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German Pages 145
Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 69
De Vicariatus controversia Beiträge Hermann Conrings in der Diskussion um die Reichsverfassung des 17. Jahrhunderts
Von Albrecht von Arnswaldt
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Albrecht von Arnswaldt · De Vicariatus controversia
Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 69
De Vicariatus controversia Beiträge Hermann Conrings in der Diskussion um die Reichsverfassung des 17. Jahrhunderts
Von
Albrecht von Arnswaldt
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 30 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 3-428-11199-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Herbst 2002 als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Michael Stolleis, Direktor des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte, ohne den diese Arbeit nicht entstanden wäre. Seine Beiträge zur Conring-Forschung haben mein Interesse für Conring und dessen Werk geweckt und waren richtungweisend auch für meine Untersuchungen. Herr Prof. Stolleis hat mit seinem Rat, seiner Kritik und seiner Ermutigung mein Vorhaben sehr engagiert begleitet und wesentlich gefördert, und er hat innerhalb kürzester Zeit das Erstgutachten verfaßt. Ihm und den weiteren Institutsdirektoren, Frau Prof. Dr. Marie Theres Fögen und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Dieter Simon, danke ich auch dafür, daß ich meine Arbeit unter besten Bedingungen als Stipendiat im Max-Planck-Institut anfertigen konnte. Herr Prof. Dr. Albrecht Cordes hat freundlicherweise das Zweitgutachten erstellt. Die Studienstiftung des deutschen Volkes gewährte mir ein Promotionsstipendium, und die Drucklegung dieser Arbeit wurde durch die Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung und den Landkreis Helmstedt sehr großzügig finanziell unterstützt. Herrn Prof. Dr. h. c. Norbert Simon danke ich für die Aufnahme in die Reihe „Schriften zur Verfassungsgeschichte“. Viele wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte haben mit ihren Anregungen und ihrer Kritik zur Entstehung meiner Arbeit beigetragen. Dankbar bin ich auch für die Unterstützung, die ich durch die Mitarbeiter von Bibliothek und Verwaltung erfahren habe. Schließlich möchte ich Herrn Dr. Detlef Fechner besonders danken; er hat das Manuskript dieser Arbeit sorgfältig gelesen und mir wertvolle Hinweise gegeben. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Düsseldorf, im Herbst 2003
Albrecht v. Arnswaldt
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Hermann Conring, das Reichsvikariat und der Vikariatsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Leben und Wirken Hermann Conrings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Reichsvikariat und Vikariatsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Das Kurzgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Aufbau, Inhalt und Argumentationsstruktur des Gutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Einordnung: Adressat des Gutachtens, Anlaß und Zeitpunkt der Abfassung . .
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II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Johann Christian von Boineburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Conrings Korrespondenz mit Boineburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Ausgangspositionen im Juni 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Johann Christian von Boineburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Hermann Conring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Erste Phase: Die Korrespondenz in der Zeit vom 1. Juni bis zum 12. August 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Boineburgs Brief vom 1. Juni 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Conrings Brief vom 10. Juni 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Boineburgs Briefe vom 18. Juni und 4. Juli 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Conrings Brief vom 5. Juli 1657 und Boineburgs Brief vom 13. Juli 1657
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e) Conrings Brief vom 25. Juli 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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f) Boineburgs Brief vom 8. August 1657 und Conrings Brief vom 12. August 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8
Inhaltsverzeichnis 5. Zweite Phase: Die Korrespondenz in der Zeit vom 23. August 1657 bis zum 28. Februar 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Boineburgs Briefe vom 23. August und vom 10. Oktober 1657 . . . . . . . . . . . .
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b) Conrings Brief vom 6. November 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Boineburgs Brief vom 17. November 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Conrings Brief vom 26. November 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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e) Boineburgs Briefe vom 8., 12. und 20. Februar 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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f) Conrings Brief vom 28. Februar 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Dritte Phase: Die Korrespondenz in der Zeit vom 5. Juni 1658 bis zum 30. August 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Boineburgs Brief vom 5. Juni 1658 und Conrings Brief vom 12. Juni 1658
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b) Boineburgs Brief vom 16. Juni 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Conrings Brief vom 30. August 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658) . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Aufbau, Inhalt und Argumentationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Die Ausgangslage der Kontroverse und deren Grundlagen (Kapitel I und II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Der Zusammenhang zwischen dem Vikariat und der Kurwürde (Kapitel III und IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Der Zusammenhang zwischen dem Vikariat und der Pfalzgrafschaft (Kapitel V und VI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Ergebnisse und Vorstellungen zur Streitbeilegung (Kapitel VII) . . . . . . . . . . .
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3. Einflüsse anderer Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Weitere Beiträge im Werk Conrings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Briefwechsel mit Boineburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Übriges Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. „Dissertatio de nomothetica seu recta legum ferendarum ratione“ (1663) und „Dissertatio de comitiis imperii Romano-Germanici“ (1666) . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. „De republica Romano-Germanica, Liber unus. Cum annotatis Hermanni Conringii“ (1671) und „Tractatus de republica Romano-Germanica“ (posthum veröffentlicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. „De statu Europae, ac imprimis Germanici imperii“ (posthum veröffentlicht) 106
Inhaltsverzeichnis
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E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. An den Höfen in Heidelberg und München verfaßte Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. „Kurtzer und summarischer Bericht“ und „Manifeste pour le Serenissime Prince Charles Louis“ sowie Çhur-Bayerischer Gegen-Bericht“, „Refutation du manifeste“ und „Refutatio solida“ (alle 1657) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Çhur-Pfältzische Ableinung“ und Çhur-Bayerische fernere Anzeigung“ (beide 1657) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Çhur-Pfältzische Abfertigung“ und „Endtliche abgenötigte Ablainung“ (beide 1658) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. „Schließliche Beantwortung“ (1662) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Weitere Streitschriften aus den Jahren 1657 und 1658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Sach- und Ortsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Abkürzungsverzeichnis ADB Art. Bayer. HStA München fol. HAB HRG IPM IPO Kap. ND NDB Nds. StA Wolfenbüttel r. Resp. v. V. ZRG GA
Allgemeine Deutsche Biographie Artikel Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Folio Herzog August Bibliothek zu Wolfenbüttel Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Instrumentum Pacis Monasteriense Instrumentum Pacis Osnabrugense Kapitel Nachdruck Neue Deutsche Biographie Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel recto Respondens verso Vers Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung
A. Einleitung Die vorliegende Arbeit untersucht Beiträge Hermann Conrings zur Reichsvikariatsfrage von 1657 und 1658, die ein Detail der Reichsverfassung zum Gegenstand hatte und zum Austragungsort einer kontroversen Diskussion in der Publizistik geworden ist. Auf das gesamte juristisch-historisch-politische Werk des Helmstedter Polyhistors gesehen, bildete die Vikariatsfrage gewiß keinen Schwerpunkt seiner Arbeit. Seine Beiträge hierzu sind, von seinen brieflichen Äußerungen abgesehen, Auftrags- und Gelegenheitsschriften, die ihn nur in einem engen zeitlichen Rahmen in Anspruch genommen haben. Dennoch ist die Herauslösung dieser Einzelfrage der Reichsverfassung besonders lohnend. Im 17. Jahrhundert schufen gerade verfassungsrechtliche Kontroversen, in denen es zwischen den Parteien zum Austausch rechtlich-politischer Schriften kam, ein sichtbares Aktionsfeld für den Typus des an der politischen Praxis interessierten Universitätsgelehrten, der mit Hilfe von Gutachten und Streitschriften die praktische Politik mitgestalten konnte. Diesem Typus entsprach insbesondere Conring, so daß Auftragsarbeiten dieser Art auch für ihn einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert hatten. Unter den verschiedenen Streitigkeiten, an denen Conring als Gutachter und Autor partizipierte, nimmt jedoch die Kontroverse um das rheinische Vikariat aus verschiedenen Gründen eine Sonderstellung ein. Anders als der Streit um das Krönungsrecht zwischen Kurköln und Kurmainz oder der sogenannte Lindauer Urkundenstreit, zu denen Conring ebenfalls Arbeiten beisteuerte, hatte die bayerisch-pfälzische Vikariatskontroverse eminente politische Konsequenzen, da der Streit während des Interregnums fast in einen militärischen Konflikt mündete und anschließend jahrzehntelang die Beziehungen beider Kurfürstentümer belastete. Deutlicher als manch andere verfassungsrechtliche Problematik der Zeit dürfte sie Conring die Fragilität der politischen Ordnung nach 1648 vor Augen geführt haben. Ein weiterer Grund, der für eine Untersuchung dieser Einzelfrage im Werk Conrings spricht, ist die vielversprechende Quellenlage, da Conring nicht nur mit dem Kurmainzer Minister Johann Christian von Boineburg über die Vikariatsfrage korrespondierte, sondern auch eine kurze Denkschrift und eine längere Streitschrift hierzu verfaßte. Von seiner übrigen beratenden und gutachterlichen Tätigkeit heben sich seine Beiträge zur Vikariatsfrage schließlich dadurch ab, daß er sich hier mit der Festlegung auf einen inhaltlichen Standpunkt schwer tat und seine Position mehrfach korrigierte, was die Forschung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erstaunt registriert und teils kritisch kommentiert hat.
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A. Einleitung
Obwohl die Conring-Forschung bereits vor zwanzig Jahren wesentliche Vorarbeit geleistet hat, fehlen nach wie vor monographische Darstellungen zu Conrings Leben und Werk, die modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Daran wird auch die vorliegende Arbeit nichts ändern, da sie statt der Gesamtschau eine Mikroperspektive wählt. Sie versteht sich als eine Detailstudie, die einen zeitlich und sachlich enggefaßten Werkausschnitt in den Blick nimmt, und verfolgt das Ziel, eine weitere Facette in Conrings umfangreichem und komplexem Schaffen auf den Gebieten der Historie, des Rechts und der Politik zu erschließen. Sie soll seine Seh- und Arbeitsweise beleuchten und leitende Prinzipien seines staatsrechtlich-politischen Denkens in bislang vernachlässigten Arbeiten, abseits seiner Hauptwerke, freilegen. Mit der Sichtung und Auswertung seiner Korrespondenz mit Boineburg erfüllt sie dabei im Rahmen der Themenstellung ein Desiderat der Forschung, das Michael Stolleis schon 1983 vorgebracht hat. Nach einer Annäherung an Conring und sein Werk, an das Reichsvikariat und den darum geführten Streit werden Conrings Beiträge zur Vikariatsfrage im einzelnen dargelegt, untersucht und gewürdigt. Daran schließt sich eine Einordnung seiner Aussagen sowohl vor dem Hintergrund des übrigen Werkes als auch vor dem der zeitgenössischen Literatur an. In einem ersten Schritt wird anhand späterer Arbeiten Conrings aufgezeigt, wie er selbst nach 1658 mit der Vikariatsfrage umgegangen ist, bevor in einem zweiten Schritt das Umfeld seiner Beiträge von 1657 und 1658 rekonstruiert wird.
B. Hermann Conring, das Reichsvikariat und der Vikariatsstreit I. Leben und Wirken Hermann Conrings1 „Tu fessis patriae promptus succurrere rebus, Novisti eloquio consiliisque potens. Germani, Sueci, Dani, Gallique potentes Rectores pectus consuluere tuum. Et tua scripta tuam tollunt ad sidera famam, Quae quoque posteritas omnis in ore feret.“2 (Johann Eichels Nachruf auf Hermann Conring)
Hermann Conring kam am 9. November 1606 in Norden (Ostfriesland) als Sohn des lutherischen Pastors Hermann Conring und dessen Frau Galathea, geborene Copin, zur Welt. Nach dem Besuch der Lateinschule in Norden immatrikulierte sich der erst 13jährige Conring 1620 an der Academia Julia in Helmstedt. In seinen ersten Studienjahren beeinflußten ihn vor allem der Aristoteliker und Humanist Cornelius Martini und der Gräzist und Historiker Rudolf Diepholt. Da Conrings Eltern infolge des Krieges in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren, mußte Conring 1623 sein Studium abbrechen und nach Ostfriesland zurückkehren. Erst ein Stipendium, zu dem ihm der Helmstedter Theologe Georg Calixt3 (1586 – 1656) verholfen hat1 Angaben zu Leben und Werk Conrings finden sich bei H. Breßlau, ADB (Band 4), S. 446 ff.; Stintzing / Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft (Abt. 2), München und Leipzig 1884, S. 165 ff.; E. v. Moeller, Hermann Conring, der Vorkämpfer des deutschen Rechts, Hannover 1915; E. Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 4. durchgearbeitete und ergänzte Auflage, Tübingen 1963, S. 220 – 252; E. Döhring, NDB (Band 3), S. 342 f.; Hermann Conring (1606 – 1681). Ein Gelehrter der Universität Helmstedt, Ausstellungskataloge der HAB Nr. 33, Wolfenbüttel 1981; M. Stolleis (Hg.), Hermann Conring (1606 – 1681). Beiträge zu Leben und Werk, Berlin 1983; B. Pahlmann, Hermann Conring, in: G. Kleinheyer / J. Schröder (Hg.), Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4. Auflage, Heidelberg 1996, S. 99 – 102. 2 Zitiert nach J.W. Goebel (Hg.), De Hermanno Conringio, ejusque scriptis doctorum virorum judicia & testimonia, Operum tomus I, S. XXXIII. Johann Eichel Edler von Rautenkron war ein Helmstedter Rechtsgelehrter und Zeitgenosse Conrings. 3 Zu Calixt E. L. Th. Henke, Georg Calixtus und seine Zeit, 2 Bände, Halle 1853 – 60; I. Mager, Georg Calixts theologische Ethik und ihre Nachwirkungen, Göttingen 1969; dies., Hermann Conring als theologischer Schriftsteller – insbesondere in seinem Verhältnis zu Georg Calixt, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 55 – 84.
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B. Hermann Conring, das Reichsvikariat und der Vikariatsstreit
te, ermöglichte es ihm, sein Studium 1626 in Leiden wieder aufzunehmen und bis 1631 fortzusetzen. Hatte Conring in Helmstedt vor allem Philosophie und Philologie studiert, so nahm er an der liberalen Leidener Universität Theologie, Medizin und die Naturwissenschaften hinzu. Ein Angebot, in Paris als Arzt der dort ansässigen Deutschen zu praktizieren, schlug Conring 1631 aus. Statt dessen trat er als Erzieher in die Dienste des braunschweigischen Kanzlers Arnold Engelbrecht4 (1583 – 1638), in der Hoffnung, bald als Professor an die braunschweig-lüneburgische Landesuniversität in Helmstedt zurückzukehren. Schon 1632 wurden Conring zwei Professuren an der Julius-Universität übertragen, neben der von ihm anvisierten Professur für Naturphilosophie auch die der Rhetorik. Er amtierte seit 1637 als Professor der Medizin und trat 1650 zusätzlich eine Professur für Politik an. Der Politikwissenschaftler Conring knüpfte aber auch Verbindungen zur praktischen Politik, die mit den Jahren zahlreich wurden und europäische Ausmaße erreichten. 1649 ernannte ihn Juliane von Ostfriesland zu ihrem Leibarzt und Geheimrat, 1650 wurde er Leibarzt der schwedischen Königin Christine, deren Nachfolger König Karl X. Gustav ihn acht Jahre später ebenfalls als Leibarzt berief. 1658 forderte der schwedische Hof Conring sogar dazu auf, Helmstedt zu verlassen und ganz in schwedische Dienste zu wechseln.5 Daneben ergaben sich über Conrings früheren Schüler, den Mainzer Oberhofmarschall Johann Christian von Boineburg (1622 – 1672), Kontakte nach Mainz und zum französischen Hof, der Conring jahrelang mit Gratifikationen bedachte.6 Conrings Landesherren, unter ihnen vor allem der gebildete und bibliophile Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel7 (1579 – 1666), nahmen ihn seit seiner Ernennung zum Hofrat von Haus aus 1660 immer öfter als Ratgeber in Anspruch, und 1670 wurde Conring auch noch zum dänischen Staatsrat ernannt. Sieht man von der Wahrnehmung administrativer Aufgaben bei seinen Aufenthalten in Ostfriesland ab, erschöpfte sich Conrings politisches Wirken in Denkschriften und Gutachten, mit denen er in publizistische Auseinandersetzungen ein4 Zu dem Caselius-Schüler Engelbrecht siehe Ch. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Zweyter Theil, Leipzig 1750, Sp. 346; H. Dreitzel, Protestantischer Aristotelismus und Absoluter Staat. Die „Politica“ des Henning Arnisaeus (ca. 1575 – 1636), Wiesbaden 1970, S. 46 f., 98; G. Scheel, Hermann Conring als historisch-politischer Ratgeber, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 278. 5 D. Willoweit, Hermann Conring, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 3. Auflage, München 1995, S. 129 – 147 (131). Vgl. auch H. Droste, Hermann Conring und Schweden – eine vielschichtige Beziehung, in: Ius Commune XXVI, Frankfurt am Main 1999, S. 337 – 362. 6 Zu Conrings Beziehungen nach Frankreich C. Fasolt, From Helmstedt via Mainz to Paris, Hermann Conring and Hugues de Lionne, in: G. C. Bond (Hg.), Proceedings of the Annual Meeting of the Western Society for French History, 16, Auburn 1989, S. 126 – 134. 7 Vgl. Sammler, Fürst, Gelehrter. Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579 – 1666, Ausstellungskataloge der HAB Nr. 27, Wolfenbüttel 1979.
I. Leben und Wirken Hermann Conrings
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griff oder die praktisch tätigen Politiker beriet. Seine Möglichkeiten, Einfluß auf deren Entscheidungen zu nehmen, waren aber gering, und selbst wenn es „einen Geist dieser Art (gelockt hat), nicht nur vom Katheder und Studierzimmer aus zu wirken, sondern (wenigstens mittelbar) als Politiker Geschichte mitzugestalten“ 8, hielt sich sein Anteil an der großen Politik in engen Grenzen.9 Conring, der nach eigener Einschätzung aus dem Jahr 1658 der mußevollen, dem Schriftstellerischen gewidmeten Zeit den Vorzug gab („qui malit frui tranquillo otio literario“)10, nahm dies bewußt in Kauf, da er andernfalls das akademische Gelehrtenleben hätte opfern müssen.11 In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschränkte er sich nicht auf die ihm mit den Professuren übertragenen Fächer, sondern ließ seinen universellen Interessen und seiner weitgreifenden Begabung Lauf. Indem er immer wieder althergebrachte Argumente und Überzeugungen auf den Prüfstein wissenschaftlicher Kritik zerrte und zugleich neuen wissenschaftlichen Ansätzen frei von Vorurteilen gegenübertrat, wurde er dabei auf den verschiedenen Feldern seines Wirkens zu einem Schrittmacher des Fortschritts. Geprägt von der elementaren Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges, setzte er sich etwa in der theologischen Diskussion zeit seines Lebens für einen Ausgleich zwischen den Konfessionen im Sinne der Helmstedter Irenik ein.12 In der Medizin unterstützte er als erster namhafter Wissenschaftler Kontinentaleuropas William Harveys (1578 – 1657) wegweisende Lehre vom Blutkreislauf.13 Die Grundlagen der Statistik als wissenschaftlicher Disziplin wurden durch Conrings Arbeiten gelegt,14 und in seinem Gutachten im Rahmen des Lindauer Urkundenstreits formulierte er verbindliche Grundsätze der modernen Urkundenkritik.15 Daneben begründeten die drei Werke „De origine iuris Germanici“ (1643), „De Germanorum Imperio Romano“ (1644) und „De finibus Imperii GerE. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 232. M. Stolleis, Die Einheit der Wissenschaften, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 24. 10 Brief Conrings vom 20. August 1658 an Johann Christian von Boineburg, in: J. D. Gruber, Commercium epistolicum Leibnitianum, Band I, S. 300. 11 Willoweit, Hermann Conring, in: Staatsdenker in der frühen Neuzeit, S. 131. 12 M. Stolleis, Hermann Conring, in: ders. (Hg.), Juristen: ein biographisches Lexikon; von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 2001, S. 141 f. (142); I. Mager, Hermann Conring als theologischer Schriftsteller – insbesondere in seinem Verhältnis zu Georg Calixt, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 55 ff. 13 Stolleis, in: Juristen: ein biographisches Lexikon, S. 141 f. (142). E. Rosner, Hermann Conring als Arzt und als Gegner Hohenheims, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 87 – 120. 14 A. Seifert, Conring und die Begründung der Staatenkunde, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 201 – 214. 15 H.-J. Becker, Hermann Conring, in: HRG (Band 1), Sp. 633 f. (634); ders., Diplomatik und Rechtsgeschichte. Conrings Tätigkeit in den Bella Diplomatica um das Recht der Königskrönung, um die Reichsfreiheit der Stadt Köln und um die Jurisdiktion über die Stadt Lindau, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 335 – 353. 8 9
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manici“ (1654) Conrings Ruf, der Vater oder einer der Väter der deutschen Rechtsgeschichte gewesen zu sein, jedenfalls aber „die Rechtsgeschichte in den Rang einer historisch-kritischen Disziplin (gehoben)“16 zu haben.17 Conrings Eintreten war maßgebend für die Machiavelli-Rezeption im 17. Jahrhundert,18 und seinen „Beiträgen zur Lehre von der Staatsräson und Souveränität ( . . . ) im deutschen Reich bis zum späten 17. Jahrhundert (läßt sich) nur wenig Gleichwertiges zur Seite stellen“19. Conring starb am 12. Dezember 1681 in Helmstedt. Hatten Conrings Zeitgenossen dessen enorme Begabung und universales Wissen vielfach und ausdrucksstark bewundert, so gerieten er und sein Werk nur wenige Jahrzehnte nach seinem Tod in Vergessenheit. Zwar hatte Johann Wilhelm Goebel 1730 in sechs Folio-Bänden die politischen, historischen und juristischen Werke Conrings herausgegeben und mit einem Registerband erschlossen.20 Indem die medizinisch-naturwissenschaftlichen und theologischen Arbeiten jedoch von der Veröffentlichung ausgenommen wurden und das Gesamtwerk so aufgespaltet wurde, schob Goebels Edition die Vorstellung von einer „Einheit der Wissenschaften“21 beiseite, die das Werk des Helmstedter Polyhistors zusammengehalten und ausgezeichnet hatte. Als 1745 Johann Daniel Gruber einen Teil der Korrespondenz zwischen Conring und Boineburg veröffentlichte,22 stand Conring längst im Schatten eines anderen Universalgelehrten, des vierzig Jahre jüngeren Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), und auch für Gruber war Conrings Briefwechsel mit Boineburg nur noch als Auftakt einer großangelegten, später aber nicht mehr zustandegekommenen Leibniz-Ausgabe von Interesse. Erst im späten 19. Jahrhundert setzte unter veränderten Vorzeichen eine Renaissance in der Auseinandersetzung mit Conring ein: Otto Stobbe würdigte ihn in seiner Breslauer Rektoratsrede vom 15. Oktober 1869 als den „Begründer der deutschen Rechtsgeschichte“23 und leiteStolleis, in: Juristen: ein biographisches Lexikon, S. 141 f. (142). K. Kossert, Hermann Conrings rechtsgeschichtliches Verdienst, Köln 1939; K. Luig, Conring, das deutsche Recht und die Rechtsgeschichte, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 355 – 395. 18 M. Stolleis, Machiavellismus und Staatsräson: Ein Beitrag zu Conrings politischem Denken, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 173 – 199. 19 Willoweit, Hermann Conring, in: Staatsdenker in der frühen Neuzeit, S. 129. Vgl. auch G. Lenz, Hermann Conring und die deutsche Staatslehre des 17. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 81 (1926), 128 – 153; W. Lang, Staat und Souveränität bei Hermann Conring, jur. Diss. München 1970 sowie E. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 236 ff. 20 Johann Wilhelm Goebel, Hermanni Conringii operum tomi I-VII, Braunschweig 1730 (ND Aalen 1970 – 1973). 21 Vgl. M. Stolleis, Die Einheit der Wissenschaften – Hermann Conring (1606 – 1681), in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 11 – 31. 22 Johann Daniel Gruber, Commercium epistolicum Leibnitianum, 2 Bände, Hannover und Göttingen 1745. 23 O. Stobbe, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1870. 16 17
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te in der Rechtswissenschaft eine bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts bestimmende Rezeption des Werkes ein, die die Arbeiten zum Ursprung des deutschen Rechts als verdienstvolle Leistungen um die deutsche Nation begriff. 1915 folgte eine erste biographische Skizze, in der Ernst von Moeller bereits im Untertitel Conring auf den „Vorkämpfer des deutschen Rechts“24 reduzierte. Leben und Werk Hermann Conrings sind heute einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. In den verschiedenen Fachdisziplinen, in denen er wirkte, sind seine wissenschaftlichen Leistungen dennoch präsent. Dies dokumentieren die in dem Sammelband „Hermann Conring (1606 – 1681). Beiträge zu Leben und Werk“ zusammengestellten Beiträge eines interdisziplinären Symposions von 1981 in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, mit denen eine Annäherung an Leben und Werk von verschiedenen Fachrichtungen her geleistet und die Einordnung seines Werkes auf eine neue Grundlage gestellt wurde.
II. Reichsvikariat und Vikariatsstreit25 „Intercedunt quoque singulis Ordinibus non paucae invicem aemulationes et controversiae, quae et ipsae totius corpori vires non parum convellunt. (. . . ) Inter domum Palatinam et Bavaricam praeter antiquum odium controversia super vicariatu Imperii agitatur nescio quomodo finienda, cum illa iure, haec potentia nitatur.“26 (Samuel Pufendorf über den Vikariatsstreit)
Als Kaiser Ferdinand III. im April 1657 starb, fehlte ein gewählter römischer König, der die Nachfolge des Kaisers hätte antreten können. War der zunächst vor24 E. v. Moeller, Hermann Conring, der Vorkämpfer des deutschen Rechts, Hannover 1915. 25 Zum Reichsvikariat und zum Vikariatstreit der Jahre 1657 / 1658 vor allem J. J. Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7 (Kap. 141 – 144), Teil 8 (Kap. 145 – 154), Teil 32 (Kap. 160), Leipzig und Ebersdorf i.V. 1742 ff.; ders., Neues teutsches Staats-Recht, Band 2 (Kap. 13), Frankfurt am Main 1767; K. Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites (Zwei Jahre reichsständischer Politik), in: K. v. Reinhardstöttner (Hg.), Forschungen zur Geschichte Bayerns, VII. Band, Berlin 1899, S. 165 – 244; W. Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland. Reichsvikare nach dem Tode des Kaisers von der Goldenen Bulle bis zum Ende des Reiches, Karlsruhe 1968; W. Lammers, Reichsvikariat, in: HRG (Band 4), Sp. 807 – 810. 26 S. de Monzambano, De statu Imperii Germanici, Caput VII. De viribus et morbis Imperii Germanici. § 10, 1667; zitiert nach: H. Denzer (Hg.), Samuel von Pufendorf. Die Verfassung des Deutschen Reiches, Frankfurt am Main / Leipzig 1994, S. 232. Die Übersetzung des Zitats bei Denzer lautet: „Zwischen den einzelnen Ständen bestehen ebenfalls viele Rivalitäten und Kontroversen, die die Macht des ganzen Reichskörpers nicht wenig erschüttern. ( . . . ) Zwischen der Kurpfalz und Bayern ist zu der alten Feindschaft ein neuer Streit um das Reichsvikariat hinzugekommen, von dem niemand weiß, wie er beendet werden soll, da auf Pfälzer Seite das Recht, auf der Seite Bayerns die Macht ist.“ (S. 233)
2 von Arnswaldt
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gesehene ältere Sohn Ferdinand IV., 1653 zum römischen König gewählt, schon im Juli 1654 gestorben, so kam zu Lebzeiten des Kaisers eine Wahl seines minderjährigen Sohnes Leopold Ignatz27 (1640 – 1705) noch nicht in Betracht. Bis zur Kaiserwahl Leopolds im August 1658 vergingen mehr als 16 Monate, in denen der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria28 (1636 – 1679) und der Pfälzer Kurfürst Karl Ludwig29 (1617 – 1680) um das rheinische Reichsvikariat stritten und ihr Streit das Reich in Atem hielt. Wiederholt gerieten die streitenden Parteien in der Zeit des Interregnums sogar an den Rand einer militärischen Eskalation, so daß die Kontroverse um das Vikariat fast zehn Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zu einer Belastungsprobe für die neue Friedensordnung wurde. Ferdinand Maria und Karl Ludwig trugen ihren Streit auf unterschiedlichen Ebenen aus. Sie veröffentlichten ihre Vikariatspatente, mit denen sie die Übernahme der Reichsverwesung anzeigten, stritten um die Ausfertigung der Reichskammergerichtsentscheidungen, warben um die Anerkennung der übrigen Kurfürsten und der Reichsstände und schmiedeten im Reich und mit dem Ausland Allianzen. Die politischen und diplomatischen Anstrengungen wurden von einer leidenschaftlich geführten publizistischen Kontroverse flankiert, nachdem Karl Ludwig im Mai 1657 eine erste anonyme Abhandlung veröffentlichen ließ, um das von ihm behauptete Vikarsrecht zu bekräftigen. Diese Abhandlung war der Auftakt zu einer Reihe von Schriften und Entgegnungen beider Parteien, in denen diese jeweils versuchten, die gegnerische Position zu widerlegen und die Rechtmäßigkeit des eigenen Anspruchs zu begründen. Mit dem rheinischen Reichsvikariat war Gegenstand des Streits eine Einrichtung der Reichsverfassung, die seit Jahrhunderten den Pfalzgrafen bei Rhein zugestanden hatte. Diese hatten in der südlichen Hälfte des Reichs als Reichsvikare oder Reichsverweser regiert, wenn der Thron vakant war, also in der Zeit eines Interregnums (Vicariatus vacante imperio).30 Zu Lebzeiten eines Kaisers hatte dieser dagegen selbst bestimmen können, wer ihn bei Abwesenheit vom Reich mit welchen Kompetenzen vertrat (Vicariatus vivente imperatore).31 Wenn auch die Ursprünge jedenfalls des pfälzischen Vikariats vor dem 14. Jahrhundert la27 Zum späteren Kaiser Leopold I. siehe A. Schindling, Leopold I., in: A. Schindling / W. Ziegler (Hg.), Die Kaiser der Neuzeit: 1519 – 1918; Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland, München 1990, S. 169 – 185; V. Press, NDB (Band 14), S. 256 – 260. 28 Zu Ferdinand Maria S. Riezler, Geschichte Baierns, Band VII, 14. Buch, Gotha 1913; H. Scherer, NDB (Band 5), S. 86 f. 29 Zur Biographie K. Hauck, Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz, Leipzig 1903; Fuchs, NDB (Band 11), S. 246 – 249. 30 Hermkes, Reichsvikariat, S. 3, definiert Reichsvikare als diejenigen, die „an Stelle des römischen Königs oder Kaisers das deutsche Reich eine Zeitlang regierten“. Ähnlich bereits Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 415. 31 Zur Abgrenzung des Vikariats vacante imperio vom Vikariat vivente imperatore H. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte. Band I: Frühzeit und Mittelalter, 2. Auflage, Karlsruhe 1962, S. 226 f.; Hermkes, Reichsvikariat, S. 3 f.
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gen,32 so erhielt die Einrichtung der Reichsverwesung erst in den Bestimmungen der Goldenen Bulle von 1356 ihre rechtliche Ausformung.33 Kap. V 1 der Goldenen Bulle sah vor, daß der Pfalzgraf bei Rhein und der sächsische Herzog bei Thronerledigung als Vikare amtierten, steckte die Grenzen der Vikariatsbezirke ab und listete die Kompetenzen der Ämter auf.34 Wie der Herzog von Sachsen und Reichserzmarschall dort, wo sächsisches Recht galt, so sollte der Pfalzgraf bei Rhein, der Erztruchseß des Reichs, in den Rheinlanden, in Schwaben und im Gebiet des fränkischen Rechts „racione principatus seu comitatus Palatini privilegio“ Reichsvikar sein und als solcher Gewalt haben, „iudicia exercendi, ad beneficia ecclesiastica presentandi, recolligendi redditus et proventus et investiendi de feudis, iuramenta fidelitatis vice et nomine sacri imperii recipiendi“.35 Nach der Wahl des römischen Königs sollten allerdings die Amtshandlungen der Vikare durch den König bestätigt werden und vor diesem die den Vikaren geleisteten Eide erneuert werden. Beschränkt waren die Kompetenzen der Vikare dadurch, daß die Vergabe von Fürsten- und Fahnenlehen sowie die Veräußerung oder Belastung von Reichsgut explizit untersagt waren. Mit dem Argument, daß der in der Goldenen Bulle aufgeführte Katalog von Kompetenzen nicht abschließend sei,36 gelang den Vikaren im Verlauf der Jahrhunderte eine Ausweitung ihrer Zuständigkeiten, und während manches in der Goldenen Bulle verbriefte Recht in der Verfassungswirklichkeit seine Bedeutung einbüßte, zogen die Vikare mit der Zeit neue, ursprünglich dem König vorbehaltene Kompetenzen an sich, indem sie zum Beispiel Standeserhöhungen, Legitimationen oder Privilegien erteilten.37 Als der bayerische und der pfälzische Kurfürst 1657 und 1658 um das Reichsvikariat stritten, kämpf32 So für das kurpfälzische Vikarsrecht übereinstimmend die ältere und jüngere Forschungsliteratur, vgl. Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 426 f.; H. Triepel, Das Interregnum. Ein staatsrechtliche Untersuchung, Leipzig 1892, S. 25; H. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte (Band I), S. 226; Hermkes, Reichsvikariat, S. 7. Bezogen auf das Alter des kursächsischen Rechts herrscht Uneinigkeit, vgl. einerseits A. Werminghoff, Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle, in: ZRG GA Band 36 (1915), S. 275 – 290 (281), und H. Triepel, Das Interregnum, S. 27, andererseits Hermkes, Reichsvikariat, S. 11 m. w. N. 33 Zur Goldenen Bulle K. Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. Erster Teil: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle; Zweiter Teil: Text der Goldenen Bulle und Urkunden zu ihrer Geschichte und Erläuterung, Weimar 1908; A. Wolf, Das „Kaiserliche Rechtsbuch“ Karls IV. (sogenannte Goldene Bulle), in: Ius Commune II, Frankfurt am Main 1969, S. 1 – 32; ders., Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift / Kommentar, Graz 1977 mit umfangreichen bibliographischen Hinweisen; A. Laufs, Goldene Bulle, in: HRG (Band 1), Sp. 1739 – 1746. Speziell zum fünften Kapitel A. Werminghoff, Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle, in: ZRG GA Band 36 (1915), S. 275 – 290; Hermkes, Reichsvikariat, S. 5 – 23. 34 K. Zeumer, Goldene Bulle, 1. Teil, S. 33 f. Verkürzend v.Aretin, Das Alte Reich 1648 – 1806, Band 1, Stuttgart 1993, S. 97, wonach die Goldene Bulle den Zuständigkeitsbereich der Vikare „praktisch auf alle Befugnisse des Kaisers ausgedehnt“ habe. 35 Zitiert nach K. Zeumer, Quellensammlung, 2. Auflage, Tübingen 1913, Nr. 148 S. 199. 36 W. Burgdorf, Reichskonstitution und Nation, Mainz 1998, S. 356. 37 H. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte. Band II: Neuzeit bis 1806, Karlsruhe 1966, S. 70 f.
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ten sie damit nicht um eine protokollarische Rangstelle, sondern um ein Amt mit zahlreichen Kompetenzen, die dem Amstinhaber beträchtliche Einkünfte sicherten.38 1657 war das Reichsvikariat nicht zum ersten Mal zum Zankapfel zwischen Bayern und der Kurpfalz geworden. Schon 1520 hatten sich die bayerischen Herzöge Wilhelm und Ludwig der Rechtsprechung des pfälzischen Vikariats-Hofgerichts widersetzt, das der rheinische Vikar Kurfürst Ludwig von der Pfalz 1519 erstmals errichtet hatte, und auch 1612 machte Maximilian von Bayern39 die Exemtion seines Landes vom pfälzischen Vikariat geltend und forderte dadurch den Widerspruch des kurpfälzischen Administrators heraus.40 Neben der Kontroverse Marquard Frehers (1565 – 1614) und Christoph Gewolds (1556 – 1621) um die Pfälzer Kurwürde41 kam es nach 1614 zu einem ersten publizistischen Disput um die Frage des kurpfälzischen Vikarsrechts,42 in dem die kurpfälzischen Autoren den Anspruch ihres Kurfürsten auf das Vikariat verteidigten und die bayerische Seite eine Festlegung durch die Reichsverfassung verneinte. Nach dem Westfälischen Frieden43 erreichte der Streit um das Vikariat, verglichen mit den früheren Auseinandersetzungen, eine neue Qualität. Denn umstritten 38
H. Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, München 1997, S. 26.
H. Glaser (Hg.), Um Glauben und Reich – Kurfürst Maximilian I. (Ausstellungskatalog und Begleitband), München 1980; D. Albrecht, Maximilian I. von Bayern (1573 – 1651), München 1998. 39
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Hermkes, Reichsvikariat, S. 16, 45, 52.
Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 428; B. Schwan, Das juristische Schaffen Marquard Frehers (1565 – 1614), Speyer 1984, S. 53 – 69; M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Band 1, München 1988, S. 130 m. w. N. Zu Gewold A. Dürrwächter, Christoph Gewold: Ein Beitrag zur Gelehrtengeschichte der Gegenreformation und zur Geschichte des Kampfes um die Kur, Freiburg i. Br. 1904; D. Albrecht, NDB (Band 6), S. 355. Zu Freher siehe auch Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft (Abt. 1), München und Leipzig 1880, S. 680 – 682; Fuchs, NDB (Band 5), S. 392 f. 41
42 Jeweils anonym erschienen: Von deß Heiligen Römischen Reichs, der Churfürstlichen Pfaltz zustehendem Vicariat, Kurtzer Bericht: Auß gewissen Ursachen nothwendig in Truck gegeben, Heidelberg 1614; Kurtzes Gegen-Bedencken und Bericht von der Churfürstlichen Pfaltz Vicariatsgerechtigkeit, o.O. 1614; Rettung des Chur-Pfältzischen Vicariats wider eine Schmähschrift, intituliert: Kurtzes Gegenbedencken und Bericht von der Churf. Pfältz. Vicariatsgerechtigkeit, Heidelberg 1615; Wolgegründte Widerlegung vermeinter Haidelbergischer Rettung des ChurPfältzischen Vicariats, Ingolstadt 1615. 43 Zum Westfälischen Frieden siehe J. S. Pütter, Geist des Westphälischen Friedens, Göttingen 1795; ders., Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, 3. Auflage, Göttingen 1798, S. 49 – 254. F. Dickmann, Der Westfälische Frieden, 7. Auflage, Münster 1998; E. W. Zeeden, § 48. Der Westfälische Friede 1648, M. Braubach, § 62. Deutschland zur Zeit des Westfälischen Friedens, sowie G. Oestreich, § 96. Verfassungsrechtliche Bestimmungen im Westfälischen Frieden, in: Gebhardt (Band 2); K. Bußmann / H. Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, Ausstellungskatalog zur 26. Europaratsausstellung, München 1998; A. Schindling, Westfälischer Frieden, in: HRG (Band 5), Sp. 1302 – 1308; D. Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 4. Auflage,
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waren 1657 und 1658 nicht mehr die bayerische Exemtion vom pfälzischen Vikariat oder der durch die Reichsverfassung verbürgte Anspruch eines Kurfürsten von der Pfalz auf das Vikariat. Vielmehr beanspruchte nach dem Tod Kaiser Ferdinands III. der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria das rheinische Vikariat für sich und berief sich dazu auf die Bestimmungen der Friedensinstrumente, nach denen die zuvor pfälzische Kur samt allen dazugehörigen Rechten auf ihn übergegangen war. Neben Ferdinand Maria konnte sich aber auch Karl Ludwig auf die Bestimmungen des Friedens zur Herleitung seines Anspruchs stützen. Der pfälzisch-bayerische Problemkomplex, die sogenannte Causa Palatina, war in Art. IV IPO geregelt. Art. IV § 1 IPO bekräftigte die Geltung des umfassenden Restitutionsgebots als Ausfluß der allgemeinen Amnestie und leitete zugleich zu Durchbrechungen des Grundsatzes über, an deren Spitze Art. IV § 2 IPO die Causa Palatina nannte.44 Art. IV §§ 3 – 6, 9 IPO legten im einzelnen den Übergang der früheren pfälzischen Kurwürde und weiterer Rechte auf Kurbayern fest und steckten den Umfang der Restitution ab, in deren Genuß Pfalzgraf Karl Ludwig kam. Nach Art. IV § 3 IPO sollte die fünfte Kurwürde, die früher den Pfälzer Kurfürsten zugestanden hatte, zusammen mit allen Regalien, Ämtern, Vorzugsrechten, Wappen und Rechten aller Art, die mit der Kurwürde zusammenhingen, ohne Ausnahme bei Maximilian von Bayern, seinen Nachkommen und Nachfolgern aus der Wilhelmischen Linie verbleiben. Daneben wurde die Übertragung der Oberpfalz und der Grafschaft Cham, ebenfalls mit allen dazugehörigen Rechtspositionen, auf die Wilhemische Linie Maximilians sanktioniert. Anders als 1623, als Kaiser Ferdinand II. ausschließlich den bayerischen Herzog Maximilian persönlich mit der Kur belehnt hatte, sahen die Regelungen des Friedens 1648 damit eine erbliche Rechtsnachfolge der bayerischen Wittelsbacher vor, wie Ferdinand II. sie erstmals in seinem Lehnsbrief von 1628 zugesichert hatte.45 Als Gegenleistung mußte der bayerische Kurfürst gemäß Art. IV § 4 IPO in vollem Umfang für sich und seine Nachfolger den Verzicht auf Forderungen, die München 2001, § 21. Verfassungsfragen im Dreißigjährigen Krieg und die Neuordnung des Westfälischen Friedens 1648. §§ des Art. IV IPO sind übersetzt bei H. H. Hofmann, Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation: 1495 – 1815, Darmstadt 1976, Nr. 34 S. 169 ff. (171, 173). 44 Pütter, Geist des Westphälischen Friedens, Göttingen 1795, S. 268 f. weist auf die Durchbrechung der Amnestie durch die Bestimmungen des Art. IV IPO hin. Karl Ludwig habe als Erbe des 1621 geächteten Friedrichs V. von der Pfalz „von Rechts wegen ( . . . ) vermöge der Amnestie von 1618. her in allem dem, was seinem Vater erst währenden Krieges genommen worden war, vollständig (hätte) hergestellt werden sollen“. Der Wiedereintritt der Religionsgleichheit sowie die drohende Inanspruchnahme Österreichs durch Bayern hätten aber nicht nur Österreichs und Bayerns Widerstand auf den Plan gerufen, sondern die Opposition aller katholischen Mächte und Reichsstände herausgefordert. 45 Riezler, Geschichte Baierns, Band V, S. 316; Mitteis / Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 19. Auflage, München 1992, S. 352.
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B. Hermann Conring, das Reichsvikariat und der Vikariatsstreit
ihm aus seinen Kriegskosten gegen den Kaiser zustanden und die auf 13 Millionen Reichstaler taxiert wurden, und auf seine Ansprüche gegen Oberösterreich erklären. Unmittelbar nach der Bekanntmachung des Friedensschlusses sollten alle Dokumente, aus denen sich die Ansprüche Maximilians ergaben, dem Kaiser ausgehändigt werden und von diesem kassiert und annulliert werden. In Art. IV § 5 IPO wurde zur Wahrung der öffentlichen Ruhe eine achte Kur eingerichtet, die Karl Ludwig von der Pfalz, seinen Erben und Agnaten der ganzen Rudolfischen Linie zustehen sollte und die nach den in der Goldenen Bulle niedergelegten Grundsätzen vererbt werden sollte. Ebenfalls in Art. IV § 5 IPO war festgehalten, daß Karl Ludwig und seine Nachfolger keinen Anspruch auf die dem Hause Bayern mit der Kurwürde zugewiesenen Positionen außer der Gesamtbelehnung hatten. Auf die Linie Karl Ludwigs fiel jedoch gemäß Art. IV § 6 IPO die Unterpfalz samt allen geistlichen und weltlichen Gütern und Rechten, die die pfälzischen Kurfürsten vor den böhmischen Unruhen genossen hatten, zurück. Erlosch die bayerische Linie im Mannesstamme, dann sollten nach Art. IV § 9 IPO die Oberpfalz und die fünfte Kurwürde wieder auf die zur gesamten Hand belehnten Pfälzer übergehen, deren achte Kurwürde in diesem Fall getilgt werden sollte. Nicht genannt war in Art. IV IPO das Reichsvikariat,46 das Ferdinand II. zu Kriegszeiten bei der Belehnung Maximilians mit der Pfälzer Kur 1623 ausdrücklich mitübertragen hatte47 und das auch 1628 und 1638 in den erneuerten Lehnsbriefen erwähnt war.48 Die Regelungslücke, die nach 1648 bezogen auf das Reichsvikariat bestand, ließ sich auf unterschiedlichen Wegen schließen. Begriff man wie Ferdinand Maria das Amt des Reichsvikars als Annex der Kurwürde, dann mußte das Vikariat nach Art. IV § 3 IPO zusammen mit der Kur auf den bayerischen Kurfürsten übertragen sein. Wenn man jedoch wie Karl Ludwig einen Zusammenhang zwischen dem Reichsvikariat und der Kurwürde bestritt und davon ausging, das Vikarsamt habe den Kurfürsten als Pfalzgrafen zugestanden, so folgte aus der in Art. IV § 6 IPO angeordneten Restitution eine Wiedereinsetzung des Pfälzers in das Vikariat, das dem Vater Karl Ludwigs, Friedrich V. von der Pfalz, bei seiner Ächtung aberkannt worden war. Obwohl die Vikariatsproblematik also im Westfälischen Frieden angelegt war, schenkten die bayerische und die pfälzische Seite ihr unmittelbar nach 1648 noch 46 J. S. Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reiches, Zweyter Theil, 3. Auflage, Göttingen 1798, S. 256; Hermkes, Reichsvikariat, S. 55, spricht demgegenüber lediglich davon, daß „diese Belehnung aufrechterhalten“ wurde, und geht nicht auf die fehlende Erwähnung des Vikariats ein. 47 Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 428; Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reiches, Zweyter Theil, 3. Auflage, Göttingen 1798, S. 256. 48 Vgl. J. Ch. Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, und zwar pars specialis ( . . . ), S. 88. Dazu auch ein Hinweis bei Hermkes, Reichsvikariat, S. 55.
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keine Beachtung. Daran änderte sich auch nichts, als 1652 die achte Kurwürde des Pfälzers mit dem neu geschaffenen Amt des Erzschatzmeisters verbunden wurde49 und der Kaiser die Belehnung des Bayern mit der Kur und dem Erztruchsessenamt – wiederum ohne Hinweis auf das Vikarsamt – erneuerte.50 In den Vordergrund rückte die Frage des rheinischen Vikariats erst, als nach dem Tod Ferdinands III. beide Kurfürsten nach dem Amt griffen. War der Dreißigjährige Krieg „über weite Strecken ( . . . ) ein gigantischer Verfassungskonflikt“,51 so ließen die Regelungen des Friedens verfassungsrechtliche Fragen wie die des rheinischen Reichsvikariats offen, die zum Ausgangspunkt neuerlicher Auseinandersetzungen wurden.
49 Riezler, Geschichte Baierns, Band V, S. 649; Mitteis / Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 19. Auflage, S. 352. 50 Vgl. Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, und zwar pars specialis, S. 720 f. 51 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 4. Auflage, S. 155.
C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit Den Auftakt zu den Auseinandersetzungen um das Vikariat bildete der Erlaß des bayerischen Vikariatspatents1 vom 12. April 1657 durch Kurfürst Ferdinand Maria. Ferdinand Maria machte darin die Thronvakanz bekannt und behauptete, Vikar im Süden und Westen des Reichs zu sein. Kurfürst Karl Ludwig folgte dem Beispiel des Bayern in seinem Patent2 vom 16. April 1657. In ihren Patenten legten beide Seiten dar, wie sie das von ihnen beanspruchte Vikariat herleiteten, und gaben dabei den Rahmen vor, in dem sich die weitere kurbayerische und kurpfälzische Argumentation während der Auseinandersetzung um das Vikariat bewegte. Während Ferdinand Maria den in den kaiserlichen Lehnsbriefen angeordneten Übergang der Kurwürde samt allen dazugehörigen Rechten auf Bayern unterstrich, der in der Regelung des Art. IV § 3 IPO bestätigt war,3 berief sich Karl Ludwig auf die Goldene Bulle, auf kaiserliche Bekräftigungen und auf das Herkommen. Wegen der in Art. IV § 6 IPO vorgesehenen Restitution ergab sich aus seiner Sicht ein kurpfälzisches Vikariat auch aus dem Westfälischen Frieden.4 Die Adressaten der Patente fühlten sich meist zu einer raschen Stellungnahme in der Auseinandersetzung genötigt, und da Ferdinand Maria seine Patente nicht nur an die Stände des von ihm beanspruchten Sprengels richtete, sondern auch an die übrigen Kurfürsten, an weitere Reichsstände und an das Ausland, betraf dies einen großen Kreis.5 Zwar ist nicht belegt, daß Karl Ludwig in gleicher Weise 1 Der Text ist abgedruckt bei Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, und zwar pars specialis, S. 723 f. 2 Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, und zwar pars specialis, S. 724 f. 3 Ferdinand Maria (Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, und zwar pars specialis, S. 723) führte aus, daß ihm nach dem Tod Kaiser Ferdinands III. „mit und neben (seinem) Chur-Hauß zuständigen / durch Kayserliche Concession ordentlich erlangtem / oder durch den jüngsten Frieden-Schluß / als Sanctionem publicam confirmirten Chur- und Wahl-Recht / und allen derselben Churfürstlichen Dignitaet, anhängigen Regalien / Hoheiten / Würden / Vorsitz / Recht und Gerechtigkeiten / nichts daran ausgenommen / ( . . . )“ auch das Vikariat anerwachsen sei. 4 Karl Ludwig (Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, und zwar pars specialis, S. 724) zeigte an, daß ihm das Vikariat „vermög ausdrückl. Verordnung der güldenen Bull / Käyserl. und Königl. Confirmationen und Privilegien / und des klaren unverruckten Herkommens und Observanz wie auch Münster- und Oßnabrückischen Frieden-Schlusses / krafft dessen die PfaltzGraffschafft bey Rhein mit allen Rechten / wie solche (seine) Vorfahren vor dem Krieg gehabt / (ihm) restituirt: (ihm) / als Pfaltzgraffen bey Rhein Ratione Principatus, seu Comitatus Palatini,( . . . )“ das Vikariat gebühre. 5 Vgl. die Nachweise bei Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreits, S. 173 – 191.
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verfuhr.6 Nachdem Ferdinand Maria mit seinen Patenten seinen Anspruch im Reich und außerhalb des Reichs verkündet hatte, ist es jedoch wahrscheinlich, daß auch Karl Ludwig neben den Ständen des rheinischen Vikariatsbezirks anderen Reichsständen und dem Ausland die Übernahme des Vikariats anzeigte. Neben der weitgreifenden Versendung der Patente brachten es auch die Verhandlungen auf dem seit 1653 permanent tagenden Reichsdeputationstag mit sich, daß sich die Reichsstände zu einem der Vikare bekennen mußten und die verfassungsrechtliche Streitigkeit auf der Tagesordnung der Reichspolitik blieb. Nachdem der bayerische und der pfälzische Kurfürst ihren Anspruch auf das rheinische Vikariat in ihren Patenten erstmals öffentlich erhoben hatten, setzten beide Seiten mit der Veröffentlichung von Schriften und Gegenschriften zur Vikariatsfrage nach. Mehr als zehn Arbeiten sind so entstanden, darunter auch Hermann Conrings Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“. Ehe Conring seine Arbeit entwarf, war er allerdings mit der kontrovers diskutierten Frage, welcher Kurfürst der rechtmäßige rheinische Vikar war, schon verschiedentlich konfrontiert worden.
I. Das Kurzgutachten7 „Habe dieses allein zum Nachdenken, pro tenuitate Ingenii in der Eyl zu Pappier bringen, und das Judicium höhern und mehr Verständigern heimstellen, indessen diesen immaturum partum gleichwohl auf gründlich Begehren nicht vorenthalten wollen.‘‘8 (Hermann Conring 1657)
In der Vikariatsfrage meldete sich Hermann Conring nur wenige Wochen nach dem Beginn des Interregnums mit einer vertraulichen Denkschrift erstmals zu Wort. Seine Denkschrift, die gleichermaßen Argumente für ein bayerisches wie für ein pfälzisches Vikariat auflistete, ist allein in der Werkausgabe überliefert, die Johann Wilhelm Goebel 1730 edierte, und trägt dort den Titel „Was es mit den Reichs-Vicariaten vor eine Beschaffenheit habe, und wem dieselbige an den Römischen Reich zukommen?“. In dieser als Auftragsarbeit verfaßten frühesten Stellungnahme tastete sich Conring vorsichtig an die Fragestellung heran und ging einem persönlichen Urteil aus dem Wege. Für seinen zaghaften Zugriff auf die Materie kommen verschiedene Motive in Betracht.
6 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreits, S. 173 Fn. 43 weist auf die lückenhaften kurpfälzischen Aktenbestände hin. 7 Goebel, Operum tomus II, S. 463 – 466. 8 Goebel, Operum tomus II, S. 466.
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1. Aufbau, Inhalt und Argumentationsstruktur des Gutachtens Conrings Denkschrift ist zweigeteilt. In einem ersten, einführenden Teil grenzt Conring die Fragestellung ein, bevor er im zweiten Teil sieben Argumente der pfälzischen und sechs der bayerischen Seite vorbringt. Während er die im zweiten Teil genannten Argumente ausdrücklich nicht gewichten will und im Ergebnis eine neutrale Position wahrt, scheinen im ersten Teil Sympathien für einen pfälzischen Vikar durch. Wenn die Frage, deren Beantwortung Conring in seinem Gutachten übertragen war, mit dem Titel („Was es mit den Reichs-Vicariaten vor eine Beschaffenheit habe, und wem dieselbige an den Römischen Reich zukommen“) zutreffend wiedergegeben war, so ließ sie Raum für weit ausholende Erörterungen. Conring nutzte diesen Raum, und seine Einführung geriet dementsprechend langatmig. Er legte eingangs den rechtlichen Maßstab offen, an dem aus seiner Sicht die Streitfrage zu messen war. Denn eine vor 1618 entstandene Arbeit, die bei Autoren des Jus publicum angeführt sei und die ihm bei der Erarbeitung seiner Denkschrift nicht zur Verfügung gestanden habe,9 hielt er deswegen für überholt, weil es nunmehr maßgeblich auf die Bestimmungen des Instrumentum Pacis Monasteriense ankomme. Ausführlich setzte er sich mit dem Einwand auseinander, allen Fürsten könne jeweils in ihren Fürstentümern die Verwesung zustehen, obwohl ihm bewußt gewesen sein muß, daß dieser Einwand praktisch irrelevant war. In der Situation des Jahres 1657 konkurrierten nur die Kurpfalz und Kurbayern um das rheinische Vikariat. Es ging also gerade nicht darum, daß mehrere Reichsfürsten in ihren Territorien den Pfälzern das Vikariat streitig machten. Bei der Widerlegung dieses Einwands bot sich jedoch für Conring die Gelegenheit, einen ersten Blick auf die Grundlegung des Instituts in der Goldenen Bulle sowie auf die jüngsten Interregna zu werfen und dabei mit seinen Kenntnissen zu glänzen. Noch ehe er Argumente beider Seiten nannte, legte er im ersten Teil ein verstecktes erstes Bekenntnis zu einem pfälzischen Vikariat ab, indem er anmerkte, daß – anstelle einer Verwesung durch die Fürsten in ihren Territorien – die Kurpfalz auch in Zukunft allein das Amt des Vikars besetzen solle. Als er hinzufügte, daß die Besetzung sowohl des Reichskammergerichts als auch des Reichshofrats durch den kurpfälzischen und den kursächsischen Vikar zur gesamten Hand erfolgen solle, bezeichnete er anschließend mit gleicher Selbstverständlichkeit den Pfälzer Kurfürsten ein zweites Mal als Vikar, ohne dessen bayerischen Widersacher überhaupt zu erwähnen. 9 Conring gab den Titel „Kurtzer und gewöhnlicher Bericht, wie es mit dem Vicariat in Römischen Reich zu halten?“ an. Da sich die Existenz einer solchen Arbeit nicht nachweisen läßt, könnte es sein, daß Conring den Titel falsch wiedergegeben hat. Eventuell meinte er die Schrift „Von des Heiligen Römischen Reichs der Churfürstlichen Pfaltz zustehendem Vicariat, kurtzer Bericht“, Heidelberg 1614, die von kurpfälzischer Seite in der ersten pfälzischbayerischen Kontroverse um das Vikariat veröffentlicht worden war.
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Hatte Conring zu Beginn seiner Ausführungen sein Vorhaben auf das Vikariat „in teutschen Landen“ reduziert, so grenzte er im Übergang zum zweiten Teil seines Gutachtens seinen Untersuchungsgegenstand weiter ein, indem er das unstrittige kursächsische Vikariat fortließ und seine Ausführungen auf den Gegensatz von pfälzischem und bayerischem Vikariat zuspitzte. Vom Allgemeinen zum Besonderen kommend, näherte er sich auf diese Weise dem Kern seiner Aufgabenstellung. Äußerlich vermittelt die Aufzählung seiner Argumente im zweiten Teil zwar den Eindruck, sie folge systematischen Gesichtspunkten. Bei genauerem Zusehen ist die Aneinanderreihung aber assoziativ erfolgt. Die von ihm angeführten Argumente lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Einerseits setzten sie an Regelungen der Leges Fundamentales an, nämlich des Instrumentum Pacis und der Goldenen Bulle. Andererseits stützten sie sich auf historische Beispiele, die nicht bloß der Veranschaulichung von Vergangenheit dienten, sondern im Sinne der Observanz die gewohnheitsrechtliche Ausübung des Amtes belegen sollten. Diejenigen Argumente, die Conring für den bayerischen Kurfürsten geltend machte, entwickelte er ausnahmslos in der Auslegung der Rechtsquellen, während er seine pfälzischen Argumente weitgehend aus der Beschäftigung mit der Historie gewann. Um ein pfälzisches Vikariat zu begründen, griff er ebenso auf das Alter des pfälzischen Rechts, auf die Ausübung des Amtes schon vor dem Erlaß der Goldenen Bulle wie auf die Regelung des Kapitels V der Goldenen Bulle zurück. Er nahm historische Beispiele auf, in denen die Pfälzer zwar übergangen worden seien, ihr Recht aber grundsätzlich bestätigt worden sei, und argumentierte, das Vikariat könne nicht vom Herzogtum Bayern abhängen, da dieses erst sehr spät als erbliches Lehen ausgegeben worden sei. Die jahrhundertlange Observanz spreche dafür, daß nur den Pfalzgrafen der Rudolfischen, also der Heidelberger Linie als Vikaren die ordentliche Gerichtsbarkeit zukommen könne. Zuletzt führte er das Restitutionsgebot des Art. IV § 6 IPO an, von dem nach seiner Auslegung auch das Vikariat erfaßt sei. Für den Anspruch der bayerischen Seite stützte er sich vor allem auf die Regelung des Art. IV § 3 IPO, aus der er verschiedene Argumente für einen Übergang des Vikariats auf Bayerm ableitete. Ansprüche der pfälzischen Seite auf die Bayern übertragenen Rechtspositionen seien außerdem vom Westfälischen Frieden in Art. IV § 5 IPO ausdrücklich ausgeschlossen worden. Sein letztes Argument für die bayerische Partei hatte die Goldene Bulle zum Ausgangspunkt. Da diese nur sieben Kurfürsten vorsehe, müßten die darin genannten Ämter, darunter das Vikariat, auch auf diese sieben entfallen. Die Kurpfalz als achtes Kurfürstentum könne sich daher nicht auf die Goldene Bulle berufen. Nicht nur die Regelungen der Goldenen Bulle, sondern auch die des Instrumentum Pacis, auf die er zur Lösung der Streitfrage maßgeblich hatte abstellen wollen, ließen sich demnach ebenso zugunsten eines bayerischen wie eines pfälzischen Vikariats auslegen.
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Gemessen an den Argumentationslinien, die die Kurfürsten in ihren Vikariatspatenten skizziert hatten, war Conrings Argumentation nicht besonders originell. Für die pfälzische Seite führte auch Conring jene Mixtur aus dem Herkommen, der Goldenen Bulle, kaiserlichen Privilegien und Bestätigungen sowie der Restitution im Westfälischen Frieden ins Feld, auf die sich Karl Ludwig in seinem Patent berufen hatte. Und neben dem Übergang der Kur mit allen dazugehörigen Rechten auf Bayern, die schon Ferdinand Maria hervorgehoben hatte, spürte Conring für den bayerischen Anspruch allein mit seinem Hinweis auf die Goldene Bulle ein neues Argument auf. Mit der Bemerkung, bedeutende Fragen erforderten bedeutende Richter („magnae causae, magnos requirunt judices“10), entzog sich Conring in seiner Schlußbemerkung einer Gewichtung der vorgebrachten Argumente und wich einer eigenen Stellungnahme in der Auseinandersetzung um das rheinische Reichsvikariat aus. Er habe in kurzer Zeit Bedenkenswertes niederschreiben wollen, ein Urteil in der Frage aber „höhern und mehr Verständigern“11 überlassen wollen. Daß er sich gegen eine Gewichtung der Argumente an dieser Stelle entschied, läßt immerhin einen Rückschluß auf die Anfrage seines Auftraggebers zu. Dieser hatte Conring offenbar nicht nur aufgefordert, Argumente für beide Seiten zusammenzustellen. Er mußte ihm auch eingeräumt haben, seine persönliche Einschätzung zur Vikariatsfrage mitzuteilen. Andernfalls hätte sich Conrings Hinweis, die Würdigung seiner Argumente anderen überlassen zu wollen, von selbst verboten. An exponierter Stelle scheute Conring somit eine Festlegung. Auch wenn er im Ergebnis eine Parteinahme vermied,12 so verschwieg er dennoch in seinem Gutachten nicht, daß er eher den Pfälzer Kurfürsten für den rechtmäßigen rheinischen Vikar hielt. 2. Einordnung: Adressat des Gutachtens, Anlaß und Zeitpunkt der Abfassung Aus der Schlußbemerkung seines Gutachtens geht hervor, welche große Bedeutung Conring der Frage nach dem rechtmäßigen Reichsvikar beimaß. Gewiß hatte er keinen Anlaß, die Angelegenheit gegenüber dem Adressaten der Schrift herunterzuspielen. In einer wichtigen Verfassungskontroverse nach seiner Ansicht gefragt zu werden, mußte ihm schmeicheln und belegte sein Renommee. Seine Feststellung „magnae causae, magnos requirunt judices“ deutet aber darauf, daß er sich hier von der Größe der Causa überfordert fühlte. Er sah seine Möglichkeiten mit der Benennung der Argumente als erschöpft an und zog es vor, die Schlußfolgerungen den Herren der „großen Politik“ zu überlassen. Goebel, Operum tomus II, S. 466. Goebel, Operum tomus II, S. 466. 12 Scheel, Hermann Conring als historisch-politischer Ratgeber der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 278. 10 11
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Obwohl Conring die Streitfrage also ausgesprochen ernst nahm, ist das Interesse, das die Forschung dieser Denkschrift bislang entgegengebracht hat, marginal geblieben. Nur bei zwei Autoren ist diese frühe Stellungnahme Conrings im Vikariatsstreit überhaupt erwähnt, die auch in das 1983 publizierte Werkverzeichnis keinen Eingang gefunden hat.13 Der Auftraggeber oder Adressat des kurzen Gutachtens, der Anlaß und der Zeitpunkt der Abfassung sind zwar nicht überliefert, lassen sich jedoch relativ genau bestimmen. Zum Empfänger der Schrift merkte Paul Felberg an, insbesondere der Schluß deute auf den braunschweigischen Herzog, und ergänzte, daß jedenfalls die Kurpfalz und Kurbayern als Adressaten der Schrift ausschieden.14 Daß sich Herzog August von Braunschweig-Wolfenbüttel in dieser Frage 1657 unmittelbar an Conring gewendet hat, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn ein intensiver Austausch zwischen Herzog August und Conring setzte erst ein, nachdem Conring 1660 vom Herzog zum Rat von Haus aus bestallt worden war. Vor dieser Zeit trat Conring selten als Ratgeber des Herzogs in Erscheinung. Auch die Wortwahl der Denkschrift spricht dagegen, daß Conring sie für seinen Herzog erstellte. Wenn Conring nämlich „das Judicium höhern und mehr Verständigern heimstellen“15 wollte, richtete er sich mit seiner Schrift zwar an eine hochgestellte Person, nicht aber an seinen Landesherrn. Eingehender als Felberg befaßte sich 1981 Günther Scheel mit Conrings kurzem Gutachten. Er ging davon aus, daß die Arbeit für einen welfischen Staatsmann entstanden sei,16 und konkretisierte, daß Conring sie „sehr wahrscheinlich“ für den braunschweig-wolfenbüttelschen Kanzler Johann Schwartzkopf (1596 – 1659) verfaßt habe.17 Zur Begründung führte Scheel an, daß Schwartzkopf im Juli 1657 als Bevollmächtigter Braunschweig-Wolfenbüttels zum Reichsdeputationstag nach Frankfurt gereist sei, auf dem man das Reichsvikariat diskutiert habe, und er Conring als Ratgeber in staatsrechtlichen Fragen sehr geschätzt habe. Daß es Schwartzkopf war, der Conrings Votum 1657 in dieser umstrittenen Frage einholte, ist plausibel. Beide kannten und achteten sich seit vielen Jahren und korre13 Allein Paul Felbergs Arbeit (Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, Trier 1931) sowie der Beitrag von Günther Scheel enthalten Hinweise auf das Gutachten. Zum Werkverzeichnis samt Indices siehe W. A. Kelly / M. Stolleis, Hermann Conring: Gedruckte Werke, 1627 – 1751, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 535 – 572. 14 P. Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 55. 15 Goebel, Operum tomus II, S. 466. 16 Scheel, Hermann Conring als historisch-politischer Ratgeber, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 278. 17 Scheel, Hermann Conring als historisch-politischer Ratgeber, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 284. Zu Schwartzkopf siehe Ch. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Vierter Theil, Leipzig 1751, Sp. 408; Köcher, ADB (Band 33), S. 221 – 223.
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spondierten über staatsrechtliche und politische Fragen. Ob allerdings der Reichsdeputationstag im Juli 1657 den Anlaß zur Abfassung des Gutachtens bildete, ist fraglich. Denn zum einen dürfte Schwartzkopf nicht erst angesichts des Deputationstages mit der Frage des Vikariats befaßt gewesen sein, da die seit April an eine Vielzahl von Reichsfürsten verschickten Patente der beiden Kurfürsten auch in Braunschweig-Wolfenbüttel Verunsicherung ausgelöst haben mußten. Der Wolfenbütteler Kanzler dürfte also schon im Frühjahr mit dem Problem des rheinischen Vikariats konfrontiert worden sein. Zum anderen ergeben sich Zweifel an einer späten Datierung, wenn man auf die neutrale Position blickt, die Conring im Ergebnis gewahrt hat. Zwar klangen im Juli 1657 in seiner Korrespondenz mit Boineburg erstmals aufgeschlossenere Töne zu einem bayerischen Vikariat an. Zu dieser Zeit stand Conring jedoch insgeheim schon beim Pfälzer Kurfürsten im Wort, wie die zwischen Heidelberg und Helmstedt hin- und hergehenden Briefe aus diesen Monaten belegen.18 Noch in einem Schreiben vom 9. August 1657 regte Conring gegenüber Karl Ludwig ausdrücklich an, daß sich die kurpfälzischen Gesandten mit denen seines Fürstenhauses in Frankfurt über sein Engagement in der Vikariatsfrage verständigen sollten.19 Hätte er das Gutachten also erst vor Schwartzkopfs Aufbruch nach Frankfurt im Juli 1657 verfaßt, so hätte er im eigenen Interesse wahrscheinlich deutlichere Worte zugunsten eines pfälzischen Vikariats gefunden. Conrings neutral gehaltene Stellungnahme ist demnach wahrscheinlich auf Bitten des Kanzlers Schwartzkopf entstanden, als die Kontroverse mit der Versendung der Vikariatspatente gerade ihren Ausgang genommen hatte und noch bevor Kurfürst Karl Ludwig mit seinem Brief vom 8. Mai 1657 um Conrings Engagement in der Vikariatsfrage warb.20 Geht man von dieser Datierung und von diesem Adressaten aus, so drängen sich verschiedene Ansätze auf, um Conrings Zurückhaltung in dieser Stellungnahme zu deuten. Die große Bedeutung der Kontroverse, die er erkannte, und die Ungewißheit, welchen Standpunkt der Kanzler und auch der Herzog favorisieren würden, mögen Conring dazu veranlaßt haben, sich bedeckt zu halten. Diese Möglichkeit liegt bei seinem Naturell nahe. Conrings Sache war es nicht, um jeden Preis seiner eigenen Auffassung Gehör zu verschaffen und durch ein zu forsches Auftreten die Gunst eines einflußreichen, andersdenkenden Gönners aufs Spiel zu setzen. Daneben dürfte der Zeitdruck, unter dem die Denkschrift entstand, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Wie Conring am Ende seines kurzen Gutachtens hervorhob, blieb ihm zur Abfassung nur wenig Zeit.21 Zu einem ausgewogenen Urteil in dieser Angelegenheit hätte er darum nur dann kommen können, wenn er zu dieser Zeit mit dem Reichsvikariat schon hinreichend vertraut gewesen wäre. Gerade dies scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, wenn man von seiner 18 19 20 21
Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Goebel, Operum tomus II, S. 466.
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Beschäftigung mit der Reichsverwesung in seinen vorangegangenen Publikationen ausgeht. Denn bis zum Frühjahr 1657 war Conring in seinem Werk auf dieses Institut nur an wenigen Stellen eingegangen. Ein erster Hinweis auf das Reichsvikariat findet sich in der Schrift „De imperio Romano Germanorum ( . . . )“, über die Johann Christian von Boineburg 1643 unter dem Vorsitz Conrings disputierte.22 Conring sprach darin dem Papst ein Vikarsrecht ab, wie es dem Pfälzer („Palatino“) und dem Sachsen („Saxoni“) im deutschen Reich in Zeiten eines Interregnums zukomme. Diese kurze, beiläufige Erwähnung des Reichsvikariats verrät wenig über Conrings Kenntnisstand. Auffallend ist allein, daß er sich über die dem bayerischen Herzog Maximilian zu Kriegszeiten erteilten Lehnsbriefe Kaiser Ferdinands II. hinwegsetzte und an der Regelung der Goldenen Bulle festhielt. Auch in der „Dissertatio de septemviris seu electoribus ( . . . )“ von 1644 griff Conring nur kurz die Reichsverwesung auf.23 In einer Rangordnung der Reichsfürsten wies er dem Pfalzgrafen bei Rhein und dem Herzog von Sachsen die zweite und die dritte Stelle unter den weltlichen Kurfürsten des Reichs zu und begründete dies mit deren Vikarsrecht. Er grenzte die beiden Vikariatsbezirke voneinander ab und nannte die Befugnisse der Vikare. Drei Jahre vor dem Ausbruch der Vikariatskontroverse hielt Conring dann in seinem Werk „De finibus imperii Germanici (libri duo)“ von 1654 noch einmal in einem Nebensatz fest, daß der sächsische und der pfälzische Kurfürst („Saxo & palatinus electores“) die Vikariatswürde innehätten.24 Diese Aussage unterschied sich zwar nicht von seinen früheren Hinweisen. Nach 1648 kam ihr aber eine andere Bedeutung zu. Sie belegt, daß auch Conring 1654 wie selbstverständlich von einer kurpfälzischen Reichsverwesung ausging, nachdem der Westfälische Frieden den Übergang der früheren pfälzischen Kurwürde auf den bayerischen Herzog sanktioniert und eine neue Kur für den Pfälzer Karl Ludwig eingerichtet hatte. Obwohl die Ausgangslage 1654 der des Jahres 1657 entsprach, hat also auch Conring zu dieser Zeit die Schwierigkeiten nicht kommen sehen, die sich beim nächsten Interregnum ergeben konnten. Wertet man die genannten Fundstellen als Belege für Conrings Auseinandersetzung mit dem Reichsvikariat, so ist er mit diesem Detail der Reichsverfassung vor der Abfassung seiner Denkschrift im Frühjahr 1657 nur oberflächlich in Berührung gekommen. Es ist zwar anzunehmen, daß Conring im Frühjahr 1657 von der pfälzisch-bayerischen Kontroverse der Jahre 1614 und 1615 wußte, die der Auseinandersetzung 22 H. Conring, De imperio Romano Germanorum disputatio prima (Resp. J. Ch. v.Boineburg), Cap. XII § 10, in: Goebel, Operum tomus I, S. 26 – 107 (93). 23 H. Conring, Dissertatio de septemviris seu electoribus Germanorum regni et imperii Romani (Resp. H. W. Pape), XLVff., in: Goebel, Operum tomus II, S. 777 – 789 (787 f.). 24 H. Conring, De finibus imperii Germanici (libri duo), Cap. XXV 12., in: Goebel, Operum tomus I, S. 114 – 463 (407).
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seiner Zeit vorausgegangen war. Über den Streitstand und die Argumentation beider Seiten dürfte er bei der Erarbeitung seiner Denkschrift aber nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in Umrissen informiert gewesen sein. Jedenfalls fehlt unter den zahlreichen Literaturhinweisen der Denkschrift ein entsprechender Hinweis auf eine Arbeit aus der älteren Kontroverse, so daß Conring zu dieser Zeit vermutlich nicht einmal im Besitz einer dieser Schriften war. Vor diesem Hintergrund liegt der Schluß nahe, daß Conring bei der raschen Erstellung seiner Stellungnahme aus seiner Sicht zu wenig mit der Materie vertraut war, um die Argumente beider Seiten sachgerecht zu würdigen und eine Empfehlung für den Wolfenbütteler Kanzler herauszuarbeiten.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658 „Interim festinato certiorem te facere per hasce literulas volui, huc ad nos perlatum incerto tamen rumore, in nouo certamine super Vicariatu te etiam ad partes inuitatum, idque a Palatino Domino Electore. Id numquid veri habeat, necne, delinquo in medium. Ego tamen, quia amicus et sum tibi et esse perseuerabo semper, rogare te operae duxi, vt mihi tuum super omni hoc argumento iudicium pandas quamprimum, neue te implicari illa controversia per Palatinos sinas.‘‘25 (Johann Christian von Boineburg an Hermann Conring am 1. Juni 1657)
Nach seiner Denkschrift setzte Conring die Auseinandersetzung mit dem Vikariat in seiner Korrespondenz mit Johann Christian von Boineburg fort. Zwischen Juni 1657 und August 1658 tauschten sich beide in einer Vielzahl von Briefen über das Vikariat und die darum entbrannte Kontroverse aus. Auch wenn Conrings Interesse an der Streitfrage in den letzten Monaten nachließ, so diskutierte er sie hier über einen langen Zeitraum offener, engagierter und komplexer als in seiner Denkschrift. Von unterschiedlichen Positionen ausgehend, erörterten er und Boineburg die Frage jedoch nicht isoliert, sondern immer mit Blick auf ein publizistisches Eingreifen in die Kontroverse, zu dem Boineburg Conring bewegen wollte. Conrings Position, seine Motive für einen Positionswechsel und seine Suche nach dem auch unter politischen Vorzeichen vorzugswürdigen Standpunkt treten in seiner Korrespondenz mit Boineburg aus dieser Zeit zutage.
25 J. D. Gruber, Commercium epistolicum Leibnitianum, Band 1, Hannover und Göttingen 1745, S. 222.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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1. Johann Christian von Boineburg26 Johann Christian von Boineburg wurde am 12. April 1622 in Eisenach als Sohn des herzoglich sächsischen Geheimrates und Oberhofmarschalls Johann Berthold von Boineburg-Lengsfeld und dessen Frau Barbara Sibylla, geborene von Buttlar, geboren.27 Nach dem Besuch der Lateinschule und der Erziehung durch zwei Hauslehrer in Eisenach studierte Boineburg seit 1638 an der Jenaer Universität und nahm dort Anregungen von vielen Seiten auf. Die Theologen Johann Musaeus (1612 – 1681) und Michael Dilherr (1604 – 1669), der Aristoteliker Daniel Stahl (1589 – 1654) sowie die Juristen Georg Stephan Schelhas (1604 – 1684), Gottfried Fibig (1612 – 1646) und Ortolph Fomann (1598 – 1640) prägten Boineburg in jenen Jahren.28 Auf seine Jenaer Studienzeit ging aber auch seine Bekanntschaft mit den Gelehrten Johann Conrad Dieterich (1612 – 1667) und Zacharias Prüschenck von Lindenhoven (1610 – 1679) zurück, mit denen Boineburg eine jahrzehntelange umfangreiche Korrespondenz verband.29 Im April 1643 wechselte Boineburg nach Helmstedt an die Academia Julia, an der neben Calixt vor allem Hermann Conring den jungen Boineburg beeinflußte.30 Boineburg besuchte Veranstaltungen Conrings zur Politik, zur Rechtsgeschichte und zum Staatsrecht, wie dieser sie seit 1635 – angeregt durch den Gelehrten und Politiker Jakob Lampadius31 (1593 – 1649) – abhielt, ohne zum Lehrkörper der juristischen Fakultät zu zählen. In diese Zeit fiel Boineburgs einzige Disputation.32 Nach einem Jahr in Helmstedt brach Boineburg im April 1644 zu einer Bildungsreise als Abschluß seiner Studienzeit auf, die ihn über Hamburg und Lübeck in die Niederlande und nach Frankreich führte.33 26 Zur Vita Boineburgs H. Schrohe, Johann Christian von Boineburg – Kurmainzer Oberhofmarschall, Mainz 1926. Eingehender, jedoch nur bis 1652 reichend, E. Ultsch, Johann Christian von Boineburg. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des 17. Jahrhunderts, Würzburg 1936. Eine jüngere informative Darstellung bei M. Palumbo, Johann Christian von Boineburg, in: Il Bibliotecario – Rivista di Biblioteconomia Bibliografia e Scienze dell’ Informazione, Nr. 23 / 24 (März – Juni 1990), S. 181 – 218. Die Ereignisse von 1664 schildert ausführlich K. Wild, Der Sturz des Mainzer Oberhofmarschalls Johann Christian von Boyneburg im Jahre 1664, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Neue Folge Band XIII (1898), S. 584 – 605 und Band XIV (1899), S. 78 – 110. 27 H. Saring, NDB (Band 2), S. 424 f. (424). 28 Ultsch, Johann Christian von Boineburg, S. 14 f. 29 Ultsch, Johann Christian von Boineburg, S. 16. 30 Ultsch, Johann Christian von Boineburg, S. 20, 24. 31 Zur Biographie Köcher, ADB (Band 17), S. 574 – 578; R. Dietrich, NDB (Band 13), S. 454 – 456; B. Pahlmann, Jakob Lampadius, in: G. Kleinheyer / J. Schröder (Hg.), Deutsche Juristen und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 242 – 244. 32 Ultsch, Johann Christian von Boineburg, S. 27. 33 Ultsch, Johann Christian von Boineburg, S. 39 – 41.
3 von Arnswaldt
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Zurück aus Frankreich lernte er 1645 bei einem Aufenthalt in Marburg Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt kennen, der ihm eine Stellung an seinem Hof zusagte und der kurz zuvor den jungen Veit Ludwig von Seckendorff (1626 – 1692) in seine Dienste aufgenommen hatte.34 Da Georg II. mit der resoluten Kasseler Landgräfin Amalie um die Erbfolge in Marburg stritt und seine Position wenig erfolgversprechend war, reagierte Boineburg auf das Angebot zurückhaltend. Erst als der Landgraf Diplomaten an den französischen und an den schwedischen Hof entsenden und sie dort um Unterstützung werben lassen wollte, ging Boineburg darauf ein, in der Erwartung, sich als Gesandter am Hof einer Großmacht hervortun zu können. Von Juli 1645 an hielt sich Boineburg etwa ein Jahr lang im Auftrag Georgs II. und dessen jüngeren Bruders, Johannes von Hessen-Braubach, in Schweden auf und bemühte sich um den Rückhalt der schwedischen Königin Christine in den hessischen Sukzessionsstreitigkeiten.35 Blieb Boineburgs diplomatische Mission im Ergebnis auch erfolglos, so war sein persönlicher Gewinn beträchtlich. Denn am schwedischen Hof bildeten sich nicht nur Boineburgs diplomatische Fähigkeiten und weltläufige Umgangsformen aus, er knüpfte auch ein Netz an Bekanntschaften, das sich in einer umfangreichen Korrespondenz niederschlug.36 Seit 1646 in Darmstadt trat Boineburg für seinen Landgrafen im Erbfolgestreit in unmittelbare Verhandlungen mit der gegnerischen Partei ein. Unter dem Vorwurf, seine Kompetenzen im Rahmen der Verhandlungen eigenmächtig überschritten zu haben, wurde er jedoch vom Darmstädter Landgrafen schon im folgenden Jahr von dieser Aufgabe entbunden und sogar kurzzeitig in Haft genommen. Erst als Boineburg in die Dienste des Braubacher Landgrafen als erster Minister getreten war, kam es zu einer Aussöhnung mit seinem früheren Landesherrn, Georg II. Bis zum Tod des Landgrafen Johannes von Hessen-Braubach 1651 blieb Boineburg erster Minister an dessen Hof und kehrte anschließend für kurze Zeit in die Dienste des Darmstädter Landgrafen zurück. Als er im Sommer 1652 dem Mainzer Erzbischof Johann Philipp von Schönborn37 (1605 – 1673) in Bad Schwalbach vorgestellt wurde, nahm seine Karriere eine entscheidende Wendung. Johann Philipp, dem das weltläufige Auftreten des jungen Boineburg imponierte, stellte diesem eine Anstellung in Mainz in Aussicht. 34 Zu Seckendorffs kurzer Zeit in Hessen-Darmstadt vgl. einerseits M. Stolleis, Veit Ludwig von Seckendorff, in: Staatsdenker in der frühen Neuzeit, S. 148 – 171 (151), andererseits G. Menk, Der deutsche Territorialstaat in Veit Ludwig von Seckendorffs Werk und Wirken, in: H. Wunder (Hg.), Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit: Geschlechter und Geschlecht, Berlin 2002, S. 55 – 92 (62 f.). 35 Schrohe, Boineburg, S. 7; Ultsch, Johann Christian von Boineburg, S. 42 ff. 36 Vgl. Schrohe, Boineburg, S. 7. 37 Zur Biographie F. Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn und die römische Kurie, Mainz 1977.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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Boineburg nutzte die ersehnte Gelegenheit, den Sprung in die große Politik im Reich zu schaffen, trat in die Dienste des Mainzers und schlug dafür das von Schweden, Sachsen-Gotha und Ostfriesland an ihn herangetragene Amt eines Geheimratspräsidenten aus.38 Wenn auch nicht belegt ist, daß die Konversion des lutherischen Boineburg eine erklärte Voraussetzung für seine Anstellung am Mainzer Hof war, mußte Boineburg dieser Schritt unumgänglich erschienen sein.39 Allerdings war der Konfessionswechsel nicht nur politischem Kalkül geschuldet. Boineburg wollte vielmehr – so wie nach ihm auch der von ihm geförderte Gottfried Wilhelm Leibniz – persönlich auf einen Ausgleich beider Bekenntnisse hinwirken und trat, sehr zum Unmut seines Freundes Hermann Conring, 1653 auf dem Regensburger Reichstag zum katholischen Glauben über.40 In den Diensten Johann Philipps blickte Boineburg schon nach kurzer Zeit auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Zunächst Oberamtmann von Hoechst und Hofheim, stieg er rasch zum Oberhofmarschall und Ratspräsidenten auf und avancierte zum einflußreichsten politischen Ratgeber des Kurfürsten.41 Wegen seiner Verdienste um die Wahl Ferdinands IV. zum römischen König 1653 wurde Boineburg von Kaiser Ferdinand III. in den Freiherrenstand erhoben.42 Das Mißtrauen gegen Boineburg war am kaiserlichen Hof in Wien dennoch groß, und es gelang Johann Philipp als Reichserzkanzler nicht, für die Ernennung Boineburgs zum Reichsvizekanzler die Zustimmung Kaiser Ferdinands III. oder Kaiser Leopolds I. zu erlangen. Da Boineburg die Nähe zu Frankreich suchte und seine Politik in diesen Jahren antikaiserlich grundiert war, war er den Habsburgern verdächtig.43 Die von Boineburg verantwortete Politik basierte auf der Einsicht, daß das Reich angesichts seiner territorialen und politischen Zerrissenheit einer militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich nicht gewachsen sei.44 Er setzte daher bis 1661 auf eine Annäherung an Frankreich, trat für ein Bündnis mit dem Nachbarn ein und hatte 1658 maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Rheinbundes. In diesen Jahren gelangte Boineburg an der Seite Johann Philipps zu einem Einfluß 38 Vgl. A. Frhr. v. Boyneburg-Lengsfeld, J. C. v. Boyneburg, in: J. S. Ersch / J. D. Gruber (Hg.), Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, 12. Theil, Leipzig 1824, S. 177 – 179 (177). 39 H. Peterse, Johann Christian von Boineburg und die Mainzer Irenik des 17. Jahrhunderts, in: H. Duchhardt / G. May (Hg.), Union – Konversion – Toleranz, Dimensionen der Annäherung zwischen den christlichen Konfessionen im 17. und 18. Jahrhundert, Mainz 2000, S. 105 – 118 (111), nennt die Konversion „unvermeidbar“. 40 Zum Konfessionswechsel H. Peterse, Boineburg und die Mainzer Irenik, S. 111 – 117. 41 H. Peterse, Boineburg und die Mainzer Irenik, S. 110 f. 42 Schrohe, Boineburg, S. 9 f. 1653 handelte es sich jedoch nicht, wie Schrohe schreibt, um Leopolds Wahl, sondern um die Ferdinands IV. 43 Bernhardi, ADB (Band 3), S. 222 ff. (223); H. Saring, NDB (Band 2), S. 424 f. (425). 44 H. Saring, NDB (Band 2), S. 424 f. (425).
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
auf die Reichspolitik, den seit 1648 kein anderer Minister im Reich für sich hatte geltend machen können.45 Sein Einfluß schwand, als nach dem Tod Mazarins 1661 der junge König Ludwig XIV. die französische Außenpolitik neu ausrichtete. Boineburg leitete daraufhin eine Abkehr der Mainzer Politik von Frankreich und eine Hinwendung zur kaiserlichen Partei ein, und der französische Hof bemühte sich fortan, die Position des abtrünnigen Ministers zu schwächen.46 Hatten die Skrupellosigkeit bei der Annahme von Zuwendungen und die Arroganz, die Boineburg nachgesagt wurden, ihm längst die Antipathie vieler kurmainzischer Bediensteter eingetragen und auch Johann Philipps Mißtrauen geweckt,47 so brachten die Spannungen mit Frankreich das Faß zum Überlaufen. Johann Philipp nahm zum Vorwand, daß Boineburg sich abfällig über ihn geäußert habe und in der Auseinandersetzung des Erzstifts mit der Stadt Erfurt eigenmächtig vorgegangen sei, und ordnete am 22. August 1664 an, Boineburg zusammen mit dessen Vertrauten Johann Lincker von Lützenwitz gefangenzunehmen und auf die Festung Königstein im Taunus zu verbringen. Ohne daß ihm strafbare Handlungen nachgewiesen werden konnten, wurde Boineburg nach sechs Monaten aus der Haft entlassen.48 Trotz einer Aussöhnung mit Johann Philipp trat Boineburg nicht wieder in die ständigen Dienste des Kurfürsten ein. Sporadisch kehrte er auf die politische Bühne zurück, wenn er Johann Philipp von Zeit zu Zeit in Fragen der Reichspolitik beriet. Ein sichtbares Zeichen seiner vollständigen Rehabilitierung war nicht zuletzt die Hochzeit seiner Tochter Maria Sophia mit Melchior Friedrich von Schönborn, einem Neffen Johann Philipps. Seit 1665 beschäftigte sich Boineburg vorwiegend mit wissenschaftlicher Lektüre, mit seiner Korrespondenz49 und seiner Bibliothek,50 und er förderte in seinen letzten Lebensjahren Gottfried Wilhelm Leibniz, den er als Sekretär in seinen Haushalt aufgenommen und dessen Begabung er früh erkannt hatte.51 Hatte sich Boineburg unter seinen Zeitgenossen gleichermaßen als Politiker und Gelehrter einen Namen gemacht,52 so ist er heute vor allem als Mentor des jungen Leibniz in Erinnerung. Johann Christian von Boineburg starb in Mainz am 8. Dezember 1672. 45 G. E. Guhrauer, Kur-Mainz in der Epoche von 1672, Erster Theil, Erstes Buch, Hamburg 1839, S. 47. 46 H. Peterse, Boineburg und die Mainzer Irenik, S. 110 f. 47 Schrohe, Boineburg, S. 10. 48 H. Saring, NDB (Band 2), S. 424 f. (425); Schrohe, Boineburg, S. 10. 49 Zur Korrespondenz Boineburgs M. Palumbo, Johann Christian von Boineburg, S. 186 ff. 50 Über die Bibliotheca Boineburgica gibt einen Überblick M. Palumbo, Johann Christian von Boineburg, S. 190 ff. 51 E. Ch. Hirsch, Der berühmte Herr Leibniz, München 2000, S. 13 – 21. 52 Vgl. etwa das anerkennende Urteil über Boineburg bei S. de Monzambano, De statu Imperii Germanici, Dedicatio, zitiert nach: H. Denzer (Hg.), Samuel von Pufendorf. Die Verfassung des Deutschen Reiches, Frankfurt am Main / Leipzig 1994, S. 14: „Sed et aditum
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2. Conrings Korrespondenz mit Boineburg An Hinweisen auf Hermann Conrings Briefwechsel mit deutschen und europäischen Gelehrten, Politikern und Regenten fehlt es in der Forschung nicht,53 und seine Korrespondenz gilt längst als eines „der trefflichsten Beispiele für die Höhe, Qualität und Universalität im Zeitalter des Polyhistorismus“.54 Dennoch sind in der Forschung der Umfang seiner Korrespondenz und die Zahl seiner Korrespondenten lange Zeit im Dunkeln geblieben. Erst 1983 sind durch Monika Ammermann, Kaare Bangert, Birger Christensen und Patricia Herberger Verzeichnisse erstellt und als Beiträge zu dem von Michael Stolleis edierten Band „Hermann Conring (1606 – 1681). Beiträge zu Leben und Werk“ veröffentlicht worden, die die bis heute überlieferten Briefe, nach Adressaten geordnet, großenteils erfassen.55 Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben,56 weisen die Verzeichnisse eine Gesamtzahl von 1299 erhaltenen Briefmanuskripten Conrings aus, die zum weit überwiegenden Teil noch nicht publiziert seien. Diesen ungedruckten Briefmanuskripten stehen nach den Verzeichnissen 454 Briefe Conrings gegenüber, die in zeitgenössische Briefeditionen aufgenommen wurden.57 Legt man diese Aufstellung zugrunde, drängt sich in der Tat der Eindruck auf, daß „rund 1500 ungedruckte Briefe, die bisher kaum jemand gelesen hat, in den Archiven (liegen)“58 und bis heute vieles im Schaffen Conrings unbekannt oder jedenfalls unzugänglich geblieben ist. Dieser Eindruck erweist sich dann als unzutreffend, wenn man Conrings Korrespondenz mit Johann Christian von Boineburg herausgreift. Innerhalb der gesamten Korrespondenz nimmt dieser Briefwechsel besonders großen Raum ein, da Conring die meisten seiner Briefe an Herzog August den Jüngeren und an Boineburg gerichtet hat.59 Als Begründung für die große Zahl der an Herzog August und an Boineburg gerichteten Briefe führt Patricia Herberger zu recht an, daß „( . . . ) dies mit der für beide außergewöhnlich guten Quellenlage (zusamsternente amico illo Bavarico innotuisse datum viro, cui vix parem in Germania ullum vidi, qui tunc temporis rerum in aula Moguntina potiebatur, a plerisque Germanis maximi habitus.“ 53 Vgl. P. Herberger, Die ungedruckten Briefe Hermann Conrings, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 471 ff. (471). 54 N. Hammerstein, Jus und Historie, Göttingen 1972, S. 97. 55 M. Ammermann, Die gedruckten Briefe Hermann Conrings und die Brieftypologie des 17. Jahrhunderts; K. Bangert / B. Christensen, Conring und Dänemark – ergänzende Hinweise; P. Herberger, Die ungedruckten Briefe Hermann Conrings, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 437 – 463; S. 465 – 470 und S. 471 – 534. 56 Herberger, Die ungedruckten Briefe Hermann Conrings, S. 472. 57 Vgl. Ammermann, Die gedruckten Briefe Conrings, S. 443 – 460. 58 M. Stolleis, Die Einheit der Wissenschaften – zum 300. Todestag von Hermann Conring (1606 – 1681), Helmstedt 1982, S. 3. 59 Herberger, Die ungedruckten Briefe Hermann Conrings, S. 472.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
menhängt), ( . . . ) aber auch mit dem engen Kontakt, den Conring gerade zu ihnen hatte“60. Während Briefe des Herzogs ausgesprochen rar waren und von den zahllosen Briefen Conrings an Herzog August nur sehr wenige jemals publiziert worden sind, wechselten Boineburg und Conring zwischen 1650 und 1672 Hunderte Briefe, die später zu einer großen Zahl veröffentlicht worden sind. Den Verzeichnissen von Patricia Herberger und Monika Ammermann zufolge sind aus der Korrespondenz Conrings und Boineburgs heute noch 116 Briefe Conrings an Boineburg und 147 Briefe Boineburgs an Conring als Manuskripte erhalten.61 Den insgesamt 263 Briefmanuskripten stünden 375 gedruckte Briefe Conrings und Boineburgs gegenüber, fast alle in Johann Daniel Grubers zweibändiger Ausgabe von 1745 veröffentlicht. Allerdings ist die Zahl derjenigen Briefe, die ausschließlich als ungedruckte Manuskripte vorliegen und daher bis heute nur schwer zugänglich sind, erheblich kleiner, als es Patricia Herbergers Aufstellung nahelegt. Denn im Bestand der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und des Niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, die über die meisten Manuskripte der Korrespondenz verfügen, finden sich nur 38 Briefe, die nicht auch gedruckt worden sind.62 Für Conring und Boineburg liegen der Nutzen, der mit dem Briefwechsel verbunden war, und ebenso der Reiz, der von ihm ausging, auf der Hand. In einem Brief an Boineburg aus dem Jahr 1657 zählt Conring seinen Freund zu denen, „( . . . ) qui clavo Imperii propiores estis ( . . . )“,63 die also recht nah am Steuerruder des Reiches stünden. Der Kontakt zu Boineburg gewährte dem auch an der politischen Praxis interessierten Conring bis zu Boineburgs Rückzug aus der aktiven Politik 1664 Einblicke in eine der politischen und diplomatischen Schaltstellen im Reich. Umgekehrt war der auch wissenschaftlich ambitionierte Boineburg von dem Wissen und der Universalität des befreundeten Gelehrten fasziniert. Auch aus der Perspektive Boineburgs darf daneben der politische Aspekt der Verbindung nicht unterschätzt werden, denn mit Conring stand Boineburg und damit dem Kurfürstentum Mainz bei Bedarf eine in ganz Europa gefragte und anerkannte Autorität als Gutachter zur Verfügung. Inhaltlich ist die Korrespondenz überaus facettenreich, da Boineburg und Conring in ihren Ausführungen – ihren vielfältigen Interessen entsprechend – einen weiten thematischen Bogen spannten und sich gleichermaßen über die großen Fragen der Zeit und über die Dinge des täglichen Lebens austauschten. So rezensierten sie Bücher, empfahlen einander Bekannte und Schüler oder erörterten die FraHerberger, Die ungedruckten Briefe Hermann Conrings, S. 472. Die Zahl der Autographen ist gering. Unter den 263 Manuskripten sind 258 Abschriften, die von Schreibern angefertigt wurden, und nur fünf Autographen. 62 Es handelt sich um elf Briefe Conrings an Boineburg und 27 Briefe Boineburgs an Conring. 63 Brief vom 15. Juli 1657, in: Gruber I, S. 243. 60 61
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ge, wem Conring seine jüngsten Arbeiten widmen solle. Sie diskutierten leidenschaftlich und ausführlich konfessionelle Fragen; insbesondere Boineburgs Konversion, die Conring ein Dorn im Auge war, sorgte für erheblichen Zündstoff. Daneben sparten sie in ihren Briefen selbst gesundheitliche Beschwerden und bevorstehende Reisen nicht aus. Soweit sie Aspekte der Reichsverfassung thematisierten, rückten sie in den Mittelpunkt ihrer Erörterungen nicht grundsätzliche Fragen, etwa Fragen nach der Staatsform des Reiches, nach der Machtverteilung und den Abhängigkeiten entsprechend der Reichsverfassung, nach den Grenzen des Reichs oder den Beziehungen des Reichs und seiner Territorien zu anderen Staaten. Zwar erhoben Boineburg und Conring wiederholt Bedenken, die Balance im Reich oder zwischen dem Reich und ausländischen Staaten drohe verlorenzugehen. Auch scheint Conrings Abneigung gegen das Haus Habsburg und gegen eine Stärkung des katholischen Kaisertums zulasten fürstlicher Macht verschiedentlich durch. Eingehend und über einen längeren Zeitraum verfolgten Boineburg und Conring jedoch nur wenige Detailfragen der Reichsverfassung, wobei sich ihre Ausführungen bis 1664 thematisch zu drei wichtigen Komplexen bündeln lassen. Zwischen 1653 und 1657 galt ihre Aufmerksamkeit dem zwischen Kurköln und Kurmainz strittigen Krönungsrecht, 1657 und 1658 einerseits der bevorstehenden Kaiserwahl samt Wahlkapitulation und andererseits dem Konflikt um das rheinische Vikariat. Während dabei die Frage der Kaiserwahl und der Wahlkapitulation von Conring aufgebracht wurde, stieß Boineburg sowohl die Erörterung des Krönungsrechts als auch die des Reichsvikariats an, jeweils mit dem Ziel, Conring zu einer Parteinahme zu drängen und für die Abfassung einer Streitschrift zu gewinnen.
3. Ausgangspositionen im Juni 1657 a) Johann Christian von Boineburg Zu Beginn der Auseinandersetzungen um das Vikariat teilten Boineburg und sein Kurfürst, der Mainzer Erzbischof Johann Philipp, die Auffassung Ferdinand Marias, daß das Reichsvikariat zusammen mit dem Amt des Erztruchsessen auf Bayern übergegangen sei. In einer Audienz am 17. April 1657 hatte Johann Philipp den bayerischen Gesandten Johann Georg Oexl64 (1606 – 1675) seiner Haltung versichert, und zwei Tage darauf erläuterte Boineburg die Position seines Kurfürsten dem pfälzischen Gesandten Freiherr von der Lipp genannt Hun.65 Man habe, stellte Boineburg dabei fest, die Frage des Reichsvikariats durch das Instrumentum Pacis für entschieden gehalten. Auf den Einwand des pfälzischen Gesandten, daß das Vikarsamt nach der Goldenen Bulle ein Annex der Pfalzgrafenwürde sei, hob Boineburg den Zusammenhang von Kur und Pfalzgrafenwürde hervor. Die Regelun64 65
Zu Oexl (Oexle) siehe Heigel, ADB (Band 25), S. 24 – 28. Vgl. Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreits, S. 185 f.
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gen der Goldenen Bulle, so die Argumentation Boineburgs, beträfen geistliche und weltliche Fürsten nur, soweit sie auch Kurfürsten seien, „und also sei auch des Pfalzgrafen, sub ratione terrae Palatinae, darin Meldung vorhanden, nämlich qua est elector, et in specie, quoad officium, archidapifer“66. Auch wenn Boineburg einschlägige rechtliche Argumente zur Hand waren, war für seine Position nicht eine unumstößliche rechtliche Überzeugung maßgebend, sondern politisches Kalkül. So stellte er gegenüber Hun klar, daß sich Mainz einer Auslegung des Friedensschlusses zugunsten Karl Ludwigs dann nicht widersetzen wolle, wenn sich die übrigen Kurfürsten darauf einigten.67 Daß Johann Philipp und sein erster Minister zu dieser Zeit den bayerischen Kurfürsten unterstützten, hatte vor allem zwei Ursachen. Einerseits favorisierte auch ihr einflußreicher Verbündeter Frankreich noch den bayerischen Kurfürsten, und andererseits versprachen sie sich vom bayerischen Vikar Hilfe in der Auseinandersetzung um die Rheinzölle und -stapelrechte, um die sie mit dem Pfälzer Kurfürsten stritten.68 Die Strategie der Mainzer Politik zielte aus diesen Gründen nach dem Tod des Kaisers auf eine engere Verbindung mit Bayern, und schon am 20. April 1657 reiste der Mainzer Heinrich Julius Blum mit dem Auftrag nach München, eine mainzisch-bayerische Allianz auszuhandeln. Als sich daraufhin der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria und der Mainzer Erzbischof Johann Philipp in einem geheimen Vertrag vom 1. Juni 1657 gegenseitige Unterstützung zusicherten, schloß dies für Mainz eine Zementierung der pro-bayerischen Position im Vikariatsstreit ein. b) Hermann Conring Während Conring in seiner Denkschrift eine neutrale Position wahrte und nur zwischen den Zeilen eine Präferenz für die pfälzische Seite erkennen ließ, verfestigte sich bis zum Juni 1657 seine Parteinahme für Karl Ludwig. Weyprecht von Gemmingen, ein Ritter aus dem Kanton Kraichgau,69 hatte Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz in einem Brief vom 28. April 1657 im Kontext der Vikariatskontroverse auf den Helmstedter Gelehrten aufmerksam gemacht.70 Seine Empfehlung an den Kurfürsten lautete, das pfälzische Vikariatsrecht „durch herrn Conringium Professorn zu helmstat, alß jezig zeit best informirten und belesenen in solchen sachen, der wellt vorstellen zu lassen“. Conring stehe ohnehin in schwedischen Diensten, also in den Diensten eines dem Kurfürsten verwandten Zitiert nach Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreits, S. 185. Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 185. 68 Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 48 m. w. N. 69 K. Stuck, Personal der kurpfälzischen Zentralbehörden in Heidelberg 1475 – 1685 unter besonderer Berücksichtigung der Kanzler, Ludwigshafen / Rhein 1986, S. 36, 38. 70 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. 66 67
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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Hauses, und werde sich darum um so bereitwilliger für die pfälzische Sache einsetzen. Gemmingen hatte noch einen Hinweis hinzugefügt, der Conrings Geeignetheit unterstreichen sollte und der zugleich offenlegte, in welchem Zusammenhang Gemmingen der Name Conrings begegnet war. Nach seiner Kenntnis, so Gemmingen, habe sich Conring in den Auseinandersetzungen zwischen Kurmainz und Kurköln um das Krönungsrecht publizistisch hervorgetan.71 Karl Ludwig griff die Empfehlung umgehend auf und wandte sich schon am 8. Mai 1657 in einem Schreiben an Conring, um ihn zu einer Stellungnahme aufzufordern.72 Dieser Brief ist ebenso wie die übrige Korrespondenz zwischen Conring und dem Heidelberger Hof bislang unveröffentlicht und nicht ausgewertet.73 In seinem ersten Brief an Conring schrieb der Pfälzer Kurfürst, daß zwischen ihm und dem bayerischen Kurfürsten, wie Conring zweifellos wisse, um das Vikariat „einige differentz entstannden“ sei. Er legte dar, daß der Bayer das Vikarsamt „als eine dependentz vonn der, durch den Münsterisch: und Oßnabrüggischen Friedenschluß Jhro anerwachßenen Chur-Würde“ beanspruche, und stritt auch hier einen Zusammenhang zwischen Vikariat und Kurwürde ab. Wie zuvor in seinem Vikariatspatent verwies der Kurfürst gegenüber Conring darauf, daß das Vikariat ihm nach der Regelung der Goldenen Bulle, nach den kaiserlichen und königlichen Konfirmationen, nach dem Herkommen und nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens „als Pfaltzgraffen bey Rhein, ratione Principatus seu Comitatus Palatini, privilegio zustehe und gebühre“. Indem Karl Ludwig Conrings „gutte Qualitäten und sonderbahre Wißenschafft der alten und neuen Reichssachen auch Chur- und fürstlich häußern zustehendt Jura“ hervorhob, schmeichelte er dem Gelehrten, und erst nach dieser Captatio benevolentiae brachte er sein eigentliches Anliegen vor, die Bitte um eine Schrift für das kurpfälzische Vikarsrecht. Conrings Antwort auf dieses Schreiben ist nicht überliefert. Aus einem späteren Brief an den Kurfürsten vom 9. August 1657 geht allerdings hervor, daß zwischen Mai und August 1657 nicht nur Conring antwortete, sondern auch der Kurfürst ein „abermahliges Gnedigstes Schreiben“ nach Helmstedt richtete.74 Conring verstand es offenbar, in diesem Briefwechsel aus dem Interesse des Kurfürsten Kapital zu schlagen, und trat selbstbewußt mit Forderungen an Karl Ludwig heran. Er erbat sich von diesem die Veröffentlichung unter einem Pseudonym und ein vikarisches Privileg zum Schutz vor unerlaubtem Nachdruck seiner Schriften, und schon am 9. August 1657 konnte er dem Kurfürsten für dessen Zusage zu einem Druckprivileg und dafür danken, daß er den Traktat „tecto nomine“ verfassen dürfe.
71 Es findet sich kein Hinweis darauf, daß zwischen Gemmingen und Conring eine persönliche Bekanntschaft bestand. 72 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. 73 Ein Hinweis auf die Korrespondenz findet sich bei Lory, Die Anfänge des bayerischpfälzischen Vikariatsstreits, S. 225 f. 74 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
4. Erste Phase: Die Korrespondenz in der Zeit vom 1. Juni bis zum 12. August 1657 Obwohl Conring und Boineburg – jeder auf seine Weise – schon kurz nach dem Aufkommen der Kontroverse mit dem Vikariat konfrontiert waren, wurde es in ihrer Korrespondenz erst im Juni 1657 von Boineburg aufgebracht. Seit dieser ersten Erwähnung bestand bis zu Conrings Reise an den ostfriesischen Hof im August des Jahres auf beiden Seiten ein reges Interesse an der Fragestellung. So enthielten neun der insgesamt elf überlieferten Briefe, die Conring und Boineburg in der Zeit vom 1. Juni bis zum 12. August 1657 wechselten, teils umfangreiche, teils knappe Ausführungen, Hinweise oder Andeutungen im Kontext der Vikariatskontroverse. Nachdem zunächst die unterschiedlichen Ausgangspositionen Conrings und Boineburgs aufeinandergeprallt waren, näherte sich Conring mit der Zeit einem bayerischen Vikariat an, wobei eine inhaltliche Auseinandersetzung in dieser ersten Phase allein von ihm ausging. a) Boineburgs Brief vom 1. Juni 1657 Als Boineburg in seinem Brief an Conring vom 1. Juni 1657 auf die Frage des Reichsvikariats zu sprechen kam, steckte er in mancher Hinsicht das Feld ab, in dem sich seine späteren Beiträge bewegten. Er zeigte geringes Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung und drängte Conring zu einer Streitschrift für den bayerischen Kurfürsten, ohne den Vorzug der bayerischen Position inhaltlich zu begründen. Als ein Gerücht habe er vernommen, schrieb Boineburg, daß sich der Pfälzer Kurfürst bemüht habe, Conring in der aufziehenden Kontroverse für sich zu gewinnen. Boineburg, der an dem Wahrheitsgehalt dieses Gerüchts zweifelte, bat als Freund Conring um dessen Urteil in der Vikariatsfrage und warnte ihn davor, sich von den Pfälzern in die Kontroverse hineinziehen zu lassen: „Ego tamen, quia amicus et sum tibi et esse perseuerabo semper, rogare te operae duxi, vt mihi tuum super omni hoc argumento iudicium pandas quamprimum, neue te implicari illa controuersia per Palatinos sinas.“75
Boineburg beließ es nicht bei einem freundschaftlichen Appell. Er deutete an, daß ihn sehr hochgestellte Männer darum gebeten hätten, auf Conring zugunsten des bayerischen Kurfürsten einzuwirken, nannte jedoch weder deren Namen noch den Anlaß des Vorbringens. Denkbar ist, daß ihm im Zuge der bayerisch-mainzischen Verhandlungen, die am 1. Juni 1657 mit der Unterzeichnung des Vertrages ihren Abschluß fanden, solche Bitten von bayerischer Seite vorgetragen worden sind. Unmißverständlich stellte er Conring eine reichliche Belohnung des bayerischen Kurfürsten in Aussicht, wenn Conring diesem rasch eine Schrift zukommen lasse: 75
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Çertus sum, si scriptum mihi quoddam eam in rem breui transmiseris, te ingens curae et laboris pretium esse facturum. Fidem ecce! in id tibi do satisdato. Bauarus et habet et volet, vnde tibi Principalem liberalitatem suam reapse ostendat.“76
Wie aus Boineburgs Gespräch mit dem pfälzischen Gesandten hervorgeht, kannte Boineburg sachliche Argumente, die für ein bayerisches Vikariat sprachen. Wenn er sie vor Conring dennoch nicht in die Waagschale warf und sie für verzichtbar hielt, unterstellte er, daß Conring sich ohne Rücksicht auf Überzeugungen für die unter persönlichen Gesichtspunkten lohnendere Option entscheiden werde und ihn eine freundschaftliche Bitte, der Hinweis auf einflußreiche Personen und die Aussicht auf eine großzügige Entlohnung durch den bayerischen Kurfürsten umstimmen würden.
b) Conrings Brief vom 10. Juni 1657 Conrings Antwort vom 10. Juni 1657 ist innerhalb der Korrespondenz mit Boineburg die ausführlichste Stellungnahme zum Vikariat. Seine Auseinandersetzung bewegte sich hier auf zwei Ebenen, indem er neben historischen und juristischen Überlegungen auch politische Erwägungen des Gemeinwohls in seine Darstellung einfließen ließ. Er lehnte ein bayerisches Vikariat mit verschiedenen Argumenten ab und gab an Boineburg die Frage zurück, ob nicht auch aus politischer Perspektive ein pfälzisches Vikariat vorzuziehen sei. Eingangs brachte er mit wenigen Sätzen die pro-pfälzische Argumentation, wie er sie einige Wochen zuvor in seiner Denkschrift skizziert hatte, auf den Punkt. Er wies darauf hin, daß das Vikariat und das Truchsessenamt weder nach ihrer Natur noch durch irgendeine positive „lex publica“ miteinander verbunden seien. Vielmehr habe er nach den Regelungen der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. das Vikariatsrecht der Pfalzgrafschaft als ein eigenes Recht zugeordnet. Bestätigt sah er diese Ansicht in den wiederholten Bekräftigungen anderer Kaiser und aller Stände des Reichs. Wenn er schrieb, daß nicht einmal diejenigen bayerischen Autoren, die unlängst Bayerns Anspruch auf die Kurwürde vorgetragen hätten, neben der Kur das Reichsvikariat eingefordert hätten, ging er über seine Argumentation aus der Denkschrift noch hinaus. Hatte er in der Denkschrift einen bayerischen Anspruch auf das Vikariat aus dem Friedensinstrument hergeleitet, schloß er eine solche Begründung hier aus. Er argumentierte, daß in den Friedensurkunden nur von der Übertragung der Kurwürde und des Truchsessenamtes die Rede sei, die Pfalzgrafschaft dagegen mit allen Rechten restituiert sei. Er überging dabei, daß auch das Truchsessenamt nicht für sich und ausdrücklich, sondern als Annex übertragen worden war und daß das Vikarsamt in gleicher Weise auf Bayern übergegangen sein konnte.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Die in seiner Denkschrift genannten bayerischen Argumente verdrängend, gab er gegenüber Boineburg vor, bislang nichts erkennen zu können, was den Anspruch des Bayern stütze: „equidem nihil video hactenus, quo Bauari caussa possit reddi probabilis.“77 Beispielhaft widerlegte er ein einziges bayerisches Argument, das er in seiner Denkschrift ohnehin nicht angeführt hatte. Eine Übertragung des Vikariats im Lehnsbrief Kaiser Ferdinands schied für Conring wegen der Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht, nämlich mit der Goldenen Bulle und den Friedensinstrumenten, aus: „Nec enim forte tabulae Caesareae, quibus et Vicariatum Ferdinandus in Bauarum transtulit, possunt constituere contra vim Aureae Bullae, hoc est Legis publicae Comitiorum Imperii, et tabularum pacis.“78
Auch wenn Conring ein Eintreten für die bayerische Seite zu diesem Zeitpunkt fernlag, wies er die Bitte Boineburgs nicht endgültig ab und legte sich in der Sache noch nicht fest. Er bat Boineburg darum, ihm die Literatur zu beschaffen, die vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges entstanden war. Aus dieser Kontroverse besitze er nur zwei, von der pfälzischen Seite verfaßte Schriften, „Von deß Heiligen Römischen Reichs, der Chur-Fürstlichen Pfaltz zustehendem Vicariat, Kurtzer Bericht“ (Heidelberg 1614) und „Rettung des Chur-Pfältzischen Vicariats wider eine 1614 ausgegangene Schmähschrift ( . . . )“ (Heidelberg 1615). Um die Beschaffung der Literatur zu beschleunigen, aber auch um sich in der Streitfrage einen Ausweg offenzuhalten, fügte Conring hinzu, daß er sich bei seinem jetzigen Kenntnisstand nicht guten Gewissens für die bayerische Sache engagieren könne. Deutete er damit an, daß er sich auch den bayerischen Standpunkt zu eigen machen könnte, lehnte er anschließend jedes publizistische Engagement in dieser Frage ab. Er habe beschlossen, schrieb Conring, nicht einmal auf eine Aufforderung hin eine Schrift gegen eine der Parteien zu veröffentlichen, wenn nicht seine braunschweig-lüneburgischen Landesherren dies von ihm verlangten. Als Grund für seine Zurückhaltung gab er an, daß ihn die üblen Erfahrungen abschreckten, die er in den Streitigkeiten um das Krönungsrecht gemacht habe. Gewiß hatten die zum Teil persönlich gehaltenen Anfeindungen im Krönungsstreit Conring verletzt. Von einem ernsthaften Entschluß, von jeder Veröffentlichung abzusehen, konnte dennoch keine Rede sein, denn Conring konkretisierte zur gleichen Zeit gegenüber Karl Ludwig die Bedingungen, unter denen er zur Abfassung einer pfälzischen Streitschrift bereit war. Nach der vermeintlichen Absage an Boineburg setzte Conring seine Ausführungen zum Vikariat fort und wandte sich der Problematik von einer zweiten Seite zu. Neben die von ihm vorgebrachten historischen und juristischen Argumente traten 77 78
Gruber I, S. 224. Gruber I, S. 224.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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jetzt politische.79 Er warf die Frage auf, ob es der „respublica“ zuträglich sei, das Vikariat Bayern anzuvertrauen. Boineburg wisse um die bayerische Macht ebenso wie um die Veranlagung des bayerischen Hauses, die – wie die der Habsburger – nach Herrschaft strebe. Komme nun noch die mit dem Vikariat verbundene Macht hinzu, verletze dies den Grundsatz der „prudentia civilis“, daß nicht leichtfertig Macht einer bereits bestehenden Macht hinzugefügt werden dürfe: „Iam vero inter scita vtique est prudentiae civilis est, non temere addendam potentiam potentiae.“80 Für Conring erwies sich unter diesem Gesichtspunkt gerade die Schwäche des Pfälzer Kurfürsten als ein Vorteil. Er warnte vor der Macht, die mit dem Amt verbunden sei, zumal der süddeutsche Vikar sich nicht nur nach dem Tod eines Kaisers, sondern auch bei dessen Abwesenheit auf seine Kompetenzen berufe. Der bayerische Kurfürst könne als Vikar sogar von dem in der Goldenen Bulle verbürgten Recht Gebrauch machen, über den Kaiser zu richten. Während der Bayer die Macht seines Amtes entfaltete, würde es Karl Ludwig nicht wagen, sich gegen die Übermacht Österreichs aufzulehnen. Conring räumte ein, daß auch Karl Ludwig als Unruhestifter gelte. Dennoch solle man mit Blick auf die Zukunft dem schwachen Pfälzer Haus das Vikariat belassen: „Sed non videndum id duntaxat, quod nunc prae oculis est, sed prospiciendum in futurum. Ipsa Domus Palatinae imbecillitas videtur suadere, vt Vicariatus illi maneat integer.“81
Conring erwartete von dem Streit um das Vikariat neue Unruhe im Reich, und er überlegte, wer den Streit beilegen solle. Die Auseinandersetzung brachte er dabei auf eine einfache Formel, denn in ihr sah er vor allem einen Streit um die Auslegung der Goldenen Bulle und der Friedensurkunden. Da es damit um „Leges publicae Imperii“ gehe, deren Erlaß und Auslegung in die Kompetenz eines Reichstags falle, sei auch ein Reichstag die für die Streitbeilegung zuständige Instanz: „Indubie enim lis ad Comitia publica trahetur, cum illa omnis versetur potissimum circa interpretationem rectam Aureae Bulle et tabularum pacis, atque adeo Legum publicarum Imperii, quarum constitutio vti est Comitiorum, ita et interpretatio.“82
Zuletzt bat er Boineburg, seine Mitteilungen vertraulich zu behandeln. Boineburg solle der bayerischen Seite ausrichten, daß er, Conring, sich in die Kontroverse nicht einmischen und nichts wagen wolle, ehe das Einverständnis seiner Fürsten vorliege. Von seiner kategorischen Absage war Conring mit diesem letzten Hinweis wieder abgerückt. Auf die Unterstützung Boineburgs hoffend, übermittelte Conring Boineburg mit seinem Brief ein Schreiben an den bayerischen Kurfürsten. Darin ersuchte er auch diesen als Vikar um die Bewilligung eines Druckprivilegs. Daß er vom bayerischen 79 80 81 82
Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 49. Gruber I, S. 225. Gruber I, S. 226. Gruber I, S. 226.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Kurfürsten ein solches Privileg erlangen wollte, steht zwar in Widerspruch zu der von ihm vorgetragenen Ansicht, daß allein der Pfälzer Kurfürst als rechtmäßiger Vikar in Betracht komme. Folgert man jedoch hieraus, daß Conring „den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria praktisch als Reichsverweser (anerkannt)“ habe,83 so überschätzt man diesen Vorgang. Conring wollte ein im ganzen Reich geltendes Druckprivileg erlangen und mußte daher die Chance nutzen, die sich ihm in der Zeit des Interregnums bot. Denn während er als protestantisch-reichsständischer Autor mit der Bewilligung eines solchen Privilegs am habsburgischen Kaiserhof kaum rechnen konnte, waren die Bedingungen 1657 nach dem Tod Ferdinands III. günstig. In München und in Heidelberg brachte man ihm Interesse entgegen, das er zu nutzen wußte. Conring ließ in dieser Situation nichts unversucht und wandte sich mit seiner Bitte an den sächsischen Vikar sowie an den bayerischen und den Pfälzer Kurfürsten. Da ungewiß war, welcher Kurfürst sich als rheinischer Vikar durchsetzen würde, konnte Conring nur so sicher sein, später nicht ein wertloses Stück Papier in den Händen zu halten.
c) Boineburgs Briefe vom 18. Juni und 4. Juli 1657 Als Boineburg bis zum 18. Juni 1657 aus Helmstedt keine Antwort erhalten hatte, erneuerte er in einem zweiten Brief seine Bitte um eine Stellungnahme. Auch in diesem Schreiben führte er Conring vor Augen, welche Vorteile mit einem Engagement für den bayerischen Kurfürsten verknüpft seien, ohne sich auf eine inhaltliche Diskussion einzulassen. Der Bayer werde sich sehr dankbar zeigen, schrieb Boineburg, und sich Conring besonders verpflichtet fühlen. Allerdings scheint Boineburg geahnt zu haben, daß Conring vor der Veröffentlichung einer Schrift zurückschrecken könnte. Es genüge, ließ Boineburg ihn darum wissen, wenn er ihm seine Ansichten zur Vikariatsproblematik handschriftlich aufzeichne. In einem Punkt ging dieser zweite Appell über das erste Schreiben Boineburgs hinaus. Am 1. Juni hatte sich Boineburg noch bedeckt gehalten, weshalb er für das Vikariat des bayerischen Kurfürsten eintrat. Indem er am 18. Juni betonte, daß sich Conring mit einer bayerischen Streitschrift ebenso die Gunst des bayerischen Kurfürsten wie die des Mainzer Erzbischofs erwerben könne, offenbarte er, daß die Mainzer Politik an den bayerischen Standpunkt gebunden war. Daneben deutete Boineburg an, wieso er auf einen Beitrag Conrings hoffte. Er, Boineburg, stehe für die Unterstützung ein, die sein Kurfürst dem Bayern in der Vikariatsfrage schulde. Es ist also anzunehmen, daß er seinem Kurfürsten oder sogar den Münchner Verbündeten zugesagt hatte, in der publizistischen Auseinandersetzung den Beistand des befreundeten Helmstedter Gelehrten zu organisieren. Das materielle Wohl Conrings verlor Boineburg dabei nicht aus den Augen. So schrieb er, daß er seine Aufgabe erst dann als getan ansehen werde, wenn Conring für seine Dienste ge83
Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 49.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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recht belohnt sei: „De meo Electore res est debitissima, et ego sum in id fideiussor. Rem meam in hoc fecero, si hic fiat tibi, quod iustum est.“84 Am 4. Juli 1657 brachte Boineburg – Conrings Brief vom 10. Juni war inzwischen bei ihm eingetroffen – ein weiteres Mal die Vikariatsfrage zur Sprache. Erneut wird dabei sein Desinteresse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung erkennbar. Denn er griff weder die von Conring aufgeworfene Frage auf, ob das bayerische Vikariat für die „respublica“ vorteilhaft sei, noch dessen Argumente für ein pfälzisches Vikariat. Im Vertrauen darauf, daß materielle Gesichtspunkte bei der Meinungsbildung Conrings den Ausschlag gäben, ging Boineburg einer sachlichen Auseinandersetzung aus dem Wege. Nicht einmal Conrings Bemerkung, bisher nichts erkennen zu können, woraus sich der bayerische Anspruch herleiten lasse, forderte Boineburgs Widerspruch heraus. Statt dessen bekräftigte er, daß ein großer Lohn von bayerischer Seite Conring erwarte, wenn dieser sich für die Sache des bayerischen Vikariats einsetze, und schränkte erneut ein, daß dazu Handschriftliches genüge. Zusammen mit diesem Schreiben schickte Boineburg Conring eine pfälzische Streitschrift. Aus seinem Brief geht hervor, daß sie auf französisch verfaßt war und Boineburg sie tags zuvor vom Heidelberger Rat Joachim Camerarius erhalten hatte.85 Bei dieser Streitschrift handelte es sich wahrscheinlich um das „Manifeste pour le Serenissime Prince Charles Louis ( . . . )“ (Heidelberg 1657).86 Diese pfälzische Arbeit war die erste aus der aktuellen Kontroverse um das Vikariatsrecht, mit der Boineburg Conring in Berührung brachte. In der Angelegenheit des erbetenen Privilegs war Boineburg bereits tätig geworden. So teilte er Conring am 4. Juli mit, daß er dessen Brief umgehend nach München weitergeleitet habe und bald mit der Erteilung des Privilegs zu rechnen sei. d) Conrings Brief vom 5. Juli 1657 und Boineburgs Brief vom 13. Juli 1657 Eine erste Wirkung der Bemühungen Boineburgs ist in Conrings Ausführungen vom 5. Juli 1657 spürbar. Johann Daniel Gruber hat in seiner Edition diesem Brief daher zu Recht die Beobachtung vorangestellt: Çonringius in causa Vicariali fluctuare incipit ( . . . ).“87 Engagiert setzte Conring seine politische Auseinandersetzung mit der Streitfrage in diesem Schreiben fort und gelangte gegenüber seinem Brief vom 10. Juni zum entgegengesetzten Ergebnis. Gruber I, S. 229 f. Zu J. Camerarius siehe Stuck, Personal der kurpfälzischen Zentralbehörden in Heidelberg, S. 17 f. 86 H. Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit für das Frankreich Ludwigs XIV., Darmstadt 1981, S. 70, behauptet, Boineburg habe Conring den „Discours sur les affaires dÁllemagne ( . . . )“ zugesandt. Dieser dürfte aber erst 1658 veröffentlicht worden sein. 87 Gruber I, S. 230. 84 85
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Conring reagierte am 5. Juli auf Boineburgs Brief vom 18. Juni. Er wies Boineburg zurecht, daß er zur Vikariatsfrage schon am 10. Juni freimütig Stellung bezogen habe, ließ sich trotz dieser Klarstellung aber nicht von weiteren Erörterungen zum Vikariat abhalten. Seinen früheren Ausführungen zum Vikariat gewann Conring bemerkenswerterweise am 5. Juli neue Einsichten ab. Hatte er damals explizit festgestellt, es finde sich aus seiner Sicht keine Begründung für einen bayerischen Anspruch auf das Vikariat, so sah er die Sache jetzt anders. Obwohl er am 10. Juni nur die Übertragung der Kur auf den bayerischen Herzog durch Kaiser Ferdinand am Rande erwähnt (und widerlegt) hatte, schrieb Conring am 5. Juli, seinem letzten Brief ließen sich bereits einige, wenn auch schwächere Argumente für die bayerische Seite entnehmen: „Ex eo inciderunt quidem nonnulla, quae Bauari causam queant nonnihil plausibilem reddere; sunt tamen forte leuiora.“88 Wiederum bat er Boineburg um Literatur in der Streitfrage und nannte in diesem Zusammenhang insbesondere die bayerischen Schriften aus der vorangegangenen Auseinandersetzung mit der Kurpfalz. In ihnen lasse sich möglicherweise einiges finden, was von anderen übersehen sei.89 Ausdrücklich konnte sich Conring Anfang Juli ein Engagement zugunsten des bayerischen Kurfürsten dann vorstellen, wenn sich dessen Sache als gerecht und billig erweise. Nach seinen Erfahrungen im Krönungsrechtsstreit verlangte Conring nur, daß sein Name ungenannt bleibe: „Si iustum aequumque visum fuerit, non deero Bauaricae caussae; modo nomen meum dissimuletur: nec enim placet illud discrimen iterum subire: adeo me terrent, quae Assertionis caussa perpessus sum.“90
Daß die Bedingung, seinen Namen nicht preisgeben zu müssen, kein ernstzunehmendes Hindernis war, war Conring bewußt. Denn Boineburg war ihm längst so weit entgegengekommen, daß er seine Ansichten zum Vikariat nur handschriftlich aufzuzeichnen brauchte. Eine anonyme Veröffentlichung seiner Schrift mußte unter diesen Umständen unproblematisch sein. Nachdem Conring Recht und Billigkeit als Maßstab für seine persönliche Entscheidung bezeichnet hatte, löste er sich – wie in seinem letzten Schreiben – von der Ebene primär juristischer und historischer Argumentation und erörterte die Problematik erneut unter politischen Vorzeichen. Die Frage, ob das pfälzische oder das bayerische Vikariat für das Reich von größerem Nutzen sei, ließ ihm keine Ruhe. Da er bislang vergeblich auf eine Reaktion Boineburgs dazu gewartet hatte, rief er diesem in Erinnerung, daß in seinem letzten Brief mehr für ein pfälzisches Vikariat gesprochen habe: „Proposui vero nuper perpendum etiam hoc, num expeGruber I, S. 230. Dagegen geht Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 71, davon aus, daß Conring diese Arbeiten am 5. Juli 1657 bereits eingesehen hatte und auch darin keine gravierenden Argumente für die bayerische Sache entdeckte. Diese Ansicht dürfte jedoch auf eine fehlerhafte Übersetzung zurückgehen. 90 Gruber I, S. 230. 88 89
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diat magis Vicariatum Palatino, an Bauaro deferri; inclinantibus tunc argumentis in partes Palatini.“91 Auch unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls war jedoch ein bayerisches Vikariat für Conring nicht länger inakzeptabel. So erblickte er, bezogen auf das Reich, am 5. Juli einen Vorteil darin, daß ein durch das Vikariat gestärktes Bayern an die allzu große Macht der Österreicher heranreiche. Auf den ersten Blick verkehrte er damit den von ihm eingeführten Grundsatz der „prudentia civilis“, der vor einer leichtfertigen Machtkonzentration warnte, in sein Gegenteil. Bei genauerem Zusehen war aber für Conring das Zugeständnis weiterer Macht an das ohnehin mächtige Bayern nicht mehr leichtfertig, sondern politisch kalkuliert. Denn er erwartete, wie er zugab, daß auf diese Weise Österreich der größte Schaden erwachse: Çerte haud leviter nocere Austriacis poterit Vicariatus in Bauarum collatus.“92 In alledem ist eine erste Verschiebung seiner Koordinaten in der Vikariatsfrage erkennbar, ohne daß Conring dies explizit eingestanden hat. Ob allein die von Boineburg immer wieder zur Sprache gebrachten materiellen Anreize Conrings propfälzische Position erschüttert haben, ist zweifelhaft, denn Boineburg hatte die Belohnung nicht näher spezifiziert, und auch auf Pfälzer Seite konnte Conring der Vergütung seiner Dienste sicher sein. Conring hat seinen Standpunkt – jedenfalls auch – an den Erfordernissen des Gemeinwohls ausgerichtet. Nur so wird seine anhaltende intensive Beschäftigung mit der Frage nach dem Nutzen oder dem Vorteil für das Reich erklärlich, auf die er am 5. Juli keine abschließende Antwort gefunden hat. Conrings Brief vom 5. Juli lag Boineburg wahrscheinlich noch nicht vor, als er am 13. Juli 1657 einige Zeilen an Conring richtete. Von den Einwänden Conrings ungerührt, beschränkte er sich darauf, Literatur zu übermitteln und Conring an die erbetene Schrift zu erinnern. Zur Abfassung der Streitschrift solle ihm auch die weitere Literatur dienen: „Id nunc praestare volui, ea quidem intentione, vt scriptis iis vtaris in propositum tibi finem.“93 Wie viele und welche Schriften Boineburg Conring übersandte, läßt sich aus dem Schreiben nicht ersehen. Es scheinen jedenfalls in der Mehrzahl Arbeiten der bayerischen Seite gewesen zu sein. Denn dem Begleitschreiben zufolge ging Boineburg davon aus, daß Conring mit pfälzischen Schriften bereits versorgt sei, so daß es nahelag, daß Boineburg bayerische Arbeiten ergänzte. Für Boineburg war Conrings Absage vom 10. Juni der jüngste Stand der Dinge. Dennoch ließ Boineburg ihn auch am 13. Juli nicht an seinen Argumenten und Erwägungen für ein bayerisches Vikariat teilhaben. Die Frage nach dem Nutzen für das Reich, die Conring beschäftigt und die er ausdrücklich an Boineburg ge91 92 93
Gruber I, S. 230 f. Gruber I, S. 231. Gruber I, S. 239.
4 von Arnswaldt
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richtet hatte, blieb von diesem unbeachtet, und Boineburg drang nur erneut darauf, Conrings Urteil über die ganze Angelegenheit zu erfahren. e) Conrings Brief vom 25. Juli 1657 Conring kam in seinem am 25. Juli verfaßten Brief an Boineburg unter anderem auf die Vikariatsfrage zurück und erklärte sich unter Vorbehalt dazu bereit, eine pro-bayerische Schrift zu erarbeiten.94 Indem er betonte, seine Haltung in der Kontroverse allein von dem Gemeinwohl abhängig machen zu wollen, stieß er in diesem Brief aufs neue die inhaltliche Diskussion um die Chancen und Risiken eines bayerischen und eines pfälzischen Vikariats an. Sein Urteil über diejenigen Schriften, die ihm mittlerweile zu Gesicht gekommen waren, war ablehnend. Allerdings legte er nicht offen, welche Arbeiten er meinte. Ohne seine Kritik zu spezifizieren, vertrat er die Auffassung, daß das, was von der einen wie der anderen Seite veröffentlicht worden sei, nicht weiter ins Gewicht falle: „Quae de Vicariatu hinc inde prodierunt in lucem, ne quid apud te dissimulem, videntur per esse leuia.“95 Er war überzeugt, für den bayerischen Kurfürsten eine stichhaltigere Arbeit als die bislang veröffentlichten bayerischen Schriften verfassen zu können, und verlangte nur, daß sein Name nicht genannt werde: „Si mihi fides fieret, nomen meum dissimulatum iri, haud difficile forte fuerit conscribere aliquid de hoc argumento pro Bauaro haud paulo firmius.“96 War die argumentative Untermauerung des neuen Standpunkts für Conring nur eine technische Herausforderung, so maß er der Frage nach dem Nutzen oder dem Schaden für das Reich erneut zentrale Bedeutung bei. Wiederum forderte er dazu die Stellungnahme Boineburgs ein, von der er sich neue Einsichten versprach, und versicherte, die Veröffentlichung der erbetenen Schrift um einiges bereitwilliger anzugehen, sobald Boineburg sich zu den politischen Zusammenhängen geäußert habe: „Hac de questione vbi animum nudaueris, longe promptior ego fuero in libro edendo.“97 Den Druck auf Boineburg, die politischen Vorzüge eines bayerischen Vikariats zu benennen, erhöhte Conring noch, indem er behauptete, die Sache des Bayern gar nicht unterstützen zu dürfen, sofern es der „respublica“ schade: „Quid enim? Si Reipublicae noxium fuerit, Bauarum Vicarium agere, an fas mihi fuerit, eius caussam suscipere et orbi persuadere?“98 94 Stobbe, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, S. 37; Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 50 f. 95 Gruber I, S. 242. 96 Gruber I, S. 242. 97 Gruber I, S. 242. 98 Gruber I, S. 242.
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Der Gedanke an den bayerischen Kurfürsten scheint Conring das Druckprivileg in Erinnerung gerufen zu haben, das er vom bayerischen Hof erbeten hatte. Als er auf das Privileg zu sprechen kam, vermied er jedoch den Eindruck, mit seiner Bitte um ein bayerisches Privileg das Vikariat des Bayern faktisch anerkannt zu haben. Nur so ist seine Formulierung zu verstehen, daß sich Boineburg dennoch („tamen“99) ausgesprochen verdient machen könne, wenn er in der Sache des Privilegs etwas bewirke. Der Brief vom 25. Juli 1657 enthielt eine letzte Bitte um Literatur, wobei sich Conrings Interesse wiederum auf eine Schrift richtete, die in der früheren Kontroverse zwischen Bayern und der Kurpfalz entstanden war.100 f) Boineburgs Brief vom 8. August 1657 und Conrings Brief vom 12. August 1657 Das kurze Schreiben Boineburgs vom 8. August ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Boineburg setzte darin einerseits seine Bemühungen fort, Conring mit Schmeicheleien die Zusage zu einer bayerischen Streitschrift abzuringen. Andererseits legte er erstmals seine eigene politische Einschätzung zur Vikariatsfrage offen, auf die Conring mehrfach gedrungen hatte. Die Ehrungen, mit denen Boineburg Conring endgültig in das bayerische Lager zu ziehen versuchte, waren beträchtlich, denn neben einem Auszug aus einem Brief des bayerischen Gesandten leitete Boineburg am 8. August einen an Conring gerichteten Brief des bayerischen Kurfürsten nach Helmstedt weiter. Dieses Schreiben belegte Boineburg zufolge, wie wohlwollend Ferdinand Maria Conring gesinnt sei.101 Außerdem berichtete Boineburg von einer Begegnung mit Ferdinand Maria, bei der dieser persönlich Conring um eine Schrift für das bayerische Vikariat habe bitten lassen: „Te rogat ipse Serenissimus Elector, vt in eius gratiam quid conscribas pro Vicariatu Bauarico, mihique mittas.“102 Die Sorge Conrings, nach dem Streit um das Krönungsrecht erneut zu einer Zielscheibe persönlicher Anfeindungen zu werden, war Boineburg bekannt. Er versprach daher, alles, was ihm Conring mitteile, mit strengster Diskretion zu behandeln. Seine ersten inhaltlichen Äußerungen zur Vikariatsfrage waren zurückhaltend und knapp. Er beteuerte, daß er die ganze Angelegenheit lieber mündlich mit ConGruber I, S. 242. Conring bat um eine bayerische Schrift, die 1626 als Entgegnung auf die kurpfälzische „Rettung“ veröffentlicht worden sei. 101 Nach Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 71, soll Boineburg Conring am 8. August auch das Druckprivileg zugeschickt und ihn ermahnt haben, „jetzt auch sein Wort zu halten“. Diese Darstellung ist unzutreffend. Boineburg brachte das Privileg erst am 23. August auf den Weg (s. u.). 102 Gruber I, S. 244. 99
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ring bespräche als seine Ansichten aufzuzeichnen, und brachte seine Auffassung und die seines Kurfürsten in einem einzigen Satz auf den Punkt. Sie glaubten, so Boineburg, daß Ferdinand Maria das Vikariat aus dem Friedensinstrument zustehe, und hielten die Übertragung des Amtes auf den Bayern auch für nützlicher. Die argumentative Herleitung eines bayerischen Vikariats war für Boineburg zweitrangig. Sie erschien ihm unproblematisch, und er ging davon aus, daß diese Arbeit keine ernsten Schwierigkeiten aufwerfen werde: „Paucis: Bauaro hunc honorem deberi ex instrumento pacis, eumque illi relinqui vtiliter, censemus. Rationibus eam rem affirmare non erit aliquandio difficile. Neque hoc opus tam difficiles explicatus habere potest, si affectibus modus sit.“103
Auf den ersten Blick ist es unverständlich, weshalb Boineburg seinen Standpunkt erst spät erläuterte und nur das Nötigste preiszugeben bereit war. Johann Philipp und auch Boineburg hatten sich längst offen für ein bayerisches Vikariat ausgesprochen, und Boineburgs Argumentation, daß nach dem Friedensvertrag nur ein bayerisches Vikariat in Frage komme, deckte sich mit dem, was er am 19. April gegenüber dem Pfälzer Gesandten Hun erklärt hatte. Nicht sein Standpunkt als solcher oder dessen sachliche Begründung bereiteten Boineburg Schwierigkeiten, sondern Conrings Frage nach dem Nutzen eines bayerischen Vikariats für das Reich. Für den Fall, daß Boineburgs Erläuterungen zu den politischen Vorzügen in die falschen Hände gerieten, drohte ein diplomatischer Affront, da der Mainzer Erzbischof und sein erster Minister so den Verdacht erregen konnten, sich mit der Begünstigung Ferdinand Marias aus politischen Motiven über das Recht hinwegzusetzen. Vor diesem Hintergrund mußte es Boineburg lieber sein, mit Conring unter vier Augen und mündlich den politischen Nutzen zu diskutieren. Wenn er dennoch die Frage Conrings aufgriff und knapp beantwortete, hatte er erkannt, daß er – mit Blick auf den erwünschten Beitrag – Conring in diesem Punkt nicht länger hinhalten durfte. Noch ehe dieses Schreiben in Helmstedt eintraf, schrieb Conring am 12. August nach Mainz. In diesem längeren Brief befaßte er sich engagiert und ausführlich mit der bevorstehenden Kaiserwahl, die das Vikariat in den Hintergrund drängte. Er fürchtete, daß das Reich durch eine zu frühe Wahl Leopolds in Kriege verwikkelt werden könne, und sah daher den Frieden in Deutschland an einem seidenen Fraden: Çerte Germaniae salus, si vnquam, nunc dependet ex filo tenui.“104 Er erinnerte Boineburg zwar an das bayerische Privileg. Die Angelegenheit des Vikariats erwähnte er aber mit keinem Wort. Eine Andeutung auf die Vikariatsfrage kann allenfalls in einer Beteuerung am Ende seines Schreibens gesehen werden. Conring versicherte nämlich, er werde sich auch nach seinem Aufbruch nach Ostfriesland, den er für den 14. August plante, den Wünschen Boineburgs und seiner Pflicht nicht entziehen: „Non deero et in Frisia tuo desiderio, aut meo officio.“105 103 104 105
Gruber I, S. 244 f. Gruber I, S. 246. Gruber I, S. 249.
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Möglicherweise wollte Conring damit auf die wiederholten Aufforderungen aus Mainz reagieren. Daß er dazu eine vage Andeutung vorzog und eine konkrete Zusage für die bayerische Seite vermied, hatte einen triftigen Grund. Denn er besaß auch das Druckprivileg des Pfälzer Kurfürsten noch nicht, dessen Erteilung er mit einer eindeutigen Parteinahme für den Bayern im letzten Augenblick gefährden konnte.106
g) Zusammenfassung In dieser ersten Phase folgen die Stellungnahmen Boineburgs und Conrings einem gleichbleibenden Muster. Immer wieder brachte Boineburg Conring den materiellen Lohn in Erinnerung, den die bayerische Seite für eine Streitschrift zugesagt hatte. Anstatt die Streitfrage inhaltlich zu diskutieren, reduzierte er seinen Beitrag in den ersten Wochen darauf, Literatur für Conring zu organisieren. Er favorisierte vorbehaltlos die bayerische Position, seine Motive traten aber erst spät und nur in Andeutungen hervor. Ausschlaggebend war für seinen Standpunkt nicht die überzeugendere sachliche Fundierung des bayerischen Anspruchs. Vielmehr war aus seiner Sicht nach dem Bündnis mit dem Bayern vom 1. Juni die Übertragung des Amtes auf Ferdinand Maria ein politisch wünschenswertes Ergebnis, auf das seine Bemühungen zielten. Demgegenüber suchte Conring das inhaltliche Gespräch und drang vor allem darauf, Boineburgs politische Einschätzung der Angelegenheit zu erfahren. Zu Beginn für die pfälzische Seite eingenommen, war Conring später auch bayerischen Argumenten gegenüber aufgeschlossen. Seine Haltung blieb in diesen Monaten abwartend. Zwar wies er es nach seinen Erfahrungen in der Auseinandersetzung um das Krönungsrecht einerseits kategorisch von sich, eine der beiden Parteien zu unterstützen. Andererseits deutete er aber an, unter bestimmten Bedingungen zur publizistischen Parteinahme für den Bayern bereit zu sein. Er erörterte den Nutzen und die Nachteile für das Reich und gab Boineburg zu verstehen, daß er bei seiner Meinungsbildung dem Interesse des Reiches und dem Gemeinwohl den Vorrang einräumte. Wenn Conring in Worte faßte, was er unter dem Nutzen des Reichs verstand, traten leitende Prinzipien seines politischen Denkens zutage. Gegen Bayern gerichtet, warnte er zuerst vor unbedachter Machtkonzentration in den Händen eines Fürsten. Stabilität und Ruhe im Reich, um die es ihm vor allem ging, gingen so verloren. Daneben machte sich eine antihabsburgische Grundierung seines Denkens bemerkbar, die der ersehnten Ruhe nur auf den ersten Blick entgegenlief. Denn friedliche und stabile Verhältnisse 106 Nds. StA Wolfenbüttel, HS Abt. VI Gr. 11, Nr. 61, fol. 65r-66r (Abschrift). Auch wenn das Privileg vom 23. Juli 1657 datiert, dürfte es erst einige Wochen später nach Helmstedt gelangt sein. Denn Conring dankte noch am 9. August 1657 dem Pfälzer Kurfürsten lediglich für die Zusage, daß „E. Churf. Durchl. Mich mit dem gebetenen privilegio gnedigst anzusehen Jhr belieben laßen“ (Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2).
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waren aus Conrings Sicht gerade durch die machtvolle Politik Österreichs gefährdet. Daher machte er zuletzt für ein bayerisches Vikariat geltend, daß mit einem gestärkten bayerischen Kurfürsten ein Gegengewicht gegen die übermächtigen Habsburger entstünde. Vor Boineburg, der in diesem Punkt nicht anders dachte, verbarg Conring seine Antipathien nicht, und so begrüßte er offen, daß ein kurbayerisches Vikariat Österreich erheblich schadete. Kurz vor seinem Aufbruch nach Ostfriesland im August 1657 wandte sich Conring nach einer Zeit intensiver Beschäftigung von der Kontroverse um das Vikariat ab. Dies dürfte vor allem daran gelegen haben, daß das Zusammentreten des Wahltages in Frankfurt zu dieser Zeit Conrings Aufmerksamkeit auf die Kaiserwahl lenkte. Solange das zugesagte Privileg des Pfälzer Kurfürsten noch ausstand, hielt sich Conring wohl bewußt in der Frage des Vikariats bedeckt. Bemerkenswerterweise griffen weder Conring noch Boineburg aktuelle Ereignisse im schwelenden Konflikt in ihren Ausführungen auf, obwohl in diesen Monaten vor allem zwei Unruheherde den Zeitgenossen Anlaß zu großer Sorge waren. Zum einen drohte in der Auseinandersetzung um die Ämter Weiden und Parkstein eine militärische Eskalation zwischen Kurbayern und der Kurpfalz, und zum anderen spitzte sich am Speyerer Reichskammergericht die Situation zu. Karl Ludwig hatte im April 1656 die Orte Weiden und Parkstein besetzen lassen und später einen Rückzug abgelehnt, als Kaiser Ferdinand III. ihn dazu aufgefordert hatte. Nach dem Tod Kaiser Ferdinands griff Ferdinand Maria in der von ihm beanspruchten Funktion als Reichsvikar auf Bitten des Hauses Pfalz-Sulzbach in die Auseinandersetzung ein und verlangte ein Ende der kurpfälzischen Besetzung. Bayerische Truppen schlossen die kurpfälzischen Soldaten ein und erzwangen am 3. Juli 1657 deren Abzug. Nur das Einlenken Karl Ludwigs, der es mit einem Protest gegen das bayerische Vorgehen bewenden ließ, verhinderte in dieser Situation einen Krieg.107 Dem Reichskammergericht schenkten vor allem in den ersten Monaten des Vikariats beide Kurfürsten besondere Aufmerksamkeit. Am 13. April 1657 hatte Ferdinand Maria dem Gericht die Übernahme des Vikariats bekanntgegeben und darauf hingewiesen, daß das Vikariatssiegel dem Mainzer Erzbischof als Erzkanzler zugehen werde, sobald Kurbayern und Kursachsen sich über das gemeinsame Siegel verständigt hätten.108 Wenige Tage darauf, am 16. April 1657, hatte auch der sächsische Herzog Johann Georg dem Speyerer Gericht seine Reichsverwesung angezeigt und erklärt, daß er mit Ferdinand Maria einen Vergleich über das Siegel 107 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 177; Riezler, Geschichte Baierns, Band VII, S. 33 f. m. w. N.; Hermkes, Reichsvikariat, S. 65. Knappe Darstellung der Hintergründe dieses Streitpunkts bei B. Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrich’s des Großen, 1. Band, Berlin 1892, S. 310 f. 108 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 197; Hermkes, Reichsvikariat, S. 58 f.
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anstrebe.109 Als letzter hatte sich am 24. April 1657 der Pfälzer Kurfürst an das Gericht gewandt. Auch er hatte das Vikariat beansprucht und dem Gericht den Zugang eines Vikariatssiegels, und zwar eines sächsisch-pfälzischen, angekündigt.110 Noch im April hatte sich daraufhin das Reichskammergericht im Streit um das Vikariat auf einen bayerischen Vikar festgelegt, indem es in seiner Antwort an den bayerischen und an den sächsischen Kurfürsten die Verwendung des bayerischsächsischen Siegels zusagte.111 Nachdem Ferdinand Maria und Johann Georg am 4. Mai das gemeinsame bayerisch-sächsische Vikariatssiegel an den Mainzer Erzbischof Johann Philipp geschickt hatten, hatte dieser es am 17. Mai an die Kanzlei des Reichskammergerichts weitergeleitet und die Gerichtskanzlei ausdrücklich zum Gebrauch des Siegels angewiesen.112 Seitdem hatte Karl Ludwig immer wieder versucht, die Praxis der Ausfertigung mit dem bayerisch-sächsischen Siegel zu unterbinden. Selbst vor Drohungen, die an die Stände des Vikariatsbezirks ebenso wie an das Reichskammergericht gerichtet waren, war er nicht zurückgeschreckt. Anders als das Reichskammergericht, das von seiner Ausfertigungspraxis nicht abwich, hatten die Bürger der Stadt Speyer deutliche Präferenzen für den pfälzischen Kurfürsten. Immer offener begehrten sie gegen die Haltung des Gerichts auf und ergriffen Partei für Karl Ludwig.113 Wiederholt war es in der Stadt aus diesem Grund schon zu Unruhen gekommen. Als es jedoch am 24. Juni zu Übergriffen auf Angehörige des Gerichts kam, stellte dies alle früheren Vorkommnisse in den Schatten.114 Die Reaktion des bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria war moderat. Er begnügte sich im wesentlichen damit, gemeinsam mit Johann Georg der Stadt Speyer mit der Acht zu drohen.115 Außerdem baten der bayerische und der sächsische Kurfürst im Oktober den Erzkanzler Johann Philipp darum, die Speyerer Vorgänge vom 24. Juni untersuchen zu lassen. Auch nach dem 24. Juni blieb das Reichskammergericht ein Brennpunkt der Auseinandersetzung. Die Anweisung Karl Ludwigs, Unterlagen mit dem bayerisch-sächsischen Siegel den Gerichtsboten zu entwenden und zu vernichten, führte bis zum Frühjahr 1658 zu einer regelrechten Verfolgung des Gerichtspersonals. Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 197. Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 197; Hermkes, Reichsvikariat, S. 59. 111 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 197; Hermkes, Reichsvikariat, S. 59. 112 Hermkes, Reichsvikariat, S. 59 m. w. N. 113 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 198; Hermkes, Reichsvikariat, S. 60. 114 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 202 f. m. w. N. 115 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 203. 109 110
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Dem Gericht drohte der Pfälzer Kurfürst für die Ausfertigung mit dem bayerischen Siegel zudem eine Geldstrafe an. Ferdinand Maria bestärkte jedoch das Gericht darin, trotz der Drohungen und Repressalien an der Ausfertigung der Entscheidungen mit dem bayerischen Siegel festzuhalten.
5. Zweite Phase: Die Korrespondenz in der Zeit vom 23. August 1657 bis zum 28. Februar 1658 Von Mitte August 1657 bis Ende Februar 1658 gingen zwischen Conring und Boineburg insgesamt zwölf Briefe hin und her, von denen sieben wenigstens Andeutungen auf die Kontroverse um das Vikariat enthielten. Diese trat in ihrer Bedeutung aber hinter die Kaiserwahl und die Wahlkapitulation des Kandidaten zurück, wobei Conring als erster das Interesse an der Vikariatsfrage in diesen Monaten verlor. Dieser zweite Abschnitt ihres Briefwechsels bietet ein wechselvolles Bild: Er umfaßt gleichermaßen Monate, in denen die Korrespondenz zwischen Conring und Boineburg zum Erliegen kam, und Wochen, in denen ihre Briefe rasch aufeinanderfolgten. In der Vikariatsfrage war Conrings Haltung in dieser Zeit schwankend. Er sagte Boineburg zunächst die Abfassung einer bayerischen Streitschrift zu und nahm sein Versprechen später wieder zurück.
a) Boineburgs Briefe vom 23. August und vom 10. Oktober 1657 Nachdem schon Conring die Frage des Vikariats in seinem letzten Brief vor der Abreise nach Ostfriesland – bewußt oder unbewußt – beiseitegelassen hatte, stellte auch Boineburg die Vikariatsfrage und die erbetene Streitschrift hintan. Er schickte Conring am 23. August mit einem kurzen Begleitschreiben das bayerische Druckprivileg, das ihm zwischenzeitlich aus München zugegangen war.116 Selbst wenn er aber darauf hoffte, daß Conring sich nunmehr dem bayerischen Kurfürsten verpflichtet fühlte, erwähnte er das Reichsvikariat in diesem Schreiben nicht. Auch in einem weiteren Brief, den Boineburg nur zwei Tage später verfaßte, sparte er die Frage des Reichsvikariats und Conrings Beitrag in der Kontroverse aus. Währenddessen scheint Conring am Auricher Hof des Fürsten Enno Ludwig 116 Das Privileg datiert vom 27. Juli 1657 und ist von Ferdinand Maria „von tragenden Reichs Vicariats wegen in Landen des Rheins, Schwaben und Fränckischen Rechtens, Jhme Conringio für Jhn und seine Erben“ erteilt worden. (Abschriften im Nds. StA Wolfenbüttel, 37 Alt 368, Heft 2, fol. 42r + v sowie ebd., HS Abt. VI Gr. 11, Nr. 61, fol. 70r-71r.) Die Anweisung des bayerischen Kurfürsten, das Privileg Conring zukommen zu lassen, findet sich in den kurbayerischen Akten unter dem 15. August 1657 (Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3420, fol. 319r).
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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nicht einmal die Zeit gefunden zu haben, seinen Briefwechsel mit Boineburg fortzusetzen. Als sich Boineburg am 10. Oktober 1657 erneut mit einem Brief an Conring wandte, kam er auf das bayerische Druckprivileg zurück, das er im August auf den Weg gebracht hatte. Er hoffe, schrieb Boineburg, daß Conring das Privileg erhalten habe. Auch in diesem Schreiben forderte Boineburg aber die Schrift für den bayerischen Kurfürsten, um die er sich wochenlang bemüht hatte, nicht mehr ein.
b) Conrings Brief vom 6. November 1657 Erst am 6. November 1657 kehrte Conring in seiner Korrespondenz mit Boineburg zur Problematik des Vikariats zurück. Seine Position war in diesem Schreiben keinesfalls so eindeutig und gefestigt, wie es die Umschreibung Johann Daniel Grubers nahelegt: Çonringius e Frisia redux, repertis Electoris literis, operam suam spondet pro Vicariatu Bauarico defendendo.“117 Statt die Abfassung einer bayerischen Vikariatsschrift zu versprechen, hielt er zu einem solchen Vorhaben Distanz. Da bei Conrings Rückkehr aus Ostfriesland in Helmstedt ein Pestausbruch gedroht hatte und die Universität auseinandergetreten war, war er mit seiner Familie auf sein Landgut Groß-Sisbeck vor den Toren Helmstedts ausgewichen. Von dort aus brachte Conring, inzwischen an der Auseinandersetzung um das Vikariat kaum noch interessiert, den eigenen publizistischen Beitrag in der Kontroverse ungewollt wieder ins Spiel. Am 6. November antwortete Conring, der sich in seinem Schreiben auf den Brief des bayerischen Kurfürsten und den Auszug aus dem Brief des bayerischen Gesandten Oexl bezog, auf Boineburgs Brief vom 8. August, in dem Boineburg ihn zum vorerst letzten Mal zu einer Vikariatsschrift gedrängt hatte. Wie Conrings Erkundigung nach dem bayerischen Privileg belegt, waren ihm Anfang November die letzten Briefe Boineburgs vom 23. August und vom 10. Oktober, in denen die Kontroverse um das Vikariat gerade keine Rolle mehr spielte, noch unbekannt. Er ahnte also nicht, daß auch Boineburg die Vikariatsangelegenheit nicht länger verfolgt hatte, und griff daher – wenn auch zurückhaltend – die Vikariatsfrage wieder auf. So ließ er Oexl ausrichten, daß er zu dessen Diensten stehe, brachte allerdings, bezogen auf die Vikariatskontroverse, Bedenken vor. Er wies darauf hin, daß er in den vergangenen drei Monaten während seines Aufenthalts in Ostfriesland nichts von der Auseinandersetzung um das Vikariat gehört habe und daher nicht wisse, auf welchem Stand die Sache zwischenzeitlich sei: „Nobilissimo Domino Legato Bauarico omnia officia si meo nomine obtuleris, rem item feceris longe gratissimam. De Vicariatus controuersia totis tribus mensibus, quibus in Frisia haesi, accepi nihil, eoque nescio, quo hodie res illa sit loco.“118 117 118
Gruber I, S. 253. Gruber I, S. 253 f.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Auch als er beteuerte, das tun zu wollen, was Boineburg verlange und mit Blick auf das Gemeinwohl für nützlich halte, schränkte er seine Zusage ein. Denn er setzte nach, daß er dabei weniger an die recht unbedeutende Kontroverse um das Vikariat als an andere, dringendere und wichtigere Angelegenheiten denke: „Quid abs me fieri cupias, quidque existimes publice profuturum, vbi docueris, faxo, ne quid in me quidem iure desideres. Loquor vero non tam de Vicariatus controuersia leuiore, quam aliis maioris momenti et magis necessariis.“119
Damit versicherte er Oexl und Boineburg grundsätzlich seiner Dienste und lenkte zugleich von der Vikariatskontroverse ab, indem er deren Bedeutung herunterspielte. Es ist unwahrscheinlich, daß sich Conring hier in Unverbindlichkeiten flüchten wollte, um Boineburg noch länger hinzuhalten. Vielmehr standen für Conring seit August die bevorstehende Kaiserwahl und mögliche von der Wahl ausgehende Gefahren derart im Vordergrund, daß er keine Zeit auf die Vikariatskontroverse vergeben mochte. Denn nach seiner Rückkehr aus Ostfriesland sah er den Frieden und die Ruhe im Reich in erster Linie durch die Kaiserwahl, nicht durch den Streit um das Vikariat gefährdet: „Et vero, etsi procul remotus, video tamen in quanto periculo versetur Imperii publicus status.“120
c) Boineburgs Brief vom 17. November 1657 Am 17. November 1657 antwortete Boineburg auf Conrings letzten Brief und kam seinerseits auf die Vikariatsproblematik zurück. Nachdem Boineburg über drei Monate zur Kontroverse um das Vikariat geschwiegen hatte, scheint es, als hätten Conrings jüngste Bemerkungen, mit denen er die Vikariatsangelegenheit hatte beiseite schieben wollen, Boineburgs Interesse aufs neue geweckt. Engagiert setzte Boineburg von nun an seine Bemühungen fort, auf Conring in dieser Frage einzuwirken, und bediente sich dazu auch einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Hatte Boineburgs Unterstützung bei der Erteilung des bayerischen Privilegs zuvor den Charakter eines Freundschaftsdienstes, der Conring jedenfalls keine ausdrückliche Gegenleistung abverlangte, so stellte Boineburg am 17. November für seine weitere Hilfestellung eine Bedingung. Er sagte Conring auch für die Zukunft seine Unterstützung zu und wollte für das Privileg, das Conring im November noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, einstehen, falls es unterwegs abhanden gekommen sei. Im Gegenzug forderte er aber, daß er dem bayerischen Kurfürsten Conring als Autor einer pro-bayerischen Streitschrift benennen dürfe: „Praestabo [erg. culpam] et ego sarciamque iacturam, si Electori Bauaro te iurium suorum Vicarialium sistere queam, vt speramus, interpretem.“121
119 120 121
Gruber I, S. 254. Gruber I, S. 254. Gruber I, S. 255.
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In der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Vorzügen eines bayerischen Vikariats machte Boineburg – wie schon im August – zunächst Andeutungen. Wenn Conring die bayerische Sache unterstütze, schrieb Boineburg, dann hielten sich der persönliche Vorteil Conrings und der Nutzen für das Reich die Waage: „Noli ex me quaerere, num id vel re tua, vel e publica rear.“122 Dabei beließ es Boineburg nicht, sondern konkretisierte, warum zum Wohl des Reichs kein Weg an einem bayerischen Vikar vorbeiführte. Waren seine Hinweise zum Nutzen eines bayerischen Vikariats für das Reich bislang selbst auf drängende Nachfragen einsilbig geblieben, so griff Boineburg jetzt von sich aus die politische Tragweite der Problematik auf und knüpfte mit einem neuen Argument an die Diskussion an, die Conring vor Monaten geführt hatte. Die Gleichheit („aequalitas“), auf der seit dem Westfälischen Friedensschluß die Ruhe und die Stabilität im Reich aufbauten, zwinge, so Boineburg, auch zu einer konfessionell paritätischen Besetzung der Vikarsämter: „Aequalitas, pace nuper Germaniae salus credita, quid poscat, non est in obscuro. An opportunum, Protestantes duos solos esse Vicarios et Interreges ? Non opus hic demonstratione vlla. Ipsa res, quod sentio, affirmat; imo clamat.“123
Indem er die Gleichheit zwischen den konfessionellen Lagern im Reich als ein konstitutives Element der Friedensordnung herausstellte und von ihr die Forderung nach einem bayerischen und damit katholischen Reichsvikar ableitete, der sein Amt neben dem sächsischen Kurfürsten und Vikar versehen solle, legte Boineburg erstmals ein politisches Motiv für seine Haltung in der Vikariatsfrage offen. Boineburg dürfte es sorgfältig auf den Adressaten abgestimmt haben. Denn Stabilität und Ruhe im Reich, die die „aequalitas“ verhieß, waren zentrale Anliegen Conrings. Zudem war Conring, unabhängig von der Vikariatsproblematik, stets auf einen Ausgleich der Konfessionen bedacht.124 Daneben hielt Boineburg Conring erneut die materiellen Chancen vor Augen. Er selbst, so Boineburg, werde dafür einstehen, daß Conring angemessen belohnt werde, und er versicherte, daß auch Oexl immer wieder eine stattliche Vergütung zugesagt habe. Ohne daß Conring in seinem letzten Brief seine Bedenken in diesem Punkt erneuert hatte, garantierte Boineburg schließlich noch einmal, daß alles, was ihm Conring zukommen lasse, anonym veröffentlicht werde.125 Gruber I, S. 255. Gruber I, S. 255. 124 Boineburg unterstellte Conring nicht, er verteidige aus religiösen Motiven das evangelische kurpfälzische Vikariat, wie Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 71, behauptet. 125 Daß Boineburg am 17. November 1657 schrieb, „er [Conring] solle nie veröffentlichen, was er ihm über das Vikariat geschickt habe; auf der anderen Seite erwarte ihn mehr Lohn“ (so Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 71) trifft nicht zu. Die Darstellung geht wahrscheinlich auf eine falsche Übersetzung zurück. 122 123
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
d) Conrings Brief vom 26. November 1657 Conring schlug am 26. November in der Vikariatsfrage, deren Bedeutung er zuletzt heruntergespielt hatte, neue Töne an und sagte ausdrücklich eine pro-bayerische Schrift zu. Eine Ursache dieser erneuten Wendung mag gewesen sein, daß Conring inzwischen das durch Boineburg vermittelte Privileg unter seinen Papieren in Groß-Sisbeck entdeckt hatte. Jedenfalls dankte er Boineburg überschwenglich für das Privileg und stellte Boineburgs maßgeblichen Einfluß auf die Erteilung des Privilegs heraus. Boineburg habe sich auf diese Weise nicht nur um ihn, Conring, sondern auch um seine Nachkommen verdient gemacht, fügte Conring hinzu: „Ego vero pro hoc benefecio, tibi enim vni debeo, gratias ago immortales: nec enim mihi tantum, sed et posteritati meae profuisti.“126 Anschließend wandte sich Conring dem Vikariat zu. Dem Vikarsamt maß er wieder größere Bedeutung bei, und er stimmte Boineburg zu, daß aus politischen Gründen die katholische Seite bei der Besetzung der Vikarsämter zum Zuge kommen müsse. Auch er sei der Ansicht, schrieb Conring, daß es zur öffentlichen Ruhe beitrage, dieses Amt beiden Religionsparteien zu überlassen: „De Vicariatu omnino tecum consentio, facere ad tranquillitatem publicam, vt magnum hoc munus vtrique parti religiosae sit commune.“127 Ebenso wie Boineburg war Conring überzeugt, daß der Friede im Reich auf dem Prinzip der konfessionellen Gleichheit basierte. Die Furcht beider Lager voreinander halte sie in ihren Schranken: „Et vero eo res nostrae redierunt, vt in aequalitate quadam vtriusque partis pax sit publica constituta, ne scilicet altera alteri temere noceat mutuo metu coercita.“128 An dieser Stelle ließ sich Conring einen Seitenhieb auf die katholische Partei nicht entgehen. So nannte er die Gleichheit gerade deshalb unverzichtbar, weil aufrichtige Verbundenheit, wie sie früher unter Bürgern eines Gemeinwesens angemessen gewesen sei, in der aktuellen Situation im Reich nicht zu erwarten sei, solange die römische Kurie an ihren Lehrsätzen über die Bestrafung der Häretiker festhalte: „Nam vt altera alteram sincero affectu, quemadmodum par erat inter vnius Reipublicae ciues, amet, forte sperare non licet, saltem non hac tempestate, quamdiu scilicet in pretio fuerint illa placita Romanae Curiae de Haereticorum ciuilibus poenis.“129
In einem anderen Kontext kam Conring am 26. November auch auf seinen publizistischen Beitrag zur Vikariatskontroverse zurück. Zwar dämpfte er die Erwartungen an seine Schrift, da er auf seinem Landsitz keine Literatur und keine Unterlagen zur Hand habe. Seine Entscheidung war aber gefallen, und er versprach, Boineburg bei nächster Gelegenheit eine Ausarbeitung zukommen zu lassen: „De Vi126 127 128 129
Gruber I, S. 256. Gruber I, S. 256. Gruber I, S. 256 f. Gruber I, S. 257.
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cariatu tamen Bauarico forte prima quaque occasione aliquid transmittam: non prolixum quidem; idoneum tamen caussam reddere peruerisimilem.“130 Die Motive, die für Conring bei seiner Entscheidung im Vordergrund standen, gehen aus seinen Ausführungen nicht explizit hervor. Bei der zeitlichen Nähe zwischen dem Auffinden des Privilegs und seiner Zusage, für das bayerische Vikariat einzutreten, drängt sich der Eindruck eines Zusammenhangs auf. So könnte die Freude über die Bewilligung des ersehnten Privilegs den Anstoß zu seiner klaren Zusage gegeben haben, für die Rechte des bayerischen Kurfürsten einzutreten.131 Als maßgebliche Ursache taugt die Erteilung des Privilegs jedoch nicht. Denn sollte Conrings Zusage einer spontanen Dankbarkeit entsprungen sein, wären der Ernst und die Sorgfalt, mit denen er die Problematik des Vikariats diskutierte, kaum erklärlich. Wahrscheinlicher ist es, daß Conring im November seine politischen Überlegungen zu Chancen und Risiken für das Reich durch Boineburg aufgegriffen und ernst genommen sah und seine Zusage auf einer Abwägung dieser Vor- und Nachteile beruhte. e) Boineburgs Briefe vom 8., 12. und 20. Februar 1658 Nach dem November setzten Conring und Boineburg ihre Korrespondenz bis zum Februar 1658 aus. Erst am 8. Februar wandte sich Boineburg wieder mit einem längeren Schreiben nach Helmstedt, wohin Conring zwischenzeitlich zurückgekehrt war. Boineburg waren Zweifel an Conrings Zusage vom November gekommen. Aufs neue brachte er daher die Vikariatsfrage auf. Er stellte weitere Literatur von bayerischer Seite in Aussicht und breitete einmal mehr die materiellen Vorteile aus, die Conring von bayerischer Seite erwarteten. Oexl, der schon auf die Schrift für seinen Kurfürsten gespannt sei, verspreche eine hohe Belohnung. Zugleich sicherte Boineburg, wie einige Male zuvor, äußerste Diskretion zu. In dem Schreiben vom 8. Februar deutete sich an, daß Boineburg die Streitschrift nicht mehr aus eigenem Antrieb einforderte. Boineburg stand bei Oexl im Wort und appellierte daher an Conring, ihn nicht im Stich zu lassen: „Quaeso, ne destituas me sic precantem et intercedentem.“132 Der Eindruck, daß vor allem der bayerische Gesandte Boineburgs Interesse an einer Streitschrift Conrings wachhielt, verfestigt sich bei einem Blick auf Boineburgs kurzes Schreiben vom 12. Februar 1658. Während es Boineburg darin in der Hauptsache um ein Detail der Wahlkapitulation ging, bemerkte er nebenbei, daß Oexl inzwischen bei ihm in Frankfurt sei und die Vikariatsschrift Conrings zu lesen wünsche. Boineburg wurde dabei nicht müde, Conring die Gunst des bayerischen Kurfürsten vorzuhalten, die er sich mit einer Arbeit erwerben werde, und 130 131 132
Gruber I, S. 260. Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 52. Gruber I, S. 262.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
kündigte an, in Kürze die schon versprochene Literatur zum Vikariat Conring zuzusenden. Am 16. Februar lagen Conring zwar die jüngsten Briefe Boineburgs schon vor. In seiner Antwort berührte er aber mit keinem Wort die neuerlichen Bitten nach der zugesagten Schrift. Als am 20. Februar noch keine Antwort aus Helmstedt bei Boineburg eingetroffen war, richtete dieser ein weiteres kurzes Schreiben an Conring, in dem er auf eine Antwort in der Frage der Wahlkapitulation drang. Beiläufig teilte Boineburg mit, daß nun Oexl selbst die avisierten Vikariatsschriften übersenden werde. Zum Dank dafür solle Conring einen kurzen Brief an den bayerischen Gesandten verfassen. Den persönlichen Vorteil Conrings im Auge, fügte Boineburg hinzu, daß sich diese Mühe lohnen werde. Als er Conrings Brief vom 16. Februar empfangen hatte, schrieb er am 22. Februar einige Zeilen an Conring zurück. Allerdings ging er darin nicht mehr auf die Vikariatskontroverse ein.
f) Conrings Brief vom 28. Februar 1658 Conrings Schreiben vom 28. Februar 1658 enthielt eine Andeutung auf die Kontroverse um das Vikariat, die eine erkennbare Zäsur in der Korrespondenz markierte. Conring bat Boineburg, ihn auch weiterhin dem bayerischen Gesandten zu empfehlen, und wies zugleich Boineburgs Vorschlag ab, irgend etwas für Oexl aufzuzeichnen, da ihm dazu die Zeit fehle: „Nobilissimo Oxelio non desines me commendare: nunc quidquam ad illum exarare non vacat.“133 Lehnte er auf den ersten Blick nur ab, einen Dankesbrief an Oexl für die Zusendung weiterer Literatur zu verfassen, so steckte darin bei genauerem Zusehen eine umfassende Absage. Denn gerade auf Oexl hatte sich Boineburg gegenüber Conring im Februar mehrfach berufen, als es um Conrings bayerische Vikariatsschrift ging. Wenn Conring also vorgab, nicht einmal Zeit für einen Brief an den Gesandten zu haben, zog er damit zugleich seine Zusage zu einer bayerischen Streitschrift zurück. Auch wenn Conring es vermieden hatte, seine Absage in deutlichere Worte zu fassen, verfehlte sie ihre Wirkung auf Boineburg nicht. Dieser sah nach dem Februar 1658 von weiteren Anstrengungen ab, die Streitschrift bei Conring einzufordern, und für drei Monate ließen Boineburg und Conring die Frage des Vikariats in ihrer Korrespondenz beiseite.134
133 134
Gruber I, S. 278. Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 52.
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g) Zusammenfassung Während der zweiten Phase geriet die Kontroverse um das Vikariat bei Conring und Boineburg in Vergessenheit. Während sich Conring am ostfriesischen Hof aufhielt, rissen der Briefwechsel und damit auch die Auseinandersetzung mit der Vikariatsfrage für eine Dauer von mehreren Wochen ab. Bemerkenswerterweise entfachte gerade Conrings Brief vom 6. November, mit dem er sich eigentlich neuen Fragen zuwenden wollte, Boineburgs Drängen aufs neue. Boineburg strich nun nicht mehr nur die materiellen Vorteile für Conring heraus, sondern vertiefte auch die inhaltliche Diskussion, indem er die politischen Implikationen der Streitfrage aufzeigte. Auch wenn sich nicht mit Sicherheit feststellen läßt, worauf Conrings Zusage vom November 1657 zurückging, so ist es plausibel, daß Conring genau auf diese politische Form der Auseinandersetzung bei Boineburg gewartet hatte. Denn Conring hatte von Anfang an die Diskussion auf das Gemeinwohl und die Vorteile für das Reich lenken wollen und war schließlich von Boineburg – abseits der rechtlichen Argumentation – über die politischen Hintergründe in der Streitfrage und über die Mainzer Sicht der Dinge aufgeklärt worden. Es dürfte daher kein Zufall gewesen sein, daß sich Conring unmittelbar nach diesen Ausführungen Boineburgs zu einer bayerischen Schrift entschloß. Die konfessionelle Parität bei der Besetzung der Vikarsämter, die Boineburg in die Diskussion geworfen hatte, wurde damit zum ausschlaggebenden Argument auch für Conring. Nach der Zusage Conrings war der briefliche Kontakt zwischen Conring und Boineburg ein weiteres Mal für mehr als zwei Monate unterbrochen, bis Boineburg im Februar 1658 den Briefwechsel fortführte und auch an die erbetene Streitschrift erinnerte.135 Mit Conrings Absage, für die er außer Zeitmangel keine Begründung anführte, endete ihre Auseinandersetzung über das Vikariat für eine Zeit von mehreren Monaten. Was Conring am 28. Februar dazu bewog, seine Zusage zu widerrufen, geht aus seinen Worten nicht hervor. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit dem Vikariat im Frühjahr und Sommer 1657 war jedenfalls die Begründung, daß ihm die Zeit fehle, irgend etwas aufzuschreiben, nur vorgeschoben. Möglicherweise wollte Conring im Februar die Kontroverse um das Vikariat endgültig hinter sich lassen und sich nicht länger mit einer aus seiner Sicht nachrangigen Frage befassen, da er in diesen Wochen die Auseinandersetzung mit der Wahlkapitulation und der Kaiserwahl für bedeutsamer hielt. 135 Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 56, behauptet, Boineburg habe in diesen Briefen „nicht mehr den gleichgroßen Eifer (gezeigt), den er in den Monaten Juni bis November 1657 für Bayern bewiesen hatte“. Boineburgs Engagement in dieser Frage läßt aber erst nach dem 28. Februar 1658 erkennbar nach, als Boineburg der Absage Conrings nichts mehr entgegenhält.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Die Absage an den bayerischen Kurfürsten dürfte Conring im Februar 1658 aber schon deswegen nicht schwergefallen sein, weil er damit von einer nur halbherzig bezogenen Position abrückte. Schon seine Zusage im November 1657 war nicht frei von Einwänden und Bedenken gewesen. Erst nach langem Zögern hatte er sich für ein bayerisches Vikariat einsetzen wollen, ohne daß seine Worte jemals Enthusiasmus für die Sache des Bayern erkennen ließen. Es ist daher anzunehmen, daß Conring eine kritische Einstellung in der Vikariatsfrage auch noch nach seiner Zusage wahrte und diese am Maßstab von Stabilität und Frieden im Reich hinterfragte. Aber nicht nur Conring, sondern auch Boineburg wandte sich schließlich von der bayerischen Partei ab, indem er nach Conrings Absage die Sache auf sich beruhen ließ. Boineburgs Motive, die er nicht explizit genannt hat, ergeben sich bei einem Blick auf die veränderte politische Konstellation, die den Kurmainzer Oberhofmarschall zu größerer Distanz gegenüber Kurbayern zwang. Für Frankreich war zwischenzeitlich aus dem bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria ein Gegner geworden, und dieses Zerwürfnis konnte nicht ohne Folgen für die Mainzer Politik bleiben. Ferdinand Maria, der noch zu Beginn des Interregnums von französischer Seite als Thronkandidat gehandelt worden war, um einen weiteren habsburgischen Kaiser zu verhindern, war – nach seinem Verzicht auf eine Kandidatur – dazu übergegangen, den Habsburger Leopold zu unterstützen. Unter diesen Vorzeichen war die fortbestehende Allianz zwischen dem mit Frankreich verbündeten Mainzer Erzbischof und dem bayerischen Kurfürsten dem französischen König Ludwig XIV. ein Dorn im Auge. Außerdem hatte sich der Pfälzer Kurfürst mit einem Vertrag vom 15. August 1657 noch enger an Frankreich angelehnt.136 Ein Ausgleich zwischen Kurmainz und der Kurpfalz war in dieser Situation unausweichlich, und ein weiteres Eintreten für die Rechte des Bayern konnte Boineburg nicht länger opportun erscheinen. In den Zeitraum von August 1657 bis Februar 1658 fällt der Abschluß einer Vereinbarung Bayerns und Österreichs, die zwar im Kontext der Kontroverse um das Vikariat wichtig war, zwischen Boineburg und Conring aber nicht zur Sprache kam. Im geheimen Allianzrezeß vom 12. Januar 1658 sagten sich der spätere Kaiser Leopold und der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria gegenseitige Unterstützung für den Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit der Kurpfalz zu. Der Gedanke eines solchen Abkommens ging vor allem auf Ferdinand Maria zurück, der fürchtete, Frankreich könne dem Pfälzer Kurfürsten militärischen Beistand leisten.137 Bemerkenswert ist, daß Boineburg, der von dem Abkommen gewußt haben muß, Conring diese politische Information vorenthielt, obwohl Boineburg und Conring zur gleichen Zeit in ihren Briefen ihren freundschaftlichen und vertrauten 136 A. F. Pribram, Zur Wahl Leopolds I. (1654 – 1658), in: Archiv für österreichische Geschichte, 73 (1888), S. 79 – 222 (197 f.). 137 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 207 f.; Riezler, Geschichte Baierns, Band VII, S. 37.
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Umgang miteinander betonten. Ein Motiv für Boineburgs Zurückhaltung in diesem Punkt liegt auf der Hand. Boineburg waren die deutlichen Vorbehalte Conrings gegen die Habsburger bekannt. Solange er ein Interesse an einer pro-bayerischen Vikariatsschrift Conrings hatte, mußte er fürchten, mit einem entsprechenden Hinweis auf eine Annäherung Bayerns an Österreich die mühsam erreichte Zusage Conrings zu einer bayerischen Schrift aufs Spiel zu setzen. 6. Dritte Phase: Die Korrespondenz in der Zeit vom 5. Juni 1658 bis zum 30. August 1658 Nach dem Februar 1658 spielte die Frage des Reichsvikariats zwischen Boineburg und Conring für Monate keine Rolle mehr. Dies belegen die sechs aus den Monaten März, April und Mai erhaltenen Briefe, in denen sich keine Hinweise auf die Kontroverse finden. Erst im Juni und im August wurde der früher leidenschaftlich diskutierte Streit in zwei Briefen berührt. In einem Schreiben Boineburgs rückte im Juni die Vikariatskontroverse noch einmal in den Mittelpunkt, bevor Conring im August den Diskurs über das Vikariat in der Korrespondenz beendete. In diesen letzten Schreiben aus dem Juni und dem August vertieften Boineburg und Conring die sachliche Diskussion nicht mehr. Dennoch kommt diesen letzten Zeugnissen eine besondere Bedeutung zu. Denn in ihnen deutet sich der Einfluß an, den Boineburg und sein Kurfürst zuletzt auf die Veröffentlichung von Conrings pro-pfälzischer Schrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ genommen haben. a) Boineburgs Brief vom 5. Juni 1658 und Conrings Brief vom 12. Juni 1658 In seinem Brief vom 5. Juni 1658 erwähnte Boineburg die Vikariatsfrage nicht und befaßte sich statt dessen vor allem mit den Frankfurter Wahlverhandlungen. Dabei wird die gegenüber den ersten Monaten des Interregnums veränderte politische Konstellation in seinen Ausführungen erkennbar. Denn während sich Johann Philipp und Boineburg mit dem bayerisch-mainzischen Vertrag vom 1. Juni 1657 gegen eine militärische Auseinandersetzung mit der Kurpfalz abgesichert hatten, war ein Jahr später eine mainzisch-pfälzische Kooperation an die Stelle der Konfrontation getreten, wie aus Boineburgs Worten hervorgeht. Als Boineburg die Überlegungen Conrings zur Kaiserwahl und zu den davon ausgehenden Gefahren aufgriff, beteuerte er, daß sein Kurfürstentum die Gefahren nach Kräften geringhalten werde, und beklagte zugleich die geringe Unterstützung, die dieser Politik von den übrigen Kurfürsten zuteil werde: „Nos facimus, quantum in nobis est; at parum adiuuamur, collegarum studiis in omnia alia deuergentibus.“138 138
Gruber I, S. 295.
5 von Arnswaldt
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Von diesem Vorwurf nahm Boineburg ausdrücklich neben dem Kölner Erzbischof den Pfälzer Kurfürsten aus: Çoloniensis et Palatinus non male tamen in hoc se negotio comparant. Brandenburgicus, cum non sit suae spontis, et in diuersum praesentium suarum rerum incertitudine abripiatur, minus auxilio nobis est, quam esset futurus, si a Suedis nihil metuendum haberet.“139
Bevor Conring am 14. Juni erneut für mehrere Wochen nach Ostfriesland reiste, antwortete er am 12. Juni auf Boineburgs letzten Brief. Ohne daß Conring das Vikariat erwähnte, signalisierte er, daß er von dem schwelenden Konflikt keine größeren Probleme für das Reich mehr erwartete. Nach seiner Ansicht ging eine zentrale Gefahr für das Reich von einer zu frühen Kaiserwahl aus, und er riet daher dazu, die Wahl weiter hinauszuzögern und so die Wünsche des schwedischen Königs zu berücksichtigen. Die Risiken, die ein länger andauerndes Interregnum mit sich bringen konnte, nahm er bewußt in Kauf. Denn aus seiner Sicht waren die Gefahren, die bei einem Aufschub der Wahl aus dem fortdauernden Interregnum resultierten, geringer als diejenigen, die aus einer raschen Kaiserwahl folgten: „A longiore interregno, vt nunc Germaniae status, parum periculi est; ab intempestiua autem Electione plurimum.“140
b) Boineburgs Brief vom 16. Juni 1658 Erst am 16. Juni sprach Boineburg die Vikariatsproblematik wieder offen an. Auch er hielt den Frieden im Reich für sehr gefährdet. Anders als Conring sah Boineburg allerdings gleich große Gefahren von der Wahl eines Kaisers wie von dem anhaltenden Vikariatsstreit ausgehen. Nach fast vier Monaten, in denen sein Interesse anderen Fragen gegolten hatte, war Boineburg der Streit um das rheinische Vikariat im Juni 1658 fremd geworden. So rief er am 16. Juni sich und Conring die Grundlagen der Kontroverse in Erinnerung, indem er rekapitulierte, daß zwei Kurfürsten ein Amt unbeschränkt und ungeteilt für sich beanspruchten. Wenn Boineburg in der Beilegung der Kontroverse eine erhebliche Schwierigkeit sah, lag dies vor allem daran, daß sich der Konflikt zwischen dem bayerischen und dem pfälzischen Kurfürsten in den vorangegangenen Wochen noch zugespitzt hatte. Am 16. Mai war es bei den Wahlverhandlungen in Frankfurt zu einem Eklat gekommen, als der Pfälzer Kurfürst den bayerischen Gesandten Oexl mit einem Tintenfaß bewarf. Wenn auch der Streit um das Vikariat nicht unmittelbarer Anlaß dieser Szene war, so waren der Zusammenstoß und seine bedrohlichen Konsequenzen – erneut gerieten Bayern und die Kurpfalz an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung – nur vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zu verste139 140
Gruber I, S. 295. Gruber I, S. 298 f.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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hen, die beide Kurfürsten seit Monaten um die Reichsverwesung führten.141 Unter dem Eindruck des Frankfurter Vorfalls rückte für Boineburg eine Einigung in weite Ferne: „Huic rei non minoris difficultatis negotium accedit, tentanda compositio litis de vnius Vicariatus duos inter Electores praerogatiua, quorum quisque sibi eum integrum ac in solidum tribui postulat, quorumque animi cotidie magis magisque in obtinendi spes nisusque efferuescunt, post perinde loco et tempore intempestiuum ac improuisum istum effusi atramenti impetum ( . . . ).“142
Er sorgte sich, daß die vergossene Tinte zum Vorboten von Blutvergießen werden könne, und mahnte eine vorausschauende Politik an, damit aus der bestehenden Konfliktlage nicht noch größere Gefahren für das Gemeinwohl folgten: „Prouisu itaque nihilo segniore sollertium consiliorum opus est nunc, quo nempe modo ardores illi restinguantur, vel saltem temperentur, ne in nocentissima publico incendia erumpant.“143
Von Conring erhoffte sich Boineburg in diesem Zusammenhang Rat. Er, der von der bevorstehenden Veröffentlichung einer pro-pfälzischen Vikariatsschrift Conrings wußte, bat diesen darum, in die Arbeit eingeweiht zu werden: „( . . . ) oroque, vt tua pro Vicariatu Palatino, prout ea nunc legi voles, mecum communices.“144 Gelassen reagierte Boineburg darauf, daß Conring doch eine Schrift für den Pfälzer Kurfürsten verfaßt hatte. Weder warf er ihm den Bruch ihrer Verabredung vor noch übte er Kritik an dessen Vorhaben. Im Gegenteil: Zwischen den Zeilen hieß Boineburg schon am 16. Juni Conrings Eintreten für ein pfälzisches Vikariat gut, wenn er davon sprach, daß nunmehr die wachsende Einsicht in die Wahrheit dem pfälzischen Vikariat zugute komme: „Minus enim inde nunc periculi impendet, animis erga veritatem paullatim mitescentibus.“145 Boineburgs Bitte muß Conring erstaunt haben. Denn Conring hatte zwar im Februar seine Zusage zu einer bayerischen Schrift zurückgenommen, von einer pfälzischen Vikariatsschrift war in der Zwischenzeit aber keine Rede gewesen. Boineburg war also aus anderen Quellen informiert, und da er schon Mitte Juni Kenntnis von der bevorstehenden Veröffentlichung hatte, liegt der Schluß nahe, daß seine Informationen unmittelbar aus Heidelberg stammten.
141 Die Ereignisse um den Tintenfaßwurf sind dargestellt bei Moser, Teutsches StaatsRecht, Teil 7, S. 448 – 454; Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte, 1. Band, S. 311; Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 208 ff.; Hermkes, Reichsvikariat, S. 65 f. m. w. N. 142 Gruber I, S. 296 f. 143 Gruber I, S. 297. 144 Gruber I, S. 297. 145 Gruber I, S. 297.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
c) Conrings Brief vom 30. August 1658 Nach seiner Rückkehr aus Ostfriesland schrieb Conring am 30. August an Boineburg. In dieser letzten Äußerung zur Vikariatsfrage, die aus ihrer Korrespondenz von 1657 und 1658 überliefert ist, kritisierte er den Druck seiner zwischenzeitlich redigierten Schrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“. Deren Veröffentlichung war zuletzt, wie aus Conrings Schreiben folgt, auch von Mainzer Seite forciert worden. Die Kritik Conrings, der ein gedrucktes Exemplar seiner Vikariatsschrift erst am 26. August zu Gesicht bekommen hatte, zielte auf den Anhang der gedruckten Fassung. Dieser Anhang, so urteilte Conring, ohne seine Kritik zu präzisieren, weiche erheblich von dem ab, was er bei seinem Entwurf geplant und sich vorgestellt habe: „Vicariatum Palatinum defensum ante hosce dies quatuor demum vidi editum; sed cum Appendice, a mente et consilio auctoris plane diuersa: quod equidem doleo.“146 Allerdings stellte er nüchtern fest, daß sich nun ohnehin nichts mehr ändern lasse, nachdem die Schrift seinen eigenen Einflußbereich auf Anraten Johann Philipps verlassen habe: „Maluissem rem illam aliter geri; sed cum Illustris Vestrae Excellentiae callido sane consilio e potestate meo exiit, ferendum est, quod mutare non licet.“147 Aus der überlieferten Korrespondenz geht zwar nicht hervor, wann und wie eine Einflußnahme auf Conring von Mainz aus erfolgte. Nimmt man Conrings Hinweis vom 30. August ernst, so muß sich Johann Philipp (oder Boineburg im Namen seines Kurfürsten) noch nach dem 16. Juni in dieser Sache an Conring gewandt und ihn zu einer raschen Veröffentlichung der pfälzischen Vikariatsschrift gedrängt haben. Johann Philipp und auch Boineburg haben damit zwischen Juni und August 1658 Conrings Eintreten für die pfälzische Seite gebilligt und unterstützt. Vor dem Hintergrund, daß die endgültige Abkehr der Kurmainzer Politik vom bayerischen Kurfürsten auch andernorts manifest wurde, lag eine Unterstützung des Pfälzer Kurfürsten durch den Mainzer in diesem Zeitraum nahe. Am 18. Juli, dem Tag der Kaiserwahl Leopolds, wies Johann Philipp in einer Audienz den bayerischen Gesandten Oexl darauf hin, daß er sich an die bayerisch-mainzische Allianz nicht länger gebunden fühle.148 Im Zusammenhang des Rheinbundprojekts suchte der Mainzer Kurfürst zudem die Nähe Karl Ludwigs und legte dazu seine Auseinandersetzung um die Rheinzölle am 6. August mit einem Vergleich bei, von dem auch die Vikariatsfrage berührt war. Denn als Gegenleistung für die Anerkennung des Mainzer Rheinstapelrechts sagte Johann Philipp dem Pfälzer Kurfürsten 146 147 148
Gruber I, S. 302. Gruber I, S. 302. Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 216.
II. Der Briefwechsel mit Boineburg in den Jahren 1657 und 1658
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zu, sich für eine Teilung des rheinischen Vikariatsgebiets und für die Errichtung eines dritten, pfälzischen Vikariats einzusetzen.149 Nach der Veröffentlichung seiner Streitschrift und dem Ende des Interregnums wollte Conring am 30. August einen Schlußpunkt unter die Auseinandersetzung um das Vikariat setzen. Anders als zu Beginn des Interregnums150 hielt er den Streit um das Vikariat nun für belanglos, und er hoffte auf ein Ende der Auseinandersetzungen, ehe das Reich in neue Unruhe gerate. So gravierend ihm die Macht des Vikars im Sommer 1657 erschienen war, so unbedeutend kam ihm der gesamte Streit ein Jahr darauf vor. Das Vikariat, urteilte Conring am 30. August, bringe mehr eitlen Glanz als wahre Macht mit sich: „Mihi nihil fuerit acceptius, quam si et illa lis componantur, ne aliquando Imperio nouas pariat turbas, cum praesertim res ipsa, quae in controuersiam venit, plus habeat inanis splendoris, quam verae potentiae.“151
d) Zusammenfassung In diesem dritten Abschnitt wandten sich Boineburg und Conring in erster Linie anderen Problemen als dem Reichsvikariat zu. So nahm die Wahlkapitulation des künftigen Kaisers beide ebenso in Anspruch wie der Zeitpunkt der Wahl. Erst nachdem der Konflikt zwischen dem bayerischen und dem pfälzischen Kurfürsten durch die aufsehenerregenden Vorkommnisse in Frankfurt wieder an Schärfe gewonnen hatte, besann sich Boineburg auf die Vikariatsproblematik und brachte sie erneut zur Sprache. Wenn Boineburg nach dem Februar 1658 die von Conring ursprünglich zugesagte pro-bayerische Schrift nicht mehr einforderte, lag dies jedoch nicht nur an anderen Themen, die in den Vordergrund gerückt waren und die Kontroverse um das Vikariat überlagerten. Seine Zurückhaltung ist auch mit der wachsenden Distanz zum Kurfürstentum Bayern zu erklären. Denn mit der Annäherung des Mainzer Kurfürstentums an die Kurpfalz mußte eine Abkehr vom rivalisierenden bayerischen Kurfürsten einhergehen, die unter anderem in einer Neupositionierung in der Vikariatsfrage zum Ausdruck kam. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb der Mainzer Kurfürst Johann Philipp zu einer zügigen Veröffentlichung von Conrings pfälzischer Streitschrift riet. Da Boineburg und Conring die Vikariatsfrage von Anfang an unter dem Gesichtspunkt einer Veröffentlichung diskutiert hatten, war ihre Beschäftigung mit dem Vikariat durch die Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defenFelberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 57. Johann Daniel Gruber hält zu Recht fest, daß Conring über die Bedeutung der Streitfrage in seinem Brief vom 10. Juni 1657 anders gedacht habe: „At supra Epist. 72. longe aliter senserat Conringius.“ 151 Gruber I, S. 302. 149 150
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
sus“ im Sommer 1658 konsequenterweise an ein Ende gelangt. Die noch hypothetische Frage, wer im Falle eines nächsten Interregnums rheinischer Vikar sein solle, interessierte den Gelehrten ebensowenig wie den Praktiker der Politik. Der Streit um das Vikariat war 1658 aber keineswegs beigelegt.152 Er zählte „fortan zu dem so reichhaltigen eisernen Bestand unerledigter, immer von neuem in Angriff genommener Reichsrechtsfragen“. 153 Nach einem ersten gescheiterten Einigungsversuch 1673 kam 1724 ein Vergleich zwischen beiden Kurfürsten zustande, der die gemeinschaftliche Wahrnehmung des Vikariats vorsah. Da die übrigen Kurfürsten und die höheren Stände kritisierten, daß die Regelungen der Goldenen Bulle nicht durch einen Vergleich zwischen zwei Kurfürsten abgeändert werden dürften, und eine kaiserliche Bestätigung der Vikariatshandlungen ausblieb, einigten sich der bayerische und der pfälzische Kurfürst 1745 in einem zweiten Vergleich auf eine alternierende Übernahme des Vikariats. Dieser Vergleich, 1752 durch ein vom Kaiser ratifiziertes Reichsgutachten sanktioniert, erlangte in der Praxis aber keine Bedeutung mehr. Denn noch vor dem nächsten Interregnum starben 1777 die bayerischen Wittelsbacher im Mannesstamm aus. Bayern und die Pfalz wurden unter Kurfürst Karl-Theodor aus dem Haus Pfalz-Sulzbach vereint. 120 Jahre nach dem Tod Ferdinands III. wurde damit die Auseinandersetzung um das rheinische Vikariat obsolet.154
152 Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 455; Hermkes, Reichsvikariat, S. 26, 67. Am 18. Juli 1658 endeten mit der Wahl Leopolds zum Kaiser und der Beschwörung der Wahlkapitulation das Interregnum und die Zeit der Reichsverwesung. Die Kurfürsten hatten zwar darauf verzichtet, in die Wahlkapitulation die Bestätigung der Vikariatshandlungen durch den Kaiser aufzunehmen, obwohl eine derartige Regelung in früheren Wahlkapitulationen üblich gewesen war. Leopold I. bestätigte dennoch am 14. Januar 1659 die bayerischen Vikariatshandlungen, wozu er sich am 16. Juli 1658 gegenüber Ferdinand Maria verpflichtet hatte. Zu den publizistischen Auseinandersetzungen seit 1657 vgl. aus Ingolstädter Perspektive K. Neumaier, Ius Publicum. Studien zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität Ingolstadt, Berlin 1974, S. 178 – 180. 153 Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte, 1. Band, S. 311. 154 Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 485 ff.; Hermkes, Reichsvikariat, S. 68, 78 ff. m. w. N.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658) „Erfrewe mich dennoch zum höchsten, daß vorgemelter Tractat, wie er auff gnedigsten befehl Jh. Churfürstl. Durchl. ist verfertiget, also auch nicht alleine zu deren händen gerahten, besondern auch dero gnedigsten desiderio einige satisfaction gegeben, nebenst höchster bitte, mein hochgeehrter Herr wölle geruhen bey Jh. Churfrl. Durchl. intercedendo eß dahin zu vermitteln, daß deß Tractatleinß zurügkhaltung wegen vorhöchstgemelte Jh. Churfürstl. Durchl. mir keine ungnade zu werffen wölle, zumahln solches meiner person im geringsten nicht ist beyzumeßen, ( . . . ).“155 (Hermann Conring an den Pfälzer Vizekanzler Johann Ludwig Mieg am 24. Juni 1658)
Verschiedene Autoren haben im Zusammenhang der gutachterlichen Tätigkeit Conrings auch dessen Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ erwähnt, die im Sommer 1658 veröffentlicht wurde. Zuletzt haben Michael Stolleis und Günther Scheel in ihren Arbeiten zu dem Band „Hermann Conring (1606 – 1681). Beiträge zu Leben und Werk“ sowie Hartmut Wardemann in seiner Dissertation „Hermann Conrings Gutachtertätigkeit für das Frankreich Ludwigs XIV.“ auf Conrings publizistische Parteinahme für den Pfälzer Kurfürsten im Vikariatsstreit hingewiesen.156 Von Paul Felbergs Arbeit von 1931 abgesehen,157 hat bislang jedoch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Streitschrift in der Forschung stattgefunden.158 Die Schrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ ist Conrings umfangreichste Stellungnahme zur Streitfrage des Vikariats und ist, anders als die kurze Denkschrift, ausdrücklich als eine Parteischrift verfaßt. Conring, der in der Denkschrift unparteiisch Argumente beider Seiten benannt und mit Boineburg die politischen Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Stolleis, Die Einheit der Wissenschaften, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 25; Scheel, Hermann Conring als historisch-politischer Ratgeber, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 277 f., 284; Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 70 – 72. 157 Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 52 – 54. 158 Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 70 – 72, gibt zwar vor, die Argumentation Conrings kurz zusammenzufassen. Aufgrund von Übersetzungsfehlern (oder einer Verwechselung) geht aber seine Darstellung so weit am Text vorbei, daß sie keinen zutreffenden Eindruck von der Streitschrift mehr vermittelt. Anders als von Wardemann dargestellt, sorgte sich Conring in seiner Arbeit nicht darum, „welche Rechtsunsicherheit dadurch zustandekommt, daß es zwei Vikariate für einen Rechtskreis gibt“ (S. 72), und sprach sich nicht für eine Entscheidung des Streits durch den sächsischen Kurfürsten aus (S. 72). 155 156
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Implikationen der Streitfrage erörtert hatte, trat hier mit dem im Titel erklärten Ziel an, die Rechte des Pfälzer Kurfürsten zu verteidigen. Obwohl Boineburg Conring zwischenzeitlich von den Vorzügen eines bayerischen Vikariats überzeugt zu haben schien, gelangte Conring mit der Veröffentlichung seiner Vikariatsschrift 1658 zu einer pro-pfälzischen Position zurück, wie er sie im Juni 1657 vertreten hatte. Dennoch ist die Behauptung Wardemanns, daß die Entstehungsgeschichte der Vikariatsschrift deren Inhalt relativiere,159 kaum haltbar bei einer eingehenden Betrachtung der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte, die Conrings Rückwendung begreiflich macht.
1. Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte Conrings Rückkehr zu seiner früheren pro-pfälzischen Haltung erfolgte nicht aus freien Stücken, sie war vielmehr erzwungen. Sei es, weil ihm die Zeit zur Überarbeitung seines Entwurfs gefehlt hatte, sei es, weil er das Plazet seiner Landesherren zur Veröffentlichung hatte abwarten wollen oder weil er politische Skrupel bekommen hatte, hatte Conring den schon im Frühsommer 1657 fertiggestellten Entwurf der pfälzischen Vikariatsschrift dem Heidelberger Hof über Monate vorenthalten. Und 1658 griff Conring das Vorhaben der Vikariatsschrift nicht von sich aus wieder auf. Statt dessen erhielt die Sache neuen Schwung, als eine nicht autorisierte Abschrift des Entwurfs hinter dem Rücken Conrings nach Heidelberg gelangt war. Nur dieser Indiskretion scheint es zu verdanken zu sein, daß die Arbeit Conrings, der sich längst von der Vikariatsfrage abgewandt hatte, doch noch publiziert werden konnte. Die Vorgänge um Entstehung und Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ lassen sich allein anhand des Briefwechsels zwischen Conring und Boineburg nicht zufriedenstellend deuten. So gab Conrings Verhalten Otto Stobbe in dessen Rektoratsrede „Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte“ Rätsel auf. Stobbe, der die Ansicht vertritt, Conring habe aus materiellen Gründen seine Überzeugung aufgegeben und sich der Auffassung der bayerischen Seite angeschlossen, ergänzt in seinen Anmerkungen, daß Conring zuletzt doch Partei für den Pfälzer Kurfürsten ergriffen habe. Was den Ausschlag dazu gegeben hatte, ist für Stobbe nicht nachvollziehbar: „Während man nach all‘ diesen Verhandlungen also eine Parteischrift zu Gunsten Baierns erwartet, hat er – wie dies gekommen, weiß ich nicht – doch zu Gunsten der Pfalz geschrieben.“160 Auch Paul Felberg und William Ashford Kelly, die ebenso wie Stobbe vom Briefwechsel mit Boineburg ausgegangen sind, sind nicht über eine vage und unbelegte Erklärung hinausgelangt.161 Ihrer Ansicht nach folgt Conrings „Rückkehr
159 160
Wardemann, Hermann Conrings Gutachtertätigkeit, S. 71. Stobbe, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, S. 37.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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zu seinem ursprünglichen Vorhaben ( . . . ) aus der politischen Situation und der Stellung Conrings als schwedischer Rat“.162 Erst mit Hilfe des Briefwechsels zwischen Conring und dem Pfälzer Kurfürsten sowie dessen Vizekanzler Johann Ludwig Mieg163 (1609 – 1671) vervollständigt sich das Bild und lassen sich die Vorgänge um die Entstehung und die Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ nachvollziehen. Soweit überliefert ist, wechselten Conring und der Heidelberger Kurfürst oder dessen Vizekanzler in dieser Angelegenheit Briefe zwischen dem Mai 1657, als Karl Ludwig eine erste Anfrage nach Helmstedt richtete, und dem August 1658, als Conring seine Kritik am Druck der Vikariatsschrift dem Pfälzer Vizekanzler vortrug.164 Aus dieser Korrespondenz geht hervor, daß Conring den Druck seiner Arbeit 1658 kaum mehr hätte verhindern können und daß der Heidelberger Hof schließlich Conrings Entwurf ohne dessen Zutun veröffentlichen ließ. Eine autonome Rückbesinnung Conrings auf einen früher gefaßten Entschluß oder eine früher vertetene Position gab es nicht. Am 9. August 1657 teilte Conring Karl Ludwig zum Stand seiner Arbeiten mit, daß er längst eine Schrift verfaßt habe: „Belangend nun den tractatum, ist von Mir einer pro defensione juris Palatini | auf 16 bogen mit den Beylagen sich belauffend | albereits vorlengst verfertiget ( . . . ).“165 Die Fertigstellung dieser Arbeit werde sich jedoch verzögern, ließ Conring den Kurfürsten wissen. Nachdem dieser ihm Schriften zum Vikariat hatte zukommen lassen, müsse der Traktat überarbeitet werden und dazu fehle wegen der bevorstehenden Reise an den ostfriesischen Hof in den folgenden Wochen die Zeit. Conring versprach, „alsofort nach vollendeter reise daß werck gebürlich zu revidiren und nach müglichkeit außzuvertigen“.166 Welche Arbeiten Karl Ludwig nach Helmstedt geschickt hatte, geht aus dem Schreiben nicht hervor. Conring dürften sie willkommen gewesen sein, um die Fertigstellung und Veröffentlichung seiner Schrift zu verzögern. Denn ebenfalls am 9. August machte er Karl Ludwig darauf aufmerksam, daß ihm ohne die Zustimmung seiner braunschweig-lüneburgischen Landesherren die Hände gebunden seien. Da deren Erlaubnis fehlte, schlug Conring vor, daß sich die Frankfurter Gesandten 161 Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 55; W. A. Kelly, Hermann Conring: A Study in Versatility, East Linton 1993, S. 44. 162 Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 55. 163 Zu Mieg siehe Stuck, Personal der kurpfälzischen Zentralbehörden in Heidelberg, S. 62 f., 65, 114 f.; ders., Johann Ludwig Mieg (Nr. 140), in: Die Mieg – Genealogie und Historie, Ludwigshafen / Rhein 1998; Ch. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Dritter Theil, Leipzig 1751, Sp. 527 f.; P. Fuchs, NDB (Band 17), S. 467 f. 164 Anders als von Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreits, S. 225, und Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 52, behauptet, hat Conring nicht erst im nachhinein von der Drucklegung seiner Schrift erfahren. 165 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. 166 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Karl Ludwigs mit denen des Fürstentums Braunschweig-Lüneburg über diese Angelegenheit verständigen sollten, und beteuerte, daß er „(nach) empfangen consens aber die feder zu E. Churf. Durchl. diensten ( . . . ) mitt großer confidents ( . . . ) gebrauchen“167 könne. Felberg bezweifelt, daß Conring zu diesem Zeitpunkt „den Traktat wirklich – „fast“ – fertiggestellt hatte und tatsächlich nur durch die Reise an der Weiterarbeit und Drucklegung gehindert wurde“. Wahrscheinlicher sei, so Felberg, daß Conring den Pfälzer Kurfürsten mit diesem Hinweis lediglich habe hinhalten wollen.168 Bei genauerem Zusehen spricht allerdings vieles dafür, daß Conring zu dieser Zeit die Arbeit am „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ abgeschlossen hatte. Eine überlieferte Abschrift des Entwurfs datiert von 1657.169 Daß Conring schon am 25. Juli vor Boineburg den Gedanken an eine pro-bayerische Vikariatsschrift äußerte, ist ein Indiz dafür, daß er seinen „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ vor diesem Datum verfaßt hatte. Ein weiterer Hinweis, der auf eine Abfassung des Entwurfs im Frühsommer 1657 deutet, geht aus einem Brief Conrings an den Pfälzer Vizekanzler Mieg hervor. Als die Vikariatsschrift ohne Wissen Conrings 1658 in die Hände Karl Ludwigs geraten war und Mieg sich wegen des Drucks an den Autor gewandt hatte, antwortete Conring am 24. Juni 1658 nämlich um so überraschter, als er den Traktat schon vor fast einem Jahr verfaßt und danach nicht mehr angerührt hatte: „Verhalte darauff meinem hochgeehrten herrn hinwieder nicht, daß zwarten auff gnedigsteß begehren Jh. Churfürstl. Durchl. vorhöchstgemelt zu rettung dero Vicariats rechten von mir sub nomine Andreae Nordenii fast vor Jahreß frist ein tractat verfertiget, aber verwahrlich vieler hohen wichtigen ehrsachen halber bey mir der gestald in geheim verhalten, daß selbiger nur ungefehr dreyen zu leßen von mir communiciret, niemander aber abzuschreiben, oder sonsten weiter zu bringen vergönnet worden, dannenhero ich nicht ohne hohe verwunderung vernehmen müßen, daß der also in geheim gehaltene Tractat in Jh. Churfrl. Dhl. händen gerathen, absonderlich anietzo, da ich fast ein Jahr den tractat nicht angesehen, und unter meiner Pittschafft versiegelt an einem wollverwahrlichen ohrt habe beygelagert ( . . . ).“170
Nach der Abfassung des Entwurfs kümmerte sich Conring nicht mehr um die Ausarbeitung. Zunächst dürften ihm in Aurich die praktischen Verwaltungsaufgaben wenig Zeit zu einer Beschäftigung mit dem rheinischen Vikariat gelassen haben. Aber auch in der Folgezeit wich Conring der versprochenen Überarbeitung seiner Streitschrift aus. Wahrscheinlich rief erst der kurpfälzische Vizekanzler Mieg mit seinem Schreiben vom 10. Juni 1658 Conring den Entwurf der Vikariatsschrift in Erinnerung. Mieg schilderte Conring, welchen Erfolg dessen Arbeit in Heidelberg erzielt hatte. Kurfürst Karl Ludwig habe den „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ sogleich 167 168 169 170
Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 51. Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3421. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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in Frankfurt drucken lassen wollen. Als er jedoch erfahren habe, daß sich hinter dem Pseudonym „Andreas Nordenius“ Conring verbergen solle, habe der Kurfürst, so Mieg, zunächst das Einverständnis des Autors einholen wollen. Der Heidelberger Vizekanzler erbat aber nicht nur die Zustimmung Conrings zur Veröffentlichung, sondern forderte ihn auf, „( . . . ) falls er noch etwas, wie man vernimmt, zu addiren, das er solches Ihro Churf. Durchl. gleichmässig unbeschwert undt fürderlichst communiciren wollte( . . . )“.171 Indem Mieg im Namen seines Kurfürsten eine diskrete Behandlung der Angelegenheit versprach und den Schutz der Pseudonymität zusagte, ging er auf Befürchtungen ein, die er für Conrings langes Zögern verantwortlich machen mußte. Zugleich wies er darauf hin, daß Conrings Mühe vom Kurfürsten „( . . . ) würklich recompensirt werden solle ( . . . )“,172 und brachte Kritik am Schlußkapitel des Entwurfs vor. Conring konnte in seiner Antwort vom 24. Juni 1658 sein Erstaunen darüber nicht verhehlen, daß seine Schrift überhaupt nach Heidelberg gelangt war. Dennoch freute es ihn, daß Karl Ludwig sie positiv aufgenommen hatte. Er setzte sich mit den Einwänden und Vorschlägen Miegs auseinander, verwies jedoch auf seinen bevorstehenden Aufenthalt in Ostfriesland, der ihn an einer zügigen Überarbeitung hindere. Da ihm bewußt war, daß sich die Veröffentlichung seiner Schrift nicht länger hinauszögern ließ, schlug er dem Vizekanzler vor, „mit dem Tractatu, wie derselbe alda vorhanden, zu schalten und zu walten, nemblich da etwa deßen editio sollte schleunig erfordert werden, denselben durch einen verstendigen Man zuvorhero zu Jh. Churfürstl. Dhl. nutzen einrichten zu laßen“.173
Blieb ihm längere Zeit zur Korrektur, dann wollte sich Conring persönlich darum kümmern. Gegenüber Mieg nannte Conring einen Grund dafür, weshalb er nach der Erarbeitung des Entwurfs nicht dessen Veröffentlichung betrieben hatte. Er gestand, den Traktat für sich behalten zu haben, weil er „( . . . ) deß Fürstlichen Braunschweig- und Lüneburgischen Haußes, meiner gnedigen Fürsten und Herrn, in deren pflicht und eide ich lebe, consens bißhero ( . . . ) nicht erhalten“.174 Offenbar war Conrings Bitte, die Pfälzer Gesandten sollten sich mit denen des Hauses Braunschweig-Lüneburg über sein Engagement in der Vikariatsfrage verständigen, nicht gehört worden. Dabei war sein Hinweis auf das fehlende Einverständnis seiner Herzöge – nach seinen Erfahrungen in den vorangegangenen Auseinandersetzungen um das Krönungsrecht – keine Ausflucht. Damals hatte Conrings eigenmächtiges Eintreten für den Mainzer und gegen den Kölner Erzbischof für Unmut am Hof in Wolfenbüttel gesorgt, da das Agieren des Gelehrten die politischen Anstrengungen des Fürstentums durchkreuzte, den Kölner, der zugleich Bischof von Hildesheim war, in ein Bündnis einzubeziehen.175 171 172 173 174
Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Daß Conring besorgt war wegen möglicher Anfeindungen der anderen Seite, aber auch wegen des fehlenden Plazets seiner Herzöge, zeigte sich auch an anderer Stelle. Denn das Pseudonym „Andreas Nordenius“, das er für seinen Entwurf 1657 gewählt hatte, schien ihm im Jahr darauf keinen genügenden Schutz mehr zu bieten. Gelehrten Zeitgenossen, allen voran denen in Wolfenbüttel, hätte die Dechiffrierung des Decknamens wohl keine Schwierigkeiten bereitet. Die Stadt Norden in Ostfriesland, deren Stadtpatron der Heilige Andreas war, war Conrings Geburtsort und Conring der berühmteste gebürtige Norder („Nordenius“) seiner Zeit. Um nicht den entferntesten Verdacht auf sich zu lenken und, wie er Mieg schrieb, „( . . . ) alles scrupuliren dem Leser damit zu benehmen ( . . . )“,176 wollte Conring das verräterische Pseudonym beiseite lassen und statt dessen die Vikariatsschrift anonym erscheinen lassen. War es Conring unmöglich, sich dem Wunsch Miegs nach einer Veröffentlichung zu widersetzen, so mußte ihm wenige Tage nach seiner Antwort an Mieg endgültig bewußt geworden sein, daß an einen weiteren Aufschub bei der Veröffentlichung seines Entwurfs nicht zu denken war und daß sich daneben seine Autorschaft nicht verheimlichen lassen würde. Denn von dritter Seite hatte auch Boineburg von der pfälzischen Vikariatsschrift Conrings gehört, als er am 16. Juni 1658 um die Zusendung eines Exemplars bat. Conring blieb wunschgemäß in den nachfolgenden Wochen von der Überarbeitung und der Veröffentlichung seiner Arbeit unbehelligt und sah seinen eigenen Angaben zufolge erst Ende August 1658 ein erstes gedrucktes Exemplar seines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“.177 Anders als von Conring befürchtet, verübelte ihm der Kurfürst die Verzögerungen nicht, die zu der späten Veröffentlichung geführt hatten. Statt dessen wies Karl Ludwig am 5. August 1658 seinen Kammermeister Christian Schlörr178 (1604 – 1680) an, er solle „ein Pocal von Viertzig [Talern] vor Herman Conringium Professorn zu Helmstatt kauffen, und solchen herrn ViceCantzler Dr. Miegen zur bestellung überliefern ( . . . )“.179 Ein zweites und letztes Schreiben Conrings an Mieg folgte am 9. September 1658. Conring, der den Pokal noch nicht empfangen hatte,180 äußerte sich darin unzufrieden mit der Edition seiner Streitschrift. Beim Nachlesen habe er
175 Felberg, Hermann Conrings Anteil am politischen Leben seiner Zeit, S. 39 m. w. N.; Kelly, Hermann Conring: A Study in Versatility, S. 44. 176 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. 177 Vgl. Conrings Brief an Boineburg vom 30. August 1658, in: Gruber I, S. 202. 178 Zu Schlör(r) vgl. Stuck, Personal der kurpfälzischen Zentralbehörden in Heidelberg, S. 82, 122. 179 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. 180 Dies geht aus einem Vermerk aus der Kanzlei des Kurfürsten hervor. Ein Dankschreiben Conrings ist demnach erst im Jahre 1660 in Heidelberg eingetroffen.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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„( . . . ) befunden daß der Appendix von meinem manuscripto zimlich weit abgewichen, und mit den gehörigen beylagen nicht versehen, der textus auch an vielen orten |: zweifels ohne vitio exemplaris darauß der Nachtruck geschehen :| sehr corrumpiret und dadurch obscur gemachet worden“181.
Hatte Conring zuvor eine Veröffentlichung seiner Arbeit monatelang verschleppt, so brachte er dennoch rasch nach dem Erscheinen seiner Arbeit die Idee einer zweiten Auflage ins Spiel. Denn für den Fall, daß eine weitere Auflage gewünscht werde, kündigte er über Mieg dem Kurfürsten an, diese persönlich besorgen und dazu Verbesserungen und Ergänzungen vornehmen zu wollen. Eine zweite Auflage des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ kam jedoch erst 1721, also 40 Jahre nach dem Tod Conrings, zustande,182 bevor Johann Wilhelm Goebel die Vikariatsschrift 1730 in seine Werkausgabe aufnahm und erneut publizierte.183 Nach alledem fielen die Entstehung und die Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ auseinander. Conring hatte seinen Entwurf bereits im Sommer 1657 erstellt, aber nur einem kleinen Kreis zugänglich gemacht und danach monatelang zurückgehalten. Als im Frühjahr 1658 eine Kopie des Entwurfs in Heidelberg auftauchte, war es dann Karl Ludwig, der ursprüngliche Auftraggeber der Arbeit, der den Anstoß zur Überarbeitung und Veröffentlichung gab. Während der Text also größtenteils auf Conring zurückging und im Sommer 1657 entstanden war, lagen die Überarbeitung und die Publikation ein Jahr später in den Händen des Kurfürsten und des Vizekanzlers. 1658 wurde Conring damit von seinem eigenen Entwurf eingeholt und auf eine pro-pfälzische Position verpflichtet, die er darin vertreten hatte. 2. Aufbau, Inhalt und Argumentationsstruktur Der „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ erstreckt sich in der Ausgabe von 1658 auf 84 Seiten im Quartformat und gliedert sich in sieben Kapitel und einen Quellenanhang. Die überlieferte handschriftliche Kopie des Entwurfs von 1657, bei der es sich um jene nicht autorisierte Abschrift handeln könnte, die von Helmstedt nach Heidelberg gelangte, weist bei gleicher Gliederung 28 vor- und rückseitig beschriebene Seiten auf.184 Der Wortlaut des Drucks von 1658 stimmt stellenweise nicht mit dem der Abschrift überein, wobei diese Abweichungen nur zum Teil auf die vom Heidelberger Hof veranlaßte Überarbeitung zurückgehen und sich im übrigen als Übertragungsfehler eingeschlichen haben dürften, so wie die Abschrift des Entwurfs ihrerseits 181 182 183 184
Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Vicariatus imperii Palatinus defensus, o.O. 1721. Vicariatus imperii Palatinus defensus, in: Goebel, Operum tomus I, S. 811 – 836. Sie wird verwahrt im Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3421.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
nicht frei von solchen kleineren Fehlern ist. Wenn Conring gegenüber Mieg und Boineburg monierte, der Druck weiche erheblich von seinem Entwurf ab,185 so hält sein Einwand einer kritischen Überprüfung nicht stand. Wenn auch im Anhang der Arbeit die Quellentexte anders als im Entwurf angeordnet waren, so wies doch allein das letzte Kapitel der gedruckten Streitschrift signifikante inhaltliche Modifikationen gegenüber dem Entwurfstext auf, die über die Ersetzung einzelner Daten hinausgingen. Mieg hatte sie aber im Vorwege mit Conring abgestimmt. Die weiteren Auflagen der Vikariatsschrift von 1721 und 1730 folgten bei der Wiedergabe des Textes und bei der Anordnung der Quellen im Anhang ohne nennenswerte Abweichungen der Fassung des Erstdrucks.186 Von Conrings übrigen Beiträgen in der Vikariatskontroverse unterscheidet sich seine Vikariatsschrift nicht nur durch die Zielsetzung und Perspektive. Es sind auch die Systematik, die Stringenz und die Konzeption der Darstellung, mit denen sich sein „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ von der Denkschrift und den brieflichen Äußerungen abhebt und durch die er zugleich aus der Vielzahl an Streitschriften zur Vikariatsfrage von 1657 und 1658 herausragt. Seine Arbeit folgt einem durchdachten und überschaubaren Grundriß. Nach einem Einleitungskapitel arbeitete Conring im zweiten Kapitel die Grundzüge seiner Schrift heraus und reduzierte den Streit auf zwei Fragestellungen, die er zum Maßstab seiner Prüfung machte. Dabei ging er einerseits dem vermeintlichen Zusammenhang zwischen dem Reichsvikariat und der auf Bayern übergegangenen Kurwürde nach (Kapitel III und IV) und beleuchtete andererseits die Verbindung zwischen dem Vikariat und der Pfalzgrafschaft (Kapitel V und VI), wobei er sich jeweils in einem Kapitel der Widerlegung der Gegenansicht zuwandte (Kapitel III und V), bevor er in einem zweiten Kapitel den positiven Beweis der Richtigkeit seiner eigenen Auffassung führte (Kapitel IV und VI). Diesem Grundriß verdankte er es, daß er einige Argumente in einem anderen Zusammenhang ein zweites Mal verwenden konnte. Denn was er für die Trennung von Vikariat und Kurwürde anführte, konnte an anderer Stelle als Beleg für ein mit der Pfalzgrafschaft verbundenes Vikarsrecht dienen. Was seine Argumente anbelangte, so war ein Großteil der im „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ vorgebrachten Argumente in der Korrespondenz mit Boineburg, vor allem in Conrings Brief vom 10. Juni 1657, stichwortartig vorweggenommen. Aus dem Katalog von Argumenten, den Conring in seiner ersten brieflichen Entgegnung auf Boineburg zusammengestellt hatte, fand allein die Übertragung des Vikariats durch Kaiser Ferdinand II., die für ein bayerisches Vikariat gesprochen hätte, keinen Eingang in die Streitschrift.
185 Brief an Mieg vom 9. September 1658 (Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2); Brief an Boineburg vom 30. August, in: Gruber I, S. 202. 186 Im weiteren wird die Schrift zitiert nach der Ausgabe Goebels von 1730, die am einfachsten zugänglich ist.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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In einem Schlußkapitel hielt Conring als Ergebnis seiner Untersuchung fest, daß das Vikariat ein „ius proprium“ der Pfalzgrafschaft sei, das auch nicht als ein Annex der Kurwürde auf Bayern übergegangen sei. Bemerkenswerterweise war die Konzeption seiner Arbeit von einem politisch motivierten Ergebnis her entwickelt. Im Zeitpunkt der Abfassung seines Entwurfs hatte Conring die Sorge, daß die Interessen des Pfälzer Kurfürsten nicht durchzusetzen seien, wenn die übrigen Kurfürsten die Kontroverse entschieden oder wenn Frankreich und Schweden als Parteien des Westfälischen Friedens ihre Mitsprache geltend machten. Um die Einflußnahme vor allem Frankreichs und der Kurfürsten zurückzudrängen und zugleich den Willen zu einer Beilegung des Streits zu bekunden, blieb ihm die Anrufung des Reichstags, dessen Votum ihm in dieser Situation als geringstes Übel erscheinen mußte. Allerdings konnte ein Reichstag unter Ausschluß Frankreichs hier nur dann zu einer Streitbeilegung berufen sein, wenn es um die Auslegung der Goldenen Bulle ging. Daher stufte Conring die zwei kontroversen Bestimmungen des Westfälischen Friedens zu Ausgangspunkten seiner Überlegungen herab und formulierte die maßgebenden Fragen seiner Untersuchung so, daß sie mit Hilfe der Goldenen Bulle zu beantworten und vom Reichstag zu entscheiden waren. Conring war zu demselben Ergebnis, daß ein Reichstag zuständig sei, auch schon am 10. Juni 1657 gegenüber Boineburg gelangt. In der Herleitung gab es jedoch eine nicht unwesentliche Veränderung. Denn am 10. Juni 1657 war Conring davon ausgegangen, daß die Streitfrage sowohl anhand der Goldenen Bulle als auch anhand der Friedensinstrumente zu messen sei und daß die Auslegung dieser Fundamentalgesetze des Reichs in die Kompetenz eines Reichstags falle. Im Entwurf seiner Vikariatsschrift ließ er die Friedensinstrumente beiseite und verengte die Streitfrage auf ein Auslegungsproblem der Goldenen Bulle – vermutlich, um in aller Klarheit eine Mitsprache Frankreichs ausschließen zu können. Mag eine Entscheidung der Streitfrage durch einen Reichstag 1657 auch wirklichkeitsfremd gewesen sein, so stand doch der aus Pfälzer Sicht politisch wünschenswerte Ruf danach mit der von Conring nach 1648 gebildeten Überzeugung in Einklang, daß die Reichsstände im Gefüge der Reichsverfassung ein besonderes Gewicht beanspruchen konnten.187 Diese ursprüngliche Konzeption, die auf eine Ausschaltung Frankreichs und auf einen verminderten Einfluß der übrigen Kurfürsten zielte, wurde im Sommer 1658 von Heidelberger Seite verworfen. Gerade die Überlegung, den Reichstag in die Streitbeilegung einzubinden, stieß vor der Veröffentlichung der Schrift bei Mieg auf Widerspruch, da sich inzwischen das Blatt politisch zugunsten der Pfalz gewendet hatte und der Pfälzer Kurfürst auf die Unterstützung Frankreichs und Schwedens setzte. Anstelle einer Überarbeitung, die die Gesamtkonzeption der Arbeit im Auge behielt, kam es jedoch nur zu einer punktuellen Korrektur im Schluß187
Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Band 1, S. 233.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
kapitel, indem die Entscheidung des Streits kurzerhand den Vertragsparteien des Westfälischen Friedens übertragen wurde. a) Die Ausgangslage der Kontroverse und deren Grundlagen (Kapitel I und II) Im ersten Kapitel („Praefatio“) skizzierte Conring die Ausgangslage nach dem Westfälischen Frieden, reflektierte die Bedeutung und Tragweite der Auseinandersetzungen und steckte seine Aufgabe als Autor ab. Conring führte aus, daß man nach dem Frieden, in dem die früheren Streitigkeiten zwischen der pfälzischen und der bayerischen Familie beigelegt worden seien, für die Zukunft Ruhe erhofft und erwartet habe, daß jedoch zwischen diesen Familien neuer Streit über das Reichsvikariat entstehe. Knapp umriß er, worauf beide Parteien ihre Ansprüche stützten, und folgte dabei deren Darlegungen aus den Vikariatspatenten. Die bayerische Seite, so Conring, mache geltend, daß das Vikariat ihr zusammen mit der vormals pfälzischen Kurwürde anvertraut sei. Dagegen behaupte die pfälzische Seite, das Vikariat sei ihr in den Gesetzen des Friedens nicht nur belassen, sondern bestätigt worden: „( . . . ) utraque parte sibi illum asserente, Bavarica scilicet sibi etiam illum una cum electorali dignitate hactenus a palatinis possessa datum, Palatina vero sibi illum, non relictum duntaxat, sed etiam confirmatum, idque legibus ipsis pacis, asseverante.“188
Die Qualität der Auseinandersetzungen war für Conring beunruhigend. Er nannte die Vikariatsfrage eine schwierige Streitfrage zwischen zwei bedeutenden Parteien des Reichs und hob die von ihr ausgehenden Gefahren hervor. Besonders furchteinflößend sei sie vor dem Hintergrund, daß schon der frühere Streit zwischen Bayern und der Kurpfalz um die Kurwürde viel zum letzten Krieg beigetragen habe. Aus dem Hinweis auf die drohenden Gefahren leitete Conring einen Appell zum Handeln ab, wobei seine Metaphorik die Perspektive des Mediziners widerspiegelte. Es sei, schrieb Conring, die größte Mühe darauf zu verwenden, daß der Unruheherd beseitigt werde, ehe er an den Kräften zehre. Als Arzt war Conring bewußt, daß eine Behandlung nur dann Aussicht auf Erfolg hatte, wenn ihr eine möglichst genaue Diagnose zugrundelag. Dementsprechend hielt er für die Erarbeitung seiner Vikariatsschrift keine Arznei für geeignter als die exakte Kenntnis der streitigen Causa: „Est vero fortassis ad disputationem hanc componendam nullum remedium promptius quam exacta controversae causae cognitio.“189 Noch weitergehend erhob Conring die intellektuelle Durchdringung des Streitstands sogar zu einer Vorstufe für die Beilegung des Konflikts. Die Fürsten und 188 189
Goebel, Operum tomus I, S. 812. Goebel, Operum tomus I, S. 812.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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ihre Ratgeber würden jedenfalls nicht wissentlich und willentlich die Gesetze des Friedens verletzen. Gleiches galt nach Conring für alle übrigen, die in Deutschland Verantwortung trugen. Er hoffte daher auf eine Beilegung des Streits, wenn nur alle Seiten erkannten, was in dieser Kontroverse recht und billig sei: „( . . . ) si probe igitur fuerit cognitum, quid in hac controversia juri & aequo consentaneum , spes est tantum non suapte sponte desiturum dissidium.“190 Zugleich räumte Conring ein, daß manche Ratgeber aus Eigennutz ihre Fürsten verführten. Jedoch seien diese Ratgeber um so leichter zu isolieren, je exakter die übrigen die Angelegenheit verstünden. Ebenso programmatisch wie einprägsam brachte er seine Aufgabe als Autor auf den Punkt, als er ankündigte, die ganze Angelegenheit vor den Augen der Welt ungeschminkt, kurz und nüchtern darzulegen. In feierlichem Ton fügte er hinzu, auch andere anhören zu wollen, die in gleicher Weise verführen und sich jeder Parteilichkeit enthielten, da er nichts höher schätze als den Frieden und die öffentliche Ruhe: „Operae igitur pretium indubie fuerit, si rem omnem oculis universi orbis & quidem nude, breviter, absque fuco atque fallacia, exhibuero: paratus alios idem agentes absque omni partium studio audire, cum pace & tranquillitate publica (DEUS testis est) nihil prius habeam vel antiquius.“191
Im zweiten Kapitel („Fundamenta duo totius controversiae ex instrumentis pacis publicae petita proponuntur, simulque ordo constituitur proximae disputationis.“192) zeigte Conring die Grundlagen der Kontroverse und den weiteren Gang seiner Arbeit auf. Grundlegend waren für ihn zwei Bestimmungen des Westfälischen Friedens, einerseits die in Art. IV § 3 IPO vorgesehene Übertragung der Kurwürde auf Bayern mit allen dazugehörigen Regalien, Ämtern, Vorzugsrechten, Wappen und Rechten, andererseits die in Art. IV § 6 IPO angeordnete Restitution der Unter- oder Rheinpfalz samt allen Rechten, die vor den böhmischen Unruhen bei den Pfälzer Kurfürsten gelegen hatten. Wegen der zentralen Bedeutung, die er diesen Bestimmungen zumaß, flocht er nicht nur Teile ihres Wortlauts in seine eigene umschreibende Darstellung ein, sondern zitierte sie anschließend noch einmal in größerem Kontext. Diese erste Gegenüberstellung der Bestimmungen wies eine bemerkenswerte Ungenauigkeit auf. So sprach Conring im Zusammenhang des Art. IV § 3 IPO zunächst verkürzend von Rechten, die zur Kurwürde gehörten („( . . . ) juribus ad hanc dignitatem spectantibus“), während, wie aus dem nachfolgenden längeren Zitat hervorging, die Regelung tatsächlich auf den Übergang von Rechten aller Art zielte, die zur Kurwürde gehörten („( . . . ) juribus quibuscunque ad hanc dignitatem spectantibus ( . . . )“). Unbewußt oder bewußt hielt Conring damit an exponier190 191 192
Goebel, Operum tomus I, S. 813. Goebel, Operum tomus I, S. 813. Goebel, Operum tomus I, S. 813.
6 von Arnswaldt
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
ter Stelle durch das Weglassen eines Indefinitpronomens eine Information zurück, die die für den Pfälzer Kurfürsten unvorteilhafte Deutung nahelegte, daß der Kreis der auf Bayern übergehenden Rechte weit zu fassen sei. Ergänzend zu den genannten Bestimmungen zitierte Conring aus dem Westfälischen Frieden auch die Erbfolgeregelung in der Causa Palatina, nach der bei einem Aussterben der Wilhelmischen Linie im Mannesstamm neben der Oberpfalz die Kurwürde an die Pfälzer zurückfallen sollte. Daraus folgerte er, daß allein die Oberpfalz und die Kurwürde dem bayerischen Haus im Frieden eingeräumt sein konnten. Die von ihm benannten Grundlagen der Kontroverse gaben die Richtung seiner Untersuchung vor. Es galt zu klären, ob das Reichsvikariat und die auf Bayern übergegangene Kurwürde zusammenhingen oder nicht und ob andererseits das Vikariat zu jenen Rechten zählte, die vor der böhmischen Erhebung im Besitz der Rheinpfalz gewesen waren, oder nicht: „( . . . ) videndum jam est, num vicariatus imperii is, quem tenuerunt Palatini ante motus Bohemicos, pertinuerit ad illam electoralem dignitatem, quae in Bavarum translata est, an non pertinuerit; num item ille pars fuerit illorum jurium, quibus Palatinatus ad Rhenum ante motus istos gavisus est, nec ne.“193
Conring nahm die alternativen Antworten und deren Konsequenzen für die Ansprüche der Parteien vorweg. Wenn im Ergebnis, so Conring, ein Zusammenhang zwischen Vikariat und Kurwürde bestehe, dann stehe das Amt dem Bayern zu. Dagegen maße sich dieser das Vikariat zu Unrecht an, wenn es einen solchen Zusammenhang nicht gebe. Gerechter sei die Sache des Pfälzers auch, wenn es sich beim Vikariat um ein der Rheinpfalz eigenes Amt handele; wenn nicht, stütze dies den Anspruch des Bayern. Zum Aufbau seiner Prüfung kündigte Conring zuletzt an, sich an die Reihenfolge halten zu wollen, in der er die maßgeblichen Fragen aufgeworfen hatte: „Utrumque accurate expendemus, breviter tamen, illo ordine, ut de priore prius, de posteriore posterius agamus.“194 b) Der Zusammenhang zwischen dem Vikariat und der Kurwürde (Kapitel III und IV) Zunächst einer Verbindung von Vikariat und Kurwürde nachgehend, brachte er im dritten Kapitel seiner Streitschrift („Argumenta, quibus verosimile fiat, vicariatum pertinere ad electoralem dignitatem, proponuntur simul & confutantur.“195) Argumente vor, die für einen derartigen Zusammenhang sprachen und die er umgehend widerlegte. 193 194 195
Goebel, Operum tomus I, S. 813. Goebel, Operum tomus I, S. 813. Goebel, Operum tomus I, S. 813.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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Sein Umgang mit der gegnerischen Argumentation war ebenso gewandt wie bestechend. Mehrfach verifizierte er eine Teilaussage der Gegenseite, um dann deren Folgerungen um so energischer entgegenzutreten. Zudem legte er ein gegnerisches Argument nicht eher zur Seite, bis er alle Schwachstellen offengelegt hatte, wobei sich seine Widerlegung nicht in einer ermüdenden Aneinanderreihung von Gegenargumenten erschöpfte. So wechselte er nach einer Reihe von Argumenten überraschend die Perspektive und beleuchtete die Frage von entgegengesetzter Warte. Bei alledem war die Fülle seines Wissens, das sich vor allem im souveränen Zugriff auf die Geschichte des Reichs manifestierte, beeindruckend. Ein erstes Argument für einen Zusammenhang von Kurwürde und Vikariat ging für Conring aus der Bedeutung des Vikarsamts hervor. Wenn man davon ausging, daß dieses wichtige Amt nur von solchen Fürsten zu versehen sei, die vor den übrigen Fürsten hervorragten, konnte es auch dem Pfalzgrafen bei Rhein nur als Teil der Kur zugestanden haben. Für ein unauflösliches Band zwischen Vikariat und Kurwürde sprach laut Conring daneben, daß das Vikarsamt immer bei den Kurfürsten des pfälzischen Hauses gelegen habe. Als drittes Argument führte er die Bestimmung der Goldenen Bulle zum Vikariat und verschiedene kaiserliche Urkunden an. Die Goldene Bulle verbinde das Amt des rheinischen Vikars mit dem Erztruchsessenamt und das des sächsischen Vikars mit der Erzmarschallwürde, und dieser Zusammenhang sei in mehreren Kaiserurkunden dadurch verdeutlicht, daß das Vikarsamt den Pfälzern „so Churfursten seyn“ zugewiesen sei. Keines der drei Argumente, die er in einem zweiten Schritt detailliert prüfte, konnte ihn überzeugen. Zum ersten Argument führte er Überlegungen ins Feld, mit denen er schon am 10. Juni gegenüber Boineburg eine Verbindung zwischen Vikariat und Truchsessenwürde zurückgewiesen hatte. Er räumte dabei die große Bedeutung der Vikarswürde ein, leugnete aber, daß das Amt deswegen allein höchsten Fürsten zukommen dürfe, und verwies dazu auf das Naturrecht und das göttliche ewige Recht. Zudem hielt er ebenso wie am 10. Juni einer Übertragung des Vikarsamts allein auf die Kurfürsten den Nutzen der Respublica (çommodum reipublicae“) entgegen. Dieser Nutzen zwinge nicht zur Wahrnehmung des Vikarsamtes durch einen Kurfürsten. Conring empfand die übergroße Machtfülle eines Fürsten als eine Bedrohung und führte hier – wie schon in seiner ersten brieflichen Entgegnung auf Boineburg – erneut den Lehrsatz an, daß große Würden nicht unüberlegt auf eine einzige Person zu vereinigen seien. Wer also an Macht und Würde die übrigen ohnehin überragte, dem durfte man um so weniger weitere Ehren und mehr Gewalt übertragen, da diese Machtfülle aus Conrings Sicht geeignet war, Unruhe in die Respublica zu tragen. Schließlich ging Conring, um dem Argument, die Würde gebühre einem herausragenden Fürstenhaus, die Spitze zu nehmen, die Frage von einer anderen Seite an. Selbst wenn dies gerecht wäre, so Conring, bedeute das nicht, daß man sich im 6*
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Reich danach gerichtet habe. Da nicht in jeder Respublica das gelte, was gerecht oder für die Respublica nützlich sei, warnte er davor, aus einem Postulat auf die Wirklichkeit, also vom Sollen auf das Sein schließen zu wollen: „Est certe fallacissima collectio de eo, quod est constitutum, & reapse obtinet ex eo, quod constitui oportet.“196 Auf die Untersuchung der Vikariatsfrage gemünzt, hieß das für Conring, daß kein Weg an einer historischen Betrachtung vorbeiführte. Ihm kam es auf das an, was in der Reichshistorie zum Vikariat gegolten habe oder dazu beschlossen worden sei, und er nannte jede Argumentation unbrauchbar, die sich – ohne Rücksicht auf die Verfassungswirklichkeit – allein auf theoretische Erwägungen stütze: „Tota vero quaestio de vicariatu in eo vertitur, quid obtinuerit hactenus aut constitutum fuerit in imperio de Vicariatu: ac proinde ex eo, quod forte constitui de illo oportuit, inepta est omnis hujus quidem loci argumentatio.“197
Daß aber in der Reichsgeschichte immer wieder Fürsten von geringerer Bedeutung die Vikarswürde innegehabt hätten, belegte er mit einer Reihe historischer Beispiele. Seine Entgegnung auf das erste Argument endete mit einem erneuten Wechsel der Perspektive. Er unterstellte, daß das Vikarsamt den Pfalzgrafen auch bei Gelegenheit ihrer Kurwürde („occasione electoralis dignitatis“) übertragen wäre, und konstatierte, daß sich am Ergebnis auch in diesem Fall nichts änderte. Denn aus dieser Annahme, so Conring, folge nicht, daß das Vikariat ein Teil der Kurwürde sei oder mit dieser durch ein unauflösliches Band verknüpft sei. Was das zweite Argument betraf, so teilte Conring die zugrundeliegende Feststellung, ohne die Folgerung der Gegenseite anzuerkennen. Er bezweifelte nicht, daß das Vikariat von Pfalzgrafen wahrgenommen worden sei, die auch Kurfürsten gewesen seien. Aus seiner Sicht war aber der daran anknüpfende Schluß, daß allein Pfalzgrafen, die auch Kurfürsten seien, Vikare sein könnten, unbewiesen und daher wertlos. Mit den Regeln der Logik unterschied er zwischen dem, was jemand „per se“, und dem, was er „per accidens“ tue, und stellte klar, daß eine Verbindung dauerhaft bestehen könne, ohne daß dies an der rein zufälligen Natur dieser Verbindung etwas ändere: „Nihil sane vetat quaedam perpetuo jungi, & tamen non nisi per accidens conjuncta esse.“198 Zum dritten Argument vertrat Conring die Ansicht, daß die kaiserlichen Gesetze nur regelten, wer unter den Pfalzgrafen das Vikarsamt ausüben solle, da die Goldene Bulle den Kreis möglicher Vikare zu weit gezogen habe. Mit der Formulierung „so Churfursten seyn“ sollte danach aus Gründen der Praktikabilität dem Kurfürsten unter den Pfalzgrafen das Vikarsamt eingeräumt werden, nachdem der Wortlaut des Kap. V 1 der Goldenen Bulle („ratione principatus seu comitatus Palatini 196 197 198
Goebel, Operum tomus I, S. 815. Goebel, Operum tomus I, S. 815. Goebel, Operum tomus I, S. 816.
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privilegio“) allen Pfalzgrafen ein gemeinsames Recht auf das Vikariat zugestanden habe. Der Delegitimierung der Gegenansicht folgte die Begründung eines eigenen Standpunkts. Conring ging nach der Widerlegung derjenigen Argumente, die für einen Zusammenhang von Kur und Vikariat gesprochen hatten, dazu über, den Nachweis ihres fehlenden Zusammenhangs zu führen. Dabei nannte er im umfangreichen vierten Kapitel („Vicariatum ab electorali dignitate esse plane distinctum, nec vinculo insolubili cohaerentem, multis rationibus ostenditur“199) acht Argumente dafür, daß das Vikariat von der Kurwürde verschieden und mit dieser nicht durch ein unauflösliches Band verbunden sei. Er warf zuerst die Frage eines unauflöslichen Bandes zwischen dem Vikariat auf der einen und dem Truchsessenamt oder der Kurwürde auf der anderen Seite auf, wofür die Ämter entweder ihrer Natur nach zusammenhängen („ex se & sua natura“) oder durch positives Gesetz („lege quadam caesarum positiva“) verbunden sein müßten. Seine Antwort war, nicht anders als am 10. Juni, ablehnend. Eine natürliche Verknüpfung scheide aus, da das Vikariat weder allen Kurfürsten noch ausschließlich den Kurfürsten zustehe, und eine kaiserliche Verordnung, die den Zusammenhang herstelle, existiere nicht. Sein zweites Argument war der Reichsgeschichte entnommen. Wie er mit verschiedenen Beispielen belegte, hatten manche Kaiser das Vikariatsrecht den Pfalzgrafen ohne Erwähnung der Kurwürde („nulla facta mentione electoralis dignitatis“) zugewiesen. Für Conring bedeutete das, daß auch diese Kaiser nicht von einem Zusammenhang zwischen Vikariat und Kurwürde ausgegangen waren. Eine kaiserliche Bekräftigung des pfalzgräflichen Vikariatsrechts war jedoch überhaupt nur dann sinnvoll, wenn es nach der Reichsverfassung keinen Automatismus gab, wenn also das Vikariat nicht ohnehin von der Kurwürde umfaßt war. Daher führte Conring als drittes Argument die kaiserlichen Bestätigungsurkunden Kaiser Karls IV. (1316 – 1378), Kaiser Maximilians I. (1459 – 1519) und Kaiser Karls V. (1500 – 1558) an. Daß die Kurwürde und das Vikarsamt voneinander getrennt waren, verdeutlichte Conring außerdem damit, daß Kaiser Ruprecht (1352 – 1410) bei seinem Aufbruch nach Italien seinen Sohn, Pfalzgraf Ludwig (1378 – 1436), als Reichsvikar eingesetzt hatte und Ludwig als Vikar amtierte, ohne zugleich Kurfürst von der Pfalz zu sein. Das fünfte Argument Conrings knüpfte an denselben historischen Sachverhalt an. Da auch alle Stände des Reichs die Einsetzung Ludwigs als Vikar gebilligt hatten, hatte die Trennung von Vikariat und Kur auch die Anerkennung der Reichsstände gefunden. Es war davon auszugehen, daß die Bestimmungen der Reichsverfassung, nach denen die Vikariatswürde den Kurfürsten unter den Pfälzern zukom199
Goebel, Operum tomus I, S. 816.
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men sollte, den Mächtigen im Reich vertraut waren. Diese trugen jedoch, so Conring, mit einer pragmatischen Auslegung („salubri interpretatione“) der Bestimmungen den aktuellen Gegebenheiten Rechnung, da Kaiser Ruprecht, der zugleich Kurfürst von der Pfalz war, nicht durch einen Pfalzgrafen und Kurfürsten vertreten werden konnte. Nach dem Kaiser und den Ständen wandte er sich den Kurfürsten zu. Er wies mit Zeugnissen aus der Zeit Kaiser Sigmunds (1368 – 1437) nach, daß auch die drei geistlichen Kurfürsten das Vikariat des Pfalzgrafen Ludwig ohne Bezugnahme auf die Kurwürde anerkannt hätten. Sein unausgesprochenes Fazit war, daß auch sie die Verschiedenheit von Kurwürde und Vikarsamt vorausgesetzt hatten. Was für die Zeit Kaiser Sigmunds galt, galt auch, wie Conring unter siebtens darlegte, für die Zeit Kaiser Friedrichs III. (um 1415 – 1493). Denn auch die Kurfürsten Johann von Trier (1434 – 1503) und Ruprecht von Köln (um 1430 – 1480) führten in Briefen an Kurfürst Friedrich den Siegreichen von der Pfalz (1425 – 1476) das Vikariat auf das Privileg der Pfalzgrafschaft („privilegio principatus Palatini“) zurück, was nach Conring hieß, daß das Vikariat nicht zur Kurwürde oder zum Truchsessenamt gehören konnte. In seinem achten und letzten Argument kam Conring auf die Wissenschaft zu sprechen. Hier habe seine Ansicht, daß die Kur und das Vikariat verschiedene Ämter und getrennt voneinander seien, von jeher als allgemeine Meinung gegolten („( . . . ) jam etiam haud obscure patet, communem illam fuisse sententiam nostram.“). So hätten Schriftsteller fast aller Zeiten, die sich mit dem Vikariat befaßt hätten, das Amt des Vikars den Pfalzgrafen ohne Erwähnung der Kurwürde zugewiesen, was Conring mit Arbeiten aus dem 13. und 15. Jahrhundert belegte. Hatte Conring gegenüber Boineburg schon am 10. Juni auf die bayerischen Autoren verwiesen, die das pfälzische Vikariat in der früheren Kontroverse um die pfälzische Kur nicht bestritten hätten, so folgte hier ein entsprechender Hinweis. Selbst diese Autoren hätten teils offen, teils implizit die Unterscheidung zwischen der Kurwürde und dem Vikariat geteilt. Conring ging aber noch einen Schritt weiter und argumentierte, daß sich auch die bayerischen Herzöge diesen Standpunkt zu eigen gemacht hätten, da die bayerischen Schriften in ihrem Auftrag verfaßt und veröffentlicht worden seien. Weitläufig referierte und kommentierte Conring die Erörterungen Nikolaus Burgunds (1586 – 1649) und Christoph Gewolds (1556 – 1621) zum Vikariat und resümierte, daß beide zwar die Kurwürde für Bayern erstreiten wollten, aber keinen Zusammenhang zwischen der Kur und dem Vikarsamt konstruiert hätten. Auch daß die Bayern den Ursprung der Kurwürde 400 Jahre vor dem des Vikariats verorteten, führte Conring als Beleg dafür an, daß das Vikariat „per se“ nicht zur Kur und zum Erztruchsessenamt gehören könne. Ein unauflösliches Band zwischen der Kur und dem Vikariat war für Conring nicht mehr als eine Legende, und er bezweifelte, daß die bayerischen Autoren denjenigen Kaiser benennen könnten, der als erster das Vikariat unauflöslich an die
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Kurwürde gebunden habe, und daß sie zum Beweis einer unauflöslichen Verbindung Urkunden oder einen einzigen glaubwürdigen Zeugen vorweisen könnten. Wenn sie, wie Conring annahm, dies nicht könnten, so liege auf der Hand, daß es eine solche Verbindung auch niemals gegeben habe: „( . . . ) si nihil horum possunt, ut non possunt, facile utique omnibus manifestum est, ut ab initio electorale munus non habuit conjunctum vicariatum, ita nec etiam post unquam utriusque muneris insolubilem factam esse connexionem.“200
c) Der Zusammenhang zwischen dem Vikariat und der Pfalzgrafschaft (Kapitel V und VI) Das fünfte Kapitel („Respondetur ad ea, quibus videtur probari posse vicariatum non esse jus aliquod comitatui Palatino proprium.“201) diente wiederum der Widerlegung der Gegenansicht, nach der das Vikarsrecht kein eigenes Recht der Pfalzgrafschaft war. Conring stellte diesem zweiten Teil seiner Erörterungen ein knappes Zwischenergebnis voran. Darin hielt er die grundlegende Verschiedenheit zwischen dem Vikariat einerseits und den Ämtern des Kurfürsten und Truchsessen andererseits fest und nannte die frühere Verbindung nur zufällig, lösbar und bereits gelöst: „Hactenus manifestum est a nobis factum, id quod primo loco demonstrare institueramus, vicariatum ab electorali dapiferatu esse quid plane distinctum, & olim nonnisi per accidens cum illo connexum, solubilem caeteroquin imo reapse jam ab illo solutum.“202
Gegen das Vikariat als ein eigenes Recht der Pfalzgrafen führte er als einziges Argument an, daß das Vikarsamt von vielen versehen worden sei, die nicht im Besitz der Pfalzgrafschaft gewesen seien: „( . . . ) [non] esse vicariatum Palatinae terrae jus aliquod singulare, videtur eo indicari, quod multi sunt functi hoc munere a Palatinatus principatus possessione plane alieni.“203 Conring untermauerte zunächst den Befund mit historischen Beispielen, entkräftete dann aber das daraus abgeleitete Argument mit der Klarstellung, daß es verschiedene Vikarsämter gebe und gegeben habe, die im Kontext der aktuellen Kontroverse unstreitig seien. Er definierte das streitige Vikariat als ein festgesetztes und unabänderliches Recht eines bestimmten Landes oder einer bestimmten Familie, die Angelegenheiten des Reichs innerhalb der Grenzen Deutschlands vor allem zu Zeiten eines Interregnums zu verwalten und beschränkte damit den Streitgegenstand auf die in der Goldenen Bulle genannten Ämter: 200 201 202 203
Goebel, Operum tomus I, S. 822. Goebel, Operum tomus I, S. 823. Goebel, Operum tomus I, S. 823. Goebel, Operum tomus I, S. 823.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit „Quo de nunc scilicet agitur vicariatus, est jus statum & fixum, certae sive terrae sive familiae, administrandi res imperii intra limites Germaniae, cumprimis interregni tempore.“204
Nach dieser begrifflichen Einordnung folgte eine historische, in der Conring auf den Ursprung der umstrittenen Rechtsstellung im 13. Jahrhundert und ihre Sanktionierung durch die Goldene Bulle und Urkunden Kaiser Karls IV. verwies. Vor diesem Hintergrund löste sich der Einwand der Gegenseite in eine Ungenauigkeit, eine terminologische Unschärfe auf, die dem Vikarsrecht der Pfalzgrafschaft nichts anhaben konnte. Conring räumte ein, daß insbesondere vor dem 13. Jahrhundert nicht alle Vikare zugleich Pfalzgrafen gewesen seien, hielt aber zugleich fest, daß dieser Umstand für die Streitfrage bedeutungslos sei. Erst der Beweis, daß ein Vikarsamt im definierten Sinne nach den Zeiten Kaiser Friedrichs II. (1194 – 1250) von einem Fürsten versehen worden sei, der nicht im Besitz der Pfalzgrafschaft gewesen sei, hätte aus Conrings Sicht den Anspruch der Pfalzgrafschaft erschüttert. Conring erklärte, für die Gegenseite kein weiteres Argument benennen zu können, gab sich jedoch mit den vermeintlichen Schwächen der Gegenposition nicht zufrieden. Statt dessen setzte er maßgebend auf den überzeugenden Beweis der eigenen Sache, und stellte damit an seine Arbeit höchste Ansprüche. Kategorisch formulierte er, daß alles, was kein Vertrauen genieße, erdichtet sei oder ungeeignet sei, um als Grundlage für die Auseinandersetzung zu dienen: „Fateor tamen, si non possit firmiter probari assertio affirmativa, eo ipso parti neganti crescere vires, atque adeo tandem ad negationem satis esse, si affirmatio careat fide & omni certitudine; quodcunque enim nulla certa fide nititur, fictitium est. Utque non sit omnino fictitium, tamen inidoneum est, dare certum aliquod principium disputandi.“205
Wichtiger als die Widerlegung der Gegenansicht war für Conring der Beweis, daß das Vikariat ein eigenes Recht der Pfalzgrafen war, den er sehr ausführlich im sechsten Kapitel seiner Schrift („Multis argumentis demonstratur, vicariatum esse jus aliquod proprium comitatus Palatini.“206) führte. Als Beleg eines eigenen pfälzischen Vikarsrechts trat dabei manches Argument, das zuvor dem Nachweis der Verschiedenheit von Vikarsamt und Kurwürde gedient hatte, erneut zutage. An erster Stelle nannte Conring die Regelung des Kap. V 1 der Goldenen Bulle, auf die er sich schon im dritten Kapitel gestützt hatte und die wie eine Klammer seine Widerlegungen und Beweisführungen zusammenhielt. Indem er auf den Rang der Goldenen Bulle als „lex imperii publica“, auf die Wertschätzung, die man ihr von allen Seiten entgegenbringe, und auf ihr Alter verwies, unterstrich er Geltung und Bedeutung dieser Rechtsquelle. Mit einem Fingerzeig auf die Mitsprache des Reichstags fügte er hinzu, daß eine Änderung ihrer Bestimmungen nur im Einvernehmen und unter der gemeinsamen Autorität des Kaisers 204 205 206
Goebel, Operum tomus I, S. 824. Goebel, Operum tomus I, S. 824. Goebel, Operum tomus I, S. 824.
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und aller Reichsstände zulässig sei, da sie auf einem Reichstag beschlossen worden sei. Conring zitierte wie im dritten Kapitel den Wortlaut der Regelung und hob in einem Nachsatz die aus seiner Sicht entscheidende Passage, nach der das Vikariat dem Pfalzgrafen nach der Art seines Fürstentums oder von der Freiheit der Pfalzgrafschaft wegen zugewiesen sei, gesondert hervor: „Hoc loco diserte utique asseritur, vicariale munus competere comiti Palatino Rheni, ratione principatus seu privilegio.“207 Nach seiner Deutung folgte hieraus, daß das Vikarsrecht „per se & proxime“ von der Pfalzgrafschaft abhing und ein Vorrecht der Pfalz war („praerogativum jus terrae Palatinae“). In diesem Sinne, so Conring, habe man die Bestimmung auch 300 Jahre lang ausgelegt. Da, am Maßstab des Art. IV § 6 IPO gemessen, allein der Nachweis zählte, daß das Vikariat vor der böhmischen Erhebung ein eigenes Recht der Pfalzgrafschaft gewesen war und daher restituiert werden mußte, konnte Conring es dahinstehen lassen, ob die Goldene Bulle dieses Recht der Pfalzgrafschaft begründet oder nur den Status quo sanktioniert hatte. Entscheidend war für ihn, daß seit der Goldenen Bulle ein solches Vorrecht für die nachfolgende Zeit fixiert war. Denn hatte ein solches Vorrecht bestanden und war bis zur böhmischen Erhebung keine Veränderung durch Beschluß eines Reichstags oder gewohnheitsrechtlich eingetreten, dann mußte eine Restitution zugunsten der Pfalz erfolgen. Auch das zweite und das dritte Argument gingen von bereits Bekanntem aus. Als zweites Argument führte Conring noch einmal die Einsetzung Pfalzgraf Ludwigs als Vikar durch dessen Vater, Kaiser Ruprecht, an. Dabei hätten der Kaiser und alle Reichsstände übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, daß es sich beim Vikariat um ein pfalzgräfliches Recht handele, und da die Urkunde nur wenig jünger als die Goldene Bulle sei, deutete Conring sie zugleich als eine öffentliche Auslegung und Bekräftigung der Goldenen Bulle („nova quaedam publica interpretatio & declaratio“). Daneben wies Conring ein weiteres Mal auf die Schreiben des Trierer Kurfürsten Johann und des Kölner Kurfürsten Ruprecht aus dem 15. Jahrhundert hin. Hatte Conring im dritten Kapitel differenziert zwischen solchen Verbindungen, die „per se“, und solchen, die „per accidens“ bestünden, so griff er dieses Merkmal im vierten Argument wieder auf. Alles, so Conring, was jemandem allein zukomme, gebühre diesem „per se“, nicht „per accidens“. Auf das Vikariat übertragen, hieß das, daß auch das Vikarsrecht, das man allein den Pfalzgrafen seit mindestens 300 Jahren allseits zuerkannt habe, diesen „per se“ zukomme, und er verwies auf mehrere, in früheren Kapiteln eingeführte Zeugnisse aus den vorangegangenen 300 Jahren, um seine Auffassung zu belegen. Aus der kontinuierlichen Rechtsausübung der Pfalzgrafen leitete Conring ein weiteres Argument ab. Die Pfälzer hätten zumindest in den zurückliegenden 300 207
Goebel, Operum tomus I, S. 824.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Jahren das Vikarsamt versehen und ohne jeden Widerspruch für sich reklamiert, so daß die Pfalzgrafschaft in dieser Zeitspanne ungestört im Besitz des Vikarsrechts gewesen sei: „Fuit itaque comitatus Palatinus saltem per trecentos circiter annos in quieta possessione vel quasi juris Vicarialis.“208 Nachdem das pfälzische Vikariat so lange geduldet worden war, erschien Conring die fremde Geltendmachung eines Vikarsrechts rechtsmißbräuchlich, wobei er diesen Gedanken mit einer alttestamentarischen Episode illustrierte. So wie Jephtha dem König der Kinder Ammon vorgehalten habe, daß sie 300 Jahre lang tatenlos gewesen seien,209 so könne die Pfalzgrafschaft einwenden, warum niemand sein vermeintliches Recht in den zurückliegenden 300 Jahren geltend gemacht habe. Conring war überzeugt, daß das Vikarsrecht, selbst wenn die Pfalzgrafen anfangs nicht gutgläubig („bona fides“) gewesen sein sollten, durch den ungestörten Besitz („sola illa quieta possessio“) den Pfalzgrafen überlassen und erstarkt sei. Allerdings stand für Conring schon wegen der Goldenen Bulle fest, daß die Pfalzgrafen von Anfang an gutgläubig gewesen seien. Obwohl Conring zuvor das genaue Alter des pfälzischen Rechts für die Streitfrage bedeutungslos genannt hatte, ging er hier dem Ursprung des Vikarsrechts nach und gab an, daß das pfalzgräfliche Vikariat nicht erst durch die Goldene Bulle konstituiert worden sei. Er nutzte die Frage, um seine profunde Kenntnis der einschlägigen Literatur vor dem Leser mit Zitaten Aventins210 (1477 – 1534), Martin Crusius’ (1526 – 1607), Johannes Cuspinians (1473 – 1529), Melchior Goldasts (1578 – 1635) und aus anderen Quellen zu dokumentieren, hielt aber daran fest, daß die exakte Datierung des Vikariatsrechts für den gegenwärtigen Streit irrelevant sei. Als Conring zuletzt einen Blick auf die bayerischen Autoren und die bayerischen Herzöge warf, spitzte er seine Argumentation zu. Selbst die bayerischen Herzöge, so Conring, hätten in den vergangenen 300 Jahren die Zugehörigkeit des Vikariats zur Pfalzgrafschaft nicht bestritten, und obwohl sie im Streit um die Kur sogar die Goldene Bulle der „iniquitas“ bezichtigt hätten, hätten sie an der Regelung des Vikariats keinen Anstoß genommen. Spöttisch setzte sich Conring über die aus seiner Sicht zaghaften Angriffe hinweg, die erstmals in dem pseudonym erschienenen bayerischen „Gegenbericht“ von 1614 erhoben worden seien, und er verwies darauf, daß, abgesehen vom Autor des „Gegenberichts“, fast alle bayerischen Autoren im Kontext der Kurauseinandersetzungen dem Beispiel Gewolds gefolgt seien und das Vikariat beiseite gelassen hätten. Mit einem letzten Hinweis, der sich als Konsequenz aus den unmittelbar vorangegangenen Erörterungen ergab und der zugleich inhaltlich an das vierte Kapitel anknüpfte und den Bogen zurück zum Zusammenhang von Vikariat und Kurwürde 208 209 210
Goebel, Operum tomus I, S. 826. Vgl. Buch der Richter 11, 26. Pseudonym des bayerischen Geschichtsschreibers Johannes Turmair.
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schlug, durchbrach Conring die strikte Zweiteilung seiner Untersuchung. Das Verhalten der Bayern in der Vergangenheit ließ für Conring nur den Schluß zu, daß auch sie von der Verschiedenheit der Ämter ausgegangen seien. Denn wenn sie einerseits im Vikariat ein pfalzgräfliches Amt sähen, andererseits das Truchsessenamt seit jeher für sich in Anspruch nähmen, argumentierte Conring, dann müßten die Ämter, die demnach von zwei verschiedenen Fürstentümern abhingen, auch voneinander getrennt und verschieden sein: „Si ipsi autem Bavari fateantur, Vicariatus est jus Palatinatum, necessario fatendum quoque ipsis venit, Dapiferatum esse plane diversum quid a Vicariatu, utpote ut cum jam tum illi prae se tulerint, & aperte esse juris ducatus Bavariae ac dependere a ducatu illo. Quum unum autem dependet a principatu Bavariae, alterum a principatu Palatino, illa plane utique sunt reapse separata ac divisa.“211
d) Ergebnisse und Vorstellungen zur Streitbeilegung (Kapitel VII) Mit dem siebten Kapitel (Çoncluditur disputatio pro Palatino & tota controversia denique ad judicium competens rejicitur.“212) endeten seine Ausführungen. Darin trug Conring die Ergebnisse seiner Arbeit zusammen und skizzierte den Weg zu einer Streitbeilegung, wobei die 1658 redigierte Fassung dieses Kapitels Conrings ursprüngliche Intention konterkarierte. Bereits an der Abänderung der Kapitelüberschrift wird sichtbar, woran sich die Kritik des kurpfälzischen Hofes entzündete. Anders als der Druck, der pauschal von der Verweisung der Kontroverse an das zuständige Gericht („ad judicium competens“) sprach, hatte Conrings Entwurf präzise vorgesehen, daß der Reichstag sich der Auseinandersetzung annehmen und sie als zuständiges Gremium entscheiden solle: Çoncluditur Disputatio pro Palatino, et tota controuersia denique ad judicium Comitiorum Imperii reiicitur.“213 In seinem Entwurf ging Conring zuerst auf die Fragen ein, die er im zweiten Kapitel aufgeworfen hatte und die ihn bei seiner Untersuchung geleitet hatten. So konstatierte er, daß es einerseits keine Verbindung zwischen dem Vikariat und der kurfürstlichen Truchsessenwürde gebe und daß andererseits das Vikariat ein eigenes Recht der Pfalzgrafschaft sei. An diese Ergebnisse knüpfte er die Aufforderung an alle diejenigen, denen die Gerechtigkeit am Herzen liege, die Pfälzer Sache zu unterstützen, und während er das Eintreten für die pfälzischen Rechte würdigte, deutete er zugleich an, was ihn 211 Goebel, Operum tomus I, S. 828. Im Entwurf lautet der Text abweichend: „( . . . ) cum jam tum illi pro se tulerint, ( . . . ).“ 212 Goebel, Operum tomus I, S. 828. 213 Vicariatus Imperii Palatinus Defensus Auctore Andrea Nordenio (= Entwurf), o.O. 1657 (Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3421, S. 22v).
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
zur Abfassung seiner Streitschrift bewegt haben mochte. Denn er hielt dieses Eintreten nicht für nur billig und gerecht, sondern auch für vorteilhaft für das Reich – ein Gesichtspunkt, den er gegenüber Boineburg besonders akzentuierte. Im Ton barocker Frömmigkeit verwies er zuletzt auf Gott, der das Recht schütze und dem daher das Eintreten für die Rechte des Pfälzers geschuldet sei: „Hoc sane ut aequum est & justum, ita & imperio est salutare, cum primis autem DEO acceptum vindici justitiae, propter injustitiam vero transferenti imperia de gente in gentem.“214 Während die gedruckte Fassung des siebten Kapitels dem Entwurf Conrings bis hierher folgte, trat an die Stelle der weiteren Ausführungen ein einziger Satz. Er, der Autor, zweifele nicht daran, hieß es im Druck, daß zugunsten der Pfälzer entschieden werde, wenn die Sache vor die Parteien des Friedensinstruments als zuständige Richter gebracht sei: „( . . . ) nec dubito controversia ad conditores instrumenti pacis ut judices competentes delata, secundum Palatinos judicatum iri.“215 Der Gedanke, den Streit vor die Könige von Frankreich und Schweden sowie den Kaiser und die Reichsstände als Vertragsparteien des Westfälischen Friedens zu tragen, schloß sich keineswegs stringent an die vorangegangenen Ausführungen an und markierte statt dessen einen Bruch, da Conring seine Auseinandersetzung mit dem Vikariat gerade nicht an den Bestimmungen des Westfälischen Friedens, sondern an der Regelung der Goldenen Bulle ausgerichtet hatte. Der Entwurf hatte demgegenüber einem Reichstag die Streitentscheidung anvertraut.216 Wenn die Kontroverse vor einen Reichstag gebracht sei, schrieb Conring im Entwurf, dann zweifele er nicht daran, daß das Urteil über die Angelegenheit zugunsten der Pfälzer ausfallen werde: „( . . . ) non tamen dubito, controuersia ad Comitia Imperii delata, secundum Palatinos iudicatum iri.“217 Conring blieb in seinem Entwurf die Begründung, weshalb ein Reichstag zuständig sei, nicht schuldig. Beide leitenden Untersuchungsfragen zielten auf die Auslegung der Goldenen Bulle, so daß die Vikariatskontroverse ein Streit um deren richtige Auslegung sei. Da sie auf einem Reichstag erlassen worden sei und die Goebel, Operum tomus I, S. 828. Goebel, Operum tomus I, S. 828. 216 Der Schluß des siebten Kapitels lautet im Entwurf: „Quod si tamen illa decollet, non tamen dubito, controuersia ad Comitia Imperii delata, secundum Palatinos iudicatum iri; Et vero, si accurate rem ipsam spectemus, omnis haec disputatio uertitur super recta interpretatione Verborum aureae Bullae Carolinae: num scil: per auream Bullam istam Vicariatus dapiferatui sit innexus nec ne, item num per legem illam sit constitutum , quod Vicariatus debeat haberi ius Comitatui Palatino proprium. Cum aura Bulla vero sit lata non vnius Caesaris, nec solorum Electorum, sed omnium omnino Imperii ordinum auctoritate, inque plenis Comitiis, eorundem uero sit interpretari legem quorum est ferre; ad Comitia pertinere huius controversiae decisionem, non minus liquet; atque dubium nullum est, re omni probe perspecta et expensa, Caesarem atque Ordines Palatinae causae defensionem suscepturos.“ (Entwurf, Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3421, S. 23 r + v). 217 Entwurf, Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3421, S. 23 r. 214 215
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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Auslegungskompetenz über ein Gesetz bei dem liege, der es auch erlassen habe, sei die Entscheidung der Kontroverse Sache eines Reichstags: Çum aurea Bulla vero sit lata non vnius Caesaris, nec solorum Electorum, sed omnium omnino Imperii ordinum auctoritate, inque plenis Comitiis, eorundem uero sit interpretari legem quorum est ferre; ad Comitia pertinere huius controversiae decisionem, non minus liquet; ( . . . ).“218
Conring äußerte sich in seinem Entwurf zuversichtlich, daß sich auch der Kaiser und die Reichsstände für die Sache der Pfalz aussprechen würden. Der kurpfälzische Hof teilte jedoch im Juni 1658 diese Zuversicht nicht. In seinem Schreiben vom 10. Juni 1658, adressiert „an herren Conring, Professorem Juris publici zu Helmstadt“219, wies Vizekanzler Johann Ludwig Mieg den Gelehrten zurecht, daß die Kontroverse nicht vor einen Reichstag gebracht werden solle. Seine Argumentation bewegte sich dabei auf zwei Ebenen. Zuerst stellte Mieg die sachliche Zuständigkeit eines Reichstags in Abrede, da es in der Kontroverse nicht allein um die Auslegung der Goldenen Bulle gehe, die unbestritten in die Zuständigkeit eines Reichstags falle. Vor allem stritten die Parteien, so Mieg, über die Bestimmungen des Friedensinstruments, die die Kurpfalz und Kurbayern jeweils zu ihren Gunsten auslegten. Neben diesem rechtlichen Gesichtspunkt erhob der Praktiker einen politischen Einwand, indem er darauf hinwies, daß bei einer Entscheidung der Kontroverse durch den Reichstag oder durch die Reichsstände „( . . . ) die Catholischen, wie bekandt, die majora machen würden ( . . . )“.220 Zwar mußte die Kurpfalz in der Tat beim Votum eines Reichstags fürchten, gegenüber Bayern das Nachsehen zu haben. Mit dem Hinweis auf „die Catholischen“ suggerierte Mieg allerdings eine Lagerbildung zwischen Katholiken und Protestanten in dieser Frage, die den realen Gegebenheiten nicht entsprach. Zwar hatten sich 1653 Reformierte und Lutheraner auf dem Regensburger Reichstag zum Corpus Evangelicorum zusammengeschlossen.221 Dem Reformierten Karl Ludwig war aber 1657 in der Vikariatsfrage nicht einmal die Unterstützung durch die lutherischen Reichsstände sicher. Da man sich dessen auch in Heidelberg bewußt gewesen sein muß, waren die Vorbehalte gegen den Reichstag bei Mieg und seinem Kurfürsten vielschichtiger, als Mieg es vor Conring einräumte. Wenn Mieg dennoch auf die Opposition der Katholiken gegen das Pfälzer Vikariat im Reichstag abhob, dann dürfte er dies vor allem getan haben, um den geringen politischen Rückhalt des Pfälzer Kurfürsten konfessionell zu überspielen und zugleich dem Lutheraner Conring die vermeintlich gemeinsame Sache aller Protestanten vor Augen zu halten. 218 219 220 221
Entwurf, Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3421, S. 23 v. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. H. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte (Band II), S. 93.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
Im Ergebnis ließ Mieg keinen Zweifel daran, daß Frankreich und Schweden als Vertragsparteien des Westfälischen Friedens in die Entscheidung der Vikariatsfrage einbezogen werden müßten, und er schlug Conring daher vor, „( . . . ) des Instrumentis Pacis ( . . . ) circa finem obgemeldten tractats mitzugedenken, undt consequenter die decision solcher sachen uff die partes transigentes das Reich, und beide Cronen zu remittiren ( . . . )“.222
Auch dieser Vorstoß hatte ebenso wie Conrings ursprüngliche Anregung aus dem vorangegangenen Jahr in der Praxis keine Aussicht auf Erfolg. Unabhängig davon, ob man die Einbeziehung der Vertragsparteien des Westfälischen Friedens in die Konfliktlösung für rechtlich geboten oder politisch wünschenswert hielt, mußte auch dieser Gedanke ins Leere laufen. Denn fast zehn Jahre nach Abschluß des Westfälischen Friedens war nicht zu erwarten, daß sich die Vertragsparteien zu diesem Zweck zusammenfinden würden. Dennoch ist es bemerkenwert, daß Conring in seiner Vikariatsschrift als einziger Autor der Kontroverse von 1657 und 1658 einen wenn auch nur theoretisch gangbaren Weg zur Streitbeilegung aufzeigte. Während andere Autoren unnachgiebig auf ihrer Position beharrten und ein Ende des Streits vom Einlenken der Gegenseite abhängig machten, benannte Conring den Reichstag als zuständiges Schlichtungsorgan und bekundete damit zugleich den Willen zu einer politischen Einigung. Conrings Reaktion auf Miegs Kritik war pragmatisch. In seinem Brief vom 24. Juni 1658 rückte er seine ursprüngliche Überlegung, die streitige Sache vor einen Reichstag zu bringen, ins rechte Licht und betonte, dieser Vorstoß sei „( . . . ) guter intention geschehen ( . . . )“.223 Zu seiner Verteidigung rief er Mieg die politische Situation des Jahres 1657 in Erinnerung. Damals habe es sich „( . . . ) fast ansehen laßen, alß wan das hochlöbliche Churfürstliche Collegium deßen sich unterfangen wollen, auch an Österreichischer und Frantzösischer seiten, welchen vornemblich die interpretatio Intrumenti Pacis zustehet, man allerdingß einer angenehmen Sententz nicht währe gesichert ( . . . )“.224
Aus Conrings Sicht war 1657 eine Entscheidung zugunsten Karl Ludwigs nur von einem Reichstag zu erwarten. Allerdings erkannte er im Juni 1658 an, daß sich die politische Situation seit der Abfassung seines Entwurfs verändert hatte. Er teilte Miegs Befürchtung, daß von dem Urteil eines Reichstags inzwischen eine Gefahr ausginge und zeigte sich erfreut darüber, daß von den Vertragsparteien des Westfälischen Friedens „( . . . ) eine billigmeßige decisio kann ietzo verhoffet werden ( . . . )“.225 Im übrigen ließ er Mieg für die Überarbeitung der Vikariatsschrift freie Hand. Geht man von Conrings und Miegs Briefwechsel aus, so scheinen sich weder Conring noch Mieg an dem inhaltlichen Bruch gerieben zu haben, zu dem eine 222 223 224 225
Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2.
III. Die Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ (1658)
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punktuelle Modifikation der Schlußpassage unweigerlich führte. Das ist um so erstaunlicher, als die 1658 politisch opportune Einbindung Frankreichs und Schwedens die Gesamtkonzeption der Arbeit – die Konstruktion der Vikariatsfrage als Auslegungsproblem der Goldenen Bulle – in Frage stellte. 3. Einflüsse anderer Arbeiten Ein Einfluß anderer Arbeiten von 1657 und 1658 auf Conrings Vikariatsschrift ist nicht feststellbar. Eine ausdrückliche Erwähnung oder Bezugnahme findet sich bei Conring nicht, und es ist davon auszugehen, daß er seinen Entwurf im Juli 1657 abgeschlossen hatte, bevor er über andere Vikariatsschriften von 1657 verfügte und deren Anregungen hätte aufgreifen können. Unter praktischen Gesichtspunkten ist es kaum vorstellbar, daß die ersten Vikariatsschriften, die in Heidelberg und München gedruckt worden waren, nach nur wenigen Wochen in Helmstedt verfügbar waren. Außerdem ergibt sich aus Conrings Korrespondenz mit Boineburg und Karl Ludwig, die ihn mit Literatur zum Vikariat versorgten, daß ihm jüngere Arbeiten erst spät zur Verfügung standen. Vor dem Juli 1657 besaß Conring, wie aus einem Brief an Boineburg hervorgeht, nur zwei pfälzische Schriften, die von 1614 und 1615 stammten,226 und selbst wenn er Boineburgs erste Sendung noch im Juli 1657 entgegen nahm,227 so dürfte dies – wie im Fall der von Karl Ludwig übermittelten Vikariatsliteratur –228 zu einem Zeitpunkt geschehen sein, als er seinen Entwurf bereits zur Seite gelegt hatte. Andere Arbeiten wurden aber auch später nicht mehr aufgegriffen. Vor der Drucklegung der Vikariatsschrift 1658 verzichtete der Heidelberger Hof im Rahmen seiner Schlußredaktion darauf, die zwischenzeitlich in verschiedenen Publikationen fortgesetzte Diskussion zu berücksichtigen und die neuere Vikariatsliteratur von 1657 und 1658 einzuarbeiten. Mehrfach zog Conring in seiner Vikariatsschrift die ältere bayerische Literatur von 1615 heran, die er im Rahmen seiner Argumentation auswertete. Ob ihm diese Arbeiten tatsächlich zur Verfügung standen oder ob er ihren Inhalt aus den entsprechenden pfälzischen Entgegnungen erschloß, ist unklar. Dagegen ist relativ genau bestimmbar, was Conring von Pfälzer Seite aus dieser Zeit bei der Erarbeitung seines Entwurfs bekannt war. Im Anhang seiner Streitschrift („Appendix continens varias tabulas & literas caesarum & principum, ad quarum testimonium est provocatum.“229) führte er eine Reihe von Primärquellen an, auf die er sich im Text 226 Vgl. Brief Conrings an Boineburg vom 10. Juni 1657. Wie aus dem sechsten Kapitel seines Entwurfs hervorgeht, hatte er im Juli 1657 von dem anonym verfaßten „Gegenbericht“ der bayerischen Seite von 1614 jedenfalls gehört. Seine knappe Würdigung dieser Arbeit läßt aber nicht erkennen, ob er mit deren Inhalt tatsächlich vertraut war. 227 Vgl. Brief Boineburgs an Conring vom 4. Juli 1657. 228 Vgl. Brief Conrings an Karl Ludwig vom 9. August 1657. 229 Goebel, Operum tomus I, S. 828.
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C. Conrings Stellungnahmen im Vikariatsstreit
seiner Arbeit bezogen hatte, wobei er im Entwurf seiner Arbeit überwiegend auf Fundstellen der Sekundärliteratur verwies, an denen die Quellen bereits abgedruckt waren.230 Aus diesen Verweisungen geht hervor, auf welche Vikariatsliteratur Conring bei seinem Entwurf zurückgreifen konnte. Legt man diese Angaben sowie den genannten Hinweis aus dem Briefwechsel mit Boineburg zugrunde, so war die Literatur, auf die sich Conring bei der Vikariatsfrage stützte, äußerst schmal. Im Anhang seines Entwurfs waren nur zwei Schriften genannt, wobei beide aus der zu Beginn des 17. Jahrhunderts geführten Diskussion um die Pfälzer Kurwürde hervorgegangen waren: einerseits der 1614 veröffentlichte „Kurtze Bericht von dem des H. Röm. Reichs Chur-Fürstlicher Pfaltz zustehenden Vicariat“, den er auch gegenüber Boineburg erwähnt hatte, andererseits das 1613 in zweiter Auflage erschienene Werk „Origines Palatinarum“ von Marquard Freher (1565 – 1614).231 Seinem Brief an Boineburg zufolge verfügte er schon im Juni 1657 außerdem über die Pfälzer „Rettung des Chur-Pfältzischen Vicariats“ von 1615. Conring nutzte die wenigen Schriften, die er hatte, und entwickelte seine Darstellung auf dem Boden, den die Parteien in ihren Streitschriften der früheren Kontroverse bereitet hatten. Er bediente sich ihrer Argumente und des von ihnen aufbereiteten historischen Materials, blieb aber in seinem Urteil, in seiner Systematik und Konzeption von ihnen unabhängig. Er setzte dort andere Akzente, wo es die anders gelagerte historische Situation aus seiner Sicht erforderte. So erschien es Conring anders als den früheren Autoren der Pfälzer Seite unwichtig, den Nachweis des pfälzischen Vikariats vor der Goldenen Bulle zu führen.
230 Während Conrings Entwurf nur drei Quellentexte vollständig zitierte und im übrigen auf die Sekundärliteratur verwies, finden sich in der gedruckten Ausgabe die Quellen im ganzen Wortlaut. 231 Conring verwies neunmal auf den „bericht von der Churfürstlichen Pfaltz Vicariats Gerechtigkeit“ und nannte eine Fundstelle „apud Freherum orig: Palat: mihi p. 115. edit: in fol:“, wobei sich diese auf die zweite Auflage von Frehers „Origines Palatinae“ (Heidelberg 1613) bezog.
D. Weitere Beiträge im Werk Conrings Weitere Ausführungen Conrings zum Institut des Reichsvikariats und zu den Streitpunkten der bayerisch-pfälzischen Kontroverse sind nach 1658 in seinem Werk selten. Nur sporadisch ist Conring nach der Veröffentlichung seiner Schrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ in seiner Korrespondenz, in zwei Dissertationen und wenigen umfangreicheren Arbeiten darauf zurückgekommen. Soweit er das Vikariat und den schwelenden Konflikt zwischen dem bayerischen und pfälzischen Kurfürsten aufgriff, waren seine Ausführungen zurückhaltend und ließen seinen eigenen Standpunkt kaum erkennen. Sie sind dennoch ein Beleg dafür, daß Conring, der sich 1658 mit Boineburg vorrangig anderen Problemen hatte zuwenden wollen, die Streitfrage des Vikariats noch nach Jahrzehnten für bedeutsam hielt.
I. Briefwechsel mit Boineburg „Nolim enim quidquam mihi deesse, cum ipsemet illi caussae manum admoui.“1 (Hermann Conring an Johann Christian v. Boineburg am 29. Dezember 1660)
Hinweise auf die Vikariatskontroverse finden sich in Conrings Korrespondenz mit Boineburg zwischen 1660 und 1663, ohne daß Conring oder Boineburg in diesen Jahren die inhaltliche Diskussion der früheren Zeit wiederaufnahmen. Statt dessen ging es Conring, als er 1660 die Vikariatskontroverse erneut ansprach, allein darum, seine Literatur aus der bayerisch-pfälzischen Auseinandersetzung mit der Hilfe Boineburgs zu vervollständigen. Am 29. Dezember 1660 schickte er Boineburg ein Verzeichnis der Schriften aus dem Vikariatsstreit, die er bereits besaß, und bat darum, weitere Arbeiten zu beschaffen, die aus demselben Kontext hervorgegangen waren.2 Das Verzeichnis ist nicht überliefert, und es läßt sich auch nicht dem Begleitbrief entnehmen, welche Streitschriften im Dezember 1660 in Conrings Bibliothek vorhanden waren. Die Zahl der Arbeiten, über die Conring verfügte, scheint jedoch gering gewesen zu sein, denn Conring nannte seine Auflistung ein „indiculum“, also ein kleines Verzeichnis, auf dem wahrscheinlich nur wenige Titel aufgeführt waren. Als Grund 1 2
Gruber I, S. 439. Gruber I, S. 436 – 439.
7 von Arnswaldt
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D. Weitere Beiträge im Werk Conrings
für seine Bitte nannte Conring einen verständlichen Wunsch. Da er sich selbst in der Auseinandersetzung um das Vikariat publizistisch engagiert habe, wolle er auch alle übrigen Arbeiten der Kontroverse besitzen: „Nolim enim quidquam mihi deesse, cum ipsemet illi caussae manum admoui.“3 Boineburg reagierte umgehend. Am 24. Januar 1661 sagte er Conring zu, alle Arbeiten zum Vikariat, die sich auftreiben ließen, zusammenzutragen, und teilte ihm mit, zu diesem Zweck schon einen Brief an den Pfälzer Kurfürsten Karl Ludwig gerichtet zu haben. Wie aus unveröffentlichten Briefen Ezechiel Spanheims an Boineburg und Conring hervorgeht, nahm sich in Heidelberg zunächst Spanheim der Sache an.4 Schon in einem Schreiben vom 29. Januar versprach er Boineburg, die gewünschten Arbeiten zum Vikariat an Conring zu senden,5 und am 25. März bekräftigte er gegenüber Conring, diesem die Arbeiten zukommen zu lassen, die Boineburg genannt habe.6 Trotz der Zusage wartete Conring bis zum September 1661 vergeblich auf die Übermittelung der Arbeiten. Am 3. September erinnerte er daher Boineburg an die gewünschten Streitschriften beider Seiten und verlieh seinem Anliegen Nachdruck mit dem Hinweis, daß er nicht einmal ein einziges Exemplar seiner eigenen Streitschrift mehr besitze: „Quaeso vero simul des operam, vt nanciscar, quae in negotio Vicariatus Palatini hinc inde sunt disputata. Nec enim mihi vel mei libelli exemplar aliquod superest.“7 Nach über einem Jahr hatte Conring in seinem Brief vom 4. Januar 1663 eine erneute kurze Erinnerung an Boineburg gerichtet, bevor am folgenden Tag eine Sendung von Schriften aus Heidelberg in Helmstedt eintraf. Johann Ludwig Mieg, der schon 1658 mit Conring in der Vikariatsfrage korrespondiert und die Herausgabe der Streitschrift „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ betreut hatte, war schließlich in der Angelegenheit der von Conring erbetenen Streitschriften aktiv geworden, nachdem Spanheim noch 1661 zu einer mehrjährigen Italien-Reise aufgebrochen war.8 So berichtete Conring Boineburg am 8. Januar brieflich, daß ihm der kurpfälzische Vizekanzler auf Befehl Karl Ludwigs zwei Schriften zugestellt habe, von denen eine dem Vikariat gewidmet sei.9 Gewiß hatte sich Conring ursprünglich mehr als eine Arbeit zum Vikariat aus Heidelberg versprochen. Nach zwei Jahren, in denen er seine Bitte wiederholt an Gruber I, S. 439. Zu Ezechiel Spanheim v. Petersdorff, ADB (Band 35), S. 50 – 59; V. Loewe, Ein Diplomat und Gelehrter – Ezechiel Spanheim (1629 – 1710), Berlin 1924 (ND Vaduz 1965); Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (10), Sp. 880 – 883. 5 Brief Spanheims an Boineburg vom 29. Januar 1661 (84.12 Extrav., fol. 20r-21r). 6 Brief Spanheims an Conring vom 25. März 1661 (84.12 Extrav., fol. 487). 7 Gruber I, S. 626. 8 Vgl. V. Loewe, Ein Diplomat und Gelehrter – Ezechiel Spanheim (1629 – 1710), Berlin 1924, S. 15 ff. 9 Gruber II, S. 1035. 3 4
I. Briefwechsel mit Boineburg
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Boineburg herangetragen hatte, waren seine Erwartungen jedoch erkennbar gesunken. So hielt er am 8. Januar 1663 nur noch die Bitte aufrecht, daß man ihm ein Exemplar seiner eigenen Streitschrift zukommen lasse, und kam auf die übrigen Arbeiten aus der Kontroverse nicht mehr zurück. Nach dem Januar 1663 sind weder das Vikariat noch die bayerisch-pfälzische Kontroverse oder die in der Kontroverse verfaßten Streitschriften in der überlieferten Korrespondenz Conrings und Boineburgs erwähnt. Conrings Bemühungen, die Bestände seiner Bibliothek zur Vikariatsfrage aufzubessern, waren damit im Ergebnis wenig erfolgreich, und noch im Zeitpunkt seines Todes wies seine Bibliothek nur drei der Vikariatsstreitschriften von 1657 und 1658 auf, wie die Auflistung im Çatalogus Bibliothecae Conringianae“, dem 1694 erstellten Katalog zur Versteigerung seiner Bibliothek, belegt.10 Während Conring sein Interesse an den Vikariatsschriften gegenüber Boineburg ausschließlich damit begründete, daß er selbst an der publizistischen Kontroverse seinen Anteil gehabt habe, deutet manches darauf, daß er in diesen Jahren an eine zweite Auflage seiner Streitschrift dachte und er sich möglichst viele derjenigen Arbeiten, die neben seiner eigenen Streitschrift entstanden waren, beschaffen wollte, um sie bei der Überarbeitung seiner Schrift heranziehen zu können. Der Gedanke an eine Neuauflage des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ war 1660 keineswegs neu. Unmittelbar nachdem im Sommer 1658 die Streitschrift gedruckt worden war, hatte Conring die vermeintlichen Mängel jener Ausgabe zum Anlaß genommen, sich gegenüber Mieg zur Ausarbeitung einer verbesserten zweiten Auflage bereit zu erklären, wenn eine solche gewünscht werde. Eine Reaktion des kurpfälzischen Hofes auf Conrings Angebot ist nicht erhalten. Es spricht allerdings wenig dafür, daß man in Heidelberg 1658 Conrings Kritik an der ersten Edition teilte und eine zweite Auflage ernsthaft erwogen hat. Zum einen gingen die Änderungen an Conrings Entwurf im wesentlichen auf Vorstellungen zurück, die der kurpfälzische Vizekanzler Mieg Conring zuvor schriftlich unterbreitet hatte. Zum anderen scheint insbesondere Karl Ludwig nicht nur mit Conrings Entwurf, sondern auch mit dem Erstdruck zufrieden gewesen zu sein, da die von ihm angeordnete Vergütung der Dienste Conrings nach Veröffentlichung der Vikariatsschrift großzügig war, wie die kurpfälzische Aktennotiz vom 5. August 1658 belegt. Zur Zeit Conrings erschienen politische Streitschriften meist nur in geringer Auflagenhöhe und waren dementsprechend rasch vergriffen.11 Wer als Autor ein 10 Catalogus Bibliothecae Conringianae, Helmstedt 1694. Unter den im Appendix aufgeführten Quartbänden findet sich zu Band Nr. 133 der Hinweis auf drei entsprechende Arbeiten: „Pro vicariatu Palatino 1657. Pro vicariatu Bavarico. eod. Noch ein Scriptum in eadem causa pro Bavaricis.“ (S. 231). 11 Conring hat im Vorwort der 2. Auflage zu seiner Çastigatio libelli“, Helmstedt 1664, selbst darauf hingewiesen: „Exempla omnia cito inter manus emptorum distracta sunt: ut jam ex eo pene disparuerint.“
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D. Weitere Beiträge im Werk Conrings
Interesse daran hatte, weitere rechtlich-politische Gutachten als Auftragsarbeiten zu verfassen, mußte sich daher gelegentlich durch verbesserte Auflagen älterer Arbeiten seinen Auftraggebern in Erinnerung bringen. Auch Conring, der spätestens seit den 1650er Jahren auf dem Gebiet der Reichshistorie und Reichsverfassung als Koryphäe galt, ist nicht anders verfahren. So legte er etwa nach nur neun Jahren eine dritte überarbeitete Auflage seiner „Assertio iuris Moguntini in coronandis regibus Romanorum“ vor, und das, obwohl der Streit um das Krönungsrecht zwischen den Parteien längst beigelegt war.12 Daß Conring zwei Jahre nach der Veröffentlichung seines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ das Vorhaben einer Neuedition wieder aufgriff, kann unter anderem an jenem Pokal gelegen haben, den der Pfälzer Kurfürst ihm zum Dank schicken ließ. Wie eine Notiz in den kurpfälzischen Akten belegt,13 traf der Brief, in dem Conring für den Pokal dankte, im Sommer 1660 in Heidelberg ein. Da Conring wahrscheinlich auch erst 1660 den Heidelberger Pokal entgegengenommen hatte, dürfte dieser ihn in dem Vorhaben einer Neuauflage bestärkt haben. Conrings Erfahrungen in der Kontroverse um das Vikariat waren, anders als etwa in den Auseinandersetzungen um das Krönungsrecht, bis 1660 im ganzen positiv. Persönliche Anfeindungen der Gegenseite, die Conring im vorangegangenen Streit zu schaffen gemacht hatten, waren nach der Veröffentlichung seines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ ausgeblieben, und mit dem Pokal war Conring für seine Arbeit reichlich entlohnt worden. Besonders positiv dürfte aber vor allem sein Kontakt zu Karl Ludwig und zu dessen Vizekanzler zu Buche geschlagen haben, der sich im Zusammenhang der Vikariatsfrage ergeben hatte. Es war anzunehmen, daß aus der Verbindung zu dem ebenso gebildeten wie streitbaren Kurfürsten weitere lukrative Auftragsarbeiten hervorgehen würden. Den Kontakt zum Kurfürsten und insbesondere die Form, in der dieser zustande gekommen war, mußte Conring außerdem als Zeichen höchster Anerkennung werten. Während seine Beiträge für den Mainzer Erzbischof im Rahmen des Krönungsrechtsstreits von Boineburg initiiert waren, der 1657 auch die Verbindung zum bayerischen Kurfürsten hergestellt hatte, war der Fall beim „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ anders gelagert. Hier war ein Kurfürst von sich aus, ohne die Vermittlung Boineburgs an Conring herangetreten, um diesen für die Abfassung einer Streitschrift zu gewinnen. Wenn Conring also 1664 verbesserte Auflagen seiner drei Schriften, die er zur Krönungsrechtsstreitigkeit zwischen Kurmainz und Kurköln in den Jahren 1655 und 1656 beigesteuert hatte, in Helmstedt erscheinen ließ,14 so mußte er zu Beginn 12 1. Auflage Frankfurt am Main 1655, 2. Auflage Helmstedt 1656, 3. Auflage Helmstedt 1664, vgl. Kelly / Stolleis, Hermann Conring: Gedruckte Werke, 1627 – 1751, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 535 – 572 (550). 13 Bayer. HStA München, Kasten blau 100 / 2. 14 1664 erschienen in Helmstedt bei H. Müller die 3. Auflage seiner „Assertio iuris Moguntini in coronandis regibus Romanorum“ sowie jeweils die 2. Auflage seiner Çastigatio
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der 1660er Jahre erst recht den Plan zu einer erneuten Herausgabe seiner Vikariatsschrift gefaßt haben, zumal diese – im Gegensatz zu den Arbeiten aus der zwischenzeitlich beigelegten Krönungsrechtskontroverse – ihre Aktualität nicht eingebüßt hatte.
II. Übriges Werk „De vicaria vero imperii administratione sive Vicariatu, ( . . . ) non levis tum controversia inter Bavarum & Palatinum Electores fuit exorta. Uterque enim interregis illius munus sive vicariatum per sup. Germaniam, vel iis in locis, in quibus antea Palatini Electores eum exercuerant, ad se pertinere contendentes, tum diplomatibus ac mandatis suis quidem affixis, alterius vero refixis sibi illum vindicarunt, tum adversis etiam inter se scriptis in publicum emisis de jure ejus disputarunt.“15 (Hermann Conring über den Vikariatsstreit)
Nach der Beobachtung Dietmar Willoweits befaßte sich Conring in zwei Abschnitten seines Wirkens mit den grundsätzlichen Fragen der Reichsverfassung, und zwar zunächst zwischen 1641 und 1647 und später zwischen 1666 und 1675. Die zwei Phasen, deren Erträge sich zu einer großflächigen Auseinandersetzung ergänzen, waren unterbrochen von der Hinwendung Conrings zu juristisch-politischen Einzelfragen wie dem Krönungsrecht oder dem rheinischen Vikariat, zu denen er in den 1650er Jahren gutachterlich Stellung nahm.16 Bei diesem Grundriß war es unausweichlich, daß Conring die Positionen, die er in Streitschriften zu Detailfragen der Reichsverfassung erarbeitet hatte, ab Mitte der 1660er Jahre wieder aufnahm und in einen größeren Kontext einbettete. Dies gilt auch für die Streitfrage des Reichsvikariats, die Conring nach 1666 verschiedentlich vor der Folie der Reichsverfassung berührt hat.
libelli cui titulus: Anticonringiana defensio juris Coloniensis in coronandis Romanorum regibus“ und seines „Iteratarum vindiciarum juris coronandi pro archidioecesi Coloniensi examen“, vgl. Kelly / Stolleis, Hermann Conring: Gedruckte Werke, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 550, 552. 15 H. Conring, De statu Europae, ac inprimis Germanici imperii, tempore conclusae ac confectae Pacificationis Osnabrugensis & Monasteriensis, in: Goebel, Operum tomus VI, S. 658 – 868 (808). 16 D. Willoweit, Kaiser, Reich und Reichsstände bei Hermann Conring, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 322 f.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Band I, S. 232.
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1. „Dissertatio de nomothetica seu recta legum ferendarum ratione“17 (1663) und „Dissertatio de comitiis imperii Romano-Germanici“18 (1666) Unter den Werken, in denen Conring nach 1658 das Reichsvikariat problematisierte, nimmt die „Dissertatio de nomothetica seu recta legum ferendarum ratione, et in specie de legum constitutione in Imperio Germanico“ von 1663 eine Sonderstellung ein. Sie entstand noch drei Jahre vor der Gruppe derjenigen Arbeiten, mit denen Conring an die Auseinandersetzung mit den grundlegenden Fragen der Reichsverfassung anknüpfte. Die Dissertation war der Gesetzgebung im allgemeinen und speziell im Reich gewidmet, die Träger des Reichsvikariats spielten daher nur eine untergeordnete Rolle. Schon bei einer bloßen Erwähnung der Vikare war hier jedoch Fingerspitzengefühl verlangt. Denn der Respondent, Conrings Schüler Johann Adam von Hammerstein, dedizierte die Dissertation neben einem Grafen dem Bischof von Osnabrück und späteren ersten Kurfürsten von Hannover, Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1629 – 1698), dessen Frau Sophie (1630 – 1714) die jüngste Schwester des Heidelberger Kurfürsten Karl Ludwig war und mit diesem in enger Verbindung stand. Conring faßte in der „Dissertatio de nomothetica“ das Recht, Gesetze zu geben, als eines jener Rechte auf, die die summa potestas konstituierten (These XXXVIII).19 Hierzu zählte er daneben das Recht, Ämter und Ehren zu verleihen („magistratus & honores conferre“), und stieß im Rahmen einer Auflistung der Amtsträger im Reich an erster Stelle auf die Vikare (These XLI).20 Sein Zugriff war damit auf einen einzigen Aspekt reduziert, ob sich nämlich das hoheitliche Recht, Amtsleute zu berufen, auch auf die Auswahl der Reichsvikare erstreckte. In Anlehnung an den Wortlaut der Goldenen Bulle bezeichnete Conring den Pfalzgraf (Çomes Palatinus“) und den Herzog von Sachsen („Dux Saxoniae“) als Reichsvikare und umriß deren Vikariatsbezirke. Es bestünden zwar verschiedene Ansichten zu den Anfängen des Vikarsrechts. Conring zweifelte aber nicht daran, daß zu seiner Zeit der Sachse und der Pfälzer die Ämter rechtmäßig beanspruchten, und bestritt, daß andere Reichsfürsten als Vikare berufen werden dürften. Eine Ersetzung der Reichsvikare liege weder in der Macht des Reichs noch des Kaisers, solange beide Vikare ihre Kurfürstentümer rechtmäßig innehätten, mit denen die Reichsverwesung eng zusammenhänge:
17 H. Conring, Dissertatio de nomothetica seu recta legum ferendarum ratione, et in specie de legum constitutione in Imperio Germanico (Resp. J. A. v.Hammerstein), Helmstedt 1663. Wieder abgedruckt bei Goebel, Operum tomus II, S. 840 – 864. 18 H. Conring, Dissertatio de comitiis imperii Romano-Germanici (Resp. A. H. Engelbrecht), Helmstedt 1666. Wieder abgedruckt bei Goebel, Operum tomus II, S. 789 – 818. 19 Goebel, Operum tomus II, S. 853. 20 Goebel, Operum tomus II, S. 853 f.
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„Illud vero constat, quod hodie de jure illud usurpent, nec sit in imperii, neque Imperatoris potestate alios in horum locum surrogare, quamdiu electoratum quisque suum, cui uterque vicariatus est adnexus, legitime teneat.“21
Ohne daß Conring dies in seinen Ausführungen kenntlich machte, hatte er mit der Frage, ob der Kaiser bei der Berufung der Vikare freie Hand habe, einen Punkt angesprochen, der 1614 und 1615 zwischen Bayern und der Kurpfalz kontrovers diskutiert worden war. Während der Autor des bayerischen „Kurtzen Gegen-Bedenkens“ behauptet hatte, dem Kaiser seien bei der Bestimmung des rheinischen Vikars nicht die Hände gebunden, hatte die pfälzische „Rettung“ diese bayerische Behauptung widerlegen wollen. Conring, der jedenfalls die pfälzische Entgegnung kannte und dem damit der entsprechende Streitpunkt vertraut war, würdigte die bayerisch-pfälzische Auseinandersetzung um diesen Punkt keines Wortes und entschied sich im Ergebnis für die pfälzische Position. Hatte er damit der Sache nach einen der Streitpunkte der älteren bayerisch-pfälzischen Kontroverse berührt, so blieb die seit 1657 virulente Streitfrage, wer rechtmäßiger rheinischer Vikar war, in seinen Ausführungen ausgeklammert. Seine propfälzische Position war zwischen den Zeilen dennoch erkennbar. Die Wiedergabe der Bestimmungen aus der Goldenen Bulle, nach denen der Pfalzgraf Vikar sein sollte, und das Beiseitelassen des Instrumentum Pacis ließen keinen Zweifel daran aufkommen, daß Conring im Pfälzer Kurfürsten immer noch den legitimen Vikar sah. Daran änderte nichts, daß er das Vikarsrecht mit der Kurwürde verknüpfte. Denn Conring hatte hier nicht die alte Pfälzer Kur, die den Bayern übertragen war, vor Augen, sondern das neue achte Kurfürstentum, das die Unterpfalz umfaßte. Aus einem anderen Blickwinkel äußerte sich Conring 1666 zu den Vikaren des Reichs. In diesem Jahr legte er einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Beschäftigung mit dem Reichstag, der nach dem Friedensschluß von 1648 „das größte Gewicht im Gefüge der Reichsverfassung gewonnen hatte“.22 Neben der „Dissertatio de praecipuis negotiis in comitiis imperii Germanici olim et hodienum tractari solitis“23 hat Conrings Auseinandersetzung mit der Institution des Reichstags ihren Niederschlag in der „Dissertatio de comitiis imperii Romano-Germanici“ gefunden, in der Conring an zwei Stellen auf die Reichsvikare zu sprechen kam. Auch in diesem Zusammenhang war für ihn das pfälzische Vikariat selbstverständlich, wie die ausdrücklichen Hinweise auf den Pfälzer Kurfürsten und die Fixierung auf die Regelungen der Goldenen Bulle belegen. Bei der Frage, ob der Reichstag bei Abwesenheit des Kaisers oder während eines Interregnums zur Beratung zusammentreten dürfe, ging Conring ein erstes Mal Goebel, Operum tomus II, S. 853 f. Willoweit, Kaiser, Reich und Reichsstände bei Hermann Conring, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 323. 23 H. Conring, Dissertatio de praecipuis negotiis in comitiis imperii Germanici olim et hodienum tractari solitis (Resp. J. C. Becker), Helmstedt 1666. Wieder abgedruckt bei Goebel, Operum tomus II, S. 818 – 839. 21 22
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auf die Vikare ein (These IIX).24 Er legte dar, daß nach Kap. V der Goldenen Bulle dem pfälzischen und dem sächsischen Kurfürsten in beiden Fällen das Recht zustehe, einen Reichstag einzuberufen, sofern noch kein römischer König gewählt sei. Obwohl im Wortlaut der Goldenen Bulle die Abwesenheit des Kaisers nicht genannt sei, hielt Conring die Regelung auch in diesem Fall für anwendbar. Er fügte hinzu, daß eine extensive Auslegung zugunsten des Pfälzer Kurfürsten geringeren Schwierigkeiten begegne, da auch das von vielen Kaisern bekräftigte pfälzische Privileg diesen Fall einschließe. Erneut wandte sich Conring in seiner „Dissertatio de comitiis imperii RomanoGermanici“ den Vikaren zu, als er auch hier die Ämter des Reichs aufführte (These XXXII).25 In fast identischen Worten wie in seiner „Dissertatio de nomothetica“ wies er die Vikarsämter wiederum dem Pfalzgrafen und dem Herzog von Sachsen zu, ohne das Fortbestehen der pfälzischen Rechtsstellung zu problematisieren. 2. „De republica Romano-Germanica, Liber unus. Cum annotatis Hermanni Conringii“26 (1671) und „Tractatus de republica Romano-Germanica“27 (posthum veröffentlicht) Hatte Conring in seinen Dissertationen der 1660er Jahre jede Bezugnahme auf die bayerisch-pfälzische Kontroverse vermieden, so änderte sich dies in seiner 1671 publizierten kommentierten Ausgabe von Jakob Lampadius’ Werk „De republica Romano-Germanica“ und in seinem „Tractatus de republica Romano-Germanica“, der ebenfalls aus der Beschäftigung mit dem Werk des Lampadius hervorgegangen war, aber erst nach Conrings Tod erstmals veröffentlicht wurde.28 In beiden Arbeiten ging Conring auf den Streit in der Vikariatsfrage ein, ohne jedoch mit einem persönlichen Urteil hervorzutreten. Im dritten Teil seines Werkes hatte Lampadius den Aufbau des Reichs systematisch vom Haupt zu den Gliedern nachgezeichnet und bei seinen Ausführungen zum Kaiser unter anderem erläutert, wie nach dem Tod des alten Kaisers bei der Wahl eines neuen verfahren werde (Pars III, Caput II. De subjecto imperante, seu civibus reipublicae imperantibus; & primo de Caesaribus).29 Im Rahmen seiner Goebel, Operum tomus II, S. 794. Goebel, Operum tomus II, S. 803. 26 J. Lampadius, De republica Romano-Germanica, Liber unus. Cum annotatis Hermanni Conringii, Helmstedt 1671. Wieder abgedruckt bei Goebel, Operum tomus II, S. 22 – 223. 27 H. Conring, (Discursus ad Lampadium posterior ex manuscripto editus) Tractatus de republica Romano-Germanica, in: Goebel, Operum tomus II, S. 238 – 466. 28 Zur Bedeutung des Lampadius-Werks für Conring siehe Stolleis, Die Einheit der Wissenschaften, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 15; H. Dreitzel, Hermann Conring und die politische Wissenschaft, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 135 – 172 (138 f.); M. Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Berlin 1997, S. 40. 29 Goebel, Operum tomus II, S. 67 – 96 (85 – 87). 24 25
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Kommentierung fügte Conring an diesem Punkt das Reichsvikariat ein. Bevor er auf die seit 1657 schwelende Kontroverse einging, definierte er, unter welchen Bedingungen ein Interregnum eintrete, und arbeitete den Regelungsgehalt der Goldenen Bulle heraus. Nur das Vikariat diesseits der Alpen sei darin geregelt, nicht dagegen die Reichsverwesung in Italien, stellte Conring fest und setzte sich anschließend mit den päpstlichen Ansprüchen auf das Vikariat auseinander. Dem Inhalt der Kontroverse zwischen dem bayerischen und dem pfälzischen Kurfürsten schenkte Conring nur noch geringe Aufmerksamkeit. Statt den Streitstand detailliert darzulegen und die Argumentation beider Seiten im einzelnen zu beleuchten, brachte er den Streit auf die knappe Formel, daß beide Reichsfürsten die Vikarswürde für sich beanspruchten: „Alioquin enim & agitanda hic veniret nobilis illa, quae inter Electores Palatinum & Bavarum hodie vertitur, controversia de Vicariali dignitate, utroque sibi illam asserente. Quae lis, hinc inde libris agitata quidem fuit, ( . . . ).“30
Die Beilegung des Streits, die ihn schon 1657 bei seinem Entwurf zum „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ beschäftigt hatte, akzentuierte er deutlicher. Er optierte dabei nun für einen Kompromiß, der die gegenläufigen Ansätze im Entwurf und im Druck seiner Streitschrift kombinierte. Während Conring in seinem Entwurf dafür plädiert hatte, die Angelegenheit einem Reichstag zur Entscheidung vorzulegen, und zu diesem Zweck aus der Streitfrage ein Auslegungsproblem der Goldenen Bulle konstruiert hatte, hatte der kurpfälzische Vizekanzler Mieg 1658 vor der Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ darauf gedrungen, die Vikariatsfrage nicht einen Reichstag, sondern die Könige von Frankreich und Schweden als Vertragsparteien des Westfälischen Friedens entscheiden zu lassen. Der Abänderung seines Entwurfs in diesem Punkt hatte Conring in seiner Korrespondenz mit Mieg, wie bereits ausgeführt, nichts entgegengehalten. In seinem Lampadius-Kommentar fügte Conring 1671 beide Varianten zusammen und vertrat die Ansicht, daß die Streitfrage zwar von einem Reichstag entschieden werden müsse, aber die Zustimmung des französischen und des schwedischen Königs zur Entscheidung einzuholen sei: „( . . . ) quodammodo [quae lis] definita possit videri, proximo interregno causam Bavari probante Electore Saxoniae & judicio Camerali, reapse tamen adhuc pendet: decidenda, quantum videtur, ab universi imperii ordinum conventu, idque cum consensu & Galliae & Sueciae Regum, conditorum ex parte instrumenti pacis, quod appellatur.“31
Auf die judikativen Kompetenzen der Vikare in Zeiten eines Interregnums hatte Lampadius ebenfalls im dritten Teil seines Werkes hingewiesen, und zwar in einem Abschnitt, der Details der Gerichtsbarkeit gewidmet war (Pars III, Caput XIIX. De revisione & syndicatu).32 Conring griff an dieser Stelle in seiner Kommentierung ein zweites Mal das Reichsvikariat auf. Er sprach zwar, ausgehend von der Rege30 31 32
Goebel, Operum tomus II, S. 86. Goebel, Operum tomus II, S. 86. Goebel, Operum tomus II, S. 201 f.
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lung der Goldenen Bulle, erneut von einem pfälzischen Vikariat, ohne den bayerischen Kurfürsten in diesem Zusammenmhang zu erwähnen. Sein Augenmerk richtete er hier aber auf einen anderen Punkt, daß nämlich neben anderen Reichsständen auch der bayerische Herzog eine Exemtion seines Territoriums vom pfälzischen Vikariat aus der Goldenen Bulle hergeleitet habe.33 Aus deren Wortlaut ergebe sich die Schwierigkeit, so Conring, daß das sächsische Vikariat zwar dort gelten solle, wo sächsisches Recht in Kraft sei, dies aber nur noch an wenigen Orten der Fall sei. Da auch das fränkische Recht weitgehend verdrängt sei, bestehe für den Geltungsbereich des pfälzischen Vikariats ein entsprechendes Problem. Der Entstehungszeitpunkt des „Tractatus de republica Romano-Germanica“ ist nicht überliefert. Wie die inhaltlichen Übereinstimmungen mit dem LampadiusKommentar und der teils identische Wortlaut beider Texte belegen, muß der Traktat jedoch in enger Anlehnung an den Kommentar von 1671 entstanden oder umgekehrt als Vorarbeit zu diesem von Conring verfaßt worden sein. Auch seine Ausführungen zum Vikariat deckten sich inhaltlich weitgehend mit seinen Kommentierungen von 1671. So verwies er wiederum auf die Bestimmungen der Goldenen Bulle zum Vikariat des Sachsen und des Pfälzers34, hob die umstrittenen Geltungsbereiche des sächsischen und des pfälzischen Sprengels hervor35 und streifte die bayerisch-pfälzische Kontroverse um das Vikariat.36 Conring hielt sich hier aber nicht nur mit einer persönlichen Stellungnahme erneut zurück, sondern ließ auch seine Vorstellungen zur Beilegung des Streitigkeit beiseite. Andererseits ging er über seine Kommentierung von 1671 hinaus, als er stichwortartig angab, worauf die streitenden Parteien ihre Ansprüche stützten. Der Bayer leite das Vikariat aus der Übertragung der Kur ab, so Conring, während der Pfälzer das Amt nicht als Kurfürst, sondern als Pfalzgraf beanspruche: „Notum autem est, hodie nos habere octo Electores cum antea tantum septem, & dignitas, quam habuit palatinus, translata est ad bavarum, hinc bavarus sibi vendicat vicariatum, & palatinus etiam non quatenus est Elector, sed quia Comes est palatinus, lis est adhuc sub judice.“37
3. „De statu Europae, ac inprimis Germanici imperii“38 (posthum veröffentlicht) In keiner anderen Arbeit ist die Zurückhaltung, die sich Conring im Umgang mit der Vikariatskontroverse nach 1658 auferlegte, jedoch so handgreiflich wie in seiner Hermkes, Reichsvikariat, S. 16, 52. Goebel, Operum tomus II, S. 265. 35 Goebel, Operum tomus II, S. 276, 441. 36 Goebel, Operum tomus II, S. 275 f. 37 Goebel, Operum tomus II, S. 276. 38 H. Conring, De statu Europae, ac inprimis Germanici imperii, tempore conclusae ac confectae Pacificationis Osnabrugensis & Monasteriensis, in: Goebel, Operum tomus VI, 33 34
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breit angelegten Staatengeschichte „De statu Europae, ac inprimis Germanici imperii, tempore conclusae ac confectae Pacificationis Osnabrugensis & Monasteriensis“. Dieses unvollendete und erst posthum veröffentlichte Werk zeichnete die Geschichte der europäischen Staaten bis 1660 nach und bot unter anderem eine detaillierte und umfangreiche Schilderung des Vikariatskonflikts von 1657 und 1658. So präzise und eingehend Conring vor allem im achten Kapitel dieser Arbeit die Grundlagen des Konflikts aufzeigte und die politischen Vorkommnisse referierte,39 so beharrlich ging er einer Würdigung der vorgebrachten Argumente und einem persönlichen Urteil in der Vikariatsfrage aus dem Wege. Ausführlich zeigte er auf, worauf der bayerische und der pfälzische Kurfürst ihre Ansprüche stützten. Nach dem Bayern, schrieb Conring, sei die Übertragung des Vikariats im Westfälischen Frieden sanktioniert. Dagegen streite der Pfälzer einen Zusammenhang zwischen der auf Bayern übergegangenen Kurwürde und dem Vikarsamt ab und deute das Vikariat als ein eigenes Recht der Pfalzgrafschaft („proprium Palatinorum Comitum“), das durch das Friedensinstrument restituiert sei. Zu den Details der Argumentation beider Seiten verwies er zwar auf die Autoren des Jus publicum. Wie schon im zweiten Kapitel seines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ strich er jedoch heraus, daß die Regelungen des Westfälischen Friedens, also Art. IV §§ 3 und 6 IPO, der eigentliche Ausgangspunkt der Kontroverse seien: „Non permittit brevitas hujus operis plures, quas utraque pars pro se ac jure suo, maxime vero pro firmando vel convellendo isto jam adducto utriusque partis fundamento primario ex verbis I. P. Osnabr. desumto in diversis diplomatibus, edictis, exemplis ac scriptis edictis adduxit, rationes affere, quas potius scriptoribus J. publici judicandas expedendasque relinquimus: ( . . . ).“40
Conring schilderte die Auseinandersetzungen um das bayerisch-sächsische Vikariatssiegel, wies auf den Streit um die Ämter Weiden und Parkstein hin und beschrieb den Tintenfaßwurf des Pfälzer Kurfürsten ebenso wie die nachfolgenden Bemühungen der übrigen Kurfürsten, einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken. Als er bei seinen Ausführungen eine vom Pfälzer Kurfürsten edierte Schrift erwähnte, mit der im Frühjahr 1658 die Grundlagen der pfälzischen Rechtsstellung noch einmal bekräftigt worden seien, sprach er die Çhur-Pfälzische Abfertigung der ferneren Anzeige ( . . . )“ an, die im Frühjahr 1658 veröffentlicht worden war.41 S. 658 – 868. Vgl. zu dieser Schrift den Hinweis bei H. Dreitzel, Hermann Conring und die politische Wissenschaft, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 140. 39 Goebel, Operum tomus VI, Caput IIX. De rebus Germanicis ab anno 1655. per seqq. aliquot annos, in quibus etiam de foedere inter Bohemiae R. seu Austr. domum & Regem regnumque Poloniae, auxiliisque ab illo in Poloniam missis: De belli item Danici initio ac progressu, aliisque cum eo conjunctis aut inde exortis, S. 805 – 837 (§ 12, 808 f., und § 41, 827 f.). Eine Andeutung des Vikariatsstreits und ein Verweis auf Caput IIX finden sich schon in Caput I. § 25, Goebel, Operum tomus VI, S. 679. 40 Goebel, Operum tomus VI, S. 808. 41 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der „Abfertigung“ vgl. die einleitenden Bemerkungen in „Endtliche abgenötigte Ablainung ( . . . )“, München 1658. Dafür, daß die „Abferti-
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D. Weitere Beiträge im Werk Conrings
Allerdings dürfte Conring inhaltlich eher seinen „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ als die „Abfertigung“ vor Augen gehabt haben. Denn wenn er die in der Schrift herausgestellten Grundlagen dahin zusammenfaßte, daß das Vikarsamt nicht mit der Bayern übertragenen Kur, sondern mit dem Amt des Pfalzgrafen verbunden und ein eigenes Amt der Pfalzgrafschaft sei, brachte er in erster Linie die Kernüberlegungen seiner eigenen Arbeit auf den Punkt: „( . . . ) quibus tamen iterum Palatinus contraria mandata, ceu sup. anno factum, opposuerat, praetereaque novo scripto edito fundamenta juris sui, quod nempe vicariatus munus non electoratui in Bavarum translato, sed Palatini Comitis officio conjunctum ac plane proprium esset, denuo firmatum esset (v. th. Eur.) duraratque ita haec contentio in Aprilem usque mensem, cum ( . . . ).“42
gung“ gemeint war, spricht neben dem Veröffentlichungszeitpunkt auch der Hinweis auf das Theatrum Europaeum („v. th. Eur.“), der sich in der Ausgabe Goebels findet, Operum tomus VI, S. 827. 42 Goebel, Operum tomus VI, S. 827.
E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage Das Umfeld zu Conrings „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ bestand aus zahlreichen Schriften, die 1657 und 1658 in der Mehrzahl am bayerischen und am pfälzischen Hof entstanden waren. Von Heidelberg und München aus gingen seit dem Mai 1657 Traktate zur Vikariatsfrage hin und her. Unnachgiebig in der Sache und zumeist scharf im Ton mühten sich die Parteien, eigene Argumente zu benennen und die gegnerische Argumentation zu entkräften.1 Doch obwohl alle Arbeiten aus demselben historischen Kontext hervorgegangen waren und dieselbe Streitfrage zum Gegenstand hatten, standen Conrings „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ und die übrigen Publikationen von 1657 und 1658 inhaltlich unverbunden nebeneinander. So wie Conring in seiner Arbeit von den anderen Streitschriften keine Notiz genommen hatte oder hatte nehmen können, so spielten auch er und sein „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ in den Arbeiten anderer Autoren keine Rolle. Der „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ wurde darin nicht erwähnt, seine Argumentation nicht rezipiert, und obwohl die Schrift des Helmstedter Gelehrten ihrem Auftraggeber, dem Pfälzer Kurfürsten, gefallen hatte, blieb sie in der publizistischen Kontroverse von 1657 und 1658 wirkungslos. Schuld daran war vor allem der späte Zeitpunkt der Veröffentlichung. Zwar waren 1658 Conrings Waffen keineswegs stumpf geworden. Vielmehr stellte Conring mit seiner Vikariatsschrift seinen scharfen Verstand in Fragen des Jus publicum, der sich zuletzt in der Krönungsrechtskontroverse bewährt hatte, erneut unter Beweis. Anders als in jener Auseinandersetzung war Conring aber in der Frage des Vikariats einer Konfrontation über Monate aus dem Wege gegangen, und als Conrings Vikariatsschrift schließlich im Sommer 1658 gedruckt erschien, hatte sich die publizistische Kontroverse längst zu einem Zwiegespräch verengt. Der Heidelberger und der Münchner Hof hatten zu dieser Zeit schon mehrere Schriften veröffentlicht, die sich aufeinander bezogen und jeweils Argumente, Behauptungen und Unterstellungen der vorangegangenen Arbeit aufgriffen. In dieser Situation zum Streit hinzugestoßen, blieb Conring eine Randfigur in der publizistischen Auseinandersetzung, was die Qualität seiner Arbeit jedoch nicht wesentlich minderte. Zwar sucht man bei Conring vergebens nach manchem Argument, das andere Autoren 1657 und 1658 kontrovers diskutierten. Verglichen mit den übrigen Arbeiten hatte der „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ mit seinem hohen Ab1 Die Streitschiften von 1657 und 1658 sind aufgelistet bei Moser, Teutsches Staats-Recht, Teil 7, S. 424 ff.
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E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
straktionsgrad, seiner Systematik, seinen präzisen Fragestellungen und seiner überzeugenden Beweisführung aber auch deutliche Stärken.
I. An den Höfen in Heidelberg und München verfaßte Arbeiten „Res postea inter partes per scripta publica agitata: Ubi quamquam nemini mirum videbatur, Bavarum isthanc dignitatem ad sese conari pertrahere, quippe qui iam tum florentibus Palatini rebus Electoratum sibi deberi contendere non dubitaverat ac iam potentia propria et favore Austriacorum fidebat, (. . . )“2 (Samuel Pufendorf)
1. „Kurtzer und summarischer Bericht“3 und „Manifeste pour le Serenissime Prince Charles Louis“4 sowie Çhur-Bayerischer Gegen-Bericht“5 „Refutation du manifeste“6 und „Refutatio solida“7 (alle 1657) Am 11. Mai 1657 erschien in Heidelberg anonym ein „Kurtzer und summarischer Bericht“ zur Vikariatsfrage. Da er so rasch dem Patent des Pfälzer Kurfür2 S. de Monzambano, De statu Imperii Germanici, Caput IV. De capite Imperii Germanici, Imperatore; ubi de electione et Electoribus. § 8, in: H. Denzer (Hg.), Samuel von Pufendorf. Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 232. Nach Denzers Übersetzung heißt es: „Der Streit wurde darauf von beiden Parteien in staatsrechtlichen Schriften ausgetragen. Der Versuch des Bayernsherzogs, diese Würde an sich zu reißen, konnte niemand verwundern, da er schon zur Blütezeit der Pfalz keinen Zweifel an seinem Anspruch auf die Kurfürstenwürde gelassen hatte und er sich jetzt nicht nur auf seine eigene Macht, sondern auch auf die Gunst Österreichs stützen konnte. ( . . . )“ (S. 119). 3 Kurtzer und summarischer Bericht, daß das Vicariat in den Landen deß Rheins, Schwaben und Fränckischen Rechtens, deß Herrn Pfaltzgraffen und Vicarii Carl Ludwigen Churfürstl. Durchl. von Rechts wegen zustehen und gebühren thut, Heidelberg 1657 (anonym). Der Bericht ist abgedruckt bei J. Ch. Lünig, Grundfeste Europäischer Potenzen Gerechtsame ( . . . ), Theil 1, S. 512 – 514. Zusammenfassung bei Hermkes, Reichsvikariat, S. 61 f. 4 Manifeste pour le Serenissime Prince, Charles Louis, Comte Palatin (. . . ), contenant un abregé des raisons de son Droit sur le Vicariat de l’Empire dans les Cercles du Rhin, de la Suabe & du Droit Franconique, Heidelberg (Druck: Aegidius Walter) 1657 (anonym). 5 Wolgegründter Gegen-Bericht, daß das Vicariat-Recht, vermöge der Chur-Würde, ChurBayern und nicht Chur-Pfaltz zustehe, München (Druck: Johann Jäcklin) 1657 (anonym). Abgeduckt bei Lünig, Grundfeste, Theil 1, S. 515 – 519. Zum Inhalt Hermkes, Reichsvikariat, S. 62 – 64. 6 Refutation du Manifeste Palatin, contenante les preuves evidentes du Droit, que (. . . ) Ferdinand Marie, Duc des Deux Bavières (. . . ) & sa Maison Electorale a au Vicariat du S. Empire à l’exclusion de Charles Louis, Comte Palatin (. . . ), München (Druck : Johann Jäcklin) 1657 (anonym). 7 Refutatio solida informationis cuiusdam Palatinae, München (Lukas Straub) 1657 (anonym).
I. An den Höfen in Heidelberg und München verfaßte Arbeiten
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sten folgte, sich stark daran orientierte und in Heidelberg gedruckt wurde, ist davon auszugehen, daß er unmittelbar am Kurpfälzer Hof entstanden war. Wahrscheinlich war der eigentliche Autor dieses Berichts wie auch der nachfolgenden anonymen Arbeiten der Pfälzer Seite der Heidelberger Hofgerichtsrat Ludwig Lingelsheim (gestorben vor 1676).8 An der Entstehung dieser prestigeträchtigen Arbeiten, mit denen die Kurpfalz für ihren Rechtsstandpunkt warb, dürften jedoch neben Lingelsheim auch andere Personen mitgewirkt haben. So ist zu vermuten, daß der interessierte und gebildete Kurfürst Karl Ludwig persönlich die Erarbeitung der pfälzischen Vikariatsliteratur beeinflußte. Seine Korrespondenz mit Conring belegt sein Engagement in dieser Richtung. Ein größerer Einfluß auf die Entstehung der pfälzischen Arbeiten ist aber auch dem Pfälzer Vizekanzler Mieg zuzutrauen. Denn am Heidelberger Hof war vor allem Mieg mit der Vikariatskontroverse befaßt. Er war derjenige, der 1658 die Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ in die Hand nahm, der Conring zum Dank den Pokal des Kurfürsten zustellte und später Conrings Literaturwünschen in dieser Angelegenheit nachging. Als promovierter Jurist und erfahrener praktisch tätiger Politiker brachte Mieg die nötigen Voraussetzungen mit und wies sich in seiner Korrespondenz mit Conring 1658 als ein Kenner der Materie aus. Auf 15 Seiten im Quartformat leitete der Autor des Berichts das Pfälzer Vikariatsrecht in einer Weise her, wie sie wenige Wochen zuvor das Heidelberger Vikariatspatent skizziert hatte, und wehrte Angriffe ab, die vom kurbayerischen Patent ausgingen. Die Regelung der Goldenen Bulle, kaiserliche und königliche Privilegien und Konfirmationen sowie die Observanz und das Herkommen wurden für den Pfälzer Kurfürsten ins Feld geführt. Da das Vikarsrecht „keine Dependenz der Chur-Dignität, sondern ein inseparabile Connexum der bey dem Chur-Hause Pfaltz verbliebenen Pfalzgraffschafft bey Rhein“ sei, sei es nicht nach Art. IV § 3 IPO übergegangen. Statt dessen sei das Amt des Vikars von der Restitution der Pfalgrafschaft gemäß Art. IV § 6 IPO umfaßt. Für den Zusammenhang zwischen Pfalzgrafschaft und Vikariat führte er verschiedene Argumente an, allen voran das Alter des Vikarsrechts, das schon vor der Goldenen Bulle und der Erhebung der Pfalz zum Kurfürstentum bestanden habe, und den lateinischen Wortlaut der Goldenen Bulle, der auf den Çomitatus Palatinus“, also auf die Pfalzgrafschaft und nicht das Kurfürstentum abstelle. Ein wichtiges Argument für ein Pfälzer Vikariat, das sich von nun an wie ein roter Faden durch die kurpfälzischen Streitschriften zog, war außerdem, daß das Vikariat der Pfalz in den Friedensinstrumenten nicht ausdrücklich entzogen sei und nach der Generalamnestie des Westfälischen Friedens alles, was nicht ausdrücklich entzogen sei, restituiert werden müsse. 8 Einerseits finden sich in den kurpfälzischen Akten Lingelsheims Konzepte dreier Streitschriften, vgl. Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3654 a und b. Andererseits weist auch ein alter handschriftlicher Zusatz auf einem Exemplar des „Kurtzen und summarischen Berichts“ in der HAB [Signatur 61.9 Pol (19)] Lingelsheim als Autor aus. Zu Ludwig Lingelsheim siehe Stuck, Personal der kurpfälzischen Zentralbehörden in Heidelberg, S. 57, 137.
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E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
Der bayerischen Seite hielt man vor, daß sie sich weder aus genannten Gründen auf die Friedensinstrumente noch auf eine kaiserliche Konzession berufen könne, wie sie es in ihrem Patent getan hatte. Zwar habe 1638 der kaiserliche Lehnsbrief für Maximilian das Vikariat ausdrücklich genannt. Diese Belehnung sei aber durch den Westfälischen Frieden kassiert, und 1652 sei bei der Belehnung Ferdinand Marias durch Kaiser Ferdinand III. das Vikariat nicht mehr aufgeführt worden, da der Kaiser darauf nach Einwänden des Pfälzer Kurfürsten bewußt verzichtet habe. Zur gleichen Zeit wie der „Kurtze und summarische Bericht“ erschien in Heidelberg, ebenfalls anonym, ein „Manifeste pour le Serenissime Prince Charles Louis“, das inhaltlich im wesentlichen mit dem „Bericht“ übereinstimmte und wahrscheinlich dessen französischsprachige Adaption war.9 Zielte der „Bericht“ auf Kurbayern und die übrigen Reichsstände, so sicherte das „Manifeste“ die Verbreitung der Pfälzer Ansichten über den deutschen Sprachraum hinaus.10 Von der Versendung der kurbayerischen Vikariatspatente im April überrascht, setzte Karl Ludwig seit dem Mai 1657 im Streit mit dem mächtigen Rivalen auf Argumente, denen er im Reich und im Ausland Gehör verschaffen wollte. Der bayerische Kurfürst trat den Schriften aus Heidelberg nach kurzer Zeit entgegen. Am 12. Juni ließ er in München einen Çhur-Bayerischen Gegen-Bericht“ veröffentlichen, dessen Umfang dem des Pfälzer „Berichts“ glich. Hatte der Pfälzer neben seinem Bericht das französischsprachige Manifest drucken lassen, so zog der Bayer mit einer „Refutation du manifeste“ und einer lateinischen „Refutatio solida“ nach, die sich inhaltlich mit dem Gegenbericht deckten und ebenso wie dieser anonym erschienen. Maßgeblicher Autor dieser und weiterer anonymer kurbayerischer Arbeiten dürfte der spätere Münchner Vizekanzler und Kanzler Kaspar von Schmid (1622 – 1693) gewesen sein, ein promovierter Jurist in kurbayerischen Diensten, der nach eigener Darstellung die meisten bayerischen Vikariatsstreitschriften verfaßte.11 9 V. Loewe, Ein Diplomat und Gelehrter – Ezechiel Spanheim (1629 – 1710), Berlin 1924, S. 11, schreibt das „Manifeste“ Ezechiel Spanheim zu mit der Begründung, daß sich in dessen Nachlaß eine Niederschrift des „Manifeste“ mit eigenhändigen Korrekturen finde. Plausibler ist jedoch die Annahme, daß Spanheim nur mit der Übertragung des „Berichts“ in die französische Sprache befaßt war und diesen Auftrag als Einstieg in die Vikariatsproblematik nutzte. Denn im Mai 1657 dürfte Spanheim, der erst kurze Zeit in Heidelberg als Erzieher des Kurprinzen wirkte, die reichsverfassungsrechtliche Materie noch fremd gewesen sein, vgl. v. Petersdorff, ADB (Band 35), S. 50 – 59 (51). 10 Denkbar ist auch, daß der „Kurtze und summarische Bericht“ eine deutsche Überarbeitung des französischen Textes gewesen ist. Beide datieren vom 10. Mai 1657. 11 Lory, Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, S. 224 f. Lory (224) verweist auf ein Gutachten des Reichshofrats Bonn zur Vikariatsfrage, an dem sich Schmid orientiert habe. Das vorbereitende Gutachten Bonns mit dem Titel „Was es mit den Reichsvikariaten vor eine Bewandtnis habe und wehm dieselbe im Römischen Reich zukomme“ findet sich im Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3436, Schmids Konzept „Rationes notabiliores, quare Vicariatus Imperii spectet ad Serenissimum Electorem Bavariae non Palatinum“ Bayer. HStA München, Kasten schwarz 3435. Zur Biographie Schmids siehe Heigel, ADB (Band 31), S. 679 – 683.
I. An den Höfen in Heidelberg und München verfaßte Arbeiten
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Worauf es der ersten bayerischen Erwiderung ankam, war der Nachweis, daß das Vikariat „vermöge der Chur-Würde“ Bayern gebühre, wie es schon im Titel des Gegenberichts lautete. Dazu mußte der Zusammenhang zwischen dem rheinischen Vikariat und der ehemals Pfälzer Kurwürde, die auf den Bayern übergangen war, belegt werden, was der Autor des Gegenberichts mit beachtlichen Argumenten tat. So hielt er der Pfälzer Seite vor, sie habe in der Vergangenheit mehrfach selbst den Zusammenhang anerkannt, und unterstrich, daß auch das Reichskammergericht das Vikarsamt nicht für ein Çonnexum der Pfaltzgrafschaft“ gehalten habe. Hatte sich der Autor des pfälzischen Berichts auf die Goldene Bulle berufen, so verwies der kurbayerische Verfasser auf deren entgegenstehenden deutschen Wortlaut („von des Churfürstenthums Freyheit wegen“). Er führte mehrere kaiserliche Privilegien an, die ausdrücklich auf das Kurfürstentum abhoben, und argumentierte auch mit der Systematik der Goldenen Bulle. Aus dieser folge, daß sich die Goldene Bulle an den Pfalzgrafen gerade als Kurfürsten richte. Der Zusammenhang von Vikariat und Kur kam nach Meinung des Münchner Autors sowohl darin zum Ausdruck, daß die Pfalzgrafen auf früheren Vikariatssiegeln anstelle des pfalzgräflichen Wappens das kurfürstliche gebraucht hätten, als auch darin, daß sie in der Vergangenheit den Titel des Vikars unmittelbar nach den Titeln des Erztruchsessen und Kurfürsten geführt hätten. Der Gedanke, daß die Kurfürsten beim Vikariat umgangen worden seien und das Amt einem Pfalzgrafen, also einem Fürsten, anvertraut worden sei, verstieß zudem aus Sicht des bayerischen Autors gegen jede politische Ratio (çontra omnem Politicam Rationem“). Er bestritt, daß das Vikariat schon vor der Goldenen Bulle bei der Pfalzgrafschaft gelegen habe, und führte aus dem 16. Jahrhundert ein Beispiel für eine Kurübertragung an, die das Vikariat eingeschlossen habe. Auch das Instrumentum Pacis griff er auf und legte es zugunsten des bayerischen Kurfürsten aus. Was der Kaiser 1628 und 1638 übertragen habe, also auch das Vikariat, sei in Art. IV § 3 IPO bestätigt. Die Kassation gemäß Art. IV § 6 IPO beziehe sich allein auf die Unterpfalz, nicht auf die übrigen in den Lehnsbriefen übertagenen Rechtspositionen wie das Vikariat. Auf den Einwand, der Lehnsbrief von 1652 habe das Vikariat auf Betreiben Karl Ludwigs nicht mehr genannt, entgegnete der kurbayerische Autor, die Auslassung sei nur erfolgt, um dem Pfälzer Kurfürsten nicht noch einmal die Geschehnisse um die Verwirkung der Kur vor Augen zu halten. Zuletzt verwies er auf die Anerkennung, die dem bayerischen Kurfürsten als Vikar von den übrigen Kurfürsten, darunter der Reichserzkanzler und der sächsische Convicarius, sowie vom Reichskammergericht zuteil geworden sei. Mit dem Pfälzer Bericht und dem bayerischen Gegenbericht war die eigentliche Grundlage der publizistischen Kontroverse zwischen Heidelberg und München gelegt. Während der Umfang der nachfolgenden Traktate allmählich anschwoll und deren Ton schriller wurde, blieben die Dreh- und Angelpunkte der Beweisführung von nun an unverändert. Auf der einen Seite beschworen die Pfälzer den Zusammenhang zwischen dem Vikariat und der Pfalzgrafschaft und charakterisierten das Vikarsamt als Annex der Unterpfalz, auf der anderen Seite verwiesen die Bayern 8 von Arnswaldt
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E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
auf die Abhängigkeit des Vikarsamts von der ehemals pfälzischen Kurwürde, wobei die Autoren beider Parteien zum Beleg dieser Kerngedanken in den nachfolgenden Publikationen Überlegungen und Argumente variierten, die überwiegend im Bericht und im Gegenbericht ihren ersten Niederschlag gefunden hatten. 2. Çhur-Pfältzische Ableinung“12 und Çhur-Bayerische fernere Anzeigung“13 (beide 1657) Der kurpfälzische Hof nahm die bayerische Entgegnung nicht unwidersprochen hin, und unter dem 7. Juli 1657 ließ er eine umfangreichere Ablehnungsschrift erscheinen, deren erklärtes Ziel es war, die Ausführungen des Gegenberichts Punkt für Punkt zu widerlegen. Als Ausgangspunkt wählte der Verfasser eine aus dem ersten Bericht vertraute Überlegung. Was der Kurpfalz im Instrumentum Pacis nicht speziell entzogen sei, stellte er fest, sei ihr belassen, und da in Art. IV § 3 IPO das Vikariat gerade nicht entzogen sei, falle es unter die in Art. IV § 6 IPO angeordnete Restitution. In der Reihenfolge ihrer Erwähnung im Gegenbericht musterte der Pfälzer Verfasser diejenigen Argumente durch, die die Gegenseite für eine Abhängigkeit des Reichsvikariats von der Kurwürde angeführt hatte, und wies sie zurück. So bestritt er zum Beispiel das Vorbringen der Gegenseite, daß sich die Kurpfalz in der Vergangenheit selbst auf einen Zusammenhang von Vikariat und Kurwürde berufen habe, und nannte als Beleg die 1614 veröffentlichten kurpfälzischen Schriften. Damit eröffnete er eine neue Flanke in der Auseinandersetzung. Denn von nun an maß jede Seite das Vorbringen der anderen Partei auch am Maßstab der älteren Publikationen und bemühte sich, Widersprüchlichkeiten in der gegnerischen Argumentation aufzudecken. Auch im Streit um die Auslegung der Goldenen Bulle gab der Pfälzer nicht nach. Er beharrte auf dem Wortlaut der lateinischen Urkunde, die wegen ihrer Authentizität der deutschen vorzuziehen sei. Hatte der Pfälzer unter Hinweis auf die politische Ratio einer Umgehung der Kurfürsten bei der Vergabe der Vikarsämter widersprochen, so warf sein Gegenüber ein, daß es sich bei der Gewalt des Vikars nur um eine „potestas temporanea“ handele und der Vikar darum nicht einem höheren Stand entstammen müsse. Außerdem hätten bei der Besetzung der Vikarsämter, wenn es tatsächlich nach dem Stand gegangen wäre, die geistlichen Kurfürsten kaum übergangen werden dürfen. Bezogen auf das Alter des Pfälzer Vikarsrechts bekräftigte der Pfälzer, daß die Goldene Bulle eine Konfirmation eines älteren Privilegs der Pfalzgrafen gewesen sei und das Vikarsrecht diesen schon vorher zugestanden habe. Auf die Darstellung des bayeri12 Ableinung des von Chur-Bayern in puncto Juris Vicariatus wider den Chur-Pfältzischen summarischen Bericht ausgegangenen Gegen-Berichts, Heidelberg 1657 (anonym). Text ist wiedergegeben bei Lünig, Grundfeste, Theil 1, S. 519 – 526. 13 Fernere Anzeigung über die Chur-Pfältzische Ableinungs-Schrifft, das Vicariat betreffend, Frankfurt am Main 1657 (anonym). Text auch bei Lünig, Grundfeste, Theil 1, S. 527 – 535.
I. An den Höfen in Heidelberg und München verfaßte Arbeiten
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schen Autors, die in den Lehnsbriefen von 1628 und 1638 übertragenen Rechtspositionen seien durch Art. IV § 3 IPO bestätigt, entgegnete der Pfälzer, von dieser Regelung seien nur die Oberpfalz und die Kurwürde umfaßt, nicht das Vikariat. Was den Lehnsbrief von 1652 anbelangte, so erhielt der Verfasser der Ablehnungsschrift die Ansicht aufrecht, das Vikariat sei, den Regelungen des Westfälischen Friedens entsprechend, von Kaiser Ferdinand III. auf Anregung des Pfälzer Kurfürsten kassiert worden. Die Anerkennung des bayerischen Vikariats durch den Reichserzkanzler, das Reichskammergericht, den sächsischen Kurfürsten und andere Reichsstände tat der Pfälzer mit einem nicht unberechtigten, praktischen Argument ab. Ferdinand Maria habe nach dem Tod des Kaisers schnell reagiert. Diejenigen, die ihn daraufhin als Vikar anerkannt hätten, hätten mit ihrer Reaktion aber kein Präjudiz schaffen wollen. Die zweite Entgegnung der kurbayerischen Partei ließ nicht lange auf sich warten. Im Herbst 1657 erschien in Frankfurt am Main die Çhur-Bayerische fernere Anzeigung“, die als Erwiderung auf die jüngste Pfälzer Arbeit konzipiert war. Grundüberlegung dieser Arbeit war, daß nach den böhmischen Unruhen unter anderem das Vikariat auf Bayern übertragen worden sei und diese Übertragung durch den Westfälischen Frieden und den Reichsabschied von 1654 konfirmiert sei, daß dagegen von der früheren Observanz nicht mehr ausgegangen werden könne. In der Auseinandersetzung, die mit zunehmender Zahl der Publikationen und deren wachsendem Umfang unübersichtlicher geworden war, legte der Bayer größere Linien dadurch frei, daß er drei Punkte benannte, auf denen die Argumentation der Gegenseite in deren jüngster Schrift beruht habe und die er mit seiner Anzeigung zu widerlegen antrat. Zuerst ging er gegen den Pfälzer Satz an, daß alles, was im Friedensschluß nicht entzogen sei, darunter das Reichsvikariat, der Kurpfalz verblieben sei. Dem hielt der Bayer unter anderem entgegen, daß nicht nur die Oberpfalz von der Restitution ausgenommen sei, sondern auch das Vikariat, das er ein „unseparirliches Connexum und Dependens“ der Kurwürde und des Truchsessenamtes nannte. Den Gegensatz, ob das Vikariat von der Kur abhänge oder ein Çonnexum“ des Landes der Pfalzgrafschaft sei, griff er an zweiter Stelle auf. Hier führte er nicht nur Belege aus den kurpfälzischen Schriften von 1614, dem „Kurtzen Bericht“ und der „Rettung“, an. Vielmehr setzte er sich erneut mit der Goldenen Bulle in ihrer deutschen und lateinischen Fassung, mit dem Pfälzer Vikariatswappen, der politischen Ratio bei der Ämterbesetzung und vielem anderen mehr auseinander. Die Belehnung von 1652 war der dritte Gedanke, den er aus der vorangegangenen Pfälzer Schrift aufgriff. Da der bayerische Lehnsbrief von 1652 sich auf das Intrumentum Pacis bezogen habe, so der Bayer unter anderem in seiner Entgegnung, habe die erneuerte Belehnung das Vikariat nicht ausgeklammert.
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E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
3. Çhur-Pfältzische Abfertigung“14 und „Endtliche abgenötigte Ablainung“15 (beide 1658) So wie Ferdinand Maria lenkte auch Karl Ludwig in der publizistischen Auseinandersetzung nicht ein. Im Frühjahr 1658 ließ er als Antwort auf die kurbayerische Anzeigung eine Çhur-Pfältzische Abfertigung“ veröffentlichen. Darin hieß es eingangs, die Anzeigungsschrift habe auf die kurpfälzischen Argumente nichts entgegnet und statt dessen die Pfälzer Seite mit Schmähungen überzogen und die Ausführungen des Gegenberichts wiederholt. Einer detaillierten Widerlegung des bayerischen Vorbringens schickte der Verfasser der Abfertigung zwei schon genannte grundlegende Argumente für ein pfälzisches Vikariat voraus, die er aus der Goldenen Bulle und dem Instrumentum Pacis entwickelte. Nach der Goldenen Bulle sei das Vikariat „ein reale, & Principatui, seu Comitatui palatino adhaerens privilegium“. Im Zuge der Restitution wieder im Besitz der Pfalzgrafschaft, müsse der Pfälzer Kurfürst daher auch Vikar sein. Außerdem hielt der Pfälzer Autor daran fest, daß der Kurpfalz nach dem Friedensinstrument geblieben sei, was man ihr darin nicht ausdrücklich genommen habe. Als Connexum der Pfalzgrafschaft sei das Vikariat aber gerade nicht übertragen worden, und auf die Vikariatsübertragung zu Kriegszeiten, die weder der Westfälische Frieden noch der bayerische Lehnsbrief von 1652 aufgegriffen hätten, komme es nicht mehr an. Innerhalb seiner Widerlegung nahmen die Schriften von 1614 und 1615 großen Raum ein. Um den bayerischen Vorwurf zu entkräften, man habe damals von Pfälzer Seite das Amt des Vikars mit der Kurwürde in Verbindung gebracht, zeichnete er die frühere Pfälzer Argumentation nach. Umgekehrt hielt er seinerseits der bayerischen Partei vor, daß diese sich, anders als in der aktuellen Kontroverse, im „Kurtzen Gegen-Bedencken“ 1614 nicht auf einen Zusammenhang zwischen Kur und Vikariat berufen habe. Daneben blieb Gegenstand seiner Erörterungen, was seit der ersten bayerischen Entgegnung zwischen den Parteien streitig gewesen war. So setzte er sich erneut mit den Regelungen des Art. IV § 3 und 6 IPO, dem lateinischen und deutschen Wortlaut der Goldenen Bulle, dem Vikarswappen, den kaiserlichen Belehnungen und anderem mehr auseinander. Wenn auch die „Abfertigung“ von der Kurpfalz als Schlußpunkt intendiert war, war mit ihr die publizistische Kontroverse dennoch nicht beendet,16 da der bayerische Hof auch der jüngsten Pfälzer Arbeit noch eine „Endtliche abgenötigte Ablainung“ entgegensetzte, die 1658 in München erschien. In dieser letzten Arbeit von 14 Chur-Pfältzische Abfertigung der ferneren Anzeige wegen des am Rhein, Schwaben und Fränckischen Reichs-Vicariats, Heidelberg 1658 (anonym). Wiederabgedruckt bei Lünig, Grundfeste, Theil 1, S. 535 – 552. 15 Endtliche abgenötigte Ablainung einer Chur-Pfältzischen unlängstens in Truck gegebnen also genanten Abfertigung das Vicariat in Landen des Rheins, Schwaben und Fränckischen Rechtens betreffend, München 1658 (anonym). 16 Anders Hermkes, Reichsvikariat, S. 64.
I. An den Höfen in Heidelberg und München verfaßte Arbeiten
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bayerischer Seite traten die Konturen der Kontroverse noch einmal geschärft hervor. Auf ein Ende „in disem Federgefecht“ hoffend, verwies der Verfasser zuerst auf den praktischen Erfolg Ferdinand Marias im Streit um das rheinische Vikariat, stellte dann dar, auf welchen Pfeilern die Argumentation beider Seiten während der vergangenen Monate geruht hatte, und zog zugleich eine Art Bilanz der Auseinandersetzung. Die kurpfälzische Argumentation, so der Bayer, beruhe auf zweierlei, und zwar einerseits darauf, daß das Vikarsrecht an der Pfalzgrafschaft hänge, andererseits darauf, daß dem Pfälzer Kurfürsten das Vikariat bleibe, da es ihm nicht ausdrücklich genommen sei. Die entgegenstehenden kurbayerischen Prinzipien waren dem Verfasser zufolge, daß das Vikariat mit der Kurwürde des Erztruchsessenamtes verbunden sei und der Kurpfalz nur zustehe, was ausdrücklich restituiert sei. Mit dieser Gegenüberstellung, in der die Grundsätze einer Seite mit je einem Grundsatz der Gegenseite korrespondierten, war es dem Verfasser gelungen, das Ringen um das Vikariat auf eine einfache und übersichtliche Formel zu bringen. Denn es mußte entweder ein Zusammenhang des Vikarsamts mit der Pfalzgrafschaft oder mit der Kur bestehen, und es mußte entweder alles im Friedensschluß nicht ausdrücklich Entzogene oder nur das ausdrücklich darin Genannte restituiert sein. Zu beiden Komplexen führte er eine Vielzahl von Argumenten an, die zwar nicht neu waren, aber in eine neue Systematik eingefaßt waren. Damit war, unabhängig von Conrings Beitrag, nach einem Jahr eine Reduzierung auf das Wesentliche, eine Übersichtlichkeit und Systematik in der publizistischen Auseinandersetzung zwischen dem Heidelberger und dem Münchner Hof erreicht, wie sie Conrings Entwurf vom Sommer 1657 ausgezeichnet hatten. So wie der Autor der letzten kurbayerischen Arbeit hatte auch Conring im Streit um das Vikariat zwei Fundamente und leitende Fragestellungen herausgearbeitet. Was die Klarheit und die logische Stringenz der Gedankenführung betraf, war Conrings „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ allerdings selbst der kurbayerischen Ablehnungsschrift von 1658 überlegen. Denn für Conring war zu Recht allein maßgebend, ob das Vikariat ein Teil der Kurwürde oder ein Proprium der Pfalz war. Als Teil der Kur mußte das Vikariat, wie aus dem Westfälischen Frieden folgte, auf Bayern übertragen sein, als Proprium der Pfalz dagegen dieser restituiert sein. Die diffizile Frage, ob nur das ausdrücklich im Frieden Genannte restituiert werden müsse oder alles nicht ausdrücklich Entzogene, konnte bei Conrings Herangehensweise dahinstehen. 4. „Schließliche Beantwortung“17 (1662) Mit der Veröffentlichung der kurpfälzischen „Schließlichen Beantwortung“ 1662 hatte die Kontroverse der Jahre 1657 und 1658 ein Nachspiel. In Heidelberg 17 Schließliche Beantwortung der von ChurBayer: seiten in Truck gegebenen also genanten Endlichen abgenötigten Ableinung Des ReichsVicariat in den Landen am Rhein Schwaben und Fränckischen Rechtens betreffendt, Heidelberg 1662 (anonym).
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E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
hatte man die publizistische Auseinandersetzung nach der kurpfälzischen Abfertigungsschrift im Frühjahr 1658 für beendet gehalten und von der nachfolgenden bayerischen Arbeit nichts gewußt. Als diese 1662 dem kurpfälzischen Hof bekannt wurde, steuerte ein Pfälzer Autor, vermutlich Mieg, eine letzte Schrift zur Kontroverse um das rheinische Vikariat bei. Vier Jahre nach dem Ende des Interregnums und zugleich nach der Veröffentlichung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ entstanden, ist diese Arbeit vor allem deswegen bemerkenswert, weil sie als einzige die Argumentation aus Conrings Vikariatsschrift aufgriff. Die „Schließliche Beantwortung“ orientierte sich als Entgegnung auf die „Endtliche abgenötigte Ablainung“ an deren Aufbau und wies zunächst Punkt für Punkt die bayerischen Argumente zurück, die darin gegen den Zusammenhang von Vikariat und Pfalzgrafschaft und für den Zusammenhang von Vikariat und Kurwürde angeführt worden waren, bevor sie den bayerischen Ausführungen zur Restitution und zur Generalamnestie nach dem Westfälischen Frieden entgegentrat. In seiner Argumentation nahm der Pfälzer Verfasser vielfach Bezug auf die vorangegangenen kurpfälzischen Traktate und flocht wiederum die Schriften von 1614 und 1615 in seine Darstellung ein. Soweit der kurbayerische Autor dargelegt hatte, das Vikariat könne als höchste Würde nur auf einen höchsten Fürsten übertragen sein, führte der Pfälzer dagegen Überlegungen ins Feld, die auf Conrings Ausführungen im dritten Kapitel des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ zurückgingen.18 Dies sei weder nach dem göttlichen noch dem natürlichen Recht so, argumentierte der Pfälzer, ohne daß er den Rekurs auf Conring offenlegte. Dem Wortlaut des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ folgend, fügte er eine politische Erwägung hinzu: „Und ob zwar contra rationem Juridicam (quod par in parem non habeat Imperium) zu scheinen möchte. So ist hingegen aller vornehmen Politicorum scitum, Non temere congerendas in unum magnas dignitates, multo minus iis qui jam potentia & dignitate eminent, adiiciendos esse summos honores, nec addendam vim magnam, quoniam hoc ipsum non vacat periculo, & aptum est turbandae Reipublicae.“19
War Conrings Argumentation zuvor ungehört verhallt, so fand sie damit punktuell Eingang in diejenige Veröffentlichung, mit der die Pfälzer Seite die publizistische Auseinandersetzung von 1657 und 1658 beschloß.
18 Vgl. Vicariatus imperii Palatinus defensus, in: Goebel, Operum tomus I, S. 811 ff. (815): „Ut igitur ordine respondeamus, quod in primo argumento sumitur, vicarialem dignitatem per esse eminentem, verum quidem est, non vero illud, quod additur; jure proinde illum competere solis iis, qui jam tum omnibus eminent. Non sane hoc est juris vel divini aeterni. Imo ne quidem exigit tale quid commodum reipublicae, quod est principium legum civilium. Ex adverso inter scita politica est, non temere congerendas in unum magnas dignitates, multo minus iis, qui jam tum potentia & dignitate eminent, adjiciendos eximios honores & addendam vim magnam: quoniam hoc ipsum non vacat periculo & aptum est turbandae reipublicae.“ 19 Schließliche Beantwortung, S. 17.
II. Weitere Streitschriften aus den Jahren 1657 und 1658
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II. Weitere Streitschriften aus den Jahren 1657 und 1658 „( . . . ) plerisque tamen a partium studio remotis Palatini scriptores sat manifeste iudicabantur ostendisse, vicariatus dignitatem hautquidquam partem aut appendicem esse Archidapiferatus, sed peculiare ius Palatinatui ad Rhenum perpetuo annexum, prout etiam Saxo non qua Elector, sed qua Palatinus Saxoniae vicarii munere gaudeat.“20 (Samuel Pufendorf)
Neben den an den Höfen entstandenen Streitschriften, in denen vor allem die rechtskundigen Praktiker einander Paroli boten, gab es 1657 und 1658 weitere Arbeiten, die sich mit dem rheinischen Vikariat befaßten. Offenbar hatte sich Kurfürst Karl Ludwig mit der Bitte um einen Beitrag zur Vikariatsfrage nicht nur an Conring, sondern auch an den Philologen und Historiker Johannes Freinsheim21 (1608 – 1660) gewandt, einen ebenso namhaften Gelehrten auf dem Feld der Politik und des Naturrechts. Freinsheim, ein Schüler Matthias Berneggers (1582 – 1640), hatte als Historiograph und Bibliothekar am schwedischen Hof gewirkt und als Professor an der Universität in Uppsala Eloquenz und Politik gelehrt, bevor ihn Kurfürst Karl Ludwig als Professor honorarius 1656 an die Heidelberger Universität berufen hatte. 1658 ließ Freinsheim den Traktat „De Vicariatu Palatino Ad Aureae Bullae locum Ó×ÅÄÉÁÓÌÁ‘‘ 22 unter dem Pseudonym Gratianus Philoecus23 in Heidelberg veröffentlichen. Daneben trat 1658 der Erzieher des Heidelberger Kurprinzen, Ezechiel Spanheim, mit einer Abhandlung zum Vikariat unter dem Titel „Discours sur les affaires dÁllemagne et sur le Vicariat de l’Empire“ hervor.24 Anonym erschienen, ließ diese pro-pfälzische Arbeit an ihrem 20 S. de Monzambano, De statu Imperii Germanici, Caput IV. De capite Imperii Germanici, Imperatore; ubi de electione et Electoribus. § 8, in: H. Denzer (Hg.), Samuel von Pufendorf. Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 232. Übersetzung nach Denzer: „Dennoch konnten die pfälzischen Schriftsteller die meisten Unparteiischen überzeugen, daß die Vikarswürde kein Bestandteil oder Anhängsel des Erztruchsessenamtes ist, sondern ein besonderes und auf immer mit ihr verbundenes Recht der Pfalzgrafschaft, wie ja auch der Sachse nicht als Kurfürst, sondern als Pfalzgraf von Sachsen Reichsvikar ist.“ (S. 119). 21 Zu Freinsheim Halm, ADB (Band 7), S. 348; B. Löw, J. C. Freinshemius, in: Svenskt Biografiskt Lexikon (Band 16), Stockholm 1964 – 66, S. 484 – 486. 22 G. Philoecus (=J. Freinsheim), De Vicariatu Palatino Ad Aureae Bullae locum Ó×ÅÄÉÁÓÌÁ, o.O. 1658. 23 Bei Philoecus dürfte es sich um die (latinisierte) Übersetzung seines Namens in das Griechische gehandelt haben: Freins (Freundes) – heim = jßë -- ïékïò = Phil -- oecus. 24 Discours sur les affaires dÁllemagne et sur le Vicariat de l’empire, o.O. o.D. (anonym). Zwar gibt v. Petersdorff, ADB (Band 35), S. 50 – 59 (51) als Erscheinungsjahr des Discours 1657 an. Aus dem Vorwort der Arbeit ergibt sich jedoch, daß sie 1658 (noch vor Ende des Interregnums) erschienen ist, vgl. S. 14, 22 des Vorworts. Als Autor des Discours bzw. Traité du Palatinat et de la dignité électorale contre les prétentions du duc de Bavière scheidet Spanheim aus, so aber Ch. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Vierter Theil, Leipzig
120
E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
Autor dennoch wenig Zweifel aufkommen, da sich dieser unter dem Widmungsbrief mit den Initialen E. S. zu erkennen gab. Unter dem Pseudonym „Dereficus Merganus“ hatte sich auf der anderen Seite schon im Mai 1657 eine bayerische Stimme zur Vikariatsfrage erhoben, die die „Justitia Causae Bavaricae ratione Vicariatus Imperii“ – so auch der Titel jener Arbeit – einforderte.25 Mit dem „Vicariatus Imperii Palatinus defensus“ teilten diese drei Arbeiten das Schicksal, daß sie im publizistischen Tagesgeschäft der Jahre 1657 und 1658 keine erkennbare Resonanz erzielten. Denn weder die „Justitia Causae Bavaricae“ noch der „Discours“ oder „De Vicariatu Palatino“ hatten an der Auseinandersetzung in der Form Anteil, daß sie eine Reaktion der Gegenpartei auslösten oder diese zu einer Entgegnung herausforderten. Die Arbeit „Justitia Causae Bavaricae“ war, in Niveau und Umfang dem zur selben Zeit verfaßten „Kurtzen und summarischen Bericht“ vergleichbar, kaum mehr als ein maßvoller und sachlich gehaltener Einstieg in die Materie und verstand sich als „(blossen) Entwurff“.26 Nach einer kurzen Einführung, die dem Anlaß der Schrift, der Streitfrage selbst und der Vorgehensweise galt, war die Arbeit in drei Teile und einen Quellenanhang untergliedert. Der Autor setzte ein mit sieben Argumenten, die die Pfälzer aus seiner Sicht geltend machen konnten („rationes Causae Palatinae“), wobei er sich im wesentlichen an die im Vikariatspatent Karl Ludwigs genannten Argumente hielt. Es folgte im zweiten Teil eine Auflistung von sieben bayerischen Argumenten („Justitia Causae Bavaricae“), die sich nur partiell von dem Vorbringen der Parteien in den Patenten abhob. Der letzte Teil („solutiones Rationum Causae Palatinae“) enthielt eine Widerlegung der sieben pfälzischen Argumente aus dem ersten Teil und bekräftigte, wie zu erwarten, den kurbayerischen Anspruch auf das Vikariat. Schenkte man von Pfälzer Seite dieser Arbeit auch keine Beachtung, so ist dennoch nicht auszuschließen, daß sie jedenfalls an einer Stelle Vorarbeit zur ersten bayerischen Entgegnung, dem „Gegen-Bericht“, leistete. Denn für den Zusammenhang von Vikariat und Kurwürde führte der Autor der „Justitia Causae Bavaricae“ die im 16. Jahrhundert vollzogene sächsische Kur- und Vikariatsübertragung an, die er mit zwei im Anhang abgedruckten Quellentexten belegte. Diesen Präzedenzfall, der in den Patenten noch keine Rolle gespielt hatte, griff der Autor des „Gegen-Berichts“ später auf. Anders als bei Merganus’ Arbeit handelte es sich bei den Schriften Freinsheims und Spanheims um sehr umfangreiche Darstellungen, deren wissenschaftlicher Anspruch über den aktuellen Anlaß des Vikariatsstreits hinauswies. Sie sind hier vor 1751, Sp. 712 – 714 (713) sowie v. Petersdorff, ADB (Band 35), S. 50 – 59 (51). Diese Arbeit erschien bereits 1636 in der pfälzisch-bayerischen Auseinandersetzung um die Kurwürde. 25 D. Merganus, Justitia Causae Bavaricae ( . . . ), o.O. Mai 1657. 26 D. Merganus, Justitia Causae Bavaricae, A 3r.
II. Weitere Streitschriften aus den Jahren 1657 und 1658
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allem deswegen von Interesse, weil sie Rückschlüsse auf die Entstehung des „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ erlauben und dessen Einordnung erleichtern. In elf Kapiteln, auf 118 Seiten im Quartformat, nahm sich Freinsheim der Streitfrage an und machte dabei, wie im Titel seiner Arbeit angekündigt, die Goldene Bulle zum Maßstab seiner Prüfung. In den ersten Kapiteln interpretierte er die Regelungen der Goldenen Bulle und setzte sich kritisch mit der deutschsprachigen und der lateinischen Fassung der Quelle auseinander. Ab dem vierten Kapitel folgte eine weitausholende historische Darstellung, in der er den Ursprung des Pfälzer Vikariats beleuchtete. War für Conring das Alter der pfälzischen Rechtsstellung bedeutungslos, so wurde es für Freinsheim zu einer wichtigen Argumentationsstütze. Denn da die Pfälzer, wie Freinsheim meinte, das Vikariat schon innegehabt hätten, bevor sie Kurfürsten geworden seien, konnte laut Freinsheim eine Verbindung auch nur zwischen der Pfalzgrafschaft und dem Vikariat bestehen. Im letzten Kapitel seiner Arbeit holte Freinsheim der publizistische Schlagabtausch zwischen Heidelberg und München ein. Ohne Rücksicht auf seine Darstellung in den vorangegangenen Kapiteln griff er Argumente des bayerischen Gegenberichts auf und wies sie zurück, obwohl, wie er wußte, die Pfälzer Partei mit ihrer Ablehnungsschrift bereits reagiert hatte. Doch auch die unmittelbare Entgegnung auf das bayerische Vorbringen bescherte Freinsheim keine Reaktion der Gegenseite. Diese hatte sich einige Monate zuvor mit der „ferneren Anzeigung“ gegen die Pfälzer Ablehnungsschrift zur Wehr gesetzt und dürfte keine Veranlassung gesehen haben, ähnlichen Vorhaltungen erneut entgegenzutreten, zumal auch der Pfälzer Hof im Frühjahr 1658 schon eine weitere Streitschrift hatte erscheinen lassen. Auch Ezechiel Spanheims „Discours“, der in seinem Umfang noch Freinsheims Arbeit um mehr als das Doppelte überbot, verband Ausführungen zur aktuellen Streitfrage mit breiten historischen Erörterungen zum Vikariat. So nannte Spanheim im ersten Teil seiner Arbeit nach einleitenden Bemerkungen Gründe, die sich für die Ansprüche der Parteien in der Auseinandersetzung anführen ließen, erörterte die Grundlage des Konflikts und verbreitete sich über das Institut des Vikariats im allgemeinen und dessen Nutzen. Anschließend spürte er in einem historischen Teil der Herkunft des Vikariats nach und gab einen Überblick, der bei den Hebräern und Persern einsetzte und bis zur Pfalzgrafschaft reichte. In einem letzten Teil setzte er sich mit den Argumenten der Parteien in Widerlegungen und Beweisen auseinander und faßte die Ergebnisse seiner Arbeit zusammen. In ihrem Detailreichtum, ihrer Breite und zuweilen langatmigen Ausführlichkeit waren die Arbeiten Johannes Freinsheims und Ezechiel Spanheims für das publizistische Tagesgeschäft ungeeignet, das zuallererst nach rascher Reaktion und klarer Gedankenführung verlangte. Blickt man auf die Arbeiten Spanheims und Freinsheims, drängt sich jedoch aus verschiedenen Gründen der Eindruck auf, daß ihnen von Anfang an eine andere Aufgabe zugedacht war und sie für den eigentlichen Schlagabtausch nicht bestimmt waren.
122
E. Andere Streitschriften von 1657 und 1658 zur Vikariatsfrage
Wie aus ihren umfangreichen Widmungsbriefen hervorgeht, dedizierte Freinsheim seine Schrift dem schwedischen Rat Matthias Biörenklou27 (1607 – 1671), während Spanheim seine Arbeit dem Herzog Antoine III. von Gramont28 (1604 – 1678) widmete. Daß man 1658 von Heidelberg aus Biörenklou und Gramont so aufmerksam behandelte, geschah nicht zufällig und hatte seinen besonderen Grund. Erfolg oder Mißerfolg des Pfälzer Kurfürsten in der Vikariatsfrage hingen wesentlich von der politischen Rückendeckung Frankreichs und Schwedens ab, so daß Karl Ludwig und sein Hof alles daran setzen mußten, gute Beziehungen zum französischen und zum schwedischen Wahlgesandten in Frankfurt zu unterhalten. In dieser Situation lag es nahe, Biörenklou und Gramont mit den Widmungsarbeiten zweier Gelehrter positiv zu stimmen, die sich nach wissenschaftlichem Anspruch, Umfang und Gehalt von den übrigen Publikationen abhoben. Während sich vor allem Lingelsheim und Mieg der unmittelbaren Konfrontation mit der Gegenpartei stellten, übernahmen Spanheim und Freinsheim damit eine andere Aufgabe. Ihre Arbeiten zielten darauf, die Unterstützung der Kurpfalz durch die mächtigen Nachbarn des Reichs sichern zu helfen. Geht man davon aus, daß Karl Ludwig schon 1657 eine zweite Ebene der publizistischen Auseinandersetzung einplante, so läßt sich daraus auch ein Rückschluß auf den von Karl Ludwig angeregten „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ ziehen. Anders als der junge Spanheim, der auf dem Feld des Jus publicum 1657 ein unbeschriebenes Blatt war, waren Conring und der fast gleichaltrige Freinsheim europaweit in den Fächern der Politik und des Jus publicum Autoritäten, deren wissenschaftliche Reputation die Pfälzer Sache auch im Ausland fördern konnte. Da sich Karl Ludwig über Monate um einen Beitrag Conrings zur Vikariatsfrage bemüht hatte, später aber mit Spanheim und Freinsheim ein so ungleiches Paar für die Widmungsarbeiten aufbot, ist anzunehmen, daß er anfangs auch Conring für eine Widmungsarbeit vorgesehen hatte und Spanheim erst nachrückte, als Conring sich längere Zeit bedeckt gehalten hatte. Ist diese Annahme zutreffend, dann entsprach es der ursprünglichen Intention des Auftraggebers, daß der „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ 1658 jedenfalls auf bayerischer Seite keinen Widerhall fand. 27 Zu Biörenklou siehe G. Wittrock, M. Biörenklou, in: Svenskt Biografiskt Lexikon (Band 4), Stockholm 1924, S. 465 – 473. Auf den Kontakt Conrings (und auch Boineburgs) mit Biörenklou weist H. Droste, Hermann Conring und Schweden – eine vielschichtige Beziehung, in: Ius Commune XXVI, Frankfurt am Main 1999, S. 337 – 362 (343, 352), hin. Ein Brief Conrings an Biörenklou von 1661 liegt im Stockholmer Reichsarchiv, vgl. Herberger, Die ungedruckten Briefe Hermann Conrings, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 471 – 534 (511); ältere Briefkonzepte Conrings sind bei H. Droste (358 – 362) aufgeführt. Zur Bedeutung dieser Beziehungen vgl. auch P. Nilsén, Der Staatsrechtsunterricht an den schwedischen Universitäten 1723 – 1772, in: Ius Commune XXVIII, Frankfurt am Main 2001, S. 233 – 267 (239 f.). 28 Zur Biographie Gramonts siehe L. Louvet, Antoine III. de Gramont, in: Nouvelle Biographie Générale (Band 21), Paris 1857, Sp. 621 f.; Seréville, Antoine III. de Gramont, in: Dictionnaire de Biographie Française (Band 16), Paris 1985, Sp. 919 f.
F. Zusammenfassung Hermann Conrings vielfältige Beiträge zur Reichsvikariatsfrage sind der Niederschlag einer zeitweise intensiven Auseinandersetzung mit einem politisch brisanten Detailproblem des Reichsverfassungsrechts. Obwohl seine Darlegungen zum Vikariat in der Denkschrift, in den Briefen an Boineburg und in der Streitschrift in derselben historischen Situation, dem Interregnum von 1657 und 1658, entstanden sind, bestehen sowohl formal als auch inhaltlich bemerkenswerte Diskrepanzen. Conring richtete seine Beiträge an verschiedene Adressaten und verfolgte mit ihnen unterschiedliche Ziele. Vor allem ist er mit wechselndem Kenntnisstand und aus wechselnder Perspektive zu divergierenden Bewertungen und Ergebnissen in der Streitfrage gelangt. Bei Würdigung der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte seiner Beiträge sind Conrings Positionen und Positionswechsel in der Reichsvikariatsfrage nachvollziehbar und taugen nicht zur Verdunkelung seines Bildes, zu der sie Otto Stobbe exemplarisch herangezogen hat.1 Für Conring war die kurze, im Ergebnis neutrale Denkschrift mit dem Titel „Was es mit den Reichs-Vicariaten vor eine Beschaffenheit habe, und wem dieselbige an den Römischen Reich zukommen“, die er wahrscheinlich für Johann Schwartzkopf in den ersten Wochen des Interregnums verfaßte und die im wesentlichen aus einer Auflistung von Argumenten beider Parteien bestand, ein Einstieg in die Materie, da er vor dem Frühjahr 1657 nur oberflächlich mit dem Institut der Reichsverwesung in Berührung gekommen war. Diese erste überlieferte Stellungnahme von 1657 fiel vermutlich deshalb so zurückhaltend aus, weil sich zur Zeit ihrer Abfassung am Wolfenbütteler Hof noch keine für Conring erkennbare Präferenz für einen der beiden Kurfürsten herausgebildet hatte und Conring in dieser Situation eine voreilige Festlegung scheute. Diese Scheu wird um so verständlicher, als er nur wenig Zeit zur Abfassung seiner Denkschrift hatte und eine umfassende Einarbeitung in den Streitstand daher nicht möglich war. Als ausdrückliche Parteischrift zugunsten des Pfälzer Kurfürsten Karl Ludwig verfaßte Conring wenige Wochen darauf seinen Entwurf eines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“. Conring hielt diese Streitschrift, zu der ihn der Kurfürst im Mai 1657 persönlich aufgefordert hatte, monatelang unter Verschluß, und erst gegen Ende des Interregnums kam es zu ihrer Veröffentlichung, als eine Abschrift 1 Vgl. Stobbe, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1870, S. 18: „Nur lückenhaft würde das Bild von dem Manne sein, wenn ich nicht auch auf seine politische Thätigkeit Ihre Aufmerksamkeit lenkte. Leider müssen wir hier dunkeln Schatten neben glänzendes Licht setzen; denn der große Gelehrte war kein reiner Charakter.“
124
F. Zusammenfassung
des Entwurfs zur Überraschung Conrings an den Heidelberger Hof gelangt war und dieser sich des zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenen Publikationsprojekts besonnen hatte. Conrings Schrift überzeugte nicht durch die Originalität der darin vorgebrachten Argumente. Sie stützte sich vielfach auf Beweise und Widerlegungen, die schon 1614 und 1615 eine Rolle gespielt hatten und die aus Publikationen jener Jahre stammten. Manche bedenkenswerte Argumente, die 1657 und 1658 erstmals in der Diskussion zwischen Kurbayern und der Kurpfalz auftauchten, fanden dagegen keine Beachtung, weil Conring seinen Entwurf verfaßt hatte, als ihm neuere Arbeiten aus Heidelberg und München noch nicht zur Verfügung gestanden hatten, und die vom Pfälzer Vizekanzler Mieg verantwortete Schlußredaktion der Vikariatsschrift in dieser Hinsicht nicht nachgebessert hatte. Durch ihre Systematik, Stringenz und gedankliche Klarheit hatte Conrings Schrift aber auch signifikante Vorzüge, mit denen sie aus der Vikariatsliteratur ihrer Zeit herausragte. Denn was Conring in seiner Schrift gelungen war, war 1657 und 1658 selten anzutreffen. Seine Schrift belegte nicht nur die Rechtmäßigkeit eines kurpfälzischen Vikariats wissenschaftlich-rational, sondern brachte ihr Anliegen auch pointiert und überzeugend vor, während sich andere Vikariatsarbeiten an Details aufrieben oder in ausufernden historischen Betrachtungen verloren. Herausragend war in der Rückschau auch der von Conring vertretene Ansatz zur Streitbeilegung, der zwar wirklichkeitsfern, aber originell und theoretisch zu begründen war. Anders als seine Mitstreiter, die eindimensional einen Standpunkt vertraten und den Gegenstandpunkt herabwürdigten, ließ Conring Überlegungen zur politischen Durchsetzbarkeit eines pfälzischen Vikariats in seine Darstellung einfließen. Da er zur Zeit der Abfassung seines Entwurfs eine Einflußnahme der übrigen Kurfürsten, Österreichs und Frankreichs auf die Auseinandersetzungen um das Vikariat fürchtete, trat er offensiv für eine Entscheidung durch einen Reichstag ein und machte zu diesem Zweck die Vikariatsfrage zu einem Auslegungsproblem der Goldenen Bulle. War die Entscheidung durch einen Reichstag zugleich Schlußfolgerung und konzeptioneller Dreh- und Angelpunkt der Vikariatsschrift, so änderte dennoch Vizekanzler Mieg 1658 mit Zustimmung Conrings dessen Entwurf allein in der Schlußfolgerung ab und ersetzte dort den Reichstag durch die Vertragsparteien des Westfälischen Friedens, ohne die Auswirkungen auf die gesamte Konzeption der Arbeit zu beherzigen. Trotz der Vorzüge, die Conrings Streitschrift gegenüber anderen Publikationen genoß, und des ungewöhnlichen politischen Vorstoßes blieb eine Wirkung aus, soweit man diese an dem Echo der Gegenseite maß. Dies hing vor allem mit der von Conring zu verantwortenden späten Veröffentlichung zusammen. Denn als Conrings „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ gegen Ende des Interregnums erschien, lag die publizistische Auseinandersetzung im wesentlichen in den Händen Heidelberger und Münchner Rechtspraktiker, die sich aufeinander konzentrierten und Einwürfen von dritter Seite keine Beachtung mehr zu schenken schienen. Eine einzige Ausnahme stellte die letzte Schrift von pfälzischer Seite dar, die 1662 an einer Stelle wörtlich die Argumentation Conrings aufgriff. Bei genauerem Zusehen
F. Zusammenfassung
125
erscheint es möglich, daß Conrings Schrift von Anfang an nicht primär den Bayern entgegengehalten werden sollte, sondern, so wie später Freinsheims und Spanheims Arbeiten, vor allem ausländische Politiker für die Pfälzer Sache einnehmen sollte. Während die Denkschrift und der Entwurf der pro-pfälzischen Streitschrift Momentaufnahmen sind und Conrings Positionen zu zwei Zeitpunkten festhalten, spiegelt seine Korrespondenz mit Boineburg seine Meinungsbildung und seine Positionierung im Vikariatsstreit über einen längeren Zeitraum wider. Zwischen Juni 1657 und August 1658 wechselte Conring dabei mehrfach seine Position. So trat er anfangs vehement für ein kurpfälzisches Vikariat ein und ließ dann Sympathien für die Gegenseite erkennen. Später stellte er Boineburg sogar eine pro-bayerische Streitschrift in Aussicht, rückte jedoch von dieser Zusage wieder ab. Gegen Ende des Interregnums begrüßte Boineburg, der ebenso wie Conring sein Interesse am Vikariat zwischenzeitlich verloren hatte, Conrings publizistische Parteinahme für den Pfälzer Kurfürsten. Daß Conring keine andere Wahl als die Veröffentlichung seines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ blieb und er gezwungenermaßen zu seinem pro-pfälzischen Ausgangsstandpunkt zurückgelangte, geht aus dem Briefwechsel mit Boineburg nicht hervor, sondern nur aus der Korrespondenz zwischen Conring und Mieg. Conrings Wankelmut in der Vikariatsfrage hatte vor allem sachliche Gründe, wie seine engagierte inhaltliche Auseinandersetzung nahelegt. Während Boineburg dieser Auseinandersetzung zu Beginn aus dem Wege ging, suchte Conring das inhaltliche Gespräch. Wiederholt forderte er Boineburg zu einer Diskussion der Vor- und Nachteile für das Gemeinwohl auf, wobei er das Gleichgewicht der Mächte, die politische Stabilität im Reich und die Friedenswahrung als Abwägungsgesichtspunkte in die Auseinandersetzung einführte. Conring nannte Recht und Billigkeit als Maßstab der Entscheidung für ein bayerisches oder pfälzisches Vikariat. Allerdings machte er sein Eintreten für die bayerische Sache davon abhängig, daß es sich nicht als schädlich für das Reich erweise, und ordnete so den rechtlichen Streit ausdrücklich Gemeinwohlerwägungen unter. Nach längerem Zögern griff Boineburg die inhaltliche Auseinandersetzung auf, nannte die Übertragung des Vikariats auf den Bayern nicht nur rechtlich geboten, sondern auch politisch nützlich. Vor allem verwies er auf die Gleichheit unter den Religionsparteien, die ein bayerisches Vikariat verlange. Unter dem Eindruck dieser Argumentation, die ebenfalls das Gemeinwohl in den Mittelpunkt rückte, beugte sich Conring einem bayerischen Vikariat. Materielle Anreize waren für die Entscheidungsfindung Conrings gewiß nicht bedeutungslos. Allerdings dürfen sie nicht überbewertet werden. Denn die Verheißungen der bayerischen Seite waren zwar groß. Aber Conring konnte auch von Pfälzer Seite mit vergleichbaren persönlichen Vorteilen rechnen. Außerdem hatte sich der Pfälzer Kurfürst unmittelbar an ihn gewandt, worin eine nicht zu unterschätzende Ehrbezeugung lag. Obwohl Conring gegenüber Boineburg 1658 zuletzt geringes Interesse an der Vikariatsfrage gezeigt hatte, ergibt sich aus späteren Ausführungen, daß er nach 1658 die Problematik des Reichsvikariats nicht aus den Augen verlor. Mit der Hil-
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F. Zusammenfassung
fe Boineburgs bemühte sich Conring seit 1660 für einige Jahre darum, seine Literatur aus dem Vikariatsstreit zu vervollständigen. Einiges spricht dafür, daß Conring sich deshalb die übrigen Schriften von 1657 und 1658 aneignen wollte, weil er an eine Neuauflage seines „Vicariatus imperii Palatinus defensus“ dachte. Ansonsten war sein Umgang mit der Vikariatsfrage und dem Vikariatsstreit seit dem Ende des Interregnums zurückhaltend. Weder hob er in späteren Arbeiten seinen eigenen Beitrag zur Vikariatspublizistik hervor, noch ergriff er darin eindeutig und explizit Partei für einen der Kurfürsten. Allerdings war zwischen den Zeilen seine Präferenz für ein pfälzisches Vikariat weiterhin erkennbar. Der politische Vorstoß, die Streitfrage einem Reichstag beziehungsweise den Vertragsparteien des Westfälischen Friedens zur Schlichtung vorzulegen, modifizierte er in späteren Jahren dahin, daß sie von einem Reichstag und den Friedensmächten gemeinsam zu entscheiden sei. In der Gesamtschau ergibt sich im Umgang Conrings mit der Vikariatsproblematik ein vielfarbiges Bild. Ein methodisch strenges, systematisches Vorgehen, Rationalität und Wissenschaftlichkeit gehen einher mit politischer Interessenwahrung, mit Pragmatismus und Realismus. Als dominierend erweist sich bei alledem Conrings Orientierung am Gemeinwohl und am Nutzen des Reichs.2 Recht und Historie werden zu politischen Zwecken instrumentalisiert, die er nach den Kategorien der Staatsräson bestimmt. Es wäre daher verfehlt, an seine Beiträge ausschließlich den Maßstab eines modernen objektivierten Wissenschaftsideals anzulegen.
2 Vgl. Stolleis, Die Einheit der Wissenschaften, in: Hermann Conring. Beiträge zu Leben und Werk, S. 20 f.
Zeittafel 1606
Hermann Conring wird am 9. November in Norden (Ostfriesland) geboren.
1618
Beginn des Dreißigjährigen Krieges.
1620
Conring nimmt Studium der Philosophie und der Philologie in Helmstedt auf.
1621
Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz wird geächtet.
1622
Johann Christian v. Boineburg wird am 12. April in Eisenach geboren.
1623
Herzog Maximilian von Bayern erlangt die pfälzische Kurwürde.
1625
Conring muß wegen des Krieges Helmstedt verlassen und kehrt nach Ostfriesland zurück.
1626
Conring geht als Stipendiat an die Universität Leiden. Er studiert nun auch Theologie, Medizin und Naturwissenschaften.
1632
Conring erhält in Helmstedt die Professur für Naturphilosophie und Rhetorik.
1637
Conring wird Professor der Medizin.
1643
Conrings Werk „De origine iuris Germanici“ wird veröffentlicht.
1644
Conring läßt sein Werk „De Germanorum imperio Romano“ von seinem Schüler Boineburg in Disputationen verteidigen.
1645
Boineburg hält sich als Gesandter des Landgrafen von Hessen-Darmstadt am Stockholmer Hof auf.
1646
Boineburg wird nach seiner Rückkehr zum Geheimrat ernannt.
1648
Abschluß des Westfälischen Friedens von Münster und Osnabrück.
1649
Conring wird von der ostfriesischen Regentin Juliane zu ihrem Leibarzt und Rat ernannt.
1650
Reise Conrings nach Stockholm. Er wird von Königin Christine zum Leibarzt und Rat berufen. Conring wird Professor für Politik. Briefwechsel zwischen Conring und Boineburg setzt ein.
1653
Boineburg tritt in die Dienste des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp v. Schönborn und konvertiert zum Katholizismus. Er wird von Kaiser Ferdinand III. zum Ritter geschlagen und in den Freiherrenstand erhoben.
1654
Conrings Werk „De finibus Imperii Germanici“ erscheint.
1655
Conring wirkt als Gutachter in den Auseinandersetzungen zwischen Köln und Mainz um das Krönungsrecht.
1657
Kaiser Ferdinand III. stirbt im April.
128
Zeittafel
1658
Leopold wird im Juli zum Kaiser gewählt. Conrings Streitschrift „Vicariatus Imperii Palatinus defensus“ wird anonym veröffentlicht. Rheinbund wird von mehreren Kurfürsten und Fürsten gegründet.
1660
Conring wird von Herzog August dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel zum Geheimen Rat von Haus aus ernannt. Seine Kontakte nach Frankreich setzen ein.
1664
Boineburg wird kurzzeitig auf der Festung Königstein festgehalten und verliert seine Stellung in Mainzer Diensten.
1669
Conring wird dänischer Etatsrat.
1672
Conring erstellt ein Gutachten im sogenannten Lindauer Urkundenstreit. Boineburg stirbt am 8. Dezember 1672.
1681
Conring stirbt am 12. Dezember 1681.
Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Anweisung Ferdinand Marias von Bayern zur Bewilligung eines Druckprivilegs, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten schwarz 3420, fol. 319r. Anweisung Karl Ludwigs von der Pfalz zur Vergütung der Dienste Conrings, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. Druckprivileg Ferdinand Marias von Bayern für Hermann Conring vom 27. Juli 1657 (Abschriften), Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 37 Alt 368, Heft 2, fol. 42r-v sowie ebd., HS Abt. VI Gr. 11, Nr. 61, fol. 70r-71r. Druckprivileg Karl Ludwigs von der Pfalz für Hermann Conring vom 23. Juli 1657 (Abschrift), Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, HS Abt. VI Gr. 11, Nr. 61, fol. 65r-66r. Conring, Hermann: Brief an Karl Ludwig von der Pfalz vom 9. August 1657, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. – Brief an Johann Ludwig Mieg vom 24. Juni 1658, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. – Brief an Johann Ludwig Mieg vom 9. September 1658, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. Gemmingen, Weyprecht von: Brief an Karl Ludwig von der Pfalz vom 28. April 1657, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. Karl Ludwig von der Pfalz: Brief an Hermann Conring vom 8. Mai 1657 (Konzept), Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. Mieg, Johann Ludwig: Brief an Hermann Conring vom 10. Juni 1658, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau 100 / 2. Nordenius, Andreas (= Hermann Conring): Vicariatus imperii Palatinus defensus auctore Andrea Nordenio, o.O. 1657, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten schwarz 3421, fol. 1r-28r. Spanheim, Ezechiel: Brief an Johann Christian v. Boineburg vom 29. Januar 1661, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 84.12 Extrav., fol. 20r-21r. – Brief an Hermann Conring vom 25. März 1661, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 84.12 Extrav., fol. 487.
9 von Arnswaldt
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Personenverzeichnis Amalie von Hessen-Kassel 34 Ammermann, M. 37 f. August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel 14, 29 f., 37 f. Aventin (= J. Turmaier) 90 Bangert, K. 37 Bernegger, M. 119 Biörenklou, M. 122 Blum, J. H. 40 Boineburg, B. S. v. (geb. v. Buttlar) 33 Boineburg, J. B. v. 33 Boineburg, J. C. v. 12, 14, 16, 30 – 72, 76, 78 f., 83, 86, 92, 95 – 100, 123, 125 f. Boineburg, M. S. v. 36 Burgund, N. 86 Calixt, G. 13, 33 Camerarius, J. 47 Caselius, J. 14 Christensen, B. 37 Conring, G. (geb. Copin) 13 Conring, H. (Vater) 13 Crusius, M. 90 Cuspinian, J. 90 Diepholt, R. 13 Dieterich, J. C. 33 Dilherr, M. 33 Eichel Edler v. Rautenkron, J. 13 Engelbrecht, A. 14 Enno Ludwig von Ostfriesland 56 Ernst August von Braunschweig-Lüneburg 102 Felberg, P. 29, 71 f., 74 Ferdinand II., Kaiser 21 f., 31, 44, 48, 78 Ferdinand III., Kaiser 17, 23, 35, 54, 70, 112, 115
Ferdinand IV., römischer König 18, 35 Ferdinand Maria von Bayern 18, 21 – 28, 39 – 43, 45 f., 48, 50 – 58, 61, 64, 66, 68 – 70, 97, 100, 113, 115 – 117 Fibig, G. 33 Fomann, O. 33 Freher, M. 20, 96 Freinsheim, J. 119 – 122, 125 Friedrich (der Siegreiche) von der Pfalz 86 Friedrich II., Kaiser 88 Friedrich III., Kaiser 86 Friedrich V. von der Pfalz 22 Gemmingen, W. v. 40 f. Georg (II.) von Hessen-Darmstadt 34 Gewold, C. 20, 86, 90 Goebel, J. W. 16, 25, 77 Goldast, M. 90 Gramont, A. III. Herzog von 122 Gruber, J. D. 16, 38, 47, 57 Hammerstein, J. A. v. 102 Harvey, W. 15 Herberger, P. 37 f. Johann, Erzbischof von Trier 86, 89 Johann Georg von Sachsen 54 f., 113, 115 Johannes von Hessen-Braubach 34 Juliane von Ostfriesland 14 Karl IV., Kaiser 43, 85, 88 Karl V., Kaiser 85 Karl X. Gustav von Schweden 14 Karl Ludwig von der Pfalz 18, 21 – 26, 28, 30 f., 40 – 42, 44 – 46, 53 – 56, 64, 66 – 69, 71 – 77, 79, 82, 93 – 95, 97 – 100, 102, 107, 109 – 113, 116, 119 f., 122 f., 125 Karl-Theodor von der Pfalz 70 Kelly, W. A. 72
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Personenverzeichnis
Lampadius, J. 33, 104 – 106 Leibniz, G. W. 16, 35 f. Leopold I., Kaiser 18, 52, 64, 68, 70 Lincker v. Lützenwitz, J. 36 Lingelsheim, L. 111, 122 Lipp genannt Hun, Frhr. v. 39 f., 52 Ludwig von Bayern 20 Ludwig von der Pfalz 20 Ludwig XIV. von Frankreich 36, 64 Machiavelli, N. 16 Martini, C. 13 Maximilian I., Kaiser 85 Maximilian von Bayern 20 – 22, 31, 48, 112 Mazarin, J., Kardinal 36 Merganus, D. (Pseudonym) 120 Mieg, J. L. 71, 73 – 79, 93 f., 98 f., 105, 111, 118, 122, 124 f. Moeller, E. v. 17 Musaeus, J. 33 Nordenius, A. (= H. Conring) 75 f. Oexl, J. G. 39, 51, 57 – 59, 61 f., 66, 68
Philoecus, G. (= J. Freinsheim) 119 Prüschenck v. Lindenhoven, Z. 33 Pufendorf, S. 17, 110, 119 Ruprecht, Erzbischof von Köln 86, 89 Ruprecht, Kaiser 85, 86, 89 Scheel, G. 29, 71 Schelhas, G. S. 33 Schlörr, C. 76 Schmid, K. v. 112 Schönborn, J. P. v., Erzbischof von Mainz 34 – 36, 39 f., 46, 52, 54 f., 64 f., 68 f., 75, 100, 113, 115 Schönborn, M. F. v. 36 Schwartzkopf, J. 29 f., 32, 123 Seckendorff, V. L. v. 34 Sigmund, Kaiser 86 Sophie von Braunschweig-Lüneburg 102 Spanheim, E. 98, 112, 119 – 122 Stahl, D. 33 Stobbe, O. 16 f., 72, 123 Stolleis, M. 12, 37, 71 Wardemann, H. 71 f. Wilhelm von Bayern 20 Willoweit, D. 101
Sach- und Ortsverzeichnis Academia Julia / Julius-Universität (siehe auch Helmstedt) 13 f., 33, 57 Acht 55 Aequalitas (siehe auch Gleichheit) 59 Alter des Vikarsrechts (siehe auch Ursprung des pfälzischen Vikarsrechts) 19, 27, 90, 111, 114, 121 Altes Testament 90 Amnestie / Generalamnestie (des Westfälischen Friedens) 21, 111, 118 Arzt / Leibarzt (siehe auch Medizin) 14, 80 Auftragsarbeiten 11, 100 Aurich 56, 74 Auslegung / Auslegungskompetenz 79, 95, 105, 124 Autorität 88 f., 122 Bad Schwalbach 34 Bayerisch-mainzischer Vertrag / bayerischmainzische Allianz (1657) 40, 42, 53, 64 f., 68 Befugnisse des Vikars 18 – 20, 31, 45, 105 Beilegung des Vikariatsstreits, Conrings Konzeption einer 45, 66, 79 – 81, 91, 94, 105 f., 124 Belehnung (siehe auch Lehnsbriefe) 22 f., 112, 115 f. Bibliothek 36, 97, 99 Billigkeit 48, 81, 125 Blutkreislauf 15 Böhmische Erhebung / Unruhen 22, 81 f., 89, 115 Bona fides 90 Braunschweig-Lüneburg 14, 29, 44, 73 – 75 Braunschweig-Wolfenbüttel 14, 29 f., 32, 75 f., 124 Briefe siehe Korrespondenz
Causa Palatina 21, 82 Cham 21 Corpus Evangelicorum (siehe auch Protestanten, Lutheraner, Reformierte) 93 Dänemark 14 Darmstadt 34 Dreißigjähriger Krieg (siehe auch Kriegskosten) 14, 18, 23, 44, 80 Druckprivileg (siehe auch Privilegien) 41, 45 f., 51, 53, 57 Einheit der Wissenschaften (siehe auch Wissenschaft / Wissenschaftlichkeit) 16 Einigungsversuche / Vergleiche in der Vikariatsfrage (nach 1658) 70 Einrichtung einer achten Kurwürde (Art. IV § 5 IPO) 22 f., 31, 103 Eisenach 33 Eloquenz (siehe auch Rhetorik) 119 Erfurt 36 Erzieher / Erziehung 14, 33, 119 Exemtion Bayerns vom pfälzischen Vikariat 20 f., 106 Frankfurt am Main 29 f., 54, 61, 65 – 67, 69, 73, 75, 115, 122 Fränkisches Recht (siehe auch Sächsisches Recht) 19, 106 Frankreich 14, 33 – 36, 40, 64, 79, 92, 94 f., 105, 122, 124 Französisch-pfälzischer Vertrag (1657) 64 Frieden / Friedenswahrung (siehe auch Stabilität im Reich) 52 f., 58, 60, 64, 66, 81, 125 Friedensmächte (siehe auch Vertragsparteien des Westfälischen Friedens) 126 Friedensordnung 18, 59
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Sach- und Ortsverzeichnis
Gemeinwesen (siehe auch Respublica) 60 Gemeinwohl (siehe auch Nutzen / Vorteil für das Reich) 43, 49 f., 58, 63, 67, 125 f. Gericht / Gerichtsbarkeit (siehe auch Reichskammergericht, Vikariats-Hofgericht) 27, 91, 105 Gesetz / Gesetzgebung 84 f., 93, 102 Gewohnheitsrecht (siehe auch Herkommen, Observanz) 27, 89 Gleichgewicht / Balance der Mächte (siehe auch Machtkonzentration) 39, 54, 125 Gleichheit, konfessionelle / konfessionelle Parität (siehe auch Aequalitas) 59 f., 63 Goldene Bulle 19, 22, 26 – 28, 31, 39 – 41, 43 – 45, 79, 83 f., 87 – 90, 92 f., 95 f., 102 – 106, 111, 113 – 116, 121, 124 Göttliches Recht 83, 118 Grenzen des Reichs 39, 87 Groß-Sisbeck (bei Helmstedt) 57, 60 Habsburg (siehe auch Österreich) 35, 39, 45 f., 53 f., 64 f. Hamburg 33 Heidelberg 27, 30, 41, 44, 46 f., 67, 72 – 75, 77, 79, 93, 95, 98 f., 100, 102, 109 – 117, 119, 121 f., 124 Heiliger Andreas 76 Helmstedt (siehe auch Academia Julia) 11, 13 – 16, 30, 33, 40 f., 46, 51 f., 57, 61 f., 73, 95, 98, 100, 110 Herkommen (siehe auch Gewohnheitsrecht, Observanz) 25, 28, 41, 111 Hessen-Braubach 34 Hessen-Darmstadt 34 Hessen-Kassel 34 Hessische Sukzessionsstreitigkeiten 34 Hildesheim 75 Historie, historisch (siehe auch Rechtsgeschichte, Reichshistorie / Reichsgeschichte) 11 f., 15 f., 27, 43 f., 48, 84 f., 87 f., 96, 109, 121, 123 f., 126 Hoechst 35 Hofheim am Taunus 35 Interregnum 11, 18, 25, 31, 46, 64 – 66, 69 f., 87, 103, 105, 118, 123 – 126 Irenik 15 Italien 85, 98, 105
Jena 31 Jüngster Reichsabschied siehe Reichsabschied Jus praerogativum terrae Palatinae / Vorrecht der Pfalz 89 Jus proprium comitatus Palatini 79, 87 – 91, 107 Jus Publicum (siehe auch Staatsrecht) 26, 93, 107, 109, 122 Kaiserwahl 18, 39, 52, 54, 56, 58, 65 f., 68 – 70, 104 Katholiken, katholisch 35, 39, 59 f., 93 Köln / Kurköln 11, 39, 41, 66, 75, 86, 89, 100 Konfessionen 15, 39, 59 f., 63, 93 Konfirmationen, königliche / kaiserliche (siehe auch Konzession) 24, 28, 41, 43, 70, 85, 104, 111, 114 Königstein im Taunus 36 Konversion 35 Konzession, kaiserliche (siehe auch Konfirmationen) 112 Korrespondenz H. Conring / August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel 37 f. Korrespondenz H. Conring / E. Spanheim 98 Korrespondenz H. Conring / J. C. v. Boineburg 12, 16, 30, 32 – 70, 72, 95, 97 – 101, 125 Korrespondenz H. Conring / Karl Ludwig von der Pfalz bzw. J. L. Mieg 41, 73 – 77, 93 – 95, 100, 105, 111, 125 Korrespondenz J. C. v. Boineburg / E. Spanheim 98 Kraichgau 40 Kriegskosten (siehe auch Dreißigjähriger Krieg) 22 Krönungsrecht (siehe auch Krönungsrechtsstreit) 39, 101 Krönungsrechtsstreit (1653 – 57) (siehe auch Krönungsrecht) 11, 39, 41, 44, 48, 51, 53, 75, 100 f., 109 Leges fundamentales / Fundamentalgesetze 27, 79 Leges publicae (Imperii) 43, 88, 45 Lehnsbriefe (siehe auch Belehnung) 21 f., 24, 31, 44, 112 f., 115 f.
Sach- und Ortsverzeichnis Leiden 14 Lindauer Urkundenstreit (siehe auch Urkundenkritik) 11, 15 Logik 84, 117 Lübeck 33 Lutheraner, lutherisch (siehe auch Corpus Evangelicorum, Protestanten, Reformierte) 13, 35, 93 Machtkonzentration (siehe auch Gleichgewicht / Balance der Mächte) 49, 53 Mainz / Kurmainz 11, 14, 34 – 36, 38 – 42, 46, 52 – 55, 63 – 65, 68 f., 75, 100 Marburg 34 Medizin (siehe auch Arzt / Leibarzt) 14 f. Methode 126 München 40, 46, 56, 95, 109, 112 f., 116, 121, 124 Naturphilosophie 14 Naturrecht 83, 118 f. Naturwissenschaften 14, 16 Niederlande 33 Norden (Ostfriesland) 13, 76 Nutzen / Vorteil für das Reich (siehe auch Gemeinwohl) 45, 47 – 50, 52 f., 59, 63, 83, 92, 126 Oberpfalz 21 f., 82, 115 Observanz (siehe auch Gewohnheitsrecht, Herkommen) 27, 111, 115 Österreich (siehe auch Habsburg) 22, 45, 49, 54, 64 f., 94, 124 Österreichisch-bayerischer Allianzrezeß (1658) 64 f. Ostfriesland 13 f., 35, 42, 52, 54, 56 – 58, 63, 66, 68, 73 – 76 Papst / päpstlicher Anspruch auf das Vikariat (siehe auch Römische Kurie) 31, 105 Paris 14 Parkstein (Oberpfalz) 54, 107 Philologie 14 Philosophie 14 Politikwissenschaft / Politisches Denken 12, 14, 16, 33, 53, 119, 122
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Polyhistor / Polyhistorismus (siehe auch Universalität, Universalgelehrter) 16, 37 Privilegien (siehe auch Druckprivileg) 19, 28, 41, 85 f., 89, 104, 113 f., 116 Protestanten, protestantisch (siehe auch Corpus Evangelicorum, Lutheraner, Reformierte) 59, 93 Prudentia civilis 45, 49, 83 Pseudonym / Pseudonymität 41, 75 f. Ratio, politische 113 – 116 Rationalität 124, 126 Rechtsgeschichte (siehe auch Historie, Reichshistorie / Reichsgeschichte) 16, 33, 72 Reformierte (siehe auch Corpus Evangelicorum / Lutheraner / Protestanten) 93 Reichsabschied (1654) 115 Reichsdeputationstag (seit 1653) 25, 29 f. Reichserzkanzler 35, 54 f., 113, 115 Reichserzmarschall 19, 83 Reichserzschatzmeister 23 Reichserztruchseß 19, 23, 39, 83, 86, 113, 117 Reichsfürsten 26, 30 f., 102, 105 Reichsgutachten 70 Reichshistorie / Reichsgeschichte (siehe auch Historie, Rechtsgeschichte) 83 – 85, 100 Reichshofrat 26 Reichskammergericht (siehe auch Gericht / Gerichtsbarkeit, Vikariats-Hofgericht) 18, 26, 54 – 56, 113, 115 Reichspolitik 25, 35 f. Reichsstände, reichsständisch 18, 24 f., 46, 55, 70, 79, 86, 89, 92 f., 106, 112, 115 Reichstag 35, 45, 79, 88 f., 91 – 94, 103 – 105, 124, 126 Reichsverfassung / Reichsverfassungsrecht, verfassungsrechtlich 11, 18, 20 f., 23, 31, 39, 79, 85, 100 – 103, 124 Reichsvizekanzler 35 Respublica (siehe auch Gemeinwesen) 45, 47, 50, 83 f. Restitution / Restitutionsgebot (des Westfälischen Friedens) 21 f., 24, 27 f., 81, 89, 111, 114 – 116, 118 Rheinbund (1658) 35, 68
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Sach- und Ortsverzeichnis
Rheinstapelrecht 40, 68 Rheinzölle 40, 68 Rhetorik (siehe auch Eloquenz) 14 Römische Kurie (siehe auch Papst / päpstlicher Anspruch auf das Vikariat) 60 Römischer König 17 – 19, 35, 104 Sachsen / Kursachsen / sächsisches Vikariat 19, 26 f., 31, 33, 46, 54 f., 59, 83, 102, 104, 106 f., 113, 115, 120 Sachsen-Gotha 35 Sächsisches Recht (siehe auch Fränkisches Recht) 19, 106 Schweden 14, 34 f., 40, 66, 73, 79, 92, 94 f., 105, 119, 122 Souveränität (siehe auch Summa potestas) 16 Speyer 54 f. Staatsform des Reiches 39 Staatsräson 16, 126 Staatsrecht, staatsrechtlich (siehe auch Jus publicum) 12, 29 f., 33 Stabilität im Reich (siehe auch Frieden / Friedenswahrung) 53, 59, 64, 125 Statistik 15 Streitbeilegung in der Vikariatsfrage, Conrings Konzeption einer 77 f. Summa potestas (siehe auch Souveränität) 102 Systematik 27, 78, 96, 104, 110, 113, 117, 124, 126 Theologie, theologisch 14 – 16 Thronkandidatur Ferdinand Marias von Bayern 64 Thronvakanz (siehe auch Vicariatus vacante imperio) 18, 24 Titel des Vikars 113 Übergang der fünften Kurwürde (Art. IV § 3 IPO) 21 f., 25, 28, 31, 43, 78 – 82, 103, 106 – 108, 113, 115
Universalität / Universalgelehrter (siehe auch Polyhistor / Polyhistorismus) 15 f., 37 f. Unter- / Rheinpfalz 22, 81 f., 103, 113 Uppsala 119 Urkundenkritik (siehe auch Lindauer Urkundenstreit) 15 Ursprung des deutschen Rechts 17 Ursprung des pfälzischen Vikarsrechts (siehe auch Alter des pfälzischen Vikarsrechts) 18 f., 86, 88, 90, 121 Vertragsparteien des Westfälischen Friedens (siehe auch Friedensmächte) 79 f., 92, 94, 105, 124, 126 Verwaltungsaufgaben / administrative Aufgaben 14, 74 Vicariatus vacante imperio (siehe auch Thronvakanz) 18 Vicariatus vivente imperatore 18 Vikariatsbezirk(e) / Vikariatsgebiet / Sprengel 19, 25, 31, 55, 69, 102, 106 Vikariats-Hofgericht, pfälzisches (siehe auch Gericht / Gerichtsbarkeit, Reichskammergericht) 20 Vikariatspatent, bayerisches / pfälzisches 18, 24 f., 28, 30, 41, 80, 110 – 112, 120 Vikariatssiegel 54 – 56, 107, 113 Wahlgesandte, französische / schwedische 122 Wahltag (1658) 54 Wahlverhandlungen (1658) 65 f. Wappen des Vikars 113, 115 f. Weiden (Oberpfalz) 54, 107 Westfälischer Frieden / Friedensschluß 18, 21, 26 Widmungsbrief(e) 120, 122 Wien 35 Wissenschaft / Wissenschaftlichkeit, wissenschaftlich (siehe auch Einheit der Wissenschaften) 12, 15 – 17, 36, 38, 86, 120, 122, 124, 126