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German Pages [371] Year 2018
Lateinamerikanische Forschungen
Band 48
Herausgegeben von Thomas Duve, Debora Gerstenberger, Christine Hatzky, Silke Hensel, Ulrich Mücke und Barbara Potthast Begründet von Richard Konetzke (†) und Hermann Kellenbenz (†) Fortgeführt von Günter Kahle (†), Hans-Joachim König, Horst Pietschmann, Hans Pohl, Peer Schmidt (†)
»Lateinamerikanische Forschungen« ist die Fortsetzung der Reihe »Lateinamerikanische Forschungen. Beihefte zum Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas«. Die Bandzählung wird fortgeführt.
Katharina Schembs
Der Arbeiter als Zukunftsträger der Nation Bildpropaganda im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien in transnationaler Perspektive (1922–1955)
Mit 95 Abbildungen
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2018 by Bçhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Kçln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Giacinto Mondaini, »IX. Internationaler Automobilsalon«, Plakat (137 x 97 cm), Italien 1936. Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. / Ramos, »Perón hÐlt sein Wort. Sie gehçren schon uns!«, Plakat, Argentinien 1948. Archivo General de la Nación, Argentinien. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 0460-1467 ISBN 978-3-412-51287-3
Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung . . . . . . . . 1.2 Definitionen, Quellen und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 10 25
2 Argentinien »colonia d’Italia«? Die italienisch-argentinischen Beziehungen 1922–1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Italienische Emigration und faschistische Auslandspropaganda in Argentinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Argentinischer Nationalismus und die Rezeption des italienischen Faschismus bis zum Aufstieg Perjns . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Kulturpolitische Institutionen und Reformen im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ministerien, Staatssekretariate und die Produktion der Bildpropaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Künstler und Grafiker im Dienst der Regime . . . . . . . . . . . . 4 »Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«: Die Figur des Arbeiters in der Bildpropaganda des Faschismus und des Peronismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Ideologie und Aufwertung der Arbeiterfigur . . . . . . . . . . . . 4.2 Sozialpolitik gegen Produktivität: Der Arbeiter als Empfänger sozialpolitischer Leistungen und als Produzent . . . . . . . . . . 4.3 Stadt vs. Land? Bauern und Industriearbeiter in Italien und Argentinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 39 52
61 63 78
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127
6
Inhalt
5 »Mussolini lavoratore« und Perjn als »primer trabajador«. Propagandistische Darstellungen der Regierungschefs als vorbildliche Arbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Neue Politikertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Mussolini bei der Getreideernte und Perjn in Latzhosen . . . . . . 5.3 Geteilte charismatische Herrschaft: Evita als »Vorkämpferin der Arbeit« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Von Müttern, Krankenschwestern und Wählerinnen: Repräsentationen weiblicher Arbeit in der Bildpropaganda . . . . . 6.1 »Komplementarität« von männlicher und weiblicher Arbeit: Die Mutterrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Frau als Arbeiterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Politisierung der weiblichen Bevölkerung und neue Aufgaben: Die Frauenorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147 149 173 182
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197
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237 239
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250 266
8 Arbeit, nationale Identitätsentwürfe und Feindbilder . . . . . . . . . . 8.1 »Unzivilisierte Afrikaner« und »jüdische Parasiten« in der faschistischen Bildpropaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Klasse statt ›Rasse‹ in der visuellen Propaganda unter Perjn . . . .
281
9 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351 351 354
7 Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«: Jugend, Arbeit und Berufsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Kinder und Jugendliche als neue politische Subjekte . . . . . . 7.2 Bildungsreformen und die Politisierung der Lehrinhalte: Illustrationen in Schulbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda . .
282 302
Danksagung
Mein Dank gebührt an erster Stelle Prof. Alexander Nützenadel, mit dem zusammen das Dissertationsprojekt entstanden ist und für das erfolgreich Finanzierung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeworben werden konnte. Im Verlauf des Projektes kamen von ihm in Gesprächen und im Rahmen des Kolloquiums immer wieder wichtige Denkanstöße, die die Arbeit sehr bereichert haben. Auch möchte ich mich ganz herzlich bei Prof. Stefan Rinke bedanken, der ohne Zögern die Zweitbetreuung übernahm und vor allem für den lateinamerikanischen Teil des Projektes wesentliche Hinweise gab. Den verschiedenen MitdoktorandInnen und Mitgliedern der Kolloquien beider Professoren, mit denen ich das Forschungsprojekt in unterschiedlichen Stadien gewinnbringend diskutieren konnte, sei ebenfalls gedankt. Die zeitweilige Unterstützung durch meine studentische Hilfskraft, Giorgio del Vecchio, beim Aufbau einer Bilddatenbank und der sonstigen Systematisierung des Archivmaterials war unerlässlich. Grazie mille! Bedanken möchte ich mich auch bei den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern staatlicher und privater Archive und Sammlungen in Italien und Argentinien, die mir den Zugang zu Archivmaterialien ermöglicht haben und mich ansonsten bei den Recherchearbeiten unterstützt haben. Stellvertretend seien hier Matteo Fochessati, Massimo und Sonia Cirulli sowie Silvana Castro und Dar&o Pulfer genannt. Zentral für die Entstehung dieses Buches waren auch viele FreundInnen, KollegInnen und KorrekturleserInnen, die mir in Diskussionen und durch ihre Kommentare sehr weiter geholfen haben. Mein Dank geht insbesondere an Alina Enzensberger, Antonio Carbone, Cristina Alarcjn, Sadia Bajwa, Manju Ludwig, Anna Bessler und Toni Morant i AriÇo. Für den letzten Korrekturdurchgang möchte ich meiner sicherlich ausdauerndsten Leserin, Martina RödingerSchembs, ganz herzlich danken. Überhaupt wäre die Durchführung des Projektes ohne die bedingungslose Unterstützung meiner Familie so nicht möglich gewesen. Vielen Dank dafür! Köln im Mai 2018
Katharina Schembs
1
Einleitung
Eine mächtige Arbeiterfigur überragt eine Industrieszenerie mit Fabrikgebäuden (Abb. 1, S. 10). Von der Stirn bis zu den Oberschenkeln ansichtig, trägt sie ein dunkles Hemd und bräunliche Latzhosen. Mit ihren starken, massiven Händen umfasst sie einmal vorderseitig, einmal von hinten ein Schriftbanner. Die Hemdsärmel sind hochgekrempelt. Aus der Untersicht gezeigt, hat der Arbeiter seinen starren Blick über den Betrachter hinweg gerichtet. Die Beine deuten eine Schrittstellung an, die Figur ist in Bewegung. Ihr zuunterst sind in kleinerem Maßstab einige Fahrzeuge angeordnet, ein mit schemenhaft erkennbaren Personen bestückter Lastwagen und drei weitere Pkws. Ein zweites Plakat zeigt einen nahezu identischen Arbeiter (Abb. 2, S. 10). Der Körperausschnitt ist derselbe, die Kleidung mit Latzhose und Hemd stimmt bis auf wenige Details überein, ebenso die Handhaltung, mit der in diesem Fall jedoch eine dunkel-glänzende Lokomotive in Miniatur getragen wird. Die einzigen Unterschiede liegen neben der helleren Farbigkeit der Figur im Hut und weißen Halstuch. Im Hintergrund sind blass mit hellblauen und weißen Streifen die argentinischen Nationalfarben angedeutet. Während das erste Plakat aus Italien und dem Jahr 1936 stammt, handelt es sich bei dem zweiten, wie durch die Farbgebung des Hintergrunds ersichtlich, um ein argentinisches von 1948. Auf dem italienischen Exemplar wird für eine Automobilausstellung in Mailand während des Faschismus (1922–1943/45) geworben. Thema des zwölf Jahr jüngeren Plakats aus Argentinien ist hingegen die Nationalisierung der Eisenbahn unter der Regierung von Juan Domingo Perjn (1946–1955). Die frappierende Übereinstimmung der Arbeiterfiguren gibt Anlass zu der Frage, wie es zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen nationalen Kontexten zu einer ähnlichen Bildsprache in der staatlichen Propaganda1 kam. Denn bei den inhaltlichen und stilistischen Übereinstimmungen der beiden Plakate handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Arbeiterfiguren stellten auf vielen weiteren Propagandaplakaten und -illustrationen unter 1 In Kapitel 1.2 folgt eine ausführliche Definition des Propagandabegriffs.
10
Einleitung
beiden Regimen die Hauptprotagonisten dar. In diesem Medium tauchten sie als Nutznießer der verabschiedeten Sozialreformen auf, als landwirtschaftliche und industrielle Produzenten oder, indem der Fortbestand des politischen Systems an ihren Arbeitseinsatz gekoppelt wurde, als Zukunftsträger der Nation.
Abb. 1: Giacinto Mondaini, »IX. Internationaler Abb. 2: Ramos, »Perjn hält sein Wort. Sie Automobilsalon«, Plakat (137 x 97 cm), Italien gehören schon uns!«, Plakat, Argentinien 1936. 1948.
1.1
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
Wie viele andere Nationalregierungen in der Zwischenkriegszeit ging auch das faschistische Regime in Italien ab 1922 daran, die Wirtschafts- und Arbeitsordnung des Landes zu reformieren. Dabei übernahm es mit dem Aufbau eines korporativistischen Systems weltweit eine Vorreiterrolle. Die berufsständische vertikale Neuordnung der Wirtschaft, die sämtliche Arbeitgeber und -nehmer in staatlich kontrollierten Korporationen zusammenführte, sollte überkommene Klassenkonflikte befrieden. Zwar führte die korporativistische Reformpolitik einerseits vielfach zu ersten sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Regelungen, andererseits aber auch zur Unterbindung von Streiks sowie zur strikten
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
11
Kontrolle der Arbeitsbeziehungen durch das faschistische Regime.2 Wenngleich die Institutionalisierung der korporativen Organe nur schleppend verlief und ihre Funktionalität bereits zeitgenössisch angezweifelt wurde,3 stellte der aufzubauende Stato Corporativo – und mit ihm die Arbeitsthematik – einen umso wichtigeren Gegenstand der staatlichen Propaganda dar. Der Korporativismus diente keineswegs ausschließlich als wirtschaftliches Reformprogramm, sondern in der Sicht der Faschisten auch als nationale und soziale »Integrationsideologie«,4 die zur Überwindung der regionalen Zersplitterung Italiens und der sozialen Unruhen der Nachkriegsjahre beitragen sollte.5 Ebenso spielte der Korporativismus eine wichtige Rolle in der Selbstrepräsentation des Faschismus als revolutionäres Regime, wies er doch in der Tat vor 1919 »keine ideologische Genealogie« auf.6 Die Erfindung und Konsolidierung einer neuen politischen Identität, mit der im ultranationalistischen Faschismus der Anspruch verbunden war, dass sie mit der nationalen Identität koinzidierte, betrieb das faschistische Regime wesentlich im Medium der visuellen Propaganda.7 Der Korporativismus erwies sich nicht nur als für die italienischen Innenpolitik relevant, sondern war zudem Gegenstand der Auslandspropaganda und als solcher »wichtigste[r] ideologische[r] Exportartikel« des faschistischen Regimes.8 Beworben als terza via, als »dritter Weg« zwischen liberalem Kapitalismus und marxistischem Sozialismus, erschien der corporativismo zeitgenössisch auch vielen lateinamerikanischen Wirtschaftsexperten und Politikern als attraktiver Weg der Krisenbewältigung.9 In Argentinien scheiterten jedoch erste Versuche des Präsidenten Jos8 Felix Uriburu Anfang der 1930er Jahre, 2 Alessio Gagliardi, Il corporativismo fascista, Rom 2010, S. IXf. 3 Ebd., S. VII. 4 Alexander Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie. Agrarpolitik im faschistischen Italien (1922–1943), Tübingen 1997, S. 45, 73–108, 323–344: Als »nationale Integrationsideologie« hat Alexander Nützenadel den faschistischen »Ruralismus« bezeichnet, der wesentlich auf der korporativen Umgestaltung des Agrarsektors basierte. 5 Patrizia Dogliani, Il fascismo degli Italiani. Una storia sociale, Mailand 2008, S. 4, 18, 23. 6 Pierangelo Schiera, Korporativismus im Faschismus. Nur Element der Systemsteuerung oder notwendige pluralistische Komponente des italienischen Totalitarismus?, in: Gerd Bender/ Rainer Maria Kiesow/Dieter Simon (Hg.), Das Europa der Diktatur. Steuerung, Wirtschaft, Recht, Baden-Baden 2002, S. 53–75, hier S. 70f.; Simonetta Falasca-Zamponi, Fascist spectacle. The aesthetics of power in Mussolini’s Italy, Berkeley 1997, S. 132. 7 Stanley G. Payne, Fascism, comparison and definition, Madison 1980, S. 7; Emilio Gentile, La nazione del fascismo. Alle origini del declino dello Stato nazionale, in: Arduino Agnelli/ Giovanni Spadolini (Hg.), Nazione e nazionalit/ in Italia. Dall’alba del secolo ai nostri giorni, Rom 1994, S. 65–124, hier S. 65f. 8 Alexander Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, in: Aldo Mazzacane/Alessandro Somma/Michael Stolleis (Hg.), Korporativismus in den südeuropäischen Diktaturen, Frankfurt 2005, S. 345–364, hier S. 345. 9 Howard J. Wiarda, Los Or&genes Corporativos de los Sistemas Ib8ricos y Latinamericanos de Relaciones Laborales, in: Estudios sociales (1979) H. 21, S. 11–44, hier S. 18.
12
Einleitung
korporativistische Reformen zu verabschieden.10 Erst Juan Domingo Perjn gelang es ab 1943 in seiner Rolle als Staatssekretär für Arbeit und schließlich als Präsident ab 1946, die argentinische Wirtschaft nach korporativistischen Leitlinien umzuformen.11 Dabei bezog er sich explizit auf Lehren, die er während eines Italienaufenthaltes in den Jahren 1939 bis 1941 gezogen hatte.12 Im Rahmen seines Reformprogramms vereinheitlichte Perjn das Gewerkschaftswesen und stellte es unter strikte staatliche Kontrolle. Von dem unter Perjn neu gegründeten Arbeitsministerium ging eine breite Sozialgesetzgebung aus, mit der er auf bis dato weitestgehend ungeregelte Arbeitsverhältnisse reagierte und somit Gewerkschaften und arbeitende Schichten als Hauptstützen seines Regimes gewann.13 Die Arbeits- und Sozialreformen wurden ebenso umfassend von einem dem italienischen Faschismus nachempfundenen staatlichen Propagandaapparat beworben. Dadurch versuchte sich der der Peronismus als eine seit 1943 neu entstandene politische Bewegung, eine politische Identität zu geben. Ein Charakteristikum des national-populistischen peronistischen Regimes14 war es ebenso, dass damit der Vorschlag einer neuartigen Konzeption von Staatsbürgerschaft und somit einer neuen nationalen Identität verbunden war.15 Thema der vorliegenden Arbeit sind Prozesse politischer und nationaler Identitätsbildung im Medium der visuellen Propaganda in der Zwischen- und unmittelbaren Nachkriegszeit. Damit reagierten Regime auf von ihnen attestierte Krisen. Inhaltlich basierten die Vorschläge neuer Identitäten in den in dieser Studie untersuchten Fällen des italienischen Faschismus und des Peronismus auf der Neuregelung der Arbeitsbeziehungen nach korporativistischen Prinzipien. Unter den Massenmedien, die erstmals von politischer Seite im großen Stil genutzt wurden, spielten insbesondere Bildmedien eine wichtige Rolle, fassten beide Regime sie doch als effektivste Mittel auf, um die Bürger zu neuen Identitäten zu erziehen. Durch den weitläufigen Einsatz von Plakaten, Flugblättern und anderem visuellen Propagandamaterial sollten nicht zuletzt
10 Howard J. Wiarda, Corporatist Theory and Ideology. A Latin American Development Paradigm, in: Jorge I. Dom&nguez (Hg.), The Roman Catholic Church in Latin America, New York 1994, S. 217–244, hier S. 231; Linda Chen, Corporatism under Attack? Authoritarianism, Democracy, and Labor in Contemporary Argentina, in: Howard J. Wiarda (Hg.), Authoritarianism and Corporatism in Latin America – Revisited, Gainesville 2004, S. 197– 217, hier S. 200. 11 Chen, Corporatism under Attack?, S. 200. 12 Norberto Galasso, Perjn, Buenos Aires 2005, S. 122f. 13 Wiarda, Los Or&genes Corporativos de los Sistemas Ib8ricos y Latinamericanos de Relaciones Laborales, S. 15; Daniel James, Resistance and integration. Peronism and the Argentine working class, 1946–1973, Cambridge 1988, S. 9f. 14 Gino Germani, Autoritarismo, fascismo y populismo nacional, Buenos Aires 2003, S. 149. 15 Mariano Ben Plotkin, MaÇana es San Perjn. A cultural history of Perjn’s Argentina, Wilmington 2003, S. 14.
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
13
auch die außerhalb der Städte vielfach noch nicht alphabetisierten Teile der Bevölkerung in beiden Ländern erreicht werden.16 Auch wenn diese Identitätsbildungsprozesse im faschistischen Italien und peronistischen Argentinien zeitlich und regional auseinanderlagen, fanden sie doch keineswegs isoliert voneinander statt. Abgesehen von Perjns Italienaufenthalt und dem Austausch weiterer italienischer und argentinischer Politiker und Wirtschaftsexperten waren beide Länder nicht zuletzt durch die Tatsache, dass Argentinien seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eines der Hauptziele italienischer Auswanderer dargestellt hatte, traditionell stark verflochten. Besonders eng waren die Beziehungen zwischen beiden Ländern auch im Kulturbereich und somit unter Künstlern und Grafikern,17 auf die das faschistische und das peronistische Regime als Produzenten von Bildpropaganda zurückgriffen. Trotz dieser vielfältigen konzeptuellen und personellen Verflechtungen und Austauschbeziehungen war ein Vergleich der faschistischen und der peronistischen Propaganda bisher noch nicht Gegenstand eingehender Studien. Dabei stellt sich die Frage, ob der Peronismus mit Teilen des korporativistischen Reformprogramms auch die propagandistische Bildsprache übernahm, die damit im faschistischen Italien verbunden war. Inwiefern unterschieden sich die um Arbeit kreisenden propagandistischen Diskurse und daran geknüpften Identitäten in beiden Ländern? Die Literatur hat politische und nationale Identitätsbildungsprozesse unter dem faschistischen und dem peronistischen Regime bisher jeweils separat behandelt. Unter den ersten, die sich mit für die Ausbildung einer politischen Identität des Faschismus zentralen Riten, Mythen und Symbolen auseinandergesetzt haben, war Emilio Gentile. Zwar wurde seine bekannte These von der »Sakralisierung der Politik« im Faschismus im Hinblick auf den Erfolg des faschistischen Regimes, tatsächlich originär faschistische Glaubensinhalte geschaffen zu haben, hinterfragt.18 Weiterhin gültig ist jedoch der von Gentile 16 1921 konnten 30 % der italienischen Bevölkerung nicht lesen und schreiben (vgl. Arnd Bauerkämper, Der Faschismus in Europa 1918–1945, Stuttgart 2006, S. 52). In Argentinien lag die Analphabetenrate 1947 zwar nur noch bei 13,6 %. In ländlichen Regionen, wie den Provinzen Santiago del Estero, Jujuy oder Corrientes, war sie jedoch mit 30 und 35 % deutlich höher (vgl. Lidia Rodr&guez, El adulto como sujeto pedagjgico y la construccijn de nuevos sentidos, in: Adriana Puiggrjs/S. Carli (Hg.), Discursos pedagjgicos e imaginario social en el peronismo, 1945–1955, Buenos Aires 1995, S. 259–284, hier S. 267f.). 17 Soweit im Folgenden Berufs- oder Personengruppen oder Angehörige von Nationalitäten bezeichnet werden, wird die generische männliche Form für beide Geschlechter verwendet. Im spezifischen Fall der Künstler und Grafiker, die Bildpropaganda für beide Regime herstellten, handelte es sich allerdings in der Tat fast ausschließlich um Männer (vgl. Kap. 3.2). 18 Alexander Nützenadel, Inszenierungen des Nationalstaats. Staats- und Parteifeiern im faschistischen Italien, in: Sabine Behrenbeck/Alexander Nützenadel (Hg.), Inszenierungen des Nationalstaats. Politische Feiern in Italien und Deutschland seit 1860/71, Köln 2000, S. 127– 148, hier S. 128.
14
Einleitung
herausgestellte Pioniercharakter des Faschismus, sich als »politische Religion« in Szene gesetzt zu haben.19 In der Folge haben sich weitere Autoren mit der Symbolpolitik und der politischen Inszenierung im Faschismus und deren identitätsbildender Rolle auseinandergesetzt. Dabei wurden Praktiken der Aneignung schon bestehender nationaler und religiöser Rituale der Schaffung neuer Traditionen durch das faschistische Regime, etwa im Falle von Staats-, Partei- und Jugendfeiern, gegenübergestellt.20 Im Anschluss an Walter Benjamins Diktum von der »Ästhetisierung der Politik«21 im Faschismus haben unter anderen George L. Mosse22 und Simonetta Falasca-Zamponi23 auf die spezielle Rolle der Ästhetik im Faschismus hingewiesen. So wurde Mussolini in der Forschung als »Vorbote einer modernen visuellen Kultur« bezeichnet und festgehalten, der Faschismus habe eine »Politik der visuellen Kolonisierung des Raums« betrieben.24 Für den Fall des Peronismus haben sich nach einer ersten kulturhistorisch ausgerichteten Arbeit von Alberto Ciria25 von 1983 bisher am konsequentesten Mariano Plotkin26 sowie Cecilia Pittelli und Miguel Rodr&guez Somoza27 mit der Schaffung neuer Rituale und Symbole und dem gleichzeitigen Verhandeln bestehender Traditionen auseinandergesetzt. Claudia Soria hat herausgestellt, dass gerade der massive Einsatz von visueller Propaganda das peronistische Regime im Vergleich mit vorherigen und nachfolgenden argentinischen Nationalregierungen auszeichnete.28
19 Emilio Gentile, Der Liktorenkult, in: Rainer Hudemann/Christof Dipper/Jens Petersen (Hg.), Faschismus und Faschismen im Vergleich. Wolfgang Schieder zum 60. Geburstag, Vierow bei Greifswald 1998, S. 247–262, hier S. 247. 20 Nützenadel, Inszenierungen des Nationalstaats; Roberta Suzzi Valli, Jugendfeiern im faschistischen Italien, in: Behrenbeck/Nützenadel, S. 113–126; Petra Terhoeven, Liebespfand fürs Vaterland. Krieg, Geschlecht und faschistische Nation in der italienischen Gold- und Eheringsammlung 1935–36, Tübingen 2003. 21 Walter Benjamin, Gesammelte Schriften. (Hg. von Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser, Hella Tiedemann-Bartels, Tillman Rexroth, Charles Baudelaire), Frankfurt 1991, S. 506. 22 George L. Mosse, Fascist Aesthetics and Society. Some Considerations, in: Journal of Contemporary History 31 (1996) H. 2, S. 245–252, hier S. 247. 23 Falasca-Zamponi, Fascist spectacle. 24 Gabriele D’Autilia, Storia della fotografia in Italia. Dal 1839 a oggi, Turin 2012, S. 205, 209– 210. 25 Alberto Ciria, Politica y cultura popular. La Argentina peronista 1946–1955, Buenos Aires 1983. 26 Mariano Ben Plotkin, MaÇana es San Perjn. Propaganda, rituales pol&ticos y educacijn en el r8gimen peronista (1946–1955), Buenos Aires 1994. 27 Cecilia Pittelli/Miguel Somoza Rodr&guez, Peronismo: Notas acerca de la produccijn y el control de s&mbolos. La historia y sus usos, in: Adriana Puiggrjs/Sandra Carli (Hg.), Discursos pedagjgicos e imaginario social en el peronismo, 1945–1955, Buenos Aires 1995, S. 205–257. 28 Claudia Soria, La propaganda peronista. Hacia una renovacijn est8tica del Estado nacional,
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
15
Im Unterschied zu politischen Ritualen und trotz des Hinweises auf die Relevanz der Ästhetik im Faschismus und im Peronismus hat die Forschung die Bildpropaganda unter beiden Regimen jedoch bisher nur in Ansätzen und in jeweils nationalstaatlicher Perspektive in Betracht gezogen. Während im italienischen Fall sogenannte Hoch- und Populärkultur gemeinhin getrennt voneinander untersucht wurden29 – eine Kategorisierung, die jedoch gerade der Faschismus durch seine Kulturpolitik hinterfragte – stellt die Rolle der klassischen Hochkünste unter dem faschistischen Regime ein besser erforschtes Thema dar.30 Dabei wurde beispielsweise die Rolle verschiedener Künstlergruppierungen, wie des Futurismus, während des ventennio beleuchtet.31 Abgesehen davon haben sich Studien zur Propaganda unter dem Faschismus bisher hauptsächlich mit Schriftmedien, wie der Presse, auseinandergesetzt.32 Wurde faschistische Bildpropaganda in Betracht gezogen, dann in der Regel zentriert um militärische Kampagnen wie den Äthiopienkrieg, den Zweiten Weltkrieg oder die letzten Kriegsjahre während der Repubblica Sociale Italiana (RSI).33 Wissenschaftliche Arbeiten, die die visuelle Propagandaproduktion während des gesamten ventennio in den Blick nehmen und gleichzeitig eingehende Bildanalysen liefern, existieren so gut wie nicht. Was fotografische Propaganda im Faschismus angeht, wurde lediglich die Geschichte des Istituto LUCE, das Fotografien und Filme für das faschistische Regime realisierte, aufgearbeitet.34 An Inhalten der Propagandafotografien stand allein die Herrscherikonografie Mussolinis im Vordergrund.35 Eine Untersuchung von bildlichen Repräsentationen des Korporativismus und der Arbeit in der grafischen und fotografischen
29 30 31 32 33
34 35
in: Claudia Soria/Paola Cort8s Rocca/Edgardo Dieleke (Hg.), Pol&ticas del sentimiento. El peronismo y la construccijn de la Argentina moderna, Buenos Aires 2010, S. 31–48, hier S. 32. Marla Stone, The patron state. Culture and politics in fascist Italy, Princeton 1998, S. 12. Vgl. z. B. Nadine Bortolotti (Hg.), Gli anni trenta. Arte e cultura in Italia, Mailand 1983. Monica Cioli, Il fascismo e la sua arte. Dottrina e istituzioni tra futurismo e Novecento, Florenz 2011; Fabio Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, Turin 2013. Nicola Tranfaglia (Hg.), La stampa del regime, 1932–1943. Le veline del Minculpop per orientare l’informazione, Mailand 2005; Enrica Bricchetto, La verit/ della propaganda. Il Corriere della sera e la guerra d’Etiopia, Mailand 2004. Adolfo Mignemi, Immagine coordinata per un impero. Etiopia, 1935–1936, Turin 1984; ders., Propaganda politica e mezzi di comunicazione tra fascismo e democrazia, Novara 1995; Attilio Brilli/Francesca Chieli/Emily Braun (Hg.), Immagini e retorica di regime. Bozzetti originali di propaganda fascista, 1935–1942, Mailand 2001; Walter Marossi, Credere, obbedire, convincere. Propaganda e comunicazione 1943/1945, Mailand 2003; Fondazione Luigi Micheletti, 1943–45. L’immagine della RSI nella propaganda, Mailand 1985; Ernesto Zucconi, Repubblica Sociale. I manifesti, Mailand 2002. Ernesto G. Laura, Le stagioni dell’aquila. Storia dell’Istituto LUCE, Rom 2000. Enrico Sturani, Mussolini auf Postkarten. Symbol oder Dokument?, in: Martin Loiperdinger/Rudolf Herz/Ulrich Pohlmann (Hg.), Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film, München 1995, S. 101–109; Wolfgang Schieder, Faschistische Diktaturen. Studien zu Italien und Deutschland, Göttingen 2008, insbesondere: Kapitel 6 »Duce und Führer. Fotografische Inszenierungen«.
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Einleitung
Propaganda stellt bisher – trotz ihrer Zentralität als propagandistische Themen – ein Desiderat der historischen Forschung dar. Ein Grund dafür liegt möglicherweise darin, dass der Korporativismus bis vor wenigen Jahren als rein propagandistischer Bluff abgetan wurde, der wenig praktische Konsequenzen gezeitigt habe.36 Demgegenüber hat die jüngere Forschung die Relevanz des Korporativismus gerade für den Bereich der Neuordnung der Arbeitsbeziehungen herausgestellt.37 Kulturhistorische Studien über die Propaganda während des Peronismus haben sich zumeist ebenso allein Schriftmedien, wie doktrinären Texten des Regimes, gewidmet.38 Explizit mit peronistischer Bildpropaganda hat sich bisher hauptsächlich die argentinische Kunsthistorikerin Marcela Gen8 beschäftigt.39 In eine ähnliche Richtung wie die These vom faschistischen Korporativismus als propagandistischem Bluff geht auch Gen8 im Bezug auf die peronistische Propaganda: Ihr zufolge habe Perjns Regime der Visualisierung seiner Reformvorhaben ebensolche Wichtigkeit beigemessen wie ihrer eigentlichen Umsetzung.40 Zwar zieht Gen8 punktuell auch das faschistische Italien als Vergleichsfall heran, kann jedoch keinen umfassenden italienischen Quellenkorpus vorweisen. Andere Autorinnen, wie Natalia Milanesio41 und Claudia Soria,42 haben sich mit der peronistischen Bildpropaganda in rein nationalstaatlicher Perspektive nur am Rande in vereinzelten Aufsätzen beschäftigt. Gegenüber der überschaubaren Anzahl an Studien zur Propagandagrafik stellt Forschung zur fotografischen Propaganda des peronistischen Regimes eine völlige Brache dar.43 Die argentinische Kunstgeschichte der 1940er und -50er Jahre wurde ihrerseits weitestgehend separat von der politischen geschrieben. Auf die – wenn auch
36 Vgl. z. B. Gianpasquale Santomassimo, La terza via fascista. Il mito del corporativismo, Rom 2006. 37 Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, S. 346, 356; Gagliardi, Il corporativismo fascista, S. VIII. 38 Ciria, Politica y cultura popular. 39 Marcela M. Gen8, Un mundo feliz. Im#genes de los trabajadores en el primer peronismo, 1946–1955, Buenos Aires 2005. 40 Dies., Pol&ticas de la imagen. Sobre la propaganda visual del peronismo, in: Patricia M. Berrotar#n/An&bal J#uregui/Marcelo Rougier (Hg.), SueÇos de bienestar en la nueva Argentina. Estado y pol&ticas pfflblicas durante el peronismo, 1946–1955, Buenos Aires 2004, S. 327–346, hier S. 328. 41 Natalia Milanesio, A Man Like You. Juan Domingo Perjn and the Politics of Attraction in Mid-Twentieth-Century Argentina, in: Gender & History 26 (2014) H. 1, S. 84–104. 42 Soria, La propaganda peronista. 43 Bildbände wie der von Samuel Amaral (Samuel Amaral/Horacio Botella, Im#genes del peronismo. Fotograf&as 1945–1955, Buenos Aires 2010) oder von Fernando Diego Garc&a (Fernando Diego Garc&a/Alejandro Labado/Enrique Carlos V#zquez (Hg.), Evita. Im#genes de una pasijn, Madrid 1997) versammeln lediglich fotografisches Material zum Peronismus, ohne jedoch eine ikonografische Analyse zu liefern.
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
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seltene – Indienstnahme der klassischen Hochkünste durch den Peronismus zu propagandistischen Zwecken geht sie kaum ein. Während die Forschung die Propaganda und Kulturgeschichte beider Regime bisher nur getrennt voneinander betrachtet hat, wurden der italienische Faschismus und der Peronismus hauptsächlich auf ihre Ideologien hin verglichen.44 Im Rahmen der ab den 1980er Jahren geführten Debatte um einen generischen Faschismusbegriff wurden ebenso zahlreiche außereuropäische politische Systeme auch nach 1945, wie das peronistische Regime, dazu gezählt.45 Das Gros der jüngeren Faschismusforschung geht hingegen von einer vergleichsweise engen Faschismusdefinition als einem rein europäischen Phänomen der Zwischenkriegszeit aus und fasst den Peronismus folglich nicht darunter.46 Selbst Autoren, die grundsätzlich eine Existenz des Faschismus in Lateinamerika als europäischer Siedlungskolonie für möglich halten, beziehen sich eher auf andere lateinamerikanische Bewegungen und Regime, wie den brasilianischen Integralismus der 1930er Jahre oder die Militärdiktatur unter General Uriburu in Argentinien von 1930 bis 1932.47 Gegen eine Definition des Peronismus als faschistisch oder totalitär werden in der Forschung, unter anderem von Ranaan Rein, folgende Argumente ins Feld geführt: Perjn wurde 1946 demokratisch gewählt und 1951 mit großer Mehrheit im Präsidentenamt bestätigt. Auch wenn das peronistische Regime die Pressefreiheit erheblich einschränkte und sich oppositionelle Parteien Gängelung von Regierungsseite ausgesetzt sahen, kann kaum von einer Einparteienherrschaft die Rede sein. Demokratische Institutionen, wie das Parlament, blieben intakt. Auch das Maß an politischer Gewalt im peronistischen Argentinien reichte schwerlich an dasjenige in NS-Deutschland oder im faschistischen Italien heran. 44 Paul H. Lewis, Was Perjn a Fascist? An Inquiry into the Nature of Fascism, in: The Journal of Politics 42 (1980), S. 242–256; Federico Finchelstein, Transatlantic fascism. Ideology, violence, and the sacred in Argentina and Italy, 1919–1945, Durham 2010; Cristi#n Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ideen in Argentinien, Berlin 1982. 45 Lewis, Was Perjn a Fascist?; Alistair Hennessy, Fascism and Populism in Latin America, in: Walter Laqueur (Hg.), Fascism. A reader’s guide: analyses, interpretations, bibliography, Berkeley 1978, S. 255–294. 46 Ernst Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche. Action franÅaise, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus: mit einem Rückblick nach fünfunddreißig Jahren, München 2000; Renzo De Felice, Le interpretazioni del fascismo, Rom 1986; George L. Mosse (Hg.), International fascism. New thoughts and new approaches, London 1979; Stein Ugelvik Larsen (Hg.), Fascism outside Europe. The European impulse against domestic conditions in the diffusion of global fascism, Boulder 2001; Payne, Fascism, comparison and definition. 47 Roger Griffin, Caught in its own Net. Post-war fascism outside Europe, in: Stein Ugelvik Larsen (Hg.), Fascism outside Europe. The European impulse against domestic conditions in the diffusion of global fascism, Boulder 2001, S. 46–70, hier S. 49f.; Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 61.
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Einleitung
Exekutionen oder das Verschwindenlassen von politischen Gegnern gab es unter Perjn nicht.48 Als weitere Differenz werden zudem die Vorbedingungen und die Unterstützer der jeweiligen Regime angeführt: Argentinien ermangelte es der Kriegserfahrung des Ersten Weltkriegs, aus dessen Veteranen der italienische Faschismus große Teile seiner Anhängerschaft rekrutierte.49 Anders als die europäischen Faschismen, die sich außerdem vorrangig auf die Mittelschichten und das Bürgertum stützen,50 bezog das peronistische Regime seine Basis vor allem aus den Arbeiterorganisationen und den unteren Schichten, die es mit umfassenden Rechten ausstattete.51 Ferner wies der Peronismus im Unterschied zum italienischen Faschismus keinerlei expansionistische Bestrebungen auf.52 Schließlich wich die politische Rolle von Perjns Frau Eva eklatant von den männlich dominierten Faschismen in Europa und den dort hochgehaltenen reaktionären Geschlechtervorstellungen ab.53 Die Anwendung der Faschismusdefinition auf lateinamerikanische Regime und Bewegungen hat des Weiteren den Vorwurf eines konzeptuellen Eurozentrismus auf sich gezogen.54 Stattdessen befindet eine Reihe von Autoren den Populismus, trotz der Vieldeutigkeit des Konzeptes, für den für Lateinamerika adäquateren Interpretationsrahmen. Auch wenn der lateinamerikanische Populismus ähnliche Wurzeln wie die europäischen Faschismen aufweise, wie den Eintritt der Massen in die Politik und Verstädterungs- und Industrialisierungsprozesse, werde er lokalen Gegebenheiten doch gerechter. Denn er ziehe Vorläufer lokaler Herrschaftsstrukturen, wie den Caudillismo des 19. Jahrhunderts, in Betracht und benenne die Oligarchie, die die agroexportorientierte Wirtschaft und die Politik dominierte, als Feindbild, gegen die sich populistische Regime formierten.55 Als urbanes, klassenübergreifendes, gewähltes und von einem charismatischen Führer geleitetes Regime wird der Peronismus zusammen mit dem Varguismus in Brasilien (1930–1945) und dem Cardenismus in Mexiko (1934–1940) als paradigmatisches Beispiel des lateinamerikanischen Populismus genannt.56 An die zusätzliche Klassifizierung des Peronismus als 48 Raanan Rein, Peronismo, populismo y pol&tica. Argentina, 1943–1955, Buenos Aires 1998, S. 23. 49 Ciria, Politica y cultura popular, S. 46. 50 Bauerkämper, Der Faschismus in Europa 1918–1945, S. 65. 51 Robert O. Paxton, Anatomie des Faschismus, München 2006, S. 284; Matthew B. Karush/ Oscar Chamosa, Introduction, in: dies., The new cultural history of Peronism. Power and identity in mid-twentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 1–20, hier S. 5. 52 Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 21f.; Ciria, Politica y cultura popular, S. 45. 53 Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 22. 54 Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 22; Ciria, Politica y cultura popular, S. 44. 55 Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 24f.; James, Resistance and integration, S. 18f. 56 Michael L. Conniff, Introduction. Toward a Comparative Definition of Populism, in: ders., Latin American populism in comparative perspective, Albuquerque 1985, S. 3–45, hier S. 3; Ernesto Laclau, On populist reason, London 2005.
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
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national-populistisches Regime, die als erster der italo-argentinische Soziologe Gino Germani 1962 vorgenommen hat und die auch Anleihen beim Nationalismus der 1930er Jahre mit in Betracht zieht, wird auch in dieser Arbeit angeschlossen.57 Zwar wurde bei der Gegenüberstellung der Ideologien des italienischen Faschismus und des Peronismus gerade die staatliche Propaganda und Kontrolle der Massenmedien als eine wesentliche Parallele beider Regime benannt.58 Dies hat bisher jedoch noch keinen Anlass geboten, die Bildpropaganda beider Regime systematisch zu vergleichen. Allein die Propaganda des faschistischen Italien wurde in einen Zusammenhang mit derjenigen anderer Diktaturen, wie dem Dritten Reich und der Sowjetunion, gebracht.59 Diesem Vergleich der klassischen Totalitarismen liegt die These zugrunde, dass insbesondere autoritäre Regime exzessiven Gebrauch von Bildern zu propagandistischen Zwecken machen.60 Dabei haben gerade systemübergreifende Studien, die auch die demokratischen USA in der Zwischenkriegszeit mit einbeziehen, gezeigt, dass dort in den 1930er Jahren in staatlichen Medien zu ähnlichen Bildsprachen und -themen gegriffen wurde wie in NS-Deutschland oder im faschistischen Italien.61 So hat beispielsweise Bernard Reilly überzeugend demonstriert, dass auch im Rahmen der Reformpolitik des New Deal unter Franklin D. Roosevelt (1933– 1945) die symbolische Aufwertung von Arbeit zu einem wesentlichen Inhalt staatlicher Bildmedien avancierte. Wie von Reilly angedeutet, erhoben in der 57 Gino Germani, Pol&tica y sociedad en una 8poca de transicijn. De la sociedad tradicional a la sociedad de masas, Buenos Aires 1962. Andere Aspekte wurden an Germanis Studie in der Folge kritisiert: Murmis und Portantiero (Miguel Murmis/Juan Carlos Portantiero, Estudios sobre los or&genes del peronismo, Buenos Aires 2011) stellten beispielswese seinen modernisierungstheoretischen Ansatz in Frage, demzufolge Perjn seine Unterstützer hauptsächlich aus Kreisen der »irrationalen«, da noch immer in »vormodernen Gesellschaftsstrukturen« verhafteten internen Migranten bezogen habe. 58 Ciria, Politica y cultura popular, S. 45; Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 21; Paxton, Anatomie des Faschismus, S. 285. 59 Igor Golomshtok, Totalitarian art in the Soviet Union, the Third Reich, Fascist Italy and the People’s Republic of China, New York 1990; Wendy Kaplan (Hg.), Designing modernity. The arts of reform and persuasion, 1885–1945: selections from the Wolfsonian, New York 1995; Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei, Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion, 1922–1956, Baden 1994. 60 Jens Jäger, Fotografie und Geschichte, Frankfurt 2009, S. 140, 143; Sabine R. Arnold/Fuhrmeister, Christian, Schiller, Dietmar, Hüllen und Masken der Politik. Ein Aufriss, in: Sabine R. Arnold/Christian Fuhrmeister/Dietmar Schiller (Hg.), Politische Inszenierung im 20. Jahrhundert. Zur Sinnlichkeit der Macht, Wien 1998, S. 7–24, hier S. 12f. 61 Reilly, Bernard F., Emblems of Production. Workers in German, Italian, and American Art during the 1930s, in: Kaplan, S. 286–313; Gian Piero Brunetta/Maurizio Vaudagna (Hg.), L’estetica della politica. Europe e America negli anni Trenta, Rom 1989; Marianne Lamonaca, Collecting and Exhibiting. Propaganda at The Wolfsonian, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 464–469, hier S. 466.
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Einleitung
Zwischenkriegszeit und insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise politische Systeme verschiedenster ideologischer Orientierungen die Neuregelung der Arbeitsverhältnisse zu wesentlichen Inhalten ihrer Agenda. Obwohl das auch in einigen lateinamerikanischen Staaten der Fall war, wie neben Argentinien in Mexiko unter L#zaro C#rdenas (1934–40) und in Brasilien unter Getffllio Vargas (1930–45), blieben lateinamerikanische Regime aus solchen länder- und systemübergreifenden Gegenüberstellungen bisher außen vor.62 Gegenstand der vorliegenden Studie ist ein Vergleich der Bildpropaganda des faschistischen Italiens und des peronistischen Argentiniens, der nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in den um Arbeit kreisenden Identitätsbildungsprozessen fragt. Dabei besteht das übergeordnete Ziel in einer Ikonografie von Arbeit unter beiden Regimen, die einerseits nationale und regimespezifische Eigenheiten und andererseits transnationale Verflechtungen in der propagandistischen Inszenierung des Korporativismus verdeutlicht. Im Anschluss an die Literatur, die auf die zentrale Rolle der Ästhetik unter beiden Regimen verweist, wird in dieser Arbeit argumentiert, dass sowohl der italienische Faschismus als auch der Peronismus die visuelle Propaganda dazu nutzten, um ein neues korporatives Gesellschaftsmodell zu entwerfen. Sofern die in der Propaganda evozierten Bilderwelten noch keine Realitäten abbildeten, dienten sie als »visuelles Skript«,63 das die angestrebten sozialen Ordnungen verdeutlichte. Die zunächst abstrakten korporativistischen Theorien und die daran geknüpften Identitäten wurden somit erstmals im Medium der Propaganda manifest. Auf diese Weise fungierte die Bildpropaganda als zukunftsgerichtetes Modell und antizipierte einerseits vielfach Entwicklungen und Reformen. Andererseits vermittelte sie aber auch gesellschaftliche Utopien, war der Wahrheitsgehalt oder Realismus der Botschaften doch eindeutig dem Ziel der Konsensstiftung und des Machterhalts untergeordnet.64 Durch den Vergleich der Propaganda des faschistischen Italien mit derjenigen des formal demokratischen peronistischen Argentinien wird erstens die in der Literatur zu Propaganda und politischer Inszenierung vorgebrachte These, es sei alleiniges Merkmal von Diktaturen, sich Bildpropaganda zu bedienen, hinterfragt.65 Zwar nahm Perjns Herrschaft insbesondere ab Anfang der 1950er Jahre autoritäre Züge an. Er ging jedoch zweimal aus demokratischen Wahlen als 62 Francisco Zapata, Hacia una sociolog&a latinoamericana del trabajo, M8rida, Yucat#n, M8xico 2010, S. 134. 63 Victoria E. Bonnell, Iconography of power. Soviet political posters under Lenin and Stalin, Berkeley 1997, S. 14. 64 Thymian Bussemer, Propaganda. Konzepte und Theorien, Wiesbaden 2005, S. 28f.; vgl. die ausführliche Definition des Propagandabegriffs in Kapitel 1.2. 65 Jäger, Fotografie und Geschichte, S. 140, 143; Arnold/Fuhrmeister, Christian, Schiller, Dietmar, Hüllen und Masken der Politik, S. 12f.
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
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Sieger hervor. Wie bereits die Gegenüberstellung der politischen Ästhetik im faschistischen Italien und in den USA während des New Deal gezeigt hat, demonstriert auch der Vergleich von Faschismus und Peronismus in dieser Arbeit, dass vielmehr ein breites Spektrum von politischen Systemen visuelle Medien zu politischen Zwecken einsetzte.66 Zum zweiten verdeutlicht die Gegenüberstellung der faschistischen und peronistischen Bildpropaganda, dass eine um eine korporative Gesellschaftsordnung kreisende Identitätsbildung, wie sie im faschistischen Italien angestrebt worden war, nach 1945 keineswegs an Attraktivität verloren hatte. Obwohl der Faschismus international diskreditiert war und mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs autoritäre Formen des Korporativismus in Europa verschwanden, erschien er Perjn 1946 noch immer als vielversprechender Weg der Krisenbewältigung.67 Dass Perjn zur Verbreitung des neuen korporativen Gesellschaftsmodells ebenso auf die nach 1945 als Demagogie in Verruf geratene Propaganda zurückgriff, brachte ihm bereits unter Zeitgenossen den Vorwurf ein, Faschist zu sein.68 Entgegen dieser Anschuldigungen fungierte der Faschismus für Perjn jedoch keineswegs als uneingeschränktes Modell. So äußerte er durchaus auch Kritik am italienischen Vorbild. Laut dem »Time Magazine« hielt er Mussolini zwar für »den größten Mann des Jahrhunderts«, er habe jedoch einige verheerende Fehler begangen, aus denen Perjn lernen könne.69 Allein auf terminologischer Ebene war eines der Anzeichen für die nicht vollständige Übernahme des italienischen Modells, dass das peronistische Regime den Korporativismus, anders als im Falle des italienischen Stato Corporativo, nicht zu seinem namensgebenden Konzept erhob.70 Stattdessen erklärten die Peronisten soziale Gerechtigkeit zur zentralen Begrifflichkeit, von dem sich die Bezeichnung ihrer Doktrin, Justicialismo, ableitete. Vor dem Hintergrund dieser und weiterer ideologischer Differenzen wird in der vorliegenden Arbeit die These vertreten, dass der Peronismus in steter Auseinandersetzung mit dem italienischen Vorläufer im Medium der Propaganda eine vom Faschismus abweichende politische und nationale Identität entwarf. So wird anhand des Vergleichs der grafischen und fotografischen 66 Reilly, Emblems of Production, S. 289. 67 Howard J. Wiarda, Introduction: Whatever Happened to Corporatism and Authoritarianism in Latin America?, in: ders., Authoritarianism and Corporatism in Latin America – Revisited, Gainesville 2004, S. 1–28, hier S. 16. Tatsächlich stellt das peronistische Argentinien im internationalen Vergleich im Hinblick auf Umsetzung korporativistischer Reformen ein spätes Beispiel dar (vgl. Chen, Corporatism under Attack?, S. 200). 68 Gen8, Un mundo feliz, S. 14. 69 Zitiert nach George I. Blanksten, Perjn’s Argentina, Chicago 1953, S. 279: »Mussolini was the greatest man of our century, but he committed certain disastrous errors […] I, who have the advantage of his precedent before me, shall follow his footsteps but also avoid his mistakes«. 70 Wiarda, Corporatist Theory and Ideology, S. 232.
22
Einleitung
Propaganda beider Regime gezeigt, dass das im Rahmen der Identitätsbildung anvisierte Gesellschaftsmodell im Peronismus in vielerlei Hinsicht zukunftsgerichteter und integrativer war. Denn statt auf rückständige Wirtschaftszweige, wie die Landwirtschaft, und die Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung wurde in Bildmedien unter Perjn vielmehr ein Fokus auf die Industrialisierung des Landes und auf »soziale Harmonie«71 in der Bevölkerung gelegt. Bei der Analyse stehen – wie auf dem Plakatpaar am Anfang (Abb. 1 u. 2, S. 10) – verschiedene Mitglieder der Gesellschaft im Fokus, an die sich die Propagandabotschaften richteten bzw. für die eine eigene Rolle im korporativen Gesellschaftsmodell vorgesehen war. Schließlich sahen beide Regime in der Konstruktion eines italiano nuovo bzw. eines argentino nuevo eine der zentralen Aufgaben der Propaganda.72 Da diese palingenetischen Entwürfe hauptsächlich die Gestalt des Arbeiters annahmen, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen damit für die jeweilige Konzeption einer nationalen Identität im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien verbunden waren. Angesichts der sozialrevolutionären Diskurse beider Regime, die sich auf die Fahnen schrieben, als erste für die arbeitende Bevölkerung einzutreten, ist zu überprüfen, inwiefern in der visuellen Propaganda in beiden Ländern präexistente Ikonografien, etwa der Publizistik linksgerichteter Parteien, verhandelt wurden. Zusätzlich gilt es zu bewerten, welcher Typus Arbeiter in den visuellen Medien der beiden agrarisch geprägten Länder, deren Regierungen sich mit der Herausforderung der Industrialisierung konfrontiert sahen, im Vordergrund stand. Während zum Korporativismus und den damit einhergehenden Sozialreformen im Faschismus und Peronismus eine breite Forschungsliteratur existiert,73 war die Arbeiterfigur
71 C8sar Seveso, Political emotions and the origins of the Peronist resistance, in: Matthew B. Karush/Oscar Chamosa (Hg.), The new cultural history of Peronism. Power and identity in mid-twentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 239–270, hier S. 261. 72 Enrica Bricchetto, La fotografia dentro il giornale. L’archivio storico del »Corriere della sera« e l’Africa orientale, in: Riccardo Bottoni (Hg.), L’impero fascista. Italia ed Etiopia, 1935–1941, Bologna 2008, S. 307–320, hier S. 313; Gen8, Un mundo feliz, S. 82. 73 Vera Zamagni, The economic history of Italy, 1860–1990, Oxford 1993; Beatrix Körner, Vom residualen zum institutionellen Wohlfahrtsstaat Italien. Sozialsystem im Wandel zwischen dem Glanz der Gesetze und den Schatten der Realität, Baden-Baden 1993; Aldo Mazzacane/ Alessandro Somma/Michael Stolleis (Hg.), Korporativismus in den südeuropäischen Diktaturen, Frankfurt 2005; Maria Sophia Quine, Italy’s social revolution. Charity and welfare from liberalism to fascism, Basingstoke 2002; Dogliani, Il fascismo degli Italiani; Howard J. Wiarda (Hg.), Authoritarianism and Corporatism in Latin America – Revisited, Gainesville 2004; Patricia M. Berrotar#n/An&bal J#uregui/Marcelo Rougier (Hg.), SueÇos de bienestar en la nueva Argentina. Estado y pol&ticas pfflblicas durante el peronismo, 1946–1955, Buenos Aires 2004; Noem& M. Girbal-Blacha, Mitos, paradojas y realidades en la Argentina peronista, 1946–1955. Una interpretacijn histjrica de sus decisiones pol&tico-econjmicas, Buenos Aires 2003; James, Resistance and integration; Ricardo Augusto Podest#, Peronismo vs. peronismo. La econom&a de los gobiernos justicialistas, Mendoza 2004.
Korporativismus, Propaganda und Identitätsbildung
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in der faschistischen Propaganda bisher nur Thema eines Aufsatzes.74 Für den argentinischen Fall ist dazu lediglich eine schmale Monografie von Marcela Gen8 erschienen.75 Angesichts der heroischen Darstellungsweise der eingangs gezeigten männlichen Arbeiter (Abb. 1 u. 2, S. 10) erweist sich die visuelle Propaganda auch als zentrale Quelle, wenn es um unter beiden Regimen konstruierte Geschlechterbilder geht. Arbeiten zu vom Faschismus und Peronismus propagierten Geschlechterrollen haben sich bisher kaum mit visuellen Quellen auseinandergesetzt und weisen zudem einen Schwerpunkt auf der weiblichen Bevölkerung auf.76 Schlüsse auf das konstruierte Männlichkeitsbild lassen sie somit oftmals nur ex negativo zu. Als herausragende Vorbilder für die männliche Bevölkerung wurden in der staatlichen Propaganda des Faschismus und des Peronismus die jeweiligen Regierungschefs, Mussolini und Perjn, gehandelt. Das Medium wurde dazu genutzt, einen ausgesprochenen Persönlichkeitskult um den italienischen Duce und den argentinischen L&der zu inszenieren. Zwar hat das Thema der Herrscherikonografie im Faschismus im Gegensatz zum Peronismus schon mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren.77 Das in der Bildpropaganda konstruierte Rollenbild der politischen Führer als Arbeiter wurde bisher jedoch nicht beachtet. In Argentinien stand neben ihrem Ehemann ebenso Eva Perjn im Zentrum des medialen Interesses. Trotz der Flut an wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Literatur zur Person und zum Kult um »Evita« hat sich die Forschung bisher überraschenderweise nur sehr zögerlich mit bildlichen Repräsentationen der bekanntesten primera dama Lateinamerikas beschäftigt.78 Daran schließt sich die Frage an, welche Rollenbilder die faschisti74 Reilly, Emblems of Production. 75 Gen8, Un mundo feliz. 76 Diese einseitige geschlechterhistorische Perspektive hat auch Petra Terhoeven konstatiert (Terhoeven, Liebespfand fürs Vaterland, S. 7). Die wenigen Werke, die sich mit Konzeptionen von Männlichkeit im Faschismus, allerdings eher in literatur- und filmwissenschaftlicher Perspektive auseinandergesetzt haben, sind: John Champagne, Aesthetic modernism and masculinity in fascist Italy, London 2013 und Barbara Spackman, Fascist virilities. Rhetoric, ideology, and social fantasy in Italy, Minneapolis 1996. Für das peronistische Argentinien ist hier hauptsächlich Natalia Milanesio (Milanesio, A Man Like You) zu nennen, in filmhistorischer Perspektive Currie Kerr Thompson, Picturing Argentina. Myths, movies, and the Peronist vision, Amherst, New York 2014. 77 Sturani, Mussolini auf Postkarten; Martin Loiperdinger/Rudolf Herz/Ulrich Pohlmann (Hg.), Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film, München 1995; Schieder, Faschistische Diktaturen, insbesondere: Kapitel 6 »Duce und Führer. Fotografische Inszenierungen«. 78 Mit der Ikonografie Eva Perjns in der Propaganda haben sich bisher nur Andrea Giunta (Andrea Giunta, Escribir las im#genes. Ensayos sobre arte argentino y latinoamericano, Buenos Aires 2011) sowie Paola Cort8s Rocca und Mart&n Kohan (Paola Cort8s Rocca/Mart&n Kohan, Im#genes de vida, relatos de muerte. Eva Perjn, cuerpo y pol&tica, Buenos Aires 1998) beschäftigt. Der fotografische Bildband von Fernando Diego Garc&a (Garc&a/Labado/V#z-
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Einleitung
sche und die peronistische Bildpropaganda jeweils für Frauen in Bezug auf Arbeit vorsahen. Die reiche Forschungsliteratur zu auf Frauen fokussierten Geschlechterfragen unter beiden Regimen hat die Repräsentation der weiblichen Bevölkerung in der Regierungspropaganda allerdings nur am Rande und nicht systematisch behandelt.79 Als weitere Zielgruppe der Propaganda visierten der Faschismus und der Peronismus Kinder und Jugendliche an. Die breite Forschung zu in beiden Ländern tiefgreifenden Bildungsreformen und neu ins Leben gerufenen Jugendorganisationen bezieht Illustrationen in Schulbüchern, die beiden Regimen ebenso als Propagandamedien dienten, jedoch nicht mit ein. Auf dort von Regierungsseite kreierte Rollenbilder für Kinder und Jugendliche und ihre Verknüpfung mit der Arbeitsthematik wurden diese Quellen daher noch nicht befragt. Schließlich stellt sich die Frage, wer aus den von beiden Regimen propagierten korporativen Gesellschaftsmodellen ausgeschlossen blieb. Denn für die Identitätsbildungsprozesse im Faschismus und im Peronismus spielte die Abgrenzung von einem ›Anderen‹ eine unterschiedlich wichtige Rolle. Welche expliziten Feindbilder kursierten in visuellen Medien des faschistischen Italiens und peronistischen Argentiniens? Für den Faschismus wurden Rassismus und Antisemitismus als soziale Ausschlussmechanismen behandelt und zuletzt auch frühere apologetische Tendenzen der Forschungsliteratur, die die Italiener als brava gente und die »Rassengesetze« von 1938 allein als ideologischen Import aus NS-Deutschland darstellten, widerlegt.80 Die unter der Fragestellung des Rassismus und der Schaffung von Feindbildern untersuchten Bildmedien beschränken sich im Großen und Ganzen auf eine Zeitschrift (»La Difesa della Razza«).81 Dass – wie zu zeigen sein wird – Arbeit als zusätzliches Ausschlusskriterium fungierte, fiel hierbei bisher unter den Tisch. Für Argentinien ist Marcela Gen8s Feststellung, es habe während des Peronismus in staatlichen Bildmedien keine Feindbilder gegeben, bisher unüberprüft geblieben. Subtilere Methoden der sozialen Ausgrenzung in visuellen Medien und nicht personifizierte Feindbilder, die durchaus existierten, zieht sie nicht in Betracht. Nicht zuletzt lassen sich durch die Untersuchung der angesprochenen Rollenbilder, die das faschistische und das peronistische Regime wesentlich in der quez, Evita) ist eher biografisch angelegt und lässt eine Analyse des über Eva Perjn erschienen Bildmaterials vermissen. 79 Victoria De Grazia, How fascism ruled women. Italy, 1922–1945, Berkeley 1992; Terhoeven, Liebespfand fürs Vaterland; Gen8, Un mundo feliz. 80 Robert S. C. Gordon, Race, in: R. J. B. Bosworth (Hg.), The Oxford handbook of fascism, Oxford, New York 2009, S. 296–316, hier S. 296f. 81 Marco Giuman/Ciro Parodo, Nigra subucula induti. Immagine, classicit/ e questione della razza nella propaganda dell’Italia fascista, Padua 2011; Francesco Cassata, La difesa della razza. Politica, ideologia e immagine del razzismo fascista, Turin 2008.
Definitionen, Quellen und Methodik
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Bildpropaganda schufen, vielfach über Schriftmedien hinausgehende Erkenntnisse über die angestrebten Gesellschaftsmodelle erlangen. Denn, wie diese Arbeit stellenweise verdeutlicht, ergaben sich unter beiden Regimen häufig Brüche zwischen propagandistischen Schrift- und Bildmedien. So fanden einerseits Themen, die in Texten oder Reden breit diskutiert wurden, bisweilen keine bildliche Entsprechung oder umgekehrt wurden in Bildmedien repräsentierte Aspekte anderweitig nicht verbalisiert. Insgesamt leistet die vorliegende Studie damit einen weiterführenden Beitrag zur Kulturgeschichte beider Regime, zur Untersuchung von Prozessen politischer und nationaler Identitätsbildung und zur Geschichte der Arbeit in der Zwischen- und unmittelbaren Nachkriegszeit.
1.2
Definitionen, Quellen und Methodik
Wenn im heutigen Sprachgebrauch ein pejoratives Verständnis von Propaganda vorherrscht, dann ist dies der Medienpolitik totalitärer Staaten geschuldet, die beginnend mit den Faschismen und dem Sowjetkommunismus damit Mechanismen der Indoktrination der Bevölkerung bezeichneten.82 Der Begriff weist jedoch eine lange Geschichte auf, während der er vielfach auch positiv besetzt war und die mit seiner Prägung am Beginn des 17. Jahrhunderts im religiösen Kontext der Gegenreformation ihren Anfang nahm. Zunächst stand die von Papst Gregor XV. 1622 eingerichtete päpstliche Behörde Sacra congregatio de propaganda fide und das vom lateinischen »propagare« (»ausdehnen«, »fortpflanzen«) abgeleitete Gerundiv für die Missionstätigkeit der katholischen Kirche.83 Aus diesem Grund erhielt Propaganda in protestantischen Kreisen auch umgehend einen negativen Beigeschmack. Erst im Zuge der französischen Revolution kamen zu bis dato rein kirchlich-religiösen, nun auch politische Konnotationen hinzu.84 Durch die Ausweitung seines Sinngehalts büßte der Begriff seine institutionelle Bindung ein und wurde vielmehr zum positiv besetzten »politischen Aktionsbegriff«.85 Im 19. Jahrhundert verschwammen die Konturen des aus dem Französischen in den deutschen Sprachgebrauch übergegangenen Terminus, dessen Bedeutungen zwischen »politischer Überzeu82 Wolfgang Schieder/Christof Dipper, Propaganda, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 69–112, hier S. 70. 83 S. Doering-Manteuffel/A. Kirchner, Propaganda, in: Gerd Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 7, Tübingen 2005, hier S. 273. 84 Schieder/Dipper, Propaganda, S. 74. 85 Ebd., S. 90.
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Einleitung
gungsarbeit« und »Demagogie« schwankten.86 Verschiedene politische Gruppierungen und Ideologien, wie der Sozialismus, der Anarchismus und zeitweise auch die Sozialdemokratie, übernahmen ihn, um damit einen Teil ihres legitimen politischen Instrumentariums zu bezeichnen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kam der Bereich der kommerziellen Reklame als Verwendungszusammenhang des Begriffs hinzu. Dieser völlig unpolitische Gebrauch als Synonym für Wirtschaftswerbung ebnete den Weg dafür, dass er im deutschen Kaiserreich als Bezeichnung bewusster politischer Außendarstellung eingesetzt werden konnte.87 Der Erste Weltkrieg gilt vielfach als Initialzündung eines strategischen Einsatzes moderner Propaganda durch die verschiedenen Kriegsparteien. Denn die sich entwickelnden modernen Massenmedien erreichten nun auch eine breitere Öffentlichkeit, jenseits einer bürgerlichen Elite.88 Erstmals wurden separate staatliche Institutionen, wie die British War Mission oder das deutsche »Reichsaufklärungsamt«, gegründet, die mit der Erstellung von »Kriegspropaganda« betraut waren.89 In Italien, wo sich Propagandaaktivitäten nach dem Kriegseintritt 1915 vergleichsweise langsam entwickelten, wurde erst 1917 eine separate Propagandaabteilung innerhalb der Armee eingerichtet.90 In den 1920er Jahren setzte dann eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Praktik der Propaganda ein, deren Ergebnisse im Anschluss zum Teil von politischer Seite genutzt wurden.91 Sowohl im Sprachgebrauch des Sowjetkommunismus als auch des Nationalsozialismus wurde Propaganda auf euphemistische Weise als Synonym für die Aufklärung und Schulung der Bevölkerung verwendet.92 Während die kommunistische Führung Propaganda als individuelle Überzeugungsarbeit der Parteielite von Agitation als Übertragung von Ideen an die Masse der Bevölkerung abzugrenzen versuchte, bemühten sich die Nazis den Begriff unter Ausschluss der Wirtschaftswerbung allein für den politischen Bereich zu vereinnahmen.93 Im faschistischen Italien wurde er ebenso hauptsächlich für politische Überzeugungsarbeit – »Erziehung« in den Augen der Faschisten – verwendet.94 Die zuständigen Regierungsabteilungen trugen dort 86 87 88 89 90 91 92 93 94
Doering-Manteuffel/Kirchner, Propaganda, S. 276. Schieder/Dipper, Propaganda, S. 70, 100. Bussemer, Propaganda, S. 17. Schieder/Dipper, Propaganda, S. 103f. Thomas Row, Mobilizing the Nation. Italian Propaganda in the Great War, in: The Journal of Decorative and Propaganda Arts 24 (2002), S. 140–169, hier S. 144–147 . Bussemer, Propaganda, S. 14, 20, 27. Ebd., S. 26. Schieder/Dipper, Propaganda, S. 99; Bussemer, Propaganda, S. 26. Elisabetta Besussi, Propaganda di regime e informazione indipendente, in: Andrea Baravelli (Hg.), Propagande contro. Modelli di comunicazione politica nel XX secolo, Rom 2005, S. 29– 42, hier S. 33.
Definitionen, Quellen und Methodik
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Propaganda auch zeitweise im Namen (Sottosegretariato per la Stampa e la Propaganda 1934–1935, Ministero per la Stampa e la Propaganda 1935–1937).95 Das Erbe der nationalsozialistischen Deutung machte es zumindest in Westdeutschland nach 1945 unmöglich, von parteipolitischer Werbung als Propaganda zu sprechen.96 In Italien war ein solcher Bruch im Gebrauch des Propagandabegriffs keineswegs zu verzeichnen. Wahlkampfaktivitäten wurden hier in der Nachkriegszeit weiterhin als »propaganda elettorale« bezeichnet.97 Das peronistische Regime in Argentinien sah sich nach 1945 zwar genötigt, den Einsatz von Propaganda zu rechtfertigen.98 Perjn verstand darunter jedoch weiterhin ein reguläres politisches Instrument.99 Auch die zuständige Regierungsabteilung hieß während seiner Präsidentschaft Direccijn General de Propaganda.100 Vor dem Hintergrund dieser Begriffsgeschichte definiert sich Propaganda als Analysekategorie als systematischer und zielgerichteter Versuch von politischen Systemen oder einzelnen politischen Akteuren, die Wahrnehmungen eines bestimmten Adressatenkreises zu formen und ihn so für eigennützige Zwecke zu gewinnen.101 Das übergeordnete Ziel liegt dabei gemeinhin in der Stiftung von Konsens und im Machterhalt.102 Propaganda ist ferner eine Kommunikationsform, die symbolisch oder medial über verschiedene schriftliche und audiovisuelle Gattungen vermittelt werden kann und sich gerade durch den medienvermittelten Massencharakter
95 Patrizia Ferrara, Ministero della cultura popolare, in: Patrizia Ferrara/Marina Giannetto/ Guido Melis (Hg.), L’amministrazione centrale dall’Unit/ alla Repubblica. Le strutture e i dirigenti, Bologna 1992, S. 21–152, hier S. 32. 96 Schieder/Dipper, Propaganda, S. 112. 97 Francesca Anania, Storia delle comunicazioni di massa, Turin 2007, S. 59. 98 AGN, Archivo Intermedio, Fondo Fiscal&a Nacional de Recuperacijn Patrimonial 21, Subsecretar&a de Prensa y Difusijn (1955–58), Caja 42, Cuerpo IX, Expediente 102975: Internes Schreiben von der Divisijn de Asuntos Especiales an den Director General de Difusijn vom 12. 05. 1949: »Die alliierten Regierungen bauten während des ersten und des letzten Krieges – insbesondere während des letzten – riesige Propagandaorganisationen auf, mit einer Hierarchie von Ministerien, die heute nicht mehr als solche erscheinen, aber weiterhin funktionieren – mit fast dem gesamten Personal – unter dem Namen Informationsbüro des State Department der USA, Informationsbüro von Paris, Informationsabteilung in London[…].« (»Los gobiernos aliados, durante la primera y fflltima guerra, – particularmente, durante la fflltima – , montaron vastas organizaciones de propaganda, con jerarqu&a de Ministerios, que hoy ya no figuran como tales, pero que siguen funcionando – con casi todo el personal – con el nombre de Oficina de Informaciones del Departamento de Estado de los EE.UU., Bureau de Informaciones de Paris, Departamento de Informaciones de Londres […].«) 99 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 13, Buenos Aires 1998, S. 30, 243. 100 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 329f. 101 Doering-Manteuffel/Kirchner, Propaganda, S. 267; Garth Jowett/Victoria O’Donnell, Propaganda and persuasion, Newbury Park 1992, S. 4. 102 Jowett/O’Donnell, Propaganda and persuasion, S. 34.
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von Überzeugung zwischen Einzelpersonen abgrenzt.103 Sie stellt insofern einen »historisch spezifischen Kommunikationstypus« dar, als sie auf den modernen Massenmedien als wesentlichen Mitteln der Einflussnahme sowie einer gewissen Abhängigkeit politischer Prozesse von der öffentlichen Meinung basiert.104 Was die Inhalte der Propaganda angeht, wird Wahrheit rein instrumentell eingesetzt und ihr Gehalt ist funktional dem verfolgten Ziel des Propagandisten untergeordnet.105 Die in der vorliegenden Arbeit verfolgte Definition von Propaganda richtet sich allein auf die Intention der Einflussnahme auf Seiten des Senders.106 Nicht zuletzt hängt ihr Erfolg, das heißt die Beeinflussung des Zielpublikums im Sinne des Propagandisten, davon ab, inwiefern Bedürfnisse der Adressaten angesprochen werden. Denn aufgrund der Reziprozität von Überzeugung muss sich Propaganda, um effektiv zu sein, an einer vorhandenen Nachfrage und Rezeptionsgewohnheiten orientieren.107 Bezüglich verschiedener Konzeptualisierungen von Propaganda wird sie im Kontext dieser Studie vor allem als »primäre Integrationsagentur der Gesellschaft« zur »Herstellung sozialer Kohärenz« verstanden.108 Ein unerlässliches Mittel der Konsensstiftung kann dabei auch der Einsatz von Dichotomien sein, und je nach politischem System eines »überhöhten Selbst- und denunzierenden Fremdbild[es]«.109 Im Hinblick auf die Mediengattungen, über die Propaganda übermittelt werden kann, sind visuelle Medien, wie sie in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund stehen, von großer Bedeutung.110 Denn während sich das jeweilige Zielpublikum anderen Propagandagenres, wie Radio, Kino oder Presse, leichter entziehen kann, sind Plakate durch ihre Anbringung im öffentlichen Raum in größerem Maße »unausweichlich«.111 Als historische Quelle zeichnen sie sich auch dadurch aus, dass auf ihnen »verdichtet und zugespitzt eine zeitgenössische Perspektive, ein Programm, ein Werturteil oder eine Ideologie zum Vorschein tritt«.112 Denn um zu garantieren, dass die Inhalte schnell und leicht
103 104 105 106 107 108 109 110 111
Bussemer, Propaganda, S. 30f.; Jowett/O’Donnell, Propaganda and persuasion, S. 3. Bussemer, Propaganda, S. 30; Jowett/O’Donnell, Propaganda and persuasion, S. 1. Bussemer, Propaganda, S. 31. Ebd., S. 28. Bussemer, Propaganda, S. 31; Jowett/O’Donnell, Propaganda and persuasion, S. 4, 21. Bussemer, Propaganda, S. 34. Ebd., S. 28–29, 31. Jowett/O’Donnell, Propaganda and persuasion, S. 5. Birgit Witamwas, Geklebte NS-Propaganda. Verführung und Manipulation durch das Plakat, Berlin 2016, S. 11. 112 Michael Sauer, »Hinweg damit!«. Plakate als historische Quellen zur Politik- und Mentalitätsgeschichte, in: Gerhard Paul (Hg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 37–56, hier S. 37.
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erfassbar sind, findet auf Plakaten eine »größtmögliche Verknappung der Form und Konzentration auf das Wesentliche des Inhalts« statt.113 Der primäre Quellenkorpus dieser Arbeit speist sich aus Plakaten, Postkarten und Illustrationen in von Staats- oder Parteiseite herausgegebenen Zeitschriften. Mit den Gattungen Grafik und Fotografie sowie Mischformen, wie der Fotomontage, liegt der Schwerpunkt auf sogenannten stehenden Bildern. Filmische Quellen werden nicht in Betracht gezogen. Die Bildquellen wurden in Italien und Argentinien in verschiedenen staatlichen und privaten Archiven, Bibliotheken, Stiftungen und Plakatsammlungen erhoben.114 Visuelle Propaganda aus der Zeit des Faschismus wird nicht zentral im Staatsarchiv (Archivio Centrale dello Stato) in Rom aufbewahrt, sondern in in Nord- und Mittelitalien verstreuten Sammlungen oder in an Museen angegliederten Archiven. In Argentinien trug die auf Perjn folgende Regierung in ihrem Eifer, materielle Beweise für die in ihrer Sicht vorhergehende »Tyrannei« zu finden, unter ihrem Vorgänger produziertes Propagandamaterial zusammen.115 Dieser Bestand ist Forschern heute zum Großteil in einer Abteilung der Bibliothek des Kongresses in Buenos Aires, der Biblioteca Peronista, zugänglich. Weiteres propagandistisches Bildmaterial findet sich im Archivo General de la Nacijn, ebenso in der argentinischen Hauptstadt. Mit dem in diesen Archiven erhobenen Material gründet sich die Arbeit auf einen Bestand von 375 Plakaten, 239 Postkarten, 44 Büchern, Broschüren und nicht periodischen Publikationen und 12 Zeitschriften aus Italien. Diese werden 144 Plakaten, 71 Büchern, Broschüren und nicht periodischen Publikationen und 11 Zeitschriften aus Argentinien gegenübergestellt.116 Was Illustrationen in Zeitschriften anbelangt, werden mit »Gerarchia« im italienischen und »Mundo Peronista« im argentinischen Fall zentrale Publikationsorgane der beiden Regime untersucht. Zu dem von Mussolini gegründeten monatlichen Blatt »Gerarchia« steuerten renommierte Künstler Illustrationen bei. Im Vergleich zu den faschistischen Blättern waren die peronistischen Zeitschriften der zweiten 113 Kai Artinger, Das politische Plakat. Einige Bemerkungen zur Funktion und Geschichte, in: Kai Artinger/Klaus Adomeit (Hg.), Die Grundrechte im Spiegel des Plakats. 1919 bis 1999, Berlin 2000, S. 15–22, hier S. 16. 114 Italien: Raccolta Bertarelli und Museo del Risorgimento, Mailand, Wolfsoniana, Genua, Raccolta Salce, Treviso, Archivio Cirulli und Fondazione Gramsci Emilia-Romagna (Datenbank: www.manifestipolitici.it), Bologna, Biblioteca Marucelliana und Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Biblioteca Nazionale, Rom – Argentinien: Instituto Ravignani, Colecciones Especiales de la Biblioteca del Congreso de la Nacijn (Biblioteca Peronista), Instituto Perjn, Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. 115 Vgl. Repfflblica Argentina, Libro negro de la segunda tiran&a. Decreto ley N8 14.988/56, Buenos Aires 1958. 116 Peronistische Propagandapostkarten sind leider nicht in derselben Fülle erhalten wie im italienischen Fall und konnten deshalb nicht in die Untersuchung mit einbezogen werden.
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Hälfte der 1940er Jahre aufgrund von technischen Fortschritten in den Druckverfahren sehr viel reicher mit Illustrationen ausgestattet. Dies war beispielsweise bei »Mundo Peronista« der Fall, dem vierzehntägig erscheinenden Organ der Parteischule Escuela Superior Peronista. Zum Quellenkorpus kommen weiterhin von den Propagandaministerien bzw. -staatssekretariaten zu bestimmten Anlässen, wie Jubiläen, publizierte fotografische oder grafische Bildbände, wie »L’Italia fascista in cammino« (1932), »Argentina en marcha« (1950) und »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« (1950) hinzu. Daneben werden Illustrationen in unter beiden Regimen reformierten Primarschulbüchern in die Analyse mit einbezogen. So wurden für Italien 23 Schulbücher und sieben weitere von der Regierung herausgegebene Kinder- und Jugendbücher, hauptsächlich aus dem Georg-Eckert-Institut in Braunschweig, ausgewertet. Aus Argentinien wurden 13 Grundschulbücher und 11 weitere Kinder- und Jugendbücher, die aus der Bibliothek des argentinischen Erziehungsministeriums (Biblioteca Nacional del Maestro) stammen, hinzugezogen. Aufgrund der Intentionalität, mit der beide Regime das Medium Schulbuch mit politischen Inhalten anreicherten, fällt es ebenso unter die Definition von Propaganda. Im argentinischen Fall wird auch die Gattung der Propagandaskulptur in Form eines im Auftrag der Regierung geplanten Monumentes behandelt, da sich daran der personelle Transfer zwischen beiden Ländern besonders deutlich zeigt. Diese visuellen Quellen werden durch eine Reihe von Schriftquellen komplementiert. Hierzu zählen vor allem die oben genannten staatlichen oder parteilichen Periodika, wie »Gerarchia«, »Critica fascista« und »Mundo Peronista«. Hinzu kommen edierte Quellen, wie die gesammelten Werke Benito Mussolinis, Juan Domingo Perjns und Eva Perjns. Zu den Propagandaaktivitäten des faschistischen Italien in Argentinien von den 1920er bis in die 1940er Jahre wurden vor allem Bestände aus dem zentralen Staatsarchiv (Archivio Centrale dello Stato) und dem Archiv des italienischen Außenministeriums (Archivio Storico Diplomatico del Ministero degli Affari Esteri) in Rom ausgewertet. Auf argentinischer Seite wurden die Reaktionen darauf in Presse und Kulturzeitschriften in die Analyse mit einbezogen. In der vorliegenden Arbeit wird ein komparativer Ansatz verfolgt. Dass sowohl das faschistische als auch das peronistische Regime massiven Gebrauch von Propaganda machte, bildet neben anderen Aspekten das »Minimum an Gemeinsamkeit«, das Gerhard Haupt und Jürgen Kocka als Voraussetzung für die Vergleichbarkeit verschiedener Einheiten benennen.117 Ferner weisen das 117 Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka, Eine Einleitung, in: dies., Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt 1996, S. 9–46, hier S. 25.
Definitionen, Quellen und Methodik
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faschistische Italien und das peronistische Argentinien eine Reihe von Parallelen in den sozioökonomischen und -politischen Rahmenbedingungen, wie die Einführung des Korporativismus, auf, die einen zeitversetzten Vergleich nahelegen. Tertium comparationis sind dabei Darstellungen von Arbeit in der visuellen Propaganda der beiden Regime. Der heuristische Mehrwert der komparativen Analyse der Propaganda zweier Regime liegt darin, dass sich gerade mittels des kontrastiven Vergleiches übergreifende Themen, Motive und Stile von lokalen ikonografischen und stilistischen Spezifika unterscheiden lassen.118 Zusätzlich wird der Vergleich durch eine Transfer- und Beziehungsgeschichte119 zwischen Italien und Argentinien erweitert, die neben Bildmotiven und Exemplaren visueller Propaganda, die zwischen beiden Ländern kursierten, auch deren Autoren in den Blick nimmt. Denn einige der Künstler und Grafiker, die die visuelle Propaganda unter dem faschistischen und dem peronistischen Regime ausführten, bewegten sich in beiden nationalen Kontexten. Des Weiteren schließt die Arbeit in methodologischer Hinsicht an die von Seiten verschiedener historischer und sozialwissenschaftlicher Disziplinen seit dem iconic, pictorial oder visual turn Anfang der 1990er Jahre erhobene Forderung an, Bilder stärker in die wissenschaftliche Forschung einzubeziehen.120 Dabei ist vor allem ein erweiterter Bildbegriff von Interesse, der jenseits des traditionell von der Kunstgeschichte betrachteten Kunstwerks auch visuelles Material massenmedialer Herkunft, wie Propaganda, mit einschließt.121 Ferner 118 Ebd., S. 14. 119 Hartmut Kaelble, Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 1999, S. 19; Margrit Pernau, Transnationale Geschichte, Göttingen 2011, S. 43–49. 120 Im Falle der deutschen Kunstgeschichte kamen diese neuartigen Vorstöße in Richtung einer Historischen Bildwissenschaft, die jenseits des rein hochkulturellen Kunstwerks mit einem entschiedenen erweiterten Bildbegriff arbeitet, hauptsächlich von Hans Belting (Hans Belting, Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001), Horst Bredekamp (Horst Bredekamp, Theorie des Bildakts, Berlin 2010) sowie Gottfried Boehm (Gottfried Boehm, Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, Darmstadt 2010). Unter angloamerikanischen Wissenschaftlern haben insbesondere der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker William J. T. Mitchell (W. J. T. Mitchell, What do pictures want? The lives and loves of images, Chicago 2005), der Sozialhistoriker Peter Burke (Peter Burke, Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen, Berlin 2003) sowie der Kunsthistoriker Nicholas Mirzoeff (Nicholas Mirzoeff, An introduction to visual culture, London 2009) für eine Neubewertung und Aufnahme von Bildern in den wissenschaftlichen Quellenkanon plädiert. Auf den deutschen Historiker Gerhard Paul geht die Prägung der Visual History (Gerhard Paul (Hg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006) zurück, die ebenfalls für die nicht hierarchisierte Inklusion von Bildmaterial, auch massenmedialer Herkunft, eintritt. Ähnlich haben sich Jens Jäger und Martin Knauer mit der Begründung der Historischen Bildforschung (Jens Jäger/Martin Knauer, Historische Bildforschung oder ’Iconic Turn’. Das ungeklärte Verhältnis der Geschichtswissenschaft zu Bildern, in: Elke Huwiler/ Nicole Wachter (Hg.), Integrationen des Widerläufigen. Ein Streifzug durch geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungsfelder, Münster 2004, S. 211–221) positioniert. 121 Paul, Visual History, S. 16.
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wird auf Martin Warnkes Ansatz der politischen Ikonografie zurückgegriffen, der sich »sämtlichen visuellen Erscheinungen politischen Wirkungswillens« annimmt und sich somit für die Erforschung von von staatlicher Seite produzierter Bildpropaganda anbietet.122 Von der historischen Erziehungswissenschaft wurde vor allem auf das erzieherische Potential von Bildmedien hingewiesen, das neben klassisch pädagogischen Kontexten insbesondere bei staatlicher Propaganda zum Tragen komme.123 Unter den verschiedenen in der Wissenschaft vorherrschenden Bildverständnissen sind im Kontext dieser Arbeit vor allem diejenigen von Belang, die über die Konzeption des Bildes als reine Illustration hinausgehen und visuellen Zeugnissen stattdessen generative Kräfte zuweisen. So hebt beispielsweise Horst Bredekamp mit dem Begriff des Bildaktes (in Analogie zur linguistischen Sprechakttheorie) auf die realitätsstiftende Wirkung von Bildern ab. Auch Gerhard Paul fordert ein aktivisches Bildverständnis.124 Im Anschluss daran werden Bilder in dieser Arbeit nicht als passivische Reflektionen historischer Ereignisse oder sozialer Ordnungen aufgefasst, sondern ihrerseits als Aktivposten mit konstruktivem Potential.125 Somit ergänzen oder illustrieren sie Schriftquellen nicht nur, sondern vermitteln aufgrund ihres polysemen Charakters, der es ihnen erlaubt, auch »implizite Aussagen« zu transportieren, bisweilen über Texte hinausgehende Inhalte.126 Von schriftbasierten Medien unterscheiden sie sich ferner durch ihre primär affektive Wirkung.127 Die Bildpropaganda wird in dieser Arbeit also als Visualisierung der aufzubauenden korporativen Sozialordnung konzipiert, die – zumindest in der zeitgenössischen Auffassung der Propagandisten – jene nicht nur passivisch abbildete, sondern einen aktiven Beitrag zu deren Verbreitung und Errichtung leisten sollte. Ebenso wenig wie die verschiedenen, teilweise konkurrierenden Ansätze der Visual History, Visual Culture und Historischen Bildwissenschaft etc. eine übergreifende Bezeichnung ihrer Disziplin hervorgebracht haben, kann von 122 Arnold/Fuhrmeister, Christian, Schiller, Dietmar, Hüllen und Masken der Politik, S. 19; Martin Warnke, Politische Ikonographie, in: ders., Bildindex zur politischen Ikonographie, Hamburg 1993, S. 5–12. 123 Ulrike Pilarczyk/Ulrike Mietzner, Das reflektierte Bild. Die seriell-ikonografische Fotoanalyse in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Bad Heilbrunn 2005, S. 21, 125. 124 Christine Brocks, Bildquellen der Neuzeit, Stuttgart 2012, S. 11. 125 Gerhard Paul, Die aktuelle Historische Bildforschung in Deutschland. Themen – Methoden – Probleme – Perspektiven, in: Jens Jäger/Martin Knauer (Hg.), Bilder als historische Quellen, München 2009, S. 125–148, hier S. 134f. 126 Jäger, Fotografie und Geschichte, S. 83; Franziska Marquart/Jörg Matthes, Charakteristika, Inhalte und Wirkungen politischer Plakate aus Sicht der Visuellen Kommunikations- und Framingforschung. Ein Forschungsüberblick, in: Stephanie Geise/Katharina Lobinger (Hg.), Visual Framing. Perspektiven und Herausforderungen der Visuellen Kommunikationsforschung, Köln 2013, S. 217–234, hier S. 226f. 127 Paul, Die aktuelle Historische Bildforschung in Deutschland, S. 126, 134.
Definitionen, Quellen und Methodik
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einer festgelegten Methode die Rede sein.128 Vielmehr handelt es sich um ein »transdisziplinäres Forschungsfeld« ohne fixes methodisches Instrumentarium.129 Die in dieser Studie praktizierte Methodik kombiniert daher ikonografisch-ikonologische und jüngere bildwissenschaftliche Ansätze. Darin liegt insofern eine Neuerung, als zum einen originär kunsthistorische Methoden auf Bildpropaganda angewandt werden, die nicht zum typischen Quellenkanon der Kunstgeschichte gehört. Zum anderen werden bildwissenschaftliche Methoden, die bisher vor allem bei der Analyse neuer Medien, wie Fotografie oder Film, Verwendung fanden, für die Untersuchung grafischer Plakate herangezogen – bislang ein Desiderat bildhistorischer Forschung.130 In dieser Arbeit werden die Propagandamedien folglich nach einem dreistufigen Modell, das Panofskys Ikonologie variiert, analysiert. Eine serielle Analyse gibt zudem Auskunft über die Häufigkeit eines Themas und Stils und somit ihre Repräsentativität. Mittels diachroner und synchroner Vergleiche in nicht nur nationaler, sondern auch in transnationaler Perspektive kann außerdem Interpiktoralität, das heißt die Beziehung zwischen Bildern über Raum und Zeit,131 wie sie die oben angeführten Plakate (Abb. 1 u. 2, S. 10) nahelegen, aufgezeigt werden. Mit den Regimen, zuständigen Regierungsabteilungen und Künstlern und Grafikern, die die Propaganda anfertigten, liegt der primäre Fokus der Arbeit auf der Produktionsseite des propagandistischen Diskurses. Der Zugang zur Rezeption der Bildpropaganda durch die Bevölkerung gestaltet sich in beiden Ländern erwartungsgemäß schwierig. Denn entsprechende Quellen, die erlauben würden, die tatsächliche Wahrnehmung der Propagandaplakate und des weiteren visuellen Materials durch das zeitgenössische Publikum adäquat einzuschätzen, wie Selbstzeugnisse oder Egodokumente, fehlen. Italienische und argentinische Archive oder Forschungsliteratur, die den Ansatz der oral history verfolgen, weisen entweder andere thematische Schwerpunkte auf oder die dort aufbewahrten Egodokumente oder Interviews wurden nur mit Experten geführt und sind somit nicht für Bevölkerung im Allgemeinen repräsentativ.132 Über die spezifische Frage der Wahrnehmung der Propaganda im Allgemeinen oder gar 128 Ulrich Pfisterer (Hg.), Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart 2009, S. 175. 129 Paul, Visual History, S. 17. 130 Sauer, »Hinweg damit!«, S. 37. 131 Pilarczyk/Mietzner, Das reflektierte Bild, S. 50. 132 Z. B. die Fondazione Archivio Diaristico Nazionale in Pieve Santo Stefano in Arezzo oder das Archivo Historia Oral der Universidad Torcuato di Tella in Buenos Aires. Für den argentinischen Fall haben Daniel James (Daniel James, DoÇa Mar&a’s story. Life history, memory, and political identity, Durham 2000) und Natalia Milanesio (Natalia Milanesio, Workers go shopping in Argentina. The rise of popular consumer culture, Albuquerque 2013) zwar mit Interviews gearbeitet, ihr jeweiliger Fokus liegt jedoch auf weiblichen Arbeiterinnen bzw. dem Konsumverhalten der Arbeiterklasse.
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einzelner Plakate geben sie keine Auskunft. Dennoch lässt der dialektische Charakter des Einsatzes von Bildern zu politischen Zwecken, aufgrund dessen notwendigerweise auch die Adressaten des propagandistischen Bildmaterials in Betracht gezogen werden, indirekte Rückschlüsse auf das Rezeptionsverhalten der jeweiligen Zielgruppe zu. Denn ähnlich der Bedingung für den Erfolg von Propaganda haben Sabine Arnold und Christian Fuhrmeister es als Wesenselement visueller Kommunikation herausgestellt, dass sie nur erfolgreich sein kann, wenn sie auf eine Nachfrage oder bestimmte Bedürfnisse auf Seiten der Rezipienten reagiert.133 Nicht zuletzt legt die Häufigkeit bestimmter Argumentationen oder Motive, die über eine serielle Analyse von Plakaten bestimmt werden kann, eine gewisse Akzeptanz unter den Adressaten nahe.134 Ebenso wird in dieser Arbeit versucht, sich durch eine umfassende Kontextualisierung der Frage nach der Wirkung der visuellen Propaganda auf den zeitgenössischen Betrachter so weit wie möglich anzunähern. Hierzu erfolgt stellenweise eine Einordnung der staatlichen Bildproduktion in andere, bisweilen abweichende visuelle Diskurse, wie kommerzielle Werbung, oder nicht regimetreue Bildkulturen. Die vorliegende Studie ist folgendermaßen strukturiert: Angesichts des zeitversetzten Vergleichs der faschistischen und peronistischen Bildpropaganda dient das zweite Kapitel dazu, die Beziehungen des faschistischen Italiens zu Argentinien, einem präferierten Ziel der faschistischen Auslandspropaganda, vor Perjns Präsidentschaft nachzuvollziehen. Über den transatlantlichen Transfer von Propagandamaterial von den 1920er bis in die 1940er Jahre, dessen Hauptzielgruppe italienische Immigrantenkreise sowie nationalistische Gruppierungen in Argentinien waren, gelangten potentielle Modelle der später unter Perjn produzierten Propaganda in das südamerikanische Land. Im dritten Kapitel wird die Schaffung der institutionellen Vorbedingungen zur Produktion und Verbreitung der staatlichen Propaganda in Italien und in Argentinien in Form von Regierungsabteilungen, die sukzessive ausgebaut wurden, behandelt. Ein zweiter Fokus liegt auf dem keineswegs immer reibungsfreien Verhältnis der Regime zu bildenden Künstlern und Grafikern, die sie versuchten, als Produzenten von Propaganda zu gewinnen. Kapitel 4 bis 8 gehen auf die Ikonografie der visuellen Propaganda selbst ein. Dabei werden verschiedene Rollenbilder, die beide Regime im Rahmen der von ihnen angestrebten Gesellschaftsmodelle in visuellen Medien konstruierten, identifiziert. Zunächst steht die Figur des Arbeiters im Mittelpunkt, die sowohl im Faschis133 Arnold/Fuhrmeister, Christian, Schiller, Dietmar, Hüllen und Masken der Politik, S. 19f. 134 Harriet Rudolph, Männerikonographie. Dimensionen von Männlichkeit in der Wirtschaftswerbung während des Ersten Weltkrieges in Deutschland und England, in: Archiv für Sozialgeschichte (1996) H. 36, S. 257–278, hier S. 259.
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mus als auch im Peronismus zum exemplarischen Bürger und Hauptidentifikationssymbol stilisiert wurde (Kap. 4). Neben unterschiedlichen Rollen, die vom Arbeiter als Empfänger von staatlichen Sozialleistungen bis hin zum Produzenten in verschiedenen Wirtschaftszweigen reichen, werden auch darin implizite Geschlechterbilder mit in Betracht gezogen. Kapitel 5 nimmt die in der Bildpropaganda vorgenommene Stilisierung der beiden Regierungschefs, Mussolini und Perjn, zu vorbildlichen Arbeitern in den Blick. Auf diese Weise inszenierten sich beide im Rahmen ihrer als revolutionär definierten Ideologien als neue Politikertypen. Nachdem in Kapitel 4 und 5 in der Propaganda gezeichnete Rollenbilder für arbeitende Männer analysiert wurden, widmet sich das Folgekapitel den für Frauen als adäquat erachteten Tätigkeitsbereichen, die von jenen ihrer männlichen Gegenstücke entschieden abwichen. Daraufhin werden Kinder und Jugendliche fokussiert, die unter beiden Regimen eine besonders exponierte Stellung innehatten (Kap. 7). Anhand von visuellem Propagandamaterial wird überprüft, inwiefern die sowohl vom Faschismus als auch vom Peronismus vorangetriebenen Bildungsreformen in visuellen Medien mit der Arbeitsthematik verbunden wurden. Im Unterschied zu einer Reihe von positiven um Arbeit kreisenden Rollenbildern, die in Kapitel 4 bis 7 identifiziert wurden, fragt Kapitel 8 danach, welche Negativbilder diesen gegenüberstanden. So wird aufgezeigt, wer aus der für die nationale Identität zentralen Kategorie der Arbeit ausgeschlossen blieb. Während im faschistischen Italien spätestens ab Mitte der 1930er Jahre rassistische Vorurteile eine Rolle spielten, waren im peronistischen Argentinien vorrangig andere Ausschlusskriterien am Werk. Im neunten und letzten Kapitel gilt es neben einer abschließenden Bewertung auch auf den Umgang mit dem visuellen Erbe des Faschismus und des Peronismus nach dem Fall des jeweiligen Regimes 1943 bzw. 1945 in Italien und 1955 in Argentinien zu blicken.
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Argentinien »colonia d’Italia«? Die italienisch-argentinischen Beziehungen 1922–1945
Den Korporativismus konzipierten die Faschisten keineswegs ausschließlich als wirtschaftliches Reformprogramm für Italien. In seiner Auslandspropaganda präsentierte ihn das faschistische Regime als »dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Kommunismus und bewarb ihn als auch für andere Nationalregierungen nachahmenswertes Modell.1 Im Fokus der propagandistischen Aktivitäten im Ausland standen vor allem Länder mit hohen italienischstämmigen Bevölkerungsanteilen, die aus Auswanderungswellen von Italienern seit Ende des 19. Jahrhunderts resultierten. In Lateinamerika geriet somit hauptsächlich Argentinien ins Blickfeld.2 Bei dem Versuch, die faschistische Ideologie und das korporative Gesellschaftsmodell in diesen Ländern zu verbreiten, setzte das Regime zunehmend Bildpropaganda ein. Gedruckt oder im aufkommenden Medium Film wurde sie von den italienischen Propagandisten als besonders effizient erachtet, die vermeintliche Lebenswirklichkeit im Faschismus zu vermitteln. Die so transferierte visuelle Propaganda bildete somit nicht nur ein wesentliches Medium, durch das der italienische Faschismus und der Korporativismus, als dessen zentraler Bestandteil, zeitgenössisch in Argentinien rezipiert wurden. Es sollte später außerdem eines der wesentlichen inhaltlichen und formalen Modelle für die ab 1946 unter Perjn produzierte Bildpropaganda darstellen (Kap. 4–8). Im Folgenden stehen die Mechanismen der Verbreitung faschistischer Auslandspropaganda in Argentinien im Vordergrund (2.1). So werden exemplarische Einblicke in die Modalitäten des Transfers von Propagandamaterial zwischen beiden Ländern geliefert und die Erfolge, die das faschistische Regime bei der ideologischen Unterwanderung der argentinischen Bevölkerung erzielte, bewertet. Mit der von den Faschisten breit verstandenen Kulturpropaganda wird 1 Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, S. 345. 2 Emilio Gentile, Emigracijn e italianidad en Argentina, en los mitos de potencia del nacionalismo y del fascismo (1900–1930), in: Estudios migratorios latinoamericanos 1 (1986) H. 2, S. 143–180, hier S. 169.
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Argentinien »colonia d’Italia«?
eine Sparte der faschistischen Auslandspropaganda beleuchtet, im Rahmen derer große Mengen an Bildpropaganda – zum Beispiel über vom Faschismus in Dienst genommene Kunstrichtungen – in das südamerikanische Land gelangten. Ferner wird gezeigt, dass die personellen Beziehungen und der Austausch zwischen italienischen Künstlern, von denen viele auch als Produzenten von Bildpropaganda für das faschistische Regime arbeiteten, und argentinischen Kulturschaffenden, besonders eng waren. Im zweiten Teil (2.2) wird die Rezeption der faschistischen Auslandspropaganda speziell durch nationalistische Gruppen in Argentinien in den Blick genommen. In diesen Kreisen, in denen sich auch der aufstrebende Militär Juan Domingo Perjn bewegte, fand die faschistische Auslandspropaganda – im Gegensatz zur Mehrheit der argentinischen Bevölkerung – den vergleichsweise größten Anklang. Bei der Ausformulierung ihrer Programme bedienten sich die argentinischen Nationalisten eklektisch am faschistischen Vorbild. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der von ihnen attestierten politischen und wirtschaftlichen Krise Argentiniens plädierten viele von ihnen dafür, in ihrem Land eine korporativistische Diktatur nach italienischem Muster zu errichten. Während der 1930er Jahre blieb es jedoch größtenteils bei rein theoretischen Überlegungen, gelangten nationalistische Kräfte nach der kurzlebigen protokorporativistischen Diktatur3 Jos8 Felix Uriburus (1930–1932) doch erst wieder 1943 durch einen Putsch an die Macht. Wie zahlreiche Autoren herausgestellt haben, speiste sich der ab 1943 entstehende Peronismus maßgeblich aus ideologischen Positionen der argentinischen Nationalisten.4 Zusätzlich stützte sich Perjn auf Anschauungen über den italienischen Faschismus, die er während eines Italienaufenthalts von 1939 bis 1941 entwickelt hatte. Nach seiner Rückkehr nach Argentinien leitete Perjn in seinem Amt als Staatssekretär für Arbeit zwischen Dezember 1943 und Oktober 1945 korporativistische Reformen ein. Dieser Bereich hatte ihn im faschistischen Italien besonders beeindruckt und sollte während seiner Präsidentschaft ab Juni 1946 zu einem zentralen Gegenstand der peronistischen Regierungspropaganda werden.
3 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 167. 4 Vgl. z. B. Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955; David Rock, La Argentina autoritaria. Los nacionalistas, su historia y su influencia en la vida pfflblica, Buenos Aires 1993; Finchelstein, Transatlantic fascism; Michael Goebel, Argentina’s partisan past. Nationalism and the politics of history, Liverpool 2011.
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Für italienische Emigranten, die während des Faschismus zu wesentlichen Adressaten der Auslandspropaganda des Regimes wurden, hatte Argentinien seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eines der Hauptziele dargestellt. Der dortige vergleichsweise hohe Lebensstandard sowie das Versprechen sozialen Aufstiegs hatte vor allem die ländliche Bevölkerung der wirtschaftlich schwächeren Regionen Süditaliens angelockt.5 Auch aus argentinischer Sicht war der Anteil von Italienern an der Gesamteinwanderung mit um die 50 % prominent. Nach Einbrüchen während des Ersten Weltkriegs erreichten die Zahlen Anfang der 1920er Jahre wieder Vorkriegsstände und bis 1925 ließen sich rund 400.000 weitere Italiener in Argentinien nieder.6 Dies führte dazu, dass der Prozentsatz von Italienischstämmigen an der argentinischen Gesamtbevölkerung mit 40 bis 50 % in der Zwischenkriegszeit ungleich höher war als in anderen Zielländern italienischer Emigration in Übersee, wie den USA oder Brasilien.7 Indem sich die Neuankömmlinge vorrangig in Buenos Aires und den umliegenden Küstenprovinzen ansiedelten, kam es in Argentinien zusätzlich zu einer größeren regionalen Konzentration der italienischen Einwanderer.8 Während vorherige liberale Regierungen in Italien Emigration als notwendiges Ventil für das überbordende italienische Bevölkerungswachstum gefördert hatten, wandelte sich dies unter den Faschisten ab 1922. Auswanderung wurde nun vielmehr als »demografische Verarmung« und Verlust von Arbeitskräften stigmatisiert. Um dieser »Schwächung der Nation« entgegenzuwirken, fand bereits 1924 eine »Internationale Konferenz für Emigration« (Conferenza internazionale per l’emigrazione) in Rom statt, die jedoch weitestgehend ohne praktische Konsequenzen blieb. Erst ab 1927 verabschiedete das faschistische Regime eine Reihe von Maßnahmen, die die liberale Auswanderungsgesetzgebung Stück für Stück aushöhlte und die Emigration bis 1929 erheblich ein-
5 Pietro Rinaldo Fanesi, L’esilio fascista e la comunit/ italiana in Argentina, in: Vanni Blengino (Hg.), La riscoperta delle Americhe. Lavoratori e sindacato nell’emigrazione italiana in America Latina 1870–1970: Atti del Convegno Storico Internazionale, Brescia, 25/26/27 novembre 1992, Mailand 1994, S. 115–131, hier S. 115; Ornella Bianchi, Fascismo e emigrazione, in: Vanni Blengino (Hg.), La riscoperta delle Americhe. Lavoratori e sindacato nell’emigrazione italiana in America Latina 1870–1970: Atti del Convegno Storico Internazionale, Brescia, 25/26/27 novembre 1992, Mailand 1994, S. 96–114, hier S. 98. 6 Ronald C. Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti. Italian Fascism and the Italo-Argentine Collectivity, 1922–1945, in: The Americas 51 (1994) H. 1, S. 41–66, hier S. 44f. 7 Ebd., S. 42. 8 Torcuato Di Tella, Italianos en la Argentina. Los fflltimos doscientos aÇos, in: Storicamente (2011) H. 7, S. 1–11, hier S. 4.
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schränkte.9 Tatsächlich sank die Gesamtzahl der italienischen Auswanderer zwischen 1926 und 1940 auf 80.000 – so viele waren im Jahr 1924 noch allein nach Argentinien gegangen.10 Zusätzlich kehrten viele im Ausland lebende Italiener zurück. Zwischen 1931 und 1934 überstieg die Anzahl dieser sogenannten Remigranten gar die derjenigen, die Italien verließen.11 Der Rückgang der Auswandererzahlen während des Faschismus war jedoch keinesfalls allein auf die restriktive Gesetzgebung des Regimes zurückzuführen, sondern ebenso auf Einwandererbeschränkungen in anderen traditionellen Zielländern italienischer Auswanderer, wie den USA.12 Neben dem Bestreben, zukünftige Emigration zu verhindern, erhob das faschistische Regime in seiner Propaganda Anspruch auf die bereits ausgewanderten Italiener und deren Nachkommen. Jene wurden fortan nicht mehr als Emigranten bezeichnet – ein Terminus, der aus dem offiziellen Diskurs verschwand – sondern als italiani all’estero. Die Terminologie suggerierte, dass die »Italiener im Ausland«, unabhängig von ihrem tatsächlichen staatsbürgerschaftlichen Status, Subjekte faschistischer Politik waren.13 Auch wenn bereits 1920 ein »Italienischer Verband für den Schutz der nationalen Interessen im Ausland« (Lega italiana per la tutela degli interessi nazionali all’estero) gegründet worden war, bezeugte der Faschismus im Vergleich zu vorherigen Regierungen somit zumindest auf rhetorischer Ebene ein neuartiges Interesse an ausgewanderten Italienern.14 Diese beabsichtigte das faschistische Regime, als Propagandainstrumente nutzbar zu machen.15 Bis zu ihrer angestrebten letztendlichen Repatriierung sollten sie Italien außerdem im Kriegsfall als »Armee in zweiter Reihe« zur Verfügung stehen.16 Insbesondere Argentinien galt als patria di riserva, als »Reservevaterland«17, hatten sich doch bereits im Ersten Weltkrieg viele freiwillige Italo-Argentinier gemeldet, um auf Seiten Italiens zu kämpfen.18
9 Fernando J. Devoto, Historia de los italianos en la Argentina, Buenos Aires 2008, S. 342; Bianchi, Fascismo e emigrazione, S. 101, 107. 10 Gentile, Emigracijn e italianidad en Argentina, S. 169. 11 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 45. 12 Bianchi, Fascismo e emigrazione, S. 98, 112; Enrique Oteiza/Susana Novick/R. Aruj, Inmigracijn y discriminacijn. Pol&ticas y discursos, Buenos Aires 1997, S. 95. 13 Irene Guerrini/Marco Pluviano, L’organizzazione del tempo libero nelle comunit/ italiane in America Latina. L’Opera Nazionale Dopolavoro, in: Vanni Blengino (Hg.), La riscoperta delle Americhe. Lavoratori e sindacato nell’emigrazione italiana in America Latina 1870–1970: Atti del Convegno Storico Internazionale, Brescia, 25/26/27 novembre 1992, Mailand 1994, S. 378–389, hier S. 381. 14 Gentile, Emigracijn e italianidad en Argentina, S. 161; Devoto, Historia de los italianos en la Argentina, S. 348. 15 Bianchi, Fascismo e emigrazione, S. 103. 16 Gentile, Emigracijn e italianidad en Argentina, S. 161. 17 Vgl. Federica Bertagna, La patria di riserva. L’emigrazione fascista in Argentina, Rom 2006.
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Den ideologischen Rahmen, in dem sich die Propagandabemühungen des faschistischen Regimes in Lateinamerika abspielten, bildeten paternalistische bis neokolonialistische Vorstellungen von dem Subkontinent als Verbund »unzivilisierter« und »primitiver« Staaten. Mit Appellen an die Latinität (latinit/) proklamierten die Faschisten nicht nur eine angeblich zentrale Gemeinsamkeit mit Lateinamerika, sondern erhoben gleichzeitig den Führungsanspruch Italiens und grenzten sich vom anglo-amerikanischen Kulturraum ab.19 Die als schwach aufgefassten lateinamerikanischen Nationalregierungen galten dem faschistischen Regime gemeinhin als anfällig für kommunistische Infiltration, amerikanischen und britischen Imperialismus sowie »jüdisches Freimaurertum«. Diesen Missständen sollte mittels einer italienischen Kolonialherrschaft entgegengewirkt werden.20 In der Wahrnehmung der Faschisten kam im lateinamerikanischen Kontext gerade Argentinien aufgrund seines hohen italienischstämmigen Bevölkerungsanteils eine Sonderrolle zu. In historischer Perspektive unterstrich das faschistische Regime den angeblich entscheidenden Beitrag von Italienern zur argentinischen Nationalgeschichte, auch vor der italienischen Masseneinwanderung. So wurden selbst die Helden der argentinischen Unabhängigkeit, wie Manuel Belgrano, zu Italienern.21 Nichtsdestotrotz war das Argentinienbild des Faschismus keineswegs durchweg positiv und frei von Widersprüchen. Neben der Kritik an der langen republikanischen und liberalen Tradition des Landes machte man die argentinische Einwanderungspolitik für die »Entnationalisierung« (»snazionalizzazione«)22 der italienischen Neuankömmlinge verantwortlich, das heißt für deren rasche Integration und Aufgabe der italienischen Nationalität.23 Gleichzeitig wurde Argentinien, das nach dem ius soli auf argentinischen Territorium Geborenen automatisch die argentinische Staatsbürgerschaft verlieh, eine eigene nationale Identität abgesprochen. In der faschistischen Lesart hatten gerade die italienischen Einwanderer zur »Weißheit« der sich ansonsten aus mestizischen Gauchos konstituierenden Argentinier beigetragen.24 Um seine Ideologie im Ausland zu verbreiten, rief das faschistische Regime 18 Eugenia Scarzanella, Cuando la patria llama. Italia en guerra y los inmigrantes italianos en Argentina 2006, S. 2, URL: http://nuevomundo.revues.org/3735, letzter Zugriff: 03. 11. 2011. 19 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 41, 81. 20 Ebd., S. 82, 84, 92. 21 Tatsächlich war er als Sohn eines Italieners und einer Argentinierin 1770 in Buenos Aires geboren worden. 22 ACS, MCP, Direzione Genale Servizi di Propaganda, busta 12: Schreiben eines Auslandskorrespondenten des »Corriere della sera« an den Kulturminister Alessandro Pavolini vom 04. 12. 1939. 23 Devoto, Historia de los italianos en la Argentina, S. 348; Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 83. 24 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 85.
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neben der Faschisierung des Konsularwesens verschiedene Organisationen ins Leben, allen voran die Fasci italiani all’estero, die den vormaligen »Italienischen Verband für den Schutz der nationalen Interessen im Ausland« ersetzten.25 Außer in Argentinien operierten die Fasci in vielen weiteren Ländern und erreichten eine Mitgliederzahl von rund acht Millionen weltweit. Der lokale Fascio in Buenos Aires entstand als erster auf lateinamerikanischem Boden bereits vor dem Marsch auf Rom im Oktober 1922 und blieb im kontinentalen Vergleich stets der wichtigste. Weitere Fasci in anderen argentinischen Städten folgten.26 Das Ziel der Fasci bestand darin, in der italienischen Einwanderergemeinde in Argentinien patriotische Gefühle und emotionale Verbindungen zum früheren Heimatland wiederzubeleben. Zu diesem Zweck engagierten sie sich vor allem im Kulturbereich und im Bildungswesen, wo sie mit verschiedenen traditionellen Verbänden italienischer Immigranten in Argentinien rivalisierten. Auf diese versuchten die Fasci ihren Einfluss auszuweiten, um sie den Zielen des faschistischen Regimes gefügig zu machen.27 Als wesentlicher Teil der Faschisierung der italienischen Immigrantengemeinde zielten die Fasci darauf, sie nach dem korporativen Gesellschaftsmodell zu organisieren. So etablierten sie wie in Italien auch auf argentinischem Boden Sektionen der faschistischen Freizeit- und Jugendorganisationen (Opera Nazionale Dopolavoro, Opera Nazionale Balilla) und intervenierten in den zahlreichen italienischen Schulen.28 Die faschistische Auslandspropaganda in Argentinien konzentrierte sich in den 1920er Jahren zunächst noch hauptsächlich auf das gedruckte Wort. So wurde das breite Panorama bereits existierender Presse in italienischer Sprache durch neue Publikationen, wie »Il Mattino d’Italia« oder »Il Littore«, ergänzt, die Mitglieder der Fasci oder Sympathisanten vor Ort leiteten. Neben diesen Neugründungen versuchte man von italienischer Seite ebenso, traditionelle italienischsprachige Blätter, wie »La Patria degli Italiani«, unter die Kontrolle Roms zu bringen.29 Jenseits der an ein Publikum mit italienischen Wurzeln gerichteten Presse sollten weitere argentinische Zeitungen, wie »La Razjn« oder »Noticias Gr#ficas«, durch großzügige Subventionen seitens des faschstischen Regimes zu einer Faschismus-freundlichen Berichterstattung bewogen werden. Dabei fiel es in den Aufgabenbereich der italienischen Botschaft in Buenos Aires, Vorschläge zu unterbreiten, welche Blätter finanzielle Unterstützung erhalten sollten. Die letztendliche Entscheidung darüber lag bis 1934 beim Pressebüro des Duce (Ufficio stampa del Capo del Governo), sodann beim »Unterstaatssekretariat für 25 Gentile, Emigracijn e italianidad en Argentina, S. 161. 26 Mar&a Victoria Grillo, Creer en Mussolini. La proyeccijn exterior del fascismo italiano (Argentina 1930–1939), in: Ayer 62 (2006) H. 2, S. 231–256, hier S. 237. 27 Ebd., S. 233. 28 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 55f.; Grillo, Creer en Mussolini, S. 235, 252. 29 Devoto, Historia de los italianos en la Argentina, S. 352.
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Presse und Propaganda« (Sottosegretariato per la Stampa e la Propaganda) und dessen Nachfolgeinstitutionen in Rom (vgl. Kap. 3). Insgesamt deuten die in argentinische Printmedien investierten Summen auf ein spezielles Interesse des faschistischen Italiens an Argentinien hin.30 Jenseits der Subvention der Presse nahm der Versand von sonstigem Propagandamaterial, wie illustrierten Informationsbroschüren und Büchern, nach Argentinien einen ähnlichen institutionellen Weg. Gemeinhin übermittelten die vor Ort aktiven faschistischen Verbände, den vorhandenen Bedarf an die italienische Botschaft in Buenos Aires oder die Konsulate in anderen argentinischen Städten, wie Cjrdoba oder Mendoza. Jene Instanzen traten sodann mit den zuständigen Stellen in Italien, dem Außenministerium, dem Pressebüro Mussolinis und schließlich ab 1937 dem Ministero della Cultura Popolare, in Kontakt, die den Versand der angeforderten Publikationen in die Wege leiteten.31 Im Hinblick auf die Rezeption des Faschismus durch die italo-argentinische Bevölkerung sah zwar ein Großteil das internationale Image Italiens durch den Aufstieg Mussolinis wiederhergestellt. Der Faschismus bot die Möglichkeit einer positiven Identifikation und einen Weg, dem Stereotyp des mittellosen und politisch unterrepräsentierten italienischen Immigranten vom Anfang des 20. Jahrhunderts entgegenzuwirken.32 Trotz des Zuspruchs, den viele neugegründete philofaschistische Verbände aus den Reihen der italienischen Einwanderergemeinde erfuhren, kann von einer flächendeckenden faschistischen Infiltration bis Ende der 1920er Jahre jedoch keine Rede sein. Dies war auch der Stärke der italo-argentinischen Antifaschisten geschuldet, die nach verschiedenen organisatorischen Vorstufen 1927 die parteiübergreifende Alleanza antifascista italiana ins Leben riefen.33 Nicht zuletzt leistete die argentinische Regierung Widerstand gegen die Einmischung der faschistischen Auslandsorganisationen in innenpolitische Angelegenheiten.34 Darauf reagierte das faschistische Regime 1928 mit dem Statuto dei Fasci italiani all’estero, das die Aktivitäten der im Ausland lebenden Faschisten regulierte und es ihnen untersagte, sich in der Innenpolitik ihrer neuen Gastländer zu engagieren.35 Letztlich verblieb die Mehrheit der argentinischen Bevölkerung Ende der 1920er Jahre dem Faschismus gegenüber weitestgehend gleichgültig.36 Die bescheide30 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 102f. 31 Darüber geben folgende Bestände des Archivio Centrale dello Stato und des Archivio storico del Ministero degli Affari Esteri in Rom Auskunft: ACS, Propaganda in Argentina und Direzione generale di Propaganda; ASMAE, Affari politici, 1919–1930, 1931–1945, Argentina. 32 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 43, 51–52. 33 Fanesi, L’esilio fascista e la comunit/ italiana in Argentina, S. 121. 34 Devoto, Historia de los italianos en la Argentina, S. 346. 35 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 39. 36 Bianchi, Fascismo e emigrazione, S. 104.
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nen Ergebnisse, die die Auslandspropaganda bis dahin erzielt hatte, blieben auch der faschistischen Führung nicht verborgen. So gedachte Mussolini in dieser Phase gar, die Fasci aufzulösen.37 Auf Basis der regelmäßig von der italienischen Botschaft in Buenos Aires beim italienischen Außenministerium eingehenden Berichte suchten die zuständigen Stellen nach Gründen für den mangelnden Anklang der faschistischen Auslandspropaganda in Argentinien. Daraufhin schlug beispielsweise der italienische Botschafter in Buenos Aires in einem internen Bericht an den italienischen Außenminister mit der »Intensivierung der propagandistischen Aktivität« inhaltliche und strategische Änderungen vor.38 Statt allein die »Italiener im Ausland« sollte ab den 1930er Jahren vielmehr die gesamte argentinische Bevölkerung als Zielpublikum gewonnen werden.39 Nach 1933 erhielten die faschistischen Propagandabemühungen in Argentinien auch durch die Konkurrenzsituation mit der NS-deutschen Auslandsorganisation neue Impulse. Im Bereich der Presse motivierte die Tatsache, dass die deutschen Nachrichtenagentur Transocean 1933 dem Reichspropagandaministerium unterstellt wurde, im Februar 1934 die Gründung der italienischen Roma Press mit Sitz in Buenos Aires.40 Teil der strategischen Änderungen des faschistischen Regimes war es ebenso, bei seinen propagandistischen Aktivitäten im Ausland nun nicht mehr nur auf Schriftmedien, sondern verstärkt auch Bildmedien zu setzen. Diese wurden als zentral erachtet, »um den visuellen Kontakt der Italiener im Ausland und dem Mutterland aufrecht zu erhalten«, wie es in einem Schreiben der italienischen Botschaft in Buenos Aires an das Ministero della Cultura Popolare in Rom hieß.41 Zur Verbreitung von propagandistischem Filmmaterial in ganz Lateinamerika arbeitete das faschistische Regime ab Anfang 1934 mit dem privaten Filmverleih Alianza Cinematogr#fica Italo-Argentina in Buenos Aires zusammen.42 Besonderen Erfolg beim argentinischen Publikum hatte der vom offiziellen Film- und Fotoinstitut des faschistischen Regimes LUCE produzierte Film »Un uomo e un 37 Grillo, Creer en Mussolini, S. 235. 38 ACS, MCP, Direzione generale Servizi di Propaganda, busta 8: Bericht des italienischen Botschafters in Argentinien Raffaele Guariglia an Außenminister Galeazzo Ciano, 19. 01. 1938. 39 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 97; vgl. z. B. ACS, MCP, Direzione generale Servizi Propaganda, busta 8: Schreiben von italienischer Botschaft in Buenos Aires an MCP, 11. 01. 1938. 40 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 101; vgl. ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina, Brief vom Direktor von Roma Press, Tommaso Milano, an die italienische Botschaft in Buenos Aires, 12. 04. 1934. 41 ACS, Buste propaganda fascista in Argentina, Brief von italienischer Botschaft in Buenos Aires an MCP, 11. 01. 1938: »[…] allo scopo di mantenere il contatto visivo tragli italiani all’estero e la Madre Patria.« 42 ACS, MCP, Direzione Generale Servizi di Propaganda, busta 4: Memoriale su un progetto di lavoro per l’affermazione della cinematografia italiana in Argentina, 04. 01. 1939.
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popolo« von 1933, der in der argentinischen Presse breit diskutiert wurde.43 Die größtenteils positiven Kritiken sandte die italienische Botschaft in Buenos Aires wiederum zur Kenntnisnahme an die Propagandaabteilung des faschistischen Regimes nach Rom zurück.44 Das insgesamt gewachsene Interesse, auf das die faschistischen Propagandabotschaften in Argentinien spätestens ab Mitte der 1930er Jahre stießen, zeigte sich auch daran, dass nicht nur faschistische Auslandsorganisationen oder philofaschistische Vereine Propagandamaterial in Italien anforderten. Vielmehr traten nun auch vermehrt verschiedene argentinische staatliche und nicht-staatliche Institutionen mit Bestellwünschen an die italienischen diplomatischen Vertretungen heran. So orderten beispielsweise Regierungsabteilungen, wie der »Nationale Erziehungsrat« (Consejo Nacional de Educacijn),45 Bibliotheken, wie die Biblioteca Nacional in Buenos Aires,46 Universitäten47 und Verlage48 faschistische Publizistik aus Italien. Die den Bestellungen beigefügten Bücherlisten offenbaren mit Titeln wie »I fondamenti dell’economia corporativa« von Ugo Spirito, »Lo stato corporativo« von Bruno Biagi oder »I principi della Carta del Lavoro«, dass der faschistische Korporativismus thematisch einen wichtigen Platz einnahm.49 Weitere beliebte Themen, über die argentinische Stellen Informationsmaterial aus Italien anforderten, waren die faschistischen Jugend- und Freizeitorganisationen, die Sozialpolitik sowie das »Nationalwerk für den Schutz der Mutterschaft und der Kindheit« (Opera nazionale per la protezione della maternit/ e dell’infanzia). Auf diesem Weg kamen auch Bildbände über die »Errungenschaften« des Faschismus nach Argentinien, wie »L’Italia fascista in cammino«, den das Istituto LUCE anlässlich des zehnjähri43 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 100. 44 ACS, MCP, Direzione generale Servizi di Propaganda, busta 4: Verschiedene Ausschnitte aus argentinischen Zeitungen wie »La Nacijn«, »La Prensa«, »Noticias Gr#ficas«, »La fronda«, »La Vanguardia«, 15./16. 12. 1933. 45 ASMAE, Affari politici 1931–45, Argentina, busta 7: Anfrage des argentinischen Consejo Nacional de Educacijn, übermittelt von italienischer Botschaft in Buenos Aires an italienisches Außenministerium, 15. 11. 1934; ASMAE, Affari politici 1931–45, Argentina, busta 26: Anfrage des Gouverneurs der Provinz Mendoza von »Publikationen über den Weinbau, den Tourismus, den Korporativismus und die Sozialhilfe«, übermittelt von der italienischen Botschaft in Buenos Aires an das italienische Außenministerium, 10. 03. 1939. 46 ACS, MCP, Direzione Generale Servizi di Propagabda, busta 4: Bücherbestellung der Biblioteca Nacional in Buenos Aires an die italienische Botschaft in Buenos Aires, 28. 08. 1934. 47 Vgl. z. B. ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina: Anfrage der Universidad de Cjrdoba an das italienische Konsolat in Cjrdoba, 16. 06. 1935 oder der Universidad del Litoral an die italienische Botschaft in Buenos Aires, 07. 11. 1935. 48 Vgl. z. B. ACS, MCP, Direzione generale Servizi di Propaganda, busta 8: Brief der italienischen Botschaft in Buenos Aires an MCP, Weiterleitung der Anfrage des argentinischen Verlags Manuel Lainer, 13. 04. 1934. 49 Vgl. z. B. ACS, MCP, Direzione generale Servizi di Propaganda, busta 4: Liste der an Biblioteca Nacional in Buenos Aires gesandten Publikationen, 09. 10. 1934.
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gen Bestehens des Regimes 1932 herausgegeben hatte. »L’Italia fascista in cammino« war 1934 unter den an die argentinische Biblioteca nacional versandten Büchern und stand somit in der Folge einem breiten Publikum zur Verfügung. Bildpropaganda wurde auch explizit aus Italien angefordert, so etwa von Zeitungsredaktionen oder verschiedenen argentinischen Verbänden. Vertreter der nationalistischen Vereinigung Legijn Patrijtica äußerten beispielsweise in einer direkt an Mussolini gerichteten Anfrage ausdrücklich den Wunsch nach einer »seiner Fotografien mit Autogramm«, womit sie ihre Räumlichkeiten zu schmücken gedachten.50 Dass die Versorgung mit Propagandamaterial nicht immer reibungslos funktionierte, zeigt sich anhand von verschiedenen Fällen, in denen Bestellungen nicht ankamen oder Anfragen abgelehnt wurden. So beschwerte sich ein Verband italienischer Einwanderer, die Associazione Patriottica Italiana, in einem Schreiben an das italienische »Ministerium für Presse und Propaganda« im Dezember 1936, dass das von ihnen bestellte »materiale cinematografico e propagandistico« nicht eingetroffen sei. Damit habe der Verband den italienischen Muttertag (»Giorno [sic] della Madre e del Fanciullo«) begehen wollen; die Feier habe aufgrund der ausgebliebenen Sendung jedoch schließlich verschoben werden müssen.51 In einem anderen Fall lehnte das italienische »Unterstaatssekretariat für Presse und Propaganda« im März 1935 die Anforderung eines Filmprojektors durch die Societ/ Dante Alighieri in Rosario ab, der zur Vorführung von faschistischen Propagandafilmen genutzt werden sollte. Die Begründung lautete, dass das »Unterstaatssekretariat« zu diesem Zeitpunkt nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügte.52 Ein Bereich, über den große Mengen an visueller Propaganda nach Argentinien gelangten und in dem der personelle Austausch zwischen beiden Ländern besonders eng war, stellte die vom faschistischen Regime sogenannte Kultur50 ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina: Schreiben des Leiters der Legijn Patriotica, Armando La Valle, an Benito Mussolini, 23. 02. 1935: »Agradeciendo a S. E. quiera tener a bien honrarnos con una de sus fotograf&as con autjgrafo, para colocarla en el Comando de nuestra institucijn […].« 51 ACS, MCP, Direzione generale Servizi di Propaganda, busta 6: Schreiben der Associazione Patriottica Italiana an das italienische »Ministerium für Presse und Propaganda«, 15. 12. 1936: »[L]’Associazione Patriottica Italiana aveva iniziato in tempo utile l’organizzazione di una grande manifestazione patriottica […] per commemorare […] il giorno della […] Madre e del Fanciullo. […] Con sommo dispiacere dobbiamo rivolgerci all’E.V. per comunicarLe che sino ad oggi non ci H pervenuto il materiale cinematografico e propagandistico […] che avrebbe costituito la base della manifestazione. Annullati gli impegni presi, dobbiamo rimandare l’iniziativa […].« 52 ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina: Schreiben des italienischen »Unterstaatssekretariats für Presse und Propaganda« an das italienische Konsolat in Rosario, 22. 03. 1935: »[Q]uesto Sottosegretariato non ha presentemente disponibilit/ di bilancio per acquistare apparecchi cinematografici da dare in dotazione alle asscoiazione italiane all’estero.«
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propaganda (»propaganda culturale«) dar. Wie in Italien, wo sich das Regime für die Schaffung einer originär »faschistischen Kultur« einsetzte, die sie als »hervorragendes politisches Instrument«53 ansah (vgl. Kap. 3), nahm deren Verbreitung auch im Rahmen der faschistischen Auslandspropaganda eine wichtige Stellung ein.54 So hieß es in der von Mussolini gegründeten Zeitschrift »Gerarchia« 1925 in dem Artikel »Kultur und nationale Außenpolitik«: »[D]ie Elemente der italienischen Kultur können und müssen sich um eine nationale Außenpolitik gruppieren, die ein Bestandteil […] der Propaganda sein soll […].«55 So spielten vermeintliche kulturelle Leistungen neben Errungenschaften auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet, wie dem Korporativismus, eine wichtige Rolle in der propagandistischen Außendarstellung des faschistischen Regimes. Unter »propaganda culturale« zählte die faschistische Führung unter anderem Ausstellungen italienischer Kunst, Aktionen von italienischen Kulturinstituten, wie der Societ/ Dante Alighieri, und Vortragsreisen von italienischen Künstlern, Schriftstellern oder anderen kulturell herausragenden Persönlichkeiten.56 Mit seiner Kulturpropaganda stieß das faschistische Regime in Argentinien auf alles andere als auf taube Ohren, genossen italienische Kunst und Kultur dort doch traditionell ein hohes Ansehen. Auch während des Faschismus verfolgten argentinische Zeitungen und Zeitschriften das kulturelle Geschehen in Italien minutiös.57 Dies zeigte sich ebenso anhand der Bestellungen, die Argentinier an die italienische Botschaft in Buenos Aires richteten, unter denen häufig Publikationen über zeitgenössische italienische Kunst waren. So fragte beispielsweise die Sociedad Argentina de Artistas Pl#sticos im Dezember 1935 Kataloge über jüngst in Italien vom Regime realisierte Ausstellungen an.58 Daneben gelangten 53 Antonio Casolo Ginelli, Vita e pensiero dei G.U.F. La cultura nel Regime, in: Gerarchia XVI (1936) H. 9, S. 648f., hier S. 649: »[U]n […] formidabile strumento politico«. 54 Christine Müller/Franco Veremondi, Die symbolische Form der Zeit. Eine Politik der Künste, in: Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei, Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion, 1922–1956, Baden 1994, S. 612–615, hier S. 613. 55 Roberto Forges Davanzati, Cultura e politica estera nazionale, in: Gerarchia IV (1925) H. 4, S. 226–231, hier S. 231: »[G]li elementi della cultura e dello spirito possono e debbono raccogliersi intorno ad una politica estera nazionale, che sia un fatto […] di propaganda […].« 56 Vgl. ASMAE, Affari politici 1931–1945, Argentina, buste 7, 11, 23, 26, 29, 41: Unter dem Schlagwort »propaganda culturale« wurden die zugehörigen Akten bereits zeitgenössisch im italienischen Außenministerium abgelegt. 57 Diana B. Wechsler, Da una estetica del silenzio a una silenziosa declamazione. Incontri e appropriazioni di una tradizione nelle metropoli del Rio de la Plata, in: Tadeu Chiarelli (Hg.), Novecento sudamericano. Relazioni artistiche tra Italia e Argentina, Brasile, Uruguay, Mailand 2003, S. 27–36, hier S. 29. 58 ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina: Schreiben des Präsidenten der Sociedad Argentina de Artistas Pl#sticos, Luigi Loretti, an den italienischen Botschafter Mario Arlotta, 04. 12. 1935.
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auf diesem Weg auch allgemeinere Werke, wie »L’arte italiana« oder »Grandi Artisti Italiani«, nach Argentinien.59 Auf personeller Ebene waren die Kontakte zwischen Kulturschaffenden aus Italien und Argentinien, unter anderem bedingt durch die italienische Massenimmigration, seit jeher eng, intensivierten sich jedoch während des Faschismus.60 Zum einen boten in Argentinien ansässige italo-argentinische Akademien und Verbände, wie die Societ/ Nazionale Italiana, künstlerische Ausbildungen an.61 Zum anderen gehörte im Rahmen der in elitäreren argentinischen Künstlerkreisen nahezu obligatorischen Bildungsreise nach Europa Italien zu einem der präferierten Ziele.62 Diese Verflechtung zwischen Repräsentanten des Kulturbereiches beider Länder verleitete den argentinischen Maler Emilio Pettoruti, der selbst lange Jahre in Italien gelebt hatte, Ende der 1920er Jahre zu der Aussage, die argentinische Malerei und Skulptur seien seit ihren Anfängen »eindeutig italienisch« gewesen.63 Eine renommierte Persönlichkeit, die als kultureller Botschafter des faschistischen Regimes nach Argentinien reiste, war Filippo Tommaso Marinetti. 1909 hatte er mit einem im französichen »Le Figaro« erschienenen Manifest den Futurismus begründet. Vor allem in der Bewegungsphase des Faschismus vor 1922 und in den 1920er Jahren waren die Beziehungen zwischen dem Faschismus und der künstlerischen Avantgardebewegung, auch in ideologischer Hinsicht, eng. Viele Mitglieder des Futurismus fungierten auch als Produzenten grafischer Propaganda für das Regime.64 Marinettis Mission, bei seinen Argentinienreisen 1926 und 1936 den Futurismus im Land zu verbreiten, kann jedoch als gescheitert gelten. Die lokale Presse kritisierte seine ideologische Nähe zum faschistischen Regime, so dass sich Marinetti genötigt sah, den politischen Charakter seiner Reise komplett abzustreiten.65 In Kreisen argentinischer Avantgardekünstler, wie Norah Borges und Xul Solar, die Marinetti zu Ehren eine Ausstellung organisierten, fiel das Urteil milder aus: Sie nahmen den Begründer des Futurismus eher als »Erneuerer der Kunst« im Allgemeinen wahr denn als Botschafter des Faschismus.66 Spezifisch futuristisches Gedankengut
59 Vgl. z. B. ACS, MCP, Direzione Generale Servizi di Propaganda, busta 8: Übermittlung der Anfrage des Instituto Nacional del Profesorado Secundario durch die italienische Botschaft in Buenos Aires an MCP, 13. 04. 1938. 60 Ebd., S. 34. 61 Jorge Ljpez Anaya, Historia del arte argentino, S. 95. 62 Vgl. ebd. 63 Wechsler, Da una estetica del silenzio a una silenziosa declamazione, S. 29. 64 Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, S. 230f. 65 O. A., Ha llegado anoche el fundador del Futurismo, in: La Nacijn, 08. 06. 1926. 66 Silvia Sa&tta, Marinetti en Buenos Aires. Entre la pol&tica y el arte, in: Cuadernos Hispanoamericanos (1995) 539–540, S. 161–169, hier S. 163, 168; May Lorenzo Alcal#, La es-
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fruchtete unter argentinischen Künstlern lediglich bei einigen isolierten Fällen, wie den Malern Emilio Pettoruti oder dem in Italien gebürtigen Piero Illari.67 Nach Marinettis zweiter Reise nach Buenos Aires 1936 anlässlich des XIV. Kongresses des Internationalen P.E.N. Clubs setzte er sich persönlich beim italienischen Kulturminister Dino Alfieri für den Versand von grafischem Anschauungsmaterial, beispielsweise über die geografische Ausdehnung des italienischen Kolonialreiches, an italo-argentinische Verbände ein.68 Neben Marinetti zählten ebenso hochrangige Kulturvertreter des faschistischen Regimes zu den Argentinienbesuchern. Einer von ihnen war Alessandro Pavolini, der von 1934 bis 1939 als Präsident der staatlichen Schirmgewerkschaft Confederazione dei Professionisti ed Artisti (»Verband der Freiberufler und Künstler«) fungierte und 1939 zum Kulturminister aufstieg. Anlässlich seines Besuches wurde ihm 1937 im bekanntesten Theater von Buenos Aires, dem Teatro Coljn, ein Empfang bereitet.69 Für ein wirksames Mittel seiner Kulturpropaganda im Ausland hielt das faschistische Regime des Weiteren Kunstausstellungen, denen ein »besonderer propagandistischer Wert« beigemessen wurde.70 Auf diese Weise wurde die argentinische, zumeist hauptstädtische, Öffentlichkeit mit vom Faschismus für propagandistische Zwecke in Dienst genommenen Kunstrichtungen vertraut gemacht. So reiste beispielsweise die bekannte Mäzenin und Kunstkritikerin Margherita Sarfatti, die auch Autorin einer Biografie des Duce war, 1930 nach Buenos Aires, um dort eine Ausstellung der von ihr begründeten Künstlergruppierung Novecento zu organisieren. Im ebenfalls von ihr verfassten Katalogtext stellte sie Novecento ausdrücklich als Staatskunst des faschistischen Italiens dar.71 Unter den teilnehmenden italienischen Künstlern fanden sich auch solche, die, wie Mario Sironi oder Achille Funi, in Italien als Produzenten grafischer Propaganda für das Regime arbeiteten (vgl. Kap. 3). Die Ausstellung wurde breit in der lokalen Presse und deren illustrierten Beilagen rezipiert. Wie bei Marinettis Besuch kam es auch bei diesem Anlass zu Kontroversen über den politischen Charakter der Künstlergruppe und ihr Engagement im faschisti-
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quiva huella del futurismo en Argentina. Piero Illari, in: Cuadernos Hispanoamericanos (2004) 653–654, S. 107–122, hier S. 109f. Lorenzo Alcal#, La esquiva huella del futurismo en Argentina, S. 109. ACS, MCP, Direzione Generale Servizi Propaganda, busta 6: Schreiben Filippo Tommaso Marinettis vom 19. 02. 1937 an den Kulturminister Dino Alfieri, in dem er um den Versand von geografischem Kartenmaterial an die Associazione Pattriotica Italiana in Buenos Aires bittet. Scarzanella, Cuando la patria llama, S. 5. ACS, MCP, Direzione Generale Servizi Propaganda, busta 8: Bericht des italienischen Botschafters in Argentinien, Raffaele Guariglia, an Außenminister Ciano, 19. 01. 1938. Vgl. o. A., Novecento italiano, Buenos Aires 1930; Wechsler, Da una estetica del silenzio a una silenziosa declamazione, S. 27.
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schen Staat. Nichtsdestotrotz hinterließ Novecento Spuren in den Werken von Vertretern der modernen argentinischen Malerei, wie zum Beispiel Antonio Berni, Lino Spilimbergo oder Victor Cfflnsolo, die in der Forschung auch als südamerikanische Novecentisten bezeichnet werden.72 Die enge personelle Verflechtung zwischen den Kulturbetrieben beider Länder zeigte sich ferner darin, dass sich die Initiatorin der Novecento-Ausstellung 1930 in Buenos Aires, Margherita Sarfatti, als Jüdin gezwungen sah, nach der Verabschiedung der »Rassengesetze« in Italien 1938 nach Uruguay und Argentinien zu emigrieren. Dort engagierte sie sich weiter im kulturellen Bereich und schrieb beispielsweise für die führende argentinische Kulturzeitschrift »Sur«.73 Bis Ende der 1930er Jahre organisierte das faschistische Regime weitere Ausstellungen auf argentinischem Boden. Eine Ausstellung über »Arte Italiana Decorativa« 1938 in Buenos Aires hielt der italienische Botschafter Raffaele Guariglia für »eine neue, sehr wichtige Behauptung der faschistischen Kunst auf dem lateinamerikanischen Kontinent«.74 Gerade während des Zweiten Weltkriegs war die Einflussnahme auf das Kulturgeschehen in Argentinien unter den kriegsteilnehmenden Mächten umkämpft. So begründete der Direktor der Propagandaabteilung des italienischen Kulturministeriums im März 1940 das Vorhaben, eine Ausstellung über zeitgenössische italienische Kunst in Buenos Aires zu organisieren, damit, dass es von französischer Seite eine ähnliche Veranstaltung gegeben hatte.75 Zwar wurde die Ausstellung auch von der der argentinischen Regierung unterstellten 72 Wechsler, Da una estetica del silenzio a una silenziosa declamazione, S. 27–29, 31; Tadeu Chiarelli, L’Italia H qui. Una presentazione, in: ders., Novecento sudamericano. Relazioni artistiche tra Italia e Argentina, Brasile, Uruguay, Mailand 2003, S. 15–26, hier S. 24. 73 Vgl. z. B. o. A., Debates socioljgicos, in: Sur X (1941) H. 84, S. 83–103. Außerdem schrieb sie gelegentlich für die argentinischen Kulturzeitschriften »Nosotros« und »Argentina Libre« (Daniel Gutman, El amor jud&o de Mussolini. Margherita Sarfatti: del fascismo al exilio, Buenos Aires 2006, S. 116). 74 ASMAE, Affari politici 1931–45, Argentina, busta 23: Schreiben des italienischen Botschafters in Buenos Aires, Raffaele Guariglia an das MCP, 30. 08. 1938: »[Q]uesta nuova importantissima affermazione [dell’] Arte fascista nel Continente latino americano [sic].« 75 ASMAE, Affari politici 1931–45, Argentina, busta 29: Schreiben vom der Direzione Generale Servizi di della Propaganda des MCP an das italienische Außenministerium, 09. 03. 1940: »Die aktuelle französische Initiative strebt offensichtlich danach, die Aufmerksamkeit des argentinischen Publikums wiederzubeleben […]. Es wird deshalb für zweckmäßig gehalten, auf diesem Markt präsent zu sein und auf ihn eine umsichtige und vorsorgliche Propaganda auszuüben, indem wir den Vorschlag aus lokalen Kreisen, eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst in dieser Hauptstadt [Buenos Aires] zu organisieren, wieder in Betracht ziehen.« (»L’attuale iniziativa francese tende evidentemente a ravvivare l’attenzione del pubblico argentino […]. Si ritiene pertanto particolarmente opportuno di essere presenti su quel mercato e di esercitarvi quindi una oculata e provvida propaganda riesaminando la proposta pervenuta da elementi locali circa la organizzazione di una Mostra d’Arte contemporanea in quella Capitale […]«).
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»Kommission für Intellektuelle Zusammenarbeit« (Comisijn de Cooperacijn Intelectual) mit den Worten befürwortet, dass sie »auf wirksame Weise dazu beitragen wird, den aktiven kulturellen Austausch zwischen Italien und unserem Land […] zu entwickeln«. Aufgrund des Krieges fand sie jedoch letztlich nicht statt.76 Trotz der vielfältigen propagandistischen Initiativen nicht nur auf kulturellem Gebiet fielen die Erfolge des faschistischen Regimes, den Faschismus in Argentinien zu verbreiten, wie sie sich etwa an den Mitgliederzahlen der dortigen faschistischen Organisationen ablesen ließen, eher bescheiden aus. Lediglich im unmittelbaren Umfeld des Äthiopienkrieges ab Oktober 1935 erreichten die faschistischen Auslandsorganisationen ein größeres Engagement der argentinischen Bevölkerung.77 So organisierten philofaschistische Gruppen und Periodika, wie »Il Mattino d’Italia«, Unterstützungskampagnen für Italien, die in der Meldung von rund 900 italo-argentinischen Freiwilligen für den Kriegseinsatz gipfelten.78 Die nicht weniger zahlreichen Antifaschisten riefen ihrerseits Komitees ins Leben und demonstrierten gegen das militärische Engagement Italiens in Nordafrika.79 Die spontane Siegesfeier auf mehreren Plätzen in Buenos Aires, die auf die Einnahme Addis Abebas durch italienische Truppen im Mai 1936 folgte, hielt jedoch selbst der italienische Botschafter Raffaele Guariglia für spät und opportunistisch. Zwar gründeten faschistische Sympathisanten in Argentinien ein sogenanntes Comit8 Pro-Italia, das sich gegen die Sanktionen aussprach, die der Völkerbund aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges über Italien verhängt hatte.80 Dies änderte jedoch nichts an der offiziellen Haltung der argentinischen Regierung unter Präsident Agust&n P. Justo (1932–1938), der die Eroberung Äthiopiens nicht anerkannte und die Sanktionen unterstützte.81 Sein Nachfolger im Amt, Präsident Roberto Ortiz (1938–1942), verbot schließlich alle vom Ausland kontrollierten politischen Verbände, was somit auch die italienischen Fasci betraf. Die italienischen Schulen stellten einen weiteren Bereich dar, in dem sich die verschärften ideologischen Konflikte manifestierten: Die italienische Botschaft nahm der kon-
76 ASMAE, Affari politici 1931–45, Argentina, busta 26: Schreiben der argentinischen Comisijn de Cooperacijn intelectual an das italienische MCP, 21. 03. 1939: »[U]na esposizione tanto importante contribuir/ efficacemente a sviluppare un attivo scambio culturale tra l’Italia [e] il nostro Paese […].« 77 Bianchi, Fascismo e emigrazione, S. 104. 78 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 58. 79 Scarzanella, Cuando la patria llama, S. 4. 80 ACS, MCP, Direzione generale Servizi di Propaganda, busta 6: Rodolfo Rivarola, »La costituzione argentina contro le sanzioni di Ginevra«, 02. 12. 1935. 81 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 59; Grillo, Creer en Mussolini, S. 251.
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servativen argentinischen Regierung die ständigen Kontrollen übel und drohte mit der Schließung der Einrichtungen.82 Den Hauptgrund für das Scheitern seiner Auslandspropaganda in Argentinien sah das faschistische Regime Ende der 1930er Jahre darin, dass sich die italienischen Einwanderer zu schnell in die argentinische Gesellschaft integriert hatten. So führte ein Korrespondent der von Giuseppe Bottai herausgegebenen Zeitschrift »Critica fascista« 1940 aus: Als optimales Element wurde der Italiener beurteilt, gerade weil er der Umgebung wenig standhielt; in wenigen Jahren war er schon komplett assimiliert, so sehr dass man ihn nur mit Schwierigkeiten vom einheimischen Kreolen unterscheiden konnte.83
Und tatsächlich bezifferte der Leiter einer faschistischen Gruppierung in Buenos Aires 1938 die Zahl der aktiven Anhänger in der Hauptstadt auf lediglich 2.500, was nur ein halbes Prozent der dort lebenden »Italiener« ausmachte.84 In Anbetracht dessen zeigte sich auch Mussolini Ende der 1930er Jahre ernüchtert über die Propagandaanstrengungen in Argentinien und sah die italo-argentinische Gemeinde als für die faschistische Sache verloren an.85
2.2
Argentinischer Nationalismus und die Rezeption des italienischen Faschismus bis zum Aufstieg Peróns
Auch wenn die Erfolge der Auslandspropaganda des faschistischen Regimes auf dem Niveau der breiten Bevölkerung in Argentinien dürftig ausfielen, fanden die ideologischen Inhalte doch deutlich mehr Anklang bei nationalistischen Gruppen im Land. Erste nationalistische Gruppierungen, wie die Liga Patrijtica Argentina (LPA), hatten sich bereits nach dem Ersten Weltkrieg gebildet. Die Opposition zur ersten aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Regierung der Radikalen Partei (Unijn C&vica Radical, UCR) sowie Ressentiments gegenüber Immigranten stellten Wesensmerkmale dieser paramilitärisch auftreten82 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 62f. 83 Ettore De Zuani, Argentina e il Fascismo, in: Critica fascista XVIII (1940) H. 7, S. 123f., hier S. 123: »Ottimo elemento era giudicato l’italiano appunto perch8 resisteva pochisimo all’ambiente; in pochi anni era gi/ interamente assimilato, tanto che difficilmente lo si poteva distinguere dal nativo criollo.« 84 Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 60. 85 Grillo, Creer en Mussolini, S. 250; Guerrini/Pluviano, L’organizzazione del tempo libero nelle comunit/ italiane in America Latina, S. 385; Mussolini zitiert nach Jo¼o F#bio Bertonha, Fascismo, antifascismo y las comunidades italianas en Brasil, Argentina y Uruguay. Una perspectiva comparada, in: Estudios migratorios latinoamericanos (1999) H. 42, S. 111–133, hier S. 113f.: »Quegli italiani d’Argentina non ci comprendono n8 ci amano. Continuando cos' le cose noi ci rivolgeremo sempre piF agli italiani del Brasile.«
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den Gruppierung dar.86 In der argentinischen Öffentlichkeit kamen umgehend Vergleiche zu den Fasci italiani di combattimento, den 1919 gegründeten Kampfbünden des entstehenden italienischen Faschismus, auf. Die argentinische Liga war jedoch sehr viel enger an konservative Kreise und an die Kirche gebunden als die faschistischen Kampfbünde.87 Trotz des breiten Rückhalts nationalistischer Gruppen, wie etwa der LPA, in der Mittel- und Oberschicht und dem Militär kann beim argentinischen Nationalismus der 1920er Jahre kaum von einer einheitlichen politischen Strömung die Rede sein. Vielmehr handelte es sich um vereinzelte theoretische Positionen einiger Intellektueller.88 Der Schriftsteller Leopoldo Lugones oder die um die nationalistische Zeitschrift »La Nueva Repfflblica« (»Die neue Republik«) gruppierten Autoren Ernesto Palacio sowie Rodolfo und Julio Irazusta taten in ihren Schriften ihre Bewunderung für Mussolini kund und traten für die Errichtung einer korporativistischen Diktatur in Argentinien ein.89 In wirtschaftlicher Hinsicht forderten Vertreter eines ökonomischen Nationalismus, wie der unter anderem in Deutschland ausgebildete Alejandro Bunge, die Diversifizierung der argentinischen Wirtschaft, die die Substitution von Importen ermöglichen sollte. Nicht zuletzt der Erste Weltkrieg und der damit einhergehende Wegfall der europäischen Absatzmärkte hatte die Anfälligkeit des argentinischen Agro-Export-Modells der liberalen Ära schmerzhaft demonstriert.90 Bis Ende der 1920er Jahre hatten diese Positionen jedoch keinerlei konkrete Auswirkungen auf das politische Geschehen Argentiniens und die Mitgliederzahlen der LPA brachen von ursprünglich 11.000 auf 3.000 ein.91 Das änderte sich erst, als im September 1930 eine Gruppe nationalistischer Militärs, zu der auch der Hauptmann Juan Domingo Perjn gehörte, putschte und somit der vierzehnjährigen Regierung der Radikalen Partei ein Ende bereitete.92 Präsident Jos8 F8lix Uriburu errichtete in der Folge ein in der Forschung als protokorporativistisch bezeichnetes Regime,93 das unter anderem danach trachtete, die geheime Wahl abzuschaffen und neben Anhängern der Radikalen Partei Kommunisten und Anarchisten brutal verfolgte.94 86 87 88 89 90 91 92 93 94
Rock, La Argentina autoritaria, S. 73. Ebd., S. 83. Ebd., S. 83, 100–101. Rock, La Argentina autoritaria, S. 88f.; Sandra McGee Deutsch, La derecha durante los primeros gobiernos radicales, 1916–1930, in: David Rock (Hg.), La derecha argentina. Nacionalistas, neoliberales, militares y clericales, Barcelona 2001, S. 71–112, hier S. 99. Rock, La Argentina autoritaria, S. 87. Rock, La Argentina autoritaria, S. 83, 100–101; McGee Deutsch, La derecha durante los primeros gobiernos radicales, 1916–1930, S. 81. Rock, La Argentina autoritaria, S. 106. Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 167. Newton, Ducini, Prominenti, Antifascisti, S. 58; Fanesi, L’esilio fascista e la comunit/ italiana in Argentina, S. 123.
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Bei der Uniformierung und Grußform der von Uriburu neu gegründeten paramilitärischen Gruppe Legijn C&vica Argentina (LCA), die nach Eigenaussage bis 1931 10.000 Mitglieder um sich scharte, war die Orientierung am faschistischen Italien nicht zu verkennen.95 In wirtschaftspolitischer Hinsicht trat der neue Präsident für eine Nationalisierung ein und zeigte großes Interesse am Korporativismus und der Sozialpolitik des italienischen Faschismus.96 Unmittelbar nach Erscheinen der italienischen Carta del Lavoro 1927, dem Gründungsdokument des faschistischen Korporativstaates, hatte sich Uriburu mit einem Exemplar versorgt.97 Dennoch betonte der argentinische Präsident in der Öffentlichkeit auch die mittelalterlichen Wurzeln des korporativen Ordnungsprinzips, das der italienische Faschismus nur erfolgreich modernisiert habe.98 Auch wenn Uriburu aufgrund seiner aufmerksamen Rezeption des italienischen Faschismus bereits zeitgenössisch von seinen politischen Anhängern und Gegnern als »argentinischer Mussolini« bezeichnet wurde, stellte die Verwurzelung des Regimes im Katholizismus doch einen wesentlichen Unterschied zum italienischen Faschismus dar.99 Der argentinische Präsident grenzte sich auch insofern vom italienischen Vorbild ab, als er behauptete, dass der Faschismus »als ausländische Doktrin« keinesfalls eins zu eins auf Argentinien zu übertragen sei. Stattdessen müsse er an die lokalen Verhältnisse angepasst werden. So fand sich auch im zentralen Dokument des uriburistischen Regimes, der »Doktrin der Septemberrevolution« keine Referenz auf den Faschismus.100 Nichtsdestotrotz kam es während Uriburus Amtszeit zur Ausweisung von italienischen Antifaschisten, die sich ins argentinische Exil geflüchtet hatten.101 Unter Uriburu hatte Perjn kurzzeitig einen Posten als Sekretär des Kriegsministers inne, schlug sich dann aber in das Lager um General Agust&n P. Justo, der auch am Putsch 1930 beteiligt gewesen war, jedoch eine gemäßigtere liberalkonservative Position vertrat.102 Justo löste Uriburu im Februar 1932 durch gefälschte Wahlen an der Macht ab.103 In seiner kurzen Regierungszeit hatte Uriburu die von ihm angestrebten koporativistischen Reformen nicht realisieren können.104 Trotz des Scheiterns von Uriburus »Revolution« nach nur 18 Monaten verhinderte das nicht die Mythenbildung um seine Person nach dessen 95 96 97 98 99 100 101 102 103
Rock, La Argentina autoritaria, S. 108. Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 68. Rock, La Argentina autoritaria, S. 105. Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 84. Rock, La Argentina autoritaria, S. 107f.; Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 109f. Rock, La Argentina autoritaria, S. 107f. Fanesi, L’esilio fascista e la comunit/ italiana in Argentina, S. 123. Galasso, Perjn, S. 90. Alberto Spektorowski, The Ideological Origins of Right and Left Nationalism in Argentina, 1930–43, in: Journal of Contemporary History 29 (1994) H. 1, S. 155–184, hier S. 163. 104 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 68.
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Tod im April 1932, die dem Personenkult um den Duce ähnliche Züge annahm. So begingen nationalistische Anhänger Gedenktage, wie den der »Septemberrevolution« oder seinen Todestag, mit Aufmärschen an seinem Grab.105 Zwar hatte der »Uriburu-Mythos« einen gewissen integrativen Effekt auf die Nationalisten.106 Dennoch ließ sich die Zersplitterung in zahlreiche Untergruppierungen (z. B. die Liga Republicana, Legijn C&vica Argentina, Legijn de Mayo, Resaturacijn, Milicias C&vicas) trotz Versuchen, mit der Guard&a Argentina eine Dachorganisation zu etablieren, bis Ende der 1930er Jahre nicht überwinden.107 So blieb auch die Gründung des Partido Fascista Argentino (PFA) 1932 mit seinem Publikationsorgan »Camisa negra« (»Schwarzhemd«) nur eine Episode. Das Buhlen zwischen der Auslandsgruppe des italienischen Partito Nazionale Fascista (PNF) und dem argentinischen PFA um die Repräsentanz des Faschismus in Argentinien war somit symptomatisch für die ideologischen Richtungskämpfe der politischen Rechten nach Uriburu.108 Gegenüber dem Modell des italienischen Faschismus beharrte der Großteil der nationalistischen Gruppen in Argentinien auf ideologischer Eigenständigkeit und bediente sich lediglich eklektisch am faschistischen Vorbild. Weder den Nazismus in Deutschland noch den Faschismus in Italien hielt etwa der nationalistische Historiker Julio Irazusta 1933 für zu imitierende Modelle. Ihm zufolge lieferten beide europäischen Regime lediglich verschiedene Beispiele zur Überwindung des Liberalismus – ein Ziel, das auch die argentinischen Nationalisten anstrebten.109 Viele unter ihnen fassten den italienischen Faschismus als weitere Ausformung eines generischen Nationalismus auf, zu dem sie auch zeitgenössische politische Tendenzen der extremen Rechten in anderen europäischen Ländern zählten.110 In ihrem Ergebnis waren die erarbeiteten Programme der verschiedenen nationalistischen Gruppierungen in Argentinien schließlich sehr viel katholizismusfreundlicher als das italienische Vorbild, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich zahlreiche katholische Geistliche in ihren Reihen fanden.111 Mit dem faschistischen Italien unterhielten die argentinischen Nationalisten in den 1930er Jahren einen regen personellen Austausch.112 Führende Figuren, wie Carlos Goyeneche, Matias S#nchez Sorondo, der Innenminister unter Uriburu gewesen war, oder Manuel Fresco, der 1936 Gouverneur der Provinz 105 106 107 108 109 110 111 112
Rock, La Argentina autoritaria, S. 110. Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 72f. Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 190. Grillo, Creer en Mussolini, S. 248. Rock, La Argentina autoritaria, S. 122. Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 138, 152. Ebd., S. 110, 132. Ebd., S. 98.
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Buenos Aires wurde, reisten nach Italien und trafen Mussolini gar persönlich.113 Außerdem erhielten Publikationsorgane der argentinischen Nationalisten, wie »La Fronda«, vom faschistischen Regime großzügige finanzielle Unterstützung.114 Bei der Herausgabe von Schriften faschistischer Autoren in Argentinien arbeiteten italienische Faschisten und argentinische Nationalisten vielfach zusammen, beispielsweise indem letztere die Vorworte der spanischen Übersetzungen verfassten.115 Zudem zählten Mitglieder nationalistischer Gruppierungen in Argentinien zu besonders eifrigen Bestellern von Propagandamaterial aus Italien. So orderte der Partido Fascisto Argentino, der selbst auch verschiedene Zweigstellen in italienischen Städten, wie Mailand oder Turin, unterhielt, vor allem Publikationen über den faschistischen Korporativismus.116 Aus der Sicht der italienischen Faschisten stellte der argentinische Nationalismus eine »eher vage und konfuse« Ideologie dar, wie sich der zeitweise italienische Botschafter in Santiago de Chile, Ettore De Zuani, 1942 äußerte.117 Ferner hieß es in Berichten des faschistischen Regimes, die Nationalisten in Argentinien seien bloß »patriotisch« und zu wenig »sozialrevolutionär«.118 In der »Enciclopedia Italiana« führte der Autor des Artikels »Faschismus in der Welt« 1938 zumindest den Partido Fascista Argentino, die Accijn Nacionalista Argentina, die Legijn C&vica Argentina und Restauracijn auf.119 Viele dieser Gruppen hatten jedoch Ende der 1930er Jahre bereits an Bedeutung verloren. Die unter Uriburu gegründete Legijn C&vica Argentina zählte nunmehr 1.500 Mitglieder. Ebenso wenig hatte der Nationalismus, bis auf wenige Ausnahmen, wie Manuel Fresco und Carlos Ibarguren, zu diesem Zeitpunkt politisch einflussreiche Persönlichkeiten vorzuweisen.120 Perjn, der keiner der genannten nationalistischen Gruppierungen angehörte, bewegte sich mit dem Militär jedoch in Kreisen, in denen neben den Universitäten und der katholischen Kirche nationalistische Inhalte immer mehr Anklang fanden.121 Mitte 1939 wurde er, 113 Vgl. z. B. ACS, MCP, Direzione Generale Servizi Propaganda, busta 9: Telegramm vom MCP an das italienische Außenministerium über den Besuch Carlos Goyeneches, 24. 03. 1943. 114 Ebd., S. 98, 102. 115 Ebd., S. 100. 116 ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina, Schreiben des Präfekts des Partido Fascista Argentino in Mailand an das »Ministerium für Presse und Propaganda«, 28. 06. 1936; ACS, Buste Propaganda fascista in Argentina, Liste der am 30. 07. 1935 vom »Unterstaatssekretariats für Presse und Propaganda« an den Partido Fascista Argentino in Mailand versandten Publikationen: Unter den Bestellungen waren zum Beispiel »Quattro discorsi per lo stato corporativo« von Benito Mussolini oder eine spanische Version der Carta del Lavoro. 117 Ettore De Zuani, Nazionalismo argentino, in: Critica fascista XX (1942) H. 28, S. 306f.: »Il loro nazionalismo mi appariva ancora piuttosto vago e confuso […].« 118 Rock, La Argentina autoritaria, S. 122. 119 Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 263f. 120 Rock, La Argentina autoritaria, S. 110, 135. 121 Ronald H. Dolkart, La derecha durante la D8cada Infame, 1930–1943, in: David Rock (Hg.),
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mittlerweile Oberstleutnant, vom argentinischen Militär mit dem Auftrag nach Italien entsandt, über die europäische Kriegssituation zu berichten. Dort inkorporierte er sich zunächst in die Gebirgstruppe des italienischen Heeres, zuerst im Veneto, dann in Meran.122 Hiernach diente er bis zu seiner Rückkehr nach Argentinien Anfang 1941 dem Militärattach8 der argentinischen Botschaft in Rom als Assistent. Eigenaussagen zufolge unternahm er in dieser Zeit auch Reisen nach Deutschland, Frankreich und in die Sowjetunion. Dass ein persönliches Treffen mit Mussolini zustande gekommen wäre, wie Perjn später behauptete, ist allerdings nicht belegt.123 Bereiche, die ihn während seines Italienaufenthaltes nachhaltig beeindruckten, waren zum einen die korporative Organisation der Wirtschaft, die er unter anderem in Kursen über Syndikalismus in Turin studierte. Zum anderen faszinierten ihn die Propagandamaschinerie Mussolinis und die zu politischen Zwecken eingesetzten Massenspektakel.124 In Briefen, die Perjn aus Rom an seine Schwägerin Mar&a Tizjn sandte, lobte er den Duce und hob die in Italien herrschende Ordnung und die Arbeitsamkeit der Italiener hervor: »Hier gibt es sehr viel Ordnung, Disziplin, Patriotismus und man arbeitet viel. Jeder Italiener hat anscheinend seine Weisung zu arbeiten und er macht es gut.«125 Nach seiner Rückkehr nach Argentinien war Perjn im Februar 1943 an der Gründung der militärischen Geheimloge Grupo de Oficiales Unidos (GOU) innerhalb des argentinischen Heeres beteiligt.126 Eines der Hauptziele der 19 Offiziere umfassenden Gruppe bestand darin, die argentinische Neutralität im Zweiten Weltkrieg aufrechtzuerhalten, die die konservative Regierung aufgrund des erheblichen Druck seitens der USA aufzugeben drohte.127 Als die neutrale Haltung Argentiniens zusätzlich durch den Vorschlag von Robustiano Patrjn Costas als Nachfolger von Ramjn Castillo im Präsidentenamt gefährdet schien, verübten Teile des argentinischen Militärs unter Federführung des GOU schließlich im Juni 1943 einen Putsch. Erstmals seit Uriburus kurzzeitiger Diktatur Anfang der 1930er Jahre gelangten somit nationalistische Kräfte an die Macht. Die darauffolgende Militärdiktatur unter General Arturo Rawson setzte freie demokratische Wahlen aus, übte Pressezensur und löste politische Parteien
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La derecha argentina. Nacionalistas, neoliberales, militares y clericales, Barcelona 2001, S. 151–199, hier S. 154. Galasso, Perjn , S. 121. Joseph A. Page/Martha Gil Montero, Perjn. Una biografia, Buenos Aires 1984, S. 49. Ebd., S. 50. Ignacio Mart&n Cloppet, Perjn en Roma. Cartas in8ditas (1939–1940): amores y pol&tica, Buenos Aires 2014, S. 139: »Aqu& hay mucho orden, disciplina, patriotismo y se trabaja mucho. Cada italiano tiene al parecer su consigna de trabajar y lo hace bien.« Galasso, Perjn, S. 141f. Galasso, Perjn, S. 142; Rock, La Argentina autoritaria, S. 138, 141.
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und den Kongress auf.128 Neben der Verfolgung von Kommunisten und der Einführung von Religionsunterricht an staatlichen Schulen wurden viele weitere seit Jahren in Nationalistenkreisen erhobene Forderungen erfüllt.129 Aufgrund der repressiven Maßnahmen und der fortwährenden Neutralität Argentiniens verschärften sich die Anschuldigungen seitens der USA, Argentinien sympathsiere mit den Achsenmächten. Dies führte Mitte 1944 schließlich zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern und zu US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen. Unter dem wachsenden internationalen Druck erklärte Argentinien schließlich im März 1945 als letzter Staat weltweit Deutschland und Japan den Krieg. Italien befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits unter alliierter Besatzung; die im Norden von den Faschisten errichtete Repubblica Sociale Italiana (RSI) bestand noch einen weiteren Monat. Als Verfechter der Neutralität echauffierten sich große Teile der argentinischen Nationalisten über die Kriegserklärung.130 Perjn, der nach dem Putsch 1943 außer mit dem Kriegsministerium mit dem bis dato unbedeutenden Arbeitsamt (Departamento de Trabajo) betraut worden war, baute die Kompetenzen der Behörde aus, erhob es zum Staatssekretariat (Secretar&a de Trabajo y Previsijn Social) und initiierte ein breites soziales Reformprogramm. Dabei schloss er an seit Mitte der 1930er Jahre in linksnationalistischen Kreisen, wie der FORJA (Fuerza de Orientacijn Radical de la Joven Argentina), kursierende Ideen an, denen zufolge soziale Gerechtigkeit und die Wohlfahrt der Arbeiterklasse nur durch staatliche Regulierung zu erreichen seien.131 Beim Vorgehen Perjns gegenüber den Arbeiterorgansiationen und Industriellenverbänden kamen jedoch auch in Italien gesammelte Erfahrungen zum Tragen. So wies das 1943 verabschiedete Gewerkschaftsstatut (Estatuto Sindical) eindeutige korporativistische Züge auf und stellte den ersten Versuch dar, staatliche Kontrolle über die Gewerkschaften zu erlangen, die fortan von der Regierung anerkannt werden mussten. Damit gingen auch soziale Begünstigungen der Arbeiterklasse, wie Lohnerhöhungen und Sozialversicherungen, einher.132 Das »Gesetz beruflicher Verbände« (Ley de Asociaciones Profesionales), das 1945 folgte, enthielt nahezu identische Bestimmungen wie die italienische Carta del Lavoro von 1927: Zukünftig konnten lediglich staatlich anerkannte Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände Tarifverträge abschließen. 128 Richard J. Walter, La derecha y los peronistas, 1943–1955, in: David Rock (Hg.), La derecha argentina. Nacionalistas, neoliberales, militares y clericales, Barcelona 2001, S. 247–274, hier S. 252ff. 129 Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 392f. 130 Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 401, 404; Rock, La Argentina autoritaria, S. 153. 131 Galasso, Perjn, S. 164. 132 Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 399.
Argentinischer Nationalismus und die Rezeption des italienischen Faschismus
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Pro Wirtschaftszweig war jeweils nur noch eine Gewerkschaft zugelassen. Streiks wurden untersagt.133 Die Machtposition, die es Perjn als Staatssekretär für Arbeit auszubauen gelang, zeigte sich, als er im Zuge einer Regierungsumbildung im Februar 1944 zusätzlich den Posten des Kriegsministers erhielt. Mitte des Jahres kam außerdem das Amt des Vizepräsidenten hinzu.134 Diese Ämterhäufung galt sowohl der politischen Opposition im Inland als auch Kritikern im Ausland als Beleg für Perjns vermeintlich diktatorische Bestrebungen. Von Seiten der USA wurde die innenpolitische Polarisierung durch den im Mai 1945 entsandten Botschafter Spruille Braden zusätzlich befeuert, der Perjn mit Faschismusvorwürfen konfrontierte und als Schirmherr des antiperonistischen Lagers auftrat. Die Machtkonzentration auf der Person Perjns war jedoch auch reaktionäreren Sektoren innerhalb der Militärregierung ein Dorn im Auge, die seine Sozialpolitik seit jeher als zu links angesehen hatten.135 Ebenso distanzierte sich der Großteil der Nationalisten von ihm und stempelte ihn als Marxisten ab.136 Zunehmende Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Perjns und Massendemonstrationen machten ihn im Oktober 1945 für den Präsidenten Edelmiro Farrell unhaltbar : Nach mehreren Putschversuchen gegen seine Person trat Perjn schließlich am 9. Oktober zurück und wurde auf dem Marinestützpunkt der Insel Mart&n Garc&a gefangen genommen. Bereits am Vortag eines für den 18. Oktober angekündigten Generalstreiks strömten von den Perjn-freundlichen Gewerkschaften organisierte Arbeitermassen ins Zentrum von Buenos Aires und verlangten die Freilassung des Generals, der schließlich am Abend stattgegeben wurde.137 Der 17. Oktober sollte in der Folge mythenhaften Charakter erlangen und jährlich als Gründungsdatum des Peronismus feierlich begangen werden.138 Im Vorfeld der für Februar 1946 angesetzten Präsidentschaftswahlen wandte sich Perjn nach gescheiterten Annäherungsversuchen an die Radikale Partei vielmehr den ihm wohl gesonnenen Gewerkschaften zu und trat mit dem aus der Taufe gehobenen Partido Laborista (»Arbeiterpartei«) an. Gegen ihn formierte sich die Unijn Democr#tica (»Demokratische Union«) aus Mitgliedern der Radikalen Partei, Kommunisten, Sozialisten und Konservativen, deren einziges verbindendes Element ihre Geg-
133 Spektorowski, The Ideological Origins of Right and Left Nationalism in Argentina, 1930–43, S. 173. 134 Rock, La Argentina autoritaria, S. 152f. 135 Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 402, 404f. 136 Rock, La Argentina autoritaria, S. 165. 137 Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 406ff. 138 Vgl. Plotkin, MaÇana es San Perjn; Juan Carlos Torre/Santiago Sen8n Gonz#lez/Gabriel D. Lerman (Hg.), 17 de octubre de 1945. Antes, durante y despu8s, Buenos Aires 2005.
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nerschaft zu Perjn darstellte. Aus den ersten ungefälschten Wahlen seit 1928 ging Perjn am 24. Februar 1946 mit 52 % der Stimmen als Sieger hervor.139
139 Rock, La Argentina autoritaria, S. 160; Buchrucker, Nationalismus, Faschismus und Peronismus 1927–1955, S. 409, 411.
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Kulturpolitische Institutionen und Reformen im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien
1931 schlug Mussolini die Gründung einer eigenen Propagandaabteilung innerhalb der staatlichen Verwaltungsstrukturen vor. Ziel einer solchen sollte es sein, Publikationen über das Regime zu erstellen und zu verbreiten.1 Dass eine »Propagandasektion« (Sezione Propaganda) schließlich erst 1934 institutionalisiert wurde, als der Faschismus bereits seit zwölf Jahren an der Macht war, versuchte ein Autor in der Zeitschrift »Critica fascista« damit zu rechtfertigen, dass die »Tatsachen des Faschismus« bisher für sich gesprochen und keiner propagandistischen Vermittlung bedurft hätten.2 Das Pressebüro des Regierungschefs (Ufficio Stampa del Capo del Governo), in dem sich die Sezione Propaganda zunächst befand, wurde bis 1937 sukzessive zum »Ministerium für Volkskultur« (Ministero della Cultura Popolare, MCP) ausgebaut.3 Denn auch die italienische Kultur sollte »im Klima der faschistischen Revolution wiederbelebt« werden.4 Indem der Faschismus verschiedenste Medien und künstlerische Ausdrucksformen für seine Propaganda nutzte, wurden die Grenzen zwischen Hoch- und aufkommender Massenkultur zunehmend verwischt.5 Wie bereits im Namen des neuen Ministeriums anklang, visierte das faschistische Regime als Adressaten seiner kulturpolitischen Maßnahmen auch neue soziale Gruppen, wie die untere Mittelschicht und die Arbeiterklasse, an.6 Insgesamt
1 Philip V. Cannistraro, La fabbrica del consenso. Fascismo e mass media, Rom 1975, S. 77. 2 Argo, Internazionalit/ del Fascismo. Della propaganda, in: Critica fascista XII (1934) H. 16, S. 303ff., hier S. 304. 3 Gabriele Turi, Faschismus und Kultur, in: Wolfgang Schieder/Jens Petersen (Hg.), Faschismus und Gesellschaft in Italien. Staat – Wirtschaft – Kultur, Köln 1998, S. 91–108, hier S. 95. 4 Pier Franco Gaslini, La Cultura in Funzione Politica, in: Gerarchia XIV (1934) H. 9, S. 772ff., hier S. 772: »I littoriali della cultura […] hanno servito a smuovere le acque […] della cultura italiana e a portare, essa cultura, sul piano politico nazionale rivificandola [sic] nel clima della rivoluzione fascista.« 5 Marla Stone, Staging Fascism. The Exhibition of the Fascist Revolution, in: Journal of Contemporary History 28 (1993) H. 2, S. 215–243, hier S. 218. 6 Stone, The patron state, S. 6.
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avancierte die Kulturpolitik Gabriele Turi zufolge zu einem der »wichtigsten Herrschafts- und Integrationsmittel« des Faschismus.7 In Argentinien nutzte Perjn zur Produktion und Verbreitung der staatlichen Propaganda das bereits vor seiner Regierungszeit institutionalisierte »Unterstaatssekretariat für Informationen und Presse« (Subsecretar&a de Informaciones y Prensa, SI). In der Sicht des Regimes bestand die Aufgabe der Behörde darin, die »Handlungen der Regierung« medial zu verbreiten und so zum »inneren und äußeren Frieden« beizutragen.8 Propaganda hielt der argentinische Präsident für ein Element politischer Herrschaft zur »Vorbereitung der Masse«, damit sie politisch »geführt« werden könne.9 Der »Masse« sollte auch die vom peronistischen Regime angestrebte »revolucijn cultural« zugutekommen, die die Reformen auf sozialem, politischem und ökonomischem Gebiet flankieren sollte. So bestand das Hauptziel der peronistischen Kulturpolitik darin, dass von kulturellen Angeboten nicht nur wie bisher »eine soziale Klasse«, die »Elite«, profitierte.10 Im Folgenden stehen mit den Regierungsabteilungen und Ministerien die Institutionen in beiden Ländern im Fokus, die für die Produktion der staatlichen Propaganda und die Kulturpolitik zuständig waren und nach und nach Veränderungen und Erweiterungen erfuhren (3.1). Es werden die Mechanismen der Herstellung der Propaganda beleuchtet, zu denen unter anderem auch die Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Akteuren, wie Werbeleuten und Grafikern, gehörte. Unter den Mediengattungen liegt dabei ein spezielles Augenmerk auf grafischer und fotografischer Propaganda. Da insbesondere das faschistische Regime Kunst eine eminent erzieherische und somit propagandistische Rolle zudachte,11 werden ebenfalls die für die Kulturpolitik des Faschismus zuständigen Instanzen und deren Maßnahmen in den Blick genommen. Zwar orientierte sich Perjn explizit an der Organisation der staatlichen Propaganda und Kulturpolitik des faschistischen Italiens.12 Wie zu zeigen sein wird, wich das 7 Turi, Faschismus und Kultur, S. 99. 8 AGN, Archivo Intermedio, Fondo Fiscal&a Nacional de Recuperacijn Patrimonial 21, Subsecretar&a de Prensa y Difusijn (1955–58), Caja 42, Cuerpo IX, Expediente 102975: Schreiben der Divisijn de Asuntos Especiales an den Director General de Difusijn vom 12. 05. 1949. 9 Perjn, Obras completas, Bd. 13, S. 30, 243. 10 Ministerio de Relaciones Exteriores y Culto, Subsecretaria de Relaciones Exteriores, Direccijn General de Relaciones Culturales y Difusijn, Cultura para el pueblo, Buenos Aires, o. J., S. 5–7. 11 Guido Bonsaver, Culture and Intellectuals, in: R. J. B. Bosworth (Hg.), The Oxford handbook of fascism, Oxford, New York 2009, S. 109–126, hier S. 110ff. 12 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 9, Buenos Aires 1998, S. 480: »Als ich nach Italien kam, fand ich in Turin einen Kurs über Organisation vor, der acht Monate dauerte und an eine andere Thematik gebunden war, und danach in Mailand einen über angewandte Organsiation, der weitere acht Monate dauerte, über eine wieder andere Thematik. Das erste, was mir einfiel, die gerarchi von dort zu fragen, war, warum sie so viel Organisation stu-
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peronistische Regime bei der Produktion der grafischen Propaganda jedoch vom faschistischen Modell ab. Entgegen anderslautender Äußerungen Perjns über die Zentralität der Kultur bildete tatsächlich der soziale Bereich den Schwerpunkt seiner Politik. Eine systematische Kulturpolitik blieb demgegenüber stets nachgeordnet.13 Im zweiten Teil (3.2) liegt die Aufmerksamkeit auf Künstlern und Intellektuellen in beiden Ländern und ihren Haltungen gegenüber der unterschiedlich umfassenden und erfolgreichen »kulturellen Revolution«, die Faschismus und Peronismus proklamierten. Inwiefern gelang es beiden Regimen bildende Künstler für ihr politisches Projekt zu gewinnen? Und wie sah deren Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen genau aus? Um diese Aspekte zu beleuchten, werden exemplarisch die wichtigsten Propagandagrafiker, die sich teilweise in beiden nationalen Kontexten bewegten, vorgestellt. Während sich der Faschismus bis weit in die 1930er Jahre auf einen breiten Konsens in den Reihen der Kulturschaffenden stützen konnte, gab es im peronistischen Argentinien kaum herausragende künstlerische Persönlichkeiten, die für den Peronismus eintraten.
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Medienkontrolle, Zensur und Propaganda gingen im faschistischen Italien zunächst hauptsächlich vom Ufficio Stampa del Capo del Governo aus. In der Frühphase konzentrierten sich die Aktivitäten des Ufficio darauf, Presseerzeugnisse zu sichten und regimefreundliche Zeitungen und Journalisten zu subventionieren.14 Nach der schrittweisen Umwandlung in eine Diktatur in den dierten. […] Sie, die sie im Rhythmus mit der Kultur sind, bemerken, dass es nicht mehr Unordnung geben kann, als in unserem Kulturbereich herrscht. Und da wir anfangen wollten, ihn zu organisieren, sagen die, die über die Unordnung herrschen und davon profitieren, dass wir Diktatoren sind […].« (Perjn in einer Rede über die staatliche Kulturpolitik vor einer Delegation von Intellektuellen am 13. 11. 1947: »Cuando yo llegu8 a Italia me encontr8 en Tur&n con un curso de organizacijn pura que duraba ocho meses, ligado a otra materia; y despu8s, en Mil#n, con uno de organizacijn aplicada que duraba otros ocho meses, ligado a otra serie de materias. Lo primero que se me ocurrij preguntar a los jerarcas de all& fue por qu8 estudiaban tanta organizacijn. […] Ustedes, que est#n en el ritmo de la cultura, se dan cuenta de que no pude haber desorden m#s grande que el que reina en nuestro campo cultural. Y como nosotros hemos querido comenzar a organizarlo, aquellos que dominaban en el desorden y ten&an sus ventajas con 8l dicen que somos dictadores […].«) 13 Flavia Fiorucci, El antiperonismo intelectual. De la guerra ideoljgica a la guerra espiritual, in: Marcela Garc&a Sebastiani (Hg.), Fascismo y antifascismo, peronismo y antiperonismo, Frankfurt 2006, S. 161–194, hier S. 180. 14 Ferrara, Ministero della cultura popolare, S. 26.
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Jahren 1925/26, die sich auch in der Aufhebung der Pressefreiheit manifestierte, verschärfte sich die Kontrolle des Ufficio. Über eine steigende Anzahl an Presseanordnungen (Ordini alla stampa) legte das Regime die zu publizierenden Inhalte fest.15 Ebenso wurden Bildmedien zunehmend reglementiert. So bezogen sich die Anweisungen an die Presse auch auf Pressefotografien und deren Anordnung, Größe und Inhalt.16 Presse- und sonstige Propagandafotografien fertigte seit 1924 hauptsächlich das zunächst private Istituto LUCE an. Im November 1925 wurde es per Dekret in ein »Nationalinstitut« unter der Leitung von Luciano De Feo umgewandelt.17 1927 erhielt es eine separate Fotoabteilung (Sezione Fotografica) hinzu.18 Zusätzlich griffen verschiedene Zeitungen jedoch auf die Dienste eigener Fotografen zurück, so dass das vom faschistischen Regime angestrebte Monopol auf die Pressefotografie faktisch nie erreicht werden konnte.19 Lediglich im Hinblick auf die fotografische Bildproduktion um die Figur Mussolinis stand das Istituto LUCE jedoch nahezu allein.20 Außer Fotografien erstellte das Istituto LUCE Dokumentarfilme und Wochenschauen. Per Gesetz wurde es ab 1926 für Kinobetreiber obligatorisch, diese cinegiornali vor jeder Kinovorführung abzuspielen.21 Im Verlauf der 1920er Jahre stieg die Relevanz des Ufficio Stampa, was sich nicht zuletzt an seinem bis 1932 deutlich erhöhten Etat ablesen lässt.22 Neben der Ausdifferenzierung in jeweils separate Abteilungen für italienische und ausländische Presse kam schließlich 1934 die eingangs erwähnte Sezione Propaganda hinzu, die sich hauptsächlich der Verbreitung von Propagandamaterial im Ausland widmete und dabei eng mit dem Außenministerium zusammenarbeitete.23 Anhand der Einrichtung einer separaten Sezione Propaganda zeigte sich die wachsende Wichtigkeit, die das Regime Propaganda als politischem
15 Giancarlo Ottaviani, Le veline del Minculpop. Aspetti della propaganda fascista, Mailand 1999, S. 8f. 16 Bruno Maida, La Direzione generale della stampa italiana, in: Nicola Tranfaglia (Hg.), La stampa del regime, 1932–1943. Le veline del Minculpop per orientare l’informazione, S. 29– 56, hier S. 44. 17 Laura, Le stagioni dell’aquila, S. 27, 33. 18 D’Autilia, Storia della fotografia in Italia, S. 198f. 19 Bricchetto, La fotografia dentro il giornale, S. 314. 20 Mimmo Franzinelli/Emanuele Valerio Marino, Il Duce proibito. Le fotografie di Mussolini che gli italiani non hanno mai visto, Mailand 2003, S. XXII. 21 Federico Caprotti, Information Management and Fascist Identity : newsreels in Fascist Italy, in: Media History 11 (2006) H. 3, S. 177–191, hier S. 182. 22 Zwischen 1922 und 1932 verachtfachte sich der Etat des Ufficio Stampa von anfangs 50.000 Lire auf 438.000 Lire (vgl. Maida, La Direzione generale della stampa italiana, S. 40). 23 Cannistraro, La fabbrica del consenso, S. 104; Benedetta Garzarelli, Fascismo e propaganda all’estero. Le origini della Direzione Generale per la Propaganda (1933–1934), in: Studi Storici. Rivista trimestrale dell’Istituto Gramsci 43 (2002) H. 2, S. 477–520, hier S. 478.
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Instrument zudachte.24 Das Vorbild des nationalsozialistischen »Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« sowie die Initiative von Mussolinis Schwiegersohn Galeazzo Ciano regten 1934 die Erhebung des bisherigen Ufficio Stampa zum »Untersekretariat für Presse und Propaganda« (Sottosegretariato per la Stampa e la Propaganda) an. Dass das neue Untersekretariat nun auch Propaganda im Namen trug, demonstrierte die Überzeugung des Regimes, mit der Informationspolitik fortzufahren, die bereits kurz zuvor zur Einrichtung der Sezione Propaganda geführt hatte. Mit dem Ausbau des Pressebüros zum Untersekretariat wurden die drei bestehenden Sektionen (Sezioni) – für italienische und ausländische Presse, Propaganda – zu Generaldirektionen (Direzioni Generali) umgeformt.25 Indem das faschistische Regime im neuen Unterstaatssekretariat auch Direzioni Generali für Kino, Tourismus und Theater einrichtete, bündelte es dort zuvor beim Korporations-, Innen- und Erziehungsministerium sowie beim »Kommissariat für Tourismus« (Commissariato per il Turismo) angesiedelte Kompetenzen.26 Während abgesehen von der Fotografie für die verschiedenen Mediengattungen, wie Presse und Film, nach und nach eigene Abteilungen innerhalb des Unterstaatssekretariats eingerichtet wurden, existierte für die Herstellung grafischer Propaganda keine separate Abteilung. Wie die Sichtung von annähernd 400 Plakaten ergeben hat, wurden diese mehrheitlich extern von Agenturen angefertigt, die auch kommerzielle Werbeplakate produzierten.27 Unter ihnen waren die wichtigsten italienischen Werbeagenturen der Zeit, wie IGAP (Impresa Generale Affissioni Pubblicit/), MAGA und Edizioni STAR.28 Im Zuge der Professionalisierung der italienischen Werbeindustrie waren die meisten von ihnen um 1920 gegründet worden. Als sie Ende der 1920er Jahre begannen, mit dem faschistichen Regime zusammenzuarbeiten, verfügten sie bereits neben Hauptsitzen in Rom oder Mailand meist noch über weitere Zweigstellen in anderen italienischen Städten oder im Ausland. Außer an Werbeagenturen vergab das Unterstaatssekretariat auch Aufträge direkt an einzelne Grafiker oder schrieb Wettbewerbe aus.29
24 Philip V. Cannistraro, Burocrazia e politica culturale nello stato fascista. Il Ministero della cultura popolare, in: Alberto Aquarone/Maurizio Vernassa (Hg.), Il regime fascista, Bologna 1974, S. 169–193, hier S. 186. 25 Ferrara, Ministero della cultura popolare, S. 29f. 26 Maida, La Direzione generale della stampa italiana, S. 29f.; Ottaviani, Le veline del Minculpop, S. 7. 27 Darüber geben die Kürzel und Akronyme der Werbeagenturen Auskunft, die sich auf der Mehrheit der erhobenen Plakate befinden. 28 Roberto Curci, Marcello Dudovich. Oltre il manifesto, Mailand 2002, S. 257; Gian Luigi Falabrino, Effimera & bella. Storia della pubblicit/ italiana, Turin 1990, S. 116. 29 Außer Rechnungen, die im Bestand des ACS, MCP, Sovvenzioni erhalten sind, ist bedauer-
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Neben dem Sottosegretariato per la Stampa e la Propaganda traten auch andere Ministerien, wie das Erziehungsministerium, und die Faschistische Partei als Auftraggeber von grafischer Propaganda in Erscheinung. Der PNF verfügte zwar seit 1925 über ein eigenes Propagandabüro (Ufficio Propaganda), lagerte die konkrete Herstellung der grafischen Propaganda wie das Unterstaatssekretariat jedoch ebenso an Agenturen oder einzelne Grafiker aus.30 An der Praxis der Zusammenarbeit mit externen Werbeagenturen änderte auch die Erhebung des Unterstaatssekretariat zum Ministerium (Ministero per la Stampa e la Propaganda) 1935 nichts. Mit diesem Schritt wurde der Missstand ausgeräumt, dass das Sottosegretariato bereits de facto Aufgaben eines Ministeriums ausführte, in finanzieller, administrativer und politischer Hinsicht jedoch noch nicht gleichgestellt war.31 Zusätzlich zu den bestehenden Abteilungen (für italienische und ausländische Presse, Propaganda, Kino, Tourismus und Theater) weitete das Regime seine Kontrolle auf Kulturinstitute, wie das Istituto LUCE, aus, die es in direkte Abhängigkeit vom Ministerium brachte.32 Der Ausbau zum Ministerium führte ferner zur Ausdifferenzierung der »Generaldirektion für Propaganda« in vier Unterabteilungen, die alle hauptsächlich für ans Ausland gerichtetes Propagandamaterial zuständig waren. Während die Sezione per la Propaganda Generale Material für den Versand vorbereitete, kontrollierte die Sezione Radio an andere Länder gerichtete Radioprogramme. Die Sezione per la Propaganda Artistica e Cinematografica konzipierte Ausstellungen und verbreitete Filme und Dokumentationen außerhalb Italiens. Die Nuclei per la Propaganda Italiana all’Estero (NUPIE) befassten sich insbesondere mit der Produktion antikommunistischer Propaganda, im Kriegsfall fiel ihnen jedoch auch die Organisation der ans Inland gerichteten Propaganda zu.33 Was die Zensur von Schriftmedien anging, wurden die Kompetenzen des Ministero per la Stampa e la Propaganda insofern erweitert, als es nun auch zu Beschlagnahmungen und Verboten von Publikationen autorisiert war, was bisher in den Aufgabenbereich des Innenministeriums gefallen war.34 Somit erreichte das Ministerium im Laufe des Jahres 1935, bis auf einige von der Faschistischen Partei geleitete Zeitschriften und das Ente Radio Rurale, ein fast komplettes Monopol auf die Koordination der staatlichen Propaganda und die Kontrolle der Medienlandschaft. Der Äthiopienkrieg ab Oktober 1935 wurde »zur ersten großen Probe« des Ministeriums, wie sich der spätere Kulturminister
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licherweise über die genauen Dienstwege oder Praxen der Auftragsvergabe vom Ministerium an Grafiker nicht mehr bekannt. Adolfo Mignemi, La costruzione degli strumenti di propaganda, in: ders., Propaganda politica e mezzi di comunicazione tra fascismo e democrazia, Novara 1995, S. 11–51, hier S. 30. Ferrara, Ministero della cultura popolare, S. 32. Cannistraro, Burocrazia e politica culturale nello stato fascista, S. 181. Ebd., S. 182. Maida, La Direzione generale della stampa italiana, S. 40.
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Dino Alfieri 1937 rückblickend äußerte.35 Um »in politischer und psychologischer Hinsicht die Voraussetzungen des äthiopischen Unterfangens zu bestimmen [und] Konsens herzustellen«, erreichte das faschistische Regime im Vorfeld und während des Feldzugs eine bisher noch nicht dagewesene Abstimmung der Medien aufeinander.36 Im Mai 1937 erfolgte die Umbenennung des bisherigen »Ministerium für Presse und Propaganda« in Ministero della Cultura Popolare (»Ministerium für Volkskultur«).37 Die neue Bezeichnung wurde den gewachsenen Zuständigkeiten des Ministeriums gerecht, die mittlerweile weit über die Kontrolle der Presse hinausgingen. Die wesentlichen institutionellen Veränderungen innerhalb des Ministeriums hatten jedoch bereits in den Jahren von 1934 bis 1936 stattgefunden.38 Allein die Anzahl der Mitarbeiter wuchs von 183 1936 auf 800 im Folgejahr an. An der Spitze des MCP löste Dino Alfieri den bisherigen Minister Galeazzo Ciano ab.39 Kurz vor dem Kriegseintritt Italiens wurde die »Generaldirektion für Propaganda« nach geografischen Regionen, sogenannten Zone di Propaganda, an die sich die Auslandspropaganda richtete, untergliedert.40 Im Verlauf des Krieges übernahm die Direzione generale per la Propaganda dann die Hauptrolle bei der Steuerung der Kriegspropaganda.41 Wohl um den propagandistischen Charakter der von ihr ausgehenden Aktionen im Ausland zu verschleiern, wurde die Direktion im April 1942 in Direzione generale per gli scambi culturali (»Generaldirektion für kulturellen Austausch«) umbenannt.42 Nachdem der König am 25. Juli 1943 Mussolini abgesetzt hatte, bestand das Ministero della Cultura Popolare im von den Alliierten befreiten Südteil Italiens zwar weiterhin. Der neue Regierungschef Pietro Badoglio nutzte es jedoch nahezu ausschließlich, um Anweisungen an die Presse zu versenden. Alle anderen vorherigen Funktionen wurden außer Kraft gesetzt. Nach der Errichtung der Repubblica sociale italiana in Norditalien folgte auch dort ab September 1943 der Wiederaufbau des MCP unter der Leitung von Ferdinando Mezzasomma. Neben dem Hauptsitz in Salk am Comer See, wo die Presse- und Radioabteilungen angesiedelt waren, wurden andere Direzioni nach Venedig verlagert.43 Innerhalb des wiedererrichteten MCP wurde mit dem Nucleo Propaganda im 35 Ebd., S. 44. 36 Zitiert nach ebd., S. 45: »[A] determinare politicamente e psicologicamente le premesse dell’impresa etiopica; a creare il consenso.«; Bricchetto, La fotografia dentro il giornale, S. 307f. 37 Ottaviani, Le veline del Minculpop, S. 7f. 38 Ferrara, Ministero della cultura popolare, S. 35f. 39 Maida, La Direzione generale della stampa italiana, S. 30f. 40 Cannistraro, Burocrazia e politica culturale nello stato fascista, S. 187. 41 Ferrara, Ministero della cultura popolare, S. 36f. 42 Garzarelli, Fascismo e propaganda all’estero, S. 477. 43 Cannistraro, La fabbrica del consenso, S. 323ff.
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November 1943 erstmals eine Abteilung geschaffen, in der man nun auch intern grafische Propaganda, hauptsächlich Plakate, produzierte.44 Nichtsdestotrotz wurden weiterhin Aufträge an externe, nunmehr auf dem Gebiet der RSI angesiedelte Werbeagenturen, hauptsächlich an Edizioni Grafiche N. Moneta in Mailand, vergeben. Einen großen Teil der faschistischen Propagandaplakate während der RSI realisierten auch auf dem besetzten italienischen Territorium aktive Propagandaabteilungen der deutschen Wehrmacht, wie die »Propagandakompanie«, die »Propagandastaffel West« oder die »Propagandaabteilung Italien«.45 Insgesamt waren jedoch verfügbares Personal und finanzielle Mittel beschränkt, sodass die Aktivitäten des Ministeriums und der externen Werbeagenturen bis zum Ende des Krieges lediglich auf sehr reduziertem Niveau und unter deutscher Aufsicht funktionierten.46 Nicht nur Propagandagrafik und -fotografie im engeren Sinne, auch bildende Kunst sollte im faschistischen Staat eine propagandistische Funktion erfüllen. Wie in anderen Bereichen zeichnete sich unter dem Faschismus auch im Kulturbereich eine erhöhte staatliche Intervention ab. Die ministerielle Zuständigkeit für die staatliche Kulturpolitik, von der sich das Regime versprach, sich des rüpelhaften und von Gewalt geprägten Images der frühen Jahre der faschistischen Herrschaft zu entledigen, lag ab 1937 ebenso beim Ministero della Cultura Popolare.47 Das MCP absorbierte Kompetenzen, die vorher bei Abteilungen anderer Ministerien, wie der Direzione delle Antichit/ e delle Belle Arti innerhalb des Erziehungsministeriums (Ministero dell’Educazione Nazionale), gelegen hatten.48 Zusammen mit anderen schon Mitte der 1920er Jahre gegründeten Instituten, wie dem Istituto Nazionale Fascista di Cultura oder der Reale Accademia d’Italia, sollte es die Voraussetzungen dafür schaffen, eine »neue faschistische Kunst«, wie sie Mussolini forderte, zu begründen.49 Denn, wie er bei einer Rede an der Accademia di Belle Arti in Perugia im Oktober 1926 festhielt, »ohne Kunst gibt es keine Zivilisation«.50
44 Roberto Guerri, Manifesti italiani nella seconda guerra mondiale, Mailand 1982, S. 18f. 45 Matteo Fochessati/Gianni Franzone, Fascismo ultimo atto. L’immagine della Repubblica sociale italiana, Genua 2014, S. 21. 46 Cannistraro, Burocrazia e politica culturale nello stato fascista, S. 192f.; Cannistraro, La fabbrica del consenso, S. 325f. 47 Turi, Faschismus und Kultur, S. 99; Marla Stone, The State as Patron. Making Official Culture in Fascist Italy, in: Matthew Affron/Mark Antliff (Hg.), Fascist visions. Art and ideology in France and Italy, Princeton 1997, S. 205–238, hier S. 213f. 48 Stone, The patron state, S. 31. 49 Benito Mussolini, Opera omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 22, Florenz 1957, S. 230: »[B]isogna creare l’arte nuova dei nostri tempi, l’arte fascista.« (Rede Mussolinis an der Accademia di Belle Arti in Perugia am 05. 10. 1926); Bonsaver, Culture and Intellectuals, S. 112. 50 Mussolini, Opera omnia, Bd. 22, S. 230: »Senza l’arte non c’H civilt/«.
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Wie auf »alle anderen Produzenten«51 dehnte das faschistische Regime die korporative Organisation der Wirtschaft auch auf Künstler aus. Bis 1930 wurden unter der Schirmgewerkschaft Sindicato Fascista Nazionale Fascista delle Belle Arti 21 regional organisierte Gewerkschaften für die einzelnen künstlerischen Berufe, wie für Architekten, Schriftsteller und Musiker, gegründet. Obgleich der Beitritt zu den Syndikaten nie verpflichtend war, erreichten die Mitgliederzahlen bereits 1933 1.865 und stiegen bis 1939 auf 4.526 Mitglieder an. Dass die Mitgliedschaft in den Künstlersyndikaten Voraussetzung für die Teilnahme an in großem Stil vom Regime lancierten staatlichen Ausstellungen und Wettbewerben war, mag ein wesentlicher Anreiz für Künstler gewesen sein, ihnen beizutreten. Denn gerade in der erhöhten staatlichen Förderung des Kulturbetriebs und der Künste bestand eines der wichtigsten kulturpolitischen Instrumente des faschistischen Regimes.52 Über eine Reihe von Ausschreibungen wurden vor allem in den 1930er Jahren zahlreiche Regierungsgebäude und öffentliche Einrichtungen mit Wandgemälden und anderen Kunstwerken ausgestattet.53 Zusätzlich schrieb das Regime Preisgelder aus. So vergaben das Korporations- und das Erziehungsministerium 1930 beispielsweise jeweils mit 50.000 Lire dotierte Auszeichnungen an Kulturschaffende.54 Ebenso reformierte der Faschismus das Ausstellungswesen. Von der Provinzbis zur nationalen Ebene wurden neue Ausstellungsformate, wie die Quadriennale di Roma, geschaffen. Daneben griff das faschistische Regime auch auf bereits bestehende Institutionen, wie die seit 1895 existierende Biennale di Venezia zu, die zwischen 1928 und 1931 aus kommunaler und privater Verwaltung in staatliche Hand überging und dem faschistischen Regime fortan als internationale Bühne diente.55 Neben traditionell angesehenen Schauen wie der Biennale veranstaltete das Regime auch Ausstellungen mit eindeutiger propagandistischen Zielen, wie die Mostra della Rivoluzione fascista 1932 in Rom, die anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Regimes ausgerichtet wurde. Statt einzelner Kunstwerke wurden dort vielmehr die Vorgeschichte der »faschistischen Revolution« vor 1922 und die vorgeblichen Errungenschaften des Faschismus in den zehn Folgejahren unter Einsatz einer innovativen Ausstellungstechnik präsentiert.56 Für die Kulturpolitik des faschistischen Regimes waren, abgesehen davon, 51 O. A., Resultanze dell’inchiesta sull’arte fascista, in: Critica fascista V (1927) H. 4, S. 61–64, hier S. 63. 52 Stone, The patron state, S. 25, 27–28. 53 Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, S. 234. 54 Stone, The State as Patron, S. 218. 55 Stone, The patron state, S. 30, 36. 56 Jeffrey T. Schnapp, Mostre, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 78–87, hier S. 83.
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dass es über die staatlichen Gewerkschaften Kontrolle auf Künstler und Intellektuelle ausübte, weniger Einschüchterungsmaßnahmen als vielmehr materielle Anreize und staatliche Patronage charakteristisch.57 Die Mittel für das insgesamt deutlich erhöhte Finanzaufkommen im Kulturbereich stammten aus den Haushalten des Ministero della Cultura Popolare und des Innenministeriums. Mit Beträgen von 1.541.517 Lire 1933/34 und 162.831.966 Lire 1941/42, die an Individuen und private Institutionen vergeben wurden, erreichten die staatlichen Ausgaben für Kultur bisher ungekannte Ausmaße.58 Inhaltliche und stilistische Vorgaben seitens des Regimes waren an die finanzielle Förderung der Künste kaum gekoppelt. Zwar kreisten die Auftragswerke ab den 1930er Jahren zunehmend um Themen wie den Rom-Mythos, die Verherrlichung des Landlebens, des Arbeiters, Mussolinis und des »neuen Menschen«.59 Worin genau eine »arte nuova fascista«, wie sie Mussolini forderte, bestehen sollte, blieb jedoch offen. Auch eine zwischen Oktober 1926 und Februar 1927 durchgeführte Umfrage in der Zeitschrift »Critica fascista« unter dem Titel »Meinungen über die faschistische Kunst« (»Opinioni sull’arte fascista«) brachte keine Klarheit.60 Daraus folgte, dass eine Bandbreite von künstlerischen Bewegungen, vom avantgardistischen Futurismus, über Retour / l’ordre-Gruppierungen wie Novecento, bis hin zu den in traditionelleren Stilen arbeitenden Mitgliedern von Strapaese, staatliche Förderung erhielten.61 Eine einzige dieser Gruppierungen zur alleinigen Staatskunst zu erklären, widerstrebte Mussolini. So hatte er bereits bei einer Ausstellungseröffnung 1923 verlauten lassen: Es liegt mir fern, etwas zu ermutigen, was einer Staatskunst gleichkommt. […] Der Staat hat eine einzige Pflicht: sie [die Kunst] nicht zu sabotieren, den Künstlern menschliche Bedingungen zu geben und sie in künstlerischer und nationaler Hinsicht zu ermutigen.62
Trotz des fortwährenden stilistischen und inhaltlichen Pluralismus der Kunstwerke, wie sie beispielsweise auf den periodischen Ausstellungen des faschistischen Regimes vertreten waren, lassen sich doch Phasen ausmachen, in denen 57 Ruth Ben-Ghiat, Fascist modernities. Italy, 1922–1945, Berkeley 2001, S. 24. 58 Bonsaver, Culture and Intellectuals, S. 120. 59 Jens Petersen, Kontinuität und Verdrängung. Kunst des italienischen Faschismus nach 1945, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 444–449, hier S. 445. 60 O. A., Resultanze dell’inchiesta sull’arte fascista, S. 63. 61 Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, S. 231. 62 Zitiert nach Cioli, Il fascismo e la sua arte, S. 44: »[ð] lungi da me l’idea di incoraggiare qualcosa che possa assomigliare all’arte di Stato. […] Lo Stato ha un solo dovere: quello di non sabotarla, di dar condizioni umane agli artisti, di incoraggiarli dal punto di vista artistico e nazionale.«
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es verstärkt mit der einen oder anderen Künstlergruppierungen zusammenarbeitete. Während die Beziehungen zwischen Vertretern des Futurismus und des entstehenden Faschismus vor allem vor 1922 und während der 1920er Jahre, auch in ideologischer Hinsicht, eng waren, nahm dessen Bedeutung spätestens ab Anfang der 1930er Jahre ab. Mitglieder des sogenannten »zweiten Futurismus« wurden sehr viel seltener mit öffentlichen Aufträgen bedacht und spielten beispielsweise bei der Ausstattung der Mostra della Rivoluzione Fascista 1932 nur eine untergeordnete Rolle.63 Nichtsdestotrotz zeichnete sich das faschistische Regime insgesamt durch sein Verhältnis zur künstlerischen Avantgarde aus, indem es als eine der ersten Nationalregierungen weltweit aktiv modernistische Kunstformen förderte.64 Dies schien vor allem in der Anfangsphase seinem Selbstbild als revolutionär entsprochen zu haben und erfüllte überdies die Funktion, den Faschismus modern erscheinen zu lassen.65 Eine zweite künstlerische Bewegung, die in den 1920er Jahren auf zahlreichen vom Regime veranstalteten Ausstellungen vertreten war, war die von der Kunstmäzenin und -kritikerin Margherita Sarfatti 1922 ins Leben gerufene Gruppe Novecento, die ihrem Namen nach den Anspruch hatte, die italienische Kunst des 20. Jahrhunderts zu repräsentieren.66 Dennoch verweigerte das faschistische Regime auch ihr die Anerkennung als alleinige Staatskunst.67 Im Laufe der 1930er Jahre erhielten traditionellere Stilrichtungen Auftrieb, was zum Teil aus der auch kulturpolitischen Annäherung an NS-Deutschland resultierte. Während im Feld der Malerei Gruppierungen wie Strapaese in Erscheinung traten, die in ihren Werken im Sinne der »ruralistischen« Propaganda des Regimes das Landleben verherrlichten, wurde die staatlich geförderte Architektur zu dieser Zeit von Rationalismus und monumentalem Neoklassizismus bestimmt.68 Insgesamt verfolgte das faschistische Regime über das ventennio, gerade im Vergleich mit der NS-Diktatur, eine sehr viel liberalere Kulturpolitik. Bis zuletzt wurde im faschistischen Italien weder einem Stil eindeutig Vorrang gegeben noch wurden andere verfolgt oder zensiert.69 Somit beschränkte sich der Zugriff des faschistischen Regimes auf die Künste größtenteils darauf, Künstler finanziell zu fördern und ihnen institutionelle Rahmenbedingungen, wie Ausstellungs- und Absatzmöglichkeiten für ihre Werke, zu bieten. 63 Matteo Fochessati, Die zwiespältigen Beziehungen zwischen Faschismus und Futurismus, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 64–77, hier S. 70. 64 Stone, Staging Fascism, S. 228. 65 Bonsaver, Culture and Intellectuals, S. 112. 66 Cioli, Il fascismo e la sua arte, S. XXII. 67 Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, S. 237. 68 Ebd., S. 243. 69 Ebd., S. 235.
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Während im faschistischen Italien die für Propaganda und Kulturpolitik zuständige staatliche Stelle über fünfzehn Jahre stetig erweitert und umgeformt wurde, konnte das peronistische Regime 1946 auf eine bereits bestehende Regierungsabteilung zurückgreifen. Ein »Unterstaatssekretariat für Informationen und Presse« (Subsecretar&a de Informaciones y Prensa, SI) war in Argentinien schon 1943 unter der autoritären Regierung von General Pedro Ram&rez gegründet worden. Laut seinem Gründungsdekret sollte es dazu dienen, die »offizielle Information zu zentralisieren, koordinieren und die Propaganda der Regierung zu organisieren«.70 Im Gegensatz zum in der Forschung71 häufig als Modell angeführten italienischen Sottosegretariato per la Stampa e la Propaganda trug das argentinische Unterstaatssekretariat Propaganda nicht im Namen. Nach Kriegsende war die argentinische Propagandaabteilung im Oktober 1945 kurzzeitig per Dekret aufgelöst worden. Eine solche, so lautete die Begründung im Dekretstext, sei im Rahmen der demokratischen Öffnung und im Vorfeld der für Februar 1946 angesetzten Wahlen überflüssig. Denn die »wahre Propaganda demokratischer Regierungen«, so hieß es weiter, resultiere allein aus dem »Niederschlag ihrer Handlungen auf die öffentliche und freie Meinung«.72 Kurz vor Perjns Regierungsantritt im Juni 1946 wertete die Regierung die letztendlich erhaltene Propagandaabteilung jedoch sogar insofern auf, als sie sie vom Innenministerium direkt dem Ressort des Präsidenten unterstellte.73 Der Fortbestand der SI wurde 1949 in einem internen Bericht unter anderem mit der Existenz von ähnlichen staatlichen Strukturen in den alliierten Ländern während der beiden Weltkriege gerechtfertigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, hieß es weiter, hätten auch die besagten Propagandaabteilungen in den USA, Frankreich und England bisweilen lediglich ihren Namen geändert.74 70 Zitiert nach Gen8, Un mundo feliz, S. 31. 71 Vgl. z. B. Pablo Sirv8n, Perjn y los medios de comunicacijn. La conflictiva relacijn de los gobiernos justicialistas con la prensa, 1943–2011, Buenos Aires 2011, S. 55; Silvia D. Mercado, Raffll Apold, el inventor de la liturgia peronista. Ascenso y ca&da del Secretario de Informaciones y Prensa, in: Todo es historia (2014) H. 558, S. 6–34, hier S. 14. 72 Zitiert nach Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 330. 73 Ebd. 74 AGN, Archivo Intermedio, Fondo Fiscal&a Nacional de Recuperacijn Patrimonial 21, Subsecretar&a de Prensa y Difusijn (1955–58), Caja 42, Cuerpo IX, Expediente 102975: Internes Schreiben von der Divisijn de Asuntos Especiales an den Director General de Difusijn vom 12. 05. 1949: »Die alliierten Regierungen bauten während des ersten und des letzten Krieges – insbesondere während des letzten – riesige Propagandaorganisationen auf, mit einer Hierarchie von Ministerien, die heute nicht mehr als solche erscheinen, aber weiterhin funktionieren – mit fast dem gesamten Personal – unter dem Namen Informationsbüro des State Department der USA, Informationsbüro von Paris, Informationsabteilung in London[…].« (»Los gobiernos aliados, durante la primera y fflltima guerra, – particularmente, durante la fflltima – , montaron vastas organizaciones de propaganda, con jerarqu&a de Ministerios, que hoy ya no figuran como tales, pero que siguen funcionando – con casi todo el personal – con
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Die organisatorische Struktur der SI mit fünf Abteilungen, wie sie auch schon vor 1946 bestanden hatte, blieb unter Perjn erhalten. So gab es jeweils eine Direccijn general für Presse, Radio, Film und Propaganda. Der fünften oblag die Koordination der anderen Bereiche.75 Das »Unterstaatssekretariat für Informationen und Presse« übernahm unter Perjn fortan eine Hauptrolle in der Koordination der Produktion und Verbreitung der staatlichen Propaganda und fungierte als Bindeglied zwischen den verschiedenen Regierungsabteilungen.76 Wie das italienische Ufficio Stampa expandierte auch die argentinische Subsecretar&a de Informaciones und im Hinblick auf die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel kam sie mit der Zeit nahezu einem Ministerium gleich.77 Um die steigenden Anforderungen zu bewältigen, wuchs die Zahl der Angestellten der Subsecretar&a auf rund 1.100 Personen an. Während es in der Leitung der SI bis 1949 eine Rotation an Funktionären gab, trat dann Raffll Apold, der zuvor Pressechef bei dem Filmstudio Argentina Sono Film gewesen war, an die Spitze des Unterstaatssekretariats. Der gewachsenen Wichtigkeit der SI wurde 1954 durch seine Erhebung zum Staatssekretariat Rechnung getragen – ein Schritt, der Apold zum »Staatssekretär für Informationen und Presse« machte.78 Was die Kontrolle der Presse anbelangte, war die Zensur, die die argentinische Direccijn de Prensa innerhalb der Subsecretar&a ausübte, im Gegensatz zur Präventivzensur und den »Presseanordnungen« des italienischen Ufficio Stampa und seiner Nachfolgeabteilungen, eher indirekter Natur. Oppositionelle Zeitungen wurden schlicht bei der staatlichen Verteilung des knappen Rohstoffs Papier kaum bedacht. Dies führte dazu, dass regimekritische Zeitungen, wie »La Nacijn« oder »La Prensa«, statt mit ursprünglich 30 Seiten nunmehr mit sechs auskommen mussten. Ab Anfang der 1950er Jahre ging das peronistische Regime jedoch auch zu aggressiveren Schritten, wie der Schließung einzelner Blätter, über. So beschlossen beide Kammern des Parlaments 1950, die Zeitung »La Prensa« zu enteignen, die daraufhin der gewerkschaftlichen Presse der regierungsnahen CGT untergeordnet wurde.79 Anders als im italienischen Fall, wo die Produktion grafischer, fotografischer und filmischer Propaganda an externe Institute, wie das Istituto LUCE80 und Werbeagenturen ausgelagert war, fand diese im peronistischen Argentinien in
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el nombre de Oficina de Informaciones del Departamento de Estado de los EE.UU., Bureau de Informaciones de Paris, Departamento de Informaciones de Londres […].«) Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 329f. Gen8, Un mundo feliz, S. 29. Ebd., S. 33. Mercado, Raffll Apold, el inventor de la liturgia peronista, S. 29. Sirv8n, Perjn y los medios de comunicacijn, S. 55, 146–147; Mercado, Raffll Apold, el inventor de la liturgia peronista, S. 21. Das Istituto LUCE kam erst durch ein Gesetz im September 1936 in direkte Abhängigkeit vom MCP (vgl. Cannistraro, Burocrazia e politica culturale nello stato fascista, S. 181).
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den einzelnen Abteilungen der SI statt. Neben der Zentralisierung der Herstellung von visuellem Propagandamaterial strebte die peronistische Führung dadurch eine größere parteiliche und ideologische Linientreue der festangestellten Fotografen und Grafiker an. Die pro-peronistischen politischen Überzeugungen der Angestellten sollten sich nach Möglichkeit auch in ihren Werken niederschlagen.81 Unter den verschiedenen Abteilungen der SI bestand die Aufgabe der Direccijn de Espect#culos pfflblicos darin, die filmische Produktion anzuregen sowie die Kontrolle über Filme und Nachrichten auszubauen. Dabei konnte das peronistische Regime auf zwei schon vor 1946 bestehende Wochenschauen, »Sucesos Argentinos« und »Noticiero Panamericano«, zurückgreifen. Zwischen 1947 und 1952 rief es vier weitere Formate, die die vermeintlichen Erfolge der Regierung anpriesen, ins Leben.82 Eine eigene Fotoabteilung (Divisijn Fotogr#fica) beschäftigte ein festes Team von rund 25 Fotografen, die ein Monopol auf die fotografische Dokumentation offizieller Anlässe erhielten. Auch war jeweils ein Fotograf dauerhaft bei Perjn und der Präsidentengattin abgestellt. In den sieben Jahren peronistischer Regierung entstanden so schätzungsweise 300.000 Negative.83 Zur Herstellung der grafischen Propaganda rückte man unter Perjn vom System offener Wettbewerbe ab, wie sie in den 1930er Jahren für staatliche Organismen und politische Parteien üblich gewesen waren und auch noch in den ersten Jahren der Subsecretar&a zwischen 1943 und 1945 veranstaltet wurden.84 Im Unterschied zum faschistischen Italien, wo die staatliche Propagandaabteilung größtenteils mit externen Werbeagenturen zusammenarbeitete, schuf man unter Perjn innerhalb der Direccijn de Propaganda stattdessen ein festes Team von Zeichnern. Aufgrund der im Vergleich zu den Jahren vor 1946 deutlich erhöhten Nachfrage nach Propagandamaterial griff die Direccijn de Propaganda dennoch bisweilen zusätzlich auf die Dienste von freiberuflichen Grafikern zurück.85 Auch schrieb die Subsecretar&a zu vereinzeilten Anlässen, beispielsweise zur Bewerbung des zweiten Fünfjahres-Plans, weiterhin öffentliche Pla81 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 334f. 82 Gen8, Un mundo feliz, S. 42. 83 Luis Priamo, Fotograf&a y Estado en 1951. Achivo de la Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn en el Archivo eneral de la Nacijn, in: Ministerio del Interior, Archivo General de la Nacion/Sociedad Iberoamericana de Historia de la Fotograf&a (Hg.), 78 Congreso de Historia de la Fotograf&a 1839–1960. Las im#genes y la memoria colectiva: el rol de los archivos fotogr#ficos, 23 y 24 de noviembre de 2001, Buenos Aires 2003, S. 173–176, hier S. 173ff. 84 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 332f. 85 Gen8, Un mundo feliz, S. 30, 37–38. Ähnlich wie im italienischen Fall erfolgten die Absprachen zwischen den staatlichen Auftraggebern und den Grafikern offenbar mündlich. Jedenfalls ist in den Beständen des AGN leider keine weitere Dokumentation hierzu erhalten.
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katwettbewerbe aus.86 Das grafische Propagandamaterial wurde sodann in zwei hauseigenen Druckereien der Subsecretar&a und drei weiteren privaten gedruckt.87 Neben der SI gaben auch andere staatliche Stellen, wie das Erziehungsund das Gesundheitsministerium oder die nominell private Stiftung von Perjns Frau (Fundacijn Eva Perjn, FEP), Bildpropaganda heraus.88 Während zu den Mengen an produziertem und verbreitetem Propagandamaterial im faschistischen Italien keine verlässlichen Daten existieren, veröffentlichte die argentinische Militärregierung 1958, drei Jahre nach Perjns Sturz, folgende Statistiken: In den Jahren von Anfang 1949 bis Anfang 1951 seien von der SI 3.5 Millionen Plakate, 14 Millionen Broschüren, sieben Millionen Postkarten und 5.5 Millionen Flugblätter verbreitet worden. Von Anfang 1954 bis zum Sturz Perjns im September 1955 seien weitere zwei Millionen Plakate, 5.8 Millionen Broschüren, sechs Millionen Postkarten, 4.6 Millionen Flugblätter und zwei Millionen Briefmarken hinzugekommen.89 Aufgrund der antiperonistischen Haltung der argentinischen Regierung nach 1955, die diese Zahlen im sogenannten »Schwarzen Buch der zweiten Tyrannei« (»Libro negro de la segunda tiran&a«, 1958) aufführte, um den undemokratischen Charakter von Perjns Regime zu belegen, ist deren Wahrheitsgehalt allerdings keineswegs verbürgt. Wie der italienische Faschismus intervenierte auch das peronistische Regime verstärkt im Kulturbereich, dem es ebenso eine erzieherische und propagandistische Funktion zudachte.90 Im Gegensatz zum faschistischen Ministero della Cultura Popolare wurden die ministeriellen Zuständigkeiten für Propaganda und Kultur im peronistischen Argentinien jedoch nicht zusammengelegt. Stattdessen richtete das peronistische Regime 1948 ein »Unterstaatssekretariat für Kultur« (Subsecretar&a de Cultura) innerhalb des Justiz- und Unterrichtsministeriums (Ministerio de Justicia e Instruccijn Pfflblica) ein, das im Folgejahr zu einer Direccijn de Cultura im nun separaten Erziehungsministerium umgeformt wurde.91 In der Konzeption der peronistischen Kulturpolitik klangen 86 AGN, Archivo Intermedio, Fondo Fiscal&a Nacional de Recuperacijn Patrimonial 21, Subsecretar&a de Prensa y Difusijn (1955–58), Caja 20, Expediente 103597. 87 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 335. 88 Pablo Colotta/H8ctor Rub8n Cucuzza/Miguel Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo. Evita tambi8n fue palabra generadora, in: H8ctor Rub8n Cucuzza/Roberta Paula Spregelburd (Hg.), Historia de la lectura en la Argentina. Del catecismo colonial a las netbooks estatales, Buenos Aires 2012, S. 329–370, hier S. 343; Karina In8s Ramacciotti, Las huellas eug8nicas en la pol&tica sanitaria argentina (1946–1955), in: Marisa Miranda/Gustavo Vallejo (Hg.), Darwinismo social y eugenesia en el mundo latino, Buenos Aires 2005, S. 311–347, hier S. 338. 89 Repfflblica Argentina, Libro negro de la segunda tiran&a, S. 104. 90 Flavia Fiorucci, Intelectuales y peronismo. 1945–1955, Buenos Aires 2011, S. 18. 91 Ebd., S. 29ff.
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ähnliche Forderungen an, wie sie bei Diskussionen um eine »Volkskultur« (cultura popolare) im faschistischen Italien laut geworden waren.92 Denn ein erklärtes Ziel der peronistischen Kulturpolitik bestand darin, vom bisherigen vermeintlich elitären Zuschnitt kultureller Angebote abzurücken und sie stattdessen weitestgehend kostenfrei breiteren Schichten der argentinischen Bevölkerung zugänglich zu machen. In diesem Sinne erklärte der zweite FünfjahresPlan 1951, »Kultur ist ein Allgemeingut«.93 Um »das kulturelle Niveau der Bevölkerung anzuheben« und auch in geografischer Hinsicht »die Kultur in alle Winkel des Landes«94 zu bringen, förderte die Regierung beispielsweise Wanderausstellungen oder richtete sogenannte »Kulturzüge« (trenes culturales) als fahrende Kulturzentren ein.95 Nicht allein der Konsum von Kultur sollte für die unteren Schichten erleichtert werden, auch an sie gerichtete künstlerische Ausbildungsangebote erhielten nun staatliche Förderung.96 Inhaltlich knüpfte die peronistische Kulturpolitik an einen schon von der Militärregierung von 1943 bis 1946 verfolgten kulturellen Nationalismus an, deren Maßnahmen die Förderung einer »authentischen« argentinischen Kultur zum Ziel hatten und beispielsweise verfügten, dass 50 Prozent der im Radio gespielten Musik argentinisch sein musste.97 Ähnlich wie Mussolini eine »faschistische Kunst« für Italien gefordert hatte, wies auch das peronistische Regime den bildenden Künsten vage eine Rolle bei der Erschaffung eines »Neuen Argentiniens« zu, eindeutige Vorgaben folgten jedoch ebenso wenig.98 Im Gegensatz zur Grafik, von der der Peronismus im großen Stil propagandistisch Gebrauch machte, ließ das Regime eine konsistente Politik gegenüber den Künsten vermissen.99 Auch wenn sich Perjn am faschistischen Korporativismus orientierte und die gewerkschaftliche Organisation sämtlicher Arbeiter förderte, kam es unter ihm anders als im faschistischen Italien nicht zur Eingliederung bildender Künstler in Syndikate, über die staatliche Kontrolle hätte ausgeübt werden können. Vereinigungen, wie sie das peronistische Regime für Intellektuelle und Schriftsteller schuf (z. B. die Junta
92 Exemplarisch dafür war die Bezeichnung des 1937 von den Faschisten ins Leben gerufenen Ministeriums, des Ministero della Cultura Popolare. 93 Ciria, Politica y cultura popular, S. 214. 94 Zitiert nach Fiorucci, Intelectuales y peronismo, S. 32. 95 Andrea Giunta, Las batallas de la vanguardia entre el peronismo y el desarrollismo, S. 61; Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina. Justa, libre y soberana, Buenos Aires 1950, S. 309. 96 Giunta, Las batallas de la vanguardia entre el peronismo y el desarrollismo, S. 61. 97 Goebel, Argentina’s partisan past, S. 71. 98 Vgl. Municipalidad de Cjrdoba, El arte glorifica a Eva Perjn, Cjrdoba 1953. 99 Gen8, Un mundo feliz, S. 19; Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 34.
Ministerien, Staatssekretariate und die Produktion der Bildpropaganda
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Nacional de Intelectuales oder die Asociacijn de Escritores Argentinos, ADEA), existierten für bildende Künstler nicht.100 In sehr viel kleinerem Maßstab als es im faschistischen Italien der Fall gewesen war, griff das peronistische Regime im Bereich der bildenden Künste auf bereits bestehende Ausstellungsformate, wie die sogenannten Nationalsalons (Salones Nacionales) zu. Hierbei handelte es sich um jährliche von der Regierung organisierte Ausstellungen. Zwar wurden die teilnehmenden Künstler im unter Perjn veränderten Reglement der salones dazu aufgerufen, »den […] Charakteristika des nationalen Lebens in ihren verschiedenen Manifestationen plastische Form« zu geben.101 Darüber hinaus gab es von offizieller Seite jedoch keine weiteren inhaltlichen oder stilistischen Vorgaben. Im ersten saljn während Perjns Regierungszeit wurden daher Kunstwerke einer großen stilistischen Bandbreite ausgestellt. Mit den jüngsten politischen Veränderungen unter Perjn setzte sich inhaltlich tatsächlich nur ein Werk auseinander, Adolfo Monteros Gemälde »Los descamisados«.102 In weitaus geringerer Größenordnung als unter Mussolini stellten an Künstler vergebene Preise auch im peronistischen Argentinien ein weiteres kulturpolitisches Instrument dar. Die wichtigste Auszeichnung war der 1946 geschaffene »Premio Presidente de la Nacijn Argentina«. Ferner veranstalteten einzelne Ministerien Wettbewerbe mit bestimmten Themenvorgaben, um ihre Räumlichkeiten mit Kunstwerken auszustatten.103 So wie der italienische Faschismus letztlich keine offizielle Staatskunst sanktioniert hatte, schrieb auch der Peronismus den bildenden Künsten keine normative Ästhetik vor.104 Einzelne Mitglieder der Regierung, wie der Erziehungsminister Oscar Ivanissevich, der auch der Direccijn de Cultura vorstand, waren erklärte Feinde abstrakter Kunst. Dies tat er auch in öffentlichen Reden kund, etwa bei der Eröffnung der Salones Nacionales, was die antiperonistischen Zeitung »La Nacijn« prompt dazu veranlasste, die peronistische Kunstpolitik mit derjenigen der Nationalsozialisten zu vergleichen.105 Trotz der exponierten Stellung Ivanissevichs entsprach seine Meinung über moderne und abstrakte Kunst jedoch keinesfalls der offiziellen Haltung der peronistischen Regierung. Auch wenn sich anhand der von Staatsseite prämierten Kunstwerke eine gewisse 100 Fiorucci, Intelectuales y peronismo, S. 36, 104. 101 Zitiert nach Daniela Lucena, El peronismo y las artes visuales, URL: http://www.perio.unlp. edu.ar/ojs/index.php/question/article/viewFile/719/622, letzter Zugriff: 19. 03. 2015: »[C]oncretar en formas pl#sticas […] las modalidades caracter&sticas de la vida nacional en sus diversas manifestaciones«. 102 Andrea Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica. Arte argentino en los aÇos sesenta, Buenos Aires 2001, S. 64. 103 Lucena, El peronismo y las artes visuales. 104 Giunta, Las batallas de la vanguardia entre el peronismo y el desarrollismo, S. 59f. 105 Lucena, El peronismo y las artes visuales; Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica, S. 66f.
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Kulturpolitische Institutionen und Reformen
Präferenz von traditionellen bis hin zu folkloristischen Stilen ablesen ließ, wurde avantgardistische Kunst keinesfalls aus offiziellen Ausstellungen verbannt.106 So waren bereits bei den ersten Salones Nacionales unter Perjn auch Künstler mit abstrakten Werken vertreten gewesen.107 Ebenso wurde Mitgliedern der avantgardistischen Künstlergruppierungen Mad& und Arte Concreto-Invencijn auf der 1952 von der Direccijn de Cultura organisierten Ausstellung »Die argentinische Malerei und Skulptur des 20. Jahrhunderts« (»La pintura y la esculura argentinas de este siglo«), ein prominenter Platz eingeräumt.108 In der Regierungspropaganda, die die Schau als »die kulturelle Veranstaltung des zweiten Fünfjahres-Planes« präsentierte, wurde die dort gezeigte stilistische und thematische Bandbreite nicht als Defizit, sondern gerade als Stärke des neuen »hombre argentino« herausgestellt, der in der Lage sei, nicht nur in einem, sondern in verschiedensten Stilen künstlerisch zu schaffen.109 Zwar nutzte das peronistische Regime bei Anlässen, wie der Biennale in S¼o Paulo 1953, die Teilnahme abstrakt arbeitender Künstler, wie der Mitglieder der Gruppe Arte Concreto-Invencijn, zur Aufbesserung seines Images auf internationaler Ebene.110 Eine solch sichtbare und systematische Förderung der Avantgarde, wie sie das faschistische Regime vor allem in den 1920er Jahren betrieben hatte, lässt sich in Argentinien unter Perjn jedoch nicht feststellen. Der Einsatz der bildenden Künste zu Propagandazwecken blieb im peronistischen Argentinien letztlich auf einige vereinzelte Anlässe beschränkt und nahm keinesfalls die Ausmaße an, die er im faschistischen Italien gehabt hatte.
3.2
Künstler und Grafiker im Dienst der Regime
Insgesamt genoss das faschistische Regime bis weit in die 1930er Jahre hinein unter Intellektuellen aus den Bereichen Literatur, Philosophie und bildender Kunst großen Zuspruch.111 Ein Beispiel war der Philosoph Giovanni Gentile, der erster Erziehungsminister des faschistischen Regimes wurde. 1925 initiierte er ein »Manifest der faschistischen Intellektuellen«, das unter anderen der Rechtsphilosoph Alfredo Rocco, der Historiker Giacchino Volpe und der Begründer des Futurismus Filippo Tommaso Marinetti unterzeichneten. Auf die 106 Daniela Lucena/Ana Longoni, Contaminacijn art&stica. Vanguardia concreta, comunismo y peronismo en los aÇos 40, Buenos Aires 2015, S. 159. 107 Lucena, El peronismo y las artes visuales. 108 Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica, S. 75. 109 Lucena/Longoni, Contaminacijn art&stica, S. 178; Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica, S. 75. 110 Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica, S. 75f. 111 Benzi, Arte in Italia tra le due guerra, S. 233f.
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Veröffentlichung des Manifests reagierte der antifaschistische Philosoph Benedetto Croce mit einem Gegenmanifest, zu dem sich der Ökonom Luigi Einaudi, der liberale Journalist und Politiker Giovanni Amendola und der Dichter Eugenio Montale bekannten. Als Zeichen ihrer Opposition gegenüber dem faschistischen Regime, entschied sich allerdings nur eine sehr kleine Anzahl von Gelehrten und Kulturschaffenden dafür, ins Exil zu gehen. Die allgemein breite Akzeptanz des Regimes wurde weiterhin anhand eines Treueschwurs, den das Regime im Jahr 1931 Hochschullehrern abverlangte, deutlich. Weniger als zwanzig von über tausend Akademikern weigerten sich, sich zum Faschismus zu bekennen.112 Auch die Mehrheit der bildenden Künstler, die von den staatlichen Ausschreibungen, Preisen und sonstigen finanziellen Förderungen profitierte, verschrieb sich dem kulturellen Projekt des Faschismus. Wohl auch bedingt durch die ihnen von Regierungsseite zugestandene künstlerische Ausdrucksfreiheit, gab es aus ihren Reihen bis Ende der 1930er Jahre kaum kritische Stimmen.113 Während also Mitglieder des Futurismus, des Novecento oder anderer Künstlergruppierungen die Diktatur durch ihre Werke legitimierten, bot das Regime ihnen dafür den Rahmen, diese vielfach großformatig im öffentlichen Raum auszustellen.114 Vom größtenteils freiwilligen Charakter der Zusammenarbeit mit dem Regime zeugen nicht zuletzt die zahlreiche Zuschriften von Künstlern, die beim MCP eingingen, in denen sie um finanzielle Zuwendungen, »Subventionen«, baten.115 Emblematisch für die erfolgreiche Vereinnahmung moderner Künstler durch das faschistische Regime waren Ausstellungsprojekte, wie die Mostra della Rivoluzione fascista 1932, bei der hauptsächlich Mitglieder aus den Reihen der Novecentisten, wie Achille Funi, Arnaldo Carpanetti und Mario Sironi, mitwirkten.116 Grafische Propaganda fertigten unter dem faschistischen Regime hauptsächlich männliche bildende Künstler und Werbegrafiker an, wobei die Grenzen zwischen beiden Gruppen vielfach fließend waren. Der bereits genannte Mario Sironi (1885–1961) war eines der bekanntesten Beispiele eines Malers, Bildhauers und Architekten, der sich auch als Produzent von Propagandaillustrationen für den Faschismus hervortat. Nach seinem Studium an der Accademia di Belle Arti in Rom hatte er sich 1915 futuristischen Kreisen um Giacomo Balla und Umberto Boccioni angeschlossen. 1922 zählte er außerdem zusammen mit
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Bonsaver, Culture and Intellectuals, S. 111f. Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, S. 17, 233–234. Stone, Staging Fascism, S. 227. Giovanni Sedita, Gli intellettuali di Mussolini. La cultura finanziata dal fascismo, Florenz 2010, S. 183, 185. 116 Stone, Staging Fascism, S. 227.
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Margherita Sarfatti zu den Gründungsmitgliedern von Novecento.117 Sein frühes Engagement für das faschistische Regime äußerte sich unter anderem in seiner Mitarbeit bei Mussolinis Zeitung »Il popolo d’Italia« ab 1921, die er bis 1942 mit Illustrationen ausstattete.118 Außerdem gestaltete er jährlich ein neues Titelblatt für die Monatszeitschrift »Gerarchia«, ein weiteres offizielles Propagandaorgan Mussolinis.119 Neben seiner Beteiligung an der Gestaltung der Mostra della Rivoluzione fascista 1932 führte er zahlreiche weitere öffentliche Aufträge aus.120 Auf die Forderungen Mussolinis nach einer »faschistischen Kunst« reagierte Sironi, indem er die Gattung der Wandmalerei (pittura murale) in einem Manifest theoretisierte, das auch andere Maler aus den Kreisen von Novecento, wie Carlo Carr/ und Achille Funi, unterzeichneten. Dort sprach Sironi von der »erzieherischen Funktion«, die der Kunst im faschistischen Staat zukomme. Als Mischung zwischen Architektur und Malerei und aufgrund ihres öffentlichen Charakters wies er gerade die Wandmalerei als »soziale Kunst« par excellence aus.121 Neben den bildenden Künsten stammte die zweite Großgruppe der Propagandagrafiker unter dem faschistischen Regime, wie Marcello Dudovich (1878– 1962), aus der Werbebranche. Nach seiner Ausbildung bei dem bekannten Triestiner Grafiker Leopold Metlicovitz arbeitete Dudovich eine Zeitlang als Illustrator bei der Münchner Satirezeitschrift »Simplicissimus«. In den 1910er Jahren war er des Weiteren als Gestalter von Kinoplakaten und von Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg aktiv. Zu seinen bekanntesten kommerziellen Kunden zählten Fiat sowie die Kaufhäuser Fratelli Mele in Neapel und La Rinascente in Mailand.122 Anfang der 1920er Jahren begründete er mit der Societ/ Editrice STAR und der Impresa Generale Affissioni Pubblicit/ (IGAP) zwei Werbeagenturen mit.123 Bei letzterer fungierte er bis 1936 als künstlerischer Leiter. IGAP war eine der Agenturen, bei der das faschistische Regime die Mehrheit seiner Propagandaplakate in Auftrag gab. Nach ersten Plakaten, die Dudovich für den Wahlkampf des PNF 1924 anfertigte, wurde er vor allem in den 1930er Jahren zu einem der wichtigsten Propagandagrafiker. Über die politischen Überzeugungen Dudovichs heißt es bei Roberto Curci, dass er zwar 117 Giampiero Mughini/Maurizio Scudiero (Hg.), Il manifesto pubblicitario italiano. Da Dudovich a Depero (1890–1940), Mailand 1997, S. XXXI. 118 Vgl. Fabio Benzi (Hg.), Mario Sironi e le illustrazioni per »Il popolo d’Italia«, 1921–1940, Rom 2015. 119 Emily Braun/Cioni Carpi, Illustrations of Propaganda. The Political Drawings of Mario Sironi, in: The Journal of Decorative and Propaganda Arts (1987) H. 3, S. 84–107, hier S. 86, 100. 120 Stone, Staging Fascism, S. 224. 121 Cioli, Il fascismo e la sua arte, S. XXII, 322. 122 Curci, Marcello Dudovich, S. 255ff. 123 Mughini/Scudiero, Il manifesto pubblicitario italiano, S. XXX.
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durchaus der faschistischen Ideologie angehangen habe, nicht jedoch ohne sich gelegentlich auch kritisch zu äußern und vom Regime zu distanzieren.124 Neben Plakaten für die faschistische Opera Nazionale per la Maternit/ e l’Infanzia trat er auch als Illustrator einer Reihe von vom Regime autorisierter Zeitschriften und anderer offizieller Publikationen in Erscheinung. Außerdem führte er viele weitere Regierungsaufträge nicht grafischer Art aus, wie ein Fresko im Ministero dell’Aeronautica oder die Ausstattung von Landwirtschaftsausstellungen des faschistischen Regimes in Florenz, Bologna, Neapel und Mailand.125 Teilweise stellten auch ausländische, temporär in Italien ansässige Grafiker Propaganda für das faschistische Regime her. So eröffnete beispielsweise der Schweizer Xanti Schawinsky (1904–1979), der in Zürich studiert hatte und zeitweise am Bauhaus unterrichtete, 1933 ein Werbestudio in Mailand. Außerdem arbeitete er eng mit dem dortigen Studio Boggeri zusammen, das als eines der ersten in Italien mit der Fotografie in der Werbegrafik experimentierte.126 Von einer innovativen und am Bauhaus geschulten Ästhetik waren auch Schawinskys Plakate geprägt, die er vor seinem Umzug in die USA 1936 nicht nur für italienische Firmen wie Cinzano, Illy CaffH, Motta und Olivetti, sondern auch für das faschistische Regime entwarf.127 Einen Wendepunkt im anfänglich breiten Konsens von Kulturschaffenden mit dem Faschismus sieht Fabio Benzi erst in der Verabschiedung der »Rassengesetze« 1938. Vor dem Hintergrund des ideologischen Schulterschlusses mit NS-Deutschland brachten die leggi razziali nicht wenige Künstler dazu, sich vom Regime zu distanzieren.128 Dennoch fanden sich auch nach 1938 noch zahlreiche Teilnehmer bei kulturellen Veranstaltungen des faschistischen Regimes, wie zum Beispiel den Littoriali della cultura e dell’arte. Einer jüngeren Generation von Künstlern, wie Renato Guttuso, verhalf die Prämierung bei diesen Wissenschafts- und Kunstwettbewerben für Studenten gar zu Bekanntheit nach 1945.129 Spätestens in den Kriegsjahren war die anfänglich breite Zustimmung von Künstlern zum Faschismus ebenso wie beim Rest der Bevölkerung schwerlich aufrechtzuerhalten. Während der RSI ab September 1943 konnte das faschistische Regime kaum noch namhafte Intellektuelle in seinen Reihen vorweisen. Entweder waren sie im von den Alliierten befreiten Südteil des Landes verblieben oder hatten sich vom Faschismus abgewandt. Unter den wenigen, die dem Regime die Treue hielten, fanden sich Giovanni Gentile und Filippo Tommaso Marinetti. Ersterer wurde jedoch im April 1944 von florenti124 125 126 127 128 129
Curci, Marcello Dudovich, S. 257. Ebd., S. 257f. Giorgio Fioravanti/Ottorino Baseggio, Il dizionario del grafico, Bologna 1993, S. 74. Mughini/Scudiero, Il manifesto pubblicitario italiano, S. XXXI. Benzi, Arte in Italia tra le due guerre, S. 232. Ebd., S. 248.
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nischen Partisanen umgebracht; der Begründer des Futurismus starb im Dezember desselben Jahres eines natürlichen Todes.130 Zwischen September 1943 und April 1945 zählte Gino Boccasile (1901–1952) zu den wichtigsten Propagandagrafikern. Wie Dudovich hatte auch er einen Hintergrund in der Werbegrafik. Nach seiner Ausbildung an der Scuola d’Arte e Mestieri in seiner Geburtsstadt Bari hatte Boccasile zunächst in der Mailänder Werbeagentur von Achille Mauzan gearbeitet. Seinem Chef und Lehrer, der sich zwischen 1926 und 1932 in Buenos Aires aufhielt und dort wichtige Aufträge im Kulturbereich, wie die Organisation verschiedener Ausstellungen, übernahm, war Boccasile für einige Monate nach Argentinien gefolgt.131 In Argentinien wurde Mauzan zu einem der gefragtesten Werbegrafiker und Illustratoren der Hauptstadt und realisierte Werbeplakate für verschiedene Firmen, bevor er dort eine eigene Werbeagentur namens Nuevos Affiches Mauzan gründete. Zeitweise unterstützt von Gino Boccasile, kreierte Mauzan während seines fünfjährigen Argentinienaufenthalts um die 2000 Werbeposter, die die dortige Grafikszene nachhaltig prägten.132 Nach der Rückkehr Boccasiles nach Italien eröffnete er in Mailand Anfang der 1930er Jahre die Werbeagentur Acta, bei der eine Reihe von Plakatbestellungen seitens des faschistischen Regimes einging. Erste Aufträge führte er im Rahmen der vom Faschismus vorangetriebenen Anti-TuberkuloseKampagne aus.133 Nicht nur wegen seines Engagements während der RSI, auch aufgrund seiner Unterstützung des Manifesto della Razza 1938 gilt Boccasile manchen Autoren als der »faschistischste« unter den italienischen Plakatmalern.134 Im Gegensatz zum Zuspruch, den Mussolini über weite Strecken genossen hatte, fiel der Rückhalt Perjns bei den meisten argentinischen Intellektuellen und Künstlern während seiner Regierungszeit von 1946 bis 1955 äußerst gering aus. Lediglich eine sehr begrenzte Anzahl von Kulturschaffenden im Land engagierte sich für das Regime, indem sie als Gestalter von Propaganda oder als Teilnehmer an kulturellen Veranstaltungen des Peronismus in Erscheinung trat. Auf diese unterkühlte Beziehung hatte der Kriegsausgang keinen unwesentlichen Einfluss ausgeübt. Denn während sich Kulturschaffende in Argentinien spätestens im Laufe des Zweiten Weltkriegs zu den europäischen Diktaturen positioniert und sich bei einem Großteil ein antifaschistischer Konsens gebildet 130 Cannistraro, La fabbrica del consenso, S. 329, 331. 131 Mughini/Scudiero, Il manifesto pubblicitario italiano, S. XXX. 132 Ana Bonelli Zapata, Lucien Achille Mauzan y la gr#fica porteÇa. IX. Jornadas El Arte de Dos Siglos: Balance y Futuros Desaf&os 2010, URL: https://www.academia.edu/26290467/Lu cien_Achille_Mauzan_y_las_artes_gr%C3%A1ficas_en_Buenos_Aires_1927-1932, letzter Zugriff: 08. 09. 2016. 133 Mughini/Scudiero, Il manifesto pubblicitario italiano, S. XXIX. 134 Falabrino, Effimera & bella, S. 137.
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hatte, wandelte sich dieser nach 1945 relativ nahtlos in eine antiperonistische Haltung.135 Perjn hatte zwischen Dezember 1943 und Oktober 1945 einer undemokratischen Militärregierung angehört, deren Neutralität im Zweiten Weltkrieg von der argentinischen Öffentlichkeit mehrheitlich als stillschweigendes Einverständnis mit den Achsenmächten gedeutet worden war. Da Perjn auf verschiedenen Ministerposten in dieser Zeit repressive Maßnahmen, wie Säuberungen an Universitäten und Pressezensur, mitgetragen hatte, konnte die argentinische Intelligensia nicht umhin, ihm bei seinem Wahlkampf ab Ende 1945 totalitäre oder diktatorische Bestrebungen zu unterstellen.136 Unter großer Beteiligung liberaler Intellektueller fand im September 1945 in Buenos Aires eine Massendemonstration »Für die Freiheit und die Verfassung« (Por la libertad y la Constitucijn) gegen die autoritäre Regierung statt, auf der eine Rückkehr zur Demokratie und zur Einhaltung der Verfassung gefordert wurde. Dass die Mehrheit der argentinischen Gelehrten dem antiperonistischen Lager angehörte, zeigte sich ferner in einem offenen Brief, in dem die Unterzeichner vor einem Erfolg Perjns bei den Wahlen im Februar 1946 warnten.137 Ein ähnliches Bild ergab sich im Speziellen unter bildenden Künstlern. Viele der renommiertesten unter ihnen, wie Antonio Berni, Emilio Pettoruti und Lino Enea Spilimbergo, boykottierten aus Protest gegen die Regierung im September 1945, zwei Tage vor der besagten Massendemonstration, den staatlichen Nationalsalon und eröffneten stattdessen einen sogenannten Saljn Independiente. Dieser löste sich nach Perjns Wahlsieg im Folgejahr zwar wieder auf und die gleichen Künstler kehrten in den regulären Salon zurück. Die Beziehung zwischen den Künsten und dem peronistischem Regime blieb jedoch auch in der Folgezeit keineswegs konfliktfrei.138 Maler, wie zum Beispiel Emilio Pettoruti, die noch in den 1930er Jahren die kulturpolitischen Entwicklungen im faschistischen Italien aufmerksam beobachtet und sich von Bewegungen, wie dem Futurismus oder Novecento, beeindruckt gezeigt hatten, gehörten nun dem Perjnkritischen Lager an. Anders als im faschistischen Italien bot sich dem Peronismus auch keine künstlerische Bewegung als Staatskunst an, wie es dort unter anderem der Futurismus und Novecento getan hatten. Gruppierungen moderner Künstler, wie Mad& oder die Konkretisten, standen zumindest zu Beginn des peronistischen Regimes eher oppositionellen Parteien, wie dem Partido Comunista Argentino (PCA), nahe.139 Vereinzelte Versuche der Regierung, Intellektuelle und Künstler für das peronistische Projekt zu gewinnen, wie durch die Gründung von staatlichen Intellektuellen- oder Schriftstellervereinigungen 135 136 137 138 139
Fiorucci, El antiperonismo intelectual, S. 170. Ebd., S. 172. Ebd., S. 168f. Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica, S. 52. Lucena/Longoni, Contaminacijn art&stica, S. 161, 179.
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(Junta Nacional de Intelectuales oder ADEA), waren von wenig Erfolg gekrönt und die Werke der eingeschriebenen Mitglieder nur von mediokrer künstlerischer Qualität.140 Veranstaltungen, die dazu dienen sollten, dem Regime ein gelehrteres Antlitz zu verschaffen, wie etwa ein internationaler Philosophiekongress in Mendoza 1949, blieben jenseits der regimetreuen Presse ohne großes Echo.141 Die verstärkte staatliche Intervention im Kulturbereich fasste die Mehrheit der Kulturschaffenden vielmehr als Einmischung und Gängelung auf, als dass sie sie begrüßte.142 Das vom Peronismus verfolgte kulturpolitische Modell, das erklärtermaßen die Demokratisierung des Zugangs zur Kultur auch für die unteren Schichten zum Ziel hatte, wurde von der Mehrheit der Intellektuellen als dekadent und »vermassend« abgelehnt.143 Neugeschaffene Posten im Kulturbereich besetzte das peronistische Regime mit bis dato unbekannten Persönlichkeiten oder gemäß seinem demokratisierenden Anspruch mit Repräsentanten des Arbeitermilieus. So wurde die Leitung der neuen Subsecretar&a de Cultura an den Historiker Antonio Castro, ein ansonsten unbeschriebenes Blatt, vergeben. Der vormalige Kühlhausarbeiter Horacio Vel#zquez stand fortan einer Bibliothekskommission (Comisijn de Bibliotecas Populares) vor.144 Die überschaubare Anzahl an Intellektuellen, die das peronistische Regime für sich gewinnen konnte, wie etwa Leopoldo Marechal, Manuel G#lvez oder Raffll Scalabrini Ortiz, stammten zumeist aus den Reihen katholischer Nationalisten oder der linksnationalen FORJA.145 So wurde Carlos Ibarguren Präsident der Academia de Letras. Gustavo Mart&nez Zuvir&a stieg zum Direktor der Biblioteca Nacional auf.146 Die Nationalkommission für Kultur (Comisijn Nacional de Cultura) vertraute das peronistische Regime Ernesto Palacio an, der 1927 mit der Zeitschrift »La nueva Repfflblica« eines der Hauptsprachrohre des argentinischen Nationalismus gegründet hatte.147 Aufgrund der im Gegensatz zum faschistischen Italien von Beginn an konflikthaften Beziehung zwischen dem peronistischen Regime und dem Gros der Kulturschaffenden, handelte es sich bei den wenigen für die Regierung tätigen Künstlern eher um randständige, unbekannte Personen. Kein namhafter ar140 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 33. 141 Vgl. Luis Juan Guerrero (Hg.), Actas del primer Congreso Nacional de Filosof&a, Mendoza 1949; Fiorucci, El antiperonismo intelectual, S. 171. 142 Lucena/Longoni, Contaminacijn art&stica, S. 159f. 143 Fiorucci, El antiperonismo intelectual, S. 171. 144 Fiorucci, Intelectuales y peronismo, S. 32, 34. 145 Goebel, Argentina’s partisan past, S. 73. 146 Fiorucci, Intelectuales y peronismo, S. 35. 147 Palacio wurde jedoch von der antiperonistischen Opposition im Kongress zum Rücktritt gezwungen, als er den Literaturpreis der Kommission dem offen rechten vormaligen Außenminister Enrique Ruiz GuiÇazffl verleihen wollte (Goebel, Argentina’s partisan past, S. 74).
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gentinischer Maler oder Bildhauer bot dem Regime an, Auftragswerke auszuführen. Vermutlich aufgrund dieser Notlage heuerte die peronistische Regierung verschiedene Künstler aus dem Ausland an: Als offizieller Porträtist des Präsidentenpaares fungierte beispielsweise der französischstämmige Maler Numa Ayrinhac (1881–1951), auf den die im Vergleich zu Mussolini sehr viel weniger zahlreichen Bildnisse des Ehepaars Perjn zurückgehen. Nach seiner Emigration nach Argentinien in jungen Jahren absolvierte er seine Ausbildung in seinem Geburtsland Frankreich. Zurück in Argentinien stellte er auch weiterhin regelmäßig im Salon de Paris aus. Außer dass er Auftragsgemälde für das peronistische Regime schuf, wurde Ayrinhac 1949 zum Direktor des Museo de Bellas Artes der Provinz Buenos Aires ernannt.148 Von der hauptstädtischen Künstlerszene Argentiniens blieb er dennoch bis zu seinem Tod 1951 relativ isoliert.149 Im Bereich der Propagandaskulptur tat sich mit dem italienischen Bildhauer Leone Tommasi (1903–1965) ein weiterer ausländischer Künstler hervor. Über seine künstlerische Karriere in Italien zur Zeit des Faschismus ist, außer dass er von 1921 bis 1926 an den Akademien in Rom und Mailand studierte und im Jahr seines Abschlusses bei einem staatlichen Wettbewerb Concorso del Pensionato Artistico Nazionale di Brera gewann, wenig bekannt. Vor seiner ersten Argentinienreise 1950 und der Beauftragung mit der skulpturalen Ausstattung des Palacio de Ayuda Social in Buenos Aires hatte er an der Scuola delle Belle Arti in seiner italienischen Geburtsstadt Pietrasanta unterrichtet.150 Sein Vertrag mit der argentinischen Regierung sah vor, dass er sich jährlich mindestens drei Monate in Argentinien aufhielt. 1954 betraute ihn das peronistische Regime ferner mit der Planung und Ausführung eines Monumentes für den »Hemdlosen« (Monumento al descamisado), den peronistischen Arbeiterhelden. Auch wenn mit dem Bau der Sockelzone des Denkmals, das eine Höhe von knapp 140 Metern erreichen sollte, begonnen wurde und Tommasi bereits Modelle und Detailfiguren angefertigt hatte, blieb das Werk aufgrund des Sturzes von Perjn 1955 letztlich unvollendet.151 Propagandagrafik realisierten aufgrund des distanzierten Verhältnisses zwischen dem peronistischen Regime und den bildenden Künsten, nicht Künstler, wie es beispielsweise in Italien Mario Sironi oder verschiedene Mitglieder des Futurismus getan hatten. Auch stammten die meisten Grafiker, die in der staatlichen Propagandaabteilung arbeiteten, nicht aus der Werbebranche. Denn, anders als in Italien, wo zur Zeit des Faschismus eine Vielzahl an Wer148 Litre Valentin, Mar&a Laura, Numa Ayrinhac. De la France / la Pampa, Buenos Aires 2009, S. 33, 35. 149 Giunta, Vanguardia, internacionalismo y pol&tica, S. 64. 150 Giovanni Bovecchi/Riccardo Bremer/Manlio Cancogni (Hg.), Leone Tommasi, Pietrasanta 2007, S. 65, 73–75. 151 Ebd., S. 84–95.
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beagenturen existierte, war die argentinische Werbebranche erst im Entstehen begriffen.152 Stattdessen hatte der Großteil der Gestalter der peronistischen Propaganda, über die etwas bekannt ist,153 einen Hintergrund als Zeichner bei verschiedenen Zeitungen. Diese Tätigkeit setzten sie – sofern die Blätter der neuen Regierung freundlich gesinnt waren – auch unter Perjn fort. Wie im italienischen Fall waren sie in ihrer Mehrheit männlich. Einen herausragenden Platz unter den Propagandagrafikern hatte angesichts der schieren Anzahl der signierten Werke H8ctor Alfons&n inne. Seit 1942 tat er sich als Gewinner von Plakatwettbewerben hervor. Von 1948 bis 1955 arbeitete er als Karikaturist bei der Zeitung »El Laborista«, die der Arbeiterpartei (Partido Laborista) nahestand, mit der Perjn an die Macht gekommen war.154 Zusammen mit Aristo T8llez, der seit 1935 ebenfalls als Karikaturist bei »La Razjn« und danach für einige weitere regierungstreue Zeitungen tätig war, geht auf Alfons&n insbesondere die visuelle Propaganda anlässlich der vom peronistischen Regime neu geschaffenen Feiertage, wie dem D&a de la Lealtad (»Tag der Treue«), zurück.155 Einen beruflichen Hintergrund bei den Zeitungen »Cr&tica« und »La novela semanal« in den 1920er und -30er Jahren hatte Ar&stides Recha&n. Ab 1948 illustrierte er die Perjn nahestehende »La Ppoca« sowie ab 1953 die drei Jahre zuvor vom peronistischen Regime enteignete »La Prensa«. Als Karikaturist betätigte er sich außerdem in der humoristischen Zeitschrift des Regimes, »Descamisada«.156 Recha&n realisierte hauptsächlich Porträtplakate von Eva Perjn.157 Ein weiterer Illustrator des peronistischen Regimes war Roberto Mezzadra, Chefzeichner bei der Zeitung »Noticias Gr#ficas«, die unter Perjn in den Einflussbereich des Regierung überging. Für die Propagandaabteilung der Subsecretar&a de Informaciones fertigte Mezzadra vor allem Porträts von Perjn auf der Basis von Fotografien an. Alfredo Pachelo, der sich in seinen Propagandaplakaten ebenfalls hauptsächlich der Ikonografie des Präsidenten widmete, hatte bereits vor 1946 bei einigen staatlichen Plakatwettbewerben gewonnen und den Zeichnerteams von »El Hogar«, »La Nacijn« und »La Prensa«
152 Bis dato waren zusammen mit den meisten gefertigten Produkten auch die entsprechenden Werbeanzeigen aus dem Ausland, hauptsächlich den USA, importiert und lediglich übersetzt worden (vgl. Milanesio, Workers go shopping in Argentina, S. 83f.). 153 Die wenigen Informationen, die über die einzelnen Grafiker überliefert sind, hat Marcela Gen8 zusammengetragen (vgl.Gen8, Un mundo feliz). 154 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 334; Da Orden, Mar&a Liliana/Meljn Pirro, Julio C8sar, Prensa y peronismo: el problema y el tratamiento de las fuentes, in: dies., Prensa y peronismo. Discursos, pr#cticas, empresas, 1943–1958, Rosario 2007, S. 9–26, hier S. 21. 155 Sirv8n, Perjn y los medios de comunicacijn, S. 165; Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 334. 156 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 334; Sirv8n, Perjn y los medios de comunicacijn, S. 88. 157 Marcela M. Gen8, Los rostros del General Perjn. Del retrato protocolar a la caricatura, in: Prohistoria IX (2005) H. 9, S. 83–108, hier S. 91.
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angehört.158 Inwiefern diese im »Unterstaatssekretariat für Presse und Propaganda« angestellten Grafiker überzeugte Peronisten waren, wie es sich ihr Arbeitgeber erhoffte, ist jedoch nich bekannt.
158 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 89; Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 334.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«: Die Figur des Arbeiters in der Bildpropaganda des Faschismus und des Peronismus
Sowohl im faschistischen Italien als auch im peronistischen Argentinien stellte Arbeit einen zentralen Bereich der sozioökonomischen Reformprogramme dar, mit denen Mussolini ab 1922 und Perjn ab 1946 auf verschiedene Krisen reagierten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Italien von schweren sozialen Konflikten, wie Arbeiterunruhen und Streiks, erschüttert. Angesichts der Schwächen des Arbeitsmarktes, die entmilitarisierten Arbeitskräfte zu integrieren, kam es zu landesweiten Protesten: Während die Landarbeiterschaft eine Landreform und -umverteilung einforderte, besetzten Industriearbeiter Fabriken.1 Gegenüber den grassierenden gewaltvollen Ausschreitungen zwischen linksgerichteten Gruppen und den 1919 gegründeten faschistischen Kampfbünden (Fasci italiani di combattimento) sah sich die italienische Regierung ab 1920 zunehmend machtlos.2 Nachdem der König in dieser krisenhaften Situation Mussolini Ende Oktober 1922 mit der Regierungsbildung betraut hatte, ging das faschistische Regime daran, die Arbeitsbeziehungen grundlegend zu reformieren.3 Der Korporativismus als neue Wirtschafts- und Sozialordnung, der Arbeitgeber und -nehmer jeweils einer Branche in staatlich kontrollierten Korporationen vereinte, sollte Klassenkonflikte befrieden.4 Das »Korporationsministerium« (Ministero delle Corporazioni) als zentrales Steuerungselement der Wirtschaft und der Arbeitsbeziehungen wurde 1926 ins Leben gerufen und die staatliche faschistische Gewerkschaft erhielt eine Monopolstellung.5 Im Folgejahr schrieb das Regime die neue korporative Ordnung in der Carta del Lavoro fest.6 Während der »Nationale Rat der Korporationen« (Consiglio Nazionale delle Corpo-
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Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 4. Ebd., S. 18, 23. Ebd., S. 23f. Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 152. Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, S. 346. Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 152.
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razioni) 1930 eingeweiht wurde, folgte der Großteil der Korporationen selbst erst 1934.7 Die sozialen Missstände, auf die das peronistische Regime nach seinem Machtantritt reagierte, waren aus dem rapiden industriellen Wachstum entstanden, das das Land seit den 1930er Jahren und zuletzt während des Zweiten Weltkriegs erlebt hatte. Die expandierende, vor allem in der Küstenregion um Buenos Aires angesiedelte, Industrie hatte Massen von internen Migranten aus den Provinzen angezogen, die an den neuen Arbeitsplätzen jedoch vorrangig ungeregelte Arbeitsbedingungen vorfanden. Bis 1943, als Perjn Staatssekretär für Arbeit wurde, waren bis dato äußerst spärliche Arbeits- und Sozialgesetze nur sporadisch durchgesetzt worden.8 Während seiner Präsidentschaft ab Februar 1946 schloss Perjn mit einer breiten sozialen Sozialgesetzgebung an bereits zwischen 1943 und 1946 verabschiedete korporativistische Reformen an. Ebenso förderte er, wie es im faschistischen Italien geschehen war, die Eingliederung der Arbeiter in die nunmehr staatlich kontrollierten Gewerkschaften.9 Nach der Institutionalisierung von Propagandaministerien bzw. -staatssekretariaten im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien (vgl. Kap. 3) bewarben beide Regime die von ihnen eingeführten vermeintlich neuen sozialen Ordnungen massiv. Im Medium der visuellen Propaganda trieben sowohl der italienische Faschismus als auch der Peronismus als neue politische Bewegungen eine Identitätsbildung voran, die inhaltlich um das Thema der Arbeit und die Figur des Arbeiters kreiste. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Rollen in propagandistischen Medien im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien an den Arbeiter herangetragen wurden. Welche Funktion kam ihm in den neuen korporativen Gesellschaftsmodellen unter beiden Regimen zu? Welcher Typus Arbeiter stand jeweils im Faschismus und im Peronismus im Vordergrund? Und, welche Einblicke eröffnet die Bildpropaganda in unter beiden Regimen konstruierte Geschlechterrollen? Da während des Faschismus und des Peronismus Arbeit erstmals einen zentralen Stellenwert innerhalb des politischen Programms der jeweiligen Nationalregierung einnahm, schrieben beide Regime der Figur des Arbeiters grundlegend neue Bedeutungen zu. Daraufhin wird die Bildpropaganda insbesondere anlässlich von den Regimen geschaffener oder umgedeuteter Feiertage, wie dem Tag der Arbeit, überprüft (4.1). Im Hinblick auf die sozialpolitischen Agenden des Faschismus und des Peronismus gibt die visuelle Propaganda des Weiteren darüber Aufschluss, inwiefern diese an langfristige wirtschaftspolitische Ziele beider Regierungen, wie die Steigerung 7 Gagliardi, Il corporativismo fascista, S. VII. 8 James, Resistance and integration, S. 8. 9 Ebd., S. 9f.
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der Produktion oder die Nationalisierung der Wirtschaft, gekoppelt waren (4.2). Sowohl Italien als auch Argentinien befanden sich zur Zeit des Faschismus und des Peronismus an der Schwelle von vornehmlich agrarisch geprägten zu industriellen Gesellschaften. Was den von beiden Regimen propagierten Typus Arbeiter angeht, wird schließlich die von Marcela Gen810 vorgebrachte These von der größeren Dominanz des Industriearbeiters in Argentinien im Gegensatz zum in der faschistischen Propaganda vorherrschenden Landarbeiter hinterfragt und differenziert (4.3).
4.1
Ideologie und Aufwertung der Arbeiterfigur
Der Korporativismus war bereits seit den frühen Jahren des faschistischen Regimes ein breit diskutiertes Thema, das besonders im Vorfeld der Erklärung der Carta del Lavoro 1927 Fahrt aufnahm.11 Anfangs noch als »riesiges soziales Experiment«12 bezeichnet, dessen Details es noch auszuformulieren galt, avancierte er alsbald zum »Grundstein des faschistischen Staates […], der unserer Revolution ›Originalität‹ verleiht,«13 wie es Mussolini 1930 formulierte. In seiner Sicht bedingten sich Faschismus und Korporativismus gegenseitig: »Der faschistische Staat ist korporativ oder er ist nicht faschistisch.«14 Für die bildliche Darstellung des Korporativismus wurden in der visuellen Propaganda verschiedene Lösungen gefunden. Ein Beispiel ist das von Mario Sironi gestaltete Titelblatt der Monatszeitschrift »Gerarchia« von 1934, die Mussolini 1922 gegründet hatte und die zeitweise die Kunstkritikerin und Mäzenin Margherita Sarfatti leitete (Abb. 3, S. 92). Sironi war ebenso als Illustrator für weitere Zeitschriften des Regimes, wie »Il popolo d’Italia«, tätig. Für »Gerarchia« entwarf er jährlich ein neues Titelblatt.15 Auf dem Cover des Jahres 1934 ist eine Italia, die auf einem sich perspektivisch verjüngenden Sockel steht, in antikisierender Gewandung dargestellt. Die steinerne Statue stützt sich auf ein schulterhohes stilisiertes Liktorenbündel. Während die Italia auf der einen Seite 10 Gen8, Un mundo feliz, S. 96. 11 In diesem Kontext hat Pierangelo Schiera die These vertreten, die Diskussionen über den Korporativismus hätten dazu gedient, der faschistischen Diktatur pluralistische Züge zu verleihen (vgl. Schiera, Korporativismus im Faschismus, S. 55). 12 Silvio Galli, Per l’autonomia delle corporazioni, in: Critica fascista I (1923) H. 1, S. 10ff., hier S. 10: »[U]n gigantesco esperimento sociale«. 13 Giuseppe Bottai, Le Corporazioni, Mailand 1935, S. 289: »L’ordinamento corporativo […] H la pietra angolare dello Stato fascista, H la creazione che conferisce ›orginalit/‹ alla nostra Rivoluzione.« (Rede Mussolinis bei der Eröffnungssitzung des Consiglio nazionale delle corporazioni am 21. 04. 1930). 14 Ebd.: »Lo Stato fascista H corporativo o non H fascista.« 15 Braun/Carpi, Illustrations of Propaganda, S. 86.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
Abb. 3: Mario Sironi, Titelblatt Gerarchia (Zeitschrift), Italien 1934.
auf die gleichnamige römische Göttin zurückging, die im 19. Jahrhundert Eingang in die klassizistische Malerei und Skulptur gefunden hatte, blieb sie nach der Einigung Italiens 1860 zunächst ein schwaches Nationalsymbol. Dies änderte sich erst im Ersten Weltkrieg, als sie auf Propagandaplakaten, auf denen für den Kauf von Kriegsanleihen geworben wurde, erschien. An diesen vermehrten Einsatz der Italia in Bildmedien knüpfte das faschistische Regime nach 1922 an.16 Der Fascio littorio auf der anderen Seite, ein mit Lederriemen umwundenes Rutenbündel mit Richtbeil und ursprünglich antikes Emblem römischer Amtsgewalt, das im Klassizismus um 1800 als Ornament in der Architektur gedient hatte,17 erkoren die Faschisten zu einem ihrer Hauptsymbole. Das Po16 Terhoeven, Liebespfand fürs Vaterland, S. 311ff. 17 Hildegard Kretschmer, Lexikon der Symbole und Attribute in der Kunst, Leipzig 2008, S. 263.
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dest, auf dem die Italia im Kontrapost steht, ist in Majuskeln mit »Korporativstaat« beschrieben. Der Sockel, dessen Front sich abermals aus einzelnen stark abstrahierten Fasci zusammenzusetzen scheint, der aber auch an faschistische rationalistische Architektur erinnert, trägt seinerseits den Schriftzug »Korporationen«. Somit kombiniert Sironi traditionelle nationale Symbole – die Italia – mit faschistischen – den Liktorenbündeln. Der hier durch die Italia personifizierte faschistische Staat, so die Aussage der Illustration, beruht auf den Korporationen. Auf einer Postkarte von R. Bandirali aus demselben Jahr wird ein anderer bildlicher Lösungsweg gewählt. Eine unbekleidete männliche Halbfigur in Rückansicht meißelt in einen Obelisken von oben nach unten den Schriftzug »Corporazioni« ein, wobei sie gerade mit dem letzten Buchstaben ›i‹ beschäftigt ist (Abb. 4, S. 94). Die Säule – abermals ein stilisierter Fascio – trägt außderdem die Jahreszahl XII, die nach dem faschistischen Kalender dem Jahr 1934 entspricht. Das Liktorenbündel ragt aus der oberen Hälfte einer Weltkugel hervor. Der genaue Erdteil wird zwar von der Figur und der Säule verdeckt und ist daher nicht zu identifizieren. Dennoch ist davon auszugehen ist, dass der quadratische Grundriss des Liktorenbündels auf Italien und Mitteleuropa fußt. Die Errichtung der Korporationen wird somit unter Zuhilfenahme der muskulösen Arbeiterfigur in eine physische, manuelle Arbeitsleistung übersetzt. Die Verortung auf der Weltkugel und die überdimensionierte Größe des Fascio, der die Korporationen repräsentiert, verdeutlichen den italienischen Ursprung des Korporativismus und seine weltpolitische Relevanz. Beide Illustrationen weisen in der Gestaltung der Figuren und Architekturen einen antikisierenden Stil auf. Hierbei handelt es sich um in der faschistischen Propaganda häufige stilistische Anleihen bei der klassisch-römischen Antike, die, wie das namensgebende Liktorenbündel (lat. fasces), den Faschismus auch in symbolischer Hinsicht legitimieren sollten. Der Akt der Errichtung der Korporationen wird in der visuellen Propaganda also geradezu wörtlich genommen und als erbauende Tätigkeit oder schon fertige Konstruktionen dargestellt. Die Wahl dieser Metaphern verwundert insofern nicht, als auch in der faschistischen Publizistik vom Korporativismus als »neuem sozialen Gebäude« die Rede war.18 Dass beide Illustrationen von 1934 stammen – Sironis Illustration zierte das Titelblatt von »Gerarchia« das ganze Jahr über – ist kein Zufall. Im Januar dieses Jahres hatte das Regime den Aufbau des Korporativstaates mit Inkrafttreten der Korporationen für abgeschlossen erklärt. Der Einfluss der korporativen Organe auf wirtschaftspolitische Entscheidungen blieb jedoch auch nach dieser ver-
18 O. A., Dal cittadino al produttore, in: Critica fascista V (1927) H. 8, S. 148f., hier S. 149: »La Carta del Lavoro […] H […] il fondamento di un edificio sociale nuovo.«
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gleichsweise späten Institutionalisierung beschränkt.19 Häufiger als die Repräsentation des Korporativismus durch Architekturen oder abstraktere Symbole war, wie bei der Postkarte (Abb. 4) schon angeklungen, seine Darstellung durch physische Arbeitshandlungen und Arbeiterfiguren.
Abb. 4: R. Bandirali, »Korporationen«, Postkarte (10.5 x 14,8 cm), Italien 1934.
Ähnliches ist auch in der Propaganda des peronistischen Regimes zu beobachten. Auch wenn wesentliche Inhalte des italienischen Korporativismus übernommen wurden, vermied Perjn ab 1947 bei der Reformierung der ar-
19 Gagliardi, Il corporativismo fascista, S. VII; Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie, S. 343.
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gentinischen Wirtschaft die Begrifflichkeit.20 Stattdessen kreierte man zur Bezeichnung der Peronistischen Partei und Doktrin, die erst im Nachhinein von Perjns Wahl gegründet bzw. ausformuliert wurde, den Neologismus Justicialismo. Bei der Begriffswahl klang das schon in den päpstlichen Enzykliken Rerum Novarum und Quadragesimo Anno sowie auch im faschistischen Korporativismus zentrale Konzept der sozialen Gerechtigkeit an.21 Zusammen mit »ökonomischer Freiheit« und »politischer Souveränität« wurde die »soziale Gerechtigkeit« in der Propaganda des Peronismus, zum Beispiel in den »Zwanzig fundamentalen Wahrheiten des Justicialismo«, zu einem der Leitbegriffe des Regimes erklärt.22 Folglich erschienen in der peronistischen Bildpropaganda nicht Korporationen oder Gewerkschaften als Symbole des Regimes, wie es im faschistischen Italien der Fall gewesen war, sondern die Figur der Justitia. Die römische Personifikation der Gerechtigkeit und eine der Kardinaltugenden in der christlichen Kunst wurden in diesem Kontext in der seltener dargestellten Variante der Justitia distributiva (Verteilungsgerechtigkeit) anstatt der häufigeren Justitia legalis (Regelgerechtigkeit oder gesetzliche Gerechtigkeit) verwendet.23 Wenn auch in Italien nicht namensgebendes Emblem des Faschismus, tauchte die Justitia bisweilen auch in der faschistischen Propaganda auf, um soziale Gerechtigkeit bildlich darzustellen. Ein Beispiel dafür ist eine Illustration von Riccardo Freda in »Gerarchia« im November 1934, die mit einem Zitat Mussolinis unterschrieben ist: »…das Ziel des Regimes auf wirtschaftlichem Gebiet ist die Realisierung einer höheren sozialen Gerechtigkeit für das ganze italienische Volk…«.24 Eine schemenhafte sitzende Justitia hält die typische Waage in der einen und einen ihr bis zur Hüfte reichenden abstrahierten Fascio littorio, der den Schriftzug »Korporationen« trägt, in der anderen Hand. Die Kombination der Attribute ist nicht allein der faschistischen Aneignung der Personifikation der Gerechtigkeit geschuldet, tauchte das Rutenbündel neben Waage, Augenbinde und Schwert doch bisweilen als traditionelle Beigabe der Justitia auf.25 Im Fall der Illustration in »Gerarchia« verdeutlichen die beiden Attribute, die Waage und der mit Korporationen beschriebene Liktorenbündel, wodurch die soziale Gerechtigkeit erreicht werden soll: das korporative System. 20 21 22 23
Wiarda, Corporatist Theory and Ideology, S. 218, 231–232. Quine, Italy’s social revolution, S. 98. Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 802. Engelbert Kirschbaum (Hg.), Lexikon der christlichen Ikonographie. Allgemeine Ikonographie Fabelwesen – Kynokephalen, Bd. 2, Freiburg 1970, S. 466–472. 24 Benito Mussolini, in: Gerarchia XIV (1934) H. 11, S. 937, hier S. 937: »[L’]obiettivo del regime nel campo economico H la realizzazione di una piF alta giustizia sociale per tutto il popolo italiano…«. 25 Kirschbaum, Lexikon der christlichen Ikonographie, S. 468.
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Im Gegensatz zur sporadischen Verwendung der Justitia in der faschistischen Propaganda avancierte die Justitia im peronistischen Argentinien zum zentralen Symbol der Doktrin des Justicialismo. In dem Bildband »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana«, den die Subsecretar&a de Informaciones 1950 aus Anlass des 100. Todestags des argentinischen Unabhängigkeitskämpfers Jos8 de San Mart&n herausgab, wird die adaptierte Personifikation der Gerechtigkeit mit den typischen Insignien Waage und Schwert, allerdings ohne Augenbinde, dargestellt (Abb. 5).
Abb. 5: »Soziale Gerechtigkeit«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 145, Argentinien 1950.
Auf rund 800 Seiten veranschaulichte der Band die vermeintlichen Errungenschaften der peronistischen Regierung in Grafiken, die stilistische Ähnnlichkeiten mit mit zeitgenössischen Illustrationen in Schulbüchern aufwiesen (vgl. Kap. 7). Tatsächlich war der Bildband auch zum Einsatz im Schulunterricht
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gedacht und enthielt deshalb allerlei historische, geografische und statistische Daten, die die Leistungen des peronistischen Regimes belegen sollten.26 Hinterlegt ist die Justitia mit einer weißlichen Aureole und der argentinischen Flagge vor einem monochromen grünen Hintergrund. Außer der Nationalflagge stellen die Unterschrift »Justicia social« sowie ein Zitat Perjns in der rechten oberen Ecke eine inhaltliche Verbindung zum politischen Kontext unter dem peronistischen Regime her. Die abgedruckte Aussage des Präsidenten hebt auf die soziale Gerechtigkeit als Mittel ab, soziale Konflikte zu befrieden. Die Figur der Justitia wurde in der Bildpropaganda des Peronismus jedoch vielfach auch mit Arbeiterfiguren kombiniert. Auf einem Plakat aus dem Jahr 1948 von H8ctor Alfons&n, einem der wichtigsten Propagandagrafiker unter Perjn, erscheint sie als Halbfigur in heller Farbigkeit mit den Attributen Waage, Schwert und Augenbinde überlebensgroß im Hintergrund (Abb. 6, S. 98). Im Vordergrund befindet sich eine männliche muskulöse Arbeiterfigur, die sich bis auf ein Halstuch oberkörperfrei breitbeinig auf einen langstieligen Hammer stützt. Aufgrund des Werkzeugs ist sie als Schmied oder Metallarbeiter zu identifizieren. Die von der Justitia gehaltene Waage unmittelbar über dem Kopf der Figur mit den Schalen auf Höhe seiner Schultern macht deutlich, wem soziale Gerechtigkeit widerfahren soll: dem Arbeiter. Wie die Unterschrift erläutert, ist der Anlass des Plakates der Gründungstag des »Staatssekretariats für Arbeit und Vorsorge« (Secretar&a de Trabajo y Previsijn) fünf Jahre zuvor. Obwohl das Ereignis zeitlich vor Perjns Präsidentschaft liegt, wird es als Ausgangspunkt der peronistischen Sozialpolitik präsentiert, stand er doch ab Ende 1943 dem neu geschaffenen Staatssekretariat vor. So erklärte Perjn: »Der Tag, an dem wir das Sekretariat für Arbeit und Vorsorge schufen […], ist für mich der Anfangstag unserer Bewegung. Von diesem Moment an erlangte die Revolution einen neuen Sinn […]«.27 Wie im italienischen Fall lässt sich die Arbeiterfigur als präferierte Darstellungsweise des peronistischen Regimes und seiner Doktrin des Justicialismo identifizieren. Durch die Wahl der Arbeiterfigur als bildlichem Repräsentanten der neuen korporativen Ordnung in der visuellen Propaganda beider Länder erfuhr diese eine enorme Aufwertung. Erstmals wurde der Arbeiter mit dem Korporativismus nicht nur zu einem wesentlichen Bestandteil der politischen Identitäten des Faschismus und des Peronismus, sondern auch der jeweiligen natio26 Anah& Ballent, Los tiempos de las im#genes. La propaganda del peronismo histjrico en los aÇos noventa, in: Claudia Soria/Paola Cort8s Rocca/Edgardo Dieleke (Hg.), Pol&ticas del sentimiento. El peronismo y la construccijn de la Argentina moderna, Buenos Aires 2010, S. 213–224, hier S. 215. 27 Santiago Ganduglia, La legislacijn social de Perjn, Buenos Aires 1955, S. 33: »El d&a que creamos la Secretar&a de Trabajo y Previsijn […] es para m& el d&a inicial de nuestro movimiento. Desde ese instante la Revolucijn adquirij un nuevo sentido […]«.
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Abb. 6: H8ctor Alfons&n, »Staatssekretariats für Arbeit und Vorsorge«, Plakat, Argentinien 1948.
nalen Selbstrepräsentation. Denn beide Regime setzten die Arbeiteridentität mit der nationalen gleich. So erklärte die für den faschistischen Korporativstaat grundlegende Carta del Lavoro von 1927 Arbeit zur »sozialen Pflicht« und somit zur Voraussetzung der Zugehörigkeit zur Nation.28 Bei öffentlichen Reden sprach Mussolini seine Zuhörer nunmehr mit »popolo italiano lavoratore« an.29 Ebenso wurde die Bevölkerung im peronistischen Argentinien, wo die Inklusion der »Rechte des Arbeiters« in die neue Verfassung 1949 von der gestiegenen Wertschätzung des Arbeiters zeugte, als »pueblo trabajador«
28 Quine, Italy’s social revolution, S. 109. 29 Vgl. z. B. Benito Mussolini, Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 23, Florenz 1957, S. 141 (Eröffnungsrede Mussolinis beim dritten nationalen Kongress der faschistischen Gewerkschaften in Rom am 06. 05. 1928).
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Abb 7: »Im zähen Willen des italienischen Volkes zu arbeiten und zu sparen liegt eine sichere Garantie seiner Zukunft.«, Postkarte (10,5 x 14,8 mm), Italien 1938.
(»Arbeitervolk«) bezeichnet.30 In der Bildpropaganda beider Regime wurde der Arbeiter zum Helden und Repräsentanten des italienischen bzw. argentinischen Volkes schlechthin stilisiert. Eine italienische Postkarte eines nicht bekannten Grafikers aus dem Jahr 1938 zeigt ein Kniestück einer überaus muskulösen oberkörperfreien männlichen Figur (Abb. 7). Der Hammer in der erhobenen rechten Hand und ein Amboss weisen sie als Schmied aus. Mit energischer, strenger Mimik schlägt er auf ein glühendes Stück Eisen ein. Die offenen Seitenwände der schuppenartigen Architektur, unter der die Hauptfigur steht, geben den Blick auf eine hügelige Landschaft mit Palmen frei. Die Vegetation und eine dunkelhäutige Figur im Hintergrund deuten auf den 30 Wiarda, Los Or&genes Corporativos de los Sistemas Ib8ricos y Latinamericanos de Relaciones Laborales, S. 15.
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nordostafrikanischen Kontext nach dem erfolgreichen Abessinienfeldzug des faschistischen Regimes 1935/36 hin. In der Bildunterschrift, einem Zitat Mussolinis – »Im zähen Willen des italienischen Volkes zu arbeiten und zu sparen liegt die sichere Garantie seiner Zukunft« – wird der dargestellte Arbeiter als Repräsentant des »popolo italiano« ausgewiesen. An seinen, also den »Arbeitswillen« aller Italiener, wird das Fortbestehen des Volkes geknüpft. Eine ähnliche Rolle kommt einer Figur auf dem Cover eines argentinischen Schulbuchs für die dritte Klasse von 1953 zu (Abb. 8).
Abb. 8: Titelblatt Das Vaterland schmieden (Schulbuch), Argentinien 1953.
Das Titelbild von »Forjando la Patria« zeigt eine Dreiviertelfigur im Profil, die durch ihre Latzhosen und Werkzeuge als Arbeiter zu identifizieren ist. Mit seinem ebenso stattlichen unbekleideten Oberkörper steht er über eine Weltkugel gebeugt. Auf ihr erscheint plastisch der geografische Umriss Argentiniens, den der Arbeiter mit Meißel und erhobenem Hammer bearbeitet. Die Überschrift erläutert seine Tätigkeit: Er ist dabei, »das Vaterland zu schmieden«. Ähnlich wie im Fall der italienischen Postkarte wird die Arbeitsleistung des Protagonisten mit der im Titel erwähnten »patria« verknüpft. Von den heldenhaften Arbeiterfiguren, die jeweils das italienische und argentinische Volk repräsentierten, wurde in der faschistischen und in der pero-
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nistischen Propaganda die Zukunft der Nation abhängig gemacht. So bezeichnete Mussolini die Arbeiter als »Avantgarde […] in einem erneuerten Vaterland«.31 In den Worten von Perjns Ehefrau Eva Perjn, die im Regime eine ausgesprochen öffentliche Rolle innehatte, stellte die arbeitende Bevölkerung »die Hoffnung des Vaterlands der Zukunft« dar.32 Auf der italienischen Postkarte wird die zukunftsgewandte Perspektive in der Bildunterschrift beschworen, indem der »Wille des italienischen Volkes zu arbeiten« als »Garantie seiner Zukunft« bezeichnet wird. Auf dem argentinischen Schulbuch verweist die Verlaufsform des Verbs (»forjando«) auf die Prozesshaftigkeit des zu erfüllenden Auftrags. Somit erklärten beide Regime in ihrer Propaganda den Arbeiter zum Zukunftsträger der Nation und trugen die Verantwortung an ihn heran, aktiv ein »Nuova Italia« beziehungsweise ein »Nueva Argentina« zu schaffen. Auch wenn sich beide Regime als Revolution und Bruch mit der Vergangenheit inszenierten, bedienten sie sich an präexistenten Ikonografien der Arbeiterfigur, wie sie wesentlich sozialistische Bewegungen in Europa seit Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt hatten. Dabei handelte es sich zunächst um eine über Ländergrenzen hinweg »relativ einheitliche sozialistische Symbolsprache«, die sich erst mit Spaltung in sozialistische, sozialdemokratische und kommunistische Parteien nach und nach ausdifferenzierte.33 Spätestens ab den 1890er Jahren griffen linksgerichete Gruppierungen in Italien und Argentinien diese Bildmuster auf. So erschienen beispielsweise im Organ des 1892 gegründeten Partito Socialista Italiano (PSI) »Avanti!«, als dessen Leiter Mussolini in seiner sozialistischen Phase zwischen 1912 und 1914 selbst fungierte, Illustrationen, die Arbeiter zum Thema hatten. In Argentinien stellten unter anderem in der anarchistischen und sozialistischen Presse, wie der Zeitung »La Vanguardia« des 1896 ins Leben gerufenen Partido Socialista (PS), verbreitete Bilder einen Vorläufer der Ikonografie des Arbeiters unter Perjn dar. Nach der russischen Oktoberrevolution 1917 avancierte der Arbeiter zur zentralen Figur der sowjetischen Propaganda,34 an deren ikonografischem Repertoire sich auch der Faschismus und der Peronismus – trotz ihres erklärten Antikommunismus – bedienten. So war die Figur des Schmieds, die auf der italienischen Postkarte (Abb. 7, S. 99) zum Einsatz kommt, bevor sie in den 1920er Jahren zur Ikone des 31 Benito Mussolini, Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 21, Florenz 1956, S. 133: »Il fascismo vuole che nella patria rinnovata, redenta […] i lavoratori siano all’avanguardia […].« (Rede Mussolinis in Pescarolo bei Cremona am 30. 10. 1924). 32 Eva Perjn, Los Obreros, Esperanza de la Patria Futura, in: Del Peronismo IV (1950) H. 33, S. 15: »Los Obreros, Esperanza de la Patria Futura.« 33 Maike Steinkamp, Sozialismus, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.), Handbuch der politischen Ikonographie. Imperator bis Zwerg, Bd. 2, München 2010, hier S. 368. 34 Bonnell, Iconography of power, S. 22ff.
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sowjetischen Arbeiterhelden wurde, bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein fester Bestandteil der sozialistischen Arbeiterikonografie.35 Bei dem mit Hammer und Meißel ausgestatteten Arbeiter auf dem argentinischen Schulbuch (Abb. 8, S. 100) handelt es sich zwar nicht explizit um einen Schmied. Die Assoziation wird jedoch durch den Titel hervorgerufen, in dem vom »Schmieden des Vaterlandes« die Rede ist. Trotz der in beiden Ländern fortschreitenden Industrialisierung und Mechanisierung der Arbeitsabläufe werden die Arbeiter in der faschistischen und peronistischen Propaganda auf anachronistische Weise bei manuellen Verrichtungen mit Werkzeugen, wie Hammer, Meißel und Amboss, dargestellt. Der Fokus auf körperlicher Arbeit, der erlaubte, die Heldenhaftigkeit der Protagonisten zu unterstreichen, zeichnete somit die propagandistische Ikonografie des Faschismus und des Peronismus aus. Die erhöhte Anzahl von Arbeiterfiguren und somit von Körpern in der visuellen Propaganda beider Regime, die im Zentrum der beworbenen korporativen Gesellschaftsmodelle standen, war nahezu ausschließlich männlich. Wie auf der italienischen Postkarte (Abb. 7, S. 99) und dem argentinischen Schulbuchcover (Abb. 8, S. 100) wurden männliche Arbeiterfiguren in realistischen bis hin zu idealisierenden Stilen, als besonders muskulös und physisch leistungsfähig charakterisiert. Damit wurde sowohl im Faschismus als auch im Peronismus ein überaus viriles, heldenhaftes Männlichkeitsbild statuiert. Die neuartig prominente Rolle, die der Arbeiter in der Propaganda beider Regime einnahm, äußerte sich auch in den Begrifflichkeiten, mit denen sich Mussolini und Perjn bei öffentlichen Reden oder in Publikationen an die Bevölkerung wandten. Während der Duce sein Publikum außer mit »popolo lavoratore« mit »camice nere«36 (»Schwarzhemden«) , »fascisti«37 (»Faschisten«) oder »cittadini«38 (»Bürger«) ansprach, eignete sich das peronistische Regime den Begriff descamisado (»Hemdloser«) an. Ursprünglich hatten sich damit Perjns politische Gegner in der Zeit vor seinem Wahlsieg im Februar 1946 pejorativ auf seine Anhänger bezogen und auf deren meist bescheidenen sozialen Hintergrund angespielt. Laut Natalia Milanesio benutzte Perjn den Begriff erstmals während seines Wahlkampfes Ende 1945 mit der Begründung: »Wir glauben, dass es eine Ehre ist, unsere Herzen am rechten Fleck unter einem
35 Steinkamp, Sozialismus, S. 367. 36 Vgl. z. B. Benito Mussolini, Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 27, Florenz 1959, S. 39 (Rede Mussolinis am 23. 3. 1935 vom Balkon des Palazzo Venezia in Rom anlässlich des 16. Gründungstags der Fasci Italiani di Combattimento). 37 Vgl. z. B. ders., Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 20, Florenz 1956, S. 47 (Rede Mussolinis in Alessandria am 23. 10. 1923). 38 Vgl. z. B. ders., Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 25, Florenz 1958, S. 30 (Rede Mussolinis in La Spezia am 26. 8. 1931).
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einfachen Hemd zu haben, statt unter einem schicken Jackett.«39 Diese Worte unterstrich er, indem er eine argentinische Flagge von ihrem Mast löste und stattdessen ein Hemd daran befestigte. Somit erhob Perjn die nun mit einer neuen Bedeutung versehene Begrifflichkeit nicht nur verbal, sondern auch performativ zu einer der zentralen identitätsstiftenden Kategorien des Peronismus.40 Während die politische Opposition Perjns darin eine Parallele zu den faschistischen camice nere sah, barg der Begriff auch Reminiszenzen an die sansculottes der Französischen Revolution, wo ebenfalls ein Kleidungsstück bzw. die Ermangelung desselben auf die niederen Volksschichten angespielt hatte.41 Bei den Darstellungen von »Hemdlosen« in visuellen Medien erlaubten gerade die unbekleideten oder nur halb bedeckten Oberkörper, die Muskulosität der männlichen Figuren besonders herauszustellen (Abb. 4, S. 94, Abb. 6, S. 98). Repräsentationen von descamisados waren jedoch keineswegs nur auf tatsächlich oberkörperfreie Arbeiterfiguren beschränkt. Die Kernbedeutung von armem, gedemütigtem, ausgebeutetem Handarbeiter wurde im Sprachgebrauch der Peronisten sukzessive erweitert und entwickelte sich zu einem Sammelbegriff für verschiedene Arbeitertypen. Zeitweise fast synonym zu Volk oder Bürger gebraucht, konnte er auch Frauen, Kinder und Alte beinhalten.42 In Übereinstimmung mit der Dominanz männlicher Arbeiterfiguren in der visuellen Propaganda wurde die weibliche Version descamisada jedoch äußerst selten benutzt.43 In ihrer 1951 erschienenen Autobiografie »La razjn de mi vida« hielt Eva Perjn fest, dass descamisados alle umfassten, die sich »als Volk fühlten«.44 Ihr zufolge sei die Zuschreibung gar zu einem »Nationalbewusstsein« avanciert.45 Um den Begriff des descamisado im Sinne einer »erfundenen Tradition«46 historisch zu legitimieren, wurde die Handlungsmacht des »Hemdlosen«, auch wenn es sich um einen Neologismus handelte, retrospektiv auf die Vergangenheit projiziert. So wiesen peronistische Abgeordnete beispielsweise 39 Zitiert nach Natalia Milanesio, Peronists and cabecitas. Stereotypes and Anxieties at the Peak of Social Change, in: Matthew B. Karush/Oscar Chamosa (Hg.), The new cultural history of Peronism. Power and identity in mid-twentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 53–84, hier S. 64. 40 Pittelli/Somoza Rodr&guez, Peronismo: Notas acerca de la produccijn y el control de s&mbolos, S. 209f. 41 Milanesio, Peronists and cabecitas, S. 63f. 42 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 39. 43 Milanesio, Peronists and cabecitas, S. 63f. 44 Eva Perjn, La razjn de mi vida, Buenos Aires 1951, S. 85: »Para m& por eso descamisado es el que se siente pueblo.« (Kursiv im Original). 45 Dies., Significacijn social del Descamisado, in: Democracia, 04. 08. 1948, S. 5: »[L]a palabra »descamisado« […] [f]u8 creando un estado de conciencia nacional.« 46 Eric Hobsbawm, Introduction: Inventing Traditions, in: E. J. Hobsbawm/T. O. Ranger (Hg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1983, S. 1–14, hier S. 1.
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»Hemdlose« als Verantwortliche aus, 1806 die britische Invasion von Buenos Aires zurückgeschlagen, die Revolution im Mai 1810 vorangetrieben und zusammen mit General San Mart&n Lateinamerika von spanischer Kolonialherrschaft befreit zu haben. Während die Peronisten im Allgemeinen in ihrer eklektischen Auslegung der nationalen Geschichte die liberale Ära großzügig ausließen, wurde der Beitrag des descamisado zur Nationalgeschichte bis in die jüngste Vergangenheit fortgezeichnet, wo er zuletzt in der Forderung nach Perjns Freilassung am 17. Oktober 1945 kulminiert sei.47 Die Verherrlichung der Figur des »Hemdlosen«, die das peronistische Regime in der Propganda betrieb, beschränkte sich nicht nur auf Plakate oder Printmedien, sondern fand auch im Medium der Skulptur statt. Bereits 1946 kündigte Perjn bei einer Rede vom Balkon des Regierungsgebäudes an, ihm ein Monument errichten zu wollen: [W]egen der tiefen Liebe, die ich für die Hemdlosen empfinde, möchte ich euch bitten, dass ihr mich bei einer Idee begleitet […]: Bei der, dass wir auf dieser Plaza de Mayo ein Monument des Hemdlosen errichten. Das Monument wird den Beginn einer Etappe markieren, in der das Volk das erste Mal in der Geschichte des Vaterlandes das Schicksal seiner Nation in die Hände genommen hat. Dieser Hemdlose, der […] das Vaterland groß gemacht hat und es zu einem großen Schicksal führen wird, hat noch kein Monument, das ihn verewigt. Es ist eine Schuld, die die argentinische Gesellschaft dem einfachen Mann zahlen muss […].48
Bei dieser Ankündigung wird die Gleichsetzung des Begriffs descamisado mit dem argentinischen Volk, dem unter dem peronistischen Regime endlich Gerechtigkeit widerfahre, erneut deutlich. Das Bauprojekt wurde schließlich erst ab 1952 unter der Leitung des italienischen Bildhauers Leone Tommasi konkretisiert, der eine nahezu 140 Meter hohe Statue eines »Hemdlosen« entwarf. Zuvor hatte der Italiener bereits im Auftrag des peronistischen Regimes zehn Marmorstatuen für die Fassade des Palacio de Ayuda Social ausgeführt.49 Das Denkmal zu Ehren des descamisado sollte andere international bekannte Mo-
47 Pittelli/Somoza Rodr&guez, Peronismo: Notas acerca de la produccijn y el control de s&mbolos, S. 213f. 48 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 8, Buenos Aires 1997, S. 171: »[P]or ese profundo amor que siento por los descamisados, quiero hoy pedirles que me acompaÇen en una idea […]: la de que levantemos en esta Plaza de Mayo un Monumento al Descamisado. Este Monumento marcar# la iniciacijn de la primera etapa en que el pueblo, por primera vez en la historia patria, tomj en sus manos los destinos de la Nacijn. Ese descamisado, que […] hizo grande a la Patria y la llevara a sus grandes destinos, no tiene todav&a un monumento que lo perpetffle. Es una deuda que la sociedad argentina debe pagar al hombre humilde […].« (Perjn bei einer Rede vom Balkon der Casa Rosada am 17. 10. 1946). 49 Giovanni Bovecchi/Riccardo Bremer/Manlio Cancogni (Hg.), Leone Tommasi, Pietrasanta 2007, S. 73ff.
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numente, wie die Christusfigur in Rio de Janeiro und die Freiheitsstatue in New York, überragen (Abb. 9).
Abb. 9: »Details der Höhe im Vergleich«, in: Secretar&a de Prensa y Difusijn, Monumento a Eva Perjn (Broschüre), Argentinien 1955.
Dies ging aus bebilderten Propagandabroschüren hervor, die die Subsecretar&a de Informaciones während der Planungsphase herausgab. Die Abbildungen verdeutlichten, dass sich die geplante Skulptur des »Hemdlosen« auf einem rund 80 Meter hohen zylinderförmigen Sockel erheben sollte. Das Foto des Modells zeigt ferner eine breitbeinig stehende männliche Figur in realistischem Stil: Ihr Hemd ist bis zum Gürtel geöffnet und gibt die muskulöse Brust frei. Mit einer schlanken, sportlichen Gestalt, Gesichtszügen mit markanten Wangenknochen und kurzem zurückgekämmten Haar verkörpert die Skultpur ein klassisches
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Männlichkeitsideal. Der starre Blick sowie die geballten Fäuste vermitteln Entschlossenheit. Hinter der Beinpartie der Figur erscheint ein Amboss, der sie unmissverständlich als Arbeiter ausweist. Der hombre nuevo argentino in Gestalt des Arbeiters nahm in den Modellen des Monumentes für den »Hemdlosen« somit plastische Form an. Das in Propagandabroschüren als »achtes Weltwunder« bezeichnete zukünftig »größte Monument der Welt« sollte für Besucher begehbar sein. So waren ein Aussichtspunkt im Kopf des descamisado und eine Terrasse auf der Fläche des Ambosses vorgesehen.50 Während als Aufstellungsort zunächst die Plaza de Mayo im Zentrum von Buenos Aires angedacht war, wurde aufgrund der schieren Dimensionen des Denkmals letztlich ein Standpunkt in der Nähe der Präsidentenresidenz im Norden der Stadt gewählt. Mit den Bauarbeiten war bereits begonnen worden, als der Sturz Perjns der Fertigstellung des Denkmals im September 1955 ein jähes Ende bereitete.51 Der propagandistische Effekt, der bis zu diesem Zeitpunkt durch die zirkulierenden Baupläne und Fotografien von Modellen erzielt worden war, war jedoch sicherlich nicht zu unterschätzen. Der italienische Faschismus war zwar ebenso aktiv auf dem Gebiet der Propagandaskulptur.52 Ein skulpturales Bauprojekt, das speziell dem Arbeiter gewidmet gewesen wäre und in seinen Dimensionen an das geplante Monumento al descamisado im peronistischen Argentinien herangereicht hätte, gab es unter Mussolini jedoch nicht. Jenseits der alltäglichen Propaganda stellten Feiertage und Zeremonien, die beide Regime neu schufen oder sich im Falle von bestehenden aneigneten, regelmäßige Anlässe dar, bei denen die gesteigerte Relevanz des Arbeiters besonders hervortrat. Den Tag der Arbeit verlegte das faschistische Regime vom 1. Mai auf den 21. April, den Tag der mythischen Gründung Roms (753 v. Chr.), um sich von der sozialistischen Tradition abzugrenzen. Daneben wurden unter Mussolini viele weitere Feiertage ins Leben gerufen, die jedoch häufig einen vorrangig militärischen Charakter aufwiesen. So wurde beispielsweise am 28. Oktober dem Marsch auf Rom 1922 gedacht.53 Der 21. April, der ab 1924 50 Anah& Ballent, Unforgettable Kitsch. Images around Eva Perjn, in: : Matthew B. Karush/ Oscar Chamosa (Hg.), The new cultural history of Peronism. Power and identity in midtwentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 143–170, hier S. 162. 51 Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 161f.; Pittelli/Somoza Rodr&guez, Peronismo: Notas acerca de la produccijn y el control de s&mbolos, S. 215. 52 Als Beispiel sei hier die skulpturale Ausstattung des Stadio dei Marmi im ehemals Foro Mussolini genannten Sportkomplex in Rom angeführt (heute: Foro Italico), die verschiedene Sportler zeigte (vgl. Giorgio Muratore, Die Kultstätte der faschistischen Jugend. Das Foro Mussolini – ein neues Forum für ein neues Rom, in: Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei, Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion, 1922–1956, Baden 1994, S. 628–631). 53 Nützenadel, Inszenierungen des Nationalstaats, S. 134.
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feierlich begangen wurde, stellte im faschistischen Festtagskalender zunächst das einzige Ereignis mit einem expliziten Bezug zum Thema der Arbeit dar.54 So war es auch an diesem Datum, dass der faschistische Gewerkschaftsführer Edmondo Rossoni 1927 die Carta del Lavoro auf der Piazza del Popolo in Rom verkündete. Erst 1936 schuf das Regime mit den sogenannen Littoriali del Lavoro, Arbeitswettkämpfen für Jugendliche, einen weiteren wiederkehrenden Anlass, bei dem das Thema der Arbeit im Mittelpunkt stand und der in der Regierungspropaganda beworben wurde.55 Das peronistische Regime behielt hingegen den 1. Mai als Tag der Arbeit bei, deutete ihn jedoch für seine Zwecke um. 1948 wurde an diesem Datum mit viel propagandistischem Pomp die Aushändigung der »Rechte des Arbeiters« begangen, die im Folgejahr Eingang in die Verfassung fanden.56 Des Weiteren institutionalisierte der Peronismus den 17. Oktober als »Tag der Treue« (D&a de la lealtad).57 An diesem Datum wurde an den 17. Oktober 1945 erinnert, als protestierende Arbeitermassen im Zentrum von Buenos Aires die Freilassung Perjns erreicht hatten, der seines Amtes als Staatssekretär für Arbeit enthoben und verhaftet worden war. Nach dem Wahlsieg der Peronisten im Februar 1946 institutionalisierten sie den »Tag der Treue« und begingen ihn jährlich als Gründungsdatum ihrer Bewegung.58 In der visuellen Propaganda zu diesen Anlässen trat der Arbeiter in beiden Ländern in unterschiedlichem Ausmaß als Heros auf und es wurde auf seine soziale Besserstellung durch das jeweilige Regime abgehoben. Im Zeremoniell des 21. Aprils im faschistischen Italien lag, wie Alceo Riosa herausgestellt hat, der Fokus zunächst auf dem Rückbezug auf das antike Rom, bevor im Nachhinein der Weltwirtschaftskrise und im Zuge der Autarkiepolitik der Aspekt der Arbeit stärker in den Vordergrund trat. Teil der ritualisierten Abläufe wurden 1935 beispielsweise Empfänge von Arbeitern im Palazzo Venezia oder Preisverleihungen des Duce an »benemiriti del lavoro« – Arbeiter, die sich aus der Sicht des Regimes besonders verdient gemacht hatten.59 Der Befund Riosas von der erst im Laufe der 1930er Jahre gestiegenen Relevanz des Themas der Arbeit im Kontext des 21. April lässt sich auch für die visuelle Propaganda bestätigen. Während aus der Anfangszeit kaum Plakate anlässlich der Festa del lavoro 54 Alceo Riosa, Alcuni appunti per una storia della Festa del lavoro durante il regime fascista, in: ders., Le metamorfosi del 18 maggio. La festa del lavoro in Europa tra le due guerre, Venedig 1990, S. 73–89, hier S. 74. 55 Jürgen Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), Tübingen 1994, S. 310f. 56 Gen8, Un mundo feliz, S. 81. 57 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 39. 58 Ebd., S. 52–55. 59 Riosa, Alcuni appunti per una storia della Festa del lavoro durante il regime fascista, S. 83, 86.
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überliefert sind, stammen die Exemplare, die anlässlich dieses Datums Arbeit zum Thema haben, von Mitte oder Ende der 1930er Jahre. Ein Plakat zum Tag der Arbeit von Marcello Dudovich, der in den 1930er Jahren zu den wichtigsten Propagandagrafiker des Regimes gehörte, stellt einen der seltenen Fälle dar, bei dem eine weibliche Arbeiterfigur Protagonistin ist (Abb. 10, S. 109). Im Brustbild gezeigt, reckt sie mit der linken Hand ein Weizenbündel diagonal in die Höhe. Ihre Kleidung, ein dunkles halbärmeliges Oberteil und ein blaues Kopftuch, sowie die ländliche Szenerie weisen sie als Landarbeiterin aus. Im Hintergrund sind ein stilisiertes Weizenfeld und eine Industrieanlage mit rauchenden Fabrikschloten zu sehen. Zwar ist das Plakat undatiert, die Unterschrift »Autarchia« verweist jedoch auf die zweite Hälfte der 1930er Jahre, als das faschistische Regime nach Verhängung der Sanktionen durch den Völkerbund im Anschluss an den Äthiopienkrieg komplette Autarkie anstrebte.60 Nachdem Feiern zum 1. Mai in Argentinien von vorherigen Regierungen vielfach verboten oder behindert worden waren, eignete sich das peronistische Regime den Feiertag an und nutzte ihn propagandistisch als Anlass, um die von ihm erreichte soziale Besserstellung der Arbeiter herauszustellen. War es an diesem Datum in der Vergangenheit häufig zu gewaltvollen Ausschreitungen seitens der Sozialisten oder Anarchisten gekommen, die mehr Rechte für Arbeiter einforderten, waren diese Proteste nach peronistischer Lesart nun unbegründet. Denn sämtliche Forderungen galten als durch die peronistischen Sozialreformen erfüllt. Die Feierlichkeiten wurden von Staatsseite ritualisiert und dienten dem Regime einmal mehr dazu, den angeblich vollzogenen Bruch mit der politischen Vergangenheit zu betonen. Im Gegensatz zu vorperonistischer Zeit sollte der Tag der Arbeit nun als friedliche Feier begangen werden.61 Im Vergleich zum faschistischen Italien sind Propagandaplakate aus Anlass des Tags der Arbeit im peronistischen Argentinien sehr viel häufiger. Nicht historische Rückbezüge, wie in Italien auf die mythische Gründung Roms, standen in der peronistischen Bildpropaganda zum 1. Mai im Vordergrund, sondern vielmehr Arbeiterfiguren als Inkarnationen des vom Regime proklamierten sozialen Wandels. Auf einem argentinischen Plakat zu diesem Feiertag ist ein städtischer Arbeiter im Brustbild mit weißem Hemd vor einer Industrielandschaft im Hintergrund abgebildet (Abb. 11, S. 110). Hinter seiner rechten Schulter ist ein zweites männliches Porträt in monochrom bläulicher Farbigkeit angeordnet, das leidend mit geöffnetem Mund nach oben blickt. Mit diesem geisterhaften, unpersönlichen Schatten soll, im Kontrast zum jugendlich virilen Arbeiter im Vordergrund, dessen Situation vor der Regierungsübernahme der Peronisten verdeutlicht werden. So suggeriert das Bild, dass der Arbeiter zuvor anonym und 60 Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, S. 364. 61 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 42, 50.
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Abb. 10: Marcello Dudovich, »Geburt Roms. Fest der Arbeit«, Plakat (140 x 100 cm), Italien ohne Datum.
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Abb. 11: Besares Soraire, »Arbeiter, gestern unterdrückt, heute gewürdigt, 1. Mai«, Plakat, Argentinien ohne Datum.
gesichtslos gewesen sei, von seinem Arbeitgeber ausgebeutet und von der Politik vernachlässigt wurde. In der Gegenwart hingegen, repräsentiert durch die ansehnliche Arbeiterfigur im Vordergrund, hat sich die peronistische Regierung den Bedürfnissen der Arbeiterschaft angenommen. Der Bildtitel in Schwarz und Rot hebt seinerseits verbal auf einen Kontrast zwischen ›früher‹ und ›heute‹ ab: »Arbeiter, gestern unterdrückt, heute gewürdigt, 1. Mai.« Während der Arbeiter im faschistischen Italien abgesehen vom 21. April im Zeremoniell und der Propaganda der restlichen vom Regime begangenen Feiertage in den Hintergrund trat und vielmehr der militärische Aspekt fokussiert
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wurde,62 lag in Argentinien auch im Falle des »Tags der Treue« der Fokus auf der Figur des Arbeiters. Auf einem von H8ctor Alfons&n in nahezu fotorealistischem Stil ausgeführten Plakat von 1948 zu diesem Datum füllen die nach rechts oben gereckten Köpfe einer Frau, eines Mannes, eines älteren Mannes und eines Jungen im Profil die untere Bildhälfte (Abb. 12, S. 112). Die verschiedenen repräsentierten Generationen bilden einen Querschnitt der Bevölkerung. Die über ihnen in die Höhe gehobenen argentinischen Nationalflaggen, die sich bis in den Hintergrund fortsetzen, vermitteln den Eindruck, dass es sich um eine größere Ansammlung von Menshcen handelt. Im rechten oberen Viertel des Bildes befindet sich ein freigestelltes Porträt Perjns. Die Blicke der Menge richten sich jedoch nicht auf ihn, sondern auf einen Punkt, der rechts außerhalb des Bildes liegt und mit dem der Balkon des Regierungsgebäudes, der Casa Rosada, angedeutet sein könnte, auf dem Perjn nach seiner Befreiung an dem hier kommemorierten 17. Oktober 1945 eine Rede hielt. Diese Tradition führte er in den Folgejahren fort. Die ehrfürchtigen Gesichter der Personen sowie der Maßstab und die Anordnung von Perjns Porträt verdeutlichen die Hierarchie zwischen dem Präsidenten und den Bürgern. Nichtsdestotrotz spricht die Bildunterschrift »17. Oktober. Das Volk befreite seinen Führer« eindeutig dem Volk die Verantwortung für Perjns Befreiung zu. Die Aufwertung der Arbeiterfigur in visuellen Medien beschränkte sich in beiden Ländern keineswegs auf die politische Propaganda, sondern war auch in der kommerziellen Werbung festzustellen.63 Das faschistische Regime hatte bereits in den 1920er Jahren begonnen, auch die Wirtschaftswerbung zu kontrollieren – eine Tendenz, die sich mit den Autarkiebestrebungen verstärkte.64 Auch wenn Werbeanzeigen bis zum Ende des Folgejahrzehnts eine zunehmende Politisierung erfuhren, kann zu keinem Zeitpunkt von einer totalen Kontrolle durch das Regime die Rede sein.65 In einer mit »Autarkie. Motorisierung« betitelten Anzeige von Fiat, die im Juli 1940 auf dem rückwärtigen Einband der Zeitschrift »Critica fascista« erschien, ist eine unbekleidete geflügelte männliche Gestalt zu sehen (Abb. 13, S. 113). Dem Automobilunternehmen erkannte das faschistische Regime in seinem korporativen Wirtschaftssystem nahezu eine Monopolstellung zu.66 Die Figur steigt aus der linken unteren Bildecke auf und 62 Riosa, Alcuni appunti per una storia della Festa del lavoro durante il regime fascista, S. 74. 63 Vgl. für Italien Karen Pinkus, Bodily regimes. Italian advertising under fascism, Minneapolis 1995 und für Argentinien Milanesio, Workers go shopping in Argentina. 64 Bianca Gaudenzi, Press Advertising and Fascist Dictates. Showcasing the female consumer in Fascist Italy and Nazi Germany, in: Journalism Studies 14 (2013) H. 5, S. 663–680, hier S. 665. 65 Ebd., S. 677. 66 Philip Morgan, Corporatism and the Economic Order, in: R. J. B. Bosworth (Hg.), The Oxford handbook of fascism, Oxford, New York 2009, S. 150–165, hier S. 155f.: Giovanni Agnelli, Geschäftsführer des Unternehmens, war ab 1923 ebenso Mitglied des italienischen Senats.
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Abb. 12: H8ctor Alfons&n, »17. Oktober. Das Volk hat seinen Führer befreit«, Plakat, Argentinien 1948.
reckt mit einem stilisierten Fascio das Symbol des faschistischen Regimes in die Höhe. Aus der anderen Handfläche erscheinen, einem Schöpfungsakt gleich, eine Reihe im Maßstab sehr viel kleinerer Flugzeuge, die sich nach rechts oben bewegen und den Bildmittelpunkt darstellen. In der Fortsetzung der Bewegungslinie des hochgestreckten Arms sind einige Fahrzeuge, ein Auto, ein Lastwagen und ein Zug, angeordnet. Zu Füßen der Figur befindet sich eine rationalistische Gebäudearchitektur, die den Schriftzug »Fiat« trägt und auf das Fabrikgebäude in Turin verweist. 1923 war dort im Stadtteil Lingotto ein neues Werk unter Präsenz des Königs eröffnet worden, das kurze Zeit später auch
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Abb. 13: »Autarkie, Motorisierung, Fiat«, Werbeanzeige, in: Critica fascista XVIII, H. 18, Italien 1940.
Mussolini besuchte.67 Rechts über der Gebäudestruktur sind in der Werbeillustration noch ein Schiff und eine Werftanlage auszumachen. Kurzum präsentiert die Anzeige die gesamte Bandbreite der von Fiat hergestellten motorisierten Vehikel. Auch wenn es sich bei der geflügelten Gestalt nicht um eine Arbeiterfigur im engeren Sinne handelt, ist doch wie in der zeitgenössischen politischen Propaganda der männliche Körper zentral, der im Maßstab alle anderen Bildelemente überragt. Wie viele Propagandaillustrationen des Regimes erinnert auch die Figur in der Fiat-Reklame stilistisch an Werke der italienischen Hochrenaissance – eine Epoche, auf die sich der Faschismus neben 67 Zamagni, The economic history of Italy, 1860–1990, S. 223.
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der römischen Antike bezog. In ihrer Haltung weist sie insbesondere Ähnlichkeiten mit dem Adam in Michelangelos Schöpfung in der Sixtinischen Kapelle auf, der ebenso den linken Arm ausstreckt und das linke Bein anwinkelt. Anders als in der biblischen Szene wird die männliche Gestalt hier jedoch nicht erschaffen, sondern ist ihrerseits Schöpfer, in diesem Fall der Produktpalette von Fiat. Trotz der Rationalisierung der Produktionsprozesse, für die das in der Anzeige angedeutete neue Werk in Lingotto steht, wird der in dieser Anzeige ins Metaphysische erhöhte Produktionsprozess als nur durch menschliches Zutun möglich präsentiert. Somit findet sich die Körperlichkeit bei der Darstellung von Arbeitsprozessen, die als Merkmal der faschistischen Bildpropaganda identifiziert wurde, auch in Werbeanzeigen der Zeit. Im peronistischen Argentinien übte das Regime zwar keine aktive Kontrolle auf die Werbung aus. Dennoch war dort eine ähnliche ikonografische und argumentative Nähe zwischen politischer und kommerzieller Propaganda wie im faschistischen Italien festzustellen. So hielten in die Wirtschaftswerbung ganz ähnliche Arbeiterfiguren Einzug, wie sie in der politischen Propaganda erschienen. Dies war insbesondere bei vom peronistischen Regime oder bereits zuvor verstaatlichten Betrieben der Fall. In einer Anzeige der unter Hipjlito Yrigoyen 1922 gegründeten staatlichen Ölgesellschaft YPF (Yacimientos Petrol&feras Fiscales),68 die im Juli 1949 auf der Rückseite der Zeitschrift »Del Peronismo« veröffentlicht wurde, ist eine stattliche oberkörperfreie Männerfigur zu sehen, die den geografischen Umriss Argentiniens stemmt (Abb. 14, S. 115). Der Ausfallschritt, den sie ausführt, unterstreicht dabei ihre physische Anstrengung. Die Anzeige weist erhebliche Ähnlichkeiten mit dem Schulbuchcover auf, auf dem ein Arbeiter den geografischen Umriss Argentiniens mit Hammer und Meißel bearbeitet (Abb. 8, S. 100). Die Überschrift der YPF-Reklame spricht den Betrachter direkt an: »Schultern auch Sie! Um das Land voranzubringen. Plan Perjn«. Dass ein planwirtschaftliches Element der peronistischen Regierung, der »Plan Perjn«, in einer Anzeige der staatlichen Ölgesellschaft unter Rückgriff auf die emblematische Figur des »Hemdlosen« beworben wird, verdeutlicht die Verschränkung von Wirtschafts- und politischer Werbung unmittelbar. Indem der Fortschritt des gesamten Landes, bildlich in einen körperlichen Kraftakt übersetzt, der Bevölkerung überantwortet wird, klingt die in der politischen Propaganda identifizierte Rolle des Arbeiters als Zukunftsträger auch in kommerziellen Bildmedien an. Der Korporativismus basierte auf intellektuellen Strömungen, die von einer organizistischen Metapher der Nation als Körper ausgingen, dessen Einzelteile
68 Podest#, Peronismo vs. peronismo, S. 73.
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Abb. 14: »Schultern auch Sie. Um das Land voranzubringen. Plan Perjn. YPF«, Werbeanzeige, in: Del Peronismo III H. 24, Argentinien 1949.
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nur insofern relevant waren, als sie das Ganze funktionieren ließen.69 Wie gezeigt wurde, führte die Übersetzung der zunächst abstrakten korporativistischen Theorie in der Bildpropaganda des faschistischen Italien und des peronistischen Argentinien zu einer Dominanz von Körpern und des Themas der Arbeit. Im unter beiden Regimen beworbenen korporativen Gesellschaftsmodell wurde der Arbeiter zum Repräsentanten des jeweiligen Volkes und der nationalen Identität schlechthin erklärt. Neue Begrifflichkeiten sollten dieser Gleichsetzung vom Arbeiter mit der nationalen Identität Ausdruck verleihen. Neben der Ansprache der Bevölkerung als »Arbeitervolk« (»popolo lavoratore«, »pueblo trabajador«), die sowohl das faschistische als auch das peronistische Regime praktizierten, bezog sich letzteres mit dem von ihm geprägten descamisado sehr viel eindeutiger auf die unteren Schichten. Die Aufwertung des Arbeiters wurde des Weiteren bei nationalen Zeremonien, wie dem Tag der Arbeit, der unter beiden Regimen erstmals von Staatsseite propagandistisch genutzt wurde, deutlich. Im Vergleich der Festtagskalender des Faschismus und des Peronismus überwogen im peronistischen Argentinien jedoch die Anlässe, die einen eindeutigen Bezug auf das Thema der Arbeit aufwiesen. Dass es auch außerhalb der politischen Propaganda große Relevanz besaß, zeigt die zeitgenössische kommerzielle Werbung, in der insbesondere in Anzeigen der Industrie Gebrauch von ebenso heldenhaften Arbeiterfiguren gemacht wurde.
4.2
Sozialpolitik gegen Produktivität: Der Arbeiter als Empfänger sozialpolitischer Leistungen und als Produzent
Neben der Heroisierung der Arbeiterfigur zu verschiedenen Anlässen bestand ein zentrales Motiv der Propaganda im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien in der »Würdigung des Arbeiters« durch das jeweilige Regime. Damit klang eine Forderung der katholischen Soziallehre an, die in den päpstlichen Enzykliken Rerum Novarum von 1891 und Quadragesimo Anno 1931 ein stärkeres Eintreten des Staates für die sozialen Belange der Bevölkerung verlangte.70 Trotz der bis zu den Lateranverträgen 1929 konflikthaften Beziehung zwischen dem faschistischen Regime und der katholischen Kirche hatten diese Positionen eine nicht zu vernachlässigende Inspirationsquelle für die Theoretiker des Korporativismus dargestellt.71 Auf einer italienischen Postkarte von 69 Ben-Ghiat, Fascist modernities, S. 17f.; vgl. Falasca-Zamponi, Fascist spectacle, Kapitel 4 »Bodily Economy«. 70 Camillo Brezzi, Laici, cattolici, Chiesa e Stato dall’unit/ d’Italia alla grande guerra, Bologna 2011, S. 93. 71 John Molony, The Worker question. A new historical perspective on »Rerum Novarum«, Dublin 1991, S. 132.
Sozialpolitik gegen Produktivität
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1924 des Propagandazeichners Giorgio Muggiani, der vor allem in den 1920er Jahren aktiv war, ist eine in schwarzen Schraffuren ausgeführte männliche Figur zu sehen, die die Schürze eines Schmieds oder Metallarbeiters trägt (Abb. 15).
Abb. 15: Giorgio Muggiani, »Die faschistische Regierung hat mir meine Würde als Arbeiter und als Italiener zurückgegeben«, Postkarte (10,5 x 14,8 mm), Italien 1924.
Zusätzlich wird sie durch die Fabrikanlage im Hintergrund als Industriearbeiter ausgewiesen. Mit den rauchenden Schloten griff Muggiani auf ein Motiv der sozialistischen Arbeiterikonografie zurück, das dort für Industrialisierung und Fortschritt stand.72 Der strenge, entschlossene Blick des Arbeiters führt über den Betrachter hinweg. Es werden ihm die Worte in den Mund gelegt: »Die fa72 Steinkamp, Sozialismus, S. 369f.
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schistische Regierung hat mir meine Würde als Arbeiter und als Italiener wiedergegeben.« Die Bildunterschrift spricht dem Faschismus, repräsentiert durch ein Liktorenbündel in einem Strahlenkranz im Hintergrund, die Restitution der Würde zu. Ebenso wird auf dieser Postkarte die nationale Identität mit der Arbeiteridentität verknüpft und auf eine Stufe gestellt. Aufgrund der zurückerstattenen Würde blickt der Arbeiter und somit das gesamte italienische Volk zuversichtlich in die Zukunft. Auf dem bereits besprochenen peronistischen Plakat anlässlich des 1. Mai wird eine ähnliche Argumentationslinie verfolgt (Abb. 11, S. 110): »Arbeiter, gestern unterdrückt, heute gewürdigt.« Auch im argentinischen Fall zeichnet das peronistischen Regime, genauer die genannte Secretar&a de Trabajo y Previsijn, für diese Würdigung verantwortlich. Im Vergleich zu vorhergehenden Bildtraditionen linksgerichteter Parteien in beiden Ländern büßte die Ikonografie des Arbeiters unter dem Faschismus und dem Peronismus ihren Protestcharakter ein: Hatte das Einfordern von Rechten und Sozialreformen für die arbeitende Bevölkerung einen wesentlichen Inhalt von Illustrationen in Zeitungen, wie »Avanti!« in Italien und »La Vanguardia«, in Argentinien dargestellt,73 wurden diese Forderungen in der faschistischen und der peronistischen Propaganda nun als erfüllt präsentiert. In der Deutung beider Regime machte dies Protest seitens der Arbeiter obsolet. Während also in früheren Bildmedien linker Parteien in beiden Ländern die Ausbeutung der Arbeiter angeprangert und sozialer Wandel eingefordert worden war, verkörperten die Arbeiterfiguren in der faschistischen und peronistischen Propaganda nun den angeblich bereits vollzogenen Wandel. Konkreten legislativen Ausdruck fand die angesprochene »Würdigung des Arbeiters« in von beiden Regimen verabschiedeten, unterschiedlich weitreichenden sozialpolitischen Maßnahmen, durch die die angestrebte soziale Gerechtigkeit vewirklicht werden sollte.74 Das faschistische Regime rühmte sich gar der Erfindung des Terminus politica sociale und sah die von ihm vorangetriebene »soziale Revolution« als organisatorisches Prinzip der zukünftigen Gesellschaft an.75 »Eine höhere soziale Gerechtigkeit für das ganze italienische Volk« wurde in der Publizistik des Regimes als »erstrebenswertestes Ziel« bezeichnet.76 So erklärte die Carta del Lavoro nicht nur Arbeit zur »sozialen Pflicht«, sondern erläuterte in den restlichen 29 Artikeln auch Grundlinien des 73 Vgl. für Italien Fondazione Luigi Micheletti (Hg.), Le immagini del movimento operaio e socialista. Immagini e storia del socialismo italiano nei manifesto e nei documenti originali dal 1892, Brescia 1982, vgl. für Argentinien Gen8, Un mundo feliz, S. 67. 74 Quine, Italy’s social revolution, S. 97; Peter Ross, Justicia social: una evaluacijn de los logros del Peronismo cl#sico, in: Anuario del IEHS (1993) VIII, S. 105–124, hier S. 105. 75 Quine, Italy’s social revolution, S. 100. 76 O. A., Per una piF alta giustizia sociale, in: Critica fascista XVIII (1940) H. 5, S. 78–84.
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Arbeitsschutzes und der zu institutionalisierenden Sozialversicherungen.77 Entgegen dieser Absichtserklärungen schraubte das faschistische Regime die unter Giovanni Giolitti bis 1920 verabschiedete liberale Sozialgesetzgebung, wie die staatliche Renten- und Arbeitslosenversicherung, jedoch zunächst weitestgehend zurück.78 Worin genau eine genuin faschistische Sozialpolitik bestehen sollte, blieb auch nach der Verkündung der Carta del Lavoro 1927 vage.79 Erst ab Anfang der 1930er Jahre nahm die Sozialpolitik mit der Gründung einer Reihe parastaatlicher Institutionen, wie dem Istituto per la Previdenza Sociale oder dem Ente per le Opere Assistenziali, klarere Konturen an.80 Nichtsdestotrotz stellten sich viele der verabschiedeten sozialpolitischen Maßnahmen als dysfunktional heraus: Etwa im Falle der Arbeitslosenversicherung oder der Familienbeihilfe erhielten viele Versicherte schlicht die Leistungen nicht, auf die sie Anrecht hatten.81 Während die Sozialpolitik im Faschismus – so eingeschränkt ihre Erfolge auch waren – hauptsächlich von einer kleinen Fraktion um den zeitweiligen Unterstaatssekretär für Korporationen Giuseppe Bottai vorangetrieben wurde, definierte sich das peronistische Regime maßgeblich über die von ihm verabschiedeten Sozialreformen.82 So hieß es auf einer undatierten argentinischen Propagandabroschüre, soziale Gerechtigkeit zu erreichen, sei die »Essenz des Justicialismo«.83 Im ersten Fünfjahresplan, einem der zentralen wirtschaftspolitischen Instrumente des Peronismus, erklärte es die Errichtung eines Wohlfahrtsstaates explizit als Ziel.84 In den 1949 in die argentinische Verfassung aufgenommenen »Rechten des Arbeiters« wurde unter anderem das »Recht auf Arbeit«, »gerechte Umverteilung«, »Berufsausbildung«, »würdige Arbeitsbedingungen«, »Gesundheitsversorgung«, »Wohlstand und soziale Sicherheit«, »wirtschaftliche Besserstellung« sowie der »Verteidigung der beruflichen Interessen« festgeschrieben.85 Den Einfluss des italienischen Vorbilds auf die unter Perjn verabschiedeten Derechos del trabajador hat die Forschung hinreichend 77 78 79 80 81 82
Giuseppe Bottai, La Carta del Lavoro, Rom 1927. Quine, Italy’s social revolution, S. 112. Ebd., S. 109. Ebd., S. 108, 115, 123–124. Ebd., S. 114f. Schiera, Korporativismus im Faschismus, S. 59; vgl. Giuseppe Parlato, La sinistra fascista. Storia di un progetto mancato. Ricerca, Bologna 2000; Ross, Justicia social, S. 105. 83 Subsecretar&a de Relaciones Exteriores, La justicia social es la esencia del Justicialismo, Buenos Aires, o. J. 84 Ross, Justicia social, S. 107f. 85 La proteccijn del trabajador argentino, Buenos Aires, S. 29–32: »1. Derecho de trabajar, 2. Derecho de retribucijn justa, 3. Derecho a la capacitacijn, 4. Derecho a condiciones dignas de trabajo, 5. Derecho a la preservacijn de la salud, 6. Derecho al bienestar, 7. Derecho a la seguridad social, 8. Derecho a la proteccijn de su familia, 9. Derecho al mejoramiento econjmico, 10. Derecho a la defensa de los intereses profesionales«.
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belegt.86 In den argentinischen »Rechten des Arbeiters« standen jedoch weniger die Pflichten der Arbeiter gegenüber dem Staat im Vordergrund, wie es in der Carta del Lavoro der Fall gewesen war, als vielmehr die staatlich garantierten Rechte der arbeitenden Bevölkerung.87 Insgesamt gelang es dem peronistischen Regime, die Anzahl der Empfänger von vielfach schon vor Perjns Präsidentschaft in den Jahren 1943 bis 1946 eingeführten staatlichen Sozialversicherungen, wie Rente, Familiengeld und Sozialhilfe, erheblich zu erweitern.88 Auch fand eine Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten der Mittel- und Unterschichten statt, deren Anteil bis 1950 auf 55 % anwuchs.89 Dass die »Würdigung des Arbeiters« durch die vom faschistischen und peronistischen Regime verabschiedeten Sozialreformen geschehen sollte, wurde auch anhand der jeweiligen visuellen Propaganda deutlich, wo er in der Rolle des Adressaten sozialpolitischer Maßnahmen auftauchte. Im Modus einer VorherNachher-Darstellung erscheint auf einem undatierten faschistischen Propagandaplakat (Abb. 16, S. 121) von Giorgio Muggiani eine identische Arbeiterfigur in zwei Bildfeldern, die – in Schwarz-Weiß ausgeführt – stilistische Ähnlichkeiten zur Postkarte desselben Autors aufweist (Abb. 15, S. 117). Im oberen Bildfeld, der Vorher-Situation, reicht eine anonyme Hand ins Bild, die dem Industriearbeiter, erkennbar an seiner Schürze und der Industrieszenerie im Hintergrund, einen mit »hohem Lohn« betitelten Sack aushändigt. Eine weitere ebenso anonyme Hand reicht rechts hinter der Arbeiterfigur hervor und wirft mit »Krise« und »Streiks« beschriebene, teilweise überdimensionierte Geldstücke zu Boden. Der Arbeiter scheint von alldem nichts zu bemerken, sein Kopf ist nach hinten gewandt. Hinter der Industrieanlage im Hintergrund geht, in Blickrichtung der Figur, eine »Sonne der Zukunft« auf. Neben den rauchenden Fabrikschloten hatte auch die aufgehende Sonne als Symbol für den Anbeginn neuer Zeiten Vorläufer in sozialistischen Bildmedien.90 Im unteren Bildfeld, das der aktuellen Situation unter dem faschistischen Regime entspricht, ist dieselbe Arbeiterfigur, diesmal dem Betrachter zugewandt, lächelnd abgebildet. Aus dem sehr viel kleineren mit »gerechtem Lohn« beschriebenen Sack verteilt sie Geld in drei kubische Behälter, die mit »Familie«, »Vorsorge« und »Sparen« betitelt sind. Im Hintergrund sieht man die gleiche Fabrikanlage, nun mit erleuchteten Fenstern, mehr Schornsteinen, aus denen im Gegensatz zur oberen Darstellung Rauch aufsteigt. Über der Industrielandschaft ist rechts oben eine Vision einer Italia im Brustbild angedeutet, die ein Liktorenbündel im Arm hält. Im Zu86 Wiarda, Corporatist Theory and Ideology, S. 229; Wiarda, Los Or&genes Corporativos de los Sistemas Ib8ricos y Latinamericanos de Relaciones Laborales, S. 21. 87 La proteccijn del trabajador argentino, S. 29–32; Bottai, La Carta del lavoro. 88 Ross, Justicia social, S. 109. 89 Ebd., S. 112. 90 Steinkamp, Sozialismus, S. 369.
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Abb. 16: Giorgio Muggiani, »Arbeiter aufgepasst!«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1922–38.
sammenhang mit dem Text wird die Vorzeit somit als von Krisen und Streiks geprägt präsentiert. Vom zwar höheren Lohn profitierte der Arbeiter laut Aussage des Bildes nicht. Der erhoffte politische Wandel, der sich bereits durch die
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
aufgehende Sonne im Hintergrund ankündigt, trat schließlich mit dem Faschismus ein. In der aktuellen Situation muss der Arbeiter mit einer geringeren, allerdings »gerechten« Vergütung auskommen, wie durch die reduzierte Größe des Lohnbeutels zum Ausdruck kommt. Damit wird auf die Lohneinbußen in verschiedenen Wirtschaftszweigen angespielt, die in der Industrie bis 1930 um 40 % zurückgingen.91 Als Grund dafür werden in der Illustration unter anderem, die Beiträge, die für vom Faschismus eingeführte Sozialleistungen, wie Familiengeld und Sozialvorsorge, abzugeben sind, ausgewiesen. Tatsächlich stieg der Eigenanteil der Arbeiter an den aufgeführten Versicherungsbeiträgen im Laufe der 1930er Jahre kontinuierlich an.92 Der lächelnde Gesichtsausdruck der Figur unterstreicht jedoch die Zufriedenheit des Arbeiters, die seine vermeintliche soziale Besserstellung durch das Regime bewirkt hat. Eine weitere Postkarte von Giorgio Muggiani in ähnlichem Stil von circa 1925 zeigt ebenfalls einen Industriearbeiter vor einem ihn überragenden Liktorenbündel. Im Hintergrund sind abermals Fabrikgebäude mit rauchenden Schloten zu erkennen. Mittels der Bildunterschrift wird in diesem Fall sehr viel allgemeiner auf die vorgebliche Verbesserung der Lebensumstände von Arbeitern durch das Regime abgehoben. Der abgebildeten Figur werden die Worte in den Mund gelegt: »Der Faschismus hat mir Ruhe und Arbeit gegeben.« Sehr viel häufiger als im faschistischen Italien trat der Arbeiter in der peronistischen Propaganda als Nutznießer der staatlichen Sozialpolitik auf: In einer Illustration zur Lohnpolitik in dem 800-seitigen von der Subsecretar&a de Informaciones herausgegebenen Bildband »La nacijn. Justa, libre y soberana« von 1950 wird ebenfalls eine Vorher-Nachher-Darstellung bemüht (Abb. 17, S. 123). Im oberen Bildfeld, das als das Jahr 1943 ausgewiesen ist, finden sich drei rückansichtige Arbeiter in einer Büroszenerie vor einem Schreibtisch. Dahinter sitzt ein Mann im Anzug, womöglich ein Regierungsvertreterer. Ein weiterer Mitarbeiter steht hinter ihm. Die Bildunterschrift erläutert die Situation: »Die Arbeiter forderten umsonst, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt würden. Im Jahr 1943 wurden vier Arbeitsabkommen unterzeichnet.« Im unteren Bildfeld, das die Überschrift »1947 bis 1949« trägt, ist auf der rechten Seite eine Ansammlung von Arbeitern angeordnet. Auf der linken Seite sieht man eine turmartige Architektur mit Uhr in einem Strahlenkranz. Im erklärenden Text wird der Titel der Illustration »Der Lohn ist die Basis« wiederaufgenommen und auf weitere 794 abgeschlossene Arbeitsabkommen bis 1949 verwiesen, die insgesamt über fünf Millionen Arbeitern zugute gekommen seien. Dafür zeichne die Secretar&a de Trabajo y Previsijn verantwortlich, die 1943 entsprechend der oben dargestellten Situation gegründet wurde und im unteren Bildfeld durch 91 Quine, Italy’s social revolution, S. 114. 92 Ebd., S. 124.
Sozialpolitik gegen Produktivität
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Abb. 17: »Der Lohn ist die Basis«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 151, Argentinien 1950.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
den Turm, ein Merkmal des Gebäudes des Staatssekretariats in Buenos Aires, repräsentiert wird. Auf didaktisch besonders eingängige Vorher-Nachher-Darstellungen, wie sie bisweilen auch in der faschistischen Propaganda aufgetauchten, wurde in der peronistischen Propaganda sehr viel häufiger zurückgegriffen. Das Stilmittel schien sich besonders zu eignen, den Bruch mit der Vergangenheit, den nicht nur der Faschismus, sondern auch der Peronismus proklamierte, bildlich darzulegen. Außer im genannten Bildband »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« kamen Vorher-Nachher-Darstellungen und anschauliche Diagramme auch in anderen Propagandapublikationen im peronistischen Argentinien zum Einsatz, zum Beispiel in den sogenannten statistischen Postkarten, die ab 1951 zweiwöchentlich in der Zeitschrift »Mundo Peronista« erschienen und von den Lesern gesammelt werden konnten. Balkenmodelle dienten hier beispielsweise dazu, die Entwicklung der Beschäftigungszahlen oder die Erhöhung der Löhne in der Industrie von 1943, als Perjn Arbeitssekretär wurde, bis 1950 nachzuzeichnen, die in dieser Zeitspanne tatsächlich um 53 % anstiegen.93 Wie auf den bisher analysierten Plakaten deutlich wurde, inszenierten sich beide Regime, unabhängig von den tatsächlichen sozialpolitischen Errungenschaften, in ihrer Propaganda als Garanten der Wohlfahrt des jeweiligen Volkes. Für den Faschismus auf der einen Seite hat die Forschung die These vorgebracht, dass das Regime durch die sozialpolitischen Maßnahmen, das Wegfallen bürgerlicher Rechte in der Diktatur zu kompensieren suchte.94 Für den Fall des Peronismus als formaler Demokratie auf der anderen Seite heißt es in der Literatur, dass sich Perjn seinerseits im Vorfeld der Wahlen 1946 und 1951 durch soziale Begünstigungen eine treue Wählerschaft, hauptsächlich aus den unteren Schichten, heranzog.95 In der Publizistik beider Regime wurde die verabschiedete Sozialpolitik jedoch keineswegs als reiner Selbstzweck dargestellt. Stattdessen sollte die soziale Besserstellung der arbeitenden Bevölkerung zur Steigerung ihrer Produktivität beitragen.96 Diese Argumentationslinie stellte auch ein Leitmotiv der visuellen Propaganda dar. In der Rhetorik des Faschismus entwickelte sich der Produzent zur Referenzfigur, die alle an der Produktion beteiligten Kräfte, vom Arbeiter bis zum Unternehmer, einschloss.97 Der Titel eines Artikels in der Zeitschrift »Critica fascista«, die der zeitweise Unterstaatssekretär für Korporationen Giuseppe Bottai herausgab, beschrieb die vom 93 O. A., Trabajo para todos. Obreros ocupados en la industria – Mejores salarios, in: Mundo Peronista I (1951) H. 6; James, Resistance and integration, S. 11: Die Löhne verfielen jedoch während der Wirtschaftskrise Anfang der 1950er Jahre inflationsbedingt wieder. 94 Quine, Italy’s social revolution, S. 99. 95 James, Resistance and integration, S. 9, 34. 96 Quine, Italy’s social revolution, S. 97. 97 Gagliardi, Il corporativismo fascista, S. 4f.
Sozialpolitik gegen Produktivität
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Regime angestrebte Entwicklung sehr treffend: »Vom Bürger zum Produzenten«.98 Ebenso statuierte die Carta del Lavoro 1927, dass die Aussöhnung der gegensätzlichen Interessen von Arbeitgebern und -nehmern mittels sozialpolitischer Maßnahmen, wie Tarifverträgen, einzig den »übergeordneten Interessen der Produktion« zu dienen habe.99 Wie das italienische Bildbeispiel (Abb. 7, S. 99), bei dem es um den »Willen des italiensichen Volkes zu arbeiten« ging, gezeigt hat, wurde das Individuum auf eine einzige Dimension, seine Arbeitsfähigkeit, reduziert.100 Im argentinischen Fall avancierte der Begriff Produzent zwar nicht zur übergreifenden Begrifflichkeit. Diese Funktion erfüllte in gewisser Weise, wie bereits aufgeführt, der descamisado, dessen Wesensmerkmal laut Eva Perjn jedoch auch darin bestand, dass er sich der »Produktion hingab«.101 Auf ähnliche Weise beschrieb Perjn bei der Erläuterung des ersten Fünfjahres-Plans, den Arbeiter als »Zahnrad in einem riesigen Getriebe« und hielt fest, es sei nötig zu »produzieren, produzieren, produzieren«.102 Insbesondere als sich Anfang der 1950er eine Rezession der argentinischen Wirtschaft abzeichnete,103 stellten Aufrufe zu höherer Produktion, wie »Mehr produzieren, um besser zu leben« oder »Zeit ist Gold. Produzieren Sie mehr«, ein wiederkehrendes Thema der peronistischen Bildpropaganda dar. Auch Veranstaltungen, wie ein »Kongress der Produktivität«, im März 1955, standen im Zeichen von Versuchen des peronistischen Regimes, die Konjunktur anzukurbeln.104 Das vermeintliche Tauschverhältnis von sozialpolitischen Leistungen gegen Produktivität, das heißt, die Tatsache, dass die Sozialleistungen auf der Erwerbstätigkeit basierten, wird auf einem vom argentinischen Innenministerium herausgegebenen undatierten Plakat sehr prägnant dargestellt (Abb. 18, S. 126). Es handelt sich abermals um eine Vorher-Nachher-Darstellung mit zwei Bildfeldern, die diagonal getrennt sind. Die obere Hälfte zeigt eine Fotografie einer 98 O. A., Dal cittadino al produttore, in: Critica fascista V (1927) H. 8, S. 148f. 99 Bottai, La Carta del Lavoro: »IV. Nel contratto colletivo di lavoro trova la sua espressione concreta la solidariet/ tra i vari fattori della produzione, mediante la conciliazione degli opposti interessi dei datori di lavoro e dei lavoratori, e la loro subordinazione agli interessi superiori della produzione.« 100 Gagliardi, Il corporativismo fascista, S. 4. 101 Perjn, Significacijn social del Descamisado, S. 5: »Entregado a la produccijn, lo mismo en el agro que en la f#brica o en el taller, [el descamisado] ha roto para siempre las cadenas que lo manten&an en el anonimato social.« 102 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 9, Buenos Aires 1998, S. 31: »Cada argentino que trabaja es un piÇjn de este enorme engranaje; es menester producir, producir y producir.« 103 Aldo Ferrer, La econom&a argentina. Desde sus or&genes hasta principios del siglo XXI, Buenos Aires 2004, S. 227ff. 104 Santiago Sen8n Gonz#lez/Fabi#n Bosoer, Breve historia del sindicalismo argentino, Buenos Aires 2009, S. 101f.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
Abb. 18: Ministerio del Interior, »Perjn hält sein Wort. Halten Sie auch das ihre, indem Sie produzieren!«, Plakat, Argentinien ohne Datum.
ärmlichen Hütte aus Lehm und Holz. Links daneben ist im Stile einer Fotomontage eine Zeichnung eines Gaucho, eines argentinischen Landarbeiters, der an seiner Kleidung erkennbar ist, angeordnet. Er trägt die typischen weiten
Stadt vs. Land? Bauern und Industriearbeiter in Italien und Argentinien
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Hosen (bombacha) mit Gürtel, als alpargatas bezeichnete Stoffschuhe und einen Hut (chambergo). Nichtstuend lehnt er leger an einem Baum und raucht eine Zigarette. Im unteren Bildfeld, das der Situation unter der peronistischen Regierung entspricht, ist eine moderne agrarische Produktionsstätte sichtbar, die aus mehreren Gebäuden und einem Wasserspeicher besteht. Eine zweite identische Gauchofigur rechts unten ist ihrerseits in Aktion mit einem Spaten in der Hand dargestellt. Die Bildüberschrift erklärt, »Perjn hält sein Wort. Halten Sie auch das Ihre, indem Sie produzieren!« Dass sich die oben gezeigte ärmliche Wohnstätte in die moderne Wohnanlage verwandelt, liegt also, so die Aussage, in gewissem Maße in der Verantwortung der Arbeiter selbst. Nur wenn sie produzieren, wie die Figur in der unteren Bildhälfte, können sie auch von der staatlichen Sozialpolitik oder wie in diesem Fall von Infrastrukturmaßnahmen im ländlichen Bereich profitieren.105 Im Vergleich der Themen der staatlichen Sozialpolitik und Aufrufen zur Produktion in der peronistischen und faschistischen Bildropaganda lässt sich feststellen, dass ersteres unter Perjn sehr viel dominanter war : Arbeiter traten dort vor allem als Nutznießer der vielfältigen vom Regime eingeführten Sozialleistungen auf. In der faschistischen Propaganda hingegen standen vielmehr die Pflichten der Bevölkerung gegenüber dem Regime, zu denen ganz zentral auch eine möglichst hohe Produktivität zählte, im Vordergrund. Abgesehen von den erweiterten staatlichen Freizeitangeboten gab es im faschistischen Italien schlicht auch kaum konkrete sozialpolitische Verbesserungen zu bewerben.
4.3
Stadt vs. Land? Bauern und Industriearbeiter in Italien und Argentinien
Zum Zeitpunkt des Aufstiegs des Faschismus war Italien mit über der Hälfte der Erwerbstätigen im primären Sektor ein agrarisch geprägtes Land. Ländliche Großgrundbesitzer und Pächter konstituierten zunächst auch die traditionelle Stütze des Regimes.106 Zwar hatte Mussolini die Lösung der Agrarfrage bereits 1921 zu seiner Priorität erklärt.107 Auch wurde die Eingliederung der Bauern in die korporativen Organe angestrebt.108 Jedoch ließen konkrete Maßnahmen, bis auf ein »Agrarprogramm« aus demselben Jahr, nach dem Regierungsantritt der 105 Vgl. zu Urbanisierungs- und Wohnungsbaumaßnahmen im Peronismus Anah& Ballent, Las huellas de la pol&tica. Vivienda, ciudad, peronismo en Buenos Aires, 1943–1955, Buenos Aires 2005. 106 Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, S. 349. 107 Roger Absalom, The Peasant Experience under Italian Fascism, in: R. J. B. Bosworth (Hg.), The Oxford handbook of fascism, Oxford, New York 2009, S. 127–149, hier S. 138. 108 Nützenadel, Korporativismus und Landwirtschaft im faschistischen Italien, S. 349.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
Faschisten auf sich warten.109 Obwohl in der Carta del lavoro explizit alle Formen von Arbeit zur sozialen Pflicht erklärt wurden, also auch intellektuelle, technische und Handarbeit,110 lag der Fokus der faschistischen Propaganda eindeutig auf dem Landarbeiter. Im Rahmen der sogenannten »Ruralismus«-Ideologie wurde die italienische Bauernschaft idealisiert.111 So befand Mussolini bei nicht wenigen Gelegenheiten die »Ruralisierung Italiens« für »sehr dringend« und »[v]on allen Arbeitern […] die Landarbeiter [für] die nobelsten und diszipliniertesten.«112 Ziel einer solchen Rhetorik war es, die italienischen Bauern angesichts des allmählichen Bedeutungsverlusts des Agrarsektors ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit zu rücken.113 In der faschistischen Bildpropaganda wurde der Landarbeiter somit zum Sinnbild des italienischen Arbeiters im Allgemeinen erhoben. So sind auf dem Titelblatt von Publikationen, wie »La condizione del lavoratore in Italia«, in denen die Sozialpolitik des faschistischen Regimes erläutert wurde, Landarbeiter bei der Getreideernte als Vertreter der gesamten italienischen Arbeiterschaft abgebildet – und das obwohl in den einzelnen Kapiteln keineswegs ausschließlich die Bedingungen der agrarischen Arbeiterschaft zur Debatte standen.114 Angesichts der Dominanz des agrarischen Arbeiters in der faschistischen Propaganda hat Bernard F. Reilly herausgestellt, dass es sich in der visuellen Propaganda meist um rückwärtsgewandte und anachronistische Darstellungen handelt. Mit der zeitgenössischen Realität der Landbevölkerung und auf diesem Gebiet vom faschistischen Regime durchgebrachten Reformen und technischen Modernisierungen hatten die Propagandabilder indes wenig zu tun. Stattdessen sollten archaische ländliche Szenerien das faschistische Regime und seine Agrarpolitik in die vermeintlich jahrhundertealte landwirtschaftliche Tradition des Landes einordnen.115 So weist ein mit »L’agricoltore d’Italia« betiteltes Plakat des »Nationalen faschistischen landwirtschaftlichen Verbandes« (Confederazione Nazionale Fascista degli Agricoltori) von 1928 starke ikonografische Anklänge an die römische Antike auf (Abb. 19, S. 129). 109 Ders., Landarbeiter und Bauern im faschistischen Italien, in: Mitteilungsblatt des Insitutus zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung (IGA) (1998) H. 21, S. 68–83, hier S. 75. 110 Bottai, La Carta del Lavoro: Art. II: »Il lavoro sotto tutte le sue forme organizzative ed esecutive, intellettuali, tecniche, manuali […].« 111 Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie, S. 4. 112 Mussolini, Opera omnia, Bd. 22, S. 292: »Fra tutti i lavoratori, i piF nobili, i piF disciplinati sono i lavoratori della terra.« (Rede Mussolinis im Palazzo Chigi in Rom vor Bauern aus Polesine am 15. 12. 1926). 113 Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie, S. 46; Absalom, The Peasant Experience under Italian Fascism, S. 140. 114 Vgl. Agostino Toso, La condizione del lavoratore in Italia. Ossia la politica sociale del Fascismo. Quaderni di politica e di economia contemporanea, Bd. 25, Rom 1941. 115 Reilly, Emblems of Production, S. 295.
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Abb. 19: Mario Mirko Vucetich, »Der italienischen Bauer«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1928.
Es zeigt eine unbekleidete, muskulöse Männerfigur in Schrittstellung vor monochrom blauem Hintergrund, die der Grafiker Mario Mirko Vucetich im Stile einer römischen Statue entworfen hat. Weitere antikisierende Elemente sind der Lorbeerkranz, den die Figur auf dem Kopf trägt, sowie die zum saluto romano bzw. faschistischen Gruß erhobene rechte Hand.116 In der anderen Hand hält sie einen rudimentären Pflug. Dieses Werkzeug fungiert, abgesehen von der Bildunterschrift, als einziges bildnerisches Mittel, das sie als Landarbeiter kenntlich macht. Angesichts der archaischen Züge der Figur stellt neben der Grußform lediglich das Zitat Mussolinis in ebenso an die Antike angelehnten Majuskeln eine Verbindung zum Faschismus her und weist gleichzeitig in die Zukunft: »Die italienische Landwirtschaft wird in eine Epoche großen Glanzes eintreten«. Im 116 Martin M. Winkler, The Roman salute. Cinema, history, ideology, Columbus 2009, S. 2.
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Zusammenhang mit der antikisierenden Darstellung wird somit die Kontinuität des faschistischen Regimes mit Italiens glorreicher Vergangenheit postuliert.117 Die vom Regime 1925 ausgerufene »Getreideschlacht« (Battaglia del grano) stellte einen weiteren Kontext dar, in dem der Landarbeiter in der Propaganda gepriesen wurde. Als einer der ersten agrarpolitischen Maßnahmen des Regimes zielte sie darauf, Italien durch die Einführung von Schutzzöllen und die Steigerung der inländischen Getreideproduktion von Importen unabhängig zu machen.118 Zu diesem Zweck schrieb der Regierungschef in der staatlichen Propaganda unter anderem Preisgelder aus, um die Agrarier zu mehr Produktion zu animieren. Ein Plakat von Bruno Boari von 1930 mit dem Titel »Nationaler Wettbewerb für den Sieg des Getreides« zeigt in leicht romantisierendem Stil eine Dreiviertelfigur eines jugendlichen Landarbeiters in ländlicher Szenerie (Abb. 20, S. 131). Er hält ein Getreidebündel im Arm, das das gesamte rechte obere Bilddrittel einnimmt. Links neben der Figur sind zwei eingespannte Ochsen auszumachen. Zwar wird in diesem Fall auf ikonografische Anleihen bei der Antike verzichtet. Es handelt sich dennoch ebenso um eine rückwärtsgewandte Darstellung: Die beiden Ochsen im Geschirr negieren jegliche inzwischen vorangeschrittene Mechanisierung der Landwirtschaft. Neben den landwirtschaftlichen Produktionswettbewerben wurde die Bonifica integrale, ein großangelegtes Meliorations- und Siedlungsprojekt im Agro Pontino, einem Sumpfgebiet südlich von Rom, sowie Landwirtschaftsausstellungen in der faschistischen Bildpropaganda beworben. Auch wenn die Mechanisierung des landwirtschaftlichen Sektors einen wesentlichen Bestandteil jener Landgewinnungsprojekte darstellte, ist visuelle Propaganda, die nicht auf zeitlose Verklärungen, sondern die Modernisierung des landwirtschaftlichen Sektors abhebt, eine Seltenheit. In dieser Hinsicht stellt ein Plakat anlässlich der 1932 von der »Nationalen faschistischen Gewerkschaft der Agrartechniker« (Sindacato Nazionale Fascista Tecnici Agricoli) ausgerichteten »Woche der Agrarmechanik« eine Ausnahme dar (Abb. 21, S. 132). Der Autor des Plakats, Marcello Nizzoli, war ansonsten als Werbegrafiker tätig, arbeitete aber auch mit Mario Sironi bei Aufträgen für das faschistische Regime zusammen.119 In modernistischer Ästhetik ist unter einem riesenhaften ›X‹, das die oberen zwei Bilddrittel einnimmt und an den zehnjährigen Jahrestag des Marsches auf Rom erinnert, allerhand landwirtschaftliches Gerät angeordnet. Die Ackerfurchen laufen auf das rote ›X‹ zu, das gleichzeitig den Fluchtpunkt darstellt, und werden in die Diagonalen verlängert, was den Decennale als Anlass zusätzlich betont. 117 Reilly, Emblems of Production, S. 304. 118 Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie, S. 40; Absalom, The Peasant Experience under Italian Fascism, S. 134f. 119 Fioravanti/Baseggio, Il dizionario del grafico, S. 342.
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Abb. 20: Bruno Boari, »Der Sieg des Getreides«, Plakat (140 x 100 cm), Italien ohne Datum.
Angesichts der Prominenz der beiden Hauptthemen – dem zehnjährigen Jubiläum des Regimes und der Mechanisierung der Landwirtschaft als dessen Verdienst – wird auf Arbeiterfiguren verzichtet.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
Abb. 21: Marcello Nizzoli, »Woche der Agrarmechanik«, Plakat (33 x 23,7 cm), Italien 1932.
Die Kehrseite der Verherrlichung des Landlebens in der faschistischen Propaganda bestand in einer negativen Sichtweise auf die Stadt als einem von der Moderne korrumpiertem Raum, wo angeblich Arbeitslosigkeit grassierte und
Stadt vs. Land? Bauern und Industriearbeiter in Italien und Argentinien
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Arbeiter in unmenschlichen Bedingungen lebten.120 Diese anti-urbanistische Haltung äußerte sich ab Ende 1928 auch in konkreten Maßnahmen des Regimes, die der Landflucht entgegenwirken sollten.121 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass städtische Arbeiter kaum in der faschistischen Bildpropaganda auftauchten. Die im Zusammenhang mit der Würdigung des Arbeiters und der Sozialpolitik des Faschismus analysierten Beispiele sind zwei der wenigen Fälle, in denen Beschäftigte der Industrie thematisiert werden (Abb. 15, S. 117, Abb. 16, S. 121). So charakterisiert Giorgio Muggiani auf der bereits besprochenen Postkarte von 1924 die männliche Figur im Brustbild durch ihre Kleidung sowie die rauchenden Fabrikschlote im Hintergrund als Industriearbeiter, in diesem Fall der Metallindustrie (Abb. 15, S. 117). Trotz der anti-urbanistischen Stoßrichtung eines Großteils der propagandistischen Publikationen existierten keine Negativdarstellungen industrieller Arbeit im Faschismus. Sehr wohl wurden jedoch in der Rückschau die Lebensumstände industrieller Arbeiter in vorfaschistischer Zeit angeprangert, wie auf dem zweiten Plakat von Muggiani, wo im oberen Bildfeld die Zeit vor der Regierungsübernahme der Faschisten als krisenhaft präsentiert wird (Abb. 16, S. 121). Neben der sichtlich verbesserten Lage des Arbeiters in der Jetzt-Zeit erscheint auch die im Hintergrund angedeutete Industrie durch die hell erleuchteten Fenster und rauchenden Schlote potenziert – ein weiteres Verdienst des durch die Italia mit Liktorenbündel versinnbildlichten Faschismus. Abgesehen von den seltenen Fällen, in denen Industriearbeiter Protagonisten der faschistischen Bildpropaganda waren, tauchten erst im Rahmen der Autarkiepolitik in Reaktion auf die Völkerbundsanktionen Mitte der 1930er Jahre vermehrt propagandistische Darstellungen der Industrie auf. Die Postkarte von Walter Roveroni mit dem Titel »Sanktionen. Kauft italienische Produkte!« ist nicht datiert, verweist jedoch eindeutig auf einen Entstehungszeitpunkt nach Verhängung Sanktionen im November 1935 (Abb. 22, S. 134). Die untere Bildhälfte besteht aus Industrieanlagen mit unzähligen rauchenden Fabrikschloten, die perspektivisch bis in den Hintergrund schier endlos fortgeführt werden. Der Titel »Sanktionen« in Rot wird vom aus den Schornsteinen aufsteigenden Rauch geschwärzt. Die Unterschrift, die zum alleinigen Kauf italienischer Produkte aufruft, ist in den italienischen Nationalfarben gehalten. Die Fortschrittlichkeit und Produktivität der italienischen Industrie, so suggeriert die Darstellung, machen die Auswirkungen der Sanktionen zunichte. Vom Ruß der Schornsteine geschwärzt, kann man sie bildlich gesprochen kaum noch erkennen. Ähnlich wie im Fall des Plakats (Abb. 21, S. 132) über die Mechanisierung der Landwirtschaft liegt der Fokus auch hier auf der Modernität der Industrieanlagen. Industrie120 Falasca-Zamponi, Fascist spectacle, S. 146. 121 Quine, Italy’s social revolution, S. 119f.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
Abb. 22: Walter Roveroni, »Sanktionen«, Postkarte (10,5 x 14,8 cm), Italien ohne Datum.
arbeiter, die als Identifikationsfiguren und Rollenbilder fungieren könnten, tauchen nicht auf. Der Befund vom Verzicht auf Arbeiterfiguren bei propagandistischen Darstellungen der Industrie in der faschistischen Propaganda lässt sich durch weitere Exemplare der visuellen Propaganda, wie ein mit »Turin und die Autarkie« betiteltes Plakat von Chiaudrero aus dem Jahr 1938, bestätigen. Eine von links hereinreichende überdimensionierte Hand trennt eine in modernistischer Ästhetik dargestellte Industrieanlage im Vordergrund von weiteren Fabrikgebäuden im Hintergrund, die mit verschiedenen Nationalflaggen, wie der französischen, der britischen und der amerikanischen, versehen sind. Der schützende Gestus der Hand, die um die Fabrik im Vordergrund – ein Sinnbild der italienischen Industrie – gelegt wird, verdeutlicht die Thematik der Autarkie. Erklärtes Ziel des argentinischen Präsidenten Juan D. Perjn war es nach seinem Amtsantritt im Juni 1946, die in den 1930er Jahren begonnene Förderung
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der argentinischen Industrie fortzusetzen, um ausländische Importe so weit wie möglich zu substituieren.122 Laut einem der Grundsätze der peronistischen Doktrin sei nur auf diese Weise »wirtschaftliche Freiheit« als Vorbedingung »politischer Souveränität« zu erreichen.123 Vor diesem Hintergrund hat Marcela Gen8 bezüglich der Frage, welcher Typus Arbeiter in der peronistischen Propaganda zum exemplarischen Arbeiter stilisiert wurde, die These von der Dominanz des Industriearbeiters aufgestellt.124 Wie die bereits analysierten peronistischen Bildmedien gezeigt haben, ist dem größtenteils zuzustimmen. So ist die Arbeiterfigur auf dem Plakat zum 1. Mai durch die Industrieanlage im Hintergrund als Arbeiter des industriellen Sektors ausgewiesen (Abb. 11, S. 110). Noch prominenter erscheint ein Industriearbeiter auf einem Plakat des Grafikers Attalich, auf dem zur Umsetzung des 1951 verkündeten zweiten Fünfjahres-Plans aufgerufen wird (Abb. 23, S. 136).125 Rechts im Vordergrund ist die mit blauen Latzhosen und einem gelblichen Hemd bekleidete männliche Figur etwa von den Knien bis zur Nase sichtbar, die Augenpartie ist beschnitten. Links neben ihr erhebt sich eine Industrieanlage mit rauchenden Schloten. Dahinter sind moderne Hochhäuser auszumachen, die die Fabrik überragen. Unterhalb der Industrieanlage ist in kleinerem Maßstab eine ländliche Szenerie mit weidenden Kühen, landwirtschaftlichen Gebäuden und Kornähren angeordnet. Außer durch den Verweis auf den zweiten Fünfjahres-Plan wird die Verbindung zum peronistischen Regime durch das abgebildete peronistische Parteischild links oben hergestellt, das neben der Justitia als weiteres Symbol des Justicialismo fungierte. Die Anonymisierung des Arbeiters durch das Beschneiden seiner Augenpartie macht ihn für die männliche in der Industrie arbeitende Bevölkerung zur Identifikationsfigur: Wie er sollen sich sämtliche argentinische Industriearbeiter sprichwörtlich die Ärmel hochkrempeln und dazu beitragen, den zweiten Fünfjahres-Plan »in Gang zu setzen«. Auch wenn Gen8s These von den Industriearbeitern als Hauptprotagonisten der peronistischen Propaganda für die Frühphase zutreffend ist, veränderten sich die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen des Regimes Anfang der 1950er Jahre jedoch. Denn mit der Verkündung des zweiten Fünfjahres-Plans 1952 legte die peronistische Regierung ein größeres Augenmerk auf die Landwirtschaft. So wurde die »agrarische Aktion« hier als oberste »Priorität« geführt.126 Maßnahmen, wie staatliche Kredite an den Agrarsektor und der Import von modernem landwirtschaftlichem Gerät, sollten dem Preisverfall argentinischer Agrarexporte entgegenwirken und die Versorgung des Binnenmarktes mit Lebensmit122 123 124 125 126
James, Resistance and integration, S. 8. Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 802. Gen8, Un mundo feliz, S. 96. Podest#, Peronismo vs. peronismo, S. 75. Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 27, Buenos Aires 2006, S. 614.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
Abb. 23: Attalich, »Man muss den zweiten Fünfjahres-Plan in Bewegung setzen«, Plakat, Argentinien ohne Datum.
teln gewährleisten.127 Mit dieser wirtschaftspolitischen Neuausrichtung ging auch in der visuellen Propaganda eine stärkere Präsenz des Themas der Landwirtschaft einher. Emblematisch für diese erhöhte propagandistische Relevanz des Landarbeiters ist das Plakat »El agro con Perjn« (»Der Acker mit Perjn«) von H8ctor Alfons&n, das anlässlich ebenjenes zweiten Fünfjahres-Plans herauskam (Abb. 24, S. 137). Vor monochromem blauen Hintergrund erscheint freigestellt ein ganzfiguriger Agrararbeiter im Profil. Er trägt die typische Kleidung eines argentinischen Gauchos. Vor sich hält er einen manuellen Pflug. Die modernistisch rechteckigen perspektivischen Grünflächen im Hintergrund deuten seinen Einsatzort, Ackerflächen, an. In der rechten Hand hebt die Figur eine Schriftrolle in die Höhe, die einerseits für das »Statut des Landarbeiters« (Estatuto del Pejn Rural) stehen kann, das Perjn während seiner Zeit als 127 Podest#, Peronismo vs. peronismo, S. 74.
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Abb. 24: H8ctor Alfons&n, »Der Acker mit Perjn. Zweiter Fünfjahres-Plan«, Plakat, Argentinien ohne Datum.
Staatssekretär für Arbeit 1944 verabschiedet hatte. Das Dekret hatte eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der argentinischen Landbevölkerung, etwa durch Mindestlöhne, bezahlten Urlaub und ärztliche Versorgung verfügt. In der Praxis variierte die Einhaltung dieser Arbeitsgesetzgebung jedoch regional stark und es ist zu bezweifeln, dass sie außerhalb der Provinz Buenos Aires Anwendung fand.128 Andererseits ist denkbar, dass das Schriftstück auf den umzusetzenden zweiten Fünfjahres-Plan verweist. Ähnlich wie bei den Darstellungen italienischer Landarbeiter (Abb. 19, S. 129, Abb. 20, S. 131) wird auch in diesem Fall ein zeitloser Modus gewählt. Weder der Pflug noch andere Attribute tragen der Tatsache Rechnung, dass in der Mechanisierung der
128 Vanderlei Vazelesk Ribeiro, Cuestiones agrarias en el varguismo y el peronismo. Una mirada histjrica, Buenos Aires 2008, S. 37, 40.
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»Avantgarde« und »Hoffnung des Vaterlands der Zukunft«
argentinischen Landwirtschaft ein wesentliches Anliegen der peronistischen Regierung bestand. Ein weiteres Plakat von Alfons&n von 1953 vermittelt einen ähnlichen Eindruck von Zeitlosigkeit im Zusammenhang mit dem Thema der Landarbeit – wie im vorherigen Fall unterstützt durch die Freistellung der Figuren vor monochromem Hintergrund (Abb. 25).
Abb. 25: H8ctor Alfons&n, »Zweiter Fünfjahres-Plan«, Plakat, Argentien 1953.
Hierbei handelt es sich um eine rückansichtige dreiköpfige ländliche Familie, die im Fall des Vaters und des Sohns typisch ländliche Kleidung trägt. Das taillierte Kleid der Frau und ihre Stöckelschuhe verweisen hingegen eher auf einen städtischen Kontext. Als einziges landwirtschaftliches Gerät hält der Vater mit einem Spaten wiederum ein traditionelles Werkzeug in der rechten Hand. Alle drei sind dem Hintergrund zugewandt, wo ein riesenhaftes Brustbild Perjns im Profil in der gelben Farbigkeit des restlichen Hinter-
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grunds als Art Vision erscheint. Die Blicke der Familie sind auf den übergroßen l&der gerichtet, der seinerseits nach rechts schaut. Unter dem Schutz und der Führung des zuversichtlichen und visionären Präsidenten, so die Botschaft, steht der Landbevölkerung mit dem zweiten Fünfjahres-Plan eine verheißungsvolle Zukunft bevor. Jenseits der geschilderten wirtschaftspolitischen Phasen, in denen die peronistische Regierung tendenziell entweder die Industrie oder die Landwirtschaft stärker förderte, werden in der Bildpropaganda während der gesamten Regierungszeit Perjns verschiedene Arbeitertypen zusammen gezeigt. Im Unterschied zur faschistischen Propaganda mit ihrem Schwerpunkt auf »ruralistischen« Themen kam es in der Bildpropaganda in Argentinien statt zur Präferenz entweder des Land- oder Industriearbeiters vielmehr zu einer integrativen Zusammenschau verschiedener wirtschaftlicher Sektoren. Dies geschah in Übereinstimmung mit Slogans in anderen propagandistischen Medien oder Verlautbarungen Perjns in seinen Reden, in denen er beispielsweise befand, dass »der Justicialismo die Verwirklichung des Menschen in der Gesellschaft« sei, »[d]es Menschen in Latzhosen, in Uniform oder im Hemdkragen! [Die Verwirklichung] aller Menschen und des Menschen in seiner Gesamtheit!«.129 Mit den berufstypischen Kleidungsstücken spielte er auf Fabrikarbeiter, Angehörige des Militärs und Büroangestellte an. In der visuellen Propaganda des peronistischen Regimes wurden somit vielfach verschiedene Arbeitsstätten, wie Industrieanlagen und landwirtschaftliche Produktionsstätten, bildlich verknüpft und beide Sektoren somit als integrative Bestandteile beispielsweise des zweiten Fünfjahres-Plans dargestellt (Abb. 23, S. 136). Ebenso geschieht es auf einem anderen frühen Plakat von Juan Dell’Acqua anlässlich des einjährigen Jubiläums von Perjns Regierungsantritt 1947 (Abb. 26, S. 140). In modernistischer ansatzweise kubistischer Formensprache zeigt es zwar einen Industriearbeiter in Rückenansicht, der mit ausgestreckten Armen an einem riesenhaften Zahnrad – eine häufige bildliche Kodierung der Industrie – dreht. Allerdings ist neben einer verkleinerten industriellen Anlage links unten mit einem manuellen Pflug in sehr viel größerem Maßstab an zentraler Stelle auch noch landwirtschaftliches Gerät dargestellt. Des Weiteren verweist ein Getreidebündel mit Banderole in den argentinischen Nationalfarben am rechten Bildrand, das in seiner Größe fast an das Zahnrad heranreicht, auf den Agrarsektor. Die von den Ähren verdeckte Gebäudestruktur steht möglicherweise für einen Bürokomplex und kann somit als Repräsentation des tertiären Sektors gelesen werden. Mit anderen Worten,
129 O. A., La realidad social del Peronismo: Justicialismo y sindicalismo, in: Mundo Peronista I (1951) H. 1, S. 9, hier S. 9: »[E]l Justicialismo es la realizacijn del hombre en la sociedad. ¡Del hombre de overall, de uniforme o de cuello! ¡De todos los hombres y del hombre total!«
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um die »Nation in Gang« zu setzen, wie es auf dem Plakat heißt, müssen alle wirtschaftlichen Bereiche zusammenwirken.
Abb. 26: Juan Dell’Acqua, »Die Nation in Bewegung«, Plakat, Argentinien 1947.
Eine ähnliche Position wird in einer Illustration in dem propagandistischen Bildband »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« von 1950 vertreten. Dort strömen verschieden gekleidete Personengruppen unter einer riesenhaften argentinischen Nationalflagge, die die obere Bildhälfte ausfüllt, zusammen. Im Hintergrund angedeutete Pfade, die zu unterschiedlichen Gebäudekomplexen führen, verdeutlichen, woher die Personengruppen kommen: von einer landwirtschaftlichen Produktionsstätte, einer Fabrikanlage und einem modernen Bürogebäude. Zusätzlich weist ihre Kleidung die Figuren als Beschäftige der verschiedenen wirtschaftlichen Sektoren aus. Die berufsbedingten Klassenun-
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terschiede der einzelnen Personen werden jedoch durch ihr Zusammenkommen unter der Nationalflagge im Vordergrund für überwunden erklärt. Das Zitat Perjns am unteren Bildrand bestätigt diese Aussage: »Wir wollen die Einheit und das Glück aller Argentinier«.130 Eine weitere verbreitete Darstellungsweise verschiedener Wirtschaftszweige auf einem einzigen Plakat bestand in der Geste des Handschlags zwischen unterschiedlichen Arbeitertypen, die die gemeinsame Anstrengung symbolisieren sollte. Begleitet wurden solche Illustrationen von Slogans wie: »Arbeiter, Angestellte und Bauern, vereint in einer einzigen Handlung.«131 Wie anhand der Analyse deutlich wurde, beantworteten die Regime die Frage, welcher Typus Arbeiter den Zukunftsträger der Nation verkörpern sollte, in ihrer Bildpropaganda unterschiedlich. Im faschistischen Italien fungierte der Landarbeiter als Inbegriff des Arbeiterhelden. Da das Ziel der faschistischen Wirtschaftspolitik kaum eine Rückkehr zu einer vorindustriellen Gesellschaft sein konnte,132 spiegelten sich darin jedoch weniger konkrete agrarpolitische Zielsetzungen. Vielmehr ist die »ruralistische« Ausrichtung der Bildpropganda als Versuch zu werten, die noch immer zu großen Teilen in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung Italiens symbolisch aufzuwerten und als Unterstützer des Regimes zu gewinnen. In den seltenen Fällen, in denen die Industrie propagandistisches Thema war, handelte es sich hingegen um entpersonalisierte Darstellungen. Der Industriearbeiter wurde dort explizit nicht zum Rollenbild stilisiert. Anders gestaltete es sich in Argentinien, wo Beschäftigte der Industrie die zentralen Protagonisten der peronistischen Propaganda waren. Einer erfolgreichen Industrialisierung maß das peronistische Regime große Wichtigkeit bei, knüpfte es daran doch nicht zuletzt die politische Souveränität des Landes. Abhängig von wirtschaftlichen Konjunkturen wurde vor allem ab Anfang der 1950er Jahre jedoch auch von der Figur des Landarbeiters propagandistisch Gebrauch gemacht. Übergreifend lässt sich jedoch in visuellen Medien unter dem Peronismus das Bemühen feststellen, unterschiedliche Arbeitertypen in das Konzept des »Hemdlosen« zu integrieren und Klassenunterschiede zugunsten von »sozialer Harmonie«133 zu überwinden. Wie schon durch die wechselnde propagandistische Relevanz der Landarbeiter- und Industriearbeiterfigur im peronistischen Argentinien angedeutet, blieb die Ikonografie des Arbeiters auch in der faschistischen Propaganda keineswegs statisch. War im Rahmen der Autarkiepolitik bereits eine Militarisie130 131 132 133
Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 143. O. A., En el taller y en el campo, in: Del Peronismo III (1949) H. 27, S. 3. Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie, S. 425. Seveso, Political emotions and the origins of the Peronist resistance, S. 261.
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rung des Arbeitsbegriffs in propagandistischen Medien zu beobachten, verstärkte sich diese Tendenz mit dem Abessinienkrieg und der Vorbereitung des Eintritts Italiens in den Zweiten Weltkrieg im Juni 1940.134 Nach und nach lief die Figur des Soldaten der des Arbeiters den Rang als zentraler Protagonist ab. Vielfach kam es jedoch gerade zu einer Verschränkung der Arbeits- und der Kriegsthematik in visuellen Medien. Dabei konnte an Vorläufer in der italienischen Bildpropaganda während des Ersten Weltkriegs angeknüpft werden. In den Jahren nach dem Kriegseintritt Italiens 1915 hatte ein von Regierungsseite verbreiteter Topos gelautet, dass jeder, der nicht an der Front kämpfte, durch seinen Arbeitseinsatz zu Hause einen Beitrag zum Krieg leisten sollte. So waren in der italienischen Kriegspropaganda etwa Arbeiter in der Kriegsindustrie Soldaten gegenübergestellt und deren Leistung als nahezu gleichwertig ausgewiesen worden, um sozialen Konflikten zwischen beiden Gruppen vorzubeugen.135 Auf faschistischen Plakaten wurde diese Argumentation während des Zweiten Weltkriegs wieder aufgenommen. Ein spätes Exemplar von Dante Coscia aus der Zeit der Repubblica Sociale Italiana (1943–45), als Mussolini bereits vom König abgesetzt und nunmehr Oberhaupt eines auf Norditalien zusammengeschrumpften Marionettenstaates unter deutscher Besatzung war,136 ist mit »Arbeiten und kämpfen für das Vaterland, für den Sieg« betitelt (Abb. 27, S. 143). Darauf sind ein Soldat und ein Schmied im Profil bzw. im Halbprofil als Ganzfiguren dargestellt, wie sie sich die Hand reichen. Außer durch ihre Kleidung sind sie durch ihre jeweiligen Attribute, Gewehr beziehungsweise Hammer und Amboss, charakterisiert. Während der Handschlag die gemeinsame Anstrengung repräsentiert, wird der Schulterschluss zwischen beiden durch die Überkreuzung von Schrift und Bild – der Soldat steht über dem Schriftzug »arbeiten«, der Arbeiter ist mit »kämpfen« unterschrieben – noch verstärkt. Jedoch wurden nicht nur Handarbeiter, sondern auch Angehörige freier Berufe in der visuellen Propaganda dazu angehalten, den Krieg durch ihre Arbeit zu unterstützen. Auf einem weiteren Plakat der RSI sitzt eine männliche Figur im Brustbild im Vordergrund (Abb. 28, S. 144). Der weiße Kittel sowie Bleistift und Zirkel weisen sie als Architekten oder Mathematiker aus. Das Kriegsgeschehen ist in den Hintergrund verlegt, wo Granaten werfende Soldaten auszumachen sind. Durch die Bildunterschrift »In Zusammenarbeit arbeitet ihr für Italien« werden beide Bildebenen verknüpft und auf die geforderte gemeinsame Kriegsanstrengung abgehoben.
134 Riosa, Alcuni appunti per una storia della Festa del lavoro durante il regime fascista, S. 84. 135 Row, Mobilizing the Nation, S. 162f. 136 Vgl. Monica Fioravanzo, Mussolini e Hitler. La Repubblica sociale sotto il Terzo Reich, Rom 2009.
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Abb. 27: Dante Coscia, »Arbeiten und kämpfen. Für das Vaterland, für den Sieg«, Plakat (70 x 100 cm), Italien 1943–45.
Obwohl im peronistischen Argentinien keine derart prominente Konkurrenzfigur zum Arbeiter wie mit dem Soldaten in der faschistischen Propaganda auftauchte, büßte der »Hemdlose«, wie Marcela Gen8 beobachtet hat, doch seinen anfangs zentralen Stellenwert mit der Zeit ein.137 In der Rhetorik Perjns ließ sich ebenfalls insbesondere ab seiner zweiten Präsidentschaft eine Abnahme des Gebrauchs des identitätsbildenden Ausdrucks descamisado zugunsten allgemeinerer Begriffe wie »pueblo« (»Volk«), »argentinos« (»Argentinier«) und »ciudadanos« (»Bürger«) beobachten.138 Anstelle von descamisados zierten Propagandaplakate zu verschiedenen Anlässen umso häufiger Porträts von 137 Gen8, Un mundo feliz, S. 77. 138 Pittelli/Somoza Rodr&guez, Peronismo: Notas acerca de la produccijn y el control de s&mbolos, S. 211.
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Abb. 28: »In Zusammenarbeit arbeitet ihr für Italien!«, Plakat (70 x 100 cm), Italien 1943–45.
Perjn selbst.139 Während Abbildungen des Duce in der faschistischen Propaganda ein durchgängiges Thema waren, trat Perjn insbesondere ab dem sogenannten »Jahr des Befreiers« 1950, in dem dem 100-jährigen Todestag des Freiheitskämpfers Jos8 de San Mart&n gedacht wurde, und der Kampagne für seine Wiederwahl 1951 vermehrt in Bildmedien auf (vgl. Kap. 5). Diese Tendenz zeigt sich auch auf einem der Plakate zum zweiten Fünfjahres-Plan durch die Bedeutungsgröße Perjns im Vergleich zur deutlich kleiner dargestellten Landarbeiterfamilie (Abb. 25, S. 138). Ebenso zierten das Titelblatt der ab 1951 zweiwöchentlich erscheinenden Propagandazeitschrift »Mundo Peronista« ausnahmslos Porträts von Perjn oder dem Präsidentenpaar. Ähnliches lässt sich auch für die visuelle Propaganda anlässlich des 17. Oktober, des »Tags der Treue«, beobachten, wo ab Anfang der 1950er Jahre weniger die Handlungsmacht des descamisado als der Präsident selbst im Vordergrund stand. Hatte es 139 Gen8, Un mundo feliz, S. 77.
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auf einem Plakat von 1948 noch geheißen »17. Oktober. Das Volk befreite seinen Führer« (Abb. 12, S. 112), spielte auf späteren Plakaten anlässlich des Gründungsdatums der peronistischen Bewegung vielmehr Perjn die Hauptrolle. Auf einer Illustration in der Zeitung »El l&der« von 1954 ist das Porträt des Regierungschefs im Profil in Grisaille als steinernes Relief dargestellt, umgeben von einer runden Rahmung aus Pflanzenornamenten, einem Strahlenkranz sowie der ebenfalls in Stein gemeißelten Schrift »17. Oktober, 1945–1954« (Abb. 29).
Abb. 29: Ar&stides Recha&n, »17. Oktober«, in: El l&der (Zeitung), Argentinien 1954.
Im unteren Bilddrittel ist ein Arbeiter in Rückansicht mit Hammer und Meißel gerade noch mit der letzten Jahreszahl des Reliefs zugange. Darunter sind in die Höhe gereckte Hände mit Fackeln auszumachen. Zwar sind mit der Arbeiterfi-
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gur und Perjn 1954 noch immer zwei der wichtigsten Elemente der peronistischen Bildpropaganda präsent. Das Porträt des Präsidenten ist durch seine Größe und Anordnung jedoch wesentlich prominenter und zusätzlich durch das simulierte steinerne Material verewigt. Das auf früheren Darstellungen so zentrale Volk erscheint auf die huldigende Geste des Fackeltragens reduziert. Somit wurde weniger als in früheren Jahren die kämpferische Leistung der descamisados herausgestellt, die in Perjns Befreiung gemündet war. Stattdessen lag der Fokus auf dem Präsidenten, bestand sein Ziel in Zeiten einer sich Anfang der 1950er Jahre verschärfenden Regierungskrise doch im Einschwören seiner Gefolgsleute auf ihn als unangefochtenen l&der.
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»Mussolini lavoratore« und Perón als »primer trabajador«. Propagandistische Darstellungen der Regierungschefs als vorbildliche Arbeiter
In der Bildpropaganda des faschistischen Italien und des peronistischen Argentinien wurden nicht nur vermeintliche sozialpolitische Errungenschaften beworben und die Bevölkerung zu höherer Produktivität aufgerufen. Auch die beiden Regierungschefs standen im Zentrum des medialen Interesses. Den staatlichen Propagandaapparat wussten sowohl Mussolini als auch Perjn gezielt zu nutzen, um einen Personenkult um sich zu orchestrieren, der ihren charismatischen Herrschaftsstil1 weiter beförderte. Als Gründer der jeweiligen Bewegung, deren Doktrinen und ideologische Inhalte vielfach erst nach dem Machtantritt ex post erarbeitet wurden, dienten die Figuren Mussolinis in Italien und Perjns in Argentinien zunächst als einzige konsensfähige Symbole der neuen Regime. Doch auch, als im Laufe der Jahre politische Kernthemen, wie die verabschiedeten Sozialreformen (vgl. Kap. 4), hinzukamen, blieben die beiden Führungsfiguren in den personalisierten Machtsystemen des Faschismus und des Peronismus, unabdingbare Fixpunkte der propagandistischen Repräsentationen. In dezidierter Abgrenzung von früheren Politikern der liberalen Ära in Italien bzw. Mitgliedern der Agraroligarchie, die in Argentinien häufig Präsidenten gestellt hatten, versuchten beide, ein neues Image von sich zu kultivieren. Im Gegensatz zu medial kaum präsenten früheren Regierungschefs, die wenn überhaupt eindimensional als Berufspolitiker aufgetreten waren, inszenierten sich Mussolini und Perjn in staatlichen Bildmedien in einer Vielzahl von Rollen: als Parteiführer, Militär, Sportler, Ehemann, Vater, Bürger und einfacher Mann aus dem Volk. All jenen Erscheinungsformen gemein war ein neuartiger Fokus auf physischen Merkmalen der beiden Präsidenten, deren Körper einen nie dagewesenen Stellenwert in der visuellen Propaganda der beiden Regime einnahmen.2 Denn parteipolitische Werbung hatte bis dato hauptsächlich auf
1 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922, S. 140. 2 Clemens Zimmermann, Das Bild Mussolinis. Dokumentarische Formungen und die Bre-
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Schriftmedien basiert und die Person des Politikers im Hintergrund gestanden.3 Dabei bestand ein eklatanter Unterschied zwischen den Herrscherikonografien im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien darin, dass sich die charismatische Herrschaft im Peronismus auf zwei Personen, nämlich das Präsidentenpaar, aufteilte. Auch wenn Eva Perjn selbst nie ein offizielles Amt bekleidete, war sie dennoch politisch äußerst einflussreich.4 Maßgeblich im Medium der visuellen Propaganda wurde ein Mythos um ihre Person gesponnen, der dem um die Figur ihres Mannes in nichts nachstand.5 Im Folgenden wird zunächst der Frage nachgegangen, auf welche Weise sich Mussolini und Perjn als neue Politiker in der staatlichen Propaganda inszenierten (5.1). Eine der zentralen in Bildmedien vorgenommenen Charakterisierungen, die in die anderen Rollen ausstrahlte – so wird in diesem Kapitel argumentiert – war die des arbeitsamen politischen Führers. Sowohl Mussolini als auch Perjn präsentierten sich als äußerst tüchtige und geschäftige Staatsmänner. Im zweiten Teil stehen Propagandabilder im Zentrum, auf denen sich Mussolini und Perjn als zupackende manuelle Arbeiter in Landwirtschaft und Industrie in Szene setzten (5.2). Damit lieferten sie im in der Propaganda entworfenen neuen korporativen Gesellschaftsmodell Vorbilder von Arbeitsamkeit, an denen sich die Bevölkerung orientieren sollte. Vor dem Hintergrund, dass die Figur des Präsidenten im Nationalstaat als ultimative Manifestation von Maskulinität galt,6 waren damit in beiden Regimen darüber hinaus variierende Modelle von Männlichkeit verbunden. Schließlich wird gezeigt, dass neben den Figuren Mussolinis und Perjns auch diejenige Evas in der Regierungspropaganda eng an das Thema der Arbeit gekoppelt war (5.3). Überkommene Geschlechterrollen wurden nicht nur durch die Tatsache, dass Eva Perjn eine der ersten Frauen in der politischen Öffentlichkeit Argentiniens war, hinterfragt. Die Inszenierung der Präsidentengattin in der staatlichen Propaganda hatte auch für die Konzeption von weiblicher Arbeit im Peronismus Konsequenzen, wodurch die primera dama ihrerseits eine Vorbildfunktion für die Gesamtheit der argentinischen Frauen erfüllte. Insgesamt changierten die propagandistischen Darstellungen des italienischen Duce und des argentinischen Präsidentenpaares zwischen ihrer Charakterisierung als einfache Männer und Frauen aus dem Volk auf der einen Seite und als außergewöhnliche Persönlichkeiten auf der anderen
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chungen medialer Wirksamkeit, in: Paul, Visual History, S. 225–241, hier S. 229; Milanesio, A Man Like You, S. 90. Angelo Ventrone, Il nemico interno. Immagini, parole e simboli della lotta politica nell’Italia del Novecento, Rom 2005, S. 60. Sandra Carreras, Eva Perjn, in: Nikolaus Werz (Hg.), Populisten, Revolutionäre, Staatsmänner. Politiker in Lateinamerika, Frankfurt 2010, S. 196–215, hier S. 201. Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 145. Milanesio, A Man Like You, S. 85.
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Seite. Letztere Zuschreibung konnte unter beiden Regimen bis zur Vergöttlichung reichen.
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Bereits vor 1922 war Mussolini eine international bekannte Persönlichkeit. Seine Aktionen als Chef der faschistischen Kampfbünde wurden seit deren Gründung 1919 nicht nur in der italienischen Presse, sondern auch in den Medien weltweit verfolgt. Dort unter anderem als ›the man‹ betitelt, schien er Forderungen nach einer starken politischen Führungspersönlichkeit, die bei demokratiekritischen und kulturpessimistischen Autoren, wie Georges Sorel, Gustave Le Bon oder Oswald Spengler, seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert laut geworden waren, zu erfüllen. Ihm, so das Fazit breiter Berichterstattung, wurde die Regeneration Italiens zugetraut. Diese neuartige Mythenbildung um eine politische Persönlichkeit, die dem Machtantritt der Faschisten vorausging, fiel, wie Simonetta Falasca-Zamponi herausgestellt hat, mit der Entstehung eines modernen Starkults in den aufkommenden Massenmedien und einer »culture of personality« zusammen.7 Nach dem Marsch auf Rom 1922 konnte der Kult um die Figur Mussolinis durch den nach und nach aufgebauten staatlichen Propagandaapparat sowie Zensurmechanismen nunmehr zentral gesteuert werden. Wie in Kapitel 3 ausgeführt, erhielt das Istituto LUCE im Bezug auf die fotografische Bildproduktion um die Figur des Duce nahezu eine Monopolstellung.8 Einem Filmstar gleich, wurden von Mussolini beispielsweise massenhaft Postkarten in Umlauf gebracht, die eine Gesamtauflage von 30 Millionen Stück erreichten.9 Eine 1925 erschienene Duce-Biografie von Margherita Sarfatti, die in 17 Auflagen und auf 18 Sprachen erschien, befeuerte den Mythos auch auf internationaler Ebene weiter. Neben allgemeinen Zielen, wie der Konsensbildung und Herrschaftssicherung, half die im Medium der Propaganda betriebene Mythenbildung um Mussolini auch, eine politische Identität des Faschismus am Übergang zwischen politischer Bewegung und einer um seine Person zentrierten Diktatur herauszubilden.10 Als Perjn 1946 zu den Präsidentschaftswahlen antrat, wurde er in der Folge zum bis dato am stärksten mediatisierten Präsidenten Argentiniens.11 Frühere 7 Simonetta Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 88–95, hier S. 89f. 8 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 419. 9 Sturani, Mussolini auf Postkarten, S. 104. 10 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 89, 91. 11 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 85.
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Regierungschefs, wie Hipjlito Yrigoyen (1916–22, 1928–30), werden zwar als Vorläufer im Bezug auf den Aufbau eines politischen Patronagesystems und einer personalisierten Herrschaft gehandelt, scheuten jedoch die Öffentlichkeit und hielten beinahe keine Reden vor Publikum.12 Einzig um den 1930 durch einen Putsch an die Macht gekommenen General Jos8 F8lix Uriburu (1930–32) fand laut Federico Finchelstein eine gewisse Mythenbildung unter seinen Anhängern statt. Zusammen mit ideologischen Anleihen beim italienischen Faschismus wurde sich während des kurzlebigen protokorporativistischen Experiments bezeichnenderweise explizit am Personenkult um Mussolini orientiert (vgl. Kap. 2).13 Eine spezifische propagandistische Bildproduktion von Staatsseite ist jedoch zu keinem argentinischem Präsidenten vor 1946 überliefert. Zwar war Perjn schon in seinen von 1943 bis 1946 sukzessiv akkumulierten Ämtern als Staatssekretär für Arbeit, Kriegsminister und Vizepräsident unter anderem aufgrund seiner umstrittenen Sozialpolitik eine in den Medien extrem präsente Persönlichkeit.14 Eine bewusste mediale Inszenierung seiner Person nahm ihren Ausgang jedoch erst mit dem ad hoc organisierten Wahlkampf zwischen Oktober 1945 und Februar 1946, bei dem seine Bewegung und der frisch aus Taufe gehobene Partido Laborista wenig mehr als sein Gesicht als kleinsten gemeinsamen Nenner vorzuweisen hatten.15 Der nach der gewonnnen Wahl ausgebaute staatliche Propagandaapparat und die Medienkontrolle bildeten die logistischen Voraussetzungen, um einen regelrechten Starkult um den Präsidenten zu befördern. Dieser nährte sich außerdem aus Perjns Charisma und rhetorischem Talent.16 Aber nicht er allein, sondern vielmehr das Präsidentenpaar stand im Mittelpunkt des medialen Interesses. Die Vergangenheit seiner Frau Evita als Schauspielerin erscheint geradezu emblematisch für die Verwischung der Grenzen zwischen Populärkultur und politischer Sphäre. Matthew Karush hat in diesem Zusammenhang die These vertreten, der anfängliche Erfolg des Peronismus als neue politische Kraft sei unter anderem gerade auf die Aneignung diskursiver Elemente aus der argentinischen Massenkultur der 1930er Jahre zurückzuführen. Insbesondere das melodramatische Genre in Radio und Kino mit seiner moralisierten, manichäischen Weltsicht, habe sich dabei als populärkulturelles Modell angeboten.17 12 Milanesio, A Man Like You, S. 95. 13 Finchelstein, Transatlantic fascism, S. 70. 14 Georg Eickhoff, Das Charisma der Caudillos. C#rdenas, Franco, Perjn, Frankfurt 1999, S. 145. 15 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 85. 16 Milanesio, A Man Like You, S. 89. 17 Matthew B. Karush, Populism, Melodrama, and the Market. The Mass Cultural Origins of Peronism, in: Matthew B. Karush/Oscar Chamosa (Hg.), The new cultural history of Peronism. Power and identity in mid-twentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 21–52, hier S. 22–23, 25: Karush bezieht sich hierbei auf Ernesto Laclau, der in seiner Definition des
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In der jeweiligen staatlichen Propaganda sowie in ihren Reden und Schriften inszenierten sich sowohl Mussolini als auch Perjn dezidiert als neue Politikertypen. Die faschistische Bewegung vor 1922 hatte sich bewusst als Anti-Partei konzipiert und war gegen den in ihrer Sicht überkommenen liberalen Parlamentarismus angetreten, den sie für den angeblichen Niedergang Italiens nach dem Ersten Weltkrieg verantwortlich machte.18 In der Anfangsphase des Regimes wandte sich Mussolini in seinen Reden entschieden gegen ein bürokratisches Konzept von Politik, die seiner Auffassung nach vielmehr eine Kunstform darstellte. Die Verknüpfung von Politik mit Ästhetik machte ihm zufolge auch den politischen Führer automatisch zu einem Künstler.19 So behauptete Mussolini auf einer Ausstellungseröffnung der Künstlergruppe Novecento 1923 in Mailand: »Auch ich bin ein Künstler, der eine gewisse Materie bearbeitet.«20 Die vorherige »politische Klasse« tat Mussolini hingegen als »müde«21, »korrupt«, »dekadent« und eine »Schande«22 ab. Weiter sprach er vom »traurigen Erbe«, das ihm die »alte politische Kaste«23 überlassen habe. Perjns Aufstieg begann, als er nach einem militärischen Coup 1943, an dem er aktiv beteiligt gewesen war, mit dem »Staatssekretariat für Arbeit und Vorsorge« betraut wurde. Der Putsch hatte sich explizit gegen die in der Sicht der Militärs korrupte politische Klasse gerichtet, die während der auch als »Infamen Dekade« bekannten Periode von 1930 bis 1943 die Regierung gestellt hatte. Auch nach seinem Wahlsieg 1946 stellte Perjn seine Politik in die Tradition des erzwungenen Machtwechsels von 1943, der nunmehr als »Revolution« bezeichnet wurde. In seinen ersten öffentlichen Reden als Staatssekretetär für Arbeit bis hin zur bekannten Rede nach seiner Befreiung am Abend des 17. Oktober 1945 präsentierte sich Perjn aufgrund seiner Herkunft aus dem Militär als bisheriger politischer Außenseiter.24 Auch in Perjns Kritik an den argentinischen Regierungen vor 1943 spielte der Vorwurf der Korruption und Käuflichkeit eine wichtige Rolle.25 Er beschuldigte sie, aus »Betrügern«26 und »Heuchlern«27 bestanden zu haben. Ferner klagte er die Dysfunktionalität der Demokratie unter
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Populismus ein dichotomisches Weltbild als Charakteriskum des populistischen Diskurses herausgearbeitet hat. Falasca-Zamponi, Fascist spectacle, S. 32f.; Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 95. Falasca-Zamponi, Fascist spectacle, S. 15ff. Benito Mussolini, Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 19, Florenz 1956, S. 187 »[S]ono anch’io un artista che lavora una certa materia […].« Ebd., S. 46. Mussolini, Opera Omnia, Bd. 20, S. 72. Mussolini, Opera Omnia, Bd. 19, S. 229. Susana Rosano, Imaginario femenino en el populismo argentino. G8nero y nacijn en La razjn de mi vida, de Eva Perjn, in: Iberoamericana V (2005) H. 19, S. 51–63, hier S. 56. Perjn, Obras completas, Bd. 8, S. 42. Ebd., S. 213. Ebd., S. 307.
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seinen Vorgängern an, die die argentinische Bevölkerung um die ihnen zustehenden politischen und sozialen Rechte gebracht hätten.28 In Abgrenzung von vorherigen Regierungen und Politikern spielte bei der Charakterisierung Mussolinis und Perjns Willensstärke, Durchsetzungsfähigkeit und Tatkräftigkeit eine herausragende Rolle. So war in der faschistischen Publizistik, wie der Zeitschrift »Gerarchia«, vom »entschiedenen Willen des Regierungschefs« und »seinem Stil, der von den Worten zu den Taten übergegangen« sei, die Rede.29 Ebenso behauptete Perjn von sich: »Ich habe immer gesagt: ›Besser als zu reden, ist zu tun, besser als zu versprechen, ist zu realisieren‹. Dort liegt die einzige Wahrheit. Man soll nicht anfangen zu plaudern, sondern auszuführen […].«30 Sein »Mejor que decir es hacer« avancierte zum vielfach wiederholten propagandistischen Slogan, ebenso wie »Perjn hält sein Wort« (»Perjn cumple«).31 Die vermeintliche Handlungsorientiertheit Mussolinis und Perjns wurde ebenso entschieden in der visuellen Propaganda markiert. Auf einer Illustration in der Zeitschrift »1919. Rassegna mensile illustrata della vecchia guardia fascista« von 1936 wird Mussolini beispielsweise mit in die Hüften gestemmten Armen und aufrechtem Oberkörper gezeigt – eine seiner, auch durch zahlreiche fotografische Postkarten popularisierten, typischen Körperhaltungen (Abb. 30, S. 153). Die Zeitschrift wurde von Mario Giampaoli, einem Faschisten der ersten Stunde und Mitbegründer der faschistischen Kampfbünde herausgegeben und stand für die radikalen Ursprünge der faschistischen Bewegung.32 Während das Titelblatt unter dem Kürzel der Werbeagentur Idea – Metodo – Arte (IMA)33 erschien, wurden weitere Cover beispielsweise von dem bekannten Trientiner Futuristen Fortunato Depero gestaltet. Als Dreiviertelfigur im Halbprofil ist der Duce abstrahiert in nicht naturalistischer Farbgebung und dunkler Kleidung, vor einem orange- und erdfarbenen Hintergrund dargestellt. Die Uniformierung verweist auf die Schwarzhemden der Fasci. Auf den Fez, Mussolinis häufige Kopfbedeckung mit Quaste, wurde hier allerdings verzichtet. Sein kahler Schädel und sein kantiges vorge28 Ebd., S. 31. 29 Luigi Lojacono, La politica sociale del fascismo, in: Gerarchia XV (1935) H. 1, S. 18–27, hier S. 25f.: »[L]a decisa volont/ del Capo del governo.«; »[S]econdo il suo stile il Fascismo H passato dalle parole ai fatti.« 30 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 9, Buenos Aires 1998, S. 258: »Siempre he dicho: ›Mejor que decir es hacer, mejor que prometer es realizar‹. Ah& est# la fflnica verdad. No hay que ponerse a charlar, sino a ejecutar […].« (Rede Perjns bei einer Gewerkschaftsversammlung der CGT am 09. 07. 1947). 31 Mercado, Raffll Apold, el inventor de la liturgia peronista, S. 18. 32 http://www.treccani.it/enciclopedia/mario-giampaoli_%28Dizionario-Biografico%29/, letzter Zugriff: 03. 06. 2016. 33 Falabrino, Effimera & bella, S. 137.
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Abb. 30: IMA, »23. März 1919«, in: Rivista Mensile della Vecchia Guardia Fascista (Zeitschrift), Italien 1936.
strecktes, bartloses Kinn, die ihn für das Bürgertum und die politische Klasse Italiens anfangs noch zu einer »körperlichen Ausnahmeerscheinung«34 gemacht hatten, waren 1936 längst zu seinem visuellen Markenzeichen avanciert. Hinter seiner Figur ist eine Lichtquelle, ein Feuer oder eine Fackel angedeutet – ein bei dem in der Unterschrift erinnerten Gründungstag der Fasci di Combattimento am 23. März 1919 und sonstigen Aufmärschen der Fasci unerlässliches Attribut. Die Illustration ist insofern für die Darstellungsweise Mussolinis in der Propaganda repräsentativ, als sie ihn durch den angedeuteten muskulösen Körperbau und seine breiten Schultern als besonders vital und viril charakterisiert. Der im Faschismus betriebene Jugendkult – angefangen bei dem Fakt, dass Mussolini 34 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 421.
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tatsächlich der jüngste Ministerpräsident der italienischen Geschichte war, bis hin zur Parteihymne »Giovinezza« – ist allgemein bekannt (vgl. Kap. 7).35 Um seine Jugendlichkeit unter Beweis zu stellen, wurde der Duce auch bei zahlreichen sportlichen Aktivitäten abgelichtet, so zum Beispiel als Skifahrer oder Reiter, aber auch technikaffin als Rennfahrer oder Flieger.36 Schließlich vermittelte das Bild unter Rekurs auf diese vermeintlichen Qualitäten des italienischen Ministerpräsidenten den Eindruck eines dynamischen, energischen und zur Tat bereiten politischen Führers. Damit wurde er in der Propaganda zum Modell von Männlichkeit schlechthin erhoben.37 Der abstrahierte Stil der Illustration verweist auf die künstlerische Freiheit, die Grafikern und Künstlern bei der Porträtierung des Regierungschefs zugestanden wurde und die im krassen Gegensatz zu kulturpolitischen Praktiken anderer Diktaturen, wie denjenigen des NS-Regimes, stand. Wie in Kapitel 3 ausgeführt, förderte das faschistische Regime im Rahmen seiner insgesamt vergleichsweise liberalen Kulturpolitik auch avantgardistische Kunstrichtungen, erteilte im großen Stil Aufträge und kaufte Werke moderner Künstler an, ohne allzu spezifische stilistische und inhaltliche Vorgaben zu machen. Als Extrembeispiele der Abstraktion gelten im Fall der Herrscherikonografie im faschistischen Italien beispielsweise die Kleinskulptur »Profilo continuo« (1933) von Renato Bertelli. Die allansichtige Porträtbüste kommt allein mit einigen rundumlaufenden Einkerbungen aus, um auf Mussolinis markantes Profil zu verweisen. In der Malerei existierten ebenso abstrakte Bildnisse des Duce, wie zum Beispiel das kubistisch zerlegte »Physisch-psychische Porträt von Mussolini« (1935) von Alfredo Ambrosi, eines Futuristen der zweiten Generation. Bei Repräsentationen Mussolinis in der Propaganda und der bildenden Kunst wurde im Allgemeinen die Tatsache, dass er nicht Staatsoberhaupt, sondern verfassungsmäßig dem König, Vittorio Emanuele III., untergeordnet war, geschickt umgangen. Abgesehen von einigen frühen Bildbeispielen, die den Duce dem König gegenüber in devoten Haltungen zeigten, wurde die Propaganda vielfach dazu genutzt, die Führerschaft des Duce entgegen der verfassungsmäßigen Hierarchie als möglichst ungeteilt und unangefochten erscheinen zu lassen. Eine seltene Ausnahme stellte die Bildberichterstattung über den Staatsbesuch Hitlers 1938 dar, die dokumentierte, wie Hitler an der römischen Stazione Ostiense dem Protokoll folgend mit der Kutsche des Königs abgeholt wurde und sich Mussolini dazu gezwungen sah, in einer separaten hinterherzufahren.38 35 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 93. 36 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 92f.; Zimmermann, Das Bild Mussolinis, S. 227. 37 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 94. 38 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 429.
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Im Fall von Perjns Herrscherikonografie gab es deutlich weniger panegyrische Malerei und Skulptur als im faschistichen Italien. Dies war unter anderem dem antiintellektualistischen Klima der peronistischen Jahre geschuldet, das dazu geführt hatte, dass die meisten bildenden Künstler seiner Regierung gegenüber kritisch eingestellt waren (vgl. Kap. 3). Eines der wenigen Gemälde, das Perjn im Porträt zeigt, ging auf den französischstämmigen Maler Numa Ayrinhac zurück. Abgsehen von seinen Regierungsaufträgen stach dieser in der argentinischen Kunstszene der Zeit jedoch kaum hervor.39 Im Gegensatz zur stilistischen Vielfalt bei Repräsentationen von Mussolini in der bildenden Kunst waren die offiziellen Porträts von Perjn vorrangig in realistischem Stil auf der Basis von Fotografien angefertigt. Vielfach dienten sie auch als Vorlage für grafische Propagandaproduktionen, die insgesamt einen begrenzten Variantenreichtum aufwiesen. Während sich die Werke Ayrinhacs inhaltlich an dem strengeren Protokoll von traditionellen Präsidentenporträts orientierten, war die Herrscherikonografie auf anderen Trägermedien, wie den tausendfach reproduzierten Plakaten und Flugblättern, insgesamt freier und zeigte Perjn auch in spontaneren Posen.40 Auf diese Weise ist er auf einem Plakat von Alfredo Pachelo als Dreiviertelfigur, frontal und in realistischem, leicht idealisierendem Stil porträtiert (Abb. 31, S. 157). Mit einem grünen kurzärmeligen Hemd und dunkler Hose bekleidet, hat er den linken Arm in die Seite, den anderen auf einen Amboss gestützt. Sein Blick ist links über den Betrachter hinweg gerichtet. Hinter ihm erhebt sich eine Berglandschaft, die wahrscheinlich für das südargentinische Patagonien steht. Die Statur des Präsidenten ist als jugendlich und körperlich fit charakterisiert. Bekanntermaßen focht der argentinische Präsident seit seinen Jugendjahren im Militär und war auch sonst sportlich aktiv, was die staatlichen Stellen nicht versäumten, in der Propaganda zu verbreiten.41 Wie Mussolini intensivierte auch Perjn die staatliche Förderung des Sports, was ihm den Titel »erster Sportler« (primer deportista) einbrachte.42 Die Zurschaustellung der Sportlichkeit beider Regierungschefs diente dabei als Metapher für ihre Fähigkeiten als politische Führer. Perjns Haltung und sein Gesichtsausdruck auf dem Plakat vermitteln des Weiteren den Eindruck eines zuversichtlichen, visionären Präsidenten. Seine Tatkräftigkeit wird nicht nur durch die hemdsärmelige Darstellung und den Amboss, ein typisches Element der Arbeiterikonografie, unterstrichen, sondern auch durch die Bildunterschrift »Perjn, Schmied eines großen Argentiniens« unterstützt. Wie bei den Propagandaplakaten, auf denen Arbeiter als Zukunftsträger der Nation auftraten (vgl. Kap. 4, 39 40 41 42
Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 88. Ebd., S. 84, 86. Milanesio, A Man Like You, S. 89. Ebd.
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z. B. Plakat »Forjando la patria«, Abb. 8, S. 100), wird hier auf ein mit Handwerk und manueller Arbeit assoziiertes Vokabular zurückgegriffen. Deborah Berhj hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Perjn bei Reden häufig Metaphern aus der Arbeitswelt nutzte und politische Prozesse als Arbeit darstellte.43 Auch die von ihm auf diesem Plakat und auch ansonsten oft getragene legere Kleidung markierte einen radikalen Bruch mit der politischen Ikonografie vorheriger Präsidenten, die ausschließlich in Anzügen dargestellt worden waren. Dass Kleidung als Kennzeichen der Klassenzugehörigkeit eine große politische Symbolkraft besaß, zeigt die Aneignung des Begriffs descamisado durch die Peronisten (vgl. Kap. 4): Als Perjn in einer Rede im Dezember 1945 erstmals von »Hemdlosen« sprach, zog er demonstrativ sein Jackett aus, um sich so mit seinen in vielen Fällen minderbemittelten Zuhörern zu solidarisieren. Diese Geste wiederholte er in der Folge viele Male bei öffentlichen Auftritten.44 Ein weiterer Unterschied zwischen der Ikonografie Perjns und der früherer Politiker, die meist mit strenger Miene porträtiert worden waren, bestand in seinem oftmals lächelnden Gesichtsausdruck. Auf zahllosen grafischen und fotografischen Propagandabildern reproduziert, wurde »das peronistische Lächeln« zu einem seiner Markenzeichen.45 Eine der Vorlagen lieferte Roberto Mezzadra, die Perjn im Halbprofil mit breitem Lächeln und gebleckten Zähnen zeigt (Abb. 32, S. 158). Verwendung fand dieses Modell zum Beispiel auf dem Cover der Zeitschrift »Mundo Peronista« sowie auf vielen weiteren Trägermedien. Damit stand die Ikonografie Perjns im deutlichen Gegensatz zu derjenigen Mussolinis, der auf Propagandabildern nahezu ausschließlich mit strengem, geradezu martialischem Gesichtsausdruck porträtiert wurde. Wie Mimmo Franzinelli und Emanuele Valerio Marino herausgestellt haben, fielen der persönlichen Zensur des Duce gerade jene LUCE-Fotografien zum Opfer, die ihn mit einem seiner Ansicht nach ungünstigen, da zu freundlichen Gesichtsausdruck zeigten.46 Demgegenüber vermittelte die Repräsentation eines lächelnden Perjn, da die Mimik traditionell mit mit Schwäche, Frivolität und Weiblichkeit assoziiert war, ein von Mussolinis hypermaskulinem Bild abweichendes Männlichkeitsbild.47 Perjns Lächeln konnte von seinen Anhängern jedoch auch als Zeichen seines unerschütterlichen Optimismus gedeutet werden.48 43 Deborah L. Berhj, Working Politics. Juan Domingo Perjn’s Creation of Positive Social Identity, in: Rocky Mountain Review of Language and Literature (2000) H. 54, S. 65–76, hier S. 65, 74. 44 Milanesio, Peronists and cabecitas, S. 62ff. 45 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 84, 90. 46 Vgl. Franzinelli/Marino, Il Duce proibito. 47 Milanesio, A Man Like You, S. 87–89. 48 Ebd., S. 87: Franklin D. Roosevelt kann im internationalen Vergleich als einer der ersten Politiker gelten, der den ernsten Mienen, die Politiker bis dato auf Porträts gepflegt hatten, einen freundlichen Gesichtsausdruck entgegensetzte.
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Abb. 31: Alfredo Pachelo, »Perjn, Schmied eines großen Argentiniens«, Plakat, Argentinien ohne Datum.
Eine weitere Darstellungsweise, die sowohl Mussolini als auch Perjn als neue Politikertypen auszeichnete und für beide Regime als Initiatoren der Massenpolitik49 in ihren Ländern charakteristisch war, bestand in der Zusammenschau von politischem Führer und Volksmasse. Als unerlässliches Element ihrer charismatischen Herrschaft diente dieses propagandistische Bildthema beiden Regierungschefs dazu, ihre Exzeptionalität zu unterstreichen. Mussolini, der in Anlehnung an Gustave Le Bon die Masse als irrational konzipierte, und daraus schloss, dass sie ausschließlich durch politische Inszenierung zu beeindrucken sei, erhob Massenversammlungen und -choreographien zu einem integralen 49 Emilio Gentile, Fascismo. Storia e interpretazione, Rom 2005, S. 43; Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 24f.
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Abb. 32: Roberto Mezzadra, Titelblatt Mundo Peronista I, H. 4, Argentinien 1951.
Bestandteil seines spektakulären Politikstils.50 Bei seinen zahlreichen öffentlichen Reden, die zeitgenössisch als »ozeanische Versammlungen« (adunate oceaniche) bezeichnet wurden, kam er der Forderung Le Bons nach Ansprache der Emotionen der Zuhörer durch einen besonders theatralischen Redestil nach. Wie Wolfgang Schieder hinsichtlich eines Vergleichs der Rhetorik Hitlers und Mussolinis vermutet hat, stand das Publikum meist wohl mehr im Bann der »Performance« des Redners als der »in aller Regel rein demagogischen Inhalte«.51 Die Masse fungierte ihrerseits keineswegs ausschließlich als passive Zuhörerschaft. An bestimmten Stellen kam ihr die Rolle zu, mit dem Duce durch affirmative Zurufe in Kontakt zu treten.52 Auch wenn dieser simulierte Dialog
50 Falasca-Zamponi, Fascist spectacle, S. 20: Mussolini stand mit dem Begründer der Massenpsychologie Gustave Le Bon in engem persönlichen Kontakt und betrachtete ihn gar als seinen Mentor. 51 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 432. 52 Zimmermann, Das Bild Mussolinis, S. 232.
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einem vorher festgelegten Skript folgte, erfüllten solche öffentlichen Akklamationen doch eine wichtige legitimatorische Funktion.53 In der Bildpropaganda wurde der Mythos vom Faschismus als Volksaufstand, wie er seit dem Marsch auf Rom gepflegt worden war, fortgeführt.54 Wie beispielsweise Fotografien in dem Bildband »L’Italia fascista in cammino« von 1932 nahelegten, handelte es sich unter der faschistischen Herrschaft nun allerdings um eine geordnete Masse. Die mit LUCE-Fotografien ausgestattete Publikation aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Regimes richtete sich mit Bildunterschriften in fünf Sprachen auch dezidiert an ein ausländisches Publikum. Auf einer Seite des Bandes wird in zwei als Fotomontage55 arrangierten Bildfeldern die Situation einer Rede Mussolinis vor einem Massenpublikum suggeriert (Abb. 33, S. 160). Das kleinere Bildfeld, das in etwa das obere linke Viertel ausfüllt, zeigt den Duce im typischen Schwarzhemd und verschränkten Armen auf einem Podest. Auf einer tieferen Ebene sind hinter ihm weitere, ebenso wie er mit militärischen Orden behängte faschistische Führerungspersönlichkeiten, wie Giuseppe Bottai ganz rechts, auszumachen, außerdem eine italienische Nationalflagge56 sowie ein weiterer nicht erkennbarer Wimpel. Die restlichen drei Viertel des Bildes bestehen aus einer von oben aufgenommenen dichten Ansammlung junger Männer, die teilweise die für italienische Studentenorganisationen typische feluca, einen Hut mit spitz zulaufender Krempe, auf dem Kopf tragen. Die Unterschrift weist das Publikum als Parteimitglieder, »25.000 gerarchi« bei einem Aufmarsch am 16. Oktober 1932 in Rom, aus. Auch wenn der Duce gerade schweigt, lassen seine verschränkten Arme, sein strenger Blick und sein vorgestrecktes Kinn doch die für ihn typische prononcierte Körpersprache erahnen.57 Zwar lautete eine Anweisung an die Fotografen des Istituto LUCE Mussolini nie isoliert, sondern immer zusammen mit einer Menschenmenge abzulichten.58 Seine öffentlichen Reden hielt er jedoch stets, wie in diesem Beispiel ersichtlich, von einer erhöhten Position, wie dem Balkon des Palazzo Venezia oder einem Podium. Dies distanzierte ihn räumlich von seinen Zuhörern und hob seine Sonderrolle hervor. Im Fall der Fotomontage in »L’Italia fascista in cammino« 53 Nützenadel, Inszenierungen des Nationalstaats, S. 136. 54 Braun/Carpi, Illustrations of Propaganda, S. 98. 55 Nanni Baltzer, Die Fotomontage im faschistischen Italien. Aspekte der Propaganda unter Mussolini, Berlin 2013, S. 32: In ihrer Studie über die Fotomontage in der Propaganda des faschistischen Italien geht Nanni Baltzer von einer breiten Definition von Fotomontage aus, von der ihrzufolge die Rede sein könne, wenn aus zwei oder mehreren Fotografien oder Fotofragmenten eine neue Einheit entstehe. 56 Die italienische Nationalflagge wurde während des Faschismus mit einem Adler und einem Fascio littorio versehen. 57 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 421. 58 Franzinelli/Marino, Il Duce proibito, S. XVII.
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Abb. 33: »Die Partei ist das Herz des Regimes«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 4, Italien 1932.
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wird dieser Eindruck durch das gestalterische Mittel von jeweils separaten Bildfeldern für Mussolini und die Volksmasse sowie die Größenverhältnisse verstärkt. Jenseits der intendierten Propagandabotschaft vom Duce als außergewöhnlicher Persönlichkeit stellte die Zusammenschau von ihm und seinem Publikum in einer einzigen Fotografie tatsächlich eine technische und perspektivische Herausforderung dar. Aufgrund der üblichen Anordnung von Redner und Publikum auf zwei verschiedenen Niveaus war dies, außer wenn man Mussolini von hinten aufnahm, kaum möglich. Wie Nanni Baltzer aufgezeigt hat, wurde dieses Problem in der faschistischen Propaganda häufig durch Fotomontagen gelöst. Die Gattung bot den zusätzlichen Vorteil, dass »sie durch Kombination eine Realität suggerieren [konnte], ohne den Beweis der Wahrhaftigkeit antreten zu müssen.«59 Die Zuhörerschaft Mussolinis konnte man somit leicht sehr viel größer erscheinen lassen, als sie beispielsweise bei seiner Rede an jenem 16. Oktober 1932 tatsächlich war (Abb. 33, S. 160). Ein weiteres Beispiel einer Fotomontage, auf der Mussolini mit einer Volksmasse dargestellt wurde, stellt ein faschistisches Plakat des Schweizer Grafikers Xanti Schawinsky anlässlich eines am 25. März 1934 abgehaltenen Plebiszits dar (Abb. 34, S. 162). Zwar war Italien bereits neun Jahre zuvor in eine Diktatur umgewandelt worden. Nichtsdestotrotz verfolgte das Regime mit diesem pseudodemokratischen Verfahren das Ziel, die Liste der Abgeordneten für den »Großen faschistischen Rat« (Gran Consiglio del Fascismo) bestätigen zu lassen. Stimmberechtigt waren allein in die staatlichen Korporationen eingeschriebene volljährige Männer sowie Angehörige des Militärs und des Klerus.60 Die modernistische Farblithographie, die den Hintergrund des Grafikers am Bauhaus offenbart, zeigt ein Schulterstück Mussolinis in Schwarz-Weiß. Er trägt einen Fez als Kopfbedeckung und hat den Blick nach rechts unten gesenkt. Während sein Gesicht mit einem Punktraster, einer neuen Errungenschaft des Offsetdruckverfahrens, gestaltet ist,61 entpuppt sich sein Oberkörper bei näherem Hinsehen als aus einer Menschenmasse zusammengesetzt. Die wie der Hintergrund in Grün gehaltene Schrift verweist auf das Jahr 1934 sowie auf die bei den Wahlen mehrheitlich gegebene Antwort: »S'«. Während im Großbuchstaben ›S‹ Szenen von militärischen Aufmärschen zu sehen sind, werden im ›I‹ die Gesamtanzahl der Wähler sowie die Stimmen und Gegenstimmen erläutert. Quellen des faschistischen Regimes zufolge wurde die Liste mit 99,84 % der Stimmen bestä59 Baltzer, Die Fotomontage im faschistischen Italien, S. 102f.: Kursiv im Original. 60 Alberto Aquarone, L’organizzazione dello Stato totalitario. Studi e documenti del tempo fascista, Turin 1965, S. 152ff.: Der 1928 institutionalisierte Gran Consiglio del fascismo war ein staatliches Organ mit beratender Funktion, wobei seine Beschlüsse nicht bindend waren. 61 Baltzer, Die Fotomontage im faschistischen Italien, S. 165: Punktraster wurden bis dahin hauptsächlich im Zeitungsdruck und der kommerziellen Werbung, aber auch von Avantgardekünstlern wie Max Bill eingesetzt.
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Abb. 34: Xanti Schawinsky, »Ja«, Plakat (96,3 x 65,8 cm), Italien 1934.
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tigt.62 In der Darstellung von Mussolinis Körper als aus einer amorphen Menschenmasse bestehend wird das Titelblatt der staatstheoretischen Schrift »Leviathan« von Thomas Hobbes abgewandelt. Auf dem von Abraham Bosse gestalteten Frontispiz der Abhandlung aus dem Jahr 1651 hatte das Volk den absolutistischen Herrschers konstituiert. Trotz scheindemokratischer Elemente, wie der Abstimmung, für die auf dem faschistischen Plakat geworben wird, ist die Botschaft dennoch annähernd dieselbe wie bei dem ikonografischen Vorläufer : Der Duce del fascismo ist der alleinige Repräsentant und Entscheidungsträger der Nation. Im Ausgang des Plebiszits, bei dem die zugelassenen Wähler im Sinne Mussolinis mit großer Mehrheit für ›ja‹ stimmten, werden der Wille des Volkes und der des Diktator als übereinstimmend präsentiert und somit dem vermeintlichen Konsens der Italiener mit dem Faschismus Ausdruck verliehen. Eine weitere Fotomontage, auf der der Duce zusammen mit einer Volksmasse dargestellt wird, legt diese Deutung nahe. Eine von einem nicht bekannten Grafiker gestaltete Postkarte von 1936 zeigt eine aus geringer Höhe aufgenommene, nach vorne links gewandte Menschenmenge. In diesem Fall bildet die Masse jedoch nicht den Körper des Duce. Stattdessen ist über die Fotografie einer Ansammlung von Menschen scherenschnittartig in Rot eine Linie seines Profils gelegt. Trotz dieser minimalistischen, abstrakten Darstellungsweise lässt die Unterschrift keinen Zweifel daran, wer sich hinter den markanten Zügen verbirgt: »Ein einziges Herz, ein einziger Wille, eine einzige Entscheidung.« Möglicherweise handelt es sich hierbei um ein Zitat Mussolinis; in jedem Fall wird jedoch sein Redestil, der sich unter anderem durch eine vereinfachte, vielfach dreigliedrige Syntax auszeichnete, imitiert.63 Beide Bildbeispiele verdeutlichen die dem korporativem Staat zugrunde liegende organizistische Metapher der Nation als Körper. Die individuellen Bestandteile der Gesellschaft sind irrelevant – dementsprechend sind sie auf den Grafiken kaum erkennbar. Erst in ihrer Gesamtheit konstituiert die Masse den faschistischen Korporativstaat, der vom Duce repräsentiert wird und dessen Lenkung sie bedarf. Diesbezüglich führte Mussolini in Reden aus: »Das Volk ist der Körper des Staates und der Staat ist der Geist des Volkes.«64 Auf ähnliche Weise wie im faschistischen Italien stellte das Verhältnis des politischen Führers zur Masse in der Propaganda des national-populistischen
62 Vgl. Istat, Statistica delle elezioni generali politiche per la 29. magistratura. 25 marzo 1934, Rom 1934. 63 Susanne Kolb, Sprachpolitik unter dem italienischen Faschismus. Der Wortschatz des Faschismus und seine Darstellung in den Wörterbüchern des Ventennio, 1922–1943, München 1990, S. 60. 64 Zitiert nach Lojacono, La politica sociale del fascismo, S. 19: »Il popolo H il corpo dello Stato e lo Stato H lo spirito del popolo.«
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peronistischen Regimes65 ein zentrales und im Vergleich zur Ikonografie vorheriger Präsidenten neues Thema dar. Im Hinblick auf den Gründungsmythos des Peronismus schrieb das Regime in der Retrospektive dem Volk entscheidende Handlungsmacht zu, Perjns Freilassung am 17. Oktober 1945 erwirkt zu haben. In der Folge wurde der 17. Oktober jährlich als »Tag der Treue« begangen. Drei Jahre nach Perjns Freilassung erklärte Evita in einer feierlichen Rede zu diesem Anlass: Dieser für die Patrioten ruhmreiche Tag, als ihr den damaligen Oberst Perjn zurückerlangt habt und mit seiner Freiheit eine neue Etappe im Leben der Argentinier eröffnet habt, ist nicht nur ein Tag der Erinnerung, sondern auch ein Tag des Kampfes.66
Im Rahmen von Perjns populistischem Diskurs waren rhetorische Fragen, die seine Leistung als Präsident und die Zufriedenheit des Volkes damit betrafen, fester Bestandteil seiner öffentlichen Reden zum 17. Oktober : Und so wie ich euch an jedem 17. Oktober fragen muss, an diesem gleichen Ort, frage ich euch heute zum ersten Mal, ob ich für das Volk gearbeitet habe, in diesen vier Monaten. Ich will euch fragen, ob ich die in mich gesetzten Hoffnungen enttäuscht habe. Und schließlich, ob ich an diesem 17. Oktober derselbe Oberst Perjn für euch bin wie zu anderen Zeiten. Da diese Regierung den descamisados gehört, muss ich euch jedes Jahr diese drei Fragen stellen, weil ich die Macht keine Sekunde länger zu besetzen wünsche, wenn ich das Vertrauen des Volkes verloren habe.67
Zwar rühmte sich das peronistische Regime auch, dass die Wahlen im Februar 1946, aus denen es hervorgegangen war, die »freisten und demokratischsten Wahlen […] des Landes«68 gewesen seien. Mehr noch als aus Wahlen oder anderen demokratischen Verfahren leitete das populistische Regime seine Legitimität jedoch aus dem direkten Kontakt mit dem Volk und dem ritualisierten Scheindialog bei Anlässen, wie dem 17. Oktober, ab.69 Die Beziehung zwischen 65 Vgl. Germani, Autoritarismo, fascismo y populismo nacional sowie die Ideologiediskussion in Kap. 1. 66 Eva Perjn, Discursos completos. 1946–1948, Bd. 1, Buenos Aires 1985, S. 269: »Este d&a glorioso para los patriotas, en que vosotros recuper#steis al entonces coronel Perjn y con su libertad abristeis una nueva etapa en la vida de los argentinos, es un d&a de lucha adem#s de ser un d&a de conmemoracijn.« (Rede Eva Perjns auf der Plaza de Mayo am 17. 10. 1948). 67 Perjn, Obras completas, Bd. 8, S. 169: »Yas& como he de preguntarles todos los 17 de octubre, en este mismo lugar, les pregunto hoy por primera vez si he trabajado por el pueblo en estos cuatro meses. Quiero preguntarles tambi8n si he defraudado las esperanzas que ustedes pusieron en m&. Y, finalmente, si en este 17 de octubre sigo siendo para ustedes el mismo coronel Perjn de otros tiempos. Como este gobierno es de los descamisados, he de hacerles todos los aÇos estas tres preguntas, porque no deseo ocupar el poder un segundo m#s despu8s de haber perdido la confianza del pueblo.« 68 Ahora (1946) H. 2: »[L]as m#s libres y democr#ticas elecciones realizadas en el pa&s«. 69 Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 29; Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 43; Karin Priester, Definitionen und Typologien des Populismus, in: Soziale Welt (2011) H. 62, S. 185–
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politischem Führer und Volk wurde im Peronismus ausgesprochen pädagogisch konzeptualisiert und basierte auf der kontrollierten Politisierung der unteren Volksschichten.70 Darin äußerte sich auch Perjns Auffassung der Masse als infantilisiert und daher politischer Führung bedürftig. So befand er : »Als politischer Führer muss man gleichzeitig Lehrer sein, man muss die Masse unterrichten, man muss sie erziehen.«71 Erst wenn die Masse organisiert sei, werde sie zum Volk, hielt er weiter in seiner Schrift »Conduccijn pol&tica« (»Politische Führung«) von 1952 fest.72 Bei den häufigen Repräsentationen von Perjn bei Reden vor Publikum und anderen Gelegenheiten in propagandistischen Medien griffen die Gestalter anders als im faschistischen Italien vergleichsweise selten auf avantgardistische Gattungen, wie die Fotomontage, zurück. Eine vereinfachte Form davon bildet das Cover der Zeitschrift »Mundo Peronista« vom April 1954 (Abb. 35, S. 166). Hier wird jedoch, ähnlich wie bei der Darstellung von Mussolinis als Redner (Abb. 33, S. 160), lediglich mit zwei überlappenden Bildfeldern gearbeitet. Das größere besteht aus einer Schwarz-Weiß-Fotografie einer frontal aufgenommenen Menschenmenge aus der Obersicht, wobei die Perspektive die Sicht von Perjns erhöhter Rednertribüne, meist der Balkon des Regierungssitzes Casa Rosada, simuliert. Das kleinere Bildfeld füllt eine farbige Grafik eines Doppelporträts des Präsidentenpaares im Profil und eines peronistischen Parteiwappens, das eine abgewandelte Version des Nationalwappens darsellte,73 aus. Das Doppelporträt des Präsidentenpaares im kleineren Bildfeld war zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Häufigkeit seiner Verwendung in der Propaganda bereits zur Ikone geworden. Häufiger als Arrangements von mehreren Bildelementen sind jedoch Fotografien, die Perjn beim Bad in der Menge zeigen. Ein Beispiel stammt aus der Zeit des Wahlkampfes Ende 1945, als der Präsidentschaftskandidat sich gerade im nordargentinischen Ranquel aufhielt (Abb. 36, S. 167). Auf der SchwarzWeiß-Fotografie ist Perjn als Halbfigur im Profil, mit einem weißen Anzug bekleidet und mit seinem typischen lächelnden Gesichtsausdruck zu sehen. Ihn
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198, hier S. 189: In eingen Populismusdefinitionen, wie bei Kurt Weyland, wird der direkte Kontakt des Führers zum Wahlvolk unter Umgehung von oder zusätzlich zu anderen demokratischen Institutionen als Wesensmerkmal hervorgehoben. Miguel Somoza Rodr&guez, Una mirada vigilante. Educacijn del ciudadano y hegemon&a en Argentina (1946–1955), in: H8ctor Rub8n Cucuzza/Cristina Acevedo (Hg.), Estudios de historia de la educacijn durante el primer peronismo, 1943–1955, Buenos Aires 1997, S. 115– 148, hier S. 118, 123. Perjn, Obras completas, Bd. 13, S. 33: »[A] la vez de ser conductor hay que ser maestro, hay que enseÇarle a la masa, hay que educarla […].« Ebd., S. 226: In »Conduccijn pol&tica« wurden eine Reihe von Vorlesungen, die Perjn an der Parteischule Escuela Superior Peronista gehalten hatte, zusammengefasst. Colotta/Cucuzza/Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo, S. 350.
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Abb. 35: Titelblatt Mundo Peronista III, H. 63, Argentinien 1954.
umringen zahllose weitere Personen, die nach ihm greifen oder ihn am linken Arm gefasst halten. Die offenbare Spontaneität der Gesten sowie die angeschnittenen Personen und die in den Bildausschnitt hereinreichenden Hände lassen annehmen, dass es sich bei der Aufnahme um einen Schnappschuss handelt. Außer der Bildunterschrift mit der Orts- und Zeitangabe sind keine weiteren Informationen zur Verwendung oder zum Publikationszusammenhang der Fotografie erhalten. Verglichen mit anderen Exemplaren der visuellen Propaganda erweist sich dieses Bildthema als eine typische Zusammenschau Perjns mit dem Volk. Im Gegensatz zur faschistischen Bildpropaganda, die tendenziell die räumliche Distanz Mussolinis zur Masse betonte, ist Perjn hier inmitten der Menschenmenge positioniert. Im Zusammenhang mit seiner freundlichen Mimik wird so der inhaltliche Schwerpunkt auf seine Zugänglichkeit gelegt und er somit als volksnah charakterisiert. Anders als auf den Plakaten des italienischen Faschismus erscheint die Masse in der peronistischen Propaganda im Allgemeinen auch weniger anonym. Auf dem Titelblatt von »Mundo Peronista« wird dieser Eindruck durch die frontale Ansicht und den
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Abb. 36: »Hand in Hand mit seinem Volk«, Fotografie, Argentinien 1945.
größeren Maßstab erreicht, der es erlaubt, die Personen in den vorderen Reihen bis hin zur Bildmitte deutlich zu individualisieren (Abb. 35, S. 166). Bei der Fotografie wird die Blickrichtung zwar eindeutig auf Perjn und in seinem weißen Anzug gelenkt (Abb. 36). Das restliche Personal ist jedoch, sofern nicht vom Betrachter abgewandt, ebenso klar zu erkennen. Entsprechend ihrer Vielzahl an Rollen wurden Mussolini und Perjn in der visuellen Propaganda nicht nur als handlungsorientierter neuer Politikertypus und zusammen mit Menschenmassen dargestellt. Abbildungen im Modus traditioneller Politikerbilder, die belegen sollten, dass die Regierungschefs auch zu intellektuellen Tätigkeiten befähigt waren, gehörten ebenso zum Repertoire der propagandistischen Herrscherikonografie unter beiden Regimen. Für Italien spricht Wolfgang Schieder im Zusammenhang der Repräsentationen Mussolinis als Staatsmann von »Normalisierungsbildern«.74 Nach der gewaltvollen Bewegungsphase des Faschismus vor 1922 sollten ihn Abbildungen, die ihn beispielsweise am Schreibtisch zeigten, als seriösen Politiker ausweisen.75 Dabei wurde bezeichnenderweise auch nicht versäumt, die extreme Leistungsfähigkeit Mussolinis zu betonen. Mythencharakter hatte, dass das Licht in seinem Büro im Palazzo Venezia nie erlosch, wodurch suggeriert wurde, dass der Duce selbst 74 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 423. 75 Ebd.
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nachts arbeitete.76 Der Charakterisierung Mussolinis als intellektueller Arbeiter diente außerdem die Rekonstruktion seines Mailänder Arbeitsplatzes bei der 1914 von ihm gegründeten Zeitung »Il Popolo d’Italia« auf der »Ausstellung der faschistischen Revolution« 1932.77 Ebenso waren im Fall Perjns Propagandafotografien, die ihn in den Räumlichkeiten des Regierungsgebäude, der Casa Rosada, zeigten, weit verbreitet. Ähnlich der Anekdote vom stets brennenden Licht in Mussolinis Büro beschrieben Propagandapublikationen, wie »Argentina en Marcha« von 1950, detailliert einen typischen Arbeitstag des Präsidenten, der »im Morgengrauen«78 beginne, »bevor sich die Nation in Bewegung setzt«.79 Am Abend, hieß es, sei er der letzte, der das Büro verlasse.80 Als intellektuelles Genie erschien Perjn des Weiteren in seiner in der Bildpropaganda reproduzierten Rolle des Dozenten, zum Beispiel an der unter seiner Regierung gegründeten Parteischule, der Escuela Superior Peronista.81 Die Zeitschrift »Mundo Peronista« brachte diese Qualität des Präsidenten auf den Punkt, in dem sie titelte »Perjn, Lehrer par excellence«.82 Der jeweiligen Propaganda zufolge war das Gebiet, auf dem sich die Arbeitsamkeit von Mussolini und Perjn als politischen Führern besonders stark zeigte, die Sozialpolitik. Auf diese Weise wurden sie als Wohltäter des Volkes charakterisiert. Diese Eigenschaft der Präsidenten als Gönner, die die soziale Besserstellung des Volkes ermöglichten, zielte wie ihre Rolle als Politiker im Allgemeinen darauf ab, ihre besonderen Fähigkeiten zu unterstreichen und sie von der Masse der Bevölkerung abzuheben. Ein mit »Sozialvorsorge des Regimes« betiteltes faschistisches Plakat von 1943 anlässlich Tags der Arbeit am 21. April zeigt Mussolini in drei Bildfeldern in je unterschiedlichen Situationen (Abb. 37, S. 169). In der größten mittigen Schwarz-Weiß-Fotografie ist er im Brustbild mit zwei Frauen zu sehen. Während eine vom Betrachter ab- und Mussolini zugewandt ist, steht die zweite ältere sehr dicht vor dem Duce, die zusammengefalteten Hände lehnen an seiner Brust, sie spricht mit ihm. Mussolini hat ihr seinerseits sein Ohr zugewandt und hört aufmerksam zu. Der Bilduntertitel lautet »Für die Familien des Volkes«, darunter ist die seit 1922 steigende Anzahl von Heirats- und Geburtenprämien aufgelistet, die im Rahmen der pronatalistischen Politik des Regimes vergeben wurden (vgl. Kap. 6). In den unteren 76 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 92. 77 Stone, Staging Fascism, S. 225. 78 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha, Buenos Aires 1950, S. 18. 79 Un muchacho peronista, ¡A las 6 y 30!, in: Mundo Peronista I (1951) H. 1, S. 6, hier S. 6. 80 Milanesio, A Man Like You, S. 96. 81 Amaral/Botella, Im#genes del peronismo, S. 152; Page/Gil Montero, Perjn, S. 45f. 82 O. A., Perjn, Maestro por excelencia, in: Mundo Peronista III (1954) H. 37, S. 10f.
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Abb. 37: »21. April. Sozialvorsorge des Regimes«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1943.
beiden kleineren Bildfeldern ist er in ähnlichen Szenen dargestellt, zum einen mit einer Frau mit Kleinkind (»Für die Mütter und die Kinder«) sogar lächelnd und zum anderen mit zwei älteren Männern, von denen er einem eine Hand auf die Schulter gelegt hat. Darunter befinden sich wiederum Statistiken über den Anstieg der vom Regime gegründeten Institutionen für Mütter und Kinder, den höheren Rentenzahlungen sowie über den Einsatz des Regimes gegen Tuberkulose. Die verschiedenen Szenen vermitteln abermals den Eindruck eines sehr geschäftigen Regierungschefs, der sich um alle aufgelisteten Belange persönlich kümmert. Die geradezu innige Darstellung Mussolinis mit den Frauen im oberen Bildfeld entbehrt jedoch auch nicht sexueller Konnotationen, die durch die darunter aufgeführten Geburtenprämien verstärkt werden.83 Ausnahmsweise 83 Vgl. Maria Fraddosio, The Fallen Hero. The Myth of Mussolini and Fascist Women in the Italian Social Republic (1943–45), in: Journal of Contemporary History 31 (1996) H. 1, S. 99–
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schlüpft der Duce nicht in die häufige Rolle des unnahbaren Genies, sondern tritt zusammen mit Repräsentanten verschiedener sozialer Gruppen auf. Mussolini erscheint als fürsorgliche Vaterfigur, der nicht nur über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheidet, sondern deren Bedürfnissen Gehör schenkt. Die aufgelisteten sozialpolitischen Leistungen, die aus diesem vermeintlichen Dialog resultieren, werden als sein persönliches Verdienst ausgegeben. Gemäß des zentralen Stellenwerts der Sozialpolitik für das peronistische Regime inszenierte sich Perjn häufiger als sich kümmernder, aufopfernder Regierungschef. Auf einer Propagandafotografie von 1952 im Querformat sitzt er seitlich von hinten ansichtig an seinem Schreibtisch, wahrscheinlich in der Casa Rosada (Abb. 38).
Abb. 38: »Perjn händigt Unterstützung an eine kinderreiche Familie aus«, Fotografie, Argentinien 1952.
Vor ihm steht eine Frau mit fünf Kindern unterschiedlichen Alters, von denen sie eines auf dem Arm trägt. Ein anderes wird vom ältesten Sohn gehalten. Links neben Perjn sind zwei Männer im Anzug auszumachen, zwei weitere befinden sich im Hintergrund, womöglich Funktionäre oder Regierungsangestellte. Perjn, im karierten Sakko und mit Brille, reicht der Mutter ein Schriftstück. Die Bildunterschrift erklärt die Situation näher : »Perjn händigt Hilfe an eine vielköpfige Familie aus«. Bei deutlich mehr Gelegenheiten als Mussolini wird Perjn 124, hier S. 109: In der Tat verfielen nicht wenige Italienerinnen Mussolini, wie sich an noch während der letzten Kriegsjahre an ihn gerichteten Briefen von italienischen Frauen und Mädchen ablesen lässt.
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als Präsident gezeigt, der Zeit findet, sich individueller Schicksale anzunehmen. Anders als im Fall des Büros des Duce im Palazzo Venezia, in das nur nach kompliziertem Prozedere geladene Gäste vorgelassen wurden und das in der Bildpropaganda stets geordnet, nahezu ohne Mobiliar erschien,84 wird der Betrachter bei Perjns Darstellung am Schreibtisch mit einer geradezu chaotischen Szene konfrontiert: Es wimmelt von Personen, die den Präsidenten umringen. In Analogie zu Szenen häuslicher Idylle, die ebenfalls von Perjn und seiner Frau in der Propaganda kursierten, scheute der argentinische Präsident offenbar nicht davor zurück, die Türen zu seinem Amtssitz für die Öffentlichkeit zu öffnen. Dort erscheint er als ungezwungener und warmherziger politischer Führer. In populistischer Manier befand Perjn den Dialog mit seinen Wählern als für seine politische Führerschaft unerlässlich.85 Neben persönlichen Audienzen fand der Austausch mit den Bürgern auch in Briefform statt. So waren zum Beispiel während der Ausarbeitung des zweiten Fünfjahres-Plans alle Argentinierinnen und Argentiner dazu aufgerufen, unter dem Motto »Perjn möchte wissen, was das Volk will«, Vorschläge einzureichen. Ebenso breit in der Propaganda diskutiert, hatte die Kampagne eine Resonanz von 42.000 an die Regierung gerichteten Briefen.86 Im Gegensatz zu Mussolini war Perjns Rolle als sich kümmernder Vater der Nation eng an die Zurschaustellung seiner Privatsphäre geknüpft. Während die Familie des Duce bis auf wenige Ausnahmen ein Tabuthema der Propaganda darstellte,87 öffnete Perjn als erster argentinischer Staatsmann den Medien die Türen zu seiner Privatresidenz. Schon seit seiner Präsidentschaftskampagne konnte die Öffentlichkeit ihn so zusammen mit seiner Frau in Szenen alltäglicher Häuslichkeit beobachten. Anders als Mussolini, der von scheinbar hehren Zielen angetrieben über belanglosen Haushaltsangelegenheiten zu stehen schien und es tunlichst vermied, ein privates, bürgerliches Bild von sich zu verbreiten, war für Perjn offenbar keine häusliche Angelegenheit zu trivial.88 So wurde er in der Propaganda bei der Gartenarbeit oder zusammen mit Eva vor dem heimischen Kamin abgelichtet. Die Charakterisierung von Perjn als häuslichem und liebevollem Ehemann suggerierte somit eine alternative und von früheren Präsi-
84 Wolfgang Schieder, Audienz bei Mussolini. Zur symbolischen Politik faschistischer Diktaturherrschaft 1923–1943, in: Petra Terhoeven (Hg.), Italien, Blicke. Neue Perspektiven der italienischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2010, S. 107–132, hier S. 115f. 85 Milanesio, A Man Like You, S. 96f. 86 Eduardo Elena, What the People Want. State Planning and Political Participation in Peronist Argentina, 1946–1955, in: Journal of Latin American Studies 37 (2005) H. 1, S. 81–108, hier S. 81–82, 102. 87 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 424. 88 Sturani, Mussolini auf Postkarten, S. 103; Milanesio, A Man Like You, S. 96.
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denten abweichende Form von Männlichkeit, die Mussolini als vorrangig öffentliche Person nicht verkörperte.89 Wie gezeigt wurde, diente die Inszenierung als Wohltäter und Versorger der Nation beiden Regierungschefs im Unterschied zu anderen egalitäreren Rollen dazu, klare Hierarchien zu behaupten. Das Hervorheben ihrer Besonderheit konnte sich bei allen bisher analysierten Darstellungsweisen – als tatkräftige Politiker, im Zusammenspiel mit der Masse und als Gönner bei der Vergabe von Sozialleistungen – bis zur Zuschreibung von übernatürlichen und göttlichen Eigenschaften steigern. So erschien Mussolini auf der einen Seite in der staatlichen Propaganda als Auserwählter, allmächtig und nahezu unsterblich.90 Unter Rückgriff auf die katholische Liturgie wurden gar Gebete an den Duce gerichtet.91 Zwar gab sich Perjn auf der anderen Seite bei vielen Gelegenheiten als volksnaher und nahbarerer politischer Führer. Dies schloss jedoch die Sakralisierung seiner Person,92 die etwa durch Anleihen bei der christlichen Ikonografie bewusst in der Regierungspropaganda befördert wurde, nicht aus. So wurde er in einer Detailskulptur eines letztlich nicht vollendeten Monuments des italienischen Bildhauers Leone Tommasi, das dem »Hemdlosen« gewidmet werden sollte, als Moses dargestellt (vgl. Kap. 4). Thema der Doppelfigur von Perjn zusammen mit einem anonymen Arbeiter war die Verleihung der »Arbeiterrechte«, die das peronistische Regime 1949 in die reformierte Verfassung aufnahm. Mit der Darstellung der zehn Rechte als in Stein gemeißeltem Dekalog griff der Bildhauer auf die häufige Ikonografie des biblischen Vorläufers zurück und nahm auf die alttestamentarische Szene Bezug, als Moses die zehn Gebote dem Volk verkündete. Indem der 18. Oktober, der Folgetag des vom Regime jährlich gefeierten Gründungsdatums der peronistischen Bewegung, im Volksmund als »San Perjn« bezeichnet wurde, wurde der argentinische Präsident ebenfalls in die Nähe eines Heiligen gerückt.93
89 Milanesio, A Man Like You, S. 95, 101. 90 Vgl. hierzu ganz zentral Emilio Gentile, The sacralization of politics in fascist Italy, Cambridge 1996. Alexander Nützenadel hat in der Folge Gentiles These von der »Sakralisierung der Politik« im Faschismus jedoch dahingehend kritisiert, dass das faschistische Regime christliche Rituale nur oberflächlich übernommen habe und es ihm letztlich nicht gelungen sei, eigene Glaubensinhalte zu schaffen. (Nützenadel, Inszenierungen des Nationalstaats, S. 128). 91 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 91f. 92 Milanesio, A Man Like You, S. 86. 93 Vgl. Plotkin, MaÇana es San Perjn.
Mussolini bei der Getreideernte und Perón in Latzhosen
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Mussolini bei der Getreideernte und Perón in Latzhosen
Die vorbildliche Arbeitsamkeit Mussolinis und Perjns bezog sich nicht nur auf die Regierungsgeschäfte. Beide inszenierten sich in der Bildpropaganda auch als manuelle Arbeiter. Vor dem Hintergrund, dass Arbeit im von beiden Regimen angestrebten korporativen Staat ein zentrales Thema der Propaganda darstellte, war es vor allem diese Rolle, die sie von der Ikonografie vorheriger Politiker unterschied. Im Gegensatz zu anderen Darstellungsweisen, die die Exzeptionalität der Regierungschefs unterstrichen, diente dieses Rollenbild vor allem dazu, sie als einfache Männer aus dem Volk zu charakterisieren. Ein gängiger Titel des Duce in der Propaganda lautete in diesem Zusammenhang »Mussolini lavoratore«, der ihn als keineswegs nur zu intellektueller Arbeit fähig ausweisen sollte. Bereits bei einer frühen Rede im Januar 1923 ließ er verlautbaren: »Ich rühme mich, Sohn von Arbeitern zu sein, ich rühme mich, mit meinen Händen gearbeitet zu haben. Ich habe die demütigen Mühen der arbeitenden Bevölkerung kennengelernt.« Aus seiner Herkunft aus dem Volk und seiner Selbstbeschreibung als Arbeiter leitete er ferner seine Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit – vermeintlich Arbeitern inhärente Eigenschaften – als Politiker ab. So führte er vor Beschäftigten eines Fiat-Werks im Oktober 1923 aus: [I]ch, der mit den Händen gearbeitet hat und aus dem Volk kommt und diesen Stolz hat, […] grüße euch, nicht mit der verlogenen Sympathie der demagogischen Verkäufer von Rauch, sondern mit der groben Ehrlichkeit eines Arbeiters, eines Mannes, der euch nicht täuschen will, eines Mannes, der die nötige Disziplin durchsetzen wird, gegenüber den Freunden, aber auch gegenüber den Gegnern.94
Einen besonderen Platz innerhalb seiner Selbstdarstellung nahm im Rahmen der »Ruralismus«-Ideologie und in Übereinstimmung mit der Dominanz des Agrararbeiters in der Bildpropaganda (vgl. Kap. 4) die Charakterisierung Mussolinis als Landarbeiter ein. So ließ er bei verschiedenen Gelegenheiten verlauten, dass er sich »zutiefst ländlich«95 fühle und die Landwirtschaft liebe.96 Ein überaus beliebtes Motiv im Kontext der »Getreideschlacht« und der Bonifica 94 Mussolini, Opera Omnia, Bd. 20, S. 56: »[I]o, che ho lavorato con le braccia e che vengo dal popolo e che ho questo orgoglio, […] io vi saluto, non con la mentita simpatia dei demagoghi venditori di fumo, ma con la sincerit/ rude di un lavoratore, di un uomo che non vi vuole ingannare, di un uomo che imporr/ a tutti la disciplina necessaria, agli amici soprattutto ed anche agli avversari.« (Mussolini bei einer Rede vor den Arbeitern des Fiat-Werks in Racconigi bei Turin am 25. 10. 1923). 95 Mussolini, Opera omnia, Bd. 22, S. 236: »[I]o […] mi sento profondamente rurale […].« (Rede Mussolinis im Teatro Costanzi in Rom bei der Verleihung der Preise an die Gewinner des zweiten Wettbewerbs im Rahmen der »Getreideschlacht« am 10. 10. 1926). 96 Ebd., S. 292 »[A]mo l’agricoltura […].« (Rede Mussolinis im Palazzo Chigi in Rom vor Vertretern landwirtschaftlicher Gewerkschaften aus Venetien am 15. 12. 1926).
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integrale bestand darin, Mussolini bei der Getreideernte zu zeigen. Auf einer Abbildung aus dem vom PNF herausgegebenen »Secondo libro del Fascismo« von 1940, worin rassistische Positionen des Regimes erläutert wurden, ist er im Profil, mit einer weißen Mütze, oberkörperfrei bis zur Brust zu sehen (Abb. 39).
Abb. 39: »Die Rasse in Bewegung Richtung Zukunft«, in: PNF, Il secondo libro del fascismo (Publikation), S. 77, Italien 1939.
Das untere Drittel der Schwarz-Weiß-Fotografie im Querformat wird von einem landwirtschaftlichen Gerät verdeckt, das sich im Zusammenhang mit der Bildunterschrift als Dreschmaschine entpuppt. Hinter dem Duce türmen sich Getreideballen, auf denen sich fünf Landarbeiterinnen in Kleidern und Kopftüchern sowie zwei männliche Arbeiter zu schaffen machen und ihm das Getreide reichen. Das sonnige Wetter sowie der hohe Sonnenstand von rechts oben deuten auf die Sommermonate hin, in denen die Getreideernte stattfindet. Die Bildunterschrift klärt den Ort des Geschehens: Hinter »Agro redento« verbirgt sich der Agro Pontino, ein Sumpfgebiet südlich von Rom, das aufgrund der Urbarmachung durch das Regime in der propagandistischen Rhetorik für »erlöst« erklärt wurde und international zu einem Vorzeigemeliorationsprojekt des
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Faschismus avancierte.97 Der Titel der Abbildung »Die Rasse in Bewegung Richtung Zukunft« verweist auf die argumentative Verknüpfung der »italienischen Rasse« mit Arbeit, genauer mit der hier abgebildeten Landarbeit, als Voraussetzung für den Fortschritt und den Fortbestand der Nation (vgl. Kap. 4). Dass hier von »Rasse« und nicht von Nation oder Volk die Rede ist, hängt mit dem Entstehungszeitpunkt nach der Verabschiedung der »Rassengesetze« 1938 zusammen. Demonstrativ zeigte sich Mussolini bei diesen Gelegenheiten auch oberkörperfrei, was seine Virilität unterstreichen sollte.98 Bei anderen von der Propaganda dokumentierten Anlässen fuhr er sogar ohne Oberbekleidung Ski.99 Weder im zeitgenössischen Vergleich noch im peronistischen Argentinien gab es zu dieser extremen Form der Körperbetontheit des Duce, von der die Propaganda zeugte, ein Pendant.100 Der Inszenierungscharakter der LUCE-Fotografien offenbart sich insbesondere bei solchen, auf denen Mussolini bei der Getreideernte im Anzug und mit Hut auftritt, also in für die Tätigkeit völlig unpassender Kleidung. So geschieht es beispielsweise auf einer Abbildung in dem Bildband »L’Italia fascista in cammino« von 1932 (Abb. 40, S. 176). Die Bildunterschrift behandelt die Erfolge des korporativen Systems in der Landwirtschaft, indem sie die Zahl der in die landwirtschaftlichen Gewerkschaften eingeschriebenen Bauern aufführt. Der Duce ist als Dreiviertelfigur mit einem Bündel Getreide in der einen und einer Sichel in der anderen Hand abgebildet. Im Hintergrund sind unscharf noch zwei weitere Landarbeiter, ein Mann und eine Frau, in für die Landbevölkerung typischerer Kleidung erkennbar. Das von Mussolini zur Ernte benutzte Werkzeug, eine Sichel, verleugnet in Analogie zu sonstigen anachronistischen Darstellungen von Landarbeit in der faschistischen Propaganda jegliche Mechanisierung der Arbeitsabläufe. Indem sogar der Duce solche vormals von der »bürgerlichen Moral« mit »Überlegenheit und Verachtung« in Verbindung gebrachte Tätigkeiten ausführte, »fordert[e] er voll und ganz […] die Würde und die nahezu absolute Überlegenheit der manuellen Arbeit als […] fundamentaler Faktor des Lebens ein«,101 wie es in der Publizistik des Regimes hieß. Im Gegensatz zu solchen konstruktiven Tätigkeiten trat Mussolini in der 97 Vgl. Eduard Führ, Städtebau und Propaganda im Faschismus: Sabaudia und der Agro Pontino, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 96–106. 98 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 424. 99 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 93. 100 Schieder, Faschistische Diktaturen, S. 423f. 101 Il Doganiere, Mussolini lavoratore, in: Critica fascista XII (1934) H. 15, S. 291: »Egli [il Duce] rivendica in pieno, […] la dignit/ e quasi la priorit/ assoluta del lavoro manuale inteso come primo e fondamentale fattore della vita.«
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Abb. 40: »Eingeschriebene Bauern…«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 9, Italien 1932.
Bildpropaganda auch als Zerstörer auf, was Nanni Baltzer als Besonderheit der Herrscherikonografie des italienischen Faschismus herausgestellt. In einer Publikation von 1938 über die vom faschistischen Regime vorangetriebenen städtebaulichen Veränderungen in Rom, die sogenannten sventramenti, wird der Duce auf den von ihr analysierten Fotomontagen mit Spitzhacke gezeigt, wie er eigenhändig Teile der römischen Altstadt niederreißt.102 Diese zerstörerische Geste sei auch im zeitgenössischen Vergleich etwa mit der NS-Propaganda eine Besonderheit, wo Hitler allenfalls beim Spatenstich für neue Autobahnabschnitte, also konstruktiven Arbeiten, auftrat. Dass der zerstörerische Akt in der 102 Baltzer, Die Fotomontage im faschistischen Italien, S. 189f.
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faschistischen Propaganda ins Positive gewandt wurde, bringt Baltzer nicht nur mit den Vorher-Nachher-Darstellungen in Verbindung, bei denen gleichzeitig das Resultat der städtebaulichen Sanierungen in Form von geordneten Straßenzügen und klaren Achsen präsentiert wurde. Sie führt ferner einen potentiellen, vor allem für Rom relevanten, ikonografischen Vorläufer an, nämlich das Aufschlagen einer zugemauerten Pforte im Vatikan, das der Papst mit einer Spitzhacke anlässlich des Heiligen Jahres vornahm. Dieses Motiv sei, wie Baltzer weiter ausführt, unter anderem durch eine Briefmarkenserie 1925 popularisiert worden.103 Gegenüber diesem sehr spezifischen und auf das Medium der Briefmarke beschränkten Präzedenzfall erscheinen Werke futuristischer Künstler, auf denen Krieg und Zerstörung, als einziger Weg, etwas Neues zu erschaffen, verherrlicht wurden,104 als der plausiblere Vorläufer des Bildthemas des Duce als Zerstörer. Hatte sich Perjn beim mythenhaften Gründungstag der peronistischen Bewegung am 17. Oktober 1945 noch als »bescheidener Soldat« bezeichnet, wechselte er nach seiner gewonnenen Wahl im Februar des Folgejahres alsbald zu einer Selbstbezeichnung als »erstem Arbeiter«.105 Diesen Titel habe, wie er bei nicht wenigen Gelegenheiten betonte, das Volk an ihn herangetragen: »In einer Stunde des Kampfes nannten sie mich den ›ersten Arbeiter Argentiniens‹ und durch mein Verhalten demonstriere ich, dass ich Tag für Tag dieser ehrenvollen Bezeichnung gerecht werde […]«.106 Dass ihm unter seiner Vielzahl an Rollen gerade die Charakterisierung als »primer trabajador« dazu diente, sich als primus inter pares zu präsentieren, wird bei seinen Reden, wie bei einer Versammlung der Gewerkschaft CGT im Teatro Coljn deutlich: [H]eute will ich mich meines Amtes entledigen und zu euch in meinem Charakter als erster argentinischer Arbeiter sprechen. Frei von allen Attributen, die mich von den bei diesem Akt Anwesenden unterscheiden könnten, spreche ich von Kamerad zu Kamerad.107
103 Ebd., S. 194ff. 104 Vgl. Margit Knapp Cazzola, Die einzige Hygiene der Welt. Futurismus, Faschismus und Filippo Tommaso Marinetti, in: Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei, Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion, 1922–1956, Baden 1994, S. 682–685. 105 Rosano, Imaginario femenino en el populismo argentino, S. 56. 106 Perjn, Obras completas, Bd. 9, S. 29: »En una hora de lucha me llamaron ›el Primer Trabajador Argentino‹, y estoy demostrando por mi conducta que d&a a d&a ir8 justificando esta honrosa designacijn […]«. (Dekalog des Fünfjahresplans, 24. 01. 1947). 107 Ebd., S. 73: »Deseo hacer presente que hoy quiero despojarme de mi investidura a hablarles en mi car#cter de primer trabajador argentino. Despojado de todo atributo que me pudiera diferenciar de los asistentes a este acto, he de hablar de compaÇero a compaÇero.« (Rede Perjns auf einer Versammlung der CGT im Teatro Coljn am 07. 03. 1947).
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Trotz aller egalitärer Rhetorik markierte das Attribut »primer« doch eine klare Hierarchie und unterstrich die Modellfunktion des Präsidenten. Im Vergleich zu der beschränkten Anzahl von offiziellen Porträts von Perjn im Anzug oder in Uniform, war das Auftreten des argentinischen Präsidenten als hemdsärmeliger Arbeiter in der Bildpropaganda sehr viel häufiger.108 Nicht nur in Printmedien, auch im Medium der Skulptur erschien er als »Hemdloser«, behauptete er doch bei verschiedenen Gelegenheiten, »nicht mehr als ein descamisado«109 zu sein. Die Skulptur »El Conductor« (»der Leiter«, »der Führer«) des italienischen Bildhauers Leone Tommasi war ursprünglich für die Sockelzone eines letztlich nicht vollendeten Monumentes für den descamisado gedacht (Abb. 41, S. 179). Abbildungen der bereits fertiggestellten Elemente, wie von ebenjener Teilskulptur von Perjn, waren dennoch in Propagandabroschüren weit verbreitet (vgl. Kap. 4). Bei der Steinfigur handelt es sich um ein idealisiertes und verjüngtes, ganzfiguriges Porträt von Perjn. Die Gesichtszüge der Plastik im neoklassischen Stil der restlichen zum Monument gehörigen Figurenensembles charakterisiert ein energischer Blick. Sie trägt ein bis zum Gürtel geöffnetes Hemd, das die muskulöse Brust freigibt, ihre Hände sind zu Fäusten geballt. Während Gestik und Mimik Entschlossenheit symbolisieren, vermittelt die Schrittstellung Rastlosigkeit und verweist ferner auf die für die Geschichte der peronistischen Bewegung zentralen Märsche, insbesondere anlässlich des jährlich feierlich begangen 17. Oktobers. Neben dem aufgeknöpften Hemd wird die Identifikation Perjns mit dem »Hemdlosen« durch die physische Ähnlichkeit der Teilskulptur mit der Hauptfigur des descamisado, die eine Höhe von 60 Metern aufweisen sollte, verstärkt. In einer konkreteren Rolle als in der allumfassenden des descamisado erschien Perjn jedoch auch als Industriearbeiter in Latzhosen, so beispielsweise auf dem Titelblatt der Zeitschrift »Ahora« anlässlich des 1. Mai 1946 (Abb. 42, S. 180). Auf der Schwarz-Weiß-Fotografie ist er als Kniestück in Frontalansicht mit seiner zum Markenzeichen avancierten lachenden Mimik abgebildet. Außer den Latzhosen trägt er ein halbärmeliges Hemd. Die Bildunterschrift »1. Mai, Tag der Arbeiter« unterstützt im Zusammenhang mit der Darstellung Perjns die Charakterisierung des Präsidenten als gewöhnlicher Mann aus dem Volk. Dabei wurde die Kleidung, insbesondere die im argentinischen Spanisch »overall« genannten Latzhosen auch im peronistischen Diskurs zu einem Sinnbild von Tatkräftigkeit. So forderte Perjn bei anderen Gelegenheiten beispielsweise von Lehrern beruflicher Ausbildungsstätten, die unter seinem Regime gegründet worden waren: »Wir wollen Fabriktechniker, die sich ihre Latzhose anziehen
108 Milanesio, A Man Like You, S. 91, 96. 109 Perjn, Obras completas, Bd. 8, S. 171.
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Abb. 41: Leone Tommasi, »Der Führer (El conductor)« (Modell), in: Secretar&a de Prensa y Difusijn de la Presidencia de la Nacijn, Monumento a Eva Perjn (Broschüre), Argentinien 1955.
und die Arbeit zusammen mit ihren Arbeitern verrichten […], nicht Scharlatane, die weder für die Wäsche noch für einen Besenstreich taugen.«110 Außerdem wurde Perjn in der Propaganda vielfach bei der Einweihung industrieller Anlagen gezeigt. Die Charakterisierung als zupackender Regierungschef wird bei diesem Bildthema häufig durch das Betätigen von Maschinen – oder zumindest die Simulation davon – unterstützt. Auf einer Illustration in »Argentina en marcha« ist Perjn im weißen Anzug als Halbfigur im Profil am 110 Zitiert nach In8s Dussel/Pablo Pineau, De cuando la clase obrera entrj al para&so. La educacijn t8cnica estatal en el primer peronismo, in: Adriana Puiggrjs/S. Carli (Hg.), Discursos pedagjgicos e imaginario social en el peronismo, 1945–1955, Buenos Aires 1995, S. 107–176, hier S. 151f.: »Queremos t8cnicos de f#brica que se pongan su ›over-all‹ y compartan el trabajo con sus obreros […], no charlatanes que no sirven ni para un lavado ni para un barrido.«
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Abb. 42: »1. Mai 1946. Tag der Arbeiter«, Titelblatt Ahora H. 2, Argentinien 1946.
rechten Bildrand zu sehen (Abb. 43, S. 181). Den fotografischen Bildband, der die Erfolge der ersten vier Regierungsjahre Perjns illustrierte, gab die Subsecretar&a de Informaciones y Prensa 1950 wie »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« anlässlich des 100. Todestages des »Befreiers« Jos8 de San Mart&n heraus. Vier weitere Personen sind auf der Fotografie auszumachen, zwei zu jeder Seite des Präsidenten, deren Gesichter sich jedoch entweder im Halbdunkel befinden oder vom Betrachter abgewandt sind. Die linke Bildseite besteht aus einer Rohranlage und einem Ventil, das der Regierungschef mit beiden Händen bedient. Wie bei den restlichen Abbildungen der Publikation handelt es sich um eine kolorierte Schwarz-Weiß-Fotografie, bei der in diesem Fall das Gelb der Rohre und das Weiß des Präsidenten hervorstechen und den Blick des Betrachters auf sich ziehen. Die Bildunterschrift erläutert, dass es sich um die Einweihung eines Gasodukts handelt, das von Comodoro Rivadavia, einer Küstenstadt im Süden Argentiniens, nach Buenos Aires führte. Der Bildtext lässt keinen Zweifel an der Handfertigkeit des Präsidenten, der es versteht, einen
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Abb. 43: »Am 29. Dezember 1949…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 132, Argentinien 1950.
solch »komplexen Mechanismus«111 zu bedienen. Zwar zählte die Inauguration von neuen industriellen Stätten auch zu Standardhandlungen Mussolinis. So besuchte der Duce 1932 beispielsweise das neue Fiat-Werk in Lingotto bei Turin, wovon in der Presse berichtet wurde. Nie schlüpfte er jedoch in der Bildpro-
111 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha, S. 132.
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paganda, wie etwa Perjn anlässlich des 1. Mai (Abb. 42, S. 180), in die Kleidung und damit in die Rolle eines Industriearbeiters. Zusätzlich zu den Rollenbildern der Regierungschefs, die Hierarchien betonten, machten volksnahe, unprätentiöse Darstellungen Mussolinis und Perjns als Arbeiter einen zentralen Teil der jeweiligen Herrscherikonografie aus. Wenn sie über die allgemeine Identifizierung als Arbeiter hinaus spezifischere Rollen annahmen, präsentierte sich Mussolini als Landarbeiter, Perjn hingegen griff auf die Rolle des Industriearbeiters zurück oder ließ sich vor industrieller Kulisse ablichten. Damit bestätigt sich der Befund von der Dominanz des Themas der Landwirtschaft in der Propaganda des faschistischen Italien im Gegensatz zum Fokus, der im Argentinien der späten 1940er und frühen 1950er Jahre auf der Industriearbeit lag (vgl. Kap. 4), auch im Bezug auf die Herrscherikonografie. Vor dem Hintergrund der symbolischen Aufwertung der Arbeit im korporativen System des faschistischen Italiens und des peronistischen Argentiniens stellten sich die Präsidenten so auf eine Stufe mit der betreffenden Arbeiterschaft, den italienischen Bauern bzw. den argentinischen Industriearbeitern.
5.3
Geteilte charismatische Herrschaft: Evita als »Vorkämpferin der Arbeit«
Während das gemeinsame Auftreten Mussolinis mit dem italienischen König in der Bildpropaganda einem unliebsamen Zeremoniell geschuldet war, stellte die Herrscherikonografie im peronistischen Argentinien insofern einen Sonderfall dar, als sie bewusst um das Präsidentenpaar konstruiert wurde. Ikonografische Vorläufer solcher Doppelporträts des Herrscherpaares, wie das bereits besprochene Titelblatt von »Mundo Peronista« (Abb. 35, S. 166), führt die argentinische Kunsthistorikerin Marcela Gen8 bis in den europäischen Absolutismus zurück.112 Im argentinischen Kontext hatte es zuvor Gedenkmedaillen zu Amtseinführungen von Präsidenten gegeben, auf denen sie zusammen mit dem Vizepräsidenten porträtiert worden waren. Nie zuvor hatte jedoch die Ehefrau eines Präsidenten einen solchen Stellenwert erlangt, dass sie in der staatlichen Propaganda zusammen mit ihrem Mann, »fast zu einem einzigen Körper verschmolzen«, bildlich dargestellt worden wäre.113 Zwar bekleidete Eva Perjn nie 112 Gen8, Un mundo feliz, S. 70ff. 113 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 90f. Die vergleichende Populismusforschung hat hinreichend auf den Sonderfall hingewiesen, dass sich das populistische Regime im argentinischen Fall auf zwei Personen, also eine doppelte Führung stützte (vgl. Barbara Potthast, Madres, obreras, amantes. Protagonismo femenino en la historia de Am8rica Latina, Madrid 2010, S. 282; Rein, Peronismo, populismo y pol&tica, S. 22).
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ein politsches Amt, sie erlangte jedoch über eine Reihe informeller Rollen sowie die Leitung einer Wohlfahrtsorganisation und des weiblichen Flügels der Peronistischen Partei ein beträchtliches Maß an politischem Einfluss und gewann so eine eigene Anhängerschaft.114 Als eine der ersten in der lateinamerikanischen Politik sichtbaren Frauen kontrastierte sie so stark mit früheren Präsidentengattinnen, die sich nur gelegentlich bei offiziellen Zeremonien in der Öffentlichkeit gezeigt hatten. Nicht nur im Vergleich mit dem faschistischen Italien, wo Mussolinis Frau Rachele kaum eine exponierte Stellung innehatte, auch in internationaler Perspektive konstituierte Evas öffentliche Rolle ein Novum. Allenfalls Eleaonor Roosevelt war bis dato eine ähnlich sichtbare First Lady gewesen und hatte sich wie Eva Perjn vor allem im karitativen Bereich engagiert.115 Durch die reine Präsenz von Perjns Ehefrau auf der politischen Bühne wurden traditionelle Geschlechterrollen in Frage gestellt, denen zufolge sich die Politik als rein männliche Domäne definierte.116 Ihr Engagement für das schließlich 1947 eingeführte Frauenwahlrecht sowie die Organisation des Partido Peronista Femenino (PPF) weisen in dieselbe Richtung (vgl. Kap. 6).117 Trotz dieser fortschrittlichen Aspekte und der so initiierten politischen Integration von Frauen war die geteilte charismatische Herrschaft Perjns und seiner Frau nur aufgrund einer klaren Aufgabenteilung möglich. Die visuelle Propaganda um das Präsidentenpaar eröffnet somit Einblicke in die Konzeption von männlicher und weiblicher Arbeit im vom Peronismus angestrebten korporativen Gesellschaftsmodell: Während Perjn sich um die politischen Geschicke, also als rational aufgefasste Angelegenheiten, kümmerte, war Eva als Frau dafür zuständig, die Emotionen der Menschen anzusprechen.118 So stilisierte sie sich zur Vermittlerin zwischen Volk und Präsident, zum Sprachrohr der kleinen Leute bei ihrem Mann. Dementsprechend hielt sie in ihrer Autobiografie von 1951 fest, sie sei die »ausgebreitete Brücke zwischen den Hoffnungen des Volkes
114 Carreras, Eva Perjn, S. 201. 115 Eine Vorläuferin kann bestenfalls in Eleanor Roosevelt gesehen werden, die als erste First Lady der USAwährend der Präsidentschaft ihres Mannes Franklin Delano Roosevelt (1933– 1945), aber auch davor und danach eine eigene öffentliche Agenda verfolgte und sich insbesondere für Frauenrechte und im karitativen Bereich einsetzte (vgl. Blanche Wiesen Cook, Eleanor Roosevelt as Reformer, Feminist, and Political Boss, in: Linda K. Kerber/ Sherron de Hart (Hg.), Women’s America. Refocusing the Past, Oxford 1995, S. 365–374). 116 Rosano, Imaginario femenino en el populismo argentino, S. 62. 117 Karin Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism? A Comparative Analysis of Gender Discourses of First Peronism (1946–1955) and the Montoneros, in: Karen Kampwirth (Hg.), Gender and populism in Latin America. Passionate politics, University Park 2010, S. 122–139, hier S. 127. 118 Rosano, Imaginario femenino en el populismo argentino, S. 57.
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und den ausführenden Händen von Perjn«.119 Dem propagandistischen Slogan »Perjn hält sein Wort« (»Perjn cumple«) wurde »Eva verleiht Würde« (»Eva dignifica«) zur Seite gestellt.120 Ihrer vermeintlich geistigen Führerschaft wurde kurz vor ihrem Krebstod im Juli 1952 Rechnung getragen, als der Kongress sie zur »spirituellen Anführerin der Nation« (»Jefa Espiritual de la Nacijn«) erklärte.121 Wie bereits bei der Arbeitsteilung zwischen Perjn und Eva angeklungen, stieß der emanzipatorische Impetus insofern an seine Grenzen, als sie sich in ihren Reden und Schriften stets ihrem Mann unterordnete.122 Häufig ließ sie Sätze verlauten wie: »Ich habe aufgehört zu exisitieren und es ist er [Perjn], der in meiner Seele wohnt, Besitzer all meiner Worte und Gefühle, absoluter Herr meines Herzens und meines Lebens«.123 In der Regierungspropganda wurden die Arbeitsteilung zwischen dem Präsidentenpaar und die dort konstruierte spirituelle Führungsrolle Evas deutlich. Denn das eingangs erwähnte Doppelporträt (Abb. 35, S. 166) stellte keinesfalls den einzigen thematischen Kontext dar, in dem Eva Perjn in visuellen Medien auftauchte. Entsprechend der öffentlichen Sichtbarkeit ihrer Person fungierte sie auch als Propagandamotiv eigenen Rechts und stieg gar zu einer der »wichtigsten Ikonen« des Peronismus im In- und Ausland auf.124 Ähnlich wie bei Perjn war die Ikonografie Evas auf wenige Varianten beschränkt, die auf unterschiedlichsten Trägermedien reproduziert wurden. Ein Porträt des Malers Numa Ayrinhac aus dem Jahr 1950 zeigt Eva als Halbfigur in einem eleganten dunklen Kleid, Halskette und angesteckter Rose (Abb. 44, S. 185). Sie trägt die Haare zu einem Dutt zusammengebunden, eine Frisur, die mit der Zeit zu ihrem Markenzeichen avancierte und gar als »peronistischer Dutt« (rodete peronista) bezeichnet wurde. Ein prominenter Publikationszusammenhang des Porträts war das Titelblatt von Evas 1951 publizierter Autobiografie »La razjn de mi vida«. In mehreren Auflagen hielt das Werk auch in Klassenzimmer Einzug, als es 1952 zur Pflichtlektüre an argentinischen Schulen erklärt wurde.125 Entsprechend ihrer exponierten Stellung im Regime hielt Eva häufig öffent119 Perjn, La razjn de mi vida, S. 66: »[El] puente tendido entre las esperanzas del pueblo y las manos realizadoras de Perjn […].« 120 Mercado, Raffll Apold, el inventor de la liturgia peronista, S. 18. 121 Lola G. Luna, Populismo, nacionalismo y maternalismo. Peronismo y gaitanismo en perspectiva comparada, in: Barbara Potthast-Jutkeit/Eugenia Scarzanella (Hg.), Mujeres y naciones en Am8rica Latina. Problemas de inclusion y exclusion, Frankfurt 2001, S. 271–286, hier S. 274. 122 Rosano, Imaginario femenino en el populismo argentino, S. 59. 123 Perjn, La razjn de mi vida, S. 47: »[Y]o he dejado de existir en m& misma y es 8l quien vive en mi alma, dueÇo de todas mis palabras y de mis sentimientos, seÇor absoluto de mi corazjn y de mi vida.« 124 Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 145; Milanesio, A Man Like You, S. 98. 125 Colotta/Cucuzza/Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo, S. 356.
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Abb. 44: Numa Ayrinhac, Titelblatt La razjn de mi vida, Argentinien 1951.
liche Reden. Diese Anlässe wurden in der Propaganda akribisch dokumentiert. Ein Beispiel stellt eine querformatige Schwarz-Weiß-Fotografie aus dem Jahr 1951 dar (Abb. 45, S. 186). Sie zeigt Eva als Brustbild im Profil, sie steht vor Mikrofonen, spricht mit ernstem Gesichtsausdruck, in Falten gelegter Stirn und führt mit dem linken ausgestreckten Zeigefinger eine mahnende oder belehrende Geste aus. Ihre Haare sind wieder in der für sie typischen strengen Hochsteckfrisur zusammengebunden, sie trägt einen dunklen Blazer. Hinter ihr sind drei männliche Figuren auszumachen, die wie Eva nach links in Richtung des Publikums gewandt sind, das sich außerhalb des Bildes befindet. Während die wiedergegebene Situation repräsentativ für zahllose öffentliche Auftritte Evas ist, handelt es sich hier konkret um eine von der CGT organisierte Massenkundgebung am 22. August 1951, die in der Propaganda als »Cabildo abierto del Justicialismo« bezeichnet wurde. Damit wurde auf eine historische Begebenheit im Rahmen der revolutionären Ereignisse im Mai 1810 Bezug genom-
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Abb. 45: »Eva Perjn spricht…«, Fotografie, Argentinien 1951.
men, die sechs Jahre später in der Unabhängigkeit des Landes von der spanischen Krone mündeten. Indem die führende Rolle des Volkes als Gemeinsamkeit zwischen beiden Ereignissen herausgestellt wurde, berief sich der Peronismus auf den Gründungsmythos der Nation. Bei dem auf der Fotografie dargestellten Anlass ging es konkret um die Kandidatur Evas als Vizepräsidentin bei den im November 1951 anstehenden Wahlen – ein Anliegen, das die CGT vorgebracht hatte. In der Regierungspropaganda hieß es später, die versammelte Menge von fast einer Million Menschen habe so lange insistiert, bis Eva sich bereit erklärte, die Kandidatur anzunehmen. Jenseits von dieser Version ist jedoch belegt, dass Eva ihre Nominierung im Vorhinein selbst bewusst vorangetrieben hatte. Auf Druck oppositioneller Sektoren des Militärs und aus mangelnder Unterstützung durch ihren Ehemann zog sie ihre Kandidatur wenige Tage später allerdings wieder zurück.126 Außer der angestrebten Vizepräsidentschaft hatte eine dreimonatige Europareise 1947 einen weiteren frühen Höhepunkt von Evas politischer Karriere dargestellt. Auf Einladung Francisco Francos, die eigentlich Perjn selbst gegolten hatte, bereiste stattdessen seine Frau, wenn auch als inoffizielle Vertreterin der argentinischen Regierung, Spanien sowie Italien, Portugal, Frankreich und die Schweiz.127 Abgesehen von diesen repräsentativen Tätigkeiten wurde Eva Perjn in den von ihr Tag für Tag ausgeführten Aufgaben wie ihr Ehemann als äußerst ge126 Carreras, Eva Perjn, S. 209ff. 127 Ebd., S. 202f.
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schäftig und arbeitsam präsentiert. Nicht Perjn allein arbeitete fast rund um die Uhr. Die Propaganda suggerierte, dass sich das Präsidentenpaar gewissermaßen abwechselte. In ihrer Selbstbeschreibung endete Evas Arbeitstag erst spät in der Nacht und sie kehrte erst nach Hause zurück, wenn Perjn das Haus schon wieder verließ.128 Auf einer kolorierten Schwarz-Weiß-Fotografie im Bildband »Argentina en Marcha« von 1950 ist Eva als Brustbild im Dreiviertelprofil an einem Schreibtisch sitzend dargestellt. In den Händen hält sie einen Stift und ein Schriftstück, das sie konzentriert liest (Abb. 46, S. 188). Sie trägt simple formelle Kleidung, eine weiße Bluse und einen dunklen Blazer und hat die Haare streng nach hinten gebunden. Die nüchterne Darstellung kontrastiert mit anderen Repräsentationen in aufwändigen Abendgarderoben, die die Presse ähnlich der Aufmachung von Filmstars ausführlich kommentierte. Das vermeintliche Schwelgen in Luxus der primera dama, die sich ansonsten als »Vorkämpferin der Armen«129 in Szene setzte, stellte gerade einen Kritikpunkt der politischen Opposition dar. Insgesamt macht Anah& Ballent über die Jahre einen Wandel ihres Images aus: Je mehr ihr politischer Einfluss wuchs, desto mehr wurde sie zur seriöseren »seÇora«.130 In der dargestellten Szene wird sie bei ihrer organisatorischen Tätigkeit im Allgemeinen, wie sie sie in leitender Funktion der Fundacijn Eva Perjn (FEP) oder des Partido Peronista Femenino ausführte, gezeigt. Bereits im September 1946 hatte sie zu diesem Zweck ein Büro im »Staatssekretariat für Arbeit« bezogen.131 Bei dem Schriftstück in ihren Händen könnte es sich auch um einen der vielen Bittstellerbriefe handeln, die sie als Vorsitzende der Wohltätigkeitsorganisation Fundacijn Eva Perjn erhielt. Seit dem Beginn der Präsidentschaft Perjns wurden die Regierungsbehörden mit Schreiben von Bürgern geradezu überflutet.132 Der regierungstreuen Zeitung »Democracia« zufolge erhielt Eva täglich rund 12.000 Briefe, in denen sie um materielle Zuwendungen gebeten wurde.133 Auch wenn diese Zahlen übertrieben erscheinen, ist dennoch davon auszugehen, dass sich während des Peronismus hunderttausende Argentinier mit Hilfsgesuchen und anderen Anliegen in Briefform an die Regierung wandten.134 Wie Perjn (Abb. 38, S. 170) empfing auch Evita Bürger in ihrem Büro, wo jene Gelegenheit hatten, ihre Anliegen persönlich vorzutragen.135 Diese Anlässe 128 Perjn, La razjn de mi vida, S. 142ff.: »Termino siempre tarde mi trabajo en estos d&as de ayuda social. […] Frecuentemente llego a la Residencia cuando Perjn se dispone a salir para la Casa de Gobierno.« 129 Luisa F. De Garc&a, Patria justa. Libro de Lectura para tercer Grado, Buenos Aires 1954, S. 11. 130 Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 158f. 131 Carreras, Eva Perjn, S. 204f. 132 Elena, What the People Want, S. 88f. 133 Nicholas Fraser/Marysa Navarro, Evita, New York 1996, S. 117. 134 Elena, What the People Want, S. 89. 135 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 157f.
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Abb. 46: »Da ich am eigenen Leib gespürt und gelitten habe…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 75, Argentinien 1950.
wurden in der Propaganda verbreitet, um so nicht zuletzt den Eindruck der Volksnähe und der Zugänglichkeit der Präsidentengattin zu untermauern. In der Bildunterschrift (Abb. 46), einem Zitat Evas, wird auf ihre eigene bescheidene Herkunft136 hingewiesen, über die sie auch bei anderen Gelegenheiten, zuletzt in 136 Eva Perjn wurde am 07. 05. 1919 als uneheliches Kind in ärmlichen Verhältnissen in Los Toldos in der Provinz Buenos Aires geboren (vgl. Fraser/Navarro, Evita).
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ihrem Testament, ausführte: »Ich […] wurde im Volk geboren und litt im Volk. Ich habe das Fleisch, die Seele und das Blut des Volkes. Ich konnte nicht anders als mich dem Volk zu widmen.«137 Wie hier anklingt, leitete sie aus ihrem biografischen Hintergrund ihre »Mission« ab, die ihr zufolge darin bestand, das »Glück aller descamisados« zu erreichen. So unterstrichen Propagandabilder wie dieses die Selbstdarstellung Evas als bescheiden und volksnah, die bei ihr noch ausgeprägter war als bei Perjn. Während die in der Bildpropaganda verbreitete öffentliche Rolle von Eva Perjn in der argentinischen Politik etwas radikal Neues war, entsprach das Gebiet der Sozialfürsorge, auf dem sie sich besonders aktiv war, doch einem traditionellen Frauenbild (vgl. Kap. 6). Denn auch vorherige Präsidentengattinnen hatten sich im Bereich der Wohltätigkeit engagiert. Eine Neuheit bestand jedoch im schieren Ausmaß der verfügbaren finanziellen Mittel der 1948 gegründeten nominell privaten Fundacijn Eva Perjn, der sie vorsaß.138 Dabei handelte es sich um eine Wohltätigkeitsorganisation, deren Etat sich aus Spenden, Beiträgen von Gewerkschaften und dem öffentlichen Haushalt konstituierte.139 Die vergebenen Hilfsleistungen der FEP erfolgten vielfach parallel zu den staatlichen.140 Adressaten waren vor allem jene soziale Gruppen, die nicht von den staatlichen Sozialleistungen erreicht wurden, weil sie entweder nicht in einem Arbeitsverhältnis standen oder nicht gewerkschaftlich organisiert waren, wie Frauen, Kinder und alte Menschen. Neben der Vergabe von Sozialhilfe war die Stiftung insbesondere im Bildungsbereich aktiv und organisierte Ferienlager und Sportwettkämpfe für Kinder und Jugendliche. Ferner verwirklichte sie diverse Bauvorhaben zur Unterbringung ihrer Einrichtungen und von Schul- und Krankenhäusern.141 Mit diesen Aktionen war die FEP ständig in den Medien und der Regierungspropaganda präsent. In ihren Reden grenzte sich Eva Perjn dezidiert von früheren karitativen Praktiken ab, die sie als Vergabe von »Almosen« kritisierte. Demgegenüber realisierte die Sozialfürsorge der FEP ihr zufolge die soziale Gerechtigkeit, die den Empfängern zustehe.142 Die von der Fundacijn vergebene Sozialhilfe bildete eines der Hauptthemen der politischen Ikonografie um Eva Perjn. So grassierten Bilder in der visuellen Propaganda, die sie beim Verteilen von Hilfsgütern oder beim Empfangen von Bittstellern zeigten. Ein 137 Eva Perjn, Discursos completos. 1949–1952, Bd. 2, Buenos Aires 1986, S. 425: »Yo […] nac& en el pueblo y sufr& en el pueblo. Tengo carne y alma y sangre de pueblo. Yo no pod&a hacer otra cosa que entregarme a mi pueblo.« 138 Carolina Barry, Pol&tica y religijn en la ayuda social del peronismo, in: Temas de historia argentina y americana (2011) H. 18, S. 113–138, hier S. 115. 139 Carreras, Eva Perjn, S. 209. 140 Barry, Pol&tica y religijn en la ayuda social del peronismo, S. 115. 141 Carreras, Eva Perjn, S. 209. 142 Perjn, La razjn de mi vida, S. 133.
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Beispiel stellt eine querformatige Schwarz-Weiß-Fotografie von circa 1948 dar, auf der mittig die Rückseite eines Zugwaggons zu sehen ist (Abb. 47).
Abb. 47: »Eva Perjn auf einer Reise mit dem Zug durch das Innere des Landes«, Fotografie, Argentinien ca. 1948.
Auf dem überdachtem Austritt steht eine Gruppe von acht Personen, weitere schauen aus dem Zuginneren hervor. Am linken Rand beugt sich Eva über das Geländer und verteilt Päckchen an die rückansichtige Menschenmenge, die die untere Bildhälfte ausfüllt. Eine männliche Figur hinter ihr schafft weitere Pakete aus dem Waggon heran. Die Menge, die hauptsächlich aus teilweise huttragendenen Männern besteht, streckt der primera dama ihre Arme entgegen, um die Hilfsgüter in Empfang zu nehmen. Auf der rechten Seite klettern zwei Jungen am Geländer des Waggons hoch, wohl um früher mit Geschenken bedacht zu werden. Der Titel des Bildes »Eva Perjn bei einer Zugrundfahrt durch das Innere des Landes« spezifiziert zwar nicht den Ort des Geschehens, steht jedoch für die Anstrengungen des Regimes, mit staatlichen und privaten Sozialleistungen auch entlegenere Winkel Argentiniens zu erreichen. Im Vergleich zu Perjn wurde Evas Verhältnis zum Volk, gemäß der Aufgabenverteilung zwischen dem Präsidentenpaar, als ein noch direkteres in Szene gesetzt. So bemerkte Perjn rückblickend: »Ich kümmerte mich um die Nation. Eva um die persönlichen Probleme der Einwohner. Bei ihr gab es einen direkten Umgang mit den Leuten.«143 So wie Perjn in der Propaganda als fürsorglicher Übervater der Nation 143 Zitiert nach Rosano, Imaginario femenino en el populismo argentino, S. 55: »Yo me ocup8
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inszeniert wurde, stellte Eva in der Rolle der Wohltäterin das korrespondierende Bild der Mutter par excellence dar. Das Präsidentenpaar trat in Bildmedien jedoch keinesfalls nur getrennt als in der Sozialpolitik und -hilfe engagiert auf. Zusammen fungierten sie als ultimative Eltern des Volkes, so zum Beispiel auf einer nicht datierten Fotografie mit zwei »peronistischen Kindern«, wie es im Bildtitel heißt (Abb. 48).
Abb. 48: »Juan und Eva Perjn mit zwei peronistischen Kindern«, Fotografie, Argentinien ohne Datum.
In der Hocke sitzen Perjn und Eva breit lächelnd zu zwei kleinen Jungen gebeugt, die Bälle in den Händen halten – womöglich Geschenke, die sie gerade erhalten haben. Kinder wurden im peronistischen Argentinien im Rahmen eines propagandistischen Diskurses, der die Nivellierung sozialer Unterschiede zum Ziel hatte, zu den »einzigen Privilegierten«144 erklärt (vgl. Kap. 7). Die symbolische Elternrolle des Präsidentenpaares wurde womgölich durch die Tatsache verstärkt, dass die Perjns im Unterschied zu anderen paternalistisch auftretenden populistischen Führern in Lateinamerika, wie Getffllio Vargas oder L#zaro C#rdenas, keine eigenen Nachkommen hatten. Dadurch wurden im
de la Nacijn. Eva, de los problemas personales de los habitantes. Con ella, con Eva, lo que hubo fue un trato directo de la gente.« 144 Perjn, La razjn de mi vida, S. 128.
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übertragenen Sinne alle Argentinierinnnen und Argentinier »in der großen Familie«, die Eva zufolge »das Vaterland«145 darstellte, zu ihren Kindern.146 Neben Frauen, Kindern und Alten bezog sich Evas Brückenfunktion und Rolle als Fürsprecherin insbesondere auf die Arbeiterschaft.147 In ihren Reden und Schriften stellte sie sich als »Vorkämpferin der Arbeiter« (abanderada de los trabajadores) dar. Nicht nur lag Evas Büro bezeichnenderweise im Gebäude des »Staatssekretariats für Arbeit«, ab Ende 1947 kooperierte sie auch eng mit der Gewerkschaftsführung der CGT. Als inoffizielle Vertreterin des Präsidenten empfing sie außerdem Arbeiterdelegationen, besuchte Werkstätten und Fabriken und nahm bei Tarifverhandlungen und offiziellen Veranstaltungen der Gewerkschaften teil. Evas Machtstellung wurde insbesondere bei den Parlamentswahlen 1949 deutlich, als sie die Aufstellung einiger Gewerkschaftsführer für die Liste des Abgeordnetenhauses bewirkte. Umgekehrt befürwortete die CGT den – letztlich nicht erfolgten – Antritt Evas als Vizepräsidentschaftskandidatin bei den Präsidentschaftswahlen 1951.148 In den Bildmedien des Regimes wird dieses enge Verhältnis zwischen der Präsidentengattin und der Arbeiterschaft besonders unterstrichen. Auf einem Plakat der regierungsnahen CGT von Ar&stides Recha&n aus dem Jahr 1952 erscheint Eva als Dreiviertelporträt mit einem Strahlenkranz vor monochrom gelblichem Hintergrund (Abb. 49, S. 193). Sie ist mit den für sie typischen zusammengebundenen Haaren dargestellt. Ihr Blick führt nach rechts aus dem Bild heraus und über den Betrachter hinweg. Sie ist von Pflanzenornamenten umgeben, die unterhalb ihres Porträts mit einem Band in den argentinischen Nationalfarben zusammengehalten werden. In der unteren Bildhälfte sind in bräunlichen Farbtönen sieben weitere Personen auszumachen, darunter drei Arbeiter in Latzhosen und Hemden, ein Schuljunge links unten mit aufgeschlagenem Buch in den Händen sowie eine Halbfigur eines sitzenden alten Mannes mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß am rechten Bildrand. Darüber ist eine junge Frau im Profil angeordnet, die mit gefalteten Händen zu Eva aufblickt. Das Plakat erschien anlässlich des 17. Oktobers 1952, dem Jahr, als Eva bereits im Juli verstorben war. Im Zusammenhang mit dem Bedeutungsverlust der Figur des descamisado in der propagandistischen Ikonografie zum »Tag der Treue« (vgl. Kap. 4), stand der Anlass 1952, wie dieses Plakat zeigt, gänzlich im Zeichen des Gedenkens an Eva.149 Im Untertitel wird sie als »Märtyrerin der Arbeit« bezeichnet – ein Titel, den ihr die CGT in ihrer Todesnacht
145 146 147 148 149
Ebd., S. 62: »En la familia grande que es la Patria […]«. Milanesio, A Man Like You, S. 97f. Carreras, Eva Perjn, S. 204. Ebd., S. 204–205, 209–2011. Gen8, Un mundo feliz, S. 77.
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Abb. 49: Ar&stides Recha&n, »Evita, Märtyrerin der Arbeit«, Plakat, Argentinien, ca. 1952.
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verliehen hatte.150 Die dargestellten Personengruppen – Arbeiter, Kinder, Frauen, Alte – repräsentieren die benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen, für die sich Eva zeitlebens besonders eingesetzt hatte. Um ihr Leid zu mildern – die Arbeiter sind erschöpft über ihre Werkzeuge gebeugt – ist Eva, der Aussage des Bildes zufolge, den Märtyrertod gestorben. Die Charakterisierung Evas als Heilige wird auf dem Plakat zusätzlich durch die zu ihr betende Frau unterstützt. Wie bei diesem Bildbeispiel griffen Grafiker auch ansonsten häufig auf die christliche Ikonografie zurück und porträtierten Eva mit Heiligenschein oder anderen religiösen Attributen.151 Der Heiligenkult um ihre Person, der mit jenem um Perjn korrespondierte, florierte bereits zu ihren Lebzeiten, nahm nach ihrem Tod jedoch einen Massencharakter an.152 In den zwei Wochen, in denen ihr Leichnam im Gebäude des Arbeitsministeriums aufgebahrt lag, erwiesen ihr Tausende Argentinierinnen und Argentinier die letzte Ehre. Das Verschwinden ihres Körpers nach dem Sturz Perjns 1955, der erst Anfang der 1970er Jahre auf einem Friedhof in Mailand wieder auftauchte, befeuerte den Mythos um »Santa Evita« weiter.153 Die Verquickung des Kultes um Eva mit dem um die Figur des Arbeiters zeigt sich außerdem anhand des geplanten, letztlich jedoch unvollendeten »Monumento al descamisado« (vgl. Kap. 4). Das Bauvorhaben, das zwar schon 1946 anvisiert worden war, belebte eine Regierungskommission erst 1952 unter dem Namen »Pro-Monumento a Eva Perjn« wieder, als sich der Tod der Präsidentengattin bereits abzeichnete. Ein Gesetz im selben Jahr veranlasste schließlich den Bau. Wie bereits die Umbenennung des Projektes andeutet, sollte das ursprüngliche skulpturale Programm des Monuments nun mit dem eines Mausoleums für Eva verknüpft werden, das die Planer in der Sockelzone des Denkmals unterzubringen gedachten.154 Der Durchmesser des Sockels, mit dessen Bau vor Perjns Sturz im September 1955 auch schon begonnen wurde, betrug einen Durchmesser von 100 Metern und entsprach damit wohl in Ansätzen Evas Wunsch, ihre letzte Ruhestätte möge dem Mausoleum Napoleons in Paris ähneln.155 Zwar hatten die Mitglieder der Kommission »Pro-Monumento a Eva Perjn« kurzfristig vorgeschlagen, die riesenhafte 60 Meter hohe Figur des descamisado mit derjenigen Evas zu ersetzen. Diese bauliche Veränderung scheiterte jedoch am Widerstand des federführenden Bildhauers Leone Tommasi.156 Als Kompromiss wurden etliche kleinere Skulpturen von Eva für die 150 151 152 153 154 155 156
Luna, Populismo, nacionalismo y maternalismo, S. 277. Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 165. Luna, Populismo, nacionalismo y maternalismo, S. 276f. Carreras, Eva Perjn, S. 212f. Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 161ff. Bovecchi, Leone Tommasi, S. 93. Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 163.
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Sockelzone und das Innere des Mausoleums vorgesehen, die teilweise im Zusammenhang mit allegorischen Darstellungen der Hauptthemen der peronistischen Propaganda standen. Ein Hochrelief, das in der Literatur abwechselnd als »Asistencia social« und »17. Oktober« bezeichnet wird, zeigt sie, wie sie eine Menschengruppe anführt, die vorrangig aus Frauen, Kindern und Alten besteht. Folgt man ersterem Titel, wird sie mit den Hauptadressaten der von ihr organisierten Sozialfürsorge abgebildet. Sollte es sich um eine Rekonstruktion des Gründungsmythos der peronistischen Bewegung handeln, wie der zweite Titel suggeriert, schlüpft Eva in die Rolle einer descamisada – und das, obwohl sie bei der historischen Begebenheit 1945 gar nicht zugegen war. Dadurch wird sie einerseits auf eine Stufe mit den Volksmassen gestellt, die dem peronistischen Narrativ zufolge an jenem Datum Perjn akklamierten. Andererseits schreitet sie im Hochrelief der Menschengruppe als Anführerin voran und hebt sich so wiederum von ihr ab. Obgleich das Denkmal letztlich unvollendet blieb, ist dennoch bemerkenswert, dass die Grabstätte Evas mit einem Monument für den peronistischen Arbeiterhelden kombiniert werden sollte. Damit war die Identifikation der »Vorkämpferin der Arbeiter« mit dem Volk komplett. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Präsenz einer Frau auf der politischen Bühne Argentiniens nicht nur im Vergleich mit dem faschistischen Italien, sondern auch in internationaler Perspektive in der zweiten Hälfte der 1940er Jahren ein Novum darstellte. Wie die Untersuchung der propagandistischen Ikonografie Eva Perjns ergeben hat, trat sie anders als Perjn jedoch nicht als anpackende, manuelle Arbeiterin auf. Ihre Arbeitsamkeit spielte sich hauptsächlich in traditionell als typisch weiblich erachteten Tätigkeitsfeldern, wie der Wohlfahrt und der Sozialfüsorge, ab. Damit statuierte sie nicht nur bezüglich weiblicher Arbeit ein Exempel, sondern auch im Hinblick auf eine bedingungslose Unterordnung unter den Ehemann, das die Argentinierinnen imitieren sollten. Zur argentinischen Arbeiterschaft hatte die primera dama ein besonderes Verhältnis, das mit ihrer als typisch weiblich aufgefassten, sich kümmernden Rolle im Einklang stand: In der Bildpropaganda wurde sie zur Fürsprecherin der Arbeiter bei Perjn stilisiert – eine Zuschreibung, die nach ihrem Tod der Rolle einer Schutzheiligen wich. Insgesamt führte die neuartige breite Nutzung der Massenmedien zu propagandistischen Zwecken im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien zu einer Allgegenwärtigkeit der Bildnisse Mussolinis, Perjns und Evitas im öffentlichen Raum.157 In den vielfältigen herausgearbeiteten Rollen erschien der Duce außer auf Plakaten und Postkarten auch auf Schulheften und an Häuserwänden. Sein riesenhaftes Initial-M zierte Straßenzüge bei Paraden
157 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 89; Milanesio, A Man Like You, S. 86.
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»Mussolini lavoratore« und Perón als »primer trabajador«
bis hin zu Gegenständen der Konsumkultur, wie Seife oder Badeanzüge.158 Ebenso war das argentinische Präsidentpaar omnipräsent, Porträts von ihm überall angeschlagen, Perjn und Eva sprachen wie Mussolini im Radio und waren Hauptdarsteller von Propagandafilmen. Politische Devotionalien waren auch von der argentinischen Bevölkerung, etwa in Form von Schlüsselanhängern oder kleinen Porträtbüsten, zu erstehen.159 Die Kehrseite der Allgegenwärtigkeit und der Verherrlichung beider Regierungschefs und Evas in Bildform stellten in beiden Ländern regimekritische Karikaturen dar. Im faschistischen Italien wurden sie im Zuge der Schließung oppositioneller Zeitungen vom Ufficio Stampa und seinem Nachfolger, der Presseabteilung des Ministero della Cultura Popolare, weitestgehend unterdrückt. Die »Beleidigung des Duce«, auch in Form von Illustrationen, stand unter Strafe.160 In Argentinien, wo in der Anfangszeit des Peronismus noch ein liberaleres Klima herrschte, bestand eine der Hauptstoßrichtungen der Perjnkritischen Karikaturen in Blättern, wie »Cascabel« oder »La Vanguardia«, in seiner Darstellung als autoritärer Herrscher. Hatte bereits vor seinem Regierungsantritt einer der Hauptvorwürfe der Opposition Perjns vermeintlich totalitären Bestrebungen gegolten, wurde er in den Karikaturen entweder bildlich in die Nähe von Mussolini oder Hitler gerückt, in Militäruniform oder mit der napoleonischen Geste der Hand im Jackett abgebildet.161 In anderen nahmen die Karikaturisten die physischen Merkmale des argentinischen Präsidenten aufs Korn und zogen etwa seinen häufigen breit lachenden Gesichtsausdruck ins Lächerliche. Oder sie stellten seinen Kopf in einer wörtlichen Auslegung seines Nachnamens als ›große Birne‹ in Form der Frucht dar.162 Eva wurde ihrerseits als herrschsüchtig und ihren Mann unterdrückend mit Peitsche gezeigt.163 Im zunehmend repressiven Klima Anfang der 1950er Jahre setzte das peronistische Regime mit der Schließung der meisten oppositionellen Blätter dieser abweichenden Bildproduktion um das Präsidentenpaar ein Ende.164
158 Falasca-Zamponi, Mussolini’s Self-Staging, S. 94. 159 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 90f. 160 Alberto Vacca, Duce truce. Insulti, barzellette, caricature: l’opposizione popolare al fascismo nei rapporti segreti dei prefetti, 1930–1945, Rom 2011, S. 14. 161 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 92; Milanesio, A Man Like You, S. 92. 162 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 91. 163 Milanesio, A Man Like You, S. 100. 164 Gen8, Los rostros del General Perjn, S. 92.
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Von Müttern, Krankenschwestern und Wählerinnen: Repräsentationen weiblicher Arbeit in der Bildpropaganda
In der visuellen Propaganda des faschistischen Italiens und des peronistischen Argentiniens wurde der Arbeiter als Zukunftsträger der Nation vornehmlich als männlich konzipiert. Wie in Kapitel 4 gezeigt wurde, avancierte Arbeit in beiden Ländern zum Hauptidentifikationsmittel für die männliche Bevölkerung und zur Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft. Für die weibliche Bevölkerung waren im korporativen Gesellschaftsmodell, das beide Regime anstrebten, hingegen andere Rollenbilder vorgesehen. Der Faschismus bedeutete für italienische Frauen, zumindest für diejenigen aus der städtischen Mittelschicht, eine »konservative Modernisierung«.1 Einerseits brachte das faschistische Regime zwar erste gesetzliche Reglementierungen weiblicher Arbeit und sozialpolitische Leistungen für Frauen, es trieb sie andererseits jedoch auch aktiv aus der Lohnarbeit. Denn laut der faschistischen Ideologie bestand ihre Hauptaufgabe in ihrem Mutterdasein zu Hause und der Aufzucht einer möglichst hohen Anzahl an Nachwuchs. Gleichzeitig mobilisierten die faschistischen Frauenorganisationen die weibliche Bevölkerung in ungekanntem Maße und boten auch Tätigkeitsfelder außerhalb der häuslichen vier Wände.2 Der Peronismus wird in der Literatur vielfach als Initialzündung eines weiblichen Protagonismus in der argentinischen Geschichte gehandelt.3 Dabei kreisen diese Einschätzungen vor allem um die politische Rolle Eva Perjns und das 1947 eingeführte Frauenwahlrecht. Aber auch berufstätige Frauen profitierten wie ihre männlichen Gegenstücke von der peronistischen Sozialgesetz-
1 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 120, 124. 2 Perry R. Willson, Italy, in: Kevin Passmore (Hg.), Women, gender, and fascism in Europe, 1919–45, New Brunswick 2003, S. 11–32, hier S. 18f. 3 Mar&a Esther Folco, La Enfermera. S&ntesis de feminidad, g8nero y salud en la Pampa durantes los gobiernos peronistas (1946–1955), in: La aljaba: revista de estudios de la mujer (2000) H. 5, S. 122–144, hier S. 125; Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 123; Mirta Zaida Lobato, Historia de las trabajadoras en la Argentina (1869–1960), Buenos Aires 2007, S. 310.
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Von Müttern, Krankenschwestern und Wählerinnen
gebung, die den Lebensstandard breiter Volksschichten merklich anhob.4 Trotz dieser emanzipatorischen Entwicklungen hing das argentinische Präsidentenpaar in seinen öffentlichen Verlautbarungen explizit einem traditionellen Familienbild an, demzufolge die Frau idealerweise zu Hause blieb, um sich um ihren Mann und ihre Kinder zu kümmern.5 Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie diese gegenläufigen Strömungen bezüglich der gesellschaftlichen Stellung und Funktion der Frau in der Bildpropaganda beider Regime verhandelt wurden. Welche Rollen wurden ihr in diesem Medium jeweils im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien zugewiesen? Welche beruflichen Tätigkeiten befanden die Regime für Frauen für angemessen? Und wie verhielten sich diese in der staatlichen Propaganda verbreiteten Frauenbilder zu jenen, die in der kommerziellen Werbung und in der expandierenden an Frauen gerichteten Publizistik kursierten? Der Vergleich der visuellen Propaganda des faschistischen Italien mit derjenigen des peronistischen Argentinien verdeutlicht, dass es zwischen den Rollenbildern, die beide Regime in Bildmedien für Frauen konstruierten, viele Übereinstimmungen gab. Denn die vielfach weitergehenden Reformen, die der weiblichen Bevölkerung unter Perjn zugutekamen, wurden in der peronistischen Bildpropaganda gerade nicht beworben. Während zunächst die von beiden Regimen in unterschiedlichem Maße propagierte Mutterrolle und der Haushalt als idealer Einsatzort der Frau in den Blick genommen wird (6.1), liegt der Fokus im zweiten Teil auf propagandistischen Repräsentationen arbeitender Frauen (6.2). Schließlich werden die im Faschismus und Peronismus ins Leben gerufenen Frauenorganisationen in Betracht gezogen und die Propaganda über Tätigkeiten, die Frauen in diesem Rahmen verrichteten, analysiert (6.3). Ein exemplarischer Vergleich mit zeitgleichen Frauenbildern in der Werbung und der Bildpresse, die von beiden Regimen unterschiedlich stark kontrolliert wurde, liefert einen Prüfstein zu den von staatlicher Seite geführten Diskursen über Weiblichkeit.
6.1
»Komplementarität« von männlicher und weiblicher Arbeit: Die Mutterrolle
Während das faschistische Regime in den Anfangsjahren noch eine spezifische Politik gegenüber der weiblichen Bevölkerung vermissen ließ und in Angelegenheiten, die Frauen betrafen, eher situativ entschied, ging es spätestens ab 4 Potthast, Madres, obreras, amantes, S. 273. 5 Ebd., S. 270f.
»Komplementarität« von männlicher und weiblicher Arbeit: Die Mutterrolle
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1926 zu offen frauenfeindlichen Positionen über.6 Diese basierten auf der These der biologischen Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann und befanden, dass ihre einzige gesellschaftliche Funktion in der Mutterrolle lag.7 Männliche und weibliche Arbeit definierte das faschistische Regime als qualitativ unterschiedlich und »komplementär«. Dazu wurde 1939 in einem Artikel in »Critica fascista« ausgeführt: »Es wurde in rechtlicher Norm das Prinzip der Komplementarität der Aufgaben der beiden Geschlechter in der italienischen Gesellschaft festgelegt, indem dem Mann die Arbeit und der Frau die Versorgung der Familie zugewiesen wurde.«8 Die Mutterrolle sei die »natürliche […] und soziale Funktion der Frau […]. Vor allem und mehr als ein ökonomischer Faktor, ist die Frau […] potentielle oder tatsächliche Mutter, Quelle des Lebens.«9 Im Rahmen dieser Rhetorik wurde die Mutterrolle in der faschistischen Propaganda zum Idealbild stilisiert.10 1927 lancierte das Regime eine »demografische Schlacht« (Battaglia demografica), die das Ziel hatte, die Bevölkerungszahl Italiens von 36 Millionen 1921 bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 60 Millionen zu steigern. In einer Verknüpfung von innen- und außenpolitischen Zielen wurde die italienische Demografie in den Dienst expansionistischer Bestrebungen des faschistischen Regimes gestellt.11 So diente Italiens vermeintlicher Bevölkerungsdruck dem Faschismus einerseits als Rechtfertigung, Kolonien zu fordern. Andererseits sorgten in der Logik der faschistischen Ideologen hohe Geburtenraten auf lange Sicht hin für den Nachschub an militärischen Kräften, die für die Eroberung neuer Territorien erforderlich waren.12 Zentrale Maßnahmen im Rahmen dieser pronatalistischen Politik bestanden in der Förderung kinderreicher Familien durch Steuererleichterungen, Prämien und Kindergeld. Umgekehrt wurden Verhütung und Abtreibung kriminalisiert sowie eine Junggesellensteuer für Männer ab 26 Jahren, die noch nicht in Ehe lebten, eingeführt.13 Wie diese letzte Verfügung andeutet, wurde die Initiative, eine Familie zu gründen, allein dem Mann zugesprochen.14 Eine zwar erst spät erfolgte Reformierung des Familienrechts verfestigte 1942 das auch schon zuvor gültige patriarchalische 6 Willson, Italy, S. 11. 7 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 118. 8 Adolfo Dolmetta, Donna e lavoro femminile, in: Critica fascista XVII (1939) H. 17, S. 269f., hier S. 270: »[S]i H fissato in norma giuridica il principio della complementarit/ dei compiti dei due sessi nella societ/ italiana, assegnando all’uomo il lavoro e alla donna il governo della famiglia.« 9 Ebd.: »[La maternit/ H] la funzione naturale e […] sociale […]. Prima e piF che fattore economico, la donna H […] madre in potenza o madre in atto, fonte di vita […].« 10 Perry R. Willson, The clockwork factory. Women and work in Fascist Italy, Oxford 1993, S. 2. 11 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 103f. 12 De Grazia, How fascism ruled women, S. 42. 13 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 104f.; De Grazia, How fascism ruled women, S. 55f. 14 De Grazia, How fascism ruled women, S. 69.
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Von Müttern, Krankenschwestern und Wählerinnen
Modell, das die rechtliche Unterlegenheit der Frau sowie ihre wirtschaftliche und juristische Abhängigkeit vom Ehemann festschrieb.15 Dieses reaktionäre Rollenbild wurde wesentlich in der visuellen Propaganda, wie auf einem Plakat des »Nationalwerks für den Schutz der Mutterschaft und der Kindheit« (Opera Nazionale per la protezione della maternit/ e dell’infanzia, ONMI) von Marcello Dudovich von 1937, transportiert (Abb. 50).
Abb. 50: Marcello Dudovich, »Tag der Mutter und des Kindes«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1936.
Die ONMI, die das Regime 1925 ins Leben rief, war eine der zahlreichen staatlichen Wohlfahrtseinrichtungen, die sich an Familien richtete.16 Konkret setzte sich die Opera vor allem für jene Mitglieder der Gesellschaft ein, die aus dem 15 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 106. 16 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 109; De Grazia, How fascism ruled women, S. 59.
»Komplementarität« von männlicher und weiblicher Arbeit: Die Mutterrolle
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angestrebten Familienmodell fielen: unverheiratete Mütter, uneheliche Kinder, Waisen und Witwen. Neben der Leitung zahlreicher Einrichtungen machte sich das Werk insbesondere auf dem Gebiet der Medikalisierung der Entbindung und der Professionalisierung von Hebammen verdient.17 Entgegen der Hauptadressaten der ONMI zeigt das Plakat mit einer dreiköpfigen Kernfamilie vielmehr das vom Regime verfochtene Familienbild. Das »Nationalwerk für den Schutz der Mutterschaft und der Kindheit« setzte sich unter anderem gerade dafür ein, dass uneheliche Kinder von ihren Vätern anerkannt und die Eltern im Idealfall in der Ehe zusammengeführt wurden.18 Als Halbfiguren in Rückansicht halten die Eltern ihren Nachwuchs liebevoll zwischen sich; das Kind hat seinerseits seine Arme um Vater und Mutter gelegt. Dass der Mann seinen starken Arm um die Taille der Frau gelegt hat, kann als Verweis auf das patriarchalische Familienmodell mit ihm als Hauptversorger gedeutet werden. Freigestellt vor einem von bläulich zu rötlich changierenden Hintergrund, schauen alle drei Figuren in Richtung einer Lichtquelle, die am rechten Bildrand angedeutet ist. Mehr noch als bei anderen Themen waren in der faschistischen Propaganda im Fall des Themas der Frau und der Familie Anleihen bei christlicher Ikonografie häufig. Unter Anspielung auf die heilige Familie wird die Kernfamilie als geradezu geheiligte Domäne dargestellt. Die Isolation der eng zusammenstehenden Personen vor dem simplen fast monochromen Hintergrund unterstreicht den Eindruck des Geschütztseins vor den Widrigkeiten der modernen urbanen Welt.19 Vom Betrachter abgewandt, blicken sie in eine verheißungsvolle Zukunft. Der sakrale Charakter wird durch das Datum des in der Unterschrift angekündigten »Tages der Mutter und des Kindes« unterstützt: Es handelt sich um den 24. Dezember, einen Tag vor Christi Geburt. Der 1933 vom faschistischen Regime vergleichsweise spät etablierte Muttertag trat in Konkurrenz zum 25. März, Mariä Verkündigung, den Katholiken, zumindest in manchen Städten, feierlich begingen. Mit der Verlegung auf den Tag vor Weihnachten strebten die Faschisten nicht nur die Assoziation italienischer Mütter mit der Gottesmutter an, sondern auch mit der Keuschheit der Jungfrau. Denn der faschistischen Sexualmoral zufolge, die in vielen Punkten mit den Positionen der der katholischen Kirche koinzidierte, war Sex nur zu reproduktiven Zwecken zulässig.20 Beim jährlichen Zeremoniell des beworbenen Muttertages lag der Fokus im Einklang mit der pronatalistischen Politik des Regimes auf besonders kinderreichen Müttern. So zeichnete der Duce beispielsweise 1933 bei einer öffentli17 18 19 20
De Grazia, How fascism ruled women, S. 61, 65, 68. Ebd., S. 64. Reilly, Emblems of Production, S. 307. De Grazia, How fascism ruled women, S. 55–56, 69, 71: Nicht frei von Ambivalenzen, stand diesem Idealbild freilich Mussolinis eigenes Liebesleben diametral gegenüber, dessen zahlreiche außerehelichen Affären der Bevölkerung keineswegs verborgen blieben.
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chen Veranstaltung in Rom jeweils die Frau aus den einzelnen italienischen Provinzen aus, die die meiste Nachkommenschaft vorzuweisen hatte. Bei der Preisverleihung wurde jedoch nicht ihr Name, sondern lediglich die Anzahl ihrer Kinder herausposaunt.21 Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass das Plakat nur eine dreiköpfige Familie zeigt. Die Jugendlichkeit des Paares und ihr zukunftsgewandter Blick verweisen jedoch womöglich darauf, dass dem ersten Kind noch viele weitere folgen werden. Das Plakat reiht sich in eine Serie ein, die Marcello Dudovich ab 1935 für die ONMI anlässlich des Muttertages realisierte. Auch auf den anderen sind Mütter mit Kleinkindern, teilweise zusammen mit der Vaterfigur dargestellt. Im Vergleich fällt auf, dass die Gesichtszüge der Frauengestalten meist nicht besonders ausgearbeitet sind. Andere Frauenfiguren, wie auf dem analysierten Beispiel, haben dem Betrachter gar komplett den Rücken zugekehrt. Dass Dudovich seine weiblichen Protagonistinnen »gesichtslos« dargestellte, wie Victoria De Grazia es nennt, führt sie auf das Unbehagen des beauftragten Grafikers mit dem Frauenbild des faschistischen Regimes zurück, das die Italienerinnen zu reinen Geburtsmaschinen degradierte.22 Zwar sind gelegentliche kritische Äußerungen Dudovichs über die faschistische Ideologie belegt,23 jedoch muss sich dies nicht notwendigerweise in seinen Frauendarstellungen auf Propagandaplakaten widergespiegelt haben. Denn, wie ein Vergleich mit weiteren Werken Dudovichs, auch aus dem Bereich der kommerziellen Werbegrafik, zeigt, stellte er die Protagonistinnen häufig dem Betrachter abgewandt oder mit nur schemenhaften Gesichtszügen dar (vgl. Abb. 52, S. 204). In den Dienst der »demografischen Schlacht« wurde auch die Verbesserung der Hygienebedingungen und Kinderpflege gestellt. In diesem Kontext florierte vom Regime publizierte Ratgeberliteratur für Mütter. So verdeutlichte eine Publikation mit dem Titel »An die italienischen Mütter« (»Alle mamme italiane«) in einer Reihe fotografischer Abbildungen Grundlinien des Umgangs mit dem Nachwuchs (Abb. 51, S. 203). Die jeweils richtige und falsche Handhabe wurde in Unterschriften, wie »Wie man ein Kind hochheben soll – wie man ein Kind nicht hochheben soll«, erläutert. Während das Kleinkind ganzfigurig abgebildet ist, wurde die Pflegeperson teilweise durch Beschneiden der Kopfpartie anonymisiert. Auf anderen Seiten, wo sie durchaus als Dreiviertelfigur zu sehen ist, wie bei dem Bildbeispiel »Wie man ein Kind (nicht) auf dem Arm halten soll«, entpuppt sie sich durch die Haube und weiße Tracht als Ordens- oder Krankenschwester. Dass ihre Farbigkeit im Gegensatz zum Kleinkind jedoch blasser, fast transparent erscheint, macht sie für die Rat suchende Mutter zur 21 Ebd., S. 71. 22 Ebd., S. 72. 23 Curci, Marcello Dudovich, S. 257.
»Komplementarität« von männlicher und weiblicher Arbeit: Die Mutterrolle
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Abb. 51: Consorzio Nazionale Zuccheri e Associazione Nazionale Bieticultori, An die italienischen Mütter (Publikation), Italien 1934.
Identifikationsfigur, die sich mit Leichtigkeit in deren Rolle versetzen kann. Insgesamt hatte die breit angelegte pronatalistische Kampagne in der Propaganda des faschistischen Regimes letztlich keinen nennenswerten Einfluss auf die demografische Entwicklung Italiens in der Zwischenkriegszeit. Trotz Fortschritten auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung von Müttern und Kindern blieb die Kindersterblichkeitsrate fast doppelt so hoch wie in anderen europäischen Ländern.24 Die um die Mutterrolle kreisenden Frauenbilder in der faschistischen Propaganda kontrastierten stark mit jenen in der kommerziellen Werbung, die seit den 1920er Jahren verstärkt die weibliche Bevölkerung als neuen Konsumentenkreis in den Blick nahm. Versuche des Regimes, auch die Wirtschaftswerbung zu kontrollieren, richteten sich zunehmend insbesondere auf die Repräsentationen von Frauen, die in vielen Fällen von politischer Seite für zu freizügig und aufreizend befunden wurden. Denn in der Reklame standen den vom Regime beworbenen robusten Bäuerinnen und kinderreichen Hausfrauen schlanke, attraktive und selbstbewusste femmes fatales gegenüber, die sich allein auf die Erfüllung ihrer Konsumwünsche zu konzentrieren schienen.25 Diese Diskrepanzen zeigten sich sogar vielfach im Werk einzelner Grafiker. So war Marcello Dudovich, der in den 1930er Jahren für die faschistische Opera Nazionale per la 24 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 113. 25 Gaudenzi, Press Advertising and Fascist Dictates, S. 668f.
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Maternit/ e l’Infanzia arbeitete, bereits seit vor 1922 auch als Werbegrafiker tätig (vgl. Kap. 3). Im Gegensatz zu seinen im Auftrag des Regimes realisierten Plakaten zeigten Dudovichs kommerzielle Werbeposter, die er beispielsweise für die Mailändische Modekaufhauskette La Rinascente entwarf, modisch gekleidete bürgerliche Damen in reizenden Kleidern (Abb. 52).
Abb. 52: Marcello Dudovich, »La Rinascente. Neuheiten der Saison«, Werbeplakat, Italien ca. 1935.
Diese waren, wie die dargestellte Dame im eng anliegenden und tief ausgeschnittenen Kleid, meist von grazilem Körperbau und bildeten so gar die »Antithese« zu den robusten weiblichen Körpern, die in der faschistischen Propaganda kursierten und als Voraussetzung kinderreicher Mutterschaft galten.26 26 De Grazia, How fascism ruled women, S. 72.
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Obgleich sich im Laufe der 1930er Jahre eine zunehmende Politisierung der Werbebotschaften abzeichnete, hing diese stark vom beworbenen Produkt und der angesprochenen Zielgruppe ab: Während Werbung für Haushaltswaren vor allem während der Autarkiekampagne stärker mit politischen Propagandabotschaften verknüpft wurde,27 blieb die Reklame für Luxusprodukte, die sich, wie die Anzeige für die Kaufhauskette La Rinascente, an die Oberschicht richtete, davon weitestgehend unberührt.28 Bis zum Fall des Regimes waren in der Werbung insgesamt weit pluralistischere Frauenbilder im Umlauf. Die Bandbreite von sinnlichen Damen bis hin zu »häuslichen Engeln«, von denen in der italienischen Werbung Gebrauch gemacht wurde, blieb bestehen.29 Ebenso stellte der dynamische Markt italienischer Frauenzeitschriften, wie »Novella«, »Annabella« und »Grazia«, das vom Regime verbreitete Frauenbild in Frage. Dabei blieben wiederum Periodika, die Frauen aus der Oberschicht als Zielpublikum hatten, von der Anreicherung mit propagandistischen Inhalten weitestgehend verschont.30 So erschienen in diesen Blättern, trotz der Anweisungen von Seiten des Regimes, ausschließlich Fotografien von »gesunden Frauen und potentiellen Müttern« und nicht von »abgemagerten und vermännlichten weiblichen Figuren« zu veröffentlichen, weiterhin auch Bilder von zarteren weiblichen Gestalten.31 Ähnlich der »Komplementarität« der Aufgaben von Männern und Frauen in der Gesellschaft, wie sie in der Publizistik des italienischen Faschismus vertreten worden war, pochte auch die peronistische Propaganda auf die Mutterschaft als »geheiligte Mission« einer jeden Frau.32 Auch wenn es Vertreter des peronistischen Regimes weniger prononciert und nicht mit militaristischen Begrifflichkeiten, wie der faschistischen Battaglia demografica, ausdrückten, sahen sie dennoch Mutterschaft als den wichtigsten Weg für argentinische Frauen an, sich dem Staat und der Entwicklung »nationaler Größe« zu verpflichten.33 Indem Eva Perjn in ihrer 1951 erschienenen Autobiografie »La razjn de mi vida« das Mutterdasein ebenso als Arbeit charakterisierte, klang ein über reine Lohnarbeit hinausgehendes Verständnis von Arbeit an, das im Rahmen der Aufwertung von Arbeit auch für den italienischen Faschismus typisch gewesen war:34 »Die Mutter […] ist der einzige Arbeiter der Welt, der keinen Lohn kennt, weder die Garantie, respektiert 27 28 29 30 31 32 33 34
Gaudenzi, Press Advertising and Fascist Dictates, S. 672. Ebd., S. 671f. Ebd., S. 677. Ebd., S. 671f. D’Autilia, Storia della fotografia in Italia, S. 225. Perjn, Discursos completos, Bd. 1, S. 50. Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 128. Jürgen Kocka, Ambivalenzen der Arbeit, in: Marc Buggeln/Michael Wildt (Hg.), Arbeit im Nationalsozialismus, München 2014, S. 25–32, hier S. 32.
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zu werden, noch eine Beschränkung der Arbeitstage, weder Sonntage noch Ferien oder Ruhe irgendeiner Art, weder eine Abfindung im Kündigungsfall, noch Streik […].«35 Dies war keinesfalls als Anklage, sondern anerkennend gemeint. Das peronistische Regime verabschiedete eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz von Müttern und Neugeborenen.36 Auch waren im ersten Fünfjahres-Plan finanzielle Anreize, wie Steuererleichterungen für große Familien, vorgesehen, die schließlich jedoch nicht umgesetzt wurden.37 Während ein Strang der Forschung die Familienpolitik des Peronismus durchaus für pronatalistisch hält, gilt es doch als Unterschied zum Faschismus hervorzuheben, dass Perjn weder explizit zu mehr Geburten aufrief, noch Geburtenkontrolle oder Abtreibungen unter Strafe stellte,38 wie es im faschistischen Italien geschehen war. Abgesehen von der Verbesserung der medizinischen Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen profitierten insbesondere berufstätige Mütter von der vom Staat eingerichteten Kinderbetreuung in Form von Kindergärten und Vorschulen.39 Besonders aktiv auf diesem Gebiet war auch die private Wohlfahrtsorganisation Fundacijn Eva Perjn, die sich, ähnlich der faschistischen ONMI, ebenso unverheirateten Müttern und deren Kindern annahm und sie übergangsweise in sogenannten hogares de tr#nsito unterbrachte.40 Entschieden weitergehende familienpolitische Maßnahmen als im faschistischen Italien bestanden neben der rechtlichen Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern im peronistischen Argentinien in der Einführung des Scheidungsrechts und der Legalisierung der Prostitution 1954.41 Die sehr viel progressivere Reformpolitik fand jedoch in der visuellen Propaganda des Peronismus keinen Niederschlag. Stattdessen wurde in diesem Medium wie in der faschistischen Bildpropaganda ein traditionelles Familienbild hochgehalten und Frauen hauptsächlich in der häuslichen Sphäre gezeigt. Auf einer Fotografie in dem Bildband »Argentina en Marcha« von 1950 ist eine vierköpfige Familie beim Essen zu sehen (Abb. 53). 35 Perjn, La razjn de mi vida, S. 201: »La madre […] [e]s el fflnico trabajador del mundo que no conoce salario, ni garant&a de respeto, ni l&mite de las jornadas, ni domingo, ni vacaciones, ni descanso alguno, ni indemnizacijn por despido, ni huelgas […].« 36 Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 128. 37 Isabella Cosse, El orden familiar en tiempos de cambio pol&tico. Familia y filiacijn ileg&tima durante el primer peronismo (1946–1955), in: Karina In8s Ramacciotti/Adriana Mar&a Valobra/Omar Acha (Hg.), Generando el peronismo. Estudios de cultura, pol&tica y g8nero, 1946–1955, Buenos Aires 2003, S. 169–195, hier S. 182. 38 Karina In8s Ramacciotti/Adriana Mar&a Valobra, »… plasmar la raza fuerte…«. Relaciones de g8nero en la campaÇa sanitaria de la Secretar&a de Salud Pfflblica de la Argentina (1946– 1949), in: Karina In8s Ramacciotti/Adriana Mar&a Valobra/Omar Acha (Hg.), Generando el peronismo. Estudios de cultura, pol&tica y g8nero, 1946–1955, Buenos Aires 2003, S. 19–64, hier S. 54f. 39 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 179. 40 Barry, Pol&tica y religijn en la ayuda social del peronismo, S. 116ff. 41 Cosse, El orden familiar en tiempos de cambio pol&tico, S. 173.
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Abb. 53: »Recht auf Wohlstand«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 44, Argentinien 1950.
Während ein Kleinkind in einem Hochstuhl, eine vielleicht fünfjährige Tochter sowie der Ehemann am gedeckten Tisch sitzen, ist die Mutter am rechten Bildrand gerade damit beschäftigt, Suppe zu verteilen, ihr Gatte streckt ihr den Teller entgegen. Die Aufgaben sind klar verteilt: Offenbar hat die Frau das Essen zubereitet und den Tisch hergerichtet. Die ältere Tochter und der Mann schauen
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lächelnd zur Mutter auf, sie erwidert den freundlichen Gesichtsausdruck. Kurzum, das Bild vermittelt den Eindruck eines harmonischen Familienlebens. Die Fotografie ist mit »Recht auf Wohlstand« unterschrieben, das als Teil der sogenannten »Rechte des Arbeiters« 1949 in die neue Verfassung inkorporiert worden war. Das hier illustrierte »Derecho al bienestar« beinhaltete für die männliche Bevölkerung, eine erfüllende Arbeit auszuführen und über Wohnraum, Kleidung, Nahrung sowie Freizeit zu verfügen. Die Formulierung richtet sich klar an den Familienvater als Alleinverdiener, der »seine Notwendigkeiten und die seiner Familie [zu] befriedigen« habe. Entsprechend der symbolischen Aufwertung der Arbeiterklasse im Peronismus steht die gezeigte Arbeiterfamilie, die es durch die staatliche Sozialpolitik zu mehr Wohlstand gebracht hat, repräsentativ für die argentinische Familie per se. Andere Propagandapublikationen gehen gezielt auf die Mutter-Kind-Beziehung ein und präsentieren die Mutterrolle als einzige Erfüllung der Frau. In dem 1950 erschienen 800-seitigen Bildband »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« wird ein Brustbild einer Frau im Profil gezeigt, die einen Säugling auf dem Arm hält (Abb. 54, S. 209). In weichgezeichnetem idealisierenden Stil dargestellt, hat sie eine modische kinnlange Frisur, lächelt liebevoll und soll die argentinische Mutter par excellence verkörpern. Wie Dudovichs Plakat für die faschistische ONMI (Abb. 50, S. 200) birgt auch diese Darstellung ikonografische Übereinstimmungen mit christlichen Marienbildnissen mit Kind. Unter der Überschrift »Ernährung der Mutter und des Kindes« werden auf der linken Seite Mengen verteilter Nahrungsmittel sowie Muttermilch aufgelistet. Unklar auf welchen Zeitraum sich die Einheiten beziehen, ist mit Kuhmilch, Pulvermilch, Kondensmilch und Getreide für die Ernährung von Kleinkindern unerlässliche Kost aufgeführt. Des Weiteren wird erläutert, dass die von staatlicher Seite verteilten Nahrungsmittel von »höchster Qualität« seien, was »strenge Tests« garantierten. Die Illustration steht im Kontext von Fortschritten, die das peronistische Regime auf gesundheitspolitischen Gebiet machte und die neben dem landesweiten Bau von Krankenhäusern auch die Schaffung von MutterKind-Zentren beinhalteten.42 Sie sollte verdeutlichen, dass die medizinische Versorgung, die die Regierung der Bevölkerung ab dem Säuglingsalter garantierte, »vollkommen« war, wie es in der Bildunterschrift heißt. Die visuellen Repräsentationen von Frauen in der Propaganda standen auch im peronistischen Argentinien in einem interessanten Verhältnis zu Bildern, die in der kommerziellen Werbung kursierten. So wurde in argentinischen Reklameanzeigen der zweiten Hälfte der 1940er Jahre zunehmend die weibliche Bevölkerung als Hauptverantwortliche für die Haushaltsplanung angesprochen.43 42 Karina In8s Ramacciotti, La pol&tica sanitaria del peronismo, Buenos Aires 2009, S. 16. 43 Milanesio, Workers go shopping in Argentina, S. 70ff.
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Abb. 54: »Ernährung der Mutter und des Kindes«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 331, Argentinien 1950.
Anders als in Italien unternahm die argentinische Regierung unter Perjn jedoch keine Anstrengungen, Reklameanzeigen zu kontrollieren oder zu zensieren. Statt zu sich aufopfernden Hausfrauen, die in der politischen Propaganda kursierten, wurde in kommerziellen Werbeanzeigen, wie Natalia Milanesio herausgestellt hat, im Zuge der Rezeption nordamerikanischer Vorbilder vielmehr
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zu »pretty, sexy women« gegriffen. Diese boten verschiedenste Produkte von Nahrung in Konservendosen bis hin zu Gasherden feil.44 So zeigt beispielsweise eine Werbeanzeige für Bratöl (»Cocinero. El aceite verdadero«), die 1949 in der argentinischen Zeitschrift »Am8rica« erschien, eine leicht bekleidete Hausfrau in einer Küchenszenerie, während sie das beworbene Öl benutzt (Abb. 55, S. 211). Ihr mit Spitzen versehener Morgenmantel gibt viel von ihrem Dekollet8 und ihrem nackten Bein preis. Damit steht sie in deutlichem Kontrast zu den züchtig gekleideten Hausfrauen, die in der Regierungspropaganda meist im Kreis ihrer Familie dargestellt wurden. Der expandierende Markt an Frauenzeitschriften stellte auch im peronistischen Argentinien einen weiteren Publikationszusammenhang dar, in dem zur staatlichen Propaganda alternative Frauenbilder im Umlauf waren. In dem 1947 gegründeten Blatt »Idilio« bebilderte die deutsch-jüdische Avantgardefotografin Grete Stern wöchentlich eine Ratgeberkolumne, deren Gegenstand die psychoanalytisch orientierte Auslegung der Träume von Leserinnen war, die sie in Briefform eingesendet hatten.45 Die surrealistischen Fotomontagen Sterns standen nicht nur im Kontrast zu den konservativen Ratschlägen des Kolumnisten, die um die Ehe und ein traditionelles Familienleben kreisten. Die Fotomontagen sind ebenso als subtile Kritik am um Haus und Heim kreisenden Frauenbild, das das peronistische Regime in seiner Propaganda bewarb, zu verstehen – auch wenn die Autorin der Fotomontagen in ihrer Selbstbeschreibung keine ausgesprochen politische Person war.46 Vielfach in Innenräumen angesiedelt, zeigen die Bilder beklemmende Szenerien von eingeschlossenen, ohnmächtigen Frauen, die unsägliche körperliche Mühen erleiden müssen. Im sogenannten »Traum von der Ambition« (Abb. 56, S. 212) vom Mai 1950 ist in nicht wirklichkeitsgetreuen Maßstäben eine riesenhafte Frau in einem gutbürgerlichen Interieur dargestellt. Sie sitzt seitlich aufgestützt auf dem Boden – die einzige mögliche Haltung, in der sie nirgendwo anstößt. Die linke Hand hat sie wie zum Schutz vor der von der Decke herabhängenden Lampe erhoben. Nicht nur durch ihre Haltung, auch in ihrer Mimik wirkt sie erschrocken und verletzlich. Die Inneneinrichtung, die Kleidung der Frau sowie ihre adrette Hochsteckfrisur ordnen sie der Mittelklasse zu – eine Gesellschaftsschicht, die nicht zuletzt durch die peronistische Lohn- und Sozialpolitik erheblich angewachsen war. Die sozioökonomische Emanzipation erscheint jedoch als in den Geschlechterverhältnissen noch nicht angekommen: Die im Titel angesprochene »Ambition« der weiblichen Figur, im übertragenen 44 Ebd., S. 105. 45 Vgl. Katharina Schembs, Traumbilder. Grete Sterns Avantgardefotografie im Argentinien Perjns (1946–1955), in: Zeithistorische Forschungen (2015) H. 2, S. 264–288. 46 Vgl. den Dokumentarfilm von Antonia Lerch (Regie), Drei Fotografinnen: Ilse Bing, Grete Stern, Ellen Auerbach, Berlin 1993.
»Komplementarität« von männlicher und weiblicher Arbeit: Die Mutterrolle
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Abb.: 55: »Cocinero. Das wahre Öl«, Werbeanzeige, in: Argentina I, H. 4, Argentinien 1949.
Sinne über den beengenden häuslichen Rahmen hinauszuwachsen, scheint unerfüllt zu bleiben. Als eine der wenigen Avantgardekünstlerinnen, die sich in ihren Werken kritisch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen unter dem Peronismus äußerten, setzte Stern mit diesem und anderen Werken der in der staatlichen Propaganda beworbenen häuslichen Idylle ein divergierendes Frauenbild entgegen.
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Abb. 56: Grete Stern, »Der Traum von der Ambition«, in: Idilio H. 79, Argentinien 1950.
Wie die bisherige Analyse des visuellen Materials gezeigt hat, kreisten die in der staatlichen Propaganda des faschistischen Italien diffundierten Frauenbilder im Rahmen der pronatalistischen Politik und »demografischen Schlacht« um die Mutterrolle. Neben Darstellungen von madri prolifiche (»fruchtbaren, kinderreichen Müttern«) oder Kernfamilien unter männlicher Obhut wurden vor allem die von faschistischen Organisationen, wie der Opera Nazionale per la Maternit/ e l’Infanzia, vorangetriebenen Fortschritte auf dem Gebiet der Kinderpflege und -medizin thematisiert. Obwohl die Reformen, von denen die weibliche Bevölkerung profitierte, im peronistischen Argentinien sehr viel weiter gingen als im Faschismus und es zu ihnen vielfach auch im Nachkriegsitalien kein Pendant gab,47 verbreiteten peronistische Propagandaplakate und -illustrationen ein
47 Das Scheidungsrecht wurde in Italien erst 1970 eingeführt. Die rechtliche Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern erfolgte 2013.
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ähnlich reaktionäres Frauenbild wie im faschistischen Italien. Auch hier wurden die Mutterrolle und der Haushalt als idealer Einsatzort für Argentinierinnen angepriesen. Die argentinische Frau erschien hier vor allem in von Männern abhängigen Rollen als »Mutter, Schwester, Verlobte und Ehefrau«.48 Somit klaffte zwischen den um die Mutterrolle kreisenden Geschlechtererwartungen, die das peronistische Regime im Medium der Bildpropaganda an argentinische Frauen herantrug, und den tatsächlichen vielfach modernisierenden politischen Maßnahmen eine erstaunliche Diskrepanz. In der kommerziellen Werbung und an Frauen gerichteten Publizistik boten sich in beiden Ländern vom staatlichen Diskurs abweichende Bilder von Weiblichkeit. Auch wenn in Werbeanzeigen im faschistischen Italien in den 1930er Jahren eine zunehmende Politisierung zu beobachten war, blieben die in diesem Medium verwendeten Frauentypen trotz der Zensur von Seiten des Regimes insgesamt pluralistischer. Die mondänen schlanken weiblichen Silhouetten der Protagonistinnen in der Reklame wichen teilweise stark von den üppigen Mutterfiguren in der politischen Propaganda ab. Die Verwendung von sehr viel aufreizenderen Frauengestalten in der argentinischen Werbung der späten 1940er und frühen 1950er Jahre versuchte das peronistische Regime nie aktiv zu unterbinden. Auch in argentinischen Frauenzeitschriften konnten Illustrationen weiter erscheinen, die die von staatlicher Seite anempfohlene Reduktion der Frau auf die häusliche Sphäre – wenn auch in einer metaphorischen Bildsprache – kritisierten.
6.2
Die Frau als Arbeiterin
Vor dem Hintergrund des Fokus auf der Mutterrolle und der »Komplementarität der Aufgaben« von Männern und Frauen im faschistischen Staat wurde in der Propaganda unter Mussolini Lohnarbeit von Frauen außer Haus als unweiblich und für die Fortpflanzung schädlich gebrandmarkt.49 So hieß es in der Zeitschrift »Critica fascista« in einem Artikel zu »Frau und weibliche Arbeit«, dass »weibliche Arbeit [zum] organischen Verfall der Frau, [zu] Kindersterblichkeit sowie derjenigen der Mutter, […] Abtreibungen und weiteren schwerwiegenden Anomalien« führe.50 Damit knüpfte der Faschismus an länger währende Vorurteile gegenüber Lohnarbeit von Frauen an, die etwa von Seiten der katholischen Kirche laut geworden waren. So hatte bereits die päpstliche Enzyklika 48 Perjn, Discursos completos, Bd. 1, S. 50. 49 De Grazia, How fascism ruled women, S. 168. 50 Dolmetta, Donna e lavoro femminile, S. 269f.: »[I]l lavoro femminile importa deperimento organico nella donna, […] mortalit/ infantili e materne […] e altre gravi anomalie«.
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Rerum Novarm von 1891, einer der theoretischen Bezugspunkte bei der Errichtung des faschistischen Korporativstaates, gegen weibliche Arbeit Position bezogen. Den Verlautbarungen des faschistischen Regimes zufolge war Lohnarbeit allenfalls ledige Frauen denkbar.51 Da Arbeit außer Haus mit dem Mutterdasein als konfligierend aufgefasst wurde, sollten sie spätestens nach der Heirat aus dem Berufsleben ausscheiden. Haushalte mit sogenannten »Doppelverdienern« wurden denunziert.52 Zwar wurden im Zuge der Konsolidierung des korporativen Systems auch erste Arbeitsschutzgesetze für Frauen verabschiedet, wie 1931 das Verbot von Nachtarbeit und die Regelung des Mutterschutzes. Jedoch fanden diese Maßnahmen keine flächendeckende Anwendung und galten beispielsweise für die Landwirtschaft nicht.53 Die wie in anderen kriegsführenden Staaten während des Ersten Weltkriegs gestiegenen Zahlen weiblicher Beschäftigter in allen wirtschaftlichen Sektoren, die jedoch bereits nach Kriegsende wieder eingebrochen waren, versuchte das Regime durch eine misogyne Beschäftigungspolitik weiter zurückzudrängen. Dies beinhaltete beispielsweise das Herabsetzen der weiblichen Beschäftigungszahlen auf minimale Quoten, wie etwa auf 10 % im öffentlichen und Privatsektor.54 Angesichts der Tatsache, dass die Produktion in der faschistischen Propaganda als vorrangig männliche Domäne präsentiert wurde, stellte einer der wenigen Kontexte, in denen weibliche Arbeit in der faschistischen Propaganda zulässig erschien, die Landwirtschaft dar.55 Vor dem Hintergrund der »Ruralismus«-Ideologie (vgl. Kap. 4) wurde die ländliche Großfamilie als Inbegriff der italienischen Familie propagiert. Fernab der Verderbnisse der Großstadt, so das faschistische Narrativ, trat weibliche Arbeit in idyllischer Landschaft nicht mit der Mutterrolle italienischer Frauen in Konflikt. Ein bereits im Kontext des Tags der Arbeit diskutiertes Plakat (vgl. Kap. 4, Abb. 10, S. 109) von Marcello Dudovich zeigt im für ihn typischen flächigen Stil eine weibliche Landarbeiterin bei der Getreideernte. Im Rahmen der ab den 1930er Jahren verfolgten Autarkiepolitik, die auf dem Plakat beworben wird, kam der Steigerung der Getreideproduktion eine zentrale Rolle zu. Voller Elan schwingt die Bäuerin ein Kornbündel in die Höhe – eine energische Geste, die ihren Einsatz für die Ziele des Regimes unterstreicht. Mit einem Kopftuch und hochgeschlossenem Ober51 52 53 54
De Grazia, How fascism ruled women, S. 168f. Ebd., S. 175. De Grazia, How fascism ruled women, S. 178; Willson, The clockwork factory, S. 6. Der Effekt dieser restriktiven Gesetzgebung war geringfügig. Der lediglich leichte Rückgang der Zahlen berufstätiger Frauen bis 1936 war weniger der faschistischen Reform als einem längerfristigen Trend zuzurechnen. Im tertiären Sektor stieg der Anteil weiblicher Beschäftigung im selben Zeitraum sogar von 20 auf 27 % (vgl. Willson, The clockwork factory, S. 8; De Grazia, How fascism ruled women, S. 192). 55 Reilly, Emblems of Production, S. 306.
Die Frau als Arbeiterin
215
teil ist sie unprätentiös gekleidet. Zusammen mit ihrem robusten Körperbau – eine von der faschistischen Führung als unerlässlich erachtete Voraussetzung für das Gebären vieler Kinder – macht sie das zu einem Idealbild faschistischer Weiblichkeit. Auch bei den Gelegenheiten, bei denen sich der Duce als Landarbeiter bei der Getreideernte inszenierte, sind Frauen zugegen (vgl. Kap. 5, Abb. 39, S. 174). Auf Bidlpostkarten machen sie sich, bei sonnigem Wetter aufgenommen, beispielsweise auf einem Getreideschober zu schaffen und reichen Mussolini als seine Helferinnen das Korn, das er geflissentlich der Dreschmaschine zuführt. Nicht nur als Staffagefiguren, sondern als zentrale Protagonistinnen traten Frauen bei propagandistischen Repräsentationen anderer landwirtschaftlicher Zweige, wie der Weinlese, auf. Auf einer aus vier Bildelementen bestehenden Fotomontage in dem Bildband »L’Italia fascista in cammino« von 1932 hat eine Frauenfigur im Brustbild unter einem riesenhaften Traubenhenkel eine prominente Position inne (Abb. 57, S. 216). Mit karierter Bluse und Kopftuch bekleidet, hält sie ihrerseits lächelnd einen Henkel in die Höhe; ein weiterer hängt an ihrer Schulter. Im Hintergrund lässt sich die Situation eines Umzuges mit Menschenmassen, die in ländlicher Szenerie unter Pinien am Wegesrand stehen, und vorbeifahrenden Wagen erkennen, wie er offenbar aus Anlass des hier beworbenen Weinfestes stattfand. Ein weiteres Bildelement rechts neben der Frau zeigt einen von einem Mann gelenkten geschmückten Wagen in näherer Ansicht. Zwar wird die Landwirtschaft in der Bildpropaganda als idealer Einsatzort für Frauen präsentiert – ein Sektor, in dem Anfang der 1920er immerhin noch die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen arbeitete.56 In den für den faschistischen Korporativstaat zentralen landwirtschaftlichen Gewerkschaften waren sie jedoch nicht vertreten.57 Dies galt auch für die wenigen anderen Berufe, die die faschistische Propaganda jenseits der überhöhten Mutterrolle für Frauen anpries, die in enger Verbindung zu ihren vermeintlich mütterlichen Qualitäten standen. In der Sicht der Vertreter des Regimes kamen diese insbesondere bei sozialen, karitativen und pädagogischen Berufen zum Tragen. So wurden sie für den Lehrerinnenberuf aufgrund ihrer als spezifisch weiblich aufgefassten Eigenschaften für geeignet befunden. Jungen sollten jedoch spätestens ab einem bestimmten Alter von männlichen Lehrkräften unterrichtet werden sollten, um ihre Verweiblichung zu vermeiden.58 In der faschistischen Bildpropaganda erschien vor allem die Figur der Krankenschwester als Modell weiblicher Arbeit, das ebenso eng an die Mutterrolle gekoppelt war. Auf einem Plakat von Marcello Dudovich von circa 1935 aus dem 56 De Grazia, How fascism ruled women, S. 183. 57 Ebd., S. 175. 58 Ebd., S. 180, 196–197.
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Abb. 57: »Das Weinlesefest«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 18, Italien 1932.
Kontext der vom faschistischen Regime vorangetriebenen Kampagne gegen Tuberkulose sieht man zwei weibliche Halbfiguren im Profil, die ein Kleinkind zwischen sich halten (Abb. 58, S. 217). Die linke ist durch ihre weiße Tracht mit Schleier als Krankenschwester ausgewiesen. Die dunkel gekleidete Frau mit zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren zur Rechten reicht ihr das Baby. Über den Figuren ist ein rotes Doppelkreuz, das Lothringerkreuz, das bei der ersten internationalen Tuberkulosekonferenz 1902 in Berlin als Symbol des Kampfes
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Abb. 58: Marcello Dudovich, »V. Anti-Tuberkulose-Kampagne«, Plakat (100 x 70 cm), Italien ca. 1935.
gegen die Krankheit übernommen worden war, zu erkennen.59 Nach ihrem Regierungsantritt hatten die Faschisten die Eindämmung der Tuberkulose zu einer ihrer gesundheitspolitischen Prioritäten erklärt. Der Plakattitel kündigt in diesem Fall eine von der 1922 gegründeten Federazione italiana nazionale fascista per la lotta contro la tubercolosi (»Faschistischer italienischer Nationalverband für die Bekämpfung der Tuberkulose«) ausgerichtete Woche der Früherkennung an. Sowohl in der Überschrift »Die zwei Mütter« als auch mit bildlichen Mitteln wird 59 http://docplayer.it/12569893-Lotta-alla-tbc-testimonianze-dal-collezionismo-cartaceo-emetallico-mario-giannella-bruno-lantieri-paolo-pitotto.html, letzter Zugriff: 03. 06. 2016.
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die Identifikation der Krankenschwester mit der Mutterfigur unterstützt. Wie auf den Plakaten, die Dudovich für die ONMI realisierte, erscheint die Szene eher familiär, als dass ein professionelles Verhältnis zwischen medizinischem Personal und Patienten evoziert wird. Die Grenzen zwischen den »zwei Müttern«, der biologischen und der qua Beruf verschwimmen. Weitere Plakate legen die Deutung von einer semantischen Nähe zwischen dem Krankenschwesterberuf und der Mutterrolle, die die Tätigkeit für Frauen in den Augen der faschistischen Führung akzeptabel machte, nahe: Auf einem Plakat von Giacinto Mondaini in nahezu fotorealistischem Stil, das ebenso aus dem Kontext der Anti-Tuberkulose-Kampagne stammt, hält eine Krankenschwester in weißer Tracht und Haube liebevoll ein Kleinkind auf dem Schoß, beide lächeln. Auf anderen werden mit Slogans wie »Rettet die Rasse vor der Tuberkulose« die gesundheitspolitischen Bestrebungen explizit mit demografischen Zielen in Verbindung gebracht. Mit der Propagierung des Krankenschwesterberufs als für Frauen angemessenem Betätigungsfeld knüpfte der Faschismus an überkommene Rollenzuschreibungen an, wie sie etwa in vorfaschistischer Zeit durch das 1908 gegründete Italienische Rote Kreuz (Croce rossa italiana, CRI) kultiviert worden waren. Die dazugehörige Sektion freiwilliger Krankenschwestern hatte durch ihren Einsatz im Libyenkrieg 1911 und im Ersten Weltkrieg 1915 erstmals Prominenz im öffentlichen Raum erlangt.60 Nach 1922 faschisierte das Regime die CRI nach und nach, die fortan mit den faschistischen Frauenorganisationen auch auf dem Gebiet der Krankenschwesterausbildung zusammenarbeitete.61 Der Peronismus brachte der weiblichen Bevölkerung neben dem Zugang zu Bildung auch zahlreiche Verbesserungen für berufstätige Frauen, die bereits ab 1944 von der Divisijn (später Direccijn) de Trabajo y Asistencia a la Mujer vorbereitet worden waren.62 Wie ihre männlichen Kollegen profitierten auch weibliche Arbeiterinnen von der breiten Sozialgesetzgebung und den arbeitsrechtlichen Verbesserungen, wie Lohnerhöhungen, die unter Perjn verabschiedet wurden.63 Obgleich die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zurückgingen, wurde ein gleiches Gehalt nur in der Textilindustrie erreicht.64 Im Gegensatz zum faschistischen Regime förderte die Regierung unter Perjn die gewerkschaftliche Organisation von Frauen.65 Trotz dieser arbeitsrechtlichen Errungenschaften hing 60 Stefania Bartoloni, Da una guerra all’altra. Le infermiere della Croce Rossa fra il 1911 e il 1945, in: Luigi Goglia/Renato Moro/Leopoldo Nuti (Hg.), Guerra e pace nell’Italia del Novecento. Politica estera, cultura politica e correnti dell’opinione pubblica, Bologna 2006, S. 149–174, hier S. 149, 151, 153. 61 Ebd., S. 158. 62 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 167. 63 Potthast, Madres, obreras, amantes, S. 283. 64 Ebd., S. 273. 65 Lobato, Historia de las trabajadoras en la Argentina (1869–1960), S. 307.
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das argentinische Präsidentenpaar in seinen Reden und offiziellen Publikationen einem traditionellen Familienbild an, demzufolge der Mann für den Broterwerb zuständig war und die Frau sich um den Haushalt und den Nachwuchs zu kümmern hatte.66 Von weiblicher Arbeit außer Haus wurde von offizieller Seite wiederholt abgeraten, gefährde sie doch das Umsorgen der Familie.67 So hielt Eva Perjn beispielsweise in ihrer Autobiografie »La razjn de mi vida« fest, dass Frauen für den Haushalt geboren seien.68 Die Tatsache, dass die weibliche Bevölkerung nun auch zunehmend in »der Werkstatt, der Fabrik und dem Büro« arbeitete, erkannte die Präsidentengattin zwar durchaus an.69 Sie ging jedoch davon aus, dass die Berufstätigkeit von Frauen allein wirtschaftlichen Notwendigkeiten geschuldet war und mit zunehmendem Wohlstand der argentinischen Bevölkerung überwunden werden könne. So führte sie in ihrer Vita weiter aus: »[I]ch träume von dem Tag, an dem […] die Frau das ist, was sie sein soll, Königin und Dame einer würdigen Familie, frei von allen ökonomischen Dringlichkeiten.«70 Im Gegensatz zum faschistischen Italien wurden unter Perjn jedoch keine Maßnahmen verabschiedet, um Frauen aktiv aus der Berufstätigkeit zu drängen. Trotz der Insistenz auf einem traditionellen Familienbild wurde dem Fakt, dass die Anzahl berufstätiger Frauen stetig anwuchs,71 in der Propaganda und in staatlichen Zeremonien in gewisser Weise Rechnung getragen. So war ein Bestandteil der umgedeuteten und für die Zwecke des Regimes instrumentalisierten Feiern zum 1. Mai (vgl. Kap. 4) die Kür von »Königinnen der Arbeit«. Teilnehmen konnten in Gewerkschaft eingeschriebenene Arbeiterinnen aus dem ganzen Land.72 Die Wahl fand im Rahmen einer von der Regierung und der Dachgewerkschaft CGT organisierten Parade in den Hauptstraßen von Buenos Aires und einem Zeremoniell auf der Plaza de Mayo statt.73 Die Jury bestand neben Eva Perjn ausschließlich aus Männern, dem Führungspersonal der CGT und Perjn selbst.74 Prämiert wurde die jährliche reina del trabajo mit Schmuck und einer Geldsumme, die sie mehr oder weniger freiwillig wieder als Spende an die Fundacijn Eva Perjn zurückgab.75 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 128f. Gen8, Un mundo feliz, S. 132. Perjn, La razjn de mi vida, S. 200. Perjn, Discursos completos, S. 16. Perjn, La razjn de mi vida, S. 206 : »[S]ueÇo siempre con el d&a […] cuando la mujer sea lo que debe ser; reina y seÇora de una familia digna, libre de toda necesidad econjmica apremiante.« Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 129. Mirta Zaida Lobato/Mar&a Damilakou/Lizel Tornay, Working-Class Beauty Queens under Peronism, in: Matthew B. Karush/Oscar Chamosa (Hg.), The new cultural history of Peronism. Power and identity in mid-twentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 171–208, hier S. 177. Ebd., S. 179f. Ebd., S. 184f. Ebd., S. 186.
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Die Verknüpfung eines Schönheitswettbewerbs mit dem Thema weiblicher Arbeit implizierte eine Abkehr von überkommenen, auch im faschistischen Italien grassierenden, Vorstellungen, dass körperliche Arbeit Frauen auszehre, unattraktiv mache und schließlich auch ihre Mutterrolle beeinträchtige.76 Demgegenüber demonstrierte die Wahl einer reina del trabajo im peronistischen Argentinien in einer öffentlichen Zeremonie, dass sich weibliche Arbeit und physische Schönheit nicht gegenseitig ausschlossen. Dem Narrativ der peronistischen Propaganda zufolge war dies jedoch erst der Fall, seitdem das Regime durch seine Sozialreformen Arbeit »würdig« gemacht hatte.77 Zwar genossen Frauen bei solchen öffentlichen Zeremonien eine neuartige, von der Propaganda beförderte Sichtbarkeit. Die Kür der »Königinnen der Arbeit« trug jedoch letztlich dazu bei, traditionelle Rollenbilder zu fixieren.78 Denn anders als der Titel suggerierte, wurde nicht ihre Qualität als Arbeiterin oder ihre Arbeitsleistung ausgezeichnet, sondern allein ihr äußeres Erscheinungsbild.79 So wurde in einem Artikel in der Zeitschrift »Argentina justicialista«, einem monatlich erscheinenden Organ zur Verbreitung der »peronistischen Doktrin«, anlässlich der Wahl der reina del trabajo 1952 vor allem die Schönheit und Schlichtheit der Anwärterinnen in den Vordergrund gestellt – letztere eine der Arbeiterklasse vermeintlich inhärente Eigenschaft. Über die 17-jährige Edna Alicia Constantini, Angehörige der »Gewerkschaft verschiedener Handwerke« (Sindicato de Oficios Varios) aus der in Provinz »Eva Perjn« umbenannten La Pampa hieß es: »Ihre Schönheit blendet und ihre Aufrichtigkeit verzaubert.«80 Die Bebilderung des Artikels zeigt die freudenstrahlende Gewinnerin als Halbfigur in Untersicht mit Umhang, Schärpe und Krone (Abb. 59, S. 221). Eine zweite Fotografie auf der rechten Seite rekonstruiert die Situation ihrer Krönung durch Eva Perjn, die die Gewinnerin als »größte Emotion ihres Lebens« beschreibt.81 Auch die Berichterstattung über das Ereignis verdeutlicht, dass ein traditionelles Familienbild durch die Krönung der »Königinnen der Arbeit« keineswegs in Zweifel gezogen wurde. Denn auf die Frage, was die reinas del trabajo langfristig anstrebten, antworteten sie stets: zu heiraten, Kinder zu bekommen und Hausfrauen zu sein. Die Arbeitserfahrung wird also weniger als identitätsbildend denn als übergangsweise Lösung während ihres Ledigendaseins markiert, bevor sie sich in der Ehe Frauen angemesseneren Tätigkeiten widmen würden.82 76 77 78 79 80
Lobato, Historia de las trabajadoras en la Argentina (1869–1960), S. 307. Lobato/Damilakou/Tornay, Working-Class Beauty Queens under Peronism, S. 175, 177. Ebd., S. 197, 203. Lobato, Historia de las trabajadoras en la Argentina (1869–1960), S. 309. O. A., Cuando entrevistamos a la Reina del Trabajo de 1952, in: Argentina justicialista I (1952) 4–5, S. 42f., hier S. 42: »Su belleza deslumbra y su sencillez encanta.« 81 Ebd., S. 43: »[L]a emocijn m#s grande de mi vida«. 82 Lobato/Damilakou/Tornay, Working-Class Beauty Queens under Peronism, S. 187f.
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Abb. 59: »Als wir die Königin der Arbeit von 1952 interviewten«, in: Argentina Justicialista I, H. 4–5, Argentinien 1952.
Als eine zulässige Arbeit, die Frauen das Hausfrauendasein mit Lohnarbeit vereinbaren ließ, pries die peronistische Propaganda Heimarbeit und im Speziellen das Nähen an. So vergab das Regime Kredite für die Anschaffung von Nähmaschinen oder sie wurden in pompösen Zeremonien von Eva Perjn an argentinische Frauen verschenkt.83 Damit trat die primera dama aktiv für den Verbleib der weiblichen Bevölkerung im Haushalt ein.84 In der peronistischen Propaganda wurde außerdem wie im faschistischen Italien der Krankenschwesterberuf als Rollenbild weiblicher Arbeit präsentiert.85 So befand Perjn ihn im »Bolet&n del D&a«, der wöchentlichen Publikation des Gesundheitsministeriums gar für die »edelste Aufgabe, die eine Frau erfüllen kann.«86 Dabei hatte ursprünglich männliches Personal an den Krankenhäusern der argentinischen Hauptstadt und der 1885 gegründeten ersten Krankenpflegerschule des Landes (Escuela de Enfermeros y Enfermeras) die Mehrheit gestellt. Erst ab den 83 Noem& M. Girbal-Blacha, »El hogar o la f#brica«. De costureras y tejedoras en la Argentina Peronista (1946–1955), in: Revista de Ciencias Sociales (1997) H. 6, S. 217–230, hier S. 224, 229. 84 Gen8, Un mundo feliz, S. 133. 85 Folco, La Enfermera, S. 122. 86 Zitiert nach ebd., S. 126: »Yo creo que la tarea de las enfermeras es, sin duda, la tarea m#s noble que una mujer puede cumplir.«
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1920er Jahren wurden in Anlehnung an europäische Vorbilder an den städtischen Einrichtungen nur noch weibliche Krankenschwestern zugelassen.87 Hatte der Beruf vor Perjns Regierungsübernahme kein besonderes wissenschaftliches oder soziales Prestige inne gehabt, wurde er durch die Zentralisierung der Ausbildung zu medizinischen Hilfsberufen im Rahmen der peronistischen Gesundheitsreformen aufgewertet und zu einem attraktiven Berufsfeld für Frauen.88 Vor diesem Hintergrund avancierte die Figur der Krankenschwester in der peronistischen Propaganda zu einer der häufigsten Darstellungsformen von arbeitenden Frauen. So zeigt das Titelblatt einer undatierten Broschüre der Krankenschwesterschule der Fundacijn Eva Perjn ein Porträt einer Schülerin in weißer Tracht und Haube (Abb. 60, S. 223). Sie ist nach links gewandt und blickt auf ein an der Wand hängendes Bild einer weiteren Krankenschwester im Profil, die in einem von der linken Seite hereinfallenden Lichtstrahl steht. Laut Marcela Gen8 wird damit auf eine Fotografie angespielt, die die Flure der Eva-PerjnStiftung zierte. Die Ikonografie weist einige religiöse Konnotationen auf: Zum einen ähnelt die von beiden Frauen getragene Kleidung der Tracht von Glaubensschwestern. Zum anderen präsentiert das Bild im Bild den Auftrag zur von der FEP realisierten Sozialfürsorge geradezu als »göttliche« Inspiration. Indem die Erleuchtung der Krankenschwester geradezu als religiöse Trance inszeniert wird, erinnert die Illustration Gen8 zufolge an die Bildsprache von in Argentinien populären religiösen Drucken.89 Als Personifikation von Altruismus und Entsagung – von für den Beruf vermeintlich unentbehrlichen Qualitäten – stieg die Krankenschwester so auch in der peronistischen Propaganda zum Rollenbild von weiblicher Arbeit außer Haus schlechthin auf. In der Bildpropaganda beider Regime erschienen arbeitende Frauen lediglich in einer beschränkten Anzahl von Berufen: in der für die »ruralistische« Ausrichtung der faschistischen Propaganda zentralen Landwirtschaft als Bäuerinnen und Erntehelferinnen sowie bei mit mütterlichen Attributen in Verbindung gebrachten Tätigkeiten, wie dem Krankenschwesterberuf. Während das faschistische Regime Frauen in öffentlichen Zeremonien allein in ihrer möglichst zahlreichen Mutterschaft würdigte, ehrte das peronistische Regime sie zwar durchaus zumindest nominell als Arbeiterinnen. Dies geschah jedoch nicht ohne zu betonen, dass ihre Berufstätigkeit nur übergangsweiser Natur sei, bevor sie sich in der Ehe allein dem Familienleben widmen würden. Die wenigen Berufe, die in der peronistischen Propaganda Frauen zugedacht wurden, stim-
87 Catalina H. Wainerman/Georgina Binstock, El nacimiento de una ocupacijn femenina. La enfermer&a en Buenos Aires, in: Desarrollo Econjmico 32 (1992) H. 126, S. 271–284, hier S. 277–278, 283. 88 Folco, La Enfermera, S. 126, 140. 89 Gen8, Un mundo feliz, S. 136.
Die Frauenorganisationen
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Abb. 60: »Krankenschwesternschule« (Broschüre), Argentinien, ohne Datum.
men mit dem Befund für das faschistische Italien überein und waren hauptsächlich im Bereich der Krankenpflege und Sozialfürsorge angesiedelt.
6.3
Politisierung der weiblichen Bevölkerung und neue Aufgaben: Die Frauenorganisationen
Die häusliche Mutterrolle, die italienischen Frauen in der faschistischen Propaganda anempfohlen wurde, stand den öffentlichen Aufgaben gegenüber, die zahlreiche von ihnen in den faschistischen Frauenorganisationen wahrnahmen. Die Tätigkeiten, die sie in diesem Rahmen ausführten und von denen die Regierungspropaganda kündete, spielten sich jedoch abermals in den vom Fa-
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schismus für Frauen als zulässig erachteten und mit mütterlichen Eigenschaften in Verbindung gebrachten Bereichen ab. Die erste lokale faschistische Frauengruppe hatte sich bereits vor dem Regierungsantritt der Faschisten im März 1920 gegründet. Unmittelbar nach 1922 genoss die weibliche Sektion des PNF, die Fasci Femminili (FF), zunächst noch relative Autonomie und hatte mit dem neugegründeten Amt der Inspektorin sogar einen Sitz in der Parteidirektion inne. Dieser Posten wurde jedoch nach kurzer Zeit wieder abgeschafft und die faschistischen Frauengruppen nunmehr direkt vom Sekretariat des PNF kontrolliert.90 Bis 1929 wuchsen die Mitgliederzahlen auf 100.000 an.91 Während sich die Fasci Femminili hauptsächlich aus Angehörigen der urbanen Mittelschicht, ihre Führung hingegen aus der Oberschicht, zusammensetzte, sollte die 1932 ins Leben gerufene und von den FF abhängige Organisation der Massaie rurali (MR) die ländliche Unterschicht erfassen.92 1938 folgte mit der Sezione Operaie e Lavoranti a Domicilio (SOLD) eine weitere Sektion, die sich explizit an Fabrikund Heimarbeiterinnen, jedoch auch an nicht berufstätige Ehefrauen aus der Arbeiterklasse richtete.93 Unter Erhalt der Klassenzugehörigkeit ihrer jeweiligen Zielgruppe erreichten die Fasci Femminili bis 1942 750.000 Mitglieder, die SOLD 1.5 Millionen und die MR 2.5 Millionen, was letztere zu einer der Mitgliederstärksten faschistischen Massenorganisationen machte.94 Den bereits im Fall der Krankenschwester angesprochenen geschlechterspezifischen Rollenzuschreibungen folgend, engagierten sich die Mitglieder der Fasci Femminili hauptsächlich in der staatlichen Wohlfahrt. Die Massaie Rurali und die SOLD boten ihrerseits Kurse in Hauswirtschaftslehre, Handwerk, Milchwirtschaft, Kleintierhaltung, Gemüseanbau, Hygiene und Kinderpflege an.95 Die Zielsetzung dieser Tätigkeiten, zu denen außerdem Ausflüge und sportliche Veranstaltungen zählten, war vor allem propagandistischer Natur. An Frauen wurde die Aufgabe herangetragen, die ideologischen Botschaften des Regimes in den häuslichen vier Wänden zu verbreiten. Abgesehen von den Hausfrauen waren hierfür insbesondere visitatrici (»Inspektorinnen«), die im Auftrag der FF oder der ONMI italienische Haushalte abklapperten, zuständig.96 In Bildbänden wie »L’Italia fascista in cammino« von 1932 wurden diese von den faschistischen Frauenorganisationen eröffneten Betätigungsfelder beworben. In vier fotografischen Bildfeldern werden auf einer Seite verschiedene Bereiche der titelgebenden 90 Willson, Italy, S. 12, 15–16. 91 Dies., Women in Mussolini’s Italy, 1922–1945, in: R. J. B. Bosworth (Hg.), The Oxford handbook of fascism, Oxford, New York 2009, S. 203–220, hier S. 210. 92 Willson, Italy, S. 12f.; Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 120f. 93 De Grazia, How fascism ruled women, S. 177. 94 Willson, Italy, S. 25ff. 95 Willson, Women in Mussolini’s Italy, 1922–1945, S. 213. 96 Willson, Italy, S. 20.
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Hauswirtschaftslehre, Kurse wie sie die MR oder die SOLD anboten, dargestellt (Abb. 61, S. 226). In der oberen quadratischen Sektion sieht man um die zwanzig an Tischen sitzende Mädchen, die mit dem Besticken von Stoffen beschäftigt sind. Eine weitere junge Frau wird in den Bildfeldern oben rechts und unten links beim Kochen gezeigt. Die Dame unten rechts hantiert mit einer Nähmaschine. Somit wird eine Reihe von im Haushalt angesiedelter Tätigkeiten, die das Regime für Frauen für zulässig erachtete, veranschaulicht. Die quantitativen Erfolge bei der politischen Mobilisierung der weiblichen Bevölkerung Italiens ab Anfang der 1930er Jahre zeigten sich insbesondere bei den nach dem Überfall auf Abessinien mit großem propagandistischem Aufwand inszenierten Giornate della fede.97 Bei dieser Gelegenheit waren italienische Frauen erstmals am 18. Dezember 1935 dazu aufgerufen, ihre goldenen Eheringe zur Finanzierung des Äthiopienkrieges zu spenden. Diese Opfergabe war auch ein viel beworbenes Thema der Bildpropaganda. Auf einer von Achille Beltrame gestalteten Titelseite des »Domenica del Corriere« vom 22. Dezember 1935 erschien sie als nahezu entpersonalisiert – eine im Vergleich zu anderen figurenreichen Darstellungen Beltrames und weiterer Illustratoren untypische Interpretation des Themas. Der Fokus liegt somit auf dem Akt der Ringspende. Eine vom Bildrand hereinreichende weibliche Hand ist im Begriff einen zwischen Zeigefinger und Daumen gehaltenen Ehering in einen umgekehrten Soldatenhelm fallen zu lassen, der schon mit anderen Ringen bis zum Rand gefüllt ist. Im Hintergrund ist der Altare della Patria in Rom zu sehen, vor dem die öffentliche Spendenzeremonie, die von ähnlichen Feierlichkeiten in anderen italienischen Städten flankiert wurde, stattfand.98 Indem die Propaganda den Auftrag an die weibliche Bevölkerung herantrug, mit ihrer Spende die militärischen Ziele des Regimes zu unterstützen, kam ihr eine neuartig militante Rolle zu. Allerdings wurden die Italienerinnen allein in ihrer Funktion als Ehefrauen, Mütter und Witwen angesprochen.99 Somit stand auch diese Aktion letztlich im Zeichen eines traditionellen Frauenbildes.100 Das weitere militärische Engagement Italiens in Äthiopien und im Zweiten Weltkrieg blieb für die vom Faschismus verfochtenen Geschlechterrollen nicht folgenlos. Denn mit dem Kriegseintritt Italiens 1940 veränderte sich auch der Arbeitsmarkt: Frauen wurden nun abermals massenhaft in die Lohnarbeit gedrängt, um die weggefallenen männlichen Arbeiter zu ersetzen.101 Auf den Propagandaplakaten aus der Zeit der Repubblica Sociale Italiana zwischen September 1943 und April 1945 wird diesem Aspekt jedoch kaum Rechnung getragen. Der 97 98 99 100 101
Vgl. Terhoeven, Liebespfand fürs Vaterland. Ebd., S. 178. Ebd., S. 314. Willson, Italy, S. 22. De Grazia, How fascism ruled women, S. 177.
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Abb. 61: »Hauswirtschaftslehre«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 104, Italien 1932.
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schon vorher latente Spagat zwischen öffentlicher politischer Militanz für das Regime und häuslicher Mutterrolle, schlug in den letzten Kriegsjahren deutlich zugunsten von ersterem Pol aus.102 Nach dem Fall des Regimes und der Gründung der RSI als einem norditalienischen Marionettenstaat unter NS-deutscher Führung nahm der propagandistische Wert der klassischen Mutterrolle deutlich ab. Stattdessen wurde in der Propaganda der RSI, wie Maria Fraddosio herausgestellt hat, ein neues Modell für Frauen lanciert: das der weiblichen Soldatin (donna milite). Darin seien einige Züge des schon vorher existenten Typus der ›militanten Bürgerin‹ (cittadina militante) aufgegangen.103 Auf einem anonymen und im Vergleich zu den Exemplaren aus der Zeit vor Kriegsausbruch stilistisch weniger raffinierten Plakat wird für die weiblichen Hilfsdienste (Sevizi Ausiliari Femminili, SAF) geworben, weshalb von einem Entstehungszeitpunkt um 1944 auszugehen ist (Abb. 62, S. 228). Im April dieses Jahres institutionalisierte der Parteisekretär Alessandro Pavolini per Dekret eine Freiwilligenorganisation für Frauen für die Dauer des Krieges. Die zwischen 18- und 35-jährigen Mitglieder mussten eine 40tägige Ausbildung durchlaufen, bevor sie in den Hilfsdiensten beispielsweise als Krankenschwestern, Sekretärinnen, Buchhalterinnen, Stenografistinnen oder Telefonistinnen zum Einsatz kamen.104 Bis zu ihrer Auflösung erreichte die Mitgliederzahl der SAF und anderer weiblicher Einheiten an die 4.500 Frauen.105 Drei Angehörige der Servizi Ausiliari Femminili sind auf dem Plakat im Brustbild zu sehen, die zwei äußeren in der olivgrünen Uniform und dem Barrett der Hilfsdienste sowie die mittlere in der blau-weißen Tracht und der Haube der ebenfalls zur Organisation gehörigen freiwilligen Krankenschwestern. In deutlich kleinerem Maßstab ist ein Kriegsschauplatz in das untere Bilddrittel verlegt. Neben den sechs in Kampfhandlungen engagierten bewaffneten männlichen Soldaten verweist der orangerote Hintergrund auf das Kriegsgeschehen. Wie das Bild veranschaulicht, waren die in die SAF eingeschriebenen Frauen vom Waffengebrauch ausgeschlossen.106 Auch die von ihnen verrichteten Tätigkeiten als Pflegepersonal und Sekretärinnen schlossen an bereits zuvor vom Faschismus vertretene Rollenbilder weiblicher Arbeit an. Nichtsdestotrotz versah sie allein die Uniformierung mit traditionell als männlich angesehenen Eigenschaften, wie Standhaftigkeit und Mut, und wich damit radikal von einem um Heim und Herd kreisenden Frauenbild ab.107 102 Fraddosio, The Fallen Hero, S. 101. 103 Ebd. 104 Roberta Vescovi, The Fascist Militarised Women of the RSI, in: Gigiola Gori/Susan J. Bandy/ Annette R. Hofmann/Arnd Krüger (Hg.), Gender, body and sport in historical and transnational perspectives, Hamburg 2008, S. 35–56, hier S. 44. 105 Fraddosio, The Fallen Hero, S. 100. 106 Ebd., S. 99. 107 Ebd., S. 108.
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Abb. 62: »Hilfsdienste«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1943–45.
Die zuvor so prominente Mutterrolle von Frauen in der Propaganda verschwand jedoch auch während der RSI nicht komplett, nahm aber eine deutliche semantische Wendung. Nicht junge Mütter wurden fokussiert und zu mehr Geburten aufgerufen. Stattdessen standen ältere Frauen im Vordergrund, deren Söhne als Soldaten in den Krieg zogen. So wurde in der Bildpropaganda vielfach die Verabschiedungssituation zwischen Mutter und Sohn dargestellt, bevor letzterer an die Front aufbrach. Dies geschah meist in Verbindung mit moralisierten Botschaften, die das militärische Engagement des Nachkommens scheinbar rechtfertigten. So zeigt ein weiteres kompositorisch eher simples Plakat von einem unbekannten Autor Mutter und Sohn im Brustbild in inniger Umarmung (Abb. 63, S. 229). Die bereits ergraute Frau auf der rechten Seite hat die Augen geschlossen und ihre Arme um ihren etwas tiefer angesiedelten Spross gelegt. Der Sohn im Profil in der Uniform eines Bersagliere, eines Scharfschützen
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Abb. 63: »Sohn, lieber tot als ein Verräter«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1943–45.
der republikanischen Nationalarmee (Esercito Nazionale Repubblicano), schaut zu ihr auf. Der Mutter werden in der Unterschrift die Worte in den Mund gelegt: »Sohn, lieber tot als ein Verräter« – wodurch seiner eventuellen Desertion vorgebeugt werden soll. In anderen Situationen, wie auf einem Plakat von Dante Coscia von 1944, heißt es »Ein Kuss für die Mama und los« (»Un bacio alla mamma e via«). Der Fakt, dass viele der Söhne entweder verwundet oder überhaupt nicht mehr aus dem Krieg zurückkehrten, konnte jedoch auch in der Bildpropaganda nicht ignoriert werden. So erscheint auf einem weiteren anonymen Plakat von 1943 eine Frauenfigur ganz in Schwarz in einer durch Kreuze markierten Friedhofsszenerie kniend. Die vor das Gesicht geschlagenen Hände veranschaulichen ihre Trauer. Im abermals orangeroten Hintergrund ist eine männliche Person in der Uniform des Afrikafeldzuges mit Tropenhelm und umgehängtem Tornister zu
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sehen, die mit der linken Hand ein Bajonett vor sich hält. In größerem Maßstab als die weibliche Figur erscheint der Soldat als eine Art Vision. Den rechten Arm hat er offenbar verloren – der Ärmel ist, wie bei Verwundeten üblich, zusammengefaltet angenäht. Die Überschrift »Vergesst nicht unser Opfer!« richtet sich im Zusammenhang mit der trauernden Frau explizit an Mütter verwundeter oder gefallener Soldaten, deren Leid durch den als nicht unnötig präsentierten Tod ihrer Söhne versucht wird, zu mildern. Ebenso wenig wie das faschistische Regime versäumte es das peronistische Regime in Argentinien, die weibliche Bevölkerung in verschiedenen Organisationen politisch zu mobilisieren. Zu diesem Zweck wurde 1949 der weibliche Flügel der Peronistischen Partei, der Partido Peronista Femenino (PPF), aus der Taufe gehoben.108 Während andere Parteien in Argentinien, wie die Sozialisten, schon früher Frauen in ihre Reihen aufgenommen hatten, schufen die Peronisten in Anlehnung an europäische Vorbilder, wie den italienischen Faschismus und den Franquismus, einen separaten weiblichen Zweig.109 Unter Eva Perjns Führung stieg die Mitgliederzahl bis 1952 auf eine halbe Million an, die sich in lokalen Gruppen (Unidades b#sicas) organisierten. Trotz des so erreichten Engagements von Teilen der weiblichen Bevölkerung wurde die politische Sphäre als ausgesprochen männlich konzipiert.110 So befand Eva Perjn in »La razjn de mi vida« für alle argentinischen Frauen zu sprechend: »Wir wurden geboren, um Haushalte zu gründen. Nicht für die Straße«111 und »eine Frauenbewegung, die der Frau gut tun will, sollte nicht danach streben, sie in Männer zu verwandeln, [ihr erstes Ziel] sollte der Haushalt sein.«112 Die Politisierung der weiblichen Bevölkerung Argentiniens konfligierte in der Sicht des Regimes jedoch insofern nicht mit ihrer Beschränkung auf die häusliche Sphäre, als sie dort als dessen Sprachrohr fungieren sollte. Außerdem waren sie mit der zentralen Aufgabe, die in der Erziehung »des Bürgers von Morgen«113 lag, betraut.114 Wie die Fasci Femminili und die Opera per la Maternit/ e l’Infanzia im faschistischen Italien engagierten sich auch der weibliche Parteizweig der Peronistischen Partei und die Fundacijn Eva Perjn hauptsächlich im Bereich der Wohlfahrt und Sozialfürsorge.115 In der visuellen Propaganda des peronistischen Regimes werden die im PPF und der FEP engagierten Frauen hauptsächlich bei der Verrichtung von 108 109 110 111 112
Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 174. Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 134f. Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 174f. Perjn, La razjn de mi vida, S. 202: »Nacimos para constituir hogares. No para la calle.« Ebd., S. 201: »[U]n movimiento femenino que quiera hacer bien a la mujer… que no aspire a cambiarlas en hombres, [el primer objetivo] debe ser el hogar.« 113 Perjn, Discursos completos, Bd. 1, S. 58. 114 Gen8, Un mundo feliz, S. 131. 115 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 175.
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karitativen Aufgaben und in Pflegeberufen präsentiert. So zeigt eine Fotografie in dem Bildband »Argentina en Marcha« von 1950 zwei junge Frauen, die in einem offenen Wagen fahren (Abb. 64).
Abb. 64: »Die Krankenschwestern der Eva-Perjn-Stiftung…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 101, Argentinien 1950.
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Der Jeep trägt unter der Windschutzscheibe die Aufschrift »Fundacijn Ayuda Social Mar&a Eva Duarte de Perjn – Schule für Krankenschwestern« und verweist auf den ursprünglich längeren Namen der Stiftung vor ihrer Umbenennung in FEP. Die Frauen tragen Uniformen und Hüte und sind mit weißen Handschuhen und Lippenstift zurechtgemacht. Im Zusammenhang mit der Schrift sind sie als Mitglieder der von der Stiftung geleiteten Krankenschwesterschule zu identifizieren. Der Hintergrund offenbart eine am Straßenrand stehende Menschenmenge, die die Szene als einen der während des Peronismus so häufigen Umzüge oder Paraden ausweist. Im beigefügten Text wird neben der Ausbildung der Frauen zum Pflegeberuf weiterhin darauf abgehoben, dass die Krankenschwestern zum Steuern »modernster Vehikel« befähigt würden, mit denen sie nicht nur die Straßen der Hauptstadt, sondern die des ganzen Landes beführen. Wie den Angehörigen der weiblichen Hilfsdienste während der Repubblica Sociale Italiana verleiht das Tragen einer Uniform und Bataillon-ähnliche Auftreten auch den Krankenschwestern der FEP – wenn auch zu Friedenszeiten – ungekannte maskuline Züge.116 Zwar wird die weibliche Bevölkerung als in der öffentlichen Sphäre so präsent und mobil wie nie zuvor dargestellt. Dies ist aber nur in wenigen – mit mütterlichen Attributen in Verbindung gebrachten – Rollen zulässig. Im Unterschied zum faschistischen Italien war das Frauenwahlrecht, das in Argentinien im September 1947 verabschiedet wurde, ein Meilenstein der politischen Inklusion der weiblichen Bevölkerung. Eva Perjn hatte die Kampagne für das Frauenwahlrecht zu ihrem persönlichen Anliegen erklärt und sich als Vorkämpferin aller Argentinierinnen in Szene gesetzt.117 Die schließliche Verabschiedung der Reform wurde jedoch von einem äußerst paternalistischem Gestus begleitet und in einer öffentlichen Zeremonie zum persönlichen Geschenk Perjns an seine Frau stilisiert. Dadurch verprellte das Regime nicht wenige, größtenteils aus der Oberschicht stammende, Mitglieder der traditionellen Frauenbewegung, die sich um die Früchte ihrer langjährigen Arbeit betrogen fühlten. Bezeichnenderweise blieb das Verhältnis der primera dama zu Feministinnenkreisen unterkühlt.118 Auch wenn sich der weiblichen Bevölkerung Argentiniens damit ungekannte politische Partizipationsmöglichkeiten eröffneten und das Regime die Maßnahme als persönliche Errungenschaft Evas präsentierte, wurden die Grenzen des traditionellen Rollenbildes dabei nicht in Frage gestellt. Denn die von der Präsidentengattin vorgelebte, zumindest verbale, Unterordnung unter ihren Ehemann wurde auch von der weiblichen Bevölkerung erwartet. Wie Eva sollten auch alle anderen Argentinierinnen das 116 Gen8, Un mundo feliz, S. 136f. 117 Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 127. 118 Potthast, Madres, obreras, amantes, S. 270f.
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neue Recht einzig in den Dienst von Perjns »misijn extraordinaria« stellen.119 Tatsächlich wurde der Wahlerfolg Perjns 1951 nicht unwesentlich auf die nun stimmberechtigte weibliche Wählerschaft zurückgeführt.120 In der visuellen Propaganda des Regimes fand die Errungenschaft im Gegensatz zur in diesem Medium dominanten Mutterrolle oder dem Engagement der Argentinierinnen in als typisch weiblich erachteten Berufen jedoch erstaunlich wenig Niederschlag. Dabei tat sich eine Diskrepanz zu anderen schriftbasierten propagandistischen Medien oder dem Radio auf, in denen das Wahlrecht vor seiner Einführung durchaus beworben worden war.121 Auf den 800 Seiten des bereits erwähnten Bildbandes »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana«, in dem die Erfolge des Regimes zusammengefasst wurden, sucht man jedoch vergeblich nach einer Sektion über den voto femenino. Stattdessen tauchen hier Frauen vor allem als Mütter und im häuslichen Rahmen auf. Eine der wenigen Ausnahmen bildet in diesem Zusammenhang eine undatierte Broschüre mit dem Titel »Argentiniens Frauen«. Die Illustration zeigt eine modern gekleidete Frau als Dreiviertelfigur (Abb. 65, S. 234). Sie steht hinter einer Wahlurne und hält einen Wahlzettel in der Hand, den sie im Begriff ist, abzugeben. Unterhalb der Figur und zu ihrer Linken finden sich allerlei Attribute, die verschiedene argentinische Wirtschafts- und Kulturzweige repräsentieren: ein riesenhaftes Kornbündel und ein Rind, die für die Landwirtschaft stehen; ein rauchender Fabrikschlot sowie ein Förderturm für Bodenschätze versinnbildlichen die Industrie. Ferner sind ein Mikroskop und Reagenzgläser als Metapher für die Wissenschaft auszumachen. Zuunterst liegen ein aufgeschlagenes Buch, eine Malerpalette, ein Pinsel und eine Geige, die die Künste symbolisieren. Die wahlberechtigte Frau wird also in den Kontext weiterer vielfältiger moderner Errungenschaften, die sich das Regime auf seine Fahnen schrieb, eingeordnet. Abgesehen von dieser und einigen wenigen anderen bildlichen Repräsentationen des Frauenwahlrechts lag der Fokus der visuellen Propaganda jedoch auf anderen Rollenbildern für die weibliche Bevölkerung. Letztlich eröffneten die faschistischen und peronistischen Frauenorganisationen der weiblichen Bevölkerung in Italien und Argentinien zwar neue Einsatzgebiete und verhalfen ihnen – maßgeblich durch die visuelle Propaganda – zu einem ungekannten Maß an öffentlicher Sichtbarkeit. Wie die Propagandabilder veranschaulichten, spielten sich die Aktionen der faschistischen Fasci femminili, des weiblichen Flügels der Peronistischen Partei und der Fundacijn Eva Perjn mit der Wohlfahrt und der Krankenpflege jedoch im Rahmen von traditionellen Konzeptionen weiblicher Arbeit ab. Zu Kriegszeiten und insbe119 Gen8, Un mundo feliz, S. 131. 120 Gramm#tico, Populist Continuities in »Revolutionary« Peronism?, S. 123. 121 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 172.
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Abb. 65: »Argentiniens Frauen« (Broschüre), Argentinien ohne Datum.
sondere während der RSI erfuhr das faschistische Frauenbild zwar einige Wendungen und man appellierte im Medium der Bildpropaganda nun vielmehr an die öffentliche Militanz für die militärischen Ziele des Regimes. Dies schloss auch maskulinere Erscheinungsformen in Uniformen, etwa der faschistischen Hilfsdienste, mit ein. Die Mutterrolle blieb jedoch weiterhin virulent; der Fokus der Propagandabotschaften wurde nun jedoch auf die Opferbereitschaft von Müttern eingezogener Soldaten verlegt. In der peronistischen Bildpropaganda fanden die erheblich weitergehenden Reformen für die weibliche Bevölkerung, wie ganz zentral das Frauenwahlrecht, kaum Widerhall. Stattdessen wurde auf Propagandaplakaten und -illustrationen, die ebenso um die Mutterrolle in den häuslichen vier Wänden kreisten, ein
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ähnlich reaktionäres Frauenbild wie im faschistischen Italien gezeichnet. Während die politische Gleichberechtigung der Frau in anderen propagandistischen Medien, wie in Schriftform oder Audiobotschaften, in Argentinien durchaus beworben wurde, klaffte gerade bei visuellen Darstellungen eine Leerstelle. Die nun wahlberechtigte Frau wurde in der Bildpropaganda explizit nicht als Rollenbild konstruiert.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«: Jugend, Arbeit und Berufsbildung
Nicht nur die bisher behandelte erwachsene Bevölkerung, auch Kinder und Jugendliche stellten eine gesonderte Zielgruppe der Propaganda im italienischen Faschismus und im Peronismus dar. Als »sichere Hoffnung für ein größeres Vaterland«1 oder »Morgenröte des Lebens«2 wandte sich Mussolini an die »neuen Generationen«.3 Der Faschismus, der sich selbst als revolutionäres und junges Phänomen definierte und mit zwischen 30- und 40-jährigen Führungspersonen de facto zur Verjüngung der politischen Klasse in Italien geführt hatte, initiierte einen ausgesprochenen Jugendkult, für den exemplarisch die Parteihymne »Giovinezza« (»Jugend«) stand. Im Zuge der Neuordnung der Gesellschaft nach korporativen Leitlinien maß das faschistische Regime als erste italienische Nationalregierung der Erziehung der jüngeren Generationen zentrale Wichtigkeit bei.4 Wie an dem eingangs angeführten Zitat Mussolinis ersichtlich, wurde an deren erfolgreiche Indoktrination sowie die Formung »neuer Italiener« von Kindesbeinen an nicht zuletzt die Langlebigkeit des Regimes selbst gekoppelt.5 Auf ähnliche Weise erklärte Perjn: »Die Völker, die ihre Kinder vergessen, geben ihre Zukunft auf.«6 Seine Frau pflichtete ihm bei, indem sie eine konkrete politische Aufgabe an die Jugendlichen herantrug: »Die Kinder werden unsere Kämpfe für eine bessere Gesellschaft und ein größeres Vaterland fortsetzen.«7
1 Mussolini, Opera omnia, Bd. 22, S. 308: »[L]e nuove generazioni, sicura speranza della patria piF grande!« 2 Vgl. Postkarte, Italien 1937: »Voi siete l’aurora della vita. Voi siete la speranza della patria. Voi siete soppratutto l’esercito di domani« . 3 Ebd.: »[L]e nuove generazioni, sicura speranza della patria piF grande!« 4 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 167, 180; Suzzi Valli, Jugendfeiern im faschistischen Italien, S. 114. 5 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 262. 6 Motto der Zeitschrift »Mundo Infantil«: »Los pueblos que olvidan a sus niÇos, renuncian a su porvenir.« 7 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Ciudad Infantil »Amanda
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Laut Sandra Carli hatte sich Perjn bei seinem Italienaufenthalt Ende der 1930er Jahre von den faschistischen Mechanismen des Zugriffs auf die jungen Generationen besonders beeindruckt gezeigt.8 In seiner Regierungspolitik räumte denn auch der argentinische Präsident Kindern und Jugendlichen einen gesonderten Platz ein. In zahlreichen Propagandabotschaften wandten sich Perjn und seine Frau direkt an sie und erklärten sie wiederholt zu den »einzigen Privilegierten« innerhalb der ansonsten angeblich klassenlosen Gesellschaft. Im Anschluss an eine schon in den 1930er Jahren in nationalistischen Kreisen praktizierte generationelle Rhetorik befand auch der argentinische Regierungschef, Kinder und Jugendliche sollten die Zukunft des peronistischen Projektes sichern.9 Um sich die Anhängerschaft der jungen Generationen zu sichern, griffen beide Regime – jenseits des in der Propaganda im Allgemeinen angelegten gesamtgesellschaftlichen Erziehungsanspruchs – auf klassische Bildungsinstitutionen zu und reformierten Lehrpläne und -materialien. Da sie aber auch gerade außerschulischen erzieherischen Aktionen besondere Effektivität beimaßen, verfolgten sie zusätzlich innovative pädagogische Ansätze und gründeten neue Einrichtungen wie Jugendorganisationen.10 Vor dem Hintergrund der von beiden Regimen angestrebten korporativen Gesellschaftsordnung stellt sich die Frage, inwiefern die Vorstöße des Faschismus und des Peronismus auf bildungspolitischem Gebiet mit dem ansonsten in der Regierungspropaganda allgegenwärtigen Thema der Arbeit verknüpft wurden. In welcher Weise fand es Eingang in den Schulunterricht und die Inhalte anderer Bildungsinstanzen? Stellte der Arbeiter die Figur des »neuen Italieners« bzw. »neuen Argentiniers« dar, zu dem die Jugend erzogen werden sollte? Oder herrschten andere Modelle vor? Vor dem Hintergrund des militärischen Expansionsstrebens des faschistischen Italien wird in diesem Kapitel argumentiert, dass sich daraus auch Konsequenzen für die für die männliche Jugend konstruierten Rollenbilder ergaben. Das peronistische Argentinien hingegen, das keine außenpolitischen militärischen Konflikte zu verzeichnen hatte, visierte, wie demostriert wird, im Kontext seines Industrialisierungsprojektes in seiner visuellen Propaganda vom faschistischen Italien abweichende Modelle für die jüngeren Generationen an. Nach einer Einführung in propagandistische Repräsentationen der Jugend als neue politische Subjekte unter beiden Regimen (7.1) wird visuelles PropaganAllen«. Fundacijn Eva Perjn, Buenos Aires 1950 »[L]a niÇez ser# continuadora de nuestras luchas por una sociedad mejor y una Patria m#s grande […].« 8 Sandra Carli, NiÇez, pedagog&a y pol&tica. Transformaciones de los discursos acerca de la infancia en la historia de la educacijn argentina entre 1880 y 1955, Madrid 2002, S. 260. 9 Ebd., S. 261, 306–307, 316. 10 Colotta/Cucuzza/Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo, S. 332.
Kinder und Jugendliche als neue politische Subjekte
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damaterial, das sich entweder an Kinder und Jugendliche richtete oder pädagogische Fragen behandelte, auf diese Fragen hin untersucht. Zum einen werden dabei Illustrationen in Schulbüchern in Betracht gezogen (7.2): Sowohl im faschistischen Italien als auch im peronistischen Argentinien stellten die staatliche Kontrolle der bestehenden und die Erstellung neuer Lehrmaterialien, vor allem im Primarschulbereich, einen zentralen Punkt der jeweiligen Bildungsreform dar. Im argentinischen Fall zog der Peronismus bereits zeitgenössisch gerade aufgrund der Politisierung der Lehrinhalte den Vorwurf der politischen Opposition auf sich, ein faschistisches oder zumindest autoritäres Regime zu sein.11 Zum anderen liegt der Fokus auf Propagandapublikationen und -illustrationen aus dem Kontext der staatlichen Berufsbildung (7.3) als einem Bereich, in dem die Verknüpfung von wirtschafts- und bildungspolitischen Zielen besonders deutlich zur Geltung kam. Vor dem Hintergrund der Neubewertung manueller Arbeit verfolgten beide Regime verschiedene Reformansätze auf dem bis dato kaum existenten bzw. relativ disparaten Markt beruflicher und technischer Ausbildung. Für den Peronismus hat die Forschung vorgebracht, dass gerade in der Neuordnung des Berufsbildungssystems eine seiner größten bildungspolitischen Innovationen bestand.12
7.1
Kinder und Jugendliche als neue politische Subjekte
Eine überaus wichtige Rolle in der Bildpropaganda des faschistischen Italien spielte die Opera Nazionale Balilla (ONB). Die Jugendorganisation wurde im Rahmen des »totalitären Erziehungsanspruch[s]«13 des Regimes 1926 ins Leben gerufen und erfasste Kinder und Jugendliche von sechs bis 18 Jahren in nach Geschlechtern getrennten Einheiten.14 Auch international zog die faschistische Jugendorganisation Aufmerksamkeit auf sich.15 Die in der Schule begonnene Charakterbildung des zu schaffenden »neuen Italieners« sollte in der Sicht der Faschisten durch Aufmärsche, sportliche Wettkämpfe und andere die Gemeinschaftserfahrung betonende vormilitärische Übungen vervollständigt werden. Außerdem veranstaltete die ONB Ferienlager und Wohlfahrtsprogramme für Kinder und Jugendliche und realisierte den Bau von zahlreichen Schulen, Ju11 Ebd. 12 Dussel/Pineau, De cuando la clase obrera entrj al para&so, S. 161. 13 Jürgen Charnitzky, Unterricht und Erziehung im faschistischen Italien. Von der Reform Gentile zur Carta della Scuola, in: : Wolfgang Schieder/Jens Petersen (Hg.), Faschismus und Gesellschaft in Italien. Staat – Wirtschaft – Kultur, Köln 1998, S. 109–132, hier S. 109f. 14 Suzzi Valli, Jugendfeiern im faschistischen Italien, S. 115. 15 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 264.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
gendherbergen und Sportstätten in ganz Italien.16 Wichtige Stationen der Organisation waren ihre Unterstellung unter das Erziehungsministerium 1929 sowie die Einigung mit der Kirche in den Lateranverträgen im selben Jahr. Dadurch erhielt die ONB abgesehen von wenigen Ausnahmen nahezu eine Monopolstellung unter den Jugendorganisationen sowie die alleinige Zuständigkeit für den Sportunterricht an Schulen.17 Mit der Gründung der GioventF Italiana del Littorio (GIL) als Dachorganisation 1937 wurden weitere Überschneidungen von Zuständigkeiten ausgeräumt und nunmehr sämtliche Kinderund Jugendorganisationen unter die Kontrolle der faschistischen Partei gebracht. Zwar war die Mitgliedschaft in den einzelnen Sektionen der GIL bis zuletzt nie verpflichtend. Den Mitgliedern gewährte Vergünstigungen sowie hoher sozialer Druck führten jedoch bis 1936 zu Einschreibequoten von 75 % unter Jungen und 59 % unter Mädchen im Alter von acht bis 18 Jahren. Außerdem stellte das Durchlaufen der einzelnen Altersstufen der Jugendorganisation mit der 1930 eingeführten letzten Etappe der Mitgliedschaft in den Fasci Giovanili di Combattimento von 18 bis 21 Jahren zeitweise die einzige Möglichkeit dar, der faschistischen Partei beizutreten.18 1927 wurde die sogenannte Leva fascista als Übergangsritual von einer Sektion in die nächste, das idealerweise in der Aufnahme in den PNF kulminierte, institutionalisiert.19 Von einer halben Million im Jahr der Gründung der ONB 1926 stiegen die Mitgliederzahlen bis 1942 auf fast neun Millionen an.20 In bebilderten Publikationen der faschistischen Propaganda wurde zumeist auf die sportlichen und vormilitärischen Übungen der faschistischen Jugendorganisation abgehoben, so zum Beispiel in dem fotografischen Bildband »L’Italia fascista in cammino« von 1932. Der Zugriff des Regimes auf die Jugend und das Bildungssystem wurden hier als vermeintlichen Errungenschaften neben sozialpolitischen und infrastrukturellen Maßnahmen mit rund 50 von 200 Seiten sehr viel Platz eingeräumt.21 Auf einer Seite werden die in zwei Bildfeldern gezeigten Jugendlichen durch den Sportanzug der ONB, bestehend aus schwarzer kurzer Hose und weißem kurzärmeligen Oberteil, als Mitglieder der Balilla ausgewiesen (Abb. 66, S. 241). Darauf ist neben der Schule ihrer Herkunft (in diesem Fall unter anderem das Istituto San Lorenzo in Aversa bei Neapel 16 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 176; dies., Propaganda and Youth, in: R. J. B. Bosworth (Hg.), The Oxford handbook of fascism, Oxford, New York 2009, S. 185–202, hier S. 193; Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 275. 17 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 170f. 18 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 279, 298, 314. 19 Suzzi Valli, Jugendfeiern im faschistischen Italien, S. 117. 20 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 177. 21 Vgl. Istituto nazionale LUCE, L’Italia fascista in cammino 1932.
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Abb. 66: »Paradeschritt und gymnastische Wettkämpfe«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 75, Italien 1932.
sowie eine weitere Institution in Livorno), auch noch mittig ein Fascio littorio appliziert. Im oberen Abschnitt sieht man acht marschierende Jungen in leichter Untersicht im Vordergrund, die das Bildfeld von links nach rechts durchschreiten. Hinter ihnen sind weitere Reihen von Kindern auszumachen. Mit energischer Mimik und Körperhaltung üben sie einen Paradeschritt ein und
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haben im Moment der Aufnahme jeweils das rechte Knie auf nahezu Hüfthöhe angehoben. Die Arme schwingen sie mit geballten Fäusten entgegengesetzt zur Schrittstellung. Im unteren Bildfeld sind aus der Obersicht und weiterer Entfernung gleichaltrige Jungen wiederum in der Sportkleidung der Balilla, nur in diesem Fall noch mit weißer Kopfbedeckung, ausgebreiteten Armen und vorangestelltem linken Fuß abgebildet. Die Anzahl der jugendlichen Sportler in synchroner Haltung setzt sich in den Hintergrund schier endlos fort. Im oberen Bildviertel gibt es einen horizontalen Einschnitt, wobei unklar ist, ob hier mit einer Montage aus zwei Fotografien gearbeitet wurde, um den Eindruck der Masse zu vergrößern oder die Linie der Beschaffenheit des Geländes geschuldet ist. In beiden Bildfeldern dominiert der Eindruck von Synchronität der Bewegungen und Homogenität der sich ertüchtigenden Jugendlichen. Auch in grafischen Repräsentationen der Jugendorganisationen wurden hauptsächlich Einheit und Gleichförmigkeit betont (Abb. 67, S. 244). Auf einem von Albino Siviero (genannt Veross') gestalteten Titelblatt der Zeitschrift »Opera Balilla« von 1934 sind zwei Dreiergruppen von männlichen Jugendlichen in zwei durch eine vertikale rote Linie getrennten Abschnitten zu erkennen. In stark abstrahiertem Stil und schwarz-blau-roter Farbigkeit vor weißem Hintergrund sind die Jugendlichen jeweils mit einem nach rechts weisenden Dreieck hinterlegt, das mit der Richtung der gleichschrittigen Marschbewegung der Angehörigen der Balilla übereinstimmt und die Dynamik der Komposition unterstützt. Veross' war ein Vertreter der futuristischen Aeropittura, für die vereinfachte und geometrisierte Formen sowie die dynamische Darstellung von Bewegung als typisch gelten: Die zwei Dreiergruppen von Jugendlichen erscheinen eher als »Marionetten« aus Holz denn als menschliche Wesen, wobei ihre vorangestellten Beine als Initiale Mussolinis gelesen werden können.22 Während die Kopfbedeckung der Jungen in der vorderen Reihe nicht zu erkennen ist, ist bei den hinteren etwas größer dargestellten eine feluca, der spitz zulaufende Hut italienischer Studentengruppen, angedeutet, was sie möglicherweise als Angehörige der Gruppi Universitari Fascisti (GUF) ausweist. Anlass der Illustration ist das Gedenken an den 28. Oktober 1922, den Marsch auf Rom, wobei die schreitende Bewegung der Jugendlichen den Gründungsmythos der faschistischen Herrschaft nachvollzieht. An der Darstellungsweise, die jegliche Individualität der Mitglieder negiert, lässt sich der zunehmend militärische Charakter, den die Ausbildung der Jugendlichen im Lauf der 1930er Jahre annahm, ablesen. Darauf hingewiesen hatte bereits die Umbenennung der ONB in Milizia Avanguardia e Balilla 1927.23 Ende 1934 wurde militärisches Training für 22 Gianni Franzone, Balilla, in: Hans-Jörg Czech/Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945, Dresden 2007, S. 120, hier S. 120. 23 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 265, 270.
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die männliche Bevölkerung ab 18 Jahren obligatorisch, Jungen ab 14 Jahren wurden bereits einem speziellen Sportprogramm unterworfen. Mit dem Äthiopienkrieg, in dessen Verlauf vermehrt auch Offiziere als Ausbildungspersonal der ONB gewonnen wurden, verwischten sich zunehmend die Grenzen zwischen sportlichem und militärischem Training der Jugendlichen.24 Schließlich kam die Militarisierung der faschistischen Jugendorganisationen im Motto der 1937 gegründeten Dachorganisation GIL »Credere, obbedire, combattere« (»Glauben, gehorchen, kämpfen«) vollends zum Ausdruck.25 Nach dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 stellte die GIL ausgewählte Brigaden, die aus Jugendlichen bestanden und noch zu jung waren, dem italienischen Militär beizutreten. Diese sogenannten Battaglioni Giovani Fascisti wurden 1941 zum Kampfeinsatz vor allem nach Nordafrika gesandt.26 Das peronistische Regime identifizierte Kinder im Rahmen seiner Sozialreformen als separate Adressaten. So wurden 1949 zusammen mit den »Rechten des Arbeiters« auch die »Rechte des Kindes« in die reformierte Verfassung aufgenommen. Im öffentlichen Leben erlangten sie eine deutlich erhöhte Sichtbarkeit, wurden in pompösen Zeremonien vom Präsidentenpaar mit Spielzeug oder anderen Geschenken bedacht und nahmen an zahlreichen Paraden, Exkursionen und sportlichen Veranstaltungen teil.27 Sinnbild für die neue Prominenz von Kindern im Rahmen des politischen Projektes des Peronismus waren beispielsweise Zeitschriften, wie die ab 1949 wöchentlich erscheinende »Mundo Infantil«, die sich an ein vorrangig kindliches Publikum richteten. Neben Märchen und Bildergeschichten, die oft um historische Persönlichkeiten, wie den Unabhängigkeitskämpfer Jos8 de San Mart&n kreisten, waren hier vor allem sportliche Veranstaltungen sowie vom Regime vergebene sozialpolitische Leistungen Thema, die die argentinischen Kinder angeblich zu »glücklichen Kindern« (»niÇos felices«28) machten. Was die Gestaltung der Titelblätter angeht, überwogen bei dieser Zeitschrift kolorierte Fotografien von Sportturnieren für Kinder. Vielfach treten auf den Covers von »Mundo Infantil« auch Schulkinder zusammen mit nationalen Symbolen auf, die das peronistische Regime für sein politisches Projekt in Anspruch nahm.29 So sind auf der Mai-Ausgabe von 1950 vier Jungen in weißen Kitteln, der in Argentinien typischen als guardapolvo bezeichneten Schuluniform, vor der sogenannten Pir#mide de Mayo abgebildet. Das Monument auf der Plaza de Mayo vor dem Regierungsgebäude 24 25 26 27 28
Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 189ff. Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 298. Dogliani, Propaganda and Youth, S. 191. Carli, NiÇez, pedagog&a y pol&tica, S. 301; Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 99. Vgl. Mar&a Alicia Dom&nguez, NiÇos felices. Libro de Lectura para el Primer Grado Superior, Buenos Aires 1955. 29 Mjnica Esti Rein, Politics and education in Argentina, 1946–1962, Armonk 1998, S. 68.
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Abb. 67: Albino Siviero (genannt Veross'), »28. Oktober«, Titelblatt Balilla (Zeitschrift), Italien 1934.
Casa Rosada in Buenos Aires erinnert an die Mai-Revolution am 25. Mai 1810, die sechs Jahre später die Unabhängigkeit der Vereinigten Provinzen R&o de la Plata von Spanien nach sich zog und in der Folge als Nationalfeiertag begangen wurde. Das Titelblatt des Folgemonats zeigt eine Gruppe ebenso uniformierter Schulkinder, unter ihnen diesmal auch einige Mädchen (Abb. 68, S. 245). Während vier im Vordergrund mit dem Hissen der argentinischen Nationalflagge beschäftigt sind – einem bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts an staatlichen Schulen täglichen Ritual30 – schaut ihnen eine Reihe weiterer Schulkinder im Hintergrund dabei zu. Hinter der flatternden Fahne erhebt sich 30 Vgl. Martha Amuch#stegui, Los rituales patrijticos en la escuela pfflblica, in: Adriana Puiggrjs/Sandra Carli (Hg.), Discursos pedagjgicos e imaginario social en el peronismo, 1945– 1955, Buenos Aires 1995, S. 13–42.
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Abb. 68: Titelblatt Mundo Infantil I, H. 38, Argentinien 1950.
das Monument des Unabhängigkeitskämpfers Jos8 de San Mart&n auf dem gleichnamigen Platz in der argentinischen Hauptstadt. Dieser hatte sich militärisch gegen die Spanier hervorgetan und war nicht nur wesentlich für die Unabhängigkeit Argentiniens, sondern auch der Chiles und Perus verantwortlich. Als historische Persönlichkeit, auf die sich Perjn besonders bezog, richtete das Regime ihm zu Ehren aus Anlass seines 100-jährigen Todestages 1950 ein sogenanntes »Jahr des Befreiers« mit verschiedenen Feierlichkeiten aus.31 In der Zusammenschau der Schulkinder mit für die argentinische Nationalgeschichte zentralen Persönlichkeiten, Monumenten und Symbolen auf den Titelbildern der Kinderzeitschrift offenbart sich ihre Relevanz für das politische Projekt des Peronismus. Dass der Fortbestand des Regimes, der argumentativ an die jüngeren Generationen geknüpft wurde, nicht passiv zu erreichen war, wird durch 31 Rein, Politics and education in Argentina, 1946–1962, S. 74.
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schreitende Bewegung der Jungen zusammen mit der Unterschrift »Die Schüler des neuen Argentinien in Bewegung« (»Los escolares de la Nueva Argentina en marcha«) auf dem ersten Titelblatt angezeigt.32 Ebenso verdeutlicht der symbolische, aber auch physische Akt des Flaggenhissens auf dem zweiten Titelblatt (Abb. 68, S. 245) bildlich den aktiven Einsatz der Jugendlichen für das Vaterland, den das peronistische Regime ihnen abverlangte. Internationale Aufmerksamkeit erregte der Peronismus auf bildungspolitischem Gebiet vor allem mit der 1949 eingeweihten Ciudad Infantil (»Kinderstadt«), einer Einrichtung, die als Internat fungierte und sich an den Nachwuchs aus sozial schwachen Schichten insbesondere aus den Provinzen richtete. Dort erhielten die Kinder neben einer Unterkunft, Kleidung, medizinische Versorgung und Schulunterricht. Zu den Internatsschülern bis zu einem Alter von sieben Jahren kamen noch um die erste Modellinstitution in Buenos Aires ansässige minderbemittelte Kinder hinzu, die die Ciudad Infantil nur tagsüber besuchten. Zusammen mit den Schulheimen (Hogares-escuela) im Landesinneren beherbergten die von der Fundacijn Eva Perjn geleiteten Einrichtungen bis Mitte 1949 rund 23.000 Kinder. Mit Propagandapublikationen, die sich auch an ein internationales Publikum richteten, bewarb das peronistische Regime die Einrichtung als ein auch für andere Länder nachahmenswertes Modell. Und tatsächlich zog die Institution viele internationale Besucher an.33 Auf dem Titelblatt des 1950 von der Subsecretar&a de Informaciones herausgegebenen Bildbandes »Ciudad Infantil« sieht man acht Jungen, die sich mit akkurat gescheiteltem Haar und weißen Hemden über den Rand eines Brunnens oder Wasserbeckens beugen und mit den Händen darin planschen (Abb. 69, S. 247). Alle auf der Fotografie haben freudenstrahlende Gesichter. Im Gegensatz zu den faschistischen Propagandaillustrationen der Balilla in Reih und Glied sind die Bewohner der peronistischen Kinderstadt, aber auch die Schüler auf Titelblättern von »Mundo Infantil« in sehr viel kindlicheren und spielerischen Posen abgebildet. Auf dem Buchcover sind im Hintergrund die architektonischen Strukturen der Kinderstadt im kalifornischen Stil zu erkennen.34 Wie die Folgeseiten der Publikation eröffnen, enthielt die »Ciudad Infantil« neben einem Schulgebäude auch ein Rathaus und andere Elemente einer städtischen Verwaltung im kindgerechten Maßstab. Indem die Bewohner der Miniaturstadt so zu »Bürgern von morgen«35 ausgebildet wurden, suggerierte vor allem Eva Perjn in einer sozial-emanzipatorischen Rhetorik, dass selbst Kinder aus den unteren Schichten – nachdem sie in den Genuss der staatlichen Sozialhilfe gekommen 32 33 34 35
Mundo Infantil II (1950) H. 34. Carli, NiÇez, pedagog&a y pol&tica, S. 298–300, 303. Ballent, Unforgettable Kitsch, S. 153. Perjn, Discursos completos, Bd. 1, S. 58 (Im Radio übertragene Rede Eva Perjns am 26. 02. 1947).
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waren – bis zum Präsidentenamt aufsteigen konnten.36 Denn, wie es in der Propagandapublikation »La Nacijn Argentina. Justa, libre y soberana« von 1950 hieß, die »wahre Demokratie« bestünde darin, dass Arbeiter als »Senatoren und Abgeordnete«, »Gewerkschaftsvertreter«, »Botschafter« und »Minister« am »öffentlichen Dienst« teilnähmen.37
Abb. 69: Titelblatt Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Ciudad Infantil (Bildband), Argentinien 1950.
Ein weiterer thematischer Kontext, in dem Kinder und Jugendliche in der staatlichen Propaganda des peronistischen Argentinien auftauchten, waren die zahlreichen sportlichen Veranstaltungen und Wettkämpfe, wie die nach der primera dama benannten »Campeonatos Evita«. Auch im peronistischen Argentinien erlangte Sport einen hohen Stellenwert, mit dem die schulische Aus-
36 Carli, NiÇez, pedagog&a y pol&tica, S. 302ff. 37 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 182.
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bildung vervollkommnet werden sollte.38 In seinen Reden verband Perjn die Ausübung von Sport offen mit patriotischen Zielen: Für uns […] ist Sport kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um zu einem edlen, erhabenen und patriotischen Ziel zu gelangen: Menschen zu erhalten mit entschlossenen spirituellen Charakteren und auch einem gewissen Maß an physischer Stärke.39
So erscheinen weibliche Jugendliche auf einer Fotografie in dem Bildband »Argentina en marcha« von 1950 aus der Obersicht aufgenommen bei Leibesübungen in einem Stadion (Abb. 70, S. 249). Im Hintergrund sind vollbesetzte Zuschauerränge zu sehen. Die einheitlich mit weißen Blusen und dunklen Röcken bekleideten Mädchen auf dem Sportplatz vollführen eine Choreographie: Dabei stehen jeweils rund 32 Sportlerinnen im Halbkreis, halten aneinander an den Händen gefasst und haben im Moment der Aufnahme das linke Bein erhoben. Von diesen Gruppen, die jeweils den Buchstaben ›C‹ formen, befinden sich etwa 30 weitere in der Arena. Indem zwei Schwünge des ›Cs‹ auch als ›E‹ gelesen werden können, stellen die Mädchen die Initialen der Veranstaltung »Campeonatos Evita« nach. Während solche choreographierten Großveranstaltungen stark an die von der faschistischen Jugendorganisation realisierten Sportereignisse erinnern, gab es zur italienischen ONB oder GIL im peronistischen Argentinien jedoch lange Zeit kein Pendant. Der Fokus des peronistischen Regimes lag zunächst vorrangig auf dem Kindesalter. Jugendliche hatten anfangs keinen ausgewiesenen Platz als Zielgruppe von Propaganda oder staatlichen Organisationen.40 So wurde eine zur Ciudad Infantil analoge Einrichtung für Sekundarschüler, die Ciudad Estudiantil, erst 1951 eingeweiht.41 Eine staatliche Jugendorganisation für ebenjene Kohorte folgte mit der Unijn de Estudiantes Secundarios (UES), die sich sportlichen und anderen Freizeitaktivitäten widmete, erst 1952. Aufgrund des späten Zeitpunkts ihrer Institutionalisierung befindet Omar Acha, dass die Relevanz der UES nicht zu überschätzen sei. Bis zum Sturz Perjns im September 1955 kam die Organisation in einigen entlegeneren Provinzen kaum über ein Planungsstadium hinaus.42 Zwar verknüpfte Perjn die in der UES praktizierten sportlichen Übungen rhetorisch auch mit der Verteidigung der Nation.43 Ebenso 38 Carli, NiÇez, pedagog&a y pol&tica, S. 315. 39 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 18, Buenos Aires 1997, S. 81f. »Para nosotros […] el deporte no es un fin en s& mismo, sino un medio para llegar a un fin noble, elevado y patrijtico: obtener hombres con determinados car#cteres espirituales y un grado tambi8n determinado de fortaleza f&sica.« (Rede Perjns vor jugendlichen Sportlern am 13. 02. 1954). 40 Omar Acha, Los muchachos peronistas. Or&genes olvidados de la juventud peronista (1945–1955), Buenos Aires 2011, S. 60, 63. 41 Carli, NiÇez, pedagog&a y pol&tica, S. 301. 42 Acha, Los muchachos peronistas, S. 71. 43 Perjn, Obras completas, Bd. 18, S. 81f.: »La defensa del material humano de la Nacijn no
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Abb. 70: »Die Sporterziehung…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 236, Argentinien 1950.
identifiziert Omar Acha einen diplomatischen Konflikt mit Uruguay und Großbritannien über die Malvinas-Inseln als Stein des Anstoßes für die Grünpresupone solamente una graduacijn educacional y una dosis determinada de conocimientos que ofrece la ciencia, sino un cuerpo sano y digno de albergar esos conocimientos. Y el deporte es la escuela esencial para lograr el objetivo. (Rede Perjns vor jugendlichen Sportlern am 13. 02. 1954).
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dung der UES.44 In der Praxis ließen die Handlungen der UES jedoch im Kontrast zum faschistischen Vorläufer jeglichen militärischen Charakter vermissen. In der Propaganda des faschistischen Italiens und peronistischen Argentiniens wurde erstmals die breite staatliche Aufmerksamkeit deutlich, die unter beiden Regimen auf Kindern und Jugendlichen lag. Mehr noch als an Erwachsene wurde an sie aufgrund ihres jugendlichen Alters als eigentliche Zukunftsträger der Nation appelliert. Im faschistischen Italien bildete die klassenübergreifende Homogenisierung der jungen Generationen in Jugendorganisationen und ihre vormilitärischer Ausbildung einen inhaltlichen Schwerpunkt der Bildpropaganda. Die einzelnen Mitglieder erschienen dabei in der Masse regelrecht anonymisiert. Zwar wurde Kindern und Jugendlichen auch in der peronistischen Propaganda in verschiedenen pädagogischen Projekten, wie der Ciudad Infantil oder Sportwettkämpfen, eine neuartige Rolle als »Bürger von morgen«45 eingeräumt. Sie erschienen dort jedoch wesentlich kindlicher und individueller. Militärische Ziele wurden nicht an sie geknüpft.
7.2
Bildungsreformen und die Politisierung der Lehrinhalte: Illustrationen in Schulbüchern
Der Veränderung der Lehrinhalte und Ausstattung von Schulbüchern mit neuen Texten und Illustrationen ging im faschistischen Italien eine umfassende Bildungsreform voraus, die eine der ersten Reformen war, die das faschistische Regime nach seinem Regierungsantritt Ende Oktober 1922 anging. In einer Serie von Dekreten wurden bis Oktober 1923 alle Zweige des Schulsystems vom Vorschul- bis zum Universitätsniveau neu geregelt. Die nach ihrem Autor, dem Philosophen Giovanni Gentile, benannte Riforma Gentile war die bis dato »umfassendste Schul- und Lehrplanreform« in Italien.46 Sie reagierte auf den Missstand, der sich aus dem im Gesetz Casati von 1859 festgeschriebenen elitären Zuschnitt des italienischen Schulwesens und den wachsenden an öffentliche Bildungsinstitutionenen drängenden Mittelschichten ergab. Paradoxerweise stärkte Gentile, der auch erster Unterrichtsminister des faschistischen Regimes wurde, jedoch die bereits im Vorgängergesetz angelegte humanistische Basis des Schulunterrichts. Dies äußerte sich beispielsweise am obligatorischen 44 Dabei ging es um einen Vertrag zwischen Uruguay und Großbritannien, der die von Argentinien beanspruchten Souveränitätsrechte über die Malvinas-Inseln in Zweifel zog (vgl. Acha, Los muchachos peronistas, S. 66f.). 45 Perjn, Discursos completos, Bd. 1, S. 58 (Im Radio übertragene Rede Eva Perjns am 26. 02. 1947). 46 Charnitzky, Unterricht und Erziehung im faschistischen Italien, S. 111, 113.
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Lateinunterricht an allen weiterführenden Sekundarschulen.47 Neben dem liceo classico, das seinen elitären Status bewahrte, blieb der breiten Schülermasse nach der fünfjährigen Grundschule allein die neu geschaffene drei Jahre umfassende sogenannte Ergänzungsschule (scuola complementare) als einzige lateinlose Schule. Diese fungierte de facto, wie Jürgen Charnitzky es formuliert hat, als »Auffangbecken für den aus weiterführenden Schulen abgeleiteten Schülerstrom«.48 Damit blieben die Privilegien der bürgerlichen Oberschicht im Bildungswesen letzten Endes erhalten. Bis Mitte der 1920er Jahre gingen die Schülerzahlen an öffentlichen Sekundarschulen auf diese Weise um ein Drittel zurück.49 Die Nachfolger Gentiles im Amt des Unterrichtsministers, Alessandro Casati und Pietro Fedele, glichen das Schulwesen mit der Zeit der Nachfrage der Mittelschicht nach Sekundarbildung an – konstituierte sich aus ihr doch ein wesentlicher Teil der Unterstützer des Faschismus.50 Dem zunehmenden Druck der Schülerzahlen versuchten die beiden folgenden Unterrichtsminister Giuseppe Belluzzo und Balbino Giuliano ab Ende der 1920er Jahre durch die Etablierung von Parallelklassen an Sekundarschulen (classi collaterali stabili) sowie über staatlich anerkannte Privatschulen beizukommen.51 Obgleich Mussolini die Riforma Gentile ursprünglich als »faschistischste aller Reformen«52 bezeichnet hatte, bestand eine wesentliche Forderung bei der schrittweisen Überarbeitung des Gentilianischen Reformwerks gerade in einer stärkeren Ideologisierung der Lehrinhalte.53 Zu diesem Zweck hatte Mussolini bereits 1926 die Einführung eines Einheitsschulbuchs an Primarschulen angekündigt, die letztendlich jedoch erst im Schuljahr 1930/31 erfolgte.54 Während der Fokus der Riforma Gentile auf dem Sekundarschulwesen gelegen hatte, geriet mit der Übertragung der Kompetenzen für das Volksschulwesen von den Kommunen auf das 1929 in Ministero dell’Educazione Nazionale umbenannte Erziehungsministerium nun auch die Primarstufe unter zentralisierte staatliche Kontrolle. Primarschulbücher mussten fortan in einem komplizierten Verfahren vom Erziehungsministerium genehmigt werden.55 Die Einheitslehrwerke erschienen in der Reihe »Libreria dello Stato« und wurden vom staatlichen Istituto 47 48 49 50 51 52 53 54 55
Ebd., S. 111, 113–114. Ebd., S. 114. Ebd., S. 115. Adolfo Scotto Di Luzio, La scuola degli italiani, Bologna 2007, S. 173. Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 348, 361– 368. Mussolini, Opera Omnia, Bd. 20, S. 366. Charnitzky, Unterricht und Erziehung im faschistischen Italien, S. 117. Nicola D’Amico, Storia e storie della scuola italiana. Dalle origini ai giorni nostri, Bologna 2010, S. 340f. Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 322, 352– 353.
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Poligrafico dello Stato Italiano gedruckt. Inhaltlich sollten die neuen fächerübergreifenden Schulbücher vor allem in den Fächern Geschichte, Geographie, Wirtschaft und Recht »den nach dem 28. Oktober 1922 veränderten historischen, politischen, rechtlichen und ökonomischen Bedingungen« Rechnung tragen.56 Zwar hatten auch schon vor 1930 faschistische Symbole, wie das Liktorenbündel, in Primarschulbücher Einzug gehalten. Die Referenzen auf das Regime häuften sich jedoch erst in den Einheitslehrwerken: So finden sich darin Illustrationen vom Duce als Repräsentanten des Faschismus oder es werden biografische Details über ihn, wie seine berufliche Vergangenheit als Lehrer und Journalist, in Kurzgeschichten eingebaut.57 Porträts des Königspaares bilden hingegen eine Konstante im Vergleich zu vorfaschistischen Lehrwerken.58 In Sektionen über Geschichte tauchen der »Marsch auf Rom«, die »faschistische Revolution« und das daraus resultierende »Neue Italien« als jüngste Kapitel auf.59 Verschiedene Leistungen des Regimes, wie seine Sozialreformen, Bautätigkeit oder Infrastrukturmaßnahmen im Agro Pontino, werden angepriesen.60 Als weitere Neuerungen enthielten die Lehrmittel für höhere Klassenstufen Erklärungen des Korporativismus inklusive seiner Bestandteile, wie den Syndikaten. Dabei wird die vermeintliche Befriedung der Klassenkonflikte, die Disziplinierung der Arbeiter und die Harmonie, die nun angeblich zwischen Arbeitgebern und -nehmern herrschte, hervorgehoben. So heißt es im Lesestück »Das neue Italien« in einem Einheitslehrwerk für die dritte Klasse von 1935: Wenige Jahre sind seit dem Marsch auf Rom vergangen und das Antlitz unseres Italiens hat sich schon komplett verändert. Kein Streik, keine Tumulte und keine Disziplinlosigkeit mehr, sondern Ordnung, Respekt vor den Vorgesetzten, arbeitsame Eintracht zwischen dem, der arbeitet und dem, der Arbeit gibt. Alle, die mit dem Kopf und den Händen arbeiten und alle Arbeitgeber sind in Organisationen versammelt, über denen die Korporationen stehen, die staatliche Organe sind.61
56 Zitiert nach ebd., S. 319f. 57 Angelo Zammarchi/Cesare Angelini, Il libro della terza classe elementare. Religione, grammatica, storia, geografia, artimetica, Rom 1941, S. 114. 58 Dina Belardinelli-Bucciarelli, Libro per la prima classe, Rom 1935, S. 109. 59 O. A., Il libro della terza classe elementare. Letture – Religione – Storia – Geografia – Aritmetica, Rom 1935, S. 316–323. 60 Angelo Zammarchi/Cesare Angelini, Il libro della V. classe elementare. Religione, grammatica, storia, Rom 1941, S. 194–200, 203–204. 61 O. A., Il libro della terza classe elementare, S. 322: »Pochi anni sono trascorsi dalla Marcia su Roma, e gi/ l’aspetto della nostra Italia H completamente mutato. Non piF scioperi, tumulti, indisciplina; ma ordine, rispetto verso i superiori, concordia operosa tra chi lavora e chi d/ lavoro. Tutti coloro che lavorano con la mente e col braccio, e tutti coloro che d/nno lavoro, sono raccolti in organizzazioni, al di sopra delle quali stanno le Corporazioni, che sono organi dello Stato.«
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Auch in Lehrwerken der niederen Klassenstufen wird häufig das Thema der Arbeit angesprochen, entweder als universelle Tätigkeit (»Schau dich um: alle arbeiten«62) oder verbunden mit Disziplin und Pflicht: »Es ist schon nach sieben. Die Sonne geht auf. Auf, auf, zur Arbeit! Alle gehen zur Arbeit. Alle müssen die Arbeit lieben. Das hat Mussolini gesagt.«63 Andere Texte stellen verschiedene Wirtschaftszweige vor, wobei die vom Regime im Rahmen der »Ruralismus«-Ideologie beworbene Landwirtschaft in Form von Geschichten, wie »Das Getreide«64, »Die Dreschmaschine«65, »Die Getreideschlacht«66 oder »Der Bauer«67, und den zugehörigen Illustrationen einen wichtigen Platz einnimmt. Aber auch Arbeit in Werkstätten ist Thema und bietet Anlass, heldenhafte Arbeiterfiguren abzubilden. Dabei liegt der Fokus häufig auf der Körperlichkeit der Verrichtungen. So findet sich im fächerübergreifenden Lehrbuch für die dritte Grundschulklasse von 1935 eine ganzseitige Grafik von drei oberkörperfreien männlichen Arbeitern (Abb. 71, S. 254). Der Illustrator Pio Pullini trat auch ansonsten als Zeichner für das »Ministerium für Nationale Erziehung« in Erscheinung. Mit langen Stangen machen sich die Arbeiter an einer rechts außerhalb des Bildes liegenden Lichtquelle, wahrscheinlich einer Schmiede, zu schaffen. Der Hintergrund offenbart neben zwei weiteren Arbeitern mit Förderbändern zusätzliche Utensilien des Fabrikinterieurs. Der Fokus liegt auf der rückansichtigen männlichen Figur rechts im Vordergrund, die, um die Stange zu fassen, ihren Arm athletisch erhoben hat sowie auf einem weiteren von der Lichtquelle angestrahlten muskulösen Arbeiter im Halbprofil. Der beigefügte Text, in dem von »Truppen von geschwitzten […] Arbeitern«68 die Rede ist, unterstreicht ebenfalls die Körperlichkeit ihrer Arbeit sowie die Geschäftigkeit am Industrieschauplatz: Das große Dach, unter der die mächtige Aktivität der Menschen und Maschinen auf Hochtouren lief, schien zu vibrieren. […] Und in der Metallwerkstatt gab es einen Eifer und einen Geräuschpegel, die berauschten.69
62 Vera Cottarelli Gaiba/Nerina Oddi, Il libro della prima classe, Rom 1944, S. 108: »Guardati intorno: tutti lavorano.« 63 Maria Zanetti, Libro della prima classe, Verona 1936, S. 50: »Sono passate le sette. Il sole si leva. Su, su, al lavoro! Tutti vanno al lavoro. Tutti devono amare il lavoro. Lo / [sic] detto Mussolini.« 64 O. A., Il libro della terza classe elementare, S. 94. 65 Ebd., S. 105. 66 Ebd., S. 323. 67 Cottarelli Gaiba/Oddi, Il libro della prima classe, S. 109. 68 O. A., Il libro della terza classe elementare, S. 139: »[S]quadre di operai […] sudati.« 69 Ebd.: »La grande tettoia, sotto la quale ferveva tutta quella poderosa attivit/ di uomini e di macchine, sembrava che vibrasse […] Ed era nella officina metallurgica un fervore e un brus'o di lavoro che inebriava.«
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Abb. 71: Pio Pullini, »Die Werkstatt«, in: Grazia Deledda, Il libro della terza classe elementare (Schulbuch), S. 10, Italien 1935.
Auch die Eltern der kindlichen Protagonisten in den Lesestücken arbeiten. In Übereinstimmung mit den vom faschistischen Regime verbreiteten Vorstellungen über unterschiedliche Tätigkeitsfelder für Männer und Frauen (vgl. Kap. 6) geschieht das im Falle des Vaters außer Haus: Er muss morgens früh aufstehen und kommt abends beispielsweise aus der Werkstatt heim.70 Die 70 Clementina Bagagli, Prime letture. Ministero Educazione Nazionale, Ufficio per le Scuole dei Territori Annessi, Mailand 1942, S. 103.
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Charaktere der Mütter in den faschistischen Schulbüchern kümmern sich hingegen um die Kinder oder erledigen Näharbeiten zu Hause.71 Angesichts dieser Vorbilder und der behaupteten Allgegenwärtigkeit von Arbeit werden auch Schüler selbst zur Arbeit aufgerufen (»Du […] Kind, wirst du nicht arbeiten wollen?«72) oder auf ihre Zukunft als Arbeiter »für die Größe des Vaterlandes«73 vorbereitet. Nach der von den Eltern vorgelebten geschlechterspezifischen Aufgabenteilung sollen sich auch die Schulkinder zukünftig richten: Während für die Jungen ihre Väter, die außer Haus arbeiten, als Modelle fungieren, werden die Mädchen wie ihre Mütter in Geschichten und Abbildungen vorzugsweise bei der häuslichen Handarbeit dargestellt, wie in der Kurzgeschichte »Mariella näht«.74 Häufiger als an Kinder gerichtete Aufrufe zur Arbeit in den Schulbuchtexten ist jedoch ihre Identifikation mit Mitgliedern der faschistischen Jugendorganisationen: Wie der Titel eines Gedichts, »Die Kinder Italiens sind alle Balilla«75, in einem Lesebuch von 1932 nahelegt, gehören nahezu alle kindlichen Charaktere, die in Illustrationen und Texten auftauchen, den faschistischen Jugendorganisationen an. An ihren Uniformen erkennbar stehen sie als solche in Reih und Glied und salutieren vor der italienischen Nationalflagge, vor Mussolini oder dem Liktorenbündel (Abb. 72, S. 256). Abermals überwiegt ihre Gleichförmigkeit: Die sieben in naivem Stil dargestellten Jungen lassen keine individuellen Züge erkennen. In den ersten Sätzen, die Schulkinder in den Lehrwerken während des Faschismus lesen lernten, erklärten sie nicht nur, dass sie den Duce »von ganzem Herzen liebten«76, sondern auch, dass sie »piccoli fascisti«77 seien. Auf dem Cover des Schulbuchs »Faschistischer Frühling« von 1929 werden ebenso Schulkinder und Mitglieder der Jugendorganisationen als übereinstimmend dargestellt (Abb. 73, S. 257). In kindlichem Stil ist hier zentral ein Balilla-Junge abgebildet. In der typischen Uniform der faschistischen Jugendorganisation mit Fez auf dem Kopf und Halstuch steht er auf einem Podest und stützt sich auf einen Stapel Bücher, der ihm bis zur Hüfte reicht. In der anderen Hand hält er eine Flagge. In ländlicher Umgebung mit grünen Wiesen, Bäumen und Feldern erscheinen im Hintergrund vier weitere marschierende BalillaJungen, deren Anführer eine italienische Nationalflagge trägt. Während die 71 Z. B. Vera Cottarelli Gaiba, Il libro della prima classe, Rom 1942, S. 97: »Una mamma e tre bambini.«; Zanetti, Libro della prima classe, S. 69. 72 Cottarelli Gaiba/Oddi, Il libro della prima classe, S. 108: »Tu […], bimbo, non vorrai lavorare?«. 73 Bagagli, Prime letture, S. 88: »[P]er la grandezza della Patria«. 74 Cottarelli Gaiba, Il libro della prima classe, S. 122: »Mariella cuce«. 75 Dina Bucciarelli Belardinelli/Della Torre Angelo, Sillabario e piccole letture, Rom 1932, S. 100: »I bimbi d’Italia son tutti Balilla.« 76 Zanetti, Libro della prima classe, S. 76: »Duce, duce […] i bimbi ti amano con tutto il cuore.« 77 O. A., Il libro della terza classe elementare, S. 74.
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Abb. 72: Roberto Sgrilli, »Glauben, gehorchen, kämpfen«, in: Vera Cottarelli Gaiba, Nerina Oddi, Il libro della prima classe (Schulbuch), S. 96, Italien 1942.
Marschbewegung in der freien Natur eine der typischen Handlungen der Jugendorganisation anzeigt, ist mit den aufgetürmten Büchern ein weiterer elementarer Teil der Erziehung unter dem faschistischen Regime repräsentiert. Denn einem faschistischen Spruch zufolge – »Libro e moschetto, fascista perfetto« (»Buch und Muskete, perfekter Faschist«) – sollte sich Erziehung neben dem klassischen Bücherlernen zusätzlich durch die Vorbereitung für den Dienst an der Waffe auszeichnen.78 So wurde es in der Zeitschrift »Critica fascista« 1929 als Ziel der Schule formuliert, »mutige Soldaten«79 auszubilden. In diesem Sinne 78 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 270. 79 Giuseppe Maggiore, »Dall’istruzione pubblica all’educazione nazionale«, in: Critica fascista VII (1929) H. 17, S. 373f., hier S. 374: »La scuola educa senza dubbio buoni figli, uomini probi, anime religiose […] ma intende sopratutto a formare eccellenti cittadini, e a preparare valorosi soldati.«
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Abb. 73: Antonio Rubino, Titelblatt, in: Asvero Gravelli, Primavera fascista (Schulbuch), Italien 1929.
präsentieren Texte und Illustrationen in den faschistischen Einheitsschulbüchern nicht nur die einzelnen Abteilungen der Streitkräfte, Soldaten und Angehörige der faschistische Miliz Milizia Volontaria per la Sicurezza Nazionale (MVSN) als Vorbilder. Die Balilla-Kinder werden selbst explizit als »soldatini«, als »kleine Soldaten« angesprochen und das Soldatentum als erstrebenswert vorgestellt: »Der Balilla […] ist ein kleiner Soldat Italiens und, wie alle Soldaten, muss er immer stark, loyal und mutig sein.«80 Auf diese Weise zeigte sich die fortschreitende Militarisierung, wie sie in Propagandapublikationen über die Jugendorganisationen zu beobachten war, auch an den Inhalten der Primarschulbücher. Im Vergleich zum Primarschulwesen fiel der staatliche Zugriff auf die Lehr80 Bagagli, Prime letture, S. 90: »[I]l balilla […] H un piccolo soldato d’Italia e, come tutti i soldati, deve essere sempre forte, leale e coraggioso.«
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inhalte im Sekundarbereich deutlich geringer aus. Zwar unterlagen auch die Lehrmittel der weiterführenden Schulen staatlicher Zensur. Auf dieser Bildungsstufe kam jedoch kein Einheitslehrwerk zum Einsatz.81 Nichtsdestotrotz wurde der Korporativismus auch zum Bestandteil der Lehrinhalte an Sekundarschulen. So steuerte beispielsweise der zeitweilige Unterstaatssekretär für Korporationen, Giuseppe Bottai, entsprechende Lehrtexte bei.82 Zusätzlich stiegen »Elemente korporativer Ordnung«, »korporatives Recht« und »korporative politische Ökonomie« zu verpflichtenden Prüfungsfächern an Gymnasien, Lehrerbildungsanstalten und Universitäten auf.83 An Sekundarschulen neu eingeführte Fächer, wie Wehrkunde (Cultura militare) 1935, bestätigen jedoch den anhand der Illustrationen in Primarschulbüchern erlangten Befund, dass im Laufe der 1930er Jahre das Militärische im Vergleich zur Arbeit zum dominanteren Thema wurde. Das neue Fach wurde an Sekundar- und Hochschulen von mit dem restlichen Lehrkörper gleichgestellten Offizieren unterrichtet. Das Ziel des neuen Schulfachs bestand erklärtermaßen darin, einen cittadino-soldato (»Soldaten-Bürger«) zu formen.84 Damit hielt zusätzlich zu anderen faschistischen Ritualen, wie dem römischen Gruß, Fahnenappellen und Paraden, die vormilitärische Ausbildung der faschistischen Jugendorganisationen auch an Institutionen des regulären italienischen Bildungswesens Einzug.85 Diese Tendenzen wurden mit einer weiteren Bildungsreform, der Carta della Scuola, die 1939 folgte, fortgeführt. Giuseppe Bottai, Erziehungsminister und Autor der Reform erhoffte sich, die Schule mit den faschistischen Jugend- und Studentenorganisationen (GIL und GUF) zu einem »einheitlichen Werkzeug faschistischer Erziehung«86 zu verschmelzen. Ein weiteres explizites Ziel lag in der Abstimmung der Schule auf das korporative Wirtschaftssystem.87 War der Name der Bildungsreform an das Gründungsdokument des Korporativismus, die Carta del Lavoro von 1927, angelehnt, zitierte die Carta della Scuola in ihren 29 Erklärungen das modellhafte Dokument sogar wörtlich, indem es Arbeit als »soziale Pflicht« auswies.88 Diese sollte laut Bottai fortan zum »gemeinsamen Nenner der italienischen Schule« werden.89 Die fortwährende Militarisierung des Schulunterrichts klang in der Umbenennung der Schulpflicht in »Schuldienst« an, der ähnlich des Wehrdienstes, zwischen dem vierten und vierzehnten 81 82 83 84 85 86 87 88 89
D’Amico, Storia e storie della scuola italiana, S. 341. Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 326. Ebd., S. 332, 357. Ebd., S. 335f. Ebd., S. 354f. Giuseppe Bottai, La Carta della Scuola, Mailand 1939, S. 75f. Charnitzky, Unterricht und Erziehung im faschistischen Italien, S. 127. Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 368ff. Bottai, La Carta della Scuola, S. 12: »Il comune denominatore della Scuola italiana cos' diverr/ il lavoro.«
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Lebensjahr, abzuleisten war.90 Als einzige der in der Reform vorgesehenen neuen Schultypen kam jedoch die Einheitsmittelschule (scuola media unica) im Schuljahr 1940/41 zum Einsatz. Der darin eingeführte verpflichtende Arbeitsunterricht entsprach am deutlichsten Bottais Forderung nach einer stärkeren Verquickung von wirtschafts- und bildungspolitischen Zielen.91 Die restlichen Bestimmungen der Carta della Scuola wurden unter anderem aufgrund des militärischen Engagements Italiens im Zweiten Weltkrieg nicht umgesetzt.92 Auch wenn das Thema des Korporativismus und der Arbeit in den Lehrinhalten an Sekundarschulen Relevanz besaß, gewannen demgegenüber auch an diesen Einrichtungen letztlich militärische Inhalte die Oberhand. Auch im peronistischen Argentinien stellte die Schule eine der zentralen Institutionen dar, in denen »nuevos argentinos« geschaffen werden sollten.93 »Die Schlacht für die Größe des Volkes muss in den Schulsälen beginnen«, hieß es beispielsweise 1951 in der Zeitschrift »Mundo Peronista.94 Um auf die Institution zugreifen zu können, veranlasste Perjn im Zuge der Verfassungsreform 1949 die Schaffung eines separaten Erziehungsministeriums, das an die Stelle des bisherigen »Nationalrat für Bildung« (Consejo Nacional de Educacijn) trat. Der erste Erziehungsminister Oscar Ivanissevich machte die von ihm geleitete Behörde zu einer der sichtbarsten Institutionen des staatlichen Verwaltungsapparates. Er selbst erfüllte vielerlei propagandistische Funktionen, hielt Reden im Radio und etablierte einen eigenen Kalender an Feierlichkeiten.95 Zwar orientierten sich die Autoren der peronistischen Bildungsreform Juan Emilio Cassani und Hugo Calzetti auch an der faschistischen Riforma Gentile.96 Die Eckpfeiler der Bildungspolitik Perjns bestanden im Gegensatz zum elitären Zuschnitt der faschistischen Riforma Gentile jedoch gerade in der Expansion der Bildungseinrichtungen und der Demokratisierung des Zugangs.97 Auch wurde die Unentgeltlichkeit der Primarschulbildung in der Verfassung von 1949 verankert.98 Die Schülerzahlen an Grundschulen stiegen so bis 1952 um 300.000 an.99 Die Veränderung der Lehrinhalte wurde erst unter Ivanissevichs Nachfolger 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 368ff. Ebd., S. 373, 377–378. Charnitzky, Unterricht und Erziehung im faschistischen Italien, S. 127f. Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 10, Buenos Aires 1997, S. 62 (Rede Perjns vor einer Lehrerversammlung am 06. 02. 1948). Verissimus, Una Escuela por d&a, in: Mundo Peronista I (1951) H. 3: »La batalla por la grandeza de un pueblo debe empezar en sus aulas.« Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 95–98. Adriana Puiggrjs, Qu8 pasj en la educacijn Argentina. Breve historia desde la conquista hasta el presente, Buenos Aires 2002, S. 132. Miguel Somoza Rodr&guez, Educacijn y pol&tica en Argentina (1946–1955), Madrid 2006, S. 345. Puiggrjs, Qu8 pasj en la educacijn Argentina, S. 140. Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 90.
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Armando M8ndez de San Mart&n ab 1950 in Angriff genommen.100 Ein Gesetzesprojekt, das bereits 1946 die Etablierung eines Einheitsschulbuchs zum Ziel hatte, blieb erfolglos. Den Grund dafür, dass die Regierung zu diesem Zeitpunkt noch davon absah, Einheitslehrwerke einzuführen, sieht Mjnica Rein gerade im Vorwurf der antiperonistischen Opposition, Perjn greife damit auf bildungspolitische Praktiken totalitärer Staaten zurück.101 Das Lesebuch »Florecer« für die erste Grundschulklasse stellte 1949 den ersten Versuch dar, ein Einheitslehrwerk zu etablieren. Die Verquickung von Propaganda und Schulmedien wurde dadurch deutlich, dass die Illustrationen darin vom Propagandagrafiker H8ctor Alfons&n stammten und teilweise in anderen Kontexten bereits als Plakate erschienen waren.102 Nach diesem ersten Anlauf, ein Einheitslehrwerk einzuführen, hielt schließlich der zweite Fünfjahres-Plan von 1951 fest, dass »Schultexte in Übereinstimmung mit den Prinzipien der nationalen Doktrin strukturiert« werden sollten.103 Zu diesem Zweck erarbeitete eine Kommission innerhalb des Erziehungsministeriums Leitlinien, die neue Schulbücher zu erfüllen hatten. Um zugelassen zu werden, sollten sie unter anderem von der »spirituellen, philosophischen, politischen, sozialen und ökonomischen Orientierung des Neuen Argentiniens inspiriert sein«.104 Neben der Kontrolle der Primarschulbücher durch das Erziehungsministerium stellte die ab 1952 obligatorische Nutzung von Eva Perjns Autobiografie »La razjn de mi vida« im Unterricht einen weitere Etappe des Eingriffs des peronistischen Regimes in die Lehrinhalte dar.105 Bereits die Titel der hauptsächlich 1953 und 1954 eingeführten neuen Schulbücher, die die teilweise seit Ende des 19. Jahrhunderts unveränderten Vorgänger, ersetzten,106 sind aufschlussreich für die Ausrichtung der Lehrinhalte auf die ideologischen Standpunkte des Peronismus. Damit hielten zeitgenössische politische Themen in einem bisher nicht dagewesenen Maße in Schultexte Einzug.107 Während das Lesebuch für die erste Klasse »Glückliche Kinder« (»NiÇos felices«108) von 1954 auf die staatlichen Sozialleistungen anspielt, die Kindern zu100 Ebd., S. 100. 101 Rein, Politics and education in Argentina, 1946–1962, S. 60. 102 Colotta/Cucuzza/Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo, S. 342. 103 Zitiert nach Somoza Rodr&guez, Educacijn y pol&tica en Argentina (1946–1955), S. 179: »Los textos escolares ser#n estructurados concordantemente con los principios de la doctrina nacional«. 104 Zitiert nach Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 107. 105 Colotta/Cucuzza/Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo, S. 356. 106 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 106. 107 Colotta/Cucuzza/Somoza Rodr&guez, Textos y lecturas escolares durante el primer peronismo, S. 333. 108 Dom&nguez, NiÇos felices.
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gutekamen, übernehmen die Lesebücher für die vierte Klasse »Neue Zeiten« (»Tiempos nuevos«109) von 1953 und »Gerechtes Vaterland« (»Patria justa«110) von 1954 allgemeinere Schlagworte der peronistischen Propaganda. So werden die vom Regime vorangebrachten Reformen als »soziale Revolution« charakterisiert. Der Titel der Lesebücher für die erste und zweite Klasse »Schützende Seele« (»El alma tutelar«111) von 1953 und »Die gute Fee« (»El hada buena«112) von 1954 verweisen – unter Rückgriff auf religiöses Vokabular und auf Märchen – auf Eva Perjn. Diese hatte Kinder zu den Hauptschutzbedürftigen und Empfängern der Sozialhilfe ihrer Stiftung erkoren. Neben Ehrungen von Perjn und Eva in Schrift- und Bildform überwiegen in den Inhalten speziell an Kinder adressierte Maßnahmen der Regierung, wie die Einführung der »Rechte der Kinder« in die neue Verfassung 1949. Ferner spielen Darstellungen des peronistischen Festtagskalenders, hauptsächlich des 17. Oktober und des 1. Mai (vgl. Kap. 4), eine wichtige Rolle, waren Schulkinder doch bei den öffentlichen Zeremonien zu diesen Anlässen ein zentraler Bestandteil.113 Zusammen mit der Behandlung der Fortschritte, die das peronistische Regime auf wirtschaftlichen Gebiet erreicht hatte, halten als wesentliche neue Akteure Arbeiter in die Schulbücher Einzug: Sie erscheinen als Empfänger staatlicher Sozialleistungen, wie sie in den »Rechten des Arbeiters« festgehalten worden waren, als Nutznießer von Arbeitsschutzgesetzen oder von vom Staat vergebenem Wohnraum (»Das Haus des Arbeiters«114). An mehreren Stellen wird die auch in anderen propagandistischen Medien vollzogene inhaltliche Verknüpfung der argentinischen Nationalität mit der Arbeiteridentität deutlich, etwa indem die Argentinier als »pueblo trabajador«115 bezeichnet werden (vgl. Kap. 4). Ferner taucht der Arbeiter, wie im italienischen Fall, als Vater der kindlichen Protagonisten oder als Vertreter verschiedener hauptsächlich handwerklicher Berufe auf, die so den Schulkindern in Bild und Text nähergebracht werden sollten. Der Titel des Lesebuchs für die zweite Klasse »Kleine Arbeiter« (»Obreritos«116) von 1953 verdeutlicht, dass auch auf Schulkinder die zentrale Identifikation des argentinischen Volkes mit der Arbeiterschaft (vgl. Kap. 4) übertragen wurde. So riefen sie die Lesestücke zu Arbeit und Disziplin auf und machten sie mit ihren »Pflichten« vertraut: 109 Luis Arena, Tiempos nuevos. Lecturas para el cuarto grado, Buenos Aires 1953. 110 De Garc&a, Patria justa. 111 Blanca Alicia Casas, El Alma Tutelar. Libro de Lectura para Primer Grado Superior, Buenos Aires 1953. 112 Clelia Gjmez Reynoso, El hada buena, Buenos Aires 1954. 113 Rein, Politics and education in Argentina, 1946–1962, S. 77. 114 De Garc&a, Patria justa, S. 36: »La casa del obrero«. 115 Ebd., S. 23. 116 Dies., Obreritos. Libro de lectura para segundo grado, Buenos Aires 1953.
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Der Maurer und der Schreiner sind Arbeiter. Du bist auch ein kleiner Arbeiter. Sei fleißig, treu [und] anständig. Sei brav, aufrichtig, ordentlich und sauber. Wenn du deine Pflicht erfüllst, arbeitest du für das Glück des Vaterlandes. Du und deine Mitschüler, seid kleine Arbeiter […] der Schule, die wie eine große Werkstatt ist, wo niemand untätig bleibt. Arbeite, Kind. Das Neue Argentinien erwartet viel von dir.117
Der Geschichte sind zwei Illustrationen beigefügt (Abb. 74).
Abb. 74: »Kleine Arbeiter«, in: Luisa F. De Garc&a, Obreritos (Schulbuch), S. 1–2, Argentinien 1954.
Während auf der ersten Seite ein Maurer im Brustbild hinter einer von ihm gerade errichteten Mauer zu sehen ist – einen Ziegelstein und eine Kelle mit Mörtel hat er noch in der Hand – ist auf der Folgeseite das im Text angesprochene Schulkind im in Argentinien gängigen weißen Kittel und mit einem Buch in der Hand abgebildet. Ihm zur Seite stehen ein Maurer und ein Schreiner mit typischen Werkzeugen in den Händen, einer Kelle, einer Säge und einem Hammer. Sie halten den kleinen Jungen väterlich an der Schulter gefasst und führen ihn aktiv – ihre Schrittstellung deutet Bewegung an – in seine Zukunft als 117 De Garc&a, Obreritos, S. 1f.: »El albaÇil y el carpintero son trabajadores. Tffl tambien eres un pequeÇo trabajador. S8 laborioso, leal, honrado. S8 bueno, sencillo, ordenado y limpio. Si cumples con tu deber, est#s trabajando para la felicidad de la Patria. Tffl y tus compaÇeros son pequeÇos trabajadores, obreritos de la escuela, que es como un gran taller donde nadie permanece ocioso. Trabaja niÇo. La Nueva Argentina espera mucho de ti.«
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Arbeiter ein. Den Bestrebungen von Seiten der Regierung, Handarbeit aufzuwerten, folgend, werden hier explizit Angehörige manueller Berufe gezeigt und den Schulkindern als Vorbilder präsentiert. Die Ergebnisse der Kapitel 4 und 6, denen zufolge in der Bildpropaganda unterschiedliche Arten von Arbeit für Männer und Frauen für angemessen befunden wurden, stimmen mit den in argentinischen Schulbüchern geschaffenen Rollenbildern überein: Wie in den analysierten italienischen Lehrwerken werden auch für argentinische Jungen und Mädchen verschiedene zukünftige berufliche Einsatzorte anvisiert: Während für die männliche Jugend Handwerker als Vorbilder fungieren, wird für Mädchen das heimische Nähen als Modell weiblicher Arbeit angeboten. So handelt das mit »Die Nähmaschine« betitelte Gedicht in »Neue Zeiten« von 1953 von einer Schülerin, die ihre Hausaufgaben erledigt, während die Mutter als »gute Frau« ein Hemd näht. Der Text legt weiterhin nahe, dass diese Tätigkeit, da zu Hause ausgeführt, es der Mutter erlaubt, ihrer Tochter beim Erlernen des Alphabets zu helfen. Das traditionelle Familienbild wird komplett, als man am Ende des Gedichts erfährt, für wen das handarbeitliche Werk bestimmt ist: »Nähe, nähe, gute Näherin, nähe das Hemd des glücklichen Mannes…«.118 Weiterhin tauchen Mädchen in den peronistischen Schulbüchern als Krankenschwestern auf, einem weiteren vom Regime beworbenen Beruf für Frauen. In einer Episode in »Obreritos«, die den Titel »Adelita, Krankenschwester« trägt, versorgt ein kleines Mädchen im Spiel ihren verletzten Hund (Abb. 75, S. 264). Dem Vater, der ihre Fähigkeiten im Spaß in Frage stellt (»Man merkt, dass du keine Krankenschwester bist.«), entgegnet das Mädchen trotzig im Bezug auf ihre berufliche Zukunft: »Aber ich werde es sein! […] Wenn ich groß bin, werde ich an der Krankenschwesterschule der Stiftung Eva Perjn studieren.«119 Im zugehörigen Bild erscheint Adelita bereits in der Uniform der von ihr genannten Einrichtung, allerdings in noch viel zu großen Stöckelschuhen. Jenseits dieser Idealbilder weiblicher Arbeit wird in den peronistischen Schulbüchern in seltenen Fällen jedoch auch der Realität von in der Industrie beschäftigten Frauen Rechnung getragen. Die Geschichte »Die Arbeiter-Mutter« (»La madre obrera«) handelt von DoÇa Encarnacijn, die aus dem nordargentinischen Santiago del Estero nach Buenos Aires gezogen ist, um in der hauptstädtischen Textilindustrie zu arbeiten. Die Episode dient jedoch eher dazu, die von ihr empfangenen staatlichen Sozialleistungen, wie eine Unterkunft und Kinderbetreuung, hervorzuheben, als dass sie die Textilindustrie als einen er118 Arena, Tiempos nuevos, S. 38f.: »[C]ose, cose, buena costurera, cose la camisa del hombre feliz…«. 119 De Garc&a, Obreritos, S. 32f.: »Se nota que no eres enfermera – dice sonriendo pap#. – ¡Pero lo ser8! – contesta Adelita. Y agrega, muy orgullosa: -¡Cuando sea grande, estudiar8 en la Escuela de Enfermeras de la Fundacijn Eva Perjn!«
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Abb. 75: »Krankenschwester Adelita«, in: Luisa F. De Garc&a, Obreritos (Schulbuch), S. 32–33, Argentinien 1953.
strebenswerten Arbeitsplatz für Schulmädchen präsentiert.120 Einen großen Unterschied zu den faschistischen Lehrwerken stellt die Thematisierung des 1947 eingeführten Frauenwahlrechts in den unter Perjn reformierten Schulbüchern dar. So ist in den Lesestücken entweder die Mutter, die nun wählen kann, titelgebend (»Mama kann wählen«).121 Oder die Schülerinnen spielen in Kurzgeschichten selbst Wahlen nach und üben so ihre politischen Rechte als »Bürgerinnen der Zukunft« bereits im jungen Alter ein.122 Jenseits der Primarstufe sah das peronistische Regime, wie der Faschismus in Italien, davon ab, auch die Sekundarschulen flächendeckend mit neuen Lehrmaterialien auszustatten.123 In Form von neuen Unterrichtsfächern, wie »Bürgerkunde« (Cultura ciudadana), wurden jedoch auch dort ab 1953 die »Verwirklichungen des Justicialismo« behandelt.124 Der Vergleich von Illustrationen in während des Faschismus und des Peronismus reformierten Primarschulbüchern verdeutlicht, dass unter beiden Re120 121 122 123 124
Ebd., S. 30f. Dies., Patria justa, S. 143: »Mam# puede votar«. Dies., Obreritos, S. 65. Rein, Politics and education in Argentina, 1946–1962, S. 62. Somoza Rodr&guez, Educacijn y pol&tica en Argentina (1946–1955), S. 234.
Bildungsreformen und die Politisierung der Lehrinhalte
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gimen das Thema der Arbeit Eingang in pädagogische Medien fand. Bei der Heranführung italienischer Grundschüler an die Arbeitswelt überwog dabei jedoch deutlich die Betonung von damit verbundenen Pflichten, die ein jeder vorgeblich im faschistischen Korporativstaat zu erfüllen hatte. Die Figur des Soldaten in Form des Balilla-Jungen erwies sich gegenüber dem Thema der Arbeit, meist in Form der vom Regime besonders beworbenen Landwirtschaft, als weitaus dominanter. Die männlichen Schulkinder sollten zum »Heer von morgen«125 erzogen werden. Die Texte und Illustrationen in den neuen peronistischen Lehrwerken wichen insofern vom italienischen Fall ab, als ausschließlich Protagonisten aus Arbeiterklassefamilien als Vertreter des argentinischen Volkes erschienen. Zwar wurden stellenweise auch deren Pflichten, zu arbeiten und zu produzieren, erwähnt und an die Charaktere im Schulalter, die »kleinen Arbeiter«126, herangetragen. Wie in anderen propagandistischen Medien lag der inhaltliche Schwerpunkt jedoch auch in Schulbüchern auf der Tatsache, dass die peronistische Regierung die Arbeiterklasse mit Rechten ausgestattet hatte (vgl. Kap. 4). Bei Darstellungen von Arbeit in den reformierten argentinischen Schulbüchern blieb wie in den italienischen Lehrwerken die geschlechterspezifische Arbeitsteilung erhalten: Während männliche Charaktere in der Werkstatt oder der Fabrik außer Haus arbeiten, kümmern sich weibliche Protagonisten um Haushalt und Nachwuchs oder verrichten mit Näharbeiten in den häuslichen vier Wänden realisierbare Tätigkeiten. Als großer Unterschied kam in den argentinischen Schulbüchern jedoch die Repräsentation des Frauenwahlrechts hinzu, das interessanterweise in diesem Medium mehr Erwähnung fand als in anderen propagandistischen Genres unter Perjn (vgl. Kap. 6). Zur in faschistischen Lehrwerken fortschreitenden Militarisierung der behandelten Inhalte gab es im peronistischen Argentinien kein Pendant. Auch waren die kindlichen und jugendlichen Charaktere in den Illustrationen argentinischer Schulbücher nicht als Mitglieder einer peronistischen Jugendorganisation, die in irgendeiner Weise militaristische Ziele verfolgt hätte, markiert. Denn die Unijn de Estudiantes Secundarios, die sich allein sportlichen Aktivitäten widmete, wurde erst 1953 ins Leben gerufen, als die meisten reformierten Schulbücher bereits in Gebrauch waren. Außerdem existierte im Peronismus für Primarschüler keine Jugendorganisation, die als allumfassende Identifikation hätte dienen können – wie es in Lehrbüchern des faschistischen Italien mit der Figur des Balilla-Jungen geschehen war.
125 Vgl. Postkarte, Italien 1937: »Voi siete l’aurora della vita. Voi siete la speranza della patria. Voi siete sopratutto l’esercito di domani.« 126 De Garc&a, Obreritos.
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7.3
Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda
Zwar proklamierte Mussolini bei verschiedenen Gelegenheiten, wie dem Tag der Arbeit, dass es »zwischen intellektueller Arbeit und manueller Arbeit keinen substantiellen Unterschied«127 gebe oder er sprach von der »Überlegenheit der Handarbeit«.128 Diese rhetorischen Ausführungen hatten jedoch weder auf die Reformierung berufsbildender Institutionen unmittelbare praktische Konsequenzen noch spielte das Thema der Berufsbildung in der Propaganda eine besonders wichtige Rolle. Das in vorfaschistischer Zeit disparate italienische Berufsschulwesen wurde von der Riforma Gentile nur am Rande geregelt, da die Hauptzuständigkeit zunächst beim 1923 gegründeten »Ministerium für nationale Wirtschaft« (Ministero dell’Economia Nazionale) lag.129 Somit beschränkte sich der Eingriff der Bildungsreform in den Bereich darauf, berufsvorbereitenden Hauptschulklassen für die Schüler einzurichten, die nicht den Besuch einer weiterführenden Sekundarschule anstrebten. Diese dienten unter anderem auch dazu, die auf 14 Jahre hochgesetzte Schulpflicht einzuhalten, die in der Praxis jedoch beispielsweise durch Arbeitsgenehmigungen für eigentlich schulpflichtige Kinder häufig umgangen wurde.130 Die Umsetzung der berufsvorbereitenden Klassen sowie der vorgesehenen scuole complementari scheiterte jedoch meist an den auf lokaler Ebene noch nicht gegebenen institutionellen Voraussetzungen. Die Carta del Lavoro von 1927 ging explizit auf das für den Korporativstaat zentrale Feld der Berufsbildung ein und wies die Verantwortung den Gewerkschaften und Unternehmerverbänden zu.131 Nichtsdestotrotz ging die Zuständigkeit für die staatliche Berufsbildung 1928 vom »Ministerium für nationale Wirtschaft« an das Unterrichtsministerium über, um so Überschneidungen der ministeriellen Zuständigkeiten auszuräumen und die vergebenen Bildungsabschlüsse zu vereinheitlichen.132 1929 wurde eine Berufsschule (scuola secondaria di avviamento al lavoro, ab 1932 scuola secondaria di avviamento professionale) geschaffen, die die vorherigen berufsvorbereitenden Hauptschulklassen und die scuole complementari ersetzte.133 Bis Ende der 127 Mario Rivoire, I Littoriali del Lavoro, in: Critica fascista XIV (1936) H. 11, S. 165ff., hier S. 166: »[L]’avvertimento di Mussolini […]: non esservi tra lavoro intellettuale e lavoro manuale differenza di sostanza.« 128 Il Doganiere, Mussolini lavoratore, S. 291. 129 D’Amico, Storia e storie della scuola italiana, S. 279, 288. 130 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 185–186, 188, 191, 193–194: Bis das faschistische Regime 1934 ein Gesetz zum »Schutz der Arbeit von Frauen und Kindern« verabschiedete, standen ca. 17 % der Schulpflichtigen zwischen zwölf und vierzehn Jahren in einem unzulässigen Arbeitsverhältnis. 131 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 188, 197. 132 Di Luzio, La scuola degli italiani, S. 176ff. 133 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 211, 340f.
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1930er Jahre stieg die Schülerzahl an dieser Einrichtung um 112 % auf rund 300.000 an. Für Mädchen war ein separater Ausbildungsgang vorgesehen: An eine dreijährige Berufsschule (scuola professionale femminile) konnte sich eine weitere zwei Jahre dauernde Ausbildung zur Berufsschullehrerin anschließen. Diese befähigte – außer dass sie die Schülerinnen auf ihre vom Regime anvisierte Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitete – zur Lehre von als weiblich erachteten Fächern, wie Hauswirtschaft. Außer den berufsbildenden Schulzweigen waren auch die Opera Nazionale Balilla und die GioventF Italiana del Littorio ab 1937 im Bereich der Berufsbildung aktiv und boten eine Vielzahl technischer Lehrgänge an.134 In der visuellen Propaganda des Regimes hatte das Thema der Berufsbildung keine besonders exponierte Stellung. Um ein Beispiel herauszugreifen, sind in dem Bildband »L’Italia fascista in cammino« von 1932, dem »Avviamento professionale« lediglich drei Seiten gewidmet, während die faschistische Jugendorganisation mit Illustrationen auf rund 22 Seiten in der Publikation sehr viel mehr Raum einnimmt.135 In dem kurzen Abschnitt, der die Berufsbildung behandelt, werden in den oberen zwei fotografischen Bildfeldern zwei Jungen im Profil als Brustbilder gezeigt (Abb. 76, S. 268). Der linke ist zusammen mit einer Maschine, wahrscheinlich einer Fräse, abgebildet. Der Junge auf der rechten Seite ritzt konzentriert eine Form in weichen Ton. Im unteren Bildfeld ist aus etwas weiterer Entfernung eine Werkstattszenerie mit einer Lehrperson und rund vierzehn Schülern dargestellt. Hinter einem Jungen im Vordergrund, der eine Metalldrehbank bedient, steht der Lehrer im Kittel in Rückansicht und mit in die Seite gestemmter Hand und wacht über einen seiner Schützlinge, der sich ebenfalls an einer Drehbank zu schaffen macht. Die restlichen Buben stehen um die Aufsichtsperson und ihren Klassenkameraden herum und schauen aufmerksam seiner Demonstration zu. Auf der Folgeseite werden mit Kursen in Hauswirtschaftslehre in vier fotografischen Bildfeldern für Mädchen als adäquat erachtete berufliche Ausbildungswege illustriert (vgl. Kap. 6, Abb. 61, S. 226). Etwas Auftrieb erhielt der Themenkomplex in der visuellen Propaganda im Rahmen der »Arbeitswettkämpfe« (Littoriali del Lavoro), die die faschistischen Studentengruppen GUF ab 1936 veranstalteten.136 Nach dem Vorbild der bereits zwei Jahre zuvor eingerichteten Littoriali della cultura e dell’arte, landesweiten Wettbewerben in den Bereichen Wissenschaft, Kunst und Kultur für Studenten, richteten sich die Littoriali del Lavoro explizit an Jugendliche aus der Arbeiterklasse. Verantwortlich für die Einrichtung der »Arbeitswettkämpfe« war 134 Ebd., S. 273, 346. 135 Vgl. Istituto nazionale LUCE, L’Italia fascista in cammino. 136 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 307–308, 310–311.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Abb. 76: »Berufsbildung«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 103, Italien 1932.
Giuseppe Bottai, der 1936 Erziehungsminister wurde und auch durch andere Maßnahmen eine stärkere Verzahnung von Bildungs- und Wirtschaftsinstitutionen anstrebte. Der von Bottai geleiteten Zeitschrift »Critica fascista« zufolge sollten die Arbeitswettkämpfe den »jungen Arbeitern die Überzeugung [geben], genauso viel wert zu sein wie die jungen Studenten.« Allgemein erhoffte man sich von der Veranstaltung einen »wohltuenden Einfluss« auf die »sehr geplagte« Berufsbildung.137 137 Rivoire, I Littoriali del Lavoro, S. 166: »I littoriali saranno soprattutto benvenuti se daranno ai giovani lavoratori la convinzione di valere quanto i giovani studenti. E la loro influenza
Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda
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Auf einem Plakat anlässlich eines solchen »Arbeitswettkampfes«, den »Ludi juveniles del Lavoro« 1942, werden zwei männliche Jugendliche im Profil bis zur Hüfte gezeigt. Derjenige im Vordergrund bedient mit erhobener Hand eine Metallfräsmaschine (Abb. 77, S. 270). Der weiter im Hintergrund angesiedelte Junge ist mit Schweißen beschäftigt, worauf seine Schutzbrille und die Stichflamme vor ihm schließen lassen. Unterhalb der Illustration werden mit dem PNF und der GIL die Organe genannt, die die Veranstaltung ausrichteten. Über den rechten blauen Rand ist mit weißen Höhungen eine Zeichnung einer antikisierenden muskulösen männlichen Figur gelegt, die mit der rechten Hand ein Gewehr in die Höhe reckt. Während der Rückgriff auf eine antikisierende Formensprache in den 1930er Jahren zum stilistischen Repertoire der faschistischen Bildpropaganda gehörte, verstärkt der in Latein gehaltene Titel der beworbenen Veranstaltung (»Ludi juveniles«) die Bezüge auf die Antike, die das Regime zu Legitimationszwecken einsetzte. Die Waffe sowie die Überschrift »Vincere« (»Siegen«) sind mit dem Entstehungszeitpunkt des Plakates 1942 zu erklären, als sich Italien bereits im dritten Kriegsjahr befand. Zu diesem Zeitpunkt wird dabei offensichtlich insbesondere für die Ausbildung der Jugendlichen zur Kriegsproduktion geworben. Dass die jungen Arbeiter bei dem Themenkomplex Berufsbildung in der faschistischen Bildpropaganda zusammen mit Maschinen abgebildet werden, überrascht insofern, als ihre erwachsenen Gegenstücke im Rahmen der »Ruralismus«-Ideologie hauptsächlich in ländlichem und nicht maschinisiertem Umfeld auftreten. Wie in Kapitel 4 herausgestellt, fehlen umgekehrt, wenn die Industrie propagandistisches Thema ist, wie zum Beispiel im Rahmen der Autarkiepolitik, jeweils Arbeiter, die Anlagen bedienen. Der Umstand lässt sich wohl damit erklären, dass es bei den Plakaten, die von beruflicher Ausbildung oder Arbeitswettkämpfen handelten, gerade darum ging, die Geschicklichkeit im Umgang mit Geräten und Apparaturen der Jugendlichen herauszustellen, die es schließlich zu erlernen galt. Die Carta della Scuola von 1939 widmete sich explizit dem Feld der beruflichen Ausbildung und forderte, Arbeit verstärkt in den Schulunterricht zu integrieren.138 Ferner sollte die Reform gerade die »Verbrüderung« zwischen »Kopf- und Handarbeitern« voranbringen und sich somit harmoniestiftend auf Klassenunterschiede auswirken.139 Dabei versuchte Giuseppe Bottai, der Autor der Carta della Scuola, jedoch keineswegs zu verschleiern, dass die Klassenzugehörigkeit der jugendlichen Berufsschüler durch die anvisierten Schultypen potr/ agire, benefica, anche in altri campi: quello, ad es., della tormentatissima istruzione professionale.« 138 Luigi Sasso, Dalla Riforma Gentile alla Carta della Scuola, in: Gerarchia XX (1941) H. 12, S. 554f., hier S. 555. 139 Zitiert nach Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 376f.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Abb. 77: » Siegen. Jugendspiele der Arbeit«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1942.
Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda
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durchaus erhalten bleiben sollte. So schrieb er über die geplante scuola artigiana, dass sie »[k]eine Schule [ist und] sei es unfreiwillig, die der Jugend Anreiz bietet, ihre eigene soziale Lage zu verrücken.«140 An der bereits existierenden scuola di avviamento professionale kritisierte er gerade, dass sie unter den Berufsschülern »illusorische Ambitionen für eine Aufnahme in die Reihen der Studenten« nähre.141 Kriegsbedingt kamen die in der Bottai’schen Reform von 1939 vorgesehenen Änderungen auf dem Gebiet der Berufsbildung letztlich jedoch nie zur Anwendung.142 Die Forderung nach Gleichstellung von intellektueller und manueller Arbeit, wie sie Vertreter des faschistischen Regimes gestellt hatten, wurde auch in der Propaganda des peronistischen Argentinien erhoben, dort jedoch erheblich ausgebaut. Um die angestrebte Befriedung der Klassenkonflikte auf Plakaten und Illustrationen zu visualisieren, existierten verschiedene Varianten: Entweder wurde sie mittels eines Handschlags zwischen Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen, wie Akademikern und Handwerkern, dargestellt (vgl. Kap. 4) oder die Grafiker griffen auf die in der peronistischen Bildpropaganda so häufigen Vorher-Nachher-Darstellungen zurück. In einer Illustration in dem Bildband »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« von 1950 stehen im oberen Bildfeld, das mit »vorher« überschrieben ist, verschiedene Arbeitertypen auf einem Stufenmodell, das die sozialen Klassen repräsentiert (Abb. 78, S. 272). Stilistisch stimmt die Abbildung mit den restlichen eher naiven Illustrationen des Bandes überein. Während die durch ihre Kleidung als argentinischer Landarbeiter markierte Figur die unterste Stufe einnimmt, ist ein in Kittel und Krawatte gekleideter Mann, der einen Akademiker, Arzt oder Wissenschaftler darstellen soll, auf dem höchsten Niveau angesiedelt. Auf den drei Stufen dazwischen erscheinen von unten nach oben ein Tagelöhner oder anderer manueller Arbeiter in dunkler Jacke und Kappe, ein durch seine blauen Latzhosen klar erkennbarer Fabrikarbeiter und ein Mann in Anzug und Krawatte, der für den Dienstleistungssektor steht. Im unteren Bildfeld, der gegenwärtigen Situation unter dem peronistischen Regime, stehen identische Arbeiterfiguren nun auf einer Stufe. Der gelbe Halbkreis, mit dem sie hinterlegt sind, eine stilisierte aufgehende Sonne, symbolisiert den vom Peronismus beanspruchten Neuanfang. Die »verhassten Unterschiede, nach Vermögen, sozialer Position und Beruf«, die bezüglich der Vorher-Situation in der Bildunterschrift angesprochen werden und die sich laut der Darstellung gerade zwischen manuellen und intellektuellen Arbeitern ergaben, sind in der Aktualität überwunden: »Alle be140 Bottai, La Carta della Scuola, S. 28: »Non, quindi, una scuola che offra, sia pur involontario, incentivo alla gioventF di spostare la propria condizione sociale […].« 141 Ebd.: »Se un appunto puk farsi all’attuale scuola di avviamento H quello di alimentare con le briciole della cultura, illusorie ambizioni per un inserimento nel rango studentesco […].« 142 Charnitzky, Die Schulpolitik des faschistischen Regimes in Italien (1922–1943), S. 377f.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
Abb. 78: »Würdigung des Arbeiters«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), Argentinien 1950, S. 154.
Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda
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finden sich auf derselben Ebene.« Dies sei der vom peronistischen Regime realisierten sozialen Gerechtigkeit zuzuschreiben, die zur titelgebenden »Würdigung des Arbeiters« geführt habe (vgl. Kap. 4). Da in den Augen Perjns nur eine »qualifizierte Arbeitskraft […] materiellen Reichtum der Nation«143 schaffen könne, zeigte sich seine Regierung sehr viel ambitionierter auf dem Gebiet der staatlichen Berufsbildung als das faschistische Regime. Den wirtschaftspolitischen Hintergrund stellten dabei Bestrebungen des peronistischen Regimes dar, Argentinien durch die Steigerung der industriellen Produktion von ausländischen Importen weitestgehend unabhängig zu machen.144 Das »Recht auf Qualifikation« (Derecho a la capacitacijn) wurde gar in den 1949 in die Verfassung integrierten »Rechten des Arbeiters« verankert.145 Mit seinen Reformen auf dem Gebiet der Berufsbildung schloss Perjn an in den Jahren vor seiner Präsidentschaft eingeleitete Entwicklungen an, die 1944 zur Gründung der »Nationalkommission der Lehre und beruflichen Orientierung« (Comisijn Nacional de Aprendizaje y Orientacijn Profesional, CNAOP) innerhalb des »Staatssekretariats für Arbeit« geführt hatten.146 Das bis 1955 aufgebaute dreigliedrige Berufsbildungssystem, das Vorkurse, eine Sekundarstufe und das Universitätsniveau umfasste, ersetzte und vereinheitlichte die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert existierende berufsbildende Einrichtungen, wie die Escuelas de Artes y Oficios.147 Die Zuständigkeit für das neu aufgebaute staatliche Berufsschulwesen lag zunächst bei dem 1949 zum Ministerium erhobenen »Staatssekretariat für Arbeit«.148 Ähnlich wie im faschistischen Italien 1928 geschehen, gingen die berufsbildenden Institutionen auch in Argentinien 1951 in den Zuständigkeitsbereich des Erziehungsministeriums über.149 Auf der ersten Stufe des neuen staatlichen Berufsbildungssystems, die drei Jahre umfasste, konnten Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren mit abgeschlossener Primarschulbildung nun an sogenannten »Fabrikschulen« (Escuelas f#bricas) zum Facharbeiter (Experto en el oficio) ausgebildet werden. Nach erfolgreichem Abschluss folgte darauf eine zweite dreijährige Ausbildungsstufe an 143 Juan Domingo Perjn, Obras completas, Bd. 12, Buenos Aires 1997, S. 279: »Si estas escuelas tienen valor porque van a formar la mano de obra capacitada que necesita el futuro de nuestro pa&s; si van a formar los obreros que crear#n la riqueza material de la Nacijn […].« (Rede Perjns bei der Eröffnung einer Fabrikschule in Florida am 10. 06. 1950). 144 Ferrer, La econom&a argentina, S. 226. 145 La proteccijn del trabajador argentino, S. 30. 146 Plotkin, MaÇana es San Perjn, S. 88f. 147 Pablo Pineau, Peronism, Secondary Schooling and Work (Argentina, 1944–1955). An Approach through Cultural Hierarchies, in: Paedagogica Historica 40 (2004) 1–2, S. 183–191, hier S. 186–187, 189. 148 Verjnica Oelsner, »Produzenten statt Parasiten«. Entwürfe und Wirklichkeiten beruflicher Ausbildung im modernen Argentinien, Frankfurt 2012, S. 174. 149 Pineau, Peronism, Secondary Schooling and Work (Argentina, 1944–1955), S. 189.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
technisch-industriellen Schulen (Escuelas t8cnico-industriales), an deren Ende das Zertifikat des Fabriktechnikers (T8cnico de F#brica) stand. Dies war wiederum Voraussetzung für den Zugang zur dritten und letzten Stufe, der fünf Jahre umfassenden »Arbeiteruniversität« (Universidad Obrera Nacional, UON), die die zwischen 18- und 28-jährigen Studenten zum Fabrikingenieur (Ingeniero de F#brica) machte.150 Während sich die Unterrichtsinhalte auf allen drei Stufen aus theoretischen und praktischen Lehrstoffen speisten, waren die Fabrikschulen sowie die UON je nach unterrichtetem Zweig an eine Industrieanlage angegliedert, wo die praktischen Stunden absolviert wurden. Entscheidende Neuerungen der Berufsbildung unter Perjn bestanden neben den gratis verteilten Lehrmaterialen und Schuluniformen insbesondere im Schulgeld, dessen Höhe sich nach der Klassenstufe bemaß und das die finanziellen Einbußen, die der Arbeitsausfall des Berufsschülers für seine Familie bedeutete, kompensieren sollte.151 Quellen der CNOAP zufolge waren Anfang der 1950er Jahre 40.000 Berufsschüler an den Institutionen der ersten beiden Ausbildungsstufen eingeschrieben.152 Im Gegensatz zum faschistischen Italien war das neue Berufsbildungssystem in der peronistischen Propaganda sehr präsent. So wurde beispielsweise für die einzelnen Einrichtungen, wie die Universidad Obrera, die schließlich 1952 ihre Türen öffnete,153 geworben. Auf einem undatierten, lediglich als schwarz-weiße Reproduktion erhaltenen Plakat von Lucas G. bedient eine männliche Figur im Brustbild und Profil mit strengem Gesichtsausdruck mit der einen Hand ein Zahnrad, in der anderen hält sie ein Buch (Abb. 79, S. 275). Hinter ihr erhebt sich eine bogenartige Architektur, die den Schriftzug »Universidad Obrera« trägt sowie das eingemeißelt erscheinende argentinische Nationalwappen mit dem Handschlag und der aufgebockten phrygischen Mütze. Bei der in der unteren rechten Ecke sichtbaren Banderole, die das Zahnrad halb verdeckt, ist davon auszugehen, dass sie in der originalen farbigen Version in Weiß und Himmelblau, den argentinischen Nationalfarben, gehalten war. Die Unterschrift benennt mit der »Nationalkommission der Lehre und beruflichen Orientierung«, die Regierungsabteilung, der die staatlichen berufsbildenden Institutionen angehörten. Die Attribute des Arbeiters, das Buch und das Zahnrad, versinnbildlichen die Zusammensetzung des Curriculums der beworbenen Institution aus praktisch-technischen und theoretischen Lehrinhalten. Dass der Protagonist des Plakats männlich ist, ist dem Fakt geschuldet, dass die an der UON und den anderen Institutionen der CNOAP angebotenen Ausbildungszweige, wie 150 151 152 153
Oelsner, »Produzenten statt Parasiten«, S. 177. Dussel/Pineau, De cuando la clase obrera entrj al para&so, S. 131, 157. Oelsner, »Produzenten statt Parasiten«, S. 177. Dussel/Pineau, De cuando la clase obrera entrj al para&so, S. 130.
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Abb. 79: Lucas G., »Arbeiteruniversität. Nationalkommission der Lehre und beruflichen Orientierung«, Plakat, Argentinien ohne Datum.
Schlosserei, Schreinerei oder Maurerhandwerk, traditionell als Männerberufe galten. Die in Kapitel 6 diskutierten Vorbehalte des peronistischen Regimes gegenüber weiblicher Arbeit außer Haus führten dazu, dass tatsächlich die Mehrheit der Berufsschüler Männer waren. Zwar existierten einige berufsbildende Kurse für Frauen an sogenannten Escuelas de Capacitacijn Profesional para Mujeres. Jedoch wurden für die mit Nähen, Kochen und Backen hauptsächlich im Bereich der Hauswirtschaft angesiedelten Ausbildungszweige keine Qualifikationsnachweise vergeben.154 Die Reformierung des Berufsbildungssystems rief in der peronistischen Propaganda ein neues Rollenbild für die männlichen Jugendlichen auf den Plan: 154 Oelsner, »Produzenten statt Parasiten«, S. 177f.
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
das des Lehrlings (aprendiz). Mit der Konsolidierung der berufsbildenden Strukturen erhielt er einen festen Platz innerhalb des propagandistischen Zeremoniells des peronistischen Regimes. So veranstaltete es jährlich am 3. Juni einen »Tag des Lehrlings« (D&a del Aprendiz). An diesem bereits 1945 per Dekret beschlossenen Festtag wurde der Gründung der »Nationalkommission der Lehre und beruflichen Orientierung« im Vorjahr gedacht. In den Worten des Vorsitzenden der Kommission 1952, Humberto C. Garuti, bedeutete der Gedenktag die »definitive Rehabilitation des jungen argentinischen Arbeiters als wirtschaftlicher und sozialer Wert und als vorherrschender Faktor der zukünftigen materiellen und moralischen Größe der Nation«.155 Dass die Feierlichkeiten zum D&a del Aprendiz jährlich im renommierten Teatro Coljn in Buenos Aires stattfanden, weist auf deren zentrale Rolle im vom Regime etablierten Festtagskalender hin. Dort wurden, seit Perjn an der Macht war, auch Gewerkschaftssitzungen der CGT abgehalten, was die mehrheitlich antiperonistische Oberschicht als Affront auffasste.156 Außer in Zeremonien hatte die neue Figur des aprendiz einen ebenso prominenten Platz in der Bildpropaganda des Regimes. In der vom Erziehungsministerium ab April 1952 monatlich eigens für Berufsschüler herausgegebenen Zeitschrift »El aprendizaje« (»Die Lehre«) war der Lehrling, »der Frühling des Vaterlandes«,157 Hauptprotagonist. Die Inhalte der Publikation kreisen vorrangig um im ganzen Land neu eröffnete berufsbildende Institutionen, wie Fabrikschulen. Ferner wurden Interviews mit Schülern der verschiedenen Einrichtungen und Erfahrungsberichte abgedruckt. Neben Beiträgen über peronistische oder nationale Feiertage finden sich auch Erläuterungen der vom Regime verabschiedeten sozial- und arbeitspolitischen Maßnahmen sowie handwerkliche Bau- oder Bastelanleitungen. Die auf Grafiken oder Fotografien dargestellten Lehrlingsfiguren repräsentieren die Bandbreite der nun an staatlichen Berufsschulen angebotenen technischen Ausbildungszweige. Auf den Titelblättern werden Lehrlinge jeweils bei verschiedenen Tätigkeiten gezeigt: In für Fabrikarbeiter im Allgemeinen typischen Latzhosen bedienen sie komplexe Maschinen oder hantieren mit Werkzeugen. Auf dem von Laico Bou gestalteten
155 O. A., El Mensaje a los Aprendices, in: El Aprendizaje I (1952) H. 3, S. 17, hier S. 17: » Hoy, 3 de junio, vosotros celebr#is vuestro d&a: aquel que seÇala una definitiva rehabilitacijn del joven trabajador argentino como valor econjmico y social, y como factor preponderante de la futura grandeza material y moral de la Nacijn.« 156 Dies hat Daniel James auch für andere Orte, die vor dem Peronismus vorrangig der argentinischen Oberschicht vorbehalten waren, wie die Plaza de Mayo, herausgestellt (James, Resistance and integration, S. 32f.). 157 O. A., Notas y comentarios, in: Aprendizaje II (1954) H. 11, S. 3, hier S. 3: »Aprendices, primavera de la Patria.«
Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda
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Cover der Februar-Ausgabe von 1954 perforiert eine männliche Dreiviertelfigur im Profil mit Hilfe einer Bohrmaschine ein eingespanntes Metallstück (Abb. 80).
Abb. 80: Laico Bou, Titelblatt Aprendizaje II, H. 11, Argentinien 1954.
Die Bildunterschrift auf der Folgeseite unterstreicht die Konzentration und Arbeitsamkeit des Dargestellten, indem sie festhält: »Mitten in der Arbeit wurde der Lehrling einer unserer Fabrikschulen überrascht […]« – geradezu als handele es sich um eine fotografische Momentaufnahme. Das Emblem der Zeitschrift, mit dem der Titel »Aprendizaje« hinterlegt ist, setzt sich aus einem aufgeschlagenen Buch, einer Feder und einer darüber angesiedelten oberen Hälfte eines Zahnrads zusammen. Dadurch wird das für die technische Ausbildung als zentral erachtete theoretische und praktische Wissen symbolisiert, wobei das Zahnrad explizit für die Industrie steht. Das Titelblatt der Ausgabe vom April 1955 hat der Grafiker Miguel Raffll Massa (TECO) mit einem ganz-
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Das »Heer von Morgen« und »kleine Arbeiter«
figurigen Lehrling in der Hocke mit Handschuhen und einem hochgeklappten Schweißerhelm versehen. Rechts neben ihm steht das dazugehörige Schweißgerät, dessen Griffstück er in der Hand hält. Im Hintergrund sieht man zu beiden Seiten der männlichen Figur perspektivisch zum Fluchtpunkt hin verlängerte Gebäudestrukturen: rechts eine Fabrikanlage mit rauchenden Schornsteinen und einem Wasserspeicher, links möglicherweise ein Schulgebäude mit wehender argentinischer Nationalflagge auf dem Dach. Mit den beiden repräsentierten Ausbildungsstätten sind somit die integralen Elemente der Berufsbildung unter der Ägide des Staates vereint dargestellt. Für das in der peronistischen Propaganda geschaffene neue Rollenbild des Lehrlings für die hauptsächlich männliche Jugend hatte es im faschistischen Italien keinen Vorläufer gegeben. Denn bis auf wenige Ausnahmen stellte das spezifische Thema der beruflichen oder technischen Ausbildung von Jugendlichen kaum einen Gegenstand der visuellen Propaganda dar. Plakate und Fotografien, die in Italien über die Littoriali del Lavoro verbreitet wurden, waren vor diesem Hintergrund eine eher späte und kurze Episode. Ganz anders im peronistischen Argentinien: Dort entwickelte sich die Berufsbildung mit dem Aufbau eines mehrstufigen Zyklus, der in eine Arbeiteruniversität mündete, zu einem in propagandistischen Medien breit diskutierten Thema. Die Figur des Lehrlings wurde im Rahmen von Festtagen geehrt und in den Dienst der Industrialisierung des Landes gestellt. Im starken Kontrast zur Propaganda des faschistischen Regimes verhinderte der Fokus auf der Jugend im peronistischen Argentinien nicht, dass dort in einer inkludierenden Geste auch alte Menschen in propagandistischen Medien auftraten. Dabei wurde stets betont, dass sie ihr Leben lang gearbeitet hatten und »sehr aktiv« gewesen waren.158 Zusammen mit den »Rechten der Arbeiter« und »der Kinder« wurden 1949 in Argentinien auch die »Rechte des Alters« (Derechos de la Ancianidad) mit in die Verfassung aufgenommen.159 Zwar waren Senioren in einigen wenigen Propagandapublikationen des faschistischen Regimes als Nutznießer von sozialpolitischen Maßnahmen aufgetaucht.160 Diese waren jedoch angesichts der Flut an Material, das dem Jugendkult frönte, vernachlässigbar. Die Ehrung der »tercera edad«, wie sie in offizieller Rhetorik und visuellen Medien im peronistischen Argentinien vollzogen wurde, erscheint als eigener Zug des Peronismus. Für Propagandaplakate, auf denen Eva Perjn als Repräsentantin der Sozialpolitik der Regierung wie eine Schutzheilige in einem
158 Dom&nguez, NiÇos felices, S. 26. 159 Somoza Rodr&guez, Educacijn y pol&tica en Argentina (1946–1955), S. 334. 160 Istituto Nazionale Fascista della Previdenza Sociale, Previdenza sociale. Forza del lavoro, Rom 1939, S. 83–96.
Das Thema der Berufsbildung in der visuellen Propaganda
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Strahlenkranz über einem alten grauhaarigen Ehepaar schwebt (Abb. 81), hatte der italienische Faschismus kein Vorbild geliefert.
Abb. 81: H8ctor Alfons&n, »Für ein glückliches Alter. Eva-Perjn-Stiftung«, Plakat, Argentinien 1948.
8
Arbeit, nationale Identitätsentwürfe und Feindbilder
Nachdem bisher eine Reihe von positiven an den Arbeitsbegriff geknüpften Rollenbildern im Fokus standen, stellt sich die Frage, wer in den vom Faschismus und Peronismus beworbenen korporativen Gesellschaftsmodellen nicht inbegriffen war. Denn zur Konstruktion von politischen und nationalen Identitäten trugen unter beiden Regimen unterschiedlich stark auch die Benennung und Visualisierung eines ›Anderen‹ bei, von dem man sich abgrenzte.1 Dies konnte bis zum Entwurf von expliziten Feindbildern reichen. Das Versprechen der Zugehörigkeit zur Nation, das 1927 in der italienischen Carta del Lavoro formuliert worden war, hatte eine Kehrseite: Alle, die der dort formulierten Pflicht zu arbeiten nicht nachkamen, waren im Umkehrschluss aus der Gemeinschaft des Stato Corporativo ausgeschlossen. Der vor allem ab den 1930er Jahren im faschistischen Italien erstarkende Rassismus und Antisemitismus fungierten als zusätzliche Mechanismen der Ausgrenzung. Wie zu zeigen sein wird, wurden bei der Konstruktion von Feindbildern in der faschistischen Propaganda vielfach vermeintlich ›rassische‹ Eigenschaften mit dem Vorwurf mangelnder Arbeitsdisziplin und Produktivität verknüpft. Demgegenüber wird herausgestellt, dass das peronistische Regime größtenteils davon absah, personifizierte Feindbilder in visuellen Medien zu zeichnen. Anders als im faschistischen Italien fand der Arbeitsbegriff hier nahezu allein in seiner inkludierenden Variante Verwendung. Auf ›Rasse‹ beriefen sich die Peronisten im Zuge einer politischen und nationalen Identitätsbildung nicht. Zwar knüpfte das peronistische Regime an kulturelle Strömungen wie den criollismo an, die der Realität einer kreolischen und Mestizengesellschaft in Argentinien in gewisser Weise Rechnung trugen. Dennoch erweist gerade die Analyse der peronistischen Bildpropaganda, dass der Mythos vom »weißen Argentinien« als europäischem Einwanderungsland keinesfalls gänzlich revidiert wurde. Somit wird im Folgenden verdeutlicht, dass das faschistische und das peronistische
1 Gordon, Race, S. 308; Gen8, Un mundo feliz, S. 17.
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Arbeit, nationale Identitätsentwürfe und Feindbilder
Regime die Kategorien Arbeit und ›Rasse‹ in visuellen Medien jeweils unterschiedlich als Inklusions- und Exklusionsmechanismen einsetzten.
8.1
»Unzivilisierte Afrikaner« und »jüdische Parasiten« in der faschistischen Bildpropaganda
Die Propagandabilder von heldenhaften Arbeitern als Repräsentanten der italienischen Nationalität, bei deren Charakterisierung auf antike Schönheitsideale oder Bauern in ländlichen Szenerien zurückgegriffen wurde (vgl. z. B. Kap. 4, Abb. 19, S. 129, Abb. 20, S. 131), hatten während der 1920er Jahre kein negatives Pendant. Stattdessen lag der Schwerpunkt der faschistischen Propaganda auf Aufrufen zur Steigerung der Produktivität. Arbeitslose waren in der korporativen Ordnung schlicht nicht vorgesehen und wurden in der Publizistik des Regimes, wie in der Zeitschrift »Gerarchia«, angeprangert: Arbeit und Verdienst sind das Recht und die Pflicht aller. Der Arbeitslose ist in einer wirtschaftlich organisierten Zivilisation unvorstellbar, oder derjenige, der notgedrungen oder aus Eigenverschulden die Arbeit aufgibt, aus Mangel an Eignung oder Willen, für jenen sollte man eine Klinik oder ein Gefängnis eröffnen.2
Im Gegensatz zu solchen verbalen Ausführungen wurden nicht arbeitende Teile der Bevölkerung in Bildmedien des Regimes jedoch zunächst nicht explizit denunziert. Erst der in der faschistischen Ideologie eine immer wichtigere Rolle einnehmende Rassismus lieferte ab Anfang der 1930er Jahre in der visuellen Propaganda ein weiteres Ausschlusskriterium. Der Rassebegriff war in der Rhetorik des Faschismus von Beginn an enthalten. Bereits vor dem Marsch auf Rom hatte Mussolini sein Verständnis von nationaler Identität als auf ›Rasse‹ basierend kundgetan.3 Während er in der Frühphase des Regimes ›Rasse‹ noch parallel mit anderen Begriffen, wie der Definition der italienischen Nation als »Abstammungsgemeinschaft« (»comunit/ genealogica«) oder »Stamm (»stirpe«), benutzte, nahm gegen Ende der 1920er Jahre die Selbstbeschreibung als »razza italiana«4 einen immer gewichtigeren Platz im Rahmen der nationalen Identitätsbildung ein.5 So kündigte Mussolini in seiner Himmelfahrtsrede 1927 2 L’uomo fascista, Il lavoro come dovere e come diritto, in: Gerarchia XIV (1934) H. 12, S. 1054f., hier S. 1055: »Il lavoro e il guadagno sono diritto e dovere di tutti. Il disoccupato, in una civilt/ economicamente organizzata, H incocepibile; o colui che diserta necessariamente o colpevolmente il lavoro, per mancanza di attitudine o di volont/, e per costui si deve aprire la clinica o il carcere.« 3 Alberto Mario Banti, Sublime madre nostra. La nazione italiana dal Risorgimento al fascismo, Rom 2011, S. 153f. 4 Mussolini, Opera omnia, Bd. 22, S. 118. 5 Banti, Sublime madre nostra, S. 156f.
»Unzivilisierte Afrikaner« und »jüdische Parasiten« in der Bildpropaganda
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beispielswese eine »campagna per la sanit/ della razza« an. Diese »Kampagne für die Gesundheit der Rasse« hatte demografische Ziele und zog neben der Einrichtung von Institutionen, wie der Opera Nazionale per la Protezione della Maternit/ e dell’ Infanzia, staatliche Anreize und Regulierungen nach sich, die hauptsächlich auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung von Müttern und Neugeborenen zielten (vgl. Kap. 6).6 Vor dem Hintergrund des zunehmenden Rassismus des Regimes richteten sich erste diskriminierende Maßnahmen gegen Bevölkerungsgruppen innerhalb Italiens gegen deutsche und slawische sprachliche Minderheiten in nach dem Ersten Weltkrieg annektierten Gebieten, wie Südtirol und Julisch Venetien. Zusammen mit der Italianisierung der Ortsbezeichnungen wurden die deutschund slawischsprachigen Bevölkerungsteile vertrieben oder zur Benutzung des Italienischen gezwungen.7 Der Aufstieg Nazi-Deutschlands sowie das nahende militärische Engagement Italiens in Äthiopien ab Oktober 1935 führten dazu, dass das faschistische Regime klarere rassenpolitische Positionen bezog.8 Gegenüber Schwarzen konnte der Faschismus jedoch auch wesentlich an rassistische Vorurteile anschließen, die bereits die liberalen Regierungen vor 1922 gegenüber der Bevölkerung in den italienischen Kolonien in Libyen und Eritrea gehegt hatten.9 In den Jahren vor dem Überfall auf Abessinien im Oktober 1935 hatte zusätzlich eine Reihe von pseudowissenschaftlichen anthropologischen, historischen und medizinischen Studien italienischer Autoren die vermeintliche natürliche und mentale Unterlegenheit der afrikanischen Bevölkerung zu belegen versucht.10 Eine der ersten Gelegenheiten, bei der sich Rassismus gegenüber Schwarzen anhand von Bildmedien äußerte, war die Aufsehen erregende Zensur des Romans »SambadF, amore negro« von Mura alias Maria Volpi im April 1934. Während die Handlung um eine Liebesbeziehung zwischen einer Italienerin und einem Afrikaner kreist, zeigt das Titelbild der Ausgabe in nahezu fotorealistischem Stil einen schwarzen Mann im Anzug, der eine leicht bekleidete weiße Frau auf den Armen trägt (Abb. 82, S. 284). Sie hat ihre Arme um seinen Hals geschlungen und schaut ihn schmachtend an. Während der Gestalter des Covers anonym war, stammten die Illustrationen im Buchinnern von dem bekannten Propaganda- und Werbegrafiker Marcello Dudovich. Diese bildeten nicht nur das italienisch-afrikanische Paar, sondern auch den aus ihrer Verbindung hervorgegangen Nachwuchs ab. Der Roman lag Mussolini selbst vor, der Zeugen zufolge insbesondere die Illustration
6 7 8 9 10
Gordon, Race, S. 303. Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 281f. Manfredi Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, Rimini 2005, S. 18. Gordon, Race, S. 302f. Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 294.
284
Arbeit, nationale Identitätsentwürfe und Feindbilder
Abb. 82: Titelblatt Mura, SambadF, amore negro, Italien 1934.
des Covers für anstößig hielt.11 Obgleich die für die faschistische Zensur inakzeptable Beziehung zwischen einer Italienerin und einem Schwarzen einvernehmlich geschah, schwang dabei das rassistische Vorurteil mit, demzufolge schwarze Männer eine Bedrohung für italienische Frauen darstellten. Zwar entsprach der restliche Inhalt des Romans durchaus den rassistischen Positionen des Regimes: Die italienische Hauptfigur hält ihren schwarzen Gatten für faul, einen Lügner und möglicherweise kannibalisch – Gründe, warum die Beziehung am Ende scheitert. Nichtsdestotrotz wurde der Präfekt von Mailand umgehend damit beauftragt, die bereits in Umlauf befindlichen Exemplare des Buches zu beschlagnahmen.12 Als offizieller Grund für die Zensur wurde angegeben, dass es die »Würde der Rasse« beleidige.13 11 Guido Bonsaver, Censorship and literature in fascist Italy, Toronto 2007, S. 95f. 12 Ebd., S. 96–99. 13 Zitiert nach ebd., S. 90.
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Erste Impulse in Richtung einer rassistischen Gesetzgebung lieferte schließlich der erfolgreiche Abessinienfeldzug.14 Von Beginn an waren für die kolonialen Eroberungen demografische Gründe angeführt und Abessinien als Siedlungskolonie geplant worden. Dies machte eine gesetzliche Regelung des Zusammenlebens von italienischer und indigener Bevölkerung in Äthiopien nach der Ausrufung des impero im Mai 1936 unabdingbar.15 Mit für Italiener und Nicht-Italiener getrennten privaten und öffentlichen Räumen nahm die faschistische Kolonialherrschaft starke Züge eines Apartheidregimes an.16 Die Gesetzgebung widmete sich – anders als die im zensierten Buchtitel von Mura beschriebene Konstellation – insbesondere den zwischenmenschlichen und sexuellen Beziehungen zwischen italienischen Männern und der weiblichen Bevölkerung vor Ort. Das sogenannte madamato, womit sexuelle Beziehungen zwischen italienischen Staatsbürgern und der lokalen weiblichen Bevölkerung in den Kolonien bezeichnet wurden, versuchte die faschistische Führung unter anderem durch die Ansiedlung von italienischen Prostituierten zu verhindern. Mit dieser Maßnahme konnte das Regime aber nur mäßigen Erfolg erzielen: Zahlreiche italienische Männer gingen weiterhin Verhältnisse mit Indigenen ein.17 In der faschistischen Propaganda wurde die Kolonisierung Abessiniens mit einer »Zivilisierungsmission«18, die die Italiener angeblich zu erfüllen hatten, gerechtfertigt. Als zentrales Element dieser Mission benannte Mussolini Arbeit: Angesichts der vermeintlich bewiesenen Unfähigkeit der Schwarzen sich zu entwickeln, sollte »das italienische Volk […] [das Reich] mit seiner Arbeit befruchten«.19 Zu diesem Zweck war geplant, den Korporativismus auch auf das sogenannte »Italienisch-Ostafrika« (Africa Orientale Italiana, AOI) zu übertragen und einen »Kolonialen Korporationsrat« (Consiglio corporativo coloniale) einzurichten.20 Äußerungen von Vertretern des Regimes zufolge unterschied sich der faschistische Kolonialismus von den kolonialen Praktiken anderer Mächte gerade dadurch, dass in der Kolonie ein getreues Bild des Mutterlandes inklusive seiner korporativen Ordnung reproduziert werden sollte. So war in zeitgenössischen Publikationen von einem »colonialismo cor14 Gordon, Race, S. 308. 15 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 294. 16 Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, S. 215; Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 293, 296. 17 R. J. B. Bosworth, Mussolini’s Italy. Life under the dictatorship 1915–1945, London 2005, S. 384f. 18 Mussolini, Opera Omnia, Bd. 27, S. 386. 19 Ebd., S. 269: »II popolo italiano ha creato col suo sangue l’impero. Lo feconder/ col suo lavoro e lo difender/ contro chiunque con le sue armi […].« (»Ausrufung des Reichs«, Rede Mussolinis, gehalten auf dem Balkon des Palazzo Venezia am 09. 05. 1936). 20 Ebd., S. 84.
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porativo« die Rede.21 Im Fokus des faschistischen Regimes stand, die Landwirtschaft in Abessinien zu fördern. Für die Ansiedlung ländlicher Arbeiter aus Italien war, wie schon bei den internen Umsiedlungsprogrammen im Agro Pontino, der Veteranenverband Opera Nazionale Combattenti (ONC) zuständig, ab 1939 dann ein ihm untergeordnetes Ente di colonizzazione.22 An die Bildpropaganda wurde im kolonialen Kontext die Aufgabe herangetragen, den Eifer, den das faschistische Regime beim Aufbau einer »neuen Zivilisation« vermeintlich an den Tag legte, zu dokumentieren.23 Zu diesem Zweck erhielt das Istituto LUCE eine Ostafrika-Abteilung hinzu.24 In Übereinstimmung mit der Dominanz »ruralistischer« Themen in Bildmedien über das italienische Mutterland (vgl. Kap. 4) hob auch die grafische Propaganda über Äthiopien insbesondere auf die zentrale landwirtschaftliche Kolonisierung ab. Auf einem Plakat des »Faschistischen Verbandes der landwirtschaftlichen Arbeiter« (Confederazione Fascista Lavoratori Agricoltura) von Walter Roveroni aus dem Jahr 1936 ist im Vordergrund eine männliche Halbfigur in Schwarzhemd und Tropenhelm zu sehen (Abb. 83, S. 287). Das an den Helm angebrachte Fähnchen weist sie unmissverständlich als Italiener aus. Über die Schulter hat sie einen nach oben gerichteten Spaten geschnallt. In der einen Hand hält die Figur einen Dolch, in der anderen erhobenen einen Hammer. Damit meißelt sie den Titel des Plakats ein, wobei beide Bildebenen – Bild und Beschriftung – raffiniert verknüpft werden. Vor schwarzem Hintergrund ist in grüner Schrift der Titel »Etiopia« zu lesen. Darüber sind in Weiß ein Fascio sowie das antike Kürzel »S.P.Q.R« gelegt. Der Protagonist des Plakats ist damit beschäftigt, den letzten Buchstaben ›R‹ einzumeißeln. Auch wenn der Dolch ein für die Tätigkeit denkbar unangebrachtes Werkzeug darstellt, suggeriert er doch militärische Stärke und Virilität. Im Hintergrund erstreckt sich eine ländliche Ebene, deren gelbliche Färbung auf Getreidefelder verweist. Den Fluchtpunkt bildet eine mit weißen Punkten angedeutete städtische Ansiedlung, auf die eine Straße aus dem Vordergrund zuführt. Während der Protagonist den beispielhaften agrarischen Siedler repräsentiert, wird die Kolonisierungsmission durch den Schriftzug »Senatus Populusque Romanus« in die Tradition des römischen Reiches, das sich unter Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.) ebenso bis nach Nordafrika ausgedehnt hatte, gestellt. Die angedeutete Stadt weist den radiozentrischen Grundriss und die modernistische Architektur faschistischer Städtegründungen 21 Gian Luca Podest/, Il lavoro in Africa Orientale Italiana (1935–1939), in: Sergio Zaninelli/ Mario Taccolini (Hg.), Il lavoro come fattore produttivo e come risorsa nella storia economica italiana. Atti del convegno di studi, Roma, 24 novembre 2000, Mailand 2002, S. 123–162, hier S. 127. 22 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 298. 23 Bricchetto, La fotografia dentro il giornale, S. 313. 24 D’Autilia, Storia della fotografia in Italia, S. 202.
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auf, wie sie sich bereits im Agro Pontino fanden und auch in der neuerworbenen Kolonie errichtet werden sollten. Mit dem turmartigen Gebäude im Mittelpunkt ist eine Casa del Fascio angedeutet, das Hauptgebäude der städtischen Verwaltung, dessen Turm in den faschistischen Planstädten alle anderen architektonischen Strukturen überragte.25
Abb. 83: Walter Roveroni, »Äthiopien. S.P.Q.R. »Faschistischer Verband der landwirtschaftlichen Arbeiter«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1936.
Eine Variation der Darstellung heroischer Arbeiter im kolonialen Kontext in der faschistischen Propaganda bestand darin, sie zusammen mit der lokalen Bevölkerung abzubilden. In der Logik der »Zivilisierungsmission« musste den 25 Führ, Städtebau und Propaganda im Faschismus: Sabaudia und der Agro Pontino, S. 99, vgl. Brian McLaren, Architecture and tourism in Italian colonial Libya. An ambivalent modernism, Seattle 2006.
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Afrikanern vor Ort das Arbeiten beigebracht werden. Diese Aussage wurde in der visuellen Propaganda durch die direkte Gegenüberstellung von italienischen und indigenen Protagonisten verdeutlicht. So wird dem muskulösen Schmied auf der in Kapitel 4 diskutieren Postkarte im Hintergrund ein schmächtiger Dunkelhäutiger zur Seite gestellt (Abb. 7, S. 99). Außer der Staffagefigur verweist ferner die im Hintergrund angedeutete Vegetation mit Palmen auf den afrikanischen Kontext. Während der Arbeiter im Vordergrund, der laut Bildunterschrift das »italienische Volk« repräsentiert, mit strengem Blick »entschlossen« auf das glühende Stück Eisen einschlägt, steht der Schwarze weiter hinten tatenlos da. Mit weißem Lendenschurz und Turban bekleidet – per se Anzeichen seiner mangelnden Zivilisation – bleibt ihm nichts anderes übrig, als den modellhaften Arbeitseifer des Italieners zu beobachten und sich, in der Sicht der Kolonialherren, an »italienischer Arbeit« ein Beispiel zu nehmen. Die auf der Postkarte evozierte pädagogische Situation beschränkte sich jedoch nicht nur auf die reine Präsenz der Italiener in Nordostafrika. Ebenso zielten konkrete Bildungsangebote darauf, die lokale Bevölkerung vor allem in agrarische Produktionsweisen einzuweisen.26 Dabei waren die Faschisten stets bemüht, als mildtätige Kolonialherren zu erscheinen. So wies beispielsweise der Unterstaatssekretär für Presse und Propaganda, Dino Alfieri, im Dezember 1935 LUCE-Fotografen an, in Propagandafotografien insbesondere die »ausgezeichnete Behandlung« (»ottimo trattamento«), das die »Untertanen« von Seiten der Kolonialverwaltung erführen, hervorzuheben.27 Neben Schwarzen wurde ein weiterer ›Anderer‹ im Juden gefunden, der sich vor allem in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zum expliziten internen Feindbild in der faschistischen Propaganda entwickelte. In der Frühphase wies das Regime allerdings noch keine spezifische antisemitische Haltung auf. Zwar war Mussolini von zeitgenössischen antisemitischen Strömungen geprägt und hatte Schriften von Autoren wie Friedrich Nietzsche oder Georges Sorel rezipiert. Auch fand sich in seinen eigenen Artikeln vor 1922 eine Reihe gegen Juden gerichteter Äußerungen.28 Daraus leitete das faschistische Regime bis in die 1930er Jahre jedoch keine antisemitischen Maßnahmen ab. Ebenso waren unter den Mitgliedern des PNF und der Parteiorganisationen zahlreiche Juden.29 Noch 1926 ließ Mussolini verlautbaren, in Italien gebe es keine »Judenfrage«. Stattdessen habe ihr »enthusiastischer Beitrag« zum Risorgimento und zum Ersten Weltkrieg bewiesen, dass sie »dieselben Ideale wie alle Italiener« hätten.30 26 27 28 29
Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, S. 223. Zitiert nach Bricchetto, La fotografia dentro il giornale, S. 310. Gordon, Race, S. 301. Gordon, Race, S. 301; Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 312: Noch 1938 waren rund 27 % aller volljährigen italienischen Juden Mitglieder des PNF. 30 Zitiert nach Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, S. 13.
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Rassistische Maßnahmen, die bereits im kolonialen Kontext zum Einsatz gekommen waren, die internationale Isolierung Italiens nach dem Äthiopienkrieg sowie die Annäherung an NS-Deutschland gelten als Wegbereiter für die antisemitischen Positionen, die das faschistische Regime zunehmend vertrat.31 Anfang 1938 regte Mussolini die Gründung einer Arbeitsgruppe im Ministero della Cultura Popolare an, die sich schließlich im Juni mit dem Ufficio Studi sulla Razza (»Büro für Studien über die Rasse«) unter der Führung von Guido Landra konkretisierte.32 Ebenso wurde das vorherige Ufficio centrale demografico (»Zentrales demografisches Büro«) im Innenministerium in eine Direzione per la demografia e la razza (»Direktion für Demografie und Rasse«) umgewandelt, die im August 1938 einen Zensus der jüdischen Bevölkerung durchführte.33 Auf Landras Initiative ging ferner die Veröffentlichung des sogenannten »Manifests der rassistischen Wissenschaftler« (Manifesto degli scienzati razzisti) in »Il Giornale d’Italia« Mitte Juli 1938 zurück, das von Mussolini befürwortet worden war.34 In zehn Punkten lieferte es eine Definition der »italienischen Rasse« und deren »arischer Herkunft«, die sich vor allem auf biologistische Aspekte bezog und die Zugehörigkeit der Juden zu einer solchen klar ausschloss.35 Als Juden wurden demnach italienische Staatsbürger definiert, die zumindest einen jüdischen Elternteil hatten oder den jüdischen Glauben praktizierten.36 Dieses erste halbamtliche Dokument, das sich mit dem Thema der ›Rasse‹ auseinandersetzte, hing einem biologistischen und von der nationalsozialistischen Ideologie inspirierten Rassismus an.37 Daneben kursierten in Italien andere rassistische Strömungen, die weniger auf biologistische Aspekte abhoben, als dass sie die Existenz von ›Rassen‹ auf lebensräumliche, historische oder gar spirituelle Faktoren zurückführten. Mussolini eigener Position zufolge gehörten die Italiener der »arischen Rasse mediterranen Typs« an.38 Ab September 1938 folgte eine Reihe von Dekreten und Gesetzen, die sogenannten leggi razziali (»Rassengesetze«), die den Status und die Rechte von italienischen Juden sukzessive einschränkten.39 Zwar bekamen sie nicht die Staatsbürgerschaft aberkannt, sie wurden jedoch aus dem Staatsdienst, der Armee und der Faschis31 Ebd., S. 18. 32 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 303. 33 Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, S. 25; Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 315: Der Zensus vom 22. 08. 1938 erab eine Zahl von 58.412 in Italien lebender Juden. 34 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 303. 35 Banti, Sublime madre nostra, S. 162; Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, S. 24f. 36 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 313. 37 Banti, Sublime madre nostra, S. 162. 38 Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 304f. 39 Gordon, Race, S. 306f.
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tischen Partei ausgeschlossen. Ferner durften sie fortan weder Eigentümer von Geschäften noch von Grundbesitz sein. »Gemischte Ehen« zwischen Italienern und Juden wurden verboten und jüdische Kinder und jüdisches Lehrpersonal aus staatlichen Bildungsinstitutionen verbannt.40 Als Wegbereiter dieser Gesetzgebung können zwar in gewisser Weise einige radikale von Sympathisanten des Regimes herausgegebene Zeitschriften, wie »Tevere«, »Il Regime fascista« und »La Vita italiana«, gelten. In diesen Blättern war bereits vor 1938 rassistisches und antisemitisches Gedankengut verbreitet worden. Das faschistische Regime selbst hatte vor jenem Jahr jedoch von einer breit angelegten rassistischen Propagandakampagne abgesehen.41 Erst im Anschluss an das »Manifest der rassistischen Wissenschaftler« veranlasste das Ministero della Cultura Popolare eine Serie von Maßnahmen, die der Verbreitung der neuen rassistischen Ausrichtung der faschistischen Politik dienen sollte. Neben Konferenzen und der Einrichtung einer Fotothek, die Material über verschiedene »Rassentypen« enthalten sollte, wurde die Gründung einer Zeitschrift angeregt. Diese erfolgte unter der Federführung von Telesio Interlandi, einem militanten Faschisten und Antisemiten der ersten Stunde, der auch schon die antisemitischen Periodika »Tevere« und »Quadrivio« leitete. Im August 1938 begann er mit der Herausgabe der vierzehntägig erscheinenden »La Difesa della Razza«.42 Finanziert wurde sie von einem breiten Spektrum von Bank- und Versicherungsinstituten sowie einigen Industriellen.43 Ihre anfängliche Auflagenzahl betrug 150.000 Stück und mit einem Preis von nur einer Lira war sie vergleichsweise günstig. Außer den festen Redaktionsmitgliedern, wie Lidio Cipriani, Giorgio Almirante und Guido Landra, trugen gelegentlich auch die Unterzeichner des rassistischen Manifests Artikel bei.44 Als halboffizielles Sprachrohr der Rassenpolitik des Regimes ließ »La Difesa della Razza« mit einer Mischung aus kulturellen, pseudowissenschaftlichen und theoretischen Beiträgen eine klare redaktionelle Linie vermissen.45 Das Hauptziel der Zeitschrift bestand darin, die Kunde von der angeblichen Existenz verschieden wertiger Rassen zu verbreiten und durch den Einsatz von simplistischen Dichotomien die »arische Rasse« als überlegen zu präsentieren. Dabei stellte Antisemitismus die argumentative Hauptstoßrichtung des Blattes dar.46 Im Spektrum der vom Regime kontrollierten Publizistik war »La Difesa della Razza« mit der eindeutigen Orientierung der Zeitschrift am nationalsozialisti40 41 42 43 44 45 46
Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 313f. Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 300; Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 171. Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 166f. Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 303. Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 166, 168–169. Ebd., S. 171, 175, 193. Ebd., S. 176, 178.
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schen Rassismus das radikalste Instrument, das rassistisches Gedankengut in Italien verbreitete.47 Auch in Bezug auf die verwendeten Bilder und Illustrationen stand »La Difesa della Razza« relativ allein, machte das Regime doch ansonsten kaum Gebrauch von Plakaten, Postkarten oder Filmen mit rassistischen Inhalten.48 Der Leiter von »La Difesa della Razza«, Telesio Interlandi, hingegen befand den Einsatz von Bildern für fundamental.49 Auch anderen Redaktionsmitgliedern, wie Lidio Cipriani, zufolge war insbesondere visuelles Material einzusetzen, das »auf die Massen in rassistischem Sinne wirken« und »die Phantasie und möglichst das Herz […] auch der einfachsten Gemüter« ansprechen solle.50 Um den »Feind der Rasse« visuell zu markieren, so führte Cipriani weiter aus, böte sich besonders Material an, das »unangenehm für das Auge« und »möglichst schaudererregend« sei.51 Das Titelblatt der ersten drei Ausgaben stammte von Idalgo Palazzetti, einem ansonsten unbekannten Mitglied der GUF von Perugia, der im April 1939 mit seinem Entwurf die Littoriali della Cultura e dell’Arte in der Sektion Plakat gewann (Abb. 84, S. 293).52 Zwar wurde im September 1938 in »Tevere«, einer anderen Zeitschriften Interlandis, ein »permanenter Wettbewerb« für die Gestaltung des Covers von »La Difesa della Razza« ausgeschrieben. Die Ergebnisse schienen die Erwartungen der Redaktion jedoch nicht zu erfüllen, sodass die Auswahl vertagt wurde.53 Auch wenn die Titelblätter bis zur letzten Ausgabe im Juni 1943 variierten, avancierte das erste von Palazzetti zum Logo der Zeitschrift.54 Die modernistische Fotomontage zeigt drei Köpfe im Profil. Das Haupt einer klassischen Skulptur zuhinterst wird von einer vom Bildrand hereinreichender Hand mit einem Schwert aus der Reihe eines stereotypisierten Juden und einer Afrikanerin separiert. Bei der klassischen Skulptur handelt es sich um den Kopf einer Marmorplastik des Doryphoros, die auf den griechischen Bildhauer Polyklet aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. zurückgeht und in Italien in mehreren Marmorkopien aus römischer Zeit erhalten war.55 Der Ursprung der Abbildung des jüdischen Profils war ein alexandrinischer Terrakottakopf aus dem dritten Jahrhundert, dessen Original aus dem Rheinischen Landesmuseum in Trier stammte und dort seit 1931 unter dem Titel »Karikatur eines Juden« geführt wurde.56 Die fotografische Aufnahme der Afrikanerin, einer Angehörigen der Ethnie Schilluk, hatte Lidio 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56
Dogliani, Il fascismo degli Italiani, S. 303. Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 171. Cassata, La difesa della razza, S. 341. Zitiert nach Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 173. Zitiert nach ebd., S. 180. Cassata, La difesa della razza, S. 342. Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 181f. Cassata, La difesa della razza, S. 343. Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 183f. Cassata, La difesa della razza, S. 343.
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Cipriani aus seinem Privatarchiv beigesteuert.57 Durch die kontrastive Gegenüberstellung der drei Häupter verfolgte der Gestalter des Titelblatts das Ziel, den durch die antike Skulptur kodifizierten Italiener als überlegen darzustellen.58 Denn die hier verwendete Skulptur des Doryphoros galt als kanonische Repräsentation und klassisches Schönheitsideal des männlichen Körpers. Das Repertoire der griechischen und römischen Klassik, wie es etwa auf der Mostra Augustea della Romanit/ im selben Jahr in Rom zu sehen war, wird hier einmal mehr herangezogen, um die italianit/ visuell zu definieren.59 Außer durch die Größenverhältnisse – das klassische Profil überragt das des Juden und der Afrikanerin – wird die Aussage von der Überlegenheit des Italieners ebenso durch die Wertigkeit der verwendeten Materialien sowie die künstlerische Gattung unterstützt. So steht eine traditionell als höherwertig erachtete Marmorskulptur einem Keramikkopf und einer Fotografie auf ursprünglich papiernem Trägermaterial gegenüber.60 Dass die Trennung des Italieners aus der Reihe der anderen Häupter mit einer Waffe vollzogen wird, legt wie der Titel der Zeitschrift die Bereitschaft des Regimes nahe, die eigene ›Rasse‹ gewaltsam zu verteidigen. Ein unterhalb des Titels befindliches Zitat aus Dantes »Göttlicher Komödie« sollte dieses Vorgehen weiter historisch legitimieren: »Stets brachte ja die Mischung der Personen/ Den Anbeginn des Unheils für die Städte«.61 Durch die kontextlose Übernahme der Textstelle aus dem Werk aus dem 14. Jahrhundert, in dem es eigentlich um die Ankunft einer nicht-jüdischen Adelsfamilie in Florenz geht,62 wird die ursprüngliche Aussage verfälscht und für antisemitische Zwecke instrumentalisiert. Im Hinblick auf die Herkunft des Bildmaterials und stilistische Vorbilder, wurden, wie bereits im Falle des Terrakottakopfes aus Trier angeklungen, in »La Difesa della Razza« häufig Propagandafotografien aus NS-Deutschland übernommen.63 So waren Abbildungen der karikaturartigen Porträtbüste bereits zuvor in der nationalsozialistischen Propaganda als vermeintlich anthropologischer Beweis für die Existenz des »ewigen Juden« herangezogen worden. Formal und inhaltlich weist das emblematische Titelblatt Francesco Cassata zufolge auch erhebliche ikonografische Übereinstimmungen mit einer Karikatur in der NS-deutschen Wochenzeitung »Der Stürmer« vom Juli 1938 auf. Um 57 58 59 60 61
Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 183f. Ebd., S. 186. Ebd., S. 181. Cassata, La difesa della razza, S. 343. Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie, Bd. 3, München 1988, S. 190: »Sempre la confusion delle persone principio fu del mal della cittade.« (Paradiso, Canto XVI). 62 Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie. Übersetzt und kommentiert von Hermann Gmelin, Bd. 6, München 1988, S. 308. 63 Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 179.
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Abb. 84: Idalgo Palazzetti, Titelblatt La Difesa della Razza I, H. 1, Italien 1938.
die Nürnberger Rassengesetze bildlich zu repräsentieren, war hier ebenfalls auf die Darstellung eines Schwertes zurückgegriffen worden, das symbolisch Arier von Juden trennt.64 Nicht nur über die Charakterisierung von Juden und Schwarzen als körperlich abstoßend wurde in den Illustrationen in »La Difesa della Razza« eine 64 Cassata, La difesa della razza, S. 343.
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Differenz zu Italienern behauptet. Auch das Thema der Arbeit diente – wie bei der Gegenüberstellung von vorbildlichen italienischen Arbeitern und unproduktiven Indigenen im kolonialen Kontext – Juden gegenüber als zentrale Strategie der Abgrenzung (Abb. 7, S. 99). Während bei der abessinischen Bevölkerung ihre mangelnde Zivilisiertheit als Grund für ihre inexistente Arbeitsmoral angeführt wurde, knüpfte man im Fall der Juden an das überkommene antisemitische Motiv von deren angeblichen Parasitentum an, das auch in der Propaganda des NS eine zentrale Rolle spielte.65 Auf dem Titelblatt von »La Difesa della Razza« aus dem Juni 1942 ist in einem fotografischen Bildausschnitt auf der rechten Seite ein ganzfiguriger dicklicher Mann in kurzen Hosen, weißem Unterhemd und weißem Kopftuch abgebildet, der mit einer Schaufel Erde schippt (Abb. 85, S. 295). Die Lichtverhältnisse im Freien sowie seine Kleidung weisen auf erhöhte Temperaturen hin. Im Hintergrund ist eine zweite rückansichtige männliche Figur auszumachen, die fast völlig von der Hauptperson verdeckt wird, wesentlich schmächtiger ist und ebenfalls mit einer Schaufel oder anderem landwirtschaftlichen Gerät zugange ist. In der linken unteren Ecke des Bildausschnitts ist grafisch eine Reihe von identischen Münzen, die allesamt den Titel »Judea capta« tragen, dargestellt. Dabei handelt es sich um eine Serie antiker Gedenkmünzen, die der römischen Kaiser Vespasian (9–79 n. Chr.) herausbrachte, um an die Einnahme der römischen Provinz Judaea und die Zerstörung des zweiten Jüdischen Tempels durch seinen Sohn Titus 70 n. Chr. zu erinnern.66 Die linke Hälfte des orange grundierten Covers füllen neben dem Titel das besagte Logo der Zeitschrift sowie ein weiteres Dante-Zitat aus der »Göttlichen Komödie«. Darin heißt es: »Zeigt euch als Menschen, nicht als blöde Tiere, / So dass die Juden offen euch verspotten.«67 Die Instrumentalisierung speziell dieser Verse Dantes zu antisemitischen Zwecken hatte Vorläufer. 1921 waren sie bereits als Epigraph der italienischen Publikation von »Die Protokolle der Weisen von Zion« erschienen. Das antisemitische Pamphlet wurde im Verlag der von Giovanni Preziosi geleiteten Zeitschrift »La Vita Italiana« herausgegeben, die auch unter dem faschistischen Regime zu den radikalsten rassistischen Blättern gehörte.68
65 Guido Landra, Indice cefalico degli ebrei, in: La Difesa della Razza V (1942) H. 16, S. 6–9, hier S. 6; Kiran Klaus Patel, Arbeit als Dienst am Ganzen. Nationalsozialismus und New Deal im Vergleich, in: Jörn Leonhard/Willlibald Steinmetz (Hg.), Semantiken von Arbeit. Diachrone und vergleichende Perspektiven, S. 289–308, hier S. 294. 66 Tyll Kroha, Großes Lexikon der Numismatik, Gütersloh 1997, S. 226. 67 Alighieri, Die Göttliche Komödie, S. 60: »Uomini siate, e non pecore matte s' che ’l giudeo di voi tra voi non rida.« (Paradiso Canto V). 68 Giorgio Battistoni, Dante, Verona e la cultura ebraica, Florenz 2004, S. 12, 100, 116; Martelli, La propaganda razziale in Italia, 1938–1943, S. 18.
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Abb. 85: Titelblatt La Difesa della Razza V, H. 16, Italien 1942.
Abgesehen von der allgemein antisemitischen Stoßrichtung der Zeitschrift suggerieren speziell auf diesem Titelblatt die antiken Münzen sowie das DanteZitat, dass es sich bei der Fotografie von den beiden arbeitenden Männern um Juden handelt. Außerdem korrespondiert das Titelbild mit weiteren Artikeln im Heft, wo bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes von Juden mehrmals von
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»schlaffem weißlichen Fleisch« die Rede ist.69 Dementsprechend erscheint der schaufelnde Mann auf dem Titelblatt äußerst lustlos und unmotiviert. Aufgrund seiner gerunzelten Stirn macht er einen angestrengten Eindruck. Seine Gliedmaßen hängen an seinem übergewichtigen Körper herunter. Wie verschiedene Artikel in derselben Ausgabe näher ausführen, seien Juden insbesondere zu manueller Arbeit unfähig. Während es über den Titel eines Beitrags »Juden auf zur Arbeit« (»Ebrei al lavoro«) im zugehörigen Artikel heißt, dass er in sich einen »alten Widerspruch« darstelle, ist weiterhin von der »jüdischen Verachtung für Handarbeit [und] Feldarbeit« die Rede.70 Wenn auch in diesem Fall nicht direkt gegenübergestellt, fungieren Juden somit als Gegenbild zu den in der faschistischen Propaganda allgegenwärtigen und muskulösen italienischen Arbeiterfiguren. Im selben Heft erschien ein bebilderter Artikel über zu Arbeit verpflichtete Juden. Während Überschrift (»Indice cefalico degli ebrei«) und Text auf die pseudowissenschaftliche Klassifizierung der Schädelformen von Juden abheben, bedienen die grafischen und fotografischen Illustrationen im Modus einer Vorher-Nachher-Darstellung das Klischee vom »parasitären Juden«, der nun zur Arbeit gezwungen werde (Abb. 86, S. 297). Auf der linken Seite ist karikaturhaft ein dickbäuchiger, kahlköpfiger Mann im Frack dargestellt. Er hält ein aufgeschlagenes Buch in die Höhe. Auf beiden Buchseiten ist jeweils ein fallender Graph zu sehen, wovon einer mit »Geben« und der andere mit »Haben« überschrieben ist. Die gesamte Karikatur, die die Vorher-Situation repräsentiert, steht ferner unter der Überschrift: »Es war einmal der parasitäre Jude (und es gibt ihn immer noch)«. Auf der gegenüberliegenden Seite, die für die aktuelle Situation steht, zeigt eine Fotografie einen ganzfigurigen Mann im Profil, der sich mit einer Mütze und in Arbeitskleidung auf einem Feld mit einem Spaten oder einer Hacke zu schaffen macht. Laut dem Titel »gibt es nun (und es sollen immer mehr werden) den zur Arbeit gezwungenen Juden«. Abgesehen von schriftlichen Mitteln sind die beiden dargestellten Personen durch Rückgriffe auf althergebrachte und transnational kursierende antisemitische Stereotypen visuell als Juden markiert. Die Karikatur auf der einen Seite zeigt einen körperlich abstoßenden Mann: Neben seiner Kahlköpfigkeit und seinem Wanst hat er O-Beine und zumindest an einer Hand krallenartige Finger. Gegenstand der Fotografie auf der anderen Seite ist ein schmächtiger, gebeugter Mann, dem selbst das Anheben des landwirtschaftlichen Werkzeugs schwerzufallen scheint. Mit der stereotypen Hakennase sind beide versehen. Der »ehemals parasitäre Jude« auf der linken Seite wird ferner durch das aufgeschlagene Buch, demzufolge er nur »haben«, aber nicht »geben« will, als geizig und habgierig charak69 Giovanni Savelli, Ebrei al lavoro, in: La Difesa della Razza V (1942) H. 16, S. 4, hier S. 4. 70 Ebd.
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terisiert. Auch was die in diesem Artikel in Bild und Text verfolgte argumentative Strategie angeht, hatte es Vorbilder in der nationalsozialistischen Propaganda gegeben. So waren im Herbst 1939 im Kontext der Kampagne »Juden lernen arbeiten« nicht nur in nationalsozialistischen Printmedien, sondern auch in Wochenschauen Bilder von heldenhaften deutschen Arbeitern und polnischen Juden unter NS-Besatzung gegenübergestellt worden. Titel wie »Die erste Arbeit ihres Lebens« hatten wie im italienischen Fall auf die vermeintlich traditionelle »Arbeitsscheu« der Juden abgehoben.71
Abb. 86: »Index der Kopfmaße von Juden«, in: La Difesa della Razza V, H. 16, S. 12–13, Italien 1942.
Was die Rezeption von »La Difesa della Razza« anbelangt, weist eine Reihe von zeitgenössischen Leserbriefen mit der Bitte um ausführlichere Bildunterschriften oder anderweitige Erläuterung darauf hin, dass die gelehrten Anspielungen auf den Titelblättern oftmals den Wissensstand des Zielpublikums überstiegen.72 Abgesehen von weit verbreiteten antisemitischen Stereotypen verstanden viele Leser offenbar die komplizierte bildliche Symbolik und die Metaphern, wie im Fall der antiken Münzserie angeklungen, schlicht nicht. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb die Auflagenhöhe Mitte 1940 kaum mehr 20.000 Stück erreichte, von denen wiederum fast die Hälfte als Freiexemplare und an Abonnenten vergeben wurden. Als daraufhin die Finanzierung über Werbean71 Harriet Scharnberg, Arbeit und Gemeinschaft. Darstellungen »deutscher« und »jüdischer« Arbeit in der NS-Bildpropaganda, in: Buggeln/Wildt, S. 165–186, hier S. 182f. 72 Cassata, La difesa della razza, S. 346f.
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zeigen einbrach, sah sich das Regime gezwungen, dies bis zur letzten Ausgabe Mitte 1943 durch Subventionen auszugleichen. Bis zum Kriegseintritt Italiens stellte »La Difesa della Razza« im Hinblick auf das darin publizierte rassistische Bildmaterial im Vergleich mit anderen propagandistischen Medien, wie Plakaten, weiterhin eine Ausnahme dar.73 Während des Zweiten Weltkrieges wurde in der faschistischen Propaganda an die in dieser Zeitschrift konstruierten Stereotypisierungen und rassistische Feindbilder angeknüpft und den feindlichen Mächten teilweise vermeintlich jüdische Charakteristika zugeschrieben. Einer verschwörungstheoretischen Argumentationslinie folgend, die die Kriegsschuld beider Weltkriege den Juden zuwies, wurden auf Propagandaplakaten auch eigentlich nicht-jüdische Repräsentanten der Alliierten als Juden dargestellt. So wurde beispielsweise in »La Difesa della Razza« im August 1942 eine Fotografie Winston Churchills mit der eines »typischen Juden« überblendet.74 Bei der Repräsentation US-amerikanischer Soldaten in der faschistischen Propaganda, die durchweg als Schwarze dargestellt wurden,75 schloss man an bereits im Kontext des Äthiopienkrieges kreierte rassistische Feindbilder gegenüber Schwarzen an. Die verwendeten Stilmittel kreisten weiterhin darum, sie als hässlich, entmenschlicht und tierhaft, insbesondere affenartig, zu charakterisieren. Auf einem Plakat aus dem Jahr 1944 von Gino Boccasile, der insbesondere während der RSI als Propagandagrafiker aktiv war, lehnen zwei Soldaten im Brustbild an einem Podest einer antiken Statue (Abb. 87, S. 300). Der linke schwarze, der die US-amerikanischen Truppen repräsentiert, hält in der einen Hand ein mit der Spitze nach oben gerichtetes Bajonett. Die leere Flasche in der anderen Hand verweist auf seine Trunkenheit – er lächelt dümmlich. Mit seiner schlaffen Haltung und seinen groben Zügen kontrastiert er stark zur antiken Statue des Augustus, der, in Brustpanzer und Umhang, mit der rechten Hand einen Zeigegestus ausführt. Die Statue des Augustus, der für Mussolini als wesentliche Referenzfigur diente, suggeriert in diesem Kontext die kulturelle und zivilisatorische Überlegenheit der Italiener gegenüber den unkultivierten Alliierten. Auf den Zweiten Weltkrieg übertragen, liegt darin auch die Begründung, warum sie, die Alliierten, »nicht überlegen sein werden«, wie es in der Überschrift heißt. Dass die AugustusStatue auf den Titel weist, verleiht dieser Aussage Nachdruck. Die unzivilisierten Kriegsgegner – so die Botschaft – achten das Fundament der westlichen Kultur und Zivilisation, als deren wesentlicher Bestandteil in der faschistischen Bildpropaganda auch die Arbeitsamkeit der Italiener ausgewiesen wurde, nicht. Die Kombination von feindlichen Soldaten mit antiken Statuen, die das italienische 73 Giuman/Parodo, Nigra subucula induti, S. 170f. 74 Cassata, La difesa della razza, S. 358ff. 75 Marossi, Credere, obbedire, convincere, S. 11.
»Unzivilisierte Afrikaner« und »jüdische Parasiten« in der Bildpropaganda
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Volk repräsentieren, findet sich häufig in der faschistischen Kriegspropaganda während der RSI. Auf einem anderen Plakat von Boccasile, ebenfalls aus dem Jahr 1944, sieht man einen ganzfigurigen schwarzen US-amerikanischen Soldaten, der eine seiner prankenartigen Hände um die Taille der Venus von Milo, einer hellenistischen Skulptur aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr., geschlungen hat (Abb. 88, S. 301). Er steht breitbeinig und mit hängenden Schultern, über denen er ein Gewehr trägt, da. In der anderen Hand hält er eine Zigarette als Anzeichen der in den Augen der Faschisten dekadenten amerikanischen Kultur. Sein Gesicht, dessen Augenpartie nicht zu erkennen ist, gibt abermals ein breites dümmliches Lächeln preis. Die visuelle Strategie zielt wiederum auf die Gegenüberstellung zwischen klassischer antiker Schönheit und der Tierhaftigkeit des Schwarzen. Der auf die Bauchpartie der antiken Statue gepinselte Preis »$ 2«, ist einerseits als Kritik am amerikanischen Kapitalismus zu lesen, dem, der Aussage des Bildes zufolge, im Falle eines alliierten Sieges sogar höchste Kulturgüter zum Opfer fallen würden. Im übertragenen Sinn wird auch das Motiv des Übergriffs von Schwarzen auf italienische Frauen – in diesem Fall in Form der hellenistischen weiblichen Skulptur – durch Schwarze wiederaufgegriffen, das schon im Fall des Buchcovers von »SamadF, amore negro« bei den faschistischen Zensurbehörden Anstoß erregt hatte (Abb. 82, S. 284). Ein anderes Motiv auf Plakaten mit ähnlicher argumentativer Stoßrichtung bestand darin, US-amerikanische meist schwarze Soldaten als Zerstörer von Kirchen zu zeigen.76 So kam einmal mehr die den Amerikanern zugeschriebene Geringschätzung der antiken und christlichen Kultur sowie die mangelnde Kultiviertheit und Zivilisation von Schwarzen zum Ausdruck. Es gerieten jedoch nicht nur schwarze Soldaten gerieten ins Fadenkreuz der faschistischen Kriegspropaganda. Auch die anderen Alliierten wurden als Feindbilder konstruiert, wobei die Propagandisten ähnliche Strategien benutzten, den Feind entmenschlicht oder dämonisiert darstellten und Bedrohungsszenarien heraufbeschworen. Neben den US-Amerikanern dominierten britische Soldaten die Plakate während der RSI, als einzige feindliche Truppen, die tatsächlich auf italienisches Staatsgebiet einrückten.77 Auf dem Plakat »Non prevarranno« lehnt neben dem US-amerikanischen auch ein britischer Soldat, erkennbar an seinem Helm, am Sockel der Augustus-Statue (Abb. 87, S. 300). Seine Augenpartie ist verdeckt, sein geöffneter Mund gibt einige Zahnlücken frei. Die Pfeife als weiteres Attribut macht ihn als Briten erkennbar.78 Auch er wird durch eine schlaffe Haltung und einen dümmlichen Gesichtsausdruck lächerlich gemacht wurden. Russische Soldaten sind in der visuellen Propaganda 76 Ebd. 77 Ebd. 78 Ebd.
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Arbeit, nationale Identitätsentwürfe und Feindbilder
Abb. 87: Gino Boccasile, »Sie werden nicht überlegen sein«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1944.
der RSI meist gesichtslos, besonders behaart und ihre Hände bisweilen krallenartig dargestellt. Sie galten außerdem insbesondere für italienische Frauen und Kinder als Gefährdung, die sie den faschistischen Propagandaillustrationen zufolge belästigten und entführten.79 Wie die Analyse der Propagandaplakate und -illustrationen verdeutlicht hat, spielte Arbeit in Verbindung mit rassistischen Motiven bei der Konstruktion von internen und externen Feindbildern im faschistischen Italien eine zentrale Rolle. Im Fall von Schwarzen auf der einen Seite wurde ihre vermeintliche Unzivilisiertheit herausgestellt, gegen die vorzugehen dem faschistischen Regime als vordergründige Rechtfertigung für sein neokoloniales Unterfangen in Äthiopien diente. Juden auf der anderen Seite wurden in Teilen der faschistischen Bildmedien als »parasitär« gebrandmarkt. Wie der Bevölkerung in den Kolonien 79 Ebd.
»Unzivilisierte Afrikaner« und »jüdische Parasiten« in der Bildpropaganda
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Abb. 88: Gino Boccasile, »Venus von Milo«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1944.
musste auch ihnen Arbeit »beigebracht« werden bzw. sie mussten dazu gezwungen werden, was die Bildpropaganda nicht versäumte, zu veranschaulichen. Arbeitsamkeit wurde demgegenüber in der faschistischen Propaganda als inhärente Eigenschaft der Italiener präsentiert. Während des Zweiten Weltkriegs legte das faschistische Regime bereits zuvor geschaffene Feindbilder in visuellen Medien neu auf und variierte sie. Dabei knüpfte es auch an transnational kursierende Stereotypen an. So übertrug man den Juden zugeschriebenen Verschwörungscharakter auf Propagandabildern nun auf die Alliierten. Schwarze, die US-amerikanische Soldaten repräsentierten, wurden in der faschistischen Propaganda wie während des Äthiopienkriegs, als primitiv dargestellt. Demgegenüber erschienen die Italiener, häufig repräsentiert durch antike Statuen, als Inbegriff der Zivilisation.
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Arbeit, nationale Identitätsentwürfe und Feindbilder
8.2
Klasse statt ›Rasse‹ in der visuellen Propaganda unter Perón
Ebenso wenig wie im faschistischen Italien wurden in der Bildpropaganda des peronistischen Argentinien ausschließlich über die Kategorie der Arbeit Feindbilder konstruiert. Unproduktive Teile der Bevölkerung prangerte das Regime in visuellen Medien nicht explizit an. Anders als der italienische Faschismus vertrat das peronistische Regime nach 1945 weder offen rassistische Positionen noch fungierte ›Rasse‹ als identitätsstiftende Kategorie. Stattdessen wurde der Arbeiteridentität gegenüber einer Identitätsbildung über ›Rasse‹ oder ethnische Zugehörigkeiten Vorrang gegeben: »Für den Peronismus gibt es nur eine einzige Klasse von Menschen: die, die arbeiten«80 hieß es beispielsweise in den »Zwanzig fundamentalen Wahrheiten des Justicialismo«. Auch zentrale Begrifflichkeiten, die die Peronisten prägten oder aus anderen Kontexten übernahmen, verdeutlichen, dass der Fokus auf einer klassenbasierten politischen Identität lag, die gerade ethnische Unterschiede überwinden sollte. So bezogen sich zentrale identitätsstiftende Begriffe wie descamisado (vgl. Kap. 4) und grasa oder grasita – ursprünglich Schimpfwörter der antiperonistischen Opposition – ausschließlich auf die vermeintlich niedere soziale Herkunft von Perjns Anhängern. Cabecita negra (»kleiner Schwarzkopf«), einen weiteren Begriff, mit dem die antiperonistische Mittel- und Oberschicht die häufig aus den inneren Provinzen stammende peronistische Wählerbasis verunglimpfte und der klare rassistische Konnotationen aufwies, eigneten sich die Peronisten bezeichnenderweise nicht an. Nichtsdestotrotz knüpfte der Peronismus auch an kulturelle Strömungen, wie den criollismo an, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und verstärkt im Nationalismus der 1930er Jahre, das mestizische und kreolische Erbe Argentiniens aufzuwerten versucht hatten.81 Dabei hatte es sich jedoch meist um in Buenos Aires angesiedelte intellektuelle und literarische Bewegungen gehandelt, die die kreolischen Landbevölkerung in ihren Werken romantisierten, aber nur bedingt etwas mit deren tatsächlicher Lebenswelt zu tun hatten. Dies änderte sich insofern im Peronismus, als mit der sozialen Begünstigung der arbeitenden Schichten erstmals auch die betroffene Bevölkerungsgruppe im Zentrum staatlicher Sozialpolitik stand.82 Zudem gründete das peronistische Regime staatliche Institutionen, die sich der Förderung und Erforschung folkloristi80 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 802: »No existe, para el peronismo, m#s que una sola clase de hombres: los que trabajan.« 81 Oscar Chamosa, Criollo and Peronist. The Argentine Folklore Movement during the First Peronism, 1943–1955, in: Matthew B. Karush/Oscar Chamosa (Hg.), The new cultural history of Peronism. Power and identity in mid-twentieth-century Argentina, Durham 2010, S. 113– 142, hier S. 117f. 82 Ebd., S. 117.
Klasse statt ›Rasse‹ in der visuellen Propaganda unter Perón
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scher Musik, Tanz und Poesie widmeten.83 Gleichzeitig avancierte criollo zu einem häufig gebrauchten Begriff, der dabei eine entscheidende semantische Erweiterung erfuhr : Die ursprünglichen Bedeutung von auf lateinamerikanischem Boden geborenen Nachkommen von Spaniern wurde im nationalistischen Diskurs der 1930er Jahre, an den Perjn anschloss, auf das gesamte argentinische Volk ausgedehnt, das nunmehr als »pueblo criollo«84 bezeichnet wurde. »Kreolisch« diente fortan nicht nur zur Charakterisierung von Personen. Perjn zufolge konnte damit auch ein Gemütszustand oder eine Denkart verbunden sein. Bereits bei der Erklärung seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Februar 1946 sprach er seine Zuhörer als »Brüder mit kreolischem Denken, kreolischem Gefühl und kreolischem Mut« an.85 In anderen Fällen war gar von »kreolischer Männlichkeit« die Rede.86 An die kreolische Identität wurde ferner eine Reihe von positiven Eigenschaften, wie »Anständigkeit« und »Ehrliebe« (»criollo pundonor«87), geknüpft,. Die Aneignung des criolllismo durch das peronistische Regime sowie die Aufwertung der argentinischen Folklore-Kultur stellte einen bedeutenden Wandel in der nationalen Selbstrepräsentation dar.88 Denn dadurch wurde der bis dato vorherrschende Mythos vom »weißen Argentinien« als europäischem Einwanderungsland erstmals von staatlicher Seite in Frage gestellt.89 Dass er jedoch keinesfalls gänzlich widerlegt wurde, zeigt gerade die visuelle Propaganda des Peronismus. Zwar erhielten mestizische und indigene Teile der Bevölkerung in Propagandafotografien in gewisser Weise eine größere Sichtbarkeit. So wurden Perjn oder Eva beispielsweise dabei abgelichtet, wie sie materielle Unterstützung an dunkelhäutigere Hilfsbedürftige vergaben (z. B. Abb. 38, S. 170). Deren ethnische Zugehörigkeit wurde etwa in den Bildtiteln jedoch nicht gesondert hervorgehoben. Diese wiesen sie stattdessen als Angehörige der Arbeiterklasse im Allgemeinen aus, die von den staatlichen Sozialleistungen profitierten. In der grafischen Propaganda waren die Anlässe, bei denen explizit von Protagonisten mit dunklerem Inkarnat oder mestizischen Zügen Gebrauch gemacht wurde, beschränkt. Mehrheitlich wurden stattdessen Arbeiter als Identifikationsfiguren präsentiert, die keinerlei spezifisch mestizische oder indigene äußerliche Charakteristika erkennen ließen. Dementsprechend sind die Protagonisten auf peronistischen Propagandaplakaten größtenteils weiß (z. B. Abb. 8, S. 100, Abb. 26, S. 140). In der Rolle der Unterstützer Perjns, etwa bei 83 84 85 86 87 88 89
Ebd., S. 113. Perjn, Obras completas, Bd. 8, S. 29. Ebd. Ebd., S. 58. Ebd., S. 69. Chamosa, Criollo and Peronist, S. 139. Ebd., S. 115.
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neu geschaffenen Nationalfeiertagen, wie dem 17. Oktober, weisen sie fast durchweg eine mitteleuropäisch-nordatlantischen Physiognomie auf (z. B. Abb. 12, S. 112). Die Darstellungen des zentralen peronistischen Arbeiterhelden, des descamisado, benennt Oscar Chamosa gar als »ethnisch neutral«.90 Auch im Fall der »statistischen Postkarten«, die zweiwöchentlich in der Zeitschrift »Mundo peronista« erschienen und die vom Peronismus erreichten sozialpolitischen Verbesserungen in Balkenmodellen illustrierten, handelt es sich fast durchweg um städtische, hellhäutige Charaktere. Ebenso ist die Industriearbeiterschaft, an die die peronistische Propaganda im Rahmen des von der Regierung verfolgten Industrialisierungsprojektes appellierte, größtenteils weiß (z. B. Abb. 8, S. 100, Abb. 23, S. 136, Abb. 29, S. 145). Dies kontrastiert mit dem Fakt, dass sich die Beschäftigten der expandierenden hauptstädtischen Industrie hauptsächlich aus internen Migranten konstituierten, die zu großen Teilen mestizischer oder indigener Abstammung waren und 1947 immerhin 38 % der Einwohner des Großraums Buenos Aires stellten.91 Lediglich beim Thema der Landarbeit wird bisweilen auf Gauchofiguren mit dunklerem Inkarnat rekurriert. Auf einem Plakat aus dem Jahr 1947 von Juan Lamela, der sich auch ansonsten als Maler gauchesker Motive hervortat,92 ist ein typischer argentinischer Landarbeiter ganzfigurig dargestellt (Abb. 89, S. 305). Sein Hut (chambergo), das Hemd, das vorne geknotete Halstuch (paÇuelo), der Gürtel sowie die weite als bombacha bezeichnete Hose, weisen ihn als Gaucho aus. Seine physischen Merkmale mit der schmalen Augenpartie, der bräunlichen Hautfarbe sowie den schwarzen Haaren charakterisieren ihn als Indigenen oder Mestizen. In den kräftigen Händen hält er eine Bambusstange, an der außerhalb des Bildfeldes eine argentinische Nationalflagge befestigt ist, die im Hintergrund flattert. Um die Kette zu zerreißen, in die seine Füße gelegt sind, führt der Gaucho einen weiten seitlichen Ausfallschritt aus. Die Metapher des Schrittes wird in der Bildunterschrift wieder aufgenommen: »Die Stoßkraft eines starken Volkes in einem gigantischen Schritt in Richtung nationaler Rückgewinnung.« Während der mestizische Gaucho in diesem Fall für das angesprochene argentinische Volk steht, symbolisiert die Fußfessel die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland, die durch den beworbenen Fünfjahres-Plan überwunden werden soll. Dass Gauchofiguren in der peronistischen Propaganda dunkelhäutiger dargestellt werden, ist jedoch keineswegs durchgängig der Fall. Teilweise fungiert deren typische Kleidung als einzige Charakterisierung, während ihr restliches 90 Ebd., S. 124f. 91 Germani, Autoritarismo, fascismo y populismo nacional, S. 183; James, Resistance and integration, S. 8: Dies entsprach rund 1.368.000 internen Migranten bis 1947. 92 Gen8, Pol&ticas de la imagen, S. 334.
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Abb. 89: Juan Lamela, »Fünfjahres-Plan 1947–1951«, Plakat, Argentinien 1947.
Äußeres das hellhäutiger, städtischer Arbeiter ist (z. B. Abb. 25, S. 138). Wie die Plakate zeigen, sind die Gauchofiguren zusätzlich als Landarbeiter markiert, die dazu aufgerufen werden, die wirtschaftspolitischen Ziele der Regierung zu erfüllen. In der Deutung des peronistischen Regimes hatte der Gaucho vor der Regierungsübernahme Perjns als »Ausgestoßener in seinem Vaterland«93 einer unterprivilegierten und von der Oligarchie ausgebeuteten Schicht angehört, der sich der Staat nun erstmals annahm.94 So überlagerten in der peronistischen Propaganda im Fall des Gauchos Klassenzugehörigkeiten ethnische Zuschreibungen. Exemplare der visuellen Propaganda, auf denen Gauchos als Landar93 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 799. 94 Goebel, Argentina’s partisan past, S. 82.
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beiter zusammen mit anderen Arbeitertypen, wie Industriearbeitern, Büroangestellten und Akademikern, abgebildet sind, verdeutlichen, dass sich die angestrebte Harmonisierung der unterschiedlichen Berufsgruppen rein auf Klassenunterschiede, nicht aber auf ethnische Differenzen bezieht (Abb. 78, S. 272). Denn in ihren physischen Merkmalen unterscheiden sich die verschiedenen Figuren nicht. Der Befund von der ausbleibenden Repräsentation nicht-weißer oder mestizischer Charaktere in der peronistischen Bildpropaganda lässt sich auch für die Darstellung von Frauen bestätigen. In den in staatlichen Medien für typisch erachteten Einsatzbereichen als Krankenschwester oder im Kreis der Familie sind die Protagonistinnen durchgehend weiß (Abb. 60, S. 223), in manchen Fällen sogar blond (Abb. 54, S. 209, Abb. 65, S. 234). Indigene oder mestizische Arbeiterinnen kommen dort nicht vor. Zwar wurde die jährlich am 1. Mai gekürte Königin der Arbeit in der staatlichen Publizistik als »belleza criolla« (»kreolische Schönheit«) bezeichnet.95 Die reinas del trabajo auf den beigefügten Abbildungen verkörpern jedoch die auch in der restlichen Propaganda verbreiteten an Europa und Nordamerika orientierten Schönheitsideale (Abb. 59, S. 221). Ebenso wenig tragen Kinder und Jugendliche, Schüler und Berufsschüler in der Bildpropaganda unter Perjn mestizische Züge (Abb. 68, S. 245, Abb. 69, S. 247, Abb. 74, S. 262, Abb. 75, S. 264, Abb. 79, S. 275, Abb. 80, S. 277). Auch tauchen in den Illustrationen der während des Peronismus reformierten Schulbücher keine indigenen Charaktere auf. Außer im Fall der Darstellung einiger Gauchofiguren war eine der wenigen anderen Gelegenheiten, bei dem in der peronistischen Bildpropaganda explizit mestizische oder indigene Figuren bemüht wurden, der sogenannte »Tag der Rasse« (D&a de la Raza) am 12. Oktober. An diesem Datum wurde der »Entdeckung« Amerikas durch die Spanier 1492 gedacht. Den Feiertag hatte jedoch nicht das peronistische Regime ins Leben gerufen, er war bereits 1917 von Präsident Hipjlito Yrigoyen institutionalisiert worden. Der Anlass war jedoch nicht nur Bestandteil des argentinischen Festtagskalenders, sondern auch Spaniens, der USA und vieler lateinamerikanischer Staaten.96 In einer Festrede zu diesem Datum tat Perjn 1947 sein Verständnis von ›Rasse‹ kund: »Für uns ist Rasse kein biologisches Konzept. Für uns ist sie etwas rein Spirituelles.«97 Auf einem lediglich in schwarz-weißer Reproduktion erhaltenen Plakat von H8ctor 95 O. A., Cuando entrevistamos a la Reina del Trabajo de 1952, S. 42. 96 Chibli Yammal, Efem8rides argentinas, Cjrdoba 2006, S. 301. 97 Juan Domingo Perjn, Discurso pronunciado en la Academia Argentina de Letras con motivo del D&a de la Raza y como homenaje en memoria de Don Miguel de Cervanes Saavedra en el cuarto centenario de su nacimiento, Buenos Aires, 12 de octubre de 1947, Buenos Aires 1947, S. 7: »Para nosotros, la raza no es un concepto bioljgico. Para nosotros es algo puramente espiritual.«
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Alfons&n, einem der wichtigsten Propagandagrafiker unter Perjn, zum »Tag der Rasse« 1948 ist eine Frau im Brustbild zu sehen, die den Kopf leicht nach links gewandt hat (Abb. 90).
Abb. 90: H8ctor Alfons&n, »Tag der Rasse. 12. Oktober 1492–1948«, Plakat, Argentinien 1948.
Ihr dunkles, in zwei Zöpfe geflochtenes Haar und das gemusterte Haarband charakterisieren sie auf exotisierende und idealisierende Weise als Indigene. Hinter ihr erhebt sich, im Maßstab etwas größer, in blasserer Farbgebung und mit identischer Blickrichtung ein Porträt der spanischen Königin Isabela La Catjlica, unter deren Herrschaft die Eroberung Lateinamerikas stattfand. Abgesehen von der Haube und der Krone der Königin, unterscheiden sich die beiden Protagonistinnen am deutlichsten durch ihre Hautfarbe. Bei anderen
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Plakaten zum D&a de la Raza kamen insofern eine ähnliche visuelle Strategie zur Anwendung, als ebenso spanische Kolonisatoren zusammen mit indigenen Charakteren in Eintracht dargestellt wurden. Mit den Repräsentanten des kolonialen Mutterlandes und den Indigenen wurden in der peronistischen Bildpropaganda zum »Tag der Rasse« die ethnischen Entitäten benannt, aus denen in der zeitgenössischen Deutung die Bevölkerung Lateinamerikas entstanden war. Hierzu führte Perjn in einer Rede anlässlich des D&a de la Raza 1947 aus: »Spanien […] hat sein Blut mit Amerika vermischt und seine Töchter mit einem Siegel markiert, das sie, wenn auch unterschiedlich in ihren Formen und Erscheinungen, in ihrem Wesen und ihrer Natur gleich macht.«98 Bei völligem Ausblenden der gewaltvollen Aspekte der spanischen Eroberung wird in der visuellen Propaganda des Peronismus eine friedliche Fusion der Spanier mit der lokalen Bevölkerung suggeriert sowie der Wertschätzung des kulturellen Erbes der »madre EspaÇa«99 Ausdruck verliehen. Denn die reinen Größenverhältnisse der Protagonisten auf dem Plakat, denen zufolge die Spanier als übermächtig erscheinen und die dunkelhäutigeren Lateinamerikaner überragen, implizieren bereits eine Hierarchisierung. Wie das Plakat und die Ausführungen Perjns offenbaren, wies der criollismo im peronistischen Diskurs eine stark eurozentristische Färbung auf. Denn als Wurzeln der kreolischen Folklore wurden klar hispanische benannt, während der indigene Anteil in den Hintergrund trat.100 Dies verdeutlichten außerdem die beiden Fünfjahres-Pläne der peronistischen Regierung, die die argentinische Kultur als »griechisch-lateinisch« bezeichneten.101 »Die Geschichte, die Religion und die Sprache situieren uns auf der Karte der westlichen und lateinischen Kultur, über ihre hispanische Seite […]«102, hielt Perjn bei der Einweihung der argentinischen Academia de Letras 1947 weiter fest. Damit schloss der Peronismus an eine im argentinischen Nationalismus der 1930er Jahre dominante Strömung an, die in der hispanischen Tradition ein Kernelement der argentinischen Nationalität sah.103 Jenseits der Dominanz eines mitteleuropäisch-nordatlantischen Phänotyps und der seltenen Repräsentation dunkelhäutiger Charaktere in der Bildpropaganda sah man im peronistischen Argentinien jedoch davon ab, auf ›Rasse‹ oder ethnischen Merkmalen basierende Feindbilder zu konstruieren. Teile der Be98 Ebd., S. 11: »EspaÇa […] confundij su sangre con Am8rica y signj a sus hijas con un sello que las hace, si bien distintas a la madre en su forma y apariencias, iguales a ella en su esencia y naturaleza.« 99 Ebd., S. 8. 100 Chamosa, Criollo and Peronist, S. 138. 101 Ebd., S. 125f. 102 Perjn, Discurso pronunciado, S. 13: »La historia, la religijn y el idioma nos sitfflan en el mapa de la cultura occidental y latina, a trav8s de su vertiente hisp#nica […].« 103 Goebel, Argentina’s partisan past, S. 45, 86.
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völkerung, die dem hauptsächlich propagierten äußeren Erscheinungsbild nicht entsprachen, wurden in staatlichen visuellen Medien nicht angegriffen oder denunziert. Während rassistische Vorbehalte gegenüber Immigranten und Antisemitismus im argentinischen Nationalismus der 1930er Jahre durchaus eine große Rolle gespielt hatten, schloss Perjn nach 1945 an diese Positionen nicht an.104 Er übernahm jedoch das bereits in Nationalistenkreisen virulente und auf Klassenbegriffen basierende Feindbild der »Oligarchie«, das ein Charakteristikum seines populistischen Diskurses darstellte.105 Unter der »Oligarchie« verstand Perjn die »großen Financiers, die das Land dominierten« sowie »große Konsortien«.106 Auch brachte er die Regierungen vor 1943 mit ihr in Verbindung, die sich bloß »als Demokraten verkleidet«107 und sich »dem Ausland ausgeliefert«108 hätten. Bei anderen Gelegenheiten kritisierte er, dass die »Oligarchie« an der Macht nur für »zehn Prozent der Bevölkerung«109 gearbeitet und den Rest zu »Sklaven«110 gemacht habe. Ferner habe sie jeglicher gewerkschaftlicher Organisation der Arbeiter entgegengewirkt.111 Wie die eigene politische Identität der Peronisten basierte dieses verbal konstruierte Feindbild auf klassenspezifischen Charakteristika. Im faschistischen Italien hatte die »Oligarchie« als internes Feindbild keine Rolle gespielt.112 Stattdessen bestimmte Mussolini in seinen Reden und Schriften 104 Ebd., S. 85: Auch wenn Perjns Gegner ihn als Antisemiten abstempelten, was sich mit den gegen ihn vorgebrachten Faschismusvorwürfen im Allgemeinen verband, lassen sich antisemitische Ressentiments im Peronismus nicht nachweisen. Tatsächlich zählte er viele jüdische Politiker, Gewerkschaftsführer und Berater in seinen Reihen. 105 Goebel, Argentina’s partisan past, S. 49; Laclau, On populist reason, S. 18. 106 Perjn, Obras completas, Bd. 8, S. 157. 107 Ebd., S. 31. 108 Perjn, Obras completas, Bd. 9, S. 231. 109 Ebd., S. 312. 110 Ebd., S. 442. 111 Ebd., S. 208. 112 Benito Mussolini, Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 26, Florenz 1958, S. 22: Mussolini hatte der Ausdruck lediglich zur Denunziation des politischen Systems der USA gedient: »Er [Roosevelt] sagt, dass das ›Laissez-faire‹ die USA dazu gebracht hat, eine wahrhafte oligarchische Herrschaft von wenigen hundert Personen zum Schaden des ganzen Volkes zu erleiden, die sich nach einer Periode gefährlicher Illusionen am Rande eines wirtschaftlichen Abgrunds und einer sozialen Katastrophe befand.« (Mussolini in einem Artikel, der in einer US-amerikanischen Zeitschrift und im italienischen »Popolo d’Italia« am 07. 07. 1933 erschien: »Egli [Roosevelt] dice che il ›lasciar fare‹ ha condotto gli Stati Uniti a subire una vera dominazione oligarchica da parte di poche centinaia di persone ai danni dell’intero popolo, che, dopo un periodo di pericolose illusioni, si H visto ai margini del baratro economico e della catastrofe sociale.«) oder ders., Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 30, Florenz 1960, S. 57f.: »Eine Illusion und eine Lüge liegen dem amerikanischen Interventionismus zugrunde: die Illusion, dass die USA noch eine Demokratie sind, während sie in Wirklichkeit eine politische Finanzoligarchie sind, die vom Judentum über eine Art personelle Diktatur dominiert wird;
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das Bürgertum zu einem der Gegner des Regimes. Da die »borghesia« als »moralische Kategorie«, die sich unter anderem durch »Egoismus«, »Pazifismus«, »Auslandsliebe«, »Pessimismus«, »Unfruchtbarkeit« und »Unsportlichkeit« auszeichne, der »mentalit/ fascista« diametral gegenüberstehe, müsse man sie »zerstören«.113 Ferner wurde dem Bürgertum vorgeworfen, im Gegensatz zum vom Faschismus angestrebten korporativen Gesellschaftsmodell nicht produktiv, sondern »parasitär« zu sein.114 Per se nicht bildlich in der faschistischen Propaganda dargestellt, erhielt der »borghese« erst in Kombination mit dem Feindbild des Juden in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre eine konkrete Darstellungsform, galt dieser doch als »›bourgeois‹ par excellence«.115 Demgegenüber tat sich im peronistischen Argentinien insofern eine Diskrepanz zwischen schriftlichen und bildlichen Propandamedien auf, als Perjns verbale Ausführungen über die »Oligarchie« in visuellen Medien kaum eine diese Lüge wollen die Achsenmächte angreifen, nach Großbritannien, die USA.« (Rede Mussolinis im Teatro Adriano in Rom am 01. 02. 1941: »Una illusione e la menzogna stanno alle basi dell’interventismo americano: l’illusione che gli Stati Uniti siano ancora una democrazia, mentre sono, di fatto, una oligarchia politico-finanziaria dominata dall’ebraismo attraverso una forma personale di dittatura; la menzogna che le potenze dell’Asse vogliono attaccare, dopo la gran Bretagna, l’America.«) 113 Benito Mussolini, Opera Omnia (Hg. von Edoardo und Duilio Susmel), Bd. 29, Florenz 1959, S. 187–190, 192: »Am Ende des Jahres XVI [1938, Anm. d. Verf.] habe ich einen Feind identifiziert, einen Feind unseres Regimes. Dieser Feind hat den Namen ›Bourgeoisie‹ […] Denn die Bourgeoisie kann eine wirtschaftliche Kategorie sein, aber sie ist vor allem eine moralische Kategorie, sie ist ein Gemütszustand, ein Temperament. […] Eine andere Tatsache, um den Bourgeois, die bürgerliche Mentalität zu identifizieren: die Auslandsliebe. […] Ihnen zufolge ist Italien ein kleines, armes Land, das bei der französischen Demokratie und bei der britischen Aristokratie in die Schule gehen muss, weil es immer etwas oder jemanden kopieren muss. Ein anderer charakteristischer Zug der Bourgeoisie: ihr Pessimismus […]. Es gibt etwas, was der Bourgeois nie wird tun können. Er wird nie eine Schlacht, wie die von Austerlitz, gewinnen können. […] Der Bourgeois ist Feind des Sports. Ein außerordentlicher Feind des Sports […]. Natürlich ist er Pazifist, barmherzig, feinfühlig, bereit, gerührt zu sein, immer menschenfreundlich, unfruchtbar […].« (Rede Mussolinis bei einer Versammlung des PNF am 25. 10. 1938: »Alla fine dell’anno XVI ho individuato un nemico, un nemico del nostro regime. Questo nemico ha nome ›borghesia‹. […] Perch8 la borghesia puk essere una categoria economica, ma H, soprattutto una categoria morale, H uno stato d’animo, H un temperamento. […] Un altro dato di fatto per identificare il borghese, la mentalit/ borghese: la estereofilia. […] Secondo costoro l’Italia H un piccolo, povero paese, che deve andare a scuola dalla democrazia francese e dalla aristocrazia britannica, perch8 deve sempre copiare qualcuno e qualche cosa. Altro tratto caratteristico della borghesia: il suo pessimismo […]. C’H qualcosa che il borghese non potr/ mai fare. Non potr/ mai vincere una battaglia come quella di Austerlitz. […] Il borghese H nemico dello sport. Nemicissimo dello sport […]. ð naturalmente pacifista, pietoso, pietista, pronto a commuoversi, sempre umanitario, infecondo […].«) 114 Mussolini, Opera Omnia, Bd. 19, S. 10: »Wir sind gegen die parasitäre Bourgeoisie.« (Erklärung Mussolinis vor deinem Korrespondenten des »Petit Parisien«, am 09. 11. 1922: »[N]oi siamo contro la borghesia parassitaria.«) 115 Gordon, Race, S. 308.
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Entsprechung hatten. Statt die internen Feinde in der Bildpropaganda anzugreifen, pochten die peronistischen Propagandabotschaften vielmehr auf die zu schaffende bzw. vermeintlich schon erreichte Harmonie zwischen unterschiedlichen Mitgliedern und Klassen der Gesellschaft. So führte Perjn bei der Eröffnungssitzung des Kongresses im Mai 1950 aus: Wir schlagen der Menschheit die Doktrin des Gleichgewichts und der Harmonie des Individuums und der Gemeinschaft durch soziale Gerechtigkeit vor, die der Arbeit Würde verleiht, das Kapital menschlicher macht […] die Ausbeutung der Menschen untereinander unterdrückt, […] so dass das ›wir‹ der Gesellschaft das individuelle ›ich‹ verwirklicht und perfektioniert.116
Indem im Großteil der peronistischen Bildpropaganda ursprünglich verschiedene Klassen als unter dem Peronismus in Eintracht vereint dargestellt wurden, vermittelte sie den Eindruck, der Klassenkampf sei bereits überwunden.117 Die Abwesenheit von in Rassen- oder Klassenbegriffen konzipierten internen Gegnern in staatlichen Bildmedien stellte somit nicht nur im Vergleich mit dem faschistischen Italien, sondern auch mit NS-Deutschland und der Sowjetunion, ein Spezifikum des Peronismus dar.118 In einigen seltenen Fällen wurde die »Oligarchie« in der peronistischen Publizistik jedoch in Form von Schaubildern und Karikaturen bildlich repräsentiert. So werden in der Zeitschrift »Mundo Peronista« im August 1952 die »Laster der Oligarchie« den »Tugenden des Volkes« in einem Baumdiagramm gegenübergestellt (Abb. 91, S. 312). Während der Grafik zufolge der »Oligarchie« auf der einen Seite »Egoismus«, »Eitelkeit«, »Ehrgeiz« und »Stolz« vorzuwerfen waren, zeichnete sich das »Volk« auf der anderen Seite durch »Großzügigkeit«, »Ehrlichkeit«, »Selbstlosigkeit« und »Bescheidenheit« aus. Hierbei klingen teilweise christliche Tugenden und Laster, wie humilitas, temperantia, superbia und avaritia, an, stellte sich der Peronismus doch als im Katholizismus verwurzelt dar.119 In derselben Zeitschrift fand sich eine humoristische Sparte, in der »Oligarchen« seltenerweise in personifizierter Form auftauchten. In Karikaturen, die von dem Zeichner Cary gestaltet wurden, duellierten sie sich gar mit descami116 Perjn, Obras completas, Bd. 12, S. 165f.: »[P]roponemos a la humanidad la doctrina del equilibrio y la armon&a del individuo y la colectividad por la justicia social, que dignifica el trabajo, que humaniza el capital, que eleva la cultura social, que suprime la explotacijn del hombre por el hombre, […] de tal manera que el »nosotros« de la sociedad se realiza y perfecciona el yo individual […].« (Rede Perjns bei der Eröffnung einer Sitzung des Kongresses am 01. 05. 1950). 117 Ders., La Comunidad Organizada. Esbozo Filosjfico, Buenos Aires 1949, S. 51. 118 Gen8, Un mundo feliz, S. 17, 144. 119 Lila M. Caimari, Perjn y la Iglesia Catjlica. Religijn, estado y sociedad en la Argentina, 1943–1955, Buenos Aires 2010, S. 113.
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Abb. 91: »Laster der Oligarchie. Tugenden des Volkes«, in: Mundo Peronista II, H. 27, S. 41, Argentinien 1952.
sados, den peronistischen Arbeiterhelden (Abb. 92, S. 313). Dabei trugen die »oligarcas« Züge vom Feindbild des Kapitalisten, das vor allem in der sowjetischen Bildpropaganda eine ikonografische Tradition aufwies.120 Außer ihrer Kleidung, einem Frack oder Anzug, Hut oder Zylinder, charakterisieren sie weitere Attribute, wie eine Taschenuhr, als Angehörige der Oberschicht. In einigen Fällen deutet ferner die Korpulenz der »Oligarchen« ihren materiellen Reichtum an. Offensichtlich endet das Duell im letzten Bildfeld mit der Überlegenheit des »Hemdlosen«, der seinen Gegner dafür rügt, schlecht über Perjn gesprochen zu haben. Eng verbunden mit dem hauptsächlich in schriftlichen Medien beschworenen Feindbild der »Oligarchie« wurden auch die politischen Verhältnisse vor 1943, als in der Deutung der Peronisten die »Oligarchie« an der Macht war, in der peronistischen Propaganda als negativ dargestellt. Dies diente dazu, den vom Peronismus behaupteten Bruch mit der politischen Vergangenheit des Landes und den vermeintlich revolutionären Charakter des eigenen Regimes zu betonen. In diesem Kontext entwickelten sich Vorher-Nachher-Darstellungen, bei 120 Bonnell, Iconography of power, S. 200ff.
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Abb. 92: Cary, »Duell zwischen Oligarchen… Und ›Duell‹ zwischen Hemdlosen«, in: Mundo Peronista III, H. 47, S. 48, Argentinien 1953.
denen in zwei Bildfeldern die Situation vor Perjns Präsidentschaft mit der Lage unter seiner Regierung kontrastiert wurde, zu einem der am häufigsten eingesetzten Stilmittel. Bei dieser didaktisch eingängigen Methode wurde jedoch zumeist auf die bildliche Darstellung von Personen, die für den negativen Vorher-Zustand verantwortlich waren, verzichtet. Der Logik der Vorher-NachherDarstellungen folgten ganze propagandistische Bildbände, wie »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« (1950). Im für die Publikation typischen naiven Stil präsentiert die erste Seite die Situation vor Perjns Regierungsübernahme (Abb. 93, S. 314). Auf den folgenden rund 800 Seiten, werden die vermeintlichen Erfolge seiner Regierung illustriert. Die Publikation schließt mit einem Bild der eingangs gezeigten Familie, die jedoch nun sichtbar bessergestellt ist (Abb. 94, S. 316). Anfangs noch ärmlich gekleidet, haust sie in einer zerfallenen Hütte in karger Landschaft (Abb. 93, S. 314). Die bräunliche Farbgebung und die gesenkten Häupter der vierköpfigen Familie unterstreichen den desolaten Zustand, in dem sie sich befinden. Ein Geier und ein Tierskelett im Hintergrund betonen als Unheilsverkünder zusätzlich die Tristesse der Szenerie.121 Über der 121 Clemens H. Zerling, Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie, Religion, Psychologie, KleinJasedow 2012, S. 118f.
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Abb. 93: »Der Gaucho muss ausharren…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 34, Argentinien 1950.
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Familie schwebt am Himmel eine krallenartige, grünliche Hand mit einem blinkenden Diamantring am Finger, die droht, sich um die Personen zu schließen. Während das Motiv der von oben herabreichenden Hand ursprünglich auf die christliche Ikonografie zurückgeht und dort für die schützende Hand Gottes stand, fand ihr negatives Gegenstück als Bedrohung spätestens in der Propaganda der beiden Weltkriege Verbreitung.122 So reichten in der Propaganda des faschistischen Italien während des Zweiten Weltkriegs bisweilen solche Greifhände, die insbesondere italienischen Frauen und Kindern zur Gefahr wurden, um die gegnerischen Mächte zu symbolisieren. Im argentinischen Beispiel fungiert die bedrohliche Hand als einziges bildnerisches Element, das vage die vorherige Herrschaft der »Oligarchie« andeutet (Abb. 93, S. 314). Dabei steht der Ring für deren angehäuften Reichtum. Konkrete Personen werden hier jedoch nicht beschuldigt oder verfemt. Nachdem die Familie von den folgenden 800 Seiten geschilderten peronistischen Sozialreformen profitiert hat, ist sie auf der letzten Seite des Bandes deutlich fröhlicher dargestellt (Abb. 94, S. 316). Alle lächeln und sind elegant und städtisch gekleidet. Der Familienvater und der alte Mann tragen Anzüge, die Frau ein modisches Kleid. Der Junge, der zuvor nur mit Lumpen bekleidet war, hält nun sogar ein Spielzeug in den Händen. Aus der einstmals kargen Einöde im Hintergrund ist dank des peronistischen Regimes eine blühende Landschaft inklusive einer modernen landwirtschaftlichen Produktionsstätte geworden. Neben dieser vagen Zeichnung der »Oligarchie« als innerem Feind, der laut der peronistischen Propaganda jedoch als überwunden galt, gab es in visuellen Medien unter Perjn im Gegensatz zur faschistischen Propaganda auch nur sehr abstrakte externe Feindbilder. Die peronistische Außenpolitik fußte auf der sogenannten »dritten Position« zwischen Kapitalismus und dem Kommunismus. Diese tercera posicijn implizierte jedoch keinerlei militärisches Expansionsstreben, wie in programmatischen Schriften des Regimes ausgeführt wurde: »Die Ausübung der eigenen Souveränität führt dazu, die der anderen zu respektieren […].«123 Das im peronistischen Argentinien vorgelebte System des Justicialismo wurde in der Regierungspropaganda allenfalls für andere Staaten für nachahmenswert befunden, allerdings nicht aggressiv zu verbreiten versucht. In diesem Sinn hieß es in einer Illustration in »La nacijn argentina. Justa,
122 Peter Springer, Hand, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.), Handbuch der politischen Ikonographie. Abdankung bis Huldigung, Bd. 1, München 2011, S. 443–450, hier S. 447f. 123 Presidencia de la Nacijn, Secretar&a de Prensa y Difusijn, La tercera posicijn en la pr8dica y el ejemplo de Perjn, Buenos Aires 1954, S. 9: »El ejercicio de la propia soberan&a lleva a respetar la de los dem#s […].«
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Abb. 94: »Der Gaucho muss ausharren, bis er ins Gras beißt…«, Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 799, Argentinien 1950.
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libre y soberana«: »Argentinien erleuchtet die Welt«.124 Auf ebenso friedliche Weise sollte insbesondere »Argentinische Arbeit in den Dienst der Amerikas« gestellt werden, wie beispielsweise ein Propagandaplakat der Comisijn argentina de fomento interamericano (»Argentinische Kommission für interamerikanische Entwicklung«), die im Rahmen von panamerikanistischen Bestrebungen bereits 1939 auf einer Konferenz in Panama gegründet worden war, erläuterte.125 Darauf befinden sich zwei Arbeiterfiguren in flächig-kubistischem Stil, von denen eine mit Hammer und Schirmmütze als Industriearbeiter und die andere mit Hut und Halstuch als typischer argentinischer Landarbeiter gekennzeichnet ist. Zusätzlich hält letzterer ein Bündel Getreide in den Händen und wird von einem Rind flankiert. Die Farbe ihrer Kleidung – der Industriearbeiter trägt hellblau, der Landarbeiter weiß – weist sie unmissverständlich als argentinische Arbeiter aus. Die Nationalfarben fungieren, abgesehen von der Schrift, als einziger Bezug auf den argentinischen Kontext. Denn die kantigen nur schemenhaft ausgearbeiteten Gesichtszüge der Arbeiterfiguren weisen bezeichnenderweise weder mestizische Charakteristika auf noch lassen sie eine sonstige nationale oder ethnische Zuordnung zu. Wem »argentinische Arbeit« zugutekommen soll, wie die Unterschrift ankündigt, wird durch eine Banderole unterhalb der Arbeiterfiguren deutlich, die aus verschiedenen Nationalflaggen besteht. Darunter finden sich verschiedene lateinamerikanische Länder, aber auch die USA, ist die Bezeichnung des Doppelkontinents im Titel doch bewusst im Plural gehalten (»El trabajo argentino al servicio de las Am8ricas«). Das externe Feindbild, das im Rahmen der Bewerbung der »dritten Position« von den jeweils anderen Systemen, dem Kapitalismus und dem Kommunismus, in der peronistischen Propaganda gezeichnet wurde, blieb ähnlich abstrakt und lediglich lose an konkrete Personen geknüpft wie das des inneren Feindes, der »Oligarchie«. In Illustrationen und den zugehörigen Bildunterschriften wurden die anderen Positionen als »ideologische Extreme« bezeichnet.126 Die »dritte Position« befinde sich hingegen »in perfektem Gleichgewicht« zwischen »Individualismus« und »Kollektivismus«.127 Dazu führte Perjn weiter aus:
124 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 476: »La Argentina ilumina al mundo«. 125 Vgl. Comisijn Argentina de Fomento Interamericano, El trabajo argentino al servicio de las Am8ricas, Buenos Aires 1945. Im Zeichen einer solchen wirtschaftlichen Integration der Region, wie sie das peronistische Regime anstrebte, stand ferner die Gründung der gewerkschaftlichen Agrupacijn de Trabajadores Latinoamericanos Sindicalistas (ATLAS) 1952 in Mexiko, die ihren ersten Sitz in Buenos Aires hatte (vgl. Claudio Panella, Perjn y ATLAS. Historia de una central latinoamericana de trabajadores, Buenos Aires 1996). 126 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 470. 127 Ebd., S. 474.
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[V]or der dringenden Notwendigkeit, die Defekte des kapitalistischen Systems zu korrigieren, um uns erfolgreich dem ökonomischen System des Kommunismus entgegenzustellen, stellt man fest, dass die Lösung in keinem der beiden Extreme liegt, sondern in unserer Lösung, die, da sie sich als soziale Ökonomie definieren kann, die dritte Position ist.128
Vom italienischen Faschismus, der den Korporativismus ebenso als terza via und Alternative zum kapitalistischen und kollektivistischen Wirtschaftssystem angepriesen hatte, sind im Unterschied zum peronistischen Argentinien keine bildlichen Repräsentationen überliefert, die die eigene Position den anderen gegenüberstellen. Trotz zahlreicher verbaler Ausführungen über die vermeintlichen Defekte der im faschistischen Italien überwunden geglaubten Systeme existierten von ihnen keine Negativbilder in der visuellen Propaganda.129 In der Bildpropaganda des peronistischen Argentinien hingegen gerieten die anderen Positionen, das kapitalistische und das kommunistische System, unter Beschuss. Dies geschah auf ähnliche Weise wie in den Vorher-Nachher-Darstellungen, in denen die vergangene Herrschaft der »Oligarchie« angeprangert wurde: Man beschränkte sich darauf, die vermeintlichen Unzulänglichkeiten des kapitalistischen und des kommunistischen Systems sowie die negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung bildlich zu demonstrieren. Entmenschlichende Darstellungen, wie sie von äußeren Feinden, zum Beispiel von alliierten Soldaten, in der faschistischen Propaganda während des Zweiten Weltkriegs kursiert waren, finden sich bei Repräsentationen der anderen Systeme in den staatlichen Bildmedien unter Perjn nicht. In dem Bildband »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« werden in drei Bildfeldern die »drei ideologischen Positionen« illustriert (Abb. 95, S. 319). Im ersten, das das »kapitalistische Regime« repräsentiert, sind vier Personen bei unterschiedlichen Tätigkeiten zu sehen: ein Mann hantiert an der freien Natur und steht somit womöglich für die Landarbeit, eine Frau am Schreibtisch symoblisiert den tertiären Sektor, ein Maurer das Handwerk sowie ein Maler mit Palette vor einer Leinwand die Künste. Hinter ihnen erhebt sich eine hochhausartige Architektur. Darüber beugt sich eine im Vergleich zu den anderen Figuren riesenhafte männliche Figur, die mit Krallenhänden nach den Arbeitern in Miniatur langt. Mit Anzug und Krawatte wird damit ein Kapitalist bzw. die »kapitalistische Oligarchie« dargestellt, der die erwirtschafteten Güter an sich rafft. Hierbei lässt sich eine Verquickung von innerem und äußerem Feindbild feststellen, bestand doch in der »Oligarchie« 128 Presidencia de la Nacijn, Secretar&a de Prensa y Difusijn, La tercera posicijn en la pr8dica y el ejemplo de Perjn, S. 63f.: »[A]nte la imperiosa necesidad de revisar los defectos del sistema capitalista para enfrentar con 8xito el sistema econjmico comunista, se advierte que la solucijn no est# en ninguno de los dos extremos sino en nuestra solucijn, que pudiendo definirse como econom&a social es […] la tercera posicijn.« 129 Santomassimo, La terza via fascista, S. 25.
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Abb. 95: »Die drei ideologischen Positionen«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 470, Argentinien 1950.
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und ihrem liberal-kapitalistischen Wirtschaftssystem auch eines der inneren Feindbilder. Im zweiten Bildfeld, in dem laut Unterschrift das »kommunistische Regime« dargestellt wird, weist ein Soldat in einer Uniform der Roten Armee zwei rückansichtige Männer dazu an, die Säcke, die sie über ihren Schulter tragen, abzuliefern. Im Hintergrund sind neben einem thronartigen Stuhl, der für die Herrschaft steht, schon weitere Säcke aufgetürmt. Der »unmenschliche Staat« absorbiert in diesem Fall »die Arbeit der Mehrheit«, wie der zugehörige Text erläutert. Das untere größte Bildfeld zeigt eine dreiköpfige Familie im Brustbild. Der Mann hat einen Arm um seine Frau und sein Kind gelegt, den anderen um ein kleiner dargestelltes Einfamilienhaus. Zu beiden Seiten der Personengruppe türmen sich überdimensionierte goldene Münzen auf, die der Familie bis auf Schulterhöhe reichen. Das hier repräsentierte »r8gimen justicialista« bietet der Unterschrift zufolge »Arbeit, Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand«. Während die Menschen in den ersten beiden Bildfeldern entweder anonym bleiben oder zu harter Arbeit verdammt sind, hat das Volk unter dem Justicialismo ein Gesicht. Die zentrale Einheit der Familie ist im peronistischen Argentinien sozial besser gestellt, verfügt über ein Eigenheim sowie ausreichend Kapital. Der naive Stil, in dem die Bildergeschichte angefertigt ist, läuft einer dämonisierenden Darstellungsweise derjenigen, die laut peronistischer Propaganda, für die politischen und sozialen Missstände in den anderen Systemen verantwortlich waren, zuwider. So wird weder der »Kapitalist«, wie häufig in der sowjetischen Propaganda, als korpulent und schweine-ähnlich gezeichnet,130 noch der Vertreter des kommunistischen Regimes als haariges Monster, wie es in der faschistischen Propaganda geschehen war. Stattdessen liegt der Fokus auf der Harmonie und Idylle, die vermeintlich unter Perjns »dritter Position« herrschten. Wie die Analyse der peronistischen Bildpropaganda gezeigt hat, fand die politische und nationale Identitätsbildung in diesem Medium im Unterschied zum faschistischen Italien weniger über die Abgrenzung von internen oder externen Feindbildern statt. Gemäß einem der Leitsprüche des peronistischen Regimes – »Der Peronismus strebt nach nationaler Einheit, nicht nach Kampf«131 – vermittelten die Propagandabilder vielmehr den Eindruck einer durch den Justicialismo bereits erreichten gesellschaftlichen Harmonie. Als übergreifende identitätsstiftende Kategorie wurde Arbeit ausschließlich als Versprechen der Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft verwendet. Anders als es in der faschistischen Propaganda mit der afrikanischen Bevölkerung oder Juden in Italien geschehen war, sprach das peronistische Regime nach 1945 Teilen der 130 Bonnell, Iconography of power, S. 200–202, 215–216. 131 Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La Nacijn Argentina, S. 802: »El peronismo anhela la unidad nacional y no la lucha.«
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Bevölkerung, ›rassisch‹ oder anderweitig markierten Gruppen Arbeitsamkeit als Qualität nicht ab. Nicht zuletzt aus ideologischen Differenzen zwischen dem Faschismus und dem Peronismus resultierte, dass ›Rasse‹ in der peronistischen Bildpropaganda weder eine explizite identitätsstiftende Rolle spielte, noch als Exklusionsmechanismus fungierte: Sie bildete eine Leerstelle. Zum Idealbild des argentinischen Arbeiters wurden zwar fast ausnahmslos weiße, städtische Arbeiter erklärt. Dunkelhäutige criollos und Indigene wurden in der peronistischen Bildpropaganda jedoch nicht angeprangert, sondern bei vereinzelten Gelegenheiten sogar als Protagonisten von Propagandaplakaten eingesetzt. Den »Mythos vom weißen Argentinien« wies das peronistische Regime in seiner Bildpropaganda damit jedoch keinesfalls gänzlich zurück. Interne Feindbilder, wie die »Oligarchie«, beruhten statt auf ›Rasse‹ auf Klassenmerkmalen und wurden hauptsächlich in schriftlichen Propagandamedien konstruiert. In der visuellen Propaganda fanden sie hingegen nur eine sehr vage und nicht personifizierte Entsprechung. Gleiches galt für externe Feindbilder, die das peronistische Regime zwar im kapitalistischen und kommunistischen System sah, jedoch ebenso auf eine entmenschlichende Darstellungsweise von deren Vertretern verzichtete. Hatte dem faschistischen Regime die Verbreitung von »italienischer Arbeit« noch als vordergründige Legitimation für militärische Unterfangen gedient, sollte »trabajo argentino« im Rahmen der anti-bellizistischen »dritten Position« des peronistischen Regimes lediglich als nachahmenswertes Modell dienen. Ein aggressiver Expansionismus war damit nicht verbunden.
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Fazit und Ausblick
Nachdem Mussolini und Perjn gestürzt worden waren, fiel ihre visuelle Propaganda unter unterschiedlichen Bedingungen dem bilderstürmerischen Eifer von Teilen der jeweiligen Bevölkerung und der Nachfolgeregierungen zum Opfer. Dies unterstreicht die Relevanz der propagandistischen Bilder, die ihnen nicht nur die Regime selbst, sondern auch ihre Gegner zuschrieben. Schließlich waren durch sie ihre Herrschaft sichtbar und allgegenwärtig geworden. In Italien gingen bereits nach der Absetzung Mussolinis im Juli 1943 Mitglieder der Resistenza und Teile der Zivilbevölkerung daran, faschistische Insignien im öffentlichen Raum zu zerstören. Aber auch die Alliierten hatten die Notwendigkeit zur »Entfaschisierung« von Staat und Gesellschaft bereits in den Waffenstillstandsverträgen vom Herbst 1943 verankert, zu der wesentlich auch die Befreiung von faschistischer Symbolik gehörte.1 So wurden Wandbilder übermalt und Liktorenbündel und Konterfeis von Mussolini entfernt. Was die Effektivität dieser »Entfaschisierung« zumindest auf dem Niveau der Symbole angeht, spricht Jens Petersen von einem »Nord-Süd-Gefälle«: Während Alliierte und italienische Behörden in den zuerst befreiten Gebieten in Süditalien vergleichsweise nachlässig vorgegangen seien, sei die Tilgung faschistischer Insignien aus dem öffentlichen Raum im erst Anfang 1945 befreiten Norden sehr viel gründlicher betrieben worden.2 Das im Juni 1944 befreite Rom lag in dieser Hinsicht gewissermaßen an der Schnittstelle: Viele Symbole und Bauten aus faschistischer Zeit, wie das Foro Mussolini, wurden nach Kriegsende nicht nur nicht beseitigt, sondern, wie die noch im Bau befindliche Stazione Termini oder das Stadtviertel EUR, unter Federführung derselben Personen vollendet.3 Im Hinblick auf Propagandaplakate und andere Exemplare der visuellen Propaganda des Faschismus lässt die heutige Archivsituation darauf schließen, dass die Materialien, die nicht unmittelbar zerstört wurden, zunächst privaten 1 Petersen, Kontinuität und Verdrängung, S. 445. 2 Ebd., S. 445f. 3 Ebd.
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Fazit und Ausblick
Sammlern überlassen und nicht systematisch oder erst später in staatliche Archive integriert wurden.4 In Argentinien gingen nach dem Sturz Perjns durch das Militär im September 1955 antiperonistische Gruppen ebenso gegen mit dem Vorgängerregime in Verbindung gebrachte Symbolik im öffentlichen Raum vor. Die militärischen Gefechte zwischen dem 16. und 21. September waren noch im Gange, als Gegner des abgesetzten Regimes im ganzen Land Regierungs- und Gewerkschaftsgebäude stürmten. Ihre Zerstörungswut richtete sich insbesondere gegen Fotografien, Gemälde, Büsten und Skulpturen von Juan und Eva Perjn. So wurden beispielsweise Statuen der ehemaligen primera dama an Fahrzeuge gebunden und durch die Straßen von Buenos Aires geschleift.5 Nach dem Vorbild der »Entnazifizierung« in Deutschland und der »Entfaschisierung« in Italien wurde eine »Entperonisierung« (desperonizacijn) auch von Seiten der Militärregierung vorangetrieben.6 Nach einer kurzen kaum zweimonatigen Regierungszeit von General Eduardo Lonardi, der noch eine gemäßigte Position gegenüber dem gestürzten Präsidenten und seinen Anhängern vertrat, folgte im November 1955 General Pedro Aramburu im Präsidentenamt. Dieser ließ im Dezember 1955 die Peronistische Partei per Gesetzesverordnung auflösen und im März des Folgejahres sämtliche mündliche, schriftliche und visuelle Überlieferungen des peronistischen Regimes verbieten, wodurch somit auch Exemplare der peronistischen Propaganda, Plakate, Fotografien und Skulpturen von Perjn und Eva ins Visier der Regierung gerieten.7 Publizistik des peronistischen Regimes, wie Evas Autobiografie »La razjn de mi vida«, gedruckte Reden von Juan und Eva Perjn sowie die peronistischen Schulbücher wurden konfisziert und öffentlich verbrannt. Die Regierung von General Aramburu trug außerdem dafür Sorge, dass die Statuen von Leone Tommasi auf dem noch unvollendeten Gebäude der Fundacijn Eva Perjn in einem öffentlichen Spektakel demontiert und die ehemalige Residenz Perjns in Buenos Aires, der Palacio Unzu8, abgerissen wurden.8 Visuelle Propaganda, die 4 Ein Beispiel ist der Bestand »Bibliothek Susmel« des Deutschen Historischen Instituts in Rom, der 1976 dem neofaschistischen Zeithistoriker Duilio Susmel, u. a. auch Herausgeber der »Opera Omnia« Mussolinis, abgekauft wurde. Die nicht allein auf den Faschismus spezialisierte Plakatsammlung des Privatmannes Ferdinando Salce ging 1962 an den italienischen Staat, genauer die Musei civici di Treviso, über. Die 120.000 Stücke umfassende private Sammlung von Propaganda und dekorativer Kunst des Amerikaners Mitchell Wolfson Jr. spendete er 2007 einer öffentlichen Stiftung in Genua, wo sie als Teil der Galleria d’Arte moderna besichtigt werden kann. 5 Seveso, Political emotions and the origins of the Peronist resistance, S. 242f. 6 Mar&a Estela Spinelli, Los vencedores vencidos. El antiperonismo y la »revolucijn libertadora«, Buenos Aires 2005, S. 53. 7 San Martino de Dromi, Mar&a Laura, Historia pol&tica argentina, 1955–1988, Buenos Aires 1988, S. 76; Seveso, Political emotions and the origins of the Peronist resistance, S. 250f. 8 Seveso, Political emotions and the origins of the Peronist resistance, S. 244.
Fazit und Ausblick
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nicht unmittelbar nach Perjns Sturz zerstört wurde, sammelte eine im Oktober 1955 von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission als vermeintlicher Beweis für den in ihrer Sicht undemokratischen Charakter des abgesetzten peronistischen Regimes.9 Sowohl in Italien nach 1943 als auch in Argentinien nach 1955 verliehen Teile der Zivilbevölkerung und staatliche Behörden dem Sieg über den Faschismus und dem Sturz der peronistischen Regierung somit auch materiell Ausdruck. Mit den ikonoklastischen Aktionen war in beiden Ländern ebenso die Absicht verbunden, die mit den gestürzten Regimen assoziierten Identitäten auszulöschen. Dass der Faschismus und der Peronismus insbesondere im Medium der visuellen Propaganda versuchten, neue politische und nationale Identitäten zu etablieren, hat die vorliegende Arbeit demonstriert. Inhaltlich stellte dabei der Korporativismus, wie er im faschistischen Italien wesentlich ausformuliert worden war und einen Kernpunkt der Ideologie gebildet hatte, auch im peronistischen Argentinien eines der wesentlichen Modelle dar. Während beide Regime die Bildpropaganda dazu nutzten, ein neues korporatives Gesellschaftsmodell zu entwerfen, wich dasjenige in Argentinien nach 1945 jedoch von seinem prominenten Vorläufer ab. Dem einseitig auf den landwirtschaftlichen Sektor ausgerichteten und zunehmend exkludierenden und militarisierten Arbeitsbegriff, der dem faschistischen Korporativismus zugrunde lag, setzte Perjn ein anderes Verständnis von Arbeit entgegen. Darin spielten vielmehr die Inklusion von Bevölkerungsteilen und die Industrialisierung des Landes die Hauptrolle. Nach 1922 avancierte der Korporativismus zu einem der zentralen identitätsstiftenden Elemente des Faschismus, einer drei Jahre zuvor gegründeten politischen Bewegung ohne jegliche politische Tradition. In der neuen Wirtschafts- und Sozialordnung traten staatlich kontrollierte Korporationen, in denen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vertreten waren, an die Stelle freier Gewerkschaften. Damit strebte das faschistische Regime die Befriedung von sozialen Konflikten an, von denen das Land insbesondere seit dem Ende des Ersten Weltkriegs erschüttert worden war. Im mit dem Korporativismus verbundenen Gesellschaftsmodell, dem zuerst in der visuellen Propaganda des Regimes Form gegeben wurde, stieg Arbeit zum allumfassenden organisatorischen Prinzip auf. Damit einher ging eine erhebliche Ausweitung des Arbeitsbegriffs über reine Erwerbsarbeit hinaus. So barg Arbeit im faschistischen Stato Corporativo, unabhängig davon, in welcher Höhe oder ob überhaupt vergütet, ein Gleichheitsversprechen, über das soziale Unterschiede abgebaut werden sollten.10 Die »Totalitätstendenz«,11 die Werner Conze für den deutschen Ar9 Repfflblica Argentina, Libro negro de la segunda tiran&a, S. 7. 10 Kocka, Ambivalenzen der Arbeit, S. 26.
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beitsbegriff in den 1930er Jahren feststellt, lässt sich auch im faschistischen Italien beobachten bzw. hatte im faschistischen Korporativismus ab 1922 einen Vorläufer.12 Den Korporativismus verbreitete das faschistische Regime als wesentlichen Bestandteil seiner Auslandspropaganda auch in anderen Ländern. Über die verschiedenen faschistischen Auslandsorganisationen und den Versand von Propagandamaterial gelangten diese Inhalte unter anderem auch nach Argentinien, einem traditionellen Zielland italienischer Emigration. Dabei wurde ab den 1930er Jahren vermehrt Bildpropaganda eingesetzt, die, wie aus den analysierten zeitgenössischen Korrespondenzen hervorgeht, auch das argentinische Zielpublikum besonders schätzte. Nicht nur kam auf diesem Weg visuelles Propagandamaterial ins Land, auch viele seiner Urheber, italienische Künstler und Grafiker, unterhielten mit argentinischen Kulturschaffenden mitunter enge Beziehungen und Austausch. Am Korporativismus bezeugten verschiedene Kreise in Argentinien großes Interesse und vor allem aufstrebende nationalistische Gruppen nahmen ihn während der 1930er Jahre als vielversprechenden Reformansatz für die ihrer Ansicht nach krisenhafte argentinische Wirtschaft und Politik wahr. Auch Juan Domingo Perjn, der mit dem argentinischen Militär einer im Zweiten Weltkrieg achsenfreundlich gesinnten Institution angehörte, verfolgte die Wirtschaftsund Sozialpolitik des faschistischen Regimes aufmerksam – während eines zweijährigen Italienaufenthaltes ab Ende der 1930er Jahre auch unmittelbar vor Ort. Unter diesem Eindruck bediente sich Perjn in der Folge eklektisch am faschistischen Modell, leitete als Staatssekretärs für Arbeit ab 1943 eine Reihe von korporativistischen Reformen ein und baute das Gewerkschaftswesen unter staatlicher Kontrolle aus. An sein Reformprogramm knüpfte er während seiner Präsidentschaft ab Juni 1946 an und bedachte die arbeitende Bevölkerung erstmals mit einer breiten Sozialgesetzgebung. Ein arbeitszentriertes Gesellschaftsmodell stellte auch einen Kernpunkt bei der politischen Identitätsbildung dar, die das peronistische Regime in seiner Bildpropaganda betrieb. An einen ausgeweiteten Arbeitsbegriff, wie er nicht nur den italienischen Faschismus, sondern laut Jürgen Kocka »die großen totalitären Ideologien […] des 20. Jahrhunderts«13 kennzeichnete, wurde im peronistischen Argentinien somit trotz internationaler Ächtung des Totalitarismus nach Ende des Zweiten Welt11 Werner Conze, Arbeit, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1999, S. 154–215, hier S. 212. 12 Zur Rezeption des faschistischen Korporativismus in Deutschland während der Weimarer Republik vgl. Schieder, Faschistische Diktaturen, insbesondere Kapitel II.1 »Das italienische Experiment. Der Faschismus als Vorbild in der Krise der Weimarer Republik«. 13 Kocka, Ambivalenzen der Arbeit, S. 32.
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kriegs angeknüpft. Um einen solch umfassenden Arbeitsbegriff zu verbreiten, griff man in Argentinien unter Perjn auf das nach 1945 ebenso umstrittene Medium der staatlichen Propaganda zurück. Insbesondere visuelle Medien wurden dort noch immer als wirksames Mittel erachtet, sich als neue politische Bewegung mit einer Identität auszustatten. Um erstmals systematisch zu propagandistischen Zwecken auf die Massenmedien zuzugreifen, wurden unter beiden Regimen spezialisierte Regierungsabteilungen eingerichtet: Während in Italien das Pressebüro des Duce (Ufficio stampa) über einen vergleichsweise langen Zeitraum erweitert wurde, bis 1937 schließlich das Ministero della Cultura Popolare die Kompetenzen für Propaganda und Kulturpolitik vereinte, erbte das peronistische Regime von der Vorgängerregierung ein »Unterstaatssekretariat für Presse und Propaganda«. Dieses baute es nach 1946 weiter aus. Im faschistischen Italien erhielten die verschiedenen institutionellen Vorstufen des faschistischen Ministero della Cultura Popolare nach und nach Abteilungen für verschiedene Mediengattungen, wie Radio und Kino, hinzu. Die Herstellung fotografischer und grafischer Propaganda blieb jedoch bis in die Jahre der Repubblica Sociale Italiana (RSI, 1943– 1945) ausgelagert: Während das Istituto LUCE mit der Herstellung von Propagandafotografien beauftragt war, wurden mit der Produktion von Plakaten entweder individuelle Grafiker oder, wie in den meisten Fällen, Werbeagenturen betraut. Erst in den letzten beiden Kriegsjahren wurde im noch nicht von Alliierten besetzten Nordteil Italiens mit dem Nucleo Propaganda im wiederaufgebauten MCP eine Abteilung geschaffen, in der grafische Propaganda nunmehr innerhalb des Ministeriums hergestellt wurde. In Argentinien unter Perjn wich man insofern vom faschistischen Vorbild ab, als grafische und fotografische Propaganda von Beginn an zentralisiert innerhalb des Unterstaatssekretariat und späteren Staatssekretariat produziert wurde. Für beide Gattungen existierten separate Abteilungen. Im Hinblick auf die Akteure, die die Bildpropaganda herstellten, fiel der Erfolg beider Regime, Grafiker und Künstler als Propagandisten für ihr jeweiliges politisches Projekt zu gewinnen, unterschiedlich aus. Während es dem Faschismus bis Ende der 1930er Jahre mittels einer staatlichen Patronagepolitik gelang, dass sich eine große Anzahl von Kulturschaffenden für seine propagandistischen Ziele engagierten, wandte sich die überwiegende Mehrheit der argentinischen Intellektuellen und Künstler vom peronistischen Regime ab. Dabei spielte die Zäsur von 1945 keine unwichtige Rolle, hatte der Großteil der argentinischen Intelligentsia doch während des Krieges eine antifaschistische Haltung vertreten und sah in Perjn nun einen »kreolischen Mussolini«, für den sie sich keinesfalls einsetzen wollte. Zu avantgardistischen Künstlern, die, wie zum Beispiel die Futuristen, für das faschistische Regime zahlreiche Aufträge ausgeführt hatten, gab es unter Perjn kein Äquivalent. Bei den im Vergleich zum
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faschistischen Italien deutlich weniger zahlreichen Aufträgen, die das peronistische Regime an bildende Künstler vergab, sah es sich häufig gezwungen, auf ausländische, teilweise aus Italien stammende, Künstler zurückzugreifen, die eher in traditionellen Stilen arbeiteten und künstlerisch weniger innovativ waren. Im Gegensatz zu den in vielen Fällen sehr umtriebigen italienischen Propagandagrafikern, die meist noch für Werbeagenturen oder als bildende Künstler arbeiteten, traten die Angestellten der argentinischen Subsecretar&a de Informaciones ansonsten kaum durch besondere künstlerische Leistungen hervor. Die meisten von ihnen waren Zeichner bei verschiedenen argentinischen Zeitungen. Inhaltlich kreisten die in der visuellen Propaganda beider Regime entworfenen korporativen Gesellschaftsmodelle um die Figur des Arbeiters, der zum Helden und zum exemplarischen Bürger stilisiert wurde. Indem die arbeitende Bevölkerung im Medium der Propaganda beider Regime massiv aufgewertet wurde, erfuhr sie in Italien und Argentinien erstmals symbolische Anerkennung von Seiten einer Nationalregierung. Die Überhöhung äußerte sich zudem in neu geschaffenen identitätsbildenden Begrifflichkeiten, wie der des »Hemdlosen« im peronistischen Argentinien, die für das Eintreten des Regimes für die unteren Schichten emblematisch war. Auch boten neu geschaffene oder von den Regimen instrumentalisierte traditionelle Feiertage, wie der Tag der Arbeit, Anlässe, bei denen die neue staatliche Aufmerksamkeit auf dem Arbeiter deutlich wurde. Indem Italiener zum »popolo italiano lavoratore« und Argentinier zum »pueblo trabajador« erklärt wurden, setzte die Regierungspropaganda beider Regime die Arbeiteridentität mit der nationalen Identität gleich. Auch wenn sich sowohl das faschistische als auch das peronistische Regime als radikalen Bruch inszenierten, war der semantische Bezug zwischen Arbeit und Nation durchaus nicht neu. So hatten schon die Nationalökonomen seit Adam Smith den Wohlstand der Nation als Summe der Arbeitsleistung der einzelnen Bürger definiert.14 Die Denkfigur der »nationalen Arbeit« hatte insbesondere im 19. Jahrhundert nicht nur in nationalistischen, sondern auch in bürgerlich-liberalen und konservativen Kreisen verschiedener europäischer Länder sowie nach den Reichsgründungen in Italien 1861 und Deutschland 1871 an Relevanz gewonnen.15 Dies zeigte sich beispielsweise auf der 1851 in London eröffneten Serie von Weltausstellungen, bei denen es darum ging, die Arbeit der einzelnen Nationen im internationalen Wettbewerb zu präsentieren.16 Die Nationalisierung des Arbeitsbegriffs war ferner während des Ersten Weltkriegs in den kriegsteilneh14 Conze, Arbeit, S. 174–175, 179, 181. 15 Jörn Leonhard/Willlibald Steinmetz, Von der Begriffsgeschichte zur historischen Semantik von ›Arbeit‹, in: dies., Semantiken von Arbeit. Diachrone und vergleichende Perspektiven, S. 9–62, hier S. 15f.; Conze, Arbeit, S. 210. 16 Conze, Arbeit, S. 210 .
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menden Ländern befördert worden, indem auch der Kriegseinsatz nunmehr als Arbeit betrachtet wurde.17 Zusätzlich zum Gemeinschaftsbezug zur Nation und der damit verbundenen Absage an ein rein utilitaristisches und individualistisches Arbeitsverständnis erfuhr der Arbeitsbegriff im italienischen Faschismus und im Peronismus eine »Verzeitlichung«18 : Die Verantwortung für den Fortschritt und die Zukunft der Nation wurde an die arbeitende Bevölkerung herangetragen. Wie die Analyse der Propagandaplakate und des sonstigen visuellen Materials erwiesen hat, konzipierten beide Regime den Arbeiter als Zukunftsträger der Nation ausschließlich als männlich. Nicht nur im italienischen Faschismus, sondern auch im Nationalsozialismus und in den USA unter Präsident Roosevelt wurde in der Zwischenkriegszeit ein »männerzentrierte[s] Arbeitsverständnis« kultiviert.19 Wie die vorliegende Studie gezeigt hat, schloss das peronistische Regime daran in der Nachkriegszeit an. Dass die Relevanz der Arbeitsthematik sich nicht nur auf die politische Propaganda beschränkte, hat ein exemplarisch vergleichender Blick in die kommerzielle Werbung in beiden Ländern verdeutlicht. Auch in zeitgenössischen Reklamen, die zumindest in Italien von politischer Seite kontrolliert wurden, tauchten insbesondere in Anzeigen der Industrie, staatlicher oder staatsnaher Betriebe verstärkt heldenhafte männliche Arbeiterfiguren auf. Der Propaganda des Faschismus und des Peronismus zufolge war ein erklärtes Ziel die »Würdigung« des Arbeiters, die maßgeblich über staatliche Sozialpolitik erreicht werden sollte. Während ein soziales Reformprogramm im faschistischen Italien lediglich von einer kleinen Fraktion innerhalb der Regierung vorangetrieben wurde, machte das peronistische Regime die staatliche Sozialpolitik zum Dreh- und Angelpunkt seiner Politik. Dass soziale Rechte der Bevölkerung aber auch mit Pflichten gegenüber dem Staat einhergingen – ein Prinzip, das dem entstehenden europäischen Sozialstaat seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zugrunde lag20 – trat in unterschiedlichem Maße auch in der faschistischen und peronistischen Propaganda zutage. Wie in der für den faschistischen Korporativstaat zentralen Carta del Lavoro von 1927 überwog auch in der visuellen Propaganda des Faschismus die Betonung der Pflichten der Arbeiterschaft gegenüber dem Staat, die hauptsächlich in einer erhöhten Produktivität lagen. Demgegenüber geriet die staatliche Sozialpolitik als Thema der Bildpropaganda ins Hintertreffen, hielten sich konkrete arbeitsrechtliche Verbesserungen im faschistischen Italien doch in der Tat in Grenzen. Zwar häuften sich auch im peronistischen Argentinien Aufrufe zu einer höheren Produktivität 17 Patel, Arbeit als Dienst am Ganzen, S. 296; Row, Mobilizing the Nation, S. 162f. 18 Leonhard/Steinmetz, Von der Begriffsgeschichte zur historischen Semantik von ›Arbeit‹, S. 15. 19 Patel, Arbeit als Dienst am Ganzen, S. 291. 20 Conze, Arbeit, S. 208ff.
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in der Propaganda insbesondere, als die argentinische Wirtschaft Anfang der 1950er Jahre ins Straucheln geriet. Auch waren die neu eingeführten Sozialleistungen größtenteils an ein Beschäftigungsverhältnis gekoppelt. Jedoch lag der Fokus der peronistischen Bildpropaganda im internationalen Klima von in der Nachkriegszeit entstehenden Wohlfahrtsstaaten vielmehr auf den sozialen Rechten, mit denen das Regime die arbeitende Bevölkerung ausgestattet hatte. Bei der unterschiedlichen Gewichtung des Themas der Sozialpolitik gegenüber Aufrufen zu einer höheren Produktivität in der Propaganda kam nicht zuletzt die unterschiedliche Regierungsform zum Tragen: Die faschistische Diktatur konnte der italienischen Bevölkerung leichter sozialpolitische Einschnitte abverlangen als das formal demokratische peronistische Regime, das von der Gunst der Wählerschaft abhing. In welchem wirtschaftlichen Sektor die Produktivität der Arbeiterschaft gefordert war, wurde in der faschistischen und peronistischen Bildpropaganda jeweils unterschiedlich beantwortet. Waren die Darstellungen der Arbeiterfiguren unter beiden Regimen insofern anachronistisch, als sie hauptsächlich manuelle Arbeiter zeigten, stand im faschistischen Italien der archaische Landarbeiter im Zentrum der staatlichen Propaganda. Bei dem Versuch, sich in eine vermeintlich jahrhundertalte Tradition Italiens als Agrarland einzuordnen, wurden im Rahmen der »Ruralismus«-Ideologie bukolische Idyllen beschworen, die keine Spur von der Mechanisierung des Agrarsektors oder den Industrialisierungsbestrebungen des Regimes sichtbar werden ließen. Während in der Forschung gemutmaßt wurde, dass diese »ruralistischen« Propagandabilder »den realen Bedeutungsverlust der Landwirtschaft ideologisch […] kompensieren«21 sollten, mag sich die faschistische Führung von diesen eskapistischen Szenen auch schlicht einen größeren integrativen Effekt erwartet haben. Somit fungierte der Bauer in der faschistischen Propaganda weniger als zukunftsgerichtetes Rollenbild denn als vermeintlich konsensfähigere Figur. Die Inhalte der peronistischen Propagandabotschaften wiederum waren insofern progressiver und weniger diskrepant zur sozioökonomischen Realität, als sie vielmehr den Industriearbeiter zum Rollenbild par excellence erklärten. Die Industrialisierung des Landes, die die Substitution von ausländischen Importen ermöglichen sollte, stellte eines der zentralen wirtschaftspolitischen Anliegen Perjns dar. Zwar existierten in der Propaganda des italienischen Faschismus keine Negativdarstellungen von industrieller Arbeit. Wie in offiziellen Verlautbarungen von Vertretern des Regimes im Rahmen eines anti-urbanistischen Diskurses deutlich wurde, entsprach sie jedoch keinesfalls dem Idealbild. Demgegenüber bestand eines der Hauptthemen der peronistischen Propaganda darin, verschiedene Typen von Arbeitern – Landarbeiter, Industriearbeiter und 21 Nützenadel, Landwirtschaft, Staat und Autarkie, S. 4.
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auch intellektuelle Arbeiter – harmonisch vereint und Klassenunterschiede als überwunden zu präsentieren. Im Gegensatz zum einseitigen Fokus auf dem Landarbeiter war die im peronistischen Argentinien dominante Arbeiteridentität somit weitaus umfassender und integrativer als diejenige im faschistischen Italien. Dem Arbeiter als neuem identitätsstiftenden Symbol war unter beiden Regimen eine Halbwertszeit beschieden. Seine Relevanz nahm sowohl im faschistischen Italien als auch im peronistischen Argentinien im Laufe der Zeit in dem Maße ab, wie die Notwendigkeit sich durch neue Symbole zu legitimieren, zurückging. Mit dem militärischen Engagement Italiens in Äthiopien 1935 und dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg 1940 gewann vielmehr die Figur des Soldaten in der faschistischen Bildpropaganda an Wichtigkeit, die jedoch oftmals mit der Arbeitsthematik verknüpft wurde: Während ersterer an der Front Dienst tat, trug der Arbeiter durch seinen Arbeitseinsatz zu Hause zu einem siegreichen Kriegsausgang bei. Im peronistischen Argentinien gab es nach 1945 keine vergleichbare Militarisierung des Arbeitsbegriffs. Gegenüber der zu Beginn so zentralen Arbeiterfigur erlangte Anfang der 1950er Jahre vielmehr Perjn selbst auf Plakaten die Oberhand, als sich das Regime in einer tiefen Krise befand und es Ziel der Propaganda war, die Argentinier auf ihre treue Gefolgschaft einzuschwören. Nicht allein der argentinische Präsident, sondern beide Regierungschefs galten in den personalisierten politischen Systemen als ultimative Vorbilder des männlichen Arbeiters als Zukunftsträger der Nation. In Übereinstimmung mit den jeweiligen Selbstbildern des faschistischen und peronistischen Regimes als revolutionär inszenierten sich die Regierungschefs als neue Politikertypen bzw. geradezu als Anti-Politiker, die, wie die Propaganda versuchte glauben zu machen, »von den Worten zu den Taten« übergegangen seien.22 Ein neues propagandistisches Bildthema bestand in diesem Kontext in der Zusammenschau von politischem Führer und Volksmasse, etwa bei öffentlichen Reden. Dieses diente im Rahmen des in der Regierungspropaganda betriebenen Führerkults dazu, den Regierungschef von der Masse abzuheben und seine besonderen Fähigkeiten zu unterstreichen. Indem die Bevölkerung auf diese Weise vermeintlich ihre Zustimmung zum Faschismus und Peronismus bekundete, erfüllte es außerdem die Funktion, die faschistische Diktatur und das populistische peronistische Regime zu legitimieren. Während die Masse in der faschistischen Propaganda tendenziell anonymisiert erschien – zählte im Korporativismus doch allein die Leistung des Kollektivs – wurde sie auf Propagandabildern des
22 Lojacono, La politica sociale del fascismo, S. 25f.: »[D]alle parole alle fatti […]«; Perjn, Obras completas, Bd. 9, S. 258.
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peronistischen Regimes tendenziell individueller dargestellt und ihr mehr Handlungsmacht zuerkannt. Mussolini und Perjn wurden in der Propaganda als äußerst tatkräftige und unermüdliche Regierungschefs präsentiert, die nahezu rund um die Uhr arbeiteten. Dass dieser Arbeitseinsatz insbesondere den sozialen Belangen der Bevölkerung galt, wurde zwar auch in der faschistischen Bildpropaganda suggeriert, nahm in der propagandistischen Ikonografie unter Perjn jedoch thematisch einen sehr viel wichtigeren Platz ein. Zusätzlich zu der des umtriebigen Politikers traten Mussolini und Perjn in einer Vielzahl weiterer Rollen auf, deren schiere Anzahl den Eindruck ihrer extremen Geschäftigkeit verstärkte. Ihre Fähigkeit bewiesen beide Regierungschefs insbesondere als manuelle Arbeiter, eine ihrer Hauptrollen in der Propaganda, die im Zeichen der symbolischen Aufwertung von Arbeit stand. Auf diese Weise wurden beide zu volksnahen politischen Führern stilisiert, die sich mit der arbeitenden Bevölkerung identifizierten. Gemäß der unterschiedlichen Gewichtung des landwirtschaftlichen und des industriellen Sektors in der faschistischen und peronistischen Propaganda inszenierte sich Mussolini auf der einen Seite, etwa im Kontext der faschistischen »Getreideschlacht«, vorrangig als Landarbeiter. Perjn auf der anderen Seite schlüpfte vor dem Hintergrund des von ihm vorangetriebenen Industrialisierungsprojektes in die Latzhosen der Industriearbeiter. So bestätigt sich auch im Fall der Herrscherikonografie der Befund vom größeren zukunftsgerichteten Charakter der peronistischen Propaganda. Progressiver machte sie auch die Tatsache, dass die Herrscherikonografie im Unterschied zum faschistischen Italien ebenso um die Frau des Präsidenten, Eva Perjn, konstruiert wurde, die selbst im internationalen Vergleich der Nachkriegszeit eine neuartig öffentliche Rolle spielte. Zwar bis zuletzt ohne offizielles Regierungsamt, war sie dennoch politisch aktiv und stellte damit die traditionelle Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Politik als rein männlichen Sphären in Frage. Ihr konkretes Engagement, von dem die Bildpropaganda kündete, verlief allerdings in Bahnen traditioneller Rollenbilder von männlicher und weiblicher Arbeit. Zur Übermutter der Nation stilisiert, war sie dafür zuständig, sich um die emotionalen Belange des Volkes zu kümmern, während sich Perjn den als rational konzipierten politischen Geschäften widmete. Anders als ihr Ehemann trat sie auch nicht als tatkräftige Handarbeiterin oder gar Industriearbeiterin auf – für sie war stattdessen der seit jeher als weiblich erachtete Bereich der Wohlfahrt und Sozialfürsorge reserviert. Auch im Bezug zur Arbeiterschaft wurden in der Propaganda ihre vermeintlich weiblichen Qualitäten als Fürsprecherin oder Sprachrohr der Bevölkerung bei ihrem Ehemann betont – Zuschreibungen, die nach ihrem Tod 1952 einem regelrechten Heiligenkult Platz machten.
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Die Rollen, die Eva Perjn in der Propaganda zugewiesen wurden, waren auch für die restliche weibliche Bevölkerung Argentiniens Programm. Zwar blieb sie selbst kinderlos, empfahl die Mutterschaft jedoch allen anderen Frauen. War die Hauptbestimmung der weiblichen Bevölkerung bereits in der Propaganda des faschistischen Italien in der Mutterrolle gesehen worden, änderte sich daran unter Perjn wenig. Auch in der peronistischen Propaganda bestand die Ikonografie der Frau hauptsächlich darin, sie im Familienkreis, in häuslicher Umgebung und sich um den Nachwuchs kümmernd darzustellen. Die Ausweitung des Arbeitsbegriffs über reine Lohnarbeit hinaus, die im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien betrieben wurde, erlaubte es, auch das Mutterdasein darunter zu fassen. In den korporativen Systemen beider Länder war es somit ein grundlegend unterschiedlicher Beitrag, den Männer und Frauen in der jeweiligen Regierungspropaganda angehalten wurden, zur Zukunft der Nation zu leisten. Die wenigen beruflichen Tätigkeiten, die in der faschistischen und peronistischen Bildpropaganda für Frauen als zulässig erachtet wurden, galten gerade als Verlängerung ihrer Mutterrolle: Als ideale Einsatzbereiche wurde der Lehrerinnen- und vor allem der Krankenschwesterberuf präsentiert. Die Tatsache, dass das peronistische Regime im Gegensatz zur misogynen Arbeitsgesetzgebung des italienischen Faschismus die gewerkschaftliche Organisation von Frauen förderte und sie auch ansonsten von der peronistischen Arbeitsgesetzgebung profitierten, reflektierte die visuelle Propaganda nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Ansprache argentinischer Frauen als Arbeiterinnen bei der jährlichen Kür der »Königinnen der Arbeit« (reinas del trabajo) unter Perjn als rein rhetorisch zu werten – handelte es sich doch um einen klassischen Schönheitswettbewerb, bei dem die Arbeitsleistung der Anwärterinnen letztlich keine Rolle spielte. Die Diskrepanz zwischen dem Verweis auf die häusliche Mutterrolle und der Repräsentation der zunehmend öffentlichen Funktionen, die Frauen in den neuen faschistischen und peronistischen Frauenorganisationen übernahmen, kennzeichnete die Propaganda beider Regime. Die öffentliche Rolle von Frauen erreichte im faschistischen Italien im Verlauf des Zweiten Weltkriegs ihren Höhepunkt, als sie zunehmend auch in Uniformen als aktiv am Kriegsgeschehen beteiligt in der Propaganda auftraten und somit äußerst maskuline Erscheinungsformen annahmen. Bis dahin hatten sich die Tätigkeiten der Frauenorganisationen in Italien, wie auch in Argentinien unter Perjn, doch vorrangig in als typisch weiblich erachteten Bereichen, wie der Kranken- und Kinderpflege und den neuen staatlichen Wohlfahrtsorganisationen, abgespielt. Indem bei den Darstellungen von Frauen in der peronistischen Propaganda ein ähnlich traditionelles Frauenbild wie im faschistischen Italien fortgetragen wurde, bricht sich der progressivere Charakter, der für andere um Arbeit krei-
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sende Figuren in der Propaganda unter Perjn festgestellt werden kann. Denn die – nicht nur im Vergleich mit dem Faschismus, sondern auch mit dem Italien der unmittelbaren Nachkriegszeit – sehr viel fortschrittlicheren Reformen des peronistischen Regimes, die Frauen zugutekamen, wurden in der Bildpropaganda gerade nicht beworben. So bildeten nicht nur familienrechtliche Neuerungen, wie das Scheidungsrecht oder die Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder, sondern auch das 1947 in Argentinien eingeführte Frauenwahlrecht eine Leerstelle in der visuellen Propaganda. Die wahlberechtigte Frau wurde im peronistischen Argentinien nicht für bildwürdig befunden. Weitet man den Blick über die beiden Fallbeispiele hinaus, scheint im reaktionären Rollenbild der Frau ein Spezifikum der propagandistischen Ikonografie von Arbeit in autoritär-korporativistischen Regimen zu liegen, das auch wesentlich vor dem Hintergrund des Katholizismus beider Länder zu sehen ist. Denn im Vergleich dazu hatte die Frau in der sowjetischen Propaganda eine wesentlich aktivere Rolle inne und trat gleichberechtigt als Arbeiterin auf. So erschien sie beispielsweise bereits ab den 1920er Jahren entsprechend der männlichen Arbeiter-Ikone als Schmiedin.23 Auch als in den 1930er Jahren ein größerer Fokus auf die Landwirtschaft gelegt wurde, tauchten sowjetische Bäuerinnen in der Propaganda keineswegs in Männern untergeordneten Rollen auf, wie es im faschistischen Italien und peronistischen Argentinien der Fall war. Ebenso wichen die Frauenfiguren in visuellen Medien während des New Deal (1933–1938) in den USA bisweilen vom um Heim und Herd kreisenden Rollenbild ab, obwohl auch dort größtenteils auf den Erhalt eines traditionellen Familienbildes gepocht wurde. Dies schloss jedoch nicht aus, dass Abbildungen von Frauen bei der industriellen Produktion, etwa in der Textilindustrie, kursierten.24 Die kommerzielle Werbung in Italien und Argentinien während des Faschismus und des Peronismus vermittelte ebenso ein sehr viel pluralistischeres und nicht auf die Mutterrolle und einige wenige Berufe beschränktes Frauenbild: In Italien vielfach von denselben Grafikern angefertigt, kontrastierten Propaganda- und Werbebilder dahingehend, dass zumindest in Werbeanzeigen, die sich an die Oberschicht richteten, modischere, elegantere und selbstbewusstere Frauen auftraten, die keineswegs ausschließlich in Abhängigkeit von Männern definiert wurden. Auch im peronistischen Argentinien wichen die sehr viel aufreizenderen und an der US-amerikanischen Reklame orientierten Frauengestalten in der Wirtschaftswerbung von den züchtigen, sich aufopfernden Müttern, Krankenschwestern und Wohltäterinnen der politischen Propaganda ab. 23 Bonnell, Iconography of power, S. 74–77. 24 Reilly, Emblems of Production, S. 306ff.
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Unter den Mitgliedern der Gesellschaft, für die in der faschistischen und peronistischen Propaganda neue Rollenbilder geschaffen wurden, waren auch Kinder und Jugendliche. Somit lag in beiden Ländern erstmals breite staatliche Aufmerksamkeit auf den jüngeren Generationen. Doch während der Faschismus einen ausgesprochenen Jugendkult initiierte, wurde dieser im Peronismus nicht auf gleiche Weise fortgetragen. Zwar präsentierte auch die peronistische Propaganda die Jugend als Garant für den Fortbestand des Regimes. Dies schloss jedoch nicht aus, dass in einer inkludierenden Geste auch alte Menschen in der Propaganda unter Perjn gewürdigt wurden. Die visuelle Propaganda im Peronismus bildete also – im Gegensatz zum einseitigen Fokus auf der Jugend im Faschismus – im Hinblick auf die vertretenen Generationen vielmehr einen Querschnitt der argentinischen Gesellschaft ab und war somit auch in diesem Punkt wesentlich integrativer. Im Bestreben, die Bevölkerung in totalitärem Sinne zu kontrollieren, gliederte das faschistische Regime Kinder und Jugendliche in die neu geschaffene Jugendorganisation Opera Nazionale Balilla ein – Balilla-Jungen und -Mädchen waren auch die Hauptrollen, in denen Kinder und Jugendliche in der staatlichen Propaganda erschienen. Der zunehmend militärische Charakter, den die Aktivitäten in diesen Organisationen annahmen, wurde auch durch Bildmedien forciert – der Schritt zwischen uniformiertem Balilla-Jungen und Soldaten war klein. Eine solche Verknüpfung mit militärischen Zielen lässt sich in den Repräsentationen von argentinischen Kindern und Jugendlichen in der peronistischen Propaganda nicht ausmachen, verfolgte das Regime doch keinerlei expansionistische Absichten. Statt mit dem Rollenbild des Soldaten, das auch in Illustrationen in faschistischen Primarschulbüchern dominant war, wurden argentinische Schulkinder vielmehr als »kleine Arbeiter« (obreritos) identifiziert. Dieses Bild bestätigte sich auch im Fall des vom peronistischen Regime institutionalisierten und breit beworbenen Berufsbildungssystems. Wie die obreritos in den argentinischen Schulbüchern wurde ebenso die in staatlichen Bildmedien neu geschaffene Figur des »Lehrlings« (aprendiz) in den Dienst des industriellen Fortschritts des Landes gestellt. Zwar war die Aufwertung manueller Arbeit und die Absicht, somit Klassenunterschiede zu nivellieren, auch Bestandteil des propagandistischen Diskurses im faschistischen Italien. Die Systematisierung der staatlichen Berufsbildung war jedoch angesichts des weiterhin dominanten humanistischen Bildungsideals, das auf eine akademische Ausbildung abzielte, kein prioritäres Projekt des faschistischen Regimes. Somit existierte in der Propaganda des Faschismus auch kein analoges Rollenbild zum argentinischen aprendiz. Denn mehr als auf der Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte für die Industrie lag in Italien der Fokus zunehmend auf der Erziehung der Jugendlichen zu Soldaten für den bevorstehenden Kriegseinsatz.
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Der inklusivere Charakter des Gesellschaftsmodells, wie es im peronistischen Argentinien entworfen wurde, zeigte sich am augenfälligsten beim Thema Feindbilder : Sie bildeten in der visuellen Propaganda eine Leerstelle. Dabei machte sich – ähnlich wie bei der Irrelevanz der Figur des Soldaten oder militärischer Themen in Schulbüchern und der sonstigen Propaganda – die Zäsur 1945 bemerkbar : Schenkte man allein den peronistischen Propagandaplakaten Glauben, gab es unter Perjn weder Ausgeschlossene noch Feinde. Stattdessen lag der Fokus auf der vermeintlich herrschenden sozialen Harmonie. Die peronistischen Propagandabilder evozierten uneingeschränkt »un mundo feliz« – »eine glückliche Welt«. Dies hatte sich in der visuellen Propaganda des Faschismus noch anders gestaltet: Aus der für die Identitätsbildung zentralen Kategorie der Arbeit wurden Teile der Bevölkerung, andere Nationalitäten und ›Rassen‹ explizit ausgeschlossen: Im Kontext des Abessinienkrieges wurde die äthiopische Bevölkerung als »unzivilisiert« und daher als unfähig gebrandmarkt, aus eigenem Antrieb produktive Arbeit zu leisten. Vor diesem Hintergrund wurde die Notwendigkeit, die kolonialen »Untertanen« zu Arbeit zu erziehen, in der Bildpropaganda als zentrales Element der »Zivilisierungsmission« des faschistischen Regimes präsentiert. Teilweise unter Rezeption NS-deutscher Vorbilder galten spätestens ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahre außerdem Juden als Feindbilder : Als »Parasiten« lebten sie angeblich auf Kosten der restlichen italienischen Bevölkerung. In visuellen Medien wurde auf die vermeintlichen körperlichen Defizite von Juden abgehoben und sie somit deutlich von den vor Kraft und Gesundheit strotzenden Italienern und gebärfreudigen Italienerinnen abgegrenzt. Diese Gegenüberstellung diente einmal mehr dazu, Arbeitsamkeit als alleinige Qualität der Italiener auszuweisen. Im peronistischen Argentinien hatte Arbeit keine rassistischen Implikationen, sondern fungierte allein als Versprechen der Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft. Abgesehen vom allenfalls impliziten Rassismus, der darin bestand, dass allein weiße Charaktere zum Idealbild des argentinischen Arbeiters erklärt und nicht die ganze ethnische Bandbreite der argentinischen Bevölkerung repräsentiert wurde, hatte ›Rasse‹ in der peronistischen Propaganda keine explizite identitätsstiftende Funktion. Wie die eigene politische und nationale Identität wurde auch das innere Feindbild – die »Oligarchie« – das Perjn in seinen Reden und Schriften durchaus beschwor, allein in Klassenbegriffen konzipiert. Zusammen mit den äußeren Feinden, dem kapitalistischen und dem kommunistischen System, von denen sich der Peronismus im Rahmen einer Dritte-Wegs-Rhetorik ideologisch abzugrenzen suchte, fand die »Oligarchie« in visuellen Medien unter Perjn jedoch nur eine sehr vage Entsprechung. Von entmenschlichenden Darstellungsweisen sah man in staatlichen Bildmedien in Argentinien nach 1945 ab. Zwar waren unter beiden Regimen die verschiedenen
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visuellen Propagandamedien weit davon entfernt, jeweils einen homogenen Stil aufzuweisen. Im peronistischen Argentinien wurden die auf soziale Harmonie pochenden Propagandabotschaften jedoch durch einen tendenziell naiveren Stil unterstützt. So erinnerte das in Pastellfarben gehaltene 800-seitige Hauptwerk der grafischen Propaganda unter Perjn »La nacijn argentina. Justa, libre y soberana« an Illustrationen in Kinder- und Schulbüchern. Dadurch verlor die seltene und vage Zeichnung von Feindbildern jegliches aggressive Potential. Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich Perjn zwar am faschistischen Korporativismus bediente, die Konzeption des Arbeiters als Zukunftsträger der Nation in der peronistischen Bildpropaganda jedoch vorrangig der Integration der Bevölkerung in das korporative Gesellschaftsmodell diente. Aus diesem wurden – anders als in der faschistischen Propaganda – keine Personen oder Gruppen aus rassistischen Gründen ausgegrenzt. Zudem setzte man im peronistischen Argentinien dem statischen, wenn nicht gar rückwärtsgewandten Bild, das im faschistischen Italien von der nationalen Wirtschaft gezeichnet wurde, ein zukunftsgerichtetes Industrialisierungsprojekt entgegen, an dem mitzuarbeiten die Bevölkerung in der Propaganda aufgerufen wurde. Wie erfolgreich und beständig die vom Faschismus und vom Peronismus in der visuellen Propaganda betriebene Identitätsbildung war, zeigte sich nach dem Sturz des jeweiligen Regimes. Die Niederlage im Zweiten Weltkrieg bedeutete für das faschistische Regime sicherlich eine eindeutigere Zäsur im Hinblick auf die von ihm geschaffenen Identitäten als der erzwungene Machtwechsel in Argentinien 1955.25 Nach dem Referendum in Italien im Juni 1946, das die Republik als Staatsform installierte, sahen sich die Regierungsparteien vor die Herausforderung gestellt, nicht nur sich selbst nach der langen Zeit im Untergrund neue politische Identitäten zu geben, sondern auch der jungen Republik.26 Während sich zu diesem Zweck alle bürgerlichen Parteien, bis auf den neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), auf ihren Antifaschismus beriefen, hoben insbesondere die linken Parteien, der Partito Comunista Italiano (PCI) und der Partito Socialista Italiano (PSI), ihre aktive Rolle in der Resistenza während der letzten beiden Kriegsjahre hervor.27 In den bürgerlich-konservativen Kreisen der Democrazia Cristiana (DC), in denen alsbald eine nachsichtigere Haltung gegenüber der faschistischen Diktatur eingenommen wurde, kam der Antikommunismus im Kalten Krieg als identitätsbildendes Wesensmerkmal hinzu.28 Dass sich unabhängig von der tatsächlichen Beteiligung am antifaschistischen 25 Maurizio Ridolfi, Storia dei partiti politici. L’Italia dal Risorgimento alla Repubblica, Mailand 2008, S. 127. 26 Ebd., S. 125, 127–128. 27 Ventrone, Il nemico interno, S. 37. 28 Aram Mattioli, »Viva Mussolini!«. Die Aufwertung des Faschismus im Italien Berlusconis, Paderborn 2010, S. 147f.; Ridolfi, Storia dei partiti politici, S. 139.
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Widerstand fast das gesamte Parteienspektrum auf den Mythos der Resistenza berufen konnte, wurde durch eine bereits im Juni 1946 von Justizminister Palmiro Togliatti verfügte Amnestie begünstigt.29 Somit wurde einer juristischen Aufarbeitung der faschistischen Diktatur und der italienischen Kriegsverbrechen frühzeitig ein Ende bereitet.30 Trotz der Zerstörung eines Großteils der faschistischen Propaganda und des antifaschistischen Konsenses der bürgerlichen Parteien sind stilistische und inhaltliche Kontinuitäten in politischen Bildmedien nach 1945 festzustellen. Während die Wahlplakate der italienischen Parteien, wie sie erstmals im Vorfeld der Parlamentswahlen im April 1948 zum Einsatz kamen, insgesamt noch erhebliche Übereinstimmungen mit faschistischen Propagandaplakaten aufwiesen, verortet Angelo Ventrone einen ästhetischen Bruch erst Ende der 1950er Jahre.31 Diese Anleihen waren nicht selten personellen Kontinuitäten geschuldet, hatten doch viele der nach dem Krieg aktiven Grafiker für das faschistische Regime gearbeitet.32 So realisierte beispielsweise Marcello Dudovich Plakate für den PCI. Das Thema der Arbeit erwies sich in visuellen Medien der Parteien weiterhin als virulent, wurde Italien in der neuen Verfassung, die Ende 1947 aus der parteiübergreifenden verfassungsgebenden Versammlung (Assemblea Costituente) hervorging, doch als »Republik, die auf Arbeit gründet«, definiert.33 Auch blieb für den nach 1945 in Italien etablierten Sozialstaat zumindest in der Theorie eine starke Verbindung von Lohnarbeit mit sozialen Ansprüchen charakteristisch.34 Spätestens als die parteiübergreifende Zusammenarbeit der Costituente beendet war, sahen sich die verschiedenen Parteien vor die Herausforderung gestellt, die Arbeitsthematik nicht nur in Auseinandersetzung mit dem Faschismus, sondern auch in Abgrenzung zu den jeweils anderen Parteien, neu zu besetzen.35 Die Arbeiterfigur spielte somit in der parteipolitischen Werbung des gesamten italienischen Parteienspektrums nach 1945 weiterhin eine Rolle. So wurde auf Plakaten der DC oder der katholischen Comitati Civici die Figur des »lavoratore 29 Mattioli, »Viva Mussolini!«, S. 147f. 30 Ebd., S. 151: Zu den Nürnberger Prozessen vergleichbare Kriegsverbrechertribunale gab es in Italien nicht. 31 Ventrone, Il nemico interno, S. 45. 32 Luciano Cheles, L’immagine recliclata. Camuffamenti, citazioni e plagi nella propaganda figurativa del secondo dopoguerra, in: Stephen Gundle/Maurizio Ridolfi (Hg.), Propaganda e comunicazione politica. Storia e trasformazioni nell’et/ contemporanea, Mailand 2004, S. 263–286, hier S. 268. 33 Körner, Vom residualen zum institutionellen Wohlfahrtsstaat Italien, S. 168, 172–173. 34 Valeria Fargion, Italy. A territorial and generational divide in social citizenship, in: Adalbert Evers/Anne Marie Guillemard (Hg.), Social policy and citizenship. The changing landscape, New York 2012, S. 173–197, hier S. 178. 35 Körner, Vom residualen zum institutionellen Wohlfahrtsstaat Italien, S. 168.
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cristiano« geprägt, der beispielsweise Ungeheuer, die für den Kommunismus und den Kapitalismus standen, besiegt.36 Während auf Wahlplakaten des PSI das auch in der faschistischen Propaganda präsente Thema der sozialen Gerechtigkeit von zentraler Bedeutung war, stand der PCI dem Sowjetkommunismus nicht nur ideologisch, sondern auch in Bezug auf die Ikonografie seiner Wahlplakate nahe. Am deutlichsten waren die inhaltlichen Anleihen bei der Propaganda des ventennio jedoch beim neofaschistischen MSI, der sich in den frühen Jahren der Republik zum Großteil aus ehemaligen Vertretern des faschistischen Regimes zusammensetzte.37 Ihr Gründer und langjähriger Anführer, Giorgio Almirante,38 war Experte in Propagandatechniken, hatte er während der RSI doch als Kabinettschef des Ministero della Cultura Popolare fungiert.39 Im Detail zu verfolgen, wie sich die Arbeiterfigur in den Bildmedien der italienischen Parteien und Gewerkschaften nach 1945 unter Rückgriffen auf oder in Abgrenzung von der faschistischen Propaganda weiterentwickelte und inwiefern sie zur Identitätsbildung herangezogen wurde, bleibt größtenteils ein Desiderat der Forschung. Dabei könnte eine solche Untersuchung nicht nur Einblicke in die Beständigkeit von in der faschistischen Propaganda kreierten oder sich angeeigneten Ikonen nach 1945 liefern, sondern – wie in vereinzelten Studien40 bereits angedeutet – auch dazu beitragen, den vermeintlich antifaschistischen Konsens der italienischen Parteienlandschaft der Nachkriegszeit neu zu diskutieren. In Argentinien waren die mit der Zerstörung der materiellen Überreste des peronistischen Regimes verbundenen Versuche von Regierungsseite, nach 1955 auch die von ihm geschaffene Identität auszulöschen, nur mäßig erfolgreich. Wie verschiedene Autoren übereinkommen, war der Peronismus zur dominanten Identität der argentinischen Arbeiterklasse und der Gewerkschaften geworden.41 Andere linke Parteien hatten in den Jahren von 1946 bis 1955 ihre traditionelle Zielgruppe eingebüßt und waren marginalisiert worden. Politische Identitäten gruppierten sich fortan um das Gegensatzpaar Peronismus – Antiperonismus. Die Haltung der einzelnen Parteien und der jeweiligen Regierungen zum Peronismus blieb in den folgenden Jahrzehnten zumindest bis zur Rückkehr Perjns aus dem spanischen Exil 1973 ein bestimmender Faktor der argentinischen 36 Cheles, L’immagine recliclata, S. 265. 37 Ebd., S. 274. 38 Giorgio Almirante war auch Mitherausgeber der Zeitschrift »La Difesa della Razza« gewesen (vgl. Kap. 8.1). 39 Cheles, L’immagine recliclata, S. 269f. 40 Vgl. Cheles, L’immagine recliclata; Ventrone, Il nemico interno. 41 James, Resistance and integration, S. 12; Carlos Altamirano, Peronismo y cultura de izquierda, Buenos Aires 2001, S. 50; Enrique Peruzzotti, Populismo, corporativismo y sociedad civil en Argentina, in: Didier Musiedlak (Hg.), Les exp8riences corporatives dans l’aire latine, Bern 2009, S. 225–248, hier S. 241.
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Politik.42 Inwiefern sich die Militärregierung nach 1955, die die »Rechte des Arbeiters« aus der Verfassung verbannte,43 oder die demokratischen Parteien nach 1958 trotz ihres erklärten Antiperonismus an der Bildsprache der peronistischen Propaganda bedienten, wurde bisher noch nicht wissenschaftlich aufgearbeitet. Auch zu Bildmedien des peronistischen Widerstands und potentiellen Kontinuitäten und Brüchen zur Propaganda unter Perjn existiert kaum Forschung.44 Aufgrund des Verbots der Peronistischen Partei konnten Veröffentlichungen der verschiedenen peronistischen Widerstandsgruppen nur im Untergrund erscheinen. Da diese im Unterschied zu den Jahren 1946 bis 1955 nicht mehr zentral vom Staat gesteuert wurden, entwickelten sich die Ikonografien und daran gekoppelte Identitäten autonom zu einer vielgestaltigen politischen Subkultur.45 Freilich kamen dabei spätestens ab Ende der 1950er Jahre auch andere ideologische Einflüsse, wie die kubanische Revolution, zum Tragen. Eine wichtige Persönlichkeit für die Herstellung von Plakaten und anderem visuellen Material, das sich an der peronistischen Propaganda der 1940er und -50er Jahre orientierte, war ab den 1960er Jahren der Maler Ricardo Carpani.46 Eine inhaltliche Konstante seiner Werke zur peronistischen Propaganda lag darin, dass auch er das Volk mit der Arbeiterklasse identifizierte.47 Als die Peronistische Partei als Teil des Wahlbündnisses Frente Justicialista de Liberacijn (FreJuLi) für die Wahlen im März 1973 wieder zugelassen wurde, realisierte Carpani Wahlplakate für den letztlich siegreichen peronistischen Kandidaten H8ctor C#mpora (Mai-Juli 1973), auf denen die Antlitze Juan und Eva Perjns prangten.48 Zur parteipolitischen Werbung während Perjns dritter Präsidentschaft (Oktober 1973-Juli 1974) und der anschließenden Regierung seiner Frau Mar&a Estela Mart&nez de Perjn (Juli 1974-März 1976) und der Frage, wie sie sich zur peronistischen Propaganda der Jahre 1946 bis 1955 verhielten, fehlen bisher ebenso eingehende Studien. Nach dem Ende der Militärdiktatur (1976–1983), während der Arbeiterverbände und Gewerkschaften rigoros unterdrückt worden waren,49 warb der peronistische Kandidat 2talo Luder im Vorfeld der Prä42 Altamirano, Peronismo y cultura de izquierda, S. 50–51, 54: So war der Wahlsieg Arturo Frondizis 1958 nur durch eine Absprache mit Perjn möglich, der ihm zusicherte, seine Anhänger dazu aufzurufen, ihre Stimmen Frondizi zu geben. 43 San Martino de Dromi, Mar&a Laura, Historia pol&tica argentina, 1955–1988, S. 11. 44 Unter den wenigen Ausnahmen sind bisher : Moira Cristi#, El pueblo en im#genes. (Argentina, aÇos sesenta y setenta). Representaciones gr#ficas y cinematogr#ficas del sujeto popular de la izquierda peronista (Argentina, aÇos sesenta y setenta), in: Rfflbrica Contempor#nea 2 (2013) H. 3, S. 103–123; Ballent, Los tiempos de las im#genes. 45 Cristi#, El pueblo en im#genes, S. 105; Plotkin, MaÇana es San Perjn , S. 37. 46 Ballent, Los tiempos de las im#genes, S. 218. 47 Cristi#, El pueblo en im#genes, S. 113. 48 Ricardo Carpani, Gr#fica pol&tica, Buenos Aires 1994, S. 30–32, 41. 49 Peruzzotti, Populismo, corporativismo y sociedad civil en Argentina, S. 245.
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sidentschaftswahlen im Oktober 1983 auf Plakaten mit einem eindeutigen Rekurs auf den sogenannten ersten Peronismus für sich: »Die glücklichsten Tage der Arbeiter waren peronistisch. Die Zukunft auch.«50 Auch diese inhaltlichen Anleihen konnten jedoch seine Niederlage gegen den Kandidaten der Radikalen, Raffll Alfons&n, nicht verhindern, wodurch die Peronistische Partei erstmals in ihrer Geschichte in freien Wahlen eine Niederlage erlitt. Dass sich Politiker in beiden Ländern auch weiterhin an Motiven der faschistischen und peronistischen Propaganda bedienten und sich somit Aspekte der mit dem Faschismus und Peronismus verbundenen politischen Identitäten als durchaus beständig erwiesen, zeigte sich erneut Anfang der 1990er bzw. der 2000er Jahre. Als sich Ende der 1980er Jahre in Italien ein Korruptionsskandal (tangentopoli), der alle etablierten Parteien erfasste, zunehmend auch zu einer Identitätskrise der Ersten Republik erwuchs, stieß der Medien- und Bauunternehmer Silvio Berlusconi mit seiner neu gegründeten Partei Forza Italia in das sich ergebende politische Vakuum.51 Hatte sich schon unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi (1983–1987) erstmals seit dem Fall des faschistischen Regimes eine Personalisierung der parteipolitischen Werbung beobachten lassen, perfektionierte Berlusconi diese, wozu er gekonnt auch das Fernsehen einsetzte.52 Nicht nur in der Tatsache, dass sich Berlusconi als homo novus präsentierte, der von außerhalb der Politik kam, klangen Motive an, die auch bei der Selbstinszenierung Mussolinis in der Propaganda des Faschismus zentral gewesen waren.53 Auf ähnliche Weise wie der Duce in die Rolle des lavoratore geschlüpft war, warb auch Forza Italia in einer Wahlkampagne damit, Berlusconi sei ein »Arbeiter-Premierminister« (»premier-operaio«).54 Mit dem Erfolg des Wahlbündnisses aus Forza Italia, Alleanza Nazionale und Lega Nord in den Parlamentswahlen 1994 zogen schließlich erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs rechtsextreme Parteien in die Regierung eines europäischen Landes ein.55 In Argentinien war zwar mit Carlos Menem seit 1989 wieder ein Präsident der Peronistischen Partei an der Macht. Mit seinem neoliberalen Reformprogramm entfernte er sich jedoch denkbar weit vom Wohlfahrtsstaat der ersten zwei Regierungszeiten Perjns.56 Erst N8stor Kirchner orientierte sich ab 2003 wieder 50 Zitiert nach Ballent, Los tiempos de las im#genes, S. 220: »Los d&as m#s felices de los trabajadores fueron peronistas. El futuro tambi8n.« 51 Mattioli, »Viva Mussolini!«, S. 14–15, 148. 52 Ventrone, Il nemico interno, S. 57, 59. 53 Mattioli, »Viva Mussolini!«, S. 15. 54 Cheles, L’immagine recliclata, S. 277. 55 Mattioli, »Viva Mussolini!«, S. 17, 143. 56 Pierre Ostiguy, Peronismo y antiperonismo. Bases socioculturales de la identidad pol&tica en la Argentina, in: Revista de Ciencias Sociales (1997) H. 6, S. 133–216, hier S. 177ff.
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stärker an den sozialpolitischen Ursprüngen des Peronismus. So inszenierte er sich ähnlich wie Juan Domingo Perjn in seinen Reden als neuer Politikertyp, der sich von den traditionellen Politikern und insbesondere den Vertretern der Peronistischen Partei der 1990er Jahre, wie Carlos Menem, abgrenzte. Wie Perjn in den 1940er Jahren betonte auch Kirchner den Bruch mit vorherigen Regierungen und den Neuanfang, den seine eigene Präsidentschaft darstellte.57 Indem Slogans auf Plakaten der Peronistischen Partei besagten »Argentinien zuerst. Die Arbeit zuerst« (»Primero Argentina. Primero el trabajo«) oder »Nicht einen Schritt zurück. Produktion und Arbeit« (»Ni un paso atr#s. Produccijn y trabajo«), war Arbeit inhaltlich sehr präsent. Auch setzte sich Kirchner als Fortführer von Perjns Sozialpolitik in Szene: »Erster Mai. Tag der Arbeit. Damit wir ihn alle wieder feiern« (»18 de Mayo – D&a del Trabajo. Para que todos volvamos a festejarlo«). An den Beispielen Berlusconis und Kirchners zeigt sich, dass die Thematik der Arbeit und des Arbeiters – wenn auch mit inhaltlichen Variationen – bei der Praxis politischer Identitätsbildung an der Wende zum 21. Jahrhundert kaum an Relevanz eingebüßt hat. Obgleich in beiden Ländern neue Mediengattungen hinzukamen, spielten dabei Plakate im öffentlichen Raum weiterhin eine wichtige Rolle.58 Pioniere in der großangelegten Nutzung visueller Medien zu identitätsbildenden Zwecken waren in beiden Ländern jeweils der Faschismus und der Peronismus.
57 Ana Soledad Montero/Luc&a Vincent, Del »Peronismo impuro« al »Kirchnerismo puro«. La construccijn de una nueva identidad pol&tica durante la presidencia de N8stor Kirchner en Argentina (2003–2007), in: Postdata. Revista de Reflexijn y An#lisis Pol&tico 18 (2013) H. 1, S. 123–157, hier S. 126, 128, 153. 58 Franziska Marquart und Jörg Matthes stellten in einem Vergleich der Wahlwerbung europäischer Parteien 2013 heraus, dass durchschnittlich weiterhin 40 % ihres Wahlkampfbudgets in die Plakatwerbung fließt und sie lediglich 3–10 % für TV-Werbung ausgeben (Marquart/Matthes, Charakteristika, Inhalte und Wirkungen politischer Plakate aus Sicht der Visuellen Kommunikations- und Framingforschung, S. 217).
Abkürzungsverzeichnis
ACS ADEA AGN ASMAE AOI CGT CNAOP CRI DC FEP FF FI FORJA FreJuLi GIL GOU GUF IGAP LCA LPA LUCE MCP MR MSI NUPIE o. A. o. J.
Archivio Centrale dello Stato (Zentrales Staatsarchiv, Rom) Asociacijn de Escritores Argentinos (Argentinischer Schriftstellerverband) Archivo General de la Nacijn (Generalarchiv der Nation, Buenos Aires) Archivio Storico Diplomatico del Ministero degli Affari Esteri (Archiv des italienischen Außenministeriums) Africa Orientale Italiana (Italienisch-Ostafrika) Confederacijn General del Trabajo (Argentinischer Generalverband der Arbeit) Comisijn Nacional de Aprendizaje y Orientacijn Profesional (Nationalkommission der Lehre und beruflichen Orientierung, Argentinien) Croce Rossa Italiana (Italienisches Rotes Kreuz) Democrazia Cristiana (Christdemokratische Partei, Italien) Fundacijn Eva Perjn (Stifttung Eva Perjn) Fasci Femminili (Faschistische Frauenbünde) Forza Italia (Vorwärts Italien) Fuerza de Orientacijn Radical de la Joven Argentina (Kraft radikaler Orientierung des jungen Argentiniens) Frente Justicialista de Liberacijn (Justizialistische Befreiungsfront) GioventF Italiana del Littorio (Italienische Liktorenjugend) Grupo de Oficiales Unidos (Gruppe vereinte Offiziere, Argentinien) Gruppi Universitari Fascisti (Faschistische Studentengruppen) Impresa Generale Affissioni Pubblicit/ (Generalunternehmen für Plakatwerbung, Italien) Legijn C&vica Argentina (Argentinische Bürgerlegion) Liga Patrijtica Argentina (Argentinische patriotische Liga) L’Unione Cinematografica Educativa (Erzieherischer Kinoverband, Italien) Ministero della Cultura Popolare (Ministerium für Volkskultur, Italien) Massaie rurali (Verband ländlicher Hausfrauen, Italien) Movimento Sociale Italiano (Italienische Sozialbewegung) Nuclei per la Propaganda Italiana all’Estero (Abteilungen für die italienische Auslandspropaganda) ohne Autor ohne Jahr
344 ONB ONC ONMI PCI PFA PNF PPF PSI RSI SI SOLD UCR
Abkürzungsverzeichnis
Opera Nazionale Balilla (Faschistische Jugendorganisation) Opera Nazionale Combattenti (Nationalwerk der Kämpfer, Italien) Opera Nazionale per la protezione della maternit/ e dell’infanzia (Nationalwerk für den Schutz der Mutter und des Kindes, Italien) Partito Comunista Italiano (Kommunistische Partei Italien) Partido Fascista Argentino (Faschistische Partei Argentinien) Partito Nazionale Fascista (Faschistische Partei) Partido Peronista Femenino (Weibliche Peronistische Partei) Partito Socialista Italiano (Sozialistische Partei Italien) Repubblica Sociale Italiana (Italienische Sozialrepublik) Subsecretar&a de Informaciones y Prensa (Unterstaatssekretariat für Informationen und Presse, Argentinien) Sezione Operaie e Lavoranti a Domicilio (Sektion Arbeiterinnen und Heimarbeiterinnen, Italien) Unijn C&vica Radical (Radikale Partei Argentinien)
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5
Abb. 6 Abb. 7
Abb. 8 Abb. 9
Abb. 10 Abb. 11
Abb. 12 Abb. 13
Giacinto Mondaini, »IX. Internationaler Automobilsalon«, Plakat (137 x 97 cm), Italien 1936, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Ramos, »Perjn hält sein Wort. Sie gehören schon uns!«, Plakat, Argentinien 1948, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Mario Sironi, Titelblatt Gerarchia (Zeitschrift), Italien 1934, T Bibliothek Deutsches Historisches Institut, Rom. R. Bandirali, »Korporationen«, Postkarte (10,5 x 14,8 cm), Italien 1934, T Wolfsoniana, Palazzo Ducale Fondazione per la Cultura, Genua. »Soziale Gerechtigkeit«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 145, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. H8ctor Alfons&n, »Staatssekretariats für Arbeit und Vorsorge«, Plakat, Argentinien 1948, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. »Im zähen Willen des italienischen Volkes zu arbeiten und zu sparen liegt eine sichere Garantie seiner Zukunft.«, Postkarte (10,5 x 14,8 mm), Italien 1938, T Comune di Milano, Palazzo Moriggia, Museo del Risorgimento, Mailand. Titelblatt Das Vaterland schmieden (Schulbuch), Argentinien 1953, T Biblioteca Nacional de Maestros, Buenos Aires. »Details der Höhe im Vergleich«, in: Secretar&a de Prensa y Difusijn, Monumento a Eva Perjn (Broschüre), Argentinien 1955, T Biblioteca del Instituto de Historia Argentina y Americana Dr. Emilio Ravignani, Buenos Aires. Marcello Dudovich, »Geburt Roms. Fest der Arbeit«, Plakat (140 x 100 cm), Italien ohne Datum, T Collezione Salce, Treviso. Besares Soraire, »Arbeiter, gestern unterdrückt, heute gewürdigt, 1. Mai«, Plakat, Argentinien ohne Datum, T Instituto Nacional »Juan D. Perjn« de Investigaciones Histjricas, Sociales y Pol&ticas, Buenos Aires. H8ctor Alfons&n, »17. Oktober. Das Volk hat seinen Führer befreit«, Plakat, Argentinien 1948, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. »Autarkie, Motorisierung, Fiat«, Werbeanzeige, in: Critica fascista XVIII, H. 18, Italien 1940, T Biblioteca Nazionale Centrale, Rom.
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 14 »Schultern auch Sie. Um das Land voranzubringen. Plan Perjn. YPF«, Werbeanzeige, in: Del Peronismo III H. 24, Argentinien 1949, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 15 Giorgio Muggiani, »Die faschistische Regierung hat mir meine Würde als Arbeiter und als Italiener zurückgegeben«, Postkarte (10,5 x 14,8 mm), Italien 1924, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 16 Giorgio Muggiani, »Arbeiter aufgepasst!«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1922–38, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 17 »Der Lohn ist die Basis«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 151, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 18 Ministerio del Interior,«Perjn cumple. Cumpla Ud. tambi8n produciendo!«, Plakat, Argentinien ohne Datum, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Abb. 19 Mario Mirko Vucetich, »Der italienischen Bauer«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1928, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 20 Bruno Boari, » Der Sieg des Getreides«, Plakat (140 x 100 cm), Italien ohne Datum, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 21 Marcello Nizzoli, »Woche der Agrarmechanik«, Plakat (33 x 23,7 cm), Italien 1932, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 22 Walter Roveroni, »Sanktionen«, Postkarte (10,5 x 14,8 cm), Italien ohne Datum, T Wolfsoniana, Palazzo Ducale Fondazione per la Cultura, Genua. Abb. 23 Attalich, »Man muss den zweiten Fünfjahres-Plan in Bewegung setzen«, Plakat, Argentinien ohne Datum, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Abb. 24 H8ctor Alfons&n, » Der Acker mit Perjn. Zweiter Fünfjahres-Plan«, Plakat, Argentinien ohne Datum, T Instituto Nacional »Juan D. Perjn« de Investigaciones Histjricas, Sociales y Pol&ticas, Buenos Aires. Abb. 25 H8ctor Alfons&n, » H8ctor Alfons&n, »Zweiter Fünfjahres-Plan«, Plakat, Argentien 1953, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Abb. 26 Juan Dell’Acqua, »Die Nation in Bewegung«, Plakat, Argentinien 1947, T Instituto Nacional »Juan D. Perjn« de Investigaciones Histjricas, Sociales y Pol&ticas, Buenos Aires. Abb. 27 Dante Coscia, » Arbeiten und kämpfen. Für das Vaterland, für den Sieg«, Plakat (70 x 100 cm), Italien 1943–45, T Archivio di Stato Forl'-Cesena. Abb. 28 »In Zusammenarbeit arbeitet ihr für Italien!«, Plakat (70 x 100 cm), Italien 1943– 45, T Archivio di Stato Forl'-Cesena. Abb. 29 Ar&stides Recha&n, »17. Oktober«, in: El l&der (Zeitung), Argentinien 1954, T Marcela Gen8, Un mundo feliz. Im#genes de los trabajadores en el primer peronismo, 1946–1955, Buenos Aires 2005. Abb. 30 IMA, » 23. März 1919«, in: Rivista Mensile della Vecchia Guardia Fascista (Zeitschrift), Italien 1936, T Archivio Fondazione Massimo e Sonia Cirulli, Bologna.
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 31 Alfredo Pachelo, »Perjn, Schmied eines großen Argentiniens«, Plakat, Argentinien ohne Datum, T Instituto Nacional »Juan D. Perjn« de Investigaciones Histjricas, Sociales y Pol&ticas, Buenos Aires. Abb. 32 Roberto Mezzadra, Titelblatt Mundo Peronista I, H. 4, Argentinien 1951, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 33 »Die Partei ist das Herz des Regimes«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 4, Italien 1932, T Staatsbibliothek, Berlin. Abb. 34 Abb. 34: Xanti Schawinsky, »Ja«, Plakat (96,3 x 65,8 cm), Italien 1934, T Archivio Fondazione Massimo e Sonia Cirulli, Bologna. Abb. 35 Titelblatt Mundo Peronista III, H. 63, Argentinien 1954, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 36 »Hand in Hand mit seinem Volk«, Fotografie, Argentinien 1945, T Samuel Amaral/Horacio Botella, Im#genes del peronismo. Fotograf&as 1945–1955, Buenos Aires 2010. Abb. 37 »21. April. Sozialvorsorge des Regimes«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1943, T Collezione Salce, Treviso. Abb. 38 »Perjn händigt Unterstützung an eine kinderreiche Familie aus«, Fotografie, Argentinien 1952, T Samuel Amaral/Horacio Botella, Im#genes del peronismo. Fotograf&as 1945–1955, Buenos Aires 2010. Abb. 39 »Die Rasse in Bewegung Richtung Zukunft«, in: PNF, Il secondo libro del fascismo (Publikation), S. 77, Italien 1939, T Wolfsoniana, Palazzo Ducale Fondazione per la Cultura, Genua. Abb. 40 »Eingeschriebene Bauern… », in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 9, Italien 1932, T Staatsbibliothek, Berlin. Abb. 41 Leone Tommasi, »Der Führer (El conductor)« (Modell), in: Secretar&a de Prensa y Difusijn de la Presidencia de la Nacijn, Monumento a Eva Perjn (Broschüre), Argentinien 1955, T Biblioteca del Instituto de Historia Argentina y Americana Dr. Emilio Ravignani, Buenos Aires. Abb. 42 »1. Mai 1946. Tag der Arbeiter«, Titelblatt Ahora H. 2, Argentinien 1946, T Natalia Milanesio, A Man Like You. Juan Domingo Perjn and the Politics of Attraction in Mid-Twentieth-Century Argentina, in: Gender & History 26 (2014) H. 1, S. 84–104. Abb. 43 »Am 29. Dezember 1949…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 132, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 44 Numa Ayrinhac, Titelblatt La razjn de mi vida, Argentinien 1951, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 45 »Eva Perjn spricht…«, Fotografie, Argentinien 1951, T Samuel Amaral/Horacio Botella, Im#genes del peronismo. Fotograf&as 1945–1955, Buenos Aires 2010. Abb. 46 »Da ich am eigenen Leib gespürt und gelitten habe…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 75, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 47 »Eva Perjn auf einer Reise mit dem Zug durch das Innere des Landes«, Fotografie, Argentinien ca. 1948, T Samuel Amaral/Horacio Botella, Im#genes del peronismo. Fotograf&as 1945–1955, Buenos Aires 2010.
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Abb. 48 »Juan und Eva Perjn mit zwei peronistischen Kindern«, Fotografie, Argentinien ohne Datum, T Samuel Amaral/Horacio Botella, Im#genes del peronismo. Fotograf&as 1945–1955, Buenos Aires 2010. Abb. 49 Ar&stides Recha&n, »Evita, Märtyrerin der Arbeit«, Plakat, Argentinien, ca. 1952, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Abb. 50 Marcello Dudovich, »Tag der Mutter und des Kindes«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1936, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 51 Consorzio Nazionale Zuccheri e Associazione Nazionale Bieticultori, An die italienischen Mütter (Publikation), Italien 1934, T Wolfsoniana, Palazzo Ducale Fondazione per la Cultura, Genua. Abb. 52 Marcello Dudovich, »La Rinascente. Neuheiten der Saison«, Werbeplakat, Italien ca. 1935, T Archivio Fondazione Massimo e Sonia Cirulli, Bologna. Abb. 53 »Recht auf Wohlstand«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 44, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 54 »Ernährung der Mutter und des Kindes«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 331, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 55 »Cocinero. Das wahre Öl«, Werbeanzeige, in: Argentina I, H. 4, Argentinien 1949, T Privatarchiv Dar&o Pulfer, Buenos Aires. Abb. 56 Grete Stern, »Der Traum von der Ambition«, in: Idilio H. 79, Argentinien 1950, T Biblioteca Nacional, Buenos Aires. Abb. 57 »Das Weinlesefest«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 18, Italien 1932, T Staatsbibliothek, Berlin Abb. 58 Marcello Dudovich, »V. Anti-Tuberkulose-Kampagne«, Plakat (100 x 70 cm), Italien ca. 1935, T Archivio Fondazione Massimo e Sonia Cirulli, Bologna. Abb. 59 »Als wir die Königin der Arbeit von 1952 interviewten«, in: Argentina Justicialista I, H. 4–5, Argentinien 1952, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 60 »Krankenschwesternschule« (Broschüre), Argentinien, ohne Datum, T Marcela Gen8, Un mundo feliz. Im#genes de los trabajadores en el primer peronismo, 1946–1955, Buenos Aires 2005. Abb. 61 »Hauswirtschaftslehre«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 104, Italien 1932, T Staatsbibliothek, Berlin. Abb. 62 »Hilfsdienste«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1943–45, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 63 »Sohn, lieber tot als ein Verräter«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1943–45, T Comune di Milano, Palazzo Moriggia, Museo del Risorgimento, Mailand. Abb. 64 »Die Krankenschwestern der Eva-Perjn-Stiftung…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 101, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires.
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Abb. 65 »Argentiniens Frauen« (Broschüre), Argentinien ohne Datum, T Marcela Gen8, Un mundo feliz. Im#genes de los trabajadores en el primer peronismo, 1946–1955, Buenos Aires 2005. Abb. 66 »Paradeschritt und gymnastische Wettkämpfe«, T LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 75, Italien 1932, in: Staatsbibliothek, Berlin. Abb. 67 Albino Siviero (genannt Veross'), »28. Oktober«, Titelblatt Balilla (Zeitschrift), Italien 1934, T Archivio Fondazione Massimo e Sonia Cirulli, Bologna. Abb. 68 Titelblatt Mundo Infantil I, H. 38, Argentinien 1950, T Biblioteca Nacional, Buenos Aires. Abb. 69 Titelblatt Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Ciudad Infantil (Bildband), Argentinien 1950, T Iberoamerikanisches Institut, Berlin. Abb. 70 « Die Sporterziehung…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, Argentina en marcha (Bildband), S. 236, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 71 Pio Pullini, »Die Werkstatt«, in: Grazia Deledda, Il libro della terza classe elementare (Schulbuch), S. 10, Italien 1935, T Bibliothek Georg-Eckert- Institut, Braunschweig. Abb. 72 Roberto Sgrilli, »Glauben, gehorchen, kämpfen«, in: Vera Cottarelli Gaiba, Nerina Oddi, Il libro della prima classe (Schulbuch), S. 96, Italien 1942, T Bibliothek Georg-Eckert- Institut, Braunschweig. Abb. 73 Antonio Rubino, Titelblatt, in: Asvero Gravelli, Primavera fascista (Schulbuch), Italien 1929, T Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz. Abb. 74 »Kleine Arbeiter«, in: Luisa F. De Garc&a, Obreritos (Schulbuch), S. 1–2, Argentinien 1954, T Biblioteca Nacional de Maestros, Buenos Aires. Abb. 75 »Krankenschwester Adelita«, in: Luisa F. De Garc&a, Obreritos (Schulbuch), S. 32– 33, Argentinien 1953, T Biblioteca Nacional de Maestros, Buenos Aires. Abb. 76 »Berufsbildung«, in: LUCE, L’Italia fascista in cammino (Bildband), S. 103, Italien 1932, T Staatsbibliothek, Berlin. Abb. 77 »Siegen. Jugendspiele der Arbeit«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1942, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand. Abb. 78 »Würdigung des Arbeiters«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), Argentinien 1950, S. 154, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 79 Lucas G., »Arbeiteruniversität. Nationalkommission der Lehre und beruflichen Orientierung«, Plakat, Argentinien ohne Datum, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Abb. 80 Laico Bou, Titelblatt Aprendizaje II, H. 11, Argentinien 1954, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 81 H8ctor Alfons&n, »Für ein glückliches Alter. Eva-Perjn-Stiftung«, Plakat, Argentinien 1948. Abb. 82 Titelblatt Mura, SambadF, amore negro, Italien 1934, T Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz. Abb. 83 Walter Roveroni, »Äthiopien. S.P.Q.R. »Faschistischer Verband der landwirtschaftlichen Arbeiter«, Plakat (140 x 100 cm), Italien 1936, T Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Castello Sforzesco, Mailand.
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Abb. 84 Idalgo Palazzetti, Titelblatt La Difesa della Razza I, H. 1, Italien 1938, T Biblioteca Marucelliana, Florenz. Abb. 85 Titelblatt La Difesa della Razza V, H. 16, Italien 1942, T Biblioteca Marucelliana, Florenz. Abb. 86 »Index der Kopfmaße von Juden«, in: La Difesa della Razza V, H. 16, S. 12–13, Italien 1942, T Biblioteca Marucelliana, Florenz. Abb. 87 Gino Boccasile, »Sie werden nicht überlegen sein«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1944, T Comune di Milano, Palazzo Moriggia, Museo del Risorgimento, Mailand. Abb. 88 Gino Boccasile, »Venus von Milo«, Plakat (100 x 70 cm), Italien 1944, Comune di Milano, Palazzo Moriggia, Museo del Risorgimento, Mailand. Abb. 89 Juan Lamela, »Fünfjahres-Plan 1947–1951«, Plakat, Argentinien 1947, T Instituto Nacional »Juan D. Perjn« de Investigaciones Histjricas, Sociales y Pol&ticas, Buenos Aires. Abb. 90 H8ctor Alfons&n, »Tag der Rasse. 12. Oktober 1492–1948«, Plakat, Argentinien 1948, T Archivo General de la Nacijn, Buenos Aires. Abb. 91 »Laster der Oligarchie. Tugenden des Volkes«, in: Mundo Peronista II, H. 27, S. 41, Argentinien 1952, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 92 Cary, »Duell zwischen Oligarchen… Und ›Duell‹ zwischen Hemdlosen«, in: Mundo Peronista III, H. 47, S. 48, Argentinien 1953, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 93 »Der Gaucho muss ausharren…«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 34, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 94 »Der Gaucho muss ausharren, bis er ins Gras beißt…«, Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 799, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires. Abb. 95 »Die drei ideologischen Positionen«, in: Subsecretar&a de Informaciones de la Presidencia de la Nacijn, La nacijn argentina. Justa, libre y soberana (Bildband), S. 470, Argentinien 1950, T Biblioteca del Congreso de la Nacijn, Colecciones Especiales, Buenos Aires.
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