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German Pages 152 [156] Year 1927
Institut für a u s l ä n d i s c h e s öffentliches R e c h t und Völkerrecht
Beiträge zum
ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Herausgegeben in Gemeinschaft mit
Friedrich Glum, Ludwig Kaas, Rudolf Smend, Heinrich Triepet von
Viktor Bruns
Heft 3
Berlin und Leipzig 1927
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.
Der Aufbau des britischen Reiches (Der Verhandlungsbericht der Reichskonferenz von 1926)
Eingeleitet und herausgegeben von Gerichtsassessor
Dr. K. H e c k Referent am Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Berlin und Leipzig 1927
Walter de Gruyter
Co.
vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.
Inhaltsverzeichnis. Seite
V o r w o r t
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I. Grundsätzliches über den A u f b a u des Reichs
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I I . Innere Organisation des B u n d e s
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I I I . R e s t e der herrschaftlichen Organisation
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I V . Völkerrechtliche Beziehungen
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1. K r i e g und Frieden
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2. Außenpolitische B e s c h r ä n k u n g der Reichsteile
38
3. Völkerrechtliche V e r t r ä g e
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4. D e r diplomatische V e r k e h r
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5. R e i c h und V ö l k e r b u n d Anhang. Sachregister
R e i c h s k o n f e r e n z 1926.
48 Verhandlungsbericht
(Cmd. 2768) .
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Vorwort. Nachstehend soll der Bericht der britischen Reichskonferenz vom Herbst letzten Jahres in deutscher Ubersetzung zugänglich gemacht werden, da er eine Kodifizierung des wichtigsten Teils der britischen Reichsverfassung, des Verhältnisses zwischen Mutterland und Dominien 1 ), enthält und so die Möglichkeit schafft, die schwierigen damit zusammenhängenden juristischen und politischen Fragen einem größeren Publikum verständlich zu machen. Diese Fragen behandelt insbesondere der von der Konferenz einstimmig angenommene Bericht eines Ausschusses der Konferenz, des Inter-Imperial Relations Committee, nach dem Vorsitzenden Balfour-Ausschuß genannt 2 ), und diese Teile sind es vor allem, die den Juristen interessieren. Wenn die Ubersetzung darüber hinaus den ganzen Schlußbericht umfaßt, so deswegen, weil einerseits eine nur teilweise Publikation eines Dokuments die Brauchbarkeit der Wiedergabe vermindert, andererseits nach Möglichkeit ein umfassendes Bild der Arbeiten der Reichskonferenz gegeben werden sollte, da nur so ein Einblick in die spezifisch englische Technik der „Cooperation" als Mittel politischen Zusammenwirkens gewonnen werden kann. Von einer Wiedergabe des vollen englischen Textes mußte leider Abstand genommen werden 3 ), so daß nur der Bericht des Balfour-Ausschusses im Original wiedergegeben ist. *) UnterDominien werden nach den Beschlüssen der Reichskonferenz von 1907 die Kolonien mit Selbstregierung (self-government) verstanden, z. Z. Kanada, die südafrikanische Union, der australische Bund, Neufundland und Neuseeland. Dieselbe Stellung hat seit 1922 der irische Freistaat. Malta und Südrhodesien haben Selbstregierung, gelten aber wegen ihrer Kleinheit nicht als Dominien. a) S. Anhang V I S. 65 ff. 3) Der Bericht ist als Weißbuch, Nummer Cmd 2768, erschienen und zum Preise von 1 sh. zuzügl. Porto durch jede Buchhandlung oder das H. M. Stationery Office, Adastral House, Kingsway, London W. C. 2, erhältlich. Ein Ergänzungsband (Cmd 2769, Preis 4 sh., erhältlich wie der Hauptband) enthält anhangsweise die wörtliche Wiedergabe der wichtigsten Reden und Ausschußberichte, soweit dieselben veröffentlicht worden sind.
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Wenn dem Schlußbericht der Reichskonferenz einige einleitende Worte vorausgeschickt werden sollen, so kann damit nicht eine umfassende Übersicht über Geschichte und augenblicklichen Stand der rechtlichen Beziehungen zwischen Mutterland und Dominien gegeben werden. Dieser Verzicht auf eine umfassende Darstellung wurde erleichtert durch die Arbeit von Löwenstein 1 ), die den Rechtszustand bis zum Beginn des Jahres 1924 in vorzüglicher Zusammenfassung wiedergibt und auf die hier weitgehend verwiesen werden kann2). Für ihre Mitarbeit bei der Ubersetzung ist der Verfasser Frl. C. B r u n s in besonderem Maße zu Dank verpflichtet. Karl Löwenstein, das heutige Verfassungsrecht des britischen Weltreichs, Jahrbuch des öff. Rechts Bd. X I I I , S. 404; vgl. auch Koellreutter in Kohlrausch-Kaskel, Enzyklopädie X X V I I . 2 ) Zum Bericht der Reichskonferenz selbst vgl. Löwenstein, die „Magna Charta" des britischen Weltreichs, Archiv d. ö. R. N . F . 12. Bd., S. 255.
I. Grundsätzliches über den Aufbau des Reichs. Ehe wir beginnen, die Ergebnisse der letzten Reichskonferenz und ihre Konsequenzen für die juristische Auffassung des britischen Reiches zu untersuchen, scheint es geboten, einen kurzen Blick auf die zugrunde liegenden politischen Probleme zu werfen. Auf den ersten Blick erscheint die Sachlage klar und einfach: Die Entwicklung des britischen Reichs ist nichts anderes als eine zwar langsame aber stetige Loslösung der allmählich zur Selbständigkeit gelangenden Kolonien vom Mutterlande, ein Zerfall des Reiches in seine geographischen Bestandteile. Wenn es auch der englischen Regierung bis jetzt gelungen ist, durch geschickte Politik und weitgehendes Entgegenkommen diesen Prozeß immer wieder hinauszuschieben, und ein völliges Zerreißen des Reichsverbandes zu verhindern, so ist doch der Zusammenhalt zwischen Mutterland und den größeren Kolonien bereits jetzt nur noch ein formaler, der eine wirkliche Kraftprobe nicht überstehen wird. Ein Reich ohne zentrales Organ, ohne Unterordnung der einzelnen Teile unter eine einheitliche Gewalt, ohne ein gewisses Minimum von zentraler Herrschaft erscheint dem kontinentalen Juristen nicht denkbar, und er zieht daraus den Schluß, die noch bestehenden Bande der Reichseinheit als inhaltlose Form anzusehen. Allein die politische Problemstellung ist keineswegs so eindeutig. Einmal ist das Mutterland an einer Aufrechterhaltung des früheren Zustandes nur bis zu einem gewissen Grade interessiert. Die Führung des Reiches bringt nicht nur Vorteile, sondern auch große Lasten mit sich: Die außenpolitische Verantwortlichkeit für die vielverschlungenen Interessen aller Teile und ihre Verteidigung in der ganzen Welt. Von jeher ist es das Bestreben der britischen Regierung, den britischen Steuerzahler von den immer mehr anschwellenden Ausgaben für Heer und Flotte des Mutterlandes zu entlasten und sie wenigstens zum Teil auf die Kolonien abzuwälzen. Beteiligung an den Lasten setzt aber Beteiligung an der Leitung des Reiches not-
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wendig voraus, und so ist das Interesse der britischen Regierung weniger auf eine Fortdauer der politischen Unmündigkeit der Dominien gerichtet als dahin, sie an der Führung der Außenpolitik des Reiches zu interessieren und ihnen einen Teil der Verantwortung zu überbürden x). Umgekehrt hat das Streben der Dominien nach Selbständigkeit, wie es in den letzten Jahrzehnten immer mehr der ausschlaggebende Faktor in der Innenpolitik des Reiches geworden war, anscheinend seinen Höhepunkt überschritten und zentripetalen Tendenzen Platz zu machen begonnen, nicht zuletzt dank dem großzügigen Entgegenkommen des Mutterlandes auf der jüngsten Reichskonferenz. Von einer Wiederherstellung der britischen Vorherrschaft über die Dominien ist allerdings nicht die Rede. Allein die Dominien haben erkannt, daß ihre Stellung im Rahmen des Reiches und unter Anlehnung an das Mutterland eine sehr viel stärkere ist, als diese kleinen Staaten bei völliger Loslösung erhoffen könnten 2). Alle Dominien haben große, noch wenig erschlossene Gebiete, die auf die übervölkerten Teile Asiens mit der Saugkraft eines luftleeren Raumes wirken, und deren Erhaltung gegen diesen Druck nur der Rückhalt am Mutterlande zu gewährleisten vermag. Es sind also durchaus materielle Interessen, die die Dominien an die Seite Großbritanniens und in den Verband des Reiches verweisen. Daneben stehen die ideellen Faktoren der Einheit von Sprache, Kultur und Gesellschaft, die enge wirtschaftliche Verknüpfung mit dem Mutterlande 3), die trotz der langsamen Verschiebung des Weltwirtschaftszentrums nach dem amerikanischen Kontinent immer noch eine intensive Verflechtung mit sich bringt, und nicht zuletzt die Schwerkraft des bestehenden Zustandes, zu dessen Änderung ein hinreichender Anlaß nicht besteht 4). Es ist kein Zweifel, daß diese Momente zu einer gewissen Konsolidierung des Reichsverbandes geführt haben. Allerdings ist die Grundlage dieses Verbandes nunmehr eine vollständig andere als früher, und diese Veränderung spiegelt sich in dem anderen rechtlichen Aufbau des Reiches. Entsprach 1) ,,Le Gouvernement de Westminster qui a cessé d'être un gouvernement impérial n'est plus forcé de penser impérialement." Hamelle in Révue politique et parlamentaire 10. i. 1927, p. 76, note (1). 2) Vgl. Neuling, Stellung der drei großen Dominien im britischen Reiche nach dem Kriege, Berlin 1927, S. 39 ff. 3) Grabowsky, Englands Grundprobleme, Zeitschrift f. Pol. 1927, S. 459. 4)
Vgl. die von Hamelle a. a. O.,
S. 83 zitierten Äußerungen Hertzogs.
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der früheren Idee des Kolonialreiches die Form der englischen Vorherrschaft über die überseeischen Besitzungen, so entspricht der Idee des freien Zusammenschlusses im beiderseitigen Interesse a l l e r Teile die Form des Bundes, der eine Unterordnung der einzelnen Teile untereinander nicht kennt, aber sie zu gegenseitiger Unterstützung und Verteidigung zusammenschließt x). Aufgabe der englischen Staatskunst war, den einen Zustand ohne Bruch der rechtlichen Kontinuität in den anderen zu überführen, und ferner in dem neu zu schaffenden Bunde eine Synthese von Unabhängigkeit einerseits, Verbundenheit andererseits zu finden. Zunächst mußte das Ziel der Staatsmänner die Erhaltung der Kontinuität unter vorsichtig tastender Erfühlung der Bedürfnisse des neuen Zustandes sein. Das Mittel, diese Überleitung der imperialistischen Verfassung in eine bündische in langsamer und vor allem schmiegsamer Form zu vollziehen, bot sich dem englischen Verfassungsjuristen in dem Institut der Verfassungskonventionen (Conventions of the Constitution) 2 ). Es ist eine bekannte Tatsache, daß England eine geschriebene Verfassung bis heute nicht besitzt, daß gerade die wichtigsten Bestimmungen, wie die Abhängigkeit des Kabinetts von der Unterhausmehrheit, auf ungeschriebenen Verfassungssätzen beruhen. Weniger bekannt ist es, daß nach englischer Rechtsauffassung weite Teile der englischen Verfassung, so gerade das parlamentarische System, überhaupt nicht Bestandteile der Rechtsordnung sind, sondern lediglich Verfassungskonventionen. Hierunter versteht die englische Theorie das Verfassungsleben tatsächlich ordnende, aber nicht rechtlich normierte Verfassungssätze im Gegensatz zu den auf Gesetz oder Richterlicher Praxis beruhenden Normen des Rechts im technischen Sinne (Law). Charakteristisch für diese Entwicklung ist der Gegensatz der Worte Empire und Commonwealth: Während das Wort „Empire" den Herrschaftsgedanken zum Ausdruck bringt, bedeutet „Commonwealth" eine Gemeinschaft von Freiverbundenen. (Vgl. Augur in Fortnigthly Review 1927 pp. 9/10.) Der Balfour-Bericht hält für den amtlichen Verkehr an dem Ausdruck „British Empire" fest, vor allem für den Verkehr mit dem Ausland (vgl. das Vertragsformular, Anh. S. 106). 2) Hatschek, der sich als einziger wiederholt mit diesem Gegenstand befaßt hat, übersetzt den Ausdruck mit „Konventionairegeln" (vgl. Jahrb. d. ö. R. III, S. 1 ff., engl. Staatsr. I, 161 f., II, 41 f.). Über dieselben siehe insbes. Freeman, Growth of the English Constitution 1872, P. 111 ff.; klar Dicey, Introduction to the L a w of the Constitution, part. I I I and p. X L V I I I ff. Vergl. auch Koellreutter a. a. O. S. 2.
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Die Natur dieser,,Verfassungskonventionen "ist mit den Begriffen des deutschen Rechtssystems nicht erfaßbar. Regelmäßig handelt es sich hierbei um eine Einschränkung des de jure bestehenden freien Ermessens einzelner Staatsorgane in verfassungsrechtlichen Fragen, indem der Inhaber der Befugnis seine Entscheidung an die Mitwirkung oder Zustimmung anderer Organe bindet, ohne daß doch diese Bindung in rechtlich relevanter Form erfolgte. So ist der König nach Common Law frei in der Wahl seiner Berater, hat sich aber längst für die Ausübung seines Rechts an die Zustimmung des Unterhauses gebunden — ohne daß diese Bindung durch Gesetz, das allein das Common Law abändern könnte, mit Rschtswirkung ausgestattet worden wäre. Trotz dieses Fehlens rechtlicher Existenz wird eine solche Konvention von den Beteiligten als Norm für künftige Fälle angesehen und beobachtet. So wird das theoretisch weitergeltende System des Verfassungsrechtes ergänzt und abgeändert durch Normen konventionellen Charakters, die die tatsächlich beobachteten und faktisch geltenden Verfassungssätze enthalten. Daher ist — im Gegensatz zu den Grundvorstellungen deutschen Rechtsdenkens — nicht die ganze Verfassung Recht, nicht jede Verfassungsnorm Rechtsnorm. Praktisch äußert sich dieser Gegensatz darin, daß der Richter wohl die Rechtsmäßigkeit eines Staatsaktes, nicht aber auch seine Verfassungsmäßigkeit im Sinne einer Einhaltung der Konventionalregeln nachzuprüfen hat. Fehlen der richterlichen Sanktion und Möglichkeit jederzeitiger formloser Abänderung sind die beiden Momente, in denen die Minderwertigkeit der Convention gegenüber dem Law zum Ausdruck kommt. Es ist selbstverständlich, daß verwandte Erscheinungen in allen Staaten vorkommen müssen, bei geschriebenen Verfassungen genau so wie bei ungeschriebenen *). Es ist jedoch der englischen Verfassungspraxis und Theorie unter Führung Diceys vorbehalten geblieben, diese Erscheinung begrifflich zu erfassen und klar herauszuarbeiten. Im deutschen Verfassungsrecht würden verwandte Erscheinungen insbesondere im Verhältnis von Reich und Ländern zu finden sein. Der Gegensatz zwischen englischer und deutscher Auffassung zeigt sich aber darin, daß die deutsche Theorie, soweit sie sich überhaupt mit Vgl. z. B. Die Rolle der Wahlmänner bei der amerikanischen Präsidentenwahl, Smith in Cornell Law Quarterly Vol. XII (Dezember 1926) p. 2.
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diesen Fragen beschäftigt 1 ), diese Tatbestände auf ungeschriebene Grundgedanken der Verfassung, also auf ungeschriebenes Verfassungsrecht, zurückführt, sofern sie nicht zu dem wenig brauchbaren Hilfsmittel des Gewohnheitsrechts ihre Zuflucht nimmt 8 ). Von beidem ist in England nicht die Rede: Der Gedanke des Rechtssatzes überhaupt wird abgelehnt. Dieser Unterschied in der Denkweise beruht in letzter Linie auf der stärkeren inneren Bindung des Engländers an jede Konvention, die ihm das Fehlen rechtlicher Sanktionen erträglich scheinen läßt, wo wir diesen Schutz nicht entbehren zu können glauben 3). Auf dem hier interessierenden Gebiet der Beziehungen zwischen Mutterland und Dominien äußert sich die Bedeutung der Verfassungskonventionen folgendermaßen 4). De lege sind die Befugnisse des Mutterlandes gegenüber seinen Besitzungen, als deren Träger teils die Krone, teils das souveräne Westminster-Parlamcnt erscheinen, unbeschränkt. De lege kann das englische Parlament die von ihm durch Gesetz den Kolonien gewährten Verfassungen beliebig abändern oder beseitigen. De lege kann der König als Inhaber der ausführenden Gewalt im Rahmen dieser Verfassungen durch seinen Stellvertreter, den jeweiligen Gouverneur, nach seinem Willen regieren. De lege kann das Parlament beliebig Gesetze für alle britischen ') Vgl. z. B. Smcnd, Ungeschriebenes Verfassungsreclit (Otto MayerFestgabe) S. 252 f. 2 ) Daß es sich bei der Konventionalregel nicht um Gewohnheitsrecht im technischen Sinne handeln kann, ergibt sich schon daraus, daß diese Normen nicht auf langdauernder Übung der Rechtsgenossen, sondern meist auf Vereinbarungen der leitenden Staatsmänner oder einzelnen Präzedenzfällen beruhen. 3 ) Chalmeis-Asquith, Outlines of Constitutional Law, London 1925, S . i o : „ T h e only sanetion behind the Conventions consist in a sense of honour, respect for tradition, and the fear of populär resentment." Wenn Dicey (a. a. O. S . 441 f., ihm folgend Lowell u. a.) die faktische Beobachtung der Konventionalnormen auf ihre mittelbaro Sanktion durch Rechtsnormen zurückzuführen sucht, so verallgemeinert er zu Unrecht aus der Notwendigkeit der jährlichen Genehmigung von Heergosetz und Budget (die übrigens auch nur soziologische und nicht juristische Notwendigkeit ist). 4 ) Über Verfassungsrecht und Verfassungskonvention in der Reichaorganisation vgl. das grundlegende Werk von Duncan Hall, British Commonwealth of Nations, London 1920, S. 230—236, Keith, Constitution, Administration and Laws of the Empire 1924, S. 5—7, J e b b , Empire in Eclipe, 1926, p. 10. Wie unfruchtbar eine rein auf L a w beschränkte und die Konventionen unberücksichtigt lassende Darstellung bleiben" muß, zeigen Aufsätze wie der von Nathan, Transactions of the Grotius Society vol. 8 S. 1 1 7 .
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Besitzungen erlassen und ihre Durchführung durch das Londoner Reichsgericht, das Judicial Committee des Privy Council, erzwingen. Allein tatsächlich werden diese de jure unbegrenzten Kompetenzen ohne formelle Aufhebung in immer steigendem Maße durch Verfassungskonvention zugunsten der Selbstverwaltung der Dominien eingeschränkt. So vollzieht sich unter Beibehaltung der Rechtsform des Kolonialreichs die Herausbildung eines freien Bundes gleicher Staaten: Durch das Nebeneinander von Rechtssatz und Konventionalnorm wird die Kontinuität der rechtlichen Verbundenheit gewahrt und doch eine Anpassung an die politischen Bedürfnisse ermöglicht. Die Konventionalnorm wird dadurch zu einem Mittel der politischen Desintegration des Reiches. Dieses Verfahren wirkt aber zugleich auf die Gestaltung der Neuordnung zurück. Die praktische Bedeutung der Konventionalnormen ist notwendig begrenzt. Es gibt Rechtsnormen, an deren Schaffung nicht nur Teile des Reiches, sondern auch Außenstehende beteiligt sind: es sind dies die völkerrechtlichen Normen für die äußeren Beziehungen des Reichs. Hier ist eine Abänderung durch rein internen Akt, sei es Konventionalnorm, sei es innerstaatliche Rechtsnorm, nicht möglich. Allerdings hat das Streben der Dominien nach Selbständigkeit zu einer außerordentlich weitgehenden Dezentralisation auch auf diesem Gebiete geführt; so in der Frage des diplomatischen Verkehrs und des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge. Allein diese Dezentralisation hat nur interne Bedeutung: nach außen hin besteht grundsätzlich die Einheit des Reiches fort. Durch interne Vereinbarung allein läßt sich eine völkerrechtliche Zerlegung des Reiches in selbständige, voneinander unabhängige Bestandteile nicht vollziehen. Insbesondere gilt dies für Krieg und Frieden: hier ist die völkerrechtliche Einheit des Reichs noch in vollem Umfange erhalten. Gewährleistet wird diese völkerrechtliche Einheit durch die nach außen allein das Reich repräsentierende Krone, der in diesem Punkte noch praktischrechtliche und nicht nur symbolisch-politische Bedeutung zukommt 1 ). Eine Änderung dieses Zustandes konnte nur durch eine formelle Erklärung der Neuorganisation des Reichs und deren Anerkennung durch die übrige Staatenwelt erfolgen. Ein solches Verfahren würde eine den Regierungen des Reichs unerwünschte J
) Vgl. unten S . 35 f .
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Festlegung ihrer inneren Beziehungen zur Folge haben, die gerade durch die Schmiegsamkeit der Konventionalregel vermieden werden soll, und dem Gefühl politischer Verbundenheit nicht gerecht werden. Das Bewußtsein der Reichsteile, in den letzten Fragen staatlichen Lebens aufeinander angewiesen zu sein, ist stark genug, um den verschiedenen Regierungen eine Beibehaltung der rechtlichen Grundlagen dieser Gemeinschaft Dritten gegenüber nicht nur erträglich, sondern geradezu geboten erscheinen zu lassen. Das Problem des Neubaus des Reiches konzentriert sich also zunächst auf eine Abrundung der bereits eingeleiteten internen Desintegration durch Konventionalregel unter Fortbestand der allmählich obsolet werdenden formellen britischen Oberhoheit, und auf eine völkerrechtliche Desintegration unter Erhaltung der Einheit des Reichs und der Schmiegsamkeit seiner Verfassung. Wenden wir uns nun zu der Frage, welche Grundlagen für den Neubau des Reichs der Balfour-Bericht schafft, so müssen wir uns darüber klar sein, daß die in ihm enthaltenen Grundsätze keineswegs die plötzliche Schöpfung der letzten Reichskonferenz darstellen. Vielmehr sind die darin niedergelegten Grundlinien lediglich die auf induktivem Wege gewonnenen Ergebnisse der Entwicklung der Reichsbeziehungen in den letzten 20 Jahren. Die Bedeutung der letzten Reichskonfcrenz liegt nicht so sehr in den verhältnismäßig wenigen Neuerungen für die Beziehungen zwischen Mutterland und Dominien, die dort vereinbart worden sind, als in der autoritativen Feststellung der für die Organisation des Reichs maßgebenden Grundsätze. Die Bedeutung des Balfour-Berichtes ist also eine vorwiegend moralische; er erfüllt ein auf der Reichskriegskonferenz von 1917 gegebenes, in der Ausführung aber immer wieder vertagtes Versprechen der Reichsregierung, auf einer ,,Verfassungskonferenz" die Grundsätze für die Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen des Reichs festzulegen 1 ). „Der Ausschuß ist der Ansicht, daß nichts gewonnen werden könnte durch einen Versuch, eine Verfassung für das Britische Reich niederzulegen. . . Das Reich als Ganzes betrachtet, entzieht sich jeder Klassifikation und trägt keine Ähnlichkeit 1 ) Vgl. Duncan Hall a. a. O., S. 230 ff. Daß eine weitere Vertagung vermieden und die Konferenz mit diesen grundsätzlichen Fragen befaßt wurde, geht in erster Linie auf südafrikanische Wünsche zurück: vgl. die StellenboschRede des südafrikanischen Premiers Hertzog vom 1 5 . Mai 1 9 2 6 (Europ. Gespr. I V , S. 504) und seine Eröffnungsansprache (Cmd 2769, S. 2 3 ff).
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mit irgend einem bestehenden oder früher versuchten politischen Organismus in sich. Es enthält jedoch ein äußerst wichtiges Element, welches vom rein verfassungsmäßigen Standpunkt aus gesehen mit Bezug auf alle Lebensfragen zur vollen Entwicklung gelangt ist . . . Wir meinen jene Gruppe sich selbst regierender Gemeinwesen, die sich aus Großbritannien und den Dominien x) zusammensetzt. Ihre Stellung und ihre wechselseitigen Beziehungen lassen sich leicht definieren. Sie sind autonome Gemeinwesen innerhalb des britischen Reichs, gleich in ihrem Status, keines dem anderen in irgendeiner Frage der inneren oder äußeren Politik untergeordnet, obwohl vereint durch eine gemeinsame Treupflicht gegenüber der Krone und frei verbunden als Mitglieder der Britischen Staatengemeinschaft 2 )". Mit diesen Worten kennzeichnet der Balfour-Bericht den staatsrechtlichen Aufbau des Reiches, soweit die Dominien und ihr Verhältnis zum Mutterland in Betracht kommen. Damit ergibt sich auch für den Beschauer die Grundlage für eine Untersuchung des juristischen Aufbaues des Reichs. Allerdings sagt der Bericht selbst, daß seine Formulierung für einen Außenstehenden den Eindruck nahe legt, daß sie eher ersonnen sei, um eine gegenseitige Einmischung auszuschließen, als um die gemeinsame Arbeit zu erleichtern 8 ). Denn keine Aufzählung der Freiheiten der einzelnen Teile des Reiches in ihrem gegenseitigen Verhältnis werde dem gerecht, was diese Teile verbinde: den zugrundeliegenden positiven Idealen der Freiheit, des Friedens und des Fortschritts, den ideellen Werten, die den Unterbau des Reiches bilden. Allein eine Abschätzung dieser Faktoren mag politisches Interesse haben, für den Juristen kann nur die Form der Organisation maßgebend sein. ') Ausgeschlossen wird also Indien, das trotz seiner selbständigen Stellung im Völkerbund nicht als gleichberechtigter Reichsteil angesehen •wird (vgl. Balfour-Bericht III und über seine Verfassung Löwenstein a . a . O . , S. 460 ff). Der indische Vertreter auf der Reichskonferenz „rappresenta una finzione, quella di uno stato semi-autonomo ed anglo-indiano" (Pellizi in Gerarchia 1926, p. 717). Ausgeschlossen wird ebenso die große Zahl kleinerer oder weniger entwickelter sog. Kronkolonien, die unter unmittelbarer großbritannischer Herrschaft bleiben und insofern ein besonderes „Reich im Reiche" darstellen. Mit ihror Organisation beschäftigt sich die nach dem Vorbild dor Reichskonferenz soeben neu ins Loben gerufene Kolonialkonferenz: Times 10. 5. 1927. *) Balfour-Bericht S. 69. Vgl. Resolution I X der Konferenz von 1917, Cmd 8566. ') Balfour-Bericht S. 71.
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Ausgangspunkt des Berichts ist also die Vorstellung eines Bundes freier Nationen, niemandem untergeordnet, aber durch die Identität des Staatsoberhauptes zusammengehalten. Eine genauere Untersuchung der Natur dieses Gebildes kann erst nach einer Darlegung der Organisation im einzelnen erfolgen. Offenbar liegt es am nächsten, das Reich als einen Staatenbund mit Personalunion (genauer Realunion 1 ) aufzufassen. Jedenfalls lehnt der Balfourbericht die Vorstellung eines Bundesstaates nachdrücklichst ab. „Geographische und andere Umstände schlössen die Erreichung gleichen Status' auf dem Wege der Föderation aus." Dieser Satz bedeutet eine endgültige Ablehnung all der Pläne, die die Zukunft des Reichs in einer bundesstaatlichen Organisation suchtcn, wie sie von der Imperial Federation League und später von dem Round Table-Verband unter Curtis verfochten wurden 2). Diese Stellungnahme folgte aus der Unmöglichkeit von zentralen Bundesorganen, teilweise infolge der geographisch-tcchnischen Hindernisse der Bildung eines einheitlichen Reichswillcns, vor allem infolge der Abgcneigtheit der Dominien gegen jeden naturgemäß in erster Linie von London abhängigen Super-state, dessen Existenz von ihnen eine auch nur teilweise Aufgabe ihrer mühsam erkämpften politischen Selbständigkeit erfordert hätte 3 ). An beiden Faktoren scheitern notwendig alle Pläne eines Reichsparlaments, dessen Existenz aus politischen Gründen Voraussetzung jeder Reichsexekutive sein muß.
Q. Innere Organisation des Bundes. Die Schwierigkeit für die Erkenntnis der juristischen Struktur des Reiches beruhen nicht nur auf dem Nebeneinander von Konvention und Rechtssatz, sondern vor allem in dem darin zum Ausdruck kommenden Nebeneinander von bündischen und herrschaftlichen Ideen. Beide sind nun nach ihrer juristischen Ausprägung klar zu stellen. Wenden wir uns zunächst zu der Verwirklichung der bündischen Idee im Aufbau des Reichs, so ist als erstes diesen Ideen dienendes Organ die Krone zu nennen. Den gefühlsmäßigen Wert, der der Monarchie als Symbol und Spitze ') Jellinek, Allg. Staatslehre, S. 7 5 4 . 2 3
) Curtis, Problem of the Commonwealth 1 9 1 6 .
) Hall a. a. O., S. 2 0 4 — 2 2 5 .
H e c k , Verhandl. d. brit. Reichskonf. 1926.
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des Reichs zukommt, sucht der Balfour-Bericht zugunsten des Zusammenhalts der Reichsteile zu verwerten, indem er stärker als bisher die Krone in den Vordergrund stellt. Die erste F o r derung des Berichts ist daher eine Änderung in dem Titel des Königs, durch welche dieser den durch die Errichtung des Irischen Freistaates im Jahre 1 9 2 2 veränderten Umständen angepaßt werden soll 1 ). Wichtiger ist die Hervorhebung der Monarchie als Symbol der Reichseinheit im Verkehr mit dem Auslande, namentlich in der Form der von den Reichsteilen künftig abzuschließenden internationalen Verträge: Auf dem Gebiete der auswärtigen Beziehungen begründet die Einheit der Krone die gewollte Einheit der rechtlichen Beziehungen. Hiervon abgesehen, kommt allerdings der Monarchie unmittelbare politische Bedeutung für den Zusammenhalt des Reichs nicht mehr zu. Nach englischem Staatsrecht ist der König zwar formell der Inhaber der Exekutive. In allen Regierungsakten ist er aber materiell an die Vorschläge seiner Berater gebunden, die damit an seiner Stelle die persönliche Verantwortung übernehmen. Das Ergebnis ist, daß der persönliche Wille des Inhabers der Krone ausgeschaltet und die beratende Instanz, also das jeweilige Ministerium, zu dem entscheidenden Faktor der politischen Willensbildung wird. Und zwar ist es bei der dominierenden Stellung des Premierministers innerhalb des Kabinetts dieser, der als Kulminationspunkt der politischen Integration im Smendschen Sinne anzusehen ist 2). Der Balfour-Bericht geht nun davon aus, daß grundsätzlich jede Regierung eines mit Selfgovernment ausgestatteten Reichsteiles den König in allen eigenen Angelegenheiten, sowohl der Innen- wie der Außenpolitik, selbständig und allein berät. ,,It is recognised that it is the right of the Government of each Dominion to advise the Crown in all matters relating to its own affairs." Damit werden die Regierungen der verschiedenen Reichsteile als selbständige Träger politischer Willensbildung anerkannt. Weitgehend war dies bereits bisher geschehen: in all den Fragen nämlich, in denen der König durch seinen örtlichen Stellvertreter im Dominion, den Generalgouverneur, handelte. Die Beratung der Gouverneure war grundsätzlich Sache der örtlichen Regierung (abgesehen von den Fällen, wo der Gouver') Keith in Jour. of Comp. Leg. Vol. I X , S. 93, Royal and Parliamentary Titles Act 1927. *) Vgl. Smend, Politische Gewalt im Verfassungsstaat, Kahl-Festgabe III, S. 16 ff.
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neur als Reichsaufsichtsorgan tätig wurde, vgl. unten). Soweit jedoch der König verfassungsrechtlich in eigener Person tätig werden muß, wie vor allem bei dem Abschluß und der Ratifikation völkerrechtlicher Verträge, ferner bei gewissen Formen des Veto gegen Dominiengesetze (Disallowance), ist er formell an den Rat der Londoner Regierung gebunden, die allein in unmittelbaren Verkehr mit ihm tritt. Aus dieser Stellung leitete sich bisher eine gewisse bevorrechtigte Stellung der letzteren gegenüber den Dominien ab. Der Balfour-Bericht bestimmt, daß künftig die Londoner Regierung in derartigen Fällen ihren Rat nur im Einklang mit der Entscheidung der Regierung des betreffenden Reichsteiles erteilen werde. Das bedeutet, daß diese, die übrigens nicht mehr als Reichsregierung sondern bescheidener als ,,His Majesty's Government in Great Britain" bezeichnet wird, materiell ausgeschaltet wird. Damit ist die Gleichstellung aller Regierungen, wie sie bereits seit 1907 in dem Vorsitz des britischen Premiers als Primus inter pares auf der Reichskonferenz zum Ausdruck kommt, zu Ende geführt. Der König ist somit im Rechtssinne für die inneren Beziehungen des Reichs nicht mehr eine Person, sondern eine Vielheit von Personen; die Krone ist in „Commissions" verteilt 1 ). Es ist das Stadium erreicht, das Rolin 2) mit den Worten bezeichnet: „ S i le Roi de Grande-Bretagne était en même temps le Roi du Canada, le Roi de l'Afrique du Sud, etc. et était exclusivement conseillé par des ministres différents dans chacun de ces pays, ceux-ci seraient bien des Etats distincts, unis par le simple lien de l'union personelle." Für diese Auffassung, die allerdings nicht einheitlich, aber besonders von kanadischer Seite 3 ) von jeher nachdrücklichst vertreten wurde, sind die verschiedenen selbständigen Teile des Reichs ebensoviele selbständige Königreiche, unter denen das Mutterland sich nur durch politische Bedeutung, nicht aber rechtlich auszeichnet. Ungeklärt bleibt auch nach dem Balfour-Bericht die Frage, wie weit eine entgegengesetzte Beratung des Königs ') Hound Table Nr. 65, S. 1 6 1 ; Phelan, Sovereignty of the Irish Freestate in Review of Nations 1927, Nr. 3, S. 38; Contemporary Review Nr. 734 (February 1927) S. 2 5 1 : „The King ceases to be the collective King of the Empire and becomes the separate King of each country of the Empire." 2 ) Rolin, Revue de droit international 1923, S. 195—226 a. E .
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durch verschiedene Teile des Reichs möglich ist und welche Folgen sich aus ihr ergeben. Irgendwelche konventionellen Normen hierüber gibt es bis jetzt nicht; die frühere Oberaufsicht der den Rat der Dominienregierung vermittelnden Londoner Regierung ist nunmehr in Wegfall gekommen. Der britische Politiker vertraut aber darauf, daß durch Verhandlungen der widerstreitenden Regierungen die Widersprüche geklärt und, wenn auch nicht eine vermittelnde Linie gefunden, so doch jedenfalls eine formelle Einheitlichkeit gewahrt werden könne. Sachlich würde eine entgegengesetzte Beratung in politischen Angelegenheiten ein Zerreißen des Reichsverbandes zur Folge haben müssen 1 ). Wir finden also auf dem Gebiet der Exekutive die Desintegration des Reiches durchgeführt: die theoretische Befehlsgewalt der Londoner Regierung ist konventionell außer Kraft gesetzt. Einer besonderen Betrachtung bedarf in diesem Zusammenhang die Stellung der Gouverneure, der Repräsentanten der Krone in den überseeischen Besitzungen. Diese waren freilich schon bisher grundsätzlich an den Rat der Regierung des betr. Dominion, also des örtlichen Kabinetts gebunden. Allein diese Abhängigkeit bedeutete nach der Verfassungspraxis der Dominien noch keine vollständige Ausschaltung. Wie im parlamentarisch regierten Staate dem Staatsoberhaupt trotz seiner Abhängigkeit von der politischen Stellungnahme des Kabinetts doch eine gewisse Entscheidung verbleiben kann, so auch in den Kolonien. So hatte der Gouverneur eines Dominion für den Fall der Parlamentsauflösung eine im einzelnen allerdings nicht klar abgegrenzte Unabhängigkeit von dem Rat seines Premiers, die ,an Umfang wesentlich weiter ging, als die dem König im Mutterlande in derartigen Fällen zustehenden Freiheiten 2 ). Daneben hatte der Gouverneur *) Webster in L'Esprit International 1927, p. 194 nimmt an, daß der König in solchem Konflikte persönlich zu entscheiden habe. 2) Über die Fälle einer selbständigen politischen Entscheidung des Königs im Mutterlande vgl. Jenks, Government S. 44 f., Emden, Principles of British Constitutional Law 1925, p. 80 ff. Nach Jenks steht dem König eine Befugnis, von dem offiziellen Rat seines Premiers abzuweichen, zu, a) wenn von ihm die Ernennung neuer Peers verlangt wird, um das Oberhaus dem Unterhaus gefügig zu machen, ohne daß die Volksgesamtheit dies offensichtlich billigt, b) wenn eine gestürzte Regierung die Auflösung eines Unterhauses fordert, das nach ihrem Amtsantritt gewählt worden ist. In beiden Fällen ist der Grundgedanke der, daß der König den mutmaßlichen Volkswillen gegen den Premier durchzusetzen hat.
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ursprünglich unabhängig von dem lokalen Ministerium gewisse Rechte als Vertreter der Krone auszuüben, so bei der Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung zu den gesetzgeberischen Akten des Dominionparlaments. Schließlich ging der gesamte Schriftverkehr mit der Londoner Regierung durch seine Hand, soweit nicht in besonders wichtigen Fragen ein unmittelbarer Verkehr von Premier zu Premier gemäß den Beschlüssen des Reichskriegskabinetts von 1918 ausdrücklich zugelassen war 1 ). In allen diesen Funktionen handelte der Gouverneur nach den ihm von dem Londoner Kolonialstaatssekretär erteilten Anweisungen, so daß auch bei Responsible Government zunächst doch ein erheblicher Einfluß der Londoner Regierung gewahrt blieb. Allein mit der steigenden Selbständigkeit der Dominien sträubten sich diese immer mehr gegen eine solche Einflußnahme. Zunächst setzten sie es durch, bei der Ernennung der Gouverneure Einfluß zu gewinnen, so daß sich die Praxis herausbildete, vor der Besetzung eines Gouverneurpostens das betreffende Dominion zu hören und etwaige Einwendungen zu berücksichtigen 2), während die Ernennung selbst nach wie vor durch das Londoner Kabinett geschieht. Das Verfahren ähnelt also dem bei der Ernennung diplomatischer Vertreter. Bei der letzten Besetzung des Postens des kanadischen Gouverneurs scheint sich die Londoner Regierung sogar auf Präsentation einer Liste beschränkt zu haben 3). In dieser Praxis bringt auch der Balfour-Bericht keine Änderung, insbesondere wird nicht bestimmt, daß die Ernennung der Generalgouverneure auf Rat und unter Verantwortung der zuständigen Dominialregierung erfolgen soll. Offenbar glauben die großen Dominien ihren Einfluß auf die Besetzung dieser Posten genügend gesichert, während andererseits das bei den starken inneren Gegensätzen in allen Dominien dringend erwünschte VorhandenVgl. die Resolutionen War Cabinet Report for theYear 1918, Cmd 325, p. 10. Danach war dieser unmittelbare Verkehr auf Angelegenheiten von Cabinet importance beschränkt. Hall, a. a. O., S. 178. 2 ) Borden, Canadian Constitutional Studies 1921, S. 61, 93. Vgl.Mackenzie King als kanadischer Premier im Parlament am 13. X I I . 1926: ,,I have not the least doubt, that the Government of Great Britain . . . will not hereafter attempt to recommend the appointment of a Governor-General to this Dominion without the approval of the Prime Minister." (Journ. Pari. Emp. Jan. 1927, p. 85.) 3 ) Allin in Minnesota Law Review Vol. X I , p. 27.
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sein einer überparteilichen Instanz bei der Beibehaltung des bisherigen Verfahrens besser gewährleistet scheint Im übrigen aber bringt der Balfour-Bericht die im letzten Jahrzehnt bereits angebahnte Änderung in der Stellung des Gouverneurs zu einem grundsätzlichen Abschluß 2). Man wird nicht fehl gehen, wenn man den äußeren Anlaß zu der nachdrücklichen Behandlung gerade dieser Frage durch den Balfour-Bericht in dem Präzedenzfalle des kanadischen Generalgouverneurs Lord B y n g sucht, der deutlicher als juristische Erörterungen die politische Fragestellung zeigt 3 ). Nach einer parlamentarischen Niederlage der kanadischen Regierung im Sommer 1926 verlangte der liberale Premier Mackenzie King von Byng die Zustimmung zur Auflösung des Parlaments unter Berufung darauf, daß Kanada dem Vereinigten Königreich rechtlich gleich stehe und der Generalgouverneur daher der dort geltenden Praxis zu entsprechen habe, die dem König in derartigen parlamentarischen Situationen (Absplitterung von Teilen der Regierungskoalition) die Gewährung der Auflösung vorschreibe. Demgegenüber vertrat Lord Byng den Standpunkt, daß ihm verfassungsmäßig volle Handlungsfreiheit zustehe, da er als Staatsoberhaupt einer Kolonie an die englischen Präjudizien nicht gebunden sei 4 ); er lehnte die Auflösung ab und beauftragte den Führer der konservativen Opposition, M e i g h e n , mit der Kabinettsbildung, obwohl auch dieser zunächst nur über eine Minderheit verfügte. Die unter großen Schwierigkeiten zustande gekommene Regierung Meighen konnte sich aber nur wenige Tage halten; J) Das insbesondere von den australischen Einzelstaaten, deren Gouverneure unmittelbar von London und nicht von der australischen Bundesregierung ernannt werden, gewünschte Heimatprinzip (Besetzung der Stellen mit Landesangehörigen) hat das Mutterland bisher stets unter Berufung auf mangelnde Einheitlichkeit der öffentlichen Meinung zu dieser Frage zurückzuweisen vermocht, hat es jedoch dem irischen Freistaat konzedieren müssen. Vgl. Weißbuch Cmd 2683, Korrespondenz zwischen London und den australischen Einzelstaaten, und Keith, J . C. L. 3. S. Vol. V I I I , Teil 4, S. 280. ») Vgl. Balfour-Bericht S . 7 4 , IV b. Die darin vorgesehenen Änderungen sollen am 1. Juli 1927 in Kraft treten: Hertzog im südafrikan. Parlament 4. 5. 27 (Times 5. 5. 27). 3 ) Vgl. hierzu Keith, J . C. L. 3. S. Vol. V I I I , S. 275—280, Times vom 28. VI., 1. VII., 5. VII., 14. VII., 6. X . 1926. Eine gute Darstellung und Erörterung gibt der erwähnte Aufsatz von Allin, Minnesota Law Review, Vol. X I , p. 12 (Dez. 1926). 4 ) Das ist allerdings die Praxis in den australischen Einzelstaaten, wo die Parteizersplitterung zu einer selbständigeren Stellung der Gouverneure geführt hat, vgl. Allin a. a. O.
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nach einer Niederlage kam nunmehr Meighen um Auflösung des Unterhauses ein, die ihm Lord Byng gewähren mußte, da die Möglichkeiten eines Kabinettsbildung erschöpft waren. Daß der Generalgouverneur die der liberalen Regierung verweigerte Auflösung einer konservativen Regierung gewährte, verursachte in Kanada große Erregung: obwohl Byng mit voller Absicht ohne Befragung der Londoner Regierung, geschweige denn auf deren Anweisung hin, rein nach persönlicher Uberzeugung und nach bestem Wissen gehandelt hatte, und obwohl keinerlei Differenzen mit einem der beiden Parteiführer bestanden, erhob sich doch der Vorwurf der Parteilichkeit des Gouverneurs und der Beeinflussung der inneren Politik Kanadas durch die Londoner Regierung. Die Folge war eine ausgesprochene Niederlage der Konservativen bei den unter diesem Zeichen geführten Neuwahlen, unter deren Druck die Londoner Regierung Lord Byng abberief. Auf Grund dieses Plebiszits der kanadischen Wähler stellt der Balfour-Bericht ausdrücklich fest, daß der Generalgouverneur als Repräsentant der Krone den in England für die königliche Entscheidung maßgebenden Verfassungskonventionen unterliege. Damit wird sein persönliches Ermessen als politischer Faktor praktisch ebenso ausgeschaltet wie die Einflußnahme der Londoner Regierung l ). Der Gouverneur ist künftig nicht mehr beauftragter Vertreter der Londoner Regierung, sondern bloßer Repräsentant des Monarchen. Im Zusammenhang hiermit ist eine Besetzung der Gouverneursposten mit Mitgliedern des königlichen Hauses in Aussicht genommen, um auch äußerlich dem Repräsentanten des Königs eine entsprechende Stellung zu gewährleisten. Allein diese Hebung seiner Stellung versetzt den Gouverneur gewissermaßen in den politisch luftleeren Raum: seine Unabhängigkeit von der Londoner Regierung ist nur die Kehrseite seiner Abhängigkeit vom örtlichen Parlament. Die Bedeutung der im Balfour-Bericht festgestellten Änderung der Stellung des Gouverneurs ist also nicht Stärkung der Monarchie, sondern Beseitigung des letzten Restes von innerpolitischer Abhängigkeit. Hand in Hand mit dieser Erhöhung und zugleich politischen l ) Über die Schwierigkeiten, die der Gouverneur ohne den Rückhalt am Mutterlande in den überwiegend republikanisch eingestellten Dominien — Kanada ist der einzige nichtrepublikanische Staat des amerikanischen Kontinents — haben muß, vgl. Mendelssohn-Bartholdy im Wirtschaftsdienst 1927, S. 1 ; ahnlich Round Table, Nr. 65, p. 160.
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Ausschaltung der Gouverneure geht ihre Ausschaltung von der Vermittlung des amtlichen Schriftverkehrs. Symptomatisch ist an diesem Vorgang nicht nur die Ausschaltung der Londoner Regierung, sondern mehr noch das Bedürfnis, die Gleichwertigkeit des kanadischen zum Westminsterparlament auch in der Gleichheit ihrer Rechte gegenüber dem Monarchen zum Ausdruck zu bringen, um auch den Anschein eines minderen Rechts, einer geringeren Freiheit des Kanadiers zu vermeiden. Die Ausschaltung der Befehlsgewalt des Mutterlandes und der Aufbau des Reichs auf bündischer Grundlage ruft das Bedürfnis hervor nach einer Organisation für die Verständigung und Zusammenarbeit der nunmehr selbständigen Reichsteile untereinander (Cooperation, Consultation and Communication). Diesen Fragen wird auf allen Reichskonferenzen großes Interesse entgegengebracht, ohne daß es doch bisher gelungen wäre, zu befriedigenden Ergebnissen zu kommen. Das wichtigste Organ der Zusammenarbeit ist natürlich die Reichskonferenz selbst*). Wie erwähnt, beruht die Reichskonferenz genau wie das britische Kabinett nicht auf Rechtssatz, sondern nur auf Verfassungskonvention, die Zusammensetzung und Verfahren regelt und in den zahlreichen konstituierenden Beschlüssen der verschiedenen Konferenzen, vor allem der Kolonialkonferenz von 1907, niedergelegt ist. Infolge dieses Mangels rechtlicher Fundierung besitzt die Reichskonferenz als solche keinerlei Exekutivgewalt; sie ist zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse auf die Tätigkeit der teilnehmenden Regierungen angewesen 2). Zwar binden ihre Beschlüsse konventionell die zustimmende Regierung, allein dieser Bindung fehlt nicht nur die rechtliche Sanktion, sondern sie ist naturgemäß von der Zustimmung der verschiedenen Parlamente abhängig, soweit es gesetzgeberischer Maßnahmen der be1 ) Zur Geschichte der Reichskonferenz vgl. Löwenstein, a. a. O., S. 409 f f ; Hall, a. a. O., S. 94—194. Jebb, Empire in Eclipse p. 1—31. Jebbs Auffassung, Die Reichskonferenz sei „ a melancholy example of arrested developm e n t " (p. 3) steht zu sehr unter dem Eindruck der -wenig geglückten Konferenz von 1923. 2 ) Vgl. den Beschluß der Konferenz von 1923 (Cmd 1987, S. 13, V I I I a. E.); „This conference is a conference of the representatives of the several governments of the Empire, its views and conclusions on foreign politics are necessarily subject to the action of the governments and parliaments of the various portions of the Empire, and it trusts that the results of its deliberations •will meet with their approval."
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) Balfour-Bericht, S. 70/71.
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politischer Willensbildung auffassen 1 ). Allerdings geben ihre Beschlüsse politische Richtlinien: allein ihre Befolgung steht im freien Willen der einzelnen Reichsteile. Sie entspricht strukturell eher einer Staatenkonferenz als einem Bundesrat im Sinne der deutschen Verfassung; die letzte Entscheidung politischer Fragen liegt nicht mehr beim Reiche, sondern bei seinen Teilen. Die Reichskonferenz gewährleistet eine periodische Verständigung über die wichtigsten politischen Fragen; allein dieses Organ der Zusammenarbeit bedarf weithin der Ergänzung. Für eine laufende Verständigung ist die Konferenz schon wegen der langen, drei- bis vierjährigen Pausen zwischen ihrem Zusammentritt nicht geeignet. Boten auch die Reichskriegskabinette von 1 9 1 7 bis 1 9 1 9 Ansätze zu einer permanenten Konferenz mit bundesratsähnlicher Struktur 2), so stellte es sich doch als unmöglich heraus, diese unter dem Zwange der Not entstandene Einrichtung zu einer dauernden zu machen, da es nicht tunlich war, die leitenden Staatsmänner der Dominien allzuhäufig nach London zu rufen, sie damit ihrem eigentlichen Wirkungskreis zu entziehen und die politische Leitung der betreffenden Dominien monatelang stillzulegen 3 ). Nachteilig wirkt auch, daß jeder Regierungswechsel in den Dominien zu einem Abreißen der auf der Konferenz geknüpften persönlichen Beziehungen führt und die Durchführung der gefaßten Beschlüsse gefährdet 4). Dringend ist daher das Problem einer Organisation der Zusammenarbeit neben und in Ergänzung der Tätigkeit der Reichskonferenz und auch zahlreiche Besuche von Ministern und Parlamentariern vermögen diese Lücke nur unvollkommen zu füllen. *) So Kenny im Cambridge Law Journal I I S. 302 f. *) Hall a. a. O., S. 160 ff. 3 ) Die Premiers von Kanada und Australien waren vom Juni 1918 bis Juni 1919 fast ununterbrochen von ihrem Lande abwesend; der südafrikanische Kriegsminister Smuts von 1917 ab bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages. Hall, a. a. O., S. 178. 4 ) Dieser Umstand führte die Regierung Macdonald zu dem Vorschlag, zu den Reichskonferenzen auch Leiter der Opposition zuzuziehen, um dadurch eine größere Konstanz der Reichspolitik zu gewährleisten, ein Vorschlag, der begreiflicherweise wenig Freunde fand und auch nicht wieder aufgenommen wurde. Eine solche Festlegung der Opposition hätte die von den Dominien stets beanspruchte Handlungsfreiheit gegenüber den Beschlüssen der Reichskonferenz illusorisch und diese selbst aus einer Konferenz von Staatsleitern zu einem debating club gemacht: Jebb a. a. O., p. 24. Vgl. die Korrespondenz Cmd 2301; Hansard, D. C. Vol. 174, S. 1987, 2238.
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Als Organ der Zusammenarbeit kämen zunächst die Hohen Kommissare (High Commissioners) in Betracht, die seit 1879 von allen Selbstverwaltungskolonien nach London gesandt werden 1 ). Tatsächlich ist die politische Bedeutung der High Commissioners bis jetzt gering gewesen. Diese Tatsache dürfte z. T. darauf zurückzuführen sein, daß die Premiers der einzelnen Dominien von einem Ausbau der Stellung der Hohen Kommissare eine Beeinträchtigung ihrer eigenen Führerrolle befürchten. Diese Befürchtung ist vielleicht nicht unberechtigt, da mitunter führende Politiker der Opposition oder kleinerer Koalitionsparteien die Kommissarstellen für sich erkämpft haben oder dorthin kaltgestellt worden sind 2). Die von der Reichsregierung zeitweilig erstrebte Besetzung der Kommissarstellen durch verantwortliche Minister der Dominien, die gleichzeitig Sitz und Stimme im heimischen Kabinett haben, ist bis jetzt vereinzelt geblieben 3 ) ; im allgemeinen herrscht bei den Dominien das Bestreben vor, die Kommissare nicht zu politischen Faktoren werden zu lassen, sondern sie auf die Wahrnehmung handelspolitischer Interessen zu beschränken (Unterbringung von Anleihen und Regierungsaufträgen, Heranziehung geeigneter Ansiedler). Umgekehrt hat das Mutterland aus prinzipiellen Gründen der von den Dominien gewünschten Bekleidung der Kommissare mit diplomatischen Vorrechten und ihrer Einfügung in das diplomatische Korps bisher stets Widerstand geleistet. All diese Mängel haben Australien dazu veranlaßt, neben dem High Commissioner noch einen besonderen „Liaison Officer" des Premierministers nach London zu senden, ein Experiment, dessen Bewährung abzuwarten bleibt. Jedenfalls ist von irgendwelchen Anfängen der Organisation eines permanenten „Bundesrats" bis jetzt nichts zu merken. Ebenso mangelhaft ist die Verbindung zwischen Mutterland und Dominien nach der anderen Seite. Abgesehen von den Generalgouverneuren besteht keinerlei Vertretung der Londoner Regierung in den Dominien. Die vereinzelt vorhandenen englischen Agenten und Kommissare (so z. B . in Australien) sind in noch höherem Grade wie die High Commissioners auf handels*) Vgl. Rowell, British Empire and World Peace, London 1922, p. 192. Über die ganz andere Stellung der Crown Agents für die vom Mutterland abhängigen Kolonien s. Fiddis, Dominions and Colonial Office 1926, S. 24 ff. ») Hall, a. a. O., S. 118, 285 ff. 3 ) Kanada entsandte 1914 bis 1919 den Kabinettsminister Perley als Vertreter nach London ; Reith, War Government, S. 170, Hall, a. a. O., S. 154 f.
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politische Aufgaben beschränkt. Wie die Veränderung in der Stellung der Generalgouverneure, die sie für die Wahrnehmung der Interessen der Londoner Regierung ungeeignet macht, sich auswirkt, ob insbesondere die Ernennung britscher Kommissare oder die Errichtung diplomatischer Vertretungen notwendig wird, oder ob im Laufe der Zeit sich die Stellung des Gouverneurs aus der des Staatsoberhauptes in die des britischen Gesandten verwandelt, läßt sich noch nicht absehen. Der Balfour-Bericht beantwortet diese Fragen nicht, sondern begnügt sich mit einer allgemeinen Resolution, die es als wünschenswert bezeichnet, eine möglichst enge persönliche Fühlungnahme zwischen London und den Dominien herzustellen, die Art und Weise derselben aber weiterer Verständigung zwischen den beteiligten Regierungen überläßt 1 ). Von ebenso großer Bedeutung wie die Organisation politischer Zusammenarbeit sind die verschiedenen Einrichtungen, die eine technische Zusammenarbeit zwischen Mutterland und Dominien auf den verschiedensten Verwaltungsgebieten sicherstellen sollen. Es handelt sich hierbei einmal darum, ein rasches und reibungsloses Zusammenarbeiten der militärischen Kräfte soweit als möglich zu fördern, ohne doch den einzelnen Reichsteilen die Selbständigkeit in Oberbefehl und Verwaltung zu entziehen, eine Aufgabe, der das Committee of Imperial Defence dienen soll 2 ). Nicht minder wichtig ist die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiete, wo die Erschließung und Besiedlung der weiten Ländermassen der Dominien, namentlich im Zusammenhang mit dem Arbeitslosenproblem des Mutterlandes, ferner die gegenseitige wirtschaftliche Ergänzung der verschiedenen Reichsteile zu einem nach Möglichkeit autarken Gemeinwesen wichtige und dringende Aufgaben bilden. Für eine detaillierte Darstellung der bestehenden Organisationen der Cooperation auf diesen Gebieten muß auf den Bericht und die diesbezüglichen Entschließungen der Reichskonferenz selbst verwiesen werden 3). ') Balfour-Bericht V I : System of Communication and Consultation. Vgl. hierzu Round Table Nr. 66, p. 230 ff, der besonderen Wert auf den bei diplomatischen Vertretern sonst nicht üblichen persönlichen Kontakt der zu Entsendenden mit der einheimischen Bevölkerung legt: sie sollen Repräsentanten nicht nur der britischen Regierung, sondern vor allem des britischen Volkes sein. 2 ) Schlußbericht X I I , S. 114. Aufzählung der Organisationen bei Lowenstein, a.a.O., S . 4 1 4 , Einzelheiten bei Hall, a. a. O., S. 292 bis 3 1 6 und die tabellarische Übersicht S. 328,
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III. Reste der herrschaftlichen Organisation. Neben dieser bündischen, auf Koordination von Mutterland und Dominien beruhenden Organisation, wie sie in Konventionalnormen niedergelegt ist, stehen noch Reste der englischen Kolonialherrschaft, die vor allem in der rechtlichen Oberhoheit des Londoner Parlaments über die Dominien zutage treten. Vor allem fehlt diesen de jure die verfassungsgebende Gewalt *). Die Verfassung aller Dominien beruht auf Reichsgesetz: Daher hat ursprünglich jede Verfassungsänderung durch gesetzgeberischen Akt des Londoner Parlaments zu erfolgen. Jedoch haben die jüngeren Dominien in immer steigendem Maße die Befugnis erhalten, ihre Verfassung ohne Zustimmung des Mutterlandes zu ändern; an die Zustimmung des Reichsparlaments gebunden sind sie nur für einige grundlegende Verfassungsfragen, wie die Stellung der australischen Einzelstaaten und die den Zusammenhang mit dem Mutterlande gewährleistenden Bestimmungen. In der irischen Verfassung sind es lediglich die Bestimmungen des Englisch-Irischen Vertrages von 1922, sowie vom Jahre 1930 ab die Notwendigkeit eines Referendums, die die verfassungsgebende Gewalt des Irischen Parlaments beschränken. Für Kanada stößt die Einräumung entsprechender Befugnisse auf Schwierigkeiten, da der British North America Act von 1867, der dies Dominion aus den bis dahin bestehenden einzelnen Kolonien zusammenfügte, auf einem Vertrag der betr. Kolonien, der jetzigen Provinzen, beruhte. Daher kann nach englischer Rechtsauffassung dem Dominion als solchem die Befugnis zur Abänderung seiner Verfassung nur verliehen werden, wenn sämtliche Provinzen dem zustimmen; das aber stößt bei der um die Rechte der französischen Minderheit besorgten Provinz Quebec auf unüberwindlichen Widerstand a). E s zeigt sich, wie die englische Politik auch innerhalb des Reichs sich auf schutzbedürftige Minderheiten zu stützen und dadurch ihren politischen Einfluß zu erhalten sucht. Sobald sich eine geschlossene öffentliche Meinung für eine Verfassungsänderung ergab, hat das Londoner Parlament diesem Wunsche stets stattgegeben. Sachlich ist also der pouvoir constituant der Dominienbevölkerungen vom Mutterlande anerkannt. Der Vorbehalt der formellen Zustimmung der Verfassungsänderungen ist lediglich die Form, *) Löwenstein, a. a. O., S. 424 ff. Koellreutter Enzykl. S. 13. *) Vgl. Kennedy, Constitution of Canada, S. 451 f; Round Table, Nr. 66, pp. 353 ff.
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in der das Interventionsrecht des Mutterlandes zugunsten der Minderheiten innerhalb des Reiches seine rechtliche Fundierung findet *). Da diese Frage im Augenblick keine Schwierigkeiten macht und alle Teile die Berechtigung der Ansprüche der durch die mutterländische Kontrolle geschützten Minderheiten anerkennen müssen, hat die Reichskonferenz keinen Anlaß gehabt, sich damit zu beschäftigen. Das zweite Gebiet, auf dem die Reste des imperialistischen Verbandes noch heute sinnfällig in Erscheinung treten und eine gewisse praktische Bedeutung haben, sind die Gesetzgebungsfragen 2). Bei der Erörterung dieser Fragen hat der BalfourBericht sich außerstande gesehen, die schwierigen juristischen Detailfragen mit hinreichender Sachkunde in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit zu behandeln. Er schlägt daher die Einsetzung eines Ausschusses der beteiligten Regierungen zur Behandlung dieser Fragen vor und begnügt sich damit, einige Punkte von besonderem Interesse festzulegen. Drei Fragen sind in diesem Zusammenhang zu unterscheiden. a) Zunächst ist das Westminsterparlament als de jure alleiniger Träger der Souveränität in Großbritannien oberster Gesetzgeber für die Dominien 3). Es kann daher jederzeit auch für die Dominien Gesetze erlassen, die die Dominien-Angehörigen unmittelbar binden und entgegenstehendes Dominialrecht außer ') Als Beispiel für das Nebeneinander von Law und Convention in dieser Frage mag die folgende Äußerung Mackenzie King's im kanadischen Unterhaus erwähnt werden (Journ. Pari. Emp. VI S. 347, April 1925): „So far as the letter of the law is concerned, the Canadian people . . . have not the right or power to amend the Constitution without asking the British Parliament to pass a law for that purpose . . . But where the facts are, as we know them to be, that this Parliament approaching the British Parliament. . . requesting any Amendment to our Constitution, will have the Amendment carried out in accordance with its wishes, it cannot be said that we have not the right or the power to amend our Constitution. I contend that the conventions of the Constitution are just as important and binding as the law in a matter of this kind, and that the convention governing the amendment of the Canadian Constitution to-day is that whenever the people of Canada proceed in a constitutional way to ask the British Parliament as their agent — because it is practically as their agent that they ask the British Parliament to do this — to amend the Constitution in a particular way, the British Parliament will always proceed so to act in accordance with that request. That being the case, this country has the full constitutional right to amend its Constitution. . . . *) Vgl. im einzelnen Löwenstein, a. a. O.. S. 423 ff. 3) Vgl. Dicey, Introduction to the Law of the Constitution, Ch. I.
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Kraft setzen: Reichsrecht bricht Landesrecht 1 ). Freilich ist diese Kompetenz des Reichsparlaments längst obsolet außer in einigen besonderen Fällen, wo diese Befugnis aber nur entsprechend den Wünschen der Dominien gehandhabt wird. Der Bericht stellt in etwas unklarer Formulierung fest, daß die Gesetzgebung des Westminsterparlaments auf die Dominien nur mit deren ausdrücklichem Einverständnis erstreckt werden werde. Damit ist die materielle Ausschaltung des Westminsterparlaments als oberster Gesetzgeber für die Dominien beendet. b) Neben dieser Oberaufsicht durch das englische Parlament und seine Gesetzgebung sind die Legislaturen der Dominien beschränkt durch das Recht des königlichen Vetos, das in zwei Formen ausgeübt wird: entweder in Form der sog. reservation, d. h. der Gouverneur verweigert seine Zustimmung zu den Gesetzesbeschlüssen der Kammern und legt dieselben dem König selbst bzw. dem englischen Ministerium zur endgültigen Entscheidung vor, oder nach erteilter Zustimmung des Gouverneurs und nach Inkrafttreten des Gesetzes in Form der sog. disallowance (nachträgliche Außerkraftsetzung durch königliche Proklamation), die in bestimmter Frist (meist binnen 2 Jahren) zu erfolgen hat und das Gesetz annulliert, wenn auch ohne rückwirkende Kraft 2). Mit dem Erstarken der Selbständigkeit der Dominien hat die Krone immer weniger gewagt, von diesem Recht Gebrauch zu machen, soweit nicht die Regierung des betreffenden Dominions dies selbst befürwortete. Der BalfourBericht legt diese Praxis ausdrücklich fest. Denn ,,es ist das Recht der Regierungen der Dominien, in allen nur sie betreffenden Angelegenheiten (matters relating to own affairs) den König zu beraten". Mit diesem Status würde es nicht vereinbar sein, wenn S. M. Regierung in Großbritannien — von deren Rat formell die Ausübung des Veto immer noch abhängt — diesen Rat entgegengesetzt der von der Dominialregierung geäußerten Ansicht abgeben würde 3). ') Colonial Laws Validity Act, 1865, 28 und 29 Vict. c. 63, s. 2. Über die praktische Bedeutung dieses Gesetzes als Verfassungsgarantie zugunsten der Minderheiten in den Dominien s. JKeith in J . C. L., 3. S. Vol. I X , p. 91. 2 ) Colonial Regulations, s. 19 bis 21. 3 ) Balfour-Bericht IV c, unten S. 79. Anlaß zu dieser Feststellung waren irische Ansprüche auf förmliche Abschaffung des königlichen Placet: „Augur" in Fortnightly Review 1927, S. 7/8. Wenn Keith in Journ. C. L. Vol. I X , p. 91 behauptet, daß das Mutterland Wert darauf lege, für den äußersten Fall eines die Loslösung vom Mutterland statuierenden Gesetzes das formelle Vetorecht beizubehalten, so ist diese Ansicht wohl durch die
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c) Eine weitere Beschwerde der Dominien richtet sich dagegen, daß sich die Kompetenz ihrer Legislaturen, die durch ihre Verfassung, also Reichsgesetz, festgelegt ist, räumlich auf das Gebiet des betreffenden Dominion beschränkt, wogegen das Londoner Parlament Gesetze mit extraterritorialer Wirkung erlassen, d . h . an im Auslande sich vollziehende Tatbestände Rechtsfolgen knüpfen kann. Dieser Grundsatz, der schon wiederholt, so bei der Zuteilung von Mandaten an die Dominien durch den Völkerbund l ) zu Schwierigkeiten geführt hat, hat die Folge, daß ein Angehöriger eines Dominions mit dem Verlassen seines Heimatlandes nicht mehr den Gesetzen seines Heimatlandes untersteht, daß z. B. ein kanadisches Gesetz nicht gültig außerhalb der 3-Meilenzone eine Schonzeit für den Fischfang einführen, Bigamie außerhalb Kanadas strafbar machen 2 ) oder englische Einkünfte englischer HoldingGesellschaften besteuern kann 3 ). Ähnliche Schwierigkeiten ergaben sich bei den Militärgesetzen für die Expeditionskorps im Weltkriege und bei der Einrichtung der Dominienflotten, deren Disziplin, sobald sie sich außer Landes befanden, nur auf Grund eines besonderen Reichsgesetzes geregelt werden konnte4). Der Bericht äußert sich zu dieser Frage vollständig unverständlich, indem er feststellt, daß die verfassungsmäßige Praxis dahingehe, daß Gesetze des Westminsterparlaments, die auf ein Dominion Anwendung finden, nur mit Zustimmung des betreffenden Dominion ergehen sollen. Der Sinn dieser Feststellung in diesem Zusammenhang ist unklar; der BalfourBericht empfiehlt, die Erledigung dieser Frage dem erwähnten Ausschuß für Gesetzgebungsfragen zu überlassen. Dasselbe gilt für das Sondergebiet der Schiffahrtsgesetzgebung, bei dem englische Interessen naturgemäß in besonderem Maße unmittelbar interessiert sind, und bei dem die Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit des Rechts im ganzen Gebiet des Reichs besonders notwendig erscheint 5 ). halbamtliche Rede des Staatssekretärs Amery widerlegt: Journ. of Royal Inst, of Int. Affairs Vol. VI, p. 8. J ) Z. B. bei der Übernahme des südwestafrikanischen Mandates durch die Union. Vgl. Keith, War Government, S. 180 f. 2 ) Vgl. Kcith, Responsible Government in the Dominions, Vol. I, S. 373. 3 ) London Investment Trust v. British Tobacco Co. (Australia), 1 Ch. 1927, p. 107. 4 ) Vgl. Keith, War Government, S. 13. 6 ) Über Einzelheiten vgl. Keith, Imperial Unity and the Dominions, 1916, S. 214 ff u. S. 590.
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d) Viel erörtert wurde in letzter Zeit die Frage, wie weit die Berufung von Urteilen der Höchsten Gerichte der Dominien an das Oberste Reichsgericht in London, das Judicial Committee des Privy Council, weiterhin zugelassen werden solle 1 ). Obwohl alle Reichsteile an diesem Gerichtshof beteiligt sind, ist doch die Animosität der Dominien gegen diese Aufsichtsinstanz groß. Zuzugeben ist, daß mit der Einschränkung der Reichsgesetzgebung für die Dominien einer der Hauptgründe für die Beibehaltung dieses Reichsgerichts, die Durchsetzung der Reichsgesetze gegenüber den Gesetzen der Dominien, wegfällt, und die Rechtsprechung der Australischen Bundesgerichts in Verfassungsstreitigkeiten zeigt, daß für den Schutz der Einzelstaaten und ihrer Minderheiten die Beibehaltung des Londoner Privy Council keine Notwendigkeit ist. Andrerseits beweist die kürzlich vor dem Judicial Committee entschiedene Grenzstreitigkeit zwischen Kanada und Neufundland über die Grenze in Labrador 2 ), daß zum mindesten für die Beziehungen der Reichsteile untereinander eine oberste Entscheidungsinstanz unumgänglich ist. Der Balfour-Bericht hält auch diese Frage nicht für entscheidungsreif und sucht ein Kompromiß in der Linie, daß grundsätzlich die Zuständigkeit von Berufungen gemäß dem Wunsche der beteiligten Dominien unter Wahrung der Interessen der anderen Reichsteile geregelt werden soll. Fassen wir zusammen. Auf dem Gebiete der Exekutive absolute Autonomie der Reichsteile ohne Zentralgewalt, in Gesetzgebung und Rechtsprechung Reste britischer, in letzterer Hinsicht bündisch modifizierter Herrschaft; diese Herrschaft aber nur auf Grund freiwilliger Unterwerfung fortbestehend, somit aus Koordination und nicht Subordination resultierend: das alles bestätigt den oben (S. 1 7 ) entwickelten Gedanken des Staatenbundes als vorläufigen Endpunkt der Desintegration 3 ). Vgl. Mendelssohn-Bartholdy in A. d. ö. R., Bd. 40, S. 96, Löwenstein, a. a. O., S. 427; Morgan, Judicial-Committee of the Privy Council and Unity of Law in the Empire, in Solicitors Journal Vol. 71, p. 205 (Rhodes Lectures). 2 ) Vgl. Times s. III, 1927. Allerdings besteht für derartige Staatenstreitigkeiten keine generelle Zuständigkeit des F . C.; dieselbe muß vielmehr von Fall zu Fall durch Kabinettsordre begründet werden, die nur bei Einverständnis beider Teile ergeht: Morgan a a. O. p. 212 f. s ) Abweichend Anzilotti, Corso I S. 1 2 2 : die Abhängigkeit der Dominien begründe ein der Vasallität verwandtes Verhältnis; ihm folgend * * * * in Rivista di Politica Economica X V I I S. 37 ff. (ein protektoratsähnliches Verhältnis). Beide übersehen die Bedeutung der politischen Desintegration durch Konventionalregel. Eine Auseinandersetzung mit der gesamten völkerrechtlichen Literatur ist hier nicht möglich. H e c k , Verhandl. d. brit. Relchjkonf. 19S6.
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— 34 — IV. Völkerrechtliche Beziehungen. Etwas komplizierter liegt die Sache auf dem Gebiete des Völkerrechts. Sobald die rechtlichen Beziehungen zu dritten Staaten in Frage kommen, reicht die interne Vereinbarung als Desintegrationsmittel nicht aus: hier bedarf es eines formellen Aktes nach außen und einer Anerkennung der rechtlichen Veränderung von Seiten der dritten Staaten *). Ein solcher A k t ist freilich in einem grundlegend wichtigen Falle erfolgt: die vier größeren Ubersee-Dominien s ) und 1 9 2 3 auch der Irischc Freistaat sind Mitglieder des Völkerbundes geworden, und zwar Vollmitglieder zu eigenem Recht. E s entsteht die Frage, welche völkerrechtliche Bedeutung dieser Mitgliedschaft zukommt. E s ist eine bekannte Streitfrage, ob die Aufnahme in den Völkerbund als Mitglied gleichzeitig die völkerrechtliche Anerkennung eines Staates als Völkerrechtssubjekt durch alle anderen Mitgliedsstaaten in sich schließt 3 ). Aber von einer Erörterung dieser Frage kann hier abgesehen werden, da sie sich auf den rechtlichen Status der nach Art. 1 der Völkerbundssatzung als Mitglied anerkannten Selbstverwaltungskolonien nicht beziehen kann. Wenn Art. 1 vorsieht, daß Kolonien unter bestimmten Voraussetzungen Völkerbundsmitglieder werden können, so sagt er damit, daß die Aufnahme ohne Änderung des Status als Kolonie möglich ist, daß mit anderen Worten die Aufnahme derartiger Gemeinwesen die Anerkennung voller völkerrechtlicher Souveränität nicht in sich zu schließen braucht. Insbesondere hat dies von den britischen Selbstverwaltungskolonien zu gelten, die bei der Abfassung des Art. 1 als Vorbild gedient haben. Dies entspricht auch der Stellung der Dominien in der der Völkerbundssatzung beigegebenen Mitgliederliste, wo sie im unmittelbaren Anschluß an das britische Reich in besonderer Weise (Einrückung im Texte) angeführt werden. Wir können also davon ausgehen, daß die Aufnahme der Dominien in den Völkerbund diese zwar zu selbständigen Völkerbundsmitgliedern gemacht hat, aber *) Das Erfordernis der Anerkennung betonen nachdrücklichst Keith in J . C. L., 3. S., Vol. I X , P a r t i , S. 85 f.; Wrong, Nationalism in Canada, Jour, of the Royal Institute of International Affairs, July 1926, S. 192 f. Abweichend Löwenstein, Magna Charta, S. 264. *) Neufundland hat auf seine außenpolitische Selbständigkeit verzichtet. E s ist daher nicht Signatar der Friedensverträge und Völkerbundsmiglied geworden (vgl. die Eröffnungsansprache des Premiers Monroe Cmd. 2769, S. 26). s ) Vgl. hierzu Schücking-Wehberg, Satzung des Völkerbunds, S. 184 ff.
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grundsätzlich ihre Beziehungen zum Mutterlande und damit ihren allgemeinen völkerrechtlichen Status nicht berührt. Der völkerrechtliche Status der Dominien ist also ein zwiespältiger ; ihre völkerrechtlichen Beziehungen zu dritten Staaten vollziehen sich in zwei verschiedenen juristischen Formen. Grundsätzlich kommt ihnen eine allgemeine völkerrechtliche Rechtsfähigkeit und ebenso eine allgemeine völkerrechtliche Handlungsfähigkeit nicht zu. Sofern sie unmittelbar dritten Staaten gegenübertreten, können sie dies nicht auf Grund eigener völkerrechtlicher Persönlichkeit, sondern nur als Repräsentanten des mit Völkerrechtssubjektivität ausgestatteten britischen Reiches als ganzen *). Träger allgemeiner völkerrechtlicher Rechts- und Handlungsfähigkeit ist also das Reich als solches, die — nur intern desintegrierte — Gesamtheit der britischen Nationen. Anders aber, soweit es sich um Völkerbundsangelegenheiten handelt. Für diese ist den Dominien durch die Anerkennung ihrer selbständigen Mitgliedschaft Völkerrechtsfähigkeit zuteil geworden. Die Dominien selbst sind Träger der ihnen nach der Völkerbundssatzung zustehenden Rechte und obliegenden Pflichten. Zweifelhaft ist, wie neben ihrer Mitgliedschaft die Mitgliedschaft des Reichs als solchen bestehen kann, und welche Modifikationen sich für die beiderseitige Mitgliedschaft durch die internen Beziehungen ergeben; zweifelhaft mag auch im einzelnen sein, wie Völkerbundsangelegenheiten von allgemeinen völkerrechtlichen Fragen abzugrenzen sind. Wir werden uns mit diesen Bedenken noch später auseinanderzusetzen haben: hier ist nur festzustellen, daß in allgemeinen völkerrechtlichen Fragen eine selbständige völkerrechtliche Persönlichkeit der Dominien nicht besteht. i. K r i e g u n d
Frieden.
Die Einheit des Reichs in allgemeiner völkerrechtlichen Beziehungen kommt am schärfsten zum Ausdruck in der Frage von Krieg und Frieden. Nach englischem Staatsrecht ist der König Herr über Krieg und Frieden: seine Kriegserklärung ver>) Die Anerkennung Sowjetrußlands de jure durch die Regierung McDonald schloß die Anerkennung durch die Dominien notwendig ein. (Keith in Journ. of Comp. Leg., 3. S., Vol. 7, p. 105 f.) Dies wurde allerdings von Canada nicht anerkannt, das seinerseits durch einen Brief des Premiers King an den russ. Agenten Yazikoff v. 24. III. 1924 die Anerkennung der Sowjetregierung aussprach: Völkerrechtlich war dieser Vorgang irrelevant, wie Bruce im austral. Unterhause am 19. V I I I . 1924 feststellte (Journal of Pari, of the Emp. 1924, S. 785).
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setzt alle seine Untertanen in Krieg, sein Friedensschluß beendet diesen Zustand mit Wirkung für alle 1 ). Einen Sonderkrieg eines Reichsteiles gibt es nicht: theoretisch würde eine auf R a t der neuseeländischen Regierung ergehende Kriegserklärung des Königs auch das Mutterland und die anderen Dominien in Kriegszustand versetzen. Denn die interne Desintegration des Reichs kann zwar die Rechte der die Kriegserklärung anratenden Regierung intern beschränken, sie z. B . an die vorhergehende Zustimmung der anderen Reichsteile binden; sie kann nähere Bestimmungen über die gegenseitige Hilfepflicht der Reichsteile treffen oder dieselbe ausschließen — aber sie kann es nicht dritten Staaten verwehren, das Reich im Kriegsfälle als eine Einheit zu betrachten und auch die nicht unmittelbar an dem Konflikt beteiligten Dominien als Feind zu behandeln. A u s diesem Gegensatz von innerer und äußererVerbundenheit der Reichsteile ergibt sich der für die englische Reichsorganisation grundlegende Begriff des „Passiv Kriegführenden" (Passive bclligercnts)2). Intern ist die Desintegration in den beiden bereits angedeuteten Richtungen vollständig. Zunächst ist das Recht der Dominien konventionell anerkannt, vor wichtigen außenpolitischen Entscheidungen gefragt zu werden 3 ). Macht freilich die Notwendigkeit rascher Entschließungen eine solche Befragung unmöglich, wie 1914, so versetzt die englische Kriegserklärung automatisch sämtliche Teile des Reichs in Kriegszustand ohne Rücksicht auf Befragung oder Zustimmung der Dominien 4 ). An diesem Rechtszustand hat sich seither nichts geändert. Der Balfour-Bericht schweigt sich zu diesem Punkte aus, doch lassen einzelne unten zu besprechenden Äußerungen darauf schließen, daß er diesen Rechtszustand zugrundelegt B). A u c h die zahlreichen Äußerungen leitender Staatsmänner der Dominien, namentlich Kanadas 6 ), d a ß ihre Länder in einen Krieg Vgl. Moore in J. C. L. 3. S„ Vol. 8, S. 34, Wrong in Jour, of Royal Inst, of Int. Affairs 1926, S. 189. 2) Jebb a. a. O. p. 20: „His Britannic Majesty cannot be at war and peace at the same time", vgl. auch p. 113 f. *) Lewis in British Yearbook of Int. Law 1922 bis 1923, S. 34. 4) Keith, War Government in the Dominions, 1921, S. 19 f; Smith in Cornell Law Quarterly, Vol. XII, S. 7. 6) Keith in Jour, of Comp. Leg., Vol. 9, S. 86. *) Vgl. das Verhalten der Dominien im Chanak-Fall, Vagts in Europ. Gespr. 1925, S. 244; ebenso die Hamilton-Rede des kanadischen Oppositionsführers Meighen, Times 23. VI. und 9. I X . 1926.
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des Mutterlandes nicht gegen ihren Willen verwickelt werden können, stehen dem nicht entgegen: sie beziehen sich nur auf die aktive, nicht aber auch auf die passive Teilnahme am Krieg des Mutterlandes in dem geschilderten Sinne. Denn neben dem Recht auf Gehör vor außenpolitischun Entscheidungen hat die Desintegration auch in der Frage der militärischen Beteiligung der Dominien sich durchgesetzt. Verfassungsmäßig besteht keinerlei Assistenzpflicht der einzelnen Reichsteile gegeneinander; vielmehr entscheiden sie im konkreten Falle selbständig über die von ihnen zu leistende Hilfe 1 ). Daß trotz des Fehlens einer solchen Verpflichtung die gegenseitige Hilfsbereitschaft der Reichsteile groß ist, erklärt sich aus den intensiven wirtschaftlichen und politischen Interessen des Mutterlandes in den Dominien einerseits, der militärischen Hilflosigkeit dieser andererseits, durch welche sie sich veranlaßt sehen, das Mutterland durch freiwillige Leistungen, wie in Ägypten 1887, Südafrika 1899 und vor allem im Weltkriege 2 ), sich zu verpflichten. Eine Unterbauung dieser moralischen Verpflichtung zur gemeinsamen Verteidigung durch Rechtssatz oder Verfassungskonvention besteht nicht. Man kann daher sagen, daß die „passive Kriegsbeteiligung" eine Abschwächung des üblichen Begriffs der Kriegführung bedeutet . Ihre Hauptbedeutung liegt darin, daß sie eine Neutralität unmöglich macht 3 ). Wenn auch diese Auffassung nicht unbestritten geblieben ist 4 ), so kann doch kein Zweifel sein, daß eine Änderung dieses Rechtszustandes, selbst eine dahingehende Vereinbarung der Reichsteile unterstellt, ohne Anerkennung seitens der übrigen Staatenwelt, nicht erfolgen kann. Für den Zusammenhalt des Reichs und für seine Organisation ist diese notwendige Gemeinschaft in letzten Schicksalsfragen von ausschlaggebender Bedeutimg. Aus der notwendigen Einheit in Krieg und Frieden folgt, daß auch ein Friedensvertrag nur für das Reich als ganzes geschlossen und ratifiziert werden kann. Nur eine scheinbare Aus') Die wenigen Ausnahmen, wie die Unterstellung der Dominienflotten unter britischen Oberbefehl im Kriegsfalle oder die Benutzung irischer Häfen (Art. 49 der Ir. Verf.) beruhen stets auf besondere Vereinbarungen. 2 ) Lucas, Empire at War 1921. s ) Amery in Jour. of Royal Inst, of Int. Affairs, Vol. VI, S. 16, Moore, a. a. O. *) Vgl. Phelan, Sovereignty etc., Review of Kations 1927, Nr. 3, S. 4off.; Hamelle a. a. O., S. 75.
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nähme hiervon macht der Friedensvertrag von Lausanne, der von Kanada aus innenpolitischen Gründen nicht unterzeichnet und ratifiziert worden ist, ohne daß doch die kanadische R e gierung gewagt hätte, sich der Unterzeichnung und Ratifikation durch die Londoner Regierung für das Reich als Ganzes zu widersetzen. F ü r die völkerrechtliche Verpflichtung gegenüber der Türkei ist das Verhalten Kanadas ohne Bedeutung, da der Vertrag für das ganze Reich verbindlich ist; die mangelnde kanadische Ratifikation hat nur die staatsrechtliche Wirkung, daß Kanada dem Mutterlande gegenüber zur Mitwirkung bei der Vertragserfüllung nicht verpflichtet ist. Der Kriegszustand mit der Türkei ist jedenfalls auch für Kanada beendet worden 1 ). 2. A u ß e n p o l i t i s c h e Beschränkung Reichsteile.
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Die Verbindung in der Schicksalsfrage von Krieg und Friede ist auf die gesamte Außenpolitik des Reichs und seiner Teile von entscheidendem Einfluß. Als Resultante der internen Desintegration auch der Außenpolitik — die Dominien sind als autonomous communities koordiniert in any aspect of their domestic or extern al affairs 2 ) — einerseits, der notwendigen Einheit in Krieg und Frieden andererseits, ergibt sich die Notwendigkeit der Verständigung, Zusammenarbeit und gegenseitigen Rücksichtnahme der Reichsteile als Richtlinie aller Außenpolitik. Allerdings ist die Desintegration auf dem Gebiete der Außenpolitik keine vollständige. „ T h e principles of equality and similarity, appropriate to status, do not universally extend to funetion". Und gerade auf dem Gebiet der Außenpolitik muß der Balfour-Bericht anerkennen, daß das englische Primat noch in gewissem Umfange erhalten bleiben muß, wie auch die Verteidigung in erster Linie Sache des Mutterlandes sei 3 ). Freilich zeige das Beispiel Kanadas, daß alle Dominien in größerem oder geringerem Umfange durch geographische und andere Verhältnisse zu einer eigenen Außenpolitik genötigt seien. Unter allen Umständen solle aber der Grundsatz festgehalten werden, daß weder Großbritannien noch die Domii) A. A. Löwenstein, a. a. O., S. 417. Über die Einzelheiten Vgl. Vagts* Europ. Gespr. 1925, S. 246 f., und das englische Weißbuch Cmd 2146. abgedruckt in Europ. Gespr. 1924, S. 354. ») Balfour-Bericht II. •) Hierauf stützt Rivista di Politica Economica die zitierte Behauptung von dem Vorliegen eines Protektorats (vgl. S. 33).
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nien auf die Übernahme aktiver Verpflichtungen (active obligations) ohne ihre ausdrückliche Zustimmung festgelegt werden können 1 ). Bemerkenswert ist an dieser Erklärung weniger, daß die Festlegung eines Reichsteiles auf aktive Verpflichtungen von seiner ausdrücklichen Zustimmung abhängig gemacht wird, als daß für passive Verpflichtungen eine entsprechende Bestimmung nicht getroffen wird. An diesem Punkte wird die passive Kriegsgemeinschaft der Reichsteile von Bedeutung: der Balfour-Bericht geht offensichtlich davon aus, daß im Falle kriegerischer Verwicklungen alle Reichsteile die Folgen der selbständigen Politik eines anderen Reichsteiles (d.h. des Mutterlandes) zu tragen haben. Die Reichsteile lehnen es also ab, sich auf gegenseitige Unterstützung festzulegen, sind aber bereit, die Konsequenzen ihrer Schicksalsverbundenheit auf sich zu nehmen 2). Voll verständlich wird diese Einstellung erst, wenn man sie zu den Locarno-Verträgen in Beziehung setzt, zu denen die Dominien auf der Reichskonferenz endgültig Stellung zu nehmen hatten 3). Zwar haben die Dominien es abgelehnt, sich selbst zu verpflichten und sich statt dessen mit einer Resolution begnügt, die die Locarno-Politik allgemein gutheißt, allein sie haben es nicht ablehnen können, die Lasten aus ihrer notwendigen passiven Beteiligung an einem aus der Garantenrolle des Mutterlandes etwa erwachsenden Konflikt auf sich zu nehmen. Freilich ist diese Rechtslage heute für die Donimien sehr viel weniger befriedigend als vor dem Kriege. Während früher eine kriegerische Verwicklung Großbritanniens für die Dominien mangels einer Verpflichtung zur aktiven Teilnahme verhältnismäßig gleichgültig war, hat ihnen der Weltkrieg die mögliche Tragweite eines solchen Ereignisses klar gemacht, und zudem haben die letzten Jahrzehnte bei ihnen ein politisches und wirtschaftliches Eigenleben entwickelt, das ihnen eine auch nur passive Einbeziehung in einen englischen Krieg ohne eigene Mitbestimmung in außenpolitischen Fragen unerträglich scheinen läßt, zumal sie an seinem Ausgang entscheidend interessiert sein müssen. Daher zwingt die Rücksicht auf den Zusammen ») Balfour-Bericht V c. •) Round Table, Nr. 66, S. 227. s ) Balfour-Bericht VII c. Vgl. die Adhäsionsklausel in Art. 9, Anlage A der Locarno-Verträge. Offenbar unrichtig die Auslegung dieser Klausel durch Jebb a. a. O. p. 114 als Aufhebung der passive belligerency.
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halt des Reichs das Mutterland zur Zurückhaltung in seiner Außenpolitik, namentlich gegenüber einer Verflechtung in europäischen Angelegenheiten. Auf der letzten Reichskonferenz haben die Dominien gegen eine Wiederholung von Überraschungen wie Locarno ihr Recht auf Mitbestimmung in außenpolitischen Fragen nachdrücklich zur Geltung gebracht. Um diesem Bedürfnis entgegen zu kommen, gleichzeitig aber die Dominien selbst an einer den Interessen des Mutterlandes widersprechenden Politik zu hindern, sieht der Baliour-Bericht vor, daß die bereits bisher für den Abschluß völkerrechtlicher Verträge geltenden Grundsätze, die sich in der Formel „Selbständigkeit bei gegenseitiger Rücksichtnahme" zusammenfassen lassen, auf das ganze Gebiet der auswärtigen Politik Anwendung finden. E s entsteht das System der ,,Consultation in advance", wie es Keith genannt hat 1 ): „Consultation and agreement before engagement and action!" a ) 3. V ö l k e r r e c h t l i c h e Verträge. Auf diesem Gebiet konnte sich der Balfour-Bericht auf die detaillierten Beschlüsse der Reichskonferenz von 1 9 2 3 3 ) stützen. Seine Aufgabe beschränkte sich daher auf die E r gänzung derselben, namentlich unter dem Gesichtspunkt der anläßlich der Locarno-Verträge gemachten Erfahrungen, unter gleichzeitiger Fortentwicklung der bisherigen Grundgedanken. Neue Wege geht der Bericht mit der Betonung der Monarchie als des Symbols der Reiclhseinheit in der Form der Staatsverträge. Die Vertragsresolutionen von 1 9 2 3 unterscheiden zunächst Verträge, die vom Staatsoberhaupt geschlossen und ratifiziert werden, und formlose Vereinbarungen der Regierungen (Agreements) technischen und administrativen Charakters. Diese Unterscheidung ist unklar und wird von der herrschenden Völkerrechtslehre 4 ) nicht als völkerrechtlich relevant aner*) Jour. of Comp. Leg. Vol.. I X , S. 89. Vgl. Bruce im austral. Parlament 3. III. 27: „Our first Obligation is to play a part by consultation in the foreign policy of the British Empire". (Jour. Pari. Emp. V I I I Nr. 2 p. 3^6). *) Neuling a. a. O., S. 86. a ) Mitabgedruckt als Fußnoite zum Balfour-Bericht V, S. 84 ff. *) Vgl. Oppenheim, International Law, 3d ed. 1920, Vol. I, p. 665 f.; über entsprechende Erscheinungen in der Praxis der Vereinigten Staaten Hyde, International Law, 1922, V) Nach Zeitungsmeldungen (Voss. Ztg. 3. 2. 27.) soll die Regierung der Vereinigten Staaten die Entsendung von Vertretern nach Ottawa und Dublin beschlossen haben (Times 3. 2. 1927), die beim Generalgouverneur beglaubigt werden (Däil Eireann Debates Vol. i S S. 735). 2 ) Vgl. die oben S. 41 erwähnten Agreements der kanadischen Regierung mit dem deutschen Generalkonsul in Ottawa; Smith in Cornell Law Quarterly Vol. X I I , p. 5. 3 ) Balfour-Bericht V (b).
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Konferenzen ist nach den Umständen des einzelnen Falles vorzugehen 1 ). Wie weit die einzelnen Teile zu Konferenzen getrennte Vertretungen entsenden oder ihre Interessen einem anderen Reichsteil zur Wahrnehmung anvertrauen wollen, bleibt ihrem Ermessen überlassen 2 ). Sind in einer Konferenz mehrere Reichsteile vertreten, so kann dies auf dreierlei Weise geschehen : a) Durch gemeinsame Bevollmächtigte, die vom König getrennte Vollmachten für die einzelnen Reichsteile, je auf den Rat der betreffenden Regierung, erhalten. b) Durch eine nach außen einheitlich handelnde britische Delegation mit interner Vertretung der einzelnen Reichsteile nach dem Beispiel der Washingtoner Abrüstungskonferenz 3 ). c) Durch getrennte Vertretungen. Diese Methode soll nur auf Grund gegenseitigen Einverständnisses der Reichsteile gewählt werden, jedoch wird versucht werden, diese Methode durchzusetzen, wenn dies wünschenswert erscheint — ein Entgegenkommen an die anläßlich der Washingtoner Konferenz von den Dominien geäußerten Wünsche. 5. R e i c h u n d
Völkerbund4).
Die für das allgemeine Völkerrecht fehlende Desintegration ist, wie erwähnt, auf einem Teilgebiet vollzogen durch die Mitgliedschaft der Dominien im Völkerbund. Die Dominien sitzen nicht nur in der Vollversammlung unabhängig von der britischen Delegation ; die von ihnen entsandten Vertreter werden von ihnen allein 5 ) und nicht vom britischen König ak') Zur Konferenz von Genua 1921 lud die italienischo Regierung die Dominienregierungen unmittelbar ein: Jour. Pari. Emp. I V p. 591. 2 ) Vgl. z. B . die Vertretung Südafrikas auf der Abrüstungskonferenz von Washington 1922 durch den englischen Delegierten Balfour. 3 ) Damit ist die Behauptung von Smuts, daß dort eine gesonderte Vertretung der Dominien stattgehabt habe, zurückgewiesen. Über diese Meinungsverschiedenheiten vgl. Keith, Constitution etc. of the Empire, p. 47. *) Vgl. zu folgendem Hall, a. a. O. Kapitel X I ; Keith, War Government, S. 1 5 5 ff. ; Temperley, History of the Peace Conference Vol. VI, S. 360 ff. ; Löwenstein, a. a. O., S. 41 und Magna Charta, S. 268 ; Webster, L'Empire britannique et la Société des Kations, in L'Esprit International 1927 Kr. 2 p. 187. c ) Durch den Govemor-General in Council (Canada, Australia) oder durch den dazu delegierten High Commissioner in London (Keuseeland, Südafrika). (Nach einer freundlicher Weise zur Verfügung gestellten Auskunft von H . Vortr. Leg.-Rat Weizsäcker.)
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kreditiert, sie verkehren unmittelbar und ohne Vermittlung des englischen Foreign Office mit dem Sekretariat, sie haben vor allem unmittelbar und ohne Vermittlung des Reiches vom Völkerbund Mandate erhalten, über die sie unmittelbar an den Bund berichten, usw. Neben dieser Mitgliedschaft der Dominien ist das britische Reich als solches als eine der alliierten und assoziierten Hauptmächte Mitglied des Völkerbundes, wobei der Ausdruck „britisches Reich" im weiteren, d. h. die Dominien umfassenden Sinne gebraucht ist, entsprechend der Terminologie des britischen Verfassungsrechts, so daß sich diese Mitgliedschaft nicht auf Großbritannien und die von diesem abhängigen Reichsteile (Kronkolonien und dergl.) beschränkt. Man hat die Frage aufgeworfen, wie sich die engen zwischen den Reichsteilen bestehenden Beziehungen mit der Völkerbundssatzung vertragen und hat zu ihrer Rechtfertigung den Art. 2 1 herangezogen, so namentlich die englische Literatur 1 ). Aber das Reich kann nicht als ein „international engagement" angesehen werden; seine Bedeutung geht über die beispielsweise angeführten Schiedsverträge und „regional understandings" weit hinaus, da es die beteiligten Völkerbundsmitglieder in einem viel intensiveren und umfassenderen Grade aneinanderkettet. Richtiger scheint es, die Zulässigkeit dieser Beziehungen auf die Stellung der Dominien in der Mitgliederliste und auf den Art. i der Völkerbundssatzung zu gründen, durch den die Aufnahme von Selbstverwaltungskolonien unbeschadet ihrer Beziehungen zum Mutterlande ermöglicht wird: es muß gleichgültig sein, in welchem Umfange diese Beziehungen Herrschaftselemente enthalten. Von größerer Bedeutung ist die Frage, wie weit die Mitgliedschaft des Reichs durch die besondere Mitgliedschaft der Dominien berührt wird, insbesondere wie weit dadurch die Vertreter des Reichs von der Wahrnehmung der Belange der Dominien ausgeschlossen werden. Dies wird für die Vollversammlung, in welcher die Dominien vertreten sind, anzunehmen sein, erscheint aber zweifelhaft für den Rat, in welchem vorläufig nur die Reichsdelegation erscheint (die Wählbarkeit der Dominien als nicht ständige Ratsmitglieder ist allerdings anerkannt). Man wird vielleicht davon ausgehen können, daß der britische Vertreter im Rat auch die Dominien repräsentiert 2 ). Konsequenz dieser Auffassung wäre, daß z. B. ») Vgl. Keith, Constitution etc., S. 49. *) So Hall, a . a . O . , S. 341 f f ; Webster a. a. O. p. 196. H e c k , Verband!.