Deformierte Lebensbilder: Erzählmodelle der Nachkriegsautobiographie (1945--1960) [Reprint 2015 ed.] 9783110944723, 9783484350748

The study examines autobiographies of non-exiled writers after the war as testimonies to a 'crisis of biography

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German Pages 462 [464] Year 2000

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Table of contents :
1. Einleitung
1.1. Autobiographik nach 1945
1.2. Probleme der Autobiographieforschung
2. Theorieprobleme der literarischen Gattung Autobiographie
2.1. Fiktionalität
2.2. Historiographische Erzählung
2.3. Lebenslauf - Biographie - Autobiographie
2.4. Das autobiographische Gedächtnis
3. Selbstbeschreibungssemantik: Identität und Individualität
3.1. Selbstbeschreibung als inkludierte Individualität
3.1.1. Das völkische Ich
3.1.2. Konversionen
3.2. Das Ich als autonome Form
3.2.1. Identität als Konstruktionsleistung des Individuums
3.2.2. Problematische Identität
4. Die Einheit der individuellen Vielfalt: Das vitalistische Biographiemodell
4.1. Leitbegriffe I: Leben
4.2. Leitbegriffe II: Schicksal
4.3. Soziopolitische Orientierungen
4.3.1. Dichter und Literat
4.3.2. Unpolitisch und politisch
4.3.3. Innerlichkeit, vita contemplativa, Doppelleben
5. Autobiographie als Sprachkunstwerk. Poetik und Praxis
5.1. Zur Poetik der Autobiographie
5.1.1. Traditionen und Gattungsmuster
5.1.2. Poetologische Reflexion
5.1.3. Die Autobiographie als >Bildnis eines Lebens
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Deformierte Lebensbilder: Erzählmodelle der Nachkriegsautobiographie (1945--1960) [Reprint 2015 ed.]
 9783110944723, 9783484350748

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STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR

Herausgegeben von Wolfgang Frühwald, Georg Jäger, Dieter Langewiesche, Alberto Martino, Rainer Wohlfeil

Band 74

Hans-Edwin Friedrich

Deformierte Lebensbilder Erzählmodelle der Nachkriegsautobiographie (1945-1960)

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2000

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Redaktion

des Bandes: Georg

Jäger

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Friedrich, Hans-Edwin: Deformierte Lebensbilder: Erzählmodelle der Nachkriegsautobiographie (1945 - 1960) / HansEdwin Friedrich. - Tübingen: Niemeyer, 2000 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur; Bd. 74) ISBN 3-484-35074-1

ISSN 0174-4410

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: Memminger Zeitung Einband: Geiger, Ammerbuch

Inhalt

1.

Einleitung 1.1. Autobiographik nach 1945 1.2. Probleme der Autobiographieforschung

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2.

Theorieprobleme der literarischen Gattung Autobiographie 2.1. Fiktionalität 2.2. Historiographische Erzählung 2.3. Lebenslauf - Biographie - Autobiographie 2.4. Das autobiographische Gedächtnis

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3.

Selbstbeschreibungssemantik: Identität und Individualität 3.1. Selbstbeschreibung als inkludierte Individualität 3.1.1. Das völkische Ich 3.1.1.1. Das Individuum als gewachsene Einheit in Volk und Landschaft (Hans Friedrich Blunck) 3.1.1.2. Das Individuum als >Funktionsexponent der plasmatischen Anpassung im Wechsel der geologisch-kosmischen Konstitution (Erwin Guido Kolbenheyer) 3.1.2. Konversionen 3.1.2.1. Der >staubige Weg< zur Menschlichkeit (Ernst Wiechert). . . . 3.1.2.2. >Das äußere ist nur Form der Verwirklichung^ Konversion im Zeichen des Kreuzes (Reinhold Schneider) 3.1.2.3. >Ich mußte mich unterordnen^ Der Weg des >modernen schriftstellers< zum Marxismus (Arnolt Bronnen) 3.2. Das Ich als autonome Form 3.2.1. Identität als Konstruktionsleistung des Individuums 3.2.1.1. »Dies sich herausbildende geistige wortwerdende IchIch bin derselbe und bin es doch nicht... was wir auf diesem Wandelstern zu tun hattenWie bin ich eigentlich durch diese Zeit gekommen? Haben ihre Gifte mich angesteckt?< Das Dritte Reich als Bedrohung der Identität (Hans Carossa) Das Individuum am Nullpunkt (Ernst von Salomon)

Die Einheit der individuellen Vielfalt: Das vitalistische Biographiemodell 4.1. Leitbegriffe I: Leben 4.2. Leitbegriffe II: Schicksal 4.3. Soziopolitische Orientierungen 4.3.1. Dichter und Literat 4.3.2. Unpolitisch und politisch 4.3.3. Innerlichkeit, vita contemplativa, Doppelleben

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Autobiographie als Sprachkunstwerk. Poetik und Praxis 5.1. Zur Poetik der Autobiographie 5.1.1. Traditionen und Gattungsmuster 5.1.2. Poetologische Reflexion 5.1.3. Die Autobiographie als >Bildnis eines Lebens< 5.2. Variationen des autobiographischen Erzählens 5.2.1. Erweiterungen des Erzählrepertoires der Autobiographie . . . 5.2.1.1. Bildparataxe und Lichtmetaphorik 5.2.1.2. Anspielungshorizont und Metaphernnetz 5.2.2. Montageautobiographie 5.2.3. Der entmachtete Erzähler: experimentelle Variationen der autobiographischen Rahmenerzählung 5.2.3.1. Die fremdbestimmte Rahmenerzählung 5.2.3.2. Die fingierte Rahmenerzählung 5.2.3.3. Die verselbständigte Rahmenerzählung

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6.

Dokumentarismus und Fiktionalisierung 6.1. Fiktion im Dienst der Faktographie 6.2. Fiktionale Überschreitungen des Faktischen 6.3. Gespräche als Fiktivitätsindex

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7.

Fazit

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Anhang Autobiographik 1945-1960 Abkürzungsverzeichnis Bibliographie Register

VI

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1.

Einleitung

1.1. Autobiographik nach 1945 Autobiographische Publikationsformen hatten nach dem Zweiten Weltkrieg Hochkonjunktur. 1951 beobachtete der Erzähler in Koeppens Roman Tauben im Gras: »Die Illustrierten lebten von den Erinnerungen der Flieger und Feldherren, den Beichten der strammen Mitläufer, den Memoiren der Tapferen, der Aufrechten, Unschuldigen, Überraschten, Übertölpelten.« 1 In einem Forschungsbericht zur deutschen Literatur seit 1880 verzeichnete Fritz Martini eine »Flut der Memoiren, die mit wechselnder Objektivität anekdotisch Begegnungen und Gespräche mit oft großem physiognomischen und atmosphärischen Reiz geben, auch Wert als Quellenmaterial besitzen.« 2 Einen ersten Überblick über die zeitgenössische Autobiographie gab Michael Freund schon 1954.3 Gerhard Bauer schätzte in seiner Untersuchung zur Sprache im Dritten Reich, es gebe mittlerweile über 8000 autobiographische Texte allein über das Dritte Reich. 4 Schon die Zeitgenossen machten sich darüber ihre Gedanken. »Zunächst einmal leben wir in einer Zeit der >EnthüllungenEnthüllung< des Dritten Reiches mitwirken.« 5 Die Historiker begannen, die Texte als Quellen für die zeitgeschichtliche Forschung auszuwerten. Die »Hochflut heutiger Memoiren« 6 war allerdings nicht nur ein historiographisches Phänomen. Zwar wurde einer der wesentlichen Gründe in der »persönlichen Auseinandersetzung mit der letzten Katastrophe und der temporären Krise« 7 gesehen, dahinter aber ein Epochenproblem vermutet. Im einen Fall wurde der Nationalsozialismus als Ursache der erhöhten Bedeutung von Selbstreflexion interpretiert, im anderen Fall galt er nur als Ausdruck einer grundlegenderen Krisis der Moderne. Frank Thiess vermutete nicht zu Unrecht, es habe wohl »nicht viele Epochen gegeben, in denen so zahlreiche Selbstbiographien ge-

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Wolfgang Koeppen 1986, S. 12. Fritz Martini 1952, S. 479. Vgl. Michael Freund 1954. Gerhard Bauer 1990, S. 20. Christian Ringel 1955, S.289. Gustav Hillard 1955, S.241. Gustav Hillard 1955, S.241.

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schrieben wurden wie gegenwärtig«. Er forderte »eine Untersuchung ihrer literarischen Eigenart«. 8 Es kann nicht verwundern, daß die formale Seite der Selbstbiographie kaum zum Gegenstand der Forschung wurde. Dazu war das »erregte biographische Denken und Planen der Gegenwart« 9 inhaltlich zu brisant. Das Jahr 1945 markiert eine bewußtseinsgeschichtliche Zäsur. Es bedeutete für die Zeitgenossen eine Identitätskrise. 10 Goebbels hatte in einer seiner programmatischen Reden den Anspruch des Regimes unmißverständlich klargestellt: »Der Nationalsozialismus ist eine neue totale Auffassung des menschlichen Lebens, und weil er total ist, deshalb bezieht er alle Bereiche des menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns in seinen Wirkungskreis mit ein«. 11 Die propagandistisch mit aggressiver Vehemenz angekündigte umfassende Mobilisierung der Gesellschaft hatte Folgen. Das Dritte Reich war aufgrund dieser totalitären Dynamik in einem aus der Sicht der Zeitgenossen nie dagewesenem Maß biographiestrukturierend geworden. In einfachen autobiographischen Zeugnissen wie in der Literatur begegnet als Ausdruck der Gegenwehr schon früh nach 1933 in vielfacher Variation das Konstrukt eines »innere[n] Raumfes], dessen Eroberung Hitler trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist« (Frank Thiess). 12 In einer der ersten Sammlungen regimekritischer Texte nach dem Krieg stellte Karl O. Paetel fest: »Es gab die >innere Emigration all derer, die nicht ins Ausland gehen konnten, die nur gezwungen sich einfügten in die gigantische Maschinerie der totalen Wehrwirtschaft und schweigend ihren Alltag lebten in der Hoffnung auf ein besseres Morgen.« 13 Die Crux dieses schon zu Beginn der 30er Jahre kurrenten Konzepts lag darin, daß sie nur reservatio mentalis, ihre Kehrseite das Mitmachen war. Für die unterlegenen und befreiten Deutschen, soweit sie nicht überzeugte Nazis gewesen waren, ergab sich die völlig neue Situation, daß das Faktum der bloßen Exi-

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Frank Thiess 1955, S. 278. Hermann Boeschenstein 1958, S. 11. Vgl. Ludwig Fischer 1986, S. 35ff. Zitiert nach Jürgen Steinle 1992, S. 180. Vgl. Jan-Pieter Barbian 1995a, S.24. J.F.G. Grosser (Hg.) 1963, S.23. Thiess' Formulierung ist paradigmatisch. Weitere Zitate anderer Autoren: »Freiheit des wahren Geistes der Humanität« (S.41), »Kunst und Politik sind [...] einander ausschließende Sphären« (S.59); »Gleichgesinnte[]« »eines zu Geist, Gesinnung und Sprache festgeschlossenen Kreises« (S.84). Kurrente weitere Beispiele sind die Vorstellungen vom >inneren Reichanderen Deutschlands dem >geheimen Deutschlands den >EingeweihtenVorbehalte< hatten« (Georg Lukäcs 1955, S. 666; Hervorhebung und Zusatz v. V.). Vgl. zuletzt Lothar Bluhm 1991, S.14ff.; Oliver Rathkolb 1991, S.8f.; Michael Philipp 1994, S. 13ff. Bluhm hat darauf verwiesen, daß der Topos bereits um 1950 in der marxistischen Literaturgeschichtsschreibung geprägt wird (S.29). Gelegentlich führt die Formel zu infamen Formulierungen. Am Beispiel von Heinz Hilpert führt Rathkolb aus: »Gerade 1937 hatte Hilpert hier eine Funktion erfüllt, die ihm selbst nicht bewußt war, in der Bestätigung von Goebbels nach innen (deutsche Hochkultur - funktioniert auch ohne Kulturschaffende jüdischer Abstammung) sowie nach außen [...]. Vielleicht war das überdurchschnittlich große Engagement Hilperts für politisch und rassisch verfolgte Künstler auch ein Ausdruck für das unbewußt schlechte Gewissen angesichts dieser Funktionalisierung seiner Theaterarbeit« (S. 149). Vgl. Jan-Pieter Barbian 1995a, S.39ff. 3

Tatbestand, sondern eigentlich pure Normalität.« 18 Man möchte im nachhinein auch nicht so gerne Reinhold Schneider und Veit Harlan auf derselben Anklagebank sitzen sehen. In der zugespitzten Form impliziert die These, daß die Propagandaformel von der Identität zwischen Volk und Führer die historische Wirklichkeit beschreibt; mit anderen Worten, daß man sich den Blickwinkel der damals Herschenden zueigen mache. 1 9 Zwischen der propagierten und der faktischen Lebenswirklichkeit im Dritten Reich sollte aber unterschieden werden. 2 0 Die Schulddiskussion der Nachkriegszeit ist der augenfälligste Ausdruck für die allgemeine Notwendigkeit, die Biographie neu zu überdenken. Die totalitären Tendenzen des Regimes führten auch noch nach seinem Ende dazu, daß die Reformulierung der Biographie auf die Klärung des eigenen Verhältnisses zum Nationalsozialismus und häufig auch auf eine neue autobiographische Gesamtthematisierung hin zum allgemeingesellschaftlichenen Problem wurde. Die verschiedenen Formen der Autobiographik - Tagebuch, Brief, Lebenserinnerungen, Memoiren, Selbstbiographie, Reisebericht, Erlebnisbericht - boten sich zur Bearbeitung dieser Zusammenhänge an. Aufgrund des Fehlens formaler Regeln waren sie plastisch genug für konventionelle wie experimentelle Formen der Selbstbeschreibung. Die Breite und auf keinen politischen Standort festlegbare Vielfalt der Autobiographik rief jedoch Kritiker auf den Plan, die an dieser Erscheinung grundsätzlich Anstoß nahmen. Zunächst waren viele Publikationen als Dokumente der Selbstbesinnung, des Neuanfangs, der Ehrlichkeit rezipiert und begrüßt worden. Gegen Ende der fünfziger Jahre begann sich dieses Urteil zu wandeln. Die bereits früh festzustellende Ablehnung der Autobiographik der >Ewig Gestrigen< schlug immer stärker auf die gesamte Gattung zurück. Der Ausdruck >Rechtfertigungsliteratur< bürgerte sich ein. In Ralf Schnells Geschichte der deutschsprachigen Literatur nach 1945 werden die Autobiographien von Hans Carossa, Gottfried Benn, Arnolt Bronnen und Ernst von Salomon pars pro toto nur noch als »apologetische[ ] Rechtfertigungsliteratur« und »problematische[ ] Literaturform« bewertet, 21 das Problematische an ihnen aber nicht einmal mehr begründet. Wie ist es dazu gekommen? In den ersten literaturkritischen und -wissenschaftlichen Versuchen, die Nachkriegsliteratur zusammenfassend darzustellen, wurde die Autobiographik-Welle zwar registriert und ansatzweise beschrieben, allerdings als literarisch qualifizierte

'* Günter Scholdt 1994, S.24. Vgl. auch die Hinweise auf die verbreitete Ablehnung, die den deutschen Emigranten in den Exilländern entgegenschlug (Barbro Eberan 1985, S. 18). Scholdt hat in seiner voluminösen Studie Autoren über Hitler anhand der prognostischen Aussagen der Schriftsteller die Perspektive von 1933 rekonstruiert und kam zu dem Fazit, daß »nur eine verschwindend geringe Minorität die uns retrospektiv so selbstverständlich dünkende Voraussicht zeigte, daß mit dem Regierungsantritt Hitlers ein politisch, moralisch und staatrechtlich völlig neues Kapitel aufgeschlagen würde« (S.477). Vgl. Günter Scholdt 1993, S.397ff., 494ff., 499ff. " Vgl. Ralf Schnell 1983, S.224. Vgl. dazu Hans Dieter Schäfer 1981. 21 Ralf Schnell 1993, S.476. Vgl. Ralf Schnell 1983, S.233f. 20

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Gattung nur das Tagebuch näherer Untersuchung gewürdigt. 2 2 D i e Autobiographie galt nicht als literarische, sondern als Sachprosa-Gattung. 2 3 Erst in den letzten Jahren wurde sie ansatzweise in ihrer Vielfalt registriert. 24 Einer der Gründe dafür ist ein Generationswechsel. Vor allem die Autoren der älteren, schon in der Zeit der Weimarer Republik aktiven Generation traten als Autobiographen in Erscheinung. Sie prägten den Literaturbetrieb der fünfziger Jahre. 2 5 Naheliegenderweise suchten sie in erster Linie die Wiederanknüpfung an die Konstellationen der Weimarer Republik und führten alte Kontroversen fort. 2 6 D i e früh einsetzenden erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Hiergebliebenen und Emigranten verhinderten mit wenigen Ausnahmen lange die Reintegration der Emigranten in den Literaturbetrieb und die Rezeption ihrer Texte 2 7 Erst mit d e m Aufstieg der Gruppe 47 endete gegen E n d e der fünfziger Jahre die D o m i n a n z dieser älteren Generation. Nunmehr wurden mit Ausnahme von Gottfried B e n n die Hiergebliebenen marginalisiert. A n z e i c h e n dieses Wechsels sind der immense Erfolg der Streitschrift Kitsch, Konvention und Kunst (1957) von Karlheinz Deschner oder die Breitenwirkung von Franz Schonauers zunächst als Folge von Radio-Essays konzipiertem Generalangriff auf die innere Emigration in Deutsche Literatur im Dritten Reich. Versuch einer Darstellung in polemisch-didaktischer Absicht (1961). Sie markieren den A n f a n g v o m Ende des R e n o m m e e s von Carossa, Wie-

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Vgl. Karl August Horst 1957; Albert Soergel/Curt Hohoff 1963, Bd. II. In diesen Darstellungen werden die einschlägigen Autoren zwar beachtet, die Autobiographien jedoch nicht einmal erwähnt. Vgl. auch den 1959 erstveröffentlichten Überblick von Helmut M. Braem 1973. Das setzt sich fort. Elisabeth Endres 1980 erwähnt in ihrem Buch über die Literatur der Adenauerzeit die Autobiographien nicht. Zehn Jahre später bieten Volker Wehdeking/Günter Blamberger 1990 das gleiche Bild. 2 -' Paradigmatisch ist dafür, daß in »Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart« die Autobiographie im Band über die deutschsprachige Sachliteratur behandelt wird. Vgl. Franz Schonauer 1980. 24 Vgl. Manfred Karnick in Wilfried Barner (Hg.) 1994, S.50. Überblicksdarstellungen: Franz Schonauer 1980, Knut Hickethier 1986. Vgl. Christiane Deußen 1987; Helmut Peitsch 1990. 25 Vgl. dazu zuletzt Bernhard Fischer 1992, S.B42; Heinz Ludwig Arnold 1995, S.18ff.; Rolf Günter Renner 1995, S.799. 26 Vgl. die Analyse der wichtigsten Kulturzeitschriften nach 1945 auf die Frage nach Traditionsanküpfung oder Neubeginn von Walter Veit 1981. 27 Vgl. zum Problem der gescheiterten Rückkehr neben der Dokumentation zum Streit um die innere Emigration (J.F. G. Grosser (Hg.) 1963): Gerhard Hay/Hartmut Rambaldo/ Joachim W.Storck 1973, S.211ff.; ausführlich Gerhard Roloff 1976 zum Zeitraum 19451949, zur Fortführung der Diskussion nach 1949 S.208ff.; Ulrike Gollnick 1977 vor allem zur Bedeutung Thomas Manns; Erich A.Frey 1981; Wulf Koepke 1981; Frithjof Trapp 1983; Hans-Albert Walter 1983; Kai Schlüter 1984, S. 1392ff.; Peter Mertz 1985; zuletzt die Aufsatzsammlung von Dieter Sevin (Hg.) 1992. Die ausführliche Darstellung von Peter Mertz leidet darunter, daß seinen guten Kenntnissen der Exilliteratur nicht ebenso gute der nichtnationalsozialistischen Literatur des Dritten Reiches entsprechen. So ist ihm beispielsweise nicht bekannt, daß Carossa die Akademiemitgliedschaft 1933 abgelehnt hat (S.49). Sein Bild von der nationalsozialistischen Gesellschaft ist trotz der schon damals in großer Fülle vorliegenden Untersuchungen der Historiker sehr homogen.

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chert und anderen. Neben den jungen Autoren waren die Sieger dieses Symbolkampfes um literarische Kanonisierung die ursprünglich heftig befehdeten Emigranten und die Avantgarde. Die in Ralf Schnells Urteil geronnene pauschale Kritik an der Autobiographie setzte vor allem bei dem Begriff >Apologie< an. An ihm entzündeten sich die vergangenheitspolitischen Kämpfe um die Bewertung der jüngeren deutschen Literatur im Literaturbetrieb wie in der wissenschaftlichen Forschung. 28 Autobiographien hatten sowohl ehemalige Anhänger des Regimes als auch nichtnationalsozialistische Autoren verfaßt. Nicht alle unter ihnen wollten sich rechtfertigen. Mit der allgemeinen politischen Linksdrift in den sechziger Jahren rückten gewissermaßen die rechts davon befindlichen Autoren im Wahrnehmungsfeld der Wissenschaft enger zusammen. Während in den fünfziger Jahren die Autoren der sogenannten inneren Emigration moralisch vor allem im Hinblick auf ihre Regimedistanz eingeordnet und bewertet wurden, dominierte unter dem Einfluß der marxistischen Faschismustheorie seit den sechziger Jahren eher die Betonung ihrer jeweiligen Nähe zum Nationalsozialismus. Unmittelbar nach dem Krieg wurde Ernst Wiechert als Autor verehrt, der für seine Überzeugungen im K Z gewesen war; seit den sechziger Jahren wird eher betont, daß er vor 1933 ein Wegbereiter des Faschismus gewesen sei. Der Prozeß der Bewertung dieser Autoren und ihrer Literatur ist nach wie vor nicht abgeschlossen. 29 Moralische Empörung über die Gattung als solche zeigt sich an einem Aufsatz von Kurt Lothar Tank und Wilhelm Jacobs, der 1964 in den Weimarer Beiträgen erschienen war. Dort wiesen die Autoren anklagend darauf hin, daß »bereits« 1949 in der Bundesrepublik eine »Flut der militärischen Memoirenliteratur« 30 den Buchmarkt überschwemmt habe. Das sei ein Zeichen für einen wiedererstarkenden Faschismus im Westen. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 war der Lizenzzwang für Druckerzeugnisse aufgehoben worden, so daß nun auch die pronationalsozialistischen Autoren außerhalb ihrer Konventikel wieder publizistisch in Erscheinung treten konnten. 31 Frühere Partei- und Kulturfunktionäre gründeten Verlage, die den völkischen und nationalsozialistischen Autoren ein Forum boten. Deren kommerzieller Erfolg in den fünfziger Jahren zeigte, daß das Pu-

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Franz Schonauer begründete seine Kritik am Konzept der inneren Emigration damit, daß es »einer Situation der Rechtfertigung« (Franz Schonauer 1961, S. 126) entstamme. Gerade in den letzten Jahren scheint die Bewertung der nichtnationalsozialistischen Literatur des Dritten Reiches wieder in Bewegung zu kommen. Vgl. nach den Arbeiten von Hans Dieter Schäfer vor allem den programmatischen Aufsatz von Günter Scholdt 1994. Zum ideologischen Trcndwechsel der sechziger Jahre: »Wer die Jahre 1933 - 4 5 hatte im Ausland verbringen müssen, besaß nun von vornherein einen ethischen und literarischen Bonus. >Innere Emigration< hingegen wurde zu einem Begriff, den man >hinterfragte< und >entlarvteVerlorene Siege< (Manstein) Hitler in die Schuhe zu schieben, den deutschen Soldaten als >Herrenmenschen< und >KulturbringerBarbar< hinzustellen, Antikommunismus und Antisowjetismus zu beleben und den dritten Weltkrieg als >Kreuzzug gegen den Bolschewismus* zu propagieren« (Kurt Lothar Tank/Wilhelm Jacobs 1973b, S.67). Vgl. Ralf Schnell 1983, S.233f.; Ralf Schnell 1993, S.476. Ein polemischer Exkurs besonders gegen Benn und Carossa findet sich bei Ernst Loewy 1990, S. 291 ff. Unter dem Oberbegriff finden sich additive Reihungen, die etwa Schneider, Weinheber und Carossa (Ralf Schnell 1986a, S.215) unter einen Hut bringen. In der Forschung hat sich die ungenügende Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen der Historiker zum Herrschaftsgefüge des Dritten Reiches lange Zeit negativ ausgewirkt. Wesentliche Impulse sind von der Untersuchung der nationalsozialistischen Kulturund Literaturpolitik ausgegangen. Lange Zeit galt die fehlerbehaftete Darstellung von Dietrich Strothmann 1960 als Standardwerk. In der älteren Forschung dominierte die Vorstellung von der nationalsozialistischen Kulturbürokratie als monolithischem Gebilde. Vgl. Klaus Vondung 1973, S. 152ff.; Joseph Wulf 1986, S. 185ff. Uwe-K. Ketelsen legte 1980 einen programmatischen Aufsatz vor, in dem er den instrumentalistischen Analyseansatz der germanistischen Forschung kritisierte und erstmals die unter Historikern seit längerem diskutierte Vorstellung des nationalsozialistischen Staates als »heteronomes, polyzentrisches Machtgefüge« (S. 228) in die Diskussion einführte. »Vor diesem Hintergrund bekommen viele Verlautbarungen entscheidender Kulturfunktionäre des III. Reichs, die oft naiv als Bestätigung der instrumentalistischen Interpretation der nationalsozialistischen Kulturpolitik zitiert werden, eine schärfere Kontur. Sie entpuppen sich als innerparteilich Polemiken« (S.229). Diesen Ansatz hatte unabhängig von Ketelsen auch Volker Dahm 1979/ 82 seiner Arbeit zum jüdischen Buch im Dritten Reich zugrundegelegt. Vgl. Herbert P. Rothfeder 1980 (zum >Amt SchrifttumspflegeBefreier< entlarven« (Georg Lukäcs 1955, S. 667). 46

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a b z u l e g e n . 4 9 N e b e n seiner terroristischen V e r g a n g e n h e i t u n d seiner politischen Position hat wohl die U n t e r s c h ä t z u n g von S a l o m o n s artistischem A n s p r u c h , d e r im Fragebogen zu e i n e m avantgardistischen a u t o b i o g r a p h i s c h e n K o n s t r u k t i v i s m u s u n d P o l y p e r s p e k t i v i s m u s g e f ü h r t h a t , dieses Verdikt g e n ä h r t . G a n z a n d e r s w i e d e r u m liegt d e r Fall bei G o t t f r i e d B e n n s Doppelleben. Es kann gar k e i n e n Z w e i f e l d a r a n g e b e n , d a ß es eine » a u t o b i o g r a p h i s c h e R e c h t f e r t i g u n g s s c h r i f t « 5 0 ist. A b e r d e r Teufel steckt auch hier im Detail. Erst spät h a t sich ein B e n n F o r s c h e r wie B r u n o H i l l e b r a n d an d e r g e n e a l o g i s c h e n R e c h t f e r t i g u n g d e s Beginns g e s t o ß e n . 5 1 D e n n i m m e r h i n h a t B e n n , n a c h d e m er sich »als in die G e s c h i c h t e d e r geistigen Prostitution e i n g e g a n g e n « 5 2 sah, mit d e m Lebensweg eines Intellektualisten e i n e n Text aus j e n e r P h a s e seiner A n b i e d e r u n g a n d e n nationalsozialistischen Staat vollständig seiner A u t o b i o g r a p h i e integriert. »Wer will, k a n n i m m e r aus d e n alten S a c h e n mir t a u s e n d Stricke d r e h n u n d a u s d e n m a n n i g f a c h s t e n S a c h e n sich G i f t f ü r seine Pfeile h o l e n . « 5 3 B e n n m u ß t e u n d wollte die »ollen K a m e l l e n alle w i e d e r v o r h o l e n , glossieren, sich r e h a b i l i t i e r e n « . 5 4 D i e N e u a u f n a h m e des Lebenswegs war in d i e s e m Sinn ein geschickter Schachzug. E i n e r s e i t s w u r d e die A p o l o g i e des Doppellebens dadurch g l a u b h a f t e r , d a ß B e n n e i n e n f ü r ihn k o m p r o m i t t i e r e n d e n Text gleich e n bloc an d e n A n f a n g stellte. A n d e r e r s e i t s p r o f i t i e r t e er d a v o n , d a ß Lebensweg eines Intellektualisten selbst s c h o n eine A p o l o g i e an die A d r e s s e d e r n e u e n M a c h t h a b e r war. E r b e legte schon v o r d e n Ä u ß e r u n g e n des zweiten Teils, d a ß B e n n bereits 1933 in e i n e r Position d e r D e f e n s i v e u n d D i s t a n z g e w e s e n war. U n d die Positionen d e s Lebenswegs w a r e n keineswegs affirmativ. 5 5 I m m e r h i n v e r w e n d e t e e r rassistische A r g u m e n t a t i o n s m u s t e r , um mit i h n e n offensiv seinen Intellektualismus zu b e g r ü n d e n , u n d b e k a n n t e sich als C a f e h a u s l i t e r a t , w o doch die nationalsozialistische P r o p a g a n d a seit j e militante I n t e l l e k t u e l l e n s c h e l t e betrieb. E r d e f i n i e r t e das G e n i e als

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Alle Zitate aus: Ernst von Salomon 1970. Leider ist die endlich vorliegende erste Monographie zu Salomon von Markus Josef Klein 1994 die Arbeit eines ausgerechnet vom jungen Rechtsterroristen und militanten Nationalisten faszinierten Autors, der natürlich mit der distanzierten Selbstironie des Fragebogens seine Schwierigkeiten hat (vgl. S. 147). Allerdings hat Klein trotz allen berechtigten Bedenken gegen seinen politischen Standpunkt auf der Faktenebene solide gearbeitet. Peter de Mendelssohn 1953, S.239. Repräsentativ für die nur in der Bewertung schwankende Einschätzung des Textes ist Wolfgang Bächlers 1950 formuliertes Urteil: »In seiner soeben erschienenen Autobiographie >Doppelleben< unterwirft Benn sein damaliges Verhalten einer selbstkritischen Analyse. Sie kann stellvertretend für die politische Ahnungslosigkeit und die Fehlschlüsse eines Großteils der nichtnazistischen deutschen Intellektuellen stehen und vermag das Rätsel solch abstruser Naivität sonst so klar Denkender doch nicht ganz zu erklären« (Wolfgang Bächler 1987, S.209). Vgl. Bruno Hillebrand 1986, S.17. An F.W. Oelze, 22.1.1948; Gottfried Benn 1979-1982, Bd.II, S.112. An F.W. Oelze, 25.12.1949; Gottfried Benn 1979-1982, Bd.II, S.279. An F.W. Oelze, 28.11.1949; Gottfried Benn 1979-1982, Bd. II, S.268. Vgl. die Briefe Bd. II, S. 265ff., Bd. III, S.9f. Vgl. dagegen Christiane Deußen 1987, S.39f.

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bionegatives Phänomen im scharfen Gegensatz zur Herrenrassenideologie. 56 Die genealogische Rechtfertigung gegen Angriffe Börries von Münchhausens zeigten, daß Benn bereits 1933 verdächtigt wurde, Nichtarier zu sein. Seine Schilderung der Drangsalierungen seitens des Regimes konnten daran nahtlos anknüpfen. 5 7 Zugleich ließ sich mit der Übernahme des Lebenswegs demonstrieren, daß hier jemand radikal aufrichtig und schonungslos zur Sache ging, indem er seine Sünde gleich öffentlich mitteilte. Nicht weniger geschickt ging er im Doppelleben-Teil des Buches vor, wo er niemand geringeren als den Repräsentanten des besseren Deutschland, Thomas Mann, aufgrund von dessen »Gedankendienst mit der Waffe« [DL/DL 406] 58 für seinen Standpunkt reklamierte. Benn brachte das Kunststück fertig, den in der Öffentlichkeit als bedeutender geltenden Thomas Mann gegen seinen Sohn Klaus Mann in Stellung zu bringen, ohne einen von beiden zu kompromittieren. 5 9 Klaus Mann wird zugestanden, er habe als junger Mann von 27 Jahren »die Situation richtiger beurteilt, die Entwicklung der Dinge genauer vorausgesehen, er war klarerdenkend als ich« [DL/DL 399]. Thomas Mann werden zwar seine publizistischen Aktivitäten von 1914 bis 1918 unter die Nase gerieben, zugleich aber wird er dem Wertekodex Benns entsprechend als Gleichgestellter geadelt, da er wie Benn die höchste Leistung des geistigen Menschen erbracht hat, indem er >die Lage erkannt< [vgl. DL/ D L 454] hat. Der Begriff Rechtfertigungsliteratur ist bei genauem Hinsehen als zusammenfassende Bezeichnung für die Nachkriegsautobiographie nicht mehr als ein verwirrender und verunklarender Notbehelf, der überdies im Regelfall in polemischer Absicht verwendet wird. Die Autobiographik der späten vierziger und fünfziger Jahre steht in einem Diskussionszusammenhang, der vor allem als Problem der Romantheorie reflektiert worden ist und sich bis in die folgenden Jahrzehnte fortgesetzt hat. 60 In der frühen Nachkriegszeit diagnostizierte Karl August Horst einen Ichzerfall als Reaktion auf einen übergreifenden Prozeß. Dieser »bestand - kurz gesagt - darin, daß die Abstimmung zwischen Ich und Wirklichkeit im Begriffe war verloren zu gehen. Dem fortschreitenden Wertzerfall der Gesellschaft entsprach ebenbildlich der Ichzerfall.

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Vgl. Heinz-Ludwig Hirt 1973, S.26; Reinhard Alter 1981b, S.151ff.; Michael Jaeger 1995, S. 221 ff. Vgl. zu den verschiedenen Angriffen gegen Benn nach 1933 aus der offiziellen Perspektive Ulrich Weisstein 1976; Glenn R. Cuomo 1986. Benn zitiert die Bemerkung aus Thomas Manns Lebensabriß. Die Zitate sind im wesentlichen genau. Allerdings pointiert Benn die Brüsselreise Thomas Manns so, als habe es sich um eine absichtliche Kontaktaufnahme mit dem Militär gehandelt. Mann jedoch beschreibt sie als einzige, eher zufällige Berührung. - Im weiteren Fortgang der Arbeit wird bei Zitaten aus Doppelleben. Zwei Selbstdarstellungen mit DL/Lel und D L / D L jeweils unterschieden, aus welchem Teil zitiert wird. Thomas Mann ist aufgrund seiner exponierten Stellung nach 1945 häufig Opfer von Kampagnen geworden. Vgl. Gerhard Roloff 1976, S. 157f. Zur Diskussion des Problems seit 1960 vgl. Ulrich Schmidt 1993.

Das Ich wurde nicht mehr als einheitliche Größe empfunden.« 6 1 Das Krisenbewußtsein drückte sich in den Schlagworten von der Entpersönlichung des Romans, der Krisis des Ich, dem Zweifel an der Biographie aus. 62 Die reichhaltige autobiographische Produktion der Nachkriegszeit setzte hier an. 63 Der Hochflut der Autobiographik zwischen 1945 und 1960 korrespondiert eine bemerkenswerte Enthaltsamkeit der Forschung. Arbeiten zur Autobiographie sind vorwiegend der Goethezeit gewidmet; spätere Abschnitte der Gattungsentwicklung sind nur vereinzelt, mit stark divergierenden Fragestellungen und unterschiedlich breit angelegten Textkorpora bearbeitet worden. Eine Geschichte der deutschsprachigen Autobiographie gibt es nicht. Für den fraglichen Zeitraum ist dieser Zustand verwunderlich, hätte bei unbefangener Betrachtung doch das in den letzten dreißig Jahren immense Interesse an Vergangenheitsbewältigung das Gegenteil erwarten lassen. Auf der anderen Seite lag die Vermutung nahe, daß gerade in einem Zeitraum, in dem die Biographiereflexion von besonders hoher Bedeutung war, mit der Gattung experimentiert worden ist, so daß vor allem eine Formanalyse aufschlußreich sein könnte. Die wenigen vorliegenden Studien konzentrieren sich auf die Frage der Vergangenheitsbewältigung, die als Erzählung von der Vergangenheit vorwiegend als stoffliches Problem angesehen wurde. Sie stehen damit im Konflikt mit den jüngsten Tendenzen der Autobiographieforschung, die vor allem die Fiktionalität autobiographischen Erzählens in den Vordergrund stellen. Aus diesem Stand der Dinge ist der Zuschnitt der vorliegenden Arbeit entwikkelt. Zwischen 1945 und 1960 sind sicher etwa 270, wahrscheinlich aber weit über vierhundert umfangreichere Autobiographien, Memoiren und Lebenserinnerungen auf dem Buchmarkt erschienen. Die vorliegenden Bibliographien 64 sind lük-

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Karl August Horst 1957, S. 109. Vgl. Helmut M.Braem 1973, S. 14f„ S. 17; Kurt Lothar Tank/Wilhelm Jacobs 1973a, S.50f.; Knut Hickethier 1986, S.574f. Dieses Kriscnbewußtsein ist nicht fundamental neu und konnte an vergleichbare Phänomene in den zwanziger Jahren anknüpfen. Zur Autobiographik und Biographik vgl. Erhard Schütz 1995, S.549. Vgl.: »Die Selbstbiographie bezeichnet genau den Ort, an dem die Situation der Persönlichkeit in der Zeit hält. Im Räume des erudierten deutschen Humanismus, in der Luft des Bildungszeitalters, manifestiert die Selbstbiographie nach dem Vorgange von >Dichtung und Wahrheit< den gesicherten Wert der Persönlichkeit, die Mannigfaltigkeit ihrer Denkformen und ihrer Diktion. Heute, nach dem Verfall überpersönlicher Bindungen den unpersönlichen kollektiven Mächten der Normierung und Reglementierung preisgegeben, ist das individuelle Leben in die Position einer illegalen Widerstandsbewegung geraten. Je mehr andere literarische Formen sich ihm versagen, um so mehr ist die Persönlichkeit, um sich ihrer selbst zu vergewissern, um sich selbst zu bekennen und zu enthüllen, um ihre Einmaligkeit und Einzigartigkeit zu verlautbaren, auf die Selbstbiographie verwiesen. Denn der Sockel, auf dem sich die Selbstbiographie wie eine Pyramide des Erlebten und Erfahrenen, des Urteilens und Betrachtens erhebt, ist zu allen Zeiten das Humanuni geblieben« (Gustav Hillard 1955, S.245). »Die Selbstbiographie enthält das Zugeständnis, daß andere literarische Formen sich dem Menschen heute versagen« (Christian Ringel 1955, S.290). Vgl. weiterhin für die Autobiographik Benno von Wiese 1958, S.19, S.21; Eduard Rosenbaum 1961, S. 197. Vgl. Ingrid Bode 1966; Jens Jessen 1987ff.

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kenhaft. Der weitaus große Anteil wurde in den Westzonen bzw. der Bundesrepublik und Berlin publiziert. Grundlage der Untersuchung ist die Schriftstellerautobiographie der nicht emigrierten Autoren. Relevant sind in erster Linie die im Literaturbetrieb dominierenden, literaturpolitisch wichtigen und in der Öffentlichkeit beachteten Autoren. Hans Friedrich Blunck war der erste Präsident der Reichsschrifttumskammer. Erwin Guido Kolbenheyer war vor 1933 ein aufgrund seiner Paracelsus-Trilogie respektierter Autor des völkischen Lagers, der im Dritten Reich der mit den meisten Literaturpreisen überhäufte Schriftsteller war. 65 Hans Grimm hatte mit dem Roman Volk ohne Raum vor 1933 einen der Bestseller der Weimarer Republik publiziert, sich schon früh für den Nationalsozialismus engagiert, ohne jemals Parteigenosse zu werden, war aber im Dritten Reich aufgrund seiner umtriebigen inoffiziellen literaturpolitischen Aktivitäten trotz seines Rangs empfindlich gemaßregelt worden. In den fünfziger Jahren erzielte er mit umfangreichen publizistischen Schriften hohe Auflagen. Unter den Autobiographen finden sich die prominentesten nichtnationalsozialistischen Autoren. Ernst Wiechert war zwischen 1930 und 1960 einer der auflagenstärksten deutschen Autoren. Seine Distanz zum Regime war durch seine KZ-Haft verbürgt. E r fühlte sich nach 1945 als Sprachrohr der Deutschen. Hans Carossa galt als Repräsentant des Bildungsbürgertums und war ebenfalls Bestsellerautor. Im Dritten Reich galt er halboffiziell als der >gottbegnadeste< deutsche Dichter noch

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Vgl. Joseph Wulf 1986, S. 107f. »Zu den »Spitzenreitern* unter den Preisträgern zählte [...] Erwin Guido Kolbenheyer. Ausgezeichnet mit dem Literaturpreis des Goethebundes Bremen (1933), dem Literaturpreis der Stadt München (1936), dem Frankfurter Goethe-Preis (1937), dem Villacher Paracelsus-Preis (1942) und dem Wiener Grillparzer-Preis (1944) erhielt er insgesamt 26.000 Reichsmark an Preisgeldern. Umgerechnet mit dem Indexwert von 42,8, den das österreichische statistische Zentralamt für die Reichsmark vom Stand 1944 ermittelt hat, entspricht diese Summe einem heutigen Wert von rund [...] 160.000 Mark. Daß diese einfache Umrechnung mit Indexzahlen nur bedingt gültig sein kann, belegt das Beispiel Josef Weinheber, der 1936 mit den 10.000 Reichsmark des Mozart-Preises sogar ein Landhaus erwerben konnte. Erwartungsgemäß waren jene Autoren, die hochdotierte Preise erhielten, auch auf andere Weise tief im Literaturbetrieb verankert. Kolbenheyer [...] erreichte zwischen 1933 und 1942 32 selbständige und drei mehrbändige Publikationen, fast alle in vielfachen Auflagen. Dazu kommt eine beachtliche Anzahl von Beiträgen in Sammelschriften und Periodika. Zwei seiner Werke wurden vom Beauftragten des Führeres für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP empfohlen. Die Nationalsozialisten betrachteten auf diese Art hervorgehobene Bücher als wichtigen Beitrag für ihren politischen Kampf. Selbstverständlich findet sich Kolbenheyers Name auch auf jenen Vorschlagslisten, die das Reichsministcrium für Volksaufklärung und Propaganda für Veranstalter von Lesungen erstellte. Hitler selbst verlieh Kolbenheyer mit dem Adlerschild die höchste zivile Auszeichnung des Dritten Reiches und zusätzlich die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, und schließlich benannte der sudetendeutsche Gauleiter, Konrad Henlein, den Kulturpreis der Stadt Karlsbad nach Kolbenheyer« (Helga Strallhofer-Mitterbauer 1994b, S. 94). Zur Bedeutung der Literaturpreise als Bestandteil der Literaturpolitik vgl. Helga Strallhofer-Mitterbauer 1994a, S. 16ff.; Jan-Pieter Barbian 1995a, S.458ff.

vor Kolbenheyer. 66 Er wurde hofiert und ließ sich verstricken. Sein ungeduldig erwarteter Rechenschaftsbericht wurde bei Erscheinen begeistert begrüßt und rehabilitierte ihn in den Augen Thomas Manns. Reinhold Schneider war in den fünfziger Jahren aufgrund seiner moralischen Integrität einer der herausragenden, aber auch streitbarsten Köpfe des Literaturbetriebs. Ernst von Salomon lieferte, wahrscheinlich zu seiner eigenen Überraschung, den ersten Bestseller der Bundesrepublik. Der Fragebogen erschien am 20.3.1951 in einer Auflage von 30.000 Startexemplaren. Bereits 1952 waren 200.000 Exemplare gedruckt. 67 Gottfried Benn erlebte in den fünfziger Jahren ein überwältigendes Comeback als >leuchtende Beispielfigur< (Peter Rühmkorf) der jungen Generation. Schließlich gesellte sich auch noch der Erfolgsautor des Theaters der Weimarer Republik, Arnolt Bronnen, dazu, der mittlerweile nach seinem öffentlichen Bekenntnis zum Faschismus von 1929 Marxist geworden war und zwischen Österreich, der D D R und der Bundesrepublik schwankte. In das Analysekorpus sind darüber hinaus einige weitere Texte von Autoren derselben Generation aufgenommen worden: Otto Flakes Es wird Abend, Friedrich Georg Jüngers Grüne Zweige und Spiegel der Jahre, Gustav Hillards (d. i. Gustav Steinbömer) Herren und Narren der Welt. Die detaillierte Textanalyse ist vor allem deswegen geboten, weil alle Texte biographisches Krisenbewußtsein in experimentelle Variationen, ausgreifende sinnstiftende Konzeptualisierungen oder in Revisionen von Fiktionalitätsgrenzen umsetzen. Aufgrund dieser Ausgangslage sind theoretisch-begriffliche Vorklärungen erforderlich. Die neuesten Ansätze der Autobiographieforschung zeigen einen Hiatus zwischen Theorie und Praxis. Zum einen mehren sich die Stimmen, die in der Autobiographie eine primär fiktionale Literaturgattung sehen, während die Arbeiten zur Nachkriegsautobiographik wie zur Autobiographik des Exils referenzorientierte Fragestellungen bevorzugen. Diese Auffälligkeit wird in einem problemorientierten Forschungsüberblick vorgestellt. Die Ursache für dieses Grundproblem liegt in den divergenten Einschätzungen des theoretischen Status der Autobiographie. Zur Klärung des eigenen Ansatzes wird daher Anschluß an die Fiktionalitätsdiskusion wie an die Theorie des historiographischen Erzählens gesucht. In einem weiteren Argumentationsschritt ist die soziale wie psychische Funktion autobiographischen Erzählens zu beschreiben. Erst im Anschluß an diese Klärungen geht es um die Nachkriegsautobiographie. Die Untersuchung der Selbstbeschreibungssemantik der Texte zeigt eine Vielfalt, die auf ein Rahmenmodell zurückzuführen ist, das diese Vielfalt erst ermöglicht und sie integriert, das lebensphilosophische oder vitalistische Biographiemodell. Prä-

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Auf der sogenannten >Gottbegnadeten-Liste< wurden auf Anordnung Hitlers die fähigsten Künstler zur uk-Stellung erfaßt. Sie wird derzeit nicht als Sympathisantenliste bewertet, sondern als Ausdruck des Staatsinteresses. Vgl. Oliver Rathkolb 1991, S. 166ff., S. 173ff. Die Reihenfolge der Dichter lautet: »Schrifttum:/1 Hans Carossa/2 Gerhart Hauptmann/ 3 Erwin Guido Kolbenheyer/4 Hanns Johst/5 Agnes Miegel/6 Ina Seidel« (S. 176). Zahlenangaben bei Markus Josef Klein 1994, S.271.

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gnant formuliert den Konsens einer der wenigen Autobiographietheoretiker der Zeit, Gustav Hillard: »Nur eine unbegrenzte autobiographische Vielfalt kann die Komplexität des Lebens widerspiegeln.« 68 In übergreifender Perspektive ist das lebensphilosophische Biographiemodell ein in der literarischen Moderne erfolgreicher Versuch, die Probleme der von Niklas Luhmann beschriebenen Exklusion der modernen Individualität zu bearbeiten. Die axiologische Basis dieses Modells ist der emphatische Lebensbegriff, der zentrale Komponenten einer Biographie mit Sinn anreichert und die wesentlichen Elemente der Selbstbeschreibungssemantik in diesen Texten trägt. Der Vielfalt der einzelnen Biographien entspricht eine auffallende Neigung der Autobiographen zu experimentellen Veränderungen konventioneller Weisen autobiographischen Erzählens. 69 Autobiographisches Erzählen soll darauf abzielen, ein >Bild eines Lebens< zu geben. Auf das Lebensbild lassen sich Erweiterungen des autobiographischen Erzählrepertoires wie Anspielungshorizonte und Metaphernsysteme zurückführen. Zu den auffälligsten Experimenten gehören Benns Montageautobiographie und die ungewöhnlichen Rahmenkonstruktionen bei Salomon, Bronnen und Kolbenheyer. Eine aufschlußreiche Paradoxie kennzeichnet viele Texte. Die Autobiographen betonen einerseits den dokumentarischen Charakter ihrer Texte, andererseits tendieren sie dazu, fiktionale Elemente zu integrieren und die Grenze zwischen Fiktion und Faktum innerhalb der Texte der autobiographischen Reflexion zuzuführen. Damit aber steht eine Grundfrage der Autobiographieforschung zur Debatte, die Frage nach der Fiktionalität der Gattung.

1.2. Probleme der Autobiographieforschung Die Geschichte der neueren Autobiographieforschung ist ein Prozeß zunehmender Reflexivität, der sowohl auf die Texte wie auf die Methodik gerichtet ist. Systematische und kontinuierliche Forschung zur Autobiographie gibt es aufgrund der normativen Ausrichtung des Fachs auf die Autonomieästhetik und der Einstufung von Autobiographien als ästhetisch minderwertige Texte erst seit Ende der sechziger Jahre. Maßgeblich für die Erweiterung des Gegenstandsbereichs war Friedrich Sengles Vorschlag, literarischen Zweckformen in der poetischen Formenlehre neben Epik, Lyrik und Dramatik einen festen Ort zuzuweisen und sie als Forschungsgegenstände aufzuwerten. 70 Bis zu diesem Zeitpunkt dominierten seit Mischs Mo-

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G u s t a v Hillard 1955, S.244. "" Vgl. d a z u B e r n d Scheffer 1992, S.245ff. 70 Vgl. Friedrich Sengle 2 1969, S. 18. Sengles Konzept d e r Z w e c k f o r m diente in d e n siebziger Jahren vielen A r b e i t e n zur Autobiographie als definitorische Grundlage. Vgl. Ralph A . Baltzer 1972, Klaus-Detlef Müller 1976, G ü n t e r Niggl 1977 u . a . 16

numentalwerk enzyklopädisch ausgerichtete Überblicksdarstellungen, 7 1 Untersuchungen der Autobiographie als historiographische Quellengattung und an Dichterautobiographien unternommene Versuche, ihren Kunstwerkcharakter zu bestimmen. 7 2 Seither haben die systematische Erforschung der Gattungsgeschichte 7 3 und die zunehmende Theoretisierung der Fragestellungen 7 4 die Autobiographieforschung geprägt. Sie begann sich von der Selbstbeschreibung der Autobiographien und der Ausrichtung der Tradition an G o e t h e s Dichtung und Wahrheit zu lösen. Vor allem die angloamerikanische Forschung hat das Fiktionalitätsproblem akzentuiert. 7 5 Nach wie vor wird trotz aller Problematisierung Georg Mischs Definition akzeptiert, Autobiographie sei »die Beschreibung (graphia) des Lebens (bios) eines Einzelnen durch diesen selbst (auto).«7e Misch betonte, die Gattung entziehe sich einer gültigen, d. h. formalästhetischen Bestimmung. Daher wählte er die Kategorien seines Begriffs von Inhalt und Kontext her. D i e formale Vielfalt der Autobiographie ist das Grundproblem jedes definitorischen Zugriffs geblieben. 7 7 Die Verlagerung der Gattungsbestimmung von der Form auf Textinhalt und Schreibsituation hat bislang keine theoretisch befriedigende Abgrenzung des Gattungskorpus ermöglicht, obwohl die Forschung praktisch im wesentlichen Autobiographien im engeren Sinn, 7 8 vor allem Schriftstellerautobiographien, zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht hat. Einerseits wird immer wieder für eine Eingrenzung des Korpus plä-

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Vgl. vor allem Anna Robeson Burr 1909, Theodor Klaiber 1921, Hermann Ulrich 1923, Marianne Beyer-Fröhlich 1930. Zur Forschungsgeschichte vgl. die Forschungsüberblicke von Günter Niggl 1989, S. 1 - 1 7 , James Olney 1980a, S.3ff. und William C. Spengemann 1980, S. 170ff. Einsetzend mit den Studien von Klaus-Detlef Müller 1976 und Günter Niggl 1977. Eine erste sozialhistorisch argumentierende Arbeit hat Werner Mahrholz schon 1919 vorgelegt. Seit Bernd Neumanns Versuch, mit Hilfe soziologischer und psychoanalytischer Ansätze die Autobiographie theoretisch zu fundieren, sind - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - sprechakttheoretische (Elizabeth W. Bruss 1989, Elizabeth W.Bruss 1976, Jürgen Lehmann 1988), gesellschaftstheoretische (Peter Sloterdijk 1978, Wolfgang Lidle 1982), anthropologiegeschichtliche (Helmut Pfotenhauer 1987), poststrukturalistische (Susanne Craemer-Schroeder 1993) und konstruktivistische (Bernd Scheffer 1992) Fragestellungen ausgearbeitet worden. Hier gingen die Impulse von den Dekonstruktivisten aus. Speziell für die Autobiographieforschung ist der Aufsatz von Paul de Man 1979 zu nennen. Zur Diskussion vgl. Marc Eli Blanchard 1982, Paul L.Jay 1982, Robert Elbaz 1983, Robert Elbaz 1988. Kritisch dazu Paul John Eakin 1985, Paul John Eakin 1992. Georg Misch 1949ff. Bd. 1/1, S.7. Mischs Bestimmung ist seither häufig präzisiert worden. Als konsensfähig hat sich die Präzisierung und Verengung durch Lejeune erwiesen: »Rückblickende Prosaerzählung einer tatsächlichen Person über ihre eigene Existenz, wenn sie den Nachdruck auf ihr persönliches Leben und insbesondere auf die Geschichte ihrer Persönlichkeit legt« (Philippe Lejeune 1994, S. 14. Im Original kursiviert). Vgl. Georges May 1979, S. 12. Im Kontext der vorliegenden Arbeit wird Autobiographie als Oberbegriff verwendet. Mit der Autobiographie im engeren Sinn ist die spezifische Form der sogenannten bürgerlichem oder >künstlerischen< Autobiographie gemeint, die historisch gesehen seit dem 18. Jahrhundert existiert. 17

diert, 7 9 andererseits die Gattung sogar bis auf philosophische Systeme entgrenzt 8 0 oder aus konstruktivistischer Perspektive ihre Unterscheidbarkeit von anderer Literatur überhaupt bestritten. 8 1 Als trennscharfe Kategorie der Gattungsbestimmung gilt Philippe Lejeunes schlagende Formel v o m pacte autobiographique, mittels dessen die Identität von Autor und Erzähler im Sinne einer vertragsrechtlichen Kategorie (Lektürevertrag) fixiert wird. » D e r autobiographische Pakt ist die Behauptung dieser Identität im Text, die letztlich auf den N a m e n des Autors auf d e m Umschlag verweist.« 8 2 Ursprünglich hat Lejeune den autobiographischen Pakt in einer strengen Fassung vertreten. D a s ist schon früh zu Recht kritisiert worden. In der deutschen Gattungsgeschichte gibt es Beispiele dafür, daß der Erzähler ausdrücklich einen anderen N a m e n trägt als der Autor (Karl Philipp Moritz - A n t o n Reiser, Erwin G u i d o Kolbenheyer - Sebastian Karst). Darüber hinaus gibt es vor allem außerhalb des schriftstellerischen Milieus als Autobiographien oder Memoiren akzeptierte, aber von Ghostwritern verfaßte Lebensgeschichten, etwa The Autobiography of Malcolm X (von A l e x Haley) und Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch (von Wolfgang K o e p p e n ) . 8 3 D i e Geschichte der deutschen Autobiographie ist in groben Zügen, allerdings sehr ungleichgewichtig und in der Regel höhenkammorientiert erforscht worden. A l s Schwerpunkte lassen sich erwartungsgemäß die Goethezeit und konjunkturbedingte Spezialthemen ausmachen. 8 4 D a s hat seinen Grund nicht zuletzt in der

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Vgl. u.a. Ingrid Aichinger 1989. Vor allem von James Olney 1981. Bsp.: »Heraclitus was the first, according to historians of Greek philosophy, to declare that every cosmology begins in self-knowledge; he was the first to elaborate a physiology and a physics and to project a cosmology that consciously reflected himself, that unique man, as its center; he was, in other words, the first theoretical autobiographer« (S.4). So von Bernd Scheffer 1992, S.245ff. Philippe Lejeune 1994, S.27. Unabhängig von Lejeune hat Paul John Eakin 1985 auf »the autobiographers explicite posture as autobiographer in the text« (S. 4) als Grundbedingung der Autobiographie hingewiesen. Zum Problem der Referenz des >Ich< in der Autobiographie vgl. Hartmann Leitner 1982, S.44ff. Vgl. Georges May 1979, S.66; Ulrike Mielke 1995. Gesamtdarstellungen liegen vor von Werner Mahrholz 1919, Theodor Klaiber 1921, Marianne Beyer-Fröhlich 1930, Roy Pascal 1965. Zur pietistischen Autobiographie des 18. Jh.: Ingo Bertolino 1967. Goethezeit: Ralph-Rainer Wuthenow 1974, Klaus-Detlef Müller 1976, Günter Niggl 1977, Helmut Pfotenhauer 1987, Jürgen Lehmann 1988, Sabine Groppe 1990, Kerstin Stüssel 1993, Birgit Nübel 1994. Malerautobiographien des W.Jahrhunderts.· Hermann Leuthe 1953, Catherine C.Frazer 1984.19. und 20. Jh.: Ingrid Aichinger 1977. Jahrhundertwende: Volker Hoffmann 1978. 20. Jahrhundert: Wolfgang Paulsen 1991, Henning Buck 1989 (Gelehrtenautobiographien). Zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jh.: Ursula Hartmann 1940 (zeittypisch), Peter Sloterdijk 1978. Autobiographie des Exils: Rainer Zimmer 1981, Richard Critchfield 1984a, Richard Critchfield 1984b, Erich Kleinschmidt 1984b, Richard D. Critchfield 1994. Zur Autobiographie der Nachkriegszeit vgl. unten. Autobiographie nach 1960: Sylvia Schwab 1981, Ruth Fühner 1982, Barbara Saunders 1985, Wolfgang Türkis 1990, Linhua Chen 1991. Thematisch orientierte Untersuchungen liegen vor zur Arbeiterautobiographie: Cecilia A. Trunz 1934 (zeittypisch), Ur-

ästhetischen Einschätzung von Dichtung und Wahrheit als >Gipfel der Gattungsgeschichte*. 85 Spätere Autobiographien galten nurmehr als Auseinandersetzung mit den Aporien von Goethes autobiographischem Modell und als Teil einer Verfallsgeschichte. 86 Auf die problematischen Konsequenzen dieser Wertung machte erstmals Bernd Neumann aufmerksam. 8 7 Allerdings entspricht die Einschätzung der Autobiographiegeschichte nach Goethe als Verfalls- oder Krisengeschichte der Selbstbeschreibung der Autobiographien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 8 8 Dichtung und Wahrheit galt um die Jahrhundertwende in der Gattungsreflexion zwar unbestritten als normatives Vorbild; in der Praxis war es anachronistische Norm. 8 9 Die Autobiographen kündigten ihren Lesern >nicht Dichtung und Wahrheit*, sondern >nur Wahrheit* an, 9 0 und bewerteten diesen Vorgang als Verzicht auf ästhetische Ansprüche. Für die Autobiographen der Weimarer Republik galt »die klassische entwicklungsgeschichtlich-organologische Autobiographie« 91 als überlebtes Muster. Peter Sloterdijk hat darauf hingewiesen, daß in dieser Zeit unter der Perspektive der Krise des Individuums neue Formen der Autobiographie entwickelt wurden. Nach 1945 erlebte Goethes Modell vor allem bei nichtprofessionellen Autoren eine Renaissance, die sich der bildungsbürgerlichen Tradition verpflichtet fühlten. 9 2 Unter den Berufsschriftstellern orientierte sich nur eine Minderheit an diesem Vorbild. Zur Autobiographie des 20. Jahrhunderts liegt mit Ausnahme von Spezialstudien zu einzelnen Texten nur wenig Literatur vor. 93 Die Entwicklung der Gattung ist kaum systematisch untersucht worden. Die einzige vorliegende Gesamtdarstellung

sula Münchow 1973, Georg Bollenbeck 1976, Petra Frerichs 1980, Michael Vogtmeier 1984, Angela Federlein 1987, Klaus Bergmann 1991. Kindheitsautobiographie: Werner Brettschneider 1982, Richard N . C o e 1984a, Richard N.Coe 1984b. Untersuchungen zu Autobiographien von Frauen setzen ein mit Marianne Vogt 1981, Katherine G o o d m a n 1986. 85

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Vgl. Marianne Beyer-Fröhlich 1930. Noch Ingrid Aichinger wertete Dichtung und Wahrheit als »reine Ausprägung der Gattung«, weil »die >Einheit des Subjekts und des objektiven Geschehens in sich* zusammenfällt« (Ingrid Aichinger 1977, S. 10). D i e Entwicklungslinie der Autobiographiegeschichte laufe auf die Autonomie des Ichs zu, die in Rousseaus und Goethes Autobiographien erreicht sei (vgl. Ralph-Rainer Wuthenow 1974). D i e Literarisierung der Zweckform gipfele in Goethes Text. Vgl. Klaus-Detlef Müller 1976; Günter Niggl 1977, S. 153ff. Vgl. Bernd Neumann 1970, S. 2ff. Zunehmende Kritik seit den späten siebziger Jahren: vgl. Georg Bollenbeck 1976, Petra Frerichs 1980, Sabine Groppe 1990, S.2ff. Vgl. Martin Sommerfeld 1926, Ingrid Aichinger 1977, S.33ff. Vgl. Volker Hoffmann 1978, S. 124ff. Vgl. Volker Hoffmann 1978, S. 166ff. Hoffmann beschreibt einsichtig die in seinem Zeitraum zu beobachtende Polarisierung von referentieller und fiktionaler Komponente der Autobiographie. Vgl. auch Volker Hoffmann 1989, S.489. Peter Sloterdijk 1978, S. 7. Vgl. Helmut Peitsch 1990, S.367ff. Z u Memoiren der ehemaligen Größen des nationalsozialistischen Staates vgl. Bernd Neumann 1976; Cornelius Schnauber 1977. Überblicksartikel zur Autobiographie nach 1945: Franz Schonauer 1980.

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ist Wolfgang Paulsens essayistischer Überblick Das Ich im Spiegel der Sprache,94 der allgemeiner als Geschichte des autobiographischen Schreibens konzipiert ist. Zur Autobiographie der ersten Jahrhunderthälfte liegen zwei einander ergänzende Darstellungen vor, von denen leider Volker Hoffmanns Habilitationsschrift Studien zur Autobiographie 1890-1923 unpubliziert geblieben ist. Hoffmann hat »Transformation und Strukturwandel [der Autobiographik] im literarischen Textsystem« 95 seines Zeitraum untersucht. E r konzentriert sich angesichts der Materialfülle auf die Literatenautobiographik. Im Zusammenhang der vorliegenden Studie sind seine Ergebnisse bedeutsam, weil er poetologische, historische und theoretische Grundlagen beschreibt, die bis in die sechziger Jahre des Jahrhunderts Gültigkeit behalten. Die zwischen 1945 und 1960 publizierenden Autoren haben ihre kulturelle Sozialisation zu Beginn des Jahrhunderts durchlaufen. Die Autobiographie wurde als authentische Realitätsabbildung verstanden und als Unterklasse der Biographie zugeordnet. Ende des 19. Jahrhunderts hatten Autobiographien primär die Funktion eines Metatexts zum dichterischen Werk und der Verknüpfung zwischen Leben und Werk eines Autors. Gattungsgeschichtlich gab es Konventionen und Traditionen, aber keine eigentlich poetologische Reflexion. Neben Dichtung und Wahrheit fungierte die gründerzeitliche Monumentalbiographik als Orientierungspunkt für die Autoren. Hoffmann konstatiert zur Jahrhundertwende eine Polarisierung von fiktionaler und referentieller Komponente im Gattungssystem. An die Stelle der fiktionalisierten Autobiographie rückte der autobiographische Roman. In der zeitgenössischen Titelei erscheint zunehmend die vage Bezeichnung >Erinnerungen< als Synthese zwischen Autobiographie und Memoiren. Peter Sloterdijk interessierte sich in seiner Arbeit zur Autobiographie der zwanziger Jahre für die »Organisation von Lebenserfahrung«. Literatur sei die »klassische Organisationsform von Erfahrung im bürgerlichen Zeitalter« und speziell die Autobiographie »das subjektive Zentrum der ästhetischen Organisation lebensgeschichtlichen Wissens«. 96 Erzählen ist nach diesem Konzept eine Form sozialen Handelns. Folglich geht Sloterdijk zunächst von Lebenslaufmodellen aus, die Texte werden einzelnen Problemkreisen, die Biographiesegmenten entsprechen, in Modellanalysen zugeordnet. Gattungsgeschichtlich gesehen zeitigt das zeitgenössische Schlagwort von der Krise des Individuums neue, experimentelle Formen und Schreibweisen. Leider verfolgt Sloterdijk die formalästhetische Seite nicht, da es ihm vorwiegend um thematische Fragen geht: Störerfahrungen, d. h. Krisenpunkte der individuellen Biographie, autobiographische Sinnsysteme, d.h. die Makromuster der Lebenslauforganisation (Karrieren, Sinnstiftung usw.), und die Mythologie des Individuums. Zur Gattungsentwicklung nach 1945 sind drei umfangreiche Untersuchungen zu

"4 Vgl. Wolfgang Paulsen 1991. Überblicksartikel: Wolfgang Paulsen 1988. Volker Hoffmann 1978, S.5. *· Peter Sloterdijk 1978, S.5f.

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verzeichnen. Nicht berücksichtigt ist die Autobiographik der dem Nationalsozialismus nahestehenden Autoren. Im Mittelpunkt des Interesses steht vor allem Gottfried Benn. Die drei Untersuchungen haben einen je unterschiedlichen Fokus: die Mitverantwortung deutscher Intellektueller am Nationalsozialismus (Deußen), Autobiographik als Form, in der das kollektive Gedächtnis der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft aufbewahrt ist (Peitsch), Autobiographie als Medium der Geschichtsdeutung (Jaeger). Christiane Deußen wählt als Fallbeispiele ihrer ideologiekritischen Untersuchung Gottfried Benn, Hans Carossa und Arnolt Bronnen, deren Autobiographien der Rechtfertigungsliteratur als einer spezifischen Erscheinungsform der Nachkriegszeit zugeordnet werden. 97 Benns Doppelleben gilt als Muster einer »unmißverständlichen Selbstrechtfertigung« 98 . Er >derealisiere< seine Vergangenheit, verdecke Widersprüche. Die Tendenz des Lebenswegs eines Intellektualisten sei dem Nationalsozialismus gegenüber affirmativ, der Teil Doppelleben verfolge das entgegengesetzte Ziel, so daß Benn, weil er die konträren Ausgangsbedingungen ignoriere, eine von der Sache her nicht gegebene Kontinuität seiner Biographie fingiere. Das eigene Engagement zugunsten des neuen Staates von 1933/34 werde kaum dargestellt, Lebensfakten seien tendenziös ausgewählt, nachträgliche Deutungen vor allem verharmlosender Natur. Die Streichung der >zeitgebundenen Stellen< im Lebensweg sei als nachträgliche Selbstzensur zu qualifizieren. Generell weiche Benn aus politischem in geschichtsphilosophisches Terrain aus; er habe so an der Verdrängung des Nationalsozialismus mitgewirkt. 99 Deußens Hinweis, Benn habe auf gängige Konzepte von Identität und Psychologie verzichtet, bleibt folgenlos. Im Fall von Hans Carossa beschreibt Deußen plausibel dessen Entwicklung von einer zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft nonkonformistischen Haltung zum liberal-konservativen Aushängeschild des NS-Regimes. In Ungleiche Wehen präsentiere er »entschuldigende Relativierungen und Rechtfertigungsbemühungen« 1 0 0 zum Verlauf seiner Biographie. Ziel des Buches sei gewesen, die »Einheit und innere Kontinuität von Leben und Werk, Handeln und Schreiben unter Beweis zu stellen, die durch das zwielichtige Verhalten im >Dritten Reich< verloren gegangen zu sein schien«. 101 Die komplexe Argumentationsstruktur ziele gleicher-

1,7

Christiane Deußen 1987, S.22: »Für die Schriftsteller, die in der Nachkriegszeit durch ihr teilweise nur vorübergehendes oder bedingtes Engagement für den Nationalsozialismus in Bedrängnis geraten waren, bot sich die nachträgliche Selbstdarstellung in Form eines autobiographischen Lebensberichts geradezu an. Das Zusammenwirken von Erinnerung und Deutung, die Darstellung des Erlebten aus dem Erfahrungs- und Wissenshorizont der Schreibgegenwart und die Möglichkeit, spätere Vorwürfe oder Kritik zu reflektieren und in die autobiographische Darstellung einzubeziehen, sowie die spezifischen erzähltheoretischen Voraussetzungen der Gattung Autobiographie kamen den Bedürfnissen dieser öffentlich ins Zwielicht geratenen Autoren entgegen.«

98

Christiane Deußen 1987, S.24. Vgl. Christiane D e u ß e n 1987, S.82. Christiane Deußen 1987, S.25. Christiane D e u ß e n 1987, S.94.

100 101

21

maßen auf aufrichtige und kritische Selbstanalyse wie auf nachträgliche Rechtfertigung. Auch Ungleiche Welten hat Lücken in der Biographie: es fehlen Berichte über die Teilnahme an Hans Grimms Lippoldsberger Dichtertagen, über die Teilnahme am Reichsparteitag von 1938, über das Führerbekenntnis in der Rede Einsamkeit und Gemeinschaft, über die öffentliche Sympathieerklärung zu Hitlers Annexionspolitik von 1938. Ungleiche Welten präsentiert sich formal als »lockeres Geflecht von lebensgeschichtlichen Erinnerungen, zeitgeschichtlichen Einblendungen und pseudophilosophischen Reflexionen, das den Eindruck eines umfassenden und anschaulichen Porträts der zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft vermittelt«. 102 Als letztes Beispiel zieht Deußen arnolt bronnen gibt zu protokoll als Sonderfall einer »demonstrativen Selbstbeschuldigung« 103 heran. Der Text präsentiere sich als »subjektive[r], durchaus ernstgemeinte[r] Rechenschaftsbericht[ ]«, aber auch als »ästhetisches, bewußt stilisiertes, literarisches Produkt«. 1 0 4 Das Protokoll wurde als Selbsterklärung Bronnens zum perfekten Opportunisten rezipiert, der Wille zur Aufrichtigkeit bestritten. Aufgrund der dramaturgischen Gesamtkonzeption einer fiktiven Gerichtsverhandlung verschwimmen die Grenzen zwischen authentischem Bericht und Fiktionalisierung. »Ernsthafte Selbstbefragung und spielerischer Unernst durchdringen sich in kaum durchschaubarer Form, so daß die eigentliche Funktion der (selbst-)kritischen, quasi objektiven Instanz als Instrument ständiger (Selbst-)Kontrolle von vornherein zweifelhaft erscheint.« 105 Bronnen stellt sein Leben als Abfolge permanenter Identitätskrisen dar, das am Ende zu einer gelungenen Identitätsfindung führt. Da zwischen richtender Instanz und autobiographischem Erzähler die Verknüpfung fehle, handele es sich nur um einen dramaturgischen Trick. Die Ereignisse um 1933 gelten als erzählerischer Wendepunkt von einer von psychologisierenden und selbstkritischen Deutungen getragenen Konfession zur Apologie. In den entscheidenden politischen Fragen sei der Text unscharf. 106 Breiter angelegt ist Helmut Peitschs Untersuchung zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Seinen theoretischen Ansatzpunkt bilden Maurice Halbwachs' Untersuchungen zum kollektiven Gedächtnis, so daß Peitsch die Autobiographik begreift als »Form [...], über die sich das Gedächtnis einer Gesellschaft konstituiert«. 107 Im Rekurs auf Lejeune weitet Peitsch sein Korpus auf alle autobiographischen Formen aus. Ausge-

",2 Christiane Deußen 1987, S.102. 103 Christiane D e u ß e n 1987, S.25. 104 Christiane D e u ß e n 1987, S. 150, S. 160. 1,15 Christiane D e u ß e n 1987, S. 148. 106 Vgl. Christiane D e u ß e n 1987, S. 180ff. 107 Helmut Peitsch 1990, S. 12. »Gedächtnis trifft den institutionellen Aspekt, um den es im folgenden gehen soll: Welche Inhalte und Formen der Erinnerung an den deutschen Faschismus erhielten in den ersten fünf Nachkriegsjahren in den westlichen Besatzungszonen dadurch öffentliche Relevanz, daß sie publiziert und rezensiert, von Verlagen zum Druck angenommen und von der Kritik diskutiert wurden?« (S. 15).

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gliedert werden Jugenderinnerungen, die nach 1945 in großer Zahl erschienen sind. Vom Ansatz her konsequent ist die Begründung der Typologie nach historischen, also zeitgenössischen Konventionen. Peitsch bietet eine Charakterisierung der Autobiographik im Kontext der Verlagsprogramme und eine Auswertung der Rezeption in den zentralen Zeitschriften. Als allgemein anerkannte Bewertungskriterien ergeben sich die Forderung nach Selbstdistanz als Bedingung für das Gelingen der Gestaltung und die Objektivität der Darstellung. Als Normen werden vor allem Erlebnisunmittelbarkeit und künstlerische Gestaltung herausgestellt. Im zeitgenössischen Umfeld werden die Reflexion der Schuldfrage, Läuterung und Bewährung wie die Bewältigung der Vergangenheit verlangt. Den Typus der Apologie kennzeichnet die funktionale Ausrichtung auf die systematische Auseinandersetzung mit Anklagepunkten. Den Höhepunkt derartiger Veröffentlichungen bilden die Jahre 1949 und 1950. Neben Texten von Friedrich Meinecke, Hans Rothe und Hans Fritzsche untersucht Peitsch vor allem Gottfried Benns Doppelleben als >Muster einer deutschen Apologieirren< nur einmal vorkommt, gewann gerade dadurch an Wirkungsmöglichkeit, daß der konkrete Inhalt der Illusion und die konkrete Form der Enttäuschung ausgespart blieben.« 109 Peitsch bietet immenses Material zum Thema auf, wenngleich die Detailfülle immer wieder dazu führt, daß die große Linie der Frage nach dem kollektiven Gedächtnis aus den Augen gerät und die einzelnen Bestandteile eher additiv aneinandergereiht werden. Die Darstellung hat den großen Vorzug, daß sie die Gattung in ihrer gesamten Breite berücksichtigt. Von daher kann etwa die Bedeutung von Dichtung und Wahrheit in der Goethe-Hausse der Nachkriegszeit differenzierter als bisher beschrieben werden: Während für die Schriftsteller der Vorbildcharakter immer mehr verloren geht, stellt es für die Autobiographik >Gebildeter< nach wie vor ein autoritatives Muster dar, das allerdings in der konkreten Situation nach 1945 an konzeptionelle Grenzen gelangt. Michael Jaegers Autobiographie und Geschichte kombiniert fünf Fallstudien zum »Geschichtsbild in der modernen Selbstbiographie«, 110 die die hermeneutischen Autobiographiekonzepte Diltheys und Mischs untersucht und als Textbeispiele die Autobiographien von Karl Löwith, Gottfried Benn und Alfred Döblin heranzieht. 11 1 Hier sind vor allem die Ausführungen zu Benn von Interesse. Doppelleben

1118

Vgl. Helmut Peitsch 1990, S.374. erkünstelt< werden. Als authentisch hat also nicht die erzählte Lebensgeschichte, das erzählte Ich zu gelten, sondern das erzählende Ich und die Schreibgegenwart. Lejeune hat das unmißverständlich in hegelianischer Diktion formuliert: Es sei klar, »daß das letzte Element der Wahrheit [...] nicht mehr das Ansich der Vergangenheit sein kann [...], sondern das im Präsens der Äußerung manifestierte Fürsichsein. Falls der Erzähler im Umgang mit der [...] Geschichte seines Protagonisten lügt, sich täuscht, Dinge vergißt oder verzerrt, so werden diese Irrtümer, Lügen, Auslassungen einfach zu weiteren Aspekten einer Äußerung, die als solche authentisch bleibt.« 154 Was aber ist dann unter Authentizität zu verstehen und wie ist sie im jeweiligen Text realisiert? Den Autoren der Jahrhundertwende etwa galten Autobiographie und Biographie als authentische Realitätsabbildungen. 155 Gegenwärtig wird zwar besonders in feministischen Forschungsbeiträgen auf vorgängige »authenticity of experience« 1 5 6 verwiesen. In den Texten selbst aber ist Authentizität keine Kategorie des dargestellten Lebens, sondern eine der Konstruktion, die sich vorwiegend als Rezeptionseindruck ergibt und als Erfolg von Vertextungsstrategien gelten muß. 1 5 7 Das folgt notwendig daraus, daß das Bewußtsein operational geschlossen ist und kein Zugriff auf das Selbst möglich ist, sondern nur auf die Metaphern, die es produziert. 158 Autobiographie ist ein Artefakt. 1 5 9

151

152 153 154 155 156 157 158 1,9

Vgl. Ingrid Aichinger 1989, S. 185; Peter de Mendelssohn 1972; ausführliche Darlegung: Klaus-Detlef Müller 1976, S.54ff.; Ingrid Aichinger 1977, S. 18. Vgl. Volker Hoffmann 1978, S.34f.; Rolf Tarot 1985, S.30; Helmut Winter 1985, S. 18. Hans W. Gruhle 1923, S.164. Philippe Lejeune 1994, S.44; vgl. Ralph-Rainer Wuthenow 1974, S. 19. Vgl. Volker Hoffmann 1978, S.49ff. Kay Goodman 1986, S.xii. Vgl. Jürgen H. Koepp 1989, S.588, am Beispiel von Texten Goethes und Rousseaus. Vgl. James Olney 1981. Vgl. Louis A . R e n z a 1972; Barrett J. Mandel 1980, S.49; Louis A . R e n z a 1980; Bruce Mazlish 1982.

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Daß »in der Selbstdarstellung die Gegenwartsstruktur des Autors erscheint«, 160 ergibt sich aus dem stoff- und formstrukturierenden perspektivischen Rückblick des erzählenden auf das erzählte Ich. Das Leben und das erzählte Ich werden immer vom Gegenwartsstandpunkt des Autobiographen her interpretiert. 1 6 1 Somit ist es berechtigt, das Ich des Textes als Selbstentwurf oder Selbstschöpfung zu beschreiben. 1 6 2 Der Text enthält eher einen »Mythos vom Ich« 163 als eine sachliche Beschreibung des Selbst. Die Kategorie der Authentizität wird vorwiegend auf das erzählende Ich bezogen, während dem erzählten Ich der Status einer »fictional persona« 1 6 4 zugeschrieben wird. Wayne Shumaker ging noch optimistisch davon aus, daß in der Vergangenheit des Textes auch die Vergangenheit des Autobiographen wiederzuerkennen sei. Die beschriebene Vergangenheit unterscheide sich vor allem in Akzentuierung, Vollständigkeit, Zusammenhang von der realen Vergangenheit. 165 Mittlerweile wird der Abstand zwischen erzählendem und erzähltem Ich häufig bis zum unüberschreitbaren Abgrund fatalisiert, zu welchem Zweck gerne in durchaus traditioneller Manier der der Autobiographie als Erzählstruktur zugrundeliegende hermeneutische Zirkel ausgebeutet wird. 166 Das Problem ist auch von den Autobiographen schon gesehen worden. Es ist lösbar: Gottfried Benn hat in Doppelleben die eigene Perspektive von 1933/34 mittels des nahezu unveränderten Abdrucks der autobiographischen Schrift Lebensweg eines Intellektualisten dem Gesamttext einmontiert. Hans Friedrich Blunck hat sich mit einer Vielzahl ausgiebig zitierter Briefe und Tagebuchauszüge beholfen. Traditionell nehmen Autobiographen für sich in Anspruch, die Wahrheit über sich und ihr Leben zu erzählen: »>Ich schwöre, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sageninneren Wahrheit< und den im Text enthaltenen Einzeltatsachen. 169 Als Folge dieser Unterscheidung sind zwei verschiedene Wahrheitsbegriffe in Gebrauch, die sich auf verschiedene Ebe-

160 161 162

163 164 165 166 167 168 169

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Kurt Uhlig 1938, S.29. Vgl. R o y Pascal 1965, S.21ff. Vgl. Ralph-Rainer Wuthenow 1974, S.20; Ingrid Aichinger 1977, S.22; Gerhard Härle 1992, S.39. Hans Rudolf Picard 1978, S. 14; vgl. Marc Eli Blanchard 1982, Robert Elbaz 1983. Kay G o o d m a n 1986, S.ii; vgl. Louis A . R e n z a 1980; Robert Elbaz 1983, S. 195. Vgl. Wayne Shumaker 1989, S.87. Vgl. Paul de Man 1979, Ralph Simon 1994. Philippe Lejeune 1994, S.40. Vgl. Ingrid Aichinger 1977, S.19ff. Vgl. Hans Glagau 1989, S.59; A n n a Robeson Burr 1909; Roy Pascal 1965, S.78ff.; S.208ff.

nen der Texte beziehen. Die »innere Wahrheit< der Autobiographie wird dabei immer wieder so emphatisch wie vage beschrieben. Die ältere Forschung faßte sie auf als höhere Wahrheit, als »Geist, der über den Erinnerungen schwebt, das Wahrste und Wirklichste in einer Autobiographie«. 170 Auch wenn in jüngeren Forschungsarbeiten das Pathos des Begriffs nicht mehr so hemmungslos ausgespielt wird, bleiben die sogenannte Wahrheit des Autobiographien über sich selbst, die >Echtheit< seiner Persönlichkeit, sein Lebenssinn als Kategorien nicht weniger unbestimmt. 171 Ertragreicher ist die Umstellung der Forschungsperspektive von der Fixierung der autobiographischen >Wahrheit< auf das Problem, unter welchen Bedingungen eine Autobiographie als >wahr< angesehen wurde oder wird. Eine dieser Bedingungen ist offenbar auf eine bestimmte Kohärenzerwartung zurückzuführen, die durch »innere Wahrscheinlichkeit« 172 erfüllt wird. Eine andere ist der Bezug von Wahrheit auf den »inneren Wesenskern< des Autobiographien. 173 Georges May hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Wahrheitsanspruch weniger in den Texten realisiert und auffindbar, sondern vielmehr ein regulatives Prinzip ist. 174 Die viel umraunte Wahrheit der Autobiographen ist zunächst der Anspruch, die Wahrheit zu berichten, im Sinne einer Aufrichtigkeits- oder Wahrhaftigkeitsregel, 175 wie sie paradigmatisch Rousseau zu Beginn seiner Confessions aufgestellt hat. Wesentlich weniger problematisch, weil einfacher zu beurteilen, ist die Wahrheit der Faktenebene. Faktenfehler, -umdeutungen und -auslassungen sind verhältnismäßig schnell und einfach festzustellen. 176 Faktische Richtigkeit, die adequatio ad rem, wird vor allem von Memoiren verlangt. 177 Im Gegensatz dazu ist die »innere Wahrheit< kohärenztheoretisch bestimmt: »Merkmal der Falschheit ist, wenn sich eine Äußerung nicht widerspruchslos in die Gesamtheit der Meinungen einordnen läßt«. 1 7 8 Hierauf ist zu beziehen, wenn die Rede davon ist, daß Autobiographen die Wahrheit konstruieren. 1 7 9 Die einzelnen Sachverhalte und Fakten werden auf die »innere Wahrheit< hin ausgewählt, bezogen und angeordnet. Die Fakten müssen die innere Wahrheit beglaubigen und stützen, sind also bis zu einem gewissen Grad disponibel. 1 8 0

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Georg Misch 1949ff„ Bd.I/1, S.13; vgl. Hans Glagau 1989, S.59; A n n a Robeson Burr 1909. Vgl. Roy Pascal 1965, S.78ff.; Ingrid Aichinger 1977, S. 19ff., S.21; Werner Brettschneider 1982, S . l l . Axel von Harnack 1955, S.697. Vgl. Hans-Heinrich Muchow 1966. Vgl. Georges May 1979, S.86ff. Vgl. Wayne Shumaker 1954, S.86; Ingrid Aichinger 1989, S.182; Helmut Winter 1985, S.70ff.; Jürgen Lehmann 1988, S.42ff. Vgl. Anna Robeson Burr 1909; Roy Pascal 1965, S.78ff.; Axel von Harnack 1955, S.697. Vgl. Axel von Harnack 1950; Gotthard Breit 1983, S.4f.; Klaus-Detlef Müller 1976, S.64ff.; ausführlich Helmut Winter 1985, S.54f.; Madeleine Salzmann 1988, S.93. Helmut Winter 1985, S.43. Vgl. Robert Elbaz 1983, S. 193. Vgl. Hans Glagau 1989, S.59; Bernd Neumann 1970, S. 1.

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Die Kategorisierung der Autobiographie als historiographische Erzählung, als »form of history« und »[historical self-portrait« kann sich auf eine lange Tradition und einen breiten Konsens berufen. 181 Sie lag vor allem im Kontext der germanistischen Gattungspoetik nahe, wie Ingrid Aichingers Ankoppelung der Lebensbeschreibung an die Historiographie im Horizont von Hegels Ästhetik zeigt. 182 Nicht zuletzt kann sich diese Auffassung auf die Selbstbeschreibung der Texte stützen. 183 Allerdings sind vor allem mit Blick auf literarisierten Gattungstexte und Erzähltechniken der Gattung sowie im Kontext der Fiktionalitätsdebatte gegen diese Subsumtion Einwände vorgebracht worden. 184 Zwischen 1930 und 1960 hat sich die germanistische Forschung verstärkt für den Kunstwerkcharakter der Autobiographie interessiert. 185 An dieser Fragestellung hat die gegenwärtige Debatte um die Fiktionalität der Autobiographie anknüpfen können. Die Zugehörigkeit zur historiographischen Erzählung wurde nicht bestritten, aber die Einbeziehung formalästhetischer und poetologischer Fragestellungen bot einen komplexeren Zugriff auf die Gattung. Vor allem anhand der Autobiographien von Hans Carossa und autobiographischer Texte Hermann Hesses arbeitete Walter Müller-Seidel einige Formaspekte heraus. Die Gattung sah er im Grenzgebiet zwischen Dichtung und Sachliteratur angesiedelt: sie sei nicht reine Dichtung, verwende aber dichterische Verfahrensweisen. 186 In der Frage des Kunstcharakters der Autobiographie hatte sich in Ansätzen ein Kanon herausgebildet. Erste Beispiele für Texte, die mehr als eine f o r m lose Wiedergabe von Wirklichkeit boten, wurden am Ende des 18. Jahrhunderts aufgefunden. Als Kennzeichen der Autobiographie als Kunstwerk wurde beschrieben, daß in der historischen Abfolge die chronologische Anordnung durch literarische Komposition abgelöst werde. 187 Von daher läßt sich wissenschaftsgeschichtlich Friedrich Sengles Zweckform-Begriff beschreiben als Versuch, dem Stand der Diskussion theoretisch Rechnung zu tragen und ihn zu kodifizieren. Mit Klaus-Detlef Müllers Entfaltung des Zweckform-Konzepts setzt die Umstellung der Forschungsorientierung auf die Probleme der Literarisierung und der Fiktionalität ein. Dies ergibt sich aus Müllers Ansatz, der eine Tendenz zunehmender Literarisierung von Zweckformen zur allmählichen Aufhebung des Sachbezugs zugunsten der Ausbildung ästhetischer Formen für das 18. Jahrhundert beschreibt. 188

181

Lynd Forguson 1979/80, S.139, S. 140; vgl. Roy Pascal 1965, S.20; H e l m u t Winter 1985,

S.lll. 182

Vgl. Ingrid Aichinger 1977, S.9. i » Vgl. f ü r die J a h r h u n d e r t w e n d e Volker H o f f m a n n 1978. 184 Vgl. R a l p h - R a i n e r W u t h e n o w 1974, S.20f.; Klaus-Detlef Müller 1976, S. 15. 185 G r u n d l e g e n d e r Aufsatz: Ingrid Aichinger 1989. Überblick ü b e r die Forschungsgeschichte: Klaus-Detlef Müller 1976, S.25ff. ,8 fiction< »not an either or polarity but that it is undecideable«, 1 9 4 ist in der dekonstruktivistischen Forschung im Anschluß an de Man zum D o g m a der Fiktionalität der Autobiographie geworden. James Olney referierte pointiert, daß nach dieser Auffassung das >Ich< des Textes »has nothing whatsoever to d o with an authorising author. T h e self, then,

der Zeit der Herausbildung der Autonomieästhetik. Als weiteres Beispiel verweist Müller auf die Entwicklung des Reiseberichts von Laurence Sterne bis Heinrich Heine. Vgl. Alfred Kazin 1964; Zusammenfassung der Forschungssituation: Julie LeBlanc 1992. "" Wulf Segebrecht 1989, S.163f. 1.1 1.2

1,4

Vgl. Klaus-Detlef Müller 1976, S.3; zum Gesamtkomplex vgl. S.57ff. Z u m Problem vgl. Fotis Jannidis 1996, S. 149ff. Francis R.Hart 1974, S.222, vgl. S.224ff. Vor dem Zitat heißt es: »Renan was right, too, when he reflected on Goethe's title (Verite et poesie for him), >Ce qu'on dit de soi est toujours poesie.«< Paul de Man 1979, S.921. Kritisch: Paul John Eakin 1985, S.184ff.

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is a fiction and so is life, and behind the text of an autobiography lies the text of an >autobiography WeisenEs war einmal.. .< beginnt, wird davon ausgehen, einen fiktiven Text, ein Märchen, vor sich zu haben. Es ist aber auch möglich, daß ein Sachbuchautor diese Formel etwa in der Biographie einer historischen Figur als Stilmittel verwendet, um die Distanz zu dieser Figur und ihrer Lebenswelt zu markieren; oder um einzelne Lebensabschnitte dieser Figur als >märchenhaft< zu charakterisieren. 58 In der Diskussion dominiert die Neigung, vor allem mit grenzsprengenden Beispielen zu argumentierten. Im Hinblick auf die Unterscheidung fiktional/ nichtfiktional finden sich immer wieder Texte, die sie instrumentalisieren, um sie zu problematisieren, zu reflektieren, infragezustellen. In der theoretischen Reflexion werden mit Vorliebe solche Texte in strategischer Absicht herangezogen, um die Unterscheidung generell für obsolet zu erklären. Ein Befund der Gegenstandsebene dient umstandslos als Argument auf der Metaebene. Eine in hohem Maß fiktionalisierte Autobiographie soll belegen, daß die Unterscheidung von Autobiographie und Roman hinfällig sei. Damit wird aber die anschließend notwendige und interessantere Frage gekappt, welche Funktion im konkreten Fall eine solche Fiktionalisierung haben könnte. Ein umgekehrter Fall liegt vor, wenn fiktionale Texte ihren Status verschleiern und sich als nichtfiktionale ausgeben. 59 In solchen Fällen ist die Unterscheidung fiktional/nichtfiktional Teil des artistischen Kalküls. Die bislang in der Forschung vorgeschlagenen Kriterien lassen sich verschiedenen Komplexen zuordnen. 6 0 Auf soziokultureller Ebene können als »Fiktionsindikatoren« 6 1 Kommunikationszusammenhänge wie Theater und Dichterlesung, kulturelles Vorwissen, Verlage und Buchreihen, Autor fungieren. Häufig bietet der

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59 60

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Einige Beispiele für die Variabilität solcher Indices hat Umberto Eco zusammengestellt. Vgl. Umberto E c o 1996, S. 163ff. Vgl. Ludwig Bauer 1992, S.27. Vgl. Rudolf Lüthe 1974; Wiklef Hoops 1979, S.297f.; Jens F.Ihwe 1979, S.230; Thomas G.Pavel 1986, S.72; Ludwig Bauer 1992, S.21f. Wiklef Hoops 1979, S.297.

P a r a t e x t Hinweise: Gattungsbezeichnungen, o d e r die hierzulande b e l i e b t e juristische Absicherungsformel: >Personen und H a n d l u n g e n sind frei erfunden. J e d e Ä h n l i c h k e i t mit einer lebenden oder v e r s t o r b e n e n Person ist zufällige Auch im T e x t selbst 6 2 k ö n n e n topische gattungsanzeigende F o r m e l n , Vers und Metrum, V o r w ö r ter, Titel, explizite Fiktionsbeteuerungen o d e r Anspielungshorizonte eine F i k t i o n a n z e i g e n . 6 3 G e r a r d G e n e t t e hat den allwissenden E r z ä h l e r als romantypisch eingestuft. 6 4 D a innerhalb des R a h m e n s , der einen Text als fiktional ausweist, wiederum Referentialisierung möglich ist, wird es auch möglich, in nichtfiktionalen Texten a u f Fiktives zu r e f e r i e r e n . 6 5 D i e Abgeschlossenheit des fiktionalen T e x t e s besteht, a b e r dennoch werden fiktionale T e x t e in der literaturwissenschaftlichen Praxis wie in der Alltagslektüre als r e f e r i e r e n d e T e x t e aufgefaßt und behandelt. » I n j e d e m Falle konstituiert die F i k t i o n ein R e a l i t ä t s m o d e l l , das als spekulatives Instrument der E r f a h r u n g und E r p r o b u n g der Wirklichkeit d i e n t . « 6 6 E s sind einige M o d e l l e entwickelt worden, die diese F o r m des K o n t a k t e s von F i k t i o n e n zu Welt mit B e g r i f f e n wie Symbol, Explikation usw. zu beschreiben v e r s u c h e n . 6 7 Fiktionalität ist vor allem mit Hilfe des Spielbegriffs angeschlossen w o r d e n . 6 8 Wird Fiktionalität kommunikationstheoretisch bestimmt, kann es nicht m e h r darum gehen, eine überzeitlich-abstrakte Definition zu entwickeln. V i e l m e h r wird sie p e r se zur historischen Variable, da K o m m u n i k a t i o n s s i t u a t i o n e n ihrerseits historisch sind. G r i e c h i s c h e G ö t t e r wurden zu Z e i t e n H o m e r s wohl nicht als F i k t i o n e n angesehen, während dies um 1800 sicher der Fall war. [Miscellanies and compendia, once constituted, can become fictive, by a change of attitude towards their validity; the belated fictionality of aging myths has pragmatic causes. At the level of texts, too, cultural traditions ossify certain kinds of structural constraints for fiction, with the result that texts which are nonfictional on semantic or pragmatic grounds can be read fictionally for purely textual reasons: well-written memoirs or romanced biographies are obvious examples. 69

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Vgl. weiterführende Überlegungen von Oliver R. Scholz 1984, S.73f.; Jon-K. Adams 1985; Thomas G.Pavel 1986, S.29f. Vgl. Wolfgang Iser 1983, S. 125ff.; Wolfgang Iser 1991, S. 24ff.; S. 388. Problematisch sind die von Iser angeführten Verfahren der Selektion und Kombination, die als grundlegende Verfahrensweisen sicher in Texten jedweden Typs aufgewiesen werden können. Vgl. Gerard Genette 1992, S.78. Vgl. Jürgen Landwehr 1975, S. 183f.; John R. Searle 2 1990; Wolfgang Künne 1983, S.293ff.; Oliver R. Scholz 1984, S. 72; Thomas G. Pavel 1986, S. 29. Aleida Assmann 1980, S. 15. Vgl. Johannes Anderegg 2 1977, S. 107; Jürgen Landwehr 1975, S. 170; Wiklef Hoops 1979, S.297; Ulrich Keller 1980, S. 14f.; Wolfgang Iser 1991, S.54ff. Donatus Thümau 1994, S.52ff. Vgl. Rainer Warning 1983, S. 191; Wolfgang Iser 1991, S.426ff.; Jürgen Landwehr 1992, S.498. Thomas G.Pavel 1986, S.71. Vgl. Siegfried J.Schmidt 1972, S.65; Jürgen Landwehr 1975; Rainer Warning 1983, S. 191; Heinz Schlaffer 1990, S. 144.

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Das Fiktionalitätsproblem faktographischer Texte läßt sich anhand eines Beispiels erläutern. Ihwe fragt anhand von Norman Mailers Biographie über Marilyn Monroe: »Was ist der Wirklichkeitsgehalt von Aussagen über das Innenleben von Marilyn Monroe? Wohl kenne ich Marilyn Monroe als physikalische Erscheinung vom Film, von T. V.-Interviews, von Photos - aber ist sie dadurch für mich >wirklicher< als ein Bild von Pegasus auf einer griechischen Vase? Und wie wirklich ist sie für den Biographen, der heute den Details ihrer physikalischen und psychischen Existenz nachspürt?« 7 0 Zwar akzeptiert Ihwe hier als >wirklich< nur, was er anfassen kann. Das aber ist nicht der entscheidende Punkt. Mailer liefert Indices, die in unserem kulturellen Zusammenhang eine Entscheidung über Fiktionalität oder Nichtfiktionalität seines Textes ermöglichen: wenn der Text als Biographie ausgewiesen ist, Marilyn Monroe als historische Person gilt, deren Existenz durch als echt anerkannte Interviews und Fotografien belegt ist, ist der Rahmen, in den der Text eingestellt ist, klar definiert: Er ist kein fiktionaler Text, so daß Fingiertes innerhalb dieses Textes als Extrapolation, Hypothese o. ä. zu gelten hat, nicht aber als literarische Fiktion. Dem widerspricht weder der Anspruch auf literarische Qualität noch die Gefahr, daß einzelne Quellen gefälscht sein könnten. Ihwe verwischt in seinem Beispiel die erkenntnistheoretische und die pragmatische Ebene. Erst aufgrund der Unterscheidung zwischen Fiktion und Faktum ist eine Schreibstrategie wie die Wolfgang Hildesheimers in Marbot möglich. Im Kontext der Fiktionalitätsdebatte ist das Phänomen, daß es auch außerhalb der eigentlichen Domäne der Fiktionalität, der Literatur, Fiktionen gibt, eher am Rande behandelt worden. Jürgen Landwehr hat darauf hingewiesen, daß die pragmatisch-kommunikationstheoretische Begründung von Fiktionalität impliziert, daß Fiktionalität als in jeder Kommunikationssituation potentiell aktualisierbar angenommen werden muß. 71 In Einzeluntersuchungen zu Fiktionen in der Philosophie wie im Recht ist herausgestellt worden, daß diese fiktionalen Elemente nicht dazu führen, daß der gesamte Diskurs fiktional wird. 72 Wolf-Dieter Stempel hat anhand von Beispielen Fingierungsverfahren in der Alltagssprache beschrieben. Solche Alltagsfiktionen werden zu bestimmten Zwecken instrumentalisiert - im konkreten Beispiel zur Selbststilisierung. Das Ergebnis solcher Verfahren sei aber ebenfalls keine Fiktion, denn »mag auch die Aneignung von Geschehen als Geschichte von je verschiedenen Interessen gesteuert sein, so bleibt sie dennoch in der Regel subjektiv dem Wahrheitsanspruch verpflichtet.« 73 Wird also der Rahmen als nichtfiktional definiert, sind fiktionale Elemente innerhalb dieses Rahmens jederzeit möglich und auch gegeben. Diese deuten aber nicht den Rahmen um, sondern fungieren als strategische Elemente innerhalb des Rahmens. In ähnlicher Weise sind in Sachtexten Fiktionen enthalten, etwa Modelle, fingierte Fälle, Annahmen. 7 4 Wolfgang Iser hat

™ Jens F. Ihwe 1979, S. 247. 71 Vgl. Jürgen Landwehr 1975, S. 101; Johannes Anderegg 1983; Wolfgang Iser I991,S.14f. 72 Vgl. Peter J.McCormick 1988, S.64ff.; Peter M.Hejl 1990. 73 Wolf-Dieter Stempel 1980, S. 386. 74 Vgl. Hans Glinz 1983, S. 124.

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für dieses Problem die Unterscheidung zwischen Autonomie und Funktionalisierung vorgeschlagen. »[Literarische Fiktionalität [... entfaltet] ihre Grenzüberschreitung zu einem Spiel von Beziehungen [ . . . ] - im Gegensatz zu jenen Fiktionen, die Situationserfordernissen Rechnung tragen.« 75 Die Unterscheidung fiktional/nichtfiktional ist sowohl in fiktionalen wie in nichtfiktionalen Texten in spezifischen Gattungen selbst thematisch geworden. Dies trifft von Seiten der fiktionalen Gattungen auf faction novels wie Truman Capotes In Cold Blood, Dokumentarliteratur, politische Lyrik, Schlüsselliteratur, historische Romane usw. zu, während von Seiten der nichtfiktionalen Gattungen Reportage, Reisebericht, Autobiographie, Biographie an diese Grenze stoßen. Hier besteht Dissens in der generellen Bewertung solcher Texte. Elisabeth Plessen wollte herausstellen, »daß erzählte Fiktion und erzählte Wirklichkeit prinzipiell gleichwertig, also gleichberechtigt sind«. 76 Gottfried Gabriel hat das Problem lediglich markiert, indem er meinte, »die zeitkritischen Bühnenstücke R. Hochhuths (ζ. B. Der Stellvertreter), die Industriereportagen G.Wallraffs oder ein Vietnamgedicht, wie z.B. E.Frieds Pressekonferenz LBJ, Frühjahr 1966, [würden] sicher ihre Wirkung verfehlen, wenn sie sich an entscheidenden Stellen als nicht-referenzialisierbar erweisen. Fraglich ist jedoch, ob man hier die Bezeichnung >fiktional< überhaupt anwenden soll.« 77 Jürgen Petersen hat an einem Beispiel aus Georg Forsters Ansichten vom Niederrhein festgestellt, daß die Fiktionalisierungen als Ornatus fungieren und nicht den Reisebericht selbst zur Fiktion machen. 7 8 Einen brauchbaren Ansatzpunkt hat hier Ludwig Bauer in die Debatte eingeführt, indem er darauf hinwies, daß in den einschlägigen Gattungen die Unterscheidung fiktional/nichtfiktional in die Texte selbst noch einmal eingebaut und als »konstitutives Element der jeweils aktualisierten Vertextungsprozesse« 79 anzusehen ist. Während in der Autobiographieforschung die Fiktionalität der Autobiographie ein strittiges Phänomen darstellt, wird sie in der Fiktionalitätsdebatte durchgehend als nichtfiktionale Gattung zur Markierung bestimmter Probleme der Fiktionalität verwendet 8 0 und der Unterschied zur fingierten Autobiographie als Erzählmuster eines Romans betont. 81 Für Autobiographien gilt der Kommunikationsrahmen Nichtfiktionalität aufgrund der soziokulturellen Kriterien, die für diese Gattung Gültigkeit haben. Das bedeutet, daß Fiktionalität innerhalb der einzelnen Texte zwar möglich ist, aber stets funktional auf diesen Rahmen bezogen bleibt. Demnach ergibt sich für die zu untersuchenden Texte, daß die Fiktionalisierungen innerhalb der referentiellen

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Wolfgang Iser 1991, S. 166. Elisabeth Plessen 1971, S. 14. Gottfried Gabriel 1975, S.29; vgl. Günter Säße 1986. Vgl. Jürgen Petersen 1985. Ludwig Bauer 1992, S. 13. Vgl. Käte Hamburger 1987, S.282; Ulrich Keller 1980, S.15; Thomas G.Pavel 1986, S.71; Peter J.McCormick 1978, S.71 ff. Vgl. Johannes Anderegg 2 1977, S.31f.

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Gattung als Reflexion der Grenze zwischen fiktional und nichtfiktional das ästhetische Spiel mit der Grenze integrieren, den referentiellen Grundzug der Gattung aber nicht umfunktionalisieren.

2.2. Historiographische Erzählung Der erhöhte Literarisierungsgrad der Autobiographie galt vordem nicht notwendig als ernsthafte Beschädigung des Quellencharakters. Paradigmatisch für diesen Ausgangspunkt charakterisierte Klaus-Detlef Müller die Autobiographie als b e schichte des IndividuumsGeschichten< o d e r E r z ä h l u n g e n F o r m e n d e r E r k l ä r u n g seien«, 9 1 weil sie w a h r heitsfähig sind. D i e V o r a u s s e t z u n g d a f ü r war, d a ß » G e s c h i c h t e n [...] d e n natürlic h e n K o n t e x t [ k o n s t r u i e r e n ] , in d e m Ereignisse historische B e d e u t u n g gewinn e n « . 9 2 D a n t o s Begriff d e r E r z ä h l u n g ist in h o h e m M a ß formalisiert. »Wir verlangen von G e s c h i c h t e n , d a ß sie einen A n f a n g , e i n e n m i t t l e r e n Teil u n d ein E n d e h a b e n . E i n e E r k l ä r u n g b e s t e h t d e m n a c h darin, die M i t t e zwischen d e n zeitlichen E n d p u n k t e n e i n e r V e r ä n d e r u n g a u s z u f ü l l e n . « 9 3 Z w i s c h e n e i n e r historischen u n d ein e r k a u s a l e n E r k l ä r u n g b e s t e h e kein U n t e r s c h i e d , weil a u c h k a u s a l e E r k l ä r u n g e n die F o r m v o n G e s c h i c h t e n h a b e n . 9 4 In d e r h i s t o r i o g r a p h i s c h e n Praxis n e h m e n E r z ä h l u n g e n an E r k l ä r u n g s k o m p l e x i t ä t zu: Sie werden verwendet, um Veränderungen zu erklären, und zwar - was überaus charakteristisch für sie ist - umfassende Veränderungen, die innerhalb von Zeiträumen stattfinden, die verglichen mit der Dauer eines Menschenlebens gewaltig sind. Es ist Aufgabe der Geschichte, uns diese Veränderungen offenbar zu machen, die Vergangenheit zu zeitlichen Ganzheiten zu organisieren und diese Veränderungen gleichzeitig mit der Erzählung dessen, was sich zugetragen hat, zu erklären - und sei es unter Zuhilfenahme jener Art der zeitlichen Perspektive, die linguistisch in erzählenden Sätzen widergespiegelt wird.95

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Vgl. vor allem Jörn Rüsen 1976; Jörn Rüsen 1982a. Dokumentiert in Jürgen Kocka/Thomas Nipperdey (Hg.) 1979, S. 17ff. Arthur C.Danto 1980, S.371. Arthur C. Danto 1980, S. 27. Arthur C.Danto 1980, S.372. Vgl. Arthur C. Danto 1980, S. 376. Arthur C. Danto 1980, S. 404f. Vgl. zu Dantos Ansatz Hans Robert Jauss 1973, S. 190ff.; die Diskussionsbeiträge in Reinhart Koselleck/Wolf-Dieter Stempel (Hg.) 1973, S.519ff.; Werner Schiffer 1980, S.23ff.; Jörn Rüsen 1986, S.43ff.; Paul Ricoeur 1988-1991, S.I/215ff.; Hans-Jürgen Goertz 1995, S.65ff. 51

Ist das »Erzählen der Geschichte [...] selber ein Vorgang des Erklärens«, 9 6 ist Geschichte als Text aufzufassen. 9 7 Während Danto den Unterschied von narrativer und kausaler Erklärung aus sprachanalytischer Sicht nicht mehr aufrechterhält, wird in der weiteren Theoriediskussion der Historiker eher wieder das Spezifische der narrativen gegenüber der Kausalerklärung herausgestellt. Hans Michael Baumgartner stellte fest, daß Geschichtsschreibung »durch Präsentation von Erzählzusammenhängen, nicht durch deduzierende Argumentation« 9 8 erkläre. Der formalisierte Begriff des Erzählens bedurfte der Spezifizierung, damit wissenschaftliches und alltägliches Erzählen voneinander unterschieden werden können. Die »Erzähltätigkeit des Historikers und seine Suche nach Erklärungen« 9 9 müssen voneinander getrennt werden. Baumgartner präferierte also im Gegensatz zu Danto einen eingeschränkten Erzählbegriff. Jörn Rüsen richtete das Problem der »Rekonstruktion historischer Sinnbildung durch Erzählen« 100 auf die Klärung der Frage aus, »was es heißt, vernünftig historisch zu erzählen.« 101 Als Grundproblem der Debatte zeichnete sich ab, daß der Erzählungsbegriff jeweils unterschiedlich bestimmt wurde und je nach Argumentationsweise in weiter oder enger Fassung verwendet wird. 102 Kocka und Nipperdey sahen in Dantos Konzeption einerseits ein Darstellungsprinzip, andererseits ein grundlegenderes Theorieproblem, wobei in der konkreten Arbeit des Historikers die narrative Grundstruktur als Basis der historischen Methodologie fungieren solle. 103 Auf der Ebene des Theorieproblems ist der Unterschied zwischen Erzählung des Historikers und faktischem Verlauf der Geschichte zunächst nur festgehalten worden. Die narrative Struktur der Geschichte ist so gesehen eine konzeptuelle Konfiguration auf der Basis des faktischen Verlaufs. 104 Erzählung ist »Formgebung und Strukturierung des Materials«, 105 damit eine Strukturform der Konstitutionsebene und nicht Oberflächenelement von Texten über Geschichte. 106 »Jeder Geschichte liegt ein konstruktiver Entwurf des zu Erzählenden zugrunde, die ich narratives Konstrukt nennen möchte. Historische Theorien sind explizite und begründete narrative Konstrukte.«u)1 Erzählen erscheint also einmal als grundlegendes narratives Konstrukt, ein andermal als Darstellungsprinzip. Siegfried Quandt plädierte mit gutem Grund für die

"" J ö r n R ü s e n 1986, S.43. 1,7 Vgl. Dietrich H a r t h 1982a. ™ H a n s Michael B a u m g a r t n e r 1979, S.274. "" H a n s Michael B a u m g a r t n e r 1979, S.275. 1Fiktion< wird äquivok verwendet, einmal im literaturtheoretischen, das andere Mal im methodologischen Sinn, ohne daß dieser Ebenenwechsel berücksichtigt würde. 1 3 3 »[T]he theorists who suggest that this distinction [between what is given and what is made up at the level of events] is invalid tend to make constant use of it themselves. Thus it is not clear [...] from any other of the writings of Hayden White [...], exactly what the status of fact ist, or how facts constrain the descriptions that can be given of them.« 134 Letztlich ist es wohl so gebräuchlich wie irreführend, wenn auf die Arbeit des Historikers auf der Ebene der Fakteninterpretation, Modellbildung, Rekonstruktion der Fiktionsbegriff angewendet wird. Die »theoretische Fiktion« 135 des Historikers ist von anderem Zuschnitt als die literarische Fiktion. Whites Arbeit ist ein »literaturwissenschaftliche[r] Beobachtungsversuch der historischen Disziplinen«. 136 Im methodologischen Selbstverständnis der Historiker besteht Klarheit darüber, daß Geschichte von Historikern gemacht wird. 137 Allerdings ist die zentrale Bedingung, daß das nicht unkontrolliert geschieht. »Es ist nicht möglich, die realgeschichtliche Tatsache, die Geschichte an sich, zu erreichen; ohne sie jedoch vorauszusetzen und auf sie hinzudeuten, kommen wir wiederum nicht zu historischer Erkenntnis«. 138 Es muß »eine Faktizität [geben], die vorausgesetzt werden muß, wenn überhaupt etwas erkannt werden soll. Es kann also nicht nichts geschehen sein.« 139 Folglich sind historiographische Texte »grundsätzlich als >Konstruktionen< zu betrachten [...], die als spezifische Organisationsform vergangener Wirklichkeit weit über die Denotation bloßer Daten hinausgreifen.« 140 »Historische Theorien sind explizite und begründete narrative Konstrukte.« 141 Nun besteht innerhalb der Texte dennoch weiterhin ein Fiktionsproblem. Hier steht die Unterscheidung zwischen literarischen und historiographischen Erzählungen zur Debatte. 1 4 2 Da historiographische Texte in ihrer Bauform nicht von literari-

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Vgl. auch Jörn Rüsen 1982b, S.515f. Vgl. Jörn Rüsen 1982b, S.516. 133 Ähnliche Äquivokationen finden sich bei Hans Robert Jauss 1973, S.85; Hans Robert Jauss 1982. 134 Peter Lamarque/Stein Haugom Olsen 1994, S.307. 135 Dietrich Harth 1982b, S.622. 136 Jürgen Fohrmann 1993, S.168. 137 Vgl. Arthur C.Danto 1980, S.465. 13 " Hans-Jürgen Goertz 1995, S.92. 13 " Hans-Jürgen Goertz 1995, S.96; vgl. Karlheinz Stierle 1979, S.92. 140 Werner Schiffer 1980, S. 21; vgl. Hans Michael Baumgartner 2 1982; Jörn Rüsen 1982a, S. 28; Rudolf Vierhaus 1982, S.55; vgl. auch den Hinweis von Paul Ricceur 1988-1991, S.I/142ff. auf Raymond Arons Positivismuskritik. 141 Jörn Rüsen 1979, S.328; im Original kursiviert. 142 Vgl. Jörn Rüsen 1982, S.29ff.; Jörn Rüsen 1983, S.53. 1,2

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sehen Texten zu unterscheiden sind, 143 dient auch hier als Abgrenzungskriterium die Referentialität. Als grundlegend kann Dantos Definition gelten, ein historischer Satz sei »ein Satz, der irgendein Faktum über die Vergangenheit aussagt.«' 4 4 Es gilt das »Prinzip der historischen Identifizierbarkeit der Handlungssubjekte. Entsprechend gilt für die Prädikate das Prinzip der eindeutigen historischen Referenz und Prädikation.« 145 Die Komplexität des Referenzproblems hat Ricceur herausgearbeitet. Er schreibt der historiographischen Erzählung eine doppelte Referenz zu, einmal auf das beschriebene Ereignis, einmal auf ein späteres Ereignis, aus dessen Perspektive die Beschreibung vorgenommen wird. 146 Insofern sind »[historische Fakten [...] stets schon gedeutete Fakten«. 147 Es ist sogar möglich, wie Goertz anhand eines Beispiels expliziert hat, daß Faktenfehler nicht die Aussagen über Zusammenhänge beeinträchtigen. 148 Der Rahmen historiographischer Texte ist als nichtfiktional zu bestimmen. Fiktionalisierende Darstellungstechniken in solchen Texten sind funktionalisiert. In der Tradition der Historiographie gibt es genügend Beispiele dafür, daß literarische Fiktionen zu Zwecken der Veranschaulichung historischer Vorgänge gestattet sein können. 1 4 9 »Das Skelett einer Erzählung [...] kann man zu fleischlichem Leben bringen durch eingeflochtene Beschreibungen, Anekdoten, moralische Werturteile und dergleichen. Doch sind diese, so glaube ich jedenfalls, zumindest philosophisch gesehen von zweitrangigem Interesse.« 150 Fiktionalisierende Techniken werden in der Historiographie vielleicht nicht gerade geschätzt, aber nicht notwendig als kontrafaktisch eingestuft. Vielmehr gilt hier komplementär zur Umdeutung referierender Elemente in fiktionalen Texten auch, daß aufgrund der Rahmung als nichtfiktional fiktionale Textelemente ihrerseits funktionalisiert werden. D. h. eine Anekdote über Napoleon mit zweifelhaftem Faktenkern könnte funktionalisiert sein, um eine Aussage zu Napoleons Charakter zu treffen.

2.3. L e b e n s l a u f - B i o g r a p h i e - A u t o b i o g r a p h i e Als Referenz der Autobiographie gilt landläufig das >gelebte LebenKontinuitätsbewußtseinSinn des eigenen Lebens< zentrale Elemente der eigenen Identität, während aus soziologischer Perspektive Identität als Komponentenbündel erscheint, worunter Gruppenzugehörigkeiten (Alter, Geschlecht, Nationalität, Herkunft, soziale Schicht usw.), Körper, Eigenname, Lebensgeschichte fungieren. 1 5 4 Obwohl die Lebensgeschichte hier zu den Identitätsfaktoren hinzugezählt wird, ist der zugrundegelegte Identitätsbegriff statisch konzipiert. Identität ist vor allem im Horizont des damaligen psychoanalytischen Denkens etwas, was ein gesundes Individuum erreicht und dann besitzt. Dieses Konzept ist von Bernd Neumann in die Autobiographieforschung eingeführt worden. In der sozialwissenschaftlichen Forschung ist seither ein dynamisches Konzept anvisiert woren. Identität ist demnach

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Vgl. Madeleine Salzmann 1981, S.93. Vgl. Daniel J. de Levita 1971. Vgl. weiterhin zum Problem Milton Κ. Munitz (Hg.) 1971; Helmut Dubiel 1973; Dieter Henrich 1979; O d o Marquard 1979; Jean-Marie Benoist (Hg.): 1980; Claus Daniel 1981; G a e t a n o B e n e d e t t i / L o u i s Wiesmann (Hg.) 1986; Hans-Peter F r e y / K a r l Haußer (Hg.) 1987; L o t h a r Krappmann 2 1 9 8 8 ; Christoph Riedel 1989; Michael von Engelhardt 1990; A n n e t t e M.Stross 1991; Peter L o h a u ß 1995. Vgl. Sheldon Stryker 1976. Vgl. Daniel J. de Levita 1971, S.200ff. Vgl. dazu die an Erving Goffmans Überlegungen anknüpfende Studie von Siegfried Reck 1981. Reck unterscheidet drei verschiedene Bedeutungen von persönlicher Identität: einmal die positiven Kennzeichen, die sogenannten Identitätsaufhänger; sodann den kompletten Faktensatz über eine Person; schließlich das i n n e r s t e des SeinsGestalt< hervorbringt, gesucht werden.« 166 Identität ist also Ergebnis einer permanenten Konstruktionsleistung. 167 Vor allem Krisensituationen erfordern die Redefinition und Restrukturierung von Identität. 168 Aus der Bestimmung von Identität als Struktur oder Gestalt in der Zeit ergibt sich ihre enge Verknüpfung mit der Biographie. Siegfried Reck hat herausgestellt, daß die Kontinuität der persönlichen Identität überhaupt erst Biographie ermöglicht, die er in der »chronologischen Zuschreibung von generellen und sozialen Identitäten trotz der Wandlungen und Brüche fast aller Eigenschaften einer Person« 1 6 9 gegeben sieht. Auf der anderen Seite stellt die Rekapitulation der Lebensgeschichte eine wichtige Form der Reproduktion und Gewinnung von Identität dar. 170 Eine Biographie gestaltet sich als Entfaltung einer eigentlichen Identität, die als integrierendes Moment für alle regelmäßigen Veränderungen wie auch für alle Brüche, alle Rollen usw. fungieren muß. 1 7 1 Die Individualität einer Person bezeichnet die »Einzigartigkeit im Sinn der Unterscheidbarkeit von anderen«. 1 7 2 Sie ist ebenfalls nicht als Zustand, sondern als unabgeschlossene Struktur angelegt. 173 Die Gewichtung der Individualität hat in der Moderne zugenommen, die >Herstellung< von Individualität ist immer mehr zur Aufgabe der Individuen geworden. 1 7 4 Historisch gesehen ist das Phänomen, daß die Reflexion seiner Einheit Aufgabe des Individuums selber ist, 175 Resultat einer Umstellung der Gesellschaft von Stratifikation auf funktionale Differenzierung. Individualität wird dann nicht mehr durch soziale Inklusion, sondern durch Exklusion bestimmt. »Ein Individuum ist also jetzt die Mannigfaltigkeit, die sich als Einheit sieht. Es ist die Welt, gesehen von einem Punkte aus, in sich realisiert und dadurch anderen zugänglich gemacht. Es kann sich selbst, das liegt in dieser Idee zwingend begründet, nur im Reich der Freiheit realisieren; sonst wäre es weder selbsttätig darge-

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U w e Schimank 1988, S.60. Vgl. Hans-Peter Frey/Karl Haußer 1987, S . l l . Vgl. Fritz Schütze 1981, S. 117ff. Siegfried Reck 1981, S.91; vgl. S.88ff. Vgl. Hans Paul Bahrdt 1982, S.18. Vgl. Hartmann Leitner 1982, S.39f. Martin Kohli 1988, S.35. Zum Versuch einer Kategorienbildung für Identität und Individualität vgl. Gertrud Nunner-Winkler 1985. Zur rollentheoretischen Bestimmung vgl. Gottfried Eisermann 1991, S.213ff. Vgl. Martin Kohli 1988, S.39ff. Vgl. Hans-Peter Frey/Karl Haußer 1987: »Persönliche Identität in Form von Individualität oder Einzigartigkeit ist eine normative Forderung, die Eigenschaften, die mich eindeutig machen, als Identitätskriterien zu betonen, zu entwickeln und herauszuarbeiten« (S.9). Vgl. Martin Kohli 1988, S.35; Manfred Frank/Anselm Haverkamp (Hg.) 1988. Vgl. Niklas Luhmann 1993, S.225f.

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stellt noch einzigartig.« 176 Die Selbstbeschreibung eines Individuums kann nicht mehr auf soziale Positionen rekurrieren, sondern nur noch auf die eigene Individualität. Ein Identitätskorrelat kann nur noch in der Welt als ganzer gesehen werden. Individualität kann nur als prinzipiell unabschließbarer Prozeß begriffen werden. Insgesamt nimmt die Reflexionslast zu. 1 7 7 Das betrifft im 18. Jahrhundert vorerst die gesellschaftlichen Avantgarden. Stratifikatorische Ordnungen können als Restbestände auch in der modernen Gesellschaft immer noch gegeben sein. Im 20. Jahrhundert wird diese Gegebenheit zunehmend zu einem Massenphänomen. Und auch hier hat Biographie die Funktion, die jeweilige Individualität eines Individuums zu offenbaren. 1 7 8 Die Autobiographie als literarische Gattung entfaltet in der narrativen Entwicklung der Biographie zugleich die Identität und Individualität des Verfassers. Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß die Verschriftlichung, die mündliche Erzählung und die vorgängige Konstruktion von Biographie voneinander zu unterscheiden sind. Wie aber funktionieren Biographien? Ein 1978 von Martin Kohli herausgegebener Sammelband gilt als Initialzündung der Biographieforschung. 179 Im Zentrum der Fragestellung stand zunächst das soziale Konstrukt Biographie als Normalbiographie. Aus dieser Fragestellung resultierten neben einer Vielzahl fall- und alltagsweltlich bezogener Studien einige theoretische Untersuchungen. Die Normalbiographie ist aus der Perspektive der vorliegenden Studie als Kontrastfolie interessant. Biographie ist »alles [...], was von einer bestimmten lebensgeschichtlichen Situation aus die zeitliche Struktur des Lebenslaufs - einschließlich der Zukunft - thematisiert.« 180 Sie hat die Funktion der »Erzeugung von lebensgeschichtlicher Kontinuität und [dient] als sinnvolle Deutung des Lebenslaufs«. 181 Biographie und Lebenslauf sind demnach voneinander zu unterscheiden. Im Lebenslauf ist die Gesamtheit aller Elemente des individuellen Lebens enthalten, er ist die vorgängige faktische Basis der Biographie. Die Biographie ist eine selektive Vergegenwärtigung, 182 sie »stiftet Zusammenhänge, die es so vorher gar nicht geben konnte. Der Lebenslauf ist uns nur über die Fiktion biographischer Repräsentation als Wirklichkeit zugänglich.« 183 Demnach enthält schon vor dem Akt der autobiographischen Niederschrift eine Biographie derartige Kon-

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Niklas Luhmann 1993, S.214. Vgl. Niklas Luhmann 1993, S.215ff. >™ Vgl. U w e Schimank 1988, S.55. 179 Vgl. Martin Kohli (Hg.) 1978. Köhlis in diesem Band abgedruckter Aufsatz weist Vorarbeiten zum Thema nach, verweist auf Traditionen biographischer Deutungsschemata (vgl. Martin Kohli 1978). Forschungsüberblicke, Bibliographien, grundlegende Aufsätze: Werner Fuchs 1984, S.95ff.; Martin Kohli/Günther Robert 1984, S.296ff.; Wolfram Fischer/ Martin Kohli 1987; S.Paul 1987; Theodor Schulze 1993. 177

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Martin Kohli 1978, S.12. Martin Kohli 1978, S.28. Vgl. grundlegend Alois Hahn 1988, S.93ff. Vgl. Martin Kohli 1978, S.28; Alois Hahn 1987; Wolfgang Voges 1987, S. 10. Alois Hahn 1988, S.94.

struktionen. Als Fiktionen müssen sie nur dann angesprochen werden, wenn man aus »der Perspektive dessen, der nur den empirischen Lebenslauf für wirklich hält,« 184 heraus argumentiert. Aus Gründen der Verwechselbarkeit wird hier für diesen Zweck der Ausdruck >Konstruktion< bevorzugt. Der Lebenslauf stellt also eine wenig strukturierte Gesamtheit zur Verfügung, aus der eine Biographie mittels Selektion, Komposition, Gewichtung konstruiert wird. 185 Tritt ein biographisch relevantes Ereignis ein, verdichten sich die Lebenserfahrungen des basalen Selbstbewußtseins zu einer reflexiven Lebensgeschichte, je momentane Selbstbeobachtungen zu einer über den Augenblick hinaus gültigen Selbstbeschreibung. Freilich ist eine solche Selbstbeschreibung immer eine Selbstsimplifizierung. Das biographische Material wird selektiv perzipiert, rezipiert und interpretiert - entsprechend selektiv fällt so die biographisch konstruierte Identität der Person aus [...]. Dennoch und gerade deshalb prägt diese aus der zurückliegenen Biographie hervorgegangene Identität die normative und kognitive Selbstfestlegung der Person dann wiederum die zukünftige Biographie. 1 8 6

Die Konstruktion einer Biographie ist nicht arbiträr; sie kann aber von empirischen Gegebenheiten unter Umständen abweichen. Ein Beispiel ist die von Fritz Schütze diskutierte illusionäre autobiographische Gesamtthematisierungursprüngliche< Kontext wird in einem neuen Kontext der Vermittlung re-konstruiert, und man kann nur unterstellen, daß dies so genau wie möglich erfolgt.« 202 Allerdings wird in der praktischen Arbeit mit Biographien aus heuristischen Gründen davon ausgegangen, daß die Validität der Retrospektive kein generell unlösbares Problem darstellt. 203 Biographie ist, soviel ist bislang schon angeklungen, ausschließlich »in einem narrativen Konstrukt, eben der (Auto-)Biographie faßbar«. 2 0 4 Solche narrativen Konstrukte werden sozialweltlich in einer Vielzahl von Kommunikationssituationen aktualisiert, in mündlichen und schriftlichen Erzählungen, die Einzelereignisse, Biographiesegmente oder auch vollständige Biographien unterschiedlichen Komplexitätsgrades präsentieren können. 2 0 5 Alltagsweltliche Konstrukte dieses Typs dienen der sozialen Konstitution von Wirklichkeit wie der Organisaton von Erfahrung und lebensweltlicher Orientierung. Autobiographische Erzählungen sind allerdings grundsätzlich für Rezipienten entworfene Texte. 206 Zu unterscheiden sind verschiedene Ebenen. Zum Lebensgeschehen selbst gibt es keinen unmittelbaren Zugang. Mittelbar gibt es den Zugang über die Biographiekonstruktion, die eine selektive Vergegenwärtigung und Bearbeitung darstellt.

197

Wolfram Fischer/Martin Kohli 1987, S.33. Vgl. Wolfram Fischer 1978, S.316; Fritz Schütze 1981, S.67ff.; Wolfgang Voges 1987. 199 Vgl. Niklas Luhmann 1993, S.231ff. 200 Vgl. Hartmann Leitner 1982, S.13. 201 Vgl. Martin Kohli 1978, S. 15; Hans-Peter Frey/Karl Haußer 1987, S. 131ff. 202 Dieter Baacke 1993, S.67; vgl. S.65ff. mi vgl. Wolfram Fischer/Martin Kohli 1987, S.33. 204 Hartmann Leitner 1982, S. 18; vgl. Hartmann Leitner 1987. 205 Vgl. Hans Paul Bahrdt 1982, S.24ff. 206 Vgl. Martin Kohli 1978, S.25; Wolfram Fischer 1978, S.311ff. 198

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Autobiographien als mündliche Erzählungen sind wiederum selektive Vergegenwärtigungen und Bearbeitungen von Biographien. Der Medienwechsel hin zur Verschriftlichung einer autobiographischen Erzählung ist wiederum verändernden Vertextungsstrategien unterworfen. Autobiographie ist Realitätskonstruktion, Realitätsstiftung des Ich; die Autobiographie ist im strengen Sinn des Begriffs Fiktion. Fiktion - nicht zu verwechseln mit dem Fiktiven, dem bloß Erfundenen - heißt ja nichts anderes als: Entwurf eines selbständigen Wirklichkeitshorizonts, eines kontingenten Sinnzusammenhangs, der, abgesehen davon, daß er Autor und Adressaten braucht, zu seiner Plausibilisierung einer außerhalb seiner verankerten Realität nicht bedürftig ist. Fiktion ist die erzählte (Lebens-)Geschichte auch dann, wenn es Absicht und Motiv des Erzählens wäre, eine je gegebene Realität bloß zu konstruieren, und sogar dann noch, wenn dies in realistisch-naturalistischer Einstellung der Anspruch der Erzählung selber ist. D i e Fiktionalität des Erzählten hat nämlich mit der Übereinstimung oder Nichtübereinstimmung mit äußerer Wirklichkeit gar nichts zu tun, erst recht nicht mit Wahrheit oder Unwahrheit. Die Geltung des Erzählten hängt ausschließlich an der Stimmigkeit der im Erzählten selbstgesetzten und eingeführten Prämissen, also ihrer sachlichen und zeitlichen Selektivität. 2 0 7

Leitner verwendet hier den erkenntnistheoretischen Fiktionsbegriff, der vom literaturtheoretischen zu unterscheiden ist. Betrachtet man das Biographiekonstrukt als Referenz der literarischen Gattung Autobiographie, sind die konstruktiven Elemente und die den Sinn enthaltende Makrostruktur also bereits auf der Ebene der Biographiekonstruktion gegeben. Demnach kann man nicht davon sprechen, daß diese Ebene den Text im literaturtheoretischen Sinn zum fiktionalen Text mache. Die Referenz der Autobiographie ist auch zu beziehen auf die Basis von Identität, Individualität und Biographie: das autobiographische Gedächtnis.

2.4. D a s a u t o b i o g r a p h i s c h e G e d ä c h t n i s Die systematische Erforschung des autobiographischen Gedächtnisses wird von Kognitionspsychologen erst seit etwa zwanzig Jahren vorangetrieben. 2 0 8 Dementsprechend ist die empirische Basis noch nicht sehr breit, sind die Theorien zum autobiographischen Gedächtnis noch sehr hypothetisch. Viele Fragen sind noch offen bzw. auch noch gar nicht gestellt worden. Allerdings liegt eine Reihe von Befunden vor, an die die Autobiographieforschung zur genaueren Fixierung ihres Gegenstandes anschließen kann. Die Frage nach dem autobiographischen Gedächtnis ist aus mehreren Gründen zu stellen. Literaturwissenschaftler und Soziologen haben gleichermaßen darauf hingewiesen, daß Autobiographien wie Biographiekonstruktio-

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2(,li

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Hartmann Leitner 1990, S.336. Vgl. Werner Fuchs 1984, S.15ff.; Michael von Engelhardt 1990; Dieter Baacke 1993, S.42; Theodor Schulze 1993. Initiierend wirkte der 1978 erstmals erschienene Aufsatz von Ulric Neisser 1982a. Überblicksaufsätze: David C.Rubin 1986; G.Strube/F.E. Weinert 1987; Ulric Neisser 1988a; Eugene Winograd 1988.

nen p r i m ä r »jetzt die E i n h e i t d e r P e r s o n d a r s t e l l e n « 2 0 9 u n d die N i e d e r s c h r i f t stets eine perspektivische R e k o n s t r u k t i o n von d i e s e m Jetzt h e r darstellt. D e r Sitz d i e s e r E i n h e i t d e r P e r s o n , o d e r - in a v a n c i e r t e r e n Fällen - von Z w e i f e l n an dieser E i n h e i t ist d a s a u t o b i o g r a p h i s c h e G e d ä c h t n i s . E i n b l i c k e in d e s s e n F u n k t i o n s w e i s e k ö n n e n v e r d e u t l i c h e n , w a r u m b e s t i m m t e P h ä n o m e n e in d e r A u t o b i o g r a p h i e so u n d nicht a n d e r s gestaltet w e r d e n . M a n k a n n grundsätzlich die historische W a h r h e i t mittels des G e d ä c h t n i s s e s nicht erlangen, s o n d e r n » m u ß sich mit d e r >narrativen< W a h r h e i t zufrieden geben«.210 » A u t o b i o g r a p h i c a l m e m o r y is n o t simply m e m o r i e s of previously e x p e r i e n c e d events; it is m e m o r y of t h e self e n g a g e d in t h e s e activities.« 2 1 1 E r i n n e r u n g e n , d i e z u m a u t o b i o g r a p h i s c h e n G e d ä c h t n i s g e h ö r e n , sind g e g e n ü b e r a n d e r e n E r i n n e r u n gen privilegiert. D e r z e i t wird das a u t o b i o g r a p h i s c h e G e d ä c h t n i s in d e r t h e o r e t i schen R e k o n s t r u k t i o n als hierarchisch a u f g e b a u t e s System von auf das Selbst b e z o g e n e n E r i n n e r u n g e n v e r s t a n d e n . E s liefert f ü r E i n z e l e r i n n e r u n g e n e i n e n R a h m e n , d e r i h n e n Sinn u n d B e d e u t u n g v e r l e i h t . 2 1 2 D e r >sense of self< v e r k n ü p f t E i n z e l e r i n n e r u n g e n zu e i n e r z u s a m m e n h ä n g e n d e n Lebensgeschichte, z u r Biographie. D i e z e n t r a l e F u n k t i o n des a u t o b i o g r a p h i s c h e n G e d ä c h t n i s s e s scheint darin zu liegen, das Selbst mit Sinn zu versorgen. Mittels d e r >self-defining memories< wird die Individualität des I n d i v i d u u m s p r o d u z i e r t 2 1 3 D i e auf das Selbst b e z o g e n e n E r i n n e r u n g e n w e r d e n im a u t o b i o g r a p h i s c h e n G e dächtnis nach A b s t r a k t i o n s g r a d e n g e o r d n e t 2 1 4 A n d e r Spitze d e r H i e r a r c h i e s t e h t das Selbst, welches d e n Sinn p r o d u z i e r t u n d zugleich P r o d u k t d e r H i e r a r c h i e ist. V e r e i n f a c h t gesagt, n i m m t von u n t e n n a c h o b e n die Faktizität d e r E r i n n e r u n g zug u n s t e n von K o n s t r u k t i o n e n ab. (1) [E]xtended-event time lines form the primary organization of autobiographical memories, (2) idiosyncratic summarizations of events become nested within these time lines, (3) a specific event is represented as a collection of exemplars from different ontological domains, and (4) an event summarization is constructed from the experience of a single specific event. 2 1 5

D a s b e d e u t e t n u n in d e r Tat, d a ß im Hinblick auf die R e f e r e n z d e r A u t o b i o g r a p h i e auf d a s a u t o b i o g r a p h i s c h e G e d ä c h t n i s zwischen r e f e r i e r e n d e m E i n z e l f a k t u m u n d f i k t i o n a l e r Matrix nicht scharf g e t r e n n t w e r d e n k a n n . V i e l m e h r entspricht das Verhältnis v o n M i k r o - u n d M a k r o s t r u k t u r d e r A u t o b i o g r a p h i e w e i t g e h e n d d e r H i e r a r chie des a u t o b i o g r a p h i s c h e n G e d ä c h t n i s s e s . D a r ü b e r hinaus läßt sich das in d e r

2M 2.0 2.1 2.2 213

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Hartmann Leitner 1982, S.73. John Kotre 1996, S.75. Robyn Fivush 1988, S.277. Vgl. William F. Brewer 1986, S.26. Vgl. Craig R. Barclay/Peggy A. DeCooke 1988. Vgl. Robyn Fivush 1988; Steen F.Larsen 1988; Jefferson A.Singer/Peter Salovey 1993, S.9ff.; John Kotre 1996, S.110. Vgl. Ulric Neisser 1988b; M. A. Conway 1987; Μ. A. Conway/D. A. Bekerian 1987; Jefferson A.Singer/Peter Salovey 1993, S.86ff.; John Kotre 1996, S. 108ff. Lawrence W.Barsalou 1988, S.194; vgl. S.226ff.

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Autobiographieforschung diskutierte Problem der verschiedenen Wahrheitsbegriffe auf zwei A s p e k t e des Selbst zurückführen, die metaphorisch als Archivar und Mythenmacher bezeichnet worden sind. 2 1 6 Einerseits versucht das Selbst, seine persönlichen Erinnerungen auf Genauigkeit hin zu prüfen, zwischen Fakten und Phantasie, wahren und falschen, authentischen und künstlichen Erinnerungen zu unterscheiden; andererseits führt der Sinn, den das Selbst produziert, zur Erfindung und Ausgestaltung eines persönlichen Mythos in der Aufbereitung der erinnerten Vergangenheit als Drama, dessen Hauptrolle E g o spielt. 2 1 7 Erinnerungen scheinen vorauszusetzen, daß das erinnernde Selbst sich gewissermaßen ein erinnertes Selbst schafft. D e r autobiographischen Erinnerung geht immer ein A k t der Selbstdistanzierung voraus. Aus dieser Doppelfunktion des Selbst ergibt sich, daß in Lebenserzählungen zwei Wahrheitsbegriffe gleichzeitig gültig sind, einmal die Wahrheit der Fakten, das andere Mal die Wahrheit des persönlichen Mythos. Daraus ergibt sich immer wieder das in der Autobiographieforschung sattsam bekannte Phänomen der Kollision beider Wahrheitsbegriffe. D a n n aber werden Fakten nach Maßgabe des persönlichen Mythos umgruppiert. Mittlerweile scheint Einigkeit darüber hergestellt zu sein, daß als Grundprinzip der autobiographischen Erinnerung die Rekonstruktion zu gelten hat. 2 1 8 D a s bedeutet, daß die >ursprüngliche< Erinnerung allmählich durch nachfolgende Lebensphasen, persönliche Veränderungen, Sinnstiftung und Einordnung in die Hierarchie des autobiographischen Gedächtnisses verändert wird, wobei die >ursprüngliche< Information durch die Rekonstruktion ersetzt wird. 2 1 9 Je frischer die Erinnerung

2,6 217 2,8

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Vgl. John Kotre 1996, S. 146ff. Vgl. Dan P.McAdams 1993. Die sogenannten copy-theories nach dem Vorbild moderner Bandaufzeichnungsmaschinen werden derzeit nicht mehr vertreten. Dissens besteht noch darüber, wie tief Rekonstruktionen greifen. »[T]he partially reconstructive position suggests that recent personal memories retain a large amount of specific information from the original phenomenal experience (e.g., location, point of view) but that with time, or under strong schema-based processes, the original experience can be reconstructed to produce a new nonveridical personal memory that retains most of the phenomenal characteristics of other personal memories (e.g., strong visual imagery, strong belief value.)« (William F.Brewer 1986, S.44). Zum rekonstruktionistischen Gedächtnis vgl. Ulric Neisser 1982c; Daniel Bertaux/Isabelle Bertaux-Wiame 1985; William F. Brewer 1986, S.40ff.; Craig R. Barclay 1986; G.Strube/F. E. Weinert 1987; William F. Brewer 1988; Robert N.McCauley 198; Ulric Neisser 1988b; John Kotre 1996, S.41ff.

'' Auf dieses Phänomen und das damit zusammenhängende der NichtUnterscheidbarkeit falscher und richtiger Erinnerungen ist auch Hans Carossa während der Niederschrift von Eine Kindheit gestoßen. An seine Schwester Stefanie schrieb er im Februar 1915: »Was mich betrifft, so hab ich viel freie Zeit, und das biographische Material, von dem ich einmal schrieb, schießt zu ziemlich großen Massen zusammen. Dabei ergeben sich merkwürdige Dinge. Vor allem dies, daß es unmöglich ist, auch nur einen Tag seines eigenen Lebens genau so zu schildern, wie man ihn erlebte: unter den Händen verwandelt sich einem alles, man erzählt plötzlich Dinge, die man in dieser Weise nie erfahren hat und was das Schönste ist: diese neuersonnenen Erlebnisse verwachsen mit dem Alten Wirklichen zu so unauflöslichen Einheiten, daß man beim Durchlesen gar nicht mehr im stände ist zu sagen, wo das wahrhaft Erlebte aufhört und das Erfundene anfängt.« (Hans Carossa 1978a, S.94).

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ist, desto weniger scheint sie rekonstruiert zu sein. Rekonstruktion und wirkliche Erinnerung können nicht voneinander unterschieden werden. 2 2 0 Die Rekonstruktion wird aus dem Blickwinkel der generellen Einstellungen des Selbst vorgenommen, wobei Plausibilitätskriterien die wesentliche Rolle spielen. Die interindividuellen Unterschiede sind hier noch wenig in Blick genommen worden. Es gibt Hinweise darauf, daß vor allem die eigene Involviertheit, weniger die einzelnen Fakten von Rekonstruktion betroffen sind. Wie weit die Anpassung von Erinnerungen an »self-schemata and contemporary ego-perspective« 221 gehen, ist noch kaum bekannt. Auf längere Sicht aber wird das je aktuelle Selbstbild eines Individuums aufgrund von Lebensveränderungen bearbeitet, und dies wiederum führt zu Veränderungen der Erinnerung und somit zu neuen Konstruktionen. 2 2 2 Die rekonstruktionistische Sicht hat zur Folge, daß sich das Problem der Zuverlässigkeit von Erinnerungen stellt. We can never do full justice to [...] historical truth, because what really happened was too rich for anyone's memory to perceive. But it is relatively easy to remember events in a way that is accurate with respect to some overall characteristics of the situation; such a recollection always has some degree of validity even if it suggests nested details that are by no means accurate themselves. 223

Das Gedächtnis schneidet offenbar gar nicht so schlccht ab, wie manche Autobiographieforscher annehmen. Natürlich läßt sich das Selbst nicht als perfektes System der internen Informationskontrolle verstehen, natürlich muß die Reliabilität und Validität retrospektiv erhobener Daten durch Kontrollmechanismen geprüft werden, 2 2 4 und natürlich sind Erinnerungen Selektionen. In einem Selbstversuch hat Willem Wagenaar über einen längeren Zeitraum hinweg seine eigene Erinnerung experimentell g e p r ü f t 2 2 5 Dabei stellte sich heraus, daß sie zuverlässiger war als von vornherein angenommen. Die Erinnerungen waren umso genauer, je reichhaltiger die erinnerten Ereignisse waren, je höher der Grad an persönlicher Involviertheit und die emotionale Bedeutung der Erinnerung. Unangenehme Erinnerungen wurden eher kurzfristig unterdrückt. Wagenaars Ergebnisse sind in den wesentlichen Grundzügen experimentell bestätigt worden. Grundsätzlich bietet der autobiographische Rahmen die Gewähr, daß Einzelheiten signifikant besser erinnert wer-

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Den intuitiven Verdacht hatten auch einzelne Autobiographen. »Wenn man sich erinnern will, was uns in der Jugend begegnet ist, so kommt man oft in den Fall, dasjenige was wir von andern gehört, mit dem zu verwechseln, was wir wirklich aus eigner anschauender Erfahrung besitzen« (Johann Wolfgang Goethe 1985, S. 13). »Viele Erinnerungen sind geträumt oder einfach erfunden. Die Lüge nimmt in der Erinnerung oft einen größeren Raum ein als die Wahrheit. Ganze Perioden eines Lebens werden dann Erfindung« (Gustav Hillard 1966, S.180). Craig R. Barclay/Peggy A. DeCooke 1988, S. 120. Vgl. John Kotre 1996, S.198ff. Ulric Neisser 1988b, S.365. Vgl. Brigitte Chassein/Hans J. Hippler 1987; G.Strube/F.E. Weinert 1987, S.155ff. Vgl. Willem A. Wagenaar 1988.

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den. 2 2 6 Allerdings ist innerhalb des autobiographischen Rahmens die Erinnerung genauer, wenn das zu Erinnernde mit den subjektiven Einstellungen, Überzeugungen und Meinungen übereinstimmt. 227 Autobiographische Erinnerungen sind nicht exakt, aber vor allem im Hinblick auf ihre Bedeutung für »one's self-knowledge, life themes, or sense of self« 228 verläßlich. Werden Erinnerungen mehrfach erzählt, werden nicht die zentralen Fakten verändert, wohl aber die ihnen zugemessenen Bedeutungen und die mit ihnen verbundenen Gefühle 2 2 9 Über die Richtigkeit oder Falschheit von autobiographischen Erinnerungen angesichts der empirischen Wirklichkeit bieten einzelne Fälle aufschlußreiche Anhaltspunkte. Die Verallgemeinerbarkeit solcher Schlußfolgerungen bleibt allerdings noch zu untersuchen. Es gab für die Gedächtnisforscher den Glücksfall, daß ausführlich dokumentierte autobiographische Erinnerungen anhand von Tonbandprotokollen überprüft werden konnten. Ulric Neisser hat eine vielbeachtete Studie zu diesem Fall verfaßt. 2 3 0 John Dean war Zeuge im Watergate-Prozeß. Seine Aussagen und Nixons Tonbandmitschnitte waren zugänglich. Deans Erinnerungen waren sehr stark von Rekonstruktionen bestimmt und verändert, aber diese Rekonstruktionen bezogen sich vor allem auf die eigene Involviertheit, weniger auf die generellen Vorgänge. Dean stellte seine eigene Rolle stärker dar und überschätzte sein antizipatorisches Vermögen. Aber im Hinblick auf das, was faktisch vor sich ging, erinnerte er sich richtig. Er wußte, was besprochen wurde, aber nicht mehr, wer es wann zu wem gesagt hatte. Aus seiner eigenen Praxis hat John Kotre die Erfahrung mitgeteilt, daß freiwillig und ohne äußeren Druck erzählte Erinnerungen verläßlich und so gut wie fehlerfrei waren. 231 In der Zeugensituation ist das nicht mehr so: Zeugen vor Gericht etwa neigen dazu, sich selbst von ungenauen Erinnerungen zu überzeugen, indem sie andere überzeugen. Daraus könnte bei aller Vorsicht gegenüber den veränderten medialen Bedingungen gefolgert werden, daß solche Mechanismen in Apologien je nach der Schwere der zu widerlegenden Vorwürfe ebenfalls wirksam sind. Ein besonderes Problem stellen falsche Erinnerungen dar. Sogar die sogenannten >flashbulb memoriesOrdnung< herrscht. Auf einem jener Wege zur Elbe sollte es zuerst geschehen. Als ein heimkehrender Hafenarbeiter vor uns ging, stellte ihn ein anderer, der ihm entgegenkam, und schlug auf ihn ein, so daß dem Überfallenen das Blut dickflüssig aus Mund und Nase quoll. [...] Niemals vergesse ich die Erschütterung des Augenblicks, da ich's zum erstenmal erlebte, da eine wohlbehütete Welt, die uns in Liebe und Güte und milder Sorge umfing, vor der Wirklichkeit zerbrach. [...] Oft und bis heute, wenn ich mich um die feste Ordnung im Volk sorge, habe ich jenes erste furchtbare Bild des Überfallenen vor mir, aber immer habe ich auch die Genugtuung, daß er sich wehrte [LadZ 16f.].

Im Umkehrschluß impliziert diese Geschichte, daß die Selbstcharakterisierung als >gewaltfrei< in Phasen der >Unordnung< suspendiert werden kann. Vor allem die Jahre des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik werden als Zeiten der Wirren beschrieben. Ordnungsliebe bleibt ein Charakterelement. Blunck schreibt sich einen »ordnendefn] Sinn« [LadZ 35] zu, der sich in seiner Sammelleidenschaft zeige; er legt Wert auf Pflichtbewußtsein [vgl. LadZ 47]. Als zweite selbstdefinierende Geschichte wird die erste Begegnung mit dem Tod

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Dritten Reiches vgl. Ernst Loewy 1990, S.76ff. Allgemein zur Relevanz der Kategorie in der Moderne vgl. den Sammelband von Hartmut Eggert/Erhard Schütz/Peter Sprengel (Hg.) 1995. Vgl. zu diesem Zusammenhang die Hinweise von Karlheinz Rossbacher 1976, S.8. Z u m Gesamtkomplex immer noch einschlägig: Klaus Bergmann 1970. Blunck »mein[t], daß ein jeder im Wachsen von der Vergangenheit berührt wird, einerlei ob er sich dessen bewußt ist oder nicht. O b es ein A t e m ist, den die Erde lange birgt, ob es Gedanken sind, die wie Nebel weilend bleiben - wir tragen alle von dem, was vor uns gedacht und gesungen wurde; niemals entrinnen wir ganz der Überlieferung, die sich neu gebären will« [LadZ 19; vgl. auch U Z 110f.]. »Der Mann [...] atmet mit seinem Volk, das ihn trägt, er geht zu Gott, Ihm seine Zweifel zu sagen, er braucht den Wechsel der Jahreszeiten« [LadZ 253]. Vgl. die Ausführungen in U Z 50f.

eingeführt, die das Individuum über seine Endlichkeit belehrt [vgl. LadZ 20f.]. Eine weitere Geschichte dieser Art betrifft die erste Berührung mit der Dichtung, den ersten Theaterbesuch [vgl. LadZ 63]. Von den selbstdefinierenden Geschichten gehen jeweils gewichtige Erzählstränge der Autobiographie aus. Als dauerhafte Eigenschaft des eigenen Selbst setzt Blunck Überparteilichkeit und Vorurteilslosigkeit. Dieses Element wird erstmals aktualisiert im Kontext der publizistischen Aktivitäten in der Weimarer Republik. Bluncks Hinweis, er »verweigere [s]ich allen Vorurteilen« [LadZ 291] gegen Kommunisten und die Linke generell, erweist sich anhand der Publikationstätigkeit als konstant. »Ich war stolz darauf, daß Novellen aus meiner Feder im >Vorwärts< wie in der >Kreuzzeitung< erschienen« [LadZ316f.]. 7 Die Funktion dieses Elementes beschränkt sich nicht auf den Erweis von Souveränität des Ich, sondern zielt in der Engführung dieses Themas auf die Entlastung von Antisemitismus-Vorwürfen. Blunck läßt keine Gelegenheit aus, sich in dieser Frage als neutralen, unvoreingenommenen Beobachter zu charakterisieren. »Ich habe mich mit Lassar«, so heißt es während der PEN-Club-Zeit, »besonders freundschaftlich gestanden, vielleicht gerade weil er einer der lebendigsten Köpfe des westdeutschen Judentums war« [LadZ 451]. Negative Äußerungen über Juden werden gelegentlich kolportiert, aber dann vorzugsweise Juden zugeschrieben. 8 Nur implizit ist deutlich, daß sie die Negativfolie zum emphatischen Volkstums-Konzept bilden. Die jeweiligen Identitätselemente werden zu einer Person mittels diachroner Kontinuität verbunden. Die Kohärenz der Person in der Zeit wird trotz gelegentlicher Entfremdungserfahrungen aufrechterhalten. Sie wird versinnbildlicht im Metaphernfeld des Wachstums als >BiId< für die Gestalt der Biographie. Heimat ist wohl eine der stärksten Kräfte, die uns trägt; arm ist, wer nicht um seine feste Wurzel weiß. Aber über die Heimat soll der Baum zum Wipfel wachsen, weiter schattend als über sie allein. Man war noch ein junges Reis, das Wurzelschossen trieb [LadZ 213].

Die zeitliche Form der Gesamtgestalt der Biographie ist die stufenweise Steigerung des Ich in die jeweiligen Lebenskreise um das Individuum. Die Jugendfreundschaft zu Otto Giffhey fungiert als Beispiel, wie sich der »Gesichtskreis weitet[]« [LadZ 83] und soziale Kompetenz erworben wird. Die erzählerische Integration der

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Weiteres Beispiel: »In der Öffentlichkeit hatte man reichlich viel Verdruß. Da waren Blätter der Rechten, die dem >Judenknecht< wegen der Arbeit im Pen-Club bitterste Vorwürfe machten; da waren linksgerichtete Kreise, die jeden, der ein Deutschtum und eine religiöse Haltung jenseits der Parteien suchte, zum Schweigen zwingen wollten« [LadZ 404f.]; expliziert als Credo LadZ447f.; weitere Beispiele: UZ 146,179. Beispiele: »Sentimentalitäten!*, sagte ein junger Jude. >Man sollte das Jiddische verbieten, Englisch als einzige Sprache verkünden und den Dollar als Weltwährung!Dennoch, hüten Sie sich vor uns Jidden! Wir klagen, solange wir in der Minderheit sind, wehe dem Volk, über das wir die Mehrheit gewinnen! Ihnen sagte ich's, weil Sie unser Freund sind!«< [UZ 98]. Vgl. UZ 186,250f.

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vielfältigen Reisen wird sowohl als >Horizonterweiterung< wie über die abschließende Bestätigung der Volksidentität vollzogen. D a s Muster der stufenweisen Expansion dient als Strukturierungsmuster der Makroebene, wie die Untergliederung der Lebenserinnerungen verdeutlicht. 9 Einer der wichtigsten Erzählstränge behandelt die Dichterexistenz. Ich glaube, daß ich damals, in der Quarta, meine ersten heimlichen Gedichte kritzelte. Von ihnen ist nichts zu berichten, tausend andere haben zu der Zeit Besseres geschrieben. Nur ein heißes Glücksgefühl und ein Empfinden der Unabänderlichkeit, das erschrecken machte, sind mir in Erinnerung geblieben [LadZ 72f.]. D i e dichterische Betätigung im bürgerlichen U m f e l d empfindet Blunck weitgehend als etwas Ungehöriges. D e r Weg zur Existenz als freier Schriftsteller wird in seiner ersten Phase beschrieben als Zeit der Heimlichkeiten und des Kampfes »gegen jenes unheimliche Gefühl, das Gedichte und Niederschriften der erlogenen und erträumten Handlungen von mir wollte« [LadZ 73]. Anhand einer längeren Passage läßt sich der Z u s a m m e n h a n g von Dichten und Individualität präzisieren: Und doch war da noch ein anderes, das auch mich aus dem Alltag trieb, etwas, das man erwartete und fürchtete, dem man sich widersetzte und das einen oft überzwang. Beseligend und weckend, drang zuweilen ein großes Glücksgefühl auf, rauschhaft, ein Schweben schier außerhalb des Selbst. Mitunter glaubte ich, es sei Gott, der da riefe. Wenn man am Strand ausruhte, von einem Spiel vielleicht, auf einmal stand es wie ein großer Glanz im Herzen, das Kommende, Überwindende, weit jenseits der faßbaren Welt. Oder abends, wenn man heimlich für sich eine der armen, aber beseligenden Zeilen an Gott schrieb, strömte es über einen hin, und der Knabe meinte, eine Entgegnung zu hören - ja, eine Antwort, die auch schon Gedicht und schwingende Erhebung war. Aber von Gott war es dennoch nicht, in der Kirche fehlte es ebenso, wie in der Nähe frommer Menschen, die es doch ähnlich empfinden mußten. Also war es ein Drittes? Warum bekannte es sich nicht? Sprachen die anderen nicht davon, so war man auch selbst zu verschlossen, sich jemandem anzuvertrauen. Mitunter eine halbe Frage an die Freunde, ob sie vom »großen Glänzenden« wüßten. Wovon? Nein, sie verstanden nicht, man war allein - man war sehr einsam, und das Geheimnis bereitete Qual und Furcht. Es brachte Glück und Beseligung, wenn es näher kam, und Furcht in den Stunden, da man es vergeblich erhoffte. Zuweilen wurde jenes fremdartige Gefühl auch Gestalt, man glaubte Wanderer am Himmel zu sehen, die nicht zu wissen schienen, daß man ihrer gewahr wurde, erkannte hohe schöne Frauen und Knaben, die über den Träumer lächelten. Aber die Gestalten waren nicht wichtig, das Glücksgefühl war in einem selber, nur daß der Wind vielleicht heller leuchtete als sonst! [LadZ 91 f.] Dichten ist mit Erfahrungen der Entindividualisierung, des Selbstverlustes verbunden. Das erzählerische Mittel zur Verdeutlichung ist hier die Man-Form. D e r in den Lebenserinnerungen häufige Wechsel zwischen Ich- und Man-Form dient einerseits der kollektivistischen Begründung von Identität und der Selbstobjektivierung. A n dererseits aber fixiert die Man-Form immer wieder die Distanz des erzählenden

' I: Jugend und Jugendbewegung; II: Hamburger Beamter; III: Der freie Schriftsteller; IV: Anruf Europas. 80

zum erzählten Ich. Die Erfahrung des Selbstverlustes wird nicht religiös interpretiert, obwohl Gott als äußerster Lebenskreis beschrieben wird und Blunck sich als religiös bezeichnet. Sie wird als aus der Gemeinschaft ausschließende, einsam machende Erfahrung beschrieben. Weder Schulkameraden noch Eltern oder Vertreter der Kirche vermögen diesen Bereich sozial zu integrieren. Solche Vereinzelung bedeutet Individualität - und da Identität immer als kollektivistisch vermittelte beschrieben wird, ist paradoxerweise Individualität für Blunck eine Erfahrung der Entselbstung, des Identitätsverlustes. Daher wird sie in der Jugendzeit durchgehend als Bedrohung qualifiziert. Ich lebte neben allen Plänen immer noch in heimlicher A n g s t v o r d e m U n b e k a n n t e n , das drängte, mich vorwärts stieß und W o r t e suchte. Es waren da Stunden, in denen sich die ganze W e l t in der eigenen S e e l e zu spiegeln und zu b e w e g e n schien, Stunden, in denen ich außerhalb meiner zu w e i l e n glaubte und mich selbst sah, voll sonderbarer Spottsucht über den Leib, zu d e m man doch heimkehren würde. Ich hatte Scham und Scheu davor, ich hatte vielleicht Furcht, an d e m zu verbrennen, was mich bewegte, ich w o l l t e es niederhalten, w o l l t e es überwinden und vergessen, und vorerst gelang es mir [ L a d Z 112].

Die Entgrenzung des Ich entfaltet ihr Konfliktpotential vor allem im Hinblick auf die Frage der rechten Lebensführung, weil sie als Wirklichkeitsverlust erfahren wird. Im A k t des Dichtens glaubt Blunck »außerhalb seiner selbst zu weilen [...], um mühsam den Leib wiederzufinden« [ L a d Z 371; vgl. U Z 483f.]. A l s junger Mann mußte er das >Andere< »niederhalten [...], weil ich jetzt doch Staatsmann werden und die Welt erneuern w o l l t e « [ L a d Z 132]. Zum prägenden Merkmal der Biographie wird der Konflikt zwischen Beruf und Berufung, zwischen >weltlichem< Ich und >GlänzendemGlänzende< ausbleibt [vgl. L a d Z 332]. In der Folge geht es Blunck in seiner Erzählung vor allem um die Integration des >Glänzendendas Andere< von Gottes Liebe umfangen und seiner Schöpfung Untertan?« [ U Z 111, vgl. LadZ341f.]. D e r Durchbruch zur Individualität wird als Veränderung der Grundlagen der Kreativität interpretiert, verliert aber nie seine Ambivalenz: D a saß man, fühlte sich als D u l d e r des » S c h a f f e n m ü s s e n s « und sehnte sich nach Erlösung v o m Fieber der künstlerischen A r b e i t , ingrimmig g e g e n das, was einen weitertrieb. Ein

Vgl. L a d Z 143: » I c h hatte es fertiggebracht, das >Glänzende< abzuschütteln, das mich in der Jugend bedrängt hatte, ich war jetzt Rechtswahrer, nahm meine A u f g a b e sehr ernst und träumte v o n einem e d l e r e n und erhabeneren W i l l e n über allem L a n d . « Vgl. L a d Z 159,169.

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Fremdes wirkte, für das man Gefäß war, das einen verzehrte, wenn man ihm jetzt nicht gehorchte [LadZ 357f.; vgl. LadZ 345],

Der Konflikt zwischen asozialer Individualität und völkischer Identität wird gelöst, indem in einem höheren, überindividuellen Lebenskreis Dichtung völkisch begründet wird. Der Dichter ist zwar in seiner unmittelbaren sozialen Umwelt nicht integrierbar, kommt dafür aber auf der Ebene von Volk und Landschaft zur Einheit mit dem Volk. Aus diesem Grund ist »arm, wer die Kunst allein auf sein einfältiges Ich zu gründen vermag« [UZ 55]. Die Übereinstimmung des Dichters mit Landschaft und Volk zieht sich als Erzählstrang durch den Text und bestimmt als ständiges Motiv Bluncks Engagement für die niederdeutsche Dichtung wie für den PEN-Club. »Wir Dichter [...] sind nur Teile des Volks und schwätzen wie Volk und träumen wie das Volk« [UZ 113], Aus diesem Argumentationsmuster heraus wird die Stimmung des Jahres 1933 als völkisches Pfingstfest beschrieben: 11 Ich fand, von Tag zu Tag wachsend, die Menschen, zumal die Jugend, in einer Bewegung und schier verzückten Vorbereitung, als wenn es zu einem Pilgerzug ginge. Es war etwas im Werden, nicht fern einer religiösen Entrücktheit. Auf den Schulen wollte man nichts denn Bruder sein und verschwisterte sich mit den Elenden. Ihre Kleider und alle Spielzeuge verteilten die jungen Nationalsozialisten, umarmten fremde Kinder auf der Straße, brachten sie in ihr Haus. Eltern, Rechtslehrer, Ärzte, Kaufleute wußten nicht, was beginnen. Gläubigkeit oder Widerstand gegen die Jugend? D i e Spaltung zwischen den großen Parteien drang bis in die Familien. Ehepaare gingen auseinander, Primaner liefen von der Schule und quartierten sich bei notleidenden Handwerkern ein, um ihnen an der Drehbank zu helfen. Unschlüssig standen die Kirchen dem gegenüber; war solche Hingabe nicht das, was die Urchristen gefordert hatten? Durften sie diese überall aufbrechende Verbrüderung, den Sozialismus der Tat anhalten? Welch ein Geist war über das deutsche Volk gekommen? [ U Z 181f.].

Allerdings leistet dennoch die Erfahrung der Einsamkeit im späteren Erzählgang gute apologetische Dienste, wenn Blunck trotz aller Integrationsrhetorik seine Distanz zum völkischen Pfingstfest 1933 hervorhebt [vgl. U Z 187ff.], die an dieser Stelle nicht eigentlich motiviert scheint. Weitere Brüche in Bluncks Identitätskonstruktion ergeben sich aus dem Verhältnis von Individualität und kollektiv bestimmter Identität, wie schon die anfängliche Selbstpräsentation als »einsamer Wanderer« [LadZ 11] anzeigt. Brüchig wird solcher Lebenssinn immer dann, wenn sich Blunck als Ausbrecher aus dem Kollektiv beschreibt: »war ich doch nur der erste aus einer langen Bauernsippe, der sich über Handwerk und Lehrertum der hohen Schule zuwandte« [LadZ 51], Immer wieder hadert er mit der Kinderlosigkeit seiner Ehe. Schon bei der Einberufung zum Ersten Weltkrieg, »quälte mich, daß ich nichts aus meinem Blut hinterließ« [LadZ 224; vgl. LadZ 323 und öfter]. Mit ihm wird die Kette der Generationen endgültig abbrechen. Die Sinnstiftung vermag nicht erfolgreich alle Segmente des Lebenslaufs in die Biographie zu integrieren. Es gibt Zeiten der Entfremdung, die solche bleiben, Lebensphasen, die als ganze sinnlos scheinen. »Ja,« so heißt das Fazit der Studien-

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Vgl. Karl-Otto Maue 1990, S. 189.

zeit, »ein Zeitblock lag hinter mir, sehr anders, als ich erwartet hatte, o h n e Dichtung und fremd dem, der ich vorher gewesen war« [LadZ 169], Die Zeit in Heidelberg war eigentlich wenig musisch. Ich war zu jung, um die Umwelt nach mir auszurichten. Einmal habe ich eine lange Zaubernovelle auf dem Odenwald geschrieben, sandte sie an eine Zeitung und erhielt sie niemals zurück; sonst blieb jenes Jahr ohne eigenes Werk. Der fürchterlichen Reimerei in der »Kneipzeitung« erinnere ich mich nur mit leichter Übelkeit. Aber vielleicht waren solche leeren Gezeiten notwendig und gehörten zu meiner Entwickelung, die vorerst ein unbekümmertes Burschentreiben wollte und damit die Gefahr der Vergrübelung und auch jene Erscheinungen überwandt, die nun einmal wie das zweite Gesicht, wie Hellsichtigkeit und Gespräche mit Abgeschiedenen zu den lastenden Eigenschaften der Meinen und unseres niederdeutschen Volkes gehören. Das, was von diesen Seltsamkeiten fruchtbar werden sollte, kam immer noch früh genug [LadZ 160f.]. D i e s e leere Zeit kann Blunck nicht sinnvoll deuten. Eine Integration in die Biographie ist aber wiederum durch einen Wechsel auf die überindividuelle Bedeutungse b e n e möglich. D i e s e Phase wird als Gegenpol gegen die Ratio und das >Glänzende< bewertet. Insbesondere in der Zeit der Weimarer Republik gibt es eine Korrelation zwischen dem Problem des Selbstverlustes und der Unordnung der politischen Verhältnisse. D i e Inflationszeit legt im Hinblick auf das, »was mich eigentlich bewegte, die Frage nach Sinn und Sein des Ich, nach d e m Volkstum,« [LadZ 172] offen, daß sowohl das Ich wie das Volk von Identitätsverlust bedroht sind. 1 2 D e r Ausdruck sicherer Identität ist die Wir-Rhetorik, in der die Anfangszeit des Ersten Weltkriegs erzählerisch präsentiert wird [vgl. LadZ 227, 233].

3.1.1.2. D a s Individuum als »Funktionsexponent der plasmatischen Anpassung im Wechsel der geologisch-kosmischen Konstitution« 1 3 (Erwin Guido Kolbenheyer) D e r Titel von Erwin G u i d o Kolbenheyers 1 4 Autobiographie - Sebastian Karst über sein Leben und seine Zeit - annonciert die Verknüpfung von Selbst- und Zeitdeu-

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»Mich hatte der Gegensatz in unserem eigenen Volk, in meiner eigenen Stadt tiefer erschüttert als alles, was mir vorher im Leben begegnet war. Damals entwickelte sich unter dem Drang der politischen Lage, des künstlerischen Drangs und der beruflichen Belastung zuerst ein Zustand einwechselnder Schwermut. Sie blieb einige Tage, während derer ich mich wohl beobachten mußte, um mich nicht zu verlieren, und gab dann wieder freundlichen Stunden Raum. Eigentlich war es nicht Schwermut allein, es war wie Sehnsucht zur frühen Flucht aus einem Dasein, dessen Entwürdigung durch die Politik man kaum noch zu ertragen vermochte. Fünfundreißig Jahre war ich, die schwersten im Leben unseres Volksschlags« [LadZ 357], Erwin Guido Kolbenheyer 1968, S.443; im Original kursiviert. Die Forschungssituation zu Kolbenheyer ist desolat. Die umfangreicheren Titel sind apologetisch. Vgl. Franz Koch 1953; Ernst Frank 1969. Eine kurze, sehr kritische Einführung bietet Siegfried Wagner 1989. Vgl. Hans Sarkowicz 1987, S.448ff. mit Hinweisen auf die Kolbenheyer-Diskussion nach 1945. Kurzbibliographie bei Armin Möhler 1989, Bd. I, S.317f.; Jürgen Hillesheim/Elisabeth Michel 1993, S.289ff.; Ulrike Haß 1993, S. 176ff.

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tung aus der Perspektive eines souveränen Beobachters. Kolbenheyer tritt in diesem »Werk, das mein wichtigstes werden soll«, 1 5 durchgehend als >Sebastian Karst< auf. Dahinter verbirgt sich weder ein bewußter Verstoß gegen den autobiographischen Pakt n o c h eine Strategie der Fiktionalisierung. Nach den hagiographischen Tagebuchnotizen v o n Kolbenheyers Eckermann Peter Dimt, der 1946 für längere Zeit in dessen Haushalt lebte, fungierte das Buch unter d e m Arbeitstitel >VitaMeditationenego ipseSebastian Karst< stets als Stellvertreter Kolbenheyers in der Rolle des Meisters auf, der A d e p t e n in der Bauhüttenphilosophie unterweist. 1 9 D e r parallel zur Autobiographie entstandene Text Mensch auf der Schwelle beginnt mit der exakten Positionierung der Karst-Figur: » D e r Mensch auf der Schwelle hieß Karst. Was liegt an einem N a m e n ? Nebensache.« 2 0 D e r Schwellenzeit oder dem Schwellenzustand kommt als biologisch bestimmte geschiehtsphilosophische Kategorie in Kolbenheyers Weltanschauung zentrale Bedeutung als zukunftsentscheidende Grenze zwischen zwei verschiedenen Zuständen zu. Die »Bauhütte« nennt unsere Zeit eine »Schwellenzeit« der weißen Menschheit. Die Geschichte jedes Menschen, jedes Volkes, jeder Rasse zeigt solche Schwellenzeiten. Sie sind gekennzeichnet durch starke innere Bewegungen, die weit vor den auffälligen Ereignissen, die man verzeichnen kann und Geschichte nennt, durch das Anschwellen einer hochgesteigerten biologischen Entwicklung eingeleitet werden. Wellenartiger (periodischer) Entwicklungsgang ist Eigentümlichkeit alles plasmatischen Lebens[.] 21

15

Peter Dimt 1982, S. 16. Dimt bekennt sich zum »Bewußtsein der mir vom Geschick gestellten Aufgabe, Zeugenschaft ablegen zu müssen über Haltung, Würde und Charakterstärke eines Mannes, der als Dichter und Denker den Menschen Europas Richtungsweisendes zu sagen hat« (S. 6). 16 Vgl. Peter Dimt 1982, S. 16. >Meditationen< wird von Kolbenheyer als Pendant zu >Dichtung< verwendet und bezeichnet die Produkte des >Denkers< Kolbenheyer; vgl. Peter Dimt 1982, S.91. 17 Peter Dimt 1982, S.202. Vgl. Ernst Frank 1969, S.90. IS »>Jawie sich aus den Blutknüpfungen der Vorfahren mein Dasein und Sosein in Leben und Werk evolviert - und das scheint mir das Wichtigste an jeder Vita - , das weiß nur ich, das kann nur ich selber niederschreiben. Und ich muß es auch tun zugleich als markantesten Nachweis der Richtigkeit meiner >Bauhüttefreischwebendes< Indidivuum, das den Zusammenhang mit seiner >Sphäre< verloren hat und seither »entwurzelt« [vgl. Ρ 125] ist. Symbol dieses Zusammenhangs ist Bronnens erste Todeserfahrung. Es handelt sich um die Verletzung am Monte Pasubio, die Bronnen in der autobiographischen Erzählung als tatsächliches Lebensende fingiert und so als entscheidende Erfahrung im Text markiert. 1 1 4 Ich lag nun, durch die Krater-Breite von ihnen getrennt, hinter der Front der Italiener [...]. Einer wandte sich um und entdeckte mich. Ich hatte noch den Karabiner umgehängt, hatte einen Revolver, ein Offiziers-Käppi, ich war ihr Feind. Der Italiener hob rasch sein Gewehr und legte auf mich an. Es war eine Entfernung von zehn Schritten. Ich sah sein dunkles Auge, seinen Finger am Abzug, sein eines Bein, das er noch herumdrehte, um besser schießen zu können. Und ich sah mitten in das schwarze Loch des Gewehres, das auf mich starrte. Dann fiel der Schuß [P54]. Im R a h m e n wird angeknüpft: Wäre dieser Schuß gefallen, so könnten Sie diese Zeilen nicht schreiben. Hier liegt ein Hang zur Mystifizierung vor, der Ihrer Sache mehr schadet als nützt. Sie verantworten sich damit, daß Sie dieser Vorfall jahrelang beunruhigt habe, daß Sie den Schuß bis in Ihre Träume hinein gehört und auch zu gewissen Zeiten unter der Zwangs-Vorstellung gelitten haben, Sie wären damals gefallen und wären jetzt ein andere Mensch. Das alles erscheint bei einem Menschen wie Ihnen wenig glaubhaft. Wir nehmen daher als sicher an, daß Sie auch hier etwas vor uns verbergen wollen, was Sie als kläglicher erscheinen läßt denn als Held, der Sie in jenen Stunden sein wollten - zum mindesten dann, als diese Stunden vorüber waren [P 55] D i e Möglichkeit des Todes am M o n t e Pasubio läßt das seither geführte L e b e n arbiträr, disponibel, zufällig erscheinen. D i e Erfahrung wird literarisch besonders komplex aus einer Vielfalt von Perspektiven dargeboten. D i e Rekonstruktion der dama-

114

Vgl. zur Episode Friedbert Aspetsberger 1995, S. 190ff. 137

ligen Perspektive, die Präsentation späteren autobiographischen Wissens, die Beurteilung aus der Rahmenperspektive, die Urteilsabstinenz der autobiographischen Erzählebene und der Appell an die Reflexion des Lesers [vgl. Ρ 7] vermitteln die Komplexität der Erfahrung. Da aber das Individuum Teil des Lebens und als solches seinen Wechselfällen unterworfen ist, kann Identitätskonstruktion als autonomer Akt aus Bronnens Sicht keine dauerhaft erfolgreiche Problemlösung sein. Ein anderer Lösungsversuch besteht in der Suche nach Rahmen, in die das Ich eingepaßt werden kann. Ersichtlich wird dies anhand einer Reihe von Inklusionsangeboten, als deren erstes >Jugend< fungiert. »Je mehr ich mit meinen geringen Erkenntnis-Mitteln an das Problem des eigenen siebzehnjährigen Daseins ging, um so mehr wurde ich davon überzeugt, daß Jugend ein absoluter Zustand im menschlichen Leben sei« [P25]. Eine Lebensphase wird zu einer Ganzheit entgrenzt, deren Transitorik außer Zweifel steht, die aber in jener Zeit ein Optimum an Sinn offeriert. »Die großen und noch nicht abgegrenzten Entfaltungs-Möglichkeiten des jungen Menschen, seine Erlebnis-Intensität, sein noch völlig im Kollektiven wurzelndes Gefühl ermöglichten eine LebensGemeinschaft, wie sie später der erwachsene Mensch nie mehr zu erreichen imstande wäre« [P 25]. Ein weiterer Bereich ist die Natur. In der Kriegsgefangenenschaft in Sizilien wirkt eine solche Erfahrung identitätsstiftend: »Und das Meer, das so, Wochen um Wochen, neben der Ziege mein einziger Gesprächs-Partner war. Diese wunderbaren, erregenden Wellen, die ununterbrochen auf mich zukamen, dreißig Meter weit voll donnernder Kraft, zwanzig Meter weit sanft verhauchend. Das ist das stärkste Bild meines Lebens geworden. Es brachte mich zu den fast verlorenen Wurzeln meines Seins zurück« [P 73], Das Meer ist das klassische Symbol für Unendlichkeit, es wirft das Ich auf sich selbst zurück. Immer wieder scheint der Blick in die Unendlichkeit der Natur Wahrheit transitorisch aufblitzen zu lassen. Hier scheinen die Widersprüche seiner gespaltenen Identität aufgehoben. »So zerriß für eine kurze Zeit die Wolken-Decke, unter welcher sich mein Dasein abhetzte, und ich sah die Klarheit des Himmels, der Welt, die bleibend und real über den Wolken ist. Ich sah an den Sternen den falschen Kurs, den ich steuerte« [P 134f.]. 115 Da das Ich nicht als klar abgegrenzte Einheit gedacht ist, ist auch die Grenze zwischen Dichten und Leben durchlässig. Dies kann anhand einer exemplarischen Passage dargelegt werden:

115

Diese Ganzheit wird erwartungsgemäß für die Zeit des Dritten Reiches noch einmal als Refugium relevant. Bronnen entdeckt das pommersche Fischerdorf L e b a als Ort elementaren Lebens, wo die Spaltung der Person ausgeheilt werden kann. »Das Leben in L e b a schien mir schön, es brauste nächtliche H y m n e n an meine Fenster, die zum M e e r e standen, die Kraft der Natur lehrte mich, den Menschen, wieder, daß der Mensch Teil der Natur sei« [ P 3 4 1 ] . »Trotz allem freute ich mich wieder am Menschen, und die Menschen näherten sich mir. Wir saßen zusammen, erzählten uns Geschichten, erlebten das sturmüberbrauste Geschick dieses verlorenen Fleckens« [P 333].

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Ich konnte nun, 29 Jahre alt, für einen Autor gelten, der sich durchgesetzt hatte. [...] Freilich war diese Lebens-Unlust, diese Hinneigung zu Todes-Gedanken kein Kern-Prozeß. Aber die eigentümliche Verflechtung des persönlichen Schicksals mit dem Schicksal der geschaffenen Gestalten komplizierte meinen Lebens-Vorgang umso mehr, je mehr sie meinen Schaffens-Vorgang erleichterte. Auf diese Weise konnte nichts irreal sein; selbst der Begriff der Irrealität stützte sich auf eine reale Basis. So erlebte ich schreibend Paris, das ich nachher wirklich sehen sollte, und ich stand in Paris unter dem Banne eines Schicksals, das ich vorher gestaltet hatte. Denn alles Gestaltete nahm künftighin am Schicksal des Gestalters teil, ebenso wie das Noch-zu-Gestaltende zuerst psychische Brunst, dann psychische Schwangerschaft hervorrief. Aber das Gestaltete zerstörte auch den Rohstoff, selbst wo der Rohstiff Bild und das Gestaltete nur Abbild war. Neben mir lebten Hiddie, die Todes-Bringerin [aus dem Drama Katalaunische Schlacht], und Hildegard Larsons, die Lebens-Bringerin, Abbild und Bild, Erotomanen alle beide; und das Abbild zerstörte mir das Bild, weil ich dieses zu sehr ausgelaugt hatte, weil ich Lebendes mißbraucht hatte, um eine tote Figur zu schaffen. Bald sah ich in den Liebes-Nächten durch die Geliebte hindurch, sah andere Gesichter, riß andere Leiber an mich; aber diese anderen Frauen waren immer nur Sinn-Bild der einen Frau, die ich selber war, die ich lieben konnte in allen Ekstasen und in allen Verzerrungen des Unrats und der Verwesung. So entfremdeten wir uns sehr rasch. Hildegard hatte recht mit ihrem Argwohn: ich betrog sie. Aber sie hatte unrecht mit der Eifersucht auf die Seiten-Sprünge, zu denen ich neigte; in Wahrheit betrog ich sie mit mir selbem [P 135f.]. Identitätsstabilisierende Kraft kann in solcher Lage von allen Konzepten ausgehen, die d e m Ich eine Inklusion anbieten können. D i e einzige Bedingung, die erfüllt sein muß, ist die Lebensnähe der von solchen Konzepten angebotenen Institutionen. D i e Idee der Nation erfüllt diese Kriterien, so daß von daher die faschistische Periode von Bronnens Biographie motiviert wird. D e r radikale Nationalismus wird zu den vitalen Strömungen der Zeit gerechnet, so daß es unmöglich ist, »kritische Distanz gewinnen zu können« [P 108], D e r Mangel an Distanz bedeutet einen Mangel an Souveränität: » D o c h statt zu treiben, wurde ich getrieben. Getrieben bejahte ich, was ich treibend verneinen hätte müssen« [P 108]. 1 1 6 D a s Leben Bronnens wird nicht zu einer Gesamtgestalt geformt. Aus der Perspektive des R a h m e n s ist die marxistischen Bewertung des Lebens normstiftend. D a R a h m e n und autobiographische Erzählung am E n d e nicht ineinander übergehen, beide nicht miteinander vermittelt sind, wirkt der Rahmen nicht deformierend. D e r Eindruck der Authentizität der autobiographischen Erzählung wird nicht zerstört. Allerdings läßt die normative Instanz in der Erzählung immer

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Beispiele für >Nation< als inkludierendes Konzept: »An der Schilderung des oberschlesischen Schicksals war die schriftstellerische Aufgabe zu erfüllen: Deutschland zu verändern, aus diesem unklaren, sich verwirrenden, verwesenden Menschen-Konglomerat wieder eine klare, bewußte Nation zu machen« [P 179]. Bronnen konzipiert O.S. als »nationale Epopoie« [P179]. »Ich liebte Deutschland, hatte es immer geliebt. Deutsch war mir ein heiliges Wort gewesen, und meine Kritiker hatten mich verspottet, weil ich dieses Wort in einigen meiner Bücher aus Trotz gegen die Verkleinerer des Deutschen immer mit großen Anfangs-Buchstaben geschrieben hatte. Aber jetzt, nach dreißig Monaten einer Inflation alles Völkischen, alles Deutschen, begann ich an nationalen Verdauungs-Störungen zu leiden. Andere Luft! Andere Menschen! Andere Sterne! [...] Es war gut, sich von der Heimat zu entfernen; so kam man ihr näher« [P 329]. 139

wieder einzelne Elemente in Richtung auf die Normen des Rahmens hervortreten. A l s Ziel erscheint die kollektivistische Einbindung des Außenseiters Bronnen, so daß dessen Identität inkludierbar wird und der permanenten Identitätskrise ein Ende gemacht werden kann. Der kollektivistische Zug schließt immer an den m o ralischem Pol der Bronnen-Identität an. Der faschistisch-ästhetizistische Pol soll überwunden werden. Demnach gibt es immer wieder Abschnitte der Biographie, in denen der kollektivistische Zug hervortritt, sei es die Einigkeit mit Brecht, »daß im Theater Gemeinsamkeit, Gemeinschaft zu schaffen wäre« [P 99], sei es die Ausrichtung der Arbeit auf »den Ton und die Sorgen des Volkes« [P 156, vgl. Ρ 205]. Das Konversionsschema im protokoll

ist so modifiziert, daß die eigentliche

Lebenswende erst ganz am Ende der autobiographischen Erzählung sich vollzieht. Die Biographie ist keineswegs teleologisch konzipiert, 117 und sie ist nicht als stetiger Entwicklungsgang gestaltet, obwohl die Entwicklungssemantik verwendet wird. 118 Das wird am thematischen Strang der Selbstkritik ersichtlich. Hier ist Bronnen bestrebt, sich als Lernender im marxistischen Sinn auszuweisen. So werden die frühen sozialkritischen Impulse im Werk akribisch notiert und als »[wjachsende Erkenntnis von den gesellschaftlichen Zusammenhängen« [P 97] bewertet, aber über lange Strecken bleibt es dabei, daß er »nicht durch Erkenntnis erfaßte, nur durch eine Vorstufe der Erkenntnis« [P99]. Dieser Stand der Dinge ist konstant. Die teleologische Konstruktion der Biographie nach dem Muster einer Entwicklung ist allein deswegen nicht möglich, weil Bronnen schon früh in marxistisch denkende Kreise geraten war, sich aber von dort nach rechts gewandt hatte.119 Erst mit den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs setzt die Wende ein mit dem Kontakt zum Arbeiter Franz: D e n n erst jetzt w a r ich imstande, mit ehrlichem W i l l e n in diese A r b e i t e r - W e l t hineinzublikken. Ich sah ein Wunder. Ich sah, daß diese A r b e i t e r - W e l t viel weiter, viel umfassender w a r als m e i n e g e w o h n t e Bürger-Welt; ich sah, daß der S a l i n e n - A r b e i t e r in diesem entlegenen Gebirgs-Tal viel intensiver, viel brennender, viel gläubiger mit den K ä m p f e n der anderen A r b e i t e r und mit den G e s c h i c k e n der W e l t v e r k n ü p f t w a r als etwa ein anderer Bekannter [...]. D a schlug es in mein H e r z w i e das A u f b r e c h e n verstopfter A d e r n ; plötzlich wurde der A t e m frei. A u s d e n A u g e n sank der trübe Schleier von Staub, Schweiß und Tränen. A l l e s w u r d e hell, klar, einfach. E i n e strahlende Sicherheit kam von diesen Menschen, ging auf über mich. [...] H i e r waren die Menschen, die g e g e n H i t l e r k ä m p f t e n . H i e r waren die M e n schen, die ihre Z e i t erkannten. H i e r waren die Menschen, durch w e l c h e die H e i m a t lebte [P405f.].

117

D i e Auffassung v o n der teleologischen Ausrichtung wird von Christiane D e u ß e n 1986, S. 167ff. vertreten. Sie verweist richtig darauf, daß am E n d e des Textes eine gelungene Identitätsfindung steht, beachtet aber nicht, daß die Statik der psychologischen Krisis erst in den letzten K a p i t e l n anläßlich des Kontaktes mit den A r b e i t e r n a u f g e g e b e n wird.

" * Beispiel: » I c h hielt für eine n o t w e n d i g e Entwicklung, was eine offensichtliche Fehlentwicklung war, und w o l l t e mich mit Anspannung aller seelischen K r ä f t e aus der V e r k r a m p fung lösen - aus der ich mich nur mit Entspannung und U m k e h r hätte lösen k ö n n e n « [P144]. 1 '''

D e n E x t r e m p u n k t trotz der Distanzierung hat B r o n n e n zur Jahreswende 1941 /42 erreicht: » I c h war damals weiter denn j e davon entfernt, den Kommunismus zu b e g r e i f e n « [ P 387].

140

Dieser Kontakt ist die Wende zum antifaschistischen Widerstand. D i e Begegnung mit den Arbeitern interpretiert Bronnen als sein Saulus-Paulus-Erlebnis, indem er es als Durchbruch zu neuem Leben und neuem Sehen darstellt. Seine neue Bekanntschaft ermöglicht ihm die Überwindung der Identitätskrise und damit zugleich die Überwindung seiner Isolation aufgrund der Eingliederung in die A r b e i tergemeinschaft. Bronnen berichtet, er »sinke auf eine Bank an einem dreckigen Tische, fühle um mich Menschen, Kameraden, Schicksals-Gefährten. Es ist eine große Dunkelheit, aber auch eine große Erleichterung. Ich bin nicht allein« [P 441]. Er erfährt » e i n e brüderliche Menschlichkeit, die mich einreihte in eine unendliche R e i h e von K ä m p f e r n « [P438]. Er ist angekommen. » V e r s t e h , daß wir dich brauchen«, sagte S e p p Pliseis. » D a s ist die P r o b e . « D a s war die P r o b e . Ich hatte um das Vertrauen österreichischer A r b e i t e r gerungen; sie gaben mir ihr Vertrauen. Ich hatte helfen w o l l e n ; sie ließen mich helfen. Ich hatte geträumt; sie ließen mich tun. N u n war ich angelangt. Ich stand in den R e i h e n der k ä m p f e n d e n A r beiter, bereit, d e n Ausgebeuteten und Entrechteten zu dienen. S o begann ich am 8. M a i 1945 mein A m t als Bürgermeister in Goisern [ P 494].

Allerdings bedarf die subjektive W e n d e der objektiven Bestätigung. Von daher ist die Norminstanz des Rahmens höchstens dazu in der Lage, Bewährungsmöglichkeiten anzubieten: » W i r gestehen Ihnen zu, daß diese Lebens-Prozesse sich unabhängig von Ihrem Willen vollzogen, von jenem Willen also, welcher juristisch und psychologisch als für unsere Taten verantwortlich gilt. A b e r es gilt, bei Ihnen tiefere Wurzeln zu treffen als die des intelligiblen Willens. Menschen wie Sie, Arnolt Bronnen, müssen im Kern umgestaltet w e r d e n « [P457], Folglich ist das Bürgermeisteramt nur eine Bewährungsmöglichkeit: M i t diesen f ü n f z i g Jahren. A r n o l t B r o n n e n , e r w a r b e n Sie sich grad eine Chance zum W e i terleben. D e r W e r t des Restes wird den W e r t des G a n z e n bestimmen. D e r W e r t des G a n zen wird davon abhängen, o b Sie damals, in ihrem fünfzigsten Jahre, b e g r i f f e n haben: daß nur der kulturell schaffen darf, der seine M e n s c h e n - B r ü d e r wahrhaft liebt [ P 4 9 5 ] ,

3.2. Das Ich als autonome Form Die Probleme der modernen Exklusionsindividualität sind für den größten Teil der Autobiographen nicht mittels Re-Inklusion lösbar. Diese konstruieren die Biographie in Ermangelung eines inklusionsfähigen Rahmens v o m Individuum her oder bezweifeln die Möglichkeit emphatischer Sinngebung, geben sie in einigen Fällen sogar völlig auf. D i e Biographiekonstruktion v o m Subjekt her bezieht Sinn aus einer dezisionistischen Setzung. Identität wird als dem Nichts entrungene Form aufgefaßt. Wiechert, Schneider und Bronnen hatten diese A r t der Subjektkonstruktion in unterschiedlich intensiver Ausprägung als zwar noch immer drängende, imgrunde aber glücklich überwundene Biographiephase bewertet. Für Benn, Flake, Hillard und Friedrich G e o r g Jünger gibt es keine denkbare Inklusion mehr. Cum grano salis gilt dies auch für Hans Carossa, der aber die zeitgeschichtlichen Verstrikkungen in besonderem M a ß als Identitätsprobleme reflektiert. Rückblickend inter141

pretierte er die Zeit des Dritten Reiches im Medium einer Identitätskrise. Immerhin bleibt in diesen Fällen die Biographiekonstruktion sinnträchtig. Die Negation von emphatischem Lebenssinn kennzeichnet die Biographien von Hans Grimm und Ernst von Salomon, die innerhalb des konservativen Spektrums nach 1945 in vergangenheitspolitischer Hinsicht Antipoden sind.

3.2.1. Identität als Konstruktionsleistung des Individuums Die autonome, emphatisch sinnträchtige Konstruktion von Biographie und Identität als Akt der Formgebung ist dem nietzscheanischen Schlagwort von der Rechtfertigung der Welt allein als ästhetisches Phänomen zufolge ein letztlich künstlerischer Akt. Benn wie Flake, Hillard wie Jünger interpretieren ihre je explizierten Konstruktionen als Werke, für deren tektonische Prinzipien der Formbegriff konstitutiv ist. Die Biographie wird ästhetisiert. D a zwischen Biographie und Autobiographie eine Relation der Angemessenheit, eine Art Aptum, angestrebt wird, spielt die literarische Form der Texte eine bedeutsame Rolle als Medium der autobiographischen Reflexion. Biographie ist, mit Benn zu sprechen, der »formfordernde[n] Gewalt des Nichts« [DL/Lei 377] abgetrotzt. D a s Lebensschicksal ist ja nichts Äusseres u. kommt nicht aus der Umwelt auf uns zu, sondern es steigt aus uns selber auf, wir ziehen es heran, selbst Tod, Schicksalsschläge, naturalistischer Wirrwarr sind unsere eigenen Materialisationen u was wir Lebenslauf u. Biographie nennen, ist die Aura, die Oddschicht unseres inneren Seins, das sich Geltung u. Gestaltung schafft. 1 2 0

3.2.1.1. >Dies sich herausbildende geistige wortwerdende IchIntellektualismus< kennzeichnet ihn als konsequenten Anhänger jener von der nationalen Rechten als Hauptgegner bekämpften Weltanschauung. Positiver Gebrauch ist [...] unmöglich«. 126 Für Doppelleben

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Soerensen 1960, S.61). Von daher ist eine unreflektierte Analyse von Benns Texten auf autobiographische Aussagen hin kaum akzeptabel. Hinweise auf Stilisierungen im Doppelleben vgl. Albrecht Schöne 1968, S.225ff.; Steffen Ewig 1973, S.39ff. Die Spannbreite der Urteile ist weit. »Die textlichen Veränderungen sind gering an Zahl und unerheblich« (Peter de Mendelssohn 1953, S.240). Joachim Vahland 1979: »subtile kosmetische Eingriffe« (S.53). Christiane Deußen 1986 spricht von nachträglicher Selbstzensur< (vgl. S.45f.). Insgesamt sind die Veränderungen nicht zahlreich, aber zum wenigsten ist der Effekt zu vermerken, daß der Grad der Zugeständnisse an den Nationalsozialismus zurückgeschraubt wird, während der Grad der systemkritischen Exponierung nicht verändert, gerade dadurch aber akzentuiert wird. Vgl. Klaus-Dieter Hähnel 1996, S.lOlf. Hans Egon Holthusen 1985 bewertet Lebensweg eines Intellektualisten als »ein spätexpressionistisches Pamphlet gegen alles, was einer führergläubigen Seele lieb und teuer war« (S. 36). Ähnliche vorerst unsystematische Hinweise darauf: Klaus Theweleit 1987; Michael Jaeger 1995, S.221f. Dietz Bering 1978, S. 139 (um Druckfehler bereinigt). Bering bietet im Anschluß folgenden Beleg: »Ein eklatantes Beispiel liefert Alfred Rosenberg: 1926 schreibt er im V ö l k i schen Beobachten, die >Rote Fahne< habe völlig recht, wenn sie den deutsch-sowjetischen Vertrag als Erfolg Rußlands rühme, dann aber einschränke und nur eine >Arbeiter- und Bauernregierung< für fähig halte, die richtigen Folgerungen aus dem Abkommen zu ziehen. Rosenberg fährt fort: > Auch damit hat die >Rote Fahne< recht, nur wird es dann keine

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wählte B e n n im Titel diejenige Existenzform, die er als repräsentativ für die Stellung des Individuums in der Moderne und für sich im besonderen ansah. Lebensweg eines Intellektualisten oder das schicksalhafte Anwachsen der Begriffswelt oder das Verhältnis des Nordens zur Form - das sind meine Themen [DL/Lel 356f.]. 127 Es gibt drei Themen, die das Jahrhundert bis heute durchziehen: die Wirklichkeit, die Form und der Geist, es ist alles die gleiche Frage, aus ihr spricht die Stimme unserer Epoche, sie ist in allen europäischen Ländern vernehmlich da, unser abendländischer, biologischer Kern hat sie entkeimt und aufgeworfen - hier sind sie: die deutsche bürgerliche Literatur aber nennt das Intellektualismus [DL/Lel 379]. B e n n greift das zeittypische Schimpfwort >Intellektualismus< auf und deutet es offensiv zum >Fahnenwort< (Bering) um. Im Text ist der Titel als Verweis auf eine grundlegende, biographietranszendierende anthropologische Problematik formuliert. D i e eigene Biographie wiederum ist konstruiert als Exempel für eine E p o chenfrage. D a s Jahrhundert wird interpretiert als Zeit des Verfalls überkommener Vorstellungen von Subjekt und Wirklichkeit. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des Rekurses auf die anthropologische E b e n e . 1 2 8 Von diesem Ausgangspunkt her m u ß auch autobiographisches Reflektieren und Schreiben neu konzipiert werden. Form ist das Bindeglied zwischen den verschiedenen Problemfeldern. 1 2 9 D i e Verknüpfung von Ichkonstruktion und Dichten wird über die Erfahrung hergestellt, daß Dichten einen Ichzerfall bedeutet. Morgue war ein »Zyklus von sechs Gedichten, die alle in der gleichen Stunde aufstiegen, sich heraufwarfen, da waren, vorher war nichts von ihnen da; als der Dämmerzustand endete, war ich leer, hungernd, taumelnd und stieg schwierig hervor aus dem Verfall« [DL/Lel 376]. Wenn am E n d e die Gedichte Resultat von Formanstrengung sind, ist auch das Ich neu geformt. Intellektualismus ist eine Strategie zur Anpassung an den Selektionsdruck, der von der E p o c h e ausgeht. Wenn >Intellektualismus< zum anvisierten Zweck funktionieren soll, muß B e n n dessen Komponenten im nationalsozialistischen Sinn umdefinieren. Er richtet es

Arbeiter- und Bauernregierung sein, sondern eine Regierung versumpfter jüdischer Intellektualisten, die Deutschland in das gleiche Chaos führen werden, wie sie es mit Rußland getan haben.arische< Herkunft nachwies. Von diesem Ausgangspunkt her können auch die anderen negativen Komponenten des Schimpfwortes >Intellektualismus< neu besetzt werden. »Intellektualismus ist die kalte Betrachtung der Erde« [DL/Lel 384], Damit nun aber die beliebte Vorstellung von der zersetzenden Wirkung der Ratio und das Klischee des zersetzenden Intellektuellen als Vorwurf nicht mehr tauge, verlegt Benn Zersetzung, sich der Diktion Ernst Jüngers bedienend, von der Tätigkeit in den Gegenstand. »Intellektualismus ist der kriegerische Angriff auf die zersetzte menschliche Substanz« [DL/Lel 385]. Intellektualismus wird darwinistisch fundiert. 1 3 0 Intellektualismus heißt einfach: denken, und es gibt nichts, vor dem es haltzumachen hätte, mit der einen Einschränkung, die das D e n k e n selber setzt und die sich auf schwache Denker bezieht. Intellektualismus also heißt, keinen anderen Ausweg aus der Welt finden, als sie in Begriffe zu bringen, sie und sich in Begriffen zu reinigen, und das gehört nicht zu einem bestimmten politischen oder moralischen System, sondern ist anthropologischer Grundtrieb, Rassenweisung [DL/Lel 385].

Eine Folge dieser Festlegung ist nur in einem Nebensatz angesprochen, sie betrifft die Entpolitisierung und Entmoralisierung, da beide Kategorien nicht der anthropologischen Ebene zugeordnet werden, sondern als nachgeordnete Systeme gedacht sind. Von diesem Ausgangspunkt her liegt der Einstieg in den eigentlichen Text mittels der Wir-Form nahe. Im Lebensweg eines Intellektualisten ist die Erzählerfigur Sprecher der expressionistischen Generation [vgl. DL/Lel 360], deren Gemeinsamkeit die kollektive Erfahrung des Wirklichkeitszerfalls war. »Meine Generation war lyrisch, über ganz Europa hing dieser Code expressiver Typen, was von ihnen bleiben wird, steht dahin« [DL/Lel 375], Sie mußte die »Problematik des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts« [DL/Lel 379] bearbeiten. Benns Selbstsituierung wird legitimiert von »der Lage meiner Generation, meinen eigenen Arbeitserfahrungen und [...] einigen psychologischen und historischen Daten« [DL/Lel 379]. Im Wandel der politischen Zeitläufte wird sie 1934 bereits einer vergangenen Epoche zugerechnet, so daß der Lebensweg als »eine Art historischer Zusammenfassung«, als »Vermächt-

"" »Es ist ein neues Erdzeitalter, und Typen, die dieser Mutation nicht gewachsen sind, werden ausscheiden« [DL/Lel 386]. 145

nis« [ D L / L e I 3 8 9 ] vorgestellt wird. 131 D a s Ich sieht sich »nach Herkunft und Lebensdauer durchaus der alten Epoche verpflichtet« [DL/Lel 390]. Von daher ist zu erwarten, daß eine Selbstpräsentation nach d e m herkömmlichen Muster selbstdefinierender Geschichten, individueller Charakterzüge und Entwicklungsstufen in B e n n s Autobiographie höchstens ex negativo erfolgen kann. B e n n konstruiert das autobiographische Ich in diesem Epochenhorizont im Medium mehrerer typologischer Ansätze. A l l e haben einen gemeinsamen Fluchtpunkt, der am Beispiel des Kunstträgers 1 3 2 expliziert werden kann. Unendlich klar ist daher die Linie der Ablehnung, die von Plato bis ins zwanzigste Jahrhundert in der Öffentlichkeit gegen den Kunstträger besteht; in einen geordneten Staat, in einen Staat, der auf eine untadelige Verfassung hält, gehört er nicht hinein, in die Religion gehört er auch nicht, mit dem hochdotierten Wissenschaftler steht er in dem Verhältnis, daß sie sich beide für Vorstufen und Kuriositäten halten, es ergibt sich, der Kunstträger ist aus seinem natürlichen Wesen heraus eine gesonderte Erscheinung [DL/Lel 380]. D e r Öffentlichkeit gegenüber befindet sich der Kunsträger, als der sich B e n n versteht, grundsätzlich in der Außenposition. Er ist per se exkludiert. D i e s e Exklusion ist unabänderlich, nicht nur weil sie historisch bis auf die Antike zurückverfolgt werd e n kann, sondern weil sie eine anthropologische Tatsache darstellt. »Der Kunstträger ist statistisch asozial, weiß kaum etwas v o n vor ihm und nach ihm, lebt nur mit seinem inneren Material« [DL/Lel 380]. 1 3 3 D i e Radikalität des Kunstträgers im Hinblick auf seine soziale Außenstellung ist der Idealtypus. Aus ihr ergibt sich, daß keine soziale Kriterien in die Identitätskonstruktion einfließen können. B e n n selber präsentiert sich im Lebensweg in der Rolle dieses Typs, obwohl er gerade im G e g e n satz dazu sehr wohl die soziale Rolle des Mitglieds der Dichterakademie gesucht und an vorderster Stelle ausgeübt hat. 1 3 4 Isolation wird unter Vernachlässigung dieser K o m p o n e n t e zu einem zentralen E l e m e n t der Selbstbeschreibung. Ich habe für mich gelebt, außerhalb von kapitalistischen Betrieben, Behörden, Presse, Literatur, Vortragssälen, ich habe allein gelebt. Früh streifte der Tod alles von mir ab, woran sich meine Jugend gebunden hatte, es kostete Blut und Tränen, aber dann war ich allein. Allein mit einer Tochter, die in einem anderen Land lebt. Allein - : wahrscheinlich gibt es kein Wort darüber, allein und unverbittert in die Stunden des Dunkelwerdens sehen, dem will ich die Krone des Lebens geben [DL/Lel 390].

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»Es sind die Sätze einer ausklingenden Zeit, die auf inneres Spüren und Sammeln im einzelnen angelegt war, in der Vertiefung galt und Reifen, Behutsamkeiten des Gefühls, alles Farben und Klänge der alten europäischen Welt, die die germanisch-romanischen Völker trotz aller Kriege gemeinsam geschaffen hatten« [DL/Lel 390]. Vgl. Gerlinde F.Miller 1990, S.202ff. Miller verweist auf Benns Rezeption von Ideen Kurt Breysigs. »Es ist eine Erkenntnis, und es ergibt sich aus ihr, daß der Kunstträger in Person irgendwo hervortreten oder mitreden nicht solle, unter Menschen war er als Mensch unmöglich - seltsames Wort von Nietzsche über Heraklit - das gilt für ihn« [DL/Lel 381]. Der Vorwurf, daß Benn seine 1933 gespielte Rolle in der Dichterakademie verschweige, trifft demnach nur zum Teil, da bereits im Lebensweg im Sinne der Stilisierung zum Typus >Kunstträger< die gesellschaftlich relevanten Elemente seiner Person nicht in die Biographiekonstruktion aufgenommen sind.

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Für die erzählerische Entfaltung der Identität ist die Ausweitung der traditionellen Elterntopik kennzeichnend. Uralte Rhythmen, Wandel der Wasser und der Erden, Züge der Ähren, Feld-Züge, Wandern der Früchte, Kämpfe des Korns, Tragödien von Klima und Gestein im Blut des Vaters; nordische Siegschaft, urturanisches Tao kurz verglichen im Blick der Mutter -: unbegreiflich ferne Wogen von Bildern und Erlebnis plötzlich in dem eigenen Erbe ungestillter Antithesen [DL/Lel 355].

Im Kontext des zeittypischen Denkens in Polaritäten und Antithesen beschreibt sich Benn als Resultat eines Zusammentreffens von Nord und Süd; 135 im Kontext des zeittypischen völkisch-rassistischen Räsonnierens »vereinigten sich [in der Ehe meiner Eltern] also das Germanische und das Romanische, diese beiden maßgeblich gewordenen Komponenten der europäischen Bevölkerung; man kann auch sagen, das Deutsche und das Französische« [DL/Lel 360]; 136 von der zeitgenössischen anthropologischen Forschung her »kreuzten sich in dieser Ehe aber auch die beiden tiefen typologischen Gegensätze der Kretschmerschen Konstitutionslehre: mein Vater körperlich lepotosom: streng, hager; meine Mutter pyknisch, alpin untersetzt« [DL/Lel 360]. Identität ist innerhalb der zeittypischen Deutungsmuster immer Ergebnis eines Zusammentreffens von Gegensätzen. Aus dem Beharren darauf, >Erbe ungestillter A n t i t h e s e s zu sein, resultiert einerseits absolute Freiheit der Bewegung innerhalb der Antithesen, andererseits die Festlegung auf den unauflösbaren, Dynamik produzierenden Konflikt innerhalb der Identität. Das Koordinatensystem für die Identität beruht auf existentiellen Kategorien. Identität ist im Lebensweg eines Intellektualisten immer jenseits der Ebene von Gesellschaft verankert. 1 3 7 Im Kapitel Erscheinungsformen der Erbmasse wird das Problem des Ich eingehend abgehandelt. Die grundlegenden Darstellungs- und Deutungsprobleme der Biographie werden am Beispiel der frühen Dichtungen herausgearbeitet. Die gedanklichen und künstlerischen Grundlagen der Autobiographie werden stellvertretend anhand der zentralen Problemkonstellationen der Äönne-Novellen, des Vermessungsdirigenten und des lyrischen Ich entwickelt. 138 Die Ergographie wird nicht

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Explikation des >Südens< bei Bodo Heimann 1962; Paul Requadt 1979; Analyse des >NordMythos< bei Jürgen Schröder 1978, S. 131ff. Zur Polarität >Nord-Süd< vgl. Joachim Vahland 1979, S. 78ff.; Martin Lindner 1994, S.73ff. 136 Zu Benns Begriff der >Rasse< vgl. Marion Adams 1969, S.63ff.; Heinz-Ludwig Hirt 1974. 137 Vgl. Christiane Deußen 1987, S. 32ff. Deußen bleibt in der Analyse bei der Feststellung von Benns Mißtrauen gegenüber festen Konzepten von Identität stehen. n " Diese Verfahrensweise wendet Benn im zweiten Teil am Beispiel des Romans des Phänotyp weiterhin an. »Der Phänotyp ist das Individuum einer jeweiligen Epoche, das die charakteristischen Züge dieser Epoche evident zum Ausdruck bringt, mit dieser Epoche identisch ist, das sie repräsentiert« [DL/DL 455]. Vgl. Thomas Pauler 1992, S. 149f. Immer wieder werden die Äußerungen über die frühen Texte mit Hinweis auf die Differenzen zwischen Dichtung und Selbstinterpretation beleuchtet. Vgl. Eckart Oehlenschläger 1971, S.ölff.; Reinhard Alter 1976, S. 15ff.; Bruno Hillebrand 1986, S. 151; Augustinus P.Diereck 1992, S. 104f. Zum »lyrischen lch< vgl. Peter Michelsen 1961, S.256f.; Ulrich Meister 1983, S.99ff.; Ludwig Völker 1990.

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in die Erzählung eines Lebens verankert, sondern als Medium autobiographischer Problemreflexion vorgeführt: 1 3 9 In Krieg und Frieden, in der Front und in der Etappe, als Offizier wie als Arzt, zwischen Schiebern und Exzellenzen, vor Gummi- und Gefängniszellen, an Betten und an Särgen, im Triumph und im Verfall verließ mich die Trance nie, daß es diese Wirklichkeit nicht gäbe [DL/Lel 364], Was bedeutet der Zweifel an der Existenz der Wirklichkeit? Zunächst werden einzelne polare Elemente von Welt aufgerufen, denen Wirklichkeitscharakter abgesprochen wird. Damit ist vorerst motiviert, warum der ganze autobiographietypische Komplex der Entfaltung der Weltseite des Individuums im Lebensweg eines Intellektualisten kaum eine Rolle spielt. Anschließend folgt ein Selbstversuch. Benn konzipiert das Ich als Forscher. 1 4 0 »Eine A r t innerer Konzentration setzte ich in Gang, ein Anregen geheimer Sphären, und das Individuelle versank, und eine Urschicht stieg herauf, berauscht, an Bildern reich und panisch« [DL/Lel 364]. Trance bezeichnet eine wirklichkeitstranszendierende Erfahrungsebene, die auf die Urschicht zielt, in der das principium individuationis aufgehoben ist. Benns Wirklichkeitsbegriff beruht auf einer Unterscheidung zwischen existentieller und soziopolitischer Ebene, wobei der existentiellen E b e n e der Primat zugesprochen wird. Resultat dieses Zustands ist die Figur Rönne, an der die Problematik des Wirklichkeitszerfalls vorgeführt wird. Rönne, der Arzt, der Flagellant der Einzeldinge, das nackte Vakuum der Sachverhalte, der keine Wirklichkeit ertragen konnte, aber auch keine mehr erfassen, der nur das rhythmische Sichöffnen und Sichverschließen des Ich und der Persönlichkeit kannte, das fortwährend Gebrochene des inneren Seins und der, vor das Erlebnis von der tiefen, schrankenlosen mythenalten Fremdheit zwischen dem Menschen und der Welt gestellt, unbedingt der Mythe und ihren Bildern glaubte [DL/Lel 364]. D a s Verhältnis von Ich und Welt ist nicht harmonistisch, sondern agonal. D e m >inneren Sein< kommt mystisches Welterleben zu. Rönne ist als defizitäre Person konzipiert. Ihm fehlt die aktivistische Komponente, weil er auf der E b e n e der Urschicht leben will, der E b e n e der Bilder und Mythen. Die Grundfrage der Rönne-Figur zielt auf die daraus folgende Frage: »Das Problem, das Rönne diese Qualen bereitet, heißt also: wie entsteht, was bedeutet eigentlich das Ich?« [DL/Lel 386]. 141 Unschwer sind hinter dieser Frage wiederum die ich-kritischen Fragestellungen Ernst Machs zu erkennen.

'·" Zum Argumentationsduktus der ergographischen Passagen vgl. Steffen Ewig 1973, S.49, S.76. 140 Zum Problem des Ich: vgl. dazu unter dem Begriff >Geologie des Ich< Beda Allemann 1963, S.35ff.; Herbert Braun 1963; Bodo Heimann 1964; Jürgen Schröder 1978, S.99ff. Auf die >Trennung< zwischen autonomem und sozialem Ich in der Essayistik der frühen dreißiger Jahre verwies Klaus Schuhmann 1994, S.44. ,JI Als >Rönne-Erlebnis< diskutiert bei Bruno Hillebrand 1964, S.383. 148

Ist das Ich schicksalhaft festgelegt, d a n n darf es nie seine F o r m verlassen, seinen Pflichtenkreis nie überschreiten, seine Prägung nie g e f ä h r d e n , sein Antlitz auch nie enthüllen, d a n n ist eine Reise Auflösung, G e f a h r , U n g l a u b e i n n e r h a l b der strengen Frage nach Freiheit u n d Notwendigkeit, und d a n n kann sie ü b e r h a u p t n u r zur Bestätigung tiefster Z e r r ü t t u n g f ü h r e n [ D L / L e i 366],

Sind >Ich< oder >Identität< soziale Kategorien, ausschließlich kulturell verankert und definiert, müßte ein Wegfall der kulturellen Umwelt, wie ihn eine Reise mit sich bringt, zu einer Identitätskrise und zu einer Neubestimmung des Ich führen. Eine Entgrenzung der Lebensumgebung bedeutete also zugleich eine Entgrenzung des Ich. »Dinge mit Zeitcharakter«, so Benn, können nicht an »das Primäre« [DL/ Lei 366] anknüpfen, denn dieses ist den Kategorien von Raum und Zeit vorgeordnet. Für die Figur Rönne hat das Ich die Funktion eines Kohärenzbegriffs verloren. »Alles schwebte also aneinander vorbei und ermüdete nur mit seinen Gewalten. Es mußte etwas Drittes eintreten, eine Vermischung, und der strebte der unaufhörlich zu, etwas, was gleichzeitig eine Aufhebung war und eine Verschmelzung, aber das gab es nur für Momente, in Fallkrisen, von Durchbruchscharakter, und das war immer der Vernichtung nahe« [DL/Lel 366], Sind diese Prämissen schlüssig, ist jede Reise ein »Vorstoß ins Vage« und der drohenden Ichauflösung kann nur dadurch begegnet werden, daß Rönne »sich der Norm versichert]« [DL/Lel 366]. Für die metaphysische Fassung des Ich ist im Sinne des Durchbruchs zur Urschicht entscheidend, daß dieser immer nur transitorisch faßbar ist. Wir erblicken also hier einen M a n n , der eine kontinuierliche Psychologie nicht m e h r in sich trägt. Seine Existenz innerhalb und a u ß e r h a l b des Kasinos ist zwar eine einzige W u n d e von Verlangen nach dieser kontinuierlichen Psychologie, der Psychologie des Herrn, d e r nach der Mahlzeit einen kleinen Schnaps nicht verschmähte und ihn mit einem bescheidenen Witzwort zu sich nimmt, a b e r er findet aus konstitutionellen G r ü n d e n nicht m e h r zurück [ D L / L e l 368].

An dieser Stelle wird Rönne in ein geschichtsphilosophisches Konzept eingeordnet, 1 4 2 dessen darwinistische Grundgedanken in ähnlicher Weise in Kolbenheyers Konzept der >Schwellenzeiten< formuliert waren: »Die naive Vitalität, die auch den psychischen Prozeß bis zu einer in unserem Jahrhundert ziemlich genau angebbaren Stunde und bis zu einem an Thematik ziemlich genau zu beschreibenden Umfang umschloß, trug, durchblutete, durchpulste, reichte für die weiteren Grade der psychischen Sublimierung in Europa nicht mehr aus« [DL/Lel 368f.]. Die Konsequenz ist die Suche nach einem neuen Wirklichkeitskonzept. 143 Wirk-

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Z u m P r o b l e m von Benns geschichtsphilosophischen Ü b e r z e u g u n g e n vgl. B e d a A l l e m a n n 1963, S. 19ff., S.30ff. Wichtig in diesem Kontext w a r e n der Hinweis auf die ästhetische Int e r p r e t a t i o n der Geschichte durch B e n n ( B r u n o Hillebrand 1964, S.425) und die H e r a u s stellung seiner Spengler-Lektüre ( H a n s p e t e r B r o d e 1972, S.749ff.). Vgl. R e i n h a r d A l t e r 1976, S.86ff.; Joachim Vahland 1979, S.40ff. ( B e n n s geschichtsphilosophische Vorstellungen seien »ein einziges D u r c h e i n a n d e r « , S.50); Christiane D e u ß e n 1986, S.76ff.; Michael Jaeger 1995, S.223ff. untersuchte Doppelleben als »Funktion des Geschichtsbildes ihres Autors« (S. 211).

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Die K a t e g o r i e des >Doppellebens< d e u t e t e E r n s t Nef 1958, S. 100, bereits als A b s a g e an die

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lichkeit ergibt sich aus einem idealen Verhältnis von Vitalität und Psyche. Gerät dieses Verhältnis aus der Balance, weil - so die biohistorische Diagnose - die Psyche der Vitalität auf dem Weg der Entwicklung enteilt ist, muß Wirklichkeit neu konstruiert werden. Im Zusammenhang der Überzeugungen von 1933 und 1934 sieht Benn im Lebensweg die Lösung darin, daß Vitalität gegenüber der psychischen Sublimierung Boden gutzumachen hat. Insofern ist es konsequent, im nationalsozialistischen Staat mit seinen Züchtungsvorstellungen die Stätte zu sehen, wo die Gehirne zu den ihnen entsprechenden Eckzähnen kommen. 1 4 4 Auf der Frage nach der Ursache für diese Veränderungen muß Biologie ein weiteres Mal zu begründungsphilosophischen Zwecken herhalten. In Rönne hat die Auflösung der naturhaften Vitalität Formen angenommen, die nach Verfall aussehen. Aber ist es wirklich Verfall? Was verfällt denn? Nicht vielleicht doch nur eine historisch überlagernde, jahrhundertlang unkritisch hingenommene Oberschicht, und das andere ist das Primäre? [DL/Lel 369].

Wirklichkeitszerfall oder auch Wirklichkeitszertrümmerung bedeutet nichts anderes als den Ausdruck für den Vollzug einer solchen Veränderung. Was Benn als zerfallende Wirklichkeit begreift, ist das neuzeitliche Konzept der Wirklichkeit. Es ist die faustische Welt, »die so großartig im cogito ergo sum als souveränes Leben, das seiner Existenz nur im Gedanken sicher war, begann« [DL/Lel 370], und die von der »Ausdruckswelt« [DL/Lel 375] 145 abgelöst wird. »In Pameelen tritt die Frage nach der Wirklichkeit noch direkter auf, noch grausamer, noch bodenloser. Hier ist tatsächlich Zersetzung der Epoche. In diesem Hirn zerfällt etwas, was seit vierhundert Jahren als Ich galt und wahrhaft legitim für diesen Zeitraum den menschlichen Kosmos in vererbbaren Formen durch die Geschlechter trug. Nun ist dies Erbe zu Ende« [DL/Lel 370]. Im letzten Abschnitt des Lebenswegs eines Intellektualisten, Die Lehre, zieht Benn das Fazit: Es gibt keine Wirklichkeit, es gibt das menschliche Bewußtsein, das unaufhörlich aus seinem Schöpfungsbesitz Welten bildet, umbildet, erarbeitet, erleidet, geistig prägt. [...] D i e oberste [Stufe] aber lautet: es gibt nur den Gedanken, den großen objektiven Gedanken, er ist die Ewigkeit, er ist die Ordnung der Welt, er lebt von Abstraktion, er ist die Formel der Kunst [DL/Lel 393],

Wenn Wirklichkeit eine historische Variable ist, die als je nach biologischer Grundlage sich verändernd gedacht wird, muß es auch das Ich sein. Stilisierung und Selektion des Lebenslaufmaterials zu einer Biographie sind keine Fiktionalisierung, son-

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Wirklichkeit. Überlegungen zum Problemkomplex >Wirklichkeit< werden ausführlich diskutiert bei Else Buddeberg 1960/1961, S. 117ff. (ältere Forschung); Peter Michelsen 1961, S.251; Bruno Hillebrand 1966, S.82ff. (im Horizont von Heideggers Philosophie argumentierend); Isolde Ahrends 1995, S. 17ff. »Gehirne muß man züchten, große Gehirne die Deutschland verteidigen, Gehirne mit Eckzähnen, Gebiß aus Donnerkeil.« So heißt die einschlägige Formulierung aus Züchtung (Gottfried Benn 1989, S.242). Vgl. Hanspeter Brode 1972, S.738ff. Vgl. Gerhard Loose 1961, S.33ff.; Steffen Ewig 1973, S.87ff.; Joachim Vahland 1979, S.73ff.; Hermann Kunisch 1984; Andreas Wolf 1988.

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dern notwendig zur Konstruktion der Identität. D e r konstruktive A s p e k t von Wirklichkeit wird deutlich ausgesprochen in der Beschreibung von Pameelens Versuch, »Welt in diese morschen Formen [zu] holen« [ D L / L e l 370]. Z u m alten überlebten Konzept Wirklichkeit gehören »Erfahrung, innere[r] Aufbau, gemütvolle[s] Erleben: eben Persönlichkeit im alten Sinne, Innerlichkeit« [DL/Lel 370], Moral, Politik, Identität sind von diesem Ansatz her perspektivische Fiktionen, die B e n n d e m zerfallenen Wirklichkeitsbegriff zuordnet und als kontingent ansieht. 1 4 6 Sie stehen der »anthropologische[n] Erlösung im Formalen« [ D L / L e l 375] im Weg. Identität als wirklichkeitsindependente Konstruktion muß auf einer tiefer liegenden Ebene begründet werden. 1 4 7 Was aber gehalten und erkämpft werden muß, das ist: der Ausdruck, denn ein neuer Mensch schiebt sich herein, nicht mehr der Mensch als affektives Wesen, als Religiosität, Humanität, kosmische Paraphrase, sondern der Mensch als nackte formale Trächtigkeit. Eine neue Welt hebt an, es ist die Ausdruckswelt. Das ist eine Welt klar verzahnter Beziehungen, des Ineinandergreifens von abgeschliffenen Außenkräften, gestählter und gestillter Oberflächen - ; Nichts, aber darüber Glasur; Hades, aber statt der Fähre Pontons; Unerinnerlichkeit an das letzte Europäische: Primitivität, das sind die kalten Reserven [DL/ Lei 373], Kernpunkt für diesen »Formalismus« [ D L / L e l 392], die Emphase für »die Kunst höchsten Ranges und isolierten Wesens, was gab es denn noch außer ihr?« [DL/ L e i 381] ist das von Benn immer wieder zitierte nietzscheanische Schlagwort, »daß die Kunst alles rechtfertige, das war das Gesetz, das unantastbare ihres Lebens« [DL/Lel 382], 1 4 8 Benn leitet die totale Ästhetisierung aus diesem Satz ab. Identität

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Im Briefwechsel mit Oelze reflektiert Benn diesen Perspektivismus: »Anstelle des Begriffs der Wahrheit u. der Realität tritt ja jetzt der Begriff der Perspective .. >PerspectivismusPerspektivismus< Bruno Hillebrand 1966, S.20ff.

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Vgl. dazu folgende Notiz zu Doppelleben: »Die Kausalität lag nicht immer in Ursache u Wirkung u in den Reaktionen, heute liegt die Kausalität im Kern des Ich; in dessen Ballungen, Krisen u. Verströmungen läge das, was wir Grund nennen, liegt die Existenz das Plastisch-Regulative Verhalten des Lebendigen, seine Metamorphose« (Gottfried Benn 1987ff. Bd. V, S.561). 14 " Nietzsches Satz wird mehrfach als Axiom zitiert; vgl. DL/Lel 383, 391. Zu Benns Nietzsche-Rezeption vgl. Else Buddeberg 1960/1961, S. 151ff.; Gerhard Loose 1961, S. Iff. (Fazit S.33); Bruno Hillebrand 1966 (Hinweis auf zum Teil gravierende Differenzen bei gleicher Terminologie), S. 130ff. (zum >ArtistenevangeliumStatischen< Joachim Vahland 1979, S. 117ff.; G c r l i n d e F. Miller 1990, S. 232ff. »Es ist d e r fast religiöse Versuch, die Kunst aus d e m Ästhetischen z u m A n t h r o p o l o g i s c h e n zu ü b e r f ü h r e n , ihre A u s r u f u n g z u m anthropologischen Prinzip« [ D L / L e l 392]. In der älteren Benn-Forschung ist das Nihilismus-Problem intensiv diskutiert w o r d e n . Vgl. Else B u d d e b e r g 1960/1961, S. 154ff.; G e r h a r d Loose 1961, S.5ff.: Dieter A r e n d t 1969 ( Z u Benn: S.552ff.); H a n s - D i e t e r Baiser 1965; E l m a r Haller 1965, S.63ff.; Walter Hof 1974, S. 260ff.

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Seine Darstellung wird in Schwung gehalten durch formale Tricks, Wiederholungen von Worten und Motiven [...] Herkunft, Lebensablauf - Unsinn! Aus Jüterbog oder Königsberg stammen die meisten und in irgend einem Schwarzwald endet man seit je. [...] Nichts wird stofflich-psychologisch mehr verflochten, alles angeschlagen, nichts durchgeführt. Alles bleibt offen. Antisynthetik. Verharren vor dem Unvereinbaren [DL/DL 471]. D e r Konstruktcharakter von Biographie als solcher tritt deutlich hervor. Aufgrund der Tendenz zur Statik stehen Entwicklung oder Bildung, teleologische Formen der Gesamtgestalt des Lebens nicht zur Verfügung. Darstellungstopoi der Autobiographie wie Kindheits- und Jugendgeschichte, Beschreibung der Heimat, Ausbildungsgang, prägende Orte und Begegnungen des Lebens werden auf das bloße Gerüst reduziert. 1 5 3 Konstruktion in B e n n s Sinn ist allerdings keinesfalls arbiträr, denn die einzelnen Komponenten, aus denen das Ich geformt wird, sind nach wie vor v o m Material her vorgegeben. 1 5 4 Gewisse Informationen über die Herkunft fordert allein schon der biologistische Ansatz, der die Grundzüge des Ich auf Vererbung und Züchtungsmilieu zurückführt. »Was also das Genealogische angeht, stamme ich von Seiten meines Vaters aus einem rein arischen, und was das Geistig-Züchterische angeht aus einem Milieu, in dem seit über hundert Jahren die protestantische Theologie ihre Stätte hatte.« Das protestantische Pfarrhaus ist das Züchtungsmilieu der »Kombination von denkerischer und dichterischer Begabung, die so spezifisch für das deutsche Geistesleben ist und in dieser Prägung bei keinem anderen Volk vorkommt« [DL/Lei 358f.].155 Aus den biologischen Voraussetzungen ergibt sich die Traditionsanbindung. Im Züchtungsmilieu werden die idealen Bedingungen angesiedelt, die zur Umsetzung der genetisch gestellten Aufgabe taugen, die Benn mit Scndungsbewußtsein als seinen Lebensauftrag formuliert: Zu solchen Zügen rechne ich vor allem den, eine besondere geistige Problematik eingeboren erhalten zu haben und sie nach eigenen Formen und selbstverantwortlich das Leben hindurch zur Darstellung bringen zu müssen, also diese sowohl protestantischen wie kunstbedingenden Züge, sie gehören nach meiner Meinung zur Tradition des Deutschtums, dieser spannungsreichsten Welt, dieser äußersten Vielfalt, diesem geniereichsten Element des Nordens, der einzigen dämonisch-metaphysischen Ergänzung der Mittelmeerwelt [DL/Lel 356].

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Von daher gehen Vorwürfe faktischer Ungenauigkeiten oder der Selektion bei aller sachlichen Richtigkeit an Benns Text vorbei. Vgl. Peter de Mendelssohn 1953, S.256ff.; Kurt Schümann 1957, S.7f.; Christiane Deußen 1986. Das Grundproblem formuliert die folgende apologetische Bemerkung aus dem Material zu Doppelleben: »Es ist das Recht jedes Individuum, in den Kategorien zu denken, die ihm aus der biologischen, historischen, kulturellen Lage einverleibt sind, es ist nicht seine Pflicht, in den Kategorien zu denken, in denen die vor ihm dachten u die gegenwärtigen die Zukunft zu denken für angemessen u wünschenswert halten« (Gottfried Benn 1987ff. Bd. V, S.560). Vgl. zur Kategorie des Pfarrhauses im Anschluß an Benn Robert Minder 1962; Albrecht Schöne 1968. 153

Rahmen für die Konstruktion des Ich ist Angeborenes, das als biologische Notwendigkeit verwirklicht werden muß, wobei die je gewählte Art und Weise disponibel ist. Ein weiterer Haltepunkt ist das Verhältnis zum Jahrhundert. Wer »nicht durch die naturwissenschaftliche Epoche hindurchgegangen war, konnte nie zu einem bedeutenden Urteil gelangen, konnte gar nicht mitreifen mit dem Jahrhundert« [DL/ Lei 362]. Das Individuum und das Jahrhundert stehen in einem Bezug zueinander. Das ist ein Axiom, das nicht als wechselseitiges Bedingungsgefüge gedacht wird, sondern als radikale Trennung, die Anpassungsdruck erzeugt. Dem liegt eine entsprechende paläoanthropologische Konzeption zugrunde. Noch der Mensch des 20. Jahrhunderts ist »der dicke, hochgekämpfte Affe« [DL/Lel 381]. Schon in grauer Vorzeit war der Mensch Intellektuellst. Ein ziemlich ungeschütztes Wesen aber, dieser Vorfahr, die Haare fielen ihm auch noch aus, als er aus dem Quartär trat und rings um ihn die riesigen Echsen, er aber hatte nichts als die Waffe des Bewußtseins: den Gedanken, die sich sammelnde Erfahrung: den Begriff [DL/Lel 387],

Denken gehört zur anthropologischen Grundausstattung, ist »arthaftes Prinzip« [DL/Lel 384]. Der Begriff »schied Welt von Chaos, trieb die Natur in die Enge, schlug die Tiere, sammelte und rettete die Art« [DL/Lel 387]. Die Konstruktion des Ich ist erforderlich, weil der Mensch »nur ein halbgelungenes Wesen, ein Entwurf« [DL/Lel 393] geblieben ist. Das ist der Stand der Dinge von 1934, der in der Publikation des Jahres 1950 über die Einordnung in den Gesamttext Doppelleben repräsentiert ist. Die zweite Selbstdarstellung, die dem Buch den Gesamttitel gegeben hat und schon dadurch als hierarchisch übergeordnet ausgewiesen ist, präsentiert im Verhältnis zum Lebensweg ein komplexes Ineinander von Distanzierungen und Anknüpfungen. Die Vorstellung vom Konstruktcharakter des Individuums bleibt erhalten, es wird nun nur »mit anderen Notwendigkeiten aufgefüllt]« [DL/DL 463]. »Der bisherige Mensch ist zu Ende, Biologie, Soziologie, Familie, Theologie, alles verfallen und ausgelaugt, alles Prothesenträger« [DL/DL 470], Die Lage hat sich demzufolge nicht nur gehalten, sie hat sich verschärft. Die auf Distanzierung hinauslaufenden Elemente haben ihren gemeinsamen Zielpunkt in der im Lebensweg formulierten Überzeugung, eine Lösung des Epochenproblems gefunden zu haben. Aber in den zentralen Problemstellungen bleibt die Kontinuität gewahrt. Das Konzept des >Doppellebens< ist der zweite Versuch einer Problemlösung nach dem gescheiterten Syntheseversuch von 1934. 156 Oelze gegenüber hat Benn darauf verwiesen, daß er »von Neuem zu den Fragen Staat und Macht u.sw. Stellung [nehme] und [...] sie zu den Fragen [rechne], die wir auch

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Das Verständnis des Lebenswegs als synthetisch, des Doppelleben-Teils als analytisch ist ein Topos der Bennforschung. Vgl. dazu Ernst Nef 1958, S.64f.; Peter Michelsen 1961, S.251; Oskar Sahlberg 1977, S.107ff.; Joachim Vahland 1979, S.24f.; Michael Jaeger 1995, S. 220f.

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heute genau so wenig beantworten können wie damals«. 157 Diese Kontinuität der »Probleme, Fragen, innere[n] Schwierigkeiten, die auch heute noch für uns alle akut sind« [DL/DL 399], bietet die Rechtfertigung für das Festhalten an den zentralen Überzeugungen. Benn präsentiert in der zweiten Selbstdarstellung keine andere Biographie, macht nur in Details Zugeständnisse. 158 Nicht erledigt hat sich die Selbstbeschreibung als Intellektuellst [vgl. DL/DL 463]. Ebenso bleibt die Dezision als Prinzip erhalten. »Wenn Dinge sehr lange gedacht werden, fallen sie ins Nichts. So die Dinge der Macht und des Geistes, der Ordnung und des Chaos, des Staates und der Freiheit. Man muß anhalten, sonst fällt man selber mit« [DL/DL 408]. Die Diagnose des Wirklichkeitszerfalls ist nach wie vor korrekt. Das >Doppelleben< ist der neue Lösungsversuch Benns. Hier konnte er auf Ansätze zurückgreifen, die schon der Lebensweg enthalten hatte. Im »Jahr meiner aktiven Offizierszeit erschien mein erster Gedichtband« [DL/Lel 363] Morgue. Ein Doppelleben liegt da schon vor im Auseinanderfallen von gelebtem Alltag - den Regimentsübungen in der Uckermark - und gesellschaftlicher Person mit dem »Ruf eines brüchigen Roues [...], eines infernalischen Snobs« [DL/Lel 363]. In der zweiten Selbstdarstellung wird das Doppelleben ausgebaut zur adäquaten Existenzweise der Moderne. Wesentlich für das konstruierte Ich ist nunmehr, daß bis auf wenige Ausnahmen sämtliche Selbstbeschreibungselemente des konstruierten Ich Denkpositionen und Perspektiven bezeichnen. 159 »Ich habe es nicht weiter gebracht, etwas anderes zu sein als ein experimenteller Typ, der einzelne Inhalte und Komplexe zu geschlossenen Formgebilden führt, der unter Einheit von Leben und Geist nur das gemeinsame sekundäre Resultat verstehen kann: Statue, Vers, hinterlassungsfähiges Gebilde - ich gehe das Leben an und vollende ein Gedicht« [DL/ D L 442f.]. Offensichtlich ist der Perspektivismus des Ich vor allem in Block II, Zimmer 66, wo es ohne Involviertheit als reine Beobachtungsposition gestaltet ist. 160

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A n F.W.Oelze, 20.12.1949; Gottfried Benn 1979-1982. Bd. II, S.276. Immerhin erzählt Benn in den ersten drei Abschnitten von Doppelleben sein Verhalten in der ersten Zeit des Dritten Reiches auf der Basis des Wirklichkeitsbegriffs des ^.Jahrhunderts und versteigt sich sogar dazu, im Abschnitt 8 Noch einiges Private mitzuteilen. Mit einem gewissen Bedauern urteilt Bruno Hillebrand: »Der Dichter ist nicht auf der H ö h e seines Stils, wenn er autobiographisch sich in Raum und Zeit bewegt« (Bruno Hillebrand 1986, S. 72).

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»Das, was in mir dachte, bewegte sich in einem eigenen Raum; das, was von mir lebte, war innerhalb des mir zugewiesenen Milieus entgegenkommend, von guten Formen und aufrichtig kameradschaftlich. Das, was dachte, war ohne Falsch, es frug niemanden aus, e s frug in niemanden etwas hinein, es trat überhaupt nicht in Erscheinung, es war gelassen, konnte es sein, so sicher war es, daß es Recht hatte und die Wahrheit besaß gegenüber allen Lebensfakten innerhalb der von uns gemeinsam bevölkerten Kaserne« [ D L / D L 4 4 2 ] .

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D i e einzigen das Ich thematisierenden Passagen betonen die Beobachtungs- und Reflexionshaltung: »Obschon es keine große geistige Welt erschließen konnte, versuchte ich, in meine Umgebung mit Aufmerksamkeit einzudringen.« [ D L / D L 433]; »Ich habe Zeit zum Lesen.« [ D L / D L 440]; »Ich stehe am Fenster von Zimmer 66, der Kasernenhof liegt in einem grauen Licht, ein Grau aus den Flügeln von Möven, die in alle Meere tauchten« [DL/ D L 441],

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Das >Ich< verharrt in seiner Außenstellung und bleibt in der Kasernenwelt von Landsberg ein Fremder. 1 6 1

3.2.1.2. >Haltung, Form, Geschlossenheit^ Leben als selbstgeschaffene Form (Otto Flake) Otto Flake hat in Es wird Abend die perfekte Erfüllung eines historiographischen Idealtyps autobiographischen Erzählens angestrebt. Um »die Voraussetzung der Geschlossenheit« 162 zu erfüllen, arbeitete er nach der 1960 erfolgten Veröffentlichung des Buches an einem letzten Kapitel, das die Lebensgeschichte bis zum 23. Oktober 1963 fortführt, also bis etwa zweieinhalb Wochen vor seinem Tod. 1 6 3 Der Text ist streng chronikalisch aufgebaut 1 6 4 und als faktenorientierter Lebensbericht konzipiert, ohne »Beschönigungen, Umbiegungen oder gar Fälschungen [ . . . ] dieser Versuche enthielt ich mich nach bestem Wissen« [EwA 572]. Flakes im Hinblick auf Referentialisierkeit sorgfältig gearbeitete Autobiographie entfaltet mittels einer Vielzahl exakter Zeit- und Ortsangaben ein Itinerar seiner immensen Mobilität. Die zentralen Erzählstränge sind historische und Landschaftsbeschreibungen, Liebesgeschichten, Porträts und die wechselvolle Geschichte der schriftstellerischen Laufbahn. Existentielle Problematisierungen des Ich wird man ebenso vergeblich suchen wie die Darstellung von Identitätsproblemen. Der Erzähler von Es wird Abend erzählt von der Warte des souveränen Subjekts aus. 165 Flake sieht im Selbst »den höchsten Wert von allen« [EwA 341], 166 Aus diesem Grund ist für ihn der »Sinn der Begegnungen mit dem Leben [...] die Selbstbehauptung« [EwA 572; vgl. 582]. Das Sinnbild seiner Biographie zeigt die Beschreibung eines Waldstücks: »vor ihm ragten die Fichtenindividuen, die sich frei nach allen Seiten entfalteten. Vielleicht wurden auch sie von denen angefeindet, die dahin-

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Vgl. Reinhold Grimm 1962, S.74: Benn - nicht etwa die Zentralfigur des Doppellebens sei ein »asozialer Mensch schlechthin«. Im Gegensatz dazu führt Jürgen Schröder 1978, S. 113, Benns Bekenntnis zum Nationalsozialismus 1933 psychologistisch zurück auf dessen »lang zurückgestaute[n] Sozialisationstrieb«. Otto Flake 1927, S.308. Das letzte Kapitel konnte bruchlos der Taschenbuchausgabe von Es wird Abend angefügt werden. Vgl. Otto Flake 1980, S.588ff. Nur gelegentlich finden sich Vorausdeutungen. Bsp.: auf Hitler EwA 78; auf die Inflation EwA 153. Vor allem im Vorfeld der nationalsozialistischen Diktatur häufen sich Vorausdeutungen auf schlimme Zeiten; vgl. E w A 431ff. Zum Konzept des Souveränen Menschen< in der philosophischen Essayistik Flakes vgl. Willi Michael Farin 1979, S.69f. In einem Essay von 1935 führt er aus: »Der Einzelne empfängt seinen Sinn nur aus dem Ganzen, und wenn dem Ganzen der Sinn abgesprochen wird, bleibt ein scheinorganisiertes Chaos übrig« (Otto Flake 1935, S.311). Angesichts der Konzeption von Es wird Abend dürfte dies ein Zugeständnis an die Volksgemeinschaftsideologie sein.

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ter beengt in der Gemeinschaft standen« [ E w A 388], 1 6 7 Das erzählte Leben ist mit wenigen genau bezeichneten Ausnahmen an eigenes Erleben und an Erinnerungen gekoppelt. Merkmal des Erzählstils ist ein sachlich-nüchterner Duktus, der Zustände psychischer Affiziertheit aus der Erzählung ausschließt. 1 6 8 D i e Jugendgeschichte Flakes ist als erzählerische Entfaltung von Identität konventionell aufgebaut. D i e Lebensgeschichte der Elterngeneration wird auf für die erzählte Figur relevante Charakterisierungselemente beschränkt, etwa »das »entschieden dichterische Talent< dieses Onkels meiner Mutter, [...] ein Hinweis auf den Erbgang, soweit es meine eigene Begabung angeht« [ E w A 9], Solche genealogische Erklärungen sind am Vorbild G o e t h e s ausgerichtet. 1 6 9 Wie Benn beschreibt sich auch Otto Flake als Erbe von Gegensätzen. Die Substanz der Mutter war stärker als die des Vaters, des moderneren und problematischeren Menschen. Ich nehme an, daß meine philosophische Anlage von ihm, der dichterische Sinn, der die Einzelheit erfaßt, von der Mutter stammt. Die Neigung zum Allgemeinen und die zum Einzelnen schließen sich nicht aus, kommen einander aber leicht in die Quere - zunächst immer. Bei mir ergab sich ein stürmisches Gemisch, das mich zwang, in großen Gegensätzlichkeiten zu denken [EwA 10f.]. D i e antinomische A n l a g e bleibt als Identitätsbestandteil erhalten und findet sich in vielfacher Variation wieder [vgl. E w A 71]. Sie ist eine Grundüberzeugung des Essayisten Flake. Jahrelang hat der Begriff der Souveränität eine große Rolle in meinem sich formenden Denken gespielt. Souveränität ist ein Wort, das den Mund ausfüllt; mit zweiundzwanzig schreckt man, im Hochgefühl der Entdeckung, vor den tönenden Worten nicht zurück. Wertvoller und nachhaltiger war ein ins Philosophische führender Begriff, den ich als eine erste Offenbarung empfand, als er bei einem Gang durch die Altstadt dem Haupt des jungen Menschen entsprang: Aufhebung. Man mußte jede Wertung und jede ihr zugrunde liegende Idee aufheben, zurücknehmen, dämpfen, da es ja auch die entgegengesetzte Wertung und die Gegenidee gab. Jede Idee - des Mitmenschen zum Beispiel - konnte, soeben noch positiv, zur Gegenidee werden, wodurch der positive Charakter an diese - den Egoismus zum Beispiel - überging. Ich war dem so schwer faßlichen Wechsel der Vorzeichen auf der Spur und fand schon früh den Satz, den ich später philosophisch ausbaute: Die Ideenpaare sind gekoppelt [EwA 90].

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Dazu teilt Flake einmal folgenden Kommentar mit: »In der Bibliothek des Schwagers fand ich die Exemplare des Ruland mit eines Lesers Schlußnotiz: Götzendienst an seinem Selbst, Orgie des Egoismus« [EwA 376]. Eine selbstdefinierende Geschichte enthält die Absage an die öffentliche Formulierung von Gefühlen, die auch die öffentliche Gattung Autobiographie betrifft. »Die stärkste Erregung meiner Kindheit kam über mich - ein Haß gegen Sentimentalität angesichts der Männermünder, die sich so komisch höhlten und spitzten. Man trug Gefühle, die nur persönlich sein durften, nicht so öffentlich vor; man tat sich einfach nicht in Vereinen zusammen, ich schämte mich« [EwA 21]; vgl. auch EwA 193f. Deutlich wird das an der Charakteristik Rene Schickeies: »Temperament und Intellektualität hatte Schickele vom Vater, Begabung und Gefühlslage von der Mutter« [EwA 82]. 157

Die erzählte Figur ist - wie nicht anders zu erwarten - Individualist und Außenseiter in einem spezifischen Sinn; jemand, »der in den verschiedenen Lagern lebte, ohne in ihnen Wigwam und Interessen zu haben, ein für allemal; mehr ein Gast als ein Ansässiger; vorbehaltlich weniger durch die Unruhe des Geistes als durch die Einsicht, daß in keiner der Klassen die Wahrheit zu finden sei« [EwA 207]. Solche geradezu definitorische Selbstbeschreibung hat ihre Genese. Die Abneigung gegen den wilhelminischen »Vereinsgeist« [EwA 11] ist das früheste Symptom einer Lebensweise, die seit dem Selbstmord des Vaters dazu führt, daß die »vollbeschäftigte Mutter, die jeden Umgang mied, und ich [...] in keinem Beziehungsnetz [lebten]. Beziehungslosigkeit dürfte die treffendste Bezeichnung für diesen Zustand sein« [EwA 18f.]. >Beziehungslosigkeit< bleibt die zentrale Erfahrung und Lebensweise der Jugendgeschichte. 170 Sie führt zu Frontstellung der erzählten Figur »allein gegen die Allgemeinheit« [EwA 22], Kennzeichnend für Flakes Erzählweise ist der essayistische Stil, der einzelne Erlebniselemente und Erfahrungen in Selbsterklärungen überführt. In anderen Familien erfährt ein Kind dadurch, daß es in einen Mikrokosmos eingeordnet wird, ohne Bewußtheit und Nachdenken das Wesentliche vom Zusammenhang, in dem ein Bürger, ein Beamter, ein Kaufmann stehen. D i e Familie ist neben anderem auch die Erzieherin zum praktischen D e n k e n [EwA 18].

Die soziale Komponente der Identität ergibt sich aus der unbürgerlichen Sozialisation. Die Jugendgeschichte stellt sich als Beschreibung einer Freigesetztheit dar, die als Abkehr von Religion, Familienbindung, Gesellschaft und Staat zum Ausdruck kommt. Alle Institutionen sind unfähig, Inklusion zu ermöglichen. »Bürokratismus, Kontrolle, Lenkung - diese unheimliche Trinität, negativer Aspekt des sozialen Gedankens - erschreckten mich und waren mir verhaßt« [EwA 365]. Eine Bekannte charakterisiert seinen Standpunkt so, »daß man (wie ich es ausgedrückt hatte) nur dann mit dem herrschenden Gesellschaftssystem identisch sein könne, wenn es die Forderungen schütze, die der persönliche, an Freiheit, an Würde gewöhnte Mensch stellen müsse« [EwA 204]. Aus dieser Distanz kann der Erzähler die Nüchternheit der erzählten Figur angesichts der allseitigen Emphase von 1914 begründen. »Die jungen Menschen legten den Faust oder den Zarathustra in ihre Tornister und suchten, da sie Deutsche waren, Identität mit den im Staat gültigen Ideen, mit der Idee des Staates selbst. Statt Identität zu suchen, kann man auch das Ganz-Andere ins Auge fassen; diese beiden Haltungen sind möglich« [EwA 225]. Das Selbstbeschreibungselement »beziehungslos« [EwA 465] ist eine stabile Komponente der Biographie, grundsätzlich eher positiv verstanden, aber auch mit

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Beispiele: »Die schlechten Noten in der Mathematik, in der Chemie und Physik bewirkten, daß die Gesamtnote sich verschlechterte, und - ich kehre zur Beziehungslosigkeit zurück der junge Mensch geriet mehr und mehr in einen Zustand der Freiheit, der ihn gleichgültig machte gegen den Anstaltsgeist« [EwA 19]; »Die erste Freundschaft dauerte nicht lange; der junge Mann hatte ein sehr positives Verhältnis zum Religiösen; meines war weniger negativ als unexistent. Ich wuchs auch in dieser Hinsicht so beziehungslos oder unbefangen heran, daß man fast von einem antiken Zustand sprechen könnte« [EwA 20f.].

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negativen A s p e k t e n ausgestattet. Beziehungslosigkeit ist die notwendige Folge des Gegensatzes zwischen dem Verfechter des Individuums und der kollektivistischen »Epoche des Massenmenschen« [ E w A 305]. Flake sieht sich in den öffentlichen D e batten der Weimarer Republik in der Mitte. In der öffentlichen Wahrnehmung erhält er die »Etikette [...] Individualist, der sich nicht einzuordnen versteht« [ E w A 406], angeheftet [vgl. E w A 330, 398f„ 437f.]. D i e Verhältnisse im Dritten Reich beschreibt Flake als Verschärfung des gewohnten Außenseitertums zur Isolation. 1 7 1 D i e Letztbegründung für die Notwendigkeit, Identität und Biographie v o m Individuum her zu konzipieren und nicht von inklusionsfähigen R a h m u n g e n auszugehen, bietet eine ins Kosmologische ausgeweitete Reflexion über die absolute Freigesetztheit des Menschen in der Welt. 1 7 2 Mir schien, wir hätten ganz falsche Vorstellungen vom Sicheren. In einer Zeitung las ich von einem neuen Stern erster Klasse, der im Adler plötzlich aufflammte. In Wahrheit hatte dieses Ereignis sich vor hundertachtundvierzig Jahren vollzogen: 1770, als Goethe in Sesenheim Friederike erblickte. Ein Stern erster Klasse - wenn eines Tages die Erde aufflammte, nahm man irgendwo im Kosmos den Vorfall als den Untergang eines Sternes fünfter Klasse wahr, vierhundert Jahre später. Sicherheit - auf der erkalteten Oberfläche eines glühenden Planeten, der den Raum durchraste, gab es nicht. Was hieß Boheme, was Bürgerlichkeit - es waren Kategorien für die Familienzeitschriften [EwA 266]. Das Individuum ist als freies Individuum konzipiert. 1 7 3 Identität aber bedarf der Bestimmungen, der Grenzen und Merkmale. Freiheit ist zwar Wert, aber zugleich leere Kategorie, »Selbstzweck, ohne benennbare Inhaltlichkeit« [ E w A 20]. 1 7 4 Trotz dieser Ausgangslage erzählt der achtzigjährige Flake souverän die G e n e s e seiner Identität. D i e s ist möglich aufgrund der Vorstellung von einem festen Selbst als Resultat einer Setzung. 1 7 5 Eine selbstdefinierende Episode wird mit den Worten eingeleitet: »Gewisse Haltungen standen von allem A n f a n g an in mir fest« [ E w A 21].

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»Aus Berlin hörte ich, daß der Verkauf der Verlages, das heißt die Auszahlung von Frau Fischer, bevorstand und daß man im Propagandaministerium immer wieder Bedenken gegen mich äußerte. Auch in Baden waren die offiziellen Leute mir nicht gewogen. Schrieb ich etwas wie Schönbärbel, das hätte zusagen müssen, so ignorierte man. Ich lag falsch im Rennen - ich lag falsch mein Leben lang, in diesem Land« [EwA 481]. Zu Flakes Beziehungen zum S. Fischer-Verlag vgl. Peter de Mendelssohn 1970, S.624ff. Über Flakes Existenz im Dritten Reich ist außerhalb seiner Autobiographie wenig bekannt. Sein Buch über de Sade war als Pornographie indiziert (vgl. Dietrich Aigner 1971, S. 1000); wie andere hatte er das Treuegelöbnis für Hitler unterschrieben (vgl. Joseph Wulf 1986, S. 112f.). Im Kontext der Erforschung der Inneren Emigration spielt sein Name nur eine geringe Rolle.

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Zu den Grundlagen von Flakes philosophischer Begrifflichkeit vgl. Willi Michael Farin 1979, S. 56ff. Individualität ist eine Elementarkategorie. Bsp.: »Jede Familie ist etwas Einmaliges, ein spezifischer Kosmos, in einen eigentümlichen Dunst gehüllt« [EwA 56]. Vgl. dazu auch die Erzählung vom Ausreißversuch des Jugendlichen. »Die Mutter, die Schule, das Bekannte war versunken, das Ferne lockte, ebenso inhaltlos« [EwA 29]. Zur Bedeutung der Setzung für Flakes Denken vgl. Willi Michael Farin 1979, S.59.

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Flake verwendet selbstdefinierende Geschichten nicht ätiologisch als Ausgangspunkte identitätsbildender Erfahrungen, sondern als Ausdruck der Natur des Individuums. Es gibt eine biologische Grundausstattung identitätsdefinierender Haltungen ohne Genese. »Wie einer spezifisch reagiert, das regt sich früh« [EwA 14]. Nichts kann seltsamer sein als die Sicherheit in den Empfindungen eines Kindes - verwikkelte, auf eine Weltanschauung geradezu bezogene Empfindungen. Woher hat es sie? Eine bestimmte Art zu reagieren, das ist unser Charakter. Oder wenn man den Begriff des Charakters dem Verhältnis der ethischen Ideen zu den egoistischen vorbehalten will: eine bestimmte Art zu reagieren ist unser Naturell. An ihm wiederum sind wir nicht beteiligt, seine Formung erfolgt vorgeburtlich und ist das Ergebnis einer Konstellation der elterlichen Naturelle. D a s Naturell kann man nicht erwerben, es ist Gnade oder Fluch, in jedem Fall die schicksalbestimmende Macht [EwA 22].

Erst von diesem Ausgangspunkt her kann das atomisierte und autonome Individuum positiv bestimmte Identität haben. Flake weist allerdings schon frühzeitig darauf hin, daß der feststehende Charakter 1 7 6 nicht von sich aus zum gelingenden Leben führt. Wenn aber jedes Individuum autonom ist, stellt sich das Problem des Gelingens von Gesellschaft besonders scharf. Flakes erste Beschreibung einer Stadt führt die zentrale Kategorie der Form ein. Beleuchtung und erhöhtes Treiben sprachen mich seltsam an; eine unbekannte Empfindung regte sich, betreffend etwas Schönes, etwas Fieberndes, das soziale Wesen einer Stadt. D a s flöß wie aus einem Füllhorn, an der Stelle, wo die Schlüsselstraße aufhörte und jenseits eines Plätzchens ein anderes Füllhorn, die Schädelgasse, entgegenlag. Ich habe einen starken Raumsinn und sehe in Linien, Kurven, Anhaltspunkte gern phantasiemäßige Gebilde hinein [ E w A 13].

In dieser Erinnerung wird ein ästhetischer Sinn als Charakteristikum herausgestellt; als anthropologische Konstante mit einer passiven Seite, der Anschauung, und einer aktiven Seite, der Formgebung. »[W]ir fassen Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, zusammen und halten es so auch mit den Sternbildern« [EwA 283]. Er hat für den Menschen eine zentrale Funktion als »Abneigung gegen das Gewöhnliche, das als das Laute und Breite auftritt. Es ist ein aristokratischer Sinn, der für die Form, die den Menschen zusammenhält« [EwA 11]. Adel ist für die Lebensführung, was Form für die Ästhetik ist. Allerdings bedarf der Formbegriff 177 im Verlauf der Biographie der inhaltlichen Füllung durch Werte. Die »Begriffe, die Ideen, die Haltungen [müssen] dem jungen Menschen erst zuwachsen« [EwA 262], Form steht dem Zerfall des Menschen wie der Gesellschaft entgegen. Das betrifft den Zerfall von Identität, ist aber auch als grundlegene anthropologische Aussage gemeint. In seinen Auswirkungen auf die Lebenspraxis vergleichbar mit dem Adel ist der »Glauben, der einen Maßstab, ein Kriterium gibt, der quer durch die Lager und Schichten und Klassen geht. Wer ihn

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Zum Begriff des Charakters vgl. Willi Michael Farin 1979, S.69ff. Charakter bedeutet für Flake die >Wahl einer FormProblem des Sich-Selbst-Formgebens< ist nach Ausweis der philosophischen Essays das Hauptthema Flakes. Vgl. Willi Michael Farin 1979, S.21.

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hat, ist nie Außenseiter im gefährdeten Sinn, er besitzt einen Halt, und Halt wiederum verleiht Haltung« [ E w A 207], Form ist nicht nur eine abstrakte Kategorie, sondern handfest bezogen auf das soziale Leben. Aus diesem Grund ist Flake wichtig, den Ankauf des ersten Maßanzuges mit selbstverdientem Geld zu vermerken [vgl. E w A 51]. 1 7 8

Überhaupt

schenkt er der finanziellen Grundlage seiner Existenz eine im Gattungskontext der Zeit auffällige Aufmerksamkeit. Für nahezu jedes Jahr werden die Einnahmen der schriftstellerischen Tätigkeit vermerkt und als Gradmesser der Lebensqualität bewertet. 1 7 9 »Geld war für mich das Mittel, meine Unabhängigkeit zu sichern« [ E w A 334]. 1 8 0 Mittels des Formbegriffs werden die einzelnen Komponenten des Lebens konstruiert. Die Jugendzeit wird biographisch segmentiert als Zeit ohne Form. Mit dem Abitur glaubte Flakes Mutter »das Schwerste überwunden; aber es dauerte noch lange, bis mein Leben eine Form erhielt, und sie entsprach nicht der von ihr erwarteten« [ E w A 67]. Entsprechend ist das mehrfach formulierte Lebensideal aus der souveränen Identität abgeleitet. »Durch die Jahre war mein Ideal gewesen, eine eigene Wohnung zu haben und mein eigener Herr zu sein, sichergestellt, unabhängig, zu Verkehr, Reisen, Eindrücken bereit« [ E w A 139]. D e r Formbegriff als primär ästhetische Kategorie integriert den »dichterischen Trieb[]« [ E w A 83] und den Erzählstrang, der dem Schriftsteller Flake gewidmet ist, in die Biographie. Erst Distanzierung, soviel verdeutlicht eine späte Begegnung mit einem ehemaligen Schulkameraden [vgl. E w A 152f.], ermöglicht Schreiben und damit Formgebung. » D e r Wille zur Darstellung, zur Form, zum Abstand, zur Bewältigung war ein Faktor für sich, der zum Gefühl hinzutreten mußte« [ E w A 517]. »Haltung, Form, Geschlossenheit« [ E w A 194] eines Lebens sind Bedingungen unterworfen. Qualitative Begriffe wie Harmonie und Zufriedenheit werden immer dann ins Spiel gebracht, wenn von Gefährdungen zu berichten ist. Ein Beispiel dafür ist der Hinweis auf die »Unharmonie« [ E w A 9] bei den Verwandten der Vaterseite. Dieser Bedrohung von innen gesellt sich vermittelt über eine selbstdefinierende Geschichte die Einsicht in äußere Bedrohungen hinzu. D i e Sensationen eines Panoptikums werden wie folgt kommentiert: Man schaute durch große runde Gläser und erblickte plastische Bilder von Erdbeben oder die halbnackte Frau, die von einem Pavian ins Gebüsch geschleppt wird, oder das Kind, das auf dem unterhöhlten, kreidigen Montmartre einbricht und zu den Ratten in die Kanäle hinunterstürzt. Diese Geschehnisse erregten mich, weil sie sich mit unbestimmten Vorstellungen von elementarer Katastrophe und elementarer Gewalttat verbanden. E s war die erste Ahnung, daß es wilde, böse Dinge gibt, gegen die sich das Gefühl für Ge-

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Die Bedeutung eines Anzugs ergibt sich aus der Wiederholung: »Vorerst genoß ich jenes Ideal der Sicherheit und Unabhängigkeit. Ich hatte Anzüge nötig und konnte sie mir kaufen« [ E w A 140].

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Als Beispiel sei zitiert: »Ich war als Schriftsteller eingeführt, und Kürschners Literaturkalender schickte mir Aufnahmebogen. 1907 hatte ich 4 7 0 0 Mark eingenommen, 1908 waren es 5600, 1909 stiegen sie auf 6600« [ E w A 147].

™ Z u r Betonung des finanziellen Aspekts vgl. Sabine G r a f 1992, S. 164ff.

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rechtigkeit empört. Ich bemühte mich, die Ausnahme darin zu sehen, und wußte doch nicht recht, wie es mit der Wirklichkeit bestellt sein mochte. Einmal wird man im Leben erstmalig auf die Bedrohung der bürgerlichen Anschauungen, die Harmonie der Welt betreffend, aufmerksam, und ich erinnere mich an diesen Augenblick [EwA 29]. Harmonie ist kein selbstverständliches Element v o n Welt- und Selbstordnung, sie muß g e g e n störende Einflüsse von außen in bewußten Handlungen gestiftet werden. Form übernimmt dabei die Funktion der Stabilisierung. D a s Panoptikum läßt Form als sowohl fragile wie stets notwendige Bändigung destruktiver Kräfte erscheinen. 1 8 1 Flake ist weit entfernt davon, Verfechter der Psychoanalyse zu sein, er teilt aber mit ihr zentrale anthropologische Vorstellungen über den »Mensch[en], das krause und unheimliche Geschöpf« [ E w A 149]. D i e Fastnacht am Oberrhein deutet er gewissermaßen dionysisch als »Rückfall in eine andere Daseinslage, eine in tiefere Schichten reichende Entfesselung. Ich sehe noch den fast gewalttätigen Zug von maskierten Horden, der sich durch die Kopfhausgasse und Schlüsselstraße wälzte, v o n einer Gemeinschaftsekstase erfaßt, die etwas Bacchantisches oder auch Mittelalterliches hatte« [ E w A 60]. Solche orgiastischen Ausbrüche können als plötzlich auftretende Epochenphänomene Scheinstabilität anzeigen. 1 8 2 Überhaupt bietet die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts für Flakes schwarze Anthropologie hinreichend Belegmaterial. » D e m Antisemitismus begegnete man überall; er war an das Auftreten der Juden so untrennbar gebunden wie der Schatten an die körperliche Gestalt. Er stellte eine reine Erfahrungstatsache dar; seine Theorie führte zuletzt zur Einsicht, daß der Mensch d e m Menschen unsympathisch ist« [ E w A 261]. Deutlich genug werden zeichenhaft Ausbrüche der »Urgefühle in uns« [ E w A 422] beobachtet. Im benachbarten Hotel zur Kaiserin Elisabeth waren werdende Mütter untergebracht. Erging ich mich auf der Moltkestraße, so kamen sie mir in Reihen entgegen: über der Leibesfrucht wölbte sich verkürzt der Rock. Ich konnte nicht umhin zu denken, daß da die künftigen KZ-Wärter, Gefolgsleute, Polizisten ausgetragen wurden, Massenprodukt und Wurf. An einem Nachmittag bei Rumpelmayer entsetzte ich mich Uber die Häßlichkeit, die

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»Von der Erscheinung, dem Menschen, kann nur eine relative Identität mit sich erreicht werden, denn der Mensch ist fortwährend den Erregungen unterworden. Sich eine Form zu geben, indem man eine Achse wählt, um die die Erscheinung >rotieren< kann, sei die beste Methode, im Wirbel der Erregungen nicht unterzugehen« (Willi Michael Farin 1979, S.66; vgl. S.65ff.). Farin paraphrasiert eine Bestimmung aus Flakes Schrift Pandämonium (1921), sie ist bis auf das Bild der Rotation übertragbar, das in Es wird Abend nicht vorkommt. Exemplarisch dafür sieht Flake die stabile Zeit der Weimarer Republik nach der Inflation: »Die Frage der Unterkunft und der Lebensform hatte das Bedrängende verloren. Vier Jahre Krieg, fünf Jahre Nachwirkungen und Inflation - die Wunde schien sich zu schließen und die Welt zum Frieden, zur Arbeit zu finden. [...] Zwar erzählte mir ein Münchner Sammler, wie im Fasching dieses Jahres die Mädchen aus den bürgerlichen Familien geradezu eine Verabredung getroffen hatten, die Defloration hinter sich zu bringen, ein Zug von Bacchantinnen und Mänaden; aber kein Geschehnis tritt an sich auf, jedes nur in einem Zusammenhang; auch die Rückkehr des Eros ließ sich zur Not als ein Sieg der heiteren Götter über die dämonischen des Krieges deuten« [EwA 336].

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durch die Türen quoll, und mußte gegen die Empfindung, der Fall Mensch sei hoffnungslos, ankämpfen [EwA 528; vgl. 279], D e r Ausbruch destruktiver Impluse kann für den Individualisten Flake nur über Form und Maß verhindert werden. »Oberfläche trägt, in der Tiefe bricht man ein« [ E w A 25], Formlosigkeit erscheint als rückblickend gemeisterte Bedrohung, die Flake als Suche nach Form beschreibt. Während der Arbeit an der nie fertiggestellten Dissertation über Platens Metrik gibt es eine solche Phase. »Nie gelenkt, abgesondert, begann ich mich dem gefährlichen Reiz zu überlassen, den die Vorstellung des Abwärts erzeugt. Nicht lange, und es wird der Reiz, es wird die Vorstellung des Scheiterns sein« [ E w A 109]. D i e Bedrohung durch die Formlosigkeit der Nachtseite der Zivilisation kann auch ambivalente Z ü g e annehmen, wenn sie mit Erotik verbunden ist. Alles war unwirklich, das speicherartige Haus, die Eremitin und die erste Begegnung mit der weiblichen Glut, dem Dämon der Natur, quaerum quem devoret. [...] Man bekam nachts viel zu sehen, von einer Gegenwelt, durch die das Wehr im alten Frankreich rauschte und Vagantinnen strichen, Villons Welt. Sie hatte einen Eingang gewissermaßen, die Varietes, in denen auch alles Schein, Schimmer war; mit ihnen begann ich manchen Abend, wanderte dann in den Winkeln und Ecken der Altstadt umher, vernahm seltsame Biographien, auf Leichtsinn, Unerfahrenheit, Lebenshunger, Armut abgestellt, und überstand diese Monate, ohne leiblichen Schaden zu nehmen; geistig förderten sie mich, der zum ersten Male der Erfahrung auf eigene Faust nachging [EwA 110f.]. Ausführlich erläutert wird der anthropologische Grundgedanke im Z u s a m m e n h a n g mit der Selbstbeschreibung als unbeteiligter Beobachter mit »Sinn für das Objektive« [ E w A 194], [E]ine Eigentümlichkeit meines Wesens war schon ausgebildet: zu sehen, ohne zu fragen; den Dingen zu begegnen, ohne mich zu wundern; nicht neugierig oder kritisch oder sonstwie absichtlich hinzublicken; sogar zu tun, als sei alles selbstverständlich. Mein Leben lang hielt ich es so. Wenn ich jemand kennenlernte, bei einem Tee zum Beispiel, und man sich nachher erkundigte, wie er mir gefalle, war ich immer erstaunt über die Eile, mit der die Menschen Urteile über einander fällen wollten. Ich konnte Monate mit ihnen verkehren, ohne dieses Bedürfnis zu empfinden, obwohl andererseits eine Auffassung über sie sich in mir sofort formte, oft im Bruchteil einer Sekunde, nach einem einzigen rapiden Blick. Aber ich wollte nicht urteilen, nicht »Stellung nehmen« - sei es, daß sich darin ein ungemeines Vertrauen auf die Sicherheit des eigenen Eindrucks verbarg; sei es, daß mir die Unart, an einem anderen herumzudeuten, als ungroßmütig, als zudringlich erschien [EwA 24f.]. Stellung zu beziehen impliziert eine Verletzung der Form. D e r desinvolvierte B e o b achter ist die Grundhaltung, die Flake für sich als zentrales und Kontinuität verbürgendes Charakterisierungselement in Anspruch nimmt. D e n treffendsten Ausdruck verleiht er solcher Beobachterposition, indem er seinen Sinn für Anschauung als »meine wort- und apparatlose Art zu fotografieren« [ E w A 26] beschreibt. 1 8 3 Nicht-

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Beispiel: »Ich hatte ein Auge, das jede Nuance, jede Änderung der Miene im Lauf der 163

involviertheit setzt als Grundhaltung die alte stoische Tugend der Gelassenheit voraus, impliziert aber zugleich die Grundüberzeugung, daß jeder »das Recht dazusein [habe], und man [...] ihn an den eigenen Maßstäben nur messen [solle], wenn es nötig wird« [EwA 25]. Flake bezeichnet sie als »die gute künstlerische Haltung, auch die gute philosophische. Aufnehmen, sich füllen, die Verarbeitung nicht bewußt, nicht analysierend vornehmen« [EwA 25], Diese Haltung ist ein kultureller Sicherungsmechanismus gegen das, was in der Tiefe lauert. Die »westliche Zivilisation, die antik-christlich-humanistische, ist ihrem Wesen nach Sicherung vor der Entfesselung der Dämonen« [EwA 100]. In diesem Sinn ordnet sich Flake denen zu, die »einen Schritt zurücktr[eten], wenn das Tun zu sieden beginnt - man sagt nein zur Dämonie der Welt, der Götter, des Lebens selbst« [EwA 225]. 184 Dem dient die schriftstellerische Tätigkeit. In d e r Tat, w e n n ich erzählte, wandte ich mich, m e i n e n pessimistischen, religiösen, d a s Treiben relativierenden S t a n d p u n k t verlassend, d e m aktiven, b e j a h e n d e n L e b e n zu u n d ging völlig auf B e h e r r s c h u n g u n d Formung des L e b e n s aus. Es war das ein Verhalten, ü b e r das ich selbst oft staunte. Schreiben hieß f ü r mich Jasagen, Werte suchen, O r d n u n g geben, positiv sein, sich verhalten, als o b es keine D ä m o n i e gäbe. Die W a r n u n g vor d e r Z e r s e t zung d u r c h metaphysische Stimmungen, die mir so vertraut waren, stand zwischen d e n Zeilen [ E w A 388]. 1 8 5

Flakes Anthropologie unterstreicht den Stellenwert von Bildung. Die äußere Existenz eines Menschen, die >gebildete< Oberfläche, die für den Verkehr innerhalb der Gesellschaft unentbehrlich ist, ermöglicht ein Dasein der Ausgeglichenheit, der Bändigung der Tiefe durch Form. 186 Ein bedeutender Mensch ist für Flake durch angeborene und erworbene Freiheit, eine Kombination von Selbstbewußtsein und Sicherheit gekennzeichnet. 187 Die eigene Bildungsgeschichte ist eine Erfolgsgeschichte nur aus der Perspektive der Selbstbildung. »Seelen- und Charaktergestaltung, Individualität, Freiheit, Menschentum, Weltbild, Haltung, Ethos - diese Werte erst führen in die Domäne des Erziehers, und da sie die edelste ist, müßten die Pädagogen eine Elite bilden« [EwA 33]. Natürlich ist die gelegentliche Erwähnung einzelner Lehrer Flakes eher ein Beleg für das Gegenteil. Die in Institutionen repräsentierte Bildungsidee ist durchgehend gekennzeichnet von der Diskrepanz zwischen Idee und Wirklichkeit. 188 Flake ist bewußt, daß die Anknüpfung an das klassische Bildungskonzept

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185 186 187 188

S t u n d e n o d e r Tage sah, u n d ahnte, wenn ich ein Gesicht streifte, m e h r von den V o r g ä n g e n hinter ihm, als sein Träger wohl für möglich hielt« [ E w A 48]. » M e i n e N a t u r w a r [...] nicht auf Klage u n d nicht auf A n k l a g e gestellt; die M a u e r , an d e r H i o b sich zerschellen möchte, ragte nicht in m e i n Schaufcld« [EwA 254], Vgl. z u m K o n z e p t des B e j a h e n s Willi Michael Farin 1979, S.64f. R e p r ä s e n t a t i v d a f ü r ist Ernst Stadler, vgl. E w A 86. Diese Vorstellungen werden ex negativo an W a l t h e r R a t h e n a u entwickelt; vgl. E w A 197. »[I]ch überließ mich einem vorreifen H o c h m u t , v e r f ü h r t vielleicht durch eine Idee v o m Universitätsstudium, die sich in den R e d e n u n d Aufsätzen vorzüglich a u s n a h m : daß die A l m a m a t e r noch immer wie in den klassischen Z e i t e n des Bildungsbegriffes d a sei, u m d e n Geist d e s Universalen zu vermitteln - die M u t t e r mit den vielen Brüsten« [ E w A 71].

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ein Anachronismus ist. Kontakte mit Haushalten, die »die mit den Namen Goethe oder Humboldt verbundenen Ideen der Bildung, der Harmonie, der Humanität« [EwA 56] pflegen und auf diese Weise eine Welt »des Chevaleresken und der Bildung« [EwA 16] repräsentieren, werden zustimmend vermerkt. Aber zugleich wird »eine gewisse Altmodischkeit« [EwA 56] registriert, und deutlich gemacht, daß es sich um ein »schon bedrohte[s] Bildungsideal[]« [EwA 56] handele. Flakes Gegenwart ist ein Zeitalter, in dem »die Gewißheiten sich in Problematik verwandelten« [EwA 276], der Lebensgrund verloren ist. Die Orientierung an der vom Bildungsideal der Klassik bestimmten Welt des 19. Jahrhunderts beruht auf der Gemeinsamkeit der bürgerlichen Herkunft. In der Tat, alle Heutigen, soweit sie nicht vom Adel kommen, zählen entweder Bauern oder Stadtbürger zu ihren Vorfahren. Wir alle stammen von den arbeitenden Ständen ab; einschließlich der studierten Berufe. Wenn Goethe um nur zwei Generationen zurückschaute, fand er Schneider in des Herrn Rats Familie, der Name Textor verwies auf Weber, und der Feldscherlehrung Kaspar Schiller verband sich mit einer Gastwirtstochter [EwA 61].

Hier liegt die deutlich markierte Grenze für Flakes Adelsbegeisterung. Die historische Überständigkeit des Bildungsideals ist Ergebnis der veränderten Lebensbedingungen, die das Individuum in der Moderne randständig machen. Das »moderne Leben erzeugt und verbraucht alles in Masse« [EwA 33]. Für den Individualisten ist Masse der negative Gegenpol zur eigenen Existenz. Ich besaß eine angeborene Ablehnung gegen Unterordnung, Gemeinschaftsparolen, Vereinsgeist, In-Reih-und-Glied-Marschieren, Konventionen und spürte früh, mit zehn schon, was sich da bei Beamten und Soldaten herausformte, der Massenmensch der kommenden Jahrzehnte. Ich meinte diesen, wenn ich »der Deutsche« sagte, und ich mußte mir seine Züge dort zusammentragen, wo sie für mich zu finden waren, im kleinen Elsaß, das mir durch seine Andersartigkeit zu den ersten Vergleichsmöglichkeiten, damit zu den ersten Gegenideen verhalf [EwA 80].

Entsprechend wird das Aufbrechen der Tiefe im oberrheinischen Karneval als Einblick in das »Massengefühl« [EwA 60] der unteren Schichten interpretiert. In Beobachtungen der zwanziger Jahre wird die Vermassung exemplarisch als Signum des Jahrhunderts vermerkt. »Der Mensch trat in so vielen Exemplaren auf, er war so sehr Massenereignis, daß er zufrieden sein mußte, einen Anzug auf dem Leib, ein Dach über dem Kopf, eine Mahlzeit im Magen zu haben; Konfektion und Schnellbetrieb standen über der Pforte des Jahrhunderts« [EwA 372]. Allerdings führt die Abneigung gegen das Massenzeitalter nicht zur Explikation einer pessimistischen Geschichtsphilosophie. Die Ambivalenz von Unzeitgemäßheit und Bejahung des Zeitalters führt Flake augenfällig am Beispiel seines 1931 publizierten Essays Über nationale Erziehung vor. »Nie war ein Aufsatz unzeitgemäßer als meiner. Die Nation warf sich dem Abenteuer in die Arme, und ich stellte in den Mittelpunkt aller Pädagogik die Idee des Maßes« [EwA 412], Aufgrund des Konstruktcharakters der Biographie sind Reflexionen über kontrafaktische Abläufe besonders in der Kinder- und Jugendzeit häufig zu finden. Beispielhaft dafür ist der aufgrund der wirtschaftlichen Umstände erforderlich gewor165

dene Verkauf des Klaviers [vgl. E w A 15f.]. F ü r die Vorstellung der frei konstruierten Identität, die Flake vertritt, ist nicht so sehr der Tod des Vaters entscheidend, als vielmehr der Wegfall einer Möglichkeit, eine vorhandene Begabung auszubilden. Nicht anders verhält es sich später in der F r a g e einer mathematischen Begabung. E s ist hier nur eine Kleinigkeit ausschlaggebend, der aber große Auswirkungen auf die Biographie zugeschrieben werden. Wenn aber nur von solchen Kleinigkeiten der Verlauf einer Biographie abhängt, ja solche Details geradezu zu Biographiegeneratoren werden können, nimmt gewissermaßen die Zufälligkeit der eingetroffenen Entwicklung zu, das Gewicht der selbstgewählten F o r m wird größer. E s sind nicht nur negative, auch positive Einschnitte der Biographie, die als Auslöser für die kontrafaktische F r a g e nach einem möglichen alternativen Lebensverlauf fungieren können.189 E i n E l e m e n t der Selbstcharakterisierung, das die Kehrseite der souveränen Identität bildet, ist die Nähe zur Gegenwelt. Diese ist nicht nur der Ort, wo die D ä monen der Auflösung hausen, sie ist konzipiert als ambivalente Ganzheit. Z u ihr gehört die E r f a h r u n g einer ansatzweisen Auflösung von Wirklichkeit. Das Gefühl der Verlorenheit steigerte sich zu dem der Zeitlosigkeit. Und nun kamen von der Straßburger Zitadelle, über der Abendrot lag, die Töne eines Waldhorns her; es übte einer militärische Signale oder teilte der Garnison tatsächlich etwas mit. Mir war, als sei es der Schweizer zu Straßburg auf der Schanz, und das Schicksalhafte dieser Stadt wehte mich an, als seien die Jahrhunderte ein Tag. Ich witterte in dem, was gerade war, das was gewesen ist, und diese Fähigkeit, das Heute um das Gestrige zu erweitern, den Zug der Generationen aus der Vergangenheit in die Zukunft wandern zu sehen, ein Gefühl für das Gespenstige des Geschehens, begleitete mich ein Leben lang [EwA 37]. Gegenwelt-Erfahrungen erscheinen in Flakes Autobiographie immer wieder als kryptische Erweiterungen der Biographie. Von der Gegenwelt wird die konstruierte Biographie abgehoben. Die Erfahrung der Zeitlosigkeit, der Auflösung von Wirklichkeit, ist eine Initialerfahrung. Das Gefühl des Scheincharakters von Wirklichkeit als permanentes Grundgefühl des Lebens hält stets die Konstruiertheit von Identität und Biographie bewußt. E s wird zur Quelle des Künstlertums. Das Bedürfnis nach Reizen und Reizungen war groß, und das Heimliche vermittelte sie, ein Zimmer zum Beispiel, wenn die Bewohner ausgegangen waren oder wenn sie schliefen. Viele Kinder kennen und suchen diese Lockung, die der Märchenstimmung so verwandt ist, wie diese wieder der Neugier und dem Verlangen nach dem Abenteuerlichen verwandt ist - alles Zustände, die dem gelten, was man psychologisch als Gegenwelt und Gegenidee bezeichnen könnte. Mit der Pubertät schwindet diese schöne, aber nicht ungefährliche Ergänzung zum Tag und seinen rationalen Ordnungen; nur in den künstlerischen Naturen erhält es sich, eine Ichspaltung insgeheim [EwA 58].

Am Beispiel eines Ausreißversuchs des jungen Flake heißt es: »Ich habe mich manchmal gefragt, wie alles gekommen wäre, wenn die Mutter nachgegeben hätte. Wahrscheinlich ist, daß das väterliche Schicksal sich wiederholt haben würde. Es fehlte nicht an Beratern, die meine Mutter für eine Beharrlichkeit tadelten, in der ich heute den größten mir erwiesenen Dienst erblicke« [EwA 46]. 166

Das Verhältnis zur Gegenwelt ist Bestandteil der in der autobiographischen Erzählung entfalteten Identität. Es zeigt sich in einer selbstdefinierenden Episode, die über »Ansätze zur Aufnahme telepathischer Meldungen in mir« [EwA 35] Aufschluß gibt. 190 Literatur vermag gegenweltliche Erfahrungen zu vermitteln [vgl. EwA 68], Über die dem Gegenweltkonzept und seinen empirischen Realisationen zugeschriebene gemeinsame Erfahrung von Zeitlosigkeit ist der historische Sinn angeschlossen, er »ist recht eigentlich der für die Magie der Zeit« [EwA 50], Sowohl die in Es wird Abend vertretenen Bildungsvorstellungen wie auch der Sinn für Geschichte werden ausgeweitet zur Identifizierung mit der Epoche, einem »so positive[n] Verhältnis zu meiner Ära, daß der ihm entspringende Impuls mich bis in die Hitlerzeit beschwingend trug« [EwA 89]. Flake reklamiert durchgehend für sich einen historischen Sinn, der ein klares Bewußtsein für Epochenwenden impliziert. Immer wieder finden sich Hinweise auf den seine Biographie strukturierenden Wechsel vom bürgerlichen 19. Jahrhundert zum Massenzeitalter des 20. Jahrhunderts. Symptomatisch dafür sind allenthalben spürbare Wandlungen. Der »Niedergang des bürgerlichen Zeitalters« [EwA 176] ist ablesbar am Wandel der Kunst 191 bis hin zur eigenen Partizipation an den experimentellen Tendenzen während des Krieges. »Ich selbst spürte eine seltsame Nötigung, die Sprache aufzulösen, die Sätze zu verdichten, für den Ausdruck neue Formen zu suchen. Der Expressionismus hatte damit angefangen; zum erstenmal fühlte ich mich von der Zeitströmung erfaßt und mitgerissen« [EwA 243], Er ist natürlich ganz augenfällig repräsentiert in den im Alltag spürbaren Auswirkungen des technischen Fortschritts. »Vor zehn Jahren, als wir nach Straßburg zogen, hatte man in den Zimmern noch Gas und Lampe gebrannt« [EwA 170], Der historische Sinn ist verantwortlich dafür, daß die Zentralfigur trotz eingestandenermaßen anachronistischer Vorstellungen und Werte nicht selber anachronistisch wird. Im Glauben an das Lebensrecht auch des nicht in allen Aspekten willkommenen 20. Jahrhunderts ist Flake dem Historismus des 19. Jahrhunderts verpflichtet. Diese Überzeugung bewahrt ihn trotz dem mit dem Untergang des bürgerlichen Zeitalters verbundenen Untergang der bürgerlichen Formen und der drohenden Entfesselung der Dämonen vor dem zeittypischen kulturkritischen Geschichtspessimismus. Nicht zu übersehen ist allerdings der Hinweis darauf, daß die Identifikation mit dem eigenen Zeitalter mit der >Hitlerzeit< zuendegeht. Am Ende

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Vgl. auch den Hinweis auf ein Dejä-vu-Erlebnis: »San Marco, die Uffizien, Bargello, Baptisterium, Donatello, die Medici, Cellini - es war, als hätte ich hier schon einmal gelebt und erkenne es wieder, ein später Enkel, ein Tourist, die schöpferischen Jahrhunderte sind nicht mehr« [EwA 342]. »In den Regionen des Geistes und der Kunst ereignete sich eine Entwicklung, eine Änderung, eine Auflockerung. Es ging den Malern wie den Musikern - die Mittel der Darstellung erschöpften sich. [...] es war eine Wiederholung, eine ewige Abwandlung konkreter Dinge, die dem Publikum nach wie vor gefiel, den Künstler aber aufsässig machte. D i e Erregung drang von Paris nach Osten vor, in München stellte schon Kandinsky Programme auf. Die Geister schieden, die Lager mehrten sich; ein Zeitalter lief ab, eine Einheit ging zugrunde« [EwA 164f.].

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des Lebens, in der persönlichen Krisenzeit der fünfziger Jahre, steht aber dann doch das Gefühl der Unzeitgemäßheit. Ich war im Grunde ein konservativer Mensch, der kritisch über den Fortschrittsglauben dachte. Für einmal darf es gesagt werden: ich empfand aristokratisch und trat zwar jedem wohlwollend entgegen, aber ich erwartete auch, daß man die hysterische Selbstgefälligkeit vermied. In dem neuen Staat, nach 1948, kam endgültig ein Typ in die Führung, den ich ablehnte, der Geldmacher, der Banause mit dem großen Auto. Die Emanzipation hatte die Frauen entwurzelt und veräußerlicht. Alle diese Einsichten drängten zu einer grundsätzlichen Darstellung: ich würde ein letztes philosophisches Buch schreiben, unter dem Gesichtspunkt, daß es Abend in der Menschheit geworden sei [EwA 583]. Im Hinblick auf den Bezug zum Zeitalter gestaltet Flake seine Biographie als gegen m o d e r n e Tendenzen der Vermassung und des mörderischen Aufbrechens von Formlosigkeit gerichtete humanistische Konstruktion, die w e g e n ihrer Orientierung am 19. Jahrhundert anachronistisch wird. Flakes Konzeption des geformten Ich, als »aufrichtiger Mensch, der seine Kraft aus der Bejahung der gewählten Lebensform schöpfte« [ E w A 454], ist eine statische Konzeption.

3.2.1.3. >Ich bin derselbe und bin es doch nicht7 An Ruth Lehmann-Reck, 4.12.1945; Hans Carossa 1981, S.279. m 310

An Jethro Bithell, 9.5.1949; Hans Carossa 1981, S.366. An Albrecht Goes, 1.9.1948; Hans Carossa 1981, S.354. An Luise Schluck, 30.8.1950; Hans Carossa 1981, S.391.

212

lung sine ira et studio kann nicht von einem Erzähler verfaßt werden, der sich rechtfertigen will. D i e s e s B e d e n k e n wird im Buch offengelegt: An dieser Stelle meines Berichtes wird mir bewußt, was einer unternimmt, wenn er von seinem eigenen Leben erzählen will. Mag er die Episoden nicht umgehen, die den Sinn einer Rechtfertigung haben, so wird er genötigt sein, von sich selber Dinge zu sagen, die gewiß weit überzeugender klängen, wenn ein anderer sie ausspräche, und so war ich oft versucht, die Feder wegzulegen. Dann aber kam immer wieder eine Stunde, wo ich einsah, wie sehr es meine besten Freunde befremden müßte, wenn ein Autor, der so gern von seiner inneren und äußeren Entwicklung Rechenschaft ablegt, gerade über diese tief bewegten Jahre schweigend hinwegginge [UW 195], Dieser Zwiespalt ist einer der Gründe für die eigenwillige Präsentation des Buches als Zwitter aus Bericht und Erzählung. Schon unmittelbar nach Kriegsende sah sich Carossa genötigt, Fragen zu seinem Verhalten zu beantworten. 3 ' 1 »Man war ja nie mehr frei von Schuldgefühlen, seit man zu ahnen begann, was vorging, und auch wenn in unseren Strophen nur vom Garten oder von Landschaften die R e d e ist, fühlt man e s . « 3 1 2 Aus diesem Grund konzipierte er das Buch von vornherein als »Rechenschaft (freilich auf ziemlich hohem N i v e a u ) « . 3 1 3 »Ich glaube, ein Bekenntnis dieser Art ist notwendig; bliebe man es schuldig, so würde ein Schatten auf den künftigen Arbeiten liegen.« 3 1 4 Carossa empfahl generell: Es kommt jetzt für uns auf ein tiefes Sich-aufsichselbstbesinnen an, und eigentlich müßte jeder, der sich öffentlich vernehmen läßt, ein ehrliches Bekenntnis niederschreiben, wie er zu den Dingen steht und wie er während der Unheilsjahre dazugekommen ist, so und nicht anders zu handeln. Das ist auch der Sinn des Buches, das mich noch immer beschäftigt; es soll zeigen, daß wir hier im Lande unter Bedingungen standen, die sich der im Ausland Lebende nicht vorstellen kann, es muß aber auch einen Weg in die Zukunft zeigen oder wenigstens einen Ausblick eröffnen. 31 '' D i e grauenhaften Verbrechen der zwölf Jahre stellten für diese Absicht das größte Hindernis dar. 3 1 6 Ungleiche Welten berichtet »von einer zerrütteten, aus den Fugen

3.1

Vgl. an Ernst Penzoldt, 10.12.1945; Hans Carossa 1981, S.279f.; an Heinz Priebatsch, 26.9.1945; Hans Carossa 1981, S.297f. An Felix Braun, 14.9.1946; Hans Carossa 1981, S.295. 313 An Lo Schoenberner, 12.8.1946; Hans Carossa 1981, S.291. 314 An Katharina Kippenberg, 25.5.1946; Hans Carossa 1981, S. 287. »Mir war es nie zweifelhaft, daß man es nicht nur sich selber, sondern auch Freunden, überhaupt Mitlebenden, schuldig ist, gewisse Vorkommnisse aufzuklären.« An Pio Eggstein, 26.10.1950; Hans Carossa 1981, S. 724. 315 An Roger de Campagnolle, 10.9.1947; Hans Carossa 1981, S.324. Vgl. an Pio Eggstein, 26.10.1950; Hans Carossa 1981, S.724. •*"' Von Beginn der Maßnahmen gegen die Juden an hat Carossa in seinem Tagebuch immer wieder einschlägige Notizen gemacht; vgl. dazu Hans Carossa 1993, S.238, S.239, S.240 usw. »Ich habe vor kurzem die sehr objektiv gehaltenen Bücher von Eugen Kogon und Isa Vermehren gelesen, ferner die amtlichen Dokumente, die der Nürnberger Arzteprozeß ans Licht gebracht hat, und fühle nur, daß ich lange Zeit allen diesen Berichten aus dem Wege gehen muß, um noch arbeiten zu können; sie sind entsetzlich.« (An Roger de Campagnolle, 10.9.1947; Hans Carossa 1981, S.323).

3.2

213

geratenen Z e i t « . 3 1 7 D i e zentrale Frage d e s Buches, die Carossa in e i n e m Brief an Ernst Bertram aufwirft, lautet: Manchmal bilde ich mir ein, jeder sollte einen Bericht dieser Art schreiben; denn darüber bin ich mir im klaren, daß unsere schönsten Gedichte an Glanz und Wert verlieren, wenn wir der Welt und vor allem unserer heranwachsenden Jugend nicht beweisen, daß unser Geschriebenes mit unserem Gelebten im Einklang steht, und erklären, warum wir so und nicht anders gehandelt haben. Bei mir jedenfalls würde es mancher sonderbar finden, wenn ein Autor, der so gern von seinem eigenen Leben erzählt, über die schrecklichen Schicksalsjahre schweigend hinwegginge. 318 Identität ist das zentrale T h e m a von Ungleiche

Welten. A l s Erlebnisbericht über die

zwischen 1933 und 1945 verbrachten Lebensjahre bietet der Text k e i n e Identitätsgenese o d e r -beschreibung. D i e Identitätssemantik zielt vielmehr auf die Bearbeitung einer Identitätsstörung in der Biographie. Würde man mich fragen: Wie bist du behandelt worden im Dritten Reich?, so müßte die Antwort lauten: Es ist mir, äußerlich betrachtet, nichts geschehen, und wer das Unrecht, das andern angetan wurde, nicht mitfühlte, oder wem es nichts ausmachte, einer Nation anzugehören, die von Jahr zu Jahr in der Achtung der Besten aller Kulturvölker sank, der konnte an meiner Stelle ganz leidlich dahinleben. Von einer gewissen Zeit an wurde ich sogar umworben, und man sah mir vieles nach. Zum Teil beruhte dies auf einem gewissen Vertrauen, das mir nach und nach in einigen Kreisen des Auslandes zugewachsen war, vielleicht auch auf einer Überlegenheit, wie man sie alten Ärzten gern zugesteht. Es gab jedoch auch andere Gründe [UW 52f.]. Sich selber kann Carossa nicht als Opfer beschreiben; er hatte v o m R e g i m e nichts zu befürchten. D i e s dürfte der normalen Position des nicht politisierten D e u t s c h e n entsprechen. D e n n o c h wird die Lage vor allem aufgrund der D i s k r e p a n z zwischen eigener Position und Position der Nation z u n e h m e n d prekär. Basiert das g e w ö h n l i c h v o n Carossa favorisierte A u t o b i o g r a p h i e m o d e l l auf der Prämisse eines harmonischen Verhältnisses von Ich und W e l t , 3 1 9 d e s s e n mögliches Gelingen durch G o e t h e beglaubigt schien, signalisiert der Titel Ungleiche

Welten die

Unvereinbarkeit und damit die Schärfe der Biographiereflexion als gänzlich n e u e biographische Situation. Entsprechend positioniert der Erzähler sich am Texteingang: Wie oft in den zwölf Jahren, da sich das deutsche Verhängnis erfüllte, konnte man befreundete Menschen sagen hören: Wäre ich doch nicht in diese Zeit hinein geboren! Oder: Dürfte ich nur in einem anderen Lande leben! - Dergleichen Stoßseufzer mag mancher gelegentlich wohl auch von mir vernommen haben. Noch immer stehen wir in den Auswirkungen des furchtbaren Schauspiels, obwohl viele sie für überwunden halten, und wer sich im Dasein behaupten will, wird sehen müssen, wie er in der langsam ablaufenden Sintflut festen Boden unter den Füßen gewinnt; er kann nicht bei jedem Schritt zurückschauen [UW7],

317

Hans Carossa 1981, S.723. An Ernst Bertram, 27.7.1947; Hans Carossa 1981, S.318. 3 " Zur Kritik an Carossas Harmoniestreben als Bindung an ein überständiges Welt- und Menschenbild vgl. Ingrid Aichinger 1972, S.398; Ingrid Aichinger 1977, S.236. 318

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Weltseite und Innenseite des autobiographischen erzählten Ich sind von Beginn an verschieden: In der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur sind Ich und Welt einander fremd. Das kollektivistische Dritte Reich wird als »dem Individuellen abhold[es]« [UW 80], ja geradezu feindliches Gebilde bewertet. Dieser Zug kulminiert in den letzten Jahren des Regimes. »Das private Leben der meisten Deutschen begann damals im staatlichen zu erstarren, und mit dem Verfall des Individuums entarteten auch die Dämonen« [UW 163]. Tröstlich ist da allenfalls die Gemeinschaft weniger Leidender und Gleichgesinnter. 320 Carossa führt mit der Grundthese der Unvereinbarkeit von Ich und Welt zentrale Themen seines Buches ein: die Deutung des Nationalsozialismus als Naturkatastrophe und Krankheit, 321 die in der Metapher vom theatrum mundi versinnbildlichte Beobachterposition, die in der Notwendigkeit, >festen Boden unter den Füßen< zu gewinnen und nicht nur zurückzuschauen implizierte Involviertheit und schließlich die Vorstellung vom besseren Deutschland. Wesentlich für die Identitätsfrage ist die Prämisse, daß das Dritte Reich als unwahres Ganzes zu betrachten sei. Das wird im Verlauf des Textes immer schärfer akzentuiert. Innerhalb dieses Ganzen kann es keine unberührten Residuen geben. Von den Weisen, zu denen sich Carossa selbst zählt, wird gesagt, sie »lassen sich auch durch einzelne richtige Handlungen nicht von der Gültigkeit eines Ganzen überzeugen, wenn dieses unter einem falschen Zeichen steht« [UW 28]. Diese Konstellation kehrt im Verlauf des Textes immer wieder. »Die Schreibenden aber, wie sollten sie Blüten treiben in der Luft eines bedrückten, verfälschten Lebens? Wie sich wenigstens innerlich noch einen Rest jenes Hoheitsbewußtseins erhalten, ohne welches gerade die echte Begabung sich nicht äußern mag?« [UW 82]. Die Lebenssituation wird als Exorbitanzsituation verstanden. Nach diesem Muster werden die Parteiführer beschrieben. »Ihr Leben verlief längst nur noch auf einer Bühne, deren Kulissen und Hintergründe aus fälschenden Spiegeln bestanden, und es bedeutete daher nicht viel, wenn sie mitunter auch die Wahrheit sagten« [UW 126]. Der geradezu ins Apokalyptische überhöhte Gipfel dieser Vorstellung wird in den letzten Kriegsjahren erreicht [vgl. U W 171]. Die Ausgangsposition wird zur entscheidenden Frage nach der eigenen Identität unter diesen exorbitanten Bedingungen zugespitzt.

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Apotheose des geheimen Deutschland: »Das von außen her angreifbare Deutschland ging unter; es gab jedoch ein anderes, geheimes, ein im Tiefsten unverletzliches, unbesiegbares: diesem zu Liebe blieb man, wo man war« [UW 170]. Später ausgeführte Deutung des Nationalsozialismus als Krebsgeschwür: »Da ich aber die seelische Verfassung unseres Volkes nur noch als krankhaft anzusehen vermochte, so geriet ich beim Lesen der Niedermayerschen Schriften immer wieder auf prognostische Fragen, ob die deutsche Wucherung wohl zu den heilbaren oder etwa zu den malignen gehörte, ob sie mit Meißel und Glüheisen behandelt werden müßte oder ob von einem mehr schonenden Verfahren noch ein Erfolg zu hoffen wäre. Schließlich ergab jedes Nachdenken, daß uns eine Operation auf Tod und Leben keinesfalls erspart bleiben würde. Überstanden wir diese, so war aber damit noch nicht die endgültige Heilung verbürgt; eine wohlüberlegte interne Therapie mußte beginnen, und man konnte nur beten, es möchten gute Ärzte die rechten Hormone für uns finden« [UW 188f.].

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D e r mit Bewußtheit Lebende wird sich dennoch dann und wann fragen: Wie bin ich eigentlich durch diese Zeit gekommen? Haben ihre Gifte mich angesteckt? Welche tieferen Anlagen sind zu einer weiteren Entwicklung gediehen, welche verkümmert? Welche Geister waren mir hilfreich? Wäre ich in ruhigeren Zeitläuften, in einem vernünftig regierten Lande mir innerlich treuer geblieben? Zu besseren Einsichten gelangt? [UW 7].

Carossa ist in seinem bisherigen autobiographischen Werk immer von einem eudaimonistischen, wechselseitig fördernden Verhältnis von Ich und Welt ausgegangen. Das Ich wird nicht als autonome Größe angesehen. Aufgrund dieses Wechselverhältnisses ist die eigenene Identität in hohem Maß an die Greuel der nationalsozialistischen Zeit gebunden. Carossa stellt die Frage nach der Selbstbewahrung dezidiert als allgemeingültige Frage für diejenigen, die ein reflexives Verhältnis zur eigenen Biographie pflegen. Die Grundfrage wird in einem biographischen Einschnitt formuliert, die eine Reformulierung der Biographie zur Folge haben wird: Die autobiographische Gesamtthematisierung wird dem neuen Stand der Dinge angepaßt. Angekündigt wird die Reflexion auf eine Neuformulierung des Verhältnisses von Ich und Welt, die Integration der letzten Jahre in die Biographie unter Berücksichtigung kontrafaktischer Fragestellungen und schließlich die Frage nach der inneren Kontinuität. Zur Bearbeitung dieses Fragenkomplexes werden wesentliche Konstanten der Selbstbeschreibung der Zeit vor 1933 benannt. Während die Hitlerbewegung ihre Bahn zur Macht zurücklegte, grenzte der Kreis meines Lebens und Wirkens nur auf sehr kleinen Strecken an die politische Welt. [...] In mir war ein gleichmütiges Vertrauen auf die Entwicklung des deutschen Volkes, das in sich so große Möglichkeiten barg; ich war überzeugt, es werde im Gang seines organischen Wachstums durch elastische Geduld und kluge Auswertung günstiger Konstellationen an die Stelle rücken, die ihm in der Welt gebührte [UW 7],

Die Selbstbeschreibung als unpolitisch wird legitimiert mittels des Verweises auf harmonisch koexistierende >LebenskreiseJa, nur die Kunst ist fest und echt, von gar nichts anderm weiß ichs recht. Leben scheint oft so verführt, so verfangene Dieser damals geschriebene Knittelvers bedeutete mir mehr als einen Spaß, der er natürlich auch war« [UW 10]. 12:1 »Eine Regierung, die sich des rechten Weges bewußt ist, hat es nicht nötig, schwebende Probleme mit niederträchtigen Methoden zu behandeln; immerhin konnte man glauben, es werde bei diesem einmaligen Ausbruch der Roheit sein Bewenden haben. Dies war es ja, warum wir uns lange mit vielem abfanden: wir glaubten nach jeder neuen Gewalttat, nun sei das Höchstmaß der Brutalität erreicht, nun müßten Besinnung, Lockerung, Milderung eintreten. Ein Glück für uns, daß wir in dieser Täuschung befangen blieben« [UW 43]; »Nun aber führte der eingeschlagene Weg immer tiefer ins Gnadenlose hinab, und wer noch menschlich fühlte, der gelangte bald an den Punkt, wo er die neuen Exekutionen nicht mehr als gesetzliche Vollzüge, sondern als Morde empfand« [UW 55; vgl. UW 119]. Vgl. dagegen Christiane Deußen 1987, S. 102, die kritisiert, daß Carossa die dynamische Totalisierung nicht gesehen habe.

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Kunstsphäre z u n e h m e n d in die D e f e n s i v e . Schon nach der R ö h m - A f f ä r e m u ß konstatiert werden, »in welch ein K a t a k o m b e n d a s e i n [ . . . ] der Geist gebannt« [ U W 44] ist. Im Verlauf der Erzählchronologie wird die vor 1933 rigide vertretene A b s c h o t tung der Sphären v o n Kunst und Politik g e g e n e i n a n d e r aufgegeben. Für die Kunst b e d e u t e t dies n o l e n s v o l e n s e i n e Politisierung, die anhand der politischen D e u t u n g der e i g e n e n Verse und Texte belegt wird. 3 2 4 R e i n e Kunst wird z u n e h m e n d u n m ö g lich. Kronbeispiel dieser Entwicklung ist Stefan G e o r g e als radikaler Vertreter ästhetischer A u t o n o m i e . Lebensferne, Weitabgewandtheit, priesterliches Gehabe hatte man ihm vorgeworfen, und doch ging aus seiner Schule der Täter hervor, der Deutschland von seinem bösen Geist befreien wollte und den mißlungenen Versuch mit dem Tod bezahlte. Claus von S t a u f e n berg, schon als Knabe vom Geist Georges geprägt und im Umschreiten der Flamme selbst Flamme geworden, hatte wohl den Mut des Töters, aber nicht die Geschicklichkeit des Mörders [UW 101]. D i e Kehrseite offenbart sich in Carossas Einsicht in seine politische Funktionalisierbarkeit. A l s Präsident der Europäischen Schriftstellervereinigung, s o unterscheidet er die Perspektive d e s Erzählers von der der erzählten Figur, war er, » o h n e z u merken, [ . . . ] als unpolitischer Mann für d e n politischen Z w e c k , d e n man im A u g e hatte, gerade der geeignetste« [ U W 119]. 3 2 5

,24

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Carossas Tagebücher enthalten zunächst kaum politische Notizen. Erst ab 1933 setzen vielfach Vermerke zur Tagespolitik, vor allem zur Ausgrenzung der Juden, ein. Vgl. Hans Carossa 1993, S.232ff. Vgl. Ingrid Aichinger 1977, S.221f. (Hinweis auf die Abgrenzung vom Zeitgeschehen in den Texten); Erich Zwicker 1986, S. 118ff. Nicht haltbar ist die Behauptung, Carossa gehe in Ungleiche Welten von der »illusionären Trennung von Kunst und Politik« aus (Ralf Schnell 1976, S. 34; vgl. Ralf Schnell 1986, S. 20). Eigene Politisierung: »Da sich die Welt über diese Untaten voraussichtlich doch nicht so bald beruhigen wird, auch niemand eine Gewähr dafür übernehmen kann, daß ihre Wiederholung auf ewig ausgeschlossen sei, so darf ein alter Mann, der die vergangenen fünfzehn Jahre mit durchlebt hat, nicht schweigend an ihnen vorübergehen, wenn es auch im Augenblick so aussieht, als ob andere Dinge den Menschen wichtiger erschienen. Auch mag mancher einwerfen: Was gehen solche Vorkommnisse den Dichter an? Er sorge sich um sein Werk, um die Gestaltung seiner Visionen! Wer so spricht, verkennt aber die Abhängigkeit des geistig anteilnehmenden und einen Auftrag in sich fühlenden Menschen von dem seelischen Klima seiner Gegenwart. Wäre noch in uns die sichere Gewissensruhe eines Zeitalters, dessen ethische Substanz in seiner führenden Schicht nicht ernsthaft angegriffen war, so dürfte uns gleichgültig sein, was da und dort Unmenschliches geschieht; ja wir könnten in dem unbeteiligten Ton früherer Jahrhunderte darüber sprechen oder dürften auch schweigen. Das ist aber unsere Lage nicht mehr, und nie haben die Veränderungen der äußeren Welt dem Manne des Schrifttums mit gleicher Eindringlichkeit zugerufen: tua res agitur! Der Dichter, dem in dieser Zeit gewisse Erfahrungen nicht zum Erlebnis wurden, der mag versuchen, sein Tagwerk weiterzutreiben, als wäre nichts geschehen; er wird aber wahrscheinlich nicht weit kommen. Ja, je echter und adeliger eine Begabung ist, um so deutlicher wird sich in ihr die Entartung des Zeitalters zum Ausdruck bringen, und zwar gerade im zartesten Kunstgebild, also in der Sphäre des Ästhetischen; denn sie ist die empfindlichste« [UW 146].

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In den letzten Jahren des Krieges arbeitet Carossa an einem Projekt, bei d e m die Arbeitsumstände signifikanter sind als das Thema. »Ich wußte, daß diese Bruchstückchen keinem verständlich waren als mir selber, wußte auch, daß niemals ein Ganzes daraus werden würde, empfand aber das verborgene Spiel als eine Art Schutz vor den Besessenheiten der Zeit und war überzeugt, daß auch andere über solchen unvollendbaren D i n g e n brüteten« [ U W 2 0 6 ] . D i e Nichtvollendbarkeit des Werks wird als adäquate Reaktion auf das »Unwahre Ganze< interpretiert. D a s zeigt sich nach Kriegsende: Ich zog wieder einmal meine blauen Zettel hervor; aber das Geschriebene klang fremd; es war aus einem vergangenen Zustand gekommen, und wie eine Wolke sich langsam auflöst, wenn die Beschaffenheit der Atmosphäre wechselt, so hatte der kaum begonnene Versuch einer Gestaltung seine schwachen Umrisse verloren. Der Sturm riß mir zwei Blätter aus der Hand; sie entflatterten wie blaue Vögel, das eine schräg über die Donau hin, das andere in ein Gesträuch hinein. Fast ohne meinen Willen lockerten sich die Finger mehr und mehr, und mit einer lässigen Vergnügtheit, wie sie uns sonst nur in jungen Jahren überkommt, sah ich der unaufhaltsamen Flucht meiner Papierchen zu. Das Kind, das einst sein Ringelchen mit Glasrubin und seine Näschereien in den hohlen Weidenstumpf hinein geopfert hatte, konnte nicht fröhlicher gewesen sein. Es war wie ein befreiender Griff aus dem Unsichtbaren, als mir ein sehr heftiger Wirbel die letzten Zettel aus der Hand riß [UW 248f.]. Mit dem E n d e des »unwahren Ganzen< ist eine neue Situation für die Poesie gegeben. Damit liegt über das eigene Werk des vergangenen Jahrdutzends ein impliziter Kommentar vor, den Carossa nie konkretisiert, der sich aber aus dem Argumentationsgefüge ergibt. D i e verdeckte Selbstkritik wird d e m Urteil des Rezipienten überlassen. Mit der ersten N e n n u n g Hitlers [vgl. U W 10] ist als axiologische Ordnung der Gegensatz Kunst-Politik etabliert, der in einer Reihe von Oppositionspaaren in Ungleiche Welten aktualisiert wird. D e r Arztberuf 3 2 6 ist von identitätsprägender Qualität. Wenn ich in der Sprechstunde einen Kranken behandelte und neue Besucher sich draußen in den Warteraum drängten, so kam es vor, daß ich mir einbildete, er [Adolf Hitler] könne mitten unter ihnen sein. Dies war ein unbehaglicher Gedanke, der mich aber doch den Segen des Berufes fühlen ließ, von dem ich innerlich fortstrebte. In dem kleinen Sprechzimmer waltete ja der viel verlachte Engel der Humanität, der mich aller privaten Gefühle überhob, und es war nur eine Selbstverständlichkeit, daß ich den unheimlichen Gast nach meinem besten Können und Gewissen wie jeden andern beraten hätte, wenn er gekommen wäre. Er kam aber nicht [UW 13]. Mit der Humanität wird ein über den Nationalsozialismus hin ausweisender Wert reklamiert, der z u m Wahrheitsangebot der Kunstsphäre hinzukommt. A m deutlichsten wird das im Irrenmord-Kapitel [ U W llOff.] pointiert. »Was liegt daran, wenn mit d e m Wahnsinn auch das unergründliche Geheimnis des Menschlichen in die

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Vgl. zur Bedeutung des Arztberufs für die Texte Ludwig Rohner 1955, S. 92ff.; Maria Pospischil Alter 1971; August Langen 1979, S.128ff.; Henning Falkenstein 1983, S.16ff.; Walter Müller-Seidel 1991. 219

Gaskammer wandert!« [ U W 113]. Im Gegensatz dazu fungiert der Arzt symbolisch als Vertreter des »Wert[s] eines humanen symbolischen Handelns im Gegenspiel zu d e n sinnlos niederreißenden Wolfsgeistern der Epoche« [ U W 1 8 7 ] . Entscheidend ist aber, daß >Arzt< als Identitätsmodell weit über die Sphäre der beruflichen Funktion hinaus ausgedehnt wird und zeitweilig zum inklusionsfähigen Lebensmodell avanciert. 3 2 7 D i e Vorstellung, Hitler könne als Patient k o m m e n , verweist untergründig voraus auf das Modell der Verstrickung, das mit der Arztrolle beschrieben und legitimiert wird. E s zeigt sich erstmals bei Carossas Z u w e n d u n g zu den Hitlerjungen um Rudi Pallas. Keiner von ihnen schien sich innerhalb der Staatsjugend wohlzufühlen, jeder ihr nur mit Vorbehalt anzugehören; die Partei aber sah in ihnen gewiß nicht ihren wertvollsten Bestand. Entzog ich mich ihnen, so mußte ich mir vorkommen wie ein Arzt, der den Verkehr mit Kranken grundsätzlich meidet. So konnte ich auch den Besuch in Berlin nicht bereuen, obgleich ich einen hohen Preis dafür bezahlte; denn jetzt war mein ursprünglicher Vorsatz, mich abseits zu halten, aufgegeben, und diese Halbheit zog manchen späteren Fehler unvermeidbar nach sich [UW 60]. Damit wird die Verstrickung tragisch. Sie ist nicht mehr Resultat einer ein- oder mehrmaligen Handlung, die man hätte vollziehen, aber auch lassen können, sondern aufgrund der Identität als Arzt wird sie unausweichlich, wenn der Nationalsozialismus in Gestalt der Hitlerjungen seinen ersten Fuß in die Tür setzt. 3 2 8 D i e Arztrolle wird später anläßlich eines Besuchs bei G o e b b e l s a n g e n o m m e n . 3 2 9 Zur Verstrickung gehört nicht nur das >Netz der Bosheit< [vgl. U W 43], sondern auch die jeweilige individuelle Neigung, ein »bedrücktefr] Zustand, so daß ich mir einbildete, unter dauernder Beobachtung zu stehen« [ U W 54], 3 3 0 Carossa nennt die-

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Arzt als Repräsentant der Humanität: »Während also auf Schlachtfeldern, in bombardierten Städten, in Vernichtungslagern, in Hinrichtungskellern gesundes Leben als wertloser Abfall in den Rachen der Verwesung geschüttet wurde, arbeiteten überall Ärzte und Ärztinnen in unbemerkter Treue mühsam an der Bewahrung des millionenfach geschändeten Menschenbildes« [UW 187], Selbstbeschreibung vor dieser Verstrickung: »Im Anfang freilich zeigte mir die deutsche Mitwelt ein feindseliges Gesicht. Ich hatte dem Reichsminister Rust, der mich in die Akademie für Dichtkunst aufnehmen wollte, verweigernd geantwortet; es wurde bekannt, und schon galt ich vielen für einen verlorenen Mann« [UW 53]; »In München erhielt sich damals eine Weile das Gerücht, ich wäre in ein Konzentrationslager verbracht worden, worüber sich übrigens niemand sonderlich aufregte; denn die allgemeine Verängstigung war groß und jeder schon froh, wenn man nur ihn selbst in Ruhe ließ« [UW 54]. »Ich benützte die nächste Pause des Gesprächs, um mich zu empfehlen. So geht wohl ein erfahrener Arzt von Kranken fort, denen ers nicht sagen darf, daß er sie nur als Noli me tangere behandeln kann; noch halten sie sich für heilbar, machen große Pläne und wollen sich dem alten Doktor in besonders guter Verfassung zeigen, während in seinem Tagebuch die trostlose Prognose des merkwürdigen Falls längst verzeichnet steht« [UW 127]. Dieser Eindruck bestätigt sich:»[...] als ich mit der Antwort säumte, wies der Veranstalter höflich auf meine Schweizer Reise hin; er fand es verwunderlich, daß ich der Reichshauptstadt verweigern wollte, was ich in Zürich und Leysin doch offensichtlich gern geleistet hätte. So war mir bewiesen, daß ich eben doch unter Beobachtung stand; es hatte keinen Sinn, Ausreden zu erfinden« [UW 56f.].

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ses »feindliche Schweigen« angesichts der späteren Entwicklung freilich auch »schützendes Gewölk« [UW 56], Weiterhin gehört dazu die zunehmende Barbarisierung. 331 Das prägende Verhaltensmuster in Ungleiche Welten basiert darauf, daß man unter den gegebenen Umständen als Handelnder nur im Pakt mit dem Bösen Gutes tun kann. Im Dritten Reich kann es angesichts der Verfehltheit des Ganzen kein moralisch unumwunden richtiges Handeln geben. Damit beschreibt sich Carossa nach dem Muster der Tragik als schuldlos-schuldig und integriert diese Selbstbeschreibung als Element seiner Identität in die Biographie. Der Rechenschaftsbericht läuft nicht auf eine Entschuldung des Autobiographen hinaus, sondern auf ein Schuldbekenntnis. 332 Es wird anläßlich der Verleihung des Premio San Remo bekräftigt, der eine »Beunruhigung, die sich nie ganz verlor« [UW 192], mit sich bringt. Carossa partizipiert an der »ganze[n] Seelentaubheit der Epoche« [UW 195]. Er weist zu Recht darauf hin, daß der Nationalsozialismus »keineswegs aus dem Nichts entsprungen, sondern schon vor seiner Geburt in allerhand Larven- und Puppenformen unter uns herumgegangen [ist], hat vielleicht in unseren eigenen Adern gespukt« [UW 33], Von daher kann der Judenhaß als Form des Selbsthasses [vgl. UW 48] gedeutet werden. Der deutsche Dichter im gleichgeschalteten Staate war eine fragwürdige Gestalt geworden. Er mußte verstummen oder doch über sehr wesentliche Erscheinungen der Gegenwart hinwegschweigen. Wie er sich auch stellte, vom Ausland her betrachtet erschien er entweder provinziell beschränkt oder unwahr [ U W 79].

Die Verstrickung impliziert ein Moment des Verrats gegenüber der Kunstsphäre. Als öffentliche Figur kann es den Dichter im autonomieästhetischen Sinn im Dritten Reich nicht geben. Das Dritte Reich ist eine existentielle Prüfung, die »jeden zwingt, seinen wahren Kern zu zeigen« [UW 26]. Mit der Übernahme der Lesungen vor der Hitlerjugend verlagert sich die Frage der Selbstbewahrung außerhalb des >unwahren Ganzen< auf das Problem, wie man innerhalb des Falschen das Richtige tun könne. Das ist verknüpft mit dem Wechsel von der Arzt- zur Dichterrolle, wie sich aus den künstlerischen Selbstzweifeln Carossas ergibt. Er verweist auf die Frage nach dem »Schrifttum unserer Tage« [UW 81] auf dessen konsolatorische Funktion, die mit dem Kon331

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»Kluge Leute hielten mir freilich vor, wenn eine ganze Welt zusammenbrechen müsse, um einer neuen Ordnung Platz zu machen, so hätten Glück und Unglück einzelner Individuen nichts zu bedeuten; aber in dieser Belehrung, die seit Jahrzehnten in allzuvielen Tonarten erklang, lauerte schon das Bekenntnis zur Unmenschlichkeit, hinter dem das edlere Deutschland bald verstummen sollte« [ U W 104], »Viele meinen dem deutschen Volk einen großen Liebesdienst zu erweisen, wenn sie über diese Dinge schweigend hinweggehen. Wie gern würde man auch selbst alle Beispiele haltloser Verblendung aus dem Gedächtnis tilgen und die Blicke der Menschen zu freundlicheren Bildern lenken! Wir haben aber schon in der Kriegszeit allzusehr durch unser Verstummen die Schlechten im Schlechten bestärkt. Wir wünschen keine Generalabsolution, wie man sie Sterbenden erteilt. Eine Weltstunde ruft, und wer das Künftige bedenkt, muß je-

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zept der autonomieästhetischen Sphäre strenggenommen nicht vereinbar ist. 333 D a ß er sich innerhalb des Dritten Reiches auf Dauer hätte abseits halten können, ist angesichts seines Bekanntheitsgrades illusionär. Die Präsidentschaft der Europäischen Schriftstellervereinigung markiert innerhalb dieses Ablaufs die Peripetie. Kompositorisch gesehen hat sie Carossa mit großer Sorgfalt auf die Mitte des Textes Ungleiche Welten piaziert. Der Komplex des >unwahren Ganzen< ist dadurch in seiner ganzen Brutalität aktualisiert, daß der unmittelbar davorstehende Abschnitt, der durch ein eigenes Motto herausgehoben ist, die ungeheuerliche Euthanasie an den Geisteskranken als Vorbereitung der Vernichtungsexzesse in den Konzentrationslagern erzählt. Aufgrund dieser kompositorischen Anordnung wird der Hintergrund des Aushängeschildes grell ausgeleuchtet. In einer anderen, mit meiner Art etwas vertrauteren Umgebung wäre mir gewiß eine scherzhafte oder auch eine sachlich begründete Form der Zurückweisung eingefallen; aber hier befand ich mich in einer Welt, deren Sprache nicht die meinige war: jedes Wort, auch das wahrste, hätte unehrlich geklungen. Ich dachte an die glücklichen Dichter, die in Ländern lebten, wo man vor innerlichst bemühten Geistern zu viel Achtung hatte, um ihre Namen zu trügerischen Tageszwecken zu mißbrauchen, und fast fühlte ich mich aufgelegt, den Herrn zu fragen, ob es nicht geziemend wäre, Paul Claudel oder Paul Valery oder Andre Gide das europäische Ehrenamt anzutragen; aber für Ironie gab es kein Organ in dieser Körperschaft, und was ich Ernsthaftes zu sagen hatte, wäre dem Beamten, der ungeduldig auf Antwort wartete, geziert und wichtigtuerisch vorgekommen [UW120].

Die permanente Exorbitanzsituation verschärft das Gefühl der Fremdheit im politischen Raum, der längst den Bereich der Kunst vereinnahmt hat. Der Erzähler beschreibt seine Situation als eine desjenigen, der »in eine Falle des totalitären Regimes gegangen war und mir durch alles heftige Herausziehenwollen den Hals nur fester zuschnüren würde« [UW 121]. Bezeichnenderweise erfolgt hier wieder der Wechsel zum Identitätsmuster Arzt. »Und während ich mein Unbewußtes in mir arbeiten ließ, drängte sich auf einmal wieder das Ärztliche nach oben, die seit Jahrzehnten angewohnte Fähigkeit, mich in den Menschen zu versetzen, der mit mir sprach, und von dem eigenen Zustand abzusehen« [UW 121]. Mittels dieses Wechsels treten nunmehr die Fragen der Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Ver-

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nen für den wahren Volksfeind halten, der da spricht: Nun ja, gewiß, man ist zuweit gegangen - man hat Dummheiten gemacht - wo gehobelt wird, fliegen Späne - jede Nation hat ihre Flegeljahre« [UW 155], Vgl. Gisela Wünsche Haie 1974, S.71ff. »So mußte der Dichter orakeln, wenn er nicht seine Sprache verlernen und schließlich ganz verstummen wollte. Was er sich davon erwarten durfte, war nicht viel. Da und dort konnte wohl ein Bedrückter oder Verfolgter das träumerisch hingesagte Wort aufnehmen und ein wenig Trost und Mut aus ihm gewinnen, das war alles. Den Gang der Dinge aufzuhalten war so unmöglich, als wollte jemand mit einem Fiedelbogen einen glühenden Lavastrom zum Stillstand bringen« [UW46],

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strickung in den Vordergrund, 3 3 4 wobei die Verstrickung selbst Basis der Bewertung bleibt. 3 3 5 Eine weitere Folge des Lebensmodells Arzt ist die Autorisierung des medizinischen Deutungsmusters. Es wird nicht nur auf den Gesamtkomplex, sondern auch auf seine einzelnen Teile angewandt. 3 3 6 Aus der Perspektive des Arztes liegt nicht nur »ein[] einzelne[r] Fieberanfall« vor, sondern der »Ausbruch einer Epidemie« [ U W 25], D i e Katastrophendeutung legt die Ausweitung des Schemas über den konkreten Fall des Dritten Reiches hinaus nahe. Infolge der Integration der Verstrickung in die eigene Identität kann es nicht mehr als einzelner Betriebsunfall gedeutet werden. Unmittelbar vor 1933 absolvierte Carossa eine Lesereise in die Schweiz. D i e Schweiz fungiert als Modell einer besseren Gemeinschaft, der Gleichgewicht, Maß, Freiheit, Geistigkeit und Nüchternheit attestiert [vgl. U W 13f.] wird. 3 3 7 Im Gegensatz dazu werden Maßlosigkeit und Hybris als Kennzeichen des Nationalsozialismus herausgestellt. Verdeutlicht wird dies wiederum in der für Carossa typischen symbolischen Gegenüberstellung des schweizer Stratosphärenforschers Auguste Piccard und des deutschen Raketenpioniers Max Valier. Die knabenhafte Maßlosigkeit des einen, der zur groben Tatsache machen wollte, was für uns Erdenkinder doch nur als Dichtertraum beglückend ist, und die wissenschaftliche Kühle des andern, sein schrittweis prüfendes Vorwärtsgehen, sein Verzicht auf allen Überschwang der Pläne, - es war nicht nur mein reifes Alter, sondern die eigenste Anlage, die mich, unerachtet meiner Mond-Liebe, entschieden auf die Seite des schweizerischen Forschers zog [UW 17].

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Die schlagende Argumentation wird im Sinne einer Bekräftigung durch einen außenstehenden Zeugen dem Gehilfen der Präsidentschaft, Carl Rothe, in den Mund gelegt: »Rothe sah die Würden, die man uns übertragen hatte, mit recht nüchternen Augen an; er wußte genau, warum die Wahl auf ihn, der ebenfalls der Partei nicht angehörte, und mich gefallen war, und nannte es verdienstlich, daß wir uns nicht versagt hatten. >Wir tun esnicht für heute, nicht für morgen, aber vielleicht für übermorgen. Bedenken Sie, wieviel Unheil wir verhüten, wie viele törichte Vorsätze wir vereiteln werden! Stellen Sie sich vor, was geschehen könnte, wenn ehrgeizige Eiferer unsere Stelle einnähmen! Wie sie durch Aktivität glänzen würden! Von Ihnen und mir wird niemand ein unwürdiges Wort vernehmen. Wir haben in jedem Land Gesinnungsverwandte; nach dem Krieg werden wir einander suchen und helfen.entstrickenDer Fragebogen< seinen Weg gemacht. A b e r es sollte von Anbeginn heißen: >Der Fragebogen von Ernst von S a l o m o n s Es war mein Fragebogen, es waren meine Antworten« (Ernst von Salomon 1970).

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den« [F8]. 3 4 5 Gegenüber den amerikanischen Militärbehörden, den Urhebern des Fragebogens, fühlt er sich in einem wesentlichen Punkt unterlegen. 3 4 6 Die Amerikaner »sprachen schlicht und selbstverständlich von einer so großen Sache, wie dem Gewissen, und ich bewunderte sie wegen ihrer apodiktischen Sicherheit und beneidete sie um die Geschlossenheit ihres Weltbildes« [F9], Salomon hingegen fehlt »das Organ für die Religion« [F 105], 347 so daß »ich den Zweifel von vornherein für fruchtbarer hielt als die Sicherheit« [F 105]. Aufgrund der paradoxen Ausgangslage, sich mit keiner übergeordneten Instanz identifizieren zu können, sich danach aber gleichzeitig zu sehnen, sind Aktion und Reflexion nicht mehr miteinander vereinbar. »Wenn ich auch immer versuchte, irgendein beabsichtigtes Tun mit irgendeiner Art von Gewissen in Einklang zu bringen, so stand ich jedesmal vor der grausamen Alternative, entweder an der Legislative des Gewissens zu zweifeln oder aber jegliches Tun gänzlich zu unterlassen« [F 9]. Der biographische Sündenfall ist die Beteiligung am Attentat auf Walther Rathenau, den der Erzähler als Versuch deutet, Handlung und Reflexion mittels einer Tat zusammenzuzwingen. Die jüngste deutsche Vergangenheit verhindert zusätzlich die Konstruktion einer emphatischen, ganzen Identität. Die deutsche Nation ist eine integrale Komponente der im Fragebogen konstruierten Identität in »einem Lande und einem Volke, dem ich unausweichlich angehöre« [F 10]. 348 Individualgeschichte und politische Geschichte bilden einen vielfach ineinander verquickten und verschachtelten Komplex. Mittels der narrativ entfalteten Identität wird immer auch die nationale Identität erzählt und reflektiert. Ist die personale Identität Ergebnis der Biographie, so ist die nationale Identität Ergebnis der Historiographie. Nationalität ist einerseits, darauf weist Salomon vor allem angesichts der jüngsten Geschichte hin, eine »Frage auf Leben und Tod. Durch sie wird ja nicht nur eine gewisse rechtliche Kommunikation des Einzelnen mit einer partiellen Gesamtheit geregelt, es ist mit ihr auch die Übernahme sehr bestimmter Pflichten verbunden« [F 60]. 349 Im Endeffekt ist Nationalität aber Ergebnis von Zufall. »Gewöhnlich ge-

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Zum Selbstverständnis dieses Revolutionärs: »Mir waren die Menschen nie so interessant erschienen wie die Umstände. Es war mir klar, daß man niemals die Menschen ändern konnte, also mußte es eines Mannes Aufgabe sein, die Umstände zu ändern« [F279]. 346 Vgl. zur Reeducation Hansjörg Gehring 1976; Hermann Glaser 1991, S.62f.; Bernd R. Gruschka 1995. 147 »Gesang ist für mich Lyrik mit Musik und etwas Religion dabei, drei Bereiche, von denen ich ausgeschlossen bin« [F210f.]. Vgl. Franz Futterknecht 1976, S.200. .«» Vgl. zur Nationalität: »Ich bin ein Preuße. Die Farben meiner Fahne sind schwarz und weiß. Sie deuten an, daß meine Väter für die Freiheit starben und fordern von mir, nicht nur bei hellem Sonnenschein, sondern auch an trüben Tagen ein Preuße zu sein« [F56]. 349

Als Beispiel zur Verdeutlichung verweist Salomon auf das Problem des Kriegsdienstes: »Ein Staatsangehöriger kann also sehr wohl in die Verlegenheit geraten, für den Staat, dem er angehört, gelegentlich getötet zu werden oder selber töten zu müssen. Bei dieser Alternative ist die erstere Möglichkeit sicherlich abscheulich, aber sie unterliegt nicht dem Willen des Einzelnen, jeder Mensch muß einmal sterben, und dies wie der genaue Zeitpunkt liegt nicht in seiner Hand. Etwas anderes ist es mit der zweiten Möglichkeit. Sie ist noch ungemein abscheulicher als die erste, weil sie die tätige Mithilfe des Einzelnen ver-

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schieht der Erwerb einer Staatsangehörigkeit - einer sehr notwendigen Sache sonsthin, es ist sehr schwer, einen Menschen zu finden, der ohne sie auf die Dauer mit seinem Schicksal zufrieden zu bleiben vermag - durch den einfachen Akt der Geburt, einen Zufall also« [F 61]. 350 Wesentlich ist nicht die biologische Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, sondern ihr voluntaristischer Charakter. Nationalität ist aus Salomons Perspektive erst infolge eines Akts der Dezision verpflichtend. »[I]ch weiß, daß ich Preuße aus Wahl geworden wäre, wenn ich nicht schon Preuße wäre aus Geburt« [F 61]. 351 Immer wieder erweist sich als grundlegend für die Identität der »Versuch [...], zu einer eigenen Setzung zu gelangen« [F 111]. Der Reeducation-Fragebogen enthält eine spezifische Form der Identitätskodierung aus der Perspektive von Institutionen. Salomon beschreibt sich als »einzigen Menschen in der ganzen Welt, der ihren Fragebogen wirklich ernst nimmt« [F 467], und ihn deswegen angreift. Vor allem in den kürzeren Kapiteln unterläuft, konterkariert, übererfüllt er die Fragen; so etwa die Beantwortung von Frage 2, die auf Name und Familienname zielt. Ihr fügt Salomon ein ausführliches Zitat des Artikels >Salomo< aus dem Brockhaus von 1898 als Anlage an [vgl. F 31f.]. Identität ist mehr als das, was mittels des Fragebogens erhoben werden soll. Lücken im Fragenkatalog nutzt Salomon, um die kulturelle Differenz zwischen Deutschen und Amerikanern aufzuzeigen. 352 Die Identitätskonzeption des Fragebogens zielt auf Identitätsetiketten, die Identität als von außen beobachtbare und zweifelsfreie Identifikation feststellen soll. Salomon stellt dem eine eigene Konzeption entgegen, die Komplexität, Zweifel und Infragestellung akzentuiert, also identitätskritisch argumentiert. Die an sich banale Frage 7 nach dem Körpergewicht beispielsweise beantwortet Salomon mit »schwankend« [F 47], entfaltet anschließend die gesamte Spannbreite seines jeweiligen Körpergewichtes von mager zu dick, reflektiert schließlich noch Semantisierungen von Fettleibigkeit in Shakespeares Julius Caesar und Hamlet [vgl. F 48f.]. Salomons Strategie folgt der Überzeugung, »Registratur [sei] die sublimste Form des Terrors [...].

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langt. U n d es m u ß d e m Einzelnen wohl doch d e r Wunsch zugestanden w e r d e n müssen, zuerst einmal gründlich untersuchen zu d ü r f e n , für welches G e b i l d e mit staatlichem A n spruch e r vielleicht bereit wäre, etwas so Abscheuliches zu tun, wie einen a n d e r e n M e n schen zu töten« [F 60f.]. Vgl. Dimitris A p o s t o l o p o u l o s 1976, S. 13ff.; Franz F u t t e r k n e c h t 1976, S.204ff., S.212; Franz F u t t e r k n e c h t 1987, S.315. D a s wird als historisches M e r k m a l Preußens verstanden. F ü r das 18. J a h r h u n d e r t f ü h r t Salomon aus: » D e r B e s t a n d des Staates reichte genau so weit, wie in der Brust des Einzelnen d a s Bewußtsein des Staates lebendig war« [F 62], »Es wird nicht nur mir, s o n d e r n allen D e u t s c h e n , die je gezwungen waren, einen Fragebogen der Alliierten Militärregierung auszufüllen, aufgefallen sein, daß die Initiatoren dieses feinfühligen I n s t r u m e n t e s einen höchst wichtigen P u n k t glattweg ausgelassen h a b e n , n ä m lich die Frage nach d e r Familie. In unserem alten Kontinent bildet die Familie, im allgemeinen und im b e s o n d e r e n die engere Familie, einen so anspruchsvollen Bereich, d a ß fast j e d e H a n d l u n g eines Einzelnen erst dann zur G ä n z e v e r s t a n d e n w e r d e n kann, wenn seine B i n d u n g an W e i b u n d Kind, an Eltern u n d Geschwister mit in den Kreis der B e t r a c h t u n g gezogen wird« [F 266].

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Ein Mann in der Kartei ist schon ein so gut wie toter Mann« [F 50]. 3 5 3 Aus dieser Perspektive wird ein beantworteter Fragebogen des Military

Government

of Ger-

many zum Steckbrief. 3 5 4 [V]on mir wird eine Antwort geheischt zu einer Frage, die mich gar nichts angeht. Die Frage wird an mich von der Macht gestellt, und ich halte nichts von der Macht, weder von der einen noch von der anderen. Die Frage wird alternativ gestellt, und ich halte nichts von der Alternative. Ich weiß nur, daß vor der alternativen Frage der Macht die Wahrheit in jedem Falle falsch ist. Ich befinde mich in der Lage eines Mannes, der sich im Niemandslande herumtreibt [ F i l l ] . D e r Fragebogen weist eine für die Autobiographie ungewöhnliche Form auf. D i e Übernahme des Formulars impliziert eine themenorientierte, nicht chronologische Ordnung des autobiographischen Materials. Salomon nutzt diese Ordnung dazu, im Gegensatz zur Konvention der Autobiographie die einzelnen Wendepunkt seiner Biographie herauszustellen, und stellt Identität mittels der Konstruktion zur Disposition. D e r eigentliche Text nach dem Vorwort beginnt mit dem mehrfach variierten Hinweis auf einen biographischen Einschnitt: Es ist wohl bedacht, wenn ich mit dem Hinweis beginne, daß an der entscheidenden Ecke meines Lebens eine Frau gestanden hat [F13]. Als ich ihr begegnete, war sie Dr. med., Oberärztin, grauhaarig und derbsohlig im schlichten Kleid, nur um den Hals noch ein bißchen was Freundliches, und stand an der Ecke, die für meinen Weg entscheidend war. Ich hatte keine Ahnung, daß da eine Ecke war. Ich war in diesem Augenblick gerade von dem kleinen Glück erfüllt, vorzufahren [F 15].

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Vgl. dazu die Genese dieser Überzeugung, die Salomon in seine Zeit im Zuchthaus in Striegau verlegt (F 154ff.): »Anfangs dachte ich, ich komme nun aus der wilden und ungeregelten Ordnung der Freiheit und der Welt in eine tödliche, trockene Atmosphäre, in welcher ich notwendig verdorren muß. Aber ich kam eben doch wieder in eine Ordnung. Das Schlimmste war gar nicht der Verlust der Freiheit, die ist leicht verloren und der Mensch merkt es gar nicht. Jeder Soldat verliert seine Freiheit, jeder Beamte ist in gewissem Sinne unfrei - das Schlimmste war der Verlust der Würde. Ausgeliefert sein, eine Nummer sein, das war das Schlimmste. Der Mensch ist nicht schrecklich von Natur, er ist es erst, wenn er als subalterner Geist Macht über andere Menschen bekommt« [F154], Vgl. auch die bedrohliche Atmosphäre im Reichsparteiarchiv, als Salomon seinen Akt einsieht: »Es war ein Akt über mich. Ich blätterte in ihm. Da war nichts vergessen. Mein ganzes Leben lag da, aufgefangen in Stenogrammen, Zeitungsartikeln, Photos, Photokopien von Ausweisen, Briefen, Anträgen, Berichten - durchgearbeitet, mit Ausrufezeichen und roten Strichen versehen« [F349].

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In nuce ist diese Kritik in der Antwort auf Frage 13 {»Art der Ausweiskarte: deutsche Kennkarte Nr. Β 78 561«) ausgeführt: »Ich entnehme meiner Kennkarte mit Interesse, daß meine Staatsangehörigkeit >deutsch< ist, was ich entweder als veraltet oder als verfrüht betrachte, daß meine Gestalt als untersetzt bezeichnet wird, und daß die Farbe meiner Augen von dem die Karte ausstellenden Beamten als hellbraun empfunden wurde, - ich muß wohl bei diesem Vorgang lebhaft an Auslandsreisen gedacht haben. [Absatz] Die Kennkarte ist geschmückt mit einem Bilde, welches ein Photograph von mir gemacht hat, und auf welchem ich dargestellt bin, wie ich nicht aussehe, nie ausgesehen habe und nimmer aussehen werde« [F 52].

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Die Perspektivdifferenz legt die Nachträglichkeit der Biographiekonstruktion offen. Das Jahr 1928, in dem der junge Salomon aus dem Gefängnis entlassen wurde, führt ihn in ein holsteinisches Sanatorium und nach langen Jahren wieder in die Geburtsstadt. »Als ich nach zwanzig Jahren wieder nach Kiel kam, denn dort bin ich geboren und nun begann mein Leben neu, da lagen vor mir die glitzernden Wasser der Förde und Sonne lag über der Stadt« [F41], Die Wiedergeburtsmetaphorik markiert die Schnittstelle zweier unterschiedlicher biographischer Segmente. Die erzählte Figur ist in einem Neuorientierungsprozeß begriffen und steht gewissermaßen am Nullpunkt ihres Lebens. 355 Der Erzähler charakterisiert die erzählte Figur historisch-literarisch. Die Frau an der >Ecke seines Lebens< gehört zu den »rechten Personen, um an den Kreuzwegen des Lebens zu stehen und die armen, fahrenden Ritter unserer Zeit an den Rockschößen zu packen und ins rechte Gleis zu bringen« [F14]. Die humoristische Selbstbeschreibung, die die vergangene Biographie bereits als im falschen Gleis verlaufen bewertet, evoziert das anachronistische Bild des fahrenden Ritters im längst nicht mehr feudalistischen 20. Jahrhundert. »Ich trat«, erläutert Salomon später, »am Tage meiner Entlassung aus der Haft sozusagen mit einem einzigen Schritt aus dem Mittelalter direkt in das amerikanische Jahrhundert« [F 252]. Das Bild vom fahrenden Ritter ist selbstironisch 356 und zugleich mehr, denn Salomon ist de facto als Nachfahre eines alten Kreuzrittergeschlechts fahrender Ritter. Das Bild vermittelt die historische Überständigkeit und Funktionslosigkeit solcher Individualität; Adelsstolz oder die Identifikation mit der Familientradition spielt keine Rolle. Erst in »den Jahren der nationalsozialistischen Regierung in Deutschland freilich bestand wegen des verdächtigen Beiklanges unseres Namens hinreichend Anlaß, sich näher mit meiner Familie zu befassen« [F 66], Der ausführ-

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Salomon reflektiert dies, indem er auf seine Ausgangssituation verweist und sie als Voraussetzung seiner Teilnahme am Rathenau-Attentat reflektiert: »Ich hatte bis zur Revolution von 1918 zweifellos in einer vorgezeichneten Welt gelebt. Ich stammte aus einer Familie von B e a m t e n und Offizieren. Ich war im Königlich-Preußischen Kadettenkorps erzogen worden, ich sollte Offizier werden. Ich wuchs also in einer Atmosphäre auf, die bislang weithin gültig war, und in welcher das einzige Interesse am Staat in der Verpflichtung bestand, ihm zu dienen« [F392].

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Vgl. Salomons Selbstbeschreibung: »Ich sagte: >Ironie ist für mich das einzige Mittel gegen vorgefaßte Meinungen[]«< [F26], Vgl. aber den späteren Hinweis auf die Unredlichkeit der Ironie: »Natürlich vermag die unredliche Art, diese Dinge ironisch zu behandeln, nicht darüber hinwegzutäuschen, daß ich lange Zeit im sprudelnden Kielwasser der Bogumilschen Philosophie geschwommen bin. D i e ironische Behandlung wohlmeinender philosophischer Lehrsätze ist immer unredlich, aber der betrübliche Raummangel dieses Fragebogens zwingt mich ebensosehr zu dem Verzicht, das ganze Lehrgebäude zuerst einmal sachlich darzustellen, um dann erst mit der Sonde des Zweifels an die Konstruktion zu gehen, wie die Tatsache, daß der Bogumilsche Kahn zu einer großen Flottille ähnlich gearteter Fahrzeuge gehörte und hier das eine für viele andere stehen muß. Damals durchfurchten unzählige solcher Schiffchen die deutsche See, ehebevor ein mächtiger Panzerkreuzer in unserem Ententeich zu manövrieren begann und alle philosophischen Ausflugsboote schnurstracks beiseite fegte« [F264], Mit >Bogumil< ist Friedrich Hielscher gemeint.

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liehe familienhistorische Überblick weist eine »gewisse Neigung zum Querulieren, eine nicht immer angenehme Art von Rechthaberei, einem Gemisch aus Ironie und Arroganz« [F74], als genealogische Kontinuität aus. Gewissermaßen vererbt ist neben einer Reihe von Charaktereigenschaften als Familienkennzeichen die Freigesetztheit des Einzelnen. Wir »waren zu offensichtlich ohne >Ar und Halmfahrende RitterDer reine Torunwissend, aber voll der besten Vorsätze, das Gesetz in sich und den gestirnten Himmel über sich und jedenfalls entschlossen, stets so zu handeln, daß die Maximen seines Handelns zu einer allgemeinen Gesetzgebung taugen.AuftragEntscheidungHast Du - hast Du eigentlich nicht, wie ich, manchmal das Gefühl, daß dies unwürdig ist? Ich meine, wie soll ich es ausdrücken? - ich meine, daß wir doch eigentlich ohne Sinn leben, wenn wir nicht, - ja, wenn wir nicht aus dem, was wir einmal taten und wollten, doch eine, sagen wir eine Art Verpflichtung zögen?0 Menschen, Menschen, heuchlerische Krokodilenbrut!< Vom Gefühl her war für mich der Vorgang selbst viel wichtiger als das Resultat, dieser unvergleichliche Rausch des Sichopferns, die Selbstvernichtung - das Grandiose des Versuches, >die Erde an den Mond zu sprengenDas ist es nicht - das bürgerliche Leben, das ich nun führe, - es ist mir immer wie eine Hochstapelei vorgekommene Ich wußte aber sogleich, daß dies nicht wahr war, oder doch nur teilweise wahr, daß es mich gepackt hatte, daß ich leben wollte, so leben« [F 151]. Vgl. auch Salomons Feststellung, daß er zeitweilig irrtümlich für einen Nationalsozialisten gehalten wurde: »Ich war jedenfalls ziemlich betroffen über den allgemeinen Eifer, gerade mir die dumpf bebrüteten Geheimnisse des Obersalzberges zu entreißen, und als ich darüber meinem Erstaunen Ausdruck gab, wurde ich bald in der Ecke stehengelassen, - auch nur ein Intellektueller, auf die falsche Seite verirrt. (Wie ich denn überhaupt die merkwürdige Beobachtung machen konnte, daß ich, kaum hatte ich begonnen, das Leben eines Bürgers zu führen, bedeutend an Respektabilität verlor.)« [F320f.]. Salomon wiederholt seine Weigerung, sich an einer Verschwörung gegen Hitler zu beteiligen, an späterer Stelle gegenüber Harro Schulze-Boysen [vgl. F478ff.]: »Ich müsse doch zugeben, das Nichtstun das größte aller Verbrechen sei. Ich gab es nicht zu. Aber als ich sagte, daß sich die Dinge vollenden müßten, kamen alle die Argumente, die ich, fünfzehn Jahre waren es nun her, einstmals mit dem gleichen Eifer durchdiskutierte, da sagte er >die Entwicklung weitertreibens da sagte er >ein Fanal aufrichtennationale< München rüstete, in einer Kundgebung gegen die Verkündigung des Republik-Schutz-Gesetzes durch die Reichsregierung gegen das Gesetz zu protestieren. D a s Gesetz war auf das Rathenau-Attentat hin erlassen worden. Hitler sprach vor sechzigtausend Menschen und feierte die Mörder als Märtyrer für die Zukunft Deutschlands« [F 407].

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rakter noch seine Lehre, ich hielt sie nicht einfach für falsch, ich begriff nicht, was er eigentlich wollte [F 422]. Aus dieser Perspektive konstruiert Salomon seine Biographie im Dritten Reich als Geschichte einer zunehmenden Desillusionierung 3 6 7 »Nie hatte ich mich so verachtet wie damals, als ich nach der R e d e aufstand und ging« [F 444]. Salomon bekennt sich zur Kollektivschuld. 3 6 8 Sie wird als aporetische Situation beschrieben und reflektiert. 3 6 9 D e r biographische Ausgangspunkt für diesen Fragenkomplex wird erst spät mitgeteilt. Salomon erlebt in den Gefangenenlagern der Amerikaner nach 1945 mehrere Verhörsituationen. Die entscheidende Frage: »>Wie haben Sie es dann mit ihrem Gewissen vereinbaren können, in Deutschland zu leben und zu arbeiten?*« beantwortet er: »>Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich kann Ihnen aber gerne versprechen, daß ich es mir in Zukunft sehr genau überlegen werde, w o ich leben und für wen ich arbeiten will.den Juden< helfen kann, weil jede Hilfe sie noch mehr gefährdet. Das Entsetzliche ist, daß wir uns selber nicht helfen können, daß viel mehr noch als den Juden uns geschieht. D a ß viel mehr noch als uns dem Kollektiv selber geschieht.« [F456f.]. 370

Zu den Auffälligkeiten des Fragebogens zählt die mittels der Textorganisation herausgestellte Bewußtheit des Konstruktionscharakters von Biographie, der Differenz von Erinnerung und Leben, des Unterschieds von Biographie und Lebenslauf.

Eine entscheidende Situation ist die Konfrontation mit Aufnahmen aus den befreiten KZs: »>AchMoment malHaben Sie starke Nerven, gnädige Frau?< Ille glaubte, sich nach den Luftangriffen, die sie mitmachte, auf ihre Nerven verlassen zu können. Diewald reichte uns die Bilder. Abends konnte ich nicht einschlafen. Ich trat auf den Umgang hinaus. [...] Immer mehr Menschen waren in den kleinen Ort geströmt, seit einigen Tagen Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei, Sudetendeutsche, die alles verloren hatten und schwer zu bewegen waren, etwas von dem zu erzählen, was ihnen zugestoßen war; wenn sie aber erzählten, mußten sie das Schweigen der Zuhörer als ein Zeichen nehmen, daß ihnen niemand glaubte. Es war schwer, ihnen zu glauben. Ich glaubte ihnen. Und jedenfalls mußten die Amerikaner wissen, was wahr daran war« [F 646f.].

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D i e Technik der Perspektivverschachtelung ist virtuos eingesetzt, um diese Differenzen bewußt zu halten und die Komplexität der Erzählung wie der Reflexion über mehrere E b e n e n zu steigern. Unterschiede in den Perspektiven werden immer wieder deutlich. In den kurzgehaltenen Kindheitserinnerungen werden Selektion und Gewichtungsunterschiede hinsichtlich der Erlebnisse deutlich gemacht [vgl. F 174f.]. Erinnerungen an die Schule werden kaum verwahrt, aber »die Bilder ernsthaft blutiger Straßenschlachten [sind meinem Gedächtnis] wie eingeätzt« [F178]. Insgesamt zeigt sich eine starke Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, die anhand der Kinheitserinnerungen repräsentativ für die gesamte biographische Konstruktion verdeutlicht wird. 3 7 1 D i e Reflexion des Gedächtnisses als einer Grundlage autobiographischen Erzählens und der Identität nimmt einen zentralen Platz ein. Es ist sehr schwer, mit Gewißheit etwas über die eigenen Eigenschaften auszusagen, aber dies glaube ich unbedenklich aussagen zu können: Mein Gedächtnis ist vorzüglich. Ich weiß nicht, ob ein vorzügliches Gedächtnis auch eine vorzügliche Eigenschaft ist. Mit Bestimmtheit lahmt es die Schwingen der Phantasie, ohne deren Flug vollwertig zu ersetzen; aber es bietet die Möglichkeit der Kontrolle und stärkt den realen Sinn; es gestattet, eine Aussage zu belegen und gleicht einem wohlgefüllten Archiv, aus welchem das Erinnerungsvermögen nach Belieben jederzeit den fraglichen »Vorgang« heraufzuholen vermag, gleichgültig, ob er sich in Bildern oder Worten, in Gestalten oder Szenen, in dem Erlebnis von Zusammenhängen oder von geistigen und seelischen Erschütterungen darstellt [F174], Salomon unterscheidet Gedächtnis und Erinnerung in ähnlicher Weise wie Friedrich Georg Jünger. Er distanziert sich von der Psychoanalyse und ihrer anthropologischen Rahmentheorie. 3 7 2 Identität und Individualität sind keine statischen und festen Größen, sondern dynamisch. Aus dieser Perspektive entwickelt Salomon seine Auseinandersetzung mit d e m aus d e m 19. Jahrhundert ü b e r k o m m e n e n Konzeptionen des Charakters. Er analysiert als prägende Vorstellung den Bildungsbegriff.

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»Nun könnte freilich angenommen werden, daß dieser merkwürdig blinde Fleck in meinem Gedächtnis für alles, was Schule betrifft, auf den einfachen Umstand zurückzuführen sei, daß ich eben ein wilder Knabe gewesen bin, der erheblich mehr Interesse zeigte für rohe Gewalttätigkeit als für den milden Dienst an den erlesenen Wissenschaften. Aber das stimmt nicht. Nach dem Zeugnis meiner Eltern und Verwandten war ich eher ein stilles und scheues Kind« [F179]. »Psychologen mögen nun einwenden, daß ich unter jene Knaben zu rechnen sei, denen das erwachende Triebleben vielleicht so viel zu schaffen machte, daß es die geistigen Erlebnisse zurückzudrängen vermochte. Ich habe von dem Augenblick an, als ich mit den ersten Ergebnissen psychologischer Forschung Bekanntschaft machte, nur eines nicht zurückzudrängen vermocht, nämlich das Gefühl, daß Psychologie, um es mit einem harten und umfassenen Wort auszudrücken, eine Schweinerei sei« [F180]. Allerdings muß auch hier wiederum auf die Ambivalenz verwiesen werden, die ihn an anderer Stelle zur Inanspruchnahme psychoanalytischer Deutungsmuster führt. Aus der Zwickmühle des Eides kommt er heraus: »Ich glaube, es gehört zum Gebiet der psycho-analytischen Fehlleistungen, daß ich am Morgen der Eidesleistung verschlief« [F495]. 239

Die wesentlichen Voraussetzungen zu seinem Beruf gab dem Kadetten über den Lehrplan hinaus die Erziehung seines Charakters, zu einem bestimmten Charakter; die preußische Armee hatte sich als eigener, in der Zielsetzung ganzheitlicher Bereich etabliert. Nun muß es mich freilich stutzig machen, zu erfahren, daß Arthur Schopenhauer, dieser Fels im flüchtigen Strom der Bildung des neunzehnten Jahrhunderts, den Charakter des Menschen für konstant hält. »Er bleibt derselbe, das ganze Leben hindurch. Unter der veränderlichen Hülle seiner Jahre, seiner Verhältnisse, selbst seiner Kenntnisse und Ansichten, steckt, wie ein Krebs in seiner Schale, der identische und eigentliche Mensch, ganz unveränderlich und immer derselbe.« Nur der Erkenntnis schreibt Schopenhauer die Möglichkeit einer veränderlichen Haltung und Handlung zu [F181]. Salomon entwickelt am Beispiel der Kadettenausbildung die Unzeitgemäßheit einer statischen und speziell dieser Personkonzeption und ihr Versagen. Historisch gesehen impliziert der 20. Juli 1944 die A g o n i e des preußischen gebildeten Charakters. Aus ehemaligen Kadetten rekrutierte sich die deutsche Generalität des Zweiten Weltkriegs. A b e r auch ein »unverhältnismäßig hoher Prozentsatz ehemaliger Kadetten [war] in jene tragischen Ereignisse des 20. Juli 1944 verwickelt« [F182]. Tragisch ist diese Verwicklung nicht nur aufgrund ihres Scheiterns, sondern weil sie den endgültigen Untergang des preußischen Charakters bedeutet: In der Brust jener Männer, die den Entschluß zum Morde faßten, wie auch in der jener, die ihn nicht faßten, muß sich eine Entscheidungsschlacht abgespielt haben, wie sie im Körper des Menschen im Fieber der Krise tobt. Hier ging es nicht um den Tod, welcher dem Soldaten in vertraute Nähe rückt, sondern um die Ganzheit nicht nur des eigenen Lebens. Das Leben jedes dieser Männer war geformt durch eine Bildung, welche auf Ganzheit ihren Anspruch erhob, als eine geschlossene Lebensmacht angesehen werden wollte. Der Augenblick des Entschlusses war der Augenblick der Sprengung dieser Ganzheit. Er gebar sich aus der Erkenntnis, daß die Lebensmacht der Bildung gegenüber dem Anspruch des Phänomens nicht ausreicht. Am 20. Juli 1944 ging nicht nur die preußische Armee, es ging auch die Bildungswelt des neunzehnten Jahrhunderts zugrunde [F 182f.]. D e n Kadettencharakter deutet Salomon als Umsetzung des Bildungskonzepts des 19. Jahrhunderts innerhalb des Militärs. Von seiner Grundausrichtung her ist er als auf Ganzheit ausgerichtete Formung der Identität zu begreifen. Damit führt er aber zu jener Statik, die ihn angesichts der sich stetig weiterentwickelnden Ganzheit des Lebens und des historischen Prozesses zu einer überlebten institutionalisierten toten Form gemacht hat. Salomons Zweifel an »Dinge[n] wie Sitte, Würde und Anstand und meinetwegen auch das kostbare Gut der individuellen Freiheit« [F238] sind sämtlich aus dem bürgerlichen Begriff des Individuums abgeleitet, »weil ich [...] an der existentiellen Wirklichkeit dieser D i n g e zumindest als die Angelegenheiten dieser Welt bestimmende Kraft zu zweifeln geneigt war, - mich dünkte es logischer, auch ihren Schein schwinden zu sehen, als in ihrem Namen zu agieren, besser also, ein Vakuum zu schaffen, als eine alte und, wie es sich erwiesen hatte, falsche Konstruktion« [F 238], Als zeitgeschichtlichen Trend beobachtet Salomon, daß sich die Massen zu formieren begonnen und formiert [sind], welche das Bekenntnis mit ihrem strengsten Element der Aufrichtigkeit über die Wahrheiten stellen, keinen Zweifel las-

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send, daß zugleich mit diesem Akt auf eine Ganzheit Anspruch erhoben wird, innerhalb deren keine freie Willensentscheidung des Einzelnen mehr möglich ist, außer im Sinne einer funktionalen Bestimmung, und deren strenge moralische Setzung nicht mehr dem Wege des Menschen zur Erlösung, sondern seiner Beherrschung der Dinge und deren gültiger Ordnung dient. Allerorten rücken mit ihrer grausamen Forderung die Mauretanier vor, wie sie Ernst Jünger nennt [F 184], D i e angesprochene Ganzheit als Lösungsversuch für die Funktionslosigkeit macht die Ambiguität von Salomons Position deutlich. Ganzheit wird im Fragebogen in ihrer gesamten schillernden Ambivalenz reflektiert. Steht hier zunächst die totale Erfassung des Einzelnen und damit vor allem der terroristisch-totalitäre Aspekt im Vordergrund, 3 7 3 wird an anderer Stelle die Faszination der Ganzheit von Othmar Spanns Universalismus unumwunden bekannt. »Ich erlebte zum ersten Male als Lernender das berauschende Gefühl, von mir aus den D i n g e n hinzutun zu können, teilzuhaben am lebendigen Fluß, am organischen Aufbau einer Lehre, die, wenn sie richtig war, alles, was ich tat und dachte, mit einem vollen und gültigen Sinn erfüllte. U n d ich erlebte es nicht allein« [F 207]. Unmittelbar an die Bekundung der Faszination schließt Salomon eine ironisierende Zurücknahme an, so daß Ambivalenz erhalten bleibt. 3 7 4 In der Zeit der Haft wird schließlich schon die A b s a g e an Ganzheit in einem damals geführten Tagebuch artikuliert: An einer Stelle, ganz in die Ecke gedrückt, gerade so hingekritzelt, daß ich es kaum entziffern konnte, steht der Satz: >Die Ganzheit ist eine Pest.< Das war natürlich schlecht formuliert, heute weiß ich, was ich damals sagen wollte, alle großen Bewegungen in der Welt, das Christentum wie der Humanismus, wie der Marxismus, sie alle werden von einer Art Krankheit befallen, einer göttlichen Krankheit, der erhabenen Pest des ganzheitlichen Anspruches. Das macht die Dinge so einfach für den, der sie betrachtet. Ich, ich bin kein Bekenner, ich bin ein leidenschaftlich beteiligter Betrachter. So wurde ich kein Nationalsozialist, und so mußte ich mich von Othmar Spann trennen [F215].

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Vgl. Salomons Deutung des Nationalsozialismus als antiindividualistische Bewegung: »Seine Mittel der Propaganda setzten sich mit äußerster Simplizität über jede individuelle Hemmung hinweg. Ihr bewußter Gebrauch schien geradezu dahin zu zielen, die ganze Sphäre der Individualität mit ihrem Gespinst von Tradition, Gewohnheit, Ehrfurcht, Anstand und Geschmack zu überwinden. Die Anerkenntnis der Äußerlichkeiten, unter deren Zeichen die Partei auftrat, bedeutete geradezu die Aufgabe des Persönlichsten. Eben das aber mochte die ungeheure Verlockung sein: Die Verlockung, sich als >Opfer< anzubieten sie war immer der Ersatz für die Verpflichtung zum eigenen Tun« [F402f.]. »Jeder einzelne von Spanns Schülern mußte das Bewußtsein haben, an etwas selber mitzuarbeiten, was mit seiner Wahrheit mächtig genug war, die Welt zu erfüllen, jedes Vakuum auszugleichen, an einem System, so rund, so glatt, so kristallinisch in seinem inneren Aufbau, daß jedermann hoffen durfte, in nicht allzulanger Zeit den fertigen Stein der Weisen in der Hand zu haben. Es ist wahrlich leicht, heute zu spotten, damals schien alles so klar und so einfach und so berauschend nah! In Othmar Spanns System und Konzept lag das Geheimnis der >dritten MachtDie innerste Hauptstadt eines Reiches liegt nicht hinter Erdwällen und läßt sich nicht erstürmen< einem meiner Bücher als Motto vorangesetzt, - es war ein köstliches, ein tröstliches, ein romantisches Wort, - ein böses, entschuldigendes, verbrecherisches Wort, ein Wort voller Verpflichtung, welcher niemand, niemand mehr genügen konnte - ein menschliches Wort für Unmenschen, für Menschen ein unmenschliches Wort« [F503], Im Bombenkrieg wird endgültig auch die Vergangen-

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»>Es gibt keinen Standort innerhalb einer Epoche, von welchem sich die Geschichte dieser Epoche betrachten läßtdie Wahrheit in allem teilweise stecktEidbrecher des 20. JuliFragebogen der Alliierten Militärregierung< [...] ad absurdum führen. Heute, nach zwanzig Jahren, muß ich bekennen, daß der Zwang zur Aufrichtigkeit bei der Beantwortung der 131 Fragen umgekehrt meine Absichten ad absurdum führte.« 3 7 9

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" Ernst von Salomon 1970.

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4. Die Einheit der individuellen Vielfalt: Das vitalistische Biographiemodell

Die narrativ entfalteten Konzepte von Identität und Individualität zeigen eine starke Variationsbreite. Orientierungen an Grundtypen der Gattungsgeschichte wie etwa der Konversions- oder der Bildungsautobiographie sind weniger Erfüllung als produktive Variation vorgegebener Muster. Die traditionellen Erzählmodelle sind verfügbar, ein dominantes wie etwa Goethes Autobiographiemodell für das 19. Jahrhundert ist nicht auszumachen. Die Gemeinsamkeiten in der Individualitätssemantik zwischen den verschiedenen Autoren lassen sich auf die moderne Exklusionsindividualität zurückführen. 1 Alle Autoren kodieren die Außenstellung des Individuums, indem sie Isolation und Außenseitertum als integrales Selbstbeschreibungselement wählen und damit das Fehlen normalbiographischer Verbindlichkeiten ausdrücken. Die Schriftsteller sind hier de facto Avantgarde, weil es für sie keinen gesellschaftlich integrierten Berufszyklus gibt. Dies ist längst Bestandteil des zeitgenössischen Autorbegriffs, dessen radikalste Fassung Benns Formel des Kulturträgers ist. Auch wenn sich einzelne Autoren einem Kollektiv zuordnen, achten sie peinlich darauf, sich innerhalb dieses Kollektivs eine randständige Position zuzumessen. Trotz ihrem Außenseitertum und der teilweise enormen Unterschiedlichkeit der Biographien beanspruchen paradoxerweise alle, ein typisches und repräsentatives Exemplar des modernen Schriftstellers zu sein, die Existenz im 20. Jahrhundert paradigmatisch zu vertreten oder zumindest als Exponent ihrer Generation zu gelten. Die konkrete Begründung der Exklusion wird durchwegs und naheliegenderweise auf den Untergang der alteuropäischen Welt im Ersten Weltkrieg zurückgeführt. Die damalige wilhelminische bzw. österreichisch-ungarische Gesellschaft habe keine akzeptablen Inklusionsangebote mehr anbieten können. Deren Institutionen und soziale Positionen gelten als verkrustete Formen, die je nach Radikalität der Position abgestreift oder weggesprengt werden mußten, jedenfalls aber dem generellen Entwicklungsgang des Lebens nicht mehr gerecht werden konnten. Der Erste Weltkrieg ist die Erfahrung eines Bruchs, der dem Lebenslauf zwar angehört, nicht aber der Biographie. Das Dritte Reich nimmt in allen Fällen die zentrale Position innerhalb der Selbstreflexion ein. Die dem Regime nahestehenden Autoren feiern es unbeschadet gelegentlicher Zugeständnisse an die Verhältnisse der Nachkriegszeit als Höhepunkt der Nationalgeschichte, die zugleich mit einem Gipfel der Individualbiographie zusammenfällt. Alle anderen charakterisieren die nationalso-

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Vgl. Niklas Luhmann 1993, bes. S. 159ff. 245

zialistische Diktatur als bedrohliche und akzelerierende Radikalisierung ihrer Isolation, der ein allgemeiner gesellschaftlicher Zerfall korrespondiert. Die Frage der eigenen Schuld wird von der Mehrzahl der Autobiographen mittels der Kategorie des Tragischen formuliert. Damit ist die Gleichzeitigkeit von konkreter Nichtschuld im juristischen Sinn und Schuld im je nach Grundüberzeugung moralischen oder metaphysischen Sinn als Paradoxie kodierbar. Die politischen und sozialen Gegebenheiten von 1918 werden identitätssemantisch im Bild des Sturzes in die Bodenlosigkeit versinnbildlicht. Das Individuum sieht sich der Unendlichkeit des Alls konfrontiert und allein auf sich selbst zurückgeworfen. Biographie und Identität sind keine vorgängigen Gegebenheiten mehr, sie müssen vom Subjekt her aus dem Material des Lebenslaufs neu konstruiert werden. Konstruktionen, die auf eine Re-Inklusion abzielen, zeigen häufig die Tendenz, diese Prämisse zu verdecken. Generell führen die tiefgreifenden welthistorischen Entwicklungen von 1914 bis 1945 zu einem gesteigerten Bedarf, die Grundlagen der Individualität in ihrer sozialen und anthropologischen Verankerung zu reflektieren. Die Autobiographie wird zum Vehikel der Geschichtsphilosophie oder der weltanschaulichen Reflexion, Explikation und Vermittlung. Die einzelnen extrem divergent konzipierten Biographien lassen sich, so kann zusammenfassend festgestellt werden, zu Typen gruppieren. Eine Gruppe versucht die Exklusionsindividualität durch Re-Inklusion zu überwinden. Die Autoren beschreiben sich selbst als Inklusionsindividualität. Das aber steht zur gesellschaftlichen Entwicklung der Moderne im Gegensatz. Inklusion ist nicht mehr auf Gesellschaft, sondern nur mehr auf übersoziale Zusammenhänge bezogen möglich. Die Autoren vollziehen einen Ebenenwechsel. Da die Außenstellung zur funktional differenzierten Gesellschaft gegebenes Faktum bleibt, müssen Einheiten, die Inklusion ermöglichen können, auf einer hierarchisch übergeordneten Ebene gesucht werden, die sowohl das Individuum als auch die Gesellschaft umfassen. Hans Friedrich Blunck konzipiert das Ich als organisch gewachsene Einheit innerhalb von Volk und Landschaft; Erwin Guido Kolbenheyer expliziert ein mittels naturwissenschaftlicher Argumente und Theoreme gewonnenes völkisches Konzept als Rahmen des Subjekts, das Biologie zu begründungsphilosophischen Zwecken mißbraucht und sich als weltanschauliches Lehrgebäude präsentiert. Beide stellen in ihren Texten die Notwendigkeit ihrer Lebenswege und ihrer Identitäten besonders deutlich heraus, um den persönlichen Bruch von 1945 biographisch integrieren zu können. Ebenfalls an Re-Inklusion interessiert ist eine zweite Gruppe von Autoren, die ihre Biographien als Weg zur Inklusion konstruieren. Dabei wird die Inklusion in den Fällen von Schneider und Bronnen nicht als sichere Feste des Subjekts vorgestellt, sondern ihre Brüchigkeit und Fragilität betont. Die Biographie wird als im Einzelfall unterschiedlich gefährdende Krisenzeit des Ich gestaltet. Die gegenwärtige Identität - die Position des Erzählers - und die vergangene Identität - die Position der Erzählfigur - sind deutlich kontrastiv gestaltet. Naheliegenderweise wird das Muster der altehrwürdigen Konversionsautobiographie zur Grundstruktur der Biographiekonstruktion verwendet, aber stark variiert. Die Texte präsentieren in 246

der Rahmenerzählung eine sinnerfüllte Identität im emphatischen Sinn, während die Binnenhandlung grob skizziert den Weg von einer defizitären Identität ohne Lebenssinn über ein Durchbruchs- oder Ganzheitserlebnis zur gegenwärtigen neuen Identität beschreibt. Die Konversationsautobiographie präjudiziert nicht spezifische Inhalte. Die Autoren gehören verschiedenen politischen und religiösen Lagern zu. Die Basis der Identität kann Menschlichkeit (Wiechert), katholisches Christentum (Schneider) oder Kommunismus (Bronnen) sein. Allerdings wird dieser >LebensgrundLeben< als Letztkategorie. Das vitalistische Biographiemodell ist bezogen auf die systemtheoretische Konzeption Luhmanns aufgrund seiner Suspendierung sozialer Koordinaten als eine historische Phase der Exklusionsindividualität erkennbar. Die Fundierung im >Leben< ermöglicht, unabhängig von sozialen Positionen eine sinnvolle Biographie als Inklusionsindividualität, gewissermaßen eine Inklusion als ob, zu konstruieren. Diesen Charakter des vitalistischen Biographiemodells formuliert Gustav Hillard mit dem poetologischen Satz: »Nur eine unbegrenzte autobiographische Viel247

fait kann die Komplexität des Lebens widerspiegeln.« 2 Die Autobiographen richten ihr gelebtes Leben holistisch aus. Das Spektrum reicht von einer abgerundeten Gestalt der Biographie, der Einbettung der Biographie in einen ganzheitlichen Zusammenhang bis zur Klage über den Verlust des >ganzen< Lebens, oder, quasi neusachlich gesprochen, den Verlust an Funktion. Die angestrebte Ganzheit wird über die Kategorie >Leben< in der emphatischen Bedeutung des vitalistischen Denkmodells verbürgt. Diese Vorstellung vom Leben hat für die Gestalt von Biographien, die Art der Verbindung zwischen Biographie und Historie, die Verbindung zwischen Biographie und Gesellschaft und die Poetik der Autobiographie grundlegende Konsequenzen. Das vitalistische Denkmodell ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts der prägende Denkzusammenhang der literarischen Moderne. Martin Lindner hat in seiner prägnanten Rekonstruktion postuliert, daß es zwischen 1945 und 1960 in seine letzte Phase tritt, seine Allgemeinverbindlichkeit verliert, sich auflöst und in der Folgezeit nur mehr in einzelnen unzusammenhängenden vitalistischen Restbeständen existiert. 3 Die hier untersuchten Autobiographen sind zwischen 1875 (Hans Grimm) und 1903 (Reinhold Schneider) geboren. Sie sind sämtlich, wenngleich auf unterschiedlich emphatische Weise, Anhänger lebensphilosophischer Konzeptionen. Die Einheit in der Vielfalt wird im folgenden anhand der autobiographischen Leitbegriffe Leben und Schicksal aufgewiesen.

4.1. L e i t b e g r i f f e I: L e b e n In allen Biographien ist >Leben< der höchste Wert. Hans Friedrich Blunck feiert rückblickend auf seine Wandervogelzeit die »Ergriffenheit der Jugend vor dem heiligen Leben« [LadZ118] wie Hans Carossa vorausblickend den Glauben an die »Heiligkeit des Lebens« [UW 234] als Gegenmittel wider die antihumanistischen Tendenzen des Zeitalters verkündet. Ganz in Carossas Sinn deutet Amolt Bronnen den Nationalsozialismus als nekrophile »Mißachtung des Lebens und alles Lebendigen« [P 334]. Seine erste Begegnung mit Brecht beschreibt er als Begegnung mit dem Leben selbst. »Ich glotzte ihn an. Ich war wie verzaubert. Es war das, was vielleicht nur dem Einsamen gegeben ist: plötzlich den Menschen zu schauen in aller Fülle seines Lebens« [P 98]. Friedrich Georg Jünger beschert »die Süßigkeit des Lebens[] ein außerordentliches Glücksgefühl« [GZ 106]. Ernst Wiechert betrachtet das Leben als >heiligen Urgrund< [vgl. JuZ 609]. Und Ernst von Salomon akzeptiert grundsätzlich nur eine Haltung, »die sich an festen und wertvollen Begriffen orientierte, an denen nicht gerüttelt werden durfte, so lange ihre Voraussetzungen stimmten, solange diese Voraussetzungen nicht nur durch Gesetz und Recht evident wa-

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Gustav Hillard 1955, S. 244. Vgl. G e o r g L u k ä c s 1955, S.318ff.; H e l m u t h Kiesel 1989, S.505ff.; Martin Lindner 1994, S.5ff. N o r b e r t H o p s t e r 1993 diskutiert >Leben< als e m p h a t i s c h e Kategorie im Nationalsozialismus.

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ren, sondern auch noch durch ein lebendiges Gefühl geheiligt« [F493]. Hans Grimm schließlich konzipiert seine Biographie als Negativfolie zum >erlebten Leben< Rudolf G. Bindings [vgl. LiE 5], Daß das Leben ambivalent ist, akzentuieren Benn 4 und Flake. Die zerstörerische Seite zeigte sich in der »dämonische[n] Vitalität« [EwA 323] der Inflation. Reinhold Schneider beobachtet mit Entsetzen in seiner nihilistischen Phase als Landwirtschaftseleve den »grauenhafte[n] Prozeß sich verzehrenden Lebens« [VT 41] in der Verwesung als radikalen Ausdruck des Fressens und Gefressenwerdens. Leben5 wird als erkenntniskritische, ganzheitliche Begründungskategorie begriffen. Gustav Hillard bringt das aphoristisch zugespitzt auf den Punkt. »Dem Leben kommt es auf das Leben selbst, nicht auf sein Ergebnis an« [HNW336]. Reinhold Schneider verknüpft mittels der Leitvorstellung von Christus als »lebende[m] Wort« [VT 100] das Christentum mit lebensphilosophischem Gedankengut. »Unsterblichkeit? Das ist das unbegreifliche, allem Denken widersprechende, das leidenschaftlichste Anliegen des Lebens« [VT 53]. Kolbenheyer hat das Axiom, daß das Leben seinen Sinn in sich selber trage, als Grundstein seiner Bauhüttenphilosophie in der Autobiographie ausführlich entfaltet und mittels biologischer Argumente abzustützen versucht. Das »Leben hat nur Sinn in seiner weitesten Allgemeinheit, so lange seine planetare Möglichkeit besteht, und diese bleibt weltallbedingt« [SK 1/47]. Das einzelne Individuum hat die Funktion, »Weiterträger, Durchsetzer des in zahllose Arten und innerhalb der Arten in zahllose Individuen aufgespalteten Lebens« [SK 1/47] zu sein. Kolbenheyer leitet daraus für sich persönlich die Verpflichtung ab, »aufs beste zu schaffen, worauf das Leben von ihm Anspruch erheben konnte« [SK 1/11]6 und begreift das Leben als treibende Kraft seiner Biographie [vgl. SK 1/20], Die religiöse Einfärbung seines Denkens wird deutlich in den Trostworten zu seiner prekären Lage nach 1945: »Er stand am Ende seines Lebens keinem anderen Richter gegenüber als dem Leben selbst« [SK III/442], Wenn aber Leben keines Sinns außerhalb seiner bedarf, kann es nur noch als Rätsel begriffen werden. 7 Die lebensphilosophische Grundüberzeugung verleiht der in der zeitgeschichtlichen Reflexion der Nachkriegszeit verbreiteten Vorstellung vom Nationalsozialismus als Krankheit und der Überzeugung, »jedes erhalten gebliebene Gut sei einem gesunden Zellenleibe gleich zu achten, von dem neues Leben ausgehen könne« [UW 228], ein Pathos, das angesichts der seither üblichen Kritik an dieser Metaphorik nicht mehr verständlich ist und der Rekonstruktion bedarf.

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Zum Einfluß lebensphilosophischer Konzepte auf Benn vgl. Marion Adams 1969; Dieter Wellershoff 1986; Gerlinde F.Miller 1990, S.132ff. Der emphatische Lebensbegriff wird der Deutlichkeit halber in der anschließenden Argumentation durch Kursivdruck angezeigt. »Er hatte sein Leben stets unter einem Auftrage gefühlt und war diesem Auftrage, meist mehr vom Instinkte als von einer Überlegung gelenkt, nachgekommen« [SK 1/69]. Hans Friedrich Blunck: »[W]ir wissen vom Rätsel des Todes, wie des Lebens, das uns niemand deutet« [LadZ 341]. Ernst Wicchert: »das große, schöne, schwere und ganz und gar rätselhafte Leben« [JuZ335].

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Zwei Metaphernkomplexe sind es vor allem, die in den Autobiographien die emphatische Lebensvorstellung vermitteln: die Vegetations- und die Wassermetaphorik.

Vegetationsmetaphorik Naturgerechtheit und Lebensentsprechung zeigen sich darin, daß die Biographie als gewachsenes Leben qualifiziert wird. Kolbenheyer verwendet >wuchshaft< geradezu in homerischer Weise als Epitheton ornans. 8 Dem >Erbverhängnis< entsprechend geführtes Leben ist »Entkeimung, Wuchs und Steigerung« [SK 1/85], Wuchs bezeichnet nicht jedes, sondern immer und grundsätzlich das im Einklang mit >Erbverhängnissen< und >Schicksal< geführte Leben. Die Biographie des Sebastian Karst wird mittels dieser Charakterisierung als Idealbiographie ausgewiesen. »Er war stets absichtslos dem inneren Wüchse gefolgt und wußte darin, daß er es konnte, das tiefste Glück seines Lebens« [SK 1/334], Von >innerem Wuchs getragen^ >echt< und »lebensgetreu« [SK 1/471] ist auch das Werk. 9 Die doppelte Ambition, nicht nur als Dichter, sondern auch als Denker zu gelten, wird auf das »Wechselspiel der Wuchsentfaltung« [SK 11/138] zurückgeführt. Das Ergebnis des Wuchses, jener im Rückblick als erstaunlich bewerteten »Wuchssicherheit« [SK 111/40], ist Ganzheit. Wiechert verwendet in diesem Zusammenhang das Bild vom »dunklefn] Wald des Lebens« [JuZ337]. Die verbreitetste Metapher dieses Bildfeldes ist die Wurzel. 10 Lebensnähe oder -ferne werden mit Vorliebe als Ver- oder Entwurzelung beschrieben. Zurückhaltend setzt sie Friedrich Georg Jünger zur Kennzeichnung seines Lebensgefühls ein, als der Vater das Elternhaus verkauft: Das Haus, der Garten, die Landschaft, in der ich aufgewachsen war, gingen mir verloren. [... M]ir war, als ob ich mit allen Wurzeln aus der Erde gehoben würde. Aber die Empfindung war nicht neu für mich, sie steckte schon im Kriege, und sie wurde immer stärker. Zuletzt sagte ich mir: du bist keine Pflanze. Licht, Luft, Wasser sind überall, und wo sie sind, kannst du leben. D u kannst überall leben [GZ 214].

Lebenssituationen der Ruhe und Besinnung, des Zu-sich-selber-kommens geben Bronnen das Gefühl, er finde »zu den fast verlorenen Wurzeln meines Seins zurück« [P73]. 11 In diesem Sinne formuliert Blunck mit allen Kennzeichen des Entsetzens

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Es erübrigt sich angesichts der Vielzahl der Belege ein Stellennachweis. Zur Relevanz der Wuchsmetaphorik für die nationalsozialistische Literatur vgl. Ernst Loewy 1990, S.76ff. ' »Von seinem ersten eigentlichen Werke, dem Amor-Dei-Roman, an, der in das Volk zu dringen vermochte, stand alles, was er geschaffen hatte, unter dem Antrieb eines Wuchses, der keine bedachtsame Willkür vertragen hätte« [SK 1/438]. »[A]us dieser naturgebundenden Triebhaftigkeit ihres Wuchses erklärt sich wohl die Wirkung meiner Bücher, die erst bei wiederholtem Lesen erschöpft werden kann, und auch der Weg meiner Bücher erklärt sich so: sie gingen ihren eigenen Weg, jenseits der Propaganda« [SK 1/472]. "> Zur Wurzel-Metapher vgl. Martin Lindner 1994, S. 113ff. " Die vollständige Textpassage zeigt, daß das Bild der Wurzel angesichts der Natur und des unendlichen Meers gewählt wird. »Und das Meer, das so, Wochen um Wochen, neben der Ziege mein einziger Gesprächs-Partner war. Diese wunderbaren, erregenden Wellen, die

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seine Überzeugung, daß »arm ist, wer nicht um seine feste Wurzel weiß« [LadZ213]. Kolbenheyer befindet angesichts der Rechtmäßigkeit seiner Biographie: »was ich fühlte und lebte und was ich erst jetzt in Altersreife dort zu begreifen vermag, wo die Wurzeln ruhten, war auch das Richtigste und darum auch mein Klügstes« [SK 11/12], Werden die Höhepunkte der Biographie, die Augenblicke des Gelingens und des Glücks als Nähe zu den Wurzeln beschrieben, ist im Gegensatz dazu Wurzellosigkeit ein gefürchteter, verachteter und, wird sie bei anderen registriert, bekämpfenswerter Zustand. Dabei kann das Spektrum je nach persönlicher Disposition von nüchterner Ablehnung bis zu Bekundungen von Vernichtungswillen reichen. Der eher sachliche Otto Flake vermerkt in kritisch ablehnender Altersdistanz, daß in »dem neuen Staat, nach 1948, [...] endgültig ein Typ in die Führung [kam], den ich ablehnte, der Geldmacher, der Banause mit dem großen Auto. Die Emanzipation hatte die Frauen entwurzelt und veräußerlicht« [EwA583], Schon wesentlich bedauernder klingt es, wenn Gustav Hillard zum Abschluß seines freundschaftlichen Porträts des Kronprinzen Wilhelm dessen Lebenssituation nach dem Ende der Hohenzollernherrschaft als Verlust des Lebenssinnes beschreibt. »Der erste Weltkrieg hatte ihn von seiner Wurzel gerissen« [HNW 104].12 Die retrospektive Bewertung des eigenen Lebens findet ihren Maßstab im Grad der jeweiligen Verwurzelung. Ernst Wiechert unterscheidet zwischen »wurzellosen Jahren« [JuZ 373], worunter er vor allem die Zeit der Jugend versteht, 13 und Zeiten, in denen er plant, »in meine Einsamkeit zurückzukehren, weil nur dort meine Wurzeln wuchsen und Nahrung erhielten« [JuZ 731]. Arnolt Bronnen führt seine politische Wendung nach rechtsaußen auch auf seinen Erfolg im Literaturbetrieb zurück. »Der Erfolg entwurzelte mich. Entwurzelt fiel ich der Unruhe, der Unsicherheit anheim« [P 105]. Damit geht die Abwendung von seinen alten Bundesgenossen einher. »Mißverständliche Gespräche mit Brecht taten das ihre, mich weiter zu entwurzeln« [P 112]. Die Wurzelmetaphorik ist häufig politisch funktionalisiert. Sie ist dann im Regelfall ein Kennzeichen politischer Positionen des rechten Spektrums. Bronnen kennzeichnet so seine faschistische Position zur Zeit der Arbeit am Oberschlesienroman:

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ununterbrochen auf mich zukamen, dreißig Meter weit voll donnernder Kraft, zwanzig Meter weit sanft verhauchend. Das ist das stärkste Bild meines Lebens geworden. Es brachte mich zu den fast verlorenen Wurzeln meines Seins zurück« [P 73]. Vgl. auch folgende Passage: »Nun war der Sturm über mich hinweggebraust, es fanden sich wieder die Reste des Bleibenden, des Grundes, es fanden wieder Nahrung die Wurzeln meines Wesens, die mich im Frühjahr 1913 hatten wachsen und treiben lassen. Für kurze Zeit kam eine Klarheit, eine Durchleuchtung über mich« [P35]. »Als [...] das Schicksal ihm seine Bestimmung nahm, nahm es ihm auch sein Selbst. Es riß ihn von der Wurzel seiner inneren Erkenntnis los, und nie wieder konnte er im Eigenen verfestigt und gesichert werden« [HNW 105]. Als erfahrener Pädagoge weiß Wiechert: »Wieviel Nachsicht brauchen diese jungen Heimatlosen und Wurzellosen, wieviel Geduld, wieviel Liebe und Weisheit, wieviel sanfte, kaum merkliche Führung der Hand und des Herzens!« [JuZ 402].

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»Der Zorn lehrte mich, daß der deutsche Bürger von 1927 kaum instande sein könnte, Träger eines nationalen Widerstands gegen eine solche tödlich drohende Überfremdung zu werden. Nur der Arbeiter hatte noch die Kraft, das wurzelhaft und volkstümlich Deutsche zu retten« [P173]. Aus dem Horizont konservativer Kulturkritik der Weimarer Zeit wertet Wiechert die Malaisen der Moderne. »Und wer heute meine Hingabe an jene dumpfe östliche Welt mit dem gebrechlichen Hochmut der westlichen Zivilisation tadelt, ahnt nicht, daß sie eben eine ganze Welt war, unzersetzt und in ihren Wurzeln nicht gelockert, und daß, wer aus ihr hervorging, immer ein Fremdling bleiben mußte in der, die diesen Grund verloren hatte« [JuZ 361]. Schneider schreibt dem Adel die Aufgabe zu, »Wurzeln zu schlagen und die fliehende, treibende Erde festzuhalten« [VT 133]. Wurzellosigkeit ist - was nur mehr wenige offen aussprechen - eine antisemitische Invektive. Kolbenheyer beschimpft Amerikaner und Juden als wurzellose Völker [vgl. SKII/54 u.ö.]. Solchen dem Nationalsozialismus verpflichteten Positionen als entgegengesetzt begreift Carossa als »die wurzelhaft Fühlenden« [UW 42] die Vertreter eines abendländischen traditionellen Humanismus innerhalb der deutschen Grenzen. »Eine Heimat konnte ich gewiß in jeder Fremde finden; geistig verwurzelt aber war die alte Seele nun einmal im Abendland« [UW 169]. In der Pflanzenmetaphorik angelegt ist die Beschreibung einer vorbildhaften und ganzen Existenz als Baum. Niemand kann in diesem Sinne für Carossa vorbildlicher sein als Goethe. D e r herrliche, vollrauschende Baum Goethe, wie mancher meint, es wäre wohl an der Zeit, ihn zu fällen und Stamm und Äste als Nutzholz zu verwenden! A b e r dann würden auch die von ihm erweckten Seelen, Schiller, Kleist, Novalis, Hölderlin und ihre Nachfolger zu welken beginnen. Ein Glück, daß die Wurzeln bis ins Unzugängliche reichen: hier ein Zweig, dort ein Ästchen mit welker Belaubung mag abbrechbar sein, in der tieferen Schicht aber, w o jenes Astrale beginnt, steht er unter himmlischem Schutz, unverwundbar für Säge und Beil [ U W 86]. 1 4

Wassermetaphorik Die Bezeichnung eines Lebens als Strom oder Fluß hat eine altehrwürdige Tradition. Aufgrund der Komplexität des Bildbereichs sind vielfältige Komponenten metaphorisch aktualisierbar. Der Holismus der Kategorie Leben wird über die Verwendung einzelner Bestandteile der Flußmetaphorik veranschaulicht. Die Lebensgeschichte wie die Geschichte gleichermaßen werden im Fluß versinnbildlicht. Für

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Weitere Beispiele dafür bei Hans Friedrich Blunck: »[Ü]ber die Heimat soll der Baum zum Wipfel wachsen, weiter schattend als über sie allein.« [LadZ 213]. Ernst Wiechert: »In diesen Jahren versuchte ich meine Welt zu erweitern, weil ich erkannte, daß im Beschränkten der Heimat und des Berufes wohl unsere Wurzeln liegen können und müssen, aber daß die Krone sich darüber hinausheben muß, damit der Wind der Welt sie streife« [JuZ 549], Friedrich Georg Jünger: »Käuze und Sonderlinge waren im neunzehnten Jahrhundert häufiger und wurden mit mehr Neigung betrachtet als im zwanzigsten. Wer sie als Formen der Verkümmerung ansieht, hat nicht unrecht, doch entspringt diese Verkümmerung einem Wachstum und hat mit dem Boden zu tun« [SdJ 100f.].

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beide ist Leben die hierarchisch übergeordnete Kategorie, an der sie partizipieren. Zeiten der Lebewsferne und der Lebensnähe sind jeweils als wahrheitsfern oder -nah zu dekodieren. 1 5 »Es ist wohl so«, führt Blunck repräsentativ aus, »daß unser L e b e n in großen Wogen zum Ziel strebt und daß auf hohe Gezeiten auch Wellentäler folgen« [LadZ 118]. 1 6 Reinhold Schneider begreift seine Existenz als Ergebnis der Vereinigung zweier »völlig verschiedene[r] Lebensströme« [VT 24], Auf der E b e n e der Bildkomponenten konnotiert Wasser als allesausfüllender und allesdurchflutender Stoff Unendlichkeit. D a s Fluten, Strömen, Quellen der künstlerischen Kreativität ist als lebendige. Schöpferkraft Bestandteil des Leftensstroms. 1 7 D a s Flußbett begrenzt die Unendlichkeit des Wassers. Von der Bildlogik her kann damit gleichzeitig Begrenztheit und Unendlichkeit kodiert werden. Unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten - Stromschnellen, Katarakte, Wasserfälle, A b schnitte ruhigen Fließens - können sowohl die Differenz von natürlich verlaufender und subjektiv erlebter Zeit wie Grade an Lefcercsintensität ausdrücken. Einen besonders glücklichen und folgenreichen Abschnitt seiner Biographie resümiert der begeisterte Kolbenheyer: »Was mir gewiß war, blieb: meines Lebens Staudamm war gerissen, ich fühlte meine Flut« [SK1/513], 1 8 Im weltanschaulichen Überbau der Bauhüttenphilosophie ist dem schöpferischen Menschen die Aufgabe zugewiesen, »jenen Wellenschlag des Stromes auszugeben, der die völkische Entwicklungsflut im A n w ü c h s e einer lebendigen Anpassung durchsetzt und zu Bestand

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Über das Wortmaterial des Strömens kann bei Avantgardisten wie Bronnen elektrische Energie - »die Kraft, die Spannung, die Ladung« [P 90] - als Äquivalent zum Wasser dessen metaphorische Aufgaben übernehmen. »Und so geht nun das Leben dahin wie ein stiller Strom« [JuZ 764] ist die Erwartung Wiecherts von seinem postautobiographischen schweizer Leben. Ernst Wiechert: »Ein Rausch der Arbeit fällt über mich, eine Besessenheit, die gleich der des Verschmachtenden ist, und ich fühle mit meinen Händen und Lippen, daß der Brunnen fließt. Das kühle, so kühle Wasser der verschütteten Quellen, es ist nicht versiegt in den Jahren der Gefangenschaft« [JuZ 596]. Hans Friedrich Blunck: »Man spürt in sich die Verse strömen« [UZ 75; vgl. LadZ 91, 93, 265, 338 usw.], Erwin Guido Kolbenheyer: »Der Trunk aus dem kastalischen Quell, den ich tun mußte, um auszuleben, was mir eingeboren lag, er glich dem Trünke des Verdürstenden aus der Salzflut, der das Verlangen steigert« [SK 1/411]. Bronnen verwendet das Bild des elektrischen Stroms: »Ich hatte daher genügend Material, ich mußte eher Material abstoßen, wie ich auch während der Arbeit die Spannung von Zeit zu Zeit herunterschalten mußte« [P109]. Gottfried Benn: »Destruktion war auch Erlebnis, Abbau unter Morgenröten, Nihilismus ist ein Glücksgefühl, und das strömte alles in die Arbeiten unverhohlen ein, daraus entstanden sie, das verwandte man methodisch zu ihrer Herstellung, denn daß die Kunst alles rechtfertige, das war das Gesetz, das unantastbare ihres Lebens« [DL/Lel 382], Schließlich Otto Flake: »Der Wiederkehr meines Interesses an den Dingen des Lebens entsprach seltsam der Wiederkehr meines Ansehens als Schriftsteller. Alles strömte von neuem heran, die Gedanken und die Bilder, die Ideen und die Anschauungen« [EwA 608]. Ähnlich heißt es bei Gustav Hillard: »Aber erst in der Erfahrung vom Unmenschlichen des Krieges und vom Unzulänglichen der Menschen, welche sich zum Schicksal von Millionen anderer aufwarfen, wurde seine Macht in mir offen und flutete zum Menschen hin« [HNW 332], 253

hilft« [SK III/152]. Hans Grimm beschreibt eine überstandene Lebenskrise mit nachgerade komisch anmutendem Realismus: Freilich geht es wohl bei allen Abstürzen der menschlichen Seele, w o es wirkliche Abstürze gewesen sind, ähnlich zu wie beim Niagarafall: Da stürzt der Strom in die tiefe H e f e des Felsbettes, und unten zeigt sich kein Kochen der Wasser und kein Aufbrausen und keinerlei Aufruhr, sondern ruhig und dunkelgrün fließt der Fluß weiter, aber - so wurde es mir gesagt beim erstaunenden und fragenden Anschauen - der Strom behält alle Mächte des Falles unter der Oberfläche in sich und nach Fluß von Meilen wirbeln sie plötzlich auf und brechen sie durch nach oben [LiE 166].

Die Verwendung des Bildbereiches für Geschichte zeigt bei allen Autobiographen die Gemeinsamkeit, daß »still fließendef] Zeiten« [LadZ471] dem 19.Jahrhundert angehören. Im 20. Jahrhundert zeigt der Fluß der Geschichte vorwiegend seine zerstörerischen Seiten. Für Reinhold Schneider ist die deutsche Geschichte in der Zeit des Dritten Reiches nur einem »Katarakt« [VT 67] vergleichbar. »Gewiß hätte der Strom sich ein anderes Bett wühlen können, riß er vieles ihm nicht Zugehörende mit; aber seine Wucht war doch das Gefälle deutscher Geschichte« [VT 97]. Die nationalsozialistische Zeit ist als »abgründige [r] Bruch geschichtlichen Lebens« [VT 75] nicht mehr an den Lebensstrom angeschlossen. Im Furor der Selbstbezichtigung beschreibt Bronnen »die Selbstauflösung des humanistischen Erbes vor der hereinbrechenden Sturm-Flut der Barbarei und des Bestialismus. Überall barsten die Dämme. Wir hatten unsere Lunten gut gelegt« [P 233]. Unisono beschuldigt der Sprecher des Rahmens den Schriftsteller: »Mittels Ihres Buches und ähnlicher Machwerke wurden die Schleusen geöffnet, durch welche die Fluten des Bösen und Bestialischen, der höhnischen Menschen-Verachtung geöffnet wurden, um sich über ein irregeleitetes und irrendes Volk zu ergießen« [P237], Der durch Poes Erzählung bekannt gewordene Malstrom im Nordatlantik verdeutlicht die Exorbitanz jener Zeit. »Ein Künstler, ein Geist, ein hochkultivierter Mann, seiner Natur nach unpolitisch und Antimilitarist, wird mit in diesen Mahlstrom hineingezogen und muß ihn bestehen« [DL/DL 407], 19 Wenn sowohl die Biographie als auch die Geschichte gleichermaßen von Leben erfüllt sind, am Leben partizipieren, impliziert das eine Verknüpfung. Das Individuum wird nicht als der Geschichte gegenüberstehende distinkte Einheit gedacht. Ein Spurenelement dieser Vorstellung bringt verknappt Benn zum Ausdruck in seiner Überzeugung, daß die »inneren Strömungen [...] in gewisser Weise die Strömungen der Zeit sind« [DL/DL 473], Naturwissenschaftlich sucht Arnolt Bronnen die Verbindung zwischen Alexander dem Großen und sich als Ausgangspunkt seines Monodramas Ostpolzug herzustellen: »Und wenn jener auch unfruchtbar gestorben war, so mußte doch ein gemeinsames Atom vorhanden sein, eine Kreuzung, in der noch beide Möglichkeiten schlummerten: die des Siegers von Gaugamela, die

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Vgl. Friedrich Georg Jünger: »Aber ich begriff auch, daß sich nichts änderte, wenn ich die Augen schloß, daß ich auch dann mitten im Maelstrom war. Mächtig drang die Zerstörung von allen Seiten heran; aufhalten ließ sie sich nicht, und die Frage war allein, wer sie überstehen würde« [SdJ 93f.].

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des Schriftstellers von 1925« [P145]. Romantischer ist Bluncks Vorstellung, daß der Mensch »atmend die Vergangenheit von Jahrtausenden in sich trägt« [LadZ 21]. Aus dem Mensch und Geschichte verknüpfenden Holismus ergibt sich ein Gespür des Individuums für Geschichte, eine Art sechster Sinn. Geschichte und Biographie sind kommunizierende Röhren. Das ist vorauszusetzen, wenn Reinhold Schneider betont, daß er Geschichte »erlebte« [VT 20]. »Geschichte? Das sind nicht diese Reisen, Begegnungen, Taten; es ist das unbegreifliche, unversiegliche Fließen, in das wir gestellt sind wie Brückenpfeiler« [VT 21]. Arnolt Bronnens Charakterisierung seines Lebensgefühls vor 1914 - »Ich spürte in meinem Herzen, daß der Krieg kommen mußte.« [P 34] - ist eine logische Konsequenz dieser Überzeugung und nicht nur Besserwisserei ex post. Ein Gespür für den Epochenwandel schreibt sich Otto Flake zu, indem er diesen Zusammenhang immer wieder mit Formeln wie »unbewußt erfassend« [EwA79] oder »spürte instinktiv« [EwA118] ausdrückt. Kolbenheyer erklärt die bewunderte Genialität des Politikers Adolf Hitler mittels eines entsprechenden Mechanismus: »Schöpferische Politiker erleben Spannungen dieser rassegeweiteten Lebensbedingtheit wie Spannungen des eigenen Wesens. Sie müssen sich in ihnen bis zur Unerträglichkeit steigern« [SK1/107]. Über sein Lebensgefühl gegen Ende der zwanziger Jahre teilt Salomon mit: »Ich hatte mir gewiß nur den Einblick in wenige kleine Sektoren verschafft, aber diese standen für alle, und es genügte durchaus, in der Zeit zu leben, wo immer es auch sei, um ganz stark die Erschütterungen zu verspüren, unter denen sich die kommenden Ereignisse vorbereiteten« [F302], Grundsätzlich ist die Überzeugung vorauszusetzen, daß das Nebeneinanderbestehen historischer und sei es noch so banaler individualgeschichtlicher Ereignisse in den Texten kein beziehungsloses, sondern im Gegenteil ein beziehungsreiches Nebeneinander ist. 20 Denn das Individuum hat an den Strömungen der Zeit Anteil - es schwimmt mit ihnen oder gegen sie, oder sie durchfluten es einfach. 21 Oder, moderner gedacht, Individuum, Zeit und Natur sind von einer energetischen Spannung erfüllt. Bronnen »glaubte dabei zu erkennen, daß Lawinen nicht lokal bedingte Natur-Ereignisse sind. Sie sind Auslösungen eines weit verzweigten, vieles umgreifenden Spannungs-Zustandes, der auch die Menschen mit einschließt« [P419], Ähnliche Zusammenhänge können zwischen Mensch und Volk oder Mensch und Landschaft angenommen werden. 2 2

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Vgl. Arnolt Bronnen über die Lage 1912/13: »Und dabei kroch der Krieg, der auf dem Balkan ausgebrochen war, meiner Heimat näher und näher. Auch das fühlte ich, es war ein eigener Sinn, der sich in mir regte und den Buren-Krieg mit dem Russisch-Japanischen, mit dem jetzigen, mit der Drohung des kommenden verband« [P24]. Vgl. SK 82f. Ernst Wiechert: »Ich selbst aber griff vielleicht nur nach einem Stab, der mich halten sollte im Strömenden meiner Zeit, nach etwas, was wie eine Gewißheit der Zukunft war« [JuZ419]. »Man sah viel Ermüdung und unschöne Verstädterung im Schrifttum und wollte sich bewahren; ich glaubte mich von meinem Volk zu entfernen, wenn ich nicht, gleichviel wo, an seinem Leben teilhatte« [ U Z 59; vgl. 175],

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Lebensformen Der immanente Holismus impliziert auch eine Verknüpfung zwischen dem Leben und den gesellschaftlichen Institutionen. Dieses Verhältnis wird als Krisenverhältnis interpretiert, weil Institutionen aller Art, vom Familienzyklus bis zu Staatsformen, als statische Größen angesehen werden und mithin als tote Verfestigungen gelten, die vom Lebensüuß abgeschnitten sind. Für diesen Aspekt interessieren sich vor allem die Vitalisten mit akuten oder überwundenen revolutionären Neigungen. Der positive Begriff für Einheiten dieses Typs ist lebendige Form< oder >Lebensformewige< Gesetze, welche durch Strategie und Taktik ein gegnerisches Heer vernichten wollten. Der Genius des Krieges, der vormals den Philosophen ein Vater aller Dinge und den Dichtern der Erwecker hoher Tugenden schien, ist nur noch eine Larve des Wahns und ein Spuk des Irrsinns« [HNW 199], Nüchtern und mit einer gewissen Selbstironie bewertet Salomon den Erfolg seiner alten terroristischen Bemühungen: »Es schien, als genüge es vollauf, nur die Fassaden zu zerstören, um das Bild der eigentlichen Vorgänge, Vorgänge von zwingender Klarheit und Eindringlichkeit, als Richtzeichen aller echten Energien zu erkennen. (Noch konnte ich nichts wissen von der grausamen Tendenz der Geschichte, wenn es schon an das Zerstören ging, just die Fassaden stehenzulassen)« [F302], Seine distanzierte Haltung hat Flake schon in Distanz zur Kriegsbegeisterung von 1914 gebracht. »Es gibt Augenblicke, in denen ein Mensch an seinen Empfindungen merkt, welcher Kategorie er angehört: ich zu der, die einen Schritt zurücktritt, wenn das Tun zu sieden beginnt - man sagt nein zur Dämonie der Welt, der Götter, des Lebens selbst« [EwA 225]. Auf den Nationalsozialismus wird dieses Deutungsschema kaum angewandt. Hans Carossa vermerkt über die letzten Kriegsjahre, das »private Leben der meisten Deutschen begann damals im staatlichen zu erstarren« [UW 163], Allein stehen Benns Ausführungen zu seiner Antwort an die literarischen Emigranten. Seine Par257

t e i n a h m e für d e n Nationalsozialismus erkenne »das Recht eines Volkes [an], sich e i n e n e u e L e b e n s f o r m zu g e b e n , auch w e n n diese Form anderen nicht zusagt, und ich analysierte die M e t h o d e , mit der sich e i n e solche n e u e L e b e n s f o r m ankündet u n d durchsetzt trotz aller moralischen E i n w ä n d e g e g e n sie« [ D L / D L 403f.]. G e r a d e die Modernisten unter den Konservativen deuten die Stadt als lebendig e n Organismus. Beispielhaft kann hier Gustav Hillards H y m n u s auf Berlin stehen: Ich erlebte zum ersten Male die Verheißung der großen Stadt. Von meinem Hotelzimmer sah ich auf die steil aufschwingenden Kuppeltürme des Gendarmenmarktes, welche wie ein barocker Traum, von fernher geschöpft und im eigenen Rhythmus gesammelt, das Unerfahrene überschwebten. Ich öffnete das Fenster und hörte die stoßenden Geräusche der Straße und das undeutliche Rauschen der Stadt. Ein ewiges Brausen lockte wie die klingende und schwingende Stimme einer verzauberten Seele. Ich war selbst verzaubert. Ich fühlte mich abgelöst von meinem behüteten und geordneten Leben in einem strengen Hause mit Prinzen, Gouverneuren und Lehrern. Jede freie Stunde zog mich in die Welt der Straße, als ob alle meine Träume dorthin gegangen seien. Ich warf mich in die große, hinreißende Bewegung, welche die Menschen auf die Straße trieb. Ich mischte mein Gesicht unter die tausend Gesichter, von denen ein jedes beladen war mit seinem Leben. Ich ging einen der tausend Wege, welche sich kreuzten, zusammenführten und wieder auseinanderliefen, und ich wurde eines der tausend Schicksale, welche sich vereinigten, entgegentraten und verwirrten. Ich war berauscht von der Kameraderie der Straße, welche allem, der Not und der Neigung, dem Aufschwung und der Bedrückung, großmütig und weitherzig für einige Stunden Heimat schenkte. Sie war das Gleichnis eines geduldigen und verzeihenden Lebens, welches in der Freiheit des Verstehens jedem sich öffnete: willkommen Böse und Gut. Es überfiel mich eine unbeschreibliche Lust, alles hinter mich zu werden und mich hineinzustürzen in den unaufhaltsam funkelnden Strom des Lebens und in seiner Tiefe zu wirbeln und zu verbrausen [HNW 120]. 25 N e g a t i v e Auswirkungen der b e g i n n e n d e n nationalsozialistischen Herrschaft werd e n e m p f u n d e n , »als ob das L e b e n in ihr [der Stadt Berlin, d. V.] an Frische verliere« [SdJ 180],

Lebensintensität Aufgrund der U n t e r s c h e i d u n g von Leben

und L e b e n kann eine Biographie

leben-

dige Phasen haben, aber auch solche » o h n e G e f ü h l des Lebens« [SdJ 204]. E s kann auch lebendigere

und tote, wiewohl l e b e n d e M e n s c h e n geben. Für H a n s Carossa ist

G o e t h e als »höchst lebendiges, höchst verwandlungsfähiges W e s e n « [ U W 85] gerad e z u ein personalisiertes H e n kai pan mit e i n e m »lichten, tiefmenschlichen, tiefleb e n d i g e n Geist« [ U W 3 2 ] . Friedrich G e o r g Jünger zeigt sich überzeugt, daß der Wert v o n Erlebnissen im »Lebensgefühl, das sie erweckten und hinterließen«

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An früherer Stelle hieß es: »Berlins kühle und ironiehaltige Sphäre wärmte sich an der Illusion der künstlichen Lichter und der funkelnden Magie der Schaufenster. In jedem Bestandteile der Luft atmete ich die Daseinsfülle der Stadt, spürte ihren Lebenstakt und fühlte wieder die erregende Spannung in den Nerven, mit vielerlei Menschen in ein großes Geschick verknüpft zu sein. Wieder überkam mich jene Lust, als Treibgut in der Menge zu fließen und mich von dem Gefalle fortspülen zu lassen« [HNW 156].

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[SdJ 108], liegt. Andererseits ist an seinen berliner Beobachtungen im Vorfeld der nationalsozialistischen Herrschaft die Leblosigkeit der Menschen in der U-Bahn ein Vorzeichen des Unheils. »Etwas Waches und zugleich Starres fesselte mich an diesen Gesichtern; wie Puppen aufgereiht sah ich die Menschen auf den Bänken sitzen und den Lebenstraum träumen, in dem sie sich absonderten und für sich hielten« [SdJ 17f.]. Im Hinblick auf die eigene Biographie sind die lebendigen Phasen solche von hoher Lebensintensität. Dann fühlen sich die Autobiographen dem Leben besonders nahe. Junge Offiziere, so Hillard, »mußten den lastenden Druck der Verpflichtungen und Gebundenheiten einmal abwerfen, um auf eine freie und vitale Weise sich auf sie selbst zu besinnen, sich auszuleben und auszuschleudern« [HNW 155]. Das Kriegserlebnis und seine Folgen entfesseln enorme vitalistische Kräfte. »Jeder Einzelne mußte spüren, daß die wenigen Sekunden, in denen es um das Halten oder Aufgeben eines Sappenkopfes ging, von einer stärkeren Intensität des Lebens erfüllt waren, als die homerischen Kämpfe um die große, mittlere oder kleine Koalition« [F 268]. Salomon begründet die Republikfeindschaft seines Kreise vitalistisch. Bronnen »liebte das Leben nur dann und dort, wo es vom Tode aufs äußerste bedroht war« [P166]. Für ihn ist die Jugend die lebensintensivste Zeit. 2 6 Man erfährt von Wiechert, wann ein Leben besonders reich an Leben war: »Und jedes reiche Leben ruht wohl zuletzt nicht auf der Fülle der Erlebnisse, sondern auf der Inbrunst, mit denen man sich ihnen geöffnet hat, so daß sie tief auf den Grund des Herzens fallen können, wo sie unverlierbar ruhen, wie Steine, die in einen Brunnen gefallen sind« [JuZ 399]. 27 Damit hat er begründet, warum Grimm trotz einer hohen Anzahl von Erlebnissen kein erlebtes Leben vorweisen kann. Grimm hätte sich nicht so verhemmt gefühlt, hätte er Jüngers Überzeugung teilen können: »Ein Mensch, der lebendig ist, wird nicht den beständigen Wunsch haben, etwas zu erleben und belebt zu werden, sich also von anderen, von außen her Leben zuzuführen. Das mehrt den Lärm, nicht aber die Erkenntnis. Auch wird dabei mehr von anderem Leben gezehrt, als daß eigenes mitgeteilt wird« [SdJ 29]. »Flucht vor dem Leben« [LadZ 208] ist möglich. 28 Reinhold Schneider bekennt, er habe lange Zeit »Angst vor dem Leben« [VT 34] gehabt und »das Leben [...] mit dem Tode betrügen« [VT 49] wollen. Den Selbstmord deutet Schneider als Zerstörung des Lebens »aus der Sehnsucht nach einem Übermaß an Leben; aber ebensowohl aus wahrhaftiger Sehnsucht nach Schlaf, als entschlossene Abkehr vom Ur-

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»Die großen und noch nicht abgegrenzten Entfaltungs-Möglichkeiten des jungen Menschen, seine Erlebnis-Intensität, sein noch völlig im Kollektiven wurzelndes Gefühl ermöglichten eine Lebens-Gemeinschaft, wie sie später der erwachsene Mensch nie mehr zu erreichen imstande wäre« [P25], Reinhold Schneider beschreibt dementsprechend eine tote Zeit seines Lebens: »Irgendeine Sehnsucht glomm unter diesem verschütteten Leben: der Buchhalter [...] erzählte von seinen Reisen« [VT 45]. Hans Friedrich Blunck: »Ich wußte noch nicht, was ich später erfuhr, daß Menschen sich auf der Flucht vor dem Leben oft leicht und ausgelassen geben, um die dunklen Stunden zu überwinden, und hielt für Oberflächlichkeit, was Furcht, nicht Fäulnis war« [LadZ 208].

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sprung und Urheber des Lebens« [VT 50], Die Vorstellung, daß ein Selbstmord ein Mord am Leben sein könne, trifft für Salomon auch auf den Mord zu. 29 Antirationalismus Bekanntermaßen wird Leben als Gegenbegriff zu Intellekt und Geist aufgefaßt. 30 Nur wenige der Lebensphilosophie verhaftete Autoren fühlten sich nicht irgendwann einmal der von Klages popularisierten Formel vom lebensfeindlichen Geist verpflichtet. In scharfer Form halten in ihren Lebenserinnerungen nur mehr wenige, vor allem aber die Sympathisanten des Regimes, an dieser Auffassung fest. Blunck interpretiert die nachmittelalterliche Zeit als Abfolge von »Jahrhunderten gelehrter Entfremdung von uns selbst« [LadZ343]; er hat Zeit seines öffentlichen Wirkens »dem Merkantilismus und leeren Rationalismus unserer Zeit am schärfsten den Kampf« [LadZ 479] angesagt. Trotz seinem dezidierten Selbstverständnis als Denker zeigt sich Kolbenheyer innerhalb der Geist-Leben-Antithese als Feind der Ratio. »Daß aber mein Werk einen so eigentümlich geschlossenen Aufbau zeigt, ist gerade in seinem ungewolltfreien, von keiner Ratio berührten Wuchs begründet« SK II/380f.]. Er warnt vor der »Selbstverblendung eines kalten, raffinierten Rationalismus« [SK 111/49]. In den Plänen der, wie er sie nennt, >Morgenthau-Sippe< für ein agrarisiertes Deutschland, die er nach dem alliierten >Bombenterror< als Revanche im Daseinskampf der weißen Rasse einstuft, sieht er den jüdischen Rationalismus obsiegen. Da diese Pläne nicht verwirklicht werden, triumphiert er: »Das Lebenserbe ist mächtiger als der Rationalismus des Satans« [SK 11/174], Und der Wuchs seines Werkes treibt es ein weiteres Mal aus ihm heraus: »Der satanische Rationalismus versagte vor dem unerschöpflichen Leben« [SK III/475]. Es kennzeichnet die Zwiespältigkeit des Erfolgsautors der dreißiger bis fünfziger Jahre, Ernst Wiechert, daß er sich als geradezu verstockter und unverbesserlicher Antirationalist zu erkennen gibt. Er ist der Überzeugung, daß »das Leben dem Geist immer überlegen ist, nicht nur durch die bunte Fülle und die Vielheit seiner Erscheinungen« [JuZ 382]. In jungen Jahren fragt er sich: »War ich auf dem rechten Wege oder war der magische Ursprung meines Lebens schon zerfressen von der Säure der Ratio?« [JuZ 415]. Die Ratio gilt als das dem >Ganzen< entgegenwirkende Prinzip der Zersetzung. 31

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Im Gespräch mit Plaas: »Wenn schon das Attentat auf Rathenau ein Mord war, ein hundeelender, gemeiner, hinterlistiger Mord, und wir wissen es. Du und ich, - der an Hitler ist es auch. Er ist schlimmer als eine Lüge, er ist ein Betrug, ein Betrug am Leben, an der Entwicklung, an allem« [F 153]. x Vgl. dazu Karlheinz Rossbacher 1976, S.36ff.; Dietz Bering 1978; Helmuth Kiesel 1989, S.498; Ernst Loewy 1990, S.48ff.; Martin Lindner 1994, S.50f. " »Die schreckliche Beziehungslosigkeit der Wissenschaft, insbesondere der philologischen, zum Herzschlag des Menschen hat sich mir damals auf eine unverlierbare Weise eingeprägt« [JuZ 343f.]. Wiecherts Antirationalismus ist schon früh kritisiert worden. Vgl. E. W. Herd 1953; Ralf Schnell 1976, S.36ff.; ausführlich Axel Sanjose Messing 1987, S.135ff. Zum

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Wiechert deutet die Moderne nach diesem Muster. Der Weg von der ursprünglichen Ganzheit der agrarischen Dorfkultur in die Moderne führte aufgrund der Überbetonung des Geistigen, der Ratio, zum Nationalsozialismus. Diese These wird von Wiechert immer weiter ausgebaut. Dabei irritiert ihn nicht, daß er als Protagonisten der Rationalität gerade die Opfer des Nationalsozialismus, die Juden, ansieht. Der Irrationalismus fungiert als multifunktionales Argument wider den gegenwärtigen Weltzustand. Zur Sehnsucht nach dem Ganzen gehört das Nachdenken darüber, wodurch es verspielt wurde. Sündenfälle spielen in Wiecherts - falls dieser Ausdruck gestattet ist: - Denken eine wichtige Rolle und sie sind stets dem Wirken der Ratio zu verdanken. Breit ausgespielt wird das am Beispiel der Universitätszeit. 32 Mittels eines doppelten Zitats resümiert Wiechert sein erstes Studienjahr: [A]ls ich am A b e n d meinen Stundenplan betrachtete, schien mir der Schüler im »Faust« ein Waisenkind gegen mich, und ich konnte bei einiger Phantasie und Urteilslosigkeit mich auf dem geraden Wege wähnen, »zu werden wie Gott und zu wissen, was gut und böse sei« [JuZ 344].

Der Sündenfall des Wissens läßt sich überall ausfindig machen. Es gibt ihn ontogenetisch beim Wechsel vom Jugend- zum Erwachsenenalter. Die Jugend »will unbewußt etwas Ganzes vor sich haben [...]. Ihr Weltbild ist noch primitiver, noch nicht der Ratio unterworfen, und es ist im Grunde auch geschlossener als unser auseinandergebrochenes, das wir nur in Teilen erfassen können« [JuZ 438]. Es gibt ihn beim Wechsel von der Welt der Wälder in den Asphalt der Städte [vgl. JuZ381f.], »aus dem magischen Kreis seiner Wälder in das kühle Reich der Wissenschaft« [JuZ 421]; zwischen den Generationen: »Ich hatte zwei Welten erfahren, indes meine Eltern nur in einer zu Hause waren. Und die Welt des Geistes war wie ein Keil in die alte eingedrungen, hatte sie gespalten, zerrissen« [JuZ400f.]. Artefakte der modernen Technik wie der Zeppelin symbolisieren ihn. »Aber ich erinnere mich doch, daß ich diesen ersten braunen Riesenvogel mit Erregung und Mißtrauen betrachtete. Er kam mir als etwas vor, das gegen die natürliche Ordnung der Welt war, eine Gewalttat der Menschheit, und ich habe niemals in meinem Leben ein Flugzeug bestiegen« [JuZ440f.]. Es gibt ihn schließlich als geschichtsphilosophisches Motiv am Anfang der Moderne. Die große Entgötterung des Menschen, die schon ganz leise vor den Kathedern der hohen Schule begonnen hatte, und die sich von hier aus fortsetzte, ganz langsam und immer zunehmend, bis sie am Ende des Lebens dort endete, wo nur zwei oder drei Menschen übrig bleiben, in deren Hand man ruhig sein Leben legen könnte, und eine kleine Schar derjeni-

Hintergrund vgl. Karlheinz Rossbacher 1976, S.34ff. Über dieses Wertsystem wird Wiecherts Antisemitismus vermittelt. Seine jüdische Angebetete charakterisiert er durch »große Kühle des Geistes« [JuZ 364]. Vgl. in diesem Zusammenhang die 1946 erschienene Kritik Max Frischs an Wiecherts Totenwald (Max Frisch 1983, S.20); vgl. Guido Reiner 1974, S.43; Jörg Hattwig 1984, S.131f. 32

»Es lag wohl im schon leise Entartenden jener Zeit, daß man das Glück in der »Karriere« sah und der Meinung war, es sei vom Geiste her zu erringen« [JuZ 339].

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gen, die man die Menschen »guten Willens« nennt, die man gleichsam nur in der Idee kennt, aber denen man vertraut, als ob man sie von Angesicht zu Angesicht kennte [JuZ 489]. 3 3

Aufgrund solcher Ubiquität des Sündenfalls kann Wiecherts Fazit am Ende der Jahre und Zeiten nicht überraschen. »Es gibt einen geraden Weg vom Apfel Evas bis zu jener Bombe, die auf Hiroschima fiel, und das >sicut Deus< war niemals eine Verheißung, sondern eine tödliche Warnung, die der Menschengeist überhört hat« [JuZ705]. 34 Die furchtbaren Greuelexzesse der nationalsozialistischen Zeit sind Wiecherts Überzeugung zufolge Resultat des Rationalismus der Moderne. Eine weiche Position, die sich weniger rationalismusfeindlich als vielmehr lebenszugewandt gibt, vertritt Reinhold Schneider in seiner pointierten Christologie. Seine lebensphilosophischen Überzeugungen kann er über biblisches Vokabular integrieren. »Christus hat nicht geschrieben und nicht zu schreiben befohlen. Er hat nicht >gedachtkalten Ungeheuer*, das zum Selbstzweck geworden ist und das mit einer schrecklichen, atemlosen Geschwindigkeit der letzten Form der Totalität zueilt, mit der es zwanzig Jahre später Menschen und Menschlichkeit erwürgen wird« [JuZ 414],

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Zu Wiecherts geschichtsphilosophischen Vorstellungen vgl. Jörg Hattwig 1984, S.3. Wiechert: »Von dem lauten und fröhlichen Amtszimmer dieses Mannes gelangte man in die eisige Sphäre der Quästur, wo kein Herz schlug, außer dem der Armen, die wie ich die Höhe der Kolleggelder erfuhren, sondern nur Federn raschelten und Goldmünzen klirr-

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Die radikale Ausnahme ist in dieser Sache Gottfried Benn. Zwar enthält insbesondere der Lebensweg eines Intellektualisten zahlreiche in durchaus eigenwilliger Nuancierung vorgetragene Elemente des lebensphilosophischen Denkzusammenhangs. Zwar sind die Essays aus der Zeit um 1933 gelegentlich Proklamationen für das Leben wider den Geist. Aber schon der Titel seines autobiographischen Fragments ist ein offensives Bekenntnis zur Ratio. In Block II, Zimmer 66 wird eine scharfe Auseinandersetzung mit dem lebensphilosophischen Antirationalismus der Zeit geführt. »Wer so spricht, werden die Blöcke antworten, ist der Gedanke, der kalte, unfruchtbare Gedanke, der das warme natürliche Leben bedroht, der wildernde Intellekt, feind dem vaterländischen Impulse, der Reichsidee, den Erntedankfesten und Schneewittchen und den sieben Zwergen« [DL/DL 443].

Dichtung und Leben Die zentrale Auffassung, die unerachtet der divergierenden politischen Positionen alle eint, ist der Zusammenhang von Dichtung und Leben. Dichtung gilt als privilegierte Weise der Partizipation am Leben. Der Dichter, so Reinhold Schneider knapp, vermag, »Bilder des Lebens [zu] formen« [VT 34], Wenn auch die biologischen Auffassungen Kolbenheyers von niemand, seine politischen und ideologischen wenigstens von Grimm und Blunck geteilt werden, seine Forderung, der Dichter müsse »lebensecht« [SK 1/235] schaffen, ist Allgemeingut. Die »Kenntnis des Lebens und der Wirklichkeit« [LiE 14] ist eine conditio sine qua non für den Dichter. 36 »Der schöpferische Mensch handelt unmittelbar aus innerem Erleben einer überindividuellen Spannungslage« [SK I/88]. 37 Blunck äußert den Wunsch, er »hätte ohne Ende mein Land darstellen und lebendig machen können« [LadZ 187] durch seine Kunst. Und im Bild des Leseabends sind Dichter und Publikum am Altar des Lebens traut vereint: Wann hatte man je Hörerschaften, die einem so viel Dank zollten? Sie alle verlangten von der Zeit, daß man das Dasein wieder in Bilder faßte, ohne Bilanzen, Kreuzworträtsel und

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ten. Das trockene, leblose Gesicht des Quästors schien nicht aus dem Lehm der Erde, sondern aus Subtraktionen gebildet« [JuZ341]. Wiecherts Verehrung für Max Picard: »Das erste, was ich von Max Picard las, war das >MenschengesichtUrtatsache des Lebens< (Georg Simmel), als unhinterfragbare Gegebenheit. Der Begriff ist so vielseitig verwendwie kaum definierbar. Aus dieser Eigenart heraus sind die vielfältigen Funktionen des Schicksals zu begründen. Lediglich Friedrich Georg Jünger verwendet die Kategorie selten in ihrem emphatischen Sinn, Hans Carossa bedient sich ihrer eher zurückhaltend. Das Schicksal ist nicht unmittelbar greif- oder kommunizierbar; wir »sind in der Hand der nie zu begreifenden Schicksalsmacht« [EwA576], wie Otto Flake ausführt. Reinhold Schneider bezeichnet die Biographie des Camoes als »Schlüssel einer Geheimschrift: des Schicksals« [VT 55]. Schicksal ist eine signifikante Struktur in der Zeit. Als katholischer Christ ist Schneider sich im klaren darüber, »daß die Wahrheit ohne Schicksal ist« [VT 49], Schicksal wird immer als Unveränderliches, Notwendiges gedacht 41 und übersteigt die Ratio 4 2 Die Verbindung von Schicksal und Sinn wird vom Gegenbegriff Zufall her profiliert. Eine günstige biographische Konstellation liegt vor, wenn von einem Biogra-

•w Für diese Wortverwendung finden sich in allen Texten Belege. Vgl. V T 66; E w A 46; H N W 120; G Z 94f.; U W 90; F 551. 40 Vgl. Martin Lindner 1994, S.96f. Im Regelfall wird die Kategorie des Schicksals als >faschistische< Kategorie diskutiert, ohne daß ihre lebensphilosophischen Zusammenhänge erläutert würden. Vgl. dazu Karlheinz Rossbacher 1976, S.156ff., S.179ff.; Christian Klotz/ Bernhard Spies 1983, S.207; Hans-Georg Meier 1983, S.90ff. 41 Will man zum Ausdruck bringen, etwas sei unabänderlich, kann man mit Carossa ausführen: »Wir müssen eine Schicksalsfügung darin sehen, daß die zweierlei Arten von Personen nur scheinbar die nämliche Sprache sprechen; sie meinen nicht das Gleiche, wenn sie das gleiche sagen« [UW 28]. 42 Blunck weist darauf hin, »daß im evangelischen Glauben die Frage nach Schicksal und Schicksalsfreiheit am tiefsten angepackt wurde, [...] weil ich mich mit vielen Streitern Schulter an Schulter fühle, die dem Merkantilismus und leeren Rationalismus unserer Zeit am schärfsten den Kampf ansagten« [LadZ479].

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phiesegment gesagt werden kann, etwas sei »mehr als Zufall, ist Schicksal gewesen« [SKIII/108]. Die Überzeugung, daß die Welt grundsätzlich eine wenn auch unzugängliche sinnerfüllte Ordnung hat, formuliert Gustav Hillard: »Es gibt keinen Zufall« [HNW220]. Der Kampf gegen das Schicksal oder die Zuordnung zur »dem Schicksal sich stellenden Heerschar« [SK 59] ist eine Quelle des Tragischen. Dementsprechend ist zu erwarten, daß Reinhold Schneider am einzelnen Menschen »seine Stellung zu seinem Schicksal mehr als das Schicksal selbst« [VT 24] interessiert. Vor allem die Endphase des Zweiten Weltkrieges beschreibt er mit dem Bild einer sich türmenden »Wand; ein schreckliches, fast antikes Geschick hielt sich hinter ihr verborgen« [VT 120]. Das apokalyptisch anmutendene Ende des Dritten Reiches ist nur mehr faßbar als »Schicksal, Schicksal zog an uns vorbei« [P471]; es markiert damit eine Blindstelle der geschichtsphilosophischen Reflexion, die nicht mehr anders kodiert werden kann. Schicksal ist hier verborgener Sinn, bis an die Grenzen getrieben. In der historiographischen Reflexion der Autobiographen fungiert Schicksal als geschichtsphilosophische Kategorie. »Schicksal ist die geschichtliche Notwendigkeit.« 43 Es ist nur dann gegeben, wenn eine historische Problemlage besonders implikations- und folgenreich für die nachfolgende Geschichte war. Oder, einfacher gesagt, wenn sie lebendig war. Schicksalhafte Konstellationen zeitigen keine beliebigen, sondern - wie erst in der Rückschau erkennbar ist - notwendige Folgen, die unabwendbar sind und auch nicht hätten abgewendet werden können. 4 4 Solche Konstellationen können auch geistiger Natur sein wie Benns Hinweis auf das »schicksalhafte Anwachsen der Begriffswelt« [DL/Lel 356] als vordringlichstes Problem des Zeitalters. Historisch Interessierte wie Otto Flake pflegen ein geradezu somatisches Verhältnis zur Geschichte. Das »Schicksalhafte dieser Stadt wehte mich an, als seien die Jahrhunderte ein Tag« [EwA 37]. Die Autoren fühlen sich »dem Schicksal des deutschen Volkes« [P215; vgl. U Z 593, 601f.] verbunden. Zeittypisch und vor allem in politisch rechts orientierten Kreisen verbreitet ist die Applikation des Schicksalsbegriffs auf politische Verhältnisse. Analog zur Geschichte werden damit notwendige Folgen spezifischer gewichtiger Konstellationen markiert. Blunck begreift die Ereignisabfolge des Zweiten Weltkriegs bis zur sowjetischen Annexion der baltischen Staaten als »Schicksal« [UZ 513] 4 5 Dieses Lebensgefühl formuliert am deutlichsten Hans Grimm:

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Friedrich Georg Jünger 1949, S.52. Zwei Beispiele von Hans Friedrich Blunck: Zum einen der Hinweis auf die »Schwere des Schicksals, das durch den Zwiespalt des Glaubens auf Deutschland lag« [LadZ 114]; zum anderen seine Stellungnahme gegen »jede[] Annäherung an den Faschismus Italiens, die für uns später so schicksalsschwer geworden ist« [LadZ 474]. Hans Friedrich Blunck: »Man stellte sich darauf ein, verlorener Haufe zu sein, man wollte ohne Hoffnung sein, um sich für sein Land ganz einsetzen zu können, dessen Schicksal es schien, von der ungeheuren Macht des Ostens erdrückt zu werden, oder auch des Ostens und des Westens« [LadZ 225; vgl. LadZ 278],

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Wirkliche innere Unruhe gegenüber jeglichem menschlichen Tun und Lassen fing, so scheint mir, erst bei uns reichsdeutschen Jungen der ausklingenden Bismarckzeit an. Wir, meine ich, spürten noch von ferneher zum ersten Male, daß von nun an das »Tua res agitur« für uns bei allem Volks- und Völkergeschehen Gültigkeit gewinne, oder mit anderen Worten, daß sich nichts ereigne und nichts im Glauben genommen werde beim eigenen Volke, im ganzen deutschen Sprachgebiet, in den Nachbarländern, in Europa und schließlich in der ganzen Welt, das nicht jedem einzelnen von uns eines Tages zum Schicksal ausschlagen müsse [LiE 84]. Häufig wird Schicksal bemüht, wenn politische Wenden, Glücksumschwünge oder gravierende Entscheidungssituationen vorliegen. 4 6 A l s Versachlichung gedacht ist in diesem Kontext Flakes Behauptung, der Staat sei das Schicksal. 4 7 Für einige der konservativen Gegner des Nationalsozialismus impliziert die Formel von Hitler als Schicksal zugleich einen Schuldspruch. 4 8 Aufgrund der bildlich ausgerichteten R e d e w e i s e kann Schicksal als personifizierte Instanz und A g e n s der Geschichte erscheinen. Deutlich wird dies etwa in der von Kolbenheyer einmal verwendeten Formel vom »Geschick des Schicksals« [SK 1/417] 4 9 Grundsätzlich ist es unberechenbar, so daß über künftiges Glück oder Unglück keine Aussage getroffen werden kann. D e r Begriff kann vielfältig und widersprüchlich eingesetzt werden, trägt aber dann immer einen pathetischen Akzent. 5 0

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Beispiele: Kolbenheyer: »In Stalingrad, am russischen Schicksalsstrome, hatte im Januar 1943 General von Hartmann seine letzten Kämpfer zu einer Feierstunde versammelt. Deutsche Kunst sollte den Todgeweihten noch einmal Trost spenden. In dieser Feierstunde war auch ein Gedicht von Sebastian Karst vorgetragen worden, eine der höchsten Ehren, die diesem Dichter zuteil geworden sind« [SK I/120f.]. Reinhold Schneider: »Das muß im April 40 gewesen sein, unmittelbar ehe das Feuer im Westen losbrach. Wir sind nicht hindurch gekommen. Denn vor der Felswand der Schickung sind die meisten gestorben oder an ihr zerschellt« [VT 107]. Arnolt Bronnen: »Sie, Arnolt Bronnen, hätten 1923, während jenes Prozesses, in dem sich Ruhr-Kampf und Inflation schicksalhaft verflochten, eine wichtige Aufgabe gehabt: Alle jene Tendenzen, welche erneut zu einem erneuten imperialistischen Kriege trieben, zu entlarven« [P 131; vgl. Ρ178,308],

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»Der Staat ist mehr als jede andere Macht das Schicksal, und wenn sie ihn stürzen, geschieht es, um einen neuen Herrn, der noch unwirscher ist, über sich zu setzen - darin machen Bürger und Arbeiter keinen Unterschied« [EwA 325; vgl. EwA 390]. Ernst von Salomon, ungewöhnlich unironisch: »Der Mann ist unser Schicksal, mehr als es Rathenau gewesen ist, es ist ein Betrug an unserem Schicksal, mag dies sein, wie es will, es ist ja unser Schicksal« [F153]; Hitler als Schicksal vgl. F 798. Vgl. auch Bluncks Hinweis auf »die Aufgabe, zu der Hitler sich vom Schicksal bestimmt glaubte« [UZ 182], Beispiele: »Es stand sehr ernst. Jahr um Jahr hatte Schuschnigg seine Gegner in jenen Konzentrationslagern gehalten, in denen der Haß aufwächst. Jeder aber wußte, daß die Zeit nahte, da das Schicksal sich wandte. In Österreich waren, im Gegensatz zum Altreich, gerade die Intellektuellen zähe, leidenschaftliche Nationalsozialisten« [UZ 488], Bei Kolbenheyer einerseits: »Ich muß dem Schicksale danken, schrieb Sebastian weiter, daß mein Tag voll Arbeit ist« [SK 1/122; vgl. SK 11/92]; aber auch: »Nur wenigen, auch seiner näheren Freunde, wurde bewußt, welch Schicksal über dem Lebensende des Sebastian Karst stand« [SK III/438]. »Wir hatten es schon einmal festgestellt, daß jede Krankheit eine Flucht sei; und wie Sie zu Beginn des Krieges vor der Verantwortung flüchteten, so flüchteten Sie zum

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Die sinnstiftende Funktion des Schicksals ist wesentlich, wobei vorderhand gleichgültig ist, ob dieser Sinn sich positiv oder negativ auswirkt. Am deutlichsten formuliert dies Gustav Hillard: Ich konnte in diesem Augenblicke nicht mehr leisten, als die Fügung des Schicksals in demütigem Danke hinzunehmen. O b die seltsame Wendung meines Lebens für die Verwirklichung meines Wesentlichen Gewinn oder Verhängnis war, wie hätte ich das wissen sollen? Ich weiß es heute noch nicht. Denn wer dürfte sich zum Richter aufwerfen über das, was das Schicksal mit anscheinender Absichtlichkeit mit ihm vorhat? [HNW 65].

Auf diese Weise werden auch Erfolglosigkeit oder Niederlagen der Biographie als sinnvoll integriert. »Es ist möglich, daß einem Künstler nichts Heilsameres widerfahren kann, als immer wieder vom Schicksal niedergeschlagen zu werden« [SK II 41]. Besonders herausragend sind für Schneider Menschen, die Biographie und Schicksal zur Deckung gebracht haben: »Die Bilder leuchteten aus dem Dämmer, Barlach, die Kollwitz, Moissi, Wiechert, Menschen, die von ihrem Schicksal einverwandelt wurden, die nur noch Zeichen des Schicksals waren« [VT 107], Das Schicksalsverständnis der Autobiographen läßt sich als Gesamtheit eines Bedingungsgefüges beschreiben, aus der notwendig bestimmte Abläufe, Folgen, Konstellationen für die Struktur einer Biographie ableitbar sind. Das Individuum muß sich dem >Schicksal< nicht automatisch stellen. 51 Das >Walten des Schicksals< kann innerhalb der Biographie an zeitlich unterschiedlichen Punkten angesetzt werden. Kolbenheyer kommt hier Prädestinationsvorstellungen sehr nahe, da er sehr früh ansetzt: »Das Zufallsspiel der Natur zu begreifen, das im Augenblicke der zeugenden Befruchtung ein Schicksal wird, und dieses Schicksal am eigenen Leben zu entwickeln, das lockt den Selbstbeobachter« [SK 1/48].52 Auch Arnolt Bronnen bewegen während der Arbeit an Ostpolzug solche Fragen als Grundproblem seines Dramas. 5 3 Weniger unausweichlich sieht Reinhold Schneider »unser Geschick« [VT 29] auf spezifische, individuelle Konstellationen beschränkt. 5 4 Benn reflektiert das Problem in den Rönne-Ttxtcn [vgl. DL/Lel 366].

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Ende des Krieges vor der Gemeinsamkeit des Schicksals, das über Sie verhängt war« [P 457], Diese Möglichkeit spricht Hillard am Beispiel von Walther Rathenau an: »Er hatte lange die unaufhörliche Drohung eines abgefeimten Schicksals gefühlt, das ihn aus dem Dunkeln anspringen wollte. Aber Schicksal und Wesen waren immer enger zusammengewachsen und schließlich nicht mehr zweierlei. [Absatz] So sind seine letzten Jahre in einem echten und tiefen Sinne tragisch gewesen« [HNW 239], In dieser Frage ist Hans Grimm ein bekennender Kolbenheyerianer: »Denn geschieht nicht jedes Mal ein ganz großes Schicksal für jedes Geschlecht und bei später schöpferischen und deutenden Menschen weithin über ein Geschlecht hinaus, wenn Vater und Mutter von entfernten Wegen unversehens zusammengeführt werden?« [LiE 16], »Aus dem Menschen-Schicksal wurde ein Forscher-Schicksal, aus dem Problem des Heutigen, heutig zu sein, während ihn die unendliche Kette der Vergangenen zu sich und in das bereits vorgeformte Schicksal hinabreißt, - wurde der leicht faßliche, die Grundprobleme nur streifende Kampf um ein Ziel« [P 145]. Vgl. Otto Flake: »Das Naturell kann man nicht erwerben, es ist Gnade oder Fluch, in jedem Fall die schicksalbestimmende Macht« [EwA 22].

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Der Schicksalsbegriff ist Kodierungskategorie für die Kontingenzen eines Lebenslaufs. 55 Die verbreitete und übliche Vorstellung ist, daß positiv oder negativ besonders herausragende Abschnitte einer Biographie als schicksalträchtig beschrieben werden. Die Spannbreite reicht von lebensbedrohlichen Krankheiten, folgenträchtigen Entscheidungssituationen bis hin zu biographischen Grenzsituationen. 56 Die Erläuterung der einzelnen Elemente des Begriffs macht allerdings noch nicht hinreichend deutlich, welche Leistungen er erbrachte. Denn diesen Möglichkeiten verdankt der Schicksalsbegriff erst seinen Erfolg. Anders als es heute erscheint war die Verwendung des Begriffs vor 1933 keineswegs beschränkt auf das politisch reaktionäre Lager. Am Beispiel von Ernst Wiecherts Jahre und Zeiten kann aufgrund der Dichte seiner Schicksalssemantik exemplarisch die spezifische Funktionsweise und Attraktivität erläutert werden. Wiechert ist ein besonders fanatischer Lebensgläubiger. Fassen wir noch einmal zusammen: Für die Gesamtgestalt eines Lebens ist >Schicksal< von zentraler Bedeutung. Es ist keine definitorisch faßbare Kategorie, sondern kann nur in Bildern vermittelt werden. Der >richtige< Lebensweg steht immer in Übereinstimmung mit dem Schicksal. Das wird deutlich, wenn Wiechert sich freiwillig zum Kriegsdienst meldet. 57 Seine Zurückstellung wird interpretiert als Zeichen, daß das Schicksal es anders wollte: »[E]twas Großes habe ich gelernt: daß man sich seinem Schicksal nicht entgegendrängen soll wie ein unruhiger Verwandter, sondern daß man es auf der Treppe seines Hauses erwarten soll« [JuZ460]. Schicksal impliziert Verantwortung, denn das Leben muß schicksalsgerecht gelebt werden [vgl. JuZ 375f.]. Es gibt eine »enge Verflechtung [...] zwischen einem Menschen und seinem Schicksal« [JuZ 382]. Die positive Deutung des eigenen Lebens, die positive Wertung der Biographie wird bereits zu Beginn des Buches deutlich darin, daß Wiechert sein Werk und Leben beschreibt als »Aussage über ein

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Beispiel: »In den natürlichen Grenzen seines Alters vermochte der Knabe die Bedeutung des Ereignisses weder für sich noch für die Seinen recht zu fassen. Aber in dem Widerstreit der Gefühle zwischen Trennung vom Liebgewohnten und Lockung des Neuen berührte ihm zum ersten Male eine Ahnung von dem Trügerischen und Schillernden des Schicksals, welches von nun ab die Fäden seines Daseins seltsam verschlungen ineinanderweben sollte« [ H N W 24; vgl. auch H N W 61f.]. Beispiele: Hans Friedrich Blunck: »Selten im Leben spürte ich die Vergänglichkeit der Freude so sehr wie im Schicksal jener Tage. Immer noch denke ich an die Stunde, in der mir die Krankenträger mein junges Weib aus dem Haus trugen« [LadZ 308]. Reinhold Schneider: »die Portraits L e o von Königs sind in das Transzendente gerichtet: sie fassen den Menschen an der Stelle, w o das Schicksal ihn von außen überkommt« [VT 105]. Otto Flake: » A m Abend nahm sie Abschied, für immer; doch verstand das Schicksal darunter etwas anderes als ich« [ E w A 534]. Gustav Hillard: »Ein Weltweg hatte sich mir unter begünstigten Umständen erschlossen. Ich hatte durch eine seltsame Fügung des Schicksals ohne eigenes Zutun und ohne ausgesprochene Neigung eine entschiedene Laufbahn eingeschlagen« [HNW 135]. Hans Grimm: »Die berauschende und, was mein Wesen und Werden angeht, so schicksalhafte Kinderliebe begann bei mir im elften Jahre« [LiE 58], »Für mich ist es selbstverständlich, daß ich als Freiwilliger eintreten muß. Ich höre auf keine Beschwörungen und Tränen, ich bin überzeugt, daß ich Vaterland und Heimat zu retten habe. Ich bin opferwillig, indes die anderen nur an ihr kleines Leben denken. Aber das Schicksal will es noch nicht« [JuZ 456].

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Stück Schicksal eben, das Auseinanderflechten und Durchsichtigmachen, und Knoten und Fehler sind so wichtig wie Glanz oder Farbe« [JuZ 355f.]. Schicksal ist als Schlüsselbegriff aufgrund seiner Unschärfe und hohen Plastizität multifunktional und leistungsfähig. Es ist ein Begriff mit geringer Intension und hoher Extension, für den vor allem der Kodierungswert entscheidend ist - »Schicksal, was wir auch darunter meinen mögen« [JuZ 663], wie Wiechert selbst hervorhebt. Der kleinste gemeinsame Nenner aller Verwendungen dieses Begriffs ist seine Verknüpfung mit emphatischem Lebenssinn. Schicksal wird auf der Bildebene sowohl als das Gewebe des Lebens knüpfend wie über den Verlauf von Lebenswegen bestimmend vorgestellt. 58 Wenn Wiechert sein Leben nach dem Ersten Weltkrieg vor allem als eine Zeit der Verwirrung aus der damaligen Perspektive beschreibt, kann Schicksal sie trotzdem mit Sinn versorgen: »Unser Schicksal hat Zeit mit uns, weil es die Länge unseres Weges ermißt, indes wir denken und leben, als hätten wir keine Zeit und der nächste Tag sei schon der Tag der Ernte« [JuZ 525], Gelegentlich kann es geradezu personifiziert erscheinen, wie die Reaktion auf den ersten Verlagsvertrag zeigt. Wiechert empfand das als »Zeichen [...], daß das Schicksal mir auf meinem neuen Wege zunickte, und wenn es in Wirklichkeit auch nur zwei große Zeitungskönige waren, die mir etwas widerstrebend zugenickt hatten« [JuZ 544], Die Multifunktionalität des Schicksals zeigt sich darin, daß der Erste Weltkrieg, ansonsten ein Biographiebruch, umgedeutet werden kann zu »eine[r] der großen und schweren Prüfungen, die das Schicksal mitunter verhängt, und in denen wir bestehen oder zugrunde gehen« [JuZ 513], daß aber auch die zentrale Liebesbegegnung seines Lebens seinen »Herzschlag stocken l[äßt], weil wir in dem lautlosen Schweigen über der Kammer unseres Herzens die dunklen Flügel des Schicksals rauschen hören. Eines Schicksals, von dem wir nicht wissen, ob es gnädig oder verhängnisvoll ist, aber von dem wir das eine ohne Zweifel wissen: daß es unentrinnbar ist« [JuZ 580]. Das Schicksal hält verborgenen, nicht offenbaren Sinn bereit. »Meine Hüfte war verrenkt wie im Alten Testament, aber mein Schicksal würde wohl wissen, weshalb es so geschehen war. Ich brauchte es nicht zu wissen. Es war genug, wenn das Schicksal es wußte« [JuZ 601]. In der Konsequenz solcher Plastizität des Begriffs liegt es denn auch, wenn der drohende Zugriff des Justizapparats des Dritten Reiches in diese Kategorie gefaßt wird. »In dem Zeitraum bis zu meiner Verhaftung war nur an einigen Vorkommnissen zu erkennen, wie schnell oder wie langsam das Schicksal seine Hand ausstrecken wollte« [JuZ 677]. Das Schicksal war zu Beginn der Autobiographie, als der junge Wiechert seinen

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Beispiel: »Eines der tausend Schicksale, wie sie über die Erde gehen, aber eines, dem es vor der letzten Erstarrung oder Verwirrung beschieden war, in einem Konzert mein Gesicht unter tausend anderen zu erkennen, das Gesicht desjenigen, dessen Worte und Bücher in ihr Herz gefallen waren als eine Erlösung oder eine Verheißung, und in diesem Augenblick knüpfte das Schicksal die Fäden zusammen, mit einer gelassenen Hand wahrscheinlich, denn kein Schicksal kümmert sich um die Schmerzen, die die Knüpfung bereitet. Es kümmert sich nur darum, daß zwei Wege ineinander münden, die reif geworden sind, und nicht um das, was am Wege liegenbleibt« [JuZ 583].

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Weg noch nicht gefunden hatte, nicht als Prädestination gedacht. Am Ende des Textes fungiert es allerdings doch so. »Das Attentat vom 20. Juli war ein neues Flammenzeichen, aber ich gehörte nicht zu denjenigen, die sein Mißlingen mit Verzweiflung erfüllte. Jedes Schicksal muß ausgeschritten werden, auch das dunkelste, und dies am meisten« [JuZ 713]. Summarisch läuft das darauf hinaus, daß Wiechert dem Schicksal Attribute Gottes zuschreibt, ohne daß aber beide in eins gesetzt sind. Mit dem Schicksal oder den Gesetzen ist ein Rahmen gegeben, innerhalb dessen Identität und Individualität bis zu einem gewissen Grad Produkt des Individuums selbst sind. Es geht bei der richtigen Lebensführung darum, »die schöne Freiheit eigener Gesetze [zu kennen], die man selbst aufrichtete und denen man gehorsam war« [JuZ 449], Nur wenige Autoren dokumentieren der Schicksalssemantik gegenüber Skepsis. Ernst von Salomon markiert in der für den Fragebogen typischen Ironie, die seine ehemalige Verfallenheit an das Pathos nie verbirgt, den Punkt, an dem die Kategorie Schicksal an Bedeutung verliert. Anläßlich seines ersten Besuches bei Kapitän Ehrhardt 1928 gibt er sich von »ziemlichem Vertrauen in das Walten des Schicksals« [F 254] erfüllt, gestaltet das aber aus der späteren Perspektive als Arrangement des Zufalls - »und Zufall ist, was einem zufällt, sagte der olle Nitschke, wie ich mich lächelnd entsann« [F304]. Die Distanz zwischen Erzähler und Erzählfigur wird mittels des Erzählarrangements als Gegensatz von ehemaligem Schicksalsglauben und jetziger Schicksalsskepsis arrangiert und damit antiteleologisch konstruiert. Deutlich formuliert hat Benn seine Distanz zur Schicksalssemantik in der Erläuterung seiner Antwort an Klaus Mann. Er führte im Nachhinein aus, »[a]ndere Partien meiner Antwort würde ich heute nicht mehr schreiben, sie sind romantisch, haben einen unangenehmen Schwung und sind erfüllt von einer Art Schicksalsrausch ich bitte dieses Wort im Gedächtnis zu behalten, es stammt aus dem Arsenal eines Erfahreneren« [DL/DL 403] - nämlich von Thomas Mann. Mit der Auflösung des lebensphilosophischen Denkmodells gerät auch das Schicksal als irrationalistische Kategorie zunehmend in Mißkredit. Insbesondere die Ideologiekritik hat die problematischen Implikationen dieses Begriffs scharf herausgestellt.

4.3. Soziopolitische Orientierungen Im abschließenden Kapitel zur Selbstbeschreibungssemantik stehen soziopolitische Verortungen zu Debatte: die Charakterisierung des Berufs, das Verhältnis zur Politik, Besonderheiten der Selbstbeschreibung im Dritten Reich. Die Orientierung der Biographen am Leben impliziert noch nicht notwendig, welche soziopolitischen Zuschreibungen vorgenommen werden. Auch aus einer noch so radikalen lebensphilosophischen Grundüberzeugung ergibt sich weder eine bestimmte politische Position noch ein spezifisches literarisches Selbstverständnis. Der Berufsschriftsteller bringt in besonderer Weise die Außenstellung des Individuums zur Gesellschaft zur Geltung. Innerhalb der funktional differenzierten Gesellschaft hat ein Dichter keine spezifische gesellschaftliche Funktion. Dieses Manko wird generell mit einer besonders emphatischen Professionssemantik beantwortet. 271

Die Autobiographen tradieren zeittypische Autorkonzepte weitgehend ungebrochen. Die zentralen Konflikte der Weimarer Zeit, die im Streit um die Umbenennung der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie 1929 59 oder in der Berlin/Provinz-Kontroverse 60 um 1930 aufgebrochen waren, werden fortgesetzt und mit den in der literarischen Öffentlichkeit wieder präsenten Emigranten ausgetragen. Die Unterscheidung von Dichter und Literat wird gepflegt. Das Verhältnis der Autoren zur Politik hingegen ist zum Problem geworden, um dessen Klärung die meisten bemüht sind. Daran hat die Erfahrung des Dritten Reichs den zentralen Anteil. In Texten vor 1945, in Ernst Wiecherts Wälder und Menschen oder in Carossas älteren Autobiographien, wurde noch keine grundsätzliche Reflexion des Politikverständnisses geführt. Die totalitäre Tendenz des nationalsozialistischen Regimes hat die Unpolitischen politisiert. Aus der subjektiven Perspektive der Autobiographen nahm sich die Zeit im Dritten Reich als bis dahin nicht erlebter Ausgriff der Politik auf die als unpolitisch angesehenen Lebensbereiche aus. Die Einsicht in die Verbrechen des Großdeutschen Reiches, die Reeducation und Entnazifizierung sowie die Schulddebatten der Nachkriegszeit vertiefen diesen Prozeß. Die im Dritten Reich verbrachte Lebenszeit fällt aus der Biographie heraus und bedarf im Regelfall einer eigenen biographischen Segmentierung. Für die regimekritischen Autoren spielen Selbstbeschreibungskonzepte wie Innerlichkeit, Vita contemplativa, innere Emigration und die Deutung des Nationalsozialismus mittels der Kategorie des Dämonischen bei aller Differenz im Detail eine wesentliche Rolle in der autobiographischen Reformulierung der Biographie. Bezeichnenderweise finden sich diese Elemente bei den regimefreundlichen Autoren Blunck, Grimm und Kolbenheyer nicht. Kennzeichen aller dieser Selbstbeschreibungsbegriffe ist, daß sie zwar auf konkrete Lebensverhältnisse appliziert werden, in ihnen aber die Ausdehnung ins Existentielle angelegt ist. Am weitesten ist Gottfried Benn mit seiner Konzeption des Doppellebens als Existenzmetapher fortgeschritten.

4.3.1. Dichter und Literat Die genieästhetischen Vorstellungen vom dichterischen Schaffen sind integraler Bestandteil des lebensphilosophischen Denkmodells. Sie sind den Autoren so selbstverständlich, daß es praktisch keine Ironisierung oder theoretische Kritik daran gibt. Die meisten beziehen die Genietopik auf sich und ihre Arbeit, vermeiden aber die explizite Selbstbeschreibung als Genie. Die Apostrophierung als Dichter, Schriftsteller, Autor oder Literat ist zwar nicht terminologisch scharf, impliziert aber relativ genaue Vorstellungen und ist trotz gelegentlichen Inkonsequenzen als Akt der Selbstplazierung im Literatursystem zu

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Vgl. Hildegard Brenner 1972, S.12ff.; Werner Herden 1984; Werner Mittenzwei 1992a, S. 118ff.; Inge Jens 1994, S. 112ff. Vgl. Jochen Meyer 1985; Jochen Meyer 1986.

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verstehen. D e n emphatischsten Begriff ihrer Profession vertreten die >Dichter< Blunck, Kolbenheyer und Wiechert. Eine etwas nüchterne Variante findet sich bei Carossa und Grimm. Nicht für sich, aber ungebrochen für andere verwenden ihn Schneider, Hillard und Salomon. Bronnen und Benn teilen zwar die Emphase, bevorzugen aber andere Begriffe als den des Dichters. Friedrich Georg Jünger vermeidet die Terminologie. Otto Flake lehnt den Dichterbegriff dezidiert ab. A r n o Schmidts zeitgenössische Polemik gegen den Typus des Dichter-Priesters läßt sich unschwer auf das Selbstverständnis von Blunck, Kolbenheyer und Wiechert beziehen. 6 1 Blunck verleiht im Verlauf der autobiographischen Erzählung dem Dichtertypus, den er für sich reklamiert, eine Vielzahl numinoser Charakterisierungselemente. Geradezu religiös ausgestaltet ist seine Überzeugung, Dichtung sei eine Wahrheitsinstanz. 6 2 Der Dichter soll ein »Sprecher und Deuter« [SK 178] des Volkes sein, 6 3 sein Werk aufbauend wirken 6 4 und Wahrheit künden. 6 5 D e r Dichter ist alter deus und G e f ä ß des Göttlichen, 6 6 wenn seine Texte »mit dem Herzen eines Dichters und nicht mit d e m Verstand geschrieben wurde[n]« [ U Z 78]. Kolbenheyer teilt die völkische wie die antirationalistische Komponente dieses Dichtungsverständnisses, 6 7 begreift sich aber als »Dichter und D e n k e r « [SK 1/243] mit dem ausgeprägten Gefühl einer radikalen Sonderstellung. 6 8

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Das Konzept des >Dichter-Priesters< wird meist im Kontext des nationalsozialistischen Dichtungsverständnisses diskutiert. Vgl. Klaus Vondung 1973, S.25ff., S. 118ff.; Joseph Wulf 1986, S.364ff.; Ralf Schnell 1987, S.38f.; Andreas Meyer 1989, S. 113; Norbert Hopster 1993, S. 105. In einem weiteren Rahmen untersucht bei Friedhelm Krön 1976, S. 15; Michael Kretschmer 1979. »Eine erste Predigt schrieb ich mir damals auf: »Glaubt der Dichtung, sie weiß mehr von Gott als die Wissenschaft und darf mehr sagen und ahnen. Denn wir bergen neben dem Lebendigen in uns noch den Funken aus anderem, der über diesen Leib hinaus dauert und den Menschen höher aufhebt als das Sein dieser Erde; [...]«< [LadZ 172f.]. Vgl. LadZ 114, 316f„ U Z 113. »Und die heimliche Dichtung zwang, nicht den Verfall zu schildern, sondern jener Sehnsucht zu folgen, die in Reine und Milde lag, die nach des Lebens Auftrag fragte. Heiligung der Erde und hochgemute Hingabe an das Dasein lehrte sie« [LadZ 166], »Wir brauchen nach Jahrhunderten gelehrter Entfremdung von uns selbst eine Dichtung, die aus unserm Atem quillt und doch nichts anderes will als leidenschaftliches Bekenntnis zum Ewigen Vater, zum Heiland und zu den Gestalten und Ungestalten, Heiligen und Abgöttern, die wir erspäht, der Welt geschenkt haben und weiter schenken« [LadZ 343]. »Wir freuen uns an dieser Herrschaft unter dem Himmel und geben dem ungewollt Ausdruck, indem das Gute gewinnt und das Schlechte vergeht, indem wir selbst ein wenig aus der Gnade verschenken, aus deren Gotteskraft wir leben« [LadZ 342; vgl. U Z 76]. »Nur unter diesem Schicksal können die inneren Spannungszustände des eigenen Volkes erfühlt werden, daraus die Antriebe der dichterischen Gestaltung erstehen, jenseits der Ratio« [SK 1/20]. »Mir war aufgegeben, das Wesen meines Volkes in meiner Dichtung zu gestalten und seiner metaphysischen Triebrichtung durch meine Philosophie den Weg zu bereiten« [SK 111/466], Der »innerste Beweggrund meines Schaffens, den ich als Lebenserbe und Auftrag von meinen Vorfahren her begreife, unterscheidet mich von den meisten Dichtern meiner Zeit. Er ist auch die Ursache, weshalb ich unter ihnen - ohne damit einen Vorrang bedeuten zu wollen - abgeschieden geblieben bin« [SK 11/381]. 273

Ernst Wiechert vertritt die gleiche Dichtungskonzeption. 6 9 Der Dichter ist »vom Blute [...] genährt«, Vertreter der »dunklen und heimlichen Bezirke[ ] des Seherischen«, beheimatet in »der stillen Dämmerung der Kultur« [JuZ 623] und ausgestattet mit dem Respekt vor den »alten und geheiligten Tafeln des Gesetzes«, »vor dem die Hand des Dichters zurückschreck[t ...] als vor einem Sacrilegium« [JuZ624], Der Dichter schafft »reine Dichtung« [JuZ 726], die »Gleichnis« [JuZ 776] im biblischen Sinn ist. Er ist »ein Sohn der Zeitlosigkeit und also ein Diener des Magischen« [JuZ 773]. »Es gibt sehr wenig Willkür bei ihm. Wenige stehen unter so strengen, wenn auch ihm unbewußten Gesetzen« [JuZ 754]. Demgegenüber ist die Auffassung Carossas geradezu nüchtern. Stefan George ist für ihn Repräsentant der »alten Würde des Dichtertums« [UW 101], Grundsätzlich verwendet Carossa den Begriff des Dichters deskriptiv. Dennoch schreibt er der Sphäre der Kunst die Werte der Wahrheit, des Göttlichen zu, versteht sie also im kunstreligiösen Sinn. 70 Hans Grimms Dichterverständnis ist bürgerlich im Sinne des 19. Jahrhunderts. 7 1 Er bezeichnet sich selbst gewöhnlich als »SchriftstellerDichter«. 7 2 Aufgrund der unbestritten hohen Wertschätzung von Kunst und Dichtung wenden bescheidenere Autoren den Begriff ausschließlich auf Kollegen an. 73 Reinhold Schneider bekennt über eine vergangene Lebensphase: »Eine leidenschaftliche Liebe zur Dichtung war in mir aufgewacht; die Werke der großen Dichter waren mir heilig« [VT 22]. Sich selbst betrachtet er als Christ nicht mehr primär als Schriftsteller [vgl. V T 140], Die Diskrepanz zwischen dem emphatischen Anspruch und der tatsächlichen soziopolitischen Situation wird allenfalls für Salomon problematisch. 74 Armseliges Surrogat einer Macht für die, welche mit Recht zu anderen Mächten nicht zugelassen sind! Was repräsentieren sie denn, [...] wenn sie sagen, sie repräsentieren die Macht des Geistes? Sie repräsentieren sich selber, weniger als sich selber, das Echo von

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Vgl. Alexander Feldkamp 1957/58, S.924; Guido Reiner 1974, S.97; Jörg Hattwig 1984, S.3, S.39ff. Carossas Selbstverständnis ist das eines Dichtertums, dessen »Fundament auf der Ganzheit des Menschlichen ruht« (an Hedwig Kerber, 8.5.1928; Hans Carossa 1978b, S. 139). Vgl. Henning Falkenstein 1983, S.30ff. Seine schwangere Mutter »wünschte [...] sich, ja war [...] überzeugt, daß der Sohn, so er es sei, ein Dichter werden solle, das, was sie und die reichsfrohe und reichsstolze Zeit unter Dichter verstanden. Insbesondere mag sie an ihren Schiller und seine Dramen gedacht haben und an die Begeisterung vor Schillers edlen Spielen im Burgtheater in Wien« [LiE 29f.]. Hans Grimm 1979, Bd. I, S. 8. Vgl. Gustav Hillards Bekenntnis anläßlich der Begegnung mit Alfred Walther Heymel: »Ich war noch nie leibhaftig einem Dichter begegnet« [HNW 176; vgl. HNW 295f.]. »Ich löste, rief sie, mit meiner Auffassung vom Leben das ganze Getriebe der Welt in ein System von unfreundlichen und öden Funktionen auf. Was bleibet aber, rief sie emphatisch, stiften die Dichter!« [F 29], Dichten wird vom jungen Salomon angesehen als »Flucht vor den Wirklichkeiten, die jedermann zu bestehen habe, ein Ausweichen vor dem Leben, in dem Versuch, es zu bespiegeln« [F29].

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sich selber! Sie reden von sich selber, sie schreiben von sich selber, sie reden und schreiben für sich selber, alles, was sie reden und schreiben ist Autobiographie! Von [...] einem aber schreiben sie nichts, die sie sonst von allem schreiben, was sie immer nur selber angeht: Daß sie kein Recht haben zu dem Anspruch, den sie erheben! [...] Aber gerade das müßte einmal geschrieben werden! Gerade das!! [F29]. Seine Kritik ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer A b s a g e an den emphatischen Dichterbegriff. 7 5 D a s gilt gleichfalls für Bronnen. D e s s e n Kritik, »daß der Expressionismus eine augurale Dichter-Kaste voraussetzte, die sich mit der brutalen Gewalt hemmungslosen Gefühls auf eine minderwertige, rechtlose Masse stützte« [P 99], richtet sich nicht grundsätzlich gegen die emphatische Dichtungskonzeption. In den ausführlichen ergographischen Passagen des Protokolls reklamiert er stets die genieästhetische Topik. Bronnen bevorzugt die neutraleren und vor allem m o derner klingenden Begriffe Autor und Schriftsteller. Sein Konzept reicht v o m »Gentleman-Schriftsteller« [P 171] - v o m Erzähler stolz verkündet, im Rahmen gerügt - bis zu einem in der Phase der Distanzierung v o m Dritten Reich entwickelten Begriff, der Gegenwartsbezug, Menschlichkeit und Politisierung einbezieht. 7 6 Otto Flakes Kritik am Dichter-Begriff ist kulturpolitisch motiviert. Sie steht im Kontext des Streits um die Benennung der Dichterakademie. »Ein Dichter aber war ein Mensch im subjektiven Zustand, undefinierbar, ohne objektive Kennzeichen wie Klarheit, Blick, Maß. Ein Mann von Geschmack und Haltung bezeichnete sich überhaupt nicht als Dichter in der Öffentlichkeit. Charakteristischerweise hatten sie in Deutschland dieses Wort vorgezogen« [ E w A 355f.]. Flake bevorzugt wie B e n n Künstler 7 7 und Schriftsteller: Wer ein Schriftsteller ist, läßt sich sagen: ein Geistiger, der Niveau hat und Leistung bietet unter den Gesichtspunkten der Form und des Inhaltes, der Darstellung und des Ethos kurzum ein Repräsentant. Unter den Schriftstellern konnte man auch Gelehrte wie Mommsen oder Wölfflin aufnehmen, Forscher wie Schliemann oder Frobenius, und sogar wie in Frankreich Generäle, wenn sie zu schreiben verstanden, was allerdings auf den schriftstellernden Ludendorff nicht zutraf [EwA 355]. 78

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»Da aber geschah uns dies, da geschah es, daß ein leibhaftiger Dichter, ein Mann aus der Front der echten, der einzigen, der wahrhaft wirklichen deutschen Literatur, daß ein Mann, was sage ich, ein Monument von Erz, daß Arnolt Bronnen in aller Unschuld und ohne je etwas von uns gehört zu haben, zum Thema seines neuesten Romans die Ereignisse in Oberschlesien aus dem Jahre 1921 nahm« [F298]. »Der Schriftsteller braucht dauernde Gegenwart, dauernde Diskussion, dauernde Impulse« [P 310]; »Aber der Schriftsteller mußte vor allem Herold der Menschlichkeit sein. Es hing vom Regime ab, ob der Schriftsteller es verkündete oder vor ihm warnte« [P 370]. Benn: »der Künstler ist es, der weiter muß, sammelt, gruppiert - ländlich-großväterlich mit Hilfe von zeitlich-räumlichen Kategorien, aktuell-neurotisch durch absolute transzendente Schwerpunktsbildungen, Fesselungen, Drehpunktskonstituierungen - nur so schafft er etwas jenseits von Relationen und Ambivalenz« [DL/DL 470f.]. Flake: »Der Begriff Künstlerisch war mir teurer als der Begriff Dichterisch, unter dem die Deutschen einen gewissen Schwergang der Gefühle verstanden« [EwA 583]. Vgl. zu Flakes Selbstverständnis als Schriftsteller Friedrich Sieburg 1981, S. 185; Sabine Graf 1992, S.18.

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Dieser umfassende und neutralere Begriff wird von allen bevorzugt, die sich nicht selbst als Dichter bezeichnen, 7 9 weil er den Berufscharakter akzentuiert. Mit einer Ausnahme: »Die nächste Frage betraf meinen Beruf, ich schrieb zögernd: Schriftsteller, - ich hatte das nie für einen Beruf gehalten« [F 664], Für die Vertreter des emphatischen Dichterbegriffs ist der Schriftsteller cum grano salis eine eher negative Gegenfigur. Ein Schriftsteller richtet seine Produktion nicht auf Ewigkeit, sondern auf die Erfordernisse des Tages, die Presse aus [vgl. U Z 58, SK 1/243]. Kolbenheyer bewertet grundsätzlich Karl Kraus, Otto Weininger, Alfred Döblin, Thomas Mann, Hermann Hesse [vgl. SK 1/426, Π/195,11/198], vor allem aber den verhaßten Renegaten Wiechert [vgl. SK 1/369] nicht als Dichter, sondern als Schriftsteller. 80 Wiechert wiederum ordnet im Rahmen der Polarität von Dichter und Schriftsteller diesem zu, daß er »vom Geist genährt wird«, »in die klare und nüchterne Welt der Ratio« und »das harte Licht der Zivilisation« [JuZ 623, vgl. 773, 776] gehöre. Kolbenheyer und Wiechert verwenden auch nach 1945 noch den Kampfbegriff der Weimarer Zeit, Literat. 81 Ungebrochen perpetuiert Kolbenheyer die Topik der Literateninvektive. »Die kulturpolitische Beflissenheit der Brüder Mann ist bekannt. Beide Assimilationsliteraten haben alle die Vorteile gesucht und genossen, die das in der Literaturmache herrschende Judentum solchem Eifer bietet. Döblin war selbst Jude« [SK 111/89]. Die alten Kämpfe werden fortgesetzt [vgl. SK 1/528, III/102f]. 82 Bei den Literaten, der entarteten, bösartigen Variante des Schriftstellers, steigt »das Werk als ein willkürliches Spiel aus dem Gehirn hervor[], fremd ih-

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" Vgl. H N W 37, U W 1 3 5 , LiE 158, F 30, F 265. »Wiechert, der w ä h r e n d des Nationalsozialismus seine W e r k e zu recht beträchtlichen Auflagen gesteigert sah u n d keineswegs zu d e n U n t e r d r ü c k t e n gehörte, wußte, als das R e g i m e abzugleiten begann, ein Vabanque-Spiel nicht o h n e ein gewisses G e f ü h l innerer Sicherheit zu wagen. Ein wenig O p p o s i t i o n machte er, k a m ins K Z und w u r d e bald herausgeholt, kein C h a r a k t e r , ein Spieler, der sein Talent zu b r a u c h e n wußte, der auch d e n P r o p a g a n d a t r i c k d e r Kollektivschuld wohl durchschaut hat, obgleich er sich nach d e m Einmarsch d e r Besatzungsmacht ihm zur V e r f ü g u n g stellte« [SK III/97f.]. » U n d dann: der Meister d e r literarischen Emigration, T h . M a n n . [...] Dieser M a n n war d e m Volke, aus d e m er stammte, in dessen schwerster Kampfeszeit [...] mit seinen R u n d f u n k r e d e n ü b e r d e n Ozean hinweg in d e n R ü c k e n gefallen. Menschen solcher A r t h a b e n das moralische R e c h t verwirkt, f ü r das e i g e n e Volk u m G n a d e zu bitten, sie sind nicht m e h r M e n s c h e n dieses Volks« [SK 1/369].

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1,1

Z u m G e g e n s a t z p a a r Dichter/Asphaltliterat vgl. H a n s G r i m m 1980, S.20. K o l b e n h e y e r hat seine Position im Aufsatz Dichtung und Literatur (1927) dargestellt. Vgl. Erwin G u i d o Kolb e n h e y e r 1978, S.225ff. Allgemein vgl. W e r n e r Mittenzwei 1992a, S. 119ff. Auf das G e g e n s a t z p a a r im Kontext d e r nationalsozialistischen Literatur konzentriert ist die B e s c h r e i b u n g von Rolf Geissler 1965, S.722; Volker Christian W e h d e k i n g 1971, S.34ff.

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»Jüdische Literaten und Rezensenten u n d d e r e n Assimilanten waren innerlich genötigt, m e i n e Darstellungsweise abzulehnen« [SK 11/225], Ä h n l i c h e Invektiven läßt H a n s G r i m m in seiner Thomas-Mann-Schrift a u f m a r s c h i e r e n . G r i m m trat 1955 aus der Schillergesellschaft aus, weil T h o m a s M a n n d e n Festvortrag zu Schillers 150. Todestag halten sollte. In seinem Protestschreiben fragte Grimm: »Wie darf d e n n dieser Zivilisationsliterat vor d e m s o verwirrten In- u n d Auslande als Schillerzeuge vorgeschoben werden?« ( H a n s G r i m m 1980, S. 7). Vgl. W e r n e r H e r d e n 1984.

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rem H e r z e n « [ J u Z 593], » D e r L i t e r a t k a n n s c h r e i b e n , wie es ihm beliebt, in allen Stilen, weil sein L e b e n alle Stile hat, u n d d a s heißt, d a ß es gar k e i n e n Stil hat« [ J u Z 753]. W i e c h e r t schiebt d e n L i t e r a t e n die Schuld zu, »die B e r e i t e r d e s B o d e n s « [JuZ 745] f ü r H i t l e r gewesen zu sein. 8 3 D i e s e Positionen sind die literaturpolitisch r e p r ä s e n t a t i v e n im D r i t t e n R e i c h . D i e antisemitischen, z e r s e t z e n d e n u n d linkspolitischen A s p e k t e des L i t e r a t e n b e griffs s t e h e n im V o r d e r g r u n d . U n t e r diesen Auspizien sind B e n n s Hinweis im Lebensweg eines Intellektualisten, e r g e n i e ß e d e n R u f eines typischen K a f f e h a u s l i t e r a ten [vgl. D L / L e l 363], u n d seine S e l b s t b e s c h r e i b u n g als Literat [vgl. D L / D L 403], deutliche P o s i t i o n s b e s t i m m u n g e n .

4.3.2. Unpolitisch u n d politisch Zwischen d e m b e r u f l i c h e n Selbstverständnis u n d d e m Verhältnis z u r Politik gibt es spezifische K o r r e l a t i o n e n . Je e m p h a t i s c h e r die Vorstellung vom D i c h t e r t u m , d e s t o g r ö ß e r die N e i g u n g , Politik a b z u w e r t e n . Im g e n i e ä s t h e t i s c h e n P a r a d i g m a ist die Z u o r d n u n g d e r Politik zu einer u n t e r g e o r d n e t e n S p h ä r e angelegt. Wird Poesie als H o r t d e r W a h r h e i t o d e r als G ö t t l i c h e s b e g r i f f e n , ist dies für Politik k a u m möglich. E r n s t W i e c h e r t f o r m u l i e r t in d e r ihm eigenen E n t s c h i e d e n h e i t , d a ß Kunst »den tiefen Q u e l l e n d e s U n v e r g ä n g l i c h e n u n d Ewigen i m m e r noch a m nächsten ist wie die Religion, weit n ä h e r als Philosophie o d e r Politik« [ J u Z 664]. Die grundsätzlichen Positionen zur Politik schließen an die k o m p l e x e Situation d e r W e i m a r e r R e p u b l i k mit ihren L a g e r k ä m p f e n a n . 8 4 F ü r die k o n s e r v a t i v - k u l t u r k r i t i s c h e n A u t o r e n , zu denen viele d e r hier u n t e r s u c h t e n zu zählen sind, ist die S e l b s t b e s c h r e i b u n g als unpolitisch selbstverständlich. A l l e r d i n g s ist sie keinesfalls r e i n e N e g a t i o n , vielmehr h a n delt es sich u m e i n e P o s i t i o n s b e s t i m m u n g i n n e r h a l b d e r Polarität von Kultur u n d Zivilisation. H i e r ist an die g r o ß e B e d e u t u n g v o n T h o m a s M a n n s Betrachtungen eines Unpolitischen f ü r die k o n s e r v a t i v e n Intellektuellen zu e r i n n e r n , die B e n n im Doppelleben in E r i n n e r u n g g e r u f e n h a t : 8 5 » D e r U n t e r s c h i e d von Geist u n d Politik enthält d e n von K u l t u r u n d Zivilisation, von Seele u n d Gesellschaft, von Freiheit und S t i m m r e c h t , v o n Kunst u n d L i t e r a t u r ; u n d D e u t s c h t u m , das ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst u n d nicht Zivilisation, Gesellschaft, S t i m m r e c h t , L i t e r a t u r . « 8 6 Bei d e n A u t o b i o g r a p h e n , die sich selbst als unpolitisch bezeichnen, wirkt diese

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»Eine ganze Literatur, ja eine ganze Kunst hatte das große Nein gesprochen und hatte vergessen, das wenn auch noch so kleine Ja hinzuzufügen. Und in diese kleine, verhängnisvolle Lücke des Grabes war das deutsche Volk, ja wahrscheinlich das Abendland gestolpert. [...] Sie hatten vor dem Zauberberg gesessen und über die Zeit philosophiert, aber im Zauberwerk waren schon die Dämonen am Werk gewesen, und die Zeit hatte sich schon aufgetan, um die Philosophie zu verschlingen« [JuZ 746]. Vgl. zum Gegensatz Geist-Politik Sabine Rollberg 1981, S. 157, als Ergebnis einer Auswertung des Feuilletons der Neuen Zeitung 1945-49; Manfred Overesch 1989; Wolfgang Bergsdorf 1992; Günter Scholdt 1993, S.703ff.; Rolf Günter Renner 1995, S.795ff. Vgl. dazu Armin Möhler 1989, Bd.I, S.209; Elin Fredsted 1987, S.14ff. Thomas Mann 1974, Bd.XII, S.31. 277

Polarität nach. Viele haben ihre Position aufgrund der Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Herrschaft revidiert und darüber in ihren Autobiographien Rechenschaft abgelegt. Innerhalb dieser Gruppe der Unpolitischen, zu der Blunck, Wiechert, Benn und Schneider zu zählen sind, nimmt Kolbenheyer eine Sonderstellung ein. E r reklamiert für sich ein biologisch vertieftes Politikverständnis. Hans Carossa beschreibt die Zeit des Dritten Reiches als Prozeß der Politisierung eines Unpolitischen. Die anderen Autoren verstehen sich und weitgehend auch ihr schriftstellerisches Werk als politisch. Allerdings weist Hans Grimm immer wieder darauf hin, daß der Gehalt seines Werkes, besonders der von Volk ohne Raum, sich darin nicht erschöpfe. 87 Ernst von Salomon und Gustav Hillard sind alte konservative Revolutionäre, die vom politischen Engagement zur Literatur gekommen sind, was eine praktische, nicht aber theoretische Entpolitisierung zur Folge hat. Arnolt Bronnen vertritt im Erzählrahmen ein marxistisches Politikverständnis. Nur Flake neigt einer demokratischen Position zu. Im Sinne der Antithetik Thomas Manns argumentiert Ernst Wiechert. Kunst und Humanitas seien der Politik axiologisch übergeordnet. 8 8 Vor allem das Menschliche bedarf nicht politischer Organisation, es ist eine Sphäre, in der politische Zwistigkeiten gegenstandlos werden. »[W]er sich von seiner mühsam erworbenen Humanität abziehen läßt in die Bereiche der Tageskämpfe, zu politischen Meinungen von Parteien und Kasten, ist auf eine noch verhängnisvollere Weise verloren« [JuZ 519]. Die Politisierung der Kunst gilt als Gefahr und ist Folge einer »verderblichen Bereitwilligkeit, auch die Politik in die reinen Bezirke des Schaffens aufzunehmen und aus einem ungetrübten Spiegel des Zeitlosen den getrübten Spiegel der Zeit zu machen« [JuZ 624]. Allerdings ist gerade Wiechert nicht entgangen, daß am Ende der Weimarer Zeit und in der Zeit des Dritten Reiches der »Kampf um die »Humanität < [...] von Tag zu Tag immer mehr und immer gefährlicher ein politischer und >weltan-

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Zum Selbstverständnis als politischer Schriftsteller vgl. Hans Grimm 1980, S.44f.: »Wenn sich der Schriftsteller meiner Erfahrung in jener verstörten Zeit wiederum fragte, w o seine nächste Aufgabe liege, mußte er sich ein zweites Mal antworten, er habe sich dem Tage zu stellen und dürfe nicht flüchten oder >emigrieren< in irgendeine schönere Menschlichkeit, w o immer diese zu finden sei, und auch nicht in die reine vorurteilslose Kunst, so sehr die eigene Seele solches verlangte. Sondern mehr denn je komme es darauf an, daß den deutschen Menschen von der Wirklichkeit her zum Zusammensehen geholfen werde an Stelle des Auseinandersehens und -redens. U n d was fehle allen und am meisten den wurzellosen Menschen in den Städten, die für zukünftige Entscheidungen doch den Ausschlag geben würden, als eine unbestrittene gemeinsame Antwort auf die Frage: Warum sind wir, wie wir sind, und warum ist uns geschehen, was uns geschehen ist? Werde wenigstens die Vergangenheit vom gleichen Blickpunkt aus betrachtet, so werde ein unzersplitterter Wille zur Zukunft, zur deutschen und menschlichen Zukunft, leichter entstehen, samt einer neuen Gesundung und einer neuen verbindlichen Moral.« Vgl. Dieter Lattmann 1969; Uwe-K. Ketelsen 1992, S.199ff.

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Vgl. Guido Reiner 1974, S.29ff.; Jörg Hattwig 1984, S. 116; Leonore Krenzlin 1987, S.50ff. Ähnlich argumentierend Reinhold Schneider: »Für und Wider der Politik berührten mich nicht; sie sinken in die untere Instanz, die die Autorität unserer Zeit ist« [VT 127].

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schaulicher< Kampf wurde« [JuZ 612]. D i e entsprechende Position wird ganz ausführlich von Blunck dargelegt, der im Krieg seine Vorlesungen als »Sieg der Dichtung und eine Bekehrung der Hörer v o m politischen Alltag zur Gewalt der Künste« [ U Z 449] feiert. 8 9 D e r ehemalige Präsident der Reichsschrifttumskammer beschreibt sich im Rückblick als Uberparteilich, wobei die Politik der Parteien primär als Zwist verstanden wird, der im Volk aufgehoben sein muß [vgl. U Z 168]. 91 ' D e r Begriff des Politischen erscheint per se als zersetzend oder zerstörend; eben als schmutzige Politik. Blunck ist überzeugt, daß es im besten Staat zwar ein Volk gibt, aber keine Politik. 91 Für unpolitische und unparteiische Menschen seines Zuschnitts ist dann die Parteimitgliedschaft [vgl. U Z 3 6 4 f . ] nur »jenes politische Lametta, das die Zeit erforderte« [ U Z 436]. Gottfried B e n n s Politikbegriff ist Gegenstand einer aufgeregten Diskussion geworden. Im literarischen Feld seiner Zeit ist seine Position repräsentativ für die konservativen Autoren. 9 2 Nur in Briefen läßt er sich zu dem Zugeständnis hinreißen, »dass ich vielleicht politisch sehr dow war«. 9 3 In Doppelleben wird Position bezo-

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Blunck: Dichtung als »ein Wort, das weder >Propaganda< noch >Politik< kannte, sondern den einzelnen zu seinem Innern weckte« [UZ 256]. Beispiel: »Daß mein Buch [Sage vom Reich] allen Deutschen galt, daß es nicht für eine Parteimischung von Rechten und Linken geschrieben war, wollte man nicht anerkennen, weil wir unser Volk meist nur im engen Ausschnitt kleindeutscher Überlieferung, nicht im Bild der Völkergruppen suchen. Der >Sage< wurde auf Drängen der Parteikanzlei das Papier gesperrt« [UZ 439], Beschreibung der Situation um 1932: »Um die Politik kümmere ich mich wenig, gehöre weder zum Kommunismus noch zum Nationalsozialismus und werde von beiden Seiten unfreundlich bedacht, das wirkt auf die ratlosen und oft auch kopflosen Buchhändler und ihre Kunden« [UZ 180]. Grundsätzlich: »ich habe überhaupt Parteien, wo immer ich konnte, vermieden« [LadZ 263]. Vgl. dazu auch Bluncks Erzählungen von seinem internationalen literaturpolitischen Engagement für eine Dichtervereinigung: »Daß man von Seiten der Behörden politische Dinge zwischen den Völkern in den Vordergrund zu rücken wünschte - es war ihre Aufgabe während ich meine zwischenstaatlichen Gesellschaften vorall auf den Ausgleich, auf eine Berührung der Kulturen auszurichten suchte« [UZ 366]. Bluncks Äußerungen über den PEN-Club verdeutlichen, daß er sich solche Vereinigungen als Gemeinschaften mit face-to-face-Kommunikation denkt: »Der Club, von Galsworthy weiterhin klug geleitet, hatte sich damals noch nicht politisiert, sondern war ein wirklicher, wenn auch kleiner Kreis von Dichtern und Schriftstellern Europas, die für die Einheit der Geistigen, für Duldsamkeit und für eine zuchtvolle Haltung des einzelnen wie der Völker arbeiten wollten. Ich glaube, es war das erste Mal, daß sich seit der Zeit des Humanismus Künstlerkreise unseres Erdteils in so freundschaftlicher und aufrichtiger Weise begegneten« [UZ 89]. Die Diskussion um Benns Verhalten 1933/34 wird nach wie vor erbittert geführt und bewegt sich zwischen den Polen unerklärlicher Irrtum< und >konsequente Folge seines DenkensAusdruckswelt< neu zu bestimmen, nicht als »ein[ ] bestimmte^] politische[s] oder moralische[s] System«, sondern als »anthropologische[n] Grundtrieb, Rassenweisung« [DL/ Lei 385]. Da er die existentiellen Probleme für konstant erklärte, konnte auch der Politikbegriff nicht aus der Konkursmasse der Wirklichkeit gerettet werden. Das Verhältnis von Kunst und Politik konnte Benn dann auch kaum mehr anders bestimmen, als »dass Politik die Sabotage der Kunst ist, weiter nichts, u. der Journalismus der Spulwurm des Geistes.« 9 6 Was der politische Mensch garnicht sehn kann, das ist Einsamkeit, Askese, M ö n c h s t u m Kunst. A b e r w e n n die M e n s c h h e i t das nicht hätte, w ä r e sie keine. D a g e g e n k a n n sie entb e h r e n und hat schon oft e n t b e h r t gewisse zivilisatorische E r r u n g e n s c h a f t e n wie R a c h e zu Z e n s u r gestaltet u n d persönliches Ressentiment als kritische Richtschnur [ D L / D L 459],

In Kolbenheyers Bauhüttenkonzept ist Politik funktionales Äquivalent zu Kunst und Philosophie im Rassenkampf. 97 Dies konfligiert gelegentlich mit dem genieästhetischen Erbe seines Kunstbegriffs. Von der Selbstbeschreibung her sieht sich der Dichter und Denker Kolbenheyer als politischer, aber überparteilicher Mensch,

d e r geistigen Prostitution eingegangen g e n a n n t werde«. In Doppelleben wird er sich für diese B e m e r k u n g T h o m a s M a n n s revanchieren. 1,4 Hinweise auf B e n n s Selbstbeschreibung als >unpolitischJugendsünden< w e r d e n besonders in der konservativen Presse nach 1945 diskutiert. Vgl. G e r h a r d R o loff 1976, S. 114. 96 A n F.W.Oelze, 25.11.1947; Gottfried B e n n 1 9 7 9 - 8 2 , Bd. II, S.101. K o l b e n h e y e r s D e u t u n g d e s Dritten Reiches: »Die d e u t s c h e Revolution war zu ursprünglich, zu natürlich, zu sehr eine volksbiologische R e a k t i o n , Wille und Leistung Hitlers waren in j e n e n Entstehungszeiten zu sehr im Lebenswillen des Volkes v e r a n k e r t , er selbst w a r E x p o n e n t , war V e r k ö r p e r u n g dieses Willens g e w o r d e n « [SK 1/112],

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dem »von meinem Großvater her der Trieb zum politischen Bekenntnisse« [SK1/ 111] vererbt ist. Zur Deutung der jüngsten Vergangenheit findet er die Formel: »Denn die nationalsozialistische Revolution war ein Naturgeschehen im deutschen Volke und aus ihm: es galt Sein oder Nichtsein eines großen und edlen Volkes, das sich erst selbst wiederfinden mußte« [SK 1/112]. Auf dieser Grundlage entwickelt Kolbenheyer besonders in der Rahmenerzählung seiner Autobiographie angesichts der Niederlage und der Ereignisse der ersten vier Nachkriegsjahre ein ausgeprägtes politisches Räsonnement. Für die eigene Biographie hingegen sind besonders die seit dem Ende der zwanziger Jahre erfolgreich durchgeführten kulturpolitischen Unternehmungen in der Frage der Verlagsfusion Langen-Müller und der Übernahme in die Hanseatische Verlagsanstalt durch den Deutschen Handwerksgehilfen-Verbund entscheidend, um »ein literarisches Zentrum im Süden des Reiches zu schaffen, das dem literarischen Unternehmertum Berlins Paroli bieten konnte« [SK III/ll], 9 8 Der interessanteste Fall ist in Ungleiche Welten dokumentiert. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Auffassung ist dieses Buch nicht als Manifest des unpolitischen Bildungsbürgers zu l e s e n , " sondern enthält einen gewichtigen Argumentationsstrang, der auf die Politisierung des Unpolitischen zielt, aber selten wahrgenommen wird. Carossa dokumentiert zu Beginn seines Textes seine Vorstellung, Kunst, Privatexistenz und Politik seien voneinander getrennte, unabhängige Einheiten ohne Bezug zueinander. 1(10 »Während die Hitlerbewegung ihre Bahn zur Macht zurücklegte, grenzte der Kreis meines Lebens und Wirkens nur auf sehr kleinen Strekken an die politische Welt« [UW 7]. Ihm seien damals »meine privaten Ziele wichtiger [...] als alle politischen Vorgänge« [UW 9] gewesen. Im Fortgang des Lebensberichts macht Carossa allmählich die Erfahrung, daß die Konstellationen sich verändert haben, die daran gebundenen Lebensauffassungen überständig werden. Auch andere Autobiographien registrieren in dieser Zeit eine zunehmende »Politisierung des Menschlichen« [VT 124; vgl. U Z 108, JuZ 612], Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Erfahrung der zunehmend radikaler werdenden Dynamik des NS-Staats, die auf die totale Erfassung der Gesellschaft im nationalsozialistischen Sinn hinausläuft und darin auch dem Dichter einen Ort zuzuweisen beabsichtigt. 101 Für Carossa wird dies augenfällig in der neuen Erfahrung, daß Ämter und Parteistellen nunmehr die Dichter zum Mitmachen auffordern, wie es im Jargon heißt. Da ihm der Einblick in das interne polykratische Chaos des Regimes verwehrt ist, registriert

»Wurde dieser wertvolle literarische Besitz zusammengeschlossen, war für das deutsche Volk ein Kulturkörper geschaffen, der jenem einseitig beeinflußten Übergewichte Berlins, das durch die Verlage S. Fischer und Ullstein die Literatur beherrschte, ein Gegengewicht gab« [SK 111/16], " Vgl. nach John G.Frank 1955 vor allem Ralf Schnell 1976, S.33ff.; Ralf Schnell 1986, S.20. Hinweis auf Parallelen bei Wiechert vgl. Christoph Pereis 1988, S.319. 100 D i e s e Position vertritt Carossa vor 1933 eindeutig. Vgl. Hans Carossa 1978a, S.93, S. 136f.; Hans Carossa 1993, S. 162. Zur Verbreitung des Konzepts am Beispiel von Raschke, Schnabel und Andersch vgl. Helmut Peitsch 1987. 101 Vgl. Norbert Hopster 1994.

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Carossa die Entwicklung als totale Mobilisierung, als Ausgriff des Politischen auf bislang als unpolitisch geltende Bereiche. Das Ergebnis dieses Vorgangs ist eine Politisierung des Dichters, die in Ungleiche Welten durchgehend als ambivalente Erfahrung vermittelt wird. Die dazugehörigen ßildbereiche sind das Netz und die Verstrickung. Das Spektrum der Symbole, in denen dieser Vorgang deutlich wird, beginnt mit der Anfrage von Lesern, ob nicht Das Jahr der schönen Täuschungen im Titel eine ironische Replik auf die Endsiegverkündigungen Hitlers enthalte. Unpolitisches gewinnt jetzt nolens volens politische Qualitäten. Das wird von Carossa bei aller Freude über den >richtigen< Lesern gespendeten Trost nicht uneingeschränkt positiv bewertet. Am anderen Ende der Skala zeigt sich dieser Trend darin, daß die Attentäter des 20. Juli, die Carossa angesichts des innenpolitischen Meinungsstreites der frühen fünfziger Jahre sehr positiv einschätzt, aus der Schule desjenigen Dichters hervorgingen, dem man »Lebensferne, Weitabgewandtheit, priesterliches Gehabe« [UW 101] vorgeworfen habe, Stefan George. Als Präsident der Europäischen Schriftstellervereinigung bemerkt er scharfsichtig, »daß ich als unpolitischer Mann für den politischen Zweck, den man im Auge hatte, gerade der geeignetste war« [UW 119]. Die Ausweglosigkeit der Situation, die Carossa als anomische Situation wahrnimmt, beschreibt er in dem Bekenntnis: »In einer anderen, mit meiner Art etwas vertrauteren Umgebung wäre mir gewiß eine scherzhafte oder auch eine sachlich begründete Form der Zurückweisung eingefallen; aber hier befand ich mich in einer Welt, deren Sprache nicht die meinige war: jedes Wort, auch das wahrste, hätte unehrlich geklungen« [UW 120]. Zur Versinnbildlichung der Gesamtheit der Veränderungen, die sich von der Autonomie der Kunst vor 1933 bis hin zum nationalsozialistischen Ausgriff ergeben haben, wählt Carossa ein ökologisches Bild: Wenn im Ozean die Wasserwärme unter zwanzig Grad sinkt, so stellen die Korallen ihre wunderbaren Bauten ein. Sie sind auch auf Sonnenlicht angewiesen, und in einer Tiefe, zu der kein Strahl hinabdringt, gedeihen sie nicht. Ihr Dasein ist also an Bedingungen gebunden, und wo diese unerfüllt bleiben, da mag es immer noch sehr prächtige, sehr aparte Meergewächse geben; die Korallenriffe nur wird man vergeblich suchen [UW 147].

Im letzten Drittel des Lebensberichts dominieren Bilder der Erstarrung des Lebens. In diesem Zusammenhang wird das Beharren auf dem Unpolitischen in einer Welt totaler Politisierung zum letztmöglichen politischen Akt. Diese Vorstellung ist unter den regimekritischen Autoren mit unterschiedlicher Intensität vertreten worden. Zu erinnern ist hier nur an das lange Zeit mit Verwunderung vermerkte Phänomen, daß der Roman Das einfache Leben, den Ernst Wiechert nach der Entlassung aus der Haft im KZ schrieb und publizierte, inhaltlich eine völlige Abwendung von der Realität propagiert. Carossa hat einen solchen Weg nicht beschritten, aber beispielhaft dokumentiert in der Person des 1944 verstorbenen Max Kommerell, »in dessen Umkreis alles Politische wesenlos wurde« [UW 197]. Die Metapher vom Korallenriff kann plausibel machen, warum Carossa Zweifel daran hegt, ob die unter den Bedingungen des Dritten Reiches entstandenen Arbei282

ten als Kunst angesehen werden können. »>Die Wirklichkeiten sind zu hart geworden, als daß man noch mit ihnen spielen könnteDas Glasperlenspiel< als mittelbaren Vorwurf gegen jeden empfinden [konnte], der im Lande geblieben war, und wir fühlten uns beim Lesen erst wieder frei und unbetroffen, als die Hauptgestalt nach ihrem Tod in drei Figuren auseinanderstrahlte, die in drei farbenreichen Legenden eine Art Wiederverkörperung vollzogen« [UW 162f.]. In diesen Jahren ist die strikte Trennung, die vorher aufgrund der politischen Rahmenbedingungen möglich gewesen ist, völlig obsolet geworden. Was »immer geschah, es führte den Geist ins politische Denken hinein und regte zu Vergleichen an« [UW 188], Am Ende des Textes verdeutlicht Carossa das noch einmal dadurch, daß die Fragmente des Werkes, an dem er gegen Kriegsende gearbeitet hat, in der Friedenszeit ihm fremd geworden sind. Das politische Selbstverständnis, das Bronnen im protokoll expliziert, ist auf zwei Textebenen verteilt. Im Erzählrahmen wird ein marxistisches Politikverständnis entfaltet, anhand dessen der Lebensweg des Angeklagten beurteilt wird. Aus diesem Grund kann die eigentliche autobiographische Erzählung wesentlich zurückhaltender auf diesen politischen Standpunkt ausgerichtet werden als es beim klassischen Schema der Konversionsautobiographie der Fall wäre. Die entsprechenden Interpretate werden innerhalb der Erzählung eher zurückhaltend eingesetzt. Bronnen konzipiert seine Identität nach Maßgabe des als Polarität verstandenen Linksrechts-Schemas. Insofern erscheinen Wendungen nach rechts als Verfehlungen, jegliche Wendungen nach links als Lernprozesse gemäß den Maßstäben des Rahmens. Aufgrund des politischen Zickzackkurses kann der Weg zum Marxismus nicht durchgängig teleologisch gestaltet werden, so daß die wechselseitige Komplexität 283

von Politik und modernem Schriftsteller deutlich hervortreten kann. Die »[wachsende Erkenntnis von den gesellschaftlichen Zusammenhängen« [P 96] wird am Drama Die Exzesse abgelesen, erweist sich in der Retrospektive allerdings nur als »eine Vorstufe der Erkenntnis« [P 99]. Der erste und vorerst letzte Höhepunkt korrekter politischer Einsicht wird in der Zusammenarbeit mit Brecht erreicht. Ich war zwar noch weit entfernt, politisch klar denken zu können; aber ich hatte wohl das Gefühl, daß dort im Osten eine neue, vielleicht die Neue Welt im Werden war. Ich versuchte, mich mit Brecht darüber auszusprechen, unklar in meinen Formulierungen, die dem Vulgär-Materialismus entlehnt waren, ein wenig klarer höchstens in meiner Gesinnungs-Richtung: man soll den Menschen helfen; man soll die Welt verändern, sie verbessern; man soll, auch mit Hilfe der eigenen schriftstellerischen Arbeit, daran mitwirken, daß die Menschen nicht mehr hungern müssen [Ρ 112].

Bronnen erklärt seinen Zickzackkurs mittels seiner lebensphilosophischen Überzeugungen. Die Partizipation an der Vitalität des Lebens treibt ihn in der Politik immer wieder dem lebenserfüllten Pol zu. Anhand eines Beispiels, der Krise von 1923, verweist Bronnen selbst auf diesen Mechanismus: »Das war die Film-Luft in Deutschland anfangs 1923, es war die konzentrierte Krisen-Luft, und es hatte mich wohl gerade dahin treiben müssen. Bald aber übersteigerte die politische Krise die geistig-technische - am 10. Januar 1923 fielen auf Geheiß Poincares französische Soldaten ins Ruhr-Gebiet ein« [P 117]. Auf der Ebene der erzählten Figur folgt das politische Engagement bildlogisch der jeweils mächtigsten politischen Strömung. Für Bronnens Aktivitäten auf der rechten Seite des politischen Spektrums heißt das hinsichtlich seiner Radioarbeit: »Politisch und technisch konnte ich nichts bringen, ich konnte nur an der Front des Niveaus und der Gedanken-Schulung fechten. So hieß mein Programm: Entschiedenheit« [P 204], 102 So läuft letzten Endes Bronnens politisches Selbstverständnis in der Weimarer Zeit auf einen vitalistischen Dezisionismus hinaus. 103 Hans Grimm erzählt Leben in Erwartung auch als Geschichte seiner Politisierung. Im Kontext seiner Nachkriegsaktivitäten gehört die Autobiographie einem Bündel politischer Unternehmungen zu, die von publizistischen Schriften (vor allem die unveröffentlicht gebliebene Thomas-Mann-Schrift, die an den Erzbischof

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lra

Z u r Bewertung der Kehre nach rechts aus der Perspektive des Rahmens: »Verantwortungslos und borniert begannen Sie mit politischen Begriffen zu spielen, die Sie in ihrer Tragweite nicht im geringsten verstanden. In einem Interview bezeichneten Sie sich >zwar nicht als völkisch, aber als Faschisten^ Was Sie darunter verstanden, blieb jedem unklar. Sie begannen sich nun offen bei den reaktionären Kreisen anzubiedern. Bindungslos, wie sie geworden waren, stotterten Sie ein verworrenes Pronunciamento vor sich, aus der nächsten Nachbarschaft des Faschismus italienischer Prägung stammend, von welchem Sie freilich damals politisch-theoretisch ebensowenig wußten wie vom Nationalsozialismus. [...] Ein entfesselter Kleinbürger, monokelbewehrt, doch innerlich unsicher und voll schlechten Gewissens, erstrebten Sie für sich eine neue, eine bessere Position« [P 169f.]. Paradigmatisch: »Ich hatte mich bis dahin nie in politische Aktionen gemischt. Wenn es aber jetzt so weit war, daß die andere Seite auf die politische A r e n a trat, so wollte ich vor einer Herausforderung - denn als solche mußte ich sie empfinden - nicht kneifen« [P 249].

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von Canterbury gerichtete Erzbischofschrift und die auf eine Erklärung Hitlers zielende Schrift Warum - woher - aber wohin?),104 die der Gegenwart erneut das rechte Verständnis für die weltpolitischen Zusammenhänge nahebringen wollen, bis hin zu seinem Entschluß reichen, sich für die Bundestagswahl 1953 der NSDAPNachfolgepartei SRP als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stellen. Grimm wollte zeigen, in welcher Form Politik für jeden lebenden Deutschen schicksalhaft sei. Den Nationalsozialismus interpretierte er als entarteten, aber von der Anlage her richtigen Versuch, die deutsche Misere zu beheben. Leben in Erwartung soll am eigenen Beispiel aufzeigen, wie Politik für den eigentlich zur bekanntermaßen unpolitischen Dichtung drängenden Grimm zum Schicksal wurde [vgl. LiE 84]. Vom seinem Politikverständnis her ist zu unterscheiden zwischen Politik und >PolitikPoIitik< nenne und eben nichts weiter sei als die Angelegenheit weniger anderer, die jene anderen wenigen zur allgemeinen Angelegenheit aufzubauschen verständen« [LiE 121f.]. Unter >Politik< versteht Hans Grimm die von ihm heillos überschätzte Zeitungspolemik und den für demokratische Grundformen selbstverständlichen politischen Streit. Einmal registriert er »mit dankbarem Erstaunen, wie unfremd sich die fernsten Menschen in ihrer Natur seien, wo nicht Zeitung, eifernde Politik und eine falsche Belehrung und Lehrhaftigkeit sie füreinander verdorben haben« [LiE 98]. Als ein der Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts verhafteter Monarchist registriert er wehmütig, »daß man allein mit der Gewissensprüfung nicht an letztes Recht oder letztes Unrecht vielmenschlichen Geschehens gelange und daß also anscheinend kein politisches Fortschreiten ohne bösen Seelenschaden erreicht werden« [LiE 115] kann. Für den in England lebenden Kaufmann ist »>politisch< verdorben« gleichbedeutend mit »grundsätzlich antideutsch« [LiE 125], Grimms prinzipielle Einstellung zur Politik entspricht der Bluncks. Beiden geht es um den Gegensatz von Ordnung und Chaos, den Grimm mittels der Opposition von >Politik< und Politik ausdrückt. Allerdings gibt es zwischen Politik und ihrer entarteten Form keinen fundamentalen Schnitt, so daß Grimm die politische Betätigung als Gegengewicht zur >Politik< für erforderlich hält. Die hektischen publizistischen Aktivitäten, die er in dieser Sache unternimmt, entspringen seiner grundsätzlichen Überschätzung der Publizistik. Kennzeichen des Politikverständnisses von Hillard und Salomon ist der Versuch, Politik und Idee in Einklang zu bringen. Hillard erläutert das im Rathenau-Kapitel seiner Lebenserinnerungen. »Es ging mir nicht um praktische Politik, sondern um eine Schicht unter der Politik, um die Ordnungen tieferer Art, um Metapolitik, wenn man das Wort zulassen will« [HNW 292], Über seine politische Vergangenheit

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Vgl. Fritz K. Richter 1950; Gerhard Hay/Hartmut Rambaldo/Joachim W.Storck 1973, S.529ff.; Uwe-K. Ketelsen 1976, S.24; Hans Sarkowicz 1980, S.124ff.; Hermann Kurzke 1983, S. 235; Klaus von Delft 1987, S.255ff.; Hans Sarkowicz 1987, S.445ff.

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schweigt sich Hillard ansonsten aus. 1 0 5 Salomon erwartete von Ernst Jünger »politische Konzepte [...], nach denen ich handeln konnte, oder die mein H a n d e l n politisch sinnvoll erscheinen ließen, mußte ich doch bald e r k e n n e n , daß ich hier verlangte, was nicht im Jüngerschen Auftrag lag« [F 206]. Salomon zielt auf die Herstellung von Lebens-Formen, die im vitalistischen Sinne authentisch sind. Politik betrachtet er allerdings vor allem als Machtfrage. »Politik k o n n t e immer n u r von >oben< bestimmt werden, nicht von >untenRöhm-Putsch< eineinhalb Jahre später ein Biographiebruch einhergeht. D i e eigene Situation wird als Situation innerhalb des NS-Staates neu definiert. E i n e R e i h e von spezifischen Begriffen und Bildern beschreiben schlagwortartig d e r e n Lage. D a s k a n n d e r Rückgriff auf die traditionellen Konzepte d e r Innerlichkeit, der

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Vgl. Armin Möhler 1989, Bd. I, S. 408: »[...] ist zwar ein sehr schönes Erinnerungsbuch, in unserem Zusammenhang aber unbrauchbar, da darin die Erinnerung an die jungkonservative Bewegung fast völlig verdrängt ist.« Nach seiner Zeit in Südfrankreich, wo er fern der >maudite politique< [F 594] war, führt er aus: »Ich kehrte im Januar 1933 aus dem Ausland zurück mit der festen Absicht, meinem bürgerlichen Beruf den Vorrang vor jeder politischen Bemühung zu geben« [F423]. »Will man Menschen von bestimmter Geistes- und Charakterhaltung haben, so muß man sich darum kümmern, wie sie über die Rechte und die Pflichten des Staatsbürgers denken« [EwA 305]. Vgl. Gert Ueding 1986, S.208ff.; Sabine Graf 1992, S.277ff. Als Beispiel eines problematischen Politikverständnisses fungiert Gerhart Hauptmann: »Große Geduld war nötig, um Hauptmann zuzuhören, wenn er über Politik sprach. Er hatte kein Organ für die konkreten Mächte im Staat, redete von ihnen wie von platonischen Ideen und war als Mann mit tiefem Nationalgefühl bereit, das, was ist, mit dem, was sein soll, gleichzusetzen. Wer so denkt, muß den jeweiligen Machthaber verteidigen, den verhängnisvollen Wilhelm II. oder den noch verhängnisvolleren Hitler« [EwA 414f.].

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vita contemplativa oder des Doppellebens sein, aber auch das neue Konzept der inneren Emigration. Gemeinsames Merkmal dieser Selbstbeschreibungskonzepte ist die Behauptung einer autonomen Souveränität angesichts der akzelerierenden Übergriffe des Nationalsozialismus. Die Autoren zeigen durchgehend die Tendenz, die gewählte Kategorie ins Allgemeine zu überhöhen. Der spezielle Fall wird zum repräsentativen, symbolischen Fall als Resultat einer biographischen Situation, die bereits längerfristig angelegt war. Sichtlich geht es den Autoren darum, Kontinuität im biographischen Verlauf zu betonen. Das zeigt sich an Wiecherts Verteidigung der Innerlichkeit. 109 Schon in den frühen Phasen seiner Biographie beruft sich Wiechert »auf seine ganz einsame und abgeschlossene innerliche Welt« [JuZ442]. Der Bezirk des Inneren gilt als Stätte der Souveränität, Autonomie und Selbstbewahrung. 110 Im Ersten Weltkrieg bekundet der Erzähler, »es blieb mir wohl nichts, als mich still zurückzuziehen auf meine Welt« [ J u Z 4 8 4 ] . l n »Ich habe wohl wie ein Seidenwurm spinnen müssen, der alles Leben nach innen wendet« [JuZ755]. Eine solche selbstresümierende Aussage begründet die Tendenz nach Innen als durchgängigen Charakterzug. Insbesondere in der NS-Zeit kann sie sich dann bewähren. Das Plädoyer für die »verachtetef] I n nerlichkeit« [JuZ 623] ist eine deutliche Spitze gegen Thomas Mann, auf dessen vor allem in Deutschland und die Deutschen vorgetragene Überlegungen Ernst Wiechert in Jahre und Zeiten häufig repliziert, ohne Roß und Reiter zu nennen. Gustav Hillard gestaltet die Innerlichkeit zum Asyl seines Arbeitszimmers: Anfangs glaubte ich, ich wäre in die lebensferne Traumwelt eines elfenbeinernen Turmes entrückt. D o c h je vertrauter ich mit diesen guten und gediegenen Dingen um mich herum wurde, desto lebendiger und wirklicher wurden sie. Und eines Tages enthüllte sich mir die ganze Bedeutung ihres zuverlässigen und dauerhaften Wesens. Die Wirklichkeit war gar nicht da draußen. Die Wirklichkeit war hier bei ihnen. Bei ihnen, in der Eingeschränktheit dieses stillen und sanften Zimmers war die wirkliche Ordnung der großen Dinge. Und draußen war das Unwirkliche, Schein, Auflösung, Zerstörung und Untergang. Ich lebte in der Enge der heilgebliebenen Wirklichkeit im Gleichnis meiner eigenen Wirklichkeit, in der heilgebliebenen Ordnung des Betrachters [HNW335f.].

Solche Bekenntnisse zur Innerlichkeit finden allerdings nicht durchgehend Beifall. Jünger kritisiert daran die Tendenz zur Abkapselung, Benn ordnet sie einem über-

109

110

111

Zur Kritik am Konzept >Innerlichkeit< vgl. Fritz Martini 1952, S.512; Franz Schonauer 1961, S. 127; Ralf Schnell 1976, S. 46ff.; S.57ff. Gegenposition: Christoph Pereis 1988, S.319; Friedrich Denk 1995, S.228ff. »Es hatte schwerere Tage gegeben und würde leichtere geben. Man mußte nur tief im Innern ihr Herr bleiben und nicht ihr Diener werden« [JuZ 464]. »Während ich mich so meinem A m t hingab und die im Krieg verschollenen und oft verwandelten Freundschaften wieder auftauchten, sich neu knüpften oder langsam zerfielen, während die wachsende Inflation das tägliche Leben immer schwerer und bodenloser machte und das Reich immer tiefer in den Abgrund der Streiks, der Aufstände, der Machtlosigkeit versank, begannen sich in meinem Innern die Gestalten und Bilder langsam zu formen, die nach einer langen Pause mich bedrängten und nach einer Gestaltung verlangten« [JuZ 520f.].

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holten Persönlichkeitsbegriff zu. 1 1 2 Auf größere Zustimmung stößt die weniger in die Sphäre der bürgerlichen Gedankenwelt gehörende Charakterisierung des eigenen Lebens als vita contemplativa im Gegensatz zur politischen Akzentierung der vita activa, als die Benn seine Existenz in der Festung Landsberg beschreibt. 113 Vor allem infolge des Disputs zwischen Frank Thiess und Thomas Mann ist das Schlagwort von der >inneren Emigration< populär geworden und mittlerweile zum literaturwissenschaftlichen Sammelbegriff für die nichtnationalsozialistische Literatur des Dritten Reiches avanciert. 114 Dabei wird häufig übersehen, daß nur wenige Autoren die innere Emigration für sich explizit beanspruchen. Friedrich Georg Jünger, gemeinhin als innerer Emmigrant bezeichnet, verwendet diesen Begriff nicht. Das dürfte seine Gründe darin haben, daß bereits früh der strategische apologetische Gebrauch dieser Bezeichnung die Runde machte. »Viele der deutschen Schriftsteller haben sich für ihr Schweigen in den kommenden Jahren damit entschuldigt, sie wären in die innere Emigration gegangen, und man hätte es ihnen nicht glauben wollen. Und doch stimmte es, lediglich mit der Einschränkung, daß sie schon immer, schon längst vor 1933 in einer inneren Emigration gelebt hatten« [P 272]. In den Autobiographien findet sich die Formel nur bei Hans Carossa, der sie nicht für sich reklamiert. Vielmehr sei »>Emigriere zu Hause! I n n e r e Emigration« vgl. Franz Schon a u e r 1961; C h a r l e s W . H o f f m a n n 1962; H . R . K l i e n e b e r g e r 1965; H e r b e r t Wiesner 1965; H. R. K l i e n e b e r g e r 1968; Wolfgang Brekle 1970; Volker Christian W e h d e k i n g 1971, S.60ff.; Charles W. H o f f m a n n 1973; Reinhold G r i m m 1976; Ralf Schnell 1976; H a n s D i e t e r Schäfer 1977; G ü n t e r Wirth 1983; Ralf Schnell 1984; Wolfgang B r e k l e 1985, S.32ff.; L o t h a r B l u h m 1991, S.5ff.; Michael Philipp 1994; G ü n t e r Scholdt 1994; Friedrich D e n k 1995; Rolf G ü n t e r R e n n e r 1995, S.812ff.

115

Belege: A n F . W . O e l z e , 18.11.1934: »die R.W. ist die aristokratische F o r m der Emigrierung!« ( G o t t f r i e d B e n n 1979-1982, S.39). A n Ina Seidel, 12.12.1934. »trete in die A r m e e zurück, aus der ich hervorgegangen bin. [...] So geht es moralisch u. auch wirtschaftlich nicht weiter; d a n n m u ß ich aus allen Bindungen heraus, es ist eine aristokratische Form der Emigrierung« ( G o t t f r i e d Benn 1957, S.62).

288

Eintritt nach dem Muster einer Emigration bei Nacht und Nebel. »Also mußte ich meine Praxis aufgeben, meine Wohnung in Berlin, meine materielle Grundlage und ins Ungewisse ziehen« [DL/DL 415]. Von der Funktion her dient es primär apologetischen und polemischen Zwecken; es geht um die Selbstnobilitierung Benns. 1 1 6 Die beliebteste Erklärungskategorie der Unpolitischen für Hitler und den Nationalsozialismus ist das Dämonische, das auch bei den Emigranten gebräuchlich war. 117 Das Dämonische sollte das im und hinter den Greueln des Dritten Reiches Vermutete fassen. Es ist nicht als Begriff gedacht und verliert außerhalb des lebensphilosophischen Denkmodells die Explikationsqualität, die es für die Zeitgenossen hatte. Das aus der Anthropologie Goethes abgeleitete Wort gehört dem bildungsbürgerlichen Formelschatz an. 1 1 8 Bezogen auf den Nationalsozialismus wurde es als Kennzeichen eines irrationalistischen, unpolitischen und vor allem verstrickten Denktypus scharf kritisiert. 119 Ein früher Kritiker des Dämonischen ist Kolbenheyer gewesen. Da er den Nationalsozialismus aus seiner Sicht biopolitisch zu erklären imstande war, konnte er auf die »naturblinden Konjunkturpolitiker« seiner Zeit herabsehen, die mangels vernünftiger Alternativen gedrungen waren, »die historische Person Hitlers ins Dämonische zu hypostasieren« [SK 11/58; vgl. 11/416f.]. Man versetzte die historische Erscheinung Hitlers ins Dämonische, wurde transzendent, versuchte die in der modernen Geschichte der Menschheit unerhörten, kalten Grausamkeiten der Kriegs- und Nachkriegszeit als gottwohlgefällige Sühne einer Kollektivschuld des deutschen Volkes darzustellen [SK III/l 19].

Selbst nüchterne Zeitgenossen wie Flake bedienten sich der Kategorie, um zu bezeichnen, was unter der zivilisierten Oberfläche an Barbarischem vermutet wurde. Der Weltkrieg, die Inflation konnten als Entfesselung des Dämonischen gedeutet werden. Viele Intellektuelle konnten Flakes Auffassung zustimmen, daß »die westliche Zivilisation, die antik-christlich-humanistische, [...] ihrem Wesen nach Sicherung vor der Entfesselung der Dämonen« [EwA 100] sei. Es lag nahe, den Begriff auf Hitler anzuwenden. »Wir hatten nicht mit Hitlers dämonischem Zerstörungs-

116

117

118

Vgl. dazu die Kritik von Peter de Mendelssohn 1953: »eine geschniegelte Abscheulichkeit« (243). Eine Variante findet sich bei Salomon: »Aber kaum hatte ich am Tor eine Zeremonie hinter mir, die peinlich an eine genaue Zollrevision erinnerte, da erwachte in mir eine andere Vorstellung, die sich dann im Laufe von neun Jahren immer mehr erhärtete: Das Zauberland Film war neutrales Ausland!« [F 352], Vgl. zur Kategorie des Dämonischen in der Diskussion der 30er und 40er Jahre Uwe-K. Ketelsen 1976, S.13f„ S.24; Thomas Koebner 1984, S.64ff.; Barbro Eberan 1985, S.158ff.; Helmuth Kiesel 1989, S.507; Jörg Kastner 1991, S.169ff.; Ingrid Laurien 1991, S.153ff.; Günter Scholdt 1993, S. 157ff. »Der Begriff hatte keinen festlegbaren Bedeutungskern, symbolisierte aber für die Zeitgenossen etwas, was sie nicht anders glaubten fassen zu können« (Ingrid Laurien 1991, S. 153). Im goethischen Sinn wendet Gustav Hillard sie auf Alfred W.Heymel an: » D i e fließenden Kräfte seiner dämonischen Natur lassen sich nicht unter ein Dach zwingen oder in ein Fach sperren, sondern nur im Symbol fassen« [HNW 181]. Exemplarisch für die gemeinsame Verwendung der Kategorie in Wissenschaft und Dichtung August Langen 1979, S.88ff. Vgl. Christiane D e u ß e n 1987, S.136ff.

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Trieb gerechnet« [Ρ 300], führte der desillusionierte Bronnen aus. Die aufgrund ihrer außerordentlichen Beliebtheit beim Lesepublikum einflußreichen Autoren Wiechert und Carossa waren in der Nachkriegszeit neben Thomas Mann die großen Propagatoren des Dämonischen. Carossa hatte die Kategorie bereits in einer Ansprache zu Goethes Todestag an zentraler Stelle verwendet. Goethe »bannte die Dämonen in den Zauberkreis des Wahren und des Schönen, und sogar eine Erscheinung wie Napoleon mußte ihm zu noch tieferer Besinnung und zur Vervollkommnung seines Werkes dienen.« 120 Nach dem Krieg befindet Carossa, »das Abendland hatte nicht mehr die Kraft, seine Dämonen selbst in heilsame Schranken zu halten« [UW 225], Ernst Wiechert vermerkte, »daß der Wahnsinn [...] umging auf der ganzen Welt, mit den lautlosen, nackten Füßen der Dämonen, und daß er ausbrach bei dem bereitwilligsten und gefährdetsten der Völker, ehe die andern vor eine Entscheidung gestellt wurden« [JuZ 628; vgl. JuZ 442, 608, 670,768], Neben >innere Emigration* ist Benns Formel vom >Doppelleben< besonders erfolgreich geworden. Es ist ihm gelungen, einen zunächst die eigene Position ins Existentielle überhöhenden oder, wenn man so will, vertiefenden, also einen aus dem Selbstbeschreibungsinventar des Autors stammenden Begriff als deskriptiven Begriff in Literaturbetrieb und Forschung zu etablieren. Noch in den neuesten Arbeiten zu Benn fungiert >Benns Doppelleben< als stehende Wendung. 121 Das impliziert jedoch eine Enthistorisierung des Konzepts. Traditionell wird >Doppelleben< in der Autobiographik immer dann verwendet, wenn zwei schwer oder kaum miteinander vereinbare Lebensbereiche oder soziale Rollen in einer Person zusammenkommen, bei Dichtern üblicherweise die Künstler-Bürger-Polarität. 122 Blunck begreift das langjährige Nebeneinander von juristischem Beruf und Dichtung als sein >Doppelleben< [vgl. U Z 7], Angelegt ist im Doppelleben von jeher die zeitweilige oder dauerhafte Übernahme zweier Rollen im identitätstheoretischen Sinn. Das ist der Fall bei Carossas Arzt-Dichter-Dichotomie. Ansätze zur Ausweitung ins existentiell-identitätskritische finden sich bei Salomon [vgl. F251], Ansätze zur Verwendung für die spezifischen Bedingungen des Lebens im Dritten Reich bei Carossa. 123

120 121

Hans Carossa 1937, S. 38. Vgl. Isolde Arends 1995: »Der Begriff Doppelleben steht zuvorderst für ein Problem, das [...] nicht ein durch Benn geschaffenes, aber ein ihn direkt betreffendes ist: das Problem von Dichtung und Leben oder - anders gesagt - das Problem, in welcher Beziehung Dichtung und Leben zueinander stehen, in einer harmonischen oder in einer divergierenden, in einer übereinstimmenden oder in einer widersprechenden« (S.70). Zum Begriff ausführlich vgl. Isolde Arends 1995, S.67ff.

122

Exemplarisch ausgeführt und historisch verankert bei Gustav Hillard 1961, S.84ff., in dessen Essay Die Parabel vom Hochstapler. Zu den Bekenntnissen des Felix Krull. Vgl. Volker Hoffmann 1978, S.74f.: Doppelleben bezeichnete traditionell die Doppelexistenz des Künstlers zwischen Kunst und Leben. D a s Wort erscheint ohne besonderes Gewicht bei Bronnen, Hillard und Jünger in ähnlicher Verwendung [vgl. Ρ 30, H N W 160, G Z 143f.].

,2;l

Vgl. U W 2 0 4 . Carossa verwendet die Bezeichnung schon 1942 (vgl. Hans Carossa 1981, S. 178, S. 194). Vgl. Christiane Deußen 1987, S.127ff.; Volker Michels 1991, S.187.

290

Benn akzentuiert >Doppelleben< schon dadurch, d a ß er nicht nur seiner zweiten Selbstdarstellung, sondern gleich dem ganzen Werk den »ominösen Titel« 1 2 4 verlieh und damit signalhaft verdeutlichte, daß seine ganze Existenz damit bezeichnet sein sollte. Im Lebensweg eines lntellektualisten erscheint das Wort ü b e r h a u p t nicht, da seinerzeit alle Zeichen auf Synthese standen. Allerdings ist die Situation im N e b e n einander von tatsächlicher und öffentlicher Existenz, von Militärdienst und Literatentum angelegt. 1 2 5 Erst in der Zeit des Nationalsozialismus entfaltet der Begriff sein Potential. Bereits in einem Brief an Ina Seidel vom 26.4.1934 entschuldigt sich Benn für sein Fernbleiben, »als Ihr M a n n seine Abschiedspredigt in seiner Kirche hielt. Ich wäre gerne hingegangen, wenn nicht mein Doppelleben u Beruf es mir unmöglich gemacht hätte.« 1 2 6 In dieser B e m e r k u n g ist die A u f g a b e der Syntheseidee vorbereitet. 1 2 7 In Doppelleben erweist sich >Doppelleben< als sehr brauchbar zur Z u s a m m e n f a s s u n g der lebensphilosophischen Polaritäten in einer Antinomie. D e r Widerspruch von Geist und Leben kann damit b e n a n n t werden: »Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt, dies ist eine f u n d a m e n t a l e Tatsache unserer Existenz und wir müssen uns mit ihr abfinden« [ D L / D L 442], 1 2 8 E r dient der Fixierung des Gegensatzes von R e flexion und A k t i o n : » H a n d e l n und D e n k e n einheitlich zu wollen - was f ü r eine hinterwäldlerische Idee! Man stelle sich vor, ein m o d e r n e r Physiker wolle seine Berechnungen, seine Berufsausübung im Leben z u m Ausdruck bringen, mit d e m Leben in Einklang bringen, >verwirklichen< [...] welche Komik!« [ D L / D L 4 4 1 ] . B e n n begreift es aus d e m Blickwinkel der lebensphilosophischen Reflexion und ihrer Ziele als genuine L e b e n s f o r m der Moderne: »heute lebt die Rasse in dieser Form« [ D L / D L 442]. D a s einschlägig betitelte Kapitel [ D L / D L 4 4 8 - 4 5 4 ] enthält die ausführliche Vorstellung des Konzepts. B e n n beobachtet als überpersönliches M e r k m a l d e r aktuel-

124 125

A n Ernst Robert Curtius, 9.1.1950; Gottfried B e n n 1957, S.187. »Schon diese erste G e d i c h t s a m m l u n g brachte mir v o n Seiten der Öffentlichkeit den Ruf eines brüchigen R o u e s ein, eines infernalischen S n o b s und des typischen - h e u t e des typischen jüdischen Mischlings, damals des typischen - Kaffeehausliteraten, während ich auf den Kartoffelfeldern der Uckermark die R e g i m e n t s ü b u n g e n mitmarschierte und in D ö b e ritz beim Stab d e s D i v i s i o n s k o m m a n d e u r s im englischen Trab über die Kiefernhügel setzte« [ D L / L e l 363].

126

Gottfried B e n n 1957, S.57. Vgl. als Ausgangspunkt in Doppelleben: »Zunächst also war ich noch in Berlin, und der U m s c h m e l z u n g s p r o z e ß der Nation ging weiter, aber m e i n e inneren und äußeren Verhältnisse wurden so, daß ich an Veränderung dachte« [ D L / D L 413].

127

Position in Doppelleben: »Ich bin also Dualist, Anti-Synthetiker oder [...] ich halte vor dem Unvereinbaren, m e i n Streben nach Einheit beschränkt sich auf das jeweilig in m e i n e n H ä n d e n zur B e a r b e i t u n g befindliche Blatt« [ D L / D L 449], »Gesamtschau, Totalitätsbetreuung, Lebenseinheit, Harmonie - das lehne ich ab. Wir alle leben etwas anderes, als wir sind. Dort wie hier Bruchstücke, Reflexe; wer Synthese sagt, ist schon gebrochen« [ D L / D L 451].

128

D i e folgende Formulierung aus Drei alte Männer taucht in B e n n s Spätwerk an vielen Stellen auf: »Wir lebten etwas anderes als wir waren, wir schrieben etwas anderes als wir dachten, wir dachten etwas anderes als wir erwarteten und was übrig bleibt, ist etwas anderes als wir vorhatten« [ D L / D L 449].

291

len Lage des abendländischen Kulturkreises die »Kulmination von Doppelleben« [DL/DL 448], Dieses neue Paradigma löst das alte Verständnis der Wirklichkeit ab, das Benn in Lebensweg eines Intellektualisten als absterbende Lebensform beschrieben hatte. Aufgegeben wird die Idee der Totalität. 129 Dem Ende der »Einheit der Persönlichkeit« [DL/DL 449] folgt das »bewußte[ ] Aufspalten der Persönlichkeit« [DL/DL 451] als Lebensstrategie: »Heute und hier, keine Allgemeinheiten und siderischen Dränge - das ist eine gute Grundlage für Doppelleben und mein eigenes Doppelleben war mir nicht nur immer sehr angenehm, ich habe es sogar mein Leben lang bewußt kultiviert« [DL/DL 449]. >Doppelleben< stellt die Übereinstimmung von Individuum und Zeit her, indem es innerhalb des Individuums die Spaltung der Zeit zur Geltung bringt. Die Hauptmaxime des Ptolemäers garantiert, daß das Individuum sich der Lage im darwinistischen Sinne angepaßt hat. Für den Beobachter ist aber eindeutig, daß die Ausdehnung ins Existentielle die politischen Implikationen verdeckt. Hauptmaxime: erkenne die Lage - das heißt, passe dich der Situation an, tarne dich, nur keine Überzeugungen [ . . . ] - andererseits aber mache ruhig mit in Überzeugungen, Weltanschauungen, Synthesen nach allen Richtungen der Windrose, wenn es Institute und Kontore erfordern, nur: halten Sie sich den Kopf frei, darin muß immer ein Hohlraum sein für die Gebilde. Hier konzentriert sich das Reale, modelliert sich, entstehen die Formen. Die Formen - darauf allein kommt es an, das ist seine Moral [DL/DL 454],

Diese »innere Technik« [DL/DL 454] des Ptolemäers zum Verhalten in politischen Systemen aller Art ist als antipolitische und antimoralische Strategie zur Erhaltung eines unangreifbaren Innenraums gedacht. Der Begriff markiert die in der zweiten Selbstdarstellung feststellbare Rücknahme biologistischer Deutungsmuster. Eigentlich - das war mein Haupteindruck - trug die moderne Wissenschaft die Moral und die menschliche Würde der katholischen Kirche nach deren Auflösung und Säkularisation weiter bis an die Schwelle unserer Tage, erst wir wurden dann diese zerrissenen, ungläubigen, bösen Varianten, die jetzt zu Worte kommen. Bis dahin war alles noch Mittelalter mit seiner Geschlossenheit von Gewissen und verantwortlichem Glauben. Erst wir führen das Doppelleben, von dem keine Hälfte mehr einen Kosmos darstellt. 130

Benns Kategorie ist als Zeitdeutung akzeptiert und erfolgreich geworden. Max Bense hat in einem Brief an Max Niedermayer repräsentativ für viele vom »»Dopp e l l e b e n der Menschen unserer Zeit und Lage« 131 gesprochen. Als »existentiales Prinzip« 132 hat Benns Selbstbeschreibungsbegriff in die wissenschaftliche Diskussion über ihn Eingang gefunden. Es kennzeichnet den enormen Erfolg Benns, daß

l2

'' »Das Gefühl für diese Relativierung, Relativierbarkeit der europäischen Gedankenwelt, der Verlust des Bestimmten und Absoluten ist das augenblickliche Stigma des Kulturkreises. Dieses Gefühl ist ungemein verbreitet und allgemein, es ist schon populär« [DL/ DL 467], 1.0 An Margret Boveri, 26.7.1950; Gottfried Benn 1957, S. 194. 1.1 Max Bense 1987, Bd.I, S.215. 1.2 Ernst Nef 1958, S.95; vgl. Peter Michelsen 1961, S.253.

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a b g e s e h e n von Vermutungen, seine »ganze Theorie des >Doppellebens< [sei] ja ein Witz, da eine g a n z e kompromittierte G e n e r a t i o n sich auf sie beruft«, 1 3 3 die Forschung nach wie vor diesen Begriff unreflektiert ü b e r n i m m t . 1 3 4

133

134

Walter Muschg 1987, Bd.II, S.31. Vgl. dazu Joachim Vahland 1979, S.68f.; Christiane Deußen 1987, S.70ff. Vgl. zuletzt Barbara Kleiner 1988, S.23; Isolde Arends 1995, S.67ff. Allerdings hat es auch einige Versuche gegeben, die Kategorie historisch herzuleiten. Vgl. dazu Dieter Wellershoff 1962, S. 37; ausführlich Joachim Vahland 1979, S.68ff. 293

5. Autobiographie als Sprachkunstwerk. Poetik und Praxis

Bisher galt das Augenmerk der Konstruktion von Identität, Individualität und Biographie. Im abschließenden Teil der Untersuchung soll nunmehr das >Wie?< des autobiographischen Erzählens der Nachkriegszeit, die narrative Präsentation beschrieben und analysiert werden. Die bereits mehrfach konstatierte gesteigerte Bedeutung biographischer Selbstreflexion nach 1945 hat aufgrund der Problematisierung von Biographie vielfach zu einer Experimentalisierung des Erzählens geführt. Die Autobiographie bezieht sich auf zwei verschiedene nicht scharf voneinander zu trennende Traditionsstränge, zum einen die lebensweltlichen Weisen autobiographischen Erzählens von der privaten Anekdote bis zum curriculum vitae, zum anderen die kulturell konventionalisierten und traditionellen Erzählformen der Autobiographie und Biographie als literarische Gattungen. Als Bezugsrahmen lebensgeschichtlichen Erzählens ist nicht nur, trotz der Orientierung der Autobiographen an der Erzählweise des Romans, die fiktionale, sondern in höherem Maß die Konventionen der faktographischen Narration zu berücksichtigen, die den Nachkriegsautoren zur Erzählung ihrer Lebensgeschichte nicht mehr hinreichend schienen. Die zeittypische Hochkonjunktur der Autobiographie verdankt sich der Mischung aus Faktenorientierung und subjektiver Perspektive, aus Zeit- und Selbstreflexion, aus Nähe und Distanz, der Wahrheitverpflichtung und Authentizität.

5.1. Z u r P o e t i k d e r A u t o b i o g r a p h i e Im Unterschied zum fiktionalen Erzählen hat die Autobiographik zwar immer wieder die poetologische Reflexion beschäftigt, aber keinen längerfristigen kohärenten Diskussionszusammenhang und keine ausgearbeitete Poetik ausgebildet. Im 20. Jahrhundert galt sie im deutschsprachigen Kulturraum ohnehin von wenigen Ausnahmen abgesehen als ästhetisch minderwertige Gattung. Gerade für die Nachkriegsautobiographik rücken in der öffentlichen Diskussion gegenüber dem stofflichen Interesse die Anknüpfung an Vorbilder und Fragen der ästhetischen Gestaltung in den Hintergrund der Aufmerksamkeit. Das Bewußtsein für die Differenz zwischen autobiographischem Text und gelebtem Leben ist kaum ausgeprägt, so daß etwa bei Anknüpfungen an die Klassiker der Autobiographie kein Unterschied zwischen literarischer Technik und dargestelltem Leben gemacht wird. Autobiographien gelten grundsätzlich als historiographische Texte. 1 Die Autoren tendieren 1

Vgl. Axel von Harnack 1955, S.696; Christian Ringel 1955, S.290.

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nicht zur Fiktionalisierung der Autobiographie, sondern vielmehr zur Referentialisierung der Fiktion. Im folgenden wird zunächst die Anknüpfung der Nachkriegsautobiographen an die Tradition beschrieben und die weiterführende poetologische Reflexion dargestellt. Abschließend wird als poetologischer Zentralbegriff der Autobiographik das >Lebensbild< vorgestellt.

5.1.1. Traditionen und Gattungsmuster Viele Autobiographen der Nachkriegszeit zeigen wenig Gattungsbewußtsein im Sinne eines expliziten formästhetischen Bezugs. 2 Die Klassiker der Autobiographie (Augustinus, Rousseau, Goethe) waren bereits zu sehr historisch, als daß ihre Erzählmodelle noch bruchlos verwendbar schienen. Die variierenden Bezeichnungen autobiographischer Texte lassen sich auf wenige Grundtypen zurückführen. Die Unterscheidung von Memoiren und Autobiographien wird als polare Opposition verstanden und primär als ästhetisches Problem gesehen. Die bereits in der ersten Jahrhunderthälfte gängigen gattungstheoretischen Vorstellungen sind weitgehend konstant geblieben. 3 Bezeichnungen wie >LebensberichtBericht< oder >Protokoll< (Blunck, Carossa, Flake, Bronnen) sind neben >Erinnerungen< oder dem seit der Jahrhundertwende gebräuchlichen >Lebenserinnerungen< 4 (Jünger, Wiechert) üblich. Andere Texte kommen ohne Gattungsbezeichnung aus (Grimm, Hillard, Kolbenheyer, Salomon, Schneider). Gottfried Benn verwendet >Selbstdarstellung< auf dem Titelblatt seines Doppelleben, bevorzugt aber in brieflichen Äußerungen zu seiner »Monographie über mich« 5 Selbstbiographie oder Autobiographie. 6 Die meisten Texte annoncieren eine faktenorientierte Textsorte. Die Gattungsbezeichnung >Selbst-< oder >AutobiographieLebenserinnerungen< fungiert seit der Jahrhundertwende als Bezeichnung eines Mischtyps zwischen Autobiographie und Memoiren. Vgl. Hermann Ulrich 1923, S. 10; Wayne Shumaker 1954; Peter de Mendelssohn 1972, S. 15f.; Volker Hoffmann 1978, S. 136ff. An F.W.Oelze 13.6.1934; Gottfried Benn 1979-82, Bd.I, S.35. Gottfried Benn 1979-1982, Bd.I, S.39, Bd.II, S.272, Bd.II, S.274; Marguerite Valerie Schlüter (Hg.) 1965, S. 37. Vgl. den weiter unten besprochenenen poetologischen Essay von Gustav Hillard 1955. Belege: Otto Flake, EwA 567,606; Ernst Wiechert, JuZ 781.

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der Zeit geradezu demonstrativ ausfallen kann, nicht ungewöhnlich. Die Erzählmuster und Erzählmodelle der Tradition werden als >naturwüchsige< Vorgaben aufgefaßt. D i e einzige Bezugnahme auf einen zeitgenössischen Text findet sich bei Hans Grimm. A n ihr läßt sich paradigmatisch darlegen, daß es primär um eine inhaltlich motivierte Anknüpfung geht, nicht aber um Schreibweisen. Grimm verweist auf die Autobiographie von Rudolf G.Binding als Kontrastfolie zu Leben in Erwartung* Seine Distanzierung setzt bei Bindings Gebrauch des Begriffs >Erlebnis< an. D a z u hatte Binding im Vorwort ausgeführt: Das aber was ich von meinem Leben zu berichten vermag, liegt nicht hinter mir. Es ist nicht etwas worauf ich zurückzuschauen vermöchte wie auf etwas das einmal mein war. Ich kann, damit ich mich nicht betrüge, nur von dem berichten was in mir lebt und was ich somit erlebte, was als Erlebtes in mich überging, was noch immer mein ist, ohne das ich dem Augenblick nicht ins Auge sehen könnte der vor mir steht. Es werden keine Erinnerungen beschworcn, von denen man wehmütig und gefühlvoll fragt: wie lange ist das her? - und es nicht einmal beantworten will; sondern es wird ein Gegenwärtiges beschworen. Und indem ich dies tue, indem ich von dem berichte was in mir aus meinem Leben lebt, habe ich die seltsame Hoffnung, daß dies jenes Unsichtbare und Unhörbare ist was ich mit jenen andern Leben teilte oder nunmehr teile, da ich es mitteile. Denn es ist leicht, Erinnerungen, die wieder aufleben, von dem zu trennen was mit mir lebt; es ist leicht Erzähltes von Eigenem zu scheiden. Jedes verrät sich selbst. Das Erlebnis wird seine Kraft schon dartun wenn es eines war. [...] auf der langen Strecke des Lebens liegt das wahrhaft Erlebte unregelmäßig und oft weit voneinander entfernt; es bildet kaum einen Weg und große Strecken sind leer. Und dennoch mag es geschehen daß es den Weg bezeichnet den ein Mensch gegangen ist. 9 Binding hebt das Leben als Leitkategorie hervor. Im lebensphilosophischen Horizont kann die Bedeutung eines einzelnen gelebten Lebens anhand der Erlebnisse, und das bedeutet hier der Partizipation am Leben, bemessen werden. Sie begründen die Qualität des Individuums und zugleich seine Einzigartigkeit, seine Individualität. Bindings zentrale Frage gilt dem Unterschied zwischen dem individuellen und d e m Massenleben. »Man kann also nicht einmal erwarten daß, von äußeren Schicksalen abgesehen, die Leben von Menschen der gleichen Zeit sehr verschieden aussehen, ja man möchte meinen, daß ein solches Leben für das andere einstehen müsse und daß daher auch meines für andere stehe.« 1 0 Bindings Perspektive wird z u m A n l a ß einer resümierenden Reflexion der Gestalt von Grimms Biographie, die

* »Freund Rudolf G. Binding hat das Buch, darin er von Strecken und Ereignissen seines Daseins bis zu des Vaters Tod berichtet, >Erlebtes Leben< genannt. Er brachte mir den blauen Band bei einem Lippoldsberger Besuche mit im Januar 1936 und legte ihn auf meinen Schreibtisch. [...] Ich schlug Bindings Buch auf und las die eingetragene Widmung; >als Gastgeschenk und Beleg der Verehrung und des DaseinsErlebtes Leben< niemals setzen« [LiE5], 9 Rudolf G. Binding 1927, S.3f. 10 Rudolf G. Binding 1927, S. 3.

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von e i n e m M a n g e l an Leben geprägt ist. » E r l e b t wie er hast D u D e i n gewiß reiches, D e i n b r e i t e r e s L e b e n nicht« [LiE 5]. U n t e r d e n klassischen V o r b i l d e r n stellt n a c h wie vor Dichtung und Wahrheit d e n wichtigsten O r i e n t i e r u n g s p u n k t d a r . " A l l e r d i n g s ist die traditionelle Z u s p i t z u n g auf diesen Typus s c h o n lange fraglich g e w o r d e n . D a b e i ergibt sich ein vielschichtiges Bild. Z u m einen bleibt G o e t h e s A u t o b i o g r a p h i e n o r m a t i v e s Vorbild d e r p o e t o logischen u n d wissenschaftlichen Diskussion. In d e r Praxis a b e r ist schon v o r d e r J a h r h u n d e r t w e n d e eine A b k e h r zu b e o b a c h t e n . Im Fortlauf d e r G a t t u n g s g e schichte wird diese i n t e r n e Spaltung i m m e r deutlicher. D a s M u s t e r d e r G o e t h e A u t o b i o g r a p h i e ist f ü r die A u t o r e n e n t w e d e r gar nicht m e h r normativ, o d e r n u r m e h r als a b g e l e h n t e s bzw. a u s r e s p e k t v o l l e r D i s t a n z b e t r a c h t e t e s u n e r r e i c h b a r e s M o d e l l präsent. Vor allem die bildungsbürgerlichen A u t o b i o g r a p h e n , die nicht p r o fessionelle Schriftsteller sind, pflegen die B i l d u n g s a u t o b i o g r a p h i e . U n t e r d e n Berufsschriftstellern tut dies n u r m e h r e i n e M i n d e r h e i t . Vereinzelt wird aus G o e t h e s A u t o b i o g r a p h i e zitiert, h ä u f i g im Sinne eines Bildungsetiketts. 1 2 Bei a u s f ü h r l i c h e n B e z u g n a h m e n ist d e r G o e t h e z u g e m e s s e n e Verbindlichkeitsgrad a b h ä n g i g v o n geschichtsphilosophischen Positionen. D a s b e d e u t e t k o n k r e t : G o e t h e s A u t o b i o g r a p h i e m o d e l l wird historisiert z u m r e p r ä s e n t a t i v e n P a r a d i g m a e i n e r v e r g a n g e n e n E p o c h e . E s wird b e w u n d e r t , zugleich a b e r als anachronistisch v e r s t a n d e n . 1 3 D e m B r i e f w e c h s e l mit O e l z e ist zu e n t n e h m e n , d a ß B e n n zwar in d e n J a h r e n des D r i t t e n R e i c h e s intensiv G o e t h e rezipiert hat, e i n e n Hinweis auf e i n e L e k t ü r e von Dichtung und Wahrheit sucht m a n a b e r vergeblich. 1 4 D a s ergibt sich aus B e n n s Bet o n u n g des historischen A b s t a n d s d e r G e g e n w a r t zu G o e t h e u n d d a m i t auch zu dessen B i o g r a p h i e m o d e l l . »Von H o m e r bis G o e t h e ist eine Stunde, v o n G o e t h e bis h e u t e 24 S t u n d e n , 24 S t u n d e n d e r V e r w a n d l u n g , der G e f a h r e n , d e n e n n u r d e r b e g e g n e n k a n n , d e r seine eigenen gesetzlichen D i n g e b e t r e i b t « [ D L / D L 468]. 1 5 G o e t h e r e p r ä s e n t i e r t die »Persönlichkeit im alten Sinne« [ D L / L e l 370], die im 20. Jahrh u n d e r t obsolet g e w o r d e n ist. F ü r K o l b e n h e y e r g e h ö r t G o e t h e e i n e r v e r g a n g e n e n Z e i t an, die vor d e n »schweren K ä m p f e n u m e i n e n e u e A n p a s s u n g s f o r m dieses vi-

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Vgl. zur Goethe-Rezeption im Dritten Reich und der Gocthe-Renaissance nach 1945 Gerhard Hay/Hartmut Rambaldo/Joachim W.Storck 1973, S.488ff.; Wolfgang Wippermann 1976, S. 14f.; Klaus Schwab 1977; Uwe-K. Ketelsen 1983; Bernhard Zeller (Hg.) 1983, Bd. II, S.204ff.; Erich Kleinschmidt 1984a; Barbro Eberan 1985, S.124ff.; Arno Klönne 1988, S.146ff.; Bettina Meier 1989; Hermann Glaser 1991, S.137ff.; Ingrid Laurien 1991, S.208ff. Beispiele; LadZ 190; LiE 91. Vgl. die Auseinandersetzung mit Goethe in Frank Thiess 1955. Von den autobiographischen Schriften findet nur die Campagne in Frankreich in einem Brief Erwähnung. Vgl. an F.W. Oelze, 22.1.1940, Gottfried Benn 1979-1982, Bd.I, S.225f. Ähnliche Formulierungen finden sich in Briefen. An Ewald Wasmuth schreibt Benn am 18.10.1936: »Das Zeitalter nach Goethe - , das sind wir und das ist noch nicht ausgeschrieben.« (Gottfried Benn 1957, S.74). Zu Benns Goethe-Rezeption vgl. Helmut Brackert 1963; Hanspeter Brode 1972, S.740ff., S.755ff.; Wolfgang Kaußen 1981, S.104ff.; Marleen Schmeisser 1981; Walter Müller-Seidel 1984; Benno von Wiese 1984, S.57ff.; Angelika Arend Manyoni 1985; Wolfgang Butzlaff 1986.

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talsten Teils der Menschheit, der weißen Rasse,« [SK1/400] lag. Aufgrund der veränderten historischen Situation verliert Goethe seine Verbindlichkeit. 16 Vorbildfigur bleibt er hingegen für Hans Carossa, Otto Flake, Gustav Hillard und Ernst Wiechert. Diese Autoren repräsentieren verschiedene Arten der Bezugnahme: für Flake, Carossa und Wiechert ist Goethe >ErlebnisDichtung und Wahrheit< finde er das bißchen Wahrheit allzu dichterisch verbrämt, was G o e t h e selber wohl auch schon empfunden und dadurch zum Ausdruck gebracht habe, daß im Titel die Dichtung vor die Wahrheit gestellt wurde.«

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Z u Carossas Goethe-Rezeption vgl. John G. Frank 1948; Helmut Bender 1949, S. llff.; Brigitte Stegemann 1953; Clair Baier 1954/55; Ludwig Rohner 1955, S.46ff.; Wolfgang Kopplin 1969, S.413f.; Ingrid Aichinger 1972, S.395ff.; Ralf Schnell 1976, S.65ff.; Ingrid Aichinger 1977, S.226ff.; Hartmut Laufhütte 1984; Klaus Thoenelt 1987, S.300f.; Herbert Zemann 1991. Beispiel: »jetzt faßte ich die Romane um Ruland ins Auge. [...] Der Roman stellte zunächst meine Straßburger Zeit dar, dann führte er nach Petersburg und Rom« [ E w A 301]. Flake hebt das an später Stelle hervor: »Durch den Fortunat geübt, ließ ich die Jahre in einem gleichmäßigen Gefalle ablaufen« [ E w A 572]. Vgl. Gert Ueding 1986, S.203; Sabine Graf 1992, S.157. Vgl. zu Wiecherts Goethe-Rezeption Klaus Thoenelt 1987, S.300f.; Christoph Pereis 1988.

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Goethe-Vokabular: genannt seien nur das Leben als Gewebe [JuZ 335] oder das Gesetz, nach dem wir angetreten sind [JuZ 579]. Die Tendenz, Werk und Leben miteinander zu identifizieren, kennzeichnet Wiecherts Selbstbeschreibung. Gelingen oder Mißlingen des Lebens ist am Werk unmittelbar abzulesen. In alle meine Bücher ist fast fünfzehn Jahre hindurch dieses Mißlingen des Lebens hineingeflossen, das zwischen den Polen sich Zerreibende, das nicht Gelöste und an keine Lösung Glaubende. D a s Grelle an Zeichnung und Farbe, das Ausbrechenwollen, die Übertäubung durch Effekte, der Mangel an Maß und Harmonie, die Überladung der Sprache, der Mittel, das Gewaltsame, bis aufs Letzte Getriebene. Es waren nicht nur Kunstfehler, wie die meisten Beurteiler meinten. Es waren Lebensfehler. Und so unlöslich waren Leben und Kunst verflochten, daß das eine aus dem anderen folgen mußte [JuZ 450].

Goethes Biographiemodell wird als selbstverständliches Vorbild rezipiert, eine Reflexion auf dessen Grundlagen findet nicht statt. Da kein Unterschied zwischen Leben und Werk gemacht wird, kombiniert Wiechert Biographiesemantik aus fiktionalen und nichtfiktionalen Texten Goethes. Im Vordergrund steht die Orientierung am Wilhelm Meister, aus der die Untergliederung der Biographie nach Lehr- und Wanderjahren übernommen wird [vgl. J u Z 610,675]. Typisch für Wiechert ist dabei, daß die Applikation atmosphärisch ist und Inkonsequenzen zeigt. 21 Der Studienbeginn wird institutionenkritisch auf das Ende der Lehrjahre bezogen. Wiechert verläßt sein Elternhaus wie »Saul, der auszog, um eine Eselin zu gewinnen, und eine Königskrone gewonnen hatte« [JuZ345], bringt aber »Pergamente heim[...] statt einer Königskrone« [JuZ 419], Carossa, der in seiner Autobiographietetralogie Goethes Autobiographiemodell weitergepflegt hatte, zeigt ein gebrochenes Verhältnis zur Tradition. Zwar kommen von Goethe »Ermutigung und Wegweisung« [UW 82], aber die in Ungleiche Welten geführte Auseinandersetzung mit Dichtung und Wahrheit ist eine poetologische Grundlagenreflexion. Wiechert und Flake bezweifeln die Gültigkeit von Goethes Biographiemodell auch unter den Bedingungen des Nationalsozialismus nicht. Carossa jedoch reflektiert auf das für Goethe grundlegende Interdependenzverhältnis von Individuum und Jahrhundert. Er wirft schon in der Goethe-Preis-Rede 1938 die Frage auf, »ob Werke dieser Art mit uns und unserer Zeit noch etwas zu tun haben«. 22 Goethes Autobiographie gilt als »Geschichte eines großen menschlichen Wachstums« [UW 31], Goethe selber als mahnendes Symbol zur Selbstreflexion [vgl. UW 124], Aber Goethe und sein Jahrhundert waren >Gleiche WeltenWelt< gesammelt wurde für die Zeit der Isolation bis zum Kriegsende.

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Hans Carossa 1938a, S. 12.

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dividualität nach G o e t h e s Muster geben. G o e t h e wird zwar als Vorbild beschworen, aber zugleich unter den gegebenen Bedingungen als unerreichbar hingestellt. Gustav Hillard stellt seinen Herren und Narren der Welt ein Motto aus G o e t h e s Maximen und Reflexionen vorweg: »Eine Chronik schreibt nur derjenige, d e m die Gegenwart wichtig ist« [ H N W 5], Damit verpflichtet sich Hillard auf die Historiographie nach G o e t h e s Vorbild. Seine eigene Biographie und die anderer Menschen deutet er mit Hilfe von Formeln Goethes, die er auch als solche ausweist. 2 3 Seine Erzählung gestaltet er vor allem im Lebensabschnitt nach d e m E n d e des Ersten Weltkriegs als Bildungsgeschichte. Ich trug seit meiner Primanerzeit einen sehr hohen, an Goethe erzogenen Begriff von Bildung in mir. Bildung galt mir als Ordnungsprinzip meines Lebens, als der oberste Wert einer zweck- und nutzfreien Wertordnung, und nur ein zweck- und nutzfrei erworbenes Wissen konnte daher zu wahrer Bildung führen. In dieses Ideal hatte ich mein berufliches und gesellschaftliches Leben einzuordnen versucht, was damals noch möglich war, weil geistige und gesellschaftliche Kultur noch eine gewisse Einheit bildeten [HNW 284], Bildung wird als komplexes Konzept verstanden, in dem goethische, humboldtsche und sozialhistorische A s p e k t e des Begriffs unauflöslich verschmolzen sind. Friedrich Georg Jünger bezieht sich auf einen anderen Klassiker: Nach langer Zeit fielen mir Rousseaus Bekenntnisse wieder in die Hände. Ihr Anfang ist pathetisch, denn die Posaune des jüngsten Gerichts, die doch dem Ende vorbehalten ist, ertönt bei ihm schon auf der ersten Seite. Er beginnt seine Darstellung mit der Bemerkung, daß sein Unternehmen beispiellos sei und keinen Nachahmer finden werde, und schließt die Versicherung daran, daß er anders sei als alle menschlichen Wesen. Daran ist nicht zu zweifeln, denn es gibt nichts Gewisseres, und jeder Mensch darf und muß das sagen. Er sagt damit aber nicht viel, nicht mehr, als in jener anderen Versicherung liegt, daß allen Menschen etwas gemeinsam ist [GZ 6]. V o n Rousseaus Autobiographie und deren Motiven distanziert sich Jünger mit wiederum geschichtsphilosophischer Begründung. D i e zu Rousseaus Zeit als revolutionär geltende Eröffnung der Confessions ist im 20. Jahrhundert nur mehr eine Binsenweisheit. Individualität ist nicht mehr exklusiver Besitz eines exponierten Individuums wie Rousseau, sondern jeder moderne Mensch besitzt sie. D e r Verweis ist im Anschluß an Ausführungen zum Wahrheitsproblem der Autobiographie piaziert. R o u s s e a u hatte sich als Menschen in aller Wahrheit der Natur darstellen wollen. D e m repliziert Jünger scharf: Denn es gibt keine fertigen, von uns unabhängigen Wahrheiten, die zu jedermanns Verfügung ständen als kursierende Münzen, oder in irgendeinem Lager für uns bereitlägen. Ich besitze die Wahrheit nicht, wie ich ein Haus oder Grundstück besitze, und ich kann sie nicht pachten, deshalb kann ich auch nicht als ihr Besitzer oder Pächter vor der Öffentlichkeit erscheinen. Der Grund dafür liegt zunächst darin, daß die Wahrheit etwas Gemeinsa-

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Beispiele: »Wie es aber auch schon in >Dichtung und Wahrheit< ein frommer Wunsch aller Väter ist, das, was ihnen selbst abgeht, an den Söhnen realisiert zu sehen« [HNW 38]; Rathenaus »eigenes Wesen aber, im Goethischen Sinne seine >Natur< [...]« [HNW 225].

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mes ist, doch ist das nicht leicht zu verstehen. D e n n weder kann der Einzelne einen Anspruch auf sie erheben, noch kann die Menge sie sich mühelos zueignen [GZ 6],

Reinhold Schneider beginnt Verklärter Tag ebenfalls mit einer Absage: »Eine Selbstbiographie ist nicht beabsichtigt: sie ließe sich nicht rechtfertigen. An den Lebensumständen eines Autors liegt nichts; es kann sich nur um die Antworten handeln, die er auf das Geschichtliche sucht, die es ihm aufnötigt« [VT 9]. Unerreichbares Vorbild sind die Confessiones des Augustinus. 24 Wenige unausgeführte Pläne berührten mich so schmerzlich wie sein [Schillers] »Deutscher Plutarch« und seine Selbstbiographie; sie wären für das deutsche Volk von unschätzbarem Werte. Mit der »Geschichte seines Geistes« hat er die verpflichtend vorbildliche, die wohl einzig ganz vertretbare Art einer Selbstdarstellung konzipiert. Sie hätte die Autobiographie - ein sehr problematisches Unternehmen - auf die unangreifbare H ö h e Augustins zurückgeführt [VT61],

Schneider komponiert dennoch seinen Text nach dem Muster der augustinischen Konversionsautobiographie. Seine Absage ergibt sich aus dem Bescheidenheitstopos, der mit der Konzentration auf die Darstellung des >Geschichtlichen< verknüpft ist, das zugleich das Medium der Selbstreflexion darstellt. Schneider hält das Aufrichtigkeitspostulat im Sinne Rousseaus ebenfalls für überholt. Eine »hinreichende Selbstbiographie [...] stellt eine Anforderung an die Wahrhaftigkeit, die vor der Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar ist und mit deren Vollzug auch nichts gewonnen wäre« [VT 9], Für den konvertierten gläubigen Christen steht natürlich nicht die Individualität des Individuums, sondern Christus im Zentrum. 2 5 In den Distanzierungen Jüngers von Rousseau, Schneiders von Augustinus ist das Bewußtsein ablesbar, daß Rückgriffe auf die Tradition nicht mehr als Herstellung von Kontinuität möglich sind. Der Großteil der Autobiographen geht davon aus, daß die Situation des 20. Jahrhunderts die Entwicklung von Alternativen zu den großen Vorbildern Augustinus, Rousseau und Goethe erfordert.

5.1.2. Poetologische Reflexion Der offensive Gestus der Abkehr von der Tradition, das Bewußtsein, auch qualitativ in Distanz zu den großen Autobiographien zu stehen, ist communis opinio. Die Topik der Gattung wird gepflegt: der historiographische Anspruch auf Zeitschilderung (Blunck, Hillard, Salomon, Schneider); die Niederschrift gehe auf Aufforderung zurück (Blunck, Benn); sie sei eine Rechenschaft für Freunde (Blunck, Carossa, Grimm, Salomon). Typisch ist der Vorspruch, den Hans Friedrich Blunck seinem traditionalistischen Licht auf den Zügeln vorangestellt hat:

24 25

Vgl. Hans Dieter Zimmermann 1978, S.61f. »Nicht der Bekennende, das Bekenntnis, der, wenn auch noch so unzulängliche Wiederklang des >dunklen Worts< entreißen der Vergeblichkeit. Werk und Leben können untergehn, wenn nur zwischen den Stromschnellen in der Nacht auf Blitzesdauer das Kreuz auf ihnen erschienen ist« [VT 10].

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Diese Seiten waren ursprünglich nur als eine erweiterte Rechenschaft vor Freunden geplant. Man hatte mich gebeten, die Zeit um die Jahrhundertwende zu schildern und festzuhalten. [...] Eines Tages machte ich mich, noch halb unwillig, ans Werk, mit Vorsicht zunächst, dann mit Beglückung. Ich glaube, daß die Überschau manche Erinnerung wecken und manche Erklärung für den Weg der Menschen und Völker in jener Zeit geben wird, wenn auch die Eindrücke eines einzelnen nicht entscheidend sind. [...] Den Freunden, die mir die Anregung zu dieser Niederschrift gaben, sage ich meinen herzlichen Dank. Ich habe viel Freude an diesem Zeitbericht gehabt und glaube, daß, hätte ich länger gewartet, manches aus dem Gedächtnis entschwunden wäre, was ich jetzt noch aufzuzeichnen vermochte [LadZ5]. 2 6 P o e t o l o g i s c h e R e f l e x i o n wird entweder als Explikation im Vorwort (Jünger, Schneider), als Selbstreflexion in der R a h m e n e r z ä h l u n g (Kolbenheyer) o d e r in der Binnenerzählung (Salomon), als implizite Poetik (Carossa), selten in Essays (Hillard) o d e r R e z e n s i o n e n (Flake) entwickelt.

Friedrich G e o r g Jünger Grüne

Zweige

beginnt mit einer ausführlichen Rechenschaft über autobiographi-

s c h e s Schreiben. Einige der Erwägungen, die mir bei der Aufzeichnung dieser Erinnerungen durch den Kopf gingen, möchte ich vorausschicken. Eine davon ist, daß jede Darstellung etwas Hinzukommendes ist und daß dieses Hinzukommen die Bedingung jeder Darstellung ist. Erinnerungen machen uns das besonders deutlich, denn sie sind nicht unsere Erfindung. Deutlich aber werden sie, weil sie wiederkehren und in der Wiederkehr eine Verbindung eingehen und Zusammenhang erhalten. Erinnerung ist, im Unterschied zum Gedächtnis, etwas Gereiftes, und in dem Maße, in dem sie ausreift, darstellbar. Das bloß Faktische, das zusammenhanglos ist, kann keine Wahrheit begründen, und der Mensch, der daran haften bleibt, wird, so stark immer sein Gedächtnis ist, wenig erinnern. Wer nur von Tatsachen ausgeht, der vergißt, daß sie isoliert sind. Auch gibt es davon zu viele, so daß eine Auswahl nötig wird [ G Z 5]. D i e Unterscheidung von Gedächtnis u n d Erinnerung ist analog zur U n t e r s c h e i d u n g v o n G e g e n s t a n d und Darstellung gebildet. D i e Verfahrensweisen der Erinnerungsbildung w e r d e n in Kategorien der künstlerisch-ästhetischen Formung reflektiert. D i e M n e m o s y n e , die Göttin des Erinnerns, ist d e m Dichter z u g e o r d n e t . 2 7 Erinnerungen sind nicht ursprünglich, sondern bereits durch Formbildung und W i e d e r h o -

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Immer wieder rechtfertigt sich Blunck, wenn er in seinem Text von der Topik abweicht. Solche Stellen häufen sich in der Erzählung der Jahre des Dritten Reiches. Beispiele: »Wenn ich, statt von meinem literarischen Werk zu erzählen, wie es sich in solchem Selbstbericht gehört, diese europäische Arbeit vorwegnehme, so spielt auch der Wunsch mit, die Erinnerungen rasch zu überwinden« [ U Z 356]; »Es wird auch noch vieler Jahre bedürfen, bevor man zu einer wirklichen Klärung der Ereignisse von 1919 bis 1945 kommt. [...] Ich nehme mir deshalb vor, mich auf den einfachen Bericht zu beschränken, und wenn es mir oft leid tut, wertvolle Erinnerungen überspringen zu müssen, so tröste ich mich damit, daß ich keine politische Chronik, sondern mir selbst die meines Lebens schreibe.« [UW 400f.]. Weitere Beispiele U Z 445, U Z 473.

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Vgl. Friedrich Georg Jünger 1957, S.8.

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lung konstituiert. Sie stellen Sinnzusammenhänge her, die sich aus d e m Faktenreservoir des Gedächtnisses 2 8 nicht von selbst ergeben. D a Wahrheit an die Erinnerung gebunden ist, wird sie nicht dem im Gedächtnis enthaltenen Einzelfaktum zugeschrieben, sondern d e m von der Erinnerung konstituierten Sinnzusammenhang. Dabei bleibt das Bewußtsein des Konstruktionscharakters der Erinnerung und damit der Wahrheit erhalten. Wer Erinnerungen aufzeichnet, wird sich der Wahrnehmung nicht entziehen können, daß ihr Zusammenhang ein von ihm selbst begründeter ist. Auch wird ihm die Erkenntnis nicht fremd bleiben, daß es keine fertigen Erinnerungen gibt, denn sie begleiten den Menschen ans Ende und gleichen einer nie versagenden Nahrung, auf die er angewiesen ist. Die Darstellung, die nach einem Abschluß verlangt, muß sich damit abfinden [GZ5]. 2 9 Erinnerung und Wahrheit sind natürlich und konstruiert zugleich. D i e Autobiographie ist prinzipiell unvollendbar aufgrund der Prozeßhaftigkeit der Erinnerungen. D e r Autobiograph stiftet den Zusammenhang der Einzelfakten des Gedächtnisses als Souverän seines Textes. D e r Niederschrift der Autobiographie als A k t bewußter künstlerischer Formung haftet ein M o m e n t der Dezision an. Wie aber steht es mit der Frage nach der Wahrheit und Wahrhaftigkeit von Erinnerungen, einer Frage, die den Leser immer beschäftigt und beschäftigen muß, weil die Darstellung kein freies Spiel der Einbildungskraft sein kann? Sie kann es nicht sein und strebt doch danach, denn Erinnerung ohne Einbildungskraft ist nicht einmal denkbar. Dieses Dilemma wird sich im Leben jedes Menschen anders darstellen [GZ 5f.]. D i e Unterscheidung zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit ergibt sich aus der U n terscheidung zwischen Erinnerung und Gedächtnis. Wahrheit zielt auf die Erinnerung, Wahrhaftigkeit auf das Gedächtnis. Daraus ergibt sich eine Aporie als anthropologische Konstante. Wahrheit und Wahrhaftigkeit müssen letztlich miteinander identisch werden, da sie jeweils Totalitäten sind, können es aber de facto nicht sein. Wahrheit ist als »etwas Gemeinsames« [GZ 6] konzipiert, intersubjektiv und prozeßhaft. Das Schwierige des Unternehmens, sein eigenes Leben darzustellen, liegt nicht in der genauen Wiedergabe der Daten und Fakten und ihrer Anordnung; es liegt auch nicht darin, daß ich genau wiedergebe, was sich zugetragen hat, so nämlich, wie es sich damals zutrug, als es geschah. Streng genommen kann ich so nicht verfahren, denn ich muß über den Zu-

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Vgl. dazu Ausführungen aus Gedächtnis und Erinnerung, wonach »das Gedächtnis nicht etwas zum Denken des Gedachten hinzukommendes ist, ein Behältnis für Inhalte, sondern nur ein Wort für das gesamte Denken des Gedachten« (Friedrich Georg Jünger 1957, S. 28). »Wenn jemand eigene Erinnerungen aufzeichnet, seine eigene Geschichte, so wird er, um Zusammenhang in das Erinnerte zu bringen, am >Faden< seines Erinnerns zurückgehen, wird versuchen, es wie jedes Geschehen in eine chronologische (zeitliche) und pragmatische (sachlich-räumliche) Ordnung zu bringen. In jedem Moment seines Erinnerns bezieht sich das Wahrnehmen auf einen bestimmten Moment der Vergangenheit, seiner Vergangenheit. Im Gedachten ist eine solche Beziehung nicht vorhanden. Das Gedachte kehrt wieder; nicht aber kehre ich in seiner Wiederkehr zu mir zurück« (Friedrich Georg Jünger 1957, S.59). 303

schnitt hinaus, der einer historischen Untersuchung angemessen ist. Begreife ich mein Leben als Einheit und nicht nur als einen Fortgang in Raum und Zeit, dann hat der Anfang eine Beziehung zum Ende und das Ende eine zum Anfang. Die Zukunft wirft so gut ein Licht auf die Vergangenheit wie umgekehrt. Auch läßt sich von dem Ganzen nichts abtrennen, es gibt kein isoliertes Geschehen mehr, denn der Bezug ist ein allseitiger. Damit hängt das Empfinden zusammen, daß unser Leben nicht linear verläuft, sondern sich rundet. Zeit und Raum runden sich so stark, daß unsere Begriffe von ihnen sich verändern, denn wir merken schon im voraus, daß sie uns im Augenblick unseres Todes nichts mehr sind und nichts mehr zu sagen haben [GZ 6f.]. D a s in der Erinnerung rekonstruierte Leben bildet eine einheitliche Gestalt. Analog zur Unterscheidung von Gedächtnis und Erinnerung ergibt sich die Unterscheidung des Lebens als Fortgang in Zeit und Raum vom Leben als gestaltete Einheit. D i e gesamte Konzeption von Erinnerung, Wahrheit, Leben - im Gegensatz zu Gedächtnis, Wahrhaftigkeit, L e b e n als Fortgang - schillert, da sie als natürlicher Proz e ß vorgestellt, zugleich aber als souveräne Konstruktion gedacht ist. D a s Verhältnis beider Komponenten zueinander wird nicht geklärt, ist auch nicht zu klären. Sowohl in Grüne Zweige wie in Spiegel der Jahre geht es um die Umsetzung des Konzepts Leben als Einheit. In Formulierungen wie >begreife ich mein Leben ...< wird der dezisionistische Zug des Unternehmens erkennbar gemacht. D e z i s i o n und Wuchs sind die beiden A s p e k t e des autobiographischen Erzählens: Was mich bei der Betrachtung von Pflanzen immer beschäftigte, war die Beobachtung, wie die Pflanze, die aus einem winzigen Samen aufschießt, sich in diesen Samen wieder zurückzieht, ein Vorgang, der wegen seiner Lautlosigkeit den meisten entgeht. Wir sind keine Pflanzen, aber nicht ohne das Bestreben, einen solchen Kern zu hinterlassen und in nuce anschaulich zu machen, was wir auf diesem Wandelstern zu tun hatten. Die Aufzeichnung von Erinnerungen ist dazu ein Mittel [GZ 7]. Mit dem Bild v o m Samen als Kern der Person wird in nuce der Lebenssinn anschaulich gemacht. D i e Aufzeichnungen der Erinnerungen geben sich zu erkennen als Plan, den Sinn eines Lebens zu beschreiben und ihn dezisionistisch zu konstruieren: Ich bezeichne hier das, was sich meiner Erinnerung so eingeprägt hat, daß es in einem Zusammenhang erkennbar wird, und ich hoffe, daß in diesem Versuch keine Anmaßung liegt. Der Zusammenhang wird erst durch Nachdenken sichtbar, und Nachdenken ist Erinnerung. Wer nicht das Verlangen spürt, aus seinem Leben ein Ganzes zu machen, nichts darin als Zufall stehenzulassen, der vegetiert nur. Hier aber findet eine Auswahl statt, die wir nicht vorhersagen und vorherbestimmen können. Ereignisse, die uns wichtig schienen, denen wir eine bestimmende Kraft einräumen, verlieren ihr Gewicht und treten zurück, während Unscheinbares sich erhält und starkes Licht auszuströmen beginnt. Unscheinbar sind oft die Verknüpfungen und Zwischenglieder, durch die unser Leben verändert wird. Das was Zukunft hat, ist als Samenkorn immer schon da, ist schon in unserem kindlichen Denken vorhanden; nicht alles aber keimt zu gleicher Zeit [SdJ 94f.]. In der Retrospektion soll die Kontingenz des Lebens, der Zufall, in Notwendigkeit und Ganzheit überführt werden. In diesem Licht ist die gestaltende Leistung der Erinnerung von besonderem Gewicht. Solche Gestaltung ist nicht arbiträr, weil sie an die Fakten des Lebens gebunden ist, aber zugleich unabhängig davon, weil Sinn prozeßhaft ist. Die Perspektive ist das zentrale Element der Sinnstiftung.

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Erwin Guido Kolbenheyer Auch in Sebastian Karst über sein Leben und seine Zeit ist die Reflexion über autobiographisches Schreiben zugleich Selbstreflexion. Z u m Abschluß seiner Niederschrift hat Kolbenheyer die Vorrede geschrieben. Karst hatte als dichterischer und philosophischer Schriftsteller einiges Ansehen gewonnen. Im vorgerückten Alter entschloß er sich eine Beschreibung seiner selbst zu versuchen. Sein Lebenswerk war zu einer gewissen Abrundung gekommen und auch das Leben nicht seines nur, auch das seiner Zeit. Der zweite Weltkrieg und sein Ausgang hatte tief in das Schicksal des Volkes eingegriffen, auch das Volk schien vor eine Wende gelangt zu sein. Karst wollte über ein Erlebnis, das ihn von früher Jugend an zur objektiven Betrachtung gelockt hatte, über das Erlebnis seiner eigenen Person, eine letzte Klarheit gewinnen, damit auch über seine Lebenswelt, über den »Parakosmos«, wie er sie nannte, in ihrer Umbruchszeit. Geweitete, möglichst unbefangene Selbstbetrachtung ist lebenslang die eigentliche Schule aller dichterischen und philosophischen Bemühung. Karst wollte also sein Leben in einem Bilde zusammenfassen. Die Meditation war schon 1942 geplant, wenn man bei Karst überhaupt von Planung sprechen kann. Erst aber im Frühjahr 1944 begann er mit der Schrift. Und so begleiteten diese Bildfolgen die Schicksalswende, die über das Schicksal des deutschen Volkes hinausging. Erst im Juli 1949, im Exil eines abgelegenen Waldwinkels ober dem Isartal, wo Karst mit seiner Frau Zuflucht gefunden hatte, erreichte die Darstellung des persönlichen Lebenslaufes und auch die der Ereignisse während der Niederschrift den Knotenpunkt. So konnte das Lebensbild einen Abschluß finden, der dann nur noch eines Nachwortes bedurfte [SK 1/7], D i e Autobiographie soll Leben und Werk abrunden und miteinander verknüpfen. Ihr kommt zentrale Funktion für den Schriftsteller Kolbenheyer zu. A n der objektiven Betrachtung der Figur Sebastian Karst soll das Experimentum crucis für die Gültigkeit der Bauhüttenphilosophie durchgeführt werden. Kolbenheyer sieht Werk, Leben und Zeit als aufeinander b e z o g e n e und miteinander sich entwickelnde Einheiten als Themenstränge der Lebenserzählung an. Kolbenheyer verfolgt die Absicht, die diachrone Dynamik eines Lebens in ein statisches Kunstwerk zu überführen. D a s G e g e n m o d e l l dazu bilden Memoiren, in denen sich Politiker vor >den Lesern der Tagesblätter und des sensationell eingestellten Buchhandels entblößen< [vgl. SKIII/140], aber auch »biographische[ ] Rep o r t a g e ^ ] « [SK 11/427], wie sie - so Kolbenheyer - »jüdische[] Talente[]« [SK II/ 427] wie Stefan Zweig pflegen. Keines seiner Bücher war nach dem ersten Satze anders geworden, stets ein Werden ins Ungewisse hinein. [... E]s war immer weitergewachsen nach diesem Satz. Darauf konnte er sich verlassen. Dispositionen kannte er nicht, er haßte sie: sie konnten den inneren Wuchs nur stören. Nichts darf festgelegt sein. Nur keine Rationalismen! Es mußte werden - Es [SK 1/27], D i e biologische Wuchsmetaphorik begründet die natürliche Notwendigkeit des Werkes und die Einheit von Leben und Werk. Ausführlich wird zu Beginn des autobiographischen Unternehmens in der Rahmenerzählung der Status des Textes reflektiert. Mittels der Stichworte >Meditation< und >Selbstbetrachtung< stellt sich Kolbenheyer in die Tradition der philosophischen Selbstreflexion, die mit Hilfe des 305

Methodenarsenals moderner Naturwissenschaften durchgeführt werden soll. Introspektion gilt aufgrund der Partizipation am Leben als Erkenntnismöglichkeit. In der fortlaufenden Rahmenerzählung wird die Reflexion auf den Text immer wieder im Sinne einer Selbstvergewisserung aufgenommen. Dabei verliert Kolbenheyer über die lange Strecke der drei voluminösen Bände die Bezeichnung >Meditation< etwa ab dem ersten Drittel des zweiten Bandes immer mehr aus den Augen. 30 Im weiteren Verlauf werden dann die Bezeichnungen »Lebenserinnerungen« [SKIII/8], »Betrachtungen meines Lebens« [SK 111/89], »Chronik meines Lebens« [SK III/ 402] oder »chronikalische Aufzeichnungen« [SK III/476] verwendet. Das ist sicher darauf zurückzuführen, daß Kolbenheyer auf Wuchs und nicht auf Disposition gesetzt hat; es zeigt aber auch, daß im Verlauf der Niederschrift die Bedingungen für eine souveräne Meditation immer weniger gegeben waren. Die Reflexion über die Funktion der Meditationen wird von herkömmlichen Motiven von Autobiographen abgegrenzt. Es gehe weder um den »Hang, exemplarisch zu wirken,« noch um »ein[en] Trieb, mich zu entlasten« [SK 1/30]. Kolbenheyer zielt aufs Ganze. Der Vergewisserung darüber, daß »er eigentlich da [stand], wo das Atemholen der Selbstbesinnung und die Meditation über ein Leben erlaubt ist« [SK 1/24], folgt das Abwägen der Frage nach dem Ausmaß der Meditationen. Die Beschreibung der eigenen Person ist an eine Grenze gebunden. »Aber wie jeder andere bin auch ich meines Ich erst etliche Jahre nach meiner Geburt gewiß geworden. Und nur von dieser Zeit an können Selbstbetrachtungen gelten. Vielleicht liegt diese Zeit auch auf der Grenze, dahin die Erinnerung zurückreichen kann, darin sich also Erinnerung zu bilden beginnt« [SK 1/30]. Von der Überschreitung dieser Grenze ist abhängig, ob die Meditation ferial ist oder nicht [Vgl. SK I/30].31 Natürlich kann eine innerhalb dieser Grenze bleibende Selbstbeschreibung nicht den würdigen Abschluß des Lebenswerks darstellen. Der Selbstbetrachter benötigt eine >göttliche< Perspektive. D a s Lebendige ist eine planetarisch bedingte Existenz im Spiel der Mannigfaltigkeit seiner Individuationen. Ohne Pflanzenwuchs kein Tierleben - ohne die Fauna und Flora einzelliger Lebewesen keine Entwicklung und auch kein Fortbestand der Organismen - ohne Stämme-, Familien- und Volksgemeinschaft kein Leben des Kulturmenschen. Diesen Abstand vom Ich muß der Selbstbetrachter gewonnen haben, wenn er über das eigene Leben meditieren will. Ich stehe hier unter einer bekenntnisschweren A b s i c h t . . . also doch nicht »ferial«, dieses Beginnen. Mir ist, als stünde ein suchender, fragender, fordernder Wille aus dem unfaßbar Allgemeinen auf, das in meinem Lebenswerke, so tief nur immer es reichen mag und kann, einen Teil innerer Erhellung und Befreiung hätte finden sollen. Es ist mein Volk - ein Teil meines Volkes, der vor mir und in mir aufsteht, wann immer ich die Feder ansetze. Dieses im meta-

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" Belege für >Meditation< finden sich nach der Eingangsreflexion noch SK 1/178,1/399,11/98. Vgl. Peter Dimt 1982, S. 16, S.202. 31 »Da ich mir in diesen Heften j e d e Lust der Abschweifung gestatten möchte - immer noch in dem Wunsche nach einem ferialen Unternehmen - kehrt auch die Verlockung wieder, zu den Entwicklungsgründen meines eigenen Lebens zu gelangen. Werde ich dann die gewünschte Behaglichkeit gewinnen und behaupten können?« [SK 1/46].

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physischen Sinne überhebliche Gefühl habe ich zu büßen. U n d so sind die Meditationen, so behaglich ich sie mir erträumt habe, dort in meinem Rohrstuhl mit der Wangenlehne, nicht ferial, sie müssen ihren Sinn suchen und finden, und der bleibt außer mir. Ich muß Abstand nehmen, metaphysischen Abstand, von meinem Ich - da hört sich natürlich die Behaglichkeit auf. *

D a s Zufallsspiel der Natur zu begreifen, das im Augenblicke der zeugenden Befruchtung ein Schicksal wird, und dieses Schicksal am eigenen Leben zu entwickeln, das lockt den Selbstbeobachter [SK1/48].

Hier ist in nuce die Stellung des Autobiographien in der Welt auf den Punkt gebracht, der im Verlauf der Niederschrift immer wieder und immer neu amplifiziert wird. Welt bildet mittels der Existenz des Lebendigen eine Ganzheit, wo eines mit dem anderen notwendig zusammenhängt und aus dem anderen folgt. Kolbenheyer verknüpft gleichzeitig grenzenlose Anmaßung und Bescheidenheit. Zum einen ist es nichts geringeres als >sein Volks das schreibt, wenn er schreibt; zum anderen ergibt sich der Sinn seines Lebens nicht aus der Individualität, sondern nur aus überindividuellen Zusammenhängen. Sinn kann der Einzelne demnach nur gewinnen, wenn er sich in diese überindividuellen Zusammenhänge einordnet. Kolbenheyer konzipiert seine Autobiographie als Kernbuch seiner Existenz als Schriftsteller und Mensch. Sie soll den Ort des Menschen Karst im Ganzen des Kosmos beschreiben und Sinn produzieren. Die Notwendigkeit, mit der die Herleitung des Werks aus dem Leben, des Lebens aus dem Volk, des Volks aus der Fauna und Flora begründet wird, führt Kolbenheyers Unternehmen in die Zerreißprobe. Je länger die Niederschrift dauert, je mehr also sich seine äußeren Rahmenbedingungen ändern und je steiler der Abfall vom Gipfel wird, desto mehr muß erfahrene Kontingenz in sinnvolle Notwendigkeit verwandelt werden.

Ernst von Salomon Ernst von Salomon betrachtete den Fragebogen nicht als Abrundung, sondern als konsequente Fortsetzung seiner bisherigen Arbeit. Die autobiographische Grundlage des Gesamtwerks ist für Salomon selbstverständlich. Im Einleitungskapitel des Fragebogens tritt an die Stelle einer diskursiven Entfaltung der Antwort auf die Frage nach der »in Frage kommendefnj Stellung« [F 13] die Erzählung der Umstände, unter denen Salomon zum Schriftsteller geworden ist. Die Technik der Umsetzung von Selbstreflexion in autobiographisches Erzählen ist ein grundlegendes Verfahren des Buches. Die Geschichte vom Beginn der schriftstellerischen Laufbahn ist als selbstdefinierende Geschichte gestaltet, als Ursprungsepisode. Salomons selbstironische Beschreibung als »armer, fahrender Ritter unserer Zeit« [F14] ist nicht nur ein impliziter Kommentar zu seiner Vergangenheit als Kadett, Freikorpskämpfer und Terrorist, sondern auch eine Distanzierung von seiner alten Identität und der Ausdruck des Ausscherens aus der Familiengeschichte zum Beruf des Schriftstellers. Der Weg dorthin beginnt mit dem Interesse der Ärztin am »erste[n] Zusammenprall eines Menschen, der jahrelang völlig abgeschlossen gelebt habe, mit der freien Welt« [F23]. Diese Erfahrung wird zunächst über eine 307

mündliche Erzählung des ersten Tages in Freiheit vermittelt. Nur ihr Anfang wird im Text an dieser Stelle mitgeteilt, weil es auf die Genese der Schriftstellerexistenz ankommt. Mit Bescheidenheitsfloskeln wird das autobiographische Erzählen zunächst zurückgewiesen [vgl. F 24], Der häufigen Aufforderung, von seinen Erlebnissen zu berichten, kam Salomon ungern nach, »weil ich sehr wohl wußte, wie wenig ich noch mit den Dingen fertig geworden war und weil die Gefahr bestand, mich in die Neigung zu verlieren, Mittelpunkt eines Interesses zu sein, das keinesfalls auf mein Verdienst zurückgeführt werden konnte« [F24f.]. Die gattungstypische Aufforderung zur Verfertigung der Autobiographie geht von der Ärztin aus, indem sie ihn dazu auffordert, seine mündliche Erzählung niederzuschreiben. Sie publiziert sie ohne sein Wissen und händigt ihm sein Honorar aus [vgl. F26], Im anschließenden Gespräch wird bezogen auf die Schriftstellerexistenz das bereits angesprochene Problem von Beruf und Berufung entwickelt. »[...] Ich habe nichts weiter gelernt, als Bettücher säumen und Hammerstiele hobeln [...] Es ist eine wirkliche Funktion, und ich kann es mir nicht vorstellen, daß es eine höhere Forderung gibt, als seine Funktion richtig zu erfüllen.« »Sehr löblich«, erwiderte Fräulein Dr.Querfeldt. »Nur haben Sie eine andere Funktion zu erfüllen!« und setzte verbissen fort: »Schreiben!« »Das ist eben keine!« rief ich verzweifelt aus [F27],

Die für die moderne Existenz typische Differenz zwischen Beruf und Berufung wird am Beispiel des modernen Schriftstellers reflektiert. Ihm bietet sich die Möglichkeit, aufgrund des »ungeheuerlichen Bedarfs der ständig laufenden Rotationsmaschinen« [F 28] problemlos seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das aber wäre keine Funktion, sondern Identitätsverlust, ein sich Aufgeben in der Welt der Freiheit. Worauf es im Gegenteil ankommt, expliziert Salomon an einem Beispiel. In der Haft nutzte ich einmal eine günstige Gelegenheit, als mir Papier und Bleistift zur Verfügung stand, ein Tagebuch zu führen, in der Absicht, sogleich zu fixieren, was mich bewegte, in dem Wahn, dies sei der richtige Weg, die wirkliche und wahrhaftige Wahrheit festzunageln. Dies Tagebuch erwies sich später als völlig unlesbar, es war wirr, voller Ressentiments und Überheblichkeiten, es hatte mich noch während der Haft selber dieser Kunstgattung auf ewig entfremdet. [F28].

Autobiographisches Schreiben bedeutet nicht Fiktionalisierung von Erfahrungen, sondern Niederschrift von Wahrheit, oder, mit einem von ihm verwendeten Ausdruck, Nähe zum Leben. Insofern ist seine Absage an die Phantasie folgerichtig, da sie »grundsätzlich ein Ding [sei], daß sich vom Leben entferne, und das sei genau das Gegenteil von dem, was ich erwarte« [F28]. Aber mich hatte das Feuer des heiligen Zornes gefaßt. »Und sie wissen es!« rief ich aus, »sie wissen es, warum versuchen Sie es sonst, eine Autokratie des Geistes zu postulieren? Armseliges Surrogat einer Macht für die, welche mit Recht zu anderen Mächten nicht zugelassen sind! Was repräsentieren sie denn«, rief ich, »wenn sie sagen, sie repräsentieren die Macht des Geistes? Sie repräsentieren sich selber, weniger als sich selber, das Echo von sich selber! Sie reden von sich selber, sie schreiben von sich selber, sie reden und schreiben für sich selber, alles, was sie reden und schreiben ist Autobiographie! Von einem aber ...«, bellte ich und richtete meinen Finger auf Fräulein Dr. Querfeldt, als sei sie an allem schuld.

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»von einem aber schreiben sie nichts, die sie sonst von allem schreiben, was sie immer nur selber angeht: D a ß sie kein Recht haben zu dem Anspruch, den sie erheben! Mit all ihrer niederträchtigen Arroganz des Formulieren-Könnens, davon schreiben sie nichts. Aber gerade das müßte einmal geschrieben werden! Gerade das!! [F29],

Die Teilstücke zum Problem der Funktion des Schriftstellers sind ausschließlich ex negativo entwickelt und formuliert. Die Gesprächspartnerin hat in der Unterhaltung die Aufgabe, die Position der Kunstreligion zu vertreten, die vom Schlußvers von Hölderlins Andenken repräsentiert wird. »Ich löste, rief sie, mit meiner Auffassung vom Leben das ganze Getriebe der Welt in ein System von unfreundlichen und öden Funktionen auf. Was bleibet aber, rief sie emphatisch, stiften die Dichter!« [F 29] Das der Kunstreligion verpflichtete Konzept der Autonomieästhetik und damit auch der von Dichtern erhobene Anspruch auf Sinnstiftung wird von der erzählten Figur als Rückzugsposition der Moderne gegenüber zurückgewiesen. Wichtig ist in diesem Gespräch nicht nur der Austausch der Argumente, sondern vor allem die in den Kommentierungen der Redeweise formulierte ironische Distanz. 32 Sowohl die Tatsache, daß Salomon ausschließlich ex negativo argumentiert als auch die ironische Relativierung des emphatischen Engagements aus der Perspektive des älteren Salomon zeigen an, daß der Artikel über die Funktion des Schriftstellers nicht geschrieben wurde, weil er nie eine Antwort gefunden hat. Die Autobiographie ist aus der erzählerischen Reflexion dieses Lebensproblems entstanden. Salomon charakterisiert sich als Schriftsteller, der seine Profession nicht ernstnehmen kann. »Sollte ich Memoiren schreiben [...] Memoiren mit sechsundzwanzig Jahren? Auch Memoiren setzen ein langes und tätiges Leben voraus, und Dinge in diesem Leben, des Mitteilens wert« [F28]. Natürlich wird sein erstes Buch autobiographisch sein, und natürlich resümiert der alte Salomon: »Ich bin nun seit zwanzig Jahren Schriftsteller. Die hervorragenden Männer mit dem Donnerkeil der strengen Gewissensforderung mögen mir verzeihen, wenn ich bekenne, daß ich seit zwanzig Jahren gegen die Maßstäbe meiner Einsicht gehandelt habe.« [F 30] Das dauerhaft gültige Ergebnis ist die Feststellung: »jedenfalls lebe ich ohne Funktion« [F30].

Hans Carossa Im Lebensbericht, der als Fortsetzung von Führung und Geleit geplant war, schildert Carossa die zwölf Jahre seines Lebens im Dritten Reich. In diese Zeit fällt die Niederschrift und Publikation von Das Jahr der schönen Täuschungen (1941). Poetologische Reflexion über das Schreiben von Autobiographie findet sich in Ungleiche Welten als Reflexion der Arbeitsbedingungen des Dichters im Dritten Reich. Ein Berliner Amt forderte jetzt alle Dichter auf, die unvergleichlichen technischen Leistungen des neuen Deutschland »lyrisch zu bearbeiten«. [...] Mich aber führte die Folge meiner Einfalle zu der Jugendgeschichte zurück, die im ersten Weltkrieg begonnen worden war und mich nun in den zweiten hineingeleiten sollte. Die Gefahr, den Zusammenhang

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Beispiel: »Fräulein Dr.Querfeldt rang mit mir wie Jakob mit dem Engel« [F 29].

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mit der eigenen Vergangenheit und also mit sich selber zu verlieren, war vielleicht nie größer gewesen als in einer Zeit, wo ganze Völker die kostbarsten Juwelen ihrer Geschichte in den Staub warfen, und unbewußt besann sich die Seele wieder auf ihre frühen Erlebnisse, auch wenn diese auf Täuschungen beruhten, hinter denen aber doch die zarten Schutzgeister der Wahrheit standen. Daß ich auf gutem Wege war, bewies mir die frohe Stimmung, in welche mich die Arbeit versetzte, so daß ich wochenlang die politischen Vorgänge höchstens als eine lästige Störung empfand [UW 78].

Die Weiterführung des großen Autobiographieprojekts ist zunächst Abwendung von der politischen Instrumentalisierung. Sie läßt sich zwar begreifen als eskapistische Flucht aus der Gegenwart, ihre Funktion erschöpft sich aber darin nicht. Die Arbeit an der Autobiographie ist eine Konzentration auf den Persönlichkeitskern, der vorerst der totalitären Politisierung mit einigem Erfolg entzogen werden kann. Insofern fungiert die Arbeit am Jahr der schönen Täuschungen als Akt symbolischer Selbstdefinition. Carossa stellt explizit mittels der unmittelbaren Anknüpfung an ein zwanzig Jahre altes Projekt Werkkontinuität her, die zugleich Lebenskontinuität repräsentieren soll. Der explizite Hinweis auf den drohenden Identitätsverlust stellt die therapeutische Funktion der Arbeit heraus. Über die eigene Identität hinaus steht die Annäherung an Wahrheit zur Debatte. >Wahrheit< ist in der klassischen Tradition als auf Goethe zurückgehender emphatischer Begriff aufzufassen. Zur Grundlage von Goethes Autobiographiemodell gehört eine eudaimonistische Weltkonzeption, in der der »viel verlachte Engel der Humanität« [UW 13] >waltethöhere Biographie< entwickelt Hillard ausführlich in Rezensionen und in seinem Essay Über die Selbstbiographie. Inhaltliche und formale Kriterien gehen dabei durcheinander. Einheitlichkeit, Anschaulichkeit, Ganzheit müssen in einer künstlerischen Autobiographie gegeben sein - sie muß als Kunstwerk im klassischen Sinn das »Erlebnis des Persönlichen« 49 vermitteln. Mit dem Wahrheitsanspruch hängt die Distanz des Autobiographen zu sich selbst zusammen. »Der Erkennende ist zugleich Gegenstand der Erkenntnis, ist Deutender und zugleich Ergriffener, ist Handelnder und zuleich Leidender. [...] Es besteht daher in einer Selbstbiographie kein deutliches Subjekt-Objekt-Verhältnis. Vielmehr fließen beide ineinander oder werden überhaupt identisch. Dadurch eignet einer Autobiographie eine besondere Art von Wahrheit, in der subjektive und objektive Wahrheit zusammenfallen.« 50 Ihre Statik läßt die Selbstbiographie der Historiographie im Hinblick auf die >Wahrheit über das Wesen des Menschern überlegen werden, da das Konstrukt Geschichte aufgrund der jeweiligen Veränderung der Perspektive, aus der heraus sie entsteht, niemals diese Festigkeit der Form erreichen kann. 51 Die Selbstbiographie bezeichnet genau den Ort, an dem die Situation der Persönlichkeit in der Zeit hält. Im Räume des erudierten deutschen Humanismus, in der Luft des Bildungszeitalters, manifestiert die Selbstbiographie nach dem Vorgange von »Dichtung und Wahrheit« den gesicherten Wert der Persönlichkeit, die Mannigfaltigkeit ihrer Denkformen und ihrer Diktion. Heute, nach dem Verfall überpersönlicher Bindungen den unpersönlichen kollektiven Mächten der Normierung und Reglementierung preisgegeben, ist das individuelle Leben in die Position einer illegalen Widerstandsbewegung geraten. Je mehr andere literarische Formen sich ihm versagen, um so mehr ist die Persönlichkeit, um sich ihrer selbst zu vergewissern, um sich selbst zu bekennen und zu enthüllen, um ihre Einmaligkeit

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Gustav Hillard 1952, S. 1183. Gustav Hillard 1955, S. 240. 4 " Gustav Hillard 1949, S. 1149. 49 Gustav Hillard 1952, S. 1183f. 50 Gustav Hillard 1955, S.244. 51 »So steckt im allgemeinen in der Selbstbiographie mehr objektive Wahrheit über das Wesen des Menschen als in der geschriebenen Geschichte. D e n n während in der Selbstbiographie der Ring des Subjektiven und Objektiven sich schließt, vollzieht sich in der Geschichtsschreibung eine ständig sich verändernde Begegnung von Subjekt und Objekt. Oder wie man es gewöhnlich ausdrückt - jede Epoche schreibt die Geschichtc neu« (Gustav Hillard 1955, S. 245). 47

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und Einzigartigkeit zu verlautbaren, auf die Selbstbiographie verwiesen. D e n n der Sockel, auf dem sich die Selbstbiographie wie eine Pyramide des Erlebten und Erfahrenen, des Urteilens und Betrachtens erhebt, ist zu allen Zeiten das Humanum geblieben. 5 2

Hillards Zeitdiagnose konstatiert einen allgemeinen Verfall des Humanums in der Gegenwart. Seine Gedanken gehören in den Umkreis der in den fünfziger Jahren vielfach diskutierten kulturkritischen Überlegungen vom verwalteten Menschen. Hillard stellt fest, daß mit der Infragestellung der Gestalt und Person auch das Humanum fragwürdig und problematisch geworden oder überhaupt verlorengegangen ist. D a s Humanum war aber bisher die Grundlage der erzählerischen Kunst. Heute zeigt sich ein Inhumanes als Signatur der Zeit. Womit natürlich nicht Anti-Humanität, sondern die Entmenschlichung der Kunst, die Abdankung des Menschen in der künstlerischen Darstellung gemeint ist. [...] D a s heimatlos gewordene Humanum sucht eine Zuflucht im Autobiographischen. D e n n von dort kann es nicht vertrieben werden, weil das Fundament einer Autobiographie unausweichlich das Humanum bleibt - im Guten wie im Bösen. 5 3

Die Selbstbiographie als Residuum des Humanums ist die adäquate Gattung des Zeitalters. Abgestützt wird dies mit dem Hinweis auf Schopenhauers Wertschätzung der Biographie. 54 Die Widerspiegelung der Komplexität des Lebens, die Hillard von der Autobiographie verlangt, ist von verschiedenen Kriterien abhängig. Das Bild der Spiegelung weist aus, daß die Kriterien, die Hillard für die Selbstbiographie formuliert, auch für die Individualität an sich gelten. Die Autobiographie muß mehr bieten als die einfache Niederschrift eines Lebens. »Gegenüber dem autobiographischen Roman und seinen Varianten hat die Selbstbiographie das Merkmal der Direktheit, gegenüber dem Tagebuch hat sie die Distanz von der Ereignung des Geschehenen. Unmittelbarkeit und Abstand verleihen dem Humanum der Selbstbiographie die unverwechselbare, lebendige und eigne Qualität, welche ihr in einer Zeit der inhumanen Abstraktionstendenzen ihre außerordentliche Bedeutung zuspricht.«55

5.1.3. Die Autobiographie als >Bildnis eines Lebens< Alle Autobiographen wollen ihr Leben in einem Bild fassen. 56 Das >Lebensbild< ist die dem lebensphilosophischen Denkmodell entsprechende Form der Erzählung einer als Emanation des Lebens aufgefaßten Biographie. Metaphern werden den Be-

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Gustav Hillard 1955, S. 245. Gustav Hillard 1955, S.243. Vgl. das Zitat aus Die Welt als Wille und Vorstellung-, Gustav Hillard 1955, S.240: »>Ich muß sogar, in Hinsicht auf die Erkenntnis des Wesens der Menschheit, den Biographien, vornehmlich den Autobiographien, einen höheren Wert zugestehen als der eigentlichen Geschichte, wenigstens wie sie gewöhnlich behandelt wird.Gestalt< evozieren. » D i e Sprache der LI [Lebensideologie] ist notwendig eine metaphorische, bildliche Sprache - nur das >Bild< vermag die >Ganzheit< des >Lebens< wiederzugeben, während der tote >Begriff< die Fülle des >LebendigenBild< wird vielseitig verwendet und kann elementare, einfache Einheiten bezeichnen, aber auch zu beliebiger Komplexität gesteigert werden. Ein Bild ist in seiner einfachsten Form Resultat eines Wahrnehmungsaktes und entsprechend in der Erinnerung aufbewahrt. 5 9 O b nun Blunck »Bilder v o m Lornsenplatz in Altona« [LadZ 9] in seiner Erinnerung auftauchen sieht; o b Ernst Wiechert von einer Klassenfahrt in seine Heimat schwärmt, »noch heute stehen diese Tage wie ein beglänztes Bild vor der sich rückwendenden Seele« [JuZ 546f.]; oder ob Schneider v o n seinem letzten berliner Besuch im Krieg »noch einige Bilder, Begegnungen, auf d e n e n die R e f l e x e dieses Geschehens liegen« [VT 128], notiert: D i e Beispiele lassen sich beliebig vermehren. D i e abbreviierte Vergegenwärtigung komplexer Zusammenhänge können Bilder als Bausteine asyndetischer Reihungen leisten. 6 0 Aufgrund solcher Bildparata-

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Martin Lindner 1994, S. 113; vgl. ausführlich S. llff. Friedrich Georg Jünger kritisiert Bergsons Philosophie sub specie vitae, weil »Leben, so wie heute von ihm gesprochen wird, [...] etwas Abstraktes [ist]. Der elan vital ist schon eine Mechanisierung« [SdJ 136]. Eine ähnliche Gedankenfigur findet sich in anderer Wertung bei Friedrich Georg Jünger (vgl. SdJ 152f.). In der Begegnung mit Dr. Querfeldt muß sich Ernst von Salomon die entsprechende Kritik gefallen lassen: »Ich löste, rief sie, mit meiner Auffassung vom Leben das ganze Getriebe der Welt in ein System von unfreundlichen und öden Funktionen auf« [F 29]. Vgl. Friedrich Georg Jünger 1957, S. 93ff. »Von ihm konnte man sagen: er grünt vor Erinnerungen. Ich merke ihm an, daß die Zeit an seinen Erinnerungen arbeitet. Wo sie es nicht tut, dort erinnern wir nicht mehr« (Friedrich Georg Jünger 1949, S. 13). Beispiel: »Uralte Rhythmen, Wandel der Wasser und der Erden, Züge der Ähren, FeldZüge, Wandern der Früchte, Kämpfe des Korns, Tragödien von Klima und Gestein im Blut des Vaters; nordische Siegschaft, urturanisches Tao kurz verglichen im Blick der Mutter - : unbegreiflich ferne Wogen von Bildern und Erlebnis plötzlich in dem eigenen Erbe ungestillter Antithesen« [LE/Lel 355]; vgl. Ρ11, SdJ 28f., LiE 160, F174. 315

xen und des Antirationalismus der meisten Autoren finden sich in einigen Beispieltexten, in besonderer Dichte bei Wiechert, vielfach Katachresen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Fehler, vielmehr kann aufgrund der Kombination logisch widersprüchlicher Bilder die Transzendierung der Ratio und der Verweis auf das Ganze des Lebens zur Geltung gebracht werden. Schon im Wort ist ein metaphorisches Verständnis angelegt, ohne daß die Verbindung zur Wahrnehmung verloren geht. In solchen Fällen handelt es sich nicht mehr direkt um Bilder des Wahrnehmungsapparates als vielmehr um Bilder der Seele, wie der entsprechende Ausdruck heißt. 61 Gelegentlich verwenden die Autoren Bezeichnungen aus der modernen Fotografie und Kinematographie zur Verdeutlichung dieses Phänomens. 6 2 Das >Bild< konnotiert Authentizität und Wahrheit. Für Blunck ist selbstverständlich, daß göttliche Wahrheit mittels Bildern transportiert wird oder elementare und historische Wahrheit über Bilder zugänglich ist. 63 Ein Bild vermag, so Bronnen, »zu den fast verlorenen Wurzeln meines Seins« [P 73] zurückzuführen. Bilder sind der Zeit enthoben [vgl. G Z 55], Umgekehrt ist es möglich, »das Bild der Wahrheit in ihren zartesten Konturen herauszusublimieren« [F 12], Die Deutlichkeit und Klarheit einzelner Erinnerungsbilder ist grundsätzlich interpretierbar als Maßstab für Lebensintensität. 64 Als Ergebnis einer Syntheseleistung kann das Bild der Zersetzung entgegengehalten werden. 6 5 Ernst Wiechert hebt einmal hervor, ihm schließe sich »das Bild des vergangenen, so langen Jahres langsam aus seinen Teilen zusammen, rückte in eine klare, übersehbare Ferne, und wurde statt eines Gewebes aus Tag und Nacht, das ich noch unter den Händen hielt, etwas aus mir Herausgenommenes, ein Bild eben, ein Erfahrenes, das langsam und schön beglänzt zurückglitt« [JuZ 391f.]. Ein seelisches Bild der Heimat ist auf einen solchen Prozeß zurückzuführen [vgl. JuZ 524f.]. Otto Flake vermerkt dies genau: »Das Bild prägte sich mir ein; wir fassen Dinge, die

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Beispiele: »Und der letzte und vielleicht endgültige Verlust meiner Heimat hat mich deshalb auch weniger schwer getroffen als die meisten, weil man nur die äußere Form verlieren kann, nicht aber das unberührte Bild, das tief in unserem Herzen liegt« [JuZ 399]; vgl. LadZ 21 f. Beispiel: Wiechert: »Daß ich in den Gestalten des Hauptmanns (im Wald) und des Totenwolfes die übersteigerten Bilder dessen zu projizieren versuchte, was ich nicht besaß« [JuZ 482]. Flake: »Geduldig wartete ich, bis sie jede Schönheit genossen, ihr Gefühl in Worte gekleidet hatten, und war inzwischen damit beschäftigt gewesen, die entgegengesetzte Szenerie auf meine wort- und apparatlose Art zu fotografieren. Ich kann sagen, daß die Bilder noch heute vor mir stehen« [ E w A 26]; vgl. E w A 156, SdJ 14, U W 79. Vgl. L a d Z 114, U Z 111. Beispiel: »Die Verwandlung eines nicht mehr lebenden Menschen in eine Vorstellung war ein seltsamer Vorgang. Entweder wurde er zu einer intensiven Erinnerung, zu einem Bilde, oder zu einem matten Schemen. Die Frau, die mich verlassen hatte, war zum Schemen geworden, bevor ich von ihrem Ende erfuhr. Ich hatte in der Ehegeschichte des Old Man die Lösung durch den Tod vorweggenommen, durch Krankheit« [EwA 551], vgl. F 1 7 8 . » D e n n das Menschengesicht und das Menschenherz sind das Blut, mit dem er seine Bilder erfüllt. Nicht Gedanken, nicht Ideen, sondern nur der Mensch« [JuZ 585].

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nichts miteinander zu tun haben, zusammen und halten es auch so mit den Sternbildern« [EwA 283], Im Bildbegriff ist über die Verbindung zum Wahrnehmungsapparat der Bezug zur Vision und zur Schau angelegt. Das >Bild der Seele< markiert schon die Ablösung vom konkreten optischen Eindruck. Es handelt sich in solchen Fällen sozusagen um innere Bilder. 66 Obwohl die Bilder als authentisch und wahr gelten, bedeutet das noch nicht, daß sie damit automatisch richtig sind. Einzelne Bilder werden gelegentlich im Nachhinein korrigiert. 67 Das Bild als zentrale Kategorie der Wahrnehmung und Interpretation von Welt und als adäquate Ausdrucks- und Ordnungsformen des Lebens akzentuiert den ästhetischen Charakter der autobiographischen Narration. Dichtung wird als Erkenntnisform aufgewertet. Bilder sind elementare Einheiten der Dichtung, und besonders Mythen und Sagen sind aufgrund ihres Bilderreichtums hochgeschätzt. 68 Auch hier gilt, daß das Bild in seiner Komplexität beliebig steigerbar ist. Sowohl das einzelne Bild als Komponente eines literarischen Textes als auch eine gesamte Dichtung fallen unter den Begriff. 69 In diesem Sinn beschreibt Carossa seine Arbeitsweise: »Ich [...] mußte wie die alten Meister der Wandmosaiken Steinchen zu Steinchen setzen und wußte nicht immer voraus, was für ein Bild entstehen würde. Zu einem solchen musivischen Verfahren gehört nicht nur viel Geduld, sondern auch die stille Hoffnung auf eine nicht zu kurze Lebensdauer« [UW 134f.]. Im letzten Fall kann unter dem Bild sowohl der Text als auch sein Inhalt begriffen werden, ohne daß ein gravierender Unterschied gemacht würde. Autobiographen bezeichnen ihre schriftstellerische Tätigkeit gerne als >bildenMenschen und Götter< ausgestalten« [SK III/468; um Druckfehler bereinigt], »Ich selbst habe noch einmal in den Jeromin-Kindern versucht, keine Lehre zu geben oder ein Erbauungsbuch. Sondern das Bild einer Welt aufzustellen, die dem Untergang zutreibt, und in der doch Menschen leben, die ihre Hand in das rollende Rad legen« [JuZ 768]. Kolbenheyer benutzt >bilden< geradezu als feststehenden Terminus. »Im Erlebnis einer un-

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Da das >Bild< sowohl eine Wahrnehmungs- als auch eine Dichtungskategorie ist, kann es in beiden Verwendungszusammenhängen Symbol- oder Gleichnisfunktion übernehmen. In dieser Eigenschaft bringt das Bild per Verweis auf den hinter ihm liegenden Zusammenhang Wahrheit zur Geltung als »Zeichen unsichtbarer Zusammenhänge, in denen wir leben, ohne es zu wissen« [VT 169f.]. Diese Wahrheit würde durch den Begriff nur getötet. 71 Deutlich wird das an Reinhold Schneiders Urteil, die Psychoanalyse sei »nur eine Entschleierung bisher im Bilde geborgener Wahrheiten, im wesentlichen nur Bruch mit einer bisher unverletzbaren Konvention, mit der Scham und Scheu vor dem Abgrund in uns, vor dem aus der Meerestiefe tauchenden Ungetüm, das Hippolyt verschlingt« [VT 54f.]. Fungiert das Bild als Mittel authentischer Wiedergabe der Wirklichkeit wie als Mittel der Dichtung, ist der Unterschied zwischen Dichtung und Leben nur mehr gradueller Natur. Fiktionale und referentielle Rede rücken eng zusammen; sie sind nicht prinzipiell geschieden. Die entscheidende Abgrenzung ist die zwischen Bild und Begriff. Kolbenheyer, von Haus aus Biologe, plädiert für eine Biologie des Bildes. 72 Z u erinnern ist an das Bekenntnis Reinhold Schneiders: »Ich bin gar kein Denker. Nur in Bildern und Schicksalen komme ich ein wenig weiter. [...] Aber ich glaube, daß der Ausgang fast aller Philosophen ein ekstatischer oder visionärer ist: daß auch ihnen das Letzte aus Bildern quillt, die eben Plato geschaut, im höchsten Sinne gedichtet, Mythen gefunden hat« [VT 66f.]. Im Bereich der Sachprosa ist das Bild die Zentralkategorie der zeitgenössischen dichterischen Historiographie. Stefan Zweig etwa nannte seine Marie Antoinette ein >Bildnis eines mittleren CharaktersBildners< Goethe ( U W 31). 71 72

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Das kann ganz elementar gedacht sein. Vgl. SK 1/477 und H N W 4 0 als Beispiele. Beispiel: »Daran, über welche Gestaltungsstoffe ich zu schreiben gedrängt war und wie ich schrieb, habe ich das Wechselspiel der Wuchsentfaltung dieser verschiedenen, weithin eigenständigen Systeme beobachten gelernt. So auch konnte ich an den inneren und äußeren Entwicklungsumständen des Lebens die erbbedingte Wuchsentfaltung und ihre Manifestationen in Wort und Schrift beobachten und das Bild eines geheimnisvollen Vorgangs gewinnen« [SK U/138; Hervorhebung v. V.]. Vgl. Christoph Gradmann 1993, S.47f., S.129.

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rung und Bereicherung des Lebens; an Stelle des Wissens den Beruf, dem Leben eine Richtung zu geben. Es besteht daher kaum eine innere Gemeinschaft zwischen den beiden Bestrebungen; und es wäre genug erreicht, wenn eine Idee wenigstens die Existenzberechtigung der Andern anerkennen würde. Was des Forschers höchster Ehrgeiz ist: die Entdekkung eines neuen Dokumentes, einer neuen Perspective, könnte dem dichterischen Biographen nur eine neue Aufgabe bedeuten: darüber hinaus muß ihm die Durchseelung des Stoffes gelingen. 74

Historische Dokumente können als Emanationen des Lebens interpretiert werden, wie Kolbenheyer anläßlich der Quellenstudien zum Paracelsus-Roman hervorhebt. »Das Leben selbst, wie es sich mir aus den geschichtlichen Quellen und deren sprachlichen Dokumenten eröffnete, war meine Führung« [SK11/382]. Historische Artefakte werden ähnlich gedeutet. Die Stammburg Kaiser Lothars gilt Reinhold Schneider als »Gleichnis deutscher Geschichte, eindringlicher vielleicht als die großen Räume und feierlichen Handlungen in Rom, Aachen, Frankfurt« [VT 109]. 75 Mittels des Bild-Begriffs kann der historische Roman Kolbenheyers und anderer sogar zum historiographischen Erkenntnisinstrument aufgewertet werden. Blunck verfolgte das Ziel, »im >Hein Hoyer< ein Bild der Zeit zu schreiben« [SK 290]. 76 Von diesem Ausgangspunkt her wird ersichtlich, daß innerhalb der Autobiographie der Übergang zur Fiktion fließend ist. Denn so wie die Autoren als Ziel der Historiographie ansehen, daß ein Bild entstehe, ist es das Ziel der Kunst, »Bilder des Lebens [zu] formen« [VT 34], Seine höchste Komplexität erreicht der Bildbegriff in der Historiographie. Wiechert erhebt den Anblick eines betrunkenen Matrosen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zum Bild der deutschen Revolution: »Das erste gleichsam geschlossene und durchkomponierte Bild der Revolution erblicke ich im Wartesaal des Frankfurter Bahnhofs« [JuZ501f.]. Flake hebt mehrfach hervor, daß einzelne Teile seiner autobiographischen Erzählung »zum historischen Bild« [EwA 144] erforderlich seien. Alle Autoren wollen im Sinne dieses Bildbegriffs ein >Bild ihres Lebens< geben. Benn überlegt im Vorfeld seiner Arbeit am Doppelleben, wie er ein hinreichendes »Bild von meiner Tätigkeit« 77 vermitteln kann. Kolbenheyer geht es um nichts weniger als um das »der Natur nachgeschaffene Bild des artbedingten Lebens« [SK III/476], wobei die Hyperbolik und Komplexität dieses Bildes sich aus seinem

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Reinhold Schneider 1932, S.493f. Vgl. die Ausführungen Gustav Hillards im Essay Das Recht auf Vergangenheit (Gustav Hillard 1966, bes. S. 13f.). Kolbenheyer: »So hatte ich mich dahin freigeschrieben, bildgestaltend dem großen Revolutionär am Umschwung des fünfzehnten in das sechzehnte Jahrhundert begegnen zu können; ich brauchte aus seinem Parakosmos nur mehr noch so lange zu schöpfen, bis dessen innerer Überdruck alle Hemmungen überwand, die sich mir vor Beginn eines neuen Werks entgegenstellen. Diesem unbestimmten Angreifen war ich hilflos preisgegeben« [SK II/155], An Max Niedermayer vom 8.10.1949; Marguerite Valerie Schlüter (Hg.) 1965, S.32.

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Anspruch ergibt, gleichermaßen Leben, Werk und Zeit »in einem Bilde« [SK1/7] gefaßt zu haben. 7 8

5.2. Variationen des autobiographischen Erzählens In der unmittelbaren Nachkriegszeit experimentieren viele Autoren mit autobiographischen Erzählmodellen. Heinrich Manns Ein Zeitalter wird besichtigt, Klaus Manns mit Erzählformen der Autobiographie, des Briefs und des Tagebuchs gestalteter Wendepunkt, Karl Jakob Hirschs Autobiographie in Briefen Heimkehr zu Gott oder etwa Walter Mehrings Die verlorene Bibliothek sind bekannte Beispiele. Dieser Trend erfaßt auch die nicht exilierten Autoren. Die verstärkte Übernahme literarischer Mittel des Erzählens, die Steigerung der Reflexivität durch Variation des Verhältnisses von Binnen- und Rahmenerzählung sowie die Integration und Problematisierung der Grenze zwischen Fiktion und Nichtfiktion sind hier die auffälligsten Phänomene. Der lebensphilosophische Denkhorizont ermöglicht aufgrund seines emphatischen Sinnbegriffs, die Welt als Zeichenensemble zu lesen, so daß einzelne Erscheinungen als Symbole, als Wesensoffenbarung interpretierbar sind. Diese Grundüberzeugung vieler Kollegen resümiert Hillard: »Die Welt hört nicht auf, sich in Symbole zu verwandeln.« 79 Carossa berichtet etwa aus der Zeit vor 1933 von einem Traum [vgl. U W 21f.], den er auf die Hybris des nationalsozialistischen Deutschland hin auslegt. »Wem aber Natur voll Zeichen ist, wer öfters auf niedriger Stufe unbestimmt angedeutet sah, was auf höherer sich klar verwirklicht«, 8 " dem zeigt sich in der Retrospektive dieser symbolische Gehalt. 8 1 Die ästhetisierende Perspektive auf die Welt bleibt nicht ohne Folgen für das autobiographische Erzählen. Hans Carossa konzipiert kohärenzherstellende Symbolstränge und verschiedenen Dualismen zugrundeliegende Polaritäten, in denen sich das Leben in einzelnen Interpretaten offenbart. Reinhold Schneider legt Verhüllter Tag eine auf den Dualismus von Christus und Antichrist verweisende Lichtmetaphorik zugrunde. Solche Symbole

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Weitere Belege: Blunck: »Diese E r i n n e r u n g e n [...] sind n i e m a n d e m zuliebe o d e r zuleide geschrieben, s o n d e r n wollen allein ein Bild j e n e r J a h r z e h n t e geben, so wie sie ein M a n n o h n e politische Begabung, aber mit heißer A n t e i l n a h m e an den Kulturgütern d e r Welt und a m Schicksal seines Volkes und Europas d u r c h l e b t e « [ U Z 179], Wiechert: » U n d hier an dieser Stelle will ich versuchen, nun auch zu d e m etwas zu sagen, was bisher n u r gestreift w o r d e n ist: wie ich an Vorbildern und Beispielen g e w o r d e n bin und wie mein eigenes Bild in der Z e i t m i r h e u t e erscheint« [JuZ 738]. Schneider: »Heute, da ich dies mit fünfzig Jahren schreibe, u m mich u n d die Zeit etwas besser zu verstehn, h a b e ich für die S t i m m u n g m e i n e s L e b e n s kein a n d e r e s Bild als B r u e g h e l s >Düstern TagExil< einer Mietwohnung vertrieben. Am Ende zeigt sich, daß der Höhepunkt der Biographie zugleich die Peripetie war.

5.2.1. Erweiterungen des Erzählrepertoires der Autobiographie Metaphern, Symbole und Anspielungshorizonte sind gewöhnlich Kennzeichen fiktionaler Texte. In Sachtexten wird man sie selten, und wenn, dann zumindest nicht als Mittel der Textkohäsion verwendet finden. Die Konzeption der Autobiographie als >BildUntergang< sollte der Titel meines Versbandes werden. Das überfiel mich blitzhaft in den zwanziger Jahren auf einem Weg über die Höhen zwischen Dresden und Meißen, als die Wintersonne in tiefroter Glut hinter den bereiften Uferhügeln sank. Ich meinte nicht mich allein; ich meinte die Welt. Aber wer aussagen will, bejaht« [VT51], Weiteres Beispiel: »Es ist ein einziger Blitz: einen Menschen zu ahnen, zu erkennen im Gebet« [VT 127],

"" Anspielend auf die Vorstellung vom Gottesgnadentum: »Und ich weiß nicht, wie lange noch Augen geboren werden, die empfänglich sind für ihr Licht« [VT 110]. 89 Im Kapitel Vorübergang betreibt Schneider Geschichtsdeutung mittels Bibelexegese. »Der Engel war da; er fragte; er schien zu verweilen. >Aber die Finsternis hat es nicht begriffene (Joh. 1,5.) Zerbrochen an der Versuchung durch die Macht, verfielen wir der Versuchung der Not. Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit waren zerstäubt« [VT 159f.].

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Die Zwielichtigkeit des Irdischen symbolisiert das Prisma als Leitbild des menschlichen Lebens. Licht tritt nie rein, sondern nur in Farben zerlegt in Erscheinung. Auf diesen Zusammenhang hin legt Schneider Landschaften aus. In Portugal beobachtet er: »Himmel und Abgrund spiegelten einander. Beide waren nur Widerschein« [VT 56]. 90 Das Zwielicht ist der Ort der Kunst, die dem Christen prinzipiell zum Problem wird. Die Arbeiten Leo von Königs werfen »ein jenseitiges Licht auf den Menschen, den fanatischen Arbeiter« [VT 105]. Grundsätzlich wird Kunst nach der Konversion nicht mehr als Kunstreligion verstanden. »[E]s gehört zum Wesen der Kunst, Fragen offen zu lassen, im Zwielicht zu zögern, zu beharren. Das macht eine der großen Schwierigkeiten des christlichen Künstlers aus, daß er sich gedrängt fühlt, das Zwielicht zu verlassen« [VT 106].91 Der Krieg und das Dritte Reich werden im Fortlauf der autobiographischen Erzählung immer stärker apokalyptisch gedeutet. »[D]er Brand [rollte] wie ein Kugelblitz in die Welt« [VT 122]. Der Nationalsozialismus ist eine Nova: »Die Macht flammte wie eine Nova auf, die in wenigen Tagen zehntausendfache Helligkeit gewinnt. Das die Räume durchfliehende Feuerzeichen bedeutet Zusammenstoß, Einsturz der Sternenmassen unter ungeheurer Glut tödlichen Triumphes« [VT 127; Hervorhebung v. V.]. Damit wird die Ambivalenz der Lichtmetaphorik deutlich. Feuer ist nicht nur die Quelle der Inspiration, es wirkt auch zerstörerisch. »Aber ich weiß, daß Krieg und Kriegsgeschrei immer greller werden und daß am Ende die Elemente vor Hitze zerschmelzen und die Erde samt den Werken auf ihr verbrennen werden. (2. Petrus 3,10.)« [VT 162]. Die moderne Kosmologie ist Zeichen transzendenter Gegebenheiten: Vom Kosmos, wie ihn die moderne Wissenschaft zu erschließen sucht, wehte mich eine Versuchung an, deren ich nie Meister geworden bin. Ich sah vor den ungeheuern, sich rastlos mit Blitzesschnelle vergrößernden Räumen, dem Geflimmer der Sonnen- und Sternenhaufen und den unauslotbaren Tiefen der Zeit, aus denen sie aufgestiegen waren, den Gekreuzigten. Und ich sah, wie die starren Arme sich lösten und niedersanken [VT22].

Dieses bereits an früher Stelle Kosmologie und Theologie verknüpfende Bild verweist auf das grundlegende Problem der zeichenhaften Deutung. Der Kosmos ist Finsternis, das Licht nimmt darin nur geringen Raum ein und ist immer in der Gefahr, zu erlöschen. Daraus zieht Schneider seine Schlüsse: »Ein jedes Zeitalter findet die ihm gemäße Kosmogonie. Wir sind geneigt, das All zu verstehen als eine durch Jahrmilliarden in einem mit Lichtgeschwindigkeit expandierenden Raum sich

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Weiteres Beispiel: »Wenn zwischen Schwarzwald und Vogesen sich die ungeheure Ebene erhellt, die Hügel, die wogenden Berge aufstrahlen, die Weinhänge, die Türme einander grüßen, wenn das unerhörte Schauspiel der Begnadung durch das Licht sich wieder ereignet über dem Elsaß, so scheint keine Schickung zu hart: hier ist gesegnete Erde« [VT 127], Eine rein bildparataktische Zusammenstellung, die assoziativ über die Lichtmetaphorik verknüpft, es aber mit der Addition bewenden läßt, bietet die Arbeit am Las Cosas-Buch: »Über der Arbeit verwandelte sich die Biographie in eine Erzählung. Das Nordlicht flammte über dem spitzen Tannenberge vor dem Fenster; ich habe nie mehr so hellglühendes Nordlicht gesehen« [VT 111].

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ereignende Explosion. Das >Wort< der Schrift ist die >Anfangskatastrophe< der Physik. In diesem ungeheuren Spiegel - wer könnte ihn zertrümmern? - steht unser zerstörtes Gesicht« [VT 151f.]. Die im Bild kodierte Verbindung von Kosmologie und Theologie ermöglicht Schneider die Ausweitung der Kategorie des Tragischen, des immerwährenden Kreislaufs von Verschlingen und Verschlungenwerden in die Dimensionen des Kosmos. »Das Bewußtsein nicht denkbarer kosmischer Möglichkeiten verläßt mich niemals. Und ich sehe Christus vor ihnen, den tausend Millionen Milchstraßen und hundert Trillionen Sonnen und Milliarden Lichtjahren und muß mir sagen, daß der Schaffende immer schafft, daß es so war und sein wird in irgendeiner Gestalt. [...] Und immer ist die Gefahr, daß das Licht vom Lichte in der unmeßbaren Finsternis ertrinkt« [VT 166f.]. Mystik und negative Theologie sind wiederum von Finsternis und Schwärze charakterisiert. 92 Gott selbst, der das Licht ist, ist - credo quia absurdum - die Finsternis. »Wenn aber die alten Götter doppeltes Antlitz trugen, des Lichtes und der Finsternis, Begnadeter und Zerstörer, wenn allem Göttlichen der Widerspruch eigen ist - wie viel mehr dann Gott!« [VT 169]. Im Kontext einer ausführlichen exegetischen Begründung seiner Zuordnung zur Theologia Tenebrarum charakterisiert Schneider Gott »mit den Worten Erich Przywaras: >Gott ist das Licht, das im Menschen verfinstert erscheint.*« [VT 169].93 Die theologische Dimension dieser Darlegungen kann uns hier nicht weiter beschäftigen. Die Lichtmetaphorik bildet in Verhüllter Tag einen Metaphernstrang, der wie in fiktionalen literarischen Texten Kohärenz herstellt und Bedeutung stiftet. Möglich ist das nur, weil diese Zeichenstruktur auf Wahrheit verweist. Die Lichtmetaphorik ist präsent auf der Ebene der beschriebenen phänomenalen Welt, in der Kosmologie und in der theologischen Deutung. Im Unterschied zu Verfahrensweisen fiktionaler Texte wird die Metaphorik jedoch nicht hermetisch oder abgeschlossen, sondern bleibt an den Rändern offen.

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Belege: »Zum erstenmal streifte mich die Dunkle Nacht des hl. Johannes vom Kreuz: das Nein an Alles, in dem Alles gewonnen wird« [VT 64]. » A m nächsten ist mir das Gottesbild des Nikolaus von Cues. >Hieraus macht sich mir geltend, wie ich notwendig in die Finsternis eintreten ... und dort die Notwendigkeit suchen muß, wo mir die Unmöglichkeit vor Augen tritt ... Und je mehr diese finsterdichte Unmöglichkeit als dunkel und unmöglich erkannt wird, desto wahrer ist der Widerschein der Notwendigkeit*« [VT 165]. Vgl. Ingo Zimmermann 1973, S. 132ff.

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5.2.1.2. Anspielungshorizont und Metaphernnetz Carossas Erweiterungen des autobiographischen Erzählrepertoires 9 4 werden zum ersten an der Polarität Goethe-Hitler und der Kontrastfigur Dante, zum zweiten anhand der Bibelanspielungen, zum dritten schließlich anhand des Bildfeldes Hexe/ Teufel dargelegt. Der Ausgangspunkt für die zunehmenden Distanzierung von Goethes Autobiographie-Modell eröffnet den Text. In mir war ein gleichmütiges Vertrauen auf die Entwicklung des deutschen Volkes, das in sich so große Möglichkeiten barg; ich war überzeugt, es werde im Gang seines organischen Wachstums durch elastische Geduld und kluge Auswertung günstiger Konstellationen an die Stelle rücken, die ihm in der Welt gebührte [ U W 7].

Dieser Eudaimonismus der Erzählfigur vor 1933 ist für den Erzähler nach 1945 gegenstandslos geworden. Der einleitende Seufzer »Wäre ich doch nicht in diese Zeit hinein geboren!« [UW7] zeigt das Auseinanderfallen von Ich und Welt. Es geht nicht um die Ablehnung Goethes, sondern vielmehr darum, daß Carossas Lebenswelt von der Goethes fundamental verschieden ist. »Fontane konnte noch den Goethekult verachten; wir aber, in eine grauenvoll barbarische Zeit hinein geworfen, müssen zu den Urquellen zurück.« 95 Aufgrund dieser Distanzierung wird Goethe immer stärker entempirisiert und als Musterindividuum zum Zeichen überhöht. Angelegt war die Tendenz dazu schon immer. Goethe galt dem jungen Carossa als »großes ruhiges Licht, das nie in die Irre führt«, 9 6 als »eine Speise, welche die Menschheit brauchen wird, solange sie besteht, notwendig wie das tägliche Brot!« 97 Allerdings diente Goethe auch als Gegenpol zu messianischen Dichtern: »Man kann sich Goethe als Führer wählen, ohne ihm deshalb verfallen zu müsen, im Gegensatz z. der Wirkung die St. George auf seine Jünger ausübt.« 98 Aktualisiert wird diese Möglichkeit in den Reden der dreißiger Jahre, die Goethe als »geistig-seelische Weltmacht« 99 feiern. Seine Verse kommen »aus der seligen Sicherheit einer großen, wunderbar geglückten Natur, die für sie bürgt, aus der mit unendlichen Freuden und Schmerzen beschenkten Welt des freiesten, würdigsten und humansten Menschen des Abendlandes.« 1 0 0 Vor dem Hintergrund der Tagebuchnotizen wird deutlich, daß Carossa Goethe zur Gegenfi-

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Vgl. den Hinweis auf die »dichterischen Gestaltungsweisen« Carossas (Walter Müller-Seidel 1951, S.30). In der neueren Forschung dominiert die Auffassung, Carossa habe in Ungleiche Welten eine »nicht künstlerische Darstellungsweise« (Henning Falkenstein 1983, S. 59) verwendet. Deußen beurteilt den Text als »lockeres Geflecht von lebensgeschichtlichen Erinnerungen, zeitgeschichtlichen Einblendungen und pseudophilosophischen Reflexionen« (Christiane Deußen 1987, S.102); vgl. Albrecht Weber 1991, S. 115. 95 Hans Carossa 1962, S.618. 96 A n Roger de Campagnolle, 4.1.1917; Hans Carossa 1978a, S. 136. 97 Tagebuch vom 25.5.1913; Hans Carossa 1986, S. 139. 9 » Tagebuch vom 14.10.1917; Hans Carossa 1986, S.331. 99 Hans Carossa 1938a, S. 16. 100 Hans Carossa 1937, S.38.

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gur der zeitgenössischen Umwelt stilisiert. Carossas Blick nach oben im Lebensbericht entspricht zunehmend der Distanz zwischen Defizit und Ganzheit. Neben Christus und Buddha zählt ihn Carossa »den großen Sternträgern der Menschheit« [UW 47] zu. Er ist die Einheit in der Vielgestalt, das Ineffabile, »höchst lebendiges, höchst verwandlungsfähiges Wesen« [UW85], zugleich aber »de[r] immer Eine[], Unwandelbare[]« [UW86]. Diese wohl nicht mehr steigerbare Apotheose ist das Resultat der unaufhebbaren Distanz. Goethe wird zum Herrn »in einem unsichtbaren aber mächtigen Imperium, in welchem alle Gauleiter und Obergebietsführer ihre Befehlsgewalt verloren« [UW82]. Seine Dichtungen werden »bis zum Ende der Tage den denkenden, fühlenden, strebenden Menschen erleuchten, ermutigen und beflügeln« [UW 85]. Carossas Umgang mit Goethes Werken entwickelt sich zunehmend nach dem Muster der Bibellektüre Gläubiger. Einzelne Sentenzen werden herausgenommen, Bilder und Kategorien Goethes als Erklärungsmodelle verwendet. 101 Ein solchermaßen überhöhter Goethe wird Orientierungspunkt und Maßstab für den auf Abwege geratenen Carossa. Anläßlich einer Einladung des Propagandaministers Goebbels stellt Carossa fest: Ein Zufallsblick auf G o e t h e s herbstlaubumwirbeltes Gartenhaus machte mich noch stärker fühlen, in welche Unordnung mein Leben geraten war. Mochte ich mir noch so oft sagen, der Weg, den ich seit meiner Ankunft in Weimar ging, sei nur ein Umweg und nähere sich dem Ende, so war dies doch nur eine Beschwichtigung für den Augenblick; bei tieferem Nachdenken kam ich nicht um gewise Selbsterkenntnisse herum, an denen leider nichts zu ändern war [UW 124].

Goethe ist nicht mehr der historische Goethe, er ist zu einer Kategorie des lebensphilosophischen Denkmodells geworden. Er repräsentiert das >unsichtbare< Imperium der Kunst als die Ganzheit, zu der ihn Carossa gemacht hat, kann als Deutungskategorie fungieren und zum Erkennungszeichen werden. Ihr Potential entfaltet sie in der Gegenüberstellung zu Hitler. Hier verläuft in der frühen Phase des Regimes eine unsichtbare Grenze innerhalb des Bekanntenkreises. Carossa muß feststellen, »daß Freunde, die man für gebildet und menschlich hielt, von Hitlers nebulosen, mit jedem Wort übertreibenden Phrasen genauso angetan schienen wie von Aussprüchen Goethes oder Hölderlins Hyperion« [UW 12f.]. Diese auf Ernst Bertram zielende Charakterisierung eröffnet eine typologische Reihe hitlerbegeisterter Bildungsbürger.

"" Als Beispiele seien nur genannt: »Wenn der Erdgeist sie mit unbändigem Willen und großer Schlauheit ausstattet, s o verrückt er ihnen dafür das Augenmaß für die wahren dynamischen Verhältnisse des Zeitalters. Ohne Hitlers Politik stünden heute die Russen nicht in Berlin« [UW 31], »Als das Büchlein unter dem Titel >Das Jahr der schönen Täuschung e n im Sommer 1941 erschien, fragten zwei ungenannte Leser scherzhaft an, ob der Titel nicht eine kleine Bosheit enthielte, nachdem der Führer eben für dieses Jahr >die Vollendung des Sieges< verkündet habe« [UW 78; Hervorhebung v. V.] - eine Anspielung auf die Charakterisierung des Faust als >sehr ernster Scherzdem kranken Ersehner des grausamen Übermenschen^ dem Verkünder des Willens zur Macht. Auf dieser Seite der Polarität versammelt Carossa alles an negativen Bestimmungen, was im zeitgenössischen Reflexionshorizont verfügbar ist. Goethe erscheint hingegen als Bildner, Verächter der Phrase, Erzieher zum Enthusiasmus, Verkünder der Sühne, Wahrheit, Menschlichkeit [vgl. UW31f.]. Männer wie Bertram erschweren diese klare Grenzziehung. Carossa ordnet ihn einem Personenkreis zu, an dessen Spitze Baidur von Schirach steht, die M ä n n e r mit zwei Seelen, die zwar auf Hitler schworen, a b e r auch o h n e Stifter, Eichendorff, Hölderlin u n d M ö r i k e nicht leben m o c h t e n . Sie glaubten in m e i n e n kleinen G e d e n k b ü c h e r n eine schmale Brücke zu sehen, die u n s e r e wirbelige G e g e n w a r t noch mit d e m vers o n n t e n D e u t s c h l a n d f r ü h e r e r J a h r h u n d e r t e v e r b a n d . Ihre Sehnsucht war vermutlich echt und vielleicht nicht o h n e Schmerz, da sie doch m e r k e n m u ß t e n , d a ß die Mächte, d e n e n sie d i e n s t b a r waren, auf die Vernichtung j e n e r Tradition h i n a r b e i t e t e n [ U W 55].

In Carossas Darstellung symbolisieren diese Männer die deutsche Verstrickung, die er an sich selbst analysiert hat. Verdichtet zur unauflöslichen Paradoxie wird diese Konstellation im hochgradig symbolischen Phänomen, daß »die neue Führung der Deutschen in Blicknähe der Stadt Weimar, auf einem Boden, wo der Dichter der >Iphigenie< und der >Pandora< über seinen Werken gesonnen, eine der grausigsten Folter- und Mordanstalten [errichtete], die je der Erdenrund getragen« [UW 156]. Mit diesem Ineinander ist die Polarität Goethe-Hitler bis zur völligen Ununterscheidbarkeit verwickelt. >Goethe< ist von den Zeitgenossen vollkommen desavouiert und in unendliche Ferne gerückt. In den späten Kriegsjahren ist der exilierte Dichter Dante als Repräsentant seiner Epoche eine weitere Kontrastfigur. Aus der Lektüre der Divina Commedia bezieht Carossa die Einsicht, daß es »keine unmittelbare Flucht in das Reich der Kunst« [UW 204] mehr geben kann, da die Kunstsphäre nicht mehr als autonome Sphäre existiert. Carossa schreibt Dante drei Legitimationen zu - der »unbedingte Glaube an seine Berufung zum Ewigen Heil und das Vertrauen auf die selige Führerin Beatrice, dieses holde Sinnbild der göttlichen Gnade, [...] sein Riesengenius, der ihn zu sagen befugte: Wo ich bin, da ist Italien. Wo ich bin, da ist das Recht. Wo ich nicht bin, ist das Unrecht« [UW 204] - , über die kein Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts mehr verfügt. Dem Argumentationsduktus Carossas entspricht die Überführung von Personen in Symbole. Die Explikation der eigenen Position erfolgt vorwiegend über Veranschaulichungen dieses Typs. Ein weiteres Verfahren zeigen die Bibelzitate. Dieser Anspielungshorizont wird 329

zu Beginn des Textes exponiert, um vor allem am Textende wieder in transponierter Form aufgegriffen zu werden. Im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus bevorzugt Carossa Anspielungen auf kataklysmische biblische Erzählungen. Das Dritte Reich wird als Sintflut [vgl. UW 7] gedeutet; der Blick einer Patientin auf den vorüberspazierenden Hitler vor 1933 erinnert ihn an Lots zur Salzsäule erstarrendes Weib [vgl. U W 12]. Damit wird implizit die Frage nach den Gerechten aufgeworfen. Sie ist untergründig im Text bis zum Ende präsent. Dem ist einerseits eine Reihe von Anspielungen auf Hitler als Messias, andererseits die Heilserwartung seiner Anhänger zugeordnet. Die religiösen Konnotationen des Nationalsozialismus werden beobachtet, als Symbol aufgefaßt und einem übergreifenden Deutungshorizont integriert. Hitler erscheint als »salvator mundi« [UW 10], er ist ein Politiker, der »jedem Stand ein Paradies auf Erden versprach« [UW 11], seine Anhänger erwarten sich »von diesem Mann das Heil« [UW 12], sie hoben, »nach dem Vorbilde der römischen Kaiserzeit, ihren Führer in die Vergöttlichung« [UW79]. An ihnen wird der »verzückte[], verschleierte[] Blick« [UW12] Gläubiger bemerkt. Beispielhaft ist eine Todesanzeige »noch vor der Machtergreifung mit folgenden Text [...]: Er starb im Glauben an seinen Erlöser Adolf Hitler« [UW 49]. Was aus der Perspektive der Anhänger Äußerung von Religiosität und Identifikation Hitlers mit dem Messias ist, wird von der Erzählerfigur in das biblische Schema eingeordnet. Die Überlegung des Arztes, Hitler könne »mitten unter ihnen« [UW 13], seinen Patienten, sein, bereitet die Deutung dieses Messias vor als Vertreter »des Reiches, das von dieser Welt ist« [UW29], »[W]ie nach christlicher Lehre das Lamm Gottes die Sünden der Welt hinwegnimmt, so erlöste der falsche Messias seine Gläubigen von jeder Selbstprüfung, von jeder Verpflichtung zur Duldsamkeit« [UW49]. Die Wirkung des Antichrist geht tiefer: »Die Offenbarung des Teuflischen in der Welt hat eine sonderbare Macht; sie kann auch in den Guten das tief gebundene Böse in Bewegung bringen« [UW 153], 102 Dieser religiöse Deutungshorizont wird mittels weniger Anspielungen aufgebaut. 1 0 3 Im weiteren Verlauf des Textes wird er nur mehr selten abgerufen. So stellt Carossa angesichts des Kriegsausbruchs fest: »Wer noch an die Wiederauferstehung eines unverdorbenen Deutschland glaubte, der wußte, daß es dazu keinen Weg mehr gab als durch die tiefste Abgrundsnacht« [UW76], Die Stimmung in den er-

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Der Propagandaminister Goebbels wird als diabolische Figur dargestellt, als Verführer, dessen Stime »so dämonisch berückend auf die Massen wirkte, daß sie ihr alles glaubten« [UW 125]. » D e n Propagandaminister hatte Infernoluft umgeben; wer sich ihm näherte, blieb nicht ganz frei von jenem Grauen, mit dem man eine Hochspannungsanlage betritt, w o auf dem Warnungsschildchen steht: Vorsicht! Lebensgefahr!, und seine sanft blickende Frau war weder seelenhaft noch geistig genug, um die schwergeladene Umwölkung auch nur aufzulichten. Sie fühlte sich geborgen im Bann der dunklen Geister, die ihr Leben über die Abgründe trugen« [UW 182].

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Er ist nur einer unter mehreren. Weitere sind die Deutung des Nationalsozialismus als Krankheit; die Kunst-Politik-Antithetik usw. Aus ihrem Nebeneinander ergeben sich natürlich weitere Bezüge, die hier nicht weiter verfolgt werden.

330

sten Kriegsjahren wird trotz der ersten militärischen Erfolge als »Gomorra-Stimmung« [ U W 114] charakterisiert. In späterer Zeit wird in einer Schule die G e schichte der Männer im Feuerofen verlesen [vgl. U W 171]. D i e Frage nach d e m Gerechten stellt sich nicht mehr: Wäre in tiefer Nacht ein Bote aus besserer Welt an meinem Bett erschienen: Steh auf! Wecke die Deinen! Verlasse mit ihnen das Land, wo alles bald zu Ende geht! Unter ätherhellem Himmel, fernab von Unrecht und Verfall, erwartet euch ein Haus mit lichten Räumen, von heiligen Büchern funkelnd, der Garten voll Trauben, Zitronen, Mandeln und Rosen ... brüderliche Geister, junge Glasperlenspieler, sind seit langem auf der Wanderschaft zu euch, - was wäre mein Entschluß gewesen? - »Heut würde das Auswandern keinem mehr helfen«, das einst in Verona geschriebene Wort paßte gewiß nicht für jeden, auf mich traf es zu [UW169]. Carossa hat hier einen wichtigen A s p e k t der nationalsozialistischen Herrschaft vermerkt, die propagandistische Verwertung der christlichen Semantik und die parareligiösen E b e n e n der Führerbegeisterung. D i e messianische Erwartung und der biblische Anspielungshorizont ermöglichen d e n Anschluß der Teufelsbundmotivik. Carossa entfaltet ein komplex anspielendes Netz von Bezügen auf Thomas Manns Doktor Faustus. Bezeichnend für das während der Niederschrift angespannte und von Entfremdungen gekennzeichnete Verhältnis zwischen Carossa und Mann ist, daß der Bericht eines Besuchs bei Hermann H e s s e und die Auseinandersetzung mit d e m Glasperlenspiel zur verdeckten H o m m a g e an Thomas Mann wird. Carossa bindet seine Reflexionen zum Dämonischen im Verlauf des Textes auf der E b e n e der bildlichen Verknüpfung an das T h e m a des Teufelspakts. Das private Leben der meisten Deutschen begann damals im staatlichen zu erstarren, und mit dem Verfall des Individuums entarteten auch die Dämonen. Die faustisch verzweifelten Stunden, wo einer sich leicht entschlossen hätte, einen höllischen Geist zu berufen und durch dessen Künste einen dürftigen Sorgentag mit einem Dasein der Fülle und der Freiheit zu vertauschen, wo waren sie hin? Welchen Sinn hatte noch die schwarze Magie? Die Luft war voller Teufel; man brauchte sie nicht lang zu beschwören, und viele standen in einem Dienstverhältnis zum neuen Staat. Manche hatten geradezu die Aufgabe, Menschen durch Folterung zu Geständnissen zu zwingen, und sie dadurch in Unglück und Tod zu drängen. Dabei glichen sie keineswegs den »Herrn vom graden, Herrn vom krummen Hörne«, sondern waren außerhalb ihres Amtes durchaus höfliche, fehlerlos gekleidete Persönlichkeiten mit guten Manieren, mitunter auch zuverlässige Kameraden gegen Gleichgesinnte und brave Familienväter ohne sonderlich abstoßende Züge. Wer war auch sicher, ob nicht irgendwo im eigenen Herzen verborgen einer saß, der mit böser Geduld auf seine Berufung wartete? [UW 163]. Ein wichtiges Selbstcharakterisierungselement führt Carossa geradezu en passant ein, indem er auf den Steppenwolf bezogen auf »meine undämonische Natur« [ U W 165] verweist. Im Kontext des Teufelspaktthemas in der Fassung Thomas Manns aber bedeutet das, daß sich Carossa nicht in die Kategorie der genialischen Künstler wie Adrian Leverkühn einstuft, sondern in die des Serenus Zeitblom. D e s sen Selbstvorstellung ist aufgrund ihrer Vorbildlichkeit für die Charakterisierung der Erzählfigur von Ungleiche Welten in Erinnerung zu rufen:

331

Ich bin eine durchaus gemäßigte und, ich darf wohl sagen, gesunde, human temperierte, auf das Harmonische und Vernünftige gerichtete Natur, ein Gelehrter und conjuratus des »Lateinischen Heeres«, nicht ohne Beziehung zu den Schönen Künsten (ich spiele die Viola d'amore), aber ein Musensohn im akademischen Sinne des Wortes, welcher sich gern als Nachfahre der deutschen Humanisten aus d e r Z e i t der »Briefe der Dunkelmänner«, eines Reuchlin, Crotus von Dornheim, Mutianus und Eoban Hesse betrachtet. D a s Dämonische, so wenig ich mir herausnehme, seinen Einfluß auf das Menschenleben zu leugnen, habe ich jederzeit als entschieden wesensfremd empfunden, es instinktiv aus meinem Weltbilde ausgeschaltet und niemals die leiseste Neigung verspürt, mich mit den unteren Mächten verwegen einzulassen, sie gar im Übermut zu mir heraufzufordern, oder ihnen, wenn sie von sich aus versuchend an mich herantraten, auch nur den kleinen Finger zu reichen. 1 0 4

Eine Reihe von Merkmalen, die der Erzähler des Doktor Faustus für sich reklamiert, finden sich über den Text verstreut auch bezogen auf den Erzähler von Ungleiche Welten. Damit gesteht Carossa ein, daß er sich nicht genügend hermeneutisches Potential zur Deutung der horrenden Zeitereignisse zutraut. Der Komplex wird vor allem inhaltlich evoziert in Carossas Bemerkung, »es bedurfte des Zugriffs der Vereinigten Staaten, um ihn in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beenden. So trat zutage, daß auf Erden etwas vorgegangen war: das Abendland hatte nicht mehr die Kraft, seine Dämonen selbst in heilsame Schranken zu halten« [UW225]. Die Zuordnung zum unterlegenen und auch gescheiterten Abendland enthält die eigene Niederlage. Auf der Anspielungsebene schließt Carossa zur Verdeutlichung das Motiv des Zauberlehrlings an. Das Abendland, um im Argumentationsstil Carossas zu verbleiben, vermag die gerufenen Geister selbst nicht mehr zu bannen. Zu erinnern ist hier daran, daß Carossa an früherer Stelle sich selbst als Zauberlehrling charakterisiert hatte. 1 0 5 Er »erfuhr die Gegenwärtigkeit der Dämonen, die es einem nachtragen, wenn man sie zu wenig ernst genommen hat« [UW118]. Im Unterschied zum Doktor Faustus greift Carossa die Teufelsbundmotivik nicht literarischfiktional auf, sondern entnimmt sie historischen Beispielen. Der Nationalsozialismus offenbart eine Ebene, die sich rein rationaler Deutung sperrt. Aus der Retrospektive mag die »Hitlermacht wie Hexenblendwerk jäh erloschen« [UW 33] sein. Als historische Parallele werden die Hexenverfolgungen aufgerufen. »Im Jahre 1782 starb zu Glarus in der Schweiz eine alte Frau den Feuertod; sie war die letzte weibliche Person, die auf deutschem Sprachgebiet als Hexe verbrannt wurde. 1782!« [UW250]. Carossa knüpft damit an einen Topos der nichtnationalsozialistischen Literatur an, die Judenverfolgungen gleichnishaft und symbolisch als Hexen-

m 105

Thomas Mann 1974, Bd. VI, S. 10. Carossas Hinweis auf »eine verborgene Pucknatur, die mutwillige Lust, mit den D ä m o n e n zu spielen, ihnen etwas abzugewinnen. Wenn sich dieses Element in mir rührte, wußte ich stets, daß ich auf gutem Wege war« [UW 104], A n späterer Stelle wird das Motiv bezogen auf den Anteil der Wissenschaft an der Massenvernichtung.· »Wissenschaft ohne den Adel der Seele, ohne den heilig bewahrenden Sinn, das ist nur Gaukelspiel, mit gefährlichen Kugeln, die ein D ä m o n lenkt. Der Forscher soll nicht jeden Fund jedem ausliefern. Zuweilen wird er selbst zum bösen Geist und weiß es nicht« [ U W 234f.[.

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wahn darzustellen. 106 Die Erklärungsnot dafür ist nicht zu übersehen, zumal die Kategorie des >Deutschen< nunmehr neu befragt und gedeutet werden muß, denn Hitler, der »Abgott[] aller Ahnungslosen« »ist keineswegs aus dem Nichts entsprungen, sondern schon vor seiner Geburt in allerhand Larven- und Puppenformen unter uns herumgegangen, hat vielleicht in unseren eigenen Adern gespukt« [UW 33], Die Teufelsanspielungen werden in dieser Richtung ausgelegt. Die Hexenverfolgungen bieten sich als historische Parallele für ähnliche irrationale Ausbrüche an. Hitlers Erfolge werden auf seine »Art sehr dunkler Magie« [UW 35] zurückgeführt, über dem Land lag ein »dichtes Netz von Unredlichkeit und Bosheit« [UW 43], des Teufels Netz; »die Verfinsterung der Seelen verdichtete sich« [UW76]; im »Reich des Antichrist« [UW 50] werden Organisationsformen der katholischen Kirche kopiert und pervertiert. In den Wehrmachtsberichten »schrie und übertrieb die Propaganda, die nun überhaupt ihre schwarzmagische Blendekunst auf die Spitze trieb, und wie in einem übertragischen Schauspiel schienen ihr die gewaltigen Erfolge des Anfangs recht zu geben. Die scheinbar gescheitesten Menschen erlagen der Hybris; der kleine Mann aller Stände schwor auf den >BlitzkriegLage< angemessenere Form autobiographischen Erzählens f ü r unumgänglich. Das Modell Heinrich Manns lehnte er ab: Ich las in diesen Weihnachtstagen das jetzt erschienene Buch von H. Mann: »Bin Zeitalter wird besichtigt«, eine Art Biographie. Äusserst zwiespältige Eindrücke! Sehr oberflächlich, sehr billig, daneben zauberhafte Sachen. [...] Eine Erkenntnis ist mir dabei aufgegangen: hier endet alles in Psychologie u. Soziologie, also im 19. Jahrhundert; die Durchführung der Dinge ins Existentielle ist ihm versagt, also das was wir heute fordern u. müssen. 1 1 6

Im Abschnitt Zukunft und Gegenwart argumentiert er geschichtsphilosophisch, der Stil der Zukunft sei Montagekunst, Roboterstil. »Der bisherige Mensch ist zu Ende, Biologie, Soziologie, Familie, Theologie, alles verfallen und ausgelaugt, alles Prothesenträger« [DL/DL 470], Als Alternative zum psychologisch-soziologischen Konstrukt des Individuums setzt Benn das Montage-Individuum. Der Mensch muß neu zusammengesetzt werden aus Redensarten, Sprichwörtern, sinnlosen Bezügen, aus Spitzfindigkeiten, breit basiert - : Ein Mensch in Anßhrungsstrichen. Seine Darstellung wird in Schwung gehalten durch formale Tricks, Wiederholungen von Worten und Motiven [...] Herkunft, Lebenslauf - Unsinn! Aus Jüterbog oder Königsberg stammen die meisten und in irgend einem Schwarzwald endet man seit je. [...] Nichts wird stofflich-psychologisch mehr verflochten, alles angeschlagen, nichts durchgeführt. Alles bleibt offen. Antisynthetik. Verharren vor dem Unvereinbaren [ D L / D L 471].

Diese am Beispiel der modernen Lyrik propagierte und in 1886 ausgeführte Vorgehensweise wird auf das im autobiographischen Text konstruierte Individuum angewandt. Im Lebensweg eines Intellektualisten dominiert der distanzierende Umgang mit der Topik der Autobiographie. Was gewöhnlich großen Raum einnimmt, die

114 115

116

A n F.W.Oelze, 27.12.1949; Gottfried B e n n 1979-1982, Bd. II, S.280. A n F.W.Oelze, 16.5.1950; Gottfried Benn 1979-1982, Bd.III, S.32. Vgl. auch an F.W. Oelze, 7.12.1947; Gottfried Benn 1979-1982, Bd.II, S.98. A n F.W.Oelze, 27.12.1947; Gottfried B e n n 1979-1982, Bd.II, S.105f.

335

Schilderung der Eltern und der Herkunft, Daten und Fakten des eigenen Lebenslaufs, findet sich nur in reduzierter und mehr oder weniger transformierter Form. Die Beschreibung der Eltern und des Elternhauses wird nicht soziologisch oder psychologisch konzipiert, sondern ins >Existentielle< überhöht: Uralte Rhythmen, Wandel der Wasser und der Erden, Züge der Ähren, Feld-Züge, Wandern der Früchte, Kämpfe des Korns, Tragödien von Klima und Gestein im Blut des Vaters; nordische Siegschaft, urturanisches Tao kurz verglichen im Blick der Mutter - : unbegreiflich ferne Wogen von Bildern und Erlebnis plötzlich in dem eigenen Erbe ungestillter Antithesen [DL/Lel 355],

Der existentielle Grund des Individuums ist nicht das Erbteil von Vater und Mutter, sondern die umfassendere Polarität von Norden und Mittelmeer. Insofern ist die genealogische Rechtfertigung nicht nur ein den politischen Verhältnissen von 1934 geschuldetes Element, sondern auch die Konsequenz der genetisch-biologischen Argumentationsweise. Die eigentlich soziologische Kategorie des Pfarrhauses wird zum Züchtungsmilieu überhöht [vgl. DL/Lel 358f.]. Diese Verfahrensweise setzt sich fort in der kurzen Beschreibung der Jugend bis zum Studium, die als biologische Milieustudie fast nur das Skelett eines Lebenslaufs mitteilt [vgl. DL/Lel 361 ff.]. Was nach traditionellem Verständnis in der Autobiographie die Weltseite des Individuums ausmacht, wird im Lebensweg nicht entfaltet, sondern nur abbreviiert, da es für die existentielle Ebene keine Bedeutung hat. Formal ergibt sich aus der in Anspruch genommenen Prägung durch die Naturwissenschaften [vgl. DL/Lel 362], daß der Lebensweg eines Intellektualisten nach dem Muster einer wissenschaftlichen Abhandlung aufgebaut ist. Nicht das eigene Leben, sondern der »Lebensweg eines Intellektualisten oder das schicksalhafte Anwachsen der Begriffswelt oder das Verhältnis des Nordens zur Form - das sind meine Themen« [DL/Lel 356f.]. Diese Variation des Titels enthält eine doppelte Abstraktion. Das Leben der erzählten Figur wird als exemplarischer Lebensweg eines Typus ausgebreitet; dieser wiederum fungiert als Exempel einer als existentiell verstandenen Problemlage. Die Ausdünnung und Überschreitung des Autobiographieschemas ist unumgänglich. Die wissenschaftliche Abhandlung bietet das Gliederungs- und Argumentationsmuster des Textes. Die frühen Dichtungen sind Versuchsanordnungen zur Analyse des Ich- und Wirklichkeitszerfalls. Benn will »bestimmte geschichtliche und erkenntnismäßige Bemerkungen an den Rönne-Typ knüpfen« [DL/Lel 365]. Die anschließende mittels dieser Figur bearbeitete Frage »wie entsteht, was bedeutet eigentlich das Ich?« [DL/Lel 366] ist zugleich die Grundfrage der Autobiographie. Die Zuspitzung des Problems in der Pameelen-Figur zum Zerfall dessen, »was seit vierhundert Jahren als Ich galt« [DL/Lel 370], impliziert den Zerfall der alten autobiographischen Erzählweisen. Für die Form des vollständigen Doppellebens ist entscheidend, daß ihre poetologischen Grundlagen am Beispiel der Werkgeschichte entfaltet werden. Es bleibt in den drei Beispielfällen - bei Rönne, Pameelen und dem lyrischen Ich - nicht bei der Feststellung des Zerfalls. Neue Formen der biographischen und narrativen Kohärenz werden im Bereich der Kunst entfaltet. Der An336

thropologisierung der Kunst entspricht die Ästhetisierung des Individuums. Wenn Benn am Ende des Lebenswegs sich als Formalisten bekennt, der mit dem »fast religiöse[n] Versuch, die Kunst aus dem Ästhetischen zum Anthropologischen zu überführen, ihre Ausrufung zum anthropologischen Prinzip« [DL/Lel 392) betreibt, dann gilt auch das Umgekehrte. Doppelleben ist in seiner Gesamtheit ein Montagetext aus einer Reihe vorher voneinander unabhängiger Texte und eigens nachgelieferter Verbindungsstücke. Der Lebensweg ist der umfangreichste Text und Schloß ursprünglich den Essayband Kunst und Macht ab. Dort ging es nicht einfach nur um den autobiographischen Abschluß eines Bandes mit Essays, vielmehr schließt Kunst und Macht eine strategisch geplante Reihe von Publikationen ab, die mit Blick auf eine öffentliche Selbstpiazierung komponiert sind. Innerhalb dieses Bandes bilden die einzelnen Texte einen komplexen Argumentationszusammenhang. Kunst und Macht und die vorhergehende Publikation Der neue Staat und die Intellektuellen gehören zur Phase des Bekenntnisses zum neuen nationalsozialistischen Staat. Von daher fragt sich, was es bedeutet, wenn Benn einen Text aus dieser Umgebung mit wenigen Abweichungen in Doppelleben einmontiert, und inwiefern sich daraus ein neuer Kontext, neue Kohärenzen, neue kotextuelle semantische Beziehungen ergeben. Kunst und Macht enthält sechs Essays, die im Anschluß an das Bekenntnis zum neuen Staat auf der Folie der Geist-Macht-Polarität die Rolle der Kunst in diesem Staat behandeln. Im Vorwort (Der Krieger und die Statue) wird das Problem exponiert. Historisch-exemplarisch entwickelt es Benn anhand der griechischen Kunst (Dorische Welt). Die drei anschließenden Texte (Expressionismus, Rede auf Stefan George, Gruß an Marinetti) behandeln Beispiele aus dem Gebiet der modernen Kunst für die mittels des Formbegriffs begründete Zusammengehörigkeit von > Ausdruckswelt< und totalem Staat. Der Lebensweg eines Intellektualisten schließt die Argumentationskette dieser Texte ab. George, Marinetti und sich selbst bietet Benn einerseits als geistig-züchterisches Pendant zum totalen Staat im Bereich der Kunst an, andererseits vertritt diese Trias den geschmähten Typus des Intellektualisten. Diese Darlegung der groben Argumentationslinie des Bandes mag hier genügen. Die Übernahme des »autobiographischen Fragmentes< in Doppelleben ist demnach ein implikationsreicher Akt. Er bedeutet zunächst eine Entkontextualisierung im Hinblick auf die literaturpolitische Intention der Erstveröffentlichung, die sich allein schon so massiv auswirkt, daß nur wenige Stellen des Textes darüber hinaus verändert werden mußten. Der Lebensweg eines Intellektualisten wird zwar aufgrund des Wegfalls des alten Publikationskontextes enthistorisiert, aber er wird zugleich als vollständiges historisches Dokument einmontiert. Die Funktion der zweiten Selbstdarstellung innerhalb des neuen Publikationskontextes besteht einerseits darin, die Distanzierung zum Standpunkt von 1933 zu betreiben, ohne daß Benn sich selber desavouiert. Dies geschieht explizit und implizit. Andererseits muß aufgrund der These von der Selbstkonstruktion des Individuums Kontinuität aufgewiesen werden. Dies leistet Benn einmal durch explizite Stellungnahmen; implizit geschieht es darüber hinaus durch semantische Zusammenhänge, die erst aus der Montage resultieren. Distan337

zierungen liegen vor, wo im Doppelleben-Teil Standpunkte formuliert und ausgestaltet werden, die denen des Lebenswegs widersprechen. Ein Beispiel für einen Bruch kann man darin sehen, daß nach der Autobiographie-Transformation dieses Teils ein am Ende von Doppelleben stehendes Kurzkapitel über Privates eher nicht zu erwarten ist. Allerdings muß die Kritik am Wirklichkeitsbegriff nicht notwendig bedeuten, daß >Wirklichkeit< eine nicht mehr wählbare Perspektive sei. Ein Einschwenken auf die Perspektive des herkömmlichen Wirklichkeitsbegriffs deutet sich schon darin an, daß nach der großen Absage an die Wirklichkeit im Stil des 19. Jahrhunderts der zweite Teil mit eingehenden Darlegungen auf eben jener Ebene einsetzt. Was soll es denn anderes heißen, wenn Benn »einige Begründungen« [DL/DL 395] für sein Verhalten 1933 ankündigt? Die Bewertung der Antwort an die literarischen Emigranten als »romantisch, überschwänglich, pathetisch« [DL/ D L 399] impliziert eine Distanzierung vom Stil des Lebenswegs. Solche Beispiele kulminieren in der Selbstbeschreibung als »Dualist, Anti-Synthetiker [...] ich halte vor dem Unvereinbaren, mein Streben nach Einheit beschränkt sich auf das jeweilig in meinen Händen zur Bearbeitung befindliche Blatt« [DL/DL 449], Alle Distanzierungen zwischen den beiden Selbstdarstellungen lassen sich unter die im Lebensweg versuchten Problemlösungsversuche rubrizieren. 117 Diese wiederum sind Versuche, Schlüsse für die adäquate Konzeptualisierung von >Wirklichkeit< zu ziehen, die der erkannten existentiellen Lage entsprechen. Das ist erforderlich, weil von der Lage evolutionärer Anpassungsdruck ausgeht, dem sich das Ich stellen muß, will es nicht zu den Spänen gehören, die beim Hobeln abfallen. Die Schlußfolgerungen werden im wesentlichen mittels der inhaltlichen Bezüge gezogen, die sich aus der Montage zum Gesamttext Doppelleben ergeben. Die Montage wirkt nicht nur enthistorisierend, sondern zugleich komplexitätssteigernd. Infolge der Einfügung braucht Benn die Distanzierung, die sich auf seine »Mitarbeit« [DL/ D L 396] bezieht, nicht eigens auf seine alte Position auszudehnen. Erreicht ist mit der Makromontage zweierlei: Zum einen ist die Authentizität gesteigert, da der gesamte Lebensweg als Dokument fungiert und den Standpunkt von 1934 nicht aus der Retrospektive vermittelt, sondern ihn direkt und im Vokabular der Zeit formuliert. Zum zweiten ist die Wahrhaftigkeit des Unternehmens entsprechend den Gattungskonventionen bewiesen, da die alte Position aus der damaligen Sicht wiedergegeben wird. Somit kann der Rezeptionseindruck entstehen, Benn stehe zu seinen mittlerweile revidierten Irrtümern. Die Funktion des ersten Teils innerhalb des Gesamttextes ist jedoch damit noch nicht erschöpft. Im Hinblick auf die Problemlösungsversuche stehen die beiden Selbstdarstellungen im schroffen Gegensatz zueinander. Gleichgeblieben und damit verbindungstiftend ist das Grundproblem, das beide Teile bearbeiten. So ergibt sich, daß der Propagierung des Expressionismus im Lebensweg die Propagierung einer >Phase II< des

117

Im Lebensweg eines Intellektualisten verkündet Benn: »Intellektualismus also heißt, keinen anderen Ausweg aus der Welt zu finden, als sie in Begriffe zu bringen« [DL/Lel 385]. Im Doppelleben heißt es dagegen resigniert: »Man kommt den Dingen mit Gedanken nicht mehr nahe« [DL/DL 406],

338

Expressionismus im Doppelleben folgen muß. Dementsprechend greift Benn im Kapitel Literarisches den ergographischen Strang des Lebenswegs wiederum auf. Die Überzeugung vom Fortbestand der existentiellen Probleme bekundet Benn in den ersten Nachkriegsjahren immer wieder. »[I]ch nehme dann von neuem zu den Fragen Staat und Macht u.sw. Stellung und rechne sie zu den Fragen, die wir auch heute genau so wenig beantworten können wie damals.« 118 Die Kontinuität des lapidaren Einsatzes mit »Ich fahre nun fort« [DL/DL 395] ist nicht nur die explizite autobiographische Anknüpfung, sie bereitet auf die problemgeschichtliche Kontinuität vor. In der späteren Erläuterung von Zukunft und Gegenwart wird die Selbstbeschreibung als Intellektuellst im Kontext einer neuen Ausfaltung der existentiellen Problematik reaktiviert. Infolge der Montage ergeben sich neben dieser Anknüpfung an den Leitbegriff des ersten auch Vorwegnahmen des Leitbegriffs des zweiten Textes. >Doppelleben< ist die neue Antwort auf die alten Probleme. Die Kontinuität der Probleme ist die zentrale Kontinuität des gesamten Buches. Die alte Antwort an die literarischen Emigranten enthält »Probleme, Fragen, innere Schwierigkeiten, die auch heute noch für uns akut sind« [DL/DL 399], Bekanntlich sind die »drei Themen, die das Jahrhundert bis heute durchziehen: die Wirklichkeit, die Form und der Geist« [DL/Lel 379], immer noch ungelöst. Wer könnte das eher bezeugen als Thomas Mann, dessen Betrachtungen eines Unpolitischen Benn als Parallelerfahrung eines dem seinen ähnlichen - wie er genüßlich Thomas Mann zitiert - »Gedankendienst[es] mit der Waffe« [DL/DL 406] vorführt. 1 1 9 Die zweite Selbstdarstellung schließt vielfach inhaltlich an den Lebensweg an, ist formal aber anders strukturiert. Die Konstanz der existentiellen Problematik und die Veränderung der entsprechenden Antworten lassen einen straffen Aufbau nach dem Muster einer wissenschaftlichen Abhandlung nicht mehr angezeigt sein. Die neun Kapitel der zweiten Selbstdarstellung lassen sich zu drei Gruppen zusammenstellen, deren interne Fügung dem Montageprinzip entsprechend locker ausfällt. Die ersten drei Kapitel (Schatten der Vergangenheit, Leier und Schwert, Lyrisches Intermezzo), deren Titel jeweils Zitate sind, 120 sind dokumentarisch ausgerichtet und enthalten eine fast in tradionellem Sinn geschriebene autobiographische Erzählung. Das Lyrische Intermezzo endet mit dem Gedicht Monolog und leitet über zur zweiten Kapitelgruppe mit Block II, Zimmer 66, dem ergographischen Abschnitt Literarisches und dem Gedicht 1886. Diese Kapitelgruppe stellt das Oeuvre inhaltlich ins Zentrum. Formal entspricht dem eine Tendenz zur Fiktionalisierung. Die dritte Kapitelgruppe (Zukunft und Gegenwart, Noch einiges Private, Schlußworte) knüpft im stilistischen Duktus wieder am dokumentarischen Beginn an und

118 119 120

An F. W.Oelze, 20.12.1949; Gottfried Benn 1979-1982, Bd. II, S.276. Vgl. Michael Jaeger 1995, S.252ff. Schatten der Vergangenheit spielt auf den im Telegraf \om 16. März 1949 veröffentlichten Artikel gegen die »Troubadours des tausendjährigen ReichesLage< und wie ihr zu begegnen sei. Benn wiederholt mittels der Übernahme des bereits im Krieg entstandenen Prosastücks Block II, Zimmer 66 wiederum den mit dem Lebensweg eines Intellektualisten praktizierten Kunstgriff, die vergangene Perspektive mit Hilfe eines zeitgenössischen Textes zu repräsentieren. Damit ist wiederum die Hegemonie der Perspektive der Erzählfigur innerhalb des autobiographischen Textes durchbrochen. Inhaltlich wird die Revision der Positionen von 1933/34 schon für die Zeit im Dritten Reich dokumentiert, so daß die apologetische Intention der gesamten Publikation von Doppelleben sich auf den erzählerischen Duktus des Kapitels nicht auswirkt. Das literarische Verfahren der Autobiographiemontage ist als Ergebnis wirklichkeitskritischer Reflexionen Benns Versuch, der >Lage< die adäquate Form entgegenzustellen.

5.2.3. Der entmachtete Erzähler: experimentelle Variationen der autobiographischen Rahmenerzählung Das Gemeinsame von Der Fragebogen von Ernst von Salomon, arnolt bronnen gibt zu protokoll und Sebastian Karst über sein Leben und seine Zeit ist die ungewöhnliche Gestaltung der Rahmenerzählung. Die unterschiedlich motivierten Variationen haben gewichtige Konsequenzen. Gewöhnlich besteht das Erzählmodell der Autobiographie aus einer Rahmenebene, der Ebene des Erzählers, und einer Binnenebene, die der erzählten Figur zugeordnet ist. Die Rahmenebene kann bis auf die Erzählperspektive reduziert sein, sie kann aber auch als eigenständige Gegenwartsebene den Schreibprozeß vorführen. Die Binnenebene enthält im Regelfall die eigentliche Erzählung des Lebens der Zentralfigur. Der Ansatz von Kolbenheyers Autobiographie ist in dieser Hinsicht geradezu idealtypisch konstruiert: Innerhalb der Rahmenebene wird über die Bedingungen des Schreibprozesses Rechenschaft abgelegt, die Binnenebene entfaltet chronologisch das Leben der Karstfigur. Die Zeitstruktur ist zirkulär, d. h. die Binnenebene kommt am Ende dort an, wo die Rahmenebene angesetzt hatte. Der häufigere Fall ist aber, daß die Rahmenebene lediglich als Erzählperspektive präsent ist. Arnolt Bronnens protokoll enthält zunächst einen traditionell gebauten autobiographischen Text, bei dem die Rahmenebene in der Erzählperspektive präsent ist. Darum hat Bronnen einen zusätzlichen Rahmen gelegt, der imgrunde nur aus der kommentierenden Rede eines Anklägers besteht. Dieser zusätzliche Rahmen ist fingiert. Salomons Fragebogen enthält ebenfalls einen zusätzlichen Rahmen, der ausschließlich aus dem Fragebogen der Alliierten Militärregierung besteht. Im Gegensatz zu Bronnens Text ist der Salomons nicht traditionell aufgebaut, sondern von den Fragen her strukturiert. Zugleich aber stellt Salomon mittels einer darüber hinausgehenden Erzählkonstruktion weitere Formkohärenz her. Das gewöhnliche Erzählmodell der Autobiographie impliziert, daß der Erzähler als Stellvertreter des Autors als Souverän des Textes fungiert und über die Erzählfigur, die Stoffselektion und -komposition sowie die Behandlung der Gattungsregeln 340

verfügt. In den drei Texten von Kolbenheyer, Salomon und Bronnen ist der Erzähler entmachtet. Die Rolle des Souveräns übernimmt bei Salomon der anonyme Autor des Fragebogens des Military Government of Germany, bei Bronnen die anonyme Stimme des Anklägers. Kolbenheyers Karst versucht nur, die Souveränität seines Erzählens über Leben und Zeit zu wahren.

5.2.3.1. Die fremdbestimmte Rahmenerzählung Die Struktur des Fragebogens gibt die Ordnung des Fragebogens121 vor. Salomon reflektiert Grundfragen der Autobiographie mit dem Ziel der Subversion des im Fragebogen kodifizierten Erfassungsanspruchs. Die Frage ist, »ob in seiner Unterwerfung nicht eine andere Möglichkeit beschlossen liegt, verbindlich zu Dingen zu gelangen, die einen solidarischen Akt herbeiführen können« [F 11], Der Fragebogen als politisches Instrument im Rahmen der Reeducation-Politik in der amerikanischen Zone zielt zur Umerziehung primär auf »Fragen des Gewissens« [F 8]. Salomon setzt an diesem Punkt an: Das Verfahren, welches sich durch diesen Fragebogen dokumentiert, kennt keinen Verteidiger, aber gerade, weil niemand weiß, welche Absichten es verfolgt, weiß auch niemand, ob in seinen Methoden nicht doch unvermutet die Möglichkeit einer Wahrheitserschöpfung verborgen ist. Dieser Möglichkeit will ich dienen, in der Hoffnung, daß gleich mir noch vielen der gleiche Anreiz lächelt, so daß am Ende doch aus der Quantität der Antworten sich die Qualität eines wenigstens annähernd wahren Bildes extrahiert über das, was in unserem Lande geschah, und wie es eigentlich gewesen ist. Dann aber richten sich die Fragen dieses Fragebogens nicht an mein Gewissen, sondern an mein Gedächtnis

[F12], Zwischen dem Urheber des Fragebogens und dem Erzähler des Fragebogens werden eine Reihe von Oppositionspaaren exponiert, deren zentraler Gegensatz der zwischen der »Geschlossenheit des Weltbildes« [F 9] der Vertreter der Militärregierung und der Skepsis Salomons ist. Dessen Auslassungen zielen auf die »Möglichkeiten jenes merkwürdigen Dinges [...], welches die allgemeine Skepsis einfach >Wahrheit< zu benennen übereingekommen ist« [ F l l ] , Der Fragebogen wird von Salomon interpretiert als Verfestigung eines geschlossenen Weltbildes, das eine spezifische Konzeption von Politik und eine ebenso spezifische Anthropologie formuliert. Diese Implikationen analysiert er vor allem anhand der unterschiedlichen Identitätskonzepte. Der Aufbau des Fragebogens wird zur Makrostruktur des Buches. Salomons Textstrategie zielt darauf, die Wahrheitsverpflichtung des Bogens zu erfüllen, die in erster Linie auf die »Wahrheitserschöpfungspflicht des Richters« [F 11] zielt. Dies geschieht jedoch auf der Basis eines umfassenderen emphatischen Wahrheitsbegriffs. Salomon will »aus der Anhäufung einer größtmöglichen Anzahl von Fakten das Bild der Wahrheit in ihren zartesten Konturen heraus[]sublimieren« [F llf.]. Aus der Binsenweisheit, daß die Wahrheit

121

Der Buchtitel wird durch Kursivdruck angezeigt. Wenn vom Fragebogen der Militärregierung die Rede ist, erscheint Normaldruck.

341

des Lebens weit über die juristisch relevante Faktizität hinausreicht, entwickelt Salomon die komplex verschachtelte Grundstruktur seines Textes. 122 Da der Fragebogen eine zweckgerichtete Selektion darstellt und die in diesem Sinne relevanten Informationen additiv und asyndetisch erhebt, spielt die Kohärenz eines Lebens für ihn keine Rolle. Die Zeitdimension der Biographie ist immer der Perspektive der Gegenwart der Erhebung untergeordnet. Sinn und Kohärenz aber sind integrale Momente von Salomons Wahrheitsbegriff. Das führt textstrategisch dazu, daß über die Fragen hinaus Kohärenzen hergestellt werden müssen, die Chronologie aber notwendig gebrochen wird. Einzelne Antworten werden als kurze Essays formuliert, 1 2 3 in anderen wird themenbezogen die gesamte Lebensentwicklung verkürzt dargeboten. 1 2 4 Die zentralen Fragen werden in eine durch die zerstückelnde Struktur des Fragebogens jeweils unterbrochene Kohärenz geknüpft. Die in Autobiographien gängige chronologische Ordnung der Biographie ist im Fragebogen durch Vorgriffe oder Rückblenden durchbrochen. Diese Brüche der Chronologie führen zu einer Hervorhebung bestimmter biographischer Einschnitte und ergeben ein komplexes Netz von Querverbindungen und Bezügen. Hinzu kommt, daß Salomon häufig die autobiographische Narration nicht als Erzählung des Erzählers organisiert, sondern als Erzählung eines ausführlichen Gesprächs, in dem wiederum ein vergangener Abschnitt aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, reflektiert, erzählt, interpretiert wird. Dieses Verfahren verleiht dem Fragebogen über weite Strecken und vor allem an neuralgischen Punkten eine hohe Komplexität. Der Übersicht halber sind der Unterschied zwischen Chronologie 1 2 5 und autobiographischer Erzählung sowie Salomons autobiographischer Konstruktivismus am einfachsten tabellarisch vorzuführen.

Datum

Ereignis

Seiten

Kapitel

16.-19. Jh.

Geschichte der Ahnen Salomons.

65 -104

A.18

25.9.1902

Geburt. Horoskop.

33 - 3 4

A.3

bis 1907

Geburtsstadt Kiel im Kaiserreich. Erste Kindheitserinnerungen.

34 - 4 1

A.5

1909-1918

Schulzeit. Kadettenkorps.

173-184

Β

122

123

124

125

Vgl. Derek van A b b e 1953; Franz Futterknecht 1976, S.202. Van Abbes Hinweise auf die Kompositionstechnik (ausgeführt am Beispiel der Fragen 117ff.) sind in der Forschung nie aufgenommen worden. Beispiele: Die Fragen nach der Staatsangehörigkeit (F 56ff.) und der Religionszugehörigkeit (F 104ff.). Beispiele sind die Frage nach dem Gewicht (F 47ff.) oder nach dem Einkommen ab 1933 (F 541 ff.). Zur Referentialisierung vgl. Markus Josef Klein 1994.

342

Datum

Ereignis

Seiten

Kapitel

Mai 1921

Salomon am Minenwerfer, Mitglied der Freikorps in Oberschlesien.

187-194

B.25

1922

Suche nach einem Fahrer für Rathenau-Attentäter.

125--126

A.24

Sommer 1922 bis 9.11.1923

Kontakt mit Kapitän Ehrhardt, OC, Hitler-Putsch.

393 -414

E.40-98

1922

Rathenauprozeß. Verurteilt wegen Beihilfe zu 5 Jahren Haft am 22.10.1922.

136 -140

A.24

1923-1928

Zuchthaus Striegau.

154--164

A.24

9.11.1923

Salomon ritzt ein Hakenkreuz in die Zellenwand.

172 408·-409

A.24 E.40-98

1927

Femeprozeß in Gießen.

127--134 140 -148

A.24

Frühsommer 1928

Berlin. Am Tag der Haftentlassung Wiederbegegnung mit Hartmut Plaas und Kapitän Ehrhardt.

112--117

A.24

Berlin. Unmittelbar nach dem Treffen mit Plaas Begegnung mit Friedrich Hielscher. Beginn des Kontakts zum >Salon SalingerSalon SalingerHistorische< Wahl zum 5. Reichstag. Calw in nationalsozialistischer Hand. Vorgeschmack auf das, was die Deutschen in der NS-Zeit erwartet.

416--423

E.40-98

1931/32

>Im Paradies< in St. Jean de Luz, Südfrankreich. Majie-Episode als >Boche in Frankreichc »O süße Majie, ο heiliges Frankreich! Ihr habt mir den Traum meines Lebens geschenkt, les grandes vacances de ma vie« [F622].

558--624

1.125131

1932/33

Auf Einladung von Othmar Spann nach Wien. Besuche in Böhmen bei den Leuten Konrad Henleins.

195--214

B.25

30.1.1933

Reflexion der eigenen Lage.

227--230

B.25

1933-30.6.1934

Rückkehr aus Österreich; Reflexion der politischen Lage; Schicksal der Brigade Ehrhardt. Der sog. RöhmPutsch.

423--449

E.40-98

Anfang 1933

Ernst Röhm bietet Salomon einen Posten in der SA an.

216

B.25

126

Vgl. Jean Pierre Faye 1977, Bd.I, S.399ff.; Michelle Le Bars 1986.

344

Datum

Ereignis

Seiten

Kapitel

Ostern 1933

Verhaftung Salomons im Kontext des Vorgehens gegen die nationalrevolutionäre Konkurrenz.

484-491

E.116

nach 1933

Gespräch zwischen Georg und Hilde von Salomon, Ernst von Salomon und Ille über die Geschichte der Salomons.

6 5 - 104

A.18

nach 1933

Hans Grimm lädt Salomon zu den >Lippoldsberger Dichtertagenim neutralen Auslands 1 2 7

351 -361

D.29c

1938

Besuch in Wien nach dem >AnschlußDie Amerikaner sind da< - mit Abwandlungen zitiert 539,541,554, 555,622, 624.

541 -554 555·-624

H.119 I.125

Salomon erzählt Ille von seiner Zeit >im Paradies< in St. Jean de Luz.

558 -624

1.125131

Einrücken der Amerikaner. Ein Amerikaner zerreißt Salomons Wehrpaß.

54- 55

A.14

1945-1946

Einrücken der Amerikaner. Internierung Salomons (als >big NaziRichtigkeit< der Angaben auf dem Fragebogen.

808

Kapitel

Die Linearität des Fragebogens ist durch die autobiographiefremde Perspektive des Fragebogens als primäre Ordnung des Textes vorgegeben. Die artistische Differenz zwischen biographischer Chronologie und autobiographischer Zeitstruktur führt zu einer erheblichen Steigerung der Komplexität, die vor allem im Hinblick auf historiographische Präzision entworfen ist und den autobiographischen Konstruktivismus an die Grenze zur Fiktion treibt. Die Konstruktion stellt sehr wirkungsvoll drei Daten der Biographie heraus und reflektiert ihre biographieprägende Relevanz aus unterschiedlicher Perspektive. Die Ereignisse weniger Tage im Frühsommer 1927 werden an nicht weniger als sieben verschiedenen Stellen durchwegs im ersten Drittel des Textes erzählt. Dabei entstehen keine Überlappungen, sondern die Chronologie wird segmentiert, die einzelnen Segmente unter thematischen Aspekten verschiedenen Erzählzusammenhängen zugeordnet. In diesen Tagen, so das Resultat der Konstruktion, die die Formulierung vom »Kreuzweg[] des Lebens« [F 14] formalisiert, - in diesen Tagen ereignet sich eine fundamentale Umstellung in Salomons Leben, die zu einer radikalen Reinterpretation der Biographie führt. Das erste Gespräch nach der Haftentlassung wird mit Hartmut Plaas, einem Mitverschworenen des Rathenau-Attentats, und dem Kapitän Ehrhardt geführt. Plaas avanciert in der Folgezeit zu einer Kontrastfigur zur erzählten Figur, die die aktivistische Linie, von der Salomon Abstand genommen hat, fortführt, und dessen Lebensweg die Konsequenzen des rechtsradikalen Aktivismus reflektiert und in actu vorführt. Plaas bleibt nicht nur den alten Zielen, sondern auch den alten Lösungsversuchen verpflichtet. Er wird im Zuge der Auflösung der Brigade Ehrhardt zum Zweck der Unterwanderung Mitglied der SS, spielt weiter mit Attentatsplänen diesmal auf Hitler warnt im Vorfeld der Verschwörung des 20. Juli 1944 die Beteiligten und wird im K Z Ravensbrück ermordet. Salomon bleibt hier sowohl emphatisch engagiert wie er in immer größere Distanz gerät. 1 2 8 In Gesprächen zwischen

128

Die Gleichzeitigkeit von Engagement und Distanz verdeutlicht Salomons nachträgliche Einstufung seines oberschlesischen Engagements bei den Freikorps: »Ich sagte: >Ich bin da in die Sachen hineingegangen wie Karl Moor in die Böhmischen Wälder. >0 Menschen, Menschen, heuchlerische Krokodilenbrut!< Vom Gefühl her war für mich der Vorgang selbst viel wichtiger als das Resultat, dieser unvergleichliche Rausch des Sichopferns, die Selbstvernichtung - das Grandiose des Versuches, >die Erde an den Mond zu sprengenDas sagst Du jetzt! < >Ja, - natürlich, damals, da war es heiliger Ernst. Aber in der Rückschau ist es doch unheimlich«< [F133]. 347

beiden wird die gemeinsame Vergangenheit immer wieder durchdacht, ohne daß es zu einer Lösung käme. Dem Tod von Hartmut Plaas kommt die Funktion zu, die Niederlage des radikalen Nationalismus - von den Nationalsozialisten vereinnahmt und vernichtet zu werden - drastisch zu verdeutlichen. Sein Lebensweg zeigt eine mögliche Biographie der erzählten Figur auf, wäre da nicht nach der Haftentlassung Fräulein Dr. Querfeldt gewesen. Die Wende vom aktivistischen zum proklamatorischen Nationalismus zeigt sich darin, daß unmittelbar nach dem Wiedersehen mit Plaas Salomon auf Friedrich Hielscher trifft und mit dem >Salon Salinger< in Kontakt kommt. E s war, rückblickend betrachtet, ein sehr modernes Verschwörernest. Der Widerstand am Teetisch - hier wurde er erfunden. Der geniale Versuch, die Fundamente der Macht durch ästhetische Gespräche zu erschüttern, hier wurde er zum ersten Mal unternommen [F 259].

Die Absage an den Terrorismus wird in mehreren Textabschnitten vollzogen. Zunächst bietet die kurzzeitige Rückkehr in die Heimatstadt Kiel Anlaß zur biographischen Reflexion der kaiserzeitlichen Rahmenbedingungen der Herkunft unter den veränderten Bedingungen der Weimarer Republik. Seine Kadettenausbildung endete ausgerechnet 1918 - mehr muß dazu hier nicht gesagt werden. Zum zweiten wird Salomon als mittlerweile prominenter Beteiligter am Rathenau-Attentat vom Volkswirtschaftler Schücking zum kurzen Gespräch über Rathenau geladen. Zum dritten führt beide dieses Gespräch an anderer Stelle des Textes zur Erzählung der erzählten Figur über einzelne Episoden der Freikorpszeit. Die Distanz der Perspektive des Erzählers zur erzählten Figur wird noch einmal perspektivisch gebrochen. Diese vor allem politisch ausgerichteten Abschnitte setzen in unterschiedlichen Zusammenhängen und aus unterschiedlichen Perspektiven einen fundamentalen biographischen Wandel in Szene. Der Wandel ist zunächst nicht mit einem Wechsel der politischen Grundüberzeugungen verbunden: Salomon bleibt ein revolutionärer, radikaler Nationalist, der extremen Rechte verbunden. Der Wandel ist vielmehr Resultat einer grundlegenden Skepsis, die auf den Verlust eines holistischen Weltbildes und damit eines ganzheitlichen Lebenssinns zurückzuführen ist. Diese Skepsis setzt bei der erzählten Figur einen schleichenden, nicht geradlinig verlaufenden Prozeß der Distanzierung in Gang und macht sie zur gebrochenen Figur. Das hat schließlich der chronologisch späteste, im Text aber als erster Passus der autobiographischen Erzählung erscheinende holsteinische Sanatoriumsaufenthalt darzulegen. Hier wird Salomon zum Schriftsteller, hier wird der »Schritt aus dem Mittelalter direkt in das amerikanische Jahrhundert« [F 252] vollzogen, hier beginnt die erfolglos bleibende Suche nach einer Funktion. Dem biographischen Einschnitt im Frühsommer 1928 korrespondiert ein zweiter, der nicht minder pointiert das letzte Textdrittel dominiert und zwar weniger variantenreich, aber dafür um so nachdrücklicher den Einzug der Amerikaner 1945 im Text hervorhebt. Seine Funktion besteht darin, das totale Scheitern des deutschen Nationalismus in allen Spielarten vor Augen zu führen. Salomon wird zwar zu Unrecht interniert, was die Entlassung als »erroneous arrestee« [F 805] beweist, aber die gesamte Erzählung der Internierung macht deutlich, daß er sich als zu Recht In348

t e r n i e r t e n b e t r a c h t e t . 1 2 9 D e r N a t i o n a l s o z i a l i s m u s ist, w a s S a l o m o n s R ü c k z u g aus d e r P o l i t i k in d e n d r e i ß i g e r Jahren m o t i v i e r t , i m r e c h t e n S p e k t r u m e n t s t a n d e n u n d e r h a t alle a n d e r e n r e c h t e n G r u p p i e r u n g e n v e r e i n n a h m t , v e r s c h l u n g e n u n d d i e R e c h t e r e s t l o s k o m p r o m i t t i e r t . S p ä t e s t e n s in d e r R e i c h s k r i s t a l l n a c h t ist n a c h S a l o m o n s Darstellung das K o l l e k t i v schuldig g e w o r d e n und mit ihm nolens v o l e n s die A n g e h ö r i g e n d e s K o l l e k t i v s . D i e s e G r u n d k o n s t e l l a t i o n ist d a f ü r v e r a n t w o r t l i c h , d a ß in d e r E r z ä h l u n g v o n d e r I n t e r n i e r u n g S a l o m o n k e i n e m o r a l i s c h e D i s t a n z i e r u n g v o r t r ä g t , s o n d e r n i m G e g e n t e i l v o m B e w u ß t s e i n g e p r ä g t ist, S c h u l d i g e r u n t e r S c h u l d i g e n z u sein. D a s k u l m i n i e r t d a r i n , d a ß d e r l e t z t e S a t z d e r a u t o b i o g r a p h i s c h e n E r z ä h l u n g - » E s l e b e D e u t s c h l a n d ! « [ F 8 0 6 ] - als Z i t a t d e r l e t z t e S a t z d e s g e h e n k t e n S S - K r i e g s v e r b r e c h e r s H a n n s L u d i n u n t e r d e m G a l g e n ist. D i e s e r Satz erhält seinen H i n t e r g r u n d , i n d e m Ille ihre E r f a h r u n g e n im Frauenlag e r e r z ä h l e n d m i t t e i l t . S i e w a r i n h a f t i e r t w o r d e n , o b w o h l sie H a l b j ü d i n w a r , u n d sie l e g t Z e u g n i s a b v o n d e r v ö l l i g aus d e n F u g e n g e r a t e n e n W e l t . I h r e P e r s p e k t i v e l i e fert d e n Kontrast zu Salomons Erzählung. Ille sagte ihm, wie viele anständige Menschen ich im L a g e r und im Zuchthaus getroffen habe, wirklich, ich versuchte, ihn für das Schicksal all derer zu interessieren, von denen ich wußte, daß sie nur durch einen unglücklichen Zufall und durch die Dummheit der amerikanischen M e t h o d e n in die Mühle geraten waren. Rosenthal hörte mir mit vorbildlicher Geduld zu, aber eines Tages erlaubte er mir, in den A k t e n zu lesen. Seit der Z e i t weiß ich, daß ich zu klein war für große Zeiten und daß ich es vermutlich immer bleiben werde. Ich wagte einfach nicht mehr, Rosenthal über anständige Menschen aufzuklären. Es war entsetzlich, am schlimmsten bei denen, für deren Unschuld ich die Hand ins Feuer gelegt hätte, - und die A k t e n des Reibeisens waren blütenweiß, diese widerliche Person war tatsächlich nur penetrant und zänkisch und sonst nichts, - aber wie vielen wagte ich nicht mehr in die A u g e n zu sehen, wenn ich ihnen in den Gängen und in den Zellen begegnete, ich verzweifelte an allen meinen Maßstäben, an allen Maßstäben der Welt [F760]. A u s d i e s e r K o n s t e l l a t i o n g e h t h e r v o r , d a ß 1933 e i n w e i t e r e s E c k d a t u m d a r s t e l l t , u m das h e r u m S a l o m o n bildlich gesprochen den Faden seiner R e f l e x i o n zu

einem

K n ä u e l ballt. D a s e n t s p r i c h t d e r K o m p l e x i t ä t s e i n e r L a g e : e r g e h ö r t z u r R e c h t e n ,

129

Belege: Salomons Reaktion auf die Fotografien aus dem K Z Mauthausen ( F 646ff.) und das anschließende Gespräch mit Ille. Ille - nach der Nomenklatur der Nürnberger Gesetze Halbjüdin - verkündet: »Seit die A m e r i k a n e r da sind, ist der Schatten weg. Ich weiß, ich w e r d e meine W ü r d e wieder h a b e n « [F 650]; sie wird dann ebenfalls interniert. A n späterer Stelle berichtet Salomon dann über seinen Würdeverlust ( F 675f.) und über die Vergewaltigung Illes durch die A m e r i k a n e r (vgl. F 678f.). Beide werden im Internierungslager empfangen: » I c h sah das L a g e r vor mir. Ein stacheldrahtbewehrtes T o r ö f f n e t e sich, wir schritten hindurch. Direkt neben dem Tor stand ein junger, blonder Mann in weißem Höschen und einem schwarzen H e m d , das am Halse o f f e n war. Es war mein Mörder. Er lächelte mir zu. Er sagte: >Ich wußte ja, daß wir uns Wiedersehen werden, Herr K n o b lauch! H i e r ist es richtig!< Er legte mir sozusagen kameradschaftlich den A r m über die Schulter, er hatte Grübchen mehr denn je. Er sagte: >Im Lager selbst wird nicht geprügelt, da befinden Sie sich unter anständigen Menschen!< Er sah Ille an, dann mich und sagte: >Die werte Frau Gemahlin? W i e ? Respekt, Respekt! Wohl eine geborene Zwiebelduft?Halbjüdin< Ille zusammen; er ist dafür, aber nicht so; zugleich ist er dagegen. Das Bild für diesen Zusammenhang ist die doppelte Hervorhebung des am 9.11.1923, dem Tag des Hitler-Putsches, in die Zellenwand geritzten Hakenkreuzes, worüber dann bezeichnenderweise genaueres in einem Gespräch mit Ille am 9.11.1938, dem Tag der Reichskristallnacht, mitgeteilt wird. Dem entspricht als symbolträchtiges Bild, daß der Kapitän Ehrhardt im Sommer 1933 seine Brigade kollektiv dem Reichsführer SS unterstellt. Die Komplexität der nie bestrittenen schuldhaften Verstrickung verdeutlicht Salomon mittels der Komplexität seiner Verschachtelungstechnik. Sein Urteil über die Reichskristallnacht wird in Distanz zu jeglicher Dämonisierung klar formuliert: »Das ist kein Verhängnis, das ist ein Verbrechen!« [F 465], Die Verschachtelungstechnik läßt sich anhand der langen Gespräche vorführen. Ihre Grundstruktur ist immer, daß der Erzähler (mit der Perspektive nach 1945) über ein Gespräch (in der Regel mit der Perspektive der dreißiger Jahre) berichtet, in dem vergangene Ereignisse (mit der Perspektive vor 1933) erzählerisch vermittelt, ironisch gebrochen, mehrfach reflektiert werden. Es gibt sieben solcher Gespräche im Fragebogen: a. Irgendwann nach 1933 unterhalten sich Georg und Hilde von Salomon, Ille und Ernst von Salomon über die Familiengeschichte der Salomons (F 65-104). b. 1939 vor Kriegsausbruch machen Hartmut Plaas, Ille und Ernst von Salomon einen mehrtägigen Ausflug mit dem Automobil nach Oberschlesien. Sie diskutieren vor allem über die Umstände und Folgen des Attentates auf Walter Rathenau (F 120-172). c. Im Frühsommer 1928 erzählt Salomon dem Völkerrechtler Schücking Episoden aus der Freikorpszeit (F 185-194). d. Nach der Entlassung aus der Internierung im Herbst 1946 unterhält sich Salomon mit Hans Zehrer auf Sylt über die politische Rechte der frühen dreißiger Jahre (F 195-250). 1 3 0 e. Am Abend des 9.11.1938 entwickelt Salomon im Gespräch mit Ille die Geschichte der Rechten und ihrer Berührungen mit der NSDAP (F 387-466). 1 3 1 f. Im Zuge der Ankunft der Amerikaner 1945 erzählt Salomon seiner Gefährtin Ille zum offenbar wiederholten Mal die Geschichte der glücklichsten Monate

130

131

Dieses Gespräch wird weitgehend als eine Erzählung in der Erzählung dargeboten, mit wenigen Unterbrechungen und Interventionen. »Auch während ich dies schreibe, sitze ich sehr weit entfernt von Wien, auf der Nordsee-Insel Sylt. Soeben komme ich von Hans Zehrer, ich darf wohl sagen, von meinem Freunde Hans Zehrer, der am Watt in einem kleinen Häuschen wohnt« [F 195]; vgl. F201f. Schon diese Situierung macht deutlich, daß es Salomon nie und nimmer um ein »Plädoyer für die moralische Integrität der nationalen Bewegungen« gehen kann, wie Franz Futterknecht 1987, S.314, behauptet.

350

seines Lebens 1931/32 in Südfrankreich. Der Erzählrahmen wird hier aber nicht geschlossen (F 557-622). g. Nach Entlassung aus der Internierung 1946 erzählt Ille von ihren Erlebnissen seit ihrer Trennung von Salomon (F 741 -762). Im Rahmen dieser Gespräche überwiegt das Verfahren der Komplexitätssteigerung bei der Unterhaltung über die prekären und problematischen Aspekte der Rechten. Korrespondierend verhalten sich das Gespräch mit Zehrer (d) und das mit Ille (e). Im einen Fall werden aus der Nachkriegsperspektive die politischen Konzeptionen der radikalen Rechte kurz vor der Machtergreifung vor allem im Hinblick auf ihre utopischen Erwartungen vorgeführt. Im zweiten Fall wird aus der Perspektive der Ausschreitungen der Reichskristallnacht ihre gemeinsame Geschichte mit der nationalsozialistischen Bewegung und die eigene Verstrickung erzählt. Das lange Gespräch mit Hartmut Plaas enthält einen Hinweis darauf, daß die Verschachtelungstechnik nicht primär Resultat fiktionalisierender oder literarisierender Artistik ist, daß es Salomon auch nicht in erster Linie um szenische Vergegenwärtigung, Spannungssteigerung oder Illusionismus geht. Die nachträgliche Diskussion des Attentats auf Rathenau geht von der Erfahrung während des Prozesses aus, daß »die Tat ein Eigengebilde geworden [ist], mit eigenen Forderungen und Rechten« [F 128]. Die Niederschrift des ersten Buches Die Geächteten diente aus der Perspektive des Fragebogens der Reflexion dieser Erfahrung von Fremdheit und Fremdwerden der Tat. 132 Der Reflexionsprozeß wird nie abgeschlossen, sondern als unabschließbar ausgewiesen. Dieses Anliegen ist der wesentliche Grund dafür, daß Salomon das Bedürfnis der Historiker nach faktographischer Klarheit nicht befriedigt hat, so daß seine Texte aus historischer Sicht als problematische Quellen gelten. Exakt dieses Problem wird dann in einer ausführlichen Passage reflektiert. Salomon führt aus: [»]Nein, das Bild der Tat hat nicht die Lüge verfälscht, sondern der falsche Aspekt. Und eben darum versuchte ich sieben Jahre später, die ganze Sache noch einmal zu erzählen, Plaas, Du hast das Buch gelesen, und Du hast die Dinge alle selber miterlebt, ist das wahr, was in den >Geächteten< steht?« »Doch«, sagte Plaas, »doch, teilweise, wie alles.« »Siehst Du«, sagte ich in einer Art Befriedigung, »es kommt eben auf den Standort an, von dem aus man die D i n g e betrachtet, und dieser Standort kann nicht nur räumlich, sondern er kann auch zeitlich verschieden sein. Sieben Jahre später waren die Fakten nicht mehr so wichtig wie die Motive. Und ich kann versichern, daß die Motive festzustellen noch peinlicher war, als die Feststellung der Fakten. Mein französischer Übersetzer schrieb in seinem

112

Pointiert formuliert findet sich dieses Problem in der Besichtigung der ehemaligen Zelle im Zuchthaus Striegau: »Wie jung mußte ich gewesen sein, wie unverbraucht. Hier hielte ich es nicht mehr aus, hier könnte ich keine fünf Jahre mehr leben, hier ginge ich zugrunde, wie hier so viele zugrunde gegangen waren. Es war schlimm. E s war viel schlimmer, als ich vermutet hatte. [...] Wenn ich die Augen Schloß, mußte es mich überfallen. Es war nichts. Es war so, genau so, wie ich es kannte. Eine ganz gewöhnliche Zelle, wie es viele Zellen gab, in denen Menschen lange Jahre ihres Lebens verbringen. Es war nichts. Es war schrecklich« [F172],

351

Vorwort zur Pariser Ausgabe von einer >Kakophonie des GeistesDokumentbeiträge zur geschichte des modernen schriftstellers< zu liefern sich anschickt, steht der moderne Schriftsteller als solcher vor einem imaginären Gericht. Es hat die Aufgabe, seinem Anteil an den Verbrechen der deutschen Geschichte nachzugehen. Die autobiographische Erzählung erscheint im Rahmen des juristischen Arrangements als Aussage in eigener Sache. Von vornherein wird so der subjektive Perspektivismus der Auto-

133

Vgl. Christiane Deußen 1987, S. 159£; Friedbert Aspetsberger 1994, S.74.

352

biographie mittels der Rahmenkonstruktion herausgestellt. In der Formulierung des Anklägers, der der anonyme Sprecher des Rahmens ist, impliziert der Begriff der »Maske« [P 7] so gelesen die Problematisierung des Wahrheitsanspruchs der Gattung. D e r Leser soll als Richter die Selbstinszenierungsstrategie des Autobiographen erkennen. Ein Grundproblem dieses Rahmens ist, daß er fingiert ist. Nimmt man das juristische Arrangement beim Wort, handelt es sich um die Umkehrung des gewöhnlichen kasuistischen Gebrauchs von Fiktionen im Rechtssystem. In diesem Falle ist die Verhandlung fingiert und reduziert auf das Plädoyer des Anklägers, das gegen Ende in einen Urteilsspruch mündet. Damit wird im Verlauf des Textes die Roilenzuschreibung für den impliziten Leser aufgegeben, die Richterfunktion fällt zusätzlich dem Ankläger zu. Während der von Salomon verwendete Fragebogen die individualistische Abgeschlossenheit der Autobiographie von vornherein aufbricht, ist der R a h m e n des Protokolls ein dramaturgischer Kniff des Autors Bronnen. Von daher sind die in der Rezeption wie der Forschung verbreiteten Zweifel an der Aufrichtigkeit verständlich. 134 Aspetsberger hat sie jedoch in seiner voluminösen Biographie als weitgehend gegenstandslos aufgewiesen. Bronnens R a h m e n ist jedoch erkennbar Bestandteil einer Strategie, die dem Leser eine Rolle aufzwingen will, die ihm aufgrund des Urteils am Ende wieder genommen wird. Wenn diese Rolle auch die eines Richters ist, bleibt die dem zugrundeliegende Inszenierung doch diejenige Bronnens. Die Rezeption des Protokolls belegt, daß die Leser den Rahmen nicht in der beabsichtigten Weise dekodiert haben, sondern im Gegenteil als Stärkung der Souveränität des Autobiographen, indem dieser sogar im Fall der Übergabe seiner Souveränität an den Leser strategisch agiert. Noch die Defensive des autobiographischen Ich ist erkennbar vom Autor gesteuert. Die ergographischen Abschnitte liefern Rückschlüsse auf die Konzeption. Die souveräne Autorposition steht am Anfang der schriftstellerischen Betätigung. »Aus Bildern, die mich erregten, aus Gesprächen, die ich belauschte, formten sich kleine Dramoletts, die ich mit den drei Geschwistern und dem Dienst-Mädchen darzustellen versuchte. Dabei war ich Dichter, Regisseur und Hauptdarsteller zugleich« [P 11]. Diese Konstellation der ersten dichterischen Gehversuche entspricht der Konstruktion des Protokolls. Daß sie f ü r die Belange eines referenzorientierten Textes überhaupt möglich ist, ergibt sich aus der engen Bindung der Dichtungen an autobiographische Grundlagen. Dies ist einerseits bezogen auf den Stoff, andererseits auf ihre psychologische Funktion. »Die ganze Weltgeschichte wurde dramatisiert, nur, um mich vor der Zersprengung zu retten« [P 14]. D e r R a h m e n des Protokolls hat eine Reihe von Aufgaben, die ihn zur primären Instanz der Reflexion, Kritik und Bewertung machen. Problematisch f ü r die westdeutschen Rezipienten der fünfziger Jahre war der marxistische Wertekodex des

114

Vgl. Harald Kaas 1980, S. 138; Ursula Münch 1985, S.21; Christiane Deußen 1987, S. 141ff.

353

Anklägers. 1 3 5 Als Ziel des Unternehmens wird formuliert: »Der Wert des Erkennens liegt nicht im E r k e n n e n allein. Erkenntnis vergrößert die Verantwortung« [P 423]. Die Perspektive des Anklägers zielt inhaltlich auf Kritik an der Erzählweise des Erzählers, auf die politisch-moralische Bewertung des Erzählten, schließlich auf Selbstkritik des Erzählers und die objektive Abstützung des dargebotenen Charakterporträts. Das Urteil bleibt am Ende offen, zumal die Geschichte mit d e m E n d e des Zweiten Weltkriegs schließt: »Mit diesen fünfzig Jahren, Arnolt Bronnen, erwarben Sie sich grad eine Chance zum Weiterleben« [P 495], Der Ankläger achtet auch auf Formalien des Erzählens. Zurückgewiesen wird der »Hang zur Mystifizierung« [P55], den der Erzähler anläßlich der Verwundung am Monte Pasubio zeigt. Jeweils festgestellte Überschreitungen der autobiographischen Erzählweise, Übertretungen der Gattungsnormen werden im R a h m e n registriert, und der Erzähler wird angehalten, sich auf den Faktenkern seiner Erzählung zu konzentrieren und spekulative Ausführungen zu vermeiden. Vor allem der Hang zur Selbstinszenierung wird zurückgewiesen. Ein wesentliches Spannungsmoment des Protokolls resultiert aus dem Gegensatz zwischen der Deutungssicherheit des Anklägers, die aus einem stabilen N o r m k o d e x resultiert, und der Ambivalenz und den Schwankungen des Erzählers. Solidarität, Pflichtbewußtsein, Verantwortung und Wahrhaftigkeit sind zentrale Wertbegriffe, die der Ankläger an entsprechender Stelle einfordert. Trotz der kommunistischen Orientierung spielt die Parteidisziplin keine Rolle. Leben und Werk des Erzählers werden der politischen Deutung unterworfen. Die Septembernovelle sei »politisch borniert« [P93], Zeugnis faschistischen Ungeistes, nur als Symptom einer politischen Krise bedeutsam. Die Umstände der Bekanntschaft mit Goebbels werden als Schuld angeprangert. »Zu Ihrer Schuld als politischer Schriftsteller fügen Sie nun noch eine Schuld als politischer Handlanger hinzu« [P 281]. Die Zurechnung eigener Werke zur Widerstandsliteratur wird zwar nicht bestritten, aber ihre allzu offensive Plazierung als Mittel des politschen Kampfes zurückgewiesen. »Auch im Falle der >Gloriana< wollten Sie ein Werk schreiben, welches unter dem Hitler-Regime a u f f ü h r b a r war. Ein unaufgeführtes D r a m a ist keine Waffe im Kampf« [P 381]. D e r Ankläger arbeitet heraus, daß Kompromisse erforderlich waren und wertet dies dialektisch argumentierend als Beitrag zur Stabilisierung des Unrechtsregimes. Ü b e r diese Bewertungen hinaus zielt der Ankläger auf die Selbstkritik des Erzählers. Vor allem in den frühen Lebensphasen hat der Erzähler von Kontakten zur Linken, von der Lektüre von Marx und Engels zu berichten. Hier formuliert er Passagen im Tonfall kommunistischer Selbstkritik. Sie ist gegeben in der Selbstcharakteristik, daß »ich ein junger Mensch war, den nur in die Tiefe wirkendes E r k e n n e n und präzises Formulieren weiterbringen konnten« [P28]. Bronnen gesteht dann imm e r zu, daß ihm »eine schärfere Analyse, eine tiefere Erkenntnis« [P 107] gefehlt habe. Erst die letzten Abschnitte der autobiographischen Erzählung enthalten den Weg zum Kollektiv der Arbeiter. Sie wird eingeleitet mit der Bemerkung: »Es wa-

135

Vgl. Christiane D e u ß e n 1987, S.146.

354

ren erste Ahnungen, die mir aufdämmerten, aber noch fand ich nicht die Zeit, die Erkenntnisse hinter den Ahnungen zu finden« [P 391]. Bis zu diesem Punkt wird Bronnen immer wieder vorgeworfen, daß »ihre Selbstanklagen zu sehr an Ihrer eigenen Oberfläche haften« [P169] bleiben. Der Ankläger korrigiert das entworfene Charakterporträt. Das kann darin bestehen, daß einzelne Charakterzüge wie »eine gewisse Neigung zur Provokation« [P 75] im Hinblick auf spätere politische Aktionen stärker akzentuiert werden, oder daß der Erzähler angewiesen wird, zum Wesenskern seiner Person [P123] vorzustoßen, der »umgestaltet werden« [P 457] müsse. Gelegentlich betätigt sich der Ankläger als Tiefenpsychologe. Zur Vervollständigung biographischer Selektionen tritt auch die Korrektur oder Relativierung von Hervorhebungen einzelner Segmente der Biographie. An einer Stelle wird der Erzähler aufgefordert, unter Beweis zu stellen, daß eine besondere Episode »eine Bedeutung für ihr Leben hatte« [P187]. Ein wiederholt im Zusammenhang der faschistischen Aktivitäten erhobener Vorwurf ist die Unterstellung taktischen, also nichtauthentischen Handelns, vor allem in der Frage der jüdischen Abkunft [vgl. Ρ 255], Erzählökonomisch bietet der Rahmen eine Reihe von Vorteilen, indem er die autobiographische Erzählung entlastet. Das betrifft Durchbrechungen der Chronologie oder Digressionen, die bei längerfristig wichtigen thematischen Strängen immer wieder naheliegen, wie etwa dem Problem der jüdischen Herkunft. Auf spätere Konsequenzen wird im Rahmen hingewiesen, so daß auf diese Weise der chronologieübergreifende Zusammenhang herausgestellt und als überindividuelle Problematik angesprochen wird. Das ist Bestandteil einer grundlegenden Tendenz, im Rahmen die autobiographische Erzählung auf ihre über sie hinausweisenden Aspekte hin zu reflektieren. Das kann die im Untertitel behauptete Repräsentativität betreffen wie die politische Bewertung einer konkreten Situation. Spätere Deutungen können als nachträgliche Perspektive ausgewiesen und dennoch an entsprechender Stelle vorgetragen werden. Die subjektive Perspektive kann von einer objektiven Beschreibung der Lage ergänzt werden. Zusammengeführt wird beides in der Übernahme des Erzählers ins Kollektiv der Arbeiter.

5.2.3.3. Die verselbständigte Rahmenerzählung Während bei Salomon und Bronnen die experimentelle Veränderung des Rahmens Teil eines die konventionelle Form der Autobiographie sprengenden artistischen Kalküls und Ausdruck von Fremdbestimmung ist, ist die Ausweitung des Rahmens in Kolbenheyers Sebastian Karst eher eine Art Unfall. Der Ausgangspunkt des autobiographischen Erzählens ist auf 1942 datiert, dem Höhepunkt von Leben, Werk und Zeit. Sein Lebenswerk sieht Kolbenheyer als bereits geleistet an, so daß nur noch dessen Vermittlung und Verbreitung zur Debatte steht. Mit dem Gottgelobten Herz ist die Reihe der historischen Romane abgeschlossen, mit der 1944 unter Mithilfe eines hohen NS-Funktionärs bibliophil gedruckten Tetralogie Menschen und Götter die Dramatik. Gesammelte Werke sind bereits erschienen, die Bauhüttenphilosophie ist ausgearbeitet. Es ist also Zeit, die 355

Ernte einzufahren. Die Rahmenerzählung hat von der Konzeption her die Aufgabe, Leben und Werk des Karst als experimentum crucis der Bauhütte auszuweisen. Die Autobiographie soll Dichtung und Philosophie in einem Werk zur Synthese bringen. Der Plan der Autobiographie soll zu einer vollständigen Erfassung des Lebens führen, Sebastian Karst über sein Leben und seine Zeit eine totale Autobiographie sein. 136 Die Exemplifikationen werden teilweise als essayistische Digressionen in den Text eingelagert, teilweise ergeben sich sich aus der Erzählperspektive. Zusätzlich ist der Rahmen zu einer Beschreibung und Reflexion der aktuellen Bedingungen des autobiographischen Erzählens ausgeweitet. Der Erzähler selbst wird Gegenstand des Erzählens. Über den gesamten Text hin werden Rahmen- und Binnenerzählung parallel geführt. Die Selbstreflexivität ist als Beobachterstandpunkt in den Text eingebaut. Indem sie als prägender Charakterzug des Ich ausgewiesen wird, rückt die Verfertigung der Autobiographie fugenlos in den teleologischen Gesamtzusammenhang des Lebens ein. Allerdings ist der Beobachterstandpunkt aufgrund der begründungsphilosophischen Interpretation der Biologie als wahr gedacht. Die Selbstreflexivität des Beobachterstandpunktes ist nicht im Sinne einer Selbstaufhebung konzipiert. Sie zielt auf »objektive Betrachtung« [SK 1/7]. Der Text beginnt mit der Erzählung der Umstände seiner Entstehung. Am Anfang steht der erste Schöpfungsimpuls, der mit einer Entautomatisierung der unmittelbaren Umwelt einsetzt. »Karst sah unter einer erregenden Befremdung das Gewohnte, das Bewohnte umher« [SK 1/10]. Die folgende Beschreibung der Arbeitsumgebung des Karst und seiner Arbeitsgewohnheiten hat eine doppelte Funktion. Einerseits geht es um eine analog zur naturwissenschaftlichen Vorgehensweise gedachte Präsentation der Bedingungen seines Arbeitens und Schreibens, andererseits um die eingehende Charakterisierung der Hauptfigur. Zu den Grundbedingungen gehört die Beschreibung des Arbeitszimmers, die Geschichte des Schreibtisches, Eigenheiten des Autors - die Niederschrift erfolgt in selbstgenähte Schreibhefte, wobei Papierart und -form, Tinte usw. festgelegt sind; die Bearbeitungen der Texte sind immer gleich, die Manuskripte werden immer gleich archiviert, die Abläufe bis zum Druck eines Textes waren immer konstant. Die Umgebung eines Menschen gilt Kolbenheyer als Abdruck seines Wesens in die Umwelt hinein. Zur biochemischen Einheit gehört ein Bezugsgeflecht, das nur durch die Person existiert und ihre Individualität ausmacht. Sebastian Karst lauschte in seine Wohnung hinein. D a gab es eine Wirksamkeit, die ihn abhängig machte: so o f t e r sich n e u eingerichtet hatte, j e d e r O r t , j e d e s Z i m m e r , j e d e Wand hatte eine b e s t i m m t e A n o r d n u n g der Dinge verlangt; es w a r nicht gleichgültig, w o etwas stand o d e r hing. R a u m u n d Fläche verlangten bestellt zu sein, u n d die Dinge, die wie eine äußerste Schale seines W e s e n s mitkamen, mußten gestellt w e r d e n [SK 1/11J.

1,6

Vgl. P e t e r D i m t 1982, S. 18, S. 150f.

356

Kolbenheyer zieht hier die Konsequenzen aus seiner in der Bauhütte entwickelten Auseinandersetzung mit Ernst Machs Analyse der Empfindungen.137 D e r Gedanke, das Ich sei eine denkökonomische Einheit ohne feste Konsistenz oder Grenzen gegen die Umwelt hin wird interpretiert auf die Ausweitung des Ichs in die Umwelt. Exemplarisch für diesen Zusammenhang ist die Rolle des Schreibtischs, der geradezu personifiziert wird. Er »fügte sich nicht in die Räume, die ihm geboten wurden, er beherschte sie. Es war das einzige Stück, das nirgends >zur Ruhe< gekommen war« [SK 1/12], D e r Schreibtisch ist der Ort, an dem >Dichter und Denker< die Spannungen der überindividuellen Welt austragen. Aus diesem Grund rechnet ihn Kolbenheyer nicht d e m Mobiliar zu, sondern »zum Habitus seines Herrn« [SK 1/12]. 138 D i e s e Präliminarien der Niederschrift setzen sich auf den ersten Seiten des Textes immer weiter fort bis hin zum »Schwierigsten [...]: der Sprung ins Werden - die erste Zeile« [SK 1/26]. D a z u gehört die ausführliche Reflexion über die Bezeichnung des Vorhabens. Nun - er wußte: eine fibrilläre Systembildung keimte in seinem Gehirn auf, und seine schreibende Hand hatte ihr dann zu folgen. Befremdlicher war ihm zu Mute, bänger als sonst vor Beginn. Wie konnte er das, was sich in ihm entfalten wollte, benennen? Abstand des Gefühls von dem, was zur Gestalt drängte, das mußte schon der Titel bedeuten, unter dem er schrieb. Dafür wehrte er jedes deutsche Wort ab. Karst blieb stehen und flüsterte in die zum Munde gehobenen Finger seiner Schreibhand: Meditationen. Nur so? »Betrachtungen« - das war zu anspruchsvoll und zu laut. »Nachdenkliches«, »Bedachtsamkeiten«, »Überlegungen«, »Erinnerungen« all das war »Papier«, das traf nicht zu. [...] [...] Er sollte, wollte also Meditationen über das eigene Leben schreiben? [SK I/24f.]. Das zentrale Thema der anthropologischen Grundlagenreflexion wird hier schon angeschlagen. Notwendigkeit und Ganzheit werden über die Verbindung von Kör-

138

Vgl. Erwin Guido Kolbenheyer 1968, S. 140ff. »Was um den Schreibtisch her zu sehen war, hatte selbstberuhigt zu sein und zu beruhigen. Der Schreibtisch a b e r . . . über ihn mußte die innere Unruhe seines Herren Tag für Tag ausgekämpft werden, bis sie mit jedem Tage sich selbst zur Ruhe gebracht hatte, um dann am nächsten Tage neu anzuheben. Der Schreibtisch war Quellort des Schaffens in diesem und jedem anderen Hause gewesen. Dem Aufwühlendsten und dem Stillendsten hatte er seine Fläche geboten und so war auf ihr ausgekämpft worden, was dann manche als innere Befriedigung schätzen lernten. [...] So war dieses Möbelstück inniger mit seinem Leben vertraut als selbst das Bett, auf dem er schlief. Und was war nicht alles in arbeitsamen vierzig Jahren auf diesen anderthalb Geviertmetern ausgetragen worden! Nicht nur Spannungen, Kämpfe, die Monate, Jahre, Tag und Nacht ihn nicht hatten zur Ruhe kommen lassen, auch das sonderbare Glück beruhigender Funde des Geistes und Gemütes war darüber erstanden, wenn irgendein Schaffensvorwurf, der kaum lösbar geschienen hatte, doch zu gerechtem Ausgleich von Inhalt und Ausdruck gelangt war. Über dem Schreiben, unter der zeichnenden Feder und nach einem Anwuchs, der sich jenseits des Bewußtseins ereignet hatte, war es geschehen. Die schreibende Hand war nur die Zeichensprache des unerfaßlichen Werdens gewesen, und dieses selbst besaß nur die Zeichensprache der schreibenden Hand, um auch für Sebastian faßlich zu sein. Karst hätte seine Werke nicht durch das gesprochene Wort gestalten können. Er bildete im Schreiben, wie andere im Reden bilden. So war er geneigt den Schreibtisch als einen Teil seiner selbst zu betrachten« [SK 1/13]. 357

per und Geist vermittelt. Kontinuität zwischen Leben und Werk wird über Selbstbeobachtung gestiftet. In seinen Büchern hatte er hundert Lebensgeschicke gestaltet und diese Lebensgeschicke lebten in der Phantasie seiner Leser. D a ß sie dort Leben finden konnten, war die Frucht seiner nie beruhigten Selbstbeobachtung. Sollte die Stunde g e k o m m e n sein, in der er, so gut und tief er konnte, über das eigene Wesen zu berichten hatte? Ein Beispiel nur zu geben warnender Haltung und verantwortlicher Selbsterschließung [SK1/24].

Aus der Anlage der Erzählerfigur ergeben sich im Verlauf der Niederschrift des Textes Schwierigkeiten. Die Binnenerzählung ist zu Beginn der Niederschrift bereits abgeschlossen und die Biographie liegt bereits als vorgängige Konstruktion vor. Von vornherein ist geplant, die Lebensgeschichte auf die A k m e des Jahres 1942 als stetig nach oben führende Linie auszurichten. Im Gegensatz dazu hat die Rahmenerzählung einen offenen Horizont, da über die Verhältnisse zum Abschluß der Niederschrift logischerweise keine Informationen vorliegen. Die Zukunft ist eben nicht bekannt. De facto aber wird aus dem >Gottbegnadeten< des Dritten Reiches, der mit Ehrengaben und Preisen überhäuft wurde und im Wohlstand lebt, innerhalb kürzester Zeit ein aus seinem Haus vertriebener, nahezu mittelloser Mann, der darüber hinaus auch noch aufgrund seiner politischen Rolle verurteilt und geächtet ist. 139 Unmittelbar nach dem Krieg begreift Kolbenheyer vorerst seine Gegenwart als »Zeit des Übergangs« [SK 1/334]. Je weiter aber die Zeit nach 1945 in der Rahmenerzählung fortschreitet, je mehr sie sich von der Akme des Jahres 1942 entfernt, desto starrer beharrt Karst in der erzählerischen Entfaltung der Lebensgeschichte auf lebensgeschichtlichen Erfolgen. Unter den politischen und persönlichen Bedingungen der Nachkriegszeit muß sich Kolbenheyer immer mehr seinen Lebenssinn erschreiben. 140 Die ursprüngliche Monumentalisierung der Zentralfigur der Autobiographie erweist sich immer deutlicher als eine illusionäre autobiographische Gesamtthematisierung. Sie wird kaum revidiert. Das hat zur Folge, daß immer größere Anstrengungen notwendig werden, um die Binnenerzählung zur Akme hinzuführen. Abzulesen ist das an den Versuchen, jegliche Kontingenz aus der Biographie auszuschalten und in Sinn zu überführen. Für die Rahmenerzählung ergibt sich eine auf Zeitkritik hinzielende Aufschwellung ins Essayistische. Ihre Funktion ist, den als souveränen Erzähler agierenden Karst nicht in die Defensive geraten zu lassen. Bruchstellen ergeben sich naheliegenderweise vor allem im Hinblick auf die Bewertung des Dritten Reiches. Die offene Affirmation der vor dem Kriegsende verfaßten Passagen [bis SK 1/282] weicht einer distanzierteren Bewertung und einer

1TO 1411

Vgl. dazu Hans Grimm 1975a, S.67ff., über den >Fall KolbenheyerWann i stirb, dann is a Wien gestorm .. .< Wir Freunde wurden befangen vor diesem ungemeinen Wort« [SK III/518] - nicht mit düsteren Vorausdeutungen. Ich ahnte nicht, wie vielfältig der Abschied war, den ich mit ihr [der Reise nach Wien] nahm. Mein Gemüt war auf keiner der früheren Reisen so tief bewegt worden. Unwissentlich berührte mich die Wende. Das jähe Finale dieses Umschwungjahres 1942 sollte noch kommen. Ein grausamer Absturz. Seiner ist schon gedacht. Hier fanden die Meditationen des Sebastian Karst zu ihrem Anbeginn zurück. Der Knoten ist geschürzt. Der Bericht dieses Lebenslaufes und seiner Erlebniswelt kann soweit erschöpft gelten, daß alles Kommende einen Nachhang bedeutet. Das Zeugnis eines Lebens und einer Zeit sei gegeben [SK 111/519].

Daß der Höhepunkt zugleich die Peripetie war, wurde Kolbenheyer offenbar so recht erst an diesem Ende bewußt. Die Fortwirkung seines Werkes wird unter den gegebenen Bedingungen immer zweifelhafter [vgl. SK III/476]. Die Amplifikation des Rahmens ist eine sich aus der Dynamik des Schreibprozesses von der Anlage des Textes her ergebende Konsequenz. Weil die Lebensbahn nicht den erwarteten Verlauf nimmt, muß die Rahmenhandlung an Eigengewicht gewinnen. Aus Kolbenheyers Sicht beginnt das Exil 1945.141

141

Vgl. Erwin Guido Kolbenheyer 1978, S.347. Texte Kolbenheyers erschienen auf der SMAD-Lisfe der auszusondernden Literatur, vgl. Gerhard Hay/Hartmut Rambaldo/Joachim W.Storck 1973, S. 141 f. In den 50er Jahren konnte Kolbenheyer nicht unbeträchtliche Publikumserfolge verbuchen. Vgl. Uwe-K. Kctclsen 1976, S.24; Helmut Peitsch 1982, S. 170; Hans Sarkowicz 1987, S.436f.

360

6. Dokumentarismus und Fiktionalisierung

Aufgrund der experimentellen Variationen des autobiographischen Erzählens und der Erweiterung des Erzählrepertoires um literarische Verfahrensweisen wird die Grenze zur Fiktion zum Problem. In einer Reihe von Texten werden der autobiographischen Erzählung fiktive Elemente und Fiktionen eingelagert. Gleichzeitig und teilweise in denselben Texten werden dokumentarische Züge verstärkt. In der theoretischen Reflexion wird das nur beiläufig vermerkt, die Haupttendenz bleibt die unumwundene Forderung nach Wahrheit. Otto Flake notiert in einer Rundfunkrezension 1956 das Verschwimmen der Grenzen und spricht vom zwitterhafte[n] Charakter der modernen Biographien. Wenn sie [...] das Atmosphärische einer Zeit wiedergeben wollen, also anschaulich werden, das Intime und die Interna heranziehen, verwandeln sie sich in Romane; andererseits müssen sie wiederum zusammenfassen, Analysen geben, fremde Auffassungen widerlegen, die eigene begründen. Heute löst sich alles auf, so auch der ehemals so feststehende Begriff der Geschichtsschreibung. Man weiß nicht mehr, ob man einen Roman liest oder eine wissenschaftliche Arbeit.'

Flake zieht zwischen Roman und Biographie keine scharfe Linie. Gustav Hillard charakterisiert die Autobiographie von Lou Andreas-Salome als »fingiertef] und stilisierte[ ] Form der Biographie«. 2 Beide verstehen unter dem Fingierten die Überschreitung des faktischen Bestands einer Biographie, wobei die Grenze kaum exakt zu ziehen ist. »Auch die Akribie des Historikers wird kaum entscheiden können, wo das Faktische ins Fiktive übergeht, wie weit die Dinge aus einer damaligen oder einer nachträglichen Perspektive gesehen sind, wie weit die Urteile einer damaligen oder einer nachträglichen Einsicht entstammen«. 3 Hillards Verständnis von Fiktion ist nicht terminologisch fixiert und subsumiert alle denkbaren Formen von Fiktion unter den Begriff. Wie die Biographie, sei es aus atmosphärischen, sei es aus extrapolierenden Gründen, das Faktische immer wieder überschreitet, ja es überschreiten muß, gehört zum fiktionalen Text, daß für ihn >Wahrheit< das regulative Prinzip darstellt. Wahrheit ist in diesen Fällen von der Bedeutung her vage, bezieht sich aber im Regelfall auf die Erlebniskonvention: Den im fiktionalen Text erzählten Geschehnissen muß ein persönliches Erlebnis des Autors zugrundeliegen, wobei über die Modalitäten der Transformation des Erlebnisses in Text keine Vorentscheidung getroffen ist. Paradigmatisch ist dieses Erfor-

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Otto Flake 1976, S. 474. Gustav Hillard 1949, S. 1145. Gustav Hillard 1955, S. 241.

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dernis formuliert in einem Kommentar des Anklägers aus dem Rahmen von Arnolt Bronnens protokoll zum Verhältnis zwischen homosexuellen Erfahrungen des Autors und deren literarischer Gestaltung: »Sie wollen sich nicht darüber äußern, ob es weiter ging, ob es zu ausgesprochen homosexuellen Liebes-Akten kam. Das ist für die Beurteilung Ihrer Wahrheit und der Wahrheit Ihrer Werke insofern wichtig, als Sie in Ihrer >Septembernovelle< die Homosexualität mit einer Intensität schildern, zu der nur persönliches Erleben berechtigt« [P 79]. Für die Autobiographen sind Biographie und Roman Polaritäten mit vielfachen Übergangsformen. Im Kontext des lebensphilosophischen Denkmodells bedeutet das: sowohl Biographie (als Lebensbild) als auch Roman partizipieren auf ihre je spezifische Art am Leben, lassen sich als Emanationen des Lebens auffassen. Diese Voraussetzung ermöglicht erst die Vielfalt der Experimente mit der Fiktion innerhalb der Autobiographie. Dabei lassen sich verschiedene Typen unterscheiden. Beim ersten Fall handelt es sich um den Übergang des Faktischen zum Fiktiven. Hier wird die Grenze zwischen Fiktion und Fakten als zusätzliche Reflexionsebene in den Text eingelagert. In einem zweiten Fall handelt es sich um einen Typus von Fingierungen, der in Sachtexten häufig vorkommt. Fingierte Beispiele, Anekdoten, Fallkonstruktionen in juristischen Texten bieten das Vorbild. Bei dem dritten Typus handelt es sich gewissermaßen um echte literarische Fiktionalisierung. Fiktionen oder fiktionale Muster werden in den autobiographischen Text integriert. Die Texte, in denen die Grenze zur Fiktion überschritten wird, betonen ihren dokumentarischen Charakter. Dokumente werden gewöhnlich in der Autobiographie verwendet, wo die Erinnerung des Autobiographen nicht hinreicht, in der Regel bei Ereignissen vor Einsetzen der Erinnerung. Paradigmatisch ist die Verfahrensweise von Hans Grimm, der die Charakterisierung seiner Mutter zu deren Brautzeit mittels ausführlicher Brief- und Tagebuchauszüge durchführt und sie zur Rekonstruktion vergangener Ereignisse verwendet. Diese Form des Umgangs mit Dokumenten entspricht der Quellenverwendung des Historikers. 4 Im Hinblick auf die eigene Vergangenheit kann die Erinnerung lückenhaft sein, so daß Dokumente zum Stopfen solcher Lücken notwendig werden. Besonders häufig ist dies in den Erinnerungen von Hans Friedrich Blunck der Fall. Nicht selten bemerkt Blunck in solchen Fällen, daß er sich selber fremd geworden sei, ohne daß dies zum Identitätsproblem wird. 5 Teilweise dient die Integration von Dokumenten, meistens von Briefen oder Tagebuchauszügen, der Rekonstruktion vergangener und nicht mehr nachvollziehbarer Gefühlslagen. Ein weiterer häufiger Fall steht im Zusammenhang der apologetischen Intention

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Grimm verweist beispielsweise darauf, wenn er ohne Quellenbasis spekuliert (vgl. LiE 21). Die Tagebuchauszüge finden sich vor allem LiE 22ff. Beispiele für Lücken der Erinnerung: »Ich scheine in Bergen keine glückliche Gesellschaft getroffen zu haben, ein bitterer Vermerk [im Reisetagebuch] sagt knapp: >Hier in Westnorwegen kennt man Deutschland nur vom Eulenburgprozeß!Existentielle< geht. H a n s Carossa hat in Ungleiche Welten die Distanzierung von G o e t h e s Autobiographiemodell soweit vollzogen, daß die K o m p o n e n t e n >Wahrheit< und >Dichtung< in eigenständigen Texten repräsentiert werden. Erwin G u i d o Kolbenheyer fügt dem Sebastian Karst ein späteres Nachwort des Sebastian Karst an, in d e m er seine Übersetzung des Ackermanns aus Böhmen zum Formulierungsmuster eines Epitaphs f ü r seine verstorbene Frau macht. Ernst von Salomon schließlich macht den Ü b e r g a n g vom Faktum zur Fiktion bei gleichzeitiger Verstärkung der R e f e r e n z b i n d u n g zur Reflexionsebene seines Fragebogens.

6.1. Fiktionen im Dienst der Faktographie Für die Rezipienten von arnolt bronnen gibt zu protokoll und lange Zeit auch f ü r die wissenschaftliche Diskussion stellte der fingierte R a h m e n ein Problem dar. Einerseits wurde er auf das Konto des gewieften T h e a t e r m a n n e s gebucht, der sich des Effekts seiner Mittel sicher sei, und als theatralische Inszenierung w a h r g e n o m m e n . D a s hat H a n s Mayer zu dem intuitiven Urteil geführt, der Text zeuge von spielerischem Ernst o d e r tiefem Unernst. 6 Andererseits hat gerade die Fingiertheit des

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»Der Ernst Bronnens in seiner Rechenschaftslegung kann nicht bezweifelt werden. Das spürt man als Leser. Trotzdem wird eine Rechtfertigung zugleich auch gespielt, wodurch sie sogleich unwirklich werden muß. Ernst und Unernst in undurchdringlicher Mischung« (Hans Mayer 1978, S.474). Mayers Urteil mag auf persönlicher Bekanntschaft mit Bronnen beruhen, ist aber ebensowenig belegt wie es Schule gemacht hat: »Ernsthafte Selbstbefragung und spielerischer Unernst durchdringen sich in kaum durchschaubarer Form, so

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Rahmens auf das souveräne artistische Kalkül des sich selbst verkleinernden Autors verwiesen und damit den Wahrheitsanspruch beschädigt. Paradoxerweise ist gerade die unbestreitbare Einlösung des autobiographischen Wahrhaftigkeitsanspruchs bezweifelt worden. 7 Die Rahmenkonstruktion hat die Forschung vor Probleme gestellt. Als Vorbild hat Hans Mayer »Befragung, Gericht und Selbstkritik in einem kommunistischen Parteiverfahren«8 namhaft gemacht. Harald Kaas hingegen glaubte das grundlegende Muster in den Entnazifizierungsverfahren zu entdecken. 9 Einigkeit besteht aber darin, daß es sich um eine »fingierte Gerichtsverhandlung« 10 handelt. Allerdings weist diese Gerichtsverhandlung Merkwürdigkeiten auf. Schon die Zeitgenossen fragten sich, wer denn nun eigentlich verhöre, vor allem aber, wer hier verteidige. 11 Zwar soll in der Tat der (fiktive) Leser Richter sein, am Ende aber spricht der Ankläger sein Urteil. Überhaupt ist ausschließlich die Stimme des Anklägers im Rahmen präsent. Die Verhandlungsfiktion hat eher die Gewissenserforschung zum Vorbild als reale Gerichtsverhandlungen. Es handelt sich um ein »Gericht des Arnolt Bronnen über Arnolt Bronnen«. 12 Schon Hans Mayer hatte aufgrund der intimen Kenntnisse des Anklägers über den Angeklagten die Doppelung des Autors als Kompositionsprinzip des Textes beschrieben. Das Verhältnis zwischen Rahmen und autobiographischer Erzählung sei nur scheinbar dialogisch, weil der Erzähler nicht auf die Fragen im Rahmen reagiert. 13 Imgrunde erzählt er, als gebe es den Rahmen gar nicht. Ausführlich hat Christane Deußen sich mit der »Dramaturgie der autobiographischen Gerichtsverhandlung« 14 beschäftigt. Mittels des Rahmens werde Offenheit für Fragen, Einwände und Zweifel im Hinblick auf den Erinnerungsprozeß und die retrospektive Deutung des Lebens geschaffen. Deußen sah als Zentralproblem der Verhandlung, daß dem Angeklagten aufgrund des Rechtes zur Selbstverteidigung

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1U 11 12 13 14

daß die eigentliche Funktion der (selbst-)kritischen, quasi objektiven Instanz als Instrument ständiger (Selbst-)Kontrolle von vornherein zweifelhaft erscheint« (Christiane Deußen 1987, S. 148). »500 Seiten sind da gespickt mit Selbstbespiegelungen, Selbstbefleckungen, hanebüchenen Selbstrechtfertigungen und schlichten Lügen: von den wohlerwogenen Lücken in dieser kuriosen Autobiographie nicht zu reden« (Harald Kaas 1980, S. 138). Diese Auffassung ist, mehr oder weniger empört vertreten, Topos der Bronnenforschung; vgl. Ursula Münch 1985, S.21, S.226f.; Kurt Klinger 1990, S.284f. Dabei handelt es sich um ein Vorurteil, wie sich aus den Arbeiten Friedbert Aspetsbergers ergibt. Pointiert zusammengefaßt: was sich belegen läßt, bestätigt Bronnens Darstellung; vor allem Belastendes ist nicht belegbar. Vgl. Friedbert Aspetsberger 1985, S. 178f. Ausführlich dazu Friedbert Aspetsberger 1995, S.35, S. 733ff. Hans Mayer 1978, S. 475. Vgl. Harald Kaas 1980, S. 138ff. Christiane Deußen 1987, S. 145. Vgl. Christiane Deußen 1987, S. 150ff. Christiane Deußen 1987, S. 145. Vgl. Hans Mayer 1978, S.474E; Ursula Münch 1985, S.226. Christiane Deußen 1987, S. 160.

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zugleich legitimerweise ein Recht zur Unaufrichtigkeit zukomme. 1 5 Diese Überlegungen sind überkonstruiert, zudem hat Aspetsberger belegt, daß Bronnen davon keinen Gebrauch gemacht hat. Plausibel bleibt aber Deußens Interpretation des Gerichts als »kommunistisches Über-Ich«. 16 Friedbert Aspetsberger hat darauf hingewiesen, daß das Ziel der Verhandlung die »Vernichtung« 17 des angeklagten Individuums sei. Arnolt brennen gibt zu protokoll sei angelegt als »Protokoll einer Gerichtsverhandlung [...], die auf die Aufdeckung psychischer, sozialer, politischer Fehlleistungen im Persönlichen und im Zeithorizont zielt«. 18 Bronnen konzipiere »die Befragungs- und zugleich explizite Beurteilungsinstanz nur literarisch-dramatisch als Fremd-Text [...], autobiographisch aber als eigenen, übergeordneten Diskurs zum erzählten Leben [...] und [statte] ihn dazu mit hoher sittlicher Autorität aus[]. Zentral ist das richtende, beurteilende Ich, nicht das >gelebte LebenProtokolls< hat insofern doppelsinnigen Charakter; auf der einen Seite hat dieses unkonventionelle Selbstgericht eindeutige Appellfunktion im Hinblick auf die skeptisch bis ablehnend eingestellte Leserschaft, der auf indirekte Weise der gewandelte, selbstkritische Standpunkt des Autors und sein Aufrichtigkeitswille glaubhaft gemacht werden sollen: auf der anderen Seite profitiert Arnold Bronnen von der spezifischen Rollenverteilung, die ihm als > A n g e klagtem ausdrücklich das Recht zur Selbstverteidigung und nachträglichen Selbstrechtfertigung zugesteht« (Christiane Deußen 1987, S. 161).

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Christiane D e u ß e n 1987, S. 163. D e u ß e n verweist auf einige Irregularitäten der Verhandlung: Es gibt keine Fragen, sondern nur rigorose Urteile; es fehlt ein distanzierter Richter. Friedbert Aspetsberger 1994, S.66. Friedbert Aspetsberger 1994, S.53. Friedbert Aspetsberger 1994, S.66.

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des Anklägers erstreckt sich auf intime Details, 20 ja er verfügt sogar über die Innenperspektive des Erzählers der Autobiographie. Konzeptionell gesehen soll der Rahmen den Wahrheitsanspruch unterstützen. Bei Gottfried Benn liegt die Sache anders. Albrecht Schöne hat in seinen Darlegungen zum Lebensweg eines Intellektualisten herausgestellt, »daß der Rohstoff der eigenen Lebensgeschichte [...] als Material der sprachlichen Ausdrucksweise auf höchst bewußte Form gebracht wurde« - summa summarum: das autobiographische Ich sei bei Benn immer ein fiktives Ich. 21 Das ist nicht falsch, aber es ist einseitig und verkürzt die grundlegende Problematik. Grundprinzip der Identität in Doppelleben ist die ästhetische Konstruktion. Im Gedankenhorizont Benns fällt der Unterschied zwischen Fiktion und Nichtfiktion in sich zusammen. Diese Differenz kann höchstens innerhalb des aufgegebenen Wirklichkeitsbegriffs früherer Jahrhunderte wirksam sein. Das läßt sich besonders deutlich an der zweiten Selbstdarstellung des Doppellebens analysieren. Die ersten Kapitel zeigen sich in ihrer unübersehbaren Tendenz zum Dokumentarismus dem überkommenen Wirklichkeitsbegriff verpflichtet. Das Kapitel Lyrisches Intermezzo verläßt bereits diese Ebene. Es besteht zur Hälfte aus dem Gedicht Monolog. Innerhalb der autobiographischen Tradition ist nicht dieses Faktum ungewöhnlich, wohl aber, daß das Gedicht die Erzählung fortsetzt und nicht nur als zitiertes Exempel fungiert. Der Abdruck des Gedichts soll »zeigen, wie ich damals, auf der Höhe der Siege, dachte« [DL/DL 427], Benn schreibt Monolog dieselbe Funktion zu, die gewöhnlich Brief- oder Tagebuchzitaten zukommt. Es soll vergangenes Denken und Fühlen belegen, also als Dokument dienen. Monolog enthält Verfremdungen, die relativ leicht zu referentialisieren sind wie etwa: »Klumpfüße sehn die Stadien zerstört« oder »erwählte Völker eines Clowns« [DL/DL 428]. Das erst in der fünften Strophe erstmals benannte Ich des Gedichts zeigt sich »auf der Höhe der Siege« seinerseits auf der Höhe, indem es auf dem Gipfelpunkt des Dritten Reiches schon »die Geier« [DL/DL 426] heranstreichen sieht. Wie schon im Essay Dorische Welt fungiert die Antike als Folie der Gegenwartsdeutung. Der zentrale Befund ist der einer Umwertung, eines Mundus subversus. Hier kehrt das Maß sich um: die Pfütze prüft den Quell, der Wurm die Elle, die Kröte spritzt dem Veilchen in den Mund - Hallelujah! - und wetzt den Bauch im Kies: die Paddentrift als Mahnmal der Geschichte! Die Ptolemäerspur als Gaunerzinke. Die Ratte kommt als Labsal gegen Pest.

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Beispielhaft ist eine im Rahmen mitgeteilte Geschichte: »Eines Nachts, halb im Traum, sind Sie mit einer Kerze zu des Bruders Selbst-Porträt gegangen, das gegenüber von ihrem Bette hing, haben es lange betrachtet und dann, als es den Blick nicht von Ihnen wandte, haben Sie ihm die Augen ausgebrannt. Man hat das Dienst-Mädchen beschuldigt und es entlassen. Sie haben geschwiegen« [P 41]. Albrecht Schöne 1968, Zitat S.225; vgl. S.239. Gegenposition: Else Buddeberg 1960/1961, S.450ff.

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Meuchel besingt den Mord. Spitzel locken aus Psalmen Unzucht. [DL/DL 428]. 22

Alles scheint dem Übergriff wehrlos ausgeliefert: »ach, dieser Erde Frucht- und Rosenspiel / ist heimgestellt der Wucherung des Bösen« [DL/DL 429]. Das Ich des Gedichtes beharrt auf einer radikalen Abtrennung von dieser Welt. Das Problem des Handelns wird reflektiert, Handlungsmöglichkeiten werden schroff negiert. Dies nicht etwa, weil Handeln sinnlos wäre, sondern deswegen, weil Handeln hieße, »die Niedrigkeit bedienen, / der Schande Hilfe leihn« [DL/DL 429]. In der fünften Strophe schließlich wird die Kunst beschworen und der »maßverkehrte[n]« [DL/ DL 429] Welt als Alternative gegenübergestellt. - Ein Klang, ein Bogen, fast ein Sprung aus Bläue stieß eines abends durch den Park hervor, darin ich stand -: ein Lied, ein Abriß nur, drei hingeworfene Noten und füllte so den Raum und lud so sehr die Nacht, den Garten mit Erscheinungen voll und schuf die Welt, und bettete den Nacken mir in das Strömende, die trauervolle erhabene Schwäche der Geburt des Seins -: ein Klang, ein Bogen nur -: Geburt des Seins ein Bogen nur und trug das Maß zurück, und alles Schloß es ein: die Tat, die Träume ... [DL/DL 429].

Die Legitimation für diese Haltung bezieht das Ich aus dem Gegensatz zwischen der Zeitlosigkeit der Kunst und der Zeitlichkeit der Welt. Jene ist das Existentielle, diese das Akzidentielle. Daher kann das Ich den Untergang jener Welt antizipieren. Der Tiere Abart wird faulen, daß für sie das Wort Verwesung zu sehr nach Himmeln riecht - schon streichen die Geier an, die Falken hungern schon - ! [DL/DL 429].

Monolog gehörte ursprünglich zu den 1943 als Privatdruck publizierten 22 Gedichten. Es ist vom Titel her als Selbstgespräch eines Ich ohne Gegenüber ausgewiesen und als Rollenlyrik aufzufassen. Die Monologsituation wird durch die Übernahme des Textes in die Autobiographie aufgebrochen, damit die Überwindung der Isolation des Ich angezeigt. Dem Lyrischen Intermezzo folgt das ursprünglich unabhängige Prosastück Block II, Zimmer 66.23 An ihm läßt sich die Gegenstandslosigkeit der Unterscheidung zwischen Fiktion und Nichtfiktion für Benn zeigen. Während der Arbeit am Doppelleben war sich Benn nicht darüber im klaren, ob der Text als Essay zu klassifizieren

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Es wird darauf verzichtet, den Kursivdruck des Textes zu übernehmen, der Monolog als einmontiertes Großzitat kennzeichnet. Vgl. Annemarie Christiansen 1976, S. 205ff.; Dieter Wellershoff 1986, S. 205ff.; Michael Jaeger 1995, S.258ff. Referentialisierung: Helmut Heintel 1988.

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sei. 24 Er ist gekennzeichnet von der Überhöhung des Faktischen ins Fiktive. Zur Erklärung des Titels führt Benn ein: Dies war die Bezeichnung des Quartiers, das mir für eine Reihe von Monaten angewiesen war. Die Kaserne lag hoch, burgartig überragte sie die Stadt. Montsalvat, sagte ein Oberleutnant, der offenbar Opern gehört hatte, und in der Tat, unnahbar war sie zum mindesten den Schritten von Müßiggängern: 137 Stufen mußte man steigen, wenn man von der Bahnhofstraße endlich an den Fuß des Hügels gelangt war [DL/DL 430].

Ort und Zeit werden gleichzeitig exakt angegeben wie entwirklicht. In den Details wird die Topographie bis zur Adresse Block II, Zimmer 66 genau mitgeteilt. Der Ort, von dem die Rede ist, wird nur als »Stadt im Osten« [DL/DL 430], die Kaserne als »General von X-Kaserne« [DL/DL 431 ] eingeführt. Mittels der mehrfachen Benennung mit »Montsalvat« und der Beschreibung als »eine Art Wüstenfort« [DL/ D L 430] wird der Ort mythisch überhöht. Das Nebeneinander von Exaktheit und Überhöhung bringt den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Existentiellem zur Geltung. Die Entwirklichung ereignet sich mitten im Anprall der Kriegswirklichkeit. Die Überhöhung des Wirklichen wird als Bestandteil der Propaganda des Dritten Reiches diagnostiziert. »Goebbels lächelt sein weißes Gebiß Verwundeten vor; Göring kommt als Weihnachtsmann - das Märchen spinnt uns ein« [DL/DL 438]. Die nordische Mythologie verweist auf die Ideologie des Dritten Reiches. Von Block II aus versteht man das Nebel- und Niflheim der germanischen Mythologie: ewig Dunst und Schwaden und das Bedürfnis nach Bärenhäuten - der alten prächtigen Germanen, wie sie eben im Rundfunk genannt wurden; Taine würde von hier die primäre nationale Fremdheit gegenüber Klarheit und Form, man kann auch sagen gegenüber Ehrlichkeit, geophysisch ableiten [DL/DL 439].

Der Seite des Wirklichen sind der Krieg, die Kommandorufe, Ruhm und Siege zugeordnet. Das gehört zum Ephemeren, wobei die Wertungen bildlich anschließen an das zur selben Zeit entstandene Gedicht Monolog.25 Der Gegenseite werden die Träume, die Stille, die Kontemplation zugeordnet. »Das Wirkliche ist in die Ferne gerückt« [DL/DL 431 ]. 26 Das Bild zur Charakterisierung dieses Lebensgefühls ist die Theatrum-mundi-Metapher. »Morgens über der Siedlung ein besonders weiches, aurorenhaftes Licht. Auch hier überall das Unwirkliche, Gefühl des Zweidimensionalen, Kulissenwelt« [DL/DL 430]. Die Kulissenhaftigkeit 27 wird mit der

24

25

2fi

27

Vgl. dazu an F. W.Oelze, 22.1.45; Gottfried Benn 1979-1982, Bd.l, S.380 zu seinen Publikationsplänen: »1) Roman des Phänotyp u Weinhaus Wolf in einem Band, als Prosaband. 2) Der Essayband (wobei ich nicht weiss, ob >Block II, Zimmer 66< dahinein gehört, aber es wird gehn).« »Völlig unbekannter General von X. Verschollen. Gesunken sein Wimpel, seine Autostandarte, sein Gefolge von Generalstäblern, das ihn umschwirrte. Sehr fühlbar der Mörtel, das Ephemere, die falschen Wertungen, das Verzerrte« [DL/DL 431]. »Es ist das fünfte Kriegsjahr, und hier ist eine völlig abgeschlossene Welt, eine Art Beguinage, die Kommandorufe sind etwas Äußerliches, innerlich ist alles sehr gedämpft und still« [DL/DL 430], Vgl. Annemarie Christiansen 1976, S.212ff.

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Beschreibung der Offiziere dieser Kaserne belegt. Mitten im Krieg denken sie nur an Alltag. »Die Gespräche sind die von netten, harmlosen Leuten, von denen keiner ahnt, was ihm und dem Vaterland droht« [DL/DL 432], In dieser Charakterisierung des exakt referentialisierbaren Ortes als v e r w u n schener Ort< wird die Ebene des Faktischen überschritten. Diese Überschreitung wäre aus der Perspektive des Wirklichkeitsbegriffs als Fiktionalisierung zu bezeichnen. Entscheidend ist aber, daß der Wirklichkeitsbegriff selbst dem Ephemeren zugeordnet wird. Die Überschreitung der Wirklichkeit ist auf das Existentielle ausgerichtet. Sehr deutlich ist das in der Theatermetaphorik zu fassen. Kaserne und Krieg sind Kulissen. Die Grenze zwischen Faktum und Fictum ist nach dieser Konzeption nicht existent, da sie auf den Kriterien des >in die Ferne gerückten< Wirklichkeitsbegriffs beruht. Vom Existentiellen her ist Wirklichkeit als solche eine Fiktion. Belegt wird das mit der Problemlosigkeit, mit der aus Männern in Zivil, mit Eigenschaften und Geschichte schon »am zweiten Tag [...] der letzte Dreck« [DL/DL 431] zu machen ist, um sie zu verwandeln in einen »lautlose[n] Zug, der für immer ins Vergessen zieht« [DL/DL 431], In dieser Konstellation kann das Ich nur gestaltet sein als teilnehmender und zugleich unbeteiligter Beobachter. »Ich stehe am Fenster von Zimmer 66, der Kasernenhof liegt in einem grauen Licht, ein Grau aus den Flügeln von Möven, die in alle Meere tauchten« [DL/DL 441], Das Ich denkt vom Existentiellen her, ist aber gleichzeitig Bestandteil der Wirklichkeit des Krieges. In dieser Eigenschaft gilt die Reflexion der Frage, »wie es möglich gewesen sei und heute noch möglich war, daß Deutschland dieser sogenannten Regierung unentwegt folgte, diesem halben Dutzend Krakeeler« [DL/DL 433], Als zentraler Bestandteil der Antwort verweist das Ich auf die ungeheure existentielle Leere des heutigen deutschen Mannes, dem nichts gelassen war, was den inneren Raum bei anderen Völkern füllt: anständige nationale Inhalte, öffentliches Interesse, Kritik, gesellschaftliches Leben, koloniale Eindrücke, echte traditionelle Tatsachen - hier war nur ein Vakuum mit geschichtlichem Geschwätz, niedergehaltener Bildung, dummdreist politischen Regierungsfälschungen und billigem Sport [DL/ D L 435],

>Wirklichkeit< ist zwar als Resultat einer jeweiligen Perspektive disponibel, andererseits aber notwendig, weil das Existentielle der Füllung und Formgebung bedarf. Sinnbild einer verfehlten Formgebung der Wirklichkeit innerhalb der deutschen Geschichte ist die Uniform. Sie »schafft die Vorstellung von Raumausfüllung, individueller Expansion, überpersönlicher Auswirkung, kurz jenen Komplex, dessen der durchschnittliche Mann bedarf« [DL/DL 435], Für diesen Durchschnitt ist Moral eine wesentliche Voraussetzung. Dieses Resultat des reflektierenden Ich ist im Kontext der bisherigen Überlegungen des Doppellebens ein Novum. »Die Kunst verboten, die Zeitungen ausgerottet, eigene Meinung durch Genickschuß beantwortet - menschliche und moralische Maßstäbe an die Raumausfüllung anzulegen, wie es die Kulturvölker taten, dazu waren die Voraussetzungen im Dritten Reich nicht mehr gegeben« [DL/DL 435]. Allerdings bleibt das Problem der Moral grund369

sätzlich der Wirklichkeit, die Wirklichkeit wiederum dem Durchschnitt, und das Ich des Doppellebens nicht dem Durchschnitt zugeordnet. Die eingangs von Block II, Zimmer 66 konstatierte Opposition von vita contemplativa und vita activa als prägendes Kennzeichen der Lage ist unaufhebbar. Nur der Durchschnitt lebt im Gegensatz zu dieser Gegebenheit, während für den Intellektuellsten handeln und denken, der Bereich der Wirklichkeit und der des Existentiellen, miteinander nicht mehr vereinbar sind. Diese Opposition von Handeln und Denken klang bereits im Monolog an, hier wird sie theoretisch zur Konzeption des Doppellebens ausgestaltet, denn »heute lebt die Rasse in dieser Form« [DL/ D L 442], 28 Fiktionalität ist im Denkhorizont des Doppellebens keine Kategorie. »Kunst aber hat keine geschichtlichen Ansatzkräfte, sie hebt die Zeit und die Geschichte auf, ihre Wirkung geht auf die Gene, die innere Erbmasse, die Substanz - ein langer innerer Weg« [DL/DL 443], Aus diesem Grund ist es auch möglich, alle literarischen Formen innerhalb der Montageautobiographie einzusetzen. Die Grenze zwischen Faktum und Fiktion wird von Benn dann beachtet, wenn er im Sinne des Wirklichkeitsbegriffs operiert. Dokumentarismus ist nur notwendig, wenn das Ich sich innerhalb von Zeit und Raum, nicht aber im Gebiet »meinfes] primärefn] Menschtum[s]« [DL/DL 444] bewegt.

6.2. Fiktionale Überschreitungen des Faktischen »Immer suche ich etwas - was? - mich selbst, mein Ich, meine Individualität - meine Formen«. 29 Diese frühe Äußerung Hans Carossas formuliert den Impuls seiner Arbeiten. Das von Goethe entwickelte Modell der Dichterexistenz war der Beleg für die Möglichkeit eines solchen Lebens. Für die Reihe der an die Tradition von Dichtung und Wahrheit anschließenden Texte ist das Mit- und Ineinander von Fiktion und Referenz konstitutive Grundlage des dichterischen Kalküls. Ein Zeitungsartikel, so Carossa, »berühr[e] einen Punkt, den bisher keiner bemerkt hat (Dokument und Märchen zugleich) und der dem eigentlichen Geheimnis meiner Arbeit nahe kommt«. 30 Das Verhältnis von Faktum und Fiktion wird von Carossa interpretiert als symbolische Überhöhung eines wahren Kerns. Was ich schreibe, kommt immer aus dem Erlebnis; meine höchste Sehnsucht wäre aber, das Erlebte durch die Kunst so wahrhaft verwandeln zu können, daß es ganz unwirklich

2,1

29 311

»Das, was in mir dachte, bewegte sich in einem eigenen Raum; das, was von mir lebte, war innerhalb des mir zugewiesenen Milieus entgegenkommend. Das, was dachte, war ohne Falsch, es frug niemanden aus, es frug niemanden in sich hinein, es trat überhaupt nicht in Erscheinung, es war gelassen, konnte es sein, so sicher war es, daß es Recht hatte und die Wahrheit besaß gegenüber allen Lebensfakten innerhalb der von uns gemeinsam bevölkerten Kaserne« [DL/DL 442]. An Fritz Kaufmann vom 19.5.1898; Hans Carossa 1978a, S. 14. An Hedwig Kerber vom 4.4.1928; Hans Carossa 1978b, S. 136.

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würde, daß alles Persönliche verschwände und schließlich von dem Ganzen eine ähnliche Wirkung ausginge wie von einer symbolischen Figur.31

Da Carossa jedoch das Leben im Dritten Reich als gespaltene Existenz erfuhr, war eine derartige Erzählweise nicht möglich. Er griff zu der Lösung, den fiktionalen und den referentiellen Pol der Autobiographie zu zwei getrennten Texten aufzuspalten. Ungleiche Welten ist nicht, wie die Rezeption nahelegt, der Bericht über das Leben im Nationalsozialismus. Vielmehr ist es die Bezeichnung für ein Buch, dessen erster Teil lakonisch Lebensbericht [UW 5] betitelt ist - es handelt sich dabei um den seither als Ungleiche Welten bekannten Text - , dessen zweiter Teil Ein Tag im Spätsommer 1947. Erzählung [UW 153] heißt. Ungleiche Welten »besteht [...] aus zwei Teilen: einem Lebensbericht und einer in sich geschlossenen Erzählung, die aber unterirdisch mit dem ersten Teil zusammenhängt«. 32 Sie verhalten sich kontrastierend zueinander: im Lebensbericht geht es um einen faktenorientierten, auf die Vergangenheit gerichteten Bericht über die Zeit bis kurz nach dem Krieg; in der Erzählung um eine fiktionale, auf die Gegenwart zielende Erzählung von einem Tag nach dem Krieg. 33 Vom Dritten Reich läßt sich adäquat nur berichten. Welche Funktion aber hat die Fiktion? Sie war zunächst nicht geplant. Ernst Bertram, dem die Erzählung gewidmet werden sollte, berichtete Carossa: »Vor drei Monaten hielt ich es für fertig; nun aber bietet sich als Schluß eine kleine Erzählung an, die sich mir noch immer unter den Händen verwandelt.« 34 Den reinen Bericht allein hielt Carossa für nicht hinreichend. Der Anstoß zur Fiktion ist auf die intuitive Einsicht zurückzuführen, »daß alles Geschriebene nur Vorbereitung für etwas anderes war (eine einfache Erzählung, also für mich ein Wagnis), und wenn dies gelänge, könnte ein ganz gutes Buch entstehen.« 3 5 Aber auch für die Erzählung war ein faktischer Kern konstitutiv. Im Frühjahr hielt ich mein Buch für fertig; dann wuchs etwas Neues daraus hervor, eine Erzählung, die ganz aus Elementen der wirklichen Gegenwart besteht, sie aber nach und nach in allgemein Giltige, wie ich hoffe und wünsche, verwandelt. Es treten auch Flüchtlinge darin auf, und da hab ich, fast unbewußt, Einiges aus deinen Berichten herübergenommen; daher ist mir auch in Deinem heutigen Brief die Stelle von den mißhandelten Frauen so schmerzlich nahe gegangen. Es wäre zuviel verlangt, von Dir noch mehr Einzelheiten wissen zu wollen; aber Deine Art zu erzählen, hebt immer das Wesentliche u. Anschauliche hervor, wie etwa die Stelle von der Flucht Deines Bruders. 36

31 32

33

34 35 36

A n Hedwig Kerber vom 14.3.1932; Hans Carossa 1978b, S.254. A n Ernst Bertram, 14.1.1951; Hans Carossa 1981, S.400. Ein Beispiel für die direkte Anknüpfung ist die Erzählung vom Care-Paket, das ein 1936 nach Chile ausgewanderter Dr. S. sendet. Hier werden einer Figur der Erzählung Gedanken in den Mund gelegt, die im Lebensbericht ebenfalls ausgesprochen werden [vgl. UW 319]. Zum Zusammenhang der beiden Teile vgl. Jethro Bithell 1953/54, S.55; Henning Falkenstein 1983, S.61f.; Hartmut Laufhütte 1989, S.224. A n Ernst Bertram, 11.3.1948; Hans Carossa 1981, S.340. A n Albrecht Goes, 1.9.1948; Hans Carossa 1981, S.354. A n Ilse Nowak, 5.11.1948; Hans Carossa 1981, S.356f.

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Die Erzählung ist von der Konzeption her integraler Bestandteil des Buches, »die dem ganzen erst ein höheres Leben gibt«, 37 dem Buch die Weihen des Allgemeingültigen und Symbolischen verleihen soll. Im Lebensbericht hatte Carossa konstatiert, daß die Sphäre der Kunst den Gewalten der Zeit gegenüber ihre Autonomie nicht mehr hatte wahren können. Vor allem an der kurz vor Kriegsende begonnenen Arbeit hatte er nach der Befreiung bemerken müssen, daß sie zu eng mit den vergangenen Verhältnissen verknüpft war und ihre Geltung verloren hatte [vgl. UW248f.]. Erst unter den neuen Verhältnissen hielt er es überhaupt wieder für möglich, Kunst im emphatischen Sinn zu schaffen. Die Fiktion ist demnach einerseits eine prospektive Überhöhung des Faktischen, immer noch im Dienst des Lebens, andererseits ist sie der Ort, an dem das Allgemeingültige formuliert und tradiert werden kann. Die Handlung von Ein Tag im Spätsommer 19473H ist in Zeit und Raum exakt datiert, wobei lediglich der Name der Stadt nicht genannt wird. Es handelt sich um eine typische größere deutsche Stadt, für die Passau Modell stand. Angesprochen werden die politischen Gegebenheiten: Es ist die Rede vom »besiegten Deutschland« [UW 258] und von der vergangenen »Epoche, die sich als das Dritte Reich bezeichnete« [UW 260]. Sie wird als »zerrüttete Zeit« [UW 257] bewertet. Die Erzählung handelt in einer Zeit des Übergangs. Dabei geht es nicht nur um einen einfachen Neuaufbau nach Kriegszerstörungen, sondern vielmehr um eine fundamentale Neuorientierung. Die nationalsozialistische Zeit war nichts geringeres als der Endpunkt für die »seit langem vorbereitete Auflösung der alten Menschenwelt« [UW 260], Es ist noch ungewiß, in welche Richtung der Neuanfang nach einem so gravierenden Abriß der Tradition führen wird. Es kommt in dieser Situation auf die Besinnung auf elementare soziale Ordungsstrukturen an: »Es gibt keine allgemeine Bedrohung, und was dem einen Untergang bedeutet, eröffnet dem andern einen Ausblick in unendliche Freiheit« [UW261]. In der gegebenen Situation muß man handelnd tätig werden. Die Überlebenden des Krieges fassen »neuen Mut« [UW255]. Allerdings zeigt sich die Natur trotz dem schönen Sommer von der bedrohlichen Seite. »Empfindliche Naturen merkten etwas Unheimliches; ihnen wurde zumut wie der Katze, die auf der langsam sich erwärmenden Ofenplatte wohlig schnurrend ihre Glieder dehnt, bis sie auf einmal an der Haut die Hitze spürt und jäh das Weite sucht; sie erkannten in dem scharf sich verstrahlenden Sommer eine Drohung der Natur« [UW 255]. Die Bedrohung zeitigt auch Wirkungen innerhalb der Gesellschaft. Zwischen H o f f n u n g u n d Sorge lebten die M e n s c h e n d e m H e r b s t entgegen, von d e m sie Regen und K ü h l u n g e r w a r t e t e n ; aber d a s F e g e f e u e r verstärkt seine F l a m m e n , ein allgemeines Welken b e g a n n , das auch in die Menschenwelt übergriff. Wegen geringfüger A n lässe b e g a n n e n E r w a c h s e n e zu weinen, und K r a n k h e i t e n , die einst als harmlos galten,

17 w

A n Wilhelm M a t h e s o n , 15.8.1949; Hans Carossa 1981, S.377. Vgl. J e t h r o Bithell 1951/52, S.54ff.; Clair Baier 1954/55. S.43; R o b e r t L . K a h n 1967; Willi Vogt 1978, S. 65ff.

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endeten oft in wenigen Tagen tödlich. Auch sonst enthüllte sich ein seit Jahrzehnten schleichender Verfall [UW 256], Die K e n n z e i c h e n dieser nie ursächlich g e k l ä r t e n U n o r d n u n g d e r N a t u r w e r d e n imm e r w i e d e r b e m e r k t ; o b es sich d a r u m h a n d e l t , d a ß »sogar H u n d e ihr Pflichtgefühl verloren« [ U W 2 5 6 ] , die B r u n n e n versiegen [vgl. U W 280], o d e r die B i e n e n ertrink e n [vgl. U W 279,292]. G e l e g e n t l i c h d e u t e n die Figuren d a s V e r h a l t e n d e r N a t u r als K o n s e q u e n z d e r politischen Z u s t ä n d e : »Nicht genug, [...] d a ß die B e w o h n e r d e r and e r e n L ä n d e r uns m e i d e n ; a u c h i h r e G e w i t t e r wollen mit uns nichts zu tun h a b e n ! « [ U W 277], Wenigstens ein Teil d e r S t ö r u n g d e r N a t u r ist auf M e n s c h e n e i n g r i f f e u n d Raubbau zurückzuführen.39 In diese U m w e l t sind eine R e i h e von Figuren gestellt, u n t e r d e n e n das alte E h e p a a r Dr. Kassian u n d M a r t i n a im V o r d e r g r u n d s t e h e n . Alle Figuren m ü s s e n sich auf die G r u n d l a g e n d e r sozialen O r d n u n g b e s i n n e n . Sie sind a u s n a h m s l o s in die unmitt e l b a r e V e r g a n g e n h e i t involviert. D e r jeweilige Anteil an dieser V e r g a n g e n h e i t ist allerdings nicht T h e m a des Textes, weil dieser P r o b l e m k r e i s bereits T h e m a des Lebensberichts war. In d e r E r z ä h l u n g g e h t es u m einen N e u a n f a n g , d e r alle Personen k o n k r e t betrifft. Kassian ist ein Mythologe, d e r » w u n d e r b a r e n A u f s c h l u ß ü b e r das Rätsel seiner Z e i t « [ U W 259] g e w i n n e n u n d zu diesem Z w e c k in alten A u f z e i c h n u n g e n d e n Sinn von » S c h ö n w e t t e r k a t a s t r o p h e n « [ U W 2 5 9 ] wie d e r g e g e n w ä r t i g e n e r m i t t e l n will. Allerdings f i n d e t er in seinen Folianten » d a s E n t s c h e i d e n d e « [ U W 259] nicht. E r gewinnt d e n Ereignissen ihren Sinn ab, soweit es sich u m soziale F o r m e n h a n d e l t . H i e r f ü h r t er jeweils einzelne K o n s t e l l a t i o n e n sozialen H a n d e l n s auf e l e m e n t a r e Vorbild e r zurück u n d rückt sie d a m i t in überindividuelle G e s e t z m ä ß i g k e i t e n e i n . 4 0 Die Tradition soll auf b e s t ä n d i g e G e s e t z m ä ß i g k e i t e n h i n f ü h r e n , auf d i e G e s e l l s c h a f t geg r ü n d e t w e r d e n k a n n . A l t e Weisheiten b e w a h r e n nach Ansicht d e s E r z ä h l e r s W a h r -

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»Was aber der Mensch verschonte, fiel einer feindlich gewordenen Natur zum Opfer. Infolge der Dürre war das Grundwasser gesunken; ein großes Tannensterben hatte eingesetzt, und nun trat ein längst gefürchteter Schädling auf, der Borkenkäfer, dem die dauernde Trockenheit eine dreifache Vermehrung erlaubte. Seit aber Tannen und Fichten in immer weiteren Zwischenräumen auseinanderstanden, konnten sie, als flach bewurzelte Bäume, einander keinen festen Halt mehr gewähren, und jeder starke Wind schuf neue Lücken« [UW 291], Ein Beispiel ist der Schuhtausch zwischen zwei Figuren: »Mit dem ganzen Vergnügen des alten Mannes, der wieder einmal vor einer Marionettenbühne sitzt, betrachtete Kassian die zwei jungen Menschen, die da, je einen Fuß auf den braunen Stein setzend, gegenseitig Schuhe anprobten. Wie man es gewissen Pflanzen von außen ansieht, daß ihre Blätter ein stark aromatisches Öl enthalten müssen, so spürte er in jedem dieser beiden Flüchtlinge eine kräftige Seele. Noch waren beide wund und von Erniedrigungen eingeschüchtert; aber schon übten sie ihre Flügel, und nichts in ihren Mienen deutete auf Untergang. >Schuhwechsel verscheucht Gespenstergeheimen Punkts der in der Lebensgeschichte des Ehepaares eine Rolle spielt. »Den geheimen Punkt hatte jedes von ihnen als Kind in sich gefühlt, ohne je darüber nachzudenken; später war er ihnen abhanden gekommen, und nun mußten sie ihn täglich aufs neue finden« [UW260f.]. Eine Gesellschaft muß sich der maßvollen Grundlagen immer wieder neu besinnen und soziales Handeln stets neu aushandeln. Einfach gesagt »kam es eigentlich nur darauf an, vernünftig und menschlich zu handeln« [UW 326f.]. Die Zeit des Dritten Reiches erscheint in der Erzählung als Zeit der Maßlosigkeit. Sie zeigt sich in der »übermäßige [n] Ausnutzung des Bestandes« [UW 291] an Bäumen, der das Gleichgewicht der Natur stört und zur Borkenkäferplage führt. Als Abweichungen vom Maß fungieren die an einer Reihe der Figuren auffälligen, zeichenhaften Verkrüppelungen und Krankheiten, die aber immer noch Mitarbeit an der sozialen Ordnung ermöglichen. Die im Haushalt Kassians lebende Waise Heidi hat am letzten Kriegstag einen Arm verloren; Martina leidet an zeitweiligen Zuständen von Geistesabwesenheit; Priska an einer Überspanntheit, die jederzeit pathologisch werden kann. Beispielhaft für den allgemeinen Maßverlust ist auch die vergebliche, aber desto unbeirrter vertretene Hoffnung der Flüchtlingsfamilie Stohal auf Rückkehr und Rückgabe ihres Besitzes. »Hier saßen also ein paar Menschen, nach deren Meinung sich ein Kreis von Staatsmännern in schlaflosen Mächten die Köpfe darüber zerbrach, wie er ihnen wieder zu ihrem Häuschen und Garten verhelfen könnte« [UW 296], Martina dient als Beispiel dafür, daß auch unpolitische Menschen nicht verschont

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Beispiel ist der Hinweis auf die Denkweise der Bauern: »Zu wissen, wem später einmal Haus und H o f gehören würden, war in allen Zeiten den bäuerlichen Menschen eine Herzensangelegenheit gewesen, und in der Tiefe schlief noch eine andere Sorge, die schon den Hellenen in ihrer frömmsten Zeit natürlich war« [UW 311]. Charakterisierung: » D e r alte Mythenforscher wußte, daß Martinas Tatkraft an den Dingen nichts zu ändern vermochte; er meinte nur, in ihrer Gegenwart würden alle glücklicher sein« [ U W 309].

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geblieben sind. In ihrem Fall begannen nämlich die »leichten Störungen ihrer Gesundheit« [UW 264] in dem Moment, da sie ihrerseits ein Maß verlor. Wegen des Überfalls auf Frankreich steigerte sie ihre Verehrung der Madame Curie. Sie »widmete ihr von nun an einen Kult, wie ihn die Gläubigen den Blutzeugen erweisen« [UW 264], Die Übersteigerung als Reaktion auf die Zeit ist Symbol der allgemeinen Maßlosigkeit. Gerade die unbestreitbaren Erfolge der modernen Naturwissenschaften signalisieren, daß die Menschheit insgesamt an einer Grenze angekommen ist. Die Segnungen des Fortschritts drohen über die Grenze, die vom humanen Maß gezogen wird, hinauszuführen. 4 3 Martina distanziert sich im Verlauf der Handlung von ihrer übersteigerten Verehrung der Marie Curie [vgl. U W 333f.]. Die zentrale Frage der Erzählung gilt der Rückbesinnung auf das humane Maß. Das impliziert zunächst eine Abkehr vom Nationalen, auf die allenthalben angespielt wird. Die Denkmäler berühmter Männer werden nicht mehr gepflegt, weil »den stolzen Worten, mit denen sie dereinst ihr Volk und ihre Zeit gefeiert hatten, [...] viel von ihrer Gültigkeit abhanden gekommen« [UW270] war. Kassian bezeichnet zur Mißbilligung Sutors die Kinder schwarzer Soldaten und einheimischer Frauen als »echte[] künftige[] Weltbürger« [UW270]. Das zentrale Schlüsselwort ist, situationsadäquat, Arbeit im durchaus elementaren Sinn von Handarbeit. Arbeit stiftet Gemeinschaft, wie am Beispiel der Flüchtlinge aus Karwin ausgeführt wird [vgl. UW 305f., 310]. Die gemeinsame Gartenarbeit des alten Paares läßt sie »die Zahl ihrer Jahre und alle Bedrängnisse der Zeit« [UW266] vergessen. Sie wollen ihren Kindern zu »Lehr- und Arbeitsjahre[n] in fremden Ländern an[]raten« [UW337]. Sutor besinnt sich auf seine handwerklichen Fertigkeiten; dessen Frau Paula erteilt Geigenunterricht [vgl. UW269]. Es wird »schon an der Wiederherstellung zerstörter Gebäude gearbeitet« [UW 270], Schließlich wird der junge Dieb Saturno verpflichtet, sich durch Arbeit zu resozialisieren [vgl. UW 340], Arbeit als aufbauende und gemeinschaftsstiftende Tätigkeit kann das verloren gegangenen Maß wiederherstellen. Das wird am deutlichsten ausgesprochen in Sutors Vorstellung Priskas: »Sie ist Lehrerin im Sudetenland gewesen [...] und hat auf der Flucht Entsetzliches erlebt, wovon sie nur in Andeutungen und meistens überhaupt nicht spricht. Sie ist mit Gott und der Welt zerfallen und hält sich nur mühsam

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»In ihrer grüblerischen Phantasie mochte sie sich manchmal sagen, es müsse doch eine Verwandtschaft bestehen zwischen der kindlichen Seherin von Lourdes, der die schöne geisterhafte D a m e erschienen war, um ihr die Stätte des Wunderquells anzudeuten, zu dem bald alle Völker der Erde pilgern sollten, und der unscheinbaren Frau, die im Verein mit ihrem Lebensgefährten der Welt jenen heilsam strahlenden Stoff geschenkt hatte. Solche Vergleiche konnten eine gewisse Gültigkeit behalten, bis die moderne Wissenschaft zu den bedrohlichen Ergebnissen gelangte, die zu schrankenlosen Morden und Zerstörungen hinüberführen mußten, da wurde Martina unsicher, ihre eingeborene Vernunft erwachte, sie ahnte Zusammenhänge zwischen der weltberühmten Tat ihrer Wahlpatronin und jenen neuen Studien und Versuchen, die der Schadenstiftung dienen wollten. Sie mußte sich fragen, ob diese noch unentfesselten Potenzen in Wahrheit ein Geschenk himmlischer Mächte sein konnten« [ U W 264f.].

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im Gleichgewicht. Wenn ihr aber nun wirklich ein festes Lehramt übertragen wird, kann ja alles noch gut werden« [UW272], Der Verlust des Gleichgewichts wird in seinen Konsequenzen deutlich, als Priska Zeugin eines Unfalls auf einer Brücke wird. Sie deutet dieses Vorkommnis als Zeichen des allgemeinen Zustands der Welt. »>- ach keiner, keiner kann doch dem anderen helfen auf dieser grausigen Welt!«< [UW275], Der Verlust des Maßes bedeutet, daß dem Individuum die sinnvoll geordnete Welt ihren Sinn nicht mehr zeigen kann. Die aus dem Gleichgewicht Geratenen sehen zum Beispiel »die unendliche Verwandtschaft aller gleichzeitig und gleichaltrig auf der Erde Lebenden« [UW 331] nicht mehr, an der sich die Wirklichkeit des Humanen zeigt. Desperation ist notwendig die Folge: »Nur ein Schulmädchen hat es gesehen. Ich aber muß ewig den Sturz mitstürzen, ewig ertrinken - « [UW 275], Sutor charakterisiert sich mit seiner Vorstellung Priskas auch selbst, denn in seinem Fall bringt die >Werklust< »sein verwandeltes Wesen zum Vorschein, eine Duldsamkeit, ein Verzicht auf Rechthaberei, wovon sonst wenig zu merken gewesen« [UW 273]. Innerhalb vieler Zusammenhänge wird konstatiert, »wir seien an eine Linie gelangt, wo man kaum wünschen dürfte, daß es noch viel weiter ginge« [UW323], An die Rückbesinnung auf die anthropometrische Existenz knüpft sich die Hoffnung, daß letzten Endes »alles [...] auf gutem Wege« [UW 284] sei. In diesem Sinne ist das Ende der >Schönwetterkatastrophe< deutbar als Ausblick in eine Welt, die ihr Maß wiedergefunden hat. Die positiven Ausblicke sind allerdings immer wieder durchsetzt vom »Nachspuken längst abgetaner Zustände« [UW 321]. Trotz den naheliegenden Vermutungen hat Carossa die Vermutung Roger de Campagnolles zurückgewiesen, Hermann und Dorothea sei das literarische und axiologische Muster der Erzählung gewesen. 44 Im Paratext zu Ungleiche Welten findet sich der explizite Hinweis auf die >Nachbarschaft Adalbert Stifterssanftes Gesetz< bezogen ist. Carossa reiht sich mit dieser Apostrophierung in eine zeitgenössische literarische Strömung ein. Die Bezugnahme auf Stifter ist eines der wesentlichen Merkmale der nichtnationalsozialistischen Literatur des Dritten Reiches. Am Beispiel Carossas läßt sich die Funktion dieses Bezuges eingehend beleuchten. Dazu ist zunächst Stifters Vorrede zu Bunte Steine zu rekapitulieren, da die zentralen Begriffe der Erzählung in ihr erscheinen und erläutert werden: D a s Wehen d e r Luft das Rieseln des Wassers das Wachsen der G e t r e i d e das Wogen des M e e r e s das G r ü n e n d e r E r d e das Glänzen des Himmels halte ich f ü r groß: das prächtig einh e r z i e h e n d e G e w i t t e r , d e n Blitz, welcher H ä u s e r spaltet, d e n S t u r m , d e r die B r a n d u n g treibt, d e n f e u e r s p e i e n d e n Berg, das E r d b e b e n , welches L ä n d e r verschüttet, halte ich nicht

4-4

»Mit d e n G o e t h i s c h e n h a b e n meine a r m e n Ausgetriebenen eigentlich nichts gemein; sie b e f i n d e t sich nicht m e h r auf d e r Flucht, s o n d e r n bereits in einem Lager, und das Tragische an ihrem Schicksal ist die u n b e i r r b a r e Sicherheit, mit der sie an die R ü c k k e h r in die Heim a t glauben (sie s t a m m e n aus Karwin in d e r Slowakei)« (an R o g e r d e C a m p a g n o l l e , 25.6.1949; H a n s Carossa 1981, S. 371).

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für größer als obige Erscheinungen, ja ich halte sie für kleiner, weil sie nur Wirkungen viel höherer Gesetze sind. 45 So wie es in der äußeren Natur ist, so ist es auch in der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes. Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit Einfachheit Bezwingung seiner selbst Verstandesgemäßheit Wirksamkeit in seinem Kreise Bewunderung des Schönen verbunden mit einem heiteren gelassenen Sterben halte ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemütes furchtbar einherrollenden Zorn die Begier nach Rache den entzündeten Geist, der nach Tätigkeit strebt, umreißt, ändert, zerstört, und in der Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, sondern für kleiner, da diese Dinge so gut nur Hervorbringungen einzelne und einseitiger Kräfte sind, wie Stürme feuerspeiende Berge Erdbeben. Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird. 46 D i e Applikationsmöglichkeiten auf die konkrete Situation der dreißiger und vierziger Jahre springen ins Auge. Läßt sich doch die politische Realität weitgehend d e m Bereich der Katastrophen zuordnen, zumal Carossa dieses Deutungsschema im Lebensbericht verwendet. Aus dieser Perspektive ist das vielfach kritisierte >Gespräch über Bäume< zu sehen als Versuch, sich der Existenz einer E b e n e zu vergewissern, die über die Zeitereignisse hinausreicht und von ihnen nicht betroffen wird. Stifter stellt Natur und Menschenwelt in einen Zusammenhang, aus d e m sich die Vielfalt der Bezüge ergibt. Es gibt daher Kräfte, die nach dem Bestehen der gesamten Menschheit hinwirken, die durch die Einzelkräfte nicht beschränkt werden dürfen, ja im Gegenteile beschränkend auf sie selber einwirken. Es ist das Gesetz dieser Kräfte das Gesetz der Gerechtigkeit das Gesetz der Sitte, das Gesetz, das will, daß jeder geachtet geehrt ungefährdet neben dem andern bestehe, daß er seine höhere menschliche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Bewunderung seiner Mitmenschen erwerbe, daß er als Kleinod gehütet werde, wie jeder Mensch ein Kleinod für alle andern Menschen ist. Dieses Gesetz liegt überall, wo Menschen neben Menschen wohnen, und es zeigt sich, wenn Menschen gegen Menschen wirken. Es liegt in der Liebe der Ehegatten zu einander in der Liebe der Eltern zu den Kindern der Kinder zu den Eltern in der Liebe der Geschwister der Freunde zu einander in der süßen Neigung beider Geschlechter in der Arbeitsamkeit, wodurch wir erhalten werden, in der Tätigkeit, wodurch man für seinen Kreis für die Ferne für die Menschheit wirkt, und endlich in der Ordnung und Gestalt, womit ganze Gesellschaften und Staaten ihr Dasein umgeben, und zum Abschlüsse bringen 4 7 Sowohl die Schönwetterkatastrophe als auch die Sittenverwilderungen in Carossas Erzählung sind konzipiert als Ausprägungen eines sie verbindenden, hinter ihnen stehenden gemeinsamen naturgesetzlichen Zusammenhangs. D i e Schönwetterkatastrophe ist weitaus bedrohlicher als die >nationalsozialistische< Katastrophe, weil sie der E b e n e des von Stifter als wahrhaft groß Bewerteten zugehört. Gerät das sanfte G e s e t z in Unordnung, steht die Ordnung der Welt als solche zur Debatte. D i e Schönwetterkatastrophe ist also das eigentliche Gegengewicht zum beglückenden

45 46 47

Adalbert Stifter 1961, S. 8. Adalbert Stifter 1961, S.9f. Adalbert Stifter 1961, S. 10. 377

Ende, und sie darf in ihrer Schwere nicht unterschätzt werden. 4 8 Die Symbolik des Textes legt die Deutung nahe, daß die Natur selbst auf Einhaltung oder besser Rückkehr zum Sittengesetz, zum Maß drängt. Der Optimismus der Erzählung basiert dennoch auf dem Optimismus Stifters, daß jenes sanfte Gesetz das »einzige Allgemeine das einzige Erhaltende und nie Endende ist«, welches »doch endlich allezeit siegreich und herrlich aus dem Kampfe hervorgegangen ist.« 49 Demzufolge ist das Menetekel, daß der Nationalsozialismus als Maßverlust infolge seiner Eingriffe in die Natur das sanfte Gesetz selbst berührt hat. Stimmt dann die Gleichung zwischen Nationalsozialismus und Deutschland, oder der Propaganda gemäß, ist Hitler identisch mit Deutschland, dann ist die Zukunft bedrohlich. »Untergehenden Völkern verschwindet zuerst das Maß.« 5 0 Die Attraktivität von Stifters Konzeption des sanften Gesetzes dürfte deutlich sein. Die fiktionale Erzählung im Rahmen von Carossas Autobiographieprojekt Ungleiche Welten hat sowohl die >Wahrheit< der Poesie als auch die Gesetzmäßigkeit der Natur zur Geltung zu bringen. Im Gegensatz zur retrospektiven Ausrichtung des Lebensberichts wie zur Verpflichtung auf Referenz kann sie den Blick in die Zukunft richten. Kolbenheyer verwendet am Ende des Sebastian Karst ebenfalls ein fiktionales Muster, es geht ihm ebenfalls um die Deutung des Weltganzen, allerdings läuft dieser Abschluß der Autobiographie auf ein Epitaph aus Anlaß des Todes der Ehefrau hinaus. Das Nachwort des Sebastian Karst besteht aus einer stilisierten autobiographischen Erzählung und einem 216 Verse umfassenden Blankvers-Dialog zwischen Karst und dem Tod. Der Ackermann aus Böhmen ist das literarische Muster, an dem sich Kolbenheyer orientiert. Die Wahl des Vorbildes ergibt sich nicht nur aus der Musterhaftigkeit der fingierten Situation, vielmehr weist der Text eine ganze Reihe von Qualitäten und Bezugsmöglichkeiten auf. Zunächst ist aufgrund der völkischen Überzeugungen Kolbenheyers die Wahl naheliegend; der Ackermann stammt aus einer Zeit, die aus der Perspektive von Kolbenheyers biohistorischen Vorstellungen als Schwellenzeit der »arteigenen religiösen Problematik« [SK1/143] des deutschen Volkes gilt. Diese Zeit ist zugleich die früheste historische Phase, die noch durch sprachliche Einfühlung rekonstruierbar ist, wie Kolbenheyer am Beispiel des Gottgelobten Herzen ausgeführt hatte [vgl. SK HI/348], Das Gespräch zwischen Witwer und Tod ermöglicht den Verweis auf den natürlichen Abschluß einer Biographie, verleiht also der Autobiographie ein >organisches< Ende. Sie ermöglicht den Schritt über die Grenze des Referentialisierbaren hinaus, der nicht die Autobiographie kompromittiert. Zugleich bietet die Grenze zwischen Leben und Tod die Möglichkeit, Lebenssinn zu thematisieren und gleichzeitig abschließend in das Allgemeingültige zu integrieren. Die »Übertragung jenes prachtvollen Streitgespräches zwischen dem Acker-

4

* Die Erzählung wurde immer nur als beglückend, harmonisch, freundlich bewertet. Vgl. Jethro Bithell 1951 /52, S.59; Willi Vogt 1978, S.68; Albrecht Weber 1991, S. 115. Zusammenfassung der Erstrezeption: Christiane D e u ß e n 1987, S.83ff. Adalbert Stifter 1961, S . l l . 50 Adalbert Stifter 1961, S. 12.

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mann und dem Tode [...], das um das Jahr 1400 sein Landsmann Johannes von Saaz geschrieben hatte« [SKI/43], repräsentiert den Lebensgipfel Karsts. »In jenem Jahre 1942 stand ich auf der Höhe meines öffentlichen Wirkens« [SKIII/495], Das ist schlagend zu belegen: Im Herbste nach jenem Terrorangriff, der die Meinen dem Tode nahebrachte und mein Haus beinahe zerstörte, schrieb ich in frühen Morgenstunden und am Abend die Versübertragung des berühmten Streitgesprächs von Johannes von Saaz »Der Ackermann aus Böhmen«, eines der bedeutendsten Literaturwerke deutscher Zunge. Diese Neuausgabe gemeinsam mit dem Alt-Germanisten Gierach, der den Urtext aus überkommenen Abschriften wiederherzustellen versuchte, wurde in Prag gedruckt: ein Geschenk des Sudetengaues an Hitler [SK III/495],

Der Abschluß der Autobiographie ist mehrfach motiviert und symbolisch überhöht. Das Epitaph überschreitet die Grenze zur Fiktion, ohne im Widerspruch zu den Gattungsregeln der Autobiographie zu stehen. Die Übertragung, von der die Rede ist, erschien 1943 im Volk & Reich-Verlag in Prag als bibliophile Ausgabe in für die Kriegsverhältnisse geradezu luxuriöser Ausstattung. Das Buch enthält neben einem Holzschnitt auschließlich den Ackermann-Text und Kolbenheyers Übertragung in kleinerer Drucktype in synoptischer Anordnung. Es enthält keine zusätzlichen Texte und keine Widmungen an Hitler. Das Nachwort steht im Kontext der für das Spätwerk Kolbenheyers typischen Lehrgespräche zwischen Karst, Otal und Tirko zum Zeitpunkt des Todes der Ehefrau. Die Distanz des Erzählers zur erzählten Figur wird erhöht. Einzelne Sätze scheinen fast aus der Perspektive der anderen Figuren formuliert: »Otal und Tirko ahnten, daß ihre Befreundung im Dreigespräche, so weckend sie war, einer letzten Innerlichkeit Karsts entbehre. Der Alte hielt mehr als sonst an sich. Sie vermißten den befreienden Gefühlsgrund, der beide mit unbeschwertem Dank erfüllen konnte« [SK III/524], Damit wird die Grenze zur Fiktion thematisch, da die Erzählperspektive an solchen Stellen ins Auktoriale überzugehen scheint. Für die Autobiographie ist auktoriales Erzählen ein Verstoß gegen die Wahrhaftigkeitsregel ein autobiographischer Erzähler kann nicht über die Innenperspektive anderer Figuren verfügen. Mit dem Übergang ins auktoriale Erzählen wird der Schritt in die Fiktionalisierung indiziert. In der konkreten Situation ereignet sich ein Zufall, der angesichts der trostlosen Lage des Schriftstellers Karst seit 1945 als >schicksalhaft< interpretiert und in die Biographie als symbolisches Ereignis eingebaut wird. In diesen Tagen, da Karst an jene Grenze des Erträglichen geraten war, traf ihn eines jener Zufallsspiele aus dem Parakosmos erneut, das seine Frau und er sonst wunderlich bedingt erwartet hatten, wenn eine Spannung verhängnisvoll zu werden drohte. Aus Wien erhielt er die Absicht eines Theatermannes mitgeteilt, die Versübersetzung Karsts vom »Streitgespräch des Ackermanns aus Böhmen mit dem Tod« in Wanderdarstellungen durch Österreich und die Bundesrepublik vorzutragen. Die Absicht traf Karst tiefer als einer jener Zufälle sonst [SK III/529],

Im Ergebnis ist dieses überzufällige biographische Ereignis der Anlaß dazu, daß der Ackermann zum Formulierungsmuster für die eigene Situation wird. 379

Er selbst nun aber, ein anderer Johannes von Tepel, war durch den Zufallsruf aus Wien aus seiner Trauer aufgestört: Nachhall einer Vita im Doppelsinn des Bildnerischen und des Erlebens. D a s alte Streitgespräch, es mußte neu bestanden sein, sei's ohne göttlichen Entscheid und ohne Gnadenlösung in des G e b e t e s Demut [SK III/530].

Der Einsatz des häufig stabgereimten Blankversdialoges beginnt mit einer charakteristischen Umkehrung der der Vorlage zugrundeliegenden Situation. Karst ist für den Tod der »Verzweifelte[ ], der ihn verachtet« [SK III/530], und er wird darob vom Tod beneidet. Karst fordert den Tod nicht mehr zum Streit wie jener Ackermann aus Böhmen, der vom Tod noch etwas begehrt hatte. So will der Tod Karst, den Leugner, doch vor dem Letzten zur glaubenslosen Demut zwingen, will ihn in Verzweiflung halten, da Karst ihm, dem Herren alles Lebens, die Demut der Angst verweigert [SK III/530].

Der Ackermann wird zur Identifikationsfigur für Karst bei charakteristischen Veränderungen im Umfeld. Der Interpretation Kolbenheyers zufolge sind beide Exponenten einer Schwellenzeit. Die Anknüpfungsmöglichkeiten reichen über die gemeinsame Herkunft bis in das Detail hinein, daß sogar die Initialen der beiden Frauennamen (Margaretha - Marianne) identisch sind. 51 Im Ackermann begann die Rede mit der Herausforderung des Todes, sie endete mit dem Urteil Gottes. Im Gespräch Karsts spielt Gott keine Rolle, und der Tod »steht vor dem Alten. Er fordert den Streit, nicht Karst« [SK III/530]. Karst fungiert in der Rollenrede seines Dialogs als Repräsentant des emphatischen Lebensbegriffs. Aufgrund der veränderten historischen Konstellation, des qualitativen Unterschiedes der beiden Schwellenzeiten argumentiert Karst auf höherer Ebene als dies der Ackermann konnte. Während der Tod sich dem Ackermann gegenüber weigerte, sich auf dessen Ebene hinunter zu begeben, ist es nunmehr Karst, der sich nicht auf die Ebene des Todes herabbegeben will. Auf der Grundlage dieser Umkehrung der Gesprächsrollen sind die Bezugnahmen und Anknüpfungen an den alten Text zu lesen. Der Tod begegnete dem Ackermann als Herr der diesseitigen Welt. D a s Reich der Erde ist mir verliehen Zu Erb und Eigen von Gott, dem Herrn. [...] Hätten wir seit des ersten aus Lehm gekleckerten Mannes Zeit Leut und Tier und Gewürm auf Erden, in Wüstung und wilder Heid Leben lassen und nicht gereutet der schuppigen schlüpfrigen Fisch Mehrung und Wuchsgewühl unter des tosenden Meeres Gischt, Vor kleiner Mücken Schwärme hielt es niemand aus, Vor Wölfen und aber W ö l f e n wüßt keiner mehr ein und aus,

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»Aus meines Lebens Alphabet D e n Buchstab, der als zwölfter steht U n d aller Minne Huld vermeint, Habt grausam Ihr entrissen mir« (Erwin Guido Kolbenheyer 1973, S. 54). Kolbenheyers Übertragung wird zitiert nach der Werkausgabe, die den Text unverändert enthält.

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Und eines fräße das ander, Mensch, Tier, ein jeglichs Leben Zu enge würde die Erde, könnt ihnen nicht Nahrung geben. Dumm, wer beweinet, was tödlich ist! Leb dem Leben, solang du am Leben bist. Die Toten den Toten. 5 2

Leben und Tod werden scharf voneinander in Bereiche unterschieden, die ihren jeweiligen Herrn haben. Das sieht im Dialog Karsts anders aus. Der Tod tritt auf als derjenige, der von Karst den Glauben einklagt. D u rufst mich nicht wie jener Ackermann Mich anschrieb aus des wunden Glaubens Tiefe. Entträumter, du, und voll von Traumessehnsucht, D a ß deiner Klugheit enggespanntes Netz Lodernd ein Glaube sprenge und verzehre Das Reisig der Vernunft zu tauber Asche, Stehst du, verkrümmt vor Leid, am Trost vergällt, Schreist nicht mehr auf zu einem Gott nach Rache Für meine Tat an deinem Weib? Vor dir Bin ich nichts mehr. [SK III/530],

Aus dem Blickwinkel des Todes lebt Karst nicht mehr in der Welt des Glaubens und ist damit seiner Macht nicht mehr unterworfen. Er ist ihr aber immer noch durch Sehnsucht verbunden und aufgrund seiner Trauer anfällig. Der zentrale Begriff des Todes ist >Traumvor ihr< schon innerhalb der Welt des Glaubens selbst hingewiesen. Hier knüpft Kast an Argumente des Ackermanns an. Erlischt uns Menschen das Lebenslicht, Und scheidet dahin alles Erdenleben, Wie soll's dann Tod noch und Sterben geben? Wohin, Herr Tod, sollt Ihr dann kommen? [...] Sprecht Ihr, daß alles Sein und Leben Auf Erden sinken muß ins Grab, Soll Piaton Euch die Weisung geben, Wie aller Ding Untergang Ist andrer Ding Geburt und Anfang, Wie aller Ding Urgrund ist ein Auferstehn, Wie Himmels- und Erdenlauf in einander gehn Und ewige Wirkung ein ewiger Wandel sei. 53

Mit diesem Argument ausgerüstet kann nun Karst den Spieß umkehren und seinerseits in die Offensive gehen: Versuche deine Wahrheit, Tod, und prahle Im fahlen Glänze deines Herrenwahns, Wenn ich dir sage, wes du knechtens bist Vom Anbeginn des Lebens bis zur Stunde: Knecht eines Sternenwortes aus der Urzeit, Das Leben weckte aus dem Rausch der Erde.

53

Erwin Guido Kolbenheyer 1973, S.89f.

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Du sollst es hören, Tod. Du sollst bekennen. [...] Was je zu Leben kam in Wuchs und Welken, Vermöchte nie sein Wesen zu behaupten, Wenn es von einer Urzeit her nicht lebte In ungebrochner Kettung der Geschlechter.

[...] - Längst vor dir, Tod, ergoß des Erdenlebens Urquell sich mir und ihr, die vor mir starb; Ein Sonnenring mein Leben und das ihre, Vom Anbeginn in seinen Kreis geschlossen [SK III/532f.].

Damit wird noch einmal ein Grundthema angesprochen, das der Determination oder, mit Kolbenheyers Worten, der Erbverhangenheit. Folgerichtig entgegnet der Tod darauf wiederum mit dem Verweis auf Kontingenz. Woaus in aller Welt Verspielt dein Hirn die Armut seines Wesens? Ordnung zu schöpfen aus dem Grenzenlosen, Das dich umschließt, an dessen Zufallswurf Du deiner Artung Fortbestand versuchst? - Spiel aus dein Ich, es findet keinen Rand. Hinaus ins Unermeßne schlägt dein Wurf Des eignen Ichs die todeswürdge Volte Und meint im Sturz den Schöpfungsgrund zu fassen, Der alles Leben an die Sonne rief. - Spiel aus den Geist, die Menschenherrlichkeit, Als sei dir, wenn du weißt: wann und woher Auch das Wozu des Lebens offenbart [SK III/533].

Auf der fiktionalen Ebene des Streitgesprächs, an der die Autobiographie endgültig abschließenden Grenze zwischen Leben und Tod, begegnet wiederum das grundlegende Strukturierungsmerkmal der im Sebastian Karst entfalteten Biographie: die vollständige Überführung von Kontingenz in Sinn, die Negierung des Zufalls durch Überführung in Schicksal. Karsts Replik auf den zuletzt zitierten Vers des Todes ist bereits aus dem Lebensbericht bekannt: »Leben erübrigt das Wozu - es ist« [SK III/ 533], Dem Verhängnis Des Daseins rückverjüngt, lebt allumfangen Und allentäußert aus die Lebensart Sich selbst, im Wuchs und Wirken ihres Wesens Ziellos bewegt in ewiger Entwicklung [SK III/533],

In der Übertragung hatte der Tod den Ackermann dadurch verspottet, daß er auf ihn die Adamsmystik anwandte und ihn zum unsterblichen Vertreter der Menschheit ernannt hatte. 54 Mittels seiner biologistischen Begründung der Lebensphiloso-

54

»Denn wir hatten keine Ahnung, D a ß du so ein Prachtkerl wärest. Konnten wir dich ganz vergessen!

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phie vermag Karst seinerseits dieses Argument umzuwenden, denn tatsächlich ist aufgrund der Partizipation am Leben die Sterblichkeit des Einzelnen unbedeutend: die Art lebt weiter, ganz zu schweigen vom unsterblichen Leben als solchem. Der Rest ist Rückzugsgefecht des Todes. Das wird deutlich in seiner kaum mehr motivierten Aufforderung an Karst, nicht mehr um die Frau zu trauern. »Sie ist kein Leben mehr. Was soll dein Schmerz!« [SK III/535], Trost aber zieht Karst aus der Gewißheit, daß der Tod seiner Frau innerhalb eines sinnvoll geordneten Ganzen einen Platz gefunden hat. Sie aber, die Entschwundne, Hat dies mein Ich gelöst aus der Verkettung

Des Nur-Bewußten in das Traumgefühl Der Zweigestalt des Lebens - ein verschenken Und im Verschenken dieses Daseins Fülle [SK III/534].

Der Schlußmonolog des Karst, dem als Souverän seiner Autobiographie auch das letzte Wort im Streitgespräch mit dem Tod bleiben muß, beendet den »Streit, den du gesucht, nicht ich« [SK III/535], mit der Apotheose. Er formuliert die Überzeugung, daß seine verstorbene Gattin im metaphysischen Sinn, den die Bauhüttenphilosophie bietet, unsterblich ist. Es lebt Lebendiges aus ihr in mir, Solang ich denken kann, ist es mein Eigen Lebendiges aus ihr in meinen Kindern, In meinen Enkeln lebt es tief vereint Mit mir, wie sie in meinen Kindern lebt. Ihr Wesen ruht in meiner Ordnungssphäre Nicht nur Erinnerung! [SK III/535],

Das Ende von Sebastian Karst über sein Leben und seine Zeit ist somit als doppeltes Ende gestaltet. Der eigentliche autobiographische Text endete zwiespältig. Entsprechend der ungeklärten Zukunft des einstmals gefeierten Kolbenheyer bleibt vor allem Hoffnung: »Eine geläuterte Zukunft, die schon den Enkeln angehört, wird entscheiden, welcher Wert dem Lebenswerk des Sebastian Karst in der deutschen Dicht- und Gedankenwelt zukommt« [SK III/520]. Im fiktionalen Text des Streitgesprächs zwischen der Zentralfigur und dem Tod triumphiert am Ende Karst im katalektischen Schlußvers: »Entweiche in dein Nichts!« [SK III/536].

Kannten längst dich schon - vor Zeiten! Sind wir doch dabeigestanden, Als die gute Frau Sibylla Ihre Weisheit dir verzapft,

[...] Doch zu allererst ward offen Deiner Weisheit Abgrundtiefe, A l s man dich berufen fand Sintemal im Rate Gottes U m Frau Evas Fall zu richten. - « (Erwin Guido Kolbenheyer 1973, S.71f.). 384

Die Markierung der Grenzsituation des Lebens durch Fiktionalisierung führt dazu, daß die Autobiographie Kolbenheyers zu einem doppelten Schluß führen kann, wobei am Ende der fiktionale Schluß das letzte Wort behält. Die Fiktion hat die Funktion, im Bereich der Wahrheit der Dichtung die Wahrheit der Bauhüttenphilosophie ein letztes Mal zum Ausdruck zu bringen. Dem vorsichtigen Schluß des referenzorientierten Erzählens kontrastiert der Triumph der Fiktion. In ihr ist das >Eigentliche< formuliert.

6.3. Gespräche als Fiktivitätsindex Ein letztes Beispiel für die Überschreitung der Gattungsbeschränkungen bleibt zu diskutieren. Die Autobiographen und ihre Theoretiker sind sich darüber einig, daß Gespräche in Autobiographien nicht vorkommen sollten, weil das Gedächtnis nicht wie ein Aufzeichnungsapparat funktioniert. Es ist unwahrscheinlich, daß Gespräche im Wortlaut aus der Erinnerung heraus reproduziert werden können. Kommen sie dennoch in der Autobiographie vor, zeigen sich in ihnen schon Ansätze zur Fiktionalisierung. In jedem Fall handelt es sich um besonders markierte Stellen des Textes. Gewöhnlich geht das vor sich wie bei Blunck. Er wechselt erzählend gelegentlich vom Imperfekt ins Präsens und in diesem Zusammenhang fallen einzelne Sätze in wörtlicher Rede. Sie dienen der Verlebendigung oder der pathetischen Zuspitzung [vgl. LadZ 20f., 57], Friedrich Georg Jünger hat in seinen beiden Büchern einige Beispiele für wörtliche Rede in der Autobiographie, die innerhalb des Gesamttextes Schwerpunkte bilden. Sie treten als kurze und sentenzenhafte Formulierungen auf, oder sind im Fall von Rede und Gegenrede zur Pointe oder zur Anekdote geformt. Ohne mnemotechnische Hilfsmittel kommt Jünger in keinem solchen Fall aus. Dieses Problem wird im Vorwort zu Grüne Zweige angesprochen. Dort heißt es, die autobiographische Darstellung könne »kein freies Spiel der Einbildungskraft sein«, strebe aber »doch danach, denn Erinnerung ohne Einbildungskraft ist nicht einmal denkbar« [GZ 5f.]. Autobiographisches Erzählen ist immer auf die Konstruktion und Interpretation von Fakten angewiesen. Kurze Passagen wörtlicher Rede zeigen die Intensität von Erinnerungen an [vgl. GZ 36,182], Bei längeren handelt es sich fast immer um biographisch reflexive Gespräche. Exemplifizieren läßt sich das an einem Beispiel: »Vergiß nicht«, sagte er eines Tages zu mir, als wir wieder dort saßen, »daß diese schönen Tage gezählt sind und daß sie so rasch vergehen werden wie die Rohrstengel, die du hier vor dir siehst.« »Das ist wahr«, antwortete ich. »Aber warum sagst du es jetzt?« »Damit du dich besser erinnerst. D u wirst dann auch an mich zurückdenken. Hast du noch nicht bemerkt, daß wir nur an das Vergängliche Erinnerungen haben? Je mehr es dir bewußt wird, desto deutlicher erinnerst du dich doch. An das, was bleibt, haben wir keine Erinnerungen.« Diese Bemerkung prägte sich mir ein [GZ 209f.].

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Ansonsten verweisen solche Gespräche auf die identitätsbildende Funktion von Erinnerungen 5 5 oder auf die Herausstellung von biographischem Sinn, indem ein Zufall als >Schicksal< gedeutet wird. 56 Nur in einem Fall handelt es sich um eine Äußerung zu einem anderen Thema anläßlich eines Gespräches mit dem Bruder Ernst: Dann tauchte er aus dem Selbstgespräch hervor und sagte unvermittelt: »Es wird eine neue Völkerwanderung geben.« »Wohin?« fragte ich. »In den Tod.« Es war der 11. November 1932. Vielleicht hatte ihn der Anblick der Menschenmassen, welche die Straße hinauf und hinunter drängten, darauf gebracht. Sie schoben sich und preßten sich so eng gegeneinander, daß es mühsam war, den Weg durch sie hindurch zu finden. Warum erschreckte mich diese Antwort s o sehr? Ich erschrak, weil ich im Innersten spürte, daß er recht hatte [SdJ 81 f.].

Es mag zu akzeptieren sein, daß Jüngers Gedächtnis diese Gesprächsäußerungen getreu und authentisch bewahrt hat. Mit gutem Gewissen ausschließen kann man das bei den teilweise seitenlangen Gesprächen im Fragebogen. Darin verbirgt sich ein Problem. Eigentlich müßte ein Kasuist wie Philippe Lejeune von Salomons Text begeistert sein. Der Text endet mit einem Passus, der nicht nur die Bedingungen des autobiographischen Paktes übererfüllt, sondern sich dazu auch noch der von Lejeune geliebten juristischen Formeln bedient. Zu Beginn des Textes erscheint eine vor dem Ausfüllen des Fragebogens zu berücksichtigende Warnung, die »[o]missions or false or incomplete statements« [F 7] mit Strafandrohung belegt. Die Basis von Salomons Text ist also eine juristisch einklagbare Verpflichtung, sich an die Wahrheit zu halten. Der Schlußpassus des Buches knüpft mit einer doppelten Wahrheitsversicherung daran an. Nicht nur Salomons faksimilierte Unterschrift, sondern darüber hinaus auch noch die des als > unmittelbarer Vorgesetzten erscheinenden Ernst Rowohlt bekräftigen mit Datum die justitiable Wahrheitsversicherung des Fragebogens. 57 Eine deutlichere Herausstellung der Wahrheitsregel der Autobio-

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»>Warum sollte mir das schwerfallen?< sagte sie. >Mein Gepäck und meine Erinnerungen nehme ich an jeden Ort mit.< >Das reicht hinund wiegt manchmal schon zu schwer.« >Es geht an, ich kann es gut tragen.< Sie lächelte dabei« [SdJ 31]. »>Es ist kein Zufalldaß wir uns getroffen haben, und du darfst keinen daraus machen. Unsere Nachbarschaft zeigte es schon. D a ß wir uns getroffen haben, muß dir zu denken geben, denn wer trifft sich in dieser Welt, wenn es ihm nicht bestimmt ist. D u weißt nicht, daß ich dich lange gesucht habe. D u hast nichts dazu getan, du hast dich finden lassen.Zeugnis< [...], nicht aber als historische Quelle« 60 sehen. Martin Sabrow hat dafür die Formel gefunden, Salomons Texte respektierten die Tatsachen, ordneten sie aber in andere Kontexte ein. Sie folgten eher literarischen als historiographischen Regeln. 61 Der Gattungsbezeichnung dokumentarischer Roman< für seine Texte steht Salomon distanziert gegenüber. Zu Die Geächteten führte er aus: Als »Die Geächteten« im Jahre 1929 erschienen, wurde das Buch vom Verlag als ein »dokumentarischer Roman« bezeichnet - und als solcher von den Lesern entgegengenommen. Die Epoche, die zu beschreiben ich mich in diesem Buche unterfing, muß heute als eine amoralische Epoche betrachtet werden. In diesem Sinne hat das Buch heute sicherlich noch dokumentarischen Wert. 62

Verlag und Leser haben diese Gattungsbezeichnung akzeptiert und damit einen spezifischen Rezeptionsmodus festgelegt. Der Autor weicht einer solchen Festlegung eher aus. Als romanhaft ist vor allem ein Merkmal seiner Texte angesprochen, zu dem er ausführt:

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eben das erhebt die einfache Auskunft zu einem literarischen Rang. Das ist es, was mich als Verleger allein interessieren kann.« [F808]. Ernst von Salomon 1970. Bei aller Kritik am Fragebogen ist Salomon nie unterstellt worden, daß er die Aufrichtigkeitsregel nicht beachte. Franz Futterknecht 1976, S. 197. Futterknecht behandelt ganz selbstverständlich auch Ernst Wiecherts Totenwald als Roman, ohne die Gattungsfrage überhaupt auch nur anzudeuten. D a s führt zu eigenwilligen Verdikten, die von romanpoetologischen Lehrsätzen abgeleitet sind. »Unter dem Aspekt einer >Philosophie der KunstFaustus< entwickelt ist, hat die romaneske Einkleidung von unmittelbarer Lebenswirklichkeit jedoch darin ihr Bedenkliches, daß - und dies wird im >Fragebogen< besonders evident - das >bedeutungslose< reale Ich des Autors durch die Erhöhung zum Roman-Ich eine Versubstanziierung erfährt, die es sich in seiner >Philosophie< ausdrücklich abspricht« (S.202). Armin Möhler 1989, Bd. I,S. 445. Vgl. Martin Sabrow 1994, S. 8. Ernst von Salomon 1962, S. 7.

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Das Kernstück dieses Buches, das Kapitel, um dessentwillen es überhaupt geschrieben wurde, war der Mord an Walther Rathenau. Um mich wegen der Teilnahme an diesem Mord zu rechtfertigen, stand ich vor Gericht. Das Buch sollte keine Rechtfertigung, es sollte eine Darstellung sein. Die Motive zu diesem Mord konnten vor Gericht nicht geklärt werden, das Buch sollte sie klären. Da ist nun das entscheidende Kapitel, welchem ich die Überschrift »Gespräch« gegeben habe. Natürlich hat in dieser Form ein »Gespräch« niemals stattgefunden, es ist dies Kapitel die Zusammenfassung vieler Diskussionen über einen längeren Zeitraum hinweg. Ich weiß noch genau, wie sehr es mir auf den Nägeln brannte, als ich es schrieb, - sieben Jahre danach, und wieder in der Zelle. Aber als ich es nun wieder las, da begriff ich nicht mehr, wo die Glut geblieben war, die mich trieb - es rann mir eiskalt den Rücken herunter. 63 D i e zum Polyperspektivismus führende literarische Technik des ausführlichen G e sprächs ist primär auf die Verschiebung des thematischen Interesses von der Tat auf die Motive zurückzuführen. Als solche führt sie in einem extremen Widerspruch zur Verstärkung der Referentialisierung. Literarische Techniken dieses Typs wurden auch in der Populärbiographik der Weimarer Zeit verwendet. Werner H e g e m a n n beispielsweise hatte in Fridericus oder das Königsopfer einen fiktiven R a h m e n gestaltet. Fachhistoriker kritisierten Emil Ludwig w e g e n seiner »mitunter doch sehr virtuosefn] Art des U m g a n g s mit dem Material. Ludwig [...] schreckte nicht davor zurück, erzählende Texte zu dramatisieren, also in Dialoge zu übersetzen«. 6 4 Im Fragebogen läßt sich beobachten, daß Salomon beispielsweise in der Frage des Beginns seiner Schriftstellerlaufbahn ähnlich virtuos verfahren ist. 65 A n einigen Stellen ist die Grenze zur Fiktion innerhalb des Textes thematisiert. D a s Gespräch über den Stammbaum der Familie Salomon hat hier eine wichtige Funktion. Im Gegensatz zu den sich anschließenden kann der Inhalt dieses G e sprächs anekdotisch und scherzhaft behandelt werden. Im Sinne der thematischen Ernsthaftigkeit der anderen Gespräche ist die Problematisierung des Fiktionsproblems an solcher Stelle kompositorisch einsichtig piaziert. D i e Familiengeschichte wird in einer R u n d e zwischen Georg und Hilde von Salomon, Ille und Ernst von Sal o m o n ausgebreitet und mit allerlei A n e k d o t e n , Kommentaren und Schnurrpfeifereien gewürzt. Lediglich am Anfang des Gesprächs wird knapp auf den ernsthaften

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Ernst von Salomon 1962, S. 6. Christoph Gradmann 1993, S.75; vgl. S.65ff, S. 139. Leider hat Gradmann weder Analysen am Text gemacht noch die Fiktionalitätsproblematik dieser Texte untersucht. Markus Josef Klein beschreibt Salomons erste Anläufe, als Schriftsteller seinen Broterwerb zu sichern. Ein Fräulein Dr. Querfeldt hat er nicht ermittelt, so daß sich der Sachverhalt wie folgt darstellt: »Ernst von Salomon erwog daher erstmals, als freier Publizist zu arbeiten, doch fehlten ihm dazu die richtigen Verbindungen, die jedoch hatte Walther Luetgebrune, und an ihn schickte Ernst von Salomon das Manuskript von >Der erste Tag< mit der Bitte, dieses zu vermitteln, was Luetgebrune tatsächlich gelang. Der Feuilleton-Redakteur der D A Z in Berlin, der Literaturkritiker, Erzähler und Essayist Paul Fechter, druckte den Essay am 29. April 1928 ab und zahlte dafür ein Honorar von 150, - Mark. Dieser Erfolg bewog Ernst von Salomon, zeitlebens diesen Artikel [...] als seine erste Veröffentlichung hinzustellen, mit der er seine schriftstellerische Laufbahn begonnen hätte. Seine >Erinnerungen< sind insofern etwas ungenau« (Markus Josef Klein 1994, S. 146f.; vgl. S. 145ff.).

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Hintergrund der Ahnenforschung hingewiesen. »In den Jahren der nationalsozialistischen Regierung in Deutschland freilich bestand wegen des verdächtigen Beiklanges unseres Namens hinreichend Anlaß, sich näher mit meiner Familie zu befassen« [F 66], Die Distanz Ernst von Salomons zu diesem Thema wird durch seine Kommentare [vgl. F 79] deutlich und dadurch, daß der Bruder der Wortführer ist. Aus dem Gespräch geht hervor, daß völkische Kategorien für die Ahnengeschichte keine Rolle spielen, vielmehr an ihr fast ganz Süd- und Mitteleuropa beteiligt ist. Ule hat als Figur innerhalb des Gesprächs die Grenze zur Fiktion ins Spiel zu bringen. Als die Rede auf die Gegenwart hinsteuert und ein verschollener Onkel ins Spiel kommt, spinnt sie aus dessen Schicksal, eingeleitet mit dem Ausruf »ich kenne das Leben!« [F94], einen formidablen Familienroman mit Kolportageelementen an, den Georg von Salomon schließlich unterbricht. » D a v o n ist kein Wort wahr!« sagte mein B r u d e r , »einen D i e n e r Franz hat es in G r o t e l a e r ü b e r h a u p t nie gegeben.« » D u vergißt«, sagte ich zu Ille, »daß d a m a l s der Film noch nicht e r f u n d e n war.« »Ihr habt e b e n ü b e r h a u p t k e i n e Phantasie«, sagte Ille still [F 95].

Das wahre Motiv für diese Einlassung wird etwas später entwickelt. Ille beginnt, die Regie über das Gespräch an sich zu ziehen. [Georg: »]Als ich mich um unseren Ariernachweis bemühte, erhielt ich auch den Trauschein unserer Eltern. Auf diesem Trauschein war auch der Beruf unseres Vaters als >Circus-Rider< angegeben. Ich fragte u n s e r e M u t t e r danach, und sie sagte, Vater h ä t t e ja, da er in Liverpool geboren war, als gebürtiger E n g l ä n d e r nicht a n g e b e n wollen, d a ß er p r e u ß i scher Offizier war, d e n n das w a r er zur Zeit der Eheschließung noch, u n d da Vater ein vorzüglicher Reiter war und oft im Scherz zu sagen pflegte, ihm k ö n n e es niemals ganz schlecht e r g e h e n , w e n n alle Stricke rissen, k ö n n e er jederzeit als Z i r k u s - R e i t e r a u f t r e t e n , nun, so hat er e b e n diesen Beruf bei der T r a u u n g angegeben. Mir scheint dies eine stichhaltige Erklärung.« »Ja«, sagte Ille, »das hat alles H a n d und F u ß . A b e r ich h a b e i m m e r g e f u n d e n , d a ß es etwas gibt, was wirklicher ist, als die Tatsachen, nämlich die innere Wahrheit, von d e n e n die Tatsachen n u r einen schwachen A b g l a n z g e b e n . Ich h a b e w ä h r e n d D e i n e s ganzen Vortrags«, wandte sie sich an m e i n e n B r u d e r , »geradezu danach gelechzt, hinter d e n Sinn E u r e r ganzen Familiengeschichte zu k o m m e n , siehst Du, und jetzt weichst D u aus, jetzt k o m m s t D u mit H a n d und Fuß, w o es auf Kopf und H e r z a n k o m m t . Mir hingegen ist jetzt alles klar. D e n k t doch an die Zeit damals, d e n k t doch an E u c h selbst, d e n k t an die Familieneigentümlichkeit, j e n e Fähigkeit, plötzlich den H u t vom H a k e n n e h m e n u n d gehen zu können.« [F 95f.].

Illes Erzählung nimmt die Fakten der Familiengeschichte zum Anlaß, aus ihnen eine die Fakten nicht beschädigende romanhafte und -tische Erzählung zu entwickeln, auf die Georg von Salomon mit Ablehnung, Ernst von Salomon hingegen mit ausgesprochenem Interesse reagiert [vgl. F100], Am Ende bleibt die Ahnenforschung an einem ähnlichen Punkt stehen. Das Problem von Tatsachen und innerer Wahrheit, das eine Variation von Salomons Problem des Verhältnisses von Fragebogenwahrheit und tatsächlicher Wahrheit darstellt, bleibt offen. Als Ille schließlich noch sich selbst und Ernst in die Geschichte vom Zirkusreiter einbaut, kommt es zum Abbruch:

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Mein Bruder sah Ille und mich an, als habe er es mit zwei Irrsinnigen zu tun. Schließlich wandte er sich an seine Frau, meine Schwägerin Hilde, welche die ganze Zeit mit am Tische saß, still vor sich hin rauchte und mit ihren grauen Augen hinter den Gläsern ihrer großen Hornbrille von einem zum andern blickte. »Ich brauche Dir wohl nicht zu erklären, Hilde«, sagte mein Bruder, »daß dies alles von A bis Ζ erstunken und erlogen ist!« Da öffnete meine Schwägerin Hilde den Mund und sagte: »Schade.« [F104]. D a s untergründige Thema dieses Gesprächs ist also, wie aus Fakten Geschichte entsteht. Damit ist zugleich das Problem der historischen Wahrheit am verhältnismäßig e n harmlosen Gegenstand aufgeworden. »>Mit der Wahrheit kann man am besten lügen!< E s war dies eine Lieblingssentenz v o n mir« [F781]. Darüber hinaus ist begründet, wieso man sich in Gesprächen immer wieder an der Interpretation v o n Fakten abarbeiten muß, ohne je zu einem Ergebnis zu gelangen. Salomon reflektiert d e n Wahrheitsbegriff häufig an nebensächlich erscheinenden Stellen seines Textes. Der Erfinder des historischen Idealismus, Friedrich von Schiller, hat einmal festgestellt, daß die Wahrheit in allem nur teilweise steckt, nirgends aber ganz und in ihrer reinen Gestalt vorhanden ist. Um sich ihrer zu bemächtigen, bedarf es einer größtmöglichen Anzahl von Zeugnissen, - die Wahrheit in ihrer reinen Gestalt muß also bestimmt sein durch die Quantität der erfaßten Beziehungen des Geschehnisses [F11]. Marx wiederum habe den Punkt gefunden, »an d e m die Quantität in Qualität umschlägt« [ F l l ] . Dieser harmonische Zusammenhang von Fakten und Wahrheit wird am Texteingang ins Spiel gebracht, um im Verlauf der Erzählung immer gründlicher ad absurdum geführt zu werden. D e m Ziel, »aus der A n h ä u f u n g einer größtmöglichen Anzahl von Fakten das Bild der Wahrheit in ihren zartesten Konturen herauszusublimieren« [ F l l f . ] , steht der Abstand zwischen Faktum und perspektivischer Rekonstruktion entgegen. Weder kommt man ohne die »Schwingen der Phantasie« 6 6 aus, die v o n den Fakten in ihrem Flug g e h e m m t werden, noch genügt die Phantasie allein. 6 7 Fast en passant ergibt sich aus dem Verlauf der Erzählung, daß Faktum und perspektivische Rekonstruktion nie zur D e c k u n g zu bringen sind. Das ergibt sich schon daraus, daß es keinen archimedischen Standpunkt gibt, sondern nur Perspektiven.

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»Ich weiß nicht, ob ein vorzügliches Gedächtnis auch eine vorzügliche Eigenschaft ist. Mit Bestimmtheit lähmt es die Schwingen der Phantasie, ohne deren Flug vollwertig zu ersetzen; aber es bietet die Möglichkeit der Kontrolle und stärkt den realen Sinn; es gestattet, eine Aussage zu belegen und gleicht einem wohlgefüllten Archiv, aus welchem das Erinnerungsvermögen nach Belieben jederzeit den fraglichen >Vorgang< heraufzuholen vermag, gleichgültig, ob er sich in Bildern oder Worten, in Gestalten oder Szenen, in dem Erlebnis von Zusammenhängen oder von geistigen und seelischen Erschütterungen darstellt« [F 174], »In der Haft nutzte ich einmal eine günstige Gelegenheit, als mir Papier und Bleistift zur Verfügung stand, ein Tagebuch zu führen, in der Absicht, sogleich zu fixieren, was mich bewegte, in dem Wahn, dies sei der richtige Weg, die wirkliche und wahrhaftige Wahrheit festzunageln. Dies Tagebuch erwies sich später als völlig unlesbar, es war wirr, voller Ressentiments und Überheblichkeiten, es hatte mich noch während der Haft selber dieser Kunstgattung auf ewig entfremdet« [F 28].

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»Es gibt keinen Standort innerhalb einer Epoche, von welchem sich die Geschichte dieser Epoche betrachten läßt«, schrieb einmal Goethe. In der Tat, es gab nur den persönlichen Standort, und erst die Summe der Berichte von solchen Standorten aus mochte, da »die Wahrheit in allem teilweise steckt«, in unbegrenzten Mengen brauchbares Material der Geschichtsschreibung sein. Die Geschichte der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei wurde nie geschrieben, ich hatte an dieser Partei nur ein geschichtliches Interesse, dieses allerdings war brennend, - ein Grund mehr, meinen Standort zu diesem geschichtlichen Phänomen ununterbrochen zu präzisieren [F391f.]. D i e ununterbrochenen Versuche der Präzisierung des eigenen Standpunktes setzten eine Dynamik in Gang, die zur prozessualen Annäherung an die Wahrheit führen soll, aber die Differenz zwischen Faktum und Rekonstruktion zum Abgrund werden läßt. Das Schreiben ging mir unter so günstigen Umständen schnell von der Hand. Aber es war keine leichte Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte. Ich wollte die Ereignisse, in die ich einstmals verknäuelt war, aus den Nebelschwaden herausfischen, in die sie durch die öffentliche Behandlung geraten waren; aber nun geriet ich immer wieder in die Nebelschwaden, die sich im Laufe der verflossenen acht Jahre bei mir selber durch Einsichten und Absichten gebildet hatte. Der Chronist in mir hatte es in keinem Falle leicht. Verzichtete ich auf Deutung und Erklärung, auf Dinge also, die sich den Ereignissen erst später zugesellten (und sie von vornherein bewußt und überlegen betrachtet zu haben, hätte von einem Geist gezeugt, welcher dem Handeln abträglich gewesen wäre), so konnte ich mich kaum mit mehr als mit Oberflächenerscheinungen befassen. Verzichtete ich aber nicht, so geriet ich fast unausweichlich in die Gefahr, die Wahrheit nur dann als vollkommen zu betrachten, wenn sie durch eine Pointe plastisch wurde. Vielleicht krankte mein Buch »Die Geächteten«, welches ich in Moabit schrieb, daran, daß ich beides versuchte, es wurde keine Chronik im üblichen Sinne, es wurden auch keine Memoiren, es wurde, wie Rowohlt es nannte, ein »Dokument«, und zwar eines, welches sowohl über die Ereignisse, die es schilderte, etwas aussagte, als auch in etwas peinlicher Weise über den Mann, der es schrieb. (Ich bin nicht sehr glücklich über dies Buch. Es wurde von allen meinen Büchern das schwächste, hatte aber den meisten Erfolg.) [F313]. D i e Fiktionalisierungen im Fragebogen haben für die historiographische Schreibweise der Autobiographie erkenntniskritische Funktion.

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7. Fazit

Abschließend sei noch einmal eine resümierende Skizze des Argumentationsgangs vorgelegt. Ausgangspunkt der Untersuchung war die Beobachtung, daß der radikale Bruch von 1945 in der Folgezeit zu einer schon von den Zeitgenossen registrierten Flut autobiographischer Literatur führte. Die totalitäre Dynamik des Dritten Reiches, die auf die vollständige Erfassung aller Lebensbereiche gezielt und eine scharfe Trennlinie zwischen Volksgenossen und Fremden gezogen hatte, hatte sich in gesteigertem Maß biographiestrukturierend ausgewirkt, so daß nunmehr vielfach autobiographische Reformulierungen notwendig wurden. Die Frage nach der Mitschuld aller Deutschen an den Greueln der zwölf Jahre verschärfte diesen Druck. Die Reeducation-Politik der amerikanischen Militärverwaltung, ihr Instrument der individuellen Erhebung mittels des Fragebogens sind die augenfälligsten Beispiele der frühen Nachkriegszeit. Für die einzelne Biographie ergab sich als historisches Novum, daß schon die bloße Existenz innerhalb des Dritten Reiches rechtfertigungsbedürftig schien. Auch juristisch Unschuldige mußten sich als moralisch Schuldige begreifen. In der zeitgenössischen Reflexion wurde der Nationalsozialismus darüber hinaus vielfach als Zuspitzung substantiellerer Modernisierungsprobleme interpretiert. Schlagworte für die im vorliegenden Kontext einschlägigen, teilweise bereits seit der Jahrhundertwende virulenten Problemfelder waren die Krise bzw. der Zerfall des Ich, der Zweifel an der Biographie, die verwaltete Existenz. Die autobiographischen Texte der Nachkriegszeit sind jedoch in der literaturwissenschaftlichen Diskussion auch dann wenig beachtet worden, wenn sie von namhaften Verfassern stammten oder große Bucherfolge waren. Ehe man sich noch eingehender mit der Nachkriegsautobiographik beschäftigen konnte, fungierte sie in den Literaturgeschichten bereits unter dem im Einzelfall berechtigten, aufs Ganze gesehen jedoch verfälschenden Rubrum der apologetischen Rechtfertigungsliteraturinnerer Wahrheit< und Faktentreue angeführt. Diese an sich schon komplexe und differenzierte Lage wird noch zusätzlich kompliziert, da spätestens seit Goethe die Grenze zwischen Fiktion und Faktizität innerhalb der Autobiographie ästhetisch organisiert und reflektiert wird. Insbesondere die Nachkriegsautobiographik zeichnet sich durch vielfältige Integration fiktionaler bzw. fiktiver Elemente aus. Aus dieser Skizze des Problemhorizonts, einerseits von der historischen Einbin393

dung der Texte, andererseits von der theoretischen Reflexion der Gattung her, ergibt sich, daß der Untersuchung eine Analyse der theoretischen Grundlagen der Autobiographie vorgeschaltet werden muß, die als Basis der anschließenden Analyse dienen kann. Die Frage nach der Fiktionalität der Autobiographie und verwandter Gattungen kann zum einen an die literaturtheoretische Fiktionalitätsdebatte, zum anderen an die Diskussion der historiographischen Erzählung anschließen. Das Problem der Fiktion reicht von der erkenntnistheoretischen bis zur literaturtheoretischen Fassung. Demgegenüber ist aus Gründen der Operationalisierbarkeit für schärfere begriffliche Distinktion und gegen eine Entgrenzung des Fiktionsbegriffs zu plädieren. Obwohl weder eine sichere Begründung des Begriffs, noch eine ontologische Verankerung von Fiktionalität gelungen sind, wird davon in der Regel die pragmatische Unterscheidung zwischen Fiktion und Nichtfiktion kaum berührt. Auch gewiegte Skeptiker unterscheiden sicher zwischen Fiktion und Sachliteratur, publizieren ihre Texte nicht in Belletristikreihen, sondern bevorzugen wissenschafliche Publikationskontexte. Die vorliegenden Gedanken gehen davon aus, daß Fiktionalität innerhalb eines vorgegebenen kulturellen Rahmens über die Situierung eines spezifischen Diskurstyps entscheidet. Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, ob diese Entscheidung im Einzelfall des Alltags korrekt oder nicht korrekt getroffen wird. Aus dieser Verankerung ergibt sich der dynamische Charakter der Unterscheidung zwischen Fiktion und Nichtfiktion innerhalb der sozialen, individuellen und historischen Variabilität der Kultur. Ist ein Text aber einmal als fiktional oder nichtfiktional verortet, ist innerhalb dieses Textes die Unterscheidung wiederum verfügbar. Allerdings ist sie dann im Sinn des Rahmens funktionalisiert. Die Autobiographie als faktographische Gattung kann Fiktionen integrieren oder ausbilden, die allerdings dann als referierend betrachtet werden. Als Sachtext ist die Autobiographie als historiographische Erzählung zu klassifizieren. Sie kann der Historiographie unter entsprechenden Vorkehrungen als historische Quelle dienen. Sie ist eine Form der Geschichtsschreibung, d. h. eine konzeptuelle Konfiguration auf der Basis faktischer Verläufe, allerdings als subjektiver Text eines Autors von wissenschaftlichen Verpflichtungen entlastet. Die Referenz der historiographischen Erzählung markiert ihre Unterscheidung von der fiktionalen. Die Referenz der Autobiographie im besonderen hat zwei Bezugsebenen: zum einen Lebenslauf und Biographie, zum anderen Gedächtnis und Erinnerung. Identität, Individualität und Biographie sind vor aller Verschriftlichung verzeitlichte und geformte selektive Verfestigungen auf der Grundlage eines Lebenslaufs. Die Identität eines autopoietischen Systems ist Resultat einer selbstreferentiellen Operationsweise als permanente Konstruktionsleistung. Sie ist abhängig von faktischen Grundlagen, innerhalb dieser Grenzen aber sehr variabel. Erst die Kontinuität von Identität ermöglicht Biographie als selektive Vergegenwärtigung, als Stiftung neuer Zusammenhänge, als sinnvolle Deutung des Lebenslaufs. Auch Biographie ist keine arbiträre Konstruktion, sie kann aber von den Vorgaben eines Lebenslaufs abweichen. Sie ist auschließlich als Narration zugänglich. Das autobiographische Gedächtnis ist nach derzeitigem Kenntnisstand der Ko394

gnitionspsychologie die psychische Instanz, die Einzelerinnerungen zu einer kohärenten Biographie eines Selbst verknüpft. Das Selbst steht an der Spitze eines hierarchischen Aufbaus und hat zwei Funktionen: zum einen prüft es Erinnerungen auf Genauigkeit, Faktizität und Authentizität; zum zweiten generiert es Sinn zur Ausgestaltung eines persönlichen Mythos. Im Regelfall wird die Faktizität den Erfordernissen des persönlichen Mythos untergeordnet. Im Endergebnis erweist sich, daß die wesentlichen Argumente, die für eine Fiktionalität der Autobiographie vorgebracht wurden, bereits auf den vorgängigen E b e n e n der Biographie und des autobiographischen Gedächtnisses zur Geltung kommen. Auf der Basis dieser theoretischen Vorklärungen ruht die umfassende Untersuchung der Nachkriegsautobiographik, die die individuelle Selbstbeschreibungssemantik der Texte (Kap. 3), das den Autobiographien gemeinsame Biographiemodell (Kap. 4), die Tektonik und Narration (Kap. 5) und schließlich die gattungsinterne Reflexion von Dokumentarismus und Fiktionalität (Kap. 6) beschreibt. D e n Hintergrund für die Analyse der Selbstbeschreibungssemantik bildet die historische Soziologie Niklas Luhmanns, derzufolge der dominante neuzeitliche Gesellschaftstypus die funktional differenzierte Gesellschaft ist. Innerhalb ihrer wird Individualität nicht mehr über soziale Inklusion, sondern über Exklusion bestimmt. D e m korreliert die autobiographische Selbstbeschreibung als freigesetztes Individuum. Die Autoren beschreiben den Untergang der alteuropäischen Welt von 1918 identitätssemantisch als Sturz in die Bodenlosigkeit, als Verlust von Inklusion, dem ein fundamentales Versagen der Institutionen, der Schule, des Elternhauses vorausgegangen war. D i e für die Nachkriegszeit festgestellte gesteigerte Bedeutung von Biographiereflexion ist auf die totalitäre Dynamik des Dritten Reiches zurückzuführen, die vom Anspruch des Nationalsozialismus her auf totale Inklusion der Individualität zielte. D i e eingesetzten Mittel, um nur einige zu nennen, reichen von Arierpaß über die Ausbildung von Parteiorganisation zur Vereinnahmung sämtlicher Biographiesegmente bis zur berufsständischen Organisation. Diese Tendenz zeigt sich in der Volkssemantik, in der scharfen Trennung zwischen Innen und Außen, also zwischen Volksgenosse und Volksschädling. Nicht nur für die Gegner, sondern auch schon für die Distanzierten ergibt sich eine Zuspitzung der Exklusion. D i e verschiedenen Schematisierungsmöglichkeiten der individuellen Selbstbeschreibung in der Autobiographie sind vielfältig, sie finden ihren Schnittpunkt in der Selbstcharakterisierung als freigesetzte Individualität. Zwei Grundtypen lassen sich in den Texten unterscheiden. Zum einen läuft die Ichkonstruktion auf eine Selbstbeschreibung als inkludierte Individualität hinaus, zum anderen auf eine Hinnahme der Exklusion. Im ersten Fall lassen sich zwei Varianten voneinander unterscheiden. D i e Selbstbeschreibung als inkludierte Individualität führt bei Blunck wie bei Kolbenheyer zum unterschiedlich elaborierten Konzept eines völkischen Subjekts. D i e andere Variante hingegen legt das j e individuell transformierte Muster der Konversion zugrunde, die den Weg der erzählten Figur als einen Weg zur Inklusion hin konzipiert.

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In diesen Fällen ist Inklusion aber keine echte, d. h. auf soziale Positionen bezogene Inklusion, sondern grundsätzlich auf gesellschaftstranszendierende Einheiten ausgerichtet: Menschlichkeit (Wiechert), katholisches Christentum (Schneider), Marxismus (Bronnen). Die beiden Varianten unterscheiden sich darin, daß die Selbstbeschreibung als inkludierte Individualität zugleich eine Affirmation des nationalsozialistischen Regimes impliziert, während die Konvertiten vor 1933 zwar dem rechtskonservativen Lager zuzurechnen waren, das Dritte Reich aber als sprengende Problematisierung von Identität und Individualität begriffen, die nur durch eine Konversion der Biographie als Verstrickung zu integrieren und zugleich zu überwinden war. Wird die Exklusionsindividialität grundsätzlich als Gegebenheit akzeptiert, kann sie offensiv uminterpretiert oder als Sinndefizit thematisiert werden. Im ersten Fall erscheint Exklusion als Ausgangspunkt einer emphatischen Selbstkonstruktion, für die keine Inklusion mehr denkbar ist. Die Autobiographien entwickeln aus der Basis des nietzscheanischen Topos von der alleinigen Rechtfertigung der Welt als ästhetisches Phänomen eine ästhetische Konstruktion des Ich, die am radikalsten von Benn und Jünger durchgeführt wird. Hillard und Flake hingegen orientieren sich von derselben Grundfigur her an traditionelleren Konzepten. Aufgrund der scharfen Betonung der Exklusion ist die Trennung von Individuum und Gesellschaft Prämisse der Biographiekonstruktion. Daher wird das Dritte Reich auch da, wo es breiter behandelt wird, nicht als Identitätsproblem der Biographie integriert. Die alternative Variante stellt biographische Defizite in den Vordergrund oder verzichtet ganz auf emphatischen Sinn. Hans Grimm, der eigentlich auf einer Linie mit Blunck und Kolbenheyer liegt, unterlegt seinem Text das Muster der Konversionsautobiographie, ohne daß es eine Konversion gäbe. Carossa konstruiert seine Biographie als Gegenmodell zu Goethes Autobiographiemodell. Salomon schließlich kann biographischen Sinn nur noch ex negativo thematisieren. Die Vielfalt der semantischen Ausprägungen und biographischen Konfigurationen läßt sich auf ein allen Konstruktionen gemeinsames Grundmodell zurückführen, das lebensphilosophische oder vitalistische Biographiemodell. Dieses Modell markiert eine Phase in der Geschichte der Exklusionsindividualität, die bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts reicht. Es beruht auf dem >Leben< als Letztkategorie des Lebens. Leben ist der sinngenerierende emphatische Leitbegriff der Biographiekonstruktion. In den Texten wird das Leben durch Vegetations- und Wassermetaphorik zur Geltung gebracht. Über die gemeinsame Partizipation am Leben sind Biographie und Geschichte miteinander verknüpft. Institutionen werden als Lebensformen verstanden, die bis hin zum Absterben den Lebenszyklen unterworfen sind. Hochgradig sinnvolle Biographiesegmente weisen hohe Lebensintensität auf. Leben ist konzipiert als erkenntniskritische Kategorie und bildet einen Gegenpol zum Geist bzw. Intellekt, so daß sie die antirationalistische Motivierung der meisten Autoren begründet. Als weitere Leitkategorie fungiert das Schicksal als Grundtatsache des Lebens. Es ermöglicht Formbildung anhand der Unterscheidung von Schicksal und Zufall. Für die Biographiekonstruktion ist es ein besonders leistungsfähiger Begriff, der die Zuschreibung und Fixierung von Kontingenzen er396

möglicht, Ratlosigkeit über die Zeitläufte zu formulieren gestattet und die sinnbringende Integration persönlicher Niederlagen erlaubt. >Schicksal< ist als biographischer Schlüsselbegriff vage und von hoher Plastizität und Integrationskraft. Aus dem vitalistischen Biographiemodell ergibt sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen den Autobiographen: die Polarität von Dichter und Literat in der Professionssemantik, die Modellierung der Kategorien des Politischen und Unpolitischen, sowie die Ausbildung von ins Existentielle überhöhten Kategorien innerhalb des spezifischen Biographiesegments (Innerlichkeit, vita contemplativa, Doppelleben), das im Dritten Reich verlebt wurde. Die narrative Präsentation der Biographie für ein Publikum ist die entscheidende Leistung der Autobiographie. Die Autobiographen der Nachkriegszeit zeigen nur geringes Gattungsbewußtsein im Sinne eines Rekurses auf den aktuellen Stand der Gattung. Lediglich die >Klassiker< sind häufiger Bezugspunkt der Gattungsreflexion. Vor allem Goethes Dichtung und Wahrheit gilt immer noch als anachronistische Norm. Für die meisten Autoren ist eine Bezugnahme auf diesen Text nach wie vor obligatorisch, wobei unter den avancierten Autoren nur wenige sich affirmativ auf Goethe beziehen. Die respektvolle Distanzierung ist am häufigsten zu beobachten. Nur für die bildungsbürgerliche Autobiographik bleibt Goethe Vorbild. Die allgemeinere poetologische Reflexion ergibt weder einen kohärenten zeitgenössischen Diskussionszusammenhang noch eine ausgearbeitete Poetik der Autobiographie. Aufgrund der gemeinsamen Verankerung im vitalistischen Biographiemodell findet die Poetik der Autobiographie einen gemeinsamen Ausgangspunkt in der Überzeugung, eine Autobiographie müsse ein >Lebensbildnis< sein. Dabei handelt es sich um die adäquate Vertextung des vitalistischen Biographiemodells, dessen Schwerpunkte die beliebige Steigerbarkeit sowie die Heraushebung der Metapher, des Gleichnisses, des Symbols für autobiographisches Erzählen sind. Die Autoren der Jahrhundertmitte zeigen eine auffallende Tendenz zur experimentellen Variation der Autobiographie, die sich in drei Bereichen der Narration zeigt: in der Erweiterung des Erzählrepertoires der Autobiographie um genuin literarische Techniken; in der Modernisierung der Autobiographie durch artistische Prinzipien der literarischen Moderne; in der Amplifikation von Rahmenkonstruktionen. Aus dem Bildbegriff ergibt sich, daß mittels Metaphern, Symbolen, Anspielungshorizonten autobiographisch erzählt werden kann, ohne daß in den Augen der Zeitgenossen der Referenzanspruch der Autobiographie beschädigt ist. Exemplarisch dafür sind Bildparataxe und Lichtmetaphorik bei Reinhold Schneider sowie Anspielungshorizonte und Metaphernnetze bei Hans Carossa. Im Unterschied zur Verfahrensweise in fiktionalen Texten werden die Metaphernnetze nicht geschlossen, sondern bleiben offen, weil sie nur so der Ganzheit des Lebens zu entsprechen vermögen. Gottfried Benn konstruiert auf der Grundlage seiner umfassenden Kritik des herkömmlichen Wirklichkeitsbegriffs das autobiographische Ich als Montageindividuum. Die Variationen der Rahmenkonstruktion ergeben sich aus der he'teronomen 397

Ohnmacht der Erzählerfigur. Salomon entfaltet aus der Kritik des Fragebogens der Alliierten Militärregierung einen komplexen autobiographischen Konstruktivismus, der die völlige Korruption des deutschen Nationalismus und die Kollektivschuld des deutschen Volkes formuliert. Bronnen fingiert einen zusätzlichen Rahmen, der die Gewissenserforschung des Autobiographen im Sinne der marxistischen Selbstkritik inszeniert. Kolbenheyers Projekt einer totalen Autobiographie scheitert an der Fallhöhe zwischen dem Ausgangspunkt und dem folgenden Niedergang der Erzählfigur. Die theoretische Reflexion des Fiktionsproblems in der Autobiographie eröffnet den Blick auf die intensive Reflexion des Problems als explizites wie implizites Thema der Nachkriegsautobiographie. Die auffällige Neigung der Autobiographie zur ästhetischen Integration von Fiktionen steht vorderhand in Spannung zur zeitgenössischen Erwartungshaltung, die Wahrheit und Wahrhaftigkeit besonders hohen Wert zumißt. Sie steht auch im Kontrast zur auffälligen Verstärkung des dokumentarischen Charakters der Autobiographie, die sich vor allem auch an neuralgischen Punkten zeigt. Das Spektrum ist hier besonders breit: Bronnen invertiert die für Sachliteratur gebräuchliche heuristische Fiktion. Aufgrund seiner Anthropologie gehört für Benn der Unterschied zwischen Fiktion und Nichtfiktion zu einem obsoleten Wirklichkeitsbegriff. Daher wird zwischen Gedicht und Dokument ebensowenig unterschieden, ja das Gedicht fungiert sogar als Dokument, wie zwischen realistischer und überhöhter Beschreibung. Hans Carossa spaltet die beiden traditionellen Pole von Dichtung und Wahrheit aufgrund der Unvereinbarkeit von Ich und Welt in der nationalsozialistischen Zeit in zwei getrennte Texte auf, einen Lebensbericht und eine Erzählung. Gerade die Hoffnung auf Überwindung der Spaltung ist nur im fiktionalen Text formulierbar. Kolbenheyer beendet seine Autobiographie mit einem fiktionalen Streitgespräch, das dem Muster des Ackermanns aus Böhmen folgt. Nur im Bereich der Fiktion gelingt noch die Formulierung des Eigentlichen, ist die endgültige Apotheose des autobiographischen Subjekts möglich. Salomon schließlich verwendet zum einen exzessiv das fingierte Gespräch und treibt zum andern den Dokumentarismus ins Extrem. So entsteht ein komplexes perspektivisches Ineinander von Dokumentarismus und Fiktion, das auf die prozessuale Annäherung an Wahrheit zielt, aber die Differenz zwischen Faktum und Rekonstruktion als unüberwindlich ausweist. Die verbreitete Neigung zur experimentellen Variation der Nachkriegsautobiographie ist nicht Ergebnis eines ausgeprägten Traditionsbewußtseins, sondern Resultat der gesteigerten Bedeutung von Biographiereflexion, die auf experimentelle Variation und Entgrenzung des autobiographischen Erzählens drängt.

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Anhang

Autobiographik 1945-1960 Ahlers-Hestermann, Friedrich: Pause vor dem dritten Akt. Berlin 1949 Andermann, W.Th. [Walther Thomas]: Bis der Vorhang fiel. Berichtet nach Aufzeichnungen aus den Jahren 1940 bis 1945. Dortmund 1947 Auernheimer, Raoul: Das Wirtshaus zur verlorenen Zeit. Erlebnisse und Bekenntnisse. Wien 1948 Bach, Adolf: In süßen Freuden ging die Zeit. Ein Buch von Jugend und Heimat. Heidelberg 1958 Ball-Hennings, Emmy: Ruf und Echo. Mein Leben mit Hugo Ball. Einsiedeln/Zürich/Köln 1953 Bäte, Ludwig: Begegnungen. Erinnerungen aus meinem Leben. Essen 1947 Barthel, Max: Kein Bedarf an Weltgeschichte. Geschichte eines Lebens. Wiesbaden 1950 Baum, Marie: Rückblick auf mein Leben. Heidelberg 1950 Benn, Gottfried: Doppelleben. Zwei Selbstdarstellungen. Wiesbaden 1950 Benz, Richard: Lebens-Mächte und Bildungs- Welten meiner Jugend. Dresdner und Heidelberger Erinnerungen. Hamburg 1950 Berger, Ludwig: Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind. Summe eines Lebens. Tübingen 1953 Bergmann, Gustav von: Rückschau. Geschehen und Erleben auf meiner Lebensbühne. Bad Wörrishofen 1953 Bernauer, Rudolf: Das Theater meines Lebens. Erinnerungen. Berlin 1955 Bernhard, Henry: Finis Germaniae. Aufzeichnungen und Betrachtungen. Stuttgart 1947 Bertololy, Paul: Im Angesicht des Menschen. Aus dem Leben eines Landarztes. München 1956 Blesken, Andreas Heinrich: Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Beiträge zur Volkskunde der Kieler Börde. Soest 1954 Blücher, Wipert von: Deutschlands Weg nach Rapallo. Erinnerungen eines Mannes aus dem zweiten Gliede. Wiesbaden 1951 - Gesandter zwischen Diktatur und Demokratie. Erinnerungen aus den Jahren 1935-1944. Wiesbaden 1951 Blüher, Hans: Werke und Tage. Geschichte eines Denkers. München 1953 Blunck, Hans Friedrich: Unwegsame Zeiten. Lebensbericht 2. Band. Mannheim 1952 - Licht auf den Zügeln. Lebensbericht l.Band. Mannheim 1953 Bonatz, Paul: Leben und Bauen. Mit 46 Zeichnungen des Verfassers und 12 Bildtafeln. Stuttgart 1950 Bonn, Moritz Julius: So macht man Geschichte. Bilanz eines Lebens. Bilanz eines Lebens. München 1953 Brandenburg, Hans: München leuchtete. Jugenderinnerungen. München 1953 - Im Feuer unserer Liebe. Erlebtes Schicksal einer Stadt. München 1956 Braun, Felix: Das Licht der Welt. Geschichte eines Versuches als Dichter zu leben. Wien 1949 Braun, Otto: Von Weimar zu Hitler. Hamburg 1949 Breitner, Burghard: Hand an zwei Pflügen. Innsbruck [1958] Brentano, Bernhard von: Du Land der Liebe. Bericht von Abschied und Heimkehr eines Deutschen. Tübingen/Stuttgart 1952

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Brod, Max: Streitbares Leben. Autobiographie. München 1960 Bronnen, Arnolt: arnolt bronnen gibt zu Protokoll, beitrage zur geschichte des m o d e r n e n Schriftstellers. H a m b u r g 1954 Buber, Martin: Begegnung. Autobiographische Fragmente. Stuttgart 1960 Buber-Neumann, Margarethe: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. München 1949 - Von Potsdam nach Moskau. Stationen eines Irrweges. Stuttgart 1957 Bütow, Hans: Spur von Erdentagen. Eine Porträtgalerie. Frankfurt am Main 1958 Buchinger, Otto: Vom Marinearzt zum Fastenarzt. Metamorphosen eines Wandernden. Freiburg i.Br. 1955 Burckhardt, Carl Jakob: Begegnungen. Zürich 1958 Busch, Fritz: Aus dem Leben eines Musikers. Zürich 1949 Butting, Max: Musikgeschichte, die ich erlebte. Berlin 1955 Carossa, Hans: Ungleiche Welten. Wiesbaden 1951 Choltitz, Dietrich von: Soldat unter Soldaten. Konstanz 1951 Clementschitsch, Arnold J.: Wege und Irrwege eines Malers. Klagenfurt 1947 Conrad, Max: Im Schatten der Primadonnen. Erinnerungen eines Theaterkapellmeisters. Z ü rich/Freiburgi.Br. 1956 Csokor, Franz Theodor: Auf fremden Straßen. 1939-1945. W i e n / M ü n c h e n / B a s e l 1955 Curtius, Ludwig: Deutsche und antike Welt. Lebenserinnerungen. Stuttgart 1950 Dessoir, Max: Buch der Erinnerung. Stuttgart 1946 Derksen, Johannes: Lebensmorgen. Jugendzeit a m Niederrhein. Bonn 1948 Dibold, Hans: Arzt in Stalingrad. Passion einer Gefangenschaft. Salzburg 1949 Diehl, Guida: Christ sein heißt Kämpfer sein. Die Führung meines Lebens. Gießen 1959 Diels, Rudolf: Lucifer ante portas ... es spricht der erste Chef der Gestapo. Stuttgart 1950 Dietrich, Otto: 12 Jahre mit Hitler. München 1955 Dirksen, Herbert von: Moskau Tokio London. Erinnerungen und Betrachtungen zu 20 Jahren deutscher Außenpolitik 1919-1939. Stuttgart [1949] Döblin, Alfred: Schicksalsreise. Bericht und Bekenntnis. Frankfurt am Main 1949 Dönitz, Karl: Zehn Jahre und zwanzig Tage. Bonn 1958 Driesch, Hans: Lebenserinnerungen. Aufzeichnungen eines Forschers und D e n k e r s in entscheidender Zeit. München/Basel 1950 Dungern, O t t o Freiherr von: Unter Kaisern und Kanzlern. Erinnerungen. Coburg 1953 Durieux, Tilla: Eine Tür steht offen. Erinnerungen. Berlin-Grunewald 1954 Eckener, Hugo: Im Zeppelin über Länder und Meere. Erlebnisse und Erinnerungen. Flensburg 1949 Ehrmann-Bretzing, Gustel: Im Frührot. Erinnerungen. Lahr 1959 Ester, Karl d': Schwarz auf weiß. Ein Leben für die Jugend, die Wissenschaft und die Presse. München 1951 Eulenberg, Hedda: Im Doppelglück von Kunst und Leben. Düsseldorf [1952] Eulenberg, Herbert: So war mein Leben. Düsseldorf-Kaiserswerth 1948 Faber du Faur, Moritz von: Macht und Ohnmacht. Erinnerungen eines alten Offiziers. Stuttgart 1953 Fechter, Paul: Menschen und Zeiten. Begegnungen aus fünf Jahrzehnten. Gütersloh 1948 - An der Wende der Zeit. Menschen und Begegnungen. Gütersloh 1950 - Zwischen Haff und Weichsel. Jahre der Jugend. Gütersloh 1954 Filchner, Wilhelm: Ein Forscherleben. Wiesbaden 1950 Fischer, Eugen: Begegnungen mit Toten. Aus den Erinnerungen eines A n a t o m e n . Freiburg i.Br. 1959 Flake, Otto: Es wird Abend. Bericht aus einem langen Leben. Gütersloh 1960 Foerster, Friedrich Wilhelm: Erlebte Weltgeschichte, 1869-1953. Memoiren. Nürnberg 1953 Frank, Hans: Im Angesicht des Galgens. Deutung Hitlers und seiner Zeit aufgrund eigener Erlebnisse und Erkenntnisse. München-Gräfelfing 1953 Frank, Rudolf: Spielzeit meines Lebens. Heidelberg 1960

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Keil, Wilhelm: Erlebnisse eines Sozialdemokraten. 2 Bde. Stuttgart 1947/1948 Keldorfer, Viktor: Generalbeichte eines achtzigjährigen Sängerführers. Autobiographie in 800 Knittelversen. Wien 1953 Keller, Paul Anton: Gast der Erde. Graz 1957 Kemp, Paul: Blühendes Unkraut. Heiteres aus meinem Leben. Bonn 1953 Kempff, Wilhelm: Unter dem Zimbelstern. Das Werden eines Musikers. Stuttgart 1951 Kesselring, Albert: Soldat bis zum letzten Tag. Bonn 1953 Kietz, Gertrud: Bei uns daheim. Jugenderinnerungen aus der sächsischen Heimat. München 1958 Klein wächter, Friedrich F. G.: Der fröhliche Präsidialist. Wien 1947 Klett, Berthold: Wesen, Streben und Wirken. Eine Rückschau auf das Leben. Leipzig 1958 Kober, August Heinrich: Einst in Berlin. Rhapsodie 14. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben und bearbeitet von Richard Kirn. Hamburg 1956 Kolbenheyer, Erwin Guido: Sebastian Karst über sein Leben und seine Zeit. 3 Bde. Gartenberg b. Wolfratshausen 1957-58 Kollwitz, Käthe: Aus meinem Leben. München 1957 Kordt, Erich: Nicht aus den Akten... Die Wilhelmstraße in Frieden und Krieg. Erlebnisse, Begegnungen und Eindrücke 1928-1945. Stuttgart 1950 Kortner, Fritz: Aller Tage Abend. München 1959 Kowa, Viktor de: Als ich noch Prinz war in Arkadien. Nürnberg 1955 Kowalewski, Gerhard: Bestand und Wandel. Meine Lebenserinnerungen, zugleich ein Beitrag zur neueren Geschichte der Mathematik. München 1950 Krauss, Werner: Das Schauspiel meines Lebens. Einem Freund erzählt. Eingeleitet von Carl Zuckmayer. Stuttgart 1958 Kreidolf, Ernst: Lebenserinnerungen. Zürich 1957 Krenek, Ernst: Selbstdarstellung. Zürich 1948 Kreuder, Peter: Schön war die Zeit. Musik ist mein Leben. Die literarische Gestaltung besorgte Anton Sailer. München 1955 Kriß, Rudolf: Im Zeichen des Ungeistes. München-Pasing 1948 Kruse, Käthe: Das große Puppenspiel. Manuskriptbetreuung: Bernhard Zebrowski. Heidelberg 1951 Küster, Ernst: Erinnerungen eines Botanikers. Gießen 1957 Kutscher, Arthur: Der Theaterprofessor. Ein Leben für die Wissenschaft vom Theater. München 1960 Lang, Willy: Pudel im Sauerteig. Eine heitere Selbstbiographie. München 1959 Lechner, Sigi: Zwischen Himmel und Tal. Drei Jahrzehnte in den Bergen. Abenteuerliches und Besinnliches aus eigenem Leben erzählt. München [1949] Le Fort, Gertrud von: Aufzeichnungen und Erinnerungen. Einsiedeln/Köln 1952 Lehmann, Wilhelm: Mühe des Anfangs. Biographische Aufzeichnungen. Heidelberg 1952 Leider, Frida: Das war mein Teil. Erinnerungen einer Opernsängerin. Berlin-Grunewald 1959 Leitgeb, Josef: Das unversehrte Jahr. Chronik einer Kindheit. Salzburg 1948 Leonhard, Susanne: Gestohlenes Leben. Schicksal einer politischen Emigrantin in der Sowjetunion. Frankfurt am Main 1956 Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Köln/Berlin 1955 Lepel, Felix von: Mein Leben. Eine autobiographische Skizze. Berlin-Charlottenburg 1952 Lettow-Vorbeck, Paul von: Mein Leben. Biberach 1957 Leyen, Friedrich von der: Leben und Freiheit der Hochschule. Erinnerungen. Köln 1960 Limpach, Erich: Volk im Sturm. Aus einem Menschenleben. Pähl 1959 Löbe, Paul: Erinnerungen eines Reichstagspräsidenten. Berlin-Grunewald 1949 - Der Weg war lang. Lebenserinnerungen. 2. veränderte und erweiterte Auflage. Berlin-Grunewald 1954 Loos, Lina: Das Buch ohne Titel. Erlebte Geschichten. Illustrationen von Le Rüther. Wien 1947

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Ludendorff, Mathilde: Statt Heiligenschein oder Hexenzeichen mein Leben. Bd. III: Erkenntnis - Erlösung. München 1952 - Statt Heiligenschein oder Hexenzeichen mein Leben. Bd. IV: Herrliches Schaffen und des Freiheitskampfes erster Beginn. München 1956 Luther, Hans: Politiker ohne Partei. Erinnerungen. Stuttgart 1960 Mahler-Werfel, Alma: Mein Leben. Frankfurt am Main 1960 Mann, Heinrich: Ein Zeitalter wird besichtigt. Stockholm 1946 Mann, Klaus: Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht. Frankfurt am Main 1952 Mann, Viktor: Wir waren fünf. Bildnis der Familie Mann. Konstanz 1949 Manstein, Erich von: Verlorene Siege. Bonn 1955 - Aus einem Soldatenleben 1887-1939. Bonn 1958 Marcuse, Ludwig: Mein zwanzigstes Jahrhundert. Auf dem Weg zu einer Autobiographie. München 1960 Maurina, Zenta: Die weite Fahrt. Eine Passion. Memmingen 1951 - Denn das Wagnis ist schön. Geschichte eines Lebens. Memmingen 1953 - Die eisernen Riegel zerbrechen. Geschichte eines Lebens. Memmingen 1957 Mehring, Walter: Die verlorene Bibliothek. Autobiographie einer Kultur. Hamburg 1952 Meinecke, Friedrich: Strassburg/Freiburg/Berlin 1901-1919. Erinnerungen. Stuttgart 1949 Meißner, Otto: Staatssekretär unter Ebert - Hindenburg - Hitler. Der Schicksalsweg des deutschen Volkes von 1918 bis 1945, wie ich ihn erlebte. Hamburg 1950 Merker, Emil: Unterwegs. Ein Lebensbericht. Düsseldorf/Köln 1951 Möhring, Paul: Vorhang hoch! Hamburger Theater-Erinnerungen. Hamburg 1947 Molo, Walter von: 7.u neuem Tag. Berlin/Bielefeld/München 1950 - So wunderbar ist das Leben. Erinnerungen und Begegnungen. Stuttgart 1957 Mühlmann, Richard von: Erinnerungen. Heidelberg 1948 Müller, Karl Alexander von: Aus Gärten der Vergangenheit. Erinnerungen 1882-1914. Stuttgart 1951 - Mars und Venus. Erinnerungen 1914-1919. Stuttgart 1954 Nadler, Josef: Kleines Nachspiel. Wien 1954 Naso, Eckart von: Ich liebe das Leben. Erinnerungen aus 5 Jahrzehnten. Hamburg 1954 Neumann, Robert : Mein altes Haus in Kent. Erinnerungen an Menschen und Gespenster. Wien/München/Basel 1957 Niekisch, Ernst: Gewagtes Leben. Begegnungen und Begebnisse. Köln/Berlin 1958 Ney, Elly: Ein Leben für die Musik. Bearbeitungen und Zwischentexte von Josef Magnus Wehner. Darmstadt 1952 Noske, Gustav: Aufstieg und Niedergang der deutschen Sozialdemokratie. Erlebtes aus Aufstieg und Niedergang einer Demokratie. Zürich 1947 Oestreich, Paul: Selbstbiographie. Aus dem Leben eines politischen Pädagogen. Berlin/Leipzig 1947 Ophüls, Max: Spiel im Dasein. Eine Rückblende. Stuttgart 1959 Osborn, Max: Der bunte Spiegel. Erinnerungen aus dem Kunst-, Kultur- und Geistesleben der Jahre 1890 bis 1933. Mit einem Brief an den Verfasser von Thomas Mann, zwei Bildtafeln und fünf Facsimiles. New York 1945 Pechstein, Max: Erinnerungen. Mit 105 Zeichnungen des Künstlers. Herausgegeben von L. Reidemeister. Wiesbaden 1960 Piper, Reinhard: Vormittag. Erinnerungen eines Verlegers. München 1947 - Nachmittag. Erinnerungen eines Verlegers. München 1950 Pfitzner, Hans: Eindrücke und Bilder meines Lebens. Hamburg-Bergedorf 1947 Planck, Max: Wissenschaftliche Selbstbiographie. Mit einem Bildnis und der von Max von Laue gehaltenen Traueransprache. Leipzig 1948 Radbruch, Gustav: Der innere Weg. Aufriß meines Lebens. Stuttgart 1951 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Düsseldorf 1949 Regler, Gustav: Das Ohr des Malchus. Eine Lebensgeschichte. Köln/Berlin 1958

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Abkürzungsverzeichnis DL

EwA F GZ HNW JuZ

LadZ Lei

LiE Ρ SdJ SK UW UZ VT

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Register

Abbe, Derek van 342 Adams, Jon-K. 39,42,47 Adams, Marion 144,147,249 Ahammer, Inge 73 Ahrends, Isolde 150 Aichinger, Ingrid 18, 19, 26-32, 212, 214, 218,224,298 Aigner, Dietrich 8,159 Alexander der Große 254 Alheit, Peter 63 Allemann, Beda 148,149 Alter, Maria Pospischil 219 Alter, Reinhard 12,147,149, 280, 333 Alverdes, Paul 212 Amery, Jean 107 Anderegg, Johannes 40,42-44,47-49 Andersch, Alfred 281 Andrae, Friedrich 107,211 Andreas-Salome, Lou 312, 361 Angleitner, Alois 73 Apostolopoulos, Dimitris 228 Arends, Isolde 290,293 Arendt, Dieter 152 Arnold, Heinz Ludwig 5 Aron, Raymond 57 Aspetsberger, Friedbert 8, 126, 127, 132, 135,137, 352,353,364, 365 Assmann, Aleida 44,47 Augustinus 105,124,295,301,313 Baacke, Dieter 65,66 Baden, Hans Jürgen 119,123 Bächler, Wolfgang 11 Baeumler, Alfred 279 Bahrdt, Hans Paul 60,61,65 Baier, Clair 211,298,372 Ball, Hugo 311 Baiser, Hans-Dieter 152 Baltzer, Ralph A. 16 Barbian, Jan-Pieter 2,3,7,8,10,14,127,210, 211 Barclay, Craig R. 67-71 Bark, Joachim 27

Barlach, Ernst 268 Barner, Wilfried 5,10 Barsalou, Lawrence W. 67 Barthes, Roland 34 Bauer, Gerhard 1 Bauer, Ludwig 43,44,46,49 Baumgartner, Hans Michael 52, 57,58 Becher, Johannes R. 279 Beethoven, Ludwig van 105,201 Bekerian, D. A. 67 Bender, Helmut 212,226,298 Benedetti, Gaetano 59 Benesch, Klaus 34 Benn, Gottfried 4, 5, 7, 8, 11, 12, 15, 21, 23, 24,30,75,118,141-155,245,247,249,253, 254, 256, 257, 263, 266, 268, 271-273, 275, 277, 278-280, 287-292, 295, 297, 301, 317, 319,321,333 - 340,363,366- 370,396-398 Benoist, Jean-Marie 59 Bense, Max 292 Benseier, Frank 333 Benz, Richard 212 Bergengruen, Werner 115 Berger, Walter 107 Bergmann, Klaus 19,78 Bergsdorf, Wolfgang 277 Bergson, Henri 315 Bering, Dietz 143,144,260 Berning, Cornelia 114 Bertaux, Daniel 68,71 Bertaux-Wiame, Isabelle 68,71 Bertolino, Ingo 18 Bertram, Ernst 214,328, 371 Beutler, Ernst 209,333 Beyer-Fröhlich, Marianne 17-19,32 Bilger, Grete 210 Binding, Rudolf G. 199,249,279,296 Bismarck, Otto von 203 Bithell, Jethro 212,371,372,378 Blamberger, Günter 5 Blanchard, Marc Eli 17,30,34 Blattmann, Ekkehard 114,119 Bluhm, Lothar 3, 288

447

Blunck, Hans Friedrich 7, 9, 14, 30, 75 - 83, 104,145, 199, 209, 2 4 6 - 2 5 0 , 2 5 2 , 2 5 3 , 2 5 5 , 259,260,263-267,269,272,273,278-280, 285, 286, 290, 295, 301, 302, 315, 316, 319, 3 2 0 , 3 6 2 , 3 8 5 , 395, 396 Blunck,Jürgen 77 Blunck, Walter 10 Bode, Ingrid 13 Boecklin, Arnold 176 Boeschenstein, Hermann 2 Bollenbeck, Georg 19 Bollmus, Reinhard 210 Bormann, Alexander von 279 Bossle, Lothar 112 Boveri, Margret 292 Brackert, Helmut 297 Braem, Helmut M. 5 , 1 3 Brantl, Maximilian 87, 208, 2 1 0 - 2 1 2 Braukmann, Walter 73 Braun, Eva 346 Braun, Felix 213 Braun, Herbert 148 Braunmühl, Anton von 209 Brecht, Bertolt 1 2 5 , 1 4 0 , 2 4 8 , 284 Brehm, Bruno 7 Breit, Gotthard 2 4 , 2 6 , 3 1 Brekle, Wolfgang 288 Brenner, Hildegard 272 Brettschneider, Werner 19,31 Brewer, William F. 67, 68, 7 1 - 7 3 Breysig, Kurt 146 Brode, Hanspeter 1 4 9 , 1 5 0 , 2 9 7 Bronnen, Arnolt 4, 8, 15, 16, 21, 22, 37, 73, 75, 99, 125-141, 194, 2 4 6 - 2 4 8 , 250, 251, 2 5 3 - 2 5 7 , 259, 262, 264, 267, 2 6 8 , 2 7 3 , 2 7 5 , 278, 283, 284, 290, 295, 316, 318, 321,340, 341, 344, 3 5 0 , 3 5 2 - 3 5 5 , 3 6 2 - 3 6 6 , 3 9 6 , 3 9 8 Bronnen, Olga 125,126 Bronner, Ferdinand 132, 134 Brose, Hanns-Georg 63, 64 Brown, Norman R. 71 Brown, Roger 72 Brueghel, Pieter 320, 323 Bruss, Elizabeth W. 17 Buck, Henning 1 8 , 2 4 Buddeberg, Else 1 5 0 - 1 5 2 , 3 6 6 Burr, Anna Robeson 17, 30, 31 Butzlaff, Wolfgang 297

Campagnolle, Roger de 211-213, 327, 376 Campe, Joachim Heinrich 188 Capote, Truman 49 Carossa, Hans 4 , 5 , 7 , 8 , 1 4 , 1 5 , 2 1 , 3 2 , 6 8 , 7 2 ,

448

75,86,94,141,198,207-226,247,248,252, 257, 258, 264, 265, 272, 274,278, 281-283, 288, 290, 295, 298, 299, 301, 302, 309, 310, 314,317, 318, 320, 322, 327, 328, 3 2 9 - 3 3 3 , 363, 3 7 0 - 3 7 8 , 396 - 398 Carossa, Stefanie 68 Casanova, Giacomo 312 Cellini, Benvenuto 168 Chassein, Brigitte 69 Chatellier, Hildegard 107 Chen, Linhua 18,27 Chick, Edson M. 107 Christiansen, Annemarie 367,368 Cicero, Marcus Tullius 183 Claudel, Paul 222 Coe, Richard N. 19,73 Cohen, Gillian 7 1 , 7 2 Conway, Μ. Α. 6 7 , 7 0 Craemer-Schroeder, Susanne 17 Critchfield, Richard D. 18, 50 Cuomo, Glenn R . 10,12 Curie, Marie 375 Curtius, Ernst Robert 291 Daboul, Alexander D. 151 Dahm, Volker 7 , 1 0 Dahn, Felix 204 Daniel, Claus 59 Dante Alighieri 288, 327, 329 Danto, Arthur C. 5 1 - 5 4 , 5 7 , 5 8 Darwin, Charles 188 Dean, John 70 DeCooke, Peggy Α. 67, 6 9 - 7 1 Delft, Klaus von 9 , 2 0 6 , 2 8 5 Demharter, Maria 212 Denk, Friedrich 6 , 2 8 7 , 2 8 8 Denkler, Horst 125 Deschner, Karlheinz 5 Deußen, Christiane 5, 8, 11, 21, 22, 2 4 , 1 3 5 , 140, 142,143, 1 4 7 , 1 4 9 , 1 5 3 , 210-212, 217, 289, 290, 293, 327, 333, 334, 352-354, 364, 365, 378 Diereck, Augustinus P. 147 Dilthey, Wilhelm 2 3 , 2 6 Dimt, Peter 83, 8 4 , 2 9 8 , 3 0 6 , 3 5 6 Döblin, Alfred 2 3 , 1 1 2 , 2 7 6 Dray, William H. 56 Drewniak, Boguslaw 345 Droysen, Johann Gustav 51 Dubiel, Helmut 59 Düsing, Wolfgang 135 Düsterberg, Rolf 24 Dwinger, Edwin Erich 7

Eakin, Paul John 17,18,25, 3 3 - 3 5 Eberan, Barbro 4,114, 237,289,297 Eco, Umberto 43,46 Eggert, Hartmut 78 Eggstein, Pio 213 Ehrhardt, (Kapitän) Hermann 271,343,344, 347, 350 Eichendorff, Joseph Freiherr von 225,329 Eisermann, Gottfried 61 Elbaz, Robert 17,30,31,34 Elias, Norbert 25 Endres, Elisabeth 5 Engelhardt, Michael von 59, 63,66 Engels, Friedrich 354 Ensberg, Claus 112,114,117,119,120 Erzberger, Matthias 121 Ewig, Steffen 142,143,148,150, 333 Falkenstein, Henning 212,219,274,327,371 Farin, Willi Michael 156,159,160,162,164 Faulkner, Dorothy 71,72 Faye, Jean Pierre 344 Fechter, Paul 388 Federlein, Angela 19 Feldkamp, Alexander 99,274 Fiedler, Judith 72 Fischer, Bernhard 5, 144 Fischer, Ludwig 2 Fischer, Wolfram 62-65 Fitzgerald, Joseph M. 72 Fivush, Robyn 67 Flake, Otto 3, 8, 15, 72, 75, 141, 142, 1 5 6 168, 174, 247, 249, 251, 253, 255, 257, 263, 265-269, 273, 275, 278, 286, 289, 295, 298, 299, 302, 311,312, 314,316,319,361,396 Fohrmann, Jürgen 56,57 Fontane, Theodor 327 Forguson, Lynd 32 Forster, Georg 49 Frank, Ernst 83,84,86 Frank, John G. 281,298 Frank, Manfred 61 Frazer, Catherine C. 18 Fredsted, Elin 277 Frege, Gottlob 39 Frei, Norbert 243 Frerichs, Petra 19 Freud, Sigmund 24 Freund, Michael 1 Frey, Erich A. 5 Frey, Hans-Peter 5 9 - 6 1 , 6 5 Fried, Erich 49 Friedeil, Egon 318

Frisch, Max 261 Fritz-Ullmer, Gabriele 24 Fritzsche, Hans 23 Frobenius, Leo 275 Frühwald, Wolfgang 112,114,117 Frye, Northrop 55, 56 Fuchs, Werner 62, 64,66 Fühner, Ruth 18 Futterknecht, Franz 10, 37, 227, 228, 342, 350, 387 Gabriel, Gottfried 39,42,44,45, 49 Galle, Roland 25 Galsworthy, John 279 Gehring, Hansjörg 227 Geissler, Rolf 276 Genette, Gerard 45,47 George, Stefan 217,218, 274,282,334, 337 Getzeny, Hans 320 Gide, Andre 222 Gierach, Erich 379 Giffhey, Otto 79 Gillessen, Günther 333 Glagau, Hans 30,31 Glaser, Hermann 227,237, 297 Glinz, Hans 38,42,45,48 Goebbels, Joseph 2, 3, 8, 125, 126, 220, 328, 330, 354,368 Göring, Hermann 368 Goertz, Hans-Jürgen 5 1 , 5 6 - 5 8 Goes, Albrecht 212,371 Goethals, George R. 73 Goethe, Johann Wolfgang 17,19,23, 26,29, 33,64,69,105,157,159,165,168,199,201, 212, 214, 242, 247, 252, 258, 264, 289, 290, 295, 297-301,310, 313, 318,327-329, 363, 391,393,396,397 Goffin, Roger 279 Goffman, Erving 59 Gogh, Vincent van 180 Gollnick, Ulrike 5 Goodman, Katherine 19 Goodman, Kay 29, 30 Goodman, Nelson 40 Gotthelft, Ille 238, 244, 345, 346, 349 -352, 388, 389 Gradmann, Christoph 318,388 Graf, Hans-Dieter 7 Graf, Sabine 161,275,286,298 Greimas, Algirdas 53 Grimm, Hans 7-9, 14, 22, 75, 94, 142, 145, 198-207, 209, 247-249, 254, 256, 259, 263, 266, 268, 269,272, 274, 276, 278, 284, 285, 295,296,301,345, 350,358,362,396

449

Grimm, Reinhold 156,288 Groppe, Sabine 18,19,25 Grosser, J. F. G. 2 , 3 , 5 , 2 8 8 Gruhle, Hans W. 26,29 Grumbach, Salomon 298 Gruschka, Bernd R. 107,227 Günther, Hans R. G. 28 Gusdorf, Georges 27,28 Hähnel, Klaus-Dieter 143 Härle, Gerhard 30,34 Hahn, Alois 60,62, 63 Halbwachs, Maurice 22 Hale, Gisela Wünsche 222,314 Haley, Alex 18 Haller, Elmar 152 Hamburger, Käte 33, 37, 38,41,42,49 Hanimann, Willy A. 98 Harlan, Veit 4 Harnack, Axel von 31,294,295 Hart, Francis R. 33 Hartge, Thomas 25 Harth, Dietrich 52,57 Hartmann, Ursula 18,26-28,32 Harweg, Roland 45 Haß, Ulrike 83 Hattwig, Jörg 2,107,109,261-263,274,278 Hauptmann, Gerhart 15,117,286 Hausenstein, Wilhelm 312 Haußer, Karl 5 9 - 6 1 , 6 5 Haverkamp, Anselm 61 Hay, Gerhard 5, 6,285,297,360 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 32,194 Hegemann, Werner 388 Hegner, Jakob 121 Heide-Filipp, Sigrun 73 Heidegger, Martin 150 Heimann, Bodo 84,147,148 Heine, Heinrich 33,339 Heinschke, Christian 288 Heintel, Helmut 367 Heiseler, Bernt von 113 Hejl, Peter M. 4 1 , 4 2 , 4 8 Hell, Victor 112 Henlein, Konrad 14,344,350 Henrich, Dieter 38,42,44,59, 60 Heraklit 18,146 Herd, E.W. 107,260 Herden, Werner 272,276 Herz, Jakob 93 Hesse, Hermann 32, 276, 283, 331 Heuscheie, Otto 113,119,120,322 Heymel, Alfred Walter 170,274,289

450

Hickethier, Knut 5,13 Hielscher, Friedrich 230,235,343, 348 Hildenbrand, Bruno 63,64 Hildesheimer, Wolfgang 48 Hillard, Gustav 1,8,13,15,16,69,73,75,76, 141,142,168-181, 247, 249,251, 253, 256, 258,259,266,268,269,273,274,278,285287, 289,290,295,298, 300-302,312-314, 319, 320,361,396 Hillebrand, Bruno 11,144,147-151,155,256 Hillesheim, Jürgen 83 Hilpert, Heinz 3 Hippler, Hans J. 69 Hirsch, Karl Jakob 112,320 Hirt, Heinz-Ludwig 12,147 Hitler, Adolf 4, 7, 8, 14, 22, 114, 156, 159, 205, 207, 209, 216, 219, 220, 224, 225, 236, 255, 257, 260, 267, 277, 282, 285, 286, 289, 323, 324,327-330, 333, 345, 347, 350, 354, 358,378,379 Hochberg, Hans Ferdinand Graf 171 Hochhuth, Rolf 49 Hof, Walter 152 Hofacker, Erich 212 Hoffmann, Charles W. 288 Hoffmann, Heinrich 346 Hoffmann, Volker 18-20,29,32,50,290,295 Hohoff, Curt 5 Hölderlin, Friedrich 225, 252,309,328,329 Holthusen, Hans Egon 143 H o m e r 47,264,297 Hoops, Wiklef 38,40,42-47 Hopster, Norbert 248,273,281 Horst, Karl August 5 , 1 2 , 1 3 Huch, Ricarda 217 Humboldt, Alexander von 201 Humboldt, Wilhelm von 165,201 Ibsen, Henrik 176 Ignatius von Loyola 124 Ihwe, Jens F. 39,40,46,48 Ingen, Ferdinand van 107 Iser, Wolfgang 3 8 - 4 5 , 4 7 - 4 9 Jacobs, Wilhelm 6 , 7 , 1 3 Jaeckle, Erwin 182,187,192 Jaeger, Michael 12, 21, 23, 24, 26, 142, 143, 149,154,280,333,339,367 Jannasch, Hans-Wildekinde 206 Jannidis, Fotis 33 Janning, Friedgard 189 Janning, Jürgen 189 Japp, Uwe 41

Jauss, Hans Robert 51,53,54,57,58 Jay, Paul L. 17,34 Jens, Inge 272 Jessen, Jens 13 Joas, Hans 59 Johannes von Saaz 379,380 Johnson, Daniel A. 72 Johnson, Marcia K. 71 Johst, Hanns 10,15,210 Jünger, Ernst 10,127,145,187,190,235,238, 241,286,344, 350,386 Jünger, Friedrich Georg 8, 15, 73, 76, 141, 182-198,239,247,248,250,252,254, 256258, 262, 263, 265, 266, 273, 287, 288, 290, 295,300-304,315,385,386,396 Jung, Carl Gustav 56 Jung, Willi 26 Kaas, Harald 125,353,364 Kaempfer, Wolfgang 212 Kahn, Robert L. 372 Kandinsky, Wassily 167 Kant, Immanuel 184,231 Karnick, Manfred 5,10 Kasics, Kaspar 38,42,44,45 Kassner, Rudolf 217,263 Kastner, Jörg 224,289,320 Kaufmann, Fritz 370 Kaußen, Wolfgang 297 Kazin, Alfred 33 Keller, Ernst 77,84,85,103,107,200 Keller, Ulrich 41,44,45,47,49 Kennedy, John F. 72 Kerber, Hedwig 208-211,274, 370,371 Ketelsen, Uwe-K. 7,278,285,289,297,360 Kiesel, Helmuth 248,260,289 Kippenberg, Anton 209,212 Kippenberg, Katharina 207,208,212,213 Kirshner, Sumner 107 Klabund 334 Klages, Ludwig 260 Klaiber, Theodor 17,18 Klein, Markus Josef 11,15,342,388 Kleiner, Barbara 293 Kleinschmidt, Erich 18,50,297 Kleist, Heinrich von 252 Klemm, Imma 39 Klepper, Jochen 119 Klieneberger, H. R. 119,288 Klinger, Kurt 364 Klönne, Arno 297 Klotz, Christian 265 Kluge, Rudolf 142

Kluzis, Gustav 333 Koch, Gerd 9 Koch, Franz 83, 84 Kocka, Jürgen 51,52 Koebner, Thomas 114,130,289 König, Leo von 117,269, 325 Koepcke, Cordula 113 Koepke, Wulf 5 Koepp, Jürgen H. 29 Koeppen, Wolfgang 1,18 Körner, Theodor 339 Kogon, Eugen 213 Kohli, Martin 61-65 Kolbenheyer, Erwin Guido 7, 9, 14-16, 18, 37, 63, 76, 83-78, 104, 145, 149, 199, 246, 247, 249-253, 255, 260, 263, 264,267, 268, 272, 273, 276, 278, 280, 281, 286, 289, 295, 297,298,302,305-307,317-319,321,340, 341,355,356-360,363,378 - 385,395,396, 398 Kollwitz, Käthe 268 Kommereil, Max 282 Kopplin, Wolfgang 298 Koselleck, Reinhart 51,53 Kotre, John 67-73 Kraft, Werner 27 Krappmann, Lothar 59 Kraus, Karl 276 Krenzlin, Leonore 278 Kretschmer, Ernst 147 Kretschmer, Michael 273 Kreuder, Ernst 2 Krön, Friedhelm 273 Kronsbein, Joachim 27 Kubin, Alfred 209 Kuczynski, Jürgen 26,27 Künne, Wolfgang 39,40,42,45,47 Kugler, Peter 210 Kuhn, Hermann 24 Kulik, James 72 Kunisch, Hermann 150 Kurz, Isolde 210 Kurzke, Hermann 118,285 La Marr, Barbara 132 Lämmert, Eberhard 119 Lamarck, Jean Baptiste de 188 Lamarque, Peter 39,40,42,56, 57 Landwehr, Jürgen 42,44,45,47,48 Langen, August 219,224,289,320 Larsen, Steen F. 67 Lassar, Gerhard 79 Lattmann, Dieter 278

451

Laufhütte, Hartmut 2 1 2 , 2 9 8 , 3 7 1 Laurien, Ingrid 1 9 4 , 2 3 7 , 2 8 9 , 2 9 7 L e Bars, Michelle 344 LeBlanc, Julie 33 Lee, D. John 72 Lehmann, Albrecht 28 Lehmann, Jürgen 1 7 , 1 8 , 3 1 , 3 4 Lehmann-Reck, Ruth 212 Leiris, Michel 25 Leitner, Hartmann 1 8 , 6 1 , 6 3 - 6 7 Lejeune, Philippe 1 7 , 1 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 , 3 0 , 3 8 6 Leuthe, Hermann 18 Levita, Daniel de 59 Lewis, Sinclair 43 Lidle, Wolfgang 17 Liliencron, Detlev von 168 Lindner, Martin 1 3 5 , 1 4 7 , 2 4 8 , 2 5 0 , 2 6 0 , 2 6 5 , 314,315 Linne, Carl von 188 Löwith, Karl 2 3 , 2 4 Loewy, Ernst 7, 77, 250, 260 Loftus, Elizabeth A. 72 Lohauß, Peter 59 Lohner, Edgar 334 Lokatis, Siegfried 8 , 1 6 8 Loose, Gerhard 150-152 Lothar III. 319 Lotman, Jurij 44 Luckmann, Thomas 60 Ludendorff, Erich 275 Ludin, Hanns 349 Ludwig, Emil 318, 388 Lüsebrink, Hans-Jürgen 56 Lütge, Jürgen 84 Luetgebrune, Walther 388 Lüthe, Rudolf 4 1 - 4 4 , 46 Lütkehaus, Ludger 112,113,117 Luhmann, Niklas 16, 6 0 - 6 2 , 64, 6 5 , 7 5 , 2 4 5 , 395 Lukäcs, Georg 3 , 1 0 , 2 4 8 Luther, Martin 117,124 Mach, Ernst 87, 135,148, 357 Mahrholz, Werner 17,18 Mailer, Norman 48 Man, Paul de 1 7 , 3 0 , 3 3 Mandel, Barrett J. 29, 35 Mann, Golo 51 Mann, Mann, Mann, 271, 339

452

Heinrich 2 1 7 , 2 7 6 , 3 2 0 , 3 3 4 , 3 3 5 Klaus 1 2 , 1 3 0 , 2 7 1 , 320,363 Thomas 5, 10, 12, 15, 43, 208, 217, 2 7 6 - 2 7 8 , 280, 287, 288, 290, 331, 332,

Manstein, Erich von 7 Manyoni, Angelika Arend 297 Marinetti, Filippo Tommasi 337 Marquard, Odo 2 4 , 5 9 Martini, Fritz 1 , 2 8 7 Marx, Karl 354,390 Matheson, Wilhelm 372 Matthias, Klaus 168 Maue, Karl-Otto 9 , 8 2 May, Georges 1 7 , 1 8 , 2 6 , 3 1 Mayer, Hans 1 2 5 , 1 3 5 , 3 6 3 , 3 6 4 Mazlish, Bruce 29 McAdams, Dan P. 6 8 , 7 4 McCauley, Robert N. 68 McCormick, Peter J. 4 0 , 4 4 , 4 8 , 4 9 Mead, George Herbert 59 Mehring, Walter 320 Meier, Bettina 297 Meier, Hans-Georg 7 7 , 2 6 5 Meier, Pirmin A . 1 1 2 , 1 1 8 , 1 2 3 Meinecke, Friedrich 23 Meinhold, Peter 119 Meister, Ulrich 147 Mendelssohn, Peter de 11, 27, 29, 143, 153, 159,289,295 Mertz, Peter 5 , 1 0 Meyer, Andreas 1 0 7 , 1 1 8 , 2 7 3 Meyer, Jochen 272 Meyer, Theo 151 Michel, Elisabeth 83 Michels, Volker 2 1 0 , 2 9 0 Michelsen, Peter 1 4 7 , 1 5 0 , 1 5 4 , 2 9 2 Miegel, Agnes 15 Mielke, Ulrike 18 Miller, Gerlinde F. 144,146,152, 249 Minder, Robert 153 Misch, Georg 1 6 , 1 7 , 2 3 , 2 4 , 2 6 , 2 8 , 31 Mittenzwei, Werner 9 , 2 7 2 , 2 7 6 , 3 3 3 Moeller van den Bruck, Arthur 94 Mörike, Eduard 2 2 5 , 3 2 9 Möhler, Armin 83, 107, 119, 127, 168, 187, 277,286, 387 Moissi, Alexander 268 Mombert, Alfred 2 0 8 , 2 1 1 , 2 2 3 Mommsen, Theodor 5 1 , 2 7 5 Monroe, Marilyn 48 Montaigne, Michel de 179 Moritz, Karl Philipp 18 Muchow, Hans-Heinrich 2 6 - 2 8 , 3 1 Mühlack, Dietrich 5 2 , 5 3 , 5 8 Müller, Klaus-Detlef 16-19, 26, 27, 29, 3 1 33,37,50 Müller-Seidel, Walter 3 2 , 2 1 9 , 2 9 7 , 327

Münch, Ursula 125, 353,364 Münchhausen, Börries von 9 , 1 2 , 1 4 5 Münchow, Ursula 19 Munitz, Milton K. 59 Muschg, Walter 293 Napoleon 4 5 , 5 8 , 1 2 2 Nebes, Robert D. 72 Nef, Ernst 1 4 9 , 1 5 4 , 2 9 2 Neisser, Ulric 6 6 - 7 2 Nelson, Katherine 72 Nendza, Jürgen 40, 41 Nettesheim, Josefine 144 Neumann, Bernd 1 7 , 1 9 , 2 4 , 2 7 , 3 1 , 5 9 Niedermayer, Franz 119 Niedermayer, Max 292,319, 334 Niekisch, Ernst 194 Nietzsche, Friedrich 34, 146, 151, 176, 179, 180,323,329 Niggl, Günter 1 6 - 1 9 Nipperdey, Thomas 5 1 , 5 2 Niven, Bill 107 Nixon, Richard 70 Novalis 242,252 Nowak, Ilse 371 Nowak, Roman 119 Nübel, Birgit 18,25 Nunner-Winkler, Gertrud 61 Obernosterer, Uli 1 2 5 , 1 3 0 , 1 3 2 Oehlenschläger, Eckart 147 Oelze, Friedrich Wilhelm 11, 142, 151, 152, 154,155, 279, 280, 288, 295, 297, 334, 335, 339,368 Oexle, Otto Gerhard 56 Okito 217 Olbrich, Erhard 73 Olney, James 17,18, 2 7 , 2 9 , 3 3 , 34 Olsen, Stein Haugom 3 9 , 4 0 , 4 2 , 5 6 , 5 7 Oppel, Horst 32 Ortega y Gasset, Jose 151 Otto, Stephan 26 Overesch, Manfred 277 Overmans, Rüdiger 243 Paetel, Karl O. 2 , 1 0 7 Pallas, Rudi 220 Pascal, Roy 1 8 , 2 6 , 2 7 , 3 0 - 3 2 , 2 1 2 Paul, S. 62 Pauler, Thomas 147 Paulsen, Wolfgang 1 8 , 2 0 Paulus 108 Pavel, Thomas G. 3 9 , 4 0 , 4 6 , 4 7 , 49

Peitsch, Helmut 5, 19, 21-23, 50, 281, 333, 334,360 Penzoldt, Ernst 213 Pereis, Christoph 2 8 1 , 2 8 7 , 2 9 8 Petersen, Jürgen H. 3 8 , 4 9 Pfeiffer, K. Ludwig 38 Pfotenhauer, Helmut 17,18 Philipp II. 121,123 Philipp, Michael 3 , 2 8 8 Picard, Hans Rudolf 25, 30 Picard, Max 1 0 9 , 1 1 1 , 2 6 3 Piccard, Auguste 223 Plaas, Hartmut 234-236, 260, 343, 3 4 5 - 3 4 7 , 350-352 Platen, August von 163 Piaton 123 Plessen, Elisabeth 3 8 , 4 9 Pliseis, Sepp 141 Poe, Edgar Allan 4 3 , 2 5 4 Powers, William T. 40 Priebatsch, Heinz 213 Przywara, Erich 326 Puknat, Siegfried B. 109,263 Quandt, Siegfried 5 0 , 5 2 , 5 3 Rambaldo, Hartmut 5 , 2 8 5 , 2 9 7 , 360 Raschke, Martin 281 Rast, Josef 112 Rastelli 217 Rathenau, Walther 164, 169, 227, 230, 236, 260, 267, 268, 285, 343, 345, 347, 348, 350, 351,388 Rathkolb, Oliver 3 , 1 5 , 2 1 1 Reck, Siegfried 5 9 , 6 1 , 125 Reckman, Richard F. 73 Redlich, Wolf 346 Reiner, Guido 100, 107, 109, 110, 261, 274, 278 Reinhardt, Max 168,180 Reiser, Peter 43 Rekola, Juhani 117 Renan, Ernest 33 Renner, Rolf Günter 2 , 5 , 277,288 Renza, Louis A. 2 9 , 3 0 Requadt, Paul 147 Richter, Anton H. 192,194 Richter, Fritz K. 285 Ricceur, Paul 51, 5 3 , 5 4 , 5 6 - 5 8 Ridley, Hugh 279 Riedel, Christoph 59 Rilke, Rainer Maria 217 Ringel, Christian 1 , 1 3 , 2 9 4

453

Rips, Lance J. 71 Robert, Günther 62 Röhm, Ernst 232,344, 350 Röhrl, Boris 211 Rohner, Ludwig 212,219,224, 298,320 Rollberg, Sabine 277 Roloff, Gerhard 5,12,280 Roon, Albrecht Graf von 176 Rosenbaum, Eduard 13,168 Rosenberg, Alfred 143,210 Rossbacher, Karlheinz 78,103,260,261,265 Rothe, Carl 210,223 Rothe, Hans 23 Rothfeder, Herbert P. 7,210 Rousseau, Jean Jacques 19, 25, 29, 31,130, 295,300,301 Rowohlt, Ernst 233, 344, 347, 386, 391 Rubin, David C. 66,72 Rübe, Werner 279 Rühmkorf, Peter 15 Rüsen, Jörn 5 0 - 5 4 , 5 6 - 5 8 Russell, Bertrand 39 Rust, Bernhard 220 Sabrow, Martin 234,387 Sade, Donatien Alphonse Frangois de 159 Sahlberg, Oskar 154 Salomon, Bruno von 344 Salomon, Ernst von 3,4, 8,10,11,15,16,37, 76, 142, 198, 226-244, 247, 248, 255, 257, 259, 260, 267, 271, 273, 274, 278, 285,286, 289, 290, 295, 301, 302, 307-309, 315,321, 340-343, 345-353, 355, 363, 386-391, 396, 398 Salomon, Georg von 345,350, 388,389 Salomon, Hilde von 345,350,388, 390 Salovey, Peter 67 Salyämosy, Miklos 107 Salzmann, Madeleine 2 7 , 2 8 , 3 1 , 3 4 , 5 9 Sanjose Messing, Axel 100,103,260 Sarkowicz, Hans 7, 83,285, 360 Sartre, Jean-Paul 25 Säße, Günter 49 Saunders, Barbara 18 Savage, Pierre-Paul 243 Schäfer, Hans Dieter 2 , 4 , 6 , 288 Schäfer, Wilhelm 9,145 Scheffer, Bernd 16-18,34,74 Schickele, Rene 157 Schiffer, Werner 51,53,54, 57,58 Schiller, Friedrich 90,201,203,252,274,276, 301,390 Schiller, Kaspar 165

454

Schimank, Uwe 61-64 Schirach, Baidur von 329 Schlaffer, Heinz 39,42,44,47 Schleicher, Kurt von 168,177 Schlesier, Renate 151 Schliemann, Heinrich 275 Schluck, Luise 212 Schlüter, Kai 5 Schlüter, Marguerite Valerie 295,319 Schmeisser, Marleen 297 Schmidt, Arno 2,273 Schmidt, Siegfried J. 3 8 , 4 0 - 4 2 , 4 4 , 4 7 Schmidt, Ulrich 12 Schmidt, Wilhelm Andreas 132 Schnabel, Ernst 281 Schnauber, Cornelius 19 Schneider, Michael 125 Schneider, Reinhold 7, 8, 15, 75, 99, 112124, 141, 246-249, 252-255, 259, 262, 263, 265-269, 273, 274, 278,295, 301, 302,315, 318-320,322-326, 333,396,397 Schnell, Ralf 4, 6, 7,211, 218, 260, 273, 281, 288,298 Schoenberner, Franz 72 Schoenberner, Lo 72,207,212,213 Schöne, Albrecht 143,153,366 Schönherr, Max 135 Scholdt, Günter 2, 4, 6, 114, 211, 277, 288, 289 Scholz, Oliver R. 40,47 Schonauer, Franz 3, 5, 6, 19, 107, 211, 287, 288 Schopenhauer, Arthur 116,179,240,314 Schröder, Hans Joachim 38,73 Schröder, Jürgen 142,147,148,156,279 Schröter, Klaus 125 Schubert, Franz 201 Schücking, Walter 343,348, 350 Schümann, Kurt 153 Schünemann, Peter 151,279 Schütz, Erhard 13,78 Schütze, Fritz 61,63,65 Schuhmann, Klaus 148 Schulze, Theodor 62,66 Schulze-Boysen, Harro 235, 345 Schumann, Robert 201 Schuschnigg, Kurt von 267 Schwab, Klaus 297 Schwab, Sylvia 18 Searle, John R. 3 9 , 4 1 , 4 2 , 4 5 , 4 7 Segebrecht, Wulf 33,142 Seidel, Ina 15,288,291 Sengle, Friedrich 16

Sevin, Dieter 5 Shakespeare, William 228, 264 Shevell, Steven K. 71 Shumaker, Wayne 2 7 , 3 0 , 3 1 , 2 9 5 Sieburg, Friedrich 275 Simmel, Georg 265 Simon, Ralph 3 0 , 3 4 Simonides 183 Singer, Jefferson A. 67 Skowronski, John J. 72 Sloterdijk, Peter 1 7 - 2 0 , 2 7 Smith, Kyle D. 72 Soeding, Ellen 206 Soeffner, Hans-Georg 60, 63 Soerensen, Nele Poul 143 Soergel, Albert 5 Sokrates 123 Sommerfeld, Martin 19 Spann, Othmar 2 4 1 , 3 4 4 Spee, Friedrich von 333 Speer, Albert 36 Spengemann, William C. 17 Spengler, Oswald 149,187 Spies, Bernhard 265 Spranger, Eduard 279 Sprengel, Peter 78 Stadler, Ernst 164 Stauffenberg, Claus von 218 Stegemann, Brigitte 298 Steinbömer, Gustav 15,168 Steinhagen, Harald 279 Steinle, Jürgen 2 , 1 1 2 , 1 1 9 Stempel, Wolf-Dieter 4 8 , 5 1 Sterne, Laurence 33 Stierle, Karlheinz 4 2 , 5 2 , 5 6 - 5 8 Stifter, Adalbert 2 2 5 , 3 2 9 , 3 7 6 - 3 7 8 Stollmann, Rainer 280 Storck, Joachim W. 5 , 2 8 5 , 2 9 7 , 3 6 0 Storm, Theodor 204 Strallhofer-Mitterbauer, Helga 14 Strauss, Richard 209 Strauss, Walter A. 279 Strawson, Peter F. 39 Stross, Annette M. 59 Strothmann, Dietrich 7 Strube, G. 6 6 , 6 8 - 7 3 Stryker, Sheldon 59 Stüssel, Kerstin 18 Subiotto, A.V. 212 Sundberg, Gien J. 211 Szukala, Ralph 45

Tank, Kurt Lothar 6 , 7 , 1 3

Tarot, Rolf 29 Tekampe, Ludger 73 Themistokles 114 Theweleit, Klaus 143 Thiele, Erika 126 Thiess, Frank 1, 2,288, 297 Thoenelt, Klaus 107,298 Thompson, Charles P. 72 Thürnau, Donatus 4 0 , 4 1 , 4 7 Titzmann, Michael 135 Trapp, Frithjof 5 Trommler, Frank 135 Trunz, Cecilia Α . 18 Türkis, Wolfgang 18 Ueding, Gert 2 8 6 , 2 9 8 Uhlig, Kurt 26, 27, 30, 32 Ulrich, Hermann 1 7 , 2 9 5 Unamuno, Miguel de 116 Unglaub, Erich 2 1 2 , 3 1 4 Vahland, Joachim 143, 147, 149, 150, 152, 154,293 Vaihinger, Hans 38 Valentin 217 Valery, Paul 222 Valier, Max 2 2 3 , 2 2 4 Vallery, Helmut 77 Veit, Walter 5 Velmede, August Friedrich 209 Vermehren, Isa 213 Vierhaus, Rudolf 57 Villon, Frangois 163 Völker, Ludwig 147 Voges, Wolfgang 6 2 , 6 5 Vogt, Marianne 19 Vogt, Willi 3 7 2 , 3 7 8 Vogtmeier, Michael 19 Vondung, Klaus 7 , 1 1 4 , 2 7 3 Voßler, Karl 2 1 7 , 2 8 8 Wagenaar, Willem A. 69 Wagner, Irmgard 56 Wagner, Siegfried 83 Wagner-Egelhaaf, Martina 84 Waldenfels, Bernhard 45 Wallraff, Günter 49 Walter, Bruno 217 Walter, Gerrit 56 Walter, Hans-Albert 5 Warning, Rainer 3 8 , 3 9 , 4 2 - 4 5 , 4 7 Wasmuth, Ewald 297 Weber, Albrecht 3 2 7 , 3 7 8

455

Wehdeking, Volker 5,276,288 Wehler, Hans-Ulrich 51 Weinert, F.E. 6 6 , 6 8 - 7 3 Weinheber, Josef 7,14,360 Weininger, Otto 276 Weisstein, Ulrich 12 Wellershoff, Dieter 249,293,367 Welles, Orson 43 Wendt, Ernst Eduard 212 Werfel, Franz 208 Wesendonk, O.G. 208 Wettberg, Gabriela 10 Wetzler, Scott E. 72 White, Hayden 3 7 , 5 1 , 5 4 - 5 7 Wiechert, Ernst 2, 5, 6, 8, 14, 75, 99-112, 141, 247-253, 255, 256, 259, 260, 262-265, 268-274,276-278,280- 282,287,290,295, 298,299,315-317,319, 320,387,396 Wiese, Benno von 13,182,192,297 Wiesmann, Louis 59 Wiesner, Herbert 288 Wildgans, Anton 225 Wilhelm (Kronprinz) 169,172, 251 Wilhelm I. 173 Wilhelm II. 169,173,174,203,256,286 Willaredt, Rolf 112,117, 119,123,323 Winograd, Eugene 66 Winter, Helmut 25, 27, 29, 31, 32

456

Wippermann, Wolfgang 297 Wirth, Günter 288 Wirtz, Ursula 151 Wölfflin, Heinrich 275 Wolf, Andreas 150,151 Wolff, Marie-Louise 43 Wulf, Joseph 7 , 8 , 1 0 , 1 4 , 9 4 , 1 5 9 , 2 7 3 Wuthenow, Ralph-Rainer 1 8 , 1 9 , 2 4 - 2 6 , 2 8 30,32 X, Malcolm 18 Yokotsuka, Yoshita 113 Zehrer, Hans 232,237, 346,350, 351 Zeller, Bernhard 297 Zemann, Herbert 298 Zerbst, Rainer 43 Ziegler, Leopold 112,119,323 Zimmer, Rainer 18,50 Zimmermann, Hans Dieter 112,301 Zimmermann, Ingo 112-114, 116-119, 123, 323,326,333 Zürrlein, Hans 237 Zweig, Friederike 208 Zweig, Stefan 94,208,305,318 Zwicker, Erich 212,218