Déjà-vu: DB Schenker in Ost- und Südosteuropa
 9783205793663, 9783205796145

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Dieter Stiefel

Déjà-vu DB Schenker in Ost- und Südosteuropa

2014 Böhl au Ver l ag Wien Köln Weimar

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Melanie Mandl, Wien Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79614-5

Liebe Leser, mit diesem Buch halten Sie einen weiteren Band in Ihren Händen, der sich intensiv mit der Geschichte der Schenker-Organisation befasst. Nach „Das Haus Schenker“, „Grenzenlos“ und „Go East  !“ beschreibt dieses Werk die Entwicklung unseres Netzwerkes in Richtung Ost- und Südosteuropa, von den frühen Jahren im ausklingenden 19. Jahrhundert bis in die Zeit des Kalten Krieges, nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs und in der jüngsten Geschichte unseres Unternehmens. Gottfried Schenker war ein Pionier, der schnell die Grenzen Österreich-Ungarns nach Westen und speziell auch nach Osten zu überwinden wusste, bis ins damalige Osmanische Reich und darüber hinaus. Letztlich schaffte er mit seinem Unternehmen zuverlässige und wirtschaftlich interessante Lösungen für die Anforderungen der Kunden aus Handel und Industrie, in einer Zeit schnellen Wachstums – ein Prinzip, dem wir uns auch heute noch verpflichtet fühlen. Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden und auf verlässliche Lösungen auch in den schwierigsten Zeiten des vergangenen Jahrhunderts prägt offensichtlich die Geschichte unserer Organisation, ganz gleich, welche Epoche und welches Land wir unter die Lupe nehmen. Immer wieder sind es einzelne Unternehmer, Persönlichkeiten, die mit ihrem Einsatz, mit Engagement, Verve und Fortune die Entwicklung des Geschäfts vorantreiben und zum Wachstum der Gesamtorganisation beitragen. Unter welchen Bedingungen sie mit ihren Teams gearbeitet haben, mit welchen politischen Konstellationen sie leben mussten, finden Sie in diesem Buch. Eine angenehme und spannende Lektüre wünscht Thomas Lieb DB Schenker Logistics Chaiman of the Board

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There has been an interesting period of changes in Eastern Europe in the scope of twenty years around the turn of the millennium. At the time of dissolution of the Soviet Union in the beginning of the 1990s a series of economic reforms kicked off, which liberated the markets and trade. There was also a lot of privatization going on. Along with private ownership the production substantially declined, which decreased the Gross Domestic Product. However, since the economic crisis in the turn of the millennium the GDP has more than doubled. Russia is one of the largest economies of the world and its economic growth is particularly speeded up by the increasing wealth of the middle class as well as the growth of purchasing power in cities. Not only in Russia but also in Eastern Europe the economic development has experienced a variety of changes during the past decades. Ukraine, a former Soviet Union state, has struggled with the challenges of switching from planned economy to market economy. In the initial stages a wide-spread unemployment, superinflation and a rapid growth in income gaps due to privatization have complicated the investments by foreign capital in Ukraine. Especially Estonia of the Baltic countries has succeeded in the era of free markets thanks to their light industry and services. In the early 1990s the economic growth was fast but ended up in a crash and deep recession by the time of global economic collapse in 2008. Since then the economy has recovered well. Also Latvia like Estonia had a high growth rate in the 1990s. Although the Latvian economic growth was one of the fastest in the beginning of the 21st century, the global recession hit Latvia with a strong impact. The economic collapse and in particular the highest unemployment rates in the EU caused extensive riots. Latvia is still struggling with its market economy. As the examples above show the strongly developing Eastern Europe with its efforts to find new paths is a region of many nationalities and equally many possibilities. Schenker has been involved in building the market economy in this region by offering outstanding possibilities for exports and imports of the countries through its European and international network. Region East of Schenker group has provided the national Schenker companies and their managers a global network to support the growth. In this history book we will shed light on the rebirth of Eastern Europe. That was the time when former Soviet states began to form a part of the global market economy. This era has been most interesting and varied for Schenker as well. I do 7

hope that you will find captivating aspects in our history in regard to East European economic history and Schenker as its constructor. Göran Åberg DB Schenker Logistics CEO , Region Europe North & East

Frühsommer 1993  : Schenker war Projektspediteur für ein amerikanisches Unternehmen, das im Westen Rumäniens ein Sägewerk mit angeschlossener Plattenfabrik aufbauen sollte. Zu Detailverhandlungen mit dem Projektleiter Sean Kelly hatte ich mich im „Sofitel“ in Bukarest verabredet, zudieser Zeit eines der wenigen Hotels mit westlichem Standard. Allen Warnungen zum Trotz ließ ich mich am Flughafen gleich von einem „falschen“ Taxifahrer überrumpeln, der mich samt Gepäck zu seinem Wagen führte. Am Parkplatz wartete ein in die Jahre gekommener Dacia, von der Karosserie her als Renault 16 bekannt. Es war kein offiziell ausgewiesenes Taxi, sondern der Wagen eines der vielen Privatchauffeure dieser Zeit, die sich ein paar schnelle Dollar verdienen wollten. Mein Gepäck verschwand im Kofferraum zwischen allerhand Unrat und ich nahm im Fond des Wagens Platz. Die Kommunikation mit dem Fahrer beschränkte sich auf Handzeichen, eine gemeinsame Sprache konnten wir nicht finden. Dann bemerkte ich plötzlich dreinicht gerade vertrauenswürdig aussehende Männer, die sich dem Heck des Wagens näherten. Mein erster Gedanke war  : „Jetzt ist zumindest einmal das Gepäck weg.“ Stattdessen gaben die Männer dem Chauffeur mit einem Klopfen auf den Kofferraum das Zeichen, die Kupplung durchzutreten. Der Starter des Dacia war defekt und die drei Männer der mobile Ersatz. Nach einigen Metern Anschieben im Leerlauf verließ der Dacia stotternd den Flughafenparkplatz. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie zu dieser Zeit in allen Ländern Südosteuropas improvisiert wurde und jeder versuchte, irgendwie am Aufschwung teilzuhaben. Es herrschte Goldgräberstimmung  ! Die Mischung aus der Macht der alten Parteistrukturen, der sich rasch bildenden neuen wirtschaftlichen Elite und den globalen Konzernen, die sich lokal schnell breitgemacht hatten, ergab einen interessanten Mix unterschiedlichster Geschäftskulturen. Die Region Südosteuropa hat in den letzten 25 Jahren eine enorme Entwicklung erlebt, wirtschaftlich, aber auch in politischer Hinsicht. Die Menschen in diesem Teil Europas haben dabei große Flexibilität und Veränderungsbereitschaft bewiesen. Auch nach der Abkühlung durch die Krise 2009 werden die Investitionen – ob in die Infrastruktur oder in soziale Bereiche – weitergeführt werden müssen. Die Global 9

Players, besonders aus der Automobil- und Elektronikindustrie, werden Westeuropa von ihren Produktionsstandorten im Osten aus mit ihren aktuellsten Entwicklungen versorgen. Damit verbunden wird auch der Wohlstand in Südosteuropa weiter wachsen. Südosteuropa stellt für DB Schenker eine hochinteressante Region dar. Ob es die großen Volkswirtschaften sind, allen voran die Türkei, oder die jungen Nationen am Balkan. Viele Länder benötigen noch Zeit, um die notwendige Stabilität ihrer politischen und wirtschaftlichen Strukturen zu finden. DB Schenker hat mittlerweile überall starke Landesorganisationen aufgebaut und wird sich weiterhin kräftig in dieser Vielvölkerregion engagieren. Dieses Buch zeichnet unseren von vielen großen Herausforderungen, aber auch zahlreichen Erfolgen begleiteten Weg zurück nach Südosteuropa nach. Kurt Leidinger CEO , DB Schenker Logistics Austria and Region South East Europe

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Elmar Wieland – Persönliche Erinnerungen

Die Wende hat sich über einen längeren Zeitraum angekündigt (Gulaschkommunismus, SolidarnoŚć, Glasnost etc.), ist dann aber doch überraschend im Sommer und Herbst 1989 über Europa hereingebrochen. Unvergesslich bleiben die Tage und Stunden bis zur Entscheidung, die DDR -Bürger aus ihrem Ungarnurlaub über Österreich nach Deutschland reisen zu lassen, der Fall der Berliner Mauer, der nicht so friedliche Zerfall Jugoslawiens, die Liquidierung Caucescus und vieles andere mehr. Denkwürdig die Adventzeit 1989 im üppig geschmückten Wien, mit einem unglaublichen Konsumangebot, das die Besucher aus Osteuropa, für die die Gemeinde Wien Straßenbahnfreifahrten bereitstellte, mangels Devisen oft nur bestaunen konnten. Für das Management von Schenker Österreich war sofort klar, dass nunmehr die Karten in den oligopolistischen oder monopolistischen Märkten des RGW neu gemischt werden und sich einmalige Chancen zur Erweiterung des Aktionsradius ergeben würden. Auch für die persönliche Entwicklung war es spannend und vorteilhaft, bei diesem Jahrhundertprojekt dabei sein zu können. Es galt, die bestehenden Verbindungen so gut es ging zu nutzen, um schnell und richtig zu agieren. Ziel war es, von Beginn an eigene Schenker-Landesorganisationen in den bestehenden, aber auch in neu entstandenen Ländern aufzubauen. Dazu bedurfte es aber auch konzernintern entsprechender Koordination und Überzeugungsarbeit, um die unterschiedlichen Interessen der westeuropäischen Landesorganisationen, das Einhalten von bestehenden Verträgen, aber auch die persönlichen Befindlichkeiten aus langjährigen Partner- und Freundschaften so zu harmonisieren, dass möglichst wenig Porzellan zerschlagen wurde. Parallel dazu mussten umfangreiche bestehende Verkehre, die auf vertraglicher Basis mit Ostspeditionen aufgebaut worden waren, mangels Alternativen aufrechterhalten werden. Eine Gratwanderung also, um die Partner, mit denen viel erwirtschaftet wurde und die doch wussten, dass neue Konstellationen kommen würden, bei der Stange zu halten. Zunächst ging es in der Regel um die Gründung von Repräsentanzen und später dann um den Aufbau von eigenständigen Firmen. Natürlich wurde viel über die Gründung von Gemeinschaftsfirmen mit diesen Vertragspartnern oder anderen Spe11



ditionen diskutiert, da sie über die Infrastrukturen, das Personal und wichtige Verbindungen zu Kunden, Carriern und Behörden verfügten. Das wären schnelle und „bequeme“ Lösungen gewesen, die jedoch auch ihre Schattenseiten gehabt hätten. Die Privatisierungen dauerten oft lange, verliefen intransparent, manchmal erfolgten Verkäufe an „unklare“ Investoren, die Erlösvorstellungen waren überzogen (Substanzwerte versus Ertragswerte) etc. Alles Argumente, die neben den nach wie vor bestehenden Unsicherheiten (Wirtschaftslage, politische Konstellationen, Rechtssicherheit etc.) gegen derartige Lösungen sprachen. Daher konnten nur wenige Joint Ventures etabliert und erfolgreich entwickelt werden. Es blieb also der „steinige Weg“ zum Aufbau eigener Betriebe, in einem Umfeld mit mäßiger Infrastruktur, oft ohne ausreichend ausgebildetes Personal und mit nach wie vor bestehenden Unsicherheiten ohne viel Kapital. Später wurden dann die Nachhaltigkeit der Wende und die sich daraus ergebenden Chancen organisatorisch nachvollzogen und Schenker Österreich aufgrund seiner Ostaffinität, seiner Kontakte und seines Engagements zum regionalen Headquarter für Südosteuropa ernannt. Mit großer Freude, etwas Stolz, aber auch viel Respekt vor der Aufgabe und Verantwortung haben wir uns dieser Herausforderung gestellt. Es folgten Knochenarbeit und mühseliges Sandschaufeln. Lange Zeit war es sehr schwierig, geeignete Umschlagmagazine für Lkw – Sammelverkehre verbunden mit Zollabfertigungsmöglichkeiten – zu finden. Gute Verbindungen zum Zoll waren bei den boomenden Importen ebenso ein Erfolgsfaktor wie ein sorgfältiges Kreditmanagement. In vielen Ländern war es auch lange nicht möglich, Magazine mit Bahnanschluss und Umlademöglichkeiten zu mieten. Diese Problematik entspannte sich erst Mitte der 1990er Jahre durch Angebote von Immobilieninvestoren, zumindest in den wichtigsten Hauptstädten Osteuropas – Warschau, Prag, Budapest. Bedingt durch die Marktmechanismen waren die Konditionen „überhöht“, die dann später (ab ca. 2008) zu echten Wettbewerbsnachteilen und zur Notwendigkeit von Alternativen führten. Besonders problematisch wurde die Immobiliensituation in Budapest, die völlig überhitzt zu dramatischen Reduktionen bei den Mieten und damit Erlösen aus den Lager- und Logistikgeschäften führte. Gegen Eigeninvestitionen sprachen auch die Rechtsunsicherheit, fehlende Grundbücher, unklare Eigentumsverhältnisse, Umweltprobleme und vieles andere mehr. Ein weiteres großes Problem stellte die Rekrutierung von Fachpersonal dar, das eigentlich nur bei den Staatsbetrieben vorhanden war. Viele Führungskräfte konnten wegen der Privatisierungen nicht wechseln, waren in andere Branchen abgewandert oder erfüllten einfach nicht die Anforderungen westlicher Standards. Interessant in diesem Zusammenhang war zu beobachten, dass manche Fachleute bis zu einem bestimmten Punkt mitziehen konnten oder wollten und dann scheiterten. So kam es zur Entsendung von westlichen Experten für bestimmte Bereiche, zu intensivem Training on the Job und zu einem umfangreichen Angebot für die Aus- und Weiter12



bildung. Positiv waren die sehr guten Sprachkenntnisse der KollegInnen aus Osteuropa sowie die IT-Kenntnisse, da mehrere Generationen „übersprungen“ wurden. Durch das rasche Wachstum und die Notwendigkeit zur rationellen Abfertigung kam es allerdings zu einem Wildwuchs von IT-Systemen, der später nur mühsam korrigiert werden konnte. Unser Ziel war es von Beginn an, eigenständige Schenker-Betriebe aufzubauen, die alle Kernprodukte, wie Landverkehre, Luft- und Seefracht, Lager/Logistik und wo immer sinnvoll Spezialdienstleistungen, anbieten sollten. Diese Betriebe sollten grundsätzlich unter lokaler Leitung stehen und in das weltweite Schenker-Netz voll integriert sein. In den Schenker Kernbereichen wollten wir Marktführer werden oder je nach Marktgegebenheit zumindest unter den drei stärksten Anbietern aufscheinen. Ein weiteres Ziel war und ist es, die Schenker-Unternehmenskultur zu vermitteln. Dabei handelt es sich um die Werte, für die Schenker steht und die das Unternehmen groß und erfolgreich gemacht haben. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Unternehmensgrundsätze, die Emil Karpeles schon 1923 zusammengefasste (siehe „Das Haus Schenker“), die um Innovationsführerschaft bei Dienstleistungen und Technologien sowie um Umwelt und Nachhaltigkeit ergänzt werden können. Die Entwicklungen in den einzelnen Ländern verlief und verläuft durchaus unterschiedlich. Der Fokus lag natürlich zuerst auf den großen, wichtigen und stabilen Märkten, wie Tschechien, Ungarn, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, und erst später erfolgten die Gründungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens gemäß den politischen Entwicklungen. In der Zwischenzeit hatte Schenker auch das Unternehmen BTL übernommen, das eine ähnliche Politik in Osteuropa verfolgte, doch mehr auf Joint Venture mit dem Schwerpunkt Landverkehr setzte – in Polen, Tschechien und Ungarn. Dadurch wurde die Frage der Führung der Landesgesellschaften aufgeworfen und nach deren Klärung mussten die Einheiten zusammengeführt werden. Eine nicht immer einfache Aufgabe unter Berücksichtigung unterschiedlicher Geschäftsmodelle und der handelnden Charaktere. Alles in allem sind diese Veränderungen gut gelungen und Schenker ist heute daher sehr stark in diesen Ländern aufgestellt. In dieser Phase reifte auch die Erkenntnis, dass gewisse Märkte entweder zu groß für Eigenentwicklungen aus dem Stand waren, wie z. B. Rumänien, oder zu „abgeschottet“, wie z. B. Slowenien. Daher kam es in diesen Ländern zu Akquisitionen, die sich nach entsprechenden Integrationsprozessen durchaus im Sinne der gewünschten Marktstellung bewährt haben. Sinngemäß gilt das auch für Ungarn, wo durch die gänzliche Übernahme des bestehenden Joint Ventures eine führende Marktposition erreicht werden konnte. Das stetige Wachstum, die kontinuierliche Aufbauarbeit und die in Summe enormen Investitionen zeitigten von Beginn an schöne Erfolge in Bezug auf die erwirtschafteten Ergebnisse und die erreichten Marktpositionen. Schenker verfügte bald 13



über ein flächendeckendes Netz eigener Niederlassungen in Ost- und Südosteuropa, das von der internationalen und lokalen Kundschaft erwartet und honoriert wird. In diesem Zusammenhang kam es zum Aufbau von Exportverkehren aus Osteuropa und von Inlandssystemverkehren und es konnten zahlreiche interessante und auch komplexe Logistikprojekte (Outsourcing) abgeschlossen und erfolgreich umgesetzt werden. Tiefgreifende Veränderungen und Adaptierungsanforderungen brachten dann die EU -Beitritte der wichtigsten Staaten Ost- und Südosteuropas mit sich. Der Wegfall der meist aufwendigen, in Summe jedoch lukrativen Zollgeschäfte, veränderte die Geschäfts- und Personalstrukturen nachhaltig. Mit den in Österreich anlässlich des EU-Beitritts gewonnen Erfahrungen konnten diese Anpassungsprozesse aber gut und erfolgreich bewältigt werden, obwohl von offizieller Seite keinerlei Unterstützungen zu erhalten waren. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat mit einiger Verzögerung auch diese Region erreicht und zu deutlichen Rückgängen im bis dahin so starken Wirtschaftswachstum geführt. Diese Entwicklungen haben natürlich auch die Speditionsbranche und Schenker tangiert, doch konnten überall die Strukturen angepasst und die Weiterentwicklung erfolgreich fortgeführt werden. Die reduzierten Margen drücken natürlich auf die Ergebnisse und die Dynamik des Wirtschaftswachstums hat sich verlangsamt. Ost- und Südosteuropa bleibt jedoch ein Zukunftsmarkt mit deutlich besseren Aussichten als in vielen anderen Regionen der Welt. Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich der auch nostalgisch motivierte Wiederaufbau alter Schenker-Domänen gelohnt hat. Schenker verfügt heute über starke, erfolgreiche, flächendeckende und moderne Organisationen in allen Ländern Ost- und Südosteuropas, die in der Lage sind, alle logistischen Anforderungen der globalen Supply Chains sowie der nationalen und internationalen Kunden zu erfüllen.

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Inhaltsverzeichnis

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

1872 – Schenker & Co. Wien 1931 – Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn 1945 – Wiederaufbau und Internationalisierung 1989 – Erwerb durch die Stinnes AG 1997 – Übernahme BTL 2002 – Wiedererwerb durch die Deutsche Bahn 2006 – Fusion mit BAX 2012 – DB Schenker Logistics

17 17 18 22 27 33 41 44 46

Geschäftsstrategie in der Transformation

49

DDR/Neue Bundesländer

73

Regionales Headquarter Europa Südost

Österreich Tschechien Slowakei Ungarn Slowenien Kroatien Serbien und Montenegro Bosnien-Herzegowina Mazedonien Albanien Rumänien

85 85 97 118 127 144 151 158 163 167 172 177 15

Inhaltsverzeichnis

Moldawien Bulgarien Griechenland/Türkei

196 196 211

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost 213 Finnland 213 Estland 233 Lettland 244 Litauen 256 Polen 263 Russland 279 Ukraine 296 Weißrussland 300 Kasachstan 301 Der kalte Wind der Geschichte

303

Interviewpartner 307

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Von Schenker & Co. zu DB Schenker

1872 – Schenker & Co. Wien* Ein Unternehmen, das die wirtschaftlichen, technischen und politischen Veränderungen der letzten 140 Jahre erfolgreich bewältigt hat, muss schon etwas Besonderes sein. Dabei bleibt allerdings kaum ein Stein auf dem anderen. So erlebte die 1872 in Wien gegründete Spedition Schenker in dieser langen Zeit mehrere Eigentümer  : • 1872 bis 1931 Privatunternehmen der Familien Schenker und Karpeles. Der dritte Gründer, Moritz Hirsch, schied bald aus und errichtete eine Möbelfabrik • 1931 bis 1989 Staatsunternehmen im Eigentum der Deutschen (Reichs-)Bahn • 1989 bis 2002 Privatisierung und Eingliederung in den Konzern der Stinnes AG • 2002 Wiedererwerb durch die Deutsche Bahn Gleichzeitig wachsen Unternehmen dieser Größenordnung nicht nur aus eigener Kraft. Neben der Übernahme zahlreicher kleiner und mittlerer Speditionen spielten drei Fusionen eine entscheidende Rolle  : • 1991 mit dem Speditionsbereich von Rhenus-Weichelt • 1997/8 mit der schwedischen Spedition BTL • 2006 mit BAX Global, USA Doch zurück an den Start  : Die Gründung der Spedition Schenker & Co. am 16. Juli 1872 war eine Antwort auf die damals geradezu revolutionären neuen Transportmöglichkeiten der Eisenbahn. * Für die Schenker-Geschichte bis 1991 siehe die beiden Bände  : Herbert Matis/Dieter Stiefel  : Das Haus Schenker. Die Geschichte der internationalen Spedition 1872 – 1931, Wien 1995, und  : Herbert Matis/Dieter Stiefel  : Grenzenlos. Die Geschichte der internationalen Spedition Schenker von 1931 bis 1991, Wien 2002.

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Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Die Bahn war ihr Schicksal, könnte man bis heute sagen. Der Schweizer Gottfried Schenker war ein Virtuose in der Tarifgestaltung mit den verschiedenen privaten und staatlichen Bahnen und kam aus jeder Reise mit neuen Ideen zurück. Der Spediteur ist ein Trüffelschwein, heißt es, und Gottfried Schenker roch das Geschäft, wo immer es sich auftat. Vor allem aber war Gottfried Schenker der Pionier im Sammelverkehr, bei dem kleinere Sendungen zu Transporteinheiten zusammengefasst und regelmäßiger, billiger und sicherer transportiert werden können. Begonnen wurde mit den Verkehren Wien–Paris und Wien–Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts fuhren Sammelwaggons von der Atlantikküste bis ins Osmanische Reich. Gottfried Schenker war auch in der Fluss- und Seeschifffahrt mit eigenen Schiffen beteiligt. Würde er heute noch leben, so hätte er sicher auch eine Fluggesellschaft. Unter der dynamischen und innovativen Leitung von Gottfried Schenker wuchs das Unternehmen rasch, wobei es auf die wirtschaftlichen Interessen der österreichisch-ungarischen Monarchie ausgerichtet war. Diese erstreckten sich auf Ost- und Südosteuropa, den Balkan bis hinunter zur heutigen Türkei. Von den 1.255 Mitarbeitern im Jahr 1913 waren drei Viertel in dieser Region beschäftigt. Das Unternehmen errichtete eine umfassende Organisationsstruktur, schon kurz nach der Gründung in Wien wurden Geschäftsstellen in Budapest, Prag, Belgrad und Sofia errichtet, Niederlassungen gab es an den Grenzstationen zum Deutschen Reich, in Süddeutschland und an den wichtigen Hafenstädten wie Triest, Fiume, Hamburg und Rotterdam. 1931 – Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn 1918, als Folge des Ersten Weltkriegs, zerfiel die österreichisch-ungarische Monarchie. Wien war damit nicht mehr das Zentrum des zweitgrößten Landes Europas mit 55 Millionen Einwohnern, sondern nur mehr Hauptstadt der Republik Österreich mit sechs Millionen Einwohnern. Damit wurde der Standort für eine Spedition dieser Größenordnung problematisch und der Schwerpunkt verschob sich nun nach Deutschland. Am 2. Dezember 1919 wurde Schenker & Co. Berlin unter der Leitung von Marcell Holzer gegründet. Dieser stammte ursprünglich aus Triest, hatte aber die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und arbeitete während des Krieges eng mit der Deutschen Reichsbahn zusammen. Ihm wurde die Geschäftstätigkeit in Deutschland übertragen, mit Zuständigkeit für die Niederlande, Skandinavien, Polen, Russland und die USA . Daneben bestanden noch Regionalleitungen in Wien und Prag für die übrigen Niederlassungen. Marcell Holzer verstand sich nicht einfach als Geschäftsführer, sondern als Unternehmer, der Großes schaffen wollte. Trotz Bedenken der Wiener Eigentümer baute er das Niederlassungsnetz in Deutschland in einem Umfang aus, das auch heute noch das organisatorische Rückgrat darstellt. 18

1931 – Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn

Durch die Errichtung von Geschäftsstellen und die Übernahme anderer Speditionsunternehmen stieg von 1919 bis 1923 die Anzahl der Filialen von 18 auf 126 und die Zahl der Mitarbeiter von 297 auf 2.300. Möglich war das durch die Inflation bis 1924, die alle finanziellen Wertmaßstäbe relativierte. Mit der Stabilisierung der deutschen Währung wurde aber rasch deutlich, dass man sich finanziell überhoben hatte. Die Sanierungsmaßnahmen – Reduzierung der Standorte auf 69 und Personalabbau auf 1.865 – reichten aber nicht aus. Marcell Holzer nutzte daher seine Verbindungen zur Deutschen Reichsbahn und schloss 1925 einen „Werbevertrag“, der einen Informationsdienst über den europäischen Güterverkehr beinhaltete. Dafür gewährte die zur Reichsbahn gehörende Verkehrs-Kredit-Bank einen Kredit von 15 Millionen Mark, was wieder finanziellen Spielraum brachte. Mit dem Kredit war bereits eine Bindung an die Deutsche Reichsbahn gegeben. Die Bahn sah sich in dieser Zeit der zunehmenden Konkurrenz durch den immer effizienter werdenden Lkw-Verkehr gegenüber. Dieser Herausforderung begegnete sie einmal durch die staatliche Verkehrspolitik, indem gesetzliche Regeln den LkwVerkehr einschränkten. Ein spezifisches Problem ergab sich noch bei der Rollfuhr, der Zu- und Belieferung zum Bahnhof. Diese war durch die überwiegend klein strukturierte Speditionslandschaft in Bezug auf Kosten und Qualität sehr heterogen. 1931 schloss die Bahn daher mit Schenker einen „Verkehrsvertrag“, der dem Unternehmen ein gesamtdeutsches Monopol für diesen Geschäftsbereich einräumte. Das führte zu erheblichem öffentlichen Widerstand und emotionalen Diskussionen im Deutschen Reichstag, sodass der Vertrag abgemildert werden musste. Allerdings gab Schenker jetzt die Konditionen vor, zu denen diese Geschäftstätigkeiten in ganz Deutschland durchgeführt werden mussten, die anderen Spediteure hatten sich daran zu halten. Um die große Spedition in der Auseinandersetzung Schiene/Straße weiter an ihrer Seite zu haben, stimmte die Deutsche Reichsbahn am 29. Januar 1931 dem Erwerb von Schenker mit an die 4.000 Beschäftigten zu. Das war das Ende des Familienunternehmens, aber auch die letzte große Leistung von Marcell Holzer, der nun die Leitung des Gesamtunternehmens übernahm. Ohne den Verkauf – mitten in der Weltwirtschaftskrise – wäre Schenker in erheblichen Schwierigkeiten gewesen, denn die Deutsche Reichsbahn musste rasch feststellen, dass die Verluste wesentlich höher waren als angenommen. Im Schoß der Bahn wurde das Unternehmen saniert und wieder auf solide Beine gestellt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Marcell Holzer das Land verlassen und emigrierte in die USA .

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Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Anzahl und Personalstand der Schenker-Firmen (Stand 30. 6. 1930) Geschäftsbereich

Firmen

Personalstand

Wien Österreich

3

478

Rumänien

13

219

England

5

133

Ungarn

4

97

Frankreich

2

96

Jugoslawien

7

84

Schweiz

3

70

Italien

3

38

Griechenland

1

alliierte Firmen

6 197

ITGAG

86

Prag Tschechoslowakei

28

615

Deutschland

78

1.361

Polen

11

203

Berlin

Baltikum

6

71

Holland

5

65

Danzig

1

57

New York

1

22

Belgien

2

12

Kopenhagen

1

9

41

1.503

Gesamtkonzern Wien Prag

28

615

Berlin

50

1.800

174

3.918

Summe

Während des Zweiten Weltkrieges stand Schenker als Staatsunternehmen im Dienst der Kriegswirtschaft und folgte der militärischen Expansion ebenso wie dem Rückzug. Allerdings war Schenker weder an Arisierungen beteiligt, noch als Speditionsunternehmen an Personentransporten. Die gesamte Schenker-Organisation kam nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen auf die „schwarze Liste“ der Alliierten, alle im feindlichen Ausland liegenden Filialen wurden beschlagnahmt, 20

1931 – Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn

unter Sequester gestellt oder von einheimischen Mitarbeitern auf eigene Rechnung weitergeführt. Mit Unterstützung der italienischen Vertretungen konnten anfänglich noch getarnte Transporte auf dem Seeweg durchgeführt werden, was mit dem Kriegseintritt Italiens ebenfalls unterbunden wurde. Die Niederlassung in New York wurde noch vor Kriegseintritt der Vereinigten Staaten wegen des schlechten Geschäftsganges geschlossen. Viele internationale Verkehre waren durch Blockademaßnahmen und die Kriegsführung zu Lande, zu Wasser und in der Luft unterbrochen. Der größte Teil des Überseegeschäfts war zusammengebrochen, was vor allem die Filialen Hamburg und Bremen betraf. Der Ausfall des Überseegeschäfts wurde allerdings durch die Belebung der Geschäftstätigkeit in Ost- und Ostmitteleuropa mehr als wettgemacht. Neue Verkehre wurden nach Warschau, Lodz, Krakau, Kattowitz, Posen und auch Lemberg, das noch 1931 wegen Unterauslastung geschlossen worden war, aufgebaut. Das Ostgeschäft boomte während des Krieges. Schenker mit den traditionell guten Beziehungen wurde vielfach mit der Abwicklung dieser Verkehre beauftragt. Die Erdöltransporte aus Rumänien gingen über Schenker Berlin, 1944 setzte auch die Lieferung aus Ungarn ein. Munitionstransporte begannen im Mai 1942 und gingen vor allem nach Südosteuropa. Fischtransporte, frischer und gesalzener Thunfisch aus der Türkei, erfolgten für die Reichsstelle für Fische in Berlin oder die Nordsee Deutsche Hochseefischerei in Wesermünde. Tabakimporte stammten aus Jugoslawien, Bulgarien und der Türkei, daneben wurde ein Lager der Austria Tabakregie in Wien logistisch betreut. Weinlieferungen kamen hauptsächlich aus dem verbündeten Bulgarien, ein kleiner Teil aus Frankreich. Bei Erztransporten handelte es sich hauptsächlich um Rohphosphate aus Frankreich, die nach Tschechien transportiert wurden. Die Abwicklung erfolgte im Auftrag der Rohphosphat GmbH Hamburg, im Einvernehmen mit Schenker-Paris. Die Niederlassung in Belgrad zog im Auftrag der „Feldkommandantur 59“ eine Fahrbereitschaft auf, die Ende 1941 bereits rund hundert Wagen in Betrieb hatte. Letztlich war aber der Krieg eine Katastrophe für den Speditionsbereich, materiell noch mehr als für andere Wirtschaftszweige. Da die meisten Anlagen und Büros in Bahnhofsnähe waren – ein vorrangiges Ziel der Luftangriffe – blieb von der Infrastruktur nicht viel übrig. Zusätzlich wurde 1945/8 das gesamte deutsche Auslandsvermögen als Reparationen beschlagnahmt. Die Verbindung zu den außereuropäischen Geschäftsstellen von Schenker war schon während des Krieges abgebrochen, nun aber wurden sämtliche Auslandsniederlassungen enteignet, auch jene in den neutralen Ländern und sogar in Österreich. In der Bestandsaufnahme der „Geschäftsleitung Süd“ München ergab sich 1946 folgendes Bild  : Die einzelnen Niederlassungen hatten von sich aus die Initiative ergriffen, wieder Verkehre zu organisieren. Schenker-Athen galt in Griechenland als weitaus bedeutendstes Speditionsunternehmen des Landes und war bereits in vollem 21

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Umfang tätig, ebenso Istanbul und Smyrna in der Türkei. Die Schweizer Niederlassung war in stille Liquidation getreten. Von Belgien lagen keine Nachrichten vor. In Dänemark existierte die Firma noch unter dem alten Namen und wurde von den ehemaligen Mitarbeitern geleitet. Völlige Unsicherheit bestand in England. London war von der Spedition Lep-Transport Ltd erworben worden, die auch die Niederlassung New York gekauft hatte. In Norwegen war die Niederlassung aufgelöst worden, von ehemaligen Angestellten waren zwei getrennte Firmen gebildet worden. In Frankreich arbeitete Paris unter staatlicher Kontrolle, ein ehemaliger Prokurist fungierte als kaufmännischer Direktor. Schenker Paris versuchte über die französische Militärregierung in Freiburg und mit der deutschen Schenker-Organisation Verbindung aufzunehmen. In Rumänien war Schenker von der sowjetisch-rumänischen Jusnevtrans übernommen worden. In der Tschechoslowakei hatten zunächst alle Niederlassungen zu arbeiten begonnen und mit Rotterdam einen Lastkraftwagenverkehr aufgezogen. Aus Bulgarien wurden die meisten Angestellten entlassen und zwei von den Sowjets verhaftet. Übrig geblieben waren fünfzehn Angestellte, die unter kommunistischer Leitung weiter beschäftigt wurden. 1948 machte Schenker Berlin eine Aufstellung, wo man auf dem Papier in Ostund Südosteuropa vertreten war. – Eine Bilanz der Verluste  : Bulgarien  : Sofia, Plovdiv, Sistov Jugoslawien  : Beograd, Zagreb, Ljubljana, Rijeka, Split, Sibenik, Slovensky Brod, Skopije, Novisad Polen  : Warszawa, Elblag, Breclav, Bydgoszcz, Gdansk, Gdynia, Gliwice, Jelenia Gora, Katowice, Krakow, Lodz, Poznan, Szczecin, Wroclaw, Zebrzydowice Rumänien  : Bukuresti, Arad, Braila, Constanta, Craiova, Giurgiu, Iasi, Orsova, Oradea, Ploesti, Sibiu Tschechoslowakei  : Praha, Bratislava, As, Bor u Ceské Lípy, Devinska nova, Decin, Brno, Hradec Králové, Chomutov, Jablonec, Kamlinsky Senov, Karlovy Vary, Liberec, Nový Bohumín, Olomouc, Podmokly, Teplice Sùanov, Ústí nad Labem, Varnsdorf, Krnow, Ceske Budejovice, Znojmo Ungarn  : Budapest, Hegyeshalom, Miskolc Baltische Staaten  : Reval, Riga 1945 – Wiederaufbau und Internationalisierung An sich war es 1945 von Vorteil, dass Schenker im Eigentum der Bahn stand, denn ein Privater wäre beim Wiederaufbau eines so großen Unternehmens vor erheblichen Schwierigkeiten gestanden. Als staatseigenes Unternehmen war aber die Weiterführung eine Selbstverständlichkeit und so wuchs Schenker rasch wieder zu einer 22

1945 – Wiederaufbau und Internationalisierung

bedeutenden Größe im deutschen Speditionsbereich heran. Der Wiederaufbau des ausländischen Netzes – nun allerdings ohne die kommunistischen Länder – dauerte Jahrzehnte. Zur besseren Steuerung wurde in Wil/Schweiz eine Holding gegründet, die Transkontinent AG , die als Eigentümerin der meisten überseeischen und einiger europäischer Landesgesellschaften und Beteiligungen fungierte. Bis Ende der 1980er Jahre war so ein beachtliches internationales Netz entstanden, das für die weitere Entwicklung des Unternehmens ausschlaggebend werden sollte. Transkontinent Holding AG (TKH), Wil/Schweiz, Kapital  : SFr. 30 Millionen Beteiligungen 1989  : Firma

Beteiligung in %

Sitz

Schenker Argentina SA

100

Buenos Aires

Schenker & Co (Australia) Pty Ltd

100

Sydney

Schenker & Co (N. Z.) Ltd

100

Auckland

Transglobal P. V. B. A.

100

Menen-Rekkemb

Schenker-Panamericana (Bolivia) Ltd

100

La Paz

Schenker & Co (Botswana) (Pty) Ltd

100

Gaborone

Schenker do Brasil Transportes Int. Ltds.

100

São Paulo

Unipack Internacional Embalagens e ­Mudancas

100

São Paulo

Schenker & Co A/S International Spedition

100

Kopenhagen

Schenker & Co Hellenische Transport AG

100

Athen

Karpeles Schenker & Co Ltd

100

London

Sea Cargo International (UK) Ltd

100

London

Schenker’s Ltd

50

London

Schenker Panamericana (Centro America) Ltda

100

Guatemala City

Schenker (H. K.) Ltd

100

Hongkong

Schenker Italiana S. p. A.

100

Mailand

Schenker & Co S. a. r. I.

99,4

Triest

Schenker of Canada Ltd

100

Toronto

Schenker & Co Luxemburg GmbH

100

Luxemburg

Schenker Panamericana (Mexico)

100

Mexico City

Schenker Panamericana (Panamá)

100

Panama

Schenker & Co’s internat. Expeditie B. V.

100

Rotterdam

Spedinvest A/S

100

Oslo

Einar Sundbye A/S

100

Oslo

Sundbye Transport & Spedisjon A/S

100

Oslo

23

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Firma

Beteiligung in %

Sitz

Schenker (Portugal) Lta

100

Porto

Schenker Transport AB

100

Stockholm

WITAG Weltifurrer Internationale ­Transport AG

100

Zürich

Schenker Transport AG

100

St. Gallen

Bodanwaggon AG

100

Chur

Neowaggon AG

100

Zug

Trakowaggon AG

100

Zug

Schenker Singapore (Pte) Ltd

100

Singapur

Schenker S. A. E.

100

Barcelona

Schenker & Co (SA) (Pty) Ltd

100

Johannesburg

Schenker (Thai) Ltd

100

Bangkok

Newbalt Inc.

100

New York

Schenkers International Forwarders, Inc.

100

Schenker & Co AG Schenker & Co N. V.

75 66,5

WITAG-Schenker Jet Cargo AG

51

New York Wien Antwerpen Kloten

Medtrans International SA

50

Marseille

Herkules AG

50

Thessaloniki

Japan Schenker Co Ltd

50

Tokyo

Schenker (Malaysia) Sdn. Bhd.

49

Kuala Lumpur

36

Lissabon

Karl Biermann Lds FERTRANS AG Medtrans Air Transit International SA ENTRA Engelberg Transportes Internacionales CA

30,6 26,19

Buchs Roissy

19

Caracas

Schenker & Co (East Africa) Ltd

100

Nairobi

Schenker of Ethiopia P. L. C.

99,9

Addis Abeba

Schenker Finance B. V.

100

Amsterdam

Direkt Schenker Frankfurt unterstanden  :

Tatsächlich entwickelte sich Schenker seit den 1960er Jahren von einem kontinentaleuropäischen Unternehmen zu einem weltumspannenden Netzwerk mit deutschem Zentrum. Denn der Aufbau der Auslandsorganisation folgte den Erfolgen des deutschen Außenhandels. Vorstandsvorsitzender J. A. Hering stellte schon 1966 fest, man verdanke die eigene Expansion vor allem den deutschen Industrie- und Handelsunternehmen, die Schenker durch entsprechende Transportaufträge laufend unterstützt und den Aufbau einer Weltorganisation ermöglicht hatten. Es waren Handelsunter24

1945 – Wiederaufbau und Internationalisierung

nehmen wie Otto Versand oder Quelle, die Waren aus aller Welt anforderten, und die deutsche Investitionsgüterindustrie, wie Siemens oder Bosch, welche einen verlässlichen Partner für ihre überseeischen Projekte an ihrer Seite haben wollten. Schenker folgte seinen deutschen Kunden ins Ausland und nutzte das Vehikel der TKH , um für die Entwicklung der Auslandsorganisation – damals die AO genannt – größere Freiheit von der damaligen Bahn zu haben. Die Auslandsorganisation wurde als Beteiligungsbereich geführt, der bewusst von der Bahn entfernt war. Das Unternehmensrecht in der Schweiz erlaubte es auch, Verluste einzelner Tochtergesellschaften mit den Gewinnen der anderen aufzurechnen, sodass negative Ergebnisse nicht nach außen drangen. Man konnte Gewinne thesaurieren und finanzierte so die Entwicklung der Auslandsorganisation, denn von der Bahn selbst gab es hierfür keine Mittel. Die Zentrale in Frankfurt war unter der Leitung von Günter Müller, ihm zur Seite standen in Luft- und Seefracht Joachim Linke, Hans Kleffmann, Wolfgang Gruber und Siegfried Lukat. Diese waren die treibenden Kräfte in der Entwicklung der Auslandsorganisation, immer von den Ansprüchen der Kunden getrieben. Wenn auch keine Investitionsmittel zur Verfügung gestellt wurden, so spielte die Unterstützung durch Personal, Know-how, Verkaufsreisen und Produktentwicklung eine entscheidende Rolle. Die Organisation vor Ort verlief in der Regel nach einem Schema, welches das Eindringen in den neuen Markt ermöglichte und Risiken überschaubar machte. Vorerst wurde ein Repräsentationsoffice eingerichtet, um einen deutschen Vertreter im Land zu haben, der mit den einheimischen Speditionsunternehmen zusammenarbeitete. Das waren die eigentlichen Pioniere der Schenker-Auslandsorganisation. Bei positiver Geschäftsentwicklung ging man dann ein Joint Venture mit einem einheimischen Partner ein, was häufig rechtlich notwendig war und die Marktbearbeitung erleichterte. Unabhängig vom Ausmaß der Beteiligung arbeitete dieses Joint Venture aber bereits mit dem Know-how als Schenker-Unternehmen. Dem SchenkerVertreter in der Geschäftsleitung stand die tatsächliche Leitung des Unternehmens als Managing Director zu. Mit der Liberalisierung des Unternehmensrechts in den betreffenden Ländern trennte sich Schenker zumeist vom Joint-Venture-Partner oder konnte ihn erwerben und damit eine eigene Landesgesellschaft einrichten. Die ausländischen Beteiligungsgesellschaften waren entweder der Schenker-Zentrale Frankfurt direkt unterstellt oder der Transkontinent Holding AG in der Schweiz, was aber in der Geschäftsführung selbst keinen Unterschied darstellte. Die Leitungsorganisation der Zentrale Frankfurt war wie bei vielen Unternehmen dieser Zeit gewachsen und entsprang keinem Masterplan. Sie bestand aus den Verkehrsabteilungen Land, Luft und See, die den Vorstandsmitgliedern neben anderen Funktionen unterstellt waren. Daneben gab es noch federführende Stellen, welche die historische Expansion von Schenker widerspiegelten  : 25

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

• • • •

Geschäftsstelle Hamburg  : Fernost, Australien, Iran Geschäftsstelle Bremen  : USA , Kanada, Lateinamerika, Südafrika Geschäftsstelle Frankfurt  : Naher Osten und Mittelosten, Südosteuropa Geschäftsstelle Braunschweig  : Russland

Bei der Internationalisierung von Schenker spielten die Geschäftsstellen an den beiden Seehäfen Hamburg und Bremen eine maßgebliche Rolle. Hier wehte der Wind der großen weiten Welt. Mit dem Zuwachs der Luftfracht wurde auch die Luftfrachtsammelleitstelle am Flughafen Frankfurt immer wichtiger. Daneben gab es Schenker-Niederlassungen mit besonderem Know-how für einzelne Länder, wie Braunschweig und Düsseldorf. Zur stärkeren Orientierung an den Marktgegebenheiten richtete man 1981 für die Auslandstätigkeit die vier Regionalbereiche ein  : • • • •

A Europa B Amerika und Australien C Afrika und Asien N Naher Osten

Bereits in dieser Zeit stand Schenker vor der Herausforderung, ein umfassendes globales Netzwerk zu leiten und zu lenken. Die meisten Gründungen erfolgten bis zu den 1980er Jahren. Man muss sich die damaligen Kommunikationsmöglichkeiten vor Augen halten  : Die Postwege dauerten lange, Telefonieren war umständlich, Telex teuer und Flugreisen aufwendig und beschwerlich. Daher hatten die ausländischen Niederlassungen weitgehend selbstständig zu arbeiten und der verantwortliche Managing Director agierte praktisch als Unternehmer vor Ort, mit den Vorteilen einer großen Organisation im Rücken. Dies geht aus den Organisationsvorschriften von 1989 hervor, wonach für Schenker der Grundsatz der Dezentralisation galt. Die Geschäftsstellen hatten sämtliche Aufgaben wahrzunehmen, soweit es sich nicht um übergeordnete zentralisierte Funktionen handelte. Die Zentrale in Frankfurt legte die Richtlinien der Geschäftspolitik fest  : Investitionen, einheitliche Produktpolitik, Planung künftiger und Koordinierung bestehender Geschäfte, Personal, Recht, Datenverarbeitung, Überwachung des Geschäftsgebarens und bestimmte, eigens definierte Angelegenheiten. Bei der Durchführung von Transporten war die feder- bzw. kontraktführende Stelle einzuschalten. Vor der Abgabe von Offerten bei stark umworbenen Aufträgen war die federführende Stelle, für Logistikaufträge die Zentralleitung zu konsultieren. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass nicht sich gegenseitig unterbietende Angebote abgegeben werden. Der Begriff „Profit Center“ ist für diese frühe Zeit übertrieben, aber die Landesleiter hatten die Aufgabe, keine roten Zahlen zu schreiben. In einigen Ländern nahm man allerdings auch längere Anlaufverluste in Kauf, um im Markt zu bleiben. Denn seit Bestehen der Spedition Schen26

1989 – Erwerb durch die Stinnes AG

ker galt das Prinzip, dass das Netzwerk als Ganzes profitabel sein muss und manche Teile trotz beschränktem Ergebnis für das Gesamtunternehmen von Bedeutung sind. Schon 1923 hieß es in einem „Merkblatt“ der Geschäftsleitung Wien  : „Miteinander, nicht gegeneinander arbeiten  !“ – „Aufrichtigkeit, guter Wille und der Verzicht auf scheinbare Einzelerfolge sind die Wurzeln unserer Stärke  !“ 1989 – Erwerb durch die Stinnes AG Das dichte ausländische Netz von Schenker weckte in den 1980er Jahren das Interesse der Stinnes AG . Auch in der Unternehmensführung gibt es einen Zeitgeist. Das war in den 1970er Jahren die Diversifikation, bei der sich Unternehmen breit aufstellten, um das Risiko zu streuen. Die Stinnes AG , eine Tochter der VEBA , hatte die Diversifikation sehr weit getrieben. Sie hatte zwölf Geschäftsbereiche, mit Baustoffhandel, Baumärkten, Stahlhandel, Kohle- und Mineralölhandel, Reifenhandel, Chemiedistribution und im Lager- und Transportbereich. Es war aber völlig klar, dass diese historisch gewachsene Struktur auf Dauer nicht zu halten war. Bereits ab Mitte der 1980er Jahre arbeitete man an einer Strategie, um sich auf zukunftsträchtige Kernbereiche zu konzentrieren. Wenn Stinnes eine bedeutende internationale Rolle in einzelnen Geschäftsbereichen spielen wollte, dann musste man die Ressourcen dort einsetzen, wo das größte Potenzial zu erwarten war. Bei den Baumärkten und Reifen hatte Stinnes nicht die notwendige Marktposition, die Marktführerschaft war hier schon vor einiger Zeit verpasst worden. Auch Trading verlor in dieser Zeit immer mehr an Bedeutung. Die Kohleproduzenten, Ölmultis und großen Abnehmer, wie die Kraftwerke, wuchsen immer enger zusammen und die Trader verloren ihre Funktion. Im Bereich der Chemiedistribution war Stinnes jedoch traditionell stark und im Verkehrsbereich verfügte man über eine entsprechende Ausgangsposition. Auf dieser Grundlage begann Stinnes nun mit der Umstrukturierung und dem Verkauf von Geschäftsbereichen, um ein finanzielles Potenzial für Akquisitionen aufzubauen. Die bei Stinnes bereits vorhandene Basis für den Speditionsbereich waren die Rhenus AG , die in Massengut, Binnenschifffahrt und Lager stark war, und die 1987 erworbene Tochterfirma Weichelt, ein mittelständisches Lkw-Unternehmen aus Coburg, also dem „Zonenrandgebiet“ mit bundesweiter Präsenz. Die Rhenus-Weichelt AG verfügte in Deutschland über ein beträchtliches Luftfrachtgeschäft, hatte aber kein wirkliches internationales Netz. Wenn Stinnes im Verkehrsbereich stärker international werden wollte, dann konnte das nur über eine Fusion mit einem entsprechenden Partner geschehen. Der Aufbau eines eigenen Auslandsnetzes hätte zu lange Zeit in Anspruch genommen und so warf man den Blick auf einige Übernahmekandidaten. Die beigezogenen Unternehmensberater hatten auch Schenker in die Untersuchungen einbezogen, obwohl das nur eine Fingerübung zu sein schien, da Schenker 27

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

als Staatsbetrieb nicht zum Verkauf stand. Das Ergebnis war für Stinnes aber völlig überraschend  : Schenker verfügte über ein umfangreiches internationales Netzwerk, geradezu eine ideale Ergänzung für Rhenus-Weichelt. Nun kam Stinnes die deutsche Politik zur Hilfe. In den 1980er Jahren war Privatisierung zu einem Modewort geworden, unter dem Motto  : Der Staat kann nicht wirtschaften  ! Bereits 1982 hatte sich die christlich-liberale Koalition, bestehend aus der CDU, der CSU und der FDP, darauf verständigt, Teile des Bundesvermögens zu veräußern. 1989 kam es schließlich auf Initiative der FDP zum Privatisierungsbeschluss der Deutschen Bundesregierung, der auch Schenker unmittelbar betraf. Die Durchführung dieses Beschlusses erfolgte – wie in diesem Bereich nicht untypisch – nur sehr zögernd. Der Staat wollte die Privatwirtschaft beteiligen, aber nach wie vor das Sagen haben. Die Deutsche Bahn sollte daher nur eine Minderheitsbeteiligung abgeben, und so erwarb die Stinnes AG , Mülheim an der Ruhr, im August 1989 vorerst 22,5 % an der Schenker & Co. GmbH, Frankfurt. Es war aber von vornherein klar, dass sich ein großer Investor damit nicht zufriedengeben konnte. Als nächster Schritt erfolgte am 1. Januar 1991 die Zusammenführung der internationalen Speditionsaktivitäten von Schenker und der Rhenus Transport International AG . Schenker übernahm die deutschen Luft- und Seefrachtaktivitäten der Rhenus. Für die Auslandsniederlassungen wurde ein Joint Venture 50   : 50 unter dem Namen TKH International als GmbH, später in Schenker International GmbH umbenannt, mit einem Kapital von 80 Millionen Mark errichtet. Diese erwarb von der Transkontinent Holding AG , Wil, Schweiz, die Schenker-Speditionsbeteiligungen und von Rhenus die Auslandsbeteiligungen und Seefrachtaktivitäten. Schenker brachte damit Beteiligungen in 42 Ländern mit 6.881 Mitarbeitern an 284 Geschäftsstellen ein und Rhenus zehn Beteiligungen mit 360 Mitarbeitern an 26 Geschäftsstellen. Da Stinnes neben der direkten Beteiligung von 22,5 % an der Schenker & Co. GmbH Frankfurt nun auch 50 % am Joint Venture der Auslandsgesellschaften hielt, hatte sie dort bereits eine Mehrheit von durchgerechnet 61,5 %. Die neue Gesellschaft übernahm das entsprechende der unter dem Dach der Rhenus Transport International AG , Dortmund, geführte Geschäft der Rhenus AG . Ob die europäischen Beteiligungen zu Schenker International kommen oder bei Schenker bleiben, sollte später entschieden werden. Die Deutsche Bahn wollte ursprünglich an Schenker beteiligt bleiben, da sie sich einen Synergieeffekt erhoffte. Tatsächlich war die gemeinsame Geschäftstätigkeit eher bescheiden, und so stimmte sie noch 1991 der Übernahme der Mehrheit (80 %) von Schenker durch Stinnes zu, die restlichen 20 % konnten 1993 erworben werden. Für Schenker begann nun neuerlich – nach 1872 bis 1931 – eine privatwirtschaftliche Phase. Mit der Übernahme hatte Stinnes 1992 eine Speditionssparte mit 20.000 Mitarbeitern und elf Milliarden DM Umsatz. Schenker war zu dieser Zeit finanziell nicht 28

1989 – Erwerb durch die Stinnes AG

sehr profitabel, um es vorsichtig auszudrücken. Die neue Organisation hatte daher neben der Sanierung der Landverkehre die Integration der Aktivitäten von Schenker und Rhenus-Weichelt durchzuführen. Doch die Unternehmen waren von ihrer Struktur und vom Charakter her sehr unterschiedlich. • Schenker hatte in Deutschland ein dichtes Netz an Niederlassungen und war mit Landesgesellschaften weltweit gut vertreten. Als Staatsbetrieb lieferte es ein nur schwaches Ergebnis und arbeitete gegenüber dem Eigentümer Bahn ohne großen Rechtfertigungsdruck. Daher war die Übernahme durch Stinnes ein Schock und eine Chance zugleich • Rhenus war auf Massengut spezialisiert, auf Binnenhafen, Binnenschifffahrt und Lagerhäuser, Entsorgung und Kontraktlogistik • Weichelt war ein mittelständisches Speditionsunternehmen in Coburg, also im „Zonenrandgebiet“. Es war ein Pionier für bundesweite Stückgutabfertigung, Linienverkehre und Fuhrparkmanagement • Daher war die Integration eine erhebliche Aufgabe, die von Stinnes mit Qualitätsvorgaben, ehrgeizigen Budgetzielen und der persönlichen Verantwortung der Führungskräfte vorgegeben wurde. Damit entstanden folgende Geschäftsbereiche  : • Rhenus-Weichelt, Schenker Eurocargo deutscher und europäischer Landverkehr, • Rhenus Transport International AG , Luft- und Seefracht, • beide mit Sitz in Frankfurt am Main, • Rhenus AG mit Rhenus Lager und Umschlag AG , Dortmund, und Stinnes Reederei & Co. Binnenschifffahrt, ab Partnership AG & Co, in Duisburg. Am 1. Januar 1996 wurde der Verkehrsbereich von Stinnes in der Schenker-Rhenus AG , entstanden aus der Zusammenführung von Schenker & Co AG und der Rhenus AG , neu strukturiert in  : • Schenker Eurocargo, Landverkehre • Schenker International, Luft- und Seefracht • Rhenus, Logistik und Entsorgungslösungen Vorsitzender des Vorstandes wurde Bernd Malmström, der von 1988 bis 2000 Mitglied des Vorstandes der Stinnes AG war, von 1996 bis 2000 Vorstandsvorsitzender der Schenker-Rhenus AG (der späteren Schenker AG) und von 2000 bis 2005 Vorstand der Deutschen Bahn AG , zuständig für Transport und Logistik. Weitere Mitglieder des Vorstandes waren Hans J. Queins, Jürgen Roth, Günter Müller, FriedrichWilhelm Weitholz und Wolfgang Monning. Der Leiter der Schenker Eurocargo Geschäftsstelle Stuttgart, Hans-Jörg Hager, wurde zum stellvertretenden Mitglied des Vorstandes der Schenker Eurocargo (Deutschland) AG ernannt. 29

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Ursprünglich wollte Stinnes die Schenker-Zentrale in Frankfurt auflösen. Vorerst wurde die Schenker-Zentrale nur durch eine kleine Hauptverwaltung der SchenkerRhenus AG , die Koordinationsaufgaben übernahm, ersetzt. Von Stinnes selbst wurden Werbung, Personal, Controlling u. dgl. übernommen. Schenker International sollte in das Stinnesgebäude in Mülheim an der Ruhr übersiedeln, stieß dabei aber auf den Widerstand von Günter Müller, der in Mülheim an der Ruhr keinen Sitz für eine internationale Spedition sah. Gewisse zentrale Funktionen, wie das internationale See- und Luftfrachtgeschäft, wurden daher weiter aus der Schenker International AG und die europäischen Landverkehre von der Schenker Eurocargo AG , beide in Frankfurt am Main, heraus geleitet und rekrutierten sich auch personell aus der alten Schenker Zentrale. Damit waren die Zentralfunktionen für eine Weile auf fünf Standorte verteilt  : einmal bei Stinnes in Mülheim an der Ruhr, dann bei Rhenus in Dortmund (Recht, Finanz, Logistik), bei Schenker Deutschland AG , vormals Weichelt, in Coburg (nationale Landverkehre) und in Frankfurt bei den Betriebsführungsgesellschaften Schenker Eurocargo AG (Europäische Landverkehre) und Schenker International AG (Internationale See- und Luftfracht). Mit Bernd Malmström wurde dann eine neue Schenker Zentrale in Essen aufgebaut. An sich war auch Dortmund mit der Zentrale von Rhenus im Gespräch. Bernd Malmström war aber gegen Mülheim an der Ruhr und Dortmund als Zentrale, um mit Essen den Neubeginn von Schenker-Rhenus darzustellen. Stinnes verkaufte die Rhenus Gruppe rückwirkend zum 1. Januar 1998 an Rethmann AG & Co. Dadurch wandelte sich die Firma von Schenker-Rhenus AG in Schenker AG , der Name Rhenus wurde ab 1. Juli 1999 nicht mehr benutzt. Zum 1. Januar 1998 stellte sich die Schenker AG schließlich mit drei Geschäftsbereichen neu auf  : • Schenker Logistics – komplexe logistische Dienstleistungen • Schenker International – Luft- und Seefracht • Schenker Eurocargo – europäische Landverkehre Günter Müller wurde Vorsitzender des dreiköpfigen Vorstandes der Schenker International AG . Er war einer der wenigen aus der alten Führungsmannschaft von Schenker, der nach der Übernahme durch Stinnes in leitender Funktion blieb. 1991 wurde er Mitglied des Vorstandes der Schenker-Rhenus AG und Vorsitzender des Vorstandes der Schenker International AG , 1992 Mitglied des Direktoriums der Stinnes AG und 1998 Mitglied des Vorstandes der Schenker AG Essen. Im Jahr 2001, nach 48 Jahren bei Schenker, ging er in Pension. Der Vorstand der Schenker International AG hatte 1991 neben der regionalen Verantwortung auch noch andere Funktionen zu erfüllen. Vorsitzender Günter Müller mit der regionalen Zuständigkeit für Europa, Naher und Mittlerer Osten, Afrika, Australien und Neuseeland  ; Siegfried Lukat hatte die Geschäftsbereiche Produkt30

1989 – Erwerb durch die Stinnes AG

management und Asien und Jürgen Kley war neben dem kaufmännischen Bereich für Nord-, Mittel- und Südamerika (Americas) zuständig. Ende 1995 war Günter Müller als Vorsitzender weiter für Europa zuständig  ; Siegfried Lukat für Produktentwicklung, Verkauf und die Regionen Americas, Naher und Mittlerer Osten und Afrika und der neu in den Vorstand aufgenommene Ulrich Villinger für Asien/Pazifik. 1993 Schenker International   Umsatz

Mitarbeiter

Europa

58 %

48 %

Asien/Pazifik

12 %

19 %

Americas

23 %

22 %

Sonstige

7 %

11 %

Schenker-Mitarbeiter weltweit 1995  BRD Schenker Eurocargo

6.140

BRD Schenker International

1.120

Österreich

1.385

Italien

385

Schweden

365

Niederlande

335

Großbritannien

220

Schenker-Witag AG

95

Hellas

150

Spanien

135

Türkei

120

Prag

95

Dänemark

55

Ungarn

50

Norwegen

45 Amerika

USA

735

Kanada

520

Brasilien

235

Argentinien

35

31

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Mexiko

30 Australien

Australien

165

Neuseeland

35 Asien

Hongkong

485

Thailand

245

Singapur

210

Malaysia

150

Indonesien

95

Japan

85 Afrika

Südafrika Kenia Summe

205 65 13.990

Am 1. November 1998 wechselte Thomas C. Lieb von der Position eines Geschäftsführers der Schenker International Deutschland GmbH in Kelsterbach in das Head Office in Essen, wo er bei Schenker International die neu errichtete Position eines Regional-Managers Luft- und Seefracht Europa Afrika und Mittlerer Osten übernahm. 2001 wurde er zum Vorstand für Luft- und Seefracht und Logistik ernannt. (Logistik wurde 2003 wieder getrennt mit eigenem Vorstand.) Seit dem Sommer 2008 hält Thomas C. Lieb die Position des Vorsitzenden des Vorstandes der Schenker AG . Von 1991 bis 1996 hat Stinnes jedes Jahr an die 100 Millionen DM für Sanierung, Integration und Modernisierung des Verkehrsbereiches von Schenker-Rhenus ausgegeben. Die neue Struktur im Verkehrsbereich wurde daher schnell geschaffen. Wenn die Deutsche Bahn als Mutter so gut wie keinen Gewinn von Schenker erwartete, so drehte sich das nun völlig um. Die VEBA als börsennotiertes Unternehmen forderte auch im Verkehrsbereich Renditen, die dort kaum üblich waren. In der Fünfjahresplanung bei Schenker-Rhenus waren daher die Erfolgsziffern für das Folgejahr noch einigermaßen realistisch, doch dann musste es immer steil nach oben gehen. Diese Erwartungen mussten jedoch stets deutlich nach unten korrigiert werden, erst Ende der 1990er Jahre entsprach man den hochgestellten Anforderungen. 32

1997 – Übernahme BTL

1997 – Übernahme BTL Schenker hat in Schweden eine lange Geschichte. Schon seit 1921 war man dort mit einer Niederlassung vertreten, nach Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg wurde 1953 neuerlich eine Landesgesellschaft gegründet. Schenker-Schweden erwirtschaftete 1990 mit 400 Mitarbeitern an 13 Geschäftsstellen einen Umsatz von 925 Millionen schwedischen Kronen. Insgesamt war man aber in Skandinavien nicht ausreichend präsent, weshalb das Augenmerk von Stinnes auf BTL fiel. BTL (Bilspedition Transport & Logistics) hatte in Schweden eine noch längere Geschichte. 1891 wurde Fallenius & Lefflers AB als Spedition und Schiffsmakler in Göteborg gegründet. Diese unterhielt einen umfangreichen Küstenverkehr zwischen Göteborg, Stockholm und den nordschwedischen Häfen. Ende der 1920er Jahre begann das Unternehmen mit dem Fernverkehr per Lkw, der Seeverkehr wurde aufgegeben. Fallenius war das erste Unternehmen in Schweden, das Sammelgutladungen mit dem Lkw transportierte. 1936 wurde der Fernverkehr einem Tochterunternehmen übertragen, der Fallenius Godstrafik AB , die den Ursprung des späteren BTL Konzerns darstellte. 1944 wurde die Firma in AB Godstrafik & Bilspedition umbenannt, 1977 in Bilspedition AB . Bis in die 1950er Jahre konzentrierte man sich auf die Entwicklung des Lkw-Fernverkehrs innerhalb Schwedens. Der Umsatz belief sich 1950 auf zehn Millionen schwedische Kronen. In den 1960er Jahren begann der Aufbau der ausländischen Geschäftstätigkeit. Der grenzüberschreitende Verkehr wurde dem Tochterunternehmen Autotransit übertragen, welche Tochtergesellschaften in Dänemark und Norwegen errichtete und den regelmäßigen Verkehr mit England aufnahm. Der Konzernumsatz betrug 1961 bereits 100 Millionen Kronen. In den 1970er Jahren wurden große Investitionen in Güterterminals und Lager in Schweden getätigt. Die Gefrierhauskette Cold Stores wurde erworben, der Umsatz stieg 1974 auf eine Milliarde Kronen und 1982 auf drei Milliarden Kronen. 1983 wurde die Wilson Gruppe erworben, 1984 Bilspedition an der Wertpapierbörse in Stockholm eingeführt und im Jahr darauf notierten die Aktien an den Börsen in Kopenhagen und Oslo. 1985 konnte die AB Scansped und 1990 der finnische Speditionskonzern Speditor erworben werden. Andere Unternehmenskäufe folgten in Norwegen, Polen, Italien und Deutschland und die Position auf dem finnischen Markt wurde 1996 durch den Kauf des dortigen Marktführers Huolintakeskus gestärkt. Doch die ehrgeizige Expansion ging auch in andere Bereiche. In den 1980er Jahren wurden große Akquisitionen im Schifffahrtsbereich getätigt, um der größte Schiffseigentümer des Landes zu werden. Zusätzlich wurden 50 % der Inlandsfluggesellschaft der SAS übernommen. Hakan Larssons Vorgänger als CEO , Martin Lundberg, hatte außerdem umfangreich in Immobilien investiert und Finanzgeschäfte getätigt, um nach entsprechenden Gewinnen wieder auszusteigen und zusätzliches Kapital für Investitionen im Kernbereich Spedition zur Verfügung zu haben. Er wid33

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

mete sich ganz dieser Tätigkeit und holte daher Hakan Larsson für den Bereich Spedition. Das Ganze ging letztlich schief. 1991 brach der Finanzmarkt in Europa ein und der Immobilienmarkt schlitterte in die Krise. Durch den Rückgang der Konjunktur verloren auch die Schifffahrtsgesellschaften 1991/2 ein Vermögen. Der Speditionsbereich lief zwar zufriedenstellend, konnte aber nicht die Überschüsse erzielen, um die Verluste in den anderen Geschäftssparten abzudecken. Die ehrgeizige Diversifizierung der Geschäftstätigkeit hatte daher zu einer starken Verschuldung geführt und das Unternehmen beinahe in den Untergang geführt. • 1986 wurde die Hälfte der Aktien am Finanzunternehmen Infina erworben, die später mit Independent fusionierte • Im selben Jahr gründeten Bilspedition und das Autohaus Philipson das Immobilienunternehmen Fastighets AB Coronado • 1987 wurde die Kühlreederei Cool Carriers erworben, was die Schifffahrtsinvestitionen einleitete • 1989 wurden Transatlantic und Gorthon Lines erworben • 1989 wurden die restlichen 67 % der Aktien der Atlantic Container Line, ACL , erworben, an der das Tochterunternehmen Transatlantic bereits mit 33 % beteiligt war • Im selben Jahr wurde ein erheblicher Aktienposten an der Uddevalla Shipping erworben, die später Frontline hieß • 1990 erwarb Bilspedition die Hälfte der Aktien an Linjefyg und verkaufte Gorthon Lines Da die Akquisitionen weitgehend mit Fremdkapital finanziert worden waren, begannen die Banken die Kreditwürdigkeit des Unternehmens in Frage zu stellen. Sie zwangen Martin Lundberg wegen der problematischen Geschäfte zurückzutreten und Hakan Larsson, der seit 1971 im Unternehmen war, übernahm ab 1992 die Führung des Unternehmens. Ihm wurde aufgetragen, sich auf jenes Kerngeschäft zu konzentrieren, das ohnehin Larssons Kompetenz war. Nun wurden die Schifffahrtsaktivitäten und die Immobilien verkauft. 1993 machte BTL noch erhebliche Verluste, aber 1994/5 war man wieder in der Gewinnzone. • Die Aktienbeteiligungen an Coronado, Indepent und Linjefyg wurden 1992 veräußert • 1993 wurde Svenska Orient Linen, die zu Transatlantic gehörte,verkauft und die Abwicklung der noch bestehenden Geschäftstätigkeit bei Transatlantic eingeleitet • 1994 wurde ACL an der Wertpapierbörse in Oslo eingeführt und der Anteil von Bilspedition auf 15 % verringert • 1995 wurde das Engagement bei Cool Carriers abgewickelt • Ab 1996/7 waren die Schifffahrtsinteressen im Wesentlichen abgebaut 34

1997 – Übernahme BTL

• Um die Konzentration des Konzerns auf die Kerntätigkeit zu dokumentieren, wurde die Muttergesellschaft Anfang 1996 von Bilspedition AB in Bilspedition Transport & Logistics (BTL) umbenannt • Die Strategie vom Konglomerat zu einem gut organisierten Kerngeschäft wurde durch eine Kapitalerhöhung begleitet Gewinn/Verlust nach Steuern in Millionen SK 1992

−1.679

1993

−237

1995

46

1996

−41

1997

370

1998

399

Trotz der Probleme war BTL 1997 eines der größten Transport- und Logistikunternehmen Europas mit 11.000 Mitarbeitern, 500 Büros in 32 Ländern und einem Transportvolumen von 20 Millionen Tonnen. Der Umsatz betrug 18 Milliarden schwedische Kronen, davon 71 % im Landtransport, 21 % im See- und Lufttransport über das Tochterunternehmen Wilson und 8 % bei Specialist Division. 74 % des Umsatzes entfielen auf Skandinavien, 16 % auf Westeuropa, 2 % auf Zentral- und Osteuropa und 8 % auf weitere Gebiete der Erde. Die Land Transport Abteilung mit 8.700 Beschäftigten verfügte in Schweden über 120 Büros, zehn Logistikcenter und zehn Cold Storage Depots. Das europäische Netzwerk bestand aus 30 Niederlassungen mit 270 Büros in 19 Ländern, einschließlich 13 Logistikcenter in elf Ländern. Die Abteilung führte auch nationale Transporte in Finnland, Norwegen und Polen durch. BTL Mitarbeiter 1997 BTL Muttergesellschaft

79

Tochtergesellschaften Schweden

5.247

Norwegen

350

Dänemark

524

Finnland

1.965

Deutschland

432

Niederlande

496

Frankreich

112

35

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Belgien

273

Großbritannien

326

Polen

306

Tschechien

59

Estland

127

Lettland

25

Litauen Russland

6 100

Ukraine

4

Schweiz

70

Australien

124

Hong Kong/China

73

Neu Seeland

10

Singapur

33

Thailand USA Summe

28 186 10.955

Schenker hatte zu dieser Zeit 27.000 Beschäftigte in 1.000 Büros weltweit mit einem Umsatz von 10 Milliarden DM und war führend im europäischen Landtransport, neben internationalen See- und Lufttransporten. Nachdem die Vergangenheit einigermaßen bereinigt war, überlegte BTL ab 1996 Strategien für die Zukunft, mit der Absicht, vor allem das internationale Geschäft weiter auszubauen. Denn BTL war klar, dass der sich rasch verändernde europäische Markt eine entsprechende Größenordnung erforderte, um den Kunden und Aktionären zu entsprechen. Man war in einigen Länder gut vertreten, aber es war ein skandinavisches Netzwerk und in Richtung Westeuropa schwach entwickelt. Die neuen Anforderungen des Transportmarkts führten zu Überlegungen, wie man außerhalb Skandinaviens eine kritische Masse und eine breitere Basis für den Wachstum des Landtransports erreichen konnte. Sollte BTL einen Konkurrenten übernehmen, mit einem kooperieren oder die eigene Entwicklung forcieren, was zumindest ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen würde  ? Es wurde nun eine Task Force gegründet, um mögliche Kandidaten zu finden. Für eine Akquisition boten sich einige mittlere deutsche Unternehmen an, was nicht zufriedenstellend war. Es kam unter anderem auch zu Gesprächen mit Kühne + Nagel in der Schweiz, die größtes Interesse hatten, die Geschäftsphilosophien passten aber nicht so wirklich zusammen. 1996 schrieb daher Hakan Larsson auch an den CEO von Schenker, Bernd Malmström. Es kam zu einem Treffen und zu einem Informationsaustausch, wobei auf dem Papier sehr große 36

1997 – Übernahme BTL

Übereinstimmung festgestellt werden konnte. Nach einigen anderen Möglichkeiten kam man schließlich zu dem Schluss, dass eine Zusammenarbeit mit Schenker die beste Möglichkeit sei. Beide Unternehmen arbeiteten nach dem Prinzip der Entwicklung eigener Netzwerke mit der entsprechenden Infrastruktur und IT-Systemen. Die Netzwerke ergänzten einander und das Management war sich in den zukünftigen Kundenerfordernissen einig. „1997 was a year when the winds of change were felt throughout BTL“, schrieb daher Hakan Larsson im Geschäftsbericht. Es war die strategische Entscheidung zur Koordinierung der europäischen Landaktivitäten mit Schenker Eurocargo getroffen worden. Nun wurde ein dreistufiger Plan aufgestellt, der am Anfang eine Allianz vorsah, dann die Integration der Landesgesellschaften von BTL /Scansped und Schenker dort, wo beide vertreten waren, und schließlich die Integration aller Landtransporte in eine einheitliche Organisation als Endpunkt. So würde es zur Errichtung eines wirklichen paneuropäischen Netzwerks mit den entsprechenden Synergien kommen. Bei dem bis Juni 1998 zu entstehenden Netzwerk würde BTL in 12 bis 14 Ländern und Schenker in einer ähnlichen Anzahl an Ländern die Verantwortung haben und damit das größte Netzwerk in Europa entstehen. Dafür wurde ein Steering Committee mit Hakan Larsson, CEO BTL , Eddie Sterner, Managing Director Scansped, und Knut Heymann, Chief Executive der Schenker Eurocargo, gegründet. Für die Zusammenführung in den einzelnen Ländern wurden Arbeitsgruppen eingerichtet. Im Hintergrund spielten sich aber Ereignisse ab, mit denen BTL nicht rechnen konnte. Dabei spielte Hans-Jürgen Knauer, der Vorstandsvorsitzende der Stinnes AG eine Rolle, der schon den Kauf von Schenker von der Deutschen Bahn eingeleitet hatte. Der Schenker-Konzern hatte mit der Railship ein Schifffahrtsunternehmen gehabt, das von Stinnes im Zuge der Umstrukturierung in die Poseidon Schifffahrt AG eingebracht wurde. Die Reederei Poseidon fuhr im Pool mit Finnlines und machte etwa 35 Millionen DM Jahresergebnis. Der Poolvertrag belief sich auf 60 % Finnlines zu 40 % Poseidon, würde jedoch in vier Jahren auslaufen. Der Chef von Finnlines, Antti Lageroos, machte daher Hans-Jürgen Knauer das Angebot, die Poseidon gegen BTL zu tauschen. Stinnes war einverstanden, wenn er die Aktienmehrheit an BTL beschaffen konnte und deren Wert der Poseidon entsprach. Das bereitete Lageroos nun vor. 1995 trat er mit dem Geschäftsleiter der BTL in Finnland in Kontakt und bot ihm die Spedition Huolintakeskus an, welche zur Finnlines gehörte. Hakan Larsson traf darauf Lagerroos in Stockholm, der ihm ausführlich erklärte, dass Huolintakeskus ein professionelles Management und die Integration in eine größere Organisation brauchte. Das alles machte für Hakan Larsson Sinn. 1996 erwarb daher BTL das finnische Transportunternehmen Oy Huolintakeskus von der Reederei Finnlines AG für einen Kaufpreis von 300 Millionen Finnmark. Damit wurde die Position von BTL in Finnland, den baltischen Staaten und Russland gestärkt. Der Kauf wurde durch eine Emission von 18,6 Millionen BTL -Aktien fi37

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

nanziert, wodurch Finnlines zum größten Aktionär von BTL wurde. Lagerroos gelang es dann noch, die Anteile anderer Aktionäre zu erwerben und er wurde 1996 Aufsichtsratsvorsitzender der BTL . Houlintakeskus war daher so etwas wie das Trojanische Pferd, mit dem es Lagerroos gelang, die dominierende Rolle bei BTL zu erlangen. Im November 1997 gab es eine Aufsichtsratssitzung bei BTL , welche die Aufnahme konkreter Verhandlungen mit Schenker billigte. Dann legte Lagerroos die Information auf den Tisch, dass Finnlines seine BTL -Aktien verkauft hatte. Im Dezember 1997 erwarb Stinnes 35 % des Aktienkapitals mit 49,9 % der Stimmrechte an BTL im Tausch gegen den Fährliniendienst Poseidon Schifffahrt AG . „The 1997 financial year was also not made any less dramatic or eventful by BTL’s former main owner, Finnlines, first increasing its shareholding to a marked degree and then deciding to sell all the shares in a strategic deal with the German Stinnes Group, the owner of Schenker“, wie Hakan Larsson im Geschäftsbericht 1997 feststellte. BTL hatte ein Aktienkapital von 1,4 Milliarden schwedischen Kronen, 25.000 Aktionäre, davon 6.000 ausländische. 40 % waren Aktien Klasse A mit je einer Stimme und 60 % Klasse B mit einer Fünftelstimme. Anteil am Aktienkapital der BTL In Prozent Voting rights

share capital

Dezember 1996 Finnlines

45,8

31,6

Dezember 1997 Stinnes

49,9

35,0

Februar 1999 Stinnes

64,0

62,5

April 1999 Stinnes

98,4

97,5

BTL wollte mit Schenker zusammenarbeiten, war aber mit einem Mal nicht mehr ein gleichwertiger Partner, sondern hatte mit dem Hauptaktionär zu verhandeln. Unter den gegebenen Umständen war man sich aber einig, dass es nun schnell gehen sollte, da man mit dem neuen Zusammenschluss die Agenten der BTL verlieren würde. Mit dem Einstieg von Stinnes bei BTL als größtem Einzelaktionär schlossen BTL und Schenker ein Abkommen über die langfristige Partnerschaft im Sektor Europa Land. Damit fiel der Startschuss für die Zusammenführung der Landesgesellschaften im europäischen Landverkehr. Das Gemeinschaftsunternehmen Schenker Eurocargo und BTL Scansped unter dem Namen Schenker-BTL bot in Zusammenarbeit mit Schenker International und Schenker Logistics ein flächendeckendes logistisches Servicenetzwerk an. Beide gaben in den einzelnen Ländern zugunsten der Zusammenarbeit die Geschäftsbeziehungen zu anderen Partnern und Agenten auf. 1998 wurde ein Cooperation Agreement für das Zusammengehen auf Länderebene ge38

1997 – Übernahme BTL

schlossen. Ein Steering Committee, nun unter der Leitung von Hakan Larsson und mit den Mitgliedern Thomas Held, Knut Heymann, Wolfgang Monning, Harlad Silander und Eddie Sterner, traf die Entscheidung für die einzelnen Länder. Damit wurden die europäischen Länder aufgeteilt, entweder in Schenker-Gebiete oder in BTL -Gebiete. BTL erwarb in ihren Ländern die Schenkerfirmen und umgekehrt, häufig war der Direktor von Schenker der Vize von BTL bzw. umgekehrt. Schenker übernahm Eigentum und Geschäft der BTL -Land-Organisation in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Tschechien. BTL jenes von Schenker in Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland, den baltischen Staaten, Polen, Belgien, Niederlande, UK und Irland für die Summe von 300 Millionen schwedischen Kronen. Die Aktivitäten der Scansped Nord in Lübeck blieben bei BTL , die Spezialist Division wurde Anfang 1998 verkauft. Um als Netzwerk auftreten zu können traten die entsprechenden Landesgesellschaften ab Januar 1999 im europäischen Landverkehr unter dem einheitlichen Namen Schenker-BTL auf. Die Schenker-Organisation hatte bereits bisher den lang eingeführten Markennamen „Schenker“ für Land, Luft und See. Der BTL Landtransport firmierte bis dahin unter Scansped, Bilspedition, ColdSped, Huolintakeskus oder Kiitolinja und für Luft- und See unter Wilson. Ausnahmen der Umfirmierung gab es nur in wenigen Ländern, wie Italien mit Casteletti, in Ungarn (Masped-Trias) und Polen (Spedpol), wo BTL starke Minderheitsbeteiligungen hielt. Diese Zusammenschlüsse erfolgten erst später. Auch der Firmenname des schwedischen Unternehmens für Landtransporte, BTL Schweden AG , wurde im Oktober 1998 durch Schenker-BTL AB ersetzt. Die BTL -Muttergesellschaft, BTL AB , und andere Tochterunternehmen wie Wilson oder Scandinavian Rail Cargo ( SRC) waren davon nicht betroffen. 1998 war die gemeinsame Organisation in 17 Ländern bereits vollzogen. Allerdings hatte dies – neben der Krise in Russland – zur Reduktion des Transportvolumens und dem Verlust von einigen Agenten geführt. Die europaweite Trennung von Schenker- und BTL -Unternehmen zog jedoch einige Koordinationsprobleme nach sich. Bei Investitionen und vielen anderen Dingen erschien es effizienter, als eine einzige Organisation zu handeln. Hakan Larsson traf daher im September 1998 Bernd Malmström in London und es wurden die Möglichkeiten eines vollständigen Zusammenschlusses diskutiert. Dabei stand vor allem Schenker unter Druck. Stinnes bereitete seinen Börsengang vor, dabei machte die Investmentbank auf Ungereimtheiten bei Schenker aufmerksam, die sich negativ auswirken konnten. Schenker war zwar im Eigentum von Stinnes, aber Teile davon waren an BTL abgetreten worden. Stinnes war zwar Haupteigentümer von Schenker, aber eben nicht zu 100 %. Damit das für die Börse Sinn machte, sollte man BTL ganz kaufen, um eine klare Eigentümerstruktur zu haben. Im Februar 1999 unterbreitete Stinnes allen außenstehenden Aktionären der BTL ein Übernahmeangebot. Nach Ablauf der Frist am 20. April hielt Stinnes 97,5 % der Anteile und 98,4 % der 39

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Stimmrechte der BTL . Die restlichen Aktien sollten nach schwedischem Recht in Kürze übernommen werden können. Damit war ein rund eine Milliarde DM teurer Kauf abgeschlossen. Damit war die BTL -Gruppe in eine schwierige Situation geraten und es gab einige Aufregung und heftige Diskussionen. Manche großen Aktionäre wollten nicht verkaufen und nur durch das Einwirken von Hakan Larsson stimmten sie im April letztlich der Transaktion zu. Auch einige unabhängige Aufsichtsratsmitglieder waren gegen den Verkauf und es kam zu heftigen Wortgefechten zwischen ihnen und Bernd Malmström. Hakan Larsson selbst versuchte zu vermitteln. Im April/Mai war die Sache dann erledigt und Stinnes hatte 100 %, bezahlt wurde eine Prämie von 35 %, was als fair angesehen wurde. Im Mai 1999 wurde Hakan Larson, Managing Director der BTL , Mitglied des Vorstandes der Schenker AG (im Jahr 2000 Vorsitzender des Vorstandes) und verantwortlich für den gesamten europäischen Landverkehr. Ein Problem war noch die BTL -Beteiligung an Wilson. Das BTL -Tochterunternehmen, in dem die Luft- und Seefrachtgeschäfte des Konzerns gebündelt waren, wies 1997 mit 1.454 Beschäftigten einen Umsatz von 830 Millionen DM auf und war in Skandinavien Marktführer im See- und Lufttverkehr mit 90 Büros in 15 Ländern. Lagerroos hatte schon in seiner Zeit als Aufsichtsratspräsident der BTL darauf gedrängt, Wilson zu verkaufen. Für Hakan Larsson war das damals noch unverständlich, da Wilson den Luft- und Seebereich des Speditionsnetzes abdeckte und daher unbedingt notwendig war. Nun ging die BTL aber davon aus, dass für Wilson die Partnerschaft mit Schenker keine Synergieeffekte zeigen würde. Wilson arbeitete hauptsächlich mit Agenten in Übersee, diese Struktur wäre bei einem Zusammengehen mit Schenker, der überall mit eigenen Niederlassungen oder Beteiligungen arbeitete, nicht zu halten gewesen. Wilson passte nicht zu Schenker, das Management von Wilson war gegen ein Zusammengehen und der Preis war auch nicht attraktiv. Sie wurde 1999 an die skandinavische Investmentgesellschaft Nordic Capital Stockholm verkauft. Schenker hatte sich in diesem Zusammenhang verpflichtet, für einige Jahre in Skandinavien keine Luft- und Seefracht zu betreiben, was sich als Problem herausstellen sollte. Zusätzlich scheiterte die Zusammenlegung des italienischen BTL Tochterunternehmens Casteletti kläglich, aus welchen Gründen auch immer. Keine Fusion verläuft völlig reibungslos, selbst wenn anfangs immer von Partnern gesprochen wird. Auch BTL wurde deutlich, dass es doch große Unterschiede gab. Die beiden Unternehmen hatten unterschiedliche Kulturen in Bezug auf Organisation, Systeme und Entscheidungsfindung. BTL war straff organisiert, die SchenkerOrganisation dezentralisiert, wobei den einzelnen Landesgesellschaften ein erheblicher Spielraum zugestanden wurde. BTL war ein skandinavisches Unternehmen mit Ausläufern nach Osteuropa, dessen Struktur mit der weltweiten Struktur der Schenker Organisation nicht zu vergleichen war. BTL war auf Schweden ausgerichtet und dachte skandinavisch, so wie Schenker deutsch dachte. Bei BTL schien man ange40

2002 – Wiedererwerb durch die Deutsche Bahn

nommen zu haben, dass zumindest im europäischen Landverkehr BTL die Leitung übernehmen würde. Allerdings hatte Stinnes BTL erworben und nicht umgekehrt und die zukünftige Unternehmensphilosophie hatte daher auch für BTL von Schenker auszugehen, womit die Schweden aber noch einige Zeit Probleme hatten. Die Aktivitäten von Schenker und BTL wurden im europäischen Landverkehr gebündelt. Anfang 1999 firmierten Gesellschaften in rund 30 europäischen Staaten unter dem einheitlichen Namen Schenker-BTL . Mit der vollständigen Übernahme des schwedischen Transportkonzerns BTL war Schenker zum führenden Verkehrslogistikunternehmen in Europa aufgestiegen. Der Umsatz im europäischen Landverkehr hatte sich damit auf 6,6 Milliarden DM verdoppelt. Durch den weiteren Ausbau verfügte Schenker-BTL über ein europäisches Logistiknetz an 600 Standorten. Diese hohe Präsenz ermöglichte die Abwicklung eines großen Teils der Dienstleistungen im eigenen Netz. Der europäische Landverkehr war mit Abstand der größte Geschäftsbereich der Gruppe mit 19.700 Mitarbeitern. In der Luft- und Seefracht war Schenker mit 6.500 Mitarbeitern an 340 Standorten weltweit vertreten. 1998 konnten in der Luftfracht erstmals über zwei Millionen Sendungen abgewickelt werden. Das dritte Standbein der Schenker-Gruppe war der Bereich Logistics. Hier wurden alle Warehousing- und Value-added-Services-Aktivitäten gebündelt. Die Sparte setzte 1998 rund 500 Millionen DM um und konzentrierte sich in erster Linie auf die Branchen Automotive, Aerospace, Konsumgüter und Elektronik. Schenker Automotive Logistics zählte zu den führenden Anbietern von Systemlogistics für die internationale Automobil- und Zulieferindustrie. 2002 – Wiedererwerb durch die Deutsche Bahn Bei Stinnes hatte man den nicht gerade bescheidenen Anspruch, im eigenen Geschäftsbereich stets die Nummer eins zu werden. Stinnes war kein Investor, der Unternehmen kaufte und dann rasch wieder mit Gewinn abstieß (wie sogenannte Heuschrecken), sondern hatte den Ehrgeiz, eines der weltweit führenden Speditionsunternehmen auf die Beine zu stellen. Im Jahr 2002 war Schenker mit einem Umsatz von sechs Milliarden Euro und 32.000 Mitarbeitern an rund 1.000 Stützpunkten in über 100 Ländern ein hoch profitabler Logistikdienstleister geworden. Die Stinnes AG hat das Unternehmen daher nachhaltig verändert. Die Konzernmutter stellte nicht nur Investitionskapital in erheblichem Ausmaß zur Verfügung, sondern führte drei Speditionsunternehmen zusammen. Sie setzte verstärkt privatwirtschaftliches Denken und Entscheidungsstrukturen durch und brachte zusätzliche Dynamik und Größenwachstum in das Unternehmen. Stinnes war für Schenker so etwas wie ein privatwirtschaftliches Fitnessprogramm, dessen Auswirkungen bis heute anhalten. 41

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

Aber die Geschäftspolitik der Muttergesellschaft änderte sich gegen Ende der 1990er Jahre. Die Stinnes AG war selbst eine Tochter der VEBA , ursprünglich eine Holding für staatliche Industriebeteiligungen, aber nach ihrer Privatisierung ein börsennotiertes Unternehmen. Die VEBA hatte Interessen in verschiedenen Geschäftsbereichen, ab den 1990er Jahren begann sie sich jedoch auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Am 27. September 1999 schloss sie sich mit der VIAG zur E.on, und damit zu einem der weltweit größten privaten Energieversorger, zusammen. Die Konzentration auf das Kerngeschäft bedeutete, dass sie sich von der Stinnes AG , und damit auch vom Verkehrsbereich, trennte. 1999 brachte sie daher Stinnes an die Börse, die Veba AG gab 34,5 % der Geschäftsanteile ab und erklärt die Absicht, sich in zwei bis drei Schritten ganz von Stinnes zu trennen. 2002 erfolgte die mehrheitliche Übernahme der Stinnes AG durch die Deutsche Bahn. Die am 17. Februar 2003 von der Hauptversammlung der Stinnes AG beschlossene Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an den Hauptaktionär, die DB Sechste Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Bahn AG) wurde am 09. Mai 2003 ins Handelsregister eingetragen. Die Börsennotierung der Stinnes AG wurde eingestellt. Stinnes war nun Teil der Deutschen Bahn. Am 15. Oktober 2002 übernahm Bernd Malmström, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG , den Vorsitz der Stinnes AG . Unter dem Dach von Stinnes wurden die bisherigen Töchter Schenker und die Güterverkehrsaktivitäten der Bahn zusammengeführt. Der Wiedererwerb von Schenker durch die Deutsche Bahn klingt erstaunlich, da sich diese nur gut zehn Jahre vorher von ihrem Speditionsunternehmen getrennt hatte. Doch nicht nur Schenker war nun ein wesentlich leistungsfähigeres Unternehmen, auch die Deutsche Bahn hatte sich verändert. Von der Politik her hatte die Bahn einen ehrgeizigen Privatisierungsauftrag mit dem Fernziel eines Börsengangs bekommen. Das Zusammengehen mit einem weltweiten Speditionsunternehmen sollte die privatwirtschaftliche Ausrichtung erleichtern und verstärken. Um die Spedition zu erwerben, hatte die Deutsche Bahn den gesamten Stinnes zu übernehmen, einschließlich des zweiten bedeutenden Geschäftsbereichs, der Chemiedistribution Brenntag. Auch dort hatte Stinnes hohe Investitionen getätigt und sich zum globalen Marktführer entwickelt. Die Deutsche Bahn hat für Stinnes 2,5 Milliarden Euro bezahlt (plus die im Unternehmen vorhandenen Schulden) und bekam durch den Wiederverkauf von Brenntag 1,2 Milliarden Euro, weshalb der Aufwand für Schenker 1,3 Milliarden Euro betrug. Mit der Integration von Stinnes/ Schenker war die Deutsche Bahn AG nicht nur einer der führenden Anbieter im europäischen Schienenverkehr, sondern nun auch führend im Bereich Transport und Logistik. Der Marktauftritt erfolgte mit den Geschäftsfeldern Schenker, Railion und Stinnes. Schenker hatte eine führende Position in den europäischen Landverkehren sowie in der weltweiten See- und Luftfracht, Railion war in Europa im Schienen42

2002 – Wiedererwerb durch die Deutsche Bahn

güterverkehr der führende Anbieter. Mit 39.000 Mitarbeitern an 1.100 Standorten unterstrich Schenker seine Position als führender Logistikdienstleister weltweit. Bernd Malmström hatte Schenker praktisch zweimal gekauft, einmal für Stinnes und einmal für die Deutsche Bahn. Der Verkauf von Schenker an die Deutsche Bahn wurde aber durchaus unterschiedlich gesehen. Bei Stinnes selbst hätte man einen Börsengang vorgezogen, aber die Konjunktur war nicht entsprechend und so konnte VEBA einen besseren Preis mit der Deutschen Bahn erreichen. Oder man hätte sich zumindest einen anderen Käufer gewünscht, mit mehr Internationalität, so aber blieb Schenker ein deutsches Unternehmen. Außerdem fürchtete man, bei der Bahn auf wenig Verständnis für eine internationale Spedition zu stoßen, deren finanzielle Erfordernisse keine Priorität gegenüber dem Erwerb von Lokomotiven oder dem Bahnhofausbau haben konnte. Bei der Bahn werde es keine großen Investitionen mehr geben, so die Befürchtung, daher sei die DB als Eigentümer problematisch. Bernd Malmström selbst hatte eine Vision vor Augen und sah die Möglichkeiten der Integration von Schenker in die Deutsche Bahn. Eigentumsveränderungen und Fusionen lösen in Unternehmen immer Beunruhigung aus. Eingespielte Arbeitsprozesse werden verändert, unterschiedliche Unternehmenskulturen treffen aufeinander, Managementpositionen werden neu verteilt und „Synergie“ ist häufig eine freundliche Umschreibung für Personalabbau. So war das schon 1989 bei der Übernahme von Schenker durch Stinnes gewesen, aber auch 2002, als die Deutsche Bahn das nun wesentlich größere Speditionsunternehmen wieder erwarb. Nun gab es viele Unsicherheiten und Ängste  : Fallen wir wieder in die alte Behördenmentalität wie bei der alten Bundesbahn  ? Die Deutsche Bahn war aber nicht mehr vergleichbar mit der früheren Bahn. Mit der Liberalisierung des Schienenverkehrs brauchte sie auch einen internationalen Teil, dort gab es Synergien im Verkauf und in der Auslastung der Züge. Die Ängste wurden widerlegt, die Bahn hat Schenker mit den Akquisitionen in Frankreich, Spanien, Rumänien und vor allem dem Erwerb von BAX weiter aufgebaut und bei den notwendigen Investitionen wurde kaum ein Antrag abgelehnt. In der Zeit der Deutschen Bahn wurde mehr investiert als vorher bei Stinnes. Auch die Deutsche Bahn hatte sich in dem Jahrzehnt der Leitung von Hartmut Mehdorn verändert und war mit der Vision der Privatisierung näher an privatwirtschaftliche Strukturen herangekommen. Trotz mancher Kritik, die Bahn sollte lieber mehr in die heimische Infrastruktur und den Ausbau der Bahnhöfe investieren, hat sie ihr Tochterunternehmen Schenker durch Akquisitionen und Investitionen weiter ausgebaut. Denn für den geplanten Gang an die Börse war die Schiene allein zu wenig, man brauchte schon die Fantasie von einem globalen Logistikunternehmen. Bereits im Jahr 2000 hatte Schenker mit der DB Cargo AG das Joint Venture „Railog“ für bahnaffine Logistikdienstleistungen gegründet. Diese organisierte für Kunden in Deutschland, Holland und Dänemark Logistikdienstleistungen, die auf 43

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

der langen Strecke über die Schiene abgewickelt wurden und im Vor- und Nachlauf die Straße nutzten. 2004 ging Railog zu 100 % an Schenker, erzielte mit 30 Mitarbeitern an fünf Standorten einen Umsatz von 40 Millionen Euro und wurden in das deutsche Hub-System eingebunden. Ab dem 1. September 2003 wurde der Unternehmensbereich Transport & Logistik der Deutschen Bahn AG unter der Firma Stinnes AG vom neuen Firmensitz in Berlin aus geführt. Zu Stinnes gehörten die Railion AG , Mainz, und die Schenker AG , Essen. Die Vertriebseinheiten des Schienengüterverkehrs wurden unter dem Namen Stinnes Freight Logistics und Stinnes Intermodal Teil der Stinnes Holding in Berlin. Ab dem 1. Januar 2003 wurde der Wortteil Eurocargo durch Schenker ersetzt und ab 2005 die Marke „DB Logistics“ für alle Geschäftsfelder des Logistikbereichs der Deutschen Bahn eingeführt. Schenker erhielt daher im Logo die Unterzeile Schenker „DB Logistics“. Schenker weltweit 2004 Gesamtumsatz in Mio. Euro

Mitarbeiter

Standorte

Landverkehr

3.867

22.100

700

Luft- und Seefracht

3.129

10.500

800

Logistik

1.046

6.400

400

Gesamt

8.042

39.000

1.100

(Bei den Standorten Mehrfachzählungen aufgrund von mehrfach integriertem Einsatz.) 2006 – Fusion mit BAX Schon vor der Übernahme durch die Deutsche Bahn hatte Schenker auf eine größere Akquisition in den USA hingearbeitet, um das dortige Netz entscheidend auszubauen. Dazu war es nun nicht mehr gekommen und man war nicht sicher, ob die Deutsche Bahn Kapital für solche Auslandsinvestitionen zur Verfügung stellen konnte. Schließlich erfolge am 1. Januar 2006 der Erwerb der BAX Global Inc. von der Brink’s Company um 1,1 Milliarden US -Dollar durch die Deutsche Bahn. Die Brink’s Company war neben dem Logistikbereich in Kohle, Bergbau und im Sicherheitsbereich geschäftlich aktiv, wollte sich aber zu einer reinen Security Company umstrukturieren. Mit der nun erfolgten Integration von Schenker und BAX entstand ein Logistikunternehmen mit 55.000 Beschäftigten an 1.500 Standorten in 150 Ländern. Dahinter stand die Vision, der weltweit führende Anbieter für globale inte­ 44

2006 – Fusion mit BA X

grierte Logistikdienstleistungen zu werden. Tatsächlich war das neue Unternehmen bereits 2006 die • • • • •

Nummer eins im europäischen Landverkehr Nummer zwei in der weltweiten Luftfracht Nummer drei in der weltweiten Seefracht Nummer sechs in der globalen Kontract-Logistik Nummer drei in US -integrierten Schwertransporten

BAX Global Inc., mit dem Hauptquartier in Irvine, Kalifornien, war 1972 als Burlington Northern Air Freight Inc. gegründet worden. Das Unternehmen wuchs rasch und hatte bereits nach fünf Jahren 820 Mitarbeiter. 1986 veränderte es seinen Namen in Burlington Air Express Inc. und 1997 – zum 25-jährigen Bestand – in BAX Global, um die seit 1994 begonnene internationale Ausrichtung zu unterstreichen. Das Unternehmen erwirtschaftete 2005 einen Umsatz von 2,9 Milliarden US -Dollar. Es war neben dem Binnentransport in den USA weltweit im Luft- und Seeverkehr und im Supply Chain Management vertreten, hatte Großkunden vor allem in Electronics und Konsumgütern und gehörte zu den Top 20 der USA im Schwertransport. BAX bezeichnete sich als eine „supply chain management and transportation solutions company“, die „multi-modal logistics management for business to business shipments“ über ein globales Netzwerk von an die 500 Büros in 136 Ländern mit 12.000 Mitarbeitern anbot. Joey Carnes, CEO of BAX Global, kam nun in den Vorstand von Schenker Essen und Thomas C. Lieb in das Board of Management von BAX Global. Die Vision bei der Fusion lautete  : “To be the world’s leading integrated logistics provider”. Schenker war damals in der Seefracht die Nummer fünf, in der Luftfracht die Nummer sechs oder sieben. Das waren Bereiche, bei denen Größenvorteile eine Rolle spielen. Wenn man nicht in der Liga der Großen mitspielte, bestand die Gefahr, dass man aus dem Markt herausfiel. Entweder hätte Schenker die weltweite Luft- und Seefracht verkaufen müssen, da man dort zu klein war, oder man war bereit, wirklich zu investieren, was dann auch geschah. Mit BAX verbesserte Schenker seine weltweite Marktposition bei der Luftfracht vom siebten auf den zweiten Platz, in der Seefracht vom fünften auf den dritten Platz und auch bei der Kontraktlogistik brachte BAX eine ganz erhebliche Weiterentwicklung. Schenker war in den USA schon seit 1912 vertreten, hatte aber in diesem schwierigen Marktumfeld nie eine entsprechende Größenordnung erreichen können. Mit BA X sollte der Durchbruch gelingen. Da BA X auch in Asien eine starke Stellung hatte, bestand die Hoffnung, den transpazifischen Verkehr auf ein neues Niveau zu heben. In vielerlei Hinsicht ergänzten sich die beiden Unternehmen, wie auch Thomas Lieb, Vorstand für Luft- und Seeverkehr und verantwortlich für die Integration 45

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

von Bax Global in Schenker feststellte  : “With BAX we will significantly expand our position in air and sea freight, which are particularly important for the global supply chains that are constantly growing in demand. At the same time, we will substantially enhance our presence on the North American market and particularly in Asia. In contract logistics, the business of the future, we will also be able to position ourselves even more effectively.” Bei den IT-Systemen war es allerdings schwer, in 60 Ländern ein gemeinsames System zu haben. Daher musste ein neues zentrales IT-System entwickelt werden. Natürlich stand man nun vor einer Aufgabe mit völlig neuer Dimension. Denn das Zusammengehen zweier Einheiten dieser Größenordnung mit unterschiedlichen Unternehmenskulturen und Denkweisen – einer vorwiegend deutschen und einer amerikanischen – brachte nicht nur Anknüpfungspunkte, sondern auch Brüche. In Europa war BAX in Großbritannien, Irland, Tschechien, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark, Deutschland, Schweiz, Österreich und Schweden vertreten. Hier und in den USA und Asien/Pazifik waren Teams aus beiden Unternehmen über längere Zeit intensiv damit beschäftigt, die Systeme und Arbeitsweisen zu koordinieren und die rechtliche Zusammenführung der beiden Gesellschaften in den Ländern mit Doppelstrukturen zu planen und durchzuführen. Es war ein Grundsatz beim Erwerb, dass es sich nicht um eine Übernahme, sondern um eine Fusion von zwei Gleichen handeln sollte, die beide auf ihren Märkten eine führende Rolle einnahmen, BAX in den USA und Schenker in Europa. Dementsprechend war es eine Bedingung des Verkäufers, dass jedem Mitarbeiter ein Posten in dem neuen Gesamtunternehmen angeboten werden musste, was durchaus auch der Kultur der Deutschen Bahn entsprach. Damit hatte Schenker in jenen Ländern, in denen auch BAX vertreten war, ein Überangebot an Führungskräften, da auch das BAX-Management entsprechend zu berücksichtigen war. 2012 – DB Schenker Logistics Im Jahr 2008 beschloss die deutsche Bundesregierung die Teilprivatisierung der Bahn. Bis zu 24,9 % der neu gegründeten „DB Mobility Logistics AG “ mit Gesellschaften des Personenverkehrs, des Güterverkehrs und der Dienstleistungen sollten an den Kapitalmarkt gebracht werden. Das Schienennetz und die Bahnhöfe sollten in staatlichem Eigentum verbleiben. Nach dem DB -Vorstandsvorsitzenden sollte dies ein Schritt auf dem Weg zum weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen werden. Durch die weltweite Finanzkrise ist es dazu aber nicht gekommen. Im selben Jahr wurde auch die Marke verändert, von „Schenker DB Logistics“ auf „DB Schenker“, in Übereinstimmung mit der neuen Markenstrategie der Deutschen Bahn, bei der „DB Mobility, Networks, Logistics“ in die Segmente „DB Bahn“, „DB Netze“ und 46

2012 – DB Schenker Logistics

„DB Schenker“ unterteilt wurde. In der langen und wechselvollen Geschichte hat sich der Name Schenker bei allen Fusionen und Organisationsveränderungen aber immer wieder durchgesetzt. Die Marke Schenker ist einprägsam und hat Weltgeltung. „ DB Schenker“ setzt sich aus den Geschäftsfeldern „ DB Schenker Rail“ und „ DB Schenker Logistics“ zusammen. Es steht heute für die gesamten Transport- und Logistikaktivitäten der Deutschen Bahn und zählt zu den weltweit größten Transportund Logistikdienstleistern. Im Geschäftsjahr 2012 wurde ein Umsatz von rund 20,3 Milliarden Euro erzielt – und damit rund 52 Prozent des Umsatzes im gesamten DB -Konzern. DB Schenker bildet mit 96. 000 Mitarbeitern an 2.000 Standorten in allen wichtigen Wirtschaftsregionen ein globales Netzwerk in rund 130 Ländern. Es bietet lückenlose Transportketten über alle Verkehrsträger an – Bahn, Lkw, Schiff oder Flugzeug –, kombiniert mit komplexen logistischen Zusatzleistungen, etwa in der Automobil-, Konsumgüter- oder Hightech-Industrie. Bei der Übernahme durch Stinnes im Jahr 1989 hatte Schenker 12.781 Mitarbeiter. 2012, etwa zwei Jahrzehnte später, ist DB Schenker Logistics mit 64.200 Mitarbeitern und einem Umsatz von 15,39 Milliarden Euro weltweit führend in der Branche. Mit den drei Geschäftsbereichen europäischer Landverkehr, weltweite Luftund Seefracht sowie logistische Lösungen und globales Supply-Chain-Management hat es Top-Positionen in den Bereichen Automotive, Hightech, Konsumgüter sowie Messespedition, Spezialverkehre und Dienstleistungen für große Sportveranstaltungen. Die Netzwerke wurden in den vergangenen Jahren sowohl durch umfangreiche Investitionen in Logistikcenter und IT-Infrastruktur als auch mit Akquisitionen systematisch weiter ausgebaut. Das Angebot umfasst integrierte Logistikleistungen für weltweite Warenströme im Landverkehr und in der Luft- und Seefracht sowie sämtliche damit verbundenen logistischen Dienstleistungen. DB Schenker erarbeitet durchgängige Lösungen und verknüpft die Module des gesamten Dienstleistungsangebots zu komplexen Wertschöpfungsketten, um einen zuverlässigen Waren- und Informationsfluss zu gewährleisten. Damit verfügt die DB in ihrem Ressort Transport und Logistik über eine gewachsene Kompetenz für alle Verkehrsträger  : • Als Spezialist für Landverkehre in Europa verbindet das Unternehmen die europäischen Wirtschaftsregionen mit einem dichten Netz von Linienverkehren nach Fahrplan. Mit rund 25.000 Mitarbeitern an mehr als 720 Standorten ist DB Schenker Logistics die Nummer eins im europäischen Landverkehr • Als Nummer zwei in der Luftfracht und Nummer drei in der Seefracht zählt es in diesen Bereichen zu den führenden Anbietern weltweit. Das Angebot umfasst die gesamte Palette der Dienstleistungen in der globalen Luft- und Seefracht. Etwa 22.000 Mitarbeiter sind an 700 Standorten in der Luftfracht und 600 Standorten in der Seefracht in aller Welt aktiv 47

Von Schenker & Co. zu DB Schenker

• In der Kontraktlogistik bietet DB Schenker Logistics mit 16.300 Mitarbeitern auf allen Kontinenten an über 600 Standorten Logistiklösungen für Industrie und Handel. DB Schenker rangiert in der Kontraktlogistik weltweit unter den Top Sechs.

DB Schenker Rail betrifft die Güterbahn der Deutschen Bahn. Mit einem Umsatz von 4,92 Milliarden Euro und 31.800 Mitarbeitern ist es einer der führenden Anbieter im europäischen Schienengüterverkehr. DB Schenker Rail operiert mit eigenen Gesellschaften, Tochterunternehmen, Beteiligungen und Joint Ventures in 15 Ländern Europas. Besonders in Südosteuropa arbeitet DB Schenker Rail im Vertrieb mit Schenker Logistics. Mit grenzüberschreitenden Verkehren bietet DB Schenker Rail Transportleistungen in den Segmenten Ganzzüge, Einzelwagensystem und Kombinierte Verkehre. Schwerpunkte bilden die Marktbereiche Montan, Chemie & Mineralöl, Baustoffe-, Industrie- und Konsumgüter, Intermodal und Automotive. DB Schenker Rail fährt täglich rund 5.000 Güterzüge. Die Verkehrsleistung lag 2012 bei 106 Milliarden Tonnenkilometern. Die Menge der beförderten Güter betrug 398,7 Millionen Tonnen. Mit rund 109.000 Güterwagen und 3.587 Lokomotiven – davon ein hoher Anteil an grenzüberschreitend einsetzbaren Mehrsystem-Loks – verfügt DB Schenker Rail über den europaweit größten Fuhrpark. Bereits heute fahren fast 60 % der Güterzüge über zumindest eine Grenze.

48

Geschäftsstrategie in der Transformation

Mit Beginn des Kalten Krieges ab 1948 wurde Europa wirtschaftlich zweigeteilt  : in einen marktwirtschaftlichen „Westen“ und einen planwirtschaftlichen „Osten“. Der bis in die Zwischenkriegszeit lebhafte Außenhandel zwischen diesen Regionen begegnete nun erheblichen Hindernissen. Der kommunistische „Osten“ baute staatliche Strukturen mit Monopolbetrieben in allen Wirtschaftsgebieten auf und versuchte, vom kapitalistischen „Westen“ unabhängig zu sein. 1945 hatten einige Länder – wie etwa die Tschechoslowakei – noch einen „dritten Weg“ zwischen Kommunismus und Kapitalismus gesucht. Es kam zwar zu Verstaatlichung, Enteignungen und planwirtschaftlichen Ansätzen, aber die Westkontakte normalisierten sich, soweit dies in der ersten Nachkriegszeit möglich war. Diese Phase endete Anfang 1948 mit der kommunistischen Machtübernahme. Nun kam es zum Versuch einer völligen Abschließung von der kapitalistischen Welt, die im Westen durch den Marshallplan verstärkt wurde. Jedes Land, das sich am Marshallplan beteiligte, musste sich den von den USA vorgegebenen Exportverboten für militärisch relevante Produkte (und das konnte fast alles sein) unterwerfen. Die kommunistischen Länder waren damit vom westlichen Kapital-, Technologie- und Know-how-Transfer abgeschnitten. Als Antwort auf den Marshallplan schlossen sie sich 1949 zum Council on Mutual Economic Assistance (RGW) zusammen und versuchten eine sozialistische Arbeitsteilung zu erreichen mit eigener Verrechnungswährung und einer Spezialisierung der einzelnen Länder. So sollte etwa Ungarn sämtliche Busse und Rumänien alle Lokomotiven erzeugen. Der Erfolg blieb aber beschränkt, da jedes Land eine ähnliche Wirtschaftsstruktur aufbaute und versuchte, vor allem Maschinen zu exportieren. Der Staat übernahm die zentrale Planung für die gesamte Wirtschaftstätigkeit in Form hierarchischer Strukturen. Die Entscheidungen gingen von oben nach unten und die Informationen von unten nach oben. Die oberste Instanz gab die Produktionsziele als Mehrjahresplänen vor. Diese wurde dann nach Regionen und Branchen bis hin zu den einzelnen Unternehmen aufgeschlüsselt. Die Unternehmen forderten 49

Geschäftsstrategie in der Transformation

auf dieser Grundlage die notwendigen Investitionen, Arbeitskräfte und Rohstoffe an. Dies wurde dann bis hin zum obersten Entscheidungsgremium zusammengefasst, entsprechend adaptiert und genehmigt. Es war auch den Planern klar, dass hier eine entscheidende Schwäche des Systems lag. Die Unternehmen versuchten, ihr Produktionsziel gering anzusetzen und die dafür notwendigen Ressourcen hoch, um das Planziel bequem erreichen zu können. Zusätzlich lagen den Plänen Mengen und nicht Preise zugrunde. Die Unternehmen kannten ihre Stückkosten zumeist nicht. Der typische Unternehmensvertreter der Planwirtschaft war daher der Ingenieur und nicht der Finanzchef wie im westlichen System. Das zeigte sich etwa an den Investitionen. Wie allgemein bei der staatlichen Verwaltung wurden Investitionen beantragt, aber nach deren Genehmigung nicht mehr auf Wirtschaftlichkeit hin überprüft. Sie gingen nicht mehr in eine Kalkulation oder Rentabilitätsrechnung ein. Die Unternehmensleitung war politisch eingesetzt. Ihr sozialer und materieller Status hing von ihrer Stellung in der Partei ab. Im Unternehmen war lediglich die Planerfüllung zu erreichen, lag man darüber, wurden die Anforderungen im Folgejahr höher geschraubt, lag man darunter, konnte das erhebliche Sanktionen zur Folge haben. Jede Innovation und Neuerung war daher gefährlich, da sie mit dem Risiko des Scheiterns behaftet war. Außerdem war die Unternehmenstätigkeit wesentlich eingeschränkt. Da zu den anerkannten Vorteilen des planwirtschaftlichen Systems die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die egalitäre Einkommensgerechtigkeit gezählt wurden, war es kaum möglich, Standorte zu schließen, Arbeiter zu entlassen oder leistungsmäßig zu entlohnen. Für die Arbeiter bedeutete das, dass eine erhöhte Leistungsbereitschaft eher zu Auszeichnungen führte, als zu materiellen Vorteilen. Planwirtschaftliche Länder waren nicht immer planwirtschaftlich. Auch sie hatten ihre erste Industrialisierung bis in die 1940er Jahre (bzw. 1917 für die UdSSR ) auf einer marktwirtschaftlichen Grundlage vollzogen. Die Startvoraussetzungen waren daher unterschiedlich, je nach dem übernommenen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung, der Ausbildung der Bevölkerung und der vorhandenen Rohstoffe. Die Sowjetunion war von der Größe, den Ressourcen und der politischen Weltmachtstellung her ein Kapitel für sich. Die anderen Staaten kopierten mehr oder weniger deren Wirtschaftsmodell. Unterschiedlich war der Kontakt mit dem Westen. Manche Länder schränkten die Reisefreiheit fast völlig ein und erlitten dennoch einen Brain Drift durch „Republikflucht“, wie die DDR . Ungarn und Jugoslawien bauten hingegen den Fremdenverkehr auf, der zwangsläufig zu Westkontakten führte. Zusätzlich erlaubte Ungarn private Familienbetriebe und Jugoslawen konnten als „Gastarbeiter“ vor allem in Westdeutschland tätig sein. Diese wurden daher mit „westlichen“ Konsumund Arbeitsformen konfrontiert und ihre Geldsendungen in die Heimat erleichterten die Zahlungsbilanzproblematik des Landes. Nach dem Vorbild der Sowjetunion forcierten die planwirtschaftlichen Länder eine „Catch up Industrialisation“ mit dem Vorrang der Schwerindustrie, des Maschi50

Geschäftsstrategie in der Transformation

nenbaus und der Rüstungsindustrie. Hier waren auch die wirtschaftlichen Erfolge bis in die 1960er Jahre zu sehen. Bei Militär- und Prestigeobjekten (etwa der Raumfahrt) konnten selbst Höchstleistungen erreicht werden. Vernachlässigt wurden – in unterschiedlichem Ausmaß – die Landwirtschaft, Infrastruktur und vor allem die Konsumgüterindustrie. Diese litt zusätzlich unter einer weitgehenden Standardisierung, was die Auswahl für den Konsumenten deutlich einschränkte. So gab es zwar schon Schuhe zu kaufen, aber nur zwei oder drei Modelle zur Auswahl. Weitgehend unter die Räder kamen auch das Handwerk und die Klein- und Mittelbetriebe. Die Nachteile der zentralen Planung zeigten sich letztlich beim Aufkommen der Informationstechnologie. Kreativität lässt sich nicht von oben befehlen, sondern nur dezentral entwickeln. Ab Ende der 1960er Jahre war dies auch den sozialistischen Planern zunehmend bewusst und es setzten in verschiedenen Ländern Reformen ein, welche den Unternehmen einen größeren Entscheidungsspielraum bieten sollten. Letztlich scheiterten alle diese Reformen aber am Machtanspruch der Partei, denn damit wären dezentrale Entscheidungsstrukturen entstanden, die sie nicht mehr kontrollieren hätte können. BNP real pro Einwohner Durchschnittliches jährliches Wachstum in Prozent 1950  –  73

1973  –  92

Österreich

4,9

2,2

Deutschland

5,0

2,1

Tschechoslowakei

3,1

−1,4

Ungarn

3,6

0,0

Polen

3,4

−0,6

UdSSR

3,4

−1,4

Bulgarien

5,2

−1,4

Jugoslawien

4,4

−0,5

Rumänien

4,8

−1,6

Quelle  : Angus Maddison, Monitoring the World Economy 1820  –  1992, OECD Development Center Studies, Paris 1995, S.47.

Ab Ende der 1960er Jahre ging das Wachstum in den planwirtschaftlichen Ländern deutlich zurück. An sich war das planwirtschaftliche System bereits zu dieser Zeit am Ende, da es 25 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg die Bevölkerung noch immer nicht ausreichend versorgen konnte. In den 1970er Jahren kam es zusätzlich zu einer Krise der Weltwirtschaft (Ende Bretton Woods, Erdölkrisen), sodass die Restriktionen auf beiden Seiten gelockert wurden. Im Westen stieg das Interesse am Export und im Osten erlaubte man nun sogar Kapitalbeteiligungen in Form von Joint Ventures und 51

Geschäftsstrategie in der Transformation

Auftragsfertigungen für westliche Unternehmen. Ab den 1970er gingen die planwirtschaftlichen Länder im Außenhandel von Verrechnungsrubel zu konvertiblen Währungen über. Damit öffneten sie sich der Logik des Weltmarktes. Dies führte jedoch zu Zahlungsbilanzproblemen und zu einem eklatanten Devisenmangel. Zwischen 1960 und 1980 wuchsen die Exporte der osteuropäischen Staaten um das 13fache, die Importe um das 15fache und das Handelsbilanzdefizit stieg um das 290fache. Insgesamt stieg die Verschuldung in den meisten planwirtschaftlichen Ländern dramatisch an, für die osteuropäischen Länder erhöhte sie sich von 1960 bis 1989 von 5,1 Milliarden US -Dollar auf über 100 Milliarden. Da die Kreditgewährung häufig über staatliche Garantien der westlichen Länder abgesichert war, lag das Risiko auch beim westlichen Steuerzahler. Die Verschuldung ermöglichte den Fortbestand der Planwirtschaften, sie waren aber eine schwere Hypothek. Das Erbe war eine unausgeglichene Wirtschaftsstruktur, die weit hinter jener der marktwirtschaftlichen Länder lag. Der Übergang von der Marktwirtschaft zur Planwirtschaft Ende der 1940er Jahre wurde durch die vorhandenen staatlichen Strukturen erleichtert. Zusätzlich waren alle Länder während des Zweiten Weltkriegs zu planwirtschaftlichen Methoden übergegangen, die nun weiter fortgeführt werden konnten. Für den Wechsel von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft gab es aber kein Vorbild und auch westliche Berater – vor allem aus den USA – hatten kein Patentrezept. Die Folge war daher vorerst ein Chaos. Beim Übergang zur Marktwirtschaft konnten die bestehenden Staatsbetriebe nicht einfach geschlossen werden. Sie mussten vorerst weiterarbeiten, selbst wenn sie Verluste einfuhren, die durch staatliche Subventionen bzw. über den verstaatlichten Bankenbereich ausgeglichen wurden. Da manche Länder diese Unternehmen nicht einfach ausländischen Investoren überlassen wollten, erfolgte die Privatisierung vielfach über „Voucher“, also Gutscheine an die Mitarbeiter bzw. die Bevölkerung, und/oder über Management-Buy-out. Damit kam aber weder neues Kapital noch Know-how herein, sodass man schließlich über westliche Beteiligungen bzw. Übernahmen nicht hinweg kam. Außerdem baut die Marktwirtschaft auf rechtlichen Grundlagen auf – wie Eigentums- und Vertragsrecht –, die erst eingeführt werden mussten. Die Marktwirtschaft bedeutete für alle diese Länder daher vorerst einmal eine schwere Wirtschaftskrise mit einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung, Einkommensverlusten, Arbeitslosigkeit und hoher Inflation. Von der Bevölkerung ist viel verlangt worden. Zuerst hatte sie Opfer zu bringen, um den Kommunismus aufzubauen, dann musste sie Opfer bringen, um die Marktwirtschaft aufzubauen. Es ist erstaunlich, dass es nach der Öffnung kaum zu politisch-sozialen Unruhen kam. Die Antwort war eher individuell, in der Arbeitsemigration oder Auswanderung.

52

Geschäftsstrategie in der Transformation

Jährliche Veränderung des realen BNP pro Einwohner Osteuropa

ehemalige UdSSR

1988

−0,7

1,3

1989

1,6

1,0

1990

−7,9

−3,1

1991

−11,1

−6,8

1992

−5,2

−15,0

1993

−1,4

−10,1

1994

4,2

−14,2

1995

6,0

−5,5

1996

4,0

−3,1

1997

2,7

2,2

Rückgang des BNP real seit 1989 Land

Tiefpunkt

Rückgang

Jugoslawien

1993

−47

UdSSR

1996

−45

Rumänien

1992

−28

Bulgarien

1997

−26

Ungarn

1993

−20

Tschechoslowakei

1993

−18

Polen

1991

−17

Quelle  : Angus Maddison, The World Economy  : Historical Statistics, OECD Development Centre Studies, Paris 2003, S.237.

Bevölkerung in 1.000 Jahr Tschechien Slowakei

1990*

2011

10.363

10.497

5.298

5.398

10.374

9.974

Slowenien

1.998

2.053

Kroatien

4.778

4.403

Serbien

7.568

7.259

613

620

Ungarn

Montenegro

53

Geschäftsstrategie in der Transformation

Jahr

1990*

2011

Bosnien-Herzegowina

3.660

3.840

Makedonien

2.028

2.059

Albanien

3.182

2.832

Rumänien

23.207

18.991

Bulgarien

8.718

7.348

Südosteuropa Russland

81.787

75.274

147.913

142.961

Ukraine

51.892

45.706

Weißrussland

10.177

9.672

Polen

38.119

38.530

1.569

1.296

Lettland

2.663

2.059

Litauen

3.698

3.029

Osteuropa

256.031

243.253

Zusammen

337.818

318.527

Estland

* Anzahl der Einwohner zu anderen Zeitpunkten  : Serbien 1998, Montenegro 2000, Bosnien-Herzegowina 1995, Weißrussland 1995.

Die Bevölkerung der gesamten Region ist in den 20 Jahren um über 19 Millionen oder sechs Prozent zurückgegangen. Das betraf nicht alle Länder, sondern vor allem Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien und die Länder der ehemaligen UdSSR . Trotz aller Krisen war der wirtschaftliche Aufstieg doch beachtlich. Das BNP pro Einwohner war um das Zwei- bis Dreifache gestiegen, zurück blieben lediglich einzelne Länder Ex-Jugoslawiens und der ehemaligen UdSSR . Dabei konnten die Wachstumsraten entweder auf eine relativ günstige Ausgangssituation zurückgeführt werden – wie bei Slowenien, der Tschechoslowakei und Ungarn – oder auf einen niedrigen Wert am Anfang, wie bei Rumänien. BNP pro Einwohner in Euro 2011 Land

54

Euro

Land

1990 = 100 %

Slowenien

21.300

Polen

352

Tschechien

20.200

Rumänien

314

Slowakei

18.600

Slowakei

290

Ungarn

16.400

Estland

286

Litauen

16.600

Bulgarien

243

Geschäftsstrategie in der Transformation

Land Polen

Euro 16.200

Land Ungarn

1990 = 100 % 241

Estland

15.700

Lettland

206

Kroatien

15.100

Slowenien

239

Lettland

14.800

Litauen

231

Rumänien

13.800

Tschechien

215

Russland

13.200

Weißrussland

210

Bulgarien

11.400

Makedonien

209

Montenegro

10.500

Serbien

191

Makedonien

9.200

Kroatien

189

Serbien

8.800

Montenegro

188

Bosnien-Herzegowina

6.800

Russland

174

Ukraine

5.700

Bosnien-Herzegowina

174

Weißrussland

4.200

Ukraine

119

Albanien

2.900

BNP pro Einwohner in Euro 2011 (EU 27 = 100) Österreich

129

Deutschland

121

Finnland

115

Slowenien

84

Tschechien

81

Slowakei

73

Estland

67

Polen

66

Ungarn

66

Litauen

66

Kroatien

59

Lettland

58

Rumänien

47

Bulgarien

46

Mazedonien

35

Serbien

35

Montenegro

42

Albanien

30

55

Geschäftsstrategie in der Transformation

BIP real  : Veränderung zum Vorjahr in Prozent 1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

Tschechien

−1

−12

−1

0

2

6

5

–1

0

2

Slowakei

−3

−15

−7

−4

6

6

7

4

4

0

Ungarn

−4

−12

−3

−1

3

2

0

3

4

3

Slowenien

−5

−9

−6

3

5

4

4

5

4

5

Kroatien

−7

−21

−12

−8

6

7

6

7

2

−1

−12

−7

3

4

5

7

6

7

5

5

Rumänien

−6

−13

−9

2

4

7

3

−5

−2

−1

Bulgarien

−8

−12

−7

−2

2

3

−9

−2

5

2

Russland

−3

−5

−15

−9

−13

−4

−4

1

−5

6

Polen

Ukraine

−4

−9

−10

−14

−23

−12

−10

−3

−2

0

Estland

−8

−14

−14

−9

−2

5

6

12

7

0

Lettland

−3

−13

−32

−11

2

1

4

9

6

3

Litauen

−3

−6

−21

−16

−10

3

5

8

8

−1

Inflation  : Veränderung der Konsumentenpreise in Prozent zum Vorjahr 1990

1992

1993

57

11

21

10

61

10

29

35

23

552

115

207

33

10

Slowakei Ungarn Slowenien

56

1991

Tschechien

1994

1995

1996 9

1997 9

1998 11

1999

10

9

2

23

13

10

6

6

7

11

23

19

28

24

18

14

10

21

14

10

8

8

6

Polen

586

70

43

35

32

28

20

15

12

7

Kroatien

610

123

666

1.518

98

2

4

4

6

4

Rumänien

5

170

210

256

137

32

39

155

59

46

Bulgarien

29

339

91

73

96

62

122

1.058

19

3

Russland

5

93

1.527

874

307

198

48

15

28

86

Ukraine

5

91

1.211

4.735

891

377

80

16

11

23

Estland

23

202

1.076

90

48

29

23

11

8

3

Lettland



172

951

109

36

25

18

8

5

2

Litauen

8

225

1.020

411

72

40

25

9

5

1

Geschäftsstrategie in der Transformation

Arbeitslosenrate Jahresdurchschnitt 1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

Tschechien



4

3

4

4

4

4

5

7

9

Slowakei



12

10

14

14

13

11

12

13

16

Ungarn



8

10

12

11

10

10

9

8

8

Slowenien



10

13

9

9

7

7

7

8

14

Kroatien





15

15

15

15

10

10

11

14

Polen



12

14

14

14

13

12

11

11

14

Rumänien



3

8

10

11

10

7

6

6

7

Bulgarien



11

15

21

20

17

14

14

14

16

Russland





5

6

8

9

10

12

13

13

Ukraine











6

8

9

11

12

Estland

1

2

4

7

8

10

10

10

10

12

Lettland











19

20

15

14

14

Litauen









17

18

16

14

13

15

Mit dem Zerfall des Ostblocks 1989 stellte sich auch für Schenker die Frage, ob man sich in dieser Region überhaupt wieder betätigen sollte. Denn die Probleme waren erheblich  : • • • • • •

Inflation mit dramatischem Ausmaß rückgängige Industrieproduktion steigende Arbeitslosigkeit desolate Infrastruktur bei Verkehrswegen, Kommunikation, Banken usw. ungeklärte Rechtslage etwa beim Erwerb von Eigentum Korruption und problematische Rechtsprechung

Trotz aller voraussehbaren Schwierigkeiten konnte man aber an einem Markt von Hunderten von Millionen Kunden und einem erheblichen Nachholbedarf an Speditionsleistungen nicht einfach vorübergehen. Schließlich war es ein traditioneller Markt gerade für Schenker gewesen, das Unternehmen hatte in dieser Region bereits 1930 mit 96 Filialen gearbeitet. Allerdings hatte Schenker in keinem dieser Länder alte Eigentumsansprüche zur Restitution angemeldet. Zwar hätte es einzelne Immobilien in zentraler Lage, wie etwa in Prag, gegeben, aber die meisten waren in Bahnhofsnähe, zum Teil nicht mehr vorhanden, vor allem aber den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechend. 1989 war man in den westlichen Ländern vorerst äußerst optimistisch über die zukünftige Entwicklung des Osthandels. Der Goldrausch dieser Zeit wich aber bald 57

Geschäftsstrategie in der Transformation

einer realistischeren Sicht der Entwicklungsmöglichkeiten. Es werde noch ein weiter Weg für diese Länder sein, stellte Elmar Wieland fest, bis sie Wirtschaftsstrukturen geschaffen hätten, die einen Vergleich mit dem Westen standhielten. Hilfe aus dem Westen war jedenfalls unumgänglich. Im Prinzip lagen aber gerade darin die Chancen für ein ambitioniertes Unternehmen, um schon in der Wiederaufbauphase führend mitzugestalten und später entsprechend präsent zu sein. Immer mehr westeuropäische Unternehmen verlegten aufgrund des niedrigen Lohnniveaus ihre Produktion nach Osteuropa, wodurch eine zunehmende Transportnachfrage entstand. Manche osteuropäischen Länder hatten gute Voraussetzungen, das westliche wirtschaftliche Niveau zu erreichen, andere fielen zurück. 1997 teilte daher die Unternehmensplanung der Stinnes AG die Bedeutung Südosteuropas dementsprechend unterschiedlich ein  : • Vorreiter  : Slowenien, Ungarn, Tschechische Republik • Nachzügler  : Kroatien, Rumänien, Slowakische Republik • Schlusslicht  : Bulgarien Dem schloss sich auch Elmar Wieland bei der Präsentation Südosteuropas 1996 und 2000 an. Man habe es mit Ländern zu tun, die sich in einem sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadium befänden. Einzelne erfüllten die Beitrittskriterien der EU, wie Polen, Tschechien, Slowenien oder Ungarn. Andere lägen weit zurück und wären praktisch als Schwellenländer einzustufen, wie Rumänien, Bulgarien und die Staaten der GUS . Völlig undurchsichtig war die Entwicklung in Russland. Die Ursache lag nicht nur im Erbe der Planwirtschaft, sondern es war auch einigen Ländern nicht gelungen, die Rahmenbedingungen für eine funktionierende Marktwirtschaft aufzubauen. Auch politisch war die Situation in diesen Ländern recht unterschiedlich und zum Teil problematisch. Es gab Krisengebiete, wie Restjugoslawien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien. Reizvoll war allerdings die Vielfalt an Sprachen, Kulturen, gesellschaftlichen Entwicklungen, die ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis erforderte. Für die Verkehrswirtschaft hatte es staatliche Monopolbetriebe für jeden Verkehrsträger gegeben und einen für den Außenhandel. Damit waren Megabetriebe am Werk, deren Servicequalität und Leistungsbereitschaft zu wünschen übrig ließen. Diese Betriebe hatten wegen ihrer unbefriedigenden Leistungen zumeist ein schlechtes Image und waren von der Auflösung bedroht. Kaufmännisch ausgebildetes Personal, Kundenorientierung, Leistungsdenken und funktionierendes Rechnungswesen waren kaum vorhanden. Einige Betriebe, wie die Deutrans, waren bald vom Markt verschwunden, andere hatten enorme strategische und ökonomische Probleme und nur wenige konnten sich langfristig erfolgreich positionieren. Für einige ehemalige Staatsmonopolisten, wie Pekaes, Cechofracht, Despred oder Romtrans, gestaltet sich 58

Geschäftsstrategie in der Transformation

die Privatisierung sehr problematisch und führt zu einer strategischen Blockade und zum Verlust von Marktanteilen. Andere, wie Hungarocamion, waren in Waberer aufgegangen, Masped hatte stark verloren. Ein erhebliches Problem war die vorhandene Infrastruktur. Grundsätzlich war in dieser Region ein starkes Gefälle zwischen den Hauptstädten und den Provinzen festzustellen, was sich auf die Verkehrsinfrastruktur problematisch auswirkte. Die Schwachstellen betrafen alle Verkehrsträger, aber auch Lagereinrichtungen, Zoll, Kommunikation und vieles mehr. In dieses logistische Vakuum gingen private, westliche Transportbetriebe hinein und trugen so erst zum Funktionieren des stark steigenden Güteraustausches bei. Aufgrund der staatlichen Lenkung und des schlechten Zustands der Straßen hatte die Eisenbahn eine wesentlich größere Bedeutung als im Westen. Während der Planwirtschaft gab es einen extrem hohen Bahnanteil im Güterverkehr, wie Klaus Lippstreu feststellte. Dieser war durch Staatsspediteure stark reglementiert. Schenker partizipierte in der planwirtschaftlichen Zeit von diesen Verkehren, vor allem im Transitgeschäft von und nach Griechenland, Türkei und Nahost. Allerdings befanden sich die Bahnen 1989 überwiegend in einem desolaten Zustand. Mangelhaft waren nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das rollende Material und vor allem die Organisation. Die Bahnen waren nach wie vor stark auf Massengut und den Verkehr mit den ehemaligen RGW -Staaten ausgerichtet und verloren daher durch die Verlagerung des Außenhandels laufend an Terrain. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es einen Rückgang des reglementierten Bahnverkehrs. Die Bahnen in West und Ost steigerten ihre Aggressivität und waren bei gesamtlogistischen Ketten ein Kernelement. Schenker forcierte den Bahnverkehr überwiegend in gesamtlogistischen Leistungspaketen, wobei auch der Einsatz von Privatwaggons zunehmend bedeutend wurde. Dennoch hatte sich der Lkw in kürzester Zeit durchgesetzt. Er war einfach flexibler und leistungsstärker als die Bahnen. Bis 2010 wurde eine Zunahme des Straßengüterverkehrs auf das Zehnfache erwartet. Mit dem Wiedereintritt in den ostund südosteuropäischen Markt lag der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit auch von Schenker auf dem europäischen Landverkehr. Schenker war in diesen Ländern Lkw-orientiert, wollte jedoch auch andere Konzepte nicht außer Acht lassen. Die Entscheidung, ob Waren per Lkw, Bahn oder im kombinierten Verkehr transportiert werden hing von vielen Faktoren ab. Der kürzeste Weg war nicht immer der beste. Bei Verkehren in die GUS -Staaten waren die Routen über Polen und Tschechien oft mit langen Wartezeiten an den Grenzen verbunden. Ein ständiges Problem war der unpaarige Verkehr, da die Ostländer weniger Güter exportierten als sie importierten. Im Export beschäftigen die Kunden teilweise direkt die Frächter, die zu Dumpingpreisen Lkw anboten. Allerdings ging ein nicht unbeträchtlicher Teil aufgrund der Genehmigungsprobleme über Klein-Lkw mit 3,5 Tonnen, hochtypi59

Geschäftsstrategie in der Transformation

siert auf bis zu 7,5 Tonnen und immer überladen. Diese stellten ein Problem dar, da sie keine Genehmigungen benötigten, sie waren ein Sicherheitsrisiko, besonders bei Gefahrenguttransporten und verzerrten den Wettbewerb. Einen besonderen Aspekt im Verkehr von und nach Osteuropa war nach wie vor die Sicherheit im weitesten Sinne. Luft- und Seefracht war am Anfang schwach. Ein erhebliches Zukunftspotenzial wurde in der Flussschiffahrt für Massengüter gesehen. Da vor allem Russland über ein ausgedehntes Netz von Wasserwegen verfügt, setzt man hier große Hoffnungen. Allerdings war dies vorläufig eher ein trauriges Kapitel. Mit der Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals 1992 konnten Güter vom Schwarzen Meer in Richtung Norden transportiert werden. Aber selbst die Kombi-Verkehre hatten sich bis auf wenige verkehrspolitische Alibi-Aktionen nie wirklich entwickelt. Und eine Tragödie war der Donauverkehr von und nach Süd-Osteuropa. Durch die Kriegsereignisse in Jugoslawien war die Schifffahrt donauabwärts praktisch zum Erliegen gekommen. Schenker als eine der wenigen Speditionen mit Bahn- und Binnenschifffahrtsinteressen war von dieser Situation nachhaltig betroffen. Der Wiederaufbau der Schenker-Ostorganisation in Ost- und Südosteuropa war daher eine Herausforderung mit enormen Risiken. Die Infrastruktur in diesen Ländern wich noch erheblich von den eigenen Vorstellungen und Erwartungen ab. Es war äußerst problematisch, ein ausgebildetes, fachkundiges und mehrsprachiges Personal zu finden, und schwierig, geeignete Lager- und Büroflächen zu erhalten. Man musste daher stark improvisieren, Investitionen waren nicht einfach zu entscheiden, die Rechtsverhältnisse beim Ankauf geeigneter Grundstücke oder Gebäude vielfach undurchsichtig. Auch die Zollbehörden arbeiteten in den meisten Ländern noch im alten Stil und ließen sich jeden Handgriff extra bezahlen. Vielfach war die Kriminalität hoch und weiter steigend, die Korruption deutlich erkennbar, und mafiaähnliche Organisationen spielten eine nicht unwesentliche Rolle. Bei allen Transaktionen im Geschäftsleben war daher höchste Vorsicht angebracht. Besser waren die Verhältnisse bei der Telekommunikation und im Bereich der Informatik, da man als Latecomer Entwicklungsstufen überspringen konnte. Die Wirtschaftsssprache war vorwiegend Deutsch und Englisch, die Kalkulationsgrundlage die DM oder der US -Dollar. Die Schenker-Verkehrsentwicklung zwischen West- und Ost-/Südosteuropa wurde vor allem von den Landesorganisationen Deutschland, Österreich, Schweden, Finnland getragen. Alle anderen Landesgesellschaften fungieren mehr oder weniger nur als Beilader bestehender Verkehre. Schenker war rasch in den meisten osteuropäischen Ländern präsent, von einer flächendeckenden Anwesenheit konnte aber lange nicht gesprochen werden. Der Schenker Marktanteil im Osteuropageschäft hatte noch erhebliches Entwicklungspotenzial, mit Ausnahme von Deutschland, Österreich und teilweise Skandinavien war er marginal. 60

Geschäftsstrategie in der Transformation

Im Oktober 1992 gab Schenker Austria eine Informationsbroschüre „Schenker and Eastern Europe“ heraus, in der volkswirtschaftliche Daten, Zoll- und Transportbedingungen und die beginnende Schenker-Organisation dargestellt waren. Schenker-Offices/Agents 1992

Albania Transshqip, Tirana Baltic Republics Please contact Schenker, Vienna Bulgaria Schenker, Sofia (sales) Despred, Sofia CIS Please contact Schenker, Vienna We are in the process of establishing a presence Croatia Intereuropa, Zagreb (air) Hypocentar, Zagreb Czechia (CR) Schenker CS Interlogistik, AS , Praha Schenker CS Interlogistik AS , Brno Csad, Ostrava (consolidated traffic by road) Csad, Olomouc (consolidated traffic by road) Cechofracht, Praha (air) Cechofracht, Liberec (air) Cechofracht, Jablonec (air) All sales leads to Schenker Vienna please Hungary Schenker, Budapest (sales) Hungarocamion, budapest (consolidated traffic by read) Masped, Budapest (air) Poland Schenker, Warszawa (sales) Pekaes, Warsawa Pekaes, Czechowice Romania Schenker Bucharest (sales) Romtrans, Bucharest Romtrans, Oradea Serbia Please contact us when United Nations embargo is lifted Slovakia Schenker Bratislava All sales leads to Schenker Vienna please Slovenia Intereuropa, Ljubljana (air) Intertrans, Ljubljana Die Schenker-Organisation war in den meisten Ländern über Repräsentanzen und Kooperationen mit ehemaligen Staatsmonopolisten noch nicht weit hinaus gekommen. Im Wettbewerb spielten die ehemaligen staatlichen Monopolbetriebe eine 61

Geschäftsstrategie in der Transformation

starke Rolle. Schenker, mit seinen traditionell langjährigen Verbindungen zu den Staatsspeditionen und Carriern, stand damals vor der strategischen Entscheidung, eine Organisation über Beteiligungen oder Übernahmen aufzubauen, oder aber eigene Betriebe von Null auf zu etablieren. Die Strategie lag in einem Beginn von Null an und nicht so sehr in der Übernahme von Unternehmen oder Joint Ventures. Auch die Unternehmensplanung Stinnes AG sprach 1997 vom Wachstum aus eigener Kraft mit Unterstützung der Landesgesellschaften Schweden, Deutschland und Österreich, entsprechend der vorgegebenen Prioritäten. In der Folge kam es aber dann doch in einzelnen Ländern zum Zusammenschluss mit privatisierten Staatsunternehmen, mit denen man über längere Zeit erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Ganz wesentlich für den Erfolg in der Region war die Ausbildung der Mitarbeiter und die Integration der Führungsmannschaft in die Schenker Welt. Die vorhandenen Know-how Ressourcen der gesamten Organisation sollten konsequent genutzt und transparent gemacht werden. Von Wien aus wurde daher ein Dialog zwischen den west- und osteuropäischen Landesgesellschaften gefördert, mit regelmäßigen Tagungen „East meets West“ an verschiedenen Orten, Verkaufsleitertagungen, Geschäftsleitertagungen usw., um die Kollegen in Osteuropa auf allen hierarchischen Ebenen stärker in den Dialog einzubinden. Von existentieller Bedeutung war die Verbesserung des Verkaufs in Osteuropa. Denn es mangelte an Verkaufskapazität, da generell ein anderes Verständnis zu diesem Thema gegeben war. Die Mitarbeiter in den Verkaufsabteilungen saßen traditionell in ihren Büros und warteten auf die Kunden. Es gab lange kein gut entwickeltes Verkaufscontrolling hinsichtlich Steuerung und Erfolg. Die Problematik wurde erkannt und man reagierte mit Personalaufstockung und Schulungen. Es waren jedoch weiter große Anstrengungen in Bezug auf Investitionen und Personalentwicklung notwendig. Investitionen waren in Osteuropa unabdingbar notwendig, ohne sie gab es mittel- und langfristig keine Chance auf Wachstum. Schenker hatte sehr rasch auf den Umbruch in Osteuropa reagiert, was zu Repräsentationsbüros bzw. Niederlassungen von Schenker Deutschland, Österreich oder Schweden führte. Diese waren nicht unbedingt koordiniert, in Russland gab es daher zeitweise zwei Schenker-Niederlassungen, deren Zusammenfassung einige Schwierigkeiten bereitete. Mitte der 1990er Jahre wurde die Organisation einheitlich geregelt. 1996 wurde die Verantwortung für Osteuropa von großen Schenker-Landesgesellschaften übernommen  : Schweden  : Nordeuropa  : • Finnland • Estland • Lettland • Litauen 62

Geschäftsstrategie in der Transformation

Deutschland  : Zentralosteuropa  : • Polen • Russland • Weißrussland • Ukraine Österreich  : Südosteuropa  : • Österreich • Tschechische Republik • Slowakei • Ungarn • Bulgarien • Rumänien • Kroatien • Slowenien • Türkei ab 1999  : • • • • • • •

Griechenland Bosnien-Herzegowina Serbien Montenegro Mazedonien Albanien Moldawien

Ab 1999 wurden die Ostkompetenzen an die Schenker-Organisationen in Österreich und Finnland übergeben, die in ihrem Land Marktführer waren und historisch und wirtschaftlich eine lange Beziehung und entsprechendes Verständnis für Ost- und Südosteuropa hatten. Die weltweite Schenker-Organisation wurde schließlich insgesamt in regionale Headquarters aufgeteilt. Unter dem Projektnamen Picasso gab sich Schenker 2001 eine neue Struktur. Unter der Leitung von Hakan Larsson, seit 2000 CEO , waren im Vorstand zuständig  : Hager für Landverkehre/Logistik und die Region Europa East  : Fagerström Nord  : Silander Central  : Nuzinger 63

Geschäftsstrategie in der Transformation

Deutschland  : Hager Southeast  : Wieland Lieb für Luft- und Seefracht/Logistik, Region Übersee  : Africa  : Nme und Lieb Americas  : Elsessser Asien-Pazific  : Villinger 2003 wurde die Region Central eingeführt, die neben Deutschland Belgien, Schweiz, die Niederlande, Luxemburg, Hangartner und anfangs auch Russland umfasste. Die Region Central repräsentierte in Europa an die 40 % der Mitarbeiter und des Umsatzes und wurde von Hans-Jörg Hager geführt. 2007 wurde das Network Management Region Europe unter der Leitung von Hans-Jörg Hager errichtet mit folgenden Kompetenzen  : Goeran Aberg  : Ingvar Nilson  : Hans-Jörg Hager  : Joel Moebel  : Elmar Wieland  :

Europe East Europe North Europe Central Europe West Europe Southeast

Alle osteuropäischen Landesgesellschaften hatten 1997 ein positives Ergebnis erzielt. Der Umsatz in den Reformstaaten war 1997 um zehn Prozent auf 245 Millionen Schilling angestiegen. Die südosteuropäischen Landesgesellschaften hatten damit bereits eine gewisse Bedeutung erlangt  : Umsatz in TDM (Tausend ­Deutsche Mark)

Mitarbeiter

Sendungen

Tonnen

11.700

99

58.000

72.800

Ungarn

9.900

53

32.000

34.000

Slowakei

4.600

42

27.500

9.500

Tschechien

Bulgarien

3.800

27

3.700

18.000

Rumänien

1.000

20

2.700

5.200

Kroatien

1.700

10

4.400

5.400

Der Umsatz der Wien unterstellten Landesorganisationen Südosteuropas betrug 1998 an die 980 Millionen Schilling und stieg 1999 auf 1.260 Millionen Schilling an (einschließlich Österreich). Schenker suchte in Ungarn, Tschechien und der Slowakei Lagerhäuser und Büroräume in verkehrsgünstiger Lage. Die Spedition wollte die An64

Geschäftsstrategie in der Transformation

lagen nicht nur mieten, sondern selbst errichten. Man stieß in allen diesen Ländern an die Grenzen der Kapazität. Den Expansionsbestrebungen standen jedoch beim Grunderwerb rechtliche Probleme, wie unklare Eigentumsverhältnisse, im Weg, aber auch schlechte Verkehrsanbindungen. Mitte November 1997 wurde Stinnes zum größten Einzelaktionär der schwedischen BTL , die im Ausland unter dem Namen Scansped arbeitete. Die Scansped Division war die größte der BTL mit mehr als 300 Büros in 19 europäischen Ländern und einer Flotte von 7.000 Lkw. Dadurch wurde Schenker vor allem in Nordeuropa, den baltischen Ländern, Russland und der Ukraine stärker. Die BTL -Organisation unter der Marke Scansped hatte sich gut entwickelt. Durch den Erwerb des finnischen Marktführers Huolintakeskus waren auch die Bahntransporte durch Russland verstärkt worden. In den baltischen Staaten war man zum Teil Marktführer und die Entwicklung war positiv. Auch Ungarn, Polen, Russland und die Ukraine zeigten gute Resultate. BTL-Mitarbeiter in Osteuropa 1997 Polen Tschechien

306 59

Estland

127

Lettland

25

Litauen

6

Russland

100

Ungarn

227

Ukraine

4

Unter dem Namen Schenker-BTL war damit das größte europäische Logistik- und Transportunternehmen entstanden, das in den wichtigsten Staaten Osteuropas, von Polen, Tschechien, Ungarn über Estland, Litauen, Lettland, Russland und der Ukraine präsent war. In Osteuropa verfügt Schenker-BTL über 900 Mitarbeiter, die rund 250.000 Sendungen jährlich durchführten. Die größten Landesorganisationen waren Tschechien mit 200 und Ungarn mit 300 Mitarbeitern. In beiden Ländern zählte Schenker auch wegen der Übernahme der BTL -Aktivitäten zu den führenden Speditionsunternehmen. Ziel war der weitere Ausbau des Netzwerkes und der Marktpräsenz, vor allem bei Kerndienstleistungen im Land-, Luft- und Seeverkehr, bei Lager Logistik und Messe. Die Rahmenbedingungen dafür waren nicht immer einfach. Der Schlüssel zum Erfolg lag in erster Linie bei Fachpersonal, bei der Lager- und Büroinfrastruktur, aber auch bei Möglichkeiten zur Zollabfertigung. Gerade beim Personal, der Unternehmensphilosophie und dem Know-how-Transfer wirkten sich die inter65

Geschäftsstrategie in der Transformation

nationale Organisation und die intensive Ausbildung an der Schenker-Akademie sehr positiv aus. Wegen der geänderten Größenverhältnisse durch den BTL -Zusammenschluss musste man vor allem in die EDV investieren. In jedem osteuropäischen Land hatte es eine eigene Software-Entwicklung gegeben. Wegen der sprachlichen Unterschiede war es aber sehr schwer, in diesen Ländern eine Konzernlösung durchzusetzen. Im Jahr 2004 wurden acht ost- und südosteuropäische Länder Mitglieder der Europäischen Union  : Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Slowenien, Tschechien und die Slowakei. Rumänien und Bulgarien folgten 2007. Zu der Zeit hatten diese Länder ein stärkeres Wirtschaftswachstum als die restliche EU und man setzte daher große Erwartungen in die Erweiterung. Das Wegfallen der Zollgrenzen war eine enorme Herausforderung an die Speditionswirtschaft. Innerhalb weniger Jahre wurde eine Steigerung des Transportvolumens von 50 % erwartet, wobei der Hauptanteil auf den Lkw fiel, den Bahnen aber wurde ein Rückgang von 60 % auf 15 % vorausgesagt. Binnenschifffahrt und Seeverkehr hatten ein großes Potenzial, das aber durch den mangelnden Ausbau in Hafenanlagen behindert war. Luftfracht war vor allem in Polen, Tschechien und Ungarn gut ausgebaut, in südosteuropäischen Ländern mit einem geringeren Frachtaufkommen ging die Luftfracht über den Hub in Wien oder Salzburg. Eine Antwort war auch der Aufbau der Inlandsverkehre nach westeuropäischem Vorbild. Der Straßenverkehr war noch stark ausbaufähig. Polen hatte 2002 gerade 389 km Autobahn, Ungarn 448 km, in der Slowakei und im Baltikum sah es noch schlechter aus. Ständige Staus und ein hohes Unfallrisiko waren die Folge, man begegnete immer wieder Lastwagen, die ohne Licht fuhren, und Fußgängern auf der Autobahn. Die verbleibende Zollabwicklung war nach wie vor sehr bürokratisch, die Gesetze und Bestimmungen veränderten sich manchmal von einem Tag auf den anderen. Zollfachleute im eigenen Unternehmen zu haben, war daher nach wie vor wesentlich. Aus der Sicht der Spedition sah man den EU -Beitritt dieser Länder mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es gingen nicht unbeträchtliche Einnahmen aus dem Zollgeschäft verloren, was auch zu einem Rückgang der Mitarbeiter und Umsätze führen musste. Dies war über mehr Transportaufträge, rigoroses Kostenmanagement und Einführung neuer Dienstleistungen auszugleichen. Das alles vor dem Hintergrund großer Investitionserfordernisse in Lager-, Logistik-, Büro- und IT -Einrichtungen. Letztlich beschleunigte sich damit auch in diesen Ländern die Entwicklung des Spediteurs zum Logistikanbieter. Eine Antwort war etwa der Ausbau bereits bestehender regelmäßiger Verkehre in Ost- und Südosteuropa sowie der Kombiverkehre und die Bildung von Drehscheiben, wie Wien oder Salzburg für Südosteuropa.

66

Geschäftsstrategie in der Transformation

EU-Beitritt Prognose Auswirkung (2002) Mitarbeiter Österreich

Rückgang

1.834

76

Tschechien

291

54

Ungarn

290

46

Ungarn Schenker-Masped

45

4

Slowakei

82

9

Mitarbeiter 1992 bzw. bei Gründung 2003 1992

2003

Tschechien

11

307

Slowakei

12

74

Ungarn

12

353

Slowenien

1

165

Kroatien

9

40

Bosnien-Herzegowina

5

Mazedonien

7

Rumänien

4

Bulgarien

10

93

Summe

59

1.113

69

2002 Schenker-Organisation Ost- und Südosteuropa Land

Beschäftigte

Niederlassungen

Lagerfläche in m2

186

3

23.000

Letland

82

3

38.600

Litauen

53

3

5.200

1.259

32

52.573

177

9

11.000

Weißrussland

3

1

2.000

Ukraine

6

1

1.000

330

18

19.310

75

5

23.300

Estland

Polen Russland

Tschechien Slowakei

67

Geschäftsstrategie in der Transformation

Land Ungarn Slowenien

Beschäftigte 331

Niederlassungen

Lagerfläche in m2

9

23.580

5

1

1.000

39

4

400

Jugoslawien

9

1

1.000

Bosnien-Herzegovina

3

1



Kroatien

Mazedonien Rumänien Summe

4

1



63

4

2.000

2.625

96

203.963

Die Schenker-Strategie baute auf gemieteten Lagerkapazitäten, einem eigenen Netzwerk und modernen IT -Lösungen auf. Der Vorteil für die neuen ost- und südosteuropäischen Landesgesellschaften lag in der Integration in eines der international führenden Speditions- und Logistikunternehmen. Das betraf einmal das Fachpersonal und das Management, das unter erheblichem persönlichem Einsatz den Knowhow-Transfer bewerkstelligte. Dazu auch die bestehende Infrastruktur  : Schenker hatte 2002 weltweit drei Millionen Quadratmeter Lagerfläche an 390 Standorten. Der größte Anteil war in Europa (2.350.000 m2 an 300 Standorten), gefolgt von Nord- und Südamerika (485.000 m2 an 55 Standorten) und Asien/Pazifik/Afrika (185.000 m2 an 35 Standorten). Im Zentrum standen die internationalen Logistikcenter, die alle Dienstleistungen anboten. Schenker war führend im europäischen Landtransport mit 23.000 Beschäftigten in 32 Ländern und einem Umsatz von 3,6 Milliarden Euro. Schenker bot in seinem Netzwerk eine ganze Reihe von zeit-standardisierten Produkten mit fortschrittlichen IT-Lösungen. Dazu diente auch die Luftund Seefracht, Schenker nahm in diesen Bereichen weltweit den dritten bzw. fünften Platz ein, mit 10.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 2,6 Milliarden Euro. Insgesamt hatte Schenker 2002 einen Umsatz von an die sechs Milliarden Euro, 70 % des Umsatzes gingen auf 25 wichtige Kunden zurück. Unter den 70 Topkunden waren  : Automotive

37 %

Hi-Tech

25 %

Engeneering

16 %

Consumer Goods

15 %

Chemicals

7 %

2006 übernahm Schenker das amerikanische Logistikunternehmen BA X . BA X war vor allem stark in den USA und im asiatisch-pazifischen Raum, wo es zu entsprechenden Umstrukturierungen kam und man sich große Synergien erwartete. Das Ziel war, ohne Verlust an Kunden und Mitarbeitern innerhalb eines Jahres die volle Inte68

Geschäftsstrategie in der Transformation

gration mit Eliminierung des Markennamens BAX zu bewerkstelligen. In Österreich und Südosteuropa war BA X lediglich im Lufttransport vertreten, aber wesentlich schwächer als Schenker. Luftfracht 2005 BAX

Schenker

Österreich Mitarbeiter

16

Sendungen

11.528

59.906

2.838

24.814

11

16

Tonnage

70

Tschechien Mitarbeiter Büros Sendungen Tonnage Marktposition Ungarn Büros Sendungen Tonnage Marktposition

2

3

2.918

7.096

600

3.128

10  –  15

3  –  7

17

26

4

1

2.460

10.385

824

4.615

5

4

Der Weg zum Erfolg ist steinig und nie gerade. Einzelne Länder Ost- und Südosteuropas hatten nach der Transformationskrise Anfang der 1990er Jahre noch zusätzliche wirtschaftliche Rückschläge, die auf unzureichende Umstellung, politische Schwierigkeiten und zum Teil auf übertriebene Kreditvergaben zurückzuführen waren. 2007 kam noch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hinzu, welche die Länder Ost- und Südosteuropas aber zumeist erst 2009 traf. Die marktwirtschaftliche Umstellung bedingte ein starkes eigenes Wirtschaftswachstum mit Integration in die Europäische Gemeinschaft. Der wirtschaftliche Rückgang in den Industrieländern schlug auf das Wirtschaftswachstum der Transformationsländer deutlich zurück. Dennoch konnte sich Schenker recht gut halten, da der Nachholbedarf an Speditionsleistungen selbst unter diesen Bedingungen weiter hoch war. Schenker Österreich und Südosteuropa hatte 2012 mit 5.308 Mitarbeitern (im Jahr 2000 noch 1.100) einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro. Die Mitarbeiter verteilten sich folgendermaßen  : 59 % im Landverkehr, 23 % im Bereich Luft- und See und 18 % in Bereich Logistik. 69

Geschäftsstrategie in der Transformation

Schenker-Landesgesellschaften Südosteuropa Geschäftsstellen 2005

Bosnien-Herzegowina

1

Bulgarien Kroatien

2012

Mitarbeiter 2005

Gesamtlagerfläche in m2

2012

2

15

43

6

6

130

5

6

90

2005

2012

280

1.350

171

9.200

25.317

96

2.900

9.459

Mazedonien

1

2

15

40

200

2.500

Rumänien

8

6

102

1.107

2.700

77.728

Serbien

1

2

19

50

4.700

3.522

Slowakei

3

4

58

125

4.400

7.581

Slowenien

8

9

120

132

15.000

33.685

Tschechien

10

12

354

777

32.000

131.505

353

38.500

41.123

Ungarn

6

7

279

Moldawien



1



49

57

1.182

3

2

161

Summe Griechenland Türkei SOE gesamt

25





2.829

109.880

333.770

196

9.200

13.359

3

6

338

392

30.400

79.100

55

65

1.681

3.417

149.480

426.229

Österreich

27

13

1.749

1.891

141.600

170.291

Insgesamt

82

78

3.430

5.308

291.080

596.520

Schenker Finnland und Osteuropa hatte 4.333 Mitarbeiter mit einem Umsatz von 1,54 Milliarden Euro und eine führende Position in einigen Ländern. Schenker-Landesgesellschaften Osteuropa 2011

Finnland Estland

Beschäftigte

19

1.385

563

4

168

44

Lettland

2

81

19

Litauen

3

55

11

Polen

70

Umsatz in M ­ illionen Euro

Standorte

30

1.780

318

Russland

8

778

86

Weißrussland

2

4

1

Ukraine

5

82

11

Summe

71

4.333

1.053

Geschäftsstrategie in der Transformation

Marktposition

Land

Domestik

International Land

Luft

See

Logistik

1

1

5

3

2

Estland

1

3

1

2

2

Lettland

1

2

3/4

3/4

1

Litauen

3/4

3

3/4

8



1

1

2/4

3/5

9

Finnland

Polen Russland

1

1/3

Top 20

Top 20

10

Ukraine

Top 10

Top 5

3

Top 50



71

DDR/Neue Bundesländer

Nach der militärischen Niederlage wurde Deutschland 1945 in vier Besatzungszonen eingeteilt, im Westen die amerikanische, britische und französische und im Osten die sowjetische. Bis 1948 standen diese unter der Kontrolle von Militärregierungen, dann wurde in den Westzonen die Bundesrepublik Deutschland (BRD) gegründet, als Reaktion darauf in der Ostzone die Deutsche Demokratische Republik (DDR ). Damit war Deutschland in zwei konkurrierende politische und wirtschaftliche Systeme geteilt. Ein englischer Kollege hat einmal Deutschland als den Lehrmeister der Welt bezeichnet  : Die Westdeutschen zeigten, was Kapitalismus und die Ostdeutschen was Kommunismus ist. Für den Schenker-Konzern war die Trennung äußerst schmerzhaft. Hier gingen nicht Auslandsniederlassungen verloren, sondern ein Teil der historisch gewachsenen gesamtdeutschen Organisation. Gemildert wurde dies lediglich durch die zahlreichen Schenker-Mitarbeiter, die Ostdeutschland verließen und die westdeutsche Organisation verstärkten. Ursprünglich hatte die Sowjetunion Staatseigentum in ihrer Besatzungszone als Reparation beschlagnahmt und auch umfangreiche Demontagen vorgenommen. Davon war auch Schenker als Tochter der Deutschen Reichsbahn betroffen. Allerdings konnten in den ersten beiden Nachkriegsjahren die alten Geschäftsverbindungen teilweise weitergeführt werden. So unterhielt Schenker Frankfurt/Main bis 1947 noch Sammelverkehre in die Ostzone, nach Dresden, Erfurt und Ilmenau. Ab der Errichtung der beiden deutschen Staaten 1948 wurden die Verkehre behindert und zeitweise überhaupt unterbrochen. Alle Niederlassungen in der DDR wurden dem Einfluss der Schenker-Zentralleitung entzogen. Die besondere Situation Berlins als interalliierte Stadt inmitten der sowjetischen Besatzungszone brachte eine zunehmende Isolation, die schließlich 1948 in der Blockade Westberlins durch die Sowjets gipfelte. Die Blockade führte zu einem Bedeutungsverlust der Berliner Niederlassung, daher musste Kurzarbeit eingeführt und die Bezüge der Mitarbeiter mussten gekürzt werden. Erst mit der Aufhebung der Blockade belebte sich das Geschäft wieder. 73

DDR/Neue Bundesländer

Nach wie vor war Berlin Sitz der Schenker-Zentrale. Am 19. Juni 1950 kam es zu einer Aussprache mit Reichsbahnvertretern der DDR . Da eine gemeinsame Geschäftsführung mit Ostdeutschland nicht mehr möglich war, wurde dort eine eigene Verwaltung eingerichtet. Das war das Eingeständnis, dass Schenker auf die Betriebe in der DDR keinen Zugriff mehr hatte. Mit der Führung sollte Herr Krenn als Bevollmächtigter der Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn beauftragt werden, der auch neue Leiter der Filialen einsetzen sollte. Diese Überlegungen waren aber hinfällig, denn wenig später wurden die dortigen Niederlassungen verstaatlicht. Die „Verordnung über eine Vereinigung volkseigener Betriebe ‚Deutsche Spedition‘, Anstalt des öffentlichen Rechts“ (VEB) vom 17. August 1950 war Grundlage der Enteignung. Das betraf die Niederlassungen Ost-Berlin, Chemnitz, Dresden, Erfurt, Gera, Glauchau, Görlitz, Greiz, Halle a. d. Saale, Ilmenau, Leipzig, Magdeburg, Nordhausen, Plauen und Reichenbach. Die Schenker-Zentrale war ursprünglich in Berlin geblieben, um die Niederlassungen in Ostdeutschland nicht zu gefährden. Diese Rücksichtnahme war nach der Verstaatlichung gegenstandslos. Am 30. Juni 1950 wurde die Zentralleitung der Schenker & Co GmbH nach Frankfurt am Main, Main Kai 23  –  25, verlegt, da dies im Interesse des internationalen Verkehrs geboten gewesen sei. Der Berliner Betrieb wurde Frankfurt/Main unterstellt, wo man gleichzeitig ein „Berliner Büro der Zentralleitung“ einrichtete. Der handelsgerichtliche Hauptsitz der Schenker & Co GmbH blieb zwar weiterhin in Berlin, die Geschäftsführung lag aber nun in Frankfurt/Main. Diese komplizierte Konstruktion wurde später aufgehoben und Frankfurt alleine zum Hauptsitz von Schenker. Die „Deutsche Spedition“ besorgte den Interzonenverkehr und die Abwicklung der Transporte ins nichtsozialistische Ausland. 1954 wurde die DEUTRANS -Internationale Spedition gegründet. Diese beauftragte als Spediteur die volkseigenen Kraftverkehrsbetriebe, die Deutsche Reichsbahn und die Reedereien mit der Transportdurchführung. Man versuchte, die Transporte vor allem über die Bahn abzuwickeln, musste aber ab den 1960er Jahren einsehen, dass man sich dem Trend zum Straßentransport nicht verschließen konnte. Die Beschaffung der Lkw erwies sich als ein ernstes Problem für die an Devisen knappe DDR . Über die Gründung der VEB Deutsche Spedition reimte Siegfried Wagner  : Es sind über 50 Jahre her Ich erzähl Euch keine Mär Da gründete man in Leipzig, Ihr wisst es schon Die berühmte VEB Spedition. Diese famose Idee, es ist bekannt Kam zu uns aus dem fernen Russland. Da waren sehr schlaue Wirtschaftsleute 74

DDR/Neue Bundesländer

Die sagten, hier machen wir fette Beute. Dort in unserer russischen Zone Das ist bestimmt für uns nicht ohne. Vereinnahmen wir den Privatbesitz Dies war natürlich kein guter Witz In das bekannte Volkseigentum Dafür gebührt der SU Ruhm. In Deutschland waren die Firmen privat So war’s seit Jahren in der Tat. Zunächst war Schenker an der Reih’ Dann ging’s an die Leipziger Speicherei. Wer kennt die Firmen und die Namen Die alle im VEB zusammenkamen.

Die DDR hatte eine schwierige Stellung mit ihrer Nähe zur BRD. Durch die gemeinsame Grenze und Sprache konnten ihre Bürger Westfernsehen und -radio empfangen, auch wenn dies verboten war. Ostdeutsche Flüchtlinge wurden in Westdeutschland offen aufgenommen und unterstützt. In der DDR wurde „Republikflucht“ zu einem Verbrechen, das mit Gefängnis bestraft wurde. 1961 wurde zudem eine Mauer gebaut, die zum Symbol der Trennung wurde. Trotz dieser extremen Maßnahmen ging die Einwohnerzahl der DDR von 1950 bis 1988 von 18,4 auf 16,7 Millionen zurück. Schließlich brach auch dort das kommunistische Regime zusammen. Die Auflösung begann an sich in Ungarn. 1989 fand in Sopron ein „paneuropäisches Picknick“ statt. Am 19. August durchbrachen 150 ostdeutsche „Urlauber“ die Grenze, die Ungarn ließen sie gewähren und die sechs österreichischen Grenzbeamten winkten sie weiter durch. In der Folge wurde die ungarisch-österreichische Grenze auch für Autos geöffnet und eine große Zahl kleiner ostdeutscher Pkw fuhren in Richtung BRD. Am 9. November 1989 wurde der Grenzübergang beim Brandenburger Tor geöffnet und 1990 mit dem Abriss der Mauer begonnen. Damit wurde die Wiedervereinigung Deutschlands, die in der BRD seit den 1950er Jahren fast rituell als „Centrum Censeo“ gefordert worden war, tatsächlich vollzogen. Die Bevölkerungszahl der BRD erhöhte sich von 61,5 auf 78,2 Millionen, allerdings wurde das Land statistisch ärmer. Da das BNP pro Einwohner in den neuen Bundesländern nur etwa einem Drittel der alten Bundesländer entsprach, ging es 1990/1 von 22.096 auf 19.186 DM oder um 13,2 % zurück. Verbunden damit war auch ein erheblicher finanzieller Transfer von West nach Ost, der bis heute anhält. Trotzdem sind die wirtschaftlichen Unterschiede auch nach zwei Jahrzehnten immer noch erheblich. Im Gegensatz zu den anderen ehemals planwirtschaftlichen Staaten blieb Ostdeutschland der rechtliche Neuaufbau und auch die Inflation erspart. Die Wieder75

DDR/Neue Bundesländer

vereinigung war eigentlich eine Übernahme, lange Anpassungsprozesse wurden vermieden, da man fürchtete, dass sich das politische „window of opportunity“ wieder schließen könne. Die „neuen Bundesländer“ wurden einfach in das politische, wirtschaftliche und rechtliche System der BRD integriert, einschließlich der Mitgliedschaft in die EU. Die Privatisierung der volkseigenen Betriebe erfolgte ab 1990 durch die Deutsche Treuhandgesellschaft, die bis 1994 an die 13.000 volkseigene Betriebe abwickelte. Wie bei so großen Vermögensübertragungen kaum anders zu erwarten, lief dies unter erheblicher Kritik und zum Teil auch Betrugsvorwürfen ab. Vor allem aber führte die Privatisierung zu einer Arbeitslosenrate, die weit über jener Westdeutschlands lag und bis heute liegt. Mit der Auflösung der DDR verlor das Land rund 60 % des Außenhandels, da der Außenhandel in die RGW-Staaten und vor allem in die Sowjetunion wegbrach. Die Folge der Umstellung war eine tiefe Rezession, die den wirtschaftlichen Neuaufbau negativ beeinflusste. Für Schenker bedeutete die Wiedervereinigung vorerst eine Sonderkonjunktur. Die politische Wende des Jahres 1989 eröffnete die Chance zum Wiederaufbau eines gesamtdeutschen Organisationsnetzes. Dabei konnte Schenker die alten Gewerbeanmeldungen aus der Zeit vor 1948 aktivieren und so auf bereits angemeldete Niederlassungen zurückgreifen. Zunächst wurden acht Standorte eröffnet  : Chemnitz, Cottbus, Dresden, Erfurt, Leipzig, Magdeburg, Plauen und Rostock. Als neunter Stützpunkt erweiterte die bestehende Geschäftsstelle Berlin ihren Einzugsbereich auf den Raum Brandenburg, Potsdam und Frankfurt a. d. Oder. Die Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern wurden in den westdeutschen Geschäftsstellen geschult und die Speditionsanlagen zunächst angemietet. Bereits 1990 wurden zwischen den Gateways in der Bundesrepublik und den wichtigsten Wirtschaftsräumen des Landes flächendeckende Lkw-Linienverkehre mit Laufzeiten zwischen 24 und 72 Stunden eingerichtet. Dabei arbeitete Schenker beim Straßenverkehr mit selbstständigen ostdeutschen Unternehmern zusammen. Im Luftfrachtbereich wurde eine direkte Anbindung an das weltweite Schenker-Jet-Cargo-System vorgenommen. Die Geschäftsstelle Rostock wurde mit der Gateway-Funktion für den gesamten Ostseeraum betraut. Die neuen Niederlassungen wurden so in das weltweite Netz integriert und arbeiteten mit allen Schenker-Landesgesellschaften zusammen. Dazu wurde die gesamte Produktpalette und das Know-how in Logistik, Projektgeschäft und Informatik eingebracht. Das erforderte hohe Investitionen, die sich erst langfristig verzinsen konnten. Doch im Geschäftsbericht 1990 hieß es  : „Unser Blick konzentriert sich auf die DDR , die sich schon mittelfristig zu einem bedeutenden Transportmarkt entwickeln wird.“ Dem Neuaufbau standen natürlich zahlreiche Schwierigkeiten gegenüber. Im April 1990 unternahm Axel Frings eine erste Reise nach Chemnitz und Dresden, für die Schenker München die Patenschaft übernommen hatte. Zunächst war eine Schenker-Repräsentanz zu eröffnen, später sollte dann ein selbstständig arbeitender Spedi76

DDR/Neue Bundesländer

1995 Güstrow – Neufahrzeuge der Stolz aller Schenker

1993 aus Rhenus-Weichelt wurde Schenker

Eurocargo Mitarbeiter

Speditionsanlage Schwerin

tionsbetrieb aufgebaut werden. Die erste Euphorie verflog aber rasch. Die staatlichen Verwaltungsämter verwiesen Schenker an den volkseigenen Speditionsbetrieb. Die dortigen Gesprächspartner waren freundlich, konnten sich aber nicht zu einem Entschluss durchringen. Die vorgefundene bauliche Substanz war in einem katastrophalen Zustand und auf keinen Fall für einen modernen Speditionsbetrieb geeignet. Schließlich kamen sie in Chemnitz zur Anlage eines ehemaligen Mineralölhandels, dessen Toreinfahrt eine alte Eiche versperrte. Hatte man dieses Hindernis überwunden, fiel der Blick auf einen Lastenaufzug im Hof „anno 1937“, der mit mechanischer Hebelwirkung gerade 500 kg auf- und absetzen konnte. Daher setzten sie ihre Suche nach Büro- und Lagermöglichkeiten fort, was schließlich zum Ziel führte. Am 15. Juni bezog Schenker seinen ersten Stützpunkt in Chemnitz, direkt im Hauptgüterbahnhof der Deutschen Reichsbahn. Hier konnte eine 500 m2 große Lagerhalle mit Bahnanschluss und drei Lkw-Toren und Überladebrücken gemietet werden. Gegenüber befand sich das Büro, welches kurzfristig mit Telefon, Telex und Telefax ausgestattet werden konnte. Es wurden drei Mitarbeiter eingestellt und in der Filiale München geschult sowie zwei private Unternehmer unter Vertrag genommen, deren Fuhrpark durch drei Lkw aufgestockt wurde. Der erste Standort von Schenker Dresden befand sich in der Magdeburger Straße. Peter Linné war der erste Mitarbeiter für Schenker Dresden, die Herren Schirmer und Triebe für Chemnitz sowie Herr Marx für Erfurt. Als „Chef“ kam Herr Jürgen Franke von Schenker München nach Dresden. Er war zuvor für zwei Jahre in China gewesen und musste aufgrund des Aufstands in Peking (am Platz des himmlischen Friedens) wieder zurück nach Deutschland. Roland Kreitmayr war dann Mitarbeiter Nummer fünf bei Schenker Dresden und im Verlauf des Jahres kamen über 20 dazu.  Roland Kreitmayr wurde im August 1990 vom damaligen Direktor von Schenker München, Kurt Höchtlen, für ein Jahr in den Osten „entsandt“. Motiviert wurde er 77

DDR/Neue Bundesländer

durch die Zusage, aufgrund dieser Ostaufbauleistung sicherlich vom Grundwehrdienst befreit zu werden. Für den Zwanzigjährigen war das ein Argument. Er wurde auch vom Wehrdienst zurückgestellt, der Einberufungsbescheid kam allerdings drei Jahre später. In Dresden war er im Bereich Messelogistik tätig. Da war damals richtig Aufbruchsstimmung, denn deutsche Messeveranstalter hielten ihre Fachmessen in Dresden ab. Die ersten Fachmessen für Bäckereien, Metzgereien, Autowerkstätten oder generell Ladenausstattung waren damals ein Renner. Der Markt in Sachsen war für diese Hersteller zu dieser Zeit riesig. Zu Ende seiner Zeit in den neuen Bundesländern war er dann 1991 noch in Leipzig und konnte dort die erste „gesamtdeutsche“ Leipziger Frühjahrsmesse für Schenker logistisch mitorganisieren.  Schenker Dresden ist ein Beispiel für den systematischen Aufbau der SchenkerOrganisation nach der Wende. Die Strategie lief über Patenschaften. Unterstützt wurde Schenker Dresden durch  : • Schenker München als Patengeschäftsstelle • Schenker Salzburg bei Nahostverkehren, Sammelverkehren und dem Zollwesen • Schenker Ried im Innkreis bei Lkw-Ladungsverkehren, Zollwesen und Linienverkehren • Schenker Wels bei Ladungs- und Linienverkehren • Schenker Düsseldorf bei Kunsttransporten  Der erster Schenker-Standort an der Messe Dresden war ein Bürogebäude in einer Baracke auf dem Messeplatz, dazu ein Büroraum in der Verwaltung der Messe selbst. Danach siedelte man in den Hafen von Dresden mit drei Büroräumen im Erdgeschoß, sechs Monate später kamen drei weitere Räume im Dachgeschoß dazu. Der Messestandort blieb bestehen. Nun begann auch der Aufbau einer Außenstelle am Flughafen Dresden mit dem Ziel, Luft- und Seetransporte anbieten zu können. Zusätzlich kam es zur Einrichtung eines Schenker-Reisebüros für Privatund Geschäftsreisen. Der „Aufbau Ost“ stand für Schenker aber auf zwei Füßen. 1989/90 war Schenker noch im Eigentum der Deutschen Bahn, welche den Ausbau von Schenker auf die neuen Bundesländern selbstständig in Angriff nahm. Der Eigentumsübergang von Schenker von der Deutschen Bahn auf die Stinnes AG erfolgte 1992, daher baute die Stinnes-Speditionstochter Rhenus-Weichelt vorher ebenfalls ein flächendeckendes Netz in Ostdeutschland auf. Im Dezember 1989 wurde Dr. Bernd Pahnke angeboten, die dortige Leitung zu übernehmen. Auf Basis eines Beratervertrages übernahm er als Projektleiter Ostdeutschland die Verantwortung für Aufbau und Betrieb der Geschäftsstellen. Gleich nach der Wende war es für westdeutsche Unternehmen nicht möglich, Niederlassungen in der DDR zu gründen. Daher hat die Rhenus-Weichelt mit treuhänderisch eingesetzten Privatpersonen als Gesellschafter die „RW Spedition 78

DDR/Neue Bundesländer

Vertragsbaschluss Siemens Kabelwerk Schwerin, Berlin 1991; Führungscrew Rhenus-Weichelt: 1. Reihe 2.v.rechts Phanke, 3.v.rechts Frank Rehlmeyer Vorstand RhenusWeichelt, 1.v.links Edeltraud Stolpmann Leiterin Controlling, vorne links: Dr. Pahnke, 2.von links.: Michael Lanzke; Vorstand Schenker Eurocargo

Dresden Messering 8

GmbH“ errichtet. Dem damaligen DDR -Kreisgericht wurde klar gemacht, dass „R/W“ nicht für Rhenus-Weichelt, sondern für „Regional/Weltweit“ stand. Am 1. April 1990 übernahm Bernd Pahnke für Rhenus-Weichelt die Geschäftsführung der Gesellschaft, die zunächst dem Europa-Vorstand zugeordnet wurde. Auch Rhenus-Weichelt war vorerst mit einer katastrophalen Infrastruktur konfrontiert, die Ausdruck des wirtschaftlichen Niedergangs der DDR war. Die Suche nach Speditionsanlagen war extrem schwierig. In Dresden begann die Arbeit in zwei alten Garagen  ; in Schwerin in einer kleinen, für den Stückgutumschlag völlig ungeeigneten Halle  ; in Ilmenau in einer Halle mit eigener Rampe von 50 cm  ; in Chemnitz in einer musealen Bahnhofshalle, für die Belieferung musste eine Hintertreppe 79

DDR/Neue Bundesländer

genutzt werden  ; in Leipzig konnte man schließlich eine Halle des WTB , der ehemaligen Großhandelsgesellschaft der DDR , anmieten. Der Fuhrpark der gesamten Organisation bestand 1990 aus 25 Fahrzeugen. Erheblichen Nachholbedarf gab es beim Personal in der Qualifizierung auf den Gebieten Verkauf und Betriebswirtschaft. Einsatzbereitschaft, Motivation und Improvisationsvermögen der Mitarbeiter waren positive Aspekte beim schwierigen Aufbau der Niederlassungen und des Betriebes. Die ersten Mitarbeiter im Mai 1990 waren neben Bernd Pahnke als Geschäftsführer die Herren Schlothauer (Magdeburg) und Plachetka (Schwerin). Die gesamte Führungscrew kam aus den neuen Bundesländern, hier war man einen anderen Weg gegangen, als die meisten westdeutschen Konzerne. Hervorgehoben wurde das hohe Engagement und die Zuverlässigkeit vieler Mitarbeiter, die Entlohnung lag in den 1990er Jahren um 30 % bis 50 % über dem Tarif, aber natürlich immer noch unter dem Durchschnitt von Westdeutschland. Der erste Stückguttransport im Verbund West/Ost fand am 1. Mai 1990 von Hamburg nach Schwerin stat. Von den 36 Positionen mit 915 kg waren 32 Arzneimittel, auch ein Ausdruck der damaligen Situation. Schon am 1. Juli 1990 – mit Start der Währungsunion – konnte Bernd Pahnke melden, dass Rhenus-Weichelt über ein flächendeckendes Netz in Ostdeutschland, mit den Geschäftsstellen Schwerin, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Ilmenau, Chemnitz und Berlin, verfügt. Ab September 1990 wurde mit regelmäßigen Linienverkehren zwischen den Niederlassungen in den neuen Bundesländern begonnen. Bereits im Jahr 1991 wurde ein Konzept für einen Hub ausgearbeitet, welches im Februar 1992 als erster deutscher Stückguthub umgesetzt wurde. Am 1. Februar 1992 startete man mit dem Hub in Berlin für die neuen Bundesländer und konnte flächendeckend sicherstellen, dass Stückguttransporte innerhalb von 24 Stunden realisiert wurden. Mit dem System gelang es Rhenus-Weichelt die Marktführerschaft in den neuen Bundesländern zu realisieren. Rhenus-Weichelt baute 1990 über die R/W Spedition GmbH eine Niederlassungsorganisation mit Geschäftsstellen in Schwerin, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Ilmenau, Rostock, Neubrandenburg, Berlin und Chemnitz auf. Der Raum Berlin wurde durch das dortige Rhenus-Weichelt Haus abgedeckt, das seine Umschlagskapazität um 60 % erweitert hatte. Entwicklung der R/W Spedition GmbH  : 10. Mai 1990  : 29. Juni 1990  : 1. Mai 1990  : Mai 1990  : Juni 1990  : 31. 12. 1990  : 80

Anmeldung des Unternehmens Eintragung mit Sitz in Rostock Einstellung von drei Mitarbeitern Gründung der Geschäftsstelle Schwerin Gründung der Geschäftsstellen in Leipzig, Chemnitz, Ilmenau, Neubrandenburg in Garagen, Lagerhallen, Eierfarmen usw. Zahl der Mitarbeiter  : 153

DDR/Neue Bundesländer

Januar 1991  :

Gründung der Geschäftsstelle in Rostock und Cottbus (Frankfurt)

Auch bei der R/W Spedition GmbH arbeiteten die Niederlassungen mit Partnergates aus Westdeutschland zusammen  : Dresden und Ilmenau Schwerin und Rostock Leipzig Magdeburg Chemnitz Neubrandenburg

– Schweinfurt – Hamburg – Kassel – Hannover – Coburg – Berlin

Der Markt in den 90iger Jahren zeichnete sich anfangs durch eine Rabattwelle aus, die Kunden verstanden unter Liberalisierung vor allem eine Reduzierung der Frachtkosten. Auch die Frachtführer betrieben zur kurzfristigen Existenzsicherung eine ruinöse Preispolitik. Zahl der Mitarbeiter 31. 12. 1991 bei R/W Spedition GmbH Schwerin

28

Neubrandenburg

20

Magdeburg

19

Leipzig

23

Dresden

38

Chemnitz

32

Ilmenau

25

Rostock

11

Cottbus

7

Berlin Gesamt

14 217

Somit war sowohl Schenker wie Rhenus-Weichelt an je neun Orten mit Geschäftsstellen vertreten, und an den gleichen Plätzen präsent. Mit Kauf der Schenker Gesellschaft durch Stinnes gab es im Jahr 1991 den Zusammenschluss der Rhenus-Weichelt mit den Schenker Geschäftsstellen. Die Verschmelzung der Rhenus-Weichelt GmbH mit Schenker Eurocargo erfolgte zum 1. Januar 1992, die regionale Verantwortung wurde nun Dr. Bernd Pahnke übertragen. Ab 1992 arbeitete man an neun Plätzen, die Fusion erfolgte ohne nennenswerte Probleme. 81

DDR/Neue Bundesländer

Die frühere „Regional/Weltweit“ Spedition hatte immer schwarze Zahlen geschrieben. Rhenus-Weichelt verfügte bei der Fusion über mehr Geschäft und mehr Mitarbeiter, sodass die Führung der neuen Geschäftsstellen – später Schenker Eurocargo – durch Rhenus-Weichelt organisiert wurde. Im Zusammenhang mit der Trennung in Deutschland zwischen dem Landverkehr und den internationalen Verkehren wurden die alten Schenker-Geschäftsstellen dem Geschäftsfeld International zugeordnet. Nach der Fusion zog die R/W Spedition GmbH von Freital zu Schenker Dresden in den Hafen. Es kam zur Erweiterung der Büroflächen im Hafenverwaltungsgebäude und von Lagerflächen für den Umschlag von Stückgütern. Der Neubau eines Logistikterminals für die Landverkehre wurde im September 1996 in Radeburg bei Dresden eingeweiht. Danach übernahm Schenker International die Luft- und Seeaktivitäten am Flughafen und erweiterte die Niederlassung mit Büro- und Lagerflächen. Schenker Dresden entwickelte sich damit kontinuierlich zu einer der führenden Niederlassungen in Deutschland. Neben Chemnitz und Ilmenau wurde sie mehrfach als besonders erfolgreiche und leistungsfähige Geschäftsstelle ausgezeichnet. Bernd Pahnke führte für Schenker Eurocargo bis zum Jahr 2000 die Geschäftsleitung der Geschäftsstellen in den neuen Bundesländern. 1994 wurde bei Schenker Eurocargo die sechste Region, die Region Neue Bundesländer, eingerichtet. Budget (Ergebnis) 1994 in Tausend DM Chemnitz

1.358

Schwerin

921

Dresden

880

Cottbus

70

Neubrandenburg

301

Magdeburg

508

Leipzig

593

Ilmenau

682

Rostock

318

Berlin Gesamt

575 5.056

1997 hatte Schenker in den neuen Bundesländern 470 Mitarbeiter, darunter 20 Auszubildende, und einen Umsatz von 130 Millionen DM . Im Jahr 2000 waren es bereits 576 Mitarbeiter, darunter 322 kaufmännische und 56 Auszubildende. Der Umsatz betrug 180 Millionen DM , 50 Millionen waren investiert worden. 82

DDR/Neue Bundesländer

Potthoffstraße 5

1995 Güstrow: Übergabe neuer Fahrzeuge durch Dr. Pahnke

Geschäftsstellen  : 1991  : Gründung Rostock 1991  : Gründung Cottbus 1991  : Neubrandenburg 1991  : Berlin März 1994  : Erweiterungsbauten in Schwerin und Neubrandenburg 1995  : Neubau Magdeburg 1995  : Neubau Chemnitz 1995  : Einweihung des neuen Terminals in Chemnitz 1996  : Neubau Dresden 1997  : Neubau Leipzig 1997  : Neubau Güstrow 1999  : Erweiterungsbau in Güstrow 2000  : Lagerneubau Chemnitz 2000  : ErweiterungsbauIlmenau 2005  : Einweihung High-Tech-Zentrum in Dresden Luft/Seefracht/Logistik, Inbetriebnahme Hochregallager in Chemnitz 83

DDR/Neue Bundesländer

Schenker Radeburg

2006  : 2007  : 2007  :

Erweiterungsbau in Magdeburg Eröffnung des Logistikzentrum am Seehafen von Rostock, das organisatorisch zur Geschäftsstelle Güstrow gehört Erweiterungsbau in Radeburg bei Dresden

Mit den Neubauten investierte Schenker mehr als 100 Millionen DM in den neuen Bundesländern. Dies war auch Ausdruck des großen Vertrauens der Gesellschaft in die Leistungsfähigkeit und Führung der Niederlassungen. Zugleich war es ein sehr positives Signal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Sicherung der Zukunft und der Wettbewerbsfähigkeit.

84

Regionales Headquarter Europa Südost

Österreich Die österreichische Wirtschaft war bis in die Zwischenkriegszeit auf die Gebiete der ehemaligen Monarchie ausgerichtet. Dies galt auch noch nach dem Zerfall dieses einwohnermäßig zweitgrößten Staates Europas nach dem Ersten Weltkrieg. In den 20er Jahren wurde die Hälfte des Außenhandels der Republik Österreich mit dieser Region abgewickelt, während der Handel mit dem Deutschen Reich nur etwa 15 % ausmachte. Das änderte sich nach 1945 durch den Kalten Krieg und den Eisernen Vorhang. Die Bedeutung der „Oststaaten“ ging auf etwa 10 % zurück, Österreich richtete sich nach „Westen“ aus und integrierte sich zwangsläufig in den Raum der heutigen Europäischen Union. Österreichische Exporte Wertmäßig, Anteile in Prozent Italien

CSFR

1922

BRD 11 %

7 %

7 %

Ungarn 9 %

24 %

EU

EFTA 4 %

Oststaaten

1929

16 %

12 %

14 %

8 %

37 %

7 %

35 %

1937

15 %

14 %

7 %

9 %

44 %

8 %

28 %

1946

2 %

18 %

19 %

2 %

28 %

39 %

22 %

1950

15 %

13 %

6 %

2 %

47 %

8 %

15 %

1988

35 %

10 %

1 %

2 %

64 %

11 %

  9 %

28 %

85

Regionales Headquarter Europa Südost

Österreichische Importe Wertmäßig, Anteile in Prozent EU

EFTA

1922

16 %

BRD

Italien 4 %

CSFR 16 %

Ungarn 8 %

23 %

4 %

Oststaaten 29 %

1929

21 %

4 %

18 %

10 %

34 %

5 %

42 %

1937

16 %

6 %

11 %

9 %

34 %

5 %

32 %

1946

24 %

8 %

17 %

3 %

38 %

32 %

23 %

1950

17 %

7 %

4 %

2 %

43 %

6 %

13 %

1988

45 %

9 %

1 %

1 %

68 %

7 %

6 %

Quelle  : Felix Butschek, Statistische Reihen zur österreichischen Wirtschaftsgeschichte, WIFO , Wien 1996.

EU   : Belgien, Luxemburg, BRD , Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien,

Niederlande, Portugal, Spanien. EF TA   : Finnland, Island, Norwegen, Schweden, Schweiz. Oststaaten  : Bulgarien, CSFR , DDR , Polen, Ungarn, Rumänien, UDSSR .

Am deutlichsten lässt sich dies bei den Wirtschaftsbeziehungen zur Tschechoslowakei zeigen. Österreich und die Tschechoslowakei bildeten die beiden industriellen Kernländer der Monarchie mit entsprechend intensiver Verflechtung. Ab 1947 ging der Außenhandel zwischen den beiden Ländern jedoch bis auf eine Restgröße zurück. Österreich  : Außenhandel mit der Tschechoslowakei Wertmäßig, in Prozent des Gesamtvolumens Exporte

Importe

1929

14

18

1946

19

17

1947

9

13

1948

8

12

1949

7

6

1950

6

4

1951

5

3

1952

4

3

1953

2

2

1954

1

1

1955

2

2

Quelle  : Felix Butschek, Statistische Reihen zur Österreichischen Wirtschaftsgeschichte, WIFO , Wien 1995.

86

Österreich

Bis in die 1930er Jahre verlief die Wirtschaftsentwicklung der Tschechoslowakei noch wesentlich günstiger als jene Österreichs und auch noch 1950 hatten beide Länder ein ähnlich hohes BNP pro Einwohner. Dann wirkte sich die unterschiedliche Dynamik der beiden Wirtschaftssysteme aus, bis 1992 vervierfachte sich das BNP pro Einwohner in Österreich, das des tschechoslowakischen Nachbarn verdoppelte sich gerade einmal. BNP pro Einwohner in 1990 International Dollar 1950

1973

1992

Österreich

3.731

11.308

17.160

Tschechoslowakei

3.501

 7.036

 6.845

Im Verhältnis zur USA = 100 Österreich

40

68

80

Tschechoslowakei

37

42

32

Quelle  : Angus Maddison, Monitoring the World Economy 1820  –  1992, OECD , Development Centre Studies, Paris 2000.

Zwei Drittel der österreichischen Grenzen waren Grenzen zu den kommunistischen Ländern Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien. Der Kalte Krieg mit dem Eisernen Vorhang erzwang daher eine Neuausrichtung des Landes mit einer strukturellen Veränderung der Wirtschaftsstandorte. Das wirtschaftliche Gewicht der westlichen Bundesländer erhöhte sich, die Verkehrsströme gingen nun in diese Richtung, vor allem nach der BRD . Salzburg wurde das „Tor zum Westen“ und Wien lag „am Ende der Welt“. Trotz dieser Veränderungen zählte Österreich unter den „westlichen“ Ländern zu jenen mit nach wie vor intensiven Beziehungen zu den Planwirtschaften des „Ostens“. Das war einmal durch die Nachbarschaft und die historisch-kulturelle Nähe zu erklären sowie durch die nach wie vor bestehenden familiären Beziehungen. Bei manchen Seiten des Wiener Telefonbuchs glaubt man in Prag zu sein. Aber auch die damalige Wirtschaftspolitik begünstigte die Kontakte. Österreich hatte keine „freie“, sondern so etwas wie eine „gebundene“ Marktwirtschaft. Durch den hohen Anteil der Verstaatlichung im Bankensektor und in der Industrie, zusammen mit der Sozialpartnerschaft, bei der die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen die Wirtschaftspolitik bestimmten, hatte der Staat bis in die 1980er Jahre einen erheblichen Einfluss. In Österreich verstand man daher planwirtschaftliche Strukturen, und wenn der Bundeskanzler mit einer Delegation nach Moskau fuhr, so kam er mit politisch bestimmten „Bartergeschäften“ – etwa Industrieprodukte gegen Erdgas – zu87

Regionales Headquarter Europa Südost

rück. In konjunkturell schlechten Zeiten, wie etwa in den 70er Jahren, wurden diese Wirtschaftsbeziehungen bewusst über staatlich garantierte Kredite und Handelsverträge gefördert. Bis Ende der 1980er Jahre war Österreich ein wirtschaftlich effizientes und kapitalstarkes Land geworden. Es war daher kein Wunder, dass es mit der Ostöffnung ab 1989 in diese traditionellen Märkte wieder eindrang und in einigen dieser Länder zum größten ausländischen Investor wurde. Die wirtschaftlichen Verbindungen entwickelten sich nun, wie sie zwischen marktwirtschaftlichen Nachbarländern als normal anzusehen sind. Da Österreich eine „Ostkompetenz“ zugeschrieben wurde, verlegten viele internationale Unternehmen ihre Osteuropa-Headquarters nach Wien. Dies galt auch für Schenker. Die Entwicklung von Schenker Österreich war ab den 1970er Jahren wesentlich von Paul Tegtmeier mitbestimmt.* Dieser kam 1973 in den Vorstand von Schenker Österreich. Zur Unterstützung holte er sich einen jungen Absolventen der Wirtschaftsuniversität (damals Hochschule für Welthandel). Elmar Wieland, geb. in Hallein bei Salzburg, absolvierte eine Speditionslehre und war von 1962 bis 1974 bei einer Spedition in Salzburg tätig. Neben seiner Berufstätigkeit machte er an der Handelsakademie in Salzburg die Matura und studierte dann in Wien bis zum Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. 1974 kam er zu Schenker & Co. AG Wien. Dort wurde er für die Rationalisierung der bestehenden Organisation und für Zukunftsaufgaben eingesetzt. Das betraf vorerst die Reorganisation des Finanz- und Verwaltungsbereichs, wofür er auch einige Zeit an die Geschäftsstelle Innsbruck ging. Von 1981 bis 1985 übernahm er die Leitung der Geschäftsstellen in Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Es folgte der Aufbau der EDV, eine Schwachstellenanalyse, die Organisation von PR -Angelegenheiten sowie die Koordinierung und Neuentwicklung der überregionalen Interessen der österreichischen Schenker-Organisation. 1986 wurde er zum Vorstandsmitglied ernannt, wobei sein Aufgabenbereich unter anderem auch die Aus- und Weiterbildung betraf. Ihm war aus dem eigenen Werdegang klar, dass dieser Bereich entscheidend für den Erfolg des Unternehmens war. Die Schenker-Akademie, an der praktisch jede Mitarbeiterin/jeder Mitarbeiter zumindest einmal im Jahr teilnahm, wurde auch zum Vorbild für die südosteuropäischen Niederlassungen. 1993 wurde Elmar Wieland zum Vorsitzenden des Vorstandes bestellt und blieb das bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013. Ab 1996 übernahm er auch die Leitung des SchenkerHeadquarters Südosteuropa und damit die Verantwortung für die Landesgesellschaften. Elmar Wieland war 38 Jahre bei Schenker, davon 20 Jahre als Vorsitzender des Vorstandes. Er zählte damit zu den langgedienten Führungskräften, die man informell auch „Gebietsfürsten“ nannte und die eine entsprechende Stellung innerhalb der Schenker-Organisation hatten. Er hatte vier Eigentümer erlebt (Österreichisches Cre* Die Entwicklung von Schenker Österreich wurde in einer eigenen Publikation dargestellt  : Dieter Stiefel, Hoher Markt 12. Zur Geschichte der Spedition Schenker in Österreich, Wien 2007.

88

Oben: Hoher Markt Rechts: Österreich Ungarn

89

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4. Juni 1989: Die österreichischen und ungarischen Außenminister Alois Mock und Gyula Horn durchschneiden den Eisernen Vorhang

Österreich 2001 Elmar Wieland mit Erhard Busek

dit-Institut, Deutsche Bahn, Stinnes, neue Deutsche Bahn), den Beitritt Österreichs zur EU und die Ostöffnung. Das Geschäft hatte sich in seiner Zeit völlig verändert. Die Entwicklung der EDV hatte den Spediteur zum Logistiker werden lassen, die Informationstechnologie den Transportbereich völlig verändert, die Transportmengen und organisatorischen Anforderungen waren unvergleichlich zu früher und nicht nur der Lkw, sondern auch die Luftfracht bekam eine zunehmende Bedeutung. Elmar Wieland war ein ruhender Pol, auch bei den in seiner Zeit fast periodisch auftretenden Wirtschaftskrisen, die eine ständige Herausforderung für den Speditionsbereich darstellten. Ihm konnte man weder theoretisch noch praktisch etwas vormachen. Neben strategischen Aufgaben fand er auch Zeit für jedes Detail, das auf seinem Schreibtisch landete. Trotz des „Chaosprinzips“ fand er jede Unterlage wieder. Er stand vor seiner Organisation und vor seinen Mitarbeitern. Wenn der „Magister“ in die Zentrale nach Essen kam, konnte man von ihm regelmäßig hören  : „Ich habe solche Sorgen  !“ Sein Nachfolger wurde der gebürtige Oberösterreicher Kurt Leidinger, der im Unternehmen als Lehrling begonnen hatte. Er übte verschiedene Funktionen als Abteilungsleiter aus, war Geschäftsstellenleiter von Linz/Hörsching, Produkt Manger Kontraktlogistik für Südosteuropa und als Vorstand für Luft- und Seefracht sowie Kontraktlogistik zuständig gewesen. Er war als Lehrer an der Schenker-Akademie und an einer Fachhochschule tätig und gehört seit Jahren dem Vorstand des Vereins Netzwerk Logistik Österreich an. Man kann ihm voraussagen, dass die Herausforderungen an ihn nicht geringer sein werden, als jene vor denen Elmar Wieland gestanden war. Schenker Österreich hat die Beziehungen zu Ost- und Südosteuropa auch unter den veränderten politischen Vorzeichen aufrechterhalten. Mit rund 30 Exportorganisationen aus acht sozialistischen Ländern wurden seit 1969 Kontakte gepflegt. Aus Anlass des damals in Opatija stattfindenden FIATA-Weltkongresses veranstaltete Schenker Wien erstmals einen „Ostabend“ mit Spediteur-Partnern aus dem RGW Raum und Jugoslawien. Diese Veranstaltung entwickelte sich zu einer festen Tradi90

Österreich

Elmar Wieland

Klaus Lippstreu

tion. Schon unter dem kommunistischen Regime konnte damit auf einigen Gebieten recht gut mit den bestehenden staatlichen Organisationen im Bereich des Speditionsund Transportwesens zusammengearbeitet werden. Die staatlichen Firmen (Sojusvneshtrans, Poltrans, Romtrans, Deutrans, Cechofracht, Masped, Transjug usw.) waren auch eher bereit, mit einem Unternehmen zu kooperieren, das aufgrund seiner Nähe zur staatlichen Bahn Verständnis für die Situation der Spediteure in den Staatshandelsländern aufbringen konnte. Für eine Intensivierung der Beziehungen sprachen aber auch verkehrstechnische Überlegungen. Der Containertransport bis Moskau und von dort über die Transsibirische Eisenbahn nach China oder Japan gestaltete sich häufig günstiger als der Seeweg nach dem Fernen Osten, sodass schon aus dieser Sicht eine Kooperation sinnvoll erschien. Mit der sich abzeichnenden Öffnung der Ostmärkte verfolgte Schenker eine „behutsame Osteuropapolitik“, wie sich Paul Tegtmeier ausdrückte. Dabei konzentrierte man sich vorläufig auf Ungarn und die Tschechoslowakei, später auf Bulgarien und Rumänien. Langfristiges Ziel war jedoch die Wiedererrichtung der 95 Niederlassungen in Osteuropa, über die Schenker 1930 bereits verfügt hatte. Allerdings ging man nicht einfach wieder in die Positionen, die man nach 1945 verloren hatte. Was wie Nostalgie in Richtung ehemaliges wirtschaftliches Einflussgebiet der österreichischungarischen Monarchie aussah, waren völlige Neugründungen unter veränderten Bedingungen. Schenker ist daher in diesen Ländern heute wesentlich stärker vertreten als je zuvor in seiner Geschichte. Für Osteuropa gab es ein eigenes Investitionsbudget und mit der Öffnung neuer Grenzübergänge wurden Grenzbüros errichtet. Da die osteuropäischen Fluggesellschaften nicht über den benötigten Frachtraum verfügten, wurden Flugersatzverkehre mit dem Lkw von Prag, Budapest, Ljubljana und Maribor zum Flughafen Wien eingerichtet. Der Aufbau einer eigenen Organisation in den ehemaligen Ostblockstaaten war mit etlichen Risiken verbunden. Schenker verfolgte ab 1991 einen Dreistufenplan. 91

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Dieser sah zunächst die Errichtung eigener Repräsentanzen in den Hauptstädten als reine Verkaufsstellen vor. Dabei musste jeweils eine Abstimmung mit den bisherigen Partnern im Lande vorgenommen werden. Als zweiten Schritt hatten die Repräsentanzen die behördlichen Genehmigungen für die Durchführung aller Speditionsleistungen zu erwerben. Letzter Schritt und eigentliches Ziel war die Umwandlung der Repräsentanzen in eigene operative Landesgesellschaften, notfalls auch mit einem lokalen Partner, aber unter der Voraussetzung einer mehrheitlichen Beteiligung unter der Firma Schenker. Wien nahm daher bei der Wiedererrichtung der Schenker-Organisation in Südosteuropa eine besondere Position ein. Neben der Marktkenntnis war dafür die Stellung als Marktführer im eigenen Land ausschlaggebend. Österreich hatte von sich aus Geschäftsbeziehungen mit diesen Ländern aufgebaut und die Geschäftsstellen in den Bundesländern übten überregionale Funktionen aus, Schenker am Flughafen Wien und Salzburg wurden geradezu zu einem Hub für diese Verkehre. 1996 wies Schenker-Rhenus daher die österreichische Landesgesellschaft an, die Organisationen und die Verkehrsentwicklung in den osteuropäischen Ländern mit Ausnahme von Polen und Russland zu unterstützen. Aufgrund seiner traditionell engen Bindungen zu den Kunden und Speditionen Osteuropas sei Schenker Österreich fähig, Beratung und Hilfe für die Schenker-Organisation weltweit anzubieten. Schenker Österreich übernahm damit ab Anfang des Jahres 1996 die Funktion des federführenden Head-Office für das Management in Südosteuropa. Damit fielen folgende Landesorganisationen unter die Führung des regionalen Headquarters Europe South East in Wien  : • • • • • • • •

Tschechische Republik Slowakei Ungarn Slowenien Kroatien Serbien Montenegro Bosnien-Herzegowina

• • • • • • •

Mazedonien Albanien Moldawien Bulgarien Rumänien Griechenland Türkei

Schenker Österreich hatte die Gesellschaftsrechte dieser Firmen übernommen, beabsichtigte aber keinesfalls diese Landesorganisationen wie Filialen aus dem Blickwinkel der K.-u.-k.-Monarchie zu führen. Ziel war, die Schenker-Betriebe in Osteuropa zu eigenständigen, erfolgreichen und unabhängigen Landesorganisationen aufzubauen. Schenker Österreich war selbst eine Mehrspartengesellschaft, Schenker International und Schenker Eurocargo standen unter einheitlicher Leitung und so wollte man es auch bei den angegliederten Gesellschaften handhaben. Land-, Luft92

Österreich

30 Dezember 1991: Lippstreu, Wieland, Tegtmeier,

Ljubliana 2004

Bernhard

East West Meeting 2006

East West Meeting 2006: Albin Budinsky, Elmar Wieland, Theoman Maler

Führungskräfteseminar Osteuropa 6.10.1996: Von links stehend: Valenko, Pinter, Bucalic, Jordan, Lip, Grainer, Hohenauer, Wasilewski, Wieland, Rosenau und sitzend Szügyi, Schaffer, Franke

93

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Salzburg Hub

und Seeverkehr waren gleich zu entwickeln, wobei auf vorhandene Strukturen und Außenhandelsentwicklung Rücksicht zu nehmen war. Elmar Wieland stellte daher 1997 ausdrücklich fest  : • Schenker Österreich ist Gesellschafter dieser Firmen (mit Ausnahme der Türkei) mit einer 100%igen Beteiligung • Daraus leitet sich die volle handelsrechtliche, kommerzielle und administrative Verantwortung ab • Ziel des Vorstandes in Wien kann es nur sein, die betreffenden Landesgesellschaften als eigenständige und eigenverantwortliche Betriebe zu führen bzw. möglichst rasch und konsequent in die Lage zu versetzen, diese Aufgabe wahrzunehmen • Der Vorstand in Wien kann also nur die Voraussetzungen für eigenständige und erfolgreiche Gesellschaften schaffen bzw. als Katalysator für alle Entwicklungen fungieren • Natürlich steht Schenker Wien als Ansprechpartner für alle Fragen und Probleme zur Verfügung – in das operative Tagesgeschäft will und kann man sich jedoch nicht einmischen • Dies bleibt dem bilateralen Dialog und den dabei getroffenen Vereinbarungen überlassen 94

Österreich

Wien-Albern Schenker Zentrale neu

95

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Vorstand 2014: Reinhard Just, Alexander Winter, Kurt Leidinger, Michael Meyer, Helmut Schweighofer

• Umgekehrt erwartet der Vorstand von Schenker Österreich von allen Landesgesellschaften in West- und Osteuropa einen offenen Dialog über Zielsetzung und Probleme und will in Grundsatzfragen gehört und respektiert werden. Dies gilt besonders bei Risiken, Investitionen und andere Grundsatzangelegenheiten • Nur gemeinsam kann man die anspruchsvollen Zielsetzungen der Entwicklung in Südosteuropa meistern Landesgesellschaften 2005 Geschäftsstellen

Umschlags-­ Lagerfläche m2

Bosnien-Herzegowina

1

15

280

Bulgarien

6

130

9.200

Griechenland

3

161

9.200

Kroatien

5

90

2.900

Mazedonien

1

15

200

Rumänien

8

102

2.700

Serbien-Montenegro

1

19

4.700

Slowakische Republik

3

58

4.400

Slowenien

8

120

15.000

10

354

32.000

Türkei

3

338

30.400

Ungarn

6

279

38.500

Tschechische Republik

96

Mitarbeiter

55

1.681

149.480

Österreich

27

1.749

141.600

Insgesamt

82

3.430

291.080

Tschechien

Tschechien Nach dem Ersten Weltkrieg entstand als einer der Nachfolgestaaten der österreichischen Monarchie die Tschechoslowakei, aus Böhmen und Mähren und der bis dahin zu Ungarn gehörenden Slowakei. Die Tschechoslowakei war eine der industriell entwickelten Regionen, deren BNP pro Einwohner dem der nunmehrigen Republik Österreich entsprach, bei Industrieproduktion war das Land sogar führend. In der Zwischenkriegszeit war die wirtschaftliche Entwicklung weitgehend positiv. Im September 1938 wurde das „Sudetenland“ an das Deutsche Reich angeschlossen, später auch die Slowakei als eigener Staat abgetrennt und das übrige Staatsgebiet, die „RestTschechei“, als Protektorat Böhmen und Mähren unter deutsche Kontrolle gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Staatsgebiet wiederhergestellt. In der Folge kam es 1946/8 zur Vertreibung und Enteignung von etwa 3 ½ Millionen deutschsprachigen „Sudetendeutschen“, die etwa 20 % der Bevölkerung ausmachten. Dies und die darauffolgenden Verstaatlichungen und die Einführung der Planwirtschaft durch die kommunistische Regierung führten zu einer wesentlichen Schwächung der wirtschaftlichen Entwicklung. Dennoch war die Tschechoslowakei – neben der DDR – das einzige Land des „Ostblocks“, das von Anfang an über eine industrielle Struktur und entsprechend ausgebildete Arbeitskräften verfügte. In der ersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Tschechoslowakei noch einen „dritten Weg“ zwischen Kommunismus und Kapitalismus versucht, der jedoch mit der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 beendet wurde. Auch später gab es Versuche, das strikte kommunistische Regime zu liberalisieren (Prager Frühling 1968), die jedoch durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes niedergeschlagen wurden. Erst mit dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ 1989 war der Weg frei. Im Juni 1990 gab es die ersten freien Wahlen und 1993 kam es zu einer einvernehmlichen Trennung von der Slowakei. Die Tschechische Republik (Tschechien) schlug nun einen extremen Kurs einer „Marktwirtschaft ohne Adjektive“, also ohne Adjetkive wie sozial oder dergleichen, ein. Tschechien hatte durch einen guten Bildungs- und Ausbildungsstand und hohe Auslandsinvestitionen relativ günstige Voraussetzungen für einen „Turnaround“. Allerdings schlug der Verlust der Märkte des RGW-Raums, die vorher zwei Drittel des Außenhandels ausgemacht hatten, negativ durch und bis 1992 ging das BNP um etwa 15 % zurück. Die Ausrichtung nach Westeuropa war aber bereits ab Mitte der 1990er Jahre vollzogen, wobei die Hälfte des Außenhandels mit der EU erfolgte, begünstigt durch die Nachbarschaft zu Deutschland und Österreich. Die Privatisierung der bisherigen Staatsunternehmen, die weitgehend über „Voucher-Privatisierung“ erfolgte, war bis 1996 weitgehend abgeschlossen. Es kam auch zu einer Restitution von Vermögenswerten, welche die kommunistische Regierung 1948 beschlagnahmt hatte, was allerdings nicht für die vertriebene deutschsprachige Bevölkerung galt. 97

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Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahresdurchschnitt

Veränderung Konsumenten­ preise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−1



10



1991

−12



57



1992

−1



11



1993

0

4

21

41

Jahr

1994

2

4

10

40

1995

6

4

9

35

1996

5

4

9

33

1997

−1

5

9

33

1998

0

7

11

36

1999

2

9

2

38

2000

4

9

4

38

2001

3

8

5

38

2002

2

7

2

39

2003

4

8

0

40

2004

5

8

3

40

2005

7

8

2

40

2006

7

7

2

39

2007

6

5

3

40

2008

3

4

6

39

2009

−5

7

1

39

2010

3

7

1

39

2011

2

7

2

40

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in Prozent des BNP

1990

10.363

 9.400

1993  : 41

2011

10.497

20.200

43

Jahr

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

Der Raum des heutigen Tschechiens war für Schenker schon im 19. Jahrhundert ein zentraler Geschäftsbereich. 1874, bereits zwei Jahre nach der Unternehmensgründung in Wien, wurde dort die erste Niederlassung gegründet. 1879 kam es zur Errichtung der Schenker-Filiale Prag, Leiter war Herr Dupal und Eduard Schenker, der Neffe von Gottfried Schenker. 1880 kam die Filiale in Tetschen hinzu, 1893 98

Tschechien

Steinschönau und Eger, 1900 Karlsbad. 1894 war der Firmensitz in Prag, Heuwagenplatz 21. 1905 stieg Emanuel Rebfeld, der Inhaber der Moldau- und Elbe Schleppschifffahrts GmbH als Gesellschafter ein, dieser starb jedoch 1910. 1907 wurde zwischen den Filialen Prag und Tetschen eine Demarkationslinie festgelegt, Nordböhmen wurde Tetschen zugeteilt, das Gebiet südlich davon ging an Prag. 1907 war der Firmensitz in Prag, Hybnergasse 4, neben einem Reisebüro am Havlicekplatz 21. 1910 erreichte Schenker in Böhmen eine neue Dimension. Nun übernahm Schenker die Prager Transportgesellschaft Beck, Brock & Co mit Niederlassungen in Prag, Aussig, Schönpriesen, Tetschen und Laube. Die Inhaber Rudolf Beck und Ernst Brock wurden zu Leitern der neuen Geschäftsstelle, waren mit 37,5 % beteiligt und bezogen ein monatliches Fixum von je 30.000 Kronen. Anstelle der bisherigen Vertretungen wurde nun eine offene Schenker Prag 1923 Handelsgesellschaft unter dem Firmennamen „Schenker & Co., Prag“ errichtet. Beck & Brock führten daneben ein eigenes Versicherungsmaklerbüro, das in enger geschäftlicher Verbindung mit Schenker & Co. stand. 1913 hatte das Prager Unternehmen 64 Mitarbeiter, Transportgüter waren vor allem Roheisen, Röhren, Glas, Zucker, Baumwolle, Bleikristall, Holz und Textilien. Mit der Entstehung der Tschechoslowakei 1918 versuchte die dortige Regierung eine Verstaatlichung von Schenker durchzusetzen. Von Wien aus sah man dies als Unsinn an. Eine Speditionsfirma auf nationalistischer Basis wäre ein Widerspruch in sich selbst, mit nationalistischen Regungen allein könne man keine Spedition betreiben. Es habe keinen Zweck, ein Vermittlungsgeschäft im internationalen Verkehr zu nationalisieren, was schon die beiden Worte genügend erklärten. Wolle man aber mit aller Gewalt einen lahmen Gaul aus dem Stall ziehen, brächte auch das nationalste Kraftfutter diesen lahmen Gaul nie auf die Beine. Die ganze Aktion verlief letztlich von selbst im Sande. Dennoch hatten sich die Verhältnisse in der nunmehrigen Tschechoslowakei kompliziert. Es bestanden drei selbstständige Schenker-Unternehmungen, die zusammengefasst werden mussten. Einmal Schenker & Co. Prag, die aus Beck, Brock & Co entstanden war. Diese Gesellschaft hatte die Zentrale in Prag, Hyberská ut 4, ver99

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fügte 1930 über zehn Filialen  : Aussig, Brünn, Halbstadt, Mezimesti, Kiralybazi, Königsgräz, Nachod, Neu-Oderberg, Olmütz und Pilsen. Daneben bestand die alte und wichtige Niederlassung in Tetschen, die mehr oder weniger den deutschen Sprachraum in der Tschechoslowakei erfasste, mit 13 Filialen im Jahr 1930  : Bodenbach, Böhmisch-Leiprag, Eger, Falkenau, Gablonz, Georgswalde, Haida, Karlsbad, Moldau, Reichenberg, Steinschönau, Teplkiz-Schönau und Warnsdorf. Die 150 Angestellten von Schenker Tetschen unter der Leitung von Heinrich Schimpke waren in einem repräsentativen Gebäude am Sternplatz untergebracht, das der Städtischen Sparkasse gehörte. In der Slowakei wurde im Jahre 1919 die Firma Szmattana & Rübener erworben und es entstand in Preßburg somit eine weitere selbstständige Niederlassung mit einer zusätzlichen Filiale in Parkany. Es gab nun eine Auseinandersetzung zwischen Schenker Wien, Berlin, Prag und Tetschen. Prag versuchte den Zusammenschluss aller Schenker-Unternehmungen in der Tschechoslowakei zu erreichen, was in Tetschen abgelehnt wurde. Für Heinrich Schimpke war die Trennung der drei Geschäftsbereiche eine glückliche Lösung, da sowohl den tschechischen, als auch den slowakischen und deutschen nationalen Strömungen entsprochen werden konnte. In Tetschen konnte bisher keiner der tschechischen Konkurrenzfirmen Fuß fassen, da diese bei den deutschen Industriellen und der deutschen Kaufmannschaft keine Unterstützung fanden. Die Prager führten die gesetzliche Notwendigkeit der Nationalisierung ins Treffen, wobei zumindest einer der Eigentümer seinen ständigen Wohnsitz in der Tschechoslowakei haben musste, was bei Tetschen und Preßburg nicht der Fall war. Prag war der Sitz der Regierungsbehörden, der Zentralstellen des Eisenbahn- und Schifffahrtsdienstes und der Banken. Daher war es aus vielen Gründen notwendig, zum Nutzen des Gesamthauses sämtliche Kräfte zu vereinen und gemeinsam aufzutreten. Man schlug daher vor, Prag als Hauptniederlassung zu protokollieren und die anderen Schenker-Stellen als Filialen, wobei ihnen die Selbstständigkeit belassen werden sollte. In Wien befürchtete man aber, dass die direkte Verbindung zum Stammhaus damit verloren gehen und sich Prag als eine vorgesetzte Dienststelle etablieren könnte. 1921 kam es zum „Prager Abkommen“, einem Kompromiss, nach dem in allen wichtigen Angelegenheiten das Einvernehmen mit der Geschäftsleitung in Prag zu suchen war. Verhandlungen mit Regierungsbehörden, Bahn- und Schifffahrtsunternehmungen, Banken usw. hätten nur nach Beratung mit Schenker Prag zu erfolgen. Um die Bedenken der anderen Geschäftsstellen zu zerstreuen, wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Selbstständigkeit der Filialleiter innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises nicht beeinträchtigt und die Verbindung mit dem Stammhaus nicht gelockert werde. Insbesondere waren Wien weiter die Bilanzen vorzulegen. Der Kompromiss hatte aber die deutsche Schenker-Organisation in Berlin nicht berücksichtigt, die auf ihrem Einfluss in Tetschen bestand. Berlin forderte daher eine 100

Tschechien

einheitliche Geschäftsführung für den ganzen schlesischen Bezirk unabhängig von den politischen Landesgrenzen und verlangte, dass eine schlesische Gruppe mit den ohnedies zu Berlin gehörigen Filialen in Polen und Deutschland gebildet werde. Es wurde daher festgelegt, dass der oberschlesische Industriebezirk als Ganzes nach Berlin ausgerichtet wird, ohne dass Prag seinen Einfluss auf die Geschäftsführung verliert. Über Prag erfolgte damit die Gestion aller Schenker-Unternehmungen in der Tschechoslowakei, verbunden mit einer Gewinnbeteiligung. Es blieb ihre Selbstständigkeit erhalten, Preßburg orientierte sich nach Wien und Tetschen nach Berlin. Diese komplizierte Konstruktion war nur durch einen ständigen Informationsaustausches aufrechtzuerhalten. Erst in den 30er Jahren wurde die komplizierte Organisationsstruktur in der Tschechoslowakei aufgegeben und sämtliche Geschäftsstellen zentral Prag unterstellt. Ein weiteres Problem war die „Oderberger Lagerhaus-Aktiengesellschaft“, die 1920 mit einem Kapital von vier Millionen Kronen gegründet worden war. Schenker Berlin hatte 1921 50 % der Aktien dieser Gesellschaft erworben, um sie in eine Lagerhauskombination einzubauen. Aus der Sache wurde jedoch nichts, und so war die Auslastung des Oderberger Lagerhauses schlecht. Dennoch wurde 1926 der Rest der Aktien erworben, um Schwierigkeiten mit den anderen Aktionären aus dem Weg zu gehen. Ab 1927 wurde keine Dividende mehr ausgeschüttet und 1929 wurde das Kapital zur Deckung der Verluste auf 2,4 Millionen abgewertet. Schenker Prag war in den 1920er Jahren durchwegs erfolgreich und konnte ständig Gewinne ausweisen. Es hatte gute Beziehungen zu den großen Industrieunternehmungen, bei Zuckertransporten nahm es fast eine Monopolstellung ein und für die sowjetische Handelsdelegation in Prag war sie so etwas wie der Hausspediteur. Die Gesellschaft hatte zwei Lagerhäuser und vier Bürohäuser im Eigentum, die hohe stille Reserven darstellten. Prag konnte bis 1926 aus eigener Kraft 16 Millionen Kronen für die Entschuldung der tschechoslowakischen Niederlassungen aufbringen und zwei Millionen Kronen für die Schulden der Oderberger Lagerhaus AG . Der notwendige Ausbau eines eigenen Lagerhauses in Prag musste zurückgestellt werden, da das Wiener Stammhaus zur Deckung seiner Verluste jedes nur verfügbare Kapital zusammenzog. Das Verhältnis der beiden Prager Gesellschafter zu den Wienern war freundschaftlich und zum Teil sogar herzlich. Das Gesellschafterverhältnis mit Rudolf Beck wurde am 30. Juni 1930 altersbedingt aufgelöst und für dessen 17,5%igen Gesellschafteranteil wurden 1,5 Millionen Kronen, zahlbar nach drei Jahren, vereinbart. Die Auszahlung erfolgte daher erst 1933 und fiel damit schon unter die Abwicklung des Verkaufs des gesamten Schenker-Konzerns an die Deutsche Reichsbahn. Beim zweiten Prager Gesellschafter, Ernst Brock, wurde 1929 dessen Sohn Walter Brock als Gesellschafter in Prag eingetragen. Zu dieser Zeit hatte Schenker in der Tschechoslowakei 615 Beschäftigte. Im Juni 1933 wurde Schenker als Aktiengesellschaft 101

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konstituiert, in deren Verwaltungsrat die alten Schenker-Gesellschafter, Ernst Brock und Rudolf Beck, vertreten waren. Als die Reichsbahn 1931 die Firma Schenker übernahm, wurde auch das Geschäft in der Tschechoslowakei auf eine neue Grundlage gestellt. Man hatte den Eindruck, dass hier eine Firma innerhalb der Firma entstanden war. Fehlgeschlagene Geschäfte in der Weltwirtschaftskrise bewirkten erhebliche Verluste. Die Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn und später die Machtergreifung der Nationalsozialisten führten in der Tschechoslowakei zu politischen Reaktionen, von denen Schenker direkt betroffen war. Von 1932 bis 1934 sah sich Schenker Prag in drei langwierige Strafverfahren wegen Spionage, Devisen- und Steuervergehen verwickelt. Der Firma wurde vorgeworfen, dass sie eine Spionagezentrale für das nationalsozialistische Deutschland sei und tschechische Wirtschaftsführer und Politiker für ihre Zwecke dienstbar mache. Rudolf Beck, Ernst Brock, der erst kurz vorher von Hamburg nach Prag versetzte Direktor Robert Anthony und einige Filialleiter wurden von der Prager Finanzlandesdirektion zur Anzeige gebracht und zum Teil vorübergehend verhaftet. Die Hausbank, die Deutsche Agrar- und Industriebank, hatte alle Kredite aufzukündigen, und auf politischen Druck hin mussten Führungspositionen tschechischen Staatsbürgern überlassen werden. Zum Präsidenten der tschechoslowakischen Schenker-Organisation wurde daher Prof. Dr. Josef Drachovsky, Verwaltungsrat der Apollo-Mineralölraffinerie und Mitglied der staatlichen Prager Außenhandels AG , bestellt, einer der beiden Vizepräsidenten wurde Dr. Frantisek Fousek, Verwaltungsrat der Prager Eisenindustriegesellschaft und der Olleschauer Papierfabrik AG . Als zweiter Vizepräsident fungierte der an der Prager Handelsakademie lehrende Prof. Josef Tischer, der bereits seit 1923 als Abteilungsdirektor für Finanzen zuständig gewesen war und nunmehr als Oberdirektor die eigentliche Geschäftsleitung wahrnahm. Neu in die Prager Geschäftsleitung berufen wurde auch der bisherige Prokurist Kindl, gegen den in der Folge massive Vorwürfe aus Berlin erhoben wurden. Im Verwaltungsrat der Prager Aktiengesellschaft befand sich schließlich nur mehr ein einziger (Sudeten-)Deutscher, obwohl dies von Berlin aus immer wieder kritisiert wurde. Ohne besondere Aufmerksamkeit konnte aber die von Berlin verlangte „Arisierung“ durchgeführt, und die jüdischen Mitarbeiter entlassen werden. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Schenker in der ehemaligen Tschechoslowakei weiter, 1945 wurde die Organisation beschlagnahmt und 1948 verstaatlicht. Schenker reagierte recht rasch auf die Marktöffnung in Tschechien. 1989 wurde von Schenker Regensburg eine Repräsentanz in Prag unter der Leitung von Herbert Maria Gruber errichtet. Allerdings kam man hier um den ehemaligen Staatsspediteur Cechofracht nicht herum, der einen beachtlichen Marktanteil hielt. Am 1. März 1991 kam es daher zur Gründung der Schenker Interlogistik A.S. als Joint Venture  : 102

Tschechien

• 51 % Cechofracht a.s. Prag • 28 % Schenker Eurocargo AG , Dortmund (Sitz der Rhenus) • 21 % Schenker & Co. AG Wien Managing Director war von 1991 bis 1997 Jiri Grainer. Der Verkauf ging vorläufig noch über Wien, die Durchführung wurde von Cechofracht übernommen. Head Office war Prag und es kam zur Gründung der ersten Niederlassung in Brünn und zum Beginn nationaler Distributions- und Lagerprojekte. Ebenso wurde mit dem ersten nationalen Logistikprojekt für Procter & Gamble begonnen, das über viele Jahre anhielt. Durch das Wachstum des Unternehmens wurde 1992 das erste Terminal in Praha-Zlicin mit 1.500 m2 in Betrieb genommen und ein Grenzbüro in Folmava für Transit-Zollabwicklung eingerichtet. Die Gesellschaft konzenrierte sich auf das Lager- und Distributionsgeschäft, die übrige Speditionstätigkeit wurde vorläufig noch vernachlässigt. Eine Sonderstellung nahm der Raum Jablonec (Gablonz) ein, wo die traditionelle Glas- und Schmuckproduktion einigermaßen überlebt hatte. Die Infrastruktur war aber problematisch, so gab es nur ein einziges Lager unter der Kontrolle von Cechofracht. Das Joint Venture mit Cechofracht wurde wegen des negativen Images des ehemaligen Staatsuntenehmens zunehmend kritisch gesehen und auch die Zukunft des Partners schien alles andere als sicher zu sein. Außerdem war die erwartete Belebung des Luft- und Seegeschäfts ausgeblieben. Daher wurde beschlossen, eine eigene Gesellschaft zu errichten. 1993 verkauft Cechofracht seine Anteile an Schenker und es wurde die Schenker Interlogistik spol.s.r.o. errichtet. Die Anteile betrugen nun  : • 79 % Schenker Eurocargo, Dortmund • 21 % Schenker & Co. AG Wien Die Entwicklung ging nun sehr rasch. 1994 startete das Messe- und Ausstellungservice in Brünn und Prag und man begann mit regelmäßigen Landsammelverkehren nach Österreich, Schweden und die Niederlande mit eigener Zollabwicklung. Der erste Schwertransport für Mitsubishi, einschließlich einer Entschwefelungsanlage von Japan an ein tschechisches Kraftwerk, wurde durchgeführt. Schenker Interlogistik Prag wurde zum exklusiven Partner für alle Luft- und Seetransporte von Autopal Ltd (Ford) ernannt. Ein Zollbüro in Vojtanov wurde eröffnet und ein Zollager für Kunden wie Ferrero, IDV und Pirelli übernommen. Der Umsatz erreichte 1994 bereits 100 Millionen tschechische Kronen. 1995 ging das Eigentum von Schenker Interlogistik zu 100 % an Schenker Wien. Es bestanden bereits Sammelverkehre in die EU -Länder. Die tschechische Niederlassung schloss einen Dreijahresvertrag als offizieller Logistikagent der ForARCH 103

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Construction Trade Fair in Prag ab. Schenker wurde zum exklusiven Partner der BVV (Brno Exhibitions and Trade Fairs) und übernahm die meisten Transportleistungen für die Brünner Messe. Das Hauptgeschäft bestand in Lager und Distribution (Spirituosen, Braune Ware, Elektronik) und in europäischen Sammelverkehren, vorwiegend Import. Große Probleme machte nach wie vor die Zollabfertigung, da es keine Zolldeklaranten gab und die Arbeitslosenrate in Prag bei null lag. In Prag bestanden daher erhebliche Schwierigkeiten, entsprechendes Personal zu bekommen. Luft- und Seefracht waren im Aufbau begriffen. Der Raum Jablonec wurde weiter in Kooperation von Schenker Wien mit Cechofracht bearbeitet, daran war aus verschiedenen Gründen vorläufig kaum etwas zu ändern. Schenker verfügte noch über einen eher kleinen Marktanteil im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr, die Ressourcen und Aktivitäten waren aber vergleichsweise weit entwickelt. 1997 begann die Zusammenführung der schwedischen BTL mit Schenker. Für die Zusammenführung der Unternehmen in den einzelnen Ländern wurde ein eigenes „Steering Committee“ eingerichtet. Das hatte sich auch mit der Tschechischen Republik zu befassen, wo BTL mit Scansped Czech s.r.o. in Liberec vertreten war. Diese Gesellschaft war ein Zusammenschluss von BTL , Letrans und Cetrans. Die Cetrans war eine kleinere Investmentfirma, die ihre Beteiligung aber bald an Scansped abtrat und keine weitere Rolle spielte. Die Letrans in Liberec war eine GmbH, gegründet am 23. Mai 1991, mit einem Kapital von 100.000 Kronen. Geschäftsführer und Alleininhaber war Petr Lelek, der gleichzeitig Leiter der Scansped Czech war. Ing. Petr Lelek stammt aus Liberec und hatte dort mit zwei Mitarbeitern ein Familienunternehmen (Letrans s.r.o. Liberec) zu Hause „im Wohnzimmer“ gegründet. Die erste Transportlinie war Liberec – Tillburg (NL) – Liberec. Das Unternehmen prosperierte, es entstanden neue Linien und die Firma nahm neue Mitarbeiter auf. Im April 1993 wurden neue Büros bezogen, gleichzeitig begann die Zusammenarbeit mit BTL /Scansped mit Verkehren in Richtung Finnland und Schweden. Letrans erbrachte in Liberec die Umschlagsleistung für Scansped, welche von ihm Frachtraum einkaufte. Sein Unternehmen war in Spedition und Handelstätigkeit aktiv, hatte 15 Beschäftigte und der Umsatz stieg von 1994 auf 1996 von 8 auf 13 Millionen Kronen. Es hatte keine Filialen, die Betriebsräume waren gemietet und die einzige Beteiligung war jene an der Scansped. Der Hauptsitz der Scansped war in Liberec, U Jezu 2, im Norden Böhmens mit 800 m2 Lager für die Verkehre nach Nordeuropa und Russland/in die Ukraine. Niederlassungen bestanden in Decin mit 12 Mitarbeitern und 300 m2 Lager, in Prag mit 17 Mitarbeitern und 300 m2 Lager für Verkehre nach Deutschland, Schweiz und Italien. Dazu kam Brünn mit zwei Mitarbeitern für Komplettladungen und As für das Sondergeschäft PLM Plastic. Die Scansped Czech hatte 13 direkte Verkehrslinien und war ISO 9002 zertifiziert. Das Unternehmen hatte in den letzten Jahren Verluste zu verzeichnen, kam aber 1997 wieder in die Gewinnzone, was vor allem auf ein Neugeschäft in der Niederlassung As zurückzuführen war. 104

Tschechien

Vergleich 1997 Schenker Interlogistik s.r.o.

Scansped Czech s.r.o.

gegründet

1. 3. 1991

23. 6. 1993

Zentrale

Prag

Liberec (Reichenberg)

Managing Director

Anton Jordan

Petr Lelek

Mitarbeiter

100

57

Geschäftsstellen

 14

 5

Anteilseigner

100 % Schenker Wien

67 % Bilspedition AB 18 % Letrans spol.s.r.o 15 % Cetrans

in Mio. CK Kapital

1,0

Umsatz

166

  93 1995

207

  94 1996

Speditionsaufträge

21,176

215

176 1997

19.409

9.612 1996

22.832

12.290 1997

1997 in Mio. CK Betriebsergebnis

17

8

Gewinn/Verlustvortrag

13

−12

Schenker Interlogistik machte 1997 zwei Drittel des Umsatzes im europäischen Landverkehr und 20 % in Logistik. Hauptsitz war Prag, Londynska 58. Das Unternehmen stand unter der Leitung von Anton Jordan, der 1997 Jiri Grainer als Managing Director abgelöst hatte und seit 1994 Financial Director gewesen war. 100 Mitarbeiter waren in seiner 848 m2 großen Niederlassung tätig. In Prag bestanden 8.500 m2 Lager- und Umschlagfläche, in Varnsdorf 500 m2, in Brünn 200 m2 und in Domazlice 400 m2. Büros wurden an den Grenzstellen in Kladno, Folmava, Cheb, Drazenov, Voitanov, Pomezi und Vysocany unterhalten. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit lag in nationalen und europäischen Verkehren, Grenzzoll und Messe. Das Logistikservice war von Anfang an sehr erfolgreich. Durch die Anmietung eines Büros am Prager Flughafen war bereits ein erster Schritt in Richtung Luftfracht erfolgt. Die Seefracht entwickelt sich langsam. Schwertransport wurde von Japan für die Showa Aluminium Company durchgeführt. Wie nicht anders zu erwarten, begann nun die Auseinandersetzung um die Führungsrolle in dem fusionierten Unternehmen. Das betraf nicht nur die persönlichen Interessen des jeweiligen Managements, sondern auch die Frage, ob nach BTL - oder 105

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Kundenveranstaltung in Jablonec 1993

Petr Lelek 2001

Anton Jordan 2001

Schenker-System und Netzwerk gearbeitet werden sollte. Die Schweden ( BTL ) hatten ihrem Geschäftsleiter in Tschechien die Führung durch Scansped zugesagt, was sicher voreilig gewesen war. Petr Lelek trat daher ganz selbstverständlich und mit Unterstützung seiner Führungscrew dafür ein, die Schenker-Niederlassung zu übernehmen. Allerdings veränderte sich ihre Position sehr rasch. Schenker hatte ursprünglich nur eine Minderheitsbeteiligung an der Muttergesellschaft BTL , die sie aber bald zu einer Mehrheit ausbauen konnte und schließlich zur Gänze übernahm. Für die Konzernmutter Stinnes war selbstverständlich, dass alle Landesgesellschaften einheitlich nach einem Schenker-System zu arbeiten hatten. Schenker hatte auch die 106

Tschechien

besseren Karten, da der Umsatz von Schenker doppelt so groß war jener der Scansped, die auch nur im nordwestlichen Raum vertreten war. Schenker deckte jedoch das gesamte Gebiet der Tschechischen Republik ab. Bei der Mitarbeiterzahl stand Schenker an sechster Stelle der Speditionen in Tschechien, Scansped war gerade einmal Nummer 30. Die Umsatzrentabilität 1997 lag bei Schenker bei 5,5 %, bei Scansped bei 3,6 %. Schenker war daher der größere und erfolgreichere Betrieb. Außerdem sollte Prag in Zukunft unbedingt der Hauptsitz des Unternehmens sein und nicht das am Rande liegende Liberec. Nach langen Verhandlungen, bei denen jede Seite Argumente und unterschiedliche Erfolgsziffern vorlegte, erfolgte im Februar 1998 die Grundsatzentscheidung des „Steering Committees“. Die Führung in Tschechien wurde Schenker zugesprochen. Die Anteile von Petr Lelek wurden an Scansped veräußert, jene von Cetrans waren schon vorher übernommen worden. Bei Stinnes galt, im Gegensatz zur BTL , das Vieraugenprinzip. Daher bestand die Geschäftsleitung stets aus zwei Personen, dem Managing Director und dem Controller, also Petr Lelek und Anton Jordan. Diese waren gleichberechtigt mit genauer Aufgabenverteilung. Die Enttäuschung von Petr Lelek war vorauszusehen, aber das Head Quarter von Schenker Wien machte klar, dass sie jede Landesgesellschaft als eigenständige Organisation betrachtete, die sich selbst entwickeln musste und für die nur Hilfestellung geboten wurde. Die Betriebe passten an sich gut zusammen und es kam wie üblich zur Einrichtung von Arbeitsgruppen. Nun war klar, wie es Anton Jordan ausdrückte, „wo Gott in der neuen Firma wohnt“. Die BTL übernahm die Anteile von Petr Lelek und wurde damit zur alleinigen Eigentümerin von Scansped Czech. Aufgrund der Bilanz von 1997 waren die Anteile am neuen gemeinschaftlichen Unternehmen nun folgendermaßen verteilt  : 68,7 % entfielen auf Schenker und 31,3 % auf BTL . Im Juli 1998 stand der Aufsichtsrat unter dem Vorsitzenden Elmar Wieland, Schenker Wien und dem Stellvertreter Stefan Ericson, BTL Göteborg. Die Geschäftsführung erfolgte durch Petr Lelek und Anton Jordan, der 1995 mit einem dreijährigen Entsendungsvertrag, der ohnehin bald auslief, von Schenker Deutschland nach Tschechien gekommen war. Die Führungskräfte wurden alle gehalten, da eine dynamische Entwicklung des Unternehmens erwartet wurde. Ein Problem war noch die Zusammenführung des Personals und der betrieblichen Funktionen bei zwei soweit voneinander entfernten Standorten (Prag und Liberec). Es war noch offen, wo der Standort der Zentrale liegen sollte. Wäre das Headquarter zum Standort der Scansped nach Liberec gekommen, hätte die Geschäftsführung für Controlling und International zum Flughafen ziehen müssen, was allerdings höhere Kosten bei den Mietpreisen nach sich gezogen hätte. Das neue Terminal in Prag lag im Süden der Stadt und so hätte für die Zustellung und Abholung von Sendungen ein eigenes Distributionsnetz aufgebaut werden müssen. Für den Ausbau des Stand107

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ortes waren 1997 an die 105 Millionen Schilling vorgesehen. Hauptstandort und Hub wurde daher Prag, Liberec diente als skandinavische Plattform. Mit 1. Januar 1999 war die Fusion von Schenker und BTL vollzogen, Schenker CS Interlogistik änderte nun den Firmennamen auf Schenker-BTL . Kennziffern Schenker und Scansped zusammen, vor und nach Fusion Jahr

Umsatz Mio. CK

Beschäftigte

Geschäftsstellen

1997

331

157

19

1998

416

108

12

Die Fusion war ein Erfolg, wie an den Kennziffern abgelesen werden konnte. Die Zahl der Linien nahm zu (Deutschland, Österreich, Italien, Finnland, Russland, Baltikum), ebenso die Zollabwicklung, die Lagerung und die Transporte für ganz Europa. Der Umsatz stieg weiter stark an, die Zahl der Mitarbeiter und Geschäftsstellen ging aufgrund der Zusammenlegungen der Büros deutlich zurück. Das war aber nur eine kurze Unterbrechung der weiteren Expansion. Vor allem der Luftfrachtbereich wurde in Tschechien als ein Wachstumsmarkt angesehen. Im Januar 1998 wurde Schenker IATA Agent, allerdings waren die technischen Voraussetzungen am Flughafen Prag erst zu schaffen. Das Zollamt forcierte an sich eine Online-Abfertigung. Im Gegensatz dazu etablierten sich zwei Handling-Gesellschaften (Czech Odgen und CSA ), die in entgegengesetzter Richtung des Flughafens investieren. Dadurch waren die Spediteure unsicher, wo sie ihr zukünftiges Büro errichten sollten. Die Kollegen fragten nun bei Schenker an, was diese machten. Schenker etablierte zunächst zwei kleine Büros (je 20 m2) bei beiden Handling-Gesellschaften, EDV vernetzt, was von den Kollegen als „gar nicht so blöd“ beurteilt wurde. Solange der Flughafen in Prag noch nicht vollwertig ausgebaut war, führte Schenker Tschechien die Zusammenarbeit mit Schenker Wien weiter fort, zum Teil mit einem gemeinsamen Verkauf. Denn auch die Suche nach einem qualifizierten Luftfrachtverkäufer war äußerst schwierig. Bei der Seefracht konnte ein neuer Mitarbeiter mit St. Pölten und Linz neue Wege eingeschlagen, um sich von den Schenker Seehafenhäusern Hamburg und Bremen zu lösen und eigenständig zu operieren. Schenker Tschechien begann 1998 mit dem Import und der Distribution von Ersatzteilen für Ford Automobil und eröffnete dafür eine Niederlassung in Drazenov. Die erfolgreiche Zusammenarbeit hält bis heute an. Neben Ford war Schenker auch für andere Automobilhersteller tätig. Katusice war ein Lager für Just-in-time-Zulieferungen an Skoda (VW) im Werk Mlada Boleslav. Ein neues Distributionscenter wurden 1999 in Jablonec (Glas und Glasschmucksteinindustrie) eröffnet, Messe und Ausstellungen in Prag-Holesovice und in Brünn liefen gut. 1999 hatte die Landesge108

Tschechien

Prag Mai 2000

sellschaft damit 200 Mitarbeiter in 15 Niederlassungen in elf Städten, einen Umsatz von 500 Millionen Kronen und erhielt das ISO 9002 Zertifikat. In Prag war noch die Standortfrage zu lösen. Durch das Wachstum wurde ein neues zentrales Terminal notwendig. Den Kauf eines großen Lagerhauses konnte Schenker gerade noch stoppen, nachdem die tschechischen Zollbehörden ein neues Standortkonzept entwickelt hatten, in das dieses Lager nicht einbezogen war. Die tschechische Landesgesellschaft nahm Mitte 2000 im verkehrsgünstigen Logistikpark Rudná bei Prag ein neues Terminal in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zoll in Betrieb, in dem nun auch die Zentrale angesiedelt war. Auf einer Gesamtfläche von 10.000 m2 waren in nur sechs Monaten Bauzeit ein Logistiklager, ein Umschlaglager und ein Bürogebäude entstanden, und damit die damals modernste Anlage der Tschechischen Republik. Eine neue Niederlassung in Ceske Budejovice (Budweis) wurde eröffnet, die eine wichtige Rolle für internationale Transporte nach Südeuropa spielte. In dieses Jahr fiel auch der erfolgreiche Transport zur Expo 2000 in Hannover und die Ausdehnung der regelmäßigen Sammelverkehre nach Italien und Frankreich. 2001 wurde ein Logistikcenter für Vishay (Electronics) in Pilsen eröffnet und eine Kooperation mit dem Sportartikelhersteller Nike begonnen. Die Zusammenarbeit mit Nike hält bis heute an. Das Unternehmen startete mit „Tracking and Tracing“, einem Sendungsverfolgungsprogramm, mit dem die Kunden ihre Aufträge online überwachen können und Transporten mit der Bezeichung „online application for less-than-container load“. Für Kunden aus Mähren wurde eine Luft- und Seetransportabteilung in Brünn eröffnet. 2002 war auch das Jahr der Computerisierung. Ab nun gab es einen elektronischen Datenaustausch mit den Zollbehörden und im EDVBereich wurden Barcode, EDI (Electonic Data Interchange) und COS eingeführt. Die ersten Container-Sammelverkehre nach Asien starteten, Sammelverkehre nach Polen 109

Oben: Schenker Prag Eröffnung Mai 2000; mitte: Terminal Prag; unten: Prag

110

Tschechien

Brno

und Spanien wurden begonnen und der Umsatz erreichte erstmals eine Milliarde tschechische Kronen mit 100.000 Sendungen pro Jahr. 2003 erwarb die Deutsche Bahn AG die Stinnes AG , und damit auch deren Tochterunternehmen Schenker. In diesem Jahr wurden neue Niederlassungen in Hradec Kralove und Novy Jicin eröffnet, mit dem ersten Bahnanschluss des Unternehmens. Am 1. Mai 2004 wurde die Tschechische Republik Mitglied der Europäischen Union. Vier Grenzniederlassungen (Folmava, Vojtanov, Pomezi und Drazenov) mussten aufgegeben werden. Die Zahl der Geschäftsstellen ging daher von 20 auf 16 zurück, allerdings blieb die Zahl der Mitarbeiter mit 307 weiter gleich und der Umsatz stieg weiter an. Dazu wurde die Frequenz der Sammelverkehre mit täglichen Verbindungen und vorteilhafteren Frachttarifen erhöht und es wurden neue Verbindungen mit den baltischen Ländern aufgebaut. Schenker wurde zum offiziellen Speditionspartner der BVV für die Brünner Messe ernannt. Sitz des Unternehmens war Rudna u Prahy, K.Vypichu 1087, und man beschäftigte insgesamt bereits 349 Mitarbeiter an 17 Standorten mit 35.000 m2 Lagerfläche. Im April 2004 verließ Ing. Petr Lelek das Unternehmen, neuer Managing Director wurde Ing. Tomas Holomoucky, der bis heute in der Geschäftsführung ist. Tomas Holomoucky war schon vorher Marketing und Quality Manager bei Scansped Czech s.r.o. gewesen. Er hatte in Prag Außenhandel studiert, danach ein Praktikum bei der 111

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Links oben: Brno; rechts oben : Liberec; links: Liberec

Commerzbank in Offenbach gemacht, und kam nach anderen Tätigkeiten 1995 zu Scansped. Im Jahre 2009 wurde er in den Vorstand des Tschechischen Speditions- und Logistikverbands gewählt. 2005 wurde ein modernes Terminal in Liberec eröffnet, die erste eigene Investition in Tschechien für Umschlag und Lagerung/Logistik. Neue Sammelverkehre nach Ungarn, Rumänien, Polen und in die Ukraine wurden gestartet, im Seeverkehr mit Hong Kong und den USA . Das RAPID domestic Distributionssystem wurde eingeführt, das die gesamte Tschechische Republik innerhalb von 24 Stunden bedient. Ein Outsourcing-Projekt für den Automobilzulieferer Happich wurde in Bor u Tachuva gestartet, das bis heute läuft. Dabei handelt es sich um die Organisation der eingehenden Transporte, der Lagerung, Kommissionierung, Verpackung, der Value-added-Services sowie der ausgehenden Transporte in über 50 Länder weltweit. 2006 wurde das SAP -Buchhaltungssystem eingeführt, das Unternehmen bekam die ISO 14001 Zertifizierung, und vier neue Niederlassungen in Bor u. Tachova, Trutnov, Brno Modrice und Strancice wurden eröffnet. Schenker übernahm den Transport der Ausrüstung der tschechischen Fußballmannschaft zum World Cup nach Deutschland. Der Umsatz erreichte erstmals zwei Milliarden Kronen. 2007 wurde in Tschechien, wie in den meisten europäischen Ländern auch, auf den Autobahnen und Schnellstraßen ein Mautsystem eingeführt, was eine entsprechende finanzielle Herausforderung für die Speditionen bedeutete. Mit den Produkten SCHENKER rapid direct und SCHENKER skybridge für Importe aus China wurde 112

Tschechien

begonnen, um dem begrenzten Schiffsraum und den langen Transportzeiten entgegenzuwirken. Es kombiniert die Vorteile von See- und Lufttransport. e-Export und, im Landverkehr, electronic consignment note (eP.O.P.) wurden eingeführt und ein neues Terminal in Ostrava wurde eröffnet. Die weltweite Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2007 machte sich auch auf dem tschechischen Transportmarkt bemerkbar  : Die Nachfrage ging zurück, die Treibstoffpreise stiegen und die starke tschechische Krone hatte ebenfalls eine negative Auswirkung. Schenker Tschechien, Entwicklung in der Krise   Jahr

Umsatz in Mio. CK

Beschäftigte

Niederlassungen

Sendungen

in Tonnen

2007

2.800

639

18

224.000

675.000

2008

2.700

784

19

231.000

653.000

2009

2.000

663

18

280.000

581.000

Die Wirtschaftskrise hatte auch auf Schenker Auswirkung, indem zwar nicht die Zahl der Sendungen, aber der Umsatz zurückging. Erst ab 2010 war für das Unternehmen die Krise wieder überwunden. Gerade in dieser Zeit führte Schenker aber neue Produkte ein und begann mit zusätzlichen Verkehrsverbindungen. In das Terminal Prag wurden 25 Millionen Euro investiert. Die Integration von Railog in DB Schenker führte zur Erweiterung der Produktpalette um die Bahnspedition. Zusätzlich wurden tägliche Sammelverkehre von Nordmähren nach Polen, in die Slowakei und direkt nach Litauen begonnen. e-Schenker Booking (electronic placing of orders) online application wurde eingeführt, bei dem Kunden ihre Aufträge elektronisch eingeben und überwachen. Weitere Innovationen erfolgten im Landtransport mit electronic Proof of Delivery (ePOD) und der neue Text im neuen Logo des Unternehmens wurde „DB Schenker“. 2009 wurde Schenker aufgrund des weltweiten Netzes, der Kompetenz und des modernen Logistikcenter in Liberec zum exklusiven Partner der dortigen nordischen Skiweltmeisterschaft ernannt. Dies umfaßte nationale und internationale Transporte, Lager und Installation an den Sportstätten. In diesem Jahr verpflichtete sich die gesamte Schenker-Organisation bis zum Jahr 2020 durch organisatorische Maßnahmen und moderne Transportmittel 20 % der CO 2-Emissionen zu senken. Bei Schenker versuchte man diese Umweltziele auch durch besondere Projekte zu erreichen. 2010 wurde um 1,2 Millionen Euro ein neues Logistikcenter in Pardubice/Ostböhmen für das Paneuropa-Projekt von ESAB , dem weltweit größten Produzenten von Schweißmaterial und -technologie, errichtet. Auf 12.000 m2 können 13.500 Paletten mit 15 hydraulischen Laderampen umgeschlagen 113

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werden. Sechs Waggons können gleichzeitig entladen werden. Das Lagerhaus ist mit modernster Technologie für Service, Sicherheit und Energieeinsparung ausgestattet. Daneben besteht ein Bürogebäude mit 400 m2 für 65 Mitarbeiter. Dies ist eines der drei europäischen Distributionslager von ESAB. Im September startete der Testlauf für die Bahntransporte von der ESAB-Fabrik in Vamberk nach Pardubice. Innerhalb eines Jahres wurden 111.000 Tonnen auf 2.300 Waggons transportiert. Das entspricht der Transportleistung von 5.000 Lkw, die nun nicht mehr die Straße belasteten, und einer Einsparung von 140 Tonnen CO 2 oder 30 % Für dieses Projekt wurde Schenker vom Transportministerium mit dem „Free Way Award“ ausgezeichnet, der für die Reduktion des Straßentransports vergeben wurde. Schenker konnte seine Kunden überzeugen, dass auch auf kürzeren Strecken der Bahntransport Sinn macht, besonders wenn die Straßeninfrastruktur mangelhaft ist. Für das Projekt vergab das Umweltministerium zusätzlich die Auszeichnung „Efficient Use of an Extensive Part of Brownfield for the Purpose of the Construction of an Intermodial Logistics Center“. Ein neues Logistikcenter konnte in Brünn eröffnet werden, als Schenker Railport für die Kombination von Straße und Bahn mit einem Hub für Land, See und Luft. Der eigene Bahnanschluss verfügte über eine 85-Meter-Rampe. Die vorher an vier Standorten verstreuten Aktivitäten konnten nun zusammengefasst werden. Nur Messe- und Ausstellungslogistik verblieb auf dem Messegelände. Ein weiterer Meilenstein war die Integration von Schenker High Tech Logistics, wodurch neues Know-how im Gebiet der Logistik für IT und die Electronic Industrie erworben wurde. Mit der Integration von BAX wurde 2006 begonnen. BAX verfügte über interessante Luftimportgeschäfte und wickelte ein großes Logistikprojekt für DELL in Modletice ab. Dieses Projekt wurde dann 2007 Schenker High Tech Logistics in den Niederlanden unterstellt und erst 2010 endgültig in die tschechische Landesorganisation integriert. Ein ähnlich anspruchsvolles Logistikprojekt wurde 2009 für einen der bedeutendsten IT- und Telekommunikationshersteller gewonnen und in Strancice erfolgreich implementiert. Schenker wurde auch offizieller Logistikpartner für das J50Race und die Aerobics Championship der Tschechischen Republik. Das spezialisierte Expertenteam von SCHENKER sportevents stellte den Transport des Materials für die Jizerka 50 zwischen Prag, Liberec und Bedrichov sicher. Dieses Rennen hatte eine vierzigjährige Tradition und gehört zur Weltliga des Skilanglaufs. 2007 wurde das Rennen das erste Mal als Teil des FIS Marathon Cups veranstaltet. Schenker hatte eine langjährige Partnerschaft mit dem Isergebirgslauf, wie Tomas Holomoucky feststellte, und große Erfahrung bei bedeutenden Sportveranstaltungen, einschließlich Olympischer Spiele, die hierbei genutzt werden konnte. Zusätzlich war Schenker in diesem Jahr der offizielle tschechische Logistikpartner für die EXPO in Shanghai, was eine besondere Herausforderung darstellte. Neben anderen wertvollen Ausstellungstücken übernahm Schenker den Transport von Glücks114

Tschechien

plaketten (Plaquettes of Good Fortune) von der Prager Karlsbrücke. Diese Arbeit mit weißen Handschuhen begann mit der Abmontierung der Plaketten und reichte bis zum sorgfältigen Transport in speziellen Boxen, der Überführung zum Flughafen, dem Flug nach Shanghai und dem weiteren Transport auf das Ausstellungsgelände. Die Zollverfahren in Prag und China waren aufwendig und die Versicherungshöhe außergewöhnlich. Schenker Tschechien beendete das Jahr 2010 mit dem größten Umsatz- und Transportvolumen in seiner Geschichte. Im See- und Luftverkehr rangierte Schenker bereits unter den Top-Ten-Unternehmen beim Sirus Award Contest. Das Lufttransportunternehmen CSA zeichnete Schenker mit dem Preis für das größte Volumen im Lufttransport aus. Jahr

Umsatz in Mio. CK

Beschäftigte

Niederlassungen

Sendungen

in Tonnen

1991



 11

 2





1992



 26

 4





1993

173

 36

 5





1994

110

 50

 6





1995

166

 85

 6





1996

207

 96

 8





1997

215

103

 8





1998

416

108

12

 28.500

 18.200

1999

560

169

15

 63.700

 16.700

2000

741

230

16

 78.250

162.000

2001

897

245

18

 98.900

159.000

2002

1.000

266

19

130.000

215.000

2003

1.300

305

20

149.000

294.000

2004

1.500

307

16

178.000

400.000

2005

1.750

333

14

152.000

523.000

2006

2.200

478

18

195.000

608.000

2007

2.800

639

18

224.000

675.000

2008

2.700

784

19

231.000

653.000

2009

2.000

663

18

280.000

581.000

2010

3.000

777

18

390.000

781.000

2011

3.346

800

18

437.000

952.000

2011 wurde DB Schenker Rail integriert, was wesentliche Impulse für die Entwicklung der Bahnverkehre, vorallem zwischen Deutschland und Tschechien, brachte. 115

Regionales Headquarter Europa Südost

20 Jahre DB Schenker in Tschechien

Nun erhielt Schenker auch das C-Zertifikat des AEO durch die Zollverwaltung. Der AEO (Authorised Economic Operator) wurde bei den Veränderungen durch den Beitritt Tschechiens zur EU eingeführt. Um dieses Position zu erreichen, waren finanzielle Stabilität, ein entsprechendes Buchhaltungs- und Logistiksystem, Zuverlässigkeit bei Zollvorschriften und ein hoher Standard im Sicherheitsbereich notwendig. Damit konnte den Kunden eine bevorzugte, schnelle und einfache Zollabwicklung garantiert werden. Das „shipment tracking on mobile phones“ wurde eingeführt. Wieder wurde DB Schenker der offizielle Logistikpartner der J50 Cross-Country Skirennen und des City Triathlon in Karlovy Vary. Neuerlich endete das Jahr mit Rekordumsätzen und Transportvolumen. 2011 feierte DB Schenker in Tschechien mit 18 Geschäftsstellen, 800 Mitarbeitern und 66.600 m2 Lagerfläche sein zwanzigjähriges Bestehen mit mehreren Festen und Wohlfahrtsveranstaltungen. Eine tschechische Krone wurde bei jedem Transport Wohlfahrtszwecken gewidmet. Als Umweltaktion wurde ein Baum je Mitarbeiter gepflanzt. Es gab einen Galaabend für Kunden, ein Kulturprogramm mit Präsentation und Buffet in Repräsentationsräumen des Zentrums Prazska krizovatka und eine Theatervorstellung. Auch an einzelnen Terminals wurden kleinere Events zum Jahrestag der Eröffnung veranstaltet. Weihnachtsfeiern wurden in den einzelnen Niederlassungen organisiert, mit Abendessen, Tombola, Tanz und Spendensammlungen für Kinderheime. 116

Tschechien

20 Jahre DB Schenker in Tschechien

Vorstand: Vladimir Handl, David Martis, Katarina Smrcekova, Tomas Holomoucky, Zdenek Kaspar, Jifi Koutnik, Lubor Lepic, Jan Liptak

Seit 2005 wird eine jährliche Sportveranstaltung für Mitarbeiter organisiert, mit an die 300 Teilnehmern, die jedes Jahr eine andere Niederlassung übernimmt. Für Kunden gibt es jährlich eine Weihnachtveranstaltung, an der 250 bis 400 Personen teilnehmen, manchmal auch ein Golfturnier und kleine Veranstaltungen, wie Besuche in Weinkellern oder eine Feuerwerk-Parade an der Brünner Talsperre. Kundenveranstaltungen sind auch bei der Eröffnung von neuen Terminals vorgesehen, mit Buffet und einem Programm wie Luftballonfahrt, Segway-Fahrt, Bogenschießen. Seit 1999 wird auch ein Magazin für Kunden unter dem Titel „The Bulletin“ herausgegeben. 117

Regionales Headquarter Europa Südost

2011 hatte die Schenker spol.s.r.o. einen Jahresumsatz von 3.346 Millionen tschechischen Kronen, mit einer beförderten Tonnage von 952 Millionen Tonnen. Sie verfügte über 900 Transporteinheiten und beförderte 125.890 Sendungen im Export, 171.770 im Import und 136.390 im Inland. Das Unternehmen verfügt über praktisch alle denkbaren Qualitäts- und Sicherheitsstandards und über die AEO -Zertifizierung für Zolldienstleistungen. Slowakei Im Gebiet der heutigen Slowakei war Schenker bis 1914 durch die Firma Philipp Steiner vertreten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Slowakei aus der ungarischen Reichshälfte der österreichischen Monarchie herausgelöst und Teil der Tschechoslowakei. Im Rahmen der Nationalisierung konnten die Filialen nicht mehr Wien unterstellt sein, sondern der Inhaber musste seinen Wohnsitz in der Tschechoslowakei haben. Dadurch wurde 1919 eine Schenker Prag unterstellte Gesellschaft in Bratislava in den Räumen des Hotel Carlton, Grösslinggasse 4, errichtet. Bis 1921 hatte man Filialen in Zilina und Kiralyhaza. 1930 lautete die Adresse Brückgasse 2. Die Niederlassung entwickelte sich gut und schrieb schon in den ersten Jahren schwarze Zahlen. Sie war ein wichtiger Umschlagplatz für Donautransporte, wie Sonnenblumenkuchen aus Bulgarien oder Meeressalz aus Ägypten und im Export Getreide und Zucker. Im selbstständigen Staat Slowakei vom 14. März 1939 bis Mai 1945 gab es eine Schenker Niederlassung in Bratislava, die 1941 am Fischplatz 7 ihr Büro hatte. Leiter der Niederlassung waren Dr. Vojtech Schick und Moric Rübner, die bis 1939 alle Schriftstücke unterzeichneten. Danach unterzeichneten Hermann Schwab und Felizian Weisz. Angeblich war der spätere Staatspräsident Gustav Husak während des Krieges als Prokurist bei Schenker tätig. Die Transporte betrafen vor allem Getreide, Salz, Holz und Magnesit aus Kosice. Umsatz in Kronen 1941

5.827.181,70

1942

8.976.031,80

1943

8.867.407,19

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Geschäftstätigkeit vorläufig unter der Firma Schenker weitergeführt, vor allem für Übersiedlungsgut. Die Adresse war 1946 Ulica armady 8. 1947 starb Dr. Rubel und 1948 führte die kommunistische Regierung die Verstaatlichung durch. 118

Slowakei

Schenker im Hotel Carlton 1909

Altes Bürogebäude vor dem Abtragen

119

Regionales Headquarter Europa Südost

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche Verschuldung in % des BNP

1990

−3



10



1991

−15



61



1992

−7



10



1993

−4



23



1994

6

14

13



1995

6

13

10

22

1996

7

11

 6

31

1997

4

12

 6

34

1998

4

13

 7

35

1999

0

16

11

48

2000

1

19

12

50

2001

4

19

 7

49

2002

5

19

 4

43

2003

5

18

 8

42

2004

5

18

 8

42

2005

7

16

 3

34

2006

8

13

 4

31

2007

11

11

 2

30

2008

6

 9

 4

28

2009

−5

12

 1

36

2010

4

14

 1

41

2011

3

12

 4

43

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

5.298

 6.400

47

2011

5.398

18.600

38

Jahr

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

Am 1. Januar 1993 kam es zur einvernehmlichen Trennung von Tschechien und die Slowakei wurde ein selbstständiger Staat. Beide Länder hielten aber eine Zollunion aufrecht. Die Privatisierung der ehemaligen Staatsbetriebe war bis Ende der 1990er Jahre weitgehend abgeschlossen. Der Schwerpunkt der Wirtschaft liegt im Westen, 120

Slowakei

vor allem im Raum Bratislava. Handelspartner sind vor allem Tschechien, Deutschland, Russland, Österreich und Italien. Bereits 1989 errichtete Schenker Wien eine Repräsentanz in Bratislava, die beiden Städte sind nur eine Autostunde voneinander entfernt. Durch die rasche wirtschaftliche Entwicklung und die globale Schenker-Osteuropakonzeption wurde die Repräsentanz am 1. Juli 1992 in eine eigenständige Landesgesellschaft umgewandelt. Schenker Slovakia spol.s.r.o. Majakovskeho 9, Bratislava Die Gesellschaft hatte ein Kapital von einer Million Kronen und war eine 100%ige Tochter der Schenker Co. AG Österreich. Mit drei Mitarbeitern lief der Verkauf über Wien. Erster Geschäftsführer war Reinhold Bernhard aus Österreich, der dann von Mag. Peter Salajka aus der Slowakei abgelöst wurde. Prokurist war Mag. Peter Csokay aus Österreich. Die Slowakei behauptete sich nach Abspaltung von Tschechien wider Erwarten gut. Auch die Unternehmensplanung der Stinnes AG Südosteuropa stellte 1997 fest, dass das Land trotz politischer Defizite ein dynamisches Wachstum verzeichnete, der Transportmarkt erhöhte sich bei insgesamt geringem Volumen. Schenker konzentrierte sich auf ein kleines ergebnisträchtiges Segment (Lagerung, Distribution, Zoll und FTL) und erzielte trotz geringer Relationen vergleichsweise ein sehr gutes Ergebnis. Sehr früh begannen auch die Osteuropaverkehre von Deutschland aus. So koordinierte Schenker Eurocargo seit 1995 für die Siemens Automobiltechnik den Materialfluss und die Distribution in Michalovec, Slowakei. In einem eigens eingerichteten Logistikzentrum bei Siemens in Würzburg wurden die Stückgutsendungen aus ganz Europa gebündelt, versandbereit gemacht und mit drei bis vier Lkw täglich in die Slowakei verschickt. 1997 hatte Schenker Slovakia spol.s.r.o., Kopcianska Ul. 92, unter der Leitung von Managing Director Karol Pinter 47 Mitarbeiter in einem neuen Terminal von 4.000 m2, darunter 1.150 m2 Lagerfläche, 800 m2 Zolllager und einem Büro von 250 m2 Größe. Die Anlage war in unmittelbarer Nachbarschaft zum Straßenzollamt und betrieb auch das Verzollungs- und Lagergeschäft. Büros bestanden am Flughafen Bratislava mit 2.000 m2 Lagerfläche, an der Messe Incheba in Bratislava und als Grenzaußenstelle in Petrzalka/Berg. Regelmäßige wöchentliche Sammelverkehre wurden nach Deutschland, Österreich, Schweden und die Niederlande aufgebaut. Für Key-Accountants, wie Ford oder Philips, wurden komplette Logistics-Lösungen bereitgestellt. Der Umsatz hatte sich von 1995 bis 1997 auf fünf Millionen Euro verdoppelt. Luft- und Seeverkehr gingen anfangs noch über Schenker Wien, da es Schenker Slowakei nicht gelungen war, stabile und qualitativ zufriedenstellende Ressourcen 121

Regionales Headquarter Europa Südost

zu schaffen. Die Anmietung des Büros am Flughafen Bratislava Anfang 1996 hatte das Geschäft verstärkt. In der Slowakei stagnierte daher das Geschäft, da man keine Möglichkeit bekam, die Expansion voranzutreiben. Dennoch platzte die Gesellschaft in Bratislava aus allen Nähten und es wurden 50 Millionen Schilling für eine Ansiedlung im Hafen von Bratislava und die Eröffnung eines Büros INCHEBA für Messen und Ausstellungen investiert. Die Übernahme der BTL und BAX durch Schenker betraf die Slowakei nicht direkt, da diese dort keine Niederlassungen hatten, allerdings firmierte die dortige Gesellschaft auch unter Schenker-BTL unter der Leitung des regionalen Headquarters Europe South East Wien. Im Jahr 2000 kam es zum Ausbau und der Erweiterung der Schenker-BTL s.r.o., Bratislava. Die Zweigstellen Bratislava Flughafen, Ausstellungszentrum Incheba und Petrzalka als Grenzbüro zu Österreich wurden durch die Eröffnung der Niederlassung in Kosice-Haniska ergänzt, ein Standort im wirtschaftlich interessanten Gebiet von Banska-Bystrica wurde geprüft. In dem Jahr wurde Schenker Slovakia auch offizieller Spediteur für die Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City. Die wichtigsten Kunden kamen aus den Bereichen Konsumgüter und Autoindustrie, die sich in der Slowakei niedergelassen hatten. Zu den Kunden von Schenker Slovakia zählen große Fahrzeughersteller wie Ford, Volkswagen, Nissan und Motor Car Wiesenthal. Die deutsche Automobilindustrie nutzt auch das Schenker-Angebot bahnaffiner Logistik bei der Versorgung ihre Werke mit Komponenten aus der Slowakei. Das galt auch für Unternehmen der Lebensmittelindustrie wie Coca Cola Beverages oder aus den Bereichen Telekommunikation und Elektronik. 2003 wurde ein Büro in Trnava bei SACHS eröffnet, wobei Sendungsverfolgung möglich war. Mit dem EU -Beitritt der Slowakei im Mai 2004 musste das Grenzbüro zu Österreich Petrzalka/Berg geschlossen werden. Am 30. April 2004, also am Vorabend des EU -Beitritts, wurde das neue Terminal Bratislava mit einer Investition von 4,6 Millionen Euro in Betrieb genommen und die Mitarbeiter siedelten von Kopcianska 92 um. Das neue Logistik-Terminal in Bratislava verfügte über eine Grundstückfläche von 34.000 m2, davon 14.000 m2 befestigte Fläche und 4.000 m2 modernste Logistikfläche mit 6.000 Palettenplätzen, 1.200 m2 Bürofläche und 19 Andocktoren. Es war ausgerüstet mit einem modernen Informations- und Kommunikationssystem und damit das modernste Logistik-Terminal in der Slowakei. Es lag optimal am Autobahndreieck Tschechien–Ungarn–Ostslowakei und zu den Wirtschaftsräumen Wien, Bratislava, Györ und Brünn. Waren es 1992 drei Mitarbeiter, so beschäftigte Schenker Slovakia nun 71 Mitarbeiter, davon hatten 60 ihren Arbeitsplatz im neuen Terminal. Daneben gab es ein eigenes Luftfrachtbüro am Flughafen Bratislava, ein Büro am Messegelände Bratislava, eine im Jahr 2000 gegründete, auf Lagerlogistik spezialisierte Niederlassung in Kosice und ein Büro in Trnava, dem neuen Zentrum der Automobilindustrie. An den neuen EU-Außengrenzen wurde zur Ukraine ein Büro in Vysne Nemecke eröffnet. 122

Slowakei

Schenker Eröffnung 2004

Schenker Zilina

GST Kosice Pal Rack System Ausstattung

123

Regionales Headquarter Europa Südost

Alfred Wolfram übernahm 2005 von Karol Pinter die Position des Managing Director. In diesem Jahr wurde auch die Niederlassung in Zilina eröffnet. 2006 bekam die Landesgesellschaft die Qualitätsauszeichnung Environment ISO 14000  :2004 und 2007 als eines der ersten Unternehmen in der Slowakei das TAPA Level A Zertifikat für den höchsten Sicherheitsstandard, das GPS , Fahrerregistrierung, Security Begleitung beinhaltete, unter anderem für Samsung. 2008 wurde mit einem Inlandssammelverkehr begonnen. Das Hub befindet sich in Zvolen, das Hauptproblem liegt jedoch in den unpaarigen Güterströmen, mit einem starken West-Ost-Gefälle. Am 1. Juli 2008 übernahm Dietmar Schmickl von Schenker Linz die Funktion des Managing Director in Bratsilava, Alfred Wolfram ging nach Wien als Produkt Manager Rail für die Region Europa Südost. Vorerst war der neue Managing Director mit einem Wachstum konfrontiert, das die Organisation an die Grenzen ihrer Kapazität gebracht hatte. Von 2007 auf 2008 hatte sich die Zahl der Sendungen praktisch verdoppelt und der Umsatz war um ein Viertel gestiegen. Die Sorge sollte er aber bald los sein. Aufgrund der weltweiten Finanzkrise stieg bis 2009 zwar die Zahl der Sendungen weiter an, der Umsatz ging aber um ein Viertel zurück. Seine Aufgabe war daher, die Krise zu nutzen, um eine Umstrukturierung voranzutreiben, was in den folgenden Jahren auch gelang. Die Zeit der großen Zuwächse war aber vorerst vorbei. Dennoch wurde die Landesorganisation weiter ausgebaut. Wenn auch die Wirtschaftsleistung des Landes 2009 zurückging, so war der Nachholbedarf an logistischen Dienstleistungen so hoch, dass er auch in der Krise zunahm. 2008 kam die Eröffnung der Niederlassung Zvolenska Slatina, die dann mit dem Start der Kooperation mit Samsung Electronics nach Zvolen Inplant in Gan umzog. 2009 zogen die Niederlassungen Kosice und Zvoloen in ein neues Terminal und Schenker wurde offizieller Logistikpartner für den Marathon in Kosice. 2010 begann das Logistikservice in Zilina für Kia Motors und ein internationales Trainingssystems für die ganze Landesorganisation wurde eingerichtet. 2011 wurde das zentrale FTL (Full Truck Load)-Zentrum in Zvolen für die ganze Landesorganisation etabliert. Die Slowakei ist in Bezug auf die Einwohnerzahl weltweit die Nummer eins bei produzierten Kraftfahrzeugen. Drei Automobilwerke (V W, PSA , KIA ) stellten 2011 640.000 Kraftfahrzeuge her, 2012 sollte die Einmillionenmarke erreicht werden. Die Automotivlogistik bei Schenker Slowakei ist in der Filiale Zilina konzentriert. Dort erfolgt Lagerung, Kommissionierung und Transport der Bauteile für Windschutzscheiben und Auspuffsysteme an die Produktionslinien der koreanischen Auto­ industrie in Zilina und ins benachbarte Nosovice/Tschechien. Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den koreanischen Auftraggebern ist die Verbindung von zwei Kulturen und Sprachen mit der permanenten Beschäftigung von Kollegen aus der koreanischen Schenker-Organisation. Der Servicefaktor, in der eigenen Sprache kommunizieren zu können, wird bei allen Kunden der Auto- und Elektronikindustrie hoch geschätzt. 124

Slowakei

Dietmar Schmickl

Alfred Wolfram, Frau Sona Horvathova

Weihnachtsfeier 2008

125

Regionales Headquarter Europa Südost

SOPKA Cup

Schenker Party

126

Ungarn

Entwicklung Schenker Slovakia s.r.o. Jahr

Umsatz in 1.000 Euro

Sendungen

Zahl der Mitarbeiter



  3

1992

79

1993

439

1994

1.294

9.523



1995

2.352

18.566

 28

1996

2.695

23.910

 35

1997

5.023

24.564

 47

1998

4.428

24.960

 47

1999

3.992

26.775

 54

2000

4.867

29.040

 55

2001

8.481

33.059

 55

5.423

 12

2002

9.267

38.285

 58

2003

10.013

47.580

 78

2004

11.079

53.279

 71

2005

11.899



 59

2006

16.311



 68

2007

22.791

60.000

 72

2008

30.254

130.298

 92

2009

22.091

166.360

105

2010

23.641

227.745

105

2011

23.373

240.690

125

Ungarn Das Königreich Ungarn war das eine „k“ in der k.-u.-k. (Kaiserlich und königlichen) österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Staatskonstruktion wurde durch die zentrale Position von Franz Josef zusammengehalten, der Kaiser von Österreich und König von Ungarn war. Ansonsten wurde lediglich die Außenpolitik, das Militär, die Wirtschaftspolitik und die Zoll- und Währungspolitik gemeinsam geführt. Ungarn war zu dieser Zeit noch stark landwirtschaftlich ausgerichtet, mit beachtlichen Exporten von Getreide, Vieh und Wein, nicht nur in die österreichische Reichshälfte (Cisleithanien) sondern nach ganz Europa. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand die Republik Ungarn mit beachtlichen Bevölkerungs- und Gebietsverlusten. Unter anderem verlor es den Zugang zum Meer, da Kroatien zu Jugoslawien kam. Die Zwischenkriegszeit war politisch turbulent, im Zweiten Weltkrieg stand es auf der Seite des Deutschen Reiches. 1944/5 wurde das Land von der Sowjetunion besetzt, 127

Regionales Headquarter Europa Südost

unter deren Einfluss es aufgrund der Abmachung der alliierten Siegermächte (Konferenz von Jalta) fiel. Es wurde ein kommunistisches Regime eingerichtet mit den entsprechenden Verstaatlichungen und planwirtschaftlichen Methoden. 1956 brach ein Aufstand der Bevölkerung gegen das stalinistische Regime auf, der blutig niedergeschlagen wurde. Etwa 200.000 Ungarn verließen das Land in einer Massenflucht in Richtung Österreich, der einzigen Grenze nach „Westen“. Ab den 1960er Jahren wurden die planwirtschaftlichen Restriktionen gelockert. Private Kleinbetriebe wurden zugelassen, solange sie nur mit Familienmitgliedern arbeiteten. Es war beachtlich, wie umfangreich solche Familien sein konnten. Auch der Tourismus spielte eine wesentliche Rolle. An den ungarischen Seen (Balaton) und Kurbädern trafen sich nicht nur Deutsche und Österreicher, sondern auch Urlauber aus der DDR . Daher spielte das Land auch eine wesentliche Rolle beim Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs. 1989 warteten tausende DDR -„Urlauber“ an der Grenze zu Österreich auf die Ausreise, bis Ungarn von sich aus die Balken öffnete. Eine große Zahl an Trabants und ähnlicher Fahrzeuge fuhr dann durch Österreich in Richtung BRD. Ungarn war daher unter den RGW-Ländern im Außenhandel das fortschrittlichste Land, da eine begrenzte Öffnung schon unter dem kommunistischen Regime erfolgte. Die Kehrseite war eine hohe Auslandsverschuldung, die bis heute charakteristisch ist. Auch in Ungarn war der Übergang zur Marktwirtschaft vorerst einmal ein Schock. Von 1990 bis 1993 ging das reale BNP auf 82 % zurück, Arbeitslosenrate und Inflation waren aber im Verhältnis zu anderen Transformationsländern relativ günstig. Nach zufriedenstellenden Wachstumsraten erfolgte mit der weltweiten Finanzkrise ab 2007 ein deutlicher Einbruch der Wirtschaftsentwicklung. Insgesamt war das reale BNP pro Einwohner von 1990 bis 2011 um 140 % gestiegen, allerdings war die Einwohnerzahl um 400.000 Personen oder 4 % zurückgegangen. Die Spedition Schenker hat eine lange Tradition in Ungarn, die bis zur Gründung 1872 in Wien zurückgeht. Budapest, unter der Leitung von Emmerich von Sonnenberg, war 1874 die erste Niederlassung. Der Mitbegründer des Unternehmens, Moritz Karpeles, stammte aus Ungarn, aus dem 30 km südlich des Balaton liegenden Ort Tab. Auch sonst waren in der Zentrale in Wien einige Ungarn in führender Stellung. Die Spedition Schenker war daher von ihrem Beginn an ein österreichischungarisches Unternehmen. • 1874 wurde auf Anraten von Moriz Hirsch die Niederlassung in Budapest errichtet. Mit ihrer Leitung wurde Emmerich von Sonnenberg betraut • 1879 erfolgte die Gründung einer eigenen Schifffahrtsgesellschaft, der „Adria Steamship Company“ in Fiume, das damals zur ungarischen Reichshälfte gehörte, und 1881 die Gründung der „Drau Dampfschifffahrt“ Gesellschaft • 1904 war Emmerich von Sonnenberg Gesellschafter in Budapest, 1914 betrug der Reingewinn 46.458 Kronen 128

Ungarn

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−4



29



1991

−12



35



1992

−3

10

23



1993

−1

12

23



1994

3

11

19



1995

2

10

28

86

1996

0

10

24

72

1997

3

 9

18

63

1998

4

 8

14

61

1999

3

 7

10

61

2000

4

 6

10

56

2001

4

 6

 9

53

2002

5

 6

 5

56

2003

4

 6

 5

59

2004

5

 6

 7

60

2005

4

 7

 4

62

2006

4

 8

 4

66

2007

0

 7

 8

67

2008

1

 8

 6

73

2009

−7

10

 4

80

2010

1

11

 5

82

2011

2

11

 4

81

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsbudget in ­Prozent des BNP

1990

10.374

 6.800

61

2011

 9.974

16.400

54

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

• Die Anschrift des Unternehmens war bis dahin  : 1882 Carlsring 9, 1889 Waaggasse 2, 1913 Arpard utca 6 Die Geschäftstätigkeit von Schenker Budapest wurde durch die Folgen des Ersten Weltkrieges wesentlich beeinträchtigt. Mehr noch als die Republik Österreich hatte 129

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Ungarn durch Gebietsabtretungen an wirtschaftlichen Möglichkeiten verloren und befand sich als Binnenstaat mit einer stark agrarischen Ausrichtung in einer schwierigen Situation. Zusätzlich waren die politischen Auseinandersetzungen besonders heftig und gipfelten 1919 in einer „Räteregierung“, welche die Geschäftstätigkeit weitgehend lahmlegte. In vielen Betrieben versuchte man Enteignungen vorzunehmen und auch die Firma Schenker blieb davon nicht unbehelligt. Mit der Verordnung der Räteregierung vom 29. März 1919 hätten sämtliche Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten sozialisiert werden sollen. Einige Schenker-Angestellte unterstützten dieses Vorhaben und nur das energische Auftreten des Prokuristen Lederer, der sich als Vertrauensmann der Firma Schenker Wien verstand, konnte das verhindert werden. Gleichzeitig hatte man vor, sämtliche Speditionsbetriebe in Budapest unter die zentrale Leitung eines fünfgliedrigen Direktoriums zu stellen. Der Präsident der Vertrauensmänner der Speditionsbeamten versicherte zwar, dass Schenker als ausländische Firma nicht betroffen wäre, der Schenker-Konzern reagierte vorsichtshalber mit einer völligen Einstellung der Geschäftstätigkeit in Ungarn. Das Problem löste sich wenige Monate später durch den Zusammenbruch der Räteregierung von selbst. 1921 schienen als Gesellschafter von Schenker Ungarn Emmerich von Sonnenberg, dessen Sohn, Marcel von Sonnenberg, Emil Karpeles und Gottfried SchenkerAngerer auf. Zu dieser Zeit gab es eine Diskussion um die Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft in Budapest in eine Aktiengesellschaft, was sich allerdings wegen der Uneinigkeit über die Kapitalaufteilung zwischen dem Wiener Stammhaus und der Familie Sonnenberg verzögerte. Schließlich fand man eine elegantere Lösung  : 1926 erwarb Schenker Wien alle Aktien der seit 1920 bestehenden „Continens“ Speditions-Aktiengesellschaft, an der Wien seit der Gründung 1920 mit 51 % beteiligt war. Die Continens kaufte dann Schenker Budapest. Die offene Handelsgesellschaft wurde gelöscht und in „Schenker & Co. Budapest, Internationale Speditions-Aktiengesellschaft“ umgewandelt, sodass die 1926 errichtete Schenker AG formal bereits seit 1920 bestand. Im März 1926 wurde das Kapital aufgrund der Goldbilanz mit 600.000 Pengö in 7.500 Aktien festgelegt. Geschäftsführender Direktor war Geza Szekely und in der Direktion waren Gottfried Schenker-Angerer, Stephan KarpelesSchenker, Marcel von Sonnenberg und Dr. Tibor Saxlehner, ein Schwager von Stephan Karpeles-Schenker, vertreten. 1925 war in Budapest das Bürohaus Nador-utca 26 erworben und zum Sitz des Unternehmens gemacht worden. 1930 hatte Schenker Ungarn einen Personalstand von 97 Mitarbeitern. Obwohl die Bilanzen der Aktiengesellschaft bis 1929 Gewinne aufwiesen, wurde ab 1926 keine Dividende mehr ausgeschüttet. Denn das Geschäft in Ungarn lief während der gesamten Zwischenkriegszeit schlecht. Die Zahl der Filialen schwankte zwischen vier und acht. Es wurden nur drei regelmäßige Sammelverkehre nach Wien, Tetschen und Triest unterhalten und lediglich das Donaugeschäft hatte einen größeren Umfang. Der Betrieb war daher chronisch defizitär und rechtfertigte sich lediglich mit 130

Ungarn

seiner Bedeutung für die Verkehre des gesamten Schenker-Konzerns. Da Budapest aber eine alte Schenker-Niederlassung war, kam eine Schließung kaum wirklich in Betracht, und man versuchte von Wien aus, Druck auf eine Erhöhung der Rentabilität zu machen. Daher ging der oberste Chef von Schenker, Emil Karpeles-Schenker, selbst zur Reorganisation des Betriebes nach Ungarn, um dem Namen Schenker wieder die frühere Anziehungskraft zu geben. Der wichtigste Faktor war nach seiner Ansicht Arbeitsdisziplin nach klar vorgezeichneten Richtlinien, um administrativ Ordnung zu machen. Das Budapester Geschäft konnte sich zwar in den nächsten Jahren von den ganz großen Verlusten erholen, aber es waren immer wieder Rückschläge zu verzeichnen, welche ein wirklich aktives Arbeiten verhinderten. Die Verluste der ungarischen Organisation wurden auf jährlich 100 bis 150 Tausend Mark geschätzt. Es musste daher festgestellt werden, dass in keiner Filiale die Lage so ungünstig war wie in Budapest. Trotz des schlechten Geschäftsganges verfügte die ungarische Schenker-Gesellschaft, mit dem Büro in Budapest gegenüber der Börse, über einige Aktiva. So konnte Schenker Budapest 1920 die Firma Ullmann & Seligmann um 250.000 Kronen übernehmen. Zusammen mit der Britisch-Ungarischen Bank, die über eine große Warenhandelsabteilung verfügte, wurde das Unternehmen im September 1921 zur Britisch-Ungarischen Transport-Aktiengesellschaft umgewandelt. Ein weiteres beachtliches Aktivum war die Centrum-Lagerhäuser AG . Anfang der 1920er Jahre war Schenker Budapest durch die Kündigung der Lagerräume in der Königsmühle in eine schwierige Situation geraten. Damals war in den Bahnhöfen kein Magazin aufzutreiben und in ganz Budapest herrschte eine außerordentliche Knappheit an Lagerräumen. Nach monatelangem Suchen fand man schließlich den Gebäudekomplex einer ehemaligen Getreidemühle, der den zahlreichen Erben Haggenmacher gehörte. Die Anlage im Zentrum der Stadt, in der Nähe der Westbahn, verfügte über eine Lagerfläche von 21.000 m2. Allerdings war keine Bahnverbindung vorhanden und das ehemalige Mühlengebäude musste für Lagerzwecke erst adaptiert werden. 1923 wurde mit einem Kapital von 50 Millionen Kronen die CentrumLagerhäuser AG gegründet, deren Aktien zur Hälfte von den Erben Haggenmacher und zur anderen Hälfte von Schenker übernommen wurden. Präsident wurde Marcel von Sonnenberg (der Sohn von Emmerich), Generaldirektor Ödön Vogel, der ehemalige Leiter und Mitinhaber der Continens AG . Er hatte das Geschäft vermittelt und erhielt als Provision eine Unterbeteiligung an der Centrum von 10 %, auf der allerdings eine Kaufoption von Schenker lag. Die Aktiengesellschaft tätigte aufwendige Investitionen in der Höhe von etwa 500.000 Pengö und bekam mit einem niedrigen Jahreszins von 10.000 Schweizer Franken von der Haggenmacher-Gruppe den gesamten Lagerkomplex auf zehn Jahre vermietet. Die Fertigstellung des Gleisanschlusses verzögerte sich allerdings, da Schienen über eine der verkehrsreichsten 131

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Straßen Budapests gelegt werden mussten. Die Fertigstellung fiel damit bereits in die Zeit abgeschwächter Wirtschaftstätigkeit. Dennoch wurde das Lagerhaus zu einem großen Erfolg. Aufgrund der zentralen Lage füllten sich die Lagerräume rasch und wurden nicht nur von Schenker, sondern auch von anderen Firmen genutzt. Die Ausdehnung des Lagergeschäftes erforderte neuerliche Investitionen und einen Kapitalzuschuss der Aktionäre. Dazu sah sich die Haggenmacher-Gruppe nicht imstande, sodass Schenker schließlich die restlichen Aktien für den Betrag von 220.000 Pengö übernahm und zum alleinigen Eigentümer der Centrum wurde. Der durchschnittliche jährliche Reinertrag der Centrum von 1926 bis 1930 betrug 33.000 Pengö. In den 1920er Jahren konnte Schenker auch die Zusammenarbeit mit den ungarischen Staatsbahnen eng gestalten. Bereits 1926 wurde gemeinsam mit den ungarischen Staatsbahnen MAV das Transitbüro Rota AG mit einer Schenker-Beteiligung von 50 % errichtet. Die mit einem Kapital von 400.000 Kronen gegründete Firma hatte als Geschäftszweck Eilgut- und Frachtguttransporte. Offiziell beteiligte sich die Continens, die zu 100 % im Eigentum von Schenker stand. Der gesamte ungarische Transitverkehr über die Bahn betrug damals ungefähr 400.000 Tonnen, wovon auf Schenker an die 35.000 Tonnen entfielen. Andere Speditionen wollten sich an der Rota AG beteiligen, was aber trotz ständigen Drängens abgewehrt werden konnte. Bei der Vertragsverlängerung 1929 wurde die Zusammenarbeit noch intensiviert. Schenker Budapest erhielt die alleinige kommerzielle Agentur der Ungarischen Staatsbahnen für sich und alle Geschäftsstellen des Gesamtunternehmens im Ausland übertragen. In Anlehnung an den seit 1926 bestehenden Werbevertrag mit der Deutschen Reichsbahn übernahm Schenker nicht nur die Förderung des Transitverkehrs, sondern auch die Unterrichtung der ungarischen Bahn über wichtige wirtschaftliche Vorgänge und tarifarische Maßnahmen anderer Verkehrsunternehmungen, die Erteilung von Tarifauskünften und sonstigen Informationen. Ab den 1930er Jahren setzte das nationalsozialistische Deutschland auch die „Entjudung“ bei Schenker Ungarn durch. Da der dortige Handel stark in jüdischen Händen lag, gingen zum Teil Geschäfte verloren. Durch diese Zwangsmaßnahmen schieden die Direktoren Székely und Sonnenberg jun. aus der Geschäftsleitung aus. 1940 war Leitender Direktor Herr Stephan, ein Vertrauensmann von Marcell Holzer und vorher Leiter von Schenker London. Transportgüter in dieser Zeit waren vor allem Getreide, Wein, Zucker, Fleisch, Pflaumen, Baumwolle, Bauxit, Maschinen und Eisenbleche. Nach dem Krieg erfolgte ab 1946 der Versuch, Schenker in Ungarn zu reaktivieren. Am 6. Oktober 1948 wurde jedoch den privaten Speditionsfirmen die Gewerbegenehmigung entzogen und ihre Mitarbeiter in ein Staatsunternehmen eingegliedert, darunter auch jene von Schenker. Dafür war am 5. Juli 1948 die Masped (Allgemeines ungarisches Speditionsunternehmen) als staatliches Monopolunternehmen für internationale Spedition gegründet worden. Masped war in Hauptabteilungen nach 132

Ungarn

Verkehrsträgern – Eisenbahn, Lkw usw. – gegliedert. Daneben gab es an die 50 Fachfirmen für Außenhandel, etwa für Chemie oder Mineralöl, die eigene Speditionsabteilungen hatten. Diese sammelten von der Industrie die Aufträge und konnten im RGW -Raum in Rubelverrechung selbst liefern. Die Verkehre ins westliche Ausland, etwa 10 % bis 15 % des ungarischen Außenhandels, mussten über die Masped gehen. Die Speditionsabteilungen der Industrie hatten daher ihre Aufträge unter strenger Kontrolle an Masped abzugeben. Das betraf etwa die Verschiffung über Hamburg oder den Import von Rohstoffen mit westlichen Devisen. Mit Donauschiffen gingen Sendungen bis zum Meer für Überseetransporte, Zellulose aus der Sowjetunion, Düngemittel aus Florida, Eisenerz aus Indien, Stückgüter nach China, Semicontainerschiffe. Masped verfügte über eigene Außenhandelsvertretungen in Polen, der DDR , Hamburg und Wien. Diese Struktur der Warenströme ging bis zum Ende der Planwirtschaft 1990. Danach starb der Verrechnungsrubel, da er eine unrealistische niedrige Kostenstruktur vortäuschte. Auch die meisten Auslandsvertretungen wurden geschlossen. Die gesamte ökonomische Struktur Ungarns wurde auf den Kopf gestellt. Davor gab es im Rahmen des RGW eine Arbeitsteilung zwischen den Ländern, danach konnte man frei kaufen und verkaufen. Die Sowjetunion, vorher der größte Handelspartner, an den man praktisch alles verkaufen konnte, fiel nun fast völlig weg. Schenker reagierte in Ungarn sehr rasch. Bereits 1989 wurde durch Schenker Frankfurt, eine Repräsentanz in Budapest, Uisegradi ut 42–46, eingerichtet. Leiter war Herr Krüger, der vorher im Holzaußenhandel tätig gewesen war. Unterstützt wurde er von drei Kollegen aus Deutschland und einem aus Österreich. Das 80 m2 große Büro bestand aus zwei Zimmern und einer Küche. 1992 wurde die Repräsentanz in eine Landesgesellschaft, Schenker Hungaria KFT, umgewandelt, mit Sitz in Budapest, Szabadkikötö Utca 5-7. Die Schenker-Interessen in Ungarn waren allerdings sehr komplex und vielschichtig. Als Unternehmen im Nachbarland war Schenker Österreich schon vorher im regelmäßigen Sammelverkehr mit Ungarn stark engagiert und hatte im Landverkehr mit Hungarocamion und im Lufttransport mit Masped zusammengearbeitet. Andere westliche Schenker-Landesorganisationen hatten bereits mit verschiedenen anderen ungarischen Partnern Verkehre aufgebaut. Diese Zersplitterung der Interessen hat die Entwicklung einer eigenen Schenker-Organisation in Ungarn behindert. Die Neugründung war daher vorerst von einer schlagkräftigen Spedition weit entfernt. Dann kam Jürgen Franke aus Deutschland und baute das Geschäft auf. Die Schulung der Mitarbeiter erfolgte noch in Frankfurt. 1994 zog Schenker Hungaria in ein neues Domizils am Freihafen Budapest, in die Nähe von Masped-Trias. Bis 1996 hatte die Schenker Hungaria in Budapest 49 Beschäftigte in einem Büro von 620 m2 und 9.666 m2 Lagerhaus, daneben eine Geschäftsstelle in Györ mit fünf Mitarbeitern, 100 m2 Büro und 300 m2 Lager. Der Umsatz war von fünf Millionen Dollar 133

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Erstes Büro, zweiter von links Richard Reichert

134

Ungarn

Jubiläumsfeier-2012

im Jahr 1995 auf 5,7 Millionen Dollar im Jahr 1996 angestiegen. Im Rahmen der regionalen Neuorganisation ging 1996 Verantwortung für und Besitz von Schenker Hungaria auf Schenker Österreich über. Das Unternehmen entwickelte sich im europäischen Landverkehr, vor allem mit Deutschland, Österreich und Italien erfolgreich und führte Spezialtransporte, Zollabwicklung sowie Lager- und Distributionslogistik durch. Auch im Seeverkehr wurden mit Unterstützung von Erdélyi Kálmán Schenker Österreich erste Schritte gesetzt. Die klassische Dominanz der eingesessenen ungarischen Spediteure, aber auch die starke Positionierung der Reedereiagenturen erschwerte das Vorgehen in diesem Segement aber außerordentlich. In der Luftfracht war Masped der Partner der weltweiten Schenker-Organisation. Im Wesentlichen agierte dabei Schenker Österreich als steuerndes Element. An dieser Situation war vorerst nichts zu ändern. Außerdem beschäftigte sich Herber Hausner, eine Tochterfirma von Schenker Österreich, auch in Ungarn bereits mit Übersiedlungen. Zuerst als Repräsentant und ab 1990 mit eigener Niederlassung als Hausner Kft mit vier Beschäftigten. 135

Regionales Headquarter Europa Südost

Anfang 1993 übertrug Robert Bosch den Aufbau und die Führung eines Logistikdistributionslager in Ungarn an Schenker Österreich. Unter Berücksichtigung des sehr bescheidenen Angebotes an geeigneten Lagern wurde letztlich eine verwendbare Immobilie in Pomaz, am Standrand von Budapest, gefunden. Nach erfolgreicher Aufbauarbeit wurde dieses Geschäft 1995 auf Schenker Hungaria übertragen. 1997 stand Schenker Hungaria mit einem Umsatz von 910 Millionen Forint an 20. Stelle der Speditionsunternehmen in Ungarn. Schenker in Ungarn 1997 in 1.000 Schilling Schenker Hungaria

Herber ­Hausner

Pomaz Bosch Lager

Insgesamt

68.948

30.366

16.151

115.465

Rohertrag

21.846

12.140

8.225

42.211

Kosten

22.118

7.963

4.900

34.981

2.264

4.300

3.325

9.889

Umsatz

Ergebnis vor Steuern

Mit der Übernahme der schwedischen Spedition BTL durch Schenker ab 1997 veränderte sich der Anspruch des Unternehmens auch in Ungarn. In allen Ländern, in denen sowohl BTL als auch Schenker aktiv waren, mussten die Gesellschaften zusammengeführt werden. Das erwies sich von Beginn an in Ungarn als problematisch, da an der BTL -Tochter Masped-Trias auch die führende ungarische Spedition – Masped – nachhaltig beteiligt war. Das Staatsunternehmen Masped war 1991 mit Hilfe von Unternehmensberatern privatisiert worden. Es gab wohl auch Überlegungen, an ausländische Investoren zu verkaufen, 28 Speditionsfirmen hatten sich dafür interessiert, zogen sich aber dann doch zurück. Denn Masped hatte mit allen ausländischen Speditionen gearbeitet und jede Spedition, die einstieg, würde den Umsatz mit den anderen verlieren. So blieb Masped bei der Privatisierung auf sich selbst gestellt. Am 20. Dezember 1991 wurde sie als Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 2.681 Millionen Forint errichtet. Unterstützung kam vom Staat durch günstige Kredite. Bei einem allgemeinen Zinsniveau von 20 % lag dieses für die Privatisierung bei nur 7 %. Bei Masped konnten alle 250 bis 300 Mitarbeiter einen Unternehmensanteil erwerben. Mit 100.000 Forint in bar konnte man für fünf Millionen Forint Unternehmensanteile kaufen, der Rest wurde über zehn Jahre vom Gewinn getilgt, was von der Firma auch noch als Kosten steuerlich abgeschrieben werden konnte. 51 % der Unternehmensanteile gingen daher an ein Belegschaftskonsortium, daneben gab es noch ein ManagementBuy-out mit 25 %. Die Privatisierung bei Masped wurde auch dadurch erleichtert, dass das Unternehmen nicht nur im Transportsektor tätig war, sondern über eine 136

Ungarn

Reihe von Immobilien verfügte, darunter im Stadtzentrum von Budapest ein Bürokomplex. Masped war daher eine kapitalstarke Firma. Neben einem exzellenten Zugang zum lokalen Markt war auch ein großes Know-how im Speditionsbereich vorhanden, da man bereits vorher mit dem Ausland Geschäfte gemacht hatte. Mit der wirtschaftlichen Öffnung ging wettbewerbsbedingt der Umsatz um die Hälfte zurück und das Management strukturierte das Unternehmen neu. Große Schwierigkeiten gab es erst durch die Finanzkrise 2008. Heute ist die Masped AG eine PortfolioHolding für Finanz, Spedition und Immobilien. Wenn auch Masped mit der Privatisierung ein ungarisches Unternehmen geblieben war, so strebte man doch in Teilbereichen ein Joint Venture mit ausländischen Unternehmen an. Für die notwendigen Investitionen war ausländisches Kapital erforderlich, aber auch Partner, die Know-how und Transportsubstrat einbringen sollten. Aufbauend auf diesem Gedanken wurde am 4. April 1991 für die Bereiche Lagerhaus und Sammelgut die Masped-Trias mit einem Kapital von 650 Millionen Forint gegründet, an der Masped und die schwedische Bilspedition (BTL) je 49,75 % hielten. 0,5 % gingen an die Transteam AG , eine Mitarbeitergesellschaft, die das Management der Masped AG noch vor Privatisierung errichtet hatte. Masped und Transteam brachten Sacheinlagen und Geschäfte ein, BTL das Kapital und Know-how. Da es sich um drei Partner handelte, erfolgte die Bezeichnung Trias. Die unternehmerische Führung lag bei BTL . 1997, als Masped-Trias ins Blickfeld von Schenker geriet, hatte das Unternehmen 227 Mitarbeiter, davon 34 Zolldeklaranten, ein Hauptbüro in Budapest und Niederlassungen in Györ, Debrecen und Marcali, 67.000 m2 Grund im Eigentum mit einem 20.000 m2 großen, sechs Meter hohen Lagerhaus und einer 6.000 m2 großen asphaltierten Freilagerfläche. Darüber hinaus war Masped-Trias bereits ISO 9002 zertifiziert. 60 % des Umsatzes betrafen Sammelverkehre, vor allem mit Österreich, Deutschland, Finnland, Großbritannien und Italien. Geleitet wurde das Unternehmen von Kalman Erdelyi. Außerdem war Masped-Trias mit 82 % an der Eurosped Kft beteiligt, die sich mit 100 Mitarbeitern primär in der Grenzspedition betätigte und Büros an verschiedenen Grenzstandorten hatte. Masped-Trias arbeitete in einigen Ländern mit Scansped zusammen, in anderen mit verschiedenen Speditionen. Masped-Trias hatte sich gut entwickelt und auch wirtschaftlich schwierige Zeiten überwunden, 1997 verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz von 2.880 Millionen Forint. Schenker Hungaria, unter der Leitung von Jürgen Franke, hatte dagegen 69 Mitarbeiter, 1.100 m2 Büro und 9.700 m2 Lager auf vier Etagen, neben Budapest noch zwei Niederlassungen und arbeitete vorwiegend im eigenen Schenker-Netz. 1998 klopfte Schenker-BTL daher an die Tür der Masped, um deren Anteile an der Masped-Trias zu erwerben. Die äußerst schwierigen Gespräche dauerten dann eineinhalb Jahre und verunsicherten Kunden wie Mitarbeiter. Schenker stand unter 137

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Druck, da in allen Ländern die Fusion der Schenker- und BTL -Landesgesellschaften abgeschlossen werden sollte. Aber auch bei Masped machte man sich Sorgen um die Zukunft. Für das Geschäft der internationalen Spedition war ein starker ausländischer Partner notwendig. Diesen hatte man bei der Masped-Trias mit der schwedischen BTL gefunden, durch deren Fusion mit Schenker ergab sich aber eine völlig neue Situation. Die Verhandlungen waren dadurch erheblich erschwert, da sowohl Schenker als auch BTL die Führung des neuen Gemeinschaftsunternehmens anstrebten und Masped nicht an den Rand gedrängt werden wollte. Für die Zusammenführung der Landesgesellschaften gab es ein hochrangiges Steering Committee bei den Muttergesellschaften  : • • • •

Für Schenker  : Thomas Held Knut Heymann Wolfgang Monning

• Für BTL   : • Hakan Larsson • Harald Silander

Schenker Wien war 1996 die Funktion eines Headquarters für Südosteuropa übertragen worden und der dortige Vorstand mit Elmar Wieland und Klaus Lippstreu griff aktiv in die Verhandlungen ein. 1997 war das Verhältnis Schenker zu Masped-Trias beim Transportvolumens 40 : 60 und beim Ergebnis 30 : 70. Bei der neuen Gesellschaft verlangte Schenker Öster­reich ein Drittel der Anteile und die unternehmerische Führung. Nur Schenker Wien konnte eine einheitliche Entwicklung der Gesellschaften in Südosteuropa gewährleisten und eine regionale Führung sicherstellen. Die Nähe zu Ungarn, die gewachsene Verbindung und Marktkenntnis, die Gesamtverantwortung für Südosteuropa und die Entwicklung der Schenker International waren triftige Argumente. BTL konnte für sich in Anspruch nehmen, dass sie bei der bisherigen Masped-Trias die unternehmersiche Verantwortung hatte und ihr Masped den Rücken stärkte. Beide waren sich einig, dass Masped aus nationalen Gründen vorläufig einen Anteil behalten sollte, auch um eine Konkurrenzierung zu vermeiden. Die Frage ging nun um die Bewertung der beiden Unternehmen als Basis für die Kapitalanteile. Masped-Trias, Eurosped und Schenker Hungaria sollten aufgrund der Bilanz vom 31. Dezember 1997 bewertet werden und so sollten sich die künftigen Eigentumsverhältnisse ergeben. Dies wurde aber abgelehnt und ein neuer Vorschlag vorbereitet. Dabei sollten Herber Hausner und Eurosped nicht in die Fusion miteinbezogen und keine Mitarbeiter abgebaut werden. Nun schlug Wien vor, die Anteile von Masped und BTL von je 49,75 % auf je 30 % zu reduzieren und Schenker 40 % zuzusprechen. Masped schlug dagegen vor, die Eurosped zu übernehmen und dafür BTL 10 % Anteile an der Masped-Trias zu überlassen. Damit hätten sich folgende Anteile ergeben  : 138

Ungarn

BTL

59,75 %

Masped

39,75 %

Transteam

0,5 %

Außerdem sollten alle wichtigen Entscheidungen einer Dreiviertelmehrheit unterliegen und Masped eine Garantiedividende eingeräumt werden. Masped Trias sollte demnach Schenker Hungaria kaufen, dafür aber keine Geschäftsanteile abgeben. Schenker lehnte das Verlangen nach Mehrheitsentscheidungen ab, war aber mit der Garantiedividende einverstanden. Da Schenker Hungaria 20 % des Gesamtwertes des neuen Unternehmens ausmachte, wurde folgende neue Geschäftsstruktur von Schenker Österreich vorgeschlagen  : BTL

47,75 %

Schenker

20,00 %

Masped

32,75 %

Transteam

0,50 %

Das war Masped aber zu wenig. Unter 40 % wollten sie nicht gehen, mit dem Argument erheblicher versteckter Reserven in der Masped-Trias und der einmaligen Position auf dem ungarischen Markt. Die Geschäftsführung sollte laut dem bestehenden (alten) Vertrag weiterhin bei BTL bleiben und das Unternehmen sollte sich auf Landverkehre und Logistik beschränken. Beide Seiten waren langsam am Ende der Geduld. Dr. Istvan Kauz, der CEO von Masped, schrieb an Schenker, wenn nicht bald eine Einigung zustande käme, so werde sich Masped mit dieser Frage nicht mehr beschäftigen. Aber auch bei Schenker in Wien dachte man über eine „Standalone“-Lösung nach, die man einem faulen Kompromiss vorzog. Nach langen Verhandlungen wurde letztlich eine Lösung dadurch gefunden, dass die Immobilien von Masped-Trias aus der Gesellschaft herausgenommen und an die Masped AG übertragen wurden. Gleichzeitig schloss Masped-Trias einen langfristigen Mietvertrag für die bestehenden Einrichtungen mit der Masped AG ab. So war Masped bereit, auf eine Beteiligung von 10 % herunterzugehen. Am 1. Juli 2000 übernahm Masped-Trias die Geschäfte, das Know-how und das Personal von Schenker Hungaria. Das Unternehmen wies ein Kapital von 260 Millionen Forint aus, beschäftige am bisherigen Standort der Masped-Trias 300 Mitarbeiter und verfügte über 23.580 m2 Lagerfläche. Die Anteile der Gesellschaft lagen zu je 45 % bei BTL Göteborg und Schenker Österreich, 10 % lagen bei der Masped AG. Der Vorsitz im Aufsichtsrat lag vorerst bei BTL Göteborg, ging später aber auf Schenker Österreich über. Geschäftsführer wurde der bisherige Geschäftsführer der MaspedTrias, Kalman Erdelyi. Jürgen Franke wurde sein Stellvertreter, schied jedoch bereits 139

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Schenker Hungaria Österreich

Schenker Hungaria. Bosch Projekt

2000: Eröffnung MaspedSchenker Budapest: Detlev Trefzger, Günter Müller, Istvan Kautz, Laszlo Kaldor, Klaus Lippstreu

140

Ungarn

Gemeinsame Weihnachtsfeier: Gabor Molnar, Csaba Sari, Arpad

Kaldor Laszlo

Vasarhelyi, Elmar Wieland, Andrea Olar, Michael Meyer, Tibor Gyabronka, Kurt Leidinger, Laszlo Kaldor, Ferenc Kovacs, Reinhard Just, Gergely Lukacs

kurze Zeit später aus der ungarischen Gesellschaft aus und übernahm die Verantwortung für Schenker in Slowenien. Das Zusammengehen von Schenker Hungaria mit Masped-Trias war erwartungsgemäß aufgrund sehr unterschiedlicher Unternehmenskulturen sehr schwierig. Dies führte dazu, dass von den ursprünglich 70 Mitarbeitern der Schenker Hungaria 20 das Unternehmen verließen. Aufgrund der letztlich doch sehr positiven Erfahrungen bei der Zusammenführung der Gesellschaften entschlossen sich Masped AG und Schenker Österreich unter tatkräftiger Unterstützung von Herrn Dr. Lieb, gleichfalls noch im Jahre 2000 die Masped Schenker Kft. zu gründen. Unter ihrem Dach Kautz István wurden die verbliebenen Seefrachtaktivitäten der Masped Trias sowie die der Masped AG gebündelt und fernerhin das gesamte Luftfrachtgeschäft der Masped AG , das sie bereits mit Schenker weltweit abgewickelt hatte, eingebracht. Masped Schenker Kft. mit Sitz in Budapest, Vaci ut. 85, startete mit 46 Beschäftigten. Maspd hielt zu Beginn 74,9 % der Gesellschaftsanteile, in den folgenden Jahren erfolgte jedoch eine gleichrangige Aufteilung der Anteile. Während Masped die Verantwortung für die Finanz- und Controllingbereiche der Gesellschaft trug, lag die speditionelle Führung bei Schenker Österreich. Geschäftsführer der Gesellschaft war Herr Laszlo Kaldor, der gleichzeitig auch dem Vorstand der Masped AG angehörte. Die sehr guten Erfahrungen bei der Zusammenführung ihrer Aktivitäten im Land-, See- und Luftbereich veranlassten die Masped AG und Schenker Österreich, 141

Regionales Headquarter Europa Südost

20. Jubiläumsfeier in Ungarn 2012

auch ihre Aktivitäten im Bahnbereich zu bündeln. Zu diesem Zwecke wurde am 6. Dezember 2004 die Masped Railog gegründet. Bereits mit 1. Januar 2001 wurde zur besseren Nutzung der Marke Schenker und zur Vermeidung von Missverständnissen Masped-Trias in Schenker Kft umbenannt. 2003 ging Kalman Erdelyi in Pension. Nun wurde Zoltan Varga Managing Director von Schenker Ungarn, der seit 1972 bei Masped war, seit 1994 als kaufmännischer Direktor und ab 2002 als Managing Director der Masped Rail. Durch den EU.Beitritt Ungarns im Jahr 2004 hatte die Firma vorerst große Verluste, da das Zollgeschäft weitgehend wegfiel. Von den 48 Mitarbeitern im Zoll konnten nur acht gehalten werden, was zu entsprechenden Rationalisierungen führte. 2005 erfolgte der Umzug in das neue Logistikzentrum im Budapester Intemodal Logistics Center (BILK ). Dies war einer der größten Logistikparks Europas mit Bahn- und Straßenanschluß. Die neue Schenker-Anlage hatte eine Fläche von 65.000 m2, einen 24.000 m2 großen Gebäudekomplex, ein 17.000 m2 großes Logistiklager mit elf Meter Hallenhöhe, ein 5.000 m2 großes Stückgutterminal, 1.300 m2 Gefahrengutlager und ein 3.000 m2 großes Bürogebäude. Auch das Landeszentrum von Schenker KFT wurde dort angesiedelt. Die Adresse lautete  : Budapest, Europa u.5 BILK . Schenker führte außerdem die Lagerhaltung, Kommissionierung und Versorgung der RPA , einer Philips-Olivetti Tochter, in Györ durch und das Picking and Packing für 30.000 verschiedene Artikel für Bosch in Budapest. Die Finanzkrise ab 2008 traf Ungarn selbst und auch Schenker hart. Alle internationalen Großkunden begannen, die Preise zu drücken und die Mengen gingen stark zurück. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Finanzkrise ab 2008 war Masped schließlich doch bereit, seine Anteile zu verkaufen. Im Rahmen der Integration wurden alle Joint Ventures zusammengezogen. 2010 übernahm DB Schenker die Masped-Anteile an der Masped-Schenker Kft. und an der Masped-Railog Kft. Diese 142

Ungarn

Csepel 2004

BILK CrossDockLager 2012

20. Jubiläumsfeier in Ungarn 2012

143

Regionales Headquarter Europa Südost

20. Jubiläumsfeier in Ungarn 2012

Sandor Barenyi und Arpad Vasarhelyi

Unternehmen hatten vorher mit Hungarcargo Kft und Romtrans Hungaria Kft unter dem Dach der Schenker Kft fusioniert. Damit hielt Schenker 100 % aller Anteile und arbeitete nur mehr unter einem Namen. Ausnahme blieb die Herber Hausner Kft. Das heutige Gebäude der Bahn- und Seetransportabteilung in der Váci ut 85 gehörte ursprünglich der Masped. 2011 hatte Schenker in Ungarn 189 Mitarbeiter an neun Geschäftsstellen und 37.200 m2 Lagerfläche und führte alle Dienstleistungen der Schenker Organisation durch. Das Hauptbüro war in Budapest, Niederlassungen gab es in Vecsés, Debrecen, Gvör, Szeged-Algyö, Szombatheley, Vesprém, Pécs und Záhony. Die Herber Hausner Kft hatte an einem Standort neun Mitarbeiter und 498 m2 Lagerfläche und war vorwiegend mit Umzügen beschäftigt. Slowenien Slowenien gehörte ursprünglich zur österreichischen Reichshälfte (Cisleithanien) der Monarchie mit einem relativ hohen wirtschaftlichen Entwicklungs- und Bildungsstand. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es 1918 Teil des Königreichs Jugoslawien, nach dem Zweiten Weltkrieg eine Provinz des kommunistischen Jugoslawien. Mit dem Ende des kommunistischen Regimes entschied sich die Bevölkerung 1990 in einer Volksabstimmung für einen eigenen Staat. Der Unabhängigkeitserklärung 1991 folgte eine kurze militärische Auseinandersetzung mit der jugoslawischen Zentralregierung, 1992 wurde Slowenien aber als souveräner Staat anerkannt. Slowenien war der am meisten industrialisierte Teil Jugoslawiens, und hatte daher relativ günstige Startbedingungen beim Übergang zur Marktwirtschaft. Das BNP pro Einwohner entsprach bereits am Anfang dem von Griechenland oder Portugal. Slowenien ist traditionell ein Transitland mit guter Bahn- und Straßenstruktur, dem Seehafen Koper 144

Slowenien

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−5



552



1991

−9



115



1992

−6



207



1993

3

9

33



1994

5

9

21



1995

4

7

14



1996

4

7

10



1997

5

7

8



1998

4

8

8



1999

5

8

6



2000

4

7

9



2001

3

6

9

27

2002

4

6

8

28

2003

3

7

6

27

2004

4

6

4

27

2005

4

7

3

27

2006

6

6

3

26

2007

7

5

4

23

2008

3

4

5

22

2009

−8

6

1

35

2010

1

7

2

37

2011

1

8

2

47

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

1.998

8.900

1992  : 44

2011

2.053

21.300

51

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

und dem Flughafen in Ljubljana. Zwar führte der Übergang bis 1992 auch hier zu einer schweren Rezession und einem Rückgang des BNP, dann setzte aber ein deutlicher Wirtschaftsaufschwung ein  : Die Inflation konnte eingedämmt werden, der slowenische Tolar wurde 1995 konvertibel, die öffentliche Verschuldung war relativ ge145

Regionales Headquarter Europa Südost

ring und bis Mitte der 1990er Jahre gingen über 60 % des Außenhandels bereits mit der Europäischen Union. Allerdings war die Arbeitslosigkeit hoch und die Schattenwirtschaft entsprechend. Das war nicht nur auf den Verlust der Märkte in Ex-Jugoslawien zurückzuführen, sondern auch auf die Art der Privatisierung der Unternehmen. Die 1.345 bis 1997 privatisierten Betriebe dominierten den Produktionssektor. Dabei mussten 10 % des Kapitals auf den Pensions- und Invalidenversicherungsfonds, weitere 10 % auf einen Entschädigungsfonds und 20 % auf einen Entwicklungsfonds der Republik Slowenien, die an slowenische Staatsbürger verteilt wurden, übertragen werden. Fast alle Privatisierungsprogramme beinhalteten Arbeitnehmerbeteiligungen und Management-Buy-outs, nur bei wenigen war die Beteiligung ausländischer Investoren vorgesehen. Daher führte diese Form der Privatisierung nur in wenigen Fällen zu neuem Kapital und Know-how. Schenker war in Marburg bereits 1907 mit einer Filiale vertreten, die Wien unterstellt war. Nach dem Ersten Weltkrieg musste die Niederlassung im nunmehrigen jugoslawischen Königreich neu gegründet werden. 1920 wurde daher die „Prvo Jugoslavensko Transportno D.D. Schenker & Co., Podruznica, Maribor“ errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Schenker Marburg vom kommunistischen Jugoslawien verstaatlicht. Ab dieser Zeit arbeiteten bestimmte Schenker-Landesorganisationen mit dem führenden Staatsspediteur Intereuropa zusammen. Dies gilt besonders für Schenker Deutschland, wo diese Verkehre in der Filiale Frankfurt am Main konzentriert waren. Schenker-Landesorganisationen, die keinen Vertrag mit einer jugoslawischen Spedition hatten, waren praktisch vom Markt ausgeschlossen. Die Verkehre wurden über die Bahn abgewickelt, wobei dem Platz Salzburg aus tarifarischen Gründen eine besondere Bedeutung zukam. Die Sendungen wurden aufgrund der Frankatur von den jugoslawischen Speditionen kontrolliert. Die Umstellung auf den Lkw und ein Aufbrechen dieser Spielregeln erfolgten erst in den 1990er Jahren. Nach der Wende trat Schenker erst spät direkt in den slowenischen Markt ein, obwohl es sich um ein Nachbarland Österreichs handelt. Dies hing mit den alten Verträgen mit den ehemaligen Staatsspeditionen zusammen. Vorläufig arbeitete Schenker Wien mit Intereuropa, Ljubljana (Luft) und Intertrans Ljubljana (Land). 1994 wurde eine Repräsentanz in Ljubljana, Letaliska Straße 33, errichtet. Erster Mitarbeiter war der Slowene Marino Fakin. 1995 wurde die Repräsentanz in eine eigene Landesgesellschaft, die Schenker & Co. AG Ljubljana, umgewandelt. Leiter war Oton Valenko, der mit einem Mitarbeiter in einem52 m2 großen Büro und angemieteten externen Lagerflächen arbeitete. Am 16. Juni 1997 erfolgte die Übersiedlung in die Nähe des Zollamts und der anderen Spediteure. Mit dem 1. Januar 1998 wurde die Firma in Schenker GmbH Slowenien umbenannt und Lagerkapazitäten zur Konsolidierung von Exportsendungen wurden angemietet. Die Anwesenheit am slowenischen Markt war aber nach wie vor verschwindend klein. Aus historischen Gründen bestand weiter eine sehr hete146

Slowenien

Svetek, Fris, Wieland

Ljubljana

rogene Partnerstruktur. Die Kooperationen mit nationalen Speditionen hatten sich weiterentwickelt. Es kooperierten  : Intereuropa Land mit Schenker Euro Cargo (SEC) Frankfurt und Schenker Wien, Intereuropa Bahn mit SEC Frankfurt und Intertrans mit Schenker Salzburg, Linz und Graz. Das Seefracht-Geschäft ging direkt über Schenker Wien. Hauptleistungen waren Transportvermittlungen, Exportsammelverkehr und Leistungen gemäß Anfrage. Schenker Slowenien bearbeitete im Monat durchschnittlich etwa 100 Transportvermittlungsaufträge und organisierte durchschnittlich im Export acht Sammel-Lkw. Überlegungen, eine eigene Filialstruktur zu etablieren, existieren bereits. Die Unternehmensplanung von Stinnes bescheinigte Slowenien 1997 ein starkes Wachstum bei geringer Größe der Gesamtwirtschaft. Der Transportmarkt sei aufgrund der zentralen Lage in Europa und guter Verkehrsanbindungen attraktiv. Auch das Headquarter Südosteuropa in Wien sah das Land als wirtschaftlich erfolgreicher, Außenhandelspartner waren vor allem Italien, Österreich und Deutschland. Schenker hatte allerdings eine relativ unbedeutende Position und wickelte alle Geschäfte 147

Regionales Headquarter Europa Südost

mit Fremdpartnern ab. Am Aufbau einer operativen Organisation wurde trotz Personalproblemen mit Hochdruck gearbeitet. Es war aber schwierig, in den Markt einzudringen, da die dortigen Spediteure versuchten, sich abzuschotten. Beteiligungen schienen vorläufig ausgeschlossen. Im Zusammenhang mit der Fusion von Schenker mit der schwedischen BTL wurde die Firma im Jahr 2000 in Schenker-BTL DOO , Ljubljana umbenannt. Die Luftfracht ging aber weiter mit Intereuropa über den Flughafen Ljubljana. 2001 beteiligte sich Schenker an Intertrans, der Nummer zwei von Sloweniens Speditionen. Die Intertrans d.d., Brnciceva 51, SI-1000 Ljubljana, unter der Leitung von Rok Svetek hatte 156 Beschäftigte, neun Büros und 9.700 m2 Lagerfläche. Ihre Geschäftstätigkeit erstreckte sich auf internationale Landverkehre, regelmäßige Linienverkehre von und nach allen europäischen Ländern, nationale Landverkehre, Zollservice, Messen und Ausstellungen, Lagerservice, Sammelgutverkehre, Umzüge, Luftund Seefracht und Bahnverkehre. Das Unternehmen hatte bereits damals ein großes und anspruchsvolles Logistikgeschäft für die Pharmaindustrie. Neben der Zentrale in der Hauptstadt Ljubljana bestanden Niederlassungen in Sezana, Jelsane, Maribor, Gruskovje, Lendava, Obrezje, Brnik und dem Seehafen Koper. Die Intertrans war 1964 als eine Abteilung der „Road Hauliers Association Intertransport“ gegründet worden. Erster Managing Director war Ing. Milan Svetek, der Vater des heutigen Geschäftsleiters. Die Abteilung wuchs sehr rasch und entwickelte alle Formen des Transports, vor allem bei Komplett- und Teilladungen (FTL , LTL), Sammelverkehren und Zollabwicklung. In Slowenien und in Europa wurde ein Netzwerk von Partnern aufgebaut. Der Sammelverkehr ging vor allem über Salzburg in Zusammenarbeit mit der Franz Welz GmbH. Ein Meilenstein war die Entwicklung von intermodalem Bahnverkehr. Sammelverkehre von Buchs und Salzburg waren ebenso Routine wie internationale Full-Waggon-Transporte. 1974 wurde die erste Rolling Motorway (Rola) von Köln nach Novi Sad in Kooperation mit der Kombiverkehr KG , Frankfurt, eingerichtet. Dieses Produkt entwickelte sich sehr erfolgreich und dient auch heute noch verschiedenen Destinationen mit täglichen Fahrten. Die Intermodalaktivitäten wurden in der Tochtergesellschaft Adria Kombi d.o.o. zusammengefaßt. Dieses Unternehmen führt unter der Leitung von Rok Svetek erfolgreich zahlreiche Relationen und entwickelte auch neue, je nach Anforderungen der verladenden Wirtschaft. Aufgrund gesetzlicher Änderungen wurden 1978 die Speditionsaktivitäten von der Association of Road Hauliers auf die neu errichtete Intertrans übertragen. Neuer Managing Director wurde Ing. Peter Secnik. Er führte das Unternehmen erfolgreich durch die turbulente Zeit bis Anfang der 1990er Jahre, mit der Desintegration von Jugoslawien, Jugoslawienkrieg, Wirtschaftskrise und Inflation. Das anhaltende Wachstum des Unternehmens erforderte eine Ausweitung des Netzwerkes. Eigene Büros wurden in Belgrad, Zagreb, Zadar und Novi Sad eingerichtet. 1988 erwarb 148

Slowenien

Intertrans 30 Waggons für den Getreidetransport – ein sehr lukratives, aber kurzfristiges Geschäft. Die Niederlassung in Belgrad war auf den Nahen Osten spezialisiert und wurde hier ein wichtiger Faktor in der Transportwirtschaft. Mit der wirtschaftlichen Öffnung Jugoslawiens Ende der 1980er Jahre begann Intertrans eine neue Strategie von direkten Sammelverkehren nach Deutschland, Italien und in die Niederlande. 1991 hatte Intertrans 220 Beschäftigte in zwölf Niederlassungen. Die erste Zeit nach dem Zerfall Jugoslawiens war sehr schwer für das Unternehmen. Zumindest 30 % des Marktes gingen verloren und alle Büros außerhalb Sloweniens wurden zwangsweise geschlossen. Die Zahl der Mitarbeiter ging daher auf 140 zurück. Das Staatsunternehmen wurde 1994 privatisiert, wobei 60 % des Eigentums auf die Mitarbeiter übertragen wurden, der Rest ging an verschiedene Investmentfonds. Die Restrukturierung des Unternehmens war aber erfolgreich und Intertrans begann wieder zu wachsen. 1996 übernahm Rok Svetek die Leitung des Unternehmens, die er bis heute innehat. Das Unternehmen baute in 110 Ländern ein internationales Netzwerk an Partnern auf. In Ljubljana wurde ein modernes Terminal von 5.000 m2 Größe und ein 2.000 m2 großer Bürokomplex errichtet, der bis 2004 auf 5.000 m2 erweitert wurde. 1997 wurde Intertrans als erste Spedition Sloweniens mit ISO 9001 zertifiziert. Anfang des Jahrtausends standen die Eigentümer vor der Entscheidung, entweder das Unternehmen auf einen selbstständigen Logistikdienstleister umzustellen, oder aber einen strategischen Partner zu finden. Einige große internationale Speditionsunternehmen waren an Intertrans interessiert. 2002 fiel aber die Entscheidung zugunsten von Schenker  : Schenker war ein bekannter Partner, mit verschiedenen Niederlassungen in Deutschland und Österreich hatte man bereits seit der Gründung zusammengearbeitet. Das Unternehmen verfügte über eine ähnliche Unternehmenskultur, hatte eine langfristige Strategie in der Region und garantierte dadurch langfristige Stabilität, insbesondere in Hinblick auf den Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union 2004. 2003 erfolgte die vollständige Übernahme der Intertrans und die Neugründung von Slovenia Schenker d.o.o. Die Fusion war erfolgreich, man hatte nur einen Kunden verloren und keinen einzigen Mitarbeiter. Während Schenker selbst mit nur fünf Beschäftigten gearbeitet hatte, erhöhten sich die Aktivitäten nun schlagartig. Beim Beitritt Sloweniens zur EU im Mai 2004 hatte Schenker d.d., Ljubljana, Brnciceva 51, unter dem Managing Director Rok Svetek 117 Beschäftigte an neun Standorten mit 9.700 m2 Lagerfläche und war bei Land-, See- und Lufttransport eines der führenden Unternehmen des Landes. 2005 wurde das Logistikterminal in Ljubljana auf 23.000 m2 erweitert, in Sezana hatte Schenker 6.000 m2 und in Maribor 2.000 m2 Logistikfläche. Am 1. Januar 2006 wurde der Firmenname Intertrans in Schenker d.d. umbenannt. Das Unternehmen wickelte 114.000 Sendungen mit einer Tonnage von 64.000 Ton149

Regionales Headquarter Europa Südost

Maribor

Zeltlager

nen ab. Es war nach ISO 9001/2000 und TAPA Level A zertifiziert, 2008 erfolgte die Zertifizierung AEO (F) (Authorised Economic Operator), mit der die EU-Zollabwicklung durchgeführt werden kann. Es folgten rasch erhebliche Investitionen  : 2008 27,3 Millionen Euro in ein Terminal in Ljubljana, Mitte Juni 2008 wurde das Logistikcenter in Spodnje Hoce bei Marburg eröffnet – mit 8.500 m2 Lagerfläche, 6.080 Pa150

Kroatien

Management Team

lettenplätzen und sechs Millionen Euro Investitionssumme eines der modernsten des Landes. 2011 hatte Schenker Slowenien 138 Mitarbeiter, an sieben Geschäftsstellen, mit 52.000 m2 Lagerfläche, und bot alle Speditionsdienstleistungen des SchenkerKonzerns an. Kroatien Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Kroatien, das zuvor zur ungarischen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie gehört hatte, Teil des Königreiches Jugoslawien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Land unter Marschall Tito kommunistisch. 1991 zerfiel Jugoslawien und Kroatien erklärte sich nach einem Referendum zu einem unabhängigen Staat. Es folgte ein Krieg mit der jugoslawischen Zentralregierung, der u. a. über eine halbe Million Flüchtlinge und Vertriebene zur Folge hatte. Das BNP ging bis 1993 stark zurück, mit der Folge einer Hyperinflation. Neben der Industrie spielte der Tourismus vor allem für Deviseneinnahmen eine wichtige Rolle. Der Außenhandel verlagerte sich nun vor allem nach Deutschland, Italien, Slowenien und Österreich. 151

Regionales Headquarter Europa Südost

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahresdurchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

–7



610



1991

−21



123



1992

−12



666



1993

–8



1.518



1994

6



98



1995

7



2



1996

6

10

4



1997

7

10

4



1998

2

11

6



1999

–1

14

4



2000

4

16

6



2001

4

16

5

35

2002

5

15

2

35

2003

5

14

2

35

2004

4

14

2

38

2005

4

13

3

38

2006

5

11

3

35

2007

5

10

3

33

2008

2

8

6

29

2009

−7

9

2

36

2010

−1

12

1

42

2011

0

13

2

46

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

4.778

 8.000

1994  : 44

2011

4.403

15.100

40

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

Da Kroatien in der Monarchie Teil der ungarischen Reichshälfte war, lag die Geschäftsführung damals bei Schenker Budapest. Dabei war dieser Landesteil besonders wegen seines Mittelmeerhafens Fiume (Rijeka) von Bedeutung, wo 1885 eine eigene Schenker-Niederlassung errichtet wurde. An ihr waren Ludwig Fischer und Alexander Brüll, die ein eigenes Speditionsgeschäft vor Ort betrieben, als stille Teil152

Kroatien

haber mit je 25 % an Verlust und Gewinn beteiligt. Nachdem Ludwig Fischer als Prokurist 1904 altersbedingt ausschied, wurde die Firma Fischer & Brüll aufgelöst und das Geschäft in Fiume durch ein neues Übereinkommen begründet. Dabei wurden Alexander Brüll und der Leiter von Schenker Budapest, Emmerich von Sonnenberg, als Gesellschafter in die Firma Schenker & Co, Fiume, aufgenommen. Alexander Brüll zahlte Ludwig Fischer mit 300.000 Kronen aus und übernahm die Leitung des Unternehmens. Der neue Gesellschaftsvertrag vom 1. Januar 1905 lautete auf August Schenker-Angerer, Emil Karpeles, Géza Benisch, Johann Dupal, Emmerich von Sonnenberg und Alexander Brüll. Obwohl die Firma in Fiume eine selbstständige, offene Handelsgesellschaft war, behielt diese gegenüber dem Wiener Stammhaus den Charakter einer Filiale. Schenker hatte 1907 auch ein erstes Büro in Zagreb, das aber während der beiden Weltkriege geschlossen werden musste. 1921 wurde die Erste Jugoslawische Transport AG Schenker & Co errichtet, deren Zentrale bis 1933 in Zagreb war und dann nach Belgrad verlegt wurde. Filialen bestanden in Jesenice, Maribor und Subotica, Transportgüter waren vor allem Eier, Obst, Kupfer, Bauxit, Maschinen, Eisen, Stahl, Gips und Papier. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schenker-Organisation verstaatlicht. In der kommunistischen Zeit gab es wie üblich Monopolbetriebe für bestimmte Transportbereiche, wie Jugotransport (Bahn, Luft), Interopa, mit der Schenker zusammenarbeitete, und Transped oder Transadria für den Seeverkehr. Die generelle Problematik der jugoslawischen Verkehre war gleich wie in Slowenien. In den ersten Jahren nach der Marktöffnung arbeitete Schenker mit Agenten zusammen  : mit Intereuropa, Zagreb (Luft) und Hypocentar Zagreb (Landverkehr). Vom regionalen Headquarter Südosteuropa in Wien wurde Kroatien aber nach wie vor als ein Krisengebiet angesehen, dessen Entwicklung noch nicht klar einzuschätzen war. Die Unternehmensplanung der Stinnes AG Südosteuropa bestätigte Kroatien 1997 trotz innen- und außenpolitischer Probleme ein wirtschaftliches Wachstum. Der Transportmarkt begann attraktiv zu werden, vor allem mit Italien, Deutschland und Österreich. Allerdings wurde von Schenker noch ein geringes Marktvolumen vermerkt. Am 29. September 1995 wurde die Schenker Eurocargo d.o.o. Repräsentative for Croatia mit sechs Beschäftigten, einem Büro von 100 m2 Größe und 200 m2 Lagerfläche gegründet. Das Luft- und Seegeschäft ging nach wie vor über Wien. Das Repräsentationsbüro wurde am 1. Mai 1996 in eine eigene Landesgesellschaft, die Schenker Eurocargo d.o.o. Hrvatska, Zagreb, umgewandelt, mit Sitz zuerst in der Lavonska Avenija bb, dann in der Ante Kovacica 7. Unter dem Managing Director Darko Bucalic waren sechs Mitarbeiter beschäftigt, die vorwiegend von Jugotansport kamen, darunter Ivica Skoc, der bis heute bei der Firma ist. Das Büro in der Ante Kovacica Straße lag direkt im Zentrum von Zagreb, im ersten Stock eines gemieteten Apartments in einem alten Gebäude. Die ganze 153

Regionales Headquarter Europa Südost

Schenker-Gesellschaft war in dieser Wohnung  : Zoll und Geschäft im Wohnzimmer, Buchhaltung im Studienzimmer und das Management im Schlafzimmer. Dort war man für zwei Jahre. Entsprechend waren die Arbeitsbedingungen. Da das Apartment auch über eine Küche und ein Bett verfügte, war es aber nicht ganz so schlecht. Allerdings war ein Büro im Stadtzentrum für das Geschäft völlig ungeeignet. Alle Schriftstücke mussten dort vorbereitet werden, um dann mehrmals am Tag damit zum Zollbüro ( Jankomir, Zitnjak, Flughafen, Westbahnhof ) zu fahren, obwohl anfangs nur einmal pro Woche ein Sammeltransport abging. Da das Haus in einer Kurzparkzone lag, entsprach ein Parkplatz dem Gewinn in der Lotterie. Alle Schenker-Autos sind in dieser Zeit mehrmals abgeschleppt worden und die Strafzettel wurden nicht einmal mehr gezählt. Manchmal kamen auch große Lkw zur Entladung, da diese Adresse auf den Dokumenten stand. Am 13. März 1997 zog die Firma mit zehn Mitarbeitern von der Ante Kovacica 7 in die Slavonska Avenija bb. Anfangs ging etwa ein Sammeltransport pro Woche ab und die Güter kamen in ein kleines Lager, das von Zagrebsped am Westbahnhof gemietet wurde. Dort gab es kein Büro, keinen Schreibtisch, kein Telefon, die ganze Abwicklung musste zu Fuß, vom Auto aus oder in einer Telefonzelle getätigt zu werden, da es noch kein Handy oder Internet gab. Am Anfang war Kia Croatia fast der einzige Kunde, dann kamen u. a. Gea Klima, DBT, Jadran, Lesnina und Milan dazu. 1998 hatte die Schenker Eurocargo d.o.o. mit sieben Mitarbeitern, 100 m2 Büro und 200 m2 Zolllagerfläche regelmäßige Verkehre von und nach Österreich, Split und Rijeka sowie von den und in die Niederlande. Das Ziel war die Erweiterung der Sammelverkehre mit anderen Schenker-Geschäftsstellen und der Aufbau der Aktivitäten im Luftfrachtbereich. 1998 wurde der Firma die staatliche Auszeichnung als eines der erfolgreichsten Unternehmen in Bezug auf Umsatzwachstum zuerkannt. Mit der Übernahme der schwedischen BTL durch Schenker 1997 wurde am 5. Mai 1999 auch der Firmenname in Kroatien von Schenker Eurocargo d.o.o. zu SchenkerBTL d.o.o. geändert. Im Jahr 2000 war die Aufbausituation bewältigt, in Zagreb war die Verkehrs- und Organisationsstruktur hergestellt. Der kroatische Markt entwickelt sich für Schenker-BTL positiv. Mit einer Zweigstelle am Flughafen wurde auch die Luftfracht ein wichtiger Anteil und es erfolgte der erster Bahn Container Transport. 2001 wurde der Firmenname von Schenker-BTL auf Schenker d.o.o. geändert und am 1. Juni 2001 ein Büro in Krapina eingerichtet. 2002 erhielt das Unternehmen die Stellung eines IATA Air freight Agent für den Flughafen Zagreb, und die ISO 9001  :2000 Zertifizierung. Am 1. Oktober 2004 wurde ein Büro in Rijeka eingerichtet, am 1. März 2005 erfolgte die Gründung in Ploce und am 1. Dezember 2005 in Osijek. Dieses wurde am 7. April 2009 wieder geschlossen, jedoch am 1. Juni 2011 wieder eröffnet. 154

Kroatien

Terminal Zagreb

Schenker Osijek

2004 erfolgte der Umzug in ein neues Head Office und Logistikterminal in Zagreb, Heinzelova 60. Damit erfolgte die Etablierung eines Inlandsverkehrsssystems mit einer garantierten Lieferzeit von 24 Stunden in ganz Kroatien. Statt der vorherigen 400 m2 Lagerfläche verfügte Schenker d.o.o., Zagreb nun an neuen Standorten über insgesamt 3.000 m2 Lagerfläche. 2008 wurden sieben Millionen Euro in das Terminal Zagreb investiert und die Mitarbeiterzahl hatte sich seit 2004 mehr als verdoppelt. Im April 2011 wurde das neue Logistikterminal mit Zentrale in Zagreb eröffnet. Mit 2.500 m2 Lager und Zollager und 1.000 m2 Büro war es eines der modernsten in 155

Regionales Headquarter Europa Südost

Kroatien. Das Unternehmen hatte bereits eine führende Position im Landverkehr erreicht. Die Distribution in Kroatien erfolgte innerhalb von 24 Stunden, was aufgrund der Geografie des Landes eine besondere Leistung darstellte. Günstige Bedingungen bestanden auch durch die Hubs in Wien (Luftimport) und Salzburg (Luftexport). Als erster Logistikanbieter in Kroatien überhaupt erhielt Schenker die TAPA FSR Zertifizierung (Transport Asset Protection Association). Ein ständiger Fuhrpark von 75 Fahrzeugen wurde mit dem DB Schenker Logo beschäftigt. Beim Geschäftsergebnis war Schenker die Nummer drei in Kroatien, beim KPI (Kunden Performance Indikator) hatte Kroatien innerhalb von Schenker Europa sogar MD Martin Erich Kuen die Qualitätsführerschaft erreicht. Die garantierten Auslieferungs-/Abholzeiten konnten zur Gänze erreicht werden, was durch ein eigenes Collection Distribution System seit 2008 ermöglicht wurde. Managing Director war nun Martin E. Kuen. 2011 war Schenker Kroatien damit an zehn Standorten mit 106 Mitarbeitern, bei 4.050 m2 Lagerfläche, vertreten. Neben der Zentrale in Zagreb und den Niederlassung in der Stadt und am Flughafen bestanden Geschäftsstellen in Krapina, Ploce, Rijka, Sesvete und Split. 2011 wurde noch ein neuer Standort in Osijek eingerichtet, mit 1.000 m2 Lager und 159 m2 Bürofläche. Die Aktivitäten an diesem wichtigen Wirtschaftsstandort in Slawonien wurden mit einer Verkaufsrepräsentanz eröffnet, durch die Nachfrage der Kunden wurde sie aber bereits nach vier Monate in eine eigene Niederlassung umgewandelt. Das Unternehmen war im Straßen-, Bahn-, Luft und Seetransport aktiv (mit einem Hafenbüro in Rijeka)  ; weitere Bereiche waren Inter Modal Transporte, Versicherung, Internationale Umzüge, Distribution, Lager und alle damit verbundenen Dienstleistungen, Logistics Management und Beratung. 2011 verteilte sich der Bruttogewinn auf  : Land 85 %, Luft 5 % und See 10 %. Spezialtransporte betrafen vor allem Sportveranstaltungen, wie die Olympischen Spiele in Athen, Turin, Peking und London und die Europäische Fußballmeisterschaft 2012. Aber auch ein Teil der Berliner Mauer wurde für die deutsche Botschaft in Zagreb transportiert, ebenso die Ausrüstungsgegenstände für den Eurovision Song Contest 2007 und für andere Konzertveranstaltungen.

156

Kroatien

Zahl der Mitarbeiter Schenker Kroatien Jahr

Zahl

1996

6

1998

7

1999

10

2000

14

2001

20

2002

26

2003

27

2004

40

2005

55

2006

84

2007

103

2008

107

2009

115

2010

99

2011

106

Trotz des Erfolgs des Unternehmens werden noch einige Mängel in der allgemeinen Wirtschaftskultur Kroatiens beklagt. Es bestehe nach wie vor eine große und behäbige Verwaltung. Immer noch sind zahlreiche Unternehmen im öffentlichen Eigentum und müssen über den Staat subventioniert werden. Während der Privatisierung gingen viele Unternehmen an politiknahe Personen (sogenannte VIP -Privatisierung), und diese Unternehmen bekamen in den Folgejahren auch die Staatsaufträge. Viele große Aufträge wurden ohne Ausschreibung vergeben. Finanzielle Liquidität zu erhalten, bleibt weiterhin eine erhebliche Herausforderung, vor allem staatsnahe Betriebe zahlen nicht oder erst nach mehr als 200 Tagen. Die neuen Autobahnen sind sehr teuer, sodass der Großteil des Transports immer noch über die alten Straßen geht. Die Infrastruktur und das rollende Material der staatlichen Eisenbahn sind sehr alt. Das Bildungsniveau ist jedoch recht hoch, Englischkenntnisse sind selbstverständlich. Allerdings ist die Arbeitslosigkeit erheblich und viele junge Experten gehen ins westliche Ausland. Probleme bestehen weiter im Justizwesen, in Bezug auf Korruption und bei den Minderheitsrechten. Eine Besserung wurde durch den EU Beitritt Mitte 2013 erwartet. In Bezug auf die Unternehmenskultur ist Schenker Kroatien mit etwa 100 Mitarbeitern immer noch überschaubar. Dementsprechend gibt es einen Zusammenhalt, der über die reine Arbeitstätigkeit hinausgeht. Für Mitarbeiter wird ein Weihnachtsfest veranstaltet und von Zeit zu Zeit auch eine Barbecue-Party auf der Terrasse des 157

Regionales Headquarter Europa Südost

Head Office in Zagreb. Man nimmt an Sportveranstaltungen, wie dem SchenkerFußballturnier in Stuttgart, teil und man ist Sponsor des Marathon 2008 und anderer kleiner Veranstaltungen, wie dem Tanzbewerb in Krapina oder einem Wein-Event in Metkovice. Serbien und Montenegro Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien aus sechs Teilrepubliken – Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Slowenien – und zwei Autonomen Provinzen innerhalb Serbiens, dem Kosovo, und der Vojvodina. Mit der Errichtung der Bundesrepublik Jugoslawien aus Serbien und Montenegro 1992 war dieses heterogene Staatsgebilde endgültig zerfallen. Für die Wirtschaft des nun entstandenen Serbien und Montenegro waren Industrie, Landwirtschaft und Handel wichtig, allerdings war die Entwicklung durch den Wegfall des früheren Binnenmarktes negativ. Dazu kamen noch der Jugoslawienkrieg und die damit verbundenen internationalen Wirtschaftssanktionen 158

Serbien und Montenegro

vom Mai 1992 bis November 1995. Dadurch fiel das BNP bis 1997 um 50 %, nur 40 % der Industriekapazität waren ausgelastet und die Arbeitslosigkeit betrug an die 50 %. 1993 erlebte das Land eine Hyperinflation, die aber ab Mitte der 1990er Jahre deutlich gesenkt werden konnte. Die Auslandsverschuldung war hoch und auch nach der Aussetzung der Wirtschaftssanktionen erholte sich die Wirtschaft nicht wirklich. Der Außenhandel wurde zwar liberalisiert, aber ausländische Finanzhilfe und Investitionen wären dringend notwendig gewesen. In den Ländern des ehemaligen Jugoslawien musste die Wirtschaft nach dem Krieg erst wieder aufgebaut werden. Die Situation in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien war vorerst ungeklärt. Nach Aufhebung der UNO -Sanktionen wurde eine Belebung der Wirtschaftssituation erwartet. Das Land bekam aber noch wenige internationale Kredite, daher war der Aufbau der Infrastruktur schwierig. Erst nach der Regelung der politischen Fragen wurde ein Wirtschaftsaufschwung prognostiziert. Der Außenhandel ging vor allem nach Deutschland und Italien. Serbien

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahresdurchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1998









1999



13

44



2000

5

12

80

196

2001

5

12

93

105

2002

4

13

17

 73

2003

3

15

10

 67

2004

9

19

11

 55

2005

5

21

16

 52

2006

4

21

12

 38

2007

5

18

 7

 31

2008

4

14

14

 29

2009

−4

16

 9

 35

2010

1

19

 7

 43

2011

2

23

11

 49

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

1998  : 7.568

1999  : 4.600

2001  : 38

2011

7.259

8.800

47

159

Regionales Headquarter Europa Südost

Montenegro

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahresdurchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1998



32





1999



34





2000

3

37

20



2001

1

37

22



2002

2

36

16

85

2003

3

33

7

47

2004

4

31

2

45

2005

4

28

2

39

2006

9

22

3

33

2007

11

18

4

28

2008

7

15

7

29

2009

−6

14

3

38

2010

3

17

1

41

2011

3

16

3

46

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

2000

613

 5.600

2003  : 42

2011

620

10.500

39

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

Schenker hatte bereits 1890 eine Filiale in Belgrad errichtet, die bis zum Ersten Weltkrieg bestand. Noch 1915 wurde das Gehalt für vier Beamte von Sofia aus überwiesen. Um nach dem Ersten Weltkrieg im neu entstandenen Königreich Jugoslawien vertreten zu sein, kaufte Schenker bereits 1919 die Firma A. Mallys Nachfolger in Marburg an der Drau als Grenzübergangsplatz. Im Jahre 1920 wurde dann die „Erste Jugoslawische Transport AG Schenker & Co“ errichtet. Firmenhauptsitz war Zagreb mit sechs Filialen in Belgrad, Maribor, Saloniki, Spielfeld, Subotica, Novisad. Bei der Gründung hielten die Jugoslawische Bank 40 %, die Adriatica 25 % und Schenker Wien 35 % der Aktien, wobei Schenker mit Adriatica einen Syndikatsvertrag hatte. Die Bank gab 1922 die Hälfte ihrer Aktien ab, sodass Schenker nunmehr über die Mehrheit verfügte, um auszuschließen, dass eine Firma Schenker als Konkurrenz gegen den Schenker-Konzern benützt werden kann. An die jugoslawische 160

Serbien und Montenegro

Firma gliederte man auch die Niederlassung in Saloniki an, da an eine eigene Organisation in Griechenland nicht gedacht war. Die Gesellschaft war französisch, englisch und italienisch protokolliert, das Aktienkapital betrug 2,25 Millionen Dinar. Präsident war Daniel Dimovic, Generaldirektor D. Noskes. Im Verwaltungsrat waren auch August Schenker-Angerer und Jakob Spielmann vertreten. Die Situation in Jugoslawien war aber nicht zufriedenstellend. Zwar wies die Bilanz von 1921 einen Reingewinn von 282.000 Kronen aus, tatsächlich hätte man aber einen Verlust von wenigstens zwei Millionen eingestehen müssen. Die Organisation steckte noch in den Kinderschuhen, besonders der Mangel an geschultem Personal war bemerkbar, die Akquisitions- und Informationstätigkeit funktionierte schlecht und die Abfertigung war recht mangelhaft. 1931 war Schenker mit 84 Mitarbeitern in Belgrad, Agram, Jesenice, Maribor, Novisad, Subotica, Susak und Zagreb vertreten, 1933 wurde die Zentrale von Agram nach Belgrad verlegt. Mit der Intercontinentale bestand ein Pool-Abkommen für die Verkehre aus Jugoslawien und Griechenland, dem auch die Firmen Adolf Blum & Popper und Lipa beigetreten waren. 1936 übernahm Schenker die Agentur der Fluss Schifffahrtsgesellschaft Navigatinuea Fluviala Romana. Da Schenker auch die Agentur der DDSG , des Bayrischen Lloyd und in Jugoslawien der staatlichen Binnenschifffahrtslinie Jugoslavenska Recna Plovidba ausübte, hielt man eine Schlüsselposition im Donauschifffahrtsverkehr. Die vom nationalsozialistischen Deutschland durchgeführte „Entjudung“ führte am Balkan zu erheblichen geschäftlichen Schwierigkeiten. Insgesamt wurden bis Mitte 1938 in Jugoslawien 14 Juden aus der Schenker-Organisation entlassen. Bereits 1934 hatte man sich vom bisherigen jüdischen Generaldirektor Noschke getrennt und über Empfehlung des Generalkonsuls in Belgrad einen deutschen Geschäftsmann als neuen Geschäftsführer eingestellt. 1938 stellte sich allerdings heraus, dass dieser mit einer Jüdin verheiratet war. Die Berliner Schenker-Zentrale wirkte daher auf ihn ein, aufgrund seiner Familienverhältnisse aus eigenem Antrieb seinen Vertrag mit der Firma zu lösen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Schenker verstaatlicht. Durch die politischen Wirren beim Zerfall Jugoslawiens verzögerte sich die Wiederaufnahme der Speditionstätigkeit durch Schenker um einige Jahre. Bis 1995 konnte Schenker seinen Kunden nur raten  : „Please contact us when the UN embargo is lifted.“ Nach Aufhebung des Handelsembargos ging ein erster Sondertransport von Schenker Spielfeld nach Serbien. Es handelte sich um drei Sudkessel für die Brauindustrie vom slowenischen Lasko über Österreich und Ungarn nach Vrsac. Die Behälter waren 16 Meter lang und 3,5 Meter breit. Trotz der sehr kurzfristigen Ausschreibung konnte Schenker zusammen mit seinem Partner den Transport zeitgerecht durchführen. Das größte Hindernis war der Grenzübergang Ungarn/Serbien in Tompa, da es auf serbischer Seite für solche Transporte eine eigene Kommission gab, welche eine Sondergenehmigung mit entsprechenden separaten „Sondergebühren“ 161

Regionales Headquarter Europa Südost

erteilen musste. Nach vier Tagen Wartezeit an der Grenze konnten die drei Tieflader ihre Fahrt fortsetzen und erreichten rechtzeitig die Brauerei in Vrsac. Schenker Österreich hatte als Headquarter Südosteuropa 1997 die Verantwortung für den Aufbau der dortigen Organisation übernommen. Man war jedoch nur durch eine Repräsentanz vertreten. In Fortführung der langjährigen Kooperation mit einigen serbischen Spediteuren wurden Sammelverkehre per Lkw von Salzburg nach Belgrad durchgeführt. Der geschäftliche Schwerpunkt betraf Sammelverkehre von Salzburg und Frankfurt/Kelsterbach, der Bahnverkehr stand unter Kontrolle von Schenker in Österreich, Deutschland und Griechenland. Ende der 1990er Jahre hatte der Kosovokonflikt auf das Speditionsgeschäft negative Auswirkungen. Das betraf einmal die Donaublockade, da Schenker als einer der wenigen Spediteure Ladungen auf der Donau führte. Auch auf die seit 1997 durchgeführten Bahntransporte (Ganzzüge) vom westungarischen Knoten Sopron in verschiedene Destinationen in Südosteuropa hatte der Krieg am Balkan starke Auswirkungen. Der ursprünglich über Serbien fahrende Ganzzug (1998 waren es bereits 210 Züge) musste kurzzeitig auf neue Routen umgeleitet werden, was einen größeren Aufwand und höhere Kosten verursachte. Im Handbuch für Sendungen von/nach Ost- und Südosteuropa stellte Schenker daher im Jahr 2000 noch fest  : Das Dienstleistungsprogramm konnte aufgrund des letzten Krieges noch nicht voll aufgenommen werden. Der Lkw-Verkehr funktioniert bereits wieder gut mit regelmäßigen wöchentlichen Abfahrten. Der Bahnverkehr ist noch eingeschränkt  ; da die Infrastruktur zum Teil zerstört wurde, können nicht alle Stationen angelaufen werden. Luftfrachtsendungen von und nach Belgrad sind wieder möglich. 2002 erfolgte die Gründung der jugoslawischen Schenker D.O.O. Geschäftsführer war Herr Ljubomir Rukavina, der aus seiner vorherigen Gesellschaft Personal und Geschäfte in die neue Gesellschaft einbrachte. Die Schenker-Landesgesellschaft war im europäischen Landtransport, bei Sammelverkehren und Ganzladungen aktiv, zwei wöchentliche Verkehre nach Salzburg und Wien waren bereits etabliert. Zollabwicklung war inbegriffen und es wurden Flächen beim Lagerhaus der Stadt Belgrad angemietet. Die Schenker-Niederlassung bot die Distribution in Serbien, Montenegro und im Kosovo an. Die Verantwortung für Luft-, See- und Bahngeschäfte lag weiterhin in Wien. 2003 wurde Herr Rukavina als Geschäftsführer abberufen und bis Jahresende interimistisch durch Herrn Damir Klasnja ersetzt. Ende 2003 wurde Herr Slavoljub Jevtic neuer General Manager für Serbien und Montenegro. Er hatte an der Universität Belgrad Transport und Verkehr studiert und entsprechend umfangreiche Berufserfahrung. Schenker d.o.o., Belgrad, Gavrila Principa 46, hatte nun neun Beschäftigte in einem Büro und 1.000 m2 Lagerfläche, wobei der Umfang bis 2006 auf drei Büros mit 27 Beschäftigten anwuchs. 162

Bosnien-Herzegowina

Neven Marcesku

Von links: Bane Nesovanovic, Jelena Kojic, Milan Mitrovic, MD Neven Marcesku, Vadimir Jasovic, Zorica Misic, Aleksandar Lazarevic, Ivan Milicevic

2009 wurden sieben Millionen Euro in ein Terminal in Belgrad investiert, 2011 waren 46 Mitarbeiter in zwei Geschäftsstellen tätig, vor allem beim Zollservice, in der Luftfracht, bei Sammel- und Komplettladungen, im Bahntransport, bei Messen und Ausstellungen. Bosnien-Herzegowina Das Land mit der Hauptstadt Sarajevo ist seit langem von politischen Konflikten gekennzeichnet. Nach einer langen Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich kam es 1878 unter österreichisch-ungarische Verwaltung und wurde 1908 annektiert. Es war so etwas wie eine Kolonie innherhalb der Grenzen der Monarchie und die „Bos163

Regionales Headquarter Europa Südost

niaken“ waren eine Eliteeinheit der Armee. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es Teil des Königreichs Jugoslawien, während des Zweiten Weltkriegs von deutschen und italienischen Truppen besetzt und ab 1945 Teilrepublik des kommunistischen Jugoslawien. 1992, nach einer Abstimmung, erlangte es seine Souveränität, es folgten drei Jahre Bürgerkrieg, der durch das Abkommen von Dayton, USA , beendet wurde. Nach wie vor bestehen aber Konflikte zwischen den auch religiös unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen (48 % Bosniaken, 37 % Serben und 14 % Kroaten, neben anderen Minderheiten). Der demokratische und wirtschaftliche Aufbau wurde dadurch erheblich behindert. Arbeitslosenrate Jahresende

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

Jahr

Wachstum BNP real

1995

50







1996

86







1997

37







1998

16

38

16



1999

10

39

6



2000

6

40

5

42

2001

2

40

3

40

2002

5

41

1

35

2003

4

42

1

31

2004

6

43

1

26

2005

4

44

3

26

2006

6

44

6

22

2007

6

43

2

30

2008

6

41

8

31

2009

−3

42

0

35

2010

1

43

2

40

2011

1

44

4

39

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

1995  : 3.660

2000  : 3.900

1999  : 60

2011

3.840

6.800

46

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

164

Bosnien-Herzegowina

Wirtschaftlich gehörte Bosnien-Herzegowina zu den am wenigsten entwickelten Gebieten Jugoslawiens, der Bosnienkrieg und die innenpolitischen Auseinandersetzungen warfen es noch weiter zurück. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre kam es zu einem starken Wirtschaftswachstum, allerdings lag die Arbeitslosenrate noch immer bei 40 %. Die Exporte bestanden zur Hälfte aus Holz und Mineralien und das Leistungsbilanzdefizit wurde lediglich durch Transferzahlungen von im Ausland lebenden Staatsbürgern ausgeglichen. Wichtigster Außenhandelspartner war die Europäische Union, größter Investor Österreich. Allerdings litt das Land unter einer ineffizienten Verwaltung, den ethnischen Konflikten und der Korruptionsindex von Transperency International stellte ihm auch kein gutes Zeugnis aus. Die Währungspolitik war durch eine fixe Anbindung der Währung (Konvertible Mark) zum Euro gekennzeichnet. Die weltweite Finanzkrise ab 2008 hatte die Wachstumsraten deutlich reduziert. 2008 wurde ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen, das die Aussicht auf eine Mitgliedschaft eröffnet. Die Verkehrsinfrastruktur ist schwach ausgebaut und wurde durch den Bosnienkrieg noch weiter beschädigt. Seit 2001 wurde mit dem Bau von Autobahnen begonnen und 2005 ein Erneuerungsprogramm der Bahn beschlossen. Wichtigster Flughafen ist Sarajevo. In Bosnien-Herzegowina fungierte bis zum Jahr 2000 die Intersped D.D., Sarajevo, als Schenker-Agent. Die Verkehrsabwicklung ging über Salzburg und Wien, es existierten noch keine Direktverkehre. Bereits 1996 wurden aber Untersuchungen zur Errichtung einer eigenen Firma angestellt. Im Jahr 2000 wurde in Sarajevo eine Repräsentanz eingerichtet, einziger Mitarbeiter war Salko Kruho. Er begann mit wöchentlicher Landverbindung von und nach Österreich. Das Geschäft lief gut, sodass man bald auf eigenen Füßen stehen konnte. Ende 2001 wurde daher die Bosnia Herzegowina Schenker d.o.o. unter seiner Leitung errichtet und es wurden erste Mitarbeiter eingestellt. 2002 waren in einem Büro drei Mittarbeiter beschäftigt und man konnte ein kleines Logistikzentrum nahe Sarajevo eröffnen. Die Expansion wurde mit eigenen Gewinnen durchgeführt, trotz schwieriger wirtschaftlicher und politischer Bedingungen. Die Narben des Bürgerkrieges waren noch überall zu spüren, die Wirtschaft erst im Aufbau, die Infrastruktur schwach ausgebaut, mit einem veralteten Schienen- und Straßennetz und einer ineffektiven und von Korruption geschwächten Verwaltung. Dennoch konnte Schenker 2003 als erstes Logistikunternehmen des Landes die Zertifizierung von ISO 0991  :2000 erreichen. Die Zahl der Beschäftigten der Schenker d.o.o., Sarajevo, Halilovici 9, stieg von elf Mitarbeitern im Jahr 2004 auf an die 40 bis Ende des Jahrzehntes an. Nun war die Geschäftsstelle auch in Luft- und Seefracht aktiv und hatte neben dem Büro in Sarajevo auch eines am Flughafen. 165

Regionales Headquarter Europa Südost

Zehnjahresfeier

Management Team 2013: Fahrudin Imamovic, Zlatko Lopicic, Adnan Alibasic, AlmaNasufovic, Salko Kruho, Dario Biscevic, Zdenko Pehar

Nun wurde in das Terminal Sarajevo investiert und in Bosanski Brod ein Grenzbüro zu Kroatien eröffnet. Dieses konnte man günstig von einem Agenten erwerben und man übernahm Büro, Ausstattung und vier erfahrene Mitarbeiter. Das Unternehmen hatte bereits mehr als 3.000 Kunden, darunter u. a. Siemens, Würth, Coca-Cola und das Ministerium für zivile Angelegenheiten. Ein besonderes Projekt war die Auslieferung von Pässen aus Deutschland nach Bosnien mit entsprechenden Sicherheitsanforderungen. 166

Mazedonien

2011 verfügte die Landesgesellschaft über zwei Standorte, 38 Mitarbeiter und 1.350 m2 Lagerfläche und war aktiv im internationalen Landverkehr, im Bahnverkehr, in der Luft- und Seefracht, Logistik sowie in den Bereichen Lager und Spezialtransporte. Die bosnische Landesgesellschaft veranstaltet das größte Rafting auf dem Neretva Fluss. Da das Fernsehen darüber berichtet, wurde es im ganzen Land bekannt. Für das größte Jazzfestival und für Theaterveranstaltungen ist Schenker Sponsor und Logistikdienstleister. Mazedonien Mazedonien war immer wieder von ethnischen Konflikten gekennzeichnet und über lange Zeit ein Spielball der internationalen Politik. Ab 1946 war es eine Teilrepublik des kommunistischen Jugoslawien, bei dessen Zarfall 1991 rief es es seine Unabhängigkeit aus. Aufgrund des Namensstreits mit Griechenland (Verwaltungsregionen  : West-, Ost- und Zentralmakedonien) lautet die offizielle Bezeichnung Former Yugoslav Republic of Macedonia, oder FYROM . Mazedonien ist ethnisch gemischt, neben zwei Drittel Mazedoniern stellen die Albaner mit einem Viertel der Bevölkerung die größte Minderheit dar, was immer wieder zu Konflikten führte. Beim Kosovokonflik 1999 hat es an die 400.000 Flüchtlinge aufgenommen, wodurch das Land trotz Auswanderung keine Verringerung der Bevölkerungszahl mitmachte. Es ist eines der rückständigsten Länder Europas und hat den Transformationsprozess politisch wie wirtschaftlich noch nicht wirklich bewältigt. Die Industrie ist schwach entwickelt und das Wirtschaftswachstum war im Vergleich zu anderen Transformationsländern eher schwach. Die extreme Inflation hat man zwar in den Griff bekommen, aber die Arbeitslosigkeit liegt ständig bei über 30 %. Die Privatisierung ist zwar fortgeschritten, aber die staatliche Verwaltung ist nach wie vor wenig effizient. Das erhebliche Leistungsbilanzdefizit wird vor allem durch Transferzahlungen im Ausland arbeitender Mazedonier ausgeglichen. Wichtigster Handelspartner ist die Europäische Union, seit 2005 hat Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten. In den 1990er Jahre war Makosped, Skopje, der wichtigste Partner für Schenker. Dieser hatte Zweigstellen in jeder größeren Stadt und an jedem Grenzübergang. Mit ihm wurden Gateway-Verkehre ab Kelsterbach und Salzburg durchgeführt. Die Gründung einer eigenen Gesellschaft hatte noch keine Priorität. Es folgte die Gründung einer Repräsentanz und Anfang 2001 einer eigenen Gesellschaft, der Macedonia Schenker DOOEL , vor allem für den Landverkehr. Ein besonderer Transport war in Skopje der von Röntgenanlagen. Diese waren ein Geschenk der japanischen Regierung an Mazedonien. Mit einem Gewicht von 6.750 kg 167

Regionales Headquarter Europa Südost

wurden diese an 19 Ambulanzen im Land verteilt und unter schwierigen Bedingungen in die Krankenhäuser gebracht. Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990





597



1991

−6



111



1992

−7



1.511



1993

−8



362



1994

−2



128



1995

−1



16



1996

1

32

2



1997

1

36

3



1998

3

35

0



1999

4

32

−1

41

2000

5

32

6

57

2001

–5

31

6

56

2002

1

32

2

49

2003

3

37

1

45

2004

5

37

0

42

2005

4

37

1

45

2006

5

36

3

39

2007

6

35

2

32

2008

5

34

8

28

2009

−1

32

−1

32

2010

3

32

2

35

2011

3

31

4

28

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

2.028

4.400

1994  : 46

2.059

9.200

32

Jahr

Einwohner in 1.000

1990 2011

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

Das Ziel von Schenker, eine flächendeckende Organisation in Südosteuropa aufzubauen, aber auch positive Tendenzen bei der Entwicklung der neuen Republik Ma168

Mazedonien

DB Schenker Macedonia first owned distribution vehicle

Previous offices 2005–2011

– 2008 Macedonia First warehouse – Mr.Klaus Lippstreu (member of the board) – 2007

zedonien veranlassten Schenker am 15. Januar 2001 zur Gründung der Schenker D.O.O. in Skopje. Neben dem Aufbau von Sammelverkehren, primär mit Deutschland und Österreich, entwickelte sich das Container- und Bahngeschäft zu einer der Tragsäulen der Gesellschaft. In enger Zusammenarbeit mit Schenker Railog, aber auch der Mazedonischen Eisenbahn entwickelte man sich im Bahnbereich rasch zum speditionellen Marktführer. 169

Regionales Headquarter Europa Südost

DB Schenker Macedonia – new terminal Openinig of the new terminal in Skopje. 13.10.2011 – Speech and 10 years present awarding by Mr.Wieland to Mr.Lazoroski

Erster Geschäftsführer der Gesellschaft war Herr Vorim Andrijevski. Nach dem Tod von Herrn Andrijevski übernahm am 9. Juni 2005 Herr Zoran Lazoroski dessen Funktion. Unter seiner Leitung wuchs die Gesellschaft von ursprünglich vier Mitarbeitern rasch auf 16 Beschäftigte. Am 13. Oktober 2011 wurde ein neues Terminal in Skopje eröffnet, das modernste des Landes, mit guter Verkehrsanbindung. Auf einer Fläche von 8.200 m 2 gab es 800 m2 Bürofläche und 2.500 m2 Lagerfläche. Ein großer Teil diente als Zollfreilager für den Umschlag, 900 m2 mit 100 Palettenplätzen waren für die Kontraktlogistik vorgesehen. Mit 35 Mitarbeitern konnte nun das volle Dienstleistungsprogramm des 170

Mazedonien

Logistics and Transport Fair in Skopje 2011 (10 years celebration) From left to right: Tomislav Gjorceski, Goran Minovski, Zoran Lazoroski, Ivica Nikcevski, Ana Andreevska, Goran Zakoski, Zoran Sorcev, Dragan Janev, Ivana Tomic, Gjorgji Gjorgjievski, Aleksandar Damovski

Together with DB and DB Schenker Austria, DB Schenker Macedonia organized the military transports for the German Army from Kosovo back to Germany.

Schenker-Konzerns angeboten werden, vor allem im Landverkehr, Seefrachtimport und im Bahnverkehr im Import wie Export. Die Luftfracht ging weiter über den Flughafen Wien. Trotz der nach wie vor wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen und der starken Importlastigkeit der Verkehre setzte sich die Schenker-Niederlassung bei ihrem zehnjährigen Jubiläum ein ambitioniertes Wachstumsziel. 171

Regionales Headquarter Europa Südost

Albanien Albanien in seinen heutigen Grenzen entstand nach dem ersten Balkankrieg 1912. Es folgten turbulente Jahrzehnte, in den beiden Weltkriegen war es besetzt und auch die Zwischenkriegszeit war politisch konfliktreich. 1944 wurde das Land von der faschistischen Fremdherrschaft befreit und der Führer der kommunistischen Partei Enver Hoxha errichtete eine Diktatur. Dieser führte Albanien bis zu seinem Tod 1985 in eine zunehmende Isolation. Er überwarf sich mit allen „sozialistischen Brudervölkern“, vor allem auch mit Jugoslawien, und ließ Hunderttausende kleine Bunker über das ganze Land verstreut errichten. 1990 wurde das kommunistische Regime gestürzt, 1991 wurden die ersten freien Wahlen abgehalten und ab 1992 Reformen eingeleitet, Unternehmen privatisiert und der rechtliche Rahmen wurde ausgebaut. 1997 wurde der Aufbau durch eine spezielle Finanzkrise unterbrochen. Durch weitverbreitete Pyramidenspiele hatten viele ihre Ersparnisse verloren. In diesem Jahr ging das BNP um 11 % zurück. Nach den Unruhen kam es zu Neuwahlen und einer neuen Verfassung. Im Kosovokrieg musste Albanien Zehntausende Flüchtlinge aufnehmen. 2009 wurde die Aufnahme in die Europäische Union beantragt. Der Übergang zur Marktwirtschaft war schwierig. Das BNP ging von 1990 bis 1992 um 40 % zurück, die Inflation erreichte 1992 einen dreistelligen Wert und die offizielle Arbeitslosenrate lag bei 27 %. Nach den Krisen der ersten Jahre konnten aber Erfolge verzeichnet werden. Die Inflation ging bis zur Geldwertstabilität zurück und das Wirtschaftswachstum blieb anhaltend hoch. Das BNP pro Einwohner erhöhte sich von 1990 bis 2011 um das 3,5-Fache, zählt aber immer noch zu den geringsten in der gesamten Region. Allerdings lag die Arbeitslosenrate ständig im zweistelligen Bereich. Sie ist aber noch wesentlich höher, da die in der Landwirtschaft Tätigen, die an die 50 % der Berufstätigen ausmachen, davon ausgenommen sind. An die 400.000 Albaner sind seit 1990 ausgewandert, unterstützen aber mit ihren Transferzahlungen die heimische Wirtschaft. Daneben ist eine ständige Landflucht festzustellen. Die Infrastruktur, vor allem Wasser und Energie, ist schwach ausgebaut, was immer wieder zu Ausfällen führt. Während der kommunistischen Zeit sind die Straßen kaum erweitert worden, da private Autos verboten waren und nur geringe Transportkapazitäten notwendig waren. Die Straßenverbindungen wurden zwar auf den wichtigsten Achsen ausgebaut, auf dem Land sind sie aber noch schlecht. Das veraltete Schienennetz hat gerade eine Gesamtlänge von etwa 400 km. Wichtigster Handelspartner ist Italien mit an die 50 % des Exports und 35 % der Importe. Das benachbarte Ex-Jugoslawien spielt kaum eine Rolle. Exportiert werden neben Nahrungsmitteln vor allem Chrom, Textilien, Asphalt und Baumwolle, importiert werden vor allem Nahrungsmittel, Maschinen, Chemikalien und Verbrauchsgüter. 172

Albanien

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−10

10





1991

−28

 9

36



1992

−7

27

226



1993

10

22

85



1994

8

18

23



1995

13

13

8



1996

9

12

13

– –

1997

−11

15

33

1998

9

18

21

1999

14

18

0

64

2000

7

17

0

64

2001

8

15

3

72

2002

4

16

5

68

2003

6

15

2

65

2004

6

14

3

61

2005

6

14

2

58

2006

5

14

2

58

2007

6

14

3

57

2008

8

13

3

54

2009

3

14

2

55

2010

4

14

4

60

2011

3

13

3

58

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

3,2

1.900

54

2011

2,8

6.800

25

Jahr

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

Das wirtschaftliche Niveau von Albanien ist im Vergleich zu den anderen südosteuropäischen Ländern immer noch relativ gering. Das erinnert an die alte Geschichte von zwei Schuhhändlern, die in ein urwüchsiges afrikanisches Gebiet kommen. Der eine ruft zu Hause an  : Komme sofort zurück, hier trägt niemand Schuhe  ! Der andere telefoniert  : Schickt Schuhe, hier ist ein riesiger Markt  ! 173

Regionales Headquarter Europa Südost

2010 präsentierte Markus Aminger die Sicht des zuständigen regionalen Headquarters in Wien zu den Geschäftsmöglichkeiten in Albanien. Man spürte eine Art Aufbruchsstimmung. Durch das starke Wirtschaftswachstum stieg die Nachfrage nach Transportleistungen und Logistik. Seit 2006 hatten sich die Importe um 50 % und die Exporte um 30 % erhöht. Deutschland selbst wurde ein immer wichtigerer Handelspartner, die Importe aus Deutschland waren seit 2006 um 62 % überproportional gestiegen. Diese Entwicklung machte sich auch im Umschlag des Hafens Durres bemerkbar, der sein Volumen seit 2006 verdreifacht hatte. Albanien war auch eines der wenigen Länder in Ost-/Südosteuropa, das in jüngster Zeit keinen Rückgang bei ausländischen Direktinvestitionen erfahren hatte. Die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten Albaniens waren daher gut. Allerdings fehlte in Albanien weiterhin der produzierende Industriesektor und der Handel dominierte. Darüber hinaus war Albanien ein sehr importlastiges Land und Waren wie Lebensmittel, Chemikalien und Pharmaerzeugnisse dominierten. Erhebliche Probleme bestanden weiter in der Infrastruktur. Eine der Hauptrouten im Landverkehr war die Fährverbindung von Triest, Koper Ancona nach Durres. Daneben gab es noch zwei reine Landrouten über den Westbalkan. Darüber hinaus war die Straße nach Mazedonien sehr schlecht und überwiegend einspurig. Der Ausbau sollte größte Priorität haben, da es sich um den europäischen Korridor 8 handelt. Insgesamt gibt es vier Häfen in Albanien, wobei über Durres rund Dreiviertel des Außenhandels abgewickelt werden. Grundsätzlich funktionierte die Abwicklung im Hafen sehr gut, wobei er jedoch mit sehr altem Equipment ausgestattet war. Die Gewinnung weiterer Reedereien im Hafen Durres stand in direktem Zusammenhang mit der Hinterland-Anbindung. Alleine Mazedonien hatte ein jährliches Potenzial von bis zu 35.000 TEU pro Jahr und viele Container wurden nach wie vor über Thessaloniki abgewickelt. Daher spielte die Infrastruktur im Hinterland eine extrem wichtige Rolle. Sehr positiv war die neue Autobahnverbindung in den Kosovo, da über den Hafen Durres einige tausend TEU pro Jahr abwickelt wurden. Der Eisenbahnverkehr spielte in Albanien eine untergeordnete Rolle und das Schienennetz war in einem schlechten Zustand. Die Hauptroute verlief von Slowenien nach Serbien zur Grenze Montenegro/Albanien nach Tirana, spielte aber eher eine untergeordnete Rolle. Sehr positiv war die existierende Eisenbahnverbindung nach Montenegro, es fehlte nach wie vor die Eisenbahnstrecke nach Mazedonien. Nach Tirana bestanden exzellente Flugverbindungen mit über elf Airlines von vielen europäischen Ländern. Von Frankfurt aus war man in 2,5 Stunden in Tirana. Der Flughafen liegt direkt an der Autobahn, zwischen Durres und Tirana, und ist von beiden Ballungszentren aus innerhalb von 35 Minuten erreichbar. Der Flughafen selbst ist eine moderne Anlage mit einem kleinen Frachtterminal, in dem Spediteur und Zoll angesiedelt sind. Die Abfertigung der Frachten funktionierte auch sehr gut. 174

Albanien

Bürogebäude Durres

175

Regionales Headquarter Europa Südost

Lager Durres

Dringenden Handlungsbedarf gab es aber bei Haftung und Zollabwicklung in Tirana. Es gab nach wie vor keine einheitliche Haftungsreglung für das Transportgewerbe und viele Fuhrunternehmer arbeiteten ohne Haftungsversicherung für Frachtund Vermögensschäden. Es galten zwar die CMR-Regelungen für den internationalen Straßenverkehr, d. h. für Importe und Exporte, aber nicht für Inlandstransporte in Albanien. Dringender Handlungsbedarf wurde auch bei der Abfertigung am Zollhof in Tirana gesehen. Der Zollhof sollte an die Stadtgrenze verlegt und großzügiger angelegt werden, um die Abfertigungszeiten zu verkürzen. Albanien werde sich aber auch in Zukunft wirtschaftlich rapid weiterentwickeln und Schenker werde weiterhin den Markt intensiv bearbeiten und in absehbarer Zukunft investieren. Bis dahin war Albanien ein weißer Fleck auf der Schenker-Landkarte. Lediglich Schenker Mazedonien bediente sich der Spedition INTERALBA in Durres für die Transitabwicklung der Importcontainer nach Mazedonien und in den Kosovo.  Daher begann das regionale Headquarter Südosteuropa in Wien Anfang 2008 durch Thomas Arvanitis und Zoran Lazoroski die Suche nach potenziellen Partnern in Albanien. Auf Empfehlung von Thomas Arvanitis wurde Herr Ilirjan Ferri von der Firma FERRI Transforwarding Service Co mit Sitz in Durres im Juni 2008 zu einem Meeting nach Wien eingeladen. Ferri Transforwarding war 1994 gegründet worden, hatte seinen Sitz in Durres, Büros in der EU, Asien, Nord- und Südamerika und Afrika und war in Albanien stark vertreten. Im August wurde eine bilaterale Kooperationsvereinbarung zwischen Schenker und FERRI unterschrieben. Bereits im Oktober 2008 wurde ein „Europa Hub“ für Sammelgüter nach/von Albanien bei Schenker in Bologna eingerichtet. Gleichzeitig begann der Aufbau der Zusammenarbeit zwischen Schenker Mazedonien und Griechenland mit FERRI für 176

Rumänien

Seeverkehr und Luftfracht. Im Dezember 2008 wurde die Standard Operating Procedure (SOP) für See, Luft und Landverkehre erarbeitet. Von 2009 bis 2011 kam es zu einem stetigen Aufbau des Sammelverkehrs von Bologna nach Albanien mit ein bis zwei Abfahrten pro Woche. In diesem Zeitraum hat die Schenker-Projektabteilung auch Spezialtransporte im Auftrag von FERRI nach Albanien abgewickelt. Im Frühjahr 2012 wurde der Hub von Bologna nach Mailand verlegt, da die europäischen Niederlassungen eine bessere Anbindung nach Mailand hatten. Im Januar 2013 wurde FERRI Transforwarding Service schließlich zum Global Partner von Schenker ernannt.  Rumänien Bis zum Zweiten Weltkrieg war Rumänien vor allem bei Agrarexporten und der Erdölproduktion von wirtschaftlicher Bedeutung. Nach 1945 wurde ein kommunistisches Regime errichtet und ab 1948 wurden die entsprechenden Verstaatlichungen und planwirtschaftlichen Maßnahmen durchgeführt. Rumänien versuchte in dieser Zeit so weit wie möglich autark zu sein. Holz etwa durfte nicht exportiert werden und die Verrechnung des Außenhandels erfolgte in harten Währungen, wie DM oder US -Dollar. Der Rubel wurde zwischen den Oststaaten als Transferrubel verwendet, als reine Verrechnungswährung, die nicht für Barzahlung verwendet werden konnte. Mit einer forcierten Industrialisierung entwickelte sich die Wirtschaftsleistung bis in die 1960er Jahre durchaus positiv. Unter der diktatorischen Führung von Nicolae Ceausescu, 1965 bis 1989, löste sich das Land politisch von der Sowjetunion und ging auf eine eigenwillige Wirtschaftspolitik über, die schließlich zu erheblichen Rückschlägen und Versorgungsschwierigkeiten führte. Selbst unter den planwirtschaftlichen Ländern fiel das Land daher zurück. BNP pro Einwohner in 1990 International Dollar

USA = 100

1950

1973

1992

1.182

3.477

2.565

12

21

12

Jährliches Wachstum des BNP real pro Einwohner 1950  –  73

1973 TEU 92

4,8

−1,6

Quelle  : Angus Maddison, Monitoring the World Economy 1820−1992.

177

Regionales Headquarter Europa Südost

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−6



5



1991

−13



170



1992

−9



210



1993

2



256



1994

4



137



1995

7



32

7

1996

3

7

39

11

1997

−5

6

155

15

1998

−2

6

59

17

1999

−1

7

46

22

2000

3

7

46

23

2001

6

6

35

26

2002

5

8

23

25

2003

5

7

15

22

2004

9

8

12

19

2005

4

7

9

16

2006

8

7

7

12

2007

6

6

5

13

2008

7

6

8

13

2009

−7

7

6

24

2010

−2

7

6

31

2011

3

7

6

33

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

23.207

4.400

1996  : 32

2011

18.991

13.800

38

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 kam es auch in Rumänien zum Ende des kommunistischen Regimes und zum Übergang zur Marktwirtschaft. Wirtschaftlich war dies vorerst ein Schock, wobei das reale BNP bis 1992 um ein Viertel zurückging. Auch die Inflation war erheblich, konnte aber ab 1998 langsam in Griff be178

Rumänien

kommen werden. Rumänien wurde aber dann neuerlich von der Russlandkrise Ende der 1990er Jahre und der internationalen Finanzkrise ab 2008 heftig getroffen. 2007 konnte Rumänien der EU beitreten, zählt aber in der Gemeinschaft zu den Ländern mit dem höchsten Entwicklungsbedarf. Dennoch konnte das BNP pro Einwohner von einem niedrigen Ausgangsniveau 1990 bis 2011 verdreifacht werden. Ein besonderes Problem ist der erhebliche Bevölkerungsrückgang in dieser Zeit von vier Millionen oder 18 % durch Auswanderung oder Arbeitsemigration. Schenker war schon im 19. Jahrhundert in Rumänien vertreten. 1879, sieben Jahre nach der Gründung in Wien, wurde in Bukarest als erste Auslandsgründung eine Filiale errichtet, 1891 kamen Braila, 1901 Galatz und 1917 Constanza hinzu. In Bukarest unterhielt Schenker Wien vor 1914 eine Landesgesellschaft mit 120 Angestellten. Rumänien blieb im Ersten Weltkrieg vorerst neutral und Schenker Bukarest wollte sich dementsprechend nach allen Seiten offen halten. So wurden im August 1914 noch rasch zwei Waggonladungen Gewehre und fünf Waggons Patronen mithilfe eines italienischen Schiffes in die mit den Mittelmächten verbündete Türkei transportiert und Schenker schickte regelmäßig Berichte über alle großen Transportbewegungen nach Wien. Das rumänische Transportunternehmen „Sartia“, das im Eigentum von Schenker stand, führte die Transporte in die Türkei durch und unterlief damit den Boykott der Westmächte. Andererseits wollte man es sich auch mit den rumänischen Behörden nicht verscherzen und ließ trotz des Protests von deutscher Seite die Geschäftsbeziehungen mit Russland und Serbien nicht völlig abbrechen. Dennoch wurde Schenker zu Kriegsbeginn unter rumänische Zwangsverwaltung gestellt. 1916 trat Rumänien auf Seite der Westmächte in den Krieg ein, was zur teilweisen Besetzung durch das Deutsche Reich führte. Schenker Bukarest wurde nun durch einige wenige Leuten wieder eröffnet. Die Schenker-Transporte liefen damals über die deutsche Organisation „Carmen“, die im Eigentum der „Express“ stand, die wiederum zu hundert Prozent Schenker & Co. gehörte. Die „Carmen, Rumänische Aktiengesellschaft für See-, Fluss- und Landtransporte“ wurde 1921 zusammen mit einer Privatfirma von E. Mihalovici in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei Mihalovici 30 % der Aktien hielt. Sie erhöhte ihr Kapital bis 1925 auf vier Millionen Lei. Die Bilanzsumme betrug 1928 29 Millionen Lei und wies einen Gewinn von 450.000 Lei aus. Die Gesellschaft hatte ihren Hauptsitz in Bukarest, Filialen bestanden in Brasov, Constanta, Galati und Ploesti, darüber hinaus gab es weitere neun Agenturen. Das Unternehmen beschäftigte etwa 60 Beamte, an der Spitze standen Leo Kapralik als Präsident und Edmond Mihalovici als Generaldirektor. Allerdings trennte sich Schenker 1924 von dem Unternehmen. Denn daneben bestand eine eigene Firma Schenker OHG in Bukarest. Diese Gesellschaft war unter Mitwirkung von Schenker Ltd. London entstanden. Ihr Geschäft war sehr erfolgreich, es wurden zwölf Filialen gegründet und das Personal erreichte 179

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bald wieder den Vorkriegsstand. Allerdings kam es 1922 in einer der Niederlassungen zur Verletzung der strengen rumänischen Zoll- und Devisengesetze. Im anschließenden Gerichtsverfahren wurde eine Geldstrafe von 8,5 Millionen Lei verhängt. Der Betrag war so unglaublich hoch, dass sich Schenker zur Stilllegung der Landesgesellschaft entschloss. Der Termin der Liquidation konnte jedoch immer wieder verschoben werden, bis schließlich die Inflation in Rumänien die Strafe auf ein Minimum reduzierte. Anstelle der bisherigen offenen Handelsgesellschaft wurde nun eine Aktiengesellschaft gegründet, welche ihre Tätigkeit in den Räumen der bisherigen Niederlassungen aufnahm. Daher wurde 1923 die „Societatea Anonima Romana de Transporuri Internationale Schenker & Co.“ in Bukarest, Calea Viktoriei 11, errichtet, wo sie bis 1944 ihren Sitz hatte. Die „Schenker & Co., Rumänische Aktiengesellschaft für Internationale Transporte“ war rumänisch, französisch und englisch protokolliert. Sie wurde unter Mitwirkung der Schenker Ltd. London, der Banca Chrissoveloni und der Banca de Credit Roman errichtet. Das Kapital von vier Millionen Lei wurde 1927 auf zehn Millionen und 1928 auf 40 Millionen Lei erhöht. Die Gesellschaft hatte ihren Sitz in Bukarest und Filialen in Arad, Brasov, Cluj, Cernauti, Braila, Galati, Constanta, Giurgiu, Satu-Mare, Timisoara, Sibiu und Oradea-Mare. Als Präsident fungierte C. Argetoianu, Generaldirektor war Louis Danneberg. Im Verwaltungsrat saßen unter anderem auch die Wiener Jakob Spielmann und Stefan Karpeles. 1929 betrug die Bilanzsumme etwa 60 Millionen Lei und der ausgewiesene Gewinn etwa fünf Millionen Lei. Transportgüter waren vor allem Erdöl, Getreide, Erze, Maschinen, Zucker und Garne. 1931 hatte Schenker Rumänien 219 Mitarbeiter und wurde durch ein Exekutivkomitee geleitet, dem die Herren Popa, Danneberg und Kohlhammer angehörten. Letzterer nahm auch die Interessen der Verkehrsagentur der Deutschen Reichsbahn wahr. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich wurde Parteigenosse Kohlhammer mit der „Entjudung“ der rumänischen Schenker-Organisation beauftragt. Insgesamt wurden bis Mitte 1938 in Rumänien 114 jüdische Mitarbeiter entlassen, mehr als die Hälfte des Personals. Allerdings war es Kohlhammer kaum möglich, in den „deutschstämmigen Inseln in Rumänien“ – Kronstadt (Brasov) und Hermannstadt (Sibiu) – auch nur einen einzigen brauchbaren Spediteur zu finden. Der Beschäftigung deutscher Spediteure standen die fehlenden Sprachkenntnisse und die Unmöglichkeit, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, entgegen. Der Rückgang des Gewinns war auf die hohen gesetzlichen Abfertigungen und die Anstellung neuer Mitarbeiter, die durch die zu entlassenden Juden erst eingearbeitet werden mussten, zurückzuführen. Da der Handel in Rumänien zum Teil in jüdischer Hand lag, gingen auch Geschäfte verloren. Rumänien stand im Zweiten Weltkrieg zuerst auf der Seite des Deutschen Reiches. In dieser Zeit führte Schenker nahezu sämtliche Erdöl- und Benzintransporte aus den rumänischen Vorkommen 180

Rumänien

durch. Von Anfang 1939 bis zum August 1944 wurden täglich durchschnittlich 28 Züge mit Erdölprodukten abgefertigt. Im August 1944 wechselte Rumänien die Fronten, wodurch das Deutsche Eigentum in Rumänien beschlagnahmt wurde. Geschäftsleiter war zu dieser Zeit Herr Schiegl. Im September 1944 gab es noch einige deutsche Mitarbeiter, darunter Hermann Mittler als Manager der Constanta Branche. Im Februar 1946 teilten rumänische Schenker-Mitarbeiter Schenker Rotterdam mit, dass sie bereits 1944 eine Nachfolgegesellschaft gegründet hatten, um die alte Schenker-Tradition im Geiste der neuen Zeit wieder aufleben zu lassen. Diese neue Firma hatte den Namen „Organisation, Diogen L. Evanghelide“, Internationale Spedition und Verzollung. Diogen L. Evanghelide war der Name des Filialleiters der ehemaligen Schenker-Filiale in Giurgiu. Die Firma sollte ein Notbehelf bis zur Gründung einer neuen Gesellschaft sein, hatte aber bereits die meisten staatlichen Genehmigungen. Als Eigentümer schienen vier führende Mitarbeiter und der Rechtsanwalt von Schenker auf. Die Arbeitsmöglichkeiten waren aber noch sehr beschränkt, die Verkehrsverbindungen durch den Krieg beeinträchtigt, lediglich die Hafenanlagen waren noch intakt. Auch die Bahn war stark in Mitleidenschaft gezogen und Transporte ins Ausland hatten mit Ausnahme von Bulgarien in Schweizer Franken bezahlt zu werden. Die Holländer leiteten das Schreiben an Schenker Wien weiter, da die Frage der Vertretungen in Südosteuropa nur von dort aus richtig beurteilt werden konnten. Nur in Österreich kannte man die betreffenden Persönlichkeiten und konnte daher entsprechende Entscheidungen treffen. Das nächste Schreiben der Rumänen ging daher im August 1946 direkt an Schenker Wien. Darin wurde die Gründung der „Comptoir International de Transport“ (CIT) als Nachfolgerin der Organisation Evanghelide bzw. Schenker Rumänien bekanntgegeben. Diese hatte ein Kapital von 20 Millionen Lei und stand unter der Leitung von ehemaligen Schenker-Führungskräften  : Jean Constantinescu, Julius Cozachievici und Joan Gutu. Diogen L. Evanghelide hatte die Prokura für die Filiale Giurgiu. Man hoffte auf eine gute Zusammenarbeit mit Wien. In einem weiteren Brief vom Dezember 1946 wies man auf zehn Niederlassungen im ganzen Land hin, die ebenfalls weitgehend unter der Leitung von ehemaligen Schenker-Mitarbeitern standen, und auf die Berechtigung zur Zollabwicklung an fünf Plätzen. Die Rumänen hatten aber die Rechnung ohne die Sowjetunion gemacht. Im August 1945 beschlossen die siegreichen Alliierten beim Potsdamer Abkommen, das deutsche Eigentum im Ausland für Reparationszwecke heranzuziehen. Die Sowjetunion errichtete dafür eine eigene Verwaltung ihres Vermögens im Ausland. Das betraf auch die entsprechenden Auslandsorganisationen von Schenker. Bereits im Februar 1946 schrieb daher A. Poliaschuk, Direktor der „Iujvnestrans“, Transporturi Internationale Bucuresti, mit Sitz in der Calea Victoriei 11, an Schenker Wien, dass sich Schenker Rumänien in Liquidation befände, und sie die Tätigkeit im internati181

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onalen Geschäft aufgenommen habe. Die Unterstützung der rumänischen Behörden sei ihnen sicher und andere befreundete Staaten würden ihnen ein Entgegenkommen auch nicht verweigern. 1947 ging Schenker Rumänien dann in der russischen Sovtrans auf. 1952 wurde das deutsche Eigentum an Rumänien übergeben und auch der gesamte Transportsektor verstaatlicht. Am 28. August 1952 kam es daher zur Gründung der Romtrans als monopolistisches Staatsunternehmen für Transport und Internationale Spedition mit 127 Angestellten, die dem Ministerium für Außenhandel unterstand. Nationale Transporte erfolgten durch die großen Unternehmen selbst und gingen vor allem mit der Bahn. Rumänien war in 44 Kreise (Bezirke) eingeteilt. Der Lkw-Verkehr war begrenzt und durfte die Landesgrenzen nicht überschreiten. Daher konnte er nur für ziemlich kurze Distanzen von 50 bis 80 km eingesetzt werden, dann ging alles auf die Bahn. Die Organisationsstruktur der Romtrans war ähnlich Schenker Frankfurt, mit 17 Abteilungen. Erster Generaldirektor war bis 1959 Carol Safir. Neben dem Hauptquartier in Bukarest gab es neun Niederlassungen. Für den Seeverkehr bestand eine andere Gesellschaft, die 1966 aus der Romtrans hervorging. 1970 kam die Zollabwicklung dazu und Romtrans übernahm die Zollabwicklung am Bukarester Zollager. 1974 trat sie der FIATA bei und 1979 begann man mit dem Containerverkehr. Am Höhepunkt hatte Romtrans 2.500 Mitarbeiter. In dieser Zeit gab es durch die damals üblichen Gegengeschäfte bereits eine Zusammenarbeit mit Schenker Österreich. 1970 wurde eine allgemeine Vereinbarung bezüglich einer Zusammenarbeit von Schenker Wien mit Romtrans, Bucaresti, Calea Rahovei nr. 196, als Staatsunternehmen für Internationale Transporte abgeschlossen. Nach Valeriu Dascalu ging es beim Wechsel zur Marktwirtschaft vorerst zu wie im Dschungel. Er war bereits 1978 nach einem Universitätsstudium für Transport und Außenhandel zur Romtrans als Referent gekommen. Mit dem Ende der Planwirtschaft wurde die Geschäftsgenehmigung der Romtrans auf das gesamte Speditionswesen ausgedehnt. Das sehr kritisierte erste Privatisierungsgesetz aus dem Jahr 1990 war das Signal für einen langen und schwierigen Prozess. Es sah bei den großen monopolistischen Staatsunternehmen gerade einmal 5 % private Beteiligung durch die Mitarbeiter vor. Diese wollte natürlich niemand erwerben, da 5 % keinen Einfluss bedeuteten und niemand an die Zukunft der Staatsunternehmen glaubte. Nach langer Überredung kauften die Mitarbeiter von Romtrans 1992 schließlich doch diese 5 %. Jeder war aber pessimistisch  ; ein so großer Elefant konnte doch keine Zukunft haben. Im zweiten Stadium kam ein Gesetz, das die Privatisierung durch das Management und die Mitarbeiter erlaubte. 30 % der Anteile gingen nun an die Mitarbeiter, 70 % blieben bei einem staatlichen Fonds. Es brauchte aber eineinhalb Jahre, in denen untersucht wurde, ob das Management diese Aufgabe überhaupt bewältigen könne. Schließlich kam es Ende 1994 zum Übergang des Eigentums. Das Management und 182

Rumänien

die Mitarbeiter gründeten eine eigene Gesellschaft, welche die Anteile verwalteten und verantwortlich handeln konnte. Diese Gesellschaft nahm einen Kredit von eineinhalb Millionen Dollar auf und der Rest wurde als Aktien einbezahlt. 1996 war alles fertig. Bis 1999 wuchs der Anteil der Mitarbeiter auf 70 % an, mit der gänzlichen Privatisierung wurden diese wie die staatlichen Anteile auf die Aktionäre des Unternehmens übertragen. Romtrans hatte einige Startvorteile. Das Unternehmen verfügte über Immobilien und Landbesitz, hatte Erfahrung im Speditionsbereich und Kontakte ins Ausland. Das Unternehmen war erfolgreich, aber es war nicht mehr das Einzige auf diesem Gebiet, da schon einige Konkurrenz entstanden war. Diese kam zum Teil aus den Exportorganisationen der einzelnen Branchen, wo einige Angestellte ihr eigenes Unternehmen aufmachten. Immer mangelte es aber an Kapital. Der Transporte mit dem Lkw war einfach, nicht aber das Speditionsgeschäft. Romtrans hingegen Romtrans war ein Broker gewesen und hatte aus der vorangegangenen Zeit Reserven an ausländischen Währungen. Das Unternehmen war dadurch ziemlich liquid und verfügte über harte Währungen. Man konnte etwa bei der Bahn sagen  : „Ich zahle nicht in Lei, sondern in Dollar  !“ und bekam dafür einen Rabatt von 30 %. Allerdings war die Stellung eines Monopolisten nicht immer von Vorteil, da man jedes Geschäft übernehmen musste, auch solche, die nicht unbedingt Gewinn brachten. Zum fünfzigjährigen Jubiläum im Jahr 2002 hatte Romtrans 2.000 Beschäftigte an neun Geschäftsstellen und 100 working points am Hafen Constanta, große Lagerflächen, 120 Lkw, es war stark im Bahnverkehr und hatte neun Joint Venture im Inland und zehn im Ausland. Die erste Reaktion von Schenker bei der Transformation betraf Hilfslieferungen. 1989 erklärten sich vier Fahrer der Schenker Geschäftsstelle Ried, Österreich, bereit, Hilfsgüter nach Rumänien zu befördern. Das Rote Kreuz Linz hatte die Leitung für die Lebensmittel, Medikamente usw. übernommen. Ein Tross von 32 Lkw oberösterreichischer Transportunternehmen, darunter vier von Schenker, unternahmen die Viertagesfahrt nach Temesvar und die Fahrer erlebten eine für sie unvorstellbare Ar183

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mut. Auch 1990 startete ein Lkw von Schenker Wien nach Bukarest mit Lebensmitteln. Diese waren von den Mitarbeitern für die 800 Kollegen beim Partner Romtrans und Fructexport gespendet worden. Mit vier Tonnen Orangen hatte sich auch ein Kunde aus der Obstbranche daran beteiligt. Nach dem Systemwechsel hatte Schenker in Rumänien recht früh wieder Fuß gefasst. Am 1. Juli 1992 gründete Schenker Deutschland eine Repräsentanz unter der Leitung von Petru Szügyi, einem Deutsch-Rumänen, mit einer Sekretärin. Die Repräsentanz war nur für den Verkauf zuständig, die Durchführung der Transporte erfolgte durch Romtans Bucharest und Romtrans Oradea. Am 21. April 1994 gründete die Schenker-Rhenus AG die Schenker Romania SRL (Limited Company) mit einem Kapital von 24,35 Millionen Lei unter der Geschäftsleitung von Petru Szügyi, der im August zwei weitere Mitarbeiter aufnahm. Der Sitz von Schenker blieb wie bei der Repräsentanz ein Apartment in der Victoria Avenue 142-148. 1996 arbeiteten 18 Mitarbeiter in einem 140 m2 großen Büro und verfügten über ein Lager von 1.150 m2. Der Umsatz war von 0,2 Millionen Dollar im Jahr 1995 auf 0,5 Millionen Dollar angestiegen. Im August 1994 bot Alexander Volintiru vom Ganzladungsdepartment der Romtrans Bukarest Schenker seine Unterstützung an, da die Schenker-Leute „good guys, professional and serious“ waren. Schenker wollte ein Zollager zur unterschiedlichen Behandlung der Kunden aufmachen. Respekt für die Arbeit und der Kunde sollten an erster Stelle stehen, ohne die landesüblichen „ciubuc“ (Trinkgelder). Von September bis November 1994 wurden alle Details ausgearbeitet und die notwendigen Dokumente und Genehmigungen eingeholt. Das eigene Zollbüro sollte vor allem die Sendungen aus Österreich erleichtern. Der beste Standort hierfür war der Zoll am Bukarester Nordbahnhof. Im Januar 1995 kamen vier weitere Mitarbeiter von Romtrans zu Schenker, um das Zollager zu leiten. Dazu begab man sich auf die Suche nach einem neuen Standort, den man mit einem Lager in der Valea Cascadelor Straße fand. Dort blieb man bis zum Jahr 2000, als das Unternehmen nach Chijana umzog. Begonnen wurde mit lediglich 250 m2 Lager und 16 m2 Büro, bis 1997 wurde auf 750 m2 Lager und drei Büros erweitert. Der Anfang war nicht einfach und nur durch Eigeninitiative zu bewältigen. Zuerst mussten die Mitarbeiter selbst das Büro reinigen und ausmalen. Sanitäre Anlagen waren zu errichten, die Wände zu säubern, der Linoleumboden zu erneuern, die Türen und Fenster zu streichen etc. Dann begann man, gebrauchte Schreibmaschinen zu kaufen und besorgte die Büroeinrichtung. Organisatorisch waren die Abwicklung der Transporte und der Verlauf der Dokumente zwischen Lager, Büro und Zoll zu organisieren. Am 15. März 1995 wurden die ersten Lkw am Zollager ausgeladen. Die Ladeliste war von Albin Budinsky unterschrieben worden, der persönlich nach Bukarest gekommen war, da er in Wien für die Ostverkehre zuständig war. Das Zollverfahren war ziemlich kompliziert. Nachdem der Lkw mit den Ladungsdokumenten ange184

Rumänien

kommen war, ging ein Mitarbeiter damit zum Zoll am Nordbahnhof. Dort wurden diese in ein Zollregisterbuch eingetragen, man bekam alle Unterschriften und der Leiter des Zollbüros kam persönlich ins Lagerhaus, um die Entladung zu überwachen. Dann konnte die Zollerklärung gemacht werden. Ein Mitarbeiter ging mit allen Dokumenten ins Zollbüro, die dort kontrolliert wurden. Dann kam ein Zollbeamter ins Lager um die Waren zu kontrollieren. Danach ging dieser wieder in sein Büro um die Genehmigung zu erteilen. Das ganze dauerte zwei Tage. Die ersten Entladungen wurden von allen Mitarbeitern gemacht und es stand nur ein handbedienter Gabelstapler zur Verfügung. Daher ging man zu einem Unternehmen gegenüber und konnte durch entsprechendes Trinkgeld einen Gabelstapler ausborgen. Über viele Monate gab es kein Telefon im Lagerhaus und die Kommunikation mit den Kunden konnte nur über den Geschäftsleiter erfolgen, was endlose Wege zwischen Lager und Büro bedeutete. Später bekam man ein Motorola-Mobiltelefon mit drei Kilogramm und der Größe eines Koffers, das aber wegen der schwachen Antenne nur zeitweise funktionierte. Bis dahin hatte man mit Telex gearbeitet, dann ermöglichte das neue Telefon auch Fax. 1996 waren bereits zehn Personen im Lager beschäftigt und man erwarb zwei motorisierte Gabelstapler. Beim Umzug vom Nordbahnhof nach Basarab hatte man mit der Leiterin des dortigen Zollbüros erhebliche Schwierigkeiten. Diese behinderte die Arbeit ständig. Wenn man mit 20 Zolldeklarationen am Morgen kam, hatte man am Ende des Tages gerade fünf bis sechs erledigt. Die anderen wurden wegen irgendwelcher Vorwände abgelehnt, entweder waren die Dokumente nicht im Original, die Lieferbedingungen nicht angegeben oder die Tarifklassifikation entsprach nicht. Diese Situation hielt das ganze Jahr 1996 an und Schenker verlor einige Kunden, da die Abwicklung zu viel Zeit in Anspruch nahm. Bei der Konzernmutter Stinnes beklagte man die großen Schwierigkeiten, welche die sich ständig ändernden gesetzlichen Bestimmungen mit sich brachten. In dem Land könne man viel mehr machen, wenn man die Chance dazu hätte. Die wirtschaftliche und politische Lage sei schwierig, die Infrastruktur problematisch und schlecht. Man hoffte auf eine neue reformorientierte Regierung zur wirtschaftlichen Stabilisierung und auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Transportmarkt. 1998 erfolgte die Güterbeförderung zu 83 % durch den Lkw und nur zu 12 % über die Bahn. Es gab nur eine Autobahn mit 114 km Länge zwischen Bukarest und Pitesti und das Straßennetz war dem Verkehr nicht gewachsen. Das Schienennetz mit 11.000 km Länge war zwar dicht, aber nur zur Hälfte elektrifiziert, hatte unzureichend Waggons, fehlende Umschlagmöglichkeiten und lange Grenzwartezeiten. Die Luftfracht hatte kaum Bedeutung und die Stellung der Schifffahrt an der Donau und am Schwarzen Meer war deutlich gesunken. 1996 hatte Schenker Romania 16 Beschäftigte, ein Büro in Bucharest mit 80 m2 Größe und ein Lager mit 720 m2 Größe. Das Unternehmen war im nationalen und 185

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europäischen Verkehr einschließlich Zollabwicklung tätig, führte aber noch keine Luft- und Seegeschäfte durch. 1995 waren acht Personen im Zollager beschäftigt gewesen, bis 1998 wurden es 20, davon elf Zolldeklaranten, sechs Lagerarbeiter und drei Personen in der Verwaltung. Im Herbst 1997 trat Peter Szugyi bei Schenker Rumänien zurück, neuer Managing Director wurde Robert Lovin. 1997 kam auch Albin Budinsky für ein Jahr nach Bukarest, danach ging er nach Kroatien. Er hatte die Aufgabe, die Komplettladungsabteilung zu führen, da man bisher nur Sammelverkehre und Lagergeschäft durchgeführt hatte. Anfangs war das Arbeiten schwierig, da die Kunden westeuropäisches Service verlangten. Sie hatten keine Ahnung, wie Schenker täglich improvisieren musste. Hauptübel war nach wie vor der Zoll, dieser musste einem gut gesinnt sein. Ob der Transport selbst einen halben Tag länger dauerte, war nicht das Kriterium, sondern die Zeit, die man brauchte, um eine Ladungen aus dem Zoll herauszubringen. Wichtig war daher der Aufbau des Service, aber für einen Westeuropäer, der nichts mit Osteuropa zu tun hatte, waren diese Schwierigkeiten schwer verständlich. Allerdings war es doch ein riesiger Unterschied, ob man ein lokaler rumänischer Spediteur war oder wie Schenker aus dem Vollen schöpfen konnte. Die Lkw von Schenker Wien, Salzburg oder Frankfurt kamen natürlich zu Schenker Rumänien zum Verzollen und Weiterleiten, diese Geschäfte hatte man aus dem Netzwerk geerbt. Am Anfang gab es kaum einen Verkauf, sondern die hereinkommenden Sendungen wurden so gut wie möglich behandelt und weitergeleitet. Schenker hatte viele Vorteile wie den Sammelverkehr, z. B. nach Wien zwei Mal die Woche. Sammelgut ist in Rumänien unmittelbar mit dem Namen Schenker verbunden. 1998 wurde die nationale Distribution an die Firma SC Wind Trans SRL ausgelagert. Laurentiu Popescu, der in dieser Firma beschäftigt war, wurde zur Hälfte von Schenker bezahlt, um eine loyale Beziehung zum Unternehmen zu haben. 1999 trat er dann bei Schenker ein und wurde Leiter des nationalen Sammelverkehrs. 1998 hatte die Niederlassung in Bukarest 34 Mitarbeiter, ein 210 m2 großes Büro, 2.000 m2 Lager, der Fuhrpark wurde durch Subunternehmen bereitgestellt. Der Vorstand lag bei Schenker Wien, Klaus Lippstreu und Elmar Wieland, die Geschäftsleitung bei Robert Lovin, Stellvertreter war Emil Constantinescu. Sammelgutverkehre wurden wöchentlich, je zwei aus Wien und Salzburg, je einer aus Kelsterbach, Köln und Holland, durchgeführt  ; die Luftfracht ging über Romcargo International am Flughafen Otopeni-Bukarest. In diesem Jahr wurden auch versuchsweise zehn Container über den Partner in Constantia abgewickelt. 1999 wurde Robert Lovin beauftragt, einen Standort in Clui Napoca im Westen des Landes zu errichten. Auch das Zollager in Valea Cascadelor entsprach nicht mehr den Anforderungen und man zog in ein Lager- und Bürohaus in Chiajna um und konnte daher die zwei Standorte in Bukarest zusammenführen. Im Jahr 2000 wurden das Bukarester Lagerhaus und Hauptquartier – 13 Soseaua de Centura, Chiajna im 186

Rumänien

Mega Center – und die Filiale in Cluj eröffnet. Cluj im Nordwesten des Landes war als Drehscheibe für nationale Sammelverkehre konzipiert, 2005 wurde dort ein neues Terminal mit 3.500 m2 eröffnet. Der Umzug erfolgte ohne Unterbrechung der Geschäftstätigkeit. Weitere Büros wurden 2003 in Timisoara, Constanta und in Vaslui, Nordwestrumänien, für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Moldawien eröffnet. In diesem Jahr begann man auch mit einem Seedepartment und dem Exportgeschäft, bis dahin hatte man nur Importe abgewickelt. 2001 wurde Albin Budinsky Managing Director des Unternehmens. Der Wiener Albin Albin Budinsky Budinsky hatte nach der Matura zuerst Soziologie studiert, brach das Studium aber ab. Durch Zufall erfuhr er, dass Schenker Leute suchte, stellt sich vor und begann 1986 als einer der ersten Maturanten eine zweijährige Speditionslehre. Danach arbeitete er zwei Jahre lang in der Orientabteilung als Sachbearbeiter, ab 1990 in der Osteuropaabteilung, wo er 1997 die Prokura erhielt. Ab 1. Septemter 1997 wurde er in Osteuropa als Koordinator „on the road“ eingesetzt, 1997 in Budapest, von 1997 bis 1998 in Bukarest und von 1999 bis 2001 in Zagreb. Er fand Spedition interessant, kam nach der Lehre genau zur richtigen Zeit. Schenker war Anfang der 1990er Jahre einer der ersten, der es verstand, dass man nach Südosteuropa hinein muss. In manchen Ländern, wie Ungarn, hatte man schon vorher Geschäfte, wenn aber eine Sendung nach Rumänien ging, dann musste man sie anderen geben. Ab 1. Juli 2001 wurde Albin Budinsky Landesleiter der Schenker SRL Rumänien, ab 2006 auch Geschäftsführer der Schenker SRL Moldavia in Chisinau und von 2007 bis 2008 zusätzlich CEO der Schenker EOOD Bulgaria. Seit Januar 2010 ist er CEO der Schenker Romtrans SA , welche seit 1. Januar 2010 als Schenker S.A. firmiert. Albin Budinsky ist seit 2006 im Vorstand des Austrian Business Club in Rumänien (Vizepräsident). In der österreichischen Botschaft in Bukarest, Rumänien, durfte Budinsky 2010 das „Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ aus den Händen des österreichischen Botschafters Dr. Michael Schwarzinger entgegennehmen. Nach dem EU -Beitritt verzeichnete Schenker S.R.L., Bucharest Soseaua de Centura 13, zwischen 2005 und 2008 einen beachtlichen Geschäftszuwachs. Von 2002 bis 2006 stieg die Zahl der Beschäftigten von 63 auf 98, die Anzahl der Büros von vier auf fünf und die Lagerfläche von 2.000 m2 auf 4.900 m2. Lediglich die Zahl der 187

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Zollbüros musste von 17 auf 4 reduziert werden. In der Zeit erreichte man auch die Zertifizierung 2002  : ISO SR -ENN 9001und 2007  : ISO 9001  :2000. 2006 wurden zwei Bahnterminals in Arad und Bukarest Castanilor angemietet, mit Lager, Rampe für direkte Be- und Entladung und einem Zollager für Im- und Export mit allen Speditionsleistungen. Durch die Einführung einer Straßenmaut 2008 sollte auch die Bahn wieder an Attraktivität gewinnen, durch wettbewerbsfähige Tarife, kürzere Transitzeiten und einem verminderten Diebstahlrisiko durch fehlende Stopps oder Wartezeiten. 2007 zog die Timisoara Branche nach Arad um, damit hatte man 2008 mit 152 Mitarbeitern vier Standorte  : Bukarest, Cluj, Arad und Constanta. Im Jahr 2002 feierte Romtrans das fünfzigjährige Firmenjubiläum. Das Unternehmen hatte zu dieser Zeit 2.000 Beschäftigte an neun Niederlassungen und 100 working points. Das war aber fast so etwas wie eine Abschlußfeier. Denn im Dezember 2008 übernahm DB Schenker Wien die S.C.Romtrans S.A. zu 99,2884 %, die restlichen Anteile von 0,7116 % verblieben einzelnen Aktionären. Der zuständige rumänische Richter hatte den Übernahmeantrag von Schenker vorerst abgelehnt, bei einem zweiten Hearing am 12. Januar 2009 aber zugestimmt und nachdem auch die Wettbewerbsbehörden in Rumänien, Deutschland, Österreich und Ungarn keine Einwände hatten, erfolgte die Registrierung. Schenker hatte mit Romtrans bereits seit den 1970er Jahren zusammengearbeitet und Gespräche mit dem führenden Transportunternehmen des Landes gab es bereits seit 2004. Das war an sich eine sehr ungleiche Partnerschaft. Denn Romtrans brachte 1.500 Mitarbeiter an neun Standorten und 80 Büros über das ganze Land ein, mit 290.000 m2 Lagerfläche, 81 Millionen Euro Umsatz und Niederlassungen in Deutschland, Österreich, den Beneluxländern, Ungarn, Moldawien und Georgien. Schenker Rumänien machte mit 145 Mitarbeiter an vier Standorten etwa ein Zehntel aus, war aber mit 27 Millionen Euro Umsatz wesentlich effizienter. Rechtlich blieben die beiden Unternehmen vorläufig bestehen, aber die Zusammenführung zu einem einzigen Unternehmen hatte bereits begonnen. Die Geschäftsleitung erfolgte nun durch Albin Budinsky, Valerio Dascalu und Peter Rausch. Es wurden mehrere Arbeitsgruppen aus beiden Unternehmen gebildet, um die Zusammenführung sicherzustellen. Am Hafen Constanza am Schwarzen Meer verfügte Romtrans über einen Standort für multimodiale Verkehre. In einem eigenen Betrieb wurden dort Umschlagsdienstleistungen für Massengüter erbracht. Der Hafenbetrieb war in bester Lage angesiedelt und an alle Verkehrsträger angeschlossen. Er ist ein Knotenpunkt für die Verkehre auf dem Seeweg, der Donau, der Straße und der Schiene. Constanzia sollte daher an Bedeutung gewinnen. Die dortige Vermarktungsgesellschaft Transorient hatte jedoch mehrere Gesellschafter, was die Liquidation schwierig machte. Romtrans verfügte über 290.000 m2 Lagerfläche, Schenker brachte die Erfahrung in der IT und der Kontraktlogistik ein. Beide Unternehmen waren im Bahnverkehr 188

Rumänien

Romtrans Vertragsunterzeichnung 5.9.2008

stark verankert. Für Breitspur geeignete Bahnanschlüsse gab es in Lasi und Galati. Romtrans besaß mit einem Bahnaufkommen von einer Million Tonnen jährlich von und nach Rumänien sogar eine Ausnahmestellung. Daher bestand hier die Möglichkeit, den ökologisch sinnvollen Verkehrsträger Schiene zu stärken. Nach dem Zusammenschluss verfügte Schenker über 55.000 m2 Lagerfläche mit Bahnanschluss, die als Railports, Knotenpunkte für ein nachgeschaltetes Logistikkonzept, aufgebaut werden sollten. Dafür standen alleine 30 kaufmännische Mitarbeiter zur Verfügung. 2009 errichtete Romtrans für Schenker am Zentralhub in Brasov ein Stückgutnetz für das österreichische Unternehmen BauMax und beliefert dort die sieben Baumärkte täglich. 2010 etablierte Schenker ein Inlandsverkehrssystem (Begegnungsverkehre) mit einem Hub in Brasov, flächendeckend mit einer garantierten Laufzeit von 24 bis 48 Stunden. Obwohl die Wirtschaftslage in Rumänien durch die weltweite Finanzkrise 2009 problematisch war, wurde die Erwerbung von Romtrans positiv gesehen. Rumänien hatte einen großen Nachholbedarf in Sachen Logistik und die Kombination des internationalen Netzwerks von Schenker mit der dichten nationalen Infrastruktur von Romtrans war vielversprechend. Schenker hatte sich in Rumänien gut entwickelt, war aber zu klein, um die Möglichkeiten dieses Marktes auszufüllen. Romtrans war Marktführer und hatte sich seit der Privatisierung in allen Bereichen gut entwickelt. Mit der Zusammenführung wurde Schenker die Nummer eins in Rumänien. 2009 erfolgte auch der Umzug der Schenker Romtrans in die ehemalige Romtrans-Zentrale in der Calea Rahovel, ebenso wie die Eröffnung des renovierten Logistikterminals in Chitila, Bukarest, und eines zentralen Hub in Brasov. Bei der festlichen Veranstaltung zur Übernahme am 1. Dezember 2009 im Hotel Marriott in Bukarest wies der Generaldirektor von Romtrans, Jon Nan, auf den historischen Augenblick hin. Bereits vor fünf Jahren war man vor der Entscheidung 189

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gestanden, sich entweder alleine zu entwickeln oder aber Teil einer starken internationalen Organisation zu werden. Die Antwort war eindeutig. Durch die Integration Rumäniens in die EU hatte sich das Geschäftsumfeld stark verändert, was die Anbindung an ein internationales Netzwerk erforderlich machte. Natürlich war diese Entscheidung stark emotional, man hatte das Gefühl, die eigene Organisation aufgeben zu müssen, es war aber die beste Lösung für die Zukunft. Auch die internationale Finanzkrise hoffte man zusammen mit Schenker am besten zu überwinden. Und Jon Nan schloss mit dem Goethewort  : „Wissen ist nicht genug, man muss es auch anwenden, Wollen ist nicht genug, man muss es tun“. Für Elmar Wieland lag der Grund für die Transaktion in dem Zusammenschluss der Stärke von Romtrans am lokalen Markt und der weltweiten Präsenz von Schenker. Wichtig sei für Rumänien aber auch das Marketing nach innen, denn jede Landesorganisation müsse sich ihren Platz an der Sonne selbst erarbeiten. Die Organisation sei an die Schenker-Strukturen anzupassen, neue Strukturen im Vertrieb müssten geschaffen und mit einem effizienten Marketing verknüpft werden. Die operative Verantwortung müsse an die Filialen vor Ort transferiert werden, da das Head Office in erster Linie Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktionen übernehme. Für Valeriu Dascalu hatte die Fusion für Romtrans zwei Ursachen. Romtrans war nur in Rumänien sehr stark, hatte aber kein großes Netzwerk außerhalb des Landes. Das Unternehmen bediente eine große Anzahl von heimischen Kunden, aber im Ausland musste man mit der Konkurrenz arbeiten. Zum Zweiten wollten die beteiligten Mitarbeiter endlich Geld sehen. Da gab es den Konflikt zwischen der Notwendigkeit von Investitionen und der Ausschüttung von Gewinnen. Die Leute waren einerseits Mitarbeiter und daher an Investitionen interessiert, zum anderen Aktionäre, die Geld sehen wollten. Es wurden zwar gute Dividenden ausbezahlt, aber das war den meisten nicht genug. Die Diskussion begann mit der Vorbereitung für die Mitgliedschaft in der EU. Auch das war ein Grund für die Fusion, da man nun durch den Wegfall des Zolls viel Geschäft verloren hatte. Die erste Reaktion war im Jahr 2007 der Versuch, das nationale Geschäft weiter aufzubauen. Man sagte den Mitarbeitern, es läge an ihnen. Man habe das Geld, die Ausrüstung und das Wissen. Wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten wollten, so müssten sie ihn nun selber schaffen und damit einen großen Teil der Arbeitsplätze sichern. Das verstanden nicht alle und so entschloss man sich schließlich zum Verkauf, der den beteiligten Mitarbeitern auch einen finanziellen Ertrag bringen sollte. Einige multinationale Speditionen waren an Romtrans interessiert, schließlich fiel aber die Entscheidung für Schenker. Verkauft wurde durch eine zehnköpfige Kommission, geführt vom General Manager, die in einer außerordentlichen Aktionärsversammlung das Mandat zu den Verkaufsverhandlungen bekam. Seiner Meinung nach war das ein guter Deal für die Aktionäre, die nicht übermütig sein dürften  : „Denn wir bekamen den letzten Zug, den letzten Waggon des Zuges.“ 190

Rumänien

Das Zusammengehen mit Schenker brachte Romtrans nicht nur die Überlebenschance, sondern auch eine radikale Umstrukturierung, verstärkt durch die allgemeine Finanzkrise. Die Zahl der Mitarbeiter von Schenker/Romtrans ging von 1998 auf 2011 um 30 % zurück. Für Albin Budinsky war Schenker Rumänien schon nach westeuropäischen Standards aufgestellt und auch vom Gewinn her Top. Die Fusion mit Romtrans innerhalb eines halben Jahres war aber eine große Herausforderung. Auf der einen Seite die große Firma Romtrans, auf der anderen Seite 150 SchenkerLeute, die allerdings einen sehr guten Job gemacht hatten. Auch nach der Integration der Romtrans war klar, dass man mit international gültigen Benchmarks arbeiten und investieren musste. Man musste den neu hinzugekommenen Mitarbeitern das Handwerkszeug in die Hand geben. Dafür gab es Training ohne Ende, inzwischen mit einer eigenen Schenker-Akademie, ähnlich jener in Österreich. Man konnte viel von Österreich übernehmen, es war nicht notwendig, das Rad immer neu zu erfinden. Wenn etwas in Österreich funktionierte, wurde es adaptiert. Das Finanzreporting war entsprechend der weltweiten Schenker-Standards umzustellen, ein Zeitmanagement einzuführen, für den Verkauf in den einzelnen Bereichen waren die Leute zum Erfahrungsaustausch zusammenzuführen. Wie in allen Ländern wurde SAP eingeführt, die entsprechenden Kontroll- und Auswertungssysteme wurden eingerichtet und es wurde ein Kreditmanagement implementiert. Dabei hatte sich Peter Rausch als CFO große Verdienste erworben. Das alles war bei Romtrans nicht vorgesehen. Hier gab es Leute, die 20 Jahre lang für Romtrans gearbeitet hatten und die nur 100 km entfernten Kollegen nicht kannten. Von jemandem, der 30 bis 40 Jahre in diesem System gearbeitet hatte, konnte man aber schwer erwarten, dass er einfach umschaltet. Manche Niederlassungsmanager der Romtrans waren nicht tragbar, das wusste bereits der Vorstand von Romtrans. Da musste man durch. Da musste man wie bei „Der Kaiser schickt Soldaten aus“ junge und motivierte Leute hinschicken, die man an die Aufgabe herangeführt hatte. In vielen Niederlassungen sitzen nun Leute, die von Bucharest aus eingesetzt wurden. Von den ehemaligen Romtrans-Fürsten hat man sich dann im Goodwill getrennt. Sonst wäre nichts weitergegangen. Durch die Finanzkrise ab 2008/9 hatten die Restrukturierungsmaßnahmen strikter gegriffen. Schenker Rumänien hatte zwar einen Umsatzrückgang, das war aber relativ, da ein großer Teil mit Bahngeschäften verlorenging, bei denen die Marge ohnehin gering war. Alles in allem kam man recht gut heraus, aber die ersten beiden Jahre waren hart genug. Auch für Valeriu Dascalu veränderten sich die Arbeitsbedingungen bei der Übernahme durch Schenker. Alles war am Anfang unsicher und ungenau, es gab zwei Teams, zwei Philosophien und zwei Wege, das Geschäft zu verstehen. Das Reporting war unterschiedlich, bei Romtrans wesentlich einfacher. Aber man passte sich rasch an, die Umstellung gelang innerhalb von drei Monaten. Dieser Übergang war fast wie eine Blackbox  ; es wurde so gut wie nichts kontrolliert. Aber 191

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Head Office

der rasche Übergang war notwendig. Der Name Romtrans ist heute nur mehr eine Marke, die in Rumänien sehr bekannt ist, aber er wird bald abgeschafft, da bei einer Untersuchung festgestellt wurde, dass das keinen großen Unterschied machen wird. Wesentlich war von Anfang an die Ausbildung des Personals. In Rumänien gibt es keine Speditionslehre, die Leute müssen angelernt werden, Learning by Doing. In den 1990er Jahren war von der Schenker-Akademie noch keine Rede, aber man begann langsam, Leute zu trainieren. Die Loyalität zur Firma ist in Rumänien nicht vergleichbar mit jener in Österreich. Es ist alles kurzlebiger, bei einem westeuropäischen Gehalt wechselt man nicht für 100 oder 150 Euro. Verdient man aber nur 300 oder 400 Euro brutto und es bietet jemand 100 oder 200 Euro mehr, ändert das den Lebensstandard. In der „Buckelzeit“ des starken Geschäftsanstiegs von 2005 bis 2008 wurden überall Leute gesucht und jeder Wechsel bedeutete eine Gehaltserhöhung. In den Boom-Jahren in Rumänien hatte das keine Firma mehr unter Kontrolle. Der einzige Vorteil der Krise war, dass die Leute wieder von ihren hohen Erwartungen herunter kamen. Jobsicherheit wurde wieder wichtig. Albin Budinsky hatte bereits die hohe Inflation der 1990er Jahre mitgemacht. Schenker als Importeur konnte in Schilling und dann in Euro rechnen . Das betraf auch die Entlohnung der Mitarbeiter, die entsprechend angepasst wurde, und die Mitarbeiter hatten daher keine Inflationsverluste. Das machten viele westeuropäische Firmen in Rumänien. Dann gab es allerdings ein Jahr, in dem der Lei stärker war als der Euro, was den Mitarbeitern Verluste brachte. Das Verfahren wird daher heute nicht mehr angewandt, da die Inflation geringer ist. Bei Personalverhandlungen rech192

Rumänien

Head Office

nen aber noch alle in Euro  ; der Euro stellt praktisch eine Parallel-Währung dar. Man kann in Euro zwar nicht zahlen aber rechnen. Albin Budinsky war auch jeweils für eineinhalb Jahre in Bulgarien und Kroatien. In Bezug auf die Wirtschaftskultur ist Rumänien Österreich am ehesten verwandt, denn die Rumänen verstehen den „Schmäh“ der Österreicher. Antriebsmotor für die Umstellung waren nicht die rumänischen Unternehmen, die aus den Staatsunternehmen hervorgingen, sondern westliche Firmen, die nach Rumänien gekommen waren und dementsprechend Personal ausgebildet hatten. Schenker Rumänien ist eine der wenigen Firmen, die selbst Lehrlinge ausbilden. Fünf haben die Lehre bereits beendet, 20 Lehrlinge arbeiten noch im Unternehmen. Sie sprechen gut Deutsch, besuchen die Berufsschule in Mitterndorf und bekommen nach drei Jahren ein österreichisches Handelskammerdiplom. Auch bei den Kundenkontakten gibt es keinen großen Unterschied, da in Rumänien die internationalen Firmen die Ziele vorgeben. 20 Jahre nach der Marktöffnung besteht heute schon ein großer Unterschied. Das betrifft aber vor allem die Ballungszentren, wie Bucharest. Die Bedingungen 100 km weiter sind sehr weit weg vom europäischen Standard. Ein Riesenunterschied ist auch die Kaufkraft, da Einkommen und Kosten nicht ausbalanciert sind. Schenker Rumänien veranstaltet für seine Mitarbeiter zu entsprechenden Anlässen Feste und es gibt eine Fußballmannschaft. Es ist allerdings ein Unterschied, ob ein Fest für die 80 Mitarbeiter der ursprünglichen Schenker an einem Standort organisiert wird, oder heute für über 1.000 Leute im ganzen Land verteilt. In der Krise ging nichts, aber 2012 veranstaltete Schenker eine Romtrans-Party mit über 700 Leuten. Es gibt Mitarbeiterbefragungen und diese zeigen, dass gerade das soziale, 193

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Chiajna logistics

Chiajna logistics

Arad Cefin Warehouse

kulturelle Engagement honoriert wird. Zu Weihnachten werden spezielle Veranstaltungen auch außerhalb Bukarests organisiert. 2011, am Tag des Baums, pflanzten 60 Mitarbeiter von Schenker Romtrans über 800 Bäume im Gebiet Valea Lazunilor, um die karge Gegend in eine grüne Oase zu verwandeln. Außerdem organisierte Albin Budinsky gemeinsam mit der Außenhandelsstelle der Wirtschaftskammer Österreich Konzerte von Georg Danzer und Ludwig Hirsch in Bukarest. 2012 verfügte Schenker Rumänien neben dem Head Office in Bukarest über Niederlassungen in Bucharest, Cluj-Napola, Arad, Iasi, Galati und Constanta und weitere 60 Büros mit insgesamt 14.000 m2 Logistiklager. Die 1.150 Mitarbeiter bewältigten 345.293 Sendungen mit über einer Million Tonnen Gewicht und erwirtschafteten einen Umsatz von 74 Millionen Euro. 35 regelmäßige Sammelverkehre gingen über die Importlinie und zehn über die Exportlinie. Ausgezeichnet wurde das Unternehmen mit dem „Best Logistics & Operational Excellence Award“ für innovative Logistikideen. Niederlassungen mit eigenem Bahnanschluss bestanden in 194

Rumänien

Constanta-Mol Pier 1S, vorne Schenker Board Members: Valeriu Dascalu, Albin Budinsky, Adrian Crizbasianu, Adrian Crizbasianu, Peter Rausch

Oradea, Curtici, Arad, Timisoara, Cluj-Napoca, Bukarest, Iasi, Galati und Constanza, in Iasi und Galati auch mit russischer Breitspur. 2009 wurden mehr als eine Million Tonnen im nationalen und internationalen Schienenverkehr bedient. Am Schwarzen Meer hatte Schenker mit dem Umschlagterminal im Hafen von Constanza eine logistische Schlüsselrolle. Es ist eine Schnittstelle zwischen See- und Donauschifffahrt und in den rumänischen Landverkehr integriert. Das Terminal ist auf den Umschlag von Stahl, Holz, Getreide und Projektladungen spezialisiert. Allerdings war es gerade hier in der Krise zu Personalreduzierung gekommen, da die Stahlindustrie einige Hochöfen stillgelegt hatte. 195

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Moldawien Von 1947 bis 1991 war Moldawien als Moldauische Republik Teil der Sowjetunion. Von den vier Millionen Einwohnern sind 70 % rumänischsprachig und Rumänisch ist auch die offizielle Amtssprache. Moldawien ist nach wie vor eines der ärmsten Länder Europas mit erheblicher Auswanderung. In der Sowjetzeit bestand mit Moldromuktrans ein Joint Venture der Romtrans (jetzt Schenker) mit der Moldawischen Staatsbahn und einem staatlichen ukrainischen Fonds zu je einem Drittel. Aufgrund der kulturellen Nähe eröffnete Schenker Rumania 2007 ein Repräsentationsoffice in der Hauptstadt Chisinau, dadurch sollte Schenker in diesem Land bekannt werden. Seither ist das Geschäft kontinuierlich gewachsen und bietet Services im Land-, Luft- und Seeverkehr an. 2011 verfügte DB Schenker Moldova unter der Leitung von Radu Cornea neben dem Head Office in Chisinau über zwei Niederlassungen, in Leuseni und Tudora, und hatte 28 Mitarbeiter und einen Umsatz von 792.000 Euro. Bulgarien Bulgarien war bis zum Zweiten Weltkrieg ein erfolgreiches Agrarexportland. Wie andere planwirtschaftliche Länder auch begann es in der kommunistischen Zeit mit einer Industrialisierung in Richtung Schwerindustrie. Im Rahmen des RGW war das Land auf Chemieindustrie, Maschinenbau, Gabelstapleraufbau und Elektronik spezialisiert, Tourismus, Landwirtschaft, Tabak- und Nahrungsmittelindustrie waren gut entwickelt. Die Umstellung auf die Marktwirtschaft war vorerst ein erheblicher Schock. Bis 1997 ging das reale BNP um 40 % zurück, 1997 erreichte die Geldentwertung das Ausmaß einer Hyperinflation. Danach bekam man die Preise in den Griff mit erfreulichen Wachstumsraten, allerdings bei hoher Arbeitslosigkeit. Auch die anfangs hohe öffentliche Verschuldung ging deutlich zurück. Das BNP pro Einwohner hat sich von 1990 bis 2011 mehr als verdoppelt. Allerdings verlor das Land durch Auswanderung und Arbeitsemigration in dieser Zeit 1,37 Millionen Einwohner oder 16 % der Bevölkerung. Nach der Wende 1989 herrschten über fünf Jahre lang verworrene politische Verhältnisse mit häufigen Regierungswechseln, was die wirtschaftliche Umstellung erheblich erschwerte. 1996 kam es zu einer schweren Bankenkrise, massiver Geldentwertung und hohen Einkommensverlusten. Der Wert des Lew zum Dollar fiel um 80 %, die Inflation überstieg 1997 die Tausendprozentmarke und die Wirtschaft schrumpfte. In den 1990er Jahren stand man vor einer Wirtschaftssituation, die nur mit der Krise An196

Bulgarien

fang der 1920er Jahre zu vergleichen war. Erst ab 1998 erlebte Bulgarien eine zweite Wende mit Strukturreformen, Privatisierung der Staatsbetriebe und einer Preis- und Währungsstabilität. Mit Hilfe des IWF und einer Bindung des Lew an die Deutsche Mark kam es 1998 zu einer gewissen Stabilisierung. Wichtigste Außenhandelspartner wurden Russland, Deutschland, Italien und die Türkei. Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahresdurchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−8



29



1991

−12



339



1992

−7



91



1993

−2

21

73



1994

2

20

96



1995

3

17

62



1996

−9

14

122

1997

−2

14

1.058

108

1998

5

14

19

78

1999

2

16

3

78



2000

6

17

10

73

2001

4

20

7

66

2002

5

18

6

52

2003

6

14

2

44

2004

7

12

6

37

2005

6

10

6

28

2006

7

 9

7

22

2007

6

 7

8

17

2008

6

 6

12

14

2009

−6

 7

3

15

2010

0

10

3

16

2011

2

11

3

16

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

8.718

 4.700

59

2011

7.348

11.400

36

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

197

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Übersetzung aus dem Bulgarischen Hiermit EMPFEHLEN WIR

Schenker & Cie

(Hofspedition Seiner Majestät Zaren Ferdinand I.)

Generaldirektion Wien

als das weltweit größte internationale Transporthaus mit Hauptniederlassungen in Plovdiv, Edirne, Belgrad, Bukarest, Galatz, Brăila, Konstanza, Istanbul, Alexandroupoli, Eger, Fiume, Hamburg, Lindau, London, Mannheim, München, Nürnberg, Passau, Prag, Rotterdam, Thessaloniki, Sofia, Steinschönau, Tetschen, Karlsbad, Antwerpen, Marseille, Belfort, Montreux, Bregenz, Brünn, Bux, Oderberg, Romanshofen, Rorschach, Amsterdam, Bordeaux, Brüssel, Florenz, Genua, Genf, Hof, Köln, Triest, Livorno, Mailand etc. pp. neben Vertretern in allen Großstädten weltweit.

HAUPTAGENTEN: 1. sämtlicher französischer, bayerischer, östlicher und niederländischer Bahnen; 2. der Zentrale der Transatlantischen Dampfschiffgesellschaft; 3. der Austro-Americana Reederei; 4. der Nederlandaise-Americana Reederei; 5. und der Anglo-Hungaria Steamship Company. Agenten der Belgischen Staatsbahnen und der Lehigh Reilford Bahnen. Vertreter der Österreichischen Lloyd und der Französischen telegraphischen Kabel etc. pp. Aufgrund der Größe seines Unternehmens ist dieses Haus in der Lage, zuverlässige Leistungen zu günstigsten Preisen vertrauenerweckend zu erbringen. Auszug aus dem Bulgaria Almanach, 1900 Die inhaltlich wortgetreue Übereinstimmung obiger Übersetzung (aus bulgarischer in deutsche Sprache) mit dem vorgelegten Original wird hiermit vom Unterzeichner Nicolai Kyrilloff K y r i l l o f f beglaubigt. Die Übersetzung besteht aus einer (1) Seite. Übersetzer: Nicolai Kyrilloff K y r i l l o f f

Bulgarisches Empfehlungsschreiben

Übersetzung des bulgarischen Empfehlungsschreibens

Schenker blickt in Bulgarien auf eine lange und abwechslungsreiche Geschichte zurück. Bereits im März 1889 erfolgte die Gründung der Schenker-Niederlassung in Sofia „Schenker & Co. Königlich Bulgarischer Hofspediteur“, Rakowska-Ulica 365. Schenker war damit Hoflieferant des bulgarischen Zaren. Erster Direktor war C. W. Eles, danach schien Sigmund Neger als Manager auf und 1905 lag die Geschäftsleitung bei Leon Hand und Herrn Taget. Filialen wurden in Varna und Dedeagartsch errichtet. In Bulgarien verfügte Schenker über Agenturverträge mit den Bulgarischen Staatsbahnen. Ansonsten wurde mit dem Bulgarischen Lloyd zusammengearbeitet, der unter Beteiligung der Deutschen Bank und des Bayrischen Lloyd 1913 gegründet und 1917 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war. Das Unternehmen widmete sich nicht nur der Schifffahrt, sondern auch dem Handels- und Versicherungsgeschäft. Damit bestand eine enge Verbindung mit der Naphila AG , einer Tochter der Deutschen Bank für Ölimporte aus Bulgarien, der Versicherungs-Gesellschaft Orel, einer Tochter der Münchner Rückversicherungsgesellschaft, und Schenker Wien. Mit dem Bulgarischen Lloyd unterhielt Schenker auch während des Ersten Weltkriegs weiter Geschäftsverbindungen. Im Mai 1918, also noch vor Kriegsende, 198

Bulgarien

wurde eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach die Schenker-Geschäftsstellen in Bulgarien – Sofia, Philippopel und Dédéag – an den Lloyd verkauft wurden. Damit erhoffte man, ein Transportmonopol in Bulgarien erreichen zu können. Ab 1921 trat der Bulgarische Lloyd als offizieller Vertreter von Schenker & Co. auf. Eine selbstständige Tätigkeit war mit Rücksicht auf die am Bulgarischen Lloyd beteiligte Deutsche Bank, eine der wichtigsten Hausbanken des Schenker-Konzerns, nicht möglich. Allerdings schlug die Deutsche Bank 1922 selbst vor, Schenker sollte den Bulgarischen Lloyd kaufen. Nun wurden vorerst von Schenker Berlin 50.000 Mark Aktien übernommen und ein Wiener Mitarbeiter wurde zur Revision nach Sofia entsandt, denn die Geschäftsgebarung entsprach nicht ganz westeuropäischem Standard. In der Folge trat der Lloyd-Direktor zurück und es wurde ein Schenker-Mitarbeiter aus Berlin an dessen Stelle gesetzt, um nach Schenkerischem Gesichtspunkt zu arbeiten. 1923 arbeitete Schenker mit „Eschaya Feres & Ronco“ und 1930 mit „Maritima“ in Sofia als Vermittlungsspediteure. Transportgüter waren vor allem Gemüse, Getreide, Ölkuchen und Maschinen. Am 26. Dezember 1934 kam es zu einer Neugründung der „Schenker & Co. Bulgarische AG für internationale Transporte“ in Sofia, u. Legue 4, mit einem Kapital von zwei Millionen GBL . Die Anteile hielten  : • • • • • •

700 Schenker Wien (700) Jacob Spielmann, Wien (150) Anton Beber, Wien (120) Beniamy Hailbron, Sofia (10) Tador Mihaylof, Sofia (10) Rashko Madzhardov, Sofia (10)

Obwohl fast das gesamte Kapital von Wien gehalten wurde und das Unternehmen Schenker Berlin unterstand, wurde es als bulgarisches Unternehmen registriert. Außerdem bestand mit der bulgarischen Express GmbH eine enge Zusammenarbeit bei Obsttransporten nach Deutschland. Das „Entjudungsprogramm“ des nationalsozialistischen Deutschen Reiches schlug auch auf die bulgarische Niederlassung durch. 1938 hatte man sich vom Geschäftsstellenleiter Benjamin Heilborn zu trennen, dem es gelang, nach Haifa zu emigrieren. Er machte dort eine eigene Speditionsfirma, Translloyd, auf, in der einige andere Schenker-Emigranten Beschäftigung fanden. Insgesamt wurden bis Mitte 1938 in Bulgarien zehn Juden aus der Schenker-Organisation entlassen. Das Unternehmen war unter deutscher Leitung bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs aktiv. 1941 wurde das Kapital auf fünf Millionen GBL erhöht, bis 1942 die Niederlassungen in Plovidiv, Svishtov, Skopje und Kavala eröffnet, dazu noch Repräsentationsbüros in den Handelszentren und Seehäfen. Schenker arbeitete im Export, 199

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Import und Transit und verfügte über eine größere Anzahl von Lkw. Die Transporte liefen über die Schenker-Niederlassungen im Deutschen Reich und der Türkei. Am 31. August 1944 hatte Schenker 90 Mitarbeiter, 62 in der Zentrale in Sofia und in den Niederlassungen  : Kavala 5, Plovdiv 7, Skopie 9 und Svishtov 7. Am 1. September 1944 wurde Direktor Josef Müller zusammen mit sechs weiteren deutschen Mitarbeitern entlassen, die das Land verließen. Das Unternehmen wurde auf 34 Mitarbeiter reduziert, die alle bulgarische Staatsbürger waren. Die Firma arbeitet aber weiter unter dem Namen Schenker. Obwohl sich Bulgarien nicht im Krieg mit der Sowjetunion befunden hatte, wurde das Land am 9. September 1944 von der Roten Armee besetzt und eine kommunistische Regierung eingesetzt. Auch in Bulgarien nahm die Sowjetunion das Recht in Anspruch, das deutsche Auslandseigentum in ihrem Einflussbereich als Reparation zu beschlagnahmen. Daher kam Schenker Bulgarien in das Eigentum der Sowjetunion und stand unter der Kontrolle der Verwaltung von Feindeseigentum im Ministerium für Handel, Industrie und Arbeit. Das Geschäft von Schenker brach vorerst völlig zusammen. Erst 1947 belebte es sich wieder durch die Verkehrsvereinbarungen Bulgariens mit der Sowjetunion, Polen, Rumänien und anderen Ländern des Ostblocks. Das Unternehmen wurde von einem sechsköpfigen Board of Directors geleitet, das jeweils für ein Jahr von der Generalversammlung gewählt wurde. Am 1. Januar 1949 wurden die deutschen Unternehmen an Bulgarien übertragen und verstaatlicht. Am 17. Februar 1949 wurde daher auch Schenker als Unternehmen abgewickelt und ging in der Despred auf. Die Despred (zu Deutsch  : Staatliches Speditionsunternehmen) war 1947 gegründet worden und nahm alle Speditionsunternehmen in Bulgarien in sich auf. Sie unterstand dem Ministerium für Transport, zeitweise auch dem Ministerium für Außenhandel. Despred organisierte alle Arten von Transport, auch mit dem Ausland. Nationale Transporte wurden vorerst von privaten Kleinfirmen, häufig noch mit Pferden, durchgeführt, die in einer gemeinsamen Organisation zusammengefasst waren. Ende der 1950er Jahre wurden diese der Somat übertragen. Ab dann war Somat der einzige Frächter, auch für die Außenhandelsgesellschaften in den einzelnen Branchen, wie Elektronik, Chemie, Landwirtschaft etc. Die Außenhandelsunternehmen hatten alle Aufträge an Despred abzugeben, die dann von Somat durchgeführt wurden. Despred bekam hierfür einen Prozentsatz des Gewinns. Das Staatsunternehmen Somat hatte bis zu 5.000 Lkw und war zeitweise der größte Frächter Europas. Ein separates Unternehmen bestand noch für Fluss- und Seefracht. Nachdem die Despred der Empfangsspediteur für alle Importe war, hat auch Schenker in der planwirtschaftlichen Zeit mit Despred gearbeitet. Die Privatisierung in Bulgarien erfolgte über eine staatliche Agentur für Privatisierung, wobei 25 % gegen Privatisierungsscheine an staatliche Fonds übertragen wurden. Die Masse der Privatisierungen erfolgte von 1997 bis 2000. Bereits 1993 200

Bulgarien

Erstes Schenkerbüro in der Wohnung von Minko Wassilewski

Minko Wassilewski

Vassil Atanassov

wurde Somat privatisiert und von der deutschen Transportfirma Willi Betz übernommen. Despred folgte wesentlich später und stand in den 1990er Jahren noch unter politischem Einfluss. Erst am 7. Dezember 2000 wurde Despred über eine Schweizer Briefkastenfirma in Zug, hinter der eine private bulgarische Bank stand, um 16 Millionen DM erworben. Der relativ hohe Preis erklärte sich aus den zahlreichen Immobilien im Eigentum des Unternehmens – darunter ein repräsentatives Gebäude im Zentrum von Sofia – und den eigenen Stützpunkten über das ganze Land. Die Bedeutung von Despred ging aber drastisch zurück. Bei Despred war man vorerst 201

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noch optimistisch, da man als einziges Unternehmen Speditionserfahrung hatte, mit den Kontakten zu den Frächtern und Kunden. Die Zahl von 650 Mitarbeitern im Jahr 1990 halbierte sich bis 1997 und dann nochmal bis 2002 und liegt 2013 bei 60 Mitarbeitern. Fast alle gingen zu privaten Speditionen. 1992 errichtete Schenker ein Repräsentationsbüro in Sofia für den Verkauf, die Abwicklung ging noch über Despred. Repräsentant und späterer Geschäftsleiter war Minko Wassilewski („Minko“), schon sei Großvater war bei Schenker gewesen. Wie einige andere Mitarbeiter auch hatte er das deutsche Gymnasium in Sofia absolviert. 1993 erfolgte die Gründung der Schenker Bulgaria EOOD , Sofia, Narodno Sabranie 21, mit einem Stammkapital von 25.000 DM . Bereits 1991 war die ITA (Internationale Transportausrüstung) in Bulgarien vertreten. Das Unternehmen stand je zur Hälfte im Eigentum des Österreichers Herrn Stift und Schenker. Herr Stift war Geschäftsführer von Herber Hausner Süd-Ost gewesen und hatte nach der Wende die ITA gegründet. Bei der ITA war nicht nur Minko Wassilewski, sondern auch der heutige Leiter der Messespedition, Hristo Vassilev, beschäftigt. Mit der Errichtung einer Niederlassung wurden die Transportaufträge an Schenker übertragen und ITA konzentrierte sich auf ihr Kerngeschäft Transportausrüstungen. Die ersten Kunden und Aufträge kamen daher noch von ITA . Die Gründung von Schenker Bulgaria erfolgte durch die Schenker-Zentrale in Frankfurt/Kelsterbach. Am Anfang war das Unternehmen in der Wohnung von „Minko“ und am eher desolaten Güterbahnhof in Sofia untergebracht. „Minko“ stellte als ersten Mitarbeiter Vassil Atanassov ein, den er vom deutschen Gymnasium her kannte und der bis heute im Unternehmen ist. Dieser war an sich ein Computerspezialist, der sich erst einlernen musste, wurde aber durch eine weitere Mitarbeiterin unterstützt, die bereits im Speditionsgeschäft Erfahrung hatte. Begonnen hatte man mit einem einzigen Auto, mit dem „Minko“ zu den Kunden fuhr, es gab keinen Computer, nur Telefon, Fax und Telex. Die Durchführung der Transporte wurde Frächtern übertragen. Einige Zeit arbeiteten die Schenker-Landesorganisationen aufgrund alter Verträge noch mit Despred zusammen, was aber bald eingestellt wurde. 1996 wurde zuerst eine zweite Wohnung nicht weit von der ersten angemietet, bis man 1997 in die Nähe des Flughafens zog. „Minko“ wollte von Anfang an alle Speditionsdienstleistungen anbieten, auch Messe und Umzüge. 1996 hatte Schenker Bulgaria EOOD , Sofia, unter Minko Wassilewski 22 Beschäftigte, Büros mit einer Fläche von 150 m2 und ein Lager von 1.000 m2 Fläche. Der Umsatz war von 1,5 Millionen US -Dollar im Jahr 1995 auf zwei Millionen angestiegen. Das Unternehmen war im nationalen und europäischen Verkehr aktiv, einschließlich Zollabwicklung, Schwerverkehr, Möbeltransport und Logistics. Überseecontainertransporte wurden über Vrana, Burgas und die griechischen Häfen abgewickelt. Erste Schritte in der Luftfracht wurden unternommen, am Flughafen Sofia ging 1997 ein modernes Lager in Betrieb. 202

Bulgarien

Dennoch bezeichnete die Stinnes Unternehmensplanung Bulgarien im Jahr 1997 als Schlusslicht der südosteuropäischen Reformstaaten. Der bulgarische Transportmarkt leide unter unvorteilhaften Außenhandelsbedingungen, mangelnder wirtschaftlicher Stabilität, Exportschwäche und schlechter Infrastruktur. Trotz des europäischen Netzes hatte Schenker beim grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr 1995 nur einen Marktanteil von 0,8 %. Bedeutendste Partnerländer im Straßenverkehr waren Griechenland, Italien und Deutschland. Auch Elmar Wieland sah die wirtschaftliche Situation als schwierig und unüberschaubar an, mit hoher Inflation und starker Abwertung. Schenker Bulgarien arbeitete zwar im europäischen Landverkehr ganz gut, die Luftfracht war aber problematisch, da die wichtigsten Airlines Verträge mit anderen Spediteuren abgeschlossen hatten. Die Seefracht ging über Saloniki und die Häfen am Schwarzen Meer, die Infrastruktur in Sofia war schwierig. Auch über die Wirtschaftskultur des Landes beschwerten sich ausländische Firmen, da die Gesetze nicht stabil waren und je nach politischen Interessen verändert wurden. Auch bei der Bezahlung der Rechnungen hatten inländische Unternehmen eine schwere Hand. An sich ist Bulgarien eine logistische Drehscheibe zu den Wachstumsmärkten Türkei, Zentralasien, China und Indien. Fünf der zehn paneuropäischen Verkehrskorridore gehen hier durch. Allerdings fehlt die Transportinfrastruktur, die Straßen, Bahnverbindungen und Häfen waren nicht entsprechend ausgebaut. In Richtung Süden, nach der Türkei und Griechenland, gab es keine Autobahn, an der über 400 km langen Grenze zu Rumänien bestand nur eine Brücke über die Donau, während Budapest alleine sieben hatte. Seit 1964 wurde mit dem Bau der Autobahnen begonnen, bis 1989 gab es gerade einmal 256 km und 20 Jahre nach der Wende waren gerade einmal 100 zusätzliche Kilometer geschafft. Inkompetenz und Prestigeobjekte in anderen Bereiche verhinderten den Straßenbau, nicht aber den Verkehr. Dadurch zählten die bulgarischen Straßen in Bezug auf Unfälle zu den gefährlichsten in Europa. Schenker setzte auch auf die Liberalisierung des Schienenverkehrs, wo die Regierung allerdings keine Eile an den Tag legte. Trotz der schwierigen Umweltbedingungen entwickelte sich Schenker Bulgaria gut. 1997 verfügte das Unternehmen über ein Anlagevermögen von 200.000 DM und liquide Mittel in der Höhe von 100.000 DM . 27 Mitarbeiter arbeiteten in einem Büro von 300 m2 Größe und betreuten 3.400 m2 Lagerfläche. Bis 1. Juli 1997 war das Unternehmen auf drei Orte in Sofia verteilt, nun hat man eine neue Anlage in der Nähe des Flughafens von Sofia angemietet, mit einem 1.100 m2 großen Zolllager von und einem 200 m2 großen Logistiklager. Damit bot Schenker Bulgaria die ganze Palette von Speditionsdienstleistungen zu Marktpreisen an und hatte den Willen, in Bulgarien führend zu werden. Obwohl sich die Zollgesetze ständig veränderten und die Zöllner und Zollbüros ebenso oft wechselten, versuchte man beim Zoll die Probleme zu lösen, wie Minko Wassilewski feststellte  : „Wie machen wir das  : Versuchen, die Gesetze zu wissen, die Änderungen und Neuigkeiten zu verfolgen und vernünftig 203

Regionales Headquarter Europa Südost

mit den Zöllner zu sprechen. Stellen Zöllner bei uns ein, im Büro habe ich immer Zigaretten und Whisky.“ Schenker Bulgaria hatte damit gezeigt, dass man auch in Krisenzeiten arbeiten und verdienen konnte. Ein Problem war noch die Zusammenarbeit mit der weltweiten Schenker-Organisation, wo man langfristig und nicht an den täglichen Ertrag denken sollte. „Minko“ verwies dabei auf das Dschungelbuch von Raediard Kipling, in dem das Menschenkind Maugli mit den Tieren zusammenlebt unter dem Prinzip „Wir alle sind ein Blut, ihr und ich  !“. Ab 1998 stand Schenker Bulgaria im Eigentum des regionalen Schenker-Headquarters Europa Südost in Wien. Regelmäßige Verkehre, Komplettladungen und Sammelgut gingen bereits wöchentlich von und nach Österreich, Deutschland und Italien, 1.200 m2 Zollager und 1.000 m2 Bahnlager dienten Luft-, See-, Spezialtransporten und Messen. Mit der Übernahme der schwedischen BTL durch Schenker begann man zusätzlich mit dem Aufbau von neuen Verkehren. BTL spielte in Bulgarien an sich keine Rolle, nur mit Italien erfuhr das Geschäft eine Belebung. Das BTL Tochterunternehmen Casteletti übergab Schenker Bulgarien eine Liste mit ihren Kunden und Ladungen, die nun von Schenker durchgeführt werden konnten. 2004 war die Zentrale der Schenker Eood. in Sofia, Iskarsko Chaussee 7, und verfügte über Lagerflächen von 6.150 m2. Neben der Zentrale in Sofia entstanden Geschäftsstellen  : 1997  : Flughafenbüro in Sofia 1998  : Ruse, Donauhafen, einzige Brücke zu Rumänien 1999  : Varna, Hafen 2001  : Povdiv, Industrie und Landwirtschaft 2001  : Sevlievo, Industrie 2003  : Burgas, Hafen für Massengüter Man bediente bereits 2.000 Kunden und hatte das Ziel, Marktführer zu werden. Schenker Bulgarien hatte sich gut entwickelt, konnte Wachstumsraten von bis zu 30 % erreichen und war in der Region der einzige umfassende Logistikdienstleister. Auch ein Inlandsverkehr mit garantierten Lieferzeiten wurde eingeführt und neben Standardprodukten Zusatzleistungen, wie Messe und Schwertransport. Als einziger Dienstleister bot Schenker regelmäßige Sammelverkehre unter dem Projektnamen „Sofia Hub on the Balkan“ an, über Verbindungen mit Rumänien, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Griechenland und der Türkei. „Sofia Hub on the Balkan“ wurde aufwendig vorbereitet, war aber nicht für alle Nachbarländer gleich interessant. Mit Unterstützung von Deutschland und Österreich gehen die Verkehre mit Griechenland und Türkei immer noch zwei bis drei mal pro Woche, auch mit Mazedonien, nach Serbien allerdings nicht mehr und für Rumänien gab es verschiedene andere Kombinationen. 204

Bulgarien

Frank Markovits und Helmut Schweighofer

Schenker erhofft sich durch den Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union 2007 vermehrte Investitionen ausländischer Unternehmen. In diesem Jahr trat Minko Wassilewski zurück und Albin Budinsky übernahm neben Rumänien interimistisch auch die Leitung der bulgarischen Landesgesellschaft. Er kam zwei Mal pro Woche nach Sofia, bis im Juni 2008 Helmut Schweighofer zum Geschäftsleiter ernannt wurde. Helmut Schweighofer war sowohl mit der weiteren Expansion des Unternehmens konfrontiert als auch mit der weltweiten Finanzkrise ab 2007. Diese traf Bulgarien zwar zeitverzögert, aber 2009 ging das BNP real um 6 % zurück und stagnierte 2010. Nicht nur der Stückgutimport verringerte sich, sondern vor allem auch der Bahnverkehr, da die Baukonjunktur zusammenbrach. Noch in der Zeit der Hochkonjunktur wurde mit dem Bau eines neuen Headoffice begonnen. Die Besorgung eines Grundstücks mit Gleisanschluß gestaltete sich schwierig. Minko Wassilewski hatte sich dabei durch seinen Einsatz, Hartnäckigkeit und seine Verbindungen große Verdienste erworben. In Bozhuriste, 20 Minuten von Sofia an der Staße nach Belgrad, wurde ein Logistikterminal mit einer Investition von 10 Millionen Euro errichtet. Es wurde als Railport konzipiert und verfügt über einen Gleisanschluß von 220 m Länge. Die Übersiedelung erfolgte 2010. Mit 48.000 m2 Grund, 3.600 m2 Bürofläche, 2.000 m2 Umschlagfläche, 30 Ladetoren und 205

Regionales Headquarter Europa Südost

Terminal Sofia

Communication Workshop 2013

Eröffnung Terminal Sofia

einem 3.000 m2 großen Logistikterminal für 4.000 Paletten war es die modernste Anlage des Landes. Eine Halle war temperaturreguliert mit der Begrenzung von 8 bis 25 Grad, vor allem für den Chemiebereich. Alles wurde mit modernster Sicherheitstechnik und Brandsicherung ausgestattet. Daher hatte man den Standard TAPA erreicht, war energieeffizient durch Solartechnik und Wärmerückgewinnung und verfügte über eine eigene Kläranlage. Die 145 Mitarbeiter führten alle Speditions- und Logistikleistungen und regelmäßige Linienverkehre durch. 2013 wurden neue Gebäude in Plovdiv und Ruse errichtet. Das Logistikterminal in der südbulgarischen Industriestadt Plovdiv bot 2.000 m2 an Cross-Docking- und Lagerfläche und moderne Lkw-Rampen. In Ruse im Norden Bulgariens war Schenker in den Logistikpark umgezogen. Das Gebäude bot 1.400 m2 Lager- und Bürofläche. Der Standort lag in einem dicht bebauten Industrie- und Gewerbegebiet nahe der Donaubrücke. In den Monaten zuvor hatte Schenker bereits in den Hafenstäd206

Bulgarien

ten Varna und Burgas neue Standorte bezogen. Varna konnte 3.000 m2 für CrossDocking und Warehousing anbieten. Der Standort war eine Drehscheibe für den Überseeverkehr und neue Kundenprojekte. Burgas verteilte eingehende Seefrachten, vor allem aus Asien, in Südbulgarien. Schenker hatte 2013 etwa 2.400 bulgarische Kunden. Bereits 1996 wurde ein eigener Verkäufer eingestellt, seit 2003 besteht eine Marketingabteilung. Die Bedeutung des Verkaufs ist daher sehr früh verstanden worden und das Verkaufsteam war auch in der Krise erfolgreich. Bei einer Kundenbefragung der Schenker-Zentrale in Essen 2012 schnitt Bulgarien mit einer Kundenzufriedenheit von fast 80 % ab. Einige Mitarbeiter kamen am Anfang von Despred, denn nur dort gab es Leute mit Speditionserfahrung. So etwa auch die heutige Leiterin der Marketingabteilung Galia Natcheva. Viele Mitarbeiter kommen von den Universitäten und müssen mindestens zwei Sprachen beherrschen. Dazu dient auch ein Praktikum für Studenten, die so das Unternehmen kennenlernen, um nach dem Studium zu Schenker zu kommen. Die Fluktuation ist eher gering und war lediglich beim EU-Beitritt ein Problem. Vor allem im Landverkehr hatten westliche Unternehmen Niederlassungen gegründet und zeitweise wesentlich bessere Gehälter bezahlt. Den 173 Mitarbeitern, davon die Hälfte auch im Management weiblich, standen jährlich 45 Seminare zur Verfügung. Um den Zusammenhalt zu stärken, wurden für alle auf dem Balkan ansässigen Schenker-Landesgesellschaften die „Balkan Olympic Games“ organisiert. Auch eine eigene Fußballmannschaft trainiert zweimal die Woche. Denn nach Minko Wassilewski ist ein Unternehmen wie ein dreibeiniger Stuhl  : Ein Bein sind die zufriedenen Kunden, das zweite hochmotivierte Mitarbeiter und das dritte die Zufriedenheit mit der Unternehmensführung. Wenn ein Bein wegfällt, kippt der Stuhl. Mitarbeiteranzahl Schenker Bulgarien 1992

3

1993

5

1996

22

2000

61

2004

117

2008  

151

2010

145

2012

173

Auch in der Sportlogistik ist Schenker Bulgarien aktiv. 2002 wurde die Landesgesellschaft offizieller Logistikpartner für den World Motorcross Championship in Sevlievo mit 190 Teilnehmern, was werbemäßig ein „Schenker-Rennen“ war. Im Mai 207

Regionales Headquarter Europa Südost

Aqua Delia

Hoher Besuch

Logistics Partner in Bansko

2006 wurde vom Vizekanzler und Minister für Bildung und Wissenschaft das fünfte Straßenbasketballturnier eröffnet. Seit 2002 hatten mehr als 5.000 Jugendliche an dem Turnier teilgenommen, das unter dem Namen „SK Streetball Schenker“ lief und große Medienpräsenz hatte. 2007/8 wurde Schenker offizieller Logistikpartner des Ski Europa Cup und 2009 des Ski World Cup in Bansko, Bulgarien. 80 Tonnen Ausrüstung für Tribüne, Elektronik und Zeitmessung, Zelte für Journalisten und Gäste waren zu bewältigen. 2012 lieferte DB SCHENKER sportsevent 500 Tonnen Fracht in das Skigebiet Bansko. Für die gesamte Logistik des Rennens war Schenker Bulgaria verantwortlich, was 208

Bulgarien

Auszeichnung durch den Kulturminister

Auszeichnung

Schwertransport

209

Regionales Headquarter Europa Südost

Sofia Kundenveranstaltung

durch die Höhenlage von 2.000 m erheblich erschwert wurde. Nach Abschluss wurde auch der Rück- bzw. Weitertransport des Materials übernommen. Minko Wassilewski war letztlich bei allen großen Veranstaltungen in Sofia mit dabei, um die Marke Schenker bekanntzumachen. Dazu diente ihm vor allem auch Kultursponsoring. So unterstützte er etwa Aqua Delia, einen Chor für bulgarische Kirchenmusik, bei seiner Tournee ins Ausland. Dafür kam Schenker an erster Stelle des staatlichen Registers für Mäzenatentum. 210

Griechenland/Türkei

Customer Event Rafting 2005

SK Streetball Schenker

An Veranstaltungen für Kunden wurde ein Green Logistics Event durchgeführt, Golfturniere und Veranstaltungen bei der Eröffnung von Niederlassungen, die stets außerordentlich gut besucht waren. Weihnachtsfest gibt es auch für Kunden und Mitarbeiter. 2012 wechselte Helmut Schweighofer in den Vorstand von Schenker Österreich und Südosteuropa mit den Verantwortungsbereichen Bahn, Luftfracht, Zoll und Messen. Frank Markovits übernahm nun die Geschäftsführung von Schenker Bulgarien. Der Österreicher Frank Markovits ist gelernter Spediteur und war seit dem Jahr 2000 bei Schenker Wien und dem regionalen Head Office Europa Südost im Bereich Luftfracht tätig. Griechenland/Türkei Diese Landesgesellschaften gehören zwar auch zum Schenker Headquarter Europa Südost, da ihnen aber die planwirtschaftliche Phase erspart blieb fallen sie nicht unter das Thema Transformation und werden hier nicht behandelt.

211

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Finnland Im Transportbereich ist Finnland ein besonderes Land. 95 % des Außenhandels gehen über das Meer, das Land ist eben und bis auf einige Regionen im Norden können Lieferungen innerhalb von 24 Stunden erfolgen. Kalte Winter und heiße Sommer kennzeichnen das Klima, im Norden geht die Sonne im Sommer für 73 Tage nicht unter und im Winter bleibt es für 51 Tage lang Nacht. Holz ist nach wie vor das wichtigste Rohmaterial, aber Maschinenbau und vor allem Hochtechnologie (Nokia etc.) sind wichtige Exportgüter. Finnland verfügt über eine gute Infrastruktur, ein hohes Bildungsniveau und zählt zu den fortschrittlichsten Ländern der Europäischen Union (1995 EU -Betritt, 2002 Einführung des Euro). Es ist aber auch durch eine wechselvolle Geschichte mit der Sowjetunion/Russland und die Nachbarschaft zu Osteuropa gekennzeichnet. Dies führte dazu, dass Schenker Finnland auch die Funktion des regionalen Headquarters Europe East übertragen wurde. Die Geschichte von Schenker in Finnland ist so komplex, dass sie wahrscheinlich nur ein Finne wirklich durchschauen kann. Sie ist durch die Übernahme einer ganzen Reihe von Speditions- und Transportunternehmen charakterisiert. Die Entwicklung ähnelt der in Deutschland in den 1920er Jahren, wo durch Erwerbungen und Neugründungen eine große Organisation aufgebaut wurde. 1996 wurde SchenkerKaukokiito Oy in Helsinki gegründet, die älteste Wurzel des heutigen Unternehmens geht jedoch auf Kiitolinja, Kuljetuskeskus Oy zurück, ein Transportunternehmen, das am 27. März 1930 von Leino Lahtikari aus Tampere (1906  –  1987) errichtet wurde. Der 24-jährige Sportsman war mutig genug, am Beginn der Weltwirtschaftskrise eine schnelle und zuverlässige Transportverbindung aufzubauen. Aufgrund seiner Erfahrung aus den USA und dem europäischen Ausland bot er ein Paketservice an und erkämpfte sich die behördlichen Genehmigungen für Transporte zwischen Tampere und Helsinki. Das war harte Arbeit, da praktisch alle Regierungsstellen da213

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

gegen waren. Der Zweite Weltkrieg unterbrach den Aufbau. Die meisten Mitarbeiter wurden eingezogen, die Lkw beschlagnahmt und man konnte nur mit Pferdefuhrwerken notdürftig weiterarbeiten. Am 2. März 1940 wurde das Büro- und Lagerhaus bombardiert und brannte aus. Nach dem Krieg konnte alles wieder aufgebaut werden und die Marke „Kiitolinja“ wurde für ihre großen Lkw und schnellen Lieferungen bekannt. 1954 wurde Kiitolinja Oy ins Handelsregister eingetragen. Die Lkw mit den Lizenzen wurden an die Fahrer weitergegeben, die so am Unternehmen beteiligt wurden. Die neue Gesellschaft konzentrierte sich auf die Entwicklung eines Transportnetzwerks über das ganze Land und wuchs rasch. Von den USA hatte Lahtikari das System der Trailer übernommen, bei dem Zugmaschinen und Anhänger getrennt waren. 1961 schlossen Kiitolinja Oy und Finnexpress Oy ein Kooperations-Agreement, bei dem Kiitolinja den nationalen Transport und Finnexpress den internationalen Verkehr übernahmen. Ende der 1960er Jahre bestanden bereits 38 regelmäßige Transportverbindungen zwischen den finnischen Städten. Die Ausrüstung wurde verbessert und das Service rationalisiert. Auch die 1970er Jahre waren eine Zeit der großen Veränderungen. Neue Anlagen wurden errichtet und das Head Office wechselte von Tampere nach Helsinki. Reino Lahikari führte ein Aktien-Bonussystem ein, um die beteiligten Transporteure in die Entwicklung einzubinden. Damit verbunden waren Bemühungen um die Verbesserung der Qualität, der Vergrößerung der Transporteinheiten und die Verbesserung des Marketing. Die 1980er Jahre sahen im gesamten Speditionsbereich Finnlands eine Konzentration und zahlreiche Übernahmen. Lahtikari übertrug nun das gesamte Aktienkapital der Kiitolinja Oy an die Transportunternehmer. Neue Wettbewerber kamen auf den Markt und 1988 wurde eine nationale Marketingorganisation aufgebaut. Im selben Jahr erwarb die Speditor Gruppe die Mehrheit von Kiitolinja Oy. Damit wurden die Funktionen der beiden Unternehmen zusammengelegt und rationalisiert. Internationalisierung und Konzentration kennzeichneten auch die 1990er Jahre, aber auch Qualität und Umweltfragen gewannen an Bedeutung. 1990 erwarb die schwedische Bilspedition (BTL) das gesamte Kapital der Speditor und wurde so auch Eigentümerin von Kiitolinja. Das Unternehmen brachte 1991 mit dem Paketdienst Pakettillinja ein neues Produkt auf den Markt und etablierte eine neue Kiitolinja-Kette. In Finnland konzentrierte man sich auf Produktentwicklung und Informationssysteme. 1998 wurde BTL mit Schenker zusammengeführt und Kiitoliikenne Saari Oy wurde zu Schenker Cargo Oy. 2008 wurde der Firmenname aller Schenker-Gesellschaften DB Schenker. 2010 feierte man daher 80 Jahre Schenker-Landtransporte in Finnland. Soweit aus der Sicht dieses Unternehmens. Daher ging die Entwicklung von Schenker Finnland neben den einheimischen Unternehmen vor allem auf die schwedische BTL zurück. Schenker selbst errichtete erst 1996 eine Niederlassung, die Schweden waren bereits wesentlich früher im Land. 214

Finnland

1989/91 ging Schenker im Rahmen der Privatisierung von der Deutschen Bundesbahn an die Stinnes AG , die sie mit dem Speditionsbereich ihrer Tochter Rhenus zusammenführte. 1997/9 erwarb Stinnes BTL , mit der Ausnahme von Wilson. In Ländern, in denen BTL und Schenker vertreten waren, wurden diese zu SchenkerBTL zusammengeführt. 2002 ging Schenker wieder in das Eigentum der Deutschen Bahn auf deren Weg zum globalen Logistikdienstleister über. Schenker wurde schließlich zu DB Schenker, unter dem Dach der Deutschen Bahn. Die heutige starke Stellung von Schenker in Finnland hat daher ihre Wurzeln im Zusammengehen mit der schwedischen BTL . Die Vorläufer von Schenker Finnland, Speditor/Scansped, schienen zeitweise mehr den Charakter einer Investmentgesellschaft als den einer Spedition gehabt zu haben. Die Anzahl der Gesellschaften ist verwirrend, aktiv waren aber immer Speditor/Scansped/Schenker, die anderen Firmen wurden zumeist als Marke für bestimmte Produkte weitergeführt. Speditor hatte 53 Beteiligungen, aber lediglich drei machten tatsächlich Geschäfte, der Rest waren Vermögensverwaltungen, wie Henry Fagerström feststellte. Ohne Garantie auf Vollständigkeit verlief die Bildung der finnischen Speditionsgruppe in folgenden Schritten  : 1985 – wurde die Speditor Oy in Finnland durch die Investmentfirma Spontel Oy. gegründet, die sich durch Übernahmen rasch erweiterte. 1990 verfügte die Gruppe bereits über 22 Beteiligungen  : Oy Lars Krogius Ab Oy Krogius Shipping Ab Oy Hangö Stevedoring Ab Merihuolto Oy T.I.E. International Transport Ltd Oy Scantrail Ab Oy Polar-Express Ab Polar Aircargo Oy Oy Datatrans Ltd Tanksped-VTG Oy, Preussag Gruppe Kiitolinja Oy Finnexpress Oy Oy Finnfrigo Ab Helsinki Motorships Oy Juvanmalmin Terminaalite Oy Oy EDI Management Finland Ltd Oy TKN-Invest Ltd Sundrouten AG 215

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Oy Nakutrans Ltd Cargo Express Oy Oy Waski-Trans Ab 1988 – wurde die gesamte Saari Group (Eigentümer Veikko, Heikki und Erkki Saari) übernommen. 1990 – kam es zu einer Kooperation mit Finncarriers und Speditor übernahm 100 % der Cargo Express Oy. 1990 – Im September übernahm Bilspedition Ab (BTL) 100 % der Anteile von Speditor und führte die Verkehre zusammen. Die Überseeaktivitäten wurde bei Merihuolto in enger Zusammenarbeit mit Wilson & Co Ab konzentriert. Cargo Express, Polargarment und Oy Scantrail Ab wurde zu 100 % übernommen, Oy Datatrans Ltd an Oy TKN -Invest Ltd. verkauft, 20 % der ASG von Finnexpress gekauft, die Finnexpress selbst an die Oy Polar-Express verkauft. 1991 – P.Salonan Oy und Oy Hellstrad & Co Ab gingen an Helsingin Kaukokiito Oy, Scansped Oy übernahm die Waski-Trans zu 100 %, Oy Hangö Stevedoring Ab wurde verkauft. 1993 – Die Beteiligung an der Kiitolinja Oy lag nun bei 99,2 %. 1994 – Im Februar ging Speditor Oy in der Scansped Group Oy auf. 1995 – Am 10. Oktober wurde die Oy Bilspedition Transport & Logistics BTL Öst Ab als neue Holding über der Scansped Group eingerichtet. 1996 – Am 22. April wurde das europäische Geschäft der Oy Huolintakeskus Ab übernommen, ebenso Wilson. Am 31. August wurde Frigotrans-Green Line Oy von Scansped Oy erworben. Schenker-Kaukokiito Oy wurde als Joint Venture der Schenker-Rhenus AG und der Varsinais-Suomen Kaukokiito Oy in Helsinki gegründet. 1997 – fusionierte Schenker mit BTL . 1998 – Im Oktober wurde die Scansped Group zu BTL Equipment Oy, Oy Bilspedition Transport & Logistics BTL wurde zu Oy BTL East Ab und Scansped zu Schenker-BTL Oy. 1999 – Am 28. Dezember wurde Oy BTL East Ab zu Oy Schenker East Ab, Wilson wurde im April verkauft. 2000 – Am 29. Dezember wurde das gesamte Lagergeschäft der Kiitolinja Oy durch Oy Schenker East Ab erworben. 2001 – Mit Januar wurden die Immobiliengesellschaften von Huolintakeskus losgelöst und an John Nurminen verkauft. Ende des Jahres wurde die Filiale von Schenker International (A&S), internationales Luft-, See- und Messegeschäft, und Schenker-Kaukokiito Oy an Schenker BTL Oy angegliedert. Schenker BTL Oy wurde zu Schenker Oy, auch das Service der Cargo Ex216

Finnland

press Oy, Kiitojakelu Oy und Pakettilinja wurde unter dem Namen Schenker Express Oy zusammengefasst. 2002 – Die Registrierung von Schenker Cargo Oy in diesem Jahr verwies auf die am 7. Juli 1961 gegründete Kiitoliikenne Hellberg und nach 1989 Kiitoliikenne Saari Oy, die von den Finnen Aleksander Hellberg und Oiva Välimäki gegründet worden waren.1989 war Speditor mit 53 %, Finish Cargo mit 35 % und John Nurminen mit 12 % an diesem Unternehmen beteiligt. Im März wurde Kiitoliikenne Saari Oy zu Schenker Cargo Oy. Im Juli 2002 übernahm die Deutsche Bahn die Stinnes AG und damit auch deren Tochter Schenker. 1996 – wurde Schenker-Kaukokiito Oy in Helsinki gegründet. 2008 – Am 6. Juni wurde JOT Logistiikka Oy und Jot Palveluvarastot Oy von Oy Schenker East Ab erworben. 2009 – wurde Schenker Express Oy und 2010 JOT Logistiikka mit Schenker Cargo Oy zusammengeführt. Das Transshipment Business von Schenker Oy stand nun unter der Leitung von Schenker Cargo Oy. 2010 – Im Juli wurde das finnische Geschäft von Hangartner Oy (Aarau/Schweiz) von Schenker Oy übernommen. Am 27. Oktober ging Oy Schenker East AB in das Eigentum der DB Mobility Logistics AG , Berlin, über. Am 30. September wurde Schenker Oy registriert. In dieser Registrierung wurde die historische Entwicklung des Firmennamens angegeben  : 30. März 1961 – 2. Oktober 1990  : Oy Polar-Express Ab 3. Oktober 1990 – 1. Oktober 1998  : Scansped Oy 2. Oktober 1998 – 30. Juli 2001  : Schenker-BTL Oy 31. Juli 2001  : Schenker Oy Als parallele Business-Namen schienen auf  : 217

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

• • • • •

Polar-Sped, für Zollabwicklung Polar-Fair, für Messen und Ausstellungen Polarfrakt, Transportgeschäft in den nordischen Ländern Frigosped, Thermotransporte Polar-Express, Transporte zwischen Finnland und Kontinentaleuropa

Die Oy Polar-Express Ab war am 28. Februar 1961 mit einem Kapital von fünf Millionen Finnmark gegründet worden, Managing Director Seppo Eerikäinen, und wurde am 4. Dezember 1990 an Scansped verkauft. • • • • • • • • •

Autotransit-ATA , Spezialtransporte Scansped, Transporte zu den baltischen Ländern HK-International, Motor Transport Service für Air Cargo Baltic Transport, Spezialtransporte zwischen Nordeuropa und den baltischen Ländern Paneuropa Penta Group, planmäßige Transporte in Europa HK-Jakelu, Lkw-Transporte in Städten Frigotrans-Green Line, Tiefkühllebensmittel zwischen Finnland und Kontinentaleuropa Coldsped, Tiefkühlwaren-Lkw-Transporte in Europa Hangartner, Intermodiale Transporte

2012 – Am 12. Januar erwarb Oy Schenker East Ab das gesamte Kapital der finnischen Transportfirma Suomen Kiitoautot Oy. Sieht man von Kiitolinja Oy ab, so war der Beginn von Schenker Finnland 1985 mit der Gründung der Speditor Oy und ihren Beteiligungen. Mit der Übernahme der Saari Group wurde der nationale Transport reorganisiert, ein Fährenverkehrsservice HankoKiel und Hangösteve wurde eingerichtet, Air Cargo bei der Polar Aircargo konzentriert, eine Equipment Administration als Kostencenter und ein Real Estate Development (Castrum) wurden etabliert. Henry Fagerström wurde 1988 Executive Vice President von Finnexpress und 1989 Mitglied des Board of Directors der Speditor Oy. 1990 kam es zu einer Kooperation mit Finncarriers, da beide Unternehmen in den Geschäftsbereich des jeweils anderen eingedrungen waren. Speditor war in internationaler Spedition und im nationalen Lager- und Distributionsgeschäft tätig, Finncarriers dagegen in der europäischen Linienschifffahrt, in Hafen Terminal und Distribution. Diese hatte aber ihr Door-to-Door-Service auch auf die baltischen Länder ausgedehnt und Terminal- und Distributionsakivitäten in Finnland in Richtung Holzindustrie und homogene Produkte entwickelt. Speditor selbst hatte mit einem Linienverkehr mit gecharterten Schiffen in der baltischen See begonnen, als Teil der Strategie der integrierten Transportketten zwischen Finnland und Kontinentaleu218

Finnland

ropa. Ziel der Kooperation war eine engere Zusammenarbeit, die nach zwei Jahren neu bewertet werden sollte. Beide unterzeichneten einen Fünfjahresvertrag, um dem anderen wettbewerbsgünstige Konditionen anzubieten und sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Der nationale Verkehr von Speditor wurde auf Kiitoliikenne Saari konzentriert und Rahtia als nationale Verteilungsgesellschaft eingerichtet. Allerdings war das Geschäft in Finnland eindeutig unprofitabel, vor allem bei einzelnen Beteiligungsgesellschaften. Dennoch wurde ein Terminalprojekt in Vyborg als Joint Venture mit der Sowjetunion vorbereitet. Dazu wurden 20 ha Land am Rand von Helsinki erworben und es war eine Investitionssumme von 27 Millionen Finnmark vorgesehen. Durch den Zerfall der Sowjetunion aber ging das Geschäft zurück, Speditor erreichte nicht die Budgetvorgaben und wurde defizitär. Bereits 1989 gab es daher strategische Überlegungen zum Zusammengehen mit einem internationalen Konzern, wie Bilspedition, Schenker, Kühne & Nagel, LEP oder Panalpine. Denn durch die schwierige Marktlage wurde die Anlehnung an einen starken Partner rasch zu einer brennenden Frage. Im Februar 1990 wurde noch eine strategische Allianz mit der Scansped Gruppe ins Auge gefasst. Alle internationalen Lkw-Transporte sollten dabei unter dem Namen Scansped laufen. Doch bereits im September 1990 übernahm Bilspedition Ab (BTL) 100 % der Anteile von Speditor und führte die Verkehre zusammen. Gekennzeichnet war dieses Jahr durch erhebliche Bemühungen, die Profitabilität der nationalen Verkehre zu verbessern. Die Überseeaktivitäten wurde bei Merihuolto in enger Zusammenarbeit mit dem BTL -Tochterunternehmen Wilson konzentriert. Im September 1990 wurde Henry Fagerström CEO der Scansped Oy. 1991 befand sich Finnland durch die Desintegration der Sowjetunion in einer tiefen Rezession. Das finnische Unternehmen konzentrierte sich aber dennoch auf Russland und die baltischen Staaten. Die Gruppe machte Verluste, die nationalen Verkehre waren eindeutig unprofitabel, verstärkt durch einen Streik im Transport und im Hafenbereich. Gerade in diesem Jahr positionierte sich Scansped Oy aber als Marktführer. Die Kiitolinja Chain wurde eingerichtet und neue Produkte, wie der „Pakettilinja“-Paketdienst, Nordpak und temperaturkontrollierte Transporte, in Finnland eingeführt. Am 7. April 1995 wurde das Qualitäts-System ISO für alle Verkehre der Kiitolinja zertifiziert. Neben seiner Position als CEO der Speditor Oy wurde Henry Fagerström im März 1992 auch CEO der Kiitolinja Oy. Die gesamte Gruppe beschäftigte nun 1.740 Personen, das Geschäftsergebnis war positiv. BTL setzte seine Investitionen in Russland und den baltischen Staaten durch Errichtung von Scansped-Niederlassungen fort. Auch 1993 war das Geschäftsergebnis von Scansped gut, lediglich das Geschäft in Finnland selbst war noch unprofitabel, doch 1994 erreichte man auch dort schwarze Zahlen. Nicht zuletzt, da die Zahl der Mitarbeiter von 1992 bis 1994 um 347 redu219

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Göran Åberg

Henry Fagerstrom

Igor Stjerbakoff

Mikael Dalenius

Jouni Sopula

Petteri Nurmi and truck

220

Finnland

ziert worden war. Mit der Übernahme der 179 Mitarbeiter und des europäischen Geschäfts von Huolintakeskus und Wilson 1996 konnte langfristig die Profitabilität gesichert werden. Die Gruppe expandierte nun in neue Geschäftsfelder  : Fashionet, Bahn und Holztransporte über Finnlands Ostgrenze. Auch das Lagerhausgeschäft expandierte signifikant. 1997 wurde das Service der Kiitolinja weiterentwickelt. Die nationalen und internationalen Aktivitäten wurden in Metsälä zusammengeführt und die Verwaltung vereinigt. Im Westen Finnlands erweiterte Kiitolinja Saari seine regionale Repräsentation. 1996 kam auch Schenker mit ins Bild. In diesem Jahr wurde Schenker-Kaukokiito Oy in Helsinki errichtet. Schenker wurde für westeuropäische Partner gegründet, das nationale Geschäft lief über Kaukokiito. 1997 hatte die Firma 28 Beschäftigte und Büros in Tampere, Turku, Lahti und Pori. Unter der Leitung von Hannu Pesonen war sie im nationalen Landtransport und im Transit nach Russland aktiv. Der JointVenture-Partner, die Kaukokiito Gruppe, war ein starkes Unternehmen mit 2.500 Beschäftigten, einem Jahresumsatz von 700 Millionen Finnmark und verfügte im Helsinki-Logisticscenter über ein Terminal von 38.000 m2. Mit der Fusion von Schenker-Rhenus und BTL wurde deren Geschäftsaktivitäten auch in Finnland zusammengezogen. 1998 erreichte Schenker-BTL Oy mit 2.679 Beschäftigten unter der Leitung des Managing Directors Henry Fagerström ein sehr gutes Gewinnergebnis im nationalen Transport und eine positive Entwicklung im internationalen Geschäft. Die Netzwerkaktivitäten von Schenker wurden nun nach Abschluss der zahlreichen Übernahmen und Umstrukturierungen stabil. Schenker Finnland wurde nun auch die Funktion eines regionalen Headquarters Europe East übertragen, als Bindeglied zwischen den dortigen Landesgesellschaften und der Zentrale in Deutschland. Die Konkurrenzsituation waren allerdings hart und die Aufrechterhaltung der Profitabilität eine erhebliche Herausforderung. Durch die Erwerbung des Lagergeschäfts der Kiitolinja Oy und die Eröffnung eines neuen Zollagers 1999 im Logistikcenter in Kouvola, einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt im Süden Finnlands, erweiterten sich die Kapazitäten wesentlich. Auf einer Fläche von 64.000 m 2 entstand 1999 ein Lager von 10.000 m2 Fläche mit zehn Rampen, temperiert (von minus 23 bis plus 15 Grad), entsprechenden Transportausrüstungen und Sicherheitssystemen. Das Center erleichterte und beschleunigte die Verkehre von und nach Russland. Im Oktober 2000 wurden Schenker die Transportagenden des finnischen Kupferunternehmens Outokumpu Poricopper Oy übertragen. Dies war eine besondere logistische Herausforderung, da an die 85.000 Tonnen jährlich, davon über 90 % ins westliche Ausland, zu transportieren waren. Mit dem Unternehmen hatte Schenker schon seit Jahren zusammengearbeitet, aber nun wurde der gesamte Transportbereich zentralisiert. Das Kupferunternehmen konzentrierte sich auf sein Kerngeschäft und Schenker übernahm aufgrund des weltweiten Netzwerks die Transportagenden. 221

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Mit Januar 2001 begann eine entscheidende Restrukturierung des Geschäfts in Finnland. Ende des Jahres wurde Schenker BTL Oy zu Schenker Oy und das Service von Cargo Express Oy, Kiitojakelu Oy und Pakettilinja wurden unter dem Namen Schenker Express Oy zusammengefasst. 2001 war Schenker Marktführer in allen Bereichen von Transport und Logistics und sprach für die gesamte finnische Speditionsindustrie. Schenker war das führende Transportunternehmen mit täglichen Sammelverkehren von und nach ganz Europa. Umweltfragen wurden ernst genommen und das Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitssystem im April 2001 zertifiziert. Im Jahr 2000 hatte Schenker Finnland folgende Struktur  : Landtransport und Logistics Umsatz

1,2 Milliarden Finnmark

Mitarbeiter

430

Ausrüstung

1.650 Einheiten

Sendungen Tonnen Büros

517.000 2.690.000 11

Nationales Netzwerk Umsatz

1,05 Milliarden Finnmark

Mitarbeiter

2.200

Ausrüstung

920

Sammelverkehre

3,7 Millionen

Paakettillinja Sendungen

1,5 Millionen

Tonnen

3,7 Millionen

Terminals

18

Nationales Express Paketservice Umsatz Mitarbeiter

140

Ausrüstung

240 Einheiten

Sendungen Terminal

222

94 Millionen

2 Millionen 1 in Helsinki

Finnland

Im Juli 2002 übernahm die Deutsche Bahn Stinnes und damit auch deren Tochter Schenker. 2003 hatte die finnische Gruppe einen Operating Profit von 26,2 Millionen Euro. Im März 2002 wurde Kiitoliikenne Saari Oy in Schenker Cargo Oy umbenannt. In diesem Jahr wurde ein Logistikcenter in Kouvola mit 14.500 m2 Größe eröffnet. Kouvola ist mit der nahen Grenze zu Russland und zur Transsibirischen Eisenbahn ideal gelegen für Transport, Lagerfunktion und Logistikservice. Damit hatte Schenker an diesem Standort bereits 40.000 m2 an Transitlager zur Verfügung. Angeschlossen war ein 7,1 ha großes neues Containerterminal. Am 26. November 2004 unterzeichnete das finnische Olympische Komitee eine fünfjährige Kooperationsvereinbarung mit Schenker. Das Unternehmen wurde damit bis 2008 offizieller logistischer Partner des finnischen Teams. Schenker hatte schon vorher mit dem Komitee zusammengearbeitet und entsprechend der Politik des Schenker-Konzerns war auch Schenker Finnland daran interessiert, den Sport in seinem Land zu fördern. 2006 wird ein neues Terminal in Oulu, 620 km nördlich von Helsinki eröffnet. Obwohl auch in Finnland der Transportanteil der Bahn zurückging (von 10,4 % im Jahr 1991 auf 8 % im Jahr 1999), war für diese Strecke der kombinierte Verkehr sowohl zeit- wie kostenmäßig günstiger. 60 % der Straßentransporte wurden für diese lange Strecke auf kombinierte Verkehre umgestellt und an die 5.000 Trailer jährlich in beide Richtungen bewegt. Schenker-Gruppe in Finnland Jahr

Umsatz in Millionen Euro

Operating Profit

Mitarbeiter

98

7

2.164

1991

92

–14

2.246

1994

264

22

1.393

1989

2000

445

9

2.528

2006

548

32

2.685

Mit der Erwerbung der JOT Logistiikka Oy und Jot Palveluvarastot Oy 2008 erweiterte Schenker sein Lieferservice einschließlich Installation und Recycling der Produkte. Jot Logistiikka, gegründet 2003, war in „full service home delivery“ unter der Marke Jot Kotijakelu spezialisiert. Das beinhaltete den Transport direkt an die Kunden, die Installation und die Rücknahme vor allem von weißen Waren (Kühlschränke etc.) und Möbeln. Sie hatte etwa 50.000 Lieferungen jährlich mit 90 Mitarbeitern, die weiter beschäftigt wurden. 223

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

2007 Opening in Turku

DBSchenker-Viinikkala

Ilvesvuori Warehouse Aerial

Turku Logistics Hub aerial view

Metsälä aerial view

Am 30. September 2010 erfolgte die Registrierung der Schenker Oy, Göran Aberg wurde Managing Director und Chairman of Board. Members of Board waren Mikael Dalenius und Jouni Sopula. Der Finne Göran Aberg hatte an der Swedish School of Economics and Business Administration in Helsinki studiert. Nach einiger Berufs224

Finnland

erfahrung kam er 1987 als Direktor zur Oy Polar-Express Ab, wurde 1990 Direktor der Scansped Oy, 1995 Deputy Managing Director und 1999 Managing Director der Scansped Oy-Schenker-BTL . Ab 2006 war er zusätzlich CEO der Oy Schenker East Ab als Regional Director Europe East. Neben einigen anderen Funktionen hatte er auch die Position des Chairman of the Board der Finnish Forwarding Association. Mikael Dalenius war seit 1990 Finanzdirektor der Kiitolinja Chain. Dann wurde er ab November 1995 verantwortlich für das Controlling der Scansped Gruppe in Goteburg. 2010 begann man mit der Errichtung einer Logistikanlage in Kila bei Helsinki. Die bisherige Anlage in Metsäla bot keine Expansionsmöglichkeit mehr und wurde von der regionalen Regierung in ein Wohngebiet umgewidmet. Gleichzeitig wurde mit einem neuen Hub und Corporate Office für Finnland in Vanta, nahe dem Flughafen von Helsinki, begonnen. Mit einer Investitionssumme von 45 Millionen Euro war es bei weitem das größte bisherige Projekt. Als erster Schritt wurde ein Komplex für Lager- und Logistikfunktionen in der Länge von 280 m auf 25.000 m2 in Kila gebaut. Landtransportaktivitäten wurden in Tikurilantie nahe dem Flughafen konzentriert. Ein 41.000 m2 großes Logistikcenter für nationalen und internationalen Landtransport, Luft-, See- und Paketservice war in Planung. 700 Parkplätze für Autos, Trailer und Container standen auf einem Gebiet von 15 ha zur Verfügung. Am 17. April 2007 eröffnete Schenker Cargo am Hafen von Turku das erste finnische Logistikcenter für multimodalen Service. Die Konstruktion umfasste 30.000 m2 mit einem Gebäude von 22.000 m2 und einer Investitionssumme von 14 Millionen Euro. Schenker hat das Terminal langfristig geleased. Die Anlage, temperaturkontrolliert, kombinierte Land-, See- und Bahntransporte. Sie bot die Möglichkeit, Waggons, die mit der Fähre ankamen, direkt am Lagerhaus zu entladen. Die Anlage verfügte über beide Bahnspurenweiten, sodass hier kein Extraaufwand notwendig war. Das Center war vor allem für die Verkehre von und nach Skandinavien, Russland und in den Fernen Osten von Bedeutung und sollte auch die Verkehre über die Transsibirische Eisenbahn beleben. Insgesamt sollte es die europäischen Bahntransporte anregen. Im Januar 2008 übertrug Miele an Schenker Finnland die Logistik. Mieles eigenes Lager in Hanko übersiedelte zu Schenker in den Hafen von Turku. Von dort wurden Miele-Ersatzteile durch das Schenker-eigene Paketservice, Schenker Express Oy, über das ganze Land verteilt. 2009 wurde das Turku Distribution Center (TDC) um weitere 10.000 m2 erweitert und für schwerere Güter ausgebaut. Im selben Jahr übernahm Schenker die Logistikfunktion für die Parkettfabrik Karelia-Upflor Oy. Dafür ging ein neues 15.000 m2 großes Logistikcenter in Heinola, an der Autobahn nördlich von Helsinki, in Betrieb. Am 12. Januar 2012 erwarb Oy Schenker East Ab das gesamte Kapital der finnischen Transportfirma Suomen Kiitoautot Oy. Das 1959 gegründete, größte Famili225

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

enunternehmen im finnischen Landverkehr hatte 2010 einen Umsatz von 50,5 Millionen Euro und 441 Mitarbeiter. Damit verfügte die Schenker-Gruppe über zwei Drittel der Kiitolinja-Kette, die sich auf inländische Beschaffung und Distribution spezialisierte. Kiitolinja Oy in Lappeenranta, einer Stadt in Südkarelien, profitierte durch seine Grenzlage sehr von den Russlandverkehren, vor allem beim Export von Konsumgütern. Die Stadt liegt 220 km von Helsinki und „nur“ etwa 1.000 km von Moskau entfernt. Die Entwicklung von Schenker in Finnland ist daher nicht nur durch seine führende Stellung im nationalen Verkehr, sondern auch in Hinblick auf die Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu sehen. Der Transitverkehr in die GUS -Länder stieg seit Anfang der 1990er Jahre stark an. Die relativ kurzen Entfernungen von der finnischen Grenze (St. Peterburg liegt 190 km und Moskau 850 km entfernt), der Sicherheitsstandard, der guter Zustand der Straßen und die einfache Grenzabwicklung erleichterten diese Stellung. Die Grenzformalitäten nahmen nur zwischen einer halben Stunde und zwei Stunden in Anspruch, in Torfjanovka und Brusnichnoe wurden moderne Grenzstationen errichtet. Schenker-BTL bot schon in den 1990er Jahren Komplettladungsverkehre mit Trailer, Container und Thermoeinheiten an, plus tägliche Sammelverkehre nach St. Peterburg und Moskau sowie wöchentliche in die Ukraine. Die Sicherheit der Lkw wurde durch Transporte im Konvoy-System, bewachte Übernachtungsmöglichkeiten für Fahrer, Bewachung durch das Militär oder verlässliche westliche Sicherheitsunternehmen und ein Satellitensystem garantiert. Wichtig war die gute Verpackung der Ware, da das Handling-Equipment in Russland nicht immer westlichen Standards entsprach. Die Zollabgaben waren durch den Empfänger rechtzeitig zu begleichen, um nicht Verzögerungen zu provozieren. Auch der Bahnverkehr hatte sich wesentlich verbessert. Huolintakeskus führte bereits seit 1951 Bahntransporte nach Russland durch. Erleichtert wurde dies durch die gleiche Schienenspurenweite in beiden Ländern. Aufgrund der erheblichen Entfernungen und extremen natürlichen Bedingungen konnten manche Destinationen nicht mit dem Lkw erreicht werden. Es gab eine Kontrolle des Standorts der Güter und Huolintakeskus hatte eine direkte Verbindung mit dem Computer der Russischen Staatsbahn in Moskau. Da Finnland lange die einzige Grenze der EU zu Russland hatte, nutzten internationale Unternehmen die Speditionsmöglichkeiten des Landes. Die langen und stabilen politischen Beziehungen zwischen Finnland und Russland waren auch eine Garantie dafür, dass es keine politischen Hindernisse zwischen den beiden Ländern geben würde. Das Logistics-Service über Finnland wurde mit „Key to your sucess in Russian market“ beworben. Schenker-BTL hatte bereits Anfang der 1990er Jahre mit dem Lagerhausgeschäft für Russland begonnen. Seither wurde es von einigen multinationalen Unternehmen mit den logistischen Aktivitäten betraut. Die geografische Lage ermöglichte die raschen Lieferungen beim Land, Luft- und Seeverkehr. Durch 226

Finnland

die gleiche Spurenweite der Bahn konnten Transporte direkt von den Lagerhäusern auf die Bahn verladen werden. Mit einer Lagerkapazität von 150.000 m2, davon 35.000 m2 für Russland und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, konnte man maßgeschneiderte Logistics-Lösungen für die Kunden bieten. Neben der Zollabwicklung waren Anpassungen an die Standards des russischen Marktes notwendig, darunter Etikettierung, Gebrauchsanweisung, Qualitätskontrolle, Umpackung und Produkt-Mix, entsprechend den Anforderungen der Kunden. Der Verkehr über das EU -Land Finnland minimierte die finanziellen und operativen Risiken und ermöglichte eine Just-in-time-Transaktion. Die Zeit des Aufbaus war vor allem auch durch zwei Persönlichkeiten gekennzeichnet, deren Bedeutung über Finnland hinausging. Das war einmal Henry Fagerström, genannt „Fagu“, der sich selbst nicht als Spediteur, sondern als Organisator und Strukturierer bezeichnete. Er war wesentlich mitverantwortlich für die Entwicklung des Konzerns, nicht nur in Finnland, sondern auch in den osteuropäischen Ländern, die nun dem Head Quarter in Helsinki unterstehen. Sein Name scheint regelmäßig nicht nur bei strategischen Besprechungen, sondern auch im Management oder dem Aufsichtsrat der entsprechenden Gesellschaften auf. „Man muss immer eine zweite Möglichkeit haben“, hatte er von den Investoren der Speditor gelernt. Er hatte schon die Schwierigkeiten bei der Fusion mit Speditor erlebt und den Wechsel des Managements aufgrund der Verluste. 1994 wurde er CEO , ab 1996 war das Unternehmen wieder positiv. Die Veränderungen, als BTL zu Schenker wurde, waren für ihn in Finnland nicht so groß. Die Sprache wechselte zwar von Schwedisch auf Englisch, aber die Mentalität in Schweden und Deutschland war sehr ähnlich. Am Anfang hatte man viele Meetings, um einander kennenzulernen. Ein großer Schock war es lediglich für die Finanzabteilung, da Stinnes ein anderes und aufwendigeres System als BTL hatte. Die Fluktuation der Mitarbeiter in den Ostländern war eher gering. In Russland gab es keinen großen Wechsel, die Leute waren loyal und identifizierten sich mit dem Unternehmen. Auch in den baltischen Ländern blieben die Mitarbeiter bei der Firma, da sie die Investitionen und das Wachstum schätzten und die Möglichkeit hatten, bei einem internationalen Unternehmen zu arbeiten. Manche Mitarbeiter sind daher von Anfang an da. 2004 wurde Henry Fagerström mit dem Titel „vuorineuvos“ geehrt. Dieser Titel, der „mining counselor“ bedeutet, wird vom finnischen Präsidenten an führende Persönlichkeiten der Wirtschaft vergeben. Die zweite Persönlichkeit, vor allem für Russland, war Igor Stjerbakoff. Er spricht Russisch, da sein Vater 1909 von Russland nach Finnland ausgewandert war. Nach dem finnischen Militärdienst wollte er eigentlich Architektur studieren, durch einen Freund des Vaters entschied er sich aber 1964, bei einer Spedition zu arbeiten. Er bearbeitete das russische Lkw-Service und das Geschäft mit Fellen. 1965 hatte der Vertreter in Moskau eine Herzattacke, daher ging Igor Stjerbakoff nach Moskau, um eine internationale Ausstellung zu organisieren. Das war seine erste Erfahrung in 227

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

diesem Geschäft, alles war neu, und er arbeitete mit westlichen Speditionen zusammen. Sieben Jahre lang organisierte er internationale Ausstellungen in Russland. 1967 kam es zu Verhandlungen mit Glavmeshavotrans über internationale Transporte, denn bis dahin gab es dafür noch keine Gesellschaft. So wurde Softransauto errichtet. 1968 schlossen Finnland und Russland ein Road Trans Agreement ab, und er und seine Firma bekamen einen ersten Vertrag mit Softransauto. In den 1970ern und 1980ern organisierte er in Moskau größere Ausstellungen. Die meisten Aussteller kamen von Skandinavien und den USA und einige deutsche Firmen transportierten ihre Ausstellungsgüter über Finnland. Das konnten bis zu 60 Lkw-Ladungen sein. Die Kontrollen waren damals noch sehr strikt, alles musste vorher genau und im Detail für den Import angegeben werden. Die Dänen kamen zur Ausstellung, ihre Angaben zu den Lkw waren aber nur sehr allgemein gehalten. Ein Lkw war als „Küche“ angegeben, ein anderer hatte die Bezeichnung „repräsentative Güter“ usw., ohne genaue Spezifikation. Was sollte Stjerbakoff mit dem Zoll machen  ? Sie öffneten den ersten Lkw, der war voll mit Küchenausrüstung, aber auch mit Kognak, Bier etc., der zweite voller Zigaretten. Die Zöllner wollte alles beschlagnahmen, man musste daher eine Lösung finden. Dann kam der Zollchef persönlich, es wurden aus jedem Lkw eine Teil der Zigaretten, des Cognacs, des Aquavits etc. abgeladen und der Rest vergessen. Das war der einzige mögliche Weg. Diese Art der Handhabung gab es schon vor dem Sowjetsystem und ging sehr weit. So verlangten die Arbeiter in Russland Wodka, für jeden je einen Viertelliter mittags und abends. Auch die Palettenfahrer waren in dieser Zeit häufig betrunken, ebenso die Zöllner. Die Organisation der Spedition in der Sowjetunion bestand aus Monopolisten, Softransauto für den Landtransport, Sojusvneshtrans als offizieller Speditionsagent und Sojustransit als Transitspediteur in Drittländer. Die Transsibirische Eisenbahn hatte eine gewisse Bedeutung, da Finnland dieselbe Spur hat, und war zeitweise ein gutes Transitgeschäft. Die russische Eisenbahn war aber häufig teuer, daher ging es über die Sojoustransit mit Lkw. Die Exporte von Wertgütern betrafen anfangs Teppiche, die von Moskau nach Helsinki gingen und dann weiter nach Europa. Felle und Teppiche gingen per Lufttransport, Holz und Papier mit der Bahn. Die Importe über Finnland betrafen Konsumgüter, Fleisch Eier, Säfte, Textilien, Papier, aber auch Maschinen und Schiffe, keine Hightech-Waren, da diese auf einer Verbotsliste der USA standen. Bereits 1969 hatte es regelmäßige Transporte zwischen Helsinki und Moskau mit Sovtransauto als Partner gegeben. Diese wurde mit der Privatisierung eine Holding Gesellschaft, in der 14 Transportunternehmen praktisch selbstständig arbeiten. 1989, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, hatte sich alles verändert. Der Vertreter, der in Moskau für Scansped arbeitete, konnte von seinem Büro aus Schüsse hören. In Russland fiel die planwirtschaftliche Spezialisierung weg, bei der jede Fabrik nur ein Produkt erzeugte, das dann mit den anderen getauscht wurde. Die Priva228

Finnland

tisierung und Strukturänderung war aber so etwas wie ein Goldrausch, mit entsprechender Geschicklichkeit und freundschaftlichen Verbindungen konnte jeder etwas erwerben, zeitweise war es wirklich der Wilde Osten. Es gab einen großen Boom. Das Verkehrsvolumen stieg stark an. Ursprünglich waren es etwa hundert Lkw im Monat, dann schickte Scansped 224 Lkw pro Woche nach Russland. Bereits Anfang der 1990er Jahre begannen die regelmäßigen Verkehre nach St. Petersburg und Moskau, 1994 auch nach Murmansk und Timashevsk am Schwarzen Meer. 1996 war Scansped die Nummer eins in Transporten nach Russland. Auch die Übernahme von Huolintakeskus hat die Stellung in den Russlandtransporten gestärkt. In St. Petersburg wurde von Softransauto 1994 ein Büro gekauft, mit zwei Räumen in einem Appartement, das 1996 erweitert wurde. In Russland, gab es drei Schenker/Speditor-Gesellschaften, die nicht miteinander arbeiteten. Herr Hartmann, ein russischer Staatsangehöriger und Managing Director von Schenker Russja sträubte sich gegen den Einfluss des Head Quarters in Finnland. Er hatte gute Verbindungen in Moskau, es war aber nicht möglich, mit ihm zusammenzuarbeiten oder die Gesellschaften, wie in anderen Ländern auch, zusammenzuführen. 1996 wurde Stjerbarkoff bei Schenker Finnland für Russland verantwortlich und Berater und Kontrolleur für Schenker in Russland. Es gab viele Diskussionen mit dem Vorstand in Deutschland über Russland, aber Hartmann konnte sich immer wieder behaupten. Für Finnland war die Entwicklung nach der Transformation durchaus positiv. Anfang der 1990er ging das Geschäft steil nach oben, aber mit großen Strukturproblemen in den baltischen Staaten, wo man vor der Frage stand, welche der bisherigen Verträge noch galten. Die Armee fiel dort als Konsument weg, die Elektrizität kam von Russland und wurde nicht mehr geliefert. Die Industrie arbeitete ursprünglich für den Osten, der nun als Markt wegfiel, da westliche Produkte wesentlich billiger und besser waren. Finnland war als Nachbar für die baltischen Länder verantwortlich. Die estnische Sprache ist sehr ähnlich, die Esten konnten das finnische Fernsehen empfangen, daher sprachen sie auch Finnisch. Dort startete man mit drei jungen Leuten. Das war eine gute Zeit, da die Anlagen noch preisgünstig erworben werden konnten. Die baltischen Länder unterscheiden sich kulturell  : Estland liegt am Meer, in Lettland sind 45 % der Einwohner russisch, zum Teil wanderten sie bereits im 19. Jahrhundert ein und sind orthodox. Litauen hat eine lange Geschichte als Teil von Polen, ist katholisch und eher mitteleuropäisch, die Sprache eher wie Tschechisch. Das alles bestimmt das Verhalten, die Länder sind klein und haben entsprechende Infrastrukturprobleme. BTL Schenker East war sein Baby, dann kam Polen dazu, obwohl es anders war als die anderen Länder. In Polen gab es Anfang 1990 zwei Gesellschaften, Schenker BTL für internationale und Spedpol für nationale Verkehre. Polen ist ein großes Land, nahe zu Deutschland, das nationale Geschäft basiert auf dem Lkw. Im Januar 2002 ging Igor Stjerbarkoff, Direktor für Russland und die Ukraine bei Schenker East, in partielle Pension. Er blieb weiter Repräsentant für die Pro229

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Buddy Bear event in Helsinki 2010

jektentwicklung und Kundenbeziehungen für Russland in Helsinki. Die Aktionen in der Ukraine wurden nun von Kari Peltonen, Direktor für die baltischen Länder, reorganisiert. Schenker Finnland 2011  : • Schenker Oy, europäische Landtransporte, weltweite See- und Lufttransporte • Schenker Cargo Oy und Suomen Kiitoautot Oy • Nationale Lager- und Logistikservice • Kiitolinja nationale Landtransporte • Expresspaketservice • Full-Service home Delivery • Rengaslinja Oy • Logistik für Nokian Tyres plc • Oy Schenker East ab • Regionales Headoffice Ost für die globale DB Schenker Gruppe • Nationale Landtransporte und Logistikservice • tägliche Sammlung und Distribution • 1.270 Fahrzeuge, 20 Terminals, 5 Service Points, Umsatz  : 315,6 Millionen Euro 230

Finnland

2012 Ilvesvuori day for families

2008 Salpausselkä Skiing

Management von drei Verkehrsregionen durch  : • Schenker Cargo Oa • Suomen Kiitoautot Oy • Vähälä • Schenker Cargo Oy ist für die nationalen Verkehre von Kiitolinja verantwortlich Internationale Aktivitäten  : • Umsatz  : 282,3 Millionen Euro • Beschäftigte  : 350 • Ausrüstung  : 1.500 Einheiten • Sendungen   :510.000 • in Tonnen  : 2.730.000 • Offices  : 10 231

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

2000 Recreational day Metsälä Helsinki

2012 Joulupuu Presents for kids

Nationale Aktivitäten  : • Umsatz  : 289,0 Millionen Euro • Mitarbeiter  : 1.355 • Ausrüstung  : 1.460 Einheiten • Sammelverkehre  : 4.290.000 • Pakete  : 2.870.000 • in Tonnen  : 5.010.000 • Terminals  : 17 Mit dem 1. Januar 2014 wurde die Landesgesellschaft Finnland vom regionalen Headquarter getrennt. Unter der Leitung von Göran Aberg kam es zur Errichtung des Headquarters Europa Nord/Ost in Göteborg, dem neben den bisherigen Landesgesellschaften, Finnland und die Oststaaten, auch Schweden, Norwegen, Dänemark, Großbritannien und Irland zugeteilt wurden.

232

Estland

Estland Bei den baltischen Ländern war die Geschäftsmöglichkeit eng mit den politischen Verhältnissen verbunden. Estland, Lettland und Litauen waren bis zum Ersten Weltkrieg Teil des zaristischen Russlands und wurden mit dessen Niederlage 1917 selbstständig. Die Selbstständigkeit währte aber nicht lange. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 wurden sie der sowjetischen Einflusszone zugesprochen. Die deutschsprachige Bevölkerung verließ die Region, die 1940 von der Roten Armee besetzt wurde. Mit dem Angriff auf die Sowjetunion 1941 kamen sie unter deutsche Herrschaft, die bis 1945 andauerte, bis die Sowjetunion die Länder wieder eingliederte. 1989 erreichten sie neuerlich ihre Selbstständigkeit. Das menschliche Leid durch diese politischen Veränderungen – Krieg, Ermordung, Umsiedlung, Vertreibung und Zwangslager – war erheblich und die Zusammensetzung der Bevölkerung in den einzelnen baltischen Staaten hat sich stark verändert. Die Loslösung der baltischen Staaten von Russland 1917/8 ließ durch die Lage an der Ostsee große Geschäftsmöglichkeiten nach Russland erwarten. Dies war für Schenker-Berlin ein Anlass, sich in diesen Ländern so rasch wie möglich mit eigenen Geschäftsstellen niederzulassen. Das erste Büro wurde 1920 in Memel (heute Klaipeda), einer Hafenstadt in Litauen, eröffnet, am 23. Februar 1921 kam in Estland Tallin, Rataskaevu Nr. 22, hinzu, 1924 Tartu, 1925 Valga, 1926 in Lettland Riga mit Zweigniederlassungen in Liebau (Liepaja) und Dünaburg (Daugavpils). Hingegen erschien in Litauen die Gründung einer eigenen Gesellschaft nicht notwendig, da diese von der schon 1920 errichteten Zweigniederlassung in Memel mitbetreut werden konnte. Der Beschäftigtenstand der Baltikum-Filialen betrug insgesamt rund hundert Personen, davon entfielen allein auf Reval vierzig Mitarbeiter. An die 100 Beschäftigte waren für Schenker in den baltischen Staaten tätig, vor allem in den Bereichen Bahn- und Seetransporte, Lagerhaus und Zollabwicklung. Schenker wurde zum Marktführer in diesen Ländern als Brücke zu Russland und in enger Zusammenarbeit mit Schenker Deutschland, Frankreich und Tschechoslowakei. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich wurde ab 1933 auch den Schenker-Niederlassungen in den baltischen Ländern ein „Entjudungsprogramm“ verordnet. Neben allem menschlichen Leid war dies auch eine Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit, da in vielen Fällen langgediente Mitarbeiter durch neue und unerfahrene ersetzt werden mussten. Es fehlten vor allem einheimische „arische“ Spediteure, vor allem in der zweiten Führungsebene, in einigen Fällen aber auch bei den Geschäftsleitungen selbst. Parallel mit der Ausdehnung des deutschen Machtbereichs erweiterte sich auch die Schenker-Organisation, vor allem nach Osten hin. Bereits 1939 regte der „Reichskommissar für das Ostland“ für das Baltikum die Gründung neuer Filialen in Reval, Riga, Libau (Liepāja, eine Hafenstadt im Westen Lettlands an der Ostsee) und 233

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Windau (Ventspils, eine Hafenstadt im Westen Lettlands an der Einmündung des Flusses Venta in die Ostsee) an. Die Ostseehäfen dienten vor Ausbruch der Feindseligkeiten mit der Sowjetunion vor allem der Umladung und Lagerung von Getreidetransporten, die bis Juni 1941 im Rahmen des deutsch-sowjetischen Handelsvertrages liefen. Ein weiteres Transitgut im Baltikum waren Sojabohnen aus dem von Japan besetzten Satellitenstaat Mandschuko. Diese gelangten über die Sowjetunion per Eisenbahn nach Lettland und dann auf dem Schiffsweg nach Hamburg, wo sie zu Öl verarbeitet wurden. Nach Ausbruch der Feindseligkeiten mit der Sowjetunion und dem Einmarsch deutscher Truppen in die Ostseegebiete wurde im Juli 1941 in Libau eine zusätzliche Filiale errichtet, die vor allem der Abwicklung von Stückgutund Heerestransporten, aber auch für den Umschlag von Eisenbahndienstkohle im Schichtbetrieb diente. Mit dem Vorrücken der Roten Armee wurden sukzessive die Positionen aufgegeben, jedoch haben im Baltikum die Filialen bis zuletzt ihren Betrieb aufrechterhalten. In der Endphase des Krieges wurden über die baltischen Häfen der Nachschub von Kriegsmaterialien, der Abtransport von Rückfuhrgütern und Evakuierungen abgewickelt. Der „Reichskommissar für das Ostland“ ernannte Ende 1944 Schenker zum „Vertrauens Spediteur“. Unzählige Güter der deutschen Dienststellen, aber auch zehntausende Flüchtlinge und deren Habseligkeiten wurden über die baltischen Ostseehäfen nach dem Deutschen Reich gebracht. Ein Schenker-Mitarbeiter schilderte die Situation in Lettland, wo wie von einer Flut Windau von Räumungsgütern und Flüchtlingen überschwemmt wurde. Im Hafen wurde Tag und Nacht gearbeitet, das Schenker-Büro war 24 Stunden offen. Flüchtlinge meldeten sich freiwillig und kostenlos als Hilfskräfte, wofür dieselben später bevorzugt evakuiert wurden. Nur der Seeweg über Libau und Windau war noch offen. Nach Daten des Reichskommissars befanden sich in Kurland nach dem Fall Rigas 78.000 Kraftfahrzeuge und 38.000 Eisenbahnwaggons und Lokomotiven, und alles sollte evakuiert werden. In Windau waren alle Lager voll mit wertvollem Material, alle Lagerplätze voller Wegebaumaschinen, zerlegte Eisenbahnbrücken warteten auf Abfertigung. Kurz vor Kriegsende gelang es noch, 293 Gepäckstücke von Wehrmachtsangehörigen „ins Reich“ abzusenden, während die Absender selbst in russische Gefangenschaft gerieten. Schenker blieb als letzter Spediteur bis zum 18. April 1945 in Windau, bis der Leiter der Filiale unter Mitnahme der wichtigsten Firmenunterlagen mit einem Flugzeug der Luftwaffe nach Lübeck gebracht wurde. Die lettischen Mitarbeiter konnten nicht mehr fort und kamen nach Sibirien in Zwangsarbeitslager. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 1980er Jahre war Estland ein Teil der Sowjetunion. Die Trennung begann bereits am 1. Januar 1990 mit dem Gesetz über die Wirtschaftsautonomie der drei baltischen Staaten. Am 20. August 1991 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung und am 17. September 1991 die Aufnahme in die UNO. Das Land trat 2004 der Europäischen Union bei, die Währung war bereits seit 234

Estland

1993 an die DM gekoppelt und 2010 wurde der Euro eingeführt. Das BNP pro Einwohner beträgt heute etwa die Hälfte des BNP s der BRD. Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−8

1

23



1991

−14

2

202



1992

−14

4

1.076



1993

−9

7

90



1994

−2

8

48



1995

5

10

29

8

1996

6

10

23

8

1997

12

10

11

7

1998

7

10

8

6

1999

0

12

3

7

2000

10

14

4

5

2001

6

13

6

5

2002

7

10

4

6

2003

8

10

1

6

2004

6

10

3

5

2005

9

8

4

5

2006

10

6

5

4

2007

8

5

7

4

2008

−4

6

11

5

2009

−14

14

0

7

2010

3

17

3

7

2011

8

13

5

6

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

1.569

1991  : 5.500

1995  : 41

2011

1.296

15.700

38

Jahr

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

Trotz der fünfzigjährigen Integration in das sowjetische System hat sich die Neuorientierung nach Westen und zur Marktwirtschaft relativ rasch vollzogen. Die Re235

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

gierung war marktwirtschaftlich ausgerichtet und die Privatisierung in estnisches Eigentum erfolgte bei kleineren Unternehmen sehr rasch, größere Unternehmen wurden in Privatisierungsrunden angeboten. Nach einem massiven wirtschaftlichen Rückgang bis 1995 und einer Inflation mit dem Höhepunkt 1992 erholte sich das Land rasch. Das Wirtschaftswachstum stieg bis auf 12 %, die Inflation relativ gering, allerdings bei relativ hoher Arbeitslosigkeit und einem chronischen Handelsbilanzdefizit. Der Außenhandel erfolgt vor allem mit den Nachbarländern Finnland, Schweden und den anderen baltischen Staaten. Nach 1989 war ein erheblicher Bevölkerungsabgang zu verkraften. Vor dem Ende der Sowjetunion hatte Estland 1,6 Millionen Einwohner, heute sind es nur mehr 1,3 Millionen, da 300.000 Russen, auch das Militär, das Land verlassen haben. Dennoch beträgt der russische Anteil an der Bevölkerung immer noch ein Drittel, das vor allem in den letzten 50 Jahren ins Land gekommen ist. In der Sowjetzeit gab es nur Transportunternehmen, keine Speditionen und keinen Sammelverkehr. Die einzelnen Ministerien, wie jenes für Transport oder Landwirtschaft, hatten ihre eigenen Transportgesellschaften, die einzelnen Unternehmen auch ihre eigenen Lkw. Westtransporte gingen ausschließlich über Softrans bzw. Softransauto. Diese Transportgesellschaften waren sehr groß. In Tallin lieferte eine Gesellschaft mit mehr als 1.000 Lkw alles und der Hafen Tallin war wichtig für Westexporte. Lada PKW gingen nach Afrika und Südamerika, aber auch Transporte nach Skandinavien wurden hier abgewickelt. Alle Entscheidungen fielen damals in Moskau, das Tallin diese Funktion gab, vor Ort hatte man nichts zu sagen, wie Henry Fagerström und Igor Stjerbakoff feststellten. Der Zusammenbruch der Sowjetunion war für die Esten nur eine Frage der Zeit. Das war auch durch die Nähe zu Finnland zu erklären, von wo man Radio und Fernsehen empfangen konnte. Die Transformation zur Marktwirtschaft war vor allem eine Veränderung im Denken. Viele Unternehmen gingen in der Übergangszeit Bankrott, da sie sich den neuen Verhältnissen nicht anpassen konnten, und die Sowjetunion ihre Unternehmen abzog und als Kunde ausfiel. Das Geschäft brach völlig ein. Es war eine sehr harte Zeit. Zeitweise gab es kaum eine Möglichkeit zu heizen, da von Russland her aus politischen Gründen die Energiezufuhr unterbrochen wurde. Bei der Einführung einer eigenen Währung bekam jeder Este den Gegenwert von zehn Euro, was damals einem durchschnittlichen Monatsgehalt entsprach. Dazu kam eine Inflation im zweistelligen Bereich. Die Übergangszeit war aber auch sehr trickreich. Die nunmehrigen neuen Eigentümer der Unternehmen wechselten häufig und das Management war vor allem daran interessiert, ein gutes Geschäft in eigenes umzuwandeln. Die Privatisierung war einfach, da der Erwerb von Unternehmen durch die hohe Inflation begünstigt wurde. Man nahm sich einfach einen Bankkredit, der durch die Inflation bald nichts mehr wert war. Das Speditionsgeschäft startete von null an. 1992 gab es gerade ei236

Estland

nen einzigen Sammelverkehr pro Woche aus Finnland, was schon als Erfolg gesehen wurde. Es verkehrten auch noch keine Fährboote. Die finnischen Unternehmen kamen schließlich ins Land und brachten Geschäft und Know-how. Die Transporte bis Mitte der 1990er Jahre betrafen vor allem Importe und das Land hatte große Handelsdefizite. Heute überwiegt tonnenmäßig der Export, da die Importe höher im Preis liegen. Der Weg von Schenker nach Estland ging durch die skandinavische Türe. Aufgrund der geografischen und kulturellen Nähe war es naheliegend, dass die Entwicklung von Skandinavien her bestimmt wurde. Die schwedische BTL mit ihrer Osteuropatochter Scansped und der Marktführer in Finnland, Huolintakeskus, waren neben einer einheimischen Gründung bestimmend. 1996/8 wurde zuerst Huolintakeskus von BTL übernommen und dann fusionierte BTL mit Schenker, womit auch die bereits bestehenden Niederlassungen in Estland in den Schenker-Konzern integriert wurden. Um eine lange Geschichte vorerst kurz darzustellen  : • 1991 wurde die einheimische Firma AS Auto Ekspress gegründet, an der sich schwedische BTL 1994 beteiligte, sie 1995 zur Gänze übernahm und 1996 in Scansped Eesti AS umbenannte • 1992 gründete die finnische OY Huolintakeskus AB mit AS Inko Projekt die Balti Transport AS als Joint Venture, übernahm aber bereits 1993 alle Anteile • 1996 erwarbt BTL das finnische Unternehmen Huolintakeskus OY, was zu einer Zusammenarbeit von Scansped Eesti AS und Balti Transport AS führte • Im Oktober 1996 wurde Schenker Kaukokiito Eesti AS in Tallinn, Tähetorni 21, gegründet. General Manager war Toomas Termäe, man hatte neun Beschäftigte, 200 m2 Büro- und 900 m2 Lagerfläche • 1997/8 übernahm Schenker die schwedische BTL , in Ländern, in denen beide tätig waren, wurde der Firmenname auf Schenker-BTL verändert • Schenker Kaukokiito Eesti AS ging daher bereits 1998 in der Scansped Eesti AS auf, die nun ihren Firmennamen in Schenker- BTL AS veränderte und 2001 auf Schenker AS • 2004 fusionierte auch AS Balti Transport mit AS Schenker, das Unternehmen war nun bereits Marktführer Die Entwicklung von Schenker in Estland war daher so stürmisch wie die der estnischen Wirtschaft ganz allgemein  : Am 22. Februar 1991 wurde AS Auto Ekspress als Tochterfirma ETKVL Koondis „Auto“, mit einem Kapital von 30.000 Rubel registriert, ursprünglich vor allem für Bahntransporte. Eigentümer waren acht estnische Staatsbürger. Am 26. März desselben Jahres wurde Peep Kütt zum Chairman des Board gewählt und im November 237

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Schenker in Estonia

begann das Unternehmen seine Tätigkeit im Landtransport unter der Leitung von Tiit Pahapill. Im Januar 1992 erhielt es die Zulassung als Zollagent. Im März 1994 erwarb OY BTL ÖST Ab 25 % der Anteile von Auto Ekspress und im November 1995 den Rest. Im Februar 1996 wurde daher die Auto Ekspress mit ihren zwei Büros in Scansped Eesti AS umbenannt, Board Member waren Henry Fagerström und Jack Björklund. Die Finnen folgten kurze Zeit später. Am 27. März 1992 gründeten die OY Huolintakeskus AB und AS Inko Projekt die Balti Transport AS als Joint Venture, welches am 13. April desselben Jahres registriert wurde. Das Aktienkapital von neun Millionen Rubel wurde zu 65% von Huolintakeskus OY und zu 35 % von Inko Projekt gehalten, Managing Director wurde Erik Byman, erster Angestellter und Deputy Managing Director war Meelis Arumeel, der 1995 Mitgründer der Estonian Freight Forwarder Association war. Das Unternehmen wurde in der Land-, Luft- und Seespedition tätig, ebenso im Ausstellungsbereich und führte die Flughafenspedition am Flughafen Tallin für Finnair, SAS und Lufthansa durch. Fünf finnische Mitarbeiter waren von Anfang an vor Ort und brachten vor allem die Geschäftsbeziehungen, wodurch sofort Transportaufträge hereinkamen. 1993 übernahm Huolintakeskus OY schließlich alle Anteile der Balti Transport. Chairman of the Board blieb Heikki Eerikäinen und Kari Peltonen hatte die Position des Managing Directors. 238

Estland

Meelis Arumeel

Peep Kytt

Kari Peltonen

Im Mai 1996 erwarb die schwedische BTL das finnische Speditionsunternehmen Huolintakeskus OY und in Estland wurde daher mit dem Zusammenschluss der beiden Landesgesellschaften, Scansped Eesti AS und Balti Transport AS , begonnen. Rechtlich blieben beide Unternehmen vorerst weiter bestehen. Im Juni wurden daher das neue Supervisory Board gewählt  : Bei Balti Transport  : Chairman  : Heikki Kullervo Laine, Members  : Pentti Kuortti, Kari Peltonen, Henry Fagerström and Björn Illman Bei ScanspedEesti  : Chairman  : Henry Fagerström, Members  : Heikki Kullervo Laine and Jack Björklund Im August 1996 begannen AS Balti Transport und AS Scansped Eesti mit der gemeinsamen Geschäftstätigkeit in Möigu unter Kari Peltonen. Die Balti Transport war mit nur acht Beschäftigten in See- und Luftfracht spezialisiert, während die Scansped Eesti im Landtransport mit an die 100 Mitarbeitern aktiv war. Beide Gesellschaften waren sehr unterschiedlich, Balti Transport arbeitete mit Agenten und teurerem finnischen Personal und konnte daher keine so großen Gewinne aufweisen, Scansped mietete die Lkw am Markt, hatte einheimisches Personal und war gewinnstärker, schon aufgrund der geringeren Löhne. Bei der Fusion mussten die unterschiedlichen Aktivitäten zusammengeführt werden. Baltic Transport behielt die Überseeaktivitäten und Scanspead den Landtransport und die Lagerhäuser. Wie häufig bei Fusionen verlief dies nicht ganz reibungslos. Im September 239

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

1996 verließen daher der Managing Director Toomas Teramäe und sechs weitere leitende Mitarbeiter die Scansped Eesti. Managing Director wurde nun Meelis Arumeel. Dies war gleichzeitig der Beginn von Schenker in Estland. Im Auftrag von Schenker Schweden gründete das ehemalige estnische Management von Scansped im Oktober 1996 die Schenker Kaukokiito Eesti AS unter der Leitung von Toomas Termäe und begann die Geschäftstätigkeit 1997. Vorher hatte Schenker in Skandinavien nur mit Agenten gearbeitet. Das Unternehmen arbeitete mit neun Beschäftigten, einem Büro von 200 m2 und einem Lager von 900 m2 Größe. Diese Episode dauerte aber nur kurz. 1997 übernahm der deutsche Schenker Konzern die schwedische BTL und in Ländern, in denen beide tätig waren, wurden die Gesellschaften zusammengezogen und der Firmenname auf Schenker-BTL geändert. Die baltischen Länder wurden vorerst durch die BTL geleitet. Im April 1998 wurde das Geschäft in Estland durch Schenker-BTL übernommen und Peep Kütt zum Managing Director ernannt. Am 22. Juli 1998 beendete Schenker Kaukokiito Eesti AS offiziell seine Geschäftstätigkeit und im Oktober 1998 änderte die Scansped Eesti AS ihren Firmennamen in Schenker-BTL AS . Die Schenker-Organisation war durch den Zusammenschluss von neun auf 150 Personen angewachsen und hatte neben dem Hauptquartier in Tallin eine Niederlassung in Tartu, 7.200 m2 Lagerfläche und 1997 einen Umsatz von 24,5 Millionen DM . Das Büro in Tallin konnte am 1. Januar 1996 als erste Spedition in den baltischen Ländern den IATA Cargo Agentenstatus erhalten und arbeitete als der größte Luftfrachtspediteur in Estland. Leif Ilander von Schenker International, Göteborg, stellte bei einem Besuch im Oktober 1998 fest, dass Scansped/Schenker in Tallin und Tartu sehr modern und gut ausgerüstet war. Die größte Organisation in den baltischen Ländern war seit 1992 in der Luftfracht aktiv, wo 15 Personen tätig waren und eine Person in der Seefracht, die an die fünf Millionen DM zum Umsatz beitrugen. Sie waren die Nummer eins in der Luftfracht des Landes mit über der Hälfte des Marktanteils und General Sales Agent für Finnair und Air Baltic. Die Luftfracht wurde am Flughafen entladen und zum nur fünf Minuten entfernten eigenen Terminal gebracht, mit eigener Zollabwicklung. Bei der Seefracht arbeiteten sie noch mit Wilson zusammen. Der Landtransport machte den größten Teil des Geschäftes aus, wobei die eigene Zollbrokerlizenz ein großer Vorteil war. Ein Zolllager und ein 7.000 m2 großes Terminal, auch mit temperierten Flächen, standen zur Verfügung, mit entsprechenden Sicherheitseinrichtungen. Das Logistikservice beinhaltete internationale Fracht, Zollabwicklung, Sortieren, Packen, Lieferung und laufende Information über die transportierten Güter. Dies betraf auch die Bereich Autologistik und hängende Textilien. Unter der Marke „Esti Kaubaliinid“ wurden nationale Verkehre durchgeführt. Das Unternehmen mit 154 Beschäftigten hatte 1998 einen Umsatz von 27 Millionen DM . 240

Estland

Im Dezember 1998 wurde Sky Partners OÜ (SP) als Tochtergesellschaft der BTL gegründet. Die Sky Partners übernahm von Schenker die Luftfracht als Alleinagent. Im Januar 2006 wurde die Flughafenspedition von Schenker zu Sky Partners übergeleitet. 1999 wurde die Öst AB gegründet, das regionale Schenker-Headquarter Europe East in Helsinki. Im selben Jahr fiel die Entscheidung, alle Geschäfte nur mehr unter dem Namen Schenker durchzuführen. Balti Transport hatte damit nur mehr die Funktion einer Immobiliengesellschaft. Im April wurde Schenker Kaukokiito Eesti AS in Schenker-BTL AS umbenannt. 1999 wurde für hängende Textilien ein neues Unternehmen errichtet, die Huolintakeskus OÜ, alleinige Eigentümerin war die Huolintakeskus OY. Im Januar 2001 wurde die zur BTL -Gruppe gehörende Finntransport OY neue Balti Transport Eigentümerin. Das Unternehmen hatte jetzt Büros in Tallin, Tartu und Jöhvi, 186 Beschäftigte und 23.000 m2 Lagerfläche. Im Juni 2001 wurde Schenker-BTL in Schenker AS umbenannt und im Juni 2004 fusionierte die AS Balti Transport zu AS Schenker. Bei AS Balti Transport war Henry Christer Fagerström Chairman des Supervisory Boards gewesen, bei Schenker AS Mikael Dalenius. Im September 2003 übernahm Henry Fagerström diese Funktion bei beiden Unternehmen. Im Mai 2006 ging Henry Fagerström in Pension und der Leiter des Schenker-Headquarters Osteuropa in Finnland, Stig Göran Aberg, wurde zum neuen Supervisory Board Chairman ernannt. Die Investitionen in die Infrastruktur betreffen natürlich alle Unternehmen, die letztlich in Schenker aufgegangen sind. Bereits 1992 mietete die Balti Transport ein Cargo-Terminal in Lagedi, wo im Oktober das erste Zolllager mit 540 m2 Größe eröffnet und mit Autologistik begonnen wurde. Im Mai 1993 verlegte die Balti Transport ihren Sitz nach Möigu, nahe am Flughafen von Tallin, wo sich heute Schenker befindet. Sie erwarb dort im Oktober 1994 ihr erstes Gebäude, eine ehemalige Reparaturwerkstatt, die als Terminal und Lager für hängende Textilien umgebaut wurde. Auch das Zolllager zog von Lagedi dorthin. Im November 1995 erwarb das Unternehmen noch ein Bürohaus und expandierte in den folgenden Jahren durch den Erwerb von Grundflächen und den Bau oder die Anmietung von Büro- und Lagerkapazitäten erheblich weiter, sodass Möigu heute die Basis für alle logistischen Dienstleistungen darstellt. Zusätzlich wurden die Standorte ausgebaut, 1995 wurden ein Verkaufsbüro und ein Terminal in Tartu eröffnet, im Mai 2001 wurde eine Anlage erworben, für Terminalaktivitäten umgebaut und im September 2011 wurde ein neues 710 m2 großes Terminal eröffnet. 1995 kam ein neues gemietetes Lager für hängende Textilien mit 1000 m2 Größe in Suur Söjamäe, Tallinn, hinzu, und 2002 ein Verkaufsbüro und ein Inlandsterminal in Pärnu. 2000 wurde ein neues zweistöckiges Büro- und Lagerhaus mit 1.000 m 2 Büround 3.900 m2 Lagerfläche in Tallin eröffnet. Damit waren alle Aktivitäten unter einem Dach vereint. Bis dahin hatte Schenker-BTL 7.000 m2 Lagerfläche und 241

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Schenker Warehouse

20.000 m2 asphaltiertes Gelände. 2004 hatte Schenker damit 190 Beschäftigte an vier Standorten. Im Februar 2005 wurde ein zusätzliches Lager mit 7.350 m2 in Liiva, Tallinn, gemietet. 1999 wurde ein Verkaufsbüro und Inlandsterminal in Jöhvi eröffnet, Luftfracht RFS (Road Feeder Service) begann in Arlanda für das Geschäft der baltischen Länder. Im selben Jahr wurde der neue Geschäftszweig PDI (Pre Delivery Inspection) für neue Autos eingeführt. 2006 wurde das Neuauto Logistics beendet, 2012 mit dem Bau eines neuen Terminalgebäudes in Jöhvi begonnen. Nachdem die Organisation in Estland vorerst vor allem mit der skandinavischen Software arbeitete, integrierte sie sich recht bald in die Schenker-Systeme. 1998 wurde im Landtransport das neue operational System CIEL eingeführt, 2003 die Barcode Labels für Sammeltransporte und elektronische Archivierung. 2005 kam die neue Software OPERA für Inlandstransporte hinzu und das Unternehmen wurde mit dem TAPA 242

Estland

Eurotransport 2010

Security Certificate ausgezeichnet. 2006 wurde mit der Einführung der neuen Finanzsoftware SAP begonnen und im Juni 2007 startete die erste „go live“-Anwendung der neuen weltweit eingesetzten Schenker-Software TANGO für die Bereiche Luft und See. 2009 bekam Schenker Estland den Status eines „Authorized Economical Operator“. Lange Zeit waren die Systeme noch schwedisch, das Schenker-System kam erst nach dem Jahr 2000. Das BTL -System wurde teilweise immer noch lange verwendet, da Schenker mit seinem weltweiten System noch nicht fertig war. 2012 steht Schenker Estonia unter der Leitung von Meelis Arumeel, der seit 20 Jahren bei Schenker bzw. den Vorgängergesellschaften in leitender Tätigkeit war. Er hatte zuvor an der Technischen Universität Tallin ein Studium als Automobilingenieur absolviert, dann zusätzliche Ausbildungen an der Estonian Business Managers 243

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

School und Training in Finnland, Deutschland und Dänemark. Nach einer Tätigkeit bei einer Automobilfabrik und als Managing Director einer estnischen Transportfirma kam er 1992 zuerst zu Balti Transport, dann zu Scansped Estonia und schließlich ab 1997 als Managing Director zu Schenker Estonia. Das Unternehmen hat Standorte in Tallin, Tartu, Pärnu und Jöhvi, 2011 einen Umsatz von 46 Millionen Euro, eine Lagerfläche von 22.000 m2, eine Terminalfläche von 4.000 m2 und ist Nummer eins in den Bereichen nationaler Landtransport, Luftfracht und Logistics und Nummer zwei in den Bereichen internationaler Landtransport und Seefracht. Es bietet alle Speditions- und Logistikdienstleistungen an und hat die Qualitätsauszeichnungen ISO 9001  :2008 und ISO 14001  :2004. Besonderes Augenmerk wird auf die Sicherheitsmerkmale gelegt, welche durch TAPA FSR 2001, Authorised Economic Operator und Regulated Agent für Air Cargo Security dokumentiert sind. Im November 2009, zwei Monate bevor Estland der Europäischen Währungszone beitrat, brachte Schenker mit fünf schwerbewachten Lkw Banknoten im Wert von 44 Millionen Euro von der Druckerei in Finnland nach Tallin. Im September 2001 begann die Schenker League, eine Volleyballmeisterschaft der baltischen Länder, die bis heute ein Großereignis unter dem Namen Schenker ist. Neun Teams aus Estland, Lettland und Litauen nehmen daran teil. Für die Olympischen Spiele in Salt Lake City 2002 und die Paralympic Spiele in Athen 2004 wurde Schenker der offizielle logistische Partner des Estonian Olympic Committee ernannt, nachdem Schenker schon bei den Spielen in Sydney 2000 die heimischen Athleten betreut hatte. Einer der Meilensteine in der bis dahin zehnjährigen Geschichte von Schenker in Estland war die Ernennung das Unternehmens zum exklusiven logistischen Partner des Eurovision Song Contest am 25. Mai 2002 in Tallinn. Dabei waren neben der Ausrüstung für die 23 Teilnehmerländer die Licht- und Tonanlagen und die Bühnendekoration zu bewältigen. Die Ausrüstung, vor allem aus Schweden, Finnland und Deutschland, musste zuerst importiert und beim Zoll abgewickelt werden und war danach innerhalb von nur zwei Tagen wieder zurückzuführen. Die Show von zwei Stunden bedeutete daher vier lange und hektische Wochen für Schenker Estland mit der Unterstützung der Kollegen aus Schweden. Im Wert von 24 Millionen Euro wurden 15 LkwLadungen, fünf Übertragungswagen und die entsprechende Luftfracht abgewickelt. Lettland Lettland stellte seit dem 18. Jahrundert einen Teil des zaristischen Russland dar. Nach dem Ersten Weltkrieg war es ein unabhängiges Land. Schenker & Co. errichtete daher 1926 in Riga eine Landesgesellschaft mit Zweigniederlassungen in Liebau (Liepaja) und Dünaburg (Daugavpils), die 1940 wieder geschlossen wurden. Nach 244

Lettland

dem Zweiten Weltkrieg kam Lettland zur Sowjetunion, bis es 1990 seine Unabhängigkeit erklärte. Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

3







1991

−13



172



1992

−32



951



1993

−11



109



1994

2



36



1995

1

19

25

15

1996

4

20

18

14

1997

9

15

8

11

1998

6

14

5

 9

1999

3

14

2

12

2000

6

15

3

12

2001

7

13

3

14

2002

7

12

2

14

2003

8

11

3

15

2004

9

10

6

15

2005

10

 9

7

13

2006

11

 7

7

11

2007

10

 6

10

 9

2008

−3

 8

15

20

2009

−18

17

3

37

2010

−1

19

−1

45

2011

6

15

4

42

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

2.663

 7.200

32

2011

2.059

14.800

38

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

245

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Einwohner

1935

1989

2011

1,9 Mio.

2,7 Mio.

2,1 Mio.

Letten

77 %

52 %

62 %

Russen

  9 %

34 %

27 %

Die wirtschaftliche Entwicklung der ersten Jahre beim Übergang zur Marktwirtschaft war chaotisch. Weiterhin bestand eine Abhängigkeit von Russland in Bezug auf Rohstoffe und Energie. Von 1990 bis 1993 ging das reale BNP um 48 % zurück und die Inflation erreichte 1992 951 %. Mit der Einführung der nationalen Währung Lats (LVL) im Jahr 1993 bekam man die Geldentwertung in den Griff  ; ab 1997 erreichte sie nur mehr mäßige Werte. Ab Mitte der 1990er Jahre zeigte das Wirtschaftswachstum erfreuliche Werte, allerdings bei einer Arbeitslosenrate, die zumeist deutlich über 10 % lag. Insbesondere der EU -Beitritt 2004 zeigte in den folgenden Jahren sehr positive Auswirkungen. Die weltweite Wirtschaftskrise machte sich in Lettland stark bemerkbar. Die Staatsfinanzen kamen in Schwierigkeiten und die Arbeitslosenrate stieg wieder in den zweistelligen Bereich. Im Jahr 2008 ging das reale BNP um 3 % zurück, im Jahr 2009 brach die Wirtschaft sogar um 18 % ein, das reale BNP fiel damit 2009 auf 101 Prozent des Wertes von 2000 zurück. Nach der Finanzkrise blieb das BIP auf einem niedrigen Niveau, stieg bis 2011 aber wieder auf rund 106 Prozent des Wertes von 2000 an. Seit der Selbstständigkeit hat Lettland einen Bevölkerungsverlust von rund 600.000 Personen oder über 20 % erlitten, was u. a. auf die Abwanderung der in der Sowjetzeit stark angestiegenen russischen Bevölkerung zurückzuführen war. Diese macht aber dennoch mit 27 % eine bedeutende Minderheit aus. Der Einstieg von Schenker in Lettland erfolgte erst Mitte der 1990er Jahre und auch hier parallel mit der schwedischen BTL . Am 25. Oktober 1995 wurde die Baltic Transport SIA registriert. Eigentümer war die finnische Spedition Oy Huolintakeskus AB . Die ersten Angestellten waren Normunds Aspers, Andris Jurgevics, Dace Markevica und Aivars Taurins. 1995 wurde durch BTL Ost AB , Finnland, die SIA Scansped Latvia registriert, der Board of Directors bestand aus Henry Fagerstrom und Jack Bjorklund. Nachdem Huolintakeskus 1997 von BTL übernommen worden war, fusionierte die Baltic Transport SIA zur ScanSped SIA unter der Leitung von Matti Suonvieri. Das Unternehmen hatte nun zwei Büros in Riga. Seit 1997 war Scansped in Zusammenarbeit mit Wilson in den Bereichen Luft- und See aktiv und hatte drei Leute am Flughafen, die auch die Zollabwicklung durchführten. 1993 kam auch Schenker ins Bild. In dem Jahr wurde eine Vereinbarung zwischen Schenker Schweden und LatCargo SIA geschlossen, unterzeichnet von Maris Lacis und Claes Lantz. 246

Lettland

Advertisement in newspaper in 1935

Am 18. Januar 1996 wurde Schenker Kaukokiito Latvia registriert, Miteigentümer waren Aulis Lindros, Agris Kaneps und Claes Lantz. Das Unternehmen in Kaukokiito, Bullu Str. 74, hatte fünf Beschäftigte in einem Büro von 90 m2 Größe und 11.000 m2 Lagerfläche. 1997 übernahm der deutsche Schenker Konzern das schwedische Speditionsunternehmen BTL und in Ländern, in denen beide vertreten waren, wurden die Gesellschaften zusammengeführt. Am 18. November 1997 fusionierten daher ScanSped SIA und Schenker Kaukokito Latvia zu Schenker-BTL . Das Unternehmen hatte nun 60 Beschäftigte unter der Leitung von Matti Suonvieri mit zwei Büros in Riga und am Flughafen. Marketing Manager war Aivars Taurins, der bis heute in führender Position tätig ist. Das Wachstum von Schenker erfolgte in Wellen, da man erst das Geschäft von den Agenten übernehmen musste. Außerdem arbeitete man mit einer internationalen Preisliste, die auf Luftverkehr aufbaute, für den Landverkehr aber wesentlich zu hoch war. Auch war zuerst eine eigene Verteilungsorganisation mit Terminal-Zollabwicklung aufzubauen. Das Terminal fand man im „Staatsgefängnis“. Das war ein noch aus der Sowjetzeit stammendes, dennoch sehr modernes Gebäude. Es hatte drei Stockwerke, was für ein Lagergebäude ungewöhnlich war, da Grundfläche ausreichend vorhanden war. Die Anlage war schwer bewacht, mit einem hohen Zaun umgeben und machte daher den Eindruck eines Gefängnisses. 1998 erwarb Schenker-BTL dieses Gebäude auf einem Grund (20.000 m2 , mit Bahnanschluss) der ehemaligen Zementfabrik „Pļavnieki“ in Riga, Katlakalna Street 11 c. Das dreistöckige Bürogebäude mit 2.000 m2 bot ausreichend Platz für die 50 Beschäftigten. Die Fabrik wurde zu einem Lagerhaus mit 7.500 m2 Fläche und 28 Rampen umgebaut. „Kravu pasaule“ war das fortschrittlichste Transport- und Logistikterminal in Lettland, errichtet in 3 ½ Monaten mit einer Investitionssumme von zwei Millionen US -Doller in der ersten Ausbauphase. Am 16. November 1998 wurde in Cargo World (Kravu Pasaule) ein zusätzliches La247

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Matti Suonvieri – Managing Director at Scansped from 1998 till 2001.

Kari Rauno Peltonen – Managing Director at Schenker BTL from 2001 till 2004.

Aivars Taurins – Managing Director at Schenker BTL (further DB Schenker) from 2004 till 2013.

Aivars Taurins is giving a new start for a life of DB Schenker Latvia in 2005.

gerhaus von 6.000 m2 Größe für Kunden wie Michelin und Skanska eingerichtet, für die an die 30 Personen von Schenker tätig waren. Im November 1998 wurde Schenker-BTL zum ersten Customs Broker für den Transit in die baltischen Länder. Im ersten Stock des Bürogebäudes wurde ein eigener Customs Point eingerichtet, ein Bankbüro und das Schenker-System CIEL eingeführt. Die Schenker-Anlage wurde in den nächsten Jahren sukzessive ausgebaut. Die auf dem Gelände noch stehenden al248

Lettland

Maris Kleinbergs – Managing Director at DB Schenker Latvia from 2013 till now.

The explosion of the old building of former factory “Pļavnieki” in 2005

The opening of Schenker BTL office building in 1998.

ten Fabrikgebäude wurden 2005 unter großem Interesse der Öffentlichkeit gesprengt. Bis 2008 investierte Schenker an die 2,2 Millionen Lats in das Logistikcenter, das reguläre Cargo Lines von Fernost, Nordamerika, Europa und den CIS -Staaten mit dem 24-Stunden-Distributionssystem von DB Schenker in den baltischen Staaten abfertigt. 1998 hatte Schenker 79 Beschäftigte unter der Leitung von Managing Director Matti Suonvieri. In diesem Jahr traf Lettland die Russlandkrise. Es gab erhebliche freie Lkw-Kapazitäten am Markt, welche das Preisniveau stark drückten. 1997 249

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

machte der Export von Lettland nach Russland 20 % des Gesamtvolumens aus, sank aber in der ersten Jahreshälfte 1998 auf 16 %. Bis zu 40 % der Nahrungsmittelindustrie waren bis dahin nach Russland gegangen, die meisten lettischen Fabriken mussten ihre Produktion drastisch reduzieren, die Fischindustrie stellte sie fast völlig ein und an die 4.000 Arbeiter wurden in Urlaub geschickt. 30 % bis 40 % der Lkw des Landes hatten keine Aufträge und nahmen solche für Dumpingpreise an. Die Transportpreise sanken daher um 30 % unter den Normalwert. Einige lettische Transportunternehmen begannen ihre geleasten Lkw zurückzugeben. Dennoch expandierte Schenker weiter mit der Errichtung einer Niederlassung in Liepaja, der drittgrößten Stadt des Landes, in der Schenker schon in den 1920er Jahren vertreten war. Der dortige Hafen war bis 1994 für das russische Militär reserviert gewesen und Sperrgebiet. Als die russischen Truppen abzogen, verfiel die Stadt in eine Krise, die erst 1997 mit der Errichtung einer Sonderwirtschaftszone von 3.000 Hektar überwunden werden konnte. Unternehmen, die sich dort ansiedelten, genossen Zollbegünstigungen und eine zwanzigjährige Steuerfreiheit. Da auch die Transitabwicklung schneller und billiger ging, war auch Schenker dort präsent. Liepaja liegt in der Mitte der baltischen Länder, mit guter Verkehrsanbindung, Fährenverbindungen mit RoRo-Verkehr von Schweden, Dänemark und Deutschland, und es war vorauszusehen, dass der Hafen Finnland im Transitverkehr Konkurrenz machen würde. Die Zollkontrollen waren in Lettland sehr streng. In den Augen des Zolls wurde man sehr rasch zum Schmuggler, wenn die Verpackung oder Dokumente nicht bis ins kleinste Detail den Angaben entsprachen. Ganze Lieferungen konnten dann gestoppt werden. Der Beitritt zur EU brachte hier eine Erleichterung. 2002 startete die staatliche Zollbehörde in Riga mit Schenker ein Verzollungsprojekt, um Erfahrungen mit den Zollbedingungen der EU zu sammeln. Bei einem Besuch bewerteten EU -Experten dieses Projekt als gutes Beispiel für die Modernisierung der lettischen Zollverfahren. Nach dem Beitritt Lettlands 2004 zur EU wurde dieses Büro wieder aufgelassen. 2000 wurde Kari Peltonen neuer Managing Director, Aivars Taurins blieb weiter Deputy Managing Director. In diesem Jahr erwarb Schenker- BTL eine eigene Anlage mit Bahnanschluss, hatte bereits 70 Beschäftigte, etablierte das Qualitätsmanagementsystem ISO Standard 90001  :1994 und wurde am 1. November 2000 IATA Cargo-Agent. 2004 richtete Schenker SIA das Environment Managing System nach ISO 140001  :2001 ein, und das TAPA (A). Die drei baltischen Staaten sind Nachbarn, arbeiten aber nicht wirklich zusammen, da sie sehr unterschiedlich in Geschichte und Geografie sind. Dennoch wurde im Jahr 2000 eine „Baltic Solution“ gestartet, eine „tender management and key account organisation“. Ihr Ziel ist es, den Bedürfnissen wichtiger Kunden durch einen einzigen Ansprechpartner für die baltischen Länder zu entsprechen. Koordiniert wurde es 250

Lettland

von Riga aus, mit regionalen Key-Account-Managern in den beiden anderen Ländern. Wie in anderen Regionen auch soll diese Lösung die Logistikaktivitäten koordinieren, worauf Kari Peltonen, Helsinki, verantwortlich für die Entwicklung der Schenkeraktivitäten in den baltischen Ländern, hinwies. Die Organisation in den baltischen Staaten war durchaus stark, mit erfahrenem Personal für alle Speditionsund Logistikbereiche. Schenker International wies aber darauf hin, dass der Verkauf national und international durch sie selbst zu erfolgen hat und sie nicht mit Initiativen von außen zu rechnen haben. 2001 wechselte der Firmenname von Schenker-BTL auf Schenker SIA und man arbeitete bereits mit 82 Beschäftigten in drei Büros und verfügte über 38.600 m2 Lagerfläche, ab 1999 war man Marktführer im Land. Umsatz in Millionen LVL 1997

1.364

1998

2.154

1999

3.205

2000

3.830

2001

4.631

2002

5.394

Nun adaptierte Schenker-BTL das Gelände des ehemaligen Staatsbetriebs „Būvdetaļa“ und errichtete einen neuen Hangar mit 1.800 m2 in Ergänzung zu den bereits existierenden 7.000 m2. Das Gelände ähnelte einem Müllabladeplatz und die größte Aufgabe war vorerst, den Müll zu entfernen. Ziel von Schenker war nicht, das Gelände möglichst rasch zu sanieren und großartige Lager- und Bürogebäude zu errichten, sondern es langsam entsprechend den Kundenbedürfnissen auszubauen. 2003 begann das Geschäft mit der finnischen Kaufhauskette Stockmann in Form einer 24-Stunden-Lieferung in alle baltischen Länder. Die Zahl der Beschäftigten war auf 100 angestiegen. 2004 wurde ein neues Terminal für Landverkehr in Riga errichtet, mit 1.000 m2 Umschlagfläche und 14 Rampen. 2004 wurde Aivars Taurins Managing Director der Schenker SIA . Aivars Taurins absolvierte ein College für Straßentransport Management und Economics, studierte dann Agrikultur und arbeitete an der Dissertation. Das ging nicht ohne einen Nebenjob und so kam er daher 1995 zur internationalen Transportgesellschaft Palhali, einer finnischen Gesellschaft, die Textilien in die baltischen Ländern verkaufte. Die finnische Managerin hatte eine Menge Probleme und suchte einen Assistenten und Fahrer mit Grundkenntnissen in Englisch. Das war ein aufwendiger Job, von früh am Morgen bis spät am Abend, er bekam aber damit eine erste Erfahrung in internatio251

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

nalem Management. Die Bedeutung der lettischen Landwirtschaft ging aber Mitte der 1990er Jahre zurück und so musste er sich beruflich anderweitig orientieren. In einer Zeitung las er, dass Balic Transport einen Mitarbeiter suchte, er bewarb sich, hatte ein Interview mit dem ersten Manager Markowitsch und kam als dritter Mitarbeiter 1996 zu der Firma. Sein erster großer Kunde war nun Palhali, auf einmal war er nicht mehr Angestellter, sondern deren Partner für Transport, Lieferung und Zoll. Er blieb während der Fusionen weiter bei der Firma und war schließlich ab 1997 für Schenker tätig. Aivars Taurins spielte in der lettischen Speditionsbranche eine Rolle, die über Schenker hinausging. So war er 1997 Gründer der lettischen Customs Broaker Association. In der Position forderte er die Öffnung des Logistikmarkts nach Europa. Lettland als kleines Land war nach der Trennung von Russland ein ziemlich isolierter Markt mit Konzentration auf Riga. Die Association sah ihre Aufgabe darin, zu erklären, dass Logistics über den eigentlichen Transport von Gütern hinaus geht und Sammlung, Verpackung, Kauf, Verkauf, Durchführung von Ablaufprozessen von Rohmaterial und Gütern beinhaltet. Bis dahin erfolgten in Lettland 90 % aller Transporte durch die Produzenten selbst, was zeigt, wie unbedeutend der Logistikmarkt noch war. Der Markt war stark segmentiert, keines der großen europäischen Logistikunternehmen hatte bis dahin einen Marktanteil von mehr als 2,3 %. Der Umsatz der fünf führenden Speditionen in Estland lag bei 100 Millionen LVL , in Litauen bei 150 Millionen, in Lettland aber nur bei 20 bis 30 Millionen. Nach dem EU -Beitritt war es Zeit, ernsthaft darüber nachzudenken, wie man die Logistikmöglichkeiten nützen könnte. Lettland konnte die Funktion einer Brücke zwischen Ost und West ausüben, da man die vorherige Erfahrung aus der Verbindung mit Russland noch nicht vergessen hatte, aber mit den neuen westlichen Marktbedingungen bereits vertraut war. Die Letten seien flexibel mit der Fähigkeit, bisherige Fehler zu korrigieren. Allerdings reduzierten die staatlichen und bürokratischen Einrichtungen diese Vorteile. Die geografische Lage von Lettland als Transitland ist ein Vorteil, der durch die bisherige Unfähigkeit, diesen Vorteil zu nutzen, zunichtegemacht wird. Die Ursachen dafür waren in der Außenpolitik zu suchen. Nationalistische politische Ambitionen sollten daher zugunsten des wirtschaftlichen Vorteils zurückgestellt werden, denn die eigene Unabhängigkeit sei nur durch ein starkes wirtschaftliches Potenzial zu sichern. Auch ein Lastwagenfahrer im Transit durch Lettland benötigte ein Visum, das langwierige bürokratische Aufwendungen erforderte. Das Ministerium wehrte sich aber gegen die Ausstellung eines Schengen-Visums, da es, so die Argumentation, über keine Liste von „Saboteuren“ verfüge  ! Wie eine solche Liste zustande kommen sollte, sei völlig unklar. Über die staatliche Bürokratisierung werde daher die wirtschaftliche Tätigkeit immer noch sehr behindert. Bei der Forderung nach Überwachung und Kontrolle denke niemand an die Millionen, die damit verloren gingen. Für den Transit durch Lettland sollte keine Umsatzsteuer erhoben werden und es sei schon 252

Lettland

absurd, dass Lehrfahrten aufwendige Genehmigungen benötigten. Es sei daher kein Wunder, dass Unternehmen ihre Fracht nicht über Lettland gehen lassen. Die Association forderte daher eine Änderung der Besteuerung und die Einführung eines „Logistics Specialist Occupational Standard“. Europa erwarte nicht, dass Lettland ein „Tiger“ im Logistikmarkt werde, aber es solle auch nicht eine lästige Fliege sein, die den offenen Markt belästigt. Man habe nur zu beweisen, dass man nicht nachhinke und die Chancen verschlafe. 2006 ging Henry Fagerström in Pension und Stig Göran Aberg, der Leiter des regionalen Headquarters Schenker Europe East in Helsinki, wurde neuer Vorsitzender des Supervisory Boards, Mitglieder waren Mikael Dalenius und Peter Hult. 2007 begann man mit der Renovierung der Lagerhausanlage und der Einrichtung eines Verteilungssystem für Lebensmittel. 2008 wurde ein neues, modernes „Crossdock“-Terminal für nationale und internationale Aktivitäten errichtet. Ab 2008 traf auch Lettland die weltweite Finanzkrise. Hohe Benzinpreise zwangen eine Reihe von Transportunternehmen, ihre Aktivitäten zu reduzieren. Zwar standen nun die vorher knappen Arbeitskräfte ausreichend zur Verfügung, aber eine Einschränkung von Bankkrediten, die erhöhte Mehrwertsteuer und die Einführung von Road Pricing verteuerte die Geschäftstätigkeit im Transportsektor. Während an der lettisch-russischen Grenze im Jahr 2007 durchschnittlich eine Warteschlange von an die 1.000 Lkw stand, hat sich diese nun auf 200 bis 300 reduziert. Die Container von den lettischen Häfen gingen um 70 % bis 90 % zurück, Bahntransporte reduzierten sich vom normalen Niveau (500 Container pro Woche) auf 200 Container. Auch bei Schenker musste 2009 die Mitarbeiterzahl von 112 auf 70 reduziert werden. Die Krise erforderte daher eine Anpassung in Bezug auf Kosten, neue Märkte und Projekte und die Erhöhung der Attraktivität Lettlands als Transitland. Laut Aivars Taurins gab es drei Stufen, um die Krise zu überwinden  : Erstens mussten neue Ressourcen für Marketingaktivitäten eingesetzt werden, um neue Kunden zu gewinnen und die alten zu behalten Zweitens war eine rücksichtslose Reduzierung der Kosten für verschiedene Verwaltungs- und Bürokratisierungsaktivitäten notwendig, um die Ressourcen in den Verkauf zu legen Und drittens musste der Staat sehr sorgfältig bewerten, mit welchen Ländern man gewinnbringend zusammenarbeiten konnte. Das ging vor allem in Richtung Russland. Denn es brauchte fast 20 Jahre bis die Politiker Lettlands verstanden hatten, dass es dumm war, einen Markt von 140 Millionen Einwohnern zu ignorieren. Im Dezember 2010 reiste daher der Staatspräsident Lettlands, Valdis Zatlers, mit einer Wirtschaftsdelegation von 112 Unternehmen nach Moskau, um die wirtschaftlichen Beziehungen zu verbessern und u. a. ein Doppelbesteuerungsabkommen einzuleiten 2009 wurde Schenker Lettland zum „autorised economic operator“ ernannt. Dies zu erreichen war aufwendig und mit hohen Anforderungen im Qualitätsmanagement 253

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

The renovated DB Schenker Latvia office building from

DB Schenker official logistics partner in the International

2008 till now.

Song Contest “Eurovision 2003” in Riga.

und Sicherheitsmaßnahmen verbunden. Diese Position reduzierte die Zollinspektionen, und falls diese doch durchgeführt wurden, kam man als erster dran. 2011 wurde ein Umweltmanagement eingeführt. Die Konferenz des Umweltministeriums fand in der Konferenzhalle von Schenker statt, deren Anlagen von den Experten in Bezug auf Energieeffizienz und erneuerbare Energie als vorbildlich angesehen wurden. Aufgrund einer Vereinbarung mit der Tochtergesellschaft der Russischen Bahn wurden 2009 die TransContainer und ein Bahncontainer-Depot errichtet. 2011 wurde Schenker SIA offizieller „Rail Carrier“ und erwarb die ersten Lokomotiven. 2012 entwickelte Schenker SIA das Bahngeschäft weiter und begann mit „Intermodal terminal“-Bauarbeiten. Ein weiteres Problem war die unterschiedliche Spurenweite der Russischen Bahn. Wenn nicht schmälere Eisenbahnschienen (1435 mm) im Rahmen des Projekts „Rail Baltica 2“ (RB2) bis zum Hafen Riga errichtet würden, sei es völlig sinnlos in neue Waggons zu investieren. 2011 gab es solche neue Schienenanlagen für 728 km in den baltischen Ländern (229 km in Estland, 235 km in Lettland und 264 km in Litauen). Heute hat Schenker Lettland an die 100 Mitarbeiter, die Ausbildung erfolgt als Training on the Job, Kenntnisse in Russisch und Englisch sind erforderlich und man muss die herausfordernde und hektische Arbeit mögen, sonst gehen die Leute nach einem halben Jahr. Der Verdienst liegt bei 200 Euro pro Monat, was dem Durchschnitt des Landes entspricht. Das Geschäft von Schenker Lettland geht nunmehr vor allem in die EU, der internationale Landtransport macht 60 % aus, der nationale 10 %. 25 % betreffen Logistics und 5 % die Bereiche See- und Luft. Das Geschäft mit Russland machte 2011 immer noch 30 % aus, hier ging es vor allem um den Transport von Getränken, Papier, und Maschinen. Von Russland her kam fast nichts, die Lkw fahren oft leer zurück. Der Fahrt bis an die russische Grenze geht über 300 km, der russische Zoll benötigt an die zwei Tage, die von den Fahrern als Rastzeit 254

Lettland

Rail logistics and forwarding, DB Schenker bought the

DB Schenker Team in Nordea Riga Marathon 2011.

first shunting locomotive in 2011.

genutzt werden. Bei der Leerfahrt zurück konnte man durch den Zoll ohne Aufenthalt durchfahren. Von der lettischen Grenze bis Moskau brauchte der Lkw 24 Stunden. Die Fahrt in Russland erfolgte in einem, da sie fast ausschließlich durch ein Waldgebiet ging. Die Fahrer machten keine Pausen, da das zu gefährlich war. Auch bei Tankstellen war schon der Diebstahl eines gesamten Lkw vorgekommen. In den baltischen Ländern sind die Distanzen so kurz, dass sich die Fahrer immer in den Terminals ausruhen konnten. Bei wertvollen Waren, wie von Nokia, gab es immer zwei Fahrer mit GPS . 2003 wurde Schenker der Logistikpartner für den Eurovision Song Contest in Riga. Damit waren die Transport- und Zollabwicklung für die gesamte Ausrüstung verbunden. Net Profit in 1.000 LVL 2000

 92

2001

127

2002

195

2003

207

2004

273

2005

250

2006

228

2007

254

2008

202

2009

  44 loss

2010

106

255

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

2005 unterzeichnete die Lettische und Estnische Volleyball Föderation im Olympic Center eine Sponsoringvereinbarung mit den jeweiligen Schenker-Unternehmen zur Schenker League. Die ersten Spiele wurden im Oktober ausgetragen. Schenker Lettland hatte Sportaktivitäten bereits seit längerem unterstützt, vor allem Autorennen. Um das Interesse der Öffentlichkeit für den Volleyball zu erhöhen, waren die Clubs verpflichtet, Cheerleader und DJ s während der Spiele zur Verfügung zu stellen und die Ergebnisse bereits eine halbe Stunde nach Ende zu veröffentlichen. Litauen 1990 erreichte Litauen seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Die erste Zeit der Unabhängigkeit war durch politische Unsicherheit und wirtschaftliche Rezession gekennzeichnet, durch Rückgang des BNP, Budgetdefizite und Inflation. Der Übergang zur Marktwirtschaft führte bis 1994 zu einem drastischen Einbruch der Wirtschaftsleistung, die Produktion in Industrie und Landwirtschaft ging bis 1994 um ein Viertel zurück und die Arbeitslosigkeit stieg auf 18 %. Hinzu kam eine Inflation, die im Jahr 1992 an die 1.020 % erreichte. Bis 1995 stiegen die Verbraucherpreise um das Siebzigfache. Nach der Loslösung von der Sowjetunion wurden zahlreiche Betriebe stillgelegt oder privatisiert. Bis 1998 waren über 80 % der staatlichen Betriebe bereits privatisiert. Traditionelle Handelsbeziehungen brachen ab und wurden durch neue Grenzen erschwert. Mit Unterstützung des IWF und der Weltbank kam es zu Wirtschaftsreformen, 1993 wurde der Litas als nationale Währung eingeführt. Ab 1995 wies Litauen ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum auf. Diese positive Entwicklung hielt bis Ende 1998 an. Bis dahin war Russland mit 25 % noch der wichtigste Außenhandelspartner. Die folgende Russlandkrise schlug voll auf das Land durch, mit einer stärkeren Hinwendung nach Westeuropa, der Anteil Russlands am Außenhandel ist inzwischen auf etwa 10 % zurückgegangen. Ab dem EU-Beitritt 2004 kam es zu einem Boom, der erst mit der weltweiten Finanzkrise 2008 sein Ende fand. Der Arbeitsmarkt Litauens ist durch ein gutes Bildungsniveau gekennzeichnet. Allerdings nahm seit dem EU -Beitritt die Auswanderung zu. Zusammen mit einer niedrigen Geburtenrate verringerte sich die Bevölkerungszahl des Landes von 3,7 Millionen im Jahr 1992 auf rund drei Millionen im Jahr 2012. Schenker war in Litauen bereits seit der Zwischenkriegszeit vertreten. Das erste Büro wurde 1920 in Memel (Heute Klaipedia) in der Börsenstraße 13 eröffnet, musste durch die politischen Veränderungen aber 1940 wieder geschlossen werden. Die turbulente wirtschaftliche und politische Entwicklung der ersten 1990er Jahre führte dazu, dass das Auslandskapital anfangs nur sehr zögernd ins Land kam. Die Wirtschaftspolitik war vorerst nicht sehr investitionsfreundlich und verharrte in traditionellen Strukturen. So kamen auch Schenker/BTL erst re256

Litauen

lativ spät in das Land. Der Start war schwierig, da bereits eine starke Konkurrenz vorhanden war. Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−3



8



1991

−6



225



1992

−21



1.020



1993

−16



411



1994

−10

17

72



1995

3

18

40

12

1996

5

16

25

14

1997

8

14

9

15

1998

8

13

5

17

1999

−1

15

1

23

2000

4

16

1

24

2001

7

17

2

23

2002

7

14

0

22

2003

10

12

−1

21

2004

7

11

1

19

2005

8

8

3

18

2006

8

6

4

18

2007

10

4

6

17

2008

3

6

11

16

2009

−15

14

4

29

2010

2

18

1

38

2011

6

15

4

39

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

3.698

 7.200

1995  : 34

2011

3.029

16.600

37

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

Im April 1997, fast zu spät, kam Scansped, die nach der Fusion mit Schenker ein komplettes Netzwerk in den baltischen Ländern errichtete. Am 8. Mai 1997 wurde 257

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Scansped in Vilnius, Labdariu g. 5, registriert und begann unter der Leitung von Esa Nieminen mit sechs Mitarbeitern. Scansped hatte vorher mit Agenten gearbeitet, hatte ein Lager, das mit Hunden und Posten mit Maschinenpistolen bewacht wurde. Litauen war vorerst nicht sehr freundlich gegenüber ausländischen Investitionen und die Stellung der drei einheimischen Agenten, die sich gegenseitig argwöhnisch betrachteten, war stark. Schenker hatte zu dieser Zeit noch kein eigenes Büro, sondern arbeitete seit 1992 mit Klaipedos Litranspedas als Agenten in Klaipeda zusammen, der auch an der UAB Vilksta in Vilnius beteiligt war. Litranspedas hatte unter der Leitung von Nijole Balakauskiene 35 Beschäftigte, ein Büro mit 150 m2 Fläche und ein externes Lagerhaus. 1994 wurde Leif Ilander von der Schenker Transport AB Stockholm der Koordinator für die Verkehre von und nach den baltischen Staaten. Die dortigen Agenten waren  : Litauen Litansped, Lettland MPW & Co, Estland AS Tallinna Autoveod. Nach der Fusion von BTL mit Schenker AB wurden auch die Landesgesellschaften zusammengeführt. Daher ging die dortige Scansped in die 1997 gegründete Schenker-BTL , UAB , Litauen, Vilnius, Kirtimu g. 51, über, mit einem Kapital von 200.000 Litas. Später wurden die Anteile von dem regionalen Headquarter in Helsinki, Oy Schenker East AB , übernommen. Die Geschäftstätigkeit begann im Mai 1997 mit zehn Beschäftigten und 6.000 m2 Lager in Vilnius und einer Zweigstelle in Kaunas, Veiveriu g. 150, mit zwei Beschäftigten und 2.000 m2 Lager. Schenker konzentrierte sich auf nationale und internationale Landverkehre, Lager, Terminal und Zollabwicklung. Logistik Luftfracht erfolgte in Zusammenarbeit mit Wilson und Schenker International. 1998 wurde Edmundas Daukantas Managing Director des Unternehmens. Er hatte keine Transportausbildung, sondern an der Universität in Vilnius ein Studium der Industrieökonomie zum Transportingenieur absolviert. Das war noch in der Zeit der Sowjetunion. 1988 arbeitete er in der Papierindustrie, brachte es zum Leiter einer Produktionseinheit, die auch Exporte nach Finnland hatte. Da er über Grundkenntnisse in Englisch verfügte, war er auch für die internationalen Beziehungen zuständig. Edmundas Daukantas war in der starken Unabhängigkeitsbewegung Litauens sehr aktiv. Am 11. März 1990 wurde die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, gegen die sich aber die Sowjetunion noch wehrte. Daher war es wichtig, diese an so viele Länder wie möglich zu senden. Durch seine Exportkontakte konnte er ganze Pakete dieser unterschriebenen Erklärung heimlich an einzelne westliche Länder, wie die Niederlande, schicken. Eine solche Sendung ging aber auch nach Moskau zu der einzigen dort aktiven internationalen Nachrichtenagentur, die das Dokument weiterleitete. Durch diese Aktivitäten bekam er von dieser Agentur das Angebot, in Vilnius ein Expressservice zu eröffnen. Daher kam es 1993 unter seiner Leitung zur Errichtung der TNT Express. Das war nicht eine Tochtergesellschaft der internationalen TNT, sondern ein privates Unternehmen für Expressservice. Es wuchs sehr rasch und 258

Litauen

Edmundas Daukantas and Esa Nieminen 1997

hatte 1997 bereits mehr als 40 Angestellte, im selben Jahr eröffnete Scansped ein Office in Vilnius. Erstmals kam er 1996 in Kontakt mit Schenker als Konkurrent eines Logistikauftrages für das Unternehmen Electrolux, das Schenker über die deutsche Organisation für sich gewinnen konnte. Schenker in Essen war aber damals an Litauen noch nicht wirklich interessiert. Der erste Schenker-Manager kam 1998 aus Finnland. Er sollte das Geschäft der Agenten übernehmen, was nicht einfach war. Der Managing Director sollte jedoch ein Einheimischer sein. Daher bekam Edmundas Daukantas 1998 das Angebot von Scansped und er begann mit fünf Angestellten. Das Geschäft begann recht langsam und war nicht einfach. Es wurde aber schließlich eine eigene Zollabfertigung eingerichtet und 1999 ein neues Lagerhaus gemietet, um von den Agenten unabhängig zu sein. Das junge Unternehmen war damals eine kleine Gesellschaft mit nur neun Angestellten, aber guten Entwicklungsmöglichkeiten. Aus rechtlichen Gründen war der Name noch nicht auf Schenker geändert worden. Es gab noch keine Aktivitäten im Luft- und Seegeschäft, aber erste Schritte in diese Richtung. Zeitweise wurde Luftfracht übernommen, in das eigene Lager zur Zollabwicklung gebracht, um am selben Tag ausgeliefert zu werden. Bei Destinationen außerhalb Vilnius musste die Ware zum nächsten Zollamt gebracht werden. Der Zoll war noch recht umständlich, großer Wert wurde auf Originaldokumente gelegt, die in blauer oder roter Tinte 259

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

unterschrieben sein mussten. Wurde mit Schwarz unterschrieben, erfolgte keine Zollabwicklung. Im Vergleich zu anderen Ländern musste Litauen erst ein Exportzollverfahren und ein Garantiesystem entwickeln. Noch keine Aktivitäten gab es im Seeverkehr und es gab noch kein Büro am Hafen von Klaipedia. Zweimal die Woche bestand ein direkter Landverkehr von Göteborg nach Vilnius. Großes Interesse gab es für die Entwicklung eines Messegeschäfts, da Edmundas Daukantas einige Erfahrung auf diesem Gebiet hatte. 1999, zwei Jahre nachdem Scansped und Schenker fusioniert hatten, traf Lettland die Russlandkrise. Die Industrieproduktion ging um 8 % und das BNP um 4 % zurück. Schenker konnte jedoch flexibel reagieren und alternative Aktivitäten entwickeln. Jede Krise sollte daher auch positiv gesehen werden, wie Edmundas Daukantas feststellte. Denn mit der Krise konzentrierten sich die industriellen Kunden wieder auf ihr Kerngeschäft und gliederten den Transportbereich aus, was sich auf die Speditionswirtschaft positiv auswirkte. Schenker hatte bis dahin nur Ganzladungen zweimal die Woche importiert und begann nun just in time zu liefern. Nach dem raschen Unternehmenswachstum der letzten Jahre hatte nun die Konzentration auf Qualität Vorrang. Das betraf einmal den Landtransport, aber auch die Luftfracht, deren Volumen sich monatlich verdoppelte. Die russische Krise belebte auch die bereits aufgebauten Sammeltransporte mit den europäischen Ländern. Seit der Fusion war verstärkt Geschäft aus Deutschland gekommen, die Nachfrage nach kleineren Sendungen wuchs sehr stark und es gab nur wenige Unternehmen, die sich darauf spezialisiert hatten. Das Russlandgeschäft war zwar rückläufig, aber dafür ging umso mehr nach Westen. 1999 wurde Schenker daher zum am schnellsten wachsenden Unternehmen des Landes gewählt. Trotz der Russlandkrise konnte Schenker seinen Umsatz im Jahr 2000 fast verdreifachen und das Personal verdoppeln. 1999 wurde „Baltic International“ eingerichtet, ein Expressservice über Nacht zwischen Tallin, Riga und Vilnius, und 2000 eine direkte Verbindung zwischen Vilnius nach Minsk und Kiew eröffnet. Minsk liegt von Vilnius nur 200 km entfernt und die Kenntnis der Zollvorschriften beider Länder ist ein Vorteil. Der Transport ging einmal die Woche und die Güter wurden innerhalb von 24 Stunden geliefert. Im Februar 2000 wurde ein neues Logistikcenter in Vilnius, Kirtimu str. 47b, eröffnet. 30 Angestellte zogen in die neue Anlage, die 4.000 m2 Logistikfläche bot. Sie enthielt Büros, Lager- und Terminalfläche, ein Zollbüro, Bahnanschluss und war als Hub für Verkehre in die Ukraine und Weißrussland bestimmt. Die Zollabwicklung in den eigenen Räumen stellte für die Kunden einen großen Vorteil dar. Die 53 Angestellten arbeiteten in Vilnius und den Zweigstellen in Kaunas und Klaipeda und verfügten über 5.200 m2 Lagerfläche. 2002 wurde das ISO 9002  :2001 Zertifikat erreicht, 2004 die TAPA-Zertifizierung, 2008 ISO 9001  :2000, ISO 14001  :2004 (Environment) und 2010 AEO , der Autorised Economic Operator status (AEO). 2002 wurde Schenker Litauen offizieller Spediteur für die Olympischen Spiele in Salt Lake City. 260

Litauen

Kirtimu

Jahr

Anzahl der Beschäftigten

1997

6

1998

12

2000

34

2001

52

2002

60

2004

61

2008

65

2010

54

261

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Sausiai office terminal

Mit der Mitgliedschaft Litauens in der EU 2004 fiel das große Geschäft der Zollabwicklung weg. Das betraf nicht nur den Zoll an sich, sondern eine effiziente Zollabwicklung war vielfach auch der Einstieg ins Geschäft gewesen. Auf der anderen Seite nahm das Handelsvolumen zu und das Land entwickelt sich wirtschaftlich besser. 2007 wurde eine neue und modernere Anlage in verkehrsmäßig guter Lage gemietet und es wurden neue Stützpunkte im westlichen Teil des Landes errichtet. Denn es ist eine Eigenheit Litauens, dass die Hauptstadt nicht am Meer liegt  ; die Geschäftszentren sind nicht nur dort konzentriert, sondern über das ganze Land verstreut. Daher arbeitete UAB Schenker, Vilnius, Savanoriu str. 4, mit 60 Beschäftigten in Vilnius, Kaunas und Klaipeda. Die letzte Krise spürte Schenker zu Beginn kaum, allerdings schrieb das Unternehmen 2008/9 Verluste underst 2010 wieder schwarze Zahlen. Board of Directors  : 2001  : Henry Fagerström, Jack Björklund, Mikael Dalenius 2002  –  2005  : Henry Fagerström, Kari Peltonen, Mikael Dalenius 2006/7  : Fagerström wird durch Göran Aberg ersetzt 2010/11  : Kari Peltonen wird durch Peter Hull ersetzt, Kari geht als Koordinator für die baltischen Länder nach Helsinki Heute führt Schenker in Litauen nationale und internationale Landtransporte durch, ist in Luft- und Seetransport aktiv und verfügt über gesicherte und temperierte Lager. 262

Polen

Zollabwicklung und Logistik, insbesondere auch Sportlogistik, ergänzen das Angebot. Die Gesellschaft betreibt ein dichtes nationales Verteilungssystem und es gibt regelmäßige internationale Verbindungen in 22 Länder. Neben dem Head Office an der Autobahn Vilnius-Kaunas bestehen Niederlassungen in Klaipeda und Siauliai und insgesamt über 10. 000 m2 Lagerfläche. Der Umsatz beträgt 36 Millionen LT. Net profit in Litas 2000

404.489

2001

176.561

2002

414.330

2003

204.954

2004

565.821

2005

723.090

2006

756.622

2007



2008

(–) 177.137

2009

(–) 827.459

2010

382.351

Polen Polen grenzt heute an die Ostsee, das russische Kalingrad, Weißrussland, die Ukraine, die Slowakei, Tschechien und Deutschland. Diese Lage in der Mitte Europas erklärt auch seine Geschichte, die an Dramatik kaum zu überbieten ist. Im 18. Jahrhundert verlor es seine Selbstständigkeit und wurde zwischen Preußen, Russland und Österreich-Ungarn aufgeteilt. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Wiedererrichtung des Staates, allerdings in einem größeren Gebietsumfang, mit entsprechenden Konflikten. Der Zweite Weltkrieg begann mit dem Angriff des Deutschen Reiches auf Polen, dem die Besetzung Ostpolens durch die Sowjetunion folgte. Beide Besatzungsmächte gingen mit einer unsagbaren Brutalität vor und Polen zählte zu den Ländern mit den größten Bevölkerungsverlusten und Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. 1945 verschoben sich die Grenzen des Landes nach Westen zugunsten der Sowjetunion und auf Kosten des Deutschen Reiches. Millionen Menschen flüchteten, wurden vertrieben oder umgesiedelt. Das nun errichtete kommunistische/planwirtschaftliche System hatte nicht unbedingt das Vertrauen der Bevölkerung. Es gab immer wieder Unruhen, deren 263

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Ausgangspunkt u. a. Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln waren. Die Sowjetunion begegnete daher Polen mit einem gewissen Misstrauen, das durchaus berechtigt war. Seit Anfang der 1980er Jahre gab es hier Demokratisierungsforderungen und gewerkschaftliche Massenbewegungen. Polen war damit eines der Länder, das die politischen Veränderungen 1989 erzwungen hatte. Jahr

Wachstum BNP real

1990

−12

1991

−7

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP



586





70



Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

1992

3

14

43



1993

4

14

35



1994

5

14

32



1995

7

13

28

49

1996

6

12

20

43

1997

7

11

15

43

1998

5

11

12

39

1999

5

14

7

40

2000

4

16

10

37

2001

1

18

5

38

2002

1

20

2

42

2003

4

20

1

47

2004

5

19

4

46

2005

4

18

2

47

2006

6

14

1

48

2007

7

10

3

45

2008

5

7

4

47

2009

2

8

4

51

2010

4

10

3

55

2011

4

10

4

56

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

38.119

4.600

35

2011

38.530

16.200

44

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

264

Polen

Auch Polen wies in der planwirtschaftlichen Zeit ein gewisses Wirtschaftswachstum auf. Das reale BNP pro Einwohner (Kaufkraftparität) hatte sich von 1950 bis 1988 praktisch verdoppelt. Der Außenhandel ging fast ausschließlich in den RGW -Raum. Die Industrialisierung verlegte sich auf Bergbau, Schiffsbau und Schwerindustrie unter Vernachlässigung der Landwirtschaft, die in ihrer kleinwirtschaftlichen Struktur verharrte. Die in diesem Bereich beschäftigen fünf Millionen Arbeitskräfte trugen gerade einmal 5 % zum BNP bei. In Polen war die Umstellung auf die Marktwirtschaft vorerst einmal ein Schock. Von 1988 bis 1991 fiel das reale BNP um 18 %, von da an wies das Land ein kontinuierliches Wachstum auf, das durch eine relativ hohe Arbeitslosenrate getrübt wurde. 1989 wurde das erste Privatisierungsgesetz erlassen, wobei allerdings bereits vorher etwa 20 % der Unternehmen in privater Hand waren. Im Oktober 1989 wurde der Balcerowicz-Plan zur Transformation in die Marktwirtschaft vorgestellt. Der Erfolg war vor allem auch einer stabilen Wirtschaftspolitik zu verdanken, mit Reduktion der Staatsschulden, 1995 Umstellung auf den neuen Zloty zum Kurs von 10.000 alter Zloty und der raschen Privatisierung der Staatsunternehmen. 1997 erwirtschaftete der private Sektor bereits 65 % des BNP. Die ausländischen Investitionen in erste Hälfte der 1990er Jahre betrafen zu 62 % die Industrie, davon gingein Drittel in die Nahrungsmittelindustrie und 19 % in den Finanzdienstleistungssektor. Der Außenhandel ging bereits zu zwei Drittel in die EU, vor allem nach Deutschland. Der Erfolg zeigte sich auch durch den Beitritt zur Europäischen Union im Mai 2004. Polen ist mit 38,5 Millionen Einwohner eines der großen Länder der EU und zählt zu den erfolgreichsten Transformationsländern. Mit der Wiedererrichtung eines selbstständigen polnischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Geschäftsgebiet Schenker Berlin übertragen. Allerdings wollte Wien auch seinen Einfluss wahren. Während es für Berlin selbstverständlich war, dass Schenker in kürzester Zeit zur führenden Spedition im Ostgeschäft werden sollte, trat man bei der Wiener Geschäftsleitung für ein behutsameres Vorgehen ein. Eine Kooperation ergab sich mit der Polnischen Transport AG , die bei manchen Regierungsaufträgen eine Monopolstellung einnahm. Diese führte etwa die Auswanderung galizischer Juden nach Palästina durch. Außerdem versuchte Wien, mit Gondrand & Mangili und dem Warschauer Spediteur Karl Kaiser eine gemeinsame Schweizer Gesellschaft unter dem Namen „Expediteur Reunis“ zu gründen, die in Polen agieren und aus politischen Rücksichten einen neutralen Charakter tragen sollte. Aufgrund dieser Abmachung waren die Schenker-Filialen in Polen angewiesen worden, mit den beiden Vertragspartnern zusammenzuarbeiten. Wegen ständig neuer Forderungen von Kaiser zerschlug sich jedoch die Zusammenarbeit und 1920 schloss daher das Wiener Stammhaus mit der polnischen Bodenkreditbank in Lemberg ein Abkommen, wonach eine polnische Schenker & Co. AG . mit einer Aktienaufteilung 60 % Schenker und 40 % Bodenkreditbank gegründet werden sollte. Die 265

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einheimische Kapitalbeteiligung schien unter Hinweis auf den hohen Kapitalbedarf und das polnische Nationalgefühl unerlässlich. Schenker Berlin war dies aber nicht genug. Ohne Rücksprache mit Wien wurde dort die Spedition Blumwolf AG Warschau, ein Filialbetrieb der Firma A. Blum & Popper, Hamburg, samt Büro und Lagerhaus erworben. Schließlich lenkte Wien ein und 1921 wurde in Lemberg die „Aktiengesellschaft für internationale Transporte Schenker & Co.“ errichtet, in der die Firma Blumwolf in Warschau aufging. Zusätzlich wurden die Speditionen von Oswald Rappaport in Lemberg und Roman Liban in Krakau angekauft und in die polnische Schenker-Organisation eingegliedert. Der Hauptsitz der Gesellschaft wurde nach Warschau verlegt, das Gründungskapital von 50 Millionen Polenmark zu 60 % von Schenker-Berlin und zu 40 % von der polnischen Bodenkreditbank übernommen, die auch einen Kredit von 200 Millionen Goldmark zum Ausbau des Geschäftes gewährte. Insgesamt erreichten die Mittel, die in Polen gebunden waren, bis 1923 die Höhe von 450 Millionen Polenmark, was Wien angesichts der politischen Unsicherheiten in Polen mehr als genug erschien. Es kam daher teilweise zu Entlassungen und Schließung von Filialen oder Exposituren. Für die Geschäftsleitung in Berlin lag das eigentliche Problem eher darin, eine zuverlässige einheimische Geschäftsleitung zu finden. Es war außerordentlich schwer, jemanden zu finden, der bei der erforderlichen Initiative auch über den notwendigen Grad der Einfügung in den Betrieb und die Ehrlichkeit verfügte. Der Geschäftsleiter musste bei den vorherrschenden nationalistischen Tendenzen in jedem Falle ein Pole sein. 1930 betrug der Personalstand in Polen 203 Mitarbeiter. Neue Schwierigkeiten ergaben sich durch den Erwerb von Schenker durch die deutsche Reichsbahn 1931. Das war zwar vorläufig geheim gehalten worden, was aber umso mehr zu Gerüchten und Reaktionen führte. In Polen wurde Schenker 1931 die Zollkonzession durch das Finanzministerium entzogen. Der eigentliche Grund für die Maßnahmen lag nicht in Meinungsverschiedenheiten über Zollangelegenheiten, sondern in dem Vorwurf, Schenker als Teil der Reichsbahn treibe Spionage. Daher drängte Schenker selbst darauf, den Aufsichtsrat der polnischen AG durch angesehene polnische Persönlichkeiten aus der Wirtschaft zu ergänzen. Die Rücksichten endeten mit der militärischen Besetzung Polens. Dem langjährigen Schenker-Geschäftsleiter Moritz Safir gelang als Jude noch die Emigration ins Ausland. Im sogenannten „Generalgouvernement“ übernahm Schenker das bahnamtliche Rollfuhrgeschäft in Warschau und Krakau. Dies war der bisherige Geschäftsbereich der Spedition C. Hartwig & Co AG in Polen, die über die Beteiligung einer Warschauer Bank im Mehrheitsbesitz des polnischen Finanzministeriums stand. Die Spedition wurde ab Herbst 1939 zunächst kommissarisch verwaltet und schließlich 1941 um einen Betrag von 1,25 Millionen Zloty durch Schenker erworben. Die Firma Hartwig hatte Geschäftsstellen in Warschau und Krakau und zusätzlich 266

Polen

Außenstellen in Kielce, Lublin, Radom und Tschenstochau. Um die recht umfangreichen Nahrungsmitteltransporte aus der Ukraine zu organisieren, in die Schenker über die Zentral-Handelsgesellschaft Ost eingeschaltet worden war, wurden 1943 in Kiew und Rowno eigene Niederlassungen sowie fünf Außenstellen in Snamenka, Shmerinka, Sinelnikowo, Pjatichatki und Kowel gegründet. Mit dem Ende des Krieges wurde die Schenker-Organisation verstaatlicht. Zentralisierung war auch das Merkmal der polnischen Planwirtschaft. Der Außenhandel lag in den Händen von etwa 50 großen Unternehmen, welche praktisch sämtliche Produktbereiche abdeckten. Transportunternehmen mit internationalem Geschäft waren C. Hartwig oder PSK , für die nationalen Verkehre Pekaes. Eine zentrale Stellung nahm die staatliche Bahn PKP (Polskie Koleje Partistwowe) ein, heute noch das zehntgrößte Unternehmen des Landes. Diese wurde 2001 in eine Holding AG für 24 Gesellschaften – einschließlich Cargo – umgewandelt, blieb aber weiterhin in Staatseigentum. 2008 wurde der Bahnverkehr liberalisiert, der Personenverkehr an die Woiwodschaften übertragen und aufgrund der Verluste wurden weitere Privatisierungen der Tochtergesellschaften vorgenommen. An sich ist Polen ein Transitland, die Verkehrsinfrastruktur war aber auch hier problematisch in den Bereichen Bahn, Straße, Fluss- und Seeschifffahrt und Hafenanlagen. Besonders beim Straßenbau muss man aber Polen große Anstrengungen zugestehen und auch die Fußballeuropameisterschaft 2011 zusammen mit der Ukraine führte zu einem Ausbau der Infrastruktur. Nach dem Zusammenbruch des „realen Sozialismus“ ging alles sehr schnell und es entstand eine Goldgräberstimmung, auch im Transportbereich. Der Economic Activity Act von 1989 erlaubte praktisch jedem den freien Zugang zum Transport- und Speditionsmarkt. Eine einfache Registrierung genügte und schon war man Spediteur. Das hatte die Errichtung vieler Tausender Unternehmen zur Folge, Speditionen und reine Transportgesellschaften. Die Gründer und Mitarbeiter kamen vorwiegend von den Staatsunternehmen. Aber auch andere „Unternehmer“, ohne ausreichende Kenntnisse und Qualifikationen, suchten ihren Gewinn im internationalen Sammelverkehr ( LTL). Die Voraussetzungen waren recht einfach. Für eine Spedition genügten ein Schreibtisch, ein Telefon und einige Kontakte, für ein Transportunternehmen ein bis zwei Lkw. Diese wurden von den liquidierten Staatsunternehmen erworben, vor allem die Marken Liaz und Jelcz. Der Zustand dieser Lkw war aber zum Teil besorgniserregend. Aus der Sicht der Kunden schien diese Entwicklung sehr vorteilhaft. Die Möglichkeit, unter den Angeboten zahlreicher Unternehmen wählen zu können, vermittelte den Eindruck einer funktionierenden freien Marktwirtschaft. Allerdings wurde sehr rasch deutlich, dass viele Unternehmen den erforderlichen Qualitätsstandards nur in einem beschränkten Ausmaß entsprachen. Ihnen fehlten die professionellen Kenntnisse und die Weitsicht. Das Wachstum und die Entwicklung der polnischen Marktwirtschaft boten noch zusätzliche finanzielle Chancen. Leasing war das neue Zauberwort, um das rollende Material mit wenig Kapital und zu geringen laufenden 267

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Kosten zu finanzierten. Auch die niedrigen Löhne und Sicherheitsstandards boten den polnischen Transporteuren dieser Zeit einen erheblichen Kostenvorsprung gegenüber ausländischen Unternehmen. Die Gewinnerwartungen waren dementsprechend hoch und man stieg in den internationalen Transportmarkt ein, ohne Rücksicht und ausreichende Kenntnis der Risiken. Bald überstieg das Angebot an Transportleistungen die Nachfrage um mehr als das Doppelte. Die wirtschaftspolitische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. 1991 kam es zur Einführung eines staatlichen Lizenz-Systems. Die Anzahl der Lizenzen war beschränkt und hing von einigen Bedingungen ab, unter anderem von der finanziellen Ausstattung. Das bereinigte den Markt recht rasch. Damit waren aber noch nicht alle frühen marktwirtschaftlichen Probleme bewältigt. Auch die Kommunikation mit dem Ausland über Telefon und Telex war lange schwierig, eine sichere Verbindung auch nur mit dem benachbarten Deutschland zu bekommen, eine Aufgabe für sich. Und die Versicherungsleistungen waren nicht nur kostspielig, sondern entsprachen auch nicht den Marktbedingungen der Transportwirtschaft. Die Qualität des rollenden Materials war noch sehr niedrig, viele Fahrzeuge waren für den Auslandseinsatz nicht geeignet. Immer wieder gab es Probleme mit unerfahrenen Lkw-Fahrern, die zu erheblichen Strafen führten, wenn der Transport nicht den Vorschriften der EU entsprach, nicht zu reden von den Ersatzzahlungen für beschädigte Lieferungen bei nicht versicherten Transporten. Ein besonderes Kapitel waren Lieferungen an Kunden unter Umgehung der Zollbehörden. Auch das einheimische Bankensystem dieser frühen Zeit war noch unzulänglich und nicht unbedingt eine Unterstützung. Überweisungen nahmen viele Tage in Anspruch. Zahlreiche Unternehmen kamen daher bald in Schwierigkeiten, finanzielle Engpässe waren häufig und die Besitzer der geleasten Fahrzeuge waren nicht imstande, ihre Raten regelmäßig zu bedienen. Die Fahrzeuge wurden dann von den Banken eingezogen, die dementsprechende Probleme hatten, diese zu verwenden. Manche der neuen Unternehmen flogen daher durch den Markt wie Kometen, sie tauchten unvermittelt auf und verschwanden dann ebenso auf Nimmerwiedersehen. Es gab spektakuläre Zusammenbrüche. Größte Schwierigkeiten erlebten auch die noch bestehenden Staatsunternehmen mit ihrer traditionellen Struktur und ihrem traditionellen Management. Mitte der 1990er Jahre strukturierte sich der Markt neu. Unternehmen, die sich frühzeitig neu aufgestellt hatten und flexibel auf Kundenwünsche reagierten, begannen erste Gewinne zu machen. Auch gesamtwirtschaftlich besserte sich die Situation allmählich, die Inflation ging zurück, was zu ausländischen Direktinvestitionen und damit zu erhöhter Transportnachfrage führte. Als Folge der Auslandsinvestitionen kamen nun auch ausländische Logistikunternehmen auf den Markt. Sie boten Dienstleistungen an, die es bisher in Polen nicht gegeben hatte. Diese Unternehmungen verbreiterten ihre Serviceleistungen mit Hilfe von im In- und Ausland ausgebildeten Logistikspezialisten. Das betraf auch Schenker und BTL . 268

Polen

Schenker History Poland

• Die Verbindung zu Polen war bei Schenker traditionell eine Kompetenz der deutschen Landesorganisation gewesen, schon aufgrund der Nähe als Nachbarland. Die Kontakte bestanden auch während der planwirtschaftlichen Zeit eingeschränkt weiter. Bereits in den 1980er Jahren hatte es ein gemeinsames Unternehmen der zum Stinnes-Konzern gehörenden Rhenus AG mit dem polnischen Staatsunternehmen C. Hartwig gegeben, das auf den Verkehr mit Polen und den Ländern des RGW spezialisiert war. Sitz der Poltrans, Internationale Speditionsgesellschaft GmbH, war Köln. • Nach 1989 hatte Schenker in Polen drei Wurzeln, Schenker, PSK Pekaes und BTL . • Im Dezember 1990 wurde Schenker Polska sp. Z o.o. in Tarnowo Podgorne registriert und begann die Geschäftstätigkeit als internationale Spedition • 1991 gründete auch der schwedische Konkurrent Bilspedition (BTL ) mit der Transmeble International die Scanspol als Joint Venture, beide hielten je 50 % der Anteile. Die Transmeble war 1963 als Unternehmen der Polnischen Spedition (PSK ) ins Leben gerufen worden und führte vor allem Bahntransporte in Containern und Möbeltransporte durch. Der eigentliche Partner war daher die PSK , eines der größten staatlichen Transportunternehmen des Landes 269

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• 1994 fusionierte die die drei Jahre zuvor errichtete Scanspol mit Transmeble international zur Scansped. Der Containerverkehr wurde in die Abteilung in Lodz ausgegliedert und die Spedcont ins Leben gerufen, die sich auf Messen konzentrierte und heute zu 100 % polnisch ist. • 1999, nach der Fusion von Schenker mit BTL , wurden Schenker Polska und Transmeble-Scansped zur Schenker-BTL zusammengeführt • 2001 wurde der Firmenname auf Schenker umbenannt • Am 30. November 2004 wurde die Spedpol von Schenker übernommen. Formal übernahm die Spedpol mit Sitz in Warschau als weitaus größeres Unternehmen Schenker durch Aktientausch und änderte dann seinen Namen auf Schenker DB Logistics. Mit nur wenigen Beschäftigten war Schenker Polska anfangs recht klein und hatte es nicht leicht, sich durchzusetzen, da die größten Partner Schenker Österreich und Deutschland mit Pekaes zusammenarbeiteten. Die polnische Organisation versuchte dieses Manko durch den Aufbau von Landverkehren in andere europäische Länder und nach Übersee zu kompensieren. Der Verkauf ging seit Oktober 1992 über das Head Office in Warschau, Ul. Osmanska 5, in Zusammenarbeit mit Pekaes, die im Europaverkehr mit Komplettladungen tätig war. 1994 wurde ein Büro am Warschauer Flughafen errichtet, das alle Lufttransporte, einschließlich der Verzollung, durchführen konnte. In Bila Podlaska – 130 km von Warschau – befand sich ein Flughafen, auf dem Charterflugzeuge bedient werden konnten. Dort war Schenker mit vier Personen, darunter einem Zollagenten, einer der führenden Luftfrachtspediteure. Schenker verfügte über einen eigenen Verkäufer in Gdynia bzw. kooperierte mit dem Hafenagenten. Das Unternehmen bot die volle Palette des Speditionsgeschäfts Luft und See mit Schwerpunkt auf die europäischen Verkehre. Managing Directors waren Piotr Sikorski und J. Dietrich. 1996 hatte man 45 Mitarbeiter in Büros von 400 m2 Größe. Neben dem Hauptsitz in Warschau und dem Flughafenbüro gab es Niederlassungen in Slubice, Gdansk und Pozan. Die Lagerfläche betrug insgesamt 2.000 m2. Der Umsatz stieg von 1,5 Millionen Dollar im Jahr 1995 auf 2,8 Millionen Dollar im Jahr 1996 an. 1996 kam es zu einer Kooperation mit der Pekaes Multi-Speditor SP. Z o.o. Das Unternehmen für internationale Transporte unter der Leitung von Piotr W. Krawiecki war 1988 aus der Pekaes hervorgegangen, hatte 19 Büros, 640 Beschäftigte und Lagerflächen von über 20.000 m2. Mit dieser Kooperation war Schenker die Nummer eins bei der Air France und der Lufthansa. Am 1. März 1997 erreichte das Unternehmen die vollen IATA-Agenturrechte und 1999 den Qualitätsstandard ISO 9002. Durch die Fusion von Schenker mit der BTL wurden auch die Organisationen in jenen Ländern zusammengeführt, in denen beide tätig waren. Am 23. November 1999 fusionierten daher Transmeble-Scansped sp z o.o. (BTL) und Schenker Polska 270

Polen

Spedpol

zu Schenker-BTL sp. z o.o. mit dem Hauptsitz in Poznan. Geschäftsführer war Jacek Machocki. Anteilseigner der Schenker-BTL sp. z o.o. waren Oy Bilspedition Transport & Logistics BTL Öst AB

86,5 %

Spedpol

11,8 %

Private polnische Transportfirmen

1,7 %

Das Unternehmen mit 302 Beschäftigten, zwölf Geschäftsstellen, 1.650 m2 Büround 20.000 m2 Lagerfläche hatte Zweigstellen in Gydnia, Krakow, Lodz, Poznan, Warschau, Swiebodzice, Slubice, Rzepin, Swiecko und Swinoujscie. Die Inlandstransporte erfolgten über das Netz der Spedpol. 271

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2001 wurde der Firmenname auf Schenker sp zo.o. umbenannt und im selben Jahr ein Terminal in Tarnowo Podgorne, 20 km westlich von Poznan, direkt an der Autobahn, eröffnet. Das waren zwei Gebäude mit 4.000 m2 Lager, 18 Andocktoren und 800 m2 Bürofläche, direkt neben der Schwesterfirma Spedpol z o.o., mit Zugang zu deren Lager. 2002 erfolgte die Eröffnung des Logistikcenters in Nadarzyn, nahe Warschau. Auf einem Gelände von 170.000 m2 bestanden 16.000 m2 Arbeitsfläche, 115 Ladetore, 12.000 m2 Lagerfläche und 3.900 m2 Büroräume. Schenker und Spedpol arbeiten dort bereits unter einem Dach. Im Jahr 2004 fusionierten schließlich auch die 289 Mitarbeiter von Schenker Polen mit den 1.307 Beschäftigten der Spedpol, womit Schenker in Polen eine ganz neue Stellung einnahm. Als Staatsmonopolist durchlief die PSK vorerst schwierige Zeiten und stand am Rande des Zusammenbruchs. Sie war ein großes Unternehmen, das aber fast nur am Heimatmarkt operierte und keine Erfahrung für die neue Konkurrenzsituation hatte. Ihre Kunden waren nach vielen negativen Erfahrungen froh, von den Angeboten der neuen Unternehmen zu profitieren, und auch viele Mitarbeiter liefen ihr davon. Die neuen Speditionen und Transportunternehmen sahen sich nach eigenen ausländischen Partnern um und bildeten ein eigenes kompetitives Netzwerk. Trotz der starken Infrastruktur mit einem dichten Netzwerk mit über das ganze Land verteilten Stationen konnte die PSK alleine nicht mehr bestehen. Das Management und die Eigentümer fanden mit Bilspedition (BTL) einen Partner, der ihnen das Überleben sicherte. Daher wurde 1991 mit dem Transportministerium die GmbH Spedpol gegründet, an der das schwedische Unternehmen und der polnische Staat zu je 50 % beteiligt waren. Der Zugang zu dem fortschrittlichen System der Bilspedition wurde entscheidend für die weitere Entwicklung des Unternehmens. Dieses führte recht rasch eine nationale Verteilungsstruktur ein, wie sie am schwedischen Markt schon erprobt war. Die regionalen Niederlassungen der PSK wurden als eigene Gesellschaften geführt, einige machten nicht mit und wurden von den dortigen Managern übernommen. Sie überlebten aber nicht lange am Markt. Der Leiter des Unternehmens, der Warschauer Janusz Gorski, hat diesen dramatischen Übergang zur Marktwirtschaft persönlich erlebt. Janusz Gorski gehört sicher zu den lernfreudigsten Geschäftsleitern des Schenker-Konzerns. Er studierte an der Transportfakultät der Technischen Universität Warschau in den 1980er Jahren und absolvierte an der Warschauer School of Economics und an der University of Illinois ein postgraduate Studium als Executive MBA und besuchte dutzende Kurse in Change Management, Logistics und Personalmanagement in Polen und im Ausland. Nach seinem Universitätsstudium ging er zur Pekaes, dem damals größten polnischen Transportunternehmen mit einer Flotte von 1.200 Lkw. Er war in der internationalen Abteilung beschäftigt war, erlebte er die dortigen Mitarbeiter als weltoffen, die internationale Transporte in viele Länder durchführten. Einer der wichtigsten 272

Polen

Kunden war bereits Schenker, mit Kontakten zu Volvo, Mercedes usw. Nach seiner Zeit bei Pekaes wurde Janusz Gorski 1991 kommerzieller Direktor der Rondine Ruffoni, einer privaten polnisch-italienischen Spedition mit Fiat als Kunden. Das Unternehmen ist von kleinen Anfängen an stark gewachsen und war für ihn die perfekte Erfahrung, da er dort für alles zuständig war. 1993 bekam er das Angebot als CEO der Spedpol. International gab es nun bereits viele Speditionen und Transportunternehmen, sie hatte im nationalen Verkehr aber kein so umfassendes Angebot. PSK hatte mit dem schwedischen Aktionär im Rücken ein großes Janusz Gorski Potenzial. Anderen Staatsunternehmen fehlte der ausländische Input. So etwa C. Hartwig, die ehemals internationale Zentrale für Auslandsspedition, über die ein Großteil der ausländischen Transporte gegangen war. Dieses Unternehmen blickte auf eine 150-jährige Geschichte zurück, der Firmenname wurde auch in der planwirtschaftlichen Zeit weiter verwendet, ist aber nun fast weg vom Markt. Die PSK war ein sehr großes Unternehmen, bot aber nur nationale Verkehre, daher zog sie nicht die besten Talente an. Sie war in großen Schwierigkeiten, da die Kunden durch die mangelnde Qualität weg waren. Dann kam Prof. Jerzy Tarkowski von der BTL -Schweden, der gute Kontakte zum polnischen Ministerium für Transport, dem Eigentümer der PSK , hatte. Tarkowski war Experte für Logistics, hatte in den politischen Ministerien gearbeitet, emigrierte in den 1960er Jahren und stieg in Schweden bis zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften auf. Jerzy Tarkowski handelte mit dem Transportministerium zum 1. Januar 1991 die Gründung der Spedpol mit 3.700 Mitarbeitern aus. 50 % der Anteile hielt der polnische Staat und 50 % gingen an die BTL . Der Staat brachte die PSK als Sacheinlage ein, die Schweden legten fünf Millioen US -Dollar bar auf den Tisch, welche die Firma dringend benötigte, brachten Computer, an die 40 Lkw und vor allem westliches Know-how. Das Unternehmen war in neun Regionen mit 192 Standorten mit Bahnanschluß vertreten, die Eigentumsrechte an den Immobilien waren aber vorerst noch unsicher. 15 % des Umsatzes gingen über Container, allerdings kamen 1.700 Container der Spedpol aus Russland nicht mehr zurück und mussten schließlich abgeschrieben werden. Managing Director der Spedpol wurde Gregorz Kaczanowski, im Supervisory Board saßen Leif Persson, Thomas Sjöström und Stefan Eriksson. Chairman wurde Jerzy Tarkowski und hatte diese Position bis 1993 inne. Dann übergab er aus Altersgründen an Stefan Eriksson. Ohne Zweifel waren die Schweden die 273

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Rettung des Unternehmens. Sie errichteten ein Ausbildungszentrum in Lodz, wo drei bis vier schwedische Experten über Jahre unterrichteten. Durch das Fehlen von Werkstätten wurde in Pozan zusammen mit Volvo eine eigene Lkw-Werkstätte errichtet. 1993 übernahmen Janusz Gorksi (BTL) und Bogdan Frackowiak (polnischer Staat) das Management. 1996/7 gab auch der polnische Staat seinen 50 % Anteil an der Spedpol ab. Bis dahin konnte sich das Unternehmen nicht mehr recht weiterentwickeln, da die Schenker/BTL unter einer Staatsbeteiligung nicht investieren wollte. Durch die Privatisierungswelle dieser Zeit gingen die Anteile an Wirtschaftsunternehmen vom Transportministerium an das Finanzministerium, dessen einziges Interesse der Verkauf war. Allerdings verlief das nicht ohne Schwierigkeiten und die beiden JointVenture-Partner begegneten sich nur mehr an der Seite von Rechtsanwälten. In der Vorbereitung der Privatisierung bestand der Staat auf ein ausschließliches Management durch Vertreter des Ministeriums. Der Transportminister war selbst bei diesen Verhandlungen anwesend, bei denen die Schweden diese – an sich gesetzliche – Lösung kontinuierlich ablehnten. Schließlich einigte man sich darauf, dass Grzegorz Kalcor als Staatsvertreter die Leitungsfunktion übernehmen und Janusz Gorski Stellvertreter werden sollte. 1988 ging der Staatsbeamte in das Ministerium zurück und Gorski kam wieder in die Führungsposition, mit Piotr Stefanczky als Stellvertreter. 1997 wurden aufgrund des Privatisierungsgesetzes 10 % der Anteile von Staatsunternehmen an die Mitarbeiter ausgegeben. Spedpol hatte damit an die 4.000 Shareholder. Erst 1999 konnten diese zusammen mit den Anteilen des polnischen Staates erworben werden. Die Spedpol hatte den Schwerpunkt auf die nationalen Verkehre. Das war am Anfang ein kleines Geschäft, aber mit starkem Wachstum. Verluste waren anfangs nicht zu vermeiden, dann stieg das Betriebsergebnis um bis zu 10 %, was für die Branche beachtenswert war. Spedpol konzentriert sich nun auf „Logistics flow“, was in Polen völlig neu war. Dieser neue Standard für Polen wurde von Schweden übernommen. Von jedem Eck des Landes konnten Transporte innerhalb eines Tages abgewickelt werden, was ein hohes IT -Niveau und ein starkes Engagement der Mitarbeiter voraussetzte. Stefan Eriksson hatte viel dazu beigetragen, er ließ monatlich Experten aus Schweden kommen, um das Geschäft bis ins Detail zu erklären. Anfang kam das Know-how aus Schweden, dann vom regionalen Schenker-Headquarter Europe East in Helsinki. Daher wurde auch Henry Fagerström Vorsitzender des Aufsichtsrates der polnischen Organisation. Schließlich konnte man aber auch auf das intellektuelle Potenzial des Landes selbst zurückgreifen. So wurden Professoren der Warschauer Universität als Berater herangezogen und eine Professorin übernahm für zwei Jahre die Position der Marketingdirektorin. Durch die forcierte neue Ausrichtung auf Marketing wurde das Unternehmen kundenorientiert. Dabei halfen auch Mitglieder der Warschauer School of Economics, da diese von außen über den Horizont 274

Polen

des Unternehmens hinaus schauen konnten. Ein Beispiel dieser Zusammenarbeit ist die Beschäftigung mit IT-Security seit 2006. Dieses Thema wird in Zukunft immer wichtiger werden. Die weitere strategische Ausrichtung der Spedpol lag in der Informationstechnologie, den Terminals und der Entwicklung der Mitarbeiter. Das führte zu einer deutlichen Erhöhung der Produktivität. Innerhalb von nur sieben Jahren stieg die Performance um das Siebzehnfache und erreichte das Niveau westlicher Länder. Diese Unternehmensentwicklung baute auf Marktforschungsprojekten auf, welche die Kundenzufriedenheit und -erwartungen berücksichtigten und von externen Marktforschungsinstituten durchgeführt wurden. Auf dieser Basis wurde das Training der betroffenen Mitarbeiter intensiviert, 1999 wurde ein Niveau von fünf Tagen Training pro Mitarbeiter erreicht. Ein weiterer Anstoß kam durch den Wechsel der Eigentümer. 1998 wurde Schenker-BTL , eines der größten Unternehmen seiner Art in Europa, der Mehrheitseigentümer. Der interne Druck zur Kostensenkung führte zu einer Reorganisation des Netzwerkes und zur Verringerung der Terminals. Der Effekt war eine Verringerung der Zwischentransporte und der Möglichkeit einer späten Übernahme der Güter vom Kunden. Im Jahr 2000 kam so etwas wie eine große Revolution, die letztlich auf Druck des Schenker-Eigentümers Stinnes zurückzuführen war. 50 Standorte wurden geschlossen und 200 Mitarbeiter entlassen. Die Standorte arbeiteten durchwegs positiv, weshalb die Maßnahme von den betroffenen Mitarbeitern nicht wirklich verstanden wurde, aber sie lagen geografisch zu nahe beieinander. In den ersten Jahren wurde daher das ganze Transportsystem durchgehend reorganisiert. Die Logistikkosten wurden durch ein einziges zentrales Lager und die Schließung der kleinen lokalen Lager gesenkt. Auf der Basis eines zentralen Umschlags in Lodtz wurde ein System der täglichen Verbindungen errichtet. Dies machte es bereits möglich, innerhalb von 24 bis 48 Stunden und zu geringen Kosten eine große Anzahl von Sammelladungen von mehreren Sendern zu mehreren Empfängern zu liefern. Das war nur aufgrund des übernommenen großen Netzes der PSK möglich. Zusätzlich wurde in die Ausbildung der Mitarbeiter und in Informationstechnologie investiert und ein System der Qualitätsmessung eingeführt. Ganz allgemein konzentrierte sich die Industrie nun auf ihre Kernkompetenz und stieß Randbereiche ab. Das betraf auch die eigenen Transportabteilungen der Industrie, die nie völlig ausgelastet waren und nun dem effizienteren Speditionssektors übertragen wurde. Daher begann Spedpol mit Investitionen, 1993 war das erste Terminal errichtet worden und erst 2002 das nächste. Die Investments erfolgten über den eigenen Cashflow, da bei Dividendenzahlungen an die 50 % Steuern zu leisten wären. Dennoch gibt es nach wie vor alte Plätze im Land, die noch ausgebaut werden müssen, bei denen man nicht glauben würde, dass es sich um Schenker handelt, besonders im Osten. 275

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Erhebliche Investitionen waren auch in das IT-Netzwerk notwendig, um den Übergang der ursprünglich regionalen Systeme zu einem einzigen, landesweiten Netzwerk zu vollziehen. 1998 konnte Spedpol als erstes Unternehmen seiner Sparte ein „Track & Trace“-System einführen. Das ermöglichte auch die Etablierung der „flow logistics“, eines just in time Systems. Bis dahin war Logistics weitgehend mit dem Management von Warenhäusern assoziiert worden. Nun löste man den zentralen Hub auf und etablierte direkte Verbindungen zwischen den Terminals. Bei „low logistics“ wird die Lagerdauer minimiert und die Lieferung weitgehend von der Produktion direkt in den Verkauf geleitet. Damit wird der Transport von Gütern von einigen Hundert Versorgern innerhalb von 24 Stunden zum Verbraucher bewerkstelligt. Die Computerisierung erlaubte auch eine bessere Kostenanalyse. Die Integration des ITSystems von Spedpol und der Schwester Gesellschaft Schenker-BTL Polska gab auch Zugang zu dem europäischen IT-Netzwerk der Schenker-BTL Gruppe. 2004 übernahm dann Spedpol formal Schenker und wechselte den Namen auf Schenker. 2005 kaufte die Schenker AG weitere 29 % von Spedpol und verfügt damit über 99 %. Die zusammen geführten Unternehmen arbeiteten unter der Leitung von Janusz Grorski nun an 23 Standorten mit 1.312 Mitarbeitern. Spedpol sp. z o.o. Jahr 1991

276

Scansped/Schenker Umsatz in Zloty

Umsatz

Mitarbeiter

Umsatz

Mitarbeiter

 35.026

3.558

 2.096

 25

1992

 37.946

2.648

 4.652

 48

1993

 45.410

2.060

 9.980

 86

1994

 57.993

1.644

27.514

149

1995

 75.606

1.576

40.109

169

1996

107.667

1.542

50.090

279

1997

145.219

1.507

76.015

293

1998

181.825

1.497

106.949

302

1999

210.392

1.254

118.742

316

2000

252.556

1.057

148.783

341

2001

295.164

1.248

140.761

370

2002

346.067

1.203

173.737

343

2003

407.983

1.257

227.239

342

2004

474.117

1.307

254.255

289

Polen

Schenker nach der Fusion mit Spedpol 2005

728.702

1.312

2006

861.915

1.339

2007

1.015.960

1.443

2008

1.090.509

1.620

2009

1.021.689

1.577

2010

1.174.056

1.602

2011

1.290.513

1.708

2004 machte Schenker 880 Zloty Umsatz pro Beschäftigten, Spedpol nur 363, was u. a. schon darauf zurückzuführen war, dass Schenker vor allem im internationalen Luftund Seeverkehr, Spedpol im nationalen Landverkehr tätig war, mit den entsprechend niedrigeren Margen. Bis 2011 stieg der Umsatz pro Beschäftigten bei der fusionierten Gesellschaft auf 756 Zloty. Die Zahl der Mitarbeiter ging bei Spedpol von 1991 auf 2000 um 70 % zurück. Der Rückgang des Personals im Jahr 2000 wurde im folgenden Jahr wieder wettgemacht. 2009 fasste auch die DB Schenker Rail Polska SA Fuß am polnischen Markt. Mit 1.259 Beschäftigten, 32 Büros, 52.573 m2 Lager und dem entsprechenden rollenden Material bietet sie umfassende Bahndienste im Land an. Der Weg zum Erfolg war für Schenker Polen steinig und voller Hindernisse. Aufbauend auf einer überholten staatlichen Infrastruktur konnte mit Hilfe von Schweden, Finnland und Deutschland und letztlich auch des eigenen intellektuellen Potenzials des Landes ein Logistikunternehmen aufgebaut werden, das den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Dementsprechend selbstbewusst tritt man heute auf. DB Schenker Logistics in Polen gehört mit 1.700 Mitarbeitern zu den größten Unternehmen am Markt. Es bietet seinen Kunden alle Logistiklösungen an  : Straße, Bahn, See und Luft und Lagerlogistics. Darunter auch Logisticsprojekte, Export/Import, für führende internationale Hersteller der verschiedensten Sektoren. Die Grundlage sind 17 eigenen „Cross-docking“-Terminals und IT-integrated Logistics Lagerhäuser und an die 400 regelmäßige, nationale und internationale Transportverbindungen. Die strategischen Ziele des Unternehmens entsprechen den Vorgaben aus der Zeit von Stinnes und der Weiterentwicklung durch die Deutsche Bahn seit 2002. Sie werden umschrieben mit verantwortlicher Geschäftsfühung, nachhaltiger Entwicklung, ethischen Geschäftsverbindungen und gesellschaftlicher Verantwortung vor Ort. Dies drückt sich in sozialen und umweltbewussten Initiativen aus, wie dem freiwilligen Mitarbeiterprogramm, und der Förderung der wissenschaftlichen Forschung. 2010 wurde eine eigene „Sustainable Development Strategy“ (CSR ) für Schenker Sp. z o.o. entwickelt. 277

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Warsaw Branch

Warehouse

Terminal-Mlochow

Terminal- Mlochow bei Warschau

Die Unternehmenskultur ist auf gute Zusammenarbeit, Innovationsförderung und effiziente Prozesse ausgerichtet. 2001 wurde ein „Personal Book of Spedpol“ herausgegeben, das die Organisationskultur beschrieb, Grundwerte und Stellenbeschreibungen und damit eine transparente Organisation mit effizienter Kommunikation und der Festlegung der Verantwortlichkeiten. In der Seefracht wurde ein besonderes Managementprogramm entwickelt, die „School for Leaders“ und ein „Performance Appraisal System“ eingeführt. Um die höchsten ethnischen und professionellen Standards der Mitarbeiter zu sichern, wurde 2007 ein „Code of Ethics“, 2010 die „Compliance Policy and Ethics – Code of Conduct“ und 2011 „Dignity & Respect in the Workplace Policy“eingeführt, welche für die gesamte Unternehmensgruppe der Deutschen Bahn gelten. 2009 lautete die neue Vision des Unternehmens „We deliver the future“ mit der Mission „We add value. We release resources“. Ziel der Schenker sp. z o.o. war es, die Kunden in deren Markterfolg zu unterstützen und damit eine kontinuierliche Entwicklung der Angestellten und Lieferanten des Unternehmens zu sichern. Auf der Grundlage eines Vergleichs mit den Konkurrenten startete man 2008 ein 278

Russland

strategisches Programm, um sich am Markt in allen Bereichen eine Spitzenposition zu sichern. Dazu diente auch das Lean Management Programm 2011, um neue Standard in Bezug auf hohe Qualität, niedrige Kosten, kurze Transportzeiten und stabile Arbeitsverhälntisse zu sichern. Diese Bemühungen wurden durch die Zuerkennung von Qualitätsstandards bestätigt, darunter unter anderem  : ISO -9002, ISO -9001, ISO -14001, ISO -18001, OHSAS 18001. 2004 implementierte das Unternehmen eine „Information Security Policy“ und erhielt dafür 2006 als erstes polnisches Logistikunternehmen ISO 27001  :2005. Von den zahlreichen Auszeichnungen seien erwähnt  : Polish Business Leader, Investor in Human Capital, Benefactor of the Year, European Medal, Fair Play Award. DB Schenker Logistics in Polen hatte zwei Preise im „Responsible Companies“-Ranking erhalten, der von der „Dziennik Gazeta Prawna“ organisiert wird, einen ersten Platz im Spezialsektor und einen zweiten in der allgemeinen Klasse. 2008 erhielt das Unternehmen die Viersterneauszeichnung durch den EFQM European Quality Award (R4E EFQM). Im Oktober 2011 die Höchstanzahl von fünf Sternen, R4E EFQM (Recognised for Excellence), welche Schenker sp. z o.o. in die weltweit besten Unternehmen einreihte. Schenker Polen hat daher ohne Zweifel die Transformationsperiode erfolgreich hinter sich gelassen und steht heute auf Augenhöhe mit den Schenker-Landesorganisationen in den westlichen Ländern. Russland Russland ist mit anderen Ländern Osteuropas nicht zu vergleichen. Es ist mit 17 Millionen Quadratkilometern und elf Zeitzonen flächenmäßig das größte Land der Welt. Von den 148 Millionen Einwohnern sind 83 % russisch, wobei 85 % der Bevölkerung im europäischen Teil konzentriert sind. Und es ist das rohstoffreichste Land der Welt, mit besonderer Bedeutung von Erdöl und Erdgas. Die großen Distanzen – in Australien spricht man vom „terror of distance“ – und die zeitweise rauen kli279

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

matischen Verhältnisse erschweren jede wirtschaftliche Aktivität. Auch war es das Land mit der längsten planwirtschaftlichen Geschichte. Von einem Agrarland mit industriellen Ansätzen bei der russischen Revolution 1917 konzentrierte es sich bis Ende der 1980er Jahre nach kommunistisch-planwirtschaftlichen Vorstellungen auf die Schwerindustrie und den Militärbereich. Die Sowjetunion war militärisch eine Weltmacht, aber nie wirtschaftlich, und die Vergleiche mit den USA waren stets nur Propaganda. An ihrer wirtschaftlichen Ineffizienz brach sie letztlich auch zusammen und löste so die Lawine der politischen Selbstständigkeit in den ost- und südosteuropäischen Ländern aus. Während in der Volksrepublik China die kommunistische Partei ihr Machtmonopol behielt, aber bereits seit den 1970er Jahren die Wirtschaft liberalisierte, veränderten sich in Russland alle gesellschaftlichen Bereiche, was anfangs zu entsprechenden chaotischen Verhältnissen führte. Nicht zuletzt unter dem Einfluss amerikanischer Berater war man der Meinung, dass durch den Wegfall aller Beschränkungen die Marktwirtschaft von selbst entstehen würde. Schließlich wurde deutlich, dass auch der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft einen Plan erforderte. Erschwert wurde das – wieder im Vergleich zu China – dadurch, dass man wirtschaftlich nicht einfach neu aufbauen konnte, sondern die bestehende Struktur umzubauen hatte. Zur Privatisierung wurden 148 Millionen Privatisierungschecks an die Bevölkerung ausgegeben und damit die Teilentstaatlichung von mehr als 100.000 Unternehmen durchgeführt, darunter 20.000 Großbetriebe. 70 % des Industriepotenzials waren bis 1997 in private Hand übergegangen, über 40 % der Bevölkerung Aktionäre geworden und einzelne Magnaten konnten ein erhebliches Vermögen erlangen. Allerdings hatte die Privatisierung über Gutscheine den erheblichen Nachteil, dass damit weder neues Kapital noch Know-how ins Land kamen. Dies war erst über ausländische Beteiligungen möglich, die Russland aber bei wirtschaftlich-strategischen Bereichen einschränkte, um nicht vom Ausland abhängig zu werden. Russland durchlebte daher in den letzten 20 Jahren drei Krisen. Die Zeit Anfang der 1990er Jahre war ein Desaster, mit Schlangenstehen, um Grundnahrungsmittel zu erhalten. 1993/4 wurden sogar Lebensmittelkarten eingeführt, mit denen aber auch nicht immer Nahrungsmittel zu erhalten waren. Die Auflösung der Sowjetunion war zunächst von einem drastischen wirtschaftlichen Einbruch geprägt. Die eingespielten planwirtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Regionen fielen auseinander. Die nun entstandene Russische Föderation und elf Republiken schlossen sich daraufhin zur GUS zusammen, zu einer Wirtschaftsgemeinschaft gleichberechtigter Staaten. Das BNP Russlands ging daher von 1990 bis 1996 um mehr als 40 % zurück. Auch wenn man annimmt, dass die wirtschaftliche Statistik der ehemaligen Sowjetunion bis 1990 eher optimistisch war, so waren die Wohlstandsverluste in den ersten Jahren doch dramatisch. Die Geldentwertung hatte das Ausmaß einer Hyperinflation erreicht, mit der Stabilisierung 1992 wurden daher die Tausenderstellen des Rubels 280

Russland

gestrichen. Danach erholte sich die russische Volkswirtschaft durch die Verbilligung der inländischen Produktionskosten und dem neuerlichen Ansteigen des Erdölpreises. 1997 begann zögernd eine wirtschaftliche Erholung, doch 1998 brachen die Erdölpreise am Weltmarkt ein. Damit gingen die Exporterlöse und die Staatseinnahmen dramatisch zurück. Der Staat konnte die Auslandsschulden nicht mehr bedienen, musste die Bindung des Rubels an den Dollar aufgeben und die Währung abwerten. 2007 wurde erstmals wieder das Niveau des BNP von 1990 überschritten. Doch 2008 schlug auch die von den USA ausgegangene weltweite Finanzkrise auf Russland durch. Kapital wurde abgezogen, die Aktienkurse brachen ein und Kredite aus dem Ausland verteuerten sich. Danach erholte sich die Wirtschaft wieder rasch, wobei im Export nach wie vor Energie und Rohstoffe und beim Import Nahrungsmittel dominierten. Wichtigster Außenhandelspartner ist die EU und darunter Deutschland. CIS (GUS) Commonwealth of Independent States Ehemalige Sowjetunion Einwohner Russland

148

Ukraine

52

Weißrussland

10

Hauptstadt Moskau Kiev Minsk

Moldavien

4

Chisinau

Kasachstan

17

Astana

Kirgisistan

4

Bishkek

Usbekistan

20

Taschkent

Tadschikistan

5

Duschanbe

Turkmenistan

4

Asgabad

Armenien

4

Jerewan

Aserbaidschan

7

Baku

6

Tiflis

Nichtmitglieder  : Georgien Baltische Staaten  : Estland

1,5

Tallin

Lettland

2,6

Riga

Litauen

3,7

Vilnius

281

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

1990

−3



1991

−5

1992

−15

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

5





93



5

1.527



1993

−9

6

874

84

1994

−13

8

307

73

1995

−4

9

198

46

1996

−4

10

48

51

1997

1

12

15

57

1998

−5

13

28

143

1999

6

13

86

94

2000

10

11

21

57

2001

5

9

22

43

2002

5

8

16

37

2003

7

8

14

29

2004

7

8

11

22

2005

6

7

13

15

2006

8

7

10

9

2007

9

6

9

7

2008

5

6

14

6

2009

−8

8

12

8

2010

4

8

7

9

2011

4

7

9

9

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

147.913

 7.600

23

2011

142.961

13.200

37

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for International Economics Studies, Vienna 2012.

282

Russland

BNP Russland real im Vergleich zu 1990 Jahr

1990 = 100

1989

103

1990

100

1991

95

1992

81

1993

74

1994

65

1995

62

1996

60

1997

61

1998

58

1999

61

2000

67

2001

71

2002

74

2003

80

2004

85

2005

91

2006

98

2007

107

2008

112

2009

103

2010

107

Schon Gottfried Schenker beschäftigte sich mit der Möglichkeit, auch im Zarenreich – Moskau, Riga, St. Petersburg, Kiew – Filialen zu gründen, und schickte Mitarbeiter zur Markterkundung nach Russland. Denn mit der neuen europäischen Bahnverbindung Paris-Berlin-Warschau-Moskau und weiter nach Irkutsk, Wladiwostok oder Peking wurde das zaristische Russland auch wirtschaftlich von zunehmendem Interesse. 1903 gab es neuerlich konkrete Überlegungen, in Moskau, Riga, St. Petersburg und Kiew eigene Schenker-Filialen zu gründen, und ab 1910 hatten die damals berühmten Schenker-Reisebüros auch Agenturen in Moskau, St. Petersburg, Kiew und Odessa. Der finanzielle Aufwand in dem großen und wenig entwickelten Land stand jedoch größeren Investitionen entgegen. Kredite, lange Zahlungsfristen und ein nicht unerhebliches Risiko standen in keinem Verhältnis zu den Verdienstmöglichkeiten. Dennoch gab es zum Teil umfangreiche Geschäftsverbindungen. Seit 1886 wurden 283

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Sammelladungsverkehre unter der Geschäftsführung von Schenker durchgeführt und während des Burenkriegs 1899  –  1902 transportierte Schenker 50.000 Pferde aus Russland über Fiume nach Südafrika. Das Russlandgeschäft lief daher über entsprechende Partner. Mit dem Spediteur Hermann Kobritz in Moskau wickelte man seit 1899 den Verkehr mit Sibirien und der Mandschurei ab, durch den Einsatz von Eisbrechern konnten schon ab Februar Schiffe nach Wladiwostok und Port Arthur abgehen  ; in Kiew arbeitete man mit der dort ansässigen Spedition Oskar Weihe zusammen. Eine wichtige Rolle spielten auch die Partner in Galizien, dem österreichischen Teil von Polen, das damals dreigeteilt war. Mit der Firma Goldlust & Co. in Brody, Krakau, Podwoloczyska, Lemberg und Czernowitz bestand seit 1882 ein Kooperationsabkommen zur Abwicklung sämtlicher Transporte mit Russland, wobei neben Holz auch Seidenraupenkokons aus China und Persien über diese Route nach Frankreich und Italien gingen. Goldlust organisierte die Transporte aus Russland und dem Fernen Osten und Schenker leitete sie nach Westeuropa weiter. Eine weitere Abmachung für Russland bestand mit dem Grenzspediteur H. Reicher & Co. in Granica, Sosnowice und Alexandrowo. Im Ersten Weltkrieg war der Verkehr mit Russland unterbrochen. 1919 wurde das Arbeitsgebiet Russland Schenker Berlin unterstellt, was zu Spannungen mit der damaligen Zentrale in Wien führte. Schenker Berlin verfügte über Persönlichkeiten, die schon in der Vorkriegszeit enge Verbindung mit Russland gehabt hatten und die Verhältnisse gut kannten. Der Leiter der Direktion-Ost in Berlin, Carl Schiller, und der Filialleiter in Estland, Alphons Dankmann, kamen beide von der im Russlandgeschäft stark engagierten Speditionsfirma Gerhard & Hey und hatten entsprechende Sprachkenntnisse. Die Sowjetunion führte 1921 die „Neue Ökonomische Politik“ ein, die eine Lockerung der Planwirtschaft mit entsprechenden marktwirtschaftlichen Elementen einführte. Daher versuchte nun auch Schenker eine eigene Organisation aufzubauen. Die Expansion nach Osten wurde aber von Wien aus gebremst, Schenker Berlin konnte lediglich 1922 in St. Petersburg eine kleine Delegation errichten. Carl Schiller hielt sich mehrmals in Moskau auf und hatte dabei auch Zutritt zu hohen Regierungskreisen. In Wien war man aber der Meinung, Russland habe seit Hunderten von Jahren auf uns gewartet und wir hätten auf Russland gewartet und man solle daher nichts übereilen. Zuerst müssten dort die zerrütteten Verkehrsverhältnisse wiederaufgebaut werden. Russland friedlich zu erobern, bedeute, die Verkehrswege freizulegen, was nur mit ausländischer Hilfe geschehen konnte. Daher war an eine Gründung im großen Maßstab nicht zu denken und man konnte nur vorsichtig und schrittweise vorgehen. 1923 wurde ein Korrespondenzverhältnis mit der zum sowjetischen Verkehrsministerium gehörenden Aktiengesellschaft „Transport“ geschlossen, was zu Transportzuweisungen nach Berlin und Danzig führte. Da Wien seine Russlandtransporte über die sowjetische „Doberoflot“ abwickelte, kam es im September 1923 zu einer Russlandtagung in Wien, auf der die Errichtung von klei284

Russland

nen Repräsentanzen in Moskau und in Petrograd beschlossen wurde. Dies sollte dazu dienen, fest Fuß zu fassen sobald es die Verhältnisse erlaubten. Die schwierige Entwicklung des Russlandgeschäfts ging auch auf die sowjetische „Deutsch-Russische Lager- und Transportgesellschaft mbH.“ (Deruta) zurück, welche die Transporte an sich zog und vor allem den Seeverkehr beherrschte. Trotzdem gelang es Schenker Berlin in mühseliger Kleinarbeit, im russischen Landtransport ins Ausland eine monopolähnliche Stellung zu erreichen. Dieser Erfolg wurde vor allem auf die besondere Kundenbetreuung zurückgeführt  : Wer dem Kunden auf einem Spezialgebiet eine besonders fach- und landeskundige Bedienung bieten kann, schlägt den Mitbewerb. Schenker Berlin unterhielt mit der russischen Handelsvertretung und den Vertretungen der großen russischen Genossenschaften ausgedehnte Beziehungen, war mit russischen Verhältnissen gut vertraut und hatte einen Stab an landes- und sprachkundigen Mitarbeitern. Mit dem Ende der Neuen Ökonomischen Politik und der Machtübernahme Stalins kühlten sich aber die Beziehungen rasch ab. Man erlaubte dem Schenker-Mitarbeiter Dankmann lediglich, im Büro der Dobroflott seine Tätigkeit weiter auszuüben. 1924 musste er auch diese Stelle räumen und die beiden Außenstellen in der Sowjetunion wurden aufgelassen. Während der Verkehr mit der Sowjetunion in den drei Jahren der Neuen Ökonomischen Politik eine beträchtliche Steigerung erfahren hatte und in den baltischen und polnischen Filialen das Rückgrat des Geschäfts darstellte, war man in der Sowjetunion selbst keinen Schritt weitergekommen. Die vorsichtige Investitionspolitik hatte sich daher bestätigt. Dennoch kam es bis 1941 zu umfangreichen Vieh- und Agrartransporten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Schenker ab den 1950er Jahren die Geschäftsverbindungen zur Sowjetunion wieder auf. Einmal im Transit, da der Gütertransport über die Transsibirische Eisenbahn nach China oder Japan häufig günstiger war als der Seeweg nach dem Fernen Osten. Schenker hatte als Tochter der Deutschen Bahn zahlreiche Verträge mit den beteiligten Eisenbahngesellschaften. Außerdem war Schenker im Kunsttransport für Ausstellungen und vor allem im Messegeschäft stark vertreten. In dieser Zeit gingen lange Lastwagenkonvois von Westeuropa zum Messegelände von Moskau-Schtscherbinka und an andere Plätze der Sowjetischen Union. Ab Ende der 1960er Jahre war Schenker einer der beiden Vertreter von Sovtransauto, half beim Aufbau der sowjetischen Lkw-Verkehre von und nach Deutschland und später Westeuropa. Das betraf an die 15.000 Lkw jährlich, für welche die Genehmigungen zu besorgen und Kfz-Steuern auszulegen waren. In Hamburg wurde dafür eine eigene Dispositionsstelle unterhalten. Viele Lkw wurden durch Schenker befrachtet, andere neutral für den Wettbewerb betreut. In den 1970er und 1980er Jahren beteiligte sich Schenker am Transport für wichtige Investitionsprojekte. Nach der „Wende“ war Schenker aktiv bei Hilfstransporten in die ehemalige Sowjetunion, etwa bei der Errichtung von 36.000 Wohnungen für die aus Osteuropa 285

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Schenker Eurocargo Russland

heimkehrenden Soldaten. Dieses Wohnbauprojekt war mit einem gewaltigen Transportvolumen verbunden und stellte entsprechend hohe logistische Anforderungen. Nun begannen auch zahlreiche andere logistische Projekte, wie etwa der Bau des Moskauer Olympic Penta Hotels, das im Oktober 1991 eröffnet wurde. Die Transformation zur Marktwirtschaft Anfang der 1990er Jahre war durch rückläufige Wirtschaftsdaten und eine problematische Infrastruktur gekennzeichnet. Schenker Österreich arbeitete aus Sicherheitsgründen mit Sovtransauto. Bei Seeund Luftfracht wurden kleine Schritte unternommen. Für Schenker International (Air and See) übernahm der Partner ITS Japan die meisten Abwicklungen. Schenker Schweden führte von 1992 an regelmäßige Verkehre mit Russland durch und arbeitete in St. Petersburg seit 1994 mit Transco Ltd zusammen. Dieser Partner mit 190 Mitarbeitern verfügte über alle Anlagen für nationalen und internationalen Transport, hatte ein eigenes Zolllager, ein 6.000 m2 großes Lagerhaus und konnte alle Serviceleistungen durchführen. Der Wiedereinstieg von Schenker in Russland beginnt mit den Schweden. Am 29. September 1992 wurde die ZAO Scansped Russia in St. Petersburg durch BTL Göteborg als alleinigem Aktionär gegründet. Unterschrieben war das Gründungsdo286

Russland

Свидетельство о внесении Сканспед в гос. Регистр

CERTIFICATE translation

kument von Vladimir Putin als „Chairman of the External Relations Committee of the Saint Petersburg Mayor’s Office“. 1994/5 wurden die Anteile aus Steuergründen von der schwedischen BTL auf die finnische Tochtergesellschaft übertragen und dann später auf die BTL East OY, Helsinki, dem Head Office in St. Petersburg. Am 12. Februar 1997 wurde Scansped auch in Moskau registriert. Nach der Übernahme der BTL durch Schenker wurde Scansped 1998 zu Schenker-BTL Russia umfirmiert, mit sechs Büros, 85 Mitarbeitern umd 16.000 m 2 Lagerfläche. General Manager war Mikhail G. Smolkin. Anatoly Gvozdev war Sales Manager der Moskauer Branche. Neben St. Petersburg und Moskau verfügte das Unternehmen über Niederlassungen in Timashevsk, Krasnodar, Nizhny, Novgorod und Vyborg. Das Logistikcenter in Moskau hatte über 4.000 m2 normale und 2.000 m2 Zollterminalflächen, Ladetore und war teilweise temperiert. Weitere 6.800 m2 waren in Vorbereitung. Daneben bestand einen bewachten Platz für 150 Lkw und ein Containerdepot von 20.000 m2 Größe. Ein eigener Bahnanschluss erlaubte die gleichzeitige Entladung von vier Waggons, mit einer Krankapazität bis zu 50 Tonnen. Die ganze Anlage wurde rund um die Uhr durch bewaffnete Sicherheitsleute und elektronische Überwachung kontrolliert. 287

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Am 31. Oktober 2001 wurde Schenker-BTL zu Schenker Russia umfirmiert, mit 100 % Beteiligung durch das regionale Headquarters OY Schenker East AB in Helsinki. 2005 erfolgte die Inbetriebnahme eines 5.000 m2 großen Zentrums in Moskau als Hub für das ganze Land. Das Unternehmen baute ein Netzwerk von regelmäßigen Verkehren mit 20 großen Städten auf. Zahl der Beschäftigten Schenker Russia 1999

94

2002

117

2004

148

2005

223

2006

378

2007

530

2008

408

2009

370

2010

506

2011

658

In Russland gab es aber mit Schenker ZAO Russija noch eine zweite Gesellschaft, die Schenker Deutschland unterstand. Im November 1993 errichtete Schenker-Rhenus diese als Joint Venture mit dem Staatsunternehmen Softrans Expandize  ; 95 % der Aktien wurden von Schenker gehalten. General Manager war Richard Hartmann, das Hauptoffice war in Moskau, Scharikopodschipnikowskaja 4, Büros entstanden in Brest, Kiew, am Sheremetyewo Airport in Moskau und in St. Petersburg, wo das Büro von Stephan Piper als Sea Freight Manager geleitet wurde. Über Lagerfläche verfügte man anfangs nur in externen Anlagen der Firma Sovinteravtoservice und Sovtransavto Exp. Der Umsatz stieg von 2,1 Millionen Dollar im Jahr 1995 auf 3,9 Millionen Dollar im Jahr 1996 an. Moskau

288

Bürofläche

Mitarbeiter

Mai–Juli 1994

Hotelzimmer

August 1994

32 m2

3

Dezember 1995

130 m2

9

Dezember 1996

180 m2

16

Dezember 1997

215 m2

22

Dezember 1998

250 m

28

2

Russland

Das Unternehmen war ein Teil von Schenker Deutschland und baute Sammelverkehre nach Deutschland, Österreich, Holland und Belgien auf, war in Luft- und Seefracht aktiv, hatte Lagergeschäft u. a. mit Philips, Du Pont und BASF und machte Verzollung. Soweit entsprach die organisatorische Entwicklung von Schenker der in anderen Ländern vor dem Hintergrund des Zusammengehens von Schenker mit der schwedischen BTL und deren finnischen Tochtergesellschaft. An sich waren 1998 in Mikhail G. Smolkin Europa in allen Ländern, in denen Schenker und BTL vertreten waren, alle Unternehmen zu Schenker-BTL zusammengeführt worden. Russland war eine Ausnahme, also gab es Schenker Russija und Schenker Russia zwölf Jahre lang nebeneinander. Schenker Russia berichtete an das regionale Headquarter Schenker OY Schenker East AB Helsinki, und Schenker Russija aus bestimmten Gründen nach Schenker Deutschland Kelsterbach. Schenker Russija war vor allem auf die Verkehre mit Deutschland, Österreich, den Niederlanden etc. konzentriert, Schenker Russia auf das lokale Geschäft und Logistics, um sich nicht zu stark gegenseitig zu konkurrenzieren. Schenker Rus- Richard Hartmann 2009 sia sprach immer wieder die positive Wirkung einer Zusammenführung an, konnte sich aber nicht durchsetzen, ohne die Gründe zu verstehen. Richard Hartmann war „Deutschrusse“, von dem man sagte, dass er zur Hälfte deutsch und zur anderen Hälfte russisch dachte. Er verfügte an sich über die besten Voraussetzungen für die Leitung des Unternehmens in Moskau. Er hatte aber eine eigene Vorstellung vom Geschäft und weigerte sich, mit Schenker Russia zusammenzuarbeiten, das ja aus schwedisch/finnischen Wurzeln hervorgegangen war. Unterstützt wurde er dabei vom Leiter der deutschen Schenker-Organisation HansJörg Hager. Um die beiden Schenker-Gesellschaften in Russland doch zusammenzuführen, machte die Schenker-Zentrale in Essen Druck, schickte das Controlling nach Moskau, ohne jedoch wirklich etwas zu finden. So wurde die Geschäftstätigkeit von Richard Hartmann ständig erschwert, bis dieser eine überraschende Lösung fand. Nachdem 2009 die Schenker-Zentrale einen Wechsel im Management vorbereitete, verließ er über Nacht Schenker Russjia und gründete mit seinen führenden Mitarbeitern eine eigene Speditionsgesellschaft. Als der neue Manager zu Neujahr 2010 kam, war das Büro völlig leer und ohne Einrichtung. So hatte man sich die Übergabe nicht vorgestellt  ! Der materielle Verlust spielte keine Rolle, aber die neue Gesellschaft konnte einige ihre bisherigen Kunden mitnehmen und war in der russischen Wirtschaft und Politik gut verankert. 289

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

2010 war daher ein turbulentes Jahr und man musste dem Markt erklären, was geschehen war. Dies gelang schließlich, indem 2010 beide Schenker-Unternehmen in Russland auch formal zusammengeführt wurden. Da die Infrastruktur übernommen wurde, war Schenker nun mit 20 Standorten, 60.000 m2 Lagerfläche, über 500 Beschäftigten und 250 Lkw eines der führenden Logistikunternehmen des Landes. Nun wurden alle Verkehrsbereiche, Land, Luft und See, wieder zusammengeführt. Die Kapazität des Terminals in Lvosky südlich von Moskau wurde erheblich auf 25.000 m2 erweitert, Anatoly Gvozdev - Managing Director mit einem 5.400 m2 großen Logistikzentrum, und es wurde die weltweite Schenker-Software SAP eingeführt. Nach dem Zusammenschluss beider Schenker-Organisationen nach 2010 musste der Luft- und Seeverkehr von Grund auf entwickelt werden. 2012 macht dieser Bereich 10 % des Umsatzes aus, nationaler- und internationaler Landtransport 70 %, und 20 % entfielen auf Logistik. Das Corporate Office und ein Büro waren in Moskau. Dort und in St. Petersburg war man besonders stark vertreten. Insgesamt waren 900 Mitarbeiter an Stützpunkten in 22 Städten tätig. Die Lkw sind heute alle gemietet, im Eigentum sind nur an die 200 Trailer. Der heutige Managing Director, Anatoly Gvozdev, war vom März 1993 an bei der schwedischen Scansped. Er hatte am Moskauer Transport und Road Institute studiert und begann noch in Sowjetzeit seine Tätigkeit im Nordeuropa Departement der Softrans, einer nationalen Transportgesellschaft. Die Idee der Sowjetökonomie war Spezialisierung und Integration. Bei der Spedition gab es eine Lkw-Firma für das ganze Land, die grenzüberschreitende Transporte durchführen konnte. Darüber hinaus gabe es eine im Westen und im Fernen Osten ebenfalls. Sojustrans war als Spediteur der einzige Partner für Westfirmen, Sojutransit für den Transit und eine andere Firma machte die Seeverkehre. Alles konzentrierte sich auf diese sehr großen Unternehmen. Das zeigte sich etwa an den Rabatten, die den Westfirmen gewährt wurden  : von einem bis 500 Lkw gab es null Discount, von 500 bis 1.500 Lkw waren es 2 %, von 1.500 bis 3.000 Lkw schließlich 5 %. Das alles für je einen einzigen Auftraggeber und solche Geschäfte waren tägliche Routine. Dann kam der schrittweise Übergang zur Marktwirtschaft. Diese großen Organisationen wurden überwiegend durch das Management privatisiert. Auch die Softrans war eine Monopolorganisation mit großen Aufträgen. Die Gesellschaft hatte 6.000 Lkw und 15 Depots allein an der Westgrenze, dann noch Depots in Zentralasien und am Kaukasus. Dieses russlandweite Netzwerk hätte gut überleben können, aber bei der Privatisierung wurde nicht das ganze Unternehmen angeboten, sondern dem lo290

Russland

kalen Management wurden die einzelnen Depots als Buy-out angeboten und so hatte sich die Gesellschaft selbst von innen her aufgelöst. Diese privatisierten Einheiten existieren noch, haben aber ohne die Zentrale, die innerhalb weniger Tage bis zu 600 Lkw mobilisieren konnte, keine wirkliche Bedeutung mehr. Ab 1992 bekamen auch ausländische Firmen die Möglichkeit, in Russland tätig zu werden. Die Schweden mit Scansped konzentrierten sich auf St. Petersburg als dem für Skandinavien wichtigsten Stützpunkt, da von dort die Transportgesellschaften für beide Märkte arbeiteten konnten. Es gab sogar den Gedanken, Softrans in St. Petersburg zu erwerben, was aber letztlich nicht durchgeführt wurde. Mit der Integration der Scansped in die Schenker-Organisation profitierte Schenker Russia auch von deren Know-how und den Anforderungen der internationalen Kunden. Das betraf vorerst die deutsche Metro-Gruppe, ein internationales Handelsunternehmen mit heute an die 2.200 Standorten in 32 Ländern und 280.000 Mitarbeitern. Die Metro-Gruppe beeinflusste Schenker Russia stark und forderte ein bis dahin nicht erreichtes Niveau an Logistics für ihre Transporte und Lagerhäuser. Schenker Russia war einer der Anbieter, preislich noch nicht einmal der beste, aber die weltweite Schenker-Organisation punktete mit finanzieller Sicherheit und Zuverlässigkeit. Im November 2004 wurden die Verhandlungen positiv abgeschlossen. Allerdings konnten nicht alle von Metro geforderten Bedingungen sofort am russischen Markt durchgesetzt werden. So waren etwa die Lkw-Kosten bewusst zu niedrig angesetzt worden, da man über Druck von Metro hoffte, mit zusätzlichen Sendungen und Retourladungen eine Kostendeckung bzw. Gewinne zu erwirtschaften. Mit Metro lernte Schenker Russland das Geschäft des Sammelverkehrs. Nach drei Jahren lief der Vertrag aus, die Geschäftsbeziehung wurden dann noch um acht Monate auf der Grundlage von vernünftigen Marktbedingungen und ohne falsche Annahmen verlängert und gingen 2008 zu Ende. Schenker hatte bis dahin ein effektives System aufgebaut, das man nun auch anderen Unternehmen anbieten konnte. Mit Metro wurden 4.000 Paletten pro Tag bewegt, nun ging das Volumen auf etwa 3.000 zurück, allerdings mit größerem Gewinn. Insgesamt war es ein Auf und Ab mit den Gewinnen, die sich bis 2004 gut entwickelten, mit Metro geringer waren und sich ab 2009 wieder erholten. Allerdings schlugen die Wirtschaftskrisen in Russland auch auf Schenker durch, sodass etwa 2008/9 die Zahl der Mitarbeiter deutlich verringert werden musste. Dennoch war das Jahr 2008 noch sehr gut für Schenker, danach wurde das Land auch von der Weltkrise erfasst. Das führte auch in Russland zur Optimierung der Produktion und Abläufe. Durch die vorangegangene Krise konnte man aber damit recht gut umgehen. Ein weiterhin bestehendes Problem in Russland ist die Unpaarigkeit der Transporte, da die Wirtschaft im Zentrum konzentriert ist und der Rest des Landes zu geringe Rückladungen anbieten kann. Es wurde ein garantiertes tägliches Service von Moskau in andere Regionen aufgebaut, zurück aber nur an einzelnen Wochentagen. 291

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Am Wochenende konnte überhaupt nicht geliefert werden, da nicht gearbeitet wurde. In das Schenker-Netzwerk sind 80 Städte in Russland integriert, die 85 % des Konsummarktes darstellen, in Zukunft sollen noch die restlichen 15 % hinzukommen, vor allem der Ferne Osten. Die Verkehre gehen fast nur über Lkw mit Container und thermischer Ausrüstung für Waren, die nicht gefrieren dürfen. Im Winter verlängert sich die Transportzeit der Lkw durch die große Kälte, den Schnee in den Bergen und die niedrigeren Geschwindigkeiten durch Glatteis auch bei geringen Steigungen. Eine Kombination mit der Bahn gibt es für den Winter und lange Distanzen, ist aber nicht sehr effizient. Eine Garantie mit festgelegten Transportzeiten ist nur beim Lkw möglich, nicht aber mit der Bahn. Bei der Bahn muss beim Sammeltransport jeder Auftrag einzeln in Bahnformularen ausgefüllt werden, was zeitaufwendig und kostspielig ist, da der Waggon nach dem teuersten Gut verrechnet wird. Das Problem beim Lufttransport sind Preis und Kapazität. Dieser Bereich war lange unterentwickelt, vor allem für den Inlandsverkehr. Die Passagierflüge haben nur kleine Cargo-Kapazitäten. Charter hat sich gut entwickelt, aber es gibt nur wenige reguläre Flüge, nur für Ersatzteile usw., die schnell geliefert werden müssen, nicht für reguläre Güter. Schenker Russija wies 1998 auch auf die Kriminalität hin. Die Überfälle auf Hauptrouten waren zwar rückläufig, aber die Trickdiebstähle mit dem Verlust ganzer Ladungen nahmen stark zu. Dies geschah einmal durch Entladung an falschen Lagern oder mit „getürkten“ Anschriften mittels gefälschter Zollabfertigungen. Ein Problem war auch der „Schwund“ durch „Proben“ der Zöllner, zum Teil unter Androhung spürbarer Nachteile bei Lebens- und Genussmitteln, wobei Zollplomben ausgetauscht wurden. Helfen sollten vereinbarte Codewörter, halbe Geldscheine oder mitgegebene Passkopien des Empfangsberechtigten. In jedem Fall sollte man alles vermeiden, was verboten ist. Durch die sorgfältige Handhabung wurden seit der Wende bei weit über 10.000 Lkw nur fünf beeinträchtigt, einer davon in Deutschland selbst. Schenker-Lagehäuser wurden von bewaffneten Sicherheitsleuten geschützt. Die Schenker-Organisation war ursprünglich sehr dezentralisiert, die einzelnen Ländergesellschaften hatten einen erheblichen Spielraum. BTL war dagegen für das Russlandgeschäft stark auf Göteborg und Helsinki ausgerichtet, die Entscheidungen fielen dadurch aber schneller. Stinnes versuchte die beiden Strukturen zu kombinieren. Das Reporting und die Kontrolle wurden jedes Jahr strikter und mehr, was gut für Aktionäre sein mag, aber viel Arbeit erfordert. Bei einem weltweiten Unternehmen gibt es immer einen Konflikt zwischen der Zentrale und den einzelnen Landesorganisationen, die auf die regionalen Besonderheiten eingehen müssen und die Flexibilität nicht verlieren dürfen. Die Mitarbeiter sind heute sehr qualifiziert und kommen zum Teil auch von den Universitäten. Vor 15 Jahren war man schon froh, wenn jemand Englisch sprach. Die Ausbildung erfolgt als Learning on the Job. Es gibt ein internes Ausbildungspro292

Russland

Lvovsky Terminal Moscow

293

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Terminal Gorigo St. Petersburg

gramm, was auch eine Motivation für die Mitarbeiter darstellt. Schenker Russland zahlt die landesüblichen Löhne, bietet aber die Möglichkeit, das internationale Speditionsgeschäft zu lernen. Auch wenn manche Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlassen, so verlieren sie doch nicht ihre Nähe zu Schenker. Mitarbeiter für den Verkauf sind immer noch schwer zu finden. Anfangs lief der Verkauf von selbst, was sich durch die erheblich verstärkte Konkurrenz verändert hat. Die Fluktuation ging in den letzten fünf Jahren wesentlich zurück, zur Zeit des starken Wachstums mit dem Metro-Projekt musste man jeden nehmen. Nun ist das wesentlich besser zu planen, denn es ist kein Schlagwort, dass das Personal die wesentliche Ressource einer Spedition darstellt. Das größte Familienfest in Russland ist Sylvester, vom 30. Dezember bis 8. Januar ist in der Regel arbeitsfrei, am 7. Januar wird auch das orthodoxe Weihnachten gefeiert. Weihnachtsfeiern gibt es bei Schenker Russland erst seit fünf Jahren, vorher konnte man sich das nicht leisten. Es wird auch nur in zwei oder drei Geschäftsstellen gefeiert, da man 900 Mitarbeiter aus dem ganzen Land nicht dafür zusam294

Russland

Messe

Buddy Bears

Mitarbeiterveranstaltung

Schenker Fußball 2010

295

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Customer event Snow fun day 2008

menziehen kann. Das Unternehmen gibt drei Newsletter vierteljährlich für Kunden und Mitarbeiter heraus, in denen die Entwicklung und einzelne Projekte dargestellt werden. Sponsorship wird nicht im Sport, sondern im Kulturbereich ausgeübt. Bei der Zusammenarbeit mit den anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist die Ukraine immer noch wichtig, auch Kasachstan. Diese Verkehre werden wachsen, allerdings müssen sich russische Firmen auch in diesen Ländern formal regis­ trieren lassen. Die Verkehre mit den baltischen Ländern sind immer noch bedeutend, konzentrieren sich aber überwiegend auf den Transit, vor allem mit Lettland. Finnland war lange Zeit wegen der Zollabwicklung und der Sicherheit wichtig. Hightech-Waren, wie Computer und Electronics, nahmen in den ersten zehn Jahren den Transit über Finnland, jetzt sind die Zollverfahren einfacher und die Risiken geringer, sodass diese auch über Polen und Weißrussland gehen können. Ukraine Am 23. September 1996 gründete die OY Bilspedition East AB die Scansped Ukraine. Die Firma begann mit zwei Angestellten, Roman Gorak als Managing Director und Alexey Golub als Transport Manager, in einem kleinen Raum, der Büro genannt wurde. Ihre erste Arbeit war die Erledigung der Dokumente für Transporte von Schenker OY nach der Ukraine. Als erstes eigenes Projekt wurde die Lieferung von Mobiltelefonteilen für Kiyvstar, das führende ukrainische Mobiltelefonunternehmen, übernommen. Umsatz und Transportvolumen stiegen und neue Kunden konnten gewonnen werden. In den ersten fünf Jahren arbeitete das kleine Team vor allem für den Import und Export über Skandinavien. 1998 wurde die Firma in Schenker-BTL , Ukraine, Kiew umbenannt. In einem einzigen 80 m2 großen Büro arbeiteten sechs Mitarbeiter und man verfügte über ein 1.100 m2 großes eingezäuntes Lager, das rund um die Uhr bewacht wurde. 2002 be296

Ukraine

gann man mit dem Lufttransport durch die Eröffnung eines Repräsentationsbüros in Boryspil. Jahr

Wachstum BNP real

Arbeitslosenrate Jahres­ durchschnitt

Veränderung Konsumentenpreise

öffentliche ­Verschuldung in % des BNP

1990

−4



5



1991

−9



91



1992

−10



1.211



1993

−14



4.735



1994

−23



891



1995

−12

6

377



1996

−10

8

80



1997

−3

9

16



1998

−2

11

11

48

1999

0

12

23

61

2000

6

12

28

45

2001

9

11

12

37

2002

5

10

1

34

2003

10

9

5

29

2004

12

9

9

25

2005

3

7

14

18

2006

7

7

9

15

2007

8

6

13

12

2008

2

6

25

20

2009

−15

9

16

35

2010

4

8

9

39

2011

5

8

8

36

Jahr

Einwohner in 1.000

BNP pro Einwohner Kaufkraft in Euro

Staatsausgaben in ­Prozent des BNP

1990

51.892

4.800

1993  : 38

2011

45.706

5.700

32

Quelle  : Handbook of Statistics 2012, Central, East and Southeast Europe, The Vienna Institute for Inter­ national Economics Studies, Vienna 2012.

Im Frühjahr 2005 wurde ein Vertrag mit der internationalen Handelsgesellschaft Metro abgeschlossen. Dies brachte einen Sprung in der Entwicklung des Unter297

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Ukraine office warehouse and truck

Ukraine office and warehouse Kiev winter

nehmens. Mit dem Projekt kamen auch Investitionen. Das Unternehmen zog in ein neues Büro in Vyshneve, mietete ein Lager von 9.780 m2 und erhöhte die Mitarbeiterzahl um das Achtfache. Neuer Managing Director wurde Gunnar Aru. 2006 wurde ein Terminal in Lviv eröffnet und ein Repräsentationsbüro in Odessa als Basis für den Seetransport. Vom Januar 2007 bis zum Dezember 2008 konnte das Nokian Tyres Projekt mit einem eigenen Team abgewickelt werden. Dafür wurde ein Lagerhaus in Brovary in Betrieb genommen. 298

Ukraine

Ukraine new warehouse Kiev empty

Ukraine office

Im Dezember 2009 endet das Metro-Projekt, das für das Unternehmen einen Lernprozess dargestellt hatte. Schenker wurde damit zu einem starken Mitbewerber auf dem Logistikmarkt. Umsatz und Mitarbeiterzahl waren durch die internationale Finanzkrise zeitweilig zurückgegangen. Ab 2010 begann man daher auch mit Projekten für internationale Firmen, wie Coca Cola, Loreal, Kimberly Klark, Stora Enso, Dipol, Henkel und Fozzy Food und die Umsätze stiegen wieder stark an. Umsatz in 1.000 Euro

Mitarbeiter

2007

Jahr

12.074

191

2008

15.463

157

2009

5.522

50

2010

7.347

63

2011

10.942

82

2011 wurde Oleg Verzhbytsky neuer Managing Director, sein Vorgänger Gunnar Aru übernahm die Funktion des Direktors für Special Projects in der DB Schenker Logistics Region Europa East. 299

Regionales Headquarter Europa Ost – Europa Nord/Ost

Ukraine Staff

Heute hat Schenker Ukraine drei Standorte, Kiev, Boryspil und Odessa, 14 Agenturen und mehrere Repräsentationen im ganzen Land. Mit 75 Mitarbeitern und 11.000 m2 Lagerfläche führt es 50 regelmäßige Lkw-Verkehre durch. Es zählt zu den führenden Unternehmen in Logistik sowie in Land-, Luft- und Seespedition und verfügt über eine eigene Zollabteilung. Weißrussland 22. Juli 1999 erfolgte die Gründung eines Schenker-Repräsentationsbüros als ZAO (closed Joint Stock Company) in Minsk unter der Leitung von Vladimir Zholud. Auf der Basis eines 1.500 m2 Terminals in Minsk wurden Transporte für heimische Firmen und Westimporte, vor allem über Litauen, durchgeführt. Die Lkw für Russland und die Ukraine wurden angemietet. Transporte nach Kasachstan gingen über Luftoder Bahntransport. 2002 hatte die Gesellschaft drei Beschäftigte in einem Büro und 2.000 m2 Lagerfläche. Am 10. Mai 2011 wurde die Gesellschaft in DB Schenker FLLC (Limited Liability Company) umgegründet, mit Standorten in Minsk und am dortigen Flughafen, die weiter unter der Leitung von Vladimir Zholud standen. Die Repräsentation wurde am 25. Juli 2011 geschlossen. Das Unternehmen bietet alle 300

Kasachstan

logistischen Dienstleistungen im Rahmen der globalen Schenker-Organisation an, einschließlich der Zollabwicklung. Kasachstan 2001 schloss Schenker einen Agentenvertrag mit der International Cargo Services (ICS) in Kasachstan ab. Das Unternehmen ist für Schenker dort und in Kirgisistan aktiv und hat Niederlassungen und Repräsentationen an mehreren Orten.

301

Der kalte Wind der Geschichte

Die sozialistische Planwirtschaft war das große soziale Experiment des 20. Jahrhunderts. Es ist letztlich gescheitert, schon allein da eine komplexe, fortgeschrittene Industriegesellschaft nicht zentral gesteuert werden kann. Der Staat hat den Rahmen vorzugeben, die Entscheidungen fallen aber dezentral in den Unternehmen und Haushalten. Zum anderen führten die Forcierung der Schwerindustrie und die Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Mangelwirtschaft. Der Kalte Krieg belastete diese Länder zusätzlich mit Militärausgaben, die sie weit weniger schultern konnten als die reicheren NATO Länder. Die Wende ging daher letztlich von der Führungsmacht Sowjetunion aus, die erkennen musste, dass sie wirtschaftlich, politisch und militärisch mit dem „Westen“ nicht mehr Schritt halten konnte. Ost-/Südosteuropa hatte sich zwar industrialisiert, aber den Weg in die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft nicht mehr mitgemacht, wenn man vom Sicherheitsapparat absieht. Die Infrastruktur wurde vernachlässigt und wirtschaftliche Initiative lohnte sich nicht. Staatliche Monopolbetriebe in allen Bereichen arbeiteten ohne Konkurrenz, in einem „Markt“, in dem nicht verkauft, sondern verteilt wurde. Die entscheidende „Transformation“ hatte somit in den Köpfen zu erfolgen. Wer Jahrzehnte lang durch die Planwirtschaft geprägt wurde, tut sich schwer. Auch den Kalten Krieg hatte daher ein Wiederaufbau zu folgen. Der ideologische Begriff „Ostblock“ täuschte über die kulturelle Vielfalt dieser Länder hinweg. Die Ausgangsposition der einzelnen Staaten war recht unterschiedlich. Manche, wie Ungarn, Tschechien oder Slowenien, waren begünstigt, andere wie Albanien hatten hohe Wachstumsraten aufgrund ihres niedrigen Ausgangsniveaus. Alle erlebten aber vorerst einen Schock. Das BNP ging in der ersten Übergangszeit überall drastisch zurück und die Länder waren mit etwas konfrontiert, was es in der Planwirtschaft nicht gegeben hatte  : Arbeitslosigkeit und Inflation. Außerdem war 303

Der kalte Wind der Geschichte

die Region durch Auswanderung bzw. Arbeitsemigration mit einem erheblichen Bevölkerungsverlust konfrontiert. Die 1990er Jahre waren daher vielfach eine Krisenzeit, was auch auf die staatliche Politik zurückzuführen war. Die Regierungen standen vor der für sie neuen Herausforderung, marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen einzuführen. Die Politik konnte nicht immer der Versuchung widerstehen, weiter nationalistischen Einfluss zu nehmen, und behinderte den Aufbau. Das gilt zum Teil noch heute. So etwa auch bei der Privatisierung der staatlichen Betriebe. Um sich nicht völlig dem Ausland auszuliefern, wurde diese häufig als Beteiligung und Gutscheinaktion für die Bevölkerung bzw. Mitarbeiter durchgeführt, zum Teil auch als ManagementBuy-out. Damit kam weder neues Know-how noch Kapital herein und die Zukunft der Unternehmen war höchst unsicher. Die meisten sind inzwischen verschwunden, unbedeutend oder hatten doch ausländische Beteiligungen bzw. Übernahmen zu akzeptieren. Denn die Transformation war ganz wesentlich eine Leistung westlicher Unternehmen, die sehr rasch in diesen Markt eindrangen, investierten, Mitarbeiter schulten und fortgeschrittene Arbeitsmethoden einbrachten. Das galt auch für Schenker. Die eigentlichen Schenker-Pioniere kamen ganz am Anfang. Sie mieteten sich in einem Hotelzimmer oder einer kleinen Wohnung ein und gründeten vorerst eine Repräsentanz. Auch in der planwirtschaftlichen Zeit hatte es weiter Geschäftsbeziehungen mit den staatlichen Transportunternehmen gegeben, mit denen zwangsläufig weiterzuarbeiten war. Sobald dies rechtlich möglich war, wurden eigene Landesgesellschaften gegründet, manchmal als Joint Venture mit einheimischen Partnern. Sie arbeiteten aber bereits nach dem Schenker-System und brachten das Importgeschäft der westeuropäischen Industrie ein. Es wurde investiert, Standorte wurden ausgebaut, Mitarbeiter geschult und die IT-Systeme eingeführt. Anfänglich funktionierte dies über ein Partnersystem, bei dem Schenker-Gesellschaften in Deutschland, Österreich oder Skandinavien die Verantwortung für einzelne Landesgesellschaften in Ost- und Südosteuropa übernahmen. Bis Ende der 1990er Jahre wurde diese Region zwei regionalen Headquartern unterstellt, Helsinki für Osteuropa und Wien für Südosteuropa. Schenker war in Finnland und Österreich Marktführer und verfügte über die entsprechende Managementkapazität. Die Länder waren Nachbarländer und hatten lange politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zum „Ostblock“, die auch während des Kalten Krieges nicht vollständig abgebrochen waren. Sie kannten die dortige Wirtschaftskultur und bildeten so ein wichtiges Zwischenglied zur Schenker-Zentrale in Essen. Die regionalen Headquarter sahen ihre Aufgabe nicht in der „Beherrschung“ der ihnen unterstellten Landesgesellschaften, sondern in der Unterstützung zu einer selbstständigen Entwicklung. Sie hatten aus eigenem Antrieb erfolgreich zu sein und sich einen Platz an der Sonne zu erkämpfen. Die anfängliche Euphorie, die „Goldgräberstimmung“ der ersten Jahre, ist bald verschwunden. Nicht zuletzt auch durch die weltweite Finanzkrise ab 2008 304

Der kalte Wind der Geschichte

sind die Wachstumsraten in der Region zurückgegangen. Durch den erheblichen Nachholbedarf im Bereich Logistik sind die Schenker Landesgesellschaften aber auch in diesen schwierigen Zeiten weiter gewachsen und sie haben weiter investiert. Beim Aufbau eines modernen Logistikbetriebs spielten und spielen „Expatriates“, Führungspersonen aus Deutschland, Österreich und Skandinavien, eine wesentliche Rolle. Doch war es bei Schenker das ausgesprochene Ziel, die Führungsmannschaft zunehmend aus Einheimischen zu rekrutieren. Dem jeweiligen Managing Director kam so etwas wie die Funktion eines kulturellen Übersetzers zu. Er hatte die Aufgabe, den Anforderungen der Zentrale Essen und der westlichen Kunden in Bezug auf Pünktlichkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit zu entsprechen, auf der anderen Seite aber die Wirtschafts- und Arbeitskultur seines Landes zu verstehen und entsprechend zu adaptieren. Anfangs war es das ehrgeizige Ziel von Schenker, aus eigener Kraft und nicht über Fusionen zu wachsen. Das wurde schon mit der Übernahme des schwedischen Logistikkonzerns BTL , der selbst ein Niederlassungsnetz in Osteuropa aufgebaut hatte, durchbrochen. Die – manchmal nicht einfache – Zusammenführung der Landesgesellschaften zu Schenker-BTL erhöhte deren Kapazität zum Teil ganz wesentlich. In einigen, vor allem größeren Ländern wurden schließlich auch einheimische Speditionsunternehmen übernommen, da sonst der Aufbau eines nationalen Speditionsnetzwerkes zu lange gedauert hätte. Denn mit dem Beitritt zur Europäischen Union wurde manchen ehemaligen Staatsunternehmen klar, dass sie ohne eine internationale Anbindung keine Zukunft haben würden, und sie sahen in der Übernahme durch Schenker die beste Lösung. Die kleinere Schenker-Landesgesellschaft hatte dann die erhebliche Aufgabe, eine große Zahl an Mitarbeitern zu integrieren und den Betrieb auf einem neuen Niveau zu rationalisieren und effizient zu machen. Für Schenker war Ost- und Südosteuropa ein traditioneller Markt, in dem man bis 1945 stark vertreten war. Der Wiedereinstieg nach 1989 war daher ein „Déjà-vu“, hier war man schon überall gewesen. Es war aber nicht einfach ein Anknüpfen an alte Zeiten, schon allein, da die ehemaligen Mitarbeiter nach einem halben Jahrhundert nicht mehr vorhanden waren. Die alten Terminals lagen an Bahnhöfen und Hafenanlagen, zerstört oder heruntergekommen. Die neuen Anlagen befinden sich vorwiegend an Autobahnen oder Flughäfen, von IT-Systemen und den Gütermengen der heute zu bewältigenden Transport- und Logistikfunktionen nicht zu reden. Es war daher ein Neuaufbau, welchen der Unternehmensgründer Gottfried Schenker mit großer Genugtuung sehen würde  : „Gottfried, schau herunter  !“

305

Interviewpartner

Neben den durch Herrn Karl Romsy verwalteten Beständen im Schenker Archiv Wien entstand das Buch im Wesentlichen durch Interviews in den einzelnen Ländern. Diesen Partnern, die auch Dokumente und Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben, sei ganz besonders gedankt. Österreich

Rumänien

Elmar Wieland Klaus Lippstreu

Albin Budinsky Valeriu Dascalu

Kroatien

Bulgarien

Martin E. Kuen

Helmut Schweighofer Frank Markovits Vassil Atanassov Galia Natcheva Hristo Vassulev Pavel Pavlov (Despred) Velko Belovski (Despred)

Slowenien

Rok Svetek Tschechien

Vladimir Handl Tomas Holomoucky Slowakei

Dietmar Schmickl Ungarn

Laszlo Kaldor Zsusanna Papp

Finnland

Göran Aberg Mikael Dalenius Henry Fagerström Igor Stjerbakoff Schweden

Hakan Larsson 307

Interviewpartner

Stefan Eriksson Lars Stensman

308

Litauen

Edmundas Daukantas

Estland

Polen

Meelis Arumeel Peep Kütt Kari Peltonen

Janusz Gorski Monika Pachniak-Radzinska Zbigniew Pabian

Lettland

Russland

Aivars Taurins

Anatoly Gvozdev Ruslan Petrukhin