Der Bär. Berlinische Blätter für vaterländische Geschichte und Altertumskunde [3]

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Unter Mitwirkung von

Dr.

Dr. Paulus Lallet, Stadt-Archivar Fidirin, Th. Fontaue, Stadrath E. Friedet, Geh. Regierungs-Rath Frhr. Dr. von Ledebur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schwebet in Cüstrin rc. rc.

Brecht, Professor

herausgegeben von

George

Wll

und

Ferdinand Meyer.

Berlin 1877. Verlag von Alfred Weile.

.. .53

.

«Halt.

Abhandlungen. — Erzählungen. Seite

Albrecht, Herzog von Mecklenburg, rettet Berlin 1349.

Von Dr.

.193

4 C. Brecht Bcgräbnißplätze in der Rathenower Gegend. Von Lahn Beitrag der „Germania" zur Erklärung des vaticinium Lehninense. Entgegnung von Dr. G. 141. 151 Botanischer Garten in Berlin. Von' Dr. C. Bolle Brandenburger Breviarium und die Krypta des Doms zu Branden¬ burg a. H. Von E. Buch, Johann von. Von F. Bürgermeister, Ein, von Berlin. Vo» O. Schwebe!. (Mit Ab¬

Sello.70 ....

Wernicke.65 Budczies.33

S.109

bildung) Bürgerwehr von 1705. Von W. Cabinetsordres, Merkwürdige. Mitgetheilt v. L. Alfieri. 89. 97. 120. Cottbus, Geschichte der Stadt. Von Dichter, Ein neu entdeckter märkischer. Von O. Schwebe! Einzug des Türkischen Gesandten Achmet Resmi Effendi in Berlin. Von Ferd. Meyer. (Mit einer photolithogr. Beilage) . Fasanerie bei Berlin (jetzige Zoologische Garten). Von R. Böringuier. (Mit 3 Abbildungen) Friedrichsfelde bei Berlin. Von Dr. C. Brecht. (Mit Abbildungen.) 113. 123. 137.

Rehbein.217.

140 230 98

.105.

187

....

117 143

Quellen.73

Garnison Berlin, Aus der. Nach archivalischen Goethe und der Berliner Buchhändler Himburg. Von R. Bäringuier 224 Handel Berlins im Mittelalter. Von C. Havelberg, Geschichte der Stadt. Von Bürgermeister Lau. 115. 128.135. 164 Hof, Der Berliner, in den Jahren 1786 bis 1792. Von O. Börger

Gerold.81

.93 Abbildungen).160 10.

Von O.

Hohen-Schönhausen und Marzahn.

Schwebe!.234

Hussiten in der Mark (1432). Von Dr. C. Brecht Kirchengeräthe, Der Vergessenheit entrissene. Von E.

Lehniner Studien.

Sello.

Von Dr. G.

(Mit

Abbildungen).

ringuier.172 (Mit

.211.

Märkische Alterthümer. dungen)

.

VIII. Von E. Friede!.

(Mit

177. 203. 209. 220. 232

Franz Maurer. Abbildungen).9. Ahrendts.71 -Ergänzung

(Mit

Gitter

des

Wolf.

Berliner Rathhauses

.

.

.

.

Große Linde auf dem Friedhofe zu Brielow

Lieber.162 Dannenberg.59

Von A. Wendenpfennige. Von Wilddiebstahl und seine Strafen in der Mark Brandenburg. berge.

Qnandt.56

P.

Wundererscheinungen Spandows im Jahre 1594.

Zaubermönch Kurfürst Joachims I. Von Dr. G. Zeughaus, Das Königliche, i» Berlin. Von G.

s.

Museum.

132

Mädchenpensionate, Berliner, im vorigen

Ab¬

24. 44. 66. 86

.101

Vom Director

(Mit Abbildung)

Seite

77

Beyer.167 Pranger-Ausstellung.148

Kahle, Staatsrath.

Münz-Curiosum.

Jahrhundert.

H.80

Bierverfälschung.196

131

100

Werbcschild,

195

Fragekasten

Reicript

71

Von A.

gegen Wein- und Sage vom Holzberg zu Rietz bei Brandenburg a. Weißbier, Berliner. Erste

168 168

Hiltl. (Mit

Beetzsee.156

Hünenstieg im

173

180. 189. 197

Sello.129

Fasanerie. Die Enlstehungsgeschichte.

Dr. Peters

121. 147. 153

Von Dr. Kuntze-

bildung) Zoologisches

Von

I. Draesecke

miiller.

Wnnderblut zu Wilsnack. Culturhistorische Skizze von

100 227

20 .

Böringuier.75

Tafelgeschirr des Bischofs zu Brandenburg. Von E. Wernicke . . 133 Trachtengeschichte Berlins bis zum 30jährigen Kriege. Von O. Schw ebcl 169. 181 Ueberlieferungen aus dem Heidenthumc. II. Die Sage vom Daben-

Seite

.

Von R.

Streitfrage, Eine historische.

Miscellen.

Wildberg.

46

O. S ch w e b e . . 149 Schwedter Französische Kirche und ihr Stifter. Von Thomae. Spiegelhagen in seinem Verhältniß zu Perleberg. Von A. Hopfner 205. 213. 222

Wernicke.86 .

13. 37.

Palais in Berlin. Von Dr. C. Brecht. (Mit Abbildung). 61 Schloß Lahntop. Eine Erzählung aus Brandenburgs Vergangenheit. 78. 90. 99 Von E. Handen der. Von Alterthümer Kleinodien und Schützengilde, Berliner, die

Russische

Zoologische Garten

221

Von

l.95

von H.

41

3 Abbil¬

Von Ferd. Meyer.

Sello..157

Runenkunde, Deutsche. Von Dr. G. Runenschrift unserer heidnischen Vorfahren.

Meßgewänder, Sammlung mittelalterlicher, im Dom zu Branden¬ burg a. H. Von E.

Aufforderung des Märkischen Museum. . Berliner Künstlerinnen aus alten Tagen . Burgberg beim Dorfe Burgwall im Uckersee Cabinets-Ordre Friedrich des Großen . . Ellershagen und Rohlsdorf bei Pritzwalk Galgen-Errichtung in Spandow . . . . Gedicht von Fr. Aug.

... (Mit Abbildung)

E. Krause.

Richtstätten und Criminal-Justizpflege in Berlin.

Bö-

Von Dr. H. Kletke.

Abbildung). Minna von Barnhelm.

47

.26

Bbringuier.21 ...

1.

15. 27. 39.

und dessen

l

I

Krause. (Mit

Mitgetheilt von R.

Lehrbrief, Berliner, ans dem Jahre 1768. Lessing

19

j

Seite

„Öwers Krog" bei Brandenburg a. H. Von Dr. G. Sello . . . 111 Parocbial-Kirche in Berlin. Von O. Schwebe!. (Mit Abbildung) . 200 Prophezeiungen, Alte und neuere, von der künftige» Größe des Hauses Hohenzollern. Von R. 68 Ranke, Ferd., Einiges ans dem Leben. Von R. Beringuier Reliquienkreuz der St. Sabinenkirche zu Prenzlau. Mitgetheilt von

.236

Erwähnung.156

Ein

preußisches.

(Mit Abbildung)

92. 100. 132.

140

Jahren. -.112

Literatur. Seite

Berlin vor 100 Berliner Baedeker

60

Kaiserzeit. Volkslieder. .... .

Dannenberg, die deutschen Münzen der

Ditfurth,

sächsischen

und fränkischen

Historische

Hase und Quast, Gräber der Schloßkirche Hopfner, Heimathkunde der Provinz

zu

Quedlinburg

Brandenburg.

52

140 178 71

Kießling's großer Plan von

Berlin. ..187 grand. Seile 91

Langenscheidt, Naturgeschichte des Berliners

Baukunst.216 Quantz.208

Oeuvres historiques choisies de Frederic le Prüfer's Archiv für kirchliche Quantz, Leben und Werke des Flötisten Schmidt, die Schlacht bei

Wittstock.

91

49

Unter Mitwirkung von

Dr. Wrecht, Prof. Di-. Paulus Freiherr

Kassel, Stadt-Archivar Geh. Hofrath

I>i. von Ledebur,

Aidicin, Lheod. Montane, Stadtrath K. Iriedel,

L.

Geh. Regierungs-Rath Schneider, Archidiaconus Schwebet in Cüstrin rc. rc.

herausgegeben von

George

MM

und

Ferdinand Meyer.

Das Blatt ist durch alle Buchhandlungen und Postämter, sowie durch —die Expedition (Bahnhofstr. 1) zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Verlagshandlung von Alfred Weile Inserate, pro Sgesp. Pelitzcile 25 Pfg., werden von den Herren Haasenstein u. Vogler, Rud. Messe. in Berlin zu senden, welche sie der -Redaction übermitteln wird.

Bernh. Arndt,

Inhalt.

sowie von der Verlagshandlung entgegengenommen.

Sello. (Mit AbbilduUg,) — Herzog Albrecht von Mecklenburg rettet Berlin 1349, von Dr, C- Brecht. Lehmner Studien, von Dr, — Ueber die Runenschrift unserer heidnischen Vorfahren, von Franz Maurer. — Der Berliner Hos in den Jahren 1786 bis 1792.

Lehmner Ztndien. Von Dr, 6. Selo. (Mit Abbildung,) Dcr Bauer, per die Furche pflügt. Hebt einen Goldtops mit dcr Scholle, Salpeter hofft er von der Lcimcnwand, Und sinder golden-goldnc Rolle, Erichrcüt, erfreut, mit kümmerlicher Hand. Was für Gewölbe find zu sprengen. In welchen Klüften, welchen Gängen Muß sich der Schatzbcwußte drängen Zur Nachbarschaft der Unterwelt! Faust. II. Theil.

Natur

„langen Grund" überschritten, mit welchem die ihr Schwilowjuwel wie mit einem Festungsgraben gegen

den Spiegel eines Sees blinken



Kolpin,

es ist der

die

welcher

Dorf führt, das

seinen Namen von einem jetzt untergegangenen

Lehnin, die Pflanzstätte aller Cultur in der Mittelmark, besuchen will, hat, von welcher Seite er auch kommen mag, zu¬ erst märkischen Sandes und märkischer Heide ein reichlich Theil zu überwinden, namentlich, wenn er von Potsdam aus statt der einen weiten Bogen schlagenden Chaussee den graben, früher einzigen. Weg über Bliesendorf wählt. Kaum hat man das baumreiche Petzow mit seiner hoch über dem Glindower See belegenen malerischen Kirche verlassen und den

dahinter aber dehnt sich der Weg durch die traurige Heide fast ebensvlang wie vorher, um plötzlich, nicht weit von Lehnin, den Wanderer auf das Angenehmste zu überraschen. Die Fichten werden allmählich kräftiger, zwischen ihren Stämmen sieht man

bereits zu dem ersten, durch die Schenkung Ottos 1. begründeten Besitzstand des Klosters Lehnin gehörte; die Erinnerung an das¬ selbe lebt, außer

in dem Namen

südlich von Bliesendorf belegenen

des Sees,

noch

fort in dem

Kolpinfeld.

tritt

man nun in hohen, schönen Kiefernwald, die Lehniner Klosterheide; der mit festem Rasen Ueber die Kärrnersbrücke

von einer stattlichen Eichen- und Buchenallec, in deren Schatten man fast unmerklich in den freund¬ Weg

bedeckte

eingefaßt

ist

Vorort Lehnins, die „neuen Häuser" gelangt; und bald Baumwipfel den grauen, mit

lichen

sieht man auch über Dächer und

goldenem Kreuz gekrönten Dachreiter und die rothen Giebel des

Uebergriffe der jenseits beginnenden Sandeinöde umzogen hat, so be¬ tritt man die Heide, der ein Uebelwollender recht gut die UebcrSoweit das Auge schrift der Danteschen Hölle geben könnte.

Klosters emporragen.

reicht, Sand und immer Sand, bestanden mit kümmerlichen kleinen Fichten; kein fest begrenzter Weg: rechts und links biegen die

det

Geleise aus, da jeder Führer eines Gespannes sich festeren Boden als den von seinem Vorgänger aufgewühlten sucht — vergebliches Bemühen! Denn überall, ist der Sand so tief, daß man fürchtet, die Pferde möchten in ihm versinken. So geht es eine Meile weit, bis Bliesendorf eine freundliche Oase bildet;

See,

Lehnin und seine nächste Umgebung liegt in einer Thalmulde, früher unzweifelhaft den Boden eines großen Sees gebil¬

welche

hat,

dessen

Reste

noch

in dem

Kolpin, Schampsce,

Mühlenteich, Kloster-, Netzener-, Moor-

und

Rietzer-

mit einander und mit der Havel durch Wasserläufe in Verbindung stehen) wie in dem Gohlitz- und MittelSee, und zahlreichen, die Ufer dieser Seen bildenden Sümpfen (welche alle

und Brüchen zu erkennen sind. noch in historischer

Ja

es

läßt

sich

nachweisen, daß

Zeit der Wasierstand bedeutend höher

gewesen

2 sein muß

als jetzt;

vom Jahre 1193 (Riedel,

beängstigenden Traum, welcher die Veranlassung zur Klostergrün¬

10. p. 183) erwähnt wenigstens

dung gewesen sein soll, bleibt daneben ganz gut bestehen*). Die unaufhörlichen Angriffe des Hirsches, von denen Otto träumte, legte er sich aus als Verkündigung ihm bald drohenden Todes,

eine Urkunde

cod. diplom. Brandenb.

I,

Las Dorf Rädel (Radele) cum stagno adiacente, welcher jetzt nicht mehr vorhandene See mit dem Gohlitzer, von dem sich eine

niedrige Wiese bis Rädel und Schwine erstreckt, eins gewesen sein könnte, wenn man nicht, wie es gewöhnlich geschieht, das in derselben Urkunde genannte Göritz enm stagno, welches

mit dem gleich¬ in ihm untergegangenen Dorf halten will.

sonst nicht nachzuweisen ist,

namigen, der Sage nach

für

Gohlitzsee'

den

Die ganze Gegend war, soweit sie festes Land bot, in älte¬ ster Zeit niit dichtem Wald bedeckt, und noch jetzt finden sich schöne Exemplare von Eichen, Buchen und Linden; doch, so wie man den Rand des Plateaus betritt, in welches Lehnin eingesenkt ist, ändert sich die Vegetation mit einem Schlage, es beginnt sofort die dürftige Kiefernheide, wie man dies besonders auf dem

denn der Hirsch, in der germanischen Mythologie ein heiliges Thier, war dem Mittelalter zu einem von bösen Geistern ge¬ sendeten Todesboten geworden, wie denn auch der Volksmund den

mit

dem Markgrafen kämpfenden,

und den auf dem Klostersee

erscheinenden Hirsch gradezu als den Teufel bezeichnet (Kuhn, Kritzinger, Kloster Lehnin und seine Märk. Sag. No. 73. Lehnin 1876. In Konrads von Würzburg Sagen. p. 67.

goldener Schmiede dagegen ist der Hirsch ein Sinnbild Gottes). Durch dieses meineiito mori geschreckt, beschloß Otto, dem Geiste seiner Zeit gemäß, ein Kloster zu gründen, mit der ausgespro¬ chenen Absicht, dadurch die Macht des Teufels zu bekämpfen und

Wege nach Nahmitz beobachten kann.

dereinst in den heiligen Klostermauern dem jüngsten Tage ent-

Einen prächtigen Blick aus das ganze ehemalige Seebecken genießt man von der Oberförsterei, welche an dem ziemlich steil nach Rädel zu sich erhebenden Berge malerisch unter hohen Bäu¬ men versteckt liegt; und nicht minder anziehend ist die Aussicht von dem kleinen hölzernen Luginsland bei der Schiffbauerei am

gegenzuschlummern.

Klostersee, namentlich bei Abcndbeleuchtung, oder bei Mondschein

von den Bergen bei

Kaltenhausen auf die von dort in ihrer

ganzen Ausdehnung sich dem Beschauer darbietenden Klosterge¬ bäude, hinter denen wieder der Spiegel des Klostersees blinkt. Weniger verlockend war das Bild, welches sich den ersten

Sittichenbach

aus

hier

einziehenden

Mönchen

Zu

bot.

den

Hindernissen, welche die unwirthliche Natur entgegenstellte, kamen die Feindseligkeiten der Bewohner*), die zwar, wie die Geschichte

von Jahrhunderten lehrt, dem Christenglauben an sich gar nicht waren, durch die Grausamkeit der christlichen die Habgier des Clerus in eine Opposi¬ aber und durch Sieger besonders abhold

tion gedrängt wurden, die

sich nach

endgiltiger Unterwerfung der

Wendenländer zu Ende des 12. Jahrhunderts in hartnäckigem passivem Widerstand äußerte, bis ein noch unaufgeklärtes Ereig¬ niß sie zu offener Gewaltthat und Ermordung des Abtes Seboldus führte.

Situation

recht lebhaft

vor,

Stellt man sich kommt man zu der Ueberzeugung, daß zur Anlegung des Klosters kaum ein Ort hätte gefunden werden können, welcher besser der Cisterzienserregel, sich stets in niedrig gelegenen, feuchten, sumpfi¬ die damalige

so

Thälern anzusiedeln, entsprach, —

gen

möchte daher annehmen, daß die Mönche den Platz aus eigenster

Entschließung gewählt, nicht, daß er ihnen, wie die Sage durch

Otto I. angewiesen worden.

*) Für wie

will,

Die Erzählung von dem

unsicher man damals, und noch später, unsere Havelgegen¬

den hielt, zeigt ein Schreiten des Papstes Cölestin

II.

v.

I.

1197, in

„in

medio nationis pravae et perversae, scilicet Inter Slavos et inimicos Christi¬ an! nomiuis constitutus“ sei (Riedel c. d. B. I. 8. p. 122). welchem er bedauert, daß der Propst Heinrich von Brandenburg

entsprechend

sagt

denn auch Ottos

Sohn, Albrecht I., sein Vater habe das Kloster frommen Gemüths gegründet: ob remedium animae suae et totius pa1208, Riedel, eod. I. 10. p. 191). rentelae suae (Urk. v. Daß seine Wahl bei Besetzung des Klosters auf die Cister¬ zienser fiel, findet eine Erklärung darin, daß dieselben damals

I.

auf der Höhe ihres Ruhmes standen, und daß er selbst ihren zweiten frommen Stifter St. Bernhard, den eifrigen Gegner Abälards, wahrscheinlich bei seinen Kreuzzugpredigten kennen und schätzen gelernt hatte; vielleicht erwartete er auch von ihrer

Frömmigkeit besonderen Schutz gegen fernere Versuchungen des Satans — St. Bernhards Attribut ist wenigstens ein gefeffelter Teufel. Aber sicher spielten auch politische Motive dabei eine Rolle. Zur Germanisirung und Kultivirung des durch seine und seines Vaters Bemühungen errungenen Wendenlandes gab es kein besseres Mittel, als die Stiftung von Klöstern, (es ist unrichtig, wenn Fontane, Ost-Havelland p. 66 bereits Albrecht dem Büren das Verdienst zuschreibt, dieß erkannt und ausge¬ führt zu haben) und im Besonderen die Ansiedlung der ein¬ fachen, frommen,

arbeitsamen Cisterzienser, welche

ihr

verdienst¬

voller Geschichtsschreiber Winter treffend eine Vereinigung von Bauer, Handwerker und Asketen nennt. Die Entwässerung und Urbarmachung der Sumpflandschaften, in denen sie sich nieder¬ ließen, die Kultur des Getreide-, Wein- und Obstbaues**)^ welch

eine Regel, welche der

hl. Benedict in der allegorischen Redeweise seiner Zeit folgen¬ dermaßen motivirt und empfiehlt: „In den Thälern ist die Fruchtbarkeit; dort gedeihen die Pflanzen, hier findet man die vollen Aehren; hier findet man hundertfältige Frucht. Die Thäler hört man überall da nennen, wo die Demuth gepriesen wird. Dort pflanzt, wo die Wasser fließen, denn da ist die Fülle geist¬ licher Gnade! An dem Ort laßt uns feststehen, damit wir nicht verdorren und uns nicht bewegen lasten durch jeden Wind." (Winter, d. Cisterzienser d. nyrdöstl. Deutsch!. I. p. 6 .) Man

Dem

*) Die Quelle

der andern,

in Riesels .Ausflügen und Ferienreisen'"

p. 111 mitgetheilten Gründungssage ist mir unbekannt. Nack) Pulkawas Gründungssage riethen Ottos I. Diener ihm, an der Stelle des Traums eine Burg zu errichten. Ganz ähnliches wird von der Gründung (Riedel, eod. des Klosters Heiligcngrabe durch Otto den Langen erzählt.

V.

Fälschlich läßt Schwebet in seinen sonst vortrefflichen 1. p. 465.) „kulturhistorischen Bildern aus der alten Mark Brandenburg" p. 49, 369 diesen Hirsch ein Kreuz zwischen dem Geweih tragen. Es liegt eine Ver¬ wechselung mit der Vision Joachims B. vor (Beckmann, histor. Be¬ schreibung der Chur- u. Mark Brandenburg. I. Bd. Sp. 783, wo Hafftitz citirt wird, welcher indessen (p. 128) nur eines Hirsches überhaupt Er¬

I.

Temme, Volkssagen der Altmark:c. p. 96). haben die Lehniner Mönche als Väter der Wcrderschen Obst¬ cultur zu betrachten. Bereits 1193 (Riedel, eod. I. 10 p. 184 wird Weinbau des Klosters erwähnt, nicht erst 1196 wie Winter (II. 270) Wie wohl der damals gekelterte Wein gemundet haben muß, angiebt. wähnung thut.

**) Wir

hervor, daß der Ritter Rudolf und seine Gattin Bia 1219 bei Abtretung des Dorfes Stangenhagcn an das Kloster sich neben andern Gefällen die jährliche Lieferung einer bedeutenden Quantität (Riedel, weißen, im Klosterweinberg gewonnenen Weins ausmachten. geht daraus

i.

I.

eod.

I.

10 p. 194.)

3 letzterer namentlich durch sie erst einige Bedeutung

land erlangte, lag ihnen besonders am Herzen.

in

Deutsch¬

Allein von ihrer

mit den Früchten ihres Schweißes wohlzuthun war ihr Stolz. Bei ihrer asketischen Absonderung von der großen Welt mußten sie, um den Lebensbedürfnissen eigenen Hände Arbeit zu leben,

Rechnung zu tragen, ihr Kloster zu einer Welt im Kleinen machen,

Künste und Gewerbe

sie von der Welt außerhalb des Klosters unabhängig waren; und zu diesem Zweck umgaben sie sich mit den sogenannten Conversen, einem ihrem Orden eigenthümlichen, zwischen Mönchen und Weltlichen in der Mitte

sich

soweit aneignen, daß

einmal den Katechismus wüßten. Daß aber auch damals nicht aller wiffenschaftliche Sinn erstorben gewesen sein kann, beweist die bei Aufhebung des Klosters vorhanden gewesene ziemlich be¬

Bibliothek*), und der Bücherschatz, welcher im Jahre 1617 in einer Mauerhöhlung zu Tage kam: es beweist dies auch für frühere Zeit die ruhmvolle Laufbahn des späteren Erz¬ bischofs Dietrich Kagelwit, welcher seine erste Bildung in Lehnin erhielt, und daselbst das Amt eines cellcrarius bekleidete. Den¬ selben soll hier Kaiser Karl IV. kennen, und wegen seiner viel¬ seitigen Begabung schätzen gelernt haben; eine darauf bezügliche deutende

stehenden'Institut, und den Klosterverwandten oder familiäre, die, nur in gewissen Punkten an die Ordensregel gebunden, auf den Wirthschaftshöfen oder Grangien wohnend, als Tagelöhner und Handwerker dienend, in nothwendigem Verkehr mit der übrigen

Anecdote erzählt

Bevölkerung des Landes dieser die Segnungen der Cultur zu¬ gänglich machten. So tief lag diese Culturmission im Wesen

zeigt durchaus den Charakter mönchischer Gelehrsamkeit,

des

Ordens begründet, daß überall dort, wo dieselbe erfüllt war, die Klöster entarteten und verfielen, und nur durch allmählich immer weitere Ausdehnung ihres Wirkungskreises, bis nach Polen und Ungarn hinein, der alte Geist lebendig erhalten wurde.

wenn auch Heffter (Gesch. d. Klosters Lehnin. Brandend. 1851.

Kloster

p. 29) meint: „Die Sache habe ihre volle Richtigkeit. Nach Berghaus (Landbuch d. M. Brandenburg I. 561) heißt polnisch je! 6 n, wendisch jelenj Hirsch; er glaubt den Namen, wie so viele in der Mark, von glina, Lehm, ableiten zu müffen. Winter dagegen (I. 42) spricht die Ansicht aus: der Ort habe

Mutter der neuen Stiftung wurde das 1141 gegründete

Sitt ichenbach (Sichenbach, Sichem, beiPulkawa Sedecken-

becke) bei Eisleben, welches durch die Wunderthaten seines ersten Abtes Volcwin weit und breit berühmt war (et. darüber die

bei Winter I. 368 ff.). Mutter und wie es bei der Ordensregel der Cisterzienser natürlich war, in lebhaftem Verkehr miteinander, und ein Abt

miracla sancti Yolquini Tochter

blieben,

von Sittichenbach, der durch seine Gelehrsamkeit berühmte, durch die Wunderthätigkeit der Gebeine Volcwins von schwerem Fieber und Kopfleiden geheilte Hermann, wurde in der Mitte des

XE!. Jahrhunderts Abt zu Lehnin. Schon diese Thatsache allein -ist geeignet, den unserm Kloster gemachten Vorwurf der Unwiffenschaftlichkeit zu entkräften, wenn

wir

auch nicht

mit Schönemann

(Histor. und diplom. Geschichtsbeschreibung des re. CisterzienserKlosters Lehnin. 1787. p. 19) behaupten wollen, daß es unter Der den Cisterzienserklöstern für das gelehrteste gegolten habe. Orden überhaupt legte allerdings, wenigstens anfänglich, kein besonderes Gewicht auf das

zu den Benediktinern,

Studium der Alten, im

sondern

Gegensatz

verwies seine Angehörigen vor¬

zugsweise auf die heilige Literatur, und befahl u. A. auch, daß im Kloster vorhandene juristische Bücher besonders verwahrt wür¬ Mit den, damit nicht jeder sie lesen könnte (Winter I. 22). der Zeit änderte sich aber auch dieß; man gestattete anfangs, später befahl man den Äbten, einzelne besonders befähigte Mönche auf die Universitäten zu schicken. So finden wir denn auch z. B. im 15. und 16. Jahrhundert häufig Lehniner Mönche unter den Studirenden und Graduirten der Universität Leipzig (Winter UI. 65 ff.), und mit welchem Erfolg nunmehr das Studium, auch das juristische, betrieben wurde, lehren die in dem Ge¬ denkbuch des Abtes Heinrich Stich erhaltenen Proceßschriften des Klosters, in welchem dasselbe seine Sache höchst gewandt zu

führen und aus dem römischen und canonischen Recht wohl zu begründen weiß. Die beiden letzten in Wittenberg nach Beginn der Reformation im Jahre 1519 immatriculirten Cisterzienser

Lehniner (Winter HI. 149); trotzdem muß grade in dieser Zeit der Bildungsgrad der Lehniner Mönche bedeutend gesunken gewesen sein, denn die Visitatoren des Jahres 1'541 waren

constatiren,

nachdem

sie

die früheren

des Klosters rühmend erwähnt,

pädagogischen

daß einzelne

Leistungen

der spätres

nicht

und Zinkgref) Küster in seiner icones marchicae (Berlin 1751), wo¬ sich auch Kagelwits Portrait und Biographie befindet. Die von der Sage gegebene Herleitung des Namens Lehnin (nach Krantz

Ausgabe von Seidels selbst

wie Berghaus nachweist,

auch,

sprachlich

nicht

wohl

und ist möglich,

leien in, Hirschberg, geheißen (an ein etwa bei Gründung des Klosters bereits bestehendes Wcndendorf darf man aber nicht denken; es war den Cisterziensern ausdrücklich ver¬ boten, sich in Städten, Dörfern oder Schlöffern niederzulassen; cf. Dohmc, die Kirchen d. Cisterz.-Ord. in Deutsch!, während d. M. A. Leipzig 1869 p. 19) und sei von den Deutschen in „Lehn in" verderbt worden; auf den einstmaligen Hirschreich¬ thum der Gegend, welcher ihr darnach den Namen gab, deutet noch der Hirseberg in der Mittelheide bei Lehnin, welcher nichts anderes bedeutet, als Hirz - Hirschberg. Die Lokalisirung des Fürstentraums auf der Stätte des Klosters ist an sich un¬ ursprünglich

erheblich, und wahrscheinlich durch das Bestreben, den Namen sinnig zu erklären, veranlaßt worden. Der Eichcnstumpf, Ueberrest jener Eiche, unter welcher Otto geträumt haben soll, war

denn auch leicht zu beschaffen, hatte wohl auch ursprünglich eine

ganz andere besondere Bedeutung.

vorgenommenen Untersuchung hat

*) Eine

Bei einer im Jahre 1875 herausgestellt, daß er nur

sich

wahrscheinlich nicht vollständige Abschrift des Katalogs der¬

(bibliothece Leninensis indes, 3IDXIIIL), welche ca. 5—600 Werke umfaßt, gelangte von Wittenberg in die Universitätsbibliothek zu Jena — cf. Heffter, d. Biblioth. d. ehemal. Cisterzienserklosters Lehnin in Naumanns Serapeum, XI. (1850) p. 266 ff. — Das Kloster besaß selben

danach einen reichen Schatz an theologischen Werken, auch eine

Biblia cum

vocabulis hebraicis, was auf das Studium der hebräischen Sprache schließen läßt, mathematische, mcdicinische, historische Schriften, die damals gebräuchlichen Sammlungen des canonischen und römischen Civilrechts, und eine nicht unbedeutende Sammlung deutscher Rechtsquellen, den Sachsen¬

iuris Saxonum, remissorium tcutunicale cum lege lombarda (eine alphabetische Bearbeitung des säd)sischen Land- und Lehn¬ rechts, mit Verweisungen auf das römische Recht, und besonders die libri feudorum), das sächsische Lehnrecht, Richtsteig Lehnrechts; die Hauptvertreter des classischen Alterthums fehlen in diesem Katalog gänzlich. Merkwürdi¬ gerweise wird eine arenga ad specueum saxonicum (d. h. die gereimte spiegel, eine clavis

Vorrede zum Sachsenspiegel; Heffter versteht den Ausdruck nicht; arenga mit dem französischen harangue, wird vom „Yocabularius -utriusque Juris“ erklärt als „apta. et concors. verborum sententia, quae ponitur post salutationem in privilegiis arduorum negoti¬ orum) als selbstständiges Werk erwähnt, während sic doch sonst nur in Verbindung mit dem Sachsenspiegel selbst vorzukommen pflegt (es identisch

Home»er, d. deutsch. Rechtsb. p. 3).

4 glatt abgeschnitten und in grobe Leinwand gehüllt gewesen ist (Kritzinger, Kloster Lehnin und seine Sagen, p. 12 Anm.). Merkwürdig ist es aber, daß ein Hirsch in der Geschichte des Klosters stets eine bedeutende Rolle gespielt hat. Nach Garzaus bildeten zwei springende Hirsche, mit einem Abtstab zwischen sich, das Wahrzeichen des Klosters (Heffter p. 26); ein nichtgenannter Kurfürst hegte in dem Lehniner Thiergarten einen weißen Hirsch mit goldenem Halsband, den Niemand verletzen durfte (Riedel, in Mark. Forsch. I. 185, ich erinnere hierbei an den Hirsch Karls d. Gr., Grimm D. S. Nr. 445, und König Frodes, Kuhn, in Ztschr. f. D. Philol. I. 106), und noch heut soll sich im Winter auf dem Eise des Klostersees ein Hirsch zeigen, dessen Erscheinen Unglück bedeutet (Kuhn, Mark. Sag. p. 80). Bei seiner Stiftung wurde das Kloster, außer mit dem Grund und Boden, auf dem es stand, mit 6 in seiner Nähe belegencn Dörfern und deren Pertinenzien bewidmet (Winter II. 268 nennt irrthümlich außer dem Klostcrplatz nur 5 Dörfer; es. Riedel, cod. I. 10. p. 182); seine Unternehmungen müssen aber anfangs nicht recht prospcrirt haben, denn im Jahre 1219 (Riedel, cod. I. 10. p. 193) spricht Bischof Siegfried II. von Brandenburg von der Bedürftigkeit der heiligen Männer zu Lehnin und schenkt ihnen einen Zehnten, damit ihrer Armuth geholfen und ihre beschaulichen Betrachtungen nicht durch Sorge um das tägliche Brot gestört würden. Durch Schenkungen *) und Vortheilhafte Käufe erweiterten sich aber bald die Besitzungen des Klosters und sein Reichthum in erfreulicher Weise, so daß, als im Jahre 1542, nach dem Tode des Abtes Valentin (den Kur¬ fürst Joachim I. seinen Gevatter und lieben getreuen Rath ge¬ nannt hatte, Riedel, cod. I. 10. p. 369), Kurfürst Joachim II. von den Klostcrvasallen den Huldigungseid verlangte, das alle Amtsbuch kurz darüber registriren konnte: Iota Zcucba cum civitate Werder et villis Töplitz (beide gehörten damals zum Havelland) praestitenmt homagium (Riedel, cod. I. 10. p.

27 Zoll lang,

oben und unten

Außerdem hatte der Convent bedeutende Besitzungen im Havelland, im Teltow, dem Barnim und der Neumark; die gesammten Havelgewässer von Cladow bei Spandau bis Plaue

403).**)

mit der Stadt Potsdam (ek. Mitthlgn. d. Vereins f. d. Gesch. Potsdams H. p. 148) und allen in der Nähe liegenden Seen gehörten ihnen. Wenn unter diesen Gewässern eine Urkunde vom 5. April 1317 den Wittrrsee erwähnt, so ist darunter nicht

*) Otto II.

schenkte u.

A.

Tesekcndorf,

welches jetzt verschwunden

ist, aber wahrscheinlich bei Petzow, wo jetzt noch ein Tiesekcnberg liegt, gesucht werden muß, (ein Bastian Tesickendorf findet sich 1533 in Werder (Riedel, cod. I. 10. p. 376) — cum tribus tractibus sagenao in lacu Surlou, was unzweifelhaft Suilou, Schwilow, heißen soll. (Riedel, 1. c. 182, F. Heffter p. 65 Anm.*). **) Merkwürdig sind aus diesem Jahre der Aufhebung des Klosters die in -Potsdam ausgestellten Reverse zweier Lehniner Mönche, in welchen dieselben erklären, sie wolllm, nachdem sie einige Tage vom Kurfürsten auf dem Schloß zu Potsdam in gefänglicher Haft gehalten, in ihr Kloster zurückkehren, und, gegen Gewährung völlig freier Station, auf alle ihre Ansprüche an die Güter und das Einkommen des Klosters verzichten (Riedel, cod. I. 10. p. 40 ff.). Wahrscheinlich hatten sie nach Abt Valen¬ tins Tode heimlich das Kloster verlaßen, waren aber in Potsdam ange¬ halten und gezwungen worden, den betreffenden Verzicht zu erklären, um die Besitznachfolger des Convents vor späteren Belästigungen und Proeeffen zu sichern. Aehnliches hatten schon vorher 14 andere Mönche bei ihrem Austritt aus dem „vorfürlicben, an leib und seele sehedlicben klosterleben“ anscheinend freiwillig in Lehnin selbst urkundlich ver¬ sprochen. (Riedel, 1. c. p. 404).

der

Weiße See bei Fahrland (cf. Mitthlgn. HI. p. 259),

sondern

der.Lienewitzer

See bei Caputh

der Text sagt ausdrücklich:

zu verstehen., denn

Lynewitzersee vel Witter-

see, quod idem est (Riedel, cod. I. 10. p. 231. cf. Fidicin, Zauche p. 33). Das ebenda genannte, etwas räthselhaft klingende 8 tagnum

Heyde Botzin

ist unzweifelhaft iden¬

mit der Petzienbucht, Caputh gegenüber, die sich, dem Terrain nach zu schließen, früher tiefer in das Land hinein erstreckte, und Geltow und Baumgartenbrück fast zur Insel

tisch

Denn die Urkunde vom 31. August 1462 gibt den Einwohnern Capuths das Recht, „in unse (des Klosters Lehnin) machte.

genannt Heyde-Butzin,

866 ,

darsulwest belegen, meth

einen wonlicken plötznette tuo vischen“. (Riedel, 1. c. p. 308.)*). (Fortsetzung folgt.)

Herzog Albrecht von Mecklenburg rettet Vortrag gehalten in der Sitzung des Vereins für die

Berlin 1349. Geschichte

Berlins

am 30. December 1876.

Von Dr. ff. Kredit.

Die glänzenden Tage der Regierung Waldemar's des Großen, im Jahre 1319 mit großem Gepränge dessen irdische Reste im Kloster Chorin ihre letzte Ruhestätte gefunden, hatten Männer der Mark miterlebt, welche 1348 bereits im.vorgerückten Lebens¬ alter sich befanden. Sie hatten mit ihren Kindern, die zu dieser Zeit eine Generation im blühendsten Alter bildeten, den Jammer und das Elend der unglücklichen Regierung des Nach¬ folgers Waldemars, des Markgrafen Ludwig des Baiern, mit

und, was unter den vorwaltenden Ver¬ hältnissen natürlich war, jene glückliche gesegnete Regiernngs-Periodc in einer Art geschildert, daß die Sehnsucht nach einer Wiederkehr solcher goldenen Zeit allgemein war. Es war des¬ halb kein Wunder, daß, als im August 1348 in der Mark das durchleben

müssen

Gerücht auftauchte,

der

1319 verstorbene Markgraf Waldemar

langem Büßerleben wieder er¬ schienen, von dem Erzbischöfe von Magdeburg anerkannt worden und Willens, die Regierung der Mark wieder zu übernehmen, diese abenteuerliche Geschichte nicht nur bei den Bürgern von sei nicht gestorben sondern nach

Berlin und Cöln vollen Glauben fand, sondern daß man sie auch in den meisten märkischen Städten mit der freudigsten Zu¬ Wahrheit aufnahm und darin den Anfang einer neuen beglückenden Aera erkannte. Nach der alten Erfahrung, daß man Alles, was man wünscht, auch hofft, fand diese in Scene gesetzte Wahrheit dem¬ nächst bald in den Anschauungen der gläubigen Menge eine Be¬ stätigung, welche uns die Geschichte mit ihren dunkel gebliebenen versicht

als unumstößliche

bis heut zur unzweideutigen Evidenz nicht aufzu¬ klären vermocht hat, wiewohl einige der neueren Geschichts¬ forscher zu dem Resultat gelangt sind, daß Waldemar 1319 nicht verstorben, sondern aus guten Gründen unsichtbar geworden und Thatsachen

statt seiner ein Anderer mit fürstlichem Gepränge begraben war. Den Städten ging nämlich mit dem Wiedererscheinen Walde¬

mars die Aufforderung zu, ihn als ihren rechtmäßigen Erbherrn wieder anzuerkennen. Es muß dahin gestellt bleiben, ob diese

*)

Vereins f. d. Gesch. Potsdams. p. 73) wäre der Heide-Botzin der Plötziner Pfuhl.

Nach v. Ledebur

Neue Folge

II.

(Mittheilungen

d.

Aufforderung in schriftlicher Form erging, oder. ob sie nur von Mund zu Mund getragen wurde. Nach den damaligen Ver¬ hältnissen gewinnt die schriftliche Form mehr an Glaubwürdigkeit, obwohl darüber nie etwas auf die Nachwelt gekommen zu sein scheint. Daß-eine solche Aufforderung aber wirklich existirt hat, läßt sich nach den sonst vorhandenen Ueberlieferungen nicht füg¬ lich in Abrede nehmen. Ganz besonders spricht dafür auch die zweifellose Thatsache, daß demnächst noch an die Städte Berlin und Cöln eine wiederholte Mahnung des Markgrafen, vom Mittwoch ohne nähere Zeitangabe, aus Wolmirstedt datirt, er¬ ging, in welcher es wörtlich heißt: Wy bidden vnde manen alz wy vorgedan hebben, by truwen vnde by eren, vmme vnse vederlicke erve vnde vmme dy huldunge dy gy vns gesworen vnde gelovet hebben etc. (Berl. Urk. B. S. 102.) ■

Befremden darf es nicht, daß beide Städte nicht sofort der

Waldemars eine bestimmte Gestalt angenommen hatte und sich weithin verbreitete, befand sich der wirkliche Landesherr, Mark¬ graf Ludwig von Baiern, am 7. August 1348 in Tangermünde, wo er denen von Schulenburg Renten aus verschiedenen Dör¬ fern verschrieb. (R. A. Y. 325.)*) Von hier aus scheint er Widerstand gegen den neu erstandenen Waldemar beabsichtigt zu haben, indem er sich der Hülse des Herzogs

von

Braunschweig versichert

Markgrafen wesentlich beigetragen haben mag. Die Abneigung gegen den rechtmäßigen Landesherrn ging in dieser Zeit so weit, daß die Städte der Alt- und der Mittel-

Mark, beispielsweise Brandenburg, Rathenow und Nauen (R. A. sich zur gegenseitigen Hülfe verbanden und gemeinsam be¬ schlossen, bei einem Herrn zu bleiben. Daß mit letzterem nur Wal¬

nicht ermitteln lassei».

darauf hinaus, den wiedererstandenen Waldemar anzuer¬ kennen. Beide Städte unterwarfen sich demselben, worauf weiter unten zurückgekommen wird, und hielten von diesem Augenblicke an treu zu Waldemar resp. zur Askanischen Partei bis dahin, wo ersterer selbst sie von der eingegangenen Verpflichtung entband. Um die Verhältnisse der Städte Berlin und Cöln bis zu dem Momente, deffen Schilderung Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein soll, richtig aufzufäffen, wird es sich empfehlen, die

aufgehalten hat.

politische

Lage

in der Mark einer Betrachtung zu

würdigen.

In

jener Zeit, als das Gerücht von dem Wiedererscheinen

er

Dem Willen ist aber die That nicht gefolgt, wozu die feindliche Stimmung gegen die Person des

Betracht gezogen werden mußten, unbedingt die sorgfältigste Ueberlegung. Das Resultat der städtischen Erwägungen ging endlich

damalige

welchem

in Gültigkeit war.

noch

IX. 42)

doch

mit

unterm 15. November 1346 ein Schutz- und Trutzbündniß auf 4 Jahre geschloffen hatte, (K. Suppl. Bd. S. 21) welches mithin

Aufforderung nachgekommen sind, denn wenn auch ein Wechsel in der Regierung dringend ersehnt wurde, wenn auch Markgraf Ludwig sich im Banne und in der Acht befand. Nie¬ mand also rechtlich verpflichtet war, ihm Treue und Gehorsam zu zollen, so bedurfte doch die Loslösung von dem bisherigen Unterthanen-Verhältniffe, wobei die verschiedensten Interessen in ersten

hielt,

demar gemeint war, lag bei der vorherrschenden Richtung außer

Zweifel. Urkunden darüber, des

Schritte Ludwig zur Ableitung thatsächlich unternomnien, haben sich

welche

drohenden Unwetters

sich bis zum 20. August Sonstige Umstände sprechen indeß dafür, daß

Auch fehlen alle Nachrichten, wo er

er sich zuerst nach dem östlichen Theile der

Mark, der späteren

Neumark, begeben und dort versucht hat, eine Kriegsmacht zu bilden. Als dies hier nicht in dem gewünschten Maaße gelang, wandte er sich nach Baiern, um seine dortigen Verhältnisse zu regeln, und mit Hülfe seiner Brüder zur Führung eines Kriegs¬ zuges

Mittel aufzubringen und ein

August befand er

Bruder, Ludwig

sich

Heer zu sammeln.

in Hertenberg und

dem Römer, Besitzungen

setzte

Am 21.

daselbst seinem

im Baiern zur Füh-

*) R. — Riedel, Codex diplomaticns Brandenburgensis. M. — Mecklenburgisches Urkundenbuch,

6

rung eines von dem seinigen getrennten Hofhaltes aus. (R. B. II. 213.) Bon Hertenberg scheint er seinen Aufenthalt nach München verlegt zu haben, denn bei Gelegenheit seiner Anwesen¬

Unterdeß Markgraf Waldemar

sich durch Privilegien die Städte sicherte, war Markgraf Ludwig aus Baiern mit einem Heere unter dem Befehle seines Feldhaupt¬

Geneigtheit

der

heit in Ingolstadt am 28. August, bat er die Juden in München, das von ihm dem dortigen Wirthe als Pfand gelassene Roß aus¬

manns

(R. C. I. 29.) Am Dort übergab 6 . September sehen wir Ludwig in Nürnberg. er, „da er bereit ist, nach der Mark Brandenburg zu fahren", seincnl Bruder Stephan sein und seiner Brüder Land und Herr¬ (R. B. II. 215.) schaft in Baiern zur Verwaltung. Während Markgraf Ludwig in Baiern sich so vorbereitete, den märkischen Angelegenheiten seine ungetheilte Thätigkeit zu¬ zuwenden, befand sich sein Widersacher Waldemar am 15., 17., 19. und 20. August am Hofe des Erzbischofs Otto von Magde¬ burg in Wolmirstedt, von wo aus er den Städten Alt-Brandcnburg, Pritzwalk, Tangermünde, -Osterburg und den Priegnitzschen Städten verschiedene günstige Privilegien ertheilte und so

Meilen nur von seinem Widersacher getrennt. nunmehr das gleiche Verfahren ein,, wie es Waldemar beobachtet, d. h. er bewilligte ebenfalls den Städten, welche sich für ihn er¬ klärten, und es waren dies fast sämmtliche Städte an und jen¬ seits der Oder, freigebig Privilegien. So ermäßigte er am 24. in Tanckow der Stadt Arnswalde die Urbede. (R. A. XXIII. 38.) Am 25. belehnte er in Berlinchen die Gebrüder Toytin mit He¬ bungen in Putzig (R. A. XXIV. 44), am 26. erließ er in Arns¬ walde der Stadt Landsberg a. W. die Urbede (R. A. XVIH 392) und am 30. September empfing in Frankfurt die Stadt ver¬ schiedene Gnadenbeweise (R. A. XXIII. 38. 39). Berlin und Eöln hatten, wie erwähnt, sich der Partei des Markgrafen Waldemar angeschlossen und ihm im September die Thore geöffnet. Wenn irgend noch welche Zweifel an der Be¬ rechtigung ihres Verhaltens dem Markgrafen Ludwig gegenüber auftauchten, so fanden diese volle Widerlegung als König Karl am 2. Oktober im Felde zu Heinrichsdorf bei Müncheberg nicht allein den Prätendenten mit dem für todt gehaltenen Waldemar identisch erklärte (R. B. II. 217) und mit der Mark belehnte, sondern auch den Landständen und Einwohnern der Mark be¬ fahl, dem Waldemar als rechten Erbherrn Gehorsam zu leisten (R. B. II. 219), während wenige Tage später, am 11. Oktober, alle Eingesessenen und Unterthanen der Mark in die Reichsacht er¬ klärt wurden, welche den Waldemar nicht als Markgrafen aner¬ kennen würden. (R. B. II. 227.) Ludwig hatte sich inzwischen in die Stadt Frankfurt ge¬

zulösen und gen

Ingolstadt

noch weiter ihre Gunst

nachzuschicken.

gewann.

Daß die Geistlichkeit

sich

ihm

gleichfalls zuwandte, dürfte als selbstverständlich betrachtet werden,

Ludwig schon früher der Bann ausgesprochen war. Der Landadel unterwarf sich ihm ebenfalls, die Städte der

nachdem über

Mittel- und Städte, und

Uckermark folgten dein Beispiele der Priegnitz'schcn so gestaltete

er gegen Ende des August

sich

der Heereszug Waldemars, welchen

1348 antrat und bei dem

er

Privi¬

legien auf das freigebigste spendete, zu einem wahren TriumphAm 1. September schloß er in Cremmen mit den Her¬ zuge. zögen Albrecht und Johann von Mecklenburg ein Bündniß. (R. B. II. 214.) Den Herzögen mußte die Bundesgenosscnschaft mit Waldemar um so vortheilhafter erscheinen, als sic dadurch

nicht allein am sichersten die Erreichung ihrer verschiedenen An¬ sprüche auf Theile der Mark hofften, sondern sich auch dem

Könige Karl

IV.,

erst am 8 .

welcher sie

Juli

zu Rcichsfürsten und Herzögen erhoben hatte

und der zu

dieser

Zeit der

desselben

Jahres

(LI. No. 6860),

Feind Ludwigs des

entschiedenste

Baiern war, dankbar zeigen konnten. Wenige Tage später, am 5. Scpteniber, befand sich Waldemar in Prcnzlau, am 8 . in Angermünde und am 11. September in Bernau, woselbst er den Mecklenburgischen Herzögen gelobte, sie wegen der 200 Stücke Geldes zu befriedigen, welche ihnen in der Vogtei Jagow zu¬ standen (R. A. XIII. 327). Inzwischen scheint der Erzbischof von Magdeburg das Land Jerichow und das Land Klitz besetzt und der Herzog Albrecht von Mecklenburg im eigenen Lande zu thun gehabt zu haben, denn als Waldemar, über dessen Aufenthalt vom 12. bis 19. September die Nachrichten fehlen, am 20. in Berlin eintraf, waren von den Verbündeten nur die Herzöge Johann von Meck¬ lenburg und Rudolph von Sachsen, sowie bic^ Grafen Albrecht von Anhalt, Ulrich von Lindow und Albrecht von Barby bei ihm. Waldemar residirte bis zum 23. September in Berlin, bestätigte hier der Stadt Spandau alle ihre Rechte, erweiterte diese durch neue Zugeständniffe, bestätigte derselben

den

Ort

Benz und ver¬

für Ziegen und Schweine außer den Thoren der Stadt (R. A. XI 36. 37.). Er bestätigte ferner die Rechte und Privilegien der Städte Berlin und Eöln, erließ den Bürgern eine Abgabe lieh ihr

die Gerichte

darüber

und

die

Wcidcgcrcchtigkeit

an die hiesigen Mühlen, bestätigte ihnen den Besitz der Lehn¬ güter und versprach, sie wegen erlittener Brandschäden zu be¬ günstigen , ihnen auch den neuen Hof zu übereignen. (R. Suppl.

B. 233. 234.)

von Lochen in der Mark eingetroffen,

am 16. September

in

Cöpenick

(R. A.

und befand

XXIII.

sich

38) wenige Ludwig schlug

worfen und wurde dort vom Könige und den Verbündeten ohne Erfolg belagert, da die Pest ausbrach und der König die Belalagerung aufhob und nach Böhmen abmarschirte. Es muß dies schon vor dem 22. Oktober geschehen sein, Waldemar da an diesem Tage in Strausberg sich befand, wo er den Bürgern von Fürstenwalde, welche seine Schulden bezahlt

(R. A. XX. 214.) Wenige Ludwig bis zum 27. Oktober in Münche¬ sich berg und wies hier die Städte Arnswalde, Reetz, Dramburg, Nörcnberg und Callies, den drei Hasio von Wedel, und die Städte Landsberg, Friedebcrg, Tankow, Woldenberg und Berlin¬ (R. chen an, dem Bctkin von der Ost, als Vögten zu gehorchen. hatten, den Zoll zu Lebus verpfändete.

Tage darauf befand

A. XVIII.

120).

Gleichzeitig ermäßigte er der Stadt Münche¬ A. XX. 138), stand am 28. Oktober

berg die Zollabgabe (R.

im Lager vor Fürstenwalde, versöhnte sich hier mit der Stadt (R. A. XX 215), war noch an demselben Tage in Müncheberg, woselbst er den Schutz der Heide Gollin dem Bernhard von Wul¬ kow übertrug und war am 29. Oktober in Fürstenwalde. Aus dem Monat November läßt sich nur nachweisen, daß Ludwig am 5. in Bardenitz war, wo er der Stadt Brietzen er¬ hebliche Zuwendungen machte (R. A. IX. 371) und sich am 23. in Frankfurt befand, wo er der Stadt verschiedene Freiheiten gewährte. (R. A. XXIII. 40. 41.) Nach dem Abzüge des Königlichen Heeres aus der Mark war ein Zustand der Ruhe in dieser Provinz eingetreten, wäh¬ rend dessen die streitenden Parteien sich auf's Eifrigste rüsteten, Bündniffe schlossen, um so mit verstärkten Kräften im folgenden Jahre für ihre Rechte einzutreten.

7

Markgraf Ludwig gewann einen wichtigen Helfer feiner Sache an seinem Schwager Waldemar III. von Dänemark, welcher die Ernennung

der Herren zu Mecklenburg

zu

Herzögen

für

aus Mangel an Urkunden nicht anzugeben, am 26. Januar je¬ doch befand er sich erweislich in Nürnberg, woselbst er eine Schuldverschreibung

für Albrecht von Wolfstein ausstellte.

Felonie ansah und deshalb am 18. Oktober mit dem Herzoge Barnim von Pommern ein Bündniß gegen Herzog Albrecht von Mecklen¬ burg schloß (Meckl. U. B. 6888 ), auch kurz darauf die Stadt

A. XXIV. 47.)

Rostock aufforderte, sich vom Herzoge Albrecht abzuwenden, wenn

welcher ihn als Herrn anerkannte, unter für völlig gesichert hielt, und deshalb

derselbe seiner Lehnspflicht gegen ihn untreu würde (a. a. O. Nr. 6893), ein Ansinnen, welches die Stadt indeß motivirt zu¬

rückwies.

Kriegserklärung König Waldemar's war der Herzog verhindert, dem Markgrafen Waldemar in der bisherigen Weise beizustehen, da er sein eigenes Land nunmehr zu ver¬ theidigen hatte. Ludwig hielt dadurch einen seiner Feinde ab, Durch

die

ihm gegenüber zu stellen, und förderte mit allen Kräften die zu dieser Zeit in Scene gesetzte Wahl eines Gegcnkönigs. Zu dem Zwecke war er insbesondere auch am 9. Dezember in Dres¬ den und gab hier dem Grafen Günther von Schwarzburg seine Stimme zur Wahl desselben als römischer König. (R. B. II. 234.) sich

Ludwigs Aufenthalt bis Ende des Jahres 1348 schweigen die Urkunden, dagegen steht durch dieselben fest, daß der König Kasimir von Polen unterm 22. November dem Könige Karl seinen Beistand gegen Ludwig versprach, wenn es ihm mit des Königs Hülfe gelingen würde, gegen die Mark Brandenburg Ueber

(R. B. II. 230.) Waldemar gewann hierdurch neuen Succurs, bald darauf, am 4. Dezember, verbanden sich aber auch der Erzbischof Otto von Magdeburg mit den Herzögen von Sachsen und den Fürsten von Anhalt zur Erkämpfung des Besitzes der Mark für Walde¬ die früheren Grenzen seines Reiches herzustellen.

mar (R. B. II. 232), und an demselben Tage versprach Hein¬ rich von Dahme, Herr zu Golsin, dem Könige Karl, ein Feind (R. B. II. 233.) des Markgrafen Ludwig sein zu wollen. Unter solchen Aussichten mußte die Sache Waldemar's am Schluffe des Jahres als besonders günstig angesehen werden, zumal obenein der König noch unter dem 24. Dezember den Land¬ ständen und Einwohnern der Mark Brandenburg befahl, nach dem Abgänge Waldemar's die Herzöge Rudolf und' Otto von Sachsen und die Fürsten von Anhalt als ihre Landesherren an¬ zuerkennen. (R. B.

Waldemar

n. 236.)

selbst befand sich am

Kirche eine

Ä.

Schluffe des Jahres 1348

Nicolai-Altar in der Katharinenjährliche Geldrente aus dem Salzzolle schenkte. (R.

in Brandenburg, wo

er dem

IX.

43,) Markgraf Ludwig, welcher Ende

A.

XII.

492,

XVIII.

121.)

Noch am 3. begab er sich nach Landsberg a.

W., ermäßigte

hier der Stadt Woldenberg die jährlichen Abgaben (R. A. XVIII. 292), und ernannte den Hasso von Falkenbnrg zum Bogt von Arnswalde, Reetz, Dramburg, Callies und Nörenberg (R. A. XVIII.

Vom 5. bis 6 . residirte er in Frankfurt, wo er dem 19). Betete von Ost, denen von Uchtenhagen und von Mörner verschie¬ Wie lange und an welchen Orten sich in dem von ihm besetzten Lande aufgehalten, ist

dene Benesicien gewährte.

Ludwig

noch

Es gewinnt den Anschein, als ob die Jahreszeit zu Kriegs¬ zügen nicht angethan gewesen, auch Ludwig den

Theil der Mark,

dem Schutze seiner Vögte ohne Befürchtungen nach

seiner Heimath sich zurückziehen konnte, um von dort aus eine politische Thätigkeit zu entfalten, welche in der That binnen kurzer

Zeit für ihn die gewünschten Früchte trug. Inzwischen scheint sich Waldemar aber ausschließlich in der Stadt Brandenburg aufgehalten zu haben. Denn es ist bereits oben erwähnt, daß er sich in den letzten Tagen des verflossenen

Jahres daselbst aufgehalten hatte und noch am 27. Januar 1349 finden wir ihn an jenem Ort, indem er an diesem Tage in Brandenburg dem Bischof von Havelberg das von ihm eingenom¬

(R. B. II. 463.) Die Erfolge der politischen Rührigkeit des Markgrafen Lud¬ wig traten bald an das Tageslicht. Schon im Februar proklamirte er in Frankfurt a. M. mit dem Erzbischöfe von Mainz den Grafen Günther von Schwarzburg zum römischen Könige und führte dadurch gegen seinen größten Widersacher, den König Karl, einen Schachzug von weittragender Bedeutung. Wollte mene Land Klietz zurückgab.

Waldemar einer solchen Staatsaktion entgegentreten und nicht gleichzeitig den Unwillen des Königs auf's Höchste erregen, so mußte er sich sofort mit den Kurfürsten verbinden, durch deren Wahl Karl zum Könige gewählt war. Ein solches Bündniß

wir

in's Leben treten. Auftreten Ludwig» gewann diesem indeß bald die Herzen mancher Städte außerhalb des Landes, welches ihm bisher allein angehangen hatte. Insbesondere verbanden sich am 7. März die Städte Beelitz und Brietzen zur Treue gegen Für Waldemar mußten derartige Vorgänge freilich Ludwig. Besorgnisse hervorrufen, die er dadurch zu heben versuchte, daß auf sein Geheiß sich 36 Städte der Mark, darunter Berlin und Cöln, bereit erklärten, 1>ie Berechtigung der Fürsten von Anhalt sehen

Das

kurz darauf auch

entschiedene

zur Eventual-Succession in der Mark anzuerkennen (R. B. II. 244) und noch an demselben Tage wurde Seitens dieser Fürsten jenen 36 Städten ein Schutzbrief ertheilt (a. a. O. 245). Daß nichts Askanischen Partei, durch den Schachzug Ludwig's in der Wahl eines Gegenkönigs, große Bedenken für ihre eigene Sicherheit entstanden, läßt sich leicht erklären. Als

desto weniger bei der

Belag dafür wird man

des Jahres 1348 mit Ausnahme weniger Städte diesseits der Oder, nur in dem Lande über der Oder, der späteren Neumark, ungehindert Besitzer war, befand sich beim Anfange des Jahres 1349 vom 1 . bis 3. Januar in Berlinchen und verlieh dieser Stadt Privilegien (R.A. XVIIL 79), sowie denen von Mörner und von Wedell Besitzungen. (R.

(R.

es

auffassen können, daß, nachdem die

Herzöge von Sachsen und die Fürsten von Anhalt

sich

darüber

verglichen hatten, wie Erstere zu entschädigen seien, falls Letztere im Besitz der Mark verbleiben würden, am 19. April der Erz¬

Otto von Magdeburg den eben genannten Fürsten und dem Markgrafen Waldemar versprach, ihnen in der Behauptung der Mark Brandenburg beizustehen, falls ihm die Altmark wegen Diese der Kriegskosten verpfändet würde (R. B. II. 248). Schon am Verpfändung ließ nicht lange auf sich warten. 5. Mai wies Waldemar durch eine in Berlin ausgestellte Ur¬ kunde dem Erzbisthum Magdeburg die Altmark als Pfand für die aufgewandten Kriegskosten zu (R. ß. II. 249), und noch bischof

an demselben Tage verpflichteten

sich

die Herzöge Albrecht und

Johann von Mecklenburg mit den Herzögen von Sachsen und den Fürsten von Anhalt über ihre Berechtigung an der Theilung der Mark nach Waldemar's Tode.

8

Am 12. Mai befand sich Waldemar mit den Herzogen Rudolph und Otto von Sachsen und den Fürsten Albrecht und Waldemar von Anhalt in Cöpenick, anscheinend zu längerem Aufenthalt; wenigstens steht urkundlich fest, daß der Herzog Rudolph von Sachsen und der Fürst Albrecht von Anhalt am 23. Juni daselbst noch oder wieder anwesend waren. An diesem

here, De hertoghe van mekelenborch toch to mit sinen luden vnde beleghede den konig in der stat to straceborch.“ Die Gründe, weshalb sich der König nach Strasburg ge¬ worfen und dort festgesetzt, und den Herzog nicht im freien Felde erwartet, lassen sich nur vermuthen. Es mag sein, daß die Herzöge von Pommern mit ihrem Volke noch nicht zu seinem

Mylow, Ebel und Heinemann

Heere gestoßen waren und er, zu schwach eine Schlacht zu wagen,

von Nykamer das neue Haus zu Bötzow. Während jener Zeit erhielten die Verbündeten Kunde da¬

Strasburgs benutzt hat, um hier das Eintreffen des Pommerschen Heeres zu erwarten. „Linnen der tyd hadde sich ghesammelt“, fährt die Chronik fort, „des keisers lodowighes sone, romulus, mit eneme groteme volke vnde wolde helpen döme koningke van denemarken vnde marcgreven lodowighe, de sin

Tage verschrieben

sie

dem Busto

von, daß Markgraf Ludwig den König Günther zur Nieder¬ legung der Königswürde veranlaßt, sich mit dem Könige Karl vollständig ausgesöhnt, ihn anerkannt habe und ihm die Reichs¬ kleinodien ausliefern wolle. Diese Nachricht wirkte erschütternd auf die Verbündeten, denn bei dem zweideutigen Charakter König Karl's war zu fürchten, daß er aus einem eifrigen Feinde Ludwig's plötzlich ein warmer Anhänger desselben werden könne. Darin irrten sic sich indeß in so fern, als der König sich durch¬ aus nicht beeilte, der Sache Waldemar's entgegen zu treten. Noch am 15. August erklärte er mehreren brandenburgischen Städten, daß das Gerücht, wonach er Waldemar nicht mehr als Mark¬ grafen von Brandenburg anerkennen wolle, unrichtig sei. Die Herzöge von Sachsen und die Fürsten von Anhalt fühlten aber

wohl, daß die Angelegenheiten in der Mark eine andere Wendung nehmen würden und daß der Kampf für die endgül¬ tige Entscheidung der Frage, wer Herrscher in Brandenburg

sehr

Man kann nicht behaupten, daß sie wüthig und mit Zuversicht entgegen gesehen hätten.

die schützenden Mauern

broder was“. Der König scheint hiernach seine Operationen im Einverständniß mit dem Markgrafen Ludwig vorgenommen zu haben, doch ist es nicht erklärlich, weshalb der Markgraf Ludwig der Baier nicht selbst das Kommando des Heeres geführt, sondern dasselbe seinem jüngeren Bruder übertragen hat. Herzog Albrecht, der den König, wie bemerkt, in Stras¬ burg eingeschlossen hielt, faßte, sobald er von dem Vormarsch Ludwigs des Römers Nachricht erhalten hatte, einen seiner Kriegserfahrung würdigen Entschluß. Traf ihn Ludwig noch vor Strasburg, so war der Herzog sicher, in Front und Rücken angegriffen zu werden,

und

er hatte

außerdem

zu

befürchten,

sein solle, nahe bevorstehe.

bei der alsdann numerischen Ueberzahl des Dänischen und Mär¬

derselben

kischen Heeres, eine empfindliche Niederlage zu erleiden.

Auf ihre Verbündeten, die

Herzöge von Mecklenburg, konnten

sie

wenig oder gar nicht rechnen, da diese um dieselbe Zeit im Felde Trotz seiner gegen den König von Dänemark sich befanden. schwierigen Lage dem Könige gegenüber, war dennoch Herzog Albrecht

Mann, Partei die wichtigsten Dienste leistete. Mit der den Mecklen¬ burgern eigenen Treue hielt er, selbst von einem mächtigen Feinde welcher in dieser kritischen Periode der Askanischcn

der einzige

von Norden und dessen Verbündeten von Osten bedroht, fest zu der einmal ergriffenen Partei, und er wurde durch seine Un¬ erschrockenheit

und

des

und Kriegserfahrung das Bollwerk der Askanier

größten Theils der Mark gegen Ludwig von Baiern

und dcffen Verbündete. Der Krieg Dänemarks gegen Mecklenburg hat wahrscheinlich

im Juli begonnen, denn in der Urkunde vom 15. Juli 1349 (M. Nr. 6984) bescheinigt Otto von Schestädt, daß die Rostocker ihm sein Schiff, welches sie irrthümlich für ein Dänisches an¬ schon

confiscirt, hinterher aber wieder ausgeliefert hätten. In der Lübecker Chronik von Detmar (herausgegeben von Dr. Grautoff) wird berichtet, daß König Waldemar am St. JacobsTage (25. Juli) eine große Macht zusammenzog und Feind des gesehen,

Herzogs von Mecklenburg,

sowie aller derjenigen Herren wurde,

„Baghard", womit Markgraf Waldemar gemeint ist, Der König bekam am 22. Juli noch 1000 Mark Silber von dem Deutschen Orden ausgezahlt (M. No. 6988)

welche deni

nachhingen.

und besaß

Ort

so

auch die zum Kriege

nöthigen Geldmittel.

Der

der Concentration des Dänischen Heeres ist nicht bekannt,

der König landete indeß auf der der

liegenden

Insel Poel,

scheint

Wismar

Stadt Wismar

gegenüber

selbst genommen zu haben,

gewann kurze Zeit darauf die Stadt Stargard (in Mecklenburg) mit Sturm und „toch“, wie es in der citirten Chronik heißt,

„to der marke, vnd wan dar ene stat vor der ukar, de straceborch heyted. Dar blef he inne mit sime ganzen

Er

be¬

Feind zu schlagen, hob deshalb in aller Stille auf, täuschte den König über¬ die Belagerung feinen Abmarsch, und rückte südöstlich, der Oder zu, ab, in schloß deshalb, zuerst den neuen

welcher Richtung

er

Ludwig dem Römer zu begegnen hoffte. die Oder überschritten und daselbst

Dieser hatte bei Oderberg

Position genommen.

„Dar streck de van mekelenborch mit deme romuluse, vnde ving en af wol verdehalf hundert ridder vnd knechte guder lüde; der viande vloch en del to schepe, der vordrank en grot schip vul, man sprak, dat er mere den hundert weren. Romulus, des keisers lodowighes sone, quam van dem stricke nicht wen sulf verde. De strick was tuschen twen vnser vrowen daghen“. Die Schlacht war nach diesem Berichte für Ludwig völlig verloren und er selbst kam, wie eben angegeben, nur mit drei Anderen davon. König Waldemar erhielt die Kunde von dem unglücklichen Ausgange dieses Treffens vor Strasburg, woselbst er in Er¬ kenntniß der gefährlichen Konsequenzen einer Einschließung, ein freies Lager bezogen hatte. Bald darauf stieß der Herzog von

Pommern mit seinem Volke zu ihm und nun brach der König auf und „toch vort in de marke vnde wan dar somelike cleyne stecke, vnd toch vor de stack to berlyn, darmakede he vele riddere

vor“.

Mittheilungen Beringers (Florus danicus) S. 469, schlug König Waldemar auf der Nordseite Berlins ein verschanztes Lager, wahrscheinlich vor dem ehemaligen Spandauer Man wird schwerlich fehlgreifen, wenn man als Thore auf. Mittelpunkt dieses Lagers die Gegend annimmt, wo heut die Hintergebäude des Hauses Oranienburgerstraße Nr. 27 sich be¬ finden. Es war dies ein der Berlinischen Mauer gegenüber am Nach den

höchsten belegenes

Terrain und zum Lagerplatz

sehr

geeignet,

9

weil

es einen

vorzüglichen Observationsposten

für

nahe Spreefluß das nöthige Wasser

abgab

Menschen

und

und

„dam in 8 omierat classicum“, fährt Beringer fort, faui ba 8 tarnin umbonumque pulsus et armorum sese quatientium fragor feriebat aures, incensisque ad ineundam aciem agminibus, mortem et vitam sola pugionis acie distingvebat“ (Schon war das Signal zur Schlacht, gegeben, schon traf

der

Pferde

lieferte.

Die Bürger Berlins und Cölns, welche vom Erscheinen des treu der Sache desselben ange¬ hangen und ein reichliches Contingent zu desten Zügen gegen Ludwig den Baier gestellt hatten und wohl selten aus dem

todtgeglaubten Waldemars an,

der Stoß der Speere und der Schilde und das Geräusch der gegeneinander raffelnden Waffen das Ohr, die Menge war zum

Eisenpanzer herausgekommen waren, mußten mit Schrecken dem Angriffe des Dänenkönigs entgegensehen. Ohne Hülfe der Aska-

Beginn des Kampfes entflammt, und Tod und Leben schwebten nur noch auf der Schneide des Dolches)

Partei, nur auf sich selbst angewiesen, hatten sie sich mit dem Muthe der Verzweiflung zu wehren, wenn sie nicht dem jammervollen Geschick einer eroberten Stadt verfallen wollten.

nischen

als es, wie der Chronist sagt, der Vermittelung von Agenten der benachbarten Mächte und den Gesandten beider Fürsten gelang, einen Waffenstillstand abzuschließen und die Regulirung der strei¬ tigen Angelegenheiten dem Könige Magnus von Schweden zu übertragen. Die Entscheidung dieses Königs sollte zu Pfingsten im folgenden Jahre erfolgen und bis dahin zwischen Dänemark, Pommern und Mecklenburg ein Waffenstillstand aufrecht erhalten Da Mecklenburg mit den Askaniern verbunden war, werden. so war der Waffenstillstand mit dem Könige nicht einseitig, son¬ dern jedenfalls im Nanien der ganzen Askanischen Partei ge¬ schloffen. Hierdurch widerlegt sich die Angabe in Kanzow's

Auch waren ihre Vertheidigungswerke,

namentlich an den dem Feinde zunächst ausgesetzten Punkten, denen gegenüber der König

sein Lager aufgeschlagen hatte,

in keiner besonders widerstands¬

fähigen Verfassung.

Als Vertheidigungsring galt die Stadtmauer, welche aus großen Steinen erbaut, mit Weichhäusern versehen und durch zwei Gräben geschützt, au der Spree begann, an der Spandauer¬ Spandauer Thor unterbrochen wurde und sich

straße durch das

dann, dem Laufe der südlichen Häuserreihe der jetzigen Neuen Friedrichstraße folgend, bis zum Oderberger Thor hinzog. Letzteres befand sich zwischen den jetzigen Häusern Nr. 30 und 34 der heutigen Königstraße, war durch einen am äußeren Graben er¬ bauten Thurm vertheidigt, durch einen weiteren Thurm slankirt so unter den damaligen Verhältniffen als ein starkes Vertheidignngsmittel anzusehen, während das nur von zwei Thürmen flankirte Spandauer Thor eine mangelhafte Schutzwehr bildete. Die Berliner boten in ihrer gänzlich isolirten Lage Alles auf, um eine Erstümung der schwachen Position zu hindern und schlugen denn auch mehrfache Angriffe des Königs tapfer zurück. In¬ zwischen war der Sieg des Herzogs Albrecht bei Oderberg in

Pommerania

Stadt bekannt geworden und dies gab den bangen und sorgen¬ vollen Gemüthern neue Hoffnung, da ja die Ankunft des Herzogs auf der Oderbergcr Straße stündlich erwartet werden konnte und alsdann ein Entsatz der Stadt wahrscheinlich wurde. Und in der That kündete der Wächter auf dem Oderberger Thore an, daß das gelbe Banner mit dem schwarzen Stierkopfe im Anrücken sei. Ein Gefühl der Freude durchflog die Stadt. Jeder erblickte in dieser Wandlung der Dinge eine gnädige Fügung des Himmels, und Greise. Frauen und Kinder mögen in den Kirchen Gott für die Hülfe in der größten Noth gedankt haben. „Denn", erzählt Beringer, „injectae fossis crates pluteique, vibratus ad propugnacula aries, saxorumque imber balistis effusus per qvatefactum in circuitu et alicubi dejectum murum, propugnantium animos attonabaO (Schon schlugen die in die Gräben geworfenen Faschinen und Schutzdächer der gegen die Werke in Bewegung gesetzten Mauerbrecher, und der über die rings wankend gemachte und an manchen Stellen umgeworfene Mauer sich ergießende Stein¬ regen der Bliden den Muth der Vertheidiger nieder), 1

als Albrecht eintraf und das Dänenheer nöthigte, sich in seine Verschanzung zurückzuziehen. Der Herzog scheint darauf an dem äußeren Graben der Berliner Mauer, gegenüber der Dänischen Verschanzung, also in der Gegend des heutigen Haack'schen Marktes gelagert und den Angriff des Dänenheers hier erwartet zu haben. Der König rückte auch wirklich aus den Verschanzungen und stellte sich dem

Herzoge gegenüber in Schlachtordnung auf,

nach

welcher König Waldemar nach dem

Berlin genommen und unterworfen

haben soll. Berlin blieb nach wie vor den Askaniern ergeben und öffnete erst Ludwig dem Baiern die Thore, als Waldemar

und

der

I. 375,

Abzüge der Mecklenburger

abgedankt hatte und die Sache der Askanier durch das Eingreifen

'

König Karls vollständig verloren war.' Lediglich der Tapferkeit des Herzogs Albrecht von Mecklen¬ burg und der Schnelligkeit, mit welcher er sein bei Oderberg siegreich gewesenes Heer vorschob, hatten Berlin und Eöln es zu danken, daß sie von einer Plünderung und einer gänzlichen Zer¬ störung verschont blieben. Dem gewöhnlichen Laufe aller irdischen Dinge folgend, ist bedauerlicher Weise die Erinnerung an die ruhmvolle Tapferkeit Berliner Bürger in jener drangvollen Zeit nach und nach ebenso verloren gegangen,

gegen den Fürsten als

wie das Dankesgefühl

Erretter allmälig erkaltete.

Jenes Ereigniß ist aber vollkommen dazu angethan, Herzoge Albrecht ein dauerndes Gedächtniß zu sichern.

daher die Kommission zur Ausschmückung

für angezeigt

dem

Wenn

des Rathhauses

es

den Retter Berlins im um Berlin verdienten Männern zu zählen, und sein Bild im hiesigen Rathhause anzubringen, so würde es eine der ersten Aufgaben des Vereins für die Geschichte Berlins sein müssen, seine Vermittelung dafür eintreten zu lassen, daß dem Platze, auf welchem das Mecklenburgische Entsatzheer Auf¬ stellung genommen haben muß, dem jetzigen Haack'schen Markte,

etwa nicht

Jahre 1349,

erachten sollte,

zu den

der Name

„Herzog Albrechts-Platz" beigelegt werde, an den Retter

um wenigstens auf diese Weise das Andenken bei der Einwohnerschaft wach zu erhalten.

Berlin's

Ueber die Runenschrift unserer heidnischen Vorfahren. Von Franz Blautet.

Franz Maurer, 1830 in der Mark geboren, hat sich als Forscher auf dem Gebiete nordischer Alterthümer einen achtbaren Namen erworben. Er war lange Jahre hindurch Mitredacteur der Vossischen Zeitung und Mitarbeiter an den Wissenschaftlichen

10

Beilagen der Augsburger Allgemeinen Zeitung, sowie an der Zeit¬ Nachdem er von einer Reise in der schrift „das Ausland".

rohe und ziemlich niedrig stehende Menschen, wie u. A. die

Türkei zurückgekehrt und ein gerade in den jetzigen Kriegswirren geschätztes und deshalb neu aufgelegtes Werk über Bosnien voll¬ endet, rief ihn der französische Krieg nach einem andern Felde schriftstellerischer Thätigkeit. Sein Werk über den Krieg gilt als

indem

eines der besten; wenige Wochen nach dem Abschluß dieses Buches starb er in Charlottenburg, in der Blüthe seiner Thätigkeit. Der

Aufsatz über die Runen

scheint die letzte

Arbeit aus seiner

Feder zu sein; er war ursprünglich bestimmt, das letzte Kapitel eines volksthümlichen Buches über vaterländische und nordische

Alterthümer zu bilden.

In

dianer Südamerikas, brachten

es

einen oder mehrere Riemen

sie

In¬

gleichwohl zu einer Knotenschrift,

in

kunstreiche Knoten zu

schlingen wußten, von denen jeder eine besondere Bedeutung hatte,

und die in ihrer Aneinanderreihung eine längere Mittheilung für

Andere hochentwickelte

die Eingeweihten verständlich ausdrückten.

Völker, die auch aus dem bloßen Stammesverbande. in einen Staatenverband, d. h. in die höchste Stufe der menschlichen Ge¬ sellschaft eingetreten waren, schufen sich noch einfachere Zeichen der Mittheilung; so wählten die alten Meder und Perser nichts weiter als eine Pfeilspitze, die durch Vervielfältigung, größere oder kleinere Darstellung und eigenthümliche Gruppirung oder

Man

der Umgegend von Cremmen, von Köpenick und KönigsWusterhausen hat sich der Verewigte die Erforschung der vor¬

Zusammenstellung die Buchstaben des ABC

geschichtlichen Reste angelegen sein lassen.

oft genannt werden, sehr häufig in unseren Tagen gefunden worden, und zwar nicht blos in Felsen gehauen, sondern auf allen möglichen Gegenständen, sogar als ausführliche Urkunden auf gebrannten Boden der alten Reiche,

Sein handschriftlicher Nachlaß ist an das Märkische Provinzial-Museum durch Schenkung gelangt, und aus demselben der nachfolgende Artikel durch die Güte der Direction des Museums Er ist eingetragen in dein Katalog XU. uns zugänglich gemacht.

einfache

ABC gilt.

höchste

ausdrückte.

ist dieselbe auf dem

in der Bibel

so

Vervollkomniuung aller Schriftzeichen lag jedoch den Phöniziern zu danken. Aus ihm haben sich die Alphabete aller europäischen Völker entwickelt und, wie es scheint, auch unmittelbar die

Die Redaction.

höchste

in der Erfindung eines wirklichen ABC, und ist

Von jeher hat der Mensch, sobald er aus der niedrigsten Stufe des Daseins, nämlich aus der Vereinzelung herausgetreten war, das Bedürfniß empfunden, seine Gedanken einem Ferner¬ wohnenden durch gewisse Zeichen niitzutheilen, die ein Dritter überbringen konnte oder die man an einem Orte zu hinterlassen vermochte, damit sic Andere finden und verstehen sollten. Aus solchen Zeichen hat sich oftmals im Lause von Jahr¬ hunderten oder Jahrtausenden eine festbestimmte Schrift ent¬ als deren

welche

es

Backsteinen.

Die

unter Nr. 230.

wickelt,

nennt diese Schrift die Keilschrift, und

Vervollkommnung uns Europäern das

Runenschrift unserer heidnischen Vorfahren, wir nun

zu der

übergehen wollen.

Das Wort Rune lebt noch in „zuraunen" und in „Al¬ raunen" in unserer Sprache fort und bedeutete früher Geheim¬ niß, Wissenschaft, Kunst, Zauber, Macht und noch Mancherlei

mit jenen Zusammenhängendes.

Dem

deutschen Volke ist die

Kenntniß der Runen seit mindestens 1000 Jahren völlig ent¬ schwunden, und erst in unserem Jahrhundert ist sie da und dort in gelehrten Kreisen wieder aufgelebt, hauptsächlich durch die Be¬ des hohen Priesters unserer Sprache.

mühungen W. Grimms,

So lange jeder Wilde nur auf sich selber angewiesen blieb Familie, soweit er über diese oder diese

Im

skandinavischen Norden hingegen ist die Runenkunde schon

oder auf seine nächste

wieder seit drei Jahrhunderten eine von den Königen

lag ein Bedürfniß zu schriftlichen Mittheilungen nicht vor, auch dann noch nicht, als eine Anzahl wilder Männer sich dahin einigte, mit ihren Frauen und Kindern stets beieinander zu bleiben und ein gemeinsames

Wissenschaft,

über ihn Gewalt auszuüben vermochte,

Wander-Lager oder gemeinsames feststehendes

Dorf

zu bewohnen.

die längst derartig

gepflegte

in's Volk gedrungen ist, daß

wohl jeder Erwachsene weiß, was unter Runen zu verstehen ist, und sehr viele nicht dem Gclehrtenstande ungehörige Leute ziem¬ lich gut

in der Sache Bescheid wissen. (Fortsetzung

folgt.)

Einen solchen Zusammenschluß nennt man eine Stammesbildung, und diese bedingt Gehorsam gegen einen gemeinsamen Führer und Zusammenhalten gegen alle Fremde. Erst als diese Lager¬ oder

Dorf-Stämme

zu förmlichen Volksstämmen anwuchsen,

so

Theilung derselben in verschiedene Lager oder Dorfschaften nöthig wurde, trat, zur Vermittlung gemeinsamen Han¬ delns, das Bedürfniß nach Mittheilung durch tragbare Zeichen Diese waren Anfangs sehr einfach und nur aus Krieg, ein. Jagd, Fischzüge oder Versammlungen berechnet, und beschränkten sich auf Uebersenden eines Pfeiles, Speeres oder Bündels Stäb¬ chen. Manche begabte Stämme erfanden sich auch wohl gleich eine wirkliche Bildersprache, wie z. B. gcwisie Stämme der nordamerikanischen Indianer, welche mit Kohle ganze Briefe auf daß

Der berliner Hof in den Jahren 1786 bis 1793.

eine

Birkenrinde zu schreiben vermögen. Auch die Hieroglyphen oder die Priesterschrift der alten Cgypter ist aus solcher Bildersprache hervorgegangen, welche die Dinge, von denen man reden wollte, Ebenso verdankt die noch heute im Gebrauch gleich abbildete. befindliche Schrift der Chinesen und Japanesen solchen mühsamen

und vieldeutigen Zeichen ihren Ursprung.

Manche, obwohl ganz

Friedrich der Große hatte in den letzten Jähren seiner Re¬ gierung, nur durch seinen starken Willen und durch die Macht seiner Persönlichkeit, die Strömung der hereinbrechenden neuen

Zeitrichtung gewaltsam zurückgehalten. Langsam, aber unwider¬ stehlich, brach sich der deutsche Geist Bahn und verschob die alt¬ gewohnten Ideen und Begriffe. Eine unnatürliche, unbehagliche Spannung bemächtigte sich der Gemüther; nur jene kleine Anzahl

mit ihm Altgewordener verstand den großen König noch, — der heranwachsenden Generation war er nachgerade unbegreiflich ge¬ worden. Ihnen war er ein Fremdling und fühlte sich auch zu¬ letzt als solcher; sie waren stolz auf ihren großen einsamen Philo¬ sophen von Sanssouci, und Niemand würde es gewagt haben, auch nur in Gedanken an seinen Institutionen zu rütteln, aber sympathisch war er ihnen nicht mehr.

11

Bei betn Thronwechsel zeigte sich denn auch sofort in Berlin ein plötzlicher Umschwung auf allen Gebieten des Lebens: Wissen¬ schaften und Künste, Theater, öffentliche und heitere Lustbarkeiten belebten sich; der Umgangston wurde ein anderer, leichterer. Die Frauen, die Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große mit

Ersichtlich ist es dieser

König, mit

dem die Entwickelungen

ihren Anfang nahmen, die Preußen unverkennbar auf den ihm bestimmten Platz führten. Am Hofe Friedrich Wilhelms II. geschah das bisher Un¬ sich

die Herren und Damen einen deutschen „guten

eiserner Consequenz dem öffentlichen Leben fern gehalten, wollten

Morgen" boten.

Lange freilich sollte es noch dauern, bis das

tiicht mehr nur deutsche Hausfrauen sein, sondern übernahmen wiederum irgendwelche politische oder schönwissenschaftliche Rollen.

Französische, als alleinige Unterhaltungssprache, aus den vorneh¬

Es bildete

sich

teit Damen,

von neuem ein Hof mit Günstlingen und elegan-

dessen

Einfluß auf andere gesellige Sphären

bald bemerkbar machte



sich

alles Erscheinungen, von denen Berlin

Jahrhundert entwöhnt sich Cavaliere von feiner Weltbildung am Berliner Hofe, der glänzend zu schönen, gewandten Frauen gaben den seit fast einem

war. Aus Sachsen fanden ein und suchten Stellung werden

Ton au,

versprach. so

Ihre

sehr die älte¬

an ein strenges, einfaches Wesen gewöhnten Landeskinder

ren,

auch den

Kopf schütteln und dagegen eifern mochten.

Ihre Pro¬

all' der Neuerungen wurden mit ihrer Meinung, machtlos gegen

phezeihungen von einem bösen Ende

verlacht,

sie

standen allein

die neue Ordnung der Dinge

sich

stemmend,

grollend von der Welt sich zurückzogen, Sein nicht mehr hineinpaßte.

bis

sie

endlich

in die ihr ernsthaftes,

steifes

Wie alle Umwälzungen des Bestehenden, neben den guten Früchten, die sie hervorbringen, auch Giftpflanzen üppig wuchern lassen, so beförderten natürlich die damaligen Veränderungen der Sitten manche nur allzu grell hervortretende Schattenseiten. Das bisher an stille Einfachheit gewöhnte Berlin erging sich, als es die straffen Zügel nicht mehr fühlte, in Luxus und Genußsucht; die Costüme verloren ihre ehrbare, ernste Form und überschritten nicht selten mit den nur allzu lockeren Sitten die Grenzen des Erlaubten. Da sah man eine schöne Frauengestalt die griechische leichte Gewandung treu copiren: die zarte Hülle auf der einen entblößten Schulter mit einer Spange befestigt, während die Zehen der Sandalen-bekleideten Füße mit goldenen Ringen besteckt waren. Doch das blieben nur extravagante Aus¬ nahmen, wie jede Zeit sie haben wird, neben denen die vor¬ wiegende Anzahl, der tüchtige Kern der Bevölkerung, fest an geordneter Sittlichkeit hielt. Auch traten charaktervolle Männer auf, die für Aufklärung und Freiheit durch die neu erstandene Sämmtliche Berliner Gelehrten deutsche Literatur kämpften. jener Tage, die Gebildeteren aller gesellschaftlichen Schichten, so¬ wie die Vereine der Freimaurer, Rosenkreuzer rc. gehörten dieser Partei an. Eine dritte Gruppe bildeten die jungen Schwärmer, deren maßlose Geistestrunkenheit in einer späteren Zeit die ganze In ihnen bil¬ deutsche Literatur zu beherrschen bestimmt war. deten sich die Anfänge der sogenannten romantischen Epoche, welche, schäumend wie der junge Most, mit stürmischer, jeden Zwang brechender Leidenschaftlichkeit hervorbrachen.

Diese verschiedenartigen Richtungen bewegten

sich

alle gleich¬

zeitig in den Berliner Kreisen, und gaben dem Verkehr einen eigenthümlich intereffanten Charakter. Friedrich Wilhelm II. fühlte sich vorwiegend als ein deut¬

Er beschützte die deutsche Literatur, gründete ein deutsches National-Theater, und befahl dem Professor Ramler, die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses in der Er war der erste Herrscher, deutschen Sprache zu unterrichten. scher

Fürst.

welcher sich berufen fühlte, den traditionellen französirenden Geistes¬ zwang aufzuheben, das deutsche Element von dem fremden Ein¬

fluß zu reinigen, und es frei über denselben zu erheben.

erhörte, daß

men Kreisen gänzlich verschwand.

Die Freundlichkeit und Güte des Königs gewauucit ihm sie ihn sahen, in ein jubelndes Grüßen ausbrachen. Wenn im späteren Verlauf seiner Regierung auch eine Abkühlung der Gemüther bemerkbar wurde, so blieb doch im Ganzen die Freudigkeit tmd warme Dankbar¬ keit für die, durch seine Maßregeln ermöglichte zeitgemäßere Ge¬ die Liebe der Berliner, die jedesmal, wenn

staltung des öffentlichen Lebens. Friedrich Wilhelm war militairisch-pünktlich, wie alle Hohen-

Früh um 4 Uhr stand er auf, um fünf schon kamen die General-Adjutanten und Kabinetsräthe zum Vortrag. Zur be¬ stimmten Zeit erschien er auf der Wachtparade, theilte die Parole aus, und tommaudirte jene zuweilen selbst. Mittags wurden nur wenige Personen zur Tafel befohlen; Abends fand entweder in kleinem Kreise ein Concert statt, bei dem der König selbst das Violoncell vortrefflich spielte, oder er besuchte das Theater, was daun am andern Morgen durch die Zeitung erwähnt wurde. Zu größeren Concerten bei Hofe wirkten die Sänger und Sän¬ gerinnen der Oper oder fremde Künstler mit, die zahlreich genug nach Berlin strömten; um 10 Uhr aber war jede derartige Fest¬ lichkeit, große Hofbälle ausgenommen, beendet, und der König zollern.

in seinem Schlafgemach. — Friedrich Wilhelm trug stets nur die Uniform, und fuhr meist mit zwei Pferden; bei feierlichen Gelegenheiten entfaltete befand

sich

er die volle königliche Pracht.

Den sonntäglichen Kirchcubesuchen der gesammten königlichen 'Hof anschließen, und so geschah cs, daß sich der in der kleinen Gertraudenkirchc am „Spitalmarkt" die alten Spitalfrauen keinen Platz fanden, wenn der Prediger Ambrosius,

Familie mußte

den der König besonders gern hörte, predigte.

Bei der Promenade des hohen Herrn, die er regelmäßig zur Mittagsstunde im Thiergarten abhielt, geschah es öfter, daß er die ihm begegnenden vornehmen Damen in die sogenannten Zelte (Kaffeehäuser an der Spree, aus dem Wege nach Moabit) führte, und

sie

dort mit den damals beliebten heißen Waffeln der Zeit der Wintcrfestlichkeiten bewohnte der

In tractirte. König die Zimmer des Schlosses im zweiten Stockwerk nach dem Lustgarten. Während des Herbstes und Frühlings hielt der Hof sich in Charlottenburg, zur Sommerzeit aber in Potsdam auf. Hier bewohnte der Monarch die neuen Kammern bei Sanssouci, dieses selbst, das neue und später auch das Marmorpalais. Seine zweite Gemahlin, eine Prinzessin von Heffeii-Darmstadt, bewohnte

im Berliner Schloß das zweite Stockwerk nach dem Schloßplatz, Oft auch besuchte sie das Bad und im Sommer Monbijou. Freienwalde. Hinter der Fasanerie (dem jetzigen zoologischen Garten) besaß die Königliche Frau ein Lusthaus, in dem sie gern mit ihren Kindern weilte, die sie oft um sich hatte. Das Volk freute sich, wenn es seiner Königin mit den jungen Herrschaften in den Gärten von Monbijou, die dem Besuche des Publikums geöffnet waren, begegnete, und man erzählte sich mit Genugthuung, wie

sie

immer die jüngsten Prinzen ermahnte,

vom Kopf zu nehmen, wenn die Leute

sie

hübsch

die Mütze

grüßten. —

12

Die Wittwe Friedrichs des Großen, schon 70 Jahre, aber noch rüstig, lebte in Schönhausen während des Sommers; im Winter bewohnte sie die Geniächer des Berliner Schlosses im dritten Stock, neben dem Schweizersaal. Sie genoß der höchsten Achtung bei Hoch und Niedrig, lebte würdig, wenn auch sehr einfach, und war die Wohlthäterin aller Armen. Prinzeß Frie¬ derike, Tochter des Königs aus erster Ehe, war im Jahre 1786 neunzehn Jahre alt und verweilte stets bei der Königin-Wittwe, bis sie später mit dem Herzog von Port sich vermählte. Sie war schön, lebhaft, geistreich und der Mittelpunkt der Hoffestlichkeitcn.

Außer andern Talenten, die

sie

Stimme aus,

eine ungemein schöne

übte, zeichnete

welche

sie sich

durch

von der berühmten

Die zweite Prinzessin, Wilmit dem Erbprinzen von Oranien; die dritte, Augusta, war noch nicht erwachsen. Die beiden ältesten Prinzen dagegen erschienen, trotz ihrer Jugend, bereits öffentlich. Der Kronprinz, 16 Jahr alt, Prinz Ludwig, anderthalb Jahre jünger, sic besaßen die wärmste Liebe aller Unterthanen. Mit Eifer erzählte man sich die vielfach edlen Züge ihrer Hcrzensgüte, der stillen, verborgenen Wohlthätigkeit, nnd sprach mit Anerkennung von dem Ernst und der Einfachheit in den Sitten des Kronprinzen. Als Graf Brühl zu seinem Er¬ zieher ernannt wurde, äußerte sich im Publikum ein lebhaftes Brühl war katholisch und ein Bedenken gegen diese Wahl. Ausländer (Sachse); man fürchtete für „unseren Prinzen", bis eine bessere Meinung von der Tüchtigkeit des neuen Oberhofineisters Die jüngeren Prinzen befanden sich später zur Geltung kam. dagegen in der Obhut ihrer königlichen Mutter. Prinz Ferdinand, Bruder des großen Königs, wohnte in dem Johanniter-Ordenspalais am Wilhelmsplatz, oder im Schloß Bellevue. Er und seine Familie waren vom Publikum gleich¬ falls sehr geliebt. Schon damals trat unter seinen Söhnen Prinz Ludivig Ferdinand besonders hervor. Er repräsentirte die

Sängerin Todi ausgebildet wurde.

helmine, vermählte

sich

schon siebenzehnjährig

erwähnte wild-romantische Richtung, war ein sogenannter Schön¬ geist, liebte die Musik mit Leidenschaft, und gab durch seine oft extravaganten Unternehmen dem Hofleben eine pikante Färbung.

Sein vcrhängnißvoller Tod sichert ihm Unvergeßlichkeit. Als er Mal, 16 Jahr alt, die Hauptwache als Capitain be¬ zog, erzählten am anderen Tage die Zeitungen, wie alle Mit¬ glieder der Königlichen Familie einzeln vorüber gefahren seien, und der Prinz ihnen ununterbrochen habe salutiren müssen. Alle Officiere des Regiments waren zur Hoftafel gezogen, und jeder Soldat erhielt einen Thaler. Wenn nun -auch der veränderte Glanz des Hofes die Augen der Fremden und Einheimischen auf sich zog, so war es immer¬ hin doch nur ein bescheidener. Im Jahre 1786 lockten die zum ersten

veränderten Verhältnisse nach

Berlin;

den durch diese gesellige Regsamkeit bedeutend erhöhten Geldum¬

Eine eigentliche Pracht aber herrschte dennoch nicht; die Herrschaften selbst waren an eine einfache Lebensweise gewöhnt und thaten nie mehr, als Anstand und Würde erforderten. In den satz.

höheren Ständen folgte man bald dem Beispiel des Hofes, und

der Bürger hielt noch zu

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Weimar, Anhalt-Dessau, Port,

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Ueber die Runenschrift unserer heidnischen Vorfahren. Von Franz Maurer. (Fortsetzung.)

^5tcm

unterscheidet

in

der Hauptsache deutsche und nordische

Runen. Ein ABC der ersteren, welches man wohl am richtigsten marlomannisch nennen sollte, verdanken wir dem Priester Hrabanus Maurus, der es in Gestalt eines Glossarium oder Wörter¬ büchleins im 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung niederschrieb. Cr hat ihm die lateinische Reihenfolge gegeben, welche die norbischen Runen nicht haben.

Bei

Eine Abbildung desselben folgt.

Hrabanus Maurus.

1 . R.

asch, fraximus,

2. B 3. V 4. DO 5. M AA

berith, betula, Birke. eben, Kiehn. tborn, Spina, Dorn. eeb, ebu^quus, Pferd.

Esche.

12 .

N

13. 4

14. Vc 15. K 16. M fech, pecunia, Geld 17. R V 6. oder Vieh. 18. M gibu, doüum, Gabe. 19. 7. 20 . h 8 . X DL liagale, grando. bis, glacies. 21 . 9. T 22 . 10 . j gileb, chilch? 11 .

lx, man,

vir.

not, necessitas.

otbil, patria.

K

perch, mons. chon.

r

rehit, equitatio.

*

t

L1

T ^

sugil, sol (?). tac, dies. bur, bos. belabe?

k

lagu, aequor.

23.

T



£

k.

r

xmn

Diese Runen konnten auch umgewendet werden und sahen

u. s. w. so aus: ^ /I $ < H Ihre Namen lauteten: fix, ur, thor oder thus, os, reich kaun, hagl, naud, is, ar, sol, für, bjarkan oder birkall, lögr, madr, irr. Als unechte Runen gelten: 4 4 1" L, von denen die erste zur Bezeichnung von o, die zweite für s, die dritte für ä nnd die vierte für ö angewendet wurde, natürlich in einer der

dann

unsrigen minder fern liegenden (jüngeren) Zeit. Zusammengesetzte Runen sind 1" % 4, b. h. arlangs oder al, twimadr oder mm und belgthor oder bp. Dann giebt es noch

punktirte Runen,

gegebenen Reihenfolge

w

\

+ Y £ Fl, welche in her¬ nämlich in Handschriften für d (auch th), e, g,

p) und ü angewendet werden. Auf Stein, Metall und Holz, sowie häufig

(auch

auch

auf Per¬

gament, wurden die Runen zwischen zwei gleichlaufenden Strichen Die Schreibart ging von links nach rechts und angebracht.

Zeile unter Zeile, auf Runensteinen hingegen und auch mitunter auf Schmucksachen wurde von rechts nach links und von unten nach oben hinauf, auch wohl gar in senkrechten Reihen von oben Es kamen auch auf den Steinen mit¬ nach unten geschrieben. unter Kiinsteleien vor, durch eigenthümliche Buchstabenverbindung und Verschlingung der Reihen; vermuthlich geschah dies, um etwas Besonderes zu schaffen oder um die Enträthselung zu er¬ schweren. (Fortsetzung folgt.)

Lehniner Studien. Von Dr. ©.

(Mit

Im

Teltow

Slavendorf

*) den sog.

besaßen sie,

Slatdorf

und

sich

von Salz

an

Art

von

machten

mit

einer

und

Vorliebe Bankgeschäfte mit den brandenburgischen Fürsten und Edlen; Städte wie Magdeburg, Lüneburg und Erfurt gehörten zu ihren Schuldnern. Daß sie infolgedessen mit ihren raubund händelsüchtigen Nachbarn oft in Streit geriethen, ist natür¬

lich, und charakteristisch ist in dieser Hinsicht der Stoßseufzer des

Abts Heinrich Stich*) aus der traurigen Zeit unter Sigisinund Hans v. Quitzow was so overweldich geworden, und hadde dy man und dy stecke so weldichliken vordrucket, dat nymant van mannen edder van borgern dürfte um me unsen willen en perd zadelen edder eyn wort vor uns sprecken, dat wedder dy Quitzow mochte syn gewesen (Riedel, cod. I. 10 . p. 418). Immer aber triumphirten sie wieder über ihre Widersacher. Die alte Einfachheit und Strenge verschwand indessen all¬ mählich, und machte einem bequemen Wohlleben Platz. Die zahlreichen Fischereien wurden verpachtet gegen die Ablieferung über die Gewaltthätigkeiten der Quitzows:

„Herrenfische"**) zur Fastenspeise, kostbare Altar(ans dem Kloster Zinna ist uns ein hierfür lehrreiches Inventar erhalten, Riedel, cod. I. 10. p. 288) und an Stelle der alten, mehr als einfachen Kost wurde ein Tisch eingeführt, der eines Fürsten würdig war (man vergleiche den von den Mönchen bei der Säcularisation dem Kurfürsten „dcmütiglich" zur Genehmigung vorgelegten Speise¬ zettel, Riedel, cod. I. 10. p. 400, mit dem, was die Ordens¬ regel vorschrieb, Winter 1. pk 24). Ans den sich selbstverleugncnden, muthvollen Pionieren des Christenthums nnd der Civilisation im Wendenlande waren so unnütze, trüge Lebe¬ männer geworden, bei denen, wie Walther Mastes schon im der schönsten

und Hausgerüthe wurden angeschafft

zu rechnen; der Beweis dafür dürfte aus einer Reihe Urkunden aus Jahren 1249, 1256, 1261, 1264, 1265 zu entnehmen sein, würde aber hier zu weit führen.

*) Ueber

Zehlendorf*) (1242) mit

Slat-

betheiligten

zur Gewinnung

den

um dies wegen der Nachbarschaft dem

ursprünglich

den

Seffo.

Abbildung.)

besonders zu erwähnen,

ihnen

Stadt Brandenburg auszufechten hatten, sie ver¬ das auf ihren Gütern gewonnene Getreide in großem

Maßstabe nach Hamburg,

(Fortsetzung.)

Berlins

die

Proceß mit der

Actiengesellschaft

t^r^sh

ein,

die Ordensregel verboten waren. Sie legten großartige Kleiderfabriken nnd Malzdarren an, worüber sie einen siegreichen

Runen futhork, in Hagel's Geschlecht, wozu die Runen snias, und in Tyr's Geschlecht, wozu die Runen sblrnö gehörten. Wahr¬ scheinlich gab es noch andere Eintheilungen, durch welche die Be¬

gebräuchlichste

Handelsuntcrnehmungen

und

dem

Tusensee,

Zehlendorf ist nt. E., wie Riedel, Mark, I, 398 es thut, zu alten, und nicht mit Fidicin und Voigt zu den neuen Lan-

das sog. Gedenkbuch desselben,

eine

für

die Geschichte des

wichtige Sammlung Lehniner Rechtsfälle, hat in der Sctober 1876 Sitzung des Vereins für die Mark Brandenburg vom Archivar Dr. Hegert gesprochen und den Nachweis versucht, das) an der Compilation desselben sich noch zwei Nachfolger Heinrich Stichs, die Aebte Johann und Heinrich betheiligt habe». **) Die im Mariensee bei Chorin gefangenen grossen Aale heißen noch Klosters

höchst

II.

jetzt

Mönchs aale.

16 Generalcapitel darüber Bericht erstattet hatte (es. Statut. Capital, general, ad ann. 1193 No. 2; ad ann. 1225

13. Jahrhundert von den Cisterziensern behauptet hatte, Genußsucht und Selbstsucht von Tag zu Tag üppiger wucherten; das In¬

dem

stitut, welchem die Mark seine Assimilation an das große deutsche Reich, und damit das Fundament zu seiner späteren Macht¬ stellung verdankte, hatte seine Existenzberechtigung verloren, noch

u. A. m. bei Winter

ihm Joachim II.*) den Lebensfaden durchschnitt. Die Bedeutung der Cisterzienser für die Geschichte der Kirchenbaukunst in Deutschland hat Dohme ausführlich behandelt, und nachgewiesen, wie der Schwerpunkt ihrer architektonischen

Speisesaal, Gaststube und Pförtnerhaus, und im Jahre 1183

ehe

Thätigkeit in die Periode des s. g. Uebergangsstiles fällt. Eins der ältesten und schönsten Denkmäler dieser Stilperiode im Ge¬ biete des norddeutschen Backsteinbaues ist die Lehniner Kloster¬ kirche, welche deswegen auch, wie das Auftreten der an

wendeten Formstcine

an der Kirche zu Colberg,

die

ihr

ver¬

Ueberein¬

stimmung einzelner architektonischer Details mit der etwa 1236 begonnenen Kirche zu Hude, die Verwandtschaft des Grundrisses

mit

dem von Chorin beweisen,

vielfach als Muster bei späteren

Bauten benutzt wurde. Gemeinsam mit allen übrigen Cistcrzienscrkirchen ist ihr die auffallende Länge des Schiffes (erst im Zeitalter der Gothik begann man davon abzugehen); für die, durch Anwendung des Backsteinbaucs nothwendig gewordenen Modificationcn sind typisch

die kein

III

p. 206. 216 ff.). Daran schloß sich derjenigen Gebäude, ohne welche

provisorische Herstellung

Kloster bezogen

werden

durfte: Betkirchlein,

Schlafhaus,

bei Winter I, 345) bezog der Convent, welcher in der Regel aus dem Abt und 12 Mönchen (in Erinnerung an die Zahl der Jünger Christi) und ebensoviel Conversen bestand, diese neuen Gebäude, um wahrscheinlich sofort den Bau einer steinernen Kirche zu beginnen. Dieselbe war ursprünglich viel niedriger als die jetzige und flach gedeckt (der an sich wohl richtige

(annal. Colbaz. •

Schluß, daß die Apsis anfänglich nur die untere Fensterreihe besessen habe, wird von Dohme dadurch motivirt, daß sich über derselben noch das alte, den Uebergang zum Dach vermittelnde Hauptgesims — Rundbogenfries — vorfinde; dieß ist insofern unrichtig, als sich der einfache Rundbogenfries unterhalb dieser Fenster befindet, während der zwischen beiden Fensterreihen ver¬ schränkte Rundbogen — eine bereits der Uebergangsperiode angehörige Form

— zeigt)*).

begann man nach

Zu Anfang des 13. Jahrhunderts erweitertem Plan einen Um- und Neubau; man

überhöhte die alte Kirche und überwölbte Chor und Apsis (diese

die einfachere Anlage der Ostkapellen, die Umänderung des gerad¬ linigen Chorschluffes in den halbrunden, und die Ausbildung

Ueberhöhung läßt sichnamentlich an den Vierungspfeilern erkennen — von den alten Gewölbe-Schlußsteinen existirt noch ein 26% cm. im

theilenden Strebe¬

Durchmesser haltender (welcher im WappenschilddenBrandenburgischen

ursprünglichen

Adler zeigt) und stellte auch wohl die östlichste Travec des Langhauses fertig. 1262, unter dem Abt Johannes, wurde die Kirche nach dem Zeugniß des Garzäus (und zwar in ihren jetzigen Dimen¬ sionen) geweiht, sodaß die Beendigung des Baues in diese Zeit Fr. v. Quast (Z. Charakterist. d. älter. Ziegelb. zu setzen ist. in d. Mark Brandenb., im deutsch. Kunstbl. I. 1850. p. 241. 243) gibt zwar dafür das Jahr 1272 an, es liegt aber auf der

wenigstens eines der beiden die Westfayade pfeilers zum Treppenthurm, während nach

der

Regel den Cisterziensern alle Thürme außer dem, in der Regel hölzernen, Dachreiter auf der Vierung verboten waren.

Was Fontane (Osthavelland p. 72, vgl. auch: Oderland der Cisterzienscrp. 447. Anm.) als charakteristische Merkmale aus Feldsteinen des Burgartigkeit anführt: Mark der in bauten niedrigen kleinen Thurm und kurzem mit aufgeführten Gebäudes saubcrein Ausbau, Fenstern, an der Ostwand ein chorartiger gearbeitetes Salristeihäuschen, eine rechtwinklige Biegung, ein Knick des Daches in Folge späteren Anbaues, sind Angaben, die sachgemäßen Begründung

einer

entbehren**).

Ueber die Baugeschichte Lehnins sind so gut wie gar keine

urkundlichen

Nachrichten

vorhanden.

Alles, was

sich

darüber

ermitteln läßt, ist etwa Folgendes (cf. Dohme p. 87—91); Die Stiftung des Klosters füllt nach Pulkawa (Riedel, coeira Kitilmun(t)ar kuj) hialbi bous at auk kujie musir hon 61 a uirlanti in osmuntr markajju. In wörtlicher Uebersetzung heißt dies: „Rahnftied ließ errichten Stein diesen nach Björn, Sohn ihren gemeinsamen. Gott helfe seiner Seele und Gottes Mutter. Er fiel in Wirland auf Osmunds Feld." Unter Wirland wird Esthland zu verstehen sein, oder ein Theil dieses Landes. Frei übersetzt heißt demnach die Inschrift: Rahnfried ließ diesen Stein zu Ehren Björns errichten, der sein und seiner Gattin Sohn war. Gott und die Mutter Gottes helfe seiner Seele. Er fiel

heiratheten, um ihre Nachkommen durch das „blaue

trisir

selben noch mehr zu adeln, wodurch

seits

zu Hersen wurden.

Ein

Blut"

der¬

ihre Familien mütterlicher¬

solcher Herse

war Waltokc, der

Drott (trutin) genannt wurde, was doch mehr ist als „Herr" im gewöhnlichen Sinne. Die Sprache und das Vers¬

außerdem

maß der Inschriften (die beide unten rechts anfangen) deuten aus ein sehr hohes heidnisches Alter hin.

Wir

wenden uns nun zu einem der berühmtesten Runen¬

denkmäler, das schon vor 500 Jahren von Staatsmännern, Ge¬ schichtsschreibern und überhaupt Denkern schätzt

erwähnt und

hochge¬

wurde, deffen Enträthselung aber erst am 23. Mai 1834

38

von ungefähr" gclong.

„wie

dem berühmten Finn Magnusen, Es ist dies die sogenannte Runamo-

isländischen Forscher,

einem

gesteckt

Dicke

Jnschrift. Dieselbe befindet sich in der südschwedischen Provinz Bleking, auf einer flachen Fclsklippc bei Hobü, zwischen Carlshame und Rönnemo. Ter Runamo ist ein flacher GranitGncus-Felscn. durch den sich eine schwarze Trapp-Ader zieht, in

haben,

so

daß das

hin, daß heißt,

so

Silber beim

Ausschmelzen nach der-

bergauf floß, wie es nämlich Der Speer hat jedenfalls einem

zu sagen

erstarrt gefunden worden ist.

Deutschen und zwar einem hervorragenden, reichen Helden gehört.

Die Schriftrunen,

welche

links bei der größten Breite stehen,

sind noch nicht entziffert,

ebensowenig die Zauberrunen, welche

welche die Inschrift eingehauen ist. Tie Arbeit war entweder schwierig oder wurde in großer Eile ausgeführt; der Einfluß der

beide Seiten der Klinge bedecken.

Zeit, muthwillige Beschädigung, natürliche Ritzen

für zunehmende Macht und als solches selbst Wappen christlicher Staaten. Außerdem war der Mond allen alten Völkern und auch unseren Vorfahren nicht bloß wichtig, sondern sogar heilig, und wurde auch von ihnen mit dem Wachsthum in Verbindung gebracht. Die merkwürdige Figur auf der rechten Seite der linken Abbildung hat große Aehnlichkeit mit einem bronzenen Geräth, das unter egyptischen

des

der Umstand, daß der Runenmeister einen Zauber wickelte Schreibweise ausüben wollte, sie zu

einem Buch

mit

sieben

der Halbmond auf.

Steins und durch

an Muhamed dachte, das Zeichen

ver¬

alles dies trug dazu bei,

Siegeln zu machen. Die Runen wur¬ mit Bezug auf Die genannte Schlacht hat zwischen

den vor der berühmten Brawalla-Schlacht und

Kampf eingehauen. 680 und 760 nach Christo stattgefunden, und zwar bei dem Dorfe Browik in der schwedischen Provinz Ostgothland. Es kämpften dort der angeblich 110 Jahre alte Dänenkönig Harald Hildetann oder Hildekinn mit dem in der Jugendkraft stehenden Schwedcnkönige Sigurd Ring um die Herrschaft im Norden. Friesen, Sachsen, Norweger, Engländer, Isländer, Liefländer, Russen und Wenden werden als Hülfsvölker genannt. Harald, gesagt wird, homerischer dem daß er wie ein biblischer oder von Held auf einem Streitwagen focht, erlag in diesem nordischen diesen

Alterthümern gefunden worden ist und vielleicht einen gottes¬ dienstlichen Zweck hatte. Auf der rechten Seite der rechten Ab¬ bildung fällt das oberste, aus drei krummen Strichen um ge¬ meinsamen Angelpunkt gebildete Zeichen auf. Dasselbe kommt auch auf Bracteaten, Münzen und anderweitig ziemlich häufig vor. Es stellt vielleicht die flüchtige Zeit oder die Schnelligkeit überhaupt dar. Das darunter befindliche Kreuz mit umgeknickten Balken, ein sogenanntes Hakenkreuz, ist sehr häufig auf Hinter¬ lassenschaften der Vorzeit zu sehen und zwar nicht blos auf solchen, die in unserem Lande und im Norden gefunden werden^ sondern auch auf solchen, die man im Morgenlande und noch weiter ostwärts, in Indien, ja auch in Egypten und in Nubien gefunden hat. In dem letzteren Lande auf Ringen, die man aus uralten Gräbern hervorgeholt. Dies Zeichen hat in Asien, lange bevor Christus am Kreuze starb, als Zeichen der Macht gegolten und war eine Auszeichnung der Herrscher. Man hat bei uns einen „Thorshammer" daraus gemacht und mit diesem, wie ein bekannter Berliner Kenner sagt, viel Thorheit getrieben. Den Donnergott Thor glaubten unsere Vorfahren mit einem gewaltigen Hammer ausgerüstet, der Mjölnir oder Zermalmer hieß, und in der vom Isländer Snorre Sturleson geschriebenen Geschichte der Nordmannen, genannt Heim 8 kringla, findet sich eine Stelle, die das Kreuzeszeichen mit diesem Thors¬ hammer in Verbindung bringt. Es war nämlich der norwegische König Hakon Adelstein ein Christ, sein Volk aber leidenschaftlich heidnisch, und wollte sich von ihm nicht bekehren lassen, zwang ihn vielmehr mit Gewalt, einem heidnischen Opferfeste beizu¬ wohnen, nachdem ihm die Freibauern in einer Versammlung erklärt hatten, daß sie ihn wegjagen würden, wenn er ihnen fremden Glauben aufzwingen, daß sie seinen Thron aber mit Gut und Blut vertheidigen würden, wenn er cs beim Alten „Nun, König, weißt Du unsere Meinung (so lassen wolle.

Bölkerkampfc und wurde von seinem eigenen Feldobersten, wäh¬ rend er knieend mit dem Schwerte um sich hieb, gctödtet. Die

Runamo-Jnschrist sollte

in

dem

bevorstehenden

Eutscheidungs-

kampfe einen Zauber zu seinen Gunsten ausüben und lautete in

altnordischer Sprache :

Hiiltekiun riki nara

. .

Gaij>r inhjo, Uli eit

gas.

vigi OJiin runar! Hringr fai

fall

a mold

....

Hildckinn (das) Reich nahm, Gard hieb ein (die Runen); Ole (den) Eid gab (d. h. er schwur); Weihe Odin (die) Runen!

Ring

bekomme

Fall in (den)

Staub....

Alfar, Astagod 01 a (fjdi) 0[tin ok Frei ok Asakun fari fari

Alfen, (die) Treucgötter (den) Ole hassen! Odin und Frei

fjandum varuin,

Feinde unsrige!

umii Haraldi aerin sigr!

glänzenden

und (das) Asengeschlecht vernichtet, vernichtet

Gönnet Harald

Sieg!

Der höchste Gott Odin hieß bei unseren Vorfahren Wodan, unter „Asm" hat man Götter, und unter „Alfen" Elfen zu Die Inschrift muß rückwärts gelesen werden, was verstehen. Magnusen ein Gedankenblitz eingab, worauf er sie in dem Finn Zeit von 2 Stunden entzifferte. Von den redenden Steinen wenden wir uns nun zu dem kalten Eisen, das auch zu uns spricht, obwohl wir seine Worte noch nicht verstanden haben. Die Müncheberger Framea oder Speerklinge, welche 1868 beim Eisenbahnbau nebst anderen Alterthümern dicht bei dem märkischen Städtchen

Müncheberg

runenartige

Zeichen.

zeigt

gefunden wurde, trägt Runen und (Siehe Abbildung). Unsere Abbildung Seiten dieser merkwürdigen Waffe. Sie ist aus Eisen ihre Zeichen, Runen und Verzierungen sind vertieft mit Silber ausgefüllt; sie sind dies zum Theil noch

Waffe muß mit der Spitze

nach oben

beide

geschmiedet,

und waren

Die jetzt. in einem Scheiterhaufen

Von diesen fällt uns zunächst Dieser war schon im Morgenlande, ehe man

wiffe, daß Du nicht vom Flecke kommst, Du eins von beiden gewählt hast!" Nö skaltu, komingr, kjösa uni kosti Jiessa, ädr hing se slitit! wie es in jener alten Chronik heißt. Als nun bei dem Opferfest zu Ehren Odins getrunken werden sollte, machte der König das Zeichen des Kreuzes über dem Odin geweihten Hörne voll Bier, das ihm der Jarl Sigurd reichte. Da rief einer der argwöhnischen Bauern: „Was macht der König nun! will er nicht opfern?'! Sigurd, der zwar ein eifriger Heide, aber dem Könige treuer war, als dieser verdiente (der Scheinheilige ließ ihn später meucheln), rief schnell: „Ei, er machte nur das Hammerzeichen über dem Horn und trank zu Ehren Thors! Das ist ja nichts schloß der Sprecher), doch ehe

,

39 -weiter, als was alle thun, die an ihre eigne Macht und Stärke .glauben!" — Hierzu bemerkt nun ein scharfsinniger nordischer Forscher: „Wenn das Schlagen des Kreuzes in der Bedeutung des Thorshammers etwas so Alltägliches gewesen wäre, würde

Bauern weiter nicht ausgefallen sein; so jedoch mußte der schlaue Jarl zu einer Nothliige greifen, um seinen Herrn aus der Noth des Augenblickes zu retten." Das Zeichen des Hammers war jedenfalls ein T, und die Rune, welche den Gott Thor vorstellte, hieß kür 's*. Wenn das in Rede stehende Hreuz eine Götterrune gewesen ist, dann kann es nur die des höchsten Gottes, des Odin oder Wodan gewesen sein. Doch weiter. Auf unserer Framea (als solche hat sie zuerst der ProfessorHeer bezeichnet) sieht man auch mehrere Kreise. Ein bloßer Zierrath können dieselben nicht gewesen sein, wenigstens nicht an -solcher Stelle, denn der Kreis hatte auch mancherlei Bedeutungen, B. die des Weltkreises, der Vollkommenheit und auch der z. Herrschaft. Auffällig ist der Ring unter den Runen (linke Ab¬ -cs den heidnischen

bildung), denn er gleicht den schon beschriebenen Armringen, und früher und auch wohl jetzt noch behauptet, daß diese den Eidringen glichen, welche man im Mvrgcnlande beim Schwören in die Hand nahm (s. u. a. die hübsche Abbildung auf Seite 198 des vortrefflichen Buches „Kostümkunde", von H. Weiß, 1862). Es ist möglich, daß die Eidringe geöffnet waren, obwohl ein Geschloffensein wohl bedeutsamer gewesen wäre, doch ist die Annahme zulässig, daß der Schwörende sie als Zeichen seiner Gebundenheit über den Arm streifte, und können so sie ursprünglich mich die Stelle der Trauringe vertreten haben. Der Ring Dicht bei dem muthmaßlichen Namen des Eigners der Müncheberger Speerklinge hätte dann auf sein eheliches Glück Bezug gehabt, dessen Grundlage bekanntlich in ehelicher Treue wurzelt. es wurde

Es scheint, als ob der betreffende Held, außer seinem Namen,

nlle

auf dieser seiner wichtigsten Waffe hat bildlich Dahin geht unsere Meinung von der Sache.

seine Wünsche

-eingraben lassen.

Lehniner Studien.

Historischmerkwürdiges zu Tage gefördert; interessant sind nur Zwei Gräber in der nördlichen Grcnzwand des Chores gewesen, die ich leider nicht mehr untersuchen konnte. Sie lagen etwas Äber dem jetzigen Fußboden, waren aus der Dicke des Mauer¬ werks ausgespart, von ganz knappen Dimensionen, und schloffen den

menschlichen Körperformen

an.

Das eine war leer, im andern lag zwischen zwei Eichenbohlen, ohne Sarg, ein wohlerhaltenes Skelett*). Bei solchem Ergebniß behält die Vermuthung Riedels viel Wahrscheinlichkeit, daß die Fürstengrüfte gar nicht in der Kirche

in

mit dem Kreuzgang in Verbindung Unterstützt wird diese Vermuthung dadurch, daß, wenigstens im früheren Mittelalter, Laien in Kirchen überhaupt nicht begraben werden durften, und

selbst, sondern

und deren Familien Ausnahmen gemacht zu haben. Im Jahre 1193 wird der Abt v. Salem bestraft, weil er einer Frau das Begrübniß in der Kirche gestattet (Winter III, 1205 aus

206).

demselben Grunde der abbas

Yallis St. Mariae.

1252 bittet

der Abt von Pforte bei dem Generalcapitel um die Erlaubniß, einen Grafen v. Mansfeld nebst Gattin, die bisher auf dem

Kirchhof gelegen, in der Kirche beisetzen zu dürfen; es wird ihm nur gestattet, dieselben „in elauskro vel capitulo monachorum“ (d. h. nicht in der Kirche) zu bestatten. Ein weiteres Argument

für Riedels Annahme liegt darin, daß erst im Jahre 1183 der Con¬ vent ins Kloster zog, sodaß wahrscheinlich erst in diesem Jahre der definitive Kirchenbau begann, während Otto I. bereits 1184 starb und in Lehnin begraben wurde, und daß die ganze Kirche nicht vor 1262 geweiht wurde, vorher aber schon mindestens fünf Personen fürstlichen Geschlechts in ihr beigesetzt worden waren. Riedels Conjeciur beruht auf Folgendem: Im nördlichen Kreuz¬

gangsarm befand

Inventar von 1680 (welches ich können) ein Kämmerchen mit Sibolds Grabstein. JmJnvcntar von 1695 heißt es darüber: „1 Kämmerchen, nicht

habe

sich

nach dem

vergleichen

vermauert,

worinnen lieget der Grabstein vor¬ Dieselben Worte hat das Inventar von 1700; in dem von 1707 heißt eS: „1 Kämmerchen, wo¬ rinnen lieget der Grabstein von erwähntem Abt Seboldo", welches

anitzo

erwähnten Abbatis Seboldi."

mit anderer Tinte ist über „liegt" geschrieben hat, und über „Seboldo" gelegen. Damit in Zusammenhang werden erwähnt mehrere gewölbte Gemächer, namentlich ein mit leeren Thür- und Fensteröffnungen versehener „gewölbter Platz", und „am Ende

1769).

gewesen

Auch früher in der Kirche gemachte Gräberfunde haben nichts

möglich

insofern abzuweichen anfingen, als sie denselben die Kreuzgänge und Klosterkirchhöfe öffneten, während die Kirchen selbst unzu¬ gänglich blieben; indessen scheint man mit fürstlichen Stiftern

von

Von Dr. 6. Srtso. (Fortsetzung statt Schluß.)

jo genau wie

Cisterziensern streng verboten war, weltlichen Personen überhaupt innerhalb ihrer Klostcrmauern die letzte Ruhe¬ stätte zu gewähren, eine Regel, von der sie erst im 13. Jahrhundert

der Kirche" zwei gewölbte Kammern, wozu die Thüren zugemauert, und nur in der Scheidewand eine Thüröffnung ist (Inventar

(Schluß folgt.)

sich

es besonders den

besonderen,

stehenden Grabkapellen zu suchen seien.

Diese Räume mögen die

fürstlichen Grabkapellen sein, indessen ist ihre genaue Lage schwer festzustellen;

das Wahrscheinlichste scheint mir, daß sic am westlichen Ende des Kreuzgangs zu suchen sind, und zwar dort, wo die dem Paradies entsprechende Vorhalle umfassend, der Thurm des kurfürstlichen

in

Theil der Kirchengebäude hineinsprang, ein in seinem architektonischen Detail noch wohl erhaltenes, zur Zeit vermauertes Portal aus dem jetzt als Schulzimmer dienenden Refectorium*) in den Kreuzgang und von dort wahrscheinlich in das südliche Seitenschiff. Ob indessen Nachforschungen daselbst von Erfolg sein würden,

Schlosses

denn

den südlichen

am östlichen Ende führte

scheint zweifelhaft; denn gerade dort sind wiederholt bauliche Veränderungen getroffen worden (nach Riedel wurden beim Abbruch des Schlosses unter Friedrich d. Gr. eine Menge Särge gefunden

und anderswo untergebracht; noch bei Menschcngedenken standen, wie Riedel erwähnt, und mir in Lchnin erzählt wurde, im Paradiecichene Särge hoch aufgeschichtet, die später im Kaltenhausener Kirchhof planlos — Niemand weiß, wo — vergraben wurden);

wurde unter dem Thurm ein Keller, der s. g. Wildpretkeller, angelegt, wobei jedenfalls Alles, was an Gewölben und auch

*)

mit Gebeinen gefüllte Särge findet man bisweilen in den Fundamenten mittelalterlicher Kirchen. Es mag dieß ein Rest jener auch in deutschen Sagen sich findenden, grausamen Sitte sein, zur Festigung eines Gebäudes Lebende in seine Mauern einzuschließen. — Der Curiosität halber sei erwähnt, daß ich in Lehnin zufällig erzählen hörte: in jedem Pfeiler der Kirche säße eine eingemauerte Nonne. Leere,

oder

*) So wird der Raum nach der Lokaltradition der Lehniner genannt; in andern Cisterzienser-Klöstern lag an dieser Stelle gewöhnlich der C a p i t c l° saak, während das Refectorium an der Siidseite des Kreuzganges zu suchen ist.

40 Leichensteinen

sich

vorfand, mit pietätloser Gleichgültigkeit beseitigt

worden ist*). Wünschcnswerth und eine Pflicht der Pietät wäre es, nun¬

mehr, nachdem die Kirche, das fromme Werk der Askanier, in alter Gestalt wieder aufgerichtet ist, durch neue Denksteine die

Erinnerung an die heldenmüthigen Fürsten wieder zu beleben, die nach dem Vorbilde ihres Ahnen, Albrechts d. V-, unablässig bemüht waren, der Mark, dem letztgeborcnen Schmerzenskinde des deutschen Reiches, unter den neidisch-blickenden Schwestern eine Achtung gebietende Stellung zu erwerben.

Die Schicksale des Klosters nach Auszug der Mönche (wor¬ über Peter Hafftiz bemerkt: „urnb. 8 . Elisabethtag in diesem Jahre — 1542 — sind die Mönche aus dem Kloster Lenyn, darin sie in die 362 Jahre gehausset haben, gestöbert, und haben das „Ite in orbcm Universum“ (Matth. 28,19 cf. carmina Burana p. 251) anstimmen und singen müssen“; (cs sei hier darauf aufmerksam gemacht, daß Luthers Gattin, Katha¬ rina v. Bora, eine ehemalige Cisterziensernonne war) sind außer¬

Als der

ordentlich traurige gewesen.

neue Geist anfing zu we¬

Yaticinium Lehninense heißt patriae tune femina pestem, tristem inferet at femina serpentis tabe contacta recentis,

hen, von dem cs im

(man vergleiche hierzu das Verbot des Generalkapitels vom Jahre 1522 .an die Ordensmitglieder: ne perversam illam doctrinam, cuius fama pene iam omnibus auribus percrebuit, et quae dicitura quodam Luthero emanasse, sectentur et audiant, seu etiam libros ipsius legant. Winter III, 354) waren die Kloster-

wohl zuni größten Theil von den Mönchen beseitigt wor¬ den; in der Kirchenmairikel der Zauche vom Jahre 1540 und späteren Zusätzen zu derselben heißt es von den Dörfem unter schätze

dem Patronat des Abts von Lehnin bei Erwähnung der Kirchengeräthe regelmäßig: sind gestohlen. Unsere märkischen Dörfer sind überhaupt arm an Kunstdenkmälern aus der

Reformation; interefiant war

es

Zeit vor der

mir darum, in der kleinen

Kirche des malerisch gelegenen Dörfchens Satzkorn (dem Fontane auf seinen „Wanderungen" leider vorbeigegangen ist) bei Potsdam ein schönes kupfernes Ciborium und einige gestickte Meßgewänder zu finden.

Auf

dem Kirchhof dort liegen noch vier gutgearbeitete

Grabsteine früherer Besitzer des Guts aus dem 16. Jahrhundert; die Kirche selbst, mehrfach umgebaut, bietet nichts Merkwürdiges; eine sorgfältig restaurirte Kanzel und ein großes Altarstück

mit

zahlreichen Holzschnitzereien stammen aus dem 17. Jahrhundert.

Was sich sonst noch in Lehnin vorfand, wurde nach Berlin gebracht, und ist dort verschwunden; die kurz vorher angeschafften Glocken kamen bis auf eine, noch in Lehnin befindliche, angeblich nach Nahmitz (die Inschriften der dortigen Glocken lauten: annoch doi ff m° rhus (Brandenburg. sandi barnardi poltere rd m tcccc

t

f f

Adler) maria. ff anno 0

f

f

doi

f



f

f

tcccc

f rbn

[ober ernt]

f

abe maria ; aus denselben geht hervor, daß die Glocken ijmß einer Cisterzienserkirche gehört und der Jungfrau Maria geweiht



gewesen; daß sie aus Lehnin stammen, ist möglich, aber nicht mit Nothwendigkeit aus den Worten zu folgern; eine Sage, der,

wie die Jahreszahlen lehren, jedes historische Fundament fehlt, er¬ zählt, Abt Sibold habe dem Dorf die Glocken wegen der Gefällig¬ keit der dortigen Frauen geschenkt). Der schöne Altarschrein wurde Er¬ *) Bei dem Neubau dieses Theiles der Kirche sind, soviel ich in fahrung gebracht habe, keine Gräber oder dgl. gefunden worden; nur hart an der Wcstwand des Mittelschiffs stieß man beim Setzen einer Rüststange auf ein neueres Grab mit einer Frauenlciche.

nach

Brandenburg versetzt, die Gräber wurden geplündert, die

Grabsteine zu profanen Zwecken verwendet (wie einst der nun im

Paradies liegende Abtstein, so mögen noch jetzt andere im Flecken als Treppenstufen u. dgl. dienen, und läßt vielleicht ein Zufall noch Weiteres entdecken); ein evangelischer Prediger wurde nicht bestellt, die Einwohner des Ortes wurden nach Rädel eingepfarrt, die Kirche verödete — aus dem Kloster wurde ein kurfürstliches

Amt.

Bis

zum Jahre 1628 existiren keine Akten über daffelbe.

Erst mit diesem Jahre beginnt das Archiv des Lehniner Amts, zu welchem von dem früheren zahlreichen Besitzstand nur noch folgende 25 Ortschaften gehörten (bei seiner Aufhebung hatte dasKloster u. A. 64 Dörfer besessen): Netzen, Nahmitz, Michclsdorf, Schwina, Dahmsdorf, Goetz, Goehlsdorf, Deetz, Phoeben, Krielow, Glindow, Petzow, Toeplitz, Goettin, Leest, Derwitz, Bochow, Werder, Wachow,

Gohlitz, Damelang, Rädel, Geltow, Kaltenhausen, Schmergow (über den Besitzstand des Klosters in den Jahren 1375, 1451, 1775 es. Berghaus, Landb. d. M. Brandend. I. 562 ff.). Der Flecken Lehnin wird in dieser Zeit noch garnicht ge¬ nannt^ ebensowenig, wie im Jahre 1681, nur das Vorwerk Kaltenhausen, obwohl im Jahre 1444 dem Convent erlaubt wurde, alljährlich am grünen Donnerstag einen Markt abzuhalten (Riedel Die Stätte dieses Marktes wird der cod. I. 10. p. 284). frühere Kirchhof, der Platz zwischen Amtshof, Kirche, Schul-, Pfarrund sog. Königshaus gewesen sein, wie ja das ganze Mittelalter hindurch die Kirchhöfe zur Abhaltung von Tänzen und zum Feil¬ bieten von Waaren benutzt wurden (Kriegk, deutsch. Bürgerth. im M. A. Neue Folge p. 136); einen Hinweis darauf bietet die Sage „vom Markt auf dem Kirchhof zu Lehnin" bei Kuhn

Aus dieser Unbedeutendheit des Orts (Cisterzienser-Klöster durften ja, wie oben mitgetheilt wurde, weder in Städten noch in Dörfern gegründet werden) erklärt es sich auch, daß derselbe, wenigstens soviel mir bekannt geworden, Nichts von älteren Wohnhäusern aufzuweisen hat; nur ein, in der Nähe

(Märk. S. No. 78).

jetzigen Klostereingangs gelegenes Haus deutet mit seinem sauber ausgekehlten Architravbalken auf älteren Ursprung. Unter den Klosterdörfern habe ich nur in Nahmitz noch eine Erinnerung des

an das 17. Jahrhundert in einer in Holz geschnittenen Inschrift gefunden. Dieselbe befindet sich auf einem Balken, welcher früher unzweifelhaft als Thürsturz gedient hat, und jetzt in einer Stall¬

wand angebracht ist; sie lautet: LIED. Anno 1690 den 20 . Septem. Im dreißigjährigen Kriege hatte das Amt vielerlei zu erdulden; Oberst Wrangel bestellte zwar im Jahre 1638 einen Corporal und 12 Reiter zur „salva guardia“, im Jahre 1640 brannten aber die Kaiserlichen den Krug zu Glindow, 1641 das ganze Dorf Damelang, in Göhlsdorf 1 und in Deetz 4 Bauernhöfe nieder. Eine Anzahl ftüher zum Kloster gehöriger, jetzt verschwundener

Dörfer mag damals wüst geworden seien, so namentlich Gohlitz, Im Jahre 1642 wurde der welches noch 1628 genannt wird. Untervoigt Martin Bäthe von den Soldaten (welcher Partei? wird nicht gesagt) durch Schulter, Hals und Kinnbacken geschossen, aber glücklich wieder geheilt. Ja im Inventar von 1695 heißt es, daß im dreißigjährigen Kriege die eine Seite der Kirche rui-

nirt und viel Kupfer davon entwendet worden sei; den Rest des Kupfers habe sich der Amtmann Clären (1680—1681), als er den Thurm renoviren lassen, angeeignet. Infolgedessen ließ Amtmann v. Appuhn 1682 das ganze Kirchendach ausbessern, 1695 war es aber wieder so schadhaft, daß „das herrliche Gewölbe" dem Einsturz drohte (hiernach ist Riedel, Märk. Forsch. I, 181

zu

berichtigen).(Schluß

fotflt.)

in Berlin. — Druck von W. Pormetter in Berlin. Verlag von Alfred Weile in Berlin. — Verantwortlich für Redaction: gerb. Meyer

Unter Mitwirkung von

v

Dr. Brecht, Pröf. Dr. Naulus ßasfet, Stadt-Archivar Kidicin, Tlieod. Iontane, Stadtrath H. Ariedet, Geh. Regierungs-Rath Freiherr Dr. von Ledeöur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schwebet in Cüstrin rc. rc. herausgegeben von

George

WM

und

Fer-man- Meyer.

Das Blatt ist durch alle Buchhandlungen und Postämter, sowie durch die Expedition

i ii z

35

r

a nö e

11

für Schulen von

X Höpf tr, Realschulichrer in Pcrlebcrq. 11

Geh. 6'X Bg. Preis «0 Pf. Bei dem gänzlichen Mangel einer Heimathkunde für die Mark wird dieses Buch eine Lucke ausfüllen und bitte id' freundlichst um das Jntercffe der betreffenden Kreise. 8.

Alfred Weile.

nahezu bis gegen das Ende des 12. Jahrhunderts fortdauerte, bilden die Münzen fast die einzigen sicheren Leitfäden. Aber bisher nur dem in die Geheimniffe der localen Numismatik Eingeweihten; und wie schwierig hier die Entzifferung, wo die Gepräge meist schlecht, die Inschriften unleserlich oder räthselvoll abgekürzt sind und Schriftzeichen oft genug ganz fehlen, ausfällt, das weiß Jeder, den Neigung oder Beruf nöthigten, auf die Münzen des 10. oder 11. Jahrhunderts Bezug zu nehmen. Dem Laien fehlte bisher jedes umfassendere, gründliche und doch

dabei gemeinverständliche Buch. Dannenberg hat im vorliegenden Werk, das eine Zierde für die deutsche Wissenschaft ist, einen Führer in jener dunkeln Periode geschrieben, mit dem sich auch derjenige, welcher nicht Specialist ist. unschwer wird zurecht finden. Nicht wenig tragen hierzu die 1383 Doppelabbildungen (Avers und Revers als eine Nr. gezählt) bei, die klar und verständlich die Entzifferung fast jeder nicht allzu verdorbenen Münze jener Zeiten ermöglichen. Den märkischen Forschern hat der Vers, den wesentlichsten Gerade auf unserm Gebiet werden in rein Dienst geleistet. heidnischen Funden eine Menge fremder christlicher Münzen zu Tage gefördert, die gerade in ihrer Heimath meist viel seltener gefunden werden, und bei uns das Dunkel vor der askanischen Zeit zu lichten bestimmt sind. Besonders angesprochen hat uns der geistvolle, ruhig abwägende Artikel über die sogen. Wendenpfennige, die in der Numismatik der Mark eine so große Rolle spielen, und deren Bedeutung wie Herkunft mancherlei Räthsel aufgiebt.

Allen Freunden vaterländischer Forschung sei Danncnberg's Deutsches Münzwerk angelegentlichst empfohlen.

Verlag von Alfred Weile in

E. Fr.

Berlin.

Soeben erschien die neue Ausgabe rniigcn von

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Berühmte Männer Berlins und ihre Wohnstätten. Nach urkundlichen Quellen bearbeitet ' von

Ferdinand Meyer,

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Lcreins für die Geschichte Berlins re. Preis jeder Lieferung Pf. Don diesem bekannten, in der Prcffe höchst beifällig aufgenommenen Werke werden die beiden ersten Theile (Vom 16. Jahrhundert bis zur Zeit Friedrich des Großen. — Friedrich des Großen Zeitalter) in 9 Lieferungen ü 50 Pfg. er¬ scheinen, und schließen sich unmittelbar hieran: Die Kriegshelden Friedrich des Großen in ca. 5—6 Lieferungen. Ueber den Werth und daS allgemeine Interesse, Sekrctalr

des

Buch verdient, schreibt die Bossischc Zeitung: Der durch feine literarischen Ar¬ beitt» und Vorträgt in dem Verein für die Geschichte Berlins bekannte Verfasser des so eben hiersclbst i» eleganter Ausstattung erschienenen Buches, schildert darin die Lebcnsschicksalc jener Männer, deren Namen in de» geschichtlichen Annalen der Katserstadt verzeichnet stehen. Ein besonderes Jnieregc muß auch dem GeschichtStreund die Besprechung rer Wohnstätten jener Männer gewähren. Denn, wie der Verfasser in der Vorrede bemerkt, geben leider nur wenige Gedenktafeln uns Lunde von den Stätten, wo jene Männer gelebt und gewirkt, gelitten uni geduldet habe». Und roch »crlcihcn diele Denkmäler der Pietär, deren Berlin vor allen größeren Städten vonnöthen hätte, auch den äußeren histo¬ rischen Charakter, indem sie Vergangenheit und Gegenwart mit einander verbinden. — Das Buch darf wohl bean¬ spruchen, auch in weiteren Kreisen anregend zu wirken und mit Dank ausgenommen zu werden, wie denn auch auf Grund archivalischcr Forschungen manches Unbckannlc darin geboten, manche» Unrichtige und Sagenhafte im wahren Alles ist lehrreich, dichte darzusteNcn versucht wird. charakteristisch, voll anekdotischer Züge und unbedingt fesselnd für jeden, der ein Herz für die valcrländtschc Ge¬ schichte mitbringt. Die Zahl dieser ist freilich immer noch verbäitnißmäßtg klein, war die natürliche Folge jener bc< trütklichcn Art ist, wie einem früher die patriotische Pistole ans die Brust gesetzt wurde. Jeder feiner Fühlende mußte st» entsetzt davon abwenden. Hier ist da» richtige Maaß gehalten. Die erste Lieferung zur Ansicht, sowie die Fort¬ durch jede Buchhandlung, sowie durch setzung die Verlagshandlung, Bahnhofstr. 1, zu beziehen. daS dieses

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kann allen Kranken mit Recht

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als ein vortreffliches populair-medhj zinischcs Werk empfohlen werden. — | 1

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Dieser Nummer liegt eiu Prospect von Alfred Weile, betreffend Niemeyer's Geschichts-Kalender, bei. — Druck von W. Pormetter in Berlin. Verlag von Alfred Weile in Berlin. — Verantwortlich für Redaction: Ferd. Meyer in Berlin.

Das Blatt

erscheint

monatlich zweimal.

A. G/^BERsc.

CRÖMUffövQCa

Unter Mitwirkung von Dr. Wrecht, Prof. Dr. Baulus Kassel, Stadt-Archivar Aidicm, FtZeod. Aontane, Stadtrath K. Ariedel, Freiherr

Dr. von Ledebur,

L.

Geh. Hofrath

Geh. Regierungs-Rath

Schneider, Archidiaconus Schwebet in Cüstrin rc. rc.

herausgegeben von

George

Hrltl

und

Ferdinand Meyer.

Das Blatt ist durch alle Buchhandlungen und Postämter, sowie durch die Expedition (Bahnhofstr. l) zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Verlagshandlung von Alfred Weile in Berlin zu senden, welche sie der Redaction übermitteln wird. — Inserate, pro 3gesp. Petitzcile 25 Pfg., werden von den Herren Haasenstein u. Vogler, Rud. Mosse,

Bernh. Arndt,

Inhalt.

sowie von der Aerlagshandlung entgegengenommen.

Ein Bürgermeister von Berlin. Von Oscar Schwebet. Mit Abbildung.) — Der sogenannte Wilddiebstahl und Von P. Quandt. — Wendenpfennige. Von Dannenberg. — Berlin vor hundert Jahren.

seine

Strafen in der

Mark Brandenburg.

Em Siirgcrmcistcr von Lcrim. Von Vsmi SdiiucfM.*)

Mit Abbildung.)

in neuer Fürst war aufgekommen in der Mark, aber keiner, den Märkern gefiel, Friedrich II., der Eiserne. Am Vater hatte man die Härten einer neuen Staatsweisheit, wie er sie übte, über dem herzgewinnenden Wesen seines Auftretens welcher

vergessen;

das Gleiche konnte man beim Sohne nicht,

war düster und

denn er

Ohne Verständniß seiner hohen Begabung und seines redlichen Willens stand ihm sein Volk und namentlich dessen rührigster Theil, das Bürgerthum, verschlossen.

gegenüber.

Wer eine Geschichte des märkischen Bürgerthums schreiben wollte, könnte nur ein Bild, grau in grau gemalt, entwerfen. Es fehlt uns an den kühnen, die Welt erfüllenden Ruhmesthaten der Hansa,

an der Kunstblüthe und

dem romantischen Zauber Die ganze Thätigkeit des märkischen Bürgers ging auf das Praktische hin, — Erwerben und Erhalten war ihm von jeher Losung. Das ist löblich, aber nicht poetisch. Es fehlt dem Städtewesen der Mark im Mittelalter jeder ideale Schwung, jede große That; desto reicheres und interessanteres Material aber enthält dasselbe für die Sittengeschichte. Wer ein des Südens Deutschlands.

Bild

will von dem Zusammenleben der Handwerker im 13. und 14. Jahrhundert, der studire die Urkunden des alten haben

Berlin; — wer sich von all' und jedem romantischen Vorurtheil für mittelalterliches Bürgerthum mit Goldschmiedstöchterlein und

junkerhaft zugestutzten Handwerksburschen frei machen will, der sehe in die Geschichte der Juden in der Mark oder blicke in die eisernen Strafordnungen der Magistrate und in ihre Poen-Bücher. Dennoch giebt

einzelne

Stellen in den Annalen des

Bürgerthums, welche allgemeinere Beachtung verdienen; 1448. Schwierig war die Bevölkerung der Hauptstadt von je an ge¬ wesen ; — war sie doch reich genug und fühlte sich! Hinter ihr stand der mittelmärkische Städtebund; Zünfte und Gewerbe be¬ fanden sich in hoher Blüthe, der Handel war ein ausgedehnter; kriegskundige Patrizier führten die städtischen Mannschaften zu Kampf und Sieg. Uebermüthig genug pulsirte das Leben in märkischen

zu ihnen gehört namentlich der große berliner Aufstand von

den Spreestüdten; der jugendlichen Bevölkerung, namentlich den Junkern, käun nur ein sehr beschränktes Lob der Sittlichkeit ertheilt werden; die jungen Stadtherren, so ehrwürdig sie uns

in späterem Alter auf den Votivtafeln ihrer Familien entgegen¬ treten, dachten doch auch wie jene Fugger: „Nichts Schönres giebt es auf der Erd', als eine schöne Dama und ein schönes Pferd!" Uebermäßiger Kleiderluxus war an der Tagesordnung; es gehörte zum guten Ton, die von der Obrigkeit festgesetzten Strafen für Uebertretung ihrer Ordnungen recht oft zu zahlen. Wer im berliner Stadtbuche den großen, aber sehr dunklen Prozeß des mächtigen Rathmanns Thiele von Wardenberg nachliest, der sich

*) Aus dem interessanten Werke v»N O. Schwebe!: Kulturhistorische Bilder aus der alten Mark Brandenburg. Verlag von Alfred Weile.

es

Bild ein

mannichfach an der

Stadt vergangen hatte, erhält ein klares

patrizischen Uebermuthes. ernsterer

Sinn und

solch'

In

wenigen

ein

Gemüthern

märkischer

lebte

Bürger des

-

54

Mittelalters,

eine politische

Gestalt,

wird uns im Folgenden

bekannt werden.

In voller Einstimmigkeit erhob sich die Bürgerschaft gegen Handlung fürstlicher Willkür. Jede Zwietracht war vergessen; die Geschlechter durften wieder auf die volle Unterstützung der Zunft¬ diese

Es gab dem Gesetze nach keine bevorrechtete Klasse der ber¬ liner Bürgerschaft. Dennoch waren im Lauf der Zeiten- die Btagistratsämter fast ausschließlich in die Hände der Geschlechter

städtischen Größe ansehen konnten, forderten nun auch die Gewerke,

Die Thore der Stadt wurden geschloffen und sich die Stadtknechte mit den Reisigen des Markgrafen herum; bald aber war der Kampf zum Nachtheil Berlins und Kölns entschieden, denn die mit Zuversicht von den andern märkischen Städten erwartete Hülfe war ausgeblieben. Zum spandauer Thore ritt der eiserne Friedrich in die Stadt ein, welche zur Strafe ihres „Aufruhrs" ihre gerichtlichen Pri¬ vilegien, den Besitz ihrer Zölle, sowie das Niederlagsrecht, d. h. die Berechtigung, alle durchgehenden Waaren gegen Zoll auf ihrem Markte ausstellen und lagern zu lassen, — also eine hoch¬

namentlich Metzger, Bäcker, Schneider und Schuster, ihren Antheil

wichtige merkantile Berechtigung, verlor.

Blankenfelde, Nyke, Stroband, Aken, Wardenberg, Rathenow,

Wins, Schaum

u. a. m. gekommen, welche theils Familien entstammten, theils durch Handel reich und niächtig geworden waren. Zu Ende des 14. Jahrhunderts hatten diese Patrizier Berlins zuerst Gelegenheit, bei den ge¬ meinen Bürgern, den Zunftgenossen Trotz und Widersetzlichkeiten Obwohl jene sich mit Recht als Schöpfer der zu bemerken.

Wiprecht,

schildgeborenen

Stadt.

Was überall geschah in Süddeutsch¬ land, findet sich auch hier: im Jahre 1440 stellte sich ein Demagog ans den Geschlechtern, Andreas Strobant, an die Spitze der Zünfte und verschwor sich mit ihnen, „Alles zu thun wider am Regiment der

den

Rath." Diese Zwietracht in der Bürgerschaft wurde verhängnißvoll

für die Selbstständigkeit Berlins

genossen rechnen.

draußen

schlugen

Außerdem wurde dem Markgrafen in Köln dicht an der Spree neben dem Kloster der Dominikaner oder schwarzen Brüder eine Stätte abgetreten, damit er dort ein neues Schloß bauen könne. Das alte „hohe Haus" in der Klosterstraße erschien nicht mehr fest genug und war, in¬ mitten der Berliner Bürgerschaft, sehr ungünstig gelegen. Am

Tage des Erntemonats 1443 wurde der Grundstein

ersten

zu

Mit Ingrimm und Wuth die Mauern, „ein Zügel der

Hohenzollern

und Kölns. Denn mit den war 1411 ein Fürstengeschlecht in die Mark ge¬

dem fetzigen Königsschloffe gelegt.

kommen, das

mit bewußter Kraft einen modernen Staat

alten Freiheit", schnell über die bebuschten Ufer der Spree erhoben. Wer will es den Städtern jener Zeit verdenken, daß nun

schaffen

wollte, in welchem die einzelnen Glieder, dem Ganzen dienend, Das hohe sich einem höheren Zwecke willig unterordnen sollten. Verdienst der beiden ersten hohenzollernschen Fürsten ist es, daß Misere bewahrten, wie sie bis ins sic die Mark vor einer 19. Jahrhundert beispielsweise in Franken mit seinen freien Städten, Stiftern und reichsritterschaftlichen Territorien geherrscht hat. Wenn nun Friedrich I., von Berlin und Köln nur ungern aufgenommen, noch nicht an einen Kampf mit den mächtigen Städten denken konnte, so wurde seinem Nachfolger, dem zweiten Friedrich mit den eisernen Zähnen, gar bald eine Gelegenheit, den freiheitsstolzen Sinn der Bürger zu brechen. Im Jahre 1442 brach die Feindschaft der Zünfte gegen den Rath von Berlin-Köln, welcher feit dem Statut Markgraf Hermanns des

Langen

von 1307 vereinigt

war,

zu

offenem

Aufruhr aus. Unkluger Weise riefen die Zünfte die Vermitte¬ lung des Markgrafen Friedrich an. Dieser löste auf Antrag der Handwerker das Band zwischen den Schwesterstädten, ernannte zwei getrennte Rathskörper und nahm bei Besetzung der Rathsstellen auch Rücksicht auf die Zünfte.

Neben den altpatrizischen

Bürger, wie

erblickten es die

ein

tiefgewurzelter

Groll

sich

gegen

den

herrischen

Städtefeind

Friedrich ihre letzte Kraft zum Kampfe gegen die Landesherr¬ schaft

aufrief?

geschlossener

Von 1443

Charakter

an

ab

die

tritt nun Spitze

ein stolzer,

fest

in

sich

Bürgerschaft, der damals hieß, Ryke,

der

Patrizier Bernhard Reiche, oder, wie es Hennings Sohn. Wer das alte Köln durchwanderte, fand damals in der Brüderstraße, nicht allzu weit von St. Peter, ein stattliches Pa¬ trizierhaus, als deffen Zeichen auf ritterlichem Schilde über der Hausthür ein schwarzer Steinbock auf weißem Felde prangte. Hier saß eine Bürgerfamilie, welche sich seit Anfang des 14. Jahrhunderts in dem Rathe aller bedeutenden Städte der Mark zeigt, und welcher ihre Reichthümer den Namen gegeben hatten.

Schon seit 1326 saßen die Rykes im Rathe von

Berlin;

alte, aber ersichtlich irrende Sage legt ihnen holländischen Ursprung bei und nennt sie als Gründer des der Stadt be¬ nachbarten Dorfes Rixdorf, das von einem Templer Richard angelegt ward. Bernhards Großvater war von 1361 bis 1373 eine

Bürgermeistern Hans von Rathenow zu Berlin und Jacob Tydeke zu Köln wurde auch der Schuster Augustin Völker zum Bürger¬

Altbürgermeister von Berlin; sein Vater Henning scheint indessen

Soweit hatte Friedrich vollkommen nach dem Sinne der Zünfte entschieden; zu gleicher Zeit aber traf er als

gezogen zu haben.

meister eingesetzt.

Landesfürst Anordnungen, welche das starre Rechtsbewußtsein und den unabhängigen

Sinn aller Städter,

auch der

Zunftgenoffen,

auf's Tiefste verletzen mußten. Der frühere Rath war auf Lebenszeit gewählt worden; der neue sollte jährlich wechseln; der frühere war durch freie Kür aus der Bürgerschaft hervorgegangen, der neue sollte der mark¬

Vorher besaß Berlin-Köln das Oeffnungsrecht, d. h. es konnte jeder Fürst, der mit bewaffnetcin Gefolge cinreiten wollte, abgewiesen werden, jetzt verlangte der Markgraf die Schlüffel sämmtlicher Thore. Vorher hatte die Stadt aus eigener Machtvollkommenheit Verträge und Bündniffe gräflichen

Bestätigung

unterliegen.

war sogar in den Hansabund eingetreten, jetzt wurde ihr Recht und Vollborth dazu für immer genommen. geschloffen,

ja,

sie

Aufenthalt auf seinen Landgütern städtischen Geschäften vor¬ So anfangs auch Bernhard, den erst die Niederwerfung der städtischen Freiheit von seinem schönen Herrensitz Nun aber ward er zu Rosenfeld in die Mauern Berlins rief. die Seele der Bewegung. Sein Rechtsgefühl war in höchstem Maße gekränkt; die Stadt, welcher seine Vorfahren in hohen Ehren gedient hatten, erwartete gedemüthigt Hülse von ihm; Noch da trat er willig mit Leib und Blut in ihren Dienst. stand er in kräftigem Mannesalter; — das hinderte nicht, daß den

Häupter des Rathes willig seinen Anordnungen folgten. Das Bewußtsein, nur das alte Recht der Vaterstadt Was zu wahren, erhob seine Kräfte zu echt sittlichem Muthe. fränkischen Politik des fremden, wußte er, der Märker, von der Herrscherhauses, welches anscheinend alle verbrieften Rechte mit Füßen trat und dabei in hohen Worten von dem Wohl der selbst die grauen

Allgemeinheit sprach!

55

Bernhard Ryke suchte zunächst die Kraft der beiden Städte zu sammeln. Wieder erhob sich die wegen des Schloßbaus nieder¬ gerissene Mauer von Köln; wieder gingen die reitenden Boten nach den benachbarten Städten, wieder rief man den Beistand der Hansa im deutschen Norden auf; wieder wurden die Mit¬ glieder der markgräflichen Familie vor den Thoren der Stadt

mit

ihr gebühre das OeffnungsTer Markgraf war durch Händel mit Pommern und durch seine Verbindungen mit Polen augenblicklich zu sehr beschäftigt, um in Berlin durchgreifen zu können; er mußte die Gegner ruhig gewähren lassen und sein Hofrichter, Balthasar von Hake, dem Bemerken zurückgewiesen,

recht.

welcher seinen Sitz auf dem hohen Hause hatte, wagte es nicht,

den Haß der Bürger zur lodernden Flamme

anzufachen.

So

Der Vorgang ist in seinen Einzelheiten nicht völlig klar; — während eine Nachricht behauptet, der Markgraf sei durch den Wankelmuth der von ihren Führern abgefallenen Menge in die Stadt gelassen worden, sagt eine andere, ein Rathsherr selbst habe unter dem Vorwand, eine Pilgerfahrt nach dem heiligen Lande antreten zu wollen, sich bei Nacht ein Pförtlein in der Mauer öffnen lassen und dem Fürsten die Schlüssel der Stadt hinausgetragen. Die letztere Nachricht erscheint sehr sagenhaft und den Verhältnissen der belagerten Stadt durchaus unange¬ messen. Sicher ist, daß Friedrich sich den Eingang in die Thore

Berlins

sehr schnell erzwang und die Verhaftung der angesehen¬ Bürger sofort bewirkte. Wie er da in jener Nacht zorn¬ glühenden Antlitzes auf dem hohen Hause mit den Räthmannen

sten

gährte die Bewegung bis zum Jahre 1447. Da hielt es Bern¬ hard Ryke für die rechte Zeit, öffentlich mit seinen Plänen her¬ vorzutreten, deshalb bestieg er selbst den Bürgermeisterstuhl von

sprach, und der dunkelrothe Schein der Fackeln düster auf den Harnischen und Stahlhauben seiner Begleiter erglänzte, — das

Köln für das

Friedrich war Sieger. So hart und eisern er sich im Jahre 1442 gegen die Städte gezeigt hatte, so mild und ver¬ söhnlich verfuhr er jetzt. Nicht er selbst wollte des Blutbauns

Bis

Jahr.

neue

zu diesem Zeitpunkte hatte ein Vasall des

Markgrafen

aus dem Lande über der Oder, Herr Balthnscr Boytin, welcher genommen hatte, zwar vielfach angefeindet,

in Berlin Bürgerrecht aber doch nicht ohne

Markgrafen gewirkt. falschen

Mann,

Erfolg, in der Stadt für

die Zwecke des

Bernhard Ryke drang in den Rath, den

welcher die Bürgerschaft theile,

zu verbannen:

Boytin ward aus der Stadt getrieben. Darauf schloß sich auf Rykes Rath die Bürgerschaft von Köln mit der von Berlin wieder zu einer Eenicindc zusammen. Dem Markgrafen zum Trotz erbauten die Städte an der langen Brücke dem Schlosse gegenüber ein gemeinsames Rathhaus beider Städte. DieWein-

war die Sterbestunde der Freiheit von Alt-Berlin.

Auf die berühmte Kammer im spandaner Schloß über dem Burgthore, in welcher wir einst die Gäste Thicles von Brügge erblickt haben, berief er einen Gerichtshof. Da saßen sie ernsten Antlitzes, Herr Stephan Bodeker, Bischof von Brandenburg, in violettem Gewände, Herr Niklas Thierbach, Meister des ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spilale zu Jerusalem, auf schwarzem Mantel das weiße, acht¬ rothe Fahne aufstecken und richten.

eckige

zu

Linnenkreuz, Fürst Adolf von Anhalt und Albrecht, Graf

Lindow, in schwarzem Schöppengewande, dazu die Rathmannen

und Bierschenken erklangen von Spoktliedern auf den Markgrafen; bei allen Waffenschmieden herrschte rege Thätigkeit; sie arbeiteten

von Prenzlau, Frankfurt und Brandenburg, welche die Schwester¬

in

der harte Spruch, welcher den Aufständischen als des Lchnstreu-

der

Stille für Rechnung

der

Stadt.

Jetzt mußte Friedrich eingreifen, wollte er Berlin nicht ver¬

loren geben.

Im

Da

Kampf los.

Neujahrsmond 1448 befahl er dem Hofrichter von Hake, die Führer der aufständischen Bürgerschaft zu verhaften. brach der

Als

der

Ritter im Namen

grafen an Bernhard Ryke Hand anlegen wollte,

des

Mark-

entblößten

sich

die Schwerter und kurzen Messer der Bürger; drohendes Ge¬ murmel erhob sich: im Augenblick wurde Hake umringt und in das Gefängniß des Raths abgeführt. Dann stürmte das Volk mit wildem Lärm nach der markgräflichen Burg; in wenigen Stunden waren die neuen Mauern niedergebrochen; die wüthende Menge riß auch die Schränke der Archive auf und zerstreute die kostbaren Pergamente;' unter ihnen vielleicht auch die „deutschen Bücher", welche der Markgraf Friedrich I., glorreichen Andenkens, so sehr geliebt

hatte.

und lud durch seinen Rath Peter von der Gräben die Schuldigen, d. h. die Behörden der Stadt, die Zunftmeister und an 300 Bürger, welche am Aufstand Theil genommen hatten- auf Dienstag nach

1448 vor

Gericht

zu Spandau. Daß Niemand Jetzt begannen die Feindseligkeiten. Balzer Boytins Absagebriefe gelangten an den Rath, — lächelnd sein

in

der Stunde der Gefahr verlassen hatten.

Dort erging

bruchs Ueberführten theils Todesstrafe, theils Landesverweisung,

theils Verlust all ihres Eigenthums je nach dem Maße ihrer Betheiligung an den Unruhen zuerkannte. Die Städte verloren ihre Güter und Freiheiten sowie alle ausstehenden Forderungen; nichts blieb den Bürgern als ihr Grundcigenthum in der Stadt. Im Lande aber, das der eiserne Friedrich durch seine Thatkraft eingeschüchtert hatte, regte sich trotz aller Berufung der Unglück¬ lichen keine Stimme für sie. So blieb ihnen nichts übrig, als der „gnädigen" Hand des Markgrafen sich zu ergeben. Nach einander erschienen nun, demüthig um ihr Leben flehend, auf der Burg zu Spandau die mächtigen städtischen Geschlechter Aken, Blankenfelde, Garnekaufer, Rathenow, Wins, Stroband, Trebus und andere mehr, um Hab und Gut, Blut und Leben dem

Markgrafen anheim zu stellen.

Als der Eisenzahn vernommen hatte, was geschehen war, brauste sein fürstlicher Stolz wohl auf; aber er bezwang sich

Okuli

städte

Die ernsten Angesichter senkten traten; aber auch manch' ein wilder Blick des Hasses traf ihn und noch mehr die abtrünnigen Bundesglieder. Beide Städte haben auf diese Weise 40,000 Gulden in des Markgrafen Kasse bezahlt. Nach kürzeren oder längeren Fristen aber ließ Friedrich in Bezug auf die Lehne Be¬ gnadigung eintreten; auch erfahren wir nicht, daß auch nur an sich, wenn sie vor den Cisenzahn

erscheinen würde, wußte er.

einem Schuldigen die Todesstrafe vollstreckt worden wäre. Nur Einer durfte auf Begnadigung nicht rechnen, das war

warf

Bernhard Ryke.

sie Ryke hin, aber die Reisigen des Freibeuters verbrannten am Montag nach Ostern die Güter der Stadt und ihrer Bürger im Havellande und im Glin. Ein Angriff auf die Stadt selbst stand zu befürchten, aber der Rath vertraute den festen Mauern

verloren sah, trennte er blutenden Herzens von der Vaterstadt. Unerkannt gelangte er zum Thore hinaus und schlug die Heerstraße nach Sachsen ein.

Berlins. der Stadt

berg, und der dichte Wald anfing,

April 1448 muß Friedrich der Eiserne vor erschienen sein; — Verrath öffnete ihm Berlins Thore.

Noch im

Sobald er

seine Sache

sich

Tort die

wo die letzten, kahlen Höhen vor Berlin waren, bei Schöne¬

Stätten, die

er so sehr geliebt!

— dort

einen Blick noch auf

— Im

blauen Morgenncbel

56 steigen

St. Nicolai und St. Peter auf; — Ahnen. Aber es muß geschieden sein; — fort

die Thürme

von

dort ruhen seine denn ins Elend! Bei Herzog Friedrich dem Sanftmüthigen von Sachsen fand Der Herzog lebte mit Friedrich H. in alten er ein Asyl. Streitigkeiten, welche den Besitz von Grenzländereien betrafen, und deshalb nahm er den Bürger, welcher dem Vernichter der Freiheiten seiner Vaterstadt tödtlichen Haß geschworen hatte, als Rath in seine Dienste. Dies Ansehen, welches Bernhard Ryke Man auf fremder Erde fand, beschleunigte seinen Untergang. fürchtete in den brandenburgischen Landen die Rache des that¬ kräftigen Mannes und lauerte ihm auf, um ihn in sichere Haft Da glaubte sich ein uns unbekannter Edelmann aus zu nehmen. Friedrichs Gefolge den Dank des Fürsten zu verdienen, wenn er den Bürgermeister tödtete.

die magere Haide auf

Auf

den Höhen des

gelbem Sande

sächsisches

Flämings, wo und

branden-

verbrieftes Recht pochenden Naturen kennen gelernt, wie

Weise deutet.

In

Bernhard Ryke haben wir eine jener trotzig auf ihr

das

Mittelalter öfter aufweist, einen Mann von redlichem Willen und fester Kraft, erfüllt von Liebe für die Vaterstadt. Daß er in seinem zähen Widerstände gegen Friedrich den Eisernen die wohlgemeinte Absicht des Fürsten verkannte, war ein Fehler, den Erst viel spätere er mit der Mehrzahl seines Volkes theilte. Geschlechter haben es erkennen gelernt, daß der Vortheil des Einzelnen dem Wohle des Ganzen weichen muß. Wohl uns jetzt, daß nun in keinem Herzen mehr die Liebe zur Vaterstadt mit der zum Vaterlande streiten kann; — das ist die schöne Frucht der gesegneten

Arbeit des Hauses Hohenzollern in der Mark!

Der sogenannte Mlddiebstahl und seine Strafen in der Mark Lrandenburg. Von P. (Dünnst.

burgisches Gebiet scheidet, wurde Bernhard Ryke noch im Jahre

1448 von vermummten Reitern überfallen; er wehrte sich tapfer Sein gutes Roß trug ihn seines Lebens und schlug sich durch. Dort aber erlag er den erhaltenen Wunden nach Wittenberg. und wurde in der Stadtkirche beigesetzt. Die äußeren Denkzeichen dieses Kampfes zwischen Berlin und der Landesherrschaft sind fast sämmtlich verschwunden. Das alte berliner Schloß, das Friedrich H damals erbaute und 1451 bezog, wich schon hundert Jahre später dem glänzenderen Neubau Keine Spur ist mehr in des Kaspar Theiß unter Joachim II. Berlin von jenem stolzen Roland zu finden, welcher als ein Sinnbild der städtischen Freiheiten auf dem alten Markte bis zu dem Aufruhr von 1448 stand, nach welchem er umgestürzt ward, oder von jenem Rathhaus an der langen Brücke, von welchem aus die Städter ihrem Fürsten trotzten. Aber noch be¬ zeichnet zu St. Nicolai im Chore ein Wappenschild mit schwarzem Stcinbock auf weißem Felde die Gruft des Geschlechtes der Ryke, welches den letzten Versuch machte, das von den Patriziern be¬ herrschte Städtcpaar an der Spree zu hansischer Freiheit zu führen. Mit Bernhard Ryke erlosch der Trotz und das stolze Rechtsbewußtsein des berliner Patriziats; spätere Geschlechter fanden sich bester in die neue Staatsweisheit, nach welcher die Zollern zum Segen des engeren und weiteren Vaterlandes zwischen Elbe und Oder regierten. Die Mehrzahl der im Jahre 1448 geächteten Familien zeichnete sich später im Dienste der Stadt Berlin und des brandenburgischen Staates aus; auch selbst die Familie Ryke erlangte ihr Lehn wieder und hat lange Zeit noch auf Rosenfelde, jetzt Friedrichsfeldc, geblüht, bis sie um 1620 ausstarb. Aus der Demüthigung des Adels, aus der Vernichtung der bedrohlichen Macht der Städte wuchs die Majestät des brandenburgischen Kurhutes auf. Die Siegel der Stadt Berlin bezeugten übrigens noch lange Zeit in ihren Formen den Fall der städtischen Freiheit. Der frühere Rath aus den Tagen des herrenlosen Bürgerthums hatte den schreitenden Bären geführt, welcher an flatterndem Bande den Adlerschild Brandenburgs nach — in jener Zeit aber, in welcher Friedrich der sich schleppt; Eiserne seine Anhänger, einen Balzer Boytin, und Edelleute wie Peter von der Gräben und Peter von Burgsdorf zu Bürger¬ meistern auf dem Berlin einsetzte, stellte man den Bären kriechend dar, den brandenburgischen Adler ihm im Nacken. Indessen ist es nur eine Sage, welche die Veränderung des Siegels in dieser

sie

Wenn in der Ueberschrift gesagt ist, der „sogenannte" Wild¬ so ist damit schon angedeutet, daß von einem eigent¬ lichen „Diebstahl" hier nicht die Rede ist. Und so ist es auch

diebstahl,

in der That, denn juristisch ist ein Diebstahl an einer herrenlosen Sache, wie sie das Wild ist, unmöglich. Bereits die alten Römer rechneten die wilden Thiere des Feldes und Waldes zu den von

Natur herrenlosen Sachen,

mächtigen konnte.

deren

sich

Jedermann

be¬

Und das auch mit vollem Rechte; denn wie daß beispielsweise ein Hase oder ein

kann Jemand behaupten,

zufällig in seinen Waldungen aufhalten, sein Eigenthum seien? Aus dem Grunde doch nicht, weil sie auf seinem Besitzthum verweilen? Dann wäre der Hase heute das Eigenthum Dieses, morgen Jenes, je nach seinem zeitweiligen Aufenthaltsorte. Etwas anderes natürlich ist es, wenn sich das Wild in einem rings umschlossenen Park aufhält, ans dem cs nicht heraus kann, oder anderweitig seiner Freiheit beraubt ist. Das sind aber ganz vereinzelte Fälle; im Allgemeinen ist das Wild von Natur frei, eine Besitzergreifung destelben also kein Diebstahl im Sinne des Gesetzes, Wilddiebstahl ist vielmehr eigentlich nur die Besitzergreifung eines wilden Thieres ohne die Berechtigung dazu. Es ist jedenfalls ein unberechtigter Eingriff in die Rechte des Reh,

die

sich

Eigenthümers des betreffenden Grundstückes, und ein solcher muß ein Privateigenthum an Grund und Daß früher, vor der Völkerwanderung, in Deutschland, wo noch kein Privateigenthum an Grund und

bestraft

werden,

sobald

Boden vorhanden ist. Boden

vorhanden

war, die Jagd ein

Freigeborenen überall zustand,

Recht

ist bekannt;

war, das jedem

nur den Unfreien,

war damals schon das Waffentragen verboten, womit sich die Berechtigung zum Jagen schon von selbst verbot. Als nun aber nach der Völkerwanderung Privateigenthum an Grund und Boden entstand, da betrachtete man die Jagd als Zubehör desselben, und Eingriffe Anderer hierin wurden nun selbstredend bestraft. Daß derartige Eingriffe auch wirklich Strafe verdienen, daß sie von den Gesetzen — aber nicht als Dieb¬ stahl — bestraft werden müssen, liegt klar auf der Hand, wenn¬ gleich im Volke von jeher diese Ansicht auf den härtesten Wider¬ „Der spruch gestoßen ist und es noch heutigen Tages thut. liebe Gott hat das Wild für Jedermann gegeben; Wald und Wild hat der liebe Gott für alle Menschen geschaffen, wie den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser"; das sind An¬ sichten, die nicht nur der gewerbemäßige Wildschütz, der sehr wohl weiß, daß er wider die Gesetze handelt, aber trotzdem aus den Knechten

57

tem

Niederschießen

des

Wildes und

dessen

Verkauf einen Er¬

werbszweig macht, zu seiner Rechtfertigung zur Geltung bringt, sie werden

Passion,

vielmehr auch von denen, die das Wildern nur aus nicht um ein Geschäft daraus zu machen, betreiben,

für richtig gehalten. Die Strafe des Wildfrevels — dieses Wort wollen wir -für die falsche Bezeichnung Wilddiebstahl beibehalten — bestand ausgesprochen und factisch

mögen

Strafen in einzelnen anderen Ländern

die

furchtbar

grausame gewesen sein, wie z. B. das Anschmieden eines Wild¬ schützen an einen eingefangenen Hirsch, der dann mit seiner

Last in die Wälder gehetzt wurde. Möglich ist es immerhin, daß solch' grausame Strafen von einzelnen Herrschern vollstreckt wurden, wenigstens ist es ebenso glaubhaft wie die bekannten lebenden

in Ermangelung wir solche Strafen Todesstrafe durch den Strang

Judenhetzen eines kleinen deutschen Potentaten,

in

seit dem Entstehen des Privateigenthums an Grund und Boden

anderen Wildes;

bis zum sechszehnten Jahrhundert in Deutschland nur in einer geringen Geldbuße, was sich indessen durch das Entstehen der Landeshoheit und des damit verbundenen Jagdregals im sechsZehnten Jahrhundert gar wesentlich veränderte. Durch das sogenannte Jagdregal wurde den Landesherren das Recht ver¬ liehen, zu jagen, die Jagd den Unterthanen zu verbieten und die Wildfrevler zu bestrafen. Hierdurch stieg natürlich die Strafe des Wildfrevels; denn da den Unterthanen wenig oder gar nichts von dem rechtmäßigen Fange des Wildes übrig blieb, so

nirgends verzeichnet; dort ist die

den Gesetzen aber finden

die strengste, und die finden

in

wir in

der Mark Brandenburg gleich

dem ersten Cdict, das, soweit bekannt, wider die Wildschützen er¬

Es ist dies das „Mandat von Bestraffung derer Wildmit dem Galgen, verbothenen Schießen des FederWiltprets, und daß Bürger, Bauer, oder andere Fuß-Gänger,

lassen wurde.

Diebe

keine Pirsch-Büchsen oder lange Rohre über Land tragen

sollen"

vom Jahre 1574 Sonntags nach Quasimodogeniti, von Johann

Georg.

In

ziemlich großem Maßstabe muß das Wildern

in

den

Wappen der Familie Ryke.*)

wuchs in thuend auch die Lust,

sich

aus

den

landesherrlichen

Wäldern Thiere zu holen, was gerade jetzt um so leichter war, als ihnen durch die Erfindung des Schießpulvers das Erlegen des Wildes sehr erleichtert wurde. Nun wurden aber auch die Strafen ganz gewaltig erhöht, ja die Wilderer nicht selten für Majestätsverbrecher und Landfriedensbrecher erachtet, für die keine Strafe zu hoch war. Natürlich waren die Strafen in den ver¬ schiedenen Ländern verschieden, bald mehr, bald minder grausam, je nachdem die Jagdlust der Gesetzgeber eine größere oder geringere war. Die Mark Brandenburg, deren Herrscher gleichfalls das Jagdregal besaßen, bot mit ihren vielen dichten und wildreichen Waldungen besonders Reiz und Verlockung zum Wildern dar, aber auch die Markgrafen, insbesondere die Hohenzollern, die mit wenigen Ausnahmen gar gewaltige Jäger waren, blieben mit den Strafen nicht zurück, ja dieselben wurden hier bald mit die strengsten von allen. Der Ueberlieferung und dem tung der Leier empfohlen wird. Es ist dies das

nnd

Dies Stückchen märkischer

Fcudalzeit uns vernichtet werden soll.

gehört

die Ruine noch vollständig vorhanden, und auch heute noch

Geschichte

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Berlin, SW., Atfreb Weile. Bahnhofstraße 1. beziehe». zu Buchhandlung jede durch und Wände Erschienen sind 2 — Verantwortlich für Redaction: Ferd. Meyer in Berlin. — Druck von W. Pormetter in Berlin. ©erlag von Alfred Weile in Berlin.

111.

Dr.

Jahrgang.

Unter Mitwirkung von ZLrecht, Prof. Dr. Saulus Kassel, Stadt-Archivar Aidicin, Cljeod. Koutane, Stadtrath K. Ariedel, Freiherr Dr. von Ledebur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schwebe! in Cüstrin

Nr. 14.

Geh. Regierungs-Rath

rc. rc.

herausgegeben von

George

Htttl

und

Ferdinand Meyer.

Das Blatt ist burcb alte Buchhandlungen and Postämter, iowie durch die bxvedition (Bahnbofstr.zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die VeriagShandlung von Alfred Weile in Berlin zu senden, welche sie der Redaction übermitteln wird. — Inserate, pro »gesh. Pelitzeile 25 Pfg-, werden von den Herren Haasenstein u. Vogler, Rud. Messe,

Bernh. Arndt,

sowie von der VerlagShandlung entgegengenommen.

Inhalt.

Das silberne Tafelgeschirr des Bischofs zu Brandenburg. Von E. Werni cke. — Aus der Geschichte der Stadt Havelbcrg. Mitgetheilt vom Bürgermeister Lau in Havelberg. (Fortsetzung.) — Das Dorf Friedrichsfelde bei Berlin. Von Dr. C. Brecht. (Fortsetzung.) — Merkwürdige Cabinetsordres. Mitgetheilt von L. Alfieri. — Literatur. — Fragekasten.

Das Werne Tafelgeschirr -es Äschofs M Ürandeuburg. Von 8.

^te

verführen,

Ueberschrift möge Niemand

Bericht über eine

JDernitftc.

einfand,

ehe des

Handwerks und des Ackerbaues Arbeit begann,

Entdeckung zu erwarten, die etwa dem Märkischen Provincial-

und wenn

Museum ein Pendant zu dem „Tafelgeschirr des Varus" oder dem Lüneburger Silberschatz in Aussicht stellte. Es handelt sich

verstehen müssen, von einem eigenthümlichen Kunstleben auch der

lediglich um vergangene Dinge, mit denen nicht mehr Staat zu machen ist, und wird hier nur die Zusammenstellung einiger

gehendere Kenntniß genommen hat von den Monumenten der so

urkundlichen Nachrichen beabsichtigt,

in Kulturzustände und Kunstleben

welche einen kleinen Einblick

des

Mittelalters in der Mark

Von Letzterem wird im Allgemeinen zu gering gedacht. Freilich sind, mit Ausnahme der Bauwerke an Kirchen, Rathhäusern und Stadtthoren, wenig Zeugnisse davon übrig geblieben. Denn was an Werthvollem beweglich war, damit haben die Finanznöthe des 16. und der Kriegsjammer des 17. Jahrhunderts gründlich



der Und was noch da ist, ist wenig bekannt Prophet gilt eben wenig in seinem Vaterlande. Man wird aber doch sagen müssen: wenn allerdings für Wissenschaft und Gelehrsam¬ keit und Literatur der Sand der Mark im Mittelalter ein über¬

so stand dagegen es mit den bildenden Für das ungelehrte und unwissende Volk der hohen und niedrigen Stände sind sie damals auch in ganz anderem Maße Lebensbedürfniß und tägliches Brot gewesen,

aus dürrer Boden gewesen ist,

Künsten völlig anders.

als heut zu Tage; wenn auch nicht in den eigenen Häusern, in denen es dürftig genug aussah, so doch in den Gotteshäusern und Rathhäusern, die ja für Jedermann auch in gewissem Sinne seine Häuser waren, in denen und um die her man sich täglich

zu Ende war.

geringschätzig behandelten

Man wird

Mark

zu reden.

sich

wohl allmählig dazu

Wer ein wenig ein¬

ganz eigenthümlich und charakteristisch entwickelten und

dabei zu Schönheit ausgestalteten mittelalterlichen Back¬ stein-Architektur, wie sie allerwärts in den Städten der Mark einer

so hochedlen

(der Berliner

gewähren.

ausgeräumt.

sie

nur seine Klosterkirche mit ihrem idealund selbst auf dem Lande (man denke an an) Chorin und Lehnin) vorhanden sind, wird diesen Gedanken naheliegend finden. Jene allen ästhetischen und theoretischen Ab¬ straktionen so gänzlich fremden Zeiten sahen aber die Schwestersehe

sich

schönen Chore

inniger Verbindung zusammenwirken, daß diese Kunstentwicklung selbstverständlich nicht auf die eigentliche Archi¬ künste

in

so

tektur beschränkt gewesen sein kann.

Glasgemälde wie die im Chor des Doms zu Stendal oder in Wilsnack, gemalte und ge¬ schnitzte Altarschreine und Chorgestühle wie die in den Kirchen zu Brandenburg oder in den Marienkirchen zu Stendal und

Frankfurt, Gußwerke wie der siebenarmige Leuchter in der letzteren oder das Taufbecken in St. Godehard zu Brandenburg, mögen als Beläge dafür, aus der Fülle des noch vorhandenen zufällig her¬ ausgegriffen, in Erinnerung gebracht sein. Hier soll nun insonderheit von Erzeugnissen der Goldschmiede¬ die Rede sein — freilich den am meisten gefährdeten kunst Possessorienstücken

für Zeiten der Finanz- und Kriegsnöthe.

134 verhälinißmäßig am Wenigsten in unsre Zeit herüber gerettet, und das Wenige „wie klein und karg." Die allge¬ meiner bekannten Prachtkelche zu Werben, zu Zehdenick und in der Nikolaikirche zu Berlin geben indesien doch eine Vorstellung von

Es ist denn

auch davon

der hohen Stufe der Knnstvollendung, welche in diesem Zweige

hier zu Lande, wenn nicht selbst erreicht, so doch in Anspruch genommen worden ist. Und wenn man in den Sakristeien der Kirchen in Stadt und Land nachspürt, erstaunt man. wieviel gradezu Vollendetes namentlich an Kelchen, sowohl von gothischer,

als von bester Renaissance-Arbeit noch verborgen ist, unbekannt, unbeschrieben, unabgebildet. Und doch sind das Alles eigentlich nur recht klägliche Reste. Gelegentlich einer Nachricht in diesen Blättern über die Meßge¬ wänder des Brandenburger Doms habe ich bemerkt, daß man sich kaum eine genügende Vorstellung machen könne von der Fülle

derartiger Gewänder, welche einst in den märkischen Kirchen vorhanden gewesen sein müsse. Das gilt vielleicht noch in höherem Maße von den silbernen und goldenen Kirchengeräthen. Auch hier bekommt man eine Ahnung davon erst durch die Aufzeichnungen der Kurfürst¬ lichen Visitatoren. Beispielsweise aus der Klosterkirche in Berlin liefern sic, am 18. August 1540, silberne und vergoldete Kelche 53^ Mark an die Kurfürstlichen Silberknechte ab. In Neu-Ruppin übergiebt der Hauptmann Kurt von Rohr, Ende Februars 1541, dem Rath als Beihülfe zu der und Patenen im Gewicht von ca.

bewilligten Landsteuer an überflüssig gewordenen Kirchengeräthen aus der Pfarr- und Klosterkirche 157^ Mark, und doch finden die Visitatoren im Juli desselben Jahres in der Pfarrkirche und ihren Kapellen noch 13 Kelche und 12 Paciflkalien (Kußtäfelchen) vor. In Brandenburg verzeichnen sie, abgesehen von dem Dome und den Klosterkirchen, in der Altstädtischen Pfarrkirche mit ihren Kapellen 16 Kelche und 13 Pacems, in der Neustadt 31 Kelche und 26 Pacems. Archäologisch und kunsthistorisch intereflantc Notizen finden sich allerdings in diesen Nachweisungen nicht. Etwas niehr bietet in dieser Hinsicht ein älteres Inventar der dem Küster der Marienkirche zu Frankfurt überlieferten Kleinodien vom Jahre 1516, in Teymler's Stadtbuche (Riedel c. d. A. XXIII S. 419 f.), und dasjenige des Havelberger Doms von 1527.

'S. 128 f.). Hier

(Riedel A.

III

sind mehrfach kurze Beschreibungen hinzugefügt,

— freilich auch Räthsel bieten; ein Kreuz z. B. was ist eyne swantzs straws, auf der oben Xissara was ein angebracht ist? ist pertinens ad idem (sie! nicht Bisam) appell? was ist ein petzkrutz?

die hohes Interesse

heit zu

erwecken

Die Marienkirche zu Frankfurt scheint besonders durch Schön¬ und Kunstwerth ausgezeichnete Sachen in Besitz gehabt haben.

In

der

ihm aus dieser Kirche nodien am 8. Mürz S. 454 f.), werden Scheinbarlich vnd wol

Urkunde,

welche

Joachim

für feinen Kölner Dom

II.

über die

überlassenen Klei¬

1536 ausgestellt hat (Riedel A. XXIII etliche davon ausdrücklich als „Reinlich, vcrguldt und gemacht" bezeichnet, die auch ein Merkliches zu machen gekostet hätten, nämlich für die Mark Gewichts 13 Gulden Landeswährung (nach einem Kirchenregister von 1507 wurden in specie als Silberwerth 9 fl. und als Macherlohn 4 fl. pro Mark berechnet). Insbesondere wird eine

Monstranz als „vast cirlich, wichtig und Scheinbarlich Meisterlich vnd kunstreich gemacht vnd wol verguldt" bezeichnet, welche bei 40 Mark Silbcrgewicht sogar 631 fl. gekostet hat — ihr Verfertiger hat nach dem erwähnten Kirchenregister Lorentz Tannenberger geheißen, — und für deren Ueberlastung sich der kunstliebende Kurfürst ganz be¬ sonders erfreut und der Stadt zu Danke verpflichtet ausspricht.

Mit diesem reichen Besitzstand ist dann nach Einführung Das durch die Reformation bald aufgeräumt worden. Beschränkung des Altardienstes überflüssig Gewordene wurde theils von städtischen und adlichen Patronen wieder zurückgenommen, theils zur Speisung des überall eingeführten „gemeinen Kastens" verkauft. Solches geschah zum Theil recht gründlich. Von den 30 Kelchen der Katharinenkirche in Brandenburg ist nur ein einziger übrig geblieben, und bereits 1558 war Bedürfniß vor¬ handen, daß ein neuer Kelch gestiftet werden mußte, dem dann im Laufe des Jahrhunderts noch zwei andere folgten. Aehnlich ist das Verhältniß in der Frankfurter Kirche. Von dem, was sich weiter hinaus gerettet hatte, werden dann die Verheerungen des dreißigjährigen und des Schwedenkrieges das Meiste beseitigt haben. Die Havelberger Domherrn waren so vorsichtig gewesen, die Hauptmasse ihres Besitzes schon im Jahre 1579 in aller

der

Stille für 950 Thaler an

den Münzmeister

in

Lübeck zu verkaufen.

Der Besitz der aufgehobenen Klöster und sonstigen geistlichen

Stiftungen wurde zunächst an die Kurfürstliche Silberkammer abgeliefert. Von da ist dann wohl das Meiste in die Münze gewandert, nicht nur zur Beihülfe für die Kosten des Türkenzuges,

II.

was ja Joachim

ausdrücklich als einen auch heiligen Zweck

bezeichnet hatte, sondern auch zur momentanen Linderung von anderen,

stabilerer und aus weniger heiliger Quelle stammenden Finanz¬ bedrängnissen

des

Kurfürsten.

Aber

gewiß

hat

dies

Schicksal

nichts künstlerisch Bedeutendes und Werthvolles betroffen.

Auch

Joachim's II. Reformation Er¬ hebliches einzuwenden haben; doch darf ihm irgend eine Be¬ förderung des Vandalismus gegen die Schätze kirchlicher Kunst Er hatte sich in ähnlicher Passion nicht nachgesagt werden. wie sein Oheim, der Kardinal Albrecht, noch unmittelbar vor Einführung der Reformation in seinem neugestifteten Dom zu Köln a. d. Spree, eine bedeutende Reliquiensammlung von großer Kostbarkeit und hohem Kunstwerth angelegt, die leider nicht eine Beschreibung wie das Hallesche Heiligthumsbuch gefunden hat, und deren spurlose Zerstreuung erst späterer Zeit vorbehalten Joachim hatte sich diese Sammlung viel Geld geblieben ist. Protestant

ein

kosten

für

lassen.

wird

gegen

Z. B. der Stadt Frankfurt verschreibt er 1536 Kapital von 1573 Gulden,

die ihm überlassenen Kleinodien ein

Abzahlung nachher große Schwierigkeiten gemacht hat. Da war denn die Auflösung der Klöster u. s. w. eine sehr willkommene Quelle zur Vermehrung dieser Kunst- und Reliquien¬ sammlung. Indessen ließ sie Joachim sich auch später noch viel dessen

kosten.

Der Stadt Wilsnack

Glocke,

die auf den Berliner Dom kam,

z.

B.

überließ er für ihre große auf zehn Jahre die

Er brachte sogar seiner eigenthümlichen Sammler-Passion ganz andre Opfer, als Geld. Von dem Besuche des Kardinals

Bierziese. noch

1561 die Beschickung des wiedereröffneten Tridentiner Koncils erwirken sollte, und dem nach protestantischem Berichte Joachim die bekannte drastische Antwort über Koncilien gegeben haben soll, wird uns in dem allerdings katholischen Berichte des Raynaldus unter anderem Befremdlichen Folgendes erzählt (cf. Kirchner, die Churfürstinnen rc. IS. 337): „Als Commendonus die Erlaubniß zur Abreise erbat, verlangte der Kurfürst, daß er etwa noch zwei Tage bleibe, weit er ihm die heiligen Reliquien, welche er in seiner Kirche hatte, zugleich auch die Religionsgebräuche, Commendonus, der

denen sie

dienten,

zeigen

wollte.

Commendonus

verweigerte,

seine Gegenwart der Meffe nicht geweihter Menschen zu gewähren.

Vormittags die allerheiligsten Reliquien, dort aufbewahrt wurden. Am anderen Tage besuchte der

Dennoch welche

verehrte

er

135

Kurfürst

daß

silbern brete Becher mit silbern Deckten darauf ein Schweinekopf

er ihm vom Papste ein Holzstückchen des allerheiligsten Kreuzes

(10.) Item IUI silbern vorgulte leffel. (11.) Item mit einer Deckten. (12.) Item ein silbern puckkeldt Becher mit einer Decken, darauf gegraben von Hauben, schnüren, Bortten vnd kreutzen. (13.) Item Ein silbern Becher mit der Deckte ane fueff darauf eine Deckte mit einem vorgulten knobelochs knöpf." Außerdem wird bemerkt, daß der Senior

selbst

den Commendonus

und bat ihn dringend,

Christi verschaffen möchte, welches in ein schon früher erhaltenes goldenes und trystallnes, künstlich gemachtes Kreuz eingeschlossen -werden solle. So emsig suchte und so eifrig bewahrte ein vor¬ züglicher, wenn auch vom katholischen Glauben entfremdeter Fürst Deutschlands die Reliquien der Heiligen, während andere inner¬ halb derselben Grenzen Deutschlands mit so unbändigem Wahnwitze gegen dieselben kämpfen."

Doch bezeichneten

wir

müssen

endlich

Gegenstand dieser

auf den durch die Ueberschrift

Mittheilung kommen.

Ueber den

gewiß auch nicht unbedeutend gewesenen Besitz des Brandenburger

Doms an silbernen und goldenen Kirchengeräthen und Kleinodien fehlt jeder urkundliche Nachweis. Gegenwärtig besteht derselbe

in

einer leidlich gearbeiteten, aber sehr verwahrlosten Monstranz

aus ehemals vergoldetem Messing, und drei überaus bescheidenen Silber. Mehr ist es auch schon am

Kelchen aus vergoldetem

Jahrhunderts nicht gewesen. Wo aber das Uebrige geblieben ist, davon läßt sich keine Spur ausfindig Dagegen haben wir noch einige, sonst in ihrer Art ganz machen. Ende des

sechzehnten

vereinzelt dastehende Nachrichten über anderweitiges, zum Privatgebrauch bestimmtes Silbergeräth des Stifts. Laut einer Stiftung des Bischofs Stephan Bodicker sollten nämlich gewiffe,

ihm von

Dem Kapitel zu seinem Tafelgebrauch überlassene Silbergeschirre,

vnd eine Rose.

ein silbern kennichen

Joachim Kaffel noch zwei vergoldete Becherlein, deren eins das Städtchen

Blumberg, das andre das Städtlein Tuche gegeben, in Verwahrung habe. Bei einigen dieser Stücke scheinen die kurzen Beschreibungen auf einen reicheren Kunstschmuck hinzuweisen, der bei Nr. 12 wohl im Stile der Renaissance gehalten war. Vermuthlich ist es mit diesem Trinkgeschirr ähnlich gehalten worden, wie mit den Meßgewändern, daß nämlich Bischöfe und Domherrn bei ihrem Antritt oder ihrer Einführung eins mitbringen mußten, das — meist mit ihrem Wappen bezeichnet — nach ihrem Tode Eigen¬ thum des Kapitels wurde. Eine größere Anzahl war wohl aus dem Nachlasse des Bischofs Matthias von Jagow übernommen, der bedeutende Schulden hinterlassen und über deffen Testament es

mehrjährige Verhandlungen

Kapitel

gegeben hatte

zwischen

(vgl. Riedel A.

den

Erben

und

dem

IX S.

301 ff.). Wann und wie diese Schätze abhanden gekommen sind, läßt sich nicht ermitteln. Wie schon bemerkt, sind sie bereits am Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr im Besitze des Kapitels gewesen.

nebst anderem Silberwerk des Bischofs selbst, deffen Nachfolgern nnter der Bedingung überantwortet werden, daß sie dafür einmal

bei ihrem

Antritt

2

dem

5 Schock märkische Groschen,

Kapitel bezahlten, auch sich verpflichteten, das Silberwerk nach des Kapitels Rath mit 3 Mark feinen Silbers zu bessern. In der Stiftungsurkunde Stephan's werden, außer einem eignen Silberwerk, 2 Becken (große tiefe Schüsseln), 7 vatbe Schock

(etwas kleinere beckenartige Schüsseln) und 3 salsire (Salzfässer) genannt, die zusammen 39^ Mark wogen. (Riedel A. VIII S. 395 f.) Bischof Arnold von Burgsdorf giebt 1480 an,

nur twe sulueren salsen empfangen thut ein großes und zwei kleine laten edder salsiren hinzu. (Riedel cf. S. 444 f.) Bischof Matthias von Jagow aber erwähnt in seinem Antrittseide 1528 (ib. S. 493 ff.) de dnobus pelvibus argenteis et scutellis octo majoribus argenteis et tribus parvis scutellis argenteis. Außerdem hat das Kapitel noch eine Anzahl kostbarer Trinkgeschirre für den bischöflichen Gebrauch beseffen. Es findet sich nämlich (Riedel A. IX S, 318) eine Urkunde, wonach der bischöfliche Secretarius Johann von Borchstadel, auf Befehl des Hauptmanns zu Ziesar, Melchior Schaff, am 11. Juni 1558 im Kapitelhause zu Brandenburg folgende Stücke laut Inventar dem Domkapitel ausliefert: (1.) „Zwei gepuckkelde Becher vf den einen Bischoff Ditterichs wapfen vnd auf den Andern der von Saldern wapfen als 1 Rose mitt Deckten vnnd fueffen. (2.) Ein silbern vorgult. Becher mit einer Deckten, darauf eine Eickell. (3.) Ein silbern vorgult kilchbecher mit einer Deckten darauf Bischoff Mathis wapfen. (4.) Item zwey vorgulie puckkelde becher mit Decken darauf Bischoff Mathis wapfen. (5.) Item ein vorgult silberbecher mit einer gepuckkelden Deckten. (6.) Item ein schlechter vorgulter becher mit einer vorgulten Deckten darauf Bischoff Mathis wapfen. (7.) Item eine vorgulte Deckten (wohl statt: Becher) mit einer Eicheln Deckten darunder der von Slaberndorff wapfen. (8.) Item zwey silbern große Becher mit Deckten, darauf vorgulte knöpfen sein. (9.) Item zwey

Don der letzten Kategorie

zu haben, und

Ä.UL der Geschichte der

dann alljährlich

Stadt Havelberg.

Mitgetheilt vom Bürgermeister £aa in Havelberg. (Fortsetzung.)

Zu Anfang versuchten

die

der Regierung des Churfürsten

städtischen Behörden

durch

Friedrich III.

ein vertragsmäßiges

Abkommen mit dem Domstifte der drohenden, immer weiteren

Ausdehnung

dieser

verfassungswidrigen Verhältnisse

eine gewisse Grenze zu setzen.

wenigstens

Nach dem zu diesem Ende zwischen

Stadt Havelberg am 13. März 1691 und am 13. Juli 1693 vom Churfürsten bestätigten Haupt-Receffe sollte das Domcapitel zuvörderst nach dem § 1 dem Domcapitel und der geschlossenen

das Recht haben, unter den Bergen 3 Krüge zu halten, nämlich auf dem Bauhofe den sogenannten Bauhofkrug, auf dem Schönberg

und in Wendcberg oder Neuberg 2 Krüge, in welchen allen aber nur Havelberger Bier verabreicht werden durfte. Es wurde ferner nach dem § 5 dieses Accesses dem Domcapitel das Recht beigelegt,

unter allen Capitelsbergen 5 Branntwein-Brennereien zu halten, nämlich eine auf dem Sperlingsberge, drei auf dem Köperbcrge und außerdem noch eine im Domkrugc; in dem letzteren durfte der Branntwein auch ausgeschenkt werden; sonst hatte jede Brennerei

nur einen Krug mit Branntwein zu versehen, nämlich die Krüge in Töppeln, in Netzow, in Schönhagen und 2 in Nitzow. Nach dem § 6 des Recesses durfte das Domcapitel an Handwerkern innerhalb der Ringmauern des Domes einen Weißbäckcr, einen Scharren-Schlächter, einen Maurer, einen Tischler, einen Schuster, einen Schneider, einen Leinweber und einen Kleinschmied halten, welcher letztere damals zugleich Küster

war. Alle diese Handwerker mußten in die Gilden der Stadt Havelberg eintreten, und sich nach den allgemeinen Privilegien und Gildenbriefen der Gewerke der Stadt richten. Nach § 10 des Recesses sollten die Schiffbauer aber

unter den Bergen zwar ihr Handwerk nach wie vor treiben, und auch für Kaufleute Schiffe oder Schuten bauen dürfen, aber nicht Handel damit treiben oder für sich selbst Schiffe, bauen. Die-

136 jenigen von diesen Schiffbauern, welche die erforderlichen Eigen¬ schaften als Meister hatten, mußten nach dem Königlichen Beschluß vom 24. September 1737 in die Gilde von Havelberg aufge¬ nommen



sein.

werden,

ohne

aber

von dem Quartal-Gelde frei zu

Nach dem § 11 des Recesses sollten die Fisch-Käufer mit den Fisch-Käufern in der Stadt eine Gilde

des Köperberges

Neben diesen,

bilden. Gewcrbsleuten

dergestalt

von

der

Stadt concedirten

hielt das Capitel endlich auch noch Stellmacher Töpfer den Bergen. Sänimtliche Handwerker des Domes auf und^ durften indeß, nach den Königlichen Verordnungen vom 8. Juni 1735 und 1. August 1736, ihr Handwerk nur auf dem Dom und nicht außerhalb der Ringmauern des Doms betreiben.

Zu den Markgrafen, ihren Landesherren, hatte die Stadt früherer Zeit nur wenig Beziehungen, und auch ihre der in Landesherrschaft zu leistenden Verpflichtungen waren sehr mäßig. Nach erfolgtem Regierungsantritte kamen die Markgrafen und Churfürsten älterer Zeit persönlich nach Havelberg, um die Hul¬ digung hier anzunehmen.

Die Kosten des Aufenthalts der Fürsten

Demnächst mußte dann die Stadt aus ihren Mitteln tragen. hatte die Stadt Havelberg, gleich den übrigen Städten der Prignitz,

dem Landeshcrrn

eine

bestimmte

jährliche Abgabe

unter dem

Namen der Urbcde zu entrichten; diese betrug jährlich 30 Mark und wurde zur Hälfte zu

Martini, zur Hälfte

zu

Walpurgis

bezahlt.

Die Abgaben der Bewohner Havelbcrgs, welche bis in das gegenwärtige Jahrhundert unter dem Namen Ziese, Accise und Servis der Landcsherrschaft entrichtet werden mußten, wurden erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts successive eingeführt, und die Urbcde, welche ursprünglich die einzige regelmäßige Abgabe gebildet hatte, blieb daneben fortbestehen. Im Jahre 1450, da die Stadt eine große Feuersbrunst erlitten hatte, wurde dieselbe von diesen Abgaben, sowie gleichzeitig von allen der Landesherr¬ schuldigen Kriegs- und sonstigen Diensten auf 6 Jahre Bon den Abgaben, welche die Kämmerei der Stadt befreit. Havclberg von der Bürgerschaft erhob, werden in älteren Nachrichten nur verschiedene Grundabgaben erwähnt; in späterer Zeit treten mannichfaltige steuerliche Abgaben hinzu. Zu den ersteren gehörte der sogenannte Ruthenzins, eine Abgabe der mit Häusern, Aeckern, schaft

Gärten versehenen Bürger, welche nach der Rnthenzahl dieser Grundstücke erhoben wurde. In Folge der Reformation wurde Andere Abgaben diese Abgabe dem Kirchenärario überwiesen. Marktbuden, für Fleischer¬ bestanden in dem Stättegeld für und Bäckerscharrn; ferner der Grundzins von der Rathsapotheke. Diese Letztere war ursprünglich auf einem der Kämmerei angehörigen Grundstücke von Seiten des Magistrats errichtet. Später verkaufte der Magistrat dieselbe an einen Privatbesitzer mit Vor¬ Sonstige behalt eines jährlichen Grundzinses von 10 Thlrn. Abgaben, welche die Kämmerei erhob, bestanden in dem Canon, welche dieselbe von einer Anzahl anderer, ihr nicht unmittelbar zuständiger, im Privatbcsitz befindlicher Buden und Häuser zu erheben hatte; ferner in dem Schosse, den Biergeldern, den BürgerDer Schoß wurde geldern, Mcistergeldern und Schutzgeldern. gewöhnlich der Rcgumschoß genannt, weil er jährlich auf dem

Tage der heiligen drei Könige gezahlt wurde. Er wurde von den Häusern entrichtet, ruhte darauf als unabtrennbare Last, und betrug in der Mitte des vorigen Jahrhunderts 138 Thlr.

4 Gr. 9 Pf.

imr

Außer dem Vorwerk Müggenbusch, welches im Jahre 1743 262 Thlr. Pacht brachte, und der Rathsziegelei, welche für

151'^ Thlr. verpachtet war, besaß die Kämmerei noch verschiedene Ländereien, nämlich den Glien mit 5 Mg. 110 s^j Rth., den krummen Ort mit 9 Mg. 127 Rth., den Raths-Plan im Mühlenholze, ein Stück Wiesenwachs an der Elbe. welches durch



Ueberschwemmungen derselben im vorigen Jahrhundert sehr de-

teriorirt wurde.

Diese

letztgedachten Grundstücke

brachten

zu

Anfang des vorigen Jahrhunderts 21 Thlr. Jahrespacht. Früher gehörte auch der Möwenwerder der Kämmerei, den später die Bürgerschaft an sich zog, und der jetzt zu dem in der Altmark liegenden Rittergute Kannenberg gehört. Einträgliche Gerechtig¬ keiten der Kämmerei bestanden in der Fischerei- und Jagdgerech¬ tigkeit, der Damm- und Brückenzollgerechtigkeit, in dem Rechte der Salzsellerei, der Fährgerechtigkeit, der Abschoßgerechtigkeit und

in der Gerichtsbarkeit. Die Fischereigerechtigkeit beschränkte sich auf die Röhre und war daher nur unbedeutend; ebenso war der Ertrag der Jagdgerechtigkeit nur ein geringer; bedeutender aber war der Ertrag des Damm- und Brückenzolles, der 1742 für jährlich 280 Thlr. verpachtet war. Die Fährgerechtigkeit war nur bis 1740 von Bedeutung; sie bestand in dem Rechte, für den Fall eine Fähre zu halten, daß das Waffer in den Niederungen zwischen Havelberg und Sandau so hoch stieg, daß von Fähren Gebrauch gemacht werden mußte. Die früher dem Rathhause ausschließlich zustehende Salzsellerei, die von ihm für 5 bis 6 Thlr. verpachtet zu werden pflegte, sowie das Recht des Abschosses von Erbschaften, die von der Kämmerei mit dem 15. Pf. oder mit 6% Procent gelöst werden mußten, wenn sie aus der Stadt gingen, haben in der späteren Gesetzgebung ihren Untergang gefunden. — Endlich aber ist noch der Rathskeller als eine Einnahmequelle der Kämmerei namhaft zu machen. Demselben stand früher ausschließlich das Recht des Ausschanks Wollte ein Bürger zu seiner eigenen fremder Getränte zu. Consumtion eine Tonne fremdes Bier einlegen, so mußte er dem Rnthskellerwirthe 6 g. Gr. entrichten. Dies Privilegium bestand noch während der ganzen Dauer des vorigen Jahrhunderts. Dagegen wurde das dem Rathskellermeister früher auch zuständige ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein durch eine Kammer¬ verordnung

vom 18. November 1702 dahin abgeändert,

daß

außer dem Kellermeister noch zwei andere Kaufleute mit Wein

handeln durften, doch unter Vorbehalt der gewöhnlichen EinlageGelder für den Rathskeller. Unter diesen Bevorzugungen brachte der Rathskeller der Kämmerei eine gute Einnahme.

Vor länger

als 100 Jahren war derselbe für 258 Thlr. verpachtet. Die Havelberger Haide war ursprünglich dem Markgrafen zugehörig, nur wurde im Jahre 1274 den Bürgern die Hütungs¬ Im Jahre 1329 aber erwarb gerechtigkeit darin eingeräumt. dss Kaufs, vom Markgrafen Ludwig die Bürgerschaft, im Wege dem Aelteren für 250 Pfund Brandenburgischer Pfennige das Eigenthum an derselben.

In

einem Receffe vou 1430 heißt es,

daß die Havelberg'sche Haide zwischen dem Voigtbrügge'schen und

Außer dieser Haide erwarb die Stadt, alten markgräflichen Urkunden von 1274 und 1325, die

dem Netzow'er Wege liege. nach

Holzungsgerechtigkeit im sogenannten Roddahn, und diese ist

ihr

1716 und 1751 bestätigt worden. An bürgerlichen Gewerben betrieben die Bürger Havelbergs in älterer Zeit besonders viel Schiffahrt und Handel mit Hamburg. Sie brachten vorzüglich Getreide dahin und nahmen allerhand Waaren zur Rückfracht, theils für Rechnung Magdeburger, sächsischer und böhmischer Kaufleute, theils auch auf eigene Rechnung oder für ihre Landsleute in der Mark. Die Getreide-Ausfuhr-Verbote, noch

137

Mitte des 16. Jahrhunderts den freien Verkehr der Mark verhinderten, waren daher für den Handels¬ und Schiffahrtsbetrieb Havelbergs sehr nachtheilig. Die Jägelitz wurde ehenials von Havelberg bis Kyritz beschifft. Die vier

nur Tags zuvor, durch zwei Männer eingeladen und fleißig erinnert werden, sich mit Ja oder Nein ihres Kommens oder Ausbleibens zu erklären, damit hierzu

welche- besonders seit der

Hochzeitsgäste sollen nicht mehr, denn

ältesten Gewerke oder Gilden der

Gewiffe zugeschicket und unnöthige Kosten verhütet werden, bei zwei Thaler Strafe. — Wenn zur Hochzeit gebacken wird, so soll

Stadt waren

die Bäcker, Fleischer,

Schuster und Tischler. Diesen stand, nach der älteren Stadtverfassung,

keinem von warmen Brod oder Semmel etwas überschicket werden,

allein ein Recht zur Theilnahme an der öffentlichen Verwaltung Sie wurden bei der Berathung oder Entscheidung aller zu. wichtigeren Stadtangelegenheiten zugezogen, während die übrigen, später entstandenen Gewerke entweder gar nicht oder doch nur in

Strafe eines halben Thalers. Die Hochzeiten sollen hinfüro des Mittwochs angefangen und um zwei Uhr Nachmittags der Kirchgang gehalten werden. Würde aber Braut und Bräutigam zur bestimmten Zeit sich uicht in der Kirche gestellen, sollen die Thüren verschlossen und nicht eher geöffnet werden, sie haben denn zwei Thaler Strafe, wovon die Kirche einen Thaler und einen Thaler der Rath zu gewarten, baar erleget oder deshalb ein Pfand aus¬ gerichtet. Es soll aber der Kirchendiener die Uhr Niemandem zu Gefallen aufziehen, sondern dieselbe nach Ordnung der Stunden, wie sonst geschehen, schlagen und gehen lassen, bei einem Thaler

der

sogenannten

Jähre 1310 wird

gemeinen Bürgerschaft

vertreten waren.

Markgrafen

auch schon vom

Waldemar

Im den

Gewandschneidern in Havelberg ein Privilegium ertheilt und der

Den Schneidern ist ein Gewerbs-Privilegium

Tuchmacher gedacht. erst

im Jahre 1557, den Leinewebern im Jahre 1563, den

Grobschmieden erst im Jahre 1580 ausgefertigt.

Nahrungen waren in Havelberg besonders die Brauerei, die Fischerei und der Schiffbau. Aus der Brauerei bezog die Krämerei bedeutende Einnahmen an der Bierziese. Die Fischerei, für deren Gedeihen bis in die neueste Zeit nach alter Observanz jährlich am Neujahrstage öffentlich in der Kirche vom Prediger gebetet werden mußte, beschäftigte schon immer viele Wichtige

Einwohner in der Stadt wie unter den Bergen. Die Fischereigerechtigkeit ruht noch heute auf dem Besitze eines Hauses in der Stadt oder in dem Köperberge. Im Jahre 1431 verlieh der Magistrat zu Havelberg den außerhalb der Stadt wohnenden Fischern, welche an der Fischergilde zu Havelberg Theil nahmen, das besondere Privilegium, daß sie während der Pfingstzeit, da die Fischer ihre Gildcnfeier begingen, unter des Rathes besonderem Schutze die Stadt besuchen könnten, ohne wegen Schulden — hand¬

hafte That und grobe Verbrechen ausgenommen

— mit Arrest

belegt werden zu können.

Ter Schiffbau

ist besonders unter dem großen Churfürsten

bei

Strafe. Nach verrichteten Kirchen-Ceremonicn soll ohne weitereZuführung

der Braut sofort die Mahlzeit gehalten, nur vier Gerichte, mit einmal und nicht gedoppelt, bei Strafe von vier Thalern gespeiset werden, worunter sich das Zugemüse und was zum Braten gehörig, auch Butter, Käse und Krebse nicht gemeint sind. — Sind aber vornehme fremde Personen vorhanden, ist wohl zuzulaffen ein oder höchstens noch zwei Gerichte einzuschieben. Am folgenden Donnerstag zu Mittag soll Keiner außer den Freunden, der Braut und

Bräutigams Eltern und Geschwister bei Strafe von vier Thalern Um zwei Uhr Nachmittags sollen sich die jungen Leute zum Tanze, die Andern gegen fünf Uhr des Abends zur Mahlzeit, da dann nicht mehr Gerichte, wie vorbestimmt gegeben werden sollen, ungefordert wieder einstellen. Es sollen auch die Gesellen und Jungfrauen, wie wohl ehemals geschehen, nicht zugleich an einem Tische, sondern jedes Theil abgesondert gesetzt werden (Fortsetzung folgt.) bei zwei Thaler Strafe. gespeist werden.

Friedrich Wilhelm in wurden Elbschiffe bis

Es großer Ausdehnung betrieben. 120 Fuß Länge und 16 Fuß Breite in

großer Menge hier gebaut, außerdem kleine Fahrzeuge, als Schuten, Gelten, Wracken, Anhenge und dergleichen. Unter König Friedrich

unternahm, ein Holländer Namens Kornels, hier auch Seeschiffe zu bauen. Er errichtete zu diesem Behufe am Schönberg einen großen Bauhof, starb aber bald darauf, und hiernächst ist dieser Gewerbszweig verfallen. Hiervon scheint die noch heute hier stark verbreitete irrthümliche Annahme herzurühren, daß

Große

es gewesen, der den

Peter der

Bauhof errichtet und hier Seeschiffe

erbaut hätte.

Jntereffant, und für die heutigen Zeitverhältniffe komisch ist der Inhalt einer Polizei-Verordnung der Stadt Havelberg in Einwohner, Gottesdienst Verlöbnisse, Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnisse, vom Churfürsten Friedrich Wilhelm vom Jahre 1655. Es ist darin u. A. bezüglich der Hochzeiten bestimmt (wörtlich übersetzt!): „Ein jedweder Bräutigam, so Hochzeit geben will, soll des Bezug

auf

Standesunterschiede

der

Freitags vor angesetzter Hochzeit sich zu Rathhause gestellen, und einen Zettel, worin die einzuladenden Gäste verzeichnet, liefern, damit ihm, seinem Stande und habenden Freundschaft nach, eine Würde aber einer über gewiffe Anzahl erlaubet werden könne. Herren Geistlichen, Schulworunter doch die erlaubte Zahl, die collegen, Kirchner und die Jungfrauen, so noch nicht zwölf Jahre erreichet, nicht gerechnet werden, mehr Personen bitten, soll derselbe

für

Jegliche

sechs Groschen zu geben

schuldig sein.

— Die

hiesigen

Das Dorf Friedrichsfelde bei Lerlin. Von I)r. ff. iirerfif. (Fortsetzung.)

Nach dem Tode des Markgrafen

Albrecht Friedrich ging

Friedrichsfelde auf seinen ältesten Sohn, den Markgrafen Carl. Herrmeister des Johanniter-Ordens, über. Dieser hielt sich viel

auf und ließ das Schloß, namentlich im Innern, weiter ausbauen und schmückte es besonders durch eine Gemälde-Gallerie. Letztere wurde nach seinem Tode größtentheils versteigert, doch haben sich einige Exemplare derselben, welche wohl

in Friedrichsfelde

irrthümlich von der Auktion ausgeschlossen sein mögen, bis auf die Jetztzeit im Schlosse erhalten. Im Jähre 1735 wurde der Pastor Waltersdorff an die Georgen-Kirche in Berlin, und der bisherige Prediger an dieser Kirche, Daniel Schönemann, nach Friedrichsfelde ver¬ Schönemann war am 16. Februar 1695 in Greifs¬ setzt. wald geboren, wo sein Vater als Rektor fungirte. Er besuchte zuerst die Schule in Barth und bezog dann im 13. Lebensjahre die Universität in Greifswald. Hier blieb er 3 Jahre, unter¬ stützte dann seinen inzwischen nach Barth als Pastor versetzten Vater im Predigtamt und bezog 1714 die Universität in Rostock. Nachdem er längere Zeit als Hauslehrer fungirt hatte, wurde er an den

Hof des Herzogs von Mecklenburg-Strelitz berufen, von

138 wo aus er mit Empfehlungen des Herzogs nach Friedrichs¬ felde zu dem Markgrafen Albrecht Friedrich kam. Hier hörte ihn der König predigen, welcher fein dichterisches Talent (er sprach meist in Versen) bewunderte, und ihn zum Pastor in Dort fungirte er bis 1735, Geltow bei Potsdam ernannte. als welcher Zeit er Prediger an die Georgen-Kirche in Berlin zu berufen wurde. Noch in demselben Jahre erfolgte indeß auf Befehl des Königs seine Versetzung nach Friedrichsfelde. Daß diese Maßregel ihn mindestens nicht angenehm berührt hat, läßt die Ansprache an die Dorfbewohner erkennen, denen er sagte: Gott grüße Euch Ihr lieben Bauern, Ich werde hier nicht lange dauern;

Drum

seht mich

nur

recht an,

Ich heiße Daniel Schönemann! Schöne mann hielt Wort, er legte noch in demselben Jahre sein Amt nieder, und begab sich nach Schlesien, wo er als Pri¬ vatmann auf dem Gute Koppen bei Glogau 1737 starb. Amtsnachfolger des Schöne mann wurde der bisherige Prediger im Naison de charitd Georg Friedrich Weitz-

mann,

welchen der Berlinische Propst, Konsistorial-Rath

Roloff

introducirte. Weitzmann verzeichnet in seiner Kirchen-Chronik, daß 1750 der Befehl erging, Maulbeer-Bäume zum Seidenbau anzupflanzen,

1753 ein Theil des Elsen-Busches ausgerodet, und 1755 die Kirche inwendig ausgeweißt, der Thurm reparirt und der Knopf desselben neu vergoldet wurde. In: Oktober des Jahres 1760 hatte Friedrichsfelde bei Gelegenheit des Vormarsches des Russischen Generals Czernitscheff gegen Berlin besonders zu leiden. Der Pastor Weitzmann theilt hierüber und über seine eigenen Erlebnisse Nachstehendes

„In

mit:

eben diesem

aus Berlin nach Friedrichsfelde kommandiren zu lasten , eine ei¬ gene Wache. Diese Invaliden erhielten Feld- und Garten-Stücke

zur eigenen Bebauung angewiesen, hatten abwechselnd den Wachtdienst im Schlöffe und erschienen nur dann vollzählig, wenn

Das ehemalige Wachtlokal ist jetzt das auf der rechten Seite der Schloß-Allee Besuch

vom

Hofe

nach

Friedrichsfelde

kam.

stehende Gebäude, welches nunmehr den Gutsbeamten als Woh¬

nung dient und die Bureauzimnier des Amtsvorstehers enthält. Als wichtige Ereigniste während der Zeit wo Prinz Ferdinand in Friedrichsfelde residirte, sind aus dem Orte folgende

Vorgänge zu verzeichnen:

1771 am 11. November wurde dem Prinzen von seiner Gemahlin Anna Elisabeth Louise von Brandenburg-Schwedt ein Sohn geboren, welcher in der Taufe die Namen Friedrich Christian Heinrich Ludwig erhielt. Die Taufe, welche am 21. November stattfand, wohnten der König, die Königin, die verw. Königin Louise Ulrike von Schweden, der Prinz F r i e d r i ch H e i n r i ch L u d w i g, die verw. Prinzessin von Preußen Louise Amalie (Schwester der

Königin), die Prinzessin Amalie, Aebtissin von Quedlinburg, die Prinzessin Philippine Auguste Amalie von Bran¬ denburg-Schwedt und der Prinz Eugen von Württem¬ berg mit seiner Gemahlin, Prinzessin Friederike Dorothea Sophia und der Prinz Heinrich bei. Der Prediger Lin¬ denberg vollzog die feierliche Handlung und hat derselbe hierüber im Kirchenbuche Folgendes eingetragen: „Diese glückliche Entbindung war um so viel freudiger, weil der theuerste Vater seit einigen Wochen an einer sehr gefährlichen Krankheit darnieder lag, so daß man verschiedene Tage sein Ableben befürchtete, welche Umstände

bei der nahen Entbindung auch die geliebte Gemahlin

Jahre bei meiner anhaltenden Unpäßlichkeit

mußte ich flüchtig werden, indem am Sonntage als den 5.

äußerst geängstigt

Ihrer

daß man wegen

und elend gemacht,

und der Gesundheit der Leibesfrucht sehr besorget Mit desto gerührterem Herzen wurde die an¬

in unserem Dorfe sich sehen ließen, mich in etwas retiriren wollte, zweien von ihnen

war.

in die Hände gerieth, welche doch nach einiger wenigen Beraubung mich wieder los ließen, daß ich an dem Tage

Heil,

meine weitere Sicherheit suchen und ihren Händen entkommen

Dom. XXY. p. Tr. wurde deshalb in

Oktober und da

konnte,

die Kosacken ich

aber den Tag darauf der sämmtliche Schwarm ein¬

gehende

Besserung und

fahren, feldschen

von allen Redlichen erkannt und

Kirche

denn allhicr 9 Tage ver¬

Deum von

harrten und von dem was sie an Vieh oder Möbeln fanden, nichts oder zerbrochen übrig ließen."

über Psalm

brach und

alles verheerte.

Da

sie

Es sind dies die letzten Aufzeichnungen des Pastors Weitz¬ Er muß noch in demselben Jahre (1760) gestorben sein, und folgte ihm im Amte der Prediger Lindenberg, über dessen persönliche Verhältniße nichts bekannt ist. Zwei Jahre später, am 22. Juni 1762, starb der Mark¬

mann.

Carl in Breslau, worauf Friedrichsfelde an dessen Tochter, die Herzogin von Anhalt-Bernburg überging. Diese Dame graf

verkaufte noch im November desselben Jahres das Schloß, den Park und die Pertinenzien an den Prinzen Ferdinand von Preußen, den jüngsten Bruder Friedrich des Großen. Der neue Besitzer richtete seine Hofhaltung in Friedrichsfelde nach dem Muster seines Bruders Heinrich in Rheinsberg ein. Er ließ, nach Nicolai (II. Bd. S. 798), „verschiedene artige Lusthäuser", ein Wachthaus und verschiedene Stallgebäude erbauen. Den Park verschönerte er durch Grotten, Tempel, Statuen und legte auch eine Fasanerie an. Aus Invaliden seines in Ruppin garnisonirenden Regiments bildete er sich, statt wie früher ein Wachtkommando

Entbindung als ein gedoppelt Prinzen von Gott wieder¬

so dem Hause unseres

dem

nach

Absingung

eines solennen

hiesigen Prediger

DXXI, 19—23

Ts

eine Dankpredigt

gehalten.

Hoheit die durchlauchtige Wöchnerin

empfunden.

des Friedrichs-

Jhro König!.

beschenkte bei dieser

Gelegenheit die hiesige Kirche mit einer prächtigen Decke

auf dem Cömmunionstische und ebenso wurde die Canzel Weil der hiesige Hof bald nachher, sobald es bekleidet. die gesammelten Kräfte zulassen wollten, ehe die Prin¬ zessin die Kirche hier besuchen konnte, nach Berlin ging, befahlen des Prinzen Königl. Hoheit dem hiesigen Prediger eine auf diese Gelegenheit sich schickende Predigt

auf dem Schlosse zu halten, welches denn auch den 6. Dezember eine Stunde vor der Abreise in Gegenwart der hohen Herrschaft und Ihres Gefolges in der Stille Der Text war Psalm DXIX, 92, 93, 94, geschahe. wobei die kleine Versammlung sehr erbaut und gerührt wurde. Es war auch, bei der äußersten Gefahr des Prinzen, von Seiner zärtlichen Gemahlin vor Ihrer Ent¬ bindung, den 25. Oktober dem Prediger aufgetragen,

in Dero Zimmer zu halten, welches denn in aller Stille, in Gegenwart der Prinzessin, der Prin¬

eine Betstunde

139 zessin

würde, „die Antwort erst ein HalbesJahr nachher erfolgen

rend, dabei so viel Andacht und Wehmuth an so hohen Personen wahrzunehmen und sie vor dem Gotte unseres

werde", machte aus eigenen Mitteln das Haus bewohnbar und wendete hierzu über 200 Thlr., eine nach damaligen Verhältniffen nicht unbeträchtliche Summe, auf. Da er aber dw Reparatur ohne Genehmigung der Domainen-

Philippine und zweier Dames nach Anleitung der Worte Psalm XXXIV, 4—7 geschahe. Es war rüh¬

Lebens

so

sich

tief beugen zu

Ihm

sehen.

sei

Preis

und Ehre für die Gnade und Erhörung des damaligen Gebets." 1772 am Mittwoch, den 18. November, Vormittags '/9 Uhr, wurde in Friedrichsfelde Prinz Friedrich Ludwig Christian (als Prinz Louis Ferdinand, bekannt, und gefallen

am 10. Oktober 1806

bei Saalfeld)

Nachdem am 22. November von dem Pastor

geboren.

deum unter Musikbegleitung gesungen war, fand am 28. deff. Monats die Taufe des Prinzen statt, und hielt Se. Majestät, König Friedrich II., den Neugeborenen selbst über die Taufe. Als Zeugen bei der feierlichen Handlung fungirten Ihre Majestät die Königin, die verw. Königin von Schweden, die verw. Prinzessin Louise

Sophie Albertine Schweden, der Prinz Friedrich Heinrich Ludwig Preußen, der Landgraf Friedrich von Hesien-Kassel

von

von

von Preußen, die Prinzessin

und der Prinz Eugen von Württemberg mit Gemahlin. 1774 starb am 2. September der Prediger Lindenberg im 52. Jahre seines Lebens, wahrscheinlich in Folge eines gehabten Schreckens. Als er nämlich, wenige Tage vor seinem Tode von einem Besuche im Schlosse nach seinem

Hause zurückkehren wollte, erblickte er, nach seiner eigenen Erzählung, vor sich eine weibliche Gestalt, welche ihm auf sein Anrufen keine Antwort gab, und ihm bis zur Kirche voranging. Dort blieb die Gestalt stehen, wies mit der Hand auf eine Stelle unter einem Eckpfeiler der Kirche und verschwand dann. Der Pastor Lindenberg zeigte sich bei dem Eintreffen in seiner Wohnung, wo er den Vorfall mittheilte, äußerst erregt und war wenige Tage später eine Leiche. Er ist dort begraben worden, wo die angebliche Gestalt hingewiesen hatte.

wurde

Verstorbenen

der

bisherige

Amtsnachfolger des

Pastor

Wilhelm Sigismund Damerow

zu

Christian Sonnenberg,

Schmagerow Er Ramin und in Vorpommern. war der Sohn des Predigers Damerow zu Heiners¬ dorf bei Schwedt und 34 Jahre alt, als er durch Ver¬ mittelung die Stelle in Friedrichsfelde erhielt. Die Schil¬ derung, welche der neue Geistliche von dem Pfarrhaus in Friedrichsfelde bei seinem Amtsantritte entwirft, lassen den Zustand der Gebäude so ganz unbeftiedigt erscheinen, daß eine kurze Wiedergabe seiner eigenen Worte nicht ohne

Jntereffe sein möchte.

Antritt meines hiesigen Amtes fand ich das Pfarrhaus in schlechten Umständen. Das Dach war so schlecht, daß man bei Regenwetter das Wasser in den „Bei

dem

Stuben bekam. Die Schwellen auf der Keller-, Hofund Vorwerks-Seite waren verfault. Kurz das ganze Haus machte eine schlechte äußerliche Figur, ohnerachtet es nicht weit über 10 Jahre gestanden hatte. Inwendig

Thlr.

wenigstens 76

so

mußte er schließlich zuftieden

Ferdinand

erstattet wurden.

1776 wurden in Friedrichsfelde 6 Colonisten-Häuser fertig, welche theils mit abgedankten Soldaten des Reginients Prinz Ferdinand, theils mit Kattun-Webern aus Berlin, theils

Lindenberg,

eine Daukpredigt gehalten und nach der Predigt das Te

Amalie

Kammer unternommen hatte,

sein, daß ihm auf Intervention des Prinzen

mit Leuten aus Köpenick besetzt wurden. Prinz Ferdinand seinem Leibarzte

1777 ließ

Beyer, aus Gotha gebürtig,

Gottfried

durch den Land-Baumeister

Prinz —

ein Haus erbauen. 31. August tobte in Friedrichsfelde ein so heftiger Sturm, daß alles Obst von den Bäumen verloren ging,

am

viele Dächer abgedeckt und das Getreide vollständig vernichtet

wurde.

Bei

dem starken Anwachs der Gemeinde wurden die Chöre

in der Kirche erweitert und die Fenster derselben vergrößert. 1778 ani 6. April früh Morgens bald nach 4 Uhr trafen Se. Majestät der König (Friedrich der Große) in Begleitung des Erbprinzen Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig in Friedrichsfclde ein, gingen aber, nachdem die Pferde vor dem

s.

g.

Zoll

gewechselt waren, bald nach Schlesien

weiter.

An demselben Tage wurde das 1777 begonnene, nunmehr fertig gewordene Schul- resp. Küsterhaus, in Gegenwart der Schuljugend und des 72jährigen Lehrers Christian

Gottfried Stiebler,

von dem Pastor

Damerow

ein¬

geweiht.

1779 am 19. September, Morgens Uhr, wurde in Friedrichs¬ felde der Prinz Friedrich Wilhelm Heinrich August (der

spätere

Reorganisator

geboren und am 26. deff.

Peltrv

der

Mts.

Preußischen

Als Taufzeugen fungirten:

getauft.

Artillerie)

durch den Hof-Prediger

Se. Ma¬

jestät der König, die Königin, die Kaiserin von Rußland,

der Prinz

und die Prinzessin von Preußen, die verw. Prinzessin von Preußen, die Herzogin von Brauuschweig,

Amalie

von Preußen, die verw. Erb¬ Württemberg, der Prinz Eugen von Württemberg nebst Geniahlin und die Landgräfin von die

Prinzessin

prinzessin

von

Hessen-Kassel.

1780 (Anfangs Dezember) ging dem Pastor Damerow in Be¬ treff der Einführung des neuen Gesangbuchs in Fricdrichsfelde seitens Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Ferdinand folgendes Schreiben zu: „Würdiger, wohlgelahrter, vielgeliebter Herr Pastor!

So mache

eben habe ich das neue Gesangbuch erhalten.

mir ein Vergnügen daraus,

cs

Ihnen

Ich

zu com-

Eins der erbaulichsten Lieder, nemlich: municiren. „O! Haupt voll Blut und Wunden" ist darin wegge¬ laffen und viele z. B. „Allein Gott in der Höh rc." ganz abgeändert worden.

Ich verbleibe

Ihr

nicht wußte, ob ich hereingehen oder zurückbleiben sollte."

wohl offectionirter Freund Ferdinand." Der Pastor Damerow bedankte sich unterm 6. Dezember für die Zusendung und erörterte dabei die Vorzüglichkeit

Damerow,

welcher nach seinerMeinung befürchten mußte,

des neuen Buches.

daß, sobald er offiziell um Renovirung der Gebäude bitten

noch an demselben

aber sahe es noch kläglicher aus, so fürchterlich, daß ich ■

In Folge Tage:

deffen schrieb ihm der

Prinz

140

„Da

ich sehe,

Sie aus guten Gründen

daß

so

Hiernächst erwarte Ich aber noch die nähere Anzeige darüber, wem die Veranlassung zu der, um mehr als zwei Monate verspäteten, Berichts-Erstattung zur Last fällt. Pots¬

sehr

zufrieden mit dem neuen Gesangbuch sind, und wünschen, es hier bald einführen zu können, so ersuche ich Sie, so bald als möglich anzuzeigen, wieviel Bücher er¬ fordert werden, wer insbesondere in der hiesigen Gemeinde damit versorgt werden soll, welches mein Wille ist. Ich

mir

„Ich

dem Schreiben vom 16. d. M. wegen verspäteter BerichtsErstattung über den Sträfling Steinbach, nicht für genügend erachten, vielmehr fällt derselben zur Last, daß die Anzeige über die Führung des p. Steinbach, von den betreffenden Straf-Anstalten nicht früher, als geschehen, erfordert und die

Ferdinand." Nach genauer Ermittelung des Pastors sich

420 Menschen in

Damerow fanden

der Gemeinde, welche lesen konnten.

wurden die neuen Bücher Seitens des Prinzen daß sie am Sonntage Misericordia domini 1781 in Gegenwart des Hofes eingeführt werden konnten. — 1781 1783 wurden auf der Frankfurter Landstraße, unweit

Für

diese

besorgt,

kann die Rechtfertigung der Regierung zu Potsdam

in

darauf Ihnen zur Austheil zusenden.

sic

Sache, selbst nach Ablauf des Termins zur Berichterstattung

so

an Mich, noch sehr saumselig betrieben ist.

Indem Ich der Regierung dieserhalb Mein Mißfallen zu Ich zugleich der vorgesetzten Behörde des dortigen Post-Amts aufgegeben, daffelbe wegen des, in der

Friedrichsfeldc, 4 Colonistcnhäuser fertig. 1781 wurde die Mauer, welche den um die Kirche befindlichen Kirchhof einschloß, abgebrochen und ein neuer Kirchhof auf

erkennen gebe, habe

Sache bewiesenen undienstmäßigen Benehmens zu rektifiziren.

Berlin

Seite der Landstraße hinter den Grundstücken der Nehl und Specht angelegt. Die Kosten der Umschließung des neuen Kirchhofs durch einen Bohlenzaun übernahm Prinz Ferdinand, welcher um diesen Zaun der

den

23. Dezember 1820.

Friedrich Wilhelm."

Kossäthcn

seinen Hofgärtner

durch

Weil

eine Maulbeerhecke

noch

pflanzen ließ.



15. Juni, Abends zwischen 5 und 6 Uhr, zündete ein Blitzstrahl die Kgl. Vorwerks-Schäferei an, wodurch in kurzer Zeit die Schäferei, die Gehöfte der Kossäthen

am

Rennebarth

nnd

Specht,

sowie die Scheune des Kossäthen

in einen Aschenhaufen verwandelt wurden. Soweit der durch den Brand verursachte Schaden von der Feuer-

Ma

s s

ut

e

Societät nicht

gedeckt werden konnte, geschah es durch eine

Thlr. ergab. Prinz Ferdinand mit seinem

Collccte, welche den Betrag von rund 508

1784 am 8. November verließ der ganzem

Hofstaat

Das

Friedrichsfeldc.

Schloß,

den

Garten, die dazu gehörigen Gebäude, und das ehemalige Stade'schc Haus nebst Garten wurden am 21. Juni 1785 für 16,000 Thlr. Gold an den Herzog Peter von Cur(Schluß folgt.) land verkauft.

Merkwürdige Lakinets-Ordres. Mitgetheilt von £. kllfieri.

IV. Von dem Gerechtigkeitssinn König Friedrich Wilhelms III. gewähren uns auch die nachfolgenden Kabinets-Ordres ein schönes Zeugniß. Und wie muß einem Monarchen das Wohl des Landes am Herzen gelegen haben, welcher selbst dem geringsten seiner

Unterthanen eine

„Ich

solche

Beachtung widmete!

trage der Kommandantur zu Cüstrin hiermit auf,

über die Führung des, mit einer heutigen Annahme Order daselbst eintreffenden Sträflings Jakob Steinbach, nach vier

Jahren an Mich zu berichten, diesen Auftrag aber nicht weiter bekannt werden zu laffen. Berlin den 21. Februar 1816.

Friedrich Wilhelm." „Da

der zu lebenswieriger Festungs-Arbeit verurtheilte,

ehemalige Musketier Jakob Steindach,

sich

während der, bis¬

her erlittenen vierjährigen Strafe, durch gute Führung aus¬ gezeichnet hat, so will Ich ihm aus Gnade die Freiheit wieder¬ geben und überlaffe der Regierung, auf den Bericht vom

27. v. M. die Strafanstalt zu Spandau demgemäß anzuweisen. Berlag von

Alfred Weile in Berlin. —

Friedrich Wilhelm."

1820.

Citissime.

werde die Bücher nach erhaltener Anzeige sogleich bestellen

und

Mai

dam den 1.

In

Literatur.

Henninger in Heilbronn „Historischer Volkslieder vom Ende des 30jährigen bis zum Anfang des 7jährigen Krieges" erschienen, welcher sich den vor einigen Jahren in BcrlinbciLipperheide herausgegebenen, dieZeitvon 1756—1815 ist

dem Verlage der Gebrüder

gegenwärtig

ein Band

würdig anschließt. Der Verfasser, Freiherr Franz Wilhelm von Ditfurth, hat auch in diesem neuen Bande sein bekanntes Talent bewährt und wenn auch diese neue Sammlung für die Märkische Geschichte aus der Zeit von 1648—1756 wenig Material bietet, so wird doch jedem Freunde umfassenden

2

Bänden

der deutschen, besonders der Kriegs-Geschichte ein

so bedeutender und interessanter Stoff geboten, daß die Arbeit als eine in jeder Beziehung wünschenswerte bezeichnet werden kann. Möge dem fleißigen und umsichtigen Verfasser die verdiente allseitige An¬

B.

erkennung werden.

Fragekasten. Ilrsiuus. Die Redensart „Wie

die Excellenz bei Bouchö sitzen", welche

Herr Geh. Hofrath Schneider in der Sitzung des Vereins für die Ge¬ schichte Berlins im Botanischen Garten in ihrer Negirung zur Anwendung brachte, war eine früher allgemein bekannte, und datirt sich etwa aus dem Anfange der dreißiger Jahre. In dem damals von der Noblesse Berlins frequentirten Bouchö'schen Blumengarten (die spätere sogenannte „Grüne Neune" in der Blumenstraße) pflegte alltäglich eine Excellenz zum Genuß einer Tasse Kaffee nach Tische sich einzufinden. Mochte nun dem zahlreichen Besuch oder der Unachtsamkeit des Kellners die Schuld beizumeffen sein, genug, der Herr Minister saß eines TagS längere Zeit, ohne seinen Kaffee Er wandte sich deshalb an Herrn Bouche (den Vater des zu erhalten. Königl. Inspektors beim Botanischen Garten), welcher in seiner derben Manier den Kellner zurechtweisend anfuhr: „Mein Gott, Excellenz sitzen hier eine volle Stunde wie ein dummer Junge, und warten auf den Kaffee!" Nach einer andern Version soll die Excellenz ein General gewesen sein, welcher dem Genusse des herrlichen Gartens nur bei einem Glase frischen Wassers sich hingab, und dem daher die dienstbaren Geister eines schönen Tages dasselbe geflissentlich nicht verabfolgten. Entrüstet hatte er Herrn Bouchtz die Worte zugerufen: „Ich sitze hier eine volle Stunde wie ein Narr!" worauf Letzterer dieselben mit einem sarkastischen Anfluge gegen So kam, den älteren Berlinern noch in der Er¬ den Kellner wiederholte. innerung lebend, die Redensart von der „Excellenz bei Bouchö!" als Gleichniß in den Mund des Volkes.

Verantwortlich für Redaction : Ferd. Meyer in Berlin. — Druck von W.

Pormetter in Berlin.

Unter Mitwirkung von Dr. Brecht, Prof. Dr. Baulus Kassel, Stadt-Archivar Jidiciu, Weod. Aontaue, Stadtrath O. Ziriedel, Freiherr Dr. von Ledebur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schrvebel in Cüstrin

Geh. Regierungs-Rath re. rc.

herausgegeben von

George

Wtl

Ferdinan- Meyer.

und

Das Blatt ist durcb alle Buchhandlungen und Postämter, sowie durch die Expedition (Bahnhofstr. 1) zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Verlagshandlung von Alfred Weile in Berlin zu senden, welche sie der Redaction übermitteln wird. — Inserate, pro 3 gesp. Petitzeile 25 Pfg., werden von den Herren Ha äsen sie in u. Vogler, Rud. Mosse,

Beruh. Arndt,

Inhalt.

sowie von der Verlagshandlung entgegengenommen.

in Berlin. Von Dr. C. Bolle. — Das Dorf Friedrichsfeldc bei Berlin. Von Dr. C. Brecht. Dräsekc. (Fortsetzung.) — Wann fand die Abbildung.) — Das Wundcrblut zu Wilsnack. Kulturhistorische Skizze von letzte Ausstellung am Pranger in Berlin statt?

Zur

Geschichte des Botanischen Gartens

(Schluß.)

I.

(Mit

Zur

Geschichte des Königlichen botanischen

Gartens in Betlttt*).

Von Dr. ff. Zolle.

als Fremder in dem Verein für die Geschichte Berlins das Wort zu ergreifen wage, so geschieht dies zwar mit einiger Schüch¬ ternheit und Zurückhaltung, aber zugleich mit der beruhigenden Em¬ ich

| j

i

Blick umfassen zu können; aber dies Anhäufen des Schönsten und Kostbarsten, dies mit Bienenfleiß aus der Nähe, wie aus weitester Ferne Zusammentragen wurzelt wiederum in örtlichen, zum Theil selbst in klimatischen Verhältnissen und Besonderheiten, in wirth-

pfindung, in der Sympathie für gleiche Gegenstände mit Ihnen von vornherein einen Berührungspunkt gefunden zu haben. Die gemein¬ same Liebe zur Vaterstadt, zu unserem theuren Berlin, ist es, welche, in uns Allen gleich lebendig, schon bei der ersten flüchtigen Berührung den elektrischen Funken der Zusammengehörigkeit aus den Gemüthern hervorlockt. Pflanzenkunde und Geschichtsforschung, keine

Intelligenz pflegender Wohl sind es die Bäume Nordamerika's, Sibiriens, China» oder Japans, die um uns herum ihre Kronen wölben, aber sic haben ihre tiefen Wurzeln in märkisches Erdreich geschlagen, sie saugen ihre Lebenssäfte aus Berliner Boden und sie stehen hier auf einem Ausgangspunkt, gleichsam auf einer ersten Station,

einander parallel laufende

von der sie, mächtig ausschreitend an der Hand der Gartenlieb¬

Sie werden im gegenwärtigen Falle durch Geistesthätigkeiten. den lokalen Charakter, der ihnen anhaftet, einander noch näher

haberei und des geläuterten Natursinns, über Stadt und Land

so

weit

auch

sie

divergirende,

es

von einander abzuliegen sind

vielmehr mit

scheinen,

sind

schaftlichen Möglichkeiten, in der ureigenen

Hände.

hin

Jene krystallenen Asyle, jene sich zu verbreiten bestimmt sind. Glaspalästc, welche den nicht ausdauernden Vegctabilien wärmerer

geführt, und erscheinen uns zur Stunde in dem rosigen Lichte Verbrüderungsfestes

eines

zwischen

Boden

Zonen zum Aufenthalt dienen, sind mit der Munificenz heimischer Mittel erbaut, in ihrer Construction vom heimischen Talenten

historischen Wissenschaft

hervorragend vertreten,

Sie, meine Herren, so Botanik andererseits, auf deren recht eigentlichem

einerseits, welche zwischen der

der

wir hier

erschaffen und vervollkommnet worden.

Diese Erwägungen jedoch dürfen uns nicht lange fesseln. Aus dem auf breiter archivalischer Basis sich aufbauenden Vortrage des Herrn Vorredners haben sie hinlänglich die Gewißheit geschöpft, Wäre es mir vergönnt, sich auf historischem Terrain zu. bewegen. seinen geistvollen Worten vom Standpunkte des Botanikers aus

stehen, und die ganz sowie jene bald ihre lokale,

nur dem Vaterländischen zugewandte, bald ihre universelle, gewissermaßen internationale Seite hervorzukehren im Stande ist. In einem botanischen Garten, wie der unsrige, verschmelzen diese

tritt,

beiden Richtungen

zu

einem

harmonischen Ganzen.

Es

neben dem Ansammeln der heimischen Gewächse, die leitende

noch

Idee) hervor, die Hauptzüge der,Vegetation der Erde mit einem

Ihr

Weiteres anzureihen,

der außerordentlichen Sitzung des Vereins für Berlins im botanischen Garten, Mittwoch den 20. Juni 1877.

*) Vortrag, gehalten in

j

würde

ich

vielleicht im Stande sein,

Gefühl von nationalem oder municipalen Stolze noch zu Ihnen detaillirt darlegte, wie hoch und weit die Anfänge des botanischen Wissens innerhalb unserer Mauern zurückreichen, wie geachtet daffelbe in der ganzen Welt dasteht. erhöhen, indem ich

dce Geschichte

so

142

Für es indeß

die kurze Spanne der mir zugemessenen Zeit halte ich für rathsamcr, Sie lieber mit Thatsachen, welche den

Garten in der Neuzeit betreffen, vertraut zu machen. Dieselben werden für um so gewichtiger erachtet werden müssen, da sie zum großen Theil direkten Mittheilungen und Aufzeichnungen^ des Herrn Inspektors C. Bouchä ihren Ursprung verdanken. Ich hoffe, auf diesem Wege

Klarheit über mannigfache Wissenswerthe Verhältniffe

Es möge mir verziehen werden, wenn die von mir gegebenen Notizen nur aphoristischer Natur sein können. Wenn uns die Geschichte der heimischen Pflanzenkunde, als des

Gartens zu verbreiten.

verhälinißmäßigen Alterthums bedeckt, entgegentritt, wenn auch der Ursprung des botanischen Gartens sich wenigstens bis ins siebzehnte Jahrhundert zurück verfolgen läßt, so fällt der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Bedeutsamkeit, vom

edlen

Roste

eines

in eine sehr moderne Epoche. Derselbe reicht kaum über die ersten Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts hinaus. Als eigentlicher Schöpfer des Gartens, als der Begründer seines Weltrufs tritt uns die große und ehrfurchtgebietende Gestalt Willdenow's entgegen. Bor ihm hatte es zu Berlin eine Botanik, einen botanischen Garten, reiche Pflanzcnschätzc innerhalb und außerhalb der Mauern der Stadt gegeben; aber die Präpondcranz an (letzteren lag >in den Schloßgärten des Königshauses, in den Culturbestrebungen reicher Privatleute oder Handelsgärtner. Es war Willdenow, er, der große Continuatcur Linnös, der voll organisatorischen Geistes und hochgeehrt in allen Ländern und Wcltthcilcn, den Strom, auf dem der Nachen der Blumengöttin schaukelt, zuerst nach Neu-Schöneberg leitete. Wir beugen uns noch heute mit der Achtung, die dem sowie

seines positiven Reichthums an Pflanzen doch erst

Schüler dem Lehrer gegenüber ziemt, vor dieser außergewöhnlichen Begabung, und verzeichnen hier nur die für sich laut genug zeugende

Antritt seiner Verwaltung im Jahre 1801 nicht völlig 1200 Arten im Garten vorfand, wobei alle wildwachsenden Pflanzen und alle Küchengewächse mitgezählt waren, daß cs dabei fast an Allem fehlte, was zur erfolgreichen Zucht fremder Vegctabilicn erforderlich ist, z. B. nicht einmal ein Warmhaus für Tropcnbewohner vorhanden war. Schon im Jahre 1808 dagegen welch' ein Umschwung! Die Artenzahl war auf 6351 gewachsen; schöne und zweckmäßige Gewächshäuser waren errichtet. Eine ebenso wunderbare als plötzliche Blüthe des Instituts war mit agavenähnlicher Rapidität eingetreten. Der Pflanzenzuwachs stieg auch in den folgenden Jahren noch mit großer Schnelligkeit, als unerwartet, viel zu früh für die Wissenschaft und unsere Stadt, ein Licht erlosch, Thatsache, daß Willdenow beim

welches in dem tiefen, das Land während jener traurigen Jahre unifangenden Dünkel mit verdoppelter Helligkeit geflammt hatte.

Nur

eine kurze Krankheit

war vorangegangen, die gelbe Kutsche des alten Heim nur ein Paar Tage lang ängstlich auf der Potsdamer Chaussee hin- und hergerollt. Am 2. Juli 1812 starb der große Willdenow, ein Jahr nachdem Pallas, jener andere berühmte Berliner Botaniker, der unter Katharina's Regierung das europäische und das asiatische Rußland zuerst erforscht und unseren Garten mit unendlich vielen Pflanzen bereichert hatte, ihm im Tode vorangegangen war. Der Garten selbst, wie wir ihn vor uns sehen, ist Willdenow's schönstes Denkmal; im Garten wiederum eine riesige dunkle Laube wilder Weinreben, ihr Name ist noch heut und möge für immer sein: Willdenowsruh.

Ein glänzender Abschnitt war für das Institut mit Willdenow die Heroenzeit desselben. Lassen Sie mich

zu Ende gegangen:

bei der Erinnerung an jene Tage einen Augenblick verweilen, wo zur Zeit, da unsere Großeltern noch jung, unsere Eltern Kinder waren, ein interessanter Kreis sich in diesen Schattengängen zu

vereinen liebte.

Da

sehen

Humboldt oft

gekehrten

wir

den von seinen Weltreisen heim¬

an der Hand seines Freundes unter dem

Laubdache exotischer Bäume lustwandeln; forschend schreitet der junge

zugleich dichtend und

Chamisso einher;

der noch jüngere der später die wundervollen Linden des Leipziger Platzes pflanzen soll, lebt nur für den ihm anvertrauten Garten und für

Otto,

die Erhaltung und Vermehrung der darin gesammelten Schätze.

Der Oberforstmeister von Burgsdorf unterhält sich mit Frau von Jtzenplitz, der größten Baumpflanzerin der Mark, wenn ihre Mutter Frau von Friedland nicht gewesen wäre, über Verschönerung des ländlichen Grundbesitzes, während die mit den napoleonischen Heeren ins Land gekommenen Naturforscher, deren cs

in

den Reihen der großen Armee nicht wenige

Bory

de

St. Vincent

voran,

sich

gab, einen hier ehrfurchtsvoll vor dem

Genius des großen preußischen Gelehrten verneigten, und in seiner Ge¬ genwart den Unterschied zwischen Sieger und Besiegten gern vergaßen.

Materiell unendlich gekommen



reichere Zeiten sind seitdem für den Garten glanzvollere niemals!

Wie dunkel erscheint, mit der Willdenow'schen Periode verglichen. Alles was jenseit und hinter derselben liegt! Die lange Direktor¬ schaft Gleditsch's, nach dem jene mimosenähnlichen Bäume genannt

worden sind, die mit dornigen Aesten und spüterscheinendem, aber schönem Grün auf dem Wilhelmsplatz zu Potsdam die Bildsäule unvergeßlichen Monarchen umstehen; wie karg fällt der Lichtstrahl der Geschichte auf die spärlichen Blumenbeete, auf die wenigen Orangeriehäuser, auf die Reste jener aus dem in einen Exercierplatz verwandelten Lustgarten hierher geretteten Gewächse, eines

auf die zerstreuten neu eingeführten Bäume, welche im achtzehnten Jahrhundert diesen Raum füllten und von denen manche, jetzt zu Rieseustämmen herangewachsen, unsere Bewunderung noch heut

erregen.

Und doch wurde auch damals hier gelernt, geforscht,

in der Natur geschwelgt. Ja, es geschah dies in jener noch ent¬ legneren Zeit, wo Maupertuis, damals Präsident der Akademie der Wissenschaften, die Heiterkeit der Nachwelt dadurch heraus¬

forderte, daß er, von sonst löblichen physiokratischen Ideen dazu verleitet, die wenigen vorhandenen Exemplare vom Kaffeebaum und Zuckerrohr in's Schöneberger Niederland auspflanzen ließ,

in der Absicht, den Staaten des großen Friedrichs den Tribut an die Tropenwelt zu ersparen, und die Culturen der Colonieen an den Ufern der Spree heimisch zu machen. Wie Georges Sand ihrer Kinderfrau auf dem Genfer See zurief, als dieselbe, von der großen Waffermasse erschreckt und den Namen Martigny als Nachtquartier aussprechen hörend, der Insel Martinique nahe zu sein und mit vollen Segeln den Antillen entgegenzuschiffen

„In

suis tu geographie coimne Shakespeare!“ so hätte glaubte: man damals dem berühmten Philosophen ins Ohr raunen mögen: „Du verstehst von der Pflanzengeographie gerade soviel wie Camoens oder Heinrich Heine." Freilich hätte dann Maupertius, den Puder seiner Perrücke würdevoll umherstäubend, uns wohl mit Recht erwiedert: Was kümmert mich die Pflanzengeographie! die ist ja noch gar nicht erfunden, sondern soll, durch die Anschauungen und Kindheitsein¬ drücke Eures Humboldt in eben diesem Garten embryonisch angeregt, von hier aus erst ihren Flug nehmen!

Man weiß, beim

ersten,

daß die unglücklichen Kaffee- und Zuckerrohrpflanzen

über

die Hopfenkawel

hinfegenden Novemberfrost

143 jammervoll erfroren. Man weiß aber auch — und der Garten hat Ursache genug, stolz darauf zu fein, — daß in einem alten Thurnie innerhalb desselben einst ein kolossaler Drachenbaum und eine nicht minder gewaltige Fächerpalme standen, die ihr Bild so unverlöschlich und sehnsuchtsvoll in Humboldts Knabenseele ein¬ gruben, daß er noch im Kosmos ihrer dankbar gedenkt. Mit Keine altersgrauen Thürme solcher Romantik ist's aus im Garten. mehr, um die sich der Epheu rankt; keine Drago's, die irgend ein alter Seefahrer, etwa auf der Rückfahrt von den afrikanischen Besitzungen Brandenburgs, am canarischen Gestade ausgegraben oder vom Fuß des Piks von Teneriffa nach Holland getragen hatte, damit vielleicht die Generalstaaten einen davon ihrem treuen Alliirten, dem großen Kurfürsten verehrten. (Schluß folgt.)

Das Dorf Friedrichsfelde bei Serlin. Von Dr. ff. «ccrfif. (Schluß.)

(Mit Abbildung.) Der Herzog Peter von Curl and, am 21.

Juni 1785

abgeschlossenen

welcher

sich

bei dem be¬

fand, traf am 4. September dess. Js. mit seiner Gemahlin Dorothea, Reichsgräfin von Medem, in Friedrichsfelde ein. Der Aufenthalt des Herzoglichen Paares scheint meist nur ein vorübergehender gewesen zu sein. Aus den vorhandenen Notizen geht nämlich hervor, daß 1785 am 6. November der Herzog mit der Herzogin in Be¬

gleitung der Söhne des Prinzen und

Ludwig,

Ferdinand, Heinrich

zum ersten Male die dortige Kirche besuchten.

Am 21. Dezember machte das Fürstliche Ehepaar dem Pastor einen Besuch und

1786 am 18. und

Juli

ließen

schenkte

ihm 10 Dukaten.

communicirten die Herrschaften in der Kirche dem Pastor hierfür 10 Stück Friedrichsd'or

behändigen.

Am

5.

Dezember

frühstückte

Se.

Majestät

König

Friedrich Wilhelni II. mit seinen Söhnen Friedrich und Ludwig bei dem Herzoge in Friedrichsfelde. Am 7. December ging die Herzogin nach Curland, wo¬ hin ihr am 10. die älteste Prinzessin Tochter folgte. 1790 am 4. Mai traf die Herzogin auf einige Stunden zuin Besuche in Friedrichsfelde ein. Auch in den Jahren 1791 und 1792 haben sich die Be¬ suche der Fürstlichen Herrschaften jedesmal nur auf kurze Dauer wiederholt; im folgenden Jahre (1793) residirte die Herzogin längere Zeit in Friedrichsfelde, wo sie am 21. August von einer Tochter

(Dorothea)*)

vermählt, von demselben jedoch getrennt lebte und mit Genehmigung des Königs ihren Geburtsnamen Holstein-Beck wieder angenommen hatte. Die Prinzessin führte einen großen Hofhält und empfing

häufig Besuche der Königlichen Familie, besonders der Königin

Luise,

benachbarte Gehöft

des

Schulzen

Loeper

ein

Raub der Flammen wurde. Der Herzog hatte, gezwungen durch politische Ereignisse, das Herzogthum Curland an Rußland abgetreten und residirte meist *) Die nachmalige Herzogin von Sagan, Prinzessin von Kurland und Scmgallen. Durch ihre Vermählung mit Edmund Talleyrand von Perigord, Herzog von Talleyrand und von Dino, ward sie die

Nichte de« berühmten Talleyrand und erlangte dadurch hohen Einfluß am französischen Hofe. Auch König Friedrich Wilhelm IV. schätzte sie sehr. Sie starb den 19. Septbr. 1862.

sowie der höchsten Aristokratie.

Dadurch entwickelte

am Hofe zu Friedrichsfelde ein äußerst reges Lebe».

sich

Theater,

Schäfer-Spiele und andere Belustigungen unterhielten die Gäste auf das Angenehmste, und selbst die Bewohner des Dorfes gingen hierbei nicht leer aus. Leider trat der unglückliche Ausgang des Feldzugs 1806 störend dazwischen, und die Hoffcstlichkeiten er¬ reichten bald ihr Ende. Denn schon am 26. Oktober traf

Korps

des

Davon st

Marschalls

einer Stärke

in

von

20,000 Mann in Friedrichsfelde ein und

bezog vor dem Dorfe Der dadurch von den Franzosen dem Dorfe und dem Schloßgute verursachte Schaden ist später auf die nach

ein Lager.

damaligen Verhältnissen

Thlr.

sehr bedeutende

berechnet worden und

würde

wenn nicht das Hauptquartier,

noch

welches

Summe von 22,500 höher

im

gewesen

Schlosse

sein,

Quartier

Schutz gegen die gröbsten Ausschreitungen der feind¬

genommen,

lichen Soldaten gewährt hätte.

Napoleon über die im Lager bei Friedrichsfelde Truppen auf dem dortigen Mühlenberge eine Parade abgenommen hatte, traten dieselben den Marsch nach Rußland an und das Dorf war endlich von den feindlichen Gästen befreit. Bis 1808 wiederholten sich jedoch die Einquartierungen von durchmarschirenden Truppen und der sonst so blühende Wohlstand des Dorfes erlitt unter dem Einfluß dieser Kriegslast einen erheb¬ lichen Stoß. 1811 am 20. December starb sodann im 64. Jahre ihres Lebens die Herzogin von Holstein-Beck in Friedrichsfelde am Nachdem

stehenden

Nervenschlag.

Ihre

Leiche wurde durch eine moskau-astrachanische

Karawane, die zu jener Zeit im Winter Kaviar nach Berlin zu bringen pflegte, per Schlitten bis Rußland befördert, nachdem das erste Projekt, diese Beförderung durch Fricdrichsfelder Bauern gegen Zahlung von 400

Nach

Fürstlich

dem Tode

Thlr. bewirken

zu lassen, sich zerschlagen hatte.

der Herzogin fiel das Schloßgut an

Bariatinski'sche Familie,

die

welche dasselbe durch einen

Bevollmächtigten verwalten ließ.

In

liegende Vorwerksscheune an, wodurch das ganze Vorwerk

das

geld wurde am 22.

entbunden wurde.

Am 19. Dezember 1793 wüthete ein so außerordentlicher Sturm, daß in Friedrichsfelde die meisten Bäunie in den Gärten und in der Hasenhaide umgeworfen wurden. 1794 am 25. Juni zündete ein Blitzstrahl eine der Pfarre nahe und

Thlr. in Courant. Das KaufMai 1799 berichtigt, und die Besitzung ging dann am 29. März 1800 auf die Herzogin Catharina von Holstein-Beck über, welche mit dem Fürsten Bariatinski Georg Jacob Decker für 22,000

das

Kaufcontraktc in Italien

Er verkaufte am 19. Dezember 1797 die Schloß-

in Sagan.

besitzung in Friedrichsfelde an den Geheimen Ober-Hof-Buchdruckcr

diese

Zeit fällt das Aufgebot der Landwehr vom Jähre

1813, zu welchem auch Friedrichsfelde Mannschaften stellen mußte. Die Namen der Männer, welchen die Ehre wurde, das Vater¬ land von dem Erbfeinde mit befreien zu helfen, haben sich leider nicht ermitteln lassen. Aus der in der Kirche befindlichen Ge¬ dächtnißtafel ergiebt sich nur, daß aus der Genieinde im heiligen Kampfe gefallen sind: 1.

der Rittmeister Franz Ludwig bei

Dennewitz

Alberthal,

35 Jahr alt,

am 6. September 1813, und

2. der Musketier Carl Michael Baumann, bei Gr.-Becren am 23. August 1813.

25 Jahr alt,

Außerdem starb

3. der freiwillige Garde-Jäger Johann Gottfried

36 Jahr alt, am 4. November 1813 Breslau. —

Krüger,

im Lazarett)

zu

144 Die glorreichen Erfolge des Jahres 1813 zu feiern, war Er starb am dem Pastor Damerow nicht mehr vergönnt. 1. August 1813 und wurde die vakante Stelle seinem bis¬ herigen Adjunkten, dem Pastor Erdmann Friedrich Bülow

Dieser Flächeninhalt hat sich gegenwärtig durch den Verkauf von Parzellen zu Baustellen um circa 50 Morgen ver¬

1762 in Straußberg des dortigen Bürgers geboren und ein Sohn und Schlächter¬ meisters H. W. Bülow. Im Sommer des Jahres 1814 vermietheten die Bariatinski'schcn Erben das Schloß an den nach der Einnahme von Leipzig durch die Verbündeten gefangen genommenen König Friedrich August von Sachsen, welcher vom 26. Oktober 1813

gegenwärtig noch folgendes Bemerkenswerthc zu erwähnen. 1835 wurde ein zweiter Lehrer (Vorbrodt) angestellt und

verliehen.

Dieser war am 21. Oktober

1818 bis

1836 ein zweites Schulhaus, neben dem schon vorhandenen, erbaut. 1837 folgte dem Pastor Bülow (ch 1849) sein bisheriger Ad¬ junkt, der Pastor Erwin J ulius Koch im Amte. Letzterer, Sohn des gleichnamigen Predigers an der Marienkirche zu Berlin, wurde am 4. November 1803 daselbst ge¬

Juli 1814

im Königlichen Schlosse zu Berlin Dem Könige gefielen indeß die Ver¬ hältnisse in Berlin sehr wenig, weshalb er seinen Aufenthalt an einem Orte zu nehmen wünschte, wo er weniger der Gegenstand einer lästigen Aufmerksamkeit wurde. Er siedelte deshalb, be¬ gleitet von einer Ehrenwache von 1 Unterofstzier und 10 Mann von der Garde, am 26. Juli 1814 nach Friedrichsfelde über. Die Wachtmannschaft blieb im Orte und wurde aus der Küche Der König selbst, dem zuerst der Generaldes Königs beköstigt. Major von Watzdorf, später der General-Lieutenant von Sa hr atiachirt war, empfing in Fricdrichsfeldc verschiedene Deputationen

bis zum 26.

ringert. Für die Dorfgeschichte ist aus der Zeit von

Er

boren.

in

untergebracht worden war.

Berlin

besuchte

das

Joachimsthal'sche

Gymnasium

und bezog demnächst die Friedrich Wilhelm's

Am 2. Mai 1837 verheirathete er

Universität daselbst.

Wilhelmine Friederike, Amtsvorgängcrs Bülow.

mit Elise

sich

der Tochter seines

1840 wurde die Filial-Pfarre in Lichtenberg von derjenigen in Friedrichsfelde abgetrennt und zu einer eigenen Pfarre erhoben.

Sange

1854 brannten die Gehöfte der Bauern

und Raetz,

Bourgett'sche Büdner-

sowie die Amtsscheune und das

Grundstück nieder.

aus seinem Lande und lebte überhaupt niehr als König, denn als Gefangener. Er hatte eine zahlreiche Dienerschaft um sich,

1860 wurde das Predigerhaus abgebrochen und an Stelle

in ihrer altfränkischen Tracht, in Blau und Gelb, den Berlinern viel Veranlassung zum Spott gab. Vormittags pflegte

1864 wurde das Postamt errichtet. 1866 gründete der Apotheker Magnus Hube die Apotheke,

welche

promcniren und Nachmittags Spazier¬ fahrten nach den benachbarten Orten zu unternehmen. Bei seinem herablassenden Wesen erlangte er bald eine gewisse Popularität bei den Bauern, für welche der Aufenthalt des Königs überhaupt der König im Parke

deren jetziger Besitzer

zu

Diese fanden indeß eine Quelle ergiebiger Einnahmen wurde. Hof Fried¬ der Sächsische ihr Ende, als am 22. Februar 1815 richsfelde verließ und nach Wien übersiedelte. Bald darauf erwarben die Bariatinski'scheu Erben durch Kauf-Vertrag vom 10. Oktober 1815 das Domainen-Amts-

Vorwerk, welches sie mit dem Schloßgut vereinigten. Der ganze Complex wurde indeß schon 1818 an den Gutsbesitzer Johann Carl Sigismund von Treskow anderweit verkauft und durch

und

Treskow,

Besitzers

Carl von

Carlshorst

anlegte, be¬

jetzigen

trug das Areal des Ritterguts im Jahre 1853: in Friedrichsfelde . . 1345 M. 97 R., 376 „ 176 „ „ Biesdorf 1002 Carlshorst „ 157 „ — „ 3 „ in Kaulsdorf Sa. 2728 M. 70 R.

.... .... ...

nieder.

Julius Fiebelkorn



Stendal



Julius

(seit

1875),

(seit 1876), Engel (seit 1872), (seit

1875),

(seit 1876).

(Frühere Lehrer in Friedrichsfelde waren, soweit bekannt:

Stiebler, Schulz, Geyger, Vorbrodt, Born, Zim¬ mermann, Dümcrt, Heinrick, Salzmann, Roloff,

Gütern der Art durch das Gesetz vom 1. Juli 1823 und die Allerh. Verordnung vom 1. Juli 1825 ertheilt worden sind. Unter dem neuen Besitzer verlor das Schloß seine frühere Bestimmung als fürstliche Residenz; es wurde ein Cdelsitz. Der dazu gehörige Landcomplex erhielt durch Ankäufe bedeutende Ver¬ größerungen, und die Landwirthschaft wurde nach einem System betrieben, welches den Werth des Gutes von Jahr zu Jahr Mit Hinzurechnung neuer Erwerbungen Seitens des steigerte. des



Frl. Jda Strauß „ Elise Zemlin

dessen ehelicher Nachkommenschaft be¬

welcher auch das Vorwerk

Wilke I.

1870 die beiden Schulhäuser abgebrochen waren, wurde 1871 auf dem Grund und Boden derselben ein großes, massives, zweistöckiges Schulhaus erbaut und am 1. Oktober 1872 in Benutzung genommen. Die Schule ist sünfstufig mit An derselben fungiren z. Z.: 7 Klassen. Herr Johann Christoph Zemlin (seit 1866), „ Rudolph Keller (seit 1867),

finden würde, die Eigenschaft eines landtagsfähigen Rittergutes mit allen denjenigen Rechten und Befugnissen verliehen, welche

Erbnachfolgers des Käufers,

ist.

Nachdem

I.

S. von Treskow

Hell mar

1867 brannte das Gehöft des Kossäthen

Urkunde vom 7. März 1828 dem nunmehrigen von Treskow'schen Gute auf so lange, als sich dasiclbe in dem Besitz des C.

desselben

ein neues erbaut.

Schulz, Gutschmidt, Ahlers, Posselt, Lauth.) Der Erste Lehrer ist gegenwärtig zugleich Küster. dessen Vorgänger sind bekannt: Benjamin Müller (ewer. 1722), Christian Müller (von 1722 ab),

Stiebler

(ch

Als

1780),

Beck (1786),

Thalmann

(ch

1791),

Schulz (1792). Die große Zeit der Jahre 1870 und 1871 blieb die Einwohner

von Friedrichsfelde

auch

nicht ohne Wirkung;

auf viele

in den Reihen des siegreichen Heeres. Um für die zurückgebliebenen Familien besonders zu

brave Söhne standen

für

diese, sowie

sorgen,

brachten auf Anregung des Lehrers

Zemlin

die Be¬

wohner des Orts die verhältnißmäßig große Summe von 2000

145

Mark auf. Herr Zemlin veranlaßte, gestützt auf die Gesinnung feiner Mitbürger, in nicht hoch genug anzuerkennendem Patriotis¬ mus weitere Sammlungen zum Zwecke der Errichtung eines Denkmals für diejenigen Krieger aus Friedrichsfelde, welche in den Jahren 1866, 187Q/71 ihr Leben dem Vaterlandc zum

Opfer gebracht hatten. Die Sammlung hatte den gewünschten Erfolg, und das dem Dorfe zur großen Zierde gereichende Denk¬ mal konnte am 18. Oktober 1876 eingeweiht werden. Dasselbe ist 17 Fuß hoch, aus weißem Marmor von dem Bildhauer Thie in Fürstenwalde gefertigt und besteht aus einem viereckigen Sockel, auf dem sich eine von einem schwarzen Adler gekrönte Säule erhebt. Die Vorder- (Süd-) Seite des Sockels zeigt das Eiserne Kreuz mit der Inschrift: Friedrichsfelde feinen

in

Mögen solche patriotische Kundgebungen der Friedrichsfelder Einwohner in ihren fernsten Nachkommen dankbar fortleben! Das Dorf mit dem Rittergute steht unter der Jurisdiktion Kreisgerichts des in Berlin, in militärischer Beziehung unter dem

Kommando des 1. Bataillons (Neustadt E.-W.) 7. Braudcnb. Landw.-Regts. Nr. 60. In Verwaltungs-Angelegenheiten sind der Amtsvorsteher (z. Z.

Behörden.

Mit 1787

Den Lebenden zur Anerkennung; Den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung."

Folgendes Verzeichniß überliefert der Nachwelt die Namen

Auf der Ostseite: 1866. 2. Garde-Regt. zu Fuß, gefallen bei König-

Juli. Carl Metzdorf, Brandend. grätz am 3.

Füs.-Regt. No. 35, verw. bei Königgrätz, gest. am 11. August. Wilhelm Ballwey, Musketier der 6. Comp. Brandend. Jnstr.-Regt. No. 35, gest. am 6. August.

Schulzen sind seit dem Jahre

dem Ehrenamte eines

nach einander bekleidet gewesen:

f

Michael Löper — 1810. 25. Mai 1817, Christian Löper 1810—1840,

Carl Wilke 1840-1841, Christian Pahl 1841—1844, Carl Fehmcr 1845 — 1849, Ludwig Raelz 1849—1852, Johann Lindner 1852—1872, Rudolf Pahl 1872—1874, Carl Wilke 1874—1876, Wilhelm Fehmer 1876, noch gegenwärtig

1870 u. 1871. Wilhelm Budach, Brandenb. Füs.-Regt. No. 35, gef. bei Mars la Tour am 16. August. August Salz mann, Brandenb. Füs.-Regt. No. 35, verw. bei Mars la Tour am 16. August, gest. den 30. Septbr. Wilhelm Porth, 60. Jnf.-Regt., gef. bei Gravelotte am 18. August. bei

Gravelotte

als Ortsvorsteher

im Amte.

In

Auf der Westseite:

Carl Müller. 60. Jnf.-Regt., verw. am 18. August, gest. am 26. August.

der Ostseite des Denkmals ist am 18. Oktober 1874 Friedens-Eiche, und am 18. Oktober 1876 bei der Einweihung auf der Westseite noch eine Kaiser-Eiche gepflanzt worden.

Widmung:

„Den Gefallenen zum Gedächtniß;

A.

Auf

eine

nim'schen Kreises

gefallenen Söhnen.

Carl Lindicke,

10. Mai 1871

Treskow), der Landrath des Niedcr-Bar(z. Z. Geh. Ob.-Reg.-Rath Scharnweber) und die Kgl. Regierung in Potsdam die unmittelbar zuständigen

den

der Rück- (Nord-) Seite dagegegen befindet sich die

der Gebliebenen.

gest. am

Rittergutsbesitzer v.

Jahren 1866, 1870 u. 1871

Auf

W. Kietz er, 3. Garde-Garnison-Rcgt., in Mainz.

welchem erfreulichen Maaße sich das Dorf vom Anfange Jahrhunderts an gehoben hat, zeigen die Tabellen des Kgl. Statistischen Bureaus. Darnach hatten Dorf und Ritter¬ gut Friedrichsfelde: 1801 Einwohner 479 1837 Einwohner 923 1820 596 1840 1092 .. 1822 859 1843 1128 ., „ 1825 885 1846 1228 „ „ 1828 907 1849 1302 „ „ 1834 889 i 1852 1336 „

dieses

j

146

1867 Einwohner 1975 1855 Einwohner 1405 1567 1871 %,. 2170 „ 1858 1875 %2 . 3078 1663 1861 „ 1827 1864 .. Was die Zahl der Gebäude betrifft, so läßt sich, da bei den verschiedenen Zählungen verschiedene Grundsätze angewandt wurden, nur nach nachweisen, daß in Friedrichsfelde 1801 68 Feuerstellen, . 135 Wohnhäuser, 1856

..

... ...

1858 . . . 260 Gebäude, 299 1861 vorhanden waren. 1864 . . . 320 „ Die Zählungen des Viehes ergaben 1861 . . 158 Pferde, 330 Rinder, 1055 Schafe, 330 Schweine, 282 Ziegen. 286 Pferde, 223 Rinder, 1122 Schafe, 262 Schweine, 1873 321 Ziegen. Bei der letzten Zählung (1873) wurde auch das Vorhanden¬ sein von 120 Bienenstöcken constatirt. Neben diesem urkundlichen Material geben die verschiedenen Restaurationslokalc, von denen sich die Gasthäuser „Zur Kaiserin" in der Wilhelm-Straße von Carl Maykowski und das „SchloßRestaurant" von

Louis Jahn

durch einen schönen Garten aus¬

mit den Restaurationen von Bourgett, Salzmann, und Ficting in der Wilhelm-Straße, von Kohlhaase (Kaisergarten), Schulz und Hermanni in der Schloß-Straße, zeichnen,

und

Barthold, Fiedler, Weimann

und

und

Hoffmann

Vortheil¬ (Hoppegarten) in der Berliner Straße eines haften Rufes erfreuen, ein beredtes Zeugniß für das stetige Auf¬ äußerst

blühen des Ortes, welcher im Laufe der Jahre ein gern gesuchter Aufenthalt der Berliner geworden ist. Besonders anziehend ist der prächtige Schloß-Park, in welchem jedem anständig Gekleideten

der

Eintritt unter

der sehr gerechtfertigten Bedingung gestattet

ist, Nichts abzupflücken,

in

den Wegen zu bleiben und keine Hunde

Wenn trotzdem der Besuch des Ortes nicht in

mitzubringen.

dem Maaße stattfindet, wie

er

in

den nach

anderen Himmels¬

richtungen von Berlin aus gelegenen Ortschaften beobachtet werden kann, so liegt daran einzig und allein die geringe Verbindung zwischen der

Stadt und Friedrichsfelde.

Hätte die König!. Ost¬

bahn daselbst eine Haltestntion errichtet, so würde das Dorf den¬ selben ungewöhnlichen Aufschwung gewinnen, deffcn sich die übrigen

Dörfer um Berlin

zu erfreuen haben.

Die Anlage einer Halte-

stativn ist dem Vernehmen nach an den überaus hohen Preisen gescheitert, welche die Friedrichsfclder Grundbesitzer für die Ab¬ tretung des nothwendigen Terrains zur Bahuanlage gefordert haben sollen. Gegenwärtig vermitteln die stündlich von Berlin (Alexander-

Platz) nach Friedrichsfelde und zu gleicher Zeit von dort nach der Stadt coursirenden Omnibuffe des Restaurateurs L. Jahn eine regelmäßige

Verbindung.

Häufig wird Friedrichsfelde von Kranken besucht, welche bei Der erste dem „Schäfer" Heilung von ihren Leiden begehren. sog. „Schäfer" in Friedrichsfelde hieß Johann Thieme, war ein dortiger Büdner, der in seiner Jugend als Schäfer fungirt hatte, und eines bedeutenden Rufes als Hülfe bei äußeren Schäden genoß. Nach seinem, 1850 erfolgten Tode setzte sein Sohn Gott¬

fried Thieme brechen

fort und

das Werk der Heilung von Schäden und Ge¬ er erfreut sich, da

ihm mannigfache Kuren

glückt sein sollen, eines weithin verbreiteten

vom Kaiser

Napoleon

nach

Rufs. Paris citirt worden,

Er

ge¬

ist selbst

besitzt gegen¬

wärtig auf der

Chaussee

(Berliner Str. Nr. 8) eine

eigene Heil¬

anstalt und ist vielen Leidenden ein rettender Helfer geworden.

Für die Geselligkeit und

den

Willen

nach

geistiger Fort¬

Es existirt ein landwirthschaftlicher Verein (Vorsitzender Kunstgärtner Radicke), ein Handwerker-Verein (Vors. Lehrer Fiebelkorn), ein Gesang-Verein „Eintracht" (Dirigent Herr Siegel), sowie ein Handwerker-Gesang-Vercin (Dirigent Lehrer Keller); auch besteht im Orte ein Sterbekassen- und Kranken-Verein. Unter diesen erfreulichen und willkommenen Verhältnissen würde das Dorf Friedrichsfelde als der angenehmste und ge¬ selligste Aufenthalt in der Umgegend Berlins angesehen werden können, wenn nicht die Landplage der sog. italienischen Musikanten Möge die Obrigkeit, und der sich auch hier eingenistet hätte. Dank Tausender würde ihr werden, baldigst durchgreifende Mittel finden, diesem im Umkreis von 2 Meilen von Berlin verbreiteten bildung

sprechen die

im Dorfe

bestehenden Vereine.

Unwesen nachhaltig zu steuern.

Nachtrag. Als im Jahre 1726 der König das

s.

g.

Limultuneum in

Friedrichsfelde einzuführen befohlen hatte, protestirte hiergegen der

Propst

Roloff

und führte in seiner Jmmediat-Vorstellung wört¬

lich an:

„Es

in meinem Gemüth un¬ überwindliche Schwierigkeiten, welche hiermit Ew. Kgl. Maj. in aller Unterthänigkeit vor Augen zu legen für nöthig erachte, in der gewissen Zuversicht, Ew. Kgl. Maj. werden solches in geben sich dieser Sache wegen

Gnaden anzunehmen geruhen."

Auf

diese Eingabe, welche

Roloff

mit einer Reihe

theo¬

logischer Bedenken unterstützte, wurde ihm folgende Allerhöchste

Bescheidung:

„Wohlehrwurdigcr, lieber, Getreuer. Ich habe Eure Vor¬ stellung vom 8. dieses, warum ihr meint, daß das Simultaneum in der Kirche zu Friedrichsfelde nicht könne introduzirt werden, erhalten, und ist Euch darauf in Antwort, daß Ich Euer Einwenden nur vor Possen halte. Ich halte beide Re¬ ligionen einerlei zu sein und finde dabei keinen Unterschied, will also, daß es bei meiner Ordre verbleiben soll. Wusterhausen, den 10. Sept. 1726. Ten König muß die Roloff'sche Protestatiou ungemein ver¬ drossen haben, denn der

offiziellen Bescheidung fügte er folgenden

Nachsatz eigenhändig bei:

„Der

Unterschied zwischen unseren beiden Evangelischen Re¬

ligionen ist wahrlich ein Pfaffengezänk, denn äußerlich ist ein großer Unterschied, wenn man es examiniret, so ist es derselbige Glaube in allen Stücken, sowohl der Gnadenwahl, als heiligen Abendmahl, nur auf die Canzel, da machen sie eine Sauce, eine saurer, als die andere, Gott verzeihe allen Pfaffen, denn die werden Rechenschaft geben am Gericht Gottes, daß sic

Schulratzen aufwiegeln, das wahre Werk Gottes in Uneinig¬ was aber wahrhaft geistliche Prediger sind,

keit zu bringen,

die sagen,

daß man sich soll einer den

andern dulden und

nur Christi Ruhm vermehren, die werden gewiß selig, aber es wird nicht heißen, bist du lutherisch, bist du reformirt, es wird heißen: hast du meine Gebote gehalten, oder bist du ein braver Disputator gewesen, es wird heißen: weg mit die letzten zum Teufel in's Feuer; die meine Gebote gehalten, kommt Gott gebe uns allen seine Gnade zu mir in mein Reich. und gebe allen seinen evangelischen Kindern, daß sie mögen

147 seine Gebote halten und daß

Gott möge zum Teufel

schicken

alle die, die Uneinigkeit verursachen.

Friedrich Wilhelm." Das Liinultaneuin wurde nun in Friedrichsfelde eingeführt, und gab dies dem Markgrafen Albrecht Friedrich Veranlassung, der Kirche eine massiv silberne Weinkanne, einen vergoldeten sil¬ bernen Kelch und einen silbernen Oblaien-Teller zu schenken.

Sämmtliche Gegenstände tragen das Markgräflich BrandcnburgSchwcdt'schc Wappen und folgende Inschrift:

V. 6-. G.

auch der großen

Menge der Geistlichen würde man Unrecht thun, wenn man ihnen den Gedanken unterschieben lvollte, sic hätten nur so gethan, als glaubten sic an das Wunder. Der Erzbischof von Magdeburg sowie die Bischöfe von Lcbus und Brandenburg, denen der Havclberger Bischof unter Beifügung des an Ort und

Stelle aufgenommenen Protokolls die Wilsnacker Vorgänge zunächst amtlich meldete, erließen darauf folgenden, für die Ausbreitung der Wundermähr höchst bedeutungsvollen Ablaßbrief (Klöden, a. a.

Albrecht Friedrich P. i. P. M. z. B. Bei Einführung des Simultani in der Kirche zu Friedrichs¬ felde. D. 20. Octob. 1726.

O. S. 98):

„Im Namen des Herren, Amen. Barmherzigkeit Erzbischof zu Magdeburg, Lebus,

Dietrich,

Bischof

Albert, durch Gottes Johannes, Bischof zu zu Brandenburg, und Dietrich, Bischof

zu Havelberg, allen Christgläubigen, an welche unser gegenwärtiges

Schreiben gelangen wird, ewiges Heil im Herrn! Weil wir alle, wie der Apostel sagt, stehen werden vor dem Richterstuhle Christi., sich in seinem Leben verhalten hat, entweder Böses oder Gutes, und wiederum der so reichlich säen, auch reichlich das ewige Leben ernten wird, so müffen wir dem

zu empfangen, wie ein Jeder

Das Wunderblut ;u Wilsnack. Kulturhistorische Skizze von

Tage der letzten Ernte mit Werken der Barmherzigkeit zuvorkommen. Da wir nun bemerken die offenkundigen Wunder, welche in der

T. Dräselie.

(Fortsetzung.)*)

Die

ununterbrochen

folgenden Wallfahrten frommer Christen aus allen Theilen Deutschlands und der Nachbarländer nach Wilsnack, wo Zeichen und Wunder geschahen, setzten die armen Bewohner des Ortes bald wieder in den Stand, ihre eingeäscherten NUN

Heimstätten

und stattlicher, als sie früher gewesen, wieder¬ Die reichen Spenden, welche von den Pilgern zum Bau eines würdigen Heiligthums dargebracht wurden, führten schon in den nächsten Jahren zur kräftigen Inangriffnahme des besser

herzustellen.

Baues, der, wie zuvor schon erwähnt wurde, durch den kunstsinnigen Havclberger Bischof Johann III. in herrlicher Weise ausgeführt

An der Wirklichkeit des geschehenen Wunders und an Wahrheit seiner an Kranken und Siechen gethanen Heil¬

wurde. der

zweifelte zunächst Niemand. Zwar fehlte es gar bald damals unter der Geistlichkeit und den hohen Würdenträgern der Kirche nicht an Leuten, welche das angebliche Wunderwerk

kräfte schon

als eine Betrügerei habsüchtiger Pfaffen darstellten. Allein im Allgemeinen lag den Menschen damaliger Zeit Zweifelsucht fern; gern und willig beugte sich der Märker, ein frommer Sohn seiner Kirche, in ehrfurchtsvoller Scheu vor allen Satzungen und An¬ ordnungendes Clerus, — auch damals, als derselbe in Folge einer ganzen Reihe wichtiger Ursachen, unter denen nicht als die geringste das mehrmalige Auftreten des „schwarzen Todes", der durch die Lande ziehend,

und der Sitte zer¬ furchtbar entartet war. Aber

alle Bande der Zucht

riß, genannt werden muß,

schon

*) Anmerkung. Ueber die in der Skizze über das Wunderblut zu Wilsnack von mir benutzten Quellen sei nachträglich bemerkt, daß dieselben aus einer Reihe alter handschriftlicher Wilsnacker Auszeichnungen bestehen,

zu denen

für

den

in Nr.

13 des

„Bär"

abgedruckten Theil,

namentlich was die Ausführung einiger Einzelheiten betrifft — denn die Anordnung und Darstellung der Thatsachen ist nach dem nicht unwesentlich abweichenden Wilsnacker Manuscript gegeben, — Kloden's „MarkBranden-

burg unter Kaiser Karl

IV.", Berlin,

Weidmann 1846,

S. 80—97,

hin¬

zugezogen ist.

Inwieweit jene Aufzeichnungen eine von der später noch zu nennenden, alles Quellenmaterial vereinigenden Schrift des Havelberger Domdechanten Matthaeus Ludecus „Historia von der erfindung, Wunderwerken und erstörung des vermeintlichen heiligen Bluts zur Wilssnagk" vom Jahre 1586 unabhängige Tradition enthalten, vermag ich jetzt, nach 22 Jahren, zu welcher Zeit mir jene wichtige, höchst seltene Schrift auf kurze Zeit zur Hand war, nicht mehr zu sagen.

gewaltsamen Verbrennung der Pfarrkirche Sanct Nicolai zu Wilsnack (so von einigen Kindern der Bosheit mit Hintenansetzung der Furcht Gottes und aller Ehrerbietung verursacht unser

ist,) Herr Jesus Christus au seines heiligen Leibes Sacrament gethan hat, daß an dreien Hostien, welche von dem Pfarrherrn genannter Kirche vor dem Brande consecrirt und acht Tage nach dem Brande auf dem Altar im Corporale unversehrt wunderbarer Weise gefunden worden, an einer jeglichen Hostie gesehen sind offenbare neben noch andern Zeichen und Mirakeln, welche der allmächtige Gott an bemeldetem Orte wirkte: so wollen wir

Blutstropfen,

Allen und Jeden, die wahrhaftig Buße thun und Leid tragen und genannten Ort Wilsnack und den Leib des Herrn allda in Demuth und Andacht besuchen, ertheilen für das Passiren einer jeden Meile Weges 40 Tage Ablaß im Hin- und Weggehen; und so oft er um den Kirchhof der erwähnten Kirche geht, gleich¬ falls 40 Tage, und so oft er vor dem Sacramente niedcrkniee und betet, wiederum 40 Tage, welchen wir obengenannten Bischöfe ihnen gnädiglich im Herrn ertheilen. Daniit aber am Frohnleichnamstage und die

folgenden acht Tage nachher bcmcldeter und betrachtet werde, so wollen wir über gedachte Special-Privilegien noch 40 Tage, ein jeder für sich mehr Ablaß austheilen denen, so zu der Zeit anhero in wahrer

Ort fleißiger

besucht

Taufe kommen und Messe hören u. s. w. Gegeben im Jahre 1384, zwei Tage nach Oculi (18. März) unter unsern Siegeln." — Besonders war es Bischof Dietrich von Havelbcrg, der durch warme Empfehlungen des wundcrthätigcn Blutes und des an seine Verehrung geknüpften reichlichen Ablasses, sowohl in dem

Obhut unterstellten Sprengel, als auch in denen seiner benachbarten und befreundeten Amtsgenoffen die Wallfahrten nach Wilsnack ganz ungeheuer in Aufnahme brachte. Auch sonst sorgte er, u. A. durch Schenkung einer kostbaren Monstranz zur seiner geistlichen

Aufbewahrung der heiligen Hostien, für würdige Ausstattung des bei den alljährlich zahlreicher werdenden Wallfahrtsprozessionen zu entfaltenden äußeren Gepränges.

Für die Entwickelung und

das Aufblühen des Ortes aber war jene seine Maßregel von der tiefgreifendsten Bedeutung, durch welche er dem Dorfe die haupt¬

Stadt verlieh, während eigentliches Stadt¬ recht, und zwar noch mit Beschränkung, Wilsnack erst 1471 erhielt. Ein ganz ungeahntes Leben entfaltete sich plötzlich in dem immer

sächlichsten Rechte einer

148 mehr zu einer fast europäischen Berühmtheit aufsteigenden Orte. Hatte der Bauer bisher mit Pflug und Hacke dem sandigen unergiebigen Boden seiner heimischen Feldmark nur spärlichen

Ertrag abgerungen,

so

winkte ihm jetzt ein leichterer, lohnenderer

Verdienst, er ward Gastwirth und Herbergsvater.

Und schwung¬

voll fürwahr wußten die Bauern dieses neue Gewerbe zu betreiben, Sommer und Winter ward der Ort nicht leer von Pilgern. Das sonst nur den Kirchen zustehende Asylrecht wurde von Verbannten und Verfolgten und allerlei Volk, deren Thaten das Licht der Sonne zu scheuen hatten, auf den ganzen Ort übertragen,

— ein Verfahren, das nothwendig

schwere Uebelstünde

im Gefolge

hatte und dem Ansehen des heiligen Ortes ganz entschieden schadete, so daß Papst Bonifacius sich veranlaßt sah, durch eine im

Jahre seines Pontificats von Rom aus erlassene besondere Bulle derartigen Menschen den Aufenthalt in Wilsnack zu verbieten; selbstverständlich ohne den geringsten Erfolg, da die Verbrecher achten

wohl hüteten, als solche sich selbst zu melden, und eine weitere genaue Controle der ab- und zuziehenden Pilger unmöglich war. Handel und Wandel nahmen in Wilsnack einen höchst erfreulichen Aufschwung; man sah es den behäbigen Bewohnern an, daß es ihnen sehr wohl erging. In den geräumigen Vorhallen ihrer neuerbauten Häuser, die nach der Sitte der Zeit — welche leider sich

Vor Allen die Armen brauchten

ihres Weges.

sich

das

für

den

Erlös des glänzenden Erinnerungszeichens aufgewendete Geld nicht leid sein lassen, denn jenes öffnete ihnen aller Orten gastliche Thüren, mildthätige Herzen und Hände gewährten ihnen, den für sündenrein und besonders Gott wohlgefällig Gehaltenen, gern Obdach und sorgten reichlich für ihres Leibes Nahrung und

Nothdurft. Der Verkauf dieser Zeichen brachte daß Bischof

Johann III.

so

reichliches Geld ein,

(1385—1401) von Havelberg in

einem besonderen, aus Wittstock, wo er sich größtentheils aufhielt, vom Jahre 1396 datirten Schreiben bestimmte, wie es mit diesem

Ein Drittheil sollte zur Erhaltung Drittheil für die Bauten Kapitels, das dritte aber theils für die

Gelde gehalten werden sollte.

der bischöflichen Gebäude, das andere des Propstes und des

Havelberger Stiftsgebüude, theils zu Meßgewändern und Kirchengeräthschaften, sowie zur Anschaffung und Erhaltung der nöthigen

Bücher verwendet werden. so reich

Dies

letzte

Drittheil

aber war noch

bemeffen, daß derselbe Bischof die prächtige Kapelle in

Wittstock davon erbauen, den hohen Chor des Domes zu Havel¬

erneuern,

berg

umgrenzen und

mit prachtvollen



sandsteinernen

Chorschranken

worüber Genaueres und Ausführlicheres in

Theodor Becker's

höchst

verdienstlicher

„Geschichte

des

in unseren Tagen fast ganz geschwunden — zum unterscheidenden Merkmal für diePilger, mit bunt bemalten Schildern und besonderen

Bisthums Havelberg" (Berlin, 1870. Wilh. Schultze. sowie in Oskar Schweb el's mit bewundernswertster historischer

„zum doppelten Adler", „zum Löwen", „znm Bären", „zum goldenen Kelch", „zum weißen Roß", „zum rothen Ziegel" rc. geziert waren, legten Handelsleute ihre Waaren Mit Jubel sah mau stets die Züge schwer beladener aus. Kaufmannswagen aus dem Dunkel der den Ort fast von allen Seiten dicht umgrenzenden Waldungen hervortauchen und dem Städtchen sich nahen. Sie kamen oft weit her, fern aus dem Süden Deutschlands, von Nürnberg, Augsburg und Ulm; stolze

Gelehrsamkeit nicht minder, wiemit poetischem, kunstverständigem

bleiernen Zeichen gegoffen und geweiht wurden. gehen die Ueberlieferungen freilich auseinander.

Kaufherrn nicht minder aus den edlen Geschlechtern der

richten zufolge soll die

Namen,

wie

beherrschenden Hansastädte des deutschen Nordens eilten

meer¬

mit jenen

nach Wilsnack, um dort Jahrmarkt abzuhalten, wofür der Obrig¬ luftigen Zelten dort rings um keit reiche Abgaben zuflössen. Aufenthalt in festeren Baracken längerem bei oder herum, Kirche die

In

und gemietheten Hausräumen, sehen wir sie still geschäftig den reichen Inhalt ihrer schwerfälligen Reisewagen vor den Augen der schaulustigen Pilger entfalten. Alles ist hier zu haben, von

Sinne

und in

schwungvoller

Sprache entworfenen

„Kultur¬

historischen Bildern aus der alten Mark Branden¬ burg" (Berlin, 1877. Alfred Weile) S. 56—63 zu finden



die ganze Kirche stilvoll restauriren lasten konnte.

Hier auf dem Dom zu Havelberg war

so

es

auch, wo die

Ueber den

Ort

Einigen Nach¬

einträgliche Industrie in einem besonderen

nach anderen auf der sogenannten Mönchsstube im Thurme des Domes betrieben worden sein. Eine dritte Ueber¬ lieferung verlegt den Ort derselben in die uralten Kellergewölbe der jetzigen Dom-Superintendentur, deren eigenthümliche Beschaffen¬ heit allerdings die Nachricht als eine höchst glaubwürdige

Häuschen,

erscheinen läßt.

(Schluß folgt.)

Gegenständen des täglichen Gebrauchs bis hinauf zu den feinsten Erzeugnisien des Luxus; doch erinnern Rosenkränze in

Wann fand die letzte Ausstellung am Pranger statt?

allen Größen und Qualitäten, Lämmer von Wachs, Krueifixe, Marien- und Heiligenbilder in erster Linie an die specifisch kirchliche Bedeutung des Orts und seines doch so oft recht lustigen,

Die unterzeichnete Direction ersucht, die vorstehende Frage an das beantworten zu wollen, wendete sich am 5. April d. Chefpräsidium des König!. Kammergerichts und erhielt am

den

ungeistlichen Treibens, von

dem unser Luther ein Klagelied zu

Alles dieses ist längst verschwunden. Nur der sehrPferdemarkt, der bedeutendste in der Mark Wilsnacker bedeutende Brandenburg, erinnert noch heutigen Tages an jene für Wilsnacks Handel und Wandel wichtigsten Decennien. Eine besonders ergiebige Einnahmequelle für das Havelberger Bisthum war der Verkauf gewiffer bleierner Zeichen, einer Art Schau- oder Gedenkmünzen, die, in der Form einer Hostie und mit drei roth gefärbten Flecken wie Blutstropfen gezeichnet, von den hinreisenden Pilgern, nach pünktlicher Lösung ihrer Gelübde singen weiß.

und sonstigen religiösen Obliegenheiten, gekauft werden mußten. Auf den Hut gesteckt, legten sie schon von ferne Zeugniß ab von der Frömmigkeit ihrer Besitzer; überall ungehindert zogen diese Verlag von

Alfred Weile in Berlin. —

I.

23. v. M. folgnede Antwort: „Auf die gefällige Anfrage vom 5. April d.

I.

haben

„darüber, wann hier die letzte öffentliche Ausstellung am Pranger „stattgefunden? Ermittelungen sowohl bei dem Stadtgericht, als „auch beim Kreisgericht und beim Kammergericht stattgehabt. „Sie sind aber leider erfolglos geblieben." — Es ist anzunehmen, daß noch Zeugen leben, welche die letzte Anwendung des Prangers Hierselbst mit angesehen haben; wir wenden uns daher im kultur- und rechtsgeschichtlichen Interesse an unsere Mitbürger mit der Bitte, uns bei der Beantwortung

der aufgeworfenen Frage zu unterstützen.

Direction des Märkischen Provinzial-Museums. Senil JfcitiW, Stadtrath.

Verantwortlich für Redaction: Ferd. Meyer in Berlin. — Druck von W.

Pormetter in Berlin.

Unter Mitwirkung von Dr. Brecht, Prof. Dr. Baulus Kassel, Stadt-Archivar Kidicm, Weod. Iontane, Stadtrath H. Kriedel, Freiherr Dr. von Ledebur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schwebe! in Cüstrin

Geh. Regierungs-Rath rc. rc.

herausgegeben von

George

MM

und

Ferdinand Meyer.

Das Blatt ist durch alle Buchhandlungen und Postämter, sowie durch die Expedition (Bahnhofstr. 1) zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Verlagshandlung von Alfred Weil.e in Berlin zu senden, welche sie der Redaction übermitteln wird. — Inserate, pro 3gesp. Petitzeile 25 Pfg., werden von den Herren Haasenstein u. Vogler, Rud. Mosse,

Bernh. Arndt,

sowie von der Verlagshandlung entgegengenommen.

Inhalt.

Die französische Kirche zu Schwedt und ihr Stifter. Von Th omae. — Zur Geschichte des Botanischen Gartens in Berlin. Von (Schluß.) — Das Wunderblut zu Wilsnack. Kulturhistorische Skizze von I. Dräsekc. (Schluß). — Der Hiinensticg im Beetzsee bei Brandenburg a.H. Von Gustav Stimming. — Die erste Erwähnung des Berliner Weißbiers. Von Or. Kuntzemnllcr.

Dr. C. Bolle.

Die fraiiMlche Kirche m Zchwedt und (Nach Tlwmae Geschichte der

J}tm untern

Ende

rechtsseitigen

der

Stadt und Herrschaft Schwedt.

schönen

Schloßfreiheit

Berlin 1873.

Sohn Prinz

ihr Stifter.

Puttkammer und Mühlbrecht.)

Philipp Wilhelm

in den Besitz der vereinigten

der Oderstadt Schwedt, halb hinter laubigen Bäumen versteckt,

Herrschaft, welcher das von der Mutter zur Residenz begründete

zum Theil von diesen überragt, steht ein kleines Gotteshaus, die

Schloß zu Schwedt durch Anbau eines Flügels erweiterte und

sogenannte

französische Kirche.

Dieselbe ist fast kreisrund und

trägt auf ihrem kuppelförmigen Dache einen kleinen Glockenthurm und über einer ihrer Thüren in vergoldeten Lettern ihren Ge¬ burtsschein. Nach demselben hätte die sonntäglich in ihren Mauern sich

versammelnde kleine Gemeinde das Recht oder die Verpflich¬

tung, im laufenden Jahre das hundertjährige Bestehen ihres Gotteshauses zu feiern, wenn auch die Eiuweihung desselben erst zwei Jahre später erfolgte. Wenn wir aus diesem Anlasse dem

in seiner Erscheinung anspruchslosen Gebäude, an tonem Dasein

jetzt

diese Gedenkzeilen

ein Jahrhundert

widmen,

so

dessen mono¬

vorübergerauscht ist,

geschieht

hier

dies vorzugsweise mit

Die erwähnte Inschrift lautet:

TEMPLÜM. DEO. TER. OPTIMO. MAXIMO. EX. YOTO. DICATÜM. A. PRlDERICO. HENRICO. PRIN¬ CIPE. BORÜSS): ET. MARCH: BRAND: MDCOLXXVII. von Preußen

und Markgraf von Branden¬

Friedrich Heinrich war

der letzte in der Reihe der drei

Dieser Prinz

sogenannten Markgrafen von Schwedt.

Dieselben stamniten aus

des großen Kurfürsten mit seiner zweiten Gemahlin Dorothea, welche, als fürsorgliche Mutter ihrer leiblichen Kinder bekannt, in den Jahren 1679 und 1680 die Herrschaften Schwedt und Wildenbruch zu einem Familiengute für ihre männlichen

der Che

Nachkommen ankaufte.

Nach ihrem Tode

trat

zunächst

innerlich und äußerlich ausbaute und verschönerte, obwohl

ihn seine hohe militärische Stellung und die Feldzüge gegen die Franzosen, in welchen er sich mit Ruhm bedeckte, vielfach von demselben fernhielten. Mit seinem Ableben (1711) fiel die um¬ fangreiche Besitzung an den älteren seiner Söhne, den 1700 ge¬ borenen Prinzen Friedrich Wilhelm. Dieser gab dem Schlosse die Gestalt, schönerte die

in der

es sich

heute unseren Blicken zeigt, und ver¬

gesammte Umgebung desselben,

besonders die Frei¬

heit. legte auch den Park Monpläsir an, der noch heute eine Zierde der Stadt bildet. Im übrigen lebt er vermöge seiner eigenthümlichen Charakterbildung noch heute im Andenken der

Einwohner der ehemaligen Herrschaft als „der tolle Markgraf" fort. Da es demselben nicht vergönnt gewesen war, einen Sohn

Rücksicht auf den fürstlichen Erbauer des Tempels.

burg

dasselbe

ihr ältester

groß zu ziehen, stehenden

so

trat

Bestimmungen

nach

sein

Prinz Friedrich Heinrich Genuß der Güter.

seinem Tode

(1771)

jüngerer Bruder,

nach den be¬

der

genannte

21. Aug. 1709) in den Beide Brüder, ebenfalls für den Dienst im (geb. am

hatten nicht den militärischen Geist und Sinn Vaters ererbt und ernteten in den großen Kämpfen ihrer Zeit keine Lorbeeren', wie ihre leiblichen Vettern, die Brüder Prinzen Karl, Friedrich und Wilhelm, von denen die beiden jüngeren in den schlesischen Kriegen den Heldentod starben, während der ältere später den Anstrengungen seines Heldcnlebens erlag. In seiner Stellung als Oberst und Kommandeur des Regiments Heere bestimmt, des

150

Nr. 12 in Prenzlau,

zu Fuß

Zufriedenheit

seines

Auch seiner

erwerben.

vermochte der

Prinz

sich

nicht die

königlichen Vetters Friedrich Wilhelm

Mutter bereitete

zu

er durch seinen Leicht¬

sinn vielfach Sorgen, weßhalb diese ihn mit ihrer Nichte Leo¬

poldine,

der Tochter ihres Bruders, des Fürsten Leopold von

Anhalt-Dessau, vermählte, deren Klugheit und Charakterfestigkeit Dadurch, daß den Prinzen von seinen Thorheiten heilen sollte. vorgeschriebene Nachsuchung

dieser die

des königlichen Konsenses

zur Heirath unterlassen hatte, zog er sich von neuem des strengen Vetters Unwillen zu, welchen der alte Dessauer als Schwieger¬ vater nur königliche

so

weit zu besänftigen vermochte, daß wenigstens die

Denn kaum war der Prinz Vermählung nach Prenzlau zurückgekehrt, so wurde

Einwilligung erfolgte.

nach seiner

ihm eine Musterung seines Regimentes angekündigt, nichts Gutes erhoffte.

verlasse mich"

„Ich



so

von der er

schrieb er da¬

mals in seiner Angst an den Schwiegervater — „auf Gott und Eure Durchlaucht, daß dieselben werden bei Gelegenheit als ein gnädiger Vater für mich und meine liebe Frau sprechen, welches das Einzige ist, was mich in der betrübten Situation, worin ich Wenn ich doch so glücklich wäre, ein Paar mich befinde, tröstet. Flügelmänner bei der Kompagnie zu bekommen, so ich dem Könige präsentiren könnte, so hätte ich Hoffnung, vielleicht auch ein gnädiges Gesicht zu bekommen. — Mich stehen die Haare Wo Euer Durchlaucht zu Berge, wenn ich an der Revue denke.

„retra-its" anwies, eine Bestimmung, welcher sich im Jahre 1751 mit schwerem Herzen fügte. (Eingehend sind die traurigen Schicksale der Prinzessin dargestellt in dem

Colberg als dieselbe

ihres Gemahles bearbeiteten Werkchen: Leopoldine Marie, Markgräfin von Brandenburg rc. Mit einer Photographie. Deffau und Von A. v. Witzleben. Ballenstädt. Verl, von E. Barth 1870.) Fast 31 Jahre hat

nach

den nachgelassenen Papieren

in der Verbannung gelebt, theilweise sogar in herbem Mangel, da ihr der Gemahl von den zu ihrer Unter¬ haltung bestimmten Jahresgeldern oft nur einen geringen Theil zahlte. Schwere Aengstigung und Sorge erlitt sie besonders im

die Markgräfin hier

siebenjährigen Kriege während der dreimaligen Belagerung der

wobei sie auch einen großen Theil ihrer Habseligkeiten verlor. Ihre einzige Freude bildete die Wohlthätigkeit, die sie trotz ihrer oft so knappen Mittel ausübte, sowie der briefliche Verkehr mit ihren Töchtern und Geschwistern und der persönliche Verkehr mit dem kolberger Hofprediger, so¬ Festung durch die Russen,

weit ihr solche Freiheiten von der ihr gesetzten tyrannischen Ober¬ hofmeisterin verstattet wurden. Erst im Jahre 1782 erlöste der mitleidige Tod die höhe Frau von ihren langjährigen Leiden und Sorgen.

— Die

denn bald darauf erhielt der Prinz Urlaub zu einer Reise nach Herford zu seiner Mutter, wenn ihm auch der Gebrauch der

lichst genußreich

Aachener Bäder

— Ein

als

unnütze Geldausgabe versagt wurde.

eine

Jahr später führte ihn die Beisetzung der Leiche Königs nach Berlin. Friedrich II. ernannte den Prinzen aus „besonderer Affection" zum Generalmajor und übertrug ihm bei Mollwitz die Führung des rechten Flügels; allein bald wurde dieser vom Kommando halbes

erzogen

und schieden bald hintereinander aus des Vaters Nähe; erstere

halt-Dessau ihre Hand.

soll."

in Berlin

trat im Jahre 1764 in das Stift zu Herford, letztere reichte im Jahre 1767 dem Fürsten Leopold Friedrich Franz von An¬

so weiß ich nicht, was ich armes Wurm machen Wiederum scheinen die schwiegerväterliche Fürsprache und die Beschaffung eines sechsfüßigen Rekruten und eines noch län¬ geren Flügelmanns den König gnädiger gestimmt zu haben;

nicht helfen,

beiden Töchter wurden

So

stand der

Prinz ganz allein, als er, bereits im 62.

Le¬

bensjahre stehend, durch den Tod seines Bruders in den Genuß der Herrschaft trat. Hatte er sich schon bisher das Leben mög¬ so that er dies jetzt in An Mitteln fehlte es ihm nicht, da seine Revenüen jetzt jährlich über 100,000 Thaler betrugen. Als Freund der Tafelfreuden gab er oft glänzende Feste, zu welchen er gern

und behaglich gemacht,

erhöhtem Maße.

des strengen

zahlreiche Gäste um sich versammelte, schon um den Glanz und Reichthum seines Hofes bewundern zu lasten, welcher die Höfe der anderen kleinen Fürsten im Heiligen Römischen Reiche über¬ strahlte. Um einen ihm lieb gewordenen Genuß nicht zu ent¬

entbunden und scheint auch später trotz seiner Bitten nicht wieder

behren, ließ er am Schloßgarten einen Musentempel erbauen,

zum aktiven Dienste herangezogen worden zu sein.

welchem vorzugsweise Opern und Ballette zur

Eine unglückliche Wendung nahmen auch die Familienverhältuiffe des Prinzen. In den ersten Jahren seiner Ehe, während welcher Lcopoldine dem Gatten zwei Töchter, die Prinzessinnen Friederike und Louise, gebar, hatte der gutmüthige Prinz die allmählich sich ausbildende Oberherrschaft seiner Gemahlin kaum

lichen Beamten waren zu einem wöchentlich zweimaligen Besuche

bemerkt, bis er, vielleicht von seiner Umgebung auf seine unrich¬

tige Stellung

im Hause

aufmerksam gemacht, das zehn Jahre

lang getragene sanfte Joch zur Verwunderung der Gemahlin plötzlich abzuschütteln versuchte.

Zu

häuslichen Unfrieden gesellte

bald gegenseitige, vielleicht gänz¬

sich

dem hierdurch entstandenen

werth sein," schrieb der Prinz an seinen Schwager, den regierenden Fürsten Leopold Maximilian, „daß mir die Erde trüge, wenn ich noch länger unter dem Pantoffel einer solchen eifersüchtigen caprilich

unbegründete Eifersucht.

Frau

„Ich würde

nicht

sollte." Die Ermahnungen und Vermitt¬ Königs sowie des Fürsten blieben erfolglos. Ter Wunsch beider Ehegatten nach einer Trennung fand bald Erfüllung dadurch, daß der König, nachdem der Bruder sich ge¬ weigert, die Schwester nach Deffau aufzunehmen, und der Prinz der Gemahlin den Aufenthalt zu Stolzenberg versagt hatte, welches ihr als Wittwensitz bestimmt war, jetzt der Prinzessin cieusen

lungsversuche

stehen

des

in

Aufführung kamen und eine treffliche Kapelle und tüchtige Sänger und Tänzerinnen thätig waren. Die Offiziere der Garnison und die markgräf¬ der Vorstellungen verpflichtet, und selbst die angekommenen Frem¬ den erhielten Einladungen zu denselben, weßhalb der

Wirth zum

Goldenen Hirsch täglich über den Zugang von Fremden rapportiren mußte. Der Prinz selbst besuchte das Theater regelmäßig

und spendete gern Beifall, obwohl ihn seine Schwerhörigkeit nur wenig von den Worten und der Musik verstehen ließ. Als ihm einst der Theaterzettel zu „Ariadne auf Naxos" überreicht wurde,

fragte er, denselben für unvollständig haltend: „Aber wer giebt den Naxos?" — Dieses glänzende, gastfreie Hofleben war es, was Schwedt damals den Ruf als „das lustige Städtchen an der Oder" verschaffte.

Einen ernsteren Zweck verband der Markgraf mit der Er¬ bauung der eingangs erwähnten Kirche. Zwar wollte die Fama misten, daß er in der Schlacht bei Mollwitz, vom Kanonenfieber geschüttelt, in einen Graben Schutz gesucht und hier das Gelöbniß zum Himmel gethan habe, eine Kirche zu erbauen und jeden 10. April mit strengem Fasten zu begehn, wenn er mit heilen Gliedern nach Hause kommen würde. Wenn nun berichtet

151 diesem Tage wie ein

Räumlichkeiten des Wohnhauses mußte das K. Herbarium weichen

einer solchen Gewissenhaftig¬

und im Universitätsgebüude eine viel bescheidenere Lokalität beziehen.

wird, daß er in der That alljährlich an Mönch gefastet habe, so ist es bei keit doch zu verwundern,

Jahre

nach seinem

er den

daß

Eintritt in

einfachen

Bau

erst

das Majorat ausführen ließ.

sechs

Es

ihn zur Erbauung des Tempels in erster Linie die Absicht veranlaßt habe, sich und der unter der Stadt¬ kirche beigesetzten Familie des Bruders hier eine letzte Ruhestätte zu bereiten und daß er jetzt ein in dieser Beziehung früher ge¬ thanes Gelübde erfüllte. Nach ihrer Fertigstellung überwies er dieselbe geschenkwcise der französischen Gemeinde, welche bisher die Stadtkirche mitbenutzt hatte; am 29. Aug. 1779 wurde das kleine Gotteshaus in Gegenwart des Markgrafen und seiner bei.den Töchter feierlich eingeweiht. Die vier Särge, welche die irdischen Ueberreste von seinem Bruder Friedrich Wilhelm, dessen Gemahlin und beiden Söhnen umschlossen, waren bereits in die neue Gruft übergeführt worden. Als seine eigene letzte Ruhe¬ scheint vielmehr, als ob

Prinz den großen, aus kararischem Marmor ge¬ arbeiteten Sarg rechts von der Kanzel aufstellen. Fast achtzehn Jahre lang hatte sich Markgraf Heinrich in körperlichem Wohlbefinden der reichen Güter erfreut, als ihn im 80. Lebensjahre eine Krankheit auf das Bett warf, von welcher er auch nicht wieder aufstand. Er verschied am 12. Dezember 1788. Nach seiner Bestimmung wurde seine Leiche zunächst ebenfalls in der Gruft der französischen Kirche beigesetzt. Cs geschah dies am 22. Dezember bei Fackelschein mit feierlichem Gepränge. Erst am 23. September 1794 wurde der Sarg aus der Gruft in den Marmorsarkophag gebracht, und dieser mit dem etwa 40 Centner schweren Deckel verschlossen. Der zweite Stein¬ sarg in der Kirche wurde später der Gleichmäßigkeit wegen auf¬ gestellt. Th. stätte ließ der



Zur

Geschichte des Königlichen botanischen Gartens

in sertin. Von Di-,

ffi. fjoDTc.

Auch aus

Institut

dieser ist dies reiche wissenschaftliche

wieder

vertrieben worden, um in den noch weit ungenügenderen Räumen eines

Privathauses

der

Friedrichsstraße

das

Erscheinen

einer

Zukunft abzuwarten. Da Se. Majestät der hochselige König Friedrich Wilhelm IV., der die den meisten Hohenzollern innewohnende Pietät für alte Bäume in erhöhtem Grade besaß, bei seinen häufigen Besuchen im Garten sehr lebhaftes Interesse für die bestehenden Baum¬ besseren

pflanzungen, sowie nicht minder für den nothwendig gewordenen

Bau

des neuen Palmenhauses an den

Tag legte,

lag es ihm

so

nahe, anzuordnen, die alten Baumbestände sollten in keiner Weise durch den Neubau vermindert oder beeinträchtigt werden.

Dieser

Befehl bedingte nothwendig die Vergrößerung des Gartens um beinahe das Doppelte. Für das Palmenhaus und ein neu anzu¬ legendes Arboretum ward auf der Westseite desselben, auf dem Wege der Expropriation, ein Terrain von ca. 17 Morgen

14—15000 Thlr. erworben und aus

für

dem Ertrage des Schützeschen

Grundstücks bezahlt, während der Rest von 43000 Thlrn. zum Bau des Orchideenhauses (1863) und des Farrnhauses (1875) affervirt, resp. später verwendet worden ist.

Bauten von Gewächshäusern

u.

s.

w.

des Gartens haben wir nur Sie bestanden, mit einigen Ausnahmen, aus nicht sehr dauerhaftem Material. Das erste Palmenhaus, mit kreisrunder Grundfläche von 43' Durchmesserund kegelförmigem Ober¬ bau von 34' Durchmesser und 36' Höhe, wurde nach Schinkel's Rissen im Jahre 1821 für etwa 12000 Thlr. erbaut; fiel aber als Holzbau sehr schnell der vollständigen Verwitterung anheim, so daß schon 1830 ein neues, 70' langes und 30' tiefes Palmenhaus, welches in der Mitte des Gartens seinen Platz fand, begonnen Es hat daffelbc etwa 15000 Thlr. gekostet. werden mußte. Bereits im Jahre 1838 war es zu niedrig für seine schnell

Von den älteren Baulichkeiten

ungenügende Nachrichten.

emporschießenden Insassen geworden; es mußte erhöht und vollständig

(Schluß.)

Linnä ihrer in (Sinne) Er¬ Die Dracaena Draco aber ist verschwunden. Sie wurde nach der Pfaueninsel übersiedelt, war aber dort schon in den späteren Lebensjahren Gustav Fintelmanns nicht mehr

reparirt werden, was abermals die Summe von 12000 Thlrnverschlang. Schon 1852 zeigte es eine so bedrohliche Baufüllig¬ keit, daß es in dieseni und dem darauf folgenden Jahre abgesteift werden mußte, um es gegen Einsturz zu sichern und bis 1858 zu Es war also in einem Zeitraum von 37 Jahren erhalten. allein für diese Holzbauten eine Summe von 39000 Thlrn. auf¬ gewendet worden, ohne daß mehr als das Mauerwerk in brauch¬ Man war gezwungen, an den barem Zustande übrig blieb.

vorhanden.

Neubau eines solideren Hauses ernstlich zu denken.

Ich zwei

habe mich

literarisch

bemüht, von den späteren Schicksalen jener

bedeutsamen Bäume

Fächerpalme (Chamaerops

Winterhause.

Dieselbe ist

außerdeni

Die im sogenannten

etwas zu ermitteln.

humilis, L)

steht noch

noch

dadurch merkwürdig,

seinen Werken

daß der unsterbliche

wähnung thut.

Areal

des

Gartens.

Das Areal, welches der Garten bis 1847 besaß, bestand aus dem ursprünglichen Terrain desselben von 26 Morgen, der so¬ genannten Teplitzwiese, von ca. 2 Morgen, welche in dem genannten Jahre zur Anlage des Schiffahrtkanals an den Fiskus verkauft wurde und dem ehemaligen Schützeschen Grundstück von etwa 4^ Morgen, welches in den fünfziger Jahren an den Zimmer¬ meister

und

Stadtrath Sommer für 43000 Thlr. verkauft

Da von dem auf Staatskosten in Brasilien reisenden Gärtner sowie in der Folge von Beyrich reiche Erwerbungen an Pflanzen in Aussicht standen, wurde für dieselben 1821 ein niedriges, 64' langes Gewächshaus erbaut; dann folgte das jetzt zum Abbruch reife alte Orchideenhaus. Von da ab bis zum Jahre 1843 geriethen die Räume für Pflanzen so in Verfall, daß Neu¬ bauten und gründliche Reparaturen vom Garteninspektor Otto

Sello,

beantragt werden mußten.

Nachdem die Anschläge,

welche eine

wurde, und zwar bald nach der Zeit, wo die K. Gärtnerlehranstalt

Bausumme von 27000 Thlrn. nachwiesen, durch den Minister

reorganisirt und auch die zweite Stufe derselben nach Potsdam verlegt worden war. Letzterer war bis dahin, unter Oberleitung des K. Jnstitutsgärtners P. C. Bouche, Vaters des jetzigen Garteninspektors C. Bouche, die Benutzung des Gartenlandes

Eichhorn

übertragen

gewesen.

Aus

den

eleganten

und

ansprechenden

genehmigt und das Geld flüssig gemacht worden war, wurde 1845 mit den Neu- und Umbauten begonnen und die¬ selben 1846 beendet. Drei Warmhäuser und ein Kalthaus, von resp.

64, 80, 55 und 48 Fuß Länge standen nun da, und zwar sondern aus Stein und

nicht aus vergänglichem Holzmaterial,

152 Eisen

konstruirt.

An

den

war eine bemerkenswerthe worden. Auf Vorschlag des Herrn

eisernen

Veränderung ins Werk gesetzt Inspektors Bouch6 unterwarf man dieselben insofern einer Ab¬ weichung don der bisher gültigen Regel, als keine einzelnen, aus Gußeisen bestehenden Fenster und keine Fenstcrsparren zur Anwen¬

dung

kamen,

sondern

die Glasfläche

aus

einzelnen Sprossen,

wurde, bestand — eine Banart, die sich sehr bewährt und welche nicht nur in Deutschland, sondern auch im Auslande viel Nachahmung gefunden hat. Sie hat sich bis jetzt erhalten und ist, Dank den Bemühungen ihres Erfinders, zwischen denen das

Glas

eingesetzt

in weiterer Ausbildung begriffen. Man kann dreist behaupten, daß dies eine Neuerung sei, durch welche der hiesige botanische Garten in der Person seines Vorstandes in den weitesten Kreisen reformatorisch für den Ge¬ wächshäuserbau gewirkt hat.

Im Jahre 1846 wurde das rechts vom Eingänge befindliche zweistöckige Haus, welches ein geräumiges Aufbcwahrungszimmer für Sämereien, Samenboden, Portierwohnung, Geschirrkammer und Gehülfenwohnung enthält, an Stelle eines alten, unansehnlichen einstöckigen Hauses erbaut und der darin befindliche Holzstall nach einem Hinterhofe verlegt. In den Jahren 1848 und 1851 wurden zwei niedrige, mit Abtheilungen versehene Häuser für kleine Kalt- und Warm¬ hauspflanzen, und 1852 das Victoriahaus erbaut, zu welchem allerdings nur die sehr geringe Summe von 600 Thlrn. außer¬ ordentlich bewilligt worden war. In dem letztgenannten, aus¬

haus besaß und alle Erfahrungen über die Warmhaltung eines

war der Bau ein nicht zu unterschätzendes den Erfolg indeß nicht ausblieb. Die Baukosten betrugen 35000 Thlr.; die der neuen Gartenmauer 6000 Thlr. Nachdem das alte Palmenhaus von Pflanzen entleert worden, stand es als sehr widerwärtige Ruine noch bis zum Jahre 1860, fehlten,

solchen

so

Wagestück, besten Rechtfertigung durch

wurde aber dann abgebrochen, und für die Bausumme von 4000 Thlrn.

in den gegenwärtigen Zustand für die

reiche

Sammlung an

Saftpflanzen oder Succulenten umgewandelt. Diese Collection, ein würdiges Seitenstück zu der berühmten und mustergültigen Cacteensammlung des Gartens, enthält insbesondere die Mesembrianthema und Aloen des Vorgebirgs der guten Hoffnung in großer Reichhaltigkeit. Ich selbst hatte das Glück, zur Vervoll¬ ständigung derselben, durch Einführung vieler baumartiger Sempcrviven von dencanarischen und capverdischen Inseln, beitragen zu können.

Es

ist

Jahr 1863

schon

den

andeutungsweise

Bau

des Farrnhauses sah, welche beide

Es

befinden.

sich

worden,

bemerkt

des Orchideenhauses, das

wurde

in der Nähe

durch

diese

daß

Jahr 1875

das den

des Palmenhauses

Vervollständigung

der

Gewächshäuser einem dringenden Bedürfniß des Gartens entsprochen.

Endlich wurde, nachdem die Steuergrenzen Berlins gefallen waren und das frühere Steuergebäude (es war von der Ecke des Lützowegs hierher verlegt worden), auf Grund und Boden des botanischen Gartens erbaut, an denselben zurückfiel, letzteres 1876

für Wasserpflanzen bestimmten Hause, kam zum erstenmal der Portlandcement für ein so umfangreiches Bassin, wie es die Victoria regia beansprucht (24' Durchmesser, 3' Tiefe), zur

zur Wohnung des Direktors umgebaut.

Anwendung. Im Jahre 1856 wurden die ersten Entwürfe zu dem neuen großen Palmcnhause von den Herren Bauinspektor Lohse und

entriß uns ein unerbittliches Geschick diesen ebenso hochverdienten, wie liebenswürdigen Botaniker. Noch haben sich seine Freunde

schließlich

Hertcr gefertigt, die indeß später bei der Superrevision mancherlei Abänderungen unterlagen. Auch bei dieser Veranlassung entfaltete der Garteninspektor Herr Bouchö Admiralitätsrath

eine ebenso intelligente, als eifrige Thätigkeit.

Alle Grundprincipien

der Architektur wurden von diesem kcnntnißrcichcn Fachmann, der

in der Bautechnik kaum minder erfahren als in der Pflanzenkultur ist, bis in ihre kleinsten Einzelheiten projektirt, und ebenso die Lage des Hauses nach reiflicher und gewissenhaftester Erwägung bestimmt. Die Konstruktion der einzelnen Theile allein blieb den Architekten überlasten. Im Uebrigen verdankt die Stadt Berlin, welche in dem neuen Palmenhause eine nur wenigen Großstädten vergönnte Zierde gewann, das Meiste und Eigenartigste Herrn B o u ch e. Durch gemeinsames Wirken und durch sorgfältige Berücksichtigung der gärtnerischen Erfahrungen im Bereiche der Gewächshausbau¬ kunde ist es ermöglicht worden,

in dem Hause einen von allen

Sachverständigen als solchen anerkannten Musterbau erblicken zu

dürfen, wie das denn auch durch das Gedeihen der Palmen darin Der Zweckmäßigkeit entsprechend, fehlt genügend bekundet wird. es im Innern weder an Licht, noch an Feuchtigkeit und Wärme, diesen drei Hauptbedingungcn der Vegetation.

das Gebäude bei seinem sehr großen kubischen

Dabei erfordert

Inhalt (600,000

Kubikfuß) vcrhültnißmäßig wenig Heizungsmaterial. Die äußere Architektonik wird allerdings von den Bauverstündigen oft bemängelt, aber, wenn irgend wo, so mag hier der Spruch gelten: Schutz geht vor Putz.

Da man in

so

unsrige, noch kein

so

weit nördlich gelegenen Gegenden, wie die großes, allein aus Eisen konstrnirtes Gewächs¬

Leider sollte es nur kurze Zeit vom Professor, späteren Ge¬ heimrath A. Braun bewohnt werden. Am 29. März d.

I.

und Verehrer dem Eindruck dieser Katastrophe nicht entrungen, noch stehen sie'

mit

der Herbigkeit des ersten Schmerzes an einem

Der Garten befindet sich im gegen¬ wärtigen Augenblicke im Zustande des Interregnums; aber auch hierin bewährt sich wieder sein Glück. Cr wird von dem berühmten Reisenden und Dendrologen Professor K. Koch vor der Hand

kaum geschloffenen Grabe.

provisorisch verwaltet.

Lag es mir daran, nicht unwichtige Daten der Vergessenheit zu entziehen und dieselben dadurch zu sichern, daß ich sie dem treuen Gedächtniffe des Vereins für die Geschichte Berlins anvertraue, so

habe ich doch immer noch vieles Wissenswerthe auslasten müssen,

zu

Mittheilung

dessen

sich

vielleicht

ein andermal Gelegenheit

finden dürfte.

Wenn begann, heben,

ich

meinen Vortrag

mit einem Lobe Willdenow's

muß ich schließlich noch einen Namen rühmend hervor¬

so

den

ich

schon

vielfach hier

auszusprechen Veranlassung

Unter dem allzu anspruchslosen Titel eines Inspektors die Persönlichkeit des Herrn Carl Bouchs sich fast vollkommen mit dem Berliner botanischen Garten selbst. Seit länger als drei Jahrzehnten (1843) steht er der ganzen Sie haben praktischen Seite des Gartenbetriebs allein vor. hatte.

identificirt

gesehen,

wie

das gewaltige,

die

gegenwärtige

Gestalt

der

Gewächshäuser,

mit allen wetteifernde Palmenhaus voran, sein

Die Beschaffung und Anzucht der Pflanzen sind stets Auch die historische für ihn gewesen. Tradition des Gartens hat in seiner Pietät einen festen Anhalts¬ Werk ist. eine

Lieblingsaufgabe

Wenn die wistenschastlichen Direktoren kamen und gingen, wenn sie nach einander Link, A. Braun, Koch hießen.

punkt gefunden.

153 er, der eigentliche technische Direktor des Gartens blieb, mit seinem Geiste das Ganze überschauend und beherrschend,

mit

seiner Liebe,

mit seinem Wissen bis zum geringsten Pflänzchen hinabsteigend. Ms vieljähriger Habitus des Gartens, als vielleicht nicht ganz inkompetenter Beurtheiler der Pflanzenwelt und der Kulturen desselben, statte ich Herrn Bouchs den Dank unserer Mitbürger für alle diese seine Verdienste ab, sowie für die stets freundliche Bereitwilligkeit, mit der er, hierin seinem Vater gleich, jedem Wißbegierigen den reichen Schatz seiner Erfahrung öffnet — einer Erfahrung, welche nicht die eines einzelnen, wenn auch noch so

Frühzeitig wurde aus solchen Wallfahrten ein Gewerbe so gewinnbringender war, je zahlreichere, in Wilsnack zu lösende Gelübde jene Stellvertreter sich übertragen Besonders Polen und Ungarn stellten, zu lasten verstanden. gewöhnlich alljährlich zwischen Ostern und Pfingsten, ein sehr starkes Contingent derselben. Daß unter ihnen nicht die edelsten und

zu senden.

gemacht, das um

frömmsten Elemente des Volkes zu finden waren, ist selbstverständlich.

Das Treiben dieser unheiligen Schaaren mag Papst Bonifaeius zum Erlaß jener oben erwähnten Bulle bestimmt

hauptsächlich haben.

und würde meine Aufgabe nicht ganz verfehlt wenn es mir gelungen wäre, Ihnen zu haben glauben, die Ueberzeugung einzuflößen, daß es geweihter Boden ist, den Sie betreten haben, und daß von fernen Zonen her diese

Es würde zu weit führen, wenn wir aus der großen Anzahl von Wunderheilungen, über die der gelehrte Dechant Matthäus Ludeeus zu Havelberg in seiner unten noch besonders zu erwähnenden, alles Quellenmaterial vereinigenden Geschichte des Wunderblutes vom Jahre 1586 ausführlich berichtet, Das, was noch auch nur die interessantesten mittheilen wollten.

blüthenreichen Räume mit ehrfurchtsvollen Blicken gesucht werden.

heutigen Tages an dieselben, überhaupt an das Gelübdewesen

In

des

kenntnißreichen Mannes allein, welche vielmehr die einer ganzen

Familie, einer für Preußens Gartenbau historischen Familie ist. Ich

schließe

diesem

Sinne werden Sie mir

Recht geben,

wenn ich den

Wunderortes erinnert,

sind die zahlreichen Ketten,

Satz aufstelle, daß die große Weymouthskiefer am Eingänge des Gartens, einer der ältesten Bäume desselben, mit dem pittoresken

in der Saeristei der Kirche gezeigt werden.

Bau ihrer weit ausgreifenden Krone nicht nur

schrecklichsten

riesige, von

Jussieu's

physisch

an jene

Hand gepflanzte Ceder des Pariser jJardin

des plantes erinnert, daß unter ihrem Schatten sich uns auch geistige Gebiete erschließen, die der Größe und Pracht des an den

Noth zum heiligen Blute in Wilsnack flehend, ihrer

Banden ledig, frei aus den Kerkern hervorgingen und nun die¬ selben, zum

verehrten.

Dank für ihre Befreiung, der Kirche zu Wilsnack Ebendaselbst wird jetzt noch den Freniden eine große

Wageschale gezeigt;

Der Garten dagegen geht, nach Menschenermessen, einer langen, als glücklichen und glanzvollen Zukunft entgegen. Möge er bleiben, was er bisher gewesen: ein Schmuck und eine Zierde unserer Stadt, ein Tempelhain der Wissenschaft, für den Bürger eine Rast unter Palmen nach vollbrachtem Tagewerk,

pflegten —

sein

wird.

eine nicht von Menschenhänden allein gebaute Freistätte der Na¬

Möge er aber auch in seinen für die Zukunft fleißiger zu schreibenden Annalen das Andenken an die heutige Sitzung be¬ wahren und des verständnißvollen Interesses eingedenk bleiben,

tur!

welches der Verein

für die

Geschichte

Berlins ihm durch

dieselbe

entgegenbrachte!

Das Wunderblut ;u Wilsnack. Kulturhistorische Skizze von

T. Driiselie.

(Schluß.)

Am Bartholomäustage pflegte das heilige Blut aus seiner kostbaren Umhüllung herausgenommen und mit großem Gepränge in feierlicher Prozession herumgetragen zu werden. Bei dieser Gelegenheit vermochte der Ort die Schaaren der frommen Pilger kaum zu fassen. Alles drängte sich an die wunderthätigen Hostien, um von jahrelangen Leiden und Gebresten geheilt und, nach gläubig dargebrachter Verehrung, kraft bischöflichen und päpstlichen Ablasses aller Sünden ledig zu werden. Natürlich ging es dabei Hier und dort brachen unglückliche ohne Unglücksfälle nicht ab.

im wogenden Gedränge ohnmächtig zusammen; durch Besprengung mit stets bereit gehaltenem Weihwasser suchten hilfs¬ Kranke

beflissene Priester die Bedrängten wieder zu erfrischen und derartige

bei

so

gewaltigen Menschenzusammenrottungen fast unvermeidliche

Leiden nach Kräften zu lindern.

Es entsprach dem judaistischen, gesetzlichen Wesen der mittelalterlichen Kirche, wenn sie Fern¬ wohnenden, die irgendwie behindert waren, ihre Gelübde in Wilsnack persönlich zu verrichten, gestattete, gedungene Stellvertreter

Sie rühren der

Ueberlieferung nach von Gefangenen her, die, in der höchsten und

Ufern der Seine Bewunderten nicht unebenbürtig sind. Der Baum kränkelt — wer weiß, wie viele Jahre uns noch sein Anblick vergönnt ebenso

welche

„Sündenwage".

sie

gehörte

nicht zu der sogenannten großen

Viele Pilger,

auch dieser

besonders wendische Landleute,

Zug charakterisirt treffend das



gesetzliche,

auf dieselbe zu stellen, Der um das Maß ihrer Sünden bester erkennen zu können. süudenschwere Pilger stellte sich auf die eine Schale dieser Wage,

werkgerechte Wesen der alten Kirche

sich

auf die andere legte er soviel Brot, Speck, Fleisch oder andere Lebensmittel, bis beide Schalen im Gleichgewichte standen. Der Saeristan, der zugleich Wagenmeister war, hatte unter der Schale, auf welcher der Sünder stand, einen Strick angebracht, mittelst dessen er die Schale so lange auf der Erde festhielt, bis ihm das dargebrachte Sündenopfer groß genug erschien. Besondere Aufmerksamkeit erregt auch in der Saeristei ein ungewöhnlich großes Hemde. Es soll das Sterbehemde eines armen Sünders fein, der zu Lübeck als Räuber mit dem Strange hingerichtet wurde. Auf das inbrünstige, an das heilige Blut zu Wilsnack gerichtete Gebet mehrerer mitleidiger Frauen, die jenem das Hemde geschenkt hatten, wurde der schon am Galgen schwebende Verbrecher, so meldet die fromme Sage, plötzlich wieder lebendig, auf das stürmische Verlangen des Vokes eilends herab¬

Aufs Neue war hierdurch die gewaltige heiligen Blutes überzeugend bestätigt. Das von

genommen und begnadigt.

Wunderkraft des den Frauen aber nach Wilsnack geschickte Hemde erhielt das Gedächtniß an die wunderbare Errettung jenes Räubers bis auf den heutigen Tag. — Schwerlich würden jedoch derartige fromme

Stiftungen und Vermächtnisse die gemehrt haben, wenn ihr nicht gemacht worden wären.

Schätze der Kirche sonderlich auch kostbarere

Zuwendungen

Eine ansehnliche Reihe solcher Geschenke

legte von dem Danke der zahlreichen vornehmen und begüterten

Wallfahrer, die beim Wunderblut in Wilsnack Heilung und Genesung gefunden, rühmliches Zeugniß ab. So war mit einer aus Ungarn und Böhmen heraufgezogenen Pilgerschaar auch einst

ein reicher Prager

Hoffnung,

Bürger

seine verdorrete

nach

Wilsnack

gekommen,

in der

Hand, an deren Heilung die Kunst

aller heimischen Aerzte seit Jahren vergeblich

sich

versucht hatte.

154 Wunderblutes zurechtgebracht zu sehen. Schon im Boraus hatte er eine massiv silberne Hand fertigen lassen, die er der Kirche nach erlangter Genesung als Geschenk überreichen durch die

Kraft

des

Aber vergebens unterzog er sich mit unermüdlichem Eifer allen ihm auferlegten Büßungen, vergebens flehte er täglich das heilige Blut um Erlösung von seiner schrecklichen Plage an. wollte.

Allmählich schwand ihm der bis dahin so tröstliche Glaube an die heilende Kraft des Blutes und er beschloß, die Heimreise anzutreten. Pflichtgemäß verabschiedete er sich bei dem Priester und klagte diesem seine Noth,

war aber

so

unvorsichtig,

der

zweifelhaft scheine, ob die drei blutigen Hostien wirklich consecrirt gewesen seien. Und in der That vermochten alle jene zahlreichen Berichte von Heilungen und wunderbaren Errettungen, die von Mund zu Mund, von Land zu Land getragen, immer

weil

es

wunderbarer sich gestalteten, alle jene von Päpsten, Erzbischöfen und Bischöfen ausgestellten Bestätigungsurkunden und Ablaßbriefe, welche in stattlicher Reihe auf der Kanzel der herrlichen Kirche

in Wahrheit bezeugten, auf die Dauer nicht die immer mächtiger werdenden Zweifel zu Wilsnack prangend, Wunder über Wunder

derjenigen zu unterdrücken und zu widerlegen, welche die Heiligkeit

wunderthäiigen Blutes

silbernen Hand Erwähnung zu thun, die er nun unverrichteter

und Wahrheit des

mit zurücknehmen müsse. Jener tröstete den Pilger mit der Möglichkeit einer plötzlich unterwegs eintretenden Heilung

Wirksamkeit an den Kranken für eitel Blendwerk und Pfaffenbetrug

Sache wieder

der kranken Hand, und wußte

es

durch

alle Künste geistlicher

Ueberredung dahin zu bringen, daß der Prager die silberne Hand, als einen wesentlichen Bestandtheil seines einmal gethanen Gelübdes,

ihm hinterließ. Da der Pilger seiner Rcisegenosienschaft wegen genöthigt war, noch eine Nacht in Wilsnack zuzubringen, ging er am nächsten Morgen noch einmal in die Kirche. Wie erstaunte er aber, als er dem Priester von der Kanzel herab, außer anderen Wunderwerken

des heiligen

Blutes,

auch

seine eigene Leidens¬

und, zum Beweis der glücklich erfolgten Heilung, seine gestern bei demselben hinterlasiene silberne Hand den versammelten Gläubigen vorgezeigt sah! Bebend vor Unwillen und geschichte erzählen hörte

er dem Redner zu: „Priester, du lügst!" und den er¬ Pilgern seine nach wie vor verdorrete Hand zeigend, eilte,er schrockenen hinweg von der Stätte des Trugs und der Lüge, von einem schweren Wahne geheilt, um nun auch Andere von gleichem

Zorn

schrie

Wahne befreien zu helfen. Und thatsächlich wurde diese Geschichte für das Wilsnacker Wunderblut insofern verhängnißvoll, als durch den betrogenen Prager Johann Hus davon erfuhr, welcher

bestritten und seine

Johann Hus der Erste, Matthaeus Ludecus (Lüdke) „Historia von der erfindung, Wunderwerken und zerstörung des vermeintlichen heiligen Bluts zur Wilssnagk, gedruckt zu Wittenberg anno 1586" Wie

erklärten.

schon

erwähnt wurde, war

der eine, in des gelehrten Havelberger Dechanten

mitgetheilte Abhandlung darüber schrieb des Titels: Determinatio quaestionis de sanguine Jesu Christi, contra imposturam

avarorum, tum clericorum, tum laicorum, per falsa miraculä — und durch einen Synodalbeschluß des Prager Erzbisthums darauf drang, die Wallfahrten zum heiligen Blut nach Wilsnack War dieser verständige Beschluß selbstverständlich zu verbieten. partieller Wirkung, so mußten die Bemühungen eines nur von in Hus Fußtapfen tretenden gewiffen Dr. Wünschelberg, welcher in einer besonderen Schrift von den falschen Zeichen und völlig erfolglos

Vergebens bleiben. Abgötterei gegen die zu Wilsnack, schrieb die vergebens baten gelehrte und aufgeklärte Männer den Bischof Gefährlicher schon von Havelbcrg um Abstellung des Uebels. wurden dem Ansehen des Wunderblutes um das Jahr 1446 die

Wunderwerken

handelte,

Universität Erfurt

gleichen

viel näher stehenden gelehrten Magdeburger Domherrn Heinrich Tacke, dieser ging so rücksichtslos vor, daß er selbst mit Kurfürst Friedrich II. in Collision gerieth, und daß dieser sich bitter über

Erste

Tacke beklagte,

zog. — Wie zahlreiche ansehnliche Besucher und Verehrer des Wunderbluts die ehrwürdige Wilsnacker Kirche in ihren Mauern gesehen, geht u. A. aus dem im Jahre 1446 erlasienen Abla߬ brief des Papstes Eugenius IV. (1431—1447) hervor, in welchem erwähnt wird. daß außer vielen Fürsten und ritterlichen

aber nicht einschüchtern.

1373, seit 1396 Magister und Professor an im Jahre 1348 gegründeten Universität zu Karl IV. von der Prag), überhaupt ein eifriger Gegner und Widersacher aller der¬ (geb. 1369

oder

Wunder und sonstiger kirchlicher Mißbräuche , als der in Wort und Schrift gegen das mit dem sogenannten heiligen Blut zu Wilsnack getriebene Unwesen energisch zu Felde

Herren auch der deutsche Kaiser, sowie die Könige von Frankreich, von England und Böhmen das Wunderblut besucht und angebetet haben. Auch unseren frommen und tapferen Kurfürsten Friedrich I. finden wir unter den Verehrern des wunderthäiigen Blutes.

März 1420 über die Pommern errungenen blutigen Siege von Anger münde sandte derselbe eins der drei pommerschen Heerbanner, welche zum Angriff gegen die brandenburgische Wagenburg auf dem Angermünder Markte geflattert hatten (Schwebe!, Kulturhistorische Bilder S. 132), nach Wilsnack in die Wallfahrtskirche des heiligen Blutes, während Es die beiden anderen in die Berliner Marienkirche kamen. klingt aber nicht sonderlich vertrauenerweckend, wenn derselbe Papst Eugenius IV. noch in demselben Jahre 1446 durch eine besondere Bulle verordnete, es sollte über den drei blutigen,

Nach dem am 27.

bereits

in einem krystallenen Behälter

verschloffen

gehaltenen

Hostien eine andere, besonders geweihte Hostie aufbewahrt werden.

heftigen Angriffe des dem Schauplatz des Unwesens

und das heilige Erzbischofs

um sein Fürstenthum bekümmere anzutasten wage. Tacke ließ sich hierdurch

weil derselbe

Blut

Friedrich

so

sich

Durch Vermittlung seines aufgeklärten

kam

mit dem Kurfürsten,

dem

Bischof

unter welchen sich auch Stande, in welcher dieser aus Gründen der heiligen Schrift und vielleicht auch aus Johann Hus gelehrtem Tractat bewies, daß die Anbetung des heiligen Blutes in Wilsnack eine öffentliche und strafbare Abgötterei wäre. Im Jahre 1450 schrieb Bischof Arnold von Lübeck auf von Havelberg und vielen Gelehrten,

Tacke befand, eine Zusammenkunft zu

Veranlassung des Papstes

Nicolaus

an Bischof Conrad von Havel¬

berg, zog Erkundigungen über die Verehrung des heiligen Blutes ein und bat um Abschaffung desselben; doch es blieb Alles beim

Endlich veranlaßte Cardinal Nicolaus von Cusa, der Erzbischof Friedrich von Magdeburg besonders hochschätzte, diesen in einem offenen Hirtenbriefe, die Verehrung des heiligen Blutes

Alten.

zu Wilsnack zu verbieten.

Aber auch dieses erzbischöfliche Verbot

vermochte nicht das Aergerniß zu beseitigen, denn auf alle diese

Angriffe, bei welchen mehr oder weniger der Domherr Tacke im Spiele sein mochte, fand sich endlich der Bischof und das Dom¬ capitel zu Havelberg bewogen, die Wahrhaftigkeit und Heiligkeit des Wunderblutes — es klingt wie ein Hohn auf die Wiffen-



durch zwei angesehene Gelehrte noch besonders vertheidigen

zu lasten.

Obgleich Tacke auch diese beiden Retter der verlorenen

schaft

155

mit gewaltigen Schrift- und zwingenden Vernunftgründen heftig in die Enge trieb, so ließen sich doch weder der Bischof noch der Kurfürst in ihren Ueberzeugungen wankend machen.

um das Jahr 1550 erwählte nämlich der Rath zu Wilsnack, im Einverständniß mit der Bürgerschaft, sich einen evangelischen

Sie appellirten vielmehr an den päpstlichen Stuhl. Papst Nicolaus V. trug anfänglich Bedenken, in dieser heiklen Sache ein entscheidendes Urtheil zu fällen, da es — hier wiederholen

Ellefeld, Agricola

Sache

sich

Eugenius

des Papstes

IV.

— ungewiß

Bedenken

sei, ob

die drei Hostien consecrirt gewesen, mithin zweifelhaft, ob es das wahre Blut Christi sei, welches man anbete; aus unbekannten

Gründen jedoch fiel schließlich des Papstes Urtheil zu Gunsten des Wunderbluts aus, daffelbe wurde auch ferner für das wahre

Blut Christi wurden

anerkannt.

vom Papste

Alle früheren Bullen und Ablaßbriefe

und

einmal vom Concil zu Basel

noch

feierlich bestätigt.

So waren alle Widersacher

des

heiligen

Blutes

zum

Schweigen gebracht. Erst als das Licht der Reformation durch

Dr.

Martin Luther

Priegnitz zu verbreiten begann, sollte es anders werden. Auch dem Wilsnacker Wallfahrtstrciben ward durch den großen Reformator in seinem flammenden Manifest „An den christlichen sich

auch über die

Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung", vom Jahre 1520, die Axt an die Wurzel gelegt, wenn er unter der großen Menge desjenigen, „was wol geschehen möchte und sollte von weltlicher Gewalt oder gemeinem Concilium," verlangt (Kuhn's Ausgabe in L. Heimann's Hist.-Polit. Biblioth. Bd. VI. Berlin, 1870. S. 38): „Zum zwanzigsten, daß die wilden Capellen und Feldkirchen würden zu Boden verstört; als da sind, da die neuen Wall¬ fahrten hingehen, Wilsnack, Sternberg, Trier, das Grimmen¬ thal und jetzt Regensburg und der Anzahl viel mehr. schwere,

elende

Rechenschaft

O wie

werden die Bischöfe müssen geben,

die solches Teufelsgespenst zulasten und Genieß davon empfangen; sie

sei

sollten die ersten sein dasselbe zu wehren;

meinen sie, es göttlich heilig Ding, sehen nicht, daß der Teufel solches treibt,

den Geiz zu stärken,

Pfarrkirchen

zu

so

falschen, erdichteten Glauben aufzurichten,

schwächen,

Tabernen und Hurerei zu mehren,

unnütz Geld und Arbeit verlieren und nur das arme Volk mit

der Nase umführen.

Hätten

sie

das verdammte geistliche Gesetz,

rathen.

— Es hilft

Denn der

böse Geist

verkündigt hat,

die Schrift so wohl gelesen als sie

wüßten den Sachen wohl zu

auch nicht, daß Wunderzeichen da geschehen.

kann wohl Wunder thun, wie uns Christus

Matth. 24.

Wenn sie den Ernst dazu

thäten und verböten

solch Wesen, die Wunder sollten bald aufhören. Oder, wäre es von Gott, es würde sich nicht hindern lassen durch ihr Verbieten. Und wenn kein ander Zeichen wäre, daß solches nicht von Gott sei, wäre das

genug, daß die Menschen tobend, ohne Vernunft mit Haufen wie das Vieh laufen, welches nicht möglich ist aus Gott sein. So hat auch Gott nicht davon geboten; ist kein Gehorsam, kein Verdienst da; darum sollte man frisch darein greifen und dem Volt wehren. Denn was nicht geboten ist und sich treibt mehr denn Gottes Gebot, das ist gewißlich der Teufel selbst. Auch so geschieht der Pfarrkirchen Nachtheil

davon, daß

sie

weniger geehrt werden.

Summa Summarum

Geistlichen

in der Person welcher

des aus dem

vom

Orte gebürtigen Joachim

evangelischen

Generalsuperintcndenten

Berlin ordinirt war. Das Dom¬ capitel zu Havelberg, als Patron, gab zu dieser Wahl nur unter der Bedingung seine Einwilligung, daß Ellefeld allein des Predigt¬ von Eisleben zu

amts warten, aber keine amtliche Handlung vollziehen dürfe, zu welchem Zweck katholische Geistliche von Havelberg gesandt werden sollten. Da aber die Wilsnacker sich der reinen evangelischen der Glauben an das heilige Blut immer mehr. Nur der Havelberger Domdechant Peter Conradi, ein sehr eifriger Katholik, machte noch einmal verzweifelte An¬ strengungen, den Glauben an das Wunderblut von Neuem zu

Lehre zuwendeten,

so schwand

beleben, indem er in eigener Person zu Wilsnack erschien und eine große Procession mit dem heiligen Blute veranstaltete, oder wohl, wenn Ellefeld evangelischen Gottesdienst mit evangelischer Abendmahlsfeier gehalten, in die Kirche kam, das vermeintliche Wunderblut mit großem Pomp hervorbringen ließ und es zur Anbetung darbot. Dies kränkte selbstverständlich Ellefeld je länger

je

mehr.

Er wandte

sich

daher an die übrigen evangelischen

Geistlichen in der Priegnitz und endlich auch an seinen Vorgcsetzen,

in Berlin. Dieser ermahnte ihn, zur christlichen Geduld, zum frommenWandelundzuderAufgabe, den Generalsuperintcndenten Agricola

die Gemüther seiner Gemeinde durch seine christlichen Tugenden zu

gewinnen. JnBezug auf die abgöttische Verehrung desWundcrblutes aber meinte er, daß es in der Macht der städtischen Behörde stände,

Idol bei nächtlicher Weile fortschaffen zu lassen. Denn wo Christus wohne, könne, wie Paulus zu den Korinthern spräche, nicht der Teufel bleiben. Cllefeld sah in seinem evangelischen

das

Eifer die Ermahnung für einen Specialbefehl an und ging weiter, als es die Klugheit augenblicklich gebot. Am Sonnabend vor Exaudi, den 28. Mai 1552, begab er sich mit seinem Sacristan Bremer in die Kirche, ließ sich einen kleinen Kessel mit glühenden Kohlen bringen, entfernte die kostbare Hülle, welche das Wunderbtut in einer goldenen Monstranz umschloß, zerschlug die Gefäße und verbrannte es mit den Worten: „Maledicte diabole, ego hodie destruam te in nomine patris et filii et Spiritus sancti, quoniam tu destruxisti multos.“ Kaum war die That geschehen, so wurde sie auch ruchbar und gelangte alsbald zur Kunde des Domcapitels in Havelberg. Daffelbe ließ Ellefeld sofort gefänglich einziehen, und wandte sich klagend an den Kurfürsten Joachim II., den Hergang der Be¬ gebenheit erzählend, wie ein ungcweihter Priester das Heiligthum zerstört, das so vielen Gläubigen über 170 Jahre Segen gespendet

und Wunder gethan habe.

Der Kurfürst, obwohl seit 1539 zum

evangelischen Glauben übergetreten, wollte doch nicht zugeben, daß

den Katholiken in seinem Lande ein Unrecht geschähe.

Er befahl

deshalb den Gefangenen gut zu verwahren, auch die andern Zeugen, sowie den Kirchcnvorsteher und Bürgermeister gefänglich einzuziehen,

Der gefangene Ellefeld Kurfürsten, setzte ihm überzeugend aus¬ einander, daß er das Teufelswerk nicht länger hätte dulden können, weil

sie dem

wandte

sich

Unrecht nicht gewehrt hätten.

selbst an den

wenn er nicht ein Miethling seiner Heerde hätte sein wollen, und berief sich dabei auf das Schreiben des Generalsuperintendenten

es sind Zeichen eines großen Unglaubens im Volk. Denn wo sie recht glaubten, hätten sie alle Dinge in ihren eigenen Kirchen, da ihnen hin geboten ist zu gehen." —Was Luther hier 1520 forderte, sollte doch erst ein

Agricola. Auch der Magistrat von Wilsnack bat bei dem Kur¬ fürsten um die Freilassung der Gefangenen, für deren Wohlverhalten er Bürgschaft zu leisten versprach. Gleichzeitig wurde auch von

ganzes Menschenalter später zur Ausführung gelangen.

mehreren evangelischen Predigern der Altmark und Priegnitz zu

Ungefähr

156 Werben eine Schrift aufgesetzt, in welcher

sie

den Kurfürsten um

Schutz und Beistand für Ellefeld baten, seine Handlungsweise vom evangelisch-christlichen Standpunkte rechtfertigten und sich

ebenfalls für ihn verbürgten.

Da der Kurfürst

jedoch

damals

außer Landes war und die kurfürstlichen Räthe keine Entscheidung

Bitt¬ für die Loslassung Ellefelds

Der Hünenstieg im

Deehsee bei Brandenburg a. H. Mitgetheilt von Gustav 8timming. Im Beetzsee unweit von Brandenburg befindet sich eine ca. 5 Meter breite und etwas über 50 Meter lange Landzunge, merkwürdiger Weise aber da, wo der See am tiefsten ist. Dieselbe dacht

zu treffen wagten, so übersandten dieselben die sämmtlichen

schriften dem Domcapitel, um dieses

ab, daß man

der südlichen Seite hin so schnell

nach

sich

in einer Entfernung von 2 Metern mit einem langen

Das Capitel aber dachte an nichts weniger als an Begnadigung und Freilassung, sondern wandte sich vielmehr an verschiedene juristische Facultäten und Schöppenstühle, um womöglich die Fällung des Todesurtheils über den armen Ellefeld zu erwirken. Jedoch vergebens; die juristischen Facultäten zu Frankfurt sowohl

Schifferruder keinen Grund mehr findet. Nach Norden hingegen ist die Differenz zwischen 2 und 9 Meter.

wie zu Leipzig, als auch der Leipziger Schöppenstuhl weigerten Nur die Schöppen sich über Ellefclds That ein Urtheil zu sprechen. für Recht, erkannten Ellefeld sei als evangelischer zu Brandenburg

Namen „Hünenstieg".

Geistlicher dem kurfürstlichen Generalsuperintendenten zu überant¬

Kreutzer Weinberge bilden.

zu bewegen.

worten, womit die erbitterten Domherrn natürlich in keiner Weise zufrieden waren. Endlich ging Ellefeld den Adel der Priegnitz, der größtentheils evangelischen Glaubens war, sowie die sämmtlichen Städte der Mark Brandenburg um ihre Fürsprache an. Alles

Im Frühjahr,

wenn das Wasser ansteigt, verschwindet

sie

unter dem Seespiegcl. Diesen schmalen Einschnitt kennen die Fischer nur unter dem

Auf



der entgegengesetzten Seite des Sees liegen die Fos-

berge (Fuchsberge), deren Fortsetzung

Auf Zeit

und Schluß die Klein-

dieser Hügelkette soll, so erzählen alte Fischer,

in frühester

eine Riesenfamilie, welche eine Tochter hatte, gewohnt haben.

Da nun die Eltern

sich nun für den Unglücklichen, vertheidigte seine Handlungsweise und bat den Kurfürsten, das Wort Gottes im

auf der andern Seite des Sees war, daß die Tochter beim Ueberschreiten immer nasse Füße bekam, so ging sie nach dem Marienberg, nahm eine Schürze voll Sand, und schüttete sie dort,

Laude zu schützen, damit es rein und unverfälscht gelehrt werden

wo jetzt der Hünenstieg

Diesen vielfachen Bitten Gehör schenkend, befahl der könne. Kurfürst dem Domcapitel, die Gefangenen, und zwar bald, freizu geben, widrigenfalls er sich genöthigt sehen würde, selbst ein¬ zuschreiten. Darauf wurde Ellefeld denn endlich am Martinitage des Jahres 1552 durch den vom Kurfürsten beauftragten Landes¬ hauptmann der Priegnitz, Kurt von Rohr, nach einem in Gegen¬ wart des Domcapitels angestellten Gerichtsverfahren aus seiner Haft auf der Plattcnburg entlasten, unter der Bedingung, die Mark Brandenburg für immer zu meiden; die bei seiner That Betheiligten wurden freigesprochen. So erreichte durch Ellefeld's kühne That das Wilsnacker Wuuderblut sein Ende; der Aberglaube aber war damit noch nicht ausgerottet. Das ganze 16. Jahrhundert hindurch sah Wallfahrten nach Wilsnack, und noch gegen fortdauernd noch man Ende des genannten Zeitraums pflegten Leute aus dem Lüne-

soviel

verwandte

burgischen, aus dem Hamburgischen und andern Gegenden

sich

dort einzufinden, um die Vergebung begangener Sünden nur durch diese Wallfahrt allein zu erlangen. Wilsnack verdankte, wie zuvor schon hervorgehoben wurde, Aberglauben seine Erhebung aus einem gewöhnlichen,

diesem

auch

zu schaffen hatten, dieser aber so breit

schmaler

sich

wurde,

befindet, in den See, welcher dadurch daß

sie

künftighin

trockenen

Fußes

hinüber kam.

Die Stelle aber, wo

sie

die Schürze voll Sand genommen,

ist der Mariengrund am Fuße des Marienberges.

Es ist auch später dort Sand abgefahren worden, aber eine Vertiefung ist wohl immer gewesen. — Es knüpft sich daran noch eine andere Sage, welche später folgen wird;

cs ist selbstverständlich,

und Auslegungen, wie

sie

daß ich

die

Bemerkungen

das Volk giebt, beibehalte.

Die erste Erwähnung des Berliner Weißbiers. Unterm 9. November 1680 erließ der große Kurfürst eine „renovirte Mühlenordnung", in welcher Art. 6 folgendermaßen lautet: „Wann auch die Erfahrung giebet, daß mehr von vielen Einwohnern in Unsern Residentzien allhier Weitzen-Bier zu brauen angefangen wird, welches hiebevor nicht geschehen, so wollen

Wir

zwar einen jedwedern gnädigst vergönnt, und frey gestellt seyn lasten; weil aber von Weitzen ungleich mehr gegossen wer¬ den kann, als von Gersten; so verordnen Wir hiermit gnädigst, solches

in ganz Europa berühnit war. Seit dem Schwinden jener er¬ giebigen Nahrungsquelle, die es in den Schaaren der zum

daß über die sonst gewöhnliche Ziese und Accise annoch 4 Rthlr. von braunen Wcitzen-Bier gegeben werden solle, und muß solches so fort nach Publication dieses Patents genau beobachtet werden."

Wunderblute pilgernden Gläubigen fand, ist der Wohlstand der Stadt schnell gesunken. Sie hat sich nie wieder zu ihrer frühern

Das hier erwähnte Weizenbier ist unzweifelhaft Weißbier ge¬ wesen und das Bier, welchem das Berliner Weißbier seine Ent¬

Bedeutung erhoben, und auch in neuester Zeit hat die BerlinHamburger Eisenbahn, an der Wilsnack eine Station ist, auf die

stehung verdankt.

unbedeutenden Dorfe zu einer blühenden Stadt, deren Name einst

Erweckung

einer

Gewerbthätigkeit

noch

keinen nennenswerten

Nur die gewaltige Kirche des Ortes, Baudenkmäler der Mark, redet zu uns von

Einfluß auszuüben vermocht. eins der schönsten

jenen längst vergangenen Tagen, sie legt noch heute Zeugniß ab

von dem mächtigen Einfluß, den der Glaube an das Wunderblut einst in finsteren Zeiten auf die Gemüther der Menschen ausübte.

Somit kann Berlin daran

denken, die zweite

zu begehen. Säkulärfeier seines Es dürfte nicht uninteressant sein, die erste Weißbierkneipe aus¬ findig zu machen, nicht minder festzustellen, ob schon vor zwei¬ hundert Jahren ein „Kümmel" oder „Luft", „groß und klein" zum Weißbier getrunken und dasselbe ausgeknobelt wurde, wobei

eigenthümlichsten Erzeugnisses

dann auch

eine Uebersicht

der

damaligen Knobelbestimmungen

nicht unerwünscht wäre.

Dr. Kuntzemüller. Verlag von

Alfred Weile in Berlin.

— Verantwortlich für Redaction: Ferd. Meyer in Berlin. — Druck von W. Pormetter in Berlin.

Unter Mitwirkung von Di'. Arecht, Prof. Dr. Baulus Kassel, Stadt-Archivar Kidicin, Weod. Montane, Stadtrath K. Friedet, Freiherr Dr. von Ledebur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schwebet in Cüstrin

Geh. Regierungs-Rath rc. rc.

herausgegeben von

George

WM

und

Ferdinand Meyer.

Das Blatt ist durch alte Buchhandlungen und Postämter, sowie durch die Expedition (Bahnhofstr. 1) zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Verlagshandlung von Alfred Weile in Berlin zu senden, welche sie der Redaction übermitteln wird. — Inserate, pro Sgesp. Petitzeile 25 Pfg., werden von den Herren Ha äsen stein u. Vogler, Rud. Mosse,

Bernh. Arndt,

sowie von der Verlagshandlung entgegengenommen.

deutschen Runenkundc. Von Or. G. Sello. — Der Aergeffcnheit Entrissene alte Kirchengeräthe. Von Eduard Krause. (Mit Abbildungen.) — Ueberlieferungen auö dem Heidenthum. II. Von Arnulf Lieber. — Zur Geschichte der Stadt Havelberg. Mitgetheilt vom Bürgermeister Lau in Havelberg. (Schluß.) — Ein Müuz-Curiosum. Von A. Beyer. — Ellershagen und Rohlsdorf bei Pritzwalk. Bon

Zuhält. Zur C.

Sonnenberg.

Zur

deutschen Von

Lr.

KmmtJmnk. ©. Sello.

n der vor einiger Zeit in diesen Blättern erschienenen Abhandlung Franz Maurers: Ueber die Runenschrift unserer heidnischen Vorfahren, ist der Begriff Vorfahren etwas weit gefaßt; — vornehmlich die skandinavischen Runen und Runeninschriften werden besprochen; die Geschichte der Runenschrift bei unseren eigentlichen Vorfahren, den Continental Germanen, wird ganz übergangen, Deutsches und Skandinavisches hier und da vermischt. Zur Ergänzung und Berichtigung soll im Folgenden das, was man über deutsche Runen weiß, kurz zusammengestellt werden, unter ausdrücklicher Verweisung auf den zur Orientirung. vortrefflich geeigneten, anonym in den „Grenzboten" 1868

Zahl der Anlaute darstellten, auf deren Gleichklang war" (v. Liliencron u. Müllcnhoff, zur Runenlehre. Halle 1852. p. 17. 20). Tacitus konnte daher mit Recht sagen: „Litterarum secreta viri pariter ac feminae ignorant“ — eine Stelle, die man übersetzen mag, wie man will, nur nicht so, daß man mit dem alten Adelung danach wegen ihrer Rohheit und des den Deutschen gänzlichen Mangels an Bildung alle Kunde der Schrift ab¬ spricht; eine Behauptung, der W. Grimm treffend begegnet ist unter Hinweis auf den nicht unbedeutenden Kulturgrad, welchen die Taciteischen Deutschen besessen haben müssen, da wir bei

2. Semester erschienenen Aufsatz Heinrich Rückerts: „Der gegen¬ wärtige Stand der Runenkunde." Ueber den Ursprung der Runen (die sich ungezwungen in

überhaupt feste und reine Sitten finden. Man vergleiche auch die Worte Grimms in der Vorrede zur „Geschichte der deut¬

skandinavische, angelsächsische und deutsche (gothisches theilen lassen) zu grübeln, ist im Grunde ein ebenso erfolgloses, wenn auch verlockendes Bestreben, wie die Frage nach dem Ursprung

der

sondern die

die altgermanische Poesie gebaut

ihnen Priester,

einen

Adel, das Ansehen des Familienvaters,

I.

Sprache": Will denn immer der Wahn nicht schwinden von der Rohheit eines Volks, dessen Sprache uns vollendeter schen

scheinen muß,

als die seiner Nachkommen, und welchem sattsame

Zeugnisse althergebrachten Glauben und festbewahrte Einrichtungen

Sprache.

beizulegen gestatten überhaupt

Uns genügt es, zu wissen, daß bereits zu der Zeit, als die erste ausführliche Kunde über unsere Vorfahren in der Ge¬ schichte auftauchte, als Tacitus seine Germania schrieb, Schrift¬

Sinn

wir Runen nennen, in Deutschland Anwendung Freilich nicht so, daß sie zum Schreiben in unserm fanden. heutigen Sinne gedient hätten. Es waren „mystische Zeichen, welche in ihrer Reihe nicht die Buchstaben in unserm Sinn, zeichen,

die

wie nöthigen?

Was für einen

haben soll die aus ihrer Sprache unwiderlegbar hervorgehende

Abkunft indogermanischer Stämme, sobald wir den Auszöglingen nicht auch anhaltende, wenn schon°geschwächte, Theilnahme an der

Cultur und Sittigung ihrer Heimat einräumen? Nicht zum Schreiben im heutigen Sinne, sondern

zu aller¬

mit Hülfe des Looses wurden zu jener Zeit die Runen gebraucht. hand

religiösen Gebräuchen,

insbesondere

zum Weissagen

158

Das von Tacitus beschriebene und aus andern Zeugnissen zu er¬ gänzende Verfahren dabei läßt sich ziemlich sicher reconstruiren (zur Runenlehre p. 26 ff.). Mil diesem geheimnißvollen Gebrauch der Runen hängt es zusammen, wenn wir das Wort Rune nicht selten als Bestandtheil zusammengesetzter Frauennamen finden (I. c. p. 43 ff.) — den Frauen glaubte man die Gabe der Weiffagung eigen, und sie werden deshalb auch vornehmlich im Ritzen der Runen erfahren gewesen sein, wie sie besonders im Mittelalter des Schreibens kundig waren; ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen dem Weissagen mit Runstäben und der ältesten Form germanischer Poesie, dem Stabreim (1. c. p. 19 ff.). Runcnzeichen und solcher Gebrauch derselben werden allen germanischen Stämmen eigen gewesen sein;

mit der Zeit aber

zeigte sich ein Fortschritt; aus den Zauberrunen entwickelte man, nachdem

man mit griechisch-römischer Cultur in Berührung

kommen war, die

Schreibrunen

ge¬

(1. e. p.

23). vor dem Auftreten des Bulfila, und vor Fixirung ihres jetzt bekannten Alphabets durch denselben, geschriebene Gesetze besaßen; wir wiffen ferner, daß sie vor dem Bulfila'schcn Alphabet Runen hatten; und so wird der Schluß nicht irrig sein, daß diese Gesctzesaufzcichnungen in Schreibrnnen gemacht worden. Hierzu stimmt, daß das sogenannte goldene Horn von Ländern, welches jetzt im Original zwar verloren, in Zeichnungen indessen erhalten ist, in wohllesbaren Runen eine Inschrift zeigt, welche lautlich dem Bon den Gothen wissen wir, daß

Gothischen

so

nahe steht, daß sie

spätestens dem 4.

Der Zeit

für Gothisch erklärt wurde und

Jahrh, angehört

nach

Runendenkmalen,

knüpft

sich

insbesondere

Maurer einen Theil

sie,

(1. c. p.

4).

hieran eine ganze Reihe von

Schmucksachen,

von denen auch

hat, die ihrem Lautstand nach sämmtlich etwa dem 4.-7. Jahrh, und dem „Continental-Germanischen oder Deutschen im engeren Sinne" angehören (Grenzb. I. c. p. 96): die Goldbrakteatcn (von denen Dietrich in Haupts Ztschr. f. d. Alterth. XIII. p. 1 ff. 55 besprochen und ent¬ ziffert hat); die Spange und das goldene Kreuz von beschrieben

Nordendorf,

die Spange von Osthofen, die Thonscheibe der Serpentinbecher von Monsheim, Nassenbeuren, von die Speerspitze von Müncheberg, das Braunschweiger

Runenkästchen (cf. über alle diese Dietrich in Haupts Ztschr. XIV p. 73 ff.); die Spange von Charnay (1. c. XIII p. 123); der Bukarester Ring (Zacher, d. goth. Alphabet Bulfilas u. d. Runenalphabet Lpz. 1855 p. 44). — Müllenhoff, Runen in Berlin. Ztschr. f. d. Alterth. XVIII p. 250 ff. verzeichnet noch einige theils unbedeutende, theils zweifelhafte Inschriften. — Von ganz besonderem Jntcreffe ist für uns Märker die Müncheberger Speerspitze, deren Beschreibung hier mit den un¬ 1. c. p. 100, 101): germanische Speer, die furchtbare Wunder der „Welche Framea, ausgerichtet, davon wissen Römer und Griechen genug¬ sam zu erzählen, aber wie ein solcher ausgesehen hat, ließ sich mit der Präcision, wie sie unsere hochgespannte Wiffenschaftlichkeit verlangt, nicht ermitteln. Hier sehen wir das verhältnißmäßig, d. h. im Vergleich mit den massiven Waffen der Römer, dünne,

verkürzten Worten Rückerts folgen möge (Grenzb.

es Tacitus in seiner kurzen Art Es kann, wie jeder Blick sieht, nur einen schwachen, kurzen Schaft gehabt haben und der Speernagel, an dem es befestigt war, sitzt noch in seinem Ringe, das Holz selber ist natürlich verschwunden. Eine solche Waffe konnte man schon

schmächtige

geschildert.

Eisen, grade wie

deshalb zum

Wurf,

zum Stoß,

zum Hieb auf gleiche Weise

brauchen, gerade wie die Römer es

deutlicher, wenn

wir uns

Das wird

schildern.

noch

die Construktion des Eisens ansehen.

Es ist pfeilförmig, möchte man sagen, mit einem hohen Bügel in der Mitte geschmiedet, an den Seiten ebenso schneidig wie an der Spitze. Wehe dem römischen Hals oder Nacken, auf den es

aus der Faust eines Deutschen niedersank!

es

auch unübertreffliche Schmiedearbeit und



Ueberdies ist

wir begreifen,

daß

Wieland der Schmied zu den Göttergestalten unserer Ahnen ge¬ hörte: er hat seine Gläubigen eine gute Kunst gelehrt. Aber wir sehen noch viel mehr: die Spitze und der Eisen¬ ring, der das Schaftende einst umspannte, ist über und über mit seltsamen, aber uns ganz eigenthümlich anheimelnden Spiralen und Punkten verziert. Auch für die Kunstgeschichte wäre hier manches Merkwürdige zu lernen, doch das ist es nicht, worauf es uns jetzt ankommt. Diese Zierrathen sind erst mit dem Meißel in das Eisen eingegraben, und dann mit einer Emaille von feinem

Silber

ausgegossen, alles zierlich und sauber und von

wirklich anmuthiger Wirkung. Aber seltsamer Weise ist das Silber hier und da wie in großen Tropfen zusammengeronnem Keine andere Gewalt als die des Feuers,

in

Framea einst gelegen, kann dies bewirkt haben.

welchem

unsere

Noch seltsamer

ist aber, daß diese Tropfen nicht nach der natürlichen Abdachung

der Lanzenspitze, also nach vorne, geflossen sind, sondern gegen

alle Gesetze der Physik rückwärts, gleichsam bergan.

Eisen selbst zeigt deutliche Feuerspuren,

aber

auch

Auch das

nur unten

Daraus wird nicht phanam Schaft, nicht oben an der Spitze. tasirt, sondern mit mathematischer Sicherheit Folgendes geschlossen: Die Lanze stand ausrecht, als sie das Feuer erfaßte. Sie ist Trümmer anderer aber nicht von ihm allein erfaßt worden. Waffen und Geräthschaften, vielleicht auch Reste menschlicher Asche, zeigen, daß hier ein Leichenbrand stattgefunden hat, und zwar

Art, wo der Todte verbrannt wurde. So ist es dem göttergleichen Besieger des Grendel und des feuerspeienden Drachen, dem Gothen Beowulf zu Theil geworden, wie der Dichter erzählt, und so sehen wir es nicht als poetische Fiction, sondern als schlichte Thatsache hier¬ vor uns. Wer war aber dieser Todte? Jedenfalls ein deutscher einer der seltenen und besonders ehrenvollen

stehend

Held, denn woher sonst die deutsche Inschrift aus seinem Speer, und alles andere genau nach der Sitte unserer Vorzeit? Der Boden, den die Asche bedeckte, ist aber Jahrhunderte lang von Slaven besetzt gewesen, denn die Mark Brandenburg ist ja erst seit und durch Albrecht den Büren, den Rivalen Heinrichs des

.Stolzen und Heinrichs des Löwen, unserem Volke angewonnen worden. Der Todte muß also vor der Zeit, als der erste Slaven-

Wir können fuß diese Ebene betrat, verbrannt worden sein. nicht genau sagen, wann das war, nur so viel ist gewiß, es kann nicht später als bis zum 5./6. Jahrhundert unserer Zeit¬ Aber alle Wahrscheinlichkeit spricht da¬ für, daß es schon viel früher geschah. Denn der deutsche Nord¬ osten scheint sich schon in den ersten Jahrhunderten, vielleicht in engem Zusammenhang mit dem gewaltigen Völkersturm an der rechnung geschehen sein.

Donau, seit etwa dem Jahre 150, den man den Markomannischen Krieg nennt, bedeutend geleert zu haben. Wenn die Slaven auch nicht sofort bei der Hand waren, sich in das unbehütete deutsche Land einzuschleichen, so waren sie gewiß auch nicht Jahr¬ hunderte lang säumig. Nichts hindert uns, in dem Träger dieser Lanze einen Zeitgenoffen Marc Aurels oder des Septimius Severus zu vermuthen.

159 Und dies alles, wie uns scheint, wahrlich ein hübsches Stück culturgeschichtlicher Ausbeute, sagt uns doch nur die Runen¬ Ohne

schrift.

wäre es eine Lanzenspitze, wie

sie

es

deren tau¬

giebt, stumm und gleichgültig, ein bloßer Tummelplatz müßiger Phantastereien, eben so gut für die Faust eines Slaven, sende

aus anderen Quellen wissen,

bei den Franken wenigstens, die Runen zu literarischer Mit¬ theilung gedient haben. Venantius Fortunatus, Bischof zu Poitiers (Ende des 6. Jahrh.), schreibt an einen Freund:

Zeit,

barbara fraxineis pingatur runa tabellis, quodque papyrus agit, virgula plana valet,

wie die eines Kelten passend, und je nach der Laune des Be¬ trachters dem einen oder dem andern zugeeignet.. Denn auch dieser abgeschmackte Zopf ist noch nicht ganz von den Köpfen unserer Antiquare verschwunden, daß

auf deutschem Boden immer zuerst an jede andere Möglichkeit als an

die

ein deutsches Geräth,

ein deutsches Grab vor

sich

eine

deutsche

Waffe,

zu haben.

so

überaus schönen und lesbaren Inschrift

durch den berufensten Kenner, Dietrich,

zermalme" — unzweifelhaft Jedermann behagt. Daß wir

gegeben

wird,

„Speer —

dem Zwecke höchst angemessen

hier urdeutsche Worte vor uns haben, bezweifelt Niemand, aber sie können auch ganz anders gelesen werden, z. B. wanja oder aunja, wo ihr Sinn frei¬ lich ein andere wäre: ich siege, oder ich erwarte

Heil;

er paßte

Waffe, die er weihen und gleichsam zu Lebens¬ kraft beflügeln sollte, eben so gut. Da wir hier in diesem Falle wenigstens Einmischungen unberufener Skandinavisten, Celtisten auch dann zu der

oder Slavisten nicht zu fürchten haben, sich

beruhen, ob

wir

der andern Deutung

so

kann es vorläufig auf

unser kritisches Gewissen

für befriedigt

erachten.

mit der einen oder Da bei uns Deut¬

namentlich in eigentlich deutschen Dingen

schen

so

das Gewissen

subtil zu sein gelernt hat, so wird es, wie wir glauben, noch einige Zeit dauern, bis es seine Bedenken überwindet, die aber die

kuthorks bets,

erwähnten

Jnschriftendenkmale

zeigen

(so nennt man, nach Analogie des griechischen

in ihren

Alpha¬

nach dem Schriftwerth der sechs ersten Runen, die Aufeinander¬

folge der Runenzeichen) bald mehr, bald weniger Zeichen, immer aber mehr als das eigentlich skandinavische Alphabet von 16 Runen, welches sich

Mit

Noch ein anderer Umstand ist zu erwägen:

der Annahme des Christenthums durch die germanischen

Völker drang auch die römische Bildung bei ihnen ein und mit bei den Gothen) die römische Schrift. Grundlage der noch heut bei uns gebräuchlichen

derselben (ausgenommen

Diese

ist die

Schrift, die füglich zu ersetzen wäre durch die g. nach und nach von allen andern Culturvölkern acceptirte, dem Auge deutschen

Daniel Sanders, ein streitbarer Kämpfer für die „Fraktur," die Jacob Grimm treffend eine barbarische und pedantische Schrift genannt hat, im Gegensatz zu den Lehren der Paläographie und im Widerspruch mit der Entwickelung des deutschen Schriftwesens in den beiden letzten Jahrhunderten, meint: „das deutsche Volk hänge an der ihm vertrauten deutschen Schrift, als der in naturwüchsiger Ent¬ wickelung aus seinem innersten Wesen hervorgegangeuen Wurzel seines Wissens und seiner Bildung mit inniger Liebe, in dem natürlichen Gefühl, daß auch in dieser äußeren Form sich Geist gefällige Antiqua, wenn

auch

von seinem Geiste ausgeprägt habe."

Obwohl die in den Klöstern der neubekehrtcn Länder auf¬ blühende Wissenschaft eine ausschließlich christlich-theologische und

damit eine allem volksthümlich-hcidnischen naturgemäß feindlich gestimmte war und deswegen besonders gegen das zauberische Runenwesen eifern mußte, konnte

desselben doch

sie

nicht ganz

entbehren, wenn man es auch hier und da zu ignoriren suchte,

die Sache selbst nicht schädigen."

Alle

blatt gleichstellend.

s.

Vergleich damit kommt uns wenig darauf an, ob die

Deutung, die von der

den Runstab dem zu Briefen und Urkunden verwendeten Papyrus¬

bei jedem Funde

gleichsam von Ehre und Gewisien zusammen

nächste,

empfohlene denken,

Im

sie

uns ermittelten

daß zu der von

nicht früher als zu Ende des 9. oder Anfang

des

10. Jahrhunderts angewendet findet (Grenzb. I. c. p. 98; diese 16 Runen zerfielen in 3 oettir: 1) Freys oett, umfassend die Runen 1, u, th, o, r, k; 2) hagals oett: h, n, i, a, s; — —, y — a —. cf. Müllen3) Tys oett; t, b, e, m hoff u. Scherer, Denkm. rc. Berl. 1864 p. 271. Dazu traten

t

wie zu Ende des 9. Jahrh. Otfried, der Dichter der deutschen Evangelieuharmonie, welcher klagte, daß den Deutschen „nsns

scripturae in propria lingua“ abgehe. Heidnischen Göttern wurden christliche Mäntel umgehängt, heidnische Volksfeste christ¬ lich umgedeutet, und, da die lateinischen resp. griechischen Schrift¬

überall zur Wiedergabe der deutschen Laute genügten, nahm man aushülfsweise seine Zuflucht zu den altnationalen zeichen nicht

Schriftzeichcn.

Daß man dies aber konnte, ist ein Beweis dafür,

daß dieselben nicht mehr mystische Begriffe, sondern Lautwerthe

rcpräsentirten.

Vulfila nahm für

die

Zeichen

Buchstaben o, u,

in sein

th, v die

ent¬

gothisches Alphabet auf

bereits im Anfang des 11. Jahrh, s. g. punktirten Runen. Hiernach ist Maurer, oben p. 15, zu berichtigen). W. Grimm hat hieraus folgern zu müssen gemeint, daß das nordische, kürzere, das ältere, die umfangreicheren, in denen sich auch Aufzeichnungen angelsächsischer Zunge finden, die jüngeren, aus jenen entsprossenen

sprechenden runischen

v. Liliencron ist aber der Ansicht, daß das ursprüngliche, seien, ältere Alphabet der gothisch - angelsächsischen Familie (welcher auch die Alphabete der ihrem Lautstande nach specifisch-deutschen

zweifelnde Verwandtschaft mit entsprechenden runiichen Zeichen leichter nachzuweisen wäre, wenn ihre graphische Ueberlieferung

Inschriften einzureihen sind) aus an Zahl dem nordischen sprechenden Zeichen bestanden habe (zur Runenl. p. 14);

d. Diplomat.

die

ent¬

daß

dem gothisch-angelsächsischen und dem nordischen ein gemeinschaft¬ liches Uralphabet zu Grunde liege, welches etwa in der Taci-

Zeit gegolten hat, und daß beide, das nordische später, das gothisch-angelsächsische früher, Erweiterungen erfahren haben

teischen

(1. c.

der

p. 16).

Angenommen aber, daß die Zeitbestimmung aus der Sprache erwähnten Inschriften trügerisch wäre, so würden wir doch

(W. Grimm, über

Runen, p. 43); der Frankenkönig Chilperich reihte in das lateinische Alphabet für die specifischdeutschen Laute o, ae, th und w eigene Buchstaben ein (Greg, v. Tours,

deutsche

hist. Franc. V. c. 44), bereit an

eine zuverlässige wäre

nicht zu be¬

(cs die Abbildungen im „Neuen Lehrgeb.

II

p. 287); das angelsächsische durchaus runisch, und letzterer Buchstabe findet aus dem

sich

8./9. Jahrh,

stammenden

f, th

sächsischen

sich

und

auch

w

ist

in der

Handschrift des

Hildebrandsliedes; ja, das im Anfang des 9. Jahrh, niederge¬ schriebene s. g. Weffobrunner Gebet (die Handschrift stammt aus dem ehemaligen Kloster Wessobrunn in Oberbayern) zeigt statt der Silbe ga die Rune X. (1875 hat der Reichstagsabgeordnete Dr. Sepp das Weffobrunner Gebet in eine Felswand bei Wessobrunn einmeißeln lassen.)

160

in

Um dieselbe Zeit nahm Hrabanus Maurus, Abt von Fulda, Schrift „de inventione linguarum ab Hebraea us-

seine

que ad theotiscam“ Runenzeichen auf (aber nicht „in Gestalt eines Glossariums oder Wörterbüchleins" wie Maurer sagt), von denen er selbst sagt; „quibus utuntur Marcomanni, quos nos

Nordmannos vocamus“. Nicht ganz in der Ordnung ist es, wenn Maurer verlangt, man sollte dieses Alphabet am richtigsten markomannisch nennen; es wird dadurch der Irrthum erweckt, als habe dasselbe dem unter König Marbod nach Böhnien gezo¬ genen deutschen Volksstamme, welcher den Römern unter Marc Aurel gefährlich wurde, angehört. W. Grimm hat nachgewiesen, daß Hrabanus niemand anders als die übcrelbischen Sachsen gemeint haben könne (I. o. p. 150), während Finn Magnusen unter diesen Markomannen die eigentlichen Normannen verstanden wissen will (Müllenhoff und Scherer I. c. p. 272). Man hat Runen für specifisch-deutsche erklärt (so Maurer p. 13); v. Liliencron (zur Runenl. p. 16) sind dieselben aber

diese

nach

Art etwas

von Runen bietet, bei den hohen Anforderungen, welche dabei an den Forscher auf dem Gebiet der Paläographie und Sprachkunde gestellt werden, die gefundenen Gegenstände nur den Allerberufensten zur Prüfung übergeben würden. Denn nirgend ist der wiffenschaftliche Dilettantismus gefährlicher, als auf diesem Gebiet. W. Grimm hat sich mit Zeichnungen von angeblich in Deutsch¬ land gefundenen Runenschriften abgemüht, deren Originale nichts,

als niit

lebhafter

Phantasie betrachtete Naturspiele waren, und ebenso verhält es sich, um ein Musterbeispiel für die Unfehlbarkeit der „Alterthümler des Nordens" anzuführen, mit der berühmten, von Finn Magnusen angeblich entzifferten In¬ besonders

schrift des Runamosteines (Maurer theilt sie p. 38 mit), welche nach Worsaae nur aus natürlichen Ritzen des Felsens besteht

(zur Runenl. p. 3; cf. über dieselbe die Notiz bei Saxo Gramm, edit. 1534. fol. 69, welche doch nicht, wie W. Grimm, deutsche Runen p. 280 Anm., will, die Echtheit der jetzt angeblich vor¬ handenen

Inschrift

bezeugen kann).

angelsächsischen Futhorks (niederdeutsches von Lachmann nordalbingische, von Müllenhoff ostfälische oder engrische

Wie confus die Anschauungen über das Schriftwesen unserer Vorfahren im allgemeinen sind, lehrt die Thatsache, daß ich Ge¬ bildete in vollem Ernst die deutlich als lateinische erkennbaren

genannte Runenverse zu einem angelsächsischen und einem nor¬

Buchstaben der räthselhaften Inschriften auf dem Nedlitzer Schwert

nichts

als

eine

von

der

gewöhnlichen

verschiedene

Umsetzung des

in einer St. Galler Handschrift c. p. 137. Müllenhoff und Scherer

dischen Runenalphabet finden sich

des 9.

Jahrh. — Grimm

1,

und den Taufbecken Zm Dom und

für wendische

St. Gothard zu Brandenburg (wir wissen nur, daß die

habe ausgeben hören

Wenden überhaupt eine Schrift gehabt zu haben scheinen; wie

I. c. p. 10). Nicht weniger unrichtig

ist

es,

wenn Maurer behauptet,

dieselbe beschaffen gewesen, ist unbekannt.

I.

Giesebrecht, wendische

„alterthümliche Schriftstücke in markomnnnischen Runen auf Per¬

Gesch.

gament geschrieben fänden sich höchst selten, und seien in Metall Das s. g. markomannische Alphabet allein kaum nachweisbar."

kannter gemacht werden, ist daher wohl zu wünschen; nur dürfen

findet

sich

in 8 Handschriften (zur Runenl. 12); mit ihm

ge¬

schriebene Denkmale giebt es gar nicht, wohl aber existiren nicht

p. 64).

Daß weitere Kreise mit diesen Dingen

die Begriffe dadurch nicht noch mehr

Nordisches,

und

Angelsächsisches

be¬

verwirrt werden, daß man

Deutsches

unterschiedslos

zu¬

sammenwirft.

wenige eigentlich angelsächsische Runeninschriften.

Damit verschwindet meines Wissens die Anwendung von in Deutschland (abgesehen vielleicht von ihrer Ver¬ wendung zur Geheimschrift sMimm I. c. p. 110 AnmZ); die runenartigen Zeichen auf einem Bauernkalender vom Jahre 1398 im germanischen Museum zu Nürnberg (die Sammlungen des german. Mus. 1868 p. 73. Abbild. Fig. 70) sind unzweifelhaft Runenzeichen

nichts anderes, als willkürliche Merkzeichen eines früheren Besitzers,

Geheimschrift gebrauchten St. Galler (Grimm ähneln I. e. p. 111). Was die HausHahalrunen s. g. und Hofmarken, sowie die Steinmetzzeichcn des Mittelalters an¬ langt, die allerdings auf die ursprüngliche Bedeutung und An¬ wendung der Runen zurückweisen (zur Runenl. p. 34. Grenzb. die

allerdings den zur

c. p. 106), so haben dieselben im Lauf der Zeit eine Ent¬ wickelung genommen, welche sie den Familienwappen näher stellt.

1.

Der Zweck des Manrerschen Aufsatzes, „den einfachen, schlichten Mann auf die Runenschrift aufmerksam zu machen, um etwa

retten", wäre meines Er¬

noch Verborgenes vom Untergange zu

achtens

durch

leichter, als durch

Anfertigung

und

noch

so

ausführliche Abhandlungen,

Vertheilung

von

Facsimiles

der

in

Deutschland gefundenen unzweifelhaft echten Runeninschriften zu erreichen.

Denn wer nur die Formen kennt, welche die Runen

in unsern Schriftgießereien angenommen

haben, wird schwerlich

im Stande sein, die oft flüchtigen, abweichenden, ungenauen Züge einer Inschrift als Schriftzeichen zu erkennen. Noch bester aber wäre es, wenn Prediger und Lehrer auf dem Lande überhaupt dahin wirken wollten, daß allen sich findenden alterthümlichen Gegenständen eine größere Aufmerksamkeit geschenkt würde, und

wenn bei den großen Schwierigkeiten, welche die Entzifferung

Der Vergessenheit entrissene atte Lirchengeriithe*).

In

Bild vorgeführt vom Architekten Eiluarck Kraule. Berlin. (Mit Abbildungen.) In der dritten Nummer dieses Blattes (Jahrgang 1877) hatte ich das Vergnügen, den verehrten Lesern ein durch Alter und eigenartige Ausführung intereffantes Reliquienkreuz vorzu¬ stellen und zugleich die Bekanntmachung eines von mir in der hiesigen St. Nikolai-Kirche entdeckten Ciboriums in Aussicht Wort

und

nehmen zu können.

Ehre habe,

werde

Ehe ich

ich

mir

dies Versprechen jedoch erlauben,

zu erfüllen die

in kurzen Worten

einiges über die Entstehung und den Gebrauch der Ciborien zu geben.

Zur Aufbewahrung christlicher

Zeit Gefäße

der Weichbrode (Hostien) kamen in alt¬ der verschiedensten Form, am gewöhn¬

runde, mit Deckel versehene Büchsen in Anwendung. Diese bestanden entweder aus Elfenbein, oder aus Holz, oder aus Edelmetallen. Eine solche von letzter Art ist unter K. G. 142 in dem Katalog des Germanischen Museums zu Nürnberg, Abtheilung für Kirchengeräthschaften, abgebildet. Elfenbeinbüchsen, die oft mit Schnitzereien reich geziert sind, sind eben dieser Schnitzereien wegen in öffentlichen und privaten Sammlungen

lichsten

*) Benutzte Literatur über diesen Gegenstand: Lübke, Vorschule zum Studium der kirchlichen Kunst. Otte, Kirchliche Archäologie. Anzeiger f. deutschen Vorzeit. Organ des germ. Mus. zu Nürnberg, namentlich Jahrgang 1869, und Katalog des gern«. Museums.

d. Kunde d.

161 unsrer Zeit erhalten worden.

Diese runden Büchsen wechselten

in ihrer Gestalt, namentlich in der ihrer

Deckel, die

mit der Zeit

sich zeltförmig emporbauten und so dem Gefäß die Gestalt eines Thurmes verliehen, gewissermaßen als Vorläufer der später ge¬ bräuchlichen Nachbildungen gothischer Thürme zeigenden Ciborien. Mit Hindeutung auf den heiligen Geist ging man dann später

auf die Peristerien über, die die Gestalt einer Taube haben und die auf einer Schüssel von dem Dache des Ciboriums, das ist: des Altargezeltes herab, an Schnüren über dem Altar hängend

Drei solcher Peristerien sind in Deutschland zwar bekannt, und in den Domen zu Salzburg und zu Erfurt erhalten wurden.

und in der Kirche des Klosters Göltweih.

rium" ging schwinden

Der Name „Cibo¬

bei dem Ver¬

Altargezelte

der

und wohlangesehene Kaufleute barg, daß nicht einmal Kaiser es

Zur Herstellung

verschmähten, bei ihnen zu Gast zu sitzen.

Kunstwerke fehlte

den Märkern

den märkischen Kirchen und

es

solcher

Wenn die abgebildeten Ciborien nun aber auch einfach sind, so sind sie doch immerhin geschmack- und stylvoll gearbeitet. Das vermuthlich ältere der beiden, in den an Reichthümern.

eben

Abbildungen beigedruckten Ciborien

sei hier zuerst beschrieben. Es wurde, wie schon früher mitgetheilt*), vom Verfaffer dieses in einem Schutt- und Müllhaufen in der sogenannten Wachskammer der Berliner St. Nikolai-Kirche aufgefunden. Das Ci¬ borium im gothischen Styl, aus stark goldplattirtem Kupfer ge¬ arbeitet, ist sechseckig mit sechseckigem Fuße, hat eine Höhe von ca. 39 Ctm. und in seinem Hauptkörper von Ecke zu Ecke

mit thurmarti-

einen Durchmesser von ca.

bauchigem oder gein

versehenen

aus dem sechsseitigen Fuß

auf die

kelchartigen, Deckel

Der Schaft, der

10 Ctm.

Hostien-Gefäße selbst über.

aufsteigt,

Die Ciborien sind natürlich in den Baustylen ihrer Zeit gearbeitet, die meisten der

stark hervortretenden kleinen

außer

mit

Rundstäben,

zwei einem

Griffknauf verziert, der aus zehn, von links oben nach

auf uns gekommenen sind gothisch. Diese Ciborien

Styls,

ist,

unten

rechts

verlaufenden

wie

Wülsten gebildet wird. Von

gesagt, gewöhnlich Nachbil¬

dem Schafte steigen, schräg

dungen von Thürmen,

nach außen, sechs

gothischen

die,

oft

auffälliger

mit Nebenthürmchen sind, finden sich in verschiedener

Weise

Form und Größe bis zur Höhe von über 60 Ctm. (2 Fuß). Ein Ciborium dieser Größe wird in der Kirche des Dorfes OberMiltingen bei Rees am Niedcr-Rhein aufbewahrt. (Ab¬ bildung bei Lübke.) In dem

hat Fuß- und Kranz-Gesims,

digende Thürme tragen, die

oben bereits angeführten Ka¬

aus dem Zinnenkranz des

talog des germanischen Mu¬ seums befindet sich unter K. G. 143 ein Ciborium aus dem 15. Jahrhundert

Deckels

abgebildet,

das

in

zum Hauptkörper. an den sich

von einer Scheibe umgebenen

Kugel, die früher wahrschein¬ lich ein Kreuz getragen hat. Die Stelle des einen vorzüglich

in

der

mir

sich

Eckpfeilers

nimmt

tuette

Christophorus

ist

des

dies

äußerst

auf die in der Anmerkung angegebene

mit

sehr

die

süddeutschen Ciborien bei

Weitem großartiger und reicher in Auffassung, wie Ausführung und Ausstattung sind, als die beiden in der beigedruckten Zeich¬

nung dargestellten märkischen. Das kann aber nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, daß die arme Mark Brandenburg nicht derartige, reich ornamentirte und kostspielige Kunstwerke

in Süddeutschland möglich war, —

hervorbringen konnte, wie dies im reichen und üppigen Süddeutschland, das selbst

so

wohlhabende

Weise

sind

tragen, versinnlicht. je einem

Medaillon

Leben des Heilandes daß

auf

kleinem

Consol

stehende

Sta¬

mit dem Christuskinde ein. Es die in einfacher und hübsche Symbolik,

ansprechender

selbst zu

leicht,

eine

eine

den Zweck

des

ganzen Geräthes,

nämlich den Leib Christi, also in übertragener Bedeutung Christus

des¬

Literatur zu verweisen. Cs erklärt

Der mit einer,

aufsteigen.

Helmdeckel endigt

dazu, näher auf diesen Gegenstand einzugehen, es sei nochmals

auf Aliskröpfungen

kleine in Kreuzblumen en¬

Ornamentik ro¬ manisch, im Dach des Deckels und den Fußknäufen gothisch ist. Dagegen ist K. G. 144, das etwas jünger ist, schon voll¬ ständig gothisch. Es ist hier nicht der Ort noch die Gelegenheit halb gestattet,

durch¬

Strebepfeiler,

des Fußgesimses ruhen und

seinen

sowie

befinden

doppelte

sechs

welche

Dieser

sechs Ecken

brochene

in der Hauptsache runden Conturen, in den in d< Rundbogenfenstern,

gerade Flächen auf

Die Wandfelder des Hauptkörpers geschmückt, welche Scenen aus dem

in getriebener Arbeit darstellen, und zwar

zeigt das dritte Feld (e), zur linken des Christophorus, die Ge¬ burt; das darauf nach links folgende (d) die Geißelung; das nächste

(e) die Kreuztragung; das vierte, zur

Rechten des Christo¬

befindliche (k), Christus am Kreuze zwischen zwei mit Heiligenscheinen begabten Figuren, wahrscheinlich Maria und Jo¬

phorus

hannes, und das zur Linken des Christophorus (a) die Auferstehung.

*)

Siehe „Der

Bär" 1877 Nr.

3.

162 Relief ist früher einmal abhanden gekommen, oder und durch einen sehr zierlichen gothischen Stern entfernt absichtlich sin der Figur mit b bezeichnet) ersetzt worden. Unter den Aus¬ kröpfungen des Fußgesimses an'den Ecken befinden sich sechs kleine

Das

sechste

einen Behang getragen haben mögen,

Oesen, die früher einmal

ähnlich dem des weiter unten beschriebenen Woldenberger Ciboriums.

Unter dem Fußgesims verläuft dann noch ein schräg nach Innen Das Cigeneigt hängender Kranz von Bögen (Blattspitzen?). borium dürfte aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammen; es

im Märkischen Provinzial-Museum. Figur 2 zeigt das Ciborium der Kirche zu Woldenberg, welches durch gütige Vermittelung des Herrn Oberst Panse zu Woldenberg ebenfalls in das Märkische Provinzial-Museum ge¬ befindet

sich

jetzt

langt ist. Es ist, wenn man von den Thürmchen und den Me¬ daillons des Berliner Ciboriums absieht, reicher ornamentirt als Seine Höhe beträgt ca. 37 Ctm., sein Durchmesser im dieses. Hauptkörper, von Ecke zu Ecke gemessen, 10 Ctm. Der schön ge¬ gliederte Fuß ist sechspaßförmig, der Schaft sechskantig und außer¬ dem

Griffknauf, der durch

senkrecht

abwechselnd

stehende,

aus

Wulst und Kehle mit dazwischen liegenden Graten bestehende, Riefelung verziert ist, am Anfang und Ende des gerade auf¬ steigenden Theiles mit je einer feinen gothischen Gliederung ver¬

liche Gemüth machen, sind sie nicht

in ihrer Form viel praktischer,

als unsere heute üblichen Geräthe für Aufbewahrung und Dar¬ reichung der Hostien? Erstens vereinigen sie beides in sich: sie sind Gefäße sowohl zur Aufbewahrung, wie zur Darreichung der

Hostien; dann aber sind sie für den Gebrauch durch den Geist¬ lichen viel handlicher und bequemer, namentlich bei der Dar¬ reichung.

In

großen Gemeinde mag es dem Geistlichen

einer

oft sauer genug werden, den flachen Silber- resp. Zinnteller mit zwei bis drei Fingern, anders ist es kaum möglich, stundenlang

mit Fuß,

zu halten, während dies bei einem Geräthe

mit

der Hand leicht umfassen kann,

der

Fall

ist,

gar

Herren Geistlichen

keine

der

den man

wie dies bei den Ciborien

Die machte. Spandau dürften

großen Schwierigkeiten

St. Nikolai-Kirche

hierüber Auskunft geben können, da, wie

zu

ich zu

meiner großen

Freude erfahren habe, dort noch so ein altehrwürdiges Ciborium im Gebrauch ist. Möge man daher bei der Ausstattung der Kirchen zurückkehren zur Anschaffung dieser schönen und zweck¬ mäßigen Geräthe, durch deren Gebrauch die heilige Handlung

Abendmahls an Würde durchaus nicht verlieren dürfte. Wahrlich, die Rückkehr zum Alten wäre hier ein Fortschritt, der allseitig mit großer Freude begrüßt werden würde.

des

Auf den durch diese Gesimse und den Knauf begrenzten Feldern befinden sich Buchstaben, welche sowohl oberhalb, wie unterhalb des Knaufes den Namen „Maria" ergeben, während das je sechste, von Buchstaben freie Feld ein blumen- oder blatt¬ sehen.

Ueberlieferungen ans dem Heidenthum. Culturstudie von Arnulf

-

Von den sechs Schaftseiten steigen Hauptkörper auf, deren Kanten zu dem Hohlkehlen sechs Der Hauptkörper ist wiederum sechs¬ kammartig verziert sind. artiges

Ornament trägt.

nnd hat an Strebepfeiler, welche

seitig

den

Ecken

sechs

einfach

Kugel. Das Woldenberger Ciborium zeigt uns außerdem noch vollständigen Behang, von dem an dem Berliner Ciborium Der Behang besteht noch Spuren übrig geblieben sind. sechs stylisirten Glockenblumen, die aber wohl nie Glocken gebene

Läuten gewesen sind, festigungsstelle

für

denn

ist

es

den Klöppel

besteht aus demselben

zu

in ihrem Innern

den

nur aus zum

keine Be¬

Das Ciborium

entdecken.

Material wie das vorige.

Alle die nur erwähnten, sowie die hier abgebildeten beiden Ciboricn zeigen uns, mit wie feinem Sinn es unsere Vorfahren verstanden, das Angenehme

mit dem Nützlichen

zu verbinden und

den zu verschiedenen Zwecken dienenden Geräthen, je nach ihrem

Gebrauche,

eine

entsprechende

Form zu

geben.

Man

sehe

sich

Cibvrien an. — Sind sie nicht in ihrer stylvollen Aus¬ stattung viel würdiger, den Leib des Erlösers zu tragen, als unsere jetzt gebräuchlichen, langweiligen, glatten Blechbüchsen, die ebenso gut irgend welchen profanen, ja profansten Dingen diese

zur Hülle dienen könnten, ohne das jemand Anstoß daran nehmen würde, und deren Form nicht im Mindesten auf ihren erhabenen Zweck hinweist? Sagen Einem diese Cibvrien nicht beim ersten Anblick: Siche, ich bin die Hülle, der Träger von etwas Wür¬ digem und Erhabenem?

II. Aie Sage vom Aabenverge. Ich hatte vor einiger Zeit Gelegenheit, in den Spalten des

durchbrochene

auf den Auskröpfungen des Fußgesimses Die Wand¬ des Kranzgesimses tragen. diejenigen und ruhen flächen sind mit gravirtcn, gothischen, viergetheilten Spitzbögen und Maaßwerk übersponnen. Der Helmdeckel erhebt sich aus einem Zinnenkränze, auf seinen Kanten einen schöngegliederten Kamm tragend, und auf der Spitze eine von einer Blume um¬

Und abgesehen vom Aussehen, das sie

haben, abgesehen vom Eindruck, den sie auf jedes irgend empfäng¬

£icGet.

„Bär"

Sitten wendischer Nachkommen in einem kurzen Blick auf die Poesie Völkchens mit der Bemerkung, daß der Wende in Liedern über

zwei

altheidnische

zu sprechen, und schloß, dieses

fortlebende Sagen nicht zu besitzen scheint.

— Hier nun

sinnige Legende in Prosa, die freilich den Namen

eine

„Culturstu¬

die" nur mittelbar verdient. Am Ostufer des Schwiloch- (Schwilung-) See's erhebt sich heute ein kahler, nur von wenigen Kieferbüschen bewachsener Berg, der „Babenberg". (Beiläufig verdankt er seiner Gestalt vielleicht seinen Namen, indem die wendische Bezeichnung für Napfkuchen „Babe" ist.) Einst, in grauer Vorzeit, krönten Eichen sein Haupt, und eine trutzige Feste ließ sich Heldensang von ihnen rauschen. Drinnen herrschte eine Fürstin (Königin); sie gebot über das Land, das rings das Schwilungsee-Ufer umsäumte. Eine wonnige Maid, zogen die Freier doch viel und alle gesenk¬ ten Hauptes, über die Zugbrücke hinaus, von dannen. Und wie lustig sie die Rosse beim Eingang getummelt, heimwärts ritten sie still und traurig. — Der See reichte lange nicht bis zum Berge; sein Reich beherrschte Swilo, der Alte, tief unten in funkelndem Krystallpalast. Der Nordsturm war des Alten Freund, und oft, wie noch heut, brausten beide nächtlich ihr wild erha¬ benes Lied. So schlief einst drunten um Mitternacht Swilo, der Alte; des Herrschers lauschend stand ringsum der Dienenden Schaar. Und horch! droben peitschte plötzlich der Nord die Wogenroffe, daß sie wild aufbäumten und schnoben, flatternd die weiße Mähne im Mondlicht schüttelnd. Der Alte schlief ruhig. Des Palastes Wände erbebten, und ein hurtiger Bote brachte dem Alten Kunde. Er fuhr auf und empor, und schüttelte — ein zweiter Poseidon — -

163 drohend seine Rechte.

Aber der Nord lachte und

reckte seine eisigen

Schwingen vom Auf- zum Niedergang: „Hollah! hab ich Dich wirklich wach gemacht? Auf, alter Bursche, freie um die Fürstin an Deines Reiches engen Grenzen. Ihr Gebiet ist groß, und mächtig können

wir uns tummeln,

gehört das

Ihrige Dir!" —

Der Alte schüttelte unwirrsch das langhinflutende Silbergelock, und nieder fuhr er auf hochbäumendem Rosie, ohne Antwort zu geben. Der Nord schwang wilder und erbost seine Fittige, aber der Alte drunten lag still und achtete wenig seines Zornes; den¬ noch prüfte er, was der wilde Gesell gesagt. Und sieh', als des anderen Tages die Nacht ihr Roß emporleitcte, saß die fürstliche Maid still in ihrem Zimmer und ließ die Spindel durch die Hände gleiten. Ein feuchter Luftzug fuhr durch das vergit¬ terte Fenster, und ehe

sie

wußte, wie es geschehen, stand

der Alte, ein seltener Freier, vor ihr.

Swilo,

Ein langhinwallendes

sich von seinen Schultern, eine Perlenkrone umgürtete sein weißes Haar. blitzend wie Wogenschaum. Trotzig forderte er ihre Hand. Doch der Schrecken war bald überstanden, und ruhig und fest verweigerte sie das Geheischte. Da packte ihn wilder Zorn: — er streckte eine Hand aus, sie mit Gewalt hin¬ Doch ihr Schreien schreckte die Schläfer der Burg, abzuziehen. und drohend schwang der Alte seine Faust und fuhr wildschnau¬ bend wieder hinab in sein dunkles Reich. Und donnernd ent¬ schritt er in sein innerstes Gemach, machte Zeichen auf den Estrich, und murmelte Baun- und Zauberworte. Seine Boten fuhren

Herrschergewand ergoß

hinaus auf flinken Scerosscn, alles was da lebt in unterirdische Kammern zu treiben. Und sieh', die Fischer kamen und klagten ihr Leid, daß sie Hungers sterben müßten, weil kein Fisch mehr in die Maschen ginge. Die Fürstin schwieg, aber ihr Gesinde mußte Speicher und Keller öffnen, und die Hungernden laben und sättigen. Aber nicht lange, so eilten schreiend ihre Knechte in den Hof: „Fürstin, Fürstin, Dein weißer Hengst ist nieder¬ gerissen von den Fluten! Wir wollten ihn baden, da sprang's plötzlich neben ihm empor, wie eine mächtige Welle, und riß ihn hinab!" — Die Fürstin schwieg, aber sie weinte um ihr Lieb¬ lingsroß. Und sieh', wieder kamen Boten: „Fürstin, Deine Werden haben böse Geister gepackt: seit wir sie zur Tränke in den See getrieben, sind sie rasend geworden, und zerfleischen sich

mit ihrem Gehörn, daß wir nur wenige Neue Schaaren

kamen

von

zu retten vermochten!"

hungernden Fischern, Weibern

— und

Kindern, und die Speicher wurden leer, und licht ihre Keller. Und Boten sandte

sie zu den

Weisen und Priestern ihres Volkes,

tief hausend im Dickicht der Wälder.

Die Männer kamen, aber sie riethen lange und wußten nicht Rath, endlich sprachen sie: „Fürstin, das Uebel ist groß, es kann nicht gering die Sühne sein: opfre dem Zorne Swilo's jährlich zwei Jungfrauen, rein und unbefleckt, und

wir glauben,

gewährt!" — Der Fürstin

daß er wieder seine Schätze

deuchte ' das

Mittel furchtbar, und

lange zögerte sie, ehe sie es vollbringen ließ. Als aber größer und größer die Noth ward, da schritten ihre Boten hinab gen Speirow, das am Fuße des Burgberges lag, die Jungfrauen zu küren. Heulen und Jammern erfüllte das Haus, zu dem sie ihre Schritte lenkten. Aber der Ost entführte darauf nächtlich

im leichten Kahne die Gewählten. Drunten aber beugte sich, wie zum Kuffe, der Alte über die lieblichen Gestalten und ent¬ Und des anderen Morgens trugen die sag ihnen die Seelen. Wellen sie bleich und leblos zum Ufer, in ihren Haaren Tang * und Seerosen zum Kranze geschlungen. Und sich', der Alte war versöhnt, so lange er jährlich sein Opfer empfing. —

Aber vor Brennabor lag der sächsische Löwe, und drängte härter und härter die Jungfräuliche. Auch die Fürstin hatte Schaaren der Bedrängten zu Hülfe entsandt. Doch als auch der Winter des Kaisers Verbündeter geworden war, da mußte die Feste fallen. Dunkle Gerüchte davon drangen auch zur Fürstin, sie klangen sonderbar: „In des Kaisers Gefolge ritten zwei Män¬ ner, die trügen schwarze Kutten statt der Ritterharnische, und statt Tartschc und Schwert ein Holzkrcuz

mit einem Mcnschen-

leichnam darauf, aus Elfenbein geschnitzt. Aber sie waren mäch¬ tige Zauberer, und verkehrten den Sinn der Männer Brcnnabor's, sie die Haine flohen und die Altäre Zcruebrocks stürzen ließen" Die Fürstin hob ihr Haupt zornmuthig empor: „Wehe, wer den Zauberern in meinem Reiche lauscht!" — Aber nicht lange, so tönte Horngeschmetter vor'm Thor: ein deutscher Ritter, vom Kaiser entsendet, harrte draußen des Einlasses. Droben am Thurmfenstcr stand die Fürstin und schaute hinab auf die glänzende Schaar und den Mann, der unter ihnen ritt in schwarzem Gewände und langem Silbergelock. Und sieh', jetzt nahm der Führer seinen Helm vom Haupte, daß das Gold¬ haar lang hinab wallte; er schüttelte sein Gclock und setzte den Helm wieder auf, da das Gatter knarrend emporfuhr. Aber die ininnige Maid droben hatte sein Haupt gesehen, sein präch¬ tiges Deutschhaar und den klaren Flammenblick: so mußte der nordische Baldur aussehen, wenn Thor ihm seinen Blick geliehen! Der Ritter trat zu ihr in's Gemach, die stolze Herrin wußte nicht Rede noch Antwort — sie war verlegen und zornig, und doch ganz keines von beiden. Als nun aber ritterlich der Jüngling seines Kaisers Gruß entbot, und seines Auftrags we¬ gen Lösung der Gefangenen sich entledigt hatte, war auch sie wieder die selbstbewußte Herrin und bot dem Feinde Gastfreund¬

daß

....

schaft.

Am flackernden Kamine

saß

sie

des Abends,

die nimmer

ruhende Spindel in der Rechten, genüber der nordische

Ritter;

still und ruhig die Brände schürend der schwarzgewandete Prie¬ Ihr deuchte, es sei das Rauschen des Wassers im eislösenster. dcn Lenze, wenn der Jüngling sprach, des Greises wenige Worte aber wie chrfurchtgebictender Donner. Die Knappen saßen drun¬ ten und zechten, und die drallen Mägde füllten die geleerten Humpen und Schüssel und Tisch, und lachten der radegcbrochenen Schmeichelworte und Scherze der Deutschen. — Aber der nordische Priester sattelte sein Roß und ritt hinab gen Speirow und die umliegenden Orte, und streute, ein Sä¬

mann, Samen aus, harrend, daß die Körner Keim und Früchte tragen möchten. Während er aber drunten die Religion der Liebe lehrte, lehrte droben im Burgschloß Liebe Religion; und beider Körner keimten und wuchsen.

Unwirrsch zogen

sich

in

der Wälder und Sümpfe lichtscheues Revier die Priester der Wen¬ den, seit die stolze Fürstin der Worte des Ritters, der zu ihren

Füßen saß, lauschte.

Und sieh', beim Purpurlicht des Frühroths schritt eines Tags ein Zug aus den Hütten Spcirows zu den Ufern des Alten: voraus der greise nordische Priester mit seinem Kreuze, hinter ihm sechs weißgewandcte Jungfrauen und Männer. Sic traten hinein in die Flut, da tauchte sich eine Welle empor und riß zwei der Jungfrauen hinab. Der Priester streckte beschwörend das Kreuz hinaus, und die Welle verschwand; aber der Alte hatte sein Opfer, das ihm vorenthalten wurde, seit des Nordens Söhne in die Burg zogen. Die Fürstin vernahm die Klagen, doch nicht Schrecken

erfüllte sie: trotzig und stolz trat

sie

nächtlich

164 hinaus auf die Zinne, und blickte ruhig auf den geheimnißvollen Zwirungsee unter ihr: „Wähne nicht, daß ich Deinen Zorn fürchte, düstrer Gesell, denn der Christengott hat mich gefeit. Ha, steig, wenn's Dir beliebt, herauf, zu schau'n, wenn ich morgen die Brautkammer betrete!" Eine Welle lief hurtig hinab, dem Herrscher das Wort zu künden. Hui, wie der auffuhr, mit dem Fuße stampfte, daß der „Auf, Boten, zum Nord! Estrich erbebte und die Krystallwand. zum Werben veranlaßt, daß her, der mich schnöde entbietet ihn wir der Frechen ein Brautlied heulen, wie nimmer eins gehört

ward!" —

Geschichte der

Stadt Havelberg.

Mitgetheilt vom Bürgermeister Lau in Havelberg. (Schluß.)

Des Kunstpfeifers Hausfrau, Kinder und Gesinde, falls

sie

nicht freundschaftshalber gebeten sind, sollen die Hochzeiten nicht besuchen noch

von Essen

etwas

und Trinken

bei

Strafe von

Des ersten und andern Abends und nicht mehr, soll dem Kunstpfeifer von den Hochzeitsgästen mittelst Auflegung eines Tellers eine Verehrung zu fordern vergönnt sechs Groschen

abholen lassen.

Roß emporzog, Fluren und Felder im Schlummer lagen, hell

Die Cantorei-Verwandten sollen auch, nachdem sie sich mit Singen des ersten Wends haben hören lasten und darauf die Mahlzeit eingenommen, sofort nach Hause zu verfügen, hiermit injungiret und nicht in dem Hochzeitshause zu bleiben, weniger

aber vom Burgberg die Fenster strahlten, die Hallen wiedertönten

zu tanzen und sich vollzusaufen vergönnt sein. rc.

von Becherklang und Gejauchz': da kam es Plötzlich wie ein Riesengespenst vom Norden hergezogen, und seine eisstarren Flügel schwingt es vom Ost zum West. Sturmwind heult vor ihm her,

nach

die Eichen schüttelnd und die Tannen zerschmetternd.

dero Landen und hiesigem Rathe

ein.

Die Boten flogen von dannen zur arktischen Burg und

brach¬

Und als der Nacht dunkelgcmähntes

ten Botschaft und Kunde.

*

Aus der

Und sieh',

der dunkle See wird lebendig: es gährt und wallt, als ritten abertausend von Reitern auf flinken, weißgemähnten Roffen durch¬ einander. Und mitten daraus reckt sich's empor wie ein gewalti¬ ges, silbergelocktes Haupt — höher und höher strebt es empor — schon ziehen die Wolken

um seine Stirne



das Roß unter ihm

bäumt und schnaubt, weithin sprühend Gisch aus seinen Nüster¬ thoren. — Und seinen Riesenarm reckt Swilo, der Alte, hindeu¬ tend auf die hellen Fenster der Burg. Hui, wie da die Rosse der sich tummeln, höher und höher die Flut emporbraust . und Nord und seine Schaaren durch die Luft rasen! Ein Wogen¬ schwall, wie der Arm eines Giganten, packt den Babenberg und Und seine Feste und reißt sie hinab mit wildem Hohngelächter. — die Wogenreiter. Speirow wilden weiter und weiter dringen sinkt und die Auen

rings umher.

.

. .

Und als Dagur, der Nacht und des Frühscheins Sohn, emporzieht, da ist der Babenberg ein kahler, öder Hügel, auf dem die Raben krächzend nach Atzung suchen — Speirow versunken in des Alten Reich — Wasser rings, so weit das Auge reicht.

— Tief unten

in seinem Palast saß Swilo, der Alte, und mit seinem Meervolk. Doch sieh', plötzlich frohlockte und stand die Gestalt des nordischen Priesters vor ihm: „Du froh¬ lockst, düstrer Geist, daß Du Deine Rache gekühlt hast? Doch aber

zechte

nicht

Dir

gehören die Seelen, die ewiges Leben geathmet haben,

nur die verweslichen Leiber sind Dein. Sei drum verflucht, seelenlose Opfer hinabzuschlingen immer und immer, die Dir zum Grauen und Ekel werden; bis einst ein helles Kind des Tages Dir rein und heilig in jener Liebe zugethan ist, die nur allein des Ostens Gott gewährt, und die Du schnöde jener Für¬ stin mißgönnt hast! — Dann erst, düstrer Gesell, löse auch Du Dich in das geistdurchlohte Universum auf!" — Der Priester schwand; wild auf aber fuhr der Alte: „Holla, Gesellen, heran! heult, daß die Erde erzittere! Ich will zeigen, daß ich noch Herr meines Reichs

bin!".

.

.

.

ruht der Babenberg kahl und öde — Speirow ist wieder am Ufer erbaut, aber über das versunkene fährt der Fischer mit Grausen und auch der Alte ist nicht erlöst: jährlich schlingt er seine Opfer hinab — kein lichtes Kind des Tags Noch heute

hat den düsteren Gesellen, lösend, geliebt.



Hiernächst soll der Bräutigam auf nächst kommenden Freitag der Hochzeit

unaufgefordertangeben, machen, nachgehends

zwei Thaler Strafe

bei

sich

mit

sich

zu

Rathhause

anfangs Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht

mit Eides Pflichten verwandt

seinem christlichen Gewissen erhalten, daß

er sich der hochzeitlichen Gesetze überall gemäß bezeiget oder

da

er eines oder anderen Punktes nicht gelebet, dafür sich willig zu bei jedem Artikel specificirten und verwirkten Strafe

der

anerbieten, rc." Nach diesen Bestimmungen und anderen Verordnungen scheint schon im 16. und 17. Jahrhundert in Havelberg großer Luxus und ein üppiges Leben geherrscht zu haben. Zu bewundern ist es

übrigens, daß die Bürgerschaft

sich

von den Kriegsdrangsalen,

der Plünderung und gänzlichen Einäscherung der Stadt aus dem Jahre 1627 durch die Dänen, in wenig Jahrzehnten so rasch erholt und es zu einem so hohen Wohlstand gebracht hatte, daß dem überhand nehmenden Luxus durch eine so strenge landesherrliche Verordnung, wie sie vorstehend im Auszuge mitgetheilt ist, gesteuert werden mußte.

Eine Aufzeichnung dieser Drangsale findet sich im Kirchen¬ einen Auszug hiervon enthält das Havelberger StadtOrakel. — Es wird darin u. A. Folgendes mitgetheilt: „Die Stadt wurde am 12. April 1627 durch 236 Musketiere und etliche Reiter kaiserlicher Truppen, welche von Brandenburg kamen, besetzt. Ein Trupp Dänen hatte sich auf dem Dom verschanzt und nun begann ein gegenseitiges Bombardement, wobei die Kaiserlichen damit begannen, brennende Pechkcänze und Feuerkugeln in den Bischofsberg (Saldernberg) und Käuferberg zu werfen; in mehreren Tagen waren beide Ortschaften bis an den Hohlweg völlig niedergebrannt. Die Dänen dagegen warfen vom Domabhange Feuer in die Stadt und bald brannte es an verschiedenen Stellen in der Fischerstraße und in den angrenzenden Straßentheilen. buche;

Die Bürgerschaft mußte des unausgesetzten Schießens wegen alle Löschversuche einstellen, und so verbreitete sich das Feuer über die ganze Stadt, äscherte alle Gebäude bis auf die Kirche, das Beguinenhaus (Hospital St. Spiritus) und den Rathsstall am Sandauer Thore ein. Selbst das neu erbaute Rathhaus mit seiner reichen Urkunden-Sammlung und allen Acten wurde ein Während des Brandes plünderten die Raub der Flammen. Soldaten kaiserlichen die Stadt, und was die Bürger aus den Flammen gerettet, fiel in die Hände der Plünderer. Den Dänen war es inzwischen gelungen, sich des befestigten Domes zu bemächtigen, und beraubten sie die Kirche um viele Schätze und Kostbarkeiten. — Der Kaiser Ferdinand II. bewilligte dieserhalb

165

„Brandbrief" von 1630 der Stadt das Einkommen in ganz Deutschland gesammelt wurde. Der Ertrag dieser Sammlung ist nicht verzeichnet. Der Wiederaufbau der Stadt ging sehr langsam von Statten und erforderte eine Reihe von Jahren, da viele Bewohner nach außerhalb gezogen durch den

noch neuerdings käuflich wieder zu erwerben sich bemühte, gehörte

einer Collecte, welche

zum

Während

ganzen Dauer

30jährigen Krieges bestanden die Gebäude der Stadt meist aus ärmlichen Hütten, so daß Wallenstein auf dem Durchmärsche im Jahre 1631 keine Wohnung fand, vielmehr auf der kleinen Havelinsel neben der Stadt ein Zelt für sich aufschlagen mußte; ebenso später der schwedische General Ban er. Am 12. Juli 1631 fielen Schweden in die Stadt und nahmen hier Quartier. Am Morgen nach dem Einzuge waren 66 Soldaten erstochen {— wahrscheinlich durch feindliche Krieger; waren.

der

die Aufzeichnungen

schweigen

hierüber

des

—).

Sofort ließ der

Truppenführer die Stadt plündern und legte ihr schwere Contribution auf. Die Sakristei, in der viele Werthsachen der Bewohner verborgen waren, entging auf flehentliche Bitte des Geistlichen Joachim Blumenthal, deflen Bild noch heute in der Stadtkirche in der.Thurmhalle links hängt, der Plünderung, wofür aber die Stadt den Offizieren und ihren Dienern ein Gastmahl geben und Mannschaften ein Geldgeschenk machen mußte. Diese Drangsale hatten große Armuth der Bürger zur natürlichen Folge,

den

doch der betriebsame

Sinn

der Bürgerschaft überwand auch dies

Das Rathhaus wurde erst 1698 nach der Einäscherung im Jahre 1617 wieder aufgebaut. Die städtische Verwaltung wurde nach dem Statut von 1615 geführt. Dies Statut ist copirt Seite 331 u. ff. in dem „Havelberger Stadt-Orakel." Der Magistrat bestand aus 6 Personen, von denen 2 das Amt als regierende Bürgermeister bekleideten und in der Führung des Vorsitzes alle Jahre wechselten. Die Richtergeschäfte verwaltete ein alljährlich neu erwähltes Magistratsmitglied. Alle Magistratsmitglieder erhielten für die Amts-Verwaltung besondere Einkünfte, theils in baarem Gelde, theils in Nutzungen bestimmter Krämerei-Ländereien, theils im Bezüge von Naturalien aus der Rathsziegelei, aus der Schäferei Ferner gehörten zum Müggenbusch und aus der Stadtforst. Rathe eine unbestimmte Anzahl von Gewerksvcrordneten, welche den Beirath bildeten. Ein Stadtschreiber oder Actuarius fertigte die Beschlüsse des Magistrats aus und verwaltete die Stadtkasse. Als in Folge des 30jährigen Krieges die Stadlschulden eine solche Höhe erreichten, daß der Churfürst Friedrich Wilhelm eine Revision der Kämmerei-Rechnung und nächstdem die Einleitung des Liquidations-Verfahrens anordnete, erhielt die Stadt unterm 8. März 1691 ein auf eine möglichst sparsame und billige Verwaltung berechnetes neues Stadt-Statut, nach welchem außer 2 regierenden Bürgermeistern nur 2 Rathmännec und 2 Raths¬ harte

Unglück.

verwandte die Stadt verwalteten.

Diese erhielten eine Besoldung

Thlrn. Der außerdem Stadtschreiber erhielt 59 Thlr. 12 Gr.

von zusammen jährlich 200

angestellte

Aus dem letzten Jahrhundet berichten die Urkunden, Acten und Aufzeichnungen von bemerkenswerten Ereignissen, meist nur Streitigkeiten über Grenzen und Gerechtsame mit Grenznachbarn und dem Domkapitel, ferner von großen Bränden und Ueberschwemmungen.

Hiervon hervorgehoben zu werden verdient der Streit um mit der Familie Kannenberg , später den Mövenwerder von Kannenberg. Dies von der Elbe und deren Nebenarmen begrenzte werthvolle Grundstück, welches die hiesige Stadt-Commune

größten Theile

der

Stadt.

Bei den durch die starken

Strömungen der Elbe veränderten Grenzen dieses Grundstücks geschah es, daß nach und nach der Antheil der Stadt von dem zur Altmark gehörigen Antheile des Rittergutes Kannenberg erheblichen Zuwachs erhielt. Hieraus entspannen sich Processe gegen die Stadt, deren vieljährige Dauer mit dem letztinstanzlichen Erkenntniß seinen Abschluß fand, wonach die Stadt auf einen ganz geringen Theil dieses Grundstücks zurückgewiesen wurde. Am 30. April 1747 brach in der Dom-Ziegelei Feuer aus und theilte sich den am Bergabhange belegenen Häusern mit. Bei dem herrschenden starken Sturme brannten in 3 Stunden 7 Häuser von Neuburg, 50 Häuser von Köperberg und 15 Häuser von Saldernberg ab. Die Häuser waren fast alle mit Rohr gedeckt und der Sturm trieb von den brennenden Gebäuden einen förmlichen Feuerrcgen über die Häuser der so

daß es

in letzterer an 12 Orten zündete,

Stadt,

jedoch gelang es den

es um sich griff. Am 2. Juni 1759 brannten vor dem Steinthor die zur Stadt gehörigen 21 Scheunen nieder. Im Jahre 1783 ist hier ein Brandstifter, der Drechsler Johann Gottfried Brockmann, welcher die Wohngebäude seines hier in der Mühlenstraße wohnhaften Hauswirths aus Rache in Brand gesteckt hatte, öffentlich hingerichtet. In den Jahren 1770 und 1771 litt die Stadt an bedeutenden

Bewohnern, das Feuer überall zu löschen, bevor

Uebcrschwemmungen durch das Frühjahrshochwasser der Elbe und

Havel; in Folge dessen fand eine Verlängerung des Deiches vom Mühlenholz bis zum Havelort statt, wozu aus Staatsmitteln 50,000 Thaler beigetragen wurden. — Während des siebenjährigen Krieges hatte die Stadt außer einer am 24. September 1758 erfolgten Einquartierung von 600 Mann Infanterie und 150 Husaren schwedischer Truppen weder Truppendurchzüge, noch Lieferungen, wohl aber bedeutende Kriegssteuern zu tragen.

Im

vorigen Jahrhundert blühten hier besonders die Gewerke

Schifffahrt, Schiffbauerei, Bierbrauerei und strickerei. Es wurden besonders für das Militair der

der

Strumpf¬

die derzeit neu

eingeführten Commisstrümpfe gestrickt und gewebt. Nach dem Ende des siebenjährigen Krieges wurde hier auf Salzmarkt am Sandauer Thore ein Haupt-Zoll-Amt mit Packhof errichtet, bei welchem die Versteuerung der auf dem Wasserwege von Hamburg kommenden oder nach Hamburg bestimmten Waaren erfolgte. Im Jahre 1821 ist dies Zoll-Amt, an welchem eine große Zahl Beamte angestellt war, nach Witten¬ berge verlegt, und die Gebäude sind bald darauf verkauft. — Vor Einrichtung dieses Zoll-Amtes wurde von hier ein bedeutender Schmuggelhandel von Hamburg unterhalten, bei welchem mehrere

dem

Geschäftsleute große Reichthümer gesammelt haben sollen.

Nach

Errichtung des Zoll-Amtes erlitt der Handel hier eine große Stockung; denn nun wurde der Schmuggelhandel in benachbarten Städten, wo die Ueberwachung desselben fehlte, getrieben und dadurch den hiesigen Kaufleuten eine Concurrenz gemacht, die den größten Handelsverkehr nach den benachbarten Städten lenkte. — Der nach der französischen Revolution zwischen England und Frankreich ausgebrochene Seekrieg lähmte auch den in Havelberg lebhaft betriebenen Getreidehandel; besonders aber litt dieser durch die Publication vom 2. Januar 1801, welche bestimmte, daß der zur Exportation bestimmte Weizen aus der Prignitz nur bei Lenzen, Camps und Wittenberge in Schiffe eingeladen werden dürfe, daß aber das Einladen an anderen Orten bei Strafe der

166 Confiscation und Verlust des Rechts, mit Getreide zu handeln, verboten sei. — Natürlich war dies eine große Bedrückung des Zwei hiesige Kornhändler, der Kornhandels in Havelberg. Eigenthümer Bast in Saldcrnberg und der Kaufmann Stainer Hierselbst, versuchten es, dies Gesetz zu umgehen, und beluden hier zwei Kähne mit Weizen. Die Zollbeamten ertappten sie aber und nach Maßgabe des Gesetzes wurde die Ladung confiscirt. Hierüber entstand unter den Bürgern große Aufregung, die dahin

— Die

Überwachung der Elbufer geschah übrigens hier durch den Landsturm, und gesellten sich zu demselben viele vertreiben.

Bürger freiwillig, die nie Soldat gewesen waren. Auch Theodor Körner hat hier mehrere Monate das Commando zur Bewachung des Elbüberganges bei Havelberg und Sandau hiesige

geführt. über

In

seinen Werken findet man noch eine Aufzeichnung

die Romantik

in einem Briefe an

dieser Gegend

seine

Schwester.

(im Januar 1801) die consiscirten Weizenkähne

Während der Kriegsjahre 1813 bis 1814 hat die Stadt

den Zollbeamten gewaltsam entführten und den Weizen fortschafften,

Havelberg außer einem Transport französischer Kriegsgefangener



Truppen beherbergt, wohl aber zuweilen Quartier für durchmarschierende preußische und russische Truppen gegeben. — Der Einzug der Verbündeten in Paris und der Friedensabschluß wurden auch in Havelberg mit großer Begeisterung gefeiert, und neue Hoffnungep für ein Wiederaufblühen des gelähmten Handels¬ verkehrs, für eine gedeihliche Entwickelung des Gewerbes belebten

führte, daß

sie

wobei Jeder für

behielt, was er von der Ladung erbeutete.

sich

Die Folge dieser Auflehnung und Gewaltthätigkeit war die Bestrafung aller dabei betheiligten Personen, von denen mehrere angesehene Bürger mehrjährige Gefängnißstrafe erleiden mußtenIm Jahre 1785 und 1805 fanden wieder große Ueberschwemmungen statt; durch die

letztere wurde die ehemals über

die kleine Havelinsel führende Brücke fortgerissen, und verursachte die Wiederherstellung derselben der Stadt große Kosten. Außerdem aber wurden viele Gebäude der

Stadt

durch die Wafferfluthen

beschädigt, unter andern auch das hiesige Schützenhaus vor dem

Sandauer Thore völlig zerstört.

— Die

meisten Geschädigten

erhielten aus der Kurmärkischen Baukasse eine Bau-Unterstützung, die fast die Hälfte des taxirten Schadens betrug. — Eine fernere

Stadt im Frühling 1845 zu Brücken der Stadt in große die wurden

große Ueberschwemmung hatte die

Durch diese

erleiden.

Gefahr

gebracht,

indem

nach

einem

bei

Lübars

erfolgten

Deichbruche die Fluthen die Brückenbeläge fortzureißen drohten,

und nur durch die starke Belastung der Brücken mit Steinen, woran die Bürgerschaft eine ganze Nacht arbeitete, das Unglück vermieden wurde.

— starken Truppendurchzüge,

Contributionen, die Unterhaltung eines französischen Fcldlazarcths und das längere Cantonnement französischer Truppen. In den Tagen vom 23. bis 26. October 1806 wurden hier circa 17,000 Mann Truppen des auf dem Rückzüge begriffenen Hohenlohe'schen und Weimar'schen Corps einquartiert. die hohen

Von nun ab fanden häufig Truppendurchzüge von Preußen und Franzosen statt, die hier einquartiert werden mußten und wodurch oft die Bürger genöthigt waren, das nöthigste Obdach aufzugeben und es den Truppen zu überlassen. Vom 1. September 1807 bis 6. März 1808 mußte die ein französisches Feldlazareth

in

der Domschule einrichten

und unterhalten und die Verpflegung der Kranken und des Lazareth-Pcrsonals bestreiten. Während dieser Zeit war zwischen den Dörfern Töppeln und Nitzow ein großes französisches Feldlager errichtet. Die Verpflegung dieser Truppen hatten die umliegenden Ortschaften, besonders aber auch die Stadt zu liefern, ja außerdem

An Kriegs-Contributionen hatte Havelberg in 8 Ausschreiben circa 30,000 Thaler, außerdem aber gegen 10,000 Thaler Tafelgelder für die französischen Offiziere aufzubringen. Bemerkenswerth ist das Ereigniß des Durchmarsches französischer wurden noch Geldzahlungen gefordert.

Kriegsgefangener

nach

Uebergabe

der

Festungen

Pillau und

Spandau. Die Gefangenen wurden durch preußische und russische Truppen escortirt. Als dieselben in die Gegend von Havclberg kamen, wurde der Landsturm aufgeboten und an den Straßen aufgestellt, um den über die Elbe zurückkehrenden Franzosen zu in Preußen Alles bereit sei, Gewalt mit Gewalt zu

zeigen, wie

alle Schichten der Bevölkerung.

19. Juni 1809 wurde in Havelberg niit großen Feierlichkeiten die Städte-Ordnung vom 19. November 1808 ein¬ geführt. Die Verwaltung der Gerichts-, Polizei- und Communal-

Am

Angelegenheiten befand Personen bestehenden

sich

derzeit in der Leitung eines aus vier

Magistrats.

Mit Einführung

der Städte-

Ordnung wurde aus den beiden Justizmitgliedern das Königliche Stadtgericht gebildet; die neu gewählten 6 Magistratsmitglieder führten von nun ab die Communal-Verwaltung, und 24 Stadt¬ verordnete bildeten die Bürgervertretung. Das Land- und Stadtgericht behielt feine Geschäftsräume im Rathhause bis zum Jahre 1847 und wurde dann in das durch Königliche Cabinets-Ordre dem Justiz -Fiscus überwiesene ehemalige Dechanei-Gebäude des Doms verlegt.

Schwere Opfer verursachten die

Stadt

keine feindlichen

Der Ausbau und die innere Einrichtung dieses Gebäudes erfolgte auf Kosten der Stadtgemeinde, welche sich um die Errichtung der GerichtsDeputation bemüht hatte. Durch der

den

unglücklichen Krieg

Tilsiter Friede

beendete, und

gegen

Frankreich,

durch die

welchen

gegen diese Macht

übernommenen Verbindlichkeiten waren die Finanzen des preußischen

Staates in eine Mißlage gerathen, in welcher nur durch außer¬ Zu diesen ordentliche Maßregeln geholfen werden konnte. außerordentlichen Maßregeln gehörte die in einem Königlichen Edict vom 30. October 1810 verordnete Einziehung sämmtlicher geistlicher Güter in der Monarchie. Die wirkliche Aufhebung des Havelberger Domstifts verzögerte bis solche endlich durch Allerhöchste Cabinets-Ordre vom doch, sich 10. April 1817 angeordnet und dann im Laufe des Jahres 1819 vollzogen wurde, nachdem inzwischen schon durch den Tod des erledigt worden. Vermögen des erhielten aus dem Stiftsmitglieder übrigen Die Stifts Kompetenzen ausgesetzt, gegen welche ihre Beziehungen zum Dechanten und Vicedechanten zwei Präbenden

Domcapitel gelöst wurden.

Die Uebernahme sämmtlicher Güter, Rechte und Gerechtsame des Domstifts durch die Königliche Regierung geschah zu Anfang Es wurde auch zugleich ein Rent- und des Jahres 1819. Polizei-Amt mit Verwaltung der Forstkaffe im Dom eingerichtet. Die durch Aufhebung des Stifts entbehrlich gewordenen Gebäude und Nutzbarkeiten wurden theils ebenfalls verkauft, theils durch Vermietung oder Verpachtung für das Rentamt benutzt. Die jährlichen Einkünfte des Stiftes beliefen sich bei der Aufhebung desselben nach sehr billigen Taxen vom Dom-Capitel selbst auf 26,939 Thlr.; von einem Commiffarius der Königlichen Regierung

167 wurden sie zu 31,403 Thlr. 4 Gr. 5 Pf. mit Einschluß der Natural-Erhebungen angeschlagen. Heute würden sie zweifellos weit über 100,000 Thlr. jährlich betragen. Im Jahre 1832 wurde die aus dem Domstift gehörig gewesenen Ländereien bestehende Königliche Domaine Dom-Havelberg in Parcellen zertheilt und verkauft, wobei die Forst- und Weideberechtigten,

auch

die Schulzenämter

Der Volksmund bringt

sehr schöne, große Hunde und aus Aerger darüber, daß er für die Hunde auch Steuer bezahlen sollte, zur bleibenden Erinnerung an die

besessen

Weise heimlich geändert haben.

der Berggemeinden

Seinigen hiervon Mittheilung gemacht haben, und nur durch die Familie die Sache weiter bekannt geworden sein.

Da die Thatsache des veränderten Münzstempels feststeht und zugleich obige Erzählung daran geknüpft wird, so kann man wohl annehmen, daß die Sache nicht auf einer Zufälligkeit beruht.

so

daß

hatte die Stadt bald neues Mißgeschick zu

Straßen und riefen öffentlich den Verkauf von Blechmarken aus. Jeder Hundebesitzer mußte ein solches Zeichen kaufen und dasselbe

Auch

die weiteren eifrigsten Bemühungen der

hier eine Escadron des Königlichen Leib-Carabinier-Regiments. Mit Einführung der Landwehr wurde hier das Landwehr-BezirksCommando errichtet. In den Jahren 1849 und 1850 standen

Infanterie-Regiments in Jahre 1860 erhielt das 2. Bataillon des Im Garnison. 4. Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 24 (Großherzog von Mecklenburg-Schwerin) Havelberg als Garnison; doch nach dem dänischen Kriege im Jahre 1864 und bis heute ist das Füsilier-Bataillon desselben Regiments hier garnisonirt. Der Patriotismus der Havelberger und ihre Opferwilligkeit bewährte sich glänzend in den Kriegen 1864,' 1866 und 1870/71. Compagnien

eines

badischen

_

Die Auszeichnung dieser Kundgebungen sowohl wie die des großen Brandes vom 6./7. Februar 1870, welches allen Havelberger

,

Hasenhaide, die Hunde an der Leine geführt werden, und stand dem Jäger daselbst zu, einen freiumherlaufendcn Hund zu erschießen. sich mit einer dieser Einrichtungen obige Erzäh¬ lung einigermaßen in Einklang bringen lassen, wenn man annimmt, daß der betreffende Herr durch eine bezügliche Contravention den Verlust seiner geliebten Thiere zu beklagen hatte, und seinem Aerger hierüber auf die angegebene Weise einen Ausdruck gab.

Es dürfte

Vielleicht

Erklärung für

getroffene Bestimmung,

einem Leser des

jedoch

Mershagerr und Üohlsdorf bei pritzuialk,

Kreis Ost-Pricgnitz.

Ein in kurzen Krümmungen sich windendes Fließ begrenzt eine zum Dominium Warensdorf ge¬ hörige Wiesenparzelle, welche sich an einen kleinen, mit mächtigen Bäumen bestandenen Eichenwald anreiht. Hier an der Grenze, am Fuße eines dieser stolzen Baumriesen, stehen schräg und theils schon

ganz

in die Erde

versunken

Es sind dies die sogenannten Hunde-Viergroschenstücke mit der Jahreszahl 1822. Bekanntlich ist auf der Rückseite der genann¬ ten Münzsorte das kleine Königliche Wappen dargestellt, und zwar ist im Allgemeinen die Anordnung der Ordenskette um den Wappenschild herum der Art, daß sich zu jeder Seite der Krone

rohem

Bei den Viergroschenstücken vom Ring zu sehen, und kann man mit einiger Phantasie hierin zwei Hunde erkennen.

dieser kleinen Hügel angelegt.

Jahre 1822 ist dagegen nur je ein halber

eine andere

Wechsel bietenden Gegend.

daß die

alten preußischen Viergroschenstücke von der Königlichen Kaffe nicht mehr ausgegeben werden sollen, wird auch ein kleines MünzCuriosum verschwinden, welches freilich nur wenig bekannt ist, jedoch immer von ganz speciellem Jntereffe für Berlin sein dürfte.

ein Ring der Kette befindet.

„Bär"

Münzkuriosum bekannt.

Eine Meile nordöstlich von Pritzwalk liegt Dorf und Rittergut Ellershagen in einer schönen, fruchtbaren, vielen

Von ft. ßcgcr.

vor Kurzem

ist

dieses

1.

Lin Miinj-Euriosunl. die

den sogenannten Hundstagen gingen

seinem Hunde um den Hals hängen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, daß derselbe von jenen Knechten aufgegriffen und, falls er nicht ausgelöst, gctödtet wurde. Später mußte jeder Hund ein Halsband tragen, auf welchem Name und Woh¬ nung des Besitzers angegeben waren, und jedes Thier, welchem ein solches fehlte, konnte gleichfalls aufgegriffen werden. Aus dem Verkauf von dem Fett und den Fellen der geschlachteten Thiere erzielte der Scharfrichter eine nicht geringe Einnahme. Es mußten damals ferner, sowohl im Thiergarten, als in der

Bürgern treu im Gedächtniß lebt, dürfte jedoch hier werthlos, oder, als die jüngste Vergangenheit betreffend, noch nicht am Orte sein.

Durch

In

Hunde schützen sollte.

die Knechte und Burschen des Scharfrichtereibesitzers durch die

- Stadt um eine Eisenbahn blieben ohne Erfolg. Dagegen hatte sich die Stadt des Vorzuges zu erfreuen, Garnisonstadt zu sein. Vor dem Kriege mit Frankreich bis zum Jahre 1804 stand

hier 2

Dagegen bestand schon vorher eine Hundeordnung,

Publicum vor etwaigem Unheil durch herrenlose

der Schrepkow-Genthiner

Hamburger Eisenbahn die Stadt nicht aufnahm, sondern die Meile von derselben bei dem Dorfe Glöwen nächste Station errichtet wurde.

das

welche

gegen die

sich

eingeführt ist.

indem die in den Jahren 1844—47 erbaute Berlin-

beklagen,

Tradition von vornherein anführen, die Hundesteuer, als solche, in Berlin erst im Jahre 1830

Allerdings läßt

führt, der Verkehr einige

Staatschausiee, welche durch Havelberg

Belebung erhielt,

Um einer etwaigen Rüge hier¬

über zu entgehen, soll der Beamte erst vor seinem Tode den

Verkehr der Stadt Havelberg ganz erheblich und wenn auch durch erfolgten Bau

haben

Einführung der Hundesteuer, den Münzstempel in der angegebenen

Verwaltung der Ortsgemeinde Dom-Havelberg verbunden; ebenso ist auch bei Auflösung des Remonte-Depots, welches hier bis zum Jahre 1832 auf dem Gute Wöplitz bestand, mit dem Verkaufe des Letzteren an einen Privatbesitzer die communale Vereinigung des Gutes Wöplitz mit der Gemeinde Dom-Havelberg erfolgt. Durch die Auflösung des Hauptzollamtes Hierselbst und auch des Remonte-Depots auf dem nahe gelegenen Gute Wöplitz litt der im Jahre 1846

Berlin in Ver¬

Ein Münzbeamter soll

bindung.

mit Landparcellen abgefunden wurden. Die communale Verwaltung dieses fiscalischen Antheils vom Dom war mit der Communal-

den

diese Abweichung von dem sonstigen Ge¬

präge mit der Einführung der Hundesteuer in

erratische Granitblöcke.

fünf bemooste, unbehauene,

Dieselben sind, soweit

sie

über der Erde

meßbar, durchschnittlich gegen 165 Centimeter (fünf Fuß) lang und alle von ziemlich gleichmäßiger Mannesstärke. Die Seiten¬ ohne Spuren von Bearbeitung aufzuweisen, bei Bruch dennoch leidlich gerade und flach. Das ganze Terrain ist welliger Natur, und ist dieses offenbar durch Menschen¬ hand errichtete Erinnerungszeichen auf dem höchsten Theile eines

wände sind,

Erkundigungen hierüber, die auf

168 mehreren Stellen der Umgebung einzuzuziehen

Noch am Ende des vorigen Jahrhunderts waren eigenthüm¬ liche Gebräuche im Gange. So erzählt der ehemalige Pfarrer

meine knapp be¬

Zeit mir erlaubte, liefen alle darauf hinaus, daß hier in unbestimmter Vorzeit drei Kinder vom Blitz erschlagen worden Dem Anschein nach aber haben wir es mit einem alten seien. vorgeschichtlichen Bauwerk zu thun, das entweder in Rücksicht auf die romantische Gegend als Götter verehrende Stätte, oder als messene

Felsengrab

seinen Zweck

(nordische Dolme)

zu

erfüllen

und Inspektor zu Spandow, Schulze, in seiner 1805 vollendeten handschriftlichen Chronik Spandows über die Ceremonien, unter welchen am 23. Februar 1780 auf dem Markte zu Spandow ein neuer Galgen errichtet wurde, Folgendes: „Die Zimmerleute kamen im Aufzuge mit Musik und schloffen einen Kreis um das bereitliegende und schon ziemlich zugehauene herangefahrene Bau¬ dem Kreise waren der Polizeibürgermeister, der Stadt¬ holz. sekretär B. Krüger und andere Rathspersonen und von wegen des Kommandanten der Garnisonauditeur Herweg. Der älteste Zimmermeister Becker reichte dem Polizeibürgermeister Hertig die Axt, der in neuen Handschuhen die ersten Hiebe aufs Bauholz that. Hernach zog der Zimmermeister jene neuen Handschuhe an und that dergleichen Hiebe. Diesem folgten nun sämmtliche Zimmerleute. Der Kommandant, der zuerst dasein sollte, kam Man präsentirte ihm die Axt und er that gleichfalls auch. einige Hiebe. (Eigentlich hätte er den ersten thun sollen, her¬ nach der Justizrath als Richter, der sich aber garnicht einfand.) Jetzt kamen die Maurer gleichfalls mit Musik in noch größerem Aufzuge, hatten auch einen Gesellen mit einer Harlekinsjacke, der rund herum tanzte und über Zimmerleute und Maurer wie über das Bauholz die Fahne schwenkte, indeß jene Vornehmern, her¬ nach der Altmeister des Maurergewerkes Bockfeldt, endlich die übrigen Meister und Gesellen einige Steine pflasterten und mit dem Hammer darauf schlugen. Nachher wurde die ganze Arbeit den Tag über ohne weitern Umschweif ausgeführt."

hatte.

In

Gänzlich unbeachtet und unbekannt, verdient dieser Ort, der nur mit einer gewissen Scheu seiner Umwohner betreten wird, wohl

Der kleine Eichenwald die Beachtung unserer Alterthumsfreunde. gehört dem Herrn Regierungsrath und Stiftshauptmann v. Hakelmann, der schon aus der Hand seines Vaters dieses wohlgepflegte

Gut übernommen hat.

Geeignete persönliche Verwendung wird

jedenfalls beim Besitzer entgegenkommende, bereitwillige Unter¬ stützung zur näheren Untersuchung finden. Mein Wunsch ist es, daß dieses Denkmal in seiner Be¬ deutung der Geschichte und unserem Vaterlande bewahrt bleibe. 2. Gleichzeitig verdient die in dem eine Viertelmeile nörd¬

Rohlsdorf

lich von Ellershagen gelegenen

befindliche alte Kirche

„wendischer Bauart" mit breitem Meißeldach, mit dem wohl später daran gefügten schönen gothischen Portal, sehr der Beachtung. Berlin. C. Sonnenberg, Landwirth.

Soeben

Mtlirgesclliclüe

erschien:

Berliners.

Archiv für kirchliche Laukunst und Lirchenlchmuck. Organ für die Gcsammt -Interessen der kirchlichen Kunst.

Unter Mitwirkung

bewährter Fachmänner herausgegeben von Fh. Prüfer, Architekt. Anhaltstr. 13. II. Jahrgang. Jährlich 6 Hefte gr. 4", steif brochirt, mit

Berlin,

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Berlin. Verantwortlich für Redaction: Ferd. Meyer in Berlin. — Druck von W.

I.

A. Stargardt.

Pormetter in Berlin.

Unter Mitwirkung von Dr. Brecht, Prof. Dr. Baulus Aassek, Stadt-Archivar Kidicin, Lheod. Kontane, Stadtrath H. Kriedel, Freiherr Dr. von Ledebur, Geh. Hofrath L. Schneider, Archidiaconus Schwebet in Ciistrin

Geh. Regierungs-Rath rc. rc.

herausgegeben von

George

Wtl

und

Ferdinand Meyer.

Das Blatt ist durch alle Buchhandlungen und Postämter, sowie durch die Expedition (Bahnhofstr. 1) zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Verlagshandlung von Alfred Weile in Berlin zu senden, welche sie der Redaction übermitteln wird. — Inserate, pro Sgesp. Petitzeile 25 Pfg., werden von den Herren Haasenstein'u. Vogler, Rud. Mosse,

Bernh. Arndt,

sowie von der Verlagshandlung entgegengenommen.

Inhalt.

Trachtengeschichte Berlins bis zum dreißigsährigen Kriege. Von Oskar Schwebe!. — Ein Berliner Lehrbrief aus dem Jahre 1768. Mitgetheilt von Richard Beringuier. — Eine Kabinets-Ordre Friedrich des Großen. Mitgetheilt von Günther. — Die Gräber der Schloßkirche zu Quedlinburg. Nach K. W. Hase und F. v. Quast von vr. G. Scllo.

Trachtengeschichte

Serlins bis Von

es der oberflächlichen

dreißigjährigen Kriege.

®ssiat SdiiufBct.

^>n einem Jahrhundert wie das unserige, das der ganzen Welt immer mehr und mehr eine uniforme Gestalt zu geben be¬ strebt ist, das selbst die freie, selbstständige Bildung des Geistes mehr und mehr bedroht, in ihm findet trotzdem das mittelalter¬ liche Sprüchwort: „Das Kleid macht den Mann," seine Anwendung; und wenngleich

Ml

Beurtheilung

Thür und Thor öffnet — das Sprüchwort hat sein Recht. Allge¬ meiner aber war die Geltung, die der Satz in den Zeiten hatte,

In

sind

eine bedeutsame Quelle

ächter, wahrer Geschichtsforschung ins Einzelnste gehenden Studien immer

geworden; und wie den

der Vortheil bleibt,

daß das Gesammtbild durch sic lebendiger

und frischer wird,

hat auch durch diese Untersuchung die grau

in grau gemalte gewonnen.

so

Altvordern neue, helle Farbentöne daher versuche, an den uns gebliebenen

Geschichte unserer

Wenn

ich es

Bild vergangener Tage darzustellen,

Resten alter Kunst ein

so

glaube ich mich bei dem Interesse, das die Geschlechter abgewonnen

Zeiten jener reichen, auf die ihm den Ursprung gegeben. den eigensten Geist jedes Einzelnen zurückgehenden Mannichfaltig-

haben, die vor uns auf diesem Boden wandelten, eine Rechtfertigung

keit; in Zeiten, die ihre tiefsten ethischen Gedanken nicht im Begriff, sondern im Bilde darstellten, denen das Symbol so geläufig geworden, daß sie es — ich erinnere hier nur an die

Die Trachtengcschichte unserer Stadt setzt spät ein, über 50 Jahre bestand das städtische Gemeinwesen bereits, da finden wir

meines Versuchs überheben zu dürfen.

das erste Denkmal.

Wir

stehen am Schluffe einer großen Epoche



der vaterländischen Geschichte: das Ballenstädtische Regentenhaus,

bei einer Volksstimmung, die mit kindlicher Naivetät sich an der bunten Außenseite des Lebens erfreute: bei ihnen hatte das Kleid

die Askanier, neigen sich dem Aussterben zu. Was sie diesen Landen gewesen, das hat unser Märkischer Walter Scott, Willibald Alexis, in dem „falschen Woldemar" in unübertrefflicher Weise

Kirche des Mittelalters

eine reichere Bedeutung,

— mit

der Sache selbst verwechselten,

als bei uns;

es

Ausdruck der Persönlichkeit, Abbild und

war im vollsten Maße

Signatur

des Menschen

geschildert.

Ein farbenreiches Leben hatte

sich

über die Mark

an den tiefblauen Seen der Havel

und der Zeit.

Brandenburg ergossen,

Hieraus erklärt sich die culturhistorische Wichtigkeit der mittelalterlichen Trachtengeschichte, erklärt sich der Bienenfleiß, der überall jetzt in Deutschen Landen die alten Denkmale sammelt, und die oft seltsame Ueberschätzung dieser Dinge nach Art jener alten, wohlbekannten Originale von Alterthümlern. Die alten Trachten, die noch vor 70—80 Jahren nur den Raritätensammler und höchstens einen gewissenhaften Theater-Intendanten angingen,

und in den prächtigen Wäldern des Werbcllin entfaltete sich der Glanz des Ritterthums; der Templer und der Johanniter ver¬

auch

einigten auch hier auf unserem Boden beide Sphären, in denen Mannesmuth und Geistesadel jener Zeiten um die Palme rangen; schöne Frauen wirkten auch hier veredelnd auf Zucht und Sitte, froher Sang begrüßte auch in unsern Waldungen den jugendlichen

König, den wonnereichen Mai.

Und die Fürsten gingen voran.

170 Auch Markgraf Otto mit dem Pfeile konnte „aller Freuden Herr und alles Adels Blume" genannt werden; der hochsinnige Otto I. war des glanzvollen Böhmenkönigs Ottokar Przemysl ebenbürtiger Waffcngenoß; der junge Johann hauchte sein ritterliches Leben im Turniere zu Prag aus. Zn den geistlichen Ritterorden finden wir die Prinzen des Geschlechts, wie auf den Bischofsstühlen des Landes und im stillen,- einsamen Kloster. Die Denkmale der strahlenden Fürsten aber hat der Bildersturm, der die schlanken Gewölbe Lehnins und Chorins zerschlug, hat der Schwede zertrümmert, der mit dem Schwert in die Votiv¬ tafeln der Vorzeit schnitt, — die Grabesplatte des einen Lehniner Mönches, Markgrafen Otto Y., ist geblieben. Verschollen bis auf wenige Klänge sind die Lieder Märkischer Dichter, des Grafen Burchard v. Lindau und des Herrn v. d. Dahme. Nur von Otto dem Minnesänger hat uns die Sammlung des Zürcher Rathsherrn Rüdiger von Mancsse ein Bild aufbewahrt:

mit der

schönen

Heilwig

v.

Holstein

sitzt

der jugendliche

römischen Scheines entäußert.

körper

unten zu

der Männer,

wurf die

Spur

zu

sehen.

Er trägt Schnurr- und Kinnbart,

Haupthaar fällt auf die

Stirn,

zu beiden

das

Seiten des Kopfs

zeigen sich einfache Löckchen.

Die Art

solch'

mittelalterlicher Gedenksteine ist eine

höchst

toirkungsvolle, das ganze Leben des Verstorbenen; er mit sammt

am Ober¬ verengt, nach

— indem der Mantel

in

gleicher Weise wie ein edler, fließender Falten¬

als den schönsten Vorwurf des plastischen Künstlers, erkennen lasten. Zugleich verachtete der Mann das kurze Haar als knechtisch und die Frau warf die nonnenhaft ernsten, verhüllenden Kopftücher und Hauben fort; bei dieser sank das Haar in welliger Lockenfülle über den Nacken herab, in ge¬ mäßigter Länge trugen es die Männer."*) Als Kopfbedeckung diente diesen eine Phrygische Mütze, den Frauen ein Kranz, von dem der Schleier lang herabwallte. Die Glanzzeit der Askanier war bald verschwunden, das Volk auf dem Märkischen Boden sollte nicht im Sonnenschein

Kraft,

keine

Tunica

menschliche Gestalt

des Glücks

theils aus den Märkischen Landsasien Deutscher und Wendischer Abkunft, theils aus den Holländischen Colonistcn und einzelnen zu Helm und Schild geborenen Geschlechtern. So auch in Berlin! Tie Kloster-Kirche bewahrt den Grabstein eines Rathmannen aus dieser Zeit, des 1308 verstorbenen Conrad v. Belitz. In langem, faltenreichen Gewände, dem Mönchskleide nicht un¬ ähnlich, steht er vor uns. Unter der Brust umschließt ein lederner Gürtel das Gewand, von einer Wehre, Dolch oder Schwert, ist

die

Schnitt und mäßige Weite nimmt, und zugleich die weiche Wolle an Stelle der harten Leinwand tritt, war es erst möglich geworden, daß der schlanke Wuchs der Frauen und die kräftigen Formen

Jahrhunderts. Die glänzende Hofhaltung der Ballenstädter übte ihren Einfluß aus, doch zumeist nur auf den Adel. Der Bürgerstand in den Marken hatte unter den Fürsten sich erst die Grundlagen des Daseins zu schaffen, und konnte noch nicht jenes von Lebensfülle und selbstbewußter Kraft strotzende Bild zeigen, das ältere Städte in dieser Zeit uns darbieten. Die Bewohner der Städte bestanden

sich

aber verlängert und erweitert,

sich

Fürst am Schachbrett, die Tracht ist dgs übliche Fürstengewand des 13.

Indem

den Hüften bei beiden Geschlechtern

und

heranwachsen, hier wollte die Vorsehung eine zähe

auch ein auserwähltes

Volk

sich

Stürmen und treu in seiner

schaffen, das den

Volk, ernst Arbeit und von dem Segen der Arbeit belohnt. In dem Elend der folgenden Zeiten waren es zwei Stände, die hier sich hoben, der waffenfähige Adel und das wohlhabende Bürgerthum. Wie interessant es auch wäre, dieser Erscheinung weiter nachzugehen, es ist hier nicht unsres Ortes. In Folge des ausgebreiteten Handels bildete sich während der Baierischen Zeit in allen Mär¬ kischen Städten eine Geld-Aristokratie aus, die ihre Hauptsitze in Berlin, Köln, Frankfurt, Prenzlau und den alten Städten jen¬ seit der Elbe hat. Vielfach wurden diese bevorzugten Familien durch die Fürsten in das Hofleben hineingezogen, sie waren die Wirthe des Landesherrn, sobald dieser in die Stadt eimitt, nahmen aber nie allein mit der Ehre vorlieb, sondern forderten nachher für ihre Rechnungen Schuldverschreibungen. Die Berliner Familie Brügge, die Frankfurter Hokcmanns und Niemegks hatten zusammen gegen 26,000 Thlr. zu fordern, sie hatten den Ludwigen Einlager gewährt, Pferde und Gewand des Schicksals trotzen könne, ein

geliefert und baare Vorschüße geleistet. Der Reichthum der Bürger veränderte

das Ansehen

der

Zeit tritt uns entgegen, und wenn wir am Denkmal eines Kreuzfahrers, den wir in einer Kathedrale Englands auf dem Löwen schlummernd finden, uns in den Lebenslauf des Helden versetzt fühlen, und ihn auf seinen Zügen durch die gelben Wüsten Syriens und in die Türkcnschlacht begleiten, hier der Stein mit dem friedlichen Bildnis; eines Rathsherrn unserer Stadt, er führt uns in die Zeit zurück, wo der treue Fleiß Sächsischer Männer den Grundstein legte zum stolzen Bau der Jetztzeit. So sahen jene Bürger aus, die die Städte Berlin-Cölln zu ihrer

Städte bedeutend, die alte Einfachheit schwand immer mehr und mehr, zumal der Wohlstand durch Verfassungskämpse noch nicht zerrüttet ward. Wir dürfen freilich nicht ganz das Bild Süd¬

mittelalterlichen Bedeutsamkeit emporbringen halfen, die weisen und fürsichtigen Männer — discreti et providi viri der alten

Tänze— wie z. B. in Neu-Ru pp in ein eigen Hochzeitshaus bestand — auch hier hatte das Handwerk seinen Stolz

Urkunden — einfach und schlicht, die ächte, alte

und seine Freuden. Die Oster- und Pfingsttage, die Fastnacht und der Johannis-Abend, all' die kirchlichen Feste brachten ein reiches Leben in die Bürgerschaft und bunte, frohe Trachten be¬ lebten das Bild einer mittelalterlichen Festversammlung. Wie

seiner

Art

Deutschen

Bürgerthums. Die Tracht des Rathsherrn selbst ist die allge¬ meine dieses Zeitalters. „Tausendjährig war der Kampf zwischen dem Deutschen Kleide und dem Gewände des klassischen Alter¬ thums gewesen. Endlich hatte die faltig gegürtete Tunica über

Sieg davongetragen, und der Mantel, von hinten herum gelegt und auf der Brust mit der Spange befestigt, glich dem Pallium. Die langen Deutschen Locken waren gefallen und der Kopf trug das schön den kurzen und engen Deutschen Rock den

gekürzte

Haar.

Aber

allmählich

hatte

sich

das

Costüm

des

deutscher

Reichsstädte oder der nordischen Hanse auf unsere Vaterstadt übertragen, aber stattlich genug erhoben sich auch hier die Giebelhäuser

Erkern,

mit

auch hier

den thurmartigen Dächern und den zierlichen

prangte das Gebälk mit frommen Sprüchen

oder kernigen Bürgerworten und über dem Eingang das Wappen¬ schild

des Besitzers.

Auch hier hatten die Rathsgeschlechter ihre

Gastereien und

heiter und glänzend das Leben in Berlin sich gestaltet hatte, zeigt eine Polizei-Ordnung des Magistrats von 1335. Keine Jungfrau soll an Geschmeide, Spangen und Perlen mehr als

eine halbe Mark an Gewicht tragen;

„goldstrigende Duke,

goldene Rysen und Kränze," welche mehr als

*) Jakob

Falke, Trachtengeschichte.

eine Mark wie-

171

Mark

ergriffen werden, und die die Freuden im Berge der Frau Venus

bestimmte die Rathsversammlung in väter¬

Den größten Theil der Schuld am Elend der Zeit trägt das selbstsüchtige Streben jeder Gesellschaftsklasse. Auch hier in der Mark hat es Zeiten gegeben, wo man die Begriffe Vaterland und Ehre über Herrschsucht und Habsucht vergessen zu haben schien, das Bürgerthum so gut wie der Adel.

gen, Zobelbesatz und Borten auf den Kleidern sind bei 10

Strafe verboten,

so

licher, haushälterischer Absicht.

in den Dörfern Arbeit die Leute singend ihre Straße heimziehen; es ist eine alte. schöne Sitte, die auch in unserer Stadt einst gang und gäbe war. Ein Bild aus jener Zeit steigt vor uns auf. Die letzten Sonnenstrahlen vergolden die Thurmspitze von St. Nicolai, die Franziskaner-Glocke schlägt die Vigilie an. Ein Ave Maria klingt leise über die Lippen, dann geht's hinaus zu Sang und Klang. Alte Weisen sind's, die durch die Linden ziehen, Weisen von des Maien Wonne, von Liebes Lust und Leid, dazwischen klingt wohl der übermüthig-neckische Ton eines Noch ist's Brauch bei uns zu Lande, daß

nach gethaner

Fahrende Leute kommen des Weges, die Cymbeln und die Zinken tönen, der Tanz fängt an. Wie fliegen die Schleier und farbigen Bänder der Mädchen, wie klingen die Schelmenliedes.

Schellen am Gürtel des

Jünglings!

Die Sterne funkeln herab,

die Flammen flackern düsterroth aus den Kiehnpfannen

auf, der

aus den funkelnden Kränzen. Doch das hat auch seine Schattenseite. Das leichte, fröhliche Leben

Wiederschein erglänzt

Bild

leichten Sinn im Uebermaße mit sich, die Wollenund Leineweber-Knappen pflegten Schuh, Hemd und Hosen zu vertrinken; wie dürftig in diesen Klasien die Bekleidung war, zeigt ein Verbot von 1331: „Niemand solle barfuß oder im bloßen Hemd über die Straße gehen". — Die Märkischen Städte

brachte

nahmen eine geachtete Stellung ein, bald saßen

sie neben

Nachbarn von der Ostsee im Hanse-Saale zu Lübeck.

hatten

sich

ihren

Die Bürger

trotzig und selbstsüchtig dem Landesherrn gegenüber

gestellt; sie waren waffenfähig, wie der Adel.

In

der Klosterkirche

ist, in Stein, Helm und Schild eines alten Berliner Geschlechts, der Blankenfelde, zu finden. Dieser Helm, ein kühngeformter

Stechhelm mit dem Rabenkopfe d'rauf, saß auf dem Haupt eines

Bürger, die so gern und oft zum Schwerte faßten. Mit Armbrust, dem Streitkolbcn und der Hellebarde gewaffnet, mit Brustharnisch und Eijenhaube versehen, folgten die Bürger dem großen Stadtbanncr; gewöhnlich waren es Edelleute der Nachbarschaft, Selchows und Bardel eben, welche die städtischen Mannschaften führten. Wir haben leider sonst kein Monument aus dieser Glanzzeit des Märkischen Bürgerthums, sie ging schnell genug vorüber. Es kam das Elend der Zeit des falschen Wal¬ demar und mit ihm die blutigen Parteiungen in der Berliner Bürgerschaft, und unmittelbar daraus wehte der Pesthauch auch gegen die dicken Mauern dieser Stadt. Gelockert waren die der der

besingen.

Nichts zeigt den verwilderten, entsetzlich zerfahrenen, leicht¬ sinnig tändelnden Sinn dieser Zeit, ihre Aufgeblähtheit und

Selbstunzufriedcnheit bester, als die Kleidung. „Anno 1400— 1430", sagt eine alte Chronik, „war ein so großer Ueberfluß an prächtigem Gewand und Kleidung der Fürsten, Grafen, Herren und Ritter, der Knechte und der Weiber, als es niemals erhört

worden; da trug man silberne Fassungen oder Bänder von 10, 12, 15, bisweilen auch 20 Mark." Berlin besitzt ein charakte¬ Denkmal dieser Zeiten; uns Allen steht wohl der Todtentanz von St. Marien vor Augen. Es ist ein befremdend, unser Gefühl zugleich abstoßend und anziehend Bildwerk. Da tanzen sie den grausen Reigen, der ordo ecclesiasticus und secularis, vom Papste bis zum Küster, vom Kaiser bis zum Bettelmann herab, und dazwischen die gelben, abgezehrten Leichen. ristisch

Man hört's fast, wie die Gebeine aneinander klappen und wie gespenstige Spielmann seine schrillen Weisen ertönen läßt. Wär' nicht das Kreuz in der Mitten, ja, dann schiene kein Hoffnungsstrahl in die Vergänglichkeit dieses farbenreichen Lebens, und die Trauer über den Verlust des Daseins, in dem wir's uns so bequem gemacht, sie bliebe ungetröstet. Für die Trachtcngeder

fünfzehnten Jahrhunderts ungemein Die bekannten Ordens- und Standestrachtcn der Geist¬ lichkeit auf dem Todtentanze zu verfolgen, liegt außerhalb unseres Wohl aber kommen die Kaiserin, als Repräsentantin Zweckes. weiblicher Tracht, und die dem Bürgerthum angehörigen Figuren des Gemäldes in Beziehung. Um mit der Tracht des edelsten menschlichen Körpertheils anzufangen, das Haupt ist bei sämmt¬ lichen Figuren bartlos, außer bei dem Kaiser, den der Maler, schichte ist dies

wichtig.

Bart

gegeben hat.

es scheint, als wäre hier in der Mark der Kopf der Hohenstaufcnzeit fast zwei Jahrhunderte stereotyp geblieben. Der Kopf des Bürgermeisters oder Junkers z. B. ist derselbe, wie er

nieder;

unter der Sturmhaube auf den Siegeln der Ballenstädter erscheint; umhüllen wir die Gestalten mit dem Kurfürstlichen Schmuck, so

wir

haben

Friedrich

I.

Friedrich

II.

Es war eine Zeit der gewaltigsten Gegensätze. Auf der all' der durch die Verderbniß der Kirche eingerissenenen Finsterniß, ein tiefteligiöses Gemüth, eine innige Herzlichkeit im Heiligen- und Marien-Dienst, auf der andern Seite ein rohes, ungezügeltes Streben nach Genuß, entsetzliche Grausamkeit und Hartherzigkeit; hier ein sehnsüchtiges Verlangen nach Befferem und Anstrengung aller Kräfte, es zu erreichen, dort ein träges, selbstzufriedenes Beharren, das zäheste, trotzigste Festhalten auch des Unhaltbarsten. Es sind dieselben Sänger, die von der Trauer des Winters in stillen Momenten gewaltig einen Seite, trotz

Lang wallen bei allen, den besseren Ständen

zuzählenden Gestalten des Todtentanzes, die Locken auf die Schultern

ihrer Brüder schritten mit dumpfem Gesänge die Geißler. Allein der Mensch vergißt gar bald sein Unglück. „Da das Sterben, die Geißelfahrt, Römerzug und Judenschlacht ein End' hatten", sagt die Limburger Chronik, „da hub die Welt an, wieder

fein."

Karl und Friedrich Bar¬ auf die Brust herabfallenden

an typische Kaisergestalten, den großen barossa sich haltend, einen langen, spitz

Bande der Sitte und des Gesetzes, über die unbegrabenen Leichen

zu leben und fröhlich zu

Werk des

genau denselben Gesichtsausdruck, zu

Konstanz

mit

dem

vor Kaiser Sigismund

Kurfürst

kniet;

auch

erscheint noch bartlos.

Eine der anmuthigsten und lebendigsten Gestalten des TodtcnKaiserin. Ein enges, scharlachrothes, namentlich um Brust und Hüften genau anschließendes Gewand deckt die hohe und schlanke Gestalt; wie sie so den Kopf graciös trägt und der weiße, golddurchwirkte Schleier über die Schultern hinab¬ tanzes ist die

fällt,

wie

sie

zierliche Fuß

mit der Rechten die Schleppe aufnimmt, daß der aus

dem

blauen Untergewande

hervorschaut,

so

uns das Bild einer jener vielbesungenen Herrinnen der Minnesängerzeit vor Augen, wie sie sich unter den Teutschen Frauen auch in den folgenden verwilderten Jahrhunderten gehal¬ ten und ihnen nimmer fehlen werden. Eine andere, durch würdevolle und lebenskräftige Zeichnung

führt

sie

hervorragende Gestalt

ist

der

Bürgermeister.

Er trägt ein

das an den

von seinem 14.—20. Jahre die Spezerey- und Material-Handlung

Aermeln und den Füßen ein hellblaues Unterkleid sehen läßt; die Beine stecken in engen, schwarzen Strümpsen, an die sich der So trugen sich die Mitglieder jener Schnabclschuh anschließt.

1786 führt ihn Nicolai in seinem bekannten Buche 552) als Compagnon seines Lehrherrn Grand an, als die Kaufleute, die handeln mit „Rum (oder ge¬ branntes Waffer aus Zuckersaft) in der Postflraße." Es war das Haus Nr. 11, welches bis 1816 in unserer Familie blieb. Von 1799 bis zu seinem Tode war er „membre de la societd frangaise pour la distribution de bois de chauffage aux pauvres honteux“*). Als mein Urgroßvater den 1. Juni 1810 gestorben war, widmeten ihm die Pastoren der französischen Kolonie in Berlin auf seinem Grabe eine eiserne Tafel, mit einer Inschrift, die seine Verdienste preist**). Die Tafel befindet sich noch auf dem fran¬ zösischen Kirchhofe beim Oranienburger Thor, und ist eine der Den ersten Arbeiten der Königlichen Eisengießerei zu Berlin. Dank der Pastoren wird er sich wohl besonders deshalb zuge¬ zogen haben, weil er sie sämmtlich jeden Donnerstag bei sich zu Tische hatte, und ihnen außerdem gestattete, daß sie in seinem großen Saale ihren Confirmationsnnterricht ertheilen konnten. Den Lehrbrief, der auf Pergament geschrieben ist und sich noch sehr gut erhalten hat, habe ich mit Eigenthumsvorbehalt an das Märk. Prov.-Museum gegeben, und ist derselbe dort für den, der sich dafür interessirt, in Augenschein zu nehmen. Er lautet: „Wir Gülde-Aelter-Herren, und sämtliche Innungs-Ver¬ wandte der Kaufmannschaft der Specerey und Material Hand¬ lungen in denen Königl. Prcußl. Churfürstl. Brandenburgschen Haupt und Residentz Städten, Berlin, Cöln an der Spree, Friedrichs- Werder- Dorotheen- und Friedrichs-Stadt, fügen hiermit jedermänniglich, nebst Entbietung unserer willigen Dienste

langes schwarzes, mit Pelz

verbrämtes Gewand,

alten berühmten Berlinischen Familien, die

Strobands, Wel¬

sikendorf, Blankenfelde, Wins meister-Amte

so

und Rycke, die im Bürger¬ kräftig den Hohenzollern widerstanden. Es liegt

in dieser Figur ein bemerkenswertster Gegensatz gegen die folgen¬ den, den Wucherer, Junker, Kaufmann, Amtmann und Bauer. Sie alle sind mit kurzem Rock, der sich beim Junker fast bis zur Höhe einer modernen Jacke herausschiebt, bekleidet; der eng¬

Aermel, die Beinkleider, die lebhaften Farben der

anschließende

huldigen dem herrschenden Geschmack des Zeit¬ alters, beim Bürgermeister nähert sich Schnitt und Farbe dem Von besonderem Interesse ist der Kauf¬ geistlichen Gewände. Kleidungsstücke

mann: er trägt eine dem späteren Spanischen Mäntelchen von starrer Seide ähnliche rothe Umhüllung und Halbstiefelchcn; es scheint, als ob der Maler gerade den Kaufmann als Vertreter neumodischer Eleganz hingestellt hätte, und als ob schon im

Berlin

von 1460 die Verhältnisse so ziemlich dieselben gewesen seien, Als Kopf¬ wie in der Metropole des 19. Jahrhunderts.

bekleidung wir

es

erscheint überall

das

Barett,

fast ganz so, wie

als Damentracht haben. Elegant genug ist auch des Capitals dargestellt, der Wucherer trägt —

jetzt

die Macht

natürlich ist eine große Geldtasche, in die die Linke mit bezeich¬ nender Haltung greift, nicht vergessen — Über einem schwarzen Gewände mit weißer Fütterung einen violetten, gelb ausgeschlagencn Ucbcrrock.

Bei allen Figuren wird der

Rock von einem

Gürtel znsammengchaltcn; von Waffen findet sich beim Junker ein Dolch und beim Kaufmann ein langes Schwert. Merkwürdig ist noch der Betrüger, der in einem langen, die Farbe der Unschuld tragenden Francngcwande dargestellt ist, und der Koch, an dessen lang herabfallenden Aermeln

sich

große Schellenglocken

zeigen. -

Im Jahre (Th. II. pag.

gelernt hat.

zu wißen: daß heute,

(Fortsetzung folgt.)

*) Warum

Ein öerliner Lehrbrief aus

dem

Jahre 1768.

ihn

**) Die Grabschrift,

bei der die Apostrophe,

Ci git la depouille mortelle

— denn sein Trauschein führt in den Listen der Colonie den Ort Schwaubach als den Ort seiner Geburt, welcher mir bis jetzt zu ermitteln unmöglich war, — fand ich, neben entdecken

nachfolgenden Lehrbrief meines Ur¬ großvaters, dessen Publikation, wie mir scheint, besonders seiner

vielem absolut Werthlosen,

Form wegen, auch einigen Lesern des „Bür" willkommen sein wird. Besonders interessant scheint es mir, wenn man die kauf¬ männischen Zustände, die aus demselben hervorleuchten, mit den die rosigste gewesen

Jahre Lehrzeit! Und ob diese ist!? Doch alle diese Parallelen zieht sich der

Man

denke 6

Negociant actis et integre pere tendre bon maitre zele defenseur du droit et de 1 equite prndigue pour ses amis les malheureux et la patrie de son tems de ses Services

et d un bien acquis par quaraute ans de travaux simple dans ses moeurs il n a connu d autre luxe que les largesses de la cbarite ni d autre consolation des peines de la vie que le celeste plaisir de soulager les infortunes de servir ses amis et de se derober a leur reconnoissance

geehrte Leser wohl selbst.

Voran möchte ich noch schicken, daß mein Urgroßvater den 10. Mai 1748 zu Berlin geboren ist, also nach folgendem Lehrbrief

P: L: Beringuier ne en 1748 decede en 1810

ich

worden zu sein, durchblätterte, in der Hoffnung, einige nähere Nachrichten über den Geburtsort des Vaters meines Urgroßvaters zu

Accente, und

punctionen fehlen, lautet: de

neulich, um womöglich eine dunkle Stelle meiner Familiengeschichte aufzuhellen, ein Convolut Akten, die sich tra¬ ditionell in der Familie vererbt haben, wohl ohne je angesehen

100jährige Bestehen dieser Gesell¬ läßt, ist nur unerfindlich.

die Uebersicht über das

schon 1808 sterben

Mitgetheilt von ßidianl KÄingnicr, stud. jur.

heutigen vergleicht.

erschienen

Herr, Christian Grand, Gülde-Aeltester, und zu vernehmen ge¬ geben, wie Pierre Lonis Bcringuier, aus Berlin, bey ihm die Specerey- und Material - Handlung erlernet, gestalt er um Ostern 1762 in die Lehre getreten, und hierauf 6 nach ein¬ ander folgende Jahre, ehrlich ausgestanden, da nun erwehnter

schaft

Als

Dato, vor uns in Person

Le moule est brise a

un genie bienfesant quitte la patrie 1 eglise la societe

Jnter-

173

Pierre Louis Beringuier, über seine Lehr-Jah'e, einen ordent¬ lichen Lehr-Brieff verlangte; so ersuchte sein Lehr-Herr, Christian Grand, daß ihm solcher ertheilet werden möchte, nachdem nun unser Gülde-Protocoll Nro. 4 pag. 336 klahr besagt, daß mehrgedachter Pierre Louis Bcringuier, behörig eingeschrieben und seine Lehr-Jahre Ostern 1762 würklich angegangen, auch sein

ferner in einigen Städten nur erlaubet sei, auf die Jahrmärkte

Geburts-Briefs nicht allein richtig befunden, sondern auch sein Lehr-Herr, Christian Grand ihm attestiret: daß er die Zeit seiner Lehr-Jahre, alles dasjenige, was ihm anbefohlen wor¬

haben dürfe.

entweder allein mit Pelzen oder mit Mützen zu kommen, als

in Breslau, Glogau, Schweidnitz, Liegnitz, Cauth, Raubten, Neumarkt und Polkwitz geschehen sei, ja, daß in Ocls es so weit gehe, daß daselbst ein Kürschner welches letztere unter andern

nur entweder Mannes-Mützen oder Frauens-Mützen allein feil Da Wir nun gedachte Gewohnheiten dieser Professionisten ihnen selbst nachtheilig befinden, indem besonders bei dem

den, getreu und fleißig verrichtet, von allem gebührende Rede

Fcilhabcn an verschiedenen Plätzen, das durch 2 Personen besorgt

und Antwort gegeben, auch

werden muß, was einer füglich verrichten kann, wodurch die

aufrichtig, still und verschwie¬ gen gehalten, seines Lehr-Herrn Christian Grand, Nutzen und Frommen, so viel an ihm gewesen, gefördert und beobachtet, allen Schaden und Nachtheil verhütet, auch seines Verhaltens, Verrichtung, Einnehmens, Ausgebcns, und sonsten überall sich ehrlich verhalten, dergestalt, daß er ihm mit Bestände der Warheit, sonst nichts als alles Liebes und Gutes nachzusagen, wüste, folglich wir kein Bedenken gesunden, seinem Suchen zu deferiren; als sprechen wir dahero gedachten Pierre Louis Beringuier, aus seines Lehr-Herrn, Christian Grand, behörigen Diensten und Pflichten, womit er als ein Handlungs-Bursche ihm verwandt gewesen, hiemit und krafft dieses, frey, ledig und loß,

seine

sich

Wolfarth bestermaaßen ferner zu

wie

suchen,

wir denn auch alle und jede, welchen dieser unser offener LehrBrieff vorkommen möchte, hiermit dienst- und freundlich er¬ suchen,

Vorzeigern dieses, Pierre Louis Beringuier, mit allem

guten Willen, zu seinem Besten beförderlich zu seyn, ihm zu

fernern Diensten auf- und anzunehmen, und ihm diesen unsern Lehr-Brieff fruchibarlich genießen zu lassen, solches gegen einen jeden, in dergleichen und andern billigen Fällen zu erwiedern und zu verschulden, sind wir allemahl bereit und willig.

Kosten vermehret und

eo ipso auch die Waaren ohne Noth

vertheucrt werden, überhaupt der Absatz dieser Professions-Waaren

und Jahrmarktsfreiheit darunter leidet, diesen und

so

haben

Wir

aus

anderen bewegenden Ursachen gnädigst resolviret:

diese sowohl den Professionisten

Publiko nach¬

selbst als dem

theilige Gewohnheit allgemein abzuschaffen. Zu dem Ende befehlen wir Euch hierdurch in Gnaden: diese unsere ernstliche Willens-Meinung sämmtlichen Magisträten Eurer Inspektion bekannt zu machen, und solche zu instruiren, daß sie die Kürschner-Gewerke ihres

Orts vor

sich

fordern und

ihnen publiziren, wie von nun an jedem Kürschner freistehe,

mit seiner Professionswaare ohne Ausnahme die Jahrmärkte in allen Städten Schlesiens ohne Unterschied, es mögen solche in der Verordnung benannt sein oder nicht, zu beziehen, auch sothane Waaren an einem und eben demselben

Ort und in

einer und eben derselben Bude zum Verkauf auszulegen.

Denen Magisträten habt dessen

Ihr

einzuschärfen,

daß sie auf

Befolgungen halten und keine Coutravcniionen dagegen,

bei selbst zu gcwürtigender Ahndung, gestatten.

Uhr-

kundlich ist dieser Lehr-Brieff unter unserm Gülde-Siegel, und der jetzigen Gülde-Aelter-Herren, wie auch seines Lehr-Herrn,

Christian Grand, eigenhändigen Unterschrifft ausgefertigt. So geschehen in Berlin den 3ten April nach Christi Jesu, unsers lieben Herrn und Seeligmachers, gnadenreichen Geburth, des Eintausend Siebenhundert und Acht und Sechstzigsten Jahres.

Johann Jacob

Killet.

Christian Grand, als Lehr-Herr."

Gülde-Aeltester.

Johann Jacob Witte. Gülde-Aeltester.

Von #i. Mtfictm finsc und

n S. u.

Guedlinbnrg. fflunll.

Quedlinburg 1877. 4°. 16 S. u. 10 Taf. (in Aubcldruck).

Die ehrwürdige Schloßkirche zu Quedlinburg, ein von Franz Kugler vor Jahren der Vergessenheit und Vernachlässigung entrissenes Architecturjuwel, nimmt nicht nur das allgemeine künstlerische Interesse in Anspruch, sondern erheischt auch in historischer Hinsicht die Teilnahme aller Deutschen, insbesondere aber der Quedlinburger selbst, als Grabstätte Heinrichs I., des Wenden- und Avarenbesiegcrs, des Begründers von Quedlinburg und des dortigen

Eine Labinets-Ordre Medrichs des Großen.

Stiftes, und

seiner Enkelin

Mathilde,

der

Quedlinburger Aebtissin, die, für den äußeren und inneren Glanz ihrer Kirche eifrig besorgt, zugleich mit starker Hand das ersten

Mitgetheilt von Giinilier. Welchen Nutzen bringen heutzutage die Jahrmärkte?

Die Gräber der -Schloßkirche

Diese

Reichsscepter zu führen wußte, wenn der Kaiser in

Italien weilte.

von dem Gewerbeverein in L. aufgeworfene Frage veranlaßte mich, zunächst dem Ursprünge und der Entwickelung des Marktwesens

zu Eingang genannten Buches an dieser Stelle zu rechtfertigen,

nachzuforschen, um dieses Thema möglichst erschöpfend behandeln

wenn nicht Heinrich und Mathilde auch für den engeren Kreis

zu können.

Bei dieser Gelegenheit fand

ich

in den Akten

des

Magistrats zu Löwenberg i. Schl, folgende merkwürdige KabinetsOrdre Friedrichs des Großen vom 9. April 1770:

Wir Friedrich, König Wir

rc.

haben in Erfahrung gebracht, daß bei den Kürschner¬

gewerken in einigen Städten der Handwerksmißbrauch vorwalte, daß, wenn Kürschner auf Jahrmärkte kommen, sie ihre zum Verkauf mitgebrachten Pelze an einem besondern Ort, die

Mützen aber auf einem andern Platz feil haben müssen, daß

Aber alles dies würde nicht genügen,

unserer Heimat,

die

die Besprechung des

Mark, für die alte Hauptstadt derselben,

Brandenburg, und den Lieblingssitz Brandenburgischcr Fürsten, Potsdam, von besonderer Bedeutung wären: Heinrich der Vogler, der Gründer der Grenzmarken gegen die Slaven, der Eroberer Brandenburgs, dessen Name bei dieser Gelegenheit zum ersten Male in der Geschichte genannt wird, der Bezwinger der Wenden in der großen Schlacht bei Lenzen; und die gelehrte, that¬ kräftige domina Mathilda, flora virginali cum maiestate imperiali ac sapientia singulari fulgens, wie ihr Schützling

174

Widukind von ihr sagt, die er an andrer Stelle die herrlichste die leuchtendste Perle des Ottonischen Kaiserhauses nennt, durch Schenkung ihres Kaiserlichen Neffen Ottos III. im Jahre 993 Besitzvorgängerin der Hohenzollernfürsten auf der Insel Potsdam, in weiterem Umfange, als es selbst dem großen Kur¬

Zier und

in ihrem Besitz befand sich die ganze Insel Potsdam, mit allem Zubehör, mit Hörigen und Häusern, Aeckern, fürsten gelungen:

Ueber ihre Gräber des Lehrreichen eine Menge zu erfahren

darf man erwarten, wenn man das Buch von Hase und v. Quast zur Hand nimint, als dessen Verleger sich der „Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde, Ortsverein Quedlinburg", zu erkennen giebt. Wie weit diese Erwartung erfüllt wird, werden sehen.

Das Buch zerfällt, wie der Titel schon andeutet, in zwei über das Kaiser Heinrichs-Grab,

selbständige Arbeiten:

von Baurath Hase, und

die Gräber der Aebtissinnen in

der Schloßkirche zu Quedlinburg, von F. v. Quast. Die erstere ist, wie eine Anmerkung auf der ersten Seite sagt, aus einem Vortrag zur Veröffentlichung durch den Druck umgearbeitet worden; trotzdem niacht

sie auch jetzt noch den

Ein¬

Die Disposition des Stoffes läßt manches zu wünschen übrig, der Stil ist schwer, die Schlußfolgerungen sind oft gewagt. Dergleichen „Aeußerlichkeiten" werden indessen in wissenschaftlichen Werken häufig so stiefmütterlich behandelt, daß dem Hrn. Verfasser aus ihrer Vernachlässigung ein specieller Vorwurf nicht gemacht werden soll. Was aber das Sachliche anlangt, so vermißt man in erster Linie einen zur druck einer ausführlichen Notizcnsamnilung.

des Lesers, auch des Sachkundigsten, nothwendigen,

Orientirung

wenn auch noch des

Geschichte

so

Wallmann) von gewöhnlichen Dimensionen, nicht überwölbt, mit einer eichenen Bohle überdeckt, und darin ein sandsteinerner Sarg, „wie eine Krippe gehauen" mit rundem, schwerem Steindeckel. Auf diesem, der zerbrochen und verschoben war, befand sich (nach Quenstadt) die deutliche Inschrift: II iäus Mar. obiit regina Mathildis, quae et hic requiescit cuius anima obtineat aeternam requiem. Man hatte also den Sarg der älteren Mathilde vor sich, in welchem, wie berichtet wird, zweierlei Gattungen von Beinknochen, und einige Rippen lagen. Merkwürdig

Sarg am östlichen Ende noch etwas unter dem Kirchenpfeiler steht. Man nahm nun an, daß bei früherer Gelegenheit das Kaisergrab aufgedeckt worden, und die in einem vermoderten Holzsarg gefundenen Ueberreste Heinrichs in den Steinsarg Mathildens, der zu diesem Zweck geöffnet wurde, gelegt worden seien. Quenstadt vermuthet auch, daß der noch jetzt in

war,

daß der

der Kirche gezeigte sog. Bartkamm Heinrichs bei dieser Gelegenheit in dem Sarge gefunden worden sei; Kugler behauptet dagegen,

die Ausschmückung des Kammes sei ihrem

Reliquie dem Fundament der Kirche einverleibt zwischen 1070 und 1756, der

Sarg abermals geöffnet und dabei der

und

Quedlinburg), und ohne v. Quasts nachfolgenden Aufsatz würde man bisweilen rathlos vor dem Haseschen Aufsatz stehen.

Im

Jahre 936 starb Heinrich der Vogler und wurde, nach Widukinds Angabe, in der Basilika des heil. Petrus zu Quedlin¬ burg (in der Krypta der jetzigen Schloßkirche) vor dem Altar Seine Gemahlin Mathilde starb 968, und wurde, beigesetzt. Thietmar von Merseburg zufolge, neben ihrem Gatten, vor dem Altar des heil. Servatius, bestattet. Das scheinbar Wider¬

Altars löst sich dadurch, daß Petrus, später, nach der allerdings nur vorübergehenden Erwerbung des Leichnams des heil. Servatius, der Benennung des

derselbe anfänglich dem heil.

Heiligen geweiht war, und deßwegen beide Benennungen führt. Im Jahre 1070 brannte

abwechselnd oder gemeinschaftlich

die ganze, von der ersten Aebtissin Mathilde erweiterte Kirche so total aus, daß ein gründlicher Um- und Neubau erfolgen mußte, der erst 1129 beendigt wurde.

Ueber das Schicksal des Kaiser-

grabes bei dieser Gelegenheit erfahren

wir nichts; jedenfalls

aber

wurden im vergangenen Jahrhundert (und werden noch heut) zwei vor dem Kryptenaltar liegende schmuck- und inschriftlose Grabsteine als die Heinrichs und Mathildens gezeigt. Am 14. April 1756 wurden nun auf Befehl der Fürstäbtissin Anna Amalia Nachgrabungen vor dem Altar angestellt. Es existiren darüber zwei Berichte (beide sind bei Kugler abgedruckt), der eine von Wallmann (Beiträge z. Aufklärung d. Gesch. d. Reichsstifts Quedlinburg 1728 p. 82), der sich sehr geheimnißvoll

Bart getragen.

bei dem Umbau nach 1070 erfolgt, und dabei auch der Steinsarg

540 ff.,

Wiederabdruck aus der

nach jünger, auch

Hase ist nun der Ansicht, daß diese Eröffnung der Gräber

worden sei;

I

Stil

habe Heinrich, nach Ausweis von Siegeln, keinen

als kostbare

Geschichte der Schloßkirche zu

auch diesem

sollen, nichts, südlich davon aber, zwei Fuß unter dem Boden

Ohne Kuglers Beschreibung der

von ihm und Ranke 1838 herausgegebenen Beschreibung

in

vom Superintendenten so zuverlässig ist wie der zweite, Quenstadt herrührende Bericht, ein kurzes, bei Gelegenheit der Ausgrabungen aufgenommenes Protokoll. Nach letzterem fand sich vor dem Altar selbst, wo man das Grab Heinrichs hätte erwarten

kurzen zusammenhängenden Bericht über die

Kaisergrabes.

Kirche (Kleine Schriften rc.

sprechende

eines Augenzeugen beruht, wenn er auch, nach Kuglers Ansicht,

nicht

der Kirche, ein nicht tiefes, ausgemauertes Grab (ich folge hier

Wiesen, Feldern, Wäldern und Gewässern.

wir im Folgenden

über seine Quelle äußert, anscheinend aber auf der Mittheilung

daß dann später,

Deckel zerbrochen worden sei.

Mancherlei läßt sich hiergegen einwenden. Einmal ist die Vermuthung, daß Heinrich in einem Holzsarge bestattet worden, ziemlich unglaublich; steinerne Särge in der einfachen Kistenform wie der Mathildens waren zu jener Zeit, bei vornehmen Personen wenigstens, allgemein üblich, und daraus, daß die demüthige Mathilde so kostbar bestattet worden, kann man wohl einen

Daß in Mathildens Sarg zweierlei Gattungen von Beinknochen gefunden worden, beweist gar nichts dafür, daß darunter auch die Ueberreste Heinrichs seien, wenn man weiß, wie an andern Orten, z. B. in Lehnin und Berlin, mit Fürstensärgen und Gräbern umgegangen ist. Rückschluß aus das Begräbniß Heinrichs machen.

Wahrscheinlich ist es, daß die überzähligen Gebeine bei der vielleicht

in räuberischer Absicht ausgeführten wiederholten Oeffnung des Sarges, bei welcher der Deckel zerbrochen wurde, während der Ausgrabung gefunden, (verschiedene Leichensteine zeigen an, daß auch noch andere Beisetzungen in der Krypta stattgefunden) und ohne daß

eine Recognition

erfolgt, oder nur möglich

gewesen

offenen wäre, in einfachster Weise durch Hineinlegen in Steinsarg beseitigt wurden. Nicht glaubhafter ist es, daß der Sarg mit den Gebeinen Heinrichs und Mathildens als Reliquie dem Fundament der Krypta eingefügt worden sei. Särge in Fundamenten kirchlicher und profaner Gebäude, zur Sicherung derselben, finden sich hier den

und da, es ist aber nichts davon bekannt, daß dieser, auf uraltem Aberglauben beruhende Gebrauch jemals kirchlich sanctionirt gewesen; vielmehr glaube ich, daß solche Einmauerungen heimlich durch die Werkleute geschahen, und deßwegen sind in diesen Fällen die

175

Särge stets im Mauerwerk vollständig verborgen gewesen. Hier aber greift nur ein Theil des Sarges in das Mauerwerk, und zwar nur in das Fundament einer einzelnen Säule ein. Ich

Zufall, jedenfalls

würde daher annehmen, daß dabei ein

eine

Unabsichtlichkeit obgewaltet*) (zu bedauern ist es, daß wir über den Grabbefund im Jahre 1756 keine genauen Vermessungen und

Zeichnungen besitzen;

derartige Zeugnistc würden vielleicht diesen

oder jenen Zweifel lösen helfen). Sonach würde der Sarg Heinrichs fehlen, und es mußte

daher zu den freudigsten Erwartungen Veranlassung geben, als sich

bei Restaurationsarbeiten in der Krypta 1869

unter dem

Altar

eine gruftähnliche, mit Schutt ausgefüllte Vertiefung von halbkreisförmiger Gestalt fand, die man nunmehr für das wirkliche Grab Heinrichs erklärte, ohne daß jedoch ein Sarg oder menschliche Gebeine gefunden worden wären**). Die Vertiefung (ich folge hier den Angaben von Quasts) berührt gegen Osten fast die Wand der jetzigen Apsis, ist aber

mehr als halb

breit wie diese, und schließt westlich am Beginn 1 sie ist etwa 5' tief, ^' lang (von Osten nach Westen) und breit (nach dem Grundriß Taf. 4 sind die beiden letzteren Maße etwas geringer); im Halbkreis zeigt sie 5, an der geraden Westwand nach Süden zu 2 Nischen (die so

ll

der Altarnische geradlinig;

letzteren anscheinend erst später vermauert), während nach Norden zu der Platz für eine dritte übrig geblieben ist. Sämmtliche

Nischen sind mit reichem, phantastischem Stuckornament versehen,

stehenden Kaisersarges zu gewähren

(hierfür

entscheidet sich v. Quast,

und nimmt an, daß an dem nicht durch eine Nische eingenommenen

Theile des geraden Wcstabschlusses ein Treppchen hinabgeführt habe), widerspricht er, da alsdann der Hauptaltar der Krypta von der ihm gebührenden Stelle in der Altarnische hätte entfernt werden müssen.

Darauf kann

es

aber nicht ankommen, wenn

man annimmt, daß einer

so außergewöhnlichen Anlage zu Liebe, wie die Gruft jedenfalls ist, der 9Htor hart an ihre Wcstgrenze, unmittelbar vor die Altarnische gerückt worden sei, wobei dann allerdings die Gräber Heinrichs und Mathildens, der gewöhnlichen

unter den Altar selbst gekommen sein müssten. Später, nach Zuschüttung der Gruft (wann diese erfolgt, wird sich wohl kaum nachweisen lasten), wird dann der Altar wieder Regel zuwider,

zurückgcrückt worden sein, sodaß die Grabplatten, die man wohl früher entfernt hatte, ihre gebührende Stelle über den Gräbern wieder erhalten konnten. Die Angaben Widukinds und Thietmars stehen dem nicht entgegen. Denn setzen wir auf Grund der Architecturformen die ganze Anlage erst längere Zeit nach Heinrichs und Mathildens Tode, in die Periode des nach 1070 begonnenen, 1129 beendeten Neubaues (eine Umkleidung älterer Banformen

durch neuere Stuckornamente, wie

nimmt, wie

sie sich

an

sie

Hase

für unsere Gruft

an¬

anderen Theilen der Schloßkirche findet,

und ein gewichtiges Beweismittel für die von Hase früher datirte

Anlage abgeben würde, ist hier wenigstens nicht nachgewiesen), so wird erst damals eine Verrückung des Altars nach Westen zu

Halbsäulchen höher hinaufsteigen, um ein jetzt fehlendes Gesims

bis über die Gräber stattgefunden haben. Ich glaube daher mit v. Quast, daß die Gruft eine Vor- und Bethalle vor den Gräbern

zu tragen.

Heinrichs und Mathildens gewesen sei.

Bogeneinfassungen

und

Halbsäulchen,

zwischen

andere

denen

Ueberwölbt ist die Vertiefung nie gewesen, eine flache

Eindeckung aber, der Dimensionen wegen, unmöglich;

sie

muß

daher nach oben geöffnet gewesen sein. Hase meint nun, die gewesen

(darin stimme

Heinrich

vor

dem

ich

Gruft Heinrichs

sei sie

ihm bei, denn

nach

jedenfalls nicht Widnkind war

Altar begraben, was unmöglich

sein würde,

wenn er in der fraglichen Gruft beigesetzt worden wäre;

östlich

von derselben, zwischen ihr und der Wand konnte kein Altar stehen, und davon, daß der Chorschluß früher etwa weiter nach Osten hinausgerückt gewesen sei, kann nicht die Rede sein); sie

vielmehr, wie man aus den Ornamenten folgern könne, welche eine geraume Zeit jünger seien, als die aus der St. Wipertikirche in Quedlinburg zu erschließenden Architecturformen der ursprünglichen Heinrichskirche, und die auf die Mitte des XI. Jahr¬ hunderts deuteten, später entstanden sein. Diese Beweisführung müsse

entkräftet er indessen selbst dadurch, daß er zugiebt, die Ornamente könnten spätere Zuthat, und die Anlage auch früher entstanden sein; ein Zurückgehen bis auf die Zeit unmittelbar nach Heinrichs Tode würde daher an sich nicht ausgeschlossen sein, da Hase's

Datirung (60er Jahre des X. Jh.) zwingender Beweise völlig entbehrt. Auch einer andern Vermuthung: daß die westlichen Nischen der Gruft geöffnet gewesen, um den Anblick des hart daneben-

eigene

*) Auch ein Theil der Gräber der Wettiner auf dem Pctersberge bei Halle gerieth bei einem Umbau (allerdings erst 1567) mit den Kopf¬ enden unter eine Mauer.

(Wichmann, Chronik d. Petersb. rc. Halle 1857.

pag. 54.)

**) Aehnliches scheint man bei der Restaurirung der Kirche auf dem Petersbcrge gefunden zu haben. Wichmann (1. c. p. 25.) sagt wenigstens: „Hinter dem Haupt-Altar, in der Rundung der Apsis, befand sich ein kleines, unterirdisches Gewölbe, wie man dies an diesem Orte häufig in jener Zeit anbrachte'.

Darauf deuten die beiden in der Mitte der Wand, die andere südlich davon, die, durchbrochen, sehr wohl einen Durchblick auf die Särge gewähren konnten; darauf deutet die apsisartige Form und in der Dekorativnische des breiteren Ostpfeilers das Kreuz (dessen Abbildung Westnischen



eine

ich unter den Detailzcichnungcn der Gruft nicht finde). Nur setzt v. Quast die Anlage noch in das X. Jh., wozu, wie vorher gezeigt, die Angaben der Chronisten hinsichtlich der Lage der

Gräber vor dem Altar nicht stimmen;

Thietmar,

dem

wir

die

Notiz über die Beerdigung der Königin Mathilde verdanken, starb 1019; er stand den Verhältnissen nahe, war in Quedlinburg selbst von einer Nichte der Königin erzogen, und daher dürfen wir annehmen, daß die Gruft erst nach seiner Zeit entstanden sein kann. Hase seinerseits meint, die Gruft sei, wie schon bemerkt worden ist, in den 60er Jahren des X. Jh., nach der Erwerbung des Leichnams des heil. Servatius erbaut, und später, nach dem Brande, prächtig dekorirt worden. Es ist richtig, daß man die Leiber von Heiligen gern unter den ihnen geweihten Altären beisetzte (man würde daher unter dem Altar des heil. Servatius die Gebeine dieses Heiligen suchen); dies aber für das alleinige Motiv der ganzen räthselhaften Anlage zu halten, ist meines Erachtens nicht thunlich. Die Grundform ist, nach v. Quast, zur Aufstellung von Särgen eine durchaus unpassende; davon aber abgesehen, wäre doch die Neudekorirung der Gruft zwischen 1070 und 1129 völlig unbegreiflich, da der Körper des heil. Servatius, wie Hase selbst angiebt, zu dieser Zeit gar nicht mehr in Quedlinburg vorhanden, sondern bereits zu Lebzeiten der Königin Mathilde von den Mastrichtern wieder entwendet war. Man wird daher die Servatiuskrypta gänzlich aufgeben und die modificirte v. Quastsche Hypothese als die wahrscheinlichste annehmen müssen. Möglich ist es, daß die Absicht, die Kaisersürge sichtbar zu machen, gar nicht erreicht worden ist, denn dazu hätte es jedenfalls der

176 Herstellung eines freien Raumes um dieselben bedurft, von welchem Die jetzt wenigstens keine Spur mehr zu entdecken gewesen ist.

gefunden; ob die dazu erbetene allerhöchste Genehmigung verweigert

bezüglichen Hinderungsgründe, mögen es gewesen sein, welche es

oder

wollen, sind vielleicht die Veranlassung geworden, die erst kurz vorher hergestellte Gruftkapelle wieder zuzuschütten, und den

Altar

Leider hat eine Untersuchung der Gräber selbst nicht statt¬

nur aufgeschoben worden, läßt sich aus den sehr diplomatischen Worten v. Quasts nicht entnehmen. Jedenfalls dürfte eine so günstige Gelegenheit dazu, wie bei der Restauration, vorläufig

über ihr zu errichten, sodaß kein Schriftsteller Gelegenheit gefunden

sich

hat, uns darüber zu berichten.

vielleicht ebenso kostbare Funde gemacht, wie die im Trierer Dom

Gegen die Reconstruction der ganzen Anlage durch Hase auf

Taf. 3 erinnere ich Folgendes: er denkt sich die von ihm sogenannte Servatiuskrypta in ihrem westlichen Theil über die Hälfte bedeckt, und stellt den Altar auf diese Bedeckung. Aus technischen Gründen

mir,

scheint

bei dem v. Quast geschilderten

Träger und Zwischenpfeiler, von denen

sich

Sachverhalt, ohne nichts gefunden hat,

eine solche Bedeckung und deren Belastung unmöglich.

nicht wieder bieten.

Wäre

I.

sind, welche Domcapitular

benutzt worden,

sie

so

hätte man

N. v. Wilmowsky in seinem Pracht¬

historisch-denkwürdigen Grabstätten der Erz¬ bischöfe im Dome zu Trier, und die archäologisch¬ liturgisch und kunstgeschichtlich bemerkenswerthen Fundgegenstände in denselben rc. (Trier, Fr. Lintz 1876, ein Heft Text 4°, 47 S., eine Mappe mit 11 Tafeln gr. Fol.) werke: die

beschrieben

und

abgebildet

Wegen

hat.

der

Aehnlichkeit

des

Die von Hase auf vier Tafeln gegebenen zahlreichen Abbildungen

Gegenstandes und wegen des antiquarischen und künstlerischen Werths

gewähren eine Uebersicht über die muthmaßliche Entwickelung des

der angestellten Ermittelungen sei es gestattet, dieser Publication

Grundrisses der jetzigen Schloßkirche aus dcni der alten Peterskirche,

eine Anspielung auf den Beinamen Heinrichs des Vogelers liegen

hier kurz zu gedenken. Der beschreibende Text ist recht altväterisch stilisirt, genügt aber vollkommen zur Erklärung und Erläuterung der die Hauptsache bildenden ausgezeichneten, zum Theil ein Farbendruck ausgeführten Lithographien. Die geöffneten Gräber umfaffen den Zeitraum von 1078—1768, und konnte man an

solle, und daß darin auch ein Beweis für die Entstehung der

den

Gruft längere Zeit nach Heinrichs Tode gefunden werden könne, halte ich für sehr kühn, und für insofern verfehlt, als die An¬ spielung, wenn die Gruft nicht für Heinrich selbst erbaut worden,

Geräthe und Gewänder mit ihrer Ornamentirung studiren. den gefundenen Gewändern,

jede Pointe verliert), sodann eine Reconstruction der ganzen Anlage

Nicht minder wichtig waren die Funde

und einen Grundriß nebst Ansicht desselben, wie sie

Begräbnißwesens im Mittelalter, da man hier wohl zum ersten

bringen eine Fülle von Detail aus der Gruftkapelle (bei deren einigen die Zahlenhinweise aufdenGrundriß fehlen; dieBermuthung,

sie

daß in den an den Säulenbasen zahlreich angebrachten Vogelklauen

Aufdeckung präsentirte.

Gruft

sich

bei ihrer

Eine Mittheilung über das Schicksal der

bei der Restauration fehlt leider gänzlich.

Im

Gegensatz zu dem eben Bcsprochenenen macht der den

zweiten, umfangreicheren Theil unseres Buches bildende Aufsatz v. Quasts in der Anordnung und Behandlung des in erschöpfender

Fülle gebotenen Materials einen durchaus harmonischen, wohlthu¬ enden Eindruck.

Leider gewährt derselbe für uns fast gar keine

Ausbeute, da der Grabstein der uns interessirenden ersten Aebtissin Mathilde, der in der Nähe desjenigen ihrer Großeltern in der

Krypta gezeigt wird, keinerlei Schmuck oder Bezeichnung trügt, und daher nur beiläufige Erwähnung finden konnte. Nach einem kurzen Abriß der Baugeschichte der Kirche und

sich

Mal

meist

wohlerhaltenen

wahre

die Genesis

Leichen

Prachtexemplare

an

Farben-

eine solche Anzahl ungestörter,

der Fürstengruft im

Zwei

giebt

die wohlgelungenen Abbildungen

der Steine sind namenlos; gegen die bezüglichen Vermuthungen

Die beiden ältesten, der sich nichts sagen. Beatrix' 1044, der und fl P 1062, zeigen mit unverkennbare Aehnlichkeit II eine so 1096 dem Adelheids in der Darstellung des Figürlichen und in der Ornamentik, daß v. Quasts Adelheids

I

läßt

f

I

die von v. Quast ausgesprochene Vermuthung nahe liegt, dieselben seien bei dem großen Brande 1070 zerstört, und erst später, etwa

mit

dem dritten gemeinschaftlich, wieder hergestellt worden;

die

Aehnlichkeit eines vierten, namenlosen, arg zerstörten, mit den genannten dreien finde ich, falls die Abbildung zuverlässig ist,

groß, wie man nach den Worten v. Quasts annehmen Namentlich scheint sich in der Behandlung der Figur könnte. bereits eine größere Freiheit und Lebendigkeit zu zeigen. nicht

so

Verlag von

Alfred Weile in Berlin. —

Formengebung. Geschichte des

Berliner Dom

im vergangenen Jahre bald Authentisches mitgetheilt werden; nach dem, was verlautet, sind sie, gegenüber den bei den Nachgrabungen in der Kirche des grauen Klosters zu Berlin und in der Kirche zu Lehnin erzielten durchaus negativen Erfolgen von hoher künstlerischer und historischer

Bedeutung.

Mag man

gegen

haben, was man

will,

so

das Hase-Quastsche

es

wird man

Buch

einzuwenden

doch ohne Rückhalt anerkennen

trotzdem, insbesondere wegen der zahlreichen vor¬

unserer antiquarischen Literatur bildet.

und

und

für die

wohl erhaltener, und, was

bekannt waren, die übrigen aber erst, wie die Heinrichsgruft, im Jahre 1869 bei Aufnahme des Bretterfußbodens der Kirche

auf 6 Tafeln nach Zeichnungen des Herrn Bollmann.

Unter

das wichtigste ist, sicher zu datirender Gräber geöffnet hat.*) Möchte nun auch über die Resultate der Untersuchung

müffen, daß

derselben

liturgischen

Bischofstäben und Ringen befanden

einer willkommenen Beschreibung des sog. Heinrichsgrabes bespricht v. Quast zehn Grabsteine von Aebtissinnen, deren zwei bereits

gefunden wurden,

der

trefflichen Abbildungen eine dankenswerthe, willkommcneBereicherung Zu wünschen wäre es,

wenn solche Publikationen auch in der Mark zahlreiche Nachahmer fänden, wobei ein besonderes Gewicht auf die Herstellung wohl¬

feiler, charakteristischer Abbildungen gelegt werden müßte, damit nicht bloß die besser situirte Minderheit künstlerischen Genusses Der Aubelund archäologischer Belehrung theilhaftig werde. druck scheint ein dazu recht geeignetes Vervielfältigungsmittel zu

_ sein.

Möchten

wir namentlich

aber bald die freudige Genugthuung

haben, das im Manuskript bereits vollendete Werk des hochver¬ dienten Herrn Ober-Prediger Wernicke über den Brandenburger Dom in würdiger Ausstattung im Druck begrüßen zu können. Dr, G. Sello.

*) Interessantes

mag auch das Protokoll enthalten, welches bei Unter, Wettin auf dem Petersberge aufge¬

suchung der Gräber der Grafen von

nommen worden ist (et. Wichmann, !. o. p. 73, und p. 29, 32, 53, 54, 70, 82, 83, woselbst sich Notizen, namentlich über Gestalt und Form der aufgedeckten Särge finden).

Verantwortlich für Redaction: Ferd. Meyer in Berlin. — Druck von W.

Pormetter in Berlin.

1. Oktober 1877

Matt

Das

erscheint

monatlich zweimal.

A. GA13EHS6