Missachtung des Verbots rekrutierte auch Frankreich Ende 1648 etwa 8000 Niederländer und Deutsche, reduzierte jedoch nach 1655 die Anzahl der ausländischen Soldaten in seiner Armee wieder. Die noch verbliebenen bernhardinischen Offiziere verloren mit der Eingliederung der Deutschlandarmee in die übrigen französischen Streitkräfte ihren Sonderstatus. Die französischen Befehlshaber misstrauten den Deutschen wegen ihres Protestantismus und ihres Rufs, zur Meuterei zu neigen. Manch ein Soldat trat für den kurzen „Kuhkrieg“ von 1651 erneut in fremde Dienste, doch nach dem Ende der Auseinandersetzung reduzierten Pfalz-Neuburg und Brandenburg ihre Truppen ganz erheblich. Einige der entlassenen Soldaten schlossen sich der lothringischen Armee an. Einer neueren Schätzung zufolge lag der Eintritt in ausländische Dienste außerhalb des Reichs bei höchstens 30 000 Mann.46 Zieht man außerdem die Zahl derjenigen ab, die in kaiserlichen und schwedischen Diensten verblieben, dürften um 1650 etwa 80 000 Ehemalige übrig geblieben sein, die in die Zivilgesellschaft integriert werden mussten. Weit verbreitet war die Befürchtung, dass dies misslingen könnte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit zogen marodierende Banden durchs Land, denen sich viele Exsoldaten, aber auch andere heimatlos gewordene Personen anschlossen. Viele

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Soldaten fanden in dieser Situation eine Beschäftigung als Wachpersonal, da Dörfer und Kleinstädte um ihre Sicherheit besorgt waren. Die Befürchtungen erwiesen sich indes zumeist als unbegründet, und zu Beginn der 1650er-Jahre ging die Zahl der Wachleute wieder zurück, was auf eine schnelle Rückkehr zu Ruhe und Sicherheit hindeutet.47 Gerade Soldaten mit Familie oder besonderen Fertigkeiten wurden von den meisten Landesherren gern aufgenommen, wenn es darum ging, das Land wieder zu bevölkern und neu zu kultivieren.

Das Reich erholt sich Die relativ rasche Demobilisierung war nur ein Faktor, der zu der beeindruckenden Erneuerung des kaiserlichen Einflusses beitrug. Wie bei anderen Aspekten des Abkommens gab es auch hier keine Rückkehr zur Vergangenheit. Der Krieg hatte die Vorstellungen vom Amt des Kaisers auf eine Weise verändert, die erst allmählich deutlicher hervortrat. Das Vorhaben Ferdinands II. zur Erweiterung seiner Autorität war außerhalb der habsburgischen Territorien gescheitert. Viele führende Denker meinten, dass die tatsächliche Macht im Reich im Übergang befindlich sei auf die Kurfürsten und wichtigeren sonstigen Fürsten, wodurch die kaiserliche Autorität ebenso untergraben werde wie die Autonomie der schwächeren Reichsstände. Spätere Historiker haben dieses Verdikt allzu bereitwillig übernommen und das Reich nach 1648 als lockere Föderation unabhängiger Staaten dargestellt. Zwar trifft es zu, dass die föderalistische Tendenz eine Strömung in der Reichspolitik bildete; sie setzte sich aber erst vollständig durch, als Kaiser Franz II. das Reich im August 1806 auf Druck Napoleons auflöste.48 Ferdinand III. war weit davon entfernt, sich vom Reich abzuwenden, um ausschließlich österreichische Interessen zu verfolgen; vielmehr unternahm er einige Anstrengungen zur Wiederbelebung des politischen Einflusses der Habsburger. Er und seine zwei unmittelbaren Nachfolger betrieben eine sehr viel intensivere Politik im Reich, als Rudolf II. es vor dem Krieg getan hatte. Rudolf hatte zu regieren versucht, indem er eine Aura abgehobener Majestät pflegte, die ihn jedoch vom Reich isolierte. Ferdinand II. ging es darum, dem Reich einseitig seinen Willen aufzuzwingen; er beriet sich nur mit den Kurfürsten und verweigerte den niedrigeren Reichsständen die Möglichkeit, an der Verantwortung beteiligt zu werden. Sein Sohn nutzte die neuen politischen Bedingungen zu seinem Vorteil, indem er durch Konsens regierte, nicht durch Zwang. Er erkannte, dass seine aktive Beteiligung an den Reichsinstitutionen ihm die Gelegenheit eröffnete, ihre Entwicklung zu gestalten. Da der Frieden von Osnabrück die Klärung offener Verfassungsfragen als negotia remissa vertagt hatte, waren umfas-

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sende Aspekte der Regierungsgewalt unbestimmt geblieben. In vielen Bereichen konnte der Kaiser wieder die Initiative ergreifen. Um dabei erfolgreich zu sein, musste er das Vertrauen der Reichsstände gewinnen, indem er die Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten sorgfältig pflegte, die Interessen Habsburgs als Angelegenheiten des Reichs darstellte und übereilte oder umstrittene Aktionen vermied. Diese Richtung deutete sich bereits auf dem Reichstag von 1653/54 an, dem letzten vor dem sogenannten Immerwährenden Reichstag, der von 1663 bis zum Ende des Reichs 1806 andauerte. Obwohl er 1654 mit einem Reichsabschied von 200 Artikeln schloss, ließ der Reichstag wichtige Bereiche der Sicherheitspolitik und der Justizreform unbearbeitet – was das Funktionieren der bestehenden Regelungen freilich nicht beeinträchtigte. Sehr viel wichtiger war die Bestätigung des vom Westfälischen Frieden geschaffenen Rahmens für die politische Entscheidungsfindung im Reich. Der Abschied von 1654 wiederholte vollständig die beiden Westfälischen Friedensverträge, zusammen mit den zwei Rezessen des Nürnberger Exekutionstags von 1649/50. Der Artikel 6 des Abschieds von 1654 bestimmte diese Regelungen als „immerwährende Richtschnur und ewige Gesetzesnorm“. Damit war der Charakter des Reichs als einer Mischform von Monarchie bestätigt, in der die Macht zu ungleichen Teilen von dem Kaiser und den Reichsständen ausgeübt wurde. Weil gewisse Bereiche nicht präzise definiert waren, gab es Raum für weitere Modifikationen in Reaktion auf veränderte Umstände. Zugleich konnten die noch bestehenden kaiserlichen Vorrechte bewahrt werden, indem sie unbestimmt und insofern uneingeschränkt blieben. Auf diese Weise war es Ferdinand sogar möglich, in anderen Aspekten seiner Autorität Beschränkungen zu akzeptieren, insbesondere die Neuerung, dass alle zukünftigen Standeserhebungen von Reichsständen der Zustimmung der Kurfürsten und Fürsten bedurften. Im Gegenzug akzeptierte der Reichstag, dass der Kaiser zur Belohnung für treue Dienste im Krieg neun Personen in den Fürstenstand erhob beziehungsweise erhoben hatte, darunter Johann Ludwig von Nassau-Hadamar und Piccolomini. Während des folgenden Jahrhunderts gab es insgesamt nur zehn solcher Erhebungen. Ferner wurden die übrigen Grafen in den Reichstag integriert, indem man ihnen ein kollektives Stimmrecht im Fürstenkollegium zugestand. Diese Veränderungen bestätigten zwar, dass das Reich als hierarchisch geordnete Gesamtheit der Reichsstände dem Kaiser unterstand – doch nur seiner Autorität, nicht seiner direkten Kontrolle. Er musste durch Überzeugung wirken, nicht durch Ausübung formeller Macht. Der Kaiser hatte die Stände bereits dadurch beeindruckt, dass er dem Reichstag mit einem Gefolge von 3000 Personen beiwohnte und 46 000 Gulden für

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Opernaufführungen und andere Festivitäten spendierte, um seinen trotz des Kriegs ungebrochenen Reichtum zu demonstrieren. Er unternahm aber auch Schritte von größerem praktischen Nutzen zur Lösung eines dringenden Problems: Herzog Karl von Lothringen hatte das Fürstbistum Lüttich besetzt. Ferdinand verpflichtete den Reichstag, 300 000 Taler für die Lothringer aufzutreiben, damit sie ihre sieben Festungen im Rheinland räumten. Dann suchte er die Kooperation mit Spanien, für das der Herzog mittlerweile ein Störfaktor geworden war, und ließ ihn im Februar 1654 schließlich verhaften. Frankreich und Spanien stimmten zu, dass Lüttich als Mitglied des Westfälischen Kreises von nun an in ihrem Krieg als neutral angesehen werden sollte. Die verbliebenen lothringischen Truppen wurden in die spanische Armee integriert.49 Diese Regelung vollendete den Demobilisierungsprozess und bewahrte den Frieden an der Westgrenze des Reichs. Spaniens Bereitschaft zur Zusammenarbeit war ein Zeichen für das sich verändernde Gleichgewicht zwischen den beiden Zweigen der Habsburgerdynastie – ein Prozess, der schon Anfang der 1640er-Jahre begonnen hatte. Anders als unter Ferdinand II. war es nun Österreich, das Spanien zu Hilfe kam. Ferdinand III. umging die durch den Frieden von Münster auferlegten Beschränkungen und verstärkte 1651 die spanische Armee direkt mit 4000 Mann. (Vier Jahre später wurde sein Plan, weitere 12 700 Soldaten über die Alpen nach Mailand zu schicken, dadurch vereitelt, dass die Männer sich weigerten, den Marsch anzutreten.) Österreich sollte seine Unterstützung Spaniens bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fortsetzen. Im Gegenzug stellte Spanien seine Versuche ein, ein eigenes Netz lehnsrechtlicher Bindungen über Teile Norditaliens zu errichten, womit die Bindungen dieser Regionen an das Reich gestärkt wurden. Außerdem wurde so die Grundlage dafür geschaffen, dass Österreich sich nach 1700 die spanischen Besitzungen in Italien einverleiben konnte.50 Für die Pflege guter Beziehungen im Reich wurde Ferdinand auf dem Reichstag von 1653/54 mit der Wahl seines Sohns, Ferdinand IV., zum römischen König belohnt. Dieser Triumph besiegelte die Niederlage der von Frankreich unterstützten Pläne, die Wahl von Nachfolgern des Kaisers, die aus ein und derselben Dynastie stammten wie der herrschende Kaiser, zu verhindern. Außerdem wehrte Ferdinand erfolgreich Versuche ab, den kaiserlichen Vorrechten eine Reihe weiterer dauerhaft gültiger Beschränkungen aufzuerlegen (die capitulatio perpetua). Dieser Bestandteil des radikalen protestantischen Programms aus den 1640erJahren blieb bis ins 18. Jahrhundert auf der Tagesordnung, wurde jedoch niemals Gesetz, weil die Kurfürsten den Kaiser bei seinem Veto unterstützten.51 Ferdinand IV. starb bereits am 9. Juli 1654, nur zwei Monate nach Beendigung des Reichstags, wodurch die Erholung der kaiserlichen Herrschaft zeitweilig ins

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Stocken geriet. Als Ferdinand III. am 2. April 1657 starb, war noch kein Nachfolger benannt worden, woraufhin es ein Interregnum von 15 Monaten gab. Schließlich wurde, dank tatkräftiger Unterstützung aus Bayern, der zweite Sohn Ferdinands III. als Kaiser Leopold I. gewählt.52 Leopold setzte die Politik seines Vaters mit beträchtlichem Erfolg fort. Auch die Dauer seiner Regierungszeit (bis 1705) trug zur Festigung der kaiserlichen Autorität bei. Seine Leistung lässt sich daran bemessen, dass es ihm gelang, für Österreichs Anspruch auf die spanische Erbfolge, die nach dem Tod des letzten dortigen Habsburgerkönigs im Jahr 1700 offen war, die – wenn auch zögerliche – Unterstützung des Reichs zu gewinnen. Während noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Habsburgermonarchie durch zahlreiche Bruderzwiste in die Katastrophe zu schlittern drohte, kam es 1740 beim Tod von Kaiser Karl VI. zu einer neuen Thronfolgekrise, gerade weil er keinen Sohn hinterließ. Im Dezember 1740 eroberte Preußen Schlesien. Damit begann ein offener Kampf um politischen Einfluss, der die Gewichte in Mitteleuropa von Grund auf verschob. Österreich sah sich zunehmend auf die eigenen Ressourcen zurückgeworfen, weil die anderen Territorien es vermeiden wollten, zwischen Habsburg und Preußen erdrückt zu werden. Dennoch blieb der Kaisertitel für das internationale Prestige von Habsburg von Bedeutung, und die Habsburger nahmen nach ihrer Niederlage gegen Napoleon höchst ungern davon Abschied.53 Landeshoheit Der Frieden von Osnabrück bestätigte bestehende territoriale Hoheitsrechte und gewährte keine grundlegend neuen Rechte. Obwohl die diversen Gerichts- und sonstigen Hoheitsrechte summarisch als „Landeshoheit“ bezeichnet wurden, machten sie die einzelnen Territorien nicht zu unabhängigen Staaten, weil solche Rechte fest mit dem Status eines Reichsstands verbunden waren. Wer sich ihrer bediente, blieb Teil des Reichs, das seine Autorität legitimierte und zugleich seinen Status und seine Besitztitel schützte.54 Die hauptsächliche Auswirkung des Krieges bestand denn auch nicht etwa darin, die Bindungen zwischen dem Reich und den Territorien, aus denen es bestand, zu lockern, sondern die Herrschaft der Territorien über ihre Untertanen zu stärken. Der Frieden von Osnabrück bezog die Landeshoheit eindeutig auf die Kurfürsten, Fürsten und Räte der Reichsstädte; er schloss damit die Möglichkeit zwischengeschalteter Körperschaften innerhalb der Territorien, die solche Rechte selbst beanspruchen könnten, aus. Vor 1618 hatten die Provinzstände etwa in Österreich und Böhmen eigene Milizen unterhalten und Gesandte an die Höfe ausländischer Mächte geschickt. Das war nunmehr unter der Reichsverfassung eindeutig illegal. Worauf dieser Wandel hinauslief, trat nur allmählich zutage. Die Reichspolitik blieb eine Sache praxisbestimmter, nicht abstrakter Interpretation. Die Terri-

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torialherren blieben durch das Reichsrecht gebunden, das Vorrang hatte vor ihrer eigenen Gesetzgebung. Ein gutes Beispiel ist ihr Recht, Bündnisse mit fremden Mächten zu schließen, das oft als Beweis für ihre angebliche Unabhängigkeit angeführt wurde. Aber alle Bündnisse waren durch die Bestimmung eingeschränkt, dass sie nicht gegen Kaiser oder Reich gerichtet sein durften.55 Bündnisrechte waren nichts Neues, und Fürsten wie der Kurfürst von der Pfalz hatten schon vor 1618 Verträge mit ausländischen Mächten abgeschlossen. Tatsächlich verstärkte der Frieden von Osnabrück die Restriktionen weiter, indem er Konfession und „teutsche Libertät“ nicht mehr als legitime Grundlagen für solche Bündnisse gelten ließ. Alle zukünftigen Verträge mussten dem Erhalt der Verfassung, nicht der Verfolgung von Sonderinteressen dienen. Diese Klausel wurde nach 1648 weitgehend respektiert, weil der Krieg gezeigt hatte, dass konfessionelle Erwägungen keine geeignete Grundlage für Bündnisse darstellten. Zudem war deutlich geworden, wie gefährlich es sein konnte, in ausländische Angelegenheiten verwickelt zu werden. Schwedens Manipulationen des elastischen Konzepts einer „teutschen Libertät“ ließen den Slogan als wenig attraktiv erscheinen im Vergleich zur Sicherheit, die die gegenwärtige Verfassung bot. Ehrgeizige Fürsten bedienten sich auch weiterhin der Bündnispolitik zur Förderung ihrer jeweiligen dynastischen Interessen. Großmächte wie Frankreich, die Niederlande und – später – Großbritannien zahlten für Truppen, die ihnen von den Fürsten zur Verfügung gestellt wurden. Solche Arrangements wurden im 19. Jahrhundert verurteilt: Es war von „Blutgeld“ und einer Vergeudung „deutscher“ Kräfte die Rede, die besser für eine „nationale“ Sache hätten eingesetzt werden sollen. Aber es waren Behelfsmaßnahmen, mit denen die Fürsten in einer sich schnell wandelnden internationalen Ordnung politische Unterstützung gewinnen wollten. Nur selten kam es dazu, dass solche Truppen gegen das Reich eingesetzt wurden, und die meisten Fürsten sorgten für zusätzliche Klauseln, die es ihnen erlaubten, ihr Kontingent bei Bedarf in die kaiserliche Armee zu integrieren, selbst wenn es damit gegen ihren neuen Verbündeten in Marsch gesetzt wurde.56 Keineswegs also ließen die Westfälischen Friedensabkommen das Reich als leere Hülle zurück; vielmehr belebten sie die Verfassung neu und stärkten die politische Kultur. Die Stabilisierung des Reichs trug zum Frieden in Europa bei, indem sie die Mitte des Kontinents von einer Quelle für Spannungen und Konflikte befreite. Das Gespenst einer Hegemonie der katholischen Habsburger war gebannt, auch weil Spanien durch seine eigenen langwierigen Konflikte ausgeblutet worden war. Das Reich blieb ein hierarchisch geordnetes politisches Gebilde, aber seine innere Balance hatte sich erheblich verschoben. Die Grenze zwischen Reichsständen und anderen Inhabern von Herrschaftsrechten war nun

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schärfer gezogen und damit die Anzahl derjenigen reduziert, die einen Handlungsrahmen beanspruchen konnten, der über ihre lokalen Angelegenheiten hinausging. Doch diejenigen, die jetzt als Reichsstände anerkannt waren, wurden gleichberechtigter an den kollektiven Entscheidungen der das Reich repräsentierenden Organe beteiligt. Der Kaiser fällte seine politischen Entscheidungen nicht mehr in Absprache mit einer exklusiven Gruppe von Kurfürsten, sondern unter Berücksichtigung aller Reichsstände, insbesondere seit der Reichstag nach 1663 in immerwährender Sitzung verblieb. Schwerfällig, wie er war, führte der Mechanismus doch immer noch zu kollektiven Entscheidungen und befähigte das Reich dazu, sich zwischen 1664 und 1714 erfolgreich französischer und osmanischer Angriffe zu erwehren. Der Einfluss der Konfession auf die Politik von Kaiser und Reich ging beträchtlich zurück, und die zukünftigen Probleme des Reichs lagen im Aufstieg von Österreich und Preußen zu Großmächten, die über den gemeinsamen politischen Rahmen hinausdrängten.

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ie Zerstörungskraft des Dreißigjährigen Krieges hat sich tief in das allgemeine Bewusstsein eingegraben. Im letzten Kapitel wird davon die Rede sein, inwiefern dies die zeitgenössische Wahrnehmung reflektiert. Im Folgenden soll zunächst der Versuch unternommen werden, den Verlust an Leben, die wirtschaftliche Verwerfung, die politische Zerrüttung und die Wucht der kulturellen Erschütterung zu bemessen. Freilich bleiben Wahrnehmung und Wirklichkeit miteinander verzahnt, selbst wenn sie zu analytischen Zwecken voneinander getrennt werden. Zeitgenössische Texte und Bilder vermitteln den Eindruck allgegenwärtiger Gewalt und unablässiger Zerstörung. Der Krieg im Reich war schon vor 1648 im übrigen Europa zu einem Maßstab für Gräuel und Grausamkeit geworden. Die britischen Leser beispielsweise wurden durch Publikationen wie Dr. Vincents bebilderte Lamentations of Germany aus dem Jahr 1638 in allen Einzelheiten über Morde, Massaker und mutwillige Verwüstung informiert. Im Englischen Bürgerkrieg wollten alle Parteien unbedingt vermeiden, dass der Konflikt in ihrer Heimat ebenso entartete, wie es – ihrer Meinung nach – in Deutschland geschah.57 Die Betonung der Grausamkeit des Krieges trat in Darstellungen des späteren 17. und frühen 18. Jahrhunderts in den Hintergrund, weil sie sich stärker auf Persönlichkeiten sowie auf verfassungs- und konfessionsbezogene Themen konzentrierten.58 Das änderte sich erneut mit Friedrich Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges (1791–93) und seiner Dramentrilogie Wallenstein (1797–99) sowie mit der Wiederentdeckung und Popularisierung des Romans Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch (1668/69), dessen Autor, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, am Dreißigjährigen Krieg teilgenommen hatte. Schiller und andere, die an dem literarischen Wiederaufleben des Kriegs beteiligt waren, gehörten der romantischen Bewegung an, die von Tod, Zerstörung und Identitätsverlust fasziniert war. Sie schrieben zu einer Zeit neuerlicher Aufstände im Gefolge der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege. Sie waren Zeugen der Auflösung des Reichs 1806 und der Kontroversen über die Frage, welche Art von deutschem Staat an dessen Stelle treten solle. Die Epoche nach 1815 war überwiegend repressiv und schränkte die öffentliche Diskussion über Politik und Nationalität stark ein. Aber Literatur und Geschichte boten alternative Foren, um sich über zeitgenössische Themen auszutauschen. Vor allem

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interessierten sich die Romantiker für die menschliche Gefühlswelt und suchten nach mutmaßlich authentischer Erfahrung, wie sie sich in persönlichen Zeugnissen und in der Folklore niederschlug. Höchst einflussreich in dieser Hinsicht waren Gustav Freytags fünfbändige Bilder aus der deutschen Vergangenheit, die der Schriftsteller aus historischen Quellen zusammengestellt hatte.59 Im Gegensatz zu seinen akademischen Kollegen widmete Freytag der großen Politik sehr viel weniger Aufmerksamkeit als den Geschichten aus der Alltagserfahrung der Menschen. Aus diesem romantischen Interesse, das die akademische wie auch die populäre literarische Auseinandersetzung mit dem Krieg prägte, kristallisieren sich drei Elemente als Leitmotive heraus: Zuerst ist das Gefühl grenzen-, wahl- und sinnloser Gewalt zu nennen, die alle bisherigen Schranken überschritt. Als es in Kapitel 17 und 18 um den Charakter der späteren Stadien des Kriegs ging, sind wir bereits auf Aspekte dieses Themas gestoßen. Neben den erwähnten Berichten über Kannibalismus bei der Belagerung von Breisach waren Vergewaltigung, Verstümmelung und Folter die stets wiederkehrenden Motive, ergänzt um die Vorstellung eines einst blühenden, nun aber verwüsteten und ausgeplünderten Landes. Das zweite Element bestand aus der Überzeugung, diese Schrecken seien unschuldigen Deutschen von einem gnadenlosen Feind angetan worden. Das konnte auch konfessionell gefärbte Formen annehmen, etwa in protestantischen Berichten über die „Hochzeit“ der katholischen Kaiserlichen mit der Jungfrau Magdeburg. Verbreiteter war jedoch der Verweis auf diverse „ausländische“ Übeltäter: Kroaten, Kosaken, Schweden, Finnen, Schotten, Iren, Ungarn, Siebenbürger und, weniger häufig, Franzosen und Spanier. Das dritte leitmotivische Element bettete den Krieg in eine Typologie nationaler Erlösung ein: Aus der Asche würde sich eine neue, stärkere deutsche Nation (später auch: Rasse) erheben. Die Schreckensgeschichten sorgten also nicht nur für Nervenkitzel, sondern ließen auch hoffen, dass Leid und Erniedrigung schließlich belohnt würden. Dieser Aspekt zog seine Macht aus der christlichen Tradition, die schon im 17. Jahrhundert die Wahrnehmung des Kriegs beeinflusst hatte. Um 1900 begannen einige Historiker, den Wahrheitsgehalt dieser Schauergeschichten zu hinterfragen. Der Militärhistoriker Robert Hoeniger sorgte für Kontroversen, als er behauptete, die deutsche Bevölkerung sei nur um ein Achtel geschrumpft und nicht, wie Freytag geschrieben hatte, um drei Viertel.60 Vor dem Hintergrund neuerlicher Zerstörung im Ersten Weltkrieg brachte die Debatte zwei gegensätzliche Schulen hervor, von denen die eine den Krieg als katastrophales Ereignis und, der Tradition folgend, Deutschland als unschuldiges Opfer zeichnete, während die andere betonte, der Dreißigjährige Krieg habe bestehende Probleme lediglich zugespitzt, denn Deutschland sei bereits durch

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die Überbevölkerung und die im späten 16. Jahrhundert erfolgte Hinwendung der europäischen Wirtschaft zum Atlantikraum geschwächt gewesen. Diese Argumentation wurde nach der erneuten Zerstörung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg ins Extrem getrieben. Der in Amerika lebende Historiker Sigfrid H. Steinberg behauptete, das Reich habe damals zwar ein nachlassendes Wachstum und eine Umverteilung von Einwohnern und Wirtschaftsaktivität erlebt, insgesamt aber seien Wirtschaft und Bevölkerung gewachsen. Zwar brachte er für diese Behauptung nur wenig Beweismaterial bei, doch gewann seine Interpretation schnell an Akzeptanz, weil sie nachvollziehbarer erschien als die Berichte über die Exzesse einer alles verzehrenden Wut.61 Allgemeine Trends Ein Hauptgrund für diese Debatte liegt darin, dass sich der Krieg je nach Zeit und Ort ganz unterschiedlich auswirkte und so zu scheinbar widersprüchlichen Zeugnissen führte. Das westliche Westfalen und Teile des Niederrheins hatten bereits seit den 1580er-Jahren unter spanischen und niederländischen Überfällen sowie unter den Operationen im Zusammenhang mit dem Kölner (auch Truchsessischen) Krieg (1584–87) und den beiden Jülicher Krisen gelitten. Das übrige Reich hatte als größere militärische Konflikte zuletzt 1546–52 den Schmalkaldischen Krieg und die Fürstenrevolte erlebt. Der Bruderzwist im Hause Habsburg ging ohne große Kämpfe aus, und während der Lange Türkenkrieg (1593–1606) eine beträchtliche finanzielle Bürde darstellte, beschränkten sich die tatsächlichen Militäroperationen auf Ungarn und Siebenbürgen. Da es mithin seit Generationen keine exzessive Gewalt mehr im Reich gegeben hatte, mussten die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges besonders schrecklich erscheinen. Doch auch unter dieser Prämisse variierten Umfang und Intensität der Kämpfe beträchtlich. Nach 1618 konzentrierte sich das Kriegsgeschehen auf die Donaugegend, Oberungarn und die nach Südböhmen und Mähren führenden Pässe. Als die kaiserliche Liga im Juli 1620 nach Böhmen einmarschierte, verlagerte sich das Kampfgeschehen in die Landesmitte zwischen Pilsen und Prag, während es in Oberungarn und Teilen von Mähren und Schlesien bis 1622 andauerte. Alle Schrecken, die gewöhnlich mit der letzten Phase des Krieges in Verbindung gebracht werden, waren hier schon präsent: Brutalität, Plünderung, Ermordung von Zivilisten, die Pest. Danach blieben diese Regionen für etwa ein Jahrzehnt von schweren Kämpfen verschont – allerdings wirkte der Schock noch lange nach, vor allem im oberösterreichischen Aufstand von 1626. Auch setzten sich andere Pressionen fort, wie die Erhebung von Kriegssteuern oder der durch Rekatholisierung verursachte Abwanderungsdruck auf die Bevölkerung.

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Unterdessen verlagerte sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins Elsass, an den mittleren Rhein und an den unteren Main. Hier fanden die Hauptoperationen der Jahre 1621–23 statt. Anfang 1622 waren auch Teile von Niedersachsen und Westfalen betroffen, als Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel Paderborn angriff und nach Süden marschierte, um sich der Armee des Grafen Mansfeld anzuschließen. Danach wurden beide nach Ostfriesland abgedrängt. Diese Phase war durch relativ schnelle Truppenbewegungen gekennzeichnet, die wenig Schaden anrichteten, weil die Armeen nicht lange an einem Ort blieben. Gewiss kam es längs der Transitrouten zu Plünderungen und Zerstörungen, doch nicht in Gebieten, die etwas weiter ablagen. Noch machte sich der Krieg vorwiegend indirekt bemerkbar, indem die Territorien Steuern erhoben, um die schnelle Aushebung relativ großer Armeen bezahlen zu können. Die Gesamtstärke der im Reich zwischen 1618 und 1626 operierenden Streitkräfte dürfte 80 000 bis 100 000 Mann betragen haben. Derartiges war seit 70 Jahren nicht mehr vorgekommen: Zuletzt hatte Karl V. im Sommer 1546 auf dem Höhepunkt des Schmalkaldischen Kriegs 56 000 Soldaten gegen ein protestantisches Heer von 50 000 ins Feld geführt.62 Während dieser Konflikt allerdings binnen eines Jahres beendet gewesen war, musste die Militarisierung nach 1618 unter sich verschlechternden wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen aufrechterhalten werden. 1621/22 gab es Missernten, die im folgenden Jahr zu einer Verdoppelung der Lebensmittelpreise führten, verschärft durch eine Hyperinflation. So wurde aus einer Subsistenzkrise eine Wirtschaftskrise, die bis ins Jahr 1626 dauerte. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz war 1623 vernichtend geschlagen worden, was den Süden für die nächsten acht Jahre von direkten militärischen Auseinandersetzungen frei hielt. Die dänische Intervention nach 1625 konzentrierte sich auf Niedersachsen, während Truppen der Liga und des Kaisers Gebiete westlich, südlich und östlich davon besetzt hielten, um die Dänen daran zu hindern, sich weiter auszubreiten. Hessen-Kassel und große Teile Westfalens waren einem längeren Aufenthalt der Liga ausgesetzt, der finanziell aufwendig war, aber keine Menschenleben kostete. Im Gegensatz dazu war es eine Katastrophe, als Wallensteins kaiserliche Armee im Herbst 1625 an der mittleren Elbe auftauchte. Das Heer schleppte die Pest ein, die bis zu 40 Prozent der Stadtbevölkerung im Erzbistum Magdeburg und im Bistum Halberstadt tötete, was die Einwohnerzahlen auf den Stand von 1562 zurückwarf.63 Im Verlauf des Jahres 1626 griffen die Operationen elbaufwärts auf Gebiete in Thüringen und Sachsen über, während Mansfelds Vormarsch in Richtung Südost den Krieg im Herbst nach Schlesien und Oberungarn zurückbrachte. Wallensteins ständige Vergrößerung der kaiserlichen Armee trug dazu bei, die Gesamtzahl der Kombattanten 1629 auf 160 000 zu steigern – die doppelte Menge dessen, was vor fünf Jahren im Feld

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gestanden hatte. Der schiere Umfang der Armeen machte die Ausweitung des Einquartierungssystems auf große Teile des Reichs notwendig. Die indirekte Erhaltung der Heere durch Besteuerung wich der direkten Okkupation. Damit kam der Krieg noch vor der schwedischen Invasion nach Süddeutschland zurück, als Einheiten der Kaiserlichen nach Württemberg und in andere Territorien einmarschierten, um Wallensteins Kontributionsforderungen auszuweiten und das Restitutionsedikt durchzusetzen. Mit der schwedischen Landung im Juni 1630 änderten sich die Verhältnisse nicht sofort. Ein ruhiges Jahr verging, bevor erneute Operationen begannen, die vorerst auf Pommern und Mecklenburg beschränkt blieben. Einheiten der Liga und der Kaiserlichen wurden aus anderen Teilen Deutschlands abgezogen, um sich den Schweden entgegenzustellen oder an der Belagerung von Mantua teilzunehmen. Anfänglich wirkten sich die steigenden Truppenzahlen noch nicht so stark aus, weil 1630/31 in vielen Gebieten bessere Ernten eingebracht werden konnten. Erst als die Schweden ihren Sieg bei Breitenfeld auszunutzen begannen und 1632 den Krieg sehr rasch in alle Teile Deutschlands trugen, verdüsterte sich die Lage. Durch die neuen regionalen Armeen, die in Westfalen, Niedersachsen, am Oberrhein und in Schwaben ausgehoben wurden, in Verbindung mit den Hauptstreitkräften, die in Bayern, Franken und Kursachsen aktiv waren, erreichte die Gesamtzahl der Soldaten beispiellose 250 000. Da die Schweden der Überzeugung waren, dass der Krieg sich lohnen müsse, trugen sie das System von Einquartierung und Beschlagnahme in bisher unberührte Regionen hinein und stürzten damit viele Territorien in die Krise. Was noch an Korn, Wein und anderen Vorräten vorhanden war, wurde in dem verzweifelten Versuch, die wachsenden Bedürfnisse des Militärs zu befriedigen, verkauft. Die landwirtschaftliche Produktion verfiel, weil das Saatkorn verzehrt wurde und die Soldaten wichtige Gerätschaften, Werkzeug oder Mühlen zerstörten. Die ausgreifenden Operationen und schnellen Wechsel des Schicksals begünstigten ein Klima der Ungewissheit. Während der 1620er-Jahre waren Flüchtlinge zumeist sehr schnell nach dem Truppenabzug in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt, doch jetzt blieben sie fort, und viele Regionen lagen verlassen da. Wichtige Fernverkehrswege wie die Täler von Elbe, Rhein und Main waren besonders stark betroffen. Von der Reise, die der Earl of Arundel mit seinen Begleitern im Mai 1636 am Main entlang unternahm, besitzen wir einen Bericht: „[Wir] gelangten zu einem erbärmlichen kleinen Dorf namens Neukirchen, das völlig unbewohnt war; ein Haus allerdings stand in Flammen. Hier mussten wir, weil es schon spät war, die Nacht verbringen, denn die nächste Stadt war vier Meilen entfernt; wir verbrachten die Nacht, indem wir, mit Karabinern in den Händen, auf und ab gingen und voller

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Furcht auf die Schüsse lauschten, die in den Wäldern rings um das Dorf ertönten … Früh am nächsten Morgen sah Seine Exzellenz sich in der Kirche um. Sie war geplündert und die Bilder und der Altar entweiht worden. Im Kirchhof lag eine aus dem Grab gescharrte Leiche, vor dem Kirchhof ein weiterer Toter …“64 Die Entvölkerung wurde durch die Pest beschleunigt, die sich nach 1631 in Süddeutschland erneut ausbreitete und 1636 im Norden wütete. Arundel und seine Gruppe „verließen diesen Unglücksort rasch und erfuhren später, dass die Dorfbewohner wegen der Pest geflohen seien und das eine Haus in Brand gesteckt hatten, um Reisende vor einer Ansteckung zu bewahren“. Da die Pest die jungen Leute ebenso wie die Alten und Kranken besonders schwer traf, machte sie die demografische Erholung, die es in Gegenden wie Magdeburg seit dem früheren Ausbruch 1625/26 gegeben hatte, wieder zunichte. Doch konnte sie auch ein gewisses Maß an Entlastung mit sich bringen. Beispielsweise wurden die Dörfer an der Grenze zwischen Bayern und Schwaben 1632–34 immer wieder von beiden Seiten überfallen, nur wenn die Pest zuschlug, hielten die Soldaten sich fern. Als Warnzeichen pflegten die Dorfbewohner in solchen Fällen Strohkreuze aufzustellen.65 Wachsende Unruhen in vielen Gebieten zeigten den partiellen Zusammenbruch der Regierungsgewalt an. Nach 1631 schlossen sich die Bauern in Teilen Westfalens, des Elsass, Schwabens und der Bodenseeregionen zu Guerillatruppen zusammen. Wie gezeigt, richteten sie ihre Aktionen häufig mit gleicher Wucht gegen beide Seiten (siehe Kapitel 15). Die Bevölkerung verlor das Vertrauen in die Fähigkeit der Obrigkeit, sie zu schützen. Die Bandbreite der Aufmüpfigkeit reichte von ländlichen Verschwörungen und Petitionen in Hohenlohe 1631/32 über erneute Aufstände in Oberösterreich nach 1632 bis zur großen Revolte in Bayern 1633/34.66 Die zwei Jahre nach der Schlacht von Nördlingen waren in der Auswirkung verheerend. Weil die schwedischen Streitkräfte in ganz Süddeutschland so schnell kollabierten, waren die Folgen für die protestantischen Territorien dort katastrophal. In Württemberg beliefen sich die Kriegskosten (Schäden und Kontributionen) schätzungsweise auf insgesamt 58,7 Millionen Gulden, von denen drei Viertel auf die vier Jahre nach Nördlingen entfielen. Im selben Zeitraum sank die Bevölkerungszahl des Herzogtums je nach Verwaltungsbezirk um 23 bis 69 Prozent. Die mittleren 1630er-Jahre waren wegen der Kämpfe um Maastricht auch für die Region an der unteren Maas die schlimmsten. Und die französische Intervention im Rheinland mitsamt den darauffolgenden Versuchen der Kaiserlichen, das Elsass von französischen Truppen zu befreien und Lothringen zurückzuerobern, intensivierte die Zerstörung weiter und trug auch dort zur Ausbreitung der Pest bei.67

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Die schnelle Eskalation und Ausbreitung des Krieges zwischen 1631 und 1636 wirkte sich nicht nur auf die Menschen negativ aus. Bevölkerungsverschiebungen, abrupte Veränderungen gegenüber der bisherigen Landnutzung und die Ausbreitung bislang unbekannter Mikroben destabilisierten das Ökosystem. Ab 1636 vermehrten sich die Nagetiere einige Jahre lang explosionsartig, was die Lebensmittelknappheit verschärfte. 1638 und dann wieder 1640 durchstreiften Wölfe Südwestbayern, und Wildschweinhorden vernichteten 1639 die Feldfrüchte. Andere Tierarten verschwanden, weil sie zu alternativen Nahrungsquellen wurden. Ein bayerischer Soldat, der im Februar 1636 den Niederrhein entlangmarschierte, notierte, es sei „wieder [weder] hundt, oder kadtze da heim gewessen“. Beide wurden nämlich, wie aus zahlreichen Berichten hervorgeht, in den Hungerzeiten der 1630er-Jahre von den Stadtbewohnern verspeist.68 Tatsächlich verminderte die französische Intervention die allumfassenden Auswirkungen des Krieges sogar, weil die kaiserlichen und bayerischen Streitkräfte sich anfänglich in die westrheinischen Gebiete begaben, um die Spanier in der Picardie zu unterstützen oder in Lothringen und der Franche-Comté zu kämpfen. Während nun also diese Gegenden unter dem Kriegsgeschehen litten, konnte Süddeutschland erst einmal aufatmen, bedingt auch durch eine bessere Ernte im Jahre 1638. Unterdessen waren die Schweden in der Defensive und blieben bis 1639 auf Sachsen, Brandenburg und die mittelelbischen Gebiete beschränkt. Nach dem Zusammenbruch der Liga von Heilbronn und der Auflösung vieler deutscher Hilfstruppen für die Schweden verloren die Armeen insgesamt an zahlenmäßiger Stärke. Die bayerische Armee bildete eine Ausnahme, aber die kaiserliche schrumpfte nach 1636 beträchtlich, wie auch, zwei Jahre später, die sächsische. Dieser Rückgang geschah unfreiwillig und wurde den kriegführenden Parteien von den Umständen aufgezwungen: Angesichts von Pest, wirtschaftlichem Niedergang und weit verbreiteter Verwüstung wurde es immer schwieriger, Truppen auszuheben und zu unterhalten. Zwischen 1637 und 1639 wütete der Krieg am schlimmsten in den Regionen am Oberrhein und an der mittleren Elbe. Die Verlagerung der Kriegsschauplätze ermöglichte einigen Regionen nach 1636 eine Erholungsphase. In der zweiten Hälfte der 1630er-Jahre blieben viele Gebiete der Habsburgermonarchie verschont, und die langwierigen Verhandlungen mit den Hessen und Welfen schränkten die Operationen in Westfalen, dem unteren Maintal und Sachsen ein. In diesen drei Regionen waren der Krieg und seine Kosten insofern statisch, als die Gemeinden jeweils für Garnisonen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aufkommen mussten. Das Nämliche gilt für Mecklenburg und Pommern, nachdem Gallas dort 1639 mit seinen Feldzügen gescheitert war. Dennoch blieben die schwedischen Garnisonen eine schwere

22. Die Kosten des Krieges

Last und verhinderten die demografische Erholung an der Ostseeküste, bis die Streitkräfte dort nach 1648 reduziert wurden. Nachdem 1640 Friedensverhandlungen in Nordwestdeutschland gescheitert waren, kam es dort zu erneuten Kämpfen. Die ehemalige bernhardinische Armee traf ein, um die Schweden und Welfen zu unterstützen, während der Kaiser und Bayern ebenfalls Verstärkungseinheiten nach Westfalen schickten. Da jedoch die Truppenstärken inzwischen generell vermindert waren, wurden durch solche Bewegungen Soldaten aus anderen Regionen abgezogen. Hiervon zog besonders Südwestdeutschland Nutzen, wo bis 1644 Kämpfe nur mehr in Form von Überfällen stattfanden. Auch dem Elsass und der Franche-Comté blieben nun aktive Kampfhandlungen erspart, und die Gebiete, in denen es relativ ruhig war, weiteten sich aus, als Brandenburg, das Fürstentum Hildesheim und die welfischen Herzogtümer sich nach 1642 aus dem Krieg zurückzogen. Andere Gebiete gingen dazu über, für die Räumung von Garnisonen oder die Einstellung von Überfällen Kontributionen zu zahlen. Solche Neutralität beseitigte nicht alle mit dem Konflikt verbundenen Probleme, verhinderte aber wenigstens die Wiederkehr der schrecklichen Zustände, die Mitte der 1630er-Jahre geherrscht hatten. Diejenigen Gebiete, in denen noch aktiv gekämpft wurde, erfuhren mithin in den letzten Kriegsjahren übermäßiges Leid. Das Elbtal erlebte erneute Zerstörung während der schwedischen Invasion in Dänemark 1644/45. Zwar konnte Schweden im August 1645 die sächsische Neutralität erzwingen, doch fehlten ihm die Kräfte, um das auch für Westfalen zu erreichen. Nach 1646 nahmen die Kämpfe wieder den Charakter eines relativ statischen Krieges an, der sich auf Überfälle zwischen kaiserlichen und hessischen Außenposten beschränkte. Die hauptsächlichen Auseinandersetzungen verlagerten sich ein letztes Mal südwärts, wobei es am Oberrhein und nach Franken hinein zu heftigen Kämpfen kam; desgleichen in Mähren und Niederösterreich, wo 20 Jahre lang Ruhe geherrscht hatte. Die Kämpfe der letzten Phase fanden vornehmlich an der Donau statt, womit der Krieg zu seinem Ursprungsgebiet zurückkehrte.

Demografische Folgen Im Verlauf der bisherigen Ausführungen wurde bereits auf einige Probleme hingewiesen, die eine zahlenmäßige Erfassung der menschlichen und materiellen Kosten des Kriegs erschweren. So gab es keine einheitliche Methode zur Erhebung von Bevölkerungsdaten – auch nicht in den Regionen, in denen so etwas wie eine Bevölkerungsstatistik geführt wurde. Ein den Gesamtzeitraum 1618–48 umspannender Datenvergleich gibt nur höchst unvollständig Aufschluss über

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die tatsächlichen Verluste, vor allem weil der Krieg viele Gebiete erst nach 1631 erreichte, als die Bevölkerung seit dem Prager Fenstersturz vielleicht schon gewachsen war. Demografen müssen daher andere Quellen bemühen, wie etwa Steuerlisten oder die Anzahl von Häusern. Es herrscht allerdings auch keine Einigkeit über die durchschnittliche Haushaltsgröße, die den Berechnungen zugrunde gelegt werden sollte. Listen von niedergebrannten oder verlassenen Häusern sind ebenfalls kein sicherer Hinweis auf den tatsächlichen Bevölkerungsrückgang, weil Überlebende in den übrig gebliebenen Häusern Unterschlupf fanden oder den Ort verließen. Viele moderne Schätzungen sind schon deshalb nicht stimmig, weil sie sich lediglich auf die Bevölkerung innerhalb der späteren – historisch kaum festgelegten – Grenzen Deutschlands beziehen und damit Gebiete ausschließen, die zuvor, wie etwa Lothringen oder Böhmen, zum Reich gehörten. Steinberg versichert zwar, dass die Bevölkerung bis 1650 um eine Million gewachsen sei und zwischen 16 und 18 Millionen betragen habe, doch ist er dabei selektiv vorgegangen, indem er Daten aus Gebieten verwendete, in denen es ein Nettowachstum gab. Der einzig umfassende Überblick bleibt der von Günther Franz vorgenommene. Franz kam zu dem Schluss, dass die Bevölkerung in städtischen Gebieten um ein Drittel, in ländlichen Gegenden um 40 Prozent zurückging. Die meisten anderen Schätzungen folgen diesem Ansatz und beziffern die Gesamtverluste auf ein Drittel. Allerdings ist Franz’ Arbeit problematisch, auch weil er Mitglied der NSDAP war, die den Dreißigjährigen Krieg zu Propagandazwecken instrumentalisierte. Steinbergs allzu optimistische Angaben finden heute längst keine Verfechter mehr. Vielmehr setzen einige moderne Schätzungen den Bevölkerungsrückgang auf insgesamt lediglich zwischen 15 und 20 Prozent an.69 Freilich wäre selbst bei einem Rückgang von „nur“ 15 Prozent der Dreißigjährige Krieg noch der zerstörerischste Konflikt in der Geschichte Europas gewesen. Im Vergleich dazu verlor die Sowjetunion, die im Zweiten Weltkrieg die schwersten Verluste unter allen teilnehmenden Staaten zu tragen hatte, weniger als 12 Prozent ihrer Bevölkerung. Natürlich waren die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts kürzer und die Verluste aufs Kriegsjahr umgerechnet entsprechend höher. Dennoch ist festzuhalten, dass von den Toten des Ersten Weltkriegs allein 20 Millionen auf das Konto der Spanischen Grippe gehen, die bei Kriegsende ausbrach. Und im Zweiten Weltkrieg sorgte der nationalsozialistische Völkermord für einen nicht unerheblichen Anteil an Toten. Dergleichen gab es zum Glück im Dreißigjährigen Krieg nicht, der zudem mit sehr viel weniger wirksamen Waffen geführt wurde (siehe Tabelle 7). Die Gesamtzahl der Toten im Reich mag sich nichtsdestotrotz auf acht Millionen belaufen haben. Zu

22. Die Kosten des Krieges Tabelle 7 Gesamtzahl an Toten in den großen europäischen Konflikten im Vergleich Konflikt

Tote (in Mio., inkl. Krankheiten)

Vergleich zur Vorkriegsbevölkerung (in %)

1618–48 1914–18 1933–45

5 27 33,8

20,0 (nur Reich) 5,3 (nur Europa) 6,0 (nur Europa)

Tabelle 8 Bevölkerungswandel in der Habsburgermonarchie (1600–50) Region Österreichische Kernlande Niederösterreich Oberösterreich Steiermark Kärnten Krain Görz und Gradisca Übriges Österreich Tirol Vorarlberg Böhmische Lande Böhmen Mähren Schlesien Ungarische Lande Königliches Ungarn Insgesamt

1600

1650

Veränderung (in %)

600 000 300 000 460 000 180 000 290 000 130 000 1 960 000

450 000 250 000 540 000 200 000 340 000 150 000 1 930 000

–25 –17 +17 +11 +17 +15 –2

390 000 40 000 430 000

440 000 45 000 485 000

+13 +13 +13

1 400 000 650 000 900 000 2 950 000

1 000 000 450 000 700 000 2 150 000

–29 –31 –22 –27

1 800 000 7 140 000

1 900 000 6 465 000

+6 –10

Quelle: T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht (2 Bde., Wien 2003), I, S. 14.

dieser Zahl kommt man, wenn man die relativ hohe Zahl an gefallenen Soldaten berücksichtigt wie auch die Tatsache, dass das wirkliche Ausmaß von Verlusten in der Zivilbevölkerung häufig durch Geburtenzahlen verdeckt wird, die in die Gesamtbevölkerungszahl hineingerechnet sind.70 Angaben zu Gesamtverlusten lassen natürlich große regionale Unterschiede außer Acht. Die umfassendsten Angaben liegen zu den Gebieten der Habsburgermonarchie vor (siehe Tabelle 8). Der Gesamtrückgang fiel hier relativ moderat aus, doch verdankt sich das dem Wachstum in Gebieten, die weitgehend gewaltfrei blieben, währen Regionen wie Niederösterreich oder Böhmen, die wiederholten Invasionen ausgesetzt waren, einen starken Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen hatten. Eine bessere lokale Datenlage lässt auf weitere Abweichungen innerhalb des regionalen Musters schließen. So erreichten die Verluste an

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Menschenleben in den Gebieten um Prag und im Elbtal, wo die schwersten Kämpfe in Böhmen stattfanden, mindestens 50 Prozent.71 In anderen Teilen des Reichs konnten die Unterschiede noch extremer ausfallen. Wie in der Habsburgermonarchie wurde der Niedergang in seiner Gesamtheit durch eine Bevölkerungszunahme in begünstigten Gebieten wie Hamburg und durch unterdurchschnittliche Verluste in Teilen von Westfalen, dem Elsass und den welfischen Herzogtümern zumindest gemildert. Einige Territorien wurden gleich zu Anfang hart getroffen, blieben später aber von Zerstörung weitgehend verschont – ein gutes Beispiel dafür ist Holstein, wo die schweren Verluste aus der Mitte der 1620er-Jahre 1648 bereits wieder wettgemacht waren. Im Gegensatz dazu hatten Gebiete, die an Durchgangsrouten lagen oder längerfristig unter Besatzung standen, überdurchschnittlich hohe Verluste zu beklagen. Einige Städte im Bistum Halberstadt verloren 70 bis 90 Prozent ihrer Einwohner, und in Halberstadt selbst fiel die Zahl von etwa 13 000 bei der Ankunft Wallensteins 1625 auf unter 2500 bei Kriegsende 1648. Brandenburg litt vor allem im Jahrzehnt nach 1627. Hier ging die Stadtbevölkerung von 113 500 auf 34 000, die Landbevölkerung von 300 000 auf 75 000 zurück, wobei die Hälfte der Dörfer entvölkert wurde. Am schlimmsten traf es die elbnah gelegene Altmark, während die Odergebiete ab Mitte der 1640er-Jahre vom Krieg nur noch wenig betroffen waren und sich 1652, als die Regierung sich einen zahlenmäßigen Überblick verschaffte, bereits wieder erholt hatten. Einigermaßen verlässliche Daten aus Württemberg lassen erkennen, dass die Bevölkerung zwischen 1634 und 1655 um 57 Prozent zurückging. Das war im Wesentlichen auf die lange Besatzung durch die Kaiserlichen, die darauffolgenden intensiven Raubzüge und die großen Militäroperationen Mitte der 1640er-Jahre zurückzuführen. Wiederum geben diese Zahlen allein kein komplettes Bild ab. Unmittelbar nach der schwedischen Niederlage bei Nördlingen, die auch die Pest mit sich brachte, lag der Schwund bei 75 Prozent. Um 1645 hatte sich die Bevölkerung leicht erholt und war auf 30 Prozent des früheren Niveaus angewachsen. Als 1655 der Zensus durchgeführt wurde, hatte sich die Lage noch weiter verbessert. Lothringen hatte mit etwa 60 Prozent ähnlich hohe Verluste zu verzeichnen, die hauptsächlich in die 1630er-Jahre fielen. Die Franche-Comté wurde zwischen 1636 und 1639 verheert, konnte sich aber dank ihrer Neutralität nach 1644 erholen, sodass der Gesamtverlust 1648 bei 48 Prozent lag.72 Einige weitere Regionen hatten ebenfalls beträchtliche – wenn auch nicht ganz so schwere – Verluste zu beklagen. Die bayerische Bevölkerung ging je nach Schätzung um 30 bis 50 Prozent zurück, wobei die 1630er-Jahre die schlimmste Dekade waren. Viele fränkische Gebiete verloren zwischen 30 und 40 Prozent ihrer Bevölkerung. Die jüngste Schätzung für Pommern geht davon

22. Die Kosten des Krieges

aus, dass die Bevölkerung von 160 000 im Jahr 1630 auf 96 000 bei Kriegsende 1648 zurückging. Das entspricht einem Verlust von 40 Prozent, während bei Franz noch von 50 bis 66 Prozent die Rede ist. Doch unter Berücksichtigung von Vor- und Nachkriegstrends wäre Pommerns Bevölkerung ohne den Krieg um 25 000 Köpfe gewachsen. Rechnet man diese fehlenden Geburten ein, muss man dem Gesamtbevölkerungsverlust des Reichs noch weitere drei Millionen hinzufügen.73 Todesursachen Woran die Menschen starben, ist so umstritten wie das Ausmaß des Sterbens. Berichte über Schlachten und berüchtigte Massaker vermitteln einen falschen Eindruck, weil sie nur den gewaltsamen Tod berücksichtigen. Die Tagebücher aus jener Zeit erzählen zwar häufig von Vergewaltigung und Mord, doch beruht das meiste davon auf Hörensagen. Von den 72 Augenzeugenberichten, die Geoff Mortimer analysierte, nennt die Hälfte getötete Personen mit Namen. Jeder Fünfte berichtet, persönlich von Soldaten angegriffen worden zu sein, aber nur wenige sprechen in diesem Zusammenhang von schweren Verwundungen.74 Vergewaltigung wird in offiziellen Dokumenten nur selten erwähnt, was mit der Schwierigkeit zusammenhängt, solche Fälle gerichtlich zu verfolgen: In München wurden während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nur fünf Vergewaltiger verurteilt, in Frankfurt am Main waren es drei zwischen 1562 und 1695. Tatsächlich kamen Vergehen dieser Art weitaus häufiger vor und wahrscheinlich war Vergewaltigung in der Kriegszeit die häufigste Form schwerer Gewaltausübung überhaupt. Sterbeverzeichnisse bieten mehr Einblick. 1618 hatte das sächsische Naumburg 8900 Einwohner, 1645 waren es noch 4320. Doch obwohl der Ort 1635 von den Schweden eine Woche lang geplündert wurde, verzeichneten die Listen nur 18 von Soldaten getötete Bürger. Im westfälischen Pfarrbezirk Elspe hingen nur fünf der 699 aufgezeichneten Todesfälle direkt mit militärischer Gewalt zusammen, und von den 241 Personen, die 1634 in der hohenlohischen Stadt Ingelfingen starben, kamen nur sieben während der Einnahme der Stadt nach der Schlacht von Nördlingen ums Leben, während 163 in jenem Jahr an der Pest starben.75 Die Gewaltopfer waren zuallermeist Soldaten. Moderne Schätzungen beziffern die Gesamtanzahl an Kriegsgefallenen auf 450 000, welche Zahl aus den von Schlachten und Belagerungen bekannten Verlusten hochgerechnet wurde. Davon fielen 80 000 in französischen, bernhardinischen und hessischen Diensten, während die Kaiserlichen 120 000 Soldaten verloren. Die übrigen Opfer stammen aus anderen deutschen Armeen, darunter den bayerischen, sowie aus den schwedischen und dänischen Streitkräften. Weitere 200 000 bis 300 000 Franzosen wurden im Kampf gegen Spanien, der von 1635 bis 1659 dauerte, verwundet

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oder getötet, wodurch der französische Gesamtverlust an Soldaten weit über den 280 000 Gefallenen liegen dürfte, die Frankreich in zwei weiteren Kriegen zwischen 1672 und 1697 zu beklagen hatte.76 Schwierig einzuschätzen sind die Überlebenschancen der Verwundeten, weil aus den wenigen Daten, die es zu Entlassungen aus dem Hospital gibt, der Grund der Einlieferung selten hervorgeht. Die meisten Männer wurden wegen einer Krankheit ins Spital aufgenommen, nicht wegen einer Verwundung. Die Spitäler litten unter mangelhafter Hygiene und Krankenpflege, aber man bemühte sich zumindest um gutes Essen und schenkte den Kranken Aufmerksamkeit. Von 71 verwundeten kaiserlichen Soldaten, die im August 1645 in ein Spital eingeliefert wurden, kehrten nur zehn nicht zu ihrem Regiment zurück, während von 143 im November 1646 aufgenommenen Soldaten 42 starben.77 Stärker als Musketen, Schwerter und Kanonen waren Krankheiten. Im Durchschnitt war einer von zehn Soldaten krank; allerdings erholten sich die meisten wieder. Logistisches Versagen oder Epidemien ließen den Anteil der Kranken kräftig steigen. Während des Feldzugs von 1620 tötete eine als „Ungarisches Fieber“ (morbus Hungaricus) bekannte Typhusart 14 000 Soldaten der Liga, wogegen in der Schlacht am Weißen Berg nur 200 im Kampf zu Tode kamen.78 Allerdings waren die Verluste der Liga dort besonders gering, während eine besiegte Armee wie die ihrer böhmischen Gegner weitaus höhere Verluste verzeichnen musste – insbesondere wenn sie verfolgt wurde. Wahrscheinlich kam auf drei Todesfälle durch Krankheit einer durch Kampf, sodass möglicherweise bis zu 1,8 Millionen Soldaten während des gesamten Kriegs starben. Angesichts der Erkenntnisse, die aus schwedischen und finnischen Kirchenregistern und Militärarchiven hervorgehen, ist diese Zahl plausibel. Zwischen 1621 und 1648 starben 150 000 schwedische und finnische Wehrpflichtige, davon 40 000 auf den Feldzügen in Preußen und Livland 1621–29, die anderen in Deutschland. Da Wehrpflichtige im Allgemeinen weniger als ein Fünftel der Armee in Deutschland ausmachten, ist anzunehmen, dass mindestens noch weitere 400 000 Deutsche, Briten und andere in schwedischen Diensten an diversen Ursachen starben.79 Zwar kamen nur vergleichsweise wenige Zivilisten durch Gewalt um, doch die Furcht vor ihr vertrieb die Menschen von Heim und Herd. Flucht und Abwanderung waren die Hauptfaktoren für die Verluste in den Gebieten mit dem größten Bevölkerungsrückgang: 60 Prozent in Waldeck und 80 Prozent im Herrschaftsgebiet des Klosters Ottobeuren bei Memmingen.80 Andererseits sorgte Einwanderung in vielen Gebieten für einen Ausgleich oder zumindest eine Verlangsamung des Bevölkerungsrückgangs. So fiel zum Beispiel Münchens Einwohnerschaft von 22 000 im Jahr 1618 auf 14 000 im Jahr 1651, wofür

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vor allem die Pest verantwortlich war, die 1633/34 und 1649/50 in der Stadt wütete. Doch ließen sich im gleichen Zeitraum mindestens 7000 Menschen in der Stadt nieder. Es waren ländliche Handwerker, die vor Not und Gefahr geflohen waren. Sie kamen zumeist aus anderen Teilen Bayerns, und ein Fünftel stammte aus den benachbarten Regionen Franken und Schwaben. In Augsburg verlief die Entwicklung ganz ähnlich. Seine Bevölkerung fiel von 45 000 im Jahr 1618 auf 16 400 im Jahr 1635 – eine Folge der schwedischen Besatzung und der kaiserlichen Belagerung. Danach stieg sie wieder und betrug bei Kriegsende 20 000 Einwohner, was auch an der Einwanderung lag. Durch Migration konnte sich die Einwohnerschaft von Nancy sogar verdoppeln. Damit war Nancy die einzige Stadt in Lothringen, die ein Wachstum verzeichnen konnte. Auch Hamburg profitierte während des Kriegs von der Migration.81 Migration war mehr als nur eine Veränderung von Einwohnerzahlen. Die jüdische Bevölkerung im Reich verlor an Zusammenhalt, als sie in neue Gebiete versprengt wurde und sich wirtschaftlich vielfältiger orientieren musste.82 Und nicht alle Migranten, die kamen, waren auch willkommen. Oftmals verband sie nichts mit der neuen Gemeinschaft, in der sie nun lebten. Im Allgemeinen waren sie ärmer als jene, die gestorben oder dageblieben waren, ausgenommen solche Fälle wie die der katholischen Elite, die nach 1631 in Köln Schutz fand. Viele Migranten wollten gar nicht am fremden Ort bleiben, sondern warteten nur, bis sie wieder sicher heimkehren konnten. Andere trafen mit Besatzungstruppen ein und verstärkten so den Eindruck bei den Einheimischen, da seien fremdländische Menschen angekommen. Ihre Anzahl war in Städten von strategischer Bedeutung zuweilen durchaus beträchtlich: Im Januar 1947 gab es in Überlingen 650 Steuern zahlende Bürger, darüber hinaus jedoch 652 geflohene Bauern, 592 „ausländische“ Frauen mit 909 Kindern sowie eine Garnison von 239 Soldaten mit 61 Ehefrauen und 72 Kindern.83 Flucht konnte die Sterblichkeitsrate erhöhen, denn in den Zufluchtsorten selbst herrschten häufig stark beengte und unhygienische Bedingungen – ideale Brutstätten für Krankheiten. Bei ihrer Ankunft waren die Migranten üblicherweise erschöpft und unterernährt. Mindestens 104 Flüchtlinge starben während der schwedischen Invasion Bayerns in den 1630er-Jahren auf den Straßen der pestverseuchten Stadt Landsberg; und in der hohenlohischen Stadt Kirchberg waren nach der Schlacht von Nördlingen ein Drittel aller Toten Flüchtlinge.84 Die meisten Städte boten keinen Schutz, denn sie waren klein und schlecht befestigt. Übervölkerung sorgte schnell für bedrohliche Lebensmittelknappheit, während strategische Erwägungen die Städte zu militärischen Zielen machten. Im Jahrzehnt nach 1625 flohen viele Menschen aufs Land, wo es sicherer und Nahrung reichlicher vorhanden war. Danach scheint die Stadtflucht abgenom-

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men zu haben, weil die beweglicher gewordene Kriegführung nun das Land unsicher machte. Ländliche Gemeinschaften traf der Krieg besonders schwer, weil sie generell kleiner waren und schnell ihre Lebensfähigkeit verloren, wenn zu viele Leute fortgingen. Daraus erklärt sich die Entvölkerung auf dem Lande, die sich vor allem in den 1640er-Jahren bemerkbar machte, als Bauernhöfe und Weiler verlassen wurden und die Menschen sich in größeren Dörfern und Städten zusammenfanden. Allerdings erwies sich die Lage einer Ortschaft oftmals als entscheidend, weil manch kleinere, isolierte Gemeinschaft der Pest und der militärischen Verwüstung entgehen konnte. Die Todesursachen in der Zivilbevölkerung waren die gleichen wie bei den Soldaten: Die meisten starben an Krankheiten. Die erste große Pestepidemie trat 1622/23 auf; schwerer waren die Ausbrüche um 1625 und 1634, mit einer Verschiebung von ein bis zwei Jahren je nach Region. Eine vierte, weniger tödliche Epidemie breitete sich zwischen 1646 und 1650 aus. Für die meisten Todesfälle in den 1630er-Jahren war die Beulenpest zuständig. Verheerend wirkte auch das Fleckfieber (Typhus), eine durch Läuse in der Kleidung verbreitete Infektionskrankheit. Während die Pest im 16. Jahrhundert alle zehn bis 20 Jahre ihre Opfer forderte, lassen Häufigkeit und Umfang der Ausbrüche nach 1618 auf eine Pandemie schließen, bei der die Neuinfektion zeitweise abebbte, aber aufgrund gestiegener Mobilität und Unterernährung nie ganz verschwand.85 Gebiete, die vom ersten Ausbruch betroffen waren, hatten beim zweiten weniger Tote zu verzeichnen, obwohl die Sterblichkeit, wenn man den dazwischen stattgefundenen Bevölkerungsrückgang in Betracht zieht, unverändert hoch blieb. So gab es beispielsweise 1625 in Naumburg 1642 Pesttote – acht Mal so viel wie die durchschnittliche jährliche Vorkriegstodesrate. Weitere 799 Personen starben im darauffolgenden Jahr, doch beim zweiten Ausbruch betrugen die Höchstzahlen nur noch 702 (1633) und 741 (1636). Auch Kroppenstedt, ein kleiner Ort östlich von Halberstadt, hatte Höchstzahlen von 695 (1626) und 226 (1636) Todesfällen zu verzeichnen, während es vor dem Krieg im Durchschnitt nur 50 Tote pro Jahr gegeben hatte. Ganz eindeutig war die Pest der größte einzelne Todesfaktor: 44 Prozent der Todesfälle, die zwischen 1622 und 1649 im Pfarrbezirk Elspe auftraten, sind der Pest der Jahre 1636/37 zuzuschreiben.86 Die Ansteckung mit der Pest verlief in den meisten Fällen tödlich. Etwa 80 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen, die in das Pestspital von Wien eingeliefert wurden, starben. Überproportional viele Kinder gehörten zu den Opfern: Jedes dritte war es in Magdeburg und Halberstadt 1625.87 Die Pest bereitete zudem noch anderen Krankheiten den Boden, vor allem wenn Militäroperationen für Lebensmittelknappheit sorgten. In Naumburg blieb die Sterblichkeit auch nach dem Pestausbruch der Jahre 1633–36 hoch, was Banérs Ope-

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rationen in der Nähe geschuldet war. Die Stadt verzeichnete1639 411 Todesfälle hauptsächlich durch Unterernährung, gefolgt von 1109 zwischen 1641 und 1643, für die vor allem die Ruhr verantwortlich war. Obwohl sie zweifellos hoch waren, müssen diese Zahlen in ihren zeitgenössischen Kontext gestellt werden, in dem eine hohe Sterblichkeitsrate die Norm war. Augsburg verzeichnete in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts 38 000 Pestopfer in acht Jahren, dann zwischen 1550 und 1600 in sieben Jahren 20 000 Tote; im Vergleich dazu waren es 34 000 Fälle während der neun Jahre, in denen Pestepidemien zwischen 1600 und 1650 wüteten. London verlor bei jedem Ausbruch – 1595, 1603 und 1625 – ein Fünftel seiner Einwohner und konnte zwischen 1625 und 1646 nur elf Jahre ohne hohe Sterberaten verbuchen. Von daher ist anzunehmen, dass viele Menschen, die zwischen 1618 und 1648 im Reich starben, auch ohne Krieg ein kürzeres Leben gehabt hätten. So gelangte etwa die Epidemie von 1622 nicht durch Soldaten nach Augsburg, sondern durch den Handel mit Amsterdam; negative wirtschaftliche und klimatische Bedingungen trugen sodann zur Ausbreitung bei. 1619 war das erste Jahr mit einem nasskalten Sommer gewesen, dem weitere schlechte Jahre folgten, was bis 1628 zu einer Reihe von Missernten führte. Die Epidemie von 1622/23 fiel mit einer Hyperinflation zusammen, die die Kaufkraft erheblich schwächte und zu Unterernährung führte. Allerdings machten die Truppenbewegungen alles noch schlimmer. Schon der böhmische Feldzug 1620 trug zu einer hohen Sterblichkeit durch Fleckfieber bei, das dann von Mansfelds Armee bei ihrer Flucht in die Rheinpfalz geschleppt wurde. Als die Truppen im Herbst 1621 dort ankamen, breitete sich in der Zivilbevölkerung Panik aus. 20 000 Menschen flohen ins Elsass, woraufhin es im überfüllten Straßburg zu 4000 Todesfällen kam. Mansfelds Soldaten verbreiteten weiter den Typhus, als sie nach Norden in die Niederlande und dann nach Ostfriesland marschierten. Schließlich erlag der Heerführer 1626 selbst der Krankheit. Die Pest tötete auch andere prominente politische und militärische Führer, wie etwa Kurfürst Friedrich V., Bernhard von Weimar, Gouverneur Feria und General Holk. Die erste Welle einer Pestepidemie flammte 1624/25 im Elsass auf und breitete sich über Metz wahrscheinlich durch Flüchtlinge nach Frankreich aus, wo ihre Vernichtungskraft durch Unterernährung begünstigt wurde. Die Missernte von 1627 führte in Frankreich zur ersten ernsthaften Lebensmittelknappheit seit den 1590er-Jahren, und die Situation verschlimmerte sich, als es 1629 eine weitere Missernte gab. Der Krieg war für das Vordringen der Epidemie von entscheidendem Einfluss. Paris und der Norden blieben weitgehend verschont; die Pest breitete sich mit den Truppenbewegungen während des letzten Hugenot-

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tenaufstands nach Süden aus. Insgesamt starben in Frankreich von einer Bevölkerung von 17 bis 20 Millionen zwischen 1,5 und 2 Millionen Menschen an der Pest.88 Die zweite, tödlichere Pestwelle folgte Wallensteins Marsch nach Norden und seinen breit gefächerten Operationen in Norddeutschland 1625/26. 1630/31 ging die Zahl der Pesttoten in Deutschland trotz erneuter Truppenbewegungen zurück, was wohl mit den besseren Wetterbedingungen und Ernteerträgen dieser Jahre zusammenhängt. Im Gegensatz dazu erlitt Norditalien den schlimmsten Ausbruch, der wiederum durch die militärischen Operationen um Mantua und Casale eindeutig verschärft wurde. Die Bevölkerung des Herzogtums Mailand fiel um ein Drittel auf 800 000 Personen; die von Mantua um die Hälfte. Wie in Deutschland wurde die gefühlte Bedeutung dieser Verluste noch dadurch gesteigert, dass es in Italien seit einem Jahrhundert kaum ernsthafte Kampfhandlungen gegeben hatte. In Süddeutschland brach die Pest erneut aus, als zuerst kaiserliche und dann spanische Truppen 1631 über die Alpen nordwärts marschierten. Mit der schwedischen Invasion von Bayern 1632/33 breitete sich die Epidemie dann nach Osten aus und erreichte im Dezember 1635 Salzburg, wo sie vermutlich von Flüchtlingen eingeschleppt wurde. Nach Schwedens Niederlage bei Nördlingen gelangte sie auch nach Westen in Richtung Rhein. In Nördlingen selbst war die Todesrate der Jahre 1629–33 bereits zweieinhalb Mal so hoch wie der Vorkriegsdurchschnitt, erreichte aber im Jahr der Belagerung und Schlacht, als die Pest zusammen mit den spanischen Truppenverstärkungen ankam, das Siebenfache. Auch in Augsburg fiel das Wiederauftauchen der Pest mit der Blockade der Stadt im Winter 1634/35 zusammen; der vierte Ausbruch dort ereignete sich im Gefolge der Belagerung durch französische und schwedische Streitkräfte im September 1646. Hinter diesen Statistiken verbergen sich ungezählte persönliche Tragödien. Von den zehn Kindern des Schusters Hans Heberle überlebte ihn nur eines. Zwei starben, wie auch Hans’ Eltern und vier Geschwister, an der Epidemie von 1634/35.89 Die demografische Erholung nach dem Krieg resultierte aus einer steigenden Geburten- und einer sinkenden Todesrate. Württembergs Bevölkerung war vor dem Krieg jedes Jahr um ein halbes Prozent gewachsen, doch in den zwei Jahrzehnten nach 1648 kletterte die Rate auf 1,8 Prozent. Reisende berichteten, Deutschland sei ein Land der Kinder: Fast die Hälfte der Württemberger war in den 1660er-Jahren unter 15 Jahre alt.90 Unglücklicherweise wurden viele von ihnen für die ausgedehnten Kriege nach 1672 rekrutiert, was die positive Entwicklung verlangsamte und in einigen Gebieten ins Gegenteil verkehrte. Die meisten Quellen berichten übereinstimmend, dass das Bevölkerungsniveau von

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1618 im Allgemeinen erst 1710–20 wieder erreicht wurde. Auch hier gab es freilich Unterschiede. Das Herzogtum Berg musste zwischen 1618 und 1648 einen Bevölkerungsverlust von 20 Prozent hinnehmen, hatte sich 1680 aber wieder erholt, wohingegen das benachbarte Jülich seine 28 Prozent Verlust erst 1720 wieder wettgemacht hatte. In einigen Gebieten bremste der wirtschaftliche Niedergang die Erholung. Stralsund hatte den Bevölkerungsstand von 1627 erst 1816 wieder erreicht, während Nürnberg sogar bis 1850 brauchte, um wieder an die vor dem Krieg erzielte Geburtenrate heranzukommen.91

Wirtschaftliche Auswirkungen Neuere Arbeiten zur deutschen Wirtschaftsgeschichte gehen davon aus, dass das Reich am Vorabend des Krieges weder florierte noch im wirtschaftlichen Niedergang begriffen war. Einige Sektoren boomten, andere schrumpften. Das einstige Bevölkerungswachstum hatte sich abgeflacht und die Landwirtschaft war intensiver geworden, aber eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen war unterbeschäftigt. Geschäftspleiten, steigende Preise und eine wachsende Zahl von Bettlern trugen zur weit verbreiteten Auffassung bei, dass die Zeiten sich verschlechterten. Die meisten Menschen hatten das Gefühl, zu Lebzeiten ihrer Eltern sei das Leben besser gewesen. 1618 waren in den Steuerverzeichnissen von Augsburg nicht einmal sieben Prozent der Haushalte als relativ wohlhabend gelistet, während mehr als 48 Prozent als arm galten.92 Das Gefühl wachsender Not wurde nach 1621 noch beträchtlich verschärft, denn nun setzte das ein, was gemeinhin als erste Finanzkrise der westlichen Welt angesehen wird.93 Diese Periode einer Hyperinflation wurde später „Kipper- und Wipperzeit“ genannt. Der Name rührt wohl vom Wippen der Waagschalen beim Auswiegen der Münzen und ihrem anschließenden Kippen (Aussortieren) her. In dieser Episode zeigen sich die Stärken und Schwächen des Reichs vor dem Hintergrund seiner umfassenderen politischen Krise; zugleich werden die Schwierigkeiten der Regierungen bei der Finanzierung der Kriegführung sichtbar. Die Hyperinflation beförderte Not und Elend und erschwerte es den Menschen, die Wiederaufnahme und Intensivierung des Konflikts nach 1625 zu bewältigen. Die Inflation war eine Folge der unbedachten Manipulation des Währungssystems im Reich, das auf einer Kombination von nominalen Rechnungseinheiten mit in den Alltagsgeschäften verwendeten Münzen beruhte. Als Rechnungsmünze fungierten vor allem im Norden der Silbertaler und im Süden der Goldoder Silbergulden. Beide wurden auch als Münzen ausgegeben, doch die meis-

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ten Leute zogen Scheidemünzen vor, Kleingeld mit erhöhtem Kupferanteil. Das Münzrecht war ein kaiserliches Vorrecht, das seit Langem auf Fürsten und Reichsstädte, die ihre eigenen Münzen prägten, übergegangen war. Die Durchführung wurde von der 1559 erlassenen Reichsmünzordnung geregelt, die die unterschiedlichen Münzen gemäß ihrem Edelmetallgehalt zueinander in Beziehung setzte. Maßstab war dabei die kölnische Mark, eine Silbermünze von etwa 233 Gramm Gewicht. Angleichungen im Wechselverhältnis wurden bei regionalen Münzversammlungen ausgehandelt. Sie hatten die Aufgabe, für die Einhaltung der Münzordnung zu sorgen, die jedem, der dagegen verstieß, den Tod androhte. Aber die Durchsetzung erwies sich als schwierig in dem Maße, in dem immer mehr Territorien ihre eigenen Münzinstitutionen aufbauten. Allein in Niedersachsen erhöhte sich die Zahl von sechs im Jahr 1566 auf 30 im Jahr 1617. Hinzu kam die territoriale Fragmentierung, doch kann die resultierende Krise nicht der Reichsverfassung allein angelastet werden. Die Münzordnung von 1559 reflektierte das in der Frühmoderne verbreitete Ideal einer statischen Ordnung und bot wenig Raum für Schwankungen in der Versorgung mit Kupfer und Edelmetallen oder eine veränderte Nachfragesituation infolge wirtschaftlichen und demografischen Wachstums. Unterbrechungen bei den Goldund Silberlieferungen aus der Neuen Welt glichen Spanien und die Vereinigten Niederlande durch die zunehmende Verwendung von Kupfer aus, was durch Importe aus Japan und vor allem einen steigenden schwedischen Ausstoß begünstigt wurde. Hinzu kam die Problematik, dass zwischen Edelmetall als Ware und als Tauschmittel unterschieden werden musste. Die Kosten von Silber überstiegen den Nominalwert der daraus gefertigten Münzen, was die Münzbetreiber dazu veranlasste, den Münzwert durch einen größeren Anteil Kupfer zu verschlechtern. Münzverschlechterung war vor 1618 ein eher seltenes Phänomen gewesen – bis dann die Regierungen zunehmend Schwierigkeiten hatten, den Krieg zu finanzieren. Ein unterentwickeltes Kreditwesen machte das Leihen von Geld zu einem schwierigen Unterfangen, wohingegen die Münzverschlechterung eine relativ einfache Lösung darzustellen schien, insbesondere weil man über die Risiken einer Inflation noch sehr wenig wusste. Die böhmischen Rebellen hatten sich dieses Mittels bereits 1619 bedient, desgleichen eine Reihe weiterer Territorien, von denen einige nur schnelle Gewinne machen wollten. Die Habsburger setzten die Praxis fort, nachdem sie 1620 die Kontrolle über die böhmische Münze und die Silberminen zurückerlangt hatten. So richtig in Gang kam die Praxis allerdings erst im Januar 1622, als Kaiser Ferdinand II. die Münze einem privaten Konsortium anvertraute, das vorwie-

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gend aus kaiserlichen Amtspersonen bestand, darunter der Statthalter von Böhmen, Karl Liechtenstein. Während 1618 eine kölnische Silbermark einen Tauschwert von 19 Gulden besessen hatte, streckte das Konsortium diesen Wert und prägte Münzen mit einem Nominalwert von 79 Gulden, später sogar 110 Gulden. Insgesamt wurden schlechte Münzen mit einem Nominalwert von 29,6 Millionen Gulden ausgegeben, was dem Habsburger Schatzmeister einen Gewinn von 6 Millionen Gulden bescherte. Die Profite der Betreiber wurden auf 9 Millionen Gulden veranschlagt, dürften aber eher bei 1,3 Millionen gelegen haben. Ihre wahren Gewinne bestanden vielmehr in der Verwendung von schlechtem Münzgeld für den Erwerb von konfisziertem Rebellenbesitz, den der Kaiser im September 1622 zum Verkauf freigegeben hatte. Gute Handelsabschlüsse mit schlechter Münze zu bezahlen war bald ein weit verbreiteter Brauch. In der Reichsstadt Überlingen stieg die städtische Schuldenrückzahlung von dem in der Vorkriegszeit üblichen Niveau, das bei durchschnittlich 1900 Gulden pro Jahr lag, auf jährlich 8000 Gulden, da der raffinierte Schatzmeister die Gläubiger mit schlechter Münze auszahlte.94 Die Aktivitäten des Konsortiums haben beträchtliche Aufmerksamkeit erregt, doch spielten sie im Rahmen der Gesamtkrise eine eher untergeordnete Rolle. Die schlimmste Inflationsperiode hatte im März 1621 begonnen und war bereits im Abflauen begriffen, als das Prager Münzkonsortium seine Tätigkeit aufnahm. Da ihm auch Jacob Bassevi, der Älteste der Prager Judenschaft, angehörte, heizte das die heftig antisemitische Kritik der Protestanten an der Münzverschlechterung an, obwohl einige der schlimmsten Betrüger im lutherischen Norddeutschland, aber auch in Teilen Frankens, im Elsass und im calvinistischen Hessen-Kassel saßen. Illegale Münzstätten, sogenannte Heckenmünzen, waren in Provinzstädtchen in Betrieb, bisweilen mit heimlicher Unterstützung durch benachbarte Herrscher, die hofften, auf Kosten anderer davon profitieren zu können. Die Folgen zeigten sich schon bald. Der Leipziger Stadtrat ruinierte die städtischen Finanzen durch Spekulationen am Kupfermarkt. Gute Münzen verschwanden aus dem Umlauf, während Steuern mit schlechtem Geld bezahlt wurden. In Naumburg fiel der Realwert der Staatseinkünfte um fast 30 Prozent.95 Die Preise stiegen ins Unermessliche, weil Händler für handelsübliche Waren ganze Säcke voll schlechten Geldes verlangten. In Franken beispielsweise stieg der Preis für einen Laib Brot zwischen 1619 und 1622 um 700 Prozent. Leuten mit festem Einkommen ging es schlecht: Die 30 Gulden, die der Theologiestudent Martin Bötzinger pro Jahr erhielt, waren auf einmal nur noch drei Paar Stiefel wert.96 Es kam ab 1621 zu beträchtlichen Unruhen, die in Magdeburg 16 Tote und 200 Verletzte forderten.

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Nun ergriffen die größeren Territorien Gegenmaßnahmen, für die das sächsische Vorgehen typisch ist. Der Kurfürst setzte zusammen mit seinen Ständen im März 1622 eine Kommission ein, die illegale Münzstätten schloss und Münzen zurückrief, damit sie mit vollem Silbergehalt neu ausgegeben werden konnten.97 Solche Maßnahmen wurden in Niedersachsen, Bayern und Franken auf regionaler Ebene über die Kreise abgewickelt, während andernorts auch Nachbarterritorien miteinander kooperierten. Ferdinand II. erneuerte den Vertrag des Konsortiums nach dessen Auslaufen im Januar 1623 nicht und ordnete im Dezember eine 87-prozentige Abwertung der Münzen an. Oberflächlich betrachtet zeigte sich das Reich nach der Rückkehr zu ehrlicher Währung Ende 1623 bemerkenswert gut erholt. Illegale Münzstätten wurden geschlossen, und die Kreise nahmen ihre Münzversammlungen wieder auf. Auch die öffentlichen Einkünfte legten – jedenfalls in von Militäroperationen nicht geplagten Gebieten – wieder zu. Dieser relative Erfolg zeigt die Widerstandskraft der Reichsverfassung wie auch die andauernde Fähigkeit von Protestanten und Katholiken, bestehende Institutionen zur Lösung gemeinsamer Probleme zu nutzen. Für die offizielle Währungsregulierung stellte nur die Störung aufgrund der schwedischen Invasion eine ernsthafte Komplikation dar. Ansonsten blieb der verfassungsmäßige Rahmen das bevorzugte Mittel gegen eine erneute Münzverschlechterung, als in den 1630er-Jahren die Militärausgaben schwindelnde Höhen erreichten.98 Doch im Hintergrund der Rückkehr zum ehrlichen Geld lauerten gravierende Probleme. In Verbindung mit der Inflation vernichtete die Missernte von 1621/22 fast alles, was die vorangegangenen zwei Jahrzehnte der Landwirtschaft an relativer Stabilität beschert hatten. Die vormals wohlhabenderen Schichten der ländlichen Bevölkerung verkauften Vermögenswerte und exportierten die verbliebenen landwirtschaftlichen Überschüsse, um ihre Verluste zu decken. Die Inflation beeinträchtigte zumindest zeitweise die gewöhnliche Reaktion auf Subsistenzkrisen: Geldverleiher weigerten sich, neue Darlehen zu gewähren, wenn sie nicht mit guter Münze bezahlt wurden, die aber nicht leicht aufzutreiben war. Die Territorialregierungen waren daher gezwungen, ihren eigenen Untertanen Kredite zu geben, indem sie etwa Aufschub von Steuerzahlungen gewährten. Ansonsten gestattete die Fortsetzung des Kriegs keine Stundung von Zahlungen, worunter viele Leute zu leiden hatten, als sich die Militärkontributionen nach 1625 erhöhten.99 Handel und Gewerbe Die Klagen deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts, dass der Fehlschlag von Wallensteins Ostseeplan und die Inbesitznahme Pommerns durch Schweden Deutschland bis in die 1880er-Jahre hinein die Möglich-

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keit verwehrt habe, Kolonialmacht zu werden, dürften sich wohl kaum erhärten lassen.100 Bremen und Hamburg, die zwei größten Häfen, waren nicht durch ausländische Mächte besetzt und verfügten weiterhin über Zugang zur Nordsee. Auch andere Häfen blieben trotz der Präsenz von Ausländern offen. So zum Beispiel Emden, das Brandenburg nach 1680 als Stützpunkt nutzte, um sich in den Sklavenhandel einzuschalten. Von Lübeck und Rostock aus konnte der Ostseehandel betrieben werden. Deutsche stellten mehrheitlich das Personal der Niederländischen Ostindienkompanie und waren auch an den Aktivitäten Portugals in Indien beteiligt.101 Der wahre Grund für die späte Beteiligung von Deutschen an kolonialen Unternehmungen vor allem auf Staatsebene war der Mangel an Anreizen. Die Mitteleuropäer profitierten lange von Handelsstrukturen, die sich nur allmählich wieder westwärts zum Atlantik orientierten. Spanier und Portugiesen wiederum blieb der Handel via Nord- und Ostsee aufgrund ihrer geografischen Lage weitgehend verwehrt, weshalb sie auf den Ozeanen nach einer damals risikoreich und wenig gewinnbringend erscheinenden Alternative suchten. Andere Bereiche des Handels wurden vom Krieg sehr viel direkter beeinflusst, wenngleich es auch hier eine große Schwankungsbreite gab. Im Großen und Ganzen litten die Städte weniger als das Land, auch wenn – wie das Beispiel Prag zeigt – ihr Reichtum sie häufig zu verlockenden Zielen militärischer Angriffe machte. Einige Städte wurden komplett zerstört, wie etwa Magdeburgs zwei Vorstädte, die während der Belagerung von 1630/31 dem Erdboden gleichgemacht wurden. Erheblich mehr wurden durch wiederholte Angriffe schwer beschädigt. Dazu gehörten Magdeburg selbst sowie Bamberg, Chemnitz, Pirna und Marburg. Die meisten anderen kamen zwar nicht ungeschoren davon, doch war das nicht unbedingt ein Hinderungsgrund für Bevölkerungswachstum – in Wien, Nancy und Frankfurt am Main stiegen die Einwohnerzahlen. Viel hing von den konkreten Bedingungen ab, vor allem von der Lage und davon, ob eine Stadt ein eigenes Territorium mit abhängigen Dörfern besaß. Hamburgs Umgebung litt schwer unter dem Kriegsgeschehen, während die Stadt selbst verschont blieb und sogar eine Zunahme ihrer Einwohnerzahl um 50 Prozent verzeichnen konnte. Die Zerstörungen im Umland von Magdeburg waren sogar noch größer, weil die Stadt wiederholt Blockaden und Belagerungen ausgesetzt war. In der unmittelbaren Nachbarschaft wurde die Hälfte der Häuser zerstört, während es im übrigen Erzbistum 15 bis 35 Prozent waren. Auch im Süden wurde ein Viertel der Dörfer im Landgebiet der Reichsstadt Rothenburg in den 1640er-Jahren verlassen. Städte, die ihre Tore vor den Soldaten verschlossen, verlagerten die Last auf das Land. Oftmals wurde die Umgebung einer Stadt verheert, um deren Bewohner einzuschüchtern oder territoriale Herrscher unter Druck zu setzen.102

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Weniger offensichtlich, aber dennoch von Bedeutung waren die Veränderungen bei den Bewohnern der Handelszentren. Die Stadträte bevorzugten bei ihren Entscheidungen ihre eigenen Bürger (von denen sie gewählt wurden) gegenüber den weitgehend rechtlosen ländlichen Untertanen und den Zugewanderten. Generell ging es den Gewerbezweigen besser, die Grundbedürfnisse befriedigten. So gab es beispielsweise bei den Bäckern und Brauern weniger materielle Not als bei Musikern, Baumeistern, Webern und im Dienstleistungsgewerbe. Auch Metallarbeiter hatten dank der Herstellung von Waffen und Rüstungen recht gut zu tun. Einzelne Personen gelangten zu Reichtum, aber es gab relativ wenig Kriegsgewinnler. Die meisten Produzenten wollten mit allen Parteien gut auskommen, nicht nur des Gewinnes halber, sondern um Vergeltungsaktionen zu vermeiden. Die Manufakturen in Aachen, einem Zentrum der Waffenproduktion, machten bis in die 1630er-Jahre gute Gewinne – bis die konkurrierenden Armeen damit begannen, Waffen ohne Zahlung zu requirieren. Die Schweden erhielten umfangreiche Waffenlieferungen aus dem thüringischen Suhl, die sie ebenfalls nicht bezahlten.103 Ein derartiges Verhalten fand schnell auch in anderen Wirtschaftssektoren Nachahmer: In Naumburg schloss die Stadtbrauerei 1639, weil die Soldaten ihr Bier nicht mehr bezahlten. Das war ein schwerer Schlag, denn Naumburg war für sein Bier berühmt. Allerdings konnte sich die damalige gewerbliche Produktion bei ihrem geringen Umfang und ihrem dezentralen Charakter schnell wieder erholen, sofern es noch Märkte für ihre Güter gab. In Suhl zerstörten die Kaiserlichen im Oktober 1634 fast die gesamten Betriebsanlagen der dortigen Waffenwerkstätten, doch als die Arbeiter zurückkehrten, war auch die Produktion bald wieder im Gange. Furcht und Ungewissheit ließen den Handel ins Stocken kommen, vor allem weil das Reisen unsicher geworden war. Allerdings verstärkten sich dadurch häufig nur Trends, die ohnehin bereits existierten. Etablierte Handelszentren profitierten oft vom Niedergang kleinerer Konkurrenten. So konnte Leipzig sein Handelsvolumen auf Kosten von Naumburg erweitern. Bedeutende Finanzzentren wie Hamburg und Frankfurt am Main blieben ebenfalls wohlhabend. Selbst eine Besatzung musste nicht unbedingt zur Katastrophe geraten. Wesel litt unter der spanischen Eroberung von 1614, erholte sich aber nach 1629 schnell wieder, als die Niederländer dort eine Garnison einrichteten. Mit den Niederlanden hatte Wesel schon vordem Handel getrieben. Die Kämpfe unterbrachen die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Territorien im Reich. Pläne zur Verbesserung der Flussschifffahrt blieben liegen, und weil auch der Deichbau vernachlässigt wurde, waren die Niederrheingebiete Überflutungen ausgesetzt. Ehrgeizige Vorhaben wie das von Wallenstein, der Ost- und Nordsee durch einen Kanal miteinander verbinden wollte, wurden

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nicht verwirklicht. Die Befürchtung, dass die Soldaten das, was sie brauchten, ohnehin einfach stehlen würden, führte zur Vernachlässigung von lebenswichtigen Ressourcen. So wurden etwa in Württemberg nach 1634 die Forstgesetze gebrochen, als die Gemeinden geschützte Eichen zu Geld machten und, besonders in harten Wintern, die Wälder plünderten. Doch lässt sich dieser Raubbau nicht mit dem des 20. Jahrhunderts vergleichen, denn nach dem Krieg erholte sich die Natur rasch wieder.104 Natürlich wirkte sich der Krieg negativ auf die Wirtschaft aus, doch verhinderte er die ökonomische Entwicklung nicht völlig. 1625 nahm der Erzbischof von Salzburg ein umfangreiches Projekt zur Trockenlegung der Moore vor der Stadt in Angriff, und auf dem Höhepunkt der Krise in Süddeutschland 1632 legte er den Grundstein für einen Vorort auf dem neu gewonnenen Land. 1644 wurde das Projekt mithilfe holländischer (also vermutlich protestantischer) Ingenieure vollendet. Das Kloster Ottobeuren baute nach 1625 seine Weberei aus und bildete Lehrlinge aus, auch wenn ihre Zeugnisse erst nach dem Krieg beurkundet werden konnten.105 Landwirtschaft Welche landwirtschaftliche Aktivität an einem Ort vorherrschte, bestimmte das Wohl und Wehe der ländlichen Welt während des Krieges. Viehhaltung war besonders sensibel, weil die Tiere von den Soldaten einkassiert und fortgetrieben werden konnten. Eine Bestandsaufnahme im Kloster Ottobeuren fand dort 1636 nur 133 Pferde und 181 Stück Vieh vor, während es 16 Jahre zuvor 2094 Pferde und 6607 Stück Vieh gewesen waren. Vor allem der Verlust von Zugtieren war desaströs, weil das die Feldbestellung und damit die Ernte gefährdete. Nachdem die Schweden den Bauern um Bamberg 1633 ihre Pferde und Ochsen gestohlen hatten, mussten sie die Pflüge selbst über die Felder ziehen.106 Den großen Bauernhöfen erging es für gewöhnlich besser, weil sie über umfangreichere Ressourcen und mehr fruchtbares Land verfügten. Nach den schwedischen Verheerungen in Bayern in den 1630er-Jahren verzeichnete die Herrschaft Seefeld 58 Prozent niedergebrannte oder verlassene Häuser von Sölden (Kleinbauernstellen), 69 Prozent von halben Höfen, aber nur 37 Prozent der ganzen Höfe.107 Doch widerlegen neueste Forschungen die frühere Annahme, dass der Krieg östlich der Elbe die Zusammenlegung von Bauernhöfen zu großen Gutswirtschaften begünstigt habe. Die Domänenwirtschaft hatte sich in diesem Gebiet bereits im 16. Jahrhundert entwickelt, wenn auch keinesfalls als durchgängige Wirtschaftsform. Einige Gutsherren vergrößerten ihre Güter, indem sie ihrem Besitz verlassenen Grund und Boden einverleibten. Aber es gab beim Landbesitz keine generelle Vereinbarung mit den Territorialfürsten auf

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Kosten der Bauern. Die Entvölkerung steigerte vielmehr den Wert der Arbeitskraft der Überlebenden. Häufig konnten die Bauern günstigere Bedingungen wie etwa Erbpacht mit den Gutsherren aushandeln, waren diese doch keineswegs die natürlichen Verbündeten der Fürsten, sondern steckten in der Zwickmühle zwischen einem zunehmend fordernder auftretenden Territorialstaat und schlechten wirtschaftlichen Bedingungen. Manche Gutsbesitzer, besonders in Böhmen, erlegten ihren Bauern in der Tat größere Arbeitsverpflichtungen auf. Allerdings war diese Praxis durchaus nicht allgemein verbreitet und rechtfertigt nicht die überkommene Klassifizierung als „zweite Leibeigenschaft“.108 Durch die Zerstörung von landwirtschaftlichen Vermögenswerten wie Scheunen oder Weingärten und durch die Entvölkerung des Landes fielen die Preise für Grund und Boden. 1648 lag etwa ein Drittel des bebauten Landes im Reich verlassen da, und in einigen Gebieten war es sogar fast die Hälfte. Selbst Ländereien, die noch kultiviert wurden, mussten oft von ihren hart bedrängten Besitzern verkauft werden. Überlingen veräußerte 1649 den Großteil seiner landwirtschaftlichen Flächen, um seinen Anteil an der Entschädigung für die Schweden aufbringen zu können. Der Markt war schnell übersättigt. Ein Bauernhof in Franken, der 1614 noch 500 Gulden wert gewesen war, stand 1648 für 37 Gulden zum Kauf. Und die Knappheit an Kapital erschwerte es selbst den Kaufwilligen, den Handel perfekt zu machen. Im fränkischen Fall hatte der Käufer nicht einmal die 37 Gulden übrig, sondern erbrachte das Geld durch Hinzuziehung eines Partners, den er fünf Jahre später auszahlte.109 Die Kreditkrise Wachsende Verschuldung war schon vor dem Krieg ein verbreitetes Problem, sodass hier die Meinung derjenigen, die bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Kriegsfolgen von einem bereits früh erfolgten Niedergang ausgehen, auf festerem Boden ruht. Zwischen 1554 und dem späten 16. Jahrhundert lagen die Schulden des Bistums Bamberg bei etwa 800 000 Gulden, und das trotz einer Tilgung von 470 000 Gulden, weil der Bischof inzwischen neue Verbindlichkeiten eingegangen war. Die Kämpfe während der Fürstenrevolte 1552 verfünffachten Nürnbergs Schulden auf 4,3 Millionen Gulden, von denen bis 1618 lediglich 300 000 Gulden zurückgezahlt waren. Die Inflation der Kipperund Wipperzeit sorgte dann für weitere Probleme: Bambergs Verbindlichkeiten stiegen auf 1,2 Millionen und die von Nürnberg auf 5,7 Millionen Gulden. Gegen diese Steigerungsraten erscheinen die von den letzten Kriegsjahren verursachten eher moderat. Zwar stiegen Nürnbergs Schulden weiter auf 6 Millionen, aber Bamberg konnte seine Verbindlichkeiten 1653 auf 831 802 Gulden herabschrauben. Wie bei allen Statistiken aus der Kriegszeit müssen auch diese Zahlen sorgfältig interpretiert werden. Potenziell waren die Schulden sehr viel hö-

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her, weil die meisten Territorien und Gemeinden ihre Zinsen nicht bezahlten. Die Schulden von Überlingen verdoppelten sich auf 280 000 Gulden gemessen am Vorkriegsniveau, waren jedoch fast dreieinhalbmal so hoch, wenn man die 163 553 Gulden ausstehender Zinsen dazurechnete.110 Die steigende Verschuldung kann nicht allein den Kriegskosten angelastet werden. Graf Eitel Friedrich von Hohenzollern-Hechingen häufte innerhalb von 20 Jahren Misswirtschaft und Abwesenheit von seinem Territorium als kaiserlicher General mehr als 610 000 Gulden Schulden an. Andere Herrscher gaben, während ihre Untertanen Not litten, das Geld weiterhin mit vollen Händen aus. Der angeblich so sparsame Friedrich Wilhelm von Brandenburg kaufte auf dem Höhepunkt der schwedischen Besatzung seines Kurfürstentums in den Jahren 1641–45 Gobelins, Juwelen und Silberwaren im Wert von 29 200 Talern. Angesichts der finanziellen Misswirtschaft vor dem Krieg dürften viele Territorien auch ohne militärische Konflikte in ökonomische Schwierigkeiten geraten sein. Sicher verschlimmerte der Krieg die Lage durch Militärkosten und sinkende Steuereinnahmen: Graf Eitel Friedrichs jährliche Einnahmen aus seinem kleinen schwäbischen Territorium betrugen noch 1623 beachtliche 30 000 bis 40 000 Gulden, waren aber zwei Jahrzehnte später auf 4000 Gulden zusammengeschmolzen. Der Wert besteuerbarer Vermögenswerte in der Rheinpfalz sank zwischen 1618 und 1648 von 18,8 auf 3,8 Millionen Gulden, während die Jahreseinkünfte von 441 508 auf 76 977 Gulden zurückgingen. Zwar war das ein Extremfall, aber fast überall sank die Zahl der Steuerzahler schneller als die der Gesamtbevölkerung – ein Zeichen für die verbreitete Verarmung.111 Nach 1648 spielten Reichsinstitutionen eine wichtige Rolle bei der Behebung dieser Probleme. Herrscher, Stände und Gemeinschaften jedweder Art borgten Geld von Einzelpersonen, religiösen Stiftungen oder (weniger häufig) reichen Bankiers. Auch durch den Verkauf von Annuitäten wurde Geld beschafft. Im Ergebnis verteilten sich die Schulden in Deutschland über einen relativ breiten Querschnitt der Gesellschaft, darunter auch all jene, deren Einkommen auf regelmäßigen Zinszahlungen basierte. So mussten etwa Protestanten, die in den 1620er-Jahren aus den Habsburger Erblanden flohen, zuvor ihr Hab und Gut verkaufen. Die Erlöse investierten sie dann in Annuitäten, die von den Städten Regensburg, Ulm und Nürnberg ausgegeben wurden. Aber 1633 zahlte nur noch Regensburg die Zinsen. Mit Blick auf das Risiko von Zahlungsunfähigkeit oder -säumigkeit begünstigten die Reichsgesetze traditionell eher die Gläubiger als die Schuldner. Zweifellos erschwerte der Krieg nun allerdings die ordnungsgemäße Rückzahlung, und die Schuldner waren, wenn die Gläubiger ihre Vermögenswerte beschlagnahmen ließen, häufig ruiniert. Die Stände in Pommern hatten daher bereits 1628 Schritte zum Schutz von Schuldnern unternommen; viele

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Territorien folgten diesem Beispiel. Dennoch galt die Aufnahme von Schulden immer noch als etwas, das man besser vermied. Die Regierungen erlaubten es den Schuldnern nicht, ihre Verbindlichkeiten abzuschreiben. Wohl gewährten sie kurzfristige Moratorien, wollten aber Argumente, dass die außergewöhnlichen Umstände des Kriegs die Rückzahlungsverpflichtungen außer Kraft setzten, nicht gelten lassen. Die Schulden stiegen steil an, weil zu den ursprünglichen Verbindlichkeiten noch die rückständigen Zinszahlungen hinzukamen. Die Regierungen kleinerer Territorien befürchteten, die Gerichte könnten ihre Besitzungen beschlagnahmen, weil die Schulden nur so zu begleichen waren. Auf dem Reichstag von 1640/41 wurde das Problem von der Reichsstadt Esslingen auf die Tagesordnung gebracht, doch konnte der Reichstag wegen anderer dringlicher Probleme keine Lösung erarbeiten. Immerhin wies Kaiser Ferdinand III. den Reichshofrat an, bei von Gläubigern eingereichten Beschwerden den Interessen der Schuldner mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Das Reichskammergericht erließ freilich auch weiterhin einstweilige Verfügungen gegen Schuldner. Als Begründung führte es an, dass die Interessen der Geldgeber geschützt werden müssten, um zu verhindern, dass das Vertrauen in die Finanzwirtschaft verloren gehe. Das Thema wurde erneut nach 1643 von der Reichsdeputation und dann auf dem Friedenskongress behandelt, dort allerdings mitsamt der übrigen Justizreform auf den nächsten Reichstag vertagt. Der Frieden von Osnabrück annullierte im Artikel IV lediglich Schuldversprechen oder -verschreibungen, die durch militärischen Zwang oder Drohung abgenötigt worden waren. Wenn ein Schuldner sich darauf berief, dass Schulden durch eine kriegführende Partei gewaltsam eingetrieben worden seien, sollte über die Ansprüche des Gläubigers innerhalb von zwei Jahren nach Verkündigung des Friedens gerichtlich entschieden werden. Die Problematik rief im ganzen Reich eine intensive Debatte hervor. Die beiden obersten Gerichtshöfe des Reichs legten dem Reichstag, als er 1653 zusammentrat, detaillierte Stellungnahmen vor. Auch die böhmischen und österreichischen Exulanten reichten Petitionen ein, weil sie befürchteten, dass auf den Verlust ihres Eigentums nun der ihrer Annuitäten folgen würde. In seinem Abschied 1654 traf der Reichstag eine wegweisende Regelung, die deshalb von besonderer Bedeutung war, weil sie den kollektiven Vorrang des Reichs über die Autonomie der Territorien betonte. Die entscheidenden Passagen wurden trotz der Einwände von Brandenburg und Bayern verabschiedet. Die Kurfürstentümer hatten moniert, dass eine generelle Regelung ihre vom Frieden von Osnabrück garantierte Rechtsprechung beeinträchtige. Der Rezess bestätigte die Unrechtmäßigkeit von gewaltsamen Eintreibungen, verfügte ein dreijähriges Moratorium auf Kapitalrückzahlungen in anerkannten Schulden und gestattete es Schuldnern,

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für die nächsten sieben Jahre die Höhe der Rückzahlung selbst zu bestimmen. Zudem sah er die Tilgung von einem Viertel der rückständigen Zinsen bis 1654 vor und verschob die Zahlung der restlichen Zinsen auf die Zeit nach 1664. Für die Pfalz galt eine Sonderregelung: Sie war für ein Jahrzehnt von allen Zinszahlungen befreit und musste in den darauffolgenden zehn Jahren nur 2,5 Prozent (die Hälfte des offiziellen Satzes) bezahlen. Wie im Fall des Normaljahrs gab es bei der Umsetzung der Schuldenregelung beträchtliche Unterschiede. Viele Territorien weiteten das Rückzahlungsmoratorium zu ihrem eigenen Vorteil aus. Sachsen schrieb fast 600 000 Taler mit der Begründung ab, es sei damals mit schlechter Münze bezahlt worden. Außerdem erkannte das Kurfürstentum 1656 Zinsrückstände in einer Höhe von 10 Millionen Talern einseitig nicht an und schrieb den Rest fünf Jahre später ab. Brandenburg, Bamberg, die Pfalz und andere Territorien verweigerten etwa einem Fünftel ihrer Schulden die Anerkennung, während Württemberg die Zinsrückstände all seiner Stadt- und Landgemeinden sowie die von Privatpersonen abschrieb. Die Stände des Herzogtums hatten bereits die Hälfte ihrer Schulden von insgesamt vier Millionen Gulden abgeschrieben. Private Gläubiger konnten froh sein, wenn sie ein Drittel ihres ursprünglich verauslagten Kapitals zurückerhielten. Dennoch gelang es dem Reichstag, die Integrität des Kapitalmarkts aufrechtzuerhalten, indem er nicht so weit ging, den Krieg als Rechtfertigung für einen generellen Schuldenschnitt durchgehen zu lassen. Er setzte auf ein konservatives Arrangement, das die vorherrschende Haltung Schulden gegenüber bestätigte. Alte Verbindlichkeiten blieben gültig und konnten an nachfolgende Generationen weitervererbt werden. Später auftretende Schwierigkeiten wie die Kriege um die Mitte des 18. Jahrhunderts verzögerten die Rückzahlung weiter. Die Schulden bestanden sogar weit über das Ende des Reiches hinaus, weil die Nachfolgestaaten verpflichtet waren, die Verbindlichkeiten ihrer Vorgänger zu übernehmen. Das westfälische Werl zahlte 1897 die letzten noch aus dem Dreißigjährigen Krieg stammenden Schulden. Der 1654 festgelegte Höchstsatz von fünf Prozent auf Zinszahlungen blieb fast überall in Deutschland bis 1867 in Kraft. Der Erfolg der Regelung wurde durch ein pragmatisches Vorgehen vor Ort garantiert. Herrscher und Grundbesitzer waren zumeist bestrebt, Zwangsvollstreckungen zu vermeiden, weil solche Zwangsmaßnahmen sich negativ auf Pachtzahlungen und Produktion auswirkten. Die Rückzahlung der zu Kriegszeiten angehäuften Schulden der Pächter wurde bis in die 1670er-Jahre ausgesetzt, um den Druck auf sie zu vermindern und die Landwirtschaft wiederzubeleben.112 Erholung setzt ein Die Einkünfte der Territorien stiegen unmittelbar nach dem Krieg rasch wieder an. Während das Bistum Hildesheim 1643–45 nur 7670 Taler

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einnahm, waren die Einkünfte im Finanzjahr 1651/52 bereits wieder mehr als dreimal so hoch.113 Dies war in erster Linie der „Friedensdividende“ nach der Demobilisierung zu verdanken: Das zuvor für den Unterhalt von Garnisonen aufgewendete Geld floss nun wieder den Schatzmeistern der Territorien zu. Solche Zahlen sind mithin kein sicherer Indikator für die tatsächliche wirtschaftliche Erholung. Abgesehen von der Schulden- und Währungsregulierung unternahmen die Reichsinstitutionen nur wenig Anstrengungen, den Wirtschaftsaufschwung zu steuern. Die beiden Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück beseitigten alle kriegsbedingten Zölle bis auf die von Schweden, dem Kaiser und den Kurfürsten erhobenen. Wie die Schuldenregelungen diente auch diese Bestimmung dazu, die Herrschaft des Gemeinwohls über die territoriale Autonomie zu bekräftigen. Den Herrschern wurden störende Eingriffe in den Handel untersagt, auch durften sie ohne ausdrückliche Genehmigung des Kaisers keine neuen Zölle erheben oder zu denen aus der Vorkriegszeit zurückkehren. Der Nürnberger Exekutionstag vertraute die Durchsetzung der Regelungen den Kreisen an. Einige kleinere Territorien wurden davon ausgenommen, indem sie dem üblichen Verfahren folgend an den Kaiser appellierten. Bremen durfte seinen zuerst 1623 erhobenen Weserzoll behalten. Der Fränkische Kreis konnte einigen Erfolg bei der Aufhebung illegaler Zölle verbuchen und entwickelte – zusammen mit Schwaben und einigen weiteren Regionen – eine glückliche Hand bei der Koordinierung der wirtschaftlichen Aktivitäten seiner Mitglieder, die bis ins 18. Jahrhundert währte. Doch viele Herrscher zogen kurzfristige Gewinne aus Einkünften den längerfristigen Vorteilen des Freihandels vor, und schon bald wurden in den meisten Territorien neue Verbrauchssteuern erhoben.114 Dem Wachstum stand nicht unbedingt die Verfassung im Wege, sondern vielmehr traditionelle Gebräuche und festgefahrene Geschäftspraktiken, von denen man sich nicht trennen wollte. So waren die meisten Städte wenig geneigt, die Kriterien für eine Einbürgerung zu lockern, was wiederum die Migranten abschreckte, die man doch dringend zur Wiederbevölkerung brauchte. Entlang der Hauptverkehrswege erholte sich der Handel relativ schnell. Viele Hinweise stammen allerdings aus Zollbescheinigungen, die das wahre Handelsvolumen nur ungefähr einzuschätzen gestatten. Die Zölle von Lobith am Rhein und von Lenzen an der Elbe, beide von Brandenburg erhoben und kontrolliert, waren während des Kriegs abgestürzt, erreichten aber binnen eines Jahrzehnts nach dem Friedensschluss wieder ihr altes Niveau. Gleiches gilt für Landzölle auf Güter, die das Kurfürstentum durchquerten.115 Dennoch verlief der Aufschwung ungleichmäßig. Einige Sektoren prosperierten schneller als andere. Das Baugewerbe, das während des Krieges besonders schwer betroffen gewesen

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war, profitierte nun vom Wiederaufbau und von wachsenden städtischen Einnahmen, mit deren Hilfe der Reparaturstau an den öffentlichen Gebäuden in Angriff genommen werden konnte. Es erwies sich als relativ einfach, verlassene Bauernhöfe zu übernehmen; keine leichte Aufgabe war es allerdings, die Landwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Nutztierhaltung erholte sich am schnellsten, jedenfalls dann, wenn genug Geld da war, um die Höfe mit Vieh zu bestücken. Doch brauchte es zehn bis 15 Jahre, um Brachland wieder zu kultivieren, weil der Boden überwuchert oder mangels Dünger unbrauchbar geworden war. Auch verlangsamten Arbeitskräfte- und Kapitalmangel die Erholung, doch in den 1660er-Jahren waren die schlimmsten Folgen überstanden. Um 1670 war die Getreideproduktion wieder auf dem Vorkriegsniveau, während die demografische Entwicklung noch hinterherhinkte. Immerhin regte das die sonstigen Wirtschaftsaktivitäten an, weil die Lebensmittelpreise niedrig blieben. Am schwierigsten war es, kapital- und zeitintensive Tätigkeiten wiederzubeleben. Der Weinbau, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Reich, war dem Krieg zum Opfer gefallen. So teuer und zeitaufwendig es war, Weingärten bis zur Produktionsreife zu entwickeln, eine so leichte Beute stellten sie für die Soldaten dar, die bei Belagerungen und Überfällen die Stöcke herausrissen oder niederbrannten. Das Weinbaugebiet, das sich im Besitz der Überlinger Bürger befand, schrumpfte während des Kriegs um nahezu zwei Drittel; nach 1648 waren die Weinbauern gezwungen, bei Schweizer Banken Hypotheken auf ihre Häuser aufzunehmen, um die Produktion wieder aufzubauen. Selbst als Überlingen 1802 seine Autonomie verlor, war das Weinbaugebiet immer noch nur halb so groß wie vor dem Krieg. Überlingen war mit seinem Schicksal kein Einzelfall, und der Schaden, den der Krieg dem einstigen Hauptzweig der lokalen Wirtschaft zugefügt hatte, erklärt die Stagnation vieler südwestdeutscher Städte. Doch ist das Gesamtbild keineswegs nur düster. Der Rückgang der Weinherstellung war nämlich ein Segen für die Brauer der Region, deren Geschäft in dem Maße aufblühte, in dem Anbau und Ernte von Getreide sich erholten.

Die Krise des Territorialstaats Während üblicherweise davon ausgegangen wird, dass der Krieg sich negativ auf die Wirtschaftstätigkeit auswirkt, betrachten Historiker und Politologen ihn häufig als förderlich für die politische Entwicklung, weil er die Menschen zwinge, ihr Handeln zu koordinieren.116 Eine einflussreiche neuere Darstellung des Dreißigjährigen Krieges begreift diesen als „Staatsbildungskrieg“, der neue Staa-

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ten wie etwa die Republik der Vereinigten Niederlande hervorgebracht habe und es alten Staaten wie Portugal ermöglicht habe, ihre Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Der Krieg wird als Folgeerscheinung unzureichender staatlicher Entwicklung um 1600 interpretiert. So sei die Exekutivgewalt – verstanden als Fähigkeit, bindende Entscheidungen zu treffen – nicht in der Hand einer anerkannten, legitimierten Zentralregierung monopolisiert gewesen. Andere Defizite werden in konkurrierenden Ansprüchen auf die Loyalität der Untertanen gesehen, wie sie von den rivalisierenden christlichen Konfessionen erhoben wurden, die jede für sich universelle Geltung beanspruchten.117 Für gewöhnlich wird die Sicht auf das Reich durch die frühere negative Einschätzung seiner Verfassung vorgegeben. Bestenfalls gilt es als „teilmodernisiert“ – und ist im Übrigen im frühmodernen Stadium der europäischen Staatsentwicklung stecken geblieben, hat den Übergang zu einem souveränen Zentralstaat verpasst.118 Die politische Dynamik hat sich, so nimmt man an, auf die größeren Fürstentümer wie Brandenburg und Bayern verlagert, die ihre Autorität außenpolitisch konsolidieren und innenpolitisch ausbauen konnten. Diese Entwicklungen wurden üblicherweise mit dem Etikett „Absolutismus“ versehen, worunter die ganze Periode von 1648 bis ins 19. Jahrhundert subsumiert wird.119 Die Stände in den Territorien verloren die Fähigkeit, die Macht der Fürsten einzuschränken. Für diese Entwicklung sind viele Gründe vorgetragen worden, wobei „Verschuldung“ an oberer Stelle rangierte. Da die Adligen nicht mehr in der Lage waren, ihren Status durch traditionelle Einkommensarten zu bewahren, mussten sie entweder in den Staatsdienst treten oder zwecks Erhaltung ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Privilegien auf politische Machtbefugnisse verzichten.120 Dieser Trend zeichnete sich schon vor 1618 ab, wurde durch den Krieg aber beschleunigt. Einige Beispiele sind in diesem Buch schon angeführt worden, insbesondere der Erfolg der Habsburger bei der Neuformierung ihrer sozialen Herrschaftsbasis durch Patronage und die Vertreibung von Gegnern. Der Krieg trug auch zur Veränderung politischer Verhaltensformen bei. Düstere Drohungen wie eine möglicherweise bevorstehende ausländische Invasion förderten die Bereitwilligkeit, politischen Wandel durch den herrschenden Notstand legitimiert zu sehen. Wenn sich überkommene Handlungsmuster und Methoden nicht mehr als angemessen erwiesen, konnten Herrscher im Interesse des Gemeinwohls neue verfügen, wobei „Gemeinwohl“ das frühmoderne Äquivalent dessen war, was später als „nationales Interesse“ oder dergleichen firmierte. Die necessitas (Not, Notstand, Notwendigkeit) aber war die Mutter des Absolutismus. Monarchen und Fürsten beanspruchten unbeschränkte Macht, weil – wie sie behaupteten – ein einzelner Herrscher, der seine Autorität direkt von

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Gott ableitete, über dem Gezänk seiner Untertanen stand und ihre wahren Interessen zu erkennen in der Lage war. Nur ein solcher Herrscher, der in einem angemessenen Ambiente geboren und großgezogen worden war, verstand die „Staatsgeheimnisse“ im Sinne geheimer Mittel zur Erhaltung des Staates (arcana imperii), wohingegen seine Untertanen nur selbstsüchtige individuelle oder Gruppeninteressen verfolgten.121 Das Aufkommen des Absolutismus wird im Allgemeinen vor dem Hintergrund eines längerfristigen Prozesses der Zähmung von Gewalt gesehen, bei dem der Dreißigjährige Krieg erneut eine wichtige Rolle spielt. Die Literatur zur Staatsbildung bezieht sich häufig auf die einflussreiche Definition des Soziologen Max Weber, die dem Staat in einem bestimmten Gebiet das Gewaltmonopol, genauer: das alleinige Recht auf Ausübung legitimer Gewalt, zuschreibt. Der zentralisierte Staat verkörperte verschiedene Aspekte der Macht: neben dieser legitimen Gewalt auch Autorität (potestas) und Stärke (vis), wodurch es ihm eben gelang, über die ansonsten allgegenwärtige Gewalttätigkeit (violentia) zu triumphieren. Facetten dieser Problematik sind uns bereits bei der Diskussion der angeblichen Gesetzlosigkeit des Krieges in seiner letzten Phase begegnet. Derlei Behauptungen wurzelten in dem Bemühen von Territorialregierungen nach dem Krieg, sämtliche Streitkräfte in ihrer Hand zu monopolisieren und ihre in Friedenszeiten aufgestellten Armeen als dem früheren undisziplinierten Söldnertum überlegen darzustellen.122 Diese Entwicklungen führten zu Veränderungen in der ganzen Gesellschaft. Autorität war nun stärker zentralisiert, aber immer noch hierarchisch. Die männlichen Haushaltsvorstände besaßen weiterhin die Macht, die anderen Familienmitglieder und die Dienerschaft zu disziplinieren – wenn auch in den Grenzen, die die alles überformende, von Moral und säkularen Normen getragene Macht des Staates setzte. Physischer Gewalt sprach man nun die Legitimität ab und verbannte sie aus dem öffentlichen Leben. Zwar konnte der Haushaltsvorstand immer noch Gewalt anwenden, doch durfte das von den Nachbarn oder den lokalen Behörden nicht bemerkt werden. Die Demonstration öffentlicher Gewalt blieb dem Staat vorbehalten, obschon auch sie in vielfacher Hinsicht gezähmt worden war. Hinrichtungen wurden ritualisiert und allmählich den Augen der Öffentlichkeit entzogen, indem man sie etwa in Gefängnishöfe verlegte. Seit dem späten 18. Jahrhundert wurden sie vielerorts auch ganz abgeschafft. Unterdessen hatten und behielten unterschiedliche soziale Gruppen ihre je eigene Auffassung vom Umgang mit Gewalt (im Sinne dessen, was als akzeptabel galt), doch schaute auch hier der Staat genauer hin. Diese Interpretation ist im Großen und Ganzen hilfreich, sofern man staatliche Entwicklung als vorwiegend nichtintentional begreift. Die europäischen

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Herrscher verstanden sich höchst selten als „Baumeister“ des Staats, jedenfalls nicht vor dem späteren 18. Jahrhundert. Der politische Wandel orientierte sich nicht an einem abstrakten Staatsideal oder Idealstaat, sondern vollzog sich, weil die Herrscher andere, zumeist dynastische, Ziele erreichen wollten. Als zweite wichtige Einschränkung ist zu beachten, dass die staatliche Entwicklung nicht auf der glatten Bahn fortschrittsorientierter Modernisierung verlief. Krieg und Staatszerstörung Und schließlich darf auch die Rolle nicht vergessen werden, die der Krieg bei der Zerstörung politischer Institutionen ebenso wie bei der Vernichtung von Menschen und Dingen spielte. Es gibt gute Gründe, den Dreißigjährigen Krieg als Krise der Territorialstaaten des Reichs zu sehen. Damit ist keine Rückkehr zu der vormals beliebten Theorie einer allgemeinen Krise intendiert, die die Kriege und Revolten des 17. Jahrhunderts als Autoritätskrisen darstellte.123 Sicher gab es gegen das Bestreben der Herrschenden, von oben nach unten „durchzuregieren“, Auflehnung von unten. Der Böhmische Aufstand passt zumindest im Großen und Ganzen in dieses Muster. Aber es gab vor 1618 keine allgemeine Gefahr eines von den Ständen geführten Aufstands, oder gar einer Revolte der Bevölkerung. Die wirkliche Infragestellung der etablierten Ordnung entwickelte sich erst mit dem Krieg. Der Krieg gefährdete dynastische Kontinuitäten und Traditionen und untergrub die tragenden Pfeiler etablierter Autorität. Umfangreicher Landbesitz wurde nach großen Siegen – 1620, 1629, 1631 und 1634 – neu verteilt. Ganze Territorien wechselten den Oberherren, so die Pfalz, Mecklenburg, Bamberg, Würzburg und Mainz. Einzelne Verwaltungsbezirke gingen ebenfalls von einem Territorium an ein anderes über. Zahlreiche Herrschaften, Klöster und Landgüter wurden beschlagnahmt und umverteilt. Einige der ältesten und vornehmsten Familien des Reichs wurden für vogelfrei erklärt, andere verloren ihre Erben in der Schlacht. Zu den neuen Besitzern gehörten Männer wie Wallenstein, dessen schneller sozialer Aufstieg die gesellschaftlichen Konventionen brach. Diese Veränderungen waren zutiefst beunruhigend. Sie kappten Verbindungen zwischen Land, Einwohnern und Herrschern, die durch Abstammung und Brauchtum geheiligt waren, und ersetzten sie durch eine augenscheinlich auf nackter Gewalt beruhende Ordnung. Spekulationen darüber, dass Wallenstein sich zum König von Böhmen oder gar zum Kaiser krönen lassen könnte, waren zwar unbegründet, zeigten aber, wie groß und verbreitet die Angst vor dem Stabilitätsverlust war. Nichts schien mehr heilig, während die Autorität in die Hände von Männern geriet, die in den Augen ihrer Untertanen häufig weder das Herkommen noch den Status hatten, als legitime Inhaber von Macht aufzutreten.

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Die Untertanen fühlten sich von denen, die sie doch eigentlich schützen sollten, verraten und verkauft. Schwester Maria Anna Junius berichtete, was „die bössen leudt geschryn“, als der Bischof von Bamberg vor den anrückenden Schweden die Flucht ergriff: „itzund reischt er wiederumb aus und lest uns in stich / naus das dich disser und Jener [d. h. des Teufels Henker und andere Fluchwörter] hol / das du hals und bein abfallest …“ In ganz ähnlicher Weise sahen die lutherischen Pastoren in der Flucht der Regentin Anna Maria von Hohenlohe-Langenburg nach der Schlacht bei Nördlingen eine Sünde.124 Wenn sich Herrscher mitsamt ihren Beamten aus dem Staub machten, war damit zugleich die Wirksamkeit der Regierungstätigkeit äußerst eingeschränkt. Lokale Beamte und führende Köpfe wie Dorf- oder Stadtbürgermeister gehörten ohnehin zu den bevorzugten Geiseln von Soldaten zwecks Erpressung von Kontributionen. Selbst wenn man sie in Ruhe ließ, wurden sie in ihrer Tätigkeit durch Einquartierungen gestört, und bekamen es mit Offizieren zu tun, deren militärische Befehlsgewalt und Forderungen mit denen der Zivilregierung konkurrierten. Blieben die Soldaten längere Zeit als Besatzungsmacht, stellte das eine enorme Herausforderung dar. Der schwedische Kommandeur in Olmütz teilte den Stadträten mit, er sei nun der Herr in der Stadt und könne tun und lassen, was er wolle.125 Auch ein vorübergehender Aufenthalt von Truppen, die sich auf dem Durchmarsch befanden, konnte für Chaos sorgen und es gefährlich machen, sichere Gebiete zu verlassen, um sich drängender Probleme anzunehmen. Als besonders bitter empfand die Bevölkerung den Zusammenbruch der Justiz, weil sie in der Wahrung des Rechts eine Hauptaufgabe ihrer Herrscher gesehen hatten. Requirierungen und Plünderungen durch das Militär waren für die Betroffenen nichts anderes als Raub, doch schienen die Gerichte keine Macht zu haben, derlei zu verhindern. Aber die Menschen hatten auch Angst, einer gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten und zur Ergreifung von Verbrechern beizutragen, weil sie befürchteten, dass die Festgesetzten zur Armee eingezogen würden – und am Ende als Soldaten zurückkehrten, um Vergeltung zu üben. Auch die Kirche als Institution hatte zu leiden. Bei Kriegsende verfügten nur 64 von Bambergs 110 Pfarrbezirken über einen Priester, und das Verhältnis von Geistlichen zu Gemeindemitgliedern fiel im elsässischen Sundgau, der zu Habsburg gehörte, von 1:345 auf 1:1177.126 Schließlich und endlich wurde auch die Mitwirkung der Stände durch den Krieg gestört. Vogt, Bürgermeister und Rat von Lauffen entschuldigten sich für ihr Fernbleiben vom Württemberger Landtag, weil daheim alles voller Soldaten sei und zwei französische Kavallerieregimenter die Umgebung unsicher machten.127 Die wachsenden Kriegssteuern untergruben gleichfalls die Rolle der Stände, weil diese Lasten oftmals ohne vorherige Beratung auferlegt wurden.

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Viele Territorialherrscher trieben diese Steuern auch nach 1648 weiterhin ein, wobei sie die necessitas als Argument anführten: Die internationale Unsicherheit sei groß, meinten sie oder behaupteten, man müsse dem Kaiser gegen die Türken beistehen, weshalb die Steuern eben unvermeidlich seien. Wenn die Steuern dann erst einmal permanent geworden waren, brauchten die Landtage nicht mehr einberufen werden, womit die Stände die Möglichkeit verloren, ihre Privilegien auszubauen oder Beschwerden vorzubringen. Allerdings war der Niedergang der Stände nicht allgemein, und manche Stände waren nach 1648 sogar stärker als zuvor. Zuweilen gewannen sie durch den Krieg neue Aufgaben, vor allem in Gebieten, wo der Fürst und seine Amtsträger geflohen waren oder keine wirksame Herrschaft mehr ausüben konnten. Die neue Ordnung Die territoriale Herrschaft befand sich zwar in der Krise, brach aber nicht zusammen. Sie überlebte, weil sie alternativlos war. Die Armee konnte ihre Funktionen nicht übernehmen, und die Befehlshaber bedienten sich, um Geld und Lebensmittel aufzutreiben, lieber der existierenden Zivilverwaltung. Die Kaiserlichen erhielten von der fränkischen Stadt Kitzingen, nachdem sie die Stadt im September 1634 zurückerobert hatten, innerhalb der nächsten neun Jahre Bargeld und Dienstleistungen im Wert von 284 600 Gulden aus öffentlichen Geldern, dagegen nur 144 000 Gulden von Privatpersonen.128 Wo Herrscher gestürzt worden waren, ließen die Eroberer zumeist alles beim Alten; sie rührten die bestehenden Institutionen und deren Personal nicht an. Was Bayern in der Pfalz und Oberösterreich praktizierte und wie die Schweden vorgingen, nachdem sie Mainz und die fränkischen Bistümer erobert hatten, legt den Schluss nahe, dass selbst konfessionelle Unterschiede nicht zur automatischen Entlassung des amtierenden Personals führen mussten (siehe Kapitel 10 und 14). Die Verwaltungen passten sich der Lage an. In den 1630er-Jahren wurden neue, einfachere Formen der Besteuerung eingeführt, weil es an Personal und Informationen fehlte, um persönliche Umstände berücksichtigen zu können. Die neuen Abgaben waren zumeist pauschal erhobene Kopfsteuern oder Verbrauchssteuern auf Güter des alltäglichen Bedarfs, wodurch natürlich die Armen am härtesten getroffen wurden. Die Behörden in Gotha übernahmen die Kontrolle über die Steuerverwaltung von den Ständen, weil sie nach 1640 einen erneuten Versuch unternahmen, die Sicherheitsmaßnahmen zu koordinieren. Sie vermittelten zwischen den Soldaten und der Zivilbevölkerung, um Befreiung von unmäßigen militärischen Forderungen zu erwirken, während sie im Gegenzug reguläre Kontributionen zu zahlen versprachen. Evakuierungsmaßnahmen wurden verfügt für den Fall, dass die Sicherheitsvorkehrungen die Soldaten nicht an einem erneuten Auftauchen hindern würden. In einem solchen Fall

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sollten Menschen und Besitz in die befestigten Städte eines jeden Bezirks gebracht werden. Die Miliz wurde 1641 wieder ins Leben gerufen, um bei solchen Aktionen zu helfen. Die Steuerlasten wurden neu verteilt, um jene Gemeinden, die an Transitrouten lagen und daher am meisten zu leiden hatten, zu entschädigen.129 Die aktivere und innovative Rolle, die den Verwaltungen jetzt zugefallen war, sollte ihnen in der Wiederaufbauphase der Nachkriegszeit erhalten bleiben und mit zum Wandel des Staatsideals beitragen: vom Wächter der etablierten Ordnung zum Förderer des Gemeinwohls. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit der Pest. Angesichts ihrer starken Verbreitung sahen sich die weltlichen Amtsträger genötigt, stärker in das Alltagsleben einzugreifen, wobei sie häufig auf den Widerstand von Bevölkerung und Geistlichkeit stießen. Papst Urban VIII. exkommunizierte Beamte in Florenz, die für das Gesundheitswesen zuständig waren, weil sie religiöse Versammlungen und Prozessionen verboten hatten, um die Ansteckung zu bekämpfen. Auch deutsche Beamte sahen sich Protesten ausgesetzt, als sie Hinterbliebene von Trauerfeiern abhielten und die Leichen stattdessen rasch des Nachts beerdigten.130 Die Menschen wollten gleich nach dem Ende der Krise zu dem zurückkehren, was sie als geziemende Bräuche und Verhaltensweisen verstanden, doch erwies es sich als unmöglich, den säkularen Rationalisierungsprozess umzukehren, welcher der staatlichen Entwicklung innewohnte. Schon angesichts seines effektiveren Zugriffs auf Ressourcen schien nur der Staat zu übergeordneter Koordinierungstätigkeit in der Lage zu sein. So schaffte es 1635 sogar der finanziell schwer bedrängte Herzog von Pfalz-Neuburg, 1200 Ochsen und Wein und Getreide im Wert von 17 000 Talern zu verteilen, damit seine Untertanen sich besser von der Pest und der schwedischen Besatzung erholen konnten. Der Krieg schwächte die Fähigkeit lokaler Eliten, öffentliche Angelegenheiten ohne offizielle Hilfe zu regeln. Pächter, Müller, Geistliche, Gastwirte – alle sahen ihre Reichtümer stark vermindert oder gänzlich vernichtet. Ihr Ruf litt unter ihrem Unvermögen, diejenigen Mitglieder ihrer Gemeinschaft zu schützen, die von ihnen abhängig gewesen waren. Stattdessen erhofften sie nun selbst von den Bezirksbehörden und den zentralen Institutionen Hilfe und Schutz. Sie erreichten beispielsweise, dass bestimmte Erbschaftsregelungen in Kraft blieben, die ihnen das beste Land zusicherten. Als Gegenleistung halfen sie der Territorialregierung bei der Durchsetzung von Gesetzgebung, öffentlicher Ordnung und Steuereintreibung. Die Nachkriegsordnung in den Fürstentümern stützte sich auf diese Pfeiler.

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Kulturelle Auswirkungen Analog zu den sonstigen Folgeerscheinungen des Krieges hat man auch seine destruktive Wirkung auf die Kultur gesehen.131 Tschechische und deutsche Nationalisten glaubten gleichermaßen, der Krieg habe Kulturen zerstört, die zuvor in voller Blüte gestanden hätten, und zu Fremdbestimmung geführt. Für die Tschechen war dies die Herrschaft der „deutschen“ Habsburger, für die Deutschen war es die sklavische Orientierung an ausländischen Stilformen und die Missachtung all dessen, was später für authentisch deutsch gehalten wurde. Friedrich der Große, trotz seiner Geringschätzung der deutschen Literatur eine nationale Identifikationsfigur, schrieb: Nach dem Krieg war „das Land verheert, die Felder lagen brach, die Städte waren fast menschenleer … – sollte man zu Wien oder Mannheim Sonette dichten oder Epigramme machen?“132 Neben dieser kulturellen Variante der Theorie vom alles verheerenden Krieg gibt es noch eine andere Interpretation, die von einem weiter zurückreichenden Verfall ausgeht. Demnach verstärkte der Krieg den bereits bestehenden, schon der konfessionellen Polarisierung innewohnenden Trend zur Auflösung des einstigen kosmopolitischen Humanismus, indem er dessen Werte – Mäßigung, Toleranz, geistigen Austausch – zerstörte. Schon vor dem Krieg hatten Herrscher ihre eigenen Universitäten gegründet, um ihren jeweiligen Glauben zu fördern und Beamte und Geistliche für ihr Territorium auszubilden. „Eine Reihe außergewöhnlicher Denker blieb isoliert zurück und wandte sich nach innen, um in sich das einheitliche Weltverständnis zu bewahren und im individuellen Geist die Gesamtheit der menschlichen Weisheit nachzubilden.“133 Dieses Projekt einer Innenschau schlug fehl, und es blieb nur das davon übrig, was absolutistische Herrscher für nützlich erachteten, um ihre Untertanen zur Bescheidenheit zu erziehen und mit neu erbauten Barockpalästen dynastischen Glanz zu verbreiten. Die bei vielen Kunst- und Literaturhistorikern zu beobachtende Tendenz, die Lebendigkeit einer Kultur anhand der Kriterien von Originalität und Innovation zu beurteilen, unterstützt keinen der beiden Ansätze. Das Reich scheint nach 1600 im kulturellen Verfall begriffen zu sein, wenn man als Messlatte Maler wie Albrecht Dürer oder Lucas Cranach anlegt oder an Gutenbergs wahrhaft innovative Druckerpresse denkt oder auch an die herausragenden humanistischen Gelehrten des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Dagegen brachte die Kultur der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts – so die verbreitete Auffassung – nur epigonale Werke zustande. Es gab im Reich keine mit Rom, London oder Paris vergleichbaren „nationalen“ Kulturzentren, um Talente anzulocken und neue Stilrichtungen zu entwickeln.134

22. Die Kosten des Krieges

Sicher wirkte sich der Krieg auf die Kultur alles andere als günstig aus. Er erschwerte die künstlerische Tätigkeit und trug zu Zerstörung und Raub von Kunstwerken bei. Auf die Plünderung katholischer Bibliotheken im Auftrag Königin Christinas von Schweden haben wir bereits hingewiesen. Bibliotheken enthielten wertvolle Kulturgüter und stellten unschätzbare Wissensspeicher dar. Alle Regierungen hatten gegen schwindendes Expertenwissen und den zunehmenden Mangel an qualifiziertem wissenschaftlichem Personal zu kämpfen. Schweden besaß eine einzige Universität (in Uppsala) und konnte der Militärverwaltung nur graduierte Theologen zur Verfügung stellen, weil es keine anderen Absolventen mit entsprechender Befähigung gab. Infolgedessen waren Universitäten und Bibliotheken strategische Kriegsziele. Die Universität Marburg bildete den Mittelpunkt des Streits zwischen den rivalisierenden hessischen Dynastien. Maximilian von Bayern hatte begehrliche Augen auf die Bibliotheca Palatina in Heidelberg geworfen, die über eine (für die damalige Zeit) erstaunliche Anzahl von 8800 Büchern und Manuskripten verfügte, zu denen antike griechische Texte und eine große Sammlung protestantischer theologischer Schriften gehörten. Die wollte auch der Papst gerne haben, um zu wissen, was der Feind dachte. Um sich das päpstliche Wohlwollen zu erhalten, schickte Maximilian also – nicht ohne Bedenken – die Bibliothek im Februar 1623 nach Rom, wo sie bis 1815 blieb. Die Bestände der Mainzer Klosterbibliotheken wurden innerhalb weniger Wochen nach der Eroberung des Kurfürstentums nach Schweden überführt. Andere Bibliotheken wurden später sorgfältig von schwedischen Generälen durchforstet, um durch Übersendung einer ansprechenden Auswahl die Gunst der Königin Christina zu gewinnen. Bibliotheken litten auch an Schwund, weil Universitäten, Schulen und Klöster wertvolle Werke verkauften, um sinkende Einkünfte auszugleichen. Vieles war schwer zu ersetzen, auch weil der Krieg zum Niedergang der Frankfurter Buchmesse führte. Die Universität Würzburg öffnete erst 1636, zwei Jahre nach der Befreiung der Stadt von den Schweden, wieder ihre Pforten, weil der Bischof so lange brauchte, um die aus der Bibliothek gestohlenen 5000 Bücher zu ersetzen.135 Protestantische Universitäten und Schulen hatten zu kämpfen, als aufgrund des Restitutionsedikts Kircheneigentum zurückgegeben werden musste, das vormals zu ihrem Erhalt beigetragen hatte. Dabei waren die calvinistischen Einrichtungen am stärksten betroffen. Die Universität Heidelberg wurde schon bald nach Kriegsbeginn zur Beute. 1622 war bereits mehr als die Hälfte des Personals fort; die meisten waren mit den Studenten in die Schweiz oder die Niederlande geflohen. Die Zurückgebliebenen wurden dann 1626 entlassen – bis auf einen, der zum Katholizismus konvertierte. Die Herrschenden waren von der Konversion von Intellektuellen stets sehr angetan, weil damit die an-

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gebliche Überlegenheit ihres eigenen Glaubens vor Augen geführt wurde. So wurde die Konversion von Christoph Besold, seines Zeichens Professor an der württembergischen lutherischen Universität zu Tübingen, als Triumph des Katholizismus gefeiert. Das Schicksal der deutschen Universitäten zumindest bestätigt die Annahme von den negativen Auswirkungen des Kriegs auf die Kultur. Viele waren vordem Bildungsstätten von europäischem Rang gewesen, sanken aber zur Bedeutungslosigkeit herab, als ausländische Studenten sich nicht mehr immatrikulierten und auch nach dem Ende des Krieges fernblieben. Die Anzahl adliger Studenten ging überproportional zurück, weil sie im Militär eine attraktivere Alternative zum Studium sahen. Die schwierige Lage der Universitäten, die in einigen Fällen sogar zur endgültigen Schließung führte, wirkte sich allerdings nachteilig auf die Territorialverwaltung aus, weil qualifizierter Nachwuchs ausblieb. Kreativität und Innovation Auch andere kulturelle Aktivitäten litten unter dem Krieg. Zahlreiche Künstler flohen ins Ausland. Fürs Mäzenatentum blieb nur noch wenig Geld übrig, und Finanzmittel, die für das Restitutionsedikt oder die schwedischen Kontributionen aufgewendet werden mussten, fehlten bei der Förderung des Theaters und insbesondere der Musik. Heinrich Schütz, einer der bedeutendsten Komponisten des Jahrhunderts, war 1637 der Verzweiflung nahe, weil er für die lutherische Kirchenmusik keine Zukunft mehr sah. Doch wenn es ihm auch an Geld fehlte, so doch nicht an Ideen. Er ging kreativ mit der Lage um und komponierte sehr erfolgreich für kleinere Besetzungen von Musikern und Sängern.136 Kreative Ansätze begegnen auch in der Dichtung, was oft unterschätzt wurde, weil die Dichtung als Kunstform gleich nach dem Krieg in Mitteleuropa an Beliebtheit einbüßte. Auch hier dominierten die Lutheraner; immerhin wurde einer der ihren, Martin Opitz, von Kaiser Ferdinand II. zum poeta laureatus gekrönt. Weitere bedeutende Dichter waren Johann Rist (ein Pastor), Daniel von Czepko, Johann Moscherosch und die Schlesier Andreas Gryphius und Friedrich von Logau. Ihre Arbeiten waren eine direkte Auseinandersetzung mit dem Krieg, den sie zu begreifen und dessen Gewalt sie zu überwinden suchten. Allerdings ist ihr umfangreiches Werk oft stark introvertiert und lässt Raum für gegensätzliche Interpretationen, weshalb man mit allgemeinen Schlüssen vorsichtig sein sollte. In jedem Fall haben sie eine eigene deutsche Poesie geschaffen. Moscherosch und Logau machten sich über die Imitation ausländischer Stile und Moden lustig. Opitz, der 1620 in die Niederlande floh, veröffentlichte vier Jahre später sein Buch von der Deutschen Poeterey (später mit dem vorangestellten Zusatz Prosodia Germanica), um die deutsche Dichtkunst von konfessionel-

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len Streitereien zu befreien und ihr zu einer an klassisch-antiken Vorbildern ausgerichteten Größe zu verhelfen. All das beeinflusste die kulturellen Bestrebungen der überwiegend protestantischen literarischen Gesellschaften, die ihre Tätigkeit bereits in der Dekade vor dem Krieg aufgenommen hatten und sie auch nach dem Frieden fortsetzten. Opitz und Rist gehörten der Fruchtbringenden Gesellschaft an, die mit Christian von Anhalts Bemühungen zusammenhing, Calvinisten und Lutheraner in der Protestantischen Union zusammenzubringen. Rist gehörte darüber hinaus auch dem Pegnesischen Blumenorden an, der in Nürnberg beheimatet war, und gründete die Sprachgesellschaft des Elbschwanenordens. In ihrer Ablehnung fremder Einflüsse waren Rist und seine Zeitgenossen keine Nationalisten im modernen Sinne. Die Orientierung am Ausland war in ihren Augen nicht die Ursache, sondern nur ein Symptom von Deutschlands eigentlicher Sünde: Nicht durch fremde Aggression war das Unglück über die Deutschen als unschuldige Opfer gekommen, sondern weil sie es nicht zuwege gebracht hatten, als echte Christen miteinander im Frieden zu leben. Rist entwickelte dieses Thema nach 1630 in verschiedenen Werken, vor allem in seiner 572 Verse umfassenden Friedens-Posaune (1646) und seinen musikalischen Schauspielen Das Friedewünschende Teutschland (1647) und Das Friedejauchzende Teutschland (1653). In diesem Werk sucht „Mars“, der Kriegsgott, Rat bei einem „Staatsmann“. Er will von diesem erfahren, wie der Frieden hintertrieben und der deutsche Krieg fortgesetzt werden könne. Der „Friede“ legt „Mars“ glücklicherweise in Ketten, gibt „Teutschland“ jedoch den guten Rat, dass vor allem anderen die in Kriegszeiten abhanden gekommene Haupttugend der Gottesfurcht unter den deutschen Untertanen wieder verbreitet werden müsse.137 Das Schauspiel folgt damit eng der Botschaft, die Kirche und Staat offiziell verkündeten: Die Untertanen sollten die Sünde meiden und gehorsamst ihr Leben führen, damit Gott nicht noch einen weiteren Krieg schicken möge, um ihr Heimatland zu geißeln. Kritische Stimmen? Dieses Beispiel wirft die heikle Frage auf, ob der Krieg von Künstlern und Dichtern auch auf grundsätzlichere Weise kritisiert wurde. Die meisten Historiker sind der Ansicht, dass der Krieg in Kunst und Literatur – ähnlich wie bei Rist – nur auf moralische und theologische Einwände stieß. Als ein Beispiel sei hier der Grafikzyklus Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges von Hans Ulrich Franck angeführt. Das letzte Bild zeigt zum Thema „Memento mori“ den verwesenden Körper eines Kavalleriesoldaten; zu seiner einen Seite erhebt sich ein Galgen und zur anderen eine noch unzerstörte Kirche. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine Warnung an den Betrachter: Bereue, be-

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vor es zu spät ist.138 Diese Interpretation wurde indes als neokonservativ abgelehnt, weil sie leugne, dass man auch im Europa der Frühmoderne Mitgefühl mit den Leiden anderer habe zeigen und die Kunst als Spiegel und Werkzeug politischen Bewusstseins habe verwenden können. Bildliche Darstellungen, behaupten die modernen Kritiker, waren explizite Verurteilungen des Kriegs als Verbrechen an Unschuldigen. Die Künstler proklamierten keinesfalls den Glauben an göttliche Strafe, sondern zeigten in ihren Darstellungen, dass kein Verlass auf Gottes rettende Gnade sei. Vielmehr müssten die Menschen sich den Problemen dieser Welt stellen und nach praktischen Lösungen suchen.139 Diese kritische Interpretation bezieht sich auf den berühmten Radierzyklus Die großen Schrecken des Krieges, den der Lothringer Künstler Jacques Callot 1633 schuf. Viele seiner Bilder zeigen Soldaten, die Dörfer überfallen, plündern, morden und vergewaltigen. Eine Radierung zeigt Marodeure, die an den Ästen eines Baumes aufgehängt wurden. Man hat dies so verstanden, dass der Zyklus beides illustriere: das Problem und auch seine mögliche Lösung, die in strengerer Disziplin liege, nicht in Gebet und Reue.140 Aber Callot hat auch Panoramen und andere eher propagandistische Bilder geschaffen wie das aus mehreren Platten zusammengesetzte Panorama der Belagerung von Breda durch General Spinola 1625. Allein die niederländischen Künstler produzierten im 16. und 17. Jahrhundert einige Millionen Bilder, von denen wohl nur ein Zehntel die Zeiten überlebt hat. Wenn man dann noch die Radierungen und andere Grafik dazurechnet, ist die Anzahl von Werken aus den Kriegsjahren gigantisch. Sie lassen sich nicht in einfache Kategorien pressen, insbesondere auch deshalb nicht, weil die Mehrzahl von Künstlern stammt, die erst vor Kurzem ins Bewusstsein der Kunstgeschichte getreten sind. Noch weniger wissen wir über den Markt für solche Bilder. Es ist klar, dass viele Künstler sich kritisch mit dem Krieg auseinandersetzten, um persönlich Gesehenes oder Gehörtes zu verarbeiten – nicht um politische Kommentare abzugeben. So zeichnete Valentin Wagner immer wieder schlafende Personen, was als sein persönlicher Versuch interpretiert wurde, den Schrecken des Krieges zu entkommen. Rudolf Meyers Radierungen, die Soldaten bei der Massakrierung von Zivilisten zeigen, wurden zu Beginn der 1630er-Jahre angefertigt, doch erst 20 Jahre später veröffentlicht.141 Solche Gewaltdarstellungen waren üblich, müssen aber in ihrem Kontext begriffen werden. Meyer, Callot und Franck gehörten zu den vielen Künstlern, die in ihren Grafikzyklen alle Aspekte des militärischen Lebens darstellten. Sie trugen Titel wie Kriegstheater oder Soldatenleben und zeigten Kavalleriescharmützel, Überfälle, das Lagerleben, Soldaten beim Drill, das Würfelspiel oder Prügeleien von Betrunkenen. Auch zahlreiche kleinformatige Arbeiten befassten sich

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mit solchen Themen. Darstellungen von Krieg und Gewalt gehören also in den Kontext der damals weit verbreiteten Genremalerei. Tatsächlich ähneln die Szenen mit rowdyhaften oder gewalttätigen Soldaten anderen Darstellungen, die das Landleben zeigen, darunter auch betrunkene Bauern, die sich prügeln oder vollfressen. Franck und andere haben im Übrigen auch die – bisweilen mörderische – Rache der Bauern an den Soldaten geschildert. Obschon ebenfalls nicht frei von Kontroversen, sind fürstliche Auftragswerke und andere Propagandagemälde doch leichter einzuordnen. Der hochgestellte Auftraggeber wird für gewöhnlich zu Pferde und in den Vordergrund gerückt dargestellt, zum Beispiel auf einer Anhöhe in einer pseudo-realistischen Landschaft. Im Mittelgrund öffnet sich der Blick in die Weite und zeigt unter einem angemessen dramatischen Himmel den Sieg nach der Schlacht oder Belagerung. Tote Soldaten werden gern vor den Hufen des Pferdes drapiert, auf dem der Feldherr sitzt, und sind in einer solchen Darstellung nicht so sehr als Kriegsopfer denn vielmehr in klassischer Manier als Sinnbilder des besiegten Feindes zu verstehen. Der niederländische Maler Pieter Snayers stellte zwar auch plündernde Soldaten dar, wurde aber berühmt durch einen Zyklus von 12 großformatigen Schlachtengemälden, die Octavio Piccolomini zur Erinnerung an seine Laufbahn in Auftrag gegeben hatte. Von Snayers stammt auch ein Gemälde der Schlacht am Weißen Berg, das später in jenem Schlafgemach hing, das mehrere bayerische Kurfürsten in Folge benutzten. Maximilian hatte bereits seine persönliche Schlachtstandarte zusammen mit 20 vom Feind eroberten Bannern einer Kirche in Rom geschenkt, die als Dank für den Sieg der Heiligen Maria vom Siege geweiht worden war (Santa Maria della Vittoria). Der Innenraum war mit eigens in Auftrag gegebenen Gemälden zu dem wundersamen Geschehen am Weißen Berg geschmückt worden. Später wurde in München aus gleichem Anlass noch eine monumentale Mariensäule errichtet. Der Wunsch, dankzusagen, stand auch hinter bescheideneren Aufträgen, die zumeist von Katholiken kamen. Um 1651 ließen etwa ein Adjutant und sechs Trompeter vom bayerischen Kavallerieregiment Salis ein Votivgemälde anfertigen, das sie vor der Madonna kniend zeigte. Sie dankten der Jungfrau für den Sieg in der Schlacht von Alerheim 1645.142 Auch in anderen Kunstformen finden sich Beispiele für eine Verherrlichung des Krieges, auch wenn diese Arbeiten heutzutage weniger bekannt sind als die augenscheinlich eher kritischen Werke. 1664 veröffentlichte Wolfgang Helmhardt von Hohberg ein Versepos mit dem Titel Der Habspurgische Ottobert, das im 6. Jahrhundert spielt, sich aber deutlich an die Habsburger des 17. Jahrhunderts richtet und mit konventionellem Lobpreis für das Heldentum der Habsburger im Krieg für eine gerechte Sache nicht spart. Der Konflikt galt dem Autor

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als Teil der condition humaine, der Frieden dagegen als nicht dauerhaft. Hohberg hatte von 1632 bis 1641 in der kaiserlichen Armee gedient und es bis zum Hauptmann gebracht. Später wurde er zum Freiherrn erhoben. Er machte andere Erfahrungen als jene Barockdichter, die der Krieg aus ihrer Heimat (und manchmal auch ihrer literarischen Laufbahn) vertrieb.143 An Hohberg lässt sich zeigen, dass Soldaten nicht nur zerstören konnten, sondern auch selbst schöpferisch tätig werden oder Kunst ermöglichen konnten. Piccolomini und Erzherzog Leopold Wilhelm waren eifrige Förderer vor allem von Malern. Ein weiteres Beispiel ist der Palast Buen Retiro Philipps IV., dessen „Saal der Königreiche“ mit großformatigen Schlachtengemälden geschmückt war. Offiziere machten einen bedeutenden Anteil der Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft aus. Zu nennen ist etwa General Lohausen, der seine Gefangenschaft nach der Schlacht von Lutter dazu nutzte, ausländische Literatur ins Deutsche zu übersetzen. Auch General Horn widmete sich während seiner Gefangenschaft Studien und nahm am Jesuitentheater teil. Oberst von dem Werder, ein Deutscher in schwedischen Diensten, übersetzte Bücher, und General Gronsfeld war ein wissenschaftlich hochgebildeter Autor. Grimmelshausen Das berühmteste literarische Werk über den Krieg verfasste ebenfalls ein Soldat. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen wurde um 1621 in Gelnhausen, nordöstlich von Frankfurt am Main, geboren. Sein Vater, der lutherischen Glaubens war, starb, als Hans Jakob noch klein war. Seine Mutter heiratete erneut und schickte ihren Sohn zum Großvater, einem Bäcker und Gastwirt. Hans besuchte noch die Lateinschule, als die Schweden Gelnhausen plünderten, während die Einwohner in die umliegenden Wälder flohen. Später wurde Hans in das nahe gelegene Hanau gebracht, um den Folgen der Schlacht von Nördlingen zu entgehen. Als er auf dem Eis vor der Festung spielte, wurde er von Kroaten entführt und nach Hersfeld verschleppt. Kurz danach fingen ihn die Hessen, und er erlebte als Trossjunge im kaiserlichen Heer die Belagerung Magdeburgs durch die Sachsen und die Schlacht von Wittstock. 1637 nahm er als Soldat an Johann von Götzens vergeblichen Versuchen teil, Breisach zu entsetzen. Sein Oberst bemerkte, dass er lesen und schreiben konnte, und machte ihn 1639 zum Regimentssekretär. Den Rest des Krieges verbrachte Grimmelshausen in dieser Funktion in der kaiserlichen Garnison von Offenburg am Oberrhein. Noch in kaiserlichen Diensten trat er zum Katholizismus über und heiratete Katharina Henninger, die Tochter eines Wachtmeisters aus seinem Regiment. Nach dem Krieg wurde er Gutsverwalter (Schaffner) auf den Besitzungen seines ehemaligen Obersten. Seine Familie war wohl aristokratischer Herkunft; jedenfalls nahm er das „von“ wieder in seinen Namen auf, als sich sein

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Geschick in den 1650er-Jahren zum Besseren wendete. Er führte jetzt ein angenehmes Leben, kaufte etwas Land, hatte zwei Gasthöfe und wurde schließlich Schultheiß von Renchen, einem Städtchen, das dem Bischof von Straßburg unterstand. Sein Leben endete, wie es begonnen hatte: mit drohender Invasion. In diesem Fall war es der anfänglich von Turenne geführte französische Angriff auf das Elsass. Im August 1676 starb Grimmelshausen. Seine Vita könnte als Beispiel dafür dienen, wie es möglich war, trotz des Krieges in einigermaßen kommoden Umständen zu leben. Wirkliche Bedeutung aber erlangte er durch sein erstaunlich umfangreiches literarisches Werk, das er erst im letzten Jahrzehnt seines Lebens schuf. Sein größter Erfolg war sein zuerst veröffentlichter Roman. Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch erschien 1668 in fünf Teilen, gefolgt ein Jahr später von einem sechsten (der Continuatio). Weitere vier Werke erschienen, darunter 1670 Trutz Simplex oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche, nach der Bertolt Brecht sein berühmtes Stück Mutter Courage und ihre Kinder schrieb (1938, die Uraufführung fand 1941 in Zürich statt).144 Vieles im Simplicissimus ist autobiografisch. Der Protagonist verbringt seine Kindheit auf dem Lande; sie findet jedoch ein jähes Ende, als der Bauernhof seiner Eltern geplündert wird. Er muss im Wald leben und wird vom schwedischen Kommandanten von Hanau aufgenommen, aber als Narr behandelt. Er wird von Kroaten gefangen und beobachtet die Schlacht von Wittstock. Hier weichen die beiden Geschichten voneinander ab: Simplicissimus macht als wagemutiger Partisan zwischen verschiedenen westfälischen Außenposten Karriere und erlebt auch etliche Abenteuer in Frankreich, der Schweiz und dem Rheinland. Man kann den Roman als Geschichte einer Desillusionierung lesen; der Protagonist scheint sich von Religion und etablierter Ordnung abzuwenden, sie sogar zu kritisieren. Zweifellos bietet die Schlüsselszene (Buch I, Kapitel 4) eine Basis für diese Interpretation: Hier wird sehr detailliert beschrieben, wie die Soldaten den väterlichen Bauernhof systematisch plündern und seine Bewohner foltern, was durch die Erzählperspektive – Simplicissimus ist ja noch ein Kind – besonders wirkungsvoll gestaltet wird. Wenig überraschend wird dieses Kapitel am häufigsten aus dem ganzen Buch zitiert; gelegentlich wird darauf sogar in unkritischer Weise als vermeintlicher Augenzeugenbericht referiert. Die geläufige Interpretation sieht in der Schilderung einen Ausdruck des Zweifels an der göttlichen Gerechtigkeit: Wie kann Gott solche Grausamkeit zulassen? Augenscheinlich verzweifelt Grimmelshausen an der Religion: Sie bringt weder Frieden noch Wohlstand. Der Roman endet damit, dass Simplicissimus die mensch-

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liche Gesellschaft gänzlich verlässt und sich als Einsiedler auf eine einsame Insel zurückzieht.145 Aber diese Interpretation passt nicht recht zu dem, was wir über das spätere komfortable Leben des Autors wissen. Wichtiger noch ist, dass es über die berühmte Bauernhofszene hinaus nur wenige Schilderungen von Gewalt gibt. Vielmehr erscheint das soldatische Leben häufig in positivem Licht. Die Charaktere sind nach realen Personen gestaltet oder werden direkt aus dem Leben gegriffen wie der hessische Freischärler Jacques Mercier, alias „Kleiner Jakob“.146 Grimmelshausen verteidigt auch General Götzen gegen Kritik an der Belagerung von Breisach. Vieles an sozialer Kritik liest sich wie das Murren eines unbeachteten Fußsoldaten über seine Vorgesetzten. Einer häufig zitierten Passage über soldatische Grausamkeit (Buch I, Kapitel 14) folgt kurz darauf ein Lamento über die Schwierigkeiten der Beförderung. Vieles im Roman ist konventionell und konservativ. Es stellt sich heraus, dass Simplicissimus, wie sein Autor, adliger Herkunft ist – ein weit verbreitetes Motiv der Wunscherfüllung. Und wie sein Held hatte auch der Autor seinen eigenen Vorteil im Auge. Er wollte ein gut verkäufliches Buch schreiben und stopfte seine Geschichte daher voll mit Informationsbrocken, Reiseberichten, bekannten Bibelzitaten und klassischen Anspielungen, garniert mit ein paar volkstümlichen Geschichten und etwas Aberglauben. Gerade Letzteres täuscht jedoch über die Komplexität des Romans und die Bildung seines Autors hinweg. Seine Schilderung der Schlacht von Wittstock etwa liest sich, als wäre er dabei gewesen. In Wirklichkeit beruht sie auf dem 1590 erschienenen Roman Arcadia von Sir Philip Sidney. Viele Passagen sind anderen Schelmen- und höfischen Romanen entnommen, während der Schluss das zeitgenössische Interesse an Entdeckungen und Schiffbrüchigen spiegelt. Schlussbemerkungen Die angesprochenen Interpretationsprobleme lassen erkennen, wie schwierig es ist, Verallgemeinerndes über die Auswirkungen des Krieges zu sagen. Daher gilt es, als Erstes festzuhalten, dass sich der Einfluss des Krieges auf die Kultur – wie auch auf andere Aspekte des gesellschaftlichen Lebens – höchst unterschiedlich gestaltete. Jedenfalls kam es nicht zum sofortigen Erliegen der kulturellen Aktivitäten im gesamten Reich. Die Universität Salzburg öffnete vielmehr 1622 ihre Tore. Ab 1626 ließ der Kurfürst von Mainz einen neuen Palast direkt am Flussufer seiner Hauptstadt errichten. Solche Unternehmungen stellten die Fortführung bestehender Pläne dar, die im Zusammenhang mit der Neubelebung des Katholizismus zu sehen sind. Nach dem Krieg sollten sich solche Anstrengungen verdoppeln, was sich am Erblühen der Barockarchitektur in Süd- und Westdeutschland zeigt.

22. Die Kosten des Krieges

Einige Aktivitäten wurden trotz des Krieges fortgesetzt. Europas erste Opernaufführung außerhalb von Italien fand 1614 in Salzburg statt. Wenn das dortige Musikleben danach wieder stark zurückging, ist dies vorwiegend auf den persönlichen Geschmack des neuen Erzbischofs zurückzuführen. Paris Graf von Lodron, 1619 gewählt, war ein Liebhaber des Theaters, und die Bühne der Universität sah während des Kriegs mindestens 100 Produktionen. Lodron förderte auch den Bau des neuen Doms, mit dem man schon 1613 begonnen hatte, nachdem der alte 1598 abgebrannt war. Der Bau wurde ungeachtet des Krieges im Wesentlichen 1622 fertiggestellt und 1623–35 mit Dekorationen versehen. Etwas bescheidener ging es in Naumburg zu, wo indes der Schulunterricht trotz anderweitiger Kürzungen bei den städtischen Ausgaben weiter gefördert wurde. Nach wie vor wurden Lehrer eingestellt und Stipendien gewährt. Auch Schauspiel und Musik fanden im Unterricht Platz, was als Zeichen für andauernde Innovation und Kreativität einen zweiten wichtigen Punkt widerspiegelt. Der Rektor von Naumburgs führender Schule schrieb zwischen 1642 und 1646 insgesamt 16 Stücke, eine selbst für Friedenszeiten beachtliche Produktion, die umso bemerkenswerter ist, als sie in die für die Einwohner schlimmsten Jahre fiel.147 Andere in einem weiteren Sinne kulturelle Trends wurden durch den Krieg sogar beschleunigt. Dazu gehört das Tabakrauchen, das in den 1580er-Jahren im Reich aufkam und nach 1618 durch Truppenbewegungen verbreitet wurde. Ebenso erlebten Druckerzeugnisse einen Boom (siehe dazu das nächste Kapitel). Allerdings hätte sich das Rauchen vermutlich auch ganz von selbst ausgebreitet, und deshalb ist es wichtig, über dem Krieg nicht den Einfluss anderer Faktoren zu vergessen. Die europäische Kultur veränderte sich bereits rasant unter dem Einfluss von Entdeckungsreisen, Handel und wissenschaftlichen Forschungen, wodurch sich das Denken allmählich aus der tödlichen Umklammerung durch die Theologie befreite. Der Krieg förderte dies, indem er die Fruchtlosigkeit des religiösen Fundamentalismus erkennen ließ, aber der Preis dafür war erschreckend hoch. Auch wenn Kreativität und Einfallsreichtum durchaus fortbestanden, wurde vieles sinnloserweise zerstört. Der Preis, den die Menschen zu zahlen hatten, tritt vielleicht am deutlichsten hervor, wenn wir im letzten Kapitel die Auswirkungen des Krieges auf die Psyche untersuchen.

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23. Die Erfahrung des Krieges Das Wesen der Erfahrung

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as der Krieg für diejenigen bedeutete, die ihn durchlebten, ist eine der interessantesten, zugleich aber schwierigsten Fragen. Jeder Versuch einer Antwort steht vor gewaltigen Problemen bei der Sichtung und Interpretation des Quellenmaterials. Für Poststrukturalisten und andere Theoretiker machen diese Schwierigkeiten das ganze Konzept von Erfahrung als analytischer Kategorie wertlos. Dennoch hat die Kategorie der Erfahrung die Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Krieg und anderen frühmodernen Konflikten ohne Frage grundlegend verändert.148 Neuere Arbeiten können einige Probleme aus dem Weg räumen, indem sie zwei Formen von Erfahrung unterscheiden. Da wäre zum einen das Erlebnis im Sinne der flüchtigen Erfahrung, die ein Individuum in der andauernden Abfolge erlebter Ereignisse macht. Diese subjektive Dimension entzieht sich in ihrem Vergangensein der genauen Untersuchung. Zum anderen gibt es die Erfahrung als Akkumulation von Wissen und Erkenntnis, die ein Individuum aus all den vorübergehenden Erfahrungen in einem Prozess der Auswahl und prüfenden Betrachtung erwirbt. Erfahrung in diesem zweiten Sinn kann untersucht werden, weil solche Reflexionen niedergeschrieben und aufbewahrt wurden. Allerdings ist dieser Ansatz nicht ohne Probleme. Insbesondere ist die Beziehung des Individuums zur umfassenderen, kollektiven Erfahrung problematisch. Dabei geht es nicht einfach nur darum, wie „typisch“ die Erfahrung eines Individuums gewesen sein mag. Vielmehr stellt sich die Frage, wie Individuen Ereignisse wahrnehmen und schriftlich festhalten, weil diese Ereignisse stets durch den Filter dessen gehen, was sie bereits vom Leben wissen und denken. Diese Probleme werden deutlicher, wenn wir die unmittelbaren persönlichen Zeugnisse untersuchen, die in vielfältigen Formen auf uns gekommen sind. Am direktesten ist das Zeugnis von Briefen, weil sie im Allgemeinen zeitnah zu den geschilderten Ereignissen geschrieben wurden. Die Korrespondenz zwischen Fürsten, Generälen und anderen Angehörigen der Elite war immer schon ein Erkenntnismittel für die Historiker, während Briefe aus den unteren Bevölkerungsschichten erst jetzt zum Gegenstand von Untersuchungen werden – was freilich auch daran liegt, dass sie in weitaus geringerer Zahl erhalten sind.149 Eher unmittelbare Erfahrungen überliefern auch die Hausbücher einzelner Familien, die eine Mischung aus persönlichen Betrachtungen, Gebeten und fami-

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liären Daten enthalten. Daneben sind Tagebücher und Chroniken erhalten, die für gewöhnlich von einer einzelnen Person niedergeschrieben sind, manchmal aber auch von einem Verwandten als Familienchronik weitergeführt wurden. Als sich um 1600 gedruckte Kalender verbreiteten, wurde auch häufiger Tagebuch geführt, weil sich ein stärkeres Bewusstsein für die Chronologie entwickelte. Hans Heberle, ein Schuster aus einem Dorf bei Ulm, begann sein Tagebuch 1618 im Alter von 20 Jahren und führte es bis 1672, fünf Jahre vor seinem Tod. Die am stärksten der Rückschau verpflichtete Überlieferungsform ist die Autobiografie, die für das frühe 17. Jahrhundert in vielfältiger Gestalt vorliegt. Das Spektrum reicht von spärlichen persönlichen Details als Grundlage für eine Begräbnisrede bis zu ausführlicheren Erinnerungen. Eine Zusammenstellung aus dem Jahr 1997 listet an veröffentlichten Selbstzeugnissen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges bereits 240 Tagebücher, Chroniken und Autobiografien auf, verfasst von 226 Männern und neun Frauen. Die Gesamtzahl dürfte sehr viel höher liegen, weil immer noch neue Dokumente entdeckt werden.150 Ebenso wie Tagebücher waren auch Autobiografien von der europäischen Tradition beeinflusst, die Ereignisse chronologisch aufzuzeichnen. Die Autoren des 17. Jahrhunderts strebten einen leidenschaftslosen, unpersönlichen Stil an und stellten sich selbst in den größeren Zusammenhang (oder was sie als solchen ansahen). Im Allgemeinen begegnen bei ihnen keine Reflexionen auf Ereignisse, keine Gefühlsbeschreibungen oder psychologischen Einsichten, wie sie in manchen Werken des 16. Jahrhunderts enthalten sind und dann seit den 1770er-Jahren stärker in den Vordergrund treten. Warum jemand seine Erfahrungen niederschrieb, konnte verschiedene Gründe haben. Manche waren rein persönlich – vielleicht wollte der Autor mit traumatischen Ereignissen fertig werden. Andere dienten der Erbauung von Familienmitgliedern, Freunden oder der Gemeinschaft, in der man lebte. Letzteres war der Fall bei den von Nonnen geführten Tagebüchern. Nonnen stellten übrigens die Mehrheit der wenigen weiblichen Autoren, deren Arbeiten heute noch greifbar sind.151 Der oftmals alltagsbezogene Charakter dieser Texte führte dazu, dass sie lange – bis in die frühen 1990er-Jahre hinein – vernachlässigt wurden, weil das Interesse an Darstellungen mit einem höheren Anteil an Dramatischem und Erdichtetem, wie dem Roman von Grimmelshausen, oder aber an augenscheinlich verlässlicheren offiziellen Dokumenten größer war. Zwar neigt die augenblickliche Bevorzugung der „Mikrogeschichte“ zu einer gewissen Kurzsichtigkeit, doch haben neuere Arbeiten viel dafür getan, bisherige Zweifel an der Verlässlichkeit persönlicher Zeugnisse zu zerstreuen. Aus solchen Quellen können wir nicht so sehr eine genaue Darstellung von Ereignissen beziehen, sondern etwas darüber erfahren, wie der Krieg wahrgenommen und erinnert wurde. An dem,

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TEIL III: Nach dem Frieden

was eine Person aufzeichnete oder auch ausließ, können wir erkennen, was sie für wichtig oder verstörend hielt. Begegnen dabei häufig auftauchende Standardmotive und Passagen aus anderen Texten oder Nachrichtenblättern, lässt sich daraus ableiten, wie sich Ideen und Informationen verbreiteten.152 Der Krieg als Medienereignis Der Kriegsausbruch fiel mit neuen Entwicklungen in der europäischen Druckkultur zusammen, die durch den Hunger auf Nachrichten aus dem Reich stark beschleunigt wurden. Daneben gab es immer noch die durch Reisende und Flüchtlinge mündlich verbreiteten Informationen sowie handschriftliche Dokumente, die über Netzwerke von Korrespondenten zirkulierten, wie sie von Regierungen, Handelsgesellschaften, Kaufleuten und, häufig, hochrangigen Militärs und Geistlichen unterhalten wurden. Stark unterstützt wurde dieser Nachrichtenfluss durch die Entwicklung der regulären Postbeförderung. Zu nennen ist hier in erster Linie die kaiserliche Reichspost mit ersten Anfängen im Jahr 1490, die später als Monopol von der Familie Thurn und Taxis betrieben wurde. Der Postdienst stellte die Beförderung auf festgelegten Routen zunächst mit Reitern, später mit Postkutschen sicher. In großen Städten wie etwa Frankfurt am Main kreuzten sich die Beförderungswege. Dank Stationen für den Pferdewechsel konnte ein Brief über 100 Kilometer Entfernung in 24 Stunden ausgeliefert werden. Die Betreiberfamilie wurde für ihre Dienste reichlich entlohnt: 1515 wurde die Familie Taxis in den erblichen Adelsstand erhoben, 1608 zu Freiherren, 1624 zu Grafen und 1695, inzwischen als Thurn und Taxis, gar zu Reichsfürsten gemacht. Der Postdienst erleichterte auch die Verbreitung von regelmäßig erscheinenden Nachrichtenblättern und Zeitungen, die dadurch erst kommerziell lebensfähig wurden. Das Erscheinen von Nachrichtenblättern nahm 1605 in Straßburg und Antwerpen seinen Anfang, 1618 hatten mindestens fünf weitere Städte nachgezogen. Der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 wurde bereits im Juni von dem Frankfurter Nachrichtenblatt berichtet. Die Ausbreitung des Krieges heizte den Zeitungsmarkt an: Allein 1619 erschienen sechs neue Titel, während der 1620er-Jahre weitere 17 Titel, und nochmals zwölf nach Schwedens Eintritt in den Krieg. Manche gingen wieder ein oder erschienen unregelmäßig, aber 1648 wurden etwa 30 Wochenblätter mit einer Gesamtverbreitung von 15 000 Exemplaren publiziert, während es vor 1618 nur ein paar Hundert pro Woche gewesen waren. Die Gesamtleserschaft betrug das bis zu Zwanzigfache der Druckauflage, weil Zeitungen in Freundeskreisen weitergereicht oder leseunkundigen Nachbarn vorgelesen wurden. Das Reich führte die gesamte Entwicklung an. In Frankreich gab es seit 1631 ein Äquivalent, während die meisten anderen Länder erst im späteren 17. Jahrhundert den Anschluss fanden.153

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Zwischen diesen Blättern und ihren modernen Gegenstücken gibt es substanzielle Unterschiede. Die Zeitungen des frühen 17. Jahrhunderts gaben keine expliziten Kommentare ab und sahen ihren Auftrag nicht darin, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Der erste Leitartikel erschien 1687 in einer deutschen Zeitung. Der Inhalt der Blätter bestand zum ganz überwiegenden Teil aus offiziellen Verlautbarungen, Verträgen, Dokumenten und Briefen. Das Übrige konzentrierte sich auf diplomatische, militärische und politische Ereignisse. Lokalnachrichten oder „Human Interest“-Artikel gab es, wenn überhaupt, nur in Blättern wie der Ordentlichen Postzeitung aus Wien, die in Residenzstädten erschienen, wo Informationen über die Herrscherdynastie zu bekommen waren. Es gab beträchtliche Überschneidungen mit dem benachbarten Genre der alle paar Jahre in Fortsetzungen erscheinenden zeitgeschichtlichen Chroniken, wie etwa dem berühmten Theatrum Europaeum, das der Straßburger Publizist Johann Philipp Abelin 1633 begann und das ein Jahrhundert lang fortgeführt wurde. Es handelte sich dabei um eine hochwertige Ereignischronik, die viele Dokumente im Wortlaut abdruckte und außergewöhnliche Kupferstiche enthielt, die von Angehörigen der Frankfurter Familie Merian angefertigt wurden. Der erste Band deckte die Kriegsgeschehnisse seit dem Prager Fenstersturz ab; die meisten der folgenden Bände erschienen ausgesprochen zeitnah zu ihrem Berichtszeitraum.154 Der nüchterne Tonfall der Berichterstattung in den Zeitungen war nicht dem Glauben an einen neutralen und objektiven Journalismus geschuldet. Wahrheit war für die Zeitgenossen nicht über oder zwischen unterschiedlichen Standpunkten angesiedelt, sondern hatte sich schlicht nach bestimmten rechtlichen und konfessionellen Vorgaben zu richten. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Druckmedien und andere Formen der Nachrichtenübermittlung die öffentliche Meinung wiedergaben oder formten. Die offen polemische Publikationsform der Flugschrift hatte sich um 1490 in Europas erster „Medienrevolution“ entwickelt, die auf die Erfindung des Buchdrucks folgte. Flugschriften konzentrierten sich auf Einzelthemen und wollten ganz offensichtlich sowohl kommentieren als auch beeinflussen. Wie die Flugblätter kombinierten Flugschriften Abbildungen mit (oftmals) gereimten Texten; beide Formen waren höchst charakteristisch für die Reformation. Sie wurden von Luther klug genutzt und verhalfen ihm dazu, der erste „Bestseller“-Autor der Welt zu werden.155 Das erste Zensurgesetz für das Reich wurde 1521 verabschiedet, dem Jahr, in dem Luthers Schriften verboten wurden. Die Gesetzgebung wurde bis 1570 sechsmal überarbeitet und im Zuge dessen auch die kaiserliche Bücherkommission ins Leben gerufen. Sie nahm ihren Sitz in Frankfurt am Main, das sich hierfür als Stadt der Buchmesse und Knotenpunkt im Postverkehr besonders eigne-

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te. Die Kommission konnte Verbote aussprechen, die zur Einziehung von Büchern führten, war dafür aber auf die Kooperation der Landesbehörden angewiesen. Die territoriale Zersplitterung verhinderte eine wirksame Umsetzung, doch waren Druckmaschinen große und schwere Apparaturen, sodass es relativ leicht war, Drucker zu bestrafen, die Anstößiges produzierten. Das förderte zugleich die Selbstzensur, insofern die Verleger sich von vornherein weigerten, gefährliche Arbeiten in ihr Programm aufzunehmen. Das Ergebnis war eine von Ort zu Ort verschieden ausfallende Medienlandschaft. In Städten wie Hamburg oder Wolfenbüttel publizierte man keine extremistischen Ansichten, weil man es sich mit niemandem verderben wollte. In Städten dagegen, die mit einer der kriegführenden Parteien enger verbunden waren, ergriffen die Publikationen stärker Partei. Ein gutes Beispiel ist die bereits erwähnte Ordentliche Postzeitung, deren Berichterstattung zu 55 Prozent den Krieg und mit einem weiteren Drittel den Hof betraf. Fast zwei Drittel der Artikel brachen der Sache des Kaisers die Lanze, und ein Viertel äußerte sich der anderen Seite gegenüber direkt feindlich.156 Die Obrigkeit begriff schnell, welche Macht die Presse darstellte. Der Antwerpener Verleger Abraham Verhoeven beredete Erzherzog Albrecht 1620, ihm die Lizenz für eine regelmäßig erscheinende Zeitung zu gewähren, wobei er ihm erzählte, dass die Regierung ihr Prestige erhöhen könne, indem sie Einzelheiten ihrer Siege publik machte.157 Doch blieb die Einstellung der Behörden ambivalent. Transparenz oder Informationsfreiheit waren nicht erwünscht. Die Regierungsangelegenheiten seien, so meinte man, für die gewöhnlichen Sterblichen ohnehin unverständlich; sie galten als „Staatsgeheimnisse“, die jenen vorbehalten blieben, deren hohe Geburt sie mit überlegenem Verstand ausgestattet hatte. Repräsentative Organe mochten sich einen gewissen Einblick in das Herrschaftswissen des Monarchen oder Fürsten verschaffen, doch hatten sie zumeist nicht die Absicht, ihr so erworbenes Wissen mit der breiteren Bevölkerung zu teilen. Dennoch existierte auch die Vorstellung von einer Öffentlichkeit, die die gegenwärtigen wie auch die zukünftigen Generationen umfasste. Und die Herrscher verlangte es nach dem gesellschaftlichen Kapital, das Ansehen und Geltung mit sich brachte. Ihre Taten sollten im Lichte idealisierter Tugenden wie Gerechtigkeit, Klugheit und Milde gesehen werden. Sie waren nicht einfach Mittel zur Verfolgung von tagespolitischen Zielen, sondern sollten der Nachwelt ein ruhmreiches Erbe hinterlassen. Diese Erwägungen hatten Einfluss darauf, wie Politik sich darstellte, sei es in der Apologia der Böhmischen Konföderation, im Manifest Gustav Adolfs oder in Richelieus Kriegserklärung. Bedeutende Ereignisse wie die Plünderung Magdeburgs zwangen die Zeitungen zu Erklärungsversuchen, was nicht möglich war, ohne dass sie Partei ergrif-

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fen. Manche Blätter, die aus sicherer Distanz (wie etwa Zürich) berichteten, konnten offen parteiisch sein. Doch waren Zeitungen, wenn sie nicht regierungsseitig finanziert wurden, wirtschaftliche Unternehmungen, wie auch die meisten Flugschriften. Hinzu kamen technische und andere praktische Schwierigkeiten: Die Zeitungsmacher mussten, da sie keine eigenen Berichterstatter unterhielten, das verwenden, was von offiziellen Stellen „durchsickerte“, und bezogen ihre Informationen ansonsten aus offiziellen Dokumenten, von Reisenden und unbezahlten Informanten. Da es keine Copyright-Gesetze gab, wurde viel Material auch einfach von anderen Publikationen abgekupfert. Die Drucker setzten die Texte, sobald Nachrichten eintrafen, und machten sich wenig Gedanken um den Gesamteindruck. So enthielten die Blätter bisweilen unabsichtlich widersprüchliche oder gar offenkundig falsche Berichte. Wohl kaum ein Herrscher wollte seinen Ruf schädigen, indem er sich als Tyrann gebärdete, weshalb es durchaus möglich blieb, abweichende Meinungen zu drucken. Etwa fünf Prozent der Kriegsberichterstattung der Ordentlichen Postzeitung waren dem Kaiser gegenüber ablehnend eingestellt, weitere sieben Prozent begünstigten sogar den Feind. Das Gleiche galt für Flugschriften, die sich freilich in stärkerem Maße stilistischer Kunstgriffe bedienten, um im Leser Sympathie für die Ansichten des Autors zu wecken. Eine frühe Form von Sensationsberichterstattung und drastische Beschreibungen von Gewalt finden sich hier häufiger. Protestantische Kommentare zum Veltliner Massaker von 1620 sprachen von einem „Blutbad“, während Katholiken darin die „Ausrottung der Ketzerei“ erblickten. Doch weder Protestanten noch Katholiken hielten die Gewalt für sinnlos. Die Frage war vielmehr, wie man die am Geschehen Beteiligten gemäß dem jeweiligen Verständnis dessen, was rechtmäßig war, beurteilen sollte. Das immerhin öffnete der Selbstkritik die Tür. So fragten sich die Katholiken besorgt, ob die Täter gesündigt hätten, indem sie die Religion als Vorwand zur Aneignung protestantischen Eigentums benutzten.158 Konfessionell motivierte Propaganda wollte die Meinung auf der Grundlage des Glaubens beeinflussen und die gegnerischen Positionen untergraben und isolieren. Zweifellos überzeugte sie viele davon, dass es sich bei dem Konflikt um einen Religionskrieg handelte. Dennoch ging der allgemeine Trend in Richtung Verweltlichung. Die diversen Armeen wurden nicht als protestantisch oder katholisch wahrgenommen, sondern als schwedisch, böhmisch, bayerisch oder kaiserlich. Nachrichten über den osmanischen Sultan standen neben Berichten über die Aktivitäten christlicher Herrscher. Und der Vorrang, den Generäle und andere hochrangige Persönlichkeiten in der Berichterstattung genossen, verstärkte den Eindruck, dass die Ereignisse menschlichen, nicht göttlichen Wesens seien.

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Militär und Zivilbevölkerung Die Soldaten bildeten eine Gruppe für sich. Sie waren vereint durch den Eid, den sie bei ihrem Eintritt in den militärischen Dienst auf die „Kriegsartikel“, den militärischen Verhaltenskodex, ablegten. Bei Ungehorsam drohten ihnen harte Strafen bis hin zum Tode. Der Eid bildete das Fundament der frühmodernen Gesellschaft, er bekräftigte alle möglichen Arten von Zusammenschlüssen. Die Untertanen huldigten ihrem Herrn und Fürsten bei dessen Regierungsantritt. Bürger und Handwerker beschworen die Einhaltung von Bürgerrecht und Zunftordnung. Eine solche Zeremonie symbolisierte stets die Wechselbeziehung zwischen Rechten und Pflichten. Zwar wurde das eine Gruppe verbindende Element im militärischen Leben durch die Betonung von Hierarchie, Gehorsam und Disziplin unterlaufen, doch waren offizielle Reglements nur ein Faktor, der das soldatische Verhalten bestimmte – neben Brauchtum und persönlichem Ehrempfinden. Die Vorstellungen vom Soldatendasein im Dreißigjährigen Krieg sind durch die abwertenden Konnotationen des Begriffs „Söldner“ beeinflusst worden. Die Militärgeschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts beruht auf der Annahme, dass Freiwillige oder Rekruten, die ihrem Land in einem stehenden Berufsheer dienen, allein dadurch bessere Soldaten sind. Die neuerliche Aufmerksamkeit für Religionskriege wiederum ließe vermuten, dass der Glaube im Dreißigjährigen Krieg für Motivation und Zusammenhalt gesorgt haben könnte, doch bei traditionellen Militärhistorikern lesen wir, dass die Soldaten keine Ideale hatten und einfach dem Herrn dienten, der am besten zahlte.159 Die Standardinterpretation betont institutionelle Defizite wie etwa das Fehlen stehender Regimenter; auch nationale oder politische Loyalität habe es offenkundig nicht gegeben. Die militärischen Einrichtungen des frühen 17. Jahrhunderts werden an ihren Nachfolgern gemessen und demzufolge für mangelhaft erklärt. Die solchen Vergleichen innewohnenden Probleme treten hervor, wenn man die Blickrichtung ändert. So werden zum Beispiel die Revolutions- und Napoleonischen Kriege gerne als Geburtsstunde der modernen Armee gefeiert, die auf motivierten „Bürgern in Waffen“ beruhte. Nichtsdestotrotz waren auch diese Kriege langwierig und zerstörerisch und zeigten viele für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges typische Merkmale, darunter eine hohe Desertionsrate. Eine vor längerer Zeit erschienene Untersuchung kam zu dem Schluss, dass die Quellenlage keine allgemeinen Aussagen über die Soldaten im Dreißigjährigen Krieg erlaube.160 Seitdem ist mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen und die Problematik gehört weiterhin zu den am wenigsten erforschten Aspekten jenes Konflikts. Immerhin sind unterdessen genügend Arbeiten erschienen, um

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zumindest ein paar allgemeinere Einsichten zu formulieren. So lässt sich etwa die Annahme, dass in den Reihen der Armeen überproportional viele Kriminelle kämpften, nicht erhärten. Als der Krieg ausbrach, stellte Bayern die bisherige Praxis ab, Verurteilte auf die venezianischen Galeeren zu schicken. Stattdessen mussten sie in der Artillerie als Handlanger dabei helfen, die Geschütze in Position zu bringen. Zwischen 1635 und 1648 gelangten indes nicht mehr als 200 Mann auf diese Weise in die bayerische Armee.161 Die meisten Soldaten meldeten sich freiwillig oder wurden über die territorialen Milizen im Reich eingezogen. In Dänemark, Schweden und Finnland waren es Wehrpflichtige, die einberufen wurden. Beide Systeme beruhten auf Zwang und verpflichteten Männer mit bestimmten Eigenschaften: Sie mussten jung, unverheiratet und für die Wirtschaft abkömmlich sein. Zwar wurden solche Regeln bei Knappheit an Soldaten ignoriert, doch handelte es sich bei den meisten neu Rekrutierten um Junggesellen Anfang 20. Im Gegensatz dazu brachten vier Fünftel derjenigen, die von einer Armee zu einer anderen wechselten, eine Ehefrau, häufig auch schon eine Familie mit. Dennoch hieß man sie willkommen, weil ihre größere Erfahrung von den Offizieren wertgeschätzt wurde, auch wenn der Tross dadurch anschwoll und die logistischen Probleme sich vergrößerten. Die größte Gruppe von Personen, die direkt aus dem Alltagsleben ins Militär eintraten, kam aus dem Bau- und dem Textilgewerbe – Berufssparten, die dem Krieg mit am leichtesten zum Opfer fielen. Außerdem waren es städtische Berufe, und es gibt deutliche Hinweise darauf, dass eine überproportional hohe Zahl von Rekruten aus den Städten kam, wobei viele von ihnen zuvor aus den ländlichen Gebieten geflohen sein mochten.162 Die vom Land stammenden Rekruten waren meistens Knechte oder Landarbeiter, nicht aber Bauern, die über eigenen Grund und Boden verfügten. Studenten, ehemalige Beamte und andere Angehörige der gebildeten Schicht machten nur eine kleine Minderheit aus, obwohl die meisten persönlichen Aufzeichnungen von ihnen herrühren. Die schwedische Armee, in einem geringeren Ausmaß auch die dänische, war insofern ungewöhnlich, als sie nur aus wenigen Einheimischen bestand und ihre Soldaten hauptsächlich in Deutschland rekrutiert worden waren. In der französischen Armee dienten etwa 20 Prozent Ausländer, vor allem (zu einem Viertel) Schweizer, sodann Iren, Deutsche, Elsässer und Italiener (in dieser Reihenfolge). Die Schweizer und die Iren wurden als eigene Regimenter von militärischen Unternehmern aufgestellt, während die anderen sich für gewöhnlich dort verpflichten ließen, wo französische Einheiten gerade aktiv waren. Ähnliches gilt auch für die bayerische Armee: In Köln rekrutierte Einheiten wiesen einen höheren Anteil an Nichtdeutschen auf, weil die Niederlande und andere gute Rekrutierungsgebiete in der Nähe lagen. Die eigenen Untertanen des Kurfürsten waren in der

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bayerischen Armee klar eine Minderheit, aber von zehn „bayerischen“ Soldaten stammten doch nur ein oder zwei aus Ländern außerhalb des Reichs. Die Ausländer waren oftmals Gefangene, die nach einem Sieg oder der Eroberung einer Stadt zum Militärdienst gepresst wurden – eine Praxis, die nach 1620 üblich war. Die Bayern zwangen nach der Schlacht von Nördlingen (1634) 1494 Gefangene in ihren Dienst, um die Verluste der Infanterie auszugleichen; nach Herbsthausen (1645) wurden 2487 französische Gefangene in die bayerische Armee eingegliedert.163 Gefangen genommene Offiziere wurden auf Ehrenwort freigelassen oder als Geiseln gehalten. Schon in den 1620er-Jahren gab es vereinzelt Abkommen über den Austausch von Gefangenen, häufiger dann in den 1640er-Jahren, doch im Allgemeinen betraf das nur Offiziere.164 Die verbreitete Vorgehensweise, Gefangene in die eigenen Dienste zu pressen, löste die konfessionelle Uniformität der Armeen auf. Im Übrigen waren auch die militärischen Verhaltenskodizes dem allgemeinen Trend gefolgt, der sich im 16. Jahrhundert in der Gesetzgebung des Reichs durchgesetzt hatte: Sie verwendeten mittlerweile Formeln, die vage genug waren, um Angehörigen aller Konfessionen den Schwur eines christlichen Treueeids zu erlauben. Nach 1618 erlangte die Konfession größere Bedeutung. Ihre militanten Vertreter meinten, nur wahre Gläubige könnten mit Gottes Segen gewinnen. Andersgläubige waren verdächtig: Wartenberg machte für die Niederlage von Breitenfeld 1631 die Präsenz protestantischer Offiziere in der kaiserlichen Armee verantwortlich; Maximilian zog Katholiken als Befehlshaber für seine bayerische Armee vor, und Bischof Ehrenberg von Würzburg bestand 1629 darauf, dass die Wacheinheit seiner Hauptstadt nur aus Katholiken gebildet werden sollte.165 Die Wirklichkeit aber widersetzte sich derlei Einheitlichkeitswünschen. Die aus Kosaken bestehende Lisowczycy-Kavallerie wurde von polnischen Katholiken angeführt, die erklärtermaßen für ihre Religion kämpften, doch die Mehrheit der Truppe rekrutierte sich aus Kosaken und Ukrainern orthodoxen Glaubens. Da die orthodoxe Kirche in Kiew auch gegen den Protestantismus war, hatten die Männer ihre antiprotestantische Haltung einfach nach Deutschland mitgebracht und neigten dazu, all diejenigen als Feinde zu behandeln, die nicht das Ave Maria rezitieren konnten. Eine gewisse religiöse Loyalität lässt sich daran erkennen, dass die Kosaken zwar auch in der französischen Armee dienten, nicht jedoch in protestantischen Heeren.166 Aber die Konfession war nur ein Faktor, der die Wahl des Dienstes beeinflusste. Protestantische Schotten dienten in der polnischen und der kaiserlichen Armee, viel häufiger allerdings in dänischen und schwedischen Streitkräften – sicher auch deshalb, weil diese Länder von Schottland aus einfacher zu erreichen waren. Führende schottische Katholiken ließen sich von protestantischen Mäch-

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ten anwerben, während einige schottische Calvinisten für Frankreich kämpften, wobei diese Wahl auch dynastische Gründe gehabt haben mag, da doch Karl I. eine französische Prinzessin geheiratet hatte. Treue zum Hause Stuart bestimmte auch die Wahl all jener, die in dänische, schwedische und pfälzische Dienste traten, weil das mit den Zielen der britischen Monarchie vereinbar war.167 Ein weiterer Gesichtspunkt war Professionalismus, der Armeen mit gefestigtem guten Ruf wie die niederländische und später die schwedische attraktiv machte. Nicht selten wurde die Armee gewechselt, um die Karriere zu sichern oder die Zukunftsaussichten zu verbessern. Nach der Ausweitung des 1635 zwischen Polen und Schweden geschlossenen Waffenstillstands traten acht von schottischen und irischen Offizieren geführte polnische Regimenter in kaiserliche Dienste über. Viele Soldaten bekehrten sich zum Glauben ihres Arbeitgebers, wenngleich nicht unbedingt sofort. Auch gibt es Beispiele für das Gegenteil: So trat der Engländer Sydenham Poyntz zuerst in die protestantische sächsische Armee ein und dann zum katholischen Glauben über. Wenn man der „falschen“ Religion angehörte, musste das kein Hindernis für die Beförderung sein: Peter Melander stieg in der kaiserlichen Armee die Karriereleiter empor, obwohl er seinem calvinistischen Glauben treu blieb. Bis zu einem gewissen Grad war die kaiserliche Armee überkonfessionell, da es politisch ratsam war, Lutheraner wie auch Katholiken in den Reihen zu haben. Wallenstein stellte die Fähigkeit über die Konfession und beförderte mehrere Protestanten auf leitende Posten. Und der Religion der gewöhnlichen Soldaten, die die Hauptmasse der Armee ausmachten, wurde überhaupt keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Wie nicht nur das Beispiel Melanders oder des Bauern und späteren bayerischen Generals Jan van Werth zeigt, war es möglich, ungeachtet bescheidener Herkunft ganz nach oben zu gelangen. Viele Unteroffiziere waren Bürgerliche, aber vom Hauptmannsrang aufwärts behauptete der Adel die Vorherrschaft.168 Nur einige wenige Offiziere waren ausgebildete Militärs; die meisten lernten durch Erfahrung, indem sie als Freiwillige ohne militärischen Rang dienten, ehe sie sich einer Kompanie anschlossen oder eine aufstellten. Es war also wichtig, persönliches Ansehen und Verbindungen zu besitzen; vor allem musste man allgemein geachtete Männer kennen, die einen Empfehlungsbrief schreiben oder für ein entsprechendes Jobangebot sorgen konnten. Als Augustus von Bismarck keine Beförderung erhielt, wechselte er innerhalb der bernhardinischen Armee vom Kavallerieregiment Alt-Rheingraf zum Infanterieregiment Schmidtberg, weil er dort bereits einige Offiziere kannte, die dann nach dem Krieg die Paten seiner Kinder wurden.169 Das Fehlen einer formalen Ausbildung sollte nicht mit dem Fehlen militärischer Fähigkeiten oder Kenntnisse gleichgesetzt werden. Das Kommando selbst über eine relativ kleine Einheit erforderte eine

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Menge praktischer Fähigkeiten in puncto Personalführung, Logistik, Rechnungswesen, Verhandlung sowie Kenntnisse in Topografie und Landwirtschaft. Der höhere Status und die größere Verantwortung der Offiziere setzten sie unzweifelhaft von der Masse der gewöhnlichen Soldaten ab, doch waren sie alle Teil jener größeren militärischen Gemeinschaft, zu der auch der Tross und abhängige Zivilisten gehörten. Alle waren gemeinsam unterwegs und teilten dasselbe Schicksal: Ob eine Operation erfolgreich war oder fehlschlug, entschied darüber, ob sie in Ruhe essen und schlafen würden, und oft genug auch über Leben und Tod. Starker Alkoholkonsum gehörte gleichfalls zum Soldatenleben. Alkohol war ein wichtiger Bestandteil der täglichen Nahrung, wobei das Bier viel schwächer war als heutzutage. Es dämpfte den nagenden Hunger, denn nur selten gab es genug zu essen. Zwar galt exzessives Trinken als unmoralisch, aber die Obrigkeiten sicherten sich beträchtliche Einnahmen über die Alkoholsteuer; zudem waren die deutschen Klöster für ihre Bier- und Weinproduktion schon damals berühmt. Versuche, das Bierbrauen einzuschränken, hatten häufig keinen moralischen Grund, sondern entsprangen dem Bedürfnis, die knappen Getreide- und Holzvorräte zu schonen. Offiziell durfte ein Soldat pro Tag ein Maß (1,4 Liter) Wein oder zwei Maß Bier konsumieren. Von den in Augsburg einquartierten Soldaten ist bekannt, dass sie zum Mahl mindestens ein Maß Wein oder Bier tranken und das Trinken dann am Abend fortsetzten – was besonders gefährlich wurde, wenn dazu noch geraucht wurde. Offiziere aßen und tranken mehr, vor allem bessere Weine, und, mit ihren Frauen, am Morgen ein Glas Branntwein oder Wermut. Sie gaben auch teure Bankette, die bis zu einer Woche dauerten. Während ihrer Verhandlungen im Juli 1633 lehrten Matthias Gallas und Franz Albrecht von Lauenburg 16 Fass Wein. Banér trank den ganzen Tag über und ließ seine Artillerie während des Gelages 400 Schuss abgeben. Wie die Helden in Alexandre Dumas’ Drei Musketiere hielten die Offiziere prompte Bezahlung für unter ihrer Würde und hinterließen häufig Rechnungen in einer Höhe von bis zu 1500 Gulden, was dem Wert einer halben Schenke entsprach.170 Plünderung Die damalige Kunst und Literatur suggeriert, dass die Beziehungen zwischen Militär und Zivilbevölkerung generell antagonistisch waren. Am geläufigsten ist das Bild von Soldaten, die Dörfer plündern und Bauern foltern, während diese sich im Gegenzug später an den Marodeuren rächen. Die Häufigkeit, mit der diese Motive auftreten, lässt vermuten, dass der Krieg als gewaltsamer Eingriff in ein ansonsten friedliches Dasein wahrgenommen wurde. Dem entsprechen auch die Predigten katholischer und protestantischer Geistlicher, die im Krieg eine Strafe Gottes für ein sündhaftes Volk sahen. Die Schuldigen in

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den Geschichten, die von Kriegsgewalt erzählen, sind überwiegend exotische Ausländer wie Kroaten, Kosaken, Finnen oder Schweden. Schaut man sich Vorgänge wie Plünderungen genauer an, ergibt sich ein komplexeres Bild. Ein gutes Beispiel ist der hessische Überfall auf Hilden, ein Flecken von 700 Einwohnern im Herzogtum Berg. Von Hamm her näherten sich die Hessen dem Ort am 2. August 1648. Sie griffen zunächst auf den Weiden zu und stahlen 17 Pferde und 54 Kühe, die 16 Bauern gehörten. Nutzvieh war beliebte Beute, weil es schnell fortgetrieben und entweder für den direkten Verzehr geschlachtet oder verkauft werden konnte. Ein anonymer Soldat berichtete, wie sein „Iunge“ 1634 in Durlach ein Pferd und eine „schöne kuh“ mitnahm. Die Kuh verkaufte er für 11 Gulden im nahe gelegenen Wimpfen. Häufig ernteten die Soldaten auch die Feldfrüchte für den eigenen Verzehr, was freilich zeitaufwendiger und mühevoller war als die Viehdieberei.171 Die Hessen drangen in 17 Häuser ein, die alle auf der Westseite von Hilden lagen, wo sie angekommen waren. Sie stahlen Brot, Butter, Fleisch, Korn und andere Nahrungsmittel, auch tragbare Haushaltssachen wie Zinnteller, Kessel, Pferdegeschirr, Kleidung und leinene Bettwäsche – alles, was nützlich war oder gewinnbringend verkauft werden konnte. Sie schlitzten die Inletts auf und schüttelten die Federn heraus, um versteckte Wertsachen zu finden und das Leinen mitzunehmen. Die Suche nach Wertsachen konnte weitere Schäden verursachen, vor allem wenn die Betten zerstört wurden, die normalerweise ein Viertel bis ein Drittel vom Gesamtwert der Wohneinrichtung ausmachten. Auch Schränke und Truhen wurden aufgebrochen. Die Möbel waren besonders bei längerer Einquartierung gefährdet, weil sie dann zu Feuerholz verarbeitet wurden. Plünderer blieben normalerweise nicht lange genug, um großen Schaden anzurichten, außer wenn sie das Haus in Brand steckten. Allerdings erhöhte ihre Hast das Gewaltrisiko. Die Anwendung von Folter, um Verstecke ausfindig zu machen, gehört zu den geläufigen Vorstellungen vom Kriegsgeschehen. Häufig beruhen solche Berichte allerdings auf Hörensagen. Der Pfarrer Martin Bötzinger berichtet als einer von wenigen aus eigener Erfahrung: „Zweimal in einer Stunde … haben sie [die feindlichen Soldaten] mir den schwedischen Trunk mit Mistjauche gegeben, wodurch meine Zähne fast alle wackelnd geworden.“172 Aber anders als die 26 Familien, die in Hilden zu leiden hatten, war Bötzinger wohlhabend und hatte 300 Taler versteckt. Üblicher war das Vorgehen der Soldaten in Hilden, wo das Schlimmste, was einem passieren konnte, eine Tracht Prügel war, wenn man beim Plündern im Weg war oder einem übel gelaunten Soldaten in die Hände fiel, der nichts besonders Wertvolles gefunden hatte. Den größten Einzelschaden hatte ein Bauer zu beklagen, der 112 Taler verlor, im Wesentlichen durch den Diebstahl von neun Kühen. Insgesamt lag der im Dorf angerichtete Schaden bei 1178 Talern.

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Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Plünderei in den späteren Kriegsjahren zunahm oder systematischer betrieben wurde. Rekruten und neu aufgestellte Einheiten brauchten vielleicht ein wenig Nachhilfe darin, wie man in einer konzertierten Aktion ein Dorf abriegelt und die Wertsachen erbeutet, aber gewiss benötigte man nicht Jahrzehnte zur Perfektionierung von Techniken, die schon vor 1618 in den Niederlanden und Ungarn weit verbreitet waren. Generell lohnte sich das Plündern nur, weil es einen zivilen Markt für gestohlene Ware gab. Zivilisten waren auch direkt an derlei Vorgängen beteiligt. Diener halfen, ihre Herren auszurauben, manchmal aus freien Stücken. Alte Rechnungen wurden beglichen, wenn Leute verrieten, wo die Nachbarn ihre Schätze versteckt hatten, oder wenn sie versuchten, selbst ungeschoren zu bleiben, indem sie den Soldaten Hinweise auf lohnendere Beute gaben. Manche schlossen sich auch plündernden Haufen an und benahmen sich genauso schlecht wie die Soldaten. Nach einer Schlacht betrieben sie Leichenfledderei, wobei sie häufig Beutegut fanden, das sie dann weiterverkauften. Der Krieg untergrub die gutnachbarschaftlichen Verhältnisse, und wer noch Geld besaß, konnte auf Kosten anderer profitieren. Die Augustinernonnen vom Kloster Mariastein bei Eichstätt etwa sahen sich in die Lage versetzt, ihren Konvent nach der Schlacht bei Nördlingen neu auszustatten, weil die Menschen ihr Hab und Gut verkauften, „so man umb einen Spottpreis oder stuck broth verkaufft und bittent hingeben“.173 Verhandlungen Das Interesse der Zivilbevölkerung am Militär konnte über das rein Materielle hinausgehen. Friedrich Friese, der mit seinem Vater von seiner Heimatstadt Leipzig nach Magdeburg reiste, wo der Vater einen Posten annehmen sollte, erinnert sich daran, wie sie mit seinen Schwestern, die schon arg froren, an einem kalten Abend des Jahres 1628 die Stadttore passierten: „Wir sahen damals Musketiere mit brennenden Lunten, die wir sonst nie gesehen … Auch kam uns der Geruch der Lunten sehr wunderlich vor.“174 Schwester Junius’ Tagebuchaufzeichnungen enthalten eine beträchtliche Menge an militärischen Details, darunter auch ihre Meinung zu Befehlshabern und Taktiken. Es scheint also eine gewisse Vertrautheit mit einigen Aspekten des Militärwesens, hier und da sogar Wertschätzung, gegeben zu haben. Und natürlich brach das in der offiziellen Propaganda gezeichnete Feindbild zusammen, wenn sich in der Wirklichkeit herausstellte, dass gegnerische Truppen sich zu benehmen wussten, während nominell befreundete Streitkräfte folterten und mordeten. Die Beziehungen zwischen Militär und Zivilbevölkerung waren nicht notwendigerweise asymmetrisch.175 Der Vorteil der Soldaten bestand zweifelsohne darin, Zuckerbrot und Peitsche miteinander kombinieren zu können, war doch angesichts des Zwangs, der von einer Streitmacht ausging, das Versprechen der

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Offiziere, die Bürde im Falle der Kooperation zu erleichtern, umso verlockender. Auf der anderen Seite waren die Zivilisten meist in der Überzahl und verfügten über die Vermögenswerte und Ressourcen, dazu über Ortskenntnisse. Ihre mögliche Flucht stellte durchaus eine Drohung dar. Eine Armee war zwar in der Lage, eine Ernte einzubringen, doch außerstande, ihre Nahrungsmittel selbst anzubauen, und der Marsch durch eine entvölkerte, wüste Gegend führte in die Katastrophe, wie Gallas’ Operationen 1644 zeigten. Gewalt kann nicht allein durch materielle Faktoren erklärt werden.176 Es gab Raubzüge ohne Gewalt und ebenso Gewalt ohne materiellen Gewinn. Als Diener der Obrigkeiten nahmen die Soldaten, deren Aktivitäten den Bruch mit den grundlegendsten christlichen Geboten darstellten, einen zweideutigen Platz in der Gesellschaft ein. Die Inflation des späteren 16. Jahrhunderts hatte ihren Sold schon vor 1618 entwertet, und sie wurden allgemein verachtet. Einige Historiker haben behauptet, dass angesichts solcher Ablehnung die Gewalt ein Mittel war, individuelle oder kollektive Überlegenheit zu demonstrieren.177 Selbst Aktivitäten, bei denen der materielle Gewinn offenkundig eine Rolle spielte, konnten noch zusätzliche psychologische Motive haben. Wenn man in eine Stadt oder ein Haus eindrang, um zu plündern, zerstörte man die heile Welt des ehrbaren Bürgers. Mutwillige Zerstörung zielte auf das, was anderen lieb und teuer war. Die Wegnahme der Kleidung erniedrigte das Opfer. Soldaten ließen Personen des öffentlichen Lebens Narrenkappen tragen oder barfuß laufen.178 Unter den gefangenen Frauen waren auch solche mit einem höheren sozialen Status. Diese zwang man zu kochen, sauber zu machen oder andere niedere Dienste zu verrichten. In denselben Zusammenhang ist auch die Vergewaltigung gestellt worden, vor allem dann, wenn sie in aller Öffentlichkeit vollzogen wurde, um den Ehemann, der dabei zusehen musste, zu entehren.179 Dennoch waren die Soldaten von der Gesellschaft nicht völlig losgelöst, kamen sie doch aus genau den sozialen Verhältnissen wie die Zivilisten, die nun ihre Opfer wurden. Ihr Verhalten wurde von umfassenderen sozialen Normen beeinflusst, denen sie oft gehorchten, auch wenn sie nicht der unmittelbaren Kontrolle durch ihre Offiziere unterstanden. Häufig war Gewalt die Folge gescheiterter Verhandlungen. Daraus könnte sich der häufige Hinweis auf ausländische Übeltäter erklären, weil fremdländische Soldaten der Bevölkerung vor Ort ihre Forderungen nicht verständlich machen konnten. Verhandlungen beruhten auf gegenseitiger Information. Städte und Dörfer tauschten Nachrichten über Truppenbewegungen aus, um sich entsprechend vorzubereiten. Rückten Streitkräfte heran, trafen sie selten auf offene Ablehnung. Stattdessen schickten die Anführer der Gemeinde sich an, am Ortsrand mit den Offizieren zu verhandeln. Wie die Ausführungen zum Kontributi-

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onssystem in Kapitel 12 gezeigt haben, brauchten die Offiziere die Kooperation der Zivilbevölkerung und waren bereit, dafür ihre Forderungen zu mäßigen. Die Beziehungen wurden einfacher, wenn man miteinander im Gespräch war, doch konnten sie zusammenbrechen, wenn die Soldaten – wie etwa bei einem Rückzug – in großer Eile waren. Das Kloster von Schwester Junius war nur einmal ernsthaft bedroht: als die Soldaten während des schwedischen Rückzugs nach Nördlingen den Befehl ignorierten, diejenigen zu verschonen, die für den Schutz durch die Armee bezahlt hatten. Die Nonnen wurden von einem Hauptmann gerettet, der sie schon zuvor besucht hatte und nun die Plünderer aus dem Kloster warf.180 Flucht Flucht war eine weitere Option der Zivilbevölkerung, allerdings eine risikoreiche. Das Heranrücken von Soldaten zwang die Menschen, Prioritäten zu setzen. Die meisten warteten bis zur letzten Minute aus Angst davor, ihr Heim oder Geschäft ungeschützt zurücklassen zu müssen. Manche hatten auch keinen Ort, zu dem sie fliehen konnten, oder keine Beziehungen. Andere wiederum blieben aus einem Pflichtgefühl heraus oder aus familiärer Verantwortung. Martin Bötzinger floh erst aus dem fränkischen Heldburg, wo er als Lehrer gearbeitet hatte, als sein Schwiegervater 1632 ermordet wurde. Bötzinger wurde Pfarrer in Poppenhausen, das er jedoch zwei Jahre später bereits wieder verlassen musste, weil Pest und Krieg nur neun Einwohner übriggelassen hatten. Die Geografie war gleichfalls ein Faktor, der die Entscheidungen beeinflusste. Mecklenburg verfügte nur über wenige befestigte Städte, weshalb die Bevölkerung in die Wälder, die Sümpfe und an die Seen floh. Große Städte hatten eine besondere Anziehungskraft, waren aber schnell übervölkert. So beherbergte im März 1636 etwa Straßburg 30 000 Flüchtlinge, wodurch sich die Einwohnerzahl verdoppelte. Auch Konfessionszugehörigkeit und Sprache waren von Bedeutung, weil die Menschen – sofern möglich – dorthin flohen, wo sie sich einigermaßen heimisch fühlen konnten und willkommen waren. Sozialer Status und Beziehungen öffneten manche Tür. Kaufleute gingen dorthin, wo sie bereits über Geschäftskontakte verfügten, während Geistliche ihre Glaubens- oder Ordensbrüder aufsuchten. Städte waren eher auf reiche als auf arme Leute ausgerichtet. Leipzig reagierte auf den Zustrom von Flüchtlingen nach der Plünderung und Zerstörung Magdeburgs 1631 mit einer Verschärfung seiner Niederlassungsbestimmungen. 1639 konnte die Stadt die Masse an Menschen, die vor der Pest flohen, kaum bewältigen: 16 000 Einwohner mussten 2268 Personen durch öffentliche Wohlfahrt unterstützen. 500 Pferdewagen mit Flüchtlingen suchten bei den 6000 Einwohnern Hannovers Schutz, als die Kaiserlichen im September 1635 die Umgegend besetzten. Viele der Flüchtlinge konnten sich ihr Brot nicht

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selbst verdienen: 1635 machten in Hamburg Kinder 40 Prozent der Wohlfahrtsempfänger aus, und die Hälfte davon waren Flüchtlinge, die zwei Jahre zuvor aus Magdeburg gekommen waren. Leipzig lockerte seine Anforderung einer vorherigen zweijährigen Ansässigkeit, als reichere Flüchtlinge die Aufnahme als Bürger beantragten.181 Die Bessergestellten hatten oft gute Gründe, vor Ort zu bleiben, boten ihnen doch die Beziehungen zu lokalen Eliten einigen Schutz. Wer als Pastor, Universitätslehrer oder Beamter tätig war, hatte ein Gehalt zu verlieren. Adlige wollten ihre Besitzungen nicht unbeaufsichtigt lassen. Christoph von Bismarck, der Gutsbesitzer im brandenburgischen Dorf Briest (140 Einwohner), hatte unter der Nähe zur wichtigen Elbfurt Werben zu leiden. Jedes Mal, wenn nach 1626 Truppen auftauchten, schickte er Frau und Familie nach Stendal. Das bot freilich keinen Schutz vor der Pest, die im September 1636 drei seiner Kinder in ebenso vielen Tagen tötete. Ein viertes starb einige Wochen danach, desgleichen ein Neffe und eine Nichte. Truppenbewegungen verhinderten, dass er sie vor Ablauf von zwei Monaten im Familiengrab beisetzen konnte, während der Trauergottesdienst sogar erst im März 1637 abgehalten wurde. Durch die häufige Abwesenheit der Familie wurde der Landsitz zur Beute von Räubern. Eine ähnlich unerfreuliche Entdeckung machten die Nonnen des Zisterzienserklosters Oberschönenfeld bei Augsburg, als sie nach drei Jahren aus Tirol, wo sie Schutz gesucht hatten, zurückkehrten. Die Schweden hatten ihre Heimstatt Oberst Schlammersdorf überlassen, und der war, als er die Inneneinrichtung entfernte, auf die in den Wänden versteckten Schätze gestoßen.182 So waren denn die Armen häufig beweglicher als die Reichen. Viele, wie beispielsweise Handwerksgesellen, kannten sich ohnehin mit Wandern und Reisen aus oder hatten sich schon einmal in einer anderen Stadt niedergelassen. Zudem konnten sie ihr Handwerkszeug, das meist nicht allzu schwer war, mit sich führen. Der Schuster Hans Heberle floh 28-mal aus seinem Dorf ins nahe gelegene Ulm, aber hin und wieder auch in andere Städte oder in die Wälder. Wer nicht selbst fliehen konnte, versuchte zumindest, die nächste Generation zu schützen. Kinder wurden zu Verwandten oder auf Schulen in Gebieten geschickt, wo mehr Sicherheit herrschte. Die katholische Kirche konnte von diesem Trend allerdings nicht profitieren. Noch im späten 16. Jahrhundert hatte es eine steigende Zahl von Novizen und Novizinnen gegeben, doch nun stagnierte die Entwicklung oder war sogar rückläufig, weil viele Familien ihre Kinder nicht in Institutionen mit einer unsicheren Zukunft geben wollten.183 Widerstand Dass die Milizen in regulären Schlachten nicht eben erfolgreich waren, verstellt den Blick darauf, wie stark der Widerstand der Bevölkerung ge-

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gen die Soldaten war, und zwar schon von Beginn des Krieges an. Die Obrigkeit verhielt sich ambivalent. Einerseits misstraute sie der Bevölkerung, andererseits erwartete sie deren Beteiligung an von oben angeordneten Verteidigungsmaßnahmen. Diese stellten eine Fortführung der Vorkriegsstrukturen zur Landesverteidigung dar, die theoretisch auf einer allgemeinen Dienstpflicht basierten, wobei nur ein ausgewählter Teil der Bevölkerung tatsächlich dafür trainiert wurde. Allerdings war der Umgang mit Waffen weit verbreitet. So wusste zum Beispiel jeder Hohenloher Bauer, wie man ein Gewehr bediente, und viele besaßen eine solche Waffe. Als die Kaiserlichen nach dem Sieg von Nördlingen die Grafschaft besetzten, befahlen sie, alle Feuerwaffen abzugeben, weil sie um das Widerstandspotenzial in der Bevölkerung wussten.184 Milizen und bewaffnete Freiwillige konnten bei der Verteidigung von Haus und Herd äußerst hartnäckig sein, wie etwa in Magdeburg 1631 oder am Bregenzer Pass 1647. Beide Male schlugen die Bemühungen letztlich fehl, doch waren bewaffnete Bürger und Milizen in großem Maß an der erfolgreichen Verteidigung von Wien, Villingen, Kronach, Forchheim, Konstanz und Prag beteiligt. Die Obrigkeit erwartete vom „gemeinen Mann“ auch Widerstand gegen Marodeure. Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg stellte für jeden toten Plünderer, den man seinen Beamten bringe, zehn Taler Belohnung in Aussicht. Auch ohne einen solchen zusätzlichen Anreiz war mit Widerstand stets zu rechnen: Obwohl die Böhmische Konföderation 1619 ihre Milizen nach Hause schickte, sahen sich beide Seiten mit bäuerlichen Guerillatruppen konfrontiert. Weitere Beispiele sind der Widerstand der westfälischen Städte (1622/23), die oberösterreichische Rebellion (1626) und zahlreiche Aufstände im ganzen Reich, als der Krieg sich nach 1631 ausbreitete. Offizielle Strukturen konnten dabei Hilfestellung leisten: So bedienten sich die Aufständischen in Oberösterreich bei ihrem Kampf gegen die bayerischen Besatzer des Milizsystems. Ebenso gab es spontanen Widerstand. Als im Juli 1622 im westfälischen Dorf Leitmar zwei Kavalleristen ein verheiratetes Paar drangsalierten, kamen Nachbarn zu Hilfe und prügelten die Soldaten derart brutal zu Tode, dass ihre Gesichter nicht mehr zu erkennen waren.185 Die Soldaten fürchteten sich mit Recht vor Vergeltungsaktionen, brachten die Bauern doch Nachzügler oder Patrouillen um, wenn sie diese zu fassen bekamen. Robert Monro schildert in seinen Memoiren die Reaktion der Bayern auf die schwedische Invasion von 1632: „Als unsere Soldaten auf dem Marsch waren (und die Dörfer am Rande des Wegs plünderten), rächten sich die Bauern auf höchst grausame Weise, indem sie ihnen die Nasen und Ohren, die Hände und Füße abschnitten und die Augen aus dem Kopf holten und weitere grausame

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Dinge taten. Unsere Soldaten zahlten es ihnen mit Gerechtigkeit heim, indem sie viele Dörfer in Brand steckten und die Bauern, wo sie sie auftrieben, töteten.“186 Ein anonymer Soldat der Kaiserlichen notierte folgendes Erlebnis aus dem Feldzug von 1642 in Westfalen: „Alhir habe ich mich den abet [Abend] ein wenieg bezecht, vndt bin des morgens, einen stein wurff, hinder dem Regemedt [Regiment], verblieben, wehgen kobpweh. Also sindt 3 Pauren [Bauern] In die hegken gestegket, auff mich dor, wagker, zu schlagen mein Mantel, Ranssen, alles genommen, durch godtes schiegung, sindt sie auff ein mal, von mir gesprungen. Als wenn man sie gagent [gejagt] hedte, da doch kein mensche mehr, da hinden Ist gewessen. Also, bin ich also zuschlagen, ohne mantel, ohne Ranssen, zum Regemedt kommen, haben micht, nur ausgelacht.“187 Häufig wiesen Zeitgenossen auf die Beteiligung von Frauen am Widerstand hin. Schwester Junius berichtete zustimmend von Frauen in Höchstadt (März 1633) und Kronach (März 1634), die kochendes Wasser auf die Schweden hinabgossen und sie mit Steinen bewarfen. Während die Eroberung von Höchstadt mit einem Massaker an den Einwohnern endete, hielt Kronach stand, „wie die schwedten uns selbst gesagt, daß dieser schmertz alles schiessen und hauen über troffen hab“. Junius hielt auch mit Stolz fest, dass die Nonnen Plünderer, die ins Kloster eindringen wollten, aufgehalten hatten. Ihr Tagebuch schließt mit einem Lobpreis darüber, dem Schrecken widerstanden und die Jungfräulichkeit bewahrt zu haben. „[W]ie sich dan die feind selbsten nich wenig über uns verwundert haben da wir alls weibsperschonen welche allein so weit da haussen liegen diese gefehrliche zeit also geblieben seint ...“ Männliche Autoren wussten gleichfalls vom Widerstand solcher „Mannweiber“ zu berichten, worin sich die – durch Geschichten aus der Neuen Welt genährte – Faszination spiegelt, die für die Zeitgenossen von Amazonen ausging.188 Manchen Annahmen zufolge war der Widerstand ein Akt der Verzweiflung seitens derer, die nichts mehr zu verlieren hatten außer ihrem Leben.189 Doch scheint er in vielen Fällen schon vor diesem Stadium eingesetzt zu haben, nämlich sobald ein Dorf oder eine Stadt einen Vorgeschmack auf die militärischen Forderungen bekam, die noch auf sie zukommen würden. Die Einwohner kämpften dann um den Erhalt ihrer Lebensart und ihrer örtlichen Gemeinschaft. Von Hans Heberle erfahren wir, wie das Dorf Weidenstetten bei Ulm im Sommer 1634 zwei Tage lang Trupps von bernhardinischen Soldaten vertrieb, während das Vieh auf dem Kirchhof zusammengetrieben und der Besitz in der Kirche versteckt war. Die Soldaten rächten sich, indem sie die Häuser anzünde-

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ten. „Da dass geschehen ist unser sach verlohren. Da last ein jeder sein wehr falen und der seine zu geloffen.“190 Wie wir schon gesehen haben, zerstörten die Soldaten besonders gern auch exponierten Besitz wie etwa Weingärten, um die Bewohner eines Ortes zur Kooperation zu zwingen. Diese Beispiele zeigen, dass Widerstand mit den obrigkeitlichen Ermahnungen zu konfessioneller oder dynastischer Loyalität nur wenig zu tun hatte. Auch Widerstand war eine Form von Verhandlung, ein Mittel, um Soldaten zum Abzug oder zur Mäßigung ihrer Forderungen zu bewegen. Er musste nicht tödlich enden, obwohl das wahrscheinlicher war als im Fall von Flucht oder Kollaboration. So wie Zivilisten sich zuweilen marodierenden Trupps anschlossen, konnten Soldaten zu Unterstützern des örtlichen Widerstands werden. Jürgen Ackermann, ein ehemaliger Hauptmann, half bei der Verteidigung von Kroppenstedt, wo er sich als Bauer zur Ruhe gesetzt hatte. Den Einwohnern gelang es, zwei schwache kaiserliche Regimenter, die Quartier verlangten, zurückzuschlagen. Bei einer anderen Gelegenheit half er Nachbarn, eine von den Schweden gestohlene Kuh zurückzuerlangen.191

Wahrnehmungsweisen In ihrem Bemühen, das Geschehen zu verstehen, sahen die Zeitgenossen sich mit einer Frage konfrontiert, die für die Frühmoderne von zentraler Bedeutung war: Welchen Anteil hatte Gott und welchen die Menschen beim Zustandekommen der Ereignisse? Die Antworten der Betroffenen gehen aus ihren persönlichen Zeugnissen hervor, lassen diese doch erkennen, inwiefern die Verfasser ihr Leben als vom Krieg bestimmt verstanden. Tagebücher und Chroniken pflegen nun randvoll mit Ereignissen zu sein, wenn der Krieg die Verfasser direkt betraf, doch sobald der Konflikt weiterzog, drehen sich die Einträge wieder eher um Familie und Alltag. Manchmal kann man nachvollziehen, wie die Angst über Monate hinweg zunahm, wenn der Verfasser anhand von zunächst fernen Ereignissen verfolgt, wie der Feind vorrückt. Andere scheinen alles, was den Krieg betraf, aus ihren Aufzeichnungen verbannt oder auf einen kleinen Anteil an einer ganz anderen Geschichte reduziert zu haben – so als wären diese Geschehnisse zu traumatisch, um schreibend vergegenwärtigt zu werden. Generell nahm der Krieg in Erfahrungsberichten aus zweiter Hand viel Platz ein. Er spielt etwa eine große Rolle in Grabpredigten, um Ereignisse im Leben des Verstorbenen zu erklären: Krieg kann nicht nur die direkte Todesursache sein, er kann auch der Grund für die Vorverlegung oder Verschiebung von Hochzeiten sein, für einen Umzug oder den Verlust von Verwandten. Auch be-

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nutzte man ihn als Metapher für schwierige Zeiten oder als Beweis dafür, dass der Verstorbene ein guter Christ war, weil er Flüchtlingen gegenüber mildtätig war oder klaglos eigene Not ertrug. So bot der Krieg den Menschen einen willkommenen Erklärungsgrund für Ereignisse sowie die Möglichkeit, ihr Leben mit dem großen Ganzen in Beziehung zu setzen. Das gilt auch für die Erinnerungen von Juden. Fortwährend bestimmen Krieg und Pest in Rabbi Reutlingens Aufzeichnungen seine Entschlüsse, den Wohnort zu wechseln oder eine andere Anstellung anzunehmen. Ascher Levy wollte seine Memoiren in zwei Abschnitte teilen, deren erster sein Leben und das seiner Familie enthalten sollte, während der zweite sich mit ihren Erlebnissen im Krieg befassen sollte. Aber es gelang ihm nicht, den Konflikt aus den rein familiären Erinnerungen herauszuhalten.192 Der Krieg mit seinen schrecklichen Begleiterscheinungen von Hungersnot und Pest weckte das Gefühl, in einem – wie ein Zeitgenosse es nannte – „eisernen Jahrhundert“ ungewöhnlich harter Prüfungen zu leben. Der schlesische Dichter Andreas Gryphius beklagte das Elend menschlicher Existenz: Die Menschen seien „ein Wohnhaus grimmer Schmerzen“ und „ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid“.193 Vergeblichkeit, Niedergang und Verlassenheit, symbolisiert durch grasüberwucherte Straßen in leeren Ortschaften, verfallene Höfe und unbestellte Felder, grundierten die Gefühlswelt. Viele meinten, die Gesellschaft breche zusammen, und verwiesen auf zunehmende Prostitution, lockere Moral, Trunksucht und auf der Straße fluchende Kinder. Doch stammen solche Beobachtungen zumeist von Geistlichen und Beamten, die mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg befasst waren, und müssen mit Vorsicht genossen werden.194 Oft wurde darauf hingewiesen, dass die Soldaten dem Tod, und sogar dem ihrer eigenen Verwandten, mit einer gewissen Gleichgültigkeit begegneten. Auch wurde behauptet, dass der Nahkampf den Beteiligten die Möglichkeit nehme, sich vom Konflikt zu distanzieren, so wie wir Heutigen es tun können, wenn wir den Krieg nur am Fernseher verfolgen.195 Zweifellos hat das Kampfgeschehen des 17. Jahrhunderts bei den Beteiligten tiefe Spuren hinterlassen, ging es doch gerade im direkten Kampf Mann gegen Mann mit Hauen und Stechen hart zur Sache. Und selbst Distanzwaffen wie die Muskete operierten vor allem auf kurze Entfernung, sodass die Auswirkungen deutlich sichtbar waren, wenn nicht Rauch und Staub allzu sehr den Blick vernebelten. Viele Erinnerungen von Soldaten bedienen sich des geläufigen Worts von der „göttlichen Strafe“ oder listen lakonisch die Gefallenen auf. Andere aber sind voll Bedauern über den Tod von Kameraden. Häufig ist aus Monros Aufzeichnungen eine Verbitterung über die Undankbarkeit der Zivilisten in Anbetracht der von den Soldaten er-

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brachten Opfer herauszulesen. Augustus von Bismarck war sichtlich ein Abenteurer, der sich darüber freute, dass der Krieg ihm die Möglichkeit verschafft hatte, Italien zu besuchen. Doch war er sich auch der Gefahren des Krieges bewusst sowie der Tatsache, dass nur wenige seiner Kameraden überlebt hatten.196 Furcht Einige wenige bekannten offen, was andere sicherlich ebenfalls gespürt haben: die Furcht vor der Schlacht. Davon ist 1633 bei Thomas Raymond, einem Engländer in der niederländischen Armee, die Rede: „Als ich das erste Mal vor die Stadt kam, begann mein Mut zu sinken, und da ich jung und zuvor noch nie solcher Beschäftigung nachgegangen war, spürte ich umso mehr, wie er mich verließ. Ich trug, wie ich mich erinnere, eine orange-braune Feder am Hut und dachte zuerst, dass jede Kanone, die in Richtung unseres Lagers abgefeuert wurde, darauf gerichtet sei, weil die Spanier diese Farbe nicht ertrugen. Doch nach ein paar Tagen sah ich mich als ziemlich mutigen Kerl und empfand nicht mehr Furcht vor Gefahren als auf einem Jahrmarkt.“197 Furcht und Fantasie durchdrangen alles und wurden von sensationslüsternen Berichten und Gerüchten noch genährt. Schwester Junius erzählt, wie sie nach dem Fall von Würzburg 1631 zunächst fast gelähmt war vor Furcht und dann umso erleichterter, als sie erkannte, dass die Schweden ihr und ihren Mitschwestern nichts antun und sie sogar im Kloster wohnen lassen würden. Dennoch konnte sie vor lauter Furcht nicht schlafen, als die Soldaten sich Gemüse aus dem Klostergarten holten. Doch Vertrautheit ließ die Furcht schwinden, und als die Schweden 1632 wiederkamen, hatte sie erheblich weniger Angst, weil sie nun besser wusste, was sie zu erwarten hatte.198 Die territoriale Zersplitterung erhöhte die Unsicherheit, weil nun Menschen unterschiedlicher Konfession in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander lebten. Die protestantischen Einwohner von Weikersheim in Franken befürchteten 1619, dass die Katholiken aus dem Nachbardorf dabei seien, Leitern zu bauen, um die Stadt zu erstürmen. Doch gab es andererseits auch Beispiele dafür, dass eine pragmatische Koexistenz ungeachtet der Gewalt fortgesetzt wurde. Insgesamt schwächte die Furcht die Menschen und senkte die Lebensqualität. Überdies war die frühmoderne Welt schon an sich ein gefährlicher Ort. Die Hälfte der Bevölkerung überlebte das 15. Lebensjahr nicht, was vor allem auf Mangelernährung und Krankheit, aber auch auf Unfälle zurückzuführen ist. Auch das Leben der Erwachsenen war nicht risikolos. Selbst zu Friedenszeiten nahmen die meisten Leute ein Messer oder einen Knüppel mit, wenn sie in der Dunkelheit oder weiter von ihrem Zuhause entfernt unterwegs waren. Der Krieg verstärkte diese Alltagsängste. Die Menschen mochten aus Angst vor Beraubung

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nicht mehr reisen und auch keine Nachrichten oder Waren mehr verschicken. Die zunehmende Unsicherheit beeinträchtigte das altvertraute Leben: Gewohnte Tätigkeiten wie der Gang zur Kirche oder Synagoge konnten gefährlich, gar unmöglich sein. Schwester Junius berichtet, dass während der schwedischen Besatzung von Bamberg die Kirchenglocken nicht mehr wie gewohnt zu den Zeiten des katholischen Gottesdienstes, sondern zu anderen Stunden zum protestantischen Gottesdienst läuteten. Hexenverfolgung Soziale und Umweltprobleme führten im späteren 16. Jahrhundert zu chiliastischen und apokalyptischen Glaubensüberzeugungen. Im selben Maße, wie die Zustände sich verschlechterten, verschob sich das Gleichgewicht zwischen denen, die darin eine Glaubensprüfung sahen, und denen, die nach konkreten Sündenböcken Ausschau hielten, und zwar zugunsten der Letzteren. Das Ergebnis war ein Wiederaufleben und sogar eine Intensivierung der Hexenprozesse – eine Entwicklung, die im Krieg ihren Höhepunkt erlebte. Das typisch frühmoderne Konzept von Hexerei hatte seinen Ursprung in den 1480erJahren, als bestehende Vorstellungen von einer bösen schwarzen Magie in die Idee einer „verkehrten“ Form des Christentums eingingen. Während man bisher davon ausgegangen war, dass jemand, der Magie praktizierte, dabei aus sich selbst heraus bestimmte durch antikes Wissen oder Experimente erworbene Kräfte nutzte, galt die Hexerei nun gleichsam als kollektives Tun, das einen Pakt mit dem Teufel mit beinhaltete.199 Der Hexenglaube schwächte sich seit den 1520er-Jahren ab, erfuhr nach 1600 jedoch eine Wiederbelebung. Der erste Hexenerlass im Kurfürstentum Köln trat 1607 in Kraft; 1629 folgte eine überarbeitete und erweiterte Version. Das war auf dem Höhepunkt der Prozesse, nach der Kipper-und-Wipper-Inflation. Alle drei Konfessionen waren an der Hexenverfolgung beteiligt, am schlimmsten aber ging es in den katholischen geistlichen Territorien zu. Allein in Ellwangen wurden um 1611 300 Personen hingerichtet; in Würzburg starben 1616/17 weitere 50. Bamberg wurde von drei Verfolgungswellen heimgesucht (1612/13, 1616– 19, 1626–30), von denen jede neue die vorherige übertraf. Insgesamt forderten sie wohl um die 1000 Opfer. Eine ähnlich hohe Zahl an Hingerichteten gab es im Herzogtum Westfalen 1628–31. Manche Prozesse waren das Produkt von verbreiteter Hexenfurcht in der Bevölkerung. So brachten die Bewohner der Herrschaft Wildenburg viele Fälle vor Gericht, was zwischen 1590 und 1653 zu 200 Hinrichtungen führte.200 Zumeist wurde die Verfolgung aber durch die lokalen Obrigkeiten vorangetrieben. So war es etwa in Bamberg, wo der Weihbischof Friedrich Förner nach seiner Ernennung 1612 die erste Prozesswelle lostrat. In allen Fällen wurden die Verfol-

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gungen durch die Verfassungskrise im Reich erleichtert, die das Reichskammergericht an der Überwachung der territorialen Rechtsprechung hinderte. Außerhalb des regulären Gerichtswesens wurden besondere Hexengerichte institutionalisiert, sodass die Kontrollmechanismen für die Anwendung der Folter ausgehebelt werden konnten. Da die Hexerei als gemeinschaftliches Tun galt, wurden die Angeklagten gefoltert, um die anderen am Hexensabbat Beteiligten zu verraten, wodurch sich die Zahl der Verdächtigen schnell vervielfachte. Die Opfer wurden nicht nur hingerichtet, sondern auch ihr Besitz wurde beschlagnahmt, was für die Hexenjäger natürlich ein materieller Anreiz zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit war. In Bamberg rafften Förner und seine Komplizen fremdes Eigentum im Wert von mehr als einer halben Million Gulden zusammen. Allerdings stießen Förners Aktivitäten auf starken lokalen Widerstand. Etwa drei Viertel der Opfer waren Frauen, einige davon besaßen gute Beziehungen. Schwester Junius’ Vater, Johannes Junius, war Bürgermeister von Bamberg. Er wurde hingerichtet und seine Tochter, vielleicht aus Sicherheitsgründen, ins Kloster geschickt. Der Kanzler von Bamberg, Georg Haan, wurde wegen seines Widerstands gegen die Hexenprozesse mit seiner Familie hingerichtet. Diese Hinrichtungen wurden trotz entsprechender Mandate des Reichskammergerichts, wonach die gerichtliche Verfolgung zu beenden war, vollzogen. Förner machte weiter, indem er behauptete, die Opfer hätten bereits gestanden. Er ließ sogar ein eigenes „Malefizhaus“ bauen, mitsamt Kapelle und Folterkammern. Schließlich intervenierte der Reichshofrat, indem er sechs weitere Mandate und zahlreiche Schutzbriefe für die Angeklagten ergehen ließ. Auf dem Regensburger Kurfürstentag von 1630 wurde der Bamberger Vertreter in der Angelegenheit zusätzlich unter Druck gesetzt; der Bischof erhielt die strenge Mahnung, von den Verfolgungen abzulassen, und wurde angewiesen, die Beschlagnahmung von Eigentum einzustellen, selbst wenn die Angeklagten für schuldig befunden wären. Die Aufsicht darüber wurde einem anderen örtlichen Gegner der Hexenprozesse, der zum Glück überlebt hatte, anvertraut, und damit fanden die Verfolgungen in Bamberg ein Ende. Förner hatte unterdessen seine Aktivitäten in die kleinere und weniger im Rampenlicht stehende Stadt Zeil verlegt. Die letzten zehn Gefangenen wurden im November 1631 von schwedischen Truppen gefunden und unter der Bedingung freigelassen, dass sie niemals über das Geschehene reden würden, was sie beschworen.201 Dass der Hexenwahn um 1631 verschwand, ist sicher kein Zufall. Die Gewalt des Krieges ließ die Blase platzen, und die lokalen Obrigkeiten hatten jetzt andere Sorgen. Die Beendigung der Hexenverfolgung gehört somit zu den wenigen positiven Auswirkungen des Konflikts. Obwohl die Soldaten in Bamberg viel zerstörten, waren es die Einwohner selbst, die 1634 das verhasste Malefizhaus abrissen.

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Normalität So viel die persönlichen Aufzeichnungen von Furcht sprechen, gab es natürlich auch längere Phasen, in denen der Konflikt für die meisten Menschen entweder weit entfernt oder zumindest erträglich war. Schon die Länge des Krieges machte ihn für Millionen zu einem Bestandteil des Alltagslebens. Dennoch waren diese Leben reich an Ereignissen, die mit dem Krieg nichts oder kaum etwas zu tun hatten. Einige Tagebücher erwähnen den Krieg kaum und geben auch in keiner Weise zu erkennen, dass das Thema etwa aufgrund traumatischer Erfahrungen ausgelassen worden sein könnte. Zacharias von Quetz, der in den Jahren 1622–32 Erzieher des Erbprinzen von Bayreuth war, schildert ein Hofleben, das offensichtlich weitgehend ungestört von Kämpfen verlief. Quetz konnte eine Reise nach Italien unternehmen, wozu auch eine Gondelfahrt in Venedig und ein Besuch in Mantua gehörten, woselbst er die wissenschaftlichen Schätze und die Kunstsammlung des Herzogs bewundern durfte – und all das 1629, im Jahr der Krise von Mantua.202 Andere Aufzeichnungen berichten von Versuchen, das Leben trotz des Krieges möglichst normal weiterzuführen. Die schwedische Besatzung Bambergs hinderte Maria Anna Junius und ihre Mitschwestern nicht daran, ein Krippenspiel zu organisieren, bei dem vier Bauernkinder in ihren besten Kleidern teilnahmen – als Maria, Joseph (mit falschem Bart) und zwei Engel. Die Jesuiten brachten Bamberger Kinder mit ins Kloster, um Weihnachtslieder zu singen, und doch verlief, wie Schwester Junius notiert, auch dieser Tag nicht ohne Schrecken, weil ein Überfall der Forchheimer Garnison (die aus Katholiken bestand) für Panik sorgte.203 Persönliches Unglück konnte andere Ursachen als den Krieg haben, wie das Beispiel Stephan Behaims zeigt. Der Spross aus reicher Nürnberger Familie genoss eine teure Ausbildung an der Lateinschule und der Universität Altdorf, gefolgt von einer Zeit als Schreiber am Reichskammergericht. Doch nutzte er diese Gelegenheit nicht, sondern verschwendete das Geld seines Vormunds durch eine ausschweifende Lebensweise, bis ihm die Zuwendungen gestrichen wurden. 1632 trat er in die schwedische Armee ein, machte dort aber keine Karriere und wechselte in den Dienst der Niederländischen Westindienkompanie, wovon er sich bessere Aussichten erhoffte. Er starb jedoch in Brasilien. Einer seiner Verwandten, Hans Jakob, verschwendete seine Zeit in Altdorf ebenfalls und musste die Ausbildung abbrechen, als seines Vaters Nachsicht erschöpft war. Er wollte nun sein Leben als Soldat in die Schanze schlagen, kam aber mit der harten Wirklichkeit des Militärs nicht zurecht. Später wurde er zwar Leutnant in der französischen Armee, erwartete aber weiterhin, dass sein Vater ihm ein Leben mit Wein, Weib und Gesang finanzierte. Damit war es vorbei, als ihn während der Belagerung von Mardyck eine spanische Kugel traf.204

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Das Soldatenleben bestand aus langen Perioden der Untätigkeit, auf die ganz plötzlich ein Ausbruch hektischer, oft erschöpfender Aktivität folgte. Ein Kaiserlicher berichtet davon, dass er mit seinen Kameraden im Sommer 1629 ohne Unterbrechung sieben Wochen lang marschiert sei. Dann habe es zwei Tage Ruhe vor dem Weitermarsch und schließlich 20 Wochen Aufenthalt im Winterquartier bei Lauterbach in Hessen gegeben. Den gesamten nächsten Winter bis Mai 1631 verbrachte er ebenfalls im Quartier. Auch in den folgenden Jahren betrug die Dauer des Winterquartiers bis zu fünf Monate. Beim Feldzug des Jahres 1641 nahm unser Mann dann allerdings innerhalb von nur drei Monaten an acht Belagerungen teil. Alles in allem legte er zwischen 1625 und 1649 an die 25 000 Kilometer zurück. Die Erfahrungen, die er dabei machte, schwankten von einem Extrem zum anderen: „Am, carfreitag [1628], haben wir brodt, fleichs gnug gehabt, vndt am heilingen oster tag haben wir kein mundt fol brodt haben können.“ 1627 wiederum hatte es ihn „nach die ober Margraffschaft baden“ verschlagen, und dort habe er „in quartier gelehgen, gefressen vundt gesoffen, das es gudt heisset“. Bisweilen konnten die Soldaten es sich sogar erlauben, wählerisch zu sein. Als sein Regiment 1629 den bislang unberührten Norden von Deutschland erreichte, „haben wir kein Rindtfleichs mehr wollen essen, sonder es haben must gensse, endten oder hunner [Hühner] sein“.205 Fortuna Plötzliche Wendungen des (Kriegs-)Glücks wurden zu einem Charakteristikum jener Zeit. Das nährte bei den Menschen das Gefühl, nichts sei noch von Dauer und der Gang der Ereignisse unvorhersehbar. Obwohl die Obrigkeit Geduld und Stärke anmahnte, lebten viele Menschen nur noch für den Augenblick und nutzten jede Gelegenheit, die sich ihnen bot. Lebensmittelvorräte und gehortete Schätze waren stets der Gefahr von Plünderung ausgesetzt. Als mobiles Völkchen ohne feste Bleibe wussten besonders die Soldaten nicht, wo sie eventuelle Reichtümer deponieren sollten. General Götzen befahl seiner Armee, die Wertsachen in Offenburg zu lassen, als sie sich auf den Marsch machten, um Breisach zu entsetzen. Major von Hagenbach erörterte mit seinem Freund, dem Hauptmann Augustin Fritsch, was zu tun sei. Fritsch meinte, dass, wo der Kopf sei, auch der Rest bleiben solle, und so nahmen sie beide ihre angesammelte Beute mit, nur um sie in der Schlappe von Wittenweier einzubüßen. Fritsch verlor insgesamt 5000 Taler in Münzen, einen Sack voll silbernen Essbestecks, einige Gobelins, sechs Pferde, zwei Diener und einen Wagen – mehr als ausreichend für den Ruhestand eines bescheiden lebenden Mannes.206 Diese Unwägbarkeit oder Launenhaftigkeit des Lebens fand in Literatur und Kunst ihre allegorische Darstellung als Fortuna, eine nackte Frau, die auf einer Kugel steht und ein Füllhorn oder – in der Art eines Segels – einen Schleier hält.

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Es war eine zweideutige Gestalt, die einerseits den glücklichen Zufall, andererseits die Sünde verkörperte. Ähnliche Zuschreibungen begegnen in der Astrologie, wo die Planeten Jupiter und Venus für Glück standen, während Saturn und Mars als „böse“ Planeten galten. Man machte sie für das Auftauchen des Kometen im Jahre 1618 verantwortlich, der weithin als böses Omen gedeutet wurde (was sich im Folgenden bestätigen sollte). Soldaten wurden häufig auch als „Kinder des Mars“ bezeichnet. Der Ausdruck „Glücksritter“ hatte zwar den Beiklang von Kühnheit und Unternehmungslust, wurde aber vorwiegend mit Gier in Verbindung gebracht, weshalb man einen solchen Mann, der größeren Wert auf irdischen Erfolg legte als auf wahre christliche Spiritualität, verurteilte.

Gedenken Die Missbilligung, die Literatur und Kunst dem Zufallsglück entgegenbrachten, passte in den breiteren Interpretationsrahmen des Krieges als göttliches Strafgericht. Diese Ansicht fand während des gesamten Konflikts in Predigten und Proklamationen ihren Ausdruck und wurde auch bei den offiziellen Friedensfeiern nochmals betont. Der Westfälische Kongress weckte große Friedenserwartungen. Daniel von Campen, ein braunschweig-lüneburgischer Berghauptmann, ließ 1646 neben dem früheren Dorf Ildehausen, das 20 Jahre zuvor von den Kaiserlichen niedergebrannt worden war, ein neues Dorf mit dem Namen Friedenswunsch erbauen.207 Viele waren zunächst nicht davon überzeugt, dass der Frieden über das Jahr 1648 hinaus von Dauer sein würde. Die Schweden planten öffentliche Feiern in den von ihnen besetzten Gebieten für den Neujahrstag 1649, doch die meisten Städte und Dörfer warteten bis 1650, als mit der Rückkehr der Flüchtlinge und der Demobilisierung der Armeen das Vertrauen wuchs. An über 200 Orten in Europa wurden Feierlichkeiten abgehalten, davon allein im Reich 180, woran ersichtlich wird, wie sehr der Krieg eine mitteleuropäische Angelegenheit gewesen war. Der spanisch-niederländische Frieden von Münster wurde sogar nur in Brüssel, Antwerpen und sechs niederländischen Städten gefeiert. Die Feierlichkeiten geben einen wertvollen Einblick darin, wie die Überlebenden den Krieg sahen und das Erlebte zu bewältigen versuchten. Indem wir verfolgen, wie diese initialen Veranstaltungen in jährliche Gedenkfeiern umgewandelt wurden, können wir den Übergang des Konflikts in das kollektive Gedächtnis nachvollziehen. Die Friedensfeier ähnelte der Siegesfeier darin, dass sie von der Obrigkeit initiiert und organisiert wurde. Die Ereignisse folgten einem bestimmten Schema.

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Es begann mit dem Läuten der Glocken, um die Einwohner zusammenzurufen. Die Glocken von Köln läuteten jeweils eine volle Stunde lang, um die großen kaiserlichen Siege zu feiern. Dann veranstaltete die Bevölkerung eine Prozession durch die Stadt und versammelte sich zu einem Dankgottesdienst. Die Forchheimer Garnison, die den Schweden das ganze Jahr 1633 hindurch widerstanden hatte, feierte deren Abzug aus der Gegend, indem sie sämtliche Kanonen abfeuerte; dazu erklangen Trompeten und Kesselpauken.208 Kriegerischer Lärm gehörte bei den Friedensfeiern einfach dazu. In katholischen Gegenden waren solche Feiern dagegen eher verhalten, wohl weil viele den Kriegsausgang als Niederlage begriffen. Militante Katholiken fühlten sich ganz besonders um den Sieg betrogen, wo sie doch die Protestanten 1629 und 1634 geschlagen hatten, nur um dann aufgrund ausländischer Invasion ihren Forderungen nachkommen zu müssen. Bischof Wartenberg blieb den relativ bescheidenen Feierlichkeiten fern, welche die Zeremonie der Vertragsunterzeichnung im Oktober 1648 in Münster begleiteten. Dennoch wurde der Friedensschluss allgemein von den Katholiken begrüßt, und die bedeutenderen unter den katholischen Herrschern hatten guten Grund zu feiern. In München wurde in der Frauenkirche ein „Te Deum“ gesungen, eine Messe gelesen und eine Prozession durch die Stadt veranstaltet, angeführt von den Jesuiten und begleitet von den üblichen Kanonenschüssen. Ähnlich spielten sich die Feiern in Köln, Salzburg, Wien, Prag und anderen habsburgischen Städten ab. Die Festivitäten in Prag ragten besonders heraus, weil es die Stadt war, in der der Krieg begonnen hatte. Der heldenhafte Widerstand der Einwohner gegen die schwedische Belagerung von 1648 wurde rasch zu einem Mythos von katholischer und dynastischer Loyalität verwoben, um das Stigma der einstigen Rebellion zu tilgen. Die heilige Barbara, die Schutzheilige der katholischen Artilleristen, wurde von der Bevölkerung für die Retterin der Kirche St. Heinrich und Kunigunde gehalten, weil sie angeblich während des Beschusses eine schwedische Granate abgefangen hatte. Der dankbare Kaiser belohnte die Stadträte reichlich. Gemeinsam mit Studenten, die geholfen hatten, die Karlsbrücke abzuriegeln und die Neustadt zu retten, wurden sie in den Adelsstand erhoben. 1649 erhielt Prag eine neue Stadtverfassung und damit zugleich einen privilegierten Sitz im böhmischen Landtag.209 Im Mittelpunkt der katholischen Feierlichkeiten stand die Messe als traditionelle Form der Danksagung. Da die Protestanten die Messe ablehnten, mussten sie ihre Friedensfeste etwas anders organisieren. Sie rekurrierten auf die Reformationsgedenktage von 1617 und 1630, daneben auch auf den Buß- und Bettag, der seit 1532 anlässlich der kaiserlichen Feldzüge gegen die Türken begangen worden war und nach 1618 wiederbelebt wurde. Anders als bei den Reformati-

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onsgedenktagen sorgte Kursachsen diesmal nicht für eine Koordination der Festivitäten in ganz Lutherdeutschland, sondern überließ die Organisation den einzelnen Territorien. Allerdings ähnelten die Feiern einander sehr, und Sachsen orientierte sich für seine eigenen Zeremonien an den Gedenktagen, wobei sogar einige der damaligen Predigten wieder zu Ehren kamen. Die Feiern richteten die Aufmerksamkeit auf die Rolle Gottes und der Menschen im Krieg. Die Dynastien rückten stärker in den Vordergrund als zu den Reformationsgedenktagen. In Sachsen fanden die Feierlichkeiten 1650 am Namenstag der Kurfürstin statt, nicht am Jahrestag der Vertragsunterzeichnung. Der Frieden wurde als ein Geschenk Gottes und der Obrigkeiten dargestellt. Die Versammelten wurden aufgefordert, für das Wohlergehen des Fürstenhauses wie auch allgemein für die protestantischen Reichsstände als Garanten von Ruhe und Ordnung zu beten. Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft trugen zu den Friedensfesten in Coburg und Weimar bei, die dem Schrecken des Krieges die Allegorie der Concordia gegenüberstellten. Sie verkörperte das barocke Ideal der gegenseitigen Verständigung, die zumindest das Potenzial zur Handreichung über die konfessionellen Grenzen hinweg besaß. Zahlreiche Flugblätter erschienen im ganzen Reich und verbreiteten die Kunde von dem allgemeinen Reichsfrieden in Gestalt der Germania, die den „Frieden“ heiratete.210 Die theologischen Inhalte folgten dem für die Buß- und Bettage etablierten Muster, das auch in Zeiten von Naturkatastrophen Verwendung gefunden hatte. Die Feierlichkeiten erstreckten sich über ein bis zwei Tage; sie begannen mit Gebeten und Predigten, die auf den angemessenen Grundton und die offizielle Interpretation des Krieges als von Gott verhängte Strafe einstimmten. Wie Hochwasser oder Feuersbrunst war der Krieg also nichts „Natürliches“, sondern ein Produkt des göttlichen Willens. Die katholischen Predigten verkündeten eine ähnliche Botschaft; auch hatten die Katholiken bereits während des Krieges regelmäßige Gebetstage abgehalten, um das Böse abzuwehren.211 Die Lutheraner fügten ihrer Interpretation noch ein zweites Element hinzu, indem sie den Krieg auch als eine Glaubensprüfung verstanden und die Besetzung durch feindliches Militär mit der Babylonischen Gefangenschaft des Volkes Israel gleichsetzten. Die Pastoren beriefen sich auf die Offenbarung des Johannes: Gott habe sein Schwert den Bösen überlassen, um die Sünder zu bestrafen, könne es jedoch wieder an sich nehmen, wenn das Volk wahren Glauben zeige. Die Länge des Krieges wurde als Argument dafür genutzt, wie leicht es sei, vom rechten Wege abzukommen. Das Volk solle daher seine Bemühungen verdoppeln, ein rechtschaffenes, sparsames und arbeitsames Leben zu führen, um Gottes Gunst wiederzuerlangen. Für wie wichtig man das zukünftige Wohlverhalten hielt, zeigte sich daran, dass Schulkindern in den protestantischen Prozessionen ein

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prominenter Platz eingeräumt wurde. Die Protestanten sahen im Frieden generell eine von Gott gewährte Gelegenheit, sich seiner Gnade als würdig zu erweisen und den fehlgeleiteten Katholiken durch ihr gutes Beispiel den wahren Weg zum Heil aufzuzeigen. Die Betonung der Sünde, so typisch lutherisch sie war, minderte aber auch die konfessionelle Polemik. Der Krieg wurde in dieser Sicht zum Ergebnis des eigenen Versagens, nicht der Angriffslust der katholischen Nachbarn. Diese Botschaft kam nicht nur dem im Reich herrschenden Harmoniebedürfnis entgegen, sondern auch der sozialdisziplinierenden Agenda, die dem Wiederaufbau nach dem Krieg eignete. Die konfessionelle Gegnerschaft wurde durch den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit sublimiert. Die Herrscher mussten keine Verantwortung für den Krieg übernehmen, sondern konnten sich sogar Erfolge bei der Linderung seiner schlimmsten Auswirkungen wie auch die tätige Beihilfe zu seiner Beendigung an die Fahnen heften. Allerdings wollte die Betonung von Buße und Ernsthaftigkeit nicht so recht zu den eher säkularen Elementen der Feierlichkeiten passen, denn es wurde reichlich gegessen und getrunken, und es gab öffentliche Spektakel wie etwa in Hamburg 1650 das erste schriftlich überlieferte Feuerwerk. In Nürnberg feuerten 370 Kanonen Salut – die Erschütterungen waren so stark, dass die Stadtmauern Schäden in Höhe von 3000 Gulden davontrugen. Solche Diskrepanzen blieben natürlich nicht unbemerkt: Dichter, Schriftsteller und Verfasser von Flugblättern verspotteten die exzessiven Preisungen des Friedens und die unrealistischen Erwartungen eines Nachkriegsparadieses. Die Existenz von derlei Satire lässt an der Behauptung zweifeln, dass die Religion den Menschen bei der Bewältigung des Konflikts geholfen habe, oder dass es ihr zu verdanken sei, verbreiteten Protest oder gar den Zusammenbruch der sozialen Ordnung zu verhindern.212 Gewiss waren viele Menschen gottgläubig. Die vier Jahre alte Johanna Petersen rügte ihre ältere Schwester, weil diese Gott nicht dafür gedankt habe, dass die beiden während eines Überfalls das Gutshaus unbemerkt verlassen konnten.213 Solche Berichte müssen wohl cum grano salis genommen werden: Johanna Petersen war später eine führende Persönlichkeit des lutherischen Pietismus und sicher überaus fromm. Bezeichnender ist vielleicht das Beispiel der Einwohner von Rottweil und der Verwirrung, die ihnen während der französischen Belagerung im November 1643 widerfuhr.214 Sie verbrachten eine ganze Nacht wachend in der Kirche beim Gebet, um göttliche Hilfe für die Errettung der Stadt zu erflehen. Viele der dort Versammelten glaubten nun zu sehen, wie die Statue der Madonna die Farbe wechselte und ihre Augen gen Himmel wandte. Selbst diejenigen, die selbst nichts gesehen hatten, glaubten danach an das Wunder und schrieben ihre fehlende Wahrnehmung ihren schwachen Augen oder ihrem Platz hinten in der

23. Die Erfahrung des Krieges

Kirche zu. Und doch stärkte das Ereignis nicht die Entschlossenheit der Verteidiger: Eine Woche später kapitulierte Rottweil. In sehr viel späteren Zeiten, vor allem bei den von Jesuiten organisierten Jahrhundertfeiern, versuchte die Kirche, das Wunder mit dem Sieg der Kaiserlichen bei Tuttlingen und der darauffolgenden Wiedereroberung von Rottweil zu verbinden. Für die in der Kirche Versammelten war die Sache nicht so klar. Einige wurden in ihrem Glauben an die allein seligmachende katholische Kirche bestärkt, während andere das Erbleichen der Statue als Vorzeichen des Todes interpretierten. Einige Rottweiler Lutheraner glaubten übrigens auch an das Wunder, obwohl ihre eigene Kirche derlei streng verurteilte. Auf seinem Höhepunkt in den 1630er-Jahren bedrohte der Krieg ganz eindeutig die etablierte Ordnung. Ein Jahrzehnt später hatte sich die Lage in vielen Gebieten zum Besseren gewandt, was jeden Ansatz zu Protest dämpfte. Dennoch waren viele Menschen durch den Krieg traumatisiert, und es gibt Hinweise auf das, was heute „posttraumatische Belastungsstörung“ genannt wird. Die Überlebenden litten unter Flashbacks, Albträumen, plötzlichen Stimmungswechseln und anderen psychischen Problemen.215 Die weit verbreitete Sehnsucht nach Stabilität hat zweifellos die Akzeptanz für die amtlichen Disziplinierungsmaßnahmen nach 1648 gefördert. Erinnerungskultur Schon dass die praktische Umsetzung der Friedensverträge sich hinzog, trug dazu bei, dass aus einmaligen Feierlichkeiten jährliche Gedenkfeiern wurden. Viele Gebiete gedachten bereits Ende 1648 der Unterzeichnung mit Dankgottesdiensten. Weitere Feiern gab es 1649, als die Verträge ratifiziert wurden und der Truppenabzug begann. Auch das Ende des Nürnberger Exekutionstags 1650 wurde zum Anlass für Festivitäten, die im Allgemeinen etwas prächtiger ausfielen. Sachsen schloss sich dieser Tendenz zur Wiederholung nicht an und konzentrierte sich lieber auf Gedenkfeiern zu Höhepunkten der Reformation: 1655 wurde die Jahrhundertfeier des Augsburger Religionsfriedens begangen, 1667 das 150-jährige Jubiläum von Luthers Thesenanschlag. Andere lutheranische Territorien verbanden ebendiese Feiern mit dem Gedenken an den Westfälischen Frieden. Möglich war indes auch die Verbindung mit anderen Ereignissen: Hohenlohe etwa zelebrierte den Jahrestag des Friedens zusammen mit dem Erntedankfest. Der Übergang zu jährlichen Gedenkfeiern hatte unterschiedliche Gründe. Zum einen setzte der Territorialstaat weiterhin auf den Ausbau von Disziplin und Gehorsam, wozu das Gedenken an den Krieg gut passte. Zum anderen gab es den Wunsch, die örtliche Gemeinschaft zu stärken. Letzteres zeigte sich besonders prägnant im bikonfessionellen Augsburg, wo die protestantischen Bür-

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ger immer am 8. August feierten – einem Datum ohne jede Beziehung zum Frieden. Der 8. August war vielmehr jener Tag, an dem die lutherischen Pastoren 1629 unter dem Restitutionsedikt aus der Stadt vertrieben worden waren. Die protestantischen Feiern vermieden sorgfältig jeden Bezug zu den Katholiken, so als wäre Augsburg ganz und gar lutherisch. Die Gedenkfeiern hielten in der Bevölkerung die Erinnerung an den Krieg wach. Ein Höhepunkt war die Jahrhundertfeier 1748. In diesem Jahr wurde auch der Frieden von Aix-la-Chapelle geschlossen, der den acht Jahre währenden Österreichischen Erbfolgekrieg beendete. Leutkirch etwa feierte zwei Wochen lang. Es gab nicht nur die üblichen Predigten, Prozessionen und Feuerwerke, sondern auch eine Prüfung für Schulkinder, die zeigen sollten, was sie über den Westfälischen Frieden wussten. Die Teilnehmer erhielten eine Gedenkmünze. Die Festivitäten in Hamburg wurden durch eine von Georg Philipp Telemann eigens komponierte Kantate gekrönt. Nach 1748 nahm das Interesse ab, auch wenn Coburg den Jahrestag des Friedensschlusses noch bis 1843 beging. In Augsburg ist der 8. August immer noch ein Feiertag. Der Inhalt des Gedenkens änderte sich mit der Zeit. Der Westfälische Frieden wurde zum Bestandteil des protestantischen Narrativs der deutschen Geschichte. Die Friedensverträge von Osnabrück und Münster waren bei der Jahrhundertfeier immer noch grundlegende Verfassungsdokumente des Heiligen Römischen Reichs. Ein Jahrhundert später existierte es freilich nicht mehr, und der Friedensschluss wurde mittlerweile als Vollendung der Reformation durch die Sicherung der politischen Rechte der Protestanten gefeiert. Die Festlichkeiten gewannen einen zunehmend volkstümlichen Charakter. In Augsburg zogen die Kinder nun nicht mehr verkleidet als Kaiser, Kurfürsten und Reichsadler durch die Straßen, sondern als schwedische Soldaten. Weitaus mehr als die Religion half das Vergehen der Zeit, das Trauma des Konflikts zu überwinden und ihn zu Geschichte werden zu lassen. Der Großteil von Europa hat das Glück gehabt, seit 1945 für die Zeit fast eines ganzen Menschenlebens Frieden zu genießen und von den Schrecken ausländischer Invasion, Gewalt und Zerstörung verschont geblieben zu sein. Die lange Kette europäischer Konflikte vom 17. bis ins 20. Jahrhundert hat eine noch aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges stammende mündliche Erzähltradition wachgehalten, die nun vergeht. Im Gegensatz zur Historisierung des Krieges durch das öffentlich verordnete Gedenken mit all seinem Gepränge stellten diese volkstümlichen Geschichten eine Art vorgreifende Erinnerungen dar, die Geschehnisse des Kriegs für den zukünftigen Gebrauch bewahrten.216 Geschichten über Grausamkeiten und Gewalt gegen Zivilisten boten Ratschläge für mögliche Reaktionen, sollten sich solche Ereignisse wiederholen. Der jeweilige Kern einer

23. Die Erfahrung des Krieges

Geschichte konnte auf andere Konstellationen und Zeiten übertragen werden. Geschichten über Schweden oder Kroaten aus dem Dreißigjährigen Krieg vermischten sich mit dem, was man über russische Kosaken aus den Napoleonischen Kriegen oder auch über Soldaten aus dem eigenen Heimatland erzählte. Diese Geschichten überlebten in Teilen von Europa bis ins spätere 20. Jahrhundert. Obwohl sie mittlerweile verstummt sind, sprechen die Stimmen aus dem 17. Jahrhundert immer noch zu uns aus unzähligen Texten und Bildern, die wir glücklicherweise besitzen. Sie warnen uns auch weiterhin vor der Gefahr, jenen Macht zu verleihen, die sich durch Gott zum Krieg berufen fühlen oder glauben, dass ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung die einzig gültigen sind.

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ANHANG

Anmerkungen Erster Teil: Die Anfänge 1.

2. 3.

4.

5. 6. 7.

8. 9. 10. 11.

Slavatas Bericht von seiner „Auswerfung aus dem Fenster“ findet sich in: H. Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten (Düsseldorf 1963), S. 23–28. Siehe auch H. Sturmberger, Aufstand in Böhmen. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges (München 1959), S. 7–14. K. Cramer, The Thirty Years’ War and German Memory in the Nineteenth Century (Lincoln, Nebr. 2007), S. 9, 146–147. K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 112– 152; D. Moldenhauer, „Die Darstellung des Dreißigjährigen Krieges zwischen ‚Aufklärungshistorie‘ und ‚Historismus‘“, in: M. Knauer und S. Tode (Hgg.), Der Krieg vor den Toren (Hamburg 2000), S. 389–418. Den vollständigen Text des Simplicissimus bietet die Ausgabe Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, mit Anmerkungen und einer Zeittafel hg. v. A. Kelletat (München 172003). Eine behutsame sprachliche Überarbeitung erfährt der Roman als Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch, aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts v. R. Kaiser (Frankfurt/Main 2009). D. M. Hopkin, Soldier and Peasant in French Popular Culture 1766–1870 (Woodbridge 2003), S. 240–250; J. Canning, H. Lehman und J. Winter (Hgg.), Power, Violence and Mass Death in Pre-modern and Modern Times (Aldershot 2004), S. 199–200. A. Buchner und V. Buchner, Bayern im Dreißigjährigen Krieg (Dachau 2002), S. 7. Das Konzept einer allgemeinen Krise des 17. Jahrhunderts wurde in einer Reihe von Aufsätzen in der Zeitschrift Past and Present eingeführt, die später auch gesammelt erschienen sind: T. Aston (Hg.), Crisis in Europe, 1560–1660 (London 1965). Spätere Beiträge zur selben Debatte versammelt der Band von G. Parker und L. M. Smith (Hgg.), The General Crisis of the Seventeenth Century (London 1997). Siehe auch T. K. Rabb, The Struggle for Stability in Early Modern Europe (New York 1975). Eine ausführlichere Analyse dieser und weiterer Interpretationen bietet P. H. Wilson, „The causes of the Thirty Years War“, EHR 123 (2008), 554–586. Zum Beispiel S. R. Gardiner, The Thirty Years’ War 1618–1648 (London 1889). H. Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen 1559–1660 (Paderborn 2007), S. 415, 417. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), Zitat S. 14. Siehe auch D. Maland, Europe at War 1600–1650 (London 1980); P. Kennedy, The Rise and Fall of Great Powers (London 1988); M. P. Gutmann, „The origins of the Thirty Years’ War“, Journal of Interdisciplinary History 18 (1988), 749–770. Die Ursprünge der „internationalen Schule“ finden sich in den Arbeiten Sigfrid H. Steinbergs, zunächst in einem Aufsatz von 1947, der in der Folge zu einem Buch ausgearbeitet wurde: The Thirty Years War and the Conflict for European Hegemony 1600–1660 (London 1966). Nicola Sutherland treibt diese Lesart auf die Spitze, indem sie den Dreißigjährigen Krieg als nur ein Element einer 300 Jahre andauernden Rivalität zwischen Frankreich und den Habsburgern darstellt: „The origins of the Thirty Years War

Anmerkungen

12. 13.

14.

15. 16.

17.

18.

19.

20.

and the structure of European politics“, EHR 107 (1992), 587–625. In der neueren deutschsprachigen Forschung erscheint der Dreißigjährige Krieg als ein zunächst im Heiligen Römischen Reich entstandener Konflikt, der schließlich auf ganz Europa ausgreift: C. Kampmann, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2008). Repgen, Dreißigjähriger Krieg, S. 27–28, 62–87; G. Mortimer, „Did contemporaries recognise a ‚Thirty Years War‘?“, EHR 116 (2001), 124–136. Dies wird weiter ausgeführt in P. H. Wilson, „On the role of religion in the Thirty Years War“, IHR 30 (2008), 473–514. Siehe auch die hilfreiche Diskussion in E. Labouvie, „Konfessionalisierung in der Praxis – oder: War der Dreißigjährige Krieg ein Konfessionskrieg?“, in: Verein für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen (Hg.), Konfession, Krieg und Katastrophe. Magdeburgs Geschick im Dreißigjährigen Krieg (Magdeburg 2006), S. 69–92. Blannings Bemerkung fiel im Rahmen seines ebenso launigen wie erhellenden Referats bei der Tagung Culture of Power am Peterhouse College der Universität Cambridge im September 2005. Mosers Hauptwerk, Neues Teutsches Staatsrecht (20 Bde. in 36 Teilen, Frankfurt/Main und Leipzig 1767–1782) lässt sich noch immer mit Gewinn lesen, denn es bietet eine schier unerschöpfliche Fülle von Details zu Fragen der Reichsverfassung. Einen moderneren Überblick geben H. Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit (München 1997) und P. H. Wilson, The Holy Roman Empire 1495–1806 (Basingstoke 1999). M. Merian, Topographia Germaniae (14 Bde., Frankfurt/Main, 1643–75, Nachdruck Braunschweig 2005). Das sogenannte Reichsitalien umfasste – mit Ausnahme der Republik Venedig im Nordosten – die gesamte Region nördlich des Kirchenstaates, der die ApenninenHalbinsel in der Mitte teilte. Das Herzogtum Savoyen stellte insofern eine Ausnahme dar, als es in den Institutionen und Gremien des Reiches zwar formal vertreten blieb, die Herzöge ihre Repräsentationsrechte jedoch nicht mehr wahrnahmen. Farbige Abbildung bei D. Hohrath, G. Weig und M. Wettengel (Hgg.), Das Ende reichsstädtischer Freiheit 1802 (Ulm 2002), S. 139. Die symbolischen und metaphorischen Repräsentationsformen des Reiches diskutiert der Band von R. A. Müller (Hg.), Bilder des Reiches (Sigmaringen 1997). Gute Einführungen bieten R. Bireley, The Refashioning of Catholicism 1450–1700 (Basingstoke 1999); D. L. Luebke (Hg.), The Counter Reformation (Oxford 1999); R. PoChia Hsia, The World of Catholic Renewal 1540–1770 (Cambridge 1998); A. Pettegree (Hg.), The Reformation World (London 2002); C. S. Dixon, The Reformation in Germany (Oxford 2002) sowie G. Murdock, Beyond Calvin. The intellectual, political and cultural world of Europe’s reformed churches (Basingstoke 2004). L. Riccardi, „An outline of Vatican diplomacy in the early modern age“, in: D. Frigo (Hg.), Politics and Diplomacy in Early Modern Italy (Cambridge 2000), S. 95–108; K. Jaitner, „Die Päpste im Mächteringen des 16. und 17. Jahrhunderts“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 61–67. Zum Papsttum der Frühen Neuzeit siehe allgemein A. D. Wright, The Early Modern Papacy from the Council of Trent to the French Revolution 1564–1789 (Harlow 2000). J. O’Malley, „The Society of Jesus“, in: R. Po-Chia Hsia (Hg.), A Companion to the Reformation World (Oxford 2004), S. 223–236; R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years

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Anhang

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23. 24.

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26. 27.

28.

War (Cambridge 2003); G. Heiß, „Princes, Jesuits and the origins of the Counter Reformation in the Habsburg lands“, in: R. J. W. Evans und T. V. Thomas (Hgg.), Crown, Church and Estates (Basingstoke 1991), S. 92–109. Den jesuitischen Einfluss auf die süddeutschen Universitäten untersuchen A. Schindling, „Die katholische Bildungsreform zwischen Humanismus und Barock“ und T. Kurrus, „Die Jesuiten in Freiburg und den Vorlanden“, beide in: H. Maier und V. Press (Hgg.), Vorderösterreich in der frühen Neuzeit (Sigmaringen 1989), S. 137–176 bzw. 189–198. Zur Entwicklung der deutschen Universitäten liegt mittlerweile in durchgesehener Zweitauflage vor die hervorragende Fallstudie von M. Asche, Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen Landeshochschule. Das regionale und soziale Besucherprofil der Universitäten Rostock und Bützow in der frühen Neuzeit (1500–1800) (Stuttgart 22010). Dazu von M. R. Forster, The Counter Reformation in the Villages: Religion and reform in the Bishopric of Speyer 1560–1720 (Ithaca und London 1992) sowie ders., Catholic Revival in the Age of the Baroque. Religious identity in southwest Germany, 1550–1750 (New York 2001). P. Blickle, The Revolution of 1525 (Baltimore 1985); J. Witte, Jr., Law and Protestantism. The legal teachings of the Lutheran Reformation (Cambridge 2002). M. Schaab, „Territorialstaat und Kirchengut in Südwestdeutschland bis zum Dreißigjährigen Krieg“ und R. Postel, „Kirchlicher und weltlicher Fiskus in norddeutschen Städten am Beginn der Neuzeit“, beide in: H. Kellenbenz und R. Prodi (Hgg.), Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter (Berlin 1994), S. 71–90 bzw. 165–185; R. Po-Chia Hsia, Social Discipline in the Reformation. Central Europe 1550–1750 (London 1989). M. Heckel, „Die Religionsprozesse des Reichskammergerichts im konfessionell gespaltenen Reichskirchenrecht“, ZSRG KA 77 (1991), 283–350; H. Rabe, Reichsbund und Interim. Die Verfassungs- und Religionspolitik Karls V. und der Reichstag von Augsburg 1547/1548 (Köln 1971); V. Press, Das Alte Reich (Berlin 22000), S. 67–127; T. A. Brady, „Phases and strategies of the Schmalkaldic League“, ARG 74 (1983), 162–181. Einen detaillierteren Überblick über die Entwicklung und das Vorgehen des Schmalkaldischen Bundes liefert das Buch desselben Autors, Protestant Politics. Jacob Sturm (1489–1553) and the German Reformation (Atlantic Highlands 1995) sowie die Habilitationsschrift von Gabriele Haug-Moritz, Der Schmalkaldische Bund. 1530–1541/42. Eine Studie zu den genossenschaftlichen Strukturelementen der politischen Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (Leinfelden-Echterdingen 2002). R. Kolb, „Dynamics of party conflict in the Saxon late Reformation: Gnesio-Lutherans vs. Philippists“, JMH 49 (1977), 1289–1305. Beispiele in D. Breuer, „Raumbildungen in der deutschen Literaturgeschichte der frühen Neuzeit als Folge der Konfessionalisierung“, Zeitschrift für deutsche Philologie 117 (1998), 180–191; U. Lotz-Heumann und M. Pohlig, „Confessionalization and literature in the Empire, 1555–1700“, CEH 40 (2007), 35–61 sowie P. C. Hartmann, Kulturgeschichte des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1806 (Wien 2001). Wie alle diese Beispiele zeigen, traten markante Unterschiede zwischen den Konfessionen erst nach dem Krieg hervor. B. Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität (2 Bde., Göttingen 1989); B. A. Tlusty, Bac-

Anmerkungen

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31. 32. 33.

34.

chus and Civic Order. The culture of drink in early modern Germany (Charlottesville 2001). Zum Zusammenleben von Lutheranern und Calvinisten in Ostfriesland: N. Grochowina, Indifferenz und Dissens in der Grafschaft Ostfriesland im 16. und 17. Jahrhundert (Frankfurt/Main 2003). Eine weitere nützliche Fallstudie, diesmal aus Oberhessen, ist D. Mayes, Communal Christianity. The life and death of a peasant vision in early modern Germany (Boston 2004). So etwa Martin Opitz 1625 und Andreas Gryphius 1627. Zum Folgenden siehe auch H. Peterse, „Irenik und Toleranz im 16. und 17. Jahrhundert“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 265–271; H. Gabel, „Glaube – Individuum – Reichsrecht. Toleranzdenken im Reich von Augsburg bis Münster“, in: H. Lademacher und S. Groenveld (Hgg.), Krieg und Kultur. Die Rezeption von Krieg und Frieden in der Niederländischen Republik und im Deutschen Reich 1568–1648 (Münster 1998), S. 157–177. K. Brandi (Hg.), Der Augsburger Religionsfriede vom 25. September 1555. Kritische Ausgabe des Textes mit den Entwürfen und der königlichen Deklaration (Göttingen 1927) liefert eine moderne Edition des Textes. Der vollständige Augsburger Reichsabschied von 1555 ist abgedruckt in J. J. Schmauss und H. C. von Senckenberg (Hgg.), Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede (4 Bde., Frankfurt/Main 1747), III, S. 14– 43, die neuen Bestimmungen für das Reichskammergericht finden sich auf S. 43–136. A. Gotthard, Der Augsburger Religionsfrieden (Münster 2004) gibt eine umfassende, wenn auch ziemlich kritische Gesamtschau des Augsburger Religionsfriedens und der daran anschließenden Kontroverse; zur ergänzenden Lektüre empfiehlt sich sehr die umfangreiche Rezension von M. Heckel, „Politischer Friede und geistliche Freiheit im Ringen um die Wahrheit zur Historiographie der Augsburger Religionsfrieden von 1555“, HZ 282 (2006), 394–425. Siehe auch G. May, „Zum ‚ius emigrandi‘ am Beginn des konfessionellen Zeitalters“, Archiv für Katholisches Kirchenrecht 155 (1986), 92–125. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), S. 79. W. Ziegler, „Die Hochstifte des Reiches im konfessionellen Zeitalter 1520–1618“, Römische Quartalsschrift 87 (1992), 252–281. Zum Folgenden siehe auch M. Heckel, „Autonomia und Pacis Compositio“, ZSRG KA 45 (1959), 141–248. A. P. Luttenberger, Kurfürsten, Kaiser und Reich. Politische Führung und Friedenssicherung unter Ferdinand I. und Maximilian II. (Mainz 1994); M. Lanzinner, Friedenssicherung und politische Einheit des Reiches unter Maximilian II. (1564–1576) (Göttingen 1993); J. Arndt, „Die kaiserlichen Friedensvermittlungen im spanisch-niederländischen Krieg 1568–1609“, Rheinische Vierteljahrsblätter 62 (1998), 161–183; P. S. Fichtner, Emperor Maximilian II (New Haven 2001). Die Problematik wird in Kapitel 7 ausführlicher diskutiert. Zum Folgenden: M. Heckel, „Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, ZSRG KA 42 (1956), 117–247 und 43 (1957), 202–308; R. R. Benert, „Lutheran resistance theory and the imperial constitution“, Il pensiero politico 6 (1973), 17–36; W. Schulze, „States and the problem of resistance in theory and practice in the sixteenth and seventeenth centuries“, in: Evans und Thomas (Hgg.), Crown, Church and Estates, S. 158–175; R. von Friedeburg, Self-Defence and Religious Strife in Early Modern Europe. England and Ger-

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37.

38.

39. 40. 41.

42.

many, 1530–1680 (Aldershot 2002); K. Repgen, „Kriegslegitimationen in Alteuropa“, HZ 241 (1985), 27–49. A. Kohler, Ferdinand I., 1503–1564. Fürst, König und Kaiser (München 2003), S. 177– 184, 297–303, 311; P. Rauscher, Zwischen Ständen und Gläubigern. Die kaiserlichen Finanzen unter Ferdinand I. und Maximilian II. (1556–1576) (München 2004). Eine gute Einführung zur Geschichte des Habsburgerreiches bieten J. Bérenger, Die Geschichte des Habsburgerreiches 1273–1918 (Wien 1995) und C. Ingrao, The Habsburg Monarchy 1618–1815 (Cambridge 2000). Für denselben Zeitraum liegen auch zwei hervorragende Detailstudien vor: R. J. W. Evans, Das Werden der Habsburgermonarchie 1550–1700 (Wien 1986); T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699) (2 Bde., Wien 2003). Zu den österreichischen Enklaven im südwestdeutschen Raum siehe H. Maier und V. Press (Hgg.), Vorderösterreich in der frühen Neuzeit (Sigmaringen 1989). Vgl. die drei Aufsätze von J. Pánek, „Das Ständewesen und die Gesellschaft in den Böhmischen Ländern in der Zeit vor der Schlacht auf dem Weißen Berg (1526–1620)“, Historica. Les sciences historiques en Tchécoslovaquie 20 (1985), 73–120; „Das politische System des böhmischen Staates im ersten Jahrhundert der habsburgischen Herrschaft (1526–1620)“, MIÖG 97 (1989), 53–82; „Der böhmische Staat und das Reich in der frühen Neuzeit“, in: V. Press (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung in der frühen Neuzeit? (München 1995), S. 169–178; sowie J. Bahlcke, „Das Herzogtum Schlesien im politischen System der böhmischen Krone“, Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 44 (1995), 27–55. L. Kontler, A History of Hungary (Basingstoke 2002); E. Pamlényi (Hg.), A History of Hungary (London 1975). Die restlichen 31 Komitate des habsburgischen Ungarn erstreckten sich über mehr als 92 000 Quadratkilometer und hatten mehr als 1,2 Millionen Einwohner. Drei weitere Komitate, die slowenischen Kernländer Ober-, Unterund Innerkrain, waren mit dem – allerdings eigenständigen – Königreich Kroatien im Südwesten assoziiert und kamen zusammen auf rund 25 000 Quadratkilometer und 300 000 Einwohner. Die beste Einführung in die Ständeordnungen der habsburgischen Länder und deutschen Territorien des Heiligen Römischen Reiches bietet der Sammelband von R. J. W. Evans und T. V. Thomas (Hgg.), Crown, Church and Estates (New York 1990). R. Schwarz, The Imperial Privy Council in the Seventeenth Century (Cambridge, MA 1943), S. 280. Adam von Puchheim zit. nach Ernst Joseph Görlich, Grundzüge der Geschichte der Habsburgermonarchie und Österreichs (Darmstadt 31988), S. 91. Zum Macht- und Handlungsspielraum der Grundherren siehe auch T. Winkelbauer, „Sozialdiszplinierung und Konfessionalisierung durch Grundherren in den österreichischen und böhmischen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert“, ZHF 19 (1992), 317–339. Zur Ausbreitung des Protestantismus in den habsburgischen Ländern siehe K. Benda, „Hungary in turmoil, 1580–1620“, European Studies Review 8 (1978), 281–304; D. P. Daniel, „Calvinism in Hungary: the theological and ecclesiastical transition to the Reformed faith“, in: A. Pettegree (Hg.), Calvinism in Europe 1540–1620 (Cambridge 1996), S. 205–230 und vom selben Verfasser „Ecumenicity or orthodoxy: the dilemma of the Protestants in the lands of the Austrian Habsburgs“, Church History 49 (1980),

Anmerkungen

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48. 49.

387–400; K. Maag (Hg.), The Reformation in Eastern and Central Europe (Aldershot 1997); J. E. Patrouch, A Negotiated Settlement. The Counter- Reformation in Upper Austria under the Habsburgs (Boston 2000); R. Pörtner, The Counter-Reformation in Central Europe. Styria 1580–1630 (Oxford 2001) sowie Z. V. David, Finding the Middle Way. The Utraquists’ liberal challenge to Rome and Luther (Washington, DC/Baltimore 2003). O. Pickl, „Fiskus, Kirche und Staat in Innerösterreich im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation“, in: H. Kellenbenz und P. Prodi (Hgg.), Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter (Berlin 1994), S. 91–110, hier S. 97. Zwar mit einem Schwerpunkt auf Brandenburg, aber dennoch unverzichtbar für ein tieferesVerständnis der dargestellten Prozesse: W. W. Hagen: Ordinary Prussians. Brandenburg Junkers and Villagers 1500–1840 (Cambridge 2002). Zur Situation in Österreich siehe H. Rebel, Peasant Classes. The bureaucratization of property and family relations under early Habsburgs absolutism, 1511–1636 (Princeton 1983) sowie T. Winkelbauer, „Krise der Aristokratie? Zum Strukturwandel des Adels in den böhmischen und niederösterreichischen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert“, MIÖG 100 (1992), 328–353. Während die politische Dimension von Rudolfs Regierungszeit noch immer nicht ausreichend erforscht worden ist, gibt es doch eine hervorragende Darstellung seiner Persönlichkeit und geistigen Interessen: R. J. W. Evans, Rudolf II and His World (London 21997). Rudolfs Einfluss als Förderer der Künste behandeln H. Trevor-Roper, Princes and Artists. Patronage at four Habsburg courts 1517–1633 (London 1976), S. 79–115 und P. Marshall, The Theatre of the World. Alchemy, Astrology and Magic in Renaissance Prague (London 2006). Hilfreiche Kurzbiografien von Rudolf und den anderen Habsburgerkaisern finden sich zudem in A. Schindling und W. Ziegler (Hgg.), Die Kaiser der Neuzeit 1519–1918 (München 1990). Zum Folgenden siehe auch H. Louthan, The Quest for Compromise. Peacemaking in Counter-Reformation Vienna (Cambridge 1997). H. C. E. Midelfort, Mad Princes of Renaissance Germany (Charlottesville, Va. 1994). Zu diesem Schluss kommt H. Angermeier, „Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl“, ZSRG GA 110 (1993), 249–330; J. Rainer, „Kardinal Melchior Klesl (1552–1630). Vom ‚Generalreformator‘ zum ‚Ausgleichspolitiker‘“, Römische Quartalschrift 59 (1964), 14–35. Vor den Toren Wiens gab es noch 1000 weitere, kleinere Häuser, dazu 2700 Häuser und Hütten in der Umgebung. Siehe A. Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001). Viscount Doncaster an Sir Robert Naunton, 30. Mai 1619, zit. nach S. R. Gardiner (Hg.), Letters and Other Documents Illustrating the Relations Between England and Germany at the Commencement of the Thirty Years’ War (London 1865, Nachdruck New York 1968), S. 103. J. Franzl, Ferdinand II: Kaiser im Zwiespalt der Zeit (Graz 1978) liefert einen Überblick. Einen detaillierten, dezidiert aus katholischer Perspektive geschriebenen Einblick in Ferdinands Charakter und politisches Handeln gibt R. Bireley, Religion and Politics in the Age of the Counterreformation. Emperor Ferdinand II, William Lamormaini, S.J., and the formation of imperial policy (Chapel Hill 1981); siehe auch vom selben Verfasser „Confessional absolutism in the Habsburg lands in the seventeenth century“, in: C. Ingrao (Hg.), State and Society in Early Mo-

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dern Austria (W. Lafayette, Ind. 1994), S. 36–53. Siehe außerdem G. Franz, „Glaube und Recht im politischen Denken Kaiser Ferdinands II.“, ARG 49 (1958), 258–269; P. K. Monod, The Power of Kings. Monarchy and religion in Europe 1589–1715 (New Haven 1999), S. 81–93; K. Repgen (Hg.), Das Herrscherbild im 17. Jahrhundert (Münster 1991); A. Wandruszska, „Zum ‚Absolutismus‘ Ferdinands II.“, Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 14 (1984), 261–268; H. Sturmberger, Land ob der Enns und Österreich (Linz 1979), S. 154–187. Die Passage aus Carafas Relazione della Germania fatta dal Nunzio Apostolico nell’anno 1628 findet sich in deutscher Übersetzung bei F. E. von Hurter, Friedensbestrebungen Kaiser Ferdinand’s II; nebst des Apostolischen Nuntius Carl Carafa Bericht über Ferdinand’s Lebensweise, Familie, Hof, Räthe und Politik (1860), zit. nach Johann Franzl, Ferdinand II. Kaiser im Zwiespalt der Zeit (Graz 1989), S. 229–230. Pörtner, Counter-Reformation in Central Europe, S. 95. Der Protest der steirischen Stände wurde 1620 in englischer Übersetzung gedruckt als Two very lamentable relations …, wiederabgedruckt in C. A Macartney (Hg.), The Habsburg and Hohenzollern Dynasties in the Seventeenth and Eighteenth Centuries (London 1970), S. 13–22. Bei jener alten Krone handelte es sich um die Krone Karls des Großen, die zwischen zwei Kaiserkrönungen in Nürnberg aufbewahrt wurde. Auch Rudolfs Vorgänger hatten ausnahmslos „Privatkronen“ gehabt, die sie auch bei anderen zeremoniellen Anlässen trugen; wegen der hohen Schulden des Herrscherhauses waren diese jedoch eingeschmolzen worden. Rudolfs Privatkrone von 1602 überlebte als „Rudolfskrone“ oder „Rudolfinische Hauskrone“ nicht nur die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, sondern auch spätere Finanzkrisen und wurde schließlich 1804 zur erblichen Kaiserkrone des neu geschaffenen Kaisertums Österreich. Siehe G. J. Kugler, Die Reichskrone (Wien 1968). Zum Osmanischen Reich gibt es mittlerweile sehr viel Literatur, die sich aber meist auf die Zeit vor 1600 oder nach 1650 konzentriert. Eine gute Einführung mit einigen Details liefern P. F. Sugar, Southeastern Europe under Ottoman Rule 1354–1804 (Seattle 1977); B. Jelavich, History of the Balkans (Cambridge 1983); S. Faroqhi, The Ottoman Empire and the World Around It (London 2004); C.V. Findley, The Turks in World History (Oxford 2005) und D. Goffman, The Ottoman Empire and Early Modern Europe (Cambridge 2002). A. Höfert, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600 (Frankfurt 2003); A. Çirakman, From „terror of the world“ to the „sick man of Europe“. European images of Ottoman empire and society from the sixteenth century to the nineteenth (New York 2002); M. Grothaus, „Zum Türkenbild in der Kultur der Habsburgermonarchie zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert“, in: A. Tietze (Hg.), Habsburgisch-osmanische Beziehungen (Wien 1985), S. 67– 89. Zur inneren Krise der 1620er-Jahre siehe G. Piterberg, An Ottoman Tragedy. History and historiography at play (Berkeley 2003). Zur osmanischen Armee und Kriegführung siehe R. Murphey, Ottoman Warfare 1500–1700 (London 1999); G. Ágoston, „Ottoman warfare in Europe 1453–1826“, in: J. Black (Hg.), European Warfare 1453– 1815 (London 1999), S. 118–44; V. Aksan, „Ottoman war and warfare 1453–1812“, in: J. Black (Hg.), War in the Early Modern World 1450–1815 (London 1999), S. 147–176;

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60. 61.

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J. Grant, „Rethinking the Ottoman ‚decline‘. Military technology diffusion in the Ottoman empire, fifteenth to eighteenth centuries“, Journal of World History 10 (1999), 179–201. M. Arens, Habsburg und Siebenbürgen 1600–1605 (Köln 2001); G. Murdock, Calvinism on the Frontier 1600–1660. International Calvinism and the Reformed Church in Hungary and Transylvania (Oxford 2000). P. Broucek, „Logistische Fragen der Türkenkriege des 16. und 17. Jahrhunderts“, Vorträge zur Militärgeschichte 7 (1986), 35–60. Siehe auch L. Mákkai, „Economic landscapes: historical Hungary from the fourteenth to the seventeenth century“, in: A. Maczak u. a. (Hgg.), East-Central Europe in Transition (Cambridge 1985), S. 24–35. O. Regele, „Zur Militärgeschichte Vorderösterreichs“, in: F. Metz (Hg.), Vorderösterreich (Freiburg i. Br. 21967), S. 123–137; P. Broucek, „Der Krieg und die Habsburgermonarchie“, in A. Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001), S. 106– 154; A. Veltzé, „Die Wiener Stadtguardia“, MIÖG Erg.-Bd. 6 (1901), 530–546. Neue Vorwerke wurden 1624–37 fertiggestellt. G. Dávid und P. Fodor (Hgg.), Ottomans, Hungarians and Habsburgs in Central Europe (Leiden 2000); G. Pálffy, „Türkenabwehr, Grenzsoldatentum und die Militarisierung der Gesellschaft in Ungarn in der Frühen Neuzeit“, HJb 123 (2003), 111–148; C. W. Bracewell, The Uskoks of Senj. Piracy, banditry and holy war in the sixteenth-century Adriatic (Ithaca 1992); E. Heischmann, Die Anfänge des stehenden Heeres in Österreich (Wien 1925); G. Ágoston, „Habsburgs and Ottomans: Defense, military change and shifts in power“, Turkish Studies Association Bulletin 22 (1998), 126–141. W. Schulze, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert (München 1978); W. Steglich, „Die Reichstürkenhilfe in der Zeit Karls V.“, Militärgeschichtliche Mitteilungen 11 (1972), 7–55. Zu den Italienern siehe G. Hanlon, The Twilight of a Military Tradition. Italian aristocrats and European Conflicts 1560–1800 (London 1998). Ein entfernter Verwandter Ernsts von Mansfeld, Graf Wolfgang von Mansfeld, kämpfte ebenfalls in kaiserlichen Diensten gegen die Türken und befehligte später die sächsischen Truppen im Böhmischen Aufstand, bevor er zum kaiserlichen Feldmarschall befördert wurde. Die wichtigsten Beiträge zur Debatte um die „militärische Revolution“ finden sich wiederabgedruckt in C. J. Rogers (Hg.), The Military Revolution Debate (Boulder 1995). Siehe auch G. Parker, Die militärische Revolution. Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500–1800 (übers. v. U. Mihr, Frankfurt/Main 1990) sowie J. Black, A Military Revolution? Military change and European society 1550–1800 (Basingstoke 1991). B. S. Hall, Gunpowder, Technology and Tactics. Weapons and warfare in Renaissance Europe (Baltimore 1997). Genaueres zu Waffen und Taktik unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Mitteleuropa findet sich bei C. Beaufort-Spontin, Harnisch und Waffe Europas. Die militärische Ausrüstung im 17. Jahrhundert (München 1982); E. Wagner, European Weapons and Warfare 1618–1648 (London 1979); H. Schwarz, Gefechtsformen der Infanterie in Europa durch 800 Jahre (München 1977); G. Ortenburg, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte (München 1984). Näheres zu Belagerungstaktiken der Zeit folgt in Kapitel 5. A. Wasilkowska, Husaria. The winged horsemen (Warschau 1998); R. Brzesinski und A. McBride, Polish Armies 1596–1696 (2 Bde., London 1987–88).

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67. 68. 69.

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H. Lahrkamp, „Kölnisches Kriegsvolk in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges“, AHVN 161 (1959), 114–145, hier S. 124–131; E. von Frauenholz, Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., München 1938–39), I, S. 29–34. J. Niederkorn, Die europäischen Mächte und der „Lange Türkenkrieg“ Kaiser Rudolfs II. (1593–1606) (Wien 1993); J. Müller, „Der Anteil der Schwäbischen Kreistruppen an dem Türkenkrieg Kaiser Rudolfs II. von 1595 bis 1597“, Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 28 (1901), 155–262, mit hilfreichen Details zum Ausmaß und zu den Kosten der kaiserlichen Mobilmachung. Siehe auch T. Szalontay, The art of war during the Ottoman-Habsburg long war 1593–1606 according to narrative sources (Diss. University of Toronto 2004); J. F. Pichler, „Captain John Smith in the light of Styrian sources“, Virginia Magazine 65 (1957), 332–354. C. F. Finkel, „French mercenaries in the Habsburg-Ottoman war of 1593–1606: the desertion of the Papa garrison to the Ottomans in 1600“, Bulletin of the School of Oriental and African Studies 55 (1992), 451–471. L. Toifl und H. Leitgrab, Ostösterreich im Bocskay-Aufstand 1605 (Wien 1990). R. R. Heinisch, „Habsburg, die Pforte und der Böhmische Aufstand (1618–1620)“, Südost-Forschungen 33 (1974), 125–65, hier S. 143–151; H. Valentinitsch, „Die Steiermark, Ungarn und die Osmanen, 1606–1662“, Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 45 (1974), 93–128; G. Wagner, „Österreich und die Osmanen im Dreißigjährigen Krieg“, Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 14 (1984), 325– 395. Die siebenbürgische Intervention in Böhmen wird in Kapitel 9 genauer betrachtet. I. Hiller, „Feind im Frieden. Die Rolle des Osmanischen Reiches in der europäischen Politik zur Zeit des Westfälischen Friedens“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Frieden (München 1998), S. 395–404 und vom selben Verfasser „Ungarn als Grenzland des christlichen Europa im 16. und 17. Jahrhundert“, in: R. G. Asch u. a. (Hgg.), Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit (München 2001), S. 561–576. Hiervon waren 69 Prozent Ungarn, 16 Prozent Kroaten und 15 Prozent Deutsche oder Österreicher: T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht (2 Bde., Wien 2003), I, S. 442. Zu den kroatischen Regimentern: F. Konze, Die Stärke, Zusammensetzung und Verteilung der Wallensteinischen Armee während des Jahres 1633 (Bonn 1906). J. W. Stoye, The Siege of Vienna (London 1964); T. M. Barker, Double Eagle and Crescent: Vienna’s Second Turkish Siege and its Historical Setting (Albany 1967); E. Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645–1700 (München 1973). Die jüngere Tiroler Linie war 1595 mit dem Tod Erzherzog Ferdinands II. ausgestorben, Tirol fiel an die Hauptlinie zurück: H. Noflatscher, „Deutschmeister und Regent der Vorlande. Maximilian von Österreich (1558–1618)“, in: H. Maier und V. Press (Hgg.), Vorderösterreich in der frühen Neuzeit (Sigmaringen 1989), S. 93–130. Zum Bruderzwist siehe auch H. Sturmberger, Land ob der Enns und Österreich (Linz 1979), S. 32–75. B. Rill, Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf (Graz 1999). K. Vocelka, „Matthias contra Rudolf. Zur politischen Propaganda in der Zeit des Bruderzwistes“, ZHF 10 (1983), 341–51.

Anmerkungen 76. 77. 78. 79. 80. 81.

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83. 84.

85. 86.

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H. Sturmberger, Georg Erasmus Tschernembl. Religion, Libertät und Widerstand (Linz 1953); A. Strohmeyer, Konfessionskonflikt und Herrschaftsordnung. Das Widerstandsrecht bei den österreichischen Ständen (1550–1650) (Mainz 2006). Zit. nach Rill, Kaiser Matthias, S. 150. Rill, Kaiser Matthias, S. 156. J. Bahlcke, „Theatrum Bohemicum. Reformpläne, Verfassungsideen und Bedrohungsperzeptionen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges“, in: W. Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen –Kriegerische Effekte (St. Katharinen 2002), S. 1–20. H. Eberstaller, „Zur Finanzpolitik der oberösterreichischen Stände im Jahre 1608“, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 8 (1964), 443–451. C. R. Boxer, The Portuguese Seaborne Empire 1415–1825 (London 1969); M. Newitt, A History of Portuguese Overseas Expansion, 1400–1668 (London 2005); D. Birmingham, Trade and Empire in the Atlantic 1400–1600 (London 2000); J. Lockhart und S. B. Schwartz, Early Latin America. A history of colonial Spanish America and Brazil (Cambridge 1983). Zur Einführung siehe H. Kamen, Golden Age Spain (Basingstoke 22005). Gute Detailstudien liefern J. Lynch, Spain under the Habsburgs (2 Bde., Oxford 1981); J. H. Elliott, Imperial Spain 1469–1716 (London 1963); J. H. Elliott, The Old World and the New, 1492–1650 (London 1972); H. Thomas, Rivers of Gold: The Rise of the Spanish Empire (London 2003); J. H. Parry, The Spanish Seaborne Empire (London 1966); H. Kamen, Spain’s Road to Empire: The Making of a World Power, 1492–1763 (London 2003); P. Bakewell, A History of Latin America: Empires and Sequels, 1450–1930 (Oxford 1997); B. Loveman, Chile: The legacy of Hispanic Capitalism (Oxford 32001); D. Rock, Argentina, 1516–1987 (Berkeley 1987). Zur Forschungsdebatte über den Bevölkerungsschwund siehe J. J. Vidal, „The population of the Spanish monarchy during the baroque period“, in: E. Martínez Ruiz und M. de P. Pi Corrales (Hgg.), Spain and Sweden in the Baroque Era (1600–1660) (Madrid 2000), S. 443–469. P. J. Bakewell, Silver Mining and Society in Colonial Mexico, Zacatecas 1546–1700 (Cambridge 1971). G. Parker, Spain and the Netherlands, 1559–1659 (London 1979), S. 188. Zur Bedeutung der Silberimporte siehe S. J. Stein und B. H. Stein, Silver, Trade and War: Spain and America in the Making of Early Modern Europe (Baltimore 2000); M. Drelichman, „American silver and the decline of Spain“, Journal of Economic History 65 (2005), 532–535. Zum Folgenden siehe auch A. Calabria, The Cost of Empire. The Finances of the Kingdom of Naples in the Time of Spanish Rule (Cambridge 1991); R. Mackay, The Limits of Royal Authority. Resistance and Obedience in Seventeenth-Century Castile (Cambridge 1999). David Goodman, Spanish Naval Power, 1589–1665: Reconstruction and Defeat (Cambridge 1997). R. Quatrefages, „The military system of the Spanish Habsburgs“, in: R. B. Martinez und T. M. Barker (Hgg.), Armed Forces and Society in Spanish Past and Present (Boulder 1988), S. 1–50; I. A. A. Thompson, War and Government in Habsburg Spain, 1560– 1620 (London 1976). Ein solches Schreiben liegt in englischer Übersetzung ediert vor: M. de Andrada Castel Blanco, To Defend Your Empire and the Faith: Advice on a Global Strategy Offered c.1590 to Philip II (übers. v. P. E. H. Hair, Liverpool 1990). Zur Diskussion in der Ge-

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88. 89. 90. 91.

92. 93.

94.

95.

96.

schichtswissenschaft siehe J. H. Elliott, „Self-perception and decline in early seventeenth-century Spain“, P&P 76 (1977), 41–61; R. A. Stradling, „Seventeenth-century Spain: decline or survival?“, European Studies Review 9 (1979), 157–194 sowie ders., Europe and the Decline of Spain: A Study of the Spanish System, 1580–1720 (London 1981). A. Feros, Kingship and Favouritism in the Spain of Philip III, 1598–1621 (Cambridge 2000), S. 12–31. G. Parker, The Grand Strategy of Philip II (New Haven 1999). T. J. Dandelet, Spanish Rome, 1500–1700 (New Haven 2001). Den spanischen Katholizismus analysiert H. Rawlings, Church, Religion and Society in Early Modern Spain (Basingstoke 2002). A. Pagden, Lords of all the World: Ideologies of Empire in Spain, Britain and France, c.1500–c.1800 (New Haven 1995); E. Straub, Pax und Imperium. Spaniens Kampf um seine Friedensordnung in Europa zwischen 1617 und 1635 (Paderborn 1980); M. Tanner, The Last Descendant of Aeneas: The Hapsburgs and the Mythic Image of the Emperor (New Haven 1993). Weitere Details bietet F. Edelmayer, Söldner und Pensionäre. Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich (München 2002). A. Sommer-Mathis, „Ein pícaro und spanisches Theater am Wiener Hof zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, in: A. Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001), S. 655–694; M. Golobeva, The Glorification of Emperor Leopold I in Image, Spectacle and Text (Mainz 2000). Zum Folgenden siehe auch M. S. Sanchez, The Empress, the Queen, and the Nun: Women and Power at the Court of Philip III of Spain (Baltimore 1998), S. 118–121, 177–178. J. Lynch, The Hispanic World in Crisis and Change, 1598–1700 (Oxford 1992), S. 19. Der „Stoßseufzer“ Philipps II. wird zitiert bei R. T. Davies, The Golden Century of Spain, 1501–1621 (New York 1937), S. 230. Ein anderer Historiker urteilt sogar noch vernichtender über Philipp III.: „Wenn niemand seinen Charakter so richtig verstanden hat, dann lag das wohl daran, dass es da herzlich wenig gab, was man hätte verstehen können“: C. H. Carter, The Secret Diplomacy of the Habsburgs, 1598–1625 (New York 1964), S. 67. R. A. Stradling, Philip IV and the Government of Spain, 1621–1665 (Cambridge 1988), S. 8. Zum Folgenden siehe P. Williams, The Great Favourite: The Duke of Lerma and the Court and Government of Philip III of Spain, 1598–1621 (Manchester 2006) sowie die Beiträge in L. W. B. Brockliss und J. H. Elliott (Hgg.), The World of the Favourite (New Haven 1999). Obwohl die Zahl von 100 000 Hinrichtungen auch heute noch durch die geschichtswissenschaftliche Literatur geistert, lag die tatsächliche Anzahl der Getöteten wohl bei etwa 1000 von 8950 Personen, die bis 1572 vor dem spanischen „Blutrat“ angeklagt wurden: J. I. Israel, „Der niederländisch-spanische Krieg und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (1568–1648)“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 111–121, hier S. 112. Siehe auch H. Kamen, The Duke of Alba (New Haven 2004). Zum Niederländischen Aufstand siehe G. Darby (Hg.), Origins and Development of the Dutch Revolt (London 2001); A. Duke, Reform and Revolt in the Low Countries (London 2003) sowie die hervorragende Gesamtdarstellung der Republik der Vereinigten Niederlande von J. I.

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97. 98. 99.

100.

101.

102.

103.

Israel, The Dutch Republic: Its Rise, Greatness and Fall, 1477–1806 (Oxford 1995). Die Rolle des Hauses Nassau-Oranien beleuchten K. W. Swart, William of Orange and the Revolt of the Netherlands, 1572–84 (Aldershot 2003) und H. H. Rowen, The Princes of Orange (Cambridge 1988). H. G. Koenigsberger, Monarchies, States Generals and Parliaments in the Netherlands in the Fifteenth and Sixteenth Centuries (Cambridge 2001); H. F. K. van Nierop, The Nobility of Holland: From Knights to Regents, 1500–1650 (Cambridge 1993). G. Parker, „Mutiny and discontent in the Spanish Army of Flanders 1572–1607“, P&P 58 (1973), 38–52. C. Duffy, Siege Warfare: The Fortress in the Early Modern World, 1494–1660 (London 1979). Geoffrey Parkers Variante der These von der „militärischen Revolution“ läuft darauf hinaus, dass letztlich Neuerungen im Festungsbau für das Wachstum der Armeen verantwortlich gewesen seien; es erscheint jedoch plausibler, die Gründe in politischen Ambitionen und verbesserten Mobilisierungsmöglichkeiten zu suchen, vor allem weil das Bevölkerungswachstum bis 1600 zu weit verbreiteter Unterbeschäftigung geführt hatte. Mehr zu dieser Problematik bei M. S. Kingra, „The trace italienne and the military revolution during the Eighty Years’ War 1567–1648“, Journal of Military History 57 (1993), 431–446. Zum Folgenden siehe G. Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road, 1567– 1659 (Cambridge 1972); J. Albi de la Cuesta, De Pavía a Rocroi. Los tercios de infantería española en los siglos XVI y XVII (Madrid 1999); R. A. Stradling, The Spanish Monarchy and Irish Mercenaries: The Wild Geese in Spain, 1618–68 (Blackrock 1994); D. Worthington, Scots in the Habsburg Service, 1618–1648 (Leiden 2003) sowie die oben in Anm. 86 angegebenen Titel. Die Biografie von B. Rill, Tilly. Feldherr für Kaiser und Reich (München 1984) ist eine gut lesbare Darstellung dieser wichtigen Figur. Mehr Details finden sich in M. Kaiser, Politik und Kriegführung. Maximilian von Bayern, Tilly und die Katholische Liga im Dreißigjährigen Krieg (Münster 1999), insbesondere auf den S. 16–31. Näheres zu den Konflikten um Köln und Straßburg folgt in Kapitel 7 unten. Zum Folgenden siehe auch H. Lahrkamp, Jan von Werth (Köln 21988); M. Kaiser, „Die Karriere des Kriegsunternehmers Jan von Werth“, Geschichte in Köln 49 (2002), 131–170 sowie die relevanten Einträge in der Allgemeinen Deutschen Biographie. Mit der Professionalisierung im spanischen Heer befasst sich F. G. de León, „‚Doctors of the military discipline‘: Technical expertise and the paradigm of the Spanish soldier in the early modern period“, Sixteenth Century Journal 27 (1996), 61–85. M. van Geldern, The Political Thought of the Dutch Revolt, 1555–1590 (Cambridge 1992). Zum Folgenden siehe auch S. Groenveld, „Princes and regents. The relations between the princes of Orange and the Dutch aristocrats and the making of Dutch foreign policy in theory and practice during the seventeenth century“, in: R. G. Asch u. a. (Hgg.), Frieden und Krieg in der frühen Neuzeit (München 2001), S. 181–192 sowie die beiden guten Einführungen von M. Prak, The Dutch Republic in the Seventeenth Century: The Golden Age (Cambridge 2005) und J. Price, The Dutch Republic in the Seventeenth Century (Basingstoke 1998). H. Pirenne, Histoire de Belgique (7 Bde., Brüssel 1900–1932), III, S. 428. Zum Folgenden siehe C. R. Boxer, The Dutch Seaborne Empire 1600–1800 (London 1965); J. de

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Anhang

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Vries und A. van der Woude, The First Modern Economy: Success, Failure and Perseverance of the Dutch Economy, 1500 –1815 (Cambridge 1997). Parker, Spain and the Netherlands, S. 195–196; P. Kriedte, Peasants, Landlords and Merchant Capitalists: Europe and the World Economy, 1500–1800 (Leamington Spa 1983), S. 41. Im Jahr 1636 erreichte der niederländische Ostseehandel ein Gesamtvolumen von 12,5 Millionen Gulden, das entsprach über 40 Prozent der europäischen Handelswaren, die in jenem Jahr Amsterdam erreichten: Prak, Dutch Republic, S. 97. Siehe dazu allgemein J. I. Israel, Dutch Primacy in World Trade 1585–1740 (Oxford 1989). Siehe C. Lesger, The Rise of the Amsterdam Market and Information Exchange (Aldershot 2006); M. de Jong, „Dutch public finance during the Eighty Years War“, in: M. van der Hoeven (Hg.), Exercise of Arms: Warfare in the Netherlands, 1568–1648 (Leiden 1997), S. 133–152 sowie die beiden Arbeiten von M. C. ’t Hart, The Making of a Bourgeois State: War, Politics and Finance During the Dutch Revolt (Manchester 1993) und „The United Provinces, 1579–1806“, in: R. Bonney (Hg.), The Rise of the Fiscal State in Europe (Oxford 1999), S. 309–326. Die Kreditaufnahme wurde dadurch weiter vereinfacht, dass die Provinzkassen einen weitaus größeren Anteil der gesamten Staatsschulden aufnehmen konnten als der zentrale Haushalt der Republik. H. Vogel, „Arms production and exports in the Dutch Republic, 1600–1650“, in: Hoeven (Hg.), Exercise of Arms, S. 197–210; P. W. Klein, „The Trip family in the 17th century. A study of the behaviour of the entrepreneur on the Dutch staple market“, Acta Historiae Neerlandica 1 (1966), 187–211; J. Zunckel, Rüstungsgeschäfte im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1997). Zu Louis de Geer siehe R. Schulte, „Rüstung, Zins und Frömmigkeit. Niederländische Calvinisten als Finanziers des Dreißigjährigen Krieges“, Bohemia 35 (1994), 45–62. Die Flotte hatte 1600 eine Gesamttonnage von etwa 20 000 Tonnen erreicht. Weitere Details finden sich bei J. R. Bruijn, The Dutch Navy of the Seventeenth and Eighteenth Centuries (Columbia, S. C. 1990); A. P. van Vliet, „Foundation, organisation and effects of the Dutch navy (1568–1648)“, in: Hoeven (Hg.), Exercise of Arms, S. 153–172. Der Form nach war Moritz nur ein Graf von Nassau-Dillenburg, da er den Titel des Fürsten von Oranien erst beim Tod seines älteren Bruders Philipp Wilhelm erbte. Moritz’ Mutter war Anna von Sachsen, die sich von ihrem Ehemann Wilhelm von Oranien getrennt hatte und später wegen eines Verhältnisses mit Jan Rubens, dem zukünftigen Vater des Malers Paul Rubens, inhaftiert wurde. Moritz wuchs bei seinen Dillenburger Verwandten auf und war als Erwachsener eher verschlossen und schweigsam. Die oranische Heeresreform behandelt B. H. Nickle, The Military Reforms of Prince Maurice of Orange (Diss. University of Delaware 1975), ihren Auswirkungen gehen nach H. Ehlert, „Ursprünge des modernen Militärwesens. Die nassau-oranischen Heeresreformen“, Militärgeschichtliche Mitteilungen 38 (1985), 27–56; W. Reinhard, „Humanismus und Militarismus“, in: F. J. Worstbrock (Hg.), Krieg und Frieden im Horizont des Renaissancehumanismus (Weinheim 1985), S. 185–204, und O. van Nijmwegen, „The Dutch army and the military revolutions (1588–1688)“, Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 10 (2006), 55–73. Zur niederländischen Armee siehe H. L. Zwitser, „De militie van den staat“. Het Leger van de Republiek der Verenigde Nederlanden (Amsterdam 1991). Die militärischen Operationen der Republik der Niederlande behandeln erschöpfend F. G. J. Ten Raa u. a., Het staatsche Leger 1568–1795 (8 Bde., Den Haag 1911–1959).

Anmerkungen 110. Zu Lipsius siehe G. Oestreich, Neostoicism and the Early Modern State (Cambridge 1982). Mehr zur Betonung von Disziplin und Rationalität in der Frühen Neuzeit bei H. Eichberg, „Geometrie als barocke Verhaltensnorm“, ZHF 4 (1977), 17–50, sowie in den beiden Aufsätzen von H. Kleinschmidt, „The military and dancing“, Ethnologia europaea 25 (1995), 157–716 und „Mechanismus und Biologismus im Militärwesen des 17. und 18. Jahrhunderts“, in: D. Hohrath und K. Gerteis (Hgg.), Die Kriegskunst im Lichte der Vernunft (Teil I, Hamburg 1999), S. 51–73. 111. De Gheyns Werk liegt in einer aktuellen englischen Ausgabe vor als The Renaissance Drill Book (London 2003). Auch Wallhausens Schriften sind in neuerer Zeit nachgedruckt worden: Kriegskunst zu Fuß (Oppenheim 1615, Nachdruck Graz 1971), Kriegskunst zu Pferdt (Frankfurt/Main 1616, Nachdruck Graz 1971) und Ritterkunst (Frankfurt/Main 1616, Nachdruck Graz 1969). Ein weiteres Beispiel für die weite Verbreitung der oranischen Reformideen bietet H. Hexham, The Principles of the art militarie Practised in the Warres of the United Netherlands (London 1637). 112. Johanns Anleitung zur Einrichtung einer Landmiliz ist abgedruckt in E. von Frauenholz (Hg.), Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., München 1938–39), II, S. 47–76. Siehe auch W. Hahlweg, Die Heeresreform der Oranier. Das Kriegsbuch des Grafen Johann (VII.) von Nassau- Siegen (Wiesbaden 1973). In dem von Frauenholz herausgegebenen Band finden sich zahlreiche weitere Dokumente zur Einführung vergleichbarer Reformen auch in anderen Territorien: der Kurpfalz (1588), Lüneburg-Celle (1598), Württemberg (1599), Pfalz-Neuburg (1599), HessenKassel (1600), Anhalt (1600), Preußen (1602), Brandenburg (1604), Baden-Durlach (1604), Wolfenbüttel (1605) und Sachsen (1613). Weitere Ausführungen zum Landesdefensionswesen finden sich in W. Schulze, „Die deutschen Landesdefensionen im 16. und 17. Jahrhundert“, in: J. Kunisch (Hg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung (Berlin 1986), S. 129–149; G. Thies, Territorialstaat und Landesverteidigung. Das Landesdefensionswerk in Hessen-Kassel unter Landgraf Moritz (1592–1627) (Darmstadt 1973); H. Schnitter, Volk und Landesdefension (Berlin 1977). 113. D. Götschmann, „Das Jus Armorum. Ausformung und politische Bedeutung der reichsständischen Militärhoheit bis zur ihrer definitiven Anerkennung im Westfälischen Frieden“, BDLG 129 (1993), 257–276. 114. Die Gesamtzahlen konnten beeindrucken: Die Miliz der Unterpfalz umfasste 1600 12 000 Mann; in der Oberpfalz kamen noch einmal 16 000 dazu. Wolfenbüttel mobilisierte 1605 16 000 Fußsoldaten und 1600 Reiter, während die pfalz-neuburgische Miliz insgesamt 10 000 Mann zählte, die Milizen von Baden-Durlach und Württemberg etwa 5000 beziehungsweise 4500 Mann. Zur kursächsischen Miliz siehe L. Bachenschwanz, Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Kursächsischen Armee (Dresden 1802) und R. Naumann, Das kursächsische Defensionswerk (1613 bis 1709) (Diss. Leipzig 1916). Die ältere Literatur zu den diversen anderen Territorien fasst zusammen G. Papke, Von der Miliz zum stehenden Heer (München 1983), S. 66–100. 115. Streng genommen hatten die Spanier einen ersten Vorstoß in diese Richtung gewagt, indem sie 1589, am Ende des Kölnischen Krieges, Rheinberg besetzten (siehe Kapitel 8). Hierauf waren allerdings keine Vergeltungsmaßnahmen der Niederländer gefolgt, während die spanische Reaktion auf Moritz’ Kampagne genauso ausfiel. Rheinberg wechselte in jener Zeit so oft den Besitzer, dass der spanische General Spinola es als putana della guerra bezeichnete: als „Kriegshure“.

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Anhang 116. Eine lokale Perspektive auf diese Ereignisse gibt I. Sönnert, „Die Herrlichkeit Lembeck während des Spanisch-Niederländischen und des Dreißigjährigen Krieges“, in: T. Sodmann (Hg.), 1568–1648. Zu den Auswirkungen des Achtzigjährigen Krieges auf die östlichen Niederlande und das Westmünsterland (Vreden 2002), S. 139–169, vor allem S. 140–145. Die anderen Beiträge in diesem Band bieten einen guten Überblick über die Auswirkungen des Krieges auf die niederländisch-deutsche Grenzregion. 117. Die beste Darstellung dieser Schlacht in englischer Sprache stammt von P. Lenders, „Nieuwport 2nd July 1600“, The Arquebusier 24 (2000), Nr. 3, S. 2–14 sowie Nr. 4, S. 36–44. 118. Eine gute moderne Ausgabe von Althusius’ Werk (mit Übersetzung) verdanken wir F. S. Carney (Indianapolis 1995). Zur Situation in Ostfriesland siehe J. Foken, Im Schatten der Niederlande. Die politisch-konfessionellen Beziehungen zwischen Ostfriesland und dem niederländischen Raum vom späten Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert (Münster 2006), S. 281–374. B. Kappelhoff, Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft? (Hildesheim 1982) befasst sich hauptsächlich mit dem frühen 18. Jahrhundert, liefert aber reichlich Details zum Hintergrund. Zu den Emdener Calvinisten siehe A. Pettegree, Emden and the Dutch Revolt. Exiles and the Development of Reformed Protestantism (Oxford 1992); H. Schilling, Civic Calvinism in Northwestern Germany and the Netherlands (Kirkville, Mich. 1991) sowie, ebenfalls von Schilling, „Sündenzucht und frühneuzeitliche Sozialdisziplinierung. Die calvinistische, presbyteriale Kirchenzucht in Emden vom 16. bis 19. Jahrhundert“, in: G. Schmidt (Hg.), Stände und Gesellschaft im Alten Reich (Stuttgart 1989), S. 265–302. 119. V. W. Lunsford, Piracy and Privateering in the Golden Age Netherlands (Basingstoke 2005). Ausführlicheres zu Dünkirchen folgt in Kapitel 11. 120. Diese Schwierigkeiten werden in D. Howarths fesselnder Darstellung aus spanischer Perspektive deutlich: The Voyage of the Armada. The Spanish Story (London 1981, Nachdruck Guildford, Conn. 2001). 121. R. A. Stradling, The Armada of Flanders: Spanish Maritime Policy and European War, 1568–1668 (Cambridge 1992), S. 241, unter leichter Modifizierung von Parkers wegweisender Studie Army of Flanders. Zur Spanischen Straße siehe auch G. Parker, Empire, War and Faith in Early Modern Europe (London 2003), S. 127–142. 122. Gute Gesamtdarstellungen der Hugenottenkriege bieten jetzt die Bücher von M. P. Holt, The French Wars of Religion 1562–1629 (Cambridge 1995); R. J. Knecht, The French Civil Wars 1562–1598 (Harlow 2000) und P. Roberts, The French Wars of Religion (London 1999). 123. Zu den Bemühungen, die Söldneranwerbung zu regulieren, siehe M. Lanzinner, „Friedenssicherung und Zentralisierung der Reichsgewalt. Ein Reformversuch auf dem Reichstag zu Speyer 1570“, ZHF 12 (1985), 287–310; L. Eppenstein, „Beiträge zur Geschichte des auswärtigen Kriegsdienstes der Deutschen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“, FBPG 32 (1920), 283–367. Zum Folgenden siehe auch M. Harsgor, „Die Spieße unter der Lilienblume. Deutsche Söldner im Dienste Frankreichs (14.–16. Jh.)“, Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 16 (1987), 48–81; P. de Vallière, Treue und Ehre. Geschichte der Schweizer in fremden Diensten (Neuenburg 1912), S. 210–212. 124. Die savoyische Politik behandeln G. Symcox, „From commune to capital. The transformation of Turin, sixteenth to eighteenth centuries“ und R. Oresko, „The House of Savoy in search for a royal crown in the seventeenth century“, beide in: R. Oresko u. a.

Anmerkungen

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133. 134.

(Hgg.), Royal and Republican Sovereignty in Early Modern Europe (Cambridge 1997), S. 242–269 bzw. 272–350 sowie T. Osborne, Dynasty and Diplomacy in the Court of Savoy: Political Culture and the Thirty Years’ War (Cambridge 2002). A. E. Imhoff, Der Friede von Vervins 1598 (Aarau 1966). F. Gallati, „Eidgenössische Politik zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges“, Jahrbuch für Schweizerische Geschichte 43 (1918), 1–149, und 44 (1919), 1–257. Zum Folgenden siehe A. Wendland, Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen. Spanien, Mailand und der Kampf ums Veltlin 1620–1641 (Zürich 1995) und R. C. Head, Early Modern Democracy in the Grisons: Social Order and Political Language in a Swiss Mountain Canton, 1470–1620 (Cambridge 1995). C. Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung. Die Auseinandersetzung um den politischen Schiedsrichter im Europa der Frühen Neuzeit (Paderborn 2001). Der junge Ludwig XIII. von Frankreich heiratete Anna von Österreich, eine Tochter Philipps III. von Spanien, während Ludwigs Lieblingsschwester Elisabeth mit dem künftigen Philipp IV. vermählt wurde. Ich folge hier der Darstellung in Feros, Kingship and Favouritism gegen den Parker-Schüler P. C. Allen, der sich in seiner Studie Philip III and the Pax Hispanica, 1598– 1621 (New Haven 2000) bemüht, die traditionelle Ansicht der „internationalen Schule“ aufrechtzuerhalten, derartige Friedensschlüsse seien nur eine taktische Notlösung gewesen. C. H. Carter, „Belgian ‚autonomy‘ under the Archdukes, 1598–1621“, JMH 36 (1964), 245–259; W. Thomas und L. Duerloo (Hgg.), Albert and Isabella (Brüssel 1998); H. de Schlepper und G. Parker, „The formation of government policy in the Catholic Netherlands under ‚the Archdukes‘, 1596–1621“, EHR 91 (1976), 241–254; M. Dlugaiczyk, „‚Pax Armata‘: Amazonen als Sinnbilder für Tugend und Laster – Krieg und Frieden. Ein Blick in die Niederlande“, in: K. Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 539–567. Wörtlich aufgefasst werden derartige Aussagen Philipps etwa bei Allen, Philip III and the Pax Hispanica, S. 236. Den Erlebnisbericht eines Soldaten bietet H. T. Gräf (Hg.), Söldnerleben am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Lebenslauf und Kriegstagebuch 1617 des hessischen Obristen Caspar von Widmarckter (Marburg 2000). D. Kirby, Northern Europe in the Early Modern Period: The Baltic World, 1492–1772 (Harlow 1990) bietet eine hilfreiche erste Orientierung. Finnland wurde damals zwar durchaus als ein eigenes Land betrachtet, bildete jedoch kein eigenes Königreich, sondern wurde als „Anhängsel“ Schwedens regiert. Zu Dänemark siehe K. J. V. Jespersen, A History of Denmark (Basingstoke 2004). Den internationalen Beziehungen mit der britischen Stuartmonarchie widmet sich S. Murdoch, Britain, Denmark-Norway and the House of Stuart, 1603–1660 (East Linton 2003). R. I. Frost, The Northern Wars, 1558–1721 (Harlow 2000); S. P. Oakley, War and Peace in the Baltic, 1560–1790 (London 1992); J. Lisk, The Struggle for Supremacy in the Baltic, 1600–1725 (London 1967). L. Jespersen, „The Machtstaat in seventeenth-century Denmark“ sowie O. Rian, „State and society in seventeenth-century Norway“, beide im Scandinavian Journal of History 10 (1985), 271–304 bzw. 337–363; J. H. Hein, „Der ‚Dänische Krieg‘ und die weitere Rolle Dänemarks“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 103–110.

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Anhang 135. E. L. Petersen, „From domain state to tax state“, Scandinavian Economic History Review 23 (1975), 116–148 sowie ders., „Defence, war and finance. Christian IV and the Council of the Realm 1596–1629“, Scandinavian Journal of History 7 (1982), 277–313; K. Krüger, „Die Staatsfinanzen Dänemarks und Schwedens im 16. Jahrhundert“, in: H. Kellenbenz und P. Prodi (Hgg.), Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter (Berlin 1994), S. 187–207. 136. Alles in allem wurden zwischen 1497 und 1660 rund 400 000 einzelne Schiffsbewegungen durch den Sund registriert: W. S. Unger, „Trade through the Sound in the seventeenth and the eighteenth centuries“, Economic History Review, 2. Folge, 12 (1959), 206–221. 1608 erhielt der König 100 000 Reichstaler direkt aus dem Zoll, die restlichen Einnahmen stellten 22 Prozent der gesamten Kroneinkünfte (637 900 Reichstaler) durch die königliche Schatzkammer dar. 137. J. Lavery, Germany’s Northern Challenge. The Holy Roman Empire and the Scandinavian struggle for the Baltic, 1563–1576 (Boston und Leiden 2002), S. 22. 138. J. Glete, Navies and Nations. Warships, Navies and State Building in Europe and America 1500–1860 (2 Bde., Stockholm 1993), I, S. 130–135. 139. P. D. Lockhart, Frederick II and the Protestant Cause: Denmark’s role in the Wars of Religion (Leiden 2002) und ders., Denmark in the Thirty Years War 1618–1648: King Christian IV and the Decline of the Oldenburg State (Selinsgrove 1996). Siehe auch die informative Analyse von M. Bregnsbo, „Denmark and the Westphalian Peace“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1988), S. 361–92. 140. R. Postel, „Hamburg zur Zeit des Westfälischen Friedens“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 337–343; G. Schmidt, „Hansa, Hanseaten und Reich in der Frühen Neuzeit“, in: I. Richefort und B. Schmidt (Hgg.), Les Relations entre la France et les villes Hanséatiques de Hambourg, Brême et Lübeck (Brüssel 2006), S. 229–259. 141. P. D. Lockhart, Sweden in the Seventeenth Century (Basingstoke 2004) gibt einen guten Überblick. Siehe auch J. Lindegren, „The Swedish ‚military state‘, 1560–1720“, Scandinavian Journal of History 10 (1985), 305–336. 142. A. V. Berkis, The Reign of Duke James in Courland, 1638–1682 (Lincoln, Nebr. 1960). 143. M. Roberts, Gustavus Adolphus (2 Bde., London 1953–58), I, S. 60–72. 144. Die große, zweibändige Biografie Gustav Adolfs von Michael Roberts ist und bleibt das Standardwerk in englischer Sprache. Nils Ahnlunds etwas ältere schwedische Darstellung von 1932 bietet noch immer viele interessante Details und liegt in einer guten englischen Übersetzung vor als Gustavus Adolphus the Great (New York 1999). Die positive, protestantische Tradition wird fortgesetzt durch die Biografie von Günter Barudio: Gustav Adolf der Große. Eine politische Biographie (Frankfurt/Main 1982). Mehr zum Nachleben und zur Bewertung Gustav Adolfs in der Gegenwart findet sich in Kapitel 14. 145. Zit. nach Ahnlund, Gustavus Adolphus, S. 207. 146. Zit. nach Barudio, Gustav Adolf der Große, S. 377–378. Eine ausgewogene Bewertung gibt J. P. Findeisen, Axel Oxenstierna. Architekt der schwedischen Großmacht-Ära und Sieger des Dreißigjährigen Krieges (Gernsbach 2007). 147. K. Glamman, „European trade 1500–1750“, in: C. M. Cipolla (Hg.), The Fontana Economic History of Europe: The Sixteenth and Seventeenth Centuries (London 1974), S. 427– 526, hier S. 491–498. Zum Folgenden siehe auch K. R. Böhme, „Schwedische

Anmerkungen

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149.

150. 151. 152. 153. 154.

155.

156.

Finanzbürokratie und Kriegführung 1611 bis 1721“, in: G. Rystad (Hg.), Europe and Scandinavia (Lund 1983), S. 51–58; J. Lindegren, „Men, money and means“, in: P. Contamine (Hg.), War and Competition between States (Oxford 2000), S. 129–162. J. Glete, „Bridge and bulwark. The Swedish navy and the Baltic, 1500–1809“, in: G. Rystad u. a. (Hgg.), In Quest of Trade and Security: The Baltic in Power Politics (2 Bde., Stockholm 1994–95), I, S. 9–59 und G. Rystad, „Amphibious warfare: the Baltic 1550– 1700“, in: D. J. B. Trim und M. C. Fissel (Hgg.), Amphibious Warfare, 1000–1700 (Leiden 2006), S. 123–147. Eine Zusammenfassung der umfangreichen schwedischen Literatur zum Thema gibt M. Busch, Absolutismus und Heeresreform. Schwedens Militär am Ende des 17. Jahrhunderts (Bochum 2000). Die schwedischen Disziplinarordnungen sind abgedruckt bei E. von Frauenholz (Hg.), Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., München 1938–39), I, S. 355–424. Zu den Auswirkungen vor Ort siehe N. E. Villstrand, „Adaptation or protestation: local communities facing the conscription of infantry for the Swedish armed forces, 1630–1679“, in: L. Jespersen (Hg.), A Revolution from Above? The Power State of 16th and 17th Century Scandinavia (Odense 2000), S. 249–314. T. N. Dupuy, Military Life of Gustavus Adolphus (New York 1969), Zitate auf S. xi und 55. B. H. Liddell Hart, Great Captains Unveiled (Edinburgh 1927), S. 77; siehe auch im selben Band S. 149–152. R. F. Weigley, The Age of Battles: The Quest for Decisive Warfare from Breitenfeld to Waterloo (London 1993), S. 3–36. Zur Debatte über das preußische System sowie seine Verbindungen zur Konskription in Dänemark und Schweden siehe P. H. Wilson, „Social militarisation in eighteenthcentury Germany“, GH 18 (2000), 1–39. M. Roberts, The Swedish Imperial Experience, 1560–1718 (Cambridge 1979) fasst die Debatte aus der Perspektive der „alten Schule“ zusammen. Auch Ahnlund und Barudio fallen in diese Kategorie. Der prominenteste Vertreter der „neuen Schule“ war Artur Attman, dessen Position man als englischsprachiges Kondensat in der Studie Swedish Aspirations and the Russian Market during the Seventeenth Century (Göteborg 1985) kennenlernen kann. Weitere Literatur zur schwedischen Expansion: S. Troebst, „Debating the mercantile background to early modern Swedish empire-building: Michael Roberts versus Artur Attman“, EHQ 24 (1994), 485–510. Siehe auch S. Lundkvist, „Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele 1632–1648“, in: K. Repgen (Hg.), Krieg und Frieden (München 1988), S. 219–240. Die zitierte Statistik entnehme ich Krüger, „Die Staatsfinanzen Dänemarks und Schwedens“, S. 189. E. Ringmar, Identity, Interest and Action: A Cultural Explanation of Sweden’s Intervention in the Thirty Years War (Cambridge 1996). Zum Folgenden siehe auch K. R. Böhme, „Building a Baltic Empire. Aspects of Swedish Expansion 1560–1660“, in: Rystad u. a. (Hgg.), In Quest of Trade and Security, I, S. 177–220; K. Zernack, „Schweden als europäische Großmacht der frühen Neuzeit“, HZ 232 (1981), 327–357; J. Glete, „Empire building with limited resources“, in: E. Martínez und M. de P. Pi Corrales (Hgg.), Spain and Sweden in the Baroque Era (Madrid 2000), S. 307–336. Zit. nach Ahnlund, Gustavus Adolphus, S. 88; zu den Heiratsverhandlungen siehe S. 74–86 in demselben Band sowie Roberts, Gustavus Adolphus, I, S. 174–181.

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Anhang 157. R. Butterworth (Hg.), The Polish-Lithuanian Monarchy in European Context, c.1500– 1795 (Basingstoke 2001); D. Stone, The Polish-Lithuanian State, 1386–1795 (Seattle 2001); N. Davies, God’s Playground: A History of Poland (2 Bde., Oxford 1981); K. Friedrich, The Other Prussia: Royal Prussia, Poland and Liberty, 1569–1772 (Cambridge 2000). Das polnische Standardwerk zur Zeit Sigismunds III. Wasa ist H. Wisner, Zygmunt III Waza (Warschau 1991). 158. M. G. Müller, „Later Reformation and Protestant confessionalization in the major towns of Royal Prussia“, in: K. Maag (Hg.), The Reformation in Eastern and Central Europe (Aldershot 1997), S. 192–210. 159. R. I. Frost, After the Deluge: Poland-Lithuania and the Second Northern War, 1655– 1660 (Cambridge 1993). Zu den Heeren der Adelsrepublik siehe die in Anm. 64 angeführte Literatur sowie R. I. Frost, „Scottish soldiers, Poland-Lithuania and the Thirty Years’ War“, in: S. Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years’ War, 1618–1648 (Leiden 2001), S. 191–213. 160. Frost, Northern Wars, S. 63–67. Nach Frosts Berechnungen kamen in dieser Schlacht 82 Prozent des schwedischen Heeres um. 161. Michael Roberts nennt den schwedischen Versuch, den Handel mit Russland ganz an sich zu ziehen, eine „Jagd nach einem Phantom“: Gustavus Adolphus, I, S. 45–46. Siehe auch H. Ellersieck, „The Swedish Russian frontier in the seventeenth century“, Journal of Baltic Studies 5 (1975), 188–197. 162. Sigismund heiratete 1592 Anna von Österreich, eine Schwester des Erzherzogs Ferdinand. Nach Annas Tod 1598 nahm er 1605 eine ihrer Schwestern, Konstanze, zur Frau. Sigismunds ältester Sohn und Nachfolger, Władysław, heiratete 1637 Ferdinands Tochter Cäcilia Renata. 163. F. Göttmann, „Zur Entstehung des Landsberger Bundes im Kontext der Reichs-, Verfassungs- und regionalen Territorialpolitik des 16. Jahrhunderts“, ZHF 19 (1992), 415–444. 164. E. Schubert, „Staat, Fiskus und Konfession in den Mainbistümern zwischen Augsburger Religionsfrieden und Dreißigjährigem Krieg“, in: H. Kellenbenz und P. Prodi (Hgg.), Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter (Berlin 1994), S. 111–140. Zum Folgenden siehe auch K. E. Demandt, Geschichte des Landes Hessen (Kassel 1980), S. 342–346; J. Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg (Bamberg 31962), S. 88–99. 165. M. Spindler (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte (2 Bde., München 21988); S. Riezler, Geschichte Baierns (Bde. 3–6, Gotha 1899–1903). 166. Echos dieser Sichtweise finden sich noch heute, etwa bei A. Gotthard, „‚Politice seint wir bäpstisch‘. Kursachsen und der deutsche Protestantismus im frühen 17. Jahrhundert“, ZHF 20 (1993), 275–319. In jüngerer Zeit ist die Situation allerdings einer Neubewertung unterzogen worden, siehe F. Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand 1618–1622 (Münster 1997); D. M. Phelps, Reich, Religion and Dynasty: The Formation of Saxon Policy, 1555–1619 (Diss. University of London 2005). 167. P. Sutter-Fichtner, Protestantism and Primogeniture in Early Modern Germany (New Haven 1989). 168. Joachim Friedrichs zwei Halbbrüder, Christian und Joachim Ernst, wurden mit Kulmbach (Bayreuth) beziehungsweise Ansbach versehen, während sein Sohn Johann Georg das schlesische Herzogtum Jägerndorf erhielt, das 1523 von Ansbach erworben worden war.

Anmerkungen 169. Die (ältere) Linie Hessen-Rheinfels starb bereits 1583 aus, ihr Besitz wurde unter den anderen drei Linien aufgeteilt. Als älteste Linie des Hauses Hessen hielt Hessen-Kassel 6100 Quadratkilometer mit 160 000 Einwohnern, Hessen-Darmstadt 1300 Quadratkilometer mit 50 000 Einwohnern und Hessen-Marburg das verbleibende Viertel. Zum Folgenden siehe H. T. Gräf, Konfession und internationales System. Die Außenpolitik Hessen-Kassels im konfessionellen Zeitalter (Marburg 1993); H. Weber, Der Hessenkrieg (Gießen 1935), S. 11–19. 170. B. Nischan, Prince, People and Confession: The Second Reformation in Brandenburg (Philadelphia 1994). 171. V. Press, Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz 1559–1619 (Stuttgart 1970) sowie ders., „Die Reichsritterschaft im Kraichgau zwischen Reich und Territorium, 1500–1623“, ZGO 122 (1974), 35–98, worin Press aufzeigt, auf welche Weise der pfälzische Kurfürst versuchte, die Reichsritter der Umgebung unter kurpfälzische Jurisdiktion zu bringen. 172. C. Tacke, „Das Eindringen Hessen-Kassels in die Westfälischen Stifter“, in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 175–187, bes. S. 178–180; Gräf, Konfession und internationales System, S. 135–144. 173. W. Ziegler, „Die Hochstifte des Reiches im konfessionellen Zeitalter 1520–1618“, Römische Quartalsschrift 87 (1992), 252–281, hier S. 262–263. Die welfische Politik beleuchtet H. Lietzmann, Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig und Lüneburg (1564– 1613) (Braunschweig 1993). 174. H. G. Aschoff, „Das Hochstift Hildesheim und der Westfälische Frieden“, Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 66 (1998), 229–269; H. J. Adamski, Der welfische Schutz über die Stadt Hildesheim (Hildesheim 1939). 175. A. Gotthard, „‚Macht hab ehr, einen bischof abzusezen‘. Neue Überlegungen zum Kölner Krieg“, ZSRG KA 113 (1996), 270–325; Gräf, Konfession und internationales System, S. 131–135; Phelps, Reich, Religion and Dynasty, S. 72–79. Zum Ereignisablauf siehe M. Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges (1555–1648) (3 Bde., Stuttgart 1889–1908), I, S. 573–646. 176. Rudolf hatte den Kardinal Andreas von Österreich vorgeschlagen, einen Sohn Ferdinands von Tirol und seiner ersten Frau Philippine, die der berühmten Augsburger Kaufmanns- und Bankiersfamilie Welser entstammte. Da seine Mutter jedoch eine Bürgerliche war, konnte Andreas nicht den hochadligen Stammbaum vorweisen, der für die Aufnahme in das exklusive Kölner Domkapitel notwendig war. Als Reaktion auf Rudolfs ungeschickte Handhabung des Wahlvorgangs trat Tirol empört aus dem Landsberger Bund aus. 177. G. Aders, Bonn als Festung (Bonn 1973), S. 26–29. 178. P. Sauer, Herzog Friedrich I von Württemberg 1557–1608 (München 2003), S. 239–244. 179. P. D. Lockhart, Frederick II and the Protestant Cause: Denmark’s role in the Wars of Religion (Leiden 2002), S. 242–272. 180. A. Gotthard, „1591 – Zäsur der sächsischen und der deutschen Geschichte“, NASG 71 (2000), 275–284, hier 276–278. Dies wird bestritten von Phelps, Reich, religion and dynasty, S. 88–94. Zu Christian I. siehe T. Nicklas, „Christian I. 1586–1591 und Christian II. 1591–1611“, in: F.-L. Kroll (Hg.), Die Herrscher Sachsens (München 2004), S. 126–136. 181. Gotthard, „‚Politice seint wir bäpstisch‘“.

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Anhang 182. Press, Calvinismus und Territorialstaat, S. 504. Zum Folgenden siehe V. Press, „Fürst Christian I. von Anhalt-Bernberg“, in: K. Ackermann (Hg.), Staat und Verwaltung in Bayern (München 2003), S. 193–216. 183. R. Bonney, The King’s Debts. Finance and Politics in France, 1589–1661 (Oxford 1981), S. 273. 184. V. Press, „Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz 1499–1621“, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 117 (1977), 31–67. 185. H. Duchhardt, „Der Kampf um die Parität im Kammerrichteramt zwischen Augsburger Religionsfrieden und Dreißigjährigem Krieg“, ARG 69 (1978), 201–218. Zum Folgenden siehe auch M. Heckel, „Die Religionsprozesse des Reichskammergerichts im konfessionell gespaltenen Reichskirchenrecht“, ZSRG KA 77 (1991), 283–350, und B. Ruthmann, Die Religionsprozesse am Reichskammergericht (1555–1648). Eine Analyse anhand ausgewählter Prozesse (Köln 1996). 186. Phelps, Reich, Religion and Dynasty, S. 97–98. 187. D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern 1573–1651 (München 1998); A. Edel, „Politik und Macht bei Herzog Maximilian von Bayern. Die Jahre vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges“, in: W. Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen – Kriegerische Effekte (Sankt Katharinen 2002), S. 107–139. 188. E. Ortlieb und G. Polster, „Die Prozeßfrequenz am Reichshofrat (1519–1806)“, ZNRG 26 (2004), 189–216; S. Ehrenpreis, „Die Tätigkeit des Reichshofrats um 1600 in der protestantischen Kritik“, in: W. Sellert (Hg.), Reichshofrat und Reichskammergericht (Köln 1999), S. 27–46, sowie vom selben Autor Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt. Der Reichshofrat unter Rudolf II. (1576–1612) (Göttingen 2006). Die Protestanten stellten immerhin ein Zehntel der Richter, aber der Reichshofrat machte sich in seiner Rechtsprechung nach 1580 eine immer deutlicher katholische Auffassung religiöser Streitpunkte zu eigen. 189. Zum Beispiel C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 45. Der Fall Donauwörth wird ausführlich und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet von Albrecht, Maximilian I., S. 395–418; T. Hölz, Krummstab und Schwert. Die Liga und die geistlichen Reichsstände Schwabens 1609–1635 (Leinfelden-Echterdingen 2001), S. 137–140; R. Breitling, „Der Streit um Donauwörth 1605/1611“, ZBLG 2 (1929), 275–298; C. S. Dixon, „Urban order and religious coexistence in the German imperial city: Augsburg and Donauwörth, 1548– 1608“, CEH 40 (2007), 1–33. 190. M. Ritter, „Der Ursprung des Restitutionsediktes“, in: H. U. Rudolf (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (Darmstadt 1977), S. 137–174, hier S. 149–51. Siehe auch Kapitel 13 unten. Die Augsburger Regelung war zuletzt im Reichsabschied von 1566 bestätigt worden. 191. Der Vertragstext der Union findet sich in T. von Moerner (Hg.), Kurbrandenburgische Staatsverträge von 1601–1700 (Berlin 1867), S. 36–40. Siehe die Diskussionen in A. Gotthard, „Protestantische ‚Union‘ und katholische ‚Liga‘ – Subsidiäre Strukturelemente oder Alternativentwürfe?“, in: V. Press (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung in der frühen Neuzeit? (München 1995), S. 81–112; H. Gürsching, Die Unionspolitik der Reichsstadt Nürnberg vor dem Dreißigjährigen Kriege (1608–1618) (München

Anmerkungen

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194.

195. 196.

197.

198.

1932); G. Horstkemper, „Die protestantische Union und der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges“, in: Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen, S. 21–51. F. Neuer-Landfried, Die katholische Liga. Gründung, Neugründung und Organisation eines Sonderbundes 1608 bis 1620 (Kallmünz 1968), mit dem Abdruck der Bündnisurkunde auf S. 222–229. Siehe auch Albrecht, Maximilian I., S. 408–417; Hölz, Krummstab und Schwert, S. 143–160. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), S. 93 ff. S. H. Steinberg, The Thirty Years’ War and the Conflict for European Hegemony, 1600–1660 (London 1966) vertritt die Auffassung, der Krieg habe 1609 begonnen. Auch andere sehen die jülich-klevische Krise als das „Vorspiel“ zu einem unvermeidlichen Großkonflikt: H. Ollmann-Kösling, Der Erbfolgestreit um Jülich-Kleve (1609– 1614). Ein Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg (Regensburg 1996). Eine aktuelle Analyse des Erbfolgestreits bietet A. D. Anderson, On the Verge of War. International relations and the Jülich-Kleve succession crises (1609–1614) (Boston 1999). Siehe auch R. A. Mostert, „Der jülich-klevische Regiments- und Erbfolgestreit – ein ‚Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg‘?“, in: S. Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg und in seinen Nachbarregionen (Neustadt an der Aisch 2002), S. 26–64. H. Smolinsky, „Formen und Motive konfessioneller Koexistenz in den Niederlanden und am Niederrhein“, in: K. Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 287–300. Bis 1609 hatte sich die Hälfte der Berger Protestanten dem Calvinismus zugewandt. Zu Johann Wilhelms Krankheit und ihren Auswirkungen siehe H. C. E. Midelfort, Mad Princes of Renaissance Germany (Charlottesville, Va. 1994), S. 98–124. Ursprünglich, im Mai 1609, hatte Brandenburg nur 180 Mann zur Verfügung gestellt, vergrößerte dieses Kontingent aber massiv auf 770 Mann Kavallerie, 3000 Fußsoldaten und 21 Geschütze, während Pfalz-Neuburg 600 Reiter und 2000 Mann Infanterie beisteuerte. Bis August 1610 hob Brandenburg auf seinem eigenen Territorium zusätzlich 1000 Mann Reiterei und 650 Infanteristen aus, die jedoch wegen der Einnahme Jülichs nicht mehr zum Einsatz kamen. Zu den Operationen im Einzelnen siehe C. Jany, Geschichte der preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914 (4 Bde., Berlin 1928–29), I, S. 31–33; O. Bezzel, Geschichte des kurpfälzischen Heeres von seinen Anfängen bis zur Vereinigung von Kurpfalz und Kurbayern 1777 (2 Bde., München 1925–28), I, S. 133. Das war doppelt so viel, wie Heinrich aufgrund seiner Verpflichtung gegenüber der Union hätte bereitstellen müssen. Noch Anfang 1610 hatte die Gesamtstärke der französische Armee 6300 Mann Infanterie, 3650 Mann Kavallerie und 4000 Mann Garnisonstruppen betragen. Der König hatte die Aushebung weiterer 30 000 Mann Infanterie und 8000 Mann Kavallerie angewiesen, die aber nur teilweise erfolgt war: B. R. Kroener, „Die Entwicklung der Truppenstärken in den französischen Armeen zwischen 1635 und 1661“, in: K. Repgen (Hg.), Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (Münster 1981), S. 163–220, hier S. 166 Fn. 13. Die Beziehungen Heinrichs IV. zu den protestantischen Fürsten des Reiches behandelt F. Beiderbeck, „Heinrich IV. von Frankreich und die protestantischen Reichsstände“, Francia 23 (1996), 1–32 und 25 (1998), 1–25. J. I. Israel, The Dutch Republic: Its Rise, Greatness and Fall, 1477–1806 (Oxford 1995), S. 406–407. Zu Moritz’ Heer gehörten auch zwei Regimenter französischer Hugenot-

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Anhang

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ten und 4000 englische Infanteristen. De la Châtres Heer umfasste 5000 Mann französische und 3000 Mann schweizerische Infanterie, dazu 1000 bis 1200 Kavalleristen. Die drei Fürsten hatten ein Gesamtaufgebot von 900 Reitern und 4200 Fußsoldaten vereinbart, dessen eine Hälfte Württemberg stellen sollte; Baden-Durlach und die Kurpfalz sollten den Rest übernehmen. Am Ende schickte jedoch Württemberg gerade einmal 600 Mann Infanterie, während die Kurpfalz 1000 Milizionäre und ein paar Söldner stellte. Leopolds Heer wuchs indes bis zum Sommer auf 4000 Mann Infanterie und 500 Reiter an: L. I. von Stadlinger, Geschichte des württembergischen Kriegswesens (Stuttgart 1856), S. 273. Dieses zweite Heer war gesondert von den Truppen, welche die Mitglieder der Union in ihren Territorien zusammengezogen hatten, und bestand aus 2000 Mann Kavallerie, 6500 Mann Infanterie und 463 Kanonieren, die mehrheitlich aus der Kurpfalz und Hessen-Kassel stammten: Bezzel, Geschichte des kurpfälzischen Heeres, I, S. 54–56. P. Steuer, „Der vorderösterreichische Rappenkrieg (1612–1614)“, ZGO 128 (1980), 119–165; Bonney, The King’s Debts, S. 65–69. Die spanischen Subsidienzahlungen an Leopold beliefen sich insgesamt vermutlich auf nicht mehr als 100 000 Gulden. B. Rill, Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf (Graz 1999), S. 191–196. V. Press, Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz 1559–1619 (Stuttgart 1970), S. 498–500. Zwar erließ Johann ein Dekret, durch das einige der kontroverseren Entscheidungen Rudolfs rückgängig gemacht wurden, darunter das Mandat gegen den Magistrat von Aachen, aber Johanns Status als Regent nahm seinem Vorstoß die Legitimität. Siehe die oben in Anm. 47 angeführten Titel sowie J. Müller, „Die Vermittlungspolitik Klesls von 1613 bis 1616 im Lichte des gleichzeitig zwischen Klesl und Zacharias Geizkofler geführten Briefwechsels“, MIÖG, Beiheft 5 (1896/1903), 609–690. S. Ehrenpreis, „Die Rolle des Kaiserhofes in der Reichsverfassungskrise und im europäischen Mächtesystem vor dem Dreißigjährigen Krieg“, in: W. Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen – Kriegerische Effekte (Sankt Katharinen 2002), S. 71–106. Eine überfällige Neubewertung dieser Sichtweise bringen F. Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand 1618–1622 (Münster 1997), S. 40–65; A. Gotthard, „Johann Georg I. 1611– 1656“, in: F. L. Kroll (Hg.), Die Herrscher Sachsens (München 2004), S. 137–147. B. C. Pursell, The Winter King. Frederick V of the Palatinate and the Coming of the Thirty Years’ War (Aldershot 2003) zeichnet ein (vielleicht etwas zu) wohlwollendes Bild des Kurfürsten, vor allem was seine Sorge um die Reichsverfassung betrifft. Siehe auch P. Bilhöfer, Nicht gegen Ehre und Gewissen: Friedrich V, Kurfürst von der Pfalz – der Winterkönig von Böhmen (1596–1632) (Mannheim 2000). Die Hochzeitsfeierlichkeiten schildert C. Oman, Elizabeth of Bohemia (London 1964), S. 52–117. Zur Politik Jakobs I. siehe S. L. Adams, „Spain or the Netherlands. The dilemmas of early Stuart foreign policy“, in: H. Tomlinson (Hg.), Before the English Civil War (London 1983), S. 79–101. P. Sauer, Herzog Friedrich I. von Württemberg 1557–1608 (München 2003), S. 181–184; H. W. O’Kelly, „War and politics in early seventeenth-century Germany: the tournaments of the Protestant Union“, in: Centro Studi Storici Narni (Hg.), La civiltà del torneo (sec. xii–xvii) (Rom 1990), S. 231–245. Die Braut war Barbara Sophia von Brandenburg. Zu den Versuchen der Unions-Führung, sich selbst als gute Patrioten darzu-

Anmerkungen

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212. 213.

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stellen, siehe A. Schmidt, Vaterlandsliebe und Religionskonflikt. Politische Diskurse im Alten Reich (1555–1648) (Leiden 2007), S. 328–350. F. H. Schubert, „Die pfälzische Exilregierung im Dreißigjährigen Krieg“, ZGO 102 (1954), 575–680, bes. S. 610. D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern 1573–1651 (München 1998), S. 452–465; E. Stahl, Wolf Dietrich von Salzburg. Weltmann auf dem Bischofsthron (München 1987). Maximilian rechtfertigte sein Eingreifen damit, dass Raitenau im Zuge einer langwierigen Auseinandersetzung über den Salzhandel die Propstei Berchtesgaden besetzt hatte. Bereits 1595 war Ferdinand Koadjutor von Köln geworden; 1618 wurde er noch zum Fürstbischof von Paderborn gewählt. Siehe J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln. Die Politik seiner Stifter in den Jahren 1634–1650 (Münster 1979). Das bayerische Bündnis wurde ursprünglich mit Würzburg, Bamberg und Eichstätt geschlossen; später traten ihm auch noch die Fürstbischöfe von Passau und Regensburg sowie – nach seinem Übertritt zum katholischen Glauben – der Pfalzgraf von Neuburg bei. Sie erneuerten ihre „vertrauliche nachbarliche Versicherung“ am 27. Mai 1617, aber das war wenig mehr als die Zusage, sich künftig über Fragen von allseitigem Interesse untereinander auszutauschen. A. D. Anderson, On the Verge of War: International Relations and the Jülich-Kleve Succession Crises (1609–1614) (Boston 1999), S. 133–163. Die niederländische Einflussnahme behandelt H. Gabel, „Sicherheit und Konfession. Aspekte niederländischer Politik gegenüber Jülich-Berg vor und während des Dreißigjährigen Krieges“, in: S. Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg und in seinen Nachbarregionen (Neustadt an der Aisch 2002), S. 132–179. Eine brauchbare biografische Skizze Wolfgang Wilhelms liefert B. Fries-Kurze, „Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg“, Lebensbilder aus dem bayerischen Schwaben 8 (1961), 198–227. Die politischen Gründe für seine Konversion betont E. O. Mader, „Füstenkonversionen zum Katholizismus im Mitteleuropa im 17. Jahrhundert“, ZHF 33 (2007), 373–410. Brandenburg mobilisierte 694 Mann Kavallerie und 3164 Mann Infanterie: C. Jany, Geschichte der preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914 (4 Bde., Berlin 1928– 29), I, S. 43–45. Der Hoefyser-Kredit wurde nie zurückgezahlt, sondern wurde schließlich 1685 von der Republik der Vereinigten Niederlande abgeschrieben – im Gegenzug für ein politisches Bündnis in einer Zeit, in der Kurbrandenburg wesentlich mächtiger geworden war. Bis zum Eintreffen der Spanier vergrößerte Wolfgang Wilhelm sein Heer auf zwischen 700 und 800 Reiter und 4000 bis 5000 Fußsoldaten. Details bei B. Ruthmann, „Das richterliche Personal am Reichskammergericht und seine politischen Verbindungen um 1600“, in: W. Sellert (Hg.), Reichshofrat und Reichskammergericht (Köln 1999), S. 1–26, hier S. 19–22. H. Valentinitsch, „Ferdinand II., die innerösterreichischen Länder und der Gradiskanerkrieg 1615–1618“, in: P. Urban und B. Sutter (Hgg.), Johannes Kepler 1571–1971 (Graz 1975), S. 497–539. Zu den Kriegsgründen siehe G. E. Rothenberg, „Venice and the Uskoks of Senj 1537–1618“, JMH 33 (1961), 148–156. Die militärischen Anstrengungen der Venezianer analysieren M. E. Mallett und J. R. Hale, The Military Organisation of a Renaissance State: Venice 1400–1617 (Cambridge 1984), insbesondere auf den S. 241–247.

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Anhang 218. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), S. 102–111. 219. Die neapolitanische Flotte umfasste 18 Schiffe und 38 Galeeren mit insgesamt 2000 Mann Besatzung. Der Vizekönig verfügte zudem über 12 000 Mann reguläre Truppen an Land. 220. M. S. Sanchez, „A house divided: Spain, Austria and the Bohemian and Hungarian successions“, Sixteenth-Century Journal 25 (1994), 887–903; H. Ernst, Madrid und Wien 1632–1637 (Münster 1991), S. 14. 221. Albrecht, Maximilian I., S. 476–503. 222. Der Vertragstext ist abgedruckt in G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte und zu den Anfängen des Dreißigjährigen Krieges (Darmstadt 1991), S. 186–209, Zitat S. 189, und wird analysiert von W. E. Heydendorff, „Vorderösterreich im Dreißigjährigen Krieg“, MÖSA 12 (1959), 74–142, hier S. 113–115, sowie P. Brightwell, „Spain, Bohemia and Europe 1619–21“, European Studies Review 12 (1982), 371–399, hier S. 364– 365. 223. A. van Schelven, „Der Generalstab des politischen Calvinismus in Zentraleuropa zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges“, ARG 36 (1939), 117–141. Zum Folgenden siehe H. Hotson, Johann Heinrich Alsted, 1588–1638 (Oxford 2000); R. M. Kingdon, „Der internationale Calvinismus und der Dreißigjährige Krieg“ sowie W. Schmidt-Biggemann, „Apokalypse und Millenarismus im Dreißigjährigen Krieg“, beide in: K. Bußmann und H. Schilling (Hg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 229–235 bzw. 259–263. 224. J. R. Christianson, „Tycho Brahe’s German treatise on the comet of 1577“, Isis 70 (1979), 110–140. 225. K. Manger (Hg.), Die Fruchtbringer – eine teutschherzige Gesellschaft (Heidelberg 2001); R. J. W. Evans, „Learned societies in Germany in the seventeenth century“, European Studies Review 7 (1979), 129–151. 226. H. D. Hertrampf, „Hoë von Hoënegg, sächsischer Oberhofprediger 1613–1645“, Beiträge zur Kirchengeschichte Deutschlands 7 (1970), 129–148. 227. J. Burkhardt, „Die kriegstreibende Rolle historischer Jubiläen im Dreißigjährigen Krieg und im Ersten Weltkrieg“, in: Burkhardt (Hg.), Krieg und Frieden in der historischen Gedächtniskultur (München 2000), S. 91–102. F. Kleinehagenbrock, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2003), S. 284–287 verweist auf den kursächsischen Einfluss auf die Feierlichkeiten in Hohenlohe. 228. Zit. nach C. Kohlmann, „‚Von unsern widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestanden’. Kriegs- und Krisenerfahrungen von lutherischen Pfarrern und Gläubigen im Amt Hornberg des Herzogtums Württemberg während des Dreißigjährigen Krieges und nach dem Westfälischen Frieden“, in: M. Asche und A. Schindling (Hgg.), Das Strafgericht Gottes (Münster 2002), S. 123–211, hier S. 151.

Zweiter Teil: Der Konflikt 1. G. Schramm, „Armed conflicts in east Central Europe“, in: R. J. W. Evans und T. V. Thomas (Hgg.), Crown, Church and Estates (London 1991), S. 176–195, hier S. 189. Siehe auch J. Bahlcke, „Theatrum Bohemicum. Reformpläne, Verfassungsideen und

Anmerkungen

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3. 4.

5. 6. 7.

8. 9. 10. 11.

12. 13.

Bedrohungsperzeptionen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges“, in: W. Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen – Kriegerische Effekte (Sankt Katharinen 2002), S. 1–20, hier S. 15–18. Abgedruckt in G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte und zu den Anfängen des Dreißigjährigen Krieges (Darmstadt 1991), S. 237–250. Axel Gotthard betont konfessionelle Motive, aber eigentlich meidet der Text der Apologie das religiöse „MärtyrerIdiom“ und bevorzugt stattdessen (verfassungs)rechtliche Argumente: „Eine feste Burg ist vnser vnnd der Böhmen Gott. Der Böhmische Aufstand 1618/19 in der Wahrnehmung des evangelischen Deutschland“, in: F. Brendle und A. Schindling (Hgg.), Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa (Münster 2006), S. 135–162. „Apologie“, Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 237–250, hier S. 249. F. Schiller, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. IV (Darmstadt 1980). Die anderen beiden Regenten im Raum waren der Oberstburggraf Adam von Sternberg und Diepold von Lobkowitz, seines Zeichens Großprior des Malteserordens. Slavatas Bericht findet sich in H. Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten (Düsseldorf 1963), S. 23–28, Zitate auf S. 24–25. J. Krebs, „Graf Georg Friedrich von Hohenlohe und die Schlacht am Weißen Berge bei Prag“, Forschungen zur deutschen Geschichte 19 (1879), 475–495. H. Angermeier, „Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl“, ZSRG GA 110 (1993), 249–330, hier S. 301. Khlesls Memorandum vom 18. Juni 1618, in dem er zur Gewaltanwendung rät, ist abgedruckt in Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 253–256. Zit. nach B. Rill, Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf (Graz 1999), S. 308. Details bei J. Rainer, „Der Prozeß gegen Kardinal Klesl“, Römische Historische Mitteilungen 5 (1961), 35–163. P. Broucek, „Feldmarschall Bucquoy als Armeekommandant 1618–1620“, in: Heeresgeschichtliches Museum Wien (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (Wien 1976), S. 25–57; J. Polišenský, War and Society in Europe 1618–1648 (Cambridge 1978), S. 79–80. K. MacHardy, War, Religion and Court Patronage in Habsburg Austria: The Social and Cultural Dimensions of Political Interaction, 1521–1622 (Basingstoke 2003), S. 108– 116. P. Brightwell, „The Spanish origins of the Thirty Years’ War“, European Studies Review 9 (1979), 409–431; E. Straub, Pax und Imperium. Spaniens Kampf um seine Friedensordnung in Europa zwischen 1617 und 1635 (Paderborn 1980), S. 131–137; R. A. Stradling, Philip IV and the Government of Spain, 1621–1665 (Cambridge 1988), S. 9–11; P. Williams, The Great Favourite: The Duke of Lerma and the Court and Government of Philip III of Spain, 1598–1621 (Manchester 2006), S. 231–236. F. Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand 1618–1622 (Münster 1997), S. 149– 157; D. M. Phelps, Reich, Religion and Dynasty: The Formation of Saxon Policy, 1555– 1619 (Diss. University of London 2005), S. 214–264. H. Gürsching, Die Unionspolitik der Reichsstadt Nürnberg vor dem Dreißigjährigen Kriege (1608–1618) (München 1932), S. 76–85. Udenheim wurde 1623–1632 als Festung Philippsburg wieder aufgebaut, siehe K. H. Jutz und J. M. Fieser, Geschichte der Stadt und ehemaligen Reichsfestung Philippsburg (Philippsburg 1966) sowie die identisch betitelte Monografie von H. Nopp (Speyer 1881).

995

996

Anhang 14. 15. 16. 17. 18.

19. 20. 21.

22.

23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.

HHStA, KA 138, 16. August 1618. J. G. Weiß, „Die Vorgeschichte des böhmischen Abenteuers Friedrichs V. von der Pfalz“, ZGO 92 (1940), 383–492, hier S. 408–11; M. Rüde, England und Kurpfalz im werdenden Mächteeuropa (1608–1632) (Stuttgart 2007), S. 165–177. G. Mann, Wallenstein (Frankfurt/Main 1983), S. 139–142; H. Diwald, Wallenstein (München 1969), S. 113–123. J. Polišenský, The Thirty Years War (London 1971), S. 121. A. Stögmann, „Staat, Kirche und Bürgerschaft“, in: A. Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001), S. 482–564, hier S. 531–533. Zum Folgenden siehe auch K. Völker, „Die ‚Sturmpetition‘ der evangelischen Stände in der Wiener Hofburg am 5. Juni 1619“, Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 57 (1936), 3–50; H. Kretschmer, Sturmpetition und Blockade Wiens im Jahre 1619 (Wien 1978). HHStA, KA 138, dort auch Details zu den Gesandten, die zu einflussreichen Fürsten und an den dänischen Hof geschickt wurden. A. Gotthard, „Der deutsche Konfessionskrieg seit 1619“, HJb 122 (2002), 141–172, hier S. 164–166. Doncasters Bericht ist abgedruckt in S. R. Gardiner (Hg.), Letters and Other Documents Illustrating the Relations between England and Germany at the Commencement of the Thirty Years’ War (London 1865), S. 188–202, hier S. 199. Zur Wahl selbst siehe auch B. C. Pursell, The Winter King (Aldershot 2003), S. 66–75; Weiß, „Vorgeschichte“, S. 430–455. Die Konföderationsakte ist abgedruckt in Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 332–358. J. Bahlcke, „Die Böhmische Krone zwischen staatsrechtlicher Integrität, monarchischer Union und ständischem Föderalismus“, in: T. Fröschl (Hg.), Föderationsmodelle und Unionsstrukturen (München 1994), S. 83–103, hier S. 97–102 liefert eine positivere Deutung gegenüber der älteren Sichtweise, für diese beispielhaft H. Sturmberger, Aufstand in Böhmen (München 1959), S. 47–53. T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699) (2 Bde., Wien 2003), I, S. 62–63. F. Müller, Kursachsen, S. 260–268; Phelps, Reich, Religion and Dynasty, S. 249–262. M. Glettler, „Überlegungen zur historiographischen Neubewertung Bethlen Gabors“, Ungarn-Jahrbuch 9 (1978), 237–255. R. Kleinman, „Charles Emanuel I of Savoy and the Bohemian election of 1619“, European Studies Review 5 (1975), 3–29. Zur Wahl selbst siehe A. Gindely, History of the Thirty Years’ War (2 Bde., New York 1892), I, S. 148–150. P. Wolf, „Eisen aus der Oberpfalz, Zinn aus Böhmen und die goldene böhmische Krone“, in: P. Wolf u. a. (Hgg.), Der Winterkönig (Augsburg 2003), S. 65–74. Zu Friedrichs Entscheidung siehe auch Pursell, The Winter King, S. 65–86. Friedrichs Erklärung vom 7. November 1619 zu seiner Annahme der böhmischen Krone ist abgedruckt in Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 409–418. Eine gute Beschreibung der Reise und des zeremoniellen Rahmens liefert C. Oman, Elizabeth of Bohemia (London 1964), S. 178–198. Zit. nach Gotthard, „Eine feste Burg ist vnser vnnd der Böhmen Gott“, S. 160. Siehe auch A. Gotthard, Konfession und Staatsräson. Die Außenpolitik Württembergs unter

Anmerkungen

31. 32.

33. 34. 35.

36. 37.

38. 39. 40. 41. 42. 43.

Herzog Johann Friedrich (1608–1628) (Stuttgart 1992), S. 271–301; G. Horstkemper, „Die protestantische Union und der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges“, in: Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen, S. 21–51, hier S. 46–47. E. McCabe, „England’s foreign policy in 1619: Lord Doncaster’s embassy to the princes of Germany“, MIÖG 58 (1950), 457–477, hier S. 460. Siehe auch C. H. Carter, The Secret Diplomacy of the Habsburgs, 1598–1625 (New York 1964), S. 118–130. Greys Regiment erreichte Böhmen im August 1620. Siehe J. Polišenský, Tragic Triangle: The Netherlands, Spain and Bohemia, 1617–1621 (Prag 1991) sowie ders., „A note on Scottish soldiers in the Bohemian War 1619–1622“, in: S. Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years’ War, 1618–1648 (Leiden 2001). Auch die britischen Katholiken schickten Geld zu Rekrutierungszwecken – allerdings nach Spanien: A. J. Loomie, „Gondomar’s selection of English officers in 1622“, EHR 88 (1973), S. 574–581. C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 138. Pursell, The Winter King, S. 4–5, 95–100 schätzt das Ausmaß von Friedrichs Toleranz wohl tendenziell zu freundlich ein. Siehe auch J. Pánek, „Friedrich V. von der Pfalz als König von Böhmen“, in: Wolf u. a. (Hgg.), Der Winterkönig, S. 101–106. T. Winkelbauer, „Nervus belli Bohemici. Die finanziellen Hintergründe des Scheiterns des Ständeaufstands der Jahre 1618 bis 1620“, Folia Historica Bohemica 18 (1997), 173–223; S. Riezler (Hg.), „Kriegstagebücher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620“, Abhandlungen des Phil.-Hist. Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 23 (1906), 77–210, hier S. 210; O. Chaline, La Bataille de la Montagne Blanche (Paris 1999), bes. S. 100–102; O. Bezzel, Geschichte des kurpfälzischen Heeres von seinen Anfängen bis zur Vereinigung von Kurpfalz und Kurbayern 1777 (2 Bde., München 1925–28), I, Anhang 2. J. Tiege u. a., Na Bílé Hoře (Prag 1921), S. 54–55. Eine detaillierte Analyse liefert K. Oberleitner, „Beiträge zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges mit besonderer Berücksichtigung des österreichischen Finanz- und Kriegswesens … vom Jahre 1618–1634“, Archiv für österreichische Geschichte 19 (1858), 1–48, hier S. 8–9. Siehe auch P. Broucek, Kampf um Landeshoheit und Herrschaft im Osten Österreichs 1618 bis 1621 (Wien 1992); S. Reisner, „Die Kämpfe vor Wien in Oktober 1619 im Spiegel zeitgenössischer Quellen“, in: Weigl (Hg.), Wien, S. 446–481. R. Frost, The Northern Wars, 1558–1721 (Harlow 2000), S. 96, 102. H. Wisner, Władysław IV (Warschau 1995), S. 32. Mein Dank gilt Kacper Rękawek für seine Hilfe bei der Beschaffung und Auswertung der polnischen Forschungsliteratur. P. Jasienica, Rzeczpospolita obojga narodów, Bd.. II (Warschau 1986). Siehe auch H. Wisner, „Die Adelsrepublik und der Dreißigjährige Krieg“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 405–412. J. Besala, Stanisław Żółkiewski (Warschau 1988), S. 349; H. Wisner, Lisowczycy (Warschau 1995). G. Gajecky und A. Baran, The Cossacks in the Thirty Years War, Bd. I (Rom 1969), S. 32–37. Gajecky und Baran, The Cossacks, S. 40–52; Broucek, Kampf um Landeshoheit, S. 28– 35.

997

998

Anhang 44. 45. 46. 47.

48. 49.

50.

51.

52.

53. 54. 55.

56.

R. R. Heinisch, „Habsburg, die Pforte und der Böhmische Aufstand (1618–1620)“, Südost-Forschungen 33 (1974), 125–65, und 34 (1975), 79–124; Gindely, Thirty Years’ War, I, S. 208–211. Oberleitner, „Beiträge“, S. 1–12; Winkelbauer, „Nervus belli Bohemici“, S. 185, 196. T. Hölz, Krummstab und Schwert. Die Liga und die geistlichen Reichsstände Schwabens 1609–1635 (Leinfelden-Echterdingen 2001), S. 372–391; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern 1573–1651 (München 1998), S. 491–497. A. Gotthard, „Protestantische ‚Union‘ und Katholische ‚Liga‘“, in: V. Press (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit? (München 1995), S. 81–112, hier S. 104. Es steht außer Frage, dass bei diesen Verhandlungen Bayern (und nicht, wie man manchmal liest, Spanien) die Zügel in der Hand hielt: A. Edel, „Auf dem Weg in den Krieg. Zur Vorgeschichte der Intervention Herzog Maximilians I. von Bayern in Österreich und Böhmen 1620“, ZBLG 65 (2002), 157–253. Der Vertragstext ist abgedruckt in BA I, S. 242–247. M. Kaiser, „Ständebund und Verfahrensordnung. Das Beispiel der Katholischen Liga (1619–1631)“, in: B. Stollberg-Rilinger (Hg.), Vormoderne politische Verfahren (Berlin 2001), S. 331–415; Albrecht, Maximilian I., S. 495–498, 502–511; R. R. Heinisch, Paris Graf Lodron. Reichsfürst und Erzbischof von Salzburg (Wien 1991). M. Kaiser, „Maximilian I. von Bayern und der Krieg“, ZBLG 65 (2002), 69–99. Eine eingehende Analyse von Maximilians Absichten und seinem Verhältnis zu Tilly liefert eine Monografie desselben Verfassers: Politik und Kriegführung. Maximilian von Bayern, Tilly und die Katholische Liga im Dreißigjährigen Krieg (München 1999). D. Albrecht, „Zur Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges: Die Subsidien der Kurie für Kaiser und Liga 1618–1635“, ZBLG 19 (1956), 534–567; G. Immler, „Finanzielle Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Bayern zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, in: H. Kellenbenz und P. Prodi (Hgg.), Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter (Berlin 1994), S. 141–163. Albrecht, Maximilian I., S. 511–514; Straub, Pax und Imperium, S. 137–162; P. Brightwell, „Spain and Bohemia: the decision to intervene, 1619“, European Studies Review 12 (1982), 117–141, sowie ders., „Spain, Bohemia and Europe, 1619–21“, ebd., 371– 399. 27 000 in Italien, 16 000 auf der Iberischen Halbinsel, in Nordafrika und den Außenposten im Atlantik, dazu 15 000 in Flandern. Durch zusätzliche Rekrutierungsanstrengungen wurde der letztgenannte Wert im Verlauf des Jahres 1619 verdoppelt. Siehe die in Anm. 52 angegebene Literatur, zusätzliche Angaben bei G. Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road, 1567–1659 (Cambridge 1979), S. 272. Die „Mühlhausener Erklärung katholischer Fürsten“ vom 20. März 1620 ist abgedruckt bei Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 451–453. Siehe auch T. Nicklas, Macht oder Recht. Frühneuzeitliche Politik im obersächsischen Reichskreis (Stuttgart 2002), S. 198–215; F. Müller, Kursachsen, S. 338–349; Albrecht, Maximilian I., S. 516– 517. Zahlenangaben nach Bezzel, Geschichte des kurpfälzischen Heeres, I, S. 59–60; Gindely, Thirty Years’ War, I, S. 225–8. Zum Folgenden siehe R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War (Cambridge 2003), S. 47, 50–56; D. Albrecht, Die auswärtige Politik Maximilians von Bayern 1618–1635 (Göttingen 1962), S. 44–47.

Anmerkungen 57. 58. 59. 60.

61. 62.

63. 64. 65.

66. 67. 68. 69.

70.

71. 72.

C. R. Markham, The Fighting Veres (London 1888), S. 394–420. Zum Folgenden siehe auch H. G. R. Reade, Sidelights on the Thirty Years War (3 Bde., London 1924), I, S. 323–345. F. Müller, Kursachsen, S. 389–406. Riezler (Hg.), „Kriegstagebücher“, S. 84, 109. Ferdinand an Johann Georg von Sachsen, 5. Dezember 1619, abgedruckt in E. von Frauenholz (Hg.), Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., München 1938–39), I, S. 105–106. Zu den Gräueltaten der Kosaken siehe auch Gajecky und Baran, Cossacks, S. 40. Riezler (Hg.), „Kriegstagebücher“, S. 90–94, 144. T. Johnson, „‚Victoria a deo missa?‘ Living saints on the battlefields of the Central European Counter Reformation“, in: J. Beyer u. a. (Hgg.), Confessional Sanctity (c.1500– c.1800) (Mainz 2006), S. 319–335; O. Chaline, „Religion und Kriegserfahrung. Die Schlacht am Weißen Berge 1620“, in: Brendle und Schindling (Hgg.), Religionskriege, S. 511–518. B. Rill, Tilly. Feldherr für Kaiser und Reich (München 1984), S. 90. Chaline, Bataille; J. Krebs, Die Schlacht am Weißen Berge bei Prag (Breslau 1879); M. Junkelmann, „Das alles entscheidende Debakel: Die Schlacht am Weißen Berg“, in: Wolf u. a. (Hgg.), Der Winterkönig, S. 12–26. So der Bericht in einer Berliner Flugschrift vom 30. November 1620, abgedruckt in: H. Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten (Düsseldorf 1963), S. 93–94, hier S. 94. Die Panik beschreibt Sir Edward Conway, abgedruckt in: A. Gindely (Hg.), Die Berichte über die Schlacht auf dem Weissen Berge bei Prag (Wien 1877), S. 156–163. Diese sind abgedruckt bei Gindely (Hg.), Berichte, S. 118–145. Winkelbauer, „Nervus belli Bohemici“, S. 215–216. Siehe auch Gindely, Thirty Years’ War, I, S. 129, 237. V. Urbánek, „The idea of state and nation in the writings of Bohemian exiles after 1620“, in: L. Eriksonas und L. Müller (Hgg.), Statehood before and beyond Ethnicity (Brüssel 2005), S. 67–84. I. Auerbach, „The Bohemian opposition, Poland-Lithuania and the outbreak of the Thirty Years War“, in: Evans and Thomas (Hgg.), Crown, Church and Estates, S. 196– 225, bes. S. 197–200; J. Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg (Frankfurt/Main 1992), S. 81–82. P. Maťa, „The making of state power and reflections on the state in Bohemia and Moravia between the Estates’ rebellion and Enlightenment reforms“, in: H. Manikowska und J. Pánek (Hgg.), Political Culture in Central Europe (Prag 2005), S. 349–367, hier S. 353–358. Z. V. David, Finding the Middle Way: The Utraquists’ Liberal Challenge to Rome and Luther (Washington, D. C. 2003), S. 302–348. In letzter Zeit hat das Interesse der Forschung an den Höfen der Frühen Neuzeit stark zugenommen. Als erste Orientierung zu den aktuellen Debatten und mit weiteren Literaturhinweisen siehe J. Duindam, Vienna and Versailles: The Courts of Europe’s Dynastic Rivals, 1550–1780 (Cambridge 2003) und J. Adamson (Hg.), The Princely Courts of Europe, 1500–1750 (London 1999).

999

1000

Anhang 73.

74. 75. 76. 77. 78. 79.

80.

81.

82.

83. 84. 85. 86.

87.

MacHardy, War, Religion and Court Patronage, bes. S. 188–98; T. Winkelbauer, „Krise der Aristokratie? Zum Strukturwandel des Adels in den böhmischen und niederösterreichischen Ländern im 16. u. 17. Jh.“, MIÖG 100 (1992), 328–353; P. Maťa, „Der Adel aus den böhmischen Ländern am Kaiserhof 1620–1740“, in: V. Bůžek und P. Král (Hg.), Šlechta v habsburské monarchii a císařský dvůr, 1526–1740 (České Budĕjovice 2003), S. 191–233. So überzeugend Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 85–87. Father H. Fitz-Simon, Diary of the Bohemian War of 1620 (Dublin 1881), S. 103. F. Maier, Die bayerische Unterpfalz im Dreißigjährigen Krieg (New York 1990), S. 18. Siehe G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte und zu den Anfängen des Dreißigjährigen Krieges (Darmstadt 1991), S. 513–519; A. Gindely, The Thirty Years War (2 Bde., New York 1892), I, S. 301–303. J. Gorst-Williams, Elizabeth the Winter Queen (London 1977), S. 157. Siehe auch N. Mout, „Der Winterkönig im Exil. Friedrich V. von der Pfalz und die niederländischen Generalstaaten 1621–1632“, ZHF 15 (1988), 257–272. V. Press, Calvinismus und Territorialstaat (Stuttgart 1970), S. 493–494; F. H. Schubert, „Die pfälzische Exilregierung im Dreißigjährigen Krieg“, ZGO 102 (1954), 575–680; M. Hroch und I. Barteček, „Die böhmische Frage im Dreißigjährigen Krieg“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 447–460. C. Oman, Elizabeth of Bohemia (London 1964), S. 236–240, 255; M. Rüde, England und Kurpfalz im werdenden Mächteeuropa (1608–1632) (Stuttgart 2007), S. 226–243. Zu den englisch-pfälzischen Beziehungen siehe E. Weiss, Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz durch Jakob I. und Karl I. von England im Dreißigjährigen Krieg (1618– 1632) (Stuttgart 1966), S. 31–124. A. Gotthard, Konfession und Staatsräson. Die Außenpolitik Württembergs unter Herzog Johann Friedrich (1608–1628) (Stuttgart 1992), S. 350–434; T. Hölz, Krummstab und Schwert. Die Liga und die geistlichen Reichsstände Schwabens 1609–1635 (LeinfeldenEchterdingen 2001), S. 408–430. Zum Folgenden siehe Gindely, Thirty Years War, I, S. 306–309; R. Zaller, „‚Interests of state‘. James I and the Palatinate“, Albion 6 (1974), 144–175, hier S. 153–172. M. de Jong, „Dutch public finance during the Eighty Years War. The case of the province of Zeeland, 1585–1621“, in: M. van der Hoeven (Hg.), The Exercise of Arms. Warfare in the Netherlands, 1568–1648 (Leiden 1997), S. 133–152, hier S. 139–140; J. I. Israel, The Dutch Republic (Oxford 1995), S. 410–449. A. Duke, Reformation and Revolt in the Low Countries (London 2003), S. 234. H. H. Rowen, The Princes of Orange (Cambridge 1988), S. 45–46. J. I. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World 1606–1661 (Oxford 1982), S. 76–81, 450–474. Mijles, in dessen Haus Friedrich anfangs wohnte, war Oldenbarnevelts Schwiegersohn. Zit. nach J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 58. Siehe auch C. H. Carter, The Secret Diplomacy of the Habsburgs 1598–1625 (New York 1964), S. 213–232; J. I. Israel, Conflicts of Empires. Spain, the Low Countries and the struggle for world supremacy 1583–1715 (London 1997), S. 35–39. Zit. nach B. C. Pursell, The Winter King (Aldershot 2003), S. 129. Siehe auch S. Murdoch, Britain, Denmark-Norway and the House of Stuart, 1603–1660 (East Linton 2003), S. 22–48, 58–61. Die schwedischen Angebote werden behandelt von M. Ro-

Anmerkungen

88.

89.

90. 91. 92. 93.

94. 95. 96.

97.

98. 99. 100.

berts, Gustavus Adolphus (2 Bde., London 1953–58), I, S. 220–240. Zu Schwedens Krieg mit Polen von 1621 siehe Kapitel 13. Paradoxerweise half dies Friedrich, weil Christian Jakob I. die 100 000 Pfund lieh, mit denen die britischen Freiwilligen bezahlt wurden, welche die Pfalz verteidigten – als Gegenleistung für dessen Hilfe bei der Unterdrückung holländischer Proteste gegen die Drangsalierung der Hanse durch die Dänen. Eine Million Taler lieh Dänemark außerdem den deutschen Fürsten, die sich schließlich im Jahr 1622 für Friedrich erklärten. Hierzu und zu Segeberg siehe P. D. Lockhart, Denmark in the Thirty Years War 1618–1648 (Selinsgrove 1996), S. 87–93. Weiss, Unterstützung, S. 117–123. Zu Methoden und Auswirkung der Werbung siehe S. J. Stearns, „Conscription and English society in the 1620s“, Journal of British Studies 11 (1972), 1–24; zu den Finanztransaktionen dahinter siehe A. V. Judges, „Philip Burlamachi. A financier of the Thirty Years War“, Economica 6 (1926), 285–300. P. Broucek, Kampf um Landeshoheit und Herrschaft im Osten Österreichs 1618 bis 1621 (Wien 1992), S. 50. Zur zeitgenössischen Bewertung von Bucquoys Tod siehe V. Malvezzi, Historia de los primeros años del reinado de Felipe IV (London 1968), S. 37–40. Gindely, Thirty Years War, I, S. 324–331; J. Polišenský, The Thirty Years War (London 1971), S. 150–154. F. Redlich, The German Military Enterpriser and his Workforce (2 Bde., Wiesbaden 1964– 65), I, bes. S. 211–215. Eine angemessene Mansfeld-Biografie existiert nicht. Zu älteren Studien gehören A. de Villermont, Ernest de Mansfeldt (Brüssel 1866), und der Eintrag in der Allgemeinen Deutschen Biographie 20 (1884), S. 222–232. Zu den Verhandlungen mit Mansfeld siehe J. Staber, „Die Eroberung der Oberpfalz im Jahre 1621“, Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 104 (1964), 165–221, hier S. 190–194, 196–207. Zu Mansfelds Truppen und Ressourcen siehe O. Bezzel, Geschichte des kurpfälzischen Heeres (2 Bde., München 1925–28), I, S. 61–81. G. Thies, Territorialstaat und Landesverteidigung. Das Landesdefensionswerk in Hessen-Kassel unter Landgraf Moritz (1592–1627) (Darmstadt 1973), bes. S. 167. Die ältere Literatur zur hessischen Armee wird zusammengefasst von D. Wright, „The development of the army of Hesse-Cassel during the Thirty Years War“, Arquebusier 29, Nr. 1 (2005), 2–15. H. T. Gräf, „Der Generalaudienzierer Wolfgang Günther und Landgraf Moritz von Hessen-Kassel“, in: M. Kaiser und A. Pečar (Hgg.), Der zweite Mann im Staat (Berlin 2003), S. 59–76. Nützliche Details in F. L. Carsten, Princes and Parliaments (Oxford 1959), S. 175–178. Zum Folgenden siehe auch G. Schmidt, Der Wetterauer Grafenverein (Marburg 1989); C. Cramer, „Territoriale Entwicklung“, in: B. Martin und R. Wetekam (Hgg.), Waldeckische Landeskunde (Korbach 1971), S. 214–220. L. J. von Stadlinger, Geschichte des württembergischen Kriegswesens (Stuttgart 1856), S. 275–281. H. Wertheim, Der tolle Halberstädter. Herzog Christian von Braunschweig im Pfälzischen Krieg, 1621–1622 (2 Bde., Berlin 1929); J. O. Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg (3 Bde., Halle und Magdeburg 1872–94), Bd. 1. F. Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand 1618–1622 (Münster 1997), S. 171– 173; A. Klinger, Der Gothaer Fürstenstaat (Husum 2002), S. 57.

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Anhang 101. M. Ventzke, „Zwischen Kaisertreue und Interessenpolitik. Sachsen-Altenburg zu Beginn des 17. Jahrhunderts“, NASG 69 (1998), 64–72. 102. K. Obser, „Der Feldzug des Jahres 1622 am Oberrhein nach den Denkwürdigkeiten des Freiherrn Ulysses v. Salis-Marschlins“, ZGO 7 (1892), 38–68, hier S. 47; G. Gajecky und A. Baran, The Cossacks in the Thirty Years War, Bd. 1 (Rom 1969), S. 65–77. 103. H. Gabel, „Sicherheit und Konfession. Aspekte niederländischer Politik gegenüber Jülich-Berg vor und während des Dreißigjährigen Krieges“, in: S. Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg und seinen Nachbarregionen (Neustadt an der Aisch 2002), S. 132–179, hier S. 154–156; M. Kaiser, „Überleben im Krieg – Leben mit dem Krieg“, in: ebd., S. 181–233, hier S. 195–197; M. Kaiser, Krieg und Kriegserfahrung im Westen des Reiches 1568–1714 (Göttingen 2016), S. 86. 104. T. von Moerner (Hg.), Kurbrandenburgische Staatsverträge von 1601–1700 (Berlin 1867), Nr. 40, 44. Zum Folgenden siehe auch Israel, Conflicts of Empires, S. 23–39. 105. M. Kaiser, Politik und Kriegführung (München 1999), S. 239–240; H. Lahrkamp, „Kölnisches Kriegsvolk in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges“, AHVN 161 (1959), 114–145. 106. Der Feldzug kann ausführlich in „Die Eroberung der Oberpfalz im Jahre 1621“, den von J. Staber herausgegebenen Aufzeichnungen eines höheren bayerischen Beamten, verfolgt werden. 107. Die Vorstellung, dass Mansfeld Tilly absichtlich in eine Falle lockte, entstammt der protestantischen Propaganda, z. B. von anonymer Hand: A true relation of all such battles as have been fought in the Palatinate, since the king’s arrival there, until this present the 24 of May (London 1622), S. 1–10. Siehe Obser, „Feldzug“, S. 57–58. 108. K. Frhr. von Reitzenstein, „Der Feldzug des Jahres 1622 am Oberrhein“, ZGO 21 (1906), 271–295. 109. Zeitgenössische Darstellung in K. Lohmann (Hg.), Die Zerstörung Magdeburgs (Berlin 1913), S. 241. 110. Obser, „Feldzug“, S. 53. 111. Maier, Unterpfalz, S. 36–37, 70–96. 112. H. G. R. Reade, Sidelights on the Thirty Years War (3 Bde., London 1924), II, S. 59–79. 113. W. Brunink, Der Graf von Mansfeld in Ostfriesland (1622–1624) (Aurich 1957), S. 62– 84. Dieses Werk bietet die beste Darstellung der Besetzung Ostfrieslands durch Mansfeld. 114. Pursell, Winter King, S. 201–210. 115. O. Schuster und F. A. Francke, Geschichte der sächsische Armee (3 Bde., Leipzig 1883), I, S. 22–24; T. Nicklas, Macht oder Recht. Frühneuzeitliche Politik im obersächsischen Reichskreis (Stuttgart 2002), S. 216–219. 116. H. E. Flieger, Die Schlacht bei Stadtlohn am 6. August 1623 (Aachen 1998); U. Söbbing, Die Schlacht im Lohner Bruch bei Stadtlohn (Stadtlohn 1998); Major Gescher, „Die Schlacht bei Stadtlohn am 5. und 6. August 1623“, Vestische Zeitschrift 1 (1891), 102– 111. 117. Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 205–207. 118. E. Berger: „‚Zwischen Pestilenz und Krieg‘ – Kriegsalltag und Friedenssehnsucht in der Region des heutigen Kreises Steinfurt“, Westfalen 75 (1997), 63–72; J. Barnekamp, „‚Sie hausen uebell, schlagen die Leuth und schatzen über die Maßen‘. Velen und Ramsdorf 1580–1650“, in: T. Sodermann (Hg.), 1568–1648 (Vreden 2002), S. 29–63.

Anmerkungen 119. W. Keim, „Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel vom Regierungsantritt 1627 bis zum Abschluss des Bündnisses mit Gustav Adolf 1631“, Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 12 (1962), 130–210, hier S. 133–185. 120. R. Bireley, Religion and Politics in the Age of the Counter Reformation (Chapel Hill 1981), S. 28–29. 121. W. Eberhard, „The political system and the intellectual traditions of the Bohemian Ständestaat from the thirteenth to the sixteenth century“, in: R. J. W. Evans und T. V. Thomas (Hgg.), Crown, Church and Estates (Basingstoke 1991), S. 23–47, hier S. 23. 122. Gesetzestext des tschechoslowakischen Nationalausschusses: „Der selbstständige tschechoslowakische Staat ist ins Leben getreten“, zit. nach Handbuch der europäischen Geschichte, hg. v. T. Schieder, Bd. 7: Europa im Zeitalter der Weltmächte, 2. Teilband, Stuttgart 21992, S. 927. 123. D. Uhlir, Černý den na Bílé Hoře 8. Listopad 1620 (Brünn 1998). Siehe auch V. S. Mamatey, „The battle of White Mountain as myth in Czech history“, East European Quarterly 15 (1981), 335–345. 124. G. Wagner, „Pläne und Versuche der Erhebung Österreichs zum Königreich“, in: Wagner (Hg.), Österreich von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein (Wien 1982), S. 394– 432. 125. T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht (2 Bde., Wien 2003), I, S. 74–78, 207–213; H. W. Bergerhausen, „Die ‚Verneuerte Landesordnung‘ in Böhmen 1627“, HZ 272 (2001), 327–351. 126. Weitere grässliche Einzelheiten in Gindely, Thirty Years War, I, S. 273–278. Siehe auch H. Louthan, Converting Bohemia. Force and Persuasion in the Catholic Reformation (Cambridge 2009), S. 22–34. 127. Polišenský, Thirty Years War, S. 144. Eine ausgewogenere Einschätzung bietet T. Knoz, „Die Konfiskationen nach 1620 in (erb)länder-übergreifender Perspektive“, in: P. Mat’a und T. Winkelbauer (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740 (Stuttgart 2006), S. 99–130; R. J. W. Evans, The Making of the Habsburg Monarchy 1550–1700 (Oxford 1977), S. 201–209. 128. J. Weber, „Der große Krieg und die frühe Zeitung“, Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 1 (1999), 23–61, hier S. 27. 129. Siehe dazu D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern 1573–1651 (München 1998), S. 520. 130. Maximilian an den Kaiser am 13. Januar 1621, ebd., S. 533. 131. Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 513–519. Hierzu und zum Folgenden siehe E. Straub, Pax und Imperium (Paderborn 1980), S. 174–196; R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War (Cambridge 2003), S. 56–61; Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 548–549, und ders., Die auswärtige Politik Maximilians von Bayern 1618–1635 (Göttingen 1962), S. 50–77. 132. Maier, Unterpfalz, S. 143–154; K. H. Frohnweiler, „Die Friedenspolitik Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt in den Jahren 1630–1635“, Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Reihe 29 (1964), 1–185, hier S. 171–172. 133. Müller, Kursachsen, S. 435–445, 460–461. 134. Tilly lehnte zwei spätere Angebote einer Erhebung in den Reichsfürstenstand ab. Zu den Erhebungen siehe T. Klein, „Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstentümern 1550– 1806“, BDLG 122 (1986), 137–192, hier S. 148–155; NTSR III, S. 37–44.

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Anhang 135. Zum Folgenden siehe T. Johnson, Magistrates, Madonnas and Miracles. The Counter Reformation in the Upper Palatinate (Aldershot 2009); Maier, Unterpfalz, S. 130–142, 160–204; M. Forster, Catholic Germany from the Reformation to the Enlightenment (Basingstoke 2007), S. 85–93; R. Pörtner, The Counter-Reformation in Central Europe (Oxford 2001), S. 108–261. 136. A. Rank, Sulzbach im Zeichen der Gegenreformation (1627–1649). Verlauf und Fazit einer beschwerlichen Jesuitenmission (Amberg 2003). 137. R. Schlögl, „Absolutismus im 17. Jahrhundert – Bayerischer Adel zwischen Disziplinierung und Integration“, ZHF 15 (1988), 151–186. 138. A. Stögmann, „Staat, Kirche und Bürgerschaft“, in: A. Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001), S. 482–564, hier S. 536. Bei den Schätzungen für die Emigranten stütze ich mich auf Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht, II, S. 27– 28, 51, 182. 139. A. Coreth, Pietas Austriaca. Österreichische Frömmigkeit im Barock (Wien 1982). 140. Nur 50 000 der 4,3 Millionen Böhmen und Mährer erklärten sich 1781 willens, die neue Freiheit des protestantischen Kultus in Anspruch zu nehmen. 141. W. Wäntig, „Kursächsische Exulantenaufnahme im 17. Jahrhundert“, NASG 74/75 (2004), 133–174. 142. Zit. nach J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 42. 143. J. H. Elliott, „Staying in power. The Count-Duke of Olivares“, in: J. H. Elliott und L. W. B. Brockliss (Hgg.), The World of the Favorite (New Haven 1999), S. 112–122, hier S. 118. Für einen weiteren Vergleich siehe ders., Richelieu and Olivares (Cambridge 1984). 144. D. Goodman, Spanish Naval Power, 1589–1665 (Cambridge 1997), S. 9–19; R. A. Stradling, The Armada of Flanders. Spanish maritime policy and European war, 1568– 1668 (Cambridge 1992), S. 16–32, 46–57. 145. G. Redworth, The Prince and the Infanta (New Haven 2003); T. Cogswell, The Blessed Revolution. English politics and the coming of war 1621–24 (Cambridge 1989); A. Samson (Hg.), The Spanish Match. Prince Charles’ journey to Madrid 1623 (Aldershot 2006); J. Alcala Zamora, España, Flandes y el mar del Norte (1618–1639) (Barcelona 1975), S. 216–28. Siehe auch R. Lockyer, Buckingham. The life and political career of George Villiers, first duke of Buckingham (London 1981). 146. R. B. Manning, An Apprenticeship in Arms. The origins of the British army 1585–1702 (Oxford 2006), S. 105–107; B. C. Pursell, The Winter King (Aldershot 2003), S. 222– 228. 147. H. G. R. Reade, Sidelights on the Thirty Years War (3 Bde., London 1924), II, S. 406– 418, 430–442. 148. P. Sigmond und W. Kloek, Sea Battles and Naval Heroes in the 17th-century Dutch Republic (Amsterdam 2007). Zum Folgenden siehe auch A. James, Navy and Government in Early Modern France 1572–1661 (Woodbridge 2004), und die in Anm. 144 sowie oben in Anm. 107 zum ersten Teil genannten Titel. 149. Das Schiff wurde 1961 gehoben und ist in einem eigenen Museum zu besichtigen. A. Franzen, The Warship Vasa (Stockholm 1960). 150. R. Baetens, „The organization and effects of Flemish privateering in the seventeenth century“, Acta Historiae Neerlandica 9 (1976), 48–75. Siehe auch A. Thrush, „In pursuit of the frigate, 1603–40“, Historical Research 64 (1981), 29–45; R. A. Stradling, „The

Anmerkungen

151. 152.

153. 154. 155.

156. 157. 158.

159. 160. 161. 162. 163. 164. 165.

Spanish Dunkirkers 1621–48“, Tijdschrift voor Geschiedenis 93 (1980), 541–558; J. I. Israel, Dutch Primacy in World Trade 1585–1740 (Oxford 1989), S. 134–156. S. B. Schwartz, „The Voyage of the Vassals“, American Historical Review 96 (1991), 735–762. J. Glete, Navies and Nations. Warships, navies and state building in Europe and America 1500–1860 (2 Bde., Stockholm 1993), I, S. 130. Siehe R. Harding, The Evolution of the Sailing Navy, 1509–1815 (Basingstoke 1995), S. 31–57; K. R. Andrews, Ships, Money and Politics. Seafaring and naval enterprise in the reign of Charles I (Cambridge 1991); N. A. M. Rodger, The Safeguard of the Sea (London 1997), S. 347–410. J. Lynch, The Hispanic World in Crisis and Change 1598–1700 (Oxford 1992), S. 133– 134. Siehe im Gegensatz dazu Elliott, Olivares, S. 245–277. E. Solano Camón, „The eastern kingdoms in the military organization of the Spanish monarchy“, in: E. Martínez und M. de P. Pi Corrales (Hgg.), Spain and Sweden (Madrid 2000), S. 383–403. M. A. S. Hume, The Court of Philip IV. Spain in decadence (London 1907), S. 156–157, wiederholt in G. Parker, Die militärische Revolution. Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500–1800 (übers. v. U. Mihr, Frankfurt/Main 1990), S. 68, und J. Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg (Frankfurt/Main 1992), S. 214–215. Es hieß, eine halbe Million der Männer seien Landmilizen gewesen und der Rest reguläre Soldaten. Vgl. mit realistischeren Schätzungen J. Glete, War and the State in Early Modern Europe. Spain, the Dutch Republic and Sweden as fiscal-military states, 1500–1660 (London 2002), S. 33–37. E. Straub, Pax und Imperium (Paderborn 1980), S. 289; J. I. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606–1661 (Oxford 1982), S. 217–223, und ders., Conflicts of Empires (London 1997), S. 45–62. J. I. Israel: „The politics of international trade rivalry during the Thirty Years War“, IHR (1986), 517–549, hier S. 517–518. M. Greengrass, France in the Age of Henri IV (London 1984), S. 201–204. Zu weiteren Einzelheiten siehe R. Bonney, The King’s Debts. Finance and politics in France 1589– 1661 (Oxford 1981); Y. M. Bercé, The Birth of Absolutism. A history of France 1598– 1661 (Basingstoke 1996). A. L. Moote, Louis XIII the Just (Berkeley 1989). G. Dethan, Gaston d’Orléans. Conspirateur et prince charmant (Paris 1959). C. Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung (Paderborn 2001), S. 140–168. J. A. Clarke, Huguenot Warrior. The life and times of Henri de Rohan, 1579–1638 (Den Haag 1966). J. M. Constant, „Die französischen Dévots und der Frieden mit Spanien. Die Opposition gegen Richelieu 1628–1643“, in: R. G. Asch (Hg.), Frieden und Krieg (München 2001), S. 193–206. D. P. O’Connell, Richelieu (London 1968), zählt zu den besseren Biografien. Zu seiner frühen Karriere siehe J. Bergin, The Rise of Richelieu (New Haven 1991). Richelieus Memoiren liegen vollständig nur auf Französisch vor: Mémoires du Cardinal de Richelieu. Publiés d‘après les manuscrits originaux pour la S. H. F. sous les auspices de l‘Académie Française (10 Bde., Paris 1907–31). Auf Deutsch: Politisches Testament und kleinere Schriften. Übers. v. F. Schmidt, eingeleitet und ausgewählt v. W. Mommsen (Berlin 1926, Nachdruck Bemen 1983). Zu dem Versuch, die Höhe seines Vermö-

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Anhang

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167. 168. 169. 170.

171. 172.

173. 174. 175.

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177. 178.

gens zu errechnen, siehe J. Bergin, Cardinal Richelieu. Power and the pursuit of wealth (New Haven 1985). Zit. nach P. Sonnino, „From d’Avaux to dévot. Politics and religion in the Thirty Years War“, History 87 (2002), 192–203, hier S. 192. Zu der zeitgenössischen Kontroverse über Richelieus Außenpolitik siehe W. F. Church, Richelieu and Reason of State (Princeton 1972). D. Parker, La Rochelle and the French Monarchy (London 1980); J. F. Bosher, „The political and religious origins of La Rochelle’s primacy in trade with New France, 1627– 1685“, French History 7 (1993), 286–312. R. Desquesnes u. a., Les fortifications du litterol – La Charente Maritime (Chauray 1993). Straub, Pax und Imperium, S. 44–88; P. Schmidt, Spanische Universalmonarchie oder „teutsche Libertet“ (Stuttgart 2001). S. Externbrink, „Kleinstaaten im Bündnissystem Richelieus. Hessen-Kassel und Mantua 1635–1642“, in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 135–157; H. Weber, Frankreich und das Reich im 16. und 17. Jahrhundert (Göttingen 1968), S. 36–52; K. Malettke, „Frankreichs Reichspolitik zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens“, in: K. Bussmann und H. Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 177–186. W. H. Stein, Protection royale. Eine Untersuchung zu den Protektionsverhältnissen im Elsass zur Zeit Richelieus 1622–1643 (Münster 1978), bes. S. 6–10, 52–133. Es war ein Bündner Regiment gewesen, das Mansfeld bei Mingolsheim vor der vollständigen Niederlage bewahrte. Zum Folgenden siehe A. Wendland, Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen. Spanien, Mailand und der Kampf ums Veltlin 1620–1641 (Zürich 1995). Die zeitgenössische spanische Perspektive findet sich in V. Malvezzi, Historia de los primeros años del reinado de Felipe IV (London 1968), S. 17– 18, 46–51, 84–85, 161–164. Siehe auch Kapitel 5. Einige Protestanten hatten geplant, die Katholiken zu massakrieren. Siehe Reade, Sidelights, II, S. 12–36. Siehe T. Osborne, Dynasty and Diplomacy in the Court of Savoy (Cambridge 2002), S. 33–34; Reade, Sidelights, II, S. 418–420, 446–465. R. Rodenas Vilar, La política Europea de España durante la Guerra de Treinta Años (1624–1630) (Madrid 1967), S. 18–37, 67–69; O’Connell, Richelieu, S. 77–96. Die Österreicher erlaubten den 1622 eingenommenen Gebieten sieben Jahre später, sich wieder dem Rätischen Freistaat anzuschließen, unter der Bedingung, dass sie katholisch blieben. Es gab ein sechstes westfälisches Bistum, Lüttich, das zusammen mit acht wichtigen kaiserlichen Abteien am Rhein oder auf dem linken Rheinufer und folglich außerhalb des künftigen Operationsgebiets lag. Im Gegensatz dazu lag das Herzogtum Westfalen, das zum Kurfürstentum Köln gehörte und – trotz seines Namens – Teil des Kurrheinischen Reichskreises war, östlich des Flusses und ungeschützt. W. Guthrie, Battles of the Thirty Years War (Westport 2002), S. 119. G. Schormann, Der Dreißigjährige Krieg (Göttingen 32004), S. 36; J. C. Lünig, Corpus juris militaris des Heiligen Römischen Reiches (Leipzig 1723), S. 663–669. Siehe auch P. D. Lockhart, Denmark in the Thirty Years War, 1618–1648 (Selinsgrove 1996), S. 108– 141. Lockharts Werk ist bis heute die beste Analyse der deutschen Politik Christians.

Anmerkungen 179. Schormann, Dreißigjähriger Krieg, S. 36. 180. M. Kaiser; Politik und Kriegführung (München 1999), S. 205–235. 181. Zit. nach C. v. Rommel, Neuere Geschichte von Hessen, Bd. 3 (Kassel 1839), S. 538. Siehe auch K. Hauer, „Frankreich und die Frage der reichsständischen Neutralität“, in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 91–110. 182. R. R. Heinisch, „Die Neutralitätspolitik Erzbischof Paris Lodrons und ihre Vorläufer“, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 110/111 (1970), 255–276. 183. Siehe z. B. die Quittung des Kurfürsten von Mainz über die Anleihe von 37 000 Talern zur Neuausrüstung kaiserlicher Truppen, 19. August 1634, HHStA, MEA Militaria 11, oder auch die Warnung des Kaisers, die bernhardinische Garnison in Hanau nicht zu versorgen, HHStA, KA 91 (neu) 1. Oktober 1636. Siehe dazu auch H. W. Bergerhausen, „Die Stadt Köln im Dreißigjährigen Krieg“, in: S. Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg (Neustadt an der Aisch 2002), S. 101–312; C. Bartz, Köln im Dreißigjährigen Krieg (Frankfurt/Main 2005), S. 141–273. 184. R. Monro, Monro, his expedition with the worthy Scots regiment called Mac-Keys (London 1637; hg. v. W. S. Brockington, Westport 1999); E. A. Beller, „The military expedition of Sir Charles Morgan to Germany 1627–29“, EHR 43 (1928), 528–539; K. Obser, „Markgraf Georg Friedrich von Baden und das Projekt einer Diversion am Oberrhein 1623–1627“, ZGO 5 (1890), 212–242. 185. N. Mout, „Der Winterkönig im Exil“, ZHF 15 (1988), 257–272, hier S. 266. 186. Zitate aus einer zeitgenössischen französischen Flugschrift, abgedruckt in A. E. J. Hollaender, „Some English documents on the end of Wallenstein“, Bulletin of the John Rylands Library Manchester 40 (1957–58), 359–390, hier S. 388–389. 187. Weitere Eheschließungen gingen in dieselbe Richtung. Wallensteins Lieblingscousin, Max, hatte bereits 1622 Harrachs ältere Tochter geheiratet. Harrach selbst hatte Eggenbergs Tochter geheiratet, und sein Sohn, Ernst Adalbert, der bald Kardinal sein sollte, war für die Rekatholisierungsmaßnahmen in Böhmen verantwortlich (siehe Kapitel 10). Harrach und Liechtenstein waren auch Mitglieder des Münzkonsortiums. 188. Die letztere Interpretation wird vorgelegt von F. H. Schubert, „Wallenstein und der Staat des 17. Jahrhunderts“, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 16 (1965), 597– 611. Die neueste und ausgewogenste Biografie legt das Gewicht noch einmal auf Frieden, ohne die nationalistischen Untertöne: J. Polišenský und J. Kollmann, Wallenstein. Feldherr des Dreißigjährigen Krieges (Köln 1997). 189. Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 256–258. 190. Ernennung und Anweisungen abgedruckt in H. Hallwich, „Wallensteins erste Berufung zum Generalat“, Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur, Literatur und Kunstgeschichte 1 (1884), 108–134; siehe auch M. Ritter, „Das Kontributionssystem Wallensteins“, HZ 90 (1903), 193–249. 191. E. Straub, Pax und Imperium (Paderborn 1980), S. 247–248. 192. P. Suvanto, Wallenstein und seine Anhänger am Wiener Hof zur Zeit des zweiten Generalats 1631–1634 (Helsinki 1963), S. 32–41. 193. F. Konze, Die Stärke, Zusammensetzung und Verteilung der Wallensteinischen Armee während des Jahres 1633 (Bonn 1906), S. 10–12, 17, 22–23. 194. G. Irmer, Hans Georg von Arnim (Leipzig 1894); D. Worthington, Scots in Habsburg Service, 1618–1648 (Leiden 2004), S. 145–176; R. D. Fitzsimon, „Irish swordsmen in the imperial service in the 30 Years War“, Irish Sword 9 (1969–70), 22–31. Weitere

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Anhang

195. 196. 197. 198.

199.

200. 201. 202. 203. 204.

205.

206. 207. 208.

Details in der biografischen Datenbank zu Schottland, Skandinavien und Nordeuropa auf http://www.st-andrews.ac.uk/history/ssne. T. M. Barker, The Military Intellectual and Battle. Raimondo Montecuccoli and the Thirty Years War (Albany, NY 1975); G. Schreiber, Raimondo Montecuccoli (Graz 2000); H. Büchler, Von Pappenheim zu Piccolomini (Sigmaringen 1994). Conti (Torquatus), in: Johann Heinrich Zedler, Grosses, vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 6 (Leipzig 1733), Sp. 1125–1126. Zit. nach C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 183. So die Behauptung von S. Adams, „Tactics or politics? ‚The military revolution‘ and the Habsburg hegemony, 1525–1648“, in: J. A. Lynn (Hg.), Tools of War (Urbana 1990), S. 28–52. Siehe dazu auch J. Lynn, „How war fed war. The tax of violence and contributions during the Grand Siècle“, JMH 65 (1993), 286–310; F. Redlich, „Contributions in the Thirty Years War“, Economic History Review, 2. Serie, 12 (1959), 247–254; V. Löwe, Die Organisation und Verwaltung der Wallensteinischen Heere (Leipzig 1894). Die Verordnungen sind abgedruckt in J. Heilmann, Das Kriegswesen der Kaiserlichen und Schweden zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Leipzig 1850), S. 169–174; E. von Frauenholz (Hg.), Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., München 1938), Bd. I. K. Krüger, „Dänische und schwedische Kriegsfinanzierung im Dreißigjährigen Krieg bis 1635“, in: K. Repgen (Hg.), Krieg und Politik 1618–1648 (München 1988), S. 275– 298, hier S. 280. So z. B. das Ersuchen an den Kurfürsten von Mainz um Durchzug durch das Eichsfeld, 27. September1625, HHStA, MEA Militaria 8. J. Pohl, „Die Profiantirung der keyserlichen Armaden ahnbelangendt“. Studien zur Versorgung der kaiserlichen Armee 1634/3 (Kiel 1991), S. 63–69. Zur Bedeutung des Begriffs „Bagage“ siehe H. Langer, Hortus Bellicus. Der Dreissigjährige Krieg. Eine Kulturgeschichte (Leipzig 1978), S. 96 ff. Gronsfeld schätzte, dass der aus 40 000 Mann bestehenden vereinten bayerisch-kaiserlichen Armee im Jahr 1648 140 000 Zivilpersonen folgten: Heilmann, Kriegswesen, S. 199. Zu Beispielen von Stammrollen siehe H. H. Weber, Der Hessenkrieg (Gießen 1935), S. 59–60, 78; J. Krebs, „Zur Beurteilung Holks und Aldringens“, Historische Vierteljahresschrift 3 (1900), 321–378, hier S. 346; P. Engerisser, Von Kronach nach Nördlingen. Der Dreißigjährige Krieg in Franken, Schwaben und der Oberpfalz 1631– 1635 (Weißenstadt 2004), S. 513–514. Zit. nach G. Droysen, Bernhard von Weimar (2 Bde., Leipzig 1885), II, S. 45. Zu einem freimütigen Eingeständnis, dass auch weibliche Gefangene gemacht wurden, siehe J. Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 59. Siehe auch P. H. Wilson, „German women and war 1500–1800“, War in History 3 (1996), 127–160. S. Riezler (Hg.), „Kriegstagebücher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620“, Abhandlungen der Phil.-Hist. Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 23 (1906), 77–210, hier S. 171. HHStA, MEA Militaria 8, 19. Dezember 1625. H. G. Ufflacker, „Das Land Anhalt und die kaiserliche Kriegsführung 1625–1631“, Sachsen und Anhalt 9 (1933), 95–108; G. Knüppel, Das Heerwesen des Fürstentums Schleswig-Holstein-Gottorf, 1600–1715 (Neumünster 1972), S. 100–106; T. Rudel, „Die

Anmerkungen

209. 210.

211. 212. 213.

214. 215. 216. 217. 218. 219. 220. 221. 222. 223. 224. 225.

Lage Pommerns vom Beginn des Dreißigjährigen Krieges bis zum Eintreffen Gustav Adolfs (1620–1630)“, Baltische Studien 40 (1890), 68–133; H. Branig, „Die Besetzung Pommerns durch Wallenstein während des Dreißigjährigen Krieges“, Baltische Studien 64 (1978), 31–40; H. Conrad und G. Teske (Hg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 37–42, 280–286. M. Spahn, „Auswärtige Politik und innere Lage des Herzogtums Pommern von 1627– 30“, HJb 19 (1898), 57–88, hier S. 63, 65–66. Aufgrund der Kämpfe um Stralsund nach 1628 waren Zahlen für die westliche Landeshälfte nicht verfügbar. Beispiele in A. Ritter, „Der Einfluß des Dreißigjährigen Krieges auf die Stadt Naumburg a.d. Saale“, Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 15 (1926), 1–96, hier S. 65–72; L. Radler, Das Schweidnitzer Land im Dreißigjährigen Krieg (Lübeck 1986), S. 25–47. F. Redlich, The German Military Enterprizer and His Workforce (2 Bde., Wiesbaden 1964–65). Siehe die ausgezeichnete Fallstudie über einen bayerischen General von S. Haberer, Ott Heinrich Fugger (1592–1644). Biographische Analyse typologischer Handlungsfelder in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges (Augsburg 2004). J. Kunisch, „Wallenstein als Kriegsunternehmer. Auf dem Weg zum absolutistischen Steuerstaat“, in: U. Schultz (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer (München 1986), S. 153–161; G. Papke, Von der Miliz zum stehenden Heer (München 1983), S. 140–150; M. Hüther, „Der Dreißigjährige Krieg als fiskalisches Problem“, Scripta Mercaturae 21 (1987), 52–81. F. Kleinehagenbrock, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2003), S. 107–216, bes. S. 184. T. Robisheaux, Rural Society and the Search for Order in Early Modern Germany (Cambridge 1989), S. 108–120. Beispiele für Denunziationen in Conrad und Teske (Hg.), Sterbezeiten, S. 291–292. Bericht der Hofkammer abgedruckt in G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins (Darmstadt 1987), S. 111–114. K. Oberleitner, „Beiträge zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“, Archiv für österreichische Geschichte 19 (1858), 1–48, hier S. 18–19. A. Ernstberger, Hans de Witte, Finanzmann Wallensteins (Wiesbaden 1954), S. 160– 267. Ein weiteres Beispiel in J. Krebs, Aus dem Leben des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Melchior von Hatzfeldt 1632–1636 (Breslau 1926), S. 95–96. Zit. nach T. Nicklas, Macht oder Recht (Stuttgart 2002), S. 226. HHStA, MEA Militaria 8, 20. Dezember 1625. Zum Folgenden siehe C. Kampmann, Reichsrebellion und kaiserliche Acht (Münster 1992), S. 79–98. G. Mann, Wallenstein (Frankfurt/Main 1983), S. 237–286. Die Wartenberg-Linie entstammte der Ehe Herzog Ferdinands von Bayern (1550– 1608) mit der Bürgerlichen Maria Pettenbeck (1574–1614). M. van Creveld, Supplying War (Cambridge 1977), S. 5–18. Die Schlacht ist schlecht dokumentiert, aber die Details sind zusammengefasst in H. Diwald, Wallenstein (München 1969), S. 343–345. Mansfeld verlor einschließlich der Gefangenen etwa 5000 Mann. Allgemein zu den Operationen siehe J. O. Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg (3 Bde., Halle und Magdeburg, 1872–94), Bde. I und II.

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Anhang 226. G. Heiligsetzer, Der oberösterreichische Bauernkrieg 1626 (Wien 1985); T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht (2 Bde., Wien 2003), I, S. 68–71; H. Rebel, Peasant Classes. The bureaucratization of property and family relations under early Habsburg absolutism, 1511–1636 (Princeton 1983), S. 230–70; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 582–590. 227. Abgebildet in J. R. Paas (Hg.), The German Political Broadsheet 1600–1700 (7 Bde., Wiesbaden 1985–98), IV, S. 250–252. 228. Zitate nach U. Kober, „Der Favorit als ‚Factotum‘. Graf Adam von Schwarzenberg“, in: M. Kaiser und A. Pečar (Hg.), Der zweite Mann im Staat (Berlin 2003), S. 231–252, hier S. 236, 245. 229. W. Lotze, Geschichte der Stadt Münden nebst Umgebung mit besonderer Hervorhebung der Begebenheiten des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges (Münden 21909), S. 68–70. 230. Der genaue Schauplatz der Schlacht ist nach wie vor umstritten, aber die Stellung westlich von Lutter scheint der wahrscheinlichste Ort zu sein. Zu der Schlacht siehe D. Schäfer, „Die Schlacht bei Lutter am Barenberge“, Neue Heidelberger Jahrbücher 10 (1900), 1–37; K. J. V. Jespersen, „Slaget ved Lutter am Barenberg 1626“, Krigshistorisk Tidsskrift 9 (1973), 80–89; Guthrie, Battles, S. 128–145. 231. H. Weigel, „Franken im Dreißigjährigen Krieg“, ZBLG 5 (1932), 1–50, hier S. 18. 232. Weitere Details zu dem Feldzug in J. Polišenský, The Thirty Years War (London 1971), S. 114–121; Polišenský und Kollmann, Wallenstein, S. 117–127. 233. G. Murdock, Calvinism on the Frontier 1600–1660 (Oxford 2000), S. 36–44. 234. Lockhart, Denmark, S. 154. Sein Vorwurf, Mitzlaff sei „gierig und unfähig“ gewesen, ist ungerecht. Er erwies sich als erfolgreicher Organisator, auch wenn seine spätere Karriere Verrat beinhaltete. 235. B. C. Pursell, The Winter King (Aldershot 2003), S. 257–259; A. Gindely, The Thirty Years War (2 Bde., New York 1892), I, S. 425. 236. Monro, Expedition, S. 21–22, wiederholt in S. Murdoch, „Scotsmen on the DanishNorwegian frontier c.1580–1680“, in: A. Mackillop und S. Murdoch (Hg.), Military Governors and Imperial Frontiers c.1600–1800 (Leiden 2003), S. 1–28, hier S. 14. 237. Polišenský und Kollmann, Wallenstein, S. 137. Zu den Belagerungen siehe F. C. Rode, Kriegsgeschichte Schleswig-Holsteins (Neumünster 1935), S. 18–19; H. Eichberg, Festung, Zentralmacht und Sozialgeometrie. Kriegsingenieurwesen des 17. Jahrhunderts in den Herzogtümern Bremen und Verden (Köln 1989), S. 498–500. 238. Eine anschauliche Darstellung der Schlappe in Heiligenhafen findet sich bei Monro, Expedition, S. 28–39. Einer derjenigen, die sich zur kaiserlichen Armee meldeten, hat darüber berichtet; siehe J. Ackermann, Jürgen Ackermann, Kapitän beim Regiment AltPappenheim 1631 (Halberstadt 1895), S. 12–13. 239. H. Schmidt, „Die Stadt Hannover im Dreißigjährigen Kriege 1626–1648“, Niedersächsisches Jahrbuch 3 (1926), 94–135, hier S. 96–108; F. Watson, Wallenstein. Soldier under Saturn (London 1938), S. 245. Schlick erhielt die Stadt Querfurt, ein Lehen des Erzbistums Magdeburg, während Blankenburg und Regenstein unter Halberstädter Gerichtsbarkeit an Merode fielen. 240. Kampmann, Reichsrebellion, S. 90–98. Schwerin wurde seinem dänischen Administrator, Fürst Ulrich, abgenommen.

Anmerkungen 241. Siehe Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 26–30. Tilly lehnte das Angebot ab, akzeptierte jedoch die gegen Wolfenbüttel zur Abgeltung seiner Zahlungsrückstände verhängte Geldbuße. Pappenheim hingegen war habgierig und stellte eine Forderung nach Land bei Magdeburg im Wert von einer Million Gulden. 242. Der Protest der Kurfürsten ist abgedruckt in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 121–123. Die Antwort des Mainzer Kurfürsten an Nürnberg, 20. April 1627, befindet sich in HHStA, MEA Militaria 8. 243. K. Breuer, Der Kurfürstentag zu Mühlhausen (Bonn 1904); R. Bireley, Religion and Politics in the Age of the Counterreformation (Chapel Hill 1981), S. 46–56. Protokoll abgedruckt in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 141–144. 244. M. Kaiser, „Bayerns Griff nach Brandenburg“, FBPG, Neue Serie 5 (1995), 1–29. 245. Albrecht, Maximilian, S. 679–683; Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 256–277; Gindely, Thirty Years War, I, S. 426–436. 246. E. Wilmanns, Der Lübecker Friede (Bonn 1904); G. Lind, „Interpreting a lost war. Danish experiences 1625 to 1629“, in: F. Brendle und A. Schilling (Hg.), Religionskriege im alten Reich (Münster 2006), S. 487–510. Paul Lockhart nennt den Frieden den „größten diplomatischen Coup in der dänischen Geschichte“, Denmark, S. 205. 247. M. Roberts, Gustavus Adolphus (2 Bde., London 1953–58), I, S. 201–220, 245–246. 248. K. R. Böhme, Die schwedische Besetzung des Weichseldeltas 1626–1636 (Würzburg 1963). 249. K. Cramer, The Thirty Years War and German Memory in the Nineteenth Century (Lincoln, Nebr. 2007), S. 46–50. Zu dem Projekt siehe O. Schmitz, Die maritime Politik der Habsburger in den Jahren 1626–1628 (Bonn 1903); A. E. Sokol, Das habsburgische Admiralitätswerk des 16. und 17. Jahrhunderts (Wien 1976). 250. Korrespondenz zwischen Sigismund und Wallenstein in Doc. Bo. IV, Nr. 222, 226–227. Zu den österreichisch-spanischen Verhandlungen siehe E. Straub, Pax und Imperium (Paderborn 1980), S. 218–251, 288–314; J. Alcala Zamora, España, Flandes y el mar del Norte (1618–1639) (Barcelona 1975), S. 236–242, 267–282; R. Rodenas Vilar, La política Europea de España durante la Guerra de Treinta Años (1624–1630) (Madrid 1967), S. 113–147. 251. H. Mack, „Die Hanse und die Belagerung Stralsunds im Jahre 1628“, Hansische Geschichtsblätter 20 (1892), 123–158. Zu den internen Streitigkeiten in der Stadt siehe E. Neubauer, „Johann Schneidewind, magdeburgischer Stadtkommandant und schwedischer Oberst“, Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg 27 (1892), 257–323. Magdeburg erklärte der Hanse gegenüber, dass die Stadt 1627 Kontributionen in Höhe von 133 000 Talern an Wallenstein gezahlt habe, um sich von der Forderung nach Aufnahme einer Garnison freizukaufen, gab das Geld aber in Wirklichkeit zur Verstärkung seiner Verteidigungsanlagen aus. 252. Dies stellte eine erhebliche allgemeine Mobilisierung dar angesichts der Tatsache, dass die Einwohnerschaft der Stadt weniger als 15 000 Köpfe betrug. Zu der Belagerung siehe G. Mann, Wallenstein (Frankfurt/Main 1983), S. 457–477; F. Watson, Wallenstein (London 1938), S. 258–269. 253. R. Monro, Monro, his expedition with the worthy Scots regiment called Mac-Keys (hg. v. W. S. Brockington, Westport 1999), S. 789. Zur schwedischen Übernahme siehe H. Langer, Stralsund 1600–1630 (Weimar 1970), S. 242–246.

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Anhang 254. Vertrag vom 11. Juli 1628, abgedruckt in G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins (Darmstadt 1987), S. 188–191. Derselbe Band enthält Details der anderen Verhandlungen und Wallensteins Korrespondenz über den Ostseeplan. 255. Die Einheiten sind aufgeführt in Doc. Bo. IV, Nr. 295. Wallenstein behauptete, 15 000 geschickt zu haben; ebd., IV, S. 325–326. 256. E. L. Petersen, „Defence, war and finance. Christian IV and the Council of Realm 1596–1629“, Scandinavian Journal of History 7 (1982), 277–313, hier S. 311. Zum Folgenden siehe J. K. Fedorowicz, England’s Baltic Trade in the Early Seventeenth Century (Cambridge 1980), S. 193–201. 257. R. I. Frost, „Polen-Litauen und der Dreißigjährige Krieg“, in: K. Bussmann und H. Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 197– 206, hier S. 200–201. 258. Die 14 noch übrigen Schiffe sind aufgelistet in R. C. Anderson, Naval Wars in the Baltic 1522–1850 (London 1969), S. 44. Die „König David“ war schon 1630 nach Lübeck gefahren und dort interniert worden. 259. R. A. Stradling, The Armada of Flanders (Cambridge 1992), S. 60–65, 76–77. 260. J. C. Boyajian, Portuguese Bankers at the Court of Spain, 1626–1650 (New Brunswick 1983). 261. H. H. Rowan, The Princes of Orange (Cambridge 1988), S. 56–76. 262. J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 346–358; Straub, Pax und Imperium, S. 316–411. 263. Rodenas Vilar, La política Europea, S. 73–83; M. Kaiser, Politik und Kriegführung (Münster 1999), S. 210–235; H. Terhalle, „Der Achtzigjährige Krieg zwischen dem König von Spanien und den Niederlanden in seinen Auswirkungen auf das Westmünsterland“, in: T. Sodmann (Hg.), 1568–1648 (Vreden 2002), S. 171–229, hier S. 194–204. Siehe auch Kapitel 12. 264. Dies ist die von Wallenstein in seinem Brief vom 10. Oktober 1629 an Ferdinand genannte Gesamtzahl, Doc. Bo. IV, Nr. 325–326. Die Streitmacht umfasste bereits in Westfalen stationierte Einheiten. 265. J. I. Israel, „Der niederländisch-spanische Krieg und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (1568–1648)“, in: Bussmann und Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden, I, S. 111–122, hier S. 119. 266. J. I. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606–1661 (Oxford 1982), S. 223–249, und ders., The Dutch Republic (Oxford 1995), S. 508–519; A. Waddington, La République des Provinces-Unies, la France et les Pays-Bas Espagnoles de 1630 à 1650 (2 Bde., Paris 1895–97), I, S. 137–145. 267. Zur mantuanischen Erbfolge siehe T. Osborne, Dynasty and Diplomacy in the Court of Savoy (Cambridge 2002), S. 29–33, 144–149; D. Parrott, „The Mantuan succession, 1627–31“, EHR 117 (1997), 20–65, und ders., „A prince souverain and the French crown. Charles de Nevers 1580–1637“, in: R. Oresko u. a. (Hgg.), Royal and Republican Sovereignty (Cambridge 1997), S. 149–187. 268. H. Ernst, Madrid und Wien 1632–1637. Politik und Finanzen in den Beziehungen zwischen Philipp IV. und Ferdinand II. (Münster 1991), S. 36–38; Straub, Pax und Imperium, S. 327–361; B. Schneider, Der Mantuanische Erbfolgestreit (Bonn 1905), S. 8–39. Zum Verlauf des Krieges siehe H. G. R. Reade, Sidelights on the Thirty Years War (3 Bde., London 1924), III, S. 169–350; T. F. Arnold, „Fortifications and the military re-

Anmerkungen

269. 270.

271. 272. 273. 274. 275.

276. 277. 278.

279. 280. 281. 282.

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volution. The Gonzaga experience, 1530–1630“, in: C. J. Rogers (Hg.), The Military Revolution Debate (Boulder 1995), S. 201–226. Elliott, Olivares, S. 337–344; R. A. Stradling, Spain’s Struggle for Europe 1598–1668 (London 1994), S. 53–57, 72; Rodenas Vilar, La política Europea, S. 149–235. S. J. Stearns, „A problem of logistics in the early 17th century: the siege of Ré“, Military Affairs 42 (1978), 121–126; Reade, Sidelights, III, S. 42–151; M. C. Fissel, English Warfare 1511–1642 (London 2001), S. 261–269; R. B. Manning, An Apprenticeship in Arms. The origins of the British army 1585–1702 (Oxford 2006), S. 115–123. Zu den royalistischen Belagerungsanstrengungen siehe D. Parrott, Richelieu’s Army. War, government and society in France, 1624–1642 (Cambridge 2001), S. 54, 88–91, 194; D. P. O’Connell, Richelieu (London 1968), S. 160–182. A. L. Moote, Louis XIII (Berkeley 1989), S. 202. Straub, Pax und Imperium, S. 362–369. S. Externbrink, „Die Rezeption des ‚Sacco di Montova‘ im 17. Jahrhundert“, in: M. Meumann und D. Niefanger (Hg.), Ein Schauplatz herber Angst (Göttingen 1997), S. 205–222. J. Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg (Bamberg 1962), S. 100–102. Zu weiteren Beispielen siehe H. Conrad und G. Teske (Hg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 377–381; M. Ritter, „Der Ursprung des Restitutionsediktes“, HZ 76 (1896), 62–102. R. Bireley, Maximilian I. von Bayern, Adam Contzen SJ und die Gegenreformation in Deutschland 1624–1635 (Göttingen 1975); A. Posch, „Zur Tätigkeit und Beurteilung Lamormains“, MIÖG 63 (1955), 375–390. K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 344– 352. M. Frisch, Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. von 6. März 1629 (Tübingen 1993), S. 77–93; H. Urban, Das Restitutionsedikt (München 1968), S. 177–199; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 699–708; R. Bireley, Religion and Politics in the Age of the Counterreformation (Chapel Hill 1981), S. 44–60. A. Gotthard, „‚Politice seint wir bäptisch‘. Kursachsen und der deutsche Protestantismus im frühen 17. Jahrhundert“, ZHF 20 (1993), 275–319, hier S. 310–312. R. Bireley, „The origins of the ‚Pacis compositio’ (1629)“, Archivum historicum societatis Jesu 152 (1973), 106–127. S. Zizelmann, Um Land und Konfession. Die Außen- und Reichspolitik Württembergs (1628–1638) (Frankfurt/Main 2002), S. 30–42. Friedrich Frieses Schilderung des Gesprächs in K. Lohmann (Hg.), Die Zerstörung Magdeburgs (Berlin 1913), S. 189; F. Gallati, „Eidgenössische Politik zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, Jahrbuch für schweizerische Geschichte 43 (1918), 1–149, hier S. 16–54. Zitate aus R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War (Cambridge 2003), S. 91–93 und ders., Religion and Politics, S. 83–84. Zit. nach Bireley, Jesuits, S. 125. Mann, Wallenstein, S. 631–632, 635–639; H. Diwald, Wallenstein (München 1969), S. 421–423. Wie von dem Bremer Vermittler berichtet, zit. nach H. Holstein, „Zur Geschichte der Belagerung Magdeburgs durch Wallenstein im Jahre 1629“, Zeitschrift für Preußische

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287. 288. 289.

290. 291. 292. 293.

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Geschichte 13 (1876), 593–620, hier S. 609. Zur Rolle der Pastoren siehe J. Finucane, „‚To remain unaltered in the courage you have inherited from your ancestors‘. Magdeburg under siege 1547–1631“ (Diss., Trinity College Dublin 2008); H. Schultze, „Domprediger Bake und die Magdeburger Pfaffenschaft im Dreißigjährigen Krieg“, in: Konfession, Krieg und Katastrophe, hg. v. Verein für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg 2006), S. 25–42. Vereinbarung vom 13. Oktober 1629 in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 209–210. W. Seibrich, Gegenreformation als Restauration. Die restaurativen Bemühungen der alten Orden im deutschen Reich um 1580 bis 1648 (Münster 1991), S. 340–377. Ein gutes Beispiel in G. Menk, „Restitution vor dem Restitutionsedikt“, Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte 5 (1979), 103–130. Zum Folgenden siehe auch Zizelmann, Um Land und Konfession, S. 112–113, 131–136; C. Kohlmann, „‚Von unsern widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestanden‘. Kriegs- und Krisenerfahrungen von lutherischen Pfarrern und Gläubigen im Amt Hornberg des Herzogtums Württemberg während des Dreißigjährigen Krieges und nach dem Westfälischen Frieden“, in: M. Asche und A. Schindling (Hg.), Das Strafgericht Gottes (Münster 2002), S. 123–211, hier S. 160–167. B. Nischan, „Reformed irenicism and the Leipzig colloquy of 1631“, CEH 9 (1976), 3–26. D. Albrecht, Die auswärtige Politik Maximilians von Bayern 1618–1635 (Göttingen 1962), S. 379–381; Albrecht, Maximilian, S. 761–767; Bireley, Religion and Politics, S. 123–127. Stralsund an Mainz, 30. Juni 1629, HHStA, MEZ Militaria 8. C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 232. Eine ähnliche Perspektive in G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), S. 188–190. Siehe auch O. Heyne, Der Kurfürstentag zu Regensburg (Berlin 1866); Albrecht, Maximilian, S. 733–759. Siehe Albrecht, Maximilian, S. 676–677, 685; P. Suvanto, Wallenstein und seine Anhänger am Wiener Hof zur Zeit des zweiten Generalats 1631–1634 (Helsinki 1963), S. 57– 63. Zum Folgenden siehe auch C. Kampmann, „Zweiter Mann im Staat oder Staat im Staat? Zur Stellung Wallensteins in der Administration Kaiser Ferdinands II.“, in: M. Kaiser und A. Pečar (Hg.), Der zweite Mann im Staat (Berlin 2003), S. 295–315. Siehe Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 279–302. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 189, behauptet fälschlicherweise, die Heere seien vereinigt worden. B. Stadler, Pappenheim und die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Winterthur 1991); M. Kaiser, „Pappenheim als empirischer Theoretiker des Krieges“, in: H. Neuhaus und B. Stollberg-Rilinger (Hg.), Menschen und Strukturen in der Geschichte Alteuropas (Berlin 2002), S. 201–227. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 192. Siehe auch Albrecht, Maximilian, S. 746–750, und die hilfreichen Darstellungen von D. P. O’Connell, „A cause célèbre in the history of treaty making. The refusal to ratify the peace treaty of Regensburg in 1630“, British Yearbook of International Law 42 (1967), 71–90; Osborne, Dynasty and Diplomacy, S. 167–171. Ernst, Madrid und Wien, S. 41; Bireley, Religion and Politics, S. 163–166.

Anmerkungen 299. Weitere 13 000 Garnisonssoldaten standen in den pommerschen Städten. J. Glete, War and the State in Early Modern Europe. Spain, the Dutch Republic and Sweden as fiscalmilitary states, 1500–1660 (London 2002), S. 34–35, 179–180; T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung (Leipzig 1894), S. 8–12; L. Ericson, „Die schwedische Armee und Marine während des Dreißigjährigen Krieges“, in: K. Bussmann und H. Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 301–307. Der letztere Aufsatz fasst die schwedische Literatur zusammen und ist eine gute Quelle zur Größe der Armee während des ganzen Krieges. 300. H. Ruffer und K. Zickermann, „German reactions to the Scots in the Holy Roman Empire during the Thirty Years War“, in: S. Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years War (Leiden 2001), S. 271–293; D. H. Pleiss, „Finnen und Lappen in Stift und Stadt Osnabrück 1633–1643“, Osnabrücker Mitteilungen 93 (1990), 41–94, hier S. 46– 49; ders., „Finnische Musketiere in fränkischen Garnisonen 1631–1634“, Mainfränkisches Jahrbuch 44 (1992), 1–52, hier S. 6–7. 301. William Guthrie schlägt bei seiner Einschätzung der schwedischen Taktik zu Recht einen vorsichtigen Ton an: Battles of the Thirty Years War (Westport 2002), S. 14. 302. J. Heilmann, Das Kriegswesen der Kaiserlichen und Schweden zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Leipzig 1850), S. 64–67, 286–288. 303. M. Roberts, Essays in Swedish History (London 1967), S. 72–74. Zur Kartografie siehe B. Gäfvert, „Landkarten und Krieg. Der schwedische Beitrag im Dreißigjährigen Krieg“, in: Bussmann und Schilling (Hg.), 1648. War and Peace, I, S. 309–318. 304. M. Roberts, Gustavus Adolphus (2 Bde., London 1953–58), II, S. 409. Siehe auch E. Ringmar, Identity, Interest and Action. A cultural explanation of Sweden’s intervention in the Thirty Years War (Cambridge 1996), S. 113–118; J. P. Findeisen, Axel Oxenstierna (Gernsbach 2007), S. 141–150; S. S. Goetze, Die Politik des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna gegenüber Kaiser und Reich (Kiel 1971), S. 53–59. 305. Findeisen, Oxenstierna, S. 198. 306. Zu diesen Versuchen siehe A. Rieck, Frankfurt am Main unter schwedischer Besatzung 1631–1635 (Frankfurt/Main 2005), S. 265–273. 307. Zit. nach J. Ernst: „Ein gleichzeitiger Bericht über das württembergische Kriegsvolk vor der österreichischen Stadt Villingen vom Jahre 1631 bis 1633“, WVJHLG 1 (1878), 129–137, hier S. 130. Siehe auch P. Piirmäe, „Just war in theory and practice. The legitimation of Swedish intervention in the Thirty Years War“, Historical Journal 45 (2002), 499–523. 308. Zu den schwedischen Versuchen, sich „Einladungen“ zu beschaffen, gehörten auch die Subventionierung antikaiserlicher Zeitungen und die Bestechung von Pastoren, damit sie aufrührerische Predigten hielten: D. Böttcher, „Propaganda und öffentliche Meinung im protestantischen Deutschland 1628–36“, in: H. U. Rudolf (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (Darmstadt 1977), S. 325–367, hier S. 327–331; Roberts, Gustavus Adolphus, II, S. 432–434. 309. Goetze, Politik, S. 240–257; M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 (München 1988), S. 203–207. 310. M. Meumann, „Die schwedische Herrschaft in den Stiftern Magdeburg und Halberstadt“, in: M. Kaiser und J. Rogge (Hg.), Die besetzte res publica (Berlin 2005), S. 241– 269, hier S. 264–267. 311. Zit. nach Ringmar, Identity, S. 130.

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Anhang 312. C. Hallendorff (Hg.), Sverges traktater med främmande Magter, Bd. 5, Teil 1 (Stockholm 1902), S. 438–442. Zu den Verhandlungen siehe D. P. O’Connell, Richelieu (London 1968), S. 250–257; C. T. Burckhardt, Richelieu and his Age (3 Bde., London 1970– 71), II, S. 364–368; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 647– 661, 719–730. 313. Zit. nach H. Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten (Düsseldorf 1963), S. 242. Zu ähnlichen Drohungen siehe C. Deinert, Die schwedische Epoche in Franken 1631–35 (Würzburg 1966), S. 83–90. 314. B. Nischan, „Brandenburg’s Reformed Räte and the Leipzig Manifesto of 1631“, Journal of Religious History 10 (1979), 365–380, hier S. 375. Zu einer Liste der Territorien, die an dem Konvent teilnahmen, siehe W. Watts, The Swedish Intelligencer (3 Bde., London 1633–34), I, S. 19a. 315. T. Kaufmann, „Lutherische Predigt im Krieg und zum Friedensschluß“, in: Bussmann und Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden, I, S. 245–250, hier S. 248. 316. Guthrie, Battles, S. 2. Zum Folgenden siehe M. Kaiser, Politik und Kriegführung (Münster 1999), S. 362–372. 317. W. Keim, „Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel vom Regierungsantritt 1627 bis zum Abschluss des Bündnisses mit Gustav Adolf 1631“, Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 13 (1963), 141–222, hier S. 146–204; T. Schott, „Württemberg und Gustav Adolf, 1631 und 1632“, WVJHLG, Neue Folge 4 (1895), 343–402, hier S. 349–351. 318. K. Lohmann (Hg.), Die Zerstörung Magdeburgs (Berlin 1913), S. 48–63. 319. Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 313–315, 328–333. Dieses Werk bietet die beste Behandlung der diplomatischen und militärischen Ereignisse von 1631. Zu den schwedischen Operationen siehe auch Sveriges Krig 1611–1632 (zusammengestellt vom schwedischen Generalstab, Stockholm 1936–39), Bde. 5 und 6. 320. R. Monro, Monro, his expedition with the worthy Scots regiment called Mac-Keys (hg. v. W. S. Brockington, Westport 1999), S. 148–151. Die Schweden töteten die meisten der 300 von Tilly bei seinem Rückzug in der Stadt zurückgelassenen kranken Kaiserlichen. 321. Monro, Expedition, S. 159–169; Watts, Swedish Intelligencer, I, S. 51a–54a. 322. Zusätzlich zu den Augenzeugenberichten des Ratsherrn Guericke und anderer, die abgedruckt sind in Lohmann (Hg.), Zerstörung, siehe auch die Berichte in E. Neubauer (Hg.), Magdeburgs Zerstörung 1631 (Magdeburg 1931); J. Ackermann, Jürgen Ackermann, Kapitän beim Regiment Alt-Pappenheim 1631 (Halberstadt 1895). 323. H. Lahrkamp, „Die Kriegserinnerung des Grafen Gronsfeld (1598–1662)“, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 71 (1959), 77–104, hier S. 93. Laut Zacharias Bandhauer, der sich als Vorsteher des katholischen Klosters in der Stadt befand, hatte Pappenheim befohlen, das Haus anzuzünden, um einen Rauchvorhang für seine Männer zu erzeugen, welche gerade die Mauer überwanden. Dagegen behauptete Hauptmann Ackermann von Pappenheims Regiment, zwei Häuser seien in Brand gesetzt worden, um Bürger, die noch Widerstand leisteten, zum Verlassen der Mauern zu zwingen, weil sie ja nun die Flammen bekämpfen mussten. 324. Zacharias Bandhauer in Lohmann (Hg.), Zerstörung, S. 170–171. 325. Friedrich Frieses Darstellung in ebd., S. 197–213. Zur Gewalt und ihrer Rezeption siehe M. Schilling, „Der Untergang Magdeburgs in der zeitgenössischen Literatur und Publizistik“, in: ders.: Konfession, Krieg und Katastrophe (Magdeburg 2006), S. 93–111; H. Medik, „Historical event and contemporary experience: the capture and destruc-

Anmerkungen

326.

327. 328. 329. 330.

331. 332. 333.

334. 335. 336. 337. 338.

tion of Magdeburg“, History Workshop Journal 52 (2001), 23–48; M. Kaiser, „‚Excidium Magdeburgense‘. Beobachtungen zur Wahrnehmung von Gewalt im Dreißigjährigen Krieg“, in: M. Meumann und D. Niefanger (Hg.), Ein Schauplatz herber Angst (Göttingen 1997), S. 43–64, und ders., „Die ‚Magdeburgische Hochzeit‘ 1631“, in: E. Labouvie (Hg.), Leben in der Stadt. Eine Kultur- und Geschlechtergeschichte Magdeburgs (Köln 2004), S. 196–213. Siehe auch die Beiträge in H. Pühle (Hg.), Ganz verheeret! Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg (Magdeburg 1998). J. Kreztschmar, „Die Allianz-Verhandlungen Gustav Adolfs mit Kurbrandenburg in Mai und Juni 1631“, FBPG 17 (1904), 341–382; V. Buckley, Christina Queen of Sweden (London 2004), S. 51–53. Georg Wilhelm behielt Küstrin und 3000 Mann unter dem Obristen Burgsdorf. Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 388–396; S. Zizelmann, Um Land und Konfession (Frankfurt/Main 2002), S. 126–131; Albrecht, Maximilian, S. 768–790. M. Frisch, Das Restitutionsedikt (Tübingen 1993), S. 166–168. Monro, Expedition, S. 189. Guthrie, Battles, S. 23 wiederholt die alte Geschichte, wonach Tilly sich sträubte, aber in die Schlacht gezwungen wurde von Pappenheim, der überzeugt war, dass die Sachsen Lumpenpack seien und die Schweden schwach. Aus Tillys Korrespondenz mit Maximilian spricht jedoch zweifelsfrei Tillys Eifer. Siehe Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 447–454. Zu hilfreichen zeitgenössischen Berichten über die Schlacht siehe Monro, Expedition, S. 190–198; T. M. Barker, The Military Intellectual and Battle (Albany, NY 1975), S. 174–181; W. Watts, The Swedish Discipline (London 1632), nicht paginiert. Ackermann, Ackermann, S. 18. G. Parker, Die militärische Revolution. Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500–1800 (übers. v. U. Mihr, Frankfurt/Main 1990). E. A. Beller, „The mission of Sir Thomas Roe to the conference at Hamburg 1638–40“, EHR 41 (1926), 61–77, hier S. 61; J. R. Paas: „The changing image of Gustavus Adolphus on German broadsheets, 1630–3“, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 59 (1996), 205–244; Böttcher, „Propaganda“, S. 345–56. Zum Folgenden siehe Ringmar, Identity, S. 156–64. Siehe P. Engerisser, Von Kronach nach Nördlingen (Weißenstadt 2004), S. 22–25. Zeitgenössische Berichte der schwedischen Seite bestätigen das Massaker: Monro, Expedition, S. 207–209; Watts, Swedish Intelligencer, II, S. 13a–16a. O. Schuster und F. A. Francke, Geschichte der sächsischen Armee (3 Bde., Leipzig 1885), I, S. 25–46; C. Jany, Geschichte der preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914 (4 Bde., Berlin 1928–29, Nachdruck Osnabrück 1967), I, S. 67–73. Ein Großteil der erhaltenen Dokumente ist abgedruckt in G. Irmer (Hg.), Die Verhandlungen Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser (3 Bde., Stuttgart 1888–91). Wie von A. Ernstberger, „Wallensteins Heeressabotage und die Breitenfelder Schlacht“, HZ 142 (1930), 41–72, behauptet; J. Pekař, Wallenstein 1630–1634 (Berlin 1937), S. 77–180; F. Watson, Wallenstein (London 1938), S. 321–322, 327–329. Der Vorschlag zur Neuverteilung der Kurwürden findet sich im Brief Wilhelms V. an Gustav Adolf vom 5. März 1632, Irmer (Hg.), Verhandlungen, I, S. 124–133. Gustav Adolfs territoriale Versprechungen betrafen Münster, Paderborn, Höxter, Corvey, Ful-

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339. 340. 341. 342. 343.

344. 345.

346. 347. 348. 349. 350. 351. 352. 353.

da, die Mainzer Enklave Eichsfeld und Teile des Kurfürstentums Köln. Siehe C. Tacke, „Das Eindringen Hessen-Kassels in die Westfälischen Stifter“, in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 175–187. Elisabeth an Karl I., 17. Oktober 1631, in L. M. Baker (Hg.), The Letters of Elizabeth Queen of Bohemia (London 1963), S. 81–82. Siehe auch K. Sharpe, The Personal Rule of Charles I (London 1992), S. 70–97. H. L. Rubenstein, Captain Luckless. James, First Duke of Hamilton 1606–1649 (Edinburgh 1975); E. Weiss, Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz durch Jakob I. und Karl I. von England im Dreißigjährigen Krieg (1618–1632) (Stuttgart 1966), S. 108–116. Zit. nach Goetze, Politik, S. 78, 219–220. H. D. Müller, Der schwedische Staat in Mainz 1631–1636 (Mainz 1979), S. 155–166; F. P. Kahlenberg, Kurmainzische Verteidigungseinrichtungen und Baugeschichte der Festung Mainz (Mainz 1963), S. 104–116. Schwedens Glaubenspolitik wird aus protestantischer Perspektive behandelt von Deinert, Franken, S. 112–128, 146–150, und aus katholischer von R. Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg (Würzburg 1979), S. 64–81. Weitere Beispiele in F. Kleinehagenbrock, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2003), S. 47–52, 271; Rieck, Frankfurt, S. 204–215; B. J. Hock, Kitzingen im Dreißigjährigen Krieg (Tübingen 1981), S. 59–87; B. Roeck, Als wollt die Welt schier brechen. Eine Stadt im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges (München 1991), S. 244–262; Müller, Mainz, S. 167–183. K. Krüger, „Dänische und schwedische Kriegsfinanzierung“, in: K. Repgen (Hg.), Krieg und Politik (München 1988); S. Lundkvist, „Schwedische Kriegsfinanzierung 1630– 1635“, in: Rudolf (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 298–323. Roeck, Als wollt die Welt, S. 256–257. Weitere Beispiele in Findeisen, Oxenstierna, S. 213–214, 223; Lorentzen, Armee, S. 23–24. Zum Folgenden siehe Müller, Mainz, S. 132–134, 153–156; W. Dobras, „Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1642–1648)“, in: F. Dumont und F. Schütz (Hg.), Mainz. Die Geschichte einer Stadt (Mainz 1998), S. 227–263, hier S. 259–261. Monro, Expedition, S. 206–207; W. Kopp, Würzburger Wehr (Würzburg 1979), S. 43. J. Lindegren, „The politics of expansion in seventeenth-century Sweden“, in: E. Martínez und M. de P. Pi Corrales (Hgg.), Spain and Sweden (Madrid 2000), S. 169–194. Details der Vereinbarung in G. Droysen, „Die niedersächsischen Kreisstände während des schwedisch-deutschen Krieges 1631 und 1632“, ZPGLK 8 (1871), 362–383, hier S. 366–377; Findeisen, Oxenstierna, S. 166–167, 180–181. Rieck, Frankfurt, S. 229–252; H. Langer, Stralsund 1600–1630 (Weimar 1970), S. 250– 251. K. Schumm, „Die Hohenlohische Herrschaft über Ellwangen 1633/34“, Ellwanger Jahrbuch 17 (1956), 102–135. Römische Inschriften verwendeten ein „v“ für ein „u“. Zum Folgenden siehe H. Duchhardt, Protestantisches Kaisertum und Altes Reich (Wiesbaden 1977), S. 151–162; Goetze, Politik, S. 77–88; Roberts, Essays, S. 85–105. Watts, Swedish Intelligencer, II, S. 24b. E. Böhme, Das Fränkische Reichsgrafenkollegium im 16. und 17. Jahrhundert (Stuttgart 1989), S. 263–267; F. Magen: „Die Reichskreise in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges“, ZHF 9 (1982), 408–460.

Anmerkungen 354. Rieck, Frankfurt, S. 280–283; Müller, Mainz, S. 150–152. 355. Günter Barudios Versuch, den König auf Grundlage seiner öffentlichen Erklärungen zu entlasten und ihn als Verfechter der Freiheit darzustellen, ist angesichts des imperialen Charakters seiner Handlungen nicht überzeugend: Gustav Adolf der Große (Frankfurt/Main 1982), S. 492–502. 356. E. Sticht, Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach und der Dreißigjährige Krieg in Ostfranken 1618–1635 (Kulmbach 1965). 357. M. A. Junius, „Bamberg im Schweden-Kriege“, Bericht des Historischen Vereins zu Bamberg 52 (1890), 1–168, hier S. 18. Zu weiteren Anzeichen wachsender Panik siehe M. Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg (München 2007), S. 14–17; N. Schindler, „Krieg und Frieden und die ‚Ordnung der Geschlechter‘. Das Tagebuch der Maria Magdalena Haidenbucherin (1609–1650)“, in: K. Garber (Hg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 393–452; R. Henggeler, „Die Flüchtlingshilfe der schweizerischen Benediktinerklöster zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, Studien und Mitteilungen für die Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 62 (1950), 196–221. 358. Albrecht, Maximilian, S. 790–792; Müller, Mainz, S. 48–50; K. H. Frohnweiler, „Die Friedenspolitik Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt in den Jahren 1630–1635“, Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge 29 (1964), 1–185, hier S. 30–88. 359. Urban schickte der Liga 223 000 Gulden und dem Kaiser 570 000 Gulden. Nach Nördlingen (1634) hörten alle Zahlungen auf, und das Papsttum leistete für den Rest des Krieges keine weitere Hilfe mehr. 360. R. Babel, Zwischen Habsburg und Bourbon. Außenpolitik und europäische Stellung Herzog Karls IV. von Lothringen und Bar vom Regierungsantritt bis zum Exil (1624–1634) (Sigmaringen 1989); P. Martin, Une guerre de Trente Ans en Lorraine 1631–1661 (Metz 2002); G. Dethan, Gaston d’Orléans (Paris 1959), S. 83–106; M. Prawdin, Marie de Rohan Duchesse de Chevreuse (London 1971). 361. J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 379–381, 434, 473–474. 362. O’Connell, Richelieu, S. 244–249; Burckhardt, Richelieu, II, S. 76–90. 363. Nicht die 2000 Mann, die Monro gern gehabt hätte: siehe Müller, Mainz, S. 44, 52. Zu den Verhandlungen mit Spanien siehe C. Bartz, Köln im Dreißigjährigen Krieg. Die Politik des Rates der Stadt (1618–1635) (Frankfurt/Main 2005), S. 73–77, 148–149, 161–162; H. Ernst, Madrid und Wien 1632–1637 (Münster 1991), S. 18–54. 364. H. Weber, Frankreich, Kurtrier, der Rhein und das Reich (Bonn 1969). Zum Folgenden siehe Weber, Würzburg, S. 98–120; Müller, Mainz, S. 75–78; D. Albrecht, Die auswärtige Politik Maximilians von Bayern 1618–1635 (Göttingen 1962), S. 320–343. 365. Der Waffenstillstand wurde am 20. Januar 1632 vereinbart. Text in Watts, Swedish Intelligencer, II, S. 39a–41b. 366. Weitere Einzelheiten in J. Polišenský und J. Kollmann, Wallenstein (Köln 1997), S. 226–238; P. Suvanto, Wallenstein und seine Anhänger am Wiener Hof zur Zeit des zweiten Generalats 1631–1634 (Helsinki 1963), S. 97–107, 123–37. 367. Siehe Suvanto, Anhänger, S. 138–162. Der rekonstruierte Text in G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins (Darmstadt 1987), S. 228–239. 368. Siehe J. Krebs, Aus dem Leben des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Melchior von Hatzfeldt 1632–1636 (Breslau 1926), S. 3–13.

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Anhang 369. H. Lahrkamp, „Lothar Dietrich Frhr. von Bönningenhausen“, WZ 108 (1958), 239– 366, hier S. 259–627; G. Droysen, „Das Aufreten Pappenheims in Norddeutschland nach der Schlacht bei Breitenfeld“, ZPGLK 8 (1871), 401–428, 601–622. 370. Einige Informationen dazu bei M. Schennach, „Das Verhältnis zwischen Tiroler Landbevölkerung und Militär von 1600 bis 1650“, in: S. Kroll und K. Krüger (Hg.), Militär und ländliche Gesellschaft (Hamburg 2000), S. 41–78. 371. Dieses und die folgenden Zitate aus Junius, „Bamberg“, S. 56, 60–61. Weitere Details in Engerisser, Von Kronach, S. 46–50; W. Reichenau (Hg.), Schlachtfelder zwischen Alpen und Main (München 1938), S. 39–42. 372. Siehe Monro, Expedition, S. 244. 373. Zu den Schlachten siehe Watts, Swedish Intelligencer, II, S. 79a–84a; Reichenau, Schlachtfelder, S. 44–49; Engerisser, Von Kronach, S. 57–60. 374. Zeitgenössische Berichte über Plünderungen und bäuerliche Vergeltung in Monro, Expedition, S. 254–256; Friesenegger, Tagebuch, S. 17–28. 375. H. Mahr, „Strategie und Logistik bei Wallensteins Blockade der Reichsstadt Nürnberg im Sommer 1632“, Fürther Heimatblätter, Neue Folge 50 (2000), 29–53, hier S. 35. 376. Duwall wird häufig, aber unzutreffend, als Ire oder Franzose identifiziert. Zum Folgenden siehe F. Taeglichbeck, Das Treffen bei Steinau an der Oder am 11. Oktober 1633 (Breslau 1889), S. 2–30; H. Schubert, Urkundliche Geschichte der Stadt Steinau an der Oder (Breslau 1885), S. 62–64, 153–154. Ich danke Ralph Morrison, der ein Exemplar von Schuberts Buch in der Breslauer Bibliothek auftrieb. 377. Behauptet von dem Protestanten Monro, Expedition, S. 278. Eine gute Darstellung der Schlacht findet sich in Engerisser, Von Kronach, S. 108–116. 378. Siehe G. Droysen, „Der Krieg in Norddeutschland von 1632“, ZPGLK 9 (1872), 245– 255, 289–312, 376–400, hier S. 391–397; Albrecht, Maximilian, S. 838–840. 379. O. Rudert, „Der Verrat von Leipzig“, NASG 35 (1914), 68–87. 380. Für eine ausgezeichnete, illustrierte Darstellung der Schlacht siehe R. Brzezinski, Lützen 1632 (Oxford 2001). Einen kritischen Überblick über die ältere Literatur gibt J. Seidler, „Khevenhüllers Bericht über die Schlacht bei Lützen 1632“, in: Rudolf (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 33–50. Zu den nützlichen Augenzeugenberichten gehört, für die Schweden, der Brief des Obristen Johann Dalbier in den National Archives, London, SP81/39 Teil 2, fol. 250–253. Für die Kaiserlichen siehe Wallensteins und Holks Berichte in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 251–256, und den Bericht des bayerischen Offiziers Augustin Fritsch in Lohmann (Hg.), Zerstörung, S. 254–256. 381. H. Ritter von Srbik, „Zur Schlacht von Lützen und zu Gustav Adolfs Tod“, MIÖG 41 (1926), 231–256, der die alte Geschichte dementiert, dass es Major Pier Martelini gewesen sei, der den tödlichen Schuss abfeuerte. 382. T. N. Dupuy, The Military Life of Gustavus Adolphus (New York 1969), S. 147. 383. Zur Propaganda und ihrer Rezeption siehe J. Holm, „King Gustav Adolf ’s death. The birth of early modern nationalism in Sweden“, in: L. Eriksonas und L. Müller (Hg.), Statehood Before and Beyond Ethnicity (Brüssel 2005), S. 109–130; L. L. Ping, Gustav Freitag and the Prussian Gospel (Bern 2006), S. 262–276; J. Paul, „Gustaf Adolf in der deutschen Geschichtsschreibung“, Historische Vierteljahresschrift 25 (1931), 415–429. Zum mangelnden Verhandlungswillen siehe W. Struck, Johann Georg und Oxenstierna (Stralsund 1899), S. 18–50.

Anmerkungen 384. V. Buckley, Christina Queen of Sweden (London 2004), S. 39–64. 385. M. Roberts, „Oxenstierna in Germany 1633–1636“, Scandia 48 (1982), 61–105, hier S. 72. 386. Zit. nach ebd., S. 75. 387. So G. Droysen, Bernhard von Weimar (2 Bde., Leipzig 1885). 388. Weitere Einzelheiten in P. D. Lockhart, Denmark in the Thirty Years War, 1618–1648 (Selinsgrove 1996), S. 214–243; K. H. Frohnweiler, „Die Friedenspolitik Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt“, Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge 29 (1964), 1–185, hier S. 92–113; Struck, Johann Georg, S. 63–72. 389. P. Suvanto, Die deutsche Politik Oxenstiernas und Wallenstein (Helsinki 1979), S. 86– 90. 390. J. Öhman, Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2005), S. 51–54. Zum Folgenden J. Kretzschmar, Der Heilbronner Bund 1632–1635 (3 Bde., Lübeck 1922); H. Langer, „Der Heilbronner Bund (1633–35)“, in: V. Press (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit (München 1995), S. 113–122. 391. Roberts, „Oxenstierna“, S. 82; E. Schieche, „Schweden und Norddeutschland 1634“, BDLG 97 (1961), 99–132. 392. C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 322, 337–339. Zu dem Massaker von Landsberg siehe A. Buchner und V. Buchner, Bayern im Dreißigjährigen Krieg (Dachau 2002), S. 154–161. Siehe auch M. A. Junius, „Bamberg im Schweden-Kriege“, Bericht des Historischen Vereins zu Bamberg 52 (1890), 1–168, hier S. 107–122. 393. C. Deinert, Die schwedische Epoche in Franken 1631–35 (Würzburg 1966), S. 139–162. 394. H. Weber, Frankreich, Kurtrier, der Rhein und das Reich (Bonn 1969), S. 225–230. 395. Pappenheim sollte als Gegenleistung für monatlich 80 000 Escudos 24 000 Mann mitbringen. Zu Berghs Verschwörung siehe A. Waddington, La République des ProvincesUnies, la France et les Pays-Bas Espagnoles de 1630 a 1650 (2 Bde., Paris 1895), I, S. 145–180. 396. Siehe ebd., I, S. 181–231; J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 468–473; J. I. Israel, The Dutch Republic (Oxford 1995), S. 516–523 zu den Verhandlungen bis ins Jahr 1634. 397. Birkenfeld ersetzte Horn, der sich Bernhard in Franken anschloss. Zur Invasion Lothringens siehe R. Babel, Zwischen Habsburg und Bourbon (Sigmaringen 1989), S. 158– 817; P. Martin, Une guerre de Trente Ans en Lorraine 1631–1661 (Metz 2002), S. 64–84. 398. W. H. Stein, Protection royale. Eine Untersuchung zu den Protektionsverhältnissen im Elsass zur Zeit Richelieus 1622–1643 (Münster 1978), S. 160–235. 399. H. Lahrkamp, „Lothar Dietrich Frhr. von Bönningenhausen“, WZ 108 (1958), 239– 366, hier S. 278–285; F. Kölling, Die Schlacht bei Hess. Oldendorf am 28.6.1633 (Rinteln 1959). 400. L. van Tongerloo, „Beziehungen zwischen Hessen Kassel und den Vereinigten Niederlanden während des Dreißigjährigen Krieges“, Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 14 (1964), 199–270, hier S. 220–223. Siehe auch H. Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis 1635–1650 (Münster 1990), bes. die Karten auf S. 1–5.

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Anhang 401. M. Kaiser, „Die vereinbarte Okkupation. Generalstaatische Besatzungen in brandenburgischen Festungen am Niederrhein“, in: M. Meumann und J. Rogge (Hg.), Die besetzte res publica (Berlin 2006), S. 271–314; J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln. Die Politik seiner Stifter in den Jahren 1634–1650 (Münster 1979), S. 188–191; H. Fahrmbacher, „Vorgeschichte und Anfänge der Kurpfalzischen Armee in Jülich-Berg 1609–1685“, Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 42 (1909), 35–94, hier S. 40; B. Fries-Kurze, „Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg“, Lebensbilder aus dem bayrischen Schwaben 8 (1961), 198–227, hier S. 209–218. 402. F. Konze, Die Stärke, Zusammensetzung und Verteilung der Wallensteinischen Armee während des Jahres 1633 (Bonn 1906), S. 42–46. 403. Siehe A. Gaedeke, „Zur Politik Wallensteins und Kursachsens in den Jahren 1630–34“, NASG 10 (1889), 32–42, hier S. 34. Eine hilfreiche Chronologie der Verhandlungen findet sich in G. Wagner, Wallenstein, der böhmische Condottiere (Wien 1958), S. 133– 146. 404. Suvanto, Politik, S. 159–160. 405. J. V. Polišenský, The Thirty Years War (London 1971), S. 193. Zum Folgenden siehe J. Krebs, Aus dem Leben des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Melchior von Hatzfeldt 1632–1636 (Breslau 1926), S. 38–40, 55. 406. H. Ernst, Madrid und Wien 1632–1637 (Münster 1991), S. 52–71; G. Mecenseffy, „Habsburger im 17. Jahrhundert. Die Beziehungen der Höfe von Wien und Madrid während des Dreißigjährigen Krieges“, Archiv für österreichische Geschichte 121 (1955), 1–91, hier S. 24–26. 407. Elliott, Olivares, S. 459–465; Ernst, Madrid und Wien, S. 47–50; K. Jacob, Von Lützen nach Nördlingen (Straßburg 1904), S. 51–66. 408. Davor hatte zum letzten Mal im Jahr 1631 ein Kontingent von 11 000 Mann aus Italien die Spanische Straße genommen und war dabei über den Gotthard marschiert. Zum Folgenden siehe J. A. Clarke, Huguenot Warrior. The Life and Times of Henri de Rohan, 1579–1638 (Den Haag 1966), S. 187–195. 409. Ernst, Madrid und Wien, S. 76–77; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 849–854. Aldringen war nicht glücklich über die Vereinbarung, stimmte aber am Ende zu. 410. Zu der Belagerung siehe F. Gallati, „Zur Belagerung von Konstanz im Jahre 1633“, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 2 (1922), 234–243; K. Beyerle, Konstanz im Dreißigjährigen Krieg (Heidelberg 1900). Zu ihren Auswirkungen siehe F. Gallati, „Eidgenössische Politik zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, Jahrbuch für schweizerische Geschichte 44 (1919), 1–257, hier S. 58–107. 411. M. Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg (München 2007), S. 37. Siehe auch R. R. Heinisch, Paris Graf Lodron. Reichsfürst und Erzbischof von Salzburg (Wien 1991), S. 218–223. 412. W. E. Heydendorff, „Vorderösterreich im Dreißigjährigen Krieg“, MÖSA 12 (1959), 74–142, hier S. 134–137; C. Tacke, „Das Eindringen Hessen-Kassels in die Westfälischen Stifter“, in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 175–187, hier S. 183–184. 413. Albrecht, Maximilian, S. 860–864. Zeitgenössischer Bericht in Friesenegger, Tagebuch, S. 35–45.

Anmerkungen 414. Augenzeugen der Hinrichtung waren der Earl of Arundel und der Künstler Wenzel Hollar: F. C. Springell (Hg.), Connoisseur and Diplomat. The Earl of Arundel’s embassy to Germany in 1636 (London 1965), S. 65. Weitere Informationen in H. Rebel: Peasant Classes (Princeton 1983), S. 70–84. 415. L. Radler, Das Schweidnitzer Land im Dreißigjährigen Krieg (Lübeck 1986), S. 64–67; B. Z. Urlanis, Bilanz der Kriege (Berlin 1965), S. 232. 416. Der größte Teil der Sekundärliteratur akzeptiert Wallensteins stark überhöhte Zahlen für Thurns Streitmacht. Siehe seinen Bericht in Radler, Schweidnitzer Land, S. 336– 338, und die anderen Dokumente, abgedruckt in F. Taeglichbeck, Das Treffen bei Steinau (Breslau 1889), S. 76–114. 417. A. Geiger, Wallensteins Astrologie (Graz 1983). 418. Ernst, Madrid und Wien, S. 72–79; Albrecht, Maximilian, S. 868–876. Die Verschwörung wurde entwirrt von H. Ritter von Srbik, Wallensteins Ende (Salzburg 21952); Suvanto, Politik, bes. S. 104 ff.; C. Kampmann, Reichsrebellion und kaiserliche Acht (Münster 1992), S. 106 ff. 419. Zit. nach G. Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins (Darmstadt 1987), S. 370. Auch andere Schlüsseldokumente des sich anbahnenden Dramas sind hier abgedruckt. 420. T. M. Barker, „Generalleutnant Ottavio Fürst Piccolomini“, Österreichische Osthefte 22 (1980), 322–369, präsentiert eine wohlwollende Interpretation seiner Motive. 421. Doc. Bo. V, Nr. 222–223. 422. Zit. nach G. Mann, Wallenstein (Frankfurt/Main 51972), S. 1124. 423. C. von Pogrell, „The German heirs and successors of Colonel Walter Butler“, Butler Journal. The Journal of the Butler Society 3 (1991), 304–316; H. Bücheler, Von Pappenheim zu Piccolomini (Sigmaringen 1994), S. 61–80; J. M. Bulloch, „A Scoto-Austrian. John Gordon, the assassinator of Wallenstein“, Transactions of the Banffshire Field Club (1916–17), 20–29; D. Worthington, Scots in Habsburg Service, 1618–1648 (Leiden 2004), bes. S. 152, 177–178, 298–299. 424. Das Ächtungsdekret gegen Wallenstein, Ilow und Trčka, zit. nach: B. Roeck (Hg.), Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 4: Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555–1648 (Stuttgart 1996), S. 332. 425. Bericht des Obristen John Gordon über die Ermordung Wallensteins, in: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, S. 333–338. Es gibt viele zeitgenössische Berichte über das Blutbad, die alle leicht voneinander abweichen. Siehe z. B. A. E. J. Hollaender, „Some English documents on the end of Wallenstein“, Bulletin of the John Rylands Library Manchester 40 (1957–58), 359–390; G. Irmer (Hg.), Die Verhandlungen Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser (3 Bde., Stuttgart 1888– 91), III, S. 286–296. Siehe auch Mann, Wallenstein, S. 1124–1125. 426. Jacob, Von Lützen, S. 176–178. 427. Krebs, Hatzfeldt, S. 62–67. 428. Eine nützliche Übersicht in C. Tepperberg, „Das kaiserliche Heer nach dem Prager Frieden 1635–1650“, Der Schwed ist im Land! (Ausstellungskatalog, Horn 1995), S. 113–139. 429. Doc. Bo. I, Nr.154. 430. TE III, S. 283. Die Reaktion auf die Ermordung wird behandelt in A. Ernstberger, „Für und wider Wallenstein“, HJb 74 (1955), 265–281; Srbik, Wallensteins Ende, S. 199–271.

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Anhang 431. Der Untertitel von Georg Wagners Wallenstein-Biografie lautet denn auch „Der böhmische Condottiere“. Die Standard-Interpretation wird zusammengefasst von F. H. Schubert, „Wallenstein und der Staat des 17. Jahrhunderts“, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 16 (1965), 597–611. Siehe auch C. Tilly, Capital, Coercion and European States, AD 990–1992 (Oxford 1992), S. 80–81. 432. Ernst, Madrid und Wien, S. 80–92. 433. J. Pohl, „Die Profiantirung der Keyserlichen Armaden ahnbelangendt“. Studien zur Versorgung der kaiserlichen Armee 1634/35 (Kiel 1991), S. 26; W. P. Guthrie, Battles of the Thirty Years War (Westport 2002), S. 262, 282–284. 434. Jacob, Von Lützen, Anhang, S. 98, 109. Jacob berichtet aus einer für Horn günstigen Perspektive zuverlässig über die bevorstehende Schlacht. Die weniger überzeugende, Bernhard begünstigende Sichtweise wird präsentiert von E. Leo, Die Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634 (Halle 1899). Weitere Einzelheiten finden sich in der ausgezeichneten Studie von P. Hrnčiřík, Spanier auf dem Albuch. Ein Beitrag zur Geschichte der Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634 (Aachen 2007), und bei P. Engerisser, Von Kronach nach Nördlingen (Weißenstadt 2004), S. 320–346. 435. Maximilian war davon wenig begeistert, hatte Herzog Karl aber auf Druck von Erzherzog Ferdinand ernannt. 436. S. Poyntz, The Relation of Sydnam Poyntz 1624–1636 (London 1908), S. 109–110. 437. Friesenegger, Tagebuch, S. 54. 438. Zit. nach J. Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 62. 439. Zit. nach G. Rystad, Kriegsnachrichten und Propaganda während des Dreißigjährigen Krieges (Lund 1960), S. 180–181. Rystad berichtet ausführlich über die öffentliche Rezeption der Schlacht. 440. Droysen, Bernhard, II, S. 46. 441. Beispiele in F. Kleinehagenbrock, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2003), S. 186–204, 224–225; S. Zizelmann, Um Land und Konfession (Frankfurt/Main 2002), S. 270–333. 442. Kretzschmar, Heilbronner Bund, III, S. 20–62. 443. Zum russisch-polnischen Krieg siehe B. Porshnev, Muscovy and Sweden in the Thirty Years War, 1630–35 (Cambridge 1996). 444. S. Goetze, Die Politik des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna gegenüber Kaiser und Reich (Kiel 1971), S. 138–141; Droysen, Bernhard, II, S. 11–20, 53–55. 445. Rohan war ins Veltlin umdirigiert worden, siehe Kapitel 18. 446. Wie von R. A. Stradling, Spain’s Struggle for Europe 1598–1668 (London 1994), S. 96– 107, 114–117, 281 behauptet. Zu den Verhandlungen mit Gaston siehe H. Ernst, Madrid und Wien 1632–1637 (Münster 1991), S. 83–84. 447. J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 472–474. 448. J. I. Israel, Conflicts of Empires (London 1997), S. 69. 449. Ernst, Madrid und Wien, S. 126–133. 450. Zur beabsichtigten Aufteilung der Beute siehe die Karte in J. Alcala Zamora, España, Flandes y el mar del Norte (1618–1639) (Barcelona 1975), S. 360–361. Zu den französisch-holländischen Verhandlungen siehe A. Waddington, La République des Provinces-Unies, la France et les Pays-Bas Espagnoles de 1630 a 1650 (2 Bde., Paris 1895), I, S. 42–60; J. I. Israel, The Dutch Republic (Oxford 1995), S. 525–527.

Anmerkungen 451. D. Parrott, „The causes of the Franco-Spanish War of 1635–59“, in: J. Black (Hg.), The Origins of War in Early Modern Europe (Edinburgh 1987), S. 72–111, hier S. 85–88. 452. Es wurde in entsprechend überarbeiteter Form später veröffentlicht im Mercure de France: D. P. O’Connell, Richelieu (London 1968), S. 308–311; H. Weber, „Vom verdeckten zum offenen Krieg. Richelieus Kriegsgründe und Kriegsziele 1634–35“, in: K. Repgen (Hg.), Krieg und Politik 1618–1648 (München 1988), S. 203–218; und ders: „Zur Legitimation der französischen Kriegserklärung 1635“, HJb 108 (1988), 90–113. 453. D. Parrott, Richelieu’s Army. War, government and society in France 1624–1642 (Cambridge 2001), bes. S. 190–199. Etwas höhere Zahlen in J. A. Lynn, Giant of the Grand Siècle. The French army 1610–1715 (Cambridge 1997). Weitere nützliche Informationen in B. R. Kroener, „Die Entwicklung der Truppenstärken in den Französischen Armeen zwischen 1635 und 1661“, in: K. Repgen (Hg.), Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (Münster 1981), S. 163–220. 454. Zit. nach W. H. Lewis, Assault on Olympus. The rise of the House of Gramont between 1604 and 1678 (London 1958), S. 35. 455. Berechnet aus Angaben in R. Bonne, The King’s Debts. Finance and politics in France 1589–1661 (Oxford 1981), S. 173, und P. Kriedte, Peasants, Landlords and Merchant Capitalists (Leamington Spa 1983), S. 93. 456. R. Bonney, „Louis XIII, Richelieu and the royal finances“, in: J. Bergin und L. Brockliss (Hgg.), Richelieu and his Age (Oxford 1992), S. 99–133, hier S. 110. 457. J. Dent, Crisis in Finance. Crown, financiers and society in seventeenth-century France (Newton Abbot 1973), S. 32. Die jährlichen Kosten des Schuldendienstes, der Zahlung der rentes (der Zinsen auf Staatsanleihen, wie bei den spanischen juros) und der Gehälter der zahlreichen korrupten Amtsinhaber kletterten bis 1639/40 auf 45,8 Millionen Livre. 458. O. A. Ranum, Richelieu and the Councillors of Louis XIII (Oxford 1963); R. Bonney, Political Change in France under Richelieu and Mazarin 1624–1661 (Oxford 1978), S. 263–83; D. C. Baxter, Servants of the Sword. French intendants of the army, 1630–1670 (Urbana 1976); B. R. Kroener, Les Routes et les étappes. Die Versorgung der französischen Armeen in Nordostfrankreich (1635–1661) (Münster 1980). 459. K. Malettke, „Frankreichs Reichspolitik zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens“, in: K. Bussmann und H. Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 177–186, hier S. 182–183. 460. Ernst, Madrid und Wien, S. 111–120, 166–168, 180–184, 217–219; P. Hrnčiřík, Spanier auf dem Albuch (Aachen 2007), S. 60–73. Spanien zahlte in den Jahren 1634–37 auch 280 000 Gulden an Bayern. 461. J. Krebs, Aus dem Leben des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Melchior von Hatzfeldt 1632–1636 (Breslau 1926), S. 89, schätzt Piccolomini auf nur 8000 Mann, und dies erscheint als Gesamtzahl für die westlich des Flusses operierende Streitmacht durchaus wahrscheinlich. 462. Henderson hatte bereits eine schillernde Karriere hinter sich: Nachdem er womöglich schon eine Gefangennahme in Sansibar überlebt hatte, diente er sowohl Dänemark als auch Schweden, bevor er 1634 in kaiserliche Dienste trat. Zu den Verhandlungen siehe Doc. Bo. V, Nr. 334; D. Worthington, Scots in Habsburg Service, 1618–1648 (Leiden 2004), S. 155, 159, 171–172; G. Droysen, Bernhard von Weimar (2 Bde., Leipzig 1885), II, S. 58–62.

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Anhang 463. Weitere Einzelheiten zu diesen Operationen in Vicomte de Noailles, Episodes de la Guerre de Trente Ans. Le Cardinal de la Valette (Paris 1906), S. 132–188; H. D. Müller, Der schwedische Staat in Mainz 1631–1636 (Mainz 1979), S. 220–234; A. Börckel, Geschichte von Mainz als Festung und Garnison (Mainz 1913), S. 52–59; Krebs, Hatzfeldt, S. 89–97; Droysen, Bernhard, II, S. 118–196. 464. Über die Zustände im kaiserlichen Lager gibt es eine anschauliche zeitgenössische Schilderung in J. Peters (Hg.), Ein Söldernleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 63–70. 465. G. Symcox (Hg.), War, Diplomacy, and Imperialism, 1618–1763 (New York 1974), S. 117–121. 466. Es scheint kaum Belege zur Stützung der Behauptung von R. A. Stradling zu geben, dass Spanien einem gewaltigen Alles-oder-nichts-Angriff auf Frankreich zustimmte. Damit befasst sich auch J. I. Israel in The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606– 1661 (Oxford 1982), S. 250–262, sowie in Dutch Republic, S. 528–530, und Conflicts of Empires, S. 73–79. 467. Ernst, Madrid und Wien, S. 192–231. Spanien zahlte in den Jahren 1636–39 2,4 Millionen Gulden oder die Hälfte dessen, was versprochen worden war. Ein Drittel dieser Summe ging direkt an Männer, die für die spanische Armee geworben worden waren. 468. Siehe den Bericht eines anonymen Teilnehmers in Peters (Hg.), Söldnerleben, S. 73–75. Weitere Einzelheiten in Parrott, Richelieu’s Army, S. 119–123, 196–197; O’Connell, Richelieu, S. 348–351. 469. P. Martin, Une guerre de Trente Ans en Lorraine 1631–1661 (Metz 2002), S. 131–133. 470. Wie von G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/ Main 1987), S. 235, behauptet. 471. K. Repgen, „Ferdinand III. (1637–57)“, in: A. Schindling und W. Ziegler (Hg.), Die Kaiser der Neuzeit 1519–1918 (München 1990), S. 142–167, hier S. 157. 472. Beispielhaft für diesen Ansatz sind zu nennen Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 225; R. Bireley, „The Peace of Prague (1635) and the Counter Reformation in Germany“, JMH 48 (1976), Beiheft, 31–70, hier S. 56–60; G. Barudio, Der Teutsche Krieg 1618–1648 (Frankfurt/Main 1998), S. 388–391. 473. A. Wandruska, „Zum ‚Absolutismus‘ Ferdinands“, Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 14 (1984), 261–268; H. Haan, „Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Reichsabsolutismus“, HZ 207 (1968), S. 297–345. 474. Die Verhandlungen können verfolgt werden in K. H. Frohnweiler, „Die Friedenspolitik Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt“, Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge 29 (1964), 1–185, hier S. 120–162; M. Kaiser, „Der Prager Frieden von 1635“, ZHF 28 (2001), 277–297; A. Gindely, The Thirty Years War (2 Bde., New York 1892), II, S. 204–231. 475. K. Bierther, „Zur Edition von Quellen zum Prager Frieden“, in: Repgen (Hg.), Forschungen und Quellen, S. 1–30. 476. A. Kraus, „Zur Vorgeschichte des Friedens von Prag 1635“, in: H. Dickerhof (Hg.), Festgabe Heinz Hurten (Frankfurt/Main 1988), S. 265–299, hier S. 269–270; R. G. Asch, „The ius foederis re-examined. The Peace of Westphalia and the constitution of the Holy Roman Empire“, in: R. Lesaffer (Hg.), Peace Treaties and International Law in European History (Cambridge 2004), S. 319–337, hier S. 327–329.

Anmerkungen 477. D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 909–938; C. Kapser, Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges 1635– 1648/49 (Münster 1997), S. 10–29. 478. K. Bierther, Der Prager Frieden von 1635, 4. Teilband (Vertragstexte) (München und Wien 1997), Nr. 564, S. 1603–1631, Zitat S. 1629. Siehe auch J. J. Schmauss und H. C. von Senckenberg (Hgg.), Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede (4 Bde., Frankfurt/Main 1747), III, S. 534–548. Weitere Erörterungen in A. Wandruska, Reichspatriotismus und Reichspolitik zur Zeit des Prager Friedens von 1635 (Graz 1955). 479. Zit. nach Bierther, Der Prager Frieden von 1635, S. 1615. 480. Zit. nach ebd., S. 1618. 481. Trauttmansdorff an Piccolomini, 30. Mai 1635, Doc. Bo. VI, Nr. 28. 482. Die Stärke auf dem Papier betrug 35 100 Mann, wie in C. Vitzthum von Eckstädt, „Der Feldzug der sächsischen Armee durch die Mark Brandenburg im Jahre 1635 und 1636“, Märkische Forschungen 16 (1881), 303–386, hier S. 309–311 aufgeführt. 483. Vertrag vom 6. Oktober 1635 in T. von Moerner (Hg.), Kurbrandenburgische Staatsverträge von 1601–1700 (Berlin 1867), S. 123–124. 484. Wie August II. am 10. September 1636 an Kaiser Ferdinand II. schrieb, siehe HHStA, KA 101 (neu). 485. E. Hagen, „Die fürstlich würzburgische Hausinfanterie von ihren Anfängen bis zum Beginne des Siebenjährigen Krieges 1636–1756“, Darstellungen der Bayerischen Kriegsund Heeresgeschichte 19 (1910), 69–203, hier S. 71–73. 486. S. Zizelmann, Um Land und Konfession (Frankfurt/Main 2002), S. 289–331. 487. K. E. Demandt, Geschichte des Landes Hessen (Kassel 1980), S. 415–420, 428–429. 488. Die Verhandlungen sind Thema in J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln (Münster 1979), S. 125–140; H. Lahrkamp, „Lothar Dietrich Frhr. von Bönninghausen“, WZ 108 (1958), 239–366, hier S. 315–318; H. Conrad und G. Teske (Hgg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 18–19, 145–163. 489. Knyphausen war im Dezember 1635 aus dem Ruhestand zurückgekehrt, um abermals den Posten zu übernehmen, von dem er im Februar 1634 zurückgetreten war. Der Obrist Sperreuther hatte in der Zwischenzeit befehligt. Zu Leslie siehe C. S. Terry, The Life and Campaigns of Alexander Leslie. First Earl of Leven (London 1899). 490. H. Wunder, „Frauen in der Friedenspolitik“, in: K. Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 495–506. 491. Einzelheiten der Operation in HHStA, KA 91 (neu). 492. Zit. nach J. Öhman, Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2005), S. 67. 493. Oxenstierna an Banér, 28. Oktober 1634, zit. nach M. Roberts, „Oxenstierna in Germany1633–1636“, Scandia 48 (1982), 61–105, hier S. 79. Das folgende Zitat stammt aus Öhman, Kampf, S. 68. 494. Zit. nach A. Schmidt, Vaterlandsliebe und Religionskonflikt. Politische Diskurse im alten Reich (1555–1648) (Leiden 2007), S. 362. 495. Ebd., S. 358–415. 496. Zu der folgenden Meuterei siehe B. von Chemnitz, Königlich Schwedischer in Teutschland geführter Krieg (2 Bde., Stettin 1648 und Stockholm 1653), II, S. 731–848; S. Goetze, Die Politik des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna gegenüber Kaiser und Reich (Kiel 1971), S. 164–188; Öhman, Kampf, S. 71–75.

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Anhang 497. Vitzthum, „Feldzug“, S. 307–308. 498. J. K. Fedorowicz, England’s Baltic Trade in the Early Seventeenth Century (Cambridge 1980), S. 201–234; Goetze, Politik, S. 179–181. 499. C. E. Hill, The Danish Sound Dues and the Command of the Baltic (Durham, NC 1926), S. 108–109; Stradling, Spain’s Struggle, S. 261–262. 500. T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung (Leipzig 1894), S. 65–66; Krebs, Hatzfeldt, S. 239–240. 501. A. von Bismarck, „Die Memoiren des Junkers Augustus von Bismarck“, Jahresberichte des Altmärkischen Vereins für Vaterländische Geschichte 23 (1890), 90–105. 502. Vitzthum, „Feldzug“, S. 340, Eintrag für den 9. Dezember 1635. 503. J. Falcke, „Die Steuerverhandlungen des Kurfürsten Johann Georgs I. mit den Landständen während des Dreißigjährigen Krieges“, Archiv für sächsische Geschichte, Neue Folge 1 (1875), 268–348; F. Kaphahn, „Der Zusammenbruch der deutschen Kreditwirtschaft im XVII. Jahrhundert und der Dreißigjährige Krieg“, Deutsche Geschichtsblätter 13 (1912), 139–162, hier S. 147. 504. H. Kellenbenz, „Hamburg und die französisch-schwedische Zusammenarbeit im 30jährigen Krieg“, Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 49/50 (1964), 83–107; Öhman, Kampf, S. 77–88; Goetze, Politik, S. 198–201. 505. Eine gute Darstellung bietet Krebs, Hatzfeldt, S. 145–155, 245–255, die durch das Material in W. P. Guthrie, The Later Thirty Years War (Westport 2003), S. 48–58, ergänzt werden kann. 506. Doc. Bo. VI, Nr. 79. Ginettis Instruktionen finden sich in K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 425–457. Die päpstliche Politik wird behandelt von K. Repgen, Die römische Kurie und der Westfälische Friede (2 Bde., Tübingen 1962). 507. F. C. Springell (Hg.), Connoisseur and Diplomat. The Earl of Arundel’s embassy to Germany in 1636 (London 1965). 508. R. Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg (Würzburg 1979), S. 324– 339. 509. H. Haan, Der Regensburger Kurfürstentag von 1636/1637 (Münster 1964); Weber, Würzburg und Bamberg, S. 313–324; Albrecht, Maximilian, S. 952–961; Ernst, Madrid und Wien, S. 232–244, 276. 510. Die Rekrutierung begann 1637, erreichte aber nie die anvisierten 17 700 Fußsoldaten und 6050 Reiter und Dragoner: C. Jany, Geschichte der preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914 (4 Bde., Berlin 1928–29), I, S. 81–88; J. Schultze, Die Mark Brandenburg (5 Bde., Berlin 1961), IV, S. 261–280. 511. Weitere Einzelheiten in F. Hartung, „Die Wahlkapitulationen der deutschen Kaiser und Könige“, HZ 107 (1911), 306–344, hier S. 333–335. 512. E. von Frauenholz (Hg.), „Zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“, ZBLG, 253– 271, hier S. 254–255. Diese Quelle liefert wertvolle Angaben zur Stärke der Reichsarmee. 513. Doc. Bo., VI, Nr. 380. Von der angegebenen Gesamtzahl waren 3935 krank. W. P. Guthrie nennt, ebenfalls für Januar 1637, die etwas höhere Gesamtzahl von 11 000 Reitern und 8400 Fußsoldaten: The Later Thirty Years War (Westport 2003), S. 94. Zum Folgenden siehe Doc. Bo. VI, Nr. 402 ff.

Anmerkungen 514. H. Ernst, Madrid und Wien 1632–1637 (Münster 1991), S. 231, 259–273; G. Mecenseffy, „Habsburger im 17. Jahrhundert“, Archiv für österreichische Geschichte 121 (1955), 1–91, hier S.49–50. 515. H. Lahrkamp, Jan von Werth (Köln 21988), S. 69–77. 516. Seine Operationen lassen sich in seinem offiziellen Feldzugstagebuch verfolgen: E. Leupold (Hg.), „Journal der Armee des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar aus den Jahren 1637 und 1638“, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 11 (1912), 253–361, hier S. 270–295. Siehe auch G. Droysen, Bernhard von Weimar (2 Bde., Leipzig 1885), II, S. 281–335; Lahrkamp, Werth, S. 80–87. 517. M. Hollenbeck, „Die hessisch-kaiserlichen Verhandlungen über die Annahme des Prager Friedens“, und J. Ulbert, „Französische Subsidienzahlungen an Hessen-Kassel während des Dreißigjährigen Krieges“, beide in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 111–122 bzw. 159–174. 518. D. Parrott, Richelieu’s Army. War, government and society in France 1624–1642 (Cambridge 2001), S. 300–302; H. Lahrkamp, „Lothar Dietrich Frhr. von Bönninghausen“, WZ 108 (1958), 239–366, hier S. 323–324. 519. E. Zernin, Abriß der Großherzoglich-Hessischen Kriegs- und Truppengeschichte 1567– 1888 (Darmstadt 21889), S. 8–10; F. Beck, Geschichte der alten Hessen-Darmstädtischen Reiterregimenter (1609–1790) (Darmstadt 1910), S. 6–12. 520. L. van Tongerloo, „Beziehungen zwischen Hessen Kassel und den Vereinigten Niederlanden während des Dreißigjährigen Krieges“, Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 14 (1964), 199–270, hier S. 225–234; J. Foken, Im Schatten der Niederlande. Die politisch-konfessionellen Beziehungen zwischen Ostfriesland und dem niederländischen Raum vom späten Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert (Münster 2006), S. 396–400; J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln. Die Politik seiner Stifter in den Jahren 1634– 1650 (Münster 1979), S. 140–144. Die Hessen hielten noch Dorsten, Dortmund, Lippstadt und Coesfeld. 521. Bericht über die Eroberung, datiert auf den 24. Februar 1638, in HHStA, KA 94 (neu), fol. 105–110. 522. E. A. Beller, „The mission of Sir Thomas Roe to the conference at Hamburg 1638–40“, EHR 41 (1926), 61–77; S. Murdoch, Britain, Denmark-Norway and the House of Stuart, 1603–1660 (East Linton 2003), S. 78–89. 523. Elisabeth an Erzbischof Laud, 1. Juni 1636, in L. M. Baker (Hg.), The Letters of Elizabeth Queen of Bohemia (London 1963), S. 92–93. 524. Dennoch fingen die Kaiserlichen einen auf den 11. September 1638 datierten Brief von Melander ab, der darauf hindeutet, dass er Beistand angeboten hatte: HHStA, KA 94 (neu), fol. 134–135. 525. Der habsburgische Hofkriegsrat beklagte am 2. September 1638, dass die Pfälzer 300 Mann geworben hätten, die von der Stadt Köln entlassen worden seien: ebd., KA 94 (neu). 526. Heeresstärken nach H. Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis 1635–1650 (Münster 1990), S. 54–55; Foerster, Kurfürst Ferdinand, S. 157–158. Siehe auch die Aufsätze von H. Peter und K. Großmann über Vlotho in Ravensburger Blätter für Geschichte, Volks- und Heimatkunde 38 (1938), 73–86.

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Anhang 527. M. E. Ailes, Military Migration and State-formation. The British military community in seventeenth-century Sweden (Lincoln, Nebr. 2002), S. 15–16. 528. Weitere Einzelheiten über Banérs Flucht in P. Englund, Die Verwüstung Deutschlands (Stuttgart 1998), S. 163–168. Zusätzlich zu den aufgeführten nordostdeutschen Städten hielten die Schweden auch noch Erfurt, Benfeld, Osnabrück und ein paar Stellungen entlang der Weser. 529. J. Öhman, Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2005), S. 107–124. 530. F. Redlich, The German Military Enterprizer and his Workforce (2 Bde., Wiesbaden 1964–65), I, S. 203. 531. Wolfgang Neugebauer betont, dass der hohenzollernsche Absolutismus unter Georg Wilhelm und Schwarzenberg begann, um so dem Kriegsnotstand zu begegnen: Zentralprovinz im Absolutismus. Brandenburg im 17. und 18. Jahrhundert (Berlin 2001), bes. S. 54–59. Weitere Einzelheiten über die militärischen Anstrengungen in C. Jany, Geschichte der preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914 (4 Bde., Berlin 1928– 29), I, S. 89–92. 532. Zeitgenössische Darstellung der Plünderung in C. von Bismarck, „Das Tagebuch des Christophs von Bismarck aus den Jahren 1635–1640“, Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 5 (1915), 67–98, hier S. 81–88. 533. Hofkriegsrat an Reichshofrat, 4. Mai 1638, HHStA, KA 94 (neu), fol. 66–69. 534. R. Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg (Würzburg 1979), S. 252– 267, 321. 535. Foerster, Kurfürst Ferdinand, S. 164–167; T. Nicklas, Macht oder Recht (Stuttgart 2002), S. 235–237; Weber, Würzburg und Bamberg, S. 268–286. 536. W. E. Heydendorff, „Vorderösterreich im Dreißigjährigen Krieg“, MÖSA 12 (1959), 74–142, hier S. 124–127. Bayerische Stärken berechnet aus Daten in C. Kapser, Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges 1635– 1648/49 (Münster 1997), S. 223–249, und F. Weber, „Gliederung und Einsatz des bayerischen Heeres im Dreißigjährigen Krieg“, in: H. Glaser (Hg.), Um Glauben und Reich, Bd. 2/I (München 1980), S. 400–407. Siehe auch Anm. 512 oben. 537. HHStA, KA 94 (neu), fol. 255–260. Diese Berechnungen schließen die Sachsen ein, aber weder die Bayern und Westfalen noch die habsburgische Militärgrenze. 538. L. J. von Stadlinger, Geschichte des württembergischen Kriegswesens (Stuttgart 1856), S. 302–307; K. von Martens, Geschichte von Hohentwiel (Stuttgart 1857). 539. Korrespondenz zwischen Habsburgern und Schweizern über Bernhards feindlichen Einfall in HHStA, KA 94 (neu). Einzelheiten über die Schlacht in Leupold (Hg.), „Journal“, S. 98–308; Droysen, Bernhard, II, S. 336–346; Lahrkamp, Werth, S. 92–98. 540. C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 364–366, lässt Bernhard fälschlicherweise das Südufer entlangmarschieren. 541. Anonymer Augenzeugenbericht, zit. nach J. Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 81. 542. Vicomte de Noailles, Episodes de la Guerre de Trente Ans. La vie de Guébriant 1602– 1643 (Paris 1913); M. Weygand, Turenne, Marshal of France (London 1930). 543. Zeitgenössische Berichte in K. Lohmann (Hg.), Die Zerstörung Magdeburgs (Berlin 1913), S. 271–274; Leupold (Hg.), „Journal“, S. 349–353. Weitere Einzelheiten in Droy-

Anmerkungen

544. 545.

546. 547. 548. 549. 550.

551. 552. 553. 554. 555. 556. 557. 558. 559. 560. 561. 562. 563.

564.

sen, Bernhard, II, S. 426–440; J. Heilmann, Das Kriegswesen der Kaiserlichen und Schweden zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Leipzig 1850), S. 72–73, 92–93. Götzen an Gallas, 7. Oktober 1638, HHStA, KA 94 (neu), fol. 152–153. Anonymes Tagebuch, zit. nach Peters (Hg.), Söldnerleben, S. 85 und 161. Zum Folgenden siehe Leupold (Hg.), „Journal“, S. 344–345; L. H. von Wetzer, „Der Feldzug am Ober-Rhein 1638 und die Belagerung von Breisach“, Mittheilungen des K.K. Kriegsarchivs, Neue Folge 3 (1889), 1–154, hier S. 57–64. Unsignierter Bericht, datiert auf den 28. Oktober 1638, HHStA, KA 94 (neu), fol. 164– 165. Einzelheiten aus HHStA, KA 94 (neu), fol. 259–260. Abschrift der Bedingungen ebd., fol. 316–317. So z. B. von Wedgwood, Dreißigjähriger Krieg, S. 367–368. Dieser Punkt wird weiter erörtert in G. P. Sreenivasa, The Peasants of Ottobeuren, 1487–1726 (Cambridge 2004), S. 281–283; F. Julien, „Angebliche Menschenfresserei im Dreißigjährigen Kriege“, Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 45 (1927), 37–92; D. Fulda, „Gewalt gegen Gott und die Natur“, in: M. Meumann und D. Niefanger (Hgg.), Ein Schauplatz herber Angst (Göttingen 1997), S. 240–269. W. H. Stein, Protection royale. Eine Untersuchung zu den Protektionsverhältnissen im Elsass zur Zeit Richelieus 1622–1643 (Münster 1978), S. 486–533. August an Ferdinand III., 4. April 1637, HHStA, KA 101 (neu), und Ferdinands Brief an Johann Georg mit der Zusicherung, datiert auf den 28. August 1638, HHStA, KA 94 (neu). Sein Dankesbrief, 1. Januar 1638, HHStA, KA (neu), fol. 3–4. Zum Folgenden siehe S. Zizelmann, Um Land und Konfession (Frankfurt/Main 2002), S. 332–369. L. von Sichart, Geschichte der Königlich-Hannoverschen Armee (5 Bde., Hannover 1866–98), I, S. 104–106. Christian IV. an Banér, 19. Oktober 1638, HHStA, KA 94 (neu), fol. 157–158. Christian IV. an Ferdinand III., 13. Juli 1638, HHStA, KA 101 (neu). Ferdinands Entscheidung am 19. September folgte dem auf den 26. August datierten Rat des Reichshofrates, ebd. Siehe die Korrespondenz Maximilians, Ferdinands von Köln sowie den Rat des Reichshofrates Oktober–Dezember 1638, ebd. Kaiserlicher Befehl, 17. November 1638, HHStA, KA 94 (neu), fol. 216–219. K. Hauer, „Frankreich und die reichsständische Neutralität“, in: Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel, S. 91–110, hier S. 94–99. G. Schrieber, Raimondo Montecuccoli (Graz 2000), S. 41–42; Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 69–70. Banér schrieb Richelieu im Juni, dass er über 15 400 Fußsoldaten, 15 000 Reiter und 80 Geschütze verfüge: Parrott, Richelieu’s Army, S. 61, 66. Selbst mit Verstärkungen ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Iststärke mehr als 26 000 Mann betrug. F. Geisthardt, „Peter Melander Graf zu Holzapfel 1589–1648“, Nassauische Lebensbilder 4 (1950), 36–53, hier S. 44–45; T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung (Leipzig 1894), S. 97–99; Droysen, Bernhard, II, S. 539–554. Zit. nach Droysen, Bernhard, II, S. 547.

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Anhang 565. HHStA, MEA Militaria 11, bes. Darmstadt an Mainz, 17. Dezember 1639. Es wurden auch Anstrengungen unternommen, Straßburg dazu zu bewegen, die Benutzung seiner Brücke zu gestatten. 566. Mitzlaffs Bericht ist auf den 24. November 1639 datiert, ebd. 567. G. Engelbert, „Der Hessenkrieg am Niederrhein“, AHVN 161 (1959), 65–113, hier S. 66–67. 568. Wedgwood, Dreißigjähriger Krieg, S. 372. 569. T. Klingebiel, Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der Frühen Neuzeit (Hannover 2002), S. 141–150; Foerster, Kurfürst Ferdinand, S. 161–171. 570. Diese Verhandlungen lassen sich nachverfolgen in HHStA, KA 101 (neu), fol. 1–196. 571. 5. Dezember 1639, HHStA, MEA Militaria 11. Das folgende Zitat stammt aus einem Bericht über die Gespräche mit dem Obristen Ohm in Straßburg aus der Feder eines unbekannten Vermittlers, datiert auf den 3. März 1640, ebd. 572. Johann Jacob Vinther an den Kurfürsten von Mainz, 28. Januar 1640, ebd. Siehe auch Parrott, Richelieu’s Army, S. 139–144. 573. Doc. Bo. VI, Nr. 963. Das Folgende stammt aus O. Schuster und F. A. Francke, Geschichte der sächsischen Armee (3 Bde., Leipzig 1885), I, S. 71; Kapser, Kriegsorganisation, S. 224–245. 574. TE IV, S. 364. 575. Peters (Hg.), Söldnerleben, S. 91–96. 576. W. E. Heydendorff, „Vorderösterreich im Dreißigjährigen Krieg“ [Teil 2], MÖSA 13 (1960), 107–194, hier S. 132–183. 577. Zum Beispiel von A. Kraus, Maximilian I. Bayerns Großer Kurfürst (Graz 1990), S. 298. Ein sympathischeres Bild zeichnet E. Höfer, Das Ende des Dreißigjährigen Krieges (Köln 1998), S. 44–53. 578. M. Howard, War in European History (Oxford 1976), S. 37. 579. So C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 369–373, Zitat S. 359. In ähnlichem Sinne äußern sich S. R. Gardiner, The Thirty Years War 1618–1648 (London 1889), S. 183–184; T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung, Leipzig 1894, S. 76–77. 580. B. R. Kroener, „Soldat oder Soldateska? Programmatischer Aufriß einer Sozialgeschichte militärischer Unterschichten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, in: M. Messerschmidt u. a. (Hgg.), Militärgeschichte. Probleme, Thesen, Wege (Stuttgart 1982), S. 100–123. 581. Ein gutes Beispiel in T. Helfferich, „A levy in Liège for Marazin’s army. Practical and strategic difficulties in raising and supporting troops in the Thirty Years War“, Journal of Early Modern History 11 (2007), 475–500. 582. Das Problem der Desertion behandelt M. Kaiser, „Ausreißer und Meuterer im Dreißigjährigen Krieg“, in: U. Bröckling und M. Sikora (Hgg.), Armeen und ihre Deserteure (Göttingen 1998), S. 49–71, und „Die Lebenswelt der Söldner und das Phänomen der Desertion im Dreißigjährigen Krieg“, Osnabrücker Mitteilungen 103 (1998), 105–124. 583. Das jüngste Beispiel für diese Sichtweise ist W. P. Guthrie, The Later Thirty Years War (Westport 2003), S. 122, 221. 584. Ebd., S. 233. 585. D. Croxton, „A territorial imperative? The military revolution, strategy and peacemaking in the Thirty Years War“, War in History 5 (1998), 253–279, hier S. 278. Siehe auch

Anmerkungen

586.

587. 588.

589. 590.

591. 592. 593. 594. 595. 596.

597. 598. 599. 600. 601.

ders., „‚The prosperity of arms is never continued‘. Military intelligence, surprise and diplomacy in 1640s Germany“, Journal of Military History 64 (2000), 981–1003. D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 962–978; R. Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg (Würzburg 1979), S. 340–368. Zum Folgenden siehe auch K. Bierther, Der Regensburger Reichstag von 1640/41 (Kallmünz 1971); R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War (Cambridge 2003), S. 215–220. So drückte Ferdinand III. es gegenüber dem Kurfürsten Anselm von Mainz aus, 26. März 1640, HHStA, MEA Militaria 11. Der Rezess ist abgedruckt in J. J. Schmauss und H. C. von Senckenberg (Hgg.), Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede (4 Bde., Frankfurt/Main 1747), III, S. 548–574. Das auf den 1. Oktober 1640 datierte Mandat findet sich in HHStA, MEA Militaria 11. P. Englund, Die Verwüstung Deutschlands (Stuttgart 1998), S. 243–252. Banérs Tod mag durchaus auf exzessives Trinken und den Verzehr von verdorbenem Fleisch zurückzuführen sein, aber es ist unwahrscheinlich, dass sein Tod die Folge des berühmt-berüchtigten Hildesheimer Banketts im vorangegangenen November war, das Georg erkranken und zwei der Gäste sterben ließ. J. Öhman, Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2005), S. 154–162; Lorentzen, Armee, S. 93–104; Englund, Verwüstung, S. 269–270. L. Hüttl, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, 1620–1688 (München 1981), S. 76–87; Öhman, Kampf, S. 119–153. O. Elster, Geschichte der stehenden Truppen im Herzogthum Braunschweig-Wolfenbüttel (2 Bde., Leipzig 1899–1901), I, S. 63–73. Zum Folgenden siehe auch Englund, Verwüstung, S. 266–268. H. G. Aschoff, „Das Hochstift Hildesheim und der Westfälischen Frieden“, Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 66 (1998), 229–269, hier S. 239–252. Klitzing trat in spanische Dienste. K. Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643–1648) (Münster 1979), S. 2–25; Bierther, Regensburger Reichstag, S. 185–195, 249–250; Öhman, Kampf, S. 175–181. Hierzu und zum Folgenden J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln (Münster 1979), S. 198–203; G. Engelbert, „Der Hessenkrieg am Niederrhein“, AHVN 161 (1959), S. 65–113, und 162 (1960), S. 35–96; D. Parrott, Richelieu’s Army. War, government and society in France 1624–1642 (Cambridge 2001), S. 219. H. Lahrkamp, Jan von Werth (Köln 21962), S. 119–120. Hatzfeldt an Erzherzog Leopold Wilhelm, 12. Oktober 1642, HHStA, KA 110 (neu), fol. 37–40. L. Radler, Das Schweidnitzer Land im Dreißigjährigen Krieg (Lübeck 1986), S. 24, 74– 77; Englund, Verwüstung, S. 274–275. B. Dudik (Hg.), „Tagebuch des feindlichen Einfalls der Schweden in das Markgrafthum Mähren während ihres Aufenthaltes in der Stadt Olmütz 1642–1650“, Archiv für österreichische Geschichte 65 (1884), 309–485, hier S. 312–318, 410–416. Leopold Wilhelm an Ferdinand III., 6. Oktober 1642, HHStA, KA 110 (neu), fol. 24– 29. Auch die meisten der Milizionäre desertierten: Doc. Bo. VI, Nr. 1364.

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Anhang 602. Johann Georg an Leopold Wilhelm, 14. Oktober 1642, HHStA, KA 110 (neu), fol. 153–154. 603. Torstenssons Bericht, 3. November 1642 (Kopie), in ebd., fol. 153–154. Siehe ebd. für zwei Berichte von kaiserlichen Soldaten (fol. 155–157, 261–263). Hilfreiche Berichterstattung in Guthrie, Later Thirty Years War, S. 110–122, 146–147. 604. Hatzfeldt hatte den angeblichen Vorstoß der Verbündeten am 15. Oktober 1642 Johann Georg gemeldet, HHStA, KA 110 (neu), fol. 61–64. 605. M. Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg (München 2007), S. 75. 606. Ferdinand III. an Johann Georg, 8. November 1642, HHStA, KA 110 (neu), fol. 174– 175. 607. Hüttl, Friedrich Wilhelm, S. 89–99, 110–113. 608. Die Vereinbarung hatte von März 1646 bis Januar 1648 Bestand: F. Maier, Die bayerische Unterpfalz im Dreißigjährigen Krieg (New York 1990), S. 408–409. Andere Beispiele in H. Conrad und G. Teske (Hgg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 40–42; M. Wohlhage, „Aachen im Dreißigjährigen Kriege“, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 33 (1911), 1–64, hier S. 25–37. 609. Weber, Bamberg und Würzburg, S. 287–288, 296; B. J. Hock, Kitzingen im Dreißigjährigen Krieg (Tübingen 1981), S. 117–118, 121, 125–129. 610. W. H. Stein, Protection royale. Eine Untersuchung zu den Protektionsverhältnissen im Elsass zur Zeit Richelieus 1622–1643 (Münster 1978), S. 24–25, 510–523. 611. Weber, Bamberg und Würzburg, S. 293–294, 298–301, 359–384; F. Magen, „Die Reichskreise in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges“, ZHF 9 (1982), 408–460, hier S. 452–453. 612. Weitere Einzelheiten in Englund, Verwüstung, S. 292–313. 613. Hierzu und zum Folgenden siehe F. des Robert, „La Bataille de Tuttlingen“, Mémoires de l’Académie de Stanislaus Leszinski, 5. Folge, 12 (1894), 370–443; G. Hebert, „Franz von Mercy, kurbayerischer Feldmarschall im Dreißigjährigen Krieg“, ZBLG 69 (2006), 555–594, hier S. 581–583; Lahrkamp, Werth, S. 131–138. Augenzeugenberichte in J. Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 109–111; TE V, S. 191. 614. Einen nützlichen Überblick über die Kämpfe in Italien bietet G. Hanlon, The Twilight of a Military Tradition. Italian aristocrats and European conflicts, 1560–1800 (London 1998), S. 122–134, 281–282. Siehe auch Vicomte de Noailles, Episodes de la Guerre de Trente Ans. Le Cardinal de la Valette (Paris 1906), S. 375–541; Parrott, Richelieu’s Army, S. 116–118, 139–145, 193–195, 200–213. 615. Hierzu und zum Folgenden siehe A. Wendland, Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen. Spanien, Mailand und der Kampf ums Veltlin 1620–1641 (Zürich 1995), S. 152–354; J. A. Clarke, Huguenot Warrior. The Life and Times of Henri de Rohan, 1579–1638 (Den Haag 1966), S. 199–203; H. Ernst, Madrid und Wien 1632– 1637 (Münster 1991), S. 166–168. 616. Der Herzog starb bei einem anderen der gifthaltigen Bankette der Epoche, das (angeblich) auch den französischen Oberbefehlshaber und Ehrengast Marschall Créquy das Leben kostete, während ein Drittel der Gäste erkrankte. Zu den Ereignissen in Savoyen siehe T. Osborne, Dynasty and Diplomacy in the Court of Savoy (Cambridge 2002), S.

Anmerkungen

617. 618. 619.

620. 621. 622. 623. 624. 625. 626. 627. 628.

629. 630. 631. 632.

43, 238–240, 258–266; M. D. Pollak, Turin 1564–1680. Urban design, military culture and the creation of an absolutist capital (Chicago 1991), S. 108–148. So die These von G. Quazza, „Guerra civili in Piemonte, 1637–1642“, Bollettino Storico. Bibliografico Subalpino 57 (1959), 281–321 und 58 (1960), S. 5–63. T. J. Dandelet, Spanish Rome 1500–1700 (New Haven 2001), S. 188–204, Zitat S. 204; F. J. Baumgartner, A History of Papal Elections (Basingstoke 2003), S. 153–154. Der Krieg um Castro wird behandelt von Hanlon, Twilight, S. 132–139. Über die Operationen entlang der Pyrenäen berichtet Parrott, Richelieu’s Army, S. 71–75, 126–136, 146–153, 202, 208, 216–217; E. H. Jenkins, A History of the French Navy (London 1979), S. 23–26; R. C. Anderson, „Naval wars in the Mediterranean“, The Mariner’s Mirror 55 (1969), 435–451; J. Alcala Zamora, España, Flandes y el mar de Norte (1618–1639) (Barcelona 1975), S. 399–400. R. A. Stradling, The Armada of Flanders. Spanish maritime policy and European war, 1568–1668 (Cambridge 1992), S. 99–105. Spanien schickte in den Jahren 1631–40 auf dem Seeweg 28 436 Mann nach Flandern, im Vergleich zu 22 892 auf dem Landweg. R. A. Stradling, The Spanish Monarchy and Irish Mercenaries. The Wild Geese in Spain 1618–68 (Blackrock 1994), S. 26–27. L. R. Corteguerra, For the Common Good. Popular politics in Barcelona, 1580–1640 (Ithaca 2002), S. 149–151; J. Albi de la Cuesta, De Pavía a Rocroi. Los tercios de infantería española en los siglos xvi y xvii (Madrid 1999), S. 272–273. J. Lynch, The Hispanic World in Crisis and Change 1598–1700 (Oxford 1992), S. 72. J. H. Elliott, The Revolt of the Catalans (Cambridge 1963), S. 446–451; Corteguerra, Common Good, S. 156–181. Das alte katalanische Volkslied „Els Segadors“ („Die Schnitter“) ist seit 1931 die offizielle Nationalhymne Kataloniens. Lynch, Hispanic World, S. 146. R. A. Stradling, Philip IV and the Government of Spain, 1621–1665 (Cambridge 1988), S. 181–185. Lynch, Hispanic World, S. 119–130. G. Parker, Spain and the Netherlands 1559–1659 (London 1979), S. 186. Weiteres Material aus I. A. A. Thompson, „Domestic resource mobilisation and the Downing thesis“, und E. Solano Camón, „The eastern kingdoms in the military organization of the Spanish monarchy“, in: E. Martínez und M. de P. Pi Corrales (Hgg.), Spain and Sweden (Madrid 2000), S. 281–306 bzw. 383–403; I. A. A. Thompson, „The impact of war and peace on government and society in seventeenth-century Spain“, in: R. G. Asch u. a. (Hgg.), Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit (München 2001), S. 161–179; R. Mackay, The Limits of Royal Authority. Resistance and obedience in seventeenth-century Castile (Cambridge 1999), S. 46–59. Ernst, Madrid und Wien, S. 262–263. L. White, „The experience of Spain’s early modern soldiers: combat, welfare and violence“, War in History 9 (2002), 1–38; F. G. de Leon, „Aristocratic draft-dodgers in 17th century Spain“, History Today 46 (Juli 1996), 14–21. Mackay, Limits, S. 1–3, 25–42, 132–172; Corteguerra, Common Good, S. 141–153. J. Brown und J. H. Elliott, A Palace for a King. The Buen Retiro and the court of Philip IV (New Haven 1980); A. Úbeda de los Cobos (Hg.), Paintings for the Planet King. Philip IV and the Buen Retiro Palace (London 2005).

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Anhang 633. M. Newitt, A History of Portuguese Overseas Expansion 1400–1668 (London 2005), S. 226–233; C. R. Boxer, The Portuguese Seabourne Empire 1415–1825 (London 1969), S. 106–127. 634. C. R. Boxer, „The action between Pater and Oquendo, 12 Sept. 1631“, The Mariner’s Mirror 45 (1959), 179–199. 635. J. K. Thornton, Warfare in Atlantic Africa 1500–1800 (London 1999), S. 100–104; W. Frijhoff und M. Spies, 1650. Hard-won Unity (Basingstoke 2003), S. 42, 111–112. 636. J. I. Israel, The Dutch Republic (Oxford 1995), S. 527–532, und ders., Dutch Primacy in World Trade 1585–1740 (Oxford 1989), S. 187–196. 637. A. Waddington, La République des Provinces-Unies, la France et les Pays-Bas Espagnoles de 1630 a 1650 (2 Bde., Paris 1895), I, S. 291–301, 344–361; Noailles, Cardinal de la Valette, S. 316–374. 638. G. Mecenseffy, „Habsburger im 17. Jahrhundert“, Archiv für österreichische Geschichte 121 (1955), 1–91, hier S. 51–52. Zu Piccolominis Gesprächen in Brüssel siehe Doc. Bo. VI, Nr. 724, 756, 781. 639. Der Bericht von Dom Francisco Manuel de Mello ist abgedruckt in C. R. Boxer (Hg.), The Journal of Maarten Harpetzoon Tromp, Cambridge 1930, S. 211. Siehe auch Alcala Zamora, España, S. 89, 411–457. 640. Stradling, Armada of Flanders, S. 107. 641. Ernst, Madrid und Wien, S. 279. Weitere 745 000 Gulden für deutsche Rekruten wurden in den Jahren 1641/42 gezahlt. Siehe auch Mecenseffy, „Habsburger“, S. 64–76. Zum Hohentwiel siehe die Korrespondenz der Innsbrucker Regierung von August bis November 1640 in HHStA, KA 101 (neu). 642. J. H. Elliott, The Count-Duke of Olivares (New Haven 1986), S. 614. Siehe auch D. P. O’Connell, Richelieu (London 1968), S. 410–428. 643. So die oft wiederholte Geschichte: E. Le Roy Ladurie, The Ancien Régime. A history of France, 1610–1774 (Oxford 1996), S. 53. Zu Lamboys Beteiligung siehe Doc. Bo. VI, Nr. 1209. 644. P. Martin, Une guerre de Trente Ans en Lorraine 1631–1661 (Metz 2002), S. 146–151, 273–278. 645. Parrott, Richelieu’s Army, S. 147–150, 157–158, 217–218; Albi, De Pavía a Rocroi, S. 227–229. 646. Stradling, Philip IV, S. 76–80, 119, Zitat S. 77. Weitere Informationen in Elliott, Olivares, S. 640–651. Eine Analyse zur Politik der spanischen Regierung bietet M. Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643–1649) (Münster 2007), S. 92–132. 647. W. H. Lewis, Assault on Olympus. The rise of the House of Gramont (London 1958), S. 54. Zum Folgenden siehe G. Treasure, Mazarin. The crisis of absolutism in France (London 1995), S. 56–67. 648. De Melo, 15. Mai 1643, HHStA, MEA Militaria 11. 649. Obschon ziemlich hagiografisch, bleibt E. Godley, The Great Condé. A life of Louis II de Bourbon prince de Condé (London 1915), nützlich. Zu der Schlacht siehe auch Albi, De Pavía a Rocroi, S. 40–63, sowie die hilfreiche Zusammenfassung von P. A. Picouet, „The battle of Rocroi“, Arquebusier 31 Nr. 1 (2008), 2–20. 650. Die spanische Infanterie wurde nicht, wie in der Sekundärliteratur immer wieder berichtet, in drei Linien aufgestellt.

Anmerkungen 651. Guthrie, Later Thirty Years War, S. 180; R. F. Weigley, The Age of Battles (London 1993), S. 40–42. 652. Zu den Folgen der Verluste siehe Graf von Nassau-Hadamar an Kurfürst Anselm von Mainz, 31. Mai 1643, HHStA, Militaria 11. 653. Das Standardwerk über den Kongress ist immer noch F. Dickmann, Der Westfälische Friede (Münster 71998). Einen nützlichen Überblick über die Themen bietet K. Repgen, „Die Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen von 1648 und ihre Lösungen“, ZBLG 62 (1999), 399–438. H. Langers Aufsatz „Friedensvorstellungen der Städtegesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress (1644–1648)“, Zeitschrift für die Geschichtswissenschaft 35 (1987), 1060–1072, enthält eine Liste der von den Reichsstädten entsandten Vertreter. 654. H. Duchhardt, „Zur ‚Verortung‘ des Westfälischen Friedens in der Geschichte der internationalen Beziehungen in der Vormoderne“, in: K. Malettke (Hg.), Frankreich und Hessen-Kassel (Marburg 1999), S. 11–18. Zum Protokoll auf dem Kongress siehe A. Stiglic, „Zeremoniell und Rangordnung auf der europäischen diplomatischen Bühne am Beispiel der Gesandteneinzüge in die Kongreß-Stadt Münster“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 391–396. 655. G. Lorenz, „Schweden und die französischen Hilfsgelder von 1638 bis 1649“, in: K. Repgen (Hg.), Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (Münster 1981), S. 145–148. 656. F. Bosbach, Die Kosten des Westfälischen Friedenskongresses (Münster 1984); G. Buchstab, „Die Kosten des Städterats Osnabrück auf dem Westfälischen Friedenskongress“, in: Repgen (Hg.), Forschungen, S. 221–225. 657. H. Conrad und G. Teske (Hgg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 76–87. 658. K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 723– 765; A. M. Kettering, Gerard ter Borch and the Treaty of Münster (Den Haag 1998). 659. K. Repgen, „Friedensvermittlung und Friedensvermittler beim Westfälischen Frieden“, und G. Teske, „Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück“, beide in WZ 147 (1997), 37–61 bzw. 63–92. 660. W. Fleitmann, „Postverbindungen für den Westfälischen Friedenskongreß 1643 bis 1648“, Archiv für Deutsche Postgeschichte 1 (1972), 3–48; D. Croxton, Peacemaking in Early Modern Europe. Cardinal Mazarin and the Congress of Westphalia, 1643–1648 (Sellinsgrove 1999), S. 43–48. 661. G. Schmidt, Geschichte des alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495– 1806 (München 1999), S. 179. Detaillierter H. Wagner, „Die kaiserlichen Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongreß“, in: E. Zöllner (Hg.), Diplomatie und Außenpolitik Österreichs (Wien 1977), S. 59–73. Zu den anderen Delegationen siehe M. Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster (Münster 2007); J. Öhman, Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2005), S. 168–174, 206; A. Tischer, Französische Diplomatie und Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongress (Münster 1999); P. Sonnino, „Prelude to the Fronde. The French delegation at the Peace of Westphalia“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 217–233, und ders., „From d’Avaux to dévot: Politics and religion in the Thirty Years War“, History 87 (2002), 192–203.

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Anhang 662. Die Instruktionen und eine beträchtliche Anzahl weiterer wichtiger Dokumente sind unter der Gesamtherausgeberschaft von Konrad Repgen als Acta Pacis Westphalicae (APW) veröffentlicht worden. 663. Die Truppenstärken finden sich in H. Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg (Münster 1990), S. 34–38, 43; J. Heilmann, Kriegsgeschichte von Bayern, Franken und Schwaben von 1506–1651 (2 Bde., München 1868), II, S. 897, 925, 955. Zu Feldzug und Schlacht siehe H. H. Schaufler, Die Schlacht bei Freiburg im Breisgau (Freiburg 1979); R. Schott, „Die Kämpfe vor Freiburg im Breisgau, die Eroberung von Philippsburg und die Belagerung mehrerer Städte am Rhein im Jahre 1644“, Militärgeschichtliche Mitteilungen 24 (1978), 9–22. 664. Dieser Bergrücken wird in vielen Berichten als Lorettoberg bezeichnet. Seinen Namen hat er von der Kapelle, die später dort errichtet wurde, um an die Toten zu erinnern. 665. F. Schiller, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. IV (Darmstadt 1980), S. 734. 666. H. Lahrkamp, Jan von Werth (Köln 21962), S. 147. 667. J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln (Münster 1979), S. 196–271; Salm, Armeefinanzierung, S. 37, 83–89, 94–96. 668. G. Lorenz, „Die Dänische Friedensvermittlung beim Westfälischen Friedenskongress“, in: Repgen (Hg.), Forschungen, S. 31–61; S. Tode, „Das Hamburger Umland im Dreißigjährigen Krieg“, in: M. Knauer und S. Tode (Hgg.), Der Krieg vor den Toren (Hamburg 2000), S. 145–180, hier S. 169–176; J. P. Findeisen, Axel Oxenstierna (Gernsbach 2007), S. 387–394; Öhman, Kampf, S. 185–190. 669. C. E. Hill, The Danish Sound Dues and the Command of the Baltic (Durham, NC 1926), S. 114–134. 670. Von den 1,4 Millionen Gulden, die De Geer für die Flotte ausgab, zahlte ihm Schweden nur ein Drittel zurück: G. Edmundson, „Louis de Geer“, EHR 6 (1891), 685–712. Zu den militärischen Operationen siehe R. C. Anderson, Naval Wars in the Baltic 1522–1850 (London 1969), S. 47–58; K. R. Böhme, „Lennart Tortensson und Helmut Wrangel in Schleswig-Holstein und Jütland 1643–1645“, Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 90 (1965), 41–82; P. Englund, Die Verwüstung Deutschlands (Stuttgart 1998), S. 358–402. 671. G. Knüppel, Das Heerwesen des Fürstentums Schleswig-Holstein-Gottorf, 1600–1715 (Neumünster 1972), S. 115–137. 672. K. Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643–1648) (Münster 1979), S. 48–50. 673. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), S. 261, gibt die übliche Zahl von nur 1000 Überlebenden bei ursprünglich 18 000 Soldaten an. Tatsächlich verlor die Kavallerie 4133 Mann bzw. 35 Prozent, während die Infanterie mit 5000 Opfern auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe schrumpfte: Salm, Armeefinanzierung, S. 43. Gallas’ persönliche Verantwortung wird von seinem Biografen bestätigt: R. Rebitsch, Matthias Gallas (1588–1647). Generalleutnant des Kaisers zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Münster 2008), S. 251–298. 674. M. Bregnsbro, „Denmark and the Westphalian Peace“, in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 361–367; P. D. Lockhart, Denmark in the Thirty Years War, 1618– 1648 (Selinsgrove 1996), S. 265–269.

Anmerkungen 675. So drückte er es in seinen Anweisungen für Trauttmansdorff vom 16. Oktober 1645 aus, APW, Serie I, Instruktionen, Bd. I (hg. v. H. Wagner, Münster 1962), S. 440–452. 676. Ihre Memoranden sind abgedruckt in Ruppert, Kaiserliche Politik, S. 372–400. Zum Folgenden siehe T. Winkelbauer, „Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645“, MÖSA, Ergänzungsband 3 (1997), 1–15. 677. Schwedischer Generalstab, Slaget vid Jankow 1645–1945 (Stockholm 1945). Weitere nützliche Materialien in W. P. Guthrie, The Later Thirty Years War (Westport 2003), S. 132–141. 678. Wie von Englund, Verwüstung, S. 428–429, behauptet. 679. Andere wichtige Fürsten erhielten Briefe: HHStA, KA (neu). Zu den militärischen Gegenmaßnahmen siehe P. Broucek, Der schwedische Feldzug nach Niederösterreich 1645/46 (Wien 1967); ders., „Erzherzog Leopold Wilhelm und der Oberbefehl über das kaiserliche Heer im Jahre 1645“, Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums Wien 4 (1967), 7–38, sowie ders., „Louis Raduit de Souches, kaiserlicher Feldmarschall“, Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft Der Adler 8 (1971/73), 123–136. 680. Der Kaiser konnte sechs davon nach Rákóczis Tod 1648 zurückerlangen: G. Wagner, „Österreich und die Osmanen im Dreißigjährigen Krieg“, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 14 (1984), 325–392. 681. Zu den französischen Planungen siehe Croxton, Peacemaking, S. 136, 142, 152. Einzelheiten des Feldzugs in S. Niklaus, „Der Frühjahrsfeldzug 1645 in Süddeutschland (Schlacht bei Herbsthausen)“, Württembergisch Franken 60 (1976), 121–180. 682. Mercys Bericht für Maximilian vom 6. Mai 1645 enthält als Anhang eine Liste der im Feld gefangen genommenen Soldaten, darunter auch Rosen, HHStA, KA 121 (neu). 683. H. H. Weber, Der Hessenkrieg (Gießen 1935), S. 46–50. Eberstein war bei einem Scharmützel in Ostfriesland 1644 umgekommen. 684. Sie sind Johann Georgs Brief an den Kaiser, datiert auf den 7. August 1645 (alten Stils), beigefügt, HHStA, KA 121 (neu). 685. K. Scheible, „Die Schlacht von Allerheim 3. August 1645“, Rieser Kulturtage 4 (1983), 229–272; G. Greindl, „Franz von Mercy in der Schlacht bei Allerheim“, in: A. Schmid und K. Ackermann (Hgg.), Staat und Verwaltung in Bayern (München 2003), S. 242– 257; G. Hebert, „Franz von Mercy, kurbayrischer Feldmarschall im Dreißigjährigen Krieg“, ZBLG 69 (2006), 555–594, hier S. 587–592; Lahrkamp, Werth, S. 156–160. 686. Korrespondenz in HHStA, KA 121 (neu), insbesondere Johann Georg an Ferdinand am 26. August 1645. Johann Georg erläutert darin seine Gründe für die Annahme des Waffenstillstands. Zu den Verhandlungen mit Schweden siehe Der Waffenstillstand zu Kötzschenbroda zwischen Sachsen und Schweden (hg. v. Amt für Bildung und Kultur der Stadt Radebeul, 1995); K. G. Helbig, „Die sächsisch-schwedischen Verhandlungen zu Kötzschenbroda und Eilenburg 1645 und 1646“, Archiv für sächsische Geschichte 5 (1867), 264–288. 687. F. Sánchez-Marcos, „The future of Catalonia. A sujet brûlant at the Münster negotiations“, und P. Cardim, „ ‚Portuguese rebels‘ at Münster“, beide in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 273–291 bzw. 293–333. 688. R. von Kietzell, „Der Frankfurter Deputationstag von 1642–1645“, Nassauische Annalen 83 (1972), 99–119; K. Malettke, „Scheffers Gesandtschaft in Osnabrück“, in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 501–522.

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Anhang 689. So z. B. die Antworten von Sachsen (12. Mai) und Mainz (29. Mai), in HHStA, KA 121 (neu). Einzelheiten zum Sinneswandel bei den Katholiken in S. Schraut, Das Haus Schönborn (Paderborn 2005), S. 121–125; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 1004–1007. 690. Wie alarmiert die militanten Katholiken waren, zeigen u. a. Petitionen, die einem von den schwäbischen Prälaten beauftragten Anwalt anvertraut wurden. Die Prälaten befürchteten, dass der Kaiser ihre Klöster an Württemberg zurückgeben würde: HHStA, KA 121 (neu), 10., 26. und 29. Mai 1645. 691. G. Immler, Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayrische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand (Münster 1992), S. 62–213. 692. G. Scheel, „Die Stellung der Reichsstände zur Römischen Königswahl seit den Westfälischen Friedensverhandlungen“, in: R. Dietrich und G. Oestreich (Hgg.), Forschungen zu Staat und Verfassung (Berlin 1958), S. 113–132; H. B. Spies, „Lübeck, die Hanse und der Westfälische Frieden“, Hansische Geschichtsblätter 100 (1982), 110–124; R. Postel, „Hansische Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß“, U. Weiß, „Die ErfurtFrage auf dem Westfälischen Friedenskongreß“, und R. Endres, „Die Friedensziele der Reichsritterschaft“, alle in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 523–578. 693. G. Mecenseffy, „Habsburger im 17. Jahrhundert“, Archiv für österreichische Geschichte 121 (1955), 1–91, hier S. 83. Siehe auch D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 979–1020; D. Croxton, Peacemaking in Early Modern Europe (Selinsgrove 1999), S. 161–174. 694. K. Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643–1648) (Münster 1979), S. 186–199; K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 643–676, und ders., „Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikeln vom 13. September 1646“, in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 175–203. 695. H. Lahrkamp, „Lothar Dietrich Frhr. von Bönninghausen“, WZ 108 (1958), 239–366, hier S. 337–347. 696. H. Conrad und G. Teske (Hgg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 21–22, 49–50, 226–234. 697. H. H. Weber, Der Hessenkrieg (Gießen 1935), S. 42–150; K. Beck, Der hessische Bruderzwist zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt in den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden von 1644 bis 1648 (Frankfurt/Main 1978). Zur Opposition der Stände siehe R. von Friedeburg, „Why did seventeenth-century Estates address the jurisdictions of their princes as fatherlands?“, in: R. C. Head und D. Christiansen (Hgg.), Orthodoxies and Heterodoxies in Early Modern German Culture (Leiden 2007), S. 69–94. 698. B. Roeck, Als wollt die Welt schier brechen (München 1991), S. 309–312. 699. Zu dem Offizier siehe D. Pleiss, „Das Kriegsfahrtenbuch des schwedischen Offiziers William Forbes“, Stader Jahrbuch 85 (1995), 133–153, hier S. 146. Eine detaillierte Darstellung der Schlacht in P. Broucek, Die Eroberung von Bregenz am 4. Jänner 1647 (Wien 1981). 700. Einzelheiten in L. Hüttl, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, 1620–1688 (München 1981), S. 99–135; P. Kiehm, „Anfänge des stehenden Heeres in Brandenburg 1640–1655 unter Kurfürst Friedrich Wilhelm“, Militärgeschichte 24 (1985), 515–520.

Anmerkungen 701. S. Lundkvist, „Die schwedischen Friedenskonzeptionen und ihre Umsetzung in Osnabrück“, P. Baumgart, „Kurbrandenburgs Kongressdiplomatie und ihre Ergebnisse“, und H. Langer, „Die pommerschen Landstände und der Westfälische Friedenskongreß“, alle in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 349–359, 469–499; E. Bauer, „Johann Graf zu Sayn-Wittgenstein, Kriegsteilnehmer auf hessischer und schwedischer Seite und Hauptgesandter des Kurfürsten von Brandenburg“, in: G. Teske (Hg.), Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Münster 2000), S. 45–54. 702. A. Gotthard, „Der ‚Grosse Kurfürst‘ und das Kurkolleg“, FBPG, neue Serie 6 (1996), 1–54, hier S. 3–12. 703. R.-P. Fuchs, Ein ‚Medium‘ zum Frieden. Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (München 2010). 704. Zit. nach R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War (Cambridge 2003), S. 238. Weitere Details zu den Militanten in G. Schmid, „Konfessionspolitik und Staatsräson bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses über die Gravamina Ecclesiastica“, ARG 44 (1953), 203–223. 705. Albrecht, Maximilian, S. 1031–1048; J. F. Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln (Münster 1979), S. 306–363. 706. C. Schulz, „Strafgericht Gottes oder menschliches Versagen? Die Tagebücher des Benediktinerabtes Georg Gaisser als Quelle für die Kriegserfahrung von Ordensleuten im Dreißigjährigen Krieg“, in: M. Asche und A. Schindling (Hgg.), Das Strafgericht Gottes (Münster 2002), S. 219–90. Zum Folgenden siehe G. Mentz, Johann Philipp von Schönborn, Kurfürst von Mainz, Bischof von Würzburg und Worms 1605–1673 (2 Bde., Jena 1896–99), II, S. 60–65, 90–91; F. Jürgensmeier, „Johann Philipp von Schönborn“, Fränkische Lebensbilder 6 (1975), 161–184; R. R. Heinrich, Paris Graf Lodron, Reichsfürst und Erzbischof von Salzburg (Wien 1991), S. 281–295. 707. J. Vötsch, Kursachsen, das Reich und der mitteldeutsche Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts (Frankfurt/Main 2003), S. 23–24, 49–52; G. Kleinheyer, Die kaiserlichen Wahlkapitulationen (Karlsruhe 1968), S. 78–86; R. G. Asch, „‚Denn es sind ja die Deutschen […] ein frey Volk‘. Die Glaubensfreiheit als Problem der Westfälischen Friedensverhandlungen“, WZ (1998), 113–137, hier S. 123–129; A. Klinger, Der Gothauer Fürstenstaat (Husum 2002), S. 59–61. 708. M. Meumann, „The experience of violence and the expectation of the end of the world in seventeenth-century Europe“, in: J. Canning u. a. (Hgg.), Power, Violence and Mass Death in Pre-modern and Modern Times (Aldershot 2004), S. 141–159. 709. Mecenseffy, „Habsburger“, S. 78–90; M. Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster (Münster 2007), S. 133–136, 451–452; R. A. Stradling, Philip IV (Cambridge 1988), S. 239–243. 710. T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung (Leipzig 1894), S. 119; Lahrkamp, „Bönninghausen“, S. 351–352. 711. E. Höfer, Das Ende des Dreißigjährigen Krieges (Köln 1998), S. 59–64; H. Lahrkamp, Jan von Werth (Köln 21988), S. 186–187. 712. Lahrkamp, Werth, S. 167–184; Albrecht, Maximilian, S. 1068–1077; F. Göse, Der erste brandenburg-preußische Generalfeldmarschall Otto Christoph Freiherr von Sparr 1605– 1668 (Berlin 2006), S. 50–53. 713. J. Steiner, Die pfälzische Kurwürde während des Dreißigjährigen Krieges (Speyer 1985), S. 152–188; J. Arndt, „Die Ergebnisse der Friedensverhandlungen in Münster und Os-

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Anhang

714. 715. 716. 717. 718.

719. 720.

721. 722. 723. 724. 725. 726. 727. 728. 729. 730. 731. 732.

nabrück für die rheinischen Territorien“, in: S. Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg und in seinen Nachbarregionen (Neustadt a. d. Aisch 2002), S. 299–327. Höfer, Ende, S. 108–121; Lahrkamp, „Bönninghausen“, S. 354–357. A. Calabria, The Cost of Empire. The finances of the kingdom of Naples in the time of Spanish rule (Cambridge 1991); R. Villari, The Revolt of Naples (Cambridge 1993). J. R. Bruijn, The Dutch Navy of the Seventeenth and Eighteenth Centuries (Columbia, SC 1990), S. 26–27; R. A. Stradling, The Armada of Flanders (Cambridge 1992), S. 118–140. W. H. Lewis, Assault on Olympus. The rise of the House of Gramont (London 1958), S. 83–84; E. Godley, The Great Condé (London 1915), S. 154–174. J. I. Israel, Dutch Primacy in World Trade 1585–1740 (Oxford 1989), S. 168–170; A. Goldgar, Tulipmania: Money, Honor and Knowledge in the Dutch Golden Age (Chicago 2007); O. van Nijmwegen, „The Dutch army and the military revolutions (1588–1688)“, Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 10 (2006), 55–73, hier S. 61–62. W. Frijhoff und M. Spies, 1650. Hard-won Unity (Basingstoke 2003), S. 349–427. H. H. Rowan, The Prince of Orange (Cambridge 1988), S. 77–94; S. Groenveld, „Princes and regents. The relations between the princes of Orange and Dutch aristocrats and the making of Dutch foreign policy“, in: R. G. Asch u. a. (Hgg.), Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit (München 2001), S. 181–192; D. E. A. Faber und R. E. Bruin, „Utrecht als Gegner des Münsteraner Friedensprozesses“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 413– 422. Der Vertragstext in G. Dethlefs (Hg.), Der Frieden von Münster (Münster 1998). Zu den Verhandlungen mit Frankreich siehe Rohrschneider, Frieden von Münster, S. 373– 406. Eine nützliche Darstellung in Godley, Condé, S. 216–226; Lewis, Gramont, S. 91–93. G. Treasure, Mazarin (London 1995), S. 125–127; J. H. Shennan, The Parlement of Paris (Stroud 21998), S. 255–277; A. L. Moote, The Revolt of the Judges. The Parlement of Paris and the Fronde (Princeton 1971). L. Bely, „The peace treaties of Westphalia and the French domestic crisis“, in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 235–252. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987), S. 280. Wahrscheinlicher sind die in Tabelle 6, Kapitel 21 angegebenen Heeresstärken. Einzelheiten zur Aufstellung der schwedischen Truppen in W. P. Guthrie, The Later Thirty Years War (Westport 2003), S. 257–260. Höfer, Ende, S. 172–173. Zur Schlacht siehe ebd., S. 179–195; W. Reichenau (Hg.), Schlachtfelder zwischen Alpen und Main (München 1938), S. 83–91. V. Buckley, Christina, Queen of Sweden (London 2005), S. 98–104; P. Englund, Die Verwüstung Deutschlands (Stuttgart 1998), S. 482–484. Reichenau (Hg.), Schlachtfelder, S. 92–93. Z. Hojda, „Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des Dreißigjährigen Krieges“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 403–411; Englund, Verwüstung, S. 515–520. Rohrschneider, Frieden von Münster, S. 436–451.

Anmerkungen 733. F. J. Jakobi, „Zur Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Vertragsexemplare des Westfälischen Friedens“, in: J. Kunisch (Hg.), Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte (Berlin 1997), S. 207–221. Die Originaltexte und diverse Übersetzungen unter http://www.pax-westphalica.de.

Dritter Teil: Nach dem Frieden 1. 2.

3. 4.

5. 6.

7.

8. 9. 10.

C. V. Wedgwood, Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. A. G. Girschick, München 1967), S. 457–458. J. G. Droysen, Geschichte der preussischen Politik (5 Teile in 14 Bdn., Leipzig 1855–86), Tl. 3, I, S. 339. Kritische Würdigungen dieser Interpretation bei R. Southard, Droysen and the Prussian School of History (Lexington, Ky 1995); P. M. Hahn, Friedrich der Große und die deutsche Nation. Geschichte als politisches Argument (Stuttgart 2007). F. Dickmann, Der Westfälische Friede (Münster 71998), S. 494. So äußert sich jedenfalls D. H. Fischer, The Great Wave. Price revolutions and the rhythm of history (Oxford 1996). Siehe auch G. Parker, Europe in Crisis 1598–1648 (London 1979). Gegenargumente bei J. Osterhammel, „Krieg und Frieden an den Grenzen Europas und darüber hinaus“, und H. Schmidt-Glintzer, „Europa aus chinesischer Sicht in der Frühen Neuzeit“, beide in: R. G. Asch u. a. (Hgg.), Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit (München 2001), S. 443–465 bzw. 527–542. So z. B. bei T. Pocock, Battle for Empire. The very first world war 1756–63 (London 1998). Ähnliche Behauptungen sind für den Zeitraum von 1792 bis 1815 aufgestellt worden. Beispiele für diese Interpretation sind P. Kennedy, Aufstieg und Fall der großen Mächte: ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000 (übers. v. C. Jurisch, Frankfurt/Main 1989); S. H. Steinberg, Der Dreißigjährige Krieg und der Kampf um die Vorherrschaft in Europa 1600–1660 (übers. v. G. Raabe, Göttingen 1967). Nicola Sutherland treibt die Interpretation auf ihren logischen Extrempunkt, indem sie den Dreißigjährigen Krieg in eine drei Jahrhunderte währende Rivalität zwischen Frankreich und Habsburg einbettet: „The origins of the Thirty Years War and the structure of European politics“, EHR 107 (1992), 587–625. Zitate nach: Die Westfälischen Friedensverträge vom 24. Oktober 1648. Texte und Übersetzungen (Acta Pacis Westphalicae. Supplementa electronica, 1), http://www. pax-westphalica.de/ipmipo/. Siehe H. Steiger „Konkreter Friede und allgemeine Ordnung – Zur rechtlichen Bedeutung der Verträge vom 24. Oktober 1648“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 437–445. Siehe NTSR I, 401–403. K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 539– 561, 597–642. Beispiele für die erstgenannte Vorgehensweise sind D. McKay und H. M. Scott, The Rise of the Great Powers 1648–1815 (Harlow 1983); J. Black, European International Relations 1648–1815 (Basingstoke 2002); E. Luard, The Balance of Power. The system of international relations 1648–1815 (Basingstoke 1992). Eine bemerkenswerte Ausnah-

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1044

Anhang

11. 12. 13.

14. 15. 16.

17.

18.

19. 20. 21.

22.

me bildet M. S. Anderson, The Rise of Modern Diplomacy 1450–1919 (London 1993), der nicht einmal im Index den Westfälischen Frieden aufführt. J. Zielonka, Europe as Empire. The nature of the enlarged European Union (Oxford 2006). R. Lesaffer (Hg.), Peace Treaties and International Law in European History (Cambridge 2004). C. Jenkinson (Hg.), A Collection of all the Treaties of Peace and Commerce between Great Britain and Other Powers (3 Bde., London 1785), I, S. 10–44, hier S. 12. Weitere Erörterungen in D. Croxton, „The Peace of Westphalia of 1648 and the origins of sovereignty“, IHR 21 (1999), 569–591; N. Mout, „Die Niederlande und das Reich im 16. Jahrhundert“, in: V. Press (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit (München 1995), S. 143–168, hier S. 145–146; P. Stadler, „Der Westfälische Friede und die Eidgenossenschaft“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 369–391. R. Oresko und D. Parrott, „Reichsitalien im Dreißigjährigen Krieg“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 141–160. K. Abmeier, Der Trierer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern und der Westfälische Friede (Münster 1986), S. 203–257. W. Dotzauer, „Der pfälzische Wildfangstreit“, Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 12/13 (1974/5), 235–247. Zur wachsenden Feindschaft gegenüber Frankreich siehe M. Wrede, Das Reich und seine Feinde (Mainz 2004), S. 324–545. H. Schmidt, „Frankreich und das Reich 1648–1715“, in: W. D. Gruner und K. J. Müller (Hgg.), Über Frankreich nach Europa (Hamburg 1996), S. 119–153; S. Externbrink, Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich (Berlin 2006); E. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik 1756–1789 (Mainz 1995). W. Buchholz, „Schwedisch-Pommern als Territorium des deutschen Reiches 1648– 1806“, ZNRG 12 (1990), 14–33; B. C. Fiedler, „Schwedisch oder Deutsch? Die Herzogtümer Bremen und Verden in der Schwedenzeit (1645–1712)“, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 67 (1995), 43–57; K. R. Böhme, „Die Krone Schweden als Reichsstand 1648–1720“, in: H. Duchhardt (Hg.), Europas Mitte (Bonn 1988), S. 33– 39. H. Langer, „Schwedische Friedenskonzeptionen und praktischer Friede im Jahrzehnt nach dem Dreißigjährigen Krieg“, in: H. Duchhardt (Hg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit (Köln 1991), S. 131–151. Die auf den 22. August 1806 datierte Bekanntmachung in HHStA, Titel und Wappen, Karton 3, Aktenmappe mit der Aufschrift „Korrespondenz mit den Gesandtschaften“. Ein führender Vertreter dieser Interpretation ist H. Schilling, „Krieg und Frieden in der werdenden Neuzeit – Europa zwischen Staatenbellizität, Glaubenskrieg und Friedensbereitschaft“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 13–22, hier S. 20. Ähnliche Argumente finden sich in seinem Beitrag „Der Westfälische Friede und das neuzeitliche Profil Europas“, in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 1–32. Zitate aus dem Frieden von Osnabrück hier wie im Folgenden nach: Die Westfälischen Friedensverträge vom 24. Oktober 1648. Texte und Übersetzungen (Acta Pacis Westphalicae. Supplementa electronica, 1), http://www.pax-westphalica.de/ipmipo/.

Anmerkungen 23. 24.

25. 26. 27. 28. 29.

30. 31. 32. 33.

34.

35. 36.

D. MacCulloch, Reformation. Europe’s house divided 1490–1700 (London 2003), S. 669–670. Einen guten Überblick bietet J. Whaley, „A tolerant society? Religious toleration in the Holy Roman Empire, 1648–1806“, in: O. P. Grell und R. Porter (Hgg.), Toleration in Enlightenment Europe (Cambridge 2000), S. 175–195. Eine positive Bewertung der Rechte bei G. Schmidt, „Die ‚deutsche Freiheit‘ und der Westfälische Friede“, in: Asch u. a. (Hgg.), Frieden und Krieg, S. 323–347. Detailliert zu den Bestimmungen G. May, „Die Entstehung der hauptsächlichen Bestimmungen über das ius emigrandi“, ZRSG KA 74 (1988), 436–494; R. G. Asch, „Das Problem des religiösen Pluralismus im Zeitalter der ‚Konfessionalisierung‘“, BDLG 134 (1998), 1–32. W. Kohl, Christoph Bernhard von Galen (Münster 1964). Einen Überblick über diese Entwicklungen bietet P. H. Wilson, Reich to Revolution: German History 1558–1806 (Basingstoke 2004), S. 198–207. A. Gotzmann und S. Wendehorst (Hgg.), Juden im Recht. Neue Zugänge zur Rechtsgeschichte der Juden im Alten Reich (Berlin 2007). A. Müller, Der Regensburger Reichstag von 1653/54 (Frankfurt/Main 1992). Ein Beispiel in R.-P. Fuchs, „Zeit und Ereignis im Krieg. Überlegungen zu den Aussagen Steinfurter Zeugen in einer Befragung zum Normaljahr 1624“, in: T. Sodmann (Hg.), 1568–1648 (Vreden 2002), S. 65–76. Weitere Erörterungen in R.-P. Fuchs, Ein ‚Medium‘ zum Frieden. Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (München 2010). W. Sellert (Hg.), Die Ordnungen des Reichshofrates 1550–1766 (2 Bde., Köln 1980–90). M. Schnettger, Der Reichdeputationstag 1655–1663 (Münster 1996). Fallanalysen in J. Luh, Unheiliges Römisches Reich. Der konfessionelle Gegensatz 1648 bis 1806 (Potsdam 1995), S. 17–21. H. Molitor, „Der Kampf um die konfessionellen Besitzstände im Fürstbistum Osnabrück nach 1648“, Osnabrücker Mitteilungen 93 (1988), 69–75. E. François, Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648– 1806 (Sigmaringen 1991). Zu Goldenstedt und vielen weiteren Beispielen siehe Whaley, „A tolerant society?“, S. 180–181; F. Jürgensmeier, „Bikonfessionalität in geistlichen Territorien“, in: K. Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 261–285. D. Freist, „One body, two confessions: mixed marriages in Germany“, in: U. Rublack (Hg.), Gender in Early Modern German History (Cambridge 2002), S. 275–304; C. Kohlmann, „‚Von unsern widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestanden‘. Kriegs- und Krisenerfahrungen von lutherischen Pfarrern und Gläubigen im Amt Hornberg des Herzogtums Württemberg während des Dreißigjährigen Krieges und nach dem Westfälischen Frieden“, in: M. Asche und A. Schindling (Hgg.), Das Strafgericht Gottes (Münster 2002), S. 123–211, hier S. 177–182. L. Hüttl, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, 1620–1688 (München 1981), S. 177–184; E. Opgenoorth, Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg (2 Bde., Göttingen 1971–78), I, S. 216–222. M. Schaab, „Die Wiederherstellung des Katholizismus in der Kurpfalz im 17. und 18. Jahrhundert“, ZGO 114 (1966), 147–205; G. Haug-Moritz, „Kaisertum und Parität. Reichspolitik und Konfession nach dem Westfälischen Frieden“, ZHF 19 (1992), 445–

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Anhang

37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44.

45.

46. 47. 48.

49. 50.

482; D. Stievermann, „Politik und Konfession im 18. Jahrhundert“, ZHF 18 (1991), 177–199. Luh, Unheiliges Römisches Reich, S. 27–54. G. Haug-Moritz, „Corpus Evangelicorum und deutscher Dualismus“, in: Press (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung, S. 189–207; K. Härter, Reichstag und Revolution 1789–1806 (Göttingen 1992). Im Ergebnis gehörte die pfälzische Bevölkerung in religiöser Hinsicht zu den gemischtesten des Reichs. Sie umfasste 1795 40 Prozent Calvinisten, 30 Prozent Katholiken, 20 Prozent Lutheraner, 10 Prozent andere Minderheiten, darunter Juden. R. L. Gawthrop, Pietism and the Making of Eighteenth-century Prussia (Cambridge 1993); P. H. Wilson, „Prussia’s relations with the Holy Roman Empire, 1740–86“, HJ 51 (2008), 337–371. T. Lorentzen, Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre Abdankung (Leipzig 1894), S. 184–192. Eine vollständige Darstellung in A. Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649–1650 (Münster 1991). F. Göse, Der erste brandenburg-preußische Generalfeldmarschall Otto Christoph Freiherr von Sparr 1605–1668 (Berlin 2006), S. 57–59. P. Hoyos, „Die kaiserliche Armee 1648–1650“, in: Der Dreißigjährige Krieg (hg. v. Heeresgeschichtlichen Museum Wien, 1976), S. 169–232; H. Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg (Münster 1990), S. 154–161. D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (München 1998), S. 1087–1090; R. R. Heinisch, Paris Graf Lodron (Wien 1992), S. 289–302. Obwohl der Anteil eines Römermonats für jedes Territorium festgeschrieben war, hingen die Gesamteinnahmen davon ab, wie viele Territorien ihren Beitrag tatsächlich leisteten. Von daher ergeben sich Diskrepanzen zwischen den erhaltenen Beträgen und den zugesprochenen Römermonaten. So jedenfalls argumentiert J. Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg (Frankfurt/Main 1992), S. 213–224. Zur Remilitarisierung der deutschen Territorien in den 1660erund 1670er-Jahren siehe P. H. Wilson, German Armies: War and German Politics 1648–1806 (London 1998), S. 26–67. B. B. Kroener, „‚Der Krieg hat ein Loch …‘ Überlegungen zum Schicksal demobilisierter Söldner nach dem Dreißigjährigen Krieg“, in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 599–630. A. Klinger, Der Gothaer Fürstenstaat (Husum 2002), S. 121. Einen guten Überblick über die gegenwärtige Diskussion bietet P. Schröder, „The constitution of the Holy Roman Empire after 1648: Samuel Pufendorf ’s assessment in his Monzambano“, HJ 42 (1999), 961–983. Sich daran anschließende Interpretationen werden erörtert in P. H. Wilson, „Still a monstrosity? Some reflections on early modern German statehood“, HJ 49 (2006), 565–576. Weitere Einzelheiten in B. Erdmannsdorffer, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen 1648–1740 (2 Bde., Leipzig 1932), I, S. 176–178. H. Valentinitsch, Die Meuterei der kaiserlichen Söldner in Kärnten und Steiermark 1656 (Wien 1975); K. O. Frhr. von Aretin, Das Reich. Friedensordnung und europäisches Gleichgewicht 1648–1806 (Stuttgart 1986), S. 76–166, 241–254; C. Storrs, „Imperial authority and the levy of contributions in ‚Reichsitalien‘ in the Nine Years War“, in: M.

Anmerkungen

51.

52. 53.

54.

55. 56. 57.

58. 59.

60.

61.

Schnettger und M. Verga (Hgg.), L’impero e l’Italia nella prima età moderna (Bologna 2006), S. 241–273. G. Kleinheyer, Die kaiserlichen Wahlkapitulationen (Karlsruhe 1968), S. 86–100; H. M. Empel, „De eligendo regis vivente imperatore. Die Regelung in der Beständigen Wahlkapitulation und ihre Interpretation in der Staatsrechtsliteratur des 18. Jahrhunderts“, ZNRG 16 (1994), 11–24. A. C. Bangert, „Elector Ferdinand Maria of Bavaria and the imperial interregnum of 1657–58“ (University of the West of England, PhD 2006). P. H. Wilson, „Bolstering the prestige of the Habsburgs: the end of the Holy Roman Empire in 1806“, IHR 28 (2006), 709–736. Eine umfangreiche Darstellung von Österreichs Beziehungen zum Reich in W. Brauneder und L. Höbelt (Hgg.), Sacrum Imperium. Das Reich und Österreich 996–1806 (Wien 1996); V. Press, „Österreichische Großmachtbildung und Reichsverfassung. Zur kaiserlichen Stellung nach 1648“, MIÖG 98 (1990), 131–154. Zur grundlegenden Bedeutung des Friedens von Osnabrück für die Reichsverfassung siehe G. Schmidt, „Der Westfälische Friede – eine neue Ordnung für das alte Reich?“, in: R. Mußgnug (Hg.), Wendemarken in der deutschen Verfassungsgeschichte (Berlin 1993), S. 45–83. E. W. Böckenförde, „Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der Reichsstände“, Der Staat 8 (1969), 449–478. P. H. Wilson, „The German ‚soldier trade‘ of the seventeenth and eighteenth centuries. A reassessment“, IHR 18 (1996), 757–792. B. Donagan, „Atrocity, war crime and treason in the English Civil War“, American Historical Review 99 (1994), 1137–1166; I. Roy, „‚England turned Germany?‘ The aftermath of the Civil War in its European context“, Transactions of the Royal Historical Society, 5. Serie, 28 (1978), 127–144. K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede (Paderborn 1998), S. 112– 152. Bilder aus der deutschen Vergangenheit (5 Bde., Leipzig 1859–67), Bd. IV. Weitere Ausführungen in L. L. Ping, Gustav Freytag and the Prussian Gospel. Novels, liberalism and history (Bern 2006), bes. S. 235–264; K. Cramer, The Thirty Years War and German Memory in the Nineteenth Century (Lincoln, Nebr. 2007), S. 141–216; W. Maierhofer, Hexen – Huren – Heldenweiber. Bilder des Weiblichen in Erzähltexten über den Dreißigjährigen Krieg (Köln 2005). R. Hoeniger, „Der Dreißigjährige Krieg und die deutsche Kultur“, Preußische Jahrbücher 138 (1909), 403–450, und ders., „Die Armeen des Dreißigjährigen Krieges“, Beiheft zum Militärwochenblatt (1914), 300–323. Ein Beispiel für die Kritik an Hoenig ist G. Mehring, „Wirtschaftliche Schäden durch den Dreißigjährigen Krieg im Herzogtum Württemberg“, WVJHLG 30 (1921), 58–89. Steinberg entwickelte seine Ansichten zuerst in einem 1947 veröffentlichten Artikel, gewann seinen größten Einfluss aber mit dem kurzen Buch The Thirty Years War and the Conflict for European Hegemony 1600–1660 (London 1966), ins Deutsche übersetzt als: Der Dreißigjährige Krieg und der Kampf um die Vorherrschaft in Europa 1600–1660 (Göttingen 1967). Seiner Interpretation folgt H. U. Wehler in seinem einflussreichen Werk Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. I (München 1987), S. 54. Weitere wichtige Beiträge zur Debatte: F. Lütge, „Die wirtschaftliche Lage in Deutschland vor Ausbruch

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1048

Anhang

62. 63. 64. 65. 66. 67. 68.

69.

70. 71. 72.

73.

74. 75.

des Dreißigjährigen Krieges“, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik 170 (1958), 43–99; T. K. Rabb, „The effects of the Thirty Years War on the German economy“, JMH 34 (1962), 40–51; R. Ergang, The Myth of the All-destructive Fury of the Thirty Years War (Pocono Pines, Pa. 1956). Zu den Truppenstärken von 1546 siehe A. Schütz, Der Donaufeldzug Karls V. im Jahre 1546 (Tübingen 1930), S. 89–94. I. Miehe, „Der große Krieg und die kleinen Leute. Die sozialen Folgen des Dreißigjährigen Krieges“, in: Konfession, Krieg und Katastrophe (hg. v. Verein für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen, Magdeburg 2006), S. 43–54. F. C. Springell (Hg.), Connoisseur and Diplomat. The Earl of Arundel’s embassy to Germany in 1636 (London 1965), S. 60. M. Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg (München 2007), S. 55. T. Robisheaux, Rural Society and the Search for Order in Early Modern Germany (Cambridge 1989), S. 217–221. W. von Hippel, „Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges“, ZHF 5 (1978), 413–448; M. P. Gutmann, War and Rural Life in the Early Modern Low Countries (Princeton 1980), S. 88, 152. Beispiele in Friesenegger, Tagebuch, S. 60, 66, 69, 74–75, 79; H. Conrad und G. Teske (Hgg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000); das Zitat aus J. Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 70. G. Franz, Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk (Darmstadt 41979, Erstausgabe Jena 1940); C. Dipper, Deutsche Geschichte 1648–1789 (Frankfurt/Main 1991), S. 43–44; V. Press, Kriege und Krisen. Deutschland 1600–1715 (München 1991), S. 269–271. Zu den niedrigeren Schätzungen und der Kritik an Franz’ Methodologie siehe J. Thiebault, „The demography of the Thirty Years War revisited“, GH 15 (1997), 1–21. Die Zahl von acht Millionen findet sich in M. Clodfelter, Warfare and Armed Conflicts. A statistical reference to casualty and other figures 1500–2000 (Jefferson, NC 2001), S. 5. M. Cerman, „Bohemia after the Thirty Years War: some theses on population structure, marriage and family“, Journal of Family History 19 (1994), 149–175. L. Miehe, „Zerstörungen durch den Dreißigjährigen Krieg in westelbischen Städten des Erzbistums Magdeburg und des Hochstiftes Halberstadt“, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 4 (1990), 31–47; L. Hüttl, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, 1620–1688 (München 1981), S. 70–71; P. Martin, Une guerre de Trente Ans en Lorraine 1631–1661 (Metz 2002), S. 225–231. B. Roeck, „Bayern und der Dreißigjährige Krieg. Demographische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen am Beispiel Münchens“, Geschichte und Gesellschaft 17 (1991), 434–458; F. Kleinehagenbrock, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2003), S. 90–91; J. Lindegren, „Men, money and means“, in: P. Contamine (Hg.), War and Competition between States (Oxford 2000), S. 119–162, hier S. 158. G. Mortimer, Eyewitness Accounts of the Thirty Years War (Basingstoke 2002), S. 171. A. Ritter, „Der Einfluß des Dreißigjährigen Krieges auf die Stadt Naumburg an der Saale“, Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 15 (1926), 1–96,

Anmerkungen

76.

77. 78.

79. 80. 81. 82. 83. 84. 85.

86.

87.

88.

89.

hier S. 41–47; Conrad und Teske (Hgg.), Sterbezeiten, S. 57–60; Kleinehagenbrock, Hohenlohe, S. 79. B. Z. Urlanis, Bilanz der Kriege (Berlin 1965), S. 43–44. Franz, Dreißigjähriger Krieg, S. 5 (Anm. 2) schätzte die Gesamtzahl der im Reich durch Waffengewalt Getöteten auf 325 000 bis 338 000. In diesem Fall scheint er eher zu niedrig als zu hoch geschätzt zu haben. Peters (Hg.), Söldnerleben, S. 117, 122. S. Riezler (Hg.), „Kriegstagebücher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620“, Abhandlungen der Phil.-Hist. Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 23 (1906), 77–210, hier S. 84, 104. Siehe ebd., S. 86–89 zu Standards der medizinischen Versorgung. Zu den Krankenständen siehe J. Pohl, „Die Profiantirung der Keyserlichen Armaden ahnbelangendt“. Studien zur Versorgung der kaiserlichen Armee 1634/35 (Kiel 1991), S. 39. Das genannte Verhältnis von 3:1 stammt von Clodfelter, Warfare and Armed Conflicts, S. 6. Skandinavische Daten sind zusammengefasst in Lindegren, „Men, money and materials“. C. Cramer, „Territoriale Entwicklung“, in: B. Martin und R. Wetekam (Hgg.), Waldeckische Landeskunde (Korbach 1971), S. 171–262, hier S. 223–224; G. P. Sreenivasan, The Peasants of Ottobeuren 1487–1726 (Cambridge 2004), S. 287–289. B. Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden (Göttingen 1989), S. 880. R. Liberles, „On the threshold of modernity: 1618–1780“, in: M. A. Kaplan (Hg.), Jewish Daily Life in Germany 1618–1945 (Oxford 2005), S. 9–92, hier S. 54–56. J. Möllenberg, „Überlingen im Dreißigjährigen Krieg“, Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 74 (1956), 25–67, hier S. 46. A. Buchner und V. Buchner, Bayern im Dreißigjährigen Krieg (Dachau 2002), S. 212; Kleinehagenbrock, Hohenlohe, S. 78. E. A. Eckert, The Structure of Plagues and Pestilences in Early Modern Europe: Central Europe 1560–1640 (Basel 1996), bes. S. 132–154; R. J. C. Concanon, „The third enemy: the role of epidemics in the Thirty Years War“, Journal of World History 10 (1967), 500–511. Die Daten aus Kroppenstedt in R. Volkholz’ Anmerkungen zu Jürgen Ackermann, Kapitän beim Regiment Alt-Pappenheim 1631 (Halberstadt 1895), S. 37. Weitere Beispiele zur Bedeutung der Epidemien in Roeck, Eine Stadt, S. 630–653; A. Rieck, Frankfurt am Main unter schwedischer Besatzung 1631–1635 (Frankfurt/Main 2005), S. 200–201. A. Weigl, „Residenz, Bastion und Konsumptionsstadt“, in: Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001), S. 31–105, hier S. 67; L. Miehe, „Die Bevölkerungsentwicklung in Städten des Erzstiftes Magdeburg und des Hochstiftes Halberstadt während des Dreißigjährigen Krieges“, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 4 (1987), 95–117, hier S. 100. Y. M. Bercé, The Birth of Absolutism. A history of France 1598–1661 (Basingstoke 1996), S. 112–116. Ein Augenzeugenbericht über die Ausbreitung der Pest im Elsass in A. Levy, Die Memoiren des Ascher Levy aus Reichshofen im Elsaß (1598–1635) (Berlin 1913), S. 23–24. C. R. Friedrichs, Urban Society in an Age of War: Nördlingen, 1580–1720 (Princeton 1979), S. 35–53; Hans Heberles „Zeytregister“ (1618–1672) (hg. v. G. Zillhardt, Ulm 1975).

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1050

Anhang 90. Hippel, „Bevölkerung und Wirtschaft“, S. 417, 446. 91. H. Musall und A. Scheuerbrandt, „Die Kriege im Zeitalter Ludwigs XIV. und ihre Auswirkungen auf die Siedlungs-, Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur der Oberrheinlande“, in: Hans Graul-Festschrift (Heidelberg 1974), S. 357–378; H. Dahm, „Verluste der jülich-bergischen Landmiliz im Dreißigjährigen Krieg“, Düsseldorfer Jahrbuch 45 (1951), 280–288; M. Vasold, „Die deutschen Bevölkerungsverluste während des Dreißigjährigen Krieges“, ZBLG 56 (1993), 147–160. 92. B. Roeck, Als wollt die Welt schier brechen (München 1991), S. 62–63, 95. 93. So z. B. The Guardian vom 19. September 2007 in einem Kommentar zur damaligen Bankenkrise. Ins Einzelne gehende Analyse bei C. P. Kindelberger, „The economic crisis of 1619 to 1623“, Journal of Economic History 51 (1991), 149–175; H. J. Gerhard, „Ein schöner Garten ohne Zaun. Die währungspolitische Situation des Deutschen Reiches um 1600“, VSWG 81 (1994), 156–177; J. O. Opel, „Deutsche Finanznoth beim Beginn des Dreißigjährigen Krieges“, HZ 16 (1886), 213–268. 94. T. Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht (2 Bde., Wien 2003), I, S. 483–484; Möllenberg, „Überlingen“, S. 55–56. 95. E. Kroker, Der finanzielle Zusammenbruch der Stadt Leipzig im Dreißigjährigen Krieg (Leipzig 1923); Ritter, „Naumburg“, S. 22–25. 96. B. J. Hock, Kitzingen im Dreißigjährigen Krieg (Tübingen 1981), S. 48–49; M. Börzinger, Leben und Leiden während des Dreißigjährigen Krieges (Bad Langensalza 2001), S. 51. Weitere Beispiele in Levy, Memoiren, S. 22–23. 97. J. Falke, „Die Steuerverhandlungen des Kurfürsten Johann Georgs I. mit den Landständen während des Dreißigjährigen Krieges“, Archiv für sächsische Geschichte, Neue Reihe 1 (1875), 268–348, hier S. 278–287; P. Ilisch, „Geld und Münze während des Dreißigjährigen Krieges“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 345–351. 98. Siehe z. B. die Kooperation im Fränkischen Kreis: R. Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg (Würzburg 1979), S. 246–251, 258, 262–263. 99. Robisheaux, Rural Society and the Search for Order, S. 205–208. 100. Diese Meinung wird immer noch vertreten, z. B. von H. Schilling, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648–1763 (Berlin 1989), S. 61–70. 101. R. van Gelder, Das ostindische Abenteuer. Deutsche in Diensten der Vereinigten Ostindischen Kompanie der Niederlande 1600–1800 (Hamburg 2004); P. Malekandathil, The Germans, the Portuguese and India (Hamburg 1999). 102. S. Tode, „Das Hamburger Umland im Dreißigjährigen Krieg“, in: M. Knauer und S. Tode (Hgg.), Der Krieg vor den Toren (Hamburg 2000), S. 145–180; Miehe, „Zerstörungen“, S. 37. 103. M. Wohlhage, „Aachen im Dreißigjährigen Kriege“, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 33 (1911), 1–64, hier S. 11; H. Langer, „Heeresfinanzierung, Produktion und Märkte für die Kriegsführung“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 293–299. 104. P. Warde, Ecology, Economy and State Formation in Early Modern Germany (Cambridge 2006), S. 246–247. 105. R. R. Heinisch, Paris Graf Lodron (Wien 1991), S. 209–213; Sreenivasan, Ottobeuren, S. 333–334.

Anmerkungen 106. Ebd., S. 287; M. A. Junius, „Bamberg im Schweden-Kriege“, Bericht des Historischen Vereins zu Bamberg 52 (1890), 1–168, hier S. 135–139, 153. 107. Buchner und Buchner, Bayern im Dreißigjährigen Krieg, S. 79. 108. Mittlerweile gibt es eine umfangreiche Literatur zu diesem Thema. Wichtige neuere Beiträge sind u. a. M. Cerman und H. Zeitlhofer (Hgg.), Soziale Strukturen in Böhmen. Ein regionaler Vergleich von Wirtschaft und Gesellschaft in Grundherrschaften, 16. –19. Jahrhundert (Wien 2002); W. W. Hagen, Ordinary Prussians, Brandenburg Junkers and villagers, 1500–1840 (Cambridge 2002). 109. Möllenberg, „Überlingen“, S. 35, 63; G. Rechter, „Der Ober Zenngrund im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges“, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 38 (1978), 83–122. 110. Möllenberg, „Überlingen“, S. 58, 61. Für weitere Einzelheiten hierzu und zum Folgenden siehe C. Hattenhauer, Schuldenregulierung nach dem Westfälischen Frieden (Frankfurt/Main 1998). 111. E. Ortlieb, Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats und die Regelung von Konflikten im alten Reich (1637–1657) (Köln 2001), S. 212–218; D. McKay, The Great Elector (Harlow 2001), S. 71; V. Sellin, Die Finanzpolitik Karl Ludwigs von der Pfalz (Stuttgart 1978), S. 77–78. 112. F. Blaich, „Die Bedeutung der Reichstage auf dem Gebiet der öffentlichen Finanzen im Spannungsfeld zwischen Kaiser, Territorialstaaten und Reichsstädten (1493–1670)“, in: A. de Maddalena und H. Kellenbenz (Hgg.), Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland (Berlin 1992), S. 79–111; Conrad und Teske (Hgg.), Sterbezeiten, S. 38, 199–204; Sreenivasan, Ottobeuren, S. 297–305. 113. T. Klingelbiel, Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der Frühen Neuzeit (Hannover 2002), S. 246. 114. Repgen, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede, S. 677–694; J. A. Vann, The Swabian Kreis. Institutional growth in the Holy Roman Empire 1648–1715 (Brüssel 1975), S. 207–248. 115. K. Breysig, „Der brandenburgische Staatshaushalt in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts“, Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 16 (1892), 1–42, 117–194, hier S. 28–34. 116. Wichtige Beispiele sind u. a. C. Tilly, Capital, Coercion and European States AD 990– 1991 (Oxford 1992); T. Ertman, Birth of the Leviathan (Cambridge 1997); R. D. Porter, War and Rise of the State (New York 1994). 117. Diese Argumente sind von Johannes Burkhardt vorgetragen worden, siehe sein Der Dreißigjährige Krieg (Frankfurt/Main 2003). 118. H. Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen 1559–1660 (Paderborn 2007), S. 352–353. 119. J. Kunisch, Absolutismus (Göttingen 1986); R. Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus (Göttingen 1974). Zur Diskussion dieser Entwicklungen siehe P. H. Wilson, Absolutism in Central Europe (London 2000). 120. R. G. Asch, „Estates and Princes after 1648: the consequences of the Thirty Years War“, GH 6 (1988), 113–132; V. Press, „Soziale Folgen des Dreißigjährigen Krieges“, in: W. Schulze (Hg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität (München 1988), S. 239– 268; R. Schlögl, „Absolutismus im 17. Jahrhundert“, ZHF 15 (1988), 151–186.

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Anhang 121. M. Behnen, „Der gerechte und der notwendige Krieg. ‚Necessitas‘ und ‚utilitas reipublicae‘ in der Kriegstheorie des 16. und 17. Jahrhunderts“, in: J. Kunisch (Hg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung (Berlin 1986), S. 42–106. 122. Dieses Thema wird diskutiert in R. Pröve, „Gewalt und Herrschaft in der Frühen Neuzeit“, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47 (1999), 792–806. 123. Erörterung dieses Ansatzes bei S. Ogilvie, „Germany and the seventeenth-century crisis“, HJ 35 (1992), 417–441. 124. Maria Anna Junius, „Bamberg im Schweden-Kriege“, Bericht des Historischen Vereins zu Bamberg 52 (1890), 1–168, hier S. 27; Kleinehagenbrock, Hohenlohe, S. 275. 125. B. Dudik (Hg.), „Tagebuch des feindlichen Einfalls der Schweden in das Markgrafthum Mähren während ihres Aufenthaltes in der Stadt Olmütz 1642–1650“, Archiv für österreichische Geschichte 65 (1884), 309–485, hier S. 360. 126. Eine gute Darstellung des Zusammenbruchs der Justiz findet sich in U. Ludwig, „Strafverfolgung und Gnadenpraxis in Kursachsen unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges“, Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 10 (2006), 200–219. Daten zur Geistlichkeit aus J. Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg (Bamberg 1962), S. 106; W. E. Heydendorff, „Vorderösterreich im Dreißigjährigen Krieg“, MÖSA 12 (1959), 74–142, hier S. 139. 127. 6. Oktober 1638, HHStA, KA 94 (neu), Bl. 152–153. 128. Hock, Kitzingen, S. 172–173. 129. A. Klinger, Der Gothaer Fürstenstaat (Husum 2002), S. 116–125. 130. S. C. Pils, „Stadt, Pest und Obrigkeit“, in: Weigl (Hg.), Wien, S. 353–378; Kleinehagenbrock, Hohenlohe, S. 92–101. 131. Es gibt noch keine zufriedenstellende Kulturgeschichte des Dreißigjährigen Krieges. Einige Aspekte der „Hochkunst“ werden in den Bänden II und III von Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, erörtert. Umfassender ist die einzige sich selbst so nennende Kulturgeschichte des Kriegs. Sie stammt von Herbert Langer, leidet aber unter den Prämissen des DDR-Marxismus: H. Langer, Hortus Bellicus. Der Dreissigjährige Krieg. Eine Kulturgeschichte (Leipzig 1978), als Lizenzausgabe auch unter dem Titel: Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges (Stuttgart 1978). 132. Friedrich II. hat seine Abhandlung über die deutsche Literatur 1780 geschrieben; ediert in G. B. Volz (Hg.), Die Werke Friedrichs des Großen (10 Bde., Berlin 1912–14, Nachdruck Braunschweig 2006), VIII, S. 74–99, hier S. 77–78. 133. R. J. W. Evans, „Learned societies in Germany in the seventeenth century“, European Studies Review 7 (1977), 129–151, hier S. 142. Siehe auch ders., „Culture and anarchy in the Empire 1540–1680“, CEH 18 (1985), 14–30. 134. T. D. Kaufmann, Höfe, Klöster und Städte. Kunst und Kultur in Mitteleuropa 1450–1800 (übers. v. J. Blasius, Köln 1998). 135. H. O. Keunecke, „Maximilian von Bayern und die Entführung der Bibliotheca Palatina nach Rom“, Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978), 1401–1446; S. Hacker, „Universität und Krieg. Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die Universitäten Heidelberg, Tübingen und Freiburg“, Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 11 (2007), 163–173; Weber, Würzburg und Bamberg, S. 476–479. 136. D. R. Moser, „Friedensfeiern – Friedensfeste“, in: K. Garber (Hg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 1133–1153. Beispiele für die Flucht

Anmerkungen

137.

138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145.

146. 147. 148.

149.

von Künstlern in A. Tacke, „Der Künstler über sich im Dreißigjährigen Krieg“, in: ebd., S. 999–1041. M. Brecht, „Evangelische Friedensliteratur: Der Bußruf Johann Rists“, in: Bußmann und Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa, I, S. 251–257; M. Bassler, „Zur Sprache der Gewalt in der Lyrik des deutschen Barock“, in: M. Meumann und D. Niefanger (Hgg.), Ein Schauplatz herber Angst (Göttingen 1997), S. 125–144. M. Knauer, „Bedenke das Ende“. Zur Funktion der Todesmahnung in druckgraphischen Bildfolgen des Dreißigjährigen Krieges (Tübingen 1997). D. Kunzle, From Criminal to Courtier. The soldier in Netherlandish art 1550–1672 (Leiden 2002); B. Roeck, „The atrocities of war in early modern art“, in: J. Canning u. a. (Hgg.), Power, Violence and Mass Death (Aldershot 2004), S. 129–140. Zu dem Zyklus von Callot siehe P. Paret, Imagined Battles. Reflections of war in European art (Chapel Hill 1997), S. 31–45. H. Meise u. a. (Hgg.), Valentin Wagner (um 1610–1655). Ein Zeichner im Dreißigjährigen Krieg (Darmstadt 2003). Vgl. Abb. 34. Mehrere von Snayers’ eindrucksvollen Gemälden hängen im Heeresgeschichtlichen Museum Wien. Die Darstellungen der Schlacht am Weißen Berg sind abgebildet bei O. Chaline, La Bataille de la Montagne Blanche (Paris 1999). E. Rohmer, „Den Krieg als ein ‚anderer Vergil‘ sehen“, in: Garber (Hg.), Erfahrung und Deutung, S. 1043–1061. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, mit Anmerkungen und einer Zeittafel hg. v. A. Kelletat (München 172003). So die Interpretation von A. Merzhäuser: „Über die Schwelle geführt. Anmerkungen zur Gewaltdarstellung in Grimmelshausens Simplicissimus“, in: Meumann und Niefanger (Hgg.), Ein Schauplatz, S. 65–82; W. Kühlmann, „Grimmelshausens Simplicius Simplicissimus und der Dreißigjährige Krieg“, in: F. Brendle und A. Schindling (Hgg.), Religionskriege im alten Reich und in Alteuropa (München 2006), S. 163–175. M. Kaiser, „Der Jäger von Soest. Historische Anmerkungen zur Darstellung des Militärs bei Grimmelshausen“, in: P. Heßelmann (Hg.), Grimmelshausen und Simplicissimus in Westfalen (Bern 2006), S. 93–118. Heinisch, Lodron, S. 106–119, 152–170; Ritter, „Naumburg“, S. 81–83, 93. Poststrukturalistische Kritik findet sich in J. W. Scott, „The evidence of experience“, Critical Inquiry, 773–797. Einen brauchbaren Überblick über die methodologische Debatte bietet die Arbeit von J. Nowosadtko, „Erfahrung als Methode und als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis“, in: N. Buschmann und H. Carl (Hgg.), Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg (Paderborn 2001), S. 27–50; P. Munch (Hg.), „Erfahrung“ als Kategorie der Frühneuzeitsgeschichte (München 2001). Eine wichtige Briefsammlung, über die bereits Arbeiten vorliegen, ist die Sammlung der Familie Behaim aus Nürnberg: S. Ozment (Hg.), Three Behaim Boys. Growing up in early modern Germany (New Haven 1990); A. Ernstberger, Abenteurer des Dreißigjährigen Krieges (Erlangen 1963). Mehr zu persönlichen Zeugnissen und ihren Interpretationsproblemen in B. von Krusenstjern, „Was sind Selbstzeugnisse?“, Historische Anthropologie 2 (1994), 462–471; W. Schulze (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte (Berlin 1996).

1053

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Anhang 150. B. von Krusenstjern (Hg.), Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Berlin 1997). 151. Eine ausgezeichnete Erörterung dieser Literaturgattung findet sich in C. Woodford, Nuns as Historians in Early Modern Germany (Oxford 2002). 152. J. Thiebault, „The rhetoric of death and destruction in the Thirty Years War“, Journal of Social History 27 (1993), 271–290. Siehe auch G. Mortimer, Eyewitness Accounts of the Thirty Years War 1618–48 (Basingstoke 2002). 153. W. Behringer, Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit (Göttingen 2003); J. Weber, „Strasbourg 1605: the origins of the newspaper in Europe“, GH 24 (2006), 387–412; N. Peeters, „News, international politics and diplomatic strategies“, in: J. W. Koopmans (Hg.), News and Politics in Early Modern Europe (Löwen 2005), S. 97–113. 154. Das Theatrum Europaeum ist online verfügbar unter http://www.bibliothek.uni-augsburg.de/de/dda/urn/urn_uba000200-uba000399/uba000236-uba000256/. 155. R. W. Scribner, For the Sake of the Simple Folk. Popular propaganda for the German Reformation (Oxford 21994). 156. C. Oggolder, „Druck des Krieges“, und S. Reisner, „Die Kämpfe vor Wien im Oktober 1619 im Spiegel zeitgenössischer Quellen“, beide in: A. Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg (Wien 2001), S. 409–481. 157. P. Arblaster, „Private profit, public utility and secrets of state in the seventeenth century Habsburg Netherlands“, in: Koopmans (Hg.), News and Politics, S. 79–95. 158. A. Wendland, „Gewalt in Glaubensdingen. Der Veltliner Mord (1620)“, in: M. Meumann und D. Niefanger (Hgg.), Ein Schauplatz herber Angst (Göttingen 1997), S. 223– 239. 159. Die Standardinterpretation fasst E. von Frauenholz zusammen: Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., München 1938/39), I, S. 3–28. 160. G. Parker (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg (übers. v. U. Rennert, Frankfurt/Main 1987). Zu wichtigen seitdem veröffentlichten Arbeiten gehören C. Kapser, Die bayrische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges 1635–1648/49 (Münster 1997); P. Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts (Göttingen 1994); B. R. Kroener, „Conditions de vie et l’origine sociale du personnel militaire au cours de la Guerre de Trente Ans“, Francia 15 (1987), 321–350. 161. Kapser, Kriegsorganisation, S. 73. 162. 52 Prozent der französischen Soldaten kamen aus Städten, was einem viel höheren Anteil als dem der Stadt- an der Gesamtbevölkerung entspricht: R. Chaboche, „Les soldats français de la Guerre de Trente Ans“, Revue d’histoire moderne et contemporaine 20 (1973), 10–24. 163. K. Jacob, Von Lützen nach Nördlingen (Straßburg 1904), Anhang S. 108; Kapser, Kriegsorganisation, S. 64, Anm. 34. 164. P. H. Wilson, „Prisoners in early modern European warfare“, in: S. Scheipers (Hg.), Prisoners in War (Oxford 2010), S. 39–56. 165. M. Kaiser, Politik und Kriegführung (München 1999), S. 89–90, und ders., „Cuius exercitus, eius religio? Konfession und Heerwesen im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges“, ARG 91 (2000), 316–353; W. Kopp, Würzburger Wehr (Würzburg 1979), S. 41; D. Horsbroch, „Wish you were here? Scottish reactions to ‚postcards‘ to home from the

Anmerkungen

166. 167. 168.

169. 170.

171.

172. 173.

174. 175.

176. 177.

‚Germane warres‘“, in: S. Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years War (Leiden 2001), S. 245–269. G. Gajecky und A. Baran, The Cossacks in the Thirty Years War, Bd. I (Rom 1969), S. 89–91. R. I. Frost, „Scottish soldiers, Poland-Lithuania and the Thirty Years War“, in: Murdoch (Hg.), Scotland, S. 191–213. M. Kaiser, „‚Ist er vom Adel? Ja. Id satis videtur.‘ Adlige Standesqualität und militärische Leistung als Karrierefaktoren in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges“, in: F. Bosbach u. a. (Hgg.), Geburt oder Leistung? (München 2003), S. 73–90, sowie ders., „Die Karriere des Kriegsunternehmers Jan van Werth“, Geschichte in Köln, 49 (2002), 131–170. A. von Bismarck, „Die Memoiren des Junkers Augustus von Bismarck“, Jahresberichte des Altmärkischen Vereins für Vaterländische Geschichte 23 (1890), 90–105. B. A. Tlusty, Bacchus and Civic Order. The culture of drink in early modern Germany (Charlottesville, Va. 2001), S. 172–173, 208–210; E. Zöllner, „Der Lebensbericht des Bayreuther Prinzenerziehers Zacharias von Quetz“, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 15 (1955), 201–221, hier S. 212, 214. J. Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg (Berlin 1993), S. 62–63, 100. Einzelheiten zur Plünderung von Hilden bei U. Unger, „Der Dreißigjährige Krieg in Hilden“, in: S. Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg und seinen Nachbarregionen (Neustadt a. d. Aisch 2002), S. 275–297. Siehe auch F. Redlich, De praeda militari. Looting and booty 1500–1800 (Wiesbaden 1956). M. Bötzinger, Leben und Leiden während des Dreißigjährigen Krieges (Bad Langensalza 2001), S. 354; das Zitat nach Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit (4 Bde., Leipzig 241903), III, S. 138. O. Fina (Hg.), Klara Staigers Tagebuch. Aufzeichnungen während des Dreißigjährigen Krieges im Kloster Mariastein bei Eichstätt (Regensburg 1981), S. 167. Weitere Beispiele in H. Conrad und G. Teske (Hgg.), Sterbezeiten. Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen (Münster 2000), S. 48–54. K. Lohmann (Hg.), Die Zerstörung Magdeburgs (Berlin 1913), S. 186–187. A. V. Hartmann, „Identities and mentalities in the Thirty Years War“, in: A. V. Hartmann und B. Heuser (Hgg.), War, Peace and World Orders in European History (London 2001), S. 174–184; J. Burkhardt, „Ist noch ein Ort, dahin der Krieg nicht kommen sey? Katastrophenerfahrung und Kriegsstrategien auf dem deutschen Kriegsschauplatz“, in: H. Ladermacher und S. Groenveld (Hgg.), Krieg und Kultur (Münster 1998), S. 3–19; M. Kaiser, „Inmitten des Kriegstheaters: Die Bevölkerung als militärischer Faktor und Kriegsteilnehmer im Dreißigjährigen Krieg“, in: B. R. Kroener und R. Pröve (Hgg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit (Paderborn 1996), S. 281–305, sowie ders., „Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zu Konstituierung und Überwindung eines lebensweltlichen Antagonismus“, in: K. Krüger und S. Kroll (Hgg.), Militär und ländliche Gesellschaft in der Frühen Neuzeit (Münster 2000), S. 79–120. M. P. Gutmann, War and Rural Life in the Early Modern Low Countries (Princeton 1980), S. 163. R. G. Asch, „‚Wo der soldat hinkömbt, da ist alles sein‘: Military violence and atrocities in the Thirty Years War“, GH 13 (2000), 291–309; M. Kaiser, „Die ‚Magdeburgische

1055

1056

Anhang

178. 179.

180. 181.

182. 183. 184. 185. 186. 187. 188.

189. 190. 191. 192. 193.

Hochzeit‘ 1631“, in: E. Labouvie (Hg.), Leben in der Stadt. Eine Kultur- und Geschlechtergeschichte Magdeburgs (Köln 2004), S. 196–213, hier S. 205–208; Burschel, Söldner, S. 27–33. Bötzinger, Leben und Leiden, S. 363. J. C. Thiebault, „Landfrauen, Soldaten und Vergewaltigungen während des Dreißigjährigen Krieges“, Werkstatt Geschichte 19 (1998), 25–39, hier S. 35–36; Kaiser, „‚Magdeburgische Hochzeit‘“, S. 206–208. Beispiele in Conrad und Teske (Hgg.), Sterbezeiten, S. 308–310; F. Kleinehagenbrock, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg (Stuttgart 2003), S. 124–126. M. A. Junius, „Bamberg im Schweden-Kriege“, Bericht des Historischen Vereins zu Bamberg 53 (1891), 169–230, hier S. 213–222. B. Hoffmann, „Krieges noth und grosse theuerung. Strategien von Frauen in Leipzig 1631–1650“, in: K. Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden (München 2001), S. 369–392; F. Hatje, „Auf der Suche nach den Flüchtlingen und Exulanten des Dreißigjährigen Krieges“, in: M. Knauer und S. Tode (Hgg.), Der Krieg vor den Toren: Hamburg im Dreißigjährigen Krieg 1618–1648 (Hamburg 2000), S. 181– 211. C. von Bismarck, „Das Tagebuch des Christoph von Bismarck aus den Jahren 1625– 1640“, Thüringisch-sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 5 (1915), 67–98, hier S. 74–76; Woodford, Nuns, S. 145, 165–170. N. Schindler, „Krieg und Frieden und die ‚Ordnung der Geschlechter‘“, in: Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung, S. 393–452, hier S. 444–445. Kleinehagenbrock, Hohenlohe, S. 128–129. Conrad und Teske (Hgg.), Sterbezeiten, S. 51–53. R. Monro, Monro, his expedition with the worthy Scots regiment called Mac-Keys (hg. v. W. S. Brockington, Westport 1999), S. 252. Peters (Hg.), Söldnerleben, S. 103. Zitate aus Junius, „Bamberg“, S. 178, 213, 221–222; W. Watts, The Swedish Intelligencer (3 Bde., London 1633–34), II, S. 95a. Die letztgenannte Quelle berichtet ebenfalls von Frauen, die kochendes Wasser auf die Schweden gossen, in diesem Falle ist von Biberach 1632 die Rede. O. Ulbricht, „The experience of violence during the Thirty Years War: a look at the civilian victims“, in: J. Canning u. a. (Hgg.), Power, Violence and Mass Death (Aldershot 2004), S. 97–127, hier S. 108. Hans Heberles „Zeytregister“ (1618–1672) (hg. v. G. Zillhardt, Ulm 1975), S. 148–153, Zitat S. 148. J. Ackermann, Jürgen Ackermann, Kapitän beim Regiment Alt-Pappenheim 1631 (Halberstadt 1895), S. 41–43. P. Bloch, „Ein vielbegehrter Rabbiner des Rheingaus, Juda Mehler Reutlingen“, in: Festschrift zum siebzigsten Geburtstag Martin Philippsons (Leipzig 1916), S. 14–34; A. Levy, Die Memoiren des Ascher Levy aus Reichshofen im Elsaß (1598–1635) (Berlin 1913). J. N. de Parival, Abrégé de l’Histoire de ce siècle de fer (Leiden 1653). Die Zitate von Gryphius stammen aus dessen Sonett „Menschliches Elende“, in: K. Pörnbacher (Hg.), Deutsche Dichtung des Barock (München und Wien 61979), S. 111. Zu Gryphius siehe M. Meumann, „The experience of violence and the expectations of the end of the world

Anmerkungen

194. 195.

196. 197. 198. 199.

200. 201.

202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209.

210.

in seventeenth-century Europe“, in: Canning u. a. (Hgg.), Power, Violence and Mass Death, S. 141–153. Beispiele in E. Düssler, „Kleve-Mark am Ende des Dreißigjährigen Krieges“, Düsseldorfer Jahrbuch 47 (1955), 254–296. R. Pröve, „Violentia und Potestas. Perzeptionsprobleme von Gewalt in Söldnertagebüchern des 17. Jahrhunderts“, und S. Externbrink, „Die Rezeption des ‚Sacco di Mantova‘ im 17. Jahrhundert“, in: Meumann und Niefanger (Hgg.), Schauplatz, S. 24–42 bzw. 205–222. Bismarck, „Memoiren“, S. 97–100. G. Davies (Hg.), Autobiography of Thomas Raymond (London 1917), S. 38. Junius, „Bamberg“, S. 15–37. Die Literatur zu diesem Thema ist höchst umfangreich. Wichtige Untersuchungen für das Reich sind u. a. H. C. E. Midelfort, Witchhunting in Southwestern Germany 1562– 1684 (Stanford 1972); W. Behringer, Hexenverfolgung in Bayern: Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der Frühen Neuzeit (München 1997). Zum allgemeinen Klima der Furcht siehe A. Cunningham und O. P. Grell, The Four Horsemen of the Apocalypse. Religion, war, famine and death in Reformation Europe (Cambridge 2000). S. Ehrenpreis, „Der Dreißigjährige Krieg als Krise der Landesherrschaft“, in: Ehrenpreis (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Berg, S. 66–101, hier S. 91–92. Junius, „Bamberg“, S. 13–14; B. Gehm, Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des Reichshofrates zu ihrer Beendigung (Hildesheim 2000). Ein paralleler, nicht weniger düsterer Fall im Bistum Eichstätt wurde ebenfalls von der katholischen Geistlichkeit gegen Kontrahenten aus der lokalen politischen und gesellschaftlichen Elite angezettelt: J. B. Durrant, Witchcraft, Gender and Society in Early Modern Germany (Leiden 2007). Zöllner, „Lebensbericht“, S. 205–210. Junius, „Bamberg“, S. 169–170. Ozment (Hg.), Three Behaim Boys, S. 161–284; Ernstberger, Abenteurer. Zitate nach Peters (Hg.), Söldnerleben, S. 42–43. Lohmann (Hg.), Zerstörung, S. 271. M. Merian, Topographia Germaniae (14 Bde., Frankfurt/Main 1643–75, Nachdruck Braunschweig 2005), hier der Bd. über Braunschweig-Lüneburg, S. 84. C. Bartz, Köln im Dreißigjährigen Krieg (Frankfurt/Main 2005), S. 225–226, 272; Junius, „Bamberg“, S. 161–162. Zu den Friedensfeiern siehe C. Ganter, La paix de Westphalie (1648). Une histoire sociale, XVIIe-XVIIIe siècles (Paris 2001). D. R. Moser, „Friedensfeiern – Friedensfeste“, in: Garber u. a. (Hgg.), Erfahrung und Deutung, S. 1133–1153; R. R. Heinisch, Paris Graf Lodron (Wien 1991), S. 301; Z. Hojda, „Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des Dreißigjährigen Krieges“, in: K. Bußmann und H. Schilling (Hgg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa (3 Bde., Münster 1998), I, S. 403–411, hier S. 409–411. J. Burkhardt, „Reichskriege in der frühneuzeitlichen Bildpublizistik“, in: R. A. Müller (Hg.), Bilder des Reiches (Sigmaringen 1997), S. 51–95, hier S. 72–80. Zu den Feierlichkeiten in Sachsen siehe B. Roeck, „Die Feier des Friedens“, und K. Keller, „Das ‚eigentliche wahre und große Friedensfest … im ganzen Sachsenlande‘. Kursachsen von 1648 bis 1650“, beide in: H. Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede (München 1998), S. 633–677. Zu anderen Territorien siehe D. Schröder, „Friedensfeste in Hamburg

1057

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Anhang

211.

212. 213. 214. 215. 216.

1629–1650“, in: Knauer und Tode (Hgg.), Der Krieg vor den Toren, S. 335–346; A. Klinger, Der Gothaer Fürstenstaat (Husum 2002), S. 326–330; Kleinehagenbrock, Hohenlohe, S. 276–309. M. Friesenegger, Tagebuch aus dem Dreißigjährigen Krieg (München 2007), S. 11, 14–16. Die Ähnlichkeit der Reaktionen auf Krieg und Naturkatastrophen erhellt aus der Diskussion in M. Jakubowski-Tiessen und H. Lehmann (Hgg.), Um Himmels Willen: Religion in Katastrophenzeiten (Göttingen 2003). B. Roeck, „Der Dreißigjährige Krieg und die Menschen im Reich. Überlegungen zu den Formen psychischer Krisenbewältigung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, in: Kroener und Pröve (Hgg.), Krieg und Frieden, S. 265–279. P. Guglielmetti (Hg.), Johanna Eleonora Petersen, geb. von und zu Merlau. Leben, von ihr selbst mit eigener Hand aufgesetzet: Autobiographie (Leipzig 2003), S. 9. A. Holzem, „Maria im Krieg – Das Beispiel Rottweil 1618–1648“, in: F. Brendl und A. Schindling (Hgg.), Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa (Münster 2006), S. 191–216. G. P. Sreenivasan, The Peasants of Ottobeuren 1487–1726 (Cambridge 2004), S. 286; Ulbricht, „The experience of violence“, S. 121–124. D. Hopkin, Soldier and Peasant in French Popular Culture 1766–1870 (Woodbridge 2003), bes. S. 240–242.

Zu den Währungsangaben Währung

entspricht

Dukaten (Spanien)

2,35 Florin (Niederlande) oder 1,4 Florin (Deutschland)

Dukaten (Neapel)

0,7 Dukaten (Spanien)

Escudo (Spanien)

1,1 Dukaten (Spanien, 1620) oder 2,5 Florin (Niederlande)

Florin (Deutschland)

1,7 Florin (Niederlande)

Livre (Frankreich)

anfangs 0,7 Florin (Deutschland), nach 1640 nur noch 0,5 Florin

Pfund Sterling (England und Schottland)

4,2–4,8 Taler

Reichstaler (Dänemark und Schweden)

1–1,5 Florin (Deutschland)

Taler (Heiliges Römisches Reich)

1,5 Florin (Deutschland) oder 2,5 Florin (Niederlande)

Welcher aktuelle Gegenwert den Währungen des 17. Jahrhunderts zukommt, ist schwer zu ermitteln. Zur Orientierung mag das Folgende dienen: Mit 7,5 bis 10 Florin konnte man 1618 genug Getreide kaufen, um einen Erwachsenen ein Jahr lang zu ernähren.

Verzeichnis der Karten und Schlachtenpläne Karten 1. Mitteleuropa im Jahr 1618 2. Das Veltlin und die Schweizer Alpenpässe

Schlachtenpläne 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

Am Weißen Berg (1620) Wimpfen (1622) Höchst (1622) Stadtlohn (1623) Lutter am Barenberge (1626) Stralsund (1628) Mantua (1630) Breitenfeld (1631) Rain am Lech (1632) Steinau (1632) An der Alten Veste (1632) Lützen (1632) Hessisch Oldendorf (1633) Nördlingen (1634) Wittstock (1636) Rheinfelden (1638) Wittenweier (1638) Wolfenbüttel (1641) Breitenfeld (1642) Tuttlingen (1643) Freiburg (1644) Jankau (1645) Herbsthausen (1645) Alerheim (1645) Zusmarshausen (1648)

Verzeichnis der Karten und Schlachtenpläne

Legende kaiserliche Infanterie kaiserliche Kavallerie kaiserliche Vorstöße „protestantische“ Infanterie „protestantische“ Kavallerie „protestantische“ Vorstöße Artillerie Turm Schanzen Verhaue oder Barrikaden Siedlung Wald Hügel Sumpf Wasser Straßen und Wege

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Bildnachweis (Bildrechtenachweise in Klammern.) Abb. 1: Der Prager Fenstersturz von 1618, Kupferstich von Matthäus Merian d. Ä., aus dem Theatrum Europaeum, Frankfurt 1622 (Universitätsbibliothek Augsburg). Abb. 2: „Christenverfolgung“ der „Spanischen Inquisition“, 1622, aus einem zeitgenössischen Flugblatt (Harry Ransom Humanities Research Center, University of Texas at Austin). Abb. 3: Die Reichsstadt Nördlingen, Kupferstich von Matthäus Merian d. Ä., aus seiner Topographia Germaniae, Frankfurt 1643. Abb. 4: Das Dorf Friedenswunsch (Ildehausen), aus Merians Topographia Germaniae. Abb. 5: Wappen der Reichsstadt Buchhorn, 1619 (Stadtgeschichtliche Sammlungen der Stadt Friedrichshafen; Foto © Toni Schneiders). Abb. 6: Detail der Krone Rudolfs II., 1602, angefertigt von Jan Vermeyen (Kunsthistorisches Museum, Wien). Abb. 7: Kaiser Ferdinand II. (Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien). Abb. 8: Die mystische Verlobung der hl. Katharina, mit Kaiser Matthias als Apostel Matthias und Kaiserin Anna als hl. Helena, 1614, von Matthäus Gundelach (Kunsthistorisches Museum, Wien). Abb. 9: Musketiere, aus Hans Conrad Lavaters Kriegs-Büchlein, Zürich 1644. Abb. 10: Berittene Arkebusiere führen eine Caracolla aus, aus Hermann Hugos De militia equestri antiqua et nova ad regem Philippum IV, Antwerpen 1630 (Foto © Chetham’s Library, Manchester). Abb. 11: Erzherzogin Isabella, um 1616/17, von Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä. (Museo Nacional del Prado, Madrid; Foto © AISA). Abb. 12: König Gustav II. Adolf von Schweden, Kopie einer undatierten Porträtskizze von „L. S.“ (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Abb. 13: Der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna, 1635, Kopie nach Michiel Jansz. van Mierevelt (© Nationalmuseum, Stockholm). Abb. 14: Herzog Maximilian I. von Bayern, um 1620, von einem unbekannten Künstler (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München; Foto © akg-images). Abb. 15: Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz als König von Böhmen, um 1619, von Gerrit van Honthorst (Sammlung des Herzogs von Buccleuch und Queensberry; Foto © akg-images). Abb. 16: Fürst Christian I. von Anhalt-Bernburg, Kupferstich von Merian, aus dem Theatrum Europaeum. Abb. 17: Porträt des Grafen Johann t’Serclaes von Tilly, um 1620, von einem unbekannten Künstler (Landesmuseum Braunschweig; Foto © akg-images). Abb. 18: Die Hinrichtung der böhmischen Rebellen beim „Prager Blutgericht“ am 21. Juni 1621, aus einem zeitgenössischen Flugblatt (Foto © akg-images).

Bildnachweis

Abb. 19: Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel, 1619, von Paulus Moreelse (Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig; Foto © akg-images). Abb. 20: Die Schlacht bei Stadtlohn, 1623, aus einem zeitgenössischen Flugblatt (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Abb. 21: Die Belagerung von Breda, Kupferstich von Merian, aus dem Theatrum Europaeum (Universitätsbibliothek Augsburg). Abb. 22: Gustav Adolf und Johann Georg von Sachsen zu Pferd, 1631 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Abb. 23: Albrecht von Wallenstein, um 1626, von Christian Kaulfersch (Museum Schloss Friedland/Frýdlant, Tschechien; Foto © Deutsche Fotothek). Abb. 24: Gustav Adolf landet in Pommern, 1630, von Georg Köler (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Abb. 25: Die Schlacht bei Lützen mit König Gustav Adolph von Schweden (Detail), 1632, von Jan Asselijn (Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig; Foto © akgimages/ullstein bild). Abb. 26: Wallensteins Brief an Pappenheim, mit dessen Blut befleckt, 1632 (Heeresgeschichtliches Museum, Wien). Abb. 27: Königin Christina von Schweden, 1634, Werkstatt des Jacob Heinrich Elbfas (© Nationalmuseum, Stockholm). Abb. 28: Die Ermordung Wallensteins und seiner Offiziere in Eger am 25. Februar 1634, Kupferstich von Merian, aus dem Theatrum Europaeum (Foto © akg-images). Abb. 29: Kaiser Ferdinand III., undatierter Stich (Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien). Abb. 30: Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel, Kupferstich von Merian, aus dem Theatrum Europaeum. Abb. 31: Die Seeschlacht in den Downs gegen die Spanische Armada am 21. Oktober 1639 (Detail), von Willem van de Velde d. Ä. (Rijksmuseum, Amsterdam). Abb. 32: Graf Maximilian von Trauttmansdorff, Porträt eines unbekannten Künstlers (© Nationalmuseum, Stockholm). Abb. 33: Die Weihe der Mariensäule in München, Stich, 17. Jahrhundert (Foto © Bildarchiv Foto Marburg). Abb. 34: Votivgemälde, gestiftet von sieben bayerischen Kavalleriesoldaten zum Dank für ihre Rettung in der Schlacht bei Alerheim, 1651, süddeutsche Schule (Schloss Baldern, Bopfingen). Abb. 35: „Memento mori“ von Hans Ulrich Franck (Kunsthalle, Bremen). Abb. 36: Die Rache der Bauern, 1643, von Hans Ulrich Franck (Staatliche Kunstsammlungen, Dresden; Foto © Deutsche Fotothek). Abb. 37: Soldaten plündern ein Dorf, 1643, von Hans Ulrich Franck (Kupferstichkabinett, Kunsthalle, Bremen). Abb. 38: Fahne der Kompanie des Hauptmanns Concin vom kaiserlichen Infanterieregiment Graf Hardegg, 1632 (Niederösterreichisches Landesarchiv, Wien). Abb. 39: Friedensfeiern in Nürnberg, 1650, Kupferstich von Merian, aus dem Theatrum Europaeum (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Abb. 40: Die Beschwörung des Friedens von Münster am 15. Mai 1648, von Gerard ter Borch (Rijksmuseum, Amsterdam).

1063

Abkürzungen AHVN APW ARG BA BDLG CEH Doc. Bo. EHQ EHR FBPG GH HHStA HJ HJb HZ IHR JMH KA MEA MIÖG MÖSA NASG NTSR P&P TE

VSWG WVJHLG WZ ZBLG ZGO ZHF ZNRG ZPGLK ZSRG GA ZSRG KA

Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein Acta Pacis Westphalicae (hg. v. K. Repgen, 36 Bde., Münster 1961 ff. ) Archiv für Reformationsgeschichte Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Neue Folge (hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 8 Bde., München 1906–97) Blätter für deutsche Landesgeschichte Central European History Documenta Bohemica bellum tricennale illustrantia (hg. v. M. Kouřil, 7 Bde., Prag 1971–81) European History Quarterly English Historical Review Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte German History Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Historical Journal Historisches Jahrbuch Historische Zeitschrift International History Review Journal of Modern History Kriegsakten Mainzer Erzkanzlerarchiv Wien Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Neues Archiv für sächsische Geschichte Neues Teutsches Staatsrecht (J. J. Moser, 20 Bde. in 36 Teilen, Frankfurt/ Leipzig 1767–82) Past and Present Theatrum Europaeum oder Außführliche vnd Wahrhafftige Beschreibung aller und jeder denkwürdiger Geschichten (hg. v. M. Merian, 4 Bde., Frankfurt/ Main 1633–52), online verfügbar unter: http://www.bibliothek.uni-augsburg. de/de/dda/urn/urn_uba000200-uba000399/uba000236-uba000256/ Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte Westfälische Zeitschrift Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung

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Personenregister Mitglieder von Königshäusern, weltliche Kurfürsten, Statthalter der Vereinigten Niederlande und italienische Fürsten sind nach ihrem Vornamen eingeordnet, alle anderen Personen erscheinen unter dem Herrscherhaus beziehungsweise ihrem Familiennamen. Personen mit gleichem Vornamen sind gemäß der zeitgenössischen Rangfolge ihrer Herrschaftsgebiete aufgeführt. Abbas I. (1557–1628), Schah von Persien seit 1587 135, 137 Abbot, George (1562–1633), Erzbischof von Canterbury seit 1611 319 Abelin, Johann Philipp (†1634), Publizist 939 Ackermann, Jürgen (1603–80), Hauptmann 954, 1016 Adami, Adam (1610–63), Abt von Murrhardt 829 Ahmed I. (1590–1617), osmanischer Sultan seit 1603 137 Aichinger, Martin, genannt Laimbauer (1592– 1636), Prädikant und Bauernführer 635 Alba, Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von (1507–82), Statthalter der Spanischen Niederlande 1567–73 173, 177, 188, 199, 441 Albornoz, Gil Carillo de (1579–1649), Kardinal, Statthalter von Mailand 1634/35 752 Albrecht IV. (1447–1508), Herzog von Bayern seit 1467 259 Albrecht V. (1528–79), Herzog von Bayern seit 1550 259 f., 269 Albrecht VII. von Österreich (1559–1621), Regent der Spanischen Niederlande seit 1599 94, 145, 148, 169 f., 193–195, 198, 214 f., 301, 303 f., 307, 310, 312, 326, 333, 356, 406, 940 Albrecht, Dieter (1927–99), Historiker 285 Albuquerque, Francisco Fernández de la Cueva, Herzog von (1619–76), General 775 Aldringen, Johann (1588–1634), General 177, 335, 490, 497, 503, 507, 541, 592, 599, 604, 606, 617, 629, 631–634, 638, 640, 643, 645 f., 648 Alexander VI. (Rodrigo de Borgia, 1431– 1503), Papst seit 1492 167 Alexander VII. siehe Chigi Aliaga, Luis de (1565–1626), Dominikanermönch 172

Alsted, Johann Heinrich (1588–1638), Theologe 337 f. Alt, Salome (1568–1633), Mätresse des Salzburger Erzbischofs 322 Altenburg siehe Sachsen-Altenburg Althan, Michael Adolf Graf von (1574–1636) 104 Althusius, Johannes (1557–1638), politischer Theoretiker 197 Andreae, Johann Valentin (1586–1654), Schriftsteller 321 Andreas von Österreich (1558–1600), Kardinal, Bischof von Konstanz seit 1589 989 Angoulême, Charles de Valois, Herzog von (1573–1610), Offizier 381 Anhalt-Bernburg, Christian I. von (1568– 1630), Fürst seit 1586 274, 279–281, 284, 290 f., 296, 302, 304, 308, 313, 319–323, 333, 336, 338–341, 354, 363 f., 368 f., 375, 382, 384–387, 389, 391, 393, 400 f., 445, 515, 929 Anhalt-Bernburg, Christian II. von (1599– 1656), Fürst seit 1630 390, 401 Anhalt-Köthen, Ludwig I. von (1579–1650), Fürst seit 1586 239, 338, 340, 584 Anholt, Johann Jakob von Brockhorst, Graf von (1582–1630), General 177, 420 f., 425, 427, 430, 433 f., 481, 504, 509, 512, 531, 553 Aniello siehe Masaniello Anna von Tirol (1585–1618), Kaiserin 312, 316, 351 f. Anna von Dänemark (1574–1619), Königin von England und Schottland 221 Anna von Österreich (1549–80), Königin von Spanien 331 Anna von Österreich (1601–66), Königin von Frankreich 470, 770, 772 f., 776, 847, 985 Anna von Preußen (1576–1625), Kurfürstin von Brandenburg 248, 267 Anna Katharina von Brandenburg (1575– 1612), Königin von Dänemark 229, 248

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Anhang Anna Katharina Constantia Wasa (1619–51), Prinzessin von Polen-Litauen 824 Anna Maria von der Pfalz (1561–89), schwedische Kronprinzessin 247 Anselm siehe Wambolt von Umstadt Anstruther, Sir Robert, Diplomat 478 Arminius, Jacobus (1560–1609), Theologe 404 Arnim-Boitzenburg, Hans Georg von (1583– 1641), General 441, 488, 500, 511 f,, 514, 522 f., 526 f., 560, 572, 576 f., 591 f., 601, 603, 615, 629 f., 635, 637, 640, 642, 646 f., 672, 719 Arundel and Surrey, Thomas Howard Earl of (1585–1646), Diplomat 688 f., 697, 894 f., 1023 Aschhausen, Johann Gottfried von (1575– 1622), Bischof von Bamberg seit 1609 258 Auersperg, Johann Weikhard Graf (später Fürst) von (1615–77), Diplomat 780 August (1526–86), Kurfürst von Sachsen seit 1553 169, 261 f., 276 August II. der Starke (1670–1733), Kurfürst von Sachsen seit 1694 und König von Polen seit 1697 878 Augustinus von Hippo (354–430), Kirchenvater und Heiliger 58 Avaux, Claude de Mesmes, Graf d’ (1595– 1650), Diplomat 681, 717, 732, 782, 819, 845 Aytona, Francisco de Moncada, Graf von Osuna und Marqués de (1586–1635), Diplomat 485 f., 551, 627 Baden, Jakobe von (1558–97), Herzogin von Jülich-Kleve-Berg 299 Baden-Durlach, Friedrich V. von (1594– 1659), Markgraf seit 1622 421, 564 Baden-Durlach, Georg Friedrich von (1573– 1638), Markgraf 1577–1622 305, 414, 416, 421 f., 424 f., 427, 435, 455, 482, 512–515, 564 Bamberger, Kaspar, Offizier 620 Bandhauer, Zacharias (1585–1657), Kleriker 1016 Banér, Johan (1596–1641), General 604, 613, 615, 629, 646 f., 678–682, 684, 686 f., 699, 701, 717–719, 722–724, 730 f., 734, 740, 804, 904, 946, 1032 f.

Barbara Sophia von Brandenburg (1584– 1636), Herzogin von Württemberg 992 Barudio, Günter (*1942), Historiker 73 Bassevi, Jacob (1580–1634), Finanzier 909 Basta, Giorgio (1550–1612), General 136– 139 Báthory, Sigismund (Zsigmond) (1572–1613), Fürst von Siebenbürgen seit 1588 136 f. Báthory, Stephan (István) (1533–86), Fürst von Siebenbürgen 1571–76, König von Polen seit 1576 77 Baudissin, Wolfgang Heinrich von (1597– 1646), General 581 f., 672, 680, 682, 684 Bayreuth, Christian von (1581–1655), Markgraf seit 1603 586 Becanus SJ, Martin (1563–1624), Theologe 48 Beck, Johann (1588–1648), General 177, 774 f. Behaim, Hans Jakob (1621–46), Soldat 959 Behaim, Stephan Karl (1612–38), Soldat 959 Belgiojoso, Jacopo, General 137 f. Bentheim-Tecklenburg, Anna von (†1624), Fürstin von Anhalt-Bernburg 338 Bergh, Heinrich Graf von dem (1573–1638), General 419, 428, 531 f., 620, 627, 645 Bernhard siehe Sachsen-Weimar Besold, Christoph (1577–1638), Jurist 928 Bethlen (von Iktár), Gabriel (Gábor) (1580– 1629), Fürst von Siebenbürgen seit 1613 362, 369–372, 374–376, 382, 391 f., 400, 410–412, 416, 418, 430, 435 f., 476, 481 f., 485, 507, 510 f., 691, 803, 805 Bielke, Sten (†1638) 684 Birkenfeld siehe Pfalz-Birkenfeld-Bischweiler Bismarck, Augustus von (1611–70), Offizier 682, 945, 956 Bismarck, Christoph von (1583–1655), Gutsbesitzer 951 Bismarck, Otto von (1815–98), Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs 339 Blanning, Timothy C. W. (*1942), Historiker 28 Bocskai, Stephan (István) (1557–1606), Fürst von Transsilvanien seit 1605 138–140 Bodin, Jean (1530–96), Staatstheoretiker 64, 814 Bonifatius VIII. (Benedetto Caetani) (1235– 1303), Papst seit 1294 340

Personenregister Bönninghausen, Lothar Dietrich von (1598– 1657), General 592, 624, 627, 820, 833 Boorke, Edmond, Offizier 639 Borch, Gerard ter (1617–81), Künstler 779, 845 Borromäus, Karl (Carlo Borromeo) (1538– 84), Kardinal und Heiliger 45–47, 51, 211 Bötzinger, Martin (1599–1673), Pfarrer 909, 947, 950 Bouillon, Frédéric-Maurice de la Tour d’Auvergne, Herzog von (1605–52), 709, 771 Bouillon, Henri de la Tour d’Auvergne, Vizegraf von Turenne und Herzog von (1555– 1623) 284, 302, 465 f. Bourbon, Marie de (1606–92), Gräfin von Soissons seit 1641 753 Brahe, Tycho (1546–1601), Astronom 94 Brandenburg-Ansbach, Albrecht von (1490– 1568), Hochmeister des Deutschen Ordens 1510–25, Herzog in Preußen seit 1525 233 f. Brandenburg-Ansbach, Joachim Ernst von (1583–1625), Markgraf seit 1603 305, 308, 312, 381, 383, 988 Brandenburg-Bayreuth, Christian von (1581– 1655), Markgraf seit 1603 988 Brandenburg-Jägerndorf, Johann Georg von (1577–1624), Markgraf seit 1603 273 f., 356, 384, 391, 400, 408, 410–412, 420, 988 Brandenstein, Christoph Carl Graf von (1593–1637), Offizier 618 Braunschweig-Lüneburg, August der Ältere von (1568–1636), Administrator von Ratzeburg seit 1610 477 Braunschweig-Lüneburg, Christian von (1566–1633), Administrator von Minden 1599–1629 477, 479 Braunschweig-Lüneburg, Christian Ludwig von (1622–65), Fürst von Calenberg 1641– 48, Fürst von Lüneburg seit 1648 736 Braunschweig-Lüneburg, Friedrich IV. von (1574–1648), Fürst von Lüneburg seit 1636 736 Braunschweig-Lüneburg, Georg von (1582– 1641), Fürst von Calenberg seit 1636 177, 479, 513, 582 f., 606, 615, 622, 624 f., 652, 672 f., 676, 696, 716 f., 721, 723, 731 f., 736, 1033

Braunschweig-Wolfenbüttel, August der Jüngere von (1579–1666), Herzog seit 1635 673, 716 f., 732, 736 Braunschweig-Wolfenbüttel, Christian der Jüngere Herzog von (1599–1626), Administrator von Halberstadt 1616–23 182, 231, 416–418, 420 f., 425, 427–430, 432–435, 445, 455, 476 f., 479, 482, 503 f., 531, 699, 738, 850, 893 Braunschweig-Wolfenbüttel, Friedrich Ulrich von (1591–1634), Herzog seit 1613 416, 429, 478 f., 509, 514 f., 582 f., 622, 672 Braunschweig-Wolfenbüttel, Heinrich Julius von (1564–1613), Herzog seit 1589, Administrator von Halberstadt seit 1566 169, 231, 268 f., 301, 310 f., 416 Braunschweig-Wolfenbüttel, Philipp Sigismund Herzog von (1568–1623), Administrator von Verden seit 1586 und von Osnabrück seit 1591 231, 477 Brecht, Bertolt (1898–1956), Dramatiker 494, 933 Brenner, Martin (1548–1616), Bischof von Seckau seit 1585 98, 101–103 Breuner, Johann Philipp von (1588–1632), General 490 Breuner, Philipp Friedrich von (1601–38), General 490 Breuner, Seyfried Christoph von (1569–1651), kaiserlicher Geheimer Rat 81 Bronckhorst-Gronsfeld, Jost Maximilian Graf von (1598–1662), General 493, 567, 624 f., 640, 664, 833, 835 f., 849 f., 852, 932 Brûlart de Leon, Charles, Diplomat 553 Buckingham, George Villiers Herzog von (1592–1628), Staatsmann 454, 458–460, 536, 577 Bucquoy, Karl (Charles) Bonaventura von Longueval, Graf von (1571–1621), General 177, 352, 355 f., 359 f., 363, 369, 371 f., 375, 379, 382, 384, 386, 389 f., 393, 410 f. Budov, Václav Budovec von (†1621) 152 Burgsdorf, Conrad von (1595–1652), Offizier 701 Buschmann, Peter von (†1673), Paderborner Kanzler 829 Bussy-Lameth, Charles Graf von (†1637), Offizier 693 Butler, Walter (1600–34), Offizier 639, 641– 643, 648

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Anhang Cäcilia Renata von Österreich (1611–44), Königin von Polen 681 Calderón, Rodrigo (1570–1621), Staatsmann 405 Callot, Jacques (1592–1635), Künstler 930 Calvin, Johannes (1509–64), Theologe 57 f., 404 Camerarius, Ludwig (1573–1651), Staatsmann und Rechtsgelehrter 363, 401 Campen, Daniel von (1580–1654), braunschweigischer Berghauptmann 961 Caracciolo, Tommaso (1572–1631), General 419, 425 Carafa, Carlo (1584–1644), Nuntius 100 Carafa, Girolamo (1564–1653), General 177, 435, 488 Carafa, Vincenzo (1585–1649), Jesuitengeneral seit 1646 829 Carlo siehe Karl I. Gonzaga Carlos de Austria (1545–68), Infant von Spanien 92 f. Castañeda, Sancho de Monroy y Zúñiga, Marqués de (†1646), Diplomat 770 Castel Rodrigo, Manuel de Moura y Corte Real, Marqués de (†1652), Statthalter der Spanischen Niederlande 1644–47 781 Charnacé, Hercule Girard Baron de (1588– 1637), Diplomat 527, 561, 621 Châtillon siehe Coligny Châtre, Claude de la (1536–1614), General 302, 306 Chemnitz, Bogislaw Philipp von (Hippolithus a Lapide) (1605–78), Historiker und Publizist 560, 677 Chevreuse, Marie Aimée de Rohan-Montbazon, Herzogin von (1600–79) 588 Chigi, Fabio (1599–1667), Nuntius, später (1655) Papst Alexander VII. 689, 779, 845, 863 Christian III. (1503–59), König von Dänemark seit 1534 223 Christian IV. (1577–1648), König von Dänemark seit 1588 223, 225–232, 248, 252, 401, 407, 416, 429, 478 f., 481 f., 486, 492, 501 f., 506 f., 509 f., 512–514, 516 f., 519 f., 523, 525, 556, 559, 591, 615, 717, 792–798, 813, 1001 Christian (1607–47), Prinz von Dänemark 229 Christian I. (1560–91), Kurfürst von Sachsen seit 1586 277 f.

Christian II. (1583–1611), Kurfürst von Sachsen seit 1591 278, 284, 312, 317 Christian Wilhelm Markgraf von Brandenburg (1587–1665), Administrator von Magdeburg 1598–1631 266, 477, 501, 523, 564 f., 584 Christian siehe Braunschweig-Wolfenbüttel Christina (1626–89), Königin von Schweden 1632–54 240, 249, 569, 612 f., 676, 740, 782, 793, 853, 855, 873, 880, 927 Cinq-Mars, Henri Coiffier de Ruzé d’Effiat, Marquis de (1620–42), Höfling 770 f. Cirksena, Enno III. (1563–1625), Graf von Ostfriesland seit 1599 197, 428 Claudia de’ Medici, Prinzessin der Toskana (1604–48), Regentin von Tirol 1632– 46 595, 676, 722, 724, 781 Clausewitz, Carl von (1780–1831), General 472 Clemens VIII. (Ippolito Aldobrandini) (1536– 1605), Papst seit 1592 206 Coligny, Gaspard III. de, Herr von Châtillon, genannt „Maréchal de Châtillon“ (1584– 1646), General 187, 767, 770 f. Collalto, Rambaldo Graf von (1579–1630), General 116, 136, 410, 430, 488, 490, 538, 540 f., 545, 553 Colloredo-Waldsee, Hieronymus Graf von (1582–1638), General 490, 645 f. Colloredo-Waldsee, Rudolf Graf von (1585– 1657), General 116, 335, 490, 607, 645, 647, 855 Colonna, Freiherr von Fels, Leonhard (†1620), General 152, 350, 440 Comenius, Johann Amos (1592–1670), Theologe 337 Condé, Henri II. de Bourbon, Fürst von (1588–1646), General 463, 465, 666 f., 693, 756–758, 772 f. Condé, Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé, genannt Herzog d’Enghien (1621– 86), General 728, 773–776, 785 f., 788–790, 808–810, 812, 840, 844, 846 f. Contarini, Alvise (1597–1651), Diplomat 779, 845 Conti, Torquato, Marchese di Guadagnolo (1591–1636), General 335, 490, 592 Contzen SJ, Adam (1571–1635), Theologe 542

Personenregister Córdoba y Figueroa, Gonzalo Fernández de (1585–1645), General 419, 421 f., 424 f., 427, 534–538 Cranach der Ältere, Lucas (1472–1553), Künstler 926 Cratz von Scharffenstein, Johann Philipp (1585–1635), General 647 f. Craven, William Lord (1606–97), Offizier und Staatsmann 409, 697 Créquy, Charles I. de Blanchefort, Marquis de (1578–1638), Marschall von Frankreich 1035 Cromwell, Oliver (1599–1658), Lordprotektor von England seit 1653 839, 847 Czepko und Reigersfeld, Daniel von (1605– 60), Dichter 928 Czernin von Chudenitz, Diwisch (†1621), Hauptmann der Prager Burg 348, 441 Czernin von Chudenitz, Hermann Graf (1576–1651), Diplomat 805 Dampierre, Henri Duval Graf von (1580– 1620), General 116, 335, 351 f., 355–358, 371, 379, 382, 392 Darmstadt siehe Hessen-Darmstadt Dauth, Johann (1581–1634), Bürgermeister von Magdeburg 544 Dernbach, Balthasar von (†1606), Abt von Fulda seit 1570 258 Descartes, René (1596–1650), Philosoph und Naturwissenschaftler 28 Deveroux, Walter (†1634), Offizier 639, 642 f., 698 Dietrichstein, Franz Seraph von (1570–1636), Kardinal und Bischof von Olmütz seit 1599 105, 169, 355, 357, 411, 440, 442, 446, 545, 670 Dimitri (†1591), Zarewitsch 254 Diodati, Fabio (1594–1635), Offizier 638, 640 Dohna, Achatius (Achaz) Burggraf von (1581–1637), Diplomat 320, 402 Dohna, Christoph Burggraf von (1583–1637), Diplomat 320, 336 Dohna, Fabian Burggraf von (1550–1622), Diplomat 191 Dominicus a Jesu Maria (Domingo Ruzzola) (1559–1630), Generalprior der Unbeschuhten Karmeliten 385, 389 f.

Doncaster, James Hay Viscount (1580–1636), Diplomat 366 Dumas, Alexandre (1802–70), Schriftsteller 946 Dürer, Abrecht (1471–1528), Künstler 926 Duwall (MacDougall), Jacob (1589–1634), Offizier 601, 603, 615 f., 635 f., 1020 Eberstein, Ernst Albrecht Graf von (1605–76), General 821 Eberstein, Kaspar Graf von (1604–44), General 737–739, 791, 1039 Echter von Mespelbrunn, Julius (1545–1617), Bischof von Würzburg seit 1573 257 f. Effiat, Antoine Coëffier de Ruzé, Marquis d’ (1581–1632), General und Oberintendant der Finanzen 620 Eggenberg, Johann (Hans) Ulrich Fürst von (1568–1634), Staatsmann 104, 334, 439, 484, 545, 591 f., 639, 644, 1007 Ehrenberg, Philipp Adolf von (1583–1631), Bischof von Würzburg seit 1623 944 Eleonora Gonzaga (1598–1655), Kaiserin 490 Elisabeth I. (1533–1603), Königin von England seit 1558 178, 213, 215, 278, 396 Elisabeth von Frankreich (1602–44), Königin von Spanien 985 Elisabeth Stuart (1596–1662), Kurfürstin von der Pfalz und Königin von Böhmen 318 f., 361, 364, 391, 400–402, 577, 696 f. Elisabeth von Dänemark (1573–1626), Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel 231 Elisabeth von Oranien-Nassau (1577–1642) 465 Elisabeth Renate von Lothringen (1595– 1635), Kurfürstin von Bayern 587 Emanuel Philibert (1528–80), Herzog von Savoyen seit 1553 203 Enghien, d’ siehe Condé Enkevort, Adrian von (1603–63), General 708, 835, 853 Enno siehe Cirksena Erik XIV. (1533–77), König von Schweden 1560–68 233 f. Erlach, Hans Ludwig von (1595–1650), General 704, 707, 720 f., 724, 846 Ernst von Österreich (1553–95), Erzherzog 92 f., 95, 99, 145 f., 169

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Anhang Ernst von Bayern (1554–1612), Erzbischof von Köln seit 1583, außerdem Bischof von Freising (1566), Hildesheim (1573), Lüttich (1581) und Münster (1585) 269–272, 294, 322 Ernst Markgraf von Brandenburg (1583– 1613) 300, 325 Ernst, Juliane (1589–1665), Nonne 559 Erstenberger, Andreas (†1592), Sekretär beim Reichshofrat 286 Esterházy, Nikolaus (Miklós) (1583–1645), Palatin von Ungarn seit 1625 411, 436 Estrées, François Annibal d’ (1573–1670), General 474 f. Fabricius, Jakob (1593–1654), Theologe 610 Fabricius von Rosenfeld, Philipp (†1631), Sekretär 18 f., 347–349 Fadinger, Stefan (1586–1626), Rebellenführer 505 f. Fairfax, Sir Thomas (1560–1640), General 429 Falkenberg, Dietrich von (1580–1631), Offizier 565–567 Falkenberg, Moritz von (†1632), Offizier 610 Ferdinand I. (1503–64), König von Böhmen und Ungarn seit 1526, Kaiser seit 1558 55, 62 f., 65 f., 69, 74 f., 85 f., 145, 154, 168, 256, 261, 264, 268, 396 Ferdinand II. (1578–1637), Erzherzog von Innerösterreich seit 1590, König von Böhmen seit 1617, Kaiser seit 1619 48, 81, 99–103, 106, 141, 147 f., 154 f., 169 f., 218, 259, 285, 290 f., 296, 301, 310 f., 318, 329 f., 332–335, 341 f., 345 f., 349, 351 f., 354, 356– 358, 360–363, 371–373, 375–377, 380–382, 385, 391, 395, 398, 400, 402, 407, 410–412, 415, 417–420, 429 f., 435–439, 441–448, 451, 470 f., 476, 479–482, 484–488, 492, 499–501, 503 f., 506, 511 f., 514–518, 521–523, 533 f., 538, 541–548, 550 f., 553 f., 559 f., 563 f., 568–570, 576, 579, 588, 590–592, 615, 628, 631, 633, 637–641, 643–645, 653, 656 f., 661–663, 666, 668–671, 673–675, 677 f., 680 f., 683 f., 688–691, 695, 729, 884, 886, 908, 910, 928 Ferdinand III. (1608–57), König von Ungarn seit 1625, König von Böhmen seit 1627, Kaiser seit 1637 48, 170, 334, 436, 438, 500, 545, 550, 589, 643, 645, 647, 653, 664, 669,

674–676, 689–692, 695 f., 700, 702, 705, 710, 715–723, 725, 728–732, 737, 744, 746 f., 754, 765–767, 770, 772, 777, 785, 793, 796, 799, 803–806, 813, 815 f., 817–819, 823–825, 827 f., 831, 833–835, 837, 844, 850, 853, 857, 864, 867, 869, 872–875, 877, 882, 884–887, 916, 1024 Ferdinand IV. (1633–54), römisch-deutscher König seit 1653 831, 886 Ferdinand II. von Aragón (1452–1516), König von Kastilien, León und Aragón 167 Ferdinand von Tirol (1529–95), Erzherzog von Tirol seit 1564 75, 97, 978, 989 Ferdinand von Bayern (1577–1650), Erzbischof von Köln sowie Bischof von Lüttich, Hildesheim und Münster seit 1612, Abt von Stablo-Malmedy und Prior von Berchtesgaden seit 1595, Bischof von Paderborn seit 1618 322, 378, 420, 434, 476 f., 501, 531, 553, 565, 620, 626 f., 670, 673, 676, 695, 698, 721, 736, 738, 791 f., 809, 820 f., 823, 829, 834, 849, 881 Ferdinand von Bayern (1550–1608), Prinz 93 Ferdinand Maria (1636–79), Kurfürst von Bayern seit 1651 670 Ferdinando Gonzaga (1587–1626), Herzog von Mantua seit 1612 217 Feria, Gómez Suárez de Figueroa y Córdoba, Herzog von (1587–1634), Gouverneur von Mailand 473–475, 631–635, 637 f., 641, 645, 647, 657, 905 Fernando de Austria (Ferdinand von Spanien) (1609–41), Kardinal, Erzbischof von Toledo seit 1620 631, 645, 647, 652, 657–659, 661 f., 666 f., 767, 831 Fernemont, Johann Franz von Barwitz, Freiherr von (1597–1667), General 752 Feuquières, Manassès de Pas, Marquis de (1590–1640), Diplomat 616 f., 654 f., 767 f. Fitzgerald, Robert, Offizier 639, 642 Flacius, Matthias (1520–75), Theologe 56 Fleming, Klas (1592–1644), Admiral 796 Forgách, Franz (Ferenc) (1564–1615), Erzbischof von Gran seit 1607 105 Forgách, Sigismund (Zsigmond) (†1621), Palatin von Ungarn 342, 370 f., 412 Förner, Friedrich (1570–1630), Weihbischof von Bamberg 957 f. Francesco IV. Gonzaga (1586–1612), Herzog von Mantua seit 1612 217

Personenregister Franck, Hans Ulrich (1603–75), Künstler 929–931 Franz II. (1768–1835), Kaiser 1792–1806, Kaiser von Österreich seit 1804 884 Franz II. (1544–60), König von Frankreich seit 1559 201, 462 Franz, Günther (1902–92), Historiker 898 Freytag, Gustav (1816–95), Schriftsteller 891 Friedrich I. Barbarossa (1123–90), römischdeutscher König seit 1152, Kaiser seit 1155 268 Friedrich I. (1657–1713), Kurfürst von Brandenburg seit 1688, König in Preußen seit 1700 878 f. Friedrich II. der Große (1712–86), König von Preußen seit 1740 603, 630, 800, 860, 879, 926 Friedrich II. (1534–88), König von Dänemark seit 1559 228 Friedrich III. (1609–70), König von Dänemark seit 1648, Administrator von Verden 1623–29, 1635–45 und Bremen 1634–45 229–232, 477, 793, 798 Friedrich III. der Fromme (1515–76), Kurfürst von der Pfalz seit 1559 264 Friedrich IV. (1574–1610), Kurfürst von der Pfalz seit 1592 278 f., 312 Friedrich V. (1596–1632), Kurfürst von der Pfalz seit 1610, König von Böhmen 1619/20 313, 318–321, 333, 340, 354, 360, 363–367, 370 f., 375, 378, 380, 383, 386 f., 389–392, 400–402, 405–408, 414, 421 f., 427, 429, 444 f., 451, 454, 473, 478, 512, 515, 543, 559, 578, 600, 670, 674, 688, 879, 893, 905, 1001 Friedrich Heinrich Fürst von Oranien (1584– 1647), Statthalter der Vereinigten Niederlande seit 1625 383, 455, 529, 531 f., 533, 620 f., 625–627, 658, 666 f., 766 f., 776, 824, 840 f., 843 Friedrich Heinrich von der Pfalz (1614–29), Prinz 364 Friedrich Wilhelm I. (1688–1740), König von Preußen seit 1713 879 Friedrich Wilhelm (1620–88), der „Große Kurfürst“ von Brandenburg seit 1640 569, 732 f., 744, 824 f., 876 f., 915 Friese, Daniel, Ratsherr 567 Friese, Friedrich (*1619), Ratsherr 948 Friesenegger, Maurus (1590–1655), Subprior, später (1640) Abt von Andechs 633

Fritsch, Augustin von (1599–1662), Soldat 960 Fuchs von Bimbach, Johann Philipp (1567– 1626), General 503, 509 Fuentes, Pedro Enriques de Acevedo, Graf von (†1610), Gouverneur von Mailand seit 1600 211, 217 Fugger, Otto Heinrich (1592–1644), General 335 Fürstenberg, Dietrich von (1546–1618), Bischof von Paderborn seit 1585 267 Fürstenberg-Heiligenberg, Egon VIII. Graf von (1588–1635), General 569, 572 f. Gaisser, Georg (1595–1655), Abt von Sankt Georgen 829 Galen, Christoph Bernhard von (1606–78), Bischof von Münster seit 1650 870 Gallas, Matthias Graf von (1584–1647), General 490, 592, 606 f., 629, 639 f., 643, 645, 648, 651 f., 655, 661 f., 664–667, 692, 694 f., 699–701, 703, 717 f., 746, 751, 785, 790, 796 f., 799, 803, 823, 833, 896, 946, 949 Gans SJ, Johannes (*1591), Priester 48 Gassion, Jean Graf von (1609–47), General 775, 844 Gaston de Bourbon, Herzog von Orléans (1608–60), Prinz 464, 470, 554, 588–590, 620, 656, 667, 771 f. Gayling von Altheim, Christoph Heinrich (1604–50), General 834 Gebsattel, Johann Philipp von (1555–1609), Bischof von Bamberg seit 1599 258 Geer, Louis de (1587–1652), Waffenhändler 183, 794 f., 1038 Geizkofler, Zacharias (1560–1617), Reichspfennigmeister 62 Geleen, Gottfried Huyn Graf von (1590– 1657), General 625, 695, 719, 792, 809 f., 812, 821 Georg I. (1660–1727), Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg seit 1698, König von Großbritannien seit 1714 479, 672 Georg siehe Braunschweig-Lüneburg Georg Friedrich siehe Baden-Durlach Georg Wilhelm (1595–1640), Kurfürst von Brandenburg seit 1619 248 f., 325, 506 f., 510 f., 520, 563, 569, 572, 617, 636, 646, 672, 679, 682, 689 f., 701, 732

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Anhang Geyso, Johann von (1593–1661), General 809, 821 f., 849 Gheyn, Jacob de (1565–1629), Künstler 186, 188 Ginetti, Martio (1585–1671), Kardinal und päpstlicher Legat 688 f. Goldacker, Hartmann, Offizier 733 Gomarus, Franciscus (1563–1641), Theologe 404 Gordon, John (†1648), Offizier 639, 641–643 Gosen, Justquinus von (†1636), Jurist 523 Götzen, Johann Graf von (1599–1645), General 592, 673, 695 f., 708–710, 712–714, 785, 800, 802 f., 932, 934, 960 Götzen, Sigismund von (1579–1650), kurbrandenburgischer Kanzler 563 Gramont, Antoine III. Graf von Guiche und Herzog von (1604–78), General 659, 771, 774, 810, 841 Grana, Francesco del Caretto, Marchese di (1594–1651), General 490, 770, 772 Gregor XIII. (Ugo Boncompagni) (1502–85), Papst seit 1572 60, 97 f. Gregor XV. (Alessandro Ludovisi) (1554– 1623), Papst seit 1621 444 Grey, Sir Andrew (†1663), Offizier 366, 383, 409 Grillparzer, Franz (1791–1872), Dramatiker 144 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von (1622–76), Schriftsteller 20, 60, 494, 704, 890, 932–934 Gronsfeld siehe Bronckhorst-Gronsfeld Grotius, Hugo (1583–1645), Rechtsgelehrter 179, 405, 480, 560, 655, 782 Gryphius, Andreas (1616–64), Dichter 928, 955 Guébriant, Jean-Baptiste de Budes, Graf von (1602–43), General 709, 712, 721 f., 724, 730–734, 736–739, 741, 746–748, 791 Guericke, Otto (1602–86), Magdeburger Ratsherr und Naturforscher 566 Guiche siehe Gramont Guise, Henri Herzog von (1614–64) 839 f. Guiton, Jean (1585–1654), Bürgermeister von La Rochelle 536 Günther, Dr. Wolfgang (1578–1628), Jurist und landgräflicher Rat 415, 435 Gustav IV. (1778–1837), König von Schweden 1792–1809 867

Gustav II. Adolf (1594–1632), König von Schweden seit 1611 183, 232, 236–240, 243 f., 247–249, 254 f., 366, 407, 456, 478, 487, 506, 511, 519 f., 525–527, 533, 549 f., 556–562, 564–566, 568–570, 572–575, 577 f., 580 f., 583–585, 589 f., 594, 596 f., 599–601, 603 f., 606 f., 609–612, 614–616, 618, 621 f., 632, 637, 675, 676, 726, 740 f., 743, 818, 821, 852, 867, 873, 940, 1018 Gustav I. Wasa (1496–1560), König von Schweden seit 1523 232–235 Gustav Gustavsson (1616–53), Graf von Wasaburg 247, 619 Gutenberg, Johannes (ca. 1398–1468), Drucker 926 Haan, Georg (†1628), Bamberger Kanzler 958 Haas, Guillaume Gil de (1597–1657), General 488 Hagenbach, Johann Philipp von, Offizier 960 Hallier, François de L’Hospital, Herr von (1583–1660), General 693 f., 708 Hamilton, James Marquess of (1606–49), General 409, 578 Harcourt, Henri de Lorraine, Graf von (1601– 66), General 754, 771 Haro y Guzmán, Luis Méndez de (1598– 1661), Staatsmann 772 Harrach, Ernst Adalbert von (1598–1667), Kardinal 450, 1007 Harrach, Isabella von siehe Wallenstein Harrach, Karl Leonhard von (1570–1628), kaiserlicher Geheimer Rat 484, 592 1007 Hatzfeldt, Franz von (1596–1642), Bischof von Würzburg seit 1631 und von Bamberg seit 1633 591, 653, 684, 744 Hatzfeldt, Melchior Graf von (1593–1658), General 607, 642 684, 686 f., 695, 698, 719– 722, 738 f., 746, 748, 792, 800, 802, 877, 882 Heberle, Hans (1598–1673), Schuster 906, 937, 951, 953 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), Philosoph 238 Hein, Piet Pieterszoon (1577–1629), Admiral 529 f. Heinrich II. (1519–59), König von Frankreich seit 1547 201 Heinrich III. (1551–89), König von Frankreich seit 1574 201, 203, 205, 462

Personenregister Heinrich IV. von Navarra (1553–1610), König von Frankreich seit 1589 48, 134, 203, 205– 207, 212 f., 274, 277 f., 280, 284, 302, 307, 321, 462, 465, 660 Heinrich VIII. (1491–1547), König von England seit 1509 53 Heinrich der Löwe (†1195), Herzog von Sachsen und Bayern 268 Hempel, Wilhelm, Meuterer 832 Henderson, John, Offizier 663, 1026 Henninger, Katharina (†1683) 932 Henrietta Maria von Frankreich (1609–69), Königin von England 454 f., 536 Herberstorff, Adam Graf von (1589–1629), Offizier 382, 504, 506 Hessen, Philipp I. der Großmütige von (1504– 67), Landgraf seit 1518 55, 247, 266 Hessen-Darmstadt, Georg von (1605–61), Landgraf seit 1626 587, 615, 695 f., 821 Hessen-Darmstadt, Ludwig V. von (1577– 1626), Landgraf seit 1596 266, 301, 415 Hessen-Kassel, Amalie Elisabeth von HanauMünzenberg, Landgräfin von (1602–51) 676, 696, 716, 721, 723, 725, 739, 791, 809, 814, 821, 836, 882 Hessen-Kassel, Moritz von (1572–1632), Landgraf 1592–1627 266 f., 336, 360, 414 f., 430, 435, 503, 509, 515 Hessen-Kassel, Philipp von (1604–26), Offizier 509 Hessen-Kassel, Wilhelm IV. von (1532–92), Landgraf seit 1567 266 Hessen-Kassel, Wilhelm V. von (1602–37), Landgraf seit 1627 435, 564, 568 f., 575, 577, 615, 625, 654, 675–677, 694–696, 737, 1018 Hessen-Marburg, Ludwig IV. von (1537– 1604), Landgraf seit 1567 415 Hinojosa, Juan Hurtado de Mendoza, Marqués de San Germán y (†1628), Gouverneur von Mailand 1611–15 217 f. Hippolithus a Lapide siehe Chemnitz Hoces y Córdoba, Lope de (†1639), Admiral 756 f. Hoë von Hoënegg, Matthias (1580–1645), Theologe 339 f., 563 Hoefyser, Peter, Generalempfänger der niederländischen Admiralität 326, 824 Hoeniger, Robert (1855–1929), Historiker 891

Hofkirchen, Lorenz Freiherr von (†1656), General 718 Hohberg, Wolfgang Helmhardt Freiherr von (1612–88), Offizier und Dichter 931 f. Hohenlohe-Langenburg, Anna Maria von Solms-Sonnenwalde, Gräfin von (1585– 1634), Regentin seit 1628 923 Hohenlohe-Neuenstein, Kraft VII. Graf von (1582–1641), Offizier 583 f. Hohenlohe-Weikersheim, Georg Friedrich Graf von (1569–1645), General 116, 350, 356, 359, 369, 371, 386, 400, 445, 515, 583 f., 674, 716 Hohenzollern-Hechingen, Eitel Friedrich Graf von (1601–61), General 915 Hohenzollern-Sigmaringen, Eitel Friedrich Graf von (1582–1625), Bischof von Osnabrück seit 1623 476 f. Holk, Henrik (1599–1633), General 592, 603, 606 f., 611, 630, 635, 905 Hollar, Wenzel (1607–77), Künstler 1023 Holstein-Gottorf, Adolf Herzog von (1600– 31), General 489, 500 Holstein-Gottorf, Christina von (1573–1625), Königin von Schweden 247 Holstein-Gottorf, Friedrich III. von (1579– 1659), Herzog seit 1616 793, 795 Holstein-Gottorf, Johann X. von (1606–55), Administrator von Lübeck seit 1634 477 Holstein-Gottorf, Johann Friedrich von (1579–1634), Administrator von Bremen seit 1596 und von Lübeck seit 1607 477, 579 Holzappel, Jakob Graf von 725 Holzappel siehe Melander Homonnai Drugeth, Georg (György) (†1620), Gutsbesitzer 374, 376 Horn, Gustav Karlsson, Graf von Björneborg (1592–1657), General 572 f., 583, 596 f., 613, 615, 617, 619, 621, 631–634, 642, 645– 648, 650 f., 784, 795 f., 822, 932, 1022 Hospital siehe Hallier Hunolstein, Johann Wilhelm Freiherr Vogt von (1599–1664) 853 Hurtado de Mendoza, Marqués de Almazán, Francisco (†1615), Diplomat 169 Huxelles, Jacques de Blé, Marquis d’ (†1629), General 535

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Anhang Illésházy, István (Stephan) (1541–1609), Palatin von Ungarn 138, 151 Ilow, Christian von (1585–1634), General 592, 641 Innozenz X. (Giovanni Battista Pamfili) (1574–1655), Papst seit 1644 755 f., 799 Isabella I. von Kastilien (1451–1504), Königin von Kastilien, León und Aragón 167 Isabella Clara Eugenia von Spanien (1566– 1633), Statthalterin der Spanischen Niederlande seit 1598 93 f., 145, 214 f., 406, 429, 445, 453, 481, 530 f., 533, 589, 621, 626 f., 631, 645, 676 Isenburg, Ernst Graf von, General 775 Isolani, Johann Ludwig Graf von (Giovanni Lodovico Isolano) (1586–1640), General 141, 573, 609, 635, 652 Iwan IV. der Schreckliche (1530–84), russischer Zar seit 1547 236, 254 Jacobsen, Jan (1588–1622), Kapitän 457 f. Jägerndorf siehe Brandenburg-Jägerndorf Jakob I. (1566–1625), König von Schottland seit 1567 (als Jakob VI.) und von England seit 1603 74, 212, 215, 221, 284, 314, 318– 320, 361, 365 f., 383, 403, 407 f., 427, 429, 444 f., 454 f., 459, 478, 1001 Jenatsch, Jörg (1596–1639), Offizier 752 Joachim Friedrich (1546–1608), Administrator von Magdeburg 1566–98, Kurfürst von Brandenburg seit 1598 265 f. Johann III. Wasa (1537–92), Herzog von Finnland, König von Schweden seit 1568 234 f. Johann IV., Herzog von Braganza (1604–56), König von Portugal seit 1640 842 Johann Georg (1585–1656), Kurfürst von Sachsen seit 1611 312, 317 f., 340, 354, 356, 362 f., 380–384, 392, 400, 407, 410, 417, 429, 440, 446, 451, 471, 481, 502, 506, 545, 547 f., 563 f., 569 f., 573, 575–577, 579, 586 f., 600 f., 603, 606 f., 609, 614–616, 629 f., 640, 646, 652, 671 f., 674, 677–684, 687, 689 f., 702, 716, 718, 741, 744, 800, 809, 813, 819, 825, 828, 830 Johann Georg (1525–98), Kurfürst von Brandenburg seit 1571 265, 278 Johann Georg siehe Brandenburg-Jägerndorf Johann Sigismund (1572–1620), Kurfürst von Brandenburg seit 1608 247 f., 267, 300, 325

Johannes Nepomuk (†1393), Heiliger 450 Joseph II. (1741–90), Kaiser seit 1765 450 Joseph siehe Le Clerc Juan José von Spanien (1629–79), Prinz 839, 847 Jülich-Kleve-Berg, Johann Wilhelm von (1562–1609), Herzog seit 1592 298 f. Junius, Johannes (1573–1628), Bürgermeister von Bamberg 958 Junius, Maria Anna, Nonne 586 f., 597, 923, 948, 950, 953, 956–959 Kaage, Lars (1594–1661), Offizier 646 Karl V. (1500–58), römisch-deutscher König seit 1519, Kaiser seit 1530 38, 54 f., 63, 67, 74, 81, 168, 262, 264, 299, 332, 407, 439, 445, 544 Karl VI. (1685–1740), Kaiser seit 1711 887 Karl II. (1661–1700), König von Spanien seit 1665 831 Karl VIII. (1470–98), König von Frankreich seit 1483 201 Karl IX. (1550–74), König von Frankreich seit 1560 201, 462 Karl I. (1600–49), König von England seit 1625 319, 365, 408, 454, 459 f., 536, 577 f., 688, 697 f., 770, 945 Karl II. (1630–85), König von England seit 1660 577, 760, 847 Karl IX. (1550–1611), Reichsverweser von Schweden seit 1599, König seit 1604 235 f., 240, 247 Karl X. Gustav (1622–60), Pfalzgraf von Zweibrücken-Kleeburg, König von Schweden seit 1654 249, 853, 855 f., 873, 880 f. Karl XII. (1686–1718), König von Schweden seit 1697 867 Karl von Österreich (1560–1618), Markgraf von Burgau seit 1609 324 Karl II. von Steiermark (1540–90), Erzherzog von Innerösterreich seit 1564 75, 96–99, 101, 114 Karl Emanuel I. (1562–1630), Herzog von Savoyen seit 1580 204–207, 217 f., 362 f., 474, 535, 537 Karl (Carlo) I. Gonzaga (1580–1637), Herzog von Nevers seit 1595, Herzog von Mantua seit 1628 116, 533–535, 537 f., 540 f., 554 f., 753

Personenregister Karl Ludwig (1618–80), Kurfürst von der Pfalz seit 1648 688, 697 f., 721, 835, 877 Karpzow, Joachim von (1585–1628), Offizier 413 Katharina de’ Medici (1519–89), Königin von Frankreich 201, 273, 462 Katharina von Braganza (1638–1705), Königin von England 760 Katharina Jagiellonica (1526–83), Herzogin von Finnland, Königin von Schweden seit 1568 234 Katharina von Schweden (1584–1638), Gräfin von Pfalz-Zweibrücken 247 Katharina von Brandenburg (1602–44), Fürstin von Siebenbürgen 507, 511 Katharina Michaela von Spanien (1567–97), Herzogin von Savoyen 205 Kaunitz, Rudolf Freiherr von (1617–64) 484 Kepler, Johannes (1571–1630), Astronom 61, 106, 647 Khevenhüller, Franz Christoph von (1588– 1650), Diplomat 104, 491 Khlesl, Melchior (1552–1630), Bischof von Wiener Neustadt und Wien, Kardinal 95 f., 104, 146–148, 150 f., 310, 312–316, 318, 321–324, 327, 332 f., 335, 339, 341 f., 345, 347 f., 351 f., 548 King, James (1589–1652), General 686 f., 697 f., 720 Kinsky, Ulrich (1583–1620), Offizier 348 f. Kinsky, Wilhelm (Vilém) Graf (ca. 1574– 1634), Gutsbesitzer 576, 641 f. Kleiner Jakob siehe Mercier Klitzing, Hans Kaspar von (1594–1644), General 686, 690, 701, 723, 734, 736 Knöringen, Heinrich V. von (1570–1646), Bischof von Augsburg seit 1599 288, 294, 829 Knuyt, Johan de (1587–1654), Diplomat 843 Knyphausen, Dodo Freiherr von Innhausen und zu (1583–1636), General 187, 418, 432, 610, 624 f., 676, 682, 697, 1027 Koniecpolski, Stanisław (1591–1646), General 520, 526 König von Mohr, Franz Peter (ca. 1590–1653), Offizier 704 Königsmarck, Johann Christoph von (1600– 53), General 720, 728, 734, 736, 739 f., 743, 797 f., 800, 809 f., 813, 820, 832–834, 836, 848, 854 f.

Konstanze von Österreich (1588–1631), Königin von Polen 372 Kotter, Christoph (†1647), Mystiker 336 Krane, Johann Baptist von (ca. 1600–72), kaiserlicher Geheimer Rat 777, 780 Krell, Nikolaus (1552–1601), kursächsischer Kanzler 277 f. Krockow, Joachim Ernst von (1601–46), General 746 Kunigunde von Österreich (1465–1520), Herzogin von Bayern 259 Kurtz von Senftenau, Ferdinand Sigismund (1580–1637), Reichsvizekanzler seit 1627 680, 692, 700, 717, 732, 833 La Ferté, Henri de Saint-Nectaire, Herzog von (1600–81), General 775 La Force, Jacques Nompar de Caumont, Marquis de (1558–1652), General 622, 633, 654 f., 663, 767 La Meilleraye, Charles de la Porte, Herzog von (1602–64), General 767 La Motte, Peter de la Croix, Herr von, Offizier 356 La Valette, Louis de Nogaret, Herr von (1593– 1639), Kardinal und General 655, 664, 666, 767 Laimbauer siehe Aichinger Lala Mehmed Pascha, osmanischer Großwesir 139 Lamberg, Johann Maximilian Graf von (1608–82), Diplomat 780 Lamboy, Guillaume Freiherr von (1600–59), General 692, 713, 725, 737–739, 771, 792, 834, 849 Lamormaini SJ, Wilhelm (1570–1648), Priester 48, 542 f., 545 f., 548, 637, 668, 670 Lampadius, Dr. Jakob (1593–1649), Diplomat 830 f. Lauenburg siehe Sachsen-Lauenburg Laymann SJ, Paul (1574–1635), Theologe 543 Le Clerc du Tremblay, Joseph, genannt Père Joseph (1577–1638), Kapuzinerpater 467, 553, 659 Leganés, Diego Mexía de Guzmán, Marqués de (1580–1655), General 648, 752–755 Leicester, Robert Dudley, 1. Earl of (1532–88), Staatsmann und General 178 Leopold I. (1640–1705), Kaiser seit 1658 887

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Anhang Leopold, Erzherzog von Österreich (1586– 1632), Bischof von Passau 1605–25 und von Straßburg 1607–25 147, 300 f., 304–307, 309–312, 325, 331 f., 359, 371 f., 419, 425, 427, 438, 473, 487, 590, 595 Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich (1614–62), Bischof von Halberstadt 1627– 48, Erzbischof von Magdeburg 1631–38, General 477, 501 f., 546, 615, 671, 719, 722–724, 731, 734, 736, 740 f., 743, 746, 781, 804 f., 812, 819–823, 831 f., 846, 932 Lerma, Francisco Gómez de Sandoval y Rojas, Graf (später Herzog) von (1553–1625), Staatsmann 171 f., 213–218, 304, 326, 353, 405, 452 f., 470 Lesdiguières, François de Bonne de Créquy, Herzog von (1543–1626), General 206 Leslie, Alexander, 1. Earl of Leven (1582– 1661), General 187, 525, 646, 676, 684, 686 f. Leslie, Walter (1606–67), General 639, 641– 643 Leuchselring, Dr. Johann, Augsburger Ratsherr 829 Levy, Ascher (*1578) 955 Liechtenstein, Gundaker Fürst von (1580– 1658), kaiserlicher Hofkammerpräsident 81, 104, 446, 638 Liechtenstein, Karl Fürst von (1569–1627), Statthalter von Böhmen 104, 440 f., 446, 448, 483, 509, 909 Liechtenstein, Maximilian Fürst von (1578– 1643), General 411, 446, 488 Lilliehook, Johan (1595–1642), General 718, 733, 740 Limburg-Styrum, Hermann Otto I. Graf von (1592–1644), Offizier 432 Lippe-Detmold, Simon VI. von (1554–1613), Graf seit 1563 267 Lipsius, Justus (1547–1606), Philosoph 185 f. Lisowski, Alexander Josef (1575–1616), Offizier 373 Lobkowitz, Polyxena Popel von 19 Lobkowitz, Zdenko Adalbert Popel von (1568–1628), Oberstkanzler von Böhmen 18, 105, 152 f., 169, 334, 346, 441, 675 Lodron, Paris Graf von (1586–1653), Erzbischof von Salzburg seit 1619 633, 913, 935 Löffler, Dr. Jakob (1582–1638), württembergischer Kanzler 616, 654 f.

Logau, Friedrich Freiherr von (1605–55), Dichter 928 Lohausen, Wilhelm Calchum von (1584– 1640), General 932 Lohelius, Jan (1549–1622), Erzbischof von Prag seit 1612 105, 345 Lonck, Hendrick Corneliszoon (1558–1634), Admiral 764 Longueville siehe Orléans-Longueville Lothringen, Antonie von (1568–1610), Herzogin von Jülich-Kleve-Berg 300 Lothringen, Karl von (1567–1607), Bischof von Metz seit 1578 und von Straßburg seit 1592, Kardinal seit 1589 273 Lothringen, Karl IV. von (1604–75), Herzog seit 1622 587–590, 621 f., 628, 648, 651 f., 655, 657, 662, 664–667, 673, 675, 692 f., 710, 713–715, 745, 748, 768, 771, 785, 790, 847, 876, 886, 1024 Lothringen, Nicole von (1608–57), Herzogin 1624/25 622 Lothringen-Vaudémont, Marguerite von (1615–75) 588, 622 Lothringen-Vaudémont, Nikolaus Franz von (1609–70), Kardinal, Bischof von Toul, Herzog von Lothringen 1634/35 622 Loyola, Ignatius von (1491–1556), Theologe 47 Ludwig IV. der Bayer (1287–1347), römischdeutscher König seit 1314, Kaiser seit 1328 259 Ludwig XIII. (1601–43), König von Frankreich seit 1610 381, 454 f., 462–464, 466– 468, 470, 474, 537 f., 540, 553 f., 559, 588, 655, 658, 661, 664, 667, 683, 694, 715, 721, 738, 753, 759, 767 f., 770–773, 844, 985 Ludwig XIV. (1638–1715), König von Frankreich seit 1643 694, 772, 783, 831, 845, 847, 865–867, 878 Ludwig II. (1506–26), König von Böhmen und Ungarn seit 1522 76 Ludwig VI. (1539–83), Kurfürst von der Pfalz seit 1576 247, 264, 271, 276 Luise Henriette von Oranien (1626–67), Kurfürstin von Brandenburg 824 Lüneburg siehe Braunschweig-Lüneburg Luther, Martin (1483–1546), Theologe 45, 51 f., 54, 67, 70, 72, 340, 939 Lynn, John A. (*1943), Historiker 491

Personenregister MacDonnell, Dennis, Offizier 639, 641 MacDougall siehe Duwall MacKay, Sir Donald, 1. Lord Reay (1591– 1649), Offizier 482, 523 Magdalena von Bayern (1587–1628), Herzogin von Pfalz-Neuburg 325 Malaspina, Germanico (1550–1604), Nuntius 98 Mallinckrodt, Bernhard von (1591–1664), Domdekan in Münster 477 Manderscheid-Blankenheim, Johann IV. Graf von (1538–92), Bischof von Straßburg seit 1568 270, 273 Mansfeld, (Peter) Ernst II. Graf von (1580– 1626), General 116, 218, 355 f., 359, 363, 368, 383, 386, 391, 393, 400, 408 f., 412–414, 416, 418, 420–422, 425, 427–429, 434, 445, 455, 474, 476, 481 f., 486, 488, 490, 503, 506 f., 510 f., 531, 695, 699, 704, 738, 850, 893, 905 Mansfeld-Bornstedt, Philipp Graf von (1589– 1657), General 652, 655, 718 Mansfeld-Bornstedt, Wolfgang III. Graf von (1575–1638), General 383 f., 490, 522 f. Mansfeld-Eisleben, Agnes von (1551–1637), Stiftsdame 270 Mansfeld-Friedeburg, Peter Ernst I. Graf von (1517–1604), Feldmarschall 412 Marazzino (Morzin), Rodolfo Giovanni Graf von (1585–1646), General 672, 680 f., 686, 718 Marck, Charlotte de la (1574–94), Herzogin von Bouillon und Fürstin von Sedan 465 Maréchal de Châtillon siehe Coligny Margarete von Österreich (1584–1611), Königin von Spanien 170 Margarete von Savoyen (1589–1655), Vizekönigin von Portugal, Herzogin von Mantua 217, 760, 772 Margarete vom Kreuz (1567–1633), Erzherzogin von Österreich 170 Maria de’ Medici (1573–1642), Königin von Frankreich 213, 303 462 f., 467 f., 470, 554 Maria von Bayern (1551–1608), Erzherzogin von Innerösterreich 100, 259 Maria Anna von Spanien (1606–46), Kaiserin 334, 545, 589 Maria Anna von Bayern (1574–1616), Kaiserin 102, 259, 691

Maria Anna von Österreich (1634–96), Königin von Spanien 831 Maria Anna von Österreich (1610–65), Kurfürstin von Bayern 670 Maria Christina von Frankreich, genannt „Madame Reale“ (1606–63), Herzogin von Savoyen 753–755 Maria Eleonora von Brandenburg (1599– 1645), Königin von Schweden 247–249, 612, 731 Maria Theresia von Spanien (1638–83), Königin von Frankreich 783, 831, 847 Marillac, Michel de (1563–1632), Jurist und Staatsmann 466 Marradas y Vique, Balthasar de (1560–1638), General 116, 136, 335, 379, 386, 420, 488, 601, 603, 636 Martinitz, Jaroslav Bořita Graf von (1582– 1649), habsburgischer Statthalter in Böhmen 18 f., 346–349, 441 Masaniello (Tommaso Aniello) (1623–47), Fischer 839 Matthias (1557–1619), Erzherzog von Österreich, Kaiser seit 1612 90, 95 f., 135, 137– 141, 144, 146–151, 154 f., 170, 300, 309–318, 321, 324 f., 328, 330, 332, 334 f., 340–342, 344 f., 347, 349, 351 f., 354, 356, 379 Maximilian I. (1459–1519), römisch-deutscher König seit 1493, Kaiser seit 1508 259, 262, 864 Maximilian II. (1527–76), Kaiser seit 1564 42, 62, 69, 76, 80, 86, 92, 146, 154, 170 Maximilian I. (1573–1651) Herzog seit 1598, später (1623) Kurfürst von Bayern 260, 284–286, 288–290, 293 f., 296 f., 304, 317, 322–324, 333, 341, 360, 377–380, 382, 384– 386, 389, 391, 403, 420 f., 427 f., 430, 433, 444 f., 447–450, 480, 485 f., 504, 506, 510, 512, 515 f., 531, 542 f., 548, 552, 562 f., 565, 569 f., 578, 587–592, 599 f., 606, 631, 633 f., 637, 644, 662, 670, 673, 688, 691, 694, 697, 702 f., 710, 717, 729, 743, 784, 799 f., 804– 806, 815 f., 818, 820, 823, 828 f., 833–837, 852 f., 882, 927, 931, 944, 1024 Maximilian von Tirol (1558–1618), Erzherzog 93, 145 f., 148, 301, 305, 310–312, 324, 332, 334, 341, 351 f., 438 Mazarin, Jules (1602–61), Kardinal und Staatsmann 303, 554, 747, 755 f., 773, 782,

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Anhang 785, 792, 806, 808, 812, 816, 818, 820, 826, 831 f., 837, 839, 844–847, 849, 856 f., 865 Mecklenburg, Adolf Friedrich I. Herzog von (1588–1658), Administrator von Schwerin seit 1634 477, 514, 564, 670 Mecklenburg, Gustav Adolf Herzog von (1633–95) 477 Mecklenburg, Johann Albrecht II. Herzog von (1590–1636) 514, 564, 670 Mecklenburg, Sophie Herzogin von (1557– 1631), Königin von Dänemark 225 Mehmed III. (1566–1603), osmanischer Sultan seit 1595 137 Mehmed Aga, Diplomat 375 Mehmed Pascha, osmanischer Großwesir 370 Melanchthon, Philipp (1497–1560), Theologe 56, 277 Melander (Eppelmann), Peter, Graf von Holzappel (1589–1648), General 187, 622, 624–626, 675 f., 693, 696, 716, 719–721, 723, 725 f., 728, 737, 833 f., 836 f., 848–850, 852, 945, 1030 Melo, Francisco de (1597–1651), General und Statthalter der Spanischen Niederlande 1641–44 771–776 Mercier, Jacques, genannt „Kleiner Jakob“ (1588–1634), Offizier 704, 934 Mercy, Franz von (1597–1645), General 116, 728, 731, 746–748, 785 f., 788–790, 806, 808–810, 833 Mercy, Kaspar von (†1644) 748, 789 Merian der Ältere, Matthäus (1593–1650), Kupferstecher 29, 31 f. Merode, Johann II. Graf von (1589–1633), General 488 f., 500, 511, 514, 538, 624 Metternich, Clemens Fürst von (1773–1859), Staatsmann 696 Metternich, Heinrich von (†1654), Offizier 427 Metternich, Wilhelm von, Offizier 696 Meyer, Rudolf (1605–38), Künstler 930 Michael I. (Michail Fjodorowitsch Romanow) (1596–1645), russischer Zar seit 1613 254 f. Michael I. der Tapfere (†1601), Woiwode der Walachei seit 1593 136 f. Mijle, Cornelis van der (1579–1642), Diplomat und Kurator der Universität Leiden 401 Mitzlaff, Joachim von (†1650), General 511, 513, 679, 720 f.

Mockel, Friedrich Richard (†1643), schwedischer Generalbevollmächtigter am Oberrhein 654 Mohr siehe König Monro, Robert (1590–1680), Offizier 482, 513, 523, 952, 955 Montecuccoli, Ernesto Graf (1582–1633), General 116, 136, 490 Montecuccoli, Raimond Graf (1609–80), General 728, 850, 852 Morgan, Sir Charles (1575–1642), General 187, 409, 513, 517 Moritz (Maurits) Fürst von Oranien, Graf von Nassau-Dillenburg (1567–1625), Statthalter von Holland und Zeeland 179, 184–187, 191, 193–195, 197, 303–306, 326 f., 350, 383, 404–406, 455, 482, 529 Moritz (1521–53), Herzog von Sachsen seit 1541, später (1547) Kurfürst 55, 261 Moritz Fürst von Savoyen (1593–1642), Kardinal 753–755 Mortaigne de Potelles, Kaspar Kornelius (1609–47), General 731, 733 Mortimer, Geoff (*1944), Historiker 901 Moscherosch, Johann Michael (1601–69), Dichter 928 Moser, Johann Jakob (1701–85), Jurist und Publizist 28 Mundt, Pros (1589–1644), Admiral 796 f. Munk, Kirsten (1598–1658), zweite Ehefrau Christians IV. 229 Murad III. (1545–95), osmanischer Sultan seit 1574 134 Murad IV. (1609–40), osmanischer Sultan seit 1623 141 Mydlář, Jan (1572–1664), Scharfrichter 441 Napoleon III. (1808–73), Präsident von Frankreich 1848-52, Kaiser 1852-70 302 Napoleon Bonaparte (1769–1821), Kaiser von Frankreich 1804–15 709, 812, 867 Nassau-Dillenburg, Johann VI. von (1536– 1606), Graf seit 1559 320, 337 Nassau-Dillenburg, Magdalena von (1547– 1633), Gräfin von Hohenlohe-Weikersheim 350 Nassau-Hadamar, Johann Ludwig Graf (später Fürst) von (1590–1653), Diplomat 449, 726, 780, 885

Personenregister Nassau-Siegen, Johann VII. von (1561–1623), Graf seit 1606 187 f., 227, 280, 320 Nassau-Siegen, Johann VIII. von (1583–1638), Graf seit 1623 379, 532, 534 f., 547 Nassau-Siegen, Johann Ernst Graf von (1582– 1617), General 330 Nassau-Siegen, Johann Moritz Graf (später Fürst) von (1604–79) 764, 841 Nassau-Siegen, Wilhelm Otto Graf von (1607–41), Offizier 720 Neuhaus, Lucie Ottilie von, Erbin 18, 104 Nevers siehe Karl I. Gonzaga Niemann, Heinrich (†1634), Hauptmann 641 Norbert (1080–1134), Heiliger 855 Norprath, Johann von (†1658), Offizier 824 Northampton, Spencer Compton 2. Earl of (1601–43) 697 Nzinga (1580–1663), Königin von Ndongo und Matamba 765 Ohm, Johann Bernhard, Offizier 720, 722, 1032 Oldenbarnevelt, Johan van (1547–1619), Landesadvokat der Staaten von Holland 178, 184, 303, 326, 404 f. Olivares, Gaspar de Guzmán Graf von (1587– 1645), Herzog von Sanlúcar la Mayor, Staatsmann 405, 452–454, 456, 461, 470, 472, 521, 530, 533, 535, 538, 551, 588, 627, 630 f., 645, 656–658, 666, 692, 757–760, 763 f., 766 f., 770, 772, 781 f., 844 Oñate, Íñigo Vélez de Guevara y Tasis, Graf von (1597–1658), Diplomat 334, 351, 445, 637, 645, 657, 689, 692 Opitz von Boberfeld, Martin (1597–1639), Dichter 928 f. Oquendo, Antonio de (1584–1640), Admiral 764, 768 f. Orléans-Longueville, Henri II. d’ (1595– 1663), General 693, 710, 723, 779, 782, 845 Osman II. (1604–22), osmanischer Sultan seit 1618 107, 141 Ossa, Wolfgang Rudolf von (†1647), General 640, 705 Ossoliński, Jerzy (1595–1650), Diplomat 409 Osuna, Pedro Téllez-Girón, Herzog von (1574–1624), Vizekönig von Neapel 1616– 21 331, 335 Otto I. (912–973), ostfränkischer König seit 936, römisch-deutscher Kaiser seit 962 546

Ottovalsky, Ernst, Offizier 854 Oxenstierna, Axel Gustavsson (1583–1654), schwedischer Reichskanzler 236, 239 f., 520, 556, 558–560, 579, 584–586, 601, 603, 606, 611–618, 622, 625, 628 f., 636, 640 f., 646 f., 651–655, 675–679, 681–684, 689 f., 700, 717, 720, 731–733, 744, 781, 792–796, 798, 825 Oxenstierna, Gabriel Gustavsson (1587– 1640), oberster Richter von Schweden 585 Oxenstierna, Johan Axelsson (1612–57), Diplomat 781, 784 Pappenheim, Gottfried Heinrich Graf zu (1594–1632), General 506, 512, 515, 553, 565–567, 572 f., 592, 594, 606 f., 609 f., 620 f., 624, 734, 1016 f., 1021 Pareus, David (1548–1622), Theologe 339 Parma, Alessandro Farnese Herzog von (1547–92), Statthalter der Spanischen Niederlande seit 1578 174–176, 178, 193, 199, 205, 272, 662 Paul V. (Camillo Borghese) (1553–1621), Papst seit 1605 353, 378 Pauw, Adriaan (1585–1655), Ratspensionär von Holland 533, 766 Pawel, Andreas (1575–1630), kurpfälzischer Hofrichter und Diplomat 402 Pázmány, Péter (1570–1637), Erzbischof von Gran seit 1616, Kardinal seit 1629 104 f., 342, 436, 545 Pechmann von der Schönau, Gabriel (†1627), Offizier 512 Peñaranda, Gaspar de Bracamonte y Guzmán, Graf von (1596–1676), Diplomat 781, 844, 846 Pennington, Sir John (1568–1646), Admiral 460, 769 Peter I. der Große (1672–1725), russischer Zar seit 1689 240 Petersen, Johanna Eleonora (1644–1724), Pietistin 964 Pfalz-Birkenfeld-Bischweiler, Christian I. von (1598–1654), General 583, 622, 633, 652, 1022 Pfalz-Lautern, Johann Casimir von (1543–92), Herzog seit 1576 276, 278 f., 280 f. Pfalz-Neuburg, Philipp Ludwig von (1547– 1614), Herzog seit 1569 300, 323

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Anhang Pfalz-Neuburg, Philipp Wilhelm von (1615– 90), Herzog seit 1653, Kurfürst von der Pfalz seit 1685 824, 877 f. Pfalz-Neuburg, Wolfgang Wilhelm von (1578–1658), Herzog seit 1614 300, 325 f., 419, 421, 447, 627, 674, 791 f., 824, 876 f., 925, 952 Pfalz-Zweibrücken, Carl Gustav von siehe Karl X. Pfalz-Zweibrücken, Johann II. von (1584– 1635), Graf seit 1604 313, 318 Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg, Johann Casimir von (1589–1652), Graf seit 1604 247–249, 364, 675 Pfalzburg, Henriette von (1611–60) 664 Pfuhl, Adam von (1604–59), General 731, 733 Philipp II. (1527–98), König von Spanien seit 1556 55, 74, 93 f., 145, 156, 162–164, 168– 171, 173 f., 176, 179, 193, 203, 205, 213 f., 452 Philipp III. (1578–1621), König von Spanien seit 1598 164, 170–172, 215 f., 218, 296, 304, 331 f., 334 f., 372, 379, 452 Philipp IV. (1605–65), König von Spanien seit 1621 405, 461, 470, 481, 528, 530, 533, 545, 631, 645, 656, 692, 746, 757–759, 763, 765, 772 f., 777, 783, 831, 839, 844, 846 f., 857, 932, 985 Philipp Wilhelm von Nassau (1554–1618), Fürst von Oranien 184 Piccolomini, Octavio, Herzog von Amalfi (1599–1656), General 490, 611, 635, 638– 641, 643, 651 f., 662 f., 666 f., 674–676, 692, 721–724, 731, 734, 741, 743, 746, 767 f., 846, 853–856, 885, 931 f. Pithan, Friedrich, Offizier 306, 325 Pius V. (Michele Ghislieri) (1504–72), Papst seit 1566 69 Pius XII. (Eugenio Pacelli) (1876–1958), Papst seit 1939 69 Polheim, Gundaker von (1575–1644), kaiserlicher Reichshofrat 81 Polišenský, Josef (1915–2001), Historiker 73 Pommern, Bogislaw XIV. von (1580–1637), Herzog seit 1620 495, 520, 522, 525, 560 f., 583, 690, 701 Poyntz, Sydenham (*1607), Offizier 945 Pruckmann, Friedrich (1562–1630), kurbrandenburgischer Kanzler 506

Puchheim, Hans Christoph Graf von (1605– 57), General 743, 855 Pufendorf, Samuel von (1632–94), Philosoph 28 Quetz, Zacharias von (*1590), Prinzenerzieher 959 Quevedo, Francisco de (1580–1645), Dichter 772 Quiroga, Diego de (1574–1649), Kapuzinerpater 545, 630, 637 Radziwill, Christoph (1585–1640), Hetman von Litauen 255 Raitenau, Wolf Dietrich von (1559–1617), Erzbischof von Salzburg 1587–1612 98, 322, 377 Rákóczi, Georg (György) I. (1591–1648), Fürst von Siebenbürgen seit 1630 370, 374, 511, 803–805, 813 Ramée, Laurentius (†1613), Offizier 309–311 Ramsay, Sir James (1589–1639), General 665, 676, 693, 695 f., 704 Ranke, Leopold von (1795–1886), Historiker 22 Rantzau, Josias von (1609–50), General 694, 748 Rasin von Riesenburg, Jaroslav Sezyma, Informant 643 Ravaillac, François (1578–1610), Königsmörder 303 Raymond, Thomas (1610–81), Soldat 956 Reede, Godard van (1588–1648), Diplomat 843, 845 Reinach, Johann Heinrich Freiherr von (1589–1645), General 703 f., 709, 713–715 Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1609– 69), Künstler 184 Repgen, Konrad (1923–2017), Historiker 668 Retz, Jean-François de Gondi, Kardinal de (1613–79) 756 Reuschenberg, Johann Ernst Freiherr von (†1660), General 673, 704, 717, 734, 736, 786, 810 Reutlingen, Juda Mehler (1609–59), Rabbi 955 Rhédey, Franz (Ferenc) (1560–1621), Offizier 370 f. Richel, Bartholomäus (1580–1649), bayerischer Kanzler 716

Personenregister Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Herzog von (1585–1642), Kardinal und Staatsmann 303, 396, 463, 466–468, 470–472, 474 f., 517, 527, 534–538, 540, 551, 553–555, 559, 561 f., 569, 588, 590 f., 616 f., 619, 621 f., 631, 653–655, 657–665, 667, 679–681, 683 f., 688, 693 f., 696 f., 700, 708 f., 717, 719, 721–723, 732, 747, 750–754, 756 f., 759, 766 f., 770–773, 783, 940 Rist, Johann (1607–67), Dichter und Pastor 928 f. Rochow, Hans von, Offizier 733 Roe, Sir Thomas (1581–1644), Diplomat 558, 574, 697 Rohan, Henri II. (seit 1603 Herzog) de (1579– 1638), General 465 f., 536, 538, 631, 654, 662, 703, 707, 751–753 Rosen, Reinhold von (1604–67), Offizier 720, 722, 748, 786, 789 f., 806 Rosenberg, Wilhelm von (Vilém z Rožmberka) (1535–92), Oberstlandeskämmerer von Böhmen 394 Roy, Gabriel de (1570–1646), spanischer Rat und Marineexperte 522, 526, 528 Rubens, Peter Paul (1577–1640), Künstler 647 Rudolf II. (1552–1612), Kaiser seit 1576 69, 72, 82, 90, 92–96, 103, 105–107, 134, 136 f., 139, 143–145, 147–151, 153–155, 169 f., 194, 214, 268 f., 271 f., 274, 277 f., 280, 282, 287– 291, 293, 295, 297, 299–302, 305, 309–314, 316, 325, 345 f., 348, 352, 369, 396, 413, 471, 499, 855, 884 Ruppa, Wenzel Wilhelm von (†1641), Präsident des böhmischen Direktoriums 349 Ruprecht (1352–1410), Kurfürst von der Pfalz seit 1398 (als Ruprecht III.), römisch-deutscher König seit 1400 262, 364 Ruprecht von der Pfalz (1619–82), Prinz 364, 697 f. Rusdorf, Johann Joachim von (1589–1640), kurpfälzischer Rat 402 Rußwurm, Hermann Christoph von (1565– 1605), General 144 Ruyter, Michiel Adriaanszoon de (1607–76), Admiral 529 Ruzzola, Domingo siehe Dominicus Saavedra Fajardo, Diego de (1584–1648), Diplomat 630, 781

Sachsen-Altenburg, Friedrich Herzog von (1599–1625), Offizier 417 Sachsen-Altenburg, Friedrich Wilhelm II. von (1603–69), Herzog seit 1640 830 Sachsen-Lauenburg, Franz Albrecht von (1598–1642), General 489, 576, 610, 615, 640, 642 f., 700, 732 f., 740, 946 Sachsen-Lauenburg, Franz Karl von (1594– 1660), General 700, 732 Sachsen-Lauenburg, Julius Heinrich von (1586–1665), Herzog seit 1656 489, 700, 732 Sachsen-Lauenburg, Rudolf Maximilian von (1596–1647), General 489 Sachsen-Weimar, Bernhard Herzog von (1604–39), General 417, 432 f., 482, 493, 564, 582, 586 f., 596, 604, 609 f., 614 f., 617– 619, 631–634, 636, 640, 642, 645–648, 650– 652, 654 f., 663–666, 675, 682, 693 f., 703– 705, 707–710, 712–715, 719 f., 726, 732, 833, 905, 1022 Sachsen-Weimar, Ernst der Fromme von (1601–75), Herzog von Gotha seit 1640 619, 720 Sachsen-Weimar, Friedrich Herzog von (1596–1622), Offizier 417 Sachsen-Weimar, Friedrich Wilhelm von (1562–1602), Herzog seit 1573 278 Sachsen-Weimar, Johann Ernst von (1594– 1626), Herzog 1615–20, General 265, 387, 417, 503, 507, 510 Sachsen-Weimar, Wilhelm von (1598–1662), Herzog seit 1620 417, 432 f., 482, 564, 582, 604, 610, 614, 619, 652, 678 f., 720 Sachsen-Weißenfels, August von (1614–80), Administrator von Magdeburg seit 1628/38 477, 502, 546, 671 Saint-André, Daniel Rollin Freiherr von (1602–61), Offizier 704, 821 Saint-Chamond, Melchior Mitte de Chevrières, Marquis de (1586–1649), Diplomat 683 Sales, Franz von (1567–1622), Bischof von Genf und Heiliger 466 Salm, Philipp Otto Graf (später Fürst) zu (1575–1634), General 446 Salm-Kyrburg, Johann Philipp Rheingraf von (†1638), General 707 Salm-Kyrburg-Mörchingen, Otto Ludwig, Wild- und Rheingraf von (1597–1634), General 507, 583, 652 f.

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Anhang Salvius, Johan Adler (1590–1652), Diplomat 241, 559, 580, 677, 684, 732 f., 781, 784 Santa Coloma, Dalmacio de Queralt, Graf von (†1640), Vizekönig von Katalonien 757– 759 Savelli, Frederico Herzog von (1595–1649), General 694, 703, 705, 707 f., 710, 712–714, 720 Schaffgotsch, Hans Ulrich Freiherr von (1595–1635), General 490, 636, 639, 643, 684 Scherffenberg, Johann Ernst von (1588–1662), General 639 f. Schiller, Friedrich (1759–1805), Dramatiker 20 f., 348, 484, 644, 890 Schlammersdorf, Thomas Sigismund von (†1638), Offizier 951 Schlick, Heinrich Graf von (1580–1650), General 116, 136, 178, 356, 390, 490, 503, 513 f., 517, 631, 638, 674, 696, 855 Schlick, Joachim Andreas Graf von (1569– 1621), Ständeführer 348, 440 Schmidt von Wellenstein, Valentin (†1639), Offizier 422, 424 Schönborn, Johann Philipp von (1605–73), Erzbischof von Mainz seit 1647, außerdem Bischof von Würzburg seit 1642 und von Worms seit 1663 745, 815, 829, 870 Schütz, Heinrich (1585–1672), Komponist 928 Schwarzenberg, Adam Graf von (1583–1641), kurbrandenburgischer Geheimer Rat 506, 511, 701, 732 Schweikhard von Kronberg, Johann (1553– 1626), Erzbischof von Mainz seit 1604 293 f., 296, 317, 322 f. Schwendi, Lazarus von (1522–83), General 62 Scultetus, Abraham (1566–1624), Theologe 367, 375 Sebastian I. (1554–78), König von Portugal seit 1557 156 Seianus, Lucius Aelius (20 v. Chr. – 31 n. Chr.), Prätorianerpräfekt 551 Selender von Prossowitz, Wolfgang, Abt von Braunau 105 Senno, Giovanni Battista (1600–56), Astrologe 637 Serbelloni, Giovanni Maria Graf (1590–1638), General 752

Servien, Abel (1593–1659), Diplomat 658, 782, 819, 844 f. Seton, Sir John, Offizier 409 Shah Jahan (1592–1666), Großmogul von Indien 1627–58 860 Sidney, Sir Philip (1554–86), Offizier und Autor 934 Sigismund III. Wasa (1566–1632), König von Schweden 1592–99, König von Polen seit 1587 145, 235, 245, 247 f., 252, 254 f., 372– 375, 519–521, 526–528, 680 Sinan Pascha (†1596), osmanischer Großwesir 134 f. Sirot, Claude de Létouf Baron de (1606–62), General 774 f. Slang, Erik (1600–42), Offizier 731, 743 Slavata, Wilhelm Graf von (1572–1652), habsburgischer Statthalter in Böhmen 18 f., 104, 153, 346–349, 441 f. Slots, Margareta, genannt Cabiljau (†1669), Geliebte Gustav II. Adolfs 247 Smiřický von Smiřice, Albrecht Jan (1594– 1618), Anführer des Böhmischen Aufstands 347 Smith, John (1580–1631), Abenteurer 134 Snayers, Pieter (1592–1667), Künstler 931 Soissons, Louis de Bourbon, Graf von (1604– 41), General 770 f. Solms-Braunfels, Johann Albrecht Graf von (1563–1623), kurpfälzischer Hofkanzler 320 Solms-Braunfels, Otto Graf von (1572–1610), General 305 Solms-Hohensolms-Lich, Philipp Reinhard I. Graf von (1593–1635), General 503, 583, 616, 648 Solms-Sonnenwalde, Heinrich Wilhelm Graf von (1583–1632), Offizier 597 Sophie von Brandenburg (1568–1622), Kurfürstin von Sachsen 278 Sötern, Philipp Christoph von (1567–1652), Bischof von Speyer seit 1610, Erzbischof von Trier seit 1623 353 f., 590, 620, 658, 689, 783, 815, 819, 823, 865 Souches, Louis Raduit de (1608–82), General 805 Sourdis, Henri d’Escoubleau de (1593–1645), Admiral 757, 768 Spaignart, Christian Gilbert de (1583–1632), Pastor 545

Personenregister Sparr, Otto Christoph Freiherr von (1605–68), General 792, 834, 882 Speer, Albert (1905–81), NS-Rüstungsminister 21 Sperreuther, Klaus Dietrich von (ca. 1600– 1653), Offizier 584, 678, 682, 694, 708, 1027 Spinelli, Carlo, Marchese di Orsonovo (1574– 1633), General 380 Spinola, Ambrogio (1569–1630), Bankier und General 197 f., 306, 326, 332, 383, 403, 415, 419, 427 f., 455 f., 491, 530 f., 533, 538, 540 f., 554, 620, 648, 930 Spinola, Felipe I., Marqués de los Balbases (1592–1659), General 758 Sporck, Johann von (1595–1679), General 834 f. Stadion, Johann Kaspar von (1567–1641), Hochmeister des Deutschen Ordens seit 1627 669 Stalhansk, Torsten (1594–1644), General 686, 733, 739, 743, 805 Steinberg, Sigfrid Henry (1899–1969), Historiker 892, 898, 1048 Stobäus von Palmburg, Georg (1532–1618), Bischof von Levant seit 1584 101 Strada, Katharina (1579–1629), Geliebte Rudolfs II. 93 Stralendorf, Peter Heinrich von (1580–1637), Reichsvizekanzler seit 1627 441, 543, 615, 692 Stránský, Pavel (1583–1657), Gelehrter und Geschichtsschreiber 394 Streiff von Lauenstein, Philipp (†1647), Diplomat 654 f. Stubenvoll, Hans von (1569–1640), Offizier 401 „Student“ (†1627), Rebell 505 Styrum siehe Limburg-Styrum Süleyman I. der Prächtige (1494–1566), osmanischer Sultan seit 1520 107 Széchy, Georg (György) (†1625), Gutsbesitzer 370 Taaffe, Patrick, Kaplan 641 Taupadel, Georg Christoph von (1600–47), General 707–710, 712, 730, 748, 750 Telemann, Georg Philipp (1681–1767), Komponist 966 Thijsen, Maarten (†1657), Marineoffizier 794 f., 797

Thomas Franz Herzog von Savoyen-Carignan (1596–1656), General 663, 666, 753–755, 767, 837, 839 f. Thumbshirn, Wolfgang Konrad von (1604– 67), Diplomat 830 Thurn, Franz Bernhard Graf von (1592–1628), Offizier 391, 410 Thurn, Heinrich Matthias Graf von (1567– 1640), General 116, 139, 152 f., 346–352, 355–359, 368, 371, 386, 389, 391, 393, 430, 435, 513 f., 576, 615, 629, 635 f., 638, 646, 804 Thurzó, Emmerich (Imre) Graf (1598–1621) 370 Thurzó, Stanislaus (Szaniszló) Graf (†1625), Palatin von Ungarn 370, 410–412, 436 Tiefenbach, Friedrich Freiherr von (†1621), General 442, 449 Tiefenbach, Rudolf Freiherr von (1582–1653), General 116, 449, 488 Tilly, Johann t’Serclaes Graf von (1559–1632), General 116, 149, 177, 271, 378, 381 f., 384, 386, 389 f., 400, 406, 415, 420–422, 424 f., 427, 429 f., 432–435, 440, 445 f., 448, 476, 478–482, 486, 500–504, 507, 509 f., 512 f., 515, 544, 552 f., 564–570, 572–576, 578, 586, 589, 591 f., 596 f., 599, 601, 669, 728, 741, 852, 1004, 1017 Tilly, Werner Graf von (1590–1655), Offizier 433, 509 Torstensson, Lennart (1603–51), General 613, 681, 731, 733, 739–741, 743, 746, 792, 794–797, 800, 802–805, 809, 815, 819, 821, 853 Tott, Åke Henriksson (1598–1640), General 569, 582 Trauttmansdorff, Maximilian Freiherr (später Graf) von (1584–1650), Diplomat 104, 116, 615, 638 f., 668, 672, 674, 691, 780, 815 f., 818–820, 825 f., 828–830, 844, 856, 866 Trčka von Leipa (Lípa), Adam Erdmann Graf (1599–1634), Gutsbesitzer und General 592, 639, 641 Trip, Elias (ca. 1570–1636), Waffenhändler 183 Tromp, Maarten Harpertszoon (1598–1653), Admiral 529, 768 f. Truchsess von Waldburg, Gebhard (1547– 1601), Erzbischof von Köln 1577–83 270– 273

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Anhang Tschernembl, Georg Erasmus Freiherr von (1567–1626), Staatsmann 150 f., 153, 336, 361, 375, 382, 391, 395 Tungel, Lars Nilsson (1582–1633), Diplomat 640 Turenne, Henri de La Tour d’Auvergne, Vizegraf von (1611–75), General 465, 709, 714, 728, 785 f., 788–790, 806, 808–810, 812 f., 820–822, 832 f., 835 f., 844, 848–850, 853 f., 933 Uceda, Cristóbal Gómez de Sandoval, Herzog von (1577–1624), Staatsmann 216, 218 Ulm, Hans Ludwig von (1567–1627), Reichsvizekanzler seit 1612 322 Ulrich, Prinz von Dänemark (1611–33), Administrator von Schwerin seit 1624 (als Ulrich III.) 229–231, 477 Ulrich Johann, Prinz von Dänemark (1578– 1624), Administrator von Schwerin seit 1603 (als Ulrich II.) 477 Urban VIII. (Maffeo Barberini) (1568–1644), Papst seit 1623 474, 545, 587, 687–689, 755 f., 760, 925 Vasconcelos, Miguel de (†1640), portugiesischer Staatssekretär 760 Vaudémont siehe Lothringen-Vaudémont Velasco y Velasco, Luis de (1559–1625), General 383 Velázquez, Diego (1599–1640), Künstler 456, 763 Velen, Alexander II. von (1599–1675), General 695, 720, 792 Vélez, Pedro Fajardo de Zúñiga y Requeséns, Marqués de los (1602–47), Vizekönig von Katalonien 759 Verdugo, Guillermo von (†1629), General 380 Vere, Sir Horace de (1565–1635), General 383, 409 Verhoeven, Abraham (1572–1652), Verleger 940 Viktor Amadeus I. (1587–1637), Herzog von Savoyen seit 1630 753, 1035 Villafranca, Pedro Álvarez de Toledo y Osorio, Marqués de (†1627), Gouverneur von Mailand 1615–18 218 Villalonga, Pedro Franqueza Graf von (1547– 1614), Staatsmann 172

Vincent, Dr. Philip (*1600), Autor 890 Vincenzo II. Gonzaga (1594–1627), Herzog von Mantua seit 1626 534 Vitelleschi, Muzio (1563–1645), Jesuitengeneral seit 1615 542, 548 Volmar, Dr. Isaak (1582–1662), elsässischer Kanzler und Diplomat 780 f., 819, 866 Wagner, Valentin (1610–55), Künstler 930 Wahl, Joachim Christian Freiherr von der (1590–1644), General 695, 723–725, 734, 736, 739, 746 Waldstein, Christoph Graf von (1608–55), Offizier 512 Waldstein, Eva von (†1631), Gräfin von Hohenlohe-Weikersheim 350 Waldstein, Max von (ca. 1600–55), Offizier 484, 1007 Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius von (1583–1634), General 116, 139, 335, 356 f., 386, 411, 435, 446, 483–488, 490–492, 494 f., 499, 501–504, 506 f., 510 f., 513–517, 522, 525 f., 528, 532, 544–546, 548, 550–553, 559, 576, 581, 591, 600 f., 603 f., 606 f., 609–611, 615, 628–631, 635–644, 651, 669, 708, 710, 726, 728, 794, 893, 906, 910, 912, 922, 945 Wallenstein, Isabella Katharina von (1601–55) 484, 644 Wallhausen, Johann Jacobi von (1580–1627), Militärtheoretiker 187 f., 493 Wambolt von Umstadt, Anselm Casimir (1580–1647), Erzbischof von Mainz seit 1630 548, 814, 823, 829 Wangler, Johann Freiherr von (†1636), General 641 Wartenberg, Franz Wilhelm von (1593–1661), Propst von Altötting seit 1604, Bischof von Osnabrück seit 1625 477, 501, 828 f., 831, 863, 875, 944, 962 Weber, Max (1864–1920), Soziologe 921 Wedgwood, Cicely Veronica (1910–97), Historikerin 73 Weimar siehe Sachsen-Weimar Welser, Philippine (1527–80), Erzherzogin von Tirol 989 Wenzel von Österreich (1561–78), Erzherzog 145 Werder, Diederich von dem (1584–1657), Offizier 932

Personenregister Werth, Jan van (1590–1652), General 632 f., 652, 655, 666 f., 692–694, 703, 707 f., 713, 715, 739, 748, 800, 802, 806, 808, 810, 812, 833–835, 853 f., 945 Wettstein, Johann Rudolf (1594–1666), Bürgermeister von Basel 864 Widerholt, Konrad (1598–1667), Offizier 704 f., 716, 722, 724, 785 Wiellinger, Achaz (1595–1627), Rebellenführer 505 f. Wilhelm II. von Oranien (1626–50), Statthalter der Vereinigten Niederlande seit 1647 843 Wilhelm V. der Fromme (1548–1626), Herzog von Bayern 1579–98 97, 102, 260, 273, 284, 325 Wilhelm von Nassau-Dillenburg, genannt „der Schweiger“ (1533–84), Fürst von Oranien 173, 178 f., 184, 276, 350 Winterfeld, Samuel von (1581–1643), Diplomat 511 Witte, Hans de (1583–1630), Finanzier 499, 551 f. Wittenberg, Avid (1608–57), General 731, 743, 832, 834, 855 Władysław IV. Wasa (1595–1648), König von Polen und Titularkönig von Schweden seit 1632 254, 373, 680 f. Wolfradt, Anton (1581–1639), Bischof von Wien seit 1630 545, 638 f., 674

Wrangel, Carl Gustav von (1613–76), General und Admiral 699, 728, 731, 796, 805, 820– 823, 831–836, 848–850, 853 f., 856, 880 Wrangel, Hermann von (1587–1643), Offizier 527 Württemberg, Eberhard III. von (1614–74), Herzog seit 1628 652, 654, 705, 716 Württemberg, Friedrich I. von (1557–1608), Herzog seit 1593 274, 292 Württemberg, Johann Friedrich von (1582– 1628), Herzog seit 1608 319, 416 Württemberg, Magnus Herzog von (1594– 1622), Offizier 416 Württemberg-Mömpelgard, Ludwig Friedrich Herzog von (1586–1631), Regent in Württemberg seit 1628 547 Württemberg-Weiltingen, Julius Friedrich Herzog von (1588–1635), Regent in Württemberg 1631–33 564, 596 Zápolya, Johann (János) (1487–1540), Woiwode von Siebenbürgen 77 Zeller, Christoph (†1626), Rebellenführer 505 Žerotin, Karl von (1564–1636), Staatsmann 149 f., 153, 355, 357, 442 Zúñiga, Balthasar de (1561–1622), Diplomat 169, 296, 325, 331, 353, 405, 452

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Zusammenspiel Ein opus magnum wie Peter H. Wilsons großartige Geschichte des Dreißigjähigen Krieges – in England längst ein Standardwerk – ins Deutsche zu bringen, ist in jeder Hinsicht ein großes Unterfangen, das viele Menschen braucht, die im Team zusammenspielen. Mit Tobias Gabel, Thomas Bertram und Michael Haupt haben drei erfahrene Übersetzer den Text ins Deutsche gebracht. Peter H. Wilson hat dankenswerterweise alle Fragen der Übersetzer geduldig und immer prompt beantwortet. Für die deutsche Ausgabe hat er zudem ein komplett neues Literaturverzeichnis beigesteuert. Im engen Austausch mit dem Autor stand auch Daphne Schadewaldt, die die umfangreiche Redaktion des deutschen Textes und die Erstellung des Personenregisters übernommen hat und im Gewirr der Namen (vor allem der vielen gleichlautenden Namen) souverän den Überblick behalten hat. Peter Palm hat alle Karten für die deutsche Ausgabe umgezeichnet. Die Herstellung übernahm Anja Bäumel in gewohnter Sorgfalt, und im Lektorat der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft hielt Regine Gamm alle Fäden in der Hand und hat das Buch von der ersten Begutachtung bis zum Erscheinen begleitet.

Über den Inhalt Bis heute hält die Auseinandersetzung mit dem Dreißigjährigen Krieg an. War es vor allem ein »teutscher« Krieg? In erster Linie ein Religionskrieg? Oder war es der Kampf Frankreichs, Schwedens, Englands, niederländischer und deutscher Protestanten gegen die spanisch-habsburgische Hegemonie? Peter H. Wilsons große Gesamtdarstellung nimmt alle Aspekte in den Blick: beginnend mit der Vorgeschichte des Krieges und einem europaweiten Panorama der strukturellen Gegebenheiten über eine breite Schilderung des Kriegsgeschehens bis hin zum Westfälischen Frieden und den Folgen. In die Darstellung eingestreut finden sich Kurzporträts der wichtigsten politischen und militärischen Akteure. Doch Wilson verharrt nicht auf der Ebene der großen Gestalter, ihn interessieren immer auch Schicksal und Lebensrealitäten der gewöhnlichen Soldaten und Zivilisten. Ein opus magnum im besten Sinn.

Über den Autor Peter H. Wilson ist Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte an der Oxford University. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Geschichte der deutschsprachigen europäischen Länder zwischen 1500 und 1914. Zahlreiche Publikationen zur deutschen und europäischen Geschichte der Neuzeit, zuletzt erschienen: The Holy Roman Empire: A Thousand Years of Europe’s History (2017), 2018 erscheint unter dem Titel Lützen eine militär-, kultur- und politische Geschichte der berühmten Schlacht bei Lützen 1632.