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German Pages [431]
Ernst Cassirer Nachgelassene Manuskripte und Texte Band 17
Meiner
Davoser Vorträge. Vorträge über Hermann Cohen
ERNST CASSIRER DAVOSER VORTRÄGE VORTRÄGE ÜBER HERMANN COHEN
ERNST CASSIRER NACHGELASSENE MANUSKRIPTE UND TEXTE Begründet von Klaus Christian Köhnke, John Michael Krois und Oswald Schwemmer Herausgegeben von Christian Möckel Band 17
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ERNST CASSIRER DAVOSER VORTRÄGE VORTRÄGE ÜBER HERMANN COHEN Mit einem Anhang: Briefe Hermann und Martha Cohens an Ernst und Toni Cassirer 1901 – 1929 Herausgegeben von Jörn Bohr und Klaus Christian Köhnke †
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
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Zitiervorschlag: ECN 17
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INHALT
Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX I. DAVOSER VORTRÄGE
Heidegger-Vorlesung (Davos) März 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
BEILAGE I
Heidegger-Aufsatz. Notizen zu Heideggers „Kant und das Problem der Metaphysik“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
BEILAGEN II
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger. Davos, 26. März 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Cassirer, Leben und Geist bei Scheler. Davos, 27. März 1929 . . . . . 121 II. VORTRÄGE ÜBER HERMANN COHEN
Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz RosenzweigGedächtnisstiftung am 12. April 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 BEILAGEN III
Hermann Cohen (Malmö, 23.3.41) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Briefe Hermann und Martha Cohens an Ernst und Toni Cassirer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 30. April 1901 . . . . . . . . 165 2. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 1. Dezember 1901 . . . . . . . 166 3. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 2. Dezember 1901 . . . . . . . 167 4. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 4. Dezember 1901. . . . . 168
VI
Inhalt
5. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 19. Februar 1902 . . . . . . 170 6. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 15. April 1902 . . . . . . . . 175 7. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 4. Juni 1902 . . . . . . . . . . 178 8. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 6. Juni 1902 . . . . . . . . . . 179 9. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 7. Juni 1902 . . . . . . . . . . 180 10. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 26. Juli 1902. . . . . . . . . . 184 11. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 14. Januar 1903 . . . . . . . 187 12. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 9. Februar 1903 . . . . . . . 188 13. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 31. Mai 1903 . . . . . . . . . 191 14. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 30. April 1904 . . . . . . . . 197 15. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 3. Mai 1904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 16. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 18. Mai 1904 . . . . . . . . . 201 17. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 27. Juli 1904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 18. Hermann u. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 12. August 1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 19. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 22. November 1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 20. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 29. November 1905 . . . 214 21. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 5. Dezember 1905. . . . . 215 22. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 13. Januar 1906 . . . . . . . 216 23. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 19. Januar 1906 . . . . . . . 219 24. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 23. Februar 1906 . . . . . . 220 25. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 8. Mai 1906 . . . . . . . . . . 224 26. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 29. Mai 1906 . . . . . . . . . 225 27. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 12. Juni 1906 . . . . . . . . . 229 28. Martha u. Hermann Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 6. Juli 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 29. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 22. Juli 1906. . . . . . . . . . 233 30. Hermann u. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 27. Juli 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 31. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 23. September 1906. . . . 237
Inhalt
VII
32. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 6. Dezember 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 33. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 14. Dezember 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 34. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 31. Januar 1907 . . . . . . . 244 35. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 21. Februar 1907 . . . . . . 246 36. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 3. April 1907 . . . . . . . . . 247 37. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 21. Mai 1907 . . . . . . . . . 248 38. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 16. Juni 1907 . . . . . . . . . 253 39. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 1. Dezember 1907. . . . . 255 40. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 27. März 1908 . . . . . . . . 258 41. Hermann u. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 5. Juni 1908. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 42. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 29. Juli 1908. . . . . . . . . . 261 43. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 14. September 1908 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 44. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 27. Juli 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 45. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 24. August 1910 . . . . . . 268 46. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 6. Juni 1911 . . . . . . . . . . 273 47. Hermann Cohen an Ernst Cassirer, 31. August 1911 . . . . . . 279 48. Martha u. Hermann Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 13. April 1916. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 49. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 16. März 1917. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 50. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 12. April 1917. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 51. Martha Cohen an Toni u. Ernst Cassirer, 17. September 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 52. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 30. April 1924. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 53. Martha Cohen an Ernst Cassirer, 27. Juli 1924 . . . . . . . . . . . . 295 54. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer, 11. Juli 1929 . . . . . 298 55. Martha Cohen an Ernst Cassirer, undatiert . . . . . . . . . . . . . . 300
VIII
Inhalt
ANHANG
Zur Textgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Zeichen, Abkürzungen, Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Regeln der Textgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Editorische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Anmerkungen der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
VORWORT DER HERAUSGEBER
ECN 17 besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil publiziert die im Nachlaß Cassirers überlieferten Zeugnisse über seine Davoser Vorträge, die sogenannte Heidegger-Vorlesung, und dokumentiert die parallelen Überlieferungen der Vorträge und der Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger durch Helene Weiss und Hermann Mörchen sowie die Notizen Cassirers über Heideggers Kant und das Problem der Metaphysik. Der zweite Teil enthält die unveröffentlichten Vorträge Cassirers über Hermann Cohen sowie – als Anhang – die 55 überlieferten Schreiben Hermann und Martha Cohens an Ernst (und Toni) Cassirer. Die Herausgeber danken Prof. Dr. Karlfried Gründer † und Prof. Dr. Helmut Holzhey für manchen Ratschlag bei der Vorbereitung der Edition. Für vielfältige Unterstützung danken wir Prof. Dr. Christian Möckel von der Arbeitsgruppe Ernst-Cassirer-Nachlaß-Edition an der Humboldt-Universität zu Berlin. Besonderes Andenken bewahren wir Prof. Dr. John Michael Krois, der 2010 verstorben ist. – Für die finanzielle und institutionelle Unterstützung dieser Edition danken wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Universität Leipzig. Johannes Duschka, Antje Woldt und Marie Wilke haben in Leipzig als studentische Hilfskräfte zum Gelingen des Projektes beigetragen. Wir danken außerdem den Mitarbeitern der Beinecke Rare Book and Manuskript Library der Yale University, New Haven (USA), die die nötigen Archivrecherchen ermöglichten, sowie für ihre besondere Hilfe Valerie Harris und Ann C. Weller vom Special Collections Department der University Library, University of Illinois, Chicago. Weiteren Dank schulden wir Dr. Claudia Wedepohl und Dr. Eckart Marchand vom Archiv des Warburg Institute, London. Leipzig, im Mai 2013 Jörn Bohr · Klaus Christian Köhnke
Ich widme diesen Band meinem Lehrer und Freund Klaus Christian Köhnke. Er ist viel zu früh am 24. Mai 2013 verstorben – kurz nach dem Abschluß der intensiven gemeinsamen Arbeit am vorliegenden Band. Ich bin ihm überaus dankbar für all diese Zeit. Leipzig, im Juni 2013 Jörn Bohr
I. DAVOSER VORTRÄGE
2
Davoser Vorträge
Daten1
Hermann Mörchen
Helene Weiss
Montag, 18. März 1929, Vormittag: 10 – 11/ E. Cassirer / Grundprobleme der philosophischen Anthropologie
CASSIRER: PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE, I.
CASSIRER DAVOS
Immer wieder Problem der Anthropologie in der Philosophie. Scheler, besonders am Ende seiner Arbeit, langt bei dieser Frage an. Phänomenologie: Husserl – Heidegger. Kritischer Idealismus: ebenfalls diese Entwicklung.
Gibt es hier heute einen einheitlichen Problemkreis oder ganz verschiedene, sich durchkreuzende Tendenzen? Der Fragenkreis der Anthropologie ist nicht spezifisch modern; diese Orientierung findet sich überall im philosophischen Denken, wo es wirklich bewegt ist. Überall, wo nach der ਕȡȤȘ der Philosophie gefragt wird.
Heidegger-Vorlesung
3
Cassirer
HEIDEGGER-VORLES [UNG] (DAVOS) MÄRZ 1929A [Konvolut 94, Box 42, folder 839]B
a)C Problem der philosophischen Anthropologie rückt wieder in das Z e n t r u m der modernen philos[ophischen] Probleme – Mehr und mehr als ein Brennpunkt philosoph[ischer] Forschung u[nd] philosoph[ischer] Fragestellung – von ganz verschied[enen] Seiten her[:] a) Metaphysik (Scheler) b) Phänomenologie c) krit[ischer] Idealismus Aber es kann keineswegs als ein spezifischD „modernes“ Problem angesehen werden – es eignet überhaupt nicht einer bestimmten Zeit, einer einzelnen E n t w i c k l u n g s s t u f e des philosoph[ischen] Denkens – sondern es tritt überall auf, wo die philosophische Reflexion zu einer bestimmten Reife und Höhe gediehen ist und wo sie sich vor bestimmte letzte Entscheidungen gestellt sieht[.] – Die großen Epochen der Scheidung und Entscheidung[,] der „Krisis“ im eigentl[ichen] Wortsinne – sie führen immer wieder zum Probl[em] d[er] phil[osophischen] Anthropol[ogie.] Es liegt im Wesen der Philosophie, daß sie nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie Besinnung über die Welt, über den Kosmos, sondern daß sie wesentlich S e l b s t b e s i n n u n g ist – und diese S e l b s t besinnung findet als erstes, als wesentliches Problem die Frage nach dem Wesen des M e n s c h e n [.] –
Heidegger-Vorles[ung] (Davos) März 1929] im Ms. unterstrichen Synoptische Darstellung mit den Aufzeichnungen von Hermann Mörchen und Helene Weiss, siehe die editorischen Hinweise, S. 314 u. 322 f. C a)] Cassirer hat die Reihenfolge seines Ms. während der Niederschrift und für den Vortrag mehrfach verändert, ohne die Gliederungspunkte jeweils anzupassen. Die Herausgeber haben sich entschlossen, dies nur in Ausnahmefällen, bei starker Widersprüchlichkeit, zu korrigieren. Weitere Glättungs- und Korrekturversuche wären problematische Eingriffe, denn der Überlieferungszustand von Cassirers Ms. (siehe die editorischen Hinweise, S. 316–318) zeigt deutlich, daß es sich hierbei nicht um eine abgeschlossene oder in irgend einem Sinne fertige Fassung handelt, sondern um eine provisorische Disposition des Vorzutragenden. D spezifisch] spezifisch. A B
4
Davoser Vorträge
Griechentum: Beginn mit der kosmologischen und physiologischen Spekulation; Problem des Menschen von hier aus zu begreifen gesucht. Der Mensch ist wesenhaft das, was der țંıȝȠȢ selbst ist: Empedokles. Auf dieser Gleichordnung beruht die Möglichkeit der Erkenntnis: Gleiches wird nur durch Gleiches erkannt: nur so Erkenntnis der Welt durch den Menschen möglich. Mensch als ȝȚțȡȠțંıȝȠȢ. Sokrates: Zurückführung der Philosophie vom Himmel auf die Erde: der Mensch rückt einseitig und gewaltsam in den Mittelpunkt der philosophischen Fragestellung. Anfang des Phaidros: Sokrates vor dem Stadttor, entzückt über die Landschaft; Phaidros verwundert[,] daß Sokrates jetzt erst die Landschaft zu erblicken scheint. Dann Sokrates: ich bin lernbegierig; Bäume und Felsen wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt.
Heidegger-Vorlesung
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Mitten in der griech[ischen] Philosophie bricht noch in der ersten „kosmologischen“ Epoche dies Problem durch – Kosmolog[ie]: Empedokles – das Wesen des Menschen bestimmt sich aus dem Wesen der Natur – Kosmologie u[nd] Physiologie – Empedokles[:] Gleiches durch Gleiches erk[ennen.]2
Im Griechentum pflegt man Sokrates als den eigentlichen Entdecker des Problems des Menschen anzusehen – er hat die Philosophie nach dem bekannten Worte des Cicero „vom Himmel auf die Erde zurückgeführt“3[.] – Wort des Sokrates im Phaidros: die Bäume u[nd] Felsen wollen mich nichts lehren[,] wohl aber d i e M e n s c h e n i n d e r S t a d t . 4 –
〈Aber doch mitten in der kosmolog[ischen] Betrachtung – Heraklit sucht den ȜંȖȠȢ im ä u ß e r e n Geschehen, im Wandel u[nd] Werden.A Der ȜંȖȠȢ ist das ȝIJȡȠȞ, der Rhythmus, das ewige Gesetz dieses Werdens[:] ਸ਼ Ȝ Ț Ƞ Ȣ ȠȤਫ਼ʌİȡȕıİIJĮȚȝIJȡĮ[.]5 Aber daneben steht das Wort: ਥįȚȗȘıȝȘȞ ਥȝİȦȣIJંȞB[.]6 Der Seele Grenzen kannst Du nicht ausfinden – Ƞਫ਼IJȦȕĮșઃȞ ȜંȖȠȞȤİȚC – Der tiefste Logos ist der der S e e l e [.]7〉
________
Werden.] Werden, ਥįȚȗȘıȝȘȞ ਥȝİȦȣIJંȞ] ਥįȚȗȘıȝȘȚਥȝĮȣIJંȞ C Ƞਫ਼IJȦȕĮșઃȞȜંȖȠȞȤİȚ] Ƞਫ਼IJȦȕĮșઁȞȜંȖȠȞਥȤİĮ
A B
6
Davoser Vorträge
Theätet: Aufgabe der Philosophie ist Erkenntnis der Wesenheit des Menschen. Der Philosoph weiß nichts von den Menschen in ihrer individuellen Verschiedenheit; er weiß nichts von seinem Nachbarn; fast weiß er nicht einmal, ob er ein Mensch sei oder ein anderes Geschöpf; was aber d e r Mensch sei usw., das untersucht er: IJįʌȠIJ¶ਥıIJȞਙȞșȡȦʌȠȢ … ȗȘIJİIJİțĮʌȡȖȝĮIJ¶ȤİȚįȚİȡİȣȞઆȝİȞȠȢ.
Heidegger-Vorlesung
7
Platon – er ist der Erste, der gestützt auf die Sokrat[ische] Frage die We s e n s f r a g e für den Menschen stellt[.] Platon Theaetet[us] 174 B: Der Philos[oph] kümmert sich nicht um d i e Menschen u[nd] ihr Tun u[nd] Treib[en]. (Dieser Spott genügt noch für alle, die in der Philosophie leben.)A Denn ein solcher weiss von seinen Nächsten und seinen Nachbarn nicht nur nicht, was sie tun und treiben, sondern fast weiss er nicht einmal, ob er ein Mensch ist oder ein anderes Geschöpf. „Was aber der Mensch ist und was einer solchen Natur im Unterschied von allen anderen zukommt, zu tun und zu leiden, das untersucht er und um dessen Erforschung müht er sich“[.] IJįʌȠIJ¶ਥıIJȞਙȞșȡȦʌȠȢțĮIJIJૌIJȠȚĮIJૉijıİȚʌȡȠıȤİȚįȚijȠȡȠȞ IJȞਙȜȜȦȞʌȠȚİȞਲ਼ʌıȤİȚȞȗȘIJİIJİțĮʌȡȖȝĮIJ¶ȤİȚįȚİȡİȣȞઆȝİȞȠȢ[.]8
________ G e s c h i c h t e der philosoph[ischen] Anthropologie – (sie ist bisher nicht geschrieben; aber sie wäre eine der reizvollsten philosophiegeschichtlichen Aufgaben – ich hebe hier nur einige Hauptphasen heraus – ich verzichte insbesondere darauf, das Problem in der A n t i k e weiterzuverfolgen – was es der A r i s t o t e l i s c h e n P s y c h o l o g i e u [ n d ] E t h i k , was es der S t o a verdankt, liegt auf der Hand.
A
(Dieser Spott … leben.)] Klammersetzung mit Bleistift
8
Davoser Vorträge
Mittelalter: Augustins ganze Problemstellung dadurch charakterisiert, daß er diese entscheidende Wendung vollzieht: er fragt nicht mehr nach dem esse[,] dem Sein der Natur, sondern er fragt nach dem Sein, Bewußtsein, des Menschen: nicht esse, sondern nosse, velle, vivere. Hinwendung zur Innerlichkeit des Lebens; von hier zur Bestimmung des Seins und der Wahrheit vorzustoßen. Noli foras ire; in te ipsum redi, in homine habitat veritas. Korrelation der Wahrheitsfrage und der Frage nach der Natur des Menschen. Renaissance von dieser Augustinschen Grundrichtung bestimmt. Petrarca: De secreto conflictu curarum suarum: Schilderung seiner ersten Bergbesteigung; statt sich in das Bild der Landschaft zu verlieren, greift er nach Augustins Confessiones und findet die Stelle: die Menschen gehen dahin und bewundern hohe Berge und Meeresfluten und Gestirne; sich selbst aber bleiben sie fremd. Der gleiche typische Gegensatz findet sich dann weiter in der modernen Philosophie.
Heidegger-Vorlesung
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Mittelalter Augustin –) Augustin b e g i n n t geradezu mit der charakterist[ischen] Wendung – mit der Wendung von esse als dem Sein der D i n g e zum Dasein u[nd] zum B e w u s s t s e i n des Menschen – vom esse zum n o s s e , zum v e l l e , zum v i v e r e [. „]Noli foras ire in te ipsum redi in interiore homine habitat veritas[.“]9 R e n a i s s a n c e knüpft immer wieder an diese Augustin-Stelle an – für Petrarca ist Augustin der ihm „unter Tausenden Teuerste“. (De secreto conflictu curarum suarum).10 Besteigung des Mont Ventoux – sein Blick fällt nicht auf die Landschaft, sondern auf das Buch, das sein ständiger Begleiter ist – Confess[iones: „]die Menschen gehen dahin u[nd] bewundern hohe Berge u[nd] weite Meeresfluten u[nd] versenken sich in die Betrachtung des Laufs der Gestirne – sich selbst aber bleiben sie fremd.[“]11
18t. Jahrhundert Pope: [„]the proper study of mankind is man[.“]12
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Davoser Vorträge
Kant: seine Stellung zur Anthropologie ist nicht einfach. Äußerlich: Anthropologie als Lehrfach von Kant eingeführt und immer wieder behandelt. Engste Verknüpfung der Ethik mit der Anthropologie. Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesung 1765/66: in der Ethik wolle er die Methode deutlich machen, nach welcher man den Menschen studieren muß, … und zwar die Natur des Menschen, die immer bleibt, nicht veränderlich ist. Diese Methode der Sittenuntersuchung ist eine schöne Entdeckung unserer Zeit und den Alten gänzlich unbekannt.
Anthropologischer Ausgangspunkt fixiert, und zugleich prinzipieller Fortschritt über diesen Ausgangspunkt hinaus gefordert. Immanenz des Anthropologischen gefordert, die doch nicht ausschließt, daß der Philosoph übergeht in ein Reich der Transzendenz, in ein Reich der objektiven Geistigkeit: dies läßt sich freilich nur mit kritischer Vorsicht sagen. Es darf nicht so gefaßt werden, daß es aus der Immanenz herausfällt, aber doch so, daß es von ihr deutlich unterschieden ist.
Heidegger-Vorlesung
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Kant: In seiner Wirksamk[eit] als akadem[ischer] Lehrer bildet die Anthropologie einen Höhepunkt – einen Gegenst[and], zu dem er in seinen Vorles[ungen] immer wieder und mit besonderer Vorliebe zurückgekehrt ist. Ja es gibt eine Epoche, in der das Thema der A n t h r o p o l o g i e für Kant so sehr zum Mittelpunkt wird, daß er selbst die E t h i k , deren Grundlegung er später so scharf u[nd] grundsätzlich von der Anthropol[ogie] ablöst, auf die Anthropol[ogie] zurückzuführen sucht. In der Ethik will er „die Methode deutlich machen, nach welcher man den Menschen studieren muss, nicht allein denjenigen, der durch die veränderliche Gestalt, welche ihm sein zufälliger Zustand eindrückt, entstellt und als ein solcher selbst von Philosophen fast jederzeit verkannt worden, sondern die N a t u r des Menschen, die immer bleibt und deren eigentümliche Stelle in der Schöpfung“. „Diese Methode der sittl[ichen] Untersuchung ist eine schöne Entdeckung unserer Zeiten und ist, wenn man sie in ihrem völligen Plane erwägt, den Alten gänzlich unbekannt gewesen“ (II. 326). Erst auf Grund einer solchen Methode lasse sich erkennen, [„]welche Vollkommenheit dem Menschen im Stande der r o h e n und welche im Stande der w e i s e n Einfalt angemessen sei, was dagegen die Vorschrift seines Verhaltens sei, wenn er, indem er aus beiderlei Grenzen herausgeht, die höchste Stufe der physischen oder moralischen Vortrefflichkeit zu berühren trachtet, aber von beiden mehr oder weniger abweicht[.“]13 – Hier ist beides gesehen: der „anthropologische“ A u s g a n g s p u n k t und der prinzipielle F o r t s c h r i t t über diesen Ausgangspunkt hinaus, die „Transzendenz“ gegenüber dem Anthropologischen, die Wendung zum ›Transzendentalen‹[.] – Damit scheint sich ein unlösbarer G e g e n s a t z [,] ein Widerstreit zwischen Immanenz u[nd] Transzendenz, zwischen anthropologischer R e l a t i v i t ä t (ʌȞIJȦȞȤȡȘȝIJȦȞȝIJȡȠȞਙȞșȡȦʌȠȢ14) u[nd] e t h i s c h e r Unbedingtheit, dem A b s o l u t e n des kategor[ischen] Imperativs, aufzutun[.] – Aber vielleicht ist es eben dieser W i d e r s t r e i t , dieser polare G e g e n s a t z , der das We s e n des Menschen am tiefsten kennzeichnet[.] – Er kann nicht dogmatisch-metaphysisch g e l ö s t , aber er kann u[nd] muss als solcher e r k a n n t werden[.] – Der Mensch wäre dann eben der tiefste Ausdruck dieses Ur- G e g e n s a t z e s selbst – ein ਨȞįȚĮijİȡંȝİȞȠȞਦĮȣIJ[.]15A
A
ਦĮȣIJ.] danach gestrichen: Heidegger würde die Konsequenz vermutlich ziehen.
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Davoser Vorträge
Sprung in die Gegenwart der philosophischen Anthropologie.
Drei Probleme, im Anschluß an Heidegger:
1) Raumproblem, 2) Sprachproblem, 3) Todesproblem.
R a u m - Problem S p r a c h - Problem To d e s - Problem
1) R a u m p r o b l e m . So alt wie die Geschichte der Philosophie.
I.) R a u m , uralte Spekulationen über Wesen d[es] Raums. Myth[isches] Weltbegreifen enthält es schon.
Heidegger-Vorlesung
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II) Aber von dieser g e s c h i c h t l i c h e n Vorbereitung versetzen wir uns nun mit einem Sprung mitten in die P r o b l e m a t i k d e r P h i l o s o p h i e d e r G e g e n w a r t hinein. Wir g r u p p i e r e n sie um einen s y s t e m a t i s c h e n Gegensatz – und wir stellen zugleich z w e i Denker in den Mittelpunkt, die diese Problematik heute vielleicht am schärfsten u[nd] am lebendigsten verkörpern – Schelers u[nd] Heideggers Plan der philos[ophischen] AnthropologieA[.] – In den Grenzen dieser Vorträge ist es nichtB möglich, auf das G a n z e von Schelers und Heideggers Problem einzugehen – keine K r i t i k , geschweige eine P o l e m i k [.] Ich greife nur einen K e r n p u n k t heraus – u[nd] ich stelle der Behandlung dieses Kernproblems bei Scheler u[nd] bei Heidegger, die eigene Auffassung gegenüber, wie sie sich mir aus dem Problem der Philosophie der symbol[ischen] Formen ergeben hat. –C Raumproblem Sprachproblem To d e s p r o b l [ e m ] D Į)E D a s R a u m p r o b l e m . Die Stufen des Raumbewusstseins. –
philosophischen Anthropologie] philosophischen Terminologie Vorträge ist es nicht] Vorträge nicht C ergeben hat. –] danach folgt im Ms. ein Verweis auf Į) L e b e n u n d G e i s t / Der Gegens[atz] von L[eben] u[nd] G[eist] in Schelers Anthropologie s[iehe] Vortr[ag.] Cassirer trug über dieses Thema erst am 27. März 1929 vor, siehe S. 121 f. im vorliegenden Bd. sowie Hrsg.-Anm. 339. D R a u m p r o b l e m / S p r a c h p r o b l e m / To d e s p r o b l e m ] am Rand untereinander geschrieben, darunter mit Bleistift senkrechter Pfeil nach unten E Į)] Ȗ) Reihenfolge von Cassirer selbst geändert, aber ohne Korrektur der Gliederung A B
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Davoser Vorträge
Der Raum ist nach Heidegger kein festes Gefäß, kein daseiendes Ding, in dem die Menschen und Dinge sind; es gibt so wenig einen absoluten und objektiven Raum, wie es einen Raum als bloße Anschauungsform gibt; der Raum konstituiert sich in der Weltlichkeit des Daseins, in der Sphäre der Zuhandenheit, des Sorgens und Besorgens. Platz und Platzmannigfaltigkeit sind nicht das Wo eines beliebigen Vorhandenseins der Dinge; Platz ist das Dort und Da des Hingehörens eines Zeugs: Gegend als Wohin des Gehörens von Zeug. Apriorität des Raumes bei Heidegger: Vorgängigkeit des Begegnens von Raum als Gegend im jeweiligen umweltlichen Begegnen des Zuhandenen. D. h.: Prius des reinen Aktionsraums vor jedem objektiv Vorhandenen; Primat des Aktionsraums, in dem uns Gegenstände begegnen, vor dem Darstellungsraum und symbolischen Raum.
Prius des r[einen] Aktionsraums vor jed[em] obj[ektiv] vorh[andenen] u[nd] bloß vorgestellten R[aum]. Primat des Aktionsraums vor Darstellungsr[aum] u[nd] symbol[ischem] R[aum].
Ich bestreite den Heideggerschen Ausgangspunkt nicht. Aber: These, daß dieser so aufgewiesene Raum zwar notwendig den Anfang alles menschlichen Lebens mit den Dingen ausmacht, daß aber die spezifisch menschliche Auffassung des Raumes darin liegt, daß sich eine Wendung vollzieht, die mehr und mehr von dem Aktionsraum wegführt und hinführt zum Darstellungs- (Symbol-)Raum. Heideggers Raum ist terminus a quo; er ist aber nicht zureichend als terminus ad quem. Dreifache Entgegensetzung, um allmählich das Eigentümliche des spezifisch menschlichen Raumes entstehen zu sehen.
Demgegenüber: d e r Raum notw[endig] der Anfang alles Lebens, aber spezif[isch] menschl[iche] Auffassung v[on] R[aum], Wendung innerh[alb] der Sphäre, führt hin zum terminus ad quem: Darstellungsr[aum], symb[olischer] R[aum]. Heideggers R[aum] der term[inus] a quo, aber ob auch der zureichende term[inus] ad quem??
3fache Entgegensetzung, um die Eigentüml[lichkeit] des spezif[isch] menschl-[ichen] Raums entstehen zu lassen.
Heidegger-Vorlesung
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a) Der Raum bei Heidegger. Der Raum kein festes Gefäss, i n dem die Menschen und Dinge „sind“. Es giebt sowenig einen absoluten, objektiven Raum – wie einen R[aum] als blosse „Anschauungsform“. Sondern R[aum] konstituiert sich in der „Weltlichkeit des Daseins“, in der Sphaere der „Zuhandenheiten“, des ›Sorgens‹ und ›Besorgens‹[.]16 „Der Platz und die Platzmannigfaltigkeit dürfen nicht als das Wo eines beliebigen Vorhandenseins der Dinge ausgelegt werden. Der Platz ist je das bestimmte Dort und Da des H i n g e h ö r e n s eines Zeugs … Dieses im bewegenden Umgang umsichtig vorweg im Blick gehaltene Wohin des möglichen zeughaften Hingehörens nennen wir die Gegend.“ (103)17 [„]Apriorität besagt hier Vorgängigkeit des Begegnens von Raum (als Gegend) im jeweiligen umweltlichen Begegnen des Zuhandenen[.“] (111)18 Es besagt also das Prius des reinen Aktions-Raums vor jedem objektivvorhandenen und jedem bloss- v o r g e s t e l l t e n Raum; – den Primat des „pragmatischen“ Raumes vor dem Darstellungs-Raum, dem symbol[ischen] Raum.
Wiederum leugnen wir diesen A u s g a n g s p u n k t als solchen nicht – wir behaupten nur, daß der anthropologische Raum, der Raum, in dem der M e n s c h lebt, erst dadurch erobert wird, daß dieser Ausgangspunkt verlassen, ü b e r w u n d e n wird[.]
Zu diesem Zweck betrachten wir: a) den tierischen „Raum“ b) den Raum des Aphasischen c) den Symbolraum – als Į) Ausdrucksraum (Mythos) ȕ) Darstellungsraum [(]Sprache, KunstA [)] Ȗ) den Bedeutungsraum (Mathemat[ik] u[nd] Physik) Sprache, Kunst] untereinander geschrieben und mit geschweifter Klammer zusammengefaßt A
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Davoser Vorträge
a) Ausgang von den Fragen der modernen Biologie: Innenwelt und Umwelt der Tiere zu erforschen und von der des Menschen zu unterscheiden. Uexküll. Was unterscheidet den Raum, in dem das Tier lebt, von dem charakteristisch menschlichen Raum? Der pragmatische Raum, wie Heidegger ihn schildert (Gegend), hat nach den Ergebnissen der modernen Biologie auch in der tierischen Welt sein genaues Analogon. Freilich dieser tierische Raum für uns nicht vorstellbar. Das wäre Anthropomorphismus. Anderer Weg: Uexküll hat als charakteristisches Moment hervorgehoben, daß jede Tierart in einem besonderen Raum lebt[,] sofern die Art aus ihrer Umgebung Reize empfängt und sich zu ihnen verhält: dies ist immer räumlich bestimmt. Alles, was in diese Welt gehört, hat schon ein Wo, einen Ort. Bestimmtes Verhältnis der Koordination. Das Koordinationsschema aber ist nicht gleichförmig, sondern es variiert von Art zu Art. Objektives Kriterium nur zu gewinnen im Ausgang vom anatomischen Bau des Tieres. Beziehung zwischen Merk- und Wirknetz des Tieres: sein Funktionskreis.
Ausgehen von der modernen Biologie. Innen- und Umwelt der Tiere. Uexküll. So fragen wir: was unterscheidet den Lebensraum, in dem das Tier lebt, vom menschl[ichen?]
Heideggers pragmatischer R[aum] (Gegend) hat auch b[ei] Tieren, nach moderner biolog[ischer] Forschung, sein Analogon. Wir können ihn uns zwar nicht vorstellen. Uexküll will uns auf Umweg, mittelb[ar] hinführen: jede Art lebt i[m] bes[onderen] R[aum]; sofern sie aus Umgebung Reize empfängt und mit charakt[eristischer] Bewegung darauf reagiert, ist alles räuml[ich] best[immt.] Best[immtes] Verhältnis der Zuordnung der Teile. Das Koordinationsschema variiert v[on] Art z[u] Art. (Uexküll) Kriterium nur der anatom[ische] Bauplan des Tieres: von ihm hängt M e r k - und W i r k n etz ab: zus[ammen]: Funktionskreis des Tieres.
Heidegger-Vorlesung
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Zu a)
Der „pragmatische“ Raum, wie ihn Heidegger schildert und wie er ihn im Begriff der „Gegend“ als des „jeweiligen umweltlichen Begegnen des Zuhandenen“ umschreibt,19 hat auch in der tierischen Welt, bis hinab zur Welt der niederen Tiere, sein genaues Analogon. Wir müssen freilich darauf verzichten, uns diesen tierischen „Raum“ irgendwie „vorstellen“ zu wollen, wir können ihn nicht mit u n s e r e n psychischen Qualitäten ausstatten und gleichsam „ausmalen“. Das würde purer Anthropomorphismus sein. Die moderne theoretische Biologie hat uns jedoch einen anderen Weg gewiesen, auf dem wir uns dem Problem annähern können. Uexküll hat in seinen Arbeiten zur Erforschung der „Umwelt und Innenwelt der Tiere“20 als eines der charakteristischen Momente, der für jede Tierart bezeichnend ist, hervorgehoben, daß jede Art in einem besonderen „Raume“ lebt. SofernA die Art aus ihrer Umgebung Reize e m p f ä n g t und sofern sie selbst in irgend einer Weise auf diese Reize re-agiert, sofern sie irgendwelche Wirkungen auf die Umgebung ausübt, ist stets beides, dieses Empfangen wie dieses Bewirken, in irgend einer Weise räumlich bestimmt. Es hat sein ›Wo‹, seinen ›Ort‹. Die Bewegungen der Tiere bilden eine Gesamthandlung, deren einzelne Teile nur dadurch ein Ganzes ausmachen, daß sie zu einander in einem ganz bestimmten Verhältnis der Zu-Ordnung, der Ko-ordination stehen. Hierbei aber ist, wie Uexküll auf Grund umfangreicher experimenteller Untersuchungen gezeigt hat, das Koordinations- S c h e m a keineswegs g l e i c h f ö r m i g , sondern es variiert im allgemeinen von Art zu Art. Jede Art lebt in i h r e m Raum, der sich nicht einfach in den Raum einer anderen, von ihr verschiedenen, „übersetzen“, der sich nicht einfach „transponieren“ lässt. Suchen wir nach irgend einem objektiven K r i t e r i u m , um diesen für die Tierart charakteristischen ›Raum‹ zu bestimmen – so können wir hierbei nach Uexküll immer nur vom anatomischen Bau der Tierart ausgehen. Der „Bauplan“ des Tieres bestimmt sein Verhältnis zur Umgebung, seine ›Umwelt‹ wie seine ›Innenwelt‹. Von ihm hängt einerseits sein ›Merknetz‹, wie sein ›Wirknetz‹ ab; und die Beziehungen zwischen diesem ›Merknetz‹ und ›Wirknetz‹ konstituieren dasjenige, was Uexküll den ›Funktionskreis‹ des Tieres nennt:
A
Sofern] So fern
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Davoser Vorträge
Die Erforschung des anatomischen Bauplans kann allein die gesicherte Grundlage der Biologie abgeben.
Wie der spezifische Raum für jede Art verschieden ist, so sind es auch die Dinge.
So sind auch die Dinge, die f[ür] das Tier vorhanden sind, spezif[isch] verschieden. Nicht vorgestellte, objizierte Inhalte, sondern sie greifen in sein Handlungsgefüge ein. …
Was vom Tier als Veränderung der Umwelt überhaupt bemerkt wird, das hält sich stets innerhalb eines ganz bestimmten, engen Kreises; alles daraus Herausfallende ist für das Tier nicht vorhanden. In der Welt des Regenwurms gibt es nur Regenwurmdinge. Es gibt für verschiedene Arten kein gemeinsames Schema der Gegenständlichkeit.
Uexkülls Schilderung einer Infusorienart: Tier und Umwelt bilden eine in sich geschlossene Zweckmäßigkeit. Sein Lebensraum ist zugleich der Schutz und die Schranke des Tieres. Wie die niederen Tiere sich die passenden chemischen und physikalischen Reize aussuchen, so sucht das höhere Tier die passenden Formen und Reflexionen aus …
Der Raum des Infusoriums … zugleich f[ür] es S c h u t z u[nd] Schranke.
Heidegger-Vorlesung
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„Über der Innenwelt u[nd] Umwelt steht der Bauplan alles beherrschend. Die Erforschung des Bauplans kann allein die gesunde und gesicherte Grundlage der Biologie abgeben. Wird die Ausgestaltung des Bauplans für jede Tierart in den Mittelpunkt der Forschung gestellt, so findet jede neuentdeckte Tatsache ihre naturgemäße Stelle, in der sie erst Sinn erhält u[nd] Bedeutung.“21 Und wie der spezifische „Raum“, in dem jedes Tier lebt, verschieden ist, – so sind es auch die › D i n g e ‹ , die für das Tier „vorhanden“ sind, d. h. die nicht für seine „Vorstellung“ als Objekte dieser Vorstellung „da sind“ (im Sinne des Objiziert-Seins), sondern die irgendwie in das H a n d l u n g s g e f ü g e des Tieres eingreifen. Was vom Tier, als Veränderung der Umwelt, überhaupt „bemerkt“ wird – d. h. worauf es mit bestimmten charakteristischen Reaktionen antwortet, das hält sich stets innerhalb eines ganz bestimmten, eng-umzirkelten Kreises – alles was aus diesem Kreise herausfällt, ist für das Tier überhaupt nicht „da“[.] ›In der Welt des Regenwurmes giebt es nur Regenwurmdinge, in der Welt der Libelle nur Libellendinge‹22 – und beide lassen sich sowenig wie der „Raum“ der Libelle u[nd] der des Regenwurmes unmittelbar vergleichen u[nd] auf ein gemeinsames S c h e m a der Räumlichkeit „überhaupt“ oder der „Gegenständlichkeit“ überhaupt zurückführen. So die Schilderung vom Paramaecium caudatum, einer Infusorienart. Von ihm sagt U[exküll], daß dieses Tier sicherer in seiner Umwelt ruhe als ein Kind in seiner Wiege. „Überall ist es von den gleichen wohltätigen Reizen umgeben, die es vor Irrfahrten schützen und ihm immer wieder die Wege weisen zu den Quellen seiner Nahrung und seines Wohlbefindens. Paramaecium ist so in die Welt eingebaut, daß alles ihm zum Heile ausschlagen muss. Tier u[nd] Umwelt bilden zusammen eine geschlossene Zweckmässigkeit[.“]23 Der Funktionskreis, in dem das Tier steht und den es mit seinen Bewegungen und seinen Handlungen erfüllt, der „Lebensraum“, in welchem es existiert, ist so zugleich sein Schutz, wie er die S c h r a n k e bildet, aus der es nicht herauszutreten vermag. „Wie die niederen Tiere sich die passenden chemischen und physikalischen Reize aussuchen, so sucht sich das höhere Tier mit seinem entwickelten Augenapparat die passenden Formen, Farben u[nd] Bewegungen aus, die seinen Reflexionen als Anknüpfungspunkte dienen können u[nd] von denen es allein abhängt, unbekümmert und sicher schwebend in der Unendlichkeit der Aussenwelt. Die Reize der Umwelt bilden zugleich eine feste Scheidewand, die das Tier wie die Mauern eines selbstgebauten Hauses umschliessen und die ganze fremde Welt von ihm abhalten.“24
20
Davoser Vorträge
Das Tier lebt innerhalb einer Schutzmauer, ist seiner Umgebung angepaßt, besteht darin in gewissem Sinne ruhig und sicher, aber vermag die Mauer nicht als solche zu bemerken. Hegel: die Grenze zu wissen ist nur möglich, wenn man in gewissem Sinne schon über diese Grenze hinaus ist. Wendung, die die Grenze der Welt des Menschen von der des Tieres trennt. Der Mensch gelangt an den Punkt, wo die Grenze als solche zum Bewußtsein kommt: und mit diesem Bewußtsein steht er bereits jenseits dieser Grenze.
Bemerkt diesen Schutzraum nie als solchen. (Hegel: Grenze zu wissen nur mögl[ich], wenn man im gew[issen] Sinne über sie hinaus.)
Dieses Jenseits ist freilich nicht unmittelbar zu erreichen, sondern nur durch ein Medium: das der Sprache, der Gestaltung in der bildenden Kunst u. a. Medium der symbolischen Form.
Dies Jenseits [nich]t unmittelb[ar] z[u] erreichen, nur durch Medium (Sprache, Mythos, Kunst)[.] Medium der symbol[ischen] Form.
Hier Unterschied v[on] Tier u[nd] Mensch. Mensch lebt ursprüngl[ich] auch i n n e r h [ a l b ] der Grenze; aber sie kann ihm a l s Grenze z[u] Bewußts[ein] kommen, damit kommt er jenseits.
Heidegger-Vorlesung
21
Das Tier l e b t innerhalb dieser Mauer und es steht ruhig und sicher in ihr; aber eben deshalb vermag es sie nie zu bemerken, sie a l s Grenze zu wissen. Denn um die Grenze zu w i s s e n , muss man nach Hegels Wort schon über sie hinaus sein.25
Zu b) Aber eben dieses Phaenomen des › W i s s e n s der Grenze‹ ist es nun, was in der Welt des Menschen zuerst auftritt. Der Mensch ist das Wesen, das nicht nur, wie jedes andere, Grenze h a t ; sondern das zum B e w u s s t s e i n dieser Grenze gelangt – ja das sich selbst diese Grenze setzt. Und deshalb ist auch der menschliche „Lebensraum“ spezifisch von jedem tierischen Raum geschieden. Dieser Raum hat seine eigentliche „Objektivität“ darin, daß er nicht nur gelebt, sondern zugleich auch ›objiziert‹ wird.
22 Dienstag 19. März 1929, Vormittag: 10 – 11/ E. Cassirer/ Grundprobleme der philosophischen Anthropologie
Davoser Vorträge
Cassirer, II.
Nun zu zeigen, wie der Herausschritt in den spezifisch menschlichen Raum möglich ist und geschieht. Der bloße Handlungsraum des Tieres bleibt auch für den Menschen erhalten (Aktionsraum), sonst wäre der Mensch entwurzelt. Aber der Aktionskreis bleibt nicht b l o ß e r Aktionskreis, sondern wird zum Gesichtskreis. Allein der Mensch hat in diesem Sinne einen geistigen Horizont, weil er nicht in den bloßen Kreis des Handelns gebunden bleibt, sondern weil er sich von dem Lebensraum erheben kann zum symbolischen Raum.
II. 19.III.29.
Erst im Ineinander von Merken u[nd] Wirken kommen die eigentüml[ichen] tierischen Umwelt[en] zur Ausbildung. Die Form des Aufbaus der menschl[ichen] Welt geschieht in verschiedenen Stufen. Gemeinsamer Titel: Symbol[ische] Form. (Sprache, myth[isches], relig[iöses] Bewußtsein, Kunst, Wissenschaft = theoret[ische] Erkenntnis)[.] Hier [nich]t Skizze der Entwicklung mögl[ich], auch hier [nich]t stringenter Beweis, obwohl er sich führen läßt. Was ich hier anführe, nur Andeutung, ʌĮȡĮįȚȖȝĮ. Orientation des Weges, [nich]t das Ganze. Ziel der Entwicklung (insbes[ondere] auf R[aum]problem hin): Der bloße Handlungsraum, der schon dem Tier eigen, dem Menschen notw[endig] auch, zum reinen Blickraum wird. Aktionsr[aum] wird [nich]t verlassen, sonst wäre Mensch entwurzelt, bleibt aber [nich]t bloßer Aktionskreis, wird G e s i c h t s k r e i s . Geistiger Horizont. Symbolischer Raum.
Heidegger-Vorlesung
23
Der blosse Handlungsraum wird zum Blick-Raum, der Aktionskreis wird nicht verlassen, aber er wird zugleich zum Gesichtskreis. Nur der Mensch hat in diesem Sinne einen geistigen „Horizont“ – und er hat ihn deshalb, weil er aus dem Kreis des Handelns in den des Betrachtens überzugehen vermag, weil er sich von dem Lebensraum, in dem er lebt[,] webt und ist[,] zum s y m b o l i s c h e n R a u m zu erheben vermag.A
vermag.] danach mit Bleistift Strich zu Verweis am Rand: Mythos s. S[.] 8, d. i. das folgende Bl. 15v, das mit 8 bezeichnet ist. Im Ms. folgt nach einem gestrichenen Einfügungszeichen (dieses ist nochmals zusammen mit Verweis auf ȕ) am Rand wiederholt und gestrichen): Und ein wichtiges ja ein unentbehrliches Mittel dieser Erhebung scheint wiederum die Sprache zu bilden. Das wird besonders deutlich wieder an der n e g a t i v e n I n s t a n z d e r A p h a s i e . Die Raumwelt des Aphasischen scheint geradezu dadurch charakterisiert zu sein, daß sie den „Handlungsraum“ unverändert bewahrt; aber daß es für sie einen reinen Symbolraum nicht mehr giebt. A
24
Davoser Vorträge Wird erst deutlich durch Einzelheiten.
Räumlichkeit, wie sie im Mythos erscheint. In den primitivsten mythischen Gestalten ist diese Räumlichkeit noch nicht vollständig, sondern sie muß Schritt für Schritt erobert werden. Der mythische Raum ist im wesentlichen Ausdrucksraum, im Unterschied vom Darstellungsraum (Kunst) und Bedeutungsraum (Theoretische Erkenntnis). Der mythische Raum hält schon verschiedene Gegenden auseinander, aber nicht abstrakt auseinandergelegt. Links und rechts, Tiefe und Höhe usw.: All dies mit starkem Ausdruckscharakter geladen: Tiefe ist Dunkel, Tod; Höhe ist Licht, Sonne; links Unheil rechts Glück usw. Der Raum ist nie bloße Sphäre, die sich in Einzelbestimmungen gliedert, sondern er hat immer eine eigentümliche Atmosphäre um sich, ist geladen mit dämonischen Kräften: diese bauen die mythische Welt des Raumes. Vgl. den „Richtungsplan“ (?)A der altmexikanischen Kultur. Der Mensch steht nicht als irgendein Seiendes i n diesem Raum, sondern er lebt wirklich in ihm, er wird ganz bestimmt von dieser räumlichen Atmosphäre. Die Lage eines Dinges im Raum ist nicht zufällig, sondern notwendig, nicht nur im physischen Kosmos, sondern erst recht im sozialen Kosmos. Z. B. gehört ein Teil eines Volksstammes wenn ein Lager bezogen wird selbstverständlich immer in einen bestimmten Teil des Lagers. Besonders deutlich ist das bei den nordamerikanischen ZuñisB (Indianer).
Alles Mythische gebunden an doppelte Orientierung: spezif[ische] Auffassung des Zeitlichen und Räumlichen. Probl[em] d[er] Zeit im Mythos hier auslassen. Um Räumlichkeit zu besprechen. Jede Umbildung im Mythos (Götterwelt etc.) zugleich Umbildung d[er] Räumlichkeit [.] Der myth[ische] R[aum] wesentlich A u s d r u c k r a u m (Gegensatz zum späteren Darstellungsraum). Mythos hat schon klar d[ie] Verschiedenheiten räumlicher Gegenden. Die Tiefe zugleich dunkel, Tod (also starker Ausdruckscharakter), links Unglück, rechts Glück u[nd] dergl[eichen.] Der R[aum] nie bloße Sphäre, sondern A t m o s p h ä r e , geladen mit dämon[ischen] Kräften. Bildliche Darstellung der Richtungsgötter in AltMexiko. Der Mensch lebt u[nd] webt in dem Raum. Nicht nur sein Sein, auch sein Handeln davon durchzogenC. Durkheim zeigt das mal, wie Aufbau der sozialen Welt b[ei] Primitiven mit Raumwelt zus[ammen]hängt. Unterschiede sozialer Struktur auch in best[immter] räumlicher Struktur ausgedrückt. (Zuñis)
Heidegger-Vorlesung
25
Zu c) Die Stufen des menschlichen R a u m b e w u s s t s e i n s Į) Ausdrucks-Raum ȕ) Darstellungs-Raum Ȗ) Bedeutungs-Raum Į) Der Ausdrucks-Raum wird amD deutlichsten in der m y t h i s c h e n We l t . Die Unterschiede der räumlichen Gegenden u[nd] der räumlichen Richtungen: sie sind gefühlte, physiognomische Unterschiede. Das Oben u[nd] Unten, das Rechts u[nd] Links: dies alles hat seine eigene magischmythische Physiognomie. Das Rechts ist das Glückverheissende, das Links das Drohende Unheilsschwangere. Und ebenso ist auch die Sphaere des „Oben“ und „Unten“ niemals bloss S p h a e r e ; sie ist zugleich von einer eigenen mythischen A t m o s p h a e r e umwoben u[nd] erfüllt. Denn das Oben ist das Reich des L i c h t s , das Unten das Reich der Finsternis. Die mythischen Richtungs g ö t t e r u[nd] Richtungs d ä m o n e n [,] z. B. im altmexikanischen KulturkreisE sind aufsF stärkste ausdruckserfüllt u[nd] ausdrucksgesättigt – der mythische Raum ist wesentlich K r a f t r a u m u[nd] als solcher d ä m o n i s c h e r Raum – der Mensch s t e h t nicht nur in diesem myth[ischen] Raum; er lebt u[nd] atmet in ihm. Nicht nur sein S e i n [ ,] auch sein H a n d e l n erfolgt in den Grund r i c h t u n g e n dieses myth[ischen] Raumes. Nicht nur die Welt, sondern auch die Gemeinschaft ist in ihn e i n g e b e t t e t [ .]26 –G
„Richtungsplan“ (?)] Fragezeichen von Mörchen gesetzt Zuñis] Zungis (?) C durchzogen] durchzieht D Raum wird am] Raum am E Kulturkreis] darunter Fortsetzungshinweis mit Pfeil auf 8 a, das meint das fortsetzende Bl. 16r, bezeichnet mit Bleistift als 8 a. F Kulturkreis sind aufs] Kulturkreis aufs G e i n g e b e t t e t . –] danach folgt im Ms. ȕ) Der Darstellungs-Raum/der Akt der ›Deixis‹, das IJંįİIJȚ erster Schritt zur Objektivierung überhaupt – Die ›Demonstrativa‹ als Urschicht alles Sprechens – in ihnen der erste Grund der „Substantialisierung“ [am Rand Literaturhinweise: Durkheim Année Soc[iologique] VI., Cushing, Zuñi[:] Lager beziehen –] die Demonstrativpronomen sind es, aus denen der sprachliche A r t i k e l entspringt[.]27 Danach Verweis mit Pfeil auf ȕ Sprachproblem; danach gestrichen (zurückschlagen!), statt dessen Fortsetzungshinweis mit Pfeil auf doppelt unterstrichen S. 10, das meint das fortsetzende Bl. 5v, bezeichnet mit Bleistift als 10. A B
26
Davoser Vorträge
S p r a c h p r o b l e m . Welche Veränderung tritt ein, wenn der Mensch zu sprechen beginnt? Besser: was ist der spezifische Unterschied zwischen der Welt des sprechenden Menschen und der des sprachlosen Tieres? Heidegger: die primäre Sphäre ist nicht die Welt des Seins der Dinge, des Vorhandenen, sondern die Welt des Zuhandenen.
Zeug.
Neue Schicht der symbol[ischen] Formen: We l t d [ e r ] S p r a c h e . Welche Veränderung tritt ein, wenn Mensch zu sprechen beginnt. Oder: was der spez[ifische] Unterscheid, der die geistige Welt des sprechenden Menschen v[on] der des sprachlosen Tieres trennt: Anknüpfend an Formulierungen aus Sein u[nd] Zeit: Beginn [nich]t beim Vorhandenen, sondern Zuhandenen. Vorhandenheit, wenn ich recht sehe, ein Abfall. Welches ist das Seiende, das in dem Zuhandenen begegnet? Wir nennen es das Z e u g . …
Heidegger-Vorlesung
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ȕ) D a s S p r a c h p r o b l e m A Heideggers Charakteristik der Sphaere des „Zuhandenen“ – Die Gegebenheit einer Welt als „Vorhandenheit“ ist schon ein abkünftiger defizienter Modus der „Zuhandenheit“. – cf. [S.] 68B[.]28 Das S e i n des Menschen ist immer ein „Sich-Verhalten zur Welt“[.]C29
[S.] 68: [„]Wir nennen das im Besorgen begegnende Seiende das Z e u g . Im Umgang sind vorfindlich Schreibzeug, Nähzeug, Werk-, Fahr- Meßzeug … Der je auf das Zeug zugeschnittene Umgang, darin es sich einzig genuin im reinen Sein zeigen kann, z. B. das Hämmern mit dem Hammer, e r f a s s t weder dieses Seiende thematisch als vorkommendes Ding, noch weiss etwa gar das Gebrauchen um die Zeugstruktur als solche … Je weniger das Hammerding nur begafft wird, je zugreifender es gebraucht wird, um so ursprünglicher wird das Verhältnis zu ihm, um so unverhüllter begegnet es als das, was es ist, als Zeug. … Die Seinsart von Zeug, in der es sich von ihm selbst her offenbart, nennen wir die Zuhandenheit … Das schärfste Nurnoch- h i n s e h e n auf das so und so beschaffene Aussehen von Dingen vermag Zuhandenes nicht zu entdecken. Der nur ›theoretisch‹ hinsehende Blick auf Dinge entbehrt des Verstehens von Zuhandenheit.“ (69)30
S p r a c h p r o b l e m ] danach gestrichen: cf. Scheler-Vortrag S . 7 4 f f . – siehe dazu S. 53 im vorliegenden Bd. sowie Hrsg.-Anm. 58. B cf. S. 68] mit Bleistift hinzugefügt C Welt“.] danach mit Bleistift gestrichen: Heidegger [S.] 61: „Wenn wir darnach fragen, was sich an dem phaenomenalen Befund des Erkennens selbst zeigt, dann ist festzuhalten, daß das Erkennen selbst vorgängig gründet in einem Schon-sein-bei-der-Welt, als welches das Sein von Dasein wesenhaft konstituiert. Dieses Schon-sein-bei ist zunächst nicht lediglich ein starres Begaffen eines puren Vorhandenen. Das In-der-Welt sein ist als Besorgen von der besorgten Welt b e n o m m e n . Damit Erkennen a l s b e t r a c h t e n d e s B e s t i m m e n d e s Vo r h a n d e n e n möglich sei, bedarf es vorgängig einer D e f i z i e n z des besorgenden Zu-tun-habens mit der Welt“[. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 13, S. 61.] Am Rand Vermerk: von mir gesp[errt]! A
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Davoser Vorträge
Doch Frage: dies ist als terminus a quo, als Ansatzpunkt, anzuerkennen: aber fehlt nicht die Blickrichtung auf den terminus ad quem? Ist es so, daß das theoretische Verhalten notwendig ein Begaffen bleiben muß? Geht nicht alle Theorie über das bloß passive Verhalten hinaus? Verschafft sie sich nicht ganz bestimmte Blickpunkte, die die Welt des Logos für uns ausmachen?
Hier setzt unsere eigene Frage ein: gebe die Beschreibung als Ansatzpunkt z[u], term[inus] a quo. Aber gehört [nich]t ande[re] Blickrichtung auf term[inus] ad quem dazu, schon um auch Ansatzpunkt nun als solchen zu begreifen? Bloßes Begaffen gibt freilich nie Bedeutung. Aber ist T h e o r e t [ i s i e r e n ] [nich]t gerade etwas ganz ander[es] als Begaffen, geht hinaus, schafft sich Blickrichtungen, die nun die Welt des Logos, des theoret[ischen] Gedankens eröffnen.
Heidegger-Vorlesung
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Hier aber setzt unsere eigene F r a g e wieder ein: wir geben Heidegger diese seine „Analyse der Umweltlichkeit“; diese Beschreibung des Seins als des in der Umwelt, als Zeug, begegnenden Seienden durchaus zu – aber wir fragen: lässt sich bei diesem Anfang s t e h e n b l e i b e n ? – oder ist nicht vielmehr die „Transzendenz“ über ihn hinaus, die ȝİIJȕĮıȚȢİੁȢ ਙȜȜȠȖȞȠȢ31, der Schritt vom ›Zuhandenen‹ zum ›Vorhandenen‹ das eigentliche P r o b l e m A? Besteht nicht eben das ›Wesen‹ des Menschen darin, daß er dieser Wendung, der ›Wendung zur Idee‹, wie Simmel sie genannt hat,32 f ä h i g ist? – w i r d er nicht mit ihr erst zum Menschen, ist sie nicht ein Teil u[nd] Moment der Anthropogonie – und hat sie somit nicht einen ganz anderen Sinn u[nd] We r t als den einer blossen „Defizienz“, eines A b f a l l s von seiner ursprünglichen Natur? Ist wirklich die ›theoretische‹ Haltung ein blosses „ B e g a f f e n von Dingen“ – oder ist sie nicht vielmehr ein B e t r a c h t e n , d. h. nicht ein blosses E r f a s s e n von dinglich-Vorhandenem, sondern ein Bestimmen zur „Objektivität“, ein B e s t i m m e n zur Vorhandenheit[?]B –
P r o b l e m ] im Ms. doppelt unterstrichen Hier aber … ein Bestimmen zur Vorhandenheit?] dazu eine vorbereitende Notiz auf Bl. 20r, am oberen rechten Rand bezeichnet mit 3.: Vgl. ganz besond[ers] [S.] 3 3 4 [:] „Der ontolog[ische] Ursprung des Seins des Daseins ist nicht geringer als das, was ihm entspringt, sondern e r ü b e r r a g t e s v o r g ä n g i g a n M ä c h t i g k e i t und alles Entspringen im ontologischen Felde ist D e g e n e r a t i o n . “! ([Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 67, S.] 334)/Demgegenüber Goethe[:] Max[imen und Reflexionen, hrsg. v. Max Hecker, 1907, S. 141, Nr. 643:] – Das Hervorgehende ist nicht geringer etc. [bei Goethe heißt es: Das Gezeugte ist nicht geringer als das Zeugende, ja es ist der Vortheil lebendiger Zeugung, daß das Gezeugte vortrefflicher sein kann als das Zeugende]./Die ›Wendung zur I d e e ‹ bleibt eben auch für Heideggers religiöse Einstellung ein Abfall, „Sündenfall“[.] A B
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Davoser Vorträge
Goethe: Einleitung zur Farbenlehre: das bloße Anblicken einer Sache kann uns nicht fördern; es muß übergehen in Betrachten, Sinnen, Verknüpfen. Der Mensch soll, wenn er sich seine eigene Welt aufbaut, sich nicht fürchten vor der Abstraktion, vor der Trennung, vor dem Zurücktreten gegen die unmittelbare begegnende Welt des Zuhandenen. Freilich soll diese Abstraktion mit Selbstkenntnis vollzogen werden: wir sollen wissen, was wir damit tun.
Goethe: (Einl[eitung] z[ur] Farbenlehre) ganz prinzipiell, scharf, method[isch]: „Das bl[oße] Anblicken kann uns [nich]t fördern, Sinne, Verknüpfen …[“] Das der entscheidende Punkt f[ür] unsere Betrachtung. Handelt sich darum, sich [nich]t z[u] fürchten vor Abstraktion, aber sie muß, soll sie [nich]t gefährlich werden, mit „Ironie“, mit Selbstkenntnis vollzogen werden.
Heidegger-Vorlesung
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So hat es Goethe gesehen – Einleit[ung] zur Farbenlehre[:] „Denn das blosse Anblicken einer Sache kann uns nicht fördern. Jedes Ansehen geht über in ein Betrachten, jedes Betrachten in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen, und so kann man sagen, daß wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren. Dieses aber mit Bewusstsein, mit Selbstkenntnis, mit Freiheit und um uns eines gewagten Wortes zu bedienen, mit Ironie zu tun und vorzunehmen, eine solche Gewandtheit ist nötig, wenn die Abstraktion, vor der wir uns fürchten, unschädlich und das Erfahrungsresultat, das wir hoffen, recht lebendig u[nd] nützlich werden soll[.]“33 Diese Goethische ›Ironie‹ suchen wir gegenüber der objektiven Welt des Theoretikers zu wahren[.] – Wir wollen u[nd] wir können die „Abstraktion“ nicht a u s m e r z e n – denn sie gehört zum Wesen des Geistes selbst – aber wir müssen uns m i t F r e i h e i t über sie erheben; wir wollen nicht lediglich von ihr b e f a n g e n s e i n , sondern sie als das, was sie ist, wissen und unsA auf ihren Ur g r u n d besinnen.
________
A
wissen und uns] wissen uns
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Davoser Vorträge
Hier setzt die entscheidende Leistung der zweiten symbolischen Form ein: diesen Schritt vollzieht die Sprache. Sie stellt den Menschen heraus aus der bloß pragmatischen Beziehung zur Umwelt und ermöglicht eine neue, theoretische Beziehung zur Umwelt.
Hier die entscheidende Leistung der 2. symbol[ischen] Form: es ist die Funktion der Sprache, daß sie den Schritt vollzieht, Menschen aus pragmat[ischer] Beziehung zur Umwelt herausstellt und neue, theoret[ische] Beziehung zur Umwelt entwickelt.
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Wir fragen somit: welches ist das Medium, das von der Welt des blossZuhandenen zu der des Vorhandenen, von der blossen „Zeughaftigkeit“ zur echten „Gegenständlichkeit“ herüberführt?A Und als das a l l g e m e i n e Medium bezeichnen wir hierbei die Welt der s y m b o l i s c h e n F o r m e n . Aber wir können hier nicht auf die G e s a m t h e i t dieser Formen reflektieren – sondern wir greifen aus ihr nur e i n e wesentliche u[nd] entscheidende heraus: wir betrachten die Welt der S p r a c h e [.]B
herüberführt?] herüberführt. S p r a c h e . ] danach folgt im Ms. a) Humboldts Wort – [„]der Mensch lebt mit den Gegenständen [hauptsächlich, ja sogar ausdrücklich so, wie die Sprache sie ihm zuführt.“ Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1830 – 1835). In: Gesammelte Schriften, 1. Abt. Bd. 7, 1907, S. 60]. A B
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Wir knüpfen an an Erscheinungen der Sprachpathologie. Besonders wo Störungen eintreten, lassen sich sprachliche Erscheinungen am besten erfassen (vgl. Pos).34 Erforschung der aphasischen Erscheinungen, in Deutschland besonders Goldstein und Gelb. Erscheinung, daß Aphasische in ihrer Orientierung in der Umwelt durch Verlust der Sprache keine wesentliche Einbuße erleiden. Der Zeugcharakter der Dinge hat für sie nichts verloren. Aber oft begegnet eine charakteristische Einschränkung: man geht nur dann richtig mit den Gegenständen um, wenn man sie in der konkreten Situation ergreift. Aber wenn man außerhalb der Situation der Mahlzeit dem Kranken Messer und Gabel gibt, weiß er damit nichts anzufangen, verwechselt beide. Das weist darauf hin, worin die eigentümliche Kraft der Sprache, des Namens besteht. „Synthesis der Rekognition im Begriff“ (Kant):
Ich wähle hier Umweg: über Sprachpathologie der letzten Jahrzehnte. (Pos mit Recht: bei S t ö r u n g Betrachtung leichter mögl[ich]). Aphasieforschung ist sich der Zusammenhänge so klar u[nd] bewußt wie keine andere medizin[ische] Disciplin. In allen Ländern: Pierre Marie, an Jackson anknüpfend, Henry Head, Goldstein u[nd] Gelb. Aphasische erleiden durchA Sprachverlust im allgem[einen] keine große Einbuße in Umweltorientierung. „Zeugchar[akter]“ der Inhalte hat [nich]ts verloren. Aber Heilbronner berichtet einen Fall: gehen mit Gegenständen nur richtig um in konkreter Situation, z. B. während Mahlzeit richtige Handhabung v[on] Besteck. Aber außerhalb kennt er Messer etc. [nich]t nur [nich]t b[eim] Namen, sondern weiß auch [nich]ts damit anzufangen, verwechselt sie. Weist darauf hin, worauf Kraft der Sprache, des Namens beruht. Der Gesunde hat durch Namen ein Mittel f[ür] d[ie] „Synthesis der Recognition im Begriff.“ Er hält sich an den Namen.
Heidegger-Vorlesung
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b) Beobachtung an Aphasikern.B Es ist sehr gewöhn[lich], daß Aphas[iker] Gegenstände des tägl[ichen] Gebrauchs › e r k e n n e n ‹ – in dem Sinne, daß sie mit ihnen umzugehen verstehen – aber die Erkenntnis des Objekts geht auch in einer Gesamtheit von H a n t i e r u n g e n , von M a n i p u l a t i o n e n auf. ›Messer‹, ›Gabel‹ werden richtig b e n u t z t , aber nicht als solche benannt. Wo eine Benennung versucht wird, da erfolgt sie auf einem U m w e g e – das Messer „zum Schneiden“, der Bleistift „zum Schreiben“[.] – Aber daraus folgt nun ein anderes – die Einschmelzung in den jeweiligen Situationszusammenhang – die Situationsgebundenheit der „Objekte“ der Aphasiker – Messer u[nd] Gabel werden z u r S t u n d e d e r M a h l z e i t richtig gebraucht; aber ausserhalb derselben weiss der Kranke mit ihnen nichts anzufangen.36 – Wer über den N a m e n des Messers verfügt, der besitzt an ihm nicht eine blosse Marke, sondern der Name ist ihm ein Moment der F u n k t i o n d e r I d e n t i f i z i e r u n g – er ist das Vehikel für die R e k o g n i t i o n i m B e g r i f f 37[.] – C
Aphasische erleiden durch] Aphasische durch Beobachtung an Aphasikern.] am Rand Vermerk: wertvollstes Material[:] Marie – Moutier[,] Jackson – Head[,] v[an] Woerkom – Grünbaum[,] Goldstein – Gelb35 C B e g r i f f . –] danach mit Bleistift gestrichen: Wir können das am genauesten gerade an der Sphaere der „anschaulichen Begriffe“ verfolgen – Aphasische haben keine ›generellen‹ Farbnamen (Head, Farbennamen-Amnesie)[.]/Allgemeine Leistung der Sprache: Übergang vom p r a g m a t i s c h e n zum s y m b o l i s c h e n Verhalten (Pat[ient] Schaf kein Markierer)[;] er kann nicht auf ein „mögliches“ Objekt wirken. Abstraktion vom ›Zuhandenen‹ hier nicht möglich – die Mücke wird nicht ›erkannt‹ in der fremden Situation (Volkelts Spinne)[.] Die Abstraktion aus der jeweil[igen] Situationsgebundenheit ist hier nicht möglich.38 A B
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Davoser Vorträge
diese fehlt dem Aphasischen. Die Sprache vollzieht den entscheidenden Schritt zur Gegenständlichkeit. Ist das eine bloße Defizienz, wenn durch das Medium der Sprache dieser Schritt geschieht? Die Sprache (Humboldt) ist das „Vehikel“ des Begriffs.
Loslösbar v[on] konkreter Situation. Ist diese Formung als Objekt durch den Namen e[ine] bloße Defizienz? Sprache hier (Humboldt) Vehikel des Begriffs.
Heidegger-Vorlesung
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c) Aber – so fragen wir – ist diese Leistung der Sprache lediglich Abfall, Sündenfall[,] „Defizienz“ – oder ist sie nicht vielmehr der Anfang von allem e c h t g e i s t i g e n Verhalten[?]A Als solchen g e i s t i g e n Grundakt von positiver, schöpferischer Bedeutung hat Humboldt die Sprache gesehen. Humb[oldt] VII, 1, 53[:] [„]Die Sprache ist das bildende Organ des Gedankens. Die intellektuelle Tätigkeit, durchaus geistig, durchaus innerlich u[nd] gewissermassen spurlos vorübergehend, wird durch den Laut in der Rede äusserlich u[nd] wahrnehmbar für die Sinne. Sie u[nd] die Sprache sind daher Eins u[nd] unzertrennlich von einander. Sie ist aber auch in sich an die Notwendigkeit geknüpft, eine Verb[indung] mit dem Sprachlaute einzugehen; d a s D e n k e n k a n n s o n s t n i c h t z u r D e u t l i c h k e i t g e l a n g e n , d i e Vo r s t e l l u n g n i c h t z u m B e g r i f f w e r d e n [ .]“39 Dies ist keineswegs nur eine s o z i a l e Erscheinung – das Soziale gehört nicht zum geistigen We s e n der Sprache, sondern es ist nur ihre notwendige E r s c h e i n u n g s f o r m [ .] ibid. [S.] 55[:] „Ohne daher irgend auf die Mitteilung zwischen Menschen u[nd] Menschen zu sehen, ist das Sprechen eine notwendige Bedingung des Denkens des Einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit[.] In der Erscheinung entwickelt sich jedoch die Sprache nur gesellschaftlich und der Mensch versteht sich selbst nur, indem er die Verstehbarkeit seiner Worte an Anderen versuchend geprüft hat. Denn die Objektivität wird gesteigert, wenn das selbstgebildete Wort aus fremdem Munde widertönt. Der Subjektivität aber wird nichts geraubt, da der Mensch sich immer eins mit dem Menschen fühlt; ja auch sie wird verstärkt, da die in Sprache verwandelte Vorstellung nicht mehr ausschließend Einem Subjekt angehört.“40 Das ist die k r i t i s c h e Stellung zur Sprache, ihre idealistische „Deduktion“, ihr ›quid juris‹ wird aufgewiesen, indem sie als Grundmittel der objektivierenden B e s t i m m u n g erkannt u[nd] anerkannt wird[.]
Verhalten?] danach Pfeil nach unten und Fortsetzungshinweis: zurück zu S. 7!!, d. i. Bl. 15r, mit Bleistift bezeichnet als 7. A
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Davoser Vorträge
Doch der Raum ist unser eigentliches Problem. Kranke finden oft ihren Weg vom Krankenhaus nach Hause, kennen sich auf ihm aus, machen keinen falschen Schritt, doch gelingt es ihnen nicht den gegangenen Weg zu beschreiben oder auf der Karte zu zeigen. Primitive kennen oft jede Stelle eines Flußlaufs, so daß ihnen nie ein Zweifel an dem Wo entsteht, doch sind sie nicht imstande, eine Karte des Flußlaufs zu zeichnen oder zu begreifen. Ähnliches hat Head an seinen Kranken beobachtet. Head kommt zu dem Resultat, daß Aphasie eine Krankheit ist, die nicht nur die Sprache allein, sondern das symbolische Verhalten überhaupt bestimmt.
Besondere Beobachtungen über Raum der Aphasischen (Head). Räuml[iche] Orientierung als solche unbeeinflußt. Wenn aber die Kranken den zurückgelegten Weg beschreiben sollen, versagen sie. Sie kennen sich auf dem Weg aus, aber können keine Skizze geben. Erinnert an Erscheinungen b[ei] Primitiven. Selbst Head nennt die hier fehlende Leistung „symbol[ische] Leistung“. Sagt, daß Aphasie e[ine] Krankheit ist, die [nich]t nur Sprache, sondern symbol[isches] Verhalten überhaupt betrifft.
Heidegger-Vorlesung
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Heads Kranke – kein Zweifel über das ›Wo‹ der einzelnen Dinge – über ihre ›Gegend‹ – können aberA keine S k i z z e anfertigen – Sie f i n d e n einen Weg; aber sie können ihn nicht beschreiben. Vergleich mit den P r i m i t i v e n , die jede Wendung eines Flusslaufs k e n n e n , aber keine K a r t e desselben aufzuzeichnen vermögen.B41
›Gegend‹ – können aber] ›Gegend‹ aber vermögen.] Danach Vorverweis mit Bleistift auf Fortsetzung siehe S. 196, gemeint ist die Fortsetzung des Textes durch das Ms. zum 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen, siehe S. 41 im vorliegenden Bd. sowie Hrsg.-Anm. 43. A B
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Welt des ästhetischen Verhaltens, der Kunst: sie ist ein unentbehrlicher Schritt auf diesem Fortgang. Übergang vom bloß pragmatischen (Aktions-) Raum zum Darstellungsraum. Der Zugang zu einer gegenständlich angeschauten Welt ist nur durch die Pforte der Darstellung zu gewinnen. Darstellung ist nicht eine bloße Wiedergabe, nicht nur Einfangen einer schon draußen vorhandenen Welt; der Darstellung liegt ein ganz originäres „Geben“ zu Grunde. In dem Akt der bildenden Verkörperung gewinnt die Welt für den Menschen erst Gestalt, Umriß, Horizont, Körperlichkeit. Diese Determination ist an Sprache und Kunst gebunden. Die ästhetische Gestaltung schafft mit der sprachlichen Gestaltung erst einen klaren Umriß der Gegenständlichkeit. Besonders, wenn wir die Formen der Raumwelt begreifen. Zusammenhang besonders der bildenden Kunst mit der theoretischen Betrachtung; vgl. besonders „Einheit von Malerei und Philosophie“ bei Lionardo da Vinci. Beide haben eine gemeinsame Funktion. Wissenschaft und Kunst stellen erst den Umriß der Dinge auf. Sie sind Sehensmodi, die nicht getrennt sind, sondern wesentlich zusammengehören.
Nun Welt des Aesthetischen, der Kunst im weitesten Sinne. Unentbehrlicher Schritt, notw[endig] auf diesem eigentüml[ichen] Fortgang. Übergang vom pragm[atischen] zum Anschauungsr[aum], v[om] Akt[ions-] z[um] Darstellungsr[aum] [nich]t mögl[ich] ohne bildendes Gestalten, ohne Darstellung. Darstellung [nich]t bloße Wiedergabe (weder b[ei] Sprache noch Kunst), sondern notw[endig] echtes, originäres Geben. Hier gewinnt Welt erst Gestalt u[nd] Körperlichkeit[,] Grenze u[nd] Umriß. Determination, [nich]t Imitation. Nicht Nachzeichnung der Kontur, sondern Schaffung, Vorzeichnung. Alle Künste sind beteiligt am Aufbau eines spezif[ischen] Raums. Spezif[isch] malerischer, spezif[isch] plastischer, architekton[ischer] Raum. So vor allem bildende Künstler empfunden, bes[onders] von Lionardo, bei dem sich theoret[ische] u[nd] ästhet[ische] Betrachtung nicht sondern[.] „Einheit v[on] Malerei u[nd] Philosophie.“ Malerei u[nd] Wissenschaft stellen Umriß der Dinge auf, lehren sehen, sind S e h e n s m o d i [.] saper vedere.42
Heidegger-Vorlesung
ȕ 2) die K u n s t A cf. Ms. S . 1 9 5 f f . 43
A
K u n s t … S . 1 9 5 f f . ] im Ms. doppelt unterstrichen
41
42
Davoser Vorträge
Letzte Stufe: theoretische Erkenntnis. Gestaltung des Raumes in der theoretischen Erkenntnis. Welt der Mathematik und mathematischen Physik. Losreißen und Übergang in eine neue Welt des Seins, weil wir hier in einer neuen Welt des Sehens stehen. Die theoretische Physik verzichtet mehr und mehr auf alle Darstellung, auf alle Mittel der bloßen Anschauung, und schafft eine neue Gedankenwelt. Es wird ein geistiger Horizont erobert, der mit dem Horizont der Anschauung nicht mehr zusammenfällt. Die Grenzen der Welt liegen nicht mehr in den Grenzen der Darstellung. Neue Dimension: die der reinen Bedeutung. Dieser neue Raum hat nichts mehr mit dem schematischen Raumbegriff zu tun; der Raum wird zu einem rein symbolischen Raum. Wenig fruchtbar hier noch zu fragen, ob dieser Schritt berechtigt ist, ob es nicht Hybris des Menschen ist, wenn so über der Welt des empirischen Raumes ein abstrakter Raum, ein solches Gefüge aufgebaut wird, wo vom Unterschied von Raum- und Zeitcharakteren keine Rede mehr ist. Nicht fruchtbar, weil wir hier nicht zu wählen haben. Würden wir uns diesem Fortgang entziehen, so würden wir das Spezifische des Menschentums verlieren. Doch ist diese ganze Entwicklung, nach Goethe, mit Freiheit, d. h. mit Ironie zu betrachten. Die Philosophie kann nicht die Arbeit der einzelnen Kulturformen bezweifeln, sondern soll jede von ihnen in ihrem relativen Wert und ihrer relativen Notwendigkeit zu verstehen suchen.
L e t z t e Stufe: t h e o r e t [ i s c h e ] E r k e n n t n i s : um wieder einen Punkt herauszugreifen: Gestaltung des Raumes. Welt der Mathem[atik] u[nd] mathemat[ischen] Physik. Hier Übergang in neue Welt des Seins, weil neue Welt des Sinns. Physik verzichtet mehr und mehr auf alle Mittel der Darstellung, Anschauung, schafft s y m b o l [ i s c h e ] G e d a n k e n w e l t . D i e s e Symbole mißversteht man, wenn man v[on] ihnen Anschauungen verlangt. Neue geistige Welt über d[er] Anschauung, neue Dimension: die des Geistigen[.] Raum gibt seinen schematischen Charakter ganz auf. Wenig fruchtbar zu fragen, ob der Schritt berechtigt, ob es ȕȡȚȢ. Kein Unterschied mehr von Raum[-] u[nd] Zeitcharakteren. N[ich]t fruchtbar deshalb, weil wir in der ganzen Entwicklung nicht z[u] wählen haben. Würden wir uns dem entziehen, kehren wir [nich]t zum Menschentum zurück, sondern verlieren es. Zu fordern nur, daß wir, goethisch, die Entwickelung mit Freiheit, d. h. mit Ironie vollziehen, daß wir uns der Bedingtheit bewußt werden.
Heidegger-Vorlesung
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ȕ 3) der Bedeutungsraum – der mathematisch-physikalische Symbolraum als F u n k t i o n s r a u m ! cf. M s . S . 2 3 3 f f . A44
A
M s . S . 2 3 3 f f . ] im Ms. doppelt unterstrichen
44 Montag 25. März 1929, Nachmittag: 515 – 6/ E. Cassirer/ Grundprobleme der philosophischen Anthropologie
Davoser Vorträge
Cassirer, III.
III. 25.III.29
Verfall an eine Welt von Formen, Symbolen, Uneigentlichkeiten, Mittelbarkeiten. So auch Wilhelm v. Humboldts Interpretation der Sprache. Verlassen des unmittelbaren Verhaltens zur Wirklichkeit, Sich-verlieren in künstliche Formen.
Jede Äusserung notw[endig] E n t ä u ß e r u n g . Kreis der Innerlichkeit verschlossen. Statt der eigentl[ichen] Wirkl[ichkeit] der Existenz, jetzt Welt der Formen, Bilder, Symbole, Uneigentlichkeiten. Also Ve r f a l l an diese Mittelbarkeiten. Am deutlichsten in der Sprache. (Humboldt: Mensch lebt mit den Gegenständen so, wie Sprache sie ihm zuführt.)
Heidegger-Vorlesung
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Entscheidender E i n w a n d gegen den Übergang in die Welt der „Formen“[.] Die Welt der Form ist die notwendige, die für den Menschen allein mögliche Weise, in der er sich „äussern“, in der er sowohl sich selber wie anderen ›objektiv‹ werden kann – aber jede solche Äusserung ist eben Ent-Äusserung – ist Herausgehen über die reine Innerlichkeit u[nd] damit Ve r l u s t dieser Innerlichkeit[.] – Statt der unmittelbaren „Wirklichkeit“, statt der eigentlichen Existenz umgibt ihn jetzt nur noch eine Welt von Bildern, von Zeichen, von Symbolen – u[nd] das heisst von lauter Mittelbarkeiten und Uneigentlichem[.] – Der Übergang in die Welt der ›Form‹ ist also der Verfall der Existenz u[nd] der Verfall des Lebens an diese Uneigentlichkeit. – Am deutlichsten an der Sprache: W[ilhelm] v[on] Humboldt[:] „Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand u[nd] den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn u[nd] die innerlich u[nd] äusserlich auf ihn einwirkende Natur. Er umgiebt sich mit einer Welt von Lauten, um die Welt der Gegenstände in sich aufzunehmen u[nd] zu bearbeiten. […] Der Mensch l e b t mit den Gegenständen hauptsächlich, ja sogar ausdrücklich so, wie die Sprache sie ihm zuführt.“ Aber hier setzt nun eben das eigentl[iche] Bedenken ein[.] – Denn wie H[umboldt] gleichf[alls] sagt: indem der Mensch die Sprache aus sich h e r a u s s p i n n t , spinnt er sich zugleich immer tiefer in sie h i n e i n . 45 Er v e r l ä s s t das lebend[ige], das unmittelbare Verh[ältnis] zur Wirklichkeit u[nd] er verliert sich in seinen eigenen Schöpfungen.
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Davoser Vorträge
Auf diesen Einwand zweifache Antwort: In der Welt des Mythos der Sprache usw. ist der Mensch nicht frei im Sinne der Willkür, sondern darin besteht sein Menschsein, daß er notwendig auf diesen Weg geführt wird. Non ridere, non lugere, sed intelligere ist hier allein am Platze (Spinoza); die Philosophie hat dies Faktum zu zeigen und zu verstehen, nicht es zu rechtfertigen.
2fache Antwort auf diesen Einwand: 1.) Mensch in Sprache, Mythos nicht frei im Sinne von Willkür. Diese ȝİIJȕĮıȚȢ nicht nach Belieben tun od[er] unterlassen. Notw[endig] als Mensch auf den Weg geführt. Philosophie kann [nich]ts ändern, nur aufweisen. Spinoza: Non ridere, non lugere, sed intelligere! Wir wollen das Faktum nicht rechtfertigen, sondern v e r s t e h e n . Die Struktur nicht einfach, sondern in sich gespalten und gegensätzl[ich]. Polarität, doppelte Bewegung. Impuls auf d[ie] Wirklichkeit hin und v[on] ihr fort.
Goethe: man weicht der Welt nicht sichrer aus als durch die Kunst und man verknüpft sich mit ihr nicht besser als durch die Kunst. Distanz zwischen Ich und Welt muß immer erst künstlich geschaffen werden. Prozeß der geistigen Distanzsetzung, der freilich zuletzt ein neues Verhältnis der Verknüpfung mit der Welt herstellt.
Goethe der f[ür] Kunst formuliert: „Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch d[ie] K[unst] und verknüpft sich mit ihr [nich]t sichrer als durch d[ie] K[unst].“ Schließlich doch neues Verhältnis der ıȞșİıȚȢ mit der Welt.
Solange es überhaupt eine Sprachphilosophie gibt, hat es auch Sprachkritik gegeben. Wie kann die Sprache die gegenständliche Wirklichkeit bezeichnen, von der sie dauernd durch eine Kluft getrennt ist?
Erläuterung an der Sprache: Solange es Sprachphilosophie gibt, auch Sprachkritik.
Einsicht in die Sp[rache] und Skepsis. Gorgias: es redet der Redende aber nicht Farbe oder Ton.
So Sophistik. (Gorgias).
Heidegger-Vorlesung
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Hierauf ist eine doppelte Antwort zu erteilen: a) der Mensch ist in diesem Erschaffen der geistigen Form nicht f r e i im Sinne der Willkür. Er kann diesen Schritt[,] die ȝİIJȕĮıȚȢ46 zur Form nicht nach Belieben tun oder unterlassen, sondern eben sein We s e n , sein Mensch-Sein ist es, was ihn notwendig auf diesen Weg h i n f ü h r t . Die Philosophie kann an diesem Sachverhalt als solchem nichts ändern, sie kann ihn nur als solchen aufweisen u[nd] als solchen verstehen. Non ridere, non lugere, sed intelligere!47 Es liesse sich dies an allen Arten symbol[ischer] Formung aufweisen. Jeder Form wohnt in ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit eine notwendige P o l a r i t ä t inne. Es ist immer eine d o p p e l t e Bewegung, die sich in ihr auswirkt: ein Impuls auf die Wirklichkeit hin u[nd] ein Impuls von ihr fort – ein ständiges Wechselspiel der Kräfte der Anziehung und Abstossung, der Attraktion u[nd] Repulsion. „Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst u[nd] man verknüpft sich mit ihr nicht sicherer als durch die Kunst.“48 Diese D o p p e l b e s t i m m u n g gilt für jegl[iche] symbol[ische] Formung[.] Sie beginnt stets damit, daß sie sich die Welt gleichsam in die Ferne rückt, daß sie eine künstl[iche] D i s t a n z zwischen dem Ich u[nd] der Welt schafft. Durch diese D i s t a n z erst ergiebt sich die Möglichkeit des „Blickpunkts“, des geist[igen] Horizonts. Die Sprache u[nd] die bildende Kunst, der Mythos, die Religion, die theoret[ische] Erkenntnis – sie alle arbeiten – eine jegliche in i h r e r Weise u[nd] nach eigenem inneren Gesetz – an diesem Prozess der geistigen Distanz-Setzung mit[.] – Ich führe dies hier nur für die Sprache durch[.] –
Į)A die s k e p t i s c h e Gorgias: es redet der Redende, aber nicht Farbe u[nd] Ton[.]49
Į)] Davor nach Textumstellung stehengeblieben: – Aber ihr stehen zwei andere gegenüber A
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Davoser Vorträge
Platon: die Philosophie wird zur Dialektik, die begründet (ist) im įȚĮȜȖİıșĮȚ, die Sprache und Denken in einem erfaßt; aber trotzdem ist der Zweifel an der Sprache nicht beschwichtigt; besonders 7. Brief: Stufenfolge der Erkenntnis, anhebend mit ંȞȠȝĮ und ȜંȖȠȢ, dann İʌȚıIJȝȘ, das höchste Wissen aber ist die Schau der Idee des Guten; dem bleibt die Sprache immer inadäquat.50 Berkeley: wir brauchen nur den Vorhang von Worten hinwegzuziehen, um den Baum der Erkenntnis zu sehen.
Wesentl[ich] anderes Verhältnis zur Sprache bei Plato. Einsames Denken, Gespräch der Seele mit sich selbst. VII. Brief (hebt an mit ંȞȠȝĮ und ȜંȖȠȢ, dann İʌȚıIJȝȘ, konkretes Wissen greift aber darüber hinaus, Ideen sehen, schon der Idee des Guten bleibt die Sprache inadäquat.) Nichtsdesto weniger muß nach Pl[ato] Vernunft als durch Sprache vermittelt gedacht werden. Berkeley (Einleitung z[u] Princip[ien] d[er] menschl[ichen] Erk[enntnis]: Vorhang d[er] Worte wegziehen!)
Heidegger-Vorlesung
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Berkeley[:] „Vergeblich erweitern wir unseren Blick in die himmlischen Räume; vergeblich ziehen wir die Schriften gelehrter Männer zu Rate u[nd] verfolgen die dunklen Spuren des Altertums – wir brauchen nur den Vorhang von Worten wegzuziehen, um klar und rein den Baum der Erkenntnis zu erblicken, dessen Frucht vortrefflich und unserer Hand erreichbar ist.“51 DiesA auch der Kern der M a u t h n e r s c h e n S p r a c h k r i t i k – die Sprache ist das s c h l e c h t - Generelle, das n u r- „Abstrakte“; sie reicht niemals an die Konkretion, an die Fülle der „Wirklichkeit“, die schlechthin individuell ist, heran.52
A
Dies] dies
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Davoser Vorträge
[bei Mörchen und Weiss nicht aufgezeichnet ]
Heidegger-Vorlesung
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ȕ) die „mystische“ – (ohne Wertbezeichnung!) Das Wort verbindet M e n s c h u[nd] M e n s c h ; es ist das eigentlich soziale Band; aber es ertötet eben dadurch die eigentliche, die tiefere Beziehung, – es zerschneidet das unmittelbare Band, das die Seele mit G o t t verbindet[.] – So haben alle grossen Mystiker empfunden – die „unio Dei“ bedarf weder des Wortes noch braucht sie des Bildes – sie entsteht in der A b k e h r von der Welt der Bilder, wie von der der Worte[.] – Die N e g a t i o n der Sprache ist der Anfang der mystischen Erkenntnis[,] das „Nein, Nein“ (Om, Om) der e i n z i g e Ausdruck, der der Sprache für das Göttliche zur Verfügung steht[.] Alles Sprechen ist keineswegs, wie Humboldt will, S t e i g e r u n g der Subjektivität53 – es ist Abfall von dem wahren K e r n des Ich – jede Ä u s s e r u n g ist Ve rä u s s e r l i c h u n g – [„]Spricht die Seele, so spricht ach schon die Seele nicht mehr[.“]54 – In diesem Sinne fasst auch Heidegger als e i n e Grundform der Sprache das „ G e r e d e “ [.] Er versichert zwar, daß dieser Ausdruck bei ihm nicht in einer herabziehenden Bedeutung gebraucht werden solle[.] (S. 167) Aber das Gerede ist ihm doch wesentlich „die Seinsart des e n t w u rz e l t e n Daseinsverständnisses“[.] (169) „Die Rede, die zur wesenhaften Seinsverfassung des Daseins gehört und dessen Erschlossenheit mit ausmacht, hat die Möglichkeit, zum Gerede zu werden und als dieses das In-der-Welt sein nicht so sehr in einem gegliederten Verständnis offenzuhalten, sondern zu verschliessen, und das innerweltlich Seiende zu verdecken.“55 Im G e r e d e enthüllt sich eine Grundart des Seins der Alltäglichkeit, die Heidegger das Ve r f a l l e n d e s D a s e i n s nennt[.]56
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Davoser Vorträge
So auch Goethe (Venezianische Epigramme): Klage, daß er an das Mittel der deutschen Sprache gebunden sei. Aber auch ein anderes Gedicht „Sprache“: „Was reich was arm …“ Gefühl des Sprachschöpfers. Die Sprache ist nur, was der jeweilige Impuls, was der lebende Augenblick aus ihr macht, und nicht, was sie an sich sein mag. Es ist nicht die starre Substanz der Sprache, sondern ihre dynamische Funktion, die über ihren Wert entscheidet. Sie ist nichts Dinghaftes z w i s c h e n den Menschen und der umgebenden Wirklichkeit. Sie ist ein kristallhelles, aber auch kristallhartes Medium. Aber dies Bedenken schwindet, wenn man sieht, daß diese Antinomie nicht der Sprache selbst zur Last fällt sondern in der metaphysischen Beschreibung der Sprache begründet ist. Sie ist nie ȡȖȠȞ, sondern reine ਥȞȡȖİȚĮ: dann gewinnt das Problem eine andere Gestalt. Sie wird zur Formzeugung, die freilich stets auch Formzerstörung sein muß. Nur in dynamischen, nicht in statischen Gleichnissen läßt sich all dies erörtern.57
Zweifel u[nd] Verzweiflung an der Sprache auch b[ei] den Poeten. Goethe in Venez[ianischem] Epigramm („Im schlechtesten Stoff“.[)] Aber b[ei] Goethe auch der Gegenpol „Was reich, was arm, was stark, schwach …“ Gefühl des echten Sprachschöpfers. Sinn und Wert der Sprache hängt [nich]t v[on] ihrem metaph[ysischen] Wesen ab, sondern v[on der] Art ihres Gebrauchs. Sie ist [nich]t selbst dinghaft, substantiell, kein Medium das sich zw[ischen] Mensch u[nd] Welt schiebt. Denn Medium wäre zugleich Bindeglied und Schranke. Kristallhell u[nd] zugleich kristall h a r t . Faßt man sie in ihrem reinen Vollzugschar[akter] (Humboldt: [nich]t ȡȖȠȞ sondern reine ਥȞȡȖİȚĮ)[,] dann wird sie form z e u g e n d e Kraft, freilich zugleich formzerstörend und formzerbrechend. Grammatik [nich]t fester Damm (Voßler) [,] sondern eben diese Kräfte geben auch neue Bewegungsimpulse. Schöpfung des Augenblicks erhält anderseits hier einen Halt. Alle diese Wendungen freilich nur Gleichnis, aber es läßt [sich] nur in dynamischen, [nich]t in statischen Gleichnissen sprechen.
Heidegger-Vorlesung
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Platon – Vossler – dagegen unsere e i g e n e Grundansicht der Sprache S. 75 ff. des Vo r t r a g s [.]A58
A
Vo r t r a g s . ] am Rand Markierung mit waagerechtem Strich
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Davoser Vorträge
[bei Mörchen und Weiss nicht aufgezeichnet ]
Heidegger-Vorlesung
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D a s To d e s p r o b l e m A Zeit u[nd] „Zeitigung“ nach Heidegger[.] Heideggers gesamte Erörterung auf das Todesproblem zentriert[.] – Die Analyt[ik] der Existenz findet hier ihren Mittelpunkt – denn im Sinn u[nd] Wesen der m e n s c h l [ i c h e n ] Existenz liegt es, daß diese Existenz ein Ende haben muss[.] – Daß der Mensch s t i r b t : dies ist also nicht ein Schicksal, das ihn von aussen trifft, sondern es liegt zutiefst in seiner Wesenheit gegründet. – Und so ist es das Phaenomen des Todes, das das Dasein des Menschen dauernd ü b e r s c h a t t e t – aber dieser Schatten entstammt doch derselben Quelle, aus der sein Dasein erst Sinn u[nd] erst L i c h t erhält[.] – Der Tod ist ein immanentes Moment des existierenden Daseins – dieses ist „Sein zum Tode[“.]59 Die in den Tod vorlaufende Entschlossenheit ist der Modus eigentlicher Existenz[.] „Die e x i s t e n z i a l e Interpretation des Todes liegt vor aller Biologie u[nd] Ontologie des Lebens“[.] (247) „Den Fragen einer Biologie, Psychologie, Theodizee u[nd] Theologie des Todes ist die existenziale Analyse methodisch vorgeordnet“[.] (248)60 „Die eigenste, unbezügliche und unüberholbare Möglichkeit beschafft sich aber das Dasein nicht nachträglich u[nd] gelegentlich im Verlaufe seines Seins. Sondern wenn Dasein existiert, ist es auch schon in diese Möglichkeit g e w o r f e n . Daß es seinem Tod überantwortet ist, und dieser somit zum In-der-Welt sein gehört, davon hat das Dasein zunächst u[nd] zumeist kein ausdrückliches oder gar theoretisches Wissen[.] Die Geworfenheit in den Tod enthüllt sich ihm ursprünglicher u[nd] eindringlicher in der Befindlichkeit der Angst“. (251)61 Und hier gibt es keine Ve r t r e t b a r k e i t des einen Daseins durch das andere – hier steht jeder auf sich selbst u[nd] n u r auf sich selbst. „Selbst wenn es möglich u[nd] angängig wäre, das Sterben der Anderen im Dabeisein sich ›psychologisch‹ zu verdeutlichen, die damit gemeinte Weise zu sein, als Zu-Ende-kommen nämlich wäre keineswegs erfasst. Die Frage steht nach dem ontologischen Sinn des Sterbens des Sterbenden als einer Seinsmöglichkeit seines Seins und nicht nach der Weise des Mitdaseins u[nd] Nochdaseins des Verstorbenen mit den Gebliebenen.“ (239)62 Hier klingen bei Heidegger ganz tiefe religiöse insbesondere p r o t e s t a n t i s c h e Motive an[,] cf. LutherB, Acht Sermone gepredigt in Wittenberg in den Fasten 1523[:] „Wir sind alle zum Tode gefordert und
D a s To d e s p r o b l e m ] Diese Variante des Themas wurde offensichtlich nicht vorgetragen (vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen und Weiss). Eine nahezu gleichlautende Auseinandersetzung mit dem Todesproblem findet sich auch in Box 31, folder 602, Bl. 5v, 6v, 5v, 6r, 7r, abgedruckt in ECN 1, S. 222 – 224. B cf. Luther] Am Rand wiederholtes Einfügungszeichen, das das Ziel der Verweisung von Bl. 23v markiert, siehe S. 65 im vorliegenden Bd. A
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Davoser Vorträge
[bei Mörchen und Weiss nicht aufgezeichnet ]
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wird keiner für den anderen sterben, sondern ein jeglicher in eigener Person muss geharnischt u[nd] gerüstet sein für sich selbst mit dem Teufel u[nd] Tode zu kämpfen. In die Ohren können wir wohl einer dem anderen schreien, ihn trösten u[nd] vermahnen zu Geduld, zum Streit u[nd] Kampf; aber für ihn können wir nicht kämpfen noch streiten, es muss ein jeglicher allda auf seine Schanze selbst sehen und sich mit den Feinden, mit dem Teufel und Tode selbst einlegen u[nd] allein mit ihnen im Kampf liegen. Ich werde dann nicht bei Dir sein noch Du bei mir.“ (Luther, acht Sermone, erste Predigt[.])63 Und dasselbe M o t i v klingt uns immer wieder entgegen, wo der religiöse I n d i v i d u a l i s m u s sich gegen die „objektive“ Form der Religion erhebt. So auch im Katholizismus – Pascal[:] „Nous sommes plaisant de nous reposer dans la société de nos semblables[.] Misérables comme nous, impuissants comme nous, ils ne nous aideront pas; on mourra seul; il faut donc faire comme si on était seul …“ ([Blaise Pascal: Pensées, Publiées … par Ernst] Havet[, 5. éd. Bd.] I,[ 1897, S.] 197[.]) Auch hier wird das ›Man‹ verworfen – dem Tode gegenüber giebt es keine G e m e i n s c h a f t u[nd] keine A l l g e m e i n h e i t – hier ist das individuelle Selbst auf sich a l l e i n zurückgeworfen – und hier verschwindet auch die Illusion einer absoluten „Wahrheit“; einer an sich seienden u[nd] an sich gültigen t h e o r e t i s c h e n O b j e k t i v i t ä t [ .] – Heidegger hat diesen Schluß entschlossen gezogen. 226[: „]Wahrheit ›gibt es‹ nur, sofern und solange D a s e i n ist … Die Gesetze Newtons, der Satz vom Widerspruch, jede Wahrheit überhaupt sind nur solange wahr, als Dasein ist. Alle Wahrheit ist gemäss dieser wesenhaften daseinsmässigen Seinsart relativ auf das Sein des Daseins[.“]64 314[,] 212[: „]Die Substanz des Menschen ist die Existenz[.“]65 227[: „]Daß es ›ewige Wahrheiten‹ gibt, wird erst dann zureichend bewiesen sein, wenn der Nachweis gelungen ist, daß in alle Ewigkeit Dasein war u[nd] sein wird. Solange dieser Beweis aussteht, bleibt der Satz eine phantastische Behauptung“66 [–] hier hilft auch nicht der Rekurs auf ein „ideales Subjekt“. (229) Denn dieses ist eben nach Heidegger ein phantastisch-idealisiertes Subjekt[.] „Wird mit dem Begriff eines solchen Subjekts nicht gerade das Apriori des nur „tatsächlichen“ Subjekts, des Daseins, verfehlt? Gehört zum Apriori des faktischen Subjekts, d. h. zur Faktizität des Daseins nicht die Bestimmtheit, daß es gleichursprünglich in der Wahrheit u[nd] Unwahrheit ist[?“]67 Für ein e n d l i c h e s Wesen kann es daher keine „ewigen Wahrheiten“ geben.
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[bei Mörchen und Weiss nicht aufgezeichnet ]
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Demgegenüber kehren wir wieder zu Pascal zurück – er steht an einer merkwürdigen Grenzscheide zwischen religiös[em] Individualismus u[nd] Rationalismus – zwischen Religion u[nd] Mathematik[,] zwischen Port Royal u[nd] Descartes. Und so klingt bei ihm auch das a n d e r e Motiv stark u[nd] klar durch: ›L’homme n’est qu’un roseau le plus faible de la nature, mais c’est un roseau pensant. Il ne faut pas, que l’univers entier s’arme pour l’écraser. Une vapeur, une goutte d’eau suffit pour le tuer. Mais quand l’univers l’écraserait l’homme serait encore plus noble que ce qui le tue, parce’ qu’il sait qu’il meurt, et l’avantage que l’univers a sur lui. L’univers n’en sait rien. Toute notre dignité consiste donc en la pensée. C’est de là qu’il faut nous relever, et nous ne saurions remplir. Travaillons donc à bien penser: voilà le principe de la morale.‹A68 Der Mensch u n t e r l i e g t nicht lediglich dem Tode, noch e r l e i d e t er ihn schlechthin[;] er beweist auch ihm gegenüber die Grundfähigkeit, die ihn über das Tier hinaushebt; die Fähigkeit der D i s t a n z i e r u n g ; er d e n k t den Begriff der „Natur“ u[nd] in ihm die Notwendigkeit des Entstehens u[nd] Vergehens des Individuellen – er gibt dem Phaenomen des Todes seine „Stelle“ im Sein. U[nd] damit erst wird das Leben selber über den blossen Bereich der „Sorge“ und über die Befindlichkeit der Angst e r h o b e n [ .] Schiller[:] Mit dem Geschick in hoher Einigkeit.69 Das mag „heidnisch“ sein – aber es ist e c h t philosophisch!
morale.‹] Danach ein Bl. mit Bleistift gestrichen: Dem M e n s c h e n also enthüllt sich der Tod nicht nur in der „Grundbefindlichkeit der Angst“; er w e i s s vom Tode. D. h. der Tod wird ihm zur N o t w e n d i g k e i t [ .]/stoische ਕIJĮȡĮȟĮ [Leidenschaftslosigkeit als Erlösung von der Angst, vgl. Epicuri ad Herodotum. Epistula prima. In: Epicurea, 1887, bes. Abschnitt 81 f., S. 31 f.] –/Platon: Philosophieren ist sterben lernen [vgl. Hrsg.-Anm. 75]./In diesem W i s s e n der sterblichen Existenz von sich gelangt sie zu der ihr eigenen U n s t e r b l i c h k e i t [ .] Platon zieht den entgegengesetzten Schluss, weil es Ideen, weil es ewige Wahrheiten gibt, darum kann die S e e l e , die diese Wahrh[eiten] e r k e n n t , nicht schlechthin sterben – denn Erkenntnis ist ȝșİȟȚȢ[vgl. Hrsg.-Anm. 76]. –/ Nicht anders Spinoza sub specie aeterni [vgl. z. B. Spinoza: Ethica V, Lehrsatz 30. In: Opera Bd. 1, S. 264] – hier tritt der Mensch aus der A n g s t um die eigene Sterblichkeit heraus – Homo liber de nihilo minus quam de morte cogitat [vgl. Hrsg.-Anm. 78]. Im Wissen wird die blasse Ta t s ä c h l i c h k e i t des Todes überwunden: das Fatum wird Notwendigkeit – u[nd] daraus quillt der ›amor fati‹ als amor Dei intellectualis [vgl. Spinoza: Ethica V, Lehrsatz 33 sowie ders.: Ethica V, Lehrsatz 19. In: Opera Bd. 1, S. 257]. A
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To d e s p r o b l e m . Gehört zu den Urphänomenen, die der Mensch nach Goethe nicht erklären soll. Trotzdem soll darüber einiges gesagt werden.
Stellung entwickeln, die durch Heideggers Anthropologie dem Todesproblem gegeben ist. Ich kann das nur mit Scheu. Tod Urphän[omen], von denen Goethe gesagt, Mensch soll sie nicht erforschen, einfach stehen lassen.
Für den philosophischen Positivismus galt das Todesproblem für unwissenschaftlich, wenn nicht biologisch gestellt. Besonders Simmel hat diesen Bann gebrochen,71 und Heidegger hat das Problem in seiner ganzen Einfalt und Schlichtheit und Ursprünglichkeit hingestellt.
Gefahr des „ d i s - cutere“, zerschlagen. Trotzdem tue ich es aus Gefühl der Verpflichtung. Man kann Heideggers Schrift nicht gerecht werden, wenn man am Todesprobl[em] vorbeigeht. Philosoph[ischer] Positivismus fand dieses Probl[em] unwissenschaftl[ich]. Der Bann gebrochen, vor allem dank Simmel. Heidegger behandelt wieder dies Problem in Wahrheit, Ernst, Einfalt, Ursprünglichkeit, Schlichtheit, Tiefe. Schon dies allein begründet Verdienst des Buches.
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Ich wende mich nun dem letzten großen Problem zu, das im Lauf dieser Betracht[ungen] noch behandelt werden sollte: dem Todesproblem. Aber ich will Ihnen sogleich[,] m[eine] D[amen] u[nd] H[erren] gestehen, daß ich an dieses Problem nur mit Zögern u[nd] mit einer gewissen Befangenheit, mit einer inneren Scheu herantrete. Denn wenn irgend ein Phaenomen, so gehört das Phänomen des Todes zu jenen U r p h a e n o m e n e n , von denen Goethe sagt, daß der Mensch darauf verzichten solle, sie weiter „erklären“ zu wollen, sondern daß er sie in ihrer unerforschlichen Grösse stehen lassen solle.70 Jede D i s k u s s i o n des Problems birgt daher hier, mehr als anderswo, dieA Gefahr des dis-cutere im eigentlichen Wortsinne – dieB Gefahr des Z e r s c h l a g e n s eines Phaenomens, das, wenn es überhaupt gesehen werden soll, in seiner E i n h e i t und G a n z h e i t , in seiner erhabenen Schlichtheit gesehen werden muss. Wenn ich mich trotz dieser inneren Bedenken, die ich zu überwinden habe, u[nd] trotz der Kürze der Zeit, die jede irgend erschöpfende Darlegung verbietet, dem Problem noch kurz zuwende, so geschieht es aus dem Gefühl der Ve r p f l i c h t u n g heraus. Denn niemand kann, wie ich glaube, der modernen philos[ophischen] Anthropologie, kann insbesondere Heideggers Buch gerecht werden, der an diesem Punkt, an seiner Behandl[ung] des Todesproblems, vorbeigeht. Es gab eine Zeit – u[nd] sie liegt noch gar nicht lange hinter uns – in der die Philosophie dieses ihr eigenstes originäres Problem fast ganz aus den Augen verloren hatte.
A B
die] der nach Streichung stehengeblieben die] der nach Streichung stehengeblieben
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Der Gegensatz zu Heidegger liegt für uns weniger im Inhalt als in der Richtung der Betrachtung. Historische Orientierung wählen wir als Weg der Untersuchung. Zwei Grundorientierungen: 1) christlich-religiös, 2) heidnisch-antik. Auch in der Antike ist das Problem nicht rein philosophisch; vgl. Mysterien; und die christliche Todesauffassung ist auch nicht völlig abtrennbar von der klassischen Philosophie. Trotzdem Grundgegensatz durch die Geschichte zu verfolgen.
Trotzdem gewisser Gegensatz zw[ischen] uns, [nich]t i[m] Inhalt der Betrachtung, aber in Richtung, die sie nimmt. Kann das hier [nich]t systemat[isch] ausschöpfen. Darum Mittelweg: h i s t o r [ i s c h e ] Orientierung des Probl[em]s. 2 durchgehende große Orientierungen: 1.) christl[ich-]religiös 2.) antik-heidnisch, eigentl[ich] philosoph[isch] Natürlich diese Einteilung nicht erschöpfend. (Antikes Todesbewußtsein darf [nich] t allein philos[ophisch] betrachtet werden. Mysterien, Erlösungsreligionen führen auf anderen Ursprung. Andererseits christl[iche] Todeslehre [nich]t v[on] Antike zu trennen.)
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Trotzdem bleibt auch an diesem Punkte zwischen seiner u[nd] meiner Grundauffassung ein gewisser Gegensatz zurück – ein Gegens[atz,] der jedoch vielleicht weniger den I n h a l t der Betrachtung als die R i c h t u n g der Betrachtung angeht. Ich kann jedoch hier nicht entfernt mehr daran denken, diesen Gegensatz s y s t e m a t i s c h auszuschöpfen oder ihn auch nur systemat[isch] zu b e z e i c h n e n . Erlauben Sie mir daher[,] m[eine] D[amen] u[nd] H[erren], daß ich einen anderen Weg gehe, der mich m i t t e l b a r zu dem Punkte des Gegensatzes hinführen soll. Ich wähle den Weg der h i s t o r i s c h e n O r i e n t i e r u n g . In z w i e f a c h e r Form hat sich das Probl[em] des Todes der e u r o p ä i s c h e n Menschheit gestellt. Zwei grosse O r i e n t i e r u n g e n lassen sich hier unterscheiden, die ich kurz als die christlich-religiöse u[nd] als die antik-heidnische, die eigentlich „philosophische“ Orientierung bezeichnen will. NatürlichA ist dieser Gegensatz kein vollständiger u[nd] kein ausschliessender: Denn auf der einen Seite: wollen wir das a n t i k e Todesbewusstsein charakterisieren, so dürfen wir nicht bei seinem lediglich p h i l o s o p h i s c h e n Ausdruck; bei dem Ausdruck, den es in den großen Systemen der klass[ischen] griech[ischen] Philosophie, bei Platon, bei Aristoteles, im Stoizismus gefunden hat, stehen bleiben.B Auch die Antike besitzt in ihren Mysterien, in ihren Erlösungsreligionen Quellen, die auf einen ganz andern Ursprung, als den des reinen Logos, des philosophischen Denkens u[nd] der philosoph[ischen] ›Theorie‹ zurückweisen. Und auf der anderen Seite sind in die christliche Lehre vom Tode, wie sie von Augustin an sich aufbaut u[nd] ausbaut, fort u[nd] fort die Ströme des griech[ischen] theoret[ischen] Denkens eingeströmt. Ohne die dauernde Mitwirkung u[nd] Einwirkung des Platonismus u[nd] des Stoizismus hätte auch die christliche Todeslehre sich nicht bilden, sich nicht philosophisch a u s s p r e c h e n können.C Der Gegensatz der geistigen M o t i v e als solcher aber bleibt trotz dieses ihres ständigen g e s c h i c h t l i c h e n In-Einander-Greifens u[nd] In-Einander-Übergreifens unverkennbar.
Natürlich] davor öffnende Klammer; die schließende Klammer fehlt bleiben.] bleibt. C a u s s p r e c h e n können.] a u s s p r e c h e n zu können.
A B
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Christliche Grundauffassung in einer Predigt Luthers, 1523: acht Sermone dieses Jahres beginnen mit Predigt über den Tod. „Wir sind alle zum Tode gefordert und wird keiner für den Anderen sterben, sondern ein jeder für sich selbst muß gerüstet sein, mit dem Teufel und Tod zu kämpfen …“ Das endliche Dasein ganz auf sich selbst gestellt; erst dadurch wird es seiner Endlichkeit ganz überführt. Lösung aus allen sozialen Verflechtungen usw. Der Tod wirft das Individuum auf sich selbst zurück und zeigt ihm darin seine eigentliche Wahrheit und Wesenheit; Lösung aus der Welt des Man und der Alltäglichkeit.
Kurz skizzieren: 1.) christl[ich-]relig[iös]: Schlagend in Predigt Luthers 1523 in Wittenberg. (8 Sermone beginnen mit Predigt über den Tod). „Wir sind alle z[um] Tode gefordert, wird keiner f[ür] d[en] andern sterben, jeg[licher] in eigen[er] Person …“ Endliches Dasein ganz auf sich gestellt, reine Endlichkeit erst überführt. Aus allen Scheinverbindungen gelöst. Tod wirft Indiv[iduum] i[m] eigentl[ichen] Sinne auf sich selbst zurück. Löst es „aus d[er] Welt des Man u[nd] der Alltäglichkeit.“
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Beginnen wir mit dem zweiten, dem spezif[isch] christl[ich]-relig[iösen] MotivA, so stellt es sich uns vielleicht am reinsten, am klarsten u[nd] prägnantesten bei Luther darB[,] vgl. Luther, Acht Sermone gepredigt in Wittenberg in den Fasten 1523[:] „Wir sind alle zum Tode gefordert und wird keiner für den anderen sterben, sondern ein jeglicher in eigener Person muss geharnischt u[nd] gerüstet sein für sich selbst mit dem Teufel u[nd] Tode zu kämpfen. In die Ohren können wir wohl einer dem anderen schreien, ihn trösten u[nd] vermahnen zu Geduld, zum Streit u[nd] Kampf; aber für ihn können wir nicht kämpfen noch streiten, es muss ein jeglicher allda auf seine Schanze selbst sehen und sich mit den Feinden, mit dem Teufel und Tode selbst einlegen u[nd] allein mit ihnen im Kampf liegen. Ich werde dann nicht bei Dir sein noch Du bei mir.“ (Luther, acht Sermone, erste Predigt)72 Das also ist der Sinn des Todes bei Luther, daß er das endliche Dasein ganz auf sich selbst stellt u[nd] daß er es damit seiner Endlichkeit erst eigentlich ü b e r f ü h r t . Er löst es aus all den Schein-Verbindungen, an denen es seinen Halt sucht; aus den physischen Verbindungen wie aus den sozialen Verpflichtungen. „Ich werde dann nicht bei Dir sein, noch Du bei mir“[.] Der Tod wirft das Individuum auf sich selbst zurück – er löst es, um es in Heideggers Sprache auszudrücken, aus der Welt des Man und der Alltäglichkeit[.]73 –
Motiv] Motivs dar] danach Einfügungszeichen, das sich auf das Luther-Zitat in der ersten Fassung des Abschnitts über das Todesproblem bezieht, vgl. S. 55 im vorliegenden Bd., philologisch-editorische Anm. B. A B
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Antik-klassische Auffassung: Platon, Phaidon. Gerade die christliche Entwicklung hat sich oft auf ihn berufen; ebenso auch der Rationalismus.
2.) antik-klass[isch:] Tiefster, herrlichster Ausdruck im Platon[ischen] Phaidon. Freilich beruft sich gerade auf ihn die relig[iös] christl[iche] Entwicklung. Auch Rationalism[us] d[es] 18. Jahrhunderts (Moses Mendelssohn) sieht Phaid[on] in diesem Licht.
Trotzdem liegt hier (im Unsterblichkeitsbeweis) nicht das Zentrum der Platonschen Schrift. Selbst wenn diese Beweise brüchig sind (dies gilt seit Kant), so liegt das Wesentliche doch in der Gestalt des sterbenden Sokrates, der sterben kann und sterben darf; Reifwerden zum Tode, nicht erlangt durch Religion, sondern durch die Kraft der reinen Philosophie. Philosophie definiert mit Bezug auf dies Zentrum: Philosophieren heißt Sterbenlernen. Der Mensch, der in den Ideen lebt, braucht den Tod nicht zu fürchten. Freiwerden vom Tode im Denken des Todes.
Doch liegt hier [ n i c h ] t sein eigentliches Zentrum (in der Unsterblichkeit). Seit Kant alle Unsterblichkeitsbeweise brüchig. Rührt [nich]t an tiefen Gehalt, der konstituiert durch die Gestalt des sterbenden Sokr[ates]. Reifwerden z[um] Tode, [nich]t durch religiöse Kraft, sondern durch Kraft des reinen Gedankens, der reinen Philos[ophie]. Philosophieren einzig auf das Zentrum bezogen, Philosophieren = sterben lernen. In der ȝșİȟȚȢ der Idee geht uns Gewißheit der Grenzen auf, brauchen Tod [nich]t z[u] fürchten. Im Denken an Tod v o m Tode f r e i werden.
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Dem stellen wir nun die antike, die klassisch-philosophische Auffassung gegenüber. Sie stellt sich am reinsten u[nd] am klarsten in Platons Phaidon dar. Der Platon[ische] Phaidon hat auch innerhalb des Christentums Jahrhunderte durch als eigentlicher Kronzeuge für die christl[iche] Grundanschauung vom Tode gegolten. Das erschien hier als das eigentliche Wunder, daß Platon rein vermöge der Kräfte derA natürl[ichen] Vernunft den Tod überwunden, daß er ohne die HilfeB der christl[ichen] Offenbarung, den wesentlichen I n h a l t dieser Offenbarung, die Lehre von der Unsterblichkeit, erfasst habe. Und nicht nur das C h r i s t e n t u m , sondern auch der Rationalismus, auch die Aufklärungsphilos[ophie] des 18t. Jahrh[underts] sah das Verh[ältnis] noch in diesem Licht. Auch Moses Mendelssohns Phaedon sieht das Grosse u[nd] Erstaunliche des Werkes darin, daß es die Unsterblichkeit, die dem Gläubigen auf dem Weg der Offenbarung zu Teil wird, aus reinen B e g r i f f e n u[nd] durch bündige Ve r n u n f t s c h l ü s s e erweise.74
Und doch liegt das eigentliche Zentrum des Platon[ischen] Phaidon an einer anderen Stelle. Wenn auch alle dogmat[isch-]metaphysischen Unsterblichkeitsbeweise, die Platon giebt, brüchig wären u[nd] vor der strengen Logik verschwinden müssten – wie sie mit Kant in der Tat verschwinden müssen – so würde doch dies nichts an dem e i g e n t l [ i c h e n ] Gehalt des Werkes ändern. Denn dieser wird nicht durch die einzelnen dogmat[isch]-metaphys[ischen] Unsterblichkeitsbeweise konstituiert, sondern durch die Gestalt des sterbenden Sokrates. Sokrates ist der Weise, der sterben kann u[nd] sterben darf, weil er, lange bevor ihn der Tod als äusserliches Schicksal trifft, zum Tode r e i f geworden ist. Und dieses „reif werden zum Tode“ kraft des reinen Gedankens ist nach Platon der eigentl[iche] Sinn a l l e r Philosophie. Philosophie ist s t e r b e n l e rn e n 75 – es heisst sich der Urtatsache des Todes in G e d a n k e n gegenüberstellen u[nd] ihr in Gedanken g e w a c h s e n zu werden[.] Der Mensch, der in der I d e e lebt, braucht den Tod nicht zu fürchten – denn in der Teilhabe an der Idee, in der ȝșİȟȚȢ an ihr,76 geht ihm die Gewissheit eines E w i g e n auf, das alles Dasein, in seiner notwendigen Endlichkeit, überstrahlt u[nd] überdauert. So wird der Weise der Philosoph, der Mensch, der den Tod denkt eben damit vom Tod e f r e i.
A B
der] des daß er ohne die Hilfe] daß er auf ohne die Hülfe
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Vgl. besonders Spinoza. Affektenlehre, wurzelnd im Stoizismus, wie Dilthey zeigte; aber noch wichtiger ist Spinozas Kritik, Erkenntniskritik, der Zeit und der Zeitlichkeit überhaupt. Tractatus de emendatione intellectus: drei Stufen der Erkenntnis: 1) imaginatio, 2) ratio, 3) intuitio; nur der letzteren wohnt eigentlich philosophische Erkenntnis inne. Nur sie erfaßt das Ganze der Wirklichkeit sub specie aeterni. Die imaginatio hat daran nicht teil; sie stellt alles unter die Form der Zeit. Die eigentliche Freiheit, die von der Todesfurcht, wird gegeben nur durch die intuitive Erkenntnis. Das Denken des Todes ist immer noch Denken von der Endlichkeit; diese soll die Intuition verlassen und in die Ewigkeit aufsteigen.
Wieder im deutschen ästhetischen Humanismus des 18. Jahrhunderts, besonders Schiller, „Die Künstler“. Hier nicht mehr Kritik des philosophischen Denkens, sondern ästhetische Grundkraft des Menschen. Der Mensch wird innerlich vom Tode frei. Ich frage nicht mehr, wie die Philosophie sich zwischen diesen beiden Polen entscheiden soll. Eine objektive Entscheidung vielleicht nicht möglich. Nur dies zu fordern, daß wir b e i d e Pole sehen.
Wirkt weiter in Neuzeit. In Verbindung mit stoischen Elementen bei Spinoza. Die Verbindung best[immt] Spinozas ganze metaph[ysische] Denkart. Anfang im Stoizismus hat vollendet Dilthey gezeigt. Hier handelt es sich um anderes. Sp[inoza] geht es um die „Erkenntniskritik“ d[er] Zeit u[nd] Zeitlichkeit. Tractatus des intellectus emendatione. 3 Stufen: Imaginatio, ratio, intutio. Der 3. wohnt allein Kraft der philos[ophischen] Erk[enntnis] inne. (Sub specie aeterni). Imaginatio kann an solcher Orientierung nicht teilhaben, stellt alles unter ihre charakt[eristische] Form: Zeitlichkeit. Wer die 3. Stufe hat, wird frei von der Form des endl[ichen] Daseins das sich im Tode ausdrückt. Überwindet jegl[ichen] Affekt, bes[onders] Todesfurcht; eigentl[iche] Freiheit. „Homo liber de nulla re minus quam de morte cogitat.“ Grundanschauung des deutschen aesth[etischen] Humanismus des 18. Jahrhunderts ebenso. Schiller: „Die Künstler.“
Wage [nich]t z[u] fragen, wie sich Philos[ophie] zw[ischen] beiden Todesbetrachtungen entscheiden soll. Zu fordern nur dies, daß wir beide Pole s e h e n . G e r a d e diese Ergänzung vermag das eigentl[iche] Probl[em] des Todes aufzuhellen.
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Ich verfolge hier nicht die unendl[ich]-vielfält[igen] A u s w i r k u n g e n , die diese Platon[ische] Auffassung u[nd] weiterhin die stoische Auffassung in der Geschichte des Geiste gehabt hat. Spinoza (Dilthey!) scientia intuitiva77 – Homo liber78 [–]
Nur e i n markantes Beispiel – Schiller – aesthet[ischer] Humanismus; nicht mehr die Kraft der Vernunft, des Denkens, der Ideenschau ist es die den Menschen über den Tod erhebt, sondern die a e s t h e t [ i s c h e ] Anschauung des Kosmos wandelt in Notwendigkeit, was zuvor als blosses Schicksal, als unbegreifl[icher] Zufall erschien[.]79 –
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B e i d e Momente vereinigt bei Pascal. Nicht nur aus der Sphäre des religiösen Erlebens kam er zum Problem des Todes, sondern er rückte zugleich doch alles auch unter den Gesichtspunkt der Philosophie, Logik, Mathematik. Er ist Cartesianer. „Der Tod trifft den Menschen allein …“ Doch daneben: „Der Mensch ist der Schwächste der Natur, aber ein denkendes Wesen. Nicht das ganze Universum braucht sich zu waffnen, ihn zu stürzen; ein Hauch kann ihn töten. Trotzdem ist der Mensch edler als das Universum, weil er weiß, daß er stirbt. Alle unsere Überlegenheit besteht im Gedanken, nicht im Raum, nicht in der Dauer, die wir nicht erfüllen können.“ Heideggers Grundauffassung vom Tode. Befindlichkeit der Angst als Zentralpunkt des Daseins.
Das z[u] erläutern an einem, der beide Momente erfahren u[nd] verschmolzen hat: Pascal. „Il faut donc faire, comme si on était seul.“ Einer der tiefsten Grundgedanken, der sich in „Pensées“ wiederholt. Daneben: „L’homme n’est qu’un roseau. Toute notre dignité existe en la pensée.[“] An ihn halten, nicht an Raum u[nd] Dauer. Arbeiten wir daran, richtig z[u] denken, das ist das Princip der Moral.
Nicht zu bestreiten. Doch nur als Ausgangspunkt annehmbar, nicht Endpunkt. Das eigentlich philosophische Problem liegt nicht in der Angst als solcher, sondern in der Fähigkeit des Menschen, von dieser Angst frei zu werden, sei es durch Theorie, Kunst oder Religion.
Nur best[immter] Ausgangspunkt, [nich]t letzter rein philos[ophischer] Endpunkt. Das eigentl[iche] Probl[em] [nich]t in der Angst als solcher, sondern in der Fähigkeit, v[on] der Angst loszukommen, sei es durch șİȦȡੂĮ, Kunst od[er] Religion. –
Zum Schluß z[u] Heideggers Todesprobl[em] zurückkehren:
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Pascal[:] Jansenismus als Phase der Ve r i n n e r l i c h u n g etc.A „Nous sommes plaisants de nous reposer dans la societé des nos semblables. Misérables comme nous, impuissants comme nous, ils ne nous aideront pas; on mourra seul, il faut donc f a i r e , comme si on était seul[.“]80B WiederumC Zurückgeworfen-SeinD des Individ[uums] auf sich selbst, äusserste I s o l i e r u n g – Aber dem steht Pascal, der Logiker[,] der Mathematiker, der Cartesianer gegenüber.
Wir kehren nunmehr zu Heidegger zurück[.] „Die eigenste unbezügliche und unüberholbare Möglichkeit beschafft sich das Dasein nicht nachträglich u[nd] gelegentlich im Verlaufe seines Seins. Sondern wenn Dasein existiert, ist es auch schon in diese Möglichkeit g e w o r f e n . Daß es seinem Tod überantwortet ist, und dieser somit zum ›In der Welt Sein‹ gehört, davon hat das Dasein zunächst u[nd] zumeist kein ausdrückliches oder gar theoretisches Wissen. Die Geworfenheit in den Tod enthüllt sich ihm ursprünglicher u[nd] eindringlicher in der Befindlichkeit der Angst.“81 Heidegger hat gezeigt, wie diese Befindl[ichkeit] der Angst zum Z e n t r a l p u n k t des Daseins wird. Aber wieder ist damitE nur der Ausgangspunkt, der terminus a quo, nicht der terminus ad quem bezeichnet. Nicht die Angst vor dem Tode als solche, sondern die Überwindung dieser Angst – mag diese wie bei Platon als gedankliche, mag sie wie bei Schiller als aesthetische, mag sie schließl[ich] als r e l i g i ö s e Überwind[ung] gedacht werden ist es, was für das Dasein des Menschen charakteristisch ist.
etc.] danach mit Bleistift über das Zitat geschrieben: Gestatten – französ[isch] seul.“] danach mit Bleistift hinzugefügt: – Man wird all[ein] st[erben.] C Wiederum] wiederum D Zurückgeworfen-Sein] Zurückgeworfen sein E Aber wieder ist damit] Aber wieder damit
A B
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Der Mensch ist nach Heidegger das spezifisch endliche Wesen. Aber Frage: ist der Mensch nicht zugleich d a s endliche Wesen, das seine Endlichkeit weiß und darin irgendwie über seine Endlichkeit hinaus ist? Das Wissen von der Endlichkeit ist selbst nichts Endliches mehr, sondern enthält die Potenzialität zur Unendlichkeit in sich.
Der Mensch (siehe Kant-Vorträge82) ist das spez[ifisch] e n d l [ i c h e ] Wesen. Ich leugne den Ausgangspunkt nicht, aber Gegenthese (die ich hier [nich]t begründen kann): er ist das endl[iche] Wesen, das seine Endlichkeit weiß, dadurch darüber hinaus[.] Das Wissen um sie ist ab[er] [nich]ts endliches mehr, Potenzialität zum Unendlichen hin.
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Der Mensch ist das endliche Wesen, das seine Endlichkeit w e i s s – u[nd] das in diesem Wissen seine Endl[ichkeit] überwindet, u[nd] seiner Unendl[ichkeit] gewiss wird.
3facher Dank – meinen Dank an Sie m[eine] D[amen] u[nd] H[erren] für die Geduld u[nd] für das Interesse, mit dem Sie diesen Darlegungen gefolgt sind – meinen Dank an Heidegger für die Bereicherung, die ich aus der sachl[ichen] Auseinanders[etzung] mit seinem Buche83 gewonnen – und last not least meinen herzl[ichen] Dank an die Herren des Komitees der Davoser Hochschulkurse84, die mir die freudig ergriffene Gelegenheit dargeboten haben, diese sachl[iche] Auseinanders[etzung] durch eine persönl[iche] Aussprache zu ergänzen u[nd] wie ich hoffe zu vertiefen.85
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HEIDEGGER-AUFS[ATZ. NOTIZEN ZU HEIDEGGERS „KANT UND DAS PROBLEM DER METAPHYSIK“]A [Konvolut 100, Box 42, folder 837]
I) Kant u[nd] die M e t a p h y s i k – Woran liegt es, daß die Frage nicht verstummen will?B Ist Kant ledigl[ich] der K r i t i k e r der Vernunft u[nd] damit der Kritiker der E r k e n n t n i s ? Ist er Logiker oder Metaphysiker? Ist er der Totengräber der Metaphysik – oder Neubegründer einer Metaphysik? Jede Epoche hat anders hierauf geantwortet. – Riehl – cf. m[einen] Artikel ‚Neukantianismus‘86
Subjektive oder o b j e k t i v e Deduktion – Heidegger tritt entschlossen wieder auf den Boden der obj[ektiven] Deduktion[.] – Gewaltsamkeit – aber er entschliesst sich zu dieser Gewalts[amkeit] –C er will das Problem Kants wieder auf den eigenen ursprünglichen Boden zurückversetzen – u[nd] dieser Boden ist der subjektive Boden – die Fundamental-Ontologie als Ontologie des Menschen – s[iehe] …87 II) Von dieser Stellungnahme aus: Endlichkeit als Zentralproblem s[iehe] ZettelD ‚Endlichkeit‘E L [fünfzehn Zeilen freigelassen]
A
Heidegger-Aufsatz … Metaphysik“] Zur Wahl des Titels siehe die editorischen Hinweise, S. 319. Die von Cassirer im Text mit Seitenzahlen nachgewiesenen wörtlichen Zitate stammen sämtlich aus Martin Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik, 1929 (Sigle KPM), wobei in den Hrsg.-Anm. zusätzlich die Fundstellen in Bd. 3 der Martin Heidegger Gesamtausgabe angegeben werden (vgl. Martin Heidegger Gesamtausgabe, Abt. 1: Veröffentlichte Schriften 1910– 1976. Bd. 3, Kant und das Problem der Metaphysik, 1991, Sigle HGA 3). B I) Kant … nicht verstummen will?] I) über a) geschrieben. Am Rand mit Bleistift geschrieben u. unterstrichen: H e i d e g g e r C Gewaltsamkeit –] danach mit Bleistift eingefügt: cf. Methode!, verweist auf Bl. 46r, siehe S. 98 im vorliegenden Bd. D Zettel] Ztt. E siehe Zettel ‚Endlichkeit‘] verweist auf Bl. 23r, 25r u. 27 r/v, siehe S. 87 f. im vorliegenden Bd.
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Beilage I
2) nähere B e s t i m m u n g der Endlichkeit – nicht als Ausdruck irgendwelcher „Unvollkommenheiten“88 [–] cf. letztesA Cap[itel]89 [–] sondern sie muss im We s e n des Menschen begründet liegen – u[nd] das heisst in seiner Erkenntnisart[.] a) intuitus originarius u[nd] derivativus90 – GegenständeB als Gegenüberstehen91 b) Anschauung u[nd] Verstand A n g e w i e s e n h e i t auf die Anschauung ›Dienststellung‹ des Verstandes92 L [sieben Zeilen freigelassen] c) Zentrale Rolle der E i n b i l d u n g s k r a f t L [fünfzehn Zeilen freigelassen] d) Zentrale Rolle des Schematismus.L [zwanzig Zeilen freigelassen]
III) Zur K r i t i k dieses Standpunktes – völlig z u z u s t i m m e n für Kants ›Erkenntnislehre‹ = Erfahrungslehre positivL [eine Zeile freigelassen] Aufheb[ung] des D u a l i s m u s L [zwei Zeilen freigelassen] richtig auch, daß dieser Dualismus nicht von der L o g i k her bewältigt werden kann R[aum] u[nd] Z[eit] keine Kategorien –L [zwei Zeilen freigelassen] Problem der R e p r a e s e n t a t i o n cf. Philos[ophie] d[er] symbol[ischen] F[ormen Bd.] III93 von Heidegger dadurch unterschieden, daß nicht ‚ a l l e ‘ Repraesentation auf die Zeit allein zurückgeführt werden kann – Stellung des R a u m e s etc. Repraes[entation] ü b e r h a u p t C – n i c h t b l o s s z e i t l i c h e Repraes[entation] IV) Ideenlehre – Dialektik – Vernunft Hier v e r s a g t Heideggers Kriterium – End[ichkeit] u[nd] Unendlichkeit – Idee d[er] Erfahrung.L [fünf Zeilen freigelassen]
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letztes] ltzt. Gegenstände] Gegenstande C ü b e r h a u p t ] im Ms. doppelt unterstrichen B
Heidegger-Aufsatz
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StimmungA Angst bestärken oder aufhellen. Nur der KörperB L [zwei Zeilen freigelassen] Stil Dunkelheit des „Abgrunds“, des ›Nichts‹C Gegenüberstell[ung] Heideggers Stil nicht dunkel aus einem M a n g e l heraus – geschweige, weil er die Dunkelheit s u c h t [;] dieser Stil ist vielmehr der M e n s c h – er trägt die Farbe s e i n e s Temperaments[.]L [eine Zeile freigelassen] Kant dringt in die letzen Tiefen – aber er bleibt in dieser Tiefe noch „Aufklärer“[,] der Licht-Spender. Heideggers Philos[ophie] will uns das Dunkel spenden – uns den ›Abgrund‹ erkennen lassen94[,] cf. seine Definit[ion] der Metaphys[ik:] Kant Metaphysik – die Lehre von den ersten Prinzipien der menschl[ichen] Erkenntnis[;] Heidegger – Lehre vom – Nichts – von der Nichtigkeit[.]95 L [eine Zeile freigelassen] Hier kein „Vergleich“ möglich[.]L [sieben Zeilen freigelassen] Zeitcharakter Vernunft u[nd] Zeit R e k o g n i t i o n ਕİȞ96 L [zwanzig Zeilen freigelassen] Heideggers Darst[ellung] gibt ein Stück – Erkenntnistheorie[.]L [fünfundzwanzig Zeilen freigelassen] V)D Ist Kant vor der „Endlichkeit der Vernunft“ z u r ü c k g e w i c h e n ? 97 Dies eine zu einfache Erklärung!L [eine Zeile freigelassen] ›Aufklärung‹ ist nicht Mangel an Tiefe, noch E r s c h r e c k e n vor der Tiefe des Abgrunds – Homo liber … etc. 〈Todesproblem!〉 98 L [fünfzehn Zeilen freigelassen]
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S t i m m u n g ] am Rand mit Bleistift Verweis auf cf. unt[er] Allg[emeines], verweist auf Bl. 12 r u. 13 r/v, siehe S. 80 im vorliegenden Bd. B Nur der Körper] bricht ab C ›Nichts‹] am Rand Verweis auf cf. unt[er] Allg[emein]; verweist auf Bl. 12 r u. 13 r/v, siehe S. 80 im vorliegenden Bd. D V)] VI) Zählung berichtigt, durch Blattzusammenhang vorgegeben
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VI)A A n t w o r t auf die Frage K a n t u [ n d ] d i e M e t a p h y s i k Kants Lehre enthält in unlösl[icher] Correlation beide Momente – Der Mensch ist das Wesen, das der objektiven Erkenntnis u[nd] der objekt[iven] Idee fähig ist[.] cf.99 L [fünfzehn Zeilen freigelassen] AllgemeinesB Zum „Stimmungscharakter“ – Heidegger hat sich mit echtem Tiefsinn in die T i e f e n des kan[tischen] Systems versenkt u[nd] in sie gleichsam e i n g e b o h r t – aber er hat sich nicht mit dem gleichen Erfolg in die freie, lichte H ö h e dieses Systems erhoben[.] – Und doch beruht die Gewalt von KantsC System auf dieser Verbindung von Tiefe u[nd] Höhe – auf der Freiheit der Ü b e r s c h a u beim Wurzeln im fruchtbaren B a t h o s der Erfahrung[.]100 – Beileibe n i c h t der höhere aber doch: – auch Stil – h e l l e s Zimmer101 furchtbareD Dumpfheit bei Heidegger ________ 204: es handelt sich nicht um das was Kant sagt, sondern um das was in seiner Grundlegung g e s c h i e h t ! 102 R i c h t i g – unser Einwand geht aber dahin, daß in Kants Grundlegung weit mehr g e s c h i e h t , als Heidegger aufweist – die ‚Bewegung‘ ist viel zu eng gefaßt – es ergibt sich das „Zurückweichen“[.]L [siebzehn Zeilen freigelassen]
S t i l c h a r a k t e r E von Heidegger „Dunkelheit“ weit[ere] Belege s[iehe] z. B. 218 „Der Mensch vermöchte nicht das g e w o r f e n e Seiende als ein Selbst zu sein, wenn er nicht überh[aupt] Seiendes als ein solches sein-lassen könnte“ etc. (218)103 etc[.] 219: [„]Auf dem Grunde des Seinsverständnisses ist der Mensch das D a [ “]104 etc. ________
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VI)] V) Zählung berichtigt, durch Blattzusammenhang vorgegeben A l l g e m e i n e s ] ab hier mit Bleistift geschrieben C Kants] K’s D furchtbare] fruchtbare E S t i l c h a r a k t e r ] davor Zuordnungshinweis A l l g e m [ e i n e s ] B
Heidegger-Aufsatz
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Allgem[eine] Auffass[ung] der P h i l o s o p h i e bei Heidegger. selbst immer endlich, kann nie ›absolut‹ werden 227: [„]Die je erneute Besinn[ung] auf die Endl[ichkeit] kann nicht gelingen durch ein gegenseit[iges] Ausspielen u[nd] vermittelndes Ausgleichen von Standp[unkten]“ um dann doch in absolut[er] Erk[enntnis] zu münden – [„]es bleibt vielmehr nur die Ausarbeitung der P r o b l e m a t i k der Endl[ichkeit] als solcher[“] – durch einen Einsatz, [„]der nie als der e i n z i g m ö g l i c h e beansprucht werden kann[.“]105 – Was hier behauptet wird ist nur dies[,] daß der Kant[ische] Einsatz ein anderer als der Heideggersche ist[,] daß er in wesentl[ichen] Grundbest[immungen] anders g e r i c h t e t , anders ge- s i n n t A ist[.] Grundv o r z u g von Heideggers Buch, daß es sich nicht am Peripheren hält, sondern den Blick unverrückt auf das zentrale Problem der Metaphysik als F u n d a m e n t a l - Ontologie gerichtet hält – daß es sich mitten h i n e i n s t e l l t in die G i g a n t o m a c h i e um das Sein[,] cf. 230!106 [–] aber es steht in dieser Gigantomachie a n d e r s als Kant[.]L [sieben Zeilen freigelassen]
Endlichkeit als G r u n d p r o b l e m der ganzen HeideggerschenB Auslegung 208: [„]Die Grundlegung der Metaphys[ik] gründet in der Frage nach der E n d l [ i c h k e i t ] im Menschen[.“]107 209: [„]Um dieses fundamentale Probl[em] der Notw[endigkeit] der Frage nach der Endl[ichkeit] im Menschen in Abs[icht] auf eine Grundleg[ung] der Metaphys[ik] ans Licht zu bringen, wurde die vorsteh[ende] Ausleg[ung] der Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] unternommen[“]!108 Das stand s t ä n d i g im Mittelpunkt der Interpretation[.] 212: [„]es muss der WesenszusammenhangC zwischen dem Sein als solchem (nicht dem Seienden) u[nd] der Endlichk[eit] im Menschen ans Licht gehoben werden[.“]109 – 222: dies Fundamental-Ontologie[: „]Im Gehalt dieses Titels ist das Problem der Endlichk[eit] im Menschen in Absicht auf die Ermögl[ichung] des Seinsverständnisses als das Entscheidende eingeschlossen[.“]110 keinerlei „Erkenntnistheorie“ (221)111
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ge- s i n n t ] - s i n n t im Ms. doppelt unterstrichen Heideggerschen] H’s C Wesenszusammenhang] Wesenszushg. B
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Schematismus Heidegger besteht mit Nachdruck auf der Angewiesenheit des Denkens auf die AnschauungA – das Denken hat blosse D i e n s t s t e l l u n g – ist s c h l e c h t h i n auf Ansch[auung] angewiesen[,] cf. z. B. S. 140112 – Aber ist das unbedingt richtig? – Als logische ›Formen‹ sind die Kat[egorien], wie Kant immer wieder betont, durchaus s e l b s t ä n d i g – sie bedürfen ihrem Sinne nach „der Ansch[auung] auf keine Weise“[,] cf. Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft.]113 Wo f ü r also bedürfen sie der Ansch[auung] – w o r i n sind sie auf sie angewiesen[?] – Für den Aufbau der Erfahrung – des empir[ischen] Gegenstands, der ›Natur‹[.] D a n e b e n aber steht die ganz s e l b s t [ ä n d i g e ] Funktion, in der sie das Reich des ›Intelligiblen‹ aufbauen: hier können sie gerade n i c h t auf Schemata ›restringiert‹ werden[.] I r r i g ist es daher, wenn Heidegger den „Einbildungscharakter“ auch auf die reine Ve r n u n f t ausdehnen will[.] (144)114 Behaupt[ung], daß a l l e m Verstand eine reine Rezeptivität beigemischt sei (146)115 Nur dem empirisch im Aufbau d[er] E r f a h r u n g s [-] = E r s c h e i n u n g s w elt sich betät[igenden] Verstand kommt s i e B zu[,] im Gebiet der ‚Vernunft‘ (der Idee) aber ist das Denken a b s o l u t spontan[.] Freiheitsidee enthält a b s o l u t e Spontaneit[ät.] I d e e geht über die Erfahrung h i n a u s [–] cf. Bleist[ift]-Bemerk[ung] auf S. 146116 [–] hier beginnt erst die eigentl[iche] Tr a n s z e n d e n z [ ,] die sich Heidegger verbaut hat, weil er den empirisch-phaenomenal[en] Gegenst[and] t r a n s c e n d [ e n t a l ] nennt.117 Heidegger ist im Grunde – Empirist statt ›Idealist‹[.] E i n b i l d u n g s k r a f t –C [„]Die Synthesis als solche ist weder Sache der Ansch[auung] noch des Denkens. Sie hat gleichsam zwischen beiden vermittelnd mit beiden Verwandtsch[aft.“] Sie ist [„]die blosse Wirkung der E i n b i l d u n g s k r a f t [,] einer blinden obgleich unentbehrl[ichen] Funkt[ion] der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntn[is] haben würden.[“] (A 78, Heidegger 57)118 [„]Die reine Synth[esis] handelt rein s y n o p t i s c h in der reinen Ansch[auung] u[nd] zugleich rein r e f l e k t i e r e n d im reinen
A
Anschauung] Anschg s i e ] im Ms. doppelt unterstrichen C E i n b i l d u n g s k r a f t –] Daneben Zählung 1). Ab hier mit Tinte geschrieben. Am Rand: cf. Menschl[ichkeit] – Endl[ichkeit], verweist auf Bl. 32r u. 30r, siehe S. 89 f. im vorliegenden Bd. B
Heidegger-Aufsatz
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Denken[“] (58)119[,] d. h. [„]unser reines Denken ist jederzeit vor die es angehende Zeit gestellt[.“] (57)120 Die reine Synthesis fällt demn[ach] w e d e r der reinen Ansch[auung] noch dem reinen Denken zu. Die Erhellung ihres Ursprungs kann daher weder eine transzendental-aesth[etische] noch eine transzendental-logischeA sein. [„]Entsprech[end] ist die Kategorie weder ein Probl[em] der transz[endentalen] Aesth[etik] noch der transz[endentalen] Logik[.“] (61)121 – N[ota]b[ene]: Das hat auch Cohen immer wieder betont, der diese Eins[icht] aber durchaus nach der objektiven Seite wendet (Einheit der Grundsätze als Grundbed[ingung] der m a t h [ e m a t i s c h e n ] N [ a t u r ] - W [ i s s e n s c h a f t ] ).122 Hier also völlige Ü b e r e i n s t i m m u n g – aber bald die Umkehr nach dem G e g e n p o l , dem Pol der „ s u b j e k t i v e n Deduktion“[.] Ausdrückl[ich] wendet sich Heidegger gerade an d i e s e m Punkt gegen die ›Neigung‹, die Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] als eine „ L o g i k d e r r [ e i n e n ] E r k [ e n n t n i s ] “ zu fassen[.] (61)B123 So selbstverst[ändlich] die vielfält[ige] Herrsch[aft] der Logik in der Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] sein mag: die Interpretation muss durchdringen zu dem „innern Zug der Problematik“[.] (63)125
________ [„]alle Synthes[is] wird von der Einbildungskr[aft] erwirkt; demnach ist die transzendentale Apperz[eption] wesenhaft auf die reine Einbildungskraft b e z o g e n . Diese kann als reine nicht etwas empir[isch]-Vorgegebenes vor-stellen, dem gegenüber sie nur reprod[uktiv] wäre, sondern sie ist a p r i o r i b i l d e n d d. h. rein produktiv[.“] (74)126 Reine Einbildungskraft C bezieht sich wesenhaft auf die Z e i t (s[iehe] d[ort]) und so enthüllt sie sich als M i t t l e r i n z w i s c h e n t r a n s z [ e n d e n t a l e r ] A p p e r z [ e p t i o n ] u [ n d ] Z e i t . (75)127 Die Verhältnisse allererst b i l d e n d e Kraft ist die reine Einbildungskraft[.] (77)128 Die reine Erkenntnis bricht den für ein endliches Wesen notwendigen Spielraum erst auf, in dem „alles Verhältnis des Seins oder Nicht-Seins stattfindet“ u[nd] muss deshalb die o n t o l o g i s c h e heissen[.] (79)129
A
transzendental-logische] transsz.-logische Ausdrücklich … zu fassen. (61)] Am Rand: sucht ›Gültigkeit‹/sucht ›Rechtshandel‹/quid juris etc./cf. S. 81 f.!124 C Einbildungskraft] Einb. B
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DerA ›Verstand‹ gibt jetzt [„]seinen Vorrang auf u[nd] bekundet sich selbst durch dieses Aufgeben in seinem Wesen, das darin liegt, in der auf die Zeit bezogenen reinen Synthes[is] der transz[endentalen] Einbildungskraft g r ü n d e n zu müssen[.“] (79)130 [„]Der Transzendenzhorizont kann sich nur in einer Ve r s i n n l i c h u n g bilden[“] (85)131 (also nur das Sein von – P h a e n o m e n e n ergeben, cf. Heidegger 111: [„]Mögl[ichkeit] der E r f a h r u n g ist gleichbedeutend mit Transzendenz[“]!132)[,] das r e i n e Bild aller Gegenstände überhaupt aber ist die Z e i t s[iehe] d[ort].
________ Lehre vom Schematismus das entscheidende Stadium der Grundlegung der ›Metaphysica generalis‹ (105)133[;] das Schematismuskapitel führt „mit einer unerhörten Sicherheit in den Kern der ganzen Problematik der Kritik d[er] r[einen] V[ernunft].“ (107)134
C h a r a k t e r i s t i k der Einbildungskraft [„]Nichtgebundenheit an das Seiende – sie ist freizügig im Hinnehmen von Anblicken, d. h. sie ist das Vermögen, solche sich in gewisser Weise selbst zu geben[.“] (121)135 [„]Diese bildende Kraft ist z u m a l ein hinnehmendes (rezeptives) u[nd] ein schaffendes (spontanes) „Bilden“. In diesem ‚Zumal‘ liegt das eigentliche Wesen ihrer Struktur[.“] ( 1 2 1 ) B136 DieC Spontaneität behält doch den A n s c h a u u n g s c harakter; sie ist subjectio sub aspectum – e x h i b i t i o originariaD – diese aber ist nicht so schöpferisch wie der intuitus originarius[.]137 – In der exhibitio originaria heisst die Einb[ildungskraft] p r o d u k t i v e (123)138[;] diese prod[uktive] Einb[ildungskraft] bezieht sich nie auf das Bilden von G e g e n s t ä n d e n , sondern auf den reinen Anblick von G e g e n s t ä n d l i c h k e i t überhaupt[. „]Sie ist erfahrungsfreie, Erfahr[ung] allererst ermöglichende r e i n e prod[uktive] Einbildungskraft[“] (125)139[;] die transz[endentale] Einb[ildungskraft] ist die W u r z e l d e r b e i d e n S t ä m m e [–] die reine Ansch[auung] u[nd] das reine Denken sind auf die transz[endentale] EinbildungskraftE z u r ü c k z u f ü h r e n [ .] (131)140 Aber Problem, ob durch eine solche Reduktion der Erk[enntis]vermögen des endl[ichen] Wesens auf die Einbildungskraft nicht alle Erkenntnis A
Der] der ( 1 2 1 ) ] am Rand Vermerk N[ota]b[ene]! C Die] die D originaria] originario E Einbildungskraft] Eb. B
Heidegger-Aufsatz
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zur b l o s s e n E i n b i l d u n g herabgesetzt wird – ob sich nicht das Wesen des Menschen in einen Schein auflöst?141 DemA ist aber entgegenzusetzen, daß [„]der in der transz[endentalen] Einb[ildungskraft] gebildete Horizont der Gegenstände – das Seinsverständnis – überh[aupt] erst so etwas möglich macht wie eine Unterscheid[ung] zwischen ontischer Wahrheit u[nd] ontischem Schein[.“] (131)142
________ Die Interpretat[ion] der reinen A n s c h a u u n g ist daher nur von der der reinen Einbildungskraft aus m ö g l i c h B ( c f . S . 1 3 4 f f . 1 4 3 )[.] [„]SoC unhaltbar es ist, Raum und ZeitD im Sinne der „Marburger“ Auffass[ung] als K a t e g o r i e n im log[ischen] Sinne zu fassen u[nd] die transz[endentale] Aesth[etik] in die Logik aufzulösen[“], so ist doch richtig, [„]daß die tr[anszendentale] Aesth[etik] für sich genommen nicht das G a n z e sein kann, das in ihr der Mögl[ichkeit] nach beschlossen liegt.[“] (138)144 Auch [„]die scheinbare E i g e n leistung des reinen Verstandes im Denken der Einheiten ist als spontan bildendes Vorstellen ein reiner Grundakt der transz[endentalen] EinbildungskraftE[.“] (143)145 Das u r s p r ü n g l i c h e Denken ist „reines Einbilden“[.] (144)146
________ Aber [„]Kant ist vor dieser „unbekannten Wurzel“ z u r ü c k g e w i c h e n (153)147 [–] in der zweiten Aufl[age] der Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] wird die transzendentale Einbildungskraft abgedrängt u[nd] umgedeutet – z u G u n s t e n d e s Ve r s t a n d e s [ .“] (153)148 Das ist der Vorwurf all derer, die die ›subjektive‹ Deduktion herausheben auf Kosten der ›objektiven‹ – Kant hat selbst, um der Mißdeutung des psychol[ogisch]-anthropol[ogischen] Idealismus zu entgehen, in der 2t[.] Aufl[age] das Schwergewicht auf die ›objektive‹ Seite seines Problems gelegt – aber er hat damit die Ergebnisse der subjekt[iven] Dedukt[ion] keineswegs v e r l e u g n e t [ .] Subj[ektive] u[nd] obj[ektive] Ded[uktion] sind vielmehr Korrelate[.] – Wogegen sich Kant in der 2t. Aufl[age] A
Dem] davor Zuordnungshinweis E i n b i l d u n g s k r a f t 2 Einbildungskraft aus m ö g l i c h ] Einbildungskraft m ö g l i c h C So] so D Raum und Zeit] RuZ E Einbildungskraft] Einb.kraft B
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mit Recht gewendet hat, ist nur die A c c e n t v e r s c h i e b u n g [–] die t r a n s z e n d e n t a l e Subjektivität verträgt solche Accentverschieb[ung] nicht[.] – Das zeigt auch das Beispiel Schopenhauers[,] der eben durch sie wieder in die Bahnen des p s y c h o l o g [ i s c h e n ] Idealism[us] gedrängt wird. Und auch Heideggers Interpretation bleibt einseitig ›anthropologisch‹[.] – Die wahre transzendentale Interpretation findet das ›Wesen‹ der Subjektivität eben von der ›Vernunft‹, von der vollendeten Objektivität, vom ›objektiven Geiste‹ aus. Auch Heidegger erkennt an (157) 149[,] daß die transz[endentale] Dedukt[ion] in sich notwendig objektiv-subjektiv z u g l e i c h sei. Denn sie ist Enthüllung der ›Transzendenz‹, die ja die für eine endl[iche] Subj[ektivität] wesenhafte Zuwendung zu einer Objektivit[ät] überhaupt erst bildet. Es war nach HeideggerA nicht allein, [„]daß ihn die transzendentale Einbildungskr[aft] s c h r e c k t e , sondern daß ihn inzwischen die reine Vernunft a l s Vernunft noch stärker in ihren Bann gezogen hatte[.“] ( 1 5 9 ) 150 Aber es giebt hier k e i n e n Beweis für ein S c h w a n k e n in Kants Verhalten: er war i m m e r ›Newtonianer‹ u[nd] i m m e r ›objektiver‹ Ethiker!151 In der 2[.] Aufl[age] hat sich Kant [„]für den reinen Verstand gegen die reine Einb[ildungskraft] entschieden, um die H e r r s c h a f t d e r Ve rn u n f t z u r e t t e n . [“] (161)152 Aber war diese Herrsch[aft] für K[ant] jemals ernstlich in Frage gestellt u[nd] angefochten gewesen? Ich glaube kaum!L [zwanzig Zeilen freigelassen]
EinbildungskraftB z e n t r a l e S t e l l u n g – diese herausgehoben zu haben ist Heideggers entscheid[endes] Verdienst – hier stimme ich völlig mit ihm überein [–] vgl. bes[onders] 125 ff.153 – s[iehe] auch Ph[ilosophie] d[er] symb[olischen] F[ormen Bd.] III154 – doch bewegt sich seine Interpretation freilich „gleichsam in entgegenges[etzter] Richtung“ wie die des deutschenC Ideal[ismus,] cf. 130 Anm[erkung.]155 transzendentale Einb[ildungskraft] als Wurzel der beiden Stämme: cf. 130156 Aesth[etik] [„]hat nur vorbereitenden Charakter u[nd] kann eigentlich erst aus der Perspektive des Schemat[ismus] gelesen werden[“] (137)157
A
Heidegger] K.; im folgenden Zitat ist jeweils Kant gemeint E i n b i l d u n g k r a f t ] daneben Zählung 3) mit Tinte, statt gestrichen: 2) C deutschen] dtsch. B
Heidegger-Aufsatz
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gegen die Marburger 137 f.158 dies r i c h t i g !
140: Was Heidegger den [„]primären Vo r s t e l l u n g s - Charakter[“] (= Darstellungscharakter) des Denkens nennt159 – das nenne ich seinen Symbol-Charakter[.] Angewiesenheit auf sinnl[iche] Zeichen[.] EndlichkeitA Charakt[er] der „Endlichkeit“ bekundet sich bei Kant also immer nur in der G e g e n s t a n d s - Erkenntnis als phaenomenalerB Erkenntnis[,] nicht in der Ich-Erkenntnis = noumenaler Erkenntnis, F r e i h e i t s i d e e [ .] Daher auch Stellung zum To d e s p r o b l e m ganz anders als bei Heidegger – denn nur der empirische Mensch (Mensch als ›Phaenomenon‹) stirbt – der noumenale Mensch, der Mensch der Freiheit ist ›unsterblich‹[.]160 – Ist das wirklich nur ein Ausweichen, ein Zurückschritt vor dem Abgrund des ›Nichts‹ wie Heidegger meint – dannC wäre a l l e Philosophie ein solches Zurückschrecken – Platon – Philosophieren ist s t e r b e n l e r n e n 161 – Spinoza[:] homo liber de nihilo minus quam de morte cogitat162 – KantD – Unsterbl[ichkeit] Philos[ophie] als Erhebung ins Reich der Idee – das ist keineswegs ein Vo r b e i s e h e n am Phaenomen des Todes – sondern eine Erhebung in das Reich der Freiheit – als Reich der E w i g k e i t [.] Ganz willkürl[ich], daß Heidegger das v e r w e h r e n will!L [zehn Zeilen freigelassen] cf[.]E 139[:] Sinnlichkeit hiesse soviel wie „endliche Anschauung“163 vgl. S. 23 f.164 – Aber wo steht das bei Kant? Oder vielmehr: spielt es dieselbe R o l l e , die es bei Heidegger spielt? DerF Satz, daß die Transzendenz als solche a priori sinnlich ist (Heidegger 164)165 ist in d i e s e r Fassung nicht richtig – das gilt eben n u r für die theoretische Transzendenz [–] für den Gegenstand als Objekt[,] nicht für die Freiheits-Transz[endenz] (Reich der Zwecke)[.]
A
E n d l i c h k e i t ] ab hier mit Bleistift geschrieben Erkenntnis als phaenomenaler] Erkenntnis phaenomenaler C dann] Dann D Spinoza: homo liber de nihilo minus quam de morte cogitat – Kant] Spinoza homo liber de nihilo minus/Kant Zitat ergänzt E cf.] davor Zuordnungshinweis E n d l i c h k e i t F Der] der, davor Zuordnungshinweis E n d l i c h k e i t (2), am Rand wiederholt: 2 B
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SieA ist n i c h t sinnlich – sie ist vielmehr, wie K[ant] fort u[nd] fort betont, prinzipiell ü b e r s i n n l i c h [ .] Streicht man den Begriff des Ü b e r s innlichen, so streicht man die gesamte Kant[ische] M e t a p h y s i k [–] u[nd] das eben tut Heidegger[,] er ist – Empirist!! HierB herrscht auch nicht das Gesetz der Z e i t – sondern das ÜberSinnliche ist zugleich das Über-Zeitliche[.]L [fünfundzwanzig Zeilen freigelassen]
S c h e m a t i s m u s (= Einbildungskraft)C bei K[ant] als Antwort auf die Frage der objektiven Erkenntnis – der Naturerkenntnis als Stück der Kantischen „Erkenntnistheorie[“,] aber gerade nicht als Stück der Kant[ischen] Lehre vom Menschen – Wo wir s c h e m a t i s i e r e n , da stempeln wir den Gegenst[and] dieser schemati[sierten] Erkenntnis damit zum Gegenst[and] in der E r s c h e i n u n g – aber der „Mensch“ ist nach Kant sich selbst nicht als blosse ErscheinungD gegeben – zwar uns s e l b s t erfassen wir ebenfalls nur in der Form der Z e i t als der Form des „inneren Sinnes“ – aber wir sind uns nicht nur Gegenstand[,] ›Objekt‹ des inneren SinnesE – sondern das e c h t e › S e l b s t ‹ ist n o u m e n a l e s Selbst[.]166 – Dieses noumenale Selbst gehört der i n t e l l i g i b l e n Welt an – u[nd] hier gibt es kein Schematisieren[.] – Die F r e i h e i t s i d e e lässt sich nicht schematisieren [–] hier würde der Schematismus zur M y s t i k führen – Hineinträumen[.] – Hier giebt es nur eine Ty p i k der reinen prakt[ischen] Vern[unft] – es gibt ein n i c h t - g e g e n s t ä n d l i c h e s Erkennen – wo das Erkannte kein blosses Gegenstehen u[nd] kein blosser Gegen s t a n d ist – u[nd] in diesem nicht gegenständl[ichen] Erkennen erschließt sich erst das ›Wesen‹ des ›Ich‹[,] denn das Ich gehört nicht der blossen Sachwelt an; es ist Person[.] – Personen-Erkenntnis ist unbildliche, unschemat[isierte] Erkenntnis[.] S a c h - Erkenntnis, D i n g - Erkenntnis ist schematisierte Erkennt[nis] – Personale Erkenntnis ist unendliche Erkenntnis, SachErkenntnis ist endliche Erkenntnis.F In der letzteren allein giebt es so etwas wie Tod[.] – Das Ich (als Noumenon) stirbt nicht[.]
A
Sie] sie Hier] hier C (= Einbildungskraft)] am Rand Zählung 5) D Erscheinung] Erscheig E Sinnes] Sinnen F Personale Erkenntnis … endliche Erkenntnis.] Personale Erk ist unendliche/ Sach ist endliche beide Zeilen rechts mit geschweifter Klammer zusammengefaßt, daneben geschrieben: Erk[enntnis] B
Heidegger-Aufsatz
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M e n s c h l i c h k e i t ( E n d l i c h k e i t ) d e r Ve r n u n f t A cf. 19[: „]DerB Quellgrund für die Grundlegung der Metaphysik ist die m e n s c h l i c h e reine V[ernunft], sodaß für den Kern dieser Probl[ematik] gerade die M e n s c h l [ i c h k e i t ] der Vernunft d. h. ihre E n d l i c h k e i t wesentlich wird. […] Diese Endl[ichkeit] […] liegt im We s e n s b a u d e r Erk[enntnis] selbst[.“]167 – [„]Erkennen ist primär Anschauen[.“] – alles U r t e i l e n hat ledigl[ich] eine Dienststellung zur Anschauung[.]168 – Durch C die Bindung an die A n s c h a u u n g D, d i e f ü r d i e m e n s c h l [ i c h e ] E r k [ e n n t n i s ] n o t w e n d i g ist, wird diese von vornherein zur e n d l i c h e n Erk[enntnis] 21169 (im Untersch[ied] von der göttl[ichen] Erk[enntnis] oder einem andern höheren Geiste)[.]170 Abheb[ung] gegen ›intuitus originarius‹ 21171 [„]Denken als solches ist demnach schon das Siegel der Endlichkeit[.“] 22172 Endliche Erk[enntnis] als nicht-schöpferische, sondern hinnehmende Erk[enntnis] (23)173 intuitus derivativus174 [„]Charakter der Endl[ichkeit] der AnschauungE liegt demnach in der Rezeptivität[“] – ›uns Menschen wenigstens‹[.] (23)175 DeshalbF alle Ansch[auung] sinnlich – [„]K[ant] hat zuerst den ontologischen, nicht-sensualistischen Begriff der Sinnlichk[eit] gewonnen[.“]176 – Für den Ve r s t a n d ist seine zu seinem Wesen gehörige Umwegigkeit ( D i s k u r s i v i t ä t ) der schärfste I n d e x s e i n e r E n d l i c h k e i t [.] (26)177 28 ff. (bes[onders] 31) Unterscheid[ung] von Erschein[ung] u[nd] Ding an sich überhaupt nur bei ausdrückl[icher] Zugrundelegung der Problematik der E n d l i c h k e i t des menschl[ichen] Wesens verständl[ich] zu machen (denn daß der Verstand nur „Erscheinungen“ erkennt, heißt eben daß er intuitus derivativus ist, der Seiendes hin-nimmt, nicht intuit[us] originar[ius], der erkennt indem er s c h a f f t ) [.]178 34 f. Andererseits erfordert „die endl[iche] Erk[enntnis] von Seiendem zu ihrer eigenen Möglichk[eit] ein nicht-hinnehmendes (scheinbar nicht-endliches) Erkennen, dergl[eichen] wie ein schöpferisches Anschauen […] als Beibringen der Seinsverfassung des Seienden d. h. eine o n t o l o g [ i s c h e ] S y n t h e s i s möglich?[“]179 A
M e n s c h l i c h k e i t ( E n d l i c h k e i t ) d e r Ve r n u n f t ] ab hier mit Tinte geschrieben B Der] der C Durch] durch D Anschauung] Anschg E Anschauung] Anschg F Deshalb] deshalb
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〈cf. Brief an Herz! 1772180〉 Analytik = [„]Sehenlassen der Genesis des Wesens der endl[ichen] r[einen] Vern[unft] aus ihrem eigenen Grunde[“] (38)181 Grundfrage: [„]wie kann endl[iches] menschl[iches] Dasein im vornherein das Seiende überschreiten (transzendieren)[,] welches Seiende es nicht nur nicht selbst geschaffen hat, auf das es sogar, um selbst als Dasein existieren zu können, angewiesen ist?[“] (39)182 [„]Probl[em] der Mögl[ichkeit] der Ontol[ogie] ist daher die Frage nach dem Wesen u[nd] Wesensgrund der Tr a n s z e n d [ e n z ] d e s v o r g ä n g [ i g e n ] S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s . [“]183 reineA Anschauung; als (quasi-)schöpferisch Raum als „gebendes Anschauen“ S. 40184[,] als „ursprüngliches Vorstellen“(42)185 [„]reines Erkennen ist reine Anschauung durch reine Begriffe[“] (47)186 Die reinen Begriffe nicht als reflektierte, sondern als r e f l e k t i e r e n d e Begriffe[.] (49)187 [„] E n d l i c h k [ e i t ] der Erk[enntnis] bekundet gerade eine eigentümliche innere A n g e w i e s e n h e i t des Denkens a u f die Ansch[auung], umgek[ehrt] eine BestimmungsbedürftigkeitB dieser d u r c h jenes[.“] (53)188 [„]Endl[iches] Wesen bedarf dieses Grundvermögens einer entgegenstehenlassenden Z u w e n d u n g - z u [ .“]189 Kant stellt die entscheid[ende] Frage u[nd] zwar als erster – was man denn unter einem G e g e n s t a n d der Erk[enntnis] verstehe[.] – (67)190 Das Gegenstehenlassen von … ist demnach der Urbegriff u[nd] somit die U r h a n d l u n g d e s Ve r s t a n d e s . Aber hat damit K[ant] nicht die Endlichkeit des Verstandes v e r g e s s e n ? Wenn jetzt gerade der Verst[and] das Gegenstehenlassen e r m ö g l [ i c h t ] – wird er nicht damit o b e r s t e s Vermögen – wandelt sich da nicht der K n e c h t zum H e r r n [ ?] (69)191 A n t w o r t : [„]der Verstand ist in der Tat das oberste Vermögen – in der E n d l i c h k e i t , d. h. er ist das zuhöchst EndlicheC [;] ist dem aber so, dann muss eben im Gegenstehenlassen seine Angewies[enheit] auf die Ansch[auung] (= Zeit!) am schärfsten ans Licht kommen[.“] (70)192
________
A
reine] davor Aufzählungszeichen a), Aufzählung wird nicht fortgeführt Bestimmungsbedürftigkeit] Bestimgsbedürftigkeit C Endliche] Endliche (70) B
Heidegger-Aufsatz
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Auch die Frage nach der Mögl[ichkeit] der E r f a h r u n g bedeutet nichts anderes[,] denn [„]Erfahrung heisst endliche, anschauend-hinnehmende Erkenntnis von Seiendem[“] (110)193 〈aber hier tritt eben der a n d e r e A c c e n t A d e r E n d l [ i c h k e i t ] b e i K a n t h e r v o r – m e i n Feld ist das fruchtbare Bathos der Erfahrung194 [–] blosse Grille: das Innere der Dinge[;] ganz unvernünftig etc.195 [„]Mögl[ichkeit] der Erfahr[ung] – g l e i c h b e d e u t [ e n d ] m i t Tr a n s z e n d e n z [ “] Heidegger 111[.]196〉
DurchB den ›schöpferischen‹ Charakter wird die E n d l i c h k e i t der Transzendenz n i c h t gesprengt, denn der Untersch[ied] vom ›intuitus originarius‹197 bleibt immer b e s t e h e n [,] cf. 114 ff.198 [–] immer nur o n t o l o g i s c h e C u[nd] nie ontisch-schöpfer[ische] Erkenntnis[.] Diese sprengt die E n d l i c h k e i t nicht, sondern senkt gerade das endliche „Subjekt“ in seine e i g e n t l i c h e E n d l i c h k e i t ein! [„]Kant will jedoch den stolzen Namen einer Ontologie durch den einer Transz[endental-]Philos[ophie] ersetzen u[nd] das mit Recht, solange der Titel Ontol[ogie] im Sinn der überlief[erten] Met[aphysik] genommen wird[.“] (118)199 Der menschl[ichen] Vern[unft] geht es nicht etwa darum … [„]die Endlichkeit a u s z u l ö s c h e n , sondern umgekehrt darum, d i e s e r E n d lichkeit gerade gewiss zu werden, um sich in ihr zu h a l t e n . D DieE Endl[ichkeit] hängt der menschl[ichen] Vern[unft] nicht einfach nur an, sondern ihre Endlichk[eit] ist Ve r e n d l i c h u n g d. h. „Sorge“ um das Endlich-Sein-können[.“] (207)200 [„]Die Grundleg[ung] der Metaphys[ik] gründet in der Frage nach der Endlichk[eit] im Menschen – so zwar, daß diese Endlichk[eit] jetzt erst Problem werden kann[.“] (208 f.)201 [„]es muss der Wesenszusammenhang zwischen dem Sein als solchen (nicht dem Seienden) u[nd] der Endlichk[eit] im Menschen ans Licht gehoben werden[.“] (212)202 Die S e i n s f r a g e als Frage nach der M ö g l i c h k [ e i t ] des Begreifens von Sein überhaupt hat eine We s e n s b e z i e h [ u n g ] zur Endlichkeit im Menschen[.] (215)203
A
A c c e n t ] im Ms. doppelt unterstrichen Durch] davor Zuordnungshinweis M e n s c h l [ i c h k e i t ] Endl[ichkeit] 2) C ontologische] ontologisch D Der menschlichen Vernunft … u m s i c h i n i h r z u h a l t e n . ] mit Bleistift am rechten Rand mit zwei senkrechten Strichen u. unterstrichenem N [ o t a ] b [ e n e ] ! markiert. E Die] die B
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[„]Wesen des Ve r s t e h e n s von Sein überhaupt[“] (216)204 [„]Ursprünglicher als der Mensch ist die Endlichkeit des Daseins[“.] (219)A205
Zurückweichen (Endlichkeit)B 1 5 3 [„]Kant ist vor der unbekannten Wurzel z u r ü c k g e w i c h e n [ “]206 – Im Gegenteil: er hat sich darüber erhoben [–] schon die p h i l o l [ o g i s c h e ] Erklärung 153 (Untersch[ied] der ersten u[nd] zweiten Auflage!)207 ist hier nicht triftig. K[ant] hat der Stellung der transz[endentalen] Einbild[ungskraft] prinzipiell genügeC getan – denn er hat ja das Schematismus-Kapitel bestehen lassen! U[nd] dieses deckt doch den p o s i t i v e n Grundgehalt der tr[anszendentalen] Einb[ildungskraft] auf! cf. 1 5 4 Heidegger selbst208 vgl. Ausführ[ung] 154 ff.209 ________ 159 ff.210 Das M o t i v, das Heidegger für dieses „Zurückweichen[“] anführt, ist gleichfalls n i c h t das Entscheidende [–] es handelte sich für Kant nicht darum, den Primat der ›ratio‹[,] den Primat der L o g i k aufrechtzuerhalten[.]211 – An der L o g i k ist er gar nicht mehr als f o r m a l e r Logik, sondern als t r a n s c e n d e n t [ a l e r ] Logik interessiert. – Und für diese ›ratio‹ sieht er sehr deutlich die G r e n z e – er hat diesen Verstand, der alten Metaphysik, des d o g m a t i s c h e n Rationalen ja gerade der ›Kritik‹ unterworfen – er hat gezeigt, wie er sich nur r e a l i s i e r e n kann, indem er sich zugleich durch den Schematismus, also durch die transc[endentale] Einbildungskraft r e s t r i n g i e r t . Gegen eine solche Restriktion der L o g i k hat also K[ant] sicher n i c h t s einzuwenden. Wogegen er sich zur Wehr setzt, ist die Restriktion der F r e i h e i t s i d e e der Vernunft[.] – Das Sittenges[etz] – so sagt er daher fort u[nd] fort – gilt nicht nur für alle M e n s c h e n sondern für alle vernünft[igen] Wesen überhaupt! Hier wird die Grenze des bloss-Anthropolog[ischen] endgültig durchbrochen[.] – Eine anthropolog[ische] Begründ[ung] der S i t t l i c h k e i t würde diese
A
(219)] (218 f.) Angabe berichtigt Z u r ü c k w e i c h e n ( E n d l i c h k e i t ) ] daneben Zählung 1, ab hier mit Bleistift geschrieben C genüge] genüg B
Heidegger-Aufsatz
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um ihren eigentl[ichen] G e h a l t [,] um ihre Allgemeinh[eit] u[nd] Notwendigkeit bringen!
________ Es ist nicht richtig, daß K[ant] die reine Einbildungskraft s c h r e c k t e – sie schreckt ihn n i c h t in ihrer theoretischen BedeutungA – er sieht die Endlichkeit – die Beschränk[ung] auf „Erscheinungen“ – aber er f ü r c h t e t sie nicht[.] Denn das schlechthin Innere ist eine „blosse Grille“.212
________ InB der p r a k t [ i s c h e n ] Sphaere aber sieht er die Vernunft = Freiheitsidee über die Endl[ichkeit] e r h o b e n [.] Heidegger hat das sehr richtig gesehen ( 1 6 0 ) [,] aber s e i n e r Einstellung nach sieht er darin nur ein Ausweichen, ein Zurückschrecken – also eine [‚]VerlegenheitsLösung‘213 – aber ist es das wirklich? OderC ist hier nicht vielmehr der tiefste p o s i t i v e Sinn von Kants Freiheitslehre und von seinem „Idealismus der Freiheit“ zu suchen[?]
________ Kant hat sich nicht [„]für den reinen Verstand gegen die reine Einbildungskraft entschieden um die Herrschaft der Vernunft zu r e t t e n [“] – (161)214 einer solchen Rettung à tout prix bedurfte es für ihn nicht[.]
________ Für die Grundlegung der M e t a p h y s i k ist nach Heidegger die spezifische Endlichkeit der menschl[ichen] Natur entscheidend! (162)215 AberD gerade nicht für die Grundlegung der K a n t i s c h e n Metaphysik als einer Metaphysik der Freiheit!
205E: eigentl[iches] Ergebnis, [„]daß Kant bei der Enthüll[ung] der Subjekt[ivität] des Subjektes vor dem von ihm selbst gelegten Grunde z u r ü c k w e i c h t [.“]216 A
Bedeutung] Bedeutg In] in C Oder] oder D Aber] aber E 205] davor Zuordnungshinweis Z u r ü c k w e i c h e n (Endlichkeit) B
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209[:] aber Kant habe den zuvor angesetzten Boden „unter sich weggegraben“217 Frage bleibt dann nur: ist er mit diesem Unter sich Weggraben des Bodens der Endl[ichkeit] sich selbst wirklich u n t r e u geworden? IstA er erschreckt z u r ü c k g e w i c h e n ? Oder bedeutet dies „unter sich Weggraben“ nicht etwas eminent P o s i t i v e s ? EinB „ T i e f e r l e g e n des Fundaments“ von der Endlichkeit in die F r e i h e i t ? C
Metaphysik u[nd] Anthropologie 196[: „]Die Kant[ische] Grundlegung ergibt: Begründung der Metaphysik ist ein Fragen nach dem Menschen, d. h. Anthropologie[.“]218 – Kants Antwort ist aber gerade[:] Die m e t a p h y s i s c h e Frage nach dem Menschen ist durch A n t h r o p o l o g i e nicht zu lösen – denn die Anthropologie hat es nur mit der endlichen, sinnlichen Natur des Menschen – n i c h t mit seiner i n t e l l i g i b l e n Natur zu thun[.]219 – Vom intelligiblen Sein des Menschen handelt die E t h i k u[nd] A e s t h e t i k [;] vom [„]übersinnlichen Substrat der Menschheit“220 – aber n i c h t die Anthropologie!
A
Ist] ist Ein] ein C F r e i h e i t ? ] F r e i h e i t , Danach ist ein einzelnes Bl. eingefügt, dessen Text mit Tinte und quer zur Laufrichtung des übrigen Ms. geschrieben ist: Kant hat hierbei wahrlich nicht, wie Schopenhauer ihm spottend vorgeworfen hat, „an die lieben Engelein gedacht“ [vgl. Arthur Schopenhauer: Preisschrift über die Grundlage der Moral. In: Sämmtliche Werke, Bd. 3, [1892], S. 512] – sondern er spricht auch hier als Kritiker und Methodiker, dem es darauf ankommt, die Grenzen der Wissenschaft nicht „ineinanderlaufen“ zu lassen, der scharf und prinzipiell zwischen den Aufgaben der E t h i k und denen der A n t h r o p o l o g i e scheiden will. Danach Fußnotenzeichen und -text: Vgl. auch hierzu bes[onders] Cohen, Kants Begründung der Ethik, Berlin 1877 [im Ms. a. a. O.], S. 123 ff. Diese Demarkationslinie ist ihm durch den Gegensatz von ›Erscheinung‹ und ›Ding an sich‹, von Z e i t und F r e i h e i t gegeben. Es war Heideggers gutes Recht, das ihm niemand strittig machen wird, seine eigene Auffassung von der „Fundamental-Ontologie“ als einer „Lehre vom Menschen“ der Kantischen g e g e n ü b e r z u s t e l l e n und sie gegen Kant zu v e r t r e t e n ; aber er hätte nicht versuchen sollen, sie in Kant, insbesondere in die Kantische Ethik, h i n e i n z u l e g e n . Hier hat er, wie mir scheint, jene Maxime, daß man gegen einen philosophischen Autor, den man interpretieren will, notwendig Gewalt brauchen müsse (vgl. oben S. …), entschieden zu weit getrieben. Oben rechts findet sich von Cassirers Hd. die Paginierung 32. Dieser Text ist eine Vorfassung eines Abschnitts der später publizierten Rezension Cassirers Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 16 –17 (ECW 17, S. 238–239). Der Verweis (vgl. oben S. …) ist nicht aufgelöst. B
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ProblemA der M[etaphysik] als das einer F u n d a m e n t a l o n t o l o g i e [„]F[undamental]-Ont[ologie] heisst diej[enige] ontolog[ische] Analytik des endl[ichen] Menschenwesens, die das Fundament für die zur „Natur des Menschen gehörige“ Metaphysik bereiten soll – […] F[undamentalontologie] = M e t a p h y s [ i k ] d e s m e n s c h l [ i c h e n ] D a s e i n s […] sie bleibt von der Anthrop[ologie], auch der philos[ophischen], grundsätzl[ich] geschieden […] was ist der Mensch? […] DieB Idee der F[untamental]-Ont[ologie] soll sich in einer Ausleg[ung] der Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] als einer G r u n d l e g u n g d e r M e t a p h y s i k bewähr[en] u[nd] darstellen[.“] (S. 1)221 ________ [„]Die Kant[ische] Grundleg[ung] ergibt: Begründ[ung] der Metaphysik ist ein Fragen nach dem Menschen[,] d. h. Anthropologie[.“] (196 f.)222 Was ist der Mensch? d a r a u f die 3 anderen Fragen bezogen cf. 198223[.] [„]Ist also nicht mit der Idee einer philos[ophischen] Anthropol[ogie] diejenige Disziplin gewonnen, auf die sich das Ganze der Philos[ophie] konzentrieren muss[?“] (200)224 AberC [„]ebenso zwangsläufig wird auch immer der A n t h r o p o l o g i s m u s in der Philos[ophie] bekämpft[.“] (202)225
[„]Nicht die Antwort gilt es zu suchen auf die Frage, was der Mensch sei, sondern es gilt allererst zu fragen, w i e denn in einer Grundlegung der M[etaphysik] überh[aupt] nach dem Menschen allein gefragt werden kannD u[nd] muss[.“] (205)226 221: Die M e t a p h y s i k d e s D a s e i n s ist es die die für eine Grundleg[ung] der Metaphys[ik] notw[endige] Frage, was der Mensch sei, übernimmt[.]227 222 Idee einer F u n d a m e n t a l o n t o l o g i e – [„]im Gehalt dieses Titels ist das Probl[em] der Endlichkeit im Menschen in Abs[icht] auf die Ermögl[ichung] des Seinsverständnisses als das Entscheidende eingeschloss[en.“]228 Wieder-Erinnerung cf. 224.229 Der Einsatz u[nd] der Gang der Fund[amental]-Ontologie (224)230
A
Problem] davor Zuordnungshinweis M e t a p h y s i k , ab hier mit Tinte geschrieben, am Rand bezeichnet mit Prozentzeichen % B Die] die C Aber] aber D kann] kan
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‚Metaphysik‘ u[nd] ‚Erkenntnistheorie‘ Gegens[atz] der Richt[ungen] tritt besonders hervor, wenn man Riehls Freib[urger] Antrittsrede „über wissensch[aftliche] u[nd] nichtwiss[enschaftliche] Philosophie“231 zu Grunde legt[.] – Hier das einsamste Extrem – Philosophie als w i s s e n s c h [ a f t l i c h e ] Philos[ophie] ist ›Erkenntnislehre‹[,] alles andere wird dem blossen „Gefühl“ überlassen[.] Heute wird ein ähnlicher Standp[unkt] z. B. von Schlick u[nd] der „Wiener Schule“ vertreten, die dem ›Positivismus‹ noch ganz nahe steht[.]232 – ReaktionA bei Heidegger – Metaphys[ik] als Lehre vom Menschen – als S i n n f rage gegenüber der menschl[ichen] E x i s t e n z [ .] SchroffeB Ablehn[ung] aller blossen Erkenntnislehre[,] s[iehe] die Auss[age S.] 11: [„]Ontol[ogie] primär überh[aupt] nicht auf die Grundl[egung] der pos[itiven] Wiss[enschaften] bezogen.“ [– S.] 1 6 C233 hierz[u] Cohen – [„]Nur ein Newtonianer konnte als Kant aufstehen[“]234 – [„]Wissenschaft, die in gedruckten Büchern vorliegt[“],235 Einleit[ung] zu Lange!236 Wie ist Kants eigene Stellung in diesem Gegensatz? U n t e r s c h i e d von Schulbegriff u[nd] Weltbegriff237– u[nd] doch gehören beide in Kants Entwicklung u[nd] in Kants System unlöslich zusammen – Kants Entwickl[ung]: Allg[emeine] Naturgesch[ichte] u[nd] Theorie des Himmels Träume eines Geistersehers – Nachricht von der Einricht[ung] seiner Vorles[ungen] – deutlich die Stellung des a n t h r o p o l o g [ i s c h e n ] Problems[.] [„]the proper study of mankind is man[“]238 Ich lerne den Menschen kennen (Rousseau)239 Nachr[icht] von der Einr[ichtung seiner Vorlesungen: „]… rohen u[nd] weisen Einfalt …[“]240 Wenn man diese Frage nach dem Sein und der Bestimmung des Menschen als ›Metaphysik‹ bezeichnet – dann freilich ist K[ant] von Anfang an ‚Metaphysiker‘ gewesen u[nd] er ist allezeit Metaphysiker geblieben[.] – Aber trotzdem ist er der Erkenntniskritiker, der Theoretiker der mathemat[ischen] Naturerkenntnis, der ‚Newtonianer‘ – [‚]nur ein Newtonianer konnte als Kant aufstehen‘ (Cohen)[.]241 Wie v e r e i n t sich dies beides? Für K[ant] in sehr einfacher, durchaus unproblematischer Weise – das ›Wesen‹ des Menschen bestimmt sich eben nicht durch ›psychologische‹ Reflexion, sondern ›transscendental‹ d. h. A
Reaktion] Heigg Reaktion Schroffe] schroffe C 1 6 ] im Ms. doppelt unterstrichen B
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von Seiten des objekt[iven] Geistes[.] HierA die drei großen Gestaltungen: Freiheit, Natur = obj[ektive] Naturerkenntnis, Kunst[.] ErB liest das ›Wesen‹ des Menschen ab vom Sittengesetz (Autonomie)[,] Verstandesgesetz[.] ([„]Intellektuell ist, dessen Begriff ein Tun ist[“]242)[,] Kunst als Kunst des Genies (Heautonomie[,] Kr[itik] d[er] Urteilskr[aft]243) Der Mensch ist ihm das Wesen, das der S e l b s t g e s e t z g e b u n g auf sittl[ichem], auf theoret[ischem], auf aesthetischem Gebiet f ä h i g ist (capere formae244)[.] Und so vereinen sich ihm ›Schulbegriff‹ u[nd] ›Weltbegriff‹, Metaphysik u[nd] Erkenntnislehre schon von den e r s t e n Anfängen an [–] als N e w t o n i a n e r entdeckt er die s i t t l i c h e Welt! Allg[emeine] Naturgesch[ichte] u[nd] Theorie des Himmels – gibt unausgewickelte Begriffe – [„]der bestirnteC Himmel über mir u[nd] das moral[ische] Gesetz in mir …[“]245 etc. Weltbegriff – Schulbegriff [–] letzterer nicht genug – Ideal des We i s e n ! D a b e r d o c h : [ „ ] Wi s s e n s c h a f t [ … ] d i e e n g e P f o r t e [ “ ] 246 etc. Diese beiden Pole darf man nicht von einander trennen, ohne damit die Einheit des Kant[ischen] Systems u[nd] die der Kant[ischen] P e r s ö n l i c h k [ e i t ] E z u s p r e n g e n ! 247 Metaphys[ica] s p e c i a l i s (= Lehre vom M e n s c h e n ) ist nach K[ant] die ‚ M e t a p h y s i k i m E n d z w e c k ‘ (Fortschr[itte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff] (Cass[irer: Kantausgabe Bd. 8]), S. 238) = Heidegger S. 8248 Beschränkung der Rolle der mathematischen NaturwissenschaftF auf die ‚Anzeige‘ (Heidegger S. 10!)31 daher zu wenig – die m[athematische] N[aturwissenschaft] ist zugleich ›Analogon‹[,] als ‚Stolz der menschlichen Vernunft‘ stellt sie diese als ein ›Vermögen‹ erst f e s t – beweist durch das F a k t u m , daß Erk[enntnis] aus reiner Vern[unft] m ö g l i c h i s t [ .] Heidegger beruft sich auf Kants Wort, die Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] enthalte die „Metaphysik der Metaphysik“ (Cass[irer: Kantausgabe Bd.] IX, 198) S. 220 f., um daraus zu folgern[,] daß dieses Wort jeden Versuch, in der Kr[itik] d[er] r[einen] Vern[unft] auch nur teilweise eine „Erkenntnistheorie“ zu suchen, e n d g ü l t i g n i e d e r s c h l a g e [ .]250 – Aber dieses Wort sagt ja im Grunde nichts anderes, als daß die Kr[itik] d[er] r[einen] V[ernunft] metaphys[ische] Anfangsgründe der – Metaphysik
A
Hier] hier Er] er C bestirnte] gestirnte D We i s e n ! ] im Ms. doppelt unterstrichen E P e r s ö n l i c h k e i t ] im Ms. doppelt unterstrichen F mathematischen Naturwissenschaft] math. NW. B
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Beilage I
enthält[.] Frage nach der Metaphysik als Erkenntnisart – dies eben die t r a n s s z [ e n d e n t a l e ] Frage[.] (221) [„]Die für eine Grundleg[ung] der Metaphys[ik] notw[endige] Frage, was der Mensch sei, übernimmt die Metaphysik des Daseins[.“] (221)251 L [zehn Zeilen freigelassen]
Methode 192 f. Interpret[ation] darf nicht lediglich das wiedergeben, was Kant selbst g e s a g t hat – sondern was er nicht mehr zu sagen v e r m o c h t e [.] 192 f. vgl. Stelle gegen Eberhard (193) daher G e w a l t brauchen 192252 Wiederholung – [„]Grundleg[ung] der Metaphys[ik] in einer Wiederholung[“]: 195 ff.253 man muss [„]nicht nach dem fragen, was K[ant] sagt, sondern nach dem, was in seiner Grundlegung g e s c h i e h t [ . “] (204)254 Repraesentation: [„]Die Verwandtschaft, Herkunft aus dems[elben] Geschlecht (genus) drückt sich für A n s c h a u u n g u[nd] D e n k e n darin aus, daß für beide „Vorstellung überhaupt“ (repraesentatio) die Gattung ist[“]! A 320, B 376 f.255 Heidegger 20[: „]Vorstell[ung] hat hierbei den weiten formalen Sinn, wonach etwas ein anderes anzeigt, meldet, darstellt.[“]256 – ›Repraesentat[ion]‹ allgemeiner als Zeit – die Zeit nur ein S o n d e r f a l l der Repraesentat[ion] cf. unter Z e i t ! A u. 190257 – Dies geht auch daraus hervor, daß Kant wo er dartun will, daß die objekt[ive] Realität der Kateg[orie] der A n s c h a u u n g B bedarf, nicht nur auf die Zeit, sondern immer auch auf den R a u m als die Form der ä u s s e r e n A n s c h a u u n g verweist. – Ja gerade d i e s e Verweisung ist das Kunststück s e i n e s Idealismus, durch das er ihn vor der Verwechslung mit dem p s y c h o l o g [ i s c h e n ] Idealismus sicher stellt! s[iehe] hierzuC Kr[itik der reinen Vernunft] B. 291 (von Heidegger selbst citiert 191)258 S y n t h e s i s d e r R e k o g n i t i o n –D unterscheidendes Moment – nicht blosser Zeit-Charakter – sondern hier enthüllt sich das Über-Zeitliche des Begriffs – der Begriff der Idee im A
cf. unter Z e i t ! ] Z e i t ! im Ms. doppelt unterstrichen; Verweis auf Bl. 69r-70r, siehe S. 105 f. im vorliegenden Bd. Vgl. S. 101 u. 84. B Anschauung] Anschaug C hierzu] hrz D S y n t h e s i s d e r R e k o g n i t i o n –] ab hier mit Bleistift geschrieben
Heidegger-Aufsatz
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Platon[ischen] Sinne als ਕİȞ[.] Die Zeit ist h i e r in der höchsten Stufe aufgelöst in reine Ewigkeit – in der Math[ematik] gibt es kein ›jetzt‹ sie ist ein ›nunc stans‹[.]259 Aus d i e s e m Grunde sagt schon Galilei, daß in der geometr[ischen] Erk[enntnis]-Art k e i n U n t e r s c h i e d z w i s c h e n m e n s c h l [ i c h e m ] u [ n d ] g ö t t l [ i c h e m ] I n t e l l e k t b e s t e h t ; 260 derA Anthropologismus hat hier seine S c h r a n k e (Husserl!!)[.]261
________ Herausarbeiten dieses E w i g k e i t s - Charakters a priori heisst m e h r als zu a l l e r B Zeit! EsC heisst etwas von der Zeit = von der Erfahrung U n a b h ä n g i g e s – wir können nur i n der Zeit empfinden – u[nd] nur in ihr anschauen u[nd] denken [–] wenn wir Ansch[auung] u[nd] Denken als psych[ischen] Vo r g a n g nehmen – aber ›im‹ Denken erfassen wir ein Über-Zeitliches[,] cf. Heidegger 175 ff.262 Kant: [„]das Wort B e g r i f f konnte uns schon hierauf führen[.“]263 – In der Synthesis der R e k o g n i t i o n verlassen wir in der Tat die blosse Z e i t s phaere – erheben uns zur reinen B e g r i f f s s p h a e r e – zur Allgem[einheit] u[nd] Notwendigkeit als Über-Zeitlichkeit.
________ cf. Leibniz – Locke versch[iedene] Formen der Unendlichkeit [„]la même raison subsiste toujours[“]264 Ve r n u n f t u [ n d ] Z e i t – cf. 175D265 Zeit aus dem Satz des Widerspruchs ausgeschlossen[,] cf. 175[.]266
________ Hegel [„]wesentlich itzt[“]267 – dies die Parusie der Idee (Platon)268
________
A
I n t e l l e k t b e s t e h t ; der] I n t e l l e k t / der a l l e r ] im Ms. doppelt unterstrichen C Es] es D 175] 174 Angabe berichtigt B
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Beilage I
In dieser ganz „zeitabgewandten“ Analyse Kants komme zum Vorschein, daß sie sich primär aus der Zukunft zeitigt?269 Aber Begriff ist nichtA blosse „Zukunft“ [– „]la même raison subsiste toujours[.“]270
________ endliche reine sinnliche Ve r n u n f t Heidegger 179, 188B271 DieserC Begriff einer endl[ichen] reinen sinnl[ichen] Vernunft ist trotz allem, was Heidegger sagt, entschieden Unkantisch! InnerhalbD der Kant[ischen] Philos[ophie] ist ein s o l c h e r Begriff ein hölzernes Eisen[.]
UrteilskraftE v o n H e i d e g g e r a u s g e s c h a l t e t (cf. S. 153!)272 L [fünfundzwanzig Zeilen freigelassen] I n t e l l e c t u s a r c h e t y p u s 273 M e n s c h l [ i c h e r ] Verstand auf die VerbindungF von Begriff u[nd] Anschauung angewiesen – darin liegt seine Eigenart. cf. Fortschr[itte] d[er] Metaphys[ik seit Leibniz und Wolff;] Heidegger 163274 L [zwanzig Zeilen freigelassen] (Verh[ältnis] zw[ischen] Ve r n u n f t , F r e i h e i t ) G Ve r n [ u n f t ] a u f s i e n i c h t zurückführbar[.] – Daran ändert auch Kants Lehre von der Achtung als „Gefühl“ nichts (cf. S. 148 ff.)[.]275 Im Gegenteil – dennH dieser ganze Abschnitt von den Triebfedern geht gar nicht auf den I n h a l t des Sittengesetzes als s o l c h e n [ ,] nicht auf die I d e e der Sittlichkeit (= Freiheit, kategor[ischer] Imperativ) sondern nur auf ihre Anwendbarkeit[.] – Im endl[ichen] Menschenwesen stellt sich diese Idee als Gefühl der Achtung d a r I – aber „an sich“ ist sie über diese D a r s t e l l u n g durchaus e r h a b e n (cf. Cohen – Achtung als P r o b l e m der „Anwendung“ – von Heidegger s e l b s t 150 betont.276)
A
Begriff ist nicht] Begriff nicht 179, 188] 179/188 mit geschweifter Klammer zusammengefaßt C Dieser] dieser D Innerhalb] innerh. E U r t e i l s k r a f t ] ab hier mit Tinte geschrieben F Verbindung] Verbigg. G (Verhältnis zwischen Ve r n u n f t , F r e i h e i t ) ] Ab hier mit Bleistift geschrieben. Davor gestrichen: E i n b i l d u n g s k r a f t H denn] Denn I d a r ] im Ms. doppelt unterstrichen B
Heidegger-Aufsatz
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Im Sittl[ichen] begibt sich tatsächlich das W u n d e r, das uns über die blosse Endlichkeit hinweghebt[;] hier sind wir niemals b l o s s e Geschöpfe[,] wir sind zugleich S c h ö p f e r [.] – Im Theoret[ischen] sind wir beschränkt – der Gegenstand steht uns ›entgegen‹[,] begrenzt uns[,] d e t e r m i n i e r t uns (‚Zwang‘ der Kausalität)[.] Im Gebiet der Freiheit aber sind wir dem G e s e t z nicht lediglich unterworfen – wir sind zugleich Gesetzgeber – wir sind Untertanen u[nd] Herrscher in e i n e r Person[.] – Das trennt das ›regnum gratiae‹ vom [›]regn[um] naturae[‹.]
________ zum Gef[ühl] der Achtung cf. 151 (Bleist[ift]-Notiz!)277 L [fünf Zeilen freigelassen]
Ve r n u n f t u [ n d ] Z e i t A Heidegger behauptet, daß die Ewigkeit als nunc stans genommen nur aus der Zeitlichk[eit] v e r s t ä n d l i c h sei (230[);] das ist aber gerade die F r a g e ! B hier liegt eine petitio principii vor IJȠIJȚȞİੇȞĮȚ heisst a u c h C nicht: was immer schon w a r im Sinne des – ›Imperfectums[‹]D sondern im Sinne der (Form) Vo l l - Endung!E278 HeideggerF s e l b s t zitiert: (175) [„]Die reine Vernunft als ein bloss intelligibles Vermögen ist der Zeitform u[nd] mithin den Bedingungen der Zeitfolge nicht unterworfen[“]!279 EbensoG aus der Form des Denkens (Satz vom Widerspruch) Zeitcharakter zu tilgen. (cf. 175)280 cf. Kr[ritik der reinen Vernunft B] 4 3 0 prakt[ische] V[ernunft] ist r e i n e Spontaneität[,] nicht auf empir[ische] Bedingung[en] eingeschränkt281 I d e e , I d e a l i s m u s (Vernunft)H Sch[iller: „]Wollt Ihr frei auf ihren Flügeln schweben[“]282 – Heidegger dagegen will uns immer wieder ins Endliche, in die Angst des Irdischen, in den ›Tod‹ zurückziehen – Frage des Schülers in Davos283 – S t i l [–] A
Ve r n u n f t u [ n d ] Z e i t ] daneben Zählung 1 F r a g e ! ] im Ms. doppelt unterstrichen C IJȠIJȚȞİੇȞĮȚ heisst a u c h ] IJȠIJȚȞİੇȞĮȚ a u c h D – ›Imperfectums‹] Zeichensetzung uneindeutig. Es könnte auch → Imperfectums gemeint sein. E Vo l l - Endung!] Vo l l - im Ms. doppelt unterstrichen F Heidegger] davor Zuordnungshinweis ‚ Ve r n u n f t ‘ und Zeit, davor gestrichen: Einbildungskraft G Ebenso] ebenso H I d e e , I d e a l i s m u s (Vernunft)] daneben Zählung 2 B
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Beilage I
„helles Zimmer“284 gegen die „Dunkelheit“ des Heidegger-Stils – c i t i e r e n ! S. 112 u[nd] S. 6 7 ! A285 Ich muss gestehen – mir geht es, wie wenn ich in die Platon[ische] Höhle zurückkehren sollte – an HalsB u[nd] Schenkeln gefesselt – die Schatten286 – aber vergessen wir nicht: e i n Kantisches Motiv ist kaumC bezeichnet[.] – So verliess Platon die Sinnenwelt – z u r ü c k zur Sinnenwelt, zur Endlichkeit, zum fruchtbaren B a t h o s der Erfahr[ung]287 – die Idee muss sich schematisier[en] u[nd] restringieren[.] – Aber doch andrerseits ist ‚Idee‘ so etwas, dem keine Erfahrung k o n g r u i e r e n kann[.] – Mit der transz[endendtalen] Dialektik beginnt bei Kant wieder der Durchblick u[nd] der Ausblick auf die ‚noumenale‘ Welt288 – freilich n i c h t als eine ontische[.] – Und vollends in der Kr[itik] d[er] pr[aktischen] V[ernunft] u[nd] in der Kr[itik] d[er] U[rteilskraft] schweben wir frei auf den Flügeln der Idee289 – wir werfen die A n g s t des Irdischen von uns[.] – M e n s c h sein heisst eben unmittelbar b e i d e s sein[:] ans Endl[iche] gebunden u[nd] in D dasselbe verstrickt u[nd] doch der I d e e des Unendl[ichen] fähig[.] n i c h t der Schematismus, nicht der AnschauungE ›capere infinite‹290 F r e i h e i t = (Vernunft)F Freiheit n i c h t z e i t g e b u n d e n s[iehe] Kr[itik] d[er] pr[aktischen] V[ernunft] als letzter „Grund“ – auch der Einbildungskraft Idealismus der Freiheit Nach HeideggerG 133 ist dem Menschen als endlichem Wesen seine metaphys[ische] Natur das U n b e k a n n t e s t e u[nd] Wirklichste zugleich[.]291 – In welchem Sinne „unbekannt“[?] InH d e m Sinne, daß Freiheit ‚unbegreiflich‘ ist: wir begreifen zwar nicht, aber doch – Schlusss[atz] der Metaphys[ik] d[er] Sitten [–] aber doch Freiheit das B e k a n n t e s t e u[nd] Z u g ä n g l i c h s t e [ .] Beide brauchen wir nicht – etc.292
A
67!] im Ms. doppelt unterstrichen Hals] Füssen; stark verschrieben, darunter noch lesbar Ha – in der Übersetzung Schleiermachers heißt es Hals C kaum] Lesung unsicher D in] an E Anschauung] Anschg F F r e i h e i t = (Vernunft)] daneben Zählung 3 G Nach Heidegger] nach Hd. H In] in B
Heidegger-Aufsatz
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SieA ist etwas Unbe g r e i f l i c h e s , aber unmittelbar G e w i s s e s – nur darf d i e s e Gewissheit nie s c h e m a t i s i e r t (= objektiviert!) werden[.] – Freiheit ist das ›Unbedingte‹, was nie zum blossen D i n g = Entgegen im Stand gemacht werden darf!
Ve r n u n f t B Ganz irrig ist die Behaupt[ung], (147) daß die Ve r n u n f t nicht deshalb frei sei, weil sie den Charakter der Spontaneität hat[, „]sondern weil diese Spontaneität eine rein r e z e p t i v e Spontaneität d. h. transzendentale Einbildungskraft ist[.“]293 Wo hat Kant etwas D e r a r t i g e s gesagt? Wo hat er die Vernunft als transzendentale Einbildungskraft bestimmt – u[nd] sie damit der Sphaere der E n d l i c h k e i t „der Erscheinungen zugewiesen“? Vernunft ist gerade das Vermögen der Ideen u[nd] daher das Vermögen z[um] Unendlichen[;] sie ist das was über die (phaenomenale) Dingwelt zur Welt des reinen Noumenon294 hinausführt[.] – Nur darf das › U n endliche‹ nicht selbst wieder ver-dinglicht – dennC das hiesse verendlicht werden – es ist keine Welt von ›Substanzen‹ sondern von ›Personen‹ u[nd] ›Zwecken‹[.] I d e e n l e h r e „ Ve r n u n f t “ D Heidegger versucht nicht nur die ‚Anschauung‘ u[nd] den ‚Verstand‘ an die Einbildungskraft zu binden (was treffend ist u[nd] jedenfalls der Te n d e n z Kants entspricht –) (s[iehe] unt[er] EinbildungskraftE) sondern auch die Ideen[.] – Auch die Idee bleibt ihm wesentlich ‚endlich‘: [„]die „Idee“ als Vorstell[ung] einer Regel kann nur vorstellen in der Weise eines Hinnehmens[.“] (146)295 Damit aber wird die eigentümliche „Transzendenz“ der Idee verkannt – die Idee überschreit[et] die mögl[iche] Erfahrung noch in einem andern Sinne als Verstand u[nd] AnschauungF, die auch in ihrer aprior[ischen] Spontaneität auf E r s c h e i n [ u n g e n ] gehen, nichts anderes als die Mögl[ichkeit] des E r f a h r u n g s g egenstandes zum Ziele haben[.] – F r e i h e i t : „Der Verst[and] u[nd] die Vernunft sind nicht deshalb frei, weil sie den Char[akter] der Spontaneität haben, sondern w e i l diese Spontaneität eine rein r e z e p t i v e Spontaneität, d. h. transzendentaleG A
Sie] sie Ve r n u n f t ] daneben Zählung 4, davor gestrichen: E i n b i l d u n g s k r a f t C denn] den D I d e e n l e h r e „ Ve r n u n f t “ ] ab hier mit Tinte geschrieben; „ Ve r n u n f t “ mit Bleistift hinzugefügt E Einbildungskraft] Einbkr F Anschauung] Anschg G transzendentale] transzentale B
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Einb[ildungskraft] ist[.]“ (147)296 Dies gilt vom Verstand, aber n i c h t von der Vernunft[.] – Die Vernunft greift schon als t h e o r e t [ i s c h e ] Vern[unft] über das Reich der ›Erscheinungen‹, also des Schematismus, hinaus[.] – Der ›Idee‹ entspricht kein Schema, sondern ein S y m b o l [,] sie lässt sich nicht charakterisieren, da ihr kein ›kongruierender‹ Gegenst[and] gegeben werden kannA, sondern nur symbolisieren – Idee als ›focus imaginarius‹[.]297 noch mehr gilt dies von der prakt[ischen] Vernunft Ty p i k der reinen prakt[ischen] Vernunft Schematisierung führt zur Mystik – Bildhaftem Du sollst Dir kein Bildnis machen[.]298 Gottes- I d e e ! Kr[itik] d[er] Urteilskr[aft] cf. Kants Leben u[nd] Lehre299 ganz besonders aber Freiheitsidee WirB ›begreifen‹ die Freiheit nicht, wenn begreifen s c h e m a t i s i e r e n heisst. Daher könnenC auch die Fesseln der Endlichkeit definitiv abgestreift werden – dieD Freiheit ist nicht mehr ‚menschlich‘ gebunden[.] – DiesE gilt in gew[issem] Sinne noch von den Anschauungsformen von R[aum] u[nd] Z[eit] – ‚uns Menschen wenigstens‘300 – s[iehe] das WortF aus den Fortschr[itten] d[er] Metaphys[ik] 163,301 allen Freiheit, für alle Vernunftwesen überhaupt (cf. Cohen, Kants Begründung der EthikG)[.]302 Vernunft als theoret[ische] u[nd] praktische ist n i c h t reine rezeptive Spontaneität d. h. transzendentale Einbildungskraft – sondern sie ist produktive Spontaneität! Auch die Berufung auf das „Gefühl der Achtung“ (Heidegger 150 ff.303) fruchtet hier nicht: denn das Gefühl der Achtung k o n s t i t u i e r t keineswegs das Sittengesetz – dies kann als autonomes Vernunftgesetz auf kein Gefühl g e g r ü n d e t werden[,] sondern dies Gefühl ist nur die Art, in der sich uns die Geltung des Sittengesetzes, die als solche absolut ist, p s y c h o l o g i s c h r e p r a e s e n t i e r t [ ;] cf. hierzuH Cohen, K[ants] Begr[ündung] der Ethik.304
A
kann] kan Wir] wir C können] kon D abgestreift werden – die] abgestreift – die E Dies] dies F Wort] Wt. G Cohen, Kants Begründung der Ethik] Cohen, Ethik H hierzu] hrz. B
Heidegger-Aufsatz
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Zeit als universale reine Ansch[auung] – Vorrang der Z[eit] vor dem Raum cf. 44 f.305 ________ [„]Das Begegn[ende] selbst ist im vorhinein schon umgriffen durch den in der reinen Anschauung vorgehaltenen H o r i z o n t d e r Z e i t [ .“] (71)306 [„]DieA im vornherein rein hinnehmend gebende universale AnschauungB ist die Z e i t – die reine Einbild[ungskraft] muss sich daher wesenhaft auf sie beziehen.[“] (75)307 [„]DasC reine Bild aller Gegenst[ände] der Sinne überh[aupt] ist die Z e i t [ .“] (97)308 Ausf[ührung] s[iehe S.] 100 ff.309
________ Die ›Transzendenz‹ ist (beim Menschen) „a priori sinnlich“, weil sie in der Zeit gründet (164)310[,] cf. S. 165 ff.311 [„]DasD Bilden der Einbildung ist in sich zeitbezogen[.“] (167)312 innerer Zeitcharakter der tr[anszendentalen] Einbildungskraft 167E313 Darin liegt der letzte entscheidende Beweis dafür, [„]daß die Interpretat[ion] der transzendent[alen] Einbildungskr[aft] als der Wurzel der beiden Stämme n o t w e n d i g ist.[“]314 A p p r e h e n s i o n – [„]Die reine appreh[endierende] Synthesis b i l d e t erst dergleichen wie das Jetzt u[nd] die Jetztfolge[.“] (171)315 Rekognition = Zukunft (175)316 das ਕİȞ ist nicht = in alle Z u k u n f t Seiendes!F317 Rekognoscere = im voraus erkunden[,] hindurchspähend (177)318 die reine Synthesis zeitigt sich erst primär aus der Zukunft (178)G319 Die Zeit als „reine Selbstaffektion“[,] denn sie gehört zur i n n e r e n M ö g l i c h k e i t des „Gegenstehenlassens von“[.] (181)320
A
Die] die Anschauung] Anschag C Das] das D Das] das E Das Bilden der Einbildung … Einbildungskraft 167] am Rand Anm.: dieser Begriff der Einb[ildungskraft] ist z u e n g wie Ph[ilosophie] d[er] s[ymbolischen] F[ormen Bd.] III zeigt F Rekognition = Zukunft … in alle Z u k u n f t Seiendes!] am Rand Anm.: dies aber schon etwas gekünstelt! G (178)] (179) Angabe berichtigt B
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Beilage I
[„]Nur auf dem Grunde dieser Selbstheit kann das endl[iche] Wesen sein, was es sein muss: angewiesen auf Hinnahme[.“] (181)321 Die Zeit u[nd] das „Ich denke“ sind d a s s e l b e – was K[ant] freilich nicht ausdrücklich gesehen hat[.] (183)322 Aber Bleiben der Form a l s s o l c h e r [ ,] nicht der blossen Z e i t f o r m cf. S. 184323[,] weiter zu fassen – Beständigkeit nicht als bloss zeitliche sondern als ‚Gestalt‘ (Idee) überh[aupt] zu verstehen[.] Die transz[endentale] Einbild[ungskraft] [„]als das urprüngl[iche] dreifach-einigende Bilden von Zukunft, Gewesenheit u[nd] Gegenw[art] überh[aupt] ermögl[icht] die reine S y n t h e s i s – nämlich die Einigung der drei Elemente der ontolog[ischen] Erk[enntnis], in deren Einh[eit] sich die Tr a n s z e n d e n z bildet[.“] (187)324
BEILAGEN II
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Beilagen II
ARBEITSGEMEINSCHAFT CASSIRER UND HEIDEGGER Davos, 26. März 1929
Daten325
Hermann Mörchen
Dienstag 26. März 1929, Vormittag: Arbeitsgemeinschaft E. Cassirer und M. Heid e g g e r / 10 – 12
Diskussion über Cassirer – Heidegger
Vier Punkte: 1) die Kant-Interpretation Heideggers. 2) die Kritik Cassirers an der Rolle der Räumlichkeit bei Heidegger. 3) die Kritik Cassirers an der Rolle der Sprache bei Heidegger. 4) die Kritik Cassirers an der Rolle des Todes bei Heidegger. Cassirer: Frage an Heidegger: was ist Neukantianismus?
Stein327: Einbildungskraft als Wurzel von Anschauung und Verstand? 2. Auflage gebe diese ursprüngliche Sicht der zentralen Konzeption der Einbildungskraft auf? Kant bebe zurück vor den Konsequenzen? Ist dies Zurückbeben nicht zu verstehen als eine Scheu der theoretischen Vernunft, einen Begriff als zentralen Begriff der theoretischen Philosophie hinzustellen, der den strengen Anforderungen an theoretische Philosophie nicht entspricht? In der 2. Auflage geht parallel mit dem Zurücktreten der Einbildungskraft ein Hervortreten des praktischen Pathos (vgl. Vorrede zu B). Um dem Glauben Platz zu machen wird das Wissen zurückgedrängt. Heidegger: Cohen; Windelband, Rickert, Riehl, Erdmann. Das Gemeinsame des Neukantianismus ist aus seinem Ursprung zu zeigen. Die Genesis der Philosophie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Verlegenheit der Philosophie bezüglich der Frage, was ihr eigentlich noch bleibt im Ganzen der Erkenntnis. Situation: sowohl die Geisteswissenschaften als die Naturwissenschaften haben die Allheit des Seienden besetzt. Der Philosophie bleibt nicht mehr Erkenntnis des Seienden, sondern nur noch Erkenntnis der Wissenschaft als solche. Die Kritik der reinen Vernunft wurde gesehen als Theorie der Erfahrung (Cohen). Erkenntnistheorie der mathematisch-physikalischen Erkenntnis. Rickert usw. ergänzten ihn nach der geisteswissenschaftlichen Seite. Ähnlich Dilthey. Auch Husserl ist zwischen 1900 und 1910 in die Arme des Neukantianismus gefallen. Übernahme der Grundfragestellungen Natorps. Neukantianismus ist d i e Auffassung der Kritik der reinen Vernunft, die sie interpretiert als Theorie der Erkenntnis. Der Ansturm gegen den Neukantianismus hat ganz verschiedene Motive. Das Suchen nach Metaphysik bei Kant ist heute allgemein. Man sagt, es gibt n e b e n der Erkenntnistheorie metaphysische Einflüsse bei Kant.
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger
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Helene Weiss 26.III.1929. Arbeitsgemeinschaft Cassirer – Heidegger326
1.) Heideggers Kant-Interpr[etation] 2.) Cassirers Kritik an Heideggers Räumlichkeit 3.) Sprache (als Beispiel der Differenz zw[ischen] Heidegger u[nd] Cassirer) 4.) Tod (als Beispiel der Differenz zwischen Heidegger und Cassirer) 1.) Cassirer: Was versteht Heidegger unter N e u k a n t i a n [ i s m u s ] ? Ganz uneindeutig. Versteht sich ab[er] mit manchen „berühmten“ Neukantianern gar nicht. Andrerseits mit Husserl immer gut verstanden. – Dr. Stein: Einbildungskraft entspricht [nich]t Kants Anforderungen an t h e o r e t [ i s c h e ] Philos[ophie.] Moment der Objektivität verbürgt durch die Verstandesseite. Darum bebte Kant vor d[er] theoret[ischen] Untat zurück. In der 2. Auflage zugleich Vortreten des prakt[ischen] Pathos. (cf. Vorrede zu B). Im Wesen der pr[aktischen] V[ernunft] liegt etwas was theoret[isch] [nich]t mehr erfaßt w[erden] kann.
Heidegger: Cohen, Windelband, Rickert, Erdmann. Zwar 2 verschiedene Richtungen, aber ein G e m e i n s a m e s : Verlegenheit d[er] Philos[ophie] bezügl[ich] d[er] Frage: was ihr noch bleibt im Ganzen der Erkenntnis. (So um 1850/60). Es bleibt Erkenntnis der Wiss[enschaft] als solcher. Unter diesem Leitfaden Rückgang auf Kant („Theorie der Erfahrung“). Rickert-Windelband (ähnlich Dilthey) versuchten unter dieser Voraussetzung (Theorie der Naturwiss[enschaft]) Kant nach der anderen Seite zu ergänzen. Husserl selbst 1900–1910 in die Arme des Neukantian[ismus] gefallen. (Innere Verwandtschaft, die Cassirer fühlt.) – K[ritik] d[er] r[einen] V[ernunft] (bis zur tr[anszendentalen] Dialekt[ik]) als Theorie der Erkenntnis interpretiert. Kant als Metaphysiker Gemeinplatz. Aber selbst Heimsoeth u[nd] M[ax] Wundt (rein historisch gearbeitet) sehen nur metaph[ysische] Einflüsse Kants als „daneben“.328
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Beilagen II
Heidegger dagegen: gerade in der Ästhetik und Analytik ist die Kantsche Problematik die der metaphysica generalis. Welches ist nun der innere Zusammenhang zwischen Analytik und Dialektik? Aufgrund meiner Interpretation der Analytik als Grundlegung der Metaphysik will ich zeigen, daß, was bei Kant nur negativ in der Dialektik ist als Logik des Scheins, ein positives Problem ist. Das ganze Problem der Vernunft und des Menschen ist so zu fassen, daß zur Natur des Menschen notwendig der Schein gehört. Zu Steins Frage: schärfster Einwand gegen Heidegger: Kant hat in den Paralogismen gezeigt, daß wir über das Wesen der Seele nichts auszusagen vermögen, also auch nicht über die Wurzel der beiden Stämme. Doch vgl. Vorrede zur 1. Auflage: „Ich kenne keine Untersuchungen, …“329 Spricht g e g e n und zugleich f ü r Heideggers Interpretation.
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger
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Kommt gerade darauf an: Kant wollte k [ e i n e ] Theorie d[er] Naturwissenschaft, sondern Problematik der Met[aphysica] generalis. So allererst Probl[em] z[u] stellen: innerer Zusammenhang der Aesthet[ik] und Anal[ytik] mit Dialektik. „Dialektik d[es] Scheins“ p o s [ i t i v e s ] Problem. Schein gehört notw[endig] z[ur] Nat[ur] d[es] M[enschen] in seiner Endlichkeit. Das das Wesentl[iche].
Zu Steins Frage: Freilich liegt hier ein wesentl[iches] Problem. N[ich]t so sehr Wert legen auf Motiv des Zurückschreckens. Vielmehr nach einer anderen Seite. Will mir den schärfsten Einwand selbst machen. Kant hat üb[er] die Paralogismen geschrieben, diese vermögen über Wesen der Seele und unserer selbst nichts auszusagen. Also Mögl[ichkeit] abgeschnitten, die gemeinsame Wurzel d[er] beid[en] Stämme z[u] begründen. Aber merkw[ürdige] Stelle in Vorrede z[u] A. XVI „Ich kenne k[eine] Unters[uchungen] … z[u] meinen.“ 〈Charakteristischerweise nur in Vorrede zu A!〉 Spricht gegen meine Interpr[etation] und zugleich f ü r sie, berührt den eigentl[ichen] Kern des Problems. Kant innerhalb des Theoret[ischen] schon in e[ine] Dimension geraten die schon p r a k t [ i s c h ] ist. – Verstand hält sich selbst e[ine] Ve r b i n d l i c h k e i t seines Verhaltens vor. Damit das sein kann, muß dieses Wesen f r e i sein. So daß im Begriff des endl[ichen] Wesens bzw. des Verstandes schon aufbricht die F r e i h e i t . Reduktion auf Einbildungskraft ist Reduktion des Erkennens auf Freiheit. So aus ursprüngl[icher] Dimension die ursprüngl[iche] Transcendenz selbst z[u] zeigen. Einerseits begrenzt Kant in Paralog[ismen] Erkenntnis d[er] Seele. Andrerseits nirgends so in Tiefen d[er] Seele eingedrungen wie hier. Woran liegt das? Motiv des Zurückschreckens noch radikaler nehmen, nicht nur Festhalten am Theoret[ischen], sondern an Vernunft u[nd] Logos. Neukant[ianismus] stößt so auf Problem, das er wieder nicht radikal ursprüngl[ich] nimmt. Zwar hat das Problem der Psychologie Neukant[ianer] (Cohen, Natorp) zeitlebens beschäftigt. Windelband – Rick[ert] Unverstehen. Grotesker Versuch[,] mit Exper[imental]psychologie Kant wiss[enschaftlich] zu machen. Deutet darauf hin, daß Problematik: hier Erkenntnisth[eorie], Logik, dort Psychologie. Hieraus Huss[erls] Log[ische] Unt[ersuchungen] erwachsen. Diese Problematik geistesgesch[ichtlich] wesentl[ich]. Aber im Ganzen der Philos[ophie] falsche Sicht Kants. Kant doch Metaphysiker, weil er das Probl[em] d[er] Metaph[ysik] z[um] 1. Mal seit Aristoteles wieder begriffen. – Cassirer hat die Enge der Marburger überschritten, große Weite des Ganzen der Philos[ophie.] Trotzdem eine Basis festgehalten, bzw. eine Dimension nicht gehabt.
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Beilagen II
Cassirer: Übereinstimmung mit Heidegger: die produktive Einbildungskraft ist in der Tat von zentraler Bedeutung bei Kant. Das zeigt sich wenn man das Problem des Symbolischen stellt. Synthesis speciosa.330
Wie sind synthetische Urteile a priori möglich, d. h.: wie sind, unbeschadet der aufgewiesenen Endlichkeit doch allgemeine, notwendige (ewige) Wahrheiten für den (die?) Menschen möglich?
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger
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Cassirer: Nie in Cohen bloßen Erkenntnistheoretiker sehen können. Historische Situation zwang ihn dorthin zurück. G r u n d l a g e in Theor[ie] d[er] Erfahrung. Aber sofort ergänzt durch Eth[ik], Aesth[etik], Religionsphilosophie. In einem weitgehende Übereinstimmung zw[ischen] uns: produkt[ive] Einbildungskraft zentrale Bedeutung. Dorthin werde ich geradeA jetzt in meiner Fortführung der symbol[ischen] Formen geführt. Synthesis speciosa. Synthesis Grundkraft d[es] Verstandes, r[einen] Denkens; aber die Synth[esis], auf die es ihm ankommt, ist die[,] die sich der species bedient. Bildbegriff. Symbolbegriff. So bin ich v[on] andrer Seite dahin geführt, Einbildungskraft ins Centrum zu stellen. Hier brechen 2 Probleme auf. 1.) Freiheit. Wenn wir gebunden an Sinnlichkeit (Verbildlichung), welcher Raum bleibt dann f[ür] Kants Zentralprobl[em]: Freiheit. Den Weg dazu konnte er s[ich] nur bahnen durch E r k e n n t n i s k r i t i k . Wenn wir das Probl[em] so stellen, wie Kant es einmal stellt: „Wie ist Fr[eiheit] möglich[?]“ „Wir können sie [nich]t begreifen, begreifen nur ihre Unbegreiflichkeit.“331 Auch in dieser immanenten Seite bringt das Probl[em] noch e[ine] Schwierigkeit. Liegt in Anlage d[er] Kr[itik] d[er] th[eoretischen] u[nd] d[er] pr[aktischen] Vernunft. Kants Ethik einen immer wieder betonten Grundsatz: d[er] kateg[orische] Imp[erativ] u[nd] jedes sittl[iche] Gesetz muß f[ür] a l l e Vernunftwesen überhaupt gelten. Also Übergang ü b e r E n d l i c h k e i t h i n a u s . (Anders als in Erkenntnis). Hier das entscheidende m e t a p h [ y s i s c h e ] M o m e n t . Nicht in überwundener Met[aphysik] (LieberB Gott), wie Heidegger richtig zeigt, aber Übergang in intelligible Welt. Dort ein Absolutes stabilisiert. Das kann h i s t o r i s c h [nich]t geleugnet werden. Außerordentl[iche] Bedeutung des Schematism[us] ist mirC selbst immer klarer geworden. Aber beim Übergang zu[r] Ethik verbietet er den Schemat[ismus]. Unsere Gedanken v[om] Sollen sind Einsichten ([nich]t Erkenntnisse)[,] die sich [nich]t mehr schematisieren lassen, nur Typik, [nich]t Schema. Schematism[us] ist term[inus] a quo, f[ür] Kant aber [nich]t term[inus] ad quem. In Kr[itik] d[er] pr[aktischen] V[ernunft] u[nd] d[er] Urteilskraft brechen neue Probleme auf. Kant nie starrer Systematiker, hält seine Kateg[orien] [nich]t fest, schafft f[ür] neues Gebiet neue Kateg[orie]. Noch e[inen] Punkt kurz berühren: Unsere Erkenntniskraft ist e n d l i c h . Wie kommt aber endliches Wesen zur Vernunft, Wahrheit? Hier über Kant hinaus gleich zu sachl[ichen] Fragen gehen. Heidegger sagt im Buch: „Wahrheiten an sich (ewige) kann es [nich]t geben. Sind relativ auf Dasein. E[in] endl[iches] Wesen kann überh[aupt] ewige Wahrheiten [nich]t besitzen.“332 Für Kant gerade Probl[em]: Wie kann es unbeschadet d[er] endl[ichen] Wahrheiten doch notw[endige] u[nd] allgem[eine] geben? Wie sind synthet[ische] Urt[eile] a pr[iori] möglich? Synthet[ische] Urteile sind [nich]t endl[ich], sondern in ihrem Gehalt allg[emein], notw[endig.]
werde ich gerade] werde gerade Lieber] Liebe C Schematismus ist mir] Schematismus mir
A B
114 [bei Mörchen nicht aufgezeichnet ]
Beilagen II
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger
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Heidegger: Natur das paradigmatische Seiende. Im Sinne des Vorhandenen. Viel weiter als „Gegenstand d[er] mathemat[ischen] Naturwissenschaft“[.] Was er geben wollte, [nich]t Auslegung des Gegenstands d[er] math[ematischen] Naturwissenschaft, obwohl er fakt[isch] daran exemplifiziert, sondern Auslegung des Seienden. Zu belegen aus Stelle am Ende d[er] K[ritik] d[er] r[einen] V[ernunft B] 873: „Alles sofern es ist …, wird auf folgende Art eingeteilt“.333 Sucht allg[emeine] Ontologie d[er] Nat[ur] v o r Ontol[ogie] d[er] Natur als Gegenstand der Naturwissenschaft u[nd] Psychol[ogie]. Ebenso auseinandergelegt in „Met[aphysische] Anfangsgründe d[er] Naturwissenschaft“. Stelle in Fortsch[ritte] d[er] Met[aphysik] ([nich]t mehr von Kant herausgegeben): [„]Wenn Problem wäre z[u] fragen n[ach] Gegenstand d[er] Naturwissenschaft, so wäre Ontologie nie entstanden.“334 3 Schichten in „Religion innerh[alb] d[er] Grenzen [der bloßen Vernunft]“: Tierheit, Menschheit kommt durch Verstand, 3.) Personalität (Achtung). Aber Frage: Was ist d[er] Mensch? [nich]t ursprüngl[ich] gestellt. Kant [nich]t ursprüngl[iche] Einheit.
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Beilagen II
Heidegger: Die Idee des „Imperativs“ zeigt den inneren Bezug auf ein endliches Wesen; grob metaphysisch: dies Hinausgehen über die Endlichkeit im kategorischen Imperativ besagt immer noch einen Übergang zu G e s c h a f f e n e m , etwa zu Engeln. Endlichkeit auch des sittlichen Handelns bei Kant; sie ist nicht zu erörtern ohne die kritische Frage: was ist Gesetz? … Sobald ich über Endliches aussage, muß ich schon eine Idee von Unendlichkeit haben, kann man zunächst formal einwenden. Kant bezeichnet in der Anthropologie die produktive Einbildungskraft als exhibitio originaria. Vgl. Gottes intuitus originarius.335 In der Einbildungskraft kommt dies also zum Vorschein. Aber: es ist exhibitio, Darstellung, d. h.: freies Sich-geben in Angewiesenheit auf ein Hinnehmen. Der Mensch als endliches Wesen hat eine gewisse Unendlichkeit im O n t o l o g i s c h e n . Er ist unendlich nicht im Schaffen des Seienden selbst, sondern i m Ve r s t e h e n d e s S e i n s . Sofern ich Sein nur verstehe im Miterfahren von Seiendem, ist diese Unendlichkeit des Ontologischen wesentlich gebunden an die endliche Erfahrung. Darum ist diese Unendlichkeit des Menschen gerade der schärfste Index seiner Endlichkeit. Gott braucht keine Ontologie.
Gegenfrage Cassirers: Begriff der Wahrheit: bei Kant ist ontologische Erkenntnis in der Tat allgemein und notwendig; aber: Kant sagt mehrmals: die Möglichkeit der Erfahrung, das, was Erfahrung überhaupt möglich macht, ist zufällig. [Heidegger:] Frage der ewigen Wahrheiten. Wahrheit ist relativ auf Dasein. Dies ist keine ontische Aussage: wahr sei nur das, was der faktische einzelne Mensch denkt; sondern: Wahrheit hat als Wahrheit überhaupt nur einen Sinn und kann nur sein, wenn Dasein existiert. Die Frage nach der Ewigkeit der Wahrheit wird gewöhnlich orientiert am Problem der Gültigkeit, d. h. am ausgesprochenen Satz, und dann kommt man zurück auf das, was da gilt, und dann findet man Werte usw. …
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger
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Personalitas moralis: f[ür] sie Achtung konstitutiv. Im kat[egorischen] Imp[erativ] etw[as] was üb[er] endl[iches] Wesen hinausgeht[.] Aber im Imp[erativ] gerade inner[er] Bezug auf endl[iches] Wesen. Das Hinausgehen geht auch noch z[u] Endlichem, (Engeln) Geschaffenem, Kreatum. (Ens creatum dabei f[ür] Kant [nich]t glaubensmäßig wesentlich.) Vernunft d[es] Menschen „Selbsthalterin“336, z w [ i s c h e n ] ewigem Absoluten und Welt der Triebe; das ist das Wesen d[er] pr[aktischen] Vernunft: dieses Z w i s c h e n . Fehlgehen (gerade auch b[ei] Scheler) fragt wonach das Handeln sich richtet, sieht [nich]t die innere Struktur dieser „Gesetzlichkeit“. Gewiß liegt etw[as] vor, das üb[er] Endlichkeit hinausgeht. Aber die innere Struktur d[es] Daseins selbst, ist sie endlich od[er] unendlich? Hier zentrales Probl[em]: es ist bes[onders] die Frage: nach der philos[ophischen] Erörterung v[on] Endlichkeit z[u] fragen. Formal: muß schon Leitfaden d[er] Unendlichkeit haben. Inhaltl[ich:] gerade in Constit[ution] d[es] Endl[ichen] (Einbildungskraft) gerade Charakter der Unendlichkeit z[um] Vorschein kommend. Kant bezeichnet g e r a d e Einbildungskraft als e x h i b i t i o o r i g i n a r i a . Also im Transc[endentalen] kommt d e r Char[akter] z[um] Vorschein[,] der in der abs[oluten] Erkenntnis wesentl[ich]. Aber e x h [ i b i t i o ] , Darstellung, freies Sich-Geben, also Angewiesenheit auf ein H i n n e h m e n . Der Mensch als endl[iches] Wesen hat e[ine] gew[isse] Unendlichkeit im Ontologischen, unendlich im Verstehen des Seins. Sofern dieses nur mögl[ich] in inn[erer] Einheit des Erfahrens d[es] Seienden, ist die Unendlichkeit des Verstehens v[on] Sein gebunden an Erfahren des Ontischen. Ontologie ein Index der Endlichkeit. Erkenntnis kann nur endl[ich] sein auf Grund der Unendlichkeit im Ontologischen. Freilich erhebt s[ich] Gegenfrage, mit Bezug auf Begriff der Wahrheit: allg[emein] gültige Erkenntnis, die aller fakt[ischen] Erfahrung voraus liegt. Freilich sagt Kant (das Tiefste neben Schemat[ismus]): die Mögl[ichkeit] der Erfahrung, dieser Unendlichkeit des Schöpferischen, ist z u f ä l l i g . Wahrheit, in der Unwahrheit-Sein. Hier Problem, wo Kants „Schein“ verwurzelt ist, ZusammenhangA d[er] Metaph[ysica] gen[eralis] u[nd] specialis. – Frage der ew[igen] Wahrheiten: Mein Satz [nich]t ontisch, sondern met[aphysisch]: Nur mit der Ex[istenz] v[on] Dasein kommt Wahrheit ins Sein. Ewigkeit d[er] Wahrheit [nich]t am Satz, sondern anders, metaph[ysisch] aufzurollen.
A
verwurzelt ist, Zusammenhang] verwurzelt, Zusammenhang
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Beilagen II
Die Wahrheit hat gemäß der jeweiligen faktischen Einzelexistenz einen bestimmten Wahrheitsgehalt; die Gültigkeit wird nicht interpretiert, wenn man sagt, gegenüber dem Fluß und Wechsel gibt es ein Ewiges, Beständiges. Was ist denn diese Ewigkeit? Ist sie nicht nur die Beständigkeit[,] das ਕİ der Zeit? Die Interpretation der Zeitlichkeit hat zu zeigen, daß die traditionellen Zeitcharaktere in der Interpretation der Zeit nur dadurch möglich sind, daß in der Zeit selbst eine Transzendenz liegt.
Cassirer: Der Mensch hat einen Weg zur Unendlichkeit nur durch das Medium der Form. Seine Unendlichkeit besitzt er lediglich in dieser Form. Das Unendliche ist nicht ein metaphysischer, transzendenter Bezirk, sondern die vom Menschen selbst geschaffene geistige Welt. Daß er sie schaffen kann, zeigt, daß er Zugang hat zur Unendlichkeit. Indem die Endlichkeit wirklich sich erfüllt, schreitet sie in die Unendlichkeit hinaus. Unendlichkeit ist nicht Privation, sondern das Gegenteil von Privation. Wie weit hat die Philosophie die Aufgabe, den Menschen frei zu machen von der Angst, oder ihn gerade in die Angst zu führen? Die Philosophie als Befreiung hat den Menschen in der Tat von der Angst frei zu machen. Heidegger: Zentraler Unterschied der beiden Positionen: terminus a quo und ad quem: letzterer ist das Ganze einer Kulturphilosophie, als Aufhellung der Ganzheit der Formen der Gestaltungen des gestaltenden Bewußtseins selbst. So für Cassirer; für Heidegger dagegen: Grundlegung der Metaphysik.
Arbeitsgemeinschaft Cassirer und Heidegger
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Ein Wahrheitsgehalt, der üb[er] das Seiende etw[as] sagt. Was heißt „ewig“ hier? Woher wissen wir von ihr? Ist es [nich]t nur die Beständigkeit i[m] Sinne des ਕİ der Zeit? Nur mögl[ich] auf Grund d[er] Transcendenz der Zeit selbst. Apriori, ਕİ Ȟ, IJȠIJȚȞİੇȞĮȚ, ȠıĮ337, alle nur z[u] verstehen dadurch[,] daß im Wesen der Zeit innere Tr[anszendenz] liegt; Zeit [nich]t nur das, was Tr[anszendenz] ermöglicht, (ekstat[ischer] Char[akter]), sondern Zeit in sich selbst horizontaler Char[akter]; aus d[em] Horizont (Dynamik des Verstehens, die Kant im Schematismus ahnt), transc[endentale] Zeitbestimmungen. Problem des Todes, der Angst n u r aus der ontologischen Frage her aufgerollt. Nur wenn ich das N i c h t s verstehe in der Angst, kann ich S e i n verstehen. Und in der Einheit beider springt das Wa r u m auf. Nichts, Sein, Warum sind die konkretesten Probleme. Wenn man den ontolog[ischen] Boden [nich]t versteht, dann Cassirers Kritik an meiner „Anthropologie“ berechtigt. Ähnlich meine näheren Schüler: Natur (i[m] Sinne d[er] Romantik) Das Aesthetische. Kunst. käme zu kurz[.] Gehört zur Met[aphysik] d[es] Daseins Interpr[etation], in der Kierkegaard und Augustin vorkommt? Freilich [nich]t standpunktsfrei, ohne „Weltanschauung“. Aber was hier als Fundamentalontologie gesagt, eine ganz andre Frage, als die der Verbindlichkeit f[ür] e[inen] Anderen. Philos[ophie] hat [nich]t Weltanschauung auszubilden. Wohl aber ist Weltanschauung Voraussetzung des Philosophierens. Beruht darin, daß es i[m] Philosophieren gelingt, die Transcendenz des Daseins (Verhalten z[um] Seienden) radikaler z[u] machen. Anders gewendet: die F r e i h e i t . Ich würde b[ei] Unbegreiflichkeit d[er] Freiheit [nich]t stehen bleiben, Kant schärfer interpr[etieren] hins[ichtlich] dessen was er in der Philos[ophie] getan. Weil Freiheit überh[aupt] [nich]t Gegenstand theoret[ischen] Erfassen, sondern „Gegenstand“ des Philosophierens, kann Freiheit nur sein im S i c h - B e f r e i e n . Die Aufhellung der inneren Tr[anszendenz] ist der Sinn des Philosophierens. Philosoph hat sich ihr z[u] beugen in der inner[en] Endlichkeit seiner Arbeit. Die innere Befreiung der Sinn des Philosophierens.
Term[inus] ad quem (Kultur) erst ihre Funktion i[m] Menschheitsgeschehen, wenn so verwurzelt, daß sie metaph[ysisch], v[on] vornherein in der Metaph[ysik] des Daseins selbst als Grundgeschehen sichtbar wird.A A b e n d s : B338 A B
wird.] Danach waagerechter Strich über die ganze S. A b e n d s : ] bricht ab
CASSIRER, LEBEN UND GEIST BEI SCHELER Davos, 27. März 1929339 Aufgezeichnet von Hermann Mörchen
Heinrich v. Kleist, „Über das Marionettentheater“, 1810 (Berliner Abendblätter). Ludwig Klages, „Bewußtseinslehre“. Byron, Manfred: „The tree of knowledge is not that of life.“ Grundgedanken von Schelers Anthropologie: Dualismus zwischen Leben und Geist nicht zu versöhnen gesucht, aber von dem Sinn dieses Dualismus entwirft er ein durchaus neues Bild. Es gibt nach Scheler keine Entwicklung vom Leben zum Geist, keinen Monismus, keine Identitätsphilosophie. Was den Menschen zum Menschen macht ist ein allem Leben entgegengesetztes Prinzip. Nicht Steigerung, sondern Hemmung der natürlichen Kräfte des Lebens. Der Mensch ist nur dort ganz Mensch, wo er diese Abkehr vollzieht. Die Grundbestimmung eines geistigen Wesens ist daher seine existenzielle Entbundenheit von der Abhängigkeit vom Organischen: Umweltfreiheit, Weltoffenheit. Geist ist Sachlichkeit, Bestimmbarkeit durch das Sosein von Sachen selbst. Verwandt mit, aber auch ganz verschieden von Klages; das Wertvorzeichen hat sich bei Scheler durchaus geändert: Superiorität des Geistes, seinem Werte nach, doch nicht dem Sein nach. Scheler wendet sich entschieden dagegen, daß dem höheren Wert auch die höhere Macht zukommen müsse. Der Mensch ist das Lebewesen, das sich zu sich selbst prinzipiell asketisch verhalten kann; er ist der Nein-sagen-könner, der “ewige Protestant”. … Der Geist ist ursprünglich machtlos. Irrig ist nach Scheler die Lehre von der Selbstmacht der Idee. Das gelobte Land ist und bleibt ein Land der bloßen Verheißung. Scharfe Scheidung von der Lehre des deutschen Idealismus, besonders von Hegel. Der Geist ist nur Leiter und Lenker, hat keine eigene Macht. Die Verlebendigung des Geistes ist das Ende alles Geschehens, das der Theismus fälschlich an den Ausgangspunkt gestellt hat. Zwei Fragen zu stellen: wenn Leben und Geist völlig verschieden sind, wie können sie trotzdem eine einheitliche Leistung vollziehen? Ist dies Ineinandergreifen nicht mehr als ein glücklicher Zufall? Wie ist möglich, daß der Drang des Lebens sich überhaupt aus seiner Richtung abdrängen läßt? Der Geist begnüge sich mit einer bloß symbolischen Funktion, der des Zeigens und Leitens. Wie aber kann das Leben diese gezeigten Ideen auch nur sehen? Will man dies verstehen, so muß man
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Beilagen II
nach Scheler den Sprung ins Dunkel des Weltgrundes wagen. Der Geist sei nicht aus dem Leben ableitbar und erklärbar; wenn auf etwas, so falle er nur auf den obersten Grund der Dinge überhaupt zurück. Leben und Geist treffen sich nur in der Unendlichkeit. Aber mit solcher Antwort wäre der Knoten zerhauen, wir werden vor die gleichen Schwierigkeiten geführt wie durch die aristotelische Lehre vom ȞȠ૨Ȣ(Scheler: Geist). Aristoteles fand die Antwort in der Teleologie. Gott bewegt die Welt, weil er ihr IJȜȠȢausmacht. țȚȞİ੪ȢਥȡઆȝİȞȠȞ. Doch diese Idee ist für Scheler in der letzten Phase seiner Philosophie nicht mehr brauchbar. Gegensatz gegen die theistisch-teleologische Lösung. Welche Lösung bleibt dann? Frage zu stellen: besteht zwischen der klassischen und (der) Schelerschen Lösung das Verhältnis des strikten Gegensatzes? Ein solcher bestände nur dann, wenn der Begriff der Macht klar genug bestimmt wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Äquivokation. Scheler unterscheidet nicht zwischen der Energie des Wirkens und der des reinen Gestaltens (Bildens). Doch zwischen beiden besteht eine spezifische Differenz. Erstere richtet sich unmittelbar auf die Umwelt des Menschen; letztere bleibt in sich selbst zentriert, bewegt sich in der Dimension des reinen Bildes, nicht in der der Wirklichkeit. Goethe: «Vergangenes in ein Bild zu verwandeln.» Schiller: „ d e r M e n s c h i s t n u r d a g a n z M e n s c h , w o e r s p i e l t . “ Bei Schiller Einschränkung auf die ästhetische Sphäre; der Mensch solle n u r mit der Schönheit spielen. A b e r genügend weit genommen, erschließt das Spiel auch d i e S p h ä r e d e r Wa h r h e i t e r s t r i c h t i g (vgl. Kant, produktive Einbildungskraft).340
II. VORTRÄGE ÜBER HERMANN COHEN
HERMANN COHENS PHILOSOPHIE IN IHREM VERHÄLTNIS ZUM JUDENTUM A Vortrag der Franz RosenzweigGedächtnisstiftung am 12. April 1931B [Konvolut 207, Box 38, folder 731]
a)C P e r s ö n l i c h e E r i n n e r u n g – erste Begegnung mit Franz Rosenzweig im Jahre 1917 – b) Cohens persönl[icher] E i n d r u c k von ihm – es war das letzte große beglück[ende] Erlebnis in Cohens Dasein –D aber in Franz R[osenzweig] erlebte er das Höchste u[nd] Schönste, was dem alternden Menschen, besonders wenn er von Grund aus und mit der ganzen Begeisterung seines Wesens L e h r e r ist, begegnenE kann[.] – Der Funke, den er ein Leben lang in sich getragen hatte, er hatte endlich g e z ü n d e t – Schüler auf rein syst[ematisch]-philos[ophischem] Gebiete hatte C[ohen] seit früh gehabtF [–] Fr[anz] R[osenzweig] hatte im Winter 1913/14 bei Cohen gehört[.] –G341 Mit jugendlichem leidensch[aftlichen] Eifer, mit echter relig[iöser] Glut nahm R[osenzweig] jetzt die Ged[anken] C[ohens] auf. Vom Felde aus richtete R[osenzweig] an Cohen den Brief, den er später unter dem Titel
A
Hermann Cohens … Judentum] H e r m a n n C o h e n s P h i l o s o p h i e i n i h r e m / Ve r h ä l t n i s z u m J u d e n t u m . im Ms. unterstrichen B Vortrag … 12. April 1931] Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnis-/stiftung am 12. April 1931. Für die Wiederholung dieses Vortrags am 22. Januar 1933 (siehe die editorischen Hinweise, S. 337 – 339) hat Cassirer die Passagen, die sich auf Franz Rosenzweig beziehen, mit Bleistift gestrichen. Im Interesse der Rekonstruktion der vorliegenden Vortragsfassung von 1931 werden diese Streichungen zurückgenommen, begleitet von einer editorisch-philologischen Anm. C a)] davor stehen zwei Varianten einer persönlichen Vorbemerkung, die anläßlich der Wiederholung einer überarbeiteten Version des vorliegenden Vortrags am 22. Januar 1933 entstanden sind, siehe die editorischen Hinweise, S. 337 f. D Dasein –] danach mit rotem Buntstift gestrichen: er hatte mit dem Glauben an das Recht der deutschen Sache an den endgültigen Sieg Deutschlands geglaubt – nun fielen die ersten schweren Schatten auf diesen Glauben – E begegnen] erleben F – Schüler … seit früh gehabt] mit Bleistift auf den Rand geschrieben G gehört –] danach mit rotem Buntstift gestrichen: Jetzt in den Erlebn[issen] des Krieges war die Saat aufgegangen –
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Vorträge über Hermann Cohen
›Zeit ists. Gedanken über das jüdische Bildungsprob l e m d e s A u g e n b l i c k s ‹ (1917) veröffentlichte[.]342 – Ich werde niemals vergessen, wie Cohen diese Anregung aufnahm – mit welchem reinen Glücksgefühl und mit welchem Dankesgefühl er von diesem seinem Jünger und Schüler sprach[.] – Wir älteren Schüler freuten uns an diesem Gefühl – wir wussten: hier war einer in den Kreis der Schüler eingetreten, der C[ohen] etwas gab, was keiner seiner früheren Schüler ihm in gleicher S t ä r k e u[nd] in gleicher Unmittelbarkeit zu geben vermochte. Was befähigteA die P h i l o s o p h i e CohensB, was befähigte sein S y s t e m , das eine streng g e d a n k l i c h e Leistung war, zu solcher unmittelbar r e l i g i ö s e r Einwirkung u[nd] Fortwirkung[?] –
A) Grundgedanken des CohenschenC Systems – 1) Die Logik als Logik der reinen Erk[enntnis] u[nd] demgemäß als L o g i k d e s U r s p r u n g s 343 – Die Gesetzlichk[eit], die alles Denken sucht u[nd] fordert; sie liegt nicht in den D i n g e n u[nd] wird nicht von ihnen dem Denken gleichsam als GeschenkD g e g e b e n ; das Denken bringt vielmehr diese Gesetzlichkeit h e r v o r ; es erzeugt sie aus seinem eigenen Grunde[.] – So fasst C[ohen] den Grundgedanken Kants und die Kantische C o p e r n i k a n i s c h e We n d u n g 344[.] – Aber er geht in seiner eigenen systemat[ischen] Schrift über Kant noch einen Schritt hinaus[.] – Kant hatte dem Denken die A n s c h a u u n g vorgeordnet, das „Gegebene“ der Ansch[auung] geht dem Denken v o r a u s – bei dieser VorOrdnung der Anschauung kann es nicht bleiben, s o l l es nicht bleiben[.] – Das Denken als Denken des Ursprungs ist Denken der Er z e u g u n g [.] – Der Begriff des G e g e b e n e n wird aus der Grundlegung des Systems gestrichen. Dem Denken darf nichts als gegebenE gelten, was es nicht aus sich selbst, aus seinem Prinzip hervorgebracht hat[.] „Alle reinen Erkenntnisse müssen Abwandlungen des Prinzips des Ursprungs sein; andernfalls hätten sie keinen selbständigen wie keinen reinen Wert[.]“345 – So bringt C[ohen] das Kantische Prinzip zur Geltung: das Prinzip von der S p o n t a n e i t ä t des Verstandes – der Verstand ist der „Urheber der Natur“346 – weil er in seinen Grundlegungen, in seiner ȣʌȠșıİȚȢ,347 A
befähigte] befähigte, Cohens] C’s C C o h e n s c h e n ] C ’s c h e n D Geschenk] Geschenk, E gegeben] Gegeben B
Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum
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den Grund der W i s s e n s c h a f t als der mathematischen Naturwissenschaft legt. Im Denken der mathematischen NaturwissenschaftA erzeugt sich für uns die universale Gesetzmäßigkeit der Natur – ›Natur‹ aber ist nach K[ant], das Dasein der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist[.]348 –
2) E t h i k d e s r e i n e n W i l l e n s . 349 Der g l e i c h e Grundgedanke – Schiller: es sei noch von keinem Menschen ein erhabeneres Wort gesprochen worden als das Kantische „Bestimme Dich aus Dir selbst[.]“350 Grundgedanke der ›Autonomie‹ Schiller: Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor Es ist in Dir, Du bringst es ewig hervor351 – Der r e i n e Wille – das ist der Wille,B der das Gesetz nicht von aussen e m p f ä n g t , sondern der a u t o n o m e Wille, der es hervorbringt. – An dieser A u t o n o m i e d e s S i t t l i c h e n darf und kann auch keine religiöse Instanz und keine religiöse Autorität rühren[.] Das C h a o s der Neigungen, Begierden u[nd] Triebe gestaltet der Wille zur Einheit – und er wird zum Willen erst in diesem Einheits v o l l z u g [.] – Aber dieser Vollzug kann nur aus seiner e i g e n e n Kraft fliessen[.] – Auch das Sittliche ist Grundlegung, H y p o t h e s i s – Hypothesis des Willens, wie die Logik, die Wahrheit, Hypothesis des Denkens ist[.] – Diese Zurückweisung auf die ›Grundlegung‹ subjektiviert die Sittl[ichkeit] nicht – sondern sie stellt sie vielmehr erst fest u[nd] sicher[:] IJઁਕıijĮȜȢIJોȢਫ਼ʌȠșıİȦȢ (Platon)352 „Ohne Erkenntnis kein Begriff des Menschen und kein Begriff der Sittlichkeit[.] Nicht Erleuchtung, nicht Phantasie, nicht Aufnahme und blosses Lernen von anderen Quellen oder Geistern ist für die Erkenntnis möglich u[nd] also auch nicht für die Sittlichkeit und also auch nicht für den Begriff des Menschen. Erk[enntnis] ist Erk[enntnis] aus Voraussetzungen und Grundlegungen, vor denen u[nd] an denen der Erkennende selbst Rechenschaft abzulegen hat für jeden Schritt seiner Erkenntnis.“1 Diese Rechenschaftsablegung, dieses ȜંȖȠȞįȚįંȞĮȚ353 – ist dem G e i s t e des Menschen, als Subjekt der Erk[enntnis], auferlegt – u[nd] diese Leistung kann ihm nicht a b g e n o m m e n , kann auf keinen anderen ü b e rt r a g e n werden[.] – 1
A B
[Cohen:] R[eligion] u[nd] Sittl[ichkeit. In: Jüdische Schriften] III[, S.] 111[.]
mathematischen Naturwissenschaft] mathemat NW Wille,] Wille;
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Vorträge über Hermann Cohen
Nur die selbsterzeugte[,] nur die a u t o n o m e Sittl[ichkeit] ist w a h rh a f t e Sittlichkeit[.] [„]Für j e d e s Menschenkind muss die Forderung erhoben und anerkannt werden, daß seine Sittlichkeit in seinem Geiste begründet, erzogen und unterwiesen werde. EsA darf nicht für alle Folgezeit der Menschheit als natürlicher Weg der Volksbildung, d. i. der Menschenbildung, angesehen u[nd] geduldet werden, daß ausschliesslich und praerogativisch aus heiligen Büchern autoritativ die Sittlichkeit zu erlernen sei, und daß demnach jede Angst des Gewissens bis zum letzten Zweifel gehoben sei, wenn man aus ihnen erfahreB und belehrt werde, was gut sei u[nd] was schlecht.“1 [„]Die Sittlichkeit kann nur und ausschließlich durch unsere eigene Handlung unsere Wirkl[ichkeit] werden. Gott bedeutet hierfür nur gleichsam die Möglichkeit des Musters und Schemas.[“]2
B) D i e S t e l l u n g d e r R e l i g i o n i n C o h e n s S y s t e m . Aber giebt es von dieser i d e a l i s t i s c h e n Logik und von dieser i d e a l i s t [ i s c h e n ] Ethik aus überhaupt noch einen Weg zur Religion? Bedeuten beide nicht vielmehr den denkbar grössten G e g e n s a t z zur Religion? Ist überhaupt noch eine Religion möglich, wenn man in dieser Schärfe wie Cohen die S p o n t a n e i t ä t des Denkens u[nd] die A u t o n o m i e des Willens betont? Widerspricht beides nicht dem Begriff u[nd] We s e n der Religion? Religion ist B i n d u n g – sie ist nicht Freiheit, sondern Unterwerfung – nicht Stolz, als „Vernunftstolz“, sondern Ergebung und Demut[.] – U n t e r w e r f u n g der Vernunft unter die Autorität der Kirche ist es was der K a t h o l i k C verlangt – aber auch der Protestantismus, in dem Hegel das reine Freiheitsprinzip verkörpert fand,354 hat die Unterwerfung unter das S c h r i f t p r i n z i p stehen lassen – Schleiermacher, einer der edelsten Geister des Protest[antismus], erklärt die Religion aus dem Gefühl der „ s c h l e c h t h i n i g e n A b h ä n g i g k e i t “ [.]355 Ist diese [„]schlechthinige A b h ä n g i g k e i t [ “] nicht das gerade Wi d e rs p i e l zur idealist[ischen] Logik und Ethik, zum Prinzip der S p o n t a n e i t ä t des Denkens u[nd] der Selbstgesetzgebung der Sittlichkeit? 1 2
A
[Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften] III[, S.] 154[f.] [Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S.] 138[.]
Es] „Es erfahre] erfahren C Katholik] Katholik. B
Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum
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Ich will an diese tiefe u[nd] schwierige Frage hier nicht s y s t e m a t i s c h , nicht p h i l o s o p h i s c h herangehen – ich will Ihnen nur darlegen, wie Cohen sie beantwortet hat[.] – Cohen hat sich in der Beantwort[ung] der Frage keineswegs v o n v o r n h e r e i n auf den Boden des Judentums gestellt[.] – Er sah das Problem in seiner ganzen Schwere und in seiner ganzen We i t e – er stand sein Leben lang in fruchtbarster A u s e i n a n d e r s e t z u n g insbesondere mit der modernen protestant[ischen] Theologie u[nd] der protest[antischen] Bibelkritik, der er sich in vielen Punkten dankbar v e r p f l i c h t e t fühlte – u[nd] einzelne F ü h r e r der protest[antischen] Theologie gehörten zu seinen nächsten Freunden, insbesondere Wilh[elm] Herrmann in Marburg[.]356 Auf dem Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt, der im August 1910 in Berlin stattfand hat Cohen das Wort ergriffen – und die Rede, die er hier über die „Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit“ gehalten hat, bildet eine seiner wichtigsten u[nd] bedeutsamsten Kundgebungen[.]357 – A n s i c h dürfte also die Frage, wie wir sie gestellt haben, nicht auf das J u d e n t u m beschränkt werden[.] – Ich sehe dennoch von CohensA Auseinandersetzung mit dem Christentum u[nd] der protestant[ischen] Theol[ogie] ab, weil diese Frage in dem Rahmen der mir hier gesteckt ist, nicht zu bewältigen wäre. Und wie beantwortet C[ohen] nun die Frage für das Judentum a l l e i n ? Kurz gesagt dahin, daß für die echte religionsphilos[ophische] Tradition des Judentums ein G e g e n s a t z von Glaube u[nd] Wissen, ein Konflikt zwischen Ve r n u n f t u[nd] O f f e n b a r u n g nie bestanden h a t und nicht bestehen k a n n [.] – Hierfür beruft sich C[ohen] vor allem auf den grossen F ü h r e r der jüd[ischen] Religionsphilosophie, auf Moses Maimonides, dem er sich mit wachsender Liebe zuwendet[.] – 〈InB seiner „Charakteristik der Ethik Maimunis“ hat er M[aimonides] ein schönes Denkmal gesetzt.358 Und aus einer religionsphilos[ophischen] Schrift des elften Jahrhunderts, aus Bachja ibn Pakudas Buch über die Pflichten des Herzens zitiert Cohen einen Satz, in dem gesagt wird, es sei „ein Verführungsmittel des bösen Triebes, die Skepsis anzuregen, daß es eigentlich doch mit der O f f e n b a r u n g genug sei u[nd] daß man der Pflege der Vernunft nicht bedürfe.“359〉 C
A
Cohens] C’s In] in C 〈In seiner … nicht bedürfe.“〉] Klammersetzung mit rotem Buntstift B
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Das ist nach C[ohen] vollends w i d e r s i n n i g – denn die Vernunft ist ihm der eigentliche Ausdruck u[nd] der eigentliche Zeuge des Göttlichen[.] – „Religion der Ve r n u n f t aus den Quellen des Judentums“ – so hat er selbst sein letztes abschliess[endes] religionsphilos[ophisches] Hauptwerk genannt360 – 〈u[nd] er glaubte d a m i t vom Geiste des Judentums in keinem Punkte abzufallen, sondern diesen Geist erst zur Entfaltung u[nd] Darstellung zu bringen. Aber ist diese Behauptung r i c h t i g ? – lässt sich wirklich ein Zusammenhang erdenken zwischen Cohens Platonischem I d e a l i s m u s u[nd] seinem Kantischen R a t i o n a l i s m u s u[nd] der r e l i g i ö s e n Grundtendenz des jüdischen M o n o t h e i s m u s ? –〉 A
Į) Die Idee des M o n o t h e i s m u s – Lassen Sie mich, m[eine] D[amen] u[nd] H[erren], um diese Frage zu beantworten, einen eigentümlichen U m w e g wählen[.] – Ich stelle an die Spitze nicht ein Wort Cohens oder ein Wort der jüdischen Religionsphilosophie, sondern ein G o e t h e s c h e s Wo r t [ .] – „Der Glaube an den einigen Gott“ – so sagt Goethe in den Noten u[nd] Abh[andlungen] zum Divan – „wirkt immer geisteserhebend, indem er den Menschen auf die Einheit seines eigenen Inneren zurückweist.“361 So wie Goethe hier, so hat Cohen den reinen M o n o t h e i s m u s aufgefasst – und diese Rücklenkung auf die Einheit des „ e i g e n e n I n n e r e n “ des Menschen wurde für ihn zur g e s c h i c h t l i c h - w e s e n t l i c h e n Leistung des Monoth[eismus] u[nd] der Idee des Einzigen Gottes[.] – Aus der Idee des Einzigen Gottes ist erst die Idee der Einheit des S e l b s t u[nd] der Einheit der M e n s c h h e i t entstanden[.] – Auf dem Wege über die Idee des EinzigenB Gottes hat die jüdische Religion, haben insbesondere die israelit[ischen] P r o p h e t e n die Einheit der sittl[ichen] Persönlichkeit u[nd] die Einheit der M e n s c h h e i t entdeckt[.]362 ȕ) DieC Einheit der Persönlichkeit, die Einheit des I c h . Cohen beruft sich hierfür auf eine der merkwürdigsten u[nd] der philosophisch tiefsten u[nd] schwierigsten Stellen des Alt[en] Test[aments] –, imD 2t. Buch Mose – als Mose Gott fragt, welchen Namen er dem Volk nennen solle, wenn es ihn befrage, wie der Gott heisse, der ihn gesandt 〈und er glaubte d a m i t … Grundtendenz des jüdischen M o n o t h e i s m u s ? –〉] Klammersetzung mit Bleistift B Einzigen] einzigen C ȕ) Die] Į) die Gliederung korrigiert D im] Im A
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habe, da erwidert Gott: [„]Ich werde sein, der ich bin; sage ihnen der „Ich bin“ hat mich zu Euch gesandt.“363 Coh[en] deutet dieses Wort – unter Berufung auf die A t t r i b u t e n l e h r e des Maimonides u[nd] der jüd[ischen] Religionsphilosophie – dahin, daß man Gottes We s e n nicht mit Angabe irgend einer o b j e k t i v e n , von blossen D i n g e n herrührenden EigenschaftA bezeichnen kann – nur das I c h , nur die Einheit des Selbst, kann als Prädikat Gottes beibehalten werden – alle ›Eigenschaften‹, die wir ihm zusprechen, sind ausschliesslich vom Ich, u[nd] das heisst vom W i l l e n u[nd] von der S i t t l i c h k e i t herzunehmen[.] „Nur diejenigen Attribute Gottes sollen Gegenstand der menschlichen, der religiösen Erk[enntnis] sein dürfen, welche das Wesen Gottes als das U r b i l d d e r S i t t l i c h k e i t bestimmen. Ausserhalb dieses Interesses an der Sittlichkeit ist das Wesen Gottes unerforschlich d. h. nicht Gegenstand des philosophischen Interesses u[nd] ebensowenig des religiösen Glaubens … So erschöpft sich der jüdische Gottesbegriff in der ethischen Bedeutung der Gottesidee.“1 So begründet alle Religion eine reine We c h s e l b e z i e h u n g , eine ›Korrelation‹, wie C[ohen] sagt, zwischen Gott und dem Individuum, der sittl[ichen] „Persönlichkeit“[.]364 Aber damit ist nur die e i n e Seite der religiösen Beziehung gesehen, die für sich allein nicht zureicht – die durch ein anderes wesentliches Moment ergänzt und vertieft werden muss[.] – Die Beziehung des Einzelnen auf › G o t t ‹ hat zur Voraussetzung, zur fundamentalen Vo r b e d i n g u n g sein Verhältnis zur › M e n s c h h e i t ‹ , als der Allheit der sittl[ichen] Subjekte[.] – Auch d i e s e r Gedanke ist es, der nach C[ohen] von den israelit[ischen] Propheten entdeckt worden ist – und in dieser Entdeckung besteht das zweite wesentl[iche] G r u n d m o m e n t u [ n d ] G r u n d m o t i v i h r e r w e l t g e s c h i c h t l i c h e n r e l i g i ö s e n M i s s i o n . 365 Solange die Religion a u s s c h l i e s s l i c h auf das Verhältnis des I n d i v i d u u m s zu Gott geht, entringt sie sich noch nicht grundsätzlich den Banden des Mythos. Das geschieht erst, wenn der Mensch zugleich „in die Linie der Menschheit“ eingestellt wird. „Mit der Menschheit hat der Mythos nichts gemein. Ihn interessiert höchstens das Geschlecht, der Stamm, die Nation; auf die Menschheit hat kein heidnischer Mythos jemals den Blick gerichtet … Die Idee der Menschheit ist die Frucht der Einheit Gottes. Und nur weil die Propheten vermocht haben, der 1
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[Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften] III[, S.] 133 [u. 135].
Eigenschaft] Eigenschaften
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mythischen Korrelation zwischen Mensch u[nd] Gott zu trotzen, und dagegen die Korrelation zwischen Mensch und Mensch einwurzelten in den Mutterboden der prophet[ischen] Religion, nur durch die E i n h e i t G o t t e s , welche sie dadurch zur Wahrheit machten, vermochten sie, die Einheit des Menschengeschlechts, den höchsten, den letzten Gedanken der Sittlichkeit, zu entdecken.“1 Denn es ist nach C[ohen] ein törichtes Vorurteil, das nach den Forschungen der mod[ernen] protestant[ischen] Theologie endlich einmal entwurzelt sein sollte, wenn man behauptet, daß auch die Propheten ihren Gott nur als Stammesgott oder als Nationalgott gedacht hätten[.]366 – Jeder solche P a r t i k u l a r i s m u s ist ihnen schlechthin fremd – aller echte prophetische M e s s i a n i s m u s ist vielmehr unbedingter religiöser Universalismus[.] – Nicht das Individ[uum], nicht der Stamm oder die Nation sondern die Menschheit als A l l h e i t wird zum religiösen Subjekt[.] „Göttlich ist die Vorsehung, wenn sie […] nicht zumeist auf das Individ[uum] sich bezieht, und ebenso auch nicht allein auf das eigene Volk, sondern auf die ganze Menschheit als die Kinder Gottes … Gläubig wird der Hoffende dadurch, daß er gar nicht an sich denkt, weder an sein irdisches, noch auch – daß ich es ausspreche – […] an sein ewiges Heil, sondern wenn er die Zukunft verknüpft mit einer Gemeinschaft, die in der Gegenwart u[nd] Wirklichkeit schlechterdings nicht aufgeht, die mehr ist als das Ich, mehr als die Familie, mehr als die Freunde, mehr vor allem als die Genossen des eigenen teuersten Glaubens, mehr als das Vaterland selbst: das ist die Menschheit. … Dieser Höhepunkt der israelit[ischen] Prophetie, die Hoffnung auf die Zukunft der Menschheit, das ist der Inhalt der Messiasidee“[.]2 NochA schärfer[:] „Der Mensch darf nicht sein höchstes Heil schlechthin in seiner Nationalität, geschweige, wie man heute zu sagen sich erdreistet, in seiner angeblichen Rasse erkennen, sondern er muß allgemeineren geschichtlichen Motiven sein Herz öffnen“[.]3
________ [Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften] III, [S.] 139[f.] [Cohen:] („Die Messiasidee“)[. In: Jüdische Schriften] I[, S.] 106[.] 3 [Cohen:] (Rel[igion] u[nd] Sittl[ichkeit])[. In: Jüdische Schriften] III[, 1924, S.] 165[.] 1 2
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Noch] noch
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Wir können nun C)A die Idee der ReligionB wie sie sich für C[ohen] darstellt, in ihrer G e s a m t h e i t überschauen[.] – D r e i Momente sind es, die sich in jeder konkreten Religion vereinigen und ohne die die Relig[ion] in ihrer h i s t o r i s c h e n Erscheinung, in ihrer geschichtlichen Daseinsform nicht gedacht werden kann[.] – Į) d e r M y t h o s Keine Relig[ion] ist von mythischen Elementen frei. Der Mythos ist der M u t t e r b o d e n der Religion, ja er ist in gewissem Sinne der Anfang der menschl[ichen] Kultur ü b e r h a u p t [ .] [„]Aus dem Mythos ist alle Kultur herausgewachsen; die Wissensch[aft], die Sittl[ichkeit], die Poesie und alle Kunst. Die Kultur hat sich in allen ihren Urrichtungen aus dem Mythos heraus entwickelt[“.]1 – So ist auch die Religion in ihren elementaren Motiven aus dem Mythos entstanden – und sie bewahrt, bis hinauf in ihre höchsten Gestaltungen, den Zusammenhang mit ihm[.] – Die Idee der Unsterblichkeit weist in einer ihrer Wurzeln auf den A h n e n k u l t zurück u. s. f. Das Gottesmotiv hängt aufs engste mit der m y t h i s c h e n Idee des Heros, des Heilbringers zusammen[.] Urmotiv des mythischen Denkens: die Urzeit als Vorzeit, als Vergangenheit[.] – In mythischen Bildern gestaltet die Menschheit ihre erste geschichtl[iche] Erinnerung – die Stammesgeschichte u[nd] Volksgeschichte ist mythische Heroengeschichte[.]367
ȕ) D e r R i t u s . In ihm lebt nicht mehr die Vergangenheit, als Erzählung – sondern mit ihm stehen wir in der eigentl[ichen] G e g e n w a r t der Religion[.] – Der Ritus ist die k o n k r e t e L e b e n s f o r m d e r r e l i g i ö s [ e n ] G e m e i n s c h a f t [ .] – Die religiöse Gemeinsch[aft] weiss sich als solche u[nd] fühlt sich als solche im gemeins[amen] Vollzug ihrer Riten[.] – Und mit diesem Vollzug der Riten wird der Gott selbst erst wahrhaft gegenwärtig – wird er als „daseiend“, als a n w e s e n d erlebt[.] – 〈Das zeigt sich in den ganz e l e m e n t a r e n F o r m e n des Ritus – die Tänze der Naturvölker sind keine blossen Darstellungen oder mimische 1
[Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften] III[, S.] 119[.]
C ) ] ȕ) Gliederung korrigiert Wir können nun/C ) d i e I d e e d e r R e l i g i o n ] am linken Rand mit Bleistift über zwei Zeilen mit öffnender eckiger Klammer markiert A B
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N a c h a h m u n g e n – in ihnen tritt der Gott selbst unter die Tanzenden – ja der Tänzer in der Maske des Gottes wird s e l b s t zum Gott[.] – Und das ist nicht auf die primitiven Relig[ionen] beschränkt – sondern es wirkt hindurch bis in die höchsten Kulturreligionen[.] –〉 A Einer der grössten k a t h o l [ i s c h e n ] K a n z e l r e d n e r B des 17ten Jahrhunderts, Bossuet, hat einmal in einer seiner berühmten Reden dargelegt, wie der gesamte kathol[ische] G l a u b e im kathol[ischen] R i t u s enthalten sei, – wie dieser der unmittelbar lebendige Ausdruck des Glaubens sei – sodaß im Vo l l z u g des Ritus der Glaube implizit mitgegeben sei[.]368 – Wie steht Cohens Religionsbegriff zu diesem Moment des M y t h o s u[nd] des R i t u s ? Als M o t i v u[nd] Vorbedingung wird der Mythos, wie wir gesehen haben, anerkannt u[nd] d a s g l e i c h e g i l t v o m R i t u s ! Zwar für sich selbst hat C[ohen] eine starre rituelle Bindung nicht anerkannt – aber das bedeutet nicht, daß er die religiösen M o t i v e des Ritus verkennt oder geringschätzt[.] – Schon aus dem Gesichtspunkt der P i e t ä t musste er eine solche Verkennung abwehren – denn in seiner Tu g e n d l e h r e , die er in der „Ethik des reinen Willens“ entwickelt[,] wird die Tr e u e als eine der sittlichen Kerntugenden ausgezeichnet.369 Aber wenngleich C[ohen] somit den Ritus, wie den Mythos, als eines der Momente u[nd] wenn man will, als Vo r b e d i n g u n g der Religion anerkennt – so ist doch dieser A n f a n g der Religion nicht ihr Ende u[nd] nicht ihre Vo l l e n d u n g [ .] – Das Wesen der Religion in seiner G a n z h e i t u[nd] in seiner ideellen Vo l l k o m m e n h e i t ist erst erreicht, wenn Mythos u[nd] Ritus zurücktreten, wenn sie sich auflösen in das r e i n e E t h o s [ .] – Und mit dieser Auflösung des Mythischen u[nd] des Rituellen in das E t h i s c h e glaubt C[ohen] kein blosses Postulat, keine abstrakte Forderung eines systematischen P h i l o s o p h e n auszusprechen[.] Nicht die Religions p h i l o s o p h i e stellt diese Forderung auf – sondern sie ist W i r k l i c h k e i t geworden[,] sie hat ihre Erfüllung gefunden in der prophetischen, der messian[ischen] Religion[.] – Die prophet[ische] Religion ist Ü b e r w i n d u n g des Mythos u[nd] Überwind[ung] des R i t u s – sie ist der Durchbruch zum reinen E t h o s der Religion[.] 〈Das zeigt sich in den … die höchsten Kulturreligionen. –〉] Klammersetzung mit Bleistift B K a n z e l r e d n e r ] Kzlredner im Ms nicht hervorgehoben, aber an den Rand als Ersatz für das hervorgehobene u. gestrichene Wort T h e o l o g e n geschrieben A
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„Wir erkennen heute […] den Wert des Judentums […] in seinem Prophetismus, also in seiner Sittenlehre, in seinem Universalismus, in seinem Humanismus. Und der ganze Ritualismus gehört für unser Bewusstsein der geschichtlichen Entwicklung, der Abwehr und dem Selbstschutz an; den Imponderabilien der religiösen Pietät, auf denen übrigens alle Poesie u[nd] auch alle Kraft der Menschengeschichte beruht; klar und lebendig aber, wenngleich immerhin noch verschämt, unterscheiden wir ihn von dem ewigen Wesen unserer Religion selbst.“1 Denn dieses Wesen liegt weder in der Ve r g a n g e n h e i t , wie der Mythos will – noch lässt es sich in der unmittelbaren G e g e n w a r t ergreifen, sondern es erfüllt sich ausschliesslich in der Z u k u n f t . Der prophet[ische] Messianismus errichtet den Glauben als Zukunfts-Glauben. Diese „Zukunft“ ist das Urmotiv des Prophetismus[.] „Die Zukunft braucht nicht gedacht zu werden als eine Wiederholung des Uranfangs; sie liegt nicht in der Dämmerung der Sage, sie ist eine Forderung des Gottesglaubens, u[nd] die wundersamste Blüte desselben. Bei diesem Glauben an die Zukunft scheiden sich die Gläubigen. Die Messiasidee ist die Hoffnung auf die Zukunft der M e n s c h h e i t . “2 Und diese Zukunft darf nach C[ohen] nicht in ein J e n s e i t s verlegt werden – sie soll u[nd] sie wird im D i e s s e i t s zur E r s c h e i n u n g gelangen – in der Ordnung der Menschenwelt[.] – Diese muss als eine s i t t l [ i c h ] - s o z i a l e Ordnung gedacht werden – u[nd] der Heraufführung dieser sittl[ich]-sozialen Ordnung sollen auch alle r e l i g i ö s e n Kräfte dienen[.] – CohenA ist Zeit seines Lebens überzeugter S o z i a l i s t gewesen – in einer Zeit, wo das Bekenntnis zum Sozialismus noch schwere Gefahren in sich schloß[.] – Aber die m a t e r i a l i s t [ i s c h e ] Begründung des Soz[ialismus] hat er stets aufs entschiedenste abgelehnt. 〈„Wer hätte denken können, daß die grosse politische Partei, welche das soziale Problem in seiner Konsequenz innerhalb der jetzigen Weltlage durchkämpft, auf den Materialismus verfallen könnte?〉 B Aus dem Idealismus der deutschen Philosophie war dieses Programm und diese Partei entsprossen, aus Kant u[nd] Fichte … Der Materialismus der Geschichtsansicht ist der schroffste Widerspruch zu dem ethischen [Cohen: Innere Beziehungen der Kantischen Philosophie zum Judentum. In: Jüdische Schriften] I[, S.] 304[.] 2 [Cohen: Die Messiasidee. In: Jüdische Schriften] I[, S.] 116[.] 1
A B
Cohen] davor mit Bleistift öffnende eckige Klammer, mit Tinte gestrichen 〈„Wer hätte denken … verfallen könnte?〉] Klammersetzung mit Tinte
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Idealismus, in welchem der Sozialismus ebenso begrifflich wie historisch seine Wurzel hat[.]“1 Aber daß d i e s e r Sozialismus dem Geist des Judentums verwandt und daß er ihm gemäß sei – das hat Cohen nie verleugnet, sondern das hat er stets mit Stolz bekannt.A Auch h i e r f ü r griff er auf den Prophetismus zurück. Die bedeutsame Rede, die Cohen auf dem Weltkongress für religiösen Fortschritt über „die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit“ gehalten hat – sie beschliesst er mit den Worten: „Es gilt den Glauben wiederzugewinnen an die sittliche Wiedergeburt, an die sittl[iche] Zukunft der Menschheit. Es gilt diesen Glauben wiederzugewinnen gegenüber der Selbstsucht der Völker und dem Materialismus der Stände. Nur in sozialer Sittlichkeit und nur in weltbürgerlicher Humanität atmet der echte lebendige Gott, den die Propheten Israels zum Gott Israels u[nd] zum Gotte der Menschheit gemacht haben[.]“B370
Schluss: Nur eine knappe Skizze von CohensC Religionsphilos[ophie] konnte ich geben – nicht das volle B i l d von ihr konnte ich vor Sie hinstellen, sondern nur den R a h m e n zu diesem Bilde – aber ich hoffe, daß vieleD von Ihnen sich durch meine Betracht[ungen] angeregt fühlen werden, diesen Rahmen auszufüllen – daß Sie selbst zu CohensE Schriften greifen werden. H e r m a n n C o h e n s J ü d [ i s c h e ] S c h r i f t e n sind (in d r e i Bänden von der Akad[emie] f[ür] d[ie] Wiss[enschaft] des Judentums veröffentlicht worden – u[nd] in dieser Ausgabe findet sich eine Einleit[ung] von Franz Rosenzweig, die das Beste ist, was über H[ermann] C[ohen] als R e l i g i o n s p h i l o s o p h e n bisher gesagt worden ist[.] Daneben steht das grosse Werk, das aus CohensF Nachlass veröffentlicht worden ist, D i e R e l i g [ i o n ] d [ e r ] Ve r n u n f t a u s d e n Q u e l l e n d e s J u d e n t u m s . 371)G Für uns aber darf es in dieser innerlich u[nd] äusserlich schweren Zeit ein Trost und eine Hoffnung sein, daß die moderne Entwickl[ung] des 1
A
[Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften] III[, S.] 109[.]
bekannt.] bekannt.〉 öffnende Klammer gestrichen Israels zum Gott Israels und zum Gotte der Menschheit gemacht haben.“] am rechten Rand mit zwei senkrechten Strichen markiert C Cohens] C’s D viele] Viele E Cohens] C’s F Cohens] C’s G (in drei Bänden … Q u e l l e n d e s J u d e n t u m s . )] Klammersetzung mit Bleistift. B
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Judentums uns zwei religiöse Denker von der Kraft u[nd] von der Tiefe H[ermann] Cohens (u[nd] Franz Rosenzweigs) beschert hat[.] – Gewiss: diese beiden Denker zeichnen keineswegs das gleiche B i l d des Judentums[.] – Ich hoffe, daß im Rahmen der Vorlesungen, die die F r a n z R o s e n z w e i g G e d ä c h t n i s - S t i f t u n g fortan zu veranstalten gedenkt, auch einmal über Franz R[osenzweig]’s e i g e n e Auffass[ung] der Relig[ion] gesprochen werden wird[.] – Es wird sich dann zeigen, daß diese Auffass[ung] keineswegs mit derjen[igen] Cohens i d e n t i s c h ist – daß sie von ihr vielfach und zwar keineswegs nur in Nebensächlichem, sondern auch in wichtigen und grundsätzlichen Fragen abweicht[.] – Aber diese Abweichung hat nirgends eine E n t f r e m d u n g zwischen beiden Denkern, geschweige eine Ve r k e n n u n g bewirkt[.] – Zwischen ihnen herrschte von Anfang an ein Verhältnis, das noch mehr war, als blosse D u l d u n g [.] – „Toleranz“ – so hat Goethe einmal gesagt – [„]sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur A n e r k e n n u n g führen. Dulden heisst beleidigen.“1 Die Forderung, die hier ausgesprochen ist: – sie ist im Verh[ältnis] H[ermann] Cohens u[nd] Fr[anz] Rosenzweigs zur schönsten E r f ü l l u n g gelangt[.] – Der Autor der „Ethik des reinen Willens“ u[nd] der Autor des „Stern der Erlösung“ – sie gingen in ihrer Auffassung des Judentums nicht d e n s e l b e n Weg[.] – Aber das hinderte nicht ihr inniges Verständnis. Mit einer jugendlichen Glut ohne Gleichen, mit tiefster Bewunderung und Verehrung ergriff der Jüngere die Ideen des Älteren – und der Greis erwiderte dies Gefühl, das ihm von Seiten des Jünglings entgegenströmte, mit einer Herzlichkeit, mit einer Stärke und Leidenschaft, daß er darüber selbst zum Jüngling wurde. So entzündete sich hier eine Freundschaft, die aus echt religiöser Gesinnung entsprungen war und die einen echt religiösen Charakter trug – eine Freundschaft, die nicht E i n e r l e i h e i t der Überzeugungen bedeutete, die aber aus einer wurzelhaften E i n h e i t der Gesinnung entsprang[.] –A [Johann Wolfgang von Goethe:] Max[imen und Reflexionen, hrsg. v. Max Hecker, 1907, S. 190, Nr.] 875[.] 1
A
Für uns aber … E i n h e i t der Gesinnung entsprang. –] mit Bleistift in eckige Klammern gesetzt u. gestrichen; Streichung hier gemäß editorisch-philologischer Anm. B, S. 125 zurückgenommen.
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Ein deutscher Denker des 15t. Jahrhunderts, Nikolaus von Kues – ein Denker, für den H[ermann] Cohen die höchste Bewunderung hegte u[nd] für dessen Verständnis u[nd] Würdigung er Grundlegendes geleistet hat – er hat in seinem religionsphilosophischen Hauptwerk › D e v i s i o n e D e i ‹ die Form der echten „Gottesschau“ zu beschreiben gesucht[.]372 – Als Wesen dieser Gottesschau ergiebt sich ihm, daß Gott sich jedem, der ihn aufrichtig sucht, g a n z zu eigen giebt – u[nd] daß doch in dieser G a n z h e i t die Besonderheit, die Eigenheit, ja die E i n z e l h e i t des Betrachtenden nicht verloren geht, sondern voll erhalten bleibt[.] – Der Blick, der auf Gott gerichtet wird, führt den Schauenden nicht von sich selbst weg – sondern er erschliesst ihm erst wahrhaft sein e i g e n e s Sein u[nd] sein wahrstes und tiefstes Wesen[.] – S u b j e k t A u n d O b j e k t des Schauens durchdringen sich hier: – Jeder vermag die Natur Gottes nur nach seiner e i g e n e n Natur zu erfassen – u[nd] doch v e r s c h l i e s s t ihm diese Eigenheit nicht die Wahrheit Gottes, sondern sie o f f e n b a r t u[nd] e n t h ü l l t sie ihm. „Jegliches Gesicht, das in das Deine blickt, sieht daher nichts von sich selber Verschiedenes, sondern es sieht seine eigene Wahrheit. […] Wer Dich mit liebendem Blick anschaut, der fühlt Deinen Blick liebevoll auf sich gerichtet – […] wer Dich im Zorne anblickt, der wird auch Dein Gesicht zornig, wer Dich froh anblickt, wird es froh finden … O Herr, wie wunderbar ist Dein Gesicht, das der Jüngling jugendlich, das der Mann männlich, der Greis greisenhaft bilden muss, wenn er es begreifen will. […] In allen Gesichtern erscheint das Gesicht aller Gesichte verschleiert und wie im Rätsel – enthüllt aber kann es nicht gesehen werden, solange nicht über alle Gesichter hinaus eingegangen wird in jenes geheime und dunkle Schweigen, in dem nichts mehr übrig bleibt von dem Wissen u[nd] dem Begriff des Gesichts[.]“B373 Diese Sätze des Nikolaus Cusanus: sie finden ihre Bestätigung und Bewährung in H[ermann] Cohens u[nd] in Franz Rosenzweigs Religionsphilosophie. In ihrer Deutung der Religion, in ihrer Auffassung und Interpretation des Judentums haben beide ihre Individualität wahrlich nicht verleugnet – sie konnten es nicht u[nd] sie wollten es nicht[.] Man hat Cohen diese Haltung nicht selten verdacht und vorgeworfen – man hat ihm entgegengehalten, daß er nicht das wirkliche, historische Judentum gezeichnet, sondern eine philosophische I d e a l i s i e r u n g des Judent[ums] gegeben habe[.] – A
S u b j e k t ] davor öffnende eckige Klammer mir rotem Buntstift gesetzt u. mit Bleistift gestrichen B Gesichts.“] danach schließende eckige Klammer mir rotem Buntstift gesetzt u. mit Bleistift gestrichen
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Aber dieser Vorwurf schliesst einen p r i n z i p i e l l e n Irrtum u[nd] ein prinzipielles Missverständnis in sich[.] – Im Religiösen bilden Idealität und Realität keine einander ausschliessenden G e g e n s ä t z e ; sondern sie bedingen einander wechselweise u[nd] sie f o r d e r n sich wechselseitig[.] Nur aus echter Idealität u[nd] aus echter I d e a l i s i e r u n g heraus kann die Realität des Religiösen ergriffen werden[.] – Die E r k e n n t n i s t h e o r i e belehrt uns darüber, daß ein analoges Verhältnis schon innerhalb der rein t h e o r e t i s c h e n E r k e n n t n i s , innerhalb der Erkenntnis des „Gegenstandes“ der Natur besteht – es giebt keine einfache „Beschreibung“ des Naturgegenstandes als etwas Bestehendem, ein für alle mal „Gegebenen“ – sondern nur kraft bestimmter „Grundlegungen“ des Denkens, kraft bestimmter theoretischer Prozesse der I d e a l i s i e r u n g ist das „Objekt“ der Natur zu ergreifen u[nd] zu bestimmen[.] – Aber in noch höherem Sinne gilt dies von aller ethischen u[nd] aller religiösen Wahrheit[.] – Sie kann niemals einfach t r a d i e r t , einfach als eine Summe fertiger bestehender Dogmen u[nd] Lehrsätze a n g e e i g n e t werden – sondern jede solche scheinbare Aneignung ist immer eine ursprüngliche Ta t des religiösen Subjekts – eine Hervorbringung aus seinem eigenen Inneren[.] – Nur in solchen und stets aufs neue erzeugenden und in solchen f o r t z e u g e n d e n Ta t e n besteht die ›Wahrheit‹, besteht das eigentliche L e b e n der Religion[.] 〈So hat auch Cohens Religionsphilosophie das Verhältnis gesehen[.] – „Ohne Sympathie“ – so sagt C[ohen] zu Beginn seines Vortrags über [„] die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit“ – [„]ohne die Voraussetzung[,] daß wahrhafte Menschlichkeit, was dasselbe ist mit wahrhafter Göttlichkeit, in allen reifen Religionen zur Entwicklung ringt, lässt sich keine positive Religion verstehen und beurteilen. I d e a l i s i e r u n g ist auch für das Kunstwerk der Religion die Grundbedingung für jeden ihrer Bekenner, nicht minder aber auch für den fremden Beurteiler[.]“1〉 A Daß C[ohen] solche Idealisierung gegenüber der Religion des Judentums vornahm – dasB also wollen wir ihm wahrhaft nicht verdenken – sondern wir müssen es ihm aufs tiefste danken. Aus der Kraft dieser Idealisierung [Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. In: Jüdische Schriften] (I, [S.] 18). 1
〈So hat auch Cohens Religionsphilosophie … den fremden Beurteiler.“〉] Klammersetzung mit rotem Buntstift B Judentums vornahm – das] Judentums – das A
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soll für uns, mitten in den Wirren und Nöten der Gegenwart, wieder die Kraft der H o f f n u n g erwachsen. C[ohen] rühmt es als einen der Wesensvorzüge des israelit[ischen] P r o p h e t i s m u s , daß in ihm der r e l i g i ö s e A f f e k t d e r H o f f n u n g entdeckt worden ist. Das G r i e c h e n t u m kannte die Hoffnung noch nicht als religiösen Affekt – bei den griechischen Denkern u[nd] Dichtern bedeutet das Wort für „hoffen“ nicht viel mehr als eitles Wähnen. Dieser Grundaffekt: er beherrschte und er durchdrang auch CohensA gesamtes religiöses, wie sein gesamtes wissenschaftliches und philosophisches Wirken – u[nd] er kam in ihm, auch im persönlichen Gespräch, immer wieder mit elementarer Kraft zum Durchbruch. „Unter allen Verfolgungen und Bedrückungen äußerer und was am seltensten beachtet wird, innerster seelischer Art, behauptet der Jude seine Religiosität kraft seines messianischen Grundaffekts der Hoffnung. Seine messianische Hoffnung ist sein Trost und seine Zuversicht. Die Leiden aber, so traurig sie immer, und nicht allein für den, der sie zu erleiden hat, sind, so haben sie doch niemals weder den Untergang eines Menschen, noch den eines Volkes herbeiführen können, wenn nur geistige und sittliche Kraft vorhanden waren, den Leiden Widerstand zu leisten[.]“374 Solche geistige Kraft kann nicht besser in uns erhalten und nicht besser gestählt werden, als durch das grosse Vorbild, das Denker wie H[ermann] Cohen u[nd] Franz RosenzweigB für uns aufstellen[.] – Wir dürfen uns daran erfreuen, daß die Religionsphilosophie des Judentums weit genug und frei genug gewesen ist, zweiC solche Denker hervorzubringen – und daß beide, über allem Trennenden und Gegensätzlichen hinweg, sich nicht nur gefunden, sondern sich auch aufs tiefste erkannt und anerkannt haben. D
________
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Cohens] sein und Franz Rosenzweig] mit Bleistift gestrichen C zwei] mit Tinte gestrichen, darunter eingefügt: einen D Wir dürfen … anerkannt haben.] mit Bleistift gestrichen. Streichungen gemäß editorisch-philologischer Anm. B, S. 125 zurückgenommen. B
[THE PHILOSOPHY OF HERMANN COHEN AND HIS CONCEPTION OF JEWISH RELIGION]A [Konvolut 207, Box 37, folder 723]
Before going into the special problem of this lecture, before discussing the general principles of Hermann Cohen’s philosophy of religion and the application of these principles to the questions of Jewish religion I wish to begin with a few preliminary remarks about the personality of Cohen and his influence on the general development of philosophical thought in the nineteenth century. These remarks would, perhaps, be unnecessary if I had to address a German audience. It is true that, even in Germany, the philosophy of Cohen never succeeded in making itself understood to the general public – to a public not prepared for all the technical difficulties of philosophical thought and philosophical language. The philosophical works of Cohen always have been reckoned among those books that by the difficulty of their problems and of their terminology are closed to a general understanding. They never could get any real popularity – and even the professional philosophers very often failed to overcome these difficulties. When Cohen first published his books on the philosophy of Kant in which he gave a new and very original interpretation of the fundamental concepts of Kant, a well known German historian of philosophyB (Prof. FalckenbergC of Erlangen)D, admitted that he was by no means sure to have grasped the full sense of this interpretation. But we must not despair – he added – of coming to a full understanding of Cohen’s works, for very fortunately we have a very good commentary to these works: Kant’s Critique of pure reason.375 This was, of course, a joke – but a joke that expressed a general feeling widely spread even among the professional teachers of philosophy. To illustrate this fact you will allow me to quote a personal experience. When I was a young student in Berlin, – a student of German language and literatureE who was not at all prepared for a study of philosophy I happened to attend a lecture of Georg Simmel,376 who has become later on a famous philosopher and sociologist, but at this time was a rather unknown PrivatdoA
The Philosophy … Jewish Religion] Zur Wahl des Titels siehe die editorischen Hinweise, S. 325. B philosophy] philosophy, C Falckenberg] Falkenheim Name berichtigt D (Prof. Falckenberg of Erlangen)] Klammersetzung mit Bleistift E literature] litterature
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cent in Berlin. The lecture was concerned with the problems of Kant’s theoretical philosophy, and at the beginning Simmel tried to give a short survey of the most important books published about this subject. It was in this connection that I first heard the name of Hermann Cohen and of his philosophical writings. For Simmel declared in plain words that in his opinion these writings had to be considered as the most profound contributions to a real understanding of the problems of Kantian philosophy and he did not hesitate to say that, in this respect, there were no other books of modern philosophical literatureA to match the works of Cohen. But nevertheless – he added – he could not recommend the study of these works as an introduction to Kantian philosophy; for, as he said, these works are wrapt in such a mystery of philosophical style and technical language that nobody as yet could understand them perfectly. You may think that this paradoxical remark struck me very much. It was a very great surprise for me to hear that there was a work on Kant that was considered by the best judges of the subject as the clueB to a true and thorough investigation and explanation of Kantian thought – but that, at the same time, was forbidden to me because of its insurmountable difficulties. It is a well known remark of Plato that of all the emotions of the human mind the emotion of astonishment is the most philosophical one; that astonishmentC[,] the șĮȣȝȗİȚȞ is to be reckoned among the first and principal sources of philosophy.377 I found this remark to be true even in this special case[.] At this time my personal knowledge of philosophical problems and philosophical literatureD was a very poor and restricted one. But I was filled with the greatest amazement about what I had heard of the books of Cohen. Prompt in acting as it suits to a boy of nineteen years I resolved to examine and, if possible, to solve the problem myself. I began with buying the works of Cohen and with studying them. At the beginning I encountered of course very great difficulties in this study, but I was not discouraged by them. With the greatest zeal which at the same time contained a good deal of obstinacy I went on in my study. And after a very short time, after two or three months I felt fully recompensed for my efforts. I could not only read and understand the works of Cohen, but I was sure that, this time, I had found a real philosophical thinker and a real philosophical master. I was determined to become a pupil of this master – and I did not desist from my purpose before I had got a full and detailed knowledge of all his principal works. It was not A
literature] litterature clue] davor nach Streichung doppelt stehengeblieben: the C asthonishment] davor nach Streichung doppelt stehengeblieben: that D literature] litterature B
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until I had come to this point that I felt prepared to make the personal acquaintance with Cohen. I went to Marburg where he held the chair of philosophy.378 And all my life I shall not forget the warm welcome that Cohen, one of the most distinguished scholars of philosophyA gave to me, a young student. After my first term in Marburg I had not only become his pupil – he considered me and he treated me like an intimate friend. By this friendship, that, without any interruption, lasted up to the death of Cohen in the year 1918 I first got a true insight into the nature of that Judaism, that was represented by Cohen, – into the nature of his thought and his feeling concerning the fundamental problems of Jewish religious life. In our conversations, extended over a period of more than twenty years, we have very often discussed various philosophical subjects. But, Cohen was not especially fond of this sort of discussions; and in friendly conversation he did by no means content himself with the treatment of abstract questions.B It happened by this that in all my intercourse with Cohen I very often took leave of him without having mentioned the special philosophical problem I wanted to discuss with him. But there never was a day when he did not start a conversation with me about a special problem of Judaism, about a problem of Jewish tradition, of Jewish religious, moral or political life. I feel quite unable to give you a real impression of these conversations. It was not only the content of them, it was much more their personal form that impressed me in the strongest way. In every special word of Cohen’s you could feel a faith in Judaism that was at the same time a philosophical and religious faith. It was not a mere dogmatical creed; it originated in a personal conviction and in a personal, a moral enthusiasm. To understand this personal attitude of Cohen I must ask you to consult and study his publications about the principal questions of Jewish religion[,] his great book „Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“379 and his shorter papers on various subjects that after his death were collected and published under the title: [„]Jüdische Schriften[“], 3 volumes, Berlin 1924. This address does not mean to replace in any way the careful study of these writings of Cohen himself. All I can do and all I wish to do is to give you a short delineation of the general principles that are presupposed in the whole of Cohen’s work[,] to describe and expound the basic ideas, on
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philosophy] danach gestrichen: and a man who was more than thirty years older than myself B questions.] danach gestrichen: In these conversations he followed no definite plan, he gave way to his personality and his individual temperament and he showed the greatest, the most lively and vigorous interest in personal questions.
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which the special developments of Cohen’s philosophical and religious thought depend. For this purpose I have to begin with a short remark about the general tendency of Cohen’s first philosophical works – of the books which are concerned with the interpretation of Kantian philosophy. 〈This interpretation is given in three works the first of which was published in the year 1871, the last of which was published in the year 1889[.]380〉 A Cohen was not the first to go back to the general philosophical views maintained and defended by Kant. There had appeared before him many German thinkers 〈as for instance Eduard Zeller and Kuno Fischer〉 B, that had prepared the way for the so-called Neo-Kantianism, that had declared that modern philosophical thought could not find its true orientation without returning to the problems of Kant’s critical philosophy. But the solution of these problems is sought by Cohen in a new direction. When Cohen began his work the commentators and interpreters of Kant were divided into two different camps. There were two different types of interpretations; one of which may be described as a logical or epistemological one, the other as a metaphysical one. In the first interpretation the work of Kant appeared as the continuation, and in a certain sense as the achievement of the work of Locke or Hume. It was its negative, its critical and even its sceptical task, it was the destruction of dogmatic Metaphysic on which the principal stress was led. The directly opposite view was maintained in the second kind of interpretation. Very far from being a pupil of Locke or Hume, a adherent of the philosophical doctrines of Empiricism, Kant was declared to be theC pioneer that prepared the road for the speculative thought of Fichte, of Schelling[,] of Hegel. But Cohen in a very resolute manner rejects both types of interpretation. As he points out we have to understand the work of Kant neither in the way of Hume, nor in the way of Hegel, neither in the way of Empiricism, nor in the way of speculative Idealism. Both interpretations are inconsistent with Kant’s principal task. Kant was a critical philosopher – and that means that he did not intend to give a constructive view concerning the absolute essence of things but contented himself with an analysis of the powers of the human mind, with an investigation into the principles of human knowledge and the foundations and maxims of human will. According to this Kant himself declared his philosophy to be a philosophy of pure experience. „Mein Feld ist das fruchtbare Bathos der Erfahrung“ [–] ›my place is the fruitful 〈This interpretation … in the year 1889.〉] 1888.〉 Angabe berichtigt; Klammersetzung mit Bleistift. B 〈as for instance Eduard Zeller and Kuno Fischer〉] Klammersetzung mit Bleistift C the] nach Streichung doppelt stehengeblieben A
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low ground of experience‹ as Kant says in his ›Prolegomena to any Future Metaphysic‹.381 But in giving this definition Kant is by no means led back to the dogmatical systems of Empiricism. For it is by the very concept of experience itself that he differs from these systems. 〈In the system of Kant experience does not mean a mere aggregate of facts or a mass of single sense-perceptions. [“]Experience[”] – says Kant in the [“]Critique of pure reason[”] when dealing with the problems of the so called ›Analogies of Experience‹, with the categories of substantiality, of causality, of reciprocal action – [“]experience is possible only through the representation of a necessary connection of perceptions.[”]382 That necessary connection which was questioned or denied in the philosophy of Hume is therefore, according to Kant, the very foundation and condition of all empirical truth whatever. 〉 A Kant is not an Empiricist in the sense of former philosophical schools, in the sense of the schools of Sensationalism. [“]With regard to nature[”] – he says in the [“]Critique of pure reason[”] – [“]it is experience no doubt which supplies us with rules and is the fountain of all truth[”] ([“]in Betracht der Natur gibt uns Erfahrung die Regel an die Hand und ist der Quell der Wahrheit[”]) (B. 375).383 But experience never could supply us with rules, if it were in itself nothing else than a congeries of isolated and disconnected phenomena; if it would not partake in the nature of a logical system. It is this logical system with which Cohen’s first books are concerned. The first work of Cohen, published in the year 1871, bears the title ›Kants Theorie der Erfahrung‹ (Kant’s theory of Experience)[.] This title intimates its contents and its principal aim. In order to find out the real significance and the real importance of the concept of experience in the critical system we must consider not the mere matter, but the form of experience; we must give a theory, that means a logical analysis of this form; we must reduce Experience, not to a sum of facts, but to the universal laws, to the categories and principles, that are involved in it and presupposed by it. Empirical and logical truth are not opposed to each other, they are correlative to each other. For experience is in itself a rational whole dependent on systematical and necessary principles. It is this rationality of experienceB that Cohen attempts to explain and to prove in his works on Kant. But it would be a mistake to consider him as a mere commentator, or even as a mere follower and disciple of Kant. In the last period of his life, in the period beginning with his sixtieth year, he proceeds to a general systematic task; he gives his own rational theory of experience, his theory of morality and his theory of art. The three books of Cohen discussing this universal problem are entitled: [“] A B
〈In the system … truth whatever.〉] Klammersetzung mit Bleistift experience] experience,
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Logik der reinen Erkenntnis[”], [“]Ethik des reinen Willens[”], [“]Aesthetik des reinen Gefühls[”]. Even in looking at the mere titles of these works, we find in all of themA a constant reference to a common centre: to a pure activity of the human mind that manifests itself in the sphere of theoretical knowledge as well as in the sphere of ethical life and in the products of art. In this threefold activity and productivity the human mind proves its original power, its freedom and autonomy. In order to understand the term ›Reason‹ in its most comprehensive and, at the same time, in its deepest sense, we have to define reason as the focus of all our different spiritual energies – of those energies by which we construct our theoretical, our moral and aesthetic universe. We have to take into consideration this general tendency of thought in order to understand Cohen’s view of the fundamental problems of Jewish religion. At first sight it may perhaps seem that Cohen, by his rational theory of knowledge, of morality, of feeling, has leaved and obstructed the only way that can lead us to a true understanding of religious thought and religious experience. In the history of this thought it has been repeated over and over again that religion is a super-natural and a super-rational fact – a fact that is not to be explained, much less to be exhausted, by appealing to those standards of truth we make use of in our treatment of our scientific or philosophical problems.B If religious reality means anything at all, it seems to mean a reality that is not confined within the limits of our rational experience, that transcends those data out of which we construct our empirical universe.C It is true that this conception according to which religion is necessarily and essentially concerned with the problems of a transscendent world was, to a certain extent, modified and revised in modern religious thought. There have appeared many eminent thinkers who set themselves the task to prove the possibility, nay the necessity, of a religion that was called a religion of immanence. It was the ideal of such a religion that – in order to quote a single instance only – was expounded and defended in a famous treatise of Schleiermacher, in his ›Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern‹[.]384 But even in following this modern interpretation of religion, in admitting that there may be and must be a pure religion of immanence – we are by no means led to the conclusion, that the spontaneity, the self-activity, the autonomy of reason, may be regarded as a source and foundation of religious truth. Schleiermacher himself was A
them] them, our scientific or philosophical problems.] statt gestrichen: the problems of our outward and inward experience, of our physical and psychological reality. C empirical universe.] statt gestrichen: physical or psychological world. B
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very far from admitting this inference. His definition of religious feeling takes the opposite course: for Schleiermacher defines religion to be „das Gefühl der schlechthinigen AbhängigkeitA“385, the feeling of an absolute dependence. Such an absolute dependence is inconsistent with that principle of the autonomy of pure thought and pure will that is the very basis of Cohen’s theoretical and ethical philosophy. By this the philosophy of CohenB is lead to a real dilemma. Cohen had to make his choice between two alternativesC that, at first sight, seemed to be irreconcilable with each other. In maintaining his rational view, in remaining true to the first principles of the ›Logic of pure knowledge‹386 he seemed to deprive himself of a true and genuine interpretation of religious feeling.D But on the other hand in acquiescing in the suppositions of Schleiermacher, Cohen’s philosophy had perfectly lost its own ground. But it was not by such a selfdenial of his philosophical thought, it was not by a mere ›sacrificium intellectus‹ that CohenE was led to his own theory of religion and especially to his conception of Jewish religion. His principal aim is the aim of a systematic thinker. He never forgets to point out and to emphasize the characteristic difference between theoretical and religious thought. Each of them must be maintained in its purity and in its originality; but at the same time philosophy must find the way that leads to a real synthesis, to a reconciliation and harmony between all the different powers of the human mind. To despair of this essential unity would lead us to a scepticism no less dangerous for the sake of religious than for the sake of philosophical truth. By this consideration we are in a position to understand the guiding principle of Cohen’s philosophy of religion. He does not admit that in order to establish the truth of religion we have to deny or restrict the power of theoretical thought. We have not to enfeeble this power; we have to strengthen and reinforce it.F Cohen does not believe in the possibility of coming to a true foundation of religion by founding it on a mere passive feeling, on the inert feeling of absolute dependence. In his view religion must be founded on the activity of the human mind. Man cannot find his way to religion, his way to God without trusting in this activity and without bringing it to its highest degree. Religion, in its A
schlechthinigen Abhängigkeit] schlechthiningen Abhangigkeit Cohen] Cohens C alternatives] danach gestrichen: each of which seemed unfavourable to his principal aim: to the aim of reconciling and bringing into harmony the two powers of philosophical and religious thought. D feeling.] danach gestrichen: – he seemed to be in the danger of obstructing one of the principal sources of this feeling. E that Cohen] irrtümlich gestrichen F it.] it; Semikolon nach Streichung stehengeblieben B
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true and genuine sense, is to be proved by the strength of man, not by his weakness or impotence. And the true strength of man rests on the power of his spiritual life; on the power of his theoretical, moral, aesthetical judgment. Religious consciousness is not an independent and perfectly new spiritual faculty that exists beside or above the faculty of logical thought, of moral will or aesthetic productivity. It presupposes and uses all these different faculties; it does not intend to mutilate them, but to bring them to their own perfection, by relating them to each other and harmonizing them. In maintaining this view Cohen does not think to deviate from the historical way and from the historical development of Jewish religion. He is, of course, perfectly aware of the fact that his own conception is not a simple repetition of orthodox or traditional views. What he tries to give is neither a confirmation nor a refutation of these views; it is, what he calls, an idealization of the essential contents of Jewish religion.387 But Cohen does by no means admit that such a process of idealization is an arbitrary transformation of those ideas, on which Jewish religionA depends. Cohen always professed to be an idealistic thinker: and that means, that in his system, we are not allowed to understand the terms ›idea‹ or ›idealization‹ in their traditional or commonplace sense. In his view idea and reality are not opposed to each other; they are mutually depending on each other and supporting the one the other. It is one of the principal arguments of Cohen’s ›Logic of pure knowledge‹ that even the reality of nature cannot be understood, cannot be known and interpreted in a scientific way, without relating it and in a certain sense reducing it to the truth and reality of pure ideas. And this thesis holds good so much the more if we are concerned with the problems of spiritual life. In this case the process of idealization is not only admissible, it is necessary and unavoidable. We can never reach the truth of any religion whatever, we cannot penetrate into its real essence and meaning, if we content ourselves with following up the single dogmatical creeds it contains. We must not only pay heed to these different and often very divergent creeds, as they have developed in the history of a certain religion; we must go right to the depth of all of them, that means to the religious ideal presupposed by them and expressed by them in various terms and symbols. Cohen has emphasized this view in a very important address given by him to the „Weltkongress für religiösen Fortschritt“ in the year 1910B. He begins
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religion] danach gestrichen: , both in its original sense and in its historical developement, B 1910] 1914 Angabe berichtigt. Auf der gegenüberliegenden S. Notiz: Jahreszahl?
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his address with sayingA that without sympathy, without the suppositionB that in all the different forms of religious faith the spirit of true humanity (or, what means the same, the spirit of divinity)C is striving for its self-development, we cannot understand or judge any positive religion. ›Idealisierung[‹] – says Cohen – [›]ist auch für das Kunstwerk der Religion die Grundbedingung für jeden ihrer Bekenner nicht minder aber auch für den fremden Beurteiler‹ [–] [“]for everyone who professes a certain religion and for everyone who tries to judge a religion different from his own Idealization is a fundamental condition.[”]388 ItD would, therefore, be an unjust and superficial objection to Cohen’s theory to say, that his idealization of Jewish religios thought could not be brought about without a falsification of this thought, without aE personal and therefore, arbitrary interpretation. Cohen was perfectly convinced that his own interpretation was not only consistent with but confirming and developing that universal spirit of Judaism that was considered by him as the enlivening and animating power in all the former developments of Jewish religious thought. To prove this intimate connection he used to refer to the works of Moses Maimonides whom of all the Jewish philosophers he held in the highest esteem. It was on the authority of Maimonides that Cohen maintained and defended the guiding maxim of his own conception of Judaism – the maximF that in Jewish religion there is no irreconcilable opposition, no flagrant contradiction between what is thoughtG by religious faith and what is demanded by the principles of human reason. Cohen insists on the fact that, by Maimonides and by all the other Jewish thinkers who followed his line of interpretation, such a contradiction between reasonH and revelation is strictly denied. Revelation itself has to be understood and to be explained according to those universal principles the truth of which is accessible to human reason and may be proved by her original powers. In the historical development of religion, especially of Jewish religion, there is implicitly contained a rationality that unfolds itself and that, slowly and continuously, becomes conscious of itself. It is true that, according to Cohen, this rationality cannot be understood in its proper sense if we restrict it to the field of theoretical thought alone. Religion is not exclusively nor principally A
saying] saying, supposition] supposition, C (or, what means the same, the spirit of divinity)] Klammersetzung mit Bleistift D It] davor nach Streichung doppelt stehengeblieben: condition. E a] an F maxim] maxim, G thought] tought; kann auch taught meinen H reason] raison B
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concerned with the problems of intellectual life and its significance and truth is therefore not to be measured by the application of mere logical rules. In founding religion on reason we must understand the latter in its widest, in its all-comprehensive sense. We must accept that doctrine of Kant that is called by Kant the doctrine of the primacy of practical reason (die Lehre vom „Primat der praktischen Vernunft“389). Even in this special point Cohen thinks that the classical tradition of Jewish religious thought is in perfect accordance with the principles of a critical philosophy. In order to prove this accordance heA refers, once more, to the work of Maimonides – especially to Maimonides’ doctrine about the attributes of God. As Maimonides points out, we cannot define and exhaust, by means of the mere categories of human reason, the essence of God. Our reason has no adequate knowledge of God – if by such a knowledge we understand the insight into his absolute nature. The nature, the metaphysical substantialityB of God remains hidden to us. All we know of him are certain predicates and attributes – and even these predicates are, in general, of such a kind, as to give us a negative, not a positive answer to the question of the essence of God. In speaking of God as of a being of infinite power, infinite wisdom, and so on, I am far from giving a positive description of his nature; all I do is to remove from this nature certain boundaries and restrictions that I know to be incompatible with it. Maimonides follows, therefore, the way of the so called negative Theology. But as Cohen points out in a special monograph on the Ethics of Maimonides (in the treatise „Die Ethik des Maimuni“, contained in the third volume of his ›Jewish writings‹C390) there is a very remarkable exception of this general rule. According to Maimonides there are certain predicates or attributes of God that we may with certainty ascribe to him and by which we may gain not only a negative, but a positive determination of his nature. These attributes are those that are revealed to ourselves not by the mere understanding and its categories but by the examination of our will,D by the principles and maxims of our ethical life. It is by this way alone that man may be said to have, so to speak, an intercourse with A
Even in this special … this accordance he] auf das gegenüberliegende Bl. geschrieben, statt gestrichen: And even with respect to this problem Cohen maintained the view, that we may find a certain agreement, a real harmony between what is taught by Kantian ethics and Kantian critical philosophy and what is affirmed by the most eminent philosophers of Jewish Religion. To prove this harmony he B substantiality] substantialy C in the treatise … ›Jewish writings‹] auf dem gegenüberliegenden Bl. Notiz: N [ o t a ] b [ e n e ] ! Band-No? D will,] will.,
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God; that he can grasp what is meant by his resemblance to God. This resemblance is not to be understood as a metaphysical analogy, an analogy existing between the nature of God and men in a merely theoretical sense; it is to be understood as an ethical analogy. ›Those attributes only‹ – declares Cohen in his commentary on the Ethics of Maimonides – ›can be said to be the objects of our human, of our religious knowledge that determine the essence of God as the archetype of morality. Outside this interest, outside the relation to morality the essence of God is impenetrable and inscrutable; that means, it cannot be the object of a philosophical interest or an object of religious faith. Hence, the Jewish conception of God is exhaustively defined by the ethical significance of the Idea of God.‹391 It is true, that, by this reduction of the metaphysical problem of God to an ethical problem, Cohen is led to a result that goes far beyond all those conclusions that were admissible in the system of Maimonides or in any other systems of medieval thought. For in his philosophy there is no room left for the fundamental problem that is at the root of medieval theological and religious thought. Cohen does no longer discuss the problem of the existence of God. He is a follower of Kant even in this respect that he emphatically denies the possibility of the human mind, to give any conclusive logical or metaphysical argument by which the existence of God may be proved in a definitive way. To mention a special technical point Cohen emphasizes that even the term existence is not adequate to what God is and what God means. In the system of Kant existence means a category that is necessary for our understanding of the phenomenal world, for our understanding of finite beings contained in Space and Time. But, in the language of Kantian philosophy God is not a phenomenon, he is a Noumenon.392 To speak strictly we must, therefore, not speak of his existence, – although we may continue to speak of his reality. But in this case too reality must not be understood as somethingA that is opposed to and exceeds and transcends idealityB, but as something that is correlative to idealityC; that implies ideality and rests on its fundamental principles.
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something] something, ideality] Ideality C ideality] Ideality B
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In the mind of C[ohen]A there is, therefore, no real difference between what we call the reality of God and what we call the reality of a moral order of the universe, the validity of our ethical ideals. In affirming both of them we are not speaking of different subjects; we are only expressing one and the same thought and one and the same ethical and religious demand by different names and symbols. That the idea of God possesses reality: that means nothing else than that this demand is not a mere wish, an illusion by which the human mind deceives itself, but that it is effective in the world of men, in the world of human history. By this conception the reality of God becomes equivalent, in the system of Cohen, with the belief in the universality and necessity ofB the ideal of humanity. To believe in humanity, in its highest and most perfect ethical sense, and to believe in God means one and the same. This identification, this welding together of the two opposite concepts of humanity and divinity seems to
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other systems of medieval thought … In the mind of Cohen] auf die gegenüberliegenden Bl. geschrieben, statt gestrichen: other system of medieval thought. We may express this result by saying that one of the most important and decisive questions, a question uncessantly treated in all the former systems of Metaphysic and Theology, has lost its sense in Cohen’s philosophy of religion. This philosophy does not rise the question and does not try to answer the question of the existence of God; it inquires exclusively into the meaning of the idea of God. A transformation of this kind is, to be sure, a paradox – but it is a paradox that necessarily follows from the very presuppositions of Cohen’s system. I cannot hope to explain this connection within the bounds of this lecture, which once for all has to desist from the consideration of all technical questions of pure philosophy. But in a general way we may say that Cohen does no longer discuss the problem of the existence of God and does no longer try to prove this existence by logical or metaphysical arguments because he is convinced that the term and the category of existence is inadequate to the essential meaning of the idea of God. Existence is a category that may be applied to finite beings contained in the order of space and time; a category applicable to the world of appearances, of sense-phenomena. This sort of existence cannot be proved but in an empirical way – by the way of observation and experiment. But God is not a phenomenon, he is a Noumenon – and we can never think of proving his existence in this way and by following these empirical methods. To use the term ›existence‹ in its strict sense, we must, therefore, not speak of the existence of God; for this would be the same as to comprehend him under the class of finite beings. We may continue to speak of the reality of God – but in this case reality is not the logical opposite to ideality; it is the correlate of ideality, its is not anything, that, in a metaphysical sense, exceeds and transcendents ideality, but that implies and explains ideality. Cohen tries to maintain and to demonstrate this view in the foundation of his ethical system, in his ›Ethics of pure will‹[.] I cannot go into the detail of this demonstration, I must content myself with intimating its consequences. Nach Streichung doppelt stehengeblieben: In the mind of Cohen B of] irrtümlich gestrichen
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be a very strange and very bold attemptA[.] But to understand it in its true and strict sense we have to take into consideration the special conditions and presuppositions of Cohen’s philosophy. Cohen never yielded to the temptation of a pantheistic Metaphysic. He always criticizes the doctrine of Pantheism in the most severe way, and he directs the most violent attacks against the classical system of Pantheism, against the system of Spinoza. The identity proposed by Cohen is, therefore, not a metaphysical but an ethical identity.B In order to maintain it we must understand God – to use the words of Kant – not as an object of theoretical reason but as a postulate of practical reason393[.] God is to be considered much less than the ultimate cause of things than as that ultimate e n d C that is proposed to us and to which all our ethical ideals finally converge.D The idea of God coincided with the idea of humanity, in so far as both of them express the same demand; the demand that all our particular volitions and desires must at last be directed to one and the same universal end. Both ideas are expressing, from different points of view, the same postulate that is called in the philosophy of Cohen, [›]das Postulat der Allheit394[‹], the postulate of totality. According to Cohen the truest and deepest sense of Jewish Monotheism depends on this postulate. Jewish religion was the first to discover and proclaim that there is only one God: but this assertion is not to be interpreted in a merely theoretical way. It involves, at the same time, a decisive practical consequence; it means, that in spite of all the innumerable empirical differences between men, Mankind itself must be considered as an ideal Whole, as an unbroken unity. According A
attempt] danach mit Bleistift gestrichen: if we consider it from the point of view of mere Metaphysic. B identity.] danach mit Bleistift gestrichen: In the system of critical philosophy that is followed and presupposed by Cohen the concept of God has undergone a decisive change. According to Kant the true origin and the true significance of the idea of God is to be sought in the field of practical reason, instead of in the field of theoretical reason. That means that this idea is to be understood not in a statical, but in a dynamical sense; not as a mere statement of a thing, of a substance, but as a rule for our action. C e n d ] mit Bleistift unterstrichen D converge.] danach mit Bleistift gestrichen: And this idea of God finally means, according to Kant, not the idea of a metaphysical, absolute thing – that, as such, would be unaccessible to human knowledge –; it means a postulate of practical reason, a demand which embraces and unifies all our particular volitions and directs them to a common aim. The idea of God is, as Kant says, [„]nicht der Begriff von etwas Gegebenem, sondern von etwas Aufgegebenem[“, vgl. KrV B 526-B 527, B 536]. It beats me to give a correct verbal translation of these words: but we can paraphrase them by saying that God is to be considered not as an existing thing, but as a purposed end. By this we immediately understand that sort of unity, nay, of identity that is affirmed and maintained by Cohen.
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Vorträge über Hermann Cohen
to Cohen the idea of this unity of mankind is expressed in Jewish religion, in the most striking and most perfect way, by the Idea of the Messiah – as it is described by the prophetical writers of Old Testament. It is by these writers, it is by Isajah, Jeremiah, Ezekiel, that the fundamental dogma of Jewish religion, the dogma of the unity of God, was developed to its full sense and was understood and interpreted in its full ethical importance. By this interpretation the decisive and the most difficult step in the development of religious thought was made: the transition from the mere mythical concept of the Deity to its moral concept.A In all positive, in all concrete religions there is contained a mythical element. In a certain sense we may even say, that mythical thought is not only the beginning and origin of religion, but the origin of all human civilization[.] ›All civilization‹ – says Cohen – [›]has grown out of mythical thought; knowledge as well, as morality, poetry and all the other kinds of art. Civilization in all its different fundamental directions has unfolded from mythical elements.‹395 But that does not mean, that civilization and, much less, that religion can be defined by these elements and be confined within their limits. Mythical religion must be overcome by a purer form of religious thought: and this purer form involves a new relation to the ethical ideal of humanity. [›] Myth[‹] – says Cohen – [›]has nothing in common with this ideal. Myth is interested in clan, in tribe, in nation; but no heathen myth ever directed its view upon humanity … The idea of humanity is the fruit and issue of the unity of God. The prophets by defying the mythical relation between God and men could by this implant the correlation between man and man into the original soil of prophetic religion. It was only by the idea of the A
By this interpretation … its moral concept.] dazu ein beigelegter Bg. mit Bleistiftnotiz: [Cohen:] Jüdische Schriften, Berlin 1924, 3 B[änd]e[.] Darunter mit Tinte, nach Einfügungszeichen: Der Mythos geht auf die U r z e i t zurück. In ihr wurzelt der Wert des Heiligen, des Religiösen. Dem Heiligen haftet der Wert und die Würde eines unvordenklich Ve r g a n g e n e n an. Von dieser mythischen Zeit gelangen wir zur k o s m i s c h e n Zeit. Das Göttliche wird nicht nur angeschaut als der A n f a n g der Zeiten – als der Ursprung, in den der religiöse Gedanke u[nd] das religiöse Gefühl sich versenkt. Es steht als gegenwärtige, ewige Natur-Ordnung, als k o s m i s c h e Ordnung vor uns. So denkt selbst Platon die Gestirne als „sichtbare Götter“. Im ewig gleichen Lauf der Himmelskörper, im periodischen Wandel der Konstellationen des Himmels stellt sich die eine göttliche immer sich selbst gleiche Ordnung vor uns hin. Bei den Propheten aber ist weder von der mythischen Urzeit, der Zeit der Vergangenheit, noch von der kosmischen Zeit die Rede. „Ihr sollt nicht der Heiden Weise lernen und sollt Gott nicht fürchten vor den Zeichen des Himmels, wie die Heiden sich fürchten.“ (Jerem[ia] 31, 35; 10, 2) [Folgt Zusatz mit Bleistift: Gott der Geschichte – Offenbarung als Tradition]. Im Ms. ist das Einfügungszeichen nicht eingetragen. Vgl. die Parallelstelle in PSF II, S. 150–152, dort mit Zitat aus Hermann Cohen: Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919, S. 293 ff. u. 308.
Cohen’s Philosophy and his Conception of Jewish Religion
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unity of God that they were able to discover the unity of mankind – that highest thought of morality.‹396 According to this Cohen emphatically denies the view, that the God, revealed by the prophets, was nothing else than a national God. The Messiah predicted by the prophets is understood by them not only as a national, but as a universal redeemer. With respect to him we need not and we must not acknowledge any individual or national boundary. ›The providence is divine‹ – says Cohen – [›]if it does not take into account a special individual in particular, nor a special nation, but if it regards the whole of mankind, as the children of God … This culminating point of JewishA prophecy, this believe in the future of mankind, is the contents of the Idea of a Messiah.[‹]397 „Man[“] – says Cohen in his book ›Religion und Sittlichkeit‹398 (Religion and Morality) a book published more than twenty years ago – [„]Man is not at liberty to seek his supreme salvation in his nationality, much less, as nowadays they venture to say, in his pretended race; he must open his heart to more general, to really universal historical motives.“B399 ThisC demand of universality, this belief, that the highest religious task of mankind is to establish and to maintain its own unity by which alone it can grasp the unity of God and can become in a certain sense equal to it, is one of the outstanding and most characteristic features of Cohen’s philosophy of religion. But he does not think and he never would admit that by this he gives up or sacrifices the peculiar character of Judaism; he is fully convinced that his conception of religion is not a denial but a fulfillment of Jewish ideals. He strives to express, in the language of modern critical philosophy, the same fundamental religious thoughts and religious tendencies that Jewish prophets expressed in their biblical style or Maimonides in the terms of medieval philosophy. And from this point of view we may understand another difficult and delicate question of Cohen’s philosophy of religion,D his attitude towards the Jewish rites. Cohen was not what is called an orthodox Jew – he did not defend or maintain in a strict sense all the special prescriptions of Jewish ritualism. Whatever we may think of the value and necessity of these prescriptions; in the mind of Cohen, they cannot constitute the very essence of Jewish religion, which, as we have seen, rest upon different, upon purely ethical A
Jewish] mit Bleistift eingefügt motives.“] davor nach einer ersten englischen Formulierung des Zitats gestrichen: By these words I whish to conclude my remarks about the philosophy of Hermann Cohen and his conception of Jewish religion. I could not think of exhausting my subject – I could only attempt to give a very short summary – but I may perhaps express the hope that this summary will be sufficient[.] C This] davor Markierung mit zwei senkrechten Strichen D religion,] religion. B
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Vorträge über Hermann Cohen
conceptions. But just from the point of view of these ethical conceptions Cohen tried to do full justice to what he thought to be the essential part of Jewish ritualism. In his ›Ethics of pure will‹ Cohen develops a special ›Tugendlehre‹400 – a detailed doctrine of virtues and of their relative value. In this doctrine the virtue of fidelity (die Tugend der Treue) occupies an eminent place. This virtue is considered by him as the true moral basis of ritualism. It is fidelity, it is faithfulness and loyalty to the origins of his own religion and to the historical conditions under which this religion has developed, that binds the adherent of a special faith to certain outward actions, declaring and corroborating this faith, to the observance of a special rite. We cannot wish to cut up this tie that connects manA with the life of his ancestors and with his religious past. But every religion, that is really alive, that possesses still a productive spiritual power, has not only a relation to its past. It must go beyond this past; it must strive for its future.B Ritualism however recommendable and however venerable from the point of view of religious past never can be allowed to stand in the way of religious future; which, in the mind of Cohen, always must be understood, at the same time, as an ethical future. ›We recognize, at present,[‹] – says Cohen [– ›]the value of Judaism in its Prophetism, in its moral teaching, in its universalism and in its humanism. For our conscience of the historical development Ritualism belongs to the sphere of defence and self-protection; to the imponderables of religious piety. But we distinguish it, clearly and vividly, […] from the eternal essence of our religion.‹401 I must stop short, by these remarks, my description of the fundamental thoughts of Cohen’s philosophy of religion. I whish to emphasize once more that I could not think of giving you a detailed account of the subject. But I may perhaps express the hope that my very short and insufficient summary may incite those of you, who are able to read German books, to a closer study of Cohen’s „Jüdische Schriften“ and of his book ›Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums‹. You will find in these books not only a rich source of instruction abundant in profound thoughts on general philosophical subjects and on subjects concerning Jewish religion – I trust that at the same time youC will find in them this moral and spiritual
A
man] men future.] future, danach mit Bleistift gestrichen: for this new heaven and this new earth that has been predicted by the Prophets. C I trust that at the same time you] I trust, that, at the same time, you B
Cohen’s Philosophy and his Conception of Jewish Religion
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comfort we are all in urgent need of at the present day.A Let me conclude by words of Cohen himself which I thinkB express in the shortest and most exiguous way his feeling about the present situation and the future of Judaism. ›Among all persecutions and oppressions, among all distresses of our external life, and, what means more, among the afflictions of our own souls the Jew must maintain his religious life by virtue of his messianic emotion of hope. This messianic hope is his comfort and his confidence. Misfortunes and griefs, however sad and woeful, never could bring about the ruin of a man or the ruin of a nation, provided that there were spiritual and moral powers strong enough to resist these misfortunes.‹402
A
you will find in them this moral and spiritual comfort we are all in urgent need of at the present day.] Satzgliederung mit schrägen Bleistiftstrichen bezeichnet: you will find in them this moral and spiritual comfort/we are all in urgent need of/at the present day. B think] think,
BEILAGEN III
HERMANN COHEN A (MALMÖ, 23.3.41) [Konvolut 207, Box 38, folder 724]
a) P e r s ö n l i c h e s Ve r h ä l t n i s – 1892 – Simmels Vorlesung403 – Paulsen404 – Dunkel im Licht – b) C o h e n s p e r s [ ö n l i c h e s ] Ve r h [ ä l t n i s ] z u m B J u d e n t u m a) der Vater – Coswig405 – bis zum 16. Jahre neben dem Gymnasialbesuch die Grundlagen einer talmudischen Bildung, die sich auch auf die Werke der jüd[ischen] Religionsphilos[ophie] des Mittelalt[ers], be[sonders] auf Maimonides u[nd] Bachja erstreckte. b) Breslauer Rabbinerseminar406 – Frankel407 c) Philosophie → Platon Kant – Berliner Habilitat[ion] Trendelenburg408 Fr[iedrich] Alb[ert] Lange – Langes Nachfolger409 B e k e n n t n i s i n d e r J u d e n f r a g e – 1880410 Ende der 70[er] Jahre: neue antisemit[ische] Beweg[ung] Treitschke411 K o n f l i k t mit seinen jüdischen Freunden u[nd] Lehrern Steinthal – zu starke Annäherung412 das eigentl[ich] r e l i g i ö s e Moment tritt zurück – Auflösung der Religion in Ethik P e r i o d e d e s A l t e r s : Begriff der Religion im System der Philosophie413 erster Lehrer der R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e an der Lehranstalt f[ür] dieC Wiss[enschaft] d[es] Judentums in Berlin414 D i e R e l i g i o n d e r Ve r n u n f t a u s d e n Q u e l l e n d e s J u d e n t u m s 415 H[ermann] Cohens J ü d i s c h e S c h r i f t e n , herausgegebenD v[on] Bruno Strauß, 3 B[ände], Berlin 1924. Idee der Religion 3 Quellen: Mythos, Ritus, Ethos M y t h o s – [Cohen: Jüdische Schriften] III, [S.] 119: [„]Aus dem Mythos ist a l l e Kultur herausgewachsen; die Wissenschaft, die Sittlichkeit, die
A
Hermann Cohen] im Ms. unterstrichen zum] zu C die] di D herausgegeben] hg. B
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Beilagen III
Poesie und alle Kunst. Die Kultur hat sich in allen ihren Urrichtungen aus dem Mythos heraus entwickelt[.“] So auch die Religion – das Göttliche m e n s c h l i c h – direkter Verkehr mit Göttl[ichem] Patriarchensage – Stammesgeschichte u[nd] Volksgeschichte ist myth[ische] H e r o e n geschichte R i t u s als konkrete Lebensform der religiös[en] Gemeinschaften Die relig[iöse] Gemeins[chaft] fühlt sich zusammengeschlossen durch den Vollzug bestimmter Riten, bestimmter heiliger Handlungen – erst dadurch wird Gott gegenwärtig – universalA[.] Ethos Maimonides – Attributenlehre416
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universal] Lesung unsicher, stark verschrieben
Hermann Cohen
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E i n s c h r ä n k [ u n g ] des Themas einzigartige Verbindung von s y s t e m a t i s c h e r Philosophie u[nd] genauer Vertiefung in das jüdische Schrifttum; in die Bibel u[nd] den Talmud. – Nur aus Cohens p e r s ö n l [ i c h e m ] Lebensgange konnte eine solche Einheit erwachsen – Schilderung dieses Lebensganges 3 Perioden: Jugendzeit – Vater – Breslauer Rabbinerseminar –417 Preisaufgabe über Platon – Braniss – „Ihre Schrift wird Partei machen“418 – p r o p h e t i s c h e s Wort – Kant 1871 [„]Kants Theorie der Erfahrung[“] ein Versuch der Habilitat[ion] in B e r l i n scheitert an dem Widerspruch Trendelenburgs419 – Fr[iedrich] Alb[ert] Lange ruftA ihn nach Marburg – Nachfolger Langes420 – Entfremdung gegenüber dem rein religiösen Gehalt 1880 „Bekenntnis in der Judenfrage“ schwer verdacht – nicht nur im Kreise der jüd[ischen] Orthodoxie, sondern auch Steinthal421 Periode des A l t e r s [„]Begriff der Religion im System der Philosophie[“]422 erster Lehrer der R e l i g i o n s p h i l o s [ o p h i e ] an der Lehranst[alt] für die Wiss[enschaft]B d[es] Judentums423 Hier entsteht das Werk: [„]Die Rel[igion] der Vernunft aus den Quellen des Judent[ums“]C
A
ruft] beruft für die Wissenschaft] für Wissenschaft C E i n s c h r ä n k u n g des Themas … aus den Quellen des Judentums] in die erste Vortragsdisposition eingeschoben u. auf anderem Papier geschrieben424 B
BRIEFE HERMANN UND MARTHA COHENS AN ERNST UND TONI CASSIRER
1. Hermann Cohen an Ernst Cassirer eigenhändiger Brief vom 30. April 1901 Hs., 1 S. M a r b u r g 30/4 01A Mein lieber Herr Dr, Anstatt dem Manne, dessen Frage ich Ihnen anbei übersende, selbst zu antworten, benutze ich d[ie] Gelegenheit, Ihnen meinen herzlichenB Gruß zuzurufen. Ich habe auch eine Neuigkeit: ich mußte bei der ersten Vorlesung umziehen in das A u d [ i t o r i u m ] m a x [ i m u m ] , u. auch das ist dicht gefüllt. Auch N [ a t o r p ] ist gut besucht. Ich bin unschuldig! Vielleicht aber gehts überhaupt vorwärts. – Die Reise war sehr befriedigend. Möchten auch die lieben Ihrigen wohl heimgekehrt sein. HerzlichenC Gruß ihnen allen u. Ihnen von meiner Frau u. mir. Ist Herr d e P o r t u noch bei Ihnen? Auf gutes frohes Wiedersehen! Lassen Sie aber auch bald von Sich hören! Herzlich Ihr HCohenD dem Manne, dessen Frage ich Ihnen anbei übersende] liegt nicht bei. umziehen in das A u d i t o r i u m m a x i m u m ] im Auditoriengebäude (Alte Universität), ca. 170 Plätze (vgl. HN 11 (1900/01), Nr. 6 vom März 1901). Cohens Vorlesung im SS 1901 über Geschichte der neuern Philosophie, Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 5 Uhr, sollte laut Ankündigung ursprünglich in der Schwanallee 15 stattfinden – bis einschließlich SS 1903 die Adresse der Privatwohnung Cohens (vgl. VV Marburg 1901, S. 32; PersMarburg). Die Reise] nicht ermittelt. Herr d e P o r t u ] Enrico de Portu (geb. 1876 in Smyrna, heute Izmir, Türkei) hatte 1895 das Reifezeugnis in Mailand erworben, dann an der Universität Pisa Mathematik studiert und war Ostern 1897 nach Marburg gekommen, um Philosophie, Mathematik und Physik zu studieren. Im März 1902 bestand de Portu das Rigorosum, am 4.3.1904 war sein Promotionsverfahren abgeschlossen. Seine Dissertation Galileis Begriff der Wissenschaft ging aus der Bearbeitung einer von Cohen und Natorp für 1900/1901 gestellten Preisaufgabe hervor (Holzhey II, S. 262 f.; Sieg, S. 485). – Cassirer lebte
A
M a r b u r g 30/4 01] M r b g 31/4 01 herzlichen] herzln C Herzlichen] Herzln D H C o h e n ] hs. von Cohen, als Unterschrift zusammengezogen B
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Beilagen III
von 1900 – 1902 in Berlin (ECN 18, S. XXIII). Er war mit de Portu näher bekannt (vgl. Cassirer an Natorp vom 5.1.1902 in ECN 18, S. 6).
2. Martha Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 1. Dezember 1901 Hs., 4 S. M a r b u r g , d. 1.12.01. Lieber Herr Doktor! Sie werden gewiß schon ein Wort meines Mannes erwartet haben, den Ausdruck seiner großen herzlichen Freude, die er beim Anblick Ihres nun vollendeten schönen u. bedeutungsvollen Buches empfunden. Die herzlichen Worte der Widmung haben auch mich so natürlich erfreut u. gerührt, daß ich es Ihnen einmal aussprechen muss, wie sehr die harmonische Vereinigung so vieler schöner Eigenschaften des Charakters u. Gemüthes uns Ihre Person lieb u. werth macht. Ich brauche Sie nicht darum zu bitten, denn ich zweifele nicht, daß Sie uns treu bleiben werden. Mein Mann, der seit 14 Tagen sehr erkältet ist, u. von einem quälenden Husten geplagt wird, hat trotzdem sein Colleg nicht aussetzen wollen. Gestern u. heut nun liegt er im Bett u. wir versuchen mit allen Mitteln der Hausmedicin ihn zu heilen. Hoffentlich ist er bald wieder wohl, dann schreibt er Ihnen sofort, was er sonst schon gethan. – Er hofft, daß Sie schon Schritte gemacht haben u. bittet Sie ihm doch recht bald Nachricht zu geben, da er sehr gespannt ist. – Erwähnen möchte ich noch, daß Ihr Buch freudige Erregung in dem Kreise hier hervorgerufen. D e P o r t u kam sofort in heller Freude zu meinem Mann gelaufen um ihm zu gratuliren. Mit der Bitte Ihre verehrten Eltern sehr zu grüßen von uns, Ihrer ver[ehrten] Mama danke ich noch sehr für Ihren l. Brief, grüße ich Sie herzlich von meinem Mann u. mir Ihre M. Cohen Ihres … Buches … herzlichen Worte der Widmung] Cassirer: Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. Marburg 1902 (angezeigt im Börsenblatt, Nr. 270 vom 19.11.1901; Erscheinen gemeldet in Nr. 294 vom 18.12.1901). Die eingedruckte Widmung lautet: Meinem Lehrer/PROFESSOR HERMANN COHEN/in herzlicher Verehrung und Dankbarkeit. In der Vorrede heißt es auf S. XI: Indem ich dieses Buch meinem Lehrer, Professor Hermann Cohen widme, halte ich darin dankbar die Erinnerung an die erste entscheidende Anregung fest, die ich im Studium der Philosophie durch seine Werke erfuhr, und die später durch seine persönliche Lehre erneuert und gefestigt wurde. Ebenso bin ich meinem Lehrer Professor Paul Natorp für die stete Förderung, die meine Studien und insbesondere diese Arbeit durch ihn empfangen haben, zu dauerndem Danke verpflichtet./Berlin, am 12. November 1901./ D e r Ve r f a s s e r. In Cohens Exemplar finden sich keine hs. Widmungseinträge
Briefe Hermann und Martha Cohen
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(Hartwig Wiedebach: Die Hermann-Cohen-Bibliothek. Hildesheim 2000 (HCW Supplementa Bd. 2), S. 76). daß Sie schon Schritte gemacht haben] im Rahmen der Habilitationspläne (vgl. Cohen an Cassirer vom 4.12.1901), die übrigens für Berlin noch Geheimnis sind, wie Cassirer am 9.11.1901 an seine Verlobte Toni Bondy geschrieben hatte (Toni Cassirer, S. 25). verehrten Eltern] Eduard (1843 – 1916) u. Jenny (Eugenie) Cassirer, geb. Cassirer (1848–1904). Für alle biographischen Angaben zur Familie Cassirer vgl. die ausführlichen Aufstellungen auf http://genealogy.metastudies.net sowie den Stammbaum der Familien in Georg Brühl: Die Cassirers. Streiter für den Impressionismus. Leipzig 1991, S. 463 – 465.
3. Martha Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 2. Dezember 1901 Hs., 2 S. M a r b u r g , d. 2.12.01. Lieber Herr Doktor! Mein Mann ist heut auch noch nicht wohl genug um Ihnen schreiben zu können, er hat sogar heut aussetzen müssen, aber er hat schon viel in Ihrem Buche gelesen u. mit großer Freude. Es thut mir nun leid Sie mit einer Bitte behelligen zu müssen, gerade in den Tagen, in denen Sie gewiß sehr in Anspruch genommen sein werden. Aber wir erhalten soeben einen Brief von G i d e o n s Bruder, der sehr besorgt um Nachricht über ihn bittet. Haben Sie, lieber Herr Doktor an ihn geschrieben u. haben Sie Antwort von ihm erhalten? Um baldigen Bescheid bittet Ihre, zugleich von meinem Mann, der Ihnen sehr bald schreiben wird Herzlich grüßende M. Cohen. Mein Mann … in Ihrem Buche gelesen] vgl. M. Cohen an Cassirer vom 1.12.1901. G i d e o n s Bruder] Abram Gideon (1867 – 1952), Linguist u. Pädagoge, war nach Erwerb des Bachelor of Letters an der Universität Cincinnati und der Abschlußprüfung am dortigen Hebrew Union College im Herbst 1894 zum Philosophiestudium nach Marburg gekommen, das er 1903 mit der Promotion abschloß (Sieg, S. 485; Holzhey II, S. 243; PersMarburg; WBIS. Dissertation: Der Begriff Transcendental in Kant’s Kritik der reinen Vernunft. Marburg 1903; Erscheinen gemeldet in LZ, Nr. 41 vom 10.10.1903). Es lassen sich zwei Brüder Abram Gideons in WBIS nachweisen: der Architekt und Architekturhistoriker Samuel Edward Gideon (1875 – 1945) u. der Synagogen-Organist und Komponist Henry Gideon (geb. 1877). Beide haben Teile Ihrer Ausbildung in Paris absolviert. Welcher gemeint ist, ist nicht klar.
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Beilagen III
4. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 4. Dezember 1901 Hs. (M. Cohen), 3 S. M a r b u r g , d. 4.12.01. Mein lieber Herr Doktor! Schreiben kann ich Ihnen heut noch nicht, u. diktiren mag ich das nicht. Aber es geht mir ein wenig besser. Nur 2 Worte. Ihre ersten Schritte sehe ich weniger ungünstig an, als Ihnen das scheinen mag. Das Complott ist durchsichtig. Sie speculiren auf P a u l s e n . Aber damit geben sie sich gefangen. Wir acceptiren zunächst ihre Bedingungen. Wenn S t u m p f Sie binden konnte, so hat er damit sich selbst gebunden. D i l t h e y ferner muß sich nun meinen collegialen Besuch gefallen lassen. Und ich kann nicht leugnen, ich verspreche mir etwas davon. Aber L e n z dürfen wir vorher in Kenntniß setzen. Gehen Sie bald zu ihm, nur nicht morgen, Donnerstag, wo Akademie u. Fakultätssitzung ist. Grüßen Sie ihn u. erzählen Sie ihm Alles. Ich habe mit N a t o r p , der mich heute besuchte, die Sache besprochen, u. ihm die Frage zur Erwägung gegeben, ob er an S t u m p f schreiben wolle. Fragen Sie, bitte, L e n z darum. Ich muß abbrechen, soeben kommt Besuch. Schreiben Sie r e c h t b a l d wieder, womöglich auch von der Reise. Herzliche Grüße Ihr H. CohenA es geht mir ein wenig besser] vgl. M. Cohen an Cassirer vom 1. u. 2.12.1901. Ihre ersten Schritte] die Berliner, dann Straßburger und schließlich Göttinger Habilitationspläne Cassirers von 1901/02 waren mannigfachen Schwierigkeiten ausgesetzt und scheiterten schließlich, siehe die folgenden Schreiben. Cassirers Habilitation gelang erst 1906 in Berlin mit seiner Arbeit über Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1, Berlin 1906. Als Habilitationsschrift war 1901/02 Cassirers Arbeit Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, Marburg 1902 gedacht, die allerdings schon als Berliner Preisschrift kein restlos günstiges Urteil erhalten hatte, vgl. den Bericht über die Akademische Preisaufgabe für 1901. In: Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 34 vom 4.7.1901. Öffentliche Sitzung zur Feier des L e i b n i z ischen Jahrestages. Berlin 1901, S. 763– 765: In der L e i b n i z - Sitzung des Jahres 1898 hat die Akademie folgende Preisaufgabe gestellt:/»Die Akademie wünscht eine Darstellung des Systems von Leibniz, welche in eindringender Analyse der Grundgedanken und ihres Zusammenhangs, sowie in der Verfolgung ihrer Quellen und allmählichen Entwickelung über die bisherigen Darstellungen wesentlich hinausgeht. […]« […] Zwei Bearbeitungen der Aufgabe sind rechtzeitig eingelaufen […] [die erste Arbeit wird für nicht preiswürdig befunden]. Der zweiten Arbeit ist das Wort B ö c k h ’s über L e i b n i z als Motto beigegeben: »Die Form seiner Philosopheme ist zerbrochen, wie A
H . C o h e n ] Unterschrift nicht eigenhändig
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jede sterbliche Form zerbricht; ihr Inhalt ist ewig und unvergänglich«. Der Verfasser nimmt seinen Ausgang von L e i b n i z ens Auffassung der mathematischen Grundbegriffe und verfolgt von hier aus mit grosser Consequenz, aber auch mit grosser Einseitigkeit durch alle Gebiete das Ziel, in L e i b n i z bereits die wesentlichen Anschauungen der K a n t ’schen Erkenntnisskritik nachzuweisen. Die Positionen, die sich einer solchen Auffassung allzu stark widersetzen, speciell alle zur Metaphysik im älteren Sinne gehörigen, werden in den Hintergrund gedrängt, theilweise sogar übergangen. Die Akademie kann dieser Forschungs- und Darstellungsmethode im Allgemeinen nicht ihren Beifall zollen. Die Constructionen nehmen zu viel Raum ein, lassen überdies an Klarheit Manches vermissen, die zum Beleg angeführten Äusserungen L e i b n i z ens werden nicht selten einer künstlichen Interpretation unterworfen, und das Gesammtbild des Philosophen sowie seiner geschichtlichen Stellung wird durch das Ignoriren wesentlicher Theile seiner Weltanschauung verschoben. Dennoch liegt dieser Arbeit ein ernstes, concentrirtes Denken, volle Kenntniss der gedruckten Quellen und rühmliche Vertrautheit mit der modernen Entwickelung der allgemeinsten mathematischen und physikalischen Probleme zu Grunde. Auf diesen Gebieten erscheinen denn auch des Verfassers Nachweisungen vielfach lehrreich und überzeugend, und im Übrigen werden seine Aufstellungen im Falle der Veröffentlichung wenigstens durch die Discussion, die sie hervorrufen müssen, zu einem tieferen Verständniss L e i b n i z ischer Gedanken hinführen. Die Akademie hat daher beschlossen, dem Verfasser dieser Arbeit zwar nicht den Preis, aber das Accessit mit 3000 Mark zuzuerkennen./Die Eröffnung des versiegelten Umschlages ergab als Verfasser Hrn. Dr. E r n s t C a s s i r e r zu Berlin./Gleichzeitig stellt die Akademie die nämliche Aufgabe noch einmal in der derselben Fassung zur Preisbewerbung. Die Arbeit hatte demnach keinen zweiten Preis – ein solcher war nicht ausgelobt – erhalten, wie Cassirer behauptete (vgl. das Vorwort zu Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, S. VII–XI, hier S. VII), sondern lediglich die Anerkennung (accessit: lat. er ist nahe gekommen) der Akademie. – Cohen verbrachte den Jahreswechsel in Berlin und bemühte sich persönlich um Cassirers Fortkommen. Sie speculiren auf P a u l s e n ] Friedrich Paulsen (1846–1908), seit 1894 Professor für Philosophie und Pädagogik in Berlin. ihre Bedingungen] nicht ermittelt. Wenn S t u m p f Sie binden konnte] Carl Stumpf (1848– 1936), seit 1894 Professor für Philosophie in Berlin. D i l t h e y … collegialen Besuch … L e n z dürfen wir vorher in Kenntniß setzen] vgl. zu den Ergebnissen dieser Besuche Cohen an Natorp vom 29.12.1901, aus Berlin: Ich hatte Lenz doch noch vor dem Feste aufgesucht, um mit ihm wegen Cassirer zu verhandeln. Er wollte selbst mit Dilthey sprechen, ging mit mir sogleich zu C[assirer] hinüber um ihn kennen zu lernen, u. empfing auch den erfreulichen Eindruck von ihm. Gestern nun kam er zu mir, weil es ihm auch schwer geworden war, mir mitzutheilen, daß Alles aussichtslos sei. Obwohl es ein Privatgespräch war, das Lenz mich bat als solches zu respectieren, sagte er mir doch, daß es meine Methode sei, die sie verwerfen, u. wegen deren Befolgung sie C[assirer] abzuweisen entschlossen seien. […] Bevor ich Cas[sirer] davon Mittheilung mache, möchte ich ihre Meinung erst darüber hören: Sollen wir dennoch die Meldung hier machen auf die sichere Gefahr der Ablehnung hin, oder sollen wir gleich anderwärts uns umthun? Ich denke jetzt an Bonn. Vgl. Natorp an Görland vom 13.1.1902: Mit Cassirers Habilitation hat es ernste Schwierigkeit. Die 3 Berliner Ordinarien „raten“ nicht bloss bestimmt „ab“, sondern erklären direkt sie würden ihn a b w e i s e n , wegen der – „Cohenschen Methode“. Was nun C[ohen] natürlich aufs empfindlichste getroffen hat. Natürlich glaubt ers nicht, dass es die M e t h o d e ist – u. sie ist es auch nicht, ein Dilthey wenigstens ist nicht vernagelt genug um nicht zu sehen dass Cass[irer], trotz einiger Cohenscher Termini, sui juris ist u. an dem was man an C[ohen]’s Art wirklich aussetzen kann:
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dem Mangel eines behutsam fortschreitenden Beweisverfahrens, dem I n t u i t i v e n des Vorgehens, was ja natürlich unnachahmlich ist – wenig Teil hat, auch viel zu viel Selbstkritik besitzt um sich auf eine bestimmte Manier lebenslang festzulegen. Vielmehr hat Dilthey selbst Cassirer mündlich so viel Anerkennendes gesagt, dass ich diese Erklärung gerade in s e i n e m Munde nicht ganz glaublich finden kann (Holzhey II, S. 267 f. u. 270, Brief Nr. 57 u. 59). – Max Lenz (1850 – 1932) hatte sich 1876 in Marburg für Geschichte habilitiert, wurde 1881 außerordentlicher, 1885 ordentlicher Professor. Auch nach seiner Berufung nach Berlin (1890) stand Cohen mit ihm in regelmäßigem Kontakt (Holzhey II, S. 156). morgen, Donnerstag, wo Akademie u. Fakultätssitzung ist] am 5.12.1901, vgl. Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 5. Dez. 1901. an S t u m p f schreiben wolle] nicht ermittelt. von der Reise] nach Wien; vgl. Cassirer an Natorp vom 5.1.1902: Ich habe mich, um es so kurz und nüchtern herauszusagen, mit einer Cousine von mir verlobt; meine Braut [Toni Bondy] lebt in Wien, ich war in der letzten Zeit größtenteils dort und bin auch vor wenigen Tagen erst wieder daher zurückgekehrt (ECN 18, S. 6).
5. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 19. Februar 1902 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 19.2.02. Mein lieber Herr Doktor! Da Sie jetzt mit logischen Frachten von mir verschont werden – mir ist der jähe Abbruch nach dem jähen Ansturm weniger recht – so will ich endlich Ihnen einmal persönlich schreiben, u. danken in doppeltem Sinne, dann aber auch um wieder von Ihnen hören zu dürfen. Mit dem Egoismus des Briefschreibers will ich aber erst von mir erzählen. Ich habe also erstlich den Schluß der Logik geschrieben, u. sodann 2 Kapitelchen, die ich der Einleitung zu L a n g e , dessen Druck auch schon im II. Bande steht, voraufgehen lassen will. Beide sind aber so gerathen, daß meine Druckerin dazwischen rief: Kannst du denn das nicht etwas mildern? Ich fürchte aber es bleibt beim Fragezeichen. Ich werde es aber in mehrfachem Sinne Ihrer Censur unterbreiten, denn ich fürchte, ganz Berlin u. Straßburg steckt darin. Dann will ich zuvor noch erzählen, daß der Gemeindevorstand von Dresden für nächsten Dienstag mich wieder dahin eingeladen hat, weil ich neulich so gut plaidirt hätte, u. denken Sie nur ich habe es angenommen, lese am Sonnabend dafür hier. Es wird auf ein christliches Publikum speculirt. Und so habe ich den Wienervortrag über den Prophetenstil gewählt, über den ich am 10. März in B e r l i n sprechen will, vorher aber am 8. in M ü n c h e n über die Grundideen, wohin meine Frau mich begleiten wird. Wenn ich nun noch hinzufüge, daß jetzt nach Gebühr eine deprimirende Beklemmung sich eingestellt, so werden Sie das normal finden. Nun aber endlich zu Ihnen, über den wir nur durch einen objectiv sehr erfreulichen Brief Ihrer Schwester gehört haben. Ihrer lieben Braut danke ich zunächst für die freundliche Adressirung,
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deren Autorschaft zu conjiciren ich mir geschmeichelt habe. Wie steht es nun aber mit Göttingen? Die Herren dort werden warten. N a t o r p wenigstens wartet bereits hastig auf Ihre Antwort. Herr W. hätte nun Zeit genug zu seiner Antwort gehabt. Wie denken Sie positiv über Göttingen jetzt? Ich würde es jetzt Straßburg vorziehen, u. – verzeihen Sie – auch Wien. Es ist eine vornehme preußische Universität mit einer ernsten großen Geschichte, u. in der specifischen Frage würdig. Wie gesagt, eine Antwort wird man dahin richten müssen. Ihr Buch haben Sie Beiden wohl geschickt. Beinah hätte ich München vergessen. Was haben Sie denn zu dem principiellen d. h. Philosophen gesagt? Mich hat der Bursche doch einige Tage aufgeregt. Und dabei ist seine Schwiegermutter eine geborene Jüdin. D e P o r t u , dessen Mutter 6 Wochen bei N a t o r p s Logirgast war, hat seine erweiterte u. verbesserte Arbeit eingereicht u. sie circulirt bereits mit unseren Voten. Seine Mutter, eine sehr gescheidte, aber leider ganz mittellose Frau, die den Sohn genau taxirt, wünscht seine Niederlassung in Italien. Er soll im April nach R o m kommen, damit ich ihn dort empfehlen u. vorstellen kann. Am 2 8 . M ä r z Abends denken wir von B e r l i n abzureisen. Vielleicht können Sie mir bald auch die Hoffnung bestätigen, daß wir Sie u. vielleicht auch Ihre liebe Braut dort sehen u. öfter mit Ihnen zusammensein können. – Mit herzlichem Gruße u. mit der Bitte um Empfehlung an die Ihrigen auch von meiner Frau Ihr HCohenA logischen Frachten] wohl die Druckfahnen und die Korrektur von Cohens Logik der reinen Erkenntniss, Berlin 1902, vgl. Cohen an Cassirer vom 19.4.1902. Schluß der Logik] das Erscheinen von Cohens Logik der reinen Erkenntniss, Berlin 1902 ist gemeldet im Börsenblatt, Nr. 110 vom 15.5.1902. Einleitung zu Lange] Cohen: Einleitung mit kritischem Nachtrag zur siebenten Auflage von Fr. Alb. Lange’s Geschichte des Materialismus in zweiter, erweiterter Auflage. In: Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. Erstes Buch. Geschichte des Materialismus bis auf Kant, 7. Aufl. Leipzig: Julius Baedeker 1902, S. 435 – 535. Cohens zuerst 1896 beigefügte Einleitung wurde für diese Ausgabe erstmals im Anschluß an Langes Text gedruckt und um die ersten beiden Kapitel Das Verhältnis der Philosophie zu ihrer Geschichte und Das Verhältnis der Psychologie zur Metaphysik erweitert (S. 439–473), die sich beide sowohl fachpolitisch als auch systematisch mit der prekären Stellung der akademischen Philosophie gegenüber den Wissenschaften, insbesondere der Experimentalpsychologie auseinandersetzen. Vgl. Cohen an Natorp, undatiert (nach dem 21.3.1902): Ich mag die Einleitung nicht an Bädeker [den Verlag] schicken bevor Sie sie nicht gelesen haben. Entscheiden Sie, ob sie nicht zu stark aus dem Ton der Zunft-Collegialität herausfällt, auf die ich doch der jungen Leute wegen einige Rücksicht nehmen muß. Auch möchte ich Sie nicht zu stark compromittiren (Holzhey II, S. 277). meine Druckerin] scherzhaft für Martha Cohen, die Cohens Buchmss. und Briefe nach Diktat niederschrieb. A
Ihr/H C o h e n ] hs. von Cohen, H C o h e n als eigenhändige Unterschrift zusammengezogen
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ganz Berlin u. Straßburg] nicht ermittelt. daß der Gemeindevorstand von Dresden für nächsten Dienstag mich wieder dahin eingeladen hat] gemeint ist der 25.2.1902, Näheres für Dresden nicht ermittelt. Wienervortrag über den Prophetenstil gewählt] Cohen hat seinen Vortrag Der Stil der Propheten erstmals am 31.3.1901 vor der Gesellschaft für Sammlung und Conservirung von Kunst- und historischen Denkmälern des Judenthums in Wien gehalten, vgl. den Bericht in Neue Freie Presse, Nr. 13148 vom 2.4.1901, Morgenblatt, S. 4. Der Vortrag ist abgedruckt in Jüdische Schriften I, S. 262 – 283. Cohen hat den Vortrag mehrmals wiederholt, z. B. wie im vorliegenden Schreiben erwähnt am 10.3.1902 als Montags-Vorlesung der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Vgl. die Ankündigung in Im deutschen Reich 8 (1902), Nr. 1 vom Jan. 1902, S. 37. Der Zwanzigste Bericht über die Lehranstalt für die Wissenschaft des Judenthums in Berlin erstattet vom Curatorium. Berlin 1902 führt den Vortrag auf S. 9 ohne Datum auf. am 8. in München über die Grundideen] gemeint ist der 8.3.1902. Cohen hielt im Winterhalbjahr 1901/02 im Münchener u. Nürnberger Ortsverein des Verbandes der Vereine für jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland je einen Vortrag über Die Grundidee des Judenthums; vgl. den Bericht über die literarische Thätigkeit der Vereine im Winterhalbjahr 1901/1902. In: Mittheilungen aus dem Verband der Vereine für jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland, Nr. 10 vom Dez. 1902, S. 34 f. Nach Cohen sind die grundlegenden u. auszeichnenden Ideen des Judentums 1. die Idee des übersinnlichen Gottes, die Nächstenliebe zur Folge habe, 2. die Messiasidee, aus der die Auffassung einer gleichartigen Menschheit mit einer einigen Weltgeschichte folge, sowie 3. die Idee des Sabbath mit der Auffassung sozialer Gleichheit (vgl. Cohen: Das Judenthum als Weltanschauung. Vortrag, gehalten von Geheimrath Universitäts-Prof. Dr. Hermann Cohen im „Politischen Volksverein“ in Wien [Auszug nach stenographischem Protokoll]. In: Dr. Bloch’s Oesterreichische Wochenschrift 15 (1898), Nr. 12 vom 25.3.1898 u. Nr. 13 vom 1.4.1898, S. 21 – 23 u. 241 – 243). Bruno Strauß hat 1924 zwei unveröffentlichte Ms. mit den Titeln Die Messiasidee u. Die Versöhnungsidee in Cohens Jüdische Schriften I, S. 105 –139 aufgenommen. Cohen hat eine ganze Reihe ähnlicher Vorträge zu diesem Themenkreis für den Verband der Vereine für jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland zwischen 1898/99 – 1917/18 gehalten, vgl. Dieter Adelmann: Zur Datierung einiger Schriften von Hermann Cohen. In ders.: „Reinige dein Denken“. Über den jüdischen Hintergrund der Philosophie von Hermann Cohen. Aus dem Nachlass hrsg., ergänzt u. mit einem einleitenden Vorwort versehen v. Görge K. Hasselhoff. Würzburg 2010, S. 120 – 150. Ihrer Schwester] Cassirer hatte vier Schwestern: Hedwig (1862 – 1928), Clara (1872 – 1924), Toni (1885 – 1942) u. Margarete († 10.2.1930). Welche von Ihnen zu Cohens Kontakt unterhielt, ist nicht ermittelt. Ihrer lieben Braut] Toni, geb. Bondy (1883 –1961). Mindestens ein Zusammentreffen Cassirers mit ihr hat 1902 in Berlin bei Cohens stattgefunden, s. u., vgl. Cohen an Natorp vom 21.3.1902 (Holzhey II, S. 276). Aufenthalt in Rom nicht ermittelt. Wie steht es nun aber mit Göttingen?] bereits am 22.1.1902 hatte Cohen an Natorp gemeldet: Baumann [d. i. Julius Baumann (1837 – 1916), Philosophieprofessor in Göttingen] schreibt soeben „Seien Sie versichert, daß der junge Mann [Cassirer] meinerseits eine ganz unbefangene u. wohlwollende Aufnahme bei seiner Meldung finden wird“ (Holzhey II, S. 272). Herr W. hätte nun Zeit genug zu seiner Antwort gehabt] gemeint ist vermutlich Wilhelm Windelband im Zusammenhang mit dem kurz zuvor unternommenen Versuch, Cassirer in Straßburg zu habilitieren. Göttingen … Straßburg … Wien. … München] bereits am 2.1.1902, nach Cassirers mißglückter erster Anfrage um eine Habilitation in Berlin, hatte Cohen an Natorp
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geschrieben: Eine Aufregung zur andern, ich bin sehr froh, daß sich die Sache so rasch und glücklich erledigt hat. Ich bin ihm garnicht böse, wir hatten diese Umgarnung geahnt. Er muß, darf u. soll die moralische Depression, die dabei unvermeidlich ist durch wissenschaftliche gewissenhafte Arbeit u. strenge sittliche Selbstcontrole überwinden. […] Denn in der Aufregung, in die mich der Berliner Cynismus versetzt hat, in der ich am liebsten sogleich um meine Quiescierung eingekommen wäre, um keinen Menschen mehr in meine Verfehmung hineinzuziehen – habe ich mich in meinen Gedanken an Ziegler angeklammert. Leipzig u. München sind dem Juden so gut wie verschlossen, in Leipz[ig] ist Spezialgenehmigung des Ministers, wie man sagt, erforderlich, Anstellung aber dort wie auch in Münch[en] so gut wie aussichtslos. Sie haben wohl wegen Windelband nicht an Str[aßburg] gedacht, aber was bleibt übrig? Da nun diese Sachen nicht zu schreiben sind, so habe ich heute an Z[iegler] telegraphirt, u. mich für nächsten Montag angemeldet, was er sehr freundlich erwiedert hat. […] Z[iegler] ist doch kein Anti[semit], u. das ist in unserem Falle die Hauptsache (Holzhey II, S. 268 f.). Gemeint sind Theobald Ziegler (1846 – 1918) u. Wilhelm Windelband (1848 – 1915), beide ordentliche Professoren für Philosophie in Straßburg. Ebenfalls am 2.1.1902 hatte Cassirer an Toni Bondy geschrieben, Cohen sei ganz und gar mit der Sorge beschäftigt, daß ich so schnell als möglich Dozent werde, und sucht mich immer wieder zu rascher Entscheidung zu drängen. Im Gespräch zwischen uns gab es schon manches Mißverständnis, wenn er von meiner »Sache« sprach – denn ich nehme es immer ganz naiv und selbstverständlich an, daß es in diesem Moment nur eine einzige große Hauptsache [die Verlobung mit Toni] gibt, und antworte ihm daher oft verkehrt. – In Berlin hat sich inzwischen meine Angelegenheit entschieden. Die hiesigen maßgebenden Herren wollen mich nicht – sie loben meine Arbeit über alle Maßen, aber mit dem ausgesprochenen Zwecke, mich loszuwerden, indem sie zugleich erklären, daß sie mich wegen meines »Standpunktes« und meiner »Methode« ablehnen müssen. […] der Gedanke, auf die Universität für jetzt zu verzichten und unser Leben ganz nach eigenen und freien Wünschen zu gestalten, läge mir jetzt nicht fern – ich könnte dann ruhig einige Jahre allein weiter arbeiten und mir schließlich, davon bin ich überzeugt, die Zulassung in Berlin erkämpfen. Nur Cohen ist noch sehr gegen diesen Plan und drängt mich auf baldige Dozententätigkeit und auf eine feste Bindung. Jetzt hat er mir vorgeschlagen, es mit Straßburg zu versuchen, und will nun in seiner impulsiven Art sogleich selbst hinfahren, um sich dort für mich zu verwenden. Er hat mir dringend zugeredet, sofort mitzukommen, und ich kann ihn, da er gegen mein beständiges Zureden und allein für mich das Opfer dieser Reise bringt, den weiten Weg nicht allein machen lassen (Toni Cassirer, S. 43 f.). Vgl. Cassirer an Natorp vom 5.1.1902 (Sonntag): ich schreibe in großer Hast, da ich in wenigen Stunden mit Prof. Cohen zusammen nach Straßburg reisen will (ECN 18, S. 7; die Reise nach Straßburg am 5.1. ist auch angekündigt im oben zitierten Schreiben Cohens an Natorp vom 2.1.1902). Natorp berichtet am 13.1.1902 an Görland über den erfolglosen Straßburger Versuch: Darauf hat es C[assirer] in Straßburg versucht. H i e r hat man nun direkt gesagt, dass es der Jude ist den man ablehnt. Nicht als ob man selbst (i. e. Windelband) Antisemit sei – beileibe nicht! Sondern – den Katholiken gegenüber dürfe man j e t z t nicht mit einem Juden kommen. Wenn j e t z t , so würden sie umso mehr nach einem kath[olischen] Philos[ophie]-Prof[essor] schreien, wenn aber dieser doch ohnehin komme u. man das erst abwarte – aus dem Gesichtspunkte dass d a n n die Klerikalen keinen Grund mehr hätten gegen den Juden zu sein – so sei das wieder nicht hübsch gegenüber den a n s t ä n d i g e n Katholiken u. dgl. tiefsinnige politische Gründe mehr, die, je weniger G r ü n d e sie sind, umso deutlicher sagen: wir wollen eben keinen Juden, u. nehmen, auch wenn wir selbst nicht Antisemiten sind, es doch nicht auf uns ihn gegen die vorhandene antisem[itische] Strömung durchzusetzen. Was nun geschieht ist in suspenso geblieben. Cohen (der selbst m i t Cassirer in Str[aßburg] war) hat das äusserste aufgeboten die beiden […] umzustimmen, u. so
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wurde er wenigstens nicht mit schroffer Ablehnung entlassen. […] Cass[irer] hat sich inzwischen in Wien verlobt, so ist es möglich dass er auch dort sich habilitiert, die Schwierigkeiten sind dort möglicherweise doch nicht so gross. – Der einzige Lichtblick in dieser trüben Sache ist, dass wenigstens Windelband die wissenschaftl[iche] Tüchtigkeit des Buches sogar nicht ohne Wärme anerkannte. Aber sonst ist es doch kläglich dass dieselben Leute, die im Falle Spahn am lautesten für die „Freiheit der Wissenschaft“ eingetreten sind, in solchem Falle vor den Klerikalen kneifen u. sich dessen gar nicht s c h ä m e n . Es ist besonders betrübend, dass man Cohen, den man immer zu trösten suchte über seine Meinung von dem allesbeherrschenden Antisemitismus, hier leider wieder einmal recht geben muss (Holzhey II, S. 270 f.). Ihr Buch haben Sie Beiden wohl geschickt] Cassirer: Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, Marburg 1902. Vgl. Cassirer an Toni Bondy, undatiert: In Göttingen habe ich daher meiner Überzeugung nach alles getan – was nur zu tun erlaubt war: Das Buch ist in den Händen der dortigen Professoren – alles andere muß ich abwarten und den Erfolg allein der Sache überlassen (Toni Cassirer, S. 49 f.). zu dem principiellen, d. h. Philosophen … seine Schwiegermutter eine geborene Jüdin] gemeint ist Houston Stewart Chamberlain (1855–1927), dessen antisemitischer Longseller Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts 1901 in 3. Aufl. erschienen war. Chamberlain warb mit den zahlreichen Jubelrezensionen, die über diese Auflage seines Buches 1901/02 erschienen; etliche davon sind abgedruckt in Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts von Houston Stewart Chamberlain. Kritische Urteile. München 1901 (3 Aufl. bis 1909); vgl. ferner den Separatdruck Chamberlain: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Vorwort und Nachträge zur 3. Aufl. München 1901, S. 4 f. Gegen Chamberlain richtete sich eine für die jüdische Seite sehr bedeutsame Abfertigung u. d. T. Houston Stewart Chamberlain, Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts von H. C. (Berlin) [D. i. der Jurist Heinrich Meyer Cohn (1855 – 1905)]. In: Die Gesellschaft. Halbmonatsschrift für Litteratur, Kunst und Sozialpolitik 16 (1900), Bd. 4, Heft 3, 4 u. 6, S. 137–149, 207–217 u. S. 356–363 (1901 auch separat erschienen in Dresden u. Leipzig, 44 S.). Heinrich Meyer Cohn charakterisiert Chamberlain in dieser Gegenschrift auf S. 362: [Chamberlains] Ideen liegen deshalb unorganisch über einander, in ihren verschiedenen Schichtungen sichtbar, wie die Schichtungen eines Gesteins. Beim Knaben die christliche Erziehung, beim Jüngling die wissenschaftliche, beim Manne der Einfluß des Wagnerschen Kreises, der einerseits in der Art seiner Würdigung der Musik zu Tage tritt, andererseits in seinem pseudo-wissenschaftlichen Antisemitismus. Hier gelegentlich gemildert durch den Respekt des Knaben Chamberlain vor der Bibel und vielleicht durch die Rücksicht des Mannes auf die semitische Abstammung seiner Frau. Chamberlain war von 1878 bis ca. 1905 in erster Ehe mit Anna Horst (1846 – 1924) verheiratet, Tochter eines Breslauer Justizrates Horst, der vom Judentum zum Protestantismus übergetreten war. Zur Mutter ist nichts Näheres mitgeteilt (NDB; Gudrun Wedel: Autobiographien von Frauen. Ein Lexikon. Köln, Weimar, Wien 2010, S. 150 f.). D e P o r t u … erweiterte u. verbesserte Arbeit] vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1901.
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6. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 15. April 1902 Hs. (M. Cohen), 4 S. R o m a , d. 15.4.02. Mein lieber Herr Doktor! Haben Sie besten Dank für Ihren Brief. Ihre Entscheidung dürfte mich ja nicht überraschen, da ich sie seit Jahren gefürchtet hatte. Indessen wird hoffentlich diese Differenz keinen Schatten auf unser persönliches Verhältniß werfen, welches bei aller Liebe zur Sache doch eben nicht ein lediglich sachliches sein wird. Und übrigens halte ich mich an Ihre Versicherung, daß Sie an dem Ziele unbeirrt festhalten wollen. So mögen denn gute Sterne über Ihrem Lebenswege nach allen Richtungen walten. Endlich kann ich Ihnen auch noch das Zugeständniß machen, daß mir der officielle Schritt in B e r l i n sehr sympathisch ist, da er die Sache wie einen Ehrenhandel zum Austrag bringen würde, u. übrigens auch erfolgreich zu sein scheint, da Ihr Name inzwischen sich befestigt haben wird. An B a u m a n n soll ich wohl selbst schreiben? Das wird das Richtige sein. – Unsere Reise ist bisher gut verlaufen. In B o z e n fanden wir Professor J a f f é u. We l l h a u s e n , mit dem ich in M a r b u r g immer recht freundlich gestanden war, u. mit dem ich recht ergiebige Universitäre Aussprachen pflog, immer persönlich sehr freundlich, stets aber mit Umgehung der jüdischen Geschichte. In F l o r e n z blieben wir 5 Tage, die Alten haben etwas Ergreifendes für mich, das realistische Hervorbrechen der kraftvollsten Innerlichkeit. Dazu kam herrliche Frühlingsluft u. – sage 2 We i n g a r t n e r- Concerte mit e r o i c a u. a d u r. Im c o l l e g i o r a b b i n i c o hörte ich eine Semestral-Prüfung über eine Talmudstelle aus dem Erbrecht, u. es war interessant einen sehr begabten jungen Mann zu hören u. seine Gesten zu sehen, in denen sich die italienische Juristennatur mit der jüdischen verband. – In R o m wieder Höhepunkt. Wir wohnen meublirt u. essen in den Tr a t t o r i e n . Die Schätze der V i l l a L u d o v i s i A, die ich seit 1887 nicht sehen konnte, sind jetzt vom Staate erworben u. durch neue Funde vermehrt. Das sind wahre Herrlichkeiten. Morgen aber wollen wir nach dem N e m i - See, allerdings mit dem Collegen E n n e c c e r u s . So verfolgt mich die M a r b u r g e r Collegialität. Am 22. spätestens müssen wir fort. Im Vertrauen gesagt, die Docirlust ist mir noch garnicht recht wieder gekommen, u. ich fange mich auch allmählich u. sehr langsam an, von all dem Bekehrungseifer, in dem ich mich getummelt habe, mich wieder zu erholen. Herzlichen Dank sage ich Ihnen schon heute für die letzten Striche, die Sie dem Buche widmen. Ich habe bisher nur Bogen 23 u. 24 heut erhalten. Die Einleitung zu L [ a n g e ] habe auch ich noch nicht. Nun bitte ich Sie um herzliche Grüße an Ihre Eltern u. Schwester, sowie um eine herzliche Empfehlung an Ihre l. Braut u. deren
A
Vi l l a L u d o v i s i ] v i l l a L u d o v i s i
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Eltern gelegentlich. Lassen Sie bitte öfter von sich hören u. lassen Sie uns in einem engeren Briefwechsel bleiben. Meine Frau schließt sich mit herzlichem Gruße auch diesem Wunsche an. Herzlich der Ihrige HCohenA Haben Sie besten Dank für Ihren Brief] nicht überliefert. Der Nachlaß Hermann (u. Martha) Cohens ist verschollen (Helmut Holzhey: Das Hermann-Cohen-Archiv in Zürich. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 31 (1977), S. 443 – 452, hier S. 450 – 452), so daß Nachweise dieser Art prinzipiell nicht möglich sind. Auf einen gesonderten Hinweis wird im Fortgang verzichtet. Ihre Entscheidung] vgl. Cassirer an Toni Bondy, undatiert: Gestern hatte ich über meine Zukunftspläne ein langes Gespräch mit Cohen geführt, das ganz freundschaftlich war, in dem unsere Ansichten sich jedoch ziemlich schroff gegenüberstanden. Cohen hat nur den einen Wunsch, daß ich mit allen Mitteln danach strebe, meine Habilitation so bald als möglich zu erreichen, und stellt mir dies dauernd als meine Pflicht gegen die Sache und gegen mich selbst vor. Auch ich würde es, vor allem um Deinetwillen, um unseretwillen wünschen, daß die äußeren Dinge so bald als möglich zur Klarheit und zum Abschluß kommen. Aber ich bin durch meine persönlichen Erfahrungen in Berlin und Straßburg in einem Punkt sicher und hartnäckig geworden: ich will allein die unbedingt notwendigen sachlichen Schritte tun, ich rechne mit keiner persönlichen Förderung und will keine persönliche Empfehlung mehr. In Göttingen habe ich daher meiner Überzeugung nach alles getan – was nur zu tun erlaubt war: Das Buch ist in den Händen der dortigen Professoren – alles andere muß ich abwarten und den Erfolg allein der Sache überlassen. Cohen stellt es mir unaufhörlich als Pflicht vor, den Kampf für meine Tätigkeit und meinen Beruf aufzunehmen – auch will ich ihm wahrhaftig nicht aus dem Wege gehen – nur auf den Kampf gegen unsachliche Vorurteile, den ich mit unsachlichen Mitteln führen müßte, verzichte ich von Anfang an – der kann einen innerlich nicht kräftigen, sondern nur mitten in all das kleinliche Treiben hineinziehen, dem ich kein Opfer bringen will (Toni Cassirer, S. 49 f.). Ihre Versicherung, daß Sie an dem Ziele unbeirrt festhalten wollen] vgl. Cassirer an Natorp vom 5.1.1902: Von dem Ausfall der Berliner Verhandlungen sind Sie wohl im Einzelnen unterrichtet, ich habe Ihnen auch hier noch herzlich für Ihre Mühe zu danken. Ich selbst bin durch das Ergebnis am allerwenigsten entmutigt und abgeschreckt; ich gebe Ihnen vollkommen Recht darin, daß man auf gutwilliges Nachgeben von Anfang an nicht rechnen durfte, daß aber für den sicheren und stetigen Fortschritt der Sache nichts zu fürchten ist (ECN 18, S. 6). officielle Schritt in B e r l i n ] Cassirer trug sich offenbar mit der Absicht, ungeachtet der Widerstände, die sich in den inoffiziellen Vorverhandlungen vom Dezember 1901 gezeigt hatten (vgl. Cohen an Cassirer vom 4.12.1901), sich bereits im Herbst 1903 in Berlin mit einer neuen Arbeit offiziell zur Habilitation zu melden, vgl. Cohen an Cassirer vom 7.6.1902. Die tatsächliche Meldung erfolgte aber erst am 24.4.1906. An B a u m a n n soll ich wohl selbst schreiben?] gemeint ist Julius Baumann, Philosophieprofessor in Göttingen (vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2.1902). Schreiben nicht ermittelt. Professor J a f f é ] nicht ermittelt. A
H C o h e n ] hs. von Cohen, als Unterschrift zusammengezogen
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We l l h a u s e n , mit dem ich in M a r b u r g immer recht freundlich gestanden war] Julius Wellhausen (1844–1918), protestantischer Theologe und Orientalist, 1870 Privatdozent in Göttingen, 1872 ordentlicher Professor für Altes Testament in Greifswald, 1882–1885 außerordentlicher Professor für semitische Sprachen in Halle/Saale, 1885 – 1892 ordentlicher Professor für semitische Sprachen in Marburg, ab 1892 in Göttingen, emeritiert 1913 (WBIS). Zum engen persönlichen und kollegialen Verhältnis zu Wellhausen äußerte sich Cohen in einem Nachruf auf den am 7.1.1918 Verstorbenen: Cohen: Julius Wellhausen. Ein Abschiedsgruß. In: Neue Jüdische Monatshefte 2 (1918), Heft 8 vom 25.1.1918, S. 178 – 181 (abgedruckt in HCW 17, S. 613 – 622). 2 We i n g a r t n e r- Concerte mit e r o i c a u. a d u r ] Felix Weingartner (1863–1942), österreichischer Dirigent u. Komponist, v. a. als Dirigent Beethovenscher Symphonien berühmt geworden. Weingartner leitete von 1898 bis 1905 das Münchner KaimOrchester (gegründet von Franz Kaim, Vorgängerinstitution der Münchner Philharmoniker; WBIS; Alfons Ott: Chronik eines Orchesters. Die Geschichte der Münchner Philharmoniker. In: Die Münchner Philharmoniker 1893 – 1968. Ein Kapitel Kulturgeschichte. In Zusammenarbeit mit E. W. Faehndrich hrsg. v. A. Ott. München [1968], S. 13 – 46, bes. S. 23 – 25). In die Zeit der Leitung Weingartners fielen einige ausgedehnte Konzertreisen, so zwischen dem 4. u. 17.4.1902 eine 2. Italienreise mit z. T. mehrfachen Auftritten in Mailand, Venedig, Bologna, Florenz, Rom, Neapel u. Turin; auf der Rückreise durch die Schweiz noch in Genf u. Zürich. Am 6. u. am 10.4.1902 gastierte das Kaim-Orchester in Florenz. Zu dem gebotenen Repertoire gehörte am 6.4. Beethovens Symphonie Nr. 3 Es-Dur Eroica; am 10.4. wurde u. a. Beethovens 7. Symphonie A-Dur aufgeführt. Vgl. die Konzertkritiken in Gazzetta Musicale di Milano 57, Nr. 15 vom 10.4.1902, S. 217 u. in Nr. 16 vom 17.4.1902, S. 229. Im c o l l e g i o r a b b i n i c o hörte ich eine Semestral-Prüfung] das Collegio Rabbinico Italiano wurde 1829 in Padua für die Rabbinerausbildung gegründet, 1871 geschlossen; 1887 in Rom wiederbegründet, 1899 nach Florenz verlegt. Zu den Lehrkräften in Florenz zählte bis 1902 (nach anderen Angaben bis 1903) u. a. Ismar Elbogen (1874 – 1943), der anschließend an die Berliner Lehranstalt bzw. Hochschule für die Wissenschaft des Judentums wechselte, an der auch Cohen ab 1912 lehrte (Carlo Levi: Das Rabbinerkolleg in Italien. Padua – Rom – Florenz. In: Im deutschen Reich 8 (1902), Nr. 1 vom Jan. 1902, S. 8 – 19; Encyclopaedia Judaica; WBIS). Die Schätze der V i l l a L u d o v i s i , die ich seit 1887 nicht sehen konnte] vgl. den Baedeker von 1899 über das Stadtviertel, welches seit 1885 auf dem Gebiet der ehemaligen Villa Ludovisi entstanden ist. Dort der neue P a l a z z o P i o m b i n o , welcher das M u s e o B o n c o m p a g n i , den Antikenbestand der Villa Ludovisi enthält. […] Das Museum ist bis auf weiteres dem Publikum verschlossen. Der Baedeker von 1903 ergänzt, daß dieser Palazzo seit 1900 königlicher Witwensitz sei und die Antikensammlung sich nunmehr im Museo Nazionale Romano delle Terme Diocleziane befinde; als Ankauf des Staates aus dem Jahr 1900 (Karl Baedeker: Italien. Handbuch für Reisende. 2. Teil. Mittel-Italien und Rom. 12. Aufl. Leipzig 1899, S. 157 sowie Mittel-Italien und Rom. Handbuch für Reisende v. K. Baedeker. 13. Aufl. Leipzig 1903, S. 169 u. 179). Morgen aber wollen wir nach dem N e m i - See] rund 30 km südöstlich von Rom, mit Ruinen eines Dianatempels und den Wracks zweier antiker Prunkschiffe (Baedecker Mittel-Italien und Rom 1899, S. 402; Baedecker Mittel-Italien und Rom 1903, S. 429 f.). mit dem Collegen E n n e c c e r u s ] Ludwig Enneccerus (1843–1928), Jurist und nationalliberaler Parlamentarier, war seit 1873 Professor des römischen und deutschen Rechts in Marburg (NDB). Am 22.] Dienstag, den 22.4.1902. die letzten Striche, die Sie dem Buche widmen] gemeint ist die abschließende Korrektur von Cohens Logik der reinen Erkenntniss, 1902, vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2.1902. Im Börsenblatt, Nr. 109 vom 14.5.1902 zeigte der Verlag Bruno Cassirer
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mit einer nahezu ganzseitigen Anzeige das unmittelbar bevorstehende Erscheinen an. Darin findet sich die Charakterisierung: Die Logik, welche in diesem Buche vorliegt, ist die Grundlegung eines Systems der Philosophie, das in vier Bänden erscheinen soll./Das Werk zieht die Summe von Cohens wissenschaftlicher Lebensarbeit und stellt die Logik als einen Teil des Systems der Philosophie dar, das in seiner Einheit zugleich die Ethik, die Aesthetik und die Psychologie umfassen wird. Das Werk giebt zugleich den systematischen Abschluss der früheren Hauptwerke Cohens über Kant, indem es in freiester sachlicher Kritik der Kantischen Hauptlehren eine Weiterbildung des kritischen Systems enthält. bisher nur Bogen 23 u. 24 heut erhalten] entspricht Cohen: Logik der reinen Erkenntniss, 1902, S. 353 – 384. Einleitung zu L a n g e ] vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2.1902. Ihre Eltern u. Schwester] vgl. Cohen an Cassirer vom 1.12.1901 u. 19.2.1902. Ihre l. Braut u. deren Eltern] Toni sowie deren Eltern Otto (1844 – 1928) u. Julie Bondy, geb. Cassirer (1860 – 1914).
7. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 4. Juni 1902 Hs. (M. Cohen), mit einem Nachtrag von Cohens Hd., 3 S. M [ a r b u r g ] d. 4.6.02. Lieber Herr Doktor! Besten Dank für Ihren l. Brief. Da ich Ihre Abneigung gegen CorrespondenzÜberstürzung kenne u. ehre, bedarf ich der Entschuldigung für diese neue Sammlung feuriger Kohlen auf Ihr von praktischen Dingen ohnehin glühendes Haupt. Streng vertraulich zur Sache. N a t o r p sagte mir gestern, daß er mehrfach darauf angeredet sei, nach T ü b i n g e n als Nachfolger P f l e i d e r e r s berufen zu werden. Er hat noch keine Nachricht, aber es sei gewiß. Und er wird dann gehen. Würden Sie Sich unter diesen Umständen entschließen können, hierher zu kommen. Ich brauche nicht zu sagen, daß die Bewerbung hier beinah den Charakter der Berufung hätte. Sie würden mir dann, u. zwar allein, helfen – ein Liebesdienst ersten Ranges, der sich sogar mit der Begründung der Ehe harmonisch verbinden würde. Dennoch achte ich Ihre Individualität zu sehr, als daß ich es Ihnen verargen würde, wenn Sie es ausschlügen. Ich bitte nur um eine freundschaftliche Erwägung, nicht nur um eine sachliche, weil, dies muß ich Ihnen doch zugleich mitteilen, Ihre Entschließung von Wichtigkeit werden könnte für meine eigene, ob ich im Amte verbleiben soll. – Ich bemerke noch, daß bei der kurzen gestrigen Besprechung N a t o r p an H u s s e r l zum Ersatz gedacht hat. Auf Anderes kann ich heut nicht zu sprechen kommen. Nur würde ich Ihnen dankbar sein, wenn Sie ein Wort über das Befinden Ihrer Schwester sagen wollten, ob die Pflegerin noch bei ihr ist. Ich schließe mit der nochmaligen Bemerkung, daß Ihnen dieser Vorschlag, so zudringlich er ist, ebenso doch nur als aus objectiver Erwägung entsprungen erscheinen möge, u. daß Ihr etwaiges Nein keiner Entschuldigung bedürfen würde.
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Mit herzlichem Gruße Ihr H . C . A Das „streng Vertraul[ich]“ bezieht sich nur auf die Bemerkung, mein eigenes Verbleiben im Amte betr[effend.]B Sammlung feuriger Kohlen auf Ihr … Haupt] geflügeltes Wort nach den Sprüchen Salomos 25, 21 – 22; vgl. Geflügelte Worte, S. 86. N a t o r p … nach T ü b i n g e n als Nachfolger Pfleiderers] der Tübinger Philosophieprofessor Edmund von Pfleiderer war am 3.4.1902 verstorben (BEdPh). Er hat noch keine Nachricht, aber es sei gewiß] zu einer Berufung kam es nicht, Nachfolger Pfleiderers wurde Heinrich Maier (1867 – 1933), NDB; vgl. Cohen an Cassirer vom 6.6.1911. Natorp schrieb am 6.7.1902 an Görland: Zur Zeit weiss man nicht wie man es uns genug fühlen lassen kann dass wir nicht mitzählen. I c h gräme mich nicht im geringsten darüber, aber ein Zeichen für die Sachlage ist es allerdings dass Vakanzen in Halle u. Tübingen sind u. an niemanden weniger gedacht wird als an mich (Holzhey II, S. 279). an H u s s e r l zum Ersatz] Edmund Husserl (1859 – 1938), 1901 an der Universität Göttingen zum außerordentlichen Professor berufen (gemeldet in HN 12 (1901/02), Nr. 1 vom Okt. 1901). Begründung der Ehe] die Hochzeit von Ernst Cassirer und Toni Bondy fand am 16.9.1902 in Wien statt. Befinden Ihrer Schwester] vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2.1902. Gemeint ist vermutlich Hedwig, die im August 1902 ihr zweites Kind erwartete (Toni Cassirer, S. 58).
8. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 6. Juni 1902 Hs. (M. Cohen), 2 S. M [ a r b u r g ] d. 6.6.02. Lieber Herr Doktor! Ich will Ihnen heute nur mittheilen, daß das Gerücht sich bis heute nicht bestätigt hat, so daß N a t o r p selbst nicht mehr daran glaubt. Es thut mir leid, daß ich in begreiflicher Aufregung Sie allarmirt habe. Ich hatte allerdings sogleich an die Möglichkeit des Rücktritts gedacht, wogegen die vorgelegte Frage das wichtigste Gegenargument bildet. Sollte es noch kommen, so können Sie immer von Neuem überlegen. Inzwischen herzlichen Dank für die Einladung in Ihr künftiges Münchener-Heim an Sie u. Ihre l. Braut, wir nehmen sie mit Freuden A
Ihr H . C . ] hs. von Cohen, H . C . als Unterschrift zusammengezogen Das „streng Vertraulich“ … Amte betreffend.] Nachtrag mit Bleistift von Cohens Hd. B
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an. Den L a n g e werde ich Ihnen hoffentlich nächster Tage zuschicken können. Zum L e i b n i z bei D ü r r bestes Gelingen. Mit herzlichen Grüßen von uns Ihr H. C.A 6.6.02] Das vollständige Datum ist nur auf Fotokopien des Briefes dokumentiert. Bei der Kollation am 4.4.2011 fehlte die obere rechte Ecke des Originalbriefes (Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Box 2, folder 33). Die Reproduktion des Briefes auf der DVD zu ECN 18 ist ebenfalls unvollständig. daß das Gerücht sich bis heute nicht bestätigt hat] vgl. Cohen an Cassirer vom 4.6.1902. Ihr künftiges Münchener-Heim] das Ehepaar Cassirer nahm nach der Hochzeit am 1.9.1902 Wohnung in München, Franz Josefstr. 34 (Toni Cassirer, S. 67; John Michael Krois: Chronik des Lebens Ernst Cassirers, unveröffentlichtes Ms; vgl. Cohen an Cassirer vom 14.1.1903). Den L a n g e ] vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2.1902. L e i b n i z bei D ü r r ] Cassirers seit Sommer 1901 vorbereitete Leibniz-Ausgabe erschien als G. W. Leibniz: Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie. Übers. v. Artur Buchenau. Durchges. u. mit Einleitungen u. Erläuterungen hrsg. v. Ernst Cassirer. Bd. 1. Leipzig: Dürr’sche Buchhandlung 1904 (Philosophische Bibliothek Bd. 107). – Dass. Bd. 2, 1906 (PhB Bd. 108). Das Vorwort des 1. Bandes ist auf Okt. 1903 datiert. Cassirer berichtete Natorp am 18.8.1901 über den Planungsstand, vgl. die DVD zu ECN 18.
9. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 7. Juni 1902 Hs. (M. Cohen), 8 S. M a r b u r g , d. 7.6.02. Mein lieber Herr Doktor! Ihren soeben empfangenen lieben Brief möchte ich Ihnen doch sogleich beantworten, u. zwar nicht nur mit Dank für Ihr bereitwilliges Eingehen auf meinen Vorschlag, den ich, wie Sie aus dem gestrigen Brief ersehen, schon bereut hatte, besonders weil ich fürchtete, Sie könnten in M ü n c h e n schon gemiethet haben. Lassen Sie mich nun erst von mir anfangen. Meine Besorgniß, von der ich N a t o r p Nichts gesagt habe, bezog sich darauf, daß ich vielleicht einen ganz conträren Collegen bekommen könnte, mit dem die Fakultät meine Voten verwerfen würde, dabei würde Aufregung für mich unvermeidlich sein, u. da ich noch leben u. arbeiten will, so würde ich in diesem Falle berechtigt zu sein glauben, für Selbsterhaltung zu sorgen, u. selbst die Specialpflicht als Jude nach beinah 30jähriger Liebesmühe zurückzustellen. Da kam mir nun der Gedanke an Sie dazwischen. Erstlich, daß alle jene Aufregungen sich vermeiden ließen, A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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wenn ich Sie zur Hand hätte, u. mit Ihnen Alles durchsprechen könnte, zumal ich doch auch nicht verkennen darf, daß ich an Va r r e n t r a p p jetzt wieder nicht nur einen zuverlässigen Freund, sondern auch einen geschickten Rosselenker in der Fakultät habe. Aber ich will ganz offen gegen Sie sein: ich habe diese meine Erregung zugleich als einen Schachzug benutzt, um Sie für die Habilitation zu gewinnen. Und darauf besonders bezog sich meine Reue. Wenn Sie mir nun jetzt schreiben, daß Sie Ende des nächsten Sommer-Semesters mit der neuen Arbeit sich in B e r l i n zu melden entschlossen haben, so muß ich diesem Plane wohl oder übel den Vorzug geben. So schlau es erdacht, vielmehr nur erfühlt war, Sie hierherzuziehen, so muß ich doch mehr dafür sein, B e r l i n zu zwingen, u. dann auch den B e r l i n e r Wirkungskreis zu erobern. Und um diesen Preis darf man Ihnen auch das erste Jahr der Ehe dienstfrei gönnen. Nur auf ein Paar Punkte wegen M a r b u r g muß ich doch noch eingehen. Erstlich wäre es ganz ausgeschlossen, daß ich an ein Zurücktreten denken würde, wenn ich Sie hier hätte – dann aber auch glaube ich sagen zu dürfen, daß die Aussicht auf schnelle Beförderung trotz allem Schein dawider mir dennoch hier gesicherter gilt als in B e r l i n . So viel Muth habe ich doch noch. Und dieses Moment würde ich aufrecht erhalten, selbst wenn N a t o r p hier bliebe. Das ist beinah der schwierigste Punkt in der ganzen Frage. Denn wir müssen auch bedenken, daß K ü h n e m a n n auch demnächst fortkommen wird. Verschiebungen sind genug in Aussicht. Ich glaube nicht, daß A l t h o f f ihn hier zum Ordinarius machen, noch daß die Fakultät ihn vorschlagen würde. Bekäme N a t o r p aber keinen Ruf, so müßte er ja fortkommen, u. dann wäre hier nicht nur ein guter Boden, wie Sie wissen, sondern es würde sich auch wieder in aller Bescheidenheit die Frage des Liebesdienstes einstellen, mich u. uns nicht nur zu schätzen, sondern zu unterstützen. Und wie gesagt, die schnelle Beförderung stände dann ganz außer Frage. Sie sehen, auch ich kann nur delibiriren. Ich möchte aber noch mit einem Worte Ihrem Wunsche, zunächst in M ü n c h e n frei leben zu können, entgegenkommen. Wenn Sie ohnehin nach einem Jahre das Zelt abbrechen wollen, so können Sie es auch nach einem halben u. schlimmstenfalls auch nach einem Vierteljahr, letzteres wenn K ü h n e m a n n fortkäme; um alsdann einer anderen Habilitation vorzubeugen. Entschiede sich in den nächsten Wochen der Weggang N a t o r p s A, so wäre es lediglich Ihre Sache, darüber zu beschließen, ob Sie mir helfen wollen, resp. ob Sie die Sache für so schwierig ansehen für mich, um Ihre eigenen Wünsche u. Pläne zum Opfer zu bringen. Ich bemerke selbst dagegen, daß ich meine ungehemmte Schriftstellerei jetzt für werthvoller halte als das Katheder. Und ich glaube wohl, daß ich wegen meiner optischen Gefahr mit vollem Gehalt quiescirt würde. Also auch diese Rücksicht ist einzuschränken. – Nun noch einige Kleinigkeiten. Buek hat mir im Vertrauen gesagt, daß Rade ihm mitgetheilt habe, man denke in H e i d e l b e r g an Sie. Er glaubt, u. das meine auch ich, daß er es von Tr ö l t s c h habe. Diesen hat übrigens Va r r e n t r a p p durch die historische Zeitschrift ( S y b e l s ) zu einer Besprechung Ihres L e i b n i z bezügl[ich] der Geschichte auffordern lassen. Und ein Heidelberger junger Theologe, den R a d e mit der Besprechung für A
Natorps] Nat.s
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seine christliche Welt beauftragt hat, sagte B u e k , daß Tr ö l t z s c h von 2 Seiten aufgefordert sei. Ferner hat H e n s e l selbst B u e k gesagt, er solle Ihnen schreiben, wie sehr er Ihr Buch schätze. Es wäre herrlich, aber es ist ja garnicht auszudenken, daß K u n o dazu seine Zustimmung geben sollte. Wenn ich doch etwas Positives rathen soll, so wäre es dies: betrachten Sie Sich als jungen Officier, u. nehmen Sie Wohnungsfragen nicht allzu schwer. Es handelt sich dabei doch nur um Geld u. um den Auftrag an den Möbeltransporteur. Ihre Schwester hat sich also doch noch nicht von der Pflegerin dispensirt, das thut mir leid. Aber, da Sie Sich objectiv aufgerafft hat, wollen wir von Herzen hoffen, daß sie es bald auch subjectiv thun möge. Von der Logik höre ich manches Nette. Va r r [ e n t r a p p ] ist nicht abgeschreckt von dem scharfen Ton gegen die Romantik, es habe ihm einen starken Eindruck gemacht. Und S y b e l lobt den Ernst. Sie schreiten mit eisernen Sohlen. À p r o p o s Ernst soll ja Kampf bedeuten also gleich Israel. Und nun herzliche Grüße von uns an Sie u. Jeden, den Sie von diesem Briefe aus grüßen mögen. Ihr H . C . A Ihr bereitwilliges Eingehen auf meinen Vorschlag] vgl. Cohen an Cassirer vom 4.6.1902. gestrigen Brief] siehe Cohen an Cassirer vom 6.6.1902. in München schon gemiethet] vgl. Cohen an Cassirer vom 6.6.1902. nach beinah 30jähriger Liebesmühe] Cohen hatte seine Lehrtätigkeit in Marburg im SS 1875 als außerordentlicher Professor aufgenommen, bevor er 1876 Nachfolger des verstorbenen Friedrich Albert Lange wurde. an Va r r e n t r a p p … einen geschickten Rosselenker in der Fakultät] Conrad Varrentrapp (1844 – 1911) war von 1874 – 1890 und 1901 – 1909 Professor der mittleren und neueren Geschichte in Marburg (in der Zwischenzeit in Straßburg). SS 1902 u. WS 1902/03 war Varrentrapp Direktor des historischen Seminars in Marburg. Er gehörte zu denjenigen, mit denen Cohen in gutem Einvernehmen stand (Holzhey II, S. 159; WBIS). daß Sie … mit der neuen Arbeit sich in B e r l i n zu melden entschlossen haben] vgl. Cohen an Cassirer vom 15.4.1902 sowie Natorp an Görland vom 6.7.1902: Ob es Cassirer noch irgendwo glückt? Ich sehe sehr skeptisch, darf’s aber nicht merken lassen, weil er selbst u. sogar Cohen die Sache wieder hoffnungsvoller ansieht. Cass[irer] schreibt ein neues Werk, u. scheint entschlossen es damit dann doch in B e r l i n zu versuchen. Dann liegt kein so direkter Zusammenhang mit Marburg vor, keine anderweitigen Preis-Absichten werden durchkreuzt, hoffentlich auch jeder Vorwand wegen nicht genug historischen Vorgehens oder dergleichen weggeräumt. Das ist die Rechnung, u. wenn irgend Sachlichkeit in diesen Dingen herrschte, müsste sie bombensicher sein. Aber wenn irgend Sachlichkeit herrschte, war die vorige Rechnung auch genügend sicher. Doch schmiss man sie uns höhnend vor die Füsse (Holzhey II, S. 279). Tatsächlich hat sich Cassirer erst am 24.4.1906 in Berlin mit seiner Arbeit über Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1, Berlin 1906 zur Habilitation gemeldet (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät 1228: Acta der Königl. Friedrich-Wilhelms-Universität
A
Ihr H . C . ] hs. von Cohen, H . C . als eigenhändige Unterschrift zusammengezogen
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zu Berlin betreffend Habilitationen 26.5.1906–15.3.1907. Bl. 83–96: Habilitation des Dr. Cassirer, hier Bl. 84r-89r). Die Probevorlesung fand am 26.7.1906 statt. das erste Jahr der Ehe] die Hochzeit von Ernst Cassirer und Toni Bondy fand am 16.9.1902 in Wien statt. daß K ü h n e m a n n auch demnächst fortkommen wird] Eugen Kühnemann (1868 – 1946), 1895 bei Cohen über Kants und Schillers Begründung der Ästhetik habilitiert, war vom SS 1901 an in Marburg als außerordentlicher Professor für Neuere Philosophie und Literatur tätig, bis er 1903 nach Bonn versetzt wurde. Er erhielt dort Urlaub, um an der Königlichen Akademie Posen das Fach Deutsche Literatur und das Rektorat zu übernehmen (Sieg, S. 303 – 307; Germanistenlexikon). Cohen u. Natorp hatten eine schlechte Meinung über ihren Kollegen, vgl. Natorp an Görland vom 6.7.1903: Den guten Vorlesungsbesuch verdanken wir der Beförderung des werten Kühnemann; der zu der hochpolitischen Rolle als Akademiedirektor in Posen bei seiner ausgesuchten Taktlosigkeit (von der seiner Frau gar nicht zu reden) freilich recht wie der Bock zum Gärtner taugt. Wird der Eroberungen machen! – Natorp an Görland vom 10./12.7.1903: Frau Cohen sagte: Meinetwegen mag er König von Preußen werden, wenn er uns in Marburg nur in Frieden läßt. Mein Trost ist vielmehr seine völlige Untauglichkeit grade zu einem solchen Posten […] (Holzhey II, S. 280 f.). – Kühnemann schrieb am 13.1.1903 an Friedrich Theodor Althoff (1839–1908), seit 1882 Universitätsreferent im preußischen Kultusministerium, seit 1897 (bis zum 1.10.1907) Direktor der Ersten Unterrichtsabteilung (NDB), der u. a. letzten Instanz für die Besetzung von Lehrstühlen: Die Beziehungen zu Cohen muß ich nach einer letzten Unterredung für völlig abgebrochen halten (Sieg, S. 307). wegen meiner optischen Gefahr] 1892 hatte Cohen eine Netzhautablösung des rechten Auges erlitten, die durch das andere, stark kurzsichtige Auge nur wenig kompensiert werden konnte, vgl. das Entlassungsgesuch Cohens vom 5.6.1912, abgedruckt in Holzhey II, S. 514 f. B u e k ] Otto Buek (1873 – 1966) aus St. Petersburg, 1905 bei Cohen u. Natorp promoviert (Sieg, S. 485), vgl. Cohen an Cassirer vom 21.5.1907. R a d e ] Martin Rade (1857 –1940), Theologe, seit 1900 Privatdozent in Marburg, ab 1904 außerordentlicher Professor für systematische Theologie in Marburg, Schriftleiter der Zeitschrift Die Christliche Welt (NDB). man denke in H e i d e l b e r g an Sie … Tr ö l t s c h ] Näheres nicht ermittelt. Ernst Troeltsch (1865–1923), seit 1894 Professor für Systematische Theologie in Heidelberg (WBIS). Tr ö l t s c h … historische Zeitschrift ( S y b e l s ) … Besprechung] die Historische Zeitschrift, begründet v. Heinrich von Sybel, brachte keine Rezension von Cassirers Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, 1902. Ernst Troeltsch rezensierte Cassirers Buch für die Theologische Literaturzeitung 29 (1904), Nr. 23 vom 12.11.1904, Sp. 639 – 643. ein Heidelberger junger Theologe, den R a d e mit der Besprechung für seine christliche Welt beauftragt hat] gemeint ist Heinrich Hoffmann (1874 – 1951), evangelisch-lutherischer Konfession und dessen Rezension von Cassirers Leibniz’ System … in Die Christliche Welt 17 (1903), Nr. 10 vom 5.3.1903, Sp. 234. Hoffmann hatte Theologie, Philosophie u. Geschichte in Tübingen, Halle, Leipzig u. Berlin studiert (im WS 1901/02 u. SS 1902 hörte er außerdem ohne Immatrikulation bei Troeltsch in Heidelberg, vgl. die Vita zur Dissertation). Hoffmann legte 1903 in Leipzig eine Dissertation über Die Leibniz’sche Religionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Stellung vor, gedruckt Tübingen 1903 (Buchhandelsausgabe angezeigt in LZ, Nr. 38 vom 17.9.1904; das Rigorosum war am 4.3.1903). 1905 habilitierte sich Hoffmann für Theologie in Leipzig und wurde 1912 Professor für Kirchengeschichte in Bern (Historisches Lexikon der Schweiz Bd. 6. 2007, S. 415).
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Ferner hat H e n s e l selbst B u e k gesagt, er solle Ihnen schreiben] ein von Paul Hensel (1860 – 1930), seit Ostern 1902 Philosophieprofessor in Erlangen, zuvor in Heidelberg (NDB; WBIS) veranlaßtes Schreiben Bueks an Cassirer ist nicht ermittelt. daß K u n o dazu seine Zustimmung geben sollte] Anspielung auf Kuno Fischer (1824 – 1907), seit 1872 Philosophieprofessor in Heidelberg. Ihre Schwester] vgl. Cohen an Cassirer vom 4.6.1902. Von der Logik höre ich manches Nette] vermutlich als mündliche Äußerungen; zu den Rezensionen von Walter Kinkel u. a. vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903. Sie schreiten mit eisernen Sohlen] nicht aufgelöst. Ernst soll ja Kampf bedeuten also gleich Israel] vgl. z. B. Ernst Förstemann: Altdeutsches namenbuch [!]. Bd. 1. Personennamen. 2., völlig umgearbeitete Aufl. Bonn 1900, S. 485: Ernst […] Ganz vereinzelter n[ame], zu ahd. e r n u s t vigor [Kraft], serium [Ernst], ursprünglich wol pugna [Kampf] […]. – Vgl. 1. Mose 32, 29: Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und bist obgelegen.
10. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 26. Juli 1902 Hs. (M. Cohen), mit einem Nachtrag von Cohens Hd., 4 S. M a r b u r g , d. 26.7.02. Mein lieber Herr Doktor! Meinen herzlichen Dank, wie ich ihn Ihnen gegenüber fühle, wollte ich Ihnen erst zu Ihrem Geburtstage aussprechen, in dem herzlichen Wunsche aussprechen, der mich für Ihr Lebensglück bewegt. Wir sind spröde gegen den Ausdruck Glück. Aber den Lohn der Tugend in der Tugend anzuerkennen – wie es wörtlich in den „Sprüchen der Väter“ heißt, welche aus der M i s c h n a h in das Gebetbuch aufgenommen wurdenA – tragen wir kein Bedenken. Und anders braucht man auch doch das Glück nicht zu verstehen, so daß schon begrifflich der Unterschied zwischen der Glückwürdigkeit u. der Glückseligkeit aufhört. Solches Glück wünsche ich Ihnen nach Ihrer Würdigkeit. Freilich fehlt mir allmählich dazu das sogenannte sachliche Urtheil, u. ich freue mich dieses Verlustes. Sie haben Recht, unser Verhältniß braucht zwischen uns nicht mehr besprochen zu werden: wird es doch sogar von der Familie anerkannt, wenngleich mit einem leisen Anflug von Selbstironisirung der Legitimität. Ich übersetze mir auch das wieder in meine Metaphysik der Stammesliebe, u. freue mich, daß Ihre liebe Braut auch damit sympathisirt. Nehmen Sie denn auch meinen sehr freudigen u. bewegten Dank für Ihr schönes großes Geschenk, das ich dem Besucher als meinen Cousin vorstelle. Welche Tragik liegt in diesem Antlitz, u. wie unübertrieben einfach u. schlicht stellt sich der Kopf dar, tritt er aus der öden Wüste des Menschenhasses heraus, welche man in der weißen A
welche aus der M i s c h n a h in das Gebetbuch aufgenommen wurden] welche M i s c h n a h in das Gebetbuch aufgenommen wurde
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Fläche symbolisirt finden kann. Man hat den Tag sehr ausgezeichnet, ich hätte nicht gedacht, daß ich das Alles so rein hätte empfinden können, aber es wurde Alles so ernst u. vornehm dargebracht, daß ich mich daran als an einem Schauspiel jüdischer Liebe erfreuen konnte. Übrigens hat auch B u e k vor dem Beginn der Vorlesung eine Ansprache gehalten, die sehr fein u. schön war. So ist mir der Monat fast ganz ein festlicher geworden u. geblieben. Am 2. August – ich anticipire den 4. am 2. – wollen wir wieder mit Frau L e w a n d o w s k y u. den Kindern nach S i l v a p l a n a (Sonne) reisen. Am 20. allein nach Pontresina (neue Post). Am 21. September wird die Hochzeit meines Schwagers in B e r l i n sein. Und wann ist die Ihre? Wäre sie früher, so ginge ich vom Engadin nach W i e n . Ich möchte Sie daher bitten, wenn die Bestimmung schon getroffen sein sollte, mir gütigst sogleich eine Notiz darüber zukommen zu lassen, damit ich kein falsches B i l l e t nehme. – G i d e o n hat an Frau Wa h l von F l o r e n z aus geschrieben, daß er im August nach A m e r i c a reisen werde. D e P o r t u ist mit seiner Mutter in Va r e s e . Arbeitet an seinem G a l i l e i . Von der Logik habe ich nur von den nächsten Bekannten in Bezug auf den Stil freundliche Worte vernommen. Die Kritik besinnt sich ja sehr lange über den L e i b n i z . Von Ihrer Schwester haben wir lange garnichts gehört. – Ich habe wohl noch nicht geschrieben, daß J o d l in Folge einer Anfrage der neuen freien Presse die Recension der Logik für dieselbe übernommen hat. Im Übrigen bin ich ohne Sorgen über das Geschehene u. fange nur allmählich an mir Sorge zu machen um das, was zu geschehen hat. Für heute nur noch den herzlichsten treuesten Gruß zu dem schönen Tage, den zu begehen Ihnen vergönnt ist, von uns Beiden Ganz der Ihrige HCohen Weiter guten Fortgang für Ihre Arbeit!A zu Ihrem Geburtstage] Cassirers 28. Geburtstag am 28.7.1902. den Lohn der Tugend in der Tugend anzuerkennen – wie es wörtlich in den „Sprüchen der Väter“ heißt, welche aus der M i s c h n a h in das Gebetbuch aufgenommen wurden] vgl. den Mischnatraktat u. Bestandteil des jüdischen Gebetbuchs Sprüche der Väter bzw. Pirqê Aboth 4, 2. In seinem Aufsatz Liebe und Gerechtigkeit in den Begriffen Gott und Mensch. In: Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur 3 (1900), S. 75–132 schreibt Cohen auf S. 119: Endlich ist aber für das Princip von Lohn und Strafe zu bedenken, daß es nicht minder anerkannt bleibt in dem von Spinoza angenommenen Satze: „Der Lohn der Tugend ist die Tugend.“ In der Mischna lautet der Satz: „Der Lohn der Pflichterfüllung ist die Pflichterfüllung.“ Ihr schönes großes Geschenk] es ist kein Geschenk Cassirers an Cohen zu dessen 60. Geburtstag am 4.7.1902 ermittelt. Der Beschreibung zufolge ist eine Nachbildung bzw. Fotografie nach dem von Hans Vaihinger bekannt gemachten Porträtrelief A
Ganz der Ihrige/H C o h e n / Weiter guten Fortgang für Ihre Arbeit!] Nachtrag von Cohens Hd.; H C o h e n als eigenhändige Unterschrift zusammengezogen
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Kants von Paul Heinrich Collin denkbar (Kant-Studien 7 (1902), 1. Heft, S. 168: Ein bisher unbekanntes Kantbildnis; Abb. nach dem Titelblatt). Vaihinger teilte im 2. Heft mit, daß die den Kant-Studien beigegebene Lichtdruckreproduktion auch einzeln erhältlich sei u. die Buchhandlung Gräfe und Unzer als Besitzerin einer Porzellanvariante des Reliefs bei der Königlichen Porzellan-Manufactur in Berlin Nachbildungen habe herstellen lassen (Vaihinger. Das Collin’sche Kantrelief. In: Kant-Studien 7 (1902), S. 382 – 384). Man hat den Tag sehr ausgezeichnet] Cohens 60. Geburtstag am 4.7.1902. Vgl. Nehemia Anton Nobel: Hermann Cohen. Zu seinem 60. Geburtstage (4. Juli). In: Die Jüdische Presse, Nr. 27 vom 3.7.1902, S. 215–216; eine weitere Würdigung erschien in AZJ, Nr. 27 vom 4.7.1902, S. 315 – 317 von K..n [Namenskürzel]: Hermann Cohen. Zum 4. Juli 1902. – Das Ehepaar Eisner schenkte Cohen vermutlich eine von Elisabeth Eisner angefertigte Stadtansicht Coswigs, wofür sich Cohen am 14.8.1902 bei Kurt Eisner brieflich bedankte (abgedruckt in Sieg, S. 500 – 502). Am 2. August … mit Frau L e w a n d o w s k y … nach S i l v a p l a n a (Sonne)] gemeint ist das Hotel Sonne in Silvaplana, Engadin, Schweiz. Die Anspielung auf den 4. (Aug.?) ist nicht aufgelöst. Frau Lewandowsky, vermutlich eine Verwandte Martha Cohens, ist nicht ermittelt. Pontresina (neue Post)] Hotel Neue Post, Pontresina, Engadin, Schweiz. 21. September … Hochzeit meines Schwagers in B e r l i n ] gemeint ist der Berliner Arzt u. spätere Lehrbeauftragte (Professor) für soziale Hygiene Alfred Lewandowski (1864 – 1931), der Bruder Martha Cohens (WBIS). Zur Hochzeit u. zur Ehefrau ist nichts Näheres ermittelt. Alfred Lewandowski zählte (neben Cassirer, Dimitry Gawronsky u. a.) zu den 1915 eingesetzten Testamentsvollstreckern der Cohens, vgl. Sieg: Testament, S. 263. Und wann ist die Ihre?] Cassirer und Toni Bondy heirateten am 16.9.1902 in Wien. Cohen hielt eine Tischrede auf Cassirer (Toni Cassirer, S. 60 f.). G i d e o n … nach A m e r i c a ] vgl. M. Cohen an Cassirer vom 2.12.1901. Frau Wahl] nicht ermittelt. D e P o r t u … Arbeitet an seinem G a l i l e i ] vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1901. Von der Logik … freundliche Worte vernommen] vgl. Cohen an Cassirer vom 7.6.1902. Die Kritik besinnt sich ja sehr lange über den L e i b n i z ] Cassirers Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, Marburg 1902 war noch 1901 erschienen, vgl. Cohen an Cassirer vom 1.12.1901. Die ersten Rezensionen erschienen erst 1903, vgl. Cohen an Cassirer vom 14.1.1903. Außer den dort genannten Rezensionen vgl. z. B. diejenigen von Willy Kabitz in DLZ 24 (1903), Nr. 13 vom 28.3.1903, von Jonas Cohn in GgA 165 (1903), Nr. 5 vom Mai 1903, S. 377–398 sowie von Bertrand Russell in Mind 12 (1903), Nr. 46 vom April 1903, S. 177 – 201. Von Ihrer Schwester] vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2. u. 4.6.1902. daß J o d l in Folge einer Anfrage der neuen freien Presse die Recension der Logik für dieselbe übernommen hat] vgl. Friedrich Jodl: Eine neue Grundlegung des Idealismus. In: Beilage der „Neuen Freien Presse“. Zu: Neue Freie Presse, Nr. 13705 vom Sonntag, 19.10.1902, Morgenblatt, S. 31 – 32 [Literatur-Blatt].
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11. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 14. Januar 1903 Hs. (M. Cohen), 2 S. Lieber Herr Doktor! Soeben zeigt mir B r a u n - E l w e r t 2 Recensionen Ihres Leibniz, die eine von D y r o f f in der theolog[ischen] r e v u e 1 9 0 3 N r. 1 A – recht hübsch, wenngleich Kathol[isch]-Cartesisch, sogar mit einer Pointe gegen die Akademie; die andere in r e v u e o f b o o k s v o l . 1 2 N r. 1 von A . K . R o g e r s , B u t l a r C o l l e g e , auch sehr hübsch. Er wird sie Ihnen schicken. Ich benutze diese Notiz zu einem herzlichen Gruße. – Mitzutheilen gäb es schon wieder Mancherlei, wie auch bei der kurzen Zusammenkunft noch Manches zu sagen u. zu fragen gewesen wäre. Ich wünsche lebhaft ein öfteres u. längeres Zusammensein mit Ihnen, u. hoffe, daß Ihre l. Frau diesen Wunsch unterstützen werde. Mit herzlichen Grüßen von uns an Sie Beide Ihr H. C.B Postkarte vom 14. Januar 1903] an Herrn Doktor E r n s t C a s s i r e r / M ü n c h e n / Franz Josefstr. 34; mit Poststempeln MARBURG 14.1.03 11 – 12 N (BZ. CASSEL); MUENCHEN [unles.] 15 JAN. 3 – 4 Nm. 03.; MUENCHEN [unles.] 15 JAN. 5 – 6 Nm. 03. Soeben zeigt mir B r a u n - E l w e r t 2 Recensionen Ihres Leibniz] Wilhelm Braun (1842 – 1913), seit 1878 Alleininhaber der N. G. Elwert’schen Verlagsbuchhandlung, bei der 1902 Cassirers Buch Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen erschienen war (Würffel, S. 207 f.). – Adolf Dyroff: Cassirer, Ernst, Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. In: Theologische Revue 2 (1903), Nr. 1 vom 8.1.1903, Sp. 21 – 24. – A. K. Rogers (Butler College): Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. Von Dr. Ernst Cassirer. Marburg, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, 1902. pp. xiv, 548. In: The Philosophical Review 12 (1903), Nr. 1 vom Jan. 1903, S. 81– 84 (Reviews of Books). bei der kurzen Zusammenkunft] nicht ermittelt.
A
N r. 1 ] N r 1 Mit herzlichen Grüßen/von uns an Sie/Beide Ihr H . C . ] quer über den Text der Mitteilung geschrieben; Unterschrift nicht eigenhändig B
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Beilagen III
12. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 9. Februar 1903 Hs. (M. Cohen), 3 S. M a r b u r g , d. 9.2.03. Mein lieber Herr Doktor! Ich muß schon wieder gegen Ihre Schreibunwilligkeit ankämpfen. N a t o r p hat heute von E d w a r d S c h r ö d e r in Göttingen Brief gehabt: da K ü h n e m a n n nach P o s e n kommen soll, möchte M ü l l e r seinen Assistenten, D r. m e d . u. p h i l . A c h nach M a r b u r g umhabilitiren in Aussicht auf Beförderung. Dabei schreibt S c h r [ ö d e r ] , daß Sie wohl wegen der Habilitation eines D r. M e y e r mit noch einem Namen Ihre Meldung unterlassen hätten, die garkeine Schwierigkeit gehabt hätte. Diese Habilitation sei aber ganz belanglos, u. da er Sie in sehr sympathischer Erinnerung hätte, frage er uns an, ob er die Verhandlung jetzt wieder aufnehmen solle (seine Worte). Ich habe nun mit N a t [ o r p ] besprochen, daß er, um Ihnen Freiheit zu lassen, Antworten wolle, unseres Wissens wollten Sie erst Ihr neues Buch vollenden, zugleich aber, daß wir Ihre Habilitation in Göttingen sehr wünschen würden. Und dies halte ich mich verpflichtet von Neuem Ihnen zu schreiben, da jetzt die Sachlage neu geworden ist. Jetzt wendet sich ein centraler Mann der dortigen Fakultät, Selber ein alter Göttinger, dazu Ihr Lehrer, so gut wie direkt an Sie Selbst, u. bietet sich zur Anknüpfung der Verhandlung an. Jetzt würden Sie zurückweisen, wenn Sie dies von der Hand wiesen. Welche Chance bietet dagegen B e r l i n ? Meiner Meinung nach keinen Ersatz für die gegründete Aussicht auf freundlichen akademischen Verkehr innerhalb einer Fakultät, die in 2 Jahren 2 jüdische Ordinarien berufen hat. Dazu die Göttinger mathematische Celebrität u. das L e i b n i z archiv in der Nachbarschaft. B e r l i n wird so am Besten u. standesehrenhaftesten bestraft. Dazu die Nähe zu B e r l i n , hoffentlich auch zu M a r b u r g u. zum Harz. Ich glaube ich darf Ihrer lieben Frau es aus voller Überzeugung wünschen u. rathen. Glauben Sie mir, durch Göttingen kommen Sie zu einem Ordinariat, was von B e r l i n aus sehr zweifelhaft bliebe. Nächsten Sonnabend halte ich in F r a n k f u r t Vortrag vor einem von einem C o m i t é geladenen Publikum, um dem Abfall zu wehren. Das literar[ische] Centralblatt hat von der Logik eine Recension gebracht, die mich für meinen Verleger freut. In B e r l i n sah ich neulich Ihre l. Mama u. Schwester, u. freute mich über ihr Wohlsein. In den ersten Tagen des März halten wir Umzug u. dann gehts nach P r a g u. N ü r n b e r g . Jetzt aber machen EthikA u. Recht noch viel KopfbrechenB.
A B
Ethik] davor gestrichen: Sittlichkeit Kopfbrechen] so wörtlich
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Herzliche Grüße Ihnen Beiden von uns Beiden Ihr H C o h e n A N a t o r p hat heute von E d w a r d S c h r ö d e r in Göttingen Brief gehabt] Schreiben nicht ermittelt. Der Germanist Edward Schröder (1858–1942) war seit 1889 Professor in Marburg gewesen, bevor er 1902 als Nachfolger Gustav Roethes nach Göttingen wechselte (NDB; Germanistenlexikon). K ü h n e m a n n nach P o s e n ] zu Kühnemanns Weggang vgl. Cohen an Cassirer vom 7.6.1902. möchte M ü l l e r seinen Assistenten, D r. m e d u. p h i l . A c h nach M a r b u r g umhabilitiren] der Mediziner und Psychologe Narziß Ach (1871 – 1946), 1902 bei Georg Elias Müller (1850 – 1931) in Göttingen für Philosophie habilitiert, wurde 1904 Privatdozent mit Lehrberechtigung für Experimentalpsychologie in Marburg (Sieg, S. 358 – 360; NDB; WBIS). Habilitation eines D r. M e y e r mit noch einem Namen] gemeint ist wohl Heinrich Meyer-Benfey (1869–1945), seit 1891 Mitarbeiter am (Grimmschen) Deutschen Wörterbuch u. Assistent bei dem Germanisten Moritz Heyne (1837 –1906) in Göttingen, der u. U. als Konkurrent Cassirers angesehen werden konnte. Meyer-Benfey war als Herder-Herausgeber (gemeinsam u. a. mit E. Kühnemann) hervorgetreten. 1904 erschien sein Herder und Kant. Der deutsche Idealismus und seine Bedeutung für die Gegenwart. 1910 scheiterte er bei einem ersten Habilitationsversuch in Göttingen, 1919 habilitierte er in Hamburg (Germanistenlexikon). ein centraler Mann der dortigen Fakultät, Selber ein alter Göttinger, dazu Ihr Lehrer] Edward Schröder, bei dem Cassirer im WS 1898/99 in Marburg zwei testierte Lehrveranstaltungen zur Deutschen Grammatik besucht hatte, vgl. Cassirers Abgangszeugnis der Universität Marburg vom 21.6.1899, Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Box 6, Bl. 1 – 2. innerhalb einer Fakultät, die in 2 Jahren 2 jüdische Ordinarien berufen hat] 1901 war an der Universität Göttingen Edmund Husserl (1859 –1938) zum außerordentlichen Professor, 1902 Hermann Minkowski (1864 – 1909) auf eine ordentliche Professur der Mathematik berufen worden (Meldungen in HN 12 (1901/02), Nr. 1 vom Okt. 1901; Nr. 10 vom Juli 1902). Göttinger mathematische Celebrität] Felix Klein (1849 – 1925) u. David Hilbert (1862 – 1943). L e i b n i z archiv in der Nachbarschaft] in Hannover. Nächsten Sonnabend halte ich in F r a n k f u r t Vortrag vor einem von einem C o m i t é geladenen Publikum, um dem Abfall zu wehren] am 14.2.1903, vgl. den Bericht in Frankfurter Israelitisches Familienblatt, Nr. 16 vom 20.2.1903, S. 3: Vergangenen Samstag Abend sprach der Geheime Regierungsrat, Herr Prof. Dr. C o h e n aus Marburg, im Saale der Frankfurt-Loge über die „Bedeutung des Judentums für die Kultur“. […] „Das Judentum“, so führte Herr Professor Dr. Cohen aus, „hat seine Wurzel in Gott, dem Schöpfer und Leiter des Weltalls sowie jedes einzelnen Teilchen in ihm, also auch das Schicksal eines jeden einzelnen Menschen./Die jüdische Religion bedeutet ein nationales, ein staatliches Dasein. Des letzteren ist sie allerdings verlustig gegangen. Die jüdische Religion schließt Gesetze in sich, die für die wirtschaftlichen Verhältnisse grundlegende und einzigartig mustergültige Normen enthalten. Der Begriff des Rechts ist durch das jüdische Volk zu einem A
Ihr H C o h e n ] hs. von Cohen, H C o h e n als eigenhändige Unterschrift zusammengezogen
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hohen Grad der Ausbildung gebracht worden. […] Eine Religion mit so klaren und tiefen Kulturaufgaben, wie sie die jüdische aufweist, wird nie vom Schauplatz verschwinden. Da nun die Religion aber keine Privatsache – wie eine beliebte Phrase lautet –, sondern die wichtigste Frage für die politische Kultur ist, so kann man es nur als eine Schandthat bezeichnen, wenn ein Jude sich taufen läßt; veranlassen ihn zu diesem Schritte in der Regel doch nur rein materielle Gründe, wodurch er beweist, daß ihm die wichtigste Kulturfrage gleichgültig ist. Der Schaden, der uns Juden durch die Taufen zugefügt wird, ist weniger ein Numerischer, als die geschichtliche Thatsache, daß zu allen Zeiten aus den Reihen der getauften Juden die ärgsten Judenfeinde entstanden sind. Immer und immer wieder sind es getaufte Juden, die das neue gegen das alte Testament ausspielen und die die giftigen Pfeile der Verleumdung gegen Bibel und Talmud schleudern. Das Martyrium, das jeder Jude in seiner Eigenschaft als Jude zu erdulden hat, und die Ehrfurcht vor den Ahnen schon allein müssen genügen, der angestammten Religion die Treue zu bewahren. Ohne Treue gibt es keine Gesinnung, ohne Treue kein Gefühl.“ Das Literarische Centralblatt hat von der Logik eine Recension gebracht] vgl. A. Ki. [Namenskürzel]: Cohen, Hermann, Logik der reinen Erkenntnis. Berlin, 1902. Bruno Cassirer. (XVII, 520 S. Gr. 8) M 14. System der Philosophie. 1. Teil. In: LZ, Nr. 6 vom 7.2.1903. Die Rezension schließt mit den Worten: Die zahlreich eingestreuten feinsinnigen Bemerkungen historisch-kritischen Inhalts und die Anwendungen, die von den logischen Einsichten auf große sachliche Probleme gemacht werden, verleihen dem Buche einen ganz besonderen Reiz. Die bei ähnlichen Schriften vielfach anzutreffende Trockenheit der Darstellung ist hier glücklich vermieden. Wir haben es ohne Zweifel mit einem erstclassigen philosophischen Werke zu thun, dessen Fortsetzung wir mit Spannung entgegensehen. – Die Anregung, Cohens Buch als 1. Teil eines Systems auszuweisen, stammte vom Verleger Bruno Cassirer, vgl. Cohen an Natorp, undatiert (nach dem 21.3.1902): Noch Eins: der Verleger der Logik wünscht einen Gesamttitel: System der Philosophie, I. Theil. Was meinen Sie dazu? Ist es nicht ein bißchen protzig? (Holzhey II, S. 277). Ihre l. Mama u. Schwester] vgl. Cohen an Cassirer vom 1.12.1901, 19.2. u. 4.6.1902. Umzug] Cohens Adresse lautete im WS 1902/03 u. noch SS 1903 Schwanallee 15, ab WS 1903/04 Universitätsstraße 62 (PersMarburg). Jetzt aber machen Ethik u. Recht noch viel Kopfbrechen] womöglich bereits in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Rudolf Stammler: Die Lehre vom richtigen Rechte. Berlin 1902, vgl. Cohen: Ethik des reinen Willens. Berlin 1904 (System der Philosophie. 2. Teil), S. 214: Es darf in keiner Weise zugestanden werden, was S t a m m l e r in seinem Buch vom Richtigen Recht unternimmt, das Recht richtig zu machen, ohne den Grund der Richtigkeit in der Ethik festzulegen und festzuhalten. Vgl. den Briefwechsel Stammler/Natorp u. Natorp/Görland vom 27.3.-26.5.1903 in Holzhey II, S. 311 – 320.
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13. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 31. Mai 1903 Hs. (M. Cohen), 4 S. M [ a r b u r g ] d. 31.5.03. Mein lieber Herr Doktor! Ich kann der Versuchung Sie wieder einmal durch einen Brief zu erschrecken nicht länger widerstehen, um doch endlich einmal wieder ein direktes Wort von Ihnen zu erbitten, obwohl das neuliche indirekte von Ihrer l. Schwester eine frohe Botschaft brachte. Und auch das war ja sehr erfreulich, daß Ihre Übersiedelung nach B e r l i n nunmehr beschlossen sei. Fürchten Sie nicht, daß ich wieder als Universitätsmakler bei Ihnen anklopfe, u. glauben Sie, vor allem nicht, daß ich wenigstens bei Ihnen das freie Recht der Entschließung über die Lebenswege nicht anzuerkennen vermöchte. Mißgönnen Sie mir nur nicht Ihnen ab u. zu mit meiner Theorie der Erfahrung langweilig zu werden. Heute aber, wie gesagt, nichts davon. Ich wäre jetzt auch kaum in der Verfassung dazu. Denn kein einziger christlicher Freund hat auch nur ein Wort über K i s c h i n e w zu mir gesagt. Innerhalb der Humanität ist das nicht. Es thut mir leid, es auszusprechen, aber die Aussprache stumpft den Groll ab. Herrn S t a u d i n g e r ’s Bannfluch, wie ich es nenne, werden Sie ja wohl gelesen haben. Mich hat er nicht 5 Minuten verstimmt. Das ist der ethische Kulturmensch, mit dieser Intelligenz u. dieser Toleranz. Dem Verleger wird ja wohl diese Besprechung nicht schaden, zumal sonst die Anzeigen ganz respectabel sind. Der Winter war in seinem 2ten Theile noch sehr anstrengend u. aufregend. Die Taufen fangen in indifferenten jüdisch[en] Kreisen an beängstigend zu wirken. Und mit Rücksicht auf meine Universitätsthätigkeit beschränke ich mich auf das gesprochene Wort, widerstehe aber dem Verlangen, es als Flugschrift in die Agitation werfen zu lassen. Ich schätze den Werth der Kathederthätigkeit u. des lebendigen Protestes durch dieselbe im Ganzen doch noch immer höher. Aber leicht wird es mir nicht, den Ausdruck meiner Klage selbst zu hemmen. – Mit Ihren Recensionen werden Sie doch wohl zufrieden sein; Sie vielleicht mehr als ich. Von Jonas Cohn in den Göttinger Anzeigen habe ich erst gestern Abend durch N a t o r p gehört, u. D r. L e d e r, der uns heute mit seiner Braut Besuch machte, sprach befriedigt davon. Ludwig S t e i n , den ich in B e r l i n in der Potsdamerstr., u. übrigens dann auch im C o r s o in R o m traf, habe ich einige Complimente für Herrn D i l t h e y aufgepackt. S t u m p f scheint in weiteren Kreisen als Intriguant sich bekannt zu machen. Dagegen wird es Sie freuen, daß G i d e o n ’s Promotion perfekt werden konnte, u. daß seine Dissertation 180 Seiten stark ist. D e P o r t u sprach ich in M a i l a n d eine kurze Zeit, er hat inzwischen sein Examen als p r o f e s s o r e der deutsch[en] Sprache gemacht u. ist als solcher in Va r e s e angestellt. Alles das werden Sie vielleicht schon wissen, u. auch, was ich jetzt berichten will. Da mir Herr F r ä n k e l , hoffentlich Ihnen auch schon durch D r. B u c h e n a u bekannt, von W i l d h a g e n unerfreulichen Bericht brachte, u. schnelle Intervention räthlich fand, ließ ich
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ihm die Übersetzung von C u s a anbieten, u. er ging darauf ein. Sie wissen, daß D ü r r durch L i c . S c h i e l e mir diese Herausgabe angeboten hat. Ich hätte es ja sonst lieber erst Ihrem Vetter angetragen, aber es gehört doch in die Bibliothek zu Ihrem Leibniz. Und da die Sache nunmehr nähergerückt ist, so will ich, wenn die Erlaubniß der Regierung zu Tr i e r noch eintrifft, Freitag u. Sonnabend in C u e s die Manuscripte durchstöbern. Wie schön wäre es, wenn Sie mir dort Beistand leisten könnten. Ich schreibe Ihnen das jetzt nur, weil ich weiß, daß es nicht angeht. Übrigens stecke ich in den Meditationen für den Anfang der Ethik. Es thut mir leid, daß es der Schwester noch nicht besser geht, aber entschieden besser scheint es doch bereits mit ihr zu stehen. Ich gratulire auch zu Ihrem Schwager. Und nun nehmen Sie von meiner Frau u. mir die herzlichsten Grüße zugleich für Ihre liebe Frau u. lassen Sie wirklich bald einmal wieder von sich hören. An Herrn D r. B u c h e n a u besten Gruß. Herr Dürr bietet dem Übersetzer 700 MarkA. Er rechnet auf 40 Bogen, einschließlich 3 – 4 Bogen meiner Einleitung. Ist das genug? Herzlich Ihr HCohenB Ihre Übersiedlung nach B e r l i n ] Cassirers zogen im Okt. 1903 von München nach Berlin, Hohenstaufenstr. 46 (John Michael Krois: Chronik des Lebens Ernst Cassirers, unveröffentlichtes Ms.; Toni Cassirer, S. 79). Theorie der Erfahrung] Anspielung auf Cohens Kants Theorie der Erfahrung, seit 1885 in 2. Aufl., 3. Aufl. 1918. kein einziger christlicher Freund hat auch nur ein Wort über K i s c h i n e w zu mir gesagt] gemeint sind die am 19. u. 20.4.1903, dem russisch-orthodoxen Osterfest (und letzten Tagen des Passahfestes) verübten Pogrome an der jüdischen Bevölkerung von Kischinew/Kischinau, heute Hauptstadt von Moldawien, bis 1917 zu Rußland gehörig. Die AZJ berichtete und kommentierte ab Nr. 18 vom 1.5.1903 ausführlich, besonders über die Haltung der USA. Auf den vorderen Mantelseiten der AZJ, Nr. 20 vom 15.5.1903 ist ein Hilferuf für Kischineff des Berliner Lokalkomitees der Allgemeinen israelitischen Allianz u. ein Aufruf für Kischineff des Hilfsvereins der deutschen Juden abgedruckt. Zu den Unterzeichnern des letzterwähnten Aufrufs gehört neben Eduard Cassirer, dem Vater Ernst Cassirers, auch Hermann Cohen. – Zu den christlichen Freunden Cohens zählten Martin Rade (vgl. Cohen an Cassirer vom 7.6.1902), Julius Wellhausen (vgl. Cohen an Cassirer vom 15.4.1902) u. Wilhelm Herrmann (1846–1922), 1879–1917 ordentlicher Professor für systematische Theologie in Marburg (WBIS). Herrn S t a u d i n g e r ’s Bannfluch] gemeint ist Franz Staudinger (1849–1921), nach Studienaufenthalten in Berlin, Marburg u. Gießen seit 1876 Gymnasialprofessor in Worms und ab 1899 in Darmstadt (WBIS), seit ca. 1879 mit Natorp befreundet (vgl. Natorp an Görland vom 18.2.1904 in Holzhey II, S. 322 sowie Holzhey I, S. 5 u. 26) und dessen Besprechung Cohens Logik der reinen Erkenntnis und die Logik der Wahrnehmung. In: Kant-Studien 8 (1903), S. 1–29. Diese Rezension schließt mit den Worten: Damit haben wir hoffentlich genugsam begründet, dass es nicht möglich, A B
Mark] Mrk. H C o h e n ] hs. von Cohen, als Unterschrift zusammengezogen
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selbst beim freundlichsten Willen nicht möglich ist, Cohens Bahnen zu folgen. Bei aller Verehrung, die Referent von alter Zeit her für den Mann hat, der ihm neben Kant selbst, neben Lange und Riehl, Führer in die Philosophie in jungen Tagen gewesen ist, ist es unmöglich zu verschweigen, dass diese Logik die Philosophie geradezu auf den Kopf zu stellen und wieder in jene Bahnen lenken zu sollen scheint, die seit Hegels Fall für überwunden galten. Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Hegels und Cohens Ableitung des Etwas aus dem Nichts können wir kaum entdecken. Der methodische Weg vom allgemeinsten und abstraktesten zum besonderen ist da wie dort zu finden. Die Selbstgewissheit des Begriffs und die Nichtunterscheidung seines psychischen Wesens und seiner logischen Bedeutung ist bei dem einen wie bei dem anderen zu rügen. […] Aber in einem weiss sich Referent doch nach wie vor eins mit Cohen, ausser in den angeführten früheren Gängen seiner Methodik, in dem Glauben an die Reinheit der Gesinnung, der Würde der Wahrheit. Wenn es den Meister, auch ebenso schmerzen sollte, des Schülers Kritik zu hören, wie es diesen schmerzt, dass er es glaubt, sie nicht verschweigen zu dürfen, so möge er es verzeihen. Wir m ü s s e n erklären: Die alten Bestandteile jener Methode Cohens, dadurch er den Geltungswert der apriorischen Konstruktionsstücke nachzuweisen suchte, werden zwar stets dankbare Anerkennung behalten; die weiteren und insbesondere die neueren Gedankengänge dagegen, die von der Idee aus begründen, müssen im Interesse der wissenschaftlichen Grundlegung der Philosophie auf das allerentschiedenste bekämpft werden. Eine aus Pietätsrücksichten eintretende Zurückhaltung wäre hier nicht am Platz und zeigte im Grunde auch wenig von Pietät. Denn die besteht doch im Weiterbau nach der gegebenen Anregung. – Zur Vorgeschichte der Rezension Staudingers und eines parallel für die Kant-Studien geplanten, ursprünglich von Cohen angeregten, schließlich jedoch nicht veröffentlichten Aufsatzes von Natorp über Cohens Logik der reinen Erkenntniss vgl. Natorp an Görland vom 22.6. u. 6.7.1902 sowie Staudinger an Natorp vom 14.7., 17.7., 23.8. u. 19.11.1902. In den beiden letztgenannten Briefen legt Staudinger Natorp ausführlich seine Schwierigkeiten mit Cohens Schrift und seine Einwände gegen sie dar (Holzhey II, S. 278 – 289, 292 – 294 u. S. 298, Brief Nr. 64 – 67 sowie Nr. 69 u. 71). Am 21.11.1902 berichtet Natorp an Görland über den durch Cohens Einspruch veranlaßten endgültigen Rückzug von einer Veröffentlichung seines Aufsatzes (Holzhey II, S. 299 – 303); und noch einmal an Görland vom 18.2.1904 (ebd., S. 321 – 324). Das ist der ethische Kulturmensch] Staudinger hatte 1892 zum Gründerkreis der von Georg von Gizycki angeregten Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur gehört, deren Hauptfiguren Wilhelm Foerster, Friedrich Jodl u. Ferdinand Tönnies waren. Hermann Cohen, der auch den Gründungsaufruf mitunterzeichnet hatte, war Mitglied des ersten Vorstands unter Vorsitz von Wilhelm Foerster u. Hugo von Gizycki (vgl. Heymann Steinthal an Gustav Glogau vom 29.11.1892 in Moritz Lazarus und Heymann Steinthal. Die Begründer der Völkerpsychologie in ihren Briefen Bd. II/1. Mit einer Einleitung hrsg. v. Indgrid Belke. Tübingen 1983, S. 337; Horst Groschopp: Dissidenten. Freidenkerei und Kultur in Deutschland. Berlin 1997, S. 131–133; Klaus Christian Köhnke: Der junge Simmel – in Theoriebeziehungen und sozialen Bewegungen. Frankfurt a. M. 1996, S. 284 –301). Zweck der Gesellschaft war laut Nr. 1 der Zeitschrift Ethische Kultur vom 1. 1.1893, S. 1: im Kreis ihrer Mitglieder und außerhalb desselben das Gemeinsame und Verbindende, unabhängig von allen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse sowie der religiösen und politischen Anschauungen, die Entwicklung ethischer Kultur zu pflegen. Unter ethischer Kultur als Ziel ihrer Bestrebungen versteht die Gesellschaft einen Zustand, in welchem Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, Menschlichkeit und gegenseitige Achtung walten – worauf Cohen mit seiner Anspielung gezielt haben dürfte. Staudinger war regelmäßiger Beiträger der Zeitschrift Ethische Kultur. Im 1. Jg. dieser Zeitschrift ist in Nr. 18 vom 29.4.1893, S. 1 – 2 auch ein Artikel Hermann Cohens über Friedrich Albert Lange erschienen.
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Dem Verleger wird ja wohl diese Besprechung nicht schaden] die Logik der reinen Erkenntniss erschien unter dem Reihentitel System der Philosophie. 1. Theil 1902 bei Bruno Cassirer in Berlin. Der mit Hermann Cohen freundschaftlich verbundene Gießener Privatdozent u. ab 1904 außerordentliche Philosophieprofessor Walter Kinkel (1871 – 1937) lieferte zwei apologetische Aufsätze mit Rezensionscharakter, die sich gegen den Vorwurf der systematischen Unfruchtbarkeit des Neukantianismus wendeten, vgl. Kinkel: Die Logik des Idealismus. In: Allgemeine Zeitung, Nr. 182 von 1902, Beilage, S. 285 – 287 sowie ders.: Der philosophische Idealismus. In: Politischanthropologische Revue. Monatsschrift für das soziale und geistige Leben der Völker 1 (1902/03), S. 888 – 892 (Heft 11, 1903). Cohen dankte Kinkel dafür am 5.11.1902, vgl. Holzhey II, S. 296 f. Lobende Rezensionen verfaßten außerdem Friedrich Jodl (vgl. Cohen an Cassirer vom 26.7.1902) sowie im Sept. 1903 noch der Gießener Universitätsbibliothekar Robert Arnold Fritzsche (1868–1939), vgl. Fritzsche: Die Logik der reinen Erkenntniß. In: Die Zukunft 44 (1903), Heft vom 5.9.1903, S. 405– 407. Jodl u. Fritzsche standen ebenfalls mit Cohen in freundschaftlicher Beziehung. Der Winter war in seinem 2ten Theile noch sehr anstrengend u. aufregend] ermittelt ist ein Vortrag Cohens vom 14.2.1903 in Frankfurt über die Bedeutung des Judentums für die Kultur, vgl. Cohen an Cassirer vom 9.2.1903. Mit Ihren Recensionen werden Sie doch wohl zufrieden sein … mehr als ich] vgl. die Kritik von Jonas Cohn an Cohen innerhalb der Rezension von Cassirers Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen in GgA 165 (1903), Nr. 5 vom Mai 1903, S. 396 f.: Niemandem kann es mehr als dem Referenten fern liegen, Leibnizens Größe antasten zu wollen. Es war eine Leistung ersten Ranges, den Ontologismus unter Kenntnis aller entgegenstehenden Schwierigkeiten consequent auszubauen und dadurch – seine Katastrophe und die Erneuerung der Philosophie direct vorzubereiten. Diese Katastrophe selbst aber vernichtete nach der Ueberzeugung des Referenten sehr vieles, was nach der Ansicht Cassirers noch heute zu Recht besteht. Kants Kritik war nicht nur für die Metaphysik sondern auch für den reinen Rationalismus tötlich [!]. Dieser systematische Gegensatz liegt dem Gegensatz der historischen Auffassung zu Grunde. Cassirer und Cohen stehen mit Leibniz in methodologischer Hinsicht auf demselben Boden. Es war gewiss für viele eine Ueberraschung, als der scheinbar treueste unter den Neu-Kantianern, als Hermann Cohen in seiner »Logik« die Anschauungsnatur von Raum und Zeit verwarf und damit den ersten großen Schritt, durch den Kant sich in der Inauguraldissertation von 1770 vom Rationalismus getrennt hatte, zurückthat. Cassirer folgt hierin, scheint es, ganz seinem Lehrer. Besonders bezeichnend dafür sind seine Ausführungen bei Gelegenheit der Analysis der Lage (vgl. bes. S. 161. u. 163). Es zeigt sich in diesen Ausführungen auch deutlich, daß die vollständige Aufnahme einer Bestimmung in den Begriff für Cassirer (wie für Leibniz und Cohen) mit ihrer Rationalisierung identisch ist. Aber dadurch, daß man die Eigenschaften des Raums begrifflich aufnimmt, leitet man sie noch nicht aus dem reinen Denken ab. Die Doppeldeutigkeit des Wortes »Begriff«, das zugleich den Einzelbegriff und die begriffsbildende Funktion (Kategorie) vertritt, rächt sich auch hier. Von Jonas Cohn in den Göttinger Anzeigen habe ich … gehört] vgl. die sehr eingehende Rezension von Jonas Cohn über Cassirers Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen in GgA 165 (1903), Nr. 5 vom Mai 1903, S. 377 – 398. Vgl. Cassirers ausgesprochen freundschaftlichen Dankesbrief an Jonas Cohn vom 13.6.1903, in dem Cassirer sich für die Zusendung der Rezension bedankt und sich eingehend mit den Kritikpunkten Cohns auseinandersetzt (ECN 18, S. 8 f.). D r. L e d e r ] gemeint ist vermutlich Hermann Leder (1875 –1915), am 27.8.1901 in Marburg mit Untersuchungen über Augustins Erkenntnistheorie in ihren Beziehungen zur antiken Skepsis, zu Plotin und zu Descartes promoviert, von 1902 – 1905 Bibliotheksvolontär an der Universitätsbibliothek Göttingen und seit 1905 Bibliothekar
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(Assistent) an der Universitätsbibliothek Marburg (Personalverzeichnisse der Universitäten Göttingen u. Marburg; WBIS; Holzhey II, S. 265 f.). Ludwig S t e i n , den ich in B e r l i n in der Potsdamerstr., u. übrigens dann auch im C o r s o in R o m traf] am 20.3.1903 hatte Cohen Natorp mitgeteilt, daß er sich zum Kongreß in Rom angemeldet habe (Holzhey II, S. 310). Gemeint ist der Congresso internazionale di Scienze storiche in Rom vom 1.-9.4.1903. Den Vorsitz über die Sektion Storia di filisofia – Storia delle religioni hatte Ludwig Stein (1859 – 1930), seit 1891 Professor der Philosophie an der Universität Bern inne (Atti del Congresso internazionale di Scienze storiche (Roma, 1–9 April 1903). Vol. XVI. Atti della Sezione VII. Storia di filisofia – Storia delle religioni. Rom 1904; WBIS). Complimente für Herrn D i l t h e y … S t u m p f ] diese Bemerkungen stehen im Zusammenhang mit Cassirers Berliner Habilitationsplänen seit 1901, vgl. Cohen an Cassirer vom 4.12.1901 u. 7.6.1902. G i d e o n ’s Promotion … seine Dissertation 180 Seiten stark] zu Abram Gideon vgl. Cohen an Cassirer vom 2.12.1901 sowie Natorp an Görland vom 27.3.1903: Gideon hat endlich das Mskr. seiner Dissert[ation] zum Druck hergeschickt, es fehlt allerdings immer noch ein Stück. Die Arbeit ist schließlich ganz annehmbar geworden, nur verstehe einer wie jemand daran s o lange drücken kann! I c h habe nun wieder das Vergnügen für ihn Korrektur und alles zu besorgen, da zu Sendung nach Amerika u. retour die Zeit nicht langt, denn 9. Mai ist der denkbar äußerste Termin der Ablieferung an die Fakultät (Holzhey II, S. 312). Gideons Promotionsverfahren wurde am 9.5.1903 abgeschlossen (Sieg, S. 485). D e P o r t u sprach ich in M a i l a n d ] vgl. Cohen an Cassirer vom 26.7.1902. Noch am 15.2.1911 schreibt Cassirer an Natorp: die Briefe an de Portu treffen ihn, […] wenn man sie nach Va r e s e adressiert (Biumo inferiore, Via Garibaldi 10) (DVD zu ECN 18). Über Enrico de Portus (geb. 1876; vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1901) weiteren Werdegang konnte lediglich ermittelt werden, daß er im Akademischen Jahr 1907/08 Professore straordinario für deutsche Sprache am Regio Istituto Superiore di Scienze Economiche e Commerciali in Rom war. Dieses Königliche Institut wurde am 27.10.1935 der Universität Rom La Sapienza als Facoltà di Economia e Commercio eingegliedert, dort war de Portu Professore ordinario fuori ruolo für deutsche Sprache (belegt für das Akademische Jahr 1940/41); sein letztes Wirkungsjahr war 1951 (vgl. Raimondo Cagiano de Azevedo (Hrsg.): La Facoltà di Economia. Cento anni di storia. 1906 – 2006. Soveria Mannelli 2006 (Università degli Studi di Roma „La Sapienza“), S. 57, 68 – 70, 243, 272 u. S. 274). Herr F r ä n k e l … D r. B u c h e n a u ] Fritz Fränkel, aus Warmbrunn (Schlesien) stammend, studierte von WS 1902/03 bis WS 1905/06 in Marburg Philosophie (PersMarburg), Näheres zur Person nicht ermittelt. – Artur Buchenau (1879– 1946) hatte in Bonn u. Marburg neuere Sprachen u. Philosophie studiert u. im Februar 1901 in Marburg bei dem Romanisten Eduard Koschwitz mit einer Arbeit Zum Versbau Mistrals promoviert. Später arbeitete Buchenau im Schuldienst u. als Übersetzer, z. B. von Leibniz u. Descartes (WBIS; Holzhey II, S. 324). von W i l d h a g e n unerfreulichen Bericht] der in Moskau geborene Kurt Wildhagen (1871 –1949) studierte von WS 1895 bis einschließlich WS 1899/1900 gemeinsam mit Cassirer in Marburg bei Cohen u. Natorp (PersMarburg). Wildhagen brach sein Studium ab und ging nach Heidelberg. Ein geplantes Promotionsvorhaben in Marburg realisierte Wildhagen nicht, 1911 sollte er an der für 1912 geplanten Cohen-Festschrift mitwirken, aber auch dort ist kein Beitrag von ihm erschienen. Wildhagen führte ein Leben als Gelegenheitsjournalist und Mentor einzelner Studenten der Philosophie. Gemeinsam mit Otto Buek trat Wildhagen ab 1911 als Übersetzer und Herausgeber der Werke Iwan Turgenjews im Verlag Georg Müller, München u. Leipzig, später bei Ullstein hervor (Roland Krischke: Kurt Wildhagen. Ein Lebensbild. In: Kurt Wildhagen 1871–1949. Ein Buch zur Ausstellung in der Stadtgeschichtlichen Abteilung des
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Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg vom 5.11.1997 bis 18.1.1998. Hrsg. v. Roland Krischke u. Frieder Hepp. Heidelberg 1997, S. 18–48; vgl. ebd. den Erinnerungsbericht Johannes Theodorakopoulos: Kurt Wildhagen. Der Philosoph aus dem Café Krall, S. 90–122; Nina Dmitrieva: Russkoje neokantianstvo: „Marburg“ v Rossii. Istoriko-filosofskije očerki. Serija: Humanitas. Izdatelstvo Rossijskaja političeskaja enziklopedija. Moskva 2007 [Der russische Neukantianismus. „Marburg“ in Rußland. Historisch-philosophische Skizzen. Moskau 2007], S. 159 u. S. 285). Cohen schrieb noch am 9.9.1905 an Natorp über Wildhagen: Sehr erfreulich war mir Ihr Bericht über Wildhagen. Ich will nun auch versuchen, in Heidelberg mich aufzuhalten, um ihn zu sprechen. […] Wenn er, wie es scheint, an Cusa sich wirklich eingebissen hat, so wird er davon nicht wieder abkommen. Und vielleicht wird seine Energie angestachelt (Holzhey II, S. 342. Am 17.9.1905 berichtet Cohen an Natorp, er werde am nächsten Tag über Karlsruhe nach Heidelberg fahren, um Wildhagen zu sprechen, vgl. Holzhey II, S. 344). – Zu der von Cohen bei der Dürr’schen Buchhandlung in Leipzig geplanten deutschen Cusanus-Ausgabe kam es nicht. daß D ü r r durch L i c . S c h i e l e mir diese Herausgabe angeboten hat] 1911 erschien der letzte Prospekt der Philosophischen Bibliothek der Dürr’schen Buchhandlung Leipzig (Inhaber 1903: Alphons Emil Friedrich Dürr (1855–1912) u. Johannes Friedrich Dürr (1867 – 1910)), kurz bevor die PhB im April 1911 an den Felix Meiner Verlag in Leipzig verkauft wurde. Dieser Prospekt enthielt die Ankündigung einer zweibändigen Ausgabe der Werke Nikolaus von Kues’ in deutscher Übersetzung mit Cohen als Herausgeber. Es konnte kein Exemplar dieses Prospektes ermittelt werden (vgl. Rainer A. Bast: Die Philosophische Bibliothek. Geschichte und Bibliographie einer philosophischen Textreihe seit 1868. Hamburg 1991, S. 162 f.; Würffel, S. 195). Im späteren Sonderprospekt des Meiner-Verlags zum 1. Heft der deutschen Übersetzung der Schriften von Nikolaus von Kues (hrsg. v. Ernst Hoffmann) heißt es auf Bl. 1r über die Geschichte der Ausgabe: Länger als 25 Jahre stand der Plan einer deutschen Übersetzung der Schriften des Nikolaus von Cues auf dem Programm der „Philosophischen Bibliothek“; schon der Vorgänger des jetzigen Verlegers [Felix Meiner] hatte eine Auswahl in 2 Bänden unter der Leitung eines der bekanntesten der damaligen Philosophen [Hermann Cohen] als „demnächst erscheinend“ ankündigen zu können geglaubt. Die Verwirklichung mußte vertagt werden, da erst eine sichere Textgrundlage zu schaffen war (Sonderprospekt des Verlags Felix Meiner: Eine deutsche Übersetzung/der Schriften des/Nikolaus von Cues. Hamburg o. J. [vor November 1936, dem im selben Prospekt auf Bl. 2v avisierten Erscheinungstermin von Gerhard Kallen: Nikolaus von Cues als politischer Erzieher]. 2 Bl., 4 bedruckte S., 10v15 cm. Universitätsbibliothek Leipzig, Sondersammlungen, Bestand NL 319: Archiv des Felix Meiner Verlags. NL 319/1/122/3. Prospektarchiv 1911 – 1951 I. Prospekte 1911 – 1951 I/3). – Der protestantische Theologe (Lic.: Licenteat) Friedrich Michael Schiele (1867 – 1913), WBIS, leitete u. a. für die Dürr’sche Buchhandlung in Leipzig die Umgestaltung der Philosophischen Bibliothek, die der Verlag 1901 übernommen hatte (HCW 4, S. XV). Schiele war außerdem von 1901–1906 an der Marburger Universitätsbibliothek tätig und gab später das Protokoll der Verhandlungen des Fünften Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt, Berlin 5.-10. August 1910 mit heraus, worin auch Cohens Vortrag über Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt vom 10.8.1910 enthalten ist (vgl. Cohen an Cassirer vom 24.8.1910). Ihrem Vetter] der Verleger Bruno Cassirer. in die Bibliothek zu Ihrem Leibniz] vgl. Cohen an Cassirer vom 6.6.1902. Freitag u. Sonnabend in C u e s die Manuscripte durchstöbern] der 31.5.1903 fiel auf einen Sonntag, so daß für Freitag u. Sonnabend der 5. u. 6.6.1903 in Frage kommt. Das St. Nikolaus-Hospital in Kues an der Mosel, eine Stiftung des Nikolaus von
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Kues, ist seit dessen Tod 1464 im Besitz eines großen Teils von dessen überwiegend in Handschriften bestehenden Privatbibliothek. Anfang der Ethik] Cohen arbeitete im Sommer 1903 an seiner Ethik des reinen Willens, die im Okt. 1904 erschien (gemeldet in Börsenblatt, Nr. 246 vom 21.10.1904). Vgl. Natorp an Görland vom 6.7.1903 (Holzhey II, S. 320). daß es der Schwester noch nicht besser geht] vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2. u. 4.6.1902 sowie vom 30.4.1904. Die zeitliche und sachliche Nähe weist auf Hedwig. Ich gratulire auch zu Ihrem Schwager] Richard Cassirer (1868–1925), Cousin Cassirers u. Ehemann von Cassirers Schwester Hedwig. 40 Bogen, einschließlich 3 – 4 Bogen meiner Einleitung] ein Druckbogen entspricht 16 S., 40 Bg. somit 640 S.
14. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 30. April 1904 Hs. (M. Cohen), 6 S. M a r b u r g , d. 30.4.04. Mein lieber Herr Doktor! Bei dem schmerzlichen Verluste, den Sie nun doch erleiden mußten, sei Ihnen mein herzliches Freundeswort zugerufen. Die Größe der Familie, über die wir oft gescherzt haben, ist doch etwas Imponirendes, eine Art von Vollkommenheit, wie H e r b a r t sagen würde. Da ist es denn begreiflich, daß die Stammhalter dieser Macht mit einer wirklichen Würde umgeben werden. Und wenn nun gar so viel Freundlichkeit einem Manne aus den Augen blickt, wie dies bei Ihrem sel[igen] Onkel der Fall war, so kann ich mir wohl vorstellen, daß Sie diesen Onkel, den Vater Ihres Schwagers sehr geliebt haben. Es ist gut, daß Sie durch die lange Krankheit auf diesen Verlust vorbereitet waren. Und jetzt haben Sie mehr daran zu denken, wie Sie Ihren Vater trösten. Der Segen u. die Sorge u. der Kummer der Familie in dem bei Ihnen üblichen erweiterten Sinne – meine Frau sagt dazwischen, daß ich etwas predige. Aber ich glaube nun einmal an den innern Zusammenhang Ihrer großen Familie, vielleicht weil ich einen solchen in meiner eigenen Familie immer vermißt habe, u. weil ich diesen Ihren Familiensinn als eine idealistische Specialität in meinem Sinne deute. – Nun aber will ich von mir selbst berichten, daß ich wohlgethan haben würde, wenn ich Ihren Rath befolgt hätte. Meine diesmalige Romreise war nahezu verfehlt, da Schwindelanwandlungen u. Beklemmungen mich nicht zu einem frohen Genuß des Daseins kommen ließen, zumal da statt des südlichen Frühlings Julihitze mit S c i r o c c o dort waren. Wir trafen auch Frl. C o n r a d aus W i e n dort, die mit ihrer Tante Frau F e r d i n a n d C o h n dort war. Letzterer gab ich, da ich von meinem 60. Geburtstag her noch in ihrer Schuld bin, die K a n t rede, u. darauf schrieb sie mir, daß sie in M ü n c h e n bei dem Besuche von G e r t r u d P a s c h erfahren hätte, daß H o r s t sie dort in der P e n s i o n vorgelesen habe. Die große, kleine Welt! Übrigens hat K a r l c h e n Vo r l ä n d e r in C h a m b e rl a i n s Auftrage mir mitgetheilt, daß er Hochachtung u. Verehrung für mich
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habe. Ich möchte ihm darauf mit H e i n e antworten, mein Liebchen. Daß ich die neuere Geschichte wieder im A u d i t [ o r i u m ] m a x i m u m lese, werden Sie schon wissen. Die Arbeit von H o r s t ist übrigens recht gut, nur schade, daß sie in der Disposition so mißgestaltet ist, oder so ungeschlacht –. D e P o r t u habe ich nun doch auf der Rückreise gesprochen. Die Dissertation habe er Ihnen nicht geschickt, weil er Ihnen das Buch schicken wollte. Er sprach von wirklicher Arbeit, in der er begriffen sei, u. von Plänen, z. B. über die Physik des Aristoteles, ich rieth ihm einen systematischen Aufsatz über das Verhältniß der Logik zur Mathematik, zum Ausgleich der Differenz zwischen N a t o r p u. mir. Frau N a t [ o r p ] sagt aber, daß die Geschichte mit dem Frauenzimmer nicht aus sein soll. Sie verfolge ihn. Das ist ein Verhängniß, da er sie gar nicht lieb haben soll. Es ist eine innere Schwäche in ihm, die auch geistig sich in einem Mangel an Beständigkeit ausprägt. Bei Verhältniß fällt mir meine Correctursünde ein. Unglaublicherweise habe ich, vielleicht unter dem römisch[en] Schwindel Ihre Bemerkung übersehen, daß Verhältniß mit ssA geschrieben werden soll. Nun ist es in den ersten 4 Bogen mit einem s trotzdem soll es fortan mit 2 sB gedruckt werden. Den Affect dagegen müssen wir wohl preißgeben. Ich kann mich in den Wiedersprüchen nicht zurechtfinden, u. muß Sie bitten dabei als mein Vormund zu fungiren. Wenn Sie hie u. da auch über die Sache ein kurzes Wörtlein einfließen lassen möchten, so wäre ich Ihnen sehr dankbar. Es kommt doch immer manches Brenzliche vor. Hat Ihre l. Frau, die wir herzlich grüßen die Karte mit den D o n a t e l l o - Knaben erhalten? Was hören Sie von der Schwester? In H e i d e l b e r g haben wir M [ a x ] L e w a n d [ o w s k y ] besucht u. auch W i l d h a g e n gesprochen, der ganz froh bei der C u s a - Arbeit ist, so daß wir vielleicht wirklich ernstlich anfangen. Mit herzlichen Grüßen von uns an Sie u. Frau u. Kind, mit herzlichem Danke Ihr H. CohenC diesen Onkel, den Vater Ihres Schwagers] gemeint ist Louis Cassirer (1.4.1839 – 27.4.1904), Bruder von Cassirers Vater Eduard u. Vater von Richard Cassirer (vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903). eine Art von Vollkommenheit, wie H e r b a r t sagen würde] Begriff der praktischen Philosophie Johann Friedrich Herbarts: Vollkommen, n a c h s e i n e m e i g e n e n M a a s s , ist der Mensch, dessen einzelne Strebungen einander gleichkommen; überdies, zusammen genommen, die Sphären der Begriffe ausfüllen, auf die sie hinweisen, (den Erwartungen genügen, die sie erregen;) und endlich, zusammen wirkend, den grössten Effect hervorbringen, der durch sie möglich ist (Johann Friedrich Herbart: Schriften zur praktischen Philosophie. 1. Theil. Hrsg. v. G. Hartenstein. Leipzig 1851 (Sämmtliche Werke Bd. 8), S. 1 – 212, hier S. 38 f.). Fräulein Conrad aus Wien] nicht ermittelt.
A
ss] im Ms. hervorgehoben mit einem s trotzdem soll es fortan mit 2 s] s im Ms. jeweils hervorgehoben C H . C o h e n ] Unterschrift nicht eigenhändig B
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Frau F e r d i n a n d C o h n ] Pauline Cohn († 1907), geb. Reichenbach, die Witwe des Botanikers und Begründers der Bakteriologie Ferdinand Julius Cohn (1828– 1898); WBIS; Jakob Guttmann: Gedächtnisrede an der Bahre der Frau Pauline Cohn, verwitweten Frau Geheimrat Ferdinand Cohn in Breslau, 1907. Nähere Beziehung zu Cohen nicht ermittelt. die K a n t r ede] Cohen: Rede bei der Gedenkfeier der Universität Marburg zur hundertsten Wiederkehr des Todestages von Immanuel Kant gehalten am 14. Februar 1904. Marburg 1904 (Marburger akademische Reden Nr. 10), Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 53 vom 5.3.1904. G e r t r u d P a s c h ] 1882–1929, Tochter des Gießener Mathematikers Moritz Pasch (1843 – 1930); NDB. H o r s t ] Carl Horst (1874 – 1934), Kunsthistoriker (1911 Privatdozent in Marburg, 1921 dort außerordentlicher Professor), promovierte nach einem Studium in München, Berlin u. Marburg 1904 in Marburg in den Fächern Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik mit der Arbeit Vorstudien zu einer Neuuntersuchung von Plotins Ästhetik I (angenommen am 8.5.1904, gedruckt Marburg 1905), vollständig erschienen als Plotins Ästhetik. Vorstudien zu einer Neuuntersuchung I. Gotha 1905 (WBIS; Sieg, S. 485; Holzhey II, S. 327). K a r l c h e n Vo r l ä n d e r in C h a m b e r l a i n s Auftrage] Karl Vorländer (1860 – 1928), Schüler Cohens und Natorps (BEdPh; WBIS) u. Houston Stewart Chamberlain (1855 – 1927); Näheres nicht ermittelt. mit H e i n e antworten, mein Liebchen] Mein Liebchen, was willst Du mehr? Geflügeltes Wort nach dem Kehrreim von Heinrich Heines Gedicht Du hast Diamanten und Perlen, vgl. Geflügelte Worte, S. 292. Zu Cohens Meinung über Chamberlain vgl. Cohen an Cassirer vom 19.2.1902 u. 29.5.1906. die neuere Geschichte wieder im A u d i t o r i u m m a x i m u m lese] im Auditoriengebäude (Alte Universität), vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1901. Cohen hatte für das SS 1904 angekündigt: Geschichte der neueren Philosophie, 4mal 5 Uhr [montags, dienstags, donnertags u. freitags]. – Philosophische Uebungen über Descartes, Montags 6 bis 8 Uhr, privatissime und gratis. Universitätsstrasse 62. Für die vierstündige Vorlesung (montags, dienstags, donnerstags und freitags) ist kein Ort angegeben. Vgl. VV Marburg 1904, S. 35. D e P o r t u … weil er Ihnen das Buch schicken wollte] zu Enrico de Portu vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1901 u. 31.5.1903. Arbeit, in der er begriffen sei, u. von Plänen, z. B. über die Physik des Aristoteles] Näheres nicht ermittelt, die Arbeitspläne de Portus scheinen nicht verwirklicht worden zu sein. Frau N a t o r p sagt aber, daß die Geschichte mit dem Frauenzimmer nicht aus sein soll] Helene Natorp (1861–1942). Zu den Schwierigkeiten de Portus ist nichts Näheres ermittelt. Eine womöglich damit zusammenhängende Andeutung findet sich bereits in einem Brief von Cassirer an Natorp vom 5.1.1902: Nur ein Wort noch über de Portu, dessen Angelegenheit, von der ich durch Ihren Brief an Prof. Cohen erfuhr, mich ernsthaft beunruhigt. Sobald ich irgend Zeit finde, schreibe ich an ihn selbst. Ich bin nach allem, was ich von ihm als Menschen weiß und nach Manchem, was ich früher auch über die jetzige unglückselige Geschichte mit ihm besprochen habe, überzeugt, daß ihn keine eigentliche Schuld trifft, – wenn man ihm nicht seine naive Arglosigkeit vorwerfen will, die aber doch mit zu den sympathischsten und liebsten Zügen seines Wesens gehört (ECN 18, S. 6). daß Verhältniß mit ss geschrieben werden soll … Den Affect dagegen müssen wir wohl preißgeben] gemeint ist die Drucklegung der Ethik des reinen Willens, Berlin 1904 (Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 264 vom 21.10.1904). Die Schreibung ist in Bg. 1 – 4 (S. 1 – 64) Verhältnis (zuerst auf S. 9, zuletzt auf S. 62), in den übrigen 36 Bg. aber Verhältniss (zuerst auf S. 75). Andere Worte mit auslautendem ss (darin
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einer 1904 bereits veralteten Orthographie folgend) sind nicht betroffen, so heißt es z. B. durchweg Erkenntniss. Die Schreibung Affect kommt nicht vor, das Wort lautet im gesamten Druck Affekt, zuerst auf S. 18 im 2. Bg. Karte mit den D o n a t e l l o - Knaben] nicht überliefert. Was hören Sie von der Schwester?] Hedwig, s. o. M a x L e w a n d o w s k y besucht] der spätere Neurologe Max Lewandowsky (1876–1918), Sohn von Cohens 1900 verstorbenem Jugendfreund Hermann Lewandowsky (dieser ein Cousin von Martha Cohen), absolvierte 1904 einen Teil seiner Ausbildung an der Universität Heidelberg (Holzhey II, S. 270; Bernd Holdorff: Max Lewandowsky (1876–1918). In: Nervenärzte 2. 21 Biographien und ein psychiatrieliteraturhistorischer Essay. Hrsg. v. Hanns Hippius, Bernd Holdorff u. Hans Schliack. Stuttgart 2006, S. 145 – 155; WBIS). W i l d h a g e n …, der ganz froh bei der C u s a - Arbeit ist] vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903 u. 30.4.1904. Frau u. Kind] Toni mit Heinrich Walter Cassirer (geb. 9.8.1903 in Starnberg).
15. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 3. Mai 1904 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 3.5.04. Mein lieber Herr Doktor! Als ich von Ihrem Schwiegervater Sonntag gegen Abend die traurige Depesche empfing, da dachte ich ernstlich daran sogleich abzureisen, um an der Trauerfeier in persönlicher Anwesenheit theilzunehmen, u. auch um nach Ihnen zu sehen, der Sie den ersten großen Schmerz des Lebens jetzt ertragen müssen. Das Schicksal, so weit Sie Selbst es Sich gestaltet haben, hat gut für Sie gesorgt. In dieser Dankbarkeit werden Sie den schweren Schlag auf Sich nehmen. Sie müssen für Weib u. Kind tapfer bleiben für Ihre liebe Frau, die an Ihrem Schmerze den natürlichsten Antheil nimmt. Und die Liebe, welche Sie Ihrer Mutter bewahren, wird für alle Ihre Geschwister ein Schatz u. ein Anker werden. Und auch Ihrem lieben Vater werden Sie Viel zu ersetzen haben u. vermögen. – Mir selbst wird das Bild Ihrer lieben Mutter eine unvergängliche Freude bilden. Trotzdem die äußeren Abzeichen der altjüdischen Frömmigkeit in Ihrem elterlichen Hause zurückgetreten waren, so hat Ihre selige Mutter doch die ganze Innerlichkeit dieses Familienwesens dargestellt. Die zärtliche Liebe u. die fast ehrerbietige Achtung, die sich auch den eigenen Kindern gegenüber mit der Liebe verband. Die dankbare Freudigkeit, die aber niemals in eiteln Stolz ausstrahlte. Die Liebe zur melodischen Musik war der Ausdruck ihrer Persönlichkeit, aus deren Augen klares reines Gefühl sprach, während sie sonst die Aussprache des Gefühls in seiner Discretion beherrschte. So wird uns nun auch diese herzliche Freundlichkeit nicht mehr empfangen, wenn wir wieder nach B e r l i n kommen. Und doch scheint es mich hinzutreiben, um Ihnen von Herzen die Hand zu drücken. Bleiben Sie aufrecht, u. denken Sie auch ein
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wenig an unsere Wissenschaft. – Mit innigen Grüßen an Sie u. Ihre liebe Frau, von ganzem Herzen der Ihrige HCohenA
Mein lieber Herr Doktor! Tiefergriffen lassen Sie mich Ihnen u. Ihrer lieben Frau meine innige Theilnahme aussprechen. Mögen Sie Trost finden in ihrem zärtlichen Mitgefühl u. dem Anblick Ihres lieben Kindes! Zugleich in dem Bewußtsein wie Sie der Stolz u. das Glück der theuren Mutter waren die Freude ihres Lebens. – In inniger Wehmuth drücke ich Ihnen Beiden die Hand Ihre M. Cohen von Ihrem Schwiegervater] Otto Bondy (1844 – 1928). Ihre selige Mutter] Jenny (Eugenie) Cassirer starb am 29.4.1904. Ihres lieben Kindes] gemeint ist Heinrich Walter Cassirer, vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1904.
16. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 18. Mai 1904 Ts., mit einem hs. Nachtrag (M. Cohen), 1 S. Marburg, d. 18.5.04. Mein lieber Herr Doctor! Haben Sie herzlichen Dank, dass Sie in Ihrem eigenen Kummer an meine Gesundheit denken. Ich habe mich, wie ich Ihnen schon geschrieben haben werde, diesmal in Rom nicht so energisch erholt wie früher. Indessen hat die Ruhe & Lässigkeit, die ich mir jetzt gestatte mir schon wohlgethan, freilich bin ich noch nicht von aller Nervosität ganz frei. Es wird daher mir hoffentlich gut thun, dass wir zu einer Pfingstreise uns entschlossen haben, mit Frau Burg & ihrem Sohne zusammen. Zunächst nach Cöln zum Musikfest, das 3 Tage dauert, dann aber wollen wir nach Brüssel, wo ich übrigens auch nach einem Codex Cusa’s zu sehen habe, & nach Gent, Brügge & Ostende. Sie sehen es soll Natur & Kunst verbunden werden. In Cöln werden wir Hotel du Nord wohnen, bis Mittwoch Vormittag. Die späteren Adressen schicke ich Ihnen. Uebrigens ruht der Satz einmal wieder. Was aber werden Sie jetzt thun? Irre ich mich, oder ist wirklich der 1. Juni der Tag der silbernen Hochzeit Ihrer Schwiegereltern? Ich A
von ganzem Herzen der Ihrige/H C o h e n ] hs. von Cohen, H C o h e n als Unterschrift zusammengezogen
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kann die Notiz im Augenblick nicht finden. Werden Sie zu dem Tage hingehen, & kann sich vielleicht Ihr lieber Papa auch dazu entschliessen? Vielleicht wäre es ein Mittel, durch die Theilnahme an einem Erinnerungstage der Schwester von dem eigenen schweren Leid ihn abzulenken. Sie haben Recht, l. Frau Doctor, es sind strenge Aufgaben über Ihre glückselige Jugend hereingebrochen, aber mit Ihrem Ernste & Ihrer Wahrhaftigkeit wird es Ihnen gelingen. – Im Colleg & Seminar geht es wirklich sehr gut, so dass ich beinah auch persönlich mich darüber freuen sollte. Es ist bedauerlich, dass Ihr Vetter zurückgehalten worden ist, hoffentlich kann er nach Pfingsten mit frischen Kräften wiederkommen. – Die Universität wächst. Jetzt schon 1500, das philosophische Studium blüht, ich habe 150. Da kommt mir wieder der Gedanke, ob ich Ihnen nicht zureden sollte, einfach hierher zu kommen. Sie würden schön hier wohnen können, der Sommer ist nirgends schöner. Doch genug mit dieser Andeutung. Schreiben Sie mir bitte, wenn auch nur kurz, wie es Ihnen & Ihrem l. Kinde geht, & ob der 1. Juni richtig ist. Wir sind Sonnabend Mittag in Cöln. Herzliche Grüsse von uns Beiden Ihr H. C.A Heut Nachmittag macht H o r s t r i g o r o s u m . B in ihrem eigenen Kummer] vgl. Cohen an Cassirer vom 3.5.1904. wie ich Ihnen schon geschrieben haben werde] siehe Cohen an Cassirer vom 30.4.1904. mit Frau Burg & ihrem Sohne] vgl. Hermann Cohen: Briefe. Ausgewählt u. hrsg. v. Bertha u. Bruno Strauß. Berlin 1939, S. 7 u. 53: Mathilde Burg, geb. Herzfeld aus Nordhausen, nahm 1871–72 an dem Unterricht (Geschichte, Literatur und Kunstgeschichte) teil, den der junge Privatgelehrte Hermann Cohen ihrer eben aus der Schule entlassenen Tochter Johanna gab. Cohen besuchte Mathilde Burg, die in Straßburg lebte, häufiger (Holzhey II, S. 242). Der Sohn, der mit seiner Familie in Hamburg lebte, ist nicht ermittelt (vgl. Görland an Natorp vom 5.12.1904 in Holzhey II, S. 334). Pfingstreise … nach Cöln zum Musikfest] das 81. Niederrheinische Musikfest fand vom 22.-24.5.1904 (Pfingsten) in Köln statt. Vgl. die Ankündigung in Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft 5 (1904), S. 330 (Heft 8, ausgegeben Ende April 1904; Bericht auf S. 456 f. in Heft 11, ausgegeben Ende Juli 1904). nach Brüssel, wo ich übrigens auch nach einem Codex Cusa’s zu sehen habe] wohl im Zusammenhang mit der geplanten deutschen Cusanus-Ausgabe bei Dürr in Leipzig, vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903. Eine Reihe von Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus von Kues, von dessen Bibliothek der größte Teil im St. Nikolaus-Hospital in Kues aufbewahrt wird, gelangte in die Bibliothéque royale de Belgique. Unter diesen Handschriften befinden sich auch die Abschriften zweier Werke von Nikolaus von Kues: De mathematicis complementis u. De theologicis complementis. Codex Bruxelles 11479–84, fol. 59r-78v; vgl. J. Van den Gheyn: Catalogue des Manuscripts de la Bibliothèque Royale de Belgique Bd. 4. Jurisprudence et Philosophie. Brüssel 1904, S. 55 f.
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H. C.] Unterschrift nicht eigenhändig Heut Nachmittag macht H o r s t r i g o r o s u m . ] Nachtrag von M. Cohens Hd.
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Uebrigens ruht der Satz einmal wieder] der Satz der Ethik des reinen Willens, die erst im Okt. 1904 erschien (vgl. die Meldung im Börsenblatt, Nr. 246 vom 21.10.1904), obwohl im Mai 1904 der Druck bereits weit fortgeschritten war, wie Natorp am 26.5.1904 Görland mitteilte (Holzhey II, S. 325). Vgl. die ganzseitige Anzeige des Bruno Cassirer Verlags nach S. 31 von Cohens Rede bei der Gedenkfeier der Universität Marburg zur hundertsten Wiederkehr des Todestages von Immanuel Kant gehalten am 14. Februar 1904, erschienen am 5.3.1904 (vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1904), wo die Ethik des reinen Willens als unter der Presse befindlich aufgeführt ist. Noch genauere Auskunft über das Erscheinungsdatum gibt eine Anmerkung, die einen Vorabdruck einiger Passagen aus dem 2. Bd. der Ethik des reinen Willens unter dem Titel Tapferkeit. In: Die Zukunft 49 (1904), Heft vom 8.10.1904, S. 46 – 53 begleitet: Unter dem Titel „Ethik des reinen Willens“ erscheint in der zweiten Oktoberdekade bei Bruno Cassirer der zweite Band des von dem Marburger Philosophieprofessor Hermann Cohen erdachten „Systems der Philosophie“. Der erste Band, die „Logik der reinen Erkenntnis“, ist hier besprochen worden [von Robert Arnold Fritzsche, vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903]; aus dem zweiten werden heute ein paar fragmentarische Proben gegeben, die zeigen sollen, daß sich das Buch nicht nur an den engen Kreis der Zunftgenossen richtet. der 1. Juni der Tag der silbernen Hochzeit Ihrer Schwiegereltern] Otto und Julie Bondy hatten 1879 geheiratet. Auf dem in Cassirers Nachlaß überlieferten Erinnerungsstück, einer Einladungskarte in Gestalt eines aufwendig gedruckten Faltblattes, das eine Lieddichtung auf das Hochzeitspaar enthält, ist nur das Jahr angegeben, vgl. Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Box 6, folder 148. Eine unter http://freepages.genealogy.rootsweb.ancestry.com/~prohel/pictures/Morawetz/ Misc/1844_Otto_Bondy.jpg (9.11.2012) veröffentlichte Reproduktion aus einem nicht näher spezifizierten (dem Breslauer?) Melderegister nennt den 29.5.1879 als Termin der Trauung auf dem Standesamt Breslau. Ihr lieber Papa … an einem Erinnerungstage der Schwester] Julie Bondy, geb. Cassirer, die Schwiegermutter Ernst Cassirers, war die Schwester von Ernst Cassirers Vater Eduard Cassirer. Ihr Vetter] Erich Cassirer (1881 – 1963) aus Berlin, Sohn Isidor Cassirers (dem Bruder von Ernst Cassirers Vater), studierte seit WS 1903/1904 in Marburg Philosophie (PersMarburg) u. promovierte 1913 über Die allgemeinen Voraussetzungen des Berkeleyschen Systems. Später war er Kunsthändler für Ostasiatika (WBIS; Sieg, S. 487). Vgl. Cassirer an Natorp vom 11.8.1903: Im nächsten Semester sende ich Ihnen übrigens einen Vetter von mir, Erich Cassirer, der in Marburg Philosophie studieren will – ich habe mit ihm während des Sommers den Theätet gelesen und ihm im Allgemeinen zuerst zu Platonischen Studien geraten, die er nun bei Ihnen fortsetzen kann (DVD zu ECN 18). Die Universität wächst. Jetzt schon 1500, das philosophische Studium blüht, ich habe 150] laut der Uebersicht über die Zahl der Studierenden auf der Königlichen Universität Marburg im Sommer-Semester 1904 betrug die Gesamtzahl der Berechtigten, welche Vorlesungen hörten, nach vorläufiger Feststellung 1493, nach endgültiger Feststellung 1483 Immatrikulierte. Vgl. PersMarburg vom SS 1904, S. 46 f. u. WS 1904/05, S. 47 f. Heut Nachmittag macht H o r s t r i g o r o s u m ] Carl Horst promovierte in Marburg mit der Dissertation Vorstudien zu einer Neuuntersuchung von Plotins Ästhetik I (angenommen am 8.5.1904). Am 5.6.1905 war das Verfahren abgeschlossen (Sieg, S. 485). Vgl. Cohen an Cassirer vom 30.04.1904.
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Beilagen III
17. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 27. Juli 1904 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 27.7.04. Mein lieber Herr Doctor! Zu Ihrem Geburtstage sei Ihnen u. Ihrer lieben Frau mein herzlicher Glückwunsch zugerufen, der diesmal zugleich auf das neue Glück sich bezieht, das Ihnen gekommen ist. Mögen Sie in Gesundheit mit Ihrer l. Frau vereinigt Ihre Söhne zu allem Guten auferziehen können. Ich kann meine Wünsche nicht inniger, noch besser ausdrücken als durch die alte Wunschformel in unserer Gemeinde: Möge auch dieser Ihr Sohn zur Thora, zur Ehe u. zu guten Werken heranwachsen. Unter Thora dürfen wir mit Fug die Philosophie verstehen. Wie werden Sie jetzt wieder Ihre gute Mutter schmerzlich vermissen. Und doch hoffe ich, daß dieser Enkel Ihrem Vater der erste Trost in seiner Trauer sein werde. Ich will Dienstag Abend schließen u. Mittwoch früh abreisen. Meine Adresse ist: Pontresina ( à m a c a m p a g n e ) . Anfang Oktober hoffe ich Sie wiederzusehen. Im September wollen wir nach P a r i s . Ihre Recension in der D[eutschen] L[iteratur] Z[eitung] habe ich mit Vergnügen gelesen. Neulich ist J o e l aus B a s e l mehr bei uns als bei mir gewesen. Wir hatten den ganzen Juli lieben Besuch, u. dazu Fakultätssitzungen über die Philosophie im Doctorexamen, wobei wir jedoch ziemlich gut abgeschnitten haben. Mit herzlichen Wünschen für die Genesung Ihrer lieben Frau bin ich Ihr HCohenA
Lieber Herr Doktor! Herzliche Doppelglückwünsche Ihnen u. Ihrer lieben Frau. Möge das so glückverheißend beginnende neue Lebensjahr Ihnen ungetrübte Freuden bringen. Möge der junge Sohn gleich dem älteren Brüderlein gesund u. fröhlich, Sie beglückend heranwachsen. – Ihrer lieben Frau baldige Genesung wünschend, bin ich mit herzlichen Grüßen für Sie Beide Ihre M. Cohen das neue Glück …, das Ihnen gekommen ist] am 26.7.1904 wurde in Berlin Cassirers Sohn Georg Eugen geboren. Dienstag Abend … Mittwoch früh] der 27.7.1904 fiel auf einen Mittwoch. Dienstag meint daher wahrscheinlich den 2.8., Mittwoch den 3.8.1904. Das Sommersemester dauerte vom 15.4. bis 15.8. Für das SS 1904 hatte Cohen angekündigt: Geschichte
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H C o h e n ] hs. von Cohen, als Unterschrift zusammengezogen
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der neueren Philosophie, 4mal 5 Uhr [montags, dienstags, donnerstags u. freitags]. – Philosophische Uebungen über Descartes, Montag 6 bis 8 Uhr, privatissime und gratis (VV Marburg 1904, S. 35). Pontresina ( à m a c a m p a g n e ) ] nach Pontresina gestrichen: Calonder. Gemeint ist das Privatlogis A ma Campagne mit Salon und 18 Betten, Restaurant und Zuckerbäckerei, Inhaber J. Calonder, vgl. Michel Caviezel: Das Oberengadin. Ein Führer auf Spaziergängen, kleinen und grossen Touren. 15. Aufl. (9. deutsche). Gründlich revidiert v. E. Schäppi, Samaden u. St. Moritz 1904, S. 72. Anfang Oktober hoffe ich Sie wiederzusehen. Im September wollen wir nach P a r i s ] vgl. Natorp an Görland vom 24.9.1904: Cohen suchts in der Ferne, war in Pontresina, jetzt Paris, so viel ich weiss, u. ob von da noch nach London, weiss ich nicht – sowie die Bestätigung der Reisestationen Pontresina, Paris, London durch Cohen an Natorp vom 13.10.1904, aus Berlin, wo auch vermerkt ist, daß Cohens im Begriff seien, Cassirers zu besuchen (Holzhey II, S. 328 – 331). Ihre Rezension in der Deutschen Literatur Zeitung] vgl. Cassirers Rezension über A. Silberstein 〈 Dr. phil.〉 , Leibnizens Apriorismus im Verhältnis zu seiner Metaphysik. Berlin, Mayer & Müller, 1904. In: DLZ 25 (1904), Nr. 29 vom 23.7.1904. Abgedruckt in ECW 24, S. 639 – 642. J o e l aus B a s e l ] Karl Joel (1864–1934), seit 1897 Professor für Philosophie in Basel, Sohn eines Rabbiners (NDB; BEdPH). Fakultätssitzungen über die Philosophie im Doctorexamen] die Kontroverse über das Philosophicum hatte eine längere Vorgeschichte und Nachwirkung in der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg. Nachdem 1892 durch ministeriellen Beschluß die Beibehaltung der obligatorischen Philosophieprüfung im Rigorosum sichergestellt war, wollte die Mehrheit der Fakultät Ende 1894 durchsetzen, daß Philosophie dann nicht mehr als Nebenfach gewählt werden dürfe. Damals gab das Unterrichtsministerium der Eingabe Cohens, Natorps und von Sybels’ gegen diese Regelung Recht. Ein neuerlicher Vorschlag vom Juli 1904 zur Abschaffung der mündlichen Prüfung in Philosophie wurde sogar von der Mehrheit der Fakultätsmitglieder abgelehnt. In der Frankfurter Zeitung entspann sich jedoch Anfang 1905 über den Sinn des Philosophicums eine lebhafte Diskussion, in die auch Natorp zweimal eingriff. Aktenkundig sind weiterhin spätere Auseinandersetzungen über die Philosophie im Doktorexamen aus Mitteilungen Natorps an Görland vom Febr. u. März 1909 sowie der Beschluß der Marburger Philosophischen Fakultät vom 16.12.1911, die Aufhebung der philosophischen Prüfung zu beantragen. Diesmal stimmten nur sieben Fakultätsmitglieder unter Führung Cohens dagegen. Am 5.2.1912 wurde die obligatorische Philosophieprüfung im Rigorosum schließlich gegen alle Widerstände abgeschafft (Holzhey I, S. 18 f.; Holzhey II, S. 510–514. Dimitry Gawronsky berichtete am 2.2.1912 ausführlich an Cassirer, vgl. die DVD zu ECN 18. Die Änderung der Examensvorschrift ist gemeldet in HN 22 (1911/12), Nr. 5 vom Febr. 1912).
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Beilagen III
18. Hermann u. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brief m. e. U. vom 12. August 1905 Hs. (M. Cohen), 4 S. S i l v a p l a n a , d. 12.8.05. H o t e l Sonne Mein lieber Herr D r ! Wenn man lange an Jemand nicht schreibt, dem man alle Tage geschrieben haben möchte, so schwirrt Einem der Anfang des Briefes die ganze Zeit im Kopfe umher. Und dieser Anfang lautete immer sentimental, denn es war mir leid, daß unser brieflicher Verkehr dieses ganze Semester wie ausgeschaltet schien. Und nun kam die Karte Ihrer lieben Frau, die die aufgesammelte Sentimentalität plötzlich in herzliches Bedauern umschmolz. Wir wollen nun wünschen u. hoffen, daß in 14 Tagen die Bewegungsfähigkeit vollständig wieder hergestellt sein werde, u. bitten recht sehr um einen baldigen kurzen Bericht. Mit dem Bild Ihrer lieben Söhnchen haben wir uns sehr gefreut u. danken für die gütige Zusendung. – Der Anfang des Semesters brachte eine unvermuthete Aufregung, über die ich Ihnen gern geschrieben hätte, sie war außeramtlich u. erfreulich, wurde aber befriedigend erledigt. Als ich dann Ihren Brief erhielt, hätte ich Ihnen gern sogleich meine Freude ausgesprochen über die nahezu erreichte Vollendung Ihres ersten Bandes, aber damals gerade hatte ich eine weniger gute Zeit, so daß ich von Tag zu Tage das Schreiben aufschob. Wir denken Anfang Oktober nach B e r l i n zu kommen. Ich kann also e v [ e n t u e l l ] die Einleitung in der Correctur mitlesen, auf die ich natürlich sehr gespannt bin, u. die von einer wirklichen Wirkung werden kann. Überhaupt setze ich auf dieses Buch bestimmte Hoffnungen. Für historische Belehrung sind die Menschen eher zugänglich als für die rein systematischen, die den Schein des Dogmatismus an sich tragen. Über die Schicksale meiner Arroganzen werden wir uns ja bald unterhalten können. Haben Sie das Aprilheft „der Documente des Socialismus“ über die Ethik gesehen? Ich habe in den letzten Wochen die Charakteristik der Ethik des Maimonides geschrieben, die ich lange in Kopf u. Herz gehegt habe. Am Dienstag habe ich sie abgeschickt u. Mittwoch fuhren wir hierher, wo wir bleiben wollen, auch Schwager u. Schwägerin hier erwarten, bis in P o n t r e s i n a etwas Ebbe sein wird. Dort möchten wir dann bis über die Mitte des September bleiben. Ich habe mir einige Folianten mit hierher gebracht, um abwechselnd zu lesen u. zu steigen. Dann wollen wir auf 8 Tage nach H a m b u r g gehen, wo übrigens auch G ö r l a n d seinen L e i b n i z mich einsehen lassen will. Er war Pfingsten in M a r b u r g , u. schien ruhiger, u. ohnehin kennen Sie ja meine Maxime, daß ich mich mit verpflichtet fühle für die Schwierigkeiten, welche von Complicen bereitet werden. Übrigens scheint er doch wirklich nicht ohne Anhänglichkeit, u. zwar in der Sache. Er möchte Ihnen auch näherkommen, u. da er kein Geld hat, so meint Frau R a t h k e , Sie müßten auch nach H a m b u r g kommen, aber Sie können denken, liebe Frau Dr., daß ich solche Zumuthungen
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selbst von zartester Freundschafts- u. Gesinnungsgenossenschaft einstweilen abgewehrt habe. Auch andere große Pläne hat er, die jedoch schon daran im Keime kranken, daß Logik u. Ethik im eigenen Hauptlager trotz aller Eintracht nach wie vor schlechtweg abgelehnt werden, so daß man auf diese Arbeitsgemeinschaft allmählich fürchte ich, nur nebbich sagen kann. Es kann aber auch noch heiterer kommen. Ist Alles schon dagewesen. Nun herzlichen Gruß Ihrem ganzen lieben Quartett u. gute Wünsche von Ihrem H . C . A
Liebe Freunde! Ihr Kärtchen hat mir zugleich Freude u. Betrübniß bereitet. Erstere wegen des reizenden, einestheils so verwegen-übermüthigen Knabenpaares, die zweite wegen Ihres Te n n i s - Unfalles – liebste Frau, den Sie hoffentlich bald überwunden haben. Wir frieren seit einigen Tagen im geliebten Engadin nach einem gradezu bezaubernd schönen Sommer u. Haus. Schreiben Sie doch recht bald wie es geht u. seien Sie Alle herzlich gegrüßt von Ihrer M. C.B S i l v a p l a n a … H o t e l Sonne] im Engadin, Schweiz. die Bewegungsfähigkeit vollständig wieder hergestellt] siehe den Zusatz Martha Cohens. Der Anfang des Semesters brachte eine unvermuthete Aufregung] vgl. Cohen an Friedrich Theodor Althoff vom 3.3.1905: Ew. Excellenz bitte ich meinen ehrerbietigen Dank freundlich aufnehmen zu wollen für das Geschenk der „Bibliographie der deutschen Universitäten“, mit der Sie mich ausgezeichnet haben. Dieses neue Zeichen Ihres Vertrauens und Ihres Wohlwollens giebt mir Freude und Genugthuung. Ew. Excellenz wollen mir bei diesem Anlaß zugleich gestatten, mit Rücksicht auf eine Bemerkung in Ihrem gütigen Anschreiben, die Äußerung zu Ew. Excellenz freundlicher Kenntnißnahme zu bringen, daß das System der Philosophie, mit dessen Darstellung ich beschäftigt bin, in Logik und Ethik zwar die wichtigsten Theile erlangt hat, daß aber noch Ästhetik und Psychologie hinzukommen müssen, wenn das Ganze zum Abschluß kommen soll. Ich darf daher auch fernerhin um das Vertrauen Ew. Excellenz auch für diese weiteren Arbeiten bitten, zumal sie, wie alle früheren, mit meiner Lehrthätigkeit in Verbindung stehen und entstehen (Holzhey II, S. 338). Der vollständige Titel des geschenkten Werkes lautet: Bibliographie der deutschen Universitäten. Systematisch geordnetes Verzeichnis der bis Ende 1899 gedruckten Bücher und Aufsätze über das deutsche Universitätswesen. Im Auftrage des preussischen Unterrichts-Ministeriums bearbeitet von Wilhelm Erman u. Ewald Horn, erschienen in drei Teilen in Leipzig u. Berlin 1904 – 1905. Vollendung Ihres ersten Bandes] von: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Cassirers Berliner Habilitationsschrift (1906).
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Ihrem H . C . ] hs. von Cohen, H . C . als Unterschrift zusammengezogen Alle herzlich gegrüßt von Ihrer/M . C . ] quer über den Text der Mitteilung geschrieben B
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Beilagen III
das Aprilheft „der Documente des Socialismus“ über die Ethik] vgl. David Koigen: Hermann Cohen als rationalistischer Kulturbegründer. In: Dokumente des Sozialismus. Hefte für Geschichte, Urkunden und Bibliographie des Sozialismus 5 (1905), S. 172 – 177; d. i. eine Rezension von Cohens Ethik des reinen Willens, 1904. Ich habe in den letzten Wochen die Charakteristik der Ethik des Maimonides geschrieben … Am Dienstag habe ich sie abgeschickt u. Mittwoch fuhren wir hierher] Cohens Schrift erschien erst im Febr. 1908 u. d. T. Charakteristik der Ethik Maimunis. In: Moses ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluss. Zur Erinnerung an den siebenhundertsten Todestag des Maimonides. Hrsg. v. d. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums durch Wilhelm Bacher, Marcus Brann, David Simonsen unter Mitwirkung v. Jakob Guttmann. Bd. 1. Leipzig 1908, S. 63–134. Vgl. die Meldung im Börsenblatt, Nr. 49 vom 28.2.1908. Auch separat erschienen Leipzig 1908. – Der 12.8.1905 war ein Samstag, somit ist mit Dienstag der 8.8. u. mit Mittwoch der 9.8.1905 gemeint. Damit kann auch mit einiger Wahrscheinlichkeit der Brief von Cohen, ebenfalls aus Silvaplana an Leopold Lucas (aus Marburg, später Rabbiner in Glogau, Mitbegründer der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums), in dem vom Abschluß meiner Arbeit über die Ehik Maimunis die Rede ist, auf den 14.8.1905 datiert werden: am 8. August habe ich sie [die Arbeit] an Brann geschickt, und am 9. machte ich mich auf die Reise, aufgeregt, aber doch innigst bewegt von der Ansicht, die sich immer mehr mir bestärkte, daß sowohl die philosophische wie die jüdische Geistesart dieses unsres einzigen Mannes mehr als bisher nunmehr herausgestellt worden ist (Hermann Cohen: Briefe. Ausgewählt u. hrsg. v. Bertha u. Bruno Strauß. Berlin 1939, S. 78 f.; zu Leopold Lucas dort S. 72. Bisher wurde dieser Brief durch Bruno Strauß irrtümlich auf den 14.8.1908 datiert (da war Cohens Aufsatz aber bereits erschienen); in HCW 15, S. XXV wird der Brief auf den 14.8.1906 datiert). – Zur weiteren Chronologie der Entstehung von Cohens Aufsatz vgl. HCW 15, S. XXIII – XXVII u. Cohen an Cassirer vom 22.7.1906 u. 16.6.1907. Schwager u. Schwägerin] Alfred Lewandowski u. Frau, vgl. Cohen an Cassirer vom 26.7.1902 u. 23.9.1906. Dann wollen wir auf 8 Tage nach H a m b u r g gehen, wo übrigens auch G ö r l a n d seinen L e i b n i z mich einsehen lassen will. Er war Pfingsten in M a r b u r g , u. schien ruhiger] Albert Görland (1869–1952), in Hamburg geboren und nach seinem Studium in Marburg (Promotion 1898) zunächst im Schuldienst in Hamburg tätig (BEdPh; WBIS), hatte Natorp am 5.12.1904 tief enttäuscht über einen früheren Besuch Cohens berichtet, auf den auch Cohen sich hier zu beziehen scheint. Die Familie des Bankiers Abraham Lewandowski, eines Cousins von Martha Cohen, und die Familie des Sohnes von Mathilde Burg lebten in Hamburg (Holzhey II, S. 332– 336 u. 358 f., Brief Nr. 90 u. 106; Cohen an Cassirer vom 18.5.1904). Am 14.10.1905 sandte Cassirer an Görland einen ausführlichen Kommentar Ihres Capitels über den Leibnizischen Gottesbegriff, das mir Cohen zu lesen gab (DVD zu ECN 18). 1907 erschien in Gießen: Albert Görland: Der Gottesbegriff bei Leibniz. Ein Vorwort zu seinem System (Philosophische Arbeiten. Hrsg. v. Cohen u. Natorp. Bd. 1, Heft 3). Frau R a t h k e ] Frida Rathke, geb. Hermann, war gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich Bernhard Rathke (1840 – 1923) mit Cohens befreundet. Rathke hatte sich 1882 wegen Krankheit von seinen amtlichen Verpflichtungen als außerordentlicher Professor für Chemie an der Universität Halle entbinden lassen und war nach Marburg übergesiedelt, wo er Vorlesungen über Chemie bis zum SS 1899 hielt und im Jahre 1900 zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt wurde. Seit Herbst 1912 lebten Rathkes in Meran, seit 1915 in Hohenschwangau, seit 1919 in Bad Reichenhall (WBIS; Holzhey II, S. 236; PersMarburg). Eine nähere Beziehung der Rathkes bestand auch zu Görland, vgl. Cohen an Cassirer vom 17.9.1919. so daß man auf diese Arbeitsgemeinschaft allmählich fürchte ich, nur nebbich sagen kann] aus dem jüdischen Sonderwortschatz; ungefähr im Sinne von Gott bewahre!
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Leider! Schade! (Abraham Tendlau: Sprichwörter und Redensarten deutsch-jüdischer Vorzeit. Als Beitrag zur Volks-, Sprach- und Sprichwörter-Kunde. Aufgezeichnet aus dem Munde des Volkes und nach Wort und Sinn erläutert. Frankfurt a. M. 1860, S. 197 f., Nr. 633). Hier Ausdruck der Resignation gegenüber Görland.
19. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 22. November 1905 Ts., mit einem hs. Nachtrag von H. Cohen, 2 S. Marburg, d. 22.11.05. Mein lieber Herr Dr! Vor Allem sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für die grosse Arbeit der Sie sich meinetwegen unterzogen haben. Ich will mich wahrlich nicht meiner persönlichen Dankespflicht entheben, oder sie abschwächen, wenn ich nun sogleich sage, dass Sie mit diesem Aufsatz, so weit ich nicht durch Befangenheit urtheilsunfähig sein sollte, unserer Sache sehr nützen werden. Wie könnte es auch anders sein, da wir nur die Sache im Auge haben & da Sie nach der ganzen Menschlichkeit Ihres Stils nicht anders als sachlich schreiben können, aber ebenso auch die Sache auf ihrer Höhe handhaben, & Gottlob auch das Zeug haben, den Nagel auf den Kopf zu treffen, oder wie man hier besser sagen muss mit dem Kopf einen zu schlagen, der einen Nagel im Kopfe hat. Aber es handelt sich wirklich nicht um diesen Einen, der wie mir Dr. Ach neulich mittheilte, bei dem er gehört, mehr freilich aber bei Husserl – vor anderthalb Jahren seinen Dr. gemacht hat, & 22 Jahre alt ist. Auch Dr. Leder kennt ihn als sehr selbstbewusst u. s. w. Es werden durch diese schlichte, centrale Darlegung der methodischen Grundfragen weit & breit nicht bloss Viele sich getroffen fühlen, sondern wie es mir immer geht, wenn ich Sie lese, dass ich glaube, diese milde Klarheit müsse den Widerwilligsten bezwingen, vielmehr so aufklären, dass er sich garnicht überführt vorkommt. Auch ist durch die Citirung der Schotten das klassische Forum der Gegenkritik aufgerichtet, & die Differenz zwischen Psychologie & Kritik scharf gezogen. Sie könnten das nun aber garnicht für das richtige Lob halten, mit dem ich Ihnen heute zu danken hätte. Ich finde aber trotz aller Sachlichkeit & gelehrten Gründlichkeit so viel lächelnden Spott zwischen den Zeilen, dass ich auch aus dem Standpunkt der Streitschrift ein Kabinetstücklein in dieser Lection erblicke. Demnach bitte ich Sie, vorausgesetzt, dass Natorp & die jüngeren Freunde meiner Ansicht zustimmen, herzlich & inständig darum, dass Sie diese Abhandlung uns überlassen, damit wir unsere „philosophischen Arbeiten“ mit ihr eröffnen. Es ist wirklich eine Art Programm, den Feinden zum Trotz & den Freunden zum Wohlgefallen. Sie werden es doch auch gern thun, dass Sie in dieser Noth[,] wenn man den Ueberfall von der Leine der besonderen Umstände wegen so nennen darf, mir beispringen, & mich nicht allein durch Görland vertheidigen lassen. Bei Ihrem Briefe stieg mir der Wunsch auf, dass Sie von den aufgestellten Gesichtspunkten den ersten, das Infinitesimale noch
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selbst in Behandlung nähmen. Wie jetzt Ihr Aufsatz vorliegt, an dem natürlich der köstliche Schluss nicht fehlen darf; verzichte ich, um die Einheit nicht zu stören, auf diesen Wunsch, so schwer es mir wird, ihm zu entsagen, zumal ich gar keine Sicherheit darüber habe, dass G[örland] in diesem Hauptpunkte zutreffend wird. Dennoch will ich Ihnen nicht noch weitere Mühe aufbürden. G[örland] mag dann die Gesichtspunkte verwerthen, die Sie die Güte haben werden ihm mitzutheilen. – Mit dem Verleger, der übrigens auch der Verleger von Harnak ist, haben wir so verabredet, dass von Ihnen im ersten Bande ein Aufsatz enthalten sein werde. Da nun aber Herr Falter, der jetzt in Rom ist, mit seiner Dissertation drängt, so sind wir bereit gewesen, ihn beginnen zu lassen, nur sollte ein Vorwort von N[atorp] & mir, 4 Seiten enthaltend voraufgehen. Das letztere könnte so bleiben. Dann würde Ihr Aufsatz folgen, & darauf Falter. Jedes Heft soll einzeln ausgegeben werden & wenn etwa 25 Bogen zusammen sind, soll der Band erscheinen. Er wünscht im ersten Bande auch noch einen Aufsatz von N[atorp] oder mir. Sonst kommt noch der Index mit der Abhandlung von Görland. Ich will noch bemerken, dass bekanntlich wenig Aussicht wäre, Ihren Aufsatz schnell irgendwo anders anzubringen, wenn Sie ihn uns vorenthalten wollten; & ferner, dass er doch jedenfalls vor Görland erscheinen muss. – Ich danke Ihnen für Ihre lieben Worte mit Bezug auf die traurige Sache im Osten, die mich wirklich ganz krank gemacht hat. Und dabei die Theilnahmlosigkeit Deutschlands, des politischen, wie des literarischen. Ueber die Philippina werde ich Ihnen erzählen. Was haben Sie denn zur Kreuzzeitung gesagt, die mich unter den Stolz Deutschlands aufnahm? Bei allem Jammer darf man nicht resigniren. Und Sie werden ausser unserer lieben Philosophie auch an ihre liebe Frau & Ihre lieben Söhne denken, & muthig & tapfer den Kampf auch mit den Kleinen nicht scheuen & nicht gering achten. Es freut mich herzlich, dass Sie diesen Anfang nicht verschmäht haben. Er ist Ihnen wesentlich gelungen. – Mit herzlichen Grüssen von uns an Sie Alle bin ich mit herzlichem Danke Ihr H C o h e n A Wenn Sie S t e r n im Archiv unterbringen wollen, so würde S t e i n gewiß alles Entgegenkommen erweisen. Für die „ph[ilosophischen] Arbeiten“ wäre es von praejudicirender Bedeutung. Ich dachte allerdings im Prospect zu schreiben ‚für Freunde unserer Methode‘. Das müssten Sie entscheiden! Soeben gehe ich mit der Arbeit zu N[atorp]. Fr[itz] u[nd] Erich kommen heute Abend zu uns.B die grosse Arbeit] gemeint ist Cassirers Verteidigungsschrift von Cohens Logik der reinen Erkenntniss gegen Leonard Nelsons Verriß. Vgl. Nelson: System der Philosophie. 1. Teil. Logik der reinen Erkenntnis. Von Hermann Cohen. Berlin, Bruno Cassirer, 1902. In: GgA 167 (1905), S. 610 – 630 (Nr. 8 vom Aug. 1905). Cassirers
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Ihr H C o h e n ] hs. von Cohen, H C o h e n als Unterschrift zusammengezogen Wenn Sie S t e r n … heute Abend zu uns.] Nachtrag von Cohens Hd.
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Aufsatz Der kritische Idealismus und die Philosophie des „gesunden Menschenverstandes“ eröffnete 1906 die von Cohen und Natorp bei Töpelmann in Gießen hrsg. Philosophischen Arbeiten. diesen Einen … vor anderthalb Jahren seinen Dr. gemacht hat, & 22 Jahre alt ist] Leonard Nelson (1882 – 1927), am 11.7.1905 23 Jahre alt geworden, hatte 1904 in Göttingen mit seiner Schrift Jakob Fries und seine jüngsten Kritiker (in erweiteter Fassung erschienen in Abhandlungen der Fries’schen Schule. Neue Folge 1 (1906), S. 233 – 319) bei Julius Baumann promoviert (NDB). Dr. Ach] zu Narziß Ach vgl. Cohen an Cassirer vom 9.2.1903. Dr. Leder] zu Hermann Leder vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903. die Citirung der Schotten] Cassirer nennt in Der kritische Idealismus … auf S. 14–17 Thomas Reid (1710–1796) u. James Beattie (1735–1893) als eigentliche Vorläufer der Nelsonschen Common-sense-Philosophie. dass Sie diese Abhandlung uns überlassen, damit wir unsere „philosophischen Arbeiten“ mit ihr eröffnen] Cassirers Abhandlung erschien im Mai 1906 (vgl. Cohen an Cassirer vom 8.5.1906) als Der kritische Idealismus und die Philosophie des „gesunden Menschenverstandes“. Gießen 1906 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 1) sowie im Jahresband Philosophische Arbeiten Bd. 1, 1906 – 1907. Gießen 1907, S. 1 – 36 (abgedruckt in ECW 9, S. 3 – 36). Zu einem geplanten Aufsatz Albert Görlands kam es nicht (vgl. Cohen an Cassirer vom 13.1.1906), obwohl Görland schon im Oktober den Plan dazu gefaßt hatte, wie aus einem Schreiben Cassirers an Görland vom 14.10.1905 hervorgeht: Zu Ihrer Gegenkritik gegen Herrn Nelson wünsche ich Ihnen von Herzen Glück. Es ist freilich fast verstimmend, mit einem so flachen und nichtigen Schwätzer überhaupt zu thun zu haben; doch zweifle ich nicht, daß Sie den richtigen Ton für ihn finden und trotzd[em] in aller Ruhe die Sache fördern werden (DVD zu ECN 18). Von Görland erschien lediglich innerhalb einer Sammelrezension über philosophische Neuerscheinungen in Die Deutsche Schule 10 (1906), S. 644–649 auf S. 645 eine Kurzbesprechung von Cassirers Schrift: Es ist eine überaus feine, durch reiches historisches Wissen glücklichst unterstützte Widerlegung eines jungen Erneuerers der Philosophie des Kantianers Fries. An sich würden die Qualitäten dieses „Philosophen“, des Dr. L e o n a r d N e l s o n aus Göttingen, nicht dazu ermuntern, ihn durch die ernste Sachlichkeit Cassirers widerlegt sehen zu wollen, wenn der junge Herr nicht sonderbarerweise sich eines akademischen Ansehens zu erfreuen schiene, und wenn nicht die unglaubliche Dreistigkeit, mit der er abseits alles Verständnisses das Werk H e r m . C o h e n s , „ D i e L o g i k d e r r e i n e n E r k e n n t n i s “ , bedachte, wegen ihrer Zuversichtlichkeit Uneingeweihte gegen das gewaltige Werk zunächst doch vielleicht verschlossen haben würde. Indem Cassirer durch die historischen Beziehungen die „Philosophie“ des Nelson typisiert, erhält die Arbeit selbständigen sachlichen Wert. der … auch der Verleger von Harnak ist] bei Alfred Töpelmann (1867 – 1954), der 1894 die J. Ricker’sche Verlagsbuchhandlung in Gießen und damit den Verlag von Adolf von Harnacks Werken übernommen hatte, erschien Harnacks Longseller Das Mönchthum, seine Ideale und seine Geschichte. Eine kirchenhistorische Vorlesung (zuerst 1881, 10 Aufl. bis 1921) sowie eine Reihe kleinerer Schriften (Würffel, S. 883 f.). Dann würde Ihr Aufsatz folgen, & darauf Falter] im 1. Jahresband der Philosophischen Arbeiten (1907) für 1906 – 1907 sind enthalten: Cassirers Aufsatz auf S. 1 – 36, Gustav Falters Arbeit auf S. 37 –103, außerdem auf S. 103 –240 Albert Görland: Der Gottesbegriff bei Leibniz: Ein Vorwort zu seinem System (einzeln erschienen 1907 als 3. Heft des 1. Bandes) u. auf S. 241 – 355 Johannes Paulsen: Das Problem der Empfindung. Teil I. Die Empfindung und das Bewußtsein (einzeln 1907 als 4. Heft des 1. Bandes). – Gustav Falter (geb. 1883), Schüler von Walter Kinkel in Gießen, schloß sein Studium 1905 in Marburg ab und promovierte 1906 mit der Arbeit Beiträge zur Geschichte der Idee. Teil 1. Philon und Plotin, erschienen als 2. Heft des
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1. Bandes der Philosophischen Arbeiten, Gießen 1906. Tag der Verleihung: 4.4.1906 (Holzhey II, S. 340; Sieg, S. 209 u. 485). im ersten Bande auch noch einen Aufsatz von Natorp oder mir] dieser Plan des Verlegers Töpelmann wurde nicht umgesetzt. Erst in Bd. 10 erschien Cohens Der Begriff der Religion im System der Philosophie, 1915; Natorp veröffentlichte nicht in dieser Reihe. der Index mit der Abhandlung von Görland] der von Görland vorbereitete Index zu Hermann Cohens Logik der reinen Erkenntnis erschien im Mai 1906 separat u. außerhalb der Philosophischen Arbeiten bei Bruno Cassirer in Berlin, ohne eine Abhandlung zu enthalten (Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 114 vom 18.5.1906). die traurige Sache im Osten] gemeint sind die vom 19.-21.11.1905 im Verlauf der Russischen Revolution verübten Pogrome an der jüdischen Bevölkerung in über 90 russischen Städten. Die AZJ berichtete und kommentierte ab Nr. 45 vom 10.11.1905 ausführlich. Ein Schüler Cohens, Dimitry Gawronsky, gehörte zu den Revolutionären (vgl. Natorp an Görland vom 17.7.1905, Holzhey II, S. 340). die Philippina] Alma Mater Philippina: Name der Universität Marburg. Kreuzzeitung] hier auch als Inbegriff einer konservativen, oft antisemitischen Zeitung. die mich unter den Stolz Deutschlands aufnahm] vgl. den ungezeichneten Bericht bzw. Kommentar in der Beilage zu: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung, Nr. 513 vom 1.11.1905, Morgen-Ausgabe, S. 5 (1. S. der Beilage): B e r l i n , 31 Oktober. Am Montag dieser Woche [30.10.1905] fand hier die erste Hauptversammlung des Ve r b a n d e s d e r d e u t s c h e n J u d e n statt. Es waren etwa 400 Teilnehmer versammelt, die 163 Gemeinden aus ganz Deutschland vertraten. Die Reden waren fast sämtlich auf einen sehr patriotischen Ton gestimmt. Sr. Maj. dem Kaiser wurde in einem Huldigungstelegramme „das Gelöbnis unwandelbarer Treue“ dargebracht. […] Man muß freilich bedenken, daß der noch junge „Verband der deutschen Juden“ streng orthodox ist; von wirklich religiös gesinnten Juden hat wohl noch niemand etwas anderes erwartet, als daß sie dem Volke, bei dem sie zu Gaste sind, in Dankbarkeit die Treue halten; aber es berührt doch sehr wohltuend, von Volksgenossen der Lassalle, Marx, Stadthagen, Singer u. s. w. solche Worte zu hören./Allerdings waren die Herren nicht zu dem Zwecke zusammengekommen, um ihre Loyalität zu bezeugen, sondern sie bezeugten ihre Loyalität, um auf ihre „ s t a a t s b ü r g e r l i c h e n R e c h t e “ pochen zu können. Sie fühlen sich überall zurückgesetzt. Die Redner klagten, die Juden würden nicht bloß von allen öffentlichen Staatsämtern ausgeschlossen, sondern auch aus allen gewerblichen Organisationen hinausgedrängt, kein Jude erhalte eine ordentliche Professur, kein Jude sei Präsident oder Oberlandesgerichtsrat (mit einer Ausnahme) oder Vorsitzender einer Strafkammer, es gebe ganze deutsche Gebietsteile, in denen die Juden von dem Geschworenen- und Schöffenamte ausgeschlossen seien u. s. w. Alle diese Klagen sind stark übertrieben, aber auch wenn sie begründet wären, muß den Juden immer wieder vorgehalten werden, daß man ihnen – einem nach Rasse, Sitte und Religion fremden Gastvolke – die staatsbürgerlichen Rechte nur in der optimistischen Voraussetzung verliehen hat, sie würden hernach in der Masse des deutschen Volkes aufgehen, sich amalgamieren, wie die „Slaven und Kelten“, mit denen ein Redner auf jener Versammlung die Juden verglich. Aber nur wenige Juden entsprechen dieser Voraussetzung. Viele sind Führer der demokratischen oder revolutionären Opposition, noch mehr vertreten in unserer Kunst und Literatur die Ideale fremder Völker (jüdische Kunstideale gibt es nicht), und zu zählen sind diejenigen Juden, die sich die Ausbreitung deutscher Sprache und deutscher Kultur angelegen sein lassen, wie die Alliance Israélite und die Jewish Association sich für französische und englische Kultur einsetzen. Unter den Telegrammen, die der Verband der deutschen Juden empfing, war auch eine Begrüßung des Geh. Regierungsrates Professor Dr. Hermann C o h e n in Marburg, eines Philosophen, auf den Deutschland immer stolz sein wird. Aber wo wir die
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Juden p o l i t i s c h die Führung übernehmen sehen, da arbeiten sie nicht im nationalen Interesse. Die paar konservativen und nationalliberalen Juden bestätigen nur die Regel. Daher wird der Verband der deutschen Juden wenig Eindruck machen. S t e r n im „Archiv“ unterbringen … S t e i n ] vgl. Cassirer an Natorp vom 31.7.1905: Zum Schluß noch eine Bitte. Ein alter Münchener Bekannter von mir Herr Dr. Paul Stern, sendet mir eine Abhandlung, die sich gegen Nelsons Versuch einer Erneuerung der Friesschen Philosophie wendet. Es wäre meinem Urteil nach wirklich wertvoll, wenn der Aufsatz gedruckt würde; darf ich ihn Ihnen vielleicht zur Beurteilung einsenden und würden Sie sich ev[entuell] für die Aufnahme in einer Zeitschrift verwenden? Ich nehme Ihre Zeit nur ungern in Anspruch; doch glaube ich, daß eine Abwehr der Nelsonschen Angriffe wirklich notwendig ist (DVD zu ECN 18). Sterns Abhandlung erschien nicht in der Zeitschrift Archiv für Geschichte der Philosophie, deren Herausgeber Ludwig Stein und 1895 – 1901 Paul Natorp (für die Abt. Archiv für systematische Philosophie) waren, sondern u. d. T. Gegen den Versuch einer Erneuerung der Fries’schen Philosophie. In: PWLZ 1 (1906), Nr. 3 vom 20.1.1906, S. 72 – 90. Dazu eine Replik von Nelson: Erwiderung auf den Angriff des Herrn Dr. Paul Stern. In: Nr. 6 vom 12.5.1906, S. 167 – 173 u. ein abschließendes Wort von Stern: Noch einmal J. Fr. Fries und sein neuester Apologet. In: Nr. 5/6 vom 11.8.1906, S. 156 – 161. Ich dachte allerdings im Prospect zu schreiben ‚für Freunde unserer Methode‘] das Programm der Philosophischen Arbeiten ist der Veröffentlichung Cassirers Der kritische Idealismus und die Philosophie des „gesunden Menschenverstandes“. Gießen 1906 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 1) beigegeben, vgl. dort S. I – III: P h i l o s o p h i s c h e A r b e i t e n h e r a u s g . v o n C o h e n u n d N a t o r p . Zur Einführung. Der Plan der Herausgabe einer zwanglos erscheinenden Zeitschrift war seit längerer Zeit schon uns gekommen, wir zögerten jedoch, an seine Ausführung zu gehen, weil es uns wie ein fremdes Mittel erschien, neben dem Lehrvortrag und den Büchern die Tendenz der Wirksamkeit zu verfolgen. Wenn wir indessen den Schein, Schule machen zu wollen, abwehren durften, so wurde die Zerstreuung uns immer mehr bedenklich, der die Arbeiten, die aus unserer Anregung entstanden, ausgeliefert wurden, solange das äußere Band fehlte, das sie sammelt und der Öffentlichkeit gegenüber vereinigt. Es ist in e r s t e r Linie diese Rücksicht auf die Sammlung der Dissertationen, die künftig hier entstehen möchten, welche uns zu dem Entschlusse gebracht hat, auf das Anerbieten der geehrten Verlagsbuchhandlung einzugehen. In z w e i t e r Reihe aber soll diese unsere Sammlung den A r b e i t e n u n s e r e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n F r e u n d e offenstehen. Obschon bei der Mehrzahl derselben ein persönliches Verhältnis die Zugehörigkeit begründet hat, so fassen wir diesen Begriff nichtsdestoweniger sachlich, wie es die Aufgabe und die Würde unserer Wissenschaft erfordern. Wer mit uns verbunden ist, der stellt sich mit uns auf den Boden der t r a n s s c e n d e n t a l e n M e t h o d e , wie wir diese in Lehre und Schrift vertreten. P h i l o s o p h i e i s t u n s i n a l l e n i h r e n F r a g e n m i t d e m F a k t u m d e r Wi s s e n s c h a f t , w i e d i e s e s s i c h f o r t b i l d e t , logisch verbunden. Philosophie ist uns daher die Prinzipienl e h r e d e r Wi s s e n s c h a f t e n u n d d a m i t d e r g e s a m t e n K u l t u r. Diesen treibenden Kern der Kultur nennen wir mit P l a t o n und mit K a n t I d e a l i s m u s und A p r i o r i s m u s . Unsere Zeitschrift soll kein Sprechsaal sein für andersgerichtete Bestrebungen. Aber wenn diesen Heften eine gewisse Dauer beschieden sein sollte, so dürfte es von historischem Interesse sein, daß sich Arbeiten auch äußerlich vereinigt finden lassen, die durch den strengen und genauen Sinn einer p h i l o s o p h i s c h e n M e t h o d i k innerlich verbunden sind. – Zur Vorgeschichte des Projektes der Philosophischen Arbeiten, zu der sogar die von Natorp allerdings ausgeschlagene Möglichkeit, die Kant-Studien zu übernehmen, gehörte (vgl. Sieg,
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S. 212 f.), vgl. Natorp an Görland vom 6.7.1902 u. 17.7.1905 sowie Cohen an Natorp vom 9.9.1905 (Holzhey II, S. 279 u. 339 – 343). Fritz und Erich] gemeint sind wohl die Brüder Friedrich Wilhelm (Fritz, auch Fred; 1888 – 1979) u. Erich Cassirer (1881 – 1963, später Kunsthändler für Ostasiatika, der seit WS 1903/04 in Marburg studierte und 1913 promovierte), Söhne Isidor Cassirers und damit Cousins Ernst Cassirers; vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904.
20. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 29. November 1905 Hs. (M. Cohen), 2 S. Universitätsstr. 6 2 . Herzlichen Dank für Brief u. Karte. An G [ ö r l a n d ] habe ich Ihre Erwägungen übermittelt. Haben Sie die Güte ihm „die Anzeigen“ zugehen zu lassen, wenn Sie sie nicht mehr brauchen. Auf Ihre neuen Darstellungen bin ich sehr gespannt, u. freue mich auch deshalb auf B e r l i n . Die Hefte sollen einzeln käuflich sein, ihr Erscheinen kann einzeln oder erst im Bande erfolgen. Dasselbe muß für den Index gelten, denn nur so kann er zur Publication gelangen. Ihre Abh[andlung] heute nach G i e ß e n geschickt. Ich freue mich, daß Sie Sich zu einem Hinweis entschlossen haben. G [ ö r l a n d ] habe ich strenge Sachlichkeit empfohlen. Herzliche Grüße von uns an Sie Alle Ihr H. C.A Postkarte vom 29. November 1905] an Herrn D r. E . C a s s i r e r / B e r l i n W. / Hohenstaufenstr. 46; mit Poststempeln MARBURG 29.11.05 10–11N. (BZ. Cassel) 1a; Bestellt vom Postamte 30 30 11.05 9¼-10½V. An G ö r l a n d habe ich Ihre Erwägungen übermittelt] offenbar bezüglich des geplanten Verteidigungsaufsatzes, vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905. „die Anzeigen“] gemeint ist GgA 167 (1905), S. 610 – 630 (Nr. 8 vom Aug. 1905), in denen Nelsons Rezension erschienen war, vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905. Ihre neuen Darstellungen] vgl. die Vorschau auf die geplanten Hefte der Philosophischen Arbeiten auf der inneren Umschlagseite des 1. Heftes des 1. Bandes der Philosophischen Arbeiten, Gießen 1906, dort u. a. angekündigt: Dr. Ernst Cassirer: 1. Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Versuch einer systematischen Darstellung der Entwicklung der neueren Philosophie./2. der Begriff der Erfahrung im System der kritischen Philosophie. Davon ist jedoch im Rahmen der Philosophischen Arbeiten nichts erschienen. Die Hefte sollen einzeln käuflich sein, ihr Erscheinen kann einzeln oder erst im Bande erfolgen] vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905. Dasselbe muß für den Index gelten] Görlands Index zu Hermann Cohens Logik der reinen Erkenntnis, vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905. Ihre Abhandlung heute nach G i e ß e n geschickt] an den Verleger Alfred Töpelmann; vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905. A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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zu einem Hinweis entschlossen] im Anschluß an den Text von Cassirers Aufsatz finden sich im 1. Heft des 1. Bandes der Philosophischen Arbeiten, Gießen 1906, verschiedene Anzeigen des Verlags Töpelmann sowie als letzte Buchanzeige (auf der äußeren Umschlagseite) die Ankündigung: Soeben erschien im Verlage Bruno Cassirers in Berlin […] Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. Erster Band. […] Das vorliegende Werk stellt sich eine doppelte Aufgabe: eine geschichtliche und eine systematische. Es verfolgt die historische Entwickelung des Erkenntnisproblems, um hieraus die Mittel zu seiner sachlichen Prüfung und Beurteilung zu gewinnen. Indem es die einzelnen Elemente, aus denen die moderne Philosophie und Wissenschaft sich aufbaut, gesondert in ihrer Entstehung verfolgt, will es damit den Einblick in das Gefüge der allgemeinen begrifflichen Voraussetzungen gewinnen, die unsere heutige wissenschaftliche Auffassung der Wirklichkeit bestimmen. G ö r l a n d habe ich strenge Sachlichkeit empfohlen] in Bezug auf den geplanten Verteidigungsaufsatz, s. o.
21. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 5. Dezember 1905 Hs. (M. Cohen), 2 S. Herzlichen Dank erst heute. Der unartige G [ ö r l a n d ] hatte Weiterungen gemacht. Ich bin zufrieden mit Ihrer Anmerkung. Sie räumen im belehrenden Tone den hauptsächlichen Anstoß weg. Ich soll Sie Ihnen wohl nicht noch einmal schicken, sondern direct an T ö p [ e l m a n n ] . Ich erwarte den in Aussicht gestellten Brief. Herzliche Grüße Ihnen Allen von uns Ihr H. C.A Postkarte vom 5. Dezember 1905] an Herrn D r. E . C a s s i r e r / B e r l i n W. / Hohenstaufenstr. 46; mit Poststempeln MARBURG 5.12.05 10– 11N. (BZ. Cassel) 1a; Bestellt vom Postamte 30 6 12. 05 9¼-10½V. G ö r l a n d hatte Weiterungen gemacht] für dessen Index zu Hermann Cohens Logik der reinen Erkenntnis oder den geplanten Verteidigungsaufsatz, vgl. Cohen an Cassirer vom 22. u. 29.11.1905. Ihrer Anmerkung] vgl. die direkten Angriffe auf Nelsons Rezension von Cohens Logik in einer ausführlichen Anm. in Cassirer: Der kritische Idealismus und die Philosophie des „gesunden Menschenverstandes“. Gießen 1906 (Philosophische Arbeiten. Hrsg. v. Cohen u. Natorp. Bd. 1, Heft 1), S. 31 – 33 (abgedruckt in ECW 9, S. 33). direct an T ö p e l m a n n ] Alfred Töpelmann, Verleger der Philosophischen Arbeiten.
A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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22. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 13. Januar 1906 Ts., 1 S. Marburg, d. 13.1.06. Mein lieber Herr Dr! Anbei der Schluss von G[örland], der Ihre gute Meinung wohl doch enttäuschen wird. Natorp ist auch unbefriedigt davon, & ist überhaupt meiner Ansicht, die ich Ihnen gegenüber doch immer noch behaupten muss, dass diese Sache nicht zu dem Stil des Index passt. Ich habe dies soeben an G[örland] geschrieben & erwarte geduldig seine Empörung. Ich habe ihm geschrieben, dass ich als Vorwort zum Index wünschen würde eine Hervorhebung der Grundgedanken, wiewenn ich eine Selbstanzeige machte. Weiter habe ich ihm nun aber & zwar nach Ueberlegung mit Natorp geschrieben, ausdrücklich aber ohne Vorwissen von Ihnen: dass ich die Abfertigung Nelsons Ihnen allein anheimgegeben wünschte; dass er in seinem Aufsatz zwar auch Nelson zurückschlagen mag, hauptsächlich aber mit Jerusalem & Staudinger sich auseinandersetzen solle. Sie also bitte ich erstlich weiter zu überlegen, ob Sie nicht doch Natorps & meiner Ansicht beipflichten können, dass G[örland]’s Aufsatz – ich habe ihm Ausführung empfohlen – sich besser für die Arbeiten eigne. Ich bitte Sie zu bedenken, dass die Zeitschrift ja doch ausdrücklich für die Vertheidigung unserer Sache bestimmt ist; sie soll kein Sprechsaal für die Philosophie überhaupt sein. Ich selbst werde wahrscheinlich auch noch über dieselbe Sache das Wort nehmen. Ich habe es ja vom Verleger dazu erhalten. Die böse Welt geht uns dabei garnichts an. Wenn der Verleger nicht auf seine Kosten kommt, so entzieht er uns das Wort. Nun aber kommt die Hauptsache für Sie Selbst. Ich habe G[örland] geschrieben, dass ich im Einvernehmen mit Natorp Sie bitten will, Ihre Anmerkung zu erweitern. Die typographischen Bedenken treten zurück. Aber ich könnte mir wohl denken, dass Sie auch bei weiterem Eingehen die Anmerkung nur ergänzen brauchten. Ich schicke die Rec[ension] Ihnen mit. Der Hauptschlag ist ja geführt. Wenn ich übrigens noch ein persönliches Wort Ihnen aussprechen darf: ich meine doch, das Unehrerbietige der Kritik dürfte man doch kennzeichnen; & das liesse sich ja schon bei dem Passus, wieviel Bücher ich über Kant geschrieben haben mag. Dies haben mag kennzeichnet diesen Fachgenossen. – Nun aber müssen Sie ganz nach Ihrer persönlichen Disposition urtheilen, ob Sie noch weiter sich einlassen mögen. Sie wissen, wie die ganze Sache mir über den Hals gekommen & über den Kopf gewachsen ist. Noch eine Beichte. Als ich im Corridor bei Frau L. die 3 Bogen an mich nahm, steckte ich sie in meine Rocktasche & that sie Abends zu den anderen Papieren, die meine Frau einpackte. Wir können sie aber nicht finden. Es thut mir sehr leid, & ich bitte Sie um andere Bogen, hoffentlich können Sie den Aushängebogen sich ersetzen lassen – Freitag 1. Morgenblatt der Frankf[urter] Zeit[ung] brachte den 1. Artikel, dem 2 folgen werden, von Natorp über die Politik des letzten Jahres & den Schulgesetzentwurf. Er hat mir die Sache aus
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den Correcturbogen der Zeit[ung] vorgelesen; sie wird viel böses Blut machen. Doch ist es gut, dass er mannhaft auftritt. Er ist immer klarer & besser, wenn er radical ist. Von mir muss ich doch wohl berichten, dass ich an meinen alten Beschwerden gerade jetzt sehr leide, & dass diese auswärtige Politik mir daher ebenso wenig angemessen als zuträglich ist. Ihre liebe Frau wird mir diese Schwächlichkeit garnicht zutrauen. Mit herzlichen Grüssen für Sie Alle insgesammt. Ihr H. C.A dass ich als Vorwort zum Index wünschen würde eine Hervorhebung der Grundgedanken] im tatsächlich gedruckten Vorwort von Albert Görland zu dessen Index zu Hermann Cohens Logik der reinen Erkenntnis. Berlin 1906, S. VIIf. heißt es: Ueber dem Studium von Cohens Logik der reinen Erkenntnis wuchs in mir der Wunsch, einen Index zu besitzen, der es mir ermöglichte, die zumeist schwierigen Problemwandlungen dieser von Grund auf neuen Logik durch schnelle Ueberschau sich bewusst zu halten. Denn für diesen Zweck genügt das Inhaltsverzeichnis, das dem Werke voransteht, nicht. In meinen Aristotelesstudien aber hatte ich an Bonitz vorbildlichem Werke eindringlich erfahren, wie segensreich ein Index zu wirken vermag. So musste ich mich entschliessen, für eigenen Gebrauch einen so weit als möglich erschöpfenden Index zu Cohens Logik mir selbst zu schaffen. Nun er vorlag und mir zur Vertiefung in das Problemgewebe der Logik diente, kam mir der Gedanke, dass ich, der ich durch Temperament und Studium mich mit Cohenscher Denkweise vertraut glaube, nicht der einzige unter den Schülern Cohens sein würde – und wer auch unter den Freunden Cohens wird vor dieser Logik nicht sein Schüler? –, dem eine solche Stütze des Denkens und des Gedächtnisses Bedürfnis sein müsste. So gedachte ich denn, meinen Marburger Mitschülern einen Freundschaftsdienst erweisen zu können, wenn ich ihnen meine Arbeit nutzbar machte. Das hiess jedoch, den Index der Oeffentlichkeit zu übergeben. – Görlands Index trägt die Widmung: Meinen Schulfreunden gewidmet. an Görland geschrieben & erwarte geduldig seine Empörung] das Schreiben, dessen Inhalt Cohen im Folgenden kurz wiedergibt, ist nicht ermittelt. Die Reaktion Görlands läßt sich aus einem Brief Cassirers an Görland vom 21.2.1906 ablesen: Für heute liegt mir vor allem daran, ein Missverständnis zwischen uns beiden aufzuklären. Wie mir Cohen gesagt hat, sind Sie über meinen Rat, dass der Index nicht in den Marburger Arbeiten erscheinen solle, sehr erzürnt gewesen. Ich begreife indessen Ihre Verstimmung und Ihre Vorwürfe nicht und bedaure, dass Sie meine Absicht so ganz verkannt haben. Sie haben mit Ihrem Index, zu dessen Abfassung Sie sich aus völlig freiem Antrieb entschlossen haben, eine grosse Arbeit geleistet, deren Wert ich wahrlich nicht herabsetzen wollte. Ich hielt es nur in Ihrem, wie in Cohens Interesse für besser, wenn Ihrer Schrift der Charakter einer freien Gabe auch äusserlich gelassen würde. Es müsste – so meinte ich – der Schein vermieden werden, als hätte Cohen die Arbeit veranlasst, als hätten Sie sie in seinem Auftrage verfasst und als liesse er sie in seiner Zeitschrift erscheinen. Dieses Bedenken mag unnötig gewesen sein – in jedem Falle enthielt es keine Kränkung Ihrer selbst oder Ihrer Schrift: um so mehr, als ich Cohen gleichzeitig vorschlug, Ihren ›Leibniz‹ sogleich zu Anfang der „Abhandlungen“ erscheinen zu lassen. Denn ich stimme ganz mit Ihnen in der Ansicht überein, daß meine Nelson-Kritik kein geeigneter A n f a n g war. […] Auch auf die Fortsetzung Ihres Leibniz bin ich sehr gespannt; ich hoffe doch, daß der erste Teil noch im I. Bd. der Marburger Abhandl[ungen] erscheinen wird? An der Korrektur des Index will ich A
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gerne Teil nehmen; doch kann ich, da ich Ihr Manuskript nicht hier habe, die Richtigkeit der Z a h l e n freilich nicht prüfen (DVD zu ECN 18). Görlands Index außerhalb der Philosophischen Arbeiten erscheinen zu lassen, scheint indes schon früher in Frage gestanden zu haben, denn bereits am 21.6.1905 hatte Cassirer gegenüber Görland brieflich versprochen, sich bei Bruno Cassirer für die Übernahme des Verlags für den Index einsetzen zu wollen; am 28.11.1905 geht es um den Plan, ihn bei Töpelmann separat herauszubringen, übrigens mit den selben Argumenten, die Cassirer auch im oben zitierten Brief zur Geltung bringt (DVD zu ECN 18). dass ich die Abfertigung Nelsons Ihnen allein anheimgegeben] außer einer Kurzkritik der Cassirerschen Gegenschrift (vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905) ist kein Aufsatz Görlands, der der Verteidigung Cohens dienen konnte, erschienen. Hans Vaihinger gab noch Ende 1908 einen Hinweis auf einen bereits länger für die Kant-Studien geplanten Beitrag Görlands über Cohen, vgl. Hans Vaihinger: Erwiderung auf einen Angriff auf die Kantstudien. In: Kant-Studien 13 (1908), S. 507. mit Jerusalem & Staudinger sich auseinandersetzen solle] zu Staudingers Rezension der Logik vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903. Wilhelm Jerusalem setzte sich in einer eigenen Monographie mit Cohens Logik und Husserls Logischen Untersuchungen auseinander, vgl. Wilhelm Jerusalem: Der kritische Idealismus und die reine Logik. Ein Ruf im Streite. Wien u. Leipzig 1905, dort bes. S. 80 – 91 zu Cohen. Ich selbst werde wahrscheinlich auch noch über dieselbe Sache das Wort nehmen] von Cohen ist in der Angelegenheit Nelson nichts erschienen. Ihre Anmerkung zu erweitern … typographischen Bedenken] vgl. die ausführliche Erwiderung auf Nelsons Verriß von Cohens Logik der reinen Erkenntniss in einer fast dreiseitigen Anmerkung in Cassirers Der kritische Idealismus …, S. 31–33 (ECW 9, S. 33). das Unehrerbietige der Kritik … wieviel Bücher ich über Kant geschrieben haben mag] vgl. Leonard Nelson: [Rezension von] System der Philosophie. 1. Teil. Logik der reinen Erkenntnis. Von Hermann Cohen. Berlin, Bruno Cassirer, 1902. In: GgA 167 (1905), S. 610 – 630 (Nr. 8 vom Aug. 1905), hier S. 629: Wer den Unterscheid der analytischen und synthetischen Urteile nicht versteht, für den muß notwendig auch die ganze übrige Kritik der reinen Vernunft ein verschlossenes Buch bleiben, und wenn er eine ganze Bibliothek über sie zusammengeschrieben haben mag. – Cassirers Erwiderung in der genannten Anm. auf S. 33 von Der kritische Idealismus … lautet: Daß sich in seinem [Nelsons] Kopfe ein erkenntniskritisches Werk anders als sonst in Menschenköpfen malt: das kann uns nach dem, was wir oben von seiner eigenen Lehre erfahren haben, nicht mehr in Staunen setzen; aber wahrhaft bewundernswert bleibt dennoch die Fertigkeit, mit der er in einem einzigen Worte, das er hinzufügt, eine gesamte, eingehende Untersuchung in das Gegenteil ihres Sinns verkehrt und ihr genau diejenige Tendenz unterschiebt, die sie ständig und unablässig bekämpft. – Außer diesem Einwand gegen das Infinitesimale aber, dem sich, so verkehrt er ist, doch allenfalls noch ein sachlicher Sinn abgewinnen läßt, findet sich in der ganzen langen Kritik N[elson]’s auch nicht ein einziges positives Argument. Was übrig bleibt sind einzig und allein gehässige Entstellungen und Schmähungen. Keinem Begriff wird die feste terminologische Bedeutung, keinem Gedanken der innere sachliche Zusammenhang gelassen, die sie innerhalb der „Logik der reinen Erkenntnis“ besitzen; überall werden nur einzelne Sätze herausgerissen, um sie mit höhnischen Randbemerkungen zu versehen. Daß es nach dieser Methode – besonders, wenn man in den beigefügten Scherzen nicht allzu wählerisch ist – ein leichtes ist, ein schwieriges spekulatives Werk zu „vernichten“, das brauchte nicht erst N[elson] zu erweisen: es ist aus der Geschichte des Idealismus sattsam bekannt. Wiederum übt N[elson] hier mit Berufung auf Kant ein Verfahren, das Kant für immer gekennzeichnet hat: „beim Lichte besehen ist diese Appellation nichts anderes als eine Berufung auf das Urteil der Menge; ein Zuklatschen, über das der Philosoph errötet, der populäre Witzling aber triumphiert und trotzig tut.“
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Ich schicke die Recension Ihnen mit] Nelsons Verriß von Cohens Logik der reinen Erkenntniss. Frau L.] nicht ermittelt. die 3 Bogen] von Cassirers Der kritische Idealismus … den 1. Artikel, dem 2 folgen werden, von Natorp über die Politik des letzten Jahres & den Schulgesetzentwurf] vgl. Natorp: Randglossen eines Ideologen zur deutschen Politik im Jahre 1905. In: Frankfurter Zeitung v. 12.1., 14.1. u. 16.1.1906 (im 3. Teil zum Schulgesetzentwurf). Vgl. Cohen an Cassirer vom 29.5.1906.
23. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 19. Januar 1906 Hs. (M. Cohen), 2 S. M a r b [ u r g ] d. 19.1.06. Lieber Herr D r ! Anbei der Entwurf, über den ich Sie um Ihre Meinung bitte, resp. Correctur. Ihre Anmerkung schicke ich noch einmal mit: sie ist ganz vortrefflich, u. erledigt vollständig dieses häßliche Problem. Nach Ihrer Rücksendung soll Beides sofort an Herrn T [ ö p e l m a n n ] gehen – G [ ö r l a n d ] schreibt ziemlich vernünftig u. nett, zugleich aber, daß er nunmehr direct mit Ihrem Vetter verhandeln werde. Daher wird es gut sein, daß Sie dort genau nachsehen. Auch vom Index bitte ich Sie für Sich u. für mich Correctur zu bestellen. – M [ a x ] L i e b e r m a n n hat mir sehr freundlich über M o z a r t geschrieben, auch sonst erfreuliche Zustimmung. – Jetzt erbitte ich nur Nachricht über Ihr Befinden, Sie bedürften auch der Erholung. Ich muß heute Abend in eine Protestversammlung, bei der N a t o r p die Hauptrede hält, u. zu der ich mit einberufen habe. B a u c h hat mir seine Abh[andlung] geschickt: N e l s o n ’s Jugend wird also beachtet. Mit herzlichen Grüßen für Sie Alle von uns Ihr H. C.A Anbei der Entwurf] für das Geleitwort Cohens u. Natorps zu den Philosophischen Arbeiten, vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905. Ihre Anmerkung] über Nelsons Kritik an Cohen, vgl. Cassirer: Der kritische Idealismus …, S. 31 – 33 (ECW 9, S. 33). an Herrn T ö p e l m a n n ] Alfred Töpelmann, Verleger der Philosophischen Arbeiten. G ö r l a n d … daß er nunmehr direct mit Ihrem Vetter verhandeln werde] nicht ermittelt; Vetter: Bruno Cassirer. wird es gut sein, daß Sie dort genau nachsehen] nicht ermittelt.
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H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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Auch vom Index bitte ich Sie für Sich u. für mich Correctur zu bestellen] bei Cassirers Cousin Bruno Cassirer erschien im Mai 1906 (vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905) von Albert Görland: Index zu Hermann Cohens Logik der reinen Erkenntnis. M a x L i e b e r m a n n hat mir sehr freundlich über M o z a r t geschrieben] Schreiben nicht überliefert; vgl. Cohen: Mozarts Operntexte. Zur 150. Wiederkehr seines Geburtstages, 27. Januar 1906. In: Frankfurter Zeitung 54 (1905), Nr. 361 vom 31.12.1905, S. 1–3 sowie in Frankfurter Zeitung 55 (1906), Nr. 2 vom 3.1.1906, S. 1–3 u. Nr. 3 vom 4.1.1906, S. 1 – 2 (abgedruckt in Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte Bd. 1, Berlin 1928, S. 490 – 519). Vgl. die Äußerung Cohens im Vorwort zu Die dramatische Idee in Mozarts Operntexten. Berlin 1916, S. 9: Im ersten Entwurfe war sie [diese Arbeit] in der Frankfurter Zeitung (in den ersten Tagen des Januar 1906) erschienen, nicht ohne manche Zustimmung in der Stille mir heimzubringen (vgl. HCW 17, S. 7). heute Abend in eine Protestversammlung, bei der N a t o r p die Hauptrede hält, u. zu der ich mit einberufen habe] im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Vorlage für ein preußisches Schulgesetz (vgl. Cohen an Cassirer vom 29.5.1906); Widerstand regte sich v. a. gegen das Prinzip der Konfessionsschule, die die Simultanschule des preußischen Landrechts ablösen sollte. Vgl. den Abdruck der Rede von Paul Natorp: Wider die Schulvorlage. Vortrag gehalten in öffentlicher Versammlung zu Marburg am 19.1.1906, Halle a. S. 1906, 23 S. B a u c h hat mir seine Abhandlung geschickt: N e l s o n ’s Jugend wird also beachtet] Leonard Nelson war zum Zeitpunkt des vorliegenden Schreibens 23 Jahre alt. Vgl. Bruno Bauch: Zum Begriff der Erfahrung. In: PWLZ (1906), Nr. 1 vom 6.1.1906, S. 21–25, fortgesetzt in Nr. 2 vom 13.1.1906, S. 33–47, hier S. 33, Anm. 1: Neuerdings ist mir dieses Missverständnis [der kritischen Erkenntnistheorie als Solipsismus oder Illusionismus] nie in so krasser Form, wenn auch nicht auf so präzisen Ausdruck gebracht, begegnet, als in einigen Besprechungen, denen die erkenntnistheoretischen Werke Cohens und Rickerts ausgesetzt waren. Hätten sich nur die unkritischen Kritiker unter den Rezensenten gefragt, ob sie allen Ernstes selbst daran glaubten, dass die von ihnen abgeurteilten Denker der Meinung seien, es liesse sich erkennen, ohne etwas zu erkennen, so würden sie vielleicht etwas behutsamer gewesen sein, ihr Missverständnis so „schnell fertig“, wie die Jugend mit dem Wort ist, bloszustellen.
24. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief m. e. U. vom 23. Februar 1906 Ts., 1 S. Marburg, d. 23.2.06. Mein lieber Herr Doctor! Ich wollte Ihnen freilich längst schreiben, vor Allem auch für den 2. Band des Leibniz danken & noch früher für die Bogen des neuen Buches, an denen ich wirkliche Freude gehabt habe. Sehr werthvoll war mir auch die Zurechtstellung Brunos. Doch über all dieses besprechen wir uns ja hoffentlich bald. Sie haben wohl gehört, dass ich nicht so ganz auf der Höhe des Befindens war, dennoch bin ich im Ganzen zufrieden, wenn auch die Arbeit nicht ohne Stocken war. Jetzt muss ich Ihnen doch noch schreiben, weil Herr Töpelmann für den Prospect noch die Ankündigung von Arbeiten wünscht, die in Aussicht stehen. Ich will
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„Grundfragen des Idealismus“ ankündigen. Würden Sie geneigt sein, Etwas in Aussicht zu stellen? Und noch eine Bitte. Sie können ja wohl Buek irgendwie erreichen: Könnten Sie ihn dazu bewegen, die Fortsetzung Faraday’s uns ankündigen zu lassen? In dem Journal de metaphysique e. t. c. stand eine hübsche Besprechung seiner Arbeit, aber auch mit der Aussicht auf Erweiterung. – Am 5. März soll ich in Berlin anfangen, aber die Ankündigung ist noch nicht erfolgt. Für den April denken wir diesmal an Paris, wenn Marokko es gestattet. Erich wächst zusehends innerlich, auch an freundlichem sich Geben. Dass Sie Fränkel ermuntern, ist sehr lieb, aber das macht mir Sorge. Natorp war wieder erfreulich brav in politischer Tapferkeit, aber in Bezug auf den Religionsunterricht ist er befangen & rückständig. Doch stört es unser Einvernehmen nicht. Wichtige Dinge bereiten sich für die Altersgrenze vor, wobei mir Aussicht auf Befreiung entsteht. Den Contract für den Commentar auf 10 Bogen denke ich zu unterschreiben. Der soll im Engadin entstehen, also nur unter halber Arbeitslast. Wir freuen uns darauf Sie Alle bald zu sehen & grüssen Sie Alle herzlich, auch zur Hochzeit der Schwester nochmals gratulierend, Ihr HCohenA 2. Band des Leibniz] G. W. Leibniz: Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie. Übers. v. Artur Buchenau. Durchges. u. mit Einleitungen u. Erläuterungen hrsg. v. Ernst Cassirer. Bd. 2. Leipzig: Dürr’sche Buchhandlung 1906 (PhB Bd. 108). die Bogen des neuen Buches … Zurechtstellung Brunos] gemeint sind die Korrekturbögen des 2. Bandes von Cassirers Das Erkenntnisproblem, der 1907 erschien. Zur dortigen Auseinandersetzung mit Giordano Bruno vgl. Cohen an Cassirer vom 29.5.1906. Herr Töpelmann für den Prospect … die Fortsetzung Faraday’s] Cassirer hatte am 6.2.1906 an Natorp berichtet, daß er Buek in letzter Zeit häufiger gesehen habe, vgl. die DVD zu ECN 18. Zur Sache vgl. die Vorschau des Verlags Alfred Töpelmann auf die geplanten Hefte der Philosophischen Arbeiten auf der inneren Umschlagseite des 1. Heftes des 1. Bandes der Philosophischen Arbeiten, Gießen 1906: Dr. O. Buek: Faraday./Dr. Ernst Cassirer: 1. Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Versuch einer systematischen Darstellung der Entwicklung der neueren Philosophie./2. Der Begriff der Erfahrung im System der kritischen Philosophie./Professor Dr. H. Cohen: Grundfragen des Idealismus./Dr. A. Görland: 1. Der Gottesbegriff bei Leibniz. Ein Vorwort zu seinem System./2. Die Prinzipien der Kombinatorik als reiner Erkenntnis im Dienst des Begriffs der Erfahrung./Professor Dr. P. Natorp: Kritische Auseinandersetzungen zur Psychologie. Tatsächlich erschienen ist davon im Rahmen der Philosophischen Arbeiten lediglich Albert Görland: Der Gottesbegriff bei Leibniz. Ein Vorwort zu seinem System. Gießen 1907 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 3); dass. in Philosophische Arbeiten Bd. 1, 1906 – 1907. Gießen 1907, S. 103 – 240. Buek irgendwie erreichen] Cassirer scheint mehrfach als Verbindungsmann zu Otto Buek fungiert zu haben, vgl. z. B. Cassirer an Natorp vom 15.2. u. 16.10.1911 (DVD zu ECN 18). In dem Journal de metaphysique e. t. c. stand eine hübsche Besprechung seiner Arbeit] vgl. die Besprechung von Otto Bueks Dissertationsschrift Die Atomistik und Faradays
A
Ihr H C o h e n ] hs. von Cohen, H C o h e n als Unterschrift zusammengezogen
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Begriff der Materie. Eine logische Untersuchung (erschienen in Archiv für Geschichte der Philosophie 18 (1905), S. 65 – 110 u. 139 – 165) in der Revue de Métaphysique et de Morale 14 (1906), Supplément, Jan. 1906, S. 15. Der ungenannte Rezensent gibt abschließend der Hoffnung Ausdruck, daß Buek seine nach des Rezensenten Meinung zu kurz gekommenen Interpretationen von Faradays Wissenschafts- und Philosophieverständnis in einer künftigen Veröffentlichung weiter ausführen werde. Bei Buek heißt es abschließend, S. 165: Die im letzten Kapitel nur kurz angedeutete Gedankenreihe weist jedoch schon auf die zentralen Partien des Faradayschen Begriffssystems hin und kann daher auch nur aus dessen positiven Aufstellungen letztlich verständlich werden. Der Verfasser muß es sich daher vorbehalten, noch ausführlicher auf die hier berührten Probleme zurückzukommen in einem Werk, das seinem Abschluß entgegengeht und das den Nachweis erbringen soll, was die moderne Logik von Faraday zu lernen haben wird. Das geplante Werk ist nicht erschienen, lediglich die Dissertation erschien separat (Berlin bzw. Marburg 1905). – Erst in der Festschrift zu Cohens 70. Geburtstag hat Buek einen Aufsatz über Michael Faradays System der Natur und seine begrifflichen Grundlagen veröffentlicht, vgl. Philosophische Abhandlungen. Hermann Cohen zum 70sten Geburtstag (4. Juli 1912) dargebracht. Berlin 1912, S. 99 – 122. Am 5. März soll ich in Berlin anfangen, aber die Ankündigung ist noch nicht erfolgt] vgl. jedoch Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ 70 (1906), Nr. 9 vom 2.3.1906, S. 2: Berlin, 26. Februar. Wie bereits durch Veröffentlichung des Kuratoriums der L e h ra n s t a l t f ü r d i e W i s s e n s c h a f t d e s J u d e n t u m s vom 22. d. M. bekannt gemacht worden ist, hat sich Herr G e h . R e g i e r u n g s r a t P r o f e s s o r D r. H . C o h e n aus Marburg auch in diesem Jahre bereit erklärt, die philosophischen Ferienkurse an der Lehranstalt wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Während der vorjährige Vorlesungszyklus über „Logik“ nur dazu bestimmt war, die Zuhörer in ethische und religionsphilosophische Probleme einzuführen, so haben die diesjährigen Vorlesungen diese Probleme selbst zu ihrem Gegenstande. Herr Geheimrat Cohen wird nämlich während des Monats März d. J. über das Thema „ E t h i k m i t B e z u g n a h m e a u f R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e “ lesen, und zwar am Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 6½-7½ Uhr abends im Dorotheenstädtischen Realgymnasium, Georgenstraße 30/31. Neben diesen Vorlesungen wird er auch, wie im Vorjahre, Uebungen über Plato und Kant abhalten, und zwar im Auditorium der Lehranstalt, Lindenstraße 48/50 I, in noch zu bestimmenden Stunden. Außer den Studierenden der Lehranstalt ist auch anderen Personen – Damen und Herren – nach vorheriger schriftlicher oder mündlicher Anmeldung gestattet, als Hospitanten an den Vorlesungen und Uebungen teilzunehmen. Meldungen werden bis spätestens den 5. März d. J. [Montag] vormittags zwischen 10 und 11 Uhr in dem Sekretariat der Lehranstalt, Lindenstraße 48/50 I, entgegengenommen. Bei der hohen Bedeutung, welche gerade die diesjährigen Vorlesungen für Gelehrte wie für Laien haben, ist zu erwarten, daß sie sich eines regen Besuchs erfreuen werden. – Der Vierundzwanzigste Bericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judenthums in Berlin. Berlin 1906, spricht auf S. 33 von 22 Hörern der Lehranstalt und 69 Hospitanten, darunter 28 Damen; ihre Zulassung ist statutenmässig gestattet und ihre Teilnahme im Interesse der Verbreitung unserer Wissenschaft erfreulich./Es haben teilgenommen: a) an den Vorlesungen 91,/b) an den Uebungen 15 Personen. – Die Ferienkurse waren eingerichtet worden, um den unbesetzten Lehrstuhl für Religionsphilosophie zu kompensieren, vgl. Vierundzwanzigster Bericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judenthums in Berlin. Berlin 1906, S. 33: Von unserem ursprünglichen Plane, die Stellung zunächst mit einem Lehrer der Religionsphilosophie zu besetzen, haben wir Abstand genommen, weil eine für dieses Lehramt völlig geeignete Persönlichkeit nicht vorgeschlagen werden konnte. Einen teilweisen Ersatz bieten unseren Hörern die F e r i e n k u r s e über Ethik und Religionsphilosophie,
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die Herr Geh. Regierungsrat P r o f . D r. C o h e n hält, und die sich über den Kreis unserer Hörer hinaus einer ausserordentlich regen Teilnahme erfreuen und tiefes Interesse erwecken. Vgl. die Ankündigung in Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ 69 (1905), Nr. 7 vom 17.2.1905, S. 2. Für den April denken wir diesmal an Paris, wenn Marokko es gestattet] Anspielung auf die Marokko-Krise von 1905/06. Vom 16.1. bis 7.4.1906 verhandelte im spanischen Algeciras eine internationale Konferenz über den künftigen Status von Marokko, das entgegen deutschen Interessen unter französischen Einfluß gelangt war. Erich wächst zusehend innerlich] gemeint ist Erich Cassirer, vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904. Fränkel ermuntern] Fritz Fränkel (vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903); nichts Näheres ermittelt. Natorp … in Bezug auf den Religionsunterricht] vgl. Cohen an Cassirer vom 29.5.1906. Altersgrenze … Aussicht auf Befreiung] Cohen war zum Zeitpunkt seines Schreibens 63 Jahre alt. Bis 1919/20 stand es Professoren in Preußen (wie im übrigen Deutschen Reich) frei, selbst darüber zu entscheiden, wann bzw. ob Sie in den Ruhestand traten. Zu den seit Sommer 1906 verfolgten Plänen, eine gesetzliche Altersgrenze einzuführen, vgl. [Paul von Salvisberg]: Altersgrenze der Professoren. In: HN 16 (1905/06), Nr. 4 vom Jan. 1906: Durch die Tagespresse geht die Mitteilung, dass sich die p r e u s s . U n t e r r i c h t s v e r w a l t u n g mit der Feststellung einer A l t e r s g r e n z e f ü r d i e L e h r t ä t i g k e i t d e r U n i v e r s i t ä t s p r o f e s s o r e n zunächst auf dem Wege einer Umfrage beschäftigt./In Aussicht genommen ist die Vollendung des 70. Lebensjahres. Es haben sich – so führt die „Frft. Ztg.“ [Frankfurter Zeitung] aus – viele Unzuträglichkeiten daraus ergeben, dass die Vertreter eines Faches oft bis ins höchste Alter hinein an den Professuren und an den damit verknüpften Tätigkeiten (Abnehmen von Prüfungen, Leitung von Seminarien usw.) festhalten. Das wird besonders bedenklich gefunden bei denjenigen Professoren, die zugleich Direktoren von Instituten sind, z. B. von chemischen Laboratorien oder Kliniken. Solche verantwortlichen Stellungen erfordern Männer von grosser Frische und Geschäftstüchtigkeit. – Die HN 16 (1905/06), Nr. 5 vom Febr. 1906 geben u. d. T. Die Altersgrenze der Professoren einen Kommentar über das negative Umfrageergebnis: Wie die Tagespresse berichtet, soll eine diesbzgl. Umfrage der Preuss. Unterrichtsverwaltung bei ihren Universitäten einen allgemein a b l e h n e n d e n B e s c h e i d erfahren haben. Es ist dabei vielfach von der H ä r t e eines solch „ m e c h a n i s c h e n Ve r f a h r e n s “ gesprochen worden, es scheint aber nicht weniger hart und dazu noch ungerecht, wenn ein alter Professor, d e r n i c h t m e h r l i e s t , g u t und sein E r s a t z p r o f e s s o r s c h l e c h t bezahlt wird. Deshalb dürfte die weiterhin aufgeworfene Frage einer A l t e r s g r e n z e f ü r d i e E x a m i n a t o r e n um so mehr in Erwägung zu ziehen sein, als tatsächlich viele Kollegien ohne Rücksicht auf ihre Qualität nur deshalb belegt werden, weil der betr. hochbetagte Lehrstuhlinhaber auch noch in der Prüfungskommission sitzt. Ausnahmen wie Beispiele bestätigen die Regel. – Das tatsächliche Entlassungsgesuch Cohens datiert erst vom 5.6.1912, mit Wirkung zum 1.10.1912 (abgedruckt in Holzhey II, S. 514 f.). Contract für den Commentar auf 10 Bogen] gemeint ist Cohens Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, der 1907 bei der Dürr’schen Buchhandlung in Leipzig als Bd. 113 der PhB erschien. Vgl. das frühere Schreiben Cohens an Benzion Kellermann vom 16.8.1905 aus Silvaplana (Postkarte): Ich sitze nun hier u. diktire mit fleißigem Bemühen nebbich den Commentar aber er kann mit D ü r r ’s Hilfe doch vielleicht Wunder thun. Wenn ich nur aushalte in Kraft u. Stimmung (Benzion Kellermann Collection, 1911 – 1923, Leo Baeck Institute New York, Call Number: AR 1197/MF 796. Digitalisat via http://cjh.org, Mikrofilm-Aufnahme 32).
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Hochzeit der Schwester] nicht ermittelt. Von Cassirers vier Schwestern kommen entweder Clara (1872–1924), verheiratet mit Hermann Münsterberg, oder die jüngere Toni (1885 – 1942), verheiratet mit David Königsberger in Betracht.
25. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 8. Mai 1906 Hs. (M. Cohen), 2 S. M a r b u r g , d. 8.5.06. Mein lieber Herr D r ! Es ist nun doch gut, daß ich neulich den jetzt folgenden Abschnitt beizulegen vergaß. Soeben war K i n k e l hier, der mit großer Bewunderung von Ihrem Buche sprach, das er angebotener Weise für die deutsche Literat[ur] Zeit[ung] bespricht u. schon Correctur davon erhalten hat, so daß vielleicht schon die nächste Nummer es bringt. Auch hat er das 1. Heft schon für die Frankf[urter Zeitung] besprochen. Er ist ungemein thätig u. interessirt. Der arme Falter hat seinen Bruder soeben an der Phthise verloren, u. er ist selbst sehr leidend, ein feiner lieber Mensch – ich bin heute wieder mit der Einleitung fertig geworden, u. habe meine Freude an den schönen tiefdringenden Lichtern. Mit herzlichen Grüßen für Sie Alle von uns Ihr H. C.A den jetzt folgenden Abschnitt] nicht ermittelt, wahrscheinlich ein Abschnitt aus dem Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, an dem Cohen arbeitete, vgl. Cohen an Cassirer vom 23.2.1906. K i n k e l … für die deutsche Literatur Zeitung bespricht] vgl. Walter Kinkel: Ernst Cassirer 〈Dr. phil.〉, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. 1. Bd. Berlin, Bruno Cassirer, 1906. In: DLZ 27 (1906), Nr. 19 vom 12.5.1906. Auch hat er das 1. Heft schon für die Frankfurter Zeitung besprochen] die Frankfurter Zeitung 50 (1906), Nr. 131 vom Sonntag, 13.5.1906, 4. Morgenblatt [Literaturblatt] meldete auf S. 2 in der Rubrik Neue Bücher. Eingegangen vom 5. bis 11. Mai Cassirers Der kritische Idealismus … Kinkels Rezension der beiden ersten Hefte der Philosophischen Arbeiten (enthaltend Cassirers u. Gustav Falters Beiträge) erschien in Nr. 165 der Frankfurter Zeitung 50 (1906) vom Sonntag, 17.6.1906, 4. Morgenblatt [Literaturblatt], S. 1. Eine weitere Besprechung Kinkels, diesmal nur von Cassirers Beitrag, erschien in DLZ 27 (1906), Nr. 30. vom 28.7.1906. Falter hat seinen Bruder soeben an der Phthise verloren] gemeint ist Gustav Falter (vgl. Cohen an Cassirer vom 22.11.1905). Näheres über den Bruder nicht ermittelt. Phthise: Schwindsucht (Tuberkulose). A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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heute wieder mit der Einleitung fertig geworden] gemeint sind die Arbeiten an der Einleitung zu Cohens Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Dürr 1907 (PhB Bd. 113), S. 8 – 12.
26. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 29. Mai 1906 Ts., mit einem hs. Nachtrag von H. Cohen, 2 S. Marburg, d. 29.5.06. Mein lieber Herr Dr! Es rächt sich, dass ich Ihnen nicht gleich schrieb, nachdem ich zum ersten Male Ihr Buch in einem Zuge durchgelesen hatte. Denn ich werde noch oft darauf zurückkommen, sowohl in den geschichtlichen, wie in den systematischen Studien. Descartes werde ich fortan mit den Regeln beginnen; es ist Ihnen überzeugend gelungen, ihn aus seiner wissenschaftlichen Originalität heraus erstehen zu lassen, & seine Mängel als einen geschichtlichen Verfall in die Metaphysik des Zeitalters darzustellen. Das ist eine befriedigendere Einsicht in die Unmittelbarkeit des Genius, als wenn man ihn zwischen 2 Weltalter von vornherein geklemmt, begreifen soll. So wichtig dieser Fortschritt ist, so möchte er doch noch übertroffen werden von dem Wechselgesang, den Sie zwischen Kepler & Galilei aufführen. Diese wechselseitige Ergänzung hat wirklich dramatischen Reiz. Wie sich da die philosophischen Gaben nüancieren, & wie diese Nuancen mit den Richtungen der Forschung zusammenhängen, das gewährt eine tiefere Einsicht in das Werden des Genius & in die Wechselwirkung von Philosophie & Forschung, als sie bisher deutlich werden konnte. Wie schablonenhaft, & wie desorientirend erscheint dagegen die Unterscheidung zwischen Anschauung & Denken, mit der Herr Chamberlain operirt, mit der er Typen des Geistes entwerfen will, während nur Zerrbilder der Methodik & des Geistes überhaupt dabei herauskommen. Sehr erfreut bin ich besonders auch über die Abfertigung Brunos auf Grund der genauen & klaren Würdigung seines Grundbegriffs, den er ohne Verständnis von Cusa aufgegriffen. Das ist Alles von heute noch unschätzbarer Wichtigkeit über das engere Gebiet der Philosophie hinaus. Und in derselben universellen Rücksicht sind viele andere Kapitel des Buches von grosser Bedeutung. Wir können auch sagen: Sie hatten Böses im Sinne, aber wir wollen anerkennen, dass es dadurch nur umso eifriger sich zum Guten gewendet hat. Da haben Sie nun das Material der Metaphysik, die Sie mit zweifelhaftem Vorzug so benennen. Welche Tiefe Quellen der allgemeinen Bildung & Gesittung, ja selbst der streng religiösen Interessen sind da erschlossen. Ich bin gespannt, wie bald die Theologen über Malebranche & Pascal daraus entlehnen werden. Wie ich Ihnen schon mündlich sagte, bin ich des durchschlagenden Erfolges sicher, freilich nicht des augenblicklichen, aber auch der bleibt vielleicht nicht aus. Die absolute Ruhe & Sicherheit, die reine Klarheit & Sachlichkeit Ihrer Darstellung, dabei doch trotz aller Discretion
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die unverkennbare Begleitung & Leitung eines warmen & festen persönlichen Urtheils enthalten die Bürgschaft einer wahrhaften schriftstellerischen Wirkung. Wie sticht dagegen ab die zudringliche Unruhe der vorzugsweise sogenannten schriftstellerischen Leistung, welche die Probleme für diesen Zweck zuschneidet, oder die Belehrsamkeit der gewöhnlichen Forschung, welche die Probleme nicht beherrscht & nicht ausdenkt. Ihr Buch hat überall den Charakter der Reife, auch in dem Sinne, dass sie unmittelbar fruchtbar wird, nicht nur für die Belehrung im Einzelnen, sondern ebensosehr für die Richtung, Befestigung & Vertiefung des Gesammtgeistes auf Grund der Methodik & ihrer ausgebreiteten Lebendigkeit über die Gebiete des Wissens. So ist es ein wirklicher Triumph, den ich mit Ihnen empfinde, auch in dem Sinne, dass es ein Jude ist, der in dieser Zeit das bedeutendste Werk der philosophischen Forschung geschaffen hat. Und so dürfen wir hoffen, dass Sie bald durch den 2. Band dieses Werk krönen werden. Ich bin sehr gespannt, wie nun wiederum der Leibniz, auf den man ohnehin fixirt ist, sich darstellen wird. Und so erst wird Kant in wahrhaft geschichtlicher Weise zur Erweckung kommen. Es ist meine aufrichtige Meinung, dass ich vor meinem Commentar Ihren 2. Band sehr dringlich haben möchte. Doch nun genug für heute. Das hätte ich Ihnen längst sagen sollen, ich hatte aber immer gedacht, dass Sie mir mittheilen würden, was Stumpf gesagt hat, nun rächt sich, womit ich anfing, dass ich Ihnen nicht geschrieben habe. Ich bitte Sie nun aber, mir doch ein kurzes Wort zu sagen. Wir gehen Freitag nach Herrenalb (postlagernd), & von da nach Baden Baden. Das Semester hat sich gut angelassen, es ist starker Eifer vorhanden. N[atorp] hat Delbrücks Angriff in den Pr[eußischen] Jahrb[üchern] & Paulsens in der christl[ichen] Welt durch einen neuen Artikel in der letzteren erwidert. Da er den mir vorlas, benutzte ich den Anlass ihn zu fragen & siehe da[,] er gestand mir naiv ein, dass er mich als Juden nicht unter den Ersten haben wollte. Ich zeigte ihm, das Ungeheuerliche, mein Groll ist nun geschwunden, aber wie heisst es im Paulus: O welch eine Tiefe der Weisheit e. t. c. Wie hat Ihnen denn Kellermann gefallen? Den Göttingern ist entschieden nicht wohl bei der Sache. Dr. Ach hatte mir mitzutheilen von Müller: wenn die Fakultät N[elson] habilitiren würde, so würde ihm officiell Missfallen darüber eröffnet werden, und Husserl liess mir sagen, er habe ihn aus seinem Seminar gewiesen. Ein netter Friese. Nun aber noch herzliche Grüsse Ihnen Ihrer l. Frau Ihren l. Kindern von meiner Frau & Ihrem H. C.A Delbrück sagt: Den Protest habe gar keiner geschrieben, der den Protestantismus kennt, sondern „ein auf eigene Hand philosophirender Jude oder Katholik.“ – Dazu solch Versteckenspiel! Es ist aber doch eine lustige Nemesis!B
A B
H. C.] Unterschrift nicht eigenhändig Delbrück sagt … Nemesis!] hs. von Cohen
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Ihr Buch] Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1, Berlin 1906. [EP I] Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 57 vom 9.3.1906. Diese Arbeit hatte Cassirer am 24.4.1906 als Habilitationsschrift in Berlin eingereicht. die Unterscheidung zwischen Anschauung & Denken, mit der Herr Chamberlain operirt] vgl. die Unterscheidung von Denkern und Anschauern bzw. Denken und Anschauen bei Houston Stewart Chamberlain: Immanuel Kant. Die Persönlichkeit als Einführung in das Werk. München 1905, S. 83 – 85 u. 208 – 214. Abfertigung Brunos] vgl. EP I, 1906, S. 340–372, bes. S. 343 u. 348 zu Giordano Brunos Begriff der Weltseele, der hinter das bei Nikolaus von Kues Erreichte zurückfalle. 2. Band] von Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. was Stumpf gesagt hat] Carl Stumpf, offenbar im Hinblick auf Cassirers Berliner Habilitationsgesuch vom 24.4.1906, vgl. Cohen an Cassirer vom 22.7.1906, ferner Cohen an Cassirer vom 7.6.1902. dass ich vor meinem Commentar Ihren 2. Band sehr dringlich haben möchte] dieser Wunsch Cohens erfüllte sich nicht. Das Erscheinen des 2. Bandes von Cassirers Das Erkenntnisproblem ist gemeldet im Börsenblatt, Nr. 278 vom 29.11.1907 u. erschien somit erst nach Cohens Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Dürr 1907 (PhB Bd. 113), dessen Erscheinen gemeldet ist im Börsenblatt, Nr. 68 vom 22.3.1907. Freitag nach Herrenalb] Bad Herrenalb, südlich von Karlsruhe am Rande des Schwarzwalds. Der 29.5.1906 fiel auf einen Dienstag, also ist mit Freitag wahrscheinlich der 1.6.1906 gemeint. Natorp hat Delbrücks Angriff in den Preußischen Jahrbüchern & Paulsens in der christlichen Welt durch einen neuen Artikel in der letzteren erwidert] es geht um Natorps Auseinandersetzung mit der Vorlage für ein preußisches Schulgesetz. Natorp wandte sich gegen das Prinzip der Konfessionsschule, die die Simultanschule des preußischen Landrechts ablösen sollte. Am 23.3.1906 erschien eine von insgesamt ca. 450 Unterzeichnern bekräftigte Kundgebung in der Frankfurter Zeitung unter dem redaktionellen Titel Das intellektuelle Deutschland gegen die Schulvorlage. – Hans Delbrück, Hrsg. der PJ, befürwortete die Vorlage, vgl. PJ 123 (1906), Febr. 1906, S. 397–400. Darauf replizierte Natorp in der Frankfurter Zeitung vom 12.2.1906 und in einem Artikel in der Christlichen Welt 20 (1906), Nr. 18, Sp. 422 – 425 unter dem Titel Warum wir gegen die Schulvorlage protestieren. Delbrück griff die Gegner der Vorlage nochmals im Maiheft der Preußischen Jahrbücher 124 (1906), S. 382 – 385 an, Natorp replizierte wiederum in einem weiteren Artikel in Die Christliche Welt 20 (1906), Nr. 22, Sp. 523 – 525 unter der Überschrift Zur sachlichen Klarstellung. Dieser Artikel ist hier gemeint. Die Schulvorlage trat schließlich zum 1.4.1908 in Kraft, vgl. Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten. Berlin 1906, S. 335–364 (Nr. 10741). – Die AZJ 69 (1905) setzte sich besonders ab Nr. 49 u. 50 vom 8. u. 15.12.1905 mit dem Schulgesetzentwurf auseinander u. brachte die Einwände von jüdischer Seite zur Geltung. wie heisst es im Paulus: O welch eine Tiefe der Weisheit e. t. c.] vgl. Römer 11, 33: O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und Erkenntnis Gottes! Wie gar unbegreiflich sind sein Gerichte und unerforschlich seine Wege! Wie hat Ihnen denn Kellermann gefallen?] diese Anspielung ist nicht sicher aufzulösen. Benzion Kellermann (1869 – 1923) war von Ostern 1889 bis einschließlich SS 1893 Student Cohens in Marburg, seit 1888 im Schuldienst in Berlin, Frankfurt a. M. und Konitz, seit 1901 an der Knabenschule der Jüdischen Gemeinde Berlin, ab 1917 dort Rabbiner; vgl. PersMarburg u. den Nachruf von Leo Baeck in Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 13 (1923), Nr. 5/6/7 vom 5.7.1923, S. 31. Von
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Kellermann war vom 20.1.-26.5.1905 eine neunteilige Artikelserie in der AZJ über Cohens Ethik des reinen Willens erschienen. Dr. Ach] zu Narziß Ach, der im Oktober 1904 in Marburg die Lehrberechtigung für Experimentalpsychologie erworben hatte (NDB; WBIS), vgl. Cohen an Cassirer vom 9.2.1903. Müller] zu Georg Elias Müller vgl. Cohen an Cassirer vom 9.2.1903. Husserl liess mir sagen, er habe ihn aus seinem Seminar gewiesen] Husserl berichtete am 23.12.1908 rückblickend an Natorp: Was die Göttinger Verhältnisse anlangt, so hat sich hier – Nelson zur Habilit[ation] offic[iell] angemeldet. Vor etwa 2 Jahren (noch vor meinem Eintritt in die Fak[ultät]) ist er abgewiesen worden. Unter uns gesagt wirkte ich dabei als Akteur hinter der Scene. Ich war empört über seine unglaubliche Recension in den G[öttingischen] G[elehrten] A[nzeigen] (über Cohen’s r[eine] Logik). Gegenwärtig hat er überwiegende Chancen durchzudringen. Er hat viele persönliche Beziehungen und gilt bei den Mathematikern u. Naturwissenschaftlern als großes lumen. Er ist ein [Ur-]Enkel Lejeune-Dirichlets und mit Leo’s Gemahlin verwandt: Familie Hensel-Mendelssohn (Edmund Husserl: Briefwechsel Bd. 5. Die Neukantianer. In Verbindung mit E. Schuhmann hrsg. v. K. Schuhmann. Dordrecht 1994 (Husserliana. Dokumente Bd. III. Briefwechsel. Teil 5), S. 99 f. Die Rede ist von Peter Gustav Lejeune Dirichlet, 1855 – 1859 in Göttingen Professor für Astronomie und Mathematik, Vater der Mutter Nelsons; sowie Friedrich Leo (1851 – 1914), seit 1889 in Göttingen Professor für klassische Philologie, seine Frau eine Enkelin von Wilhelm Hensel u. Fanny Mendelssohn-Bartholdy, Schwester von Rebecca Mendelssohn-Bartholdy, der Urgroßmutter Nelsons; NDB). Ein netter Friese] Leonard Nelsons (Friese als Anspielung auf Nelson als Hauptrepräsentant der Göttinger Neu-Fries’schen Schule) Habilitationsgesuch wurde 1906 abgewiesen, was u. a. daran lag, daß Nelsons glaubte, seine Arbeit über Die kritische Methode und das Verhältnis der Psychologie zur Philosophie erneut als Habilitationsschrift vorlegen zu können, obwohl diese Arbeit bereits als seine Dissertation nicht genügt hatte (Philosophie und Politik – Leonard Nelson (1882 –1927). In: Ilse Fischer: Der Bestand Leonard Nelson im Archiv der sozialen Demokratie. Bonn 1999 (Beiträge aus dem Archiv der sozialen Demokratie), S. VIII – X). Delbrück sagt … „ein auf eigene Hand philosophirender Jude oder Katholik.“] vgl. Hans Delbrück: Die Kundgebung der 27 gegen die Schulvorlage. In: PJ 124 (1906), April-Juni 1906, Heft 2 (Mai), S. 382 – 385, hier S. 383. Dazu solch Versteckenspiel! Es ist aber doch eine lustige Nemesis!] Cassirer schrieb am 3.6.1906 tröstend an Natorp: Die Schulvorlage ist nun also Gesetz geworden – und man muss sich leider gestehen, daß nicht zum kleinsten Teile die Haltung der Professorenschaft es verschuldet hat. Sie werden Ihren Kampf, wenngleich er für den Augenblick ohne Erfolg geblieben ist, gewiss nicht bedauern; – denn daß man auf der anderen Seite kein ganz gutes Gewissen hat und daß man sich innerlich zu schämen beginnt, zeigt schon der Ton, in dem man gegen Sie vorgeht. Delbrücks Angriff finde ich eben so brutal, wie borniert; wenn das, was er vertritt, der echte Protestantismus wäre, dann wäre es schlimm um diesen bestellt! Ihre ruhige und wie mir scheint überzeugende Erwiderung in der „Christl[ichen] Welt“ habe ich gestern, im Zeitschriftenzimmer der Bibliothek, gelesen (Holzhey II, S. 346 f.).
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27. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 12. Juni 1906 Ts., 1 S. Marburg, d. 12.6.06. Mein lieber Herr Dr! Vom Seminar nach Hause kommend, werde ich durch Ihren lieben Brief erfreut. Ohnehin wollte ich Ihnen heute schon schreiben, & nicht allein um Ihnen für Ihren Brief zu danken, der mich in Herrenalb richtig erreicht hat. Wir waren nämlich dort mit Frau Burg & Simons zusammen. Max Simon war diesmal besonders nett & wissenschaftlich wie persönlich interessirt & verlangend. Er hat sich nun bereit erklärt, Ihr Buch für das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik (Lampe), sowie kürzer für die südwestdeutschen Schulhefte zu besprechen. Ich möchte Sie daher bitten Ihren Vetter zur Zusendung des Buches an Prof. Max Simon Strassburg, Lessingstr. zu veranlassen. Ich habe die stille Hoffnung, dass er auch der Logik noch einen Liebesdienst erweisen wird. Uebrigens hat er sie in der Encyclopädie rühmend erwähnt. Russel ist mir nicht bekannt, & da ich zweifele, ob man das Buch hier hat, so wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie es mir auf ein Paar Tage zuschicken könnten. Es scheint mir wichtig genug, dass Sie darauf eingehen. Natorp ist eifersüchtig, dass Sie Ihre Arbeit über Couturat in den Vaihinger Bauch stecken, der doch nur ein chaotisches Verschlingen hat. Ich habe diesen missgünstigen Affect unterdrücken wollen, aber schade ist es, dass uns diese gewichtige Sache entgeht, sosehr ich andererseits Ihre Tendenz zu unparteiischer Leutseligkeit verstehen & billigen muss. So ist auch der Besuch von Hensel ein gutes Symptom für den Ausgang der Nelsonschlacht. Die deutsche Philosophie hat also den Führer verloren, vergl[eiche] L[udwig] Stein Frankf[urter] ZeitungA Sonntag & Dienstag 1. Morgenblatt. Kinkel in der neuen freien Presse ist aber wirklich hübsch. Von Natorp werden Sie auch interessanten Brief erhalten. Heute nur noch den Bericht, dass wir uns vortrefflich befunden & erholt haben, bis Mittwoch in Herrenalb, dann bis Montag in Baden Baden, wo ein 3tägiges Musikfest, vornehmlich Brahms & Beethoven uns nicht zu tüchtigen Spaziergängen kommen liess. Aber auch an bildender Kunst haben wir uns gebildet, in Frankfurt Meunier & bei Städel einen ergreifend schönen Liebermann, den Waisenhof von Amsterdam, & sodann in Karlsruhe. Der Brief muss fort, mit herzlichen Grüssen für Ihr liebes Quartett von uns Ihr H. C.B in Herrenalb] vgl. Cohen an Cassirer vom 29.5.1906.
A B
Zeitung] Ztg. H. C.] Unterschrift nicht eigenhändig
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Frau Burg] zu Mathilde Burg vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904. Max Simon] 1844 – 1918, Mathematiker u. Mathematik-Historiker, seit 1871 Oberlehrer am Straßburger Lyzeum, seit 1891 mit dem Titel Professor, seit 1903 Honorarprofessor der Geschichte der Mathematik an der Universität Straßburg (WBIS). Ihr Buch für das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik … für die südwestdeutschen Schulhefte zu besprechen] vgl. die Rezension von Cassirers Das Erkenntnisproblem Bd. 1, 1906 von Max Simon in Südwestdeutsche Schulblätter 24 (1907), Nr. 4, S. 135 – 137. Im Jahrbuch für die Fortschritte der Mathematik 38 (1907), hrsg. v. Emil Lampe, Berlin 1910, S. 92 erschien keine Rezension, sondern lediglich die Meldung des Erscheinens des Separatdrucks von Simons Besprechung u. d. T. E. Cassirer. Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. Südwestdeutsche Schulblätter 1907, 3 S. sep. Ihren Vetter … Zusendung des Buches] Cassirers Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1 erschien bei Bruno Cassirer in Berlin. dass er auch der Logik noch einen Liebesdienst erweisen wird. Uebrigens hat er sie in der Encyclopädie rühmend erwähnt] vgl. Max Simon: Über die Entwicklung der Elementar-Geometrie im XIX. Jahrhundert. Leipzig 1906 (Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Der Ergänzungsbände 1. Bd.), S. 13: L a i s a n t ’s La mathématique [philosophie] enseignement, Paris 1898, ist eigentlich mehr eine causerie des Verfassers als eine Anleitung zum Unterricht; ich bemerke, daß die Franzosen unter Philosophie der Mathematik ganz anderes zu verstehen scheinen als die Deutschen und die Italiener. Den Gegensatz markieren am besten R i c h a r d ’s Sur la philosophie des mathématiques, Paris 1903 und H . C o h e n ’s tiefsinnige „Logik der reinen Erkenntnis“, Berlin 1902. Das Vorwort, datiert Straßburg i. E., August 1905, gibt nähere Auskunft über die im Schreiben Cohens gemeinte Enzyklopädie: Der vorliegende Bericht über Elementargeometrie war ursprünglich für die Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften [mit Einschluß ihrer Anwendungen] bestimmt, und nur im Interesse der Sache hatte ich die Arbeit, deren Mühe ich voraussah, übernommen. Seit vier Jahren ist sie den Leitern der Encyklopädie übergeben, doch waren immer wieder Formalien zu erledigen, da die Eigenart des Referenten [Max Simon] sich nicht mit der des Redakteurs [Felix Klein] deckte. Eine Rezension von Simon über Cohens Logik der reinen Erkenntniss, 1902 ist nicht ermittelt, aber Simon hat die Cohensche Logik wiederholt lobend hervorgehoben, vgl. dessen Didaktik und Methodik des Rechnens und der Mathematik. 2., umgearbeitete u. erweiterte Aufl. München 1908 (Sonderausgabe aus Dr. A. Baumeisters „Handbuch der Erziehungsund Unterrichtslehre für höhere Schulen“), S. 2 u. 61; ders.: Über Mathematik. Erweiterung der Einleitung in die Didaktik. Gießen 1908 (Philosophische Arbeiten Bd. 2, Heft 1), S. 3 u. 4 sowie ders.: Geschichte der Mathematik im Altertum. In Verbindung mit antiker Kulturgeschichte. Berlin 1909, S. 221. Russel ist mir nicht bekannt] gemeint ist: Bertrand Russell: The Principles of Mathematics Bd. 1 [mehr nicht erschienen]. Cambridge 1903. dass Sie Ihre Arbeit über Couturat in den Vaihinger Bauch stecken] vgl. Cassirer: Kant und die moderne Mathematik. (Mit Bezug auf Bertrand Russells und Louis Couturats Werke über die Prinzipien der Mathematik). In: Kant-Studien 12 (1907), S. 1 – 49. Herausgeber der Kant-Studien war Hans Vaihinger. Der Plan zu dieser zu einem Aufsatz erweiterten Doppelbesprechung geht zurück bis auf das Jahr 1901, vgl. Cassirer an Natorp vom 18.8 .u. 9.9.1901 (ECN 18, S. 4 f.; DVD zu ECN 18). Cassirer hatte Natorp bereits am 3.6.1906 angekündigt, die Rezension in den KantStudien erscheinen lassen zu wollen (Holzhey II, S. 347). Besuch von Hensel] gemeint ist wohl Paul Hensel, seit 1917 in zweiter Ehe mit der seit 1912 von Nelson geschiedenen Elisabeth Schemann verheiratet u. als Enkel Fanny Hensels, geb. Mendelssohn-Bartholdy, weitläufig mit Nelson verwandt. Moses
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Mendelssohn war der gemeinsame Ururgroßvater (vgl. Cohen an Cassirer vom 29.5.1906). Paul Hensels Bruder Kurt Hensel (1861 – 1941) war seit 1901 Professor für Mathematik in Marburg (NDB). Nelsonschlacht] Anspielung auf Admiral Nelson, meint hier die publizistische Auseinandersetzung in Folge von Leonard Nelsons Rezension über Cohens Logik der reinen Erkenntniss, 1902 u. der Replik von Cassirer in den Philosophischen Arbeiten, die von 1906–1907 hauptsächlich in den Zeitschriften Abhandlungen der Fries’schen Schule. Neue Folge; PWLZ u. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie ausgetragen wurde (dazu zwei Schreiben von Cassirer an Natorp vom 30.6.1906 u. 2.7.1907, auf der DVD zu ECN 18). Für Nelson stritten hauptsächlich Kurt Grelling, Gerhard Hessenberg u. Otto Meyerhof; auf der Seite Cassirers (u. Cohens) standen v. a. Paul Stern, Hugo Renner u. Artur Buchenau. vergleiche Ludwig Stein] vgl. Ludwig Stein: Eduard v. Hartmann und das „Problem des Lebens“. In: Frankfurter Zeitung 50 (1906), Nr. 158, 1. Morgenblatt vom Sonntag, 10.6.1906, S. 1 – 3. Dass., Schluß. In: Frankfurter Zeitung 50 (1906), Nr. 160, 1. Morgenblatt vom Dienstag, 12.6.1906, S. 1–2. Stein setzt sich in seinem Artikel ausführlich mit der führenden Rolle Eduard von Hartmanns u. dessen Werken Philosophie des Unbewußten, 1868 u. Das Problem des Lebens, 1906 für den Neovitalismus auseinander, der sich als neues Paradigma des 20. Jahrhunderts abzeichne. Dem Artikel ist ein Schlußabschnitt als Nachruf auf den am 5.6.1906 verstorbenen v. Hartmann beigefügt, der mit den Worten schließt: Unter den Großen der deutschen Nation wird fürderhin der Name Eduard v. Hartmann nicht fehlen dürfen. Mit Leibniz, seinem ethischen Gegenfüßler, aber metaphysischen Geistesverwandten, teilt Hartmann nicht bloß eine universalistische Bildung, die ihn an die Spitze der gelehrten Deutschen stellt, sondern eine in sich geschlossene Weltanschauung, welche Zeiten und Völker überdauern wird. Seinen persönlichen Verehrer verlieren an ihm einen fürsorglichen, hingebungsvollen Freund, die deutsche Nation aber und mit ihr unser gesamter Kulturkreis betrauert den Heimgang nicht eines, sondern des führenden Denkers der Gegenwart. Kinkel in der neuen freien Presse] vgl. die Rezension von EP I, die Cassirers Werk eine bleibende Bedeutung für alle Zukunft voraussagt, von Walter Kinkel: Das Erkenntnisproblem. In: Neue Freie Presse, Nr. 14993 vom Sonntag, 26.5.1906, Morgenblatt, S. 36 – 37. Von Natorp werden Sie auch interessanten Brief erhalten] nicht überliefert, vgl. aber die Antwort Cassirers an Natorp vom 14.6.1906, in der Cassirer ausführlich seine Gründe darlegt, seinen Aufsatz Kant und die moderne Mathematik nicht in den Philosophischen Arbeiten, sondern in den Kant-Studien erscheinen zu lassen: Haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief, den ich sogleich beantworten will. Um zunächst gleich auf einen Hauptpunkt zu kommen, so höre ich von Cohen und entnehme es auch aus Ihren eigenen Worten, daß Sie etwas verstimmt darüber waren, daß ich meinen Aufsatz über Couturat den Kant-Studien angeboten habe, statt ihn in den Marburger „Arbeiten“ erscheinen zu lassen. Hierbei leitete mich indessen nicht einmal eine besondere „Politik“, – sondern die Sache ergab sich sehr einfach und harmlos. Ich beabsichtigte anfangs nur, eine kurze Besprechung von Couturats Buch zu geben, die schon ihres Umfangs wegen als selbständige Publikation für die „Arbeiten “ gar nicht in Betracht gekommen wäre. Ich wandte mich daher an Bauch, der sogleich auf meinen Vorschlag einging. Später ergab sich mir freilich die Notwendigkeit, das Thema weiter auszudehnen und insbesondere Russells großes Werk über die Principien der Mathematik hineinzubeziehen. So wird jetzt freilich aus der kurzen Recension, die anfangs allein gemeint war, ein ziemlich ausführlicher Aufsatz werden (DVD zu ECN 18). Natorps Antwort auf dieses Schreiben ist wiederum nicht überliefert, der Ton von Cassirers Schreiben vom 28.6.1906 an Natorp scheint aber darauf hinzuweisen, daß Natorp versöhnlich reagiert hat (Holzhey II, S. 350 f.).
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Baden Baden … ein 3tägiges Musikfest, vornehmlich Brahms & Beethoven] das 1. Baden-Badener Musikfest fand vom 9.-11.6.1906 statt. Am 9.6. wurde Brahms aufgeführt, am 10. Beethoven, während der dritte Abend unter der Leitung von Richard Strauss neueren Werken gewidmet war. Vgl. die Kritik in Musikalisches Wochenblatt 37 (1906), Nr. 28 vom 12.7.1906, S. 509. in Frankfurt Meunier] vgl. den Katalog Constantin Meunier. Gedächtnis-Ausstellung veranstaltet durch Keller & Reiner [Ausstellung im Festsaal des Frankfurter Rathauses, ab 8.4.1906]. Berlin [1906]. Text von Walther Gensel. Diese Ausstellung wurde ein Jahr nach dem Tod des Bildhauers Constantin Meunier (1831– 1905) vom Berliner Kunstsalon Keller & Reiner veranstaltet und 1906 auch in Berlin, München (Ende Juli bis 16.9.1906) und Dresden gezeigt (Daten nach den bibliographischen Angaben im Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK); vgl. Walther Gensel: Constantin Meunier. Mit 61 Abb. u. einem Titelbilde. 2. Aufl. Bielefeld u. Leipzig 1907). bei Städel einen ergreifend schönen Liebermann, den Waisenhof von Amsterdam] vgl. Max Liebermann: Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus/Der Hof des Waisenhauses in Amsterdam. 1881/82. Öl auf Leinwand, 78,5v107,5 cm. Städel Museum Frankfurt, Inventar-Nr. 1351, 1900 vom Städelschen Museums-Verein vom Kunstsalon Bruno und Paul Cassirer erworben (Gemälde aus dem Besitz des Städelschen Museums-Vereins. In: Catalog der Gemälde-Gallerie des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main. Im Auftrag der Administration des Instituts bearb. v. Heinrich Weizsäcker. 2. Abt. Die Werke der neueren Meister seit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts. 3. Abschnitt. Frankfurt a. M. 1903, S. 136 f.).
28. Martha u. Hermann Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brief vom 6. Juli 1906 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 6.7.06. Liebe Freunde! Mein Mann hat mir so Viel von dem herzlichen, anmuthig lieblichen Empfang erzählt, den Sie ihm bereitet, als ein so harmonisches Trio, u. mit dem Sie ihn so innig erfreut, daß ich Ihnen noch einmal danken muß. Nur ein Schatten fällt für mich darauf, daß wir ihn nicht Ihnen hier in M a r b u r g bereiten konnten. Wie hatten Sie es so reizend geplant u. wie schön wäre die Ausführung gewesen. Der Gedanke läßt mich nicht los, daß Sie es vielleicht doch noch in der nächsten Woche thun könnten. Bitte thun Sie es. Sie kennen ja den Werth der Idee u. diese ist so groß u. schön, daß Sie am Besten geeignet sind sie durchzuführen. Sollte ein Theil unseres Besuches schon bei uns sein, so kann ich ohne jede Mühe ein 2tes Zimmer herstellen, wie ich es ja jedes Jahr mache. Ihre Vorbereitungen liebste Frau, können Sie ja bei Ihrem Organisationstalent schneller bewerkstelligen, da ich höre, Sie haben an der Ostsee Ihren Sommeraufenthalt bestimmt. Wir werden sorgen, daß M a r b u r g sein schönstes Festgewand anlegt. – Von Heinzi’s Strammheit u. kluger lieber Entwickelung habe ich mit Freuden gehört. Georg das schöne Kind mit den sanften Veilchenaugen ist leider ganz im Hintergrund geblieben. Das Erstgeburtsrecht triumphirt auch hier. – Mein
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Mann ist wohlbehalten u. gut durchgeschlafen hier angelangt u. hat den Tag ohne jedes Gefühl von Strapaze verlebt. An einer poetischen Depesche von Grethchen aus F r e i b u r g hatte ich mich inzwischen erfreut. Der Geburtstag schlägt noch immer leise Wellen indem täglich einige Besucher erscheinen. – Und nun also auf frohes Wiedersehen in M a r b u r g ! Mit herzlichen Grüßen für Sie u. die lieben Kleinen Ihre Martha Cohen
Nehmen Sie, meine lieben Freunde, meinen herzlichen Dank für alles Liebe, das Sie mir durch Ihr Erscheinen in der Morgenfrühe, wie durch ein noch größeres Opfer, das Sie mir zugedacht, bereitet haben. Ein richtiger Dank muß aber eine ernsthafte Bitte enthalten u. so bitte ich um die gütigeA Ausführung Ihrer lieben Absicht. Heute nur so Viel. Herzliche Grüße Ihnen u. den lieben Kinderchen von Ihrem H. C.B herzlichen, anmuthig lieblichen Empfang] wohl in Berlin. Näheres nicht ermittelt, wohl im Zusammenhang mit Cohens Geburtstag. in M a r b u r g … Wie hatten Sie es so reizend geplant u. wie schön wäre die Ausführung gewesen] vgl. Cassirer an Natorp vom 3.6.1906: wir hatten eigentlich für dieses Jahr eine Pfingsttour nach Marburg geplant, woraus aber leider wieder nichts geworden ist (Holzhey II, S. 348) sowie rückblickend Cassirer an Görland vom 14.9.1906: Es ist mir ausserordentlich leid, daß aus meiner diesjährigen Marburger Reise, die bereits fest beschlossen war, zuletzt doch nichts geworden ist (DVD zu ECN 18). Heinzi … Georg] die Söhne Cassirers, vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4. u. 27.7.1904. Grethchen aus Freiburg] gemeint ist wohl Grete Natorp, eine Tochter Paul Natorps (vgl. Holzhey II, S. 488), Näheres nicht ermittelt. Der Geburtstag] Cohen war am 4.7.1906 64 Jahre alt geworden.
29. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 22. Juli 1906 Hs. (M. Cohen), 4 S. Marburg a. d. Lahn. 22.7.06. Mein lieber Freund! Auch ich hatte das Gefühl Ihnen heute zu schreiben, ich wollte als Anlaß dazu benutzen, daß M a x S i m o n mir geschrieben hat, er habe Ihr Buch noch nicht A B
gütige] Lesung unsicher, Verlust durch Lochung H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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erhalten. – Auf Ihre Frage möchte ich doch sagen, daß die Besuche sogleich mir nicht nothwendig scheinen, zumal Sie doch sogleich zu Ihrer Familie streben dürfen. Höchstens wäre noch zu überlegen, ob Sie D i l t h e y u. R i e h l , wenn Beide sehr liebenswürdig sind, am 27. Vormittags Besuch machen wollten. Bei den Anderen aber hat es unbedenklich Zeit bis zur Antrittsvorlesung, oder wenn sie verreist sein sollten bis zum Beginne des Semesters. Worüber wollen Sie in der Antrittsvorlesung sprechen? Daß D i l t h e y am C o l l o q u i u m theilnimmt, wage ich als eine Marburger Rücksicht aufzufassen, u. zugleich als ein Symptom, daß Ihre akademischen Beziehungen sich noch viel freundlicher gestalten können, als man jetzt noch denkt. Ich darf wohl ausdrücklich um ein freundliches Telegramm bitten. – G ö r l a n d ist mit Familie hier u. netter als je. Der L e i b n i z wird schon gedruckt, u. bald soll P a u l s e n mit der Empfindung folgen. Erich will bald an die See gehen, er ist in guter Stimmung u. Verfassung. Auch F r ä n k e l denkt ernstlich an die Arbeit. Ich möchte den M a i m o n i d e s durch d[en] Zusatz ergänzen, daß seine negativen Attribute Gottes, u. nur diese sind ihm ja zuläßig viel mehr limitirende Ursprungsprädikate sind. Eine sehr angenehme Bestätigung. Am 3. August wollen wir abreisen, 1 Tag in Z ü r i c h u. dann S i l v a p l a n a . Heute nur noch herzliche Grüße für alle die lieben Ihrigen, auch Ihre jetzigen Gastfreunde. Auf gute erfreuliche Nachricht mit innigen Wünschen von uns Ihr H. C.A Brief vom 22. Juli 1906] mit gedrucktem Briefkopf Professor H. Cohen/Geh. Regierungsrat (gegenüber:) Marburg a. d. Lahn. M a x S i m o n … er habe Ihr Buch noch nicht erhalten] vgl. Cohen an Cassirer vom 12.6.1906. ob Sie D i l t h e y u. R i e h l … Besuch machen wollten] am Tage nach der Probevorlesung. Worüber wollen Sie in der Antrittsvorlesung sprechen?] gemeint ist Cassirers Habilitationsverfahren in Berlin mit der Probevorlesung am 26.7.1906 über Substanzbegriff und Funktionsbegriff (abgedruckt in ECN 8, S. 3 – 16, die dortige Datierung ist zu korrigieren) u. der Antrittsvorlesung Die Vernunftkritik in ihrem Verhältnis zur Wissenschaft des achtzehnten Jahrhunderts am 11.8.1906, für die nur der Titel überliefert ist. Die alternativen Themenvorschläge lauteten für die Probevorlesung: Der Begriff der Grenze und seine erkenntnistheoretische Bedeutung/Die wissenschaftlichen Voraussetzungen der Kantischen Raum- und Zeitlehre, für die Antrittsvorlesung: Der Anteil der Philosophie an der Entstehung der modernen Wissenschaft/ Die Hauptformen des wissenschaftlichen Idealismus. Als Habilitationsschrift hatte Cassirer am 24.4.1906 eingereicht: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1, Berlin 1906; außerdem seine Dissertation von 1899 über Descartes Kritik der mathematischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnis sowie Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, 1902 u. die beiden bis 1906 erschienenen Bände der Leibniz-Ausgabe in der Philosophischen Bibliothek, Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie. Auf Bl. 87r-88v der Habilitationsakte A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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findet sich zusätzlich Cassirers hs. Inhaltsverzeichnis über den 2. Bd. der Arbeit über das Erkenntnisproblem. – Alois Riehl moniert in seinem ausführlichen Gutachten vom 27.6.1906, in das er auch das Buch über Leibniz u. das zugehörige Akademiegutachten von 1901 einbezog (vgl. Cohen an Cassirer vom 4.12.1901), zwar das Hineinlegen eines fertigen Schemas in die geschichtlichen Tatsachen u. äußert schwere Bedenken gegen die Methode, erkennt Cassirers Arbeit über das Erkenntnisproblem aber trotzdem als eine durch ausgebreitete Sachkenntnis u. eindringendes Verständnis ausgezeichnete u. damit den Durchschnitt der Probeschriften zur Habilitation beträchtlich überragende an und empfiehlt die Annahme. Diltheys Gutachten vom 28.6.1906 lautet: Ich trete dem Urtheil des Referenten vollständig bei, und auch ich beantrage, da es sich bei der Zulassung eines Privatdocenten um dessen Fähigkeiten, Kenntnisse, Arbeitskraft handelt; diese aber in der vorliegenden Schrift viel bedeutender hervortreten als in der über Leibniz, dazu die Mängel einer subjektiven Methode sich nicht in demselben Maße geltend machen, die Zulassung von D r. C a s s i r e r zu den weiteren Habilitationsleistungen (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät 1228: Acta der Königl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin betreffend Habilitationen 26.5.1906 – 15.3.1907. Bl. 83 – 96: Habilitation des Dr. Cassirer; die Gutachten auf Bl. 91r/v). Während des Kolloquiums im Anschluß an die Probevorlesung soll das Wort Diltheys gefallen sein, daß er nicht wolle, daß man später von ihm sagen könne, er habe Ernst Cassirer abgewiesen (kolportiert von Dimitry Gawronsky: Ernst Cassirer. His Life and his Work. In: The Philosophy of Ernst Cassirer. Ed. by Paul Arthur Schilpp. Evanston 1949 (The Library of Living Philosophers. Vol. VI), S. 1 – 39, hier S. 17 sowie Toni Cassirer, S. 101). Die Habilitation ist gemeldet in HN 16 (1905/06), Nr. 11/12 vom Aug./Sept. 1906. Daß D i l t h e y am C o l l o q u i u m theilnimmt] Cohen hatte während Cassirers erstem Berliner Habilitationsversuch v. a. bei Dilthey Fürsprache gehalten u. ihm Cassirer vorgestellt, vgl. Cohen an Cassirer vom 4.12.1901 u. 31.5.1903. Seit 1905 war Dilthey emeritiert, sein Nachfolger war Alois Riehl. Der L e i b n i z wird schon gedruckt, u. bald soll P a u l s e n mit der Empfindung folgen] vgl. Albert Görland: Der Gottesbegriff bei Leibniz. Ein Vorwort zu seinem System. Gießen 1907 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 3) u. Johannes Paulsen: Das Problem der Empfindung. Teil I. Die Empfindung und das Bewußtsein. Gießen 1907 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 4). Die Drucklegung von Görlands Arbeit, an der Cassirer als Korrektor beteiligt werden sollte, verzögerte sich, vgl. Cassirer an Görland vom 14.9. u. 3.11.1906 (DVD zu ECN 18). Erich] Erich Cassirer, vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904. F r ä n k e l denkt ernstlich an die Arbeit] Fritz Fränkel (vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903), Näheres (etwa eine Dissertation) nicht ermittelt. den M a i m o n i d e s durch den Zusatz ergänzen] bereits seit August 1905 lag Cohens Beitrag über die Ethik des Moses Maimonides dem Hrsg. Marcus Brann vor (vgl. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905). Das Ms. ist nicht überliefert, der Zusatz kann daher nur aus dem gedruckten Aufsatz erschlossen werden. Er entspricht ungefähr dem Schluß des Abschnittes IV auf S. 100 –103 von Cohens Charakteristik der Ethik Maimunis. In: Moses ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluss. Zur Erinnerung an den siebenhundertsten Todestag des Maimonides. Hrsg. v. d. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums durch Wilhelm Bacher, Marcus Brann, David Simonsen unter Mitwirkung v. Jakob Guttmann. Bd. 1. Leipzig 1908 (abgedruckt in HCW 15, S. 219 – 223). Ihre jetzigen Gastfreunde] nicht ermittelt.
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30. Hermann u. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brief vom 27. Juli 1906 Hs. (M. Cohen), 3 S. Marburg a. d. Lahn. 27.7.06. Meine lieben Freunde! Nehmen Sie meinen herzlichen Glückwunsch zu dem morgigen Geburtstage, der ein Lebensjahr einleiten möge, das Sie, mein lieber Freund in Arbeit u. Kampf, aber auch in die Lebensfreude der bürgerlichen Arbeit, u. zwar der in der Gelehrten Republik aufruft. Nehmen Sie es mir nicht übel, liebste Frau, wenn ich auf Ihren l. Brief, mit dem Sie uns sehr erfreut haben, philiströs antworte. Ich zweifle nicht daran, daß Ihr Mann großen Erfolg auf dem Katheder haben wird, vielleicht sogleich, jedenfalls aber auf die Dauer. Und in dieser verantwortlichen Thätigkeit wird ihm Freude aufgehen, wenngleich Sie darin Recht haben mögen, daß es ihn nicht dazu antreibt, Weisheit auszubieten u. von Angesicht zu Angesicht sie zu überpflanzen. Die Pflicht muß eben auch die Verschämtheit überwinden. Und bald werden auch Sie Ihre helle Freude daran haben, wenn die lieben Kinder Universität spielen u. die Zeit danach eintheilen werden, wann der Papa aus dem Colleg kommt. Ich bin sehr gehobener Stimmung über diesen großen Sieg. Das Colloquium muß ja interessant gewesen sein. Sie sollten es aus dem Gedächtniß zu Papier bringen. Sonst mag ich heut Nichts schreiben. Nur nochmals herzliche freudige Grüße Ihnen Allen. Von Ihrem H. CohenA
Nehmen Sie Beide, l. Freunde, meinen herzlichen Doppelglückwunsch. Welch ein froher glücklicher Geburtstag wird das werden, möge er der Beginn eines reichen bedeutungsvollen Jahres werden. Mit herzlichen Grüßen Ihre M. Cohen Brief vom 27. Juli 1906] mit gedrucktem Briefkopf Professor H. Cohen/Geh. Regierungsrat (gegenüber:) Marburg a. d. Lahn. Dieses Schreiben, verfaßt am Tag nach Cassirers Probevorlesung, reagiert aller Wahrscheinlichkeit nach auf ein (nicht überliefertes) Telegramm Cassirers, wie Cohen es am 22.7. gewünscht hatte. zu dem morgigen Geburtstage] Cassirer wurde am 28.7.1906 32 Jahre alt. A
H . C o h e n ] Unterschrift nicht eigenhändig
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Das Colloquium] vgl. Cohen an Cassirer vom 22.7.1906. Cassirer hat über das Kolloquium keine Aufzeichnungen hinterlassen.
31. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 23. September 1906 Ts., 1 S. Pontresina, d. 23.9.06. Mein lieber Freund! In diesem Momente schliesse ich den Aufsatz ab, den ich für das jüdische Jahrbuch geschrieben habe, nachdem ich bis vor 8 Tagen an dem Commentar dictirt, & denselben bis zur Methodenlehre entworfen habe. Nur Entwurf soll es bei beiden Arbeiten sein, aber ich schicke beide Ihnen zur vorläufigen Durchsicht & freundlichen Aufbewahrung bis ich nach Berlin komme. Morgen früh wollen wir nun endlich von hier fort, & zwar über Lugano nach Florenz (p[oste] rest[ante]). In aller Eile danke ich Ihnen nur noch für Ihren l. tröstlichen Brief. Sie wissen, wie tief mir dieser Schmerz geht, & dass er sich garnicht verlieren kann. Wir denken am Ende der ersten Oktoberwoche mit den armen Eltern zusammenzutreffen. Hier war es sehr schön, zuerst mit Ihren Geschwistern, dann mit unseren. Das Wetter ausser in der letzten Woche, wo es auch nicht ganz schlecht war, immer brilliant, wie auch heute wieder. Ich bin garnicht abgespannt, & hoffe nun bei gänzlichem Ausruhen & einiger Kunsterquickung mich recht zu erholen. Zu erzählen ist mancherlei. N[atorp] ist in Halle vorgeschlagen, aber ich glaube nicht an Berufung. Haben Sie Odebrecht schon gesehen? Ich meine seine Dissertation. Ich sehne mich sehr nach Ihnen. Schreiben Sie mir bitte nach Florenz. Mit herzlichen Grüssen an Sie[,] Ihre l. Frau, Ihre l. Kinder sowie unter allen den Ihrigen besonders an unsere Pontres[iner] Freunde von uns bin ich Ihr H. C.A Aufsatz … für das jüdische Jahrbuch] vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. Eine Betrachtung zur Grundlegung der Religionsphilosophie. In: Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur 10 (1907), S. 98 – 171. an dem Commentar dictirt, & denselben bis zur Methodenlehre entworfen] dokumentiert die Arbeit an Cohen: Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Dürr 1907 (PhB Bd. 113). bis ich nach Berlin komme] vgl. Cohen an Cassirer vom 14.12.1906. poste restante] postlagernd. wie tief mir dieser Schmerz geht] gemeint ist der Suizid des Hamburger Komponisten Max Lewandowski (geb. 1874) am 27.8.1906 (WBIS). Vgl. Cohen an Natorp vom A
H. C.] Unterschrift nicht eigenhändig
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Beilagen III
17.9.1906 (Holzhey II, S. 354) u. Cassirer an Görland vom 14.9.1906: Die schreckliche Nachricht von Max Lewandowskis Tode hat mich tief und schmerzlich ergriffen, denn ich kannte ihn – von einem Besuch in Marburg her – und wusste, welch eine reiche und zarte Natur er war. Für Cohen muss sein Tod wahrhaft erschütternd gewesen sein; nach aussen hin soll er sich – wie mir meine Schwester sagt, die in Pontresina mit ihm zusammen war – sehr gefasst gezeigt haben. Er ist mitten in der eifrigsten und angeregtesten Arbeit am Kant-Commentar und soll dabei in Verkehr und Gespräch frischer und lebendiger, denn jemals sein (DVD zu ECN 18). Der Vater Max Lewandowskis war der Bankier Abraham Lewandowski (Holzhey II, S. 359). Ein Treffen fand, wenn überhaupt, frühestens Mitte Oktober statt, weil ein weiteres Mitglied des Hamburger Familienzweiges erkrankte und starb (vgl. Cohen an Natorp vom 10.10.1906, Holzhey II, S. 358 f.). Natorp ist in Halle vorgeschlagen] vgl. Cohen an Natorp vom 17.9.1906 (Holzhey II, S. 353–345). Natorp stand an erster Stelle der Berufungsliste für die Nachfolge Hans Vaihingers, vgl. Natorp an Görland vom 4.10.1906 (Holzhey I, S. 34). Eine Berufung erfolgte nicht, wofür nicht zuletzt politische Gründe ausschlaggebend waren (Natorps Nähe zur Sozialdemokratie, vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908). Odebrecht … Ich meine seine Dissertation] Rudolf Odebrecht (1883–1945) hatte am 4.7.1906 in Erlangen bei Richard Falckenberg und Paul Hensel über Hermann Cohens Philosophie der Mathematik promoviert, gedruckt Berlin 1906 (NDB; BEdPH). – Über etwaige Pläne Odebrechts in Marburg (vgl. Cohen an Cassirer vom 21.5.1907) ist nichts ermittelt. Cohen bittet am 1.10.1906 auch Natorp, Odebrechts Dissertation in Augenschein zu nehmen (Holzhey II, S. 357). unsere Pontresiner Freunde] Näheres nicht ermittelt.
32. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 6. Dezember 1906 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 6.12.06. Mein lieber Freund! Herzlichen Dank zuvor für Ihren l. Brief. Ich wollte warten bis ich Ihnen Bestimmteres über den Commentar schreiben könnte. Gestern habe ich nun die 1. Hälfte abgeschickt, u. da Sie die Güte haben wollen, die 1. Correctur zu lesen, so habe ich sie an Sie dirigirt. Übrigens will auch E r i c h sie mitlesen u. d[as] Register machen. Ich habe es ernstlich mit ihm besprochen, ob es ihn nicht in seiner ohnehin langsam vorschreitenden Arbeit stört, aber er will d[ie] Gelegenheit benutzen, d[ie] Kritik gründlich durchzuarbeiten. Auch ein anderer Aufstrebender hat sich dazu gemeldet, von dem ich Ihnen erzählen werde. D ü r r möchte des Tarifs wegen im Dezember d[en] ganzen Satz durchbringen. K e l l e r m a n n hatte mir von Ihnen berichtet, u. so gab ich N a t o r p die Sache. Der aber fand sie anstandslos, obwohl ich ihn dringend inquirirte. Ich habe übrigens noch einen wichtigen Schluß hinzugefügt mit d[em] sachlichen Inhalt, daß bis zur Wirklichkeit der system[atischen] Ethik die Religion auf diese hin idealisirend gepflegt werden müsse. Dabei eine furchtbare Anklage
Briefe Hermann und Martha Cohen
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wegen der Verführung zur Taufe. Darauf kam von K a r p e l e s ein Schreiben voller Bewunderung, aber mit Bedenken wegen der Orthodoxen, die an der Verwaltung d[es] Jahrbuchs betheiligt sind. Ich erwarte in d[en] nächsten Tagen auch von dort Correctur. Gehetzt bin ich also genug. Und doch möchte ich bald die Durchsicht der Ethik beginnen. Sehr erfreut bin ich über Ihr doppeltes Dutzend. So möge, so w i r d es weiter gehen. Ob wohl sogenannte Hochschüler darunter sind? T ö p e l m a n n hat mir heute B a u c h über Sie geschickt. Der behandelt uns Beide besser als unsere Religion. Es ist aber wirklich nett. Sehr erfreut bin ich auch über die Wendung mit B u e k , den ich hoffentlich Viel sehen werde. Wann reisen Sie nun Ihrer Familie nach? Ich glaube doch, daß ich Donnerstag d[en] 20. nicht mehr lesen kann, u. würde dann schon Donnerstag in Berlin sein. Aber ich bleibe bis zum 7. hoffentlich. Und so darf ich doch wohl auf Wiedersehen mit Ihnen hoffen. Hier scheint wirklich großes Interesse, auch in d[en] Übungen sind regelmäßig 50 – 60, früh von ½9 – 10! Was den Aufsatz noch betrifft, so haben wir es noch immer in der Hand seine Publicität auf das Jahrbuch zu beschränken. Übrigens bin ich selbst ganz unbesorgt, u. ich halte ihn in der That für wichtig. R e n n e r hat mir für seine Encyclopädie die Religionsphilosophie angetragen! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Abreise nach W i e n mittheilen wollten. Herzliche Grüße an Ihre l. Frau, die ich zu entschuldigen bitte, daß ich so lange gewartet, so daß wir ihren l. Brief jetzt nicht mitbeantworten können, u. an Ihre l. Jungen. Georg wird auch schon noch Universitätsspruchreif werden. In B e r l i n denke ich diesmal für d[ie] Übungen an den T i m ä u s . Ist es aber nicht zu wenig Text, der dabei in Frage kommt? Sonst habe ich auch viele Sitzungen. S y b e l ’s Aussprache ist immerhin symptomatisch. Über sein Buch „christliche Antike“ denke ich sogar für „Kunst u. Künstler“ zu referir[en]. N a t o r p möchte, ich sollte den Angriff auf S t a m m l e r ändern, aber wie kann ich das? Nach einer Bemerkung von Ihnen, betr[effend] L i e b e r m a n n wegen S p i n o z a ’s , möchte ich auch da noch deutlicher werden, u. zugleich natürlich Verständigung suchend. Und so giebts noch manche Punkte. H e r r m a n n hat mir übrigens gesagt, daß er zu Freiheit u. Staat mir zustimmt u. danach revidiren wird. Doch genug für heute. Seien Sie Allesammt mit den Ihrigen herzlich von uns gegrüßt. Mit meinem Befinden geht es im Ganzen gut. Ihr H. C.A u . I h r e M . C o h e n grüßt auch herzlich. Von K a r p e l e s d[ie] 1. Hälfte d[er] Correctur heut gekommen.
A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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Beilagen III
Bestimmteres über den Commentar] vgl. Cohen an Cassirer vom 23.9.1906. Übrigens will auch E r i c h sie mitlesen u. das Register machen] Cohens Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, 1907 enthält auf S. 219 – 233 ein Namen- und Sachregister. Eine Mitwirkung Erich Cassirers ist sonst nicht bezeugt. ein anderer Aufstrebender] nicht ermittelt. D ü r r möchte des Tarifs wegen im Dezember den ganzen Satz durchbringen] von Cohen: Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Dürr’sche Buchhandlung 1907 (PhB Bd. 113). Seit 1905 war Johannes Friedrich Dürr (1867 – 1910) Alleininhaber der Dürr’schen Buchhandlung (Würffel, S. 195). – Der Tarifvertrag für Buchdrucker lief zum 31.12.1906 aus (Wilhelm Kulemann: Die Berufsvereine. 1. Abt. Geschichtliche Entwicklung der Beruforganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber aller Länder Bd. 3, Deutschland III. Organisation der Arbeitgeber – Gemeinsame Organisation. Jena 1908, S. 245 f.). K e l l e r m a n n hatte mir von Ihnen berichtet, u. so gab ich N a t o r p die Sache] Näheres nicht ermittelt. eine furchtbare Anklage wegen der Verführung zur Taufe] vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. Eine Betrachtung zur Grundlegung der Religionsphilosophie. In: Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur 10 (1907), S. 98 – 171. Der hier gemeinte Schlußabschnitt findet sich auf S. 160 – 171, vgl. besonders S. 166: Es wäre ein Zeichen der Unfreiheit und Unaufrichtigkeit, wenn wir hier nicht eine schwere Klage gegen unser Zeitalter erheben würden, gegen Volk und Regierungen, wegen der die tiefste Empörung herausfordernden Verführung [zur Taufe], welche jetzt wiederum an den Juden verübt wird (abgedruckt in HCW 15, S. 88–101, die zitierte Passage dort auf S. 95). von K a r p e l e s ein Schreiben] Gustav Karpeles (1848 – 1909), Gründer des Verbandes der Vereine für jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland, in dessen Jahrbuch Cohens Aufsatz Religion und Sittlichkeit erschien (vgl. Cohen an Cassirer vom 23.9.1906; HCW 15, S. XVII). Durchsicht der Ethik] Cohens Ethik des reinen Willens, zuerst 1904, erschien 1907 in 2., revidierter Aufl. Sehr erfreut bin ich über Ihr doppeltes Dutzend] gemeint ist die Teilnehmerzahl an Cassirers erster Berliner Lehrveranstaltung im WS 1906/07, genaue Anzahl nicht ermittelt. Die Ankündigung dieser Lehrveranstaltung gelangte, da Cassirers Antrittsvorlesung erst am 11.8.1906 stattgefunden hatte (vgl. Cohen an Cassirer vom 22.7.1906), nicht in das gedruckte Vorlesungsverzeichnis, vgl. aber den Nachtrag zum Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1906/07. In: Berliner Akademische Wochenschrift. Hrsg. v. der Akademischen Auskunftsstelle an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität. Winter-Semester 1906/07, Nr. 2 vom Montag, den 22.10.1906, S. 14: Von Dozenten, die mit Beginn des Wintersemesters zum Lehrkörper der Universität neu hinzutreten, sind folgende Vorlesungen angekündigt: […] Dr. C a s s i r e r, Hohenstaufenstr. 46: Philosophische Übungen zu Kants Kritik der reinen Vernunft, Mi. 10 – 12, unentgeltlich. Ob wohl sogenannte Hochschüler darunter sind?] die Zusammensetzung der Hörerschaft Cassirers ist nicht bekannt. Gemeint sind vermutlich Angehörige der Berliner Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums (wie sich die 1872 eröffnete Hochschule für die Wissenschaft des Judentums nach behördlicher Anordnung von 1883 bis 1922 offiziell nennen mußte, vgl. Jewish Encyclopedia, 1906). Als Zuhörer für die Vorlesungen der Lehranstalt waren in erster Linie rite immatrikulierte Studenten der hiesigen Universität – ohne Unterschied der Fakultät – in Aussicht genommen (Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ 80 (1916), Nr. 15 vom 14.4.1916, S. 2 – eine frühere Formulierung dieser Regelung ist nicht ermittelt), was eine personelle Überschneidung noch wahrscheinlicher macht.
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T ö p e l m a n n hat mir heute B a u c h über Sie geschickt] vgl. die Rezension von Bruno Bauch über Cassirers Der kritische Idealismus … in Kant-Studien 11 (1906), S. 463 – 466. – Alfred Töpelmann, Verleger der von Cohen u. Natorp hrsg. Philosophischen Arbeiten. Wendung mit B u e k ] wahrscheinlich im Hinblick auf die Umsetzung einer geplanten Habilitation, die, nach zwischenzeitlich drohendem Abbruch (vgl. Cohen an Cassirer vom 21.5.1907), im Dez. 1908 wieder aufgenommen werden sollte, schließlich aber nicht zustande kam. (vgl. Cohen an Natorp vom 27.12.1908 in Holzhey II, S. 370). Donnerstag den 20. … ich bleibe bis zum 7. hoffentlich] gemeint sind der 20.12.1906 u. 7.1.1907. auch in den Übungen sind regelmäßig 50 –60, früh von ½9–10!] Cohen hatte für das WS 1906/07 angekündigt: Kants System (Erfahrungslehre, Ethik und Aesthetik), Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 5 Uhr. – Philosophische Uebungen über die Kritik der reinen Vernunft im Philosophischen Seminar, 2stündig, privatissime und gratis (letztere laut Stundenübersicht geplant für Samstag, 5–6 Uhr nachmittags; vgl. VV Marburg 1906/07, S. 32 f. u. nach S. 41). Genaue Hörerzahlen nicht ermittelt. Was den Aufsatz noch betrifft] Cohens Religion und Sittlichkeit. R e n n e r hat mir für seine Encyclopädie die Religionsphilosophie angetragen] der Berliner Privatgelehrte Hugo Renner (geb. 1876), der zum 6.1.1906 die PWLZ ins Leben gerufen hatte u. am 19.12.1906 in Berlin eine Gesellschaft für Philosophie gründete, plante außerdem eine Encyclopädie der Philosophie (Rudolf Eisler: Philosophen-Lexikon. Leben, Werk und Lehren der Denker. Berlin 1912, S. 591; Hugo Renner: Die Gesellschaft für Philosophie, ihre Gründung und ihre Ziele. In: PWLZ 5 (1906), Nr. 1/2 vom 12.1.1907, S. 1 – 10). Der letzte Jg. der PWLZ erschien bei der Günther’schen Buchhandlung in Charlottenburg unter dem kürzeren Titel Philosophische Wochenschrift. Im selben Verlag war geplant (vgl. in der Doppelnummer vom 11.1.1908 die Verlagsanzeigen auf der hinteren Umschlagseite innen): Encyclopädie der Philosophie. In Einzeldarstellungen herausgegeben von Dr. Hugo Renner. Zur Mitarbeit haben sich eine grössere Anzahl hervorragender Gelehrter bereit erklärt. Dieses Sammelwerk wird 3 Serien umfassen. Jede Nummer der Encyclopädie kostet 1 Mk. 1–3 Nummern bilden einen Band. Jeder Band enthält ein in sich abgeschlossenes Gebiet und ist einzeln käuflich. Innerhalb der Reihe Encyclopädie der Philosophie erschienen 1907 die Monographien Walter Kinkel: Einleitung in die Philosophie; Horst Krahmer: Rudolf Stammlers Sozial-Philosophie; Hermann Leser: Grundcharakter und Probleme der Eucken’schen Philosophie. Darüber hinaus ist nichts erschienen. Ihre Abreise nach W i e n ] im Zusammenhang mit der oben gestellten Frage Wann reisen Sie nun Ihrer Familie nach? Näheres nicht ermittelt. In Wien lebten u. a. die Eltern Toni Cassirers. Ein Aufenthalt zum Jahreswechsel ist z. B. für 1907/08 belegt, vgl. Cohen an Cassirer vom 1.12.1907. Georg wird auch schon noch Universitätsspruchreif werden] Cassirers Sohn Georg Eugen, geb. 26.7.1904. In B e r l i n denke ich diesmal für die Übungen an den Ti m ä u s ] vgl. Fünfundzwanzigster Bericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judenthums in Berlin erstattet vom Kuratorium. Berlin 1907, S. 8: D i e p h i l o s o p h i s c h e n F e r i e n k u r s e sind von dem Mitgliede unseres Kuratoriums, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Hermann Cohen, in dankenswerter Weise wieder aufgenommen und in der letzten Woche des Dezember 1906, in der ersten Woche des Januar 1907 und in der ersten Hälfte des März 1907 abgehalten worden, und zwar:/1) U e b e r d i e P h i l o s o p h i e P l a t o n s (Vorlesungen) [8 Stunden in den beiden ersten Wochen des Monats März 1907]/2) U e b e r d i e Vo r a u s s e t z u n g e n d e r j ü d i s c h e n R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e d e s M i t t e l a l t e r s i n d e r g r i e c h i s c h e n P h i l o s o p h i e (Uebungen) [in den Weihnachtsferien und in den beiden ersten Wochen des Monats März 1907]/Es haben teilgenommen: a) an den Vorlesungen 65,/b) an den Uebungen 32 Personen.
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Beilagen III
Vgl. das Verzeichnis der im Sommer-Semester 1906 und im Winter-Semester 1906/7 gehaltenen Vorlesungen. In: Dass., S. 14 (Angaben ergänzt nach HCW 16, S. XVII). S y b e l … Über sein Buch „christliche Antike“ denke ich sogar für „Kunst u. Künstler“ zu referiren] Ludwig von Sybel (1846– 1929), Protestant, 1877 – 1911 Professor für Archäologie in Marburg (PersMarburg; WBIS). In Cohens Bibliothek befand sich ein Exemplar von Sybels Christliche Antike. Einführung in die altchristliche Kunst Bd. 1. Einleitendes. Katakomben. Marburg 1906, darin finden sich durchgehend Anstreichungen (Hartwig Wiedebach: Die Hermann-Cohen-Bibliothek. Hildesheim 2000 (HCW Supplementa Bd. 2), S. 195). Eine Rezension in der Zeitschrift Kunst und Künstler ist nicht nachgewiesen. Angriff auf S t a m m l e r ] vgl. die gegen Rudolf Stammlers Die Lehre vom richtigen Rechte, Berlin 1902 unter dem Kolumnentitel Der falsche Gedanke des Richtigen Rechtes in der 2., revidierten Aufl. von Cohens Ethik des reinen Willens, 1907, S. 225 f. gerichtete Passage. Bemerkung … betreffend L i e b e r m a n n wegen S p i n o z a ] nicht ermittelt. H e r r m a n n hat mir übrigens gesagt, daß er zu Freiheit u. Staat mir zustimmt u. danach revidiren wird] vgl. die Rezension der 1. Aufl. von Cohens der Ethik des reinen Willens, 1904 von Wilhelm Herrmann in Die Christliche Welt 21 (1907), Nr. 3 vom 17.1.1907, Sp. 51 – 59, hier Sp. 52 u. 59. Der 2. Teil von Herrmanns Rezension in Die Christliche Welt 21 (1907), Nr. 10 vom 7.3.1907, Sp. 222–228 setzt sich ausschließlich mit Cohens Religionsbegriff auseinander. Cohen replizierte auf Hermanns Rezension in seiner Vorrede zur 2. Aufl. der Ethik des reinen Willens, 1907, S. XIII. Von K a r p e l e s die 1. Hälfte der Correctur heut gekommen] von Cohens Aufsatz Religion und Sittlichkeit.
33. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 14. Dezember 1906 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 14.12.06.
Lieber Freund! Vor Allem herzlichen Glückwunsch zu dem Berl[iner] Tageblatt. Wer ist der Treffliche? – Wenn Sie im Sommer K a n t lesen würden, so wäre das von Werth als Programm. Sollte es Sie aber drängen etwas Systematisches zu lesen, so brauchten Sie Sich davon nicht bestimmen zu lassen. Und wenn K a n t , so würde ich auch zum ganzen System rathen. Dann aber für den Winter gleich Logik, oder was Sie sonst vorziehen. Freilich muß auch Ihre geschichtliche Ernte zur neuen Aussaat kommen: Sie brauchen Sich ja nicht so bald zu wiederholen, u. so wird Alles in ruhigem Schritt an die Reihe kommen. – Ich habe gestern den 1. Bogen von D ü r r bekommen, hoffentlich auch Sie. – Vom Jahrbuch immer noch nur die 1. Hälfte. Was rathen Sie zu dem Separatdruck? Auf K a r p e l e s ’ Veranlassung hat sich P o p p e l a u e r an mich gewendet. Das giebt doch aber ein doppeltes Ghetto. Und einem anderen Verleger kann man es doch wohl gar nicht anbieten. Also
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wird es vielleicht garnicht schlecht sein es bei der esoterischen Wirkung bewenden zu lassen. Wir kommen Freitag Vormittag nach Berlin. Von Mittwoch ab erbitte ich Ihre freundlichen Zusendungen nach der Winterfeldstr. Mit dem Wunsche, daß Sie Ihre liebe Familie wohlauf antreffen, u. mit der Bitte, uns derselben, auch den kleinen Freunden, aber auch Ihren Schwiegereltern herzlich zu empfehlen, mit herzlichen Grüßen von uns an Sie u. in d[er] Hoffnung eines frohen Wiedersehens u. tüchtigen Zusammenkommens Ihr H. C.A Mittwoch halte ich Vortrag in M a n n h e i m . Glückwunsch zu dem Berliner Tageblatt. Wer ist der Treffliche?] vgl. die ungezeichnete Sammelrezension über philosophische Neuerscheinungen des Jahres 1906 in der Rubrik Bücher als Weihnachtsgeschenke. In: Berliner Tageblatt, Nr. 625 vom 9.12.1906, Sonntagsausgabe, 6. Beiblatt: Die Zeiten, da die Philosophie sich allgemach in einer Art vergleichender Zoologie aufzulösen drohte, liegen gottlob hinter uns. In diesem Jahre sind eine solche Menge mehr oder minder wertvoller Bücher philosophischer Art erschienen, daß eine auch nur annähernd vollständige Besprechung viele Spalten füllen würde. Wir müssen uns hier damit begnügen, eine knappe Auswahl zu treffen. […]/E r n s t C a s s i r e r, D a s E r k e n n t n i s p r o b l e m i n d e r P h i l o s o p h i e u n d W i s s e n s c h a f t d e r n e u e r e n Z e i t . Erster Band. Berlin, Bruno Cassirer./Der Raum gestattet nicht, dieses Meisterwerk ausführlich zu charakterisieren. Von den zahlreichen Büchern, die im laufenden Jahre zur Geschichte der neueren Philosophie erschienen sind, ist es bei weitem das bedeutendste. Ein fester methodischer Standpunkt befähigt den Verfasser, die zunächst völlig wirre Masse von philosophischen Theoremen auf ihren Gehalt zu prüfen und systematisch zu ordnen. Er geht von dem Gedanken aus, daß die Anschauungen, die jede Zeit von der Natur und der Wirklichkeit der Dinge besitzt, nur der Ausdruck und das Widerspiel ihres Erkenntnisideals sind. Aus der geistigen Gesamtbewegung einer Zeit heraus muß also das herrschende und treibende Erkenntnisideal rekonstruiert werden. Bei diesem kühnen, doch glänzend gelungenen Unternehmen durfte nicht die Philosophie allein Berücksichtigung finden, sondern die gesamte Wissenschaft einer Periode, vor allem die exakte Naturwissenschaft, der wir großenteils den Fortschritt in dem Begriff des Erkenntnisses zu verdanken haben, mußte untersucht werden. – Rezensent nicht ermittelt. Wenn Sie im Sommer K a n t lesen würden] zum SS 1907 kündigte Cassirer an: Die Philosophie Kants sowie Philosophische Übungen zur Kritik der reinen Vernunft, II. Teil. Zum WS 1907/08: Geschichte der neueren Philosophie von der Renaissance bis Kant sowie Übungen zur Geschichte der neueren Philosophie (Descartes u. Leibniz). Die 1. Veranstaltung über Logik hielt Cassirer im SS 1909: Grundfragen der Logik (vgl. jeweils das entsprechende VV Berlin). Ein Brief Cassirers vom 2.7.1907 unterrichtete Natorp über die Planungen: Für das nächste Semester habe ich ein 4stündiges Colleg über neuere Philosophie nebst Übungen angekündigt; im Sommer will ich sodann versuchen, Logik und Erkenntniskritik zu lesen. In der Studentenschaft ist jedenfalls viel Interesse vorhanden und so hoffe ich Manchen für die Sache gewinnen zu können (DVD zu ECN 18). A
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gestern den 1. Bogen von D ü r r bekommen … Vom Jahrbuch immer noch nur die 1. Hälfte] vgl. Cohen an Cassirer vom 23.9. u. 6.12.1906, gemeint ist der Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, 1907 u. Cohens Aufsatz Religion und Sittlichkeit. Was rathen Sie zu dem Separatdruck?] vgl. den Separatdruck von Cohen: Religion und Sittlichkeit. Eine Betrachtung zur Grundlegung der Religionsphilosophie. Berlin: Poppelauer 1907. Im selben Verlag erschien das Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur, in dem Cohens Aufsatz zuvor erschienen war. Wir kommen Freitag Vormittag nach Berlin] der 14.12.1906 fiel selbst auf einen Freitag, so daß hier mit Freitag derjenige der folgenden Woche, also der 21.12.1906 gemeint sein dürfte. Vgl. Cohen an Cassirer vom 6.12.1906 über seinen Plan, u. U. Donnerstag, den 20.12.1906 nach Berlin zu kommen. Zusendungen nach der Winterfeldstr.] Cohens Berliner Adresse war 1904, 1907 u. 1908 Winterfeldtstr. 36I (vgl. die Adreßangaben in Holzhey II, S. 330, 365 u. 368), 1903 – 1910 Adresse von Alfred Lewandowski (Berliner Adreßbücher; vgl. Cohen an Cassirer vom 26.7.1902). kleinen Freunden … Schwiegereltern] Heinrich Walter u. Georg Eugen Cassirer sowie Otto und Julie Bondy. Mittwoch halte ich Vortrag in M a n n h e i m ] von Cohen ist kein Vortrag am 19.12.1906 ermittelt.
34. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 31. Januar 1907 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 31.1.07. Meine lieben Freunde! Nehmen Sie meinen allerherzlichsten Dank für die große Liebenswürdigkeit, die Sie mir erwiesen, u. mein Dank wird wahrlich nicht unpersönlicher, wenn ich ihn zugleich als für den nicht geringen Dienst ausspreche, den Sie damit unserer Sache geleistet haben. Es ist ja doch unser Grundwerk, dem der Commentar gilt. Und nun haben Sie gezeigt, daß alle wichtigsten Begriffe des Ersteren in dem Letzteren stehen, u. Sie haben in der Ordnung u. Sichtung derselben einen neuen Commentar geliefert. Sie haben aber zugleich Etwas gethan, was mir zu thun peinlich gewesen wäre, weil es meine eigenen Zuthaten angeht. Darin liegt meine besondere Entschuldigung für die von Ihrer Güte abgenommene Abwälzung dieser meiner eigenen Obliegenheit. So wollen wir denn Gutes für die Sache hoffen. Ich glaube aber Ihrer Empfindung zu entsprechen, wenn ich der öffentlichen Aussprache dieses Dankes mich enthalte. Das Packet habe ich heut an D ü r r geschickt u. Ihre Anweisung ihm geschrieben. – D[ie] ZeitungA d[es] Judenth[ums], die heute erscheint, wird einen Artikel von mir bringen gegen N ö l d e c k e . Es wäre gut, wenn die Zeitungen davon Notiz nähmen. Vorher konnte K a r p e l e s ihn nicht anbringen. N ö l d [ e k e ] hat seinen Artikel in A
Zeitung] Ztg.
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mehreren Zeitungen erscheinen lassen. – Ihrem Aufsatz sehe ich natürlich mit Spannung entgegen. – G ö r l a n d hat mir geschrieben, daß er Mehreres zu publiciren vorhat. T ö p e l m a n n hätte ihn darum ersucht. Daß sich B u c h e n a u in D a r m s t a d t habilitiren will, werden Sie wissen. – Von der Ethik habe ich noch keine Correctur bekommen. – Die Wahlen, traurig an sich, werden doch vielleicht d[ie] Socialdemokratie von der Realität des Idealismus überzeugen. Damit tröste ich mich. Übrigens freue ich mich in 4 Wochen wieder an die Abreise denken zu können, u. an das hoffentlich häufige Zusammensein mit Ihnen Allen. Mit herzlichen Grüßen u. großem Danke von uns Ihr H. C.A die große Liebenswürdigkeit, die Sie mir erwiesen] gemeint ist die Korrektur von Cohens Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Dürr’sche Buchhandlung 1907 (PhB Bd. 113), vgl. Cohen an Cassirer vom 6.12.1906. wenn ich der öffentlichen Aussprache dieses Dankes mich enthalte] Cohens Vorrede zum Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft enthält keinerlei Danksagungen. Das Packet habe ich heut an D ü r r geschickt] den Verlag des Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, Alleininhaber seit 1905: Johannes Friedrich Dürr (1867 – 1910) (Würffel, S. 195). Die Zeitung des Judenthums, die heute erscheint, wird einen Artikel von mir bringen gegen N ö l d e c k e … K a r p e l e s ] vgl. Cohen: Das Urteil des Herrn Professor Theodor Nöldeke über die Existenzberechtigung des Judentums. („Straßburger Post“ Nr. 19 vom 6.1.1907). In: AZJ, Nr. 5 vom 1.2.1907, S. 52 – 54 (abgedruckt in HCW 15, S. 103 – 117; vgl. dort S. XIXf.). Redakteur der AZJ war seit 1890 Gustav Karpeles. Cohens Artikel erschien außerdem in Straßburger Post, Unterhaltungsblatt vom 10.2.1907, o. S. N ö l d e k e hat seinen Artikel in mehreren Zeitungen erscheinen lassen] vgl. die Besprechung Theodor Nöldekes von Jakob Fromers Buch „Vom Ghetto zur modernen Kultur“. In: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 596 vom 21.12.1906, S. 2 –3; dass. in Straßburger Post, Nr. 19 vom 6.1.1907, o. S. Ihrem Aufsatz] vgl. Cohen an Cassirer vom 21.2.1907. G ö r l a n d hat mir geschrieben, daß er Mehreres zu publiciren vorhat] im Verlag Alfred Töpelmann erschien von Albert Görland: Der Gottesbegriff bei Leibniz. Ein Vorwort zu seinem System. Gießen 1907 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 3) sowie: Aristoteles und Kant bezüglich der Idee der theoretischen Erkenntnis untersucht. Gießen 1909 (Philosophische Arbeiten Bd. 2, Heft 2). Daß sich B u c h e n a u in D a r m s t a d t habilitiren will] zu Habilitationsplänen des Romanisten Artur Buchenau (1879 – 1946), etwa an der Großherzoglich Hessischen Technischen Hochschule zu Darmstadt, ist nichts ermittelt. Buchenau, der u. a. in Marburg studiert u. promoviert hatte (1901, vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903), wurde nach dem Staatsexamen (1904) u. a. Erzieher im Hause Merck in Darmstadt, dann Oberlehrer in Barmen u. Charlottenburg, 1917 Direktor des Sophien-Lyzeums in Berlin, 1919 Stadtschulrat von Neukölln, schließlich 1924 Direktor des vereinigten
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Friedrich- und Humboldt-Gymnasiums in Berlin. Daneben standen ausgedehnte übersetzerische Tätigkeiten, u. a. zusammen mit Ernst Cassirer (WBIS). Von der Ethik habe ich noch keine Correctur bekommen] gemeint sind die Korrekturfahnen für die 2., revidierte Aufl. von Cohens Ethik des reinen Willens (erschienen im Aug./Sept. 1907, doppelte Meldung im Börsenblatt, Nr. 180 vom 5.8.1907 u. in Nr. 224 vom 25.9.1907). Die Wahlen] der Reichstag war aufgelöst worden, weil am 13.12.1906 durch die Gegenstimmen der Fraktionen von Zentrum und Sozialdemokraten der Nachtragsetat zur Finanzierung des Kolonialkriegs in Deutsch-Südwestafrika (1904 – 1908) nicht bewilligt wurde. Am 25.1.1907 fanden Neuwahlen statt. Die Sozialdemokraten verloren dabei wegen Blockbildung und Wahlabsprachen der übrigen Parteien eine erhebliche Anzahl ihrer Mandate trotz deutlichen Zuwachses an Wählerstimmen.
35. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Briefkarte vom 21. Februar 1907 Hs. (M. Cohen), 2 S. D[en] 21.2.07. Mein lieber Freund! In aller Eile meinen herzlichen Dank u. Glückwunsch zu der ganz ausgezeichneten Abhandl[ung], die Ihnen wieder gelungen ist. Ich habe sie erst einmal gelesen, aber schon sehr Viel daraus gelernt. Ich glaube, sie muß Wunder thun in der Überführung der Einsichtigen. Ich bin persönlich sehr erfreut u. dankbar. Über das Einzelne werden wir uns ja bald sprechen. Den in Aussicht gestellten Artikel haben Sie doch dort wohl noch nicht zugesagt. Den kriegen wir vielleicht. Morgen oder übermorgen bekommen Sie von P o p p e l a u e r meine Abh[andlung]. Wir kommen den 2. März spät Abends nach B e r l [ i n ] , wo wir am 3. Hochzeit mitmachen. Erich habe ich soeben Ihre Arbeit gegeben, er wird immer netter. Herzlichen Gruß Ihnen Allen von uns Ihr H. C.A Glückwunsch zu der ganz ausgezeichneten Abhandlung] vgl. Cassirer: Zur Frage nach der Methode der Erkenntniskritik. Eine Entgegnung. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 31 (1907), S. 441 – 465 (abgedruckt in ECW 9, S. 83 –103), gerichtet gegen Otto Meyerhof als Teil der Auseinandersetzung mit Leonard Nelson und dessen Anhängern. in Aussicht gestellten Artikel] von Cassirer erschien innerhalb der von Cohen u. Natorp hrsg. Philosophischen Arbeiten außer dem Aufsatz Der kritische Idealismus … kein weiterer Beitrag. Hier ist womöglich Cassirers kurze Stellungnahme gegen Gerhard Hessenberg gemeint, vgl. „Persönliche“ und „sachliche“ Polemik. Ein Schlußwort. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 33 (1909), S. 181 – 184, womit diese Zeitschrift die Aussprache über Nelson und seine Anhänger beendete.
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bekommen Sie von P o p p e l a u e r meine Abhandlung] gemeint ist der im Verlag Poppelauer (Inhaber 1907: Jakob Saenger) erschienene Separatdruck Cohen: Religion und Sittlichkeit. Eine Betrachtung zur Grundlegung der Religionsphilosophie. Berlin: Poppelauer 1907. B e r l i n , wo wir am 3. Hochzeit mitmachen] nicht ermittelt. Erich habe ich soeben Ihre Arbeit gegeben] die Abhandlung Cassirers Zur Frage nach der Methode der Erkenntniskritik. Eine Entgegnung. Gemeint ist Erich Cassirer.
36. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 3. April 1907 Hs. (M. Cohen), 2 S. Soeben habe ich Bogen 12 u. 13 besorgt, resp. noch eine Einschaltung gemacht, die Lust betr[effend]. Man wird hier zum Hedoniker. Ich bin wirklich schon recht erholt. Morgen Abend gehen wir nach P a l e r m o f . i . p . Dienstag wieder in R o m f . i . p . Wir grüßen Sie, Ihre l. Frau, Ihre l. Kinder, sowie auch Ihre Schwiegereltern, nicht minder auch Ihren Vater u. alle Geschwister sehr herzlich. Apfelsinen u. Citronen wachsen in dem Garten in dem wir schreiben, u. auch Veilchen u. Rosen blühen darin. Glauben Sie aber nicht, daß ich schon an d[ie] Ästhetik denke. Herzlichst Ihr H . C o h e n . A Wir denken Ihrer u. Ihrer l. Kinder aus d[er] Fülle dieser Schönheit heraus herzlichst u. wünschten Sie könnten mit uns sein. Hoffentlich sind Sie recht vergnügt mit Ihren Eltern, die ich bestens zu grüßen bitte, ebenso Vater u. Geschwister, herzlichst Ihre M . C . Glauben Sie nicht, dass der grosse Pan schläft. Mit bestem Gruss O. Loewi aus W i e n B Postkarte vom 3. April 1907] Bildpostkarte Isola d’Ischia – Casamicciola – Panorama; an (Adresse von dritter Hd. geschrieben) Herrn + Frau/Dr. Ernst Cassirer/Berlin W./Hohenstaufenstrasse 46.; mit Poststempel CASAMICCIOLA 3 4 07 (NAPOLI) Bogen 12 u. 13 … eine Einschaltung] vgl. Cohen: Ethik des reinen Willens. 2., revidierte Aufl. Berlin 1907 (System der Philosophie 2. Teil), S. 200 (im 13. Bg.): Auch aus dieser Bestimmung des Willensgefühls heraus ergibt es sich, dass die Besorgnis grundlos ist, als ob der reine Wille zum Gefühl der Lust in einem unversöhnlichen Widerspruch stände. Als mangelhafte Psychologie dürfte es sich vielmehr ebenso herausstellen, wie als unbegründete Ethik, was diesem Misstrauen zugrunde liegt. Wie ohne Unlust, so gibt es auch keine Art von Gefühlssuffix ohne Lust; und somit hat auch der reine Wille in diesem seinen Suffix jene Beiden, also auch die Lust zu seiner unauslöschlichen Voraussetzung. Diese Passage ist eine Zutat zur 2. Aufl., vgl. in der 1. Aufl. von 1904 S. 190. P a l e r m o f . i . p . ] ferma in posta (postlagernd). A
H . C o h e n . ] Unterschrift nicht eigenhändig Glauben Sie nicht, dass der grosse Pan schläft. Mit bestem Gruss O. Loewi aus W i e n ] Zusatz von dritter Hd., am oberen Rand um 180° gedreht B
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Dienstag wieder in R o m f . i . p . ] der 3.4.1907 fiel auf einen Mittwoch, es ist folglich der 10.4.1907 gemeint. an die Ästhetik denke] Cohens Ästhetik des reinen Gefühls erschien erst 1912. Glauben Sie nicht, dass der grosse Pan schläft … O. Loewi aus W i e n ] Anspielung auf den antiken Topos vom sommerlichen Mittag als der Stunde, in der der große Pan schlafe, das meint: die ganze Natur der Hitze wegen Mittagsruhe zu halten scheint. – Autor des Zusatzes ist Otto Loewi (1873 – 1961), Pharmakologe u. Physiologe, von 1897 – 1898 in Frankfurt, dann Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität Marburg, 1900 in Marburg habilitiert u. 1904 außerordentlicher Professor, seit 4.12.1906 außerordentlicher Professor in Wien. 1909 – 1938 Ordinarius in Graz, dann Exil in Großbritannien und den USA. Loewi erhielt 1936 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie; war freundschaftlich verbunden mit Cohen (NDB; WBIS).
37. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 21. Mai 1907 Ts., mit einem hs. Nachtrag von H. Cohen, 2 S. Marburg, d. 21.5.07. Mein lieber Herr Dr! Zuvörderst herzlichen Glückwunsch zu dem grossen Erfolg der Vorlesung dem der innere nachfolgen möge für die Zuhörer, wie für Ihre eigene Befriedigung. Auch ich habe wieder lebhaft angefangen, obwohl der Zulauf nicht so stark ist, wie in den letzten Jahren. Nun muss ich aber vor Allem um Entschuldigung bitten, dass ich, ohne vorher angefragt zu haben, Ihren Rath in Anspruch nehme, wie in der angenehmen Einbildung, als wären Sie mein Amtsgenosse. Uebrigens bittet auch Natorp um Ihr Urtheil. Ich wollte von Anfang an mir Ihre Meinung erbitten über die Persönlichkeit des Dr. Odebrecht. Nun hat aber seine Arbeit sowohl Natorp wie mir, einen so entschieden ungünstigen Eindruck gemacht, dass wir auch darüber an Sie appelliren möchten. Ich sage also nichts weiter & bitte um Ihr Urtheil, aber auch um Ihre Angesichts-Diagnose. Jetzt kann ich etwas Erfreuliches berichten. Unsere Reise, die vom Wetter sehr wenig begünstigt war, hat doch wieder viel Erhebung und Erquickung unmittelbar & für die Erinnerung gebracht. Die Karte von Ischia, mit Loewis Unterschrift, werden Sie erhalten haben, wie auch eine andere erhalten haben. In Rom ergatterte uns, am Fenster des Café[,] Wildhagen, mit dem wir angenehme Stunden verbrachen. Des Cusaners freilich wurde seltener gedacht, aber er blieb doch in froher Verkündigung. Eines Tages sassen wir mit Gernsheims & Humperdink vor dem Café Aragno, als plötzlich de Portu vor uns hintrat. Er war eben angekommen, & verliess uns alsbald, um ein Examen zu machen als Lehrer des Deutschen an einer vom Staate zu errichtenden Handelsakademie. Wir waren auch mit ihm noch mehrere behagliche Tage zusammen & vor Kurzem theilte er mit, dass er gewählt worden sei. Er ist ganz glücklich & hofft nun in Rom sich habilitiren zu können, was er sonst für Pavia vorhatte[.] Leider ist seine Mutter sehr krank, er hofft aber auch für Sie Heilung von der veränderten Lage. Prof. Vailati,
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Mathematiker aus Florenz, hatte meine Bekanntschaft gewünscht, ich konnte ihn auch mit de Portu bekannt machen. Wissenschaftlich sind wir freilich nicht tief gekommen, aber dass er nicht ganz heraus ist, habe ich doch bemerken können, & er verspricht für die nächste Zeit seine Arbeit. Das ist doch wieder einmal eine Hoffnung, während Buek in seinem Anarchistennest Ihrer Anspornung wieder entwichen ist. Es ist also garkeine Aussicht, dass er sich habilitiren werde. Dagegen scheint die Frage hier brennend zu werden für Paulsen, der Ihnen wohl durch Erich bekannt ist. Er hat über den Begriff der Empfindung geschrieben & die Arbeit soll den 2. Band eröffnen. Max Simon[,] überA dessen Recension Sie Sich gefreut haben werden, hat mir eine kleine Arbeit angeboten, die uns gerade jetzt sehr zu Pass kommen würde, da Töpelmann den 1. Band mit einer kleineren Arbeit abschliessen möchte. Nun gratulire ich auch herzlich zu dem Beginn des 2. Bandes, & will gar nicht wegen der Arbeiten drängen obwohl sie freilich hoch willkommen sein werden. Sonst ist hier auch manches frische Leben. Hartmann wird seinen Plato bald zum Dr. einreichen, & der Spanier Dr. Ortega verspricht viel Gutes. Dieser Jesuitenzögling aus vornehmen Hause, zum Professor in Madrid designirt, erfreut mich durch freundliche geschichtliche Einsicht über die „Sefardim“, wie er selbst die ehemaligen spanischen Juden nennt. Er ist schon scharf in die Sache eingedrungen. Herr Heimsöth dagegen wird wohl lieber in das katholische Rheinland wieder abwandern, & Herr Goldschmidt scheint beinahe mehr meines Judenthums als meines Deutschthums wegen hierher gekommen zu sein. Dr. Peters will doch kommen, aber erst in München seine Habilitationsschrift arbeiten. Varrentrapp, mit dessen Sohn wir auch in Rom zusammenwaren, war sehr glücklich, dass ich nachgegeben hatte, denn, wie er sagte, hätten sie das den Leuten hier absolut nicht verständlich machen können, warum ich dabei mich zurückzöge. Sehr erfreulich ist es, dass Sie sogleich das Freisprechen angefangen haben, das Ablesen wäre gegen Ihre Natur. Herzlichen Dank auch für Ihre guten Berichte den Verlag betreffend. Sorgen Sie nur auch, dass die Ethik Ende Juni versandt werden kann, damit sie noch im Semester in den Handel kommt. Für die Logik habe ich auch bessere Hoffnung, die auch Simon erweckt, der übrigens sehr wirksam dabei ist indem er in seinen Büchern stark darauf hinweist. Natorp hat leider jetzt eine ernstliche Sorge, da seine älteste Tochter hysterisch geworden ist, so dass sie von Berlin, wo sie als Kindergärtnerin sich ausbilden wollte, zurückgeschickt worden ist. Hoffentlich wird das hübsche kräftige Mädchen wieder ganz gesund werden. Von Religion & Sittlichkeit weiss ich nur, dass es hier Aufsehen gemacht hat, aber es spricht kein Mensch mit mir darüber. Nur Herrmann sagte mir neulich, dass er darüber nichts schreiben werde. Jodl hat mir einen wundervollen Brief geschickt, den ich Ihnen einmal mittheilen werde. Vom Commentar höre ich auch nichts. Jetzt nur noch meiner Frau & meine herzlichen Grüsse an Ihr liebes Quartett, & auch an den ganzen Kreis der Ihrigen von Ihrem H. Cohen.B A B
über] mit H. Cohen.] Unterschrift nicht eigenhändig
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Morgen Abend sind Wellhausens aus Göttingen bei uns – wenn das die Zionisten erführen. Horovitz schreibt aus AligarhA, daß er sich bei der Hochzeit seines Bruders verlobt habe – er hatte die Dame als seine Tischnachbarin gehabt.B Im August kommt er her zur Hochzeit! Odebr[echt] schickt soeben noch einen Nachtrag – mit dem ich Sie vielleicht verschonen kann.C Glückwunsch zu dem grossen Erfolg der Vorlesung] im SS 1907 las Cassirer Die Philosophie Kants (VV Berlin). Persönlichkeit des Dr. Odebrecht] über Rudolf Odebrecht vgl. Cohen an Cassirer vom 23.9.1906. Die Karte von Ischia, mit Loewis Unterschrift, werden Sie erhalten haben] siehe Cohen an Cassirer vom 3.4.1907. wie auch eine andere erhalten haben] siehe Cohen an Cassirer vom 21.2.1907. am Fenster des Café, Wildhagen … Des Cusaners freilich wurde seltener gedacht] vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903 u. 30.4.1904. mit Gernsheims & Humperdink vor dem Café Aragno] gemeint sind die Komponisten Friedrich Gernsheim (1839 – 1916), seit 1877 mit Henriette, geb. Hernsheim (!), verheiratet, u. Engelbert Humperdinck (1854 – 1921), seit 1892 verheiratet mit Hedwig, geb. Taxer, 1907 beide Vorsteher einer akademischen Meisterklasse für Komposition an der Berliner Königlichen Hochschule für Musik u. Mitglieder des Senats der Akademie der Künste (WBIS; NDB). Das Café Aragno, das auch Karl Joel in seinen Erinnerungen an Cohen als Treffpunkt mit Cohen erwähnt (vgl. Joël: Zur Erinnerung an Hermann Cohen. In: Neue jüdische Monatshefte 2 (1918), Heft 15/16 (Sonderheft Hermann Cohen) vom 10./25.5.1918, S. 374 – 376), lag am Corso Umberto/Via del Corso I Nr. 180 – 183. de Portu] vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903. Prof. Vailati] Giovanni Vailati (1863 – 1909), seit 1904 am Istituto tecnico Galilei di Firenze (WBIS). er verspricht für die nächste Zeit seine Arbeit] vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1904. Näheres nicht ermittelt. Innerhalb der von Cohen u. Natorp hrsg. Philosophischen Arbeiten ist nichts von de Portu erscheinen. Buek in seinem Anarchistennest] der aus St. Petersburg stammende Otto Buek (1873 – 1966), zu dem Cassirer näheren Kontakt gehalten hatte (vgl. Cohen an Cassirer vom 23.2.1906), war während des Studiums in Marburg Mitglied einer Gruppe von Sozialisten geworden (u. a. Kurt Eisner, Robert Michels, Max Tobler), die dem Tolstojanertum und Anarchosyndikalismus nahestanden. 1904 nahm Buek an Agitationsreisen Robert Michels’ teil. 1905 ging Buek nach Zürich und traf die Anarchisten Fritz Brunbacher, wiederum Max Tobler u. Raphael Friedeberg. Buek schloß sich Johannes Holzmann alias Senna Hoy an, in dessen Berliner Verlag u. a. 1905 die von Buek übersetzte 16-seitige Broschüre Lev N. Tolstoj: An die Soldaten und jungen Leute erschien. 1906 hielt sich Buek in der Künstlerkolonie Monte Verità bei Ascona auf und gehörte zur Gruppe um Erich Mühsam u. Otto Gross (Robert Michels: Eine syndikalistisch gerichtete Unterströmung im deutschen Sozialismus (1903 – 1907). In: Festschrift für Carl Grünberg. Zum 70. Geburtstag. Leipzig 1932, S. 343 – 364, hier S. 345 f.; Nina Dmitrieva: Russkoje neokantianstvo: „Marburg“ v Rossii. Istoriko-filosofskije očerki. Moskva 2007 (Serija: Humanitas. Izdatelstvo Rossijskaja političeskaja enziklopedija) [Der russische Neukantianismus. „Marburg“ A
Aligarh] Alighar Angabe berichtigt gehabt.] stark verschrieben und durch Lochung verstümmelt C Morgen Abend … verschonen kann.] hs. von Cohen B
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in Rußland. Historisch-philosophische Skizzen. Moskau 2007], S. 280– 285). Buek hatte 1905 promoviert über Die Atomistik und Faradays Begriff der Materie. Eine logische Untersuchung. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 18 (1905), S. 65–110 u. 139 – 165 (auch separat erschienen Berlin bzw. Marburg 1905). Zur Habilitation kam es nicht, auch wenn Cohen noch am 27.12.1908 an Natorp schrieb: Ueber Buek werden Sie bald Erfreuliches hören. Er hat jetzt den ernsten Willen zur Habilitation zu arbeiten, & unser nicht genug zu ruehmender Gawronsky will ihm die Moeglichkeit bieten, in Kuerze nach M[arburg] zu kommen (Holzhey II, S. 370). Paulsen … über den Begriff der Empfindung] die Veröffentlichung der Arbeit von Johannes Paulsen (1884–1917), der am 18.6.1907 seine Promotion bei Cohen u. Natorp abgeschlossen hatte (Sieg, S. 486), wurde gegenüber einer Arbeit von Max Simon vorgezogen, vgl. Paulsen: Das Problem der Empfindung. Teil I. Die Empfindung und das Bewußtsein. Gießen 1907 (Philosophische Arbeiten Bd. 1, Heft 4). In einem Schreiben Cohens an Natorp vom 27.12.1908 geht es u. a. um die etwaige Möglichkeit, Paulsen zur Habilitation in Göttingen zu platzieren (Holzhey II, S. 369). Erich] Erich Cassirer, vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904. Max Simon, über dessen Recension Sie Sich gefreut haben werden] zur Vorgeschichte vgl. Cohen an Cassirer vom 12.6. u. 22.7.1906; gemeint ist Max Simon: E. Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. Band I, S. 608, Berlin 1906. In: Südwestdeutsche Schulblätter 24 (1907), Nr. 4, S. 135 – 137. eine kleine Arbeit … die uns gerade jetzt sehr zu Pass kommen würde] Max Simons kleinere Arbeit Über Mathematik. Erweiterung der Einleitung in die Didaktik erschien 1908 in Gießen bei Töpelmann, allerdings erst als 1. Heft des 2. Bandes der von Cohen u. Natorp hrsg. Philosophischen Arbeiten. Als abschließendes 4. Heft des 1. Bandes erschien statt dessen Johannes Paulsens Das Problem der Empfindung. Beginn des 2. Bandes] von Cassirers Das Erkenntnisproblem. Hartmann wird seinen Plato bald zum Dr. einreichen] Nicolai Hartmann: Über das Seinsproblem in der griechischen Philosophie vor Plato, gedruckt Marburg 1908. Das Rigorosum fand am 27.7.1907 statt, das Datum des Abschlusses des Promotionsverfahrens ist nicht ermittelt (Sieg, S. 486). der Spanier Dr. Ortega] José Ortega y Gasset (1883 –1955) hielt sich nach seiner Promotion (1904) von 1905– 1907 in Leipzig, Berlin u. Marburg auf, um seine Studien fortzusetzen. Seine vorherige Ausbildung hatte er am Jesuitenkolleg San Estanislao de Miraflores de El Palo (Málaga), an der ebenfalls jesuitischen Universidad de Deusto (Bilbao) sowie an der Universität Madrid absolviert. 1908 u. noch einmal 1911 kehrte Ortega nach Marburg zurück, um bei Cohen zu hören (WBIS; Ortega y Gasset: Meine Studienzeit in Deutschland [von Paul Keins übersetzter Vorabdruck aus der Vorrede Próloga para alemanes zu der nicht erschienenen 3. dt. Aufl. von El tema de nuestro tiempo (Die Aufgabe unserer Zeit)]. In: Vossische Zeitung, Nr. 77 vom 31.3.1934, S. 12). geschichtliche Einsicht über die „Sefardim“] die vom biblischen Ortsnamen Serafad abgeleitete Bezeichnung der Nachfahren der im 15. u. 16. Jh. vertriebenen spanischen u. portugiesischen Juden. In einem Schreiben vom 23.6.1907 aus Marburg an seine Verlobte Rosa Spottorno Topete berichtet Ortega über die Begeisterung Cohens, Ortega über jüdisch-spanische Literatur oder arabische Traktate berichten zu hören (er habe ihn jedesmal umarmt; vgl. José Ortega y Gasset: Cartas de un joven español (1891 – 1908). Edición y notas de Soledad Ortega. Prólogo de Vicente Cacho Viu. Madrid 1991 (Obras de Ortega. Textos inéditos. [Bd. 3]), S. 563). Vgl. Ortegas Bemerkung in seinem Aufsatz Estética en el tranvía [Ästhetik in der Straßenbahn]. In: El Espectador. I. Madrid 1916, Cohen habe selbst erzählt, daß er während seiner Paris-Aufenthalte stets in die Synagoge gehe, um die Juden spanischer Herkunft in
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ihrer Gestik zu beobachten (abgedruckt in José Ortega y Gasset: Obras completas Bd. 2. Madrid 1983, S. 33 – 39, hier S. 33). Heimsöth dagegen wird wohl lieber in das katholische Rheinland wieder abwandern] Heinz Heimsoeth (1886 – 1975), evangelisch, aus Köln stammend, unterbrach sein Studium 1907/08, um als einjährig Freiwilliger in Metz seinen Militärdienst abzuleisten. In diese Zeit fällt auch die Aufnahme des Briefwechsels mit Nicolai Hartmann, wobei Heimsoeths Briefe überwiegend aus Köln abgesendet sind. Heimsoeth promovierte am 18.10.1911 in Marburg über das Thema Descartes’ Methode der klaren und deutlichen Erkenntnis, habilitierte sich 1913 ebenfalls in Marburg, hatte Professuren in Marburg u. Königsberger inne u. wurde schließlich 1931 Professor in Köln (WBIS; Bw Hartmann-Heimsoeth, passim u. S. 323; Sieg, S. 201 – 211 u. 486). Goldschmidt] gemeint ist der aus Sacherwitz in Schlesien stammende Victor Hermann Franz Goldschmidt, Preuße, jüdischen Glaubens, […] geboren am 15. September 1885 als Sohn des Dr. jur. Hugo Goldschmidt und seiner Frau Clara, geb. Schottlaender, nach der Schulzeit in Berlin u. Brieg (Schlesien) Student der Germanistik, Philosophie u. Nationalökonomie in Berlin (WS 1904/05), Lausanne (SS 1905), Göttingen (WS 1905/06), München (SS 1906), Berlin (WS 1906/07) und Marburg (SS 1907 bis WS 1908/09). Darüber hinaus gibt die Vita zur Dissertation folgende Auskunft: Hier [in Marburg] bestand ich das Rigorosum am 16. Dezember 1908. Die Anregung zu vorliegender Arbeit gab mir Herr Prof. Dr. Elster, dem ich mich zu großem Dank verpflichtet fühle. Ferner habe ich zu danken den Herren Professoren Geh. Rat Hermann Cohen, Max Herrmann, v. d. Leyen, Richard M. Meyer, Edward Schröder, [Walter] Tröltsch und Moritz Heyne† (Victor Goldschmidt: Eduard von Schenk. Sein Leben und seine Werke. Marburg 1909 [Von der philosophischen Fakultät zu Marburg als Dissertation angenommen am 1. August 1908./Referent: Professor Dr. Elster]. Der Annahmevermerk und die Vita sind für das Exemplar der Universitätsbibliothek Leipzig, Signatur VES 579 bl, separat gedruckt und eingeklebt). Dr. Peters will doch kommen, aber erst in München seine Habilitationsschrift arbeiten] für München ist von 1906 – 1918 keine Habilitation eines Dr. Peters (etwa des 1893 in München promovierten Romanisten Robert Peters, geb. 17.6.1871) ermittelt, allerdings hat sich dort 1909 der Germanist Julius Petersen (1878 – 1941) habilitiert. (Germanistenlexikon; NDB; die Habilitation ist gemeldet in HN 19 (1909/10), Nr. 8 vom Mai 1909). Eine Verbindung der Genannten zu Cohen ist nicht ermittelt. Varrentrapp … war sehr glücklich, dass ich nachgegeben hatte] zum Sachverhalt, u. U. im Zusammenhang mit dem erwähnten Dr. Peters, ist nichts ermittelt. Zu Conrad Varrentrapp vgl. Cohen an Cassirer vom 7.6.1902. dass die Ethik Ende Juni versandt werden kann] das Erscheinen der 2., revidierten Aufl. von Cohens Ethik des reinen Willens bei Bruno Cassirer, Berlin ist gemeldet im Börsenblatt, Nr. 180 vom 5.8.1907 u. in Nr. 224 vom 25.9.1907. Für die Logik habe ich auch bessere Hoffnung, die auch Simon erweckt] vgl. Cohen an Cassirer vom 12.6.1906. Natorp hat leider jetzt eine ernstliche Sorge, da seine älteste Tochter hysterisch geworden ist] über eine psychische Erkrankung der nicht ermittelten ältesten Tochter von Paul u. Helene Natorp ist nichts Näheres ermittelt (laut NDB entstammten der Ehe zwei Söhne u. drei Töchter, die dortigen Angaben sind jedoch widersprüchlich). Im Briefwechsel zwischen Cohen u. Natorp werden gelegentlich die Töchter Annemarie, Gertrud Helene u. Grete erwähnt (vgl. Cohen an Cassirer vom 17.9.1919 sowie Holzhey II). Annemarie scheint nicht die Betroffene gewesen zu sein, da sie im Juni 1907 offenbar zu Gast in Berlin war u. Cassirers nur deswegen nicht besuchen konnte, da in diese Zeit die Geburt von Cassirers Tochter fiel (vgl. Cassirer an Natorp vom 7.6.1907, DVD zu ECN 18). Herrmann sagte mir …, dass er darüber nichts schreiben werde] gemeint ist Cohens Schrift Religion und Sittlichkeit. Eine Betrachtung zur Grundlegung der
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Religionsphilosophie. Berlin: Poppelauer 1907. Wilhelm Hermann machte lediglich eine kurze Mitteilung in seinem Aufsatz Die Lage und Aufgabe der evangelischen Dogmatik in der Gegenwart. Teil 2: Die Aufgabe. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 17 (1907), S. 172–201, hier S. 181. Eine ausführliche Stellungnahme Hermanns erfolgte erst 1909 (vgl. die Bibliographie über die Rezensionen in HCW 15, S. XVIII). Jodl hat mir einen wundervollen Brief geschickt, den ich Ihnen einmal mittheilen werde] nicht ermittelt. Vom Commentar höre ich auch nichts] als erste Rezension von Cohens Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft ist ermittelt Robert Drill: Hermann Cohen’s Kant. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 172 vom 23.6.1907, 4. Morgenblatt, S. 1. Morgen Abend sind Wellhausens aus Göttingen bei uns] zu Julius Wellhausen, verheiratet mit Marie geb. Limpricht (1856 – 1925), WBIS, vgl. Cohen an Cassirer vom 15.4.1902. Horovitz schreibt aus Aligarh] gemeint ist Josef Horovitz (1874–1931), der in Marburg u. Berlin orientalische Sprachen studiert hatte (Promotion 1898 in Berlin über De . Wâqidii libro qui Kitâb al-Mag âzî inscribitur). Josef Horovitz heiratete 1907 Laura Scheier (1881–1933) u. ging im selben Jahr nach Aligarh in Indien, um als Professor des Arabischen am dortigen Mohammedan-Anglo-Oriental-College zu lehren – bis 1914, als er nach kurzzeitiger Internierung einen Ruf als Professor für semitische Philologie an die neu begründete Universität Frankfurt annahm (M. Plessner: Josef Horovitz der Orientalist und der Jude [Nachruf]. In: Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt 9 (1931), Nr. 7 vom März 1931, S. 223 f.; NDB; WBIS). Hochzeit seines Bruders] gemeint ist wohl Jakob Horovitz (1873–1939), der in Berlin die Rabbinerausbildung absolviert hatte u. 1900 bei Cohen u. Natorp mit einer Arbeit über Das platonische ȃȠȘIJઁȞ ǽȠȞ und der philonische ȀંıȝȠȢ ȃȠȘIJંȢ promovierte (auch erweitert erschienen als Untersuchungen über Philons und Platons Lehre von der Weltschöpfung, Marburg 1900). Seit 1902 war Jakob Horovitz als Rabbiner in Frankfurt tätig (WBIS), wo er 1905 als verheiratet geführt wird (vgl. Paul Arnsberg: Chronik der Rabbiner in Frankfurt am Main. Neuaufl. v. Neunhundert Jahre „Muttergemeinde in Israel“ (1974) als 2., v. Hans-Otto Schembs durchges. u. erw. Aufl. Frankfurt a. M. 2002, S. 130).
38. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 16. Juni 1907 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 16.6.07. Lieber Freund! Die Vorrede schicke ich Ihnen zuerst, damit Sie mir entweder sie corrigiren, oder wenn Sie auch meinen sollten, es sei nichts mehr zu verlieren, wohl aber vielleicht noch Etwas zu gewinnen, dem Verleger sie für den Druck einschicken. Die Kantstudien habe ich noch nicht gesehen. Daß d[ie] Arbeit gut ist, u. wir sie drucken können, habe ich Ihnen wohl schon geschrieben. Daß College M a i m u n i – wie kann ich nur so Etwas schreiben! vielmehr unser großer R a m b a m ( R a b b i M o s e b e n M a i m o n ) – Ihnen zu gefallen scheint, freut mich herzlich. Ich mußte zum Schluß hineilen, da es nur 2 Bogen werden
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sollten. Wenn Sie Correcturen gemacht haben, schicken Sie sie bitte. Ich kann Ihnen später bessere Bogen schicken. Es ist mir nicht möglich, herzliche Theilnahme zu unterdrücken bei dem tragischen Fall, der sich in Ihrer großen Familie ereignet hat. Es wird sicherlich nur tiefes Mitleid unter den Menschen rege werden. Offenbar war das sittliche Gefühl über die Leidenschaft überwältigend, so daß man aus reinem Mitleid ihr lieber eine Flucht ins Ausland gegönnt hätte. Wir erinnern uns der stattlichen Frau ganz deutlich. E r i c h habe ich noch nicht darüber gesprochen. Erst gestern erfuhren wir den Zusammenhang. – Am 26. Juni will ich von früh bis Abend in B e r l i n sein zu einer Sitzung d[er] Gesellschaft, die doch immer werthvoller wird. Das M a i m o n i d e s w erk giebt sie heraus. Ich hätte es gern, wenn Sie Mitglied würden. Sogar R a t h k e s sind es. Daß ich dem Ferienkurs entsage, wissen Sie schon. 2 Stunden wöchentlich habe ich zulegen müssen für d[ie] Kritik d[er] praktischen Vernunft, wobei auch Viele sind. Hoffentlich mundet Ihnen die Vorlesung weiter u. d[ie] Übung den Studenten. Mit herzlichen Grüßen für Sie Alle von uns Ihr H. CohenA Ich möchte 2. revidierte Auflage schreiben? Die Vorrede] zur 2. Aufl. der Ethik des reinen Willens, 1907, dort S. X – XIII. Die Kantstudien habe ich noch nicht gesehen] in Kant-Studien 12 (1907), S. 1 – 49 erschien Cassirers Aufsatz Kant und die moderne Mathematik. (Mit Bezug auf Bertrand Russells und Louis Couturats Werke über die Prinzipien der Mathematik). Daß die Arbeit gut ist, u. wir sie drucken können, habe ich Ihnen wohl schon geschrieben] vgl. Cohen an Cassirer vom 12.6.1906. Daß College M a i m u n i … Ihnen zu gefallen scheint, freut mich herzlich] Cohen spielt an auf seine Abhandlung Charakteristik der Ethik Maimunis, die erst 1908 erschien in Moses ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluss. Zur Erinnerung an den siebenhundertsten Todestag des Maimonides. Hrsg. v. d. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums durch Wilhelm Bacher, Marcus Brann, David Simonsen unter Mitwirkung v. Jakob Guttmann. Bd. 1. Leipzig 1908, S. 63–134. Das Ms., aus dem allein Cassirer die Abhandlung im Sommer 1907 gekannt haben kann, lag seit August 1905 vor u. war im Juli 1906 noch durch einen Zusatz erweitert worden (vgl. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905 u. 22.7.1906). tragischen Fall, der sich in Ihrer großen Familie ereignet hat] am 11.6.1907 war Cassirers Cousine Paula Gotthelf, geb. Cassirer (geb. 1876), gestorben; Näheres nicht ermittelt. Sitzung der Gesellschaft] Cohen war seit ihrer Gründung am 2.11.1902 Mitglied des Ausschusses der Berliner Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums (vgl. Erster Jahresbericht der Gesellschaft zu Förderung der Wissenschaft des Judentums. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 48/ Neue Folge 12 (1904), Heft 1 vom Jan. 1904, S. 52 – 64, hier 52). Ich hätte es gern, wenn Sie Mitglied würden] Cassirer wurde kein Mitglied der Gesellschaft zu Förderung der Wissenschaft des Judentums, jedenfalls taucht sein Name nicht in den sporadisch in den Jahresberichten abgedruckten Mitgliederlisten auf. Die A
H . C o h e n ] Unterschrift nicht eigenhändig
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Gesellschaft ist nicht zu verwechseln mit dem Verein zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums, in dem Cassirer sich ab ca. 1918 engagierte, vgl. die entsprechenden Jahrgänge des Korrespondenzblatts des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Sogar R a t h k e s sind es] Heinrich Bernhard Rathke (vgl. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905) war zumindest 1906 Mitglied, vgl. Vierter Jahresbericht der Gesellschaft zu Förderung der Wissenschaft des Judentums 1906. [Berlin, Jan. 1907]. 18 S., hier S. 14. Spätere Mitgliederlisten weisen Rathkes Namen nicht mehr aus. Daß ich dem Ferienkurs entsage] Cohen bot zuletzt im WS 1906/07 Ferienkurse (vgl. Cohen an Cassirer vom 6.12.1906) u. dann erst wieder ab dem WS 1912/13 Lehrveranstaltungen an der Berliner Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums an. Da die Ferienkurse im Frühjahr 1905 eingeführt worden waren, um den unbesetzten Lehrstuhl für Religionsphilosophie zu kompensieren (vgl. Cohen an Cassirer vom 23.2.1906), dürfte die Berufung Ismar Elbogens auf den noch im selben Jahr (1905) gestifteten Lehrstuhl für Geschichte und Literatur bzw. für Ethik und Religionsphilosophie des Judentums den Ausschlag gegeben haben, die Ferienkurse ab 1907 auszusetzen. 2 Stunden wöchentlich habe ich zulegen müssen für die Kritik der praktischen Vernunft] für das SS 1907 hatte Cohen angekündigt: Geschichte der neuen Philosophie, Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 5 Uhr. – Uebungen im Philosophischen Seminar über Descartes, 2stündig, privatissime und gratis (VV Marburg 1907, S. 35). Im WS 1906/07: Kants System (Erfahrungslehre, Ethik und Aesthetik), Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 5 Uhr. – Philosophische Uebungen über die Kritik der reinen Vernunft im Philosophischen Seminar, 2stündig, privatissime und gratis (VV Marburg 1906/07, S. 32 f.). Hörerzahlen nicht ermittelt. Hoffentlich mundet Ihnen die Vorlesung weiter u. die Übung den Studenten] außer der Vorlesung über Die Philosophie Kants (vgl. Cohen an Cassirer vom 21.5.1907) bot Cassirer im SS 1907 Philosophische Übungen zur Kritik der reinen Vernunft, II. Teil an, vgl. VV Berlin. Ich möchte 2. revidierte Auflage schreiben?] der endgültige Text des Titelblatts der 2. Aufl. der Ethik des reinen Willens lautet: Ethik/des reinen Willens/Von/Hermann Cohen/Professor an der Universität Marburg/Zweite revidierte Auflage/Berlin/Bruno Cassirer/1907, erschienen im Aug./Sept. 1907 (vgl. Börsenblatt, Nr. 180 vom 5.8.1907 u. Nr. 224 vom 25.9.1907).
39. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 1. Dezember 1907 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 1.12.07. Mein lieber Herr D r ! Besten Dank für Ihre Karte u. für die freundliche Zusendung des Buches. Ihren 2. Band habe ich mit großem Eifer durchgelesen, nämlich zum 1. Mal. Da ich aber eine hoffentlich unbedeutende Entzündung des Augenlids seit gestern habe, so meinte N a t o r p , der eben hier war, u. der sein Ex[emplar] erst zum Buchbinder gegeben hatte: ich hätte Sie wohl zu schnell gelesen. Das ist nun Alles als das Ledder ist. Kritische Bemerkungen besprechen wir hoffentlich
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mündlich. Oder sollten Sie Weihnachten in W i e n sein? Was mir zu sagen bliebe, könnte sich höchstens beziehen auf dramatische Fragen in der Darstellung der Entwickelung. Ohne jedes Bedenken bin ich in Bezug auf K a n t . So habe ich mir seine Darstellung im Tempel gewünscht. Wie schade, daß ich diese seine literarische Vorstellung nicht schon für den Commentar benutzen konnte. Besonderen Dank aber schulde ich Ihnen für meine Rettung durch die Reflexionen. Wie gesagt, ich hoffe zu dem Buche noch oftmals wieder einzukehren, u. ich wünsche u. hoffe, entscheidende Wirkung von ihm für unsere ganze Sache. Sie würden mich erfreuen, wenn Sie mir bald mitteilen möchten, was Sie darüber hören. – N a t o r p hat mir vorgelesen, was er über P a u l s e n u. auch über R i e h l über die Kultur d[er] Gegenwart geschrieben hat, sehr scharf u. sitzend. – B u e k , der mir Nichts schickt, also auch das nicht, was er mir widmet, sagen Sie bitte, meinen herzlichen Dank für diese Lebensbeschreibung, die mich sehr gerührt hat. Weihnachten hoffe ich ihm persönlich danken zu können. – Hinter die Sachen von C a n t o r, u. s. w. möchte ich sehr gern kommen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir schicken wollten, was Sie darüber haben. C a n t o r hat mir Mehreres geschickt, aber nicht die Mannichfaltigkeitslehre. Ist denn das eigentlich Mathematik? Es will mir dämmern wozu Sie ja d[ie] Aussicht erschlossen haben, daß dieser Grenzenbegriff ganz gut mit der Realität stimmen könnte. Es verlohnt sich den Versuch zu machen. – Für die erste 4stünd[ige] Vorles[ung] ist Ihre Anzahl auch in Berlin ganz stattlich. Die Logik wird diesmal sehr munter gehört u. geübt. Ob sich Etwas entwickeln wird, kann ich diesmal noch nicht sagen. Wie geht es nur E r i c h ? Grüßen Sie ihn bitte, mit guten Wünschen. Herzliche Grüße von uns für Sie u. Ihre Lieben. Mein Befinden ist sonst ganz gut. Die Publikation der Rede habe ich aufgegeben. Ihr H. Cohen.A Zusendung des Buches … 2. Band] Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 2, Berlin 1907. [EP II] Das ist nun Alles als das Ledder ist] es ist, wie es ist. Niederdeutsches Sprichwort, von Fritz Reuter literarisch beflügelt, vgl. Geflügelte Worte, S. 307. Weihnachten in W i e n ] Cassirers hielten sich zumindest zum Jahreswechsel 1907/08 in Wien, dem Wohnort der Eltern Toni Cassirers auf, vgl. Cohen an Natorp vom 30.12.1907: Cassirer ist in Wien, kommt erst nach Neujahr zurück (Holzhey II, S. 362). Ohne jedes Bedenken bin ich in Bezug auf K a n t . So habe ich mir seine Darstellung im Tempel gewünscht] vgl. EP II, Siebentes Buch, S. 459 – 617: Die kritische Philosophie. Cohen spielt auf die nach mosaischem Gesetz obligatorische Darstellung der Erstgeborenen im Tempel von Jerusalem an (4. Moses 18, 15 – 16). meine Rettung durch die Reflexionen] vgl. EP II, 1907, S. 725, Anm. 31: Im Gegensatz zu einer Auffassung, die das Wesentliche des kritischen Idealismus in der „transscendentalen Aesthetik“ enthalten glaubt und die Lehre von den Verstandesbegriffen A
H . C o h e n . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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nur als ein Aussen- und Nebenwerk betrachtet, hat C o h e n den Gedanken durchgeführt: dass der wahre Mittelpunkt des Kantischen Problems im System der s y n t h e t i s c h e n G r u n d s ä t z e zu suchen ist. Diese bilden ihm den eigentlichen sachlichen Anfangspunkt, von welchem aus der Weg erst weiterhin zu Raum und Zeit hinausführt. „Denn worauf und wovon Kant ausging, war die Frage: Wie sind synthetische Sätze a priori möglich? Diese Möglichkeit beruht auf der synthetischen Einheit, welche wir aus uns in die Dinge legen. Diese synthetische Einheit ist die Kategorie. E r s t v o n d e n K a t e g o r i e n a u s s c h e i n t d a h e r d e r transscendentale Charakter des a priori auf Raum und Zeit ü b e r z u g e h e n . “ Im Anschluß hieran bezeichnet es C o h e n als „eine für das systematische Verständnis förderliche Aufgabe, den vorhandenen Schatz an Kantischen Manuskripten daraufhin durchzusehen: ob sich Bemerkungen finden, welche diese Vermutung bestätigen.“ (Kants Theorie der Erfahrung, 2. Aufl., S. 261.) Durch die „Reflexionen“ wird nun – wie die Darstellung im Text im einzelnen zeigt – Cohens Annahme völlig ausser Zweifel gestellt: Raum und Zeit lösen sich erst allmählich aus dem gemeinsamen Grundsystem der reinen Verstandesbegriffe heraus; sie sind „objektive Grundsätze der Synthesis“, ehe sie zu „Begriffen der Anschauung“ und schliesslich zu „Formen der Sinnlichkeit“ werden. N a t o r p hat mir vorgelesen, was er über P a u l s e n u. auch über R i e h l … geschrieben hat] erschien als: Über Philosophie, Geschichte und Philosophie der Geschichte [mit Bezug auf: Die Kultur der Gegenwart, ihre Entwicklung und ihre Ziele. Hrsg. v. Paul Hinneberg. Teil 1, Abt. 6. Systematische Philosophie. Berlin u. Leipzig 1907]. In: Historische Zeitschrift 100 (1908), S. 564 – 584. B u e k … sagen Sie bitte, meinen herzlichen Dank für diese Lebensbeschreibung, die mich sehr gerührt hat] vgl. die von Buek verfaßte u. auf Sept. 1907 datierte Einführung Alexander Herzens Leben und Schaffen. In: Erinnerungen von Alexander Herzen. Aus dem Russischen übertragen, hrsg. u. eingeleitet v. Otto Buek. Bd. 1. Berlin 1907, S. I – XXXV.
die Sachen von Cantor] vgl. Cassirer: Kant und die moderne Mathematik. (Mit Bezug auf Bertrand Russells und Louis Couturats Werke über die Prinzipien der Mathematik). In: Kant-Studien 12 (1907), S. 1 – 49, bes. den 3. Abschnitt S. 21 ff. (abgedruckt in ECW 9, S. 37 – 82, hier S. 56 ff.). Cassirer zitiert Georg Cantor (1845 – 1918, Mathematiker an der Universität Halle): Grundlagen einer allgemeinen Mannichfaltigkeitslehre. Ein mathematisch-philosophischer Versuch in der Lehre des Unendlichen. Leipzig 1883. Für die erste 4stündige Vorlesung ist Ihre Anzahl auch in Berlin ganz stattlich] im WS 1907/08 las Cassirer Geschichte der neueren Philosophie von der Renaissance bis Kant; außerdem bot er an Übungen zur Geschichte der neueren Philosophie (Descartes u. Leibniz), vgl. VV Berlin. Hörerzahlen nicht ermittelt. Die Logik wird diesmal sehr munter gehört u. geübt] im WS 1907/08 bot Cohen an: Logik als Einführung in die Philosophie sowie Übungen zur Logik, vgl. VV Marburg 1907/08. Wie geht es nur E r i c h ? ] hier wohl im Zusammenhang mit dem Tode Paula Gotthelfs gemeint, vgl. Cohen an Cassirer vom 16.6.1907. Die Publikation der Rede habe ich aufgegeben] vgl. jedoch die vielleicht gemeinte Rede Cohens Religiöse Postulate. Rede, gehalten am Frankfurter Verbandstage. In: AZJ, Nr. 50 vom 13.12.1907, S. 592 – 595 (zuerst in Verband der Deutschen Juden (Hrsg.): Stenographischer Bericht über die im großen Saale des Saalbaues zu Frankfurt a. M. am Sonntag, den 13. Oktober 1907, abgehaltene zweite Hauptversammlung. Berlin 1907, S. 11 – 20).
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40. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 27. März 1908 Hs. (M. Cohen), 2 S. L[ieber] Fr[eund]! Ihre Sorgfalt hat gute Wirkung gehabt: M [ a x ] S [ i m o n ] will schreiben: „Erweiterung der Didaktik.“ Damit können wir uns wohl befriedigt erklären. Und ich möchte daher N [ a t o r p ] schriftlich gar keine Mitteilung davon machen. Als wir Montag früh nach M ü n c h e n - A l a abfahren wollten, meldete sich d[ie] Cousine in H a l l e am Telefon u. widersprach der Durchfahrt. So blieben wir bis Dienstag früh in H a l l e , u. gingen dann über B a s e l , so daß ich S [ i m o n ] in S t r a ß b u r g an d[ie] Bahn bestellen konnte. In F l o r e n z waren wir daher nur 1 Tag, fanden d[ie] beiden ehemalig[en] M a r b u r g e r in d[er] Reisegesellsch[aft] von Wildhagens Freundin Fr[au] Präsid[ent] K i e f e r, u. es schien mir angezeigt, Ihre Meinung E r i c h zu bestellen, der sie billigte. – Hier ist es sehr schön u. ich fange an in die Ferienblüte zu kommen. Herzliche Grüße Ihnen u. Ihren Lieben von uns Ihr H. C.A via Mario de’ fiori 59a III Viel schönes Glück zur neuen WohnungB Postkarte vom 27. März 1908] an S i g n o r D r. E r n s t C a s s i r e r / Privatdocent/ ( G e r m a n i a ) B e r l i n W. / Pragerstr. 8; mit Poststempeln ROMA 27 3– 08 10 S (CENTRO); BERLIN 30.3.08 5 – 6 V * 50 1 M a x S i m o n will schreiben: „Erweiterung der Didaktik.“] zu Max Simon vgl. Cohen an Cassirer vom 12.6.1906; gemeint ist hier Simons Arbeit Über Mathematik. Erweiterung der Einleitung in die Didaktik. Gießen 1908 (Philosophische Arbeiten Bd. 2, Heft 1). Zur Entstehung vgl. die Selbstanzeige von Max Simon in KantStudien 13 (1908), S. 496: Die kleine Schrift ist aus der Erweiterung der Einleitung zur zweiten Auflage der Dialektik und Methodik des Rechnens und der Mathematik in B a u m e i s t e r s Handbuch (München 1908) hervorgegangen [vgl. Simon: Didaktik und Methodik des Rechnens und der Mathematik. 2., umgearbeitete u. erw. Aufl. München 1908 (Sonderausgabe aus Dr. A. Baumeisters „Handbuch der Erziehungs- und Unterrichtslehre für höhere Schulen“)]. Verfasser, welcher sich bewusst ist, auf philosophischem Gebiete nur ein Dilettant zu sein, hätte es nicht gewagt, diese abgerissenen Bemerkungen über Zeit, Raum, Zahl, Unendlichkeit, Kontinuität und einiges andere, als „philos. Arbeit“ auszugeben, wenn ihn nicht die verehrten Herren Herausgeber, insbesondere H. C o h e n , dazu ermutigt hätten. – Übrigens hat die Arbeit eine ziemlich lange Entstehungsgeschichte. Sie ist hervorgegangen aus der Pflicht, die jedem Lehrer und ganz besonders dem Lehrer der Mathematik obliegt, sich selbst nach Kräften klar zu werden über das, was er zu lehren hat. Mit dem infinitären Prozess und seinem Abschluss, dem Grenzbegriff, A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig Viel schönes Glück zur neuen Wohnung] quer über den Text der Mitteilung geschrieben B
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habe ich mich seit 1872 intensiv beschäftigt, seit Ernst L a a s an mich die Bitte richtete, ihm ein Privatissimum über Mathematik zu lesen./Als ein kaum zu rechtfertigender Übergriff erscheint mir jetzt die Parallele zwischen Kant und Leibniz. Zu meiner Entschuldigung kann ich anführen, dass ich mich, seitdem ich 1893 den Artikel Differentialrechnung für die 5. Aufl. des Meyerschen Konversationslexikon bearbeitete, viel mit Leibniz beschäftigt habe, und an den Werken von E. C a s s i r e r eine treffliche Unterstützung fand. M ü n c h e n - A l a ] Ala, ca. 50 km nördlich von Verona, bis 1919 Grenzbahnhof zwischen Österreich-Ungarn u. Italien. Station auf der Bahnverbindung Berlin-MünchenRom, vgl. Reichs-Kursbuch. Übersicht der Eisenbahn-, Post- und Dampfschiffverbindungen in Deutschland, Österreich-Ungarn, Schweiz, sowie der bedeutenderen Verbindungen der übrigen Teile Europas und der Dampfschiff-Verbindungen mit aussereuropäischen Ländern. Bearb. im Kursbureau des Reichs-Postamts. Juli 1905. Berlin 1905, Nr. 379 u. 535. Cousine in H a l l e ] nicht ermittelt. bis Dienstag früh in H a l l e ] der 27.3.1908 fiel auf einen Freitag, daher könnte mit Dienstag der 24.3.1908 gemeint sein. daß ich S i m o n in S t r a ß b u r g an die Bahn bestellen konnte] zu den Bahnverbindungen Berlin-Halle-Straßburg-Basel u. Basel-Rom bzw. Basel-Florenz vgl. Reichs-Kursbuch, Juli 1905, Nr. 193 u. 643. die beiden ehemaligen M a r b u r g e r in der Reisegesellschaft von Wildhagens Freundin Frau Präsident K i e f e r ] einer der beiden gemeinten ehemaligen Marburger dürfte demnach Kurt Wildhagen gewesen sein. Der andere ist nicht ermittelt. Kurt Wildhagen (vgl. Cohen an Cassirer vom 31.5.1903) war seit den 1890er Jahren mit Marie Kiefer, der Witwe des 1895 verstorbenen badischen Landgerichtspräsidenten und Politikers Friedrich Kiefer eng befreundet (vgl. Roland Krischke: Kurt Wildhagen. Ein Lebensbild. In: Kurt Wildhagen 1871 – 1949. Ein Buch zur Ausstellung in der Stadtgeschichtlichen Abteilung des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg vom 5.11.1997 bis 18.1.1998. Hrsg. v. Roland Krischke u. Frieder Hepp. Heidelberg 1997, S. 26 u. S. 41 f. sowie im selben Bd. Johannes Theodorakopoulos: Kurt Wildhagen. Der Philosoph aus dem Café Krall, S. 95). Ihre Meinung E r i c h zu bestellen] gemeint ist vermutlich Erich Cassirer, vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904. Näheres nicht ermittelt. v i a M a r i o d e ’ f i o r i 5 9 a I I I ] diese Adresse (eines Privatquartiers?) meldet Cohen auch an Natorp vom 21.3.1908 (aus Berlin): Donnerstag [den 26.3.1908] gehen wir nach R o m ( v i a M a r i o d e F i o r i 5 9 I I I ) . In Baedekers Mittelitalien und Rom, 14. Aufl. Leipzig 1908 nicht aufgeführt. Viel schönes Glück zur neuen Wohnung] Cassirers sind ab 1909 mit der Adresse Pragerstraße Nr. 8. 9 III in den Berliner Adreßbüchern verzeichnet.
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41. Hermann u. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brief vom 5. Juni 1908 Hs. (M. Cohen), 4 S. M a r b u r g , d. 5.6.08. Liebe Freunde! Nehmen Sie unseren herzlichen Glückwunsch für die zur Erhöhung Ihres Glücks erschienene Tochter, die zu allem Lieben, Guten u. Schönen Ihnen heranblühen möge, die es Ihnen vergönnt sein möge zu allem Guten zu erziehen, u. die auch den Brüdern Stolz u. Schmuck werden möge. Heute nur diesen Wunschgruß. E r i c h wird Ihnen von unserem guten Befinden u. von manchen anderen guten Dingen berichtet haben. Unsere Situation ist auch der Mitwelt gegenüber keine ganz ungünstige. Ich hätte Sie gern schon wieder einmal gesprochen, aber das ist ja zum mindesten erschwert, u. an das Abdanken darf ich doch noch nicht denken. Herzlichen Glückwunsch auch Ihrem Vater u. Ihren Geschwistern, sowie Ihren Schwiegereltern. Neulich war H[err] E d . C o h e n zu einer Heimsitzung hier u. sprach mit großer Hochachtung von Ihrem Schwager, dem Maler. Daß Sie noch Übungen eingerichtet haben, freut mich sehr, u. ich möchte Ihnen überhaupt raten bei Ihren Ankündigungen sich nicht als Privatdocenten zu betrachten; denn die Welt sieht bereits auf Sie auch im Lectionsverzeichniß. G ö r l a n d s Arbeit hat noch unliebsame Auseinandersetzungen mit N a t o r p erfordert, die ich aber ausgleichen konnte, so daß er eine erneute Durcharbeitung zugestanden hat. Sie ist noch nicht fertig im Umfang, enthält aber viel Gutes u. Wichtiges. H a r t m a n n soll Ihnen bald zugestellt werden. Jetzt nur nochmals herzliche Wünsche auch für d[ie] Kräftigung von Ihrem H. C.A
Viele herzliche Glückwünsche auch von mir für die auch von mir langersehnte Tochter. Viel Glück u. Segen u. Ihnen baldige Genesung liebste Frau. M. C. herzlichen Glückwunsch für die … Tochter] Anna Elisabeth Cassirer (1908 – 1998), geboren in Berlin am 3.6.1908. E r i c h wird … berichtet haben] gemeint ist wahrscheinlich Erich Cassirer, vgl. Cohen an Cassirer vom 27.3.1908. an das Abdanken darf ich doch noch nicht denken] vgl. Cohen an Cassirer vom 23.2.1906. Das tatsächliche Entlassungsgesuch Cohens datiert erst vom 5.6.1912, mit Wirkung zum 1.10.1912 (abgedruckt in Holzhey II, S. 514 f.). A
H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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Herr E d . C o h e n zu einer Heimsitzung] gemeint ist möglicherweise der Landschaftsmaler u. Unterstützer jüdischer Einrichtungen Eduard Cohen (1838– 1910), der seit 1870 in Frankfurt a. M. lebte (WBIS). Näheres nicht ermittelt. Die Sitzung könnte das Israelitische Schüler- und Lehrlingsheim in Marburg betroffen haben, an dessen Gründung Cohen maßgeblich beteiligt war (vgl. die Berichte in Der Israelit 41 1UYRP%HLODJH6sowie in 'HU,VUDHOLW 1U XYRP%HLODJH6±). Ihrem Schwager, dem Maler] der Bruder Toni Cassirers, Walter Bondy (1880–1940), Ausbildung an den Akademien Wien (1898 –1899) u. Berlin (1900 –1902); 1903–1913 in Paris, ab 1914 in Berlin, 1906 – 1914 Mitglied der Berliner Sezession, danach der Freien Sezession Berlin (WBIS). Walter Bondy fertigte 1914 ein Porträtgemälde Hermann Cohens an, vgl. die Reproduktion als Frontispiz zur 2., verb. Aufl. von Cohens Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 1914. Daß Sie noch Übungen eingerichtet haben] für das SS 1908 hatte Cassirer angekündigt: Einführung in die Erkenntniskritik, jedoch keine Übungen. Für das WS 1908/09 kündigte Cassirer an: Die Hauptrichtungen der modernen Erkenntnistheorie (Darstellung und Kritik) sowie Übungen zur Erkenntnistheorie. Vgl. jeweils das entsprechende VV Berlin. G ö r l a n d s Arbeit … eine erneute Durcharbeitung] erschien als Aristoteles und Kant bezüglich der Idee der theoretischen Erkenntnis untersucht. Gießen 1909 (Philosophische Arbeiten Bd. 2, Heft 2). Davon erschien eine Besprechung von Cassirer: Aristoteles und Kant. In: Kant-Studien 16 (1911), S. 431– 447 (abgedruckt in ECW 9, S. 468 – 483). H a r t m a n n soll Ihnen bald zugestellt werden] gemeint ist die Dissertation von Nicolai Hartmann Über das Seinsproblem in der griechischen Philosophie vor Plato, erschienen Marburg 1908. Am 11.6.1908 sandte Hartmann ein Exemplar seiner Dissertation mit einem Begleitschreiben u. ausdrücklich unbekannterweise an Cassirer, vgl. die DVD zu ECN 18.
42. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 29. Juli 1908 Ts., 1 S. Marburg, d. 29.7.08. Mein lieber Freund! Ich habe heute sehr erfreuliche Sachen zu berichten, zugleich aber auch Aergerliches. Das Letztere sei vorerst erledigt. Also ich habe sehr betrübende Aufregungen in den Verhandlungen zur Wiederbesetzung Menzers erleiden müssen. Sie sind aber objectiv siegreich durchgefochten. Ich berichte davon nur, dass wir im Separatvotum Sie & Görland vorgeschlagen haben. Nur dies noch, dass wir mit Rücksicht auf die Stimmung in der Fakultät den Leipziger Lipps & dann noch, aber unserseits nur auf Psychologie beschränkt, Krüger. Nun aber die Hauptsache. In Königsberg sind Sie an dritter Stelle & zwar zugleich mit Freytag. An erster Menzer, an zweiter Gödikemeyer. Urheber davon war Walter, der Ihnen vorwarf, Sie hätten Cusa zugeschrieben, was Augustin sagt. Sein Vater war nämlich Bischof von Finnland. Ach war sehr
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ungehalten darüber, wie er an Natorp schrieb & Külpe ebenfalls an Natorp: er habe Sie an erster Stelle empfohlen. Nun aber kommt heute die Nachricht an Natorp er sei in der Commission an erster Stelle mit Maier, an zweiter Sie. Voilà tout.A In der Fakultät werde kaum daran geändert werden, ausser, dass einige Wenige doch vielleicht den persönlichen Ordinarius Husserl in das etatsmässige bringen möchten, was aber seiner Berufung widerspricht. Das ist also ein seltener grosser Erfolg, zu dem ich Ihnen von Herzen gratulire. So verwundet ich durch die letzte Campagne wieder bin, so atme ich dadurch wieder auf. Soeben nämlich hat es Natorp mir mitgeteilt. Und nun noch erstlich herzlichen Dank für Ihren Zuruf zum Zeitgeist: er ist der Einzige geblieben. Sodann: wir bleiben bis zum 7. Aug[ust] hier, dann über Halle am 10. in Berlin, wo wir am 11. den 70. Geburts[tag] des Herrn Brünn mitfeiern wollen. Wir denken die Woche über dort zu bleiben & Sie können denken wie sehr ich mich freue Sie wieder sprechen zu können. Dann über München nach Pontres[ina], wo wir nicht vor dem 22. oder 24. in unserem Hotel Aufnahme erwarten dürfen. Wir hoffen sehr Ihre Geschwister dann noch dort zu treffen. Heute nicht mehr, ausser noch sehr herzlichen Grüssen & Glückwünschen an Ihre l. Frau & die l. Kinder, aber auch an Ihren Vater von Ihrem H. C.B Wiederbesetzung Menzers] Paul Menzer (1873 –1960), 1900 in Berlin habilitiert, seit 1906 persönlicher Extraordinarius für Philosophie in Marburg, wurde 1908 nach Halle berufen (gemeldet in HN 18 (1907/08), Nr. 10 vom Juli 1908; BEdPh; NDB). Nach Menzers Weggang wurde im Juni 1908 in Marburg ein dauerhaftes Extraordinariat für Philosophie eingerichtet (Sieg, S. 309). Nach Marburg berufen wurde schließlich, als ein vom Kultusministerium der Fakultät oktroyierter Kandidat, zum 1.10.1908 Hermann Schwarz (1864 – 1951), 1894 in Halle habilitiert; Berufung gemeldet in HN 19 (1907/08), Nr. 1 vom Okt. 1908; BEdPh; WBIS. Vgl. zu Cohens Reaktion auch Hartmann an Heimsoeth vom 9.7.1908: In diesen Tagen spielt hier ein ganzes Drama. Menzer soll einen Ruf nach Halle kriegen, und die Fakultät hat den Auftrag bekommen, einen neuen Extraordinarius vorzuschlagen. Ein paar Experimentalpsychologen prätendieren auf die Stelle. Sie können sich Cohens Protest vorstellen! Der arme Alte geht ganz aus den Fugen … es ist auch hart für ihn, und schlimm für die Philosophie (Bw Hartmann-Heimsoeth, S. 29). Am 24.6.1908 hatte sich auch Narziß Ach (vgl. Cohen an Cassirer vom 9.2.1903; seit SS 1907 Professor in Königsberg, vgl. HN. 17 (1906/07), Nr. 8 vom Mai 1907) in einem Schreiben an das Kultusministerium für die Marburger Stelle interessiert, falls Menzer nach Königsberg berufen werden sollte (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 14, Bl. 126 – 127). dass wir im Separatvotum Sie & Görland vorgeschlagen haben] Das Separatvotum von Ende Juli 1908 (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 14, Bl. 71r-72v) ist mitsamt der Gegenerklärung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sektion vom 1.8.1908 abgedruckt in Holzhey II, S. 504 – 506.
A B
Voilà tout.] Voila tous. H. C.] Unterschrift nicht eigenhändig
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den Leipziger Lipps & dann noch, aber unserseits nur auf Psychologie beschränkt, Krüger] nicht im oben genannten Separatvotum. Die philosophische Fakultät hatte sich gegen die Nominierung des vom Ministerium am 24.6.1908 vorgeschlagenen Narziß Ach, über dessen Wunsch einer Versetzung hierher als persönlicher Ordinarius die Fakultät sich zu äußern aufgefordert ist, gestellt u. statt seiner am 1.8.1908 an erster Stelle Gottlob Friedrich Lipps vorgeschlagen (1865 – 1931), Philosoph und Psychologe, Schüler von Wilhelm Wundt, nach der Promotion Gymnasiallehrer in Hagenau, Straßburg u. Leipzig, 1904 in Leipzig habilitiert, ab 1909 dort außerordentlicher Professor, ab 1911 Professor u. Direktor des psychologischen Instituts in Zürich (BEdPh; WBIS), sowie Felix Krueger (1874–1948), Philosoph und Psychologe, seit 1902 Assistent am psychologischen Institut der Universität Leipzig, 1903 habilitiert, 1906–1908 Professor in Buenos Aires, 1910 Professor in Halle, 1917 Nachfolger Wundts in Leipzig (BEdPh; NDB; WBIS), die am ehesten dem Wunsch der Fakultät, daß das Extraordinariat einem solchen übertragen werden möge, der in erster Linie das Gebiet der Psychologie zu vertreten imstande ist, zugleich aber in allgemeiner Philosophie den Beweis ausreichender Befähigung erbracht hat, entsprachen. Ferner wird noch Erich Becher (1882–1929) erwähnt, 1907 in Bonn habilitiert (BEdPh), aber nicht vorgeschlagen. Vgl. zum gesamten Vorgang Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 14, Bl. 34 u. Bl. 65 – 73 sowie Bl. 126 – 137 (Bl. 67 – 70 das zitierte Schreiben der Fakultät an den Kurator der Universität Marburg vom 1.8.1908). In Königsberg sind Sie an dritter Stelle] vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. 25, dort auf Bl. 309–310 die Vorschlagsliste der Philosophischen Fakultät der Universität Königsberg für die Nachfolge von Julius Walter (1841 –1922) vom 25.6.1908: 1. Paul Menzer, 2. Albert Goedeckemeyer (1873 – 1945), 1900 in Göttingen habilitiert (WBIS), 3. Ernst Cassirer u. Willy Freytag (1873– 1945), 1900 in Bonn habilitiert, 1908 außerordentlicher Professor in Bonn, vgl. HN 18 (1907/08), Nr. 6 vom März 1908, s. u. Berufen wurde schließlich Goedeckemeyer (vgl. HN 19 (1908/09), Nr. 1 vom Okt.; zum ganzen Vorgang Christian Tilitzki: Die Albertus-Universität Königsberg. Ihre Geschichte von der Reichsgründung bis zum Untergang der Provinz Ostpreußen (1871–1945) Bd. 1, 1871–1918. Berlin 2012, S. 322–324 sowie Tilitzki: Zur Königsberger Kant-Tradition im 20. Jahrhundert. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 50 (2004), S. 191 – 287, hier S. 195). Walter … Sein Vater war nämlich Bischof von Finnland] der Vater von Julius Walter, Ferdinand Walter (1801–1869), wurde 1859/60 zum evangelisch-lutherischen Bischof von Livland ernannt, 1864 zurückgetreten bzw. des Amtes enthoben (WBIS). – Zum Zusammenhang zwischen den Lehren Augustins u. Nikolaus’ von Kues hatte sich Cassirer im 1. Kap. des 1. Buches von Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1, Berlin 1906 geäußert. Ach war sehr ungehalten darüber, wie er an Natorp schrieb & Külpe ebenfalls an Natorp] es sind keine Schreiben von Narziß Ach oder Oswald Külpe (1862 – 1915), 1894 – 1909 in Würzburg (NDB; BEdPh) an Natorp ermittelt. Nachricht an Natorp] die Göttinger Berufungsliste für Geschichte der Philosophie (Nachfolge Julius Baumann) vom 1.8.1908 schlug Natorp an erster, Heinrich Maier und Cassirer zusammen an zweiter Stelle vor. David Hilbert votierte separat für Edmund Husserl (seit 1901 außerordentlicher Professor in Göttingen, vgl. die Meldung in HN 12 (1901/02), Nr. 1 vom Okt. 1901), Cassirer und Georg Misch. Berufen wurde Heinrich Maier (vgl. den Briefwechsel von Natorp u. Husserl vom 12. u. 23.12.1908 sowie vom 21.1. u. 18.3.1909 in Edmund Husserl: Briefwechsel Bd. 5. Die Neukantianer. In Verbindung mit E. Schuhmann hrsg. v. K. Schuhmann. Dordrecht 1994 (Husserliana. Dokumente Bd. III. Briefwechsel. Teil 5), S. 97 – 112).
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herzlichen Dank für Ihren Zuruf zum Zeitgeist] gemeint ist Cohen: Auch ein Zeichen vom Geiste der Zeit. In: Der Zeitgeist. 1. Beiblatt zum „Berliner Tageblatt“, Nr. 28 vom 31.7.1908, S. [1–2] (abgedruckt in HCW 15, S. 271–282). Am 17.8.1908 berichtet Cohen an Natorp noch über ein weiteres zustimmendes Schreiben eines gewissen Ladd (Holzhey II, S. 365 f.). Der Artikel Cohens setzt sich damit auseinander, daß im Programm des Internationalen Kongresses für historische Wissenschaften, der vom 6.-12.8.1908 in Berlin tagte, keine Sektion für Philosophie vorgesehen war. Cohen schließt halb ironisch, halb sarkastisch vor dem Hintergrund der fortwährenden Marburger Auseinandersetzungen um die Ausrichtung des philosophischen Extraordinariats: Darf ich mit einer heiteren Lösung dieses Rätsels abschließen? Sollte man etwa gedacht haben, die Philosophie sei ja doch bei idealster Auffassung schließlich nichts anderes, als wofür sie jetzt vorzugsweise gelten will, nämlich e x p e r i m e n telle Psychologie? 70. Geburtstag des Herrn Brünn] gemeint ist der Kaufmann u. gefeierte Mäzen einer größeren Anzahl Berliner und überregionaler jüdischer Einrichtungen u. Vereine, v. a. als Begründer von Stiftungen zur Förderung des jüdischen Religionsunterrichts, Siegfried Brünn (1838– 1916), der am 11.8.1908 seinen 70. Geburtstag beging. Vgl. Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ 72 (1908), Nr. 33 vom 14.8.1908, S. 1 sowie Mitteilungen aus dem deutschen Bureau der Alliance Israélite Universelle. In: Ost und West. Illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum 8 (1908), Heft 8/9 von Aug./Sept. 1908, Sp. 567 – 582, hier Sp. 579. Siegfried Brünn sorgte 1911 durch eine Spende über 100 000 Reichsmark für die Einrichtung des Hermann-CohenLehrstuhls an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums (vgl. Hermann Cohen (1842 – 1918). Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Marburg vom 1.7. bis 14.8.1992. Ausstellung u. Katalog: Franz Orlik. Marburg 1992, S. 153). Cohen hielt am 18.5.1916 im Namen des Kuratoriums der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums eine Gedenkrede auf Brünn, in der er auch seine persönliche Freundschaft mit Brünn erwähnt (Mitteilungen des Verbandes der jüdischen Jugendvereine Deutschlands 6/7 (1916), Heft 1 vom 15.6.1916, S. 17 – 19; abgedruckt in HCW 17, S. 203 – 207). Pontresina … Wir hoffen sehr Ihre Geschwister dann noch dort zu treffen] nicht ermittelt.
43. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 14. September 1908 Hs. (M. Cohen), 2 S. L[ieber] Fr[eund]! Daß wir mit Ihren Verwandten eine sehr gemütvolle Zeit verbracht haben, werden Sie gehört haben, vielleicht auch von den Unarten, die ich aufgeführt habe, die aber ohne schlimme Nachwirkung geblieben sind. Die Luft ist in d[en] letzten Tagen noch schöner als zuvor, so daß uns der Abschied schon wieder schwer wird. Wir gehen Mittwoch d[en] 16. mit kurzem Aufenthalt in L u g a n o ( p o s t e r e s t [ a n t e ] ) nach M a i l a n d ( p o s t e r e s t [ a n t e ] ) , von da zu den kleinen oberital[ienischen] Städten. Aus der Arbeit hier ist diesmal Nichts geworden. Ich mache mir aber keine Vorwürfe darüber. Von N [ a t o r p ] hörte ich, was ich Ihnen durch Ihren Schwager sagen ließ. Es tut mir leid, daß er S c h [ w a r z ] energisch abgelehnt hat. Was er nur mit dem L [ i p p s ] will. Ich fürchte, es wird darüber zu einer ganz unangenehmen Entscheidung kommen. Über N e l s o n in H e i d e l b [ e r g ] habe ich nichts Genaueres gelesen. Von
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M a i l a n d wird mir nachgeschickt, bis wir nach F l o r e n z kommen. Hier sind wir mit einer Pariserin zusammen, deren Bruder d[er] Schwager von B e r g s o n ist u. sie hat äußerlich (?) noch mehr m e r i t e n . A Nun noch herzliche Grüße Ihnen Allen von uns Ihr H. C.B Postkarte vom 14. September 1908] an Herrn D r. E r n s t C a s s i r e r / Privatdocent/G r u n e w a l d (bei B e r l i n ) /H u b e r t u s a l l é e 3 9 / D e u t s c h l a n d ; mit Poststempel PONTRESINA 14.IX.08 VIImit Ihren Verwandten] in Pontresina, vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908. Von N a t o r p hörte ich … Was er nur mit dem L i p p s will] im Zusammenhang mit der Einrichtung des Marburger philosophischen Extraordinariates 1908, vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908. Die Marburger Philosophische Fakultät hatte die Eignung von Hermann Schwarz, des Kandidaten des Kultusministeriums, für das philosophische Extraordinariat am 24.8.1908 vehement bestritten, vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 14, Bl. 128–129. Berufen wurde er trotzdem. Cassirer sprach sich gegenüber Natorp für Gottlob Friedrich Lipps aus, vgl. Cassirer an Natorp vom 31.8.1908: Was die Marburger Professur an Stelle Menzers betrifft, so scheint mir die Ernennung von G. F. Lipps, falls sie zu Stande kommt, in der That eine glückliche Lösung zu sein. […] In jedem Falle handelt es sich hier um einen Mann von kritischer und wissenschaftlicher Denkart, mit dem sich gewiß vielerlei Berührungspunkte ergeben werden (DVD zu ECN 18). Über N e l s o n in H e i d e l b e r g habe ich nichts Genaueres gelesen] Leonard Nelson, der 1901 in Heidelberg Mathematik u. Philosophie studiert hatte (NDB), wurde im Frühjahr 1909 in Göttingen habilitiert (HN 19 (1908/09), Nr. 7 vom April 1909). Hier sind wir mit einer Pariserin zusammen, deren Bruder der Schwager von B e r g s o n ist] nicht ermittelt.
44. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 27. Juli 1909 Ts., 2 S. Marburg, d. 27.7.09. Lieber Freund! Heute zuvörderst meinen herzlichen Geburtstagsgruss. Wenn ich nicht irre ist es ein Lustrum, das Sie morgen abschliessen. Mögen die ferneren Hälften & Ganzen der Jahrzehnte Ihnen soviel Gutes & Grosses & Liebes bringen, wie die bisherigen. Unser herzlicher Glückwunsch geht ebenso an Ihre liebe Frau & für Ihre lieben Kinder. – Mit Ihrem Gruss zu meinem Geburtstag habe ich
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u. sie hat äußerlich (?) noch mehr m e r i t e n . ] so wörtlich H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig
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mich freilich sehr gefreut, aber die Komplikation mit Erich schlug mir doch sehr auf die Nerven, & so oft ich an ihn denke, packt mich die Rührung. Heute noch will ich an ihn schreiben, gleichviel ob er noch dort ist oder nicht. Dass ich es bisher nicht getan habe, kann ich wohl verstehen, da ich fürchten muss, mit dem besten Rat, den ich ihm geben könnte, nämlich seinen Ärzten herzlich zu vertrauen wahrscheinlich gerade verletzen werde. Möchte ihm doch noch Rettung werden können. – Mir ist es insoweit gut gegangen, als ich die neuen Zutaten zur 2. Aufl. im Rohbau beendet habe – soeben habe ich dem Verleger darüber berichtet – aber ich habe mich seit 14 Tagen gar nicht gut gefühlt, & jetzt muss ich ein Paar Tage pausiren, nämlich in der Durcharbeitung der 2. Aufl. Im Kolleg geht es gut, Interesse wie im Anfang. Ich will nun nicht eher nach Pontresina, als bis ich das Alte druckfertig gestellt, & auch dem Neuen die Literatur zugefügt habe, damit ich dann auf der Reise nur für die Aesthetik zu lesen & zu denken habe. Wohin ich nach Pontr[esina] gehe, weiss ich noch nicht, vielleicht nach Belgien & Holland. – Bruno Strauss, der von Röthe öfter eingeladen wird, berichtet über eine begeisterte Expektoration desselben über Ihre wissenschaftliche Persönlichkeit. Kennen Sie ihn? Haben Sie schon für Hartmann Zeit gefunden? Und reizt es Sie nicht auch, sich auch in diesem unseren Mutterland als Herrscher im Quellengebiet zu zeigen. Mir macht dieser Gedanke grossen Spass. Joel war von der deutschen Literaturzeitung angegangen worden. Er kann es aber so schnell nicht[,] will es in einer anderen Zeitschrift, & hat nun auch auf Sie hingewiesen.A Auch für die Kantstudien war Hartmann angefragt worden, fand es zwar unbescheiden, aber auf meinen Rat, hat er auch dort um Sie gebeten. Mit Ihrem Buche werden Sie wohl bald fertig sein. Natürlich bin ich sehr gespannt darauf. Gawronsky ist wohl tüchtig weiter gekommen, wird aber leider durch notwendige Tätigkeit für seine grosse Familie viel unterbrochen, aber Sie wissen ja, dass er tief drin ist. Jetzt will ich nur noch sagen, wie sehr wir uns mit Ihnen & mit Ihrer l. Frau gefreut haben, dass wir Sie wenn auch nur auf Stunden einmal bei uns haben konnten. Und so lassen Sie mich auf immer wiederholtes persönliches Zusammensein hoffen. Ob ich freilich im Oktober nach Berlin kommen kann, steht noch dahin. Ich muss doch sehr viel lesen, aber darüber später. Seien Sie Allesammt aufs Herzlichste gegrüsst von Ihrem H. Cohen.B Liebe Freunde! Ich kann es mir nicht versagen Ihnen herzliche Glückwünsche zuzurufen. Vor Allem dem, dem Sie gebühren, dem lieben Oberhaupt der l. Familie, dem ich ein neues glückliches Lebensjahr wünsche, entsprechend den bisherigen. Und da wäre ich denn auch gleich bei Frau & Kinderlein angelangt mit denen vereint ein ungetrübtes Glück Ihnen beschieden sein möge. Herzlichen
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Er kann es aber so schnell nicht, will es in einer anderen Zeitschrift, & hat nun auch auf Sie hingewiesen.] so wörtlich B H. Cohen.] Unterschrift nicht eigenhändig
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Dank noch für Ihre l. Besuche. Marburg hatte sich für Sie, liebste Frau besonders schön gemacht & rechnet Auf Wiederholung. Viele herzliche Grüsse, Ihnen & d[en] l. Kindern; Frau Gawronsky ist ganz entzückt von Annchen gleich uns, die wir sie einstimmig für schön erklärt. Ihre Martha Cohen.A ein Lustrum, das Sie morgen abschliessen] Lustrum: Jahrfünft – Cassirer wurde am 28.7.1909 35 Jahre alt. Komplikation mit Erich] vermutlich Erich Cassirer. Näheres nicht ermittelt. die neuen Zutaten zur 2. Aufl. im Rohbau beendet habe] gemeint ist die 2., verb. u. erw. Aufl. von Kants Begründung der Ethik, die mit dem Untertitel Nebst ihren Anwendungen auf Recht, Religion und Geschichte 1910 bei Bruno Cassirer in Berlin erschien (vgl. die Rezension von Artur Buchenau in LZ, Nr. 48 vom 26.11.1910). Im Kolleg geht es gut] für das SS 1909 hatte Cohen angekündigt: Geschichte der alten Philosophie, Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 5 Uhr. – Uebungen im Philosophischen Seminar über die Ideenlehre in Platons Dialogus, Montag 6 bis 8 Uhr, privatissime et gratis (VV Marburg 1909, S. 40). das Alte druckfertig gestellt … dem Neuen die Literatur zugefügt habe] gemeint ist die 2. Aufl. von Kants Begründung der Ethik sowie wahrscheinlich die Überarbeitung von Cohens Berliner Vortrag Innere Beziehungen der Kantischen Philosophie vom 3.1.1909 für den Abdruck in Achtundzwanzigster Bericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin vom April 1910, S. 39 – 61. nur für die Aesthetik zu lesen & zu denken] Hinweis auf die Vorarbeiten zu Cohens Ästhetik des reinen Gefühls, die im Februar 1912 in zwei Bänden als 3. Teil des Systems der Philosophie erschien (gemeldet im Börsenblatt, Nr. 46 vom 24.2.1912). nach Pontresina … nach Belgien & Holland] vgl. Hartmann an Heimsoeth vom 5.10.1909 aus Marburg: Von Cohen weiß ich nichts, und niemand hier weiß etwas. Er soll nicht mehr in Paris sein, sondern entweder nach London und Holland oder ins Engadin zurückgereist sein (Bw Hartmann-Heimsoeth, S. 45). Bruno Strauss, der von Röthe öfter eingeladen wird] Bruno Strauß (1889 – 1969), dessen Vater Abraham (†1918, jüdischer Lehrer und Kantor in Marburg) mit Cohen befreundet war (Holzhey II, S. 493), studierte von SS 1906 bis WS 1907/08 in Marburg Germanistik u. Klassische Philologie u. hörte auch bei Cohen, bevor er seine Studien an der Universität Berlin fortsetzte. Dort promovierte er 1911 bei dem Germanisten Gustav Roethe (1859 – 1926), seit 1902 in Berlin, zuvor in Göttingen (Germanistenlexikon). für Hartmann Zeit gefunden] gemeint ist Nicolai Hartmann: Platos Logik des Seins. Gießen 1909 (Philosophische Arbeiten Bd. 3), Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 60 vom 15.3.1909. 1909 erschien außerdem Hartmanns Habilitationsschrift Des Proklus Diadochus philosophische Anfangsgründe der Mathematik nach den ersten zwei Büchern des Euklidkommentars dargestellt. Marburg 1909, dass. auch als Bd. 4, Heft 1 der Philosophischen Arbeiten, Gießen 1909 (Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 234 vom 8.10.1909, die Habilitation Hartmanns ist gemeldet in HN 19 (1908/09), Nr. 10 vom Juli 1909). Von beiden Büchern befand sich ein Exemplar in Cassirers Besitz (University of Illinois, Chicago, Daley Library, Special Collections), Cassirers Exemplar von Des Proklus Diadochus philosophische Anfangsgründe der Mathematik trägt eine persönliche Widmung Hartmanns. Gegenüber Natorp hatte Cassirer am 28.6.1909 geäußert, sich Hartmanns Arbeit erst in den Sommerferien
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widmen zu können (DVD zu ECN 18). Zur Marburger Platon-Interpretation hat Cassirer nichts veröffentlicht. Joel war von der deutschen Literaturzeitung angegangen worden] gemeint ist Karl Joel (vgl. Cohen an Cassirer vom 27.7.1904). In der DLZ erschienen keine Rezensionen der genannten Bücher Hartmanns. Auch für die Kantstudien war Hartmann angefragt worden] in Kant-Studien 14 (1909) erschien auf S. 548 – 550 eine Selbstanzeige Hartmanns von Platos Logik des Seins. Eine Rezension von Max Wundt über Hartmanns Des Proklus Diadochus philosophische Anfangsgründe der Mathematik nach den ersten zwei Büchern des Euklidkommentars dargestellt erschien erst in Kant-Studien 16 (1911), S. 457 – 458. Cassirer rezensierte keines der genannten Werke. Mit Ihrem Buche werden Sie wohl bald fertig sein] gemeint ist Cassirers Buch Substanzbegriff und Funktionsbegriff, das im Oktober 1910 erschien, vgl. Cohen an Cassirer vom 24.8.1910. Gawronsky ist wohl tüchtig weiter gekommen] Dimitry Gawronsky (1883 – 1949), enger Freund Cassirers, stammte aus Tambov in Rußland u. studierte 1901– 1905 u. 1908–1910 in Marburg Philosophie u. Mathematik. (WBIS; Toni Cassirer, S. 121 f. u. 299 – 300; Sieg, S. 486). Am 30.8.1910 promovierte Gawronsky bei Cohen u. Natorp mit einer Arbeit über Das Urteil der Realität und seine mathematischen Voraussetzungen, erschienen Marburg 1910, auf deren Abfassung hier angespielt wird. Ein Widmungsexemplar der Dissertation befand sich in Cassirers Besitz (University of Illinois, Chicago, Daley Library, Special Collections). Vgl. Hartmann an Heimsoeth vom 5.10.1909: Gawronsky will demnächst seine Dissertation einreichen und „arbeitet zum Examen“, wie er sagt, obgleich kein Mensch begreift, warum er dazu noch arbeiten sollte (BW Hartmann-Heimsoeth, S. 45). wie sehr wir uns mit Ihnen & mit Ihrer l. Frau gefreut haben, dass wir Sie wenn auch nur auf Stunden einmal bei uns haben konnten] Cassirers waren im Frühsommer 1909, wahrscheinlich von Bad Nauheim aus (65 km südlich von Marburg) zu einem Kurzbesuch nach Marburg gekommen, wie aus einem entschuldigenden Schreiben Cassirers an Natorp vom 14.6.1909 hervorgeht. Cassirers hatten Natorps verpaßt (DVD zu ECN 18). Frau Gawronsky … Annchen] Maria, die Ehefrau Dimitry Gawronskys (vgl. Dimitry und Maria Gawronsky an Ernst u. Toni Cassirer vom 16.7.1923, DVD zu ECN 18) sowie Cassirers Tochter Anna Elisabeth, vgl. Cohen an Cassirer vom 5.6.1908.
45. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 24. August 1910 Ts., mit zwei hs. Ergänzungen von H. Cohen, 2 S. 24.8.10. Lieber Freund. Um Ihnen so schnell als moeglich meinen Dank fuer Ihr neues Buch auszusprechen, habe ich es zunaechst im schnellen Fluge durchwandert, & die vielen Stellen mir angemerkt, an denen ich zu genauerer Fortarbeit, wenn ich wieder dazu komme, zurueckgehen muss. Heute will ich Ihnen nur nach dem ersten Eindruck treulich berichten, dass ich Ihnen & unserer ganzen Gemeinschaft aufrichtig Glueck wuenschen darf zu dieser Ihrer neuen grossen Leistung. Wenn
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ich vielleicht zum 2. Teil meiner Logik nicht mehr kommen sollte, so waere das nunmehr kein Schaden, da das Projekt in den Hauptzuegen durch dieses Ihr Buch geleistet ist. Gar nicht darueber will ich reden um Ihnen nicht blosse Komplimente zu machen, welche Fuelle von durchdringender Detailkenntnis in den schwierigsten Problemen Sie dabei ebenso wieder wie die durchsichtigste Klarheit der Darlegung & des Urteils bei schlichtester Darstellung der Lebendigkeit Sie wiederum bewiesen haben. Aber all dies interessirt Sie weniger von mir zu hoeren als vielmehr meine nunmehrige Ansicht ueber die Verschiedenheit der Disposition, von der Sie ausgegangen sind. Und da muss ich freilich bekennen, dass zwar die Besorgnisse, als ob die Einigkeit unter uns gefaehrdet sei, mir grundlos scheint, denn ueberall ist die allgemeine Methodik der leitende Gedanke, & die praevalirende Bedeutung des Infinitesimalen ist ausgesprochen. Aber was ich Ihnen damals in Marburg sagte, davon bin ich durch die erste Lesung noch nicht abgebracht worden: Sie verlegen den Schwerpunkt in die Relation, glauben damit die methodische Idealisirung aller Dinghaftigkeit zu vollbringen [Aber über der Überwindung der falschen Substanz steht die Sicherung der wahrhaften Realisirung!A]; es ist Ihnen sogar der Ausdruck entschluepft, sie sei Kategorie. Das ist sie doch aber nur als Funktion, & diese wieder fordert unersetzlich das infinitesimale Element in dem allein die Wurzel der idealen Realitaet gelegen sein kann. Sie kommen durch die Vermeidung dieses, wie Sie wissen, von mir in den alleinigen Mittelpunkt gestellten Momentes, ein Paar mal sogar zu der Formulirung, dass hier eine Idee vorlaege, & zwar im Zusammenhang mit der Antinomie. Aber da eben liegt der Kreuzweg. Ich schreibe Ihnen das frisch vom Herzen herunter, mit dem Wunsche zwar, Sie moechten in einer neuen Auflage & in der Fortsetzung diese Bedenken in intime Erwaegung nehmen, aber ich bin darum doch unbesorgt ueber den grossen Wert, den dieser erste Schritt Ihrer systematischen Auseinandersetzung hat, der ohnehin eine solche mit den zeitgenoessischen Autoren ist, die ja leider Alle von meinem Standort noch keine Notiz genommen haben. Um auch dies nicht unausgesprochen zu lassen: vielleicht haetten Sie doch auf meine Allheit hinweisen koennen, die ja mit der Allgemeinheit zu einer so dramatischen Schuerzung kommet. Doch ueber all dies werden wir uns jaB hoffentlich vielfach aussprechen, & es wird vielleicht besser sein, dass ich im Oktober nicht nach Berlin komme, damit erst Zeit darueber hingeht, & wir in voller Objektivitaet ebenso sehr, wie Zutraulichkeit darueber verhandeln koennen. Umso gespannter aber bin ich jetzt auf Ihr Urteil ueber Gawronsky, zu dem Sie meine dankbare Befangenheit mir zubilligen werden. Jetzt aber zum Persoenlichen. Es geht mir nicht sehr gut. Erstlich habe ich etwas am Knie, was nicht gefaehrlich sein soll, man sieht nichts daran, was mich auch nicht am laengeren Gehen hindert, wohl aber am schnellen. Zudem war ich seelisch etwas herunter, hauptsaechlich wegen der Aufregung, in die mich meine Auffassung von der Bedeutung meiner Kongressrede versetzt hat. Ich A
Aber über der Überwindung der falschen Substanz steht die Sicherung der wahrhaften Realisirung!] von Hermann Cohen mit Bleistift zwischen die Zeilen geschrieben B werden wir uns ja] werden wir ja
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hatte einen Tag nach meiner Ankunft in Berlin einen meiner Schwindelanfaelle bekommen, aber keineswegs eine Ohnmacht, wie Max L[ewandowsky] mir mitteilte, der zwar inzwischen in Tirol war, vorgestern aber mich hier mit seiner Gattin besuchte. Der Vortrag wird Anfangs September erscheinen, & etwas spaeter in der englischen Uebersetzung, die Slonimsky sehr fein besorgt hat. Diese Woche bleiben wir noch hier, wo wir es sehr gut haben, waehrend drueben in Pontresina die Haeuser Lewandowsky dicht wie der Stamm Levi vertreten sind. Naechste Woche aber duerfen dann auch wir uns hinueber wagen, & dann wollen wir, so hoffe ich inbruenstig, mit der Aesthetik beginnen, & wenn es glueckt, Ende September auf der Isle of Wight die Arbeit fortsetzen, die Hygiene mit der Pflicht verbindend. Und jetzt endlich frage ich nach Ihnen, Ihrer l. Frau & Ihren l. Kindern, mit dem herzlichen Wunsche daß NauheimA nachhaltige Wirkung haben & Alles bei Ihnen gut gehen moege. Nochmals herzlichen Dank & herzliche Gruesse von uns, mit der Bitte von Anfang naechster Woche ab nach Hotel Pontresina schreiben zu wollen. Ihr H. Cohen.B Brief vom 24. August 1910] mit gedrucktem Briefkopf mit dem Wappen von St. Moritz (geharnischter Ritter unter wehender Fahne mit Beischrift S M): HÔTEL LA MARGNA/ST. MORITZ A. ROBBI PROPR./DAS GANZE JAHR OFFEN/ OUVERT TOUTE L’ANÉE/den/le [Spatium] 191 [Spatium] – Textverlauf quer dazu über die Breite des ganzen Briefbogens. Ihr neues Buch] Cassirer: Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Untersuchungen über die Grundfragen der Erkenntniskritik. Berlin 1910, wobei sich Cassirers Buch im Juli/Aug. 1910 noch im Druck befand, wie aus dem Briefwechsel Cassirers mit Émile Meyerson vom 15.7.-21.10.1910 hervorgeht. Vgl. Cassirer an Meyerson vom 19.10.1910: Mein „Substanzbegriff“ ist soeben endgültig zur Ausgabe gelangt (DVD zu ECN 18). Das Erscheinen ist gemeldet im Börsenblatt, Nr. 240 vom 15.10.1910. die vielen Stellen mir angemerkt] in Cohens Exemplar von Substanzbegriff und Funktionsbegriff finden sich ab S. 47 durchgehend Anstreichungen (Hartwig Wiedebach: Die Hermann-Cohen-Bibliothek. Hildesheim 2000 (HCW Supplementa Bd. 2), S. 76). Wenn ich vielleicht zum 2. Teil meiner Logik nicht mehr kommen sollte] Cohen veröffentlichte keinen 2. Teil seiner Logik. Vgl. zu diesem Plan Natorp an Görland vom 23.3.1901: Er [Cohen] wird wohl (wie ich vorgeschlagen hatte) einen 1. Teil streng systematisch abschliessen, alle historischen etc. Ausführungen einem 2. Teil vorbehalten sowie Natorp an Görland vom 22.6.1901: Der 1. Band, der rein das system[atische] Grundgerüst (auf meinen Rat) einstweilen ohne Spezialausführungen giebt, die einem 2. Bd. vorbehalten bleiben, soll bald in 1. Niederschrift fertig sein (Holzhey II, S. 265 f.). – Als 2. Teil innerhalb des Reihentitels System der Philosophie erschien 1904 Cohens Ethik des reinen Willens. die Besorgnisse, als ob die Einigkeit unter uns gefaehrdet sei] über diese Episode gibt es einen sehr viel später entstandenen Bericht von Dimitry Gawronsky (vgl. dessen Aufsatz Ernst Cassirer. His Life and his Work. In: The Philosophy of Ernst Cassirer. Ed. by Paul Arthur Schilpp. Evanston 1949 (The Library of living Philosophers. Vol. VI), S. 1–39, hier S. 20 f.), der ausdrücklich auf das vorliegende Schreiben zurückgeht. Bei Gawronsky heißt es mit ins Englische übersetztem Briefzitat: The members of A B
daß Nauheim] von Hermann Cohen mit Bleistift ergänzt H. Cohen.] Unterschrift nicht eigenhändig
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the Marburg school were very proud of this new performance of Cassirer. Yet, the Opposition came this time from a quarter from which it had been least expected – from Hermann Cohen himself. Already while reading the proofs, Cohen obtained the Impression, that – as he expressed it later in a letter to Cassirer “our unity was jeopardized.” Especially one long paragraph in Cassirer’s book seemed to Cohen to be quite inconsistent with the teachings of the Marburg school, and, although all of Cohen’s closest disciples were convinced that Cohen was mistaken, Cassirer, who invariably held Cohen in deepest respect, at once decided to reshape the whole page, despite the fact that he did not agree with Cohen and that his book was already in the final stages of printing. Upon reading the finished book, Cohen wrote to Cassirer: “I congratulate you and all members of our philosophical community on your new and great achievement. If I shall not be able to write the second part of my L o g i c , no harm will be done to our common cause, since my project is to a large degree fulfilled in your book” [from Cohen’s letter to Cassirer of August 24, 1910]. But the criticism comes after that: “Yet, after my first reading of your book I still cannot discard as wrong what I told you in Marburg: you put the Center of gravity upon the concept of relation and you believe that you have accomplished with the help of this concept the idealization of all materiality. The expression even escaped you, that the concept of relation is a category; yet it is a category only insofar as it is function, and function unavoidably demands the infinitesimal element in which alone the root of the ideal reality can be found.” Die deutsche Übersetzung Gawronsky: Ernst Cassirer: Leben und Werk. In: Ernst Cassirer. Hrsg. v. Paul Arthur Schilpp. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1966, S. 1–27, hier S. 14 f., unterschlägt die Quellenangabe u. kennt den originalen Wortlaut des zitierten Schreibens nicht. Die von Gawronsky behauptete Änderung der Druckfahnen von Substanzbegriff und Funktionsbegriff nach einer Intervention Cohens u. während der Drucklegung kann nicht überprüft werden, da Fahnen u. Druckvorlage nicht überliefert sind. Auch am nachgelassenen Ms., das zahlreiche Überarbeitungen aufweist, konnten solche, die ausdrücklich auf eine Diskussion mit Cohen zurückzuführen wären, nicht nachgewiesen werden (vgl. Ernst Cassirer Papers, Gen Mss 98, Box 34, folder 644 –656 sowie die Vorarbeiten in Box 33, folder 631–643). – Von Seiten Natorps scheinen keine größeren Einwände gekommen zu sein, wie aus einer Postkarte Cassirers an Natorp vom 20.7.1910 (mit Poststempel vom selben Tag) hervorgeht: Daß in den sachlichen Hauptpunkten meiner Arbeit zwischen uns volle Übereinstimmung bestehen würde, hatte ich ja erwartet, doch ist es mir eine besondere Freude, daß auch der specielle Gesichtspunkt, unter dem ich die Probleme aufgefasst und behandelt habe, Ihre Zustimmung findet. Ich hoffe Ihnen nun bald das ganze Buch senden zu können, das jetzt im Druck fertig vorliegt, wenngleich es erst in einigen Wochen ausgegeben werden soll (DVD zu ECN 18). die allgemeine Methodik der leitende Gedanke, & die praevalirende Bedeutung des Infinitesimalen] vgl. Cassirer: Substanzbegriff und Funktionsbegriff, 1910, S. 130 f.: C o h e n s Logik der reinen Erkenntnis hat den Gedanken des Ursprungs, auf dem sie sich aufbaut, an den Prinzipien der I n f i n i t e s i m a l r e c h n u n g entwickelt. Hier ist in der Tat das erste und markanteste Beispiel der allgemeinen Betrachtungsweise gegeben, die vom Größenbegriff zum Funktionsbegriff, von der „Quantität“ zur „Qualität“ als dem eigentlichen Fundament zurückleitet. Eine erneute Bestätigung gewinnt sodann das logische Prinzip, das hier festgestellt ist, im Fortgang zu den übrigen Problemgebieten der modernen Mathematik. Sie alle, wie verschieden sie ihrem I n h a l t nach sein mögen, weisen in ihrem A u f b a u auf den Grundbegriff des Ursprungs zurück. Sie verlegen den Schwerpunkt in die Relation … es ist Ihnen sogar der Ausdruck entschluepft, sie sei Kategorie] vgl. Cassirer: Substanzbegriff und Funktionsbegriff, 1910, S. 10.
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Formulirung, dass hier eine Idee vorlaege, & zwar im Zusammenhang mit der Antinomie] Textstellen mit diesen Stichworten bei Cassirer nicht ermittelt. in einer neuen Auflage] von Substanzbegriff und Funktionsbegriff erschien erst 1923 eine 2., allerdings unveränderte Auflage. auf meine Allheit hinweisen] in Cassirers Substanz- und Funktionsbegriff kommt der Begriff der Allheit mehrfach vor, allerdings ohne Hinweis auf Cohen. Cohen meint das entsprechende Kap. in seiner Logik der reinen Erkenntniss, 1902, S. 149– 176, 3. Abschnitt: Das Urtheil der Allheit, das mit den Worten beginnt: Sollen wir Allheit sagen, oder etwa A l l g e m e i n h e i t ? Ihr Urteil ueber Gawronsky] gemeint ist die Dissertation von Dimitry Gawronsky: Das Urteil der Realität und seine mathematischen Voraussetzungen. Marburg 1910. Ein Widmungsexemplar dieser Schrift befand sich in Cassirers Besitz (University of Illinois, Chicago, Daley Library, Special Collections). Bedeutung meiner Kongressrede] Cohen trug am 10.8.1910 auf dem Fünften Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt in Berlin, 5.-10.8.1910, über Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt vor. Max Lewandowsky] der Neurologe Max Lewandowsky (1876 – 1918), vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4.1904. Der Vortrag wird Anfangs September erscheinen] vgl. Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt. In: Fünfter Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt. Berlin 5. bis 10. August 1910. Protokoll der Verhandlungen. Hrsg. v. Max Fischer u. Friedrich Michael Schiele. 1.-2. Tsd. Berlin 1910, S. 563 –577. Dass. separat u. d. T. Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. Berlin-Schöneberg 1910. Als Übersetzung: The Significance of Judaism for the Progress of Religion. In: Fifth International Congress of Free Christianity and Religious Progress. Berlin August 5 – 10, 1910. Proceedings and Papers. Ed. by Charles W. Wendte with the assistance of V. D. Davis. Berlin-Schöneberg 1911, S. 385 –400. Dass. separat: The Significance of Judaism for the Progress of Religion. Reprinted from the Report of the Fifth Universal Congress of Free Christianity and Religious Freedom [!] Berlin 1910. Berlin 1910 [!], 18 S. Ein Übersetzer ist dort nicht angegeben. Vgl. HCW 15, S. XXXIII –XXXV u. S. 429 – 511. – Henry Slonimsky (1884 – 1970), geboren in Minsk, aufgewachsen in den USA, kam im SS 1907 aus Philadelphia als Student nach Marburg, promovierte 1912 über Heraklit und Parmenides und war ab 1914 an verschiedenen Universitäten der USA tätig (WBIS; Holzhey II, S. 419; Sieg, S. 204, 382 u. 486). in Pontresina die Haeuser Lewandowsky dicht wie der Stamm Levi vertreten] Sinn unklar. mit der Aesthetik beginnen] Cohens Ästhetik des reinen Gefühls erschien im Februar 1912 in zwei Bänden als 3. Teil des Systems der Philosophie. Die Zeit der Abfassung – die Vorarbeiten reichen zurück bis mindestens Sommer 1909 (vgl. Cohen an Cassirer vom 27.7.1909) – erstreckte sich bis in den Aug./Sept. 1911. Vgl. Cassirer an Natorp vom 24.9.1911 (DVD zu ECN 18) sowie Natorp an Görland vom 5.10.1911 (Holzhey II, S. 403), wo vom erfolgten Satz u. der Drucklegung berichtet wird. daß Nauheim nachhaltige Wirkung haben … moege] bereits am 12.5.1910 hatte Cassirer an Natorp geschrieben: Ich bedaure jetzt nur, daß der erste Teil meiner Arbeit [Substanzbegriff und Funktionsbegriff] bereits fertig gestellt war, als ich von Ihrem Manuskript [von: Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften. Leipzig/ Berlin 1910] Kenntnis erhielt; […] sobald der erste Teil im Druck vorliegt, möchte ich Ihnen die Aushängebogen zugehen lassen und Sie um Ihr Urteil bitten. Auch Cohen hatte ich die Bogen versprochen, konnte sie ihm aber einstweilen nicht senden, da der Druck langsam fortschreitet und ich ihn mit blossen Bruchstücken verschonen wollte. Ich bitte Sie, ihn herzlich von mir zu grüssen u. ihm zu sagen, daß ich das Versäumte so bald als möglich nachholen werde. –/Auf meinen Plan, zu Pfingsten in
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Marburg zu sein, musste ich leider verzichten, da die Reise meiner Frau nach Nauheim sich verschoben hat und während der Pfingsttage meine Schwiegermutter aus Wien zu Besuch bei uns ist. Vielleicht aber lassen sich noch während des Semesters durch Verschiebung einer Vorlesung einige Tage gewinnen und zu einem Besuch in Marburg benutzen. Auch Buek will, wie er mir schreibt, in nächster Zeit dort sein […]. Die Reisepläne änderten sich jedoch, denn am 6.6.1910 schrieb Cassirer eine Postkarte aus Bad Nauheim (65 km südlich von Marburg; mit Poststempel BAD NAUHEIM 6.6.10 2 – 3 N) an Natorp: Ich denke morgen (Dienstag) Nachmittag und Abends in Marburg zu sein und freue mich herzlich darauf, Sie sehen und sprechen zu können. Dieser Besuch hat stattgefunden, wie aus einer weiteren Postkarte Cassirers aus Berlin an Natorp vom 8.6.1910 hervorgeht (mit Poststempel vom selben Tag), auf der sich Cassirer bei Natorp für die freundliche Aufnahme in Marburg bedankt (DVD zu ECN 18). Toni Cassirer bestätigt den gemeinsamen Aufenthalt der Cassirers mit Julie Bondy (Tonis Mutter) in Bad Nauheim im Frühjahr 1910, der mit einem Abstecher nach Marburg verbunden gewesen sei (Toni Cassirer, S. 105).
46. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 6. Juni 1911 Ts., mit einer Korrektur und einem Nachtrag von Cohens Hd., 2 S. Marburg, d. 6.6.11. Lieber Freund! Besten Dank für Ihren l. Brief, bezüglich dessen ich zuerst auf die Herausgeberfrage eingehe. Sie schreiben nichts darüber, dass ich dem Verleger auf einer Karte für die Teilnahme an der Herausgabe der Fragmente, ihre Auswahl & Datierung mich angeboten habe. Dann könnte ich auch bei den MitarbeiternA schon mitgenannt werden, & dann würde für Görland jeder Grund zur Empfindlichkeit hinwegfallen. Denn es ist doch nicht unwichtig, dass hier Ein Herausgeber genannt wird, & dass Sie den anderen gegenüber die Verantwortlichkeit auf sich nehmen, die Sie ja wirklich übernehmen müssen. Es könnten ja Schwierigkeiten eintreten, entre nous, wo G[örland] dabei ist, muss man auf Alles gefasst sein – die Einheitlichkeit der Herausgabe darf nicht allein durch den Willen des Verlegers garantiert sein. Ohnehin haben Sie die Präponderanz durch die Biographie, nach G[örland] müsste jeder Herausgeber auch seinen biographischen Beitrag von seinem Texte aus liefern dürfen. Das geht also nicht, & daher ebensowenig ferner für den Index. Ueber die Frage, ob Sie & ohne welchen Schaden für Ihre anderweite Arbeit ihn übernehmen sollen, kann ich freilich wenig sagen. Hätten Sie es nicht selbst ausgesprochen, würde ich es Ihnen wol nicht zugemutet haben. So aber wird es mir schwer, darauf zu verzichten, denn ich denke ihn mir, von Ihrer Umsicht & klaren Genauigkeit entworfen, als ein sehr wichtiges Hilfsmittel der Kantstudien. Es kostet Entsagung für Sie, aber eine solche des Lehrenden Schriftstellers. Könnten Sie nicht für die A
Mitarbeitern] hs. Korrektur Cohens für: Herausgebern
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Auszüge der Kunstworte einen Studenten annehmen der Ihnen das Rohmaterial zusammenstellt, so dass Sie nur die Architektur zu machen hätten? Was Göttingen betrifft, so konnte Herrmann dies gar nicht begreifen. Es müsse ein Positiver plötzlich dazwischengetreten sein, der mit dem Religionskapitel in Maiers Buch, das übrigens sehr schlecht sei, den Erfolg errungen hätte. Auch in Tübingen sei der Mann missachtet, da er schon als Schwiegersohn Siegwarts sich eingedrängt habe, übrigens selbst gegen Adickes unterlegen sei. So ist das wichtige Göttingen also in jedem Sinne verloren. Mir tut es besonders auch deshalb leid, weil für Sie nun wieder die Aussicht auf Marburg droht, für die H[ellinger] auch nach Göttingen plädiert hatte, & die ihm auch zugestanden war. Ich weiss nun ja aber, dass Ihnen & Ihrer l. Frau dieser Gedanke nicht angenehm ist & deshalb habe ich selbst darauf, zwar natürlich nicht N[atorp] gegenüber, aber in meiner Phantasie verzichtet, & so ist diese ganze Frage bei aller ihrer sachlichen Wichtigkeit, mir persönlich uninteressant geworden. Und es sind doch eigentlich gar nicht mehr Zukunftssorgen. – Die Fakultät hat jetzt endlich ihre Vorschläge zurückerhalten: die A. O. Professur sei nicht für Psychologie, sondern für historische & systematische Philosophie gedacht (also Strafprofessur). Man solle sich äussern über Kowalewski, Bauch & Misch. N[atorp] war bisher für Bauch. Dieser Tage, seit der Bescheid einlief, habe ich ihn noch nicht gesprochen. Misch habe ich gelesen, & finde ihn in den Centralfragen ohne Orientierung, daher an solchen Stellen gerade mit den Schäden seiner Allbelesenheit behaftet, Bauch ist nicht schlecht, wenngleich keineswegs genügend & zuverlässig, K[owalewski] hat mir etwas über Schopenhauer geschickt, was ich noch lesen will. Ich würde Ihnen für Ihr vertrauliches Votum über diese Trias dankbar sein. – Dieser Tage war Vorländer hier & wird wiederkommen. Del Rio in Granada hat von guten Erfolgen herzlich berichtet, & Ortega, dem sein erster Sohn hier geboren worden ist, wächst immer zuversichtlicher zu einer Kulturkraft heran. Gawronsky ist in langsamer, aber fortschreitender Arbeit. Was sagen Sie denn zu dem schwierigen Plane, mit dem ich meine Fakultätspolitik abschliessen möchte? – In der Arbeit muss ich jetzt bald eine Pause machen, da ich für das Schlusskapitel der Malerei noch manches lesen & durchjagen muss, vorerst aber die logische Frage von Licht & Farbe mir noch ins Klare zu bringen habe. Die Pfingsttage gefallen uns daher sehr gut in der Universitätsstrasse ohne die Universität. Mit herzlichen Grüssen für Sie Alle von uns Ihr H.Cohen.A Über Misch habe ich dem Dekan gegenüber meine Befangenheit kundgethan, worauf er hierseits Einverständnis erfährt. Er hat daher erst zu Hellingers Übernahme aus Göttingen sich entschlossen, als er gegen ein früheres Gerücht hörte, daß er nicht übergetreten sei – Es gibt also doch noch wenige Deutsche, sogar zu Marburg. Übrigens ist jetzt ein jüd[ischer] Extraord[inarius] für Sprachst[udien],
A
H.Cohen.] Unterschrift nicht eigenhändig
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Jacobsohn, Vetter des Herrn Heinemann, eingezogen, u scheint recht angenehm u. sehr tüchtig zu sein[.] Herzl[iche] Grüße!A auf die Herausgeberfrage eingehe] bezüglich der Ausgabe der von Cassirer herausgegebenen Werke Kants, die ab 1912 im Verlag Bruno Cassirer erschienen, vgl. Cassirers Einladung zur Teilnahme an Görland vom 22.1.1910 (DVD zu ECN 18). Herausgabe der Fragmente, ihre Auswahl & Datierung] Cohen hatte dazu veröffentlicht: Zur Orientirung in den Losen Blättern aus Kants Nachlass. In: Philosophische Monatshefte 26 (1890), Heft 5/6, S. 287 – 323. Innerhalb der genannten Kant-Ausgabe Cassirers sind keine von Cohen herausgegebenen Nachlaßstücke veröffentlicht worden. Die Herausgeber der Berliner Akademie-Ausgabe, zu der die Cassirersche Ausgabe in Konkurrenz stand, verwehrten die Einsicht in Kants Nachlaß u. die Handschriften, vgl. dazu Cassirer rückblickend im Apparat zu Bd. 9 seiner Ausgabe: Briefe von und an Kant. 1. Teil 1749 – 1789. Berlin 1918, S. 457. Es existiert ein Brief Cassirers an Erich Adickes vom 1.4.1912, der die Schwierigkeiten im Vorfeld widerspiegelt (vgl. DVD zu ECN 18). Bis zuletzt hielten Verlag u. Herausgeber jedoch an dem Plan fest, in Bd. 8 Fragmente aus dem Nachlaß zu bringen, vgl. den dreiseitigen Prospekt des Verlags Bruno Cassirer über die Ausgabe Immanuel Kants Werke. In: Cassirer: Freiheit und Form. Studien zur deutschen Geistesgeschichte. Berlin 1916, nach S. 575: Gesamtausgabe in zehn Bänden und zwei Erläuterungsbänden/Herausgegeben in Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann, O. Schöndörffer von Ernst Cassirer./ […] (Bisher erschienen 7 Bände.)/Band I und II/Vorkritische Schriften/(1747–1777)/ Herausgegeben von Artur Buchenau [erschien 1912]./Band III/Kritik der reinen Vernunft/Herausgegeben von Albert Görland [erschien 1913]./Band IV/Schriften von 1783 – 1788/Herausgegeben von A. Buchenau und E. Cassirer [erschien 1913]./ Band V/Kritik der praktischen Vernunft/Kritik der Urteilskraft/Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft/(Aus der Rostocker Handschrift zum erstenmal herausgegeben)/Herausgegeben von B. Kellermann und Otto Buek [erschien 1914]./ Band VI/Schriften von 1790 – 1796/Herausgegeben von Ernst Cassirer und Artur Buchenau [sowie Benzion Kellermann; erschien 1914]./Band VII/Die Metaphysik der Sitten/Der Streit der Fakultäten/Herausgegeben von B. Kellermann [erschien 1916]./Band VIII./Anthropologie./Über die Preisfrage: Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibniz’ und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat?/Vorles. über Logik. – Vorles. über Pädagogik./Fragmente aus Kants Nachlaß./Herausgegeben von Otto Schöndörffer und Hermann Cohen [erschien 1922 ohne Beteiligung Cohens und ohne Abdruck der Fragmente; Mitherausgeber neben Schöndörffer waren Buek u. Buchenau]./Band IX und X/Briefe von und an Kant/ Herausgegeben von Ernst Cassirer [erschienen 1918 u. 1921]./Erläuterungsbände:/I. Kants Leben und Lehre/Von Ernst Cassirer [erschien 1918]./II. Kants Einwirkungen auf die Wissenschaft und die allgemeine Kultur/Von Hermann Cohen [nicht erschienen]. Dieser Prospekt ist unverändert auch in der 2. Aufl. von Freiheit und Form, 3. u. 4. Tausend, Berlin 1918 (mit Vorwort vom Dez. 1917) enthalten. Cassirer schrieb in der Vorrede zu Kants Leben und Lehre, 1918: Nun ist auch diese lang geplante Schrift über »Kants Bedeutung für die deutsche Kultur«, deren Grundriß und Aufbau er [Cohen] mir noch wenige Tage vor seinem Tode entwickelt hat, nicht mehr zur Ausführung gelangt. dass hier Ein Herausgeber genannt wird … die Präponderanz durch die Biographie] der endgültige Reihentitel dieser Ausgabe lautet: Immanuel Kants Werke. In A
Über Misch … Herzliche Grüße!] Nachtrag von Cohens Hd.
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Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann herausgegeben von Ernst Cassirer. Als Ergänzungsband (11. Bd.) erschien 1918 Cassirers Kants Leben und Lehre. für den Index] im Rahmen der Cassirerschen Ausgabe erschien kein eigener Index über Kants Werke, lediglich Bd. 10 hat ein Korrespondentenverzeichnis. Die Planungen sahen allerdings einen Index vor, vgl. Cassirer an Görland vom 26.3.1911: Was den Index betrifft, so soll die Ausgabe nach den Vereinbarungen, die wir mit dem Verleger getroffen, einen G e s a m t - I n d e x erhalten, der die Terminologie Kants in ihrem ganzen Umfang möglichst übersichtlich darstellen soll. Um dies durchzuführen, sahen wir nach langen Beratungen schliesslich keinen anderen Weg, als den Index in einer Hand zu vereinen: und so habe ich mich endlich entschlossen, ihn zu übernehmen. Es ist freilich eine lange und mühselige Arbeit; doch hoffe ich, daß sie auch sachlich objektiv wie subjektiv förderlich sein wird, da man sich bei keiner anderen Arbeit so sehr wie bei dieser das systematische Gefüge der Kantischen Begriffe zur Klarheit bringen kann. Daß ich Ihnen hierbei für jede Anregung und jede Hilfe besonders dankbar wäre, brauche ich nicht zu sagen. Ich habe mich an einer derartigen Arbeit noch nicht versucht und Sie könnten mir daher gewiss manchen Wink geben, der mir sehr förderlich wäre (DVD zu ECN 18). Was Göttingen betrifft, so konnte Herrmann dies gar nicht begreifen] die Göttinger Vorschlagsliste für eine zusätzliche philosophische Professur lautete 1. (mit starker Bevorzugung) Heinrich Maier, 2. Cassirer u. 3. Georg Misch, wie Edward Schröder, der sich nach eigenen Angaben für Cassirer eingesetzt hatte, am 19.1.1911 Gustav Roethe mitteilte; während Roethe gegenüber Schröder bereits am 18.1.1910 abgeraten hatte: Hier tauchte das Gerücht auf, Ihr hättet für eine histor.-philos. Professur unsern Cassirer vorgeschlagen. Muß es denn ein Jude sein? […] Warum nehmt Ihr nicht einen so talentvollen Mann wie Spranger, dessen Humboldt doch wirklich ein schönes Buch ist? Und Misch ist ja auch ein Jude, aber doch unbedingt historisch eingestellt, was ich bei Cassirer für sehr unwahrscheinlich halte. Auch FrischeisenKöhler macht persönlich einen sehr guten Eindruck: lauter Dilthey-Schüler die mir lieber wären als Cassirer. Habt ihr an Husserl noch nicht genug? Nun, Du bist natürlich unschuldig. Aber 2 Juden für Philosophie: brr! (Regesten zum Briefwechsel zwischen Gustav Roethe und Edward Schröder. Bearb. v. Dorothea Ruprecht u. Karl Stackmann. 2. Teilbd. Göttingen 2000 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse. 3. Folge Nr. 237), Briefe Nr. 3954 u. 4036). Schwiegersohn Siegwarts … gegen Adickes unterlegen] der schließlich berufene Heinrich Maier (1867 – 1933), zuvor seit 1902 in Tübingen als Nachfolger Edmund von Pfleiderers (eine Stelle, auf die auch Natorp Aussicht zu haben geglaubt hatte, vgl. Cohen an Cassirer vom 4.6.1902), war der Schwiegersohn von Christoph von Sigwart (1830 – 1904), NDB. Nachfolger von Sigwart in Tübingen war 1904 Erich Adickes (1866–1928) geworden (NDB). Maier hatte 1908 in Tübingen veröffentlicht: Psychologie des emotionalen Denkens, vgl. darin S. 499 – 555 im 4. Abschnitt (Das affektive Denken) das 3. Kap: Das religiöse Denken. Ein ungünstiges Urteil über Maiers philosophische Kompetenz gaben auch Husserl u. Natorp in Ihren Briefen vom 23.12.1908 u. 21.1.1909 ab. Vgl. Husserl abschließend an Natorp vom 18.3.1909: Was die Berufungssachen anlangt, so stimmen wir ganz überein. Maier war unvermeidlich, weil de facto kein anderer Candidat zu finden war. Jetzt sucht man allerorten die „Historiker“ mit der Laterne, überall als das vermeintlich heilsame Gegengewicht gegen die Psychophysiker. Der Weizen der Mediokritäten blüht also üppig. Unsere armen Universitäten. Wie statten sie sich aus – in einer Zeit des Aufschwunges echt philosophischer Interessen! (Edmund Husserl: Briefwechsel Bd. 5. Die Neukantianer. In Verbindung mit E. Schuhmann hrsg. v. K. Schuhmann. Dordrecht 1994
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(Husserliana. Dokumente Bd. III. Briefwechsel. Teil 5), S. 98 – 112). – Herrmann: Der Marburger Theologe Wilhelm Herrmann (1846 – 1922), Kollege Cohens. So ist das wichtige Göttingen also in jedem Sinne verloren] vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908. die A. O. Professur sei nicht für Psychologie, sondern für historische & systematische Philosophie] die ministerielle Aufforderung an die Philosophische Fakultät der Universität Marburg, anstelle der am 13.12.1910 nominierten Gottlob Friedrich Lipps, Erich Rudolf Jaensch u. Otto Klemm, die Eignung von Kowalewski, Bauch u. Misch zu prüfen, war am 23.5.1911 unter der Maßgabe ergangen, daß das philosophische Extraordinariat im Jahre 1908 nicht für Psychologie, sondern speziell für historische und systematische Philosophie begründet worden sei, vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 15, Bl. 110; zu Lipps siehe Cohen an Casisrer vom 29.7.1908; Jaensch (1883–1940), NDB; Klemm (1884 – 1939), WBIS. Strafprofessur] die historische u. systematische Philosophie war durch Cohen u. Natorp bereits vertreten, so daß ein dafür zusätzlich eingerichteter Lehrstuhl als Maßregelung durch das Unterrichtsministerium hätte verstanden werden können, analog der ministeriellen Praxis, an mißliebigen (protestantischen) Theologischen Fakultäten gegebenenfalls einen Lehrstuhl für einen Orthodoxen zu schaffen, durch den sich liberale Theologen bestraft fühlen konnten (vgl. Christoph Weber: Der „Fall Spahn“ (1901). Ein Beitrag zur Wissenschafts- und Kulturdiskussion im ausgehenden 19. Jahrhundert. Rom 1980, S. 2). Kowalewski, Bauch & Misch] gemeint sind Arnold Kowalewski (1873–1945), seit 1908 Titular-Professor für Philosophie in Königsberg (WBIS), Bruno Bauch (1877–1942), seit 1910 Titular-Professor für Philosophie in Halle, 1911 nach Jena berufen (NDB; BEdPh), u. Georg Misch (1878 – 1965), 1905 in Berlin habilitiert (BEdPh; NDB; WBIS). Zum langjährigen Streit über das philosophische Extraordinariat, das eine Mehrheit der Philosophischen Fakultät gegen eine Minderheit um Cohen u. Natorp mit einem Experimentalpsychologen besetzt sehen wollte (Lipps oder Jaensch), vgl. Holzhey I, S. 19 – 22 sowie Holzhey II, S. 504 – 508. Natorp war bisher für Bauch] vgl. Hartmann an Heimsoeth vom 25.5.1911: Wen wir für Philosophie kriegen, steht immer noch aus. Vaihinger schrieb an Natorp, es solle Bruno Bauch werden. „Bestimmt“ sogar. Jetzt scheint auch das wieder zu schwanken, seit Göttingen sich entschieden hat (Bw Hartmann-Heimsoeth, S. 61). Misch habe ich gelesen, & finde ihn in den Centralfragen ohne Orientierung … Bauch ist nicht schlecht] zu den Schriften, die im Fakultätsbericht vom 15.7.1911 beurteilt wurden, vgl. Cohen an Cassirer vom 31.8.1911. Von Georg Misch war bis 1911 erschienen: Zur Entstehung des französischen Positivismus. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 14 (1901), S. 1–39 u. S. 156–209 (hervorgegangen aus der Dissertationsschrift Berlin 1900) sowie: Geschichte der Autobiographie Bd. 1. Das Altertum. Leipzig u. Berlin 1907 (hervorgegangen aus der 1904 bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften eingereichten Preisschrift in vier Ms.-Bänden, die 1905 auch als Habilitationsschrift in Berlin gedient hatte). – Bruno Bauch hatte sich 1903 in Halle mit einer Arbeit über Luther und Kant habilitiert (als Teildruck in KantStudien 9 (1904), S. 351– 492; vollständig als Monographie Berlin 1904). Von Bauch war außerdem erschienen: Das Substanzproblem in der griechischen Philosophie bis zur Blütezeit. (Seine geschichtliche Entwicklung in systematischer Bedeutung), Heidelberg 1910; Immanuel Kant, Leipzig 1911 (Geschichte der Philosophie Bd. 5); Studien zur Philosophie der exakten Wissenschaften, Heidelberg 1911. Kowalewski hat mir etwas über Schopenhauer geschickt] von Arnold Kowalewski war 1908 in Halle erschienen: Arthur Schopenhauer und seine Weltanschauung.
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Dieser Tage war Vorländer hier] Karl Vorländer (1860–1928). 1911 war von Vorländer in 3. Aufl. erschienen: Geschichte der Philosophie. Leipzig 1911 (PhB Bd. 106). Vgl. darin § 72, S. 422 – 428 ausführlich zu Cohen. Del Rio in Granada] gemeint ist wahrscheinlich Fernando de los Ríos y Urruti (1879 – 1949), der 1907 in Madrid promoviert hatte und 1908 (wie auch Ortega y Gasset, vgl. Cohen an Cassirer vom 21.5.1907) nach Deutschland kam, um seine Studien in Jena und Marburg fortzusetzen. De los Ríos kehrte im Frühjahr 1910 nach Spanien zurück und wurde 1911 Professor für öffentliches Recht an der Universität Granada. Er war sozialistischer Politiker (u. a. ab 1931 Justiz-, dann Unterrichtsminister (Instruccíon Pública) der Zweiten Spanischen Republik, 1936 Botschafter in den USA) u. veröffentlichte einige kleinere Schriften über Natorp (WBIS). Ortega, dem sein erster Sohn hier geboren worden ist] Miguel Germán Ortega y Gasset wurde am 28.5.1911 in Marburg geboren (José Ortega y Gasset: Meine Studienzeit in Deutschland [von Paul Keins übersetzter Vorabdruck aus der Vorrede Próloga para alemanes zu der nicht erschienenen 3. dt. Aufl. von El tema de nuestro tiempo (Die Aufgabe unserer Zeit)]. In: Vossische Zeitung, Nr. 77 vom 31.3.1934, S. 12). Vgl. Cohen an Cassirer vom 21.5.1907. Ortega war bereits graduiert u. promoviert (1910 Professor in Madrid), als er ein Stipendium erhielt, um nach ersten Aufenthalten 1907 u. 1908 nochmals 1911 nach Marburg zu gehen. Gawronsky ist in langsamer, aber fortschreitender Arbeit] im Hinblick auf seine Habilitation verfaßte Gawronsky eine Schrift Ueber das Problem der Logik und ihrer Methode. Das Habilitationsgesuch wurde am 22.5.1912 von der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg endgültig abgewiesen (Sieg, S. 360 f.). Schlusskapitel der Malerei] als Vorarbeiten zur Ästhetik des reinen Gefühls, 1912. in der Universitätsstrasse] Cohens wohnten seit 1903 in Marburg in der Universitätsstraße 62, vgl. Cohen an Cassirer vom 9.2.1903 u. PersMarburg. Über Misch habe ich dem Dekan gegenüber meine Befangenheit kundgethan] im SS 1911 war der Mathematiker Ernst Neumann Dekan der Philosophischen Fakultät (PersMarburg). Cohen lehnte noch in einem Schreiben vom 23.11.1911 an Neumanns Nachfolger, den Neuphilologen Ernst Elster, die Teilnahme an der Berufungskommission für ein psychologisches Ordinariat mit den Worten ab: Was zuerst das Bedauern betrifft, so könnte ich dies nicht in demselben Sinne aussprechen, den die Fakultät damit verbindet. Denn ich fühle mich in meiner politischen & literarischen Wirksamkeit für die Wahrung der Gewissensfreiheit im deutschen Reiche & gegen die Verführung zum Glaubenswechsel durch die fragliche Ernennung [Georg Mischs zum Extraordinarius] persönlich betroffen (Holzhey II, S. 509). – Georg Misch (1878 – 1965), Sohn eines jüdischen Kaufmanns, war 1899 zur evangelischen Kirche konvertiert (WBIS; NDB), was Cohen ihm noch 1917 nachtrug, vgl. Cohen an Natorp vom 10.6.1917: Ohnehin ist ja die Berufung von M[isch als außerordentlicher Professor 1916 nach Göttingen] an die Stelle von Husserl (wiederum ein Beispiel für den Ring der Konvertiten) im Grunde aber auf den Stuhl Lotzes geradezu ein Skandal, zumal nach Vorgängen der früheren Vorschläge, in denen Cassirer hervorragend figurierte (Holzhey II, S. 480). Zum WS 1911/12 wurde Misch als außerordentlicher Professor für Philosophie nach Marburg berufen, Meldung in HN 22 (1911/12), Nr. 1 vom Okt. 1911. Hellingers Übernahme aus Göttingen] der Mathematiker Ernst David Hellinger (1883– 1950) hatte ab 1904 in Göttingen bei David Hilbert und Felix Klein studiert. Von 1905 – 1907 war Hellinger Assistent bei Hilbert, bei dem er am 17.7.1907 auch promovierte. Von 1907–1909 als Assistent von Klein tätig, habilitierte sich Hellinger 1909 in Marburg (gemeldet in HN 19 (1908/09), Nr. 9 vom Juni 1909; ab SS 1909 wird Hellinger im PersMarburg geführt). 1914 wurde Hellinger an die neugegründete Universität Frankfurt berufen. 1939 emigirierte er nach 6-wöchiger Haft in Dachau in die USA (James Rovnyak: Ernst David Hellinger 1883–1950. Göttingen,
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Frankfurt Idyll, and the New World. In: Topics in Operator Theory. Ernst D. Hellinger Memorial Volume. Volume Editors: L. de Branges, I. Gohberg, J. Rovnyak. Boston/Basel/Berlin 1990 (Operator Theory: Advances and Applications. Vol. 48), S. 1 – 41; WBIS). Vgl. Dimitry Gawronsky an Cassirer vom 2.2.1912: Nur noch eine Neuigkeit: Prof. Klein in Göttingen will in seinem Seminar die Arbeiten der Marb[urger] Schule ueber die Mathematik durchnehmen und wandte sich an uns (durch den hiesigen Privatdozenten Dr. Hellinger), um ueber alle diesbezügliche Schriften eine genaue Auskunft zu erhalten. Was daraus werden wird, hoffe ich zu erfahren (DVD zu ECN 18). ein jüdischer Extraordinarius für Sprachstudien, Jacobsohn, Vetter des Herrn Heinemann] gemeint ist Hermann Jacobsohn (1879 – 1933), seit WS 1911/12 außerordentlicher, 1919 ordentlicher Professor der indogermanischen Sprachwissenschaft in Marburg (WBIS). Er war Cousin Fritz Heinemanns (1889–1970), der 1912 bei Cohen promovierte, 1921 für Philosophie in Frankfurt habilitierte, 1933 emigrierte, zuletzt in England (WBIS; BEdPh; Sieg, S. 487). Heinemanns Arbeit Der Aufbau von Kants Kritik der reinen Vernunft und das Problem der Zeit, Marburg 1912 erschien 1913 vervollständigt als Heft 2 von Bd. 7 der von Cohen u. Natorp hrsg. Philosophischen Arbeiten. Zur Verwandtschaftsbeziehung vgl. Leben Sie? Die Geschichte der deutschjüdischen Familie Jacobsohn. Hrsg. v. Ruth Verroen, Waltraud Burger u. Richard Stumm. Marburg 2000, S. 31 u. 144 f. sowie Historisches Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen. Hrsg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier u. Daniel Fraenkel. Bd. 1. Göttingen 2005, S. 1022.
47. Hermann Cohen an Ernst Cassirer Brief vom 31. August 1911 Hs. (M. Cohen), 4 S. HOTEL PONTRESINA PONTRESINA d. 31.8.11. Lieber Freund! Es widerstrebt Ihnen nicht mehr als mir, Sie mit den Sie betreffenden Fakultätsvorschlägen zu behelligen. Ich habe daher unterlassen Sie von den neuen Marburgervorschlägen zu benachrichtigen, weil ich am 1. Aug[ust] Sie noch in B [ e r l i n ] zu treffen hoffte. Da es aber nun doch nicht unmöglich ist, daß d[ie] Information Ihnen nützlich wäre, folgt jetzt d[er] Bericht. Wir haben diesmalA auf ein Separatvotum verzichtet, weil d[ie] Fakultät 1. auf d[ie] Aufforderung der Regierung über K o w a l e w s k y, M i s c h u. B a u c h zu berichten, K [ o w a l e w s k i ] glatt als minderwertig ablehnte, M i s c h ’s Buch nicht als philosoph[ische] Leistung anerkannte, ein Separatvotum von Philosophen für ihn in scharfer Motivierung beantwortete, u. endlich B [ a u c h ] , der inzwischen nach J e n a berufen war, auch als den Marburger Philosophen zu nahestehend bezeichnete.
A
haben diesmal] haben auf diesmal
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2. Vorgeschlagen wurde an 1. Stelle wiederum L i p p s , an 2. W i t a s e k in Gratz. 3. Darauf sagt d[er] Fakultätsbericht: wenn wir nicht eine Ergänzung wünschten, „so würden wir es für Unrecht halten E [ r n s t ] C [ a s s i r e r ] in B [ e r l i n ] zu übergehen, der an Begabung u. Leistung, Originalität u. Tiefe des Wissens alle Jüngeren überragt.[“] Dann kommt ein Satz über Ihr mathemat[isch]physik[alisches] Wissen, wobei d[ie] blödsinnige Einschränkung gemacht wird, die wir aber deßwegen hingehen ließen, daß Sie nicht in gleicher Weise d[ie] experim[entelle] Physik beherrschen. Und zum Schluß nochmals: nur aus diesem Grunde sehen wir von seinem Vorschlag ab. – Damit ist d[ie] Sachlage in M [ a r b u r g ] total verändert. Der Anti ist durch den Schlußsatz ausdrücklich abgelehnt. Und Ihre Anerkennung ist absolut geworden. Wenn nun d[ie] Regierung weder d[en] Gymnasiallehrer L [ i p p s ] mit seinen 47 Jahren, noch den Gratzer Bibliotheksbeamten W [ i t a s e k ] berufen dürfte, noch auch Herrn M [ i s c h ] der Fakultät u. mir aufbürden, so wäre es immerhin möglich, meinen bevorstehenden Rücktritt ihrerseits zu berücksichtigen, während d[ie] Fakultät dagegen zartes Bedenken tragen darf. Dann könnten Sie nicht mehr sagen, daß d[ie] Fak[ultät] Sie nicht wollte. Dieser Einwand ist nunmehr erledigt. Es ist in d[er] Kommission sogar ausgesprochen worden, daß d[ie] Ablehnung von M [ i s c h ] so verschärft werden muß, daß Sie dagegen berufen werden könnten. Nun aber will ich Ihnen wieder herzlich danken für die Übernahme der Korrektur, mit der Bitte, daß Sie unnachsichtlich sachliche Bedenken anstreichen möchten. Wenn Sie d[ie] 2. Korr[ektur] sich kommen lassen, werden Sie sehen, daß ich noch viel Einteilungen mache, um die Durchsichtigkeit zu fördern. – Mit Ihren Geschwistern sehen wir uns ab u. zu. G a w r o n s k y ’s sind in S t . M o r i t z . Mit seinem Befinden geht es besser. Meinen Aufsatz über P h i l i p p s o h n werden Sie erhalten haben. Mit herzlichen Grüßen für Sie, Ihre l. Frau, Ihre l. Kinder von uns Ihr H. CohenA Brief vom 31. August 1911] mit gedrucktem Briefkopf HOTEL PONTRESINA/ PONTRESINA K o w a l e w s k y … M i s c h ’s Buch … B a u c h ] vgl. Cohen an Cassirer vom 6.6.1911 sowie den Bericht über die Beschlüsse der philosophischen Fakultät vom 15.7.1911, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 15, Bl. 140– 141. Die Berufung Bruno Bauchs nach Jena ist gemeldet in HN 21 (1910/11), Nr. 10 vom Juli 1911. Vorgeschlagen wurde an 1. Stelle wiederum L i p p s , an 2. W i t a s e k in G r a t z ] gemeint sind die Psychologen u. Philosophen Gottlob Friedrich Lipps (vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908) u. Stephan Witasek (1870–1915). Witasek hatte in Graz u. a. bei Alexius Meinong studiert, Promotion 1895, Habilitation 1899. Meinong versuchte vergeblich, seinem Assistenten Witasek, der als Bibliothekar arbeitete, eine Anstellung zu verschaffen. Erst nach langen Jahren unbezahlter Mitarbeit in Meinongs psychologischem Laboratorium wurde Witasek im Herbst 1913 zum außerordentlichen Professor berufen u. übernahm von Meinong 1914 den Posten des Leiters des Instituts für Experimentalpsychologie, allerdings nur für die letzten Monate seines Lebens A
H . C o h e n ] Unterschrift nicht eigenhändig
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(Alexius Meinong: Stephan Witasek zum Gedächtnis. In: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. I. Abt. Zeitschrift für Psychologie 73 (1915), S. 137 – 141; Andrea Zemljic: Leben und Werk von Stephan Witasek (1870 – 1915). Fallstudie zur Ausdifferenzierung der Psychologie aus der Philosophie. In: International Bibliography of Austrian Philosophy 1976/79. Internationale Bibliographie zur österreichischen Philosophie 1976/79. Bearb. v. Thomas Binder, Reinhard Fabian u. Jutta Valent. Amsterdam u. Atlanta 1993, S. 1 – 122, bes. S. 3 – 9). Darauf sagt der Fakultätsbericht] der Fakultätsbericht vom 15.7.1911 (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 15, Bl. 140 – 141), gezeichnet Neumann/Dekan lautet: Mit besonderem Bedauern hat die Fakultät den Erlass des Herrn Ministers vom 23. Mai 1911 [vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 15, Bl. 110] zur Kenntnis genommen. Sie versteht die in diesem Erlasse gegen die Besetzung des Extraordinariates durch einen der drei von ihr genannten Philosophen [vgl. in der selben Akte Bl. 105–107 die Berufungsvorschläge vom 13.12.1910: Gottlob Friedrich Lipps, Erich Rudolf Jaensch u. Otto Klemm] ausgesprochenen Bedenken nicht völlig. Denn wenn auch das Extraordinariat nicht direkt für die Psychologie begründet worden ist, so ist doch schon in dem Erlasse des Herren Ministers vom 24. Juni 1908 (U I Nr. 17000) auf die langjährigen Wünsche einer überwiegenden Mehrheit in der Fakultät Rücksicht genommen worden, in dem der Herr Minister die Fakultät selbst darauf aufmerksam gemacht hat, dass der Vertreter der experimentellen Psychologie Professor Ach geneigt sei das Extraordinariat zu übernehmen [vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908]. […] Auf Grund dieser Tatsache hält die Fakultät es für nicht ganz ausgeschlossen, dass ihr Wunsch erfüllt werden kann, wenn sie ihren Antrag mit Rücksicht auf den letzten Erlass des Herrn Ministers etwas modifiziert. Es bittet die Fakultät deshalb jetzt, dass das Extraordinariat einem Vertreter der systematischen und historischen Philosophie, welcher sich zugleich auch auf dem Gebiete der Psychologie als Forscher und Lehrer bewährt hat, übertragen werden möge./Von diesem Standpunkte aus möchte sie in erster Linie nochmals Gottlob Friedrich L i p p s in Leipzig an erster Stelle vorschlagen […]./ Ferner möchte die Fakultät nun von dem neuen Standpunkte aus an zweiter Stelle Stephan W i t a s e k , a. o. Titularprofessor und Biliothekar in Graz, geboren 1870, vorschlagen. Er hat neben verschiedenen Abhandlungen auf geometrisch-optischem und auf ästhetischem Gebiet 1904 eine Aesthetik geschrieben, in welcher er sich auch mit den Prinzipien der älteren Aesthetik, Kant, Schelling, Hegel, sowie ausführlich mit erkenntnistheoretischen Erörterungen beschäftigt. 1910 erschien von ihm eine Gesamtdarstellung der Raumwahrnehmungen des Auges. Alle Arbeiten Witasek’s sind als sehr tüchtige anerkannt. Er hat in guten Vorlesungen auch allgemein philosophische Gegenstände behandelt./Nur in Anbetracht der veränderten Sachlage und sehr ungern sieht die Fakultät von der nochmaligen Nennung von Jänsch ab, obgleich sie bei der hohen Begabung und der philosophischen Grundrichtung desselben wohl das Vertrauen haben könnte, dass er neben seiner hervorragenden Behandlung der experimentellen Psychologie auch die systematische und historische Philosophie in Vorlesungen zu vertreten sehr gut im Stande sein würde./Wenn die Fakultät der Aufforderung der Herrn Ministers folgt, sich über die Professoren Kowalewski, Bauch und Misch zu äussern, so möchte sie zuerst bemerken, dass sie zur Nennung dieser drei Gelehrten beim Festhalten an dem Wunsche einen auf dem Gebiete der Psychologie bewanderten Gelehrten zu gewinnen, keine Veranlassung hat. Stellt sie sich aber auf den Standpunkt, welchen der Herr Minister jetzt vertritt, so kommt zuerst bei Misch das Moment in Betracht, welches jetzt die Fakultät abhielt Jänsch noch auf der Liste zu lassen, denn auch Misch hat sich bisher auf dem Gebiete der systematischen und historischen Philosophie keineswegs hinlänglich ausgewiesen. Seine den Durchschnitt nicht überragende Erstlingsarbeit über Comte und ein mehr
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populärer Aufsatz „Von der Gestaltung der Persönlichkeit“ können als ein genügender Ausweis nicht gelten. Sein Werk über die Geschichte der Autobiographie im Altertum aber wird zwar, vorzüglich auch von philologischer Seite, als eine ausgezeichnete Leistung anerkannt, ist aber kein Werk systematischer oder historischer Philosophie, sondern wesentlich literatur- und kulturhistorischen Inhalts; es lässt, wo bedeutendere philosophische Fragen berührt werden, sogar eine ausreichende Orientierung vermissen./Von Kowalewski glaubt die Fakultät ganz absehen zu müssen. Seine „Studien zur Psychologie des Pessimismus“ (1904) und sein Buch „Arthur Schopenhauer und seine Weltanschauung“ (1908) sind geradezu schwache Leistungen und haben zum Teil vernichtende Kritiken über sich ergehen lassen müssen./Ohne Vergleich tüchtiger ist Bruno Bauch; aber dieser kommt für unser Extraordinariat nicht mehr in Betracht, da er soeben eine Berufung zum ordentlichen Professor in Jena angenommen hat. Uebrigens steht er, wie noch mehrere andere Gelehrte, an die sonst vielleicht gedacht werden könnte, der Forschungsrichtung unserer hiesigen Philosophen ziemlich nahe; der Fakultät wäre es aber gerade um eine Ergänzung dieser in Hinsicht ihrer Arbeitsrichtung zu tun./Wenn von dieser Rücksicht unsererseits abgesehen werden könnte, so würden wir für unrecht halten, den seitens unserer Fachvertreter an erster Stelle befürworteten E. C a s s i r e r in Berlin zu übergehen, der nach Begabung und Leistung, an Originalität, philosophischem Scharfsinn und Tiefe des Denkens unter den jüngeren Philosophen entschieden hervorragt und in seinem Werke „Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit“ (2 Bände, 1906 und 1907, der erste bereits in 2. Auflage, 1911), wie in seinem Buche „Substanzbegriff und Funktionsbegriff“ (1910) sich nach der Seite der Logik der Mathematik und theoretischen Physik sowie deren Geschichte (allerdings nicht im gleichen Masse nach der Seite der experimentellen Naturwissenschaften) als vorzüglich bewandert erwiesen hat./Somit sieht die Fakultät nur wegen des obenerwähnten Wunsches einer Ergänzung der Arbeitsrichtung davon ab, ihn mit vorzuschlagen. – Cohen u. Natorp zitieren diesen Fakultätsbericht noch in ihrem undatierten Sondervotum (wahrscheinlich vom Sommer 1912), in dem sie Cassirer gegen die Nominierung (und schließliche Berufung) Jaenschs gerichtet als Nachfolger Cohens vorschlagen (abgedruckt in Holzhey II, S. 518). Der Anti] Bezeichnung unklar. weder den Gymnasiallehrer L i p p s … noch den Gratzer Bibliotheksbeamten W i t a s e k … noch auch Herrn M i s c h ] am 16.7.1911 hatten die Professoren Maass (klassische Philologie), Klebs, von der Ropp (beide Historiker) u. Geldner (Indologie) zwar ein Sondervotum verfaßt, in dem sich die genannten für die Berufung Mischs als den für die Studierenden der philologisch-historischen Fächer zu wünschenden Ersatz ausgesprochen hatten. Darauf folgte jedoch umgehend eine Gegenerklärung der Fakultätsmehrheit vom 18.7.1911, in der die prinzipielle Ablehnung Mischs noch einmal damit begründet wird, daß Mischs Werke (nach dem Ausdruck eines Göttinger Philosophen) höchstens am äussersten Rand der Philosophie lägen (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, Rep. 76 Va, Sekt. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. 15, Bl. 142 – 144). Ungeachtet der wiederholten deutlichen Ablehnung Mischs durch die Fakultät u. Cohen (vgl. Cohen an Cassirer vom 6.6.1911) wurde jedoch zum WS 1911/12 Georg Misch als Extraordinarius für Philosophie berufen. meinen bevorstehenden Rücktritt ihrerseits zu berücksichtigen] über das Schwanken Cohens in dieser Beziehung (vgl. Cohen an Cassirer vom 23.2.1906 u. 5.6.1908) hatte Natorp bereits am 1.1.1911 an Görland im Zusammenhang mit der Berufung eines Nachfolgers für Hermann Schwarz berichtet: es ging diesmal friedlicher zu […]. So ist Cohen wenigstens vor der Erregung bewahrt geblieben, die ihn sonst bei solchen Affären immer gradezu krank macht; und diese günstigere Stimmung hat das Gute daß er an Rücktritt jetzt weniger als je denkt. (Früher stand es bei ihm fest daß er 1912 gehen werde; aber je näher dieser Termin rückt, umso schwankender wird
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dieser Entschluß) (Holzhey II, S. 389). Die Option seines Rücktritts äußerte Cohen schließlich ernsthaft und in fakultätspolitischer Absicht am 23.11.1911 gegenüber dem Dekan Ernst Elster, um seine Ablehnung der Teilnahme an der Berufungskommission für ein psychologisches Ordinariat zu begründen: Den zweiten Punkt betreffend, sehe ich mich bei meinem Alter & der auf mir lastenden Sorge um die mir noch obliegenden literarischen Aufgaben genötigt, an meinen Rücktritt zu denken. Schon vor einiger Zeit habe ich gelegentlich höheren Orts davon Mitteilung gemacht. Ich halte es nun für ganz unmöglich, dass der Herr Minister ein ev[entuell] viertes Ordinariat, oder auch nur ein zweites Extraordinariat für Philosophie hier errichten würde. Ich muss daher befürchten, dass der beabsichtigte Antrag, bei dem zumal die Art der Professur nicht angegeben wird, als ein Hinweis auf die in Aussicht stehende Ersatzprofessur in Berlin verstanden werde. Meine sachlichen Einwendungen gegen eine solche Besetzung zu wiederholen, wäre überflüssig; zudem würden sie jetzt umso wirkungsloser bleiben, als ich durch die Sorge um meine Nachfolge persönlich interessiert erscheinen müsste (Holzhey II, S. 509). Das tatsächliche Entlassungsgesuch Cohens datiert erst vom 5.6.1912, mit Wirkung zum 1.10.1912 (abgedruckt in Holzhey II, S. 514 f.). Übernahme der Korrektur] von Cohen: Ästhetik des reinen Gefühls (System der Philosophie. 3. Teil), das 1912 in zwei Bänden erschien. Mit Ihren Geschwistern sehen wir uns ab u. zu] Teile der Familie Cassirer hielten sich offenbar regelmäßig im Sommer in der Schweiz auf, vgl. auch Cohen an Cassirer vom 23.9.1906 u. 29.7.1908. Meinen Aufsatz über P h i l i p p s o h n ] vgl. Cohen: Über die Bedeutung einer philosophischen Jugendschrift Ludwig Philippsons. Über die Bedeutung des Buches zur Geschichte der physiologischen Anthropologie in der griechischen Philosophie. In: Ludwig Philippson: Gesammelte Abhandlungen Bd. 2. Anhang. Leipzig 1911, S. 459 – 486 (abgedruckt in HCW 15, S. 565 – 604). Auch separat erschienen. Cohen datiert seinen Aufsatz im Vorwort mit M a r b u r g , im Mai 1911.
48. Martha u. Hermann Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Postkarte vom 13. April 1916 Hs. (M. Cohen), 2 S. Liebe Freunde! Schon trennen uns wieder Tage u. wir wüßten gern, wie es bei Ihnen geht, was Annchen macht, ob es Masern sind u. wie es Ihrem teuren Patienten Richard geht. Man sieht doch, wie eng man zusammengehört, man möchte jeden Tag von einander wissen. Bitte schreiben Sie uns bald. In der Welt sieht es ja für uns endlich wirklich gut aus u. man gibt sich schüchtern einem sicheren Friedensgefühl hin. Gebe ihn der Himmel bald. – Wir sind nun doch hier in W i e s b a d e n geblieben u. unserer alten Liebe dem ( N a s s a u e r H o f ) treu geblieben. Es ist sehr voll hier, aber man ist gut aufgehoben u. kriegstüchtig, reichlich u. bürgerlich wohlschmeckend verpflegt. Freilich ohne die vorsintflutlichen Finessen. M[ein] M[ann] badet u. wir Beide trinken Kochbrunnen. Es gibt auch Bekannte hier, aber bis jetzt schlürfe ich die Ruhe hier wie einen köstlichen Labetrunk. Sagen Sie mir doch, l. Herr Prof. aus Ihrer philosophischen Weltweisheit heraus, warum ist man in B [ e r l i n ] immer wie ein gehetztes Wild; ich wenigstens komme aus dieser chronischen Krankheit nicht heraus. Wir haben schon sehr behaglich in d[er] Sonne gesessen, u. draußen
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blüht u. grünt es zum Entzücken. Können Sie bald nach Westend? Nun können Sie auch bald bauen. Hat Heinz eine Lehrerin? Und wie genießt Georg seine Ferien? Mit vielen herzlichen Grüßen allerseits Ihre Martha C.
Liebe Freunde! Den Grüßen mich anschließend, melde ich im historischen Selbstgefühl, daß ich soeben d[en] 1. Bogen von der Th[eorie] d[er] Erf[ahrung] durchgeackert u. mit einigen neuen Pflänzlingen besät habe. Haben Sie sich dem GeleitbriefA zum Mozart schon gewidmet? D[ie] Frankf[urter] ZeitungB bringt schon Anekdoten aus L i e b e r m a n n s Phantasie. Aber ich? (Nebbich = Nie bei Euch) Doch das wissen Sie längst. D[er] Sammelband erscheint erst Mitte Mai. Hat Ihnen S t o l t e n b e r g nicht auch gefallen? Herzliche Grüße u. gute Wünsche Ihr H. C.C Postkarte vom 13. April 1916] an Herrn u. Frau P r o f . C a s s i r e r / B e r l i n W. / Pragerstr. 9; mit Poststempel WIESBADEN 13.4.16 8 – 9N. * 1 r Annchen … Richard] die Tochter und wahrscheinlich der Cousin Cassirers, vgl. Cohen an Cassirer vom 5.6.1908 u. 31.5.1903. Näheres nicht ermittelt. mein Mann badet u. wir Beide trinken Kochbrunnen] die wichtigste Thermalquelle Wiesbadens. Können Sie bald nach Westend? Nun können Sie auch bald bauen] vgl. Martha Cohen an Helene Natorp vom 21.6.1917: Cassirers haben eine Sommerwohnung in Westend gemietet & daher sehen wir uns weniger (Holzhey II, S. 487). Cassirers waren Grundstückbesitzer in Berlin-Westend, kamen aber wegen des Krieges und der Berufung Cassirers nach Hamburg (1919) nicht mehr dazu, dort ein Haus zu errichten, vgl. Toni Cassirer, S. 120: Den Sommer 1917 – nach dem schlimmsten „Kohlrübenwinter“, den wir erlebt haben – verbrachten wir in Westend, in der Nähe unseres kleinen Grundstücks, auf dem Kohl und Kartoffeln anstelle eines Hauses wuchsen. Heinz … Georg] die Söhne Cassirers, vgl. Cohen an Cassirer vom 30.4. u. 27.7.1904. den 1. Bogen von der Theorie der Erfahrung durchgeackert] gemeint ist die Überarbeitung von Cohens Kants Theorie der Erfahrung im Hinblick auf die 3. Aufl., die 1918 erschien. Haben Sie sich dem Geleitbrief zum Mozart schon gewidmet?] vgl. Cohen: Die dramatische Idee in Mozarts Operntexten. Berlin 1916. Erschienen bei Bruno Cassirer, ursprünglich noch für 1915 geplant (abgedruckt in HCW 17, S. 1–108; zur Entstehung vgl. dort S. XX – XXIV). – Über einen Geleitbrief ist nichts ermittelt. Anekdoten aus L i e b e r m a n n s Phantasie] vgl. Frankfurter Zeitung 60 (1916), Nr. 103 vom Donnerstag, 13.4.1916, Abendblatt, S. 1: Aus Max Liebermanns neuem Buch. Im Verlag von Bruno Cassirer (Berlin) hat Max L i e b e r m a n n unter dem A
Haben Sie sich dem Geleitbrief] Haben Sie den Geleitbrief Zeitung] Ztg. C H . C . ] Unterschrift nicht eigenhändig B
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Titel „ D i e P h a n t a s i e i n d e r M a l e r e i “ ein Buch erscheinen lassen, dem wir die folgenden Anekdoten entnehmen […]. D. i. der Abdruck dreier Anekdoten aus Max Liebermann: Die Phantasie in der Malerei. Berlin 1916, S. 45, 55 u. S. 58 – 59. (Nebbich = Nie bei Euch)] aus dem jüdischen Sonderwortschatz. Das Wort nebbich findet in anderer Bedeutung Verwendung im Schreiben H. u. M. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905. Zu der vorliegenden Bedeutungserklärung vgl. Abraham Tendlau: Sprichwörter und Redensarten deutsch-jüdischer Vorzeit. Als Beitrag zur Volks-, Sprach- und Sprichwörter-Kunde. Aufgezeichnet aus dem Munde des Volkes und nach Wort und Sinn erläutert. Frankfurt a. M. 1860, S. 197 – 198, Nr. 633: Andere nehmen es, was auch uns wahrscheinlich dünkt, für zusammengezogen aus: „nit bei euch“ altdeutsch: „ni be uch!“ wie das gleichbedeutende hebr. l o a l é c h e m ! (Klagel[ieder] 1, 12.), um beim Zuhörer das Anklagen eines Uebels zu verhüten […] und […] um es von sich und dem Zuhörer abzuhalten […]. – Vgl. Max Grünbaum: Jüdischdeutsche Chrestomathie. Leipzig 1882, S. 394, Anm. 8: newwich oder nebich […], ein im Jüdischdeutschen sehr oft gebrauchtes Wort, entspricht so ziemlich dem deutschen „leider“ […]. Bei der Erwähnung eines traurigen Zustandes gebraucht man zuweilen […] „nicht über euch“ (scil. komme dieses Unglück), […] es ist das also eine Abwehrformel; nebich […] bedeutet also: „Nicht bei euch“, oder auch „neben euch.“ Der Sammelband erscheint erst Mitte Mai] gemeint ist Friedrich Thimme (Hrsg.): Vom inneren Frieden des Deutschen Volkes. Ein Buch gegenseitigen Verstehens und Vertrauens. Leipzig 1916. Darin, als letzter Beitrag des letzten Abschnitts Friede unter den Nationalitäten: Hermann Cohen: Deutschtum und Judentum, S. 547–562 (abgedruckt in HCW 17, S. 109 – 132). Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 145 vom 25.6.1916. Hat Ihnen S t o l t e n b e r g nicht auch gefallen?] gemeint ist vermutlich der Soziologe und Sprachkritiker Hans Lorenz Stoltenberg (1888– 1963), am 6.8.1915 in Marburg bei Natorp mit einer Arbeit zur Soziopsychologie. I. Teil der Sozialpsychologie promoviert, von Februar bis Mitte April 1916 im Kriegsdienst, verwundet zurückgekehrt, ab Mai 1917 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Wissenschaftlichen Kommission für Kriegswirtschaft im Preußischen Kriegsministerium (WBIS; Sieg, S. 487). Von Stoltenberg erschien 1916 in Berlin Die Bindung der deutschen Rede. Vgl. Cohen an Natorp vom 10.6.1917: Sonst bin ich von aller akademischen Welt abgetrennt, nur Stoltenberg, Leutnannt, hört Vorlesungen und Uebungen (Holzhey II, S. 481), womit die Lehrveranstaltungen Cohens an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums gemeint sind.
49. Hermann u. Martha Cohen an Ernst Cassirer Postkarte vom 16. März 1917 Hs. (M. Cohen), 2 S. Liebe Freunde! Es ist Ihnen vielleicht schon mitgeteilt, welchen Schrecken wir durchgemacht haben. Montag früh glaubte ich mich plötzlich erblindet. P r o f . H e ß aber konstatierte nur Zirkulationsstörung. In der Tat trat nach einigen Stunden wieder Helligkeit ein. Am anderen Morgen war er sehr erfreut u. Donnerstag Morgen noch mehr über die Bestätigung seiner Diagnose. In 14 Tagen stellte er mir wieder Lehrfähigkeit in Aussicht. Nun habe ich die große Bitte an Sie, der Th[eorie] d[er] Erf[ahrung] sich einstweilen so anzunehmen, als ob ich nicht mehr vorhanden wäre. Die Hälfte ist bereits revidiert im Geschäft, Verlage, damit aber d[er] Satz u. Druck nicht aufgeschoben wird, übernehmen Sie bitte
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das I m p r i m a t u r, u. verständigen Erich u. Kellermann. – Wir sind doch wieder im „Nassauer Hof“. Ich bin gutes Mutes, sehe jetzt schon wieder ziemlich gut, werde natürlich ein neues Leben beginnen. Herzliche Grüße Ihnen u. d[en] l. Kindern von Ihren H . u. M . C . Ich habe in M ü n c h e n erquickende Teilnahme erfahren. Postkarte vom 16. März 1917] an Herrn P r o f . E . C a s s i r e r / B e r l i n W. / Pragerstr. 9; mit Poststempel WIESBADEN 16 3.17 4 – 5 N b 1 b Montag früh glaubte ich mich plötzlich erblindet] bereits 1892 hatte Hermann Cohen eine Netzhautablösung des rechten Auges erlitten, die durch das andere, stark kurzsichtige Auge nur wenig kompensiert werden konnte, vgl. das Entlassungsgesuch Cohens vom 5.6.1912, abgedruckt in Holzhey II, S. 514 f. Seither hatte Martha Cohen so gut wie alle Schreibarbeiten nach Diktat übernommen. P r o f . H e ß … Lehrfähigkeit in Aussicht] gemeint ist vermutlich der Ophtalmologe Carl von Hess (1863–1923), 1896–1912 Professor in Marburg, danach in Würzburg, ab 1912 an der Münchner Universitätsaugenklinik (NDB; WBIS). Vgl. Cohen an Natorp vom 10.6.1917: Mit dem Lesen geht es schon besser. Hess schrieb mir, ich solle unbedenklich damit anfangen, es sei ausgeschlossen, dass es schaden könne, & es geht auch, natürlich mit Vorsicht (Holzhey II, S. 479). der Theorie der Erfahrung sich … anzunehmen] Satz u. Druck der 3. Aufl. von Cohens Kants Theorie der Erfahrung verzögerten sich stark (vgl. Cohen an Natorp vom 10.6.1917, Holzhey II, S. 480). Am 4.11.1917 teilte Martha Cohen Helene Natorp mit, daß die 3. Aufl. bald zum Erscheinen fertig sein werde (Holzhey II, S. 489), sie erschien aber erst nach Cohens Tod im Herbst 1918 (vgl. die ganzseitige Anzeige des Verlags Bruno Cassirer im Börsenblatt, Nr. 217 vom 17.9.1918, dort annonciert als philosophisches Vermächtnis Cohens sowie die Meldung des Erscheinens im Börsenblatt, Nr. 253 vom 29.10.1918). übernehmen Sie bitte das I m p r i m a t u r, u. verständigen Erich u. Kellermann] Erich Cassirers u. Benzion Kellermanns etwaiger Anteil an der Drucklegung (Imprimatur: lat. Es werde gedruckt!) ist nicht ermittelt. doch wieder im „Nassauer Hof“] vgl. M. u. H. Cohen an Cassirer vom 13.4.1916. in M ü n c h e n erquickende Teilnahme erfahren] nicht ermittelt.
Briefe Hermann und Martha Cohen
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50. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brieffragment vom 12. April 1917 Hs., 4 S. B a d e n - B a d e n , 12.4.17. Pension Luise. Liebe Freunde! Heut habe ich, seit wir auf der Reise sind, d[ie] erste freie Stunde für mich. Denn der Zweck dieses 5täg[igen] Ausflugs ist das Zusammentreffen m[eines] Mannes mit seiner alten Jugendfreundin Frau B u r g , die auf Krücken, 76jähr[ig] aus S t r a ß b u r g herübergekommen, während er selbst doch auch ruhe- u. schonungsbedürftig wäre. Das ist Idealismus u. nach guter alter Rittersitte ein Stück von vorA dem Kriege. Nun sitzt er plaudernd mit ihr aus alten Zeiten u. der Hauch friedlichen Daseins umweht sie. – Ich also wie gesagt, bin, da ich ihn so wohlgeborgen weiß, schnell herausgeschlüpft u. will Ihnen Beiden u. noch besonders Ihnen, liebste Frau für Ihren so lieben teilnehmenden Brief herzlich danken. Der Anfang der Reise war mit einem so großen Schreck verknüpft, daß ich mich lange Zeit nicht erholen konnte. Zum Glück ist Alles so eingetroffen wie d[er] ausgezeichnete Arzt es ausgesprochen. Er sagte gleich, es sei eine Zirkulationsstörung, einige Tage Ruhe u. Schonung überhaupt, u. auch d[ie] Lehrfähigkeit würde in 3 Wochen wieder da sein. Ich lese ihm jetzt natürlich noch Alles vor, doch kann er selbst schon wieder gut lesen. Ist noch sehr vorsichtig u. ich hoffe, diese Eigenschaft soll ihm jetzt ein unverlierbarer Besitz bleiben. Denn eine neue Art des Lebens muß beginnen, die Unruhe der letzten Jahre würde zu sicherem Verderben führen für alle Beteiligten. Und so muß man der Mahnung schließlich noch dankbar sein. – In Wiesbaden war es fast immer winterlich, Schnee u. Kälte u. schüchterne Sonne, als fürchte sie sich vor der bösen Menschheit. Aber schön warm wars in unserem Zimmer u. äußerst behaglich im H o t e l , in dem auch Frau B r ü n n war. D[ie] Bäder haben ihm sehr gut getan. Es ist schön hier, herrliche u. zunehmend wärmere Luft, beschneite Höhen. Sonntag gehen wir nach: K ö n i g s t e i n (Taunus) Königsteiner Hof, wo m[ein] M[ann] mit Nobel sein neues Buch durcharbeiten will. Möchte es nur warm werden, denn d[ie] Erholung tut ihm noch nötig. Ende April hoffentlich zu Haus. Eben haben wir auch d[en] 2. Art[ikel] über Ihr Buch im Zeit[geist] gelesen u. sind ganz entzückt davon. 2 Exe[mplare] d[es] Buches haben wir schon wieder für würdige u. dankbare Leser bestimmt. Wie geht es Ihnen, liebste Frau, wie d[en] l. Kindern, wie Ihrem Vater? Zu all den neuen Menschenkindern gratuliere ich. Möchten sie den neuen Geist mitgebracht haben. – Nun komme ich zum Schluß noch als Bettelfrau zu Ihnen. Sie wissen, daß ich m[einen] Mann so einigermaßen über d[as] Elend der Ernährung hinweggebracht, indem Frau P r i n g s h e i m uns versorgte. Sie tut es weiter, aber bittet A
ein Stück von vor] ein Stück, vor
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Beilagen III
mich um Kinderkleider, abgelegte alte für die 2 Frauen, Bauernweiber dort, mit denen sie in VerbindungA Pension Luise] Pension Villa Luise in Baden-Baden, Werderstraße, vgl. z. B. Richard Pohl: Baden-Baden und Umgebung. 2. Aufl. München o. J. [ca. 1900] (Bruckmann’s illustrierte Reiseführer Nr. 96a u. b), S. VIII. Zusammentreffen meines Mannes mit seiner alten Jugendfreundin Frau B u r g … aus S t r a ß b u r g ] vgl. Cohen an Cassirer vom 18.5.1904. Der Anfang der Reise war mit einem so großen Schreck verknüpft] siehe H. u. M. Cohen an Cassirer vom 16.3.1917. Frau B r ü n n ] nicht ermittelt, möglicherweise die Ehefrau Siegfried Brünns (vgl. Cohen an Cassirer vom 29.7.1908). K ö n i g s t e i n (Taunus) Königsteiner Hof, wo mein Mann mit Nobel sein neues Buch durcharbeiten will] vgl. Cohen an Adele Rosenzweig vom 12.4.1917: Wir gehen nächsten Sonntag nach Königstein (Königsteiner Hof), wo wir bis Ende April zu bleiben gedenken (Hermann Cohen: Briefe. Ausgewählt u. hrsg. v. Bertha u. Bruno Strauß. Berlin 1939, S. 80). – Gemeint ist Cohens Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919. Der Frankfurter Rabbiner Nehemia Anton Nobel half Cohen dabei, die Korrekturen durchzuführen, vgl. das Geleitwort der ersten Ausgabe von 1919 von Martha Cohen, S. III–IV u. das Nachwort von Bruno Strauß zur neu durchgearbeiten Ausgabe von 1929, S. 623 – 625 sowie Franz Rosenzweigs im Mai 1929 geschriebener nachgelassener Aufsatz Vertauschte Fronten. In: Der Morgen 6 (1930), Nr. 1 von April 1930, S. 85– 87, hier 85: Zehn Jahre nach Hermann Cohens Tod war die erste Auflage seines religionsphilosophischen Nachlaßwerks vergriffen. Jene erste Auflage hatte unter einem Unstern gestanden. Ihr Text glich streckenweise, selbst in den ersten zwei Dritteln, deren Druck Cohen noch selbst überwacht hatte, mehr dem wahllosen Abdruck einer beliebigen Handschrift eines alten Werks als einem modernen Druckwerk und nun gar einem Cohenschen: Cohen hat, getreu seinem von Robert Fritzsche überlieferten Wort „Das Philologische muß immer in Ordnung sein“, auf die Textherstellung seiner Werke stets besondere Sorgfalt verwendet. In dieser zweiten Auflage hat nun Bruno Strauß jenes bei der ersten versäumte „Philologische“ nachgeholt und mit schönster kritischer Besonnenheit und frömmster Einfühlung aus einer Mustersammlung möglicher Textverderbnisse – sogar lange Randbemerkungen andrer, z. B. des großen Frankfurter Rabbiners Nobel, der dem Freund und Lehrer seine Hilfe lieh, sind ganz wie bei Werken aus der Zeit vor Erfindung des Drucks in den Text geraten! – den nach den Umständen zuverlässigsten Wortlaut hergestellt./Das Buch ist aber sogar die neun Jahre seines ersten Ganges unter einem falschen Titel gelaufen! Es hieß: „Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“, es heißt in Wahrheit: „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“ ohne den aggressiven und intoleranten bestimmten – und hier wirklich allzubestimmten – Artikel. den 2. Artikel über Ihr Buch im Zeitgeist] gemeint ist Cassirer: Freiheit und Form. Studien zur deutschen Geistesgeschichte. Berlin 1916 (abweichende Angabe auf dem Buchdeckel: 1917; Erscheinen gemeldet im Börsenblatt, Nr. 289 vom 13.12.1916) bzw. die zweiteilige Rezension Felix Hollaender: Ueber Ernst Cassirers „Freiheit und Form“. In: Der Zeitgeist. 1. Beiblatt zum „Berliner Tageblatt“, Nr. 14 vom 2.4.1917, S. [1]; Fortsetzung in Nr. 15 vom 9.4.1917, S. [2]. In der Rezension heißt es u. a.: Ernst Cassirer, in dem die Wissenden des geistigen Deutschlands längst einen der führenden A
mit denen sie in Verbindung] bricht ab. Die fehlenden Passagen sind nicht überliefert.
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Köpfe unserer Zeit anerkennen, hat allgemeine Resultate seiner Denkarbeit in einem bei Bruno Cassirer (Berlin) erschienenen Buch zusammengefaßt, das er „Freiheit und Form“ und mit seinem Untertitel „Studien zur deutschen Geistesgeschichte“ nennt. […] Es gehört zum Kennzeichen des schöpferischen Geistes, daß er nicht nur die nackte Aufgabe, die er sich gestellt hat, löst, sondern daß aus dem Komplex seiner Darstellungen sich indirekt noch weitere Resultate ergeben. Denn das ist der tiefe Sinn wahrhaftiger Produktivität, daß sie über ihre Absicht hinaus noch ungeahnten Reichtum offenbart./Nach den beiden angedeuteten Richtungen hin bedeutet Cassirers „Freiheit und Form“ eine Erfüllung. […] In einer Epoche, in der die Staats- und Freiheitsidee uns alle im Innersten bewegt, da ganz neue Entwicklungsmöglichkeiten aus der Dämmerung treten, mag es besonders reizvoll sein, den historischen Komplex des Staatsgedankens aus der an Anregungen so reichen Arbeit Cassirers herauszulösen. […] Und wenn Troeltsch anläßlich eines Vortrages über das humanistische Gymnasium auf Cassirers Arbeit nachdrücklich die deutschen Gymnasiallehrer hinwies [vgl. Ernst Troeltsch: Humanismus und Nationalismus in unserem Bildungssystem. Vortrag gehalten in der Versammlung der Vereinigung der Freunde des humanistischen Gymnasiums in Berlin und der Provinz Brandenburg am 28.11.1916. Berlin 1917], so möchten wir das Werk als einen Beitrag zur Erziehung der Nation über diesen engen Kreis allen Gebildeten ans Herz legen. Zu all den neuen Menschenkindern gratuliere ich] darunter ein Neffe Cassirers, Erich Eduard, geboren am 26.3.1917 (Sohn von Martin Cassirer). Eine Nichte Toni Cassirers mit Namen Annemarie (Tochter von Martha Maria Pollak, geb. Bondy) war 1916 zur Welt gekommen. über das Elend der Ernährung hinweggebracht, indem Frau P r i n g s h e i m uns versorgte] im Winter 1916/17 hatte sich die kriegsbedingte Hungersnot v. a. in den Städten zugespitzt. – Frau Pringsheim ist nicht ermittelt.
51. Martha Cohen an Toni u. Ernst Cassirer Brief vom 17. September 1919 Hs., 8 S. Reichenhall, d. 17.9.19. Villa Regina. Liebste Frau! Ich wollte Ihnen schon lange schreiben, weil ich nach einem Wort von Ihnen mich sehnte u. nicht wußte ob der Geburtstagsbrief an Ihren l. Mann angekommen ist. Es scheint nicht, da Sie von ihm nichts erwähnen. Es freut mich, daß bei Ihnen Alles so gut steht u. Sie wohl sind mit Ihren l. Kindern u. Ihrem Vater. In so hoffnungsreicher, glücklicher, wenn auch für den Moment anstrengender Umzugs-Vorbereitung stecken. Welch ein neues schönes Leben wird Ihnen bevorstehen, Alles was Sie u. Ihr l. Mann sich wünschen konnten, ist fast restlos erfüllt. So wünsche ich innig Glück zu Ihrer Übersiedlung u. zu einem an Erfolgen u. Freuden reichen Dasein in der schönen Stadt. Wie gern möchte ich Ihnen helfen, aber die Schaar der Hilfskräfte ist hoffentlich so groß, daß Sie nicht zu große Anstrengung haben. Trauriger ist es mir, daß ich jetzt so gar nicht mehr
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mit Ihnen zusammensein kann, u. noch trauriger, daß ich Sie nun ganz entbehren soll. Wie traurig ist es doch über mich gekommen. Das große Herzeleid kann ich nicht überwinden. Ich fühle mich so heimatlos, so einsam. Dabei bin ich hier von einer so rührenden Liebe u. Freundschaft umgeben, wie Sie es sich gar nicht vorstellen können. Meine Freundin ist so gut wie klug; wir kennen uns seit einigen 30 Jahren, u. Niemand kennt mich so gut wie sie. Ich bleibe noch den September hier bei dem wundervollen Wetter. Dann soll ich noch einmal ins Sanatorium den Oktober hindurch. Der Arzt dort sagte mir, ich müsse einen starken Körper u. eine starke Seele haben, wenn ich diesen Anforderungen so lange gewachsen geblieben sei. Mein Mann sei eben ein Übermensch gewesen. Und doch bin ich glücklich, daß ich ihm so lange die treue Gehilfin habe sein können. Besser freilich wäre es gewesen, ich wäre früher zusammengebrochen, besser für uns Beide. Dann wäre er mir auch eher gefolgt. – Sie fragen ob ich nett bin. Ich versuche es wenigstens u. nehme mich sehr zusammen. Aber in den stillen, oft schlaflosen Nächten überfällt es mich mit doppelter Gewalt. Sie trösten mich daß ich die von Ihnen mir bestimmte Wohnung nicht nahm. Ich hätte doch ein behagliches Heim gehabt u. einen sicheren Hafen. Fahrstuhl u. Heizung werden im nächsten Jahr wieder funktionieren. Wo werde ich dann Etwas finden. Meine Wirtin brennt darauf die Wohnung für ihre Kinder zu nehmen. Auch wäre der Zusammenhang mit der Familie Cassirer erhalten geblieben durch das Wohnen im gleichen Haus, der meinem Mann so am Herzen lag gleich mir u. den er auch weiter für mich erhoffte. – Ach, liebste Frau, das Alleinsein ist etwas Furchtbares. Niemand für den man sich sorgt, sich freuen kann. – Und doch habe ich jetzt nur den einen Wunsch: gesund zu werden. Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft u. denken Sie an die vielen guten Jahre, die wir miteinander verlebt. Rathkes sind ja Freunde u. Wohltäter von G ö r l a n d . Er schrieb ihnen, daß er sehr zufrieden sei mit dem Wechsel in seinem Leben, den er Ihnen verdankt, lieber Herr Professor. – Auch bei N a t o r p s steht Alles zum Besten, wie eine junge Dame, Tänzerin von Beruf uns erzählte, die bei ihnen mehrere Wochen zu Besuch war u. Rathkes hier aufsuchte. Sie wollten nach Amerika auf 3 Monate, haben aber die Erlaubnis nicht erhalten. Die Kinder können nicht zu ihnen kommen, da Trudchen ein 2. Kind erwartet. Hans macht Dr. u. Assessor. Sonst höre ich gar nichts von dort. Im Sanat[orium] kam ich in einen sehr netten Kreis, der von besonderer Liebenswürdigkeit gegen mich war, u. schließlich mir Bücher mit den liebevollsten Widmungen zum Abschied überreichte. Ich wundere mich, daß die Menschen noch immer so gütig mit mir sind. Jetzt ist dieser Kreis zerstoben; wer weiß wen ich jetzt dort finde, u. dann liegt der lange schwere Winter vor mir. – Wie geht es Suse? Sie schreibt gar nicht. Ich denke oft an sie. Auch diese habe ich verloren. Wer bleibt mir noch? – Doch laßt uns freudenvollere Töne anstimmen. – Ihres VatersA 75. Geburtstag werde ich gewiß nicht vergessen. Welch ein Glück, daß Sie ihn so rüstig besitzen. Lassen Sie mich für heut schließen. Nochmals viel Glück u. Segen, u. strengen Sie Sich nicht zu
A
Ihres Vaters] An Ihres Vaters
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sehr an. – Grüßen Sie die l. Kinder u. Suse recht schön, u. seien Sie Selbst aufs herzlichste gegrüßt Sie Beide in treuer Freundschaft von Ihrer Martha Cohen. Schreiben Sie mir, bitte, ob Sie d[en] Brief erhalten haben.A Reichenhall … Villa Regina] dem Zusammenhang nach wahrscheinlich die Wohnung von Frida u. Heinrich Bernhard Rathke (vgl. M. u. H. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905), u. U. mit der Adresse Mozartstraße 5 (vgl. M. Cohen an Cassirer vom 30.4.1924). Geburtstagsbrief an Ihren l. Mann] nicht überliefert. Umzugs-Vorbereitung] im Zuge von Cassirers Berufung an die neugegründete Universität Hamburg, der Amtsantritt war am 1.10.1919 (ECN 18, S. XXVII). Wie traurig ist es doch über mich gekommen] Hermann Cohen war am 4.4.1918 75-jährig in Berlin gestorben. Martha Cohen, am 20.6.1919 59 Jahre alt geworden, überlebte ihren Mann um 26 Jahre († 12.9.1942 Konzentrationslager Theresienstadt). Cassirer erwähnt in einem Schreiben an Natorp vom 8.9.1919 die schwierigen finanziellen Verhältnisse Martha Cohens, zu denen eine nicht näher spezifizierte Erkrankung trat (DVD zu ECN 18). Meine Freundin] gemeint ist vermutlich Frida Rathke, vgl. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905 u. M. Cohen an Cassirer vom 30.4.1924. die von Ihnen mir bestimmte Wohnung] über etwaige Pläne, daß Martha Cohen in das Haus, in dem Cassirers in Berlin wohnten (Pragerstraße Nr. 8. 9 III) einziehen sollte, ist nichts bekannt. Cohens wohnten 1913–1919 in der Luitpoldstr. 32; Martha Cohen von 1920 – 1939 in der Dörnbergstr. 6 (Berliner Adreßbücher). Rathkes sind ja Freunde u. Wohltäter von G ö r l a n d ] Cassirer bemühte sich noch vor Eintritt in die Hamburger Berufungsverhandlungen, Albert Görland, der sich ebenfalls Hoffnungen auf die Hamburger Professur gemacht hatte, eine gesicherte Stellung an der Universität Hamburg zu verschaffen. Tatsächlich konnte sich Görland erst am 6.12.1919 habilitieren, wobei ihm die üblichen Habilitationsleistungen erlassen wurden. 1923 – 1935 war Görland schließlich außerordentlicher Professor der Philosophie in Hamburg. Vgl. Cassirer an William Stern vom 11.6.1919 u. an Görland vom 12.6.1919 (dort auf der 4. Seite der hs. Entwurf einer Antwort von Görland vom 22.6.1919 mit dem Ausdruck tiefer Enttäuschung der nicht erlangten Professur wegen) sowie Cassirer an Hinrich Knittermeyer vom 24.11. u. 6.12.1919 (ECN 18, S. 38 u. S. 42 – 43, Briefe Nr. 24, 27 u. 28; DVD zu ECN 18. Zu politischen und persönlichen Hintergründen vgl. Toni Cassirer, S. 144 – 146). N a t o r p s … wollten nach Amerika] die USA befanden sich mit Deutschland bis zum Separatfrieden vom 25.8.1921 (Berliner Vertrag) offiziell im Kriegszustand. Die Durchführung einer dreimonatigen Amerikareise der Natorps gelang offenbar erst von Anfang August bis ca. Ende Oktober 1921, vgl. die verstreuten Hinweise bei Hinrich Knittermeyer: Zur Entstehungsgeschichte der „Philosophischen Systematik“. In: Paul Natorp: Philosophische Systematik. Aus dem Nachlaß hrsg. v. Hans Natorp. Mit der Gedenkrede zum 100. Geburtstag v. Hans-Georg Gadamer sowie mit Einleitung u. textkritischen Anm. v. Hinrich Knittermeyer. Hamburg 1958, S. XVIII – XL, hier S. XXX – XXXIII. A
Schreiben Sie mir, bitte, ob Sie den Brief erhalten haben.] auf den unteren Rand von S. 1 geschrieben
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da Trudchen ein 2. Kind erwartet] Paul u. Helene Natorp hatten u. a. eine Tochter namens Gertrud Helene (1894 – 1981), die seit dem 2.7.1913 mit Mortimer Phillips Mason (1876 –1957) verheiratet war, einem Harvard-Absolventen (mit Studienaufenthalten 1899 – 1900 in Oxford u. 1900 – 1902 in Berlin, Heidelberg u. Marburg; in Marburg immatrikuliert von SS 1901 bis einschließlich SS 1902, wohnhaft bei Natorps, vgl. PersMarburg) und Beiträger zur Cohen-Festschrift von 1912; 1920–1946 Professor für Philosophie am Bowdoin College, Brunswick, Maine. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor (The abridged compendium of American genealogy. The standard genealogical encyclopedia of the first families of America. Ed. by Frederick A. Virkus. Vol. 2. Chicago 1926, S. 376 – 377; The Harvard Graduates’ Magazine 22 (1913 – 1914), Dez., S. 364). Hans macht Dr. u. Assessor] der Sohn von Paul Natorp, Hans Natorp (1892 – 1973) war 1925 – 1931 Amtsrichter in Ziegenhain u. 1931 – 1949 Amtsrichter in Marburg (vgl. Ottfried Keller: Die Gerichtsorganisation des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte der „Landschaft an der Lahn. Marburg: Presseamt der Stadt Marburg 1982, S. 254; Handbuch über den Preußischen Staat 1926 ff.). Hans Natorp veröffentlichte seine Dissertation Der Mangel am Tatbestand (sein Verhältnis zum Versuch, untauglichen Versuch und Putativdelikt) und seine Strafbarkeit. Breslau 1921 (Strafrechtliche Abhandlungen, begründet v. Hans Bennecke, unter Mitwirkung der Herren: Allfeld, E. von Beling, van Calker u. a. hrsg. v. Dr. von Lilienthal. Heft 204). – Assessor: Nach der 2. juristischen Staatsprüfung Anwärter (in Preußen überwiegend ohne Besoldung und mit 5– 6jähriger Wartezeit) der höheren Beamtenlaufbahn mit Befähigung zum Richteramt (Tobias Sander: Jura. In: Volker Müller-Benedict unter Mitarbeit v. Jörg Janßen u. Tobias Sander: Akademische Karrieren in Preußen und Deutschland 1850–1940. Göttingen 2008 (Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte Bd. 6), S. 95 – 139). Dame, Tänzerin von Beruf] nicht ermittelt. Wie geht es Suse?] über eine nähere Verbindung zwischen der wohl gemeinten Suzanne Aimée Cassirer (1896 – 1963), genannt Suse (Tochter von Paul Cassirer) zu Martha Cohen ist nichts ermittelt. Suse Cassirer arbeitete später als Psychoanalytikerin. Ihres Vaters 75. Geburtstag] der 75. Geburtstag von Otto Bondy, dem Vater Toni Cassirers, am 3.10.1919.
52. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brief vom 30. April 1924 Hs., 4 S. Reichenhall, d. 30.4.24. Mozartstr. 5 (Frau P r o f . R a t h k e ) Lieben Freunde! So saß ich in Amerika in einem lieben gastlichen Hause der Freundschaft, wie ich es jetzt tue im Vaterland in gleicher Situation. Der Wechsel des Lebens hält mich frisch u. erfüllt mich mit Dankbarkeit. Es ist hier Alles Anders wieder nach Außen u. ebenso sind es d[ie] beiden Freundinnen. D[ie] Schulfreundin, die sich mit mir in der Liebe u. Verehrung für mein Elternhaus findet u. deren Anhänglichkeit u. Treue durch mein ganzes Leben jetzt wirklich einen so ergreifenden Ausdruck gefunden durch ihre edle Güte. Unser geistiges Band ist d[ie] Musik. Frau R a t h k e , die erst im späteren Leben Gewonnene,
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zugleich mit m[einem] Mann u. dem ihrigen. Sie hat eine so wunderbare Einfühlung u. ein so feines Verständnis für meines Mannes Art u. Philosophie, daß ich sie immer von Neuem bewundere. Mit ihr kann ich so herrlich über ihn sprechen. Sie hat durchaus gewollt, daß ich bei ihr wohne u. da ich ihr wohltuen kann, so habe ich d[ie] Einladung angenommen. Gleich gestern wurde mir durch einen Bekannten aus B e r l i n , ein Blatt der jüdisch-liberalen ZeitungA zugeschickt mit einem Aufsatz von Ihnen, l. H[err] P r o f e s s o r über m[einen] Mann, der mich so sehr freute, u. den ich ihr sofort vorlas, da sie ihrer Augen wegen sich sehr schonen muß. Ich könnte mir keinen besseren Interpreten wünschen als sie. Sie folgt vorausahnend u. Beide waren wir sehr entzückt davon. Lassen Sie mich Ihnen herzlich danken dafür. Ich will versuchen mir einige Exe[mplare] kommen zu lassen um sie zu verschicken. S a n s c o m p a r a i s o n – las ich ihr dann den K i n k e l vor u. wir fanden, daß man doch aus ihm lernen kann u. er von aufrichtiger Verehrung u. Überzeugung durchdrungen. Heut nun schickt mir N a t o r p sein Gedenkbuch u. so fehlt es nicht an angemessener Lektüre. N a t o r p s fand ich sehr gut u. frisch u. hatte 22 sehr gemütliche Tage in ihrem Hause nebst Matthäuspassion in d[er] Lutherisch[en] Kirche u. Vollmond als wir ½12 Nachts heraustraten. Er erfüllte mit seinem Glanz Berg u. Tal dieses mir doch so lieben Städtchens. Dann 2 schöne S e d e r a bende in N a u h e i m u. 5 sehr gemütliche bei Georg u. A m é l i e in Frankf[urt]. Sie haben 3 reizende liebe Kinder. Der Besuch bei F r a n z R o s e n z w e i g war ergreifend. Sein Kopf, das Lachen seiner Augen u. s[eines] Mundes unverändert, sonst gänzlich unbeweglich u. nur mit Hilfe seiner guten Frau ist eine Unterhaltung möglich. München war schön. Hier regnets u. eben ist Gewitter. Mir fehlte Ihr Name bei d[er] K a n t f eier in K ö n [ i g s b e r g ] . Warum haben Sie nicht d[ie] Rede gehalten statt K ü h n [ e m a n n ] . – Nun wollte ich fragen wie es mit d[en] philos[ophischen] Aufsätzen steht. Hat B r a d t schon d[ie] Manuscripte? Ich hätte so gern, daß sie bald erscheinen könnten als notwendige Ergänzung zu d[en] jüd[ischen]. G ö r l a n d ist Ihnen gewiß gern behilflich. – Hoffentlich geht es Ihnen Allen gut, auch Ihnen, liebste Frau u. den Kindern, d. h. Herren Söhnen u. FräuleinB Anna. Denn so weit ist es doch nun schon. – Lassen Sie doch bald mal Etwas hören. Grüßen Sie Görland von F r [ a u ] R a t h k e u. mir, die Sie auch sehr grüßt u. von Ihrem K a n t schwärmt. Mit den herzlichsten Grüßen Ihre Martha Cohen So saß ich in Amerika] den ansonsten einzigen Hinweis auf einen Amerikaaufenthalt Martha Cohens bietet der Kondolenzbrief von Martha Cohen an Thekla Kellermann zum Tode Benzion Kellermanns, der vom 12.7.1923 aus Boston datiert ist (enthalten in Benzion Kellermann Collection, Leo Baeck Institute New York, Call Number: AR 1197/MF 796. Digitalisat via http://cjh.org, Mikrofilm-Aufnahme 61 – 62).
A B
der jüdisch-liberalen Zeitung] d. jüd. liberalen Ztg. Fräulein] Frln.
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Es ist hier Alles Anders wieder nach Außen] Sinn unklar. Die Schulfreundin] nicht ermittelt. Frau R a t h k e ] vgl. M. u. H. Cohen an Cassirer vom 12.8.1905 u. 17.9.1919. ein Blatt der jüdisch-liberalen Zeitung … mit einem Aufsatz von Ihnen, lieber Herr P r o f e s s o r über meinen Mann] vgl. Ernst Cassirer: Hermann Cohen und die Renaissance der Kantischen Philosophie. In: Jüdisch-liberale Zeitung, Nr. 11 vom 25.4.1924, 1. Beilage [unpaginiert = S. 5 – 6]. Abgedruckt in ECW 24, S. 645 – 649. las ich ihr dann den K i n k e l vor] vgl. Walter Kinkel: Hermann Cohen. Eine Einführung in sein Werk. Stuttgart 1924. schickt mir N a t o r p sein Gedenkbuch] vgl. Paul Natorp: Hermann Cohens philosophische Leistung unter dem Gesichtspunkte des Systems. Berlin 1918 (Philosophische Vorträge. Veröffentlicht v. der Kant-Gesellschaft. Unter Mitwirkung v. H. Vaihinger u. M. Frischeisen-Köhler hrsg. v. A. Liebert. Nr. 21). D. i. die Druckfassung einer Rede, gehalten bei der Gedächtnisfeier der Berliner Abteilung der Kant-Gesellschaft am 10.5.1918. Matthäuspassion in der Lutherischen Kirche] veranstaltet vom Marburger KonzertVerein am 18.4.1924 (Karfreitag), vgl. die Ankündigung in Oberhessische Zeitung, Nr. 71 vom 24.3.1924, S. 4. Dazu ein Kurzbericht in Rheinische Musik- und Theaterzeitung 25 (1924), Nr. 29/30 vom 30.8.1924, S. 259. Walter Kinkel berichtet, daß Cohen lange Jahre Vorstand des Marburger Musikvereins gewesen sei u. mitunter Martha Cohen in den Proben zur Matthäuspassion die Altsoli gesungen habe (Kinkel: Hermann Cohen. Eine Einführung in sein Werk. Stuttgart 1924, S. 88). dieses mir doch so lieben Städtchens] Marburg. 2 schöne S e d e r a bende in N a u h e i m u. 5 sehr gemütliche bei Georg u. A m é l i e in Frankfurt] der an den ersten beiden Abenden des Passah-Festes abgehaltene häusliche Gottesdienst heißt Seder; Bad Nauheim ist ein Kurort 65 km südlich von Marburg. – Die Frankfurter Gastgeber sind nicht ermittelt, vermutlich Verwandte M. Cohens. Ein Georg Lewandowski, Jurist in Frankfurt a. M., wird im gemeinsamen Testament von Hermann u. Martha Cohen vom 30.7.1915 als Testamentsvollstrecker geführt, vgl. Sieg: Testament, S. 263. Besuch bei F r a n z R o s e n z w e i g ] Franz Rosenzweig (1886 – 1929), seit 1920 mit Edith, geb. Hahn (1895 – 1979) verheiratet u. in Frankfurt wohnhaft, litt seit 1922 an einer unheilbaren Erkrankung mit fortschreitender Lähmung. Mit Hilfe seiner Frau arbeitete u. kommunizierte er bis zu seinem Tod vom Krankenbett aus (Martin Buber: Franz Rosenzweig †. In: Kant-Studien 35 (1930), S. 517 – 522, hier S. 522; NDB; WBIS). – Zum Verhältnis von Cohen zu Rosenzweig vgl. Cassirers Vortrag Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung am 12. April 1931 im vorliegenden Bd. München war schön] Anlaß nicht ermittelt. K a n t f eier in K ö n i g s b e r g . Warum haben Sie nicht die Rede gehalten statt K ü h n e m a n n ] anläßlich der öffentlichen Festsitzung der Kant-Gesellschaft zur Feier des 200. Geburtstags Kants am 20.4.1924 in Königsberg verlas Arthur Liebert die Rede des erkrankten Hans Vaihinger über Kants Bedeutung für die Philosophie der Gegenwart, danach sprachen Eugen Kühnemann über Kant und Herder, Erich Adickes über Kants Erbe u. Hans Driesch über Kant und das Ganze. Paul Menzer verlas den Vortrag des ebenfalls erkrankten Kieler Professors Heinrich Scholz über Kant als Klassiker der Metaphysik. Am Vorabend hatten in der Festsitzung der Ortsgruppe Königsberg Arnold Kowalewski, Otto Schöndörffer (beide Königsberg) u. Arthur Liebert gesprochen (vgl. den Bericht über die General-Versammlung der Kant-Gesellschaft am 20.4.1924 in Königsberg i/Pr. In: Kant-Studien 29 (1924), S. 634 – 638). Die Universität Hamburg schickte eine von Cassirer angeregte u. von Albert Görland mitverfaßte Grußadresse an die Universität Königsberg (abgedruckt in ECW 24, S. 643–644), für deren Überbringung Görland entsendet worden zu sein
Briefe Hermann und Martha Cohen
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scheint, vgl. Cassirer an Görland vom 20.3.1924 (DVD zu ECN 18). Über die Sitzung der Ortsgruppe Königsberg u. die Beiträge Vaihinger/Lieberts u. Kühnemanns zur öffentlichen Festsitzung der Kant-Gesellschaft berichtete die Frankfurter Zeitung, Nr. 299 vom 22.4.1924. – Zu Kühnemann (1924 an der Universität Breslau) vgl. Cohen an Cassirer vom 7.6.1902. philosophischen Aufsätzen … als notwendige Ergänzung zu den jüdischen] die von Albert Görland u. Ernst Cassirer hrsg. zweibändige Sammlung Hermann Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte erschien 1928. Hermann Cohens Jüdische Schriften, hrsg. v. Bruno Strauß, waren 1924 in 3 Bdn. erschienen. Beide Publikationen erschienen im Rahmen der Veröffentlichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums bzw. der dortigen Hermann Cohen-Stiftung. Vgl. Gustav Bradt: Bericht des Verwaltungsvorstandes über das Jahr 1926. In: Korrespondenzblatt des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums 8 (1927), S. 34–38 mit Anzeige auf S. 40 bzw. S. 45 sowie Julius Guttmann: Bericht des Wissenschaftlichen Vorstandes. In: Korrespondenzblatt des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums 9 (1928), S. 40 – 42. In der jüdischen Presse wird das Erscheinen zuerst mitgeteilt in Menorah, Nr. 3 vom März 1928, S. 192; die erste Rezension erscheint in Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, Nr. 5 vom 15.3.1928. – Sanitätsrat Gustav Bradt war 3. Vorsitzender des Verwaltungs-Vorstands des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums (zu dessen wissenschaftlichem Vorstand Cassirer zählte, vgl. Korrespondenzblatt des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums 1 (1920), Auflistung auf der Rückseite des Titelblatts) u. maßgeblich an der Drucklegung von Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte beteiligt, vgl. Albert Görland u. Ernst Cassirer: Vorrede. In: Hermann Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte Bd. 1, 1928, S. VIIf., dort auch zur langen Vorgeschichte dieser Ausgabe. Fräulein Anna] Cassirers Tochter Anna Elisabeth, zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes 15 Jahre alt. Ihrem K a n t ] vgl. Cassirer: Kants Leben und Lehre. Berlin 1918 (Immanuel Kants Werke. In Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann, O. Schöndörfer hrsg. v. Ernst Cassirer. Bd. 11. Ergänzungsband).
53. Martha Cohen an Ernst Cassirer Briefkarte vom 27. Juli 1924 Hs., 2 S. B e r l i n W [ e s t ] 1 0 , 27.7.24. Dörnbergstr. 6 Lieben Freunde! Mir ist die Kunde geworden, daß Sie, l. H[err] Professor Ihren 50. Geburtstag feiern. Und obwohl die schöne Sitte zwischen uns gefallen[,] uns zu den Geburtstagen noch zu schreiben, so möchte ich doch heut gern bei Ihnen erscheinen. Mögen Sie mit Ihrer l. Frau gesund bleiben u. noch viele Freuden an Ihren Kindern erleben u. Ruhm u. Ehren als Gelehrter Ihnen beschieden sein. – Ich bin seit 10 Tagen zurück, nachdem ich 3 Monate einer herrlichen gemütvollen Zeit auf der Reise verlebt. Hier ist’s herbstlich kühl, die Sonne kalt u. es bedarf der Phantasie sich all den Glanz u. die Schönheit der Welt draußen vorzustellen. – An P i n e s habe ich Depesche mit Rückantw[ort] geschickt.
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Das hat gewirkt, er will heut von G i e ß e n Alles abschicken, hoffentlich auch die allerersten Schriften. Sollte er es nicht tun, so bin ich im Stande nach G [ i e ß e n ] zu fahren. Sie müßten sie also Mitte d[er] Woche haben. Ich hoffe, Sie haben nicht so viel Mühe davon. G ö r l a n d wird helfen. Seinen Brief, mit dem ich ganz übereinstimme, beantworte ich bald. – Es ist sehr nötig, daß d[ie] Aufs[ätze] bald erscheinen, als wichtige Ergänzung d[er] jüd[ischen]. Haben Sie d[en] antis[emitischen] Angriff von Wu n d t gelesen in C [ e n t r a l - ] V [ e r e i n ] Blättern? Und was sagen Sie zu W i l l s t ä t t e r. Herzl[iche] Grüße Ihre Martha Cohen B e r l i n W. 1 0 , 27.7.24. Dörnbergstr. 6] laut Berliner Adreßbücher Adresse Martha Cohens von 1920 bis 1939. daß Sie, l. Herr Professor Ihren 50. Geburtstag feiern] am 24.7.1924. P i n e s … will heut von G i e ß e n Alles abschicken, hoffentlich auch die allerersten Schriften] es ist nicht näher bekannt, welche Ms. Cohens sich 1924 in Pines’ Besitz befunden haben mögen. Gemeint ist Boris Pines, von dem bisher nur gesichert ist, daß er aus Warschau stammte, von WS 1903/04 bis WS 1913/14 Student der Chemie in Gießen war (vgl. das jeweilige Verzeichnis der Studierenden in Personalbestand der Grossherzoglich Hessischen Ludwigs-Universität zu Giessen) u. im Zeitraum von Januar bis April 1914 (da schon cand. chem.) der Kant-Gesellschaft beitrat (vgl. Kant-Studien 19 (1914), S. 297). Bereits die Lebensdaten (geb. 1884, 1942 verschollen bzw. von Berlin nach Auschwitz deportiert) sind unsicher, wie auch die Angaben zum weiteren Lebensweg u. zur Beziehung zu Cohen: Boris Pines war laut Bruno Strauß (Jüdische Schriften II, S. 470) Schüler und Freund Cohens (dies scheint auch eine Bemerkung Heimsoeths an Hartmann vom 6.4.1918 zu bestätigen, vgl. Bw Hartmann-Heimsoeth, S. 293), nach anderen Angaben war Pines sogar Sekretär Cohens und Musikkritiker in Berlin (vgl. Friedrich Niewöhner: Franz Rosenzweig in neuer Sicht. Die Edition als Manipulation des Lesers. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte [Universität Tel Aviv] 15 (1986), S. 491 – 512). In einem Kommentar zu einem Brief Ernst Barlachs an Pines vom 26.1.1926 heißt es über ihn: Dr. phil., Russe. Studierte in Deutschland Philosophie und Geschichte. Einem Rufe an die Universität St. Petersburg zu folgen, verhinderte der Kriegsausbruch 1914, und so blieb er in Deutschland. (Ernst Barlach: Die Briefe II. 1925 – 1938. Hrsg. v. Friedrich Droß. München: Piper 1969, S. 896, mit Verweis auf eine Auskunft von Annemarie Pines-Wisser von 1969). Es konnte bisher keine Dissertation nachgewiesen werden. Walter Kinkel dankte seinem Freunde Boris Pines, Mannheim für freundliche Hinweise zu Cohen im Vorwort zu Kinkel: Hermann Cohen. Eine Einführung in sein Werk. Stuttgart 1924, S. VII. – In Cassirers Besitz befanden sich mehrere Sonderdrucke von kleineren Schriften Cohens, die zuvor Pines gehört hatten (mit Namenszug auf dem jeweiligen Titelblatt), vgl. Cassirers Privatbibliothek (University of Illinois, Chicago, Daley Library, Special Collections). G ö r l a n d wird helfen] vgl. M. Cohen an Cassirer vom 30.4.1924; es geht um die Herausgeberschaft der zweibändigen Sammlung von Hermann Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte, 1928. Seinen Brief … beantworte ich bald] Görlands Schreiben ist nicht überliefert, ein Schreiben M. Cohens an Görland ist nicht ermittelt.
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Es ist sehr nötig, daß die Aufsätze bald erscheinen, als wichtige Ergänzung der jüdischen] vgl. M. Cohen an Cassirer vom 30.4.1924. Haben Sie den antisemitischen Angriff von Wu n d t gelesen in C e n t r a l - Ve r e i n Blättern?] vgl. Heinrich Levy: Professor Max Wundt und der jüdische Neukantianismus. In: CV-Zeitung, Nr. 30 vom 24.7.1924, S. 448 als Reaktion auf den Artikel Wundts Der deutsche Geist in seiner Glanzzeit in der Deutschen Zeitung vom 20.4.1924. Levy beschäftigt sich hauptsächlich mit der Abwehr der Angriffe Wundts auf Cohens angeblich jüdisch-intellektualistische Kantauslegung. Und was sagen Sie zu W i l l s t ä t t e r ] vgl. den Kommentar in der CV-Zeitung, Nr. 287 vom 3.7.1924, S. 403: Wirkungen des Hochschulantisemitismus. Geheimrat Willstätter legt sein Lehramt nieder. Durch die Presse geht die Nachricht, daß der ordentliche Professor der Chemie an der Münchener Universität, der Nobelpreisträger und Ritter des Ordens p o u r l e m é r i t e Richard W i l l s t ä t t e r, sein Lehramt niedergelegt habe, und zwar als offenkundigen Protest gegen judenfeindliche Treibereien im Lehrkörper der Münchener Universität. Den unmittelbaren Anlaß soll die Ablehnung der Berufung zweier jüdischer Gelehrter gegeben haben, die der Lehrkörper unter dem Vorwand bestätigte, daß die beiden Ausländer seien. Wir müssen der Tagespresse die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Nachricht überlassen. Eine Bestätigung an amtlicher Stelle war bis zum Augenblick nicht zu erreichen. Allein schon die Tatsache, daß eine solche Meldung an die Blätter gelangen kann, ohne daß sie sofort von maßgebender Stelle entrüstet bestritten wird, b e l e u c h t e t b l i t z a r t i g d i e L a g e d e r J u d e n i n B a y e r n . Geheimrat Willstätter hat bisher gegenüber all den judenfeidlichen Vorgängen, die Bayern durchwühlt haben, eine vornehme, vielleicht allzu vornehme Zurückhaltung gewahrt. An seine Person haben sich nicht einmal die übelsten völkischen Schreier in der Münchener Studentenschaft jemals herangewagt, z u m a l s i e w u ß t e n , w e l c h e L e i s t u n g e n Wi l l s t ä t t e r b e s o n d e r s a u c h f ü r d i e w i s s e n s c h a f t l i c h e K r i e g s r ü s t u n g ( G a s k a m p f ) a u f z u w e i s e n h a t t e . Wenn er jetzt keinen anderen Ausweg mehr sieht als die Flucht in die Oeffentlichkeit, so beweist dies, wie unerträglich die Zustände für einen jüdischen Gelehrten in München geworden sein müssen./Die S c h ü l e r W i l l s t ä t t e r s veranstalteten in seinem Hörsaal eine Ve r t r a u e n s k u n d g e b u n g , um ihn zum Verbleiben in München zu bestimmen. Bezeichnenderweise waren die Vertreter seiner Fakultät nicht erschienen, sondern die beiden bedeutenden Mediziner Geheimrat v. M ü l l e r und Geheimrat v. S a u e r b r u c h führten Willstätter in die Versammlung ein. Von beiden verlautet, daß sie trotz ihrer politisch stark nach rechts gehenden Einstellung und ihrer ganz unzweifelhaft nationalen Haltung über die Behandlung ihres berühmten Kollegen Willstätter aufrichtig entrüstet seien. W i l l s t ä t t e r äußerte in der Versammlung, er zweifle, ob er nicht besser daran tue, statt den Bitten seiner Studenten nachzugeben, ihnen lieber ein Beispiel zu geben, w i e e i n a n s t ä n d i g e r M e n s c h h a n d e l n m ü s s e . Diese Aeußerung läßt darauf schließen, daß auch noch andere schwerwiegende Dinge im Schoße der Fakultät vorgekommen sein müssen, außer der Ablehnung jüdischer Gelehrter.
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54. Martha Cohen an Ernst u. Toni Cassirer Brief vom 11. Juli 1929 Ts., mit Grußformel von M. Cohens Hd., 1 S. Lützow 3417 Berlin W[est] 10, d. 11.7.29. Dörnbergstr. 6A Lieben Freunde! Mit grosser Freude las ich die Nachricht von Ihrer Wahl zum Rector der Universität Hamburg. Am Liebsten möchte ich Sie heut schon „Ew. Magnificenz“ & [„]Frau Magnifica“ nennen. Doch darf ich das als „gut gezogene Akademikerin“ noch nicht. So nehmen Sie denn heute meine allerherzlichsten Glückwünsche zu dieser höchsten akademischen Würde, ein neues Ruhmesblatt mehr in Ihrem an Erfolgen & Ehrungen reichen Dasein. Bleiben Sie gesund zusammen & haben noch viele Freuden in Beruf, Wissenschaft & Familie. – Vielen Dank für Ihren lieben ausführlichen Brief & die Rücksendung der Aufzeichnungen, die Sie wol nicht benutzen konnten & für den Spinoza Aufsatz. Ihr schönes, mit Görland gemeinsam verfasstes zustimmendes Schreiben zur Gründung einer „Hermann Cohen-Gesellschaft“ ist ein wichtiges & bedeutungsvolles Dokument für den Erfolg derselben. Der Gedanke findet allgemeine, z[um] T[eil] begeisterte Zustimmung bei alten Marburgern, Deissmann eingeschlossen, der sich bei einem Besuche, den Pines ihm gemacht, sehr dafür ausgesprochen & seinen Namen selbstverständlich unter den Aufruf setzt. Ich bin ja dankbar, dass es mir vergönnt ist, in meinem Alter noch so aktuell für meinen Mann eintreten zu können. Nochmals herzliche Wünsche u. Grüße, auch für Ihre Kinder, Ihre Martha CohenB Lützow 3417 … Dörnbergstr. 6] laut Berliner Adreßbücher lautete Cohens Telefonanschluß 1913–1919 Lzw. 4464 mit der Adresse Luitpoldstr. 32. Martha Cohens Anschluß lautete 1920 noch Lzw. 4464; 1931 u. 1932 Lzw. 3417, Adresse jeweils Dörnbergstr. 6. Die übrigen Jahrgänge der Berliner Adreßbücher weisen keinen Telefonanschluß Martha Cohens aus, allerdings von 1920 bis 1939 die Adresse Dörnbergstraße 6 (vgl. M. Cohen an Cassirer vom 27.7.1924). Wahl zum Rector der Universität Hamburg] die Wahl Cassirers zum Rektor für das akademische Jahr 1929/30 hatte am 6.7.1929 stattgefunden. Vgl. z. B. die Meldung (mit Porträtfotografie von E. Bieber): Professor Dr. Ernst Cassirer, der neue Rektor der Hamburgischen Universität. In: Hamburger Fremdenblatt 101 (1929), 3. Vierteljahr, Nr. 187 vom 8.7.1929, 2. Beilage (Kupfertiefdruck-Beilage), S. 1. Berliner Tageblatt u. Frankfurter Zeitung meldeten die Rektorwahl im fraglichen Zeitraum nicht; in der jüdischen Presse findet sich die Nachricht erst einige Tage später (vgl. die A B
Dörnbergstr. 6] Dönbergstr. 6 Nochmals herzliche Wünsche … Martha Cohen] von M. Cohens Hd.
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Agenturmeldung Ernst Cassirer, Rektor der Universität: Hamburg, 9. Juli (J[ewish] T[elegraphic] A[gency]). In: Die Stimme, Nr. 81 vom 18.7.1929, S. 9; Meldung im Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt a. Main, Nr. 12 vom Aug. 1929, S. 433 sowie Dr. S. W.: Ernst Cassirer, Rektor der Universität Hamburg. In: CV-Zeitung, Nr. 31 vom 2.8.1929, S. 407 – 408). Rücksendung der Aufzeichnungen] für die Ausgabe: Hermann Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte. Hrsg. v. Albert Görland u. Ernst Cassirer. 2 Bde., Berlin 1928 (Veröffentlichungen der Hermann Cohen-Stiftung bei der Akademie der Wissenschaft des Judentums). Spinoza Aufsatz] da Cohens Aufsatz Spinoza über Staat und Religion, Judentum und Christentum von 1915 bereits in Jüdische Schriften III, S. 290 – 372 abgedruckt worden war, kommt hier in Frage Cohens Rezension über Freudenthal, J., Spinoza. Sein Leben und seine Lehre. 1. Bd. Das Leben Spinozas. Stuttgart, 1904. Frommanns Verlag. In: LZ, Nr. 36 vom 3.9.1904. Diese Rezension ist als letzter Text in Bd. 2 von Hermann Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte, 1928, S. 501–503 mit einer Reihe sinnentstellender Druckfehler abgedruckt. – In Frage kommt noch: Ein ungedruckter Vortrag Hermann Cohens über Spinozas Verhältnis zum Judentum. Eingeleitet von Franz Rosenzweig. In: Festgabe zum zehnjährigen Bestehen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums 1919 – 1929. Berlin [1929], S. 42 – 68 (abgedruckt in HCW 15, S. 347 – 388), nach dem Stenogramm eines Vortrags, den Cohen nach dem 3.4.1910 in Halberstadt gehalten hat. Im genannten Band folgt der Beitrag Cohen/Rosenzweigs unmittelbar auf denjenigen Cassirers (Die Idee der Religion bei Lessing und Mendelssohn, S. 22 – 41, nach dem Hamburger Vortrag vom 21.4.1929). Die Festgabe zum zehnjährigen Bestehen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums erschien frühestens Juli 1929 (vgl. LZ, Nr. 14 vom 31.7.1929). – Cassirers Aufsatz Spinozas Stellung in der allgemeinen Geistesgeschichte kann nicht gemeint sein, denn der erschien nach dem Vortrag vom 17.3.1932 erst in Der Morgen 8 (1932), Nr. 5 vom Dez. 1932, S. 325 – 348. Schreiben zur Gründung einer „Hermann Cohen-Gesellschaft“] Schreiben nicht überliefert. Eine Hermann Cohen-Gesellschaft ist in der fraglichen Zeit u. Zusammensetzung nicht zustande gekommen, auch ein vier Jahre zuvor unternommener Vorstoß von Arthur L. Löwenstamm scheint folgenlos geblieben zu sein (vgl. Hermann Cohen-Gesellschaft zur Erneuerung des religiösen Judentums. Ein Aufruf zu ihrer Gründung. Von Rabbiner Dr. Löwenstamm – Spandau. In: Jüdisch-liberale Zeitung 4 (1924), Nr. 9 vom 11.4.1924, 1. Beilage, [S. 5]). Bereits im Mai/Juni 1918 hatten Natorp u. Cassirer, u. U. auch Boris Pines, letztlich erfolglose Bemühungen unternommen, ein Hermann-Cohen-Archiv in Marburg zu begründen, das Teile der Bibliothek und die Ms. beherbergen sollte. Haupthindernis waren die fehlenden Geldmittel (vgl. die Briefe von Natorp an vermutlich Walter Kinkel vom 17.5. u. 26.6.1918, abgedruckt in Helmut Holzhey: Das Hermann-Cohen-Archiv in Zürich. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 31 (1977), S. 443 – 452 sowie Cassirer an Natorp vom 24.6.1918 in Sieg, S. 507 f.). begeisterte Zustimmung bei alten Marburgern, Deissmann eingeschlossen] der in Berlin lehrende Theologe Gustav Adolf Deißmann (1866 – 1937), aus rheinischer Pastorenfamilie, hatte seit SS 1891 an der Universität Marburg studiert, wo er 1892 promovierte und habilitierte, zuvor Pfarrerausbildung am Predigerseminar Herborn und in Wiesbaden. Deißmann nahm noch als Privatdozent an Lehrveranstaltungen teil u. hörte u. a. bei Wilhelm Herrmann, Julius Wellhausen u. Cohen. Dazu berichtet Deißmann: H e r m a n n C o h e n , dem ich in schwerer Zeit, als sein Augenleiden anfing [1892], A b r a h a m K u e n e n s „Volksreligion und Weltreligion“ vorlesen durfte mit langen daran angeknüpften nächtlichen Aussprachen, gab mir, schon damals eine priesterliche Persönlichkeit von hohem Range, in Vorlesung, Seminar und Zwiesprache außerordentlich viel Anregung und würdigte mich eines bis zu
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seinem Heimgang niemals veränderten gütigen Vertrauens. Deißmann blieb bis 1895 an der Universität Marburg, war danach Pfarrer und Lehrer am Predigerseminar in Herborn u. wurde 1897 nach Heidelberg berufen, Ostern 1908 nach Berlin. Vgl. Deißmanns Selbstdarstellung in Erich Stange (Hrsg.): Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Wm. Adams Brown, Adolf Deissmann, Ludwig Ihmels, Rudolf Kittel, Adolf Schlatter, Reinhold Seeberg, I. R. Slotemaker de Bruine, Theodor Zahn. Leipzig 1925, S. 43–78; Zitat auf S. 51; PersMarburg; WBIS; NDB. – Zu Pines vgl. M. Cohen an Cassirer vom 27.7.1924. in meinem Alter] Martha Cohen war am 20.6.1929 69 Jahre alt geworden.
55. Martha Cohen an Ernst Cassirer Gruß auf der Rückseite einer Porträtfotografie Hermann Cohens, undatiert Aufnahmedatum: Mai 1914; Fotograf: D. Grousiner Riga Hs., 1 S. Fundort: Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Box 6, folder 152
Vorderseite
Rückseite Text: Herzliche Grüße.
Briefe Hermann und Martha Cohen
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Gruß auf der Rückseite einer Porträtfotografie … Aufnahmedatum: Mai 1914] die Fotografie, deren Hersteller seinen Stempel in der rechten unteren Ecke einprägte, entstand 1914 in Riga. Dort hielt sich Cohen im Zuge seiner auf Einladung russischer Juden veranstalteten Vortragsreise nach St. Petersburg, Moskau, Riga, Wilna und Warschau im Mai 1914 auf. Vgl. die Meldung in AZJ 78 (1914), Nr. 23 vom 5.6.1914, S. 276 sowie kürzer, sonst nahezu gleichlautend in Berliner Tageblatt, 7. Beiblatt vom 3.6.1914. Einen Bericht aus St. Petersburg vom 14.5. bietet Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ 78 (1914), Nr. 21 vom 22.5.1914, S. 3. Cohen blickte 1916 auf die Reise zurück, vgl. Der polnische Jude. In: Der Jude 1 (1916/17), Heft 3 vom Juni 1916, S. 149–156, hier S. 153. – Es existiert eine Variante dieser Aufnahme, die Cohen neben dem Sessel stehend und ohne Buch zeigt. Ein Exemplar dieser Variante ist aus dem Besitz von Albrecht Strauß (geb. 1921) bekannt und trägt die Widmung von Martha Cohen: Zur Erinnerung an Hermann Cohen den Lehrer deines Vaters [Bruno Strauß] gewidmet von Martha Cohen Berlin d. 25. April 1934 (vgl. Hermann Cohen (1842 – 1918). Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Marburg vom 1.7. bis 14.8.1992. Ausstellung u. Katalog: Franz Orlik. Marburg 1992, S. 160, Abb. auf S. 159). Da Martha Cohen die Fotografie noch zu einem so späten Zeitpunkt verschenkt hat, kann auch der Zeitpunkt, an dem Cassirer sein Exemplar erhalten hat, nicht näher eingegrenzt werden.
ANHANG
ZUR TEXTGESTALTUNG
1. Zeichen, Abkürzungen, Siglen Sperrdruck Kursivdruck [] () 〈〉 ] ¢ / †
Hervorhebung Cassirers; in Zitaten: Hervorgehobenes Herausgeberrede Eckige Klammern: Hinzufügungen des Herausgebers Runde Klammern: in Cassirers Manuskript Spitzklammern: eckige Klammern in Cassirers Ms. Schließende eckige Klammer: Abgrenzung des Lemmas Titel und Auflage der Schrift in Cassirers Besitz Schrägstrich in Anmerkungen signalisiert Zeilenwechsel verstorben
Abkürzungen Abt. ahd. Anm. Aufl. Aug. bearb. bes. betr. Bd., Bde. Bg., Bgn. Bl. bzw. Cap. cf. d. dass. ders. Dez. d. h. d. i. Dr, Dr. dt. durchges.
Abteilung althochdeutsch Anmerkung Auflage August bearbeitet besonders betreffend Band, Bände Bogen, Bögen Blatt beziehungsweise Capitulum confer in Datumsangabe: den dasselbe derselbe Dezember das heißt das ist Doktor deutsch durchgesehen
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ed. éd. etc. erw. f., ff. Febr. fol. geb. Hd. Hrsg. hrsg. Hrsg.-Anm. hs. Hs. Jan. Jg. Kap. L l. Lib. m. e. U. msl. Ms., Mss. Nov. Nr. o. J. Okt. o. S. r S. s. scil. s. d. Sept. s. o. Sp. SS Str. s. u. transl. Ts. u. u. a. übers. u. d. T.
Anhang
edidit, edited, edition édition et cetera erweitert folgende Februar folio geboren Hand Herausgeber herausgegeben Herausgeber-Anmerkung handschriftlich Handschrift Januar Jahrgang Kapitel (hochgestellt) nachfolgende Leerzeile(-n) getilgt liebe, lieben, lieber, liebes Liber mit eigenhändiger Unterschrift maschinenschriftlich Manuskript, Manuskripte November Nummer ohne Jahresangabe Oktober ohne Seitenangabe recto Seite siehe scilicet (das heißt) siehe dort September siehe oben Spalte Sommersemester Straße siehe unten translated, translation Typoskript und unter anderem; und andere übersetzt unter dem Titel
Zur Textgestaltung
unles. usw., u. s. w. u. U. v v. v. a. verb. verm. vgl. Vol. WS Z. z. B.
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unleserlich und so weiter unter Umständen verso von vor allem verbesserte vermehrte vergleiche Volume, Volumen Wintersemester Zeile zum Beispiel
Siglen Mit Rücksicht auf ein internationales Publikum ist auf weitere Abkürzungsmöglichkeiten von Titeln und bibliographischen Angaben verzichtet worden. AA AZJ BEdPh
Kant: Akademie-Ausgabe Allgemeine Zeitung des Judentums Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Philosophen. Bearb. v. Bruno Jahn. München 2001. Berliner Adreßbücher Datenbank: http://adressbuch.zlb.de Bw Hartmann-Heimsoeth Frida Hartmann u. Renate Heimsoeth (Hrsg.): Nicolai Hartmann und Heinz Heimsoeth im Briefwechsel. Bonn 1978. DLZ Deutsche Literaturzeitung DVD zu ECN 18 ECN 18 enthält eine Auswahl des Briefwechsels Cassirers. Die zugehörige DVDROM enthält Reproduktionen des größten Teils der etwa 1400 bislang aufgefundenen Briefe von und an Ernst Cassirer. Der Briefwechsel Cassirers ist auch zugänglich über das Internetangebot der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (http:// agora.sub.uni-hamburg.de/subcass/digbib/ ssearch). ECN Ernst Cassirer: Nachgelassene Manuskripte und Texte ECW Ernst Cassirer: Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe
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EP I/II Geflügelte Worte
Germanistenlexikon GgA HCW HGA 3
HN Holzhey I/II
Jüdische Schriften I/II/III KrV KPM KpV KU LZ NDB PhB PersMarburg
Anhang
Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. 1 u. 2. Berlin 1906 – 1907. Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes gesammelt u. erläutert v. Georg Büchmann. Fortgesetzt von Walter Robert-tornow [!]. 22., verm. u. verb. Aufl. (129. – 139. Tausend) bearb. v. Eduard Ippel. Berlin 1905. Internationales Germanistenlexikon 1800 – 1950. Hrsg. u. eingeleitet v. Christoph König. 3 Bde. Berlin 2003. Göttingische gelehrte Anzeigen Hermann Cohen Werke Martin Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt a. M. 1991 (Martin Heidegger Gesamtausgabe. Abt. 1: Veröffentlichte Schriften 1910 – 1976 Bd. 3). Hochschul-Nachrichten. München. Helmut Holzhey: Ursprung und Einheit. Die Geschichte der ‚Marburger Schule‘ als Auseinandersetzung um die Logik des Denkens. Basel/Stuttgart 1986 (Cohen und Natorp Bd. 1). – Ders.: Der Marburger Neukantianismus in Quellen. Zeugnisse kritischer Lektüre, Briefe der Marburger, Dokumente zur Philosophiepolitik der Schule. Basel/Stuttgart 1986 (Cohen und Natorp Bd. 2). Hermann Cohens Jüdische Schriften. 3 Bde., 1924. Kant: Kritik der reinen Vernunft Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik, 1929. Kant: Kritik der praktischen Vernunft Kant: Kritik der Urteilskraft Literarisches Zentralblatt Neue Deutsche Biographie Philosophische Bibliothek Verzeichnis des Personals und der Studierenden auf der Königl. Preußischen Universität Marburg/Personal-Verzeichnis der Königlichen Universität Marburg (http:// archiv.ub.uni-marburg.de/opus/schriftenreihen_ebene2.php?sr_id=24&la=de)
Zur Textgestaltung
PJ PSF I/II/III PWLZ Sieg
Sieg: Testament
Toni Cassirer VV Berlin VV Marburg
WA WBIS Würffel
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Preußische Jahrbücher Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen Bd. 1 – 3. Philosophische Wochenschrift und Literatur-Zeitung Ulrich Sieg: Aufstieg und Niedergang des Marburger Neukantianismus. Die Geschichte einer philosophischen Schulgemeinschaft. Würzburg 1994 (Studien und Materialien zum Neukantianismus. Hrsg. v. H. Holzhey u. E. W. Orth. Bd. 4). Ulrich Sieg (Hrsg.): Das Testament von Hermann und Martha Cohen. Stiftungen und Stipendien für jüdische Einrichtungen. In: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 4 (1997), S. 251 – 264. Toni Cassirer: Mein Leben mit Ernst Cassirer. Hamburg 2003. Verzeichnis der Vorlesungen an der Königlichen Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin Verzeichnis der Vorlesungen welche … an der Universität Marburg gehalten werden sollen, mit Angabe des Halbjahrs (http:// archiv.ub.uni-marburg.de/opus/schriftenreihen_ebene2.php?sr_id=15&la=de) Goethes Werke (Weimarer Ausgabe) World Biographical Information System Reinhard Würffel: Lexikon deutscher Verlage von A – Z. 1071 Verlage und 2800 Verlagssignete vom Anfang der Buchdruckerkunst bis 1945. Adressen – Daten – Fakten – Namen. Berlin 2000.
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Anhang
2. Regeln der Textgestaltung Alle Texte sind ohne Auslassungen vollständig wiedergegeben. Den Text begleiten drei Anmerkungsarten: 1) Cassirers eigene Anmerkungen stehen als Fußnoten und sind, wie sonst in Cassirers Werken, auf jeder Seite jeweils neu numeriert. Im laufenden Text sind sie mit hochgestellten Indexziffern bezeichnet. 2) Editorisch-philologische Anmerkungen zum Ms.-Befund stehen mit Lemma-Angabe ebenfalls als Fußnoten und sind im Text durch hochgestellte lateinische Großbuchstaben markiert; hier werden auch Streichungen mitgeteilt, die von Belang sind. 3) Herausgeber-Anmerkungen sind durchnumeriert, im laufenden Text durch tiefgestellte Indexziffern bezeichnet und im Anhang zusammengefaßt; ausgenommen bei den Schreiben Cohens an Cassirer, wo die Annotationen direkt auf den Brieftext folgen. Auf Markierungen des Seiten- und Zeilenumbruchs des Originalms. ist zugunsten der Lesbarkeit des Textes verzichtet worden. Ergänzungen von ausgesparten Wörtern sind – wie Eingriffe der Herausgeber (Einfügungen, Änderungen) – durch eckige Klammern [ ] kenntlich gemacht bzw. werden in einer editorischen Anmerkung mitgeteilt. Cassirer zitiert in seinen Mss. mit einfachen und doppelten Anführungszeichen (‚…‘, „…“, ‘…’, “…”), die manchmal schwer voneinander zu unterscheiden sind, sowie mit Guillemets (›…‹, »…«). Weil eine einheitliche Verwendung dabei nicht feststellbar ist, wird diese Zeichensetzung beibehalten. In einigen Fällen handelt es sich bei den in Anführungszeichen gesetzten Phrasen um uneigentliche Rede oder Hervorhebungen Cassirers und nicht um eigentliche Zitate. Uneinheitlichkeiten und Eigenarten in Cassirers Orthographie (z. B. ss und ß, ae und ä, gibt und giebt usw.) und Interpunktion wurden beibehalten, ebenso die Besonderheiten von Schreibweisen (z. B. anderseits, zu einander, jenseit). Cassirer läßt Kommata öfters weg oder setzt sie, wo sie unüblich sind; Texteingriffe wurden nur in Fällen vorgenommen, wo eine Sinnentstellung entstehen könnte. Bei Kürzeln ist die Schreibweise Cassirers uneinheitlich, an vielen Stellen auch undeutlich. Cassirer verwendet sowohl Wortabkürzungen (mit Punkt), z. B. symbol. F., wie auch Kürzel (ohne Punkt) bei Wörtern mit der Endung ung. Abgekürzte Wörter wurden in eckigen Klammern ergänzt, wobei aber nicht erkennbar ist, ob bei der Endsilbe ung das u, das n oder beides suspendiert wurde. Wo der Sinn dieser Kürzel eindeutig ist, wurden sie im Gegensatz zu den Abkürzungen ohne Nachweis aufgelöst. Eindeutige Schreibfehler (z. B. gelegentlich vergessene Akzente oder uneinheitliche An- und Abführungszeichen) wurden stillschweigend berichtigt. Die uneinheitliche Schreibung f oder f. bzw. ff oder ff. wurde stillschweigend zu f. und ff. vereinheitlicht. Mehrfach verschriebenes ad in dem englischsprachigen Text wurde stillschweigend mit and korrigiert. Lochungsverluste an einzelnen Buchstaben in den Briefen wurden stillschweigend ergänzt. Die vielfach gebrauchten
Zur Textgestaltung
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unterschiedlichen Kürzel für den Namen Heidegger wurden ohne gesonderten Hinweis aufgelöst. Alle Hervorhebungen Cassirers bleiben erhalten. Unterstrichene Wörter bzw. Wortteile in Cassirers Text sind, wie sonst in seinen Werken, durch Sperrung ausgezeichnet. Die allgemeinen Regeln der Textgestaltung gelten auch für den englischsprachigen Text. Eingriffe in den Text wurden hier nur im Falle schwerwiegender Fehler vorgenommen, die das Verständnis beeinträchtigt hätten. Ansonsten wurden Cassirers charakteristischer Duktus und seine mitunter ans Deutsche erinnernde Syntax beibehalten. Cassirers Zitierungen sind anhand der von ihm benutzten Ausgaben überprüft worden; Abweichungen bei Hervorhebungen und bloß orthographische Modernisierungen sind nicht mitgeteilt. Die angeführten Quellen sind im Literaturverzeichnis vollständig aufgeführt. Von den Herausgebern nachgewiesene Zitate sind Cassirer zugänglichen Quellen entnommen und folgen nach Möglichkeit den von ihm (hier oder in anderen Schriften) zitierten Ausgaben. Hierfür wurde eine mehrfach ergänzte Liste der Bücher in Cassirers Privatbibliothek zugrunde gelegt.1
1
Diese Liste enthält die Verkaufsliste der Bibliothek Ernst Cassirers (Bernard M. Rosenthal, Inc. Rare Books – Manuscripts. 120 East 85th Street New York, NY 10028, USA, Ts. o. J.) sowie einen Karteikatalog (Department of Philosophy, University of Illinois, Chicago), dessen Erstellung beim Erwerb der Bibliothek Cassirers durch die University of Illinois Library (Chicago) veranlaßt wurde, eine Erfassung der Separata und anderer unkatalogisierter Schriften aus Cassirers Bibliothek im Besitz der University of Illinois Library sowie eine Liste von Teilen der Bibliothek aus Familienbesitz.
EDITORISCHE HINWEISE
1. Ziel und Gestalt der Ausgabe »Ernst Cassirer · Nachgelassene Manuskripte und Texte« Ziel der ECN ist die Präsentation nachgelassener und bis dato nicht publizierter Mss. Cassirers. Dabei werden Cassirers Ms.-Texte annähernd textdiplomatisch wiedergegeben. Editorische Eingriffe (Emendationen und Konjekturen) wurden auf das Notwendigste beschränkt und sind immer angegeben. 2. Überlieferungsgeschichte und Inhalt dieses Bandes Die in diesem Band publizierten Mss. Ernst Cassirers befinden sich im Nachlaß Cassirers in der Beinecke Rare Book and Manuskript Library der Yale University, New Haven (USA).2 Der vorliegende Band besteht aus zwei Teilen. Ziel des 1. Teils ist die Veröffentlichung der im Nachlaß Cassirers überlieferten Zeugnisse über seine Davoser Vorträge 1929. Dazu treten die Notizen Cassirers über Heideggers Kant und das Problem der Metaphysik. Ziel des 2. Teils ist die Dokumentation von Cassirers Vorträgen über Hermann Cohen sowie – als Anhang – die kommentierte Veröffentlichung der 55 überlieferten Schreiben Hermann und Martha Cohens an Ernst (und Toni) Cassirer. Alle drei Teile bedurften tiefer Kommentierung, die Davoser Vorträge vor allem wegen des ungeklärten zeitlichen Ablaufs. Die Vorträge Cassirers über Cohen bedurften einer Rekontextuierung in den unterschiedlichen jüdischen öffentlichen und halböffentlichen Zusammenhängen, in denen sie vorgetragen wurden. Für die Briefe Cohens an Cassirer war außer der üblichen biographischen und historischen Kommentierung eine Aufschlüsselung der vielen Anspielungen auf den auch akademisch verbreiteten Antisemitismus nötig. Die Vorträge Cassirers und Heideggers und die Diskussion zwischen Cassirer und Heidegger bei den II. Davoser Hochschulkursen im März 1929 haben eine umfangreiche Sekundärliteratur und vielfache Legendenbildung hervorgerufen, obwohl Cassirers umfangreiches Vortragsmanuskript Heidegger-Vorles[ung] (Davos) März 1929 und die im Anschluß an die Hochschulkurse verfaßten Notizen zum Heidegger-Aufs[atz] der
2
Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98 bzw. Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Series II: Correspondence. Eine Geschichte der Überlieferung des Cassirer-Nachlasses ist im ersten Band dieser Ausgabe nachzulesen, ECN 1, S. 279 – 284.
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Forschung bisher unbekannt geblieben sind. Dieses Desiderat wird im vorliegenden Bd. behoben. Die Rekonstruktion der Heidegger-Vorl[esung] gelang v. a. im Vergleich mit den Protokollen von Helene Weiss und Hermann Mörchen, die Inhalt und Ablauf der Vorträge sowie der Diskussion mit Heidegger sichtbar machen. Das ist aus den im Cassirer-Nachlaß vorgefundenen Zeugnissen nicht zu entnehmen. Die Protokolle dokumentieren zugleich die Abweichungen des Wortlauts von Cassirers tatsächlich gehaltenem Vortrag zum überlieferten Ms. Die bisher in Cassirers Mss. verbliebenen Lücken wurden geschlossen und die Verweise auf andere Mss. Cassirers entschlüsselt. Das situativ bedingte Eingehen Cassirers auf die Vorträge von Hendrikus Josephus Pos z. B. (siehe S. 34 im vorliegenden Bd.) ist nur in den Protokollen überliefert. Diese Möglichkeit, direkte Zeugnisse eines Vortrags von Cassirer mit dem Vortragsms. zu vergleichen, ist im Rahmen der ECN von besonderem Wert. Die Herausgeber haben sich daher für eine synoptische Darstellung dieser Textgruppe entschlossen, um diesem Forschungsdesiderat umfassend nachzukommen. Cassirers Notizen über Heideggers Kant und das Problem der Metaphysik nehmen ausdrücklich auf die Davoser Hochschulkurse Bezug und artikulieren dabei nicht nur den prinzipiell-philosophischen Gegensatz zu Heidegger, sondern führen auch den der Auffassungen von Aufklärung weiter aus: Kant dringt in die letzen Tiefen – aber er bleibt in dieser Tiefe noch „Aufklärer“, der Licht-Spender. Heideggers Philosophie will uns das Dunkel spenden – uns den ›Abgrund‹ erkennen lassen […] Hier kein „Vergleich“ möglich.3 Das Konvolut dieser Notizen wurde nach ausführlicher Analyse für den vorliegenden Band erstmals und vollständig in eine plausible Ordnung gebracht. Die ungedruckten Vorträge Cassirers über Cohen bieten – jeder für sich – Einblick in unterschiedliche Facetten von Cassirers festem Eingebundensein in spezifisch jüdische Kontexte, das allerdings erst durch das Internetarchiv jüdischer Periodika4 und das Internetarchiv Exilpresse5 in seinem vollen Umfang sichtbar und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht worden ist. Die weit über 100 dort einsehbaren Berichte über Cassirer bzw. seine Publikationen in jüdischen Organen zeigen, daß sich seine Beziehung zu Cohen nicht auf eine bloße Anhänglichkeit an seinen verehrten philosophischen Lehrer und väterlichen Freund reduzieren läßt, sondern vielmehr, daß die jüdische Presse, angefangen mit der Vermeldung von Cassirers Habilitation im Sommer 1906 die Karriere dieses späterhin so prominenten deutschen Juden aufmerksam begleitet
3
Siehe S. 79 im vorliegenden Bd. Volltext-Datenbank http://www.compactmemory.de 5 Volltext-Datenbank http://deposit.ddb.de/online/exil/exil.htm (seit Juli 2012 nur noch in den Räumen der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig/Frankfurt zugänglich). 4
Editorische Hinweise
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hat – ebenso wie Cassirer seinerseits als Teil der jüdischen Öffentlichkeit agiert hat. Der in diesem Band abgedruckte Text Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum, ein Vortrag, den Cassirer am 12.4.1931 in Hamburg bei der Franz-Rosenzweig-Gedächtnisstiftung gehalten hat, geht näher auf Cohens Verhältnis zu Rosenzweig ein, worüber Cassirer sonst keine Zeugnisse hinterlassen hat. In dem Vortrag vom 16.6.1935 [The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion], gehalten vor der studentischen Organisation Oxford University Jewish Society,6 sowie in der kleinen Vortragsdisposition Hermann Cohen (Malmö, 23.3.41) bestimmt Cassirer viel weiter ausholend seinen Gegenstand, als er dies in seinen deutschsprachigen, gedruckten wie ungedruckten Vorträgen zu tun pflegte, da er sich an ein Publikum wendet, das, anders als das jüdische Bildungsbürgertum Deutschlands, allenfalls den Namen Hermann Cohens kennt. Die Briefe Hermann und Martha Cohens an Ernst Cassirer, 55 Schreiben 1901 – 1929, sind ihrem Charakter nach zum weit überwiegenden Teil kultur-, philosophie- und wissenschaftsgeschichtlich von hohem Wert, da Cohen weniger eigene Befindlichkeiten oder Privates auszutauschen pflegte, sondern teils sehr sachlich, teils sarkastisch und kritisch zeitgenössische Ereignisse, zumal akademische, brieflich kommentierte, wie das bereits die Edition der Schreiben Cohens an Natorp deutlich gemacht hat.7 Die Briefe geben darüber hinaus den besten Kommentar ab zu den Vorträgen Cassirers über Cohen, weil sie Einblick in deren Verhältnis gestatten. Cassirer hat zu keinem Zeitpunkt Rechenschaft über seine persönliche Beziehung zu Cohen abgelegt. Es wiegt daher besonders schwer, daß Cassirers Briefe an Cohen nicht überliefert sind. Erst kurz vor seinem Tod hat Cassirer, als Paul Arthur Schilpp ihn um die Abfassung einer Selbstbiographie für Bd. 6 der Reihe der Library of Living Philosophers (erschienen 1949) bat, seiner Frau gegenüber das Bedürfnis geäußert, das Verhältnis zu seinem Lehrer Cohen darzustellen. Toni Cassirer berichtet in ihren Lebenserinnerungen: Die einzige Äußerung, an die ich mich in diesem Zusammenhang erinnere, ist die, daß er zu mir sagt: „Nun werde ich mein Verhältnis zu Cohen endlich doch für die anderen klarmachen, und darauf freue ich mich. Meine Bindung an ihn und meine spätere Loslösung von ihm – beides ist wichtig.“8
6
Die Edition dieses Vortrags ersetzt die frühere, durch Dominik Kaegi vorgenommene, vgl. Ernst Cassirer: Cohen’s Philosophy of Religion. In: Internationale Zeitschrift für Philosophie 1996, Heft 1, S. 89 – 104. 7 Helmut Holzhey: Der Marburger Neukantianismus in Quellen. Zeugnisse kritischer Lektüre, Briefe der Marburger, Dokumente zur Philosophiepolitik der Schule. Basel/Stuttgart 1986 (Cohen und Natorp Bd. 2). 8 Toni Cassirer: Mein Leben mit Ernst Cassirer. Hamburg 2003, S. 94.
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3. Für die Bearbeitung dieses Bandes herangezogene Manuskripte a) Heidegger-Vorles[ung] (Davos) März 1929 (Konvolut 94, Box 42, folder 839) 1) Äußere Beschreibung: Umschlag: Papier: braun; 1 Bl. im Format 25 v 20,4 cm; bedruckt; Tinte: blau, roter Kugelschreiber, Bleistift.
Text: verschiedene Sorten Papier: Bl. 1–21 grau-weiß; überwiegend r/v beschrieben; von Cassirer paginiert (r rechts oben, v links oben) auf Bl. 5r-8v: 9 – 16, auf Bl. 12r-15v: 1 – 8, auf Bl. 16r: (unterstrichen) 8a, die übrigen Bl. unpaginiert; Wasserzeichen: keine; 9 Bgn. im Format 33v21 cm, mittig gefaltet zu 18 Bl. im Format 16,5v21 cm, dazu 3 einzelne Bl. im Format 16,5v21 cm; angefalteter Rand von 4,5 cm; Tinte: bläulich-schwarz, vereinzelte Bleistiftergänzungen und -streichungen. Bl. 22 – 24: gelblich-weiß; r/v beschrieben; unpaginiert; Wasserzeichen: zwei fünfzackige Sterne; 1 Bg. im Format 34v21 cm, mittig gefaltet zu 2 Bl. im Format 17v21 cm, dazu 1 einzelnes Bl. im Format 17v21 cm; angefalteter Rand von 4,2 cm; Tinte: blau, vereinzelte Bleistiftergänzungen und -streichungen. Bl. 25 – 32: gelblich, rot kariert; r/v beschrieben; unpaginiert; Wasserzeichen: keine; 4 Bgn. im Format 36v22,5 cm, mittig gefaltet zu 8 Bl. im Format 18v22,5 cm; Tinte: blau. 2) Datierung: Das Ms. ist auf März 1929 datiert bzw. anläßlich der Vortragstermine Cassirers während der II. Davoser Hochschulkurse (18., 19. u. 25.3.1929) verfaßt worden.9 Cassirers Beschäftigung mit den Themen seiner Davoser Vorträge läßt sich darüber hinaus bis ins Jahr 1928 zurückverfolgen. Der thematische und chronologische Zusammenhang ist belegt durch die Einschaltung von Teilen des Ms. von Der Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen philosophischen Anthropologie/Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28 sowie des Ms. vom 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen: Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie (datiert in Box 31, folder 610, Bl. 45 u.: beendet 16/IV 28) in die Davoser Vorträge.
9
Die Daten der Vorträge Cassirers sind dokumentiert in [Gottfried Salomon/ Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929. Davos: Heintz, Neu & Zahn [1929], S. 90– 95. Helene Weiss bestätigt diese Daten in ihren Aufzeichnungen vom 19. u. 25. März 1929, siehe S. 22 u. 44 im vorliegenden Bd.
Editorische Hinweise
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3) Inhalt: Bl. 1r trägt die Überschrift H e i d e g g e r- Vo r l e s [ u n g ] (Davos) M ä r z 1 9 2 9 u. bildet mit Bl. 21 einen die Bl. 2 – 20 zusammenfassenden Bg., Bl. 1v leer, Bl. 2r Textbeginn, Bl. 2v – 5r, Bl. 5r mit Bleistift paginiert als 9, Fortsetzung des Textes auf Bl. 11r/v, Bl. 12r mit Bleistift paginiert als 1, Bl. 12v mit Bleistift paginiert als 2, Bl. 13r mit Bleistift paginiert als 3, Bl. 13v mit Bleistift paginiert als 4, Bl. 14r mit Bleistift paginiert als 5, Bl. 14v mit Bleistift paginiert als 6, Bl. 15r mit Bleistift paginiert als 7, mittig auf dem Rand mit Bleistift gestrichener Einfügungshinweis auf ȕ), darunter Verweis mit Bleistiftstrich auf Mythos s[iehe] S[.] 8, Fortsetzung des Textes auf Bl. 15v, mit Bleistift paginiert als 8, Bl. 16r mit Bleistift paginiert als (unterstrichen) 8a, mittig am Rand Verweis mit Pfeil auf ȕ Sprachproblem; danach gestrichen (zurückschlagen!), statt dessen Fortsetzungshinweis mit Pfeil auf doppelt unterstrichen S. 1 0 , Fortsetzung des Textes auf Bl. 5v unter der Überschrift ȕ) D a s S p r a c h p r o b l e m , mit Bleistift paginiert als 10, am unteren Rand Anm. von mir gesp[errt]!, Bl. 6r mit Bleistift paginiert als 11, Bl. 6v mit Bleistift paginiert als 12, Bl. 7r mit Bleistift paginiert als 13, Bl. 7v mit Bleistift paginiert als 14, Bl. 8r mit Bleistift paginiert als 15, am oberen Rand Anm. wertvollstes Material[:] Marie – Moutier[,] Jackson – Head[,] v[an] Woerkom – Grünbaum[,] Goldstein – Gelb, Bl. 8v bis auf die letzten 4 Zeilen gestrichen, am unteren Rand mit Bleistift mit Pfeil Verweis auf zurück zu S. 7!!, Fortsetzung des Textes auf der unteren Hälfte von Bl. 15r, mit Bleistift paginiert als 7, Fortsetzung des Textes mit der 1. Zeile auf Bl. 15v (mit Bleistift paginiert als 8), darunter Verweis mit Bleistift auf Forts[etzung] s[iehe] S. 196, gemeinte Fortsetzung des Textes auf der unteren Hälfte von Bl. 16r (mit Bleistift paginiert als (unterstrichen) 8a) durch den Verweis auf ȕ 2) die K u n s t / cf. Ms. S . 1 9 5 f f . konkretisiert, Fortsetzung des Textes durch Cassirers Ms. zum 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen: Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie in Box 31, folder 609, Bl. 13r-16r, paginiert als 195 – 198, Fortsetzung des Textes wieder in Box 42, folder 839 auf der unteren Hälfte von Bl. 16r, dort Verweis auf ȕ 3) der Bedeutungsraum –/der mathematisch-physikalische Symbolraum als F u n k t i o n s r a u m ! / cf. M s . S . 2 3 3 f f . , Fortsetzung des Textes durch Cassirers Ms. zum 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen: Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie in Box 31, folder 609, Bl. 52r-56r, paginiert als 233 – 237, Fortsetzung des Textes wieder in Box 42, folder 839 auf Bl. 27r-28r, Bl. 28v leer, Fortsetzung des Textes auf Bl. 9r-10r, Bl. 10v in der Mitte am Rand Anm. (169), Bl. 11r die ersten drei Zeilen am Rand mit waagerechtem Strich markiert: Platon – Vossler – dagegen unsere e i g e n e Grundansicht der Sprache S. 75 ff. des Vortrags, Fortsetzung des Textes durch das Ms. Cassirers zu Der Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen philosophischen Anthropologie/Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28 in Box 40, folder 783, Bl. 50r-51r, paginiert als 74 – 75, fortgesetzt
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durch Box 40, folder 784, Bl. 64r-68r, ursprünglich paginiert als 76 – 78, nach Überarbeitung 78 – 80, Fortsetzung des Textes wieder in Box 42, folder 839 auf Bl. 24r, paginiert als 81, Bl. 16v – 21r Einschub der nicht vorgetragenen Fassung des Abschnitts über das Todesproblem (Beginn Bl. 16v unter der zentrierten Überschrift D a s To d e s p r o b l e m , Bl. 17r, Bl. 17v am Rand mit Bleistift Wiederholung des Verweisungszeichens von Bl. 23v als Markierung des Luther-Zitats, auf das von Bl. 23v verwiesen wird (s. u.), Bl. 18r mittig am Rand Anm. (Havet I, 197), Bl. 18v mittig am Rand Anm. (229), Bl. 19r, Bl. 19v vollständig mit Bleistift gestrichen, Fortsetzung des Textes auf Bl. 21r, Text nur zu drei Vierteln, Bl. 21v leer), Fortsetzung des Textes auf Bl. 24v mit der offensichtlich vorgetragenen Fassung des Abschnitts über das Todesproblem, beginnend mit den Worten Ich wende mich nun dem letzten großen Problem zu, das im Lauf dieser Betracht[ungen] noch behandelt werden sollte: dem Todesproblem., Fortsetzung des Textes auf Bl. 22r-23r, Bl. 23v Text nur bis zur Hälfte, dann Verweisungszeichen für das Luther-Zitat auf Bl. 17v (s. o.), Bl. 24r vollständig mit Bleistift gestrichen (enthält den Schluß des Vortrags Der Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen philosophischen Anthropologie/Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28 aus Box 40, folder 783), Fortsetzung des Textes auf Bl. 25r-26v, Fortsetzung des Textes auf Bl. 29r/v, Textende, Bl. 30 –32 leer, Bl. 33 Umschlagvorderseite, trägt die Aufschrift (gedruckt:) GÖTEBORGS HÖGSKOLA/(von fremder Hd. mit blauer Tinte:) Heideggervorlesungen Davos 1929/(mit rotem Kugelschreiber, umkreist:) 94/(mit Bleistift von fremder Hd.:) Cassirer/ Deposit/94, Bl. 33v Umschlagrückseite, leer. b) Heidegger-Aufs[atz. Notizen zu Heideggers „Kant und das Problem der Metaphysik“] (Konvolut 100, Box 42, folder 837) 1) Äußere Beschreibung: Umschlagfragment: Papier: dunkelbraun; 1 Bl. im Format 17,2v12,3 cm; Tinte: blau u. schwarz, roter Kugelschreiber. Text: Papier: gelblich- bis bräunlich-weiß; uneinheitlich r/v oder nur r beschrieben; von fremder Hd. in amerikanischer Schreibweise (die 1 ohne Aufstrich, die 7 ohne Querstrich) blattweise r rechts oben paginiert: S. 1–8110; Wasserzeichen: EPPEN NORMAL 4a/HAMBURGER STAAT; 40 Bgn. im Format 29,8v21 cm, mittig gefaltet zu 80 Bl. im Format 14,9v21 cm, dazu 2 einzelne Bl. im Format 14,9v21 cm; schräg angefalteter Rand von 4,5–5,2 cm; Tinte: schwarz bis bläulich-schwarz, Bleistift.
10
Diese von dritter Hd. stammende Paginierung diente offenbar lediglich der archivarischen Erfassung des Ms. und entspricht nicht der eigentlichen Blattreihenfolge.
Editorische Hinweise
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2) Datierung: Das Ms. ist undatiert. Der Text des Ms. besteht aus Notizen, die eine lektürebegleitende Auseinandersetzung mit Heideggers Schrift Kant und das Problem der Metaphysik, 1929 darstellen, auf jeden Fall vorbereitenden Charakter für die im ersten Heft der Kant-Studien 36 (1931), S. 1 – 26 erschienene Rezension Cassirers Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation haben. Cassirer nimmt in den Notizen auf eine Frage des Schülers in Davos Bezug. Heideggers Schrift erschien als Ausarbeitung seiner Davoser Vorträge11 am 10.7.1929.12 Somit kann die Abfassung von Cassirers Notizen auf den darauffolgenden Zeitraum bis Anfang 1931, als das 1. Heft der KantStudien für 1931 erschien, zeitlich eingegrenzt werden. 3) Inhalt: Das Ms. trägt keinen Titel, auf dem überlieferten Umschlag ist jedoch das Thema der Notizen dokumentiert. Die Ergänzung des von den Hrsg. vergebenen Titels bezieht sich auf die Funktion des Notizenkonvoluts, denn um einen regelrechten Aufsatz handelt es sich dabei nicht. Bl. 1 beschnittenes Fragment eines Briefumschlags, trägt r von fremder Hd. mit Tinte die Aufschrift Vorarbeiten, darunter von Cassirers Hd. mit Tinte D a v o s e r A u f s ä t z e / Heidegger-Aufs[atz]/Natorp-Aufs[atz]13, die beiden letzten Zeilen mit geschweifter Klammer zusammengefaßt, daneben etc., darunter mit rotem Kugelschreiber, umkreist: 100, Bl 1v leer, Bl. 2r Beginn der Notizen unter der Überschrift I) Kant und die M e t a p h y s i k – , am Rand Vermerk mit Bleistift H e i d e g g e r ! , von fremder Hd. mit Bleistift rechts oben paginiert als 1 (fortlaufend bis Bl. 83,
11
Vgl. das Vorwort Heideggers zu Kant und das Problem der Metaphysik, 1929, [S. VIII]: Das Wesentliche der folgenden Interpretation wurde erstmals in einer vierstündigen Vorlesung des W. S. 1927/28 und später mehrfach in Vorträgen und Vortragsreihen (am Herderinstitut zu R i g a im September 1928 und bei den D a v o s e r Hochschulkursen im März d. J.) mitgeteilt. […] To d t n a u b e r g im bad. Schwarzwald,/Pfingsten [19./20.5.] 1929. Am 14.4.1929 hatte Heidegger an Karl Jaspers geschrieben, daß er das Manuskript seiner Kantinterpretation bis Ende des Monats fertig haben müsse (Heidegger an Jaspers vom 14.4.1929, Nr. 82 in Martin Heidegger/Karl Jaspers: Briefwechsel 1920–1963. Hrsg. v. Walter Biemel u. Hans Saner. München u. Frankfurt a. M. 1992, S. 120). 12 Seit Mai 1929 lag das Ms. vor, siehe die vorstehende Anm. Das Erscheinen ist gemeldet im Börsenblatt, Nr. 157 vom 10.7.1929. Das LZ meldete das Erscheinen erst in Nr. 17 vom 15.9.1929. Die erste Rezension (von Dolf Sternberger) erschien am 29.9.1929 in der Frankfurter Zeitung. 13 Die letzte Angabe bezieht sich auf den übrigen Inhalt von Box 42, die in folder 838 Entwürfe verschiedener anderer Aufsätze enthält, u. a. Bl. 25–61 Z u m N a t o r p - A u f s a t z (als Entwurf zu Cassirers Nachruf Paul Natorp. 24. Januar 1854 – 17. August 1924. In: Kant-Studien 30 (1925), S. 273 – 298).
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Anhang
paginiert als 8114), Bl. 2v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 3r, in der Mitte 15 Zeilen freigelassen, Bl. 3v trägt nur Stichpunkte: b) Anschauung u[nd] Verstand/A n g e w i e s e n h e i t auf die Anschauung/›Dienststellung‹ des Verstandes, dann 7 Zeilen freigelassen, dann: c) zentrale Rolle der Einbildungskraft, dann 15 Zeilen freigelassen, Bl.4r trägt nur den Text d) zentrale Rolle des Schematismus, dann 20 Zeilen freigelassen, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 4v, Bl. 5r am Rand zwei Vermerke cf. unt[er] Allg[emein] (mit Bleistift) u. cf. unt[er] A l l g [ e m e i n ] (mit Tinte), in der Mitte 5 Zeilen freigelassen, unten 2 Zeilen freigelassen, Bl. 5v nur zu zwei Dritteln Text, Bl. 6r trägt nur den Text Z e i t c h a r a k t e r / Vernunft u[nd] Zeit/R e k o g n i t i o n ਕİ Ȟ, Bl. 6v trägt nur den Text Heid[eggers] Darst[ellung] gibt ein Stück – Erkenntnistheorie, Bl. 7r nur zu einem Drittel Text, Bl. 7v – 10 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 11r, nur 8 Zeilen Text, Bl 11v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 12r-17v (mit Bleistift geschrieben), Bl. 12r Text unter der Überschrift A l l g e m e i n e s , Bl. 12v nur 7 Zeilen Text, Bl. 13r Text unter der Überschrift A l l g e m e i n e s , Bl. 13v nur zu drei Vierteln Text, Bl. 14– 15 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 16r, Text unter der Überschrift E n d l i c h k e i t , Bl. 16v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 17v, nur 6 Zeilen Text, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 18r, Text unter der Überschrift S c h e m a t i s m u s , Bl. 18v, Bl. 19r Text unter der Überschrift E i n b i l d u n g s k r a f t –, am Rand darüber cf. Menschl[ichkeit] – Endl[ichkeit], am rechten Rand Zählung 1), Bl. 19v – 20v (Bl. 19r-21v mit Tinte geschrieben), Bl. 21r Text unter dem Zuordnungshinweis E i n b i l d u n g s k r a f t , am Rand Zählung 2, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 17r, Text unter dem Zuordnungshinweis E i n b i l d u n g s k r a f t , am Rand rechts oben mit Tinte Zählung 3) neben gestrichen 2), Fortsetzung der Notizen auf Bl. 21v – 22v, Bl. 22v trägt nur den Text Aber war diese Herrsch[aft] für K[ant] jemals ernstlich in Frage gestellt u[nd] angefochten gewesen?/Ich glaube kaum!, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 23r unter der Überschrift E n d l i c h k e i t (Bl. 23 – 29 mit Bleistift geschrieben), Bl. 23v nur bis zur Hälfte Text, Bl. 24 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 25r, nur 6 Zeilen Text unter dem Zuordnungshinweis E n d l i c h k e i t , Bl. 25v – 26 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 27r, Text unter dem Zuordnungshinweis E n d l i c h k e i t (2), am Rand Zählung 2 wiederholt, Bl. 27v trägt nur den Text sondern das Über-Sinnliche ist zugleich das Über-Zeitliche, Bl. 28 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 29r unter der Überschrift S c h e m a t i s m u s (= Einbildungskraft), am Rand Zählung 5), Bl. 29v, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 32r (Bl. 30r-33v mit Tinte geschrieben), Text unter der Überschrift M e n s c h l i c h k e i t ( E n d l i c h k e i t ) d e r Ve r n u n f t , Bl. 32v – 33v, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 30r, Text unter dem Zuordnungsvermerk M e n s c h l [ i c h k e i t ] E n d l [ i c h k e i t ] 2),
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Die Paginierung zur archivarischen Erfassung des Ms. (s. o.) wird im Folgenden nicht eigens mitgeteilt.
Editorische Hinweise
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im letzten Drittel 4 Zeilen Text Der menschl[ichen] Vern[unft] … u m s i c h a n i h r z u h a l t e n . am Rand mit Bleistift mit zwei senkrechten Strichen und Vermerk N [ o t a ] b [ e n e ] ! markiert, Bl. 30 r nur bis zur Hälfte Text, Bl. 31 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 34r (Bl. 34 – 36 mit Bleistift geschrieben), Text unter der Überschrift Z u r ü c k w e i c h e n ( E n d l i c h k [ e i t ] ) , am Rand Zählung 1, Bl. 34v – 35v, Bl. 36r Text unter dem Zuordnungshinweis Z u r ü c k w e i c h e n (Endlichkeit), Bl. 36v – 38r leer, Bl. 38v/39r trägt quer zur Laufrichtung des übrigen Ms. mit Tinte den in der editorisch-philologischen Anm. C (s. S. 94 im vorliegenden Bd.) wiedergegebenen Text einer Vorfassung des entsprechenden Abschnitts der späteren Rezension, Fortsetzung der Notizen Bl. 40r (mit Bleistift geschrieben) unter der Überschrift M e t a p h y s i k u [ n d ] A n t h r o p o l o g i e , Bl. 40v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 41r (Bl. 41– 48 mit Tinte geschrieben), Text unter der Überschrift M e t a p h y s i k , am Rand mit Prozentzeichen % markiert, Bl. 41v Text nur zu zwei Dritteln, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 42r unter der Überschrift ‚ M e t a p h y s i k ‘ u [ n d ] ‚ E r k e n n t n i s t h e o r i e ‘ , Bl. 42v – 43v, Bl. 44r Text unter dem Zuordnungshinweis M e t a p h y s [ i k ] u [ n d ] E r k e n n t n i s t h e o r i e , am Rand Zählung 2, Text nur zu zwei Dritteln, Bl. 44v – 45 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 46r unter der Überschrift M e t h o d e , Text nur bis zur Hälfte, Bl. 46v – 47 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 48r unter der Überschrift R e p r a e s e n t a t i o n , Bl. 48v – 49 leer, Bl. 50 – 51 mit Bleistift gestrichen, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 50r, Text unter der Überschrift S y n t h e s i s d e r R e k o g n i t i o n – , Bl. 50v, Bl. 51r Text unter der Überschrift Ve r n u n f t u [ n d ] Z e i t – cf. 174, Bl. 51v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 52r (mit Tinte geschrieben), trägt nur den Text U r t e i l s k r a f t / von H. a u s g e s c h a l t e t (cf. S. 153!), Bl. 52v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 53r (mit Tinte geschrieben), trägt unter der Überschrift I n t e l l e c t u s a r c h e t y p u s nur 4 Zeilen Text, Bl. 53v – 54 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 55r/v, Text unter der Überschrift (Verh[ältnis] zw[ischen] Ve r n u n f t , F r e i h e i t ) , davor gestrichen E i n b i l d u n g s k r a f t , Bl. 56 leer (Bl. 55 – 65 mit Bleistift geschrieben), Fortsetzung der Notizen auf Bl. 61r unter der Überschrift Ve r n u n f t u [ n d ] Z e i t , am Rand Zählung 1, Text nur bis zur Hälfte, Bl. 61v – 62 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 57r unter der Überschrift ‚ Ve r n u n f t ‘ u[nd] Zeit, davor gestrichen E i n b i l d u n g s k r a f t , Text nur zu zwei Dritteln, Bl. 57v – 58 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 63r/v unter der Überschrift I d e e , I d e a l i s m u s (Vernunft), am Rand Zählung 2, Bl. 64 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 65r unter der Überschrift F r e i h e i t = (Vernunft), daneben schräg an den oberen Rand geschrieben Freiheit n i c h t / z e i t g e b u n d e n / s[iehe] Kr[itik] d[er] pr[aktischen] V[ernunft], daneben Zählung 3, Bl. 65v – 66 leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 59r unter der Überschrift Ve r n u n f t , davor gestrichen E i n b i l d u n g s k r a f t , am Rand mit Tinte Zählung 4) über Zählung mit Bleistift 2), Bl. 59v – 60 leer, Fortsetzung der Notizen
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Anhang
auf Bl. 67r unter der Überschrift mit Tinte I d e e n l e h r e , daneben mit Bleistift „ Ve r n u n f t “ , Bl. 67v – 68r, Bl. 68v leer, Fortsetzung der Notizen auf Bl. 69r unter der Überschrift Z e i t , am unteren Rand Anm. dieser Begriff der Einb[ildungskraft] ist z u e n g wie Ph[ilosophie] d[er] s[ymbolischen] F[ormen Bd.] III zeigt, Bl. 69v am oberen Rand Anm. dies aber schon etwas gekünstelt!, Bl. 70 r nur 6 Zeilen Text, Ende der Notizen, Bl. 70v – 83 leer. Beilagen Į) Hermann Mörchen: Notizen von Hermann Mörchen während des Internationalen Hochschulkurses in Davos vom 17. März bis 1. April 1929. (Ts.) Der Heidegger-Schüler Hermann Mörchen (1906 – 1990)15 hat seine während der II. Davoser Hochschulkurse angefertigten Notizen, aus denen hier zitiert wird, 1989 selbst transkribiert u. zusammengestellt.16 Mörchen bemerkt dazu: Diese Maschinenabschrift, hergestellt im September 1989 von mir selbst, löst in der damaligen Handschrift nur die Kürzungen auf und läßt sie im übrigen unverändert. […] An wenigen Stellen wurden offensichtliche Schreibversehen stillschweigend berichtigt. Nur gelegentlich wurden inhaltliche Unklarheiten durch ein Fragezeichen angedeutet oder fehlende Wörter in Klammern ergänzt. Frankfurt a. M., Bruchfeldstr. 76, am 9. September 1989. In dem zugehörigen Schreiben Mörchens vom 9.9.1989 an Gründer heißt es: Es sind eben k e i n e wirklichen Nachschriften; sie enthalten nur, was mich (damals) interessierte […]. Die Daten der Vorträge sind nicht verzeichnet, aber sie stehen in der chronologischen Reihenfolge; das mag für den, der sich in den Ve r l a u f
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SS 1924-WS 1924/25 Studium in Halle, anschließend bis SS 1929 an der Universität Marburg (u. a. bei Heidegger): Philosophie, Theologie, deutsche u. englische Philologie. Rigorosum am 25.7.1929, im selben Jahr Staatsexamen für das höhere Lehramt. Von Oktober 1929 bis 1971 im Schuldienst. Vgl. die Vita zur Dissertation (Berichterstatter: Heidegger): Die Einbildungskraft bei Kant (Teildruck). Marburg 1930 sowie die Zeittafel in Hermann Mörchen: Denken – Glauben – Dichten – Deuten. Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1953 –1990. Anlässlich des 100. Geburtstags von Hermann Mörchen (1906–1990) mit einem Vorwort u. einer Einleitung hrsg. v. Ulrich Mörchen u. Willfred Hartig. Münster 2006. 16 Dies geschah auf Bitten Karlfried Gründers (1928–2011), der seit den 1970er Jahren eine umfangreiche Sammlung über das Zusammentreffen von Cassirer und Heidegger in Davos zusammengestellt hat. Vgl. Karlfried Gründer: Cassirer und Heidegger in Davos 1929. In: Hans-Jürg Braun, Helmut Holzhey u. Ernst Wolfgang Orth (Hrsg.): Über Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen. Frankfurt a. M. 1988, S. 290 – 302. Die Herausgeber verdanken noch Karlfried Gründer selbst den Einblick in seine Sammlung.
Editorische Hinweise
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der Davoser Wochen hineinversetzen möchte, ganz reizvoll sein. Ob S. 6 der Zusatz „vgl. Pos“17 von Cassirer stammt oder von mir, weiß ich nicht mehr. […] Da in eine der Diskussionen zwischen Cassirer und Heidegger Pos ausdrücklich eingriff, vermute ich, daß die S. 18 f. wiedergegebene18 nicht die einzige war; aber dann habe ich darüber nichts aufbewahrt. ȕ) Helene Weiss: Davos/Frühjahr 1929 (Hs.) Die während der II. Davoser Hochschulkurse angefertigten Notizen der Heidegger-Schülerin Helene Weiss (1901 – 1951),19 aus denen hier zitiert wird, sind überliefert in Helene Weiss Heidegger lecture notes, 1920 – 1949. Department of Special Collections and University Archives. Stanford University Libraries. Collection number M0631; Box 5, folder 3 u. 4. Offensichtliche Hör- und Schreibfehler wurden, besonders bei Eigennamen und im Wortlaut von Zitaten, stillschweigend korrigiert, wenn sie unstrittig sind. Abweichungen, die den protokollierten Wortlaut Cassirers betreffen, wurden jedoch als signifikante beibehalten, so daß es z. B. auf S. 42 im vorliegenden Bd. bei Mörchen neue Welt des Sehens heißt, bei Weiss jedoch neue Welt des Sinns. Dies ist ein bedeutsamer Unterschied, bei dem nicht gesagt werden kann, welche Variante dem Wortlaut von Cassirers Vortrag tatsächlich entsprochen hat. In der synoptischen Darstellung folgen von links nach rechts die Angabe der Daten in der Marginalienspalte, dann die Aufzeichnungen von Mörchen und die von Weiss, auf der jeweils linken Seite. Die jeweils rechte Seite ist dem Text Cassirers vorbehalten. c) Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung am 12. April 1931 (Konvolut 207, Box 38, folder 731)
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Siehe S. 34 im vorliegenden Bd. Siehe S. 108 – 118 im vorliegenden Bd. 19 1919 – 1920 Studium in Marburg, SS 1920 in München, WS 1920/21 u. 1922 – 1923 in Freiburg i. Brsg., WS 1924/25 in Marburg (u. a. bei Heidegger): Philosophie, Geschichte, klassische Philologie, Theologie, Kunstgeschichte u. Archäologie. 1930 – 1934 Arbeit an der Dissertation in Freiburg, zunächst bei Heidegger. Nach der Emigration Abschluß des Studiums 1934 – 1936 in Basel bei Hermann Schmalenbach (Annahme der Dissertation am 1.7.1935). Vgl. die Vita zur Dissertation: Der Zufall in der Philosophie des Aristoteles. London [1942]. Weiss unterrichtete zuletzt an der University of Glasgow, vgl. http:// www.stanford.edu/dept/relstud/Sheehan/heleneweiss.htm (14.12.2012). 18
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Anhang
1) Äußere Beschreibung: Papier: bräunlich-weiß; überwiegend r/v beschrieben; unpaginiert; Wasserzeichen: EPPEN NORMAL 4a/HAMBURGER STAAT; 1 Lage bestehend aus 13 Bgn. im Format 29,8v21 cm, mittig gefaltet zu 26 Bl. im Format 24,9v21 cm; schief angefalteter Rand von 5 – 4,5 cm; Tinte: bläulich-schwarz, Markierungen und Streichungen mit Bleistift und rotem Buntstift. 2) Datierung: 12. April 1931 bzw. davor verfaßt. Das Vortragsdatum ist mehrfach dokumentiert.20 3) Inhalt Bl. 1r als ein das ganze Ms. umfassender Bg. zusammenhängend mit Bl. 26, am Kopf Vermerk von fremder Hd. mit Bleistift #207 b, trägt zentriert den unterstrichenen Titel H e r m a n n C o h e n s P h i l o s o p h i e i n i h r e m / Ve r h ä l t n i s z u m J u d e n t u m . /Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnis-/stiftung am 12[.] April 1931, darunter nach Trennstrich Entwürfe für die persönliche Vorbemerkung, die auf Bl. 26v (der Rückseite des Ms.) ausgeführt werden, Bl. 1v leer, Bl. 2r Textbeginn, Bl. 3–13, Bl. 14r vollständig gestrichen, Bl. 14v bis auf die letzten 4 Zeilen gestrichen, Fortsetzung des Textes auf Bl. 15r-17v, Textende, Bl. 17v letzte 4 Zeilen gestrichen, Bl. 18r 4 Zeilen gestrichen, darunter Schlußstrich, sonst leer, Bl. 19 – 26r leer, Bl. 26v trägt die persönliche Vorbemerkung, zusammenhängend mit Bl. 1 als das Ms. umfassender Bg. d) [The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion] (Konvolut 207, Box 37, folder 732) 1) Äußere Beschreibung: Papier: gelblich-weiß; überwiegend r beschrieben; von Cassirer ab Bl. 1r-45r mit Tinte paginiert (rechts oben): S. 1 – 44, dabei 39 doppelt gezählt (1 S. vollständig gestrichen); Wasserzeichen: Bl. 1–48: Darstellung der Fortuna in ovaler Kartusche, darüber eine Krone, Bl. 50– 51 keine; 2 Lagen à 12 Bgn. im Format 32,8v20,5 cm (1. Lage: Bl. 1 – 24, 2. Lage: Bl. 25 – 48), mittig gefaltet zu insgesamt 48 Bl. im Format 16,4v20,5 cm, dazu 1 einzelner Bg. im Format 32,8v21,1 cm, mittig gefaltet zu 2 Bl. im Format 16,4v21,1 cm; Tinte: schwarz bis bläulich-schwarz, Ergänzungen, Korrekturen und Streichungen mit Bleistift.
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Vgl. die Ankündigung im Gemeindeblatt der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg 7 (1931), Nr. 4 vom 1.4.1931, S. 3 sowie den Bericht im Gemeindeblatt der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg 7 (1931), Nr. 5 vom 8.5.1931, S. 2.
Editorische Hinweise
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2) Datierung: Das Ms. ist undatiert, aber die kurze Mitteilung in The Jewish Chronicle vom 21.6.1935 läßt die Datierung auf den 15.6.1935 zu.21 Kurze Zeit später übersiedelte Cassirer nach Göteborg (er traf dort am 23.8.1935 ein). Über den bevorstehenden Vortrag vor der Oxford University Jewish Society äußert sich Cassirer außerdem am 4.6.1935 gegenüber Friedrich Saxl.22 Aussprache- und Betonungszeichen, die über einzelnen Worten des Ms. mit Bleistift angebracht sind, zeugen davon, daß das vorliegende Ms. wahrscheinlich auch das Vortragsms. war. 3) Inhalt: Das Ms. trägt keinen Titel. Das Thema des Vortrags wird in der dritten Zeile des Ms. benannt. Der Kurzbericht über den Vortrag in The Jewish Chronicle 94 (1935), Nr. 3454 vom 21.6.1935, S. 36 nennt als Titel The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion. Bl. 1r paginiert als 1, am Kopf Vermerk von fremder Hd. mit Bleistift #207 e, Textbeginn, Bl. 2r-12r, Bl. 12v unten Textfragment auf dem Kopf Before giving a detailed account of my present subject, before, Bl. 13r22r, Streichungen mit Tinte und Bleistift, Bl. 22v unten Notiz Jahreszahl?, Bl. 23 v unten 7 Zeilen Text als Ersatz für die Streichung auf Bl. 24r, Bl. 24r untere Hälfte gestrichen, Bl. 27v Mitte Notiz N [ o t a ] b [ e n e ] ! Band-No?, Bl. 28r-29r, Bl. 29v u. 30v (unpaginiert) Text als Ersatz für die vollständig gestrichenen Bl. 30r u. 31r (paginiert als 30 – 31), Fortsetzung des Textes auf Bl. 32r (paginiert als 32) nach Streichung von 4½ Zeilen, Bl. 32v unten 3 Zeilen Text als Ersatz für die Streichung auf Bl. 33r, Bl. 33r umfangreiche Streichungen, Bl. 33v Mitte gestrichenes Textfragment And this idea of God, Bl. 34r fast vollständig gestrichen, Fortsetzung des Textes auf Bl. 35r nach Streichung von einem Drittel, Bl. 36r-38r, Bl. 39r (paginiert als 39) vollständig gestrichen, Fortsetzung des Textes auf Bl. 40r-45r (paginiert als 39 – 44), Textende, Bl. 46r-48 leer, Bl. 49r trägt den (nicht direkt zugehörigen) beigelegten Text,23 Bl. 49v – 50 leer. e) Hermann Cohen (Malmö, 23.3.41) (Konvolut 207, Box 38, folder 724) 1) Äußere Beschreibung: Bl. 1 u. 4: Papier: gelblich-weiß; nur Bl. 1r/v beschrieben; unpaginiert; keine Wasserzeichen; 1 Bg. im Format 28,4v22,5 cm, mittig gefaltet zu 2 Bl. im Format 14,2v22,5 cm; Tinte: bläulich-schwarz. In den Bg. aus 21
Siehe Abschnitt 4 der editorischen Hinweise zur Entstehung der Texte, S. 338 f. Vgl. die Postkarte Cassirers vom 4.6.1935 an Prof. Friedrich Saxl/The Warburg Institute, 3 Thames House,/Millbank/L o n d o n [ S ] . W. 1 ; mit Poststempeln [OXFOR]D 3 [?] -PM 4 JUN 1935; Archives of the Warburg Institute, London. 23 Siehe S. 154 im vorliegenden Bd., editorisch-philologische Anm. A. 22
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Bl. 1 u. 4 sind eingelegt Bl. 2 u. 3: Papier: bräunlich-weiß; nur Bl. 2r beschrieben; keine Wasserzeichen; 1 Bg. im Format 28v21 cm, mittig gefaltet zu 2 Bl. im Format 14v21 cm; Tinte: schwarz. 2) Datierung: Bl. 1 u. 4 sind datiert mit (Malmö, 23.3.41), Bl. 2 u. 3 sind undatiert. Zusammengehörigkeit und gleichzeitige Datierung der beiden Vortragsdispositionen sind nicht sicher, zumal ein weiterer, den beiden abgedruckten Dispositionen sehr ähnlicher Vortragsentwurf aus den (vermutlich) 1920er Jahren existiert.24 3) Inhalt: 1. Disposition: Bl. 1r trägt den unterstrichenen Titel H e r m a n n C o h e n , daneben die Datierung (Malmö, 23.3.41), darüber Vermerk von fremder Hd. mit Bleistift #207 f, unter dem Titel Beginn der Notizen, Bl. 1v Ende der Notizen, Bl. 4 leer. 2. Disposition: Bl. 2r trägt die Notizen, Bl. 2v – 3 sind leer. f) Briefe Hermann und Martha Cohens an Ernst und Toni Cassirer (Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Series II: Correspondence) Hermann Cohens Nachlaß ist seit der Deportation seiner Frau Martha 1942 nach Theresienstadt verschollen.25 Von Cassirer wie von vielen anderen sind deswegen keine Schreiben an Cohen erhalten. Die im vorliegenden Band abgedruckten 55 Schreiben Cohens an Cassirer bieten somit lediglich einen Teil der Korrespondenz, die mit Unterbrechungen von 1901 bis 1917 nachweisbar ist und mit vereinzelten Briefen Martha Cohens eine gewisse Fortsetzung bis 1929 findet. Mit Ausnahme der fehlenden letzten Seite des Schreibens vom 12.4.191726 und dem – womöglich bereits postalischen Verlust – eines Schreibens von 1919, das sich im Nachlaß Cassirers nicht befindet,27 gibt es keine Hinweise auf etwaige weitere Verluste. Die größeren Lücken (keine Briefe vor 1901, keine in den Jahren 1912 – 1915) sind darauf zurückzuführen, daß Cohen und Cassirer in ihrer gemeinsamen Marburger Zeit im engen persönlichen Verkehr standen, der nach Cohens Übersiedlung Mitte 191228 in Berlin fortgesetzt 24
Ernst Cassirer Papers, Gen Mss 98, Box 37, folder 722, Bl 3r. Vgl. Hrsg.Anm. 424. 25 Helmut Holzhey: Das Hermann-Cohen-Archiv in Zürich. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 31 (1977), S. 443 – 452, hier S. 450 – 452. 26 Im vorliegenden Bd. S. 287 f. 27 Vgl. Cohen an Cassirer vom 17.9.1919, im vorliegenden Bd. S. 289 – 291. 28 Vgl. Dimitry Gawronskys Mitteilung an Cassirer vom 11.2.1912: Er [Cohen] kommt im Frühjahr nach Berlin, um für Herbst zu mieten (DVD zu ECN 18).
Editorische Hinweise
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und auch telefonisch unterhalten wurde,29 so daß z. B. die Auseinandersetzung, die Cohen und Cassirer 1916 mit Bruno Bauch führten,30 oder die Querelen um Cohens Nachfolge in Marburg in den Schreiben Cohens an Cassirer nicht dokumentiert sind.31 Die Wiedergabe der 55 Schreiben erfolgt grundsätzlich getreu der Orthographie und Interpunktion der Handschriften bzw. Typoskripte. Dabei waren Emendationen höchst selten vonnöten und sind in die Annotationen eingerückt worden. Offensichtliche (kaum vorkommende) Schreib- oder (gelegentliche) Tippfehler wurden stillschweigend korrigiert. Abkürzungen, die nicht völlig konventionell sind, wurden aufgelöst. Hervorhebungen durch Unterstreichung oder Wechsel zu lateinischer Schrift sind einheitlich durch Sperrung wiedergegeben. Die Darstellungsform aller Schreiben ist nach dem Schema: Anrede – Brieftext – Grußformel – Unterzeichnung vereinheitlicht, d. h. die oft mehrzeiligen Grußformeln sind nicht im Zeilenfall wiedergegeben, sondern werden zusammengezogen. Angaben über Absendeort und Datum werden jedoch getreu der Vorlage angeführt. Angaben der Herausgeber über Schreiber, Adressat und Art der Überlieferung (Hs.; Ts.) sind jeweils vor Beginn des Briefes gesetzt. Die Herausgeberannotationen finden sich typographisch abgesetzt im Anschluß an den Brieftext, jeweils mit Lemma zugeordnet. Eine Besonderheit der Cohen-Briefe ist, daß nahezu sämtliche Schreiben nicht von Hermann Cohen, sondern von Martha Cohen hand- bzw. maschinengeschrieben sind. Lediglich den ersten überlieferten Brief vom 31.4.1901 und einige wenige handschriftliche Zusätze in anderen Briefen hat Hermann Cohen eigenhändig geschrieben. Das betrifft selbst die Unterschriften, die nur zum Teil eigenhändige sind. Diese Eigentümlichkeit der Briefe geht zurück auf das Jahr 1892, in dem Hermann Cohen eine Netzhautablösung des rechten Auges erlitt, die durch das andere, stark kurzsichtige Auge nur wenig kompensiert werden konnte.32 Seither hatte Martha Cohen so gut wie alle Schreibarbeiten für ihren Mann übernommen, der ihr diktierte. Dazu gehörte neben der Korrespondenz
29
Vgl. Toni Cassirer, S. 92. Vgl. ECN 9. 31 Eine Kompensation in sachlicher Hinsicht bietet v. a. die Edition von Helmut Holzhey: Der Marburger Neukantianismus in Quellen. Zeugnisse kritischer Lektüre, Briefe der Marburger, Dokumente zur Philosophiepolitik der Schule. Basel/Stuttgart 1986 (Cohen und Natorp Bd. 2); ferner Frida Hartmann u. Renate Heimsoeth (Hrsg.): Nicolai Hartmann und Heinz Heimsoeth im Briefwechsel. Bonn 1978. 32 Vgl. das Entlassungsgesuch Cohens vom 5.6.1912, abgedruckt in Holzhey II, S. 514 f. 30
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v. a. die ausgedehnte literarische Tätigkeit Cohens.33 Die eigenhändigen Zusätze und Unterschriften Hermann Cohens sind durchweg nachgewiesen. Unter der Prämisse, daß die Korrespondenz Cohens mit Cassirer so weit als nur irgend möglich zu dokumentieren ist, ist als Grenzfall brieflicher Mitteilung eine im Nachlaß Cassirers überlieferte Porträtfotografie Hermann Cohens aufgenommen, die auf ihrer Rückseite einen von Martha Cohen geschriebenen Gruß trägt (Fundort: Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Box 6, folder 152). Reproduktionen sämtlicher Briefe befinden sich, ausgenommen des letztgenannten Schreibens, auf der DVD zu ECN 18. 4. Zur Entstehung der Texte a) Heidegger-Vorles[ung] (Davos) März 1929 (Konvolut 94, Box 42, folder 839) Die Davoser Hochschulkurse fanden insgesamt viermal, von 1928 – 1931 jährlich im Frühjahr während der akademischen Ferien statt. Veranstaltet wurden sie mit Unterstützung der Gemeinde Davos und der ansässigen Hotels auf Initiative des Zahnarztes Paul Müller, der zusammen mit dem Gemeindepräsident für Davos, Erhard Branger, das örtliche Organisationskomitee bildete. Dazu trat der Frankfurter Soziologieprofessor Gottfried Salomon als wissenschaftlicher Leiter. 1929 wurden außerdem Regierungsvertreter für Deutschland und Frankreich entsandt.34 Cassirer hat seine Vorträge anläßlich der II. Davoser Hochschulkurse (17.3.-6.4.1929; Veranstaltungsort: Hotel Bélvèdere, Davos) gehalten, und zwar unter dem Ankündigungstitel Grundprobleme der philosophischen Anthropologie in drei Teilen vormittags von 10 – 11:00 Uhr am 18. u. 19.3. sowie nachmittags von 17:15 – 18:00 Uhr am 25.3.1929. Damit befand sich Cassirer im thematischen Zentrum der Hochschulkurse, da 1929 programmgemäß die Frage: Was ist der Mensch, eine philosophische Anthropologie anstelle der bloßen Vernunftphilosophie, die Grundlage der Diskussionen bildete.35 Am 26.3.1929 fand vormittags von 33
Hermann Cohen hat dieser Unterstützung durch seine Frau in seiner Widmung zur 2. Aufl. der Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 1914 ein Denkmal gesetzt, s. d. S. VIIf. 34 Für eine detaillierte Vorgeschichte vgl. Karlfried Gründer: Cassirer und Heidegger in Davos 1929. In: Hans-Jürg Braun, Helmut Holzhey u. Ernst Wolfgang Orth (Hrsg.): Über Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen. Frankfurt a. M. 1988, S. 290 – 302; Paul Müller: Davoser Hochschulkurse. In: Davoser Revue 3 (1928), Nr. 5 vom 15.3.1928, S. 5 – 8. 35 Gottfried Salomon: Die Davoser internationalen Hochschulkurse. In: Davoser Revue 4 (1929), Nr. 5 vom 15.3.1929, S. 122 – 123, hier S. 123.
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10:00 – 12:00 Uhr (es gibt Hinweise auf eine abendliche Fortsetzung, siehe S. 119 im vorliegenden Bd.) die berühmt gewordene Arbeitsgemeinschaft E. Cassirer und M. Heidegger statt (die später sogenannte Davoser Disputation); am Vormittag des 27.3.1929 folgte von 10:15 – 11:00 Uhr noch Cassirers Vortrag Der Gegensatz von Geist und Leben in Schelers Philosophie. Heidegger hat seine Vorträge über Kants Kritik der reinen Vernunft und die Aufgabe einer Grundlegung der Metaphysik am 18. u. 19.3. jeweils von 17:00 – 18:00 Uhr u. am 20.3. von 17:00 – 19:00 gehalten.36 Von Cassirers Vorträgen ist eine von Joachim Ritter verfaßte37 Zusammenfassung erschienen: Vorträge von Prof. Ernst Cassirer. In: Davoser Revue 4 (1929), Nr. 7 vom 15. April 1929,38 S. 196 – 198: Prof. C a s s i r e r, Hamburg, stellte seine Vorträge über die p h i l o s o p h i s c h e A n t h r o p o l o g i e unter den Gesichtspunkt einer Auseinandersetzung mit der Ontologie und Existenzialanalyse Heideggers. An Hand der Probleme des Raumes, der Sprache und des Todes zeigte er, daß die Welt des Menschen und damit das Sein des Menschen zwar ihren Ausgangspunkt (terminus a quo), ihren ursprünglichen Grund in der Welt des besorgenden Handelns, des Umgehens mit „zuhandenem Zeug“, in dem alltäglichen Dasein haben, daß sie aber zu ihrem Zielpunkt (terminus ad quem) erst in dem autonomen und freien Reich des Geistes kommen und damit auch hier allererst ihren eigentlichen Sinn entfalten. Dieses Reich des Geistes wird im Schritt über die pragmatische Umwelt hinaus, im Uebergang vom „Greifen zum Begreifen“ in der Mannigfaltigkeit der symbolischen Formen als die Welt des formenden Gestaltens 36
Daten der Vorträge Cassirers u. Heideggers nach den Stundenplänen in [Gottfried Salomon/Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929. Davos: Heintz, Neu & Zahn [1929], S. 90–95. Ursprünglich hatte Cassirer angekündigt: 3 Vorträge und Seminar, 17. März bis 29. März: Grundprobleme der philosophischen Anthropologie. Grundfragen der Philosophie des kritischen Idealismus. Vgl. das Programm der II. Davoser Hochschulkurse. In: Davoser Revue 4 (1929), Nr. 5 vom 15.2.1929, S. 123 – 126, hier S. 124. 37 Autorschaft ermittelt nach Karlfried Gründer: Cassirer und Heidegger in Davos 1929. In: Hans-Jürg Braun, Helmut Holzhey u. Ernst Wolfgang Orth (Hrsg.): Über Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen. Frankfurt a. M. 1988, S. 290 – 302, hier S. 293. Im Anschluß an die Zusammenfassung der Vorträge Cassirers ist in der Davoser Revue die von Heidegger selbst stammende Zusammenfassung seiner Vorträge über Kants Kritik der reinen Vernunft und die Aufgabe einer Grundlegung der Metaphysik abgedruckt, vgl. HGA 3, S. 270–273. 38 Zum tatsächlichen, vorgezogenen Erscheinungsdatum vgl. die redaktionelle Anm. in Davoser Revue 4 (1929), Nr. 7, S. 208: Unsere heutige den beiden wichtigsten Davoser Ereignissen letzter Zeit – den II. Hochschulkursen und dem IV. Frühlings-Skilauf – gewidmete Nummer kommt einige Tage vor ihrem gewöhnlichen Erscheinungsdatum [das wäre der 15. April 1929 gewesen] heraus, um den Teilnehmern an diesen Veranstaltungen noch vor ihrer Abreise von Davos einen authentischen Bericht vorlegen zu können.
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und Bildens konstituiert. Die Bewegung, in der dieses Reich des Geistes und der symbolischen Formen, des Ausdrucks, der Darstellung und der Bedeutung sich gründet, ist eine doppelte, indem der Mensch von der Welt des Wirkens abrückt, um gerade in diesem Abrücken und Absehen diese Welt wie das Leben selbst sich zu eigen zu machen und als seine eigene Welt und seine eigene Objektivität zu begreifen. Cassirer unterschied diese symbolische, gestaltende und spontane Energie prinzipiell von jeder bloß vitalen Kraft. Der Raum ist zwar zunächst Aktionsraum, ehe er Vorstellungs- und Symbolraum wird, aber als dieser ist er zugleich doch nur der Ursprung jenes Raumes, der die menschliche Welt als menschliche bestimmt. An der Hand der biologischen Umwelttheorie Uexkülls grenzte C[assirer] vom bloßen Lebensraum den Raum des Menschen ab, der schon in der mythischen Welt nicht eine bloße „Sphäre“, sondern eine „Atmosphäre“ bedeutet, die mit dämonischen Kräften geladen, die eigensten Lebensrichtungen des Menschen selbst zum Ausdruck bringt. Indem sich nun über diesem Ausdrucksraum der künstlerische Darstellungsraum und endlich der mathematisch-physikalische Bedeutungsraum aufbaut, zeigt sich damit jene eigentümliche Transzendenz, in der der Mensch kraft der ihm eigenen symbolsetzenden Energie sich selbst in seiner Welt und die Welt in sich begreift. 2. Das wird weiter deutlich an der Sprache. Sie ist es, die ursprünglich diese Transzendierung der Aktionen in Repräsentationen vollzieht, indem sie dem Menschen im vorhinein aus der pragmatischen Umwelt herausstellt. Die Phänomene der Aphasie zeigen, daß der aphasische Kranke zwar innerhalb einer Situation sich zu orientieren vermag, daß er aber, sobald er außerhalb ihrer steht, desorientiert ist. Demgegenüber hat der Gesunde in den Namen ein Mittel für die „Synthesis der Rekognition in Begriffen“. Die Namen sind eigentlich das, „woran man sich hält“ (Kant). Hier ist es die Sprache, die den Schritt aus der Aktionswelt zur Gegenständlichkeit vollzieht. Damit aber ist „Gegenstand“ kein defizienter Modus des Zuhandenen, sondern macht allererst das eigentliche Sein aus, in dem die Welt des Menschen symbolhaft bedeutsam und damit begrifflich faßbar wird. Und wie die Sprache, so sind die Künste und Wissenschaften konstituierende Formgestaltungen der Welt, in denen diese Horizont des menschlichen Daseins ist, und zwar so, daß über die Darstellungswelt der Kunst hinaus schließlich in der Mathematik und Physik die Anschauung in einem System reiner Funktionsund Beziehungszusammenhänge sublimiert wird. Damit aber zeigt sich die Welt des Menschen in ihrem Ursprung zwar als Welt der Aktion und des Werkes, wird aber erst in dieser Umformung zur Symbol- und Funktionswelt vollendet. Und diese Entwicklung ist keine willkürliche, sondern eine notwendige; notwendig im Sinne der eigentlichen Menschlichkeit selbst, in der der Mensch seine Freiheit mit Selbsterkenntnis aktualisieren und begreifen soll. Dabei kann die Aufgabe der Philosophie nur dies sein, diesen Zusammenhang in seiner Notwendigkeit in einer
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dynamischen Interpretation zu verstehen, ohne daß sie es unternehmen kann, in diesen Prozeß verändernd einzugreifen. Freilich ist diese Dynamik ein Impuls zur Distanzierung von der Welt, aber diese Distanzierung führt zugleich zu einer Synthesis von Geist und Wirklichkeit. 3. Zum Schluß behandelte Prof. Cassirer das Todesproblem. Er stellte hier die christlich-religiöse Auffassung, in der das Leben im Tode ganz auf sich selbst und vor seine Einsamkeit und Endlichkeit gestellt wird (Luther), der heidnisch-antiken gegenüber, in der das Denken den Tod überwindet, in der Philosophieren nichts anderes ist als „Sterben lernen“ (Platon). Auch hier gilt es, den eigentümlichen geistigen, weltgelösten Sinn der menschlichen Existenz in der Abgrenzung gegen die Weltverfallenheit und Weltverlorenheit zu erkennen. Der Mensch ist zwar endlich, aber er ist zugleich jenes endliche Wesen, daß um seine Endlichkeit weiß, und in diesem Wissen, das selbst nun nicht mehr endlich ist, sich über die Endlichkeit hinaus erhebt. In einem besonderen Vortrag sprach Professor C a s s i r e r über „ G e i s t u n d L e b e n i n d e r P h i l o s o p h i e S c h e l e r s “ . Wie für Klages Geist und Leben in unversöhnbarer Trennung auseinandergerissen sind, und dem Menschen in seiner Weltabgeschiedenheit keine Möglichkeit gegeben ist, Natur zu verstehen, so lehnt auch Scheler jede monistische Interpretation von Welt und Geist ab. Aber er kehrt im Gegensatz zu Klages das Wertvorzeichen prinzipiell um. Wenn auch, am vitalen Zusammenhang gemessen, der Geist machtlos ist und sogar eine Hemmung und Störung der Lebendigkeit bedeutet, so ist er auf der anderen Seite doch weltoffen und zugleich umweltfrei. Er hat im Gegensatz zum Tier die Möglichkeit des Nein als der ewige Protestant gegen die Wirklichkeit. Aber diese Möglichkeit ist für ihn im Grunde seiner vitalen Machtlosigkeit nur in der Askese, in der Abkehr von der vitalen Welt zu verwirklichen. Demgegenüber zeigte C[assirer], daß zwischen der Anschauung Schelers und der idealistischen Auffassung von der Macht des Geistes, die sich in der Durchdringung von Welt und Natur zeigt, kein kontradiktorischer Gegensatz besteht. Der Begriff der Macht ist zweideutig. Scheler sieht nur die Energie des Wirkens. Wenn der Geist hier auch machtlos bleibt, so ist er doch auf der anderen Seite als die Macht der symbolischen Gestaltung und Bildung jene Energie, die Leben, Natur und Welt aus der Umweltfunktion zum Bild und zur Gestalt, zur Welt der symbolischen Formen erheben kann. Die Möglichkeit jener von Scheler gezeigten Weltoffenheit des Geistes läßt sich nur in der Welt der Formen verstehen, in der der Mensch im Absehen von der Wirklichkeit und in der Lösung aus der Verfallenheit an sie zu ihrer Beherrschung aufsteigt und sie in den B l i c k gewinnt, um so in der Erhebung der Wirklichkeit zur Sichtbarkeit das Leben und die Welt sich zu eigen zu machen. Einen weiteren Bericht lieferte Hermann Herrigel: Denken dieser Zeit. Fakultäten und Nationen treffen sich in Davos [Teil 1]. In:
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Frankfurter Zeitung, Nr. 297 vom 22.4.1929, Abendblatt, Beilage Für Hochschule und Jugend, S. 4: Cassirer zeigte in seinen drei Vorträgen den Unterschied der A k t i o n s w elt des praktischen Handelns (Werk-, Fahr-, Schreib- usw. -„Zeug“) und der Welt der „symbolischen Formen“, und entwickelte an den Problemen des Raumes, der Sprache und des Todes, unter Auseinandersetzung mit Heideggers Interpretation des „Daseins“, den Fortgang aus der einen in die andere Welt. Im Werken und Wirken, im Tun, zeichnet sich die Umwelt ab. Ihre Reize bilden für das Tier eine feste Scheidewand, die es umschließt und die fremde Welt von ihm abhält. Die menschliche Welt durchbricht diesen Horizont. Der Mensch ist in seiner Welt frei, da er sie frei aufgebaut hat. Er ist aus der biologisch gebundenen Umwelt fortgeschritten in die freie Welt des Geistes, vom Greifen zum Begreifen. Die Aktionswelt Heideggers, die „Zurhandenheit“, erkennt Cassirer als Ausgangspunkt an, aber zum Menschsein gehört für ihn die Blickrichtung auf den Zielpunkt, das heißt den menschlichen Darstellungs- und Symbolraum. Am deutlichsten wird der Gegensatz zu Heidegger beim Todesproblem. Der Tod ist für Heidegger eine „Seinsmöglichkeit des Daseins“, die ausgehalten werden muß. Die Angst vor dem Tode ist ein Existenzial des Daseins. Diese Bestimmung ist für Cassirer wieder nur der Ausgangspunkt des Problems, aber nicht sein Endpunkt, der nicht in der Angst liegen kann, sondern in der Fähigkeit, davon frei zu werden. Der Bestimmung Heideggers, daß der Mensch das spezifisch endliche Wesen ist, stellt Cassirer die These gegenüber: der Mensch ist ein endliches Wesen, aber zugleich das endliche Wesen, das seine Endlichkeit weiß und in diesem Wissen, daß nichts Endliches ist, darüber hinausgeht. Darin liegt für ihn die Fähigkeit zur Unendlichkeit.39
39
Der 2. Teil des Artikels von Hermann Herrigel: Denken dieser Zeit. Fakultäten und Nationen treffen sich in Davos. II*) [*) Vgl. diese Beilage vom 22. April]. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 345 vom 10.5.1929, Abendblatt, Beilage: Für Hochschule und Jugend, S. 4, beschäftigt sich mit den historischen Vorträgen und mit den Vorträgen der französischen Teilnehmer sowie mit den übrigen Arbeitsgemeinschaften. – Eine prominente Reaktion auf Herrigels Artikel stammt von Franz Rosenzweig: Vertauschte Fronten. In: Der Morgen 6 (1930) Nr. 1 vom April 1930, S. 85–87, nach dem nachgelassenen Ms; wieder abgedruckt in Franz Rosenzweig: Kleinere Schriften. Berlin: Schocken 1937, S. 354 – 356 sowie in Franz Rosenzweig: Zweistromland. Kleinere Schriften zu Glauben und Denken. Hrsg. v. Reinhold u. Annemarie Mayer. Dordrecht 1984 (Franz Rosenzweig: Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften Bd. 3), S. 235 – 237.
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Neben diesen detaillierten erschienen zahlreiche zusammenfassende Berichte in unterschiedlichen Presseorganen.40 Die Entstehungszusammenhänge der begleitenden Notizen von Hermann Mörchen und u. Helene Weiss sind evident. Beide gehörten sie zu den Teilnehmern der II. Davoser Hochschulkurse. Mörchen hat in seinen Erinnerungen, die er 1989 Karlfried Gründer mitgeteilt hat, berichtet, daß Heidegger mit Hilfe eines Stipendiums der Studienstiftung einige seiner Schüler mitbringen konnte.41 Zu dem Kreis der von Heidegger Eingeladenen gehörten neben Mörchen z. B. auch Eugen Fink u. Otto Friedrich Bollnow.42 b) Heidegger-Aufs[atz. Notizen zu Heideggers „Kant und das Problem der Metaphysik“] (Konvolut 100, Box 42, folder 837) Diese Notizen dienten der Vorbereitung auf Cassirers Rezension: Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 1 – 26 (abgedruckt in ECW 17, S. 221 – 250). In gewisser Hinsicht stellen sie dadurch eine Fortsetzung der Diskussionen mit Heidegger in Davos dar.43
40
Vgl. z. B. Otto Grautoff: Die Davoser Hochschulkurse. In: Berliner Tageblatt, Nr. 161 vom 5. April 1929, Abend-Ausgabe, S. [4]; Harald Landry: Philosophische Verständigung. Cassirer contra Heidegger. In: Das Unterhaltungsblatt Nr. 101 der Vossischen Zeitung vom Mittwoch, 1.5.1929. Zu: Vossische Zeitung, Nr. 204 vom 1.5.1929 sowie die Preisschriften der studentischen Teilnehmer Georg Böse (Heidelberg): Die Davoser Hochschulkurse. o. O. [Davos: Heintz, Neu & Zahn] 1929, 8 S.; Ludwig Englert: Als Student bei den zweiten Davoser Hochschulkursen sowie Jean Cavaillès: Les deuxièmes Cours Universitaires de Davos. Beide in [Gottfried Salomon/Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929. Davos: Heintz, Neu & Zahn [1929], S. 5 – 81; ferner Constanze Glaser (Wien): Die zweiten Davoser Hochschulkurse. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie 5 (1929), Heft 3 vom Sept. 1929, S. 377 – 378. 41 Vgl. die Zeittafel in Hermann Mörchen: Denken – Glauben – Dichten – Deuten. Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1953 – 1990. Anlässlich des 100. Geburtstags von Hermann Mörchen (1906 – 1990) mit einem Vorwort u. einer Einleitung hrsg. v. Ulrich Mörchen u. Willfred Hartig. Münster 2006, S. 360. 42 Otto Friedrich Bollnow: Gespräche in Davos. In: Günther Neske (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger. Pfullingen 1977, S. 25 – 29, hier S. 26. 43 Zu Cassirers Rezension machte sich wiederum Heidegger replizierende Notizen, diese sind abgedruckt in Martin Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt a. M. 1991 (Martin Heidegger Gesamtausgabe. Abt. 1: Veröffentlichte Schriften 1910 – 1976. Bd. 3), Anhang 5: Zu Odebrechts und Cassirers Kritik des Kantbuches, S. 297 – 303.
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Bereits am 29.5.1929 hatte Erich Rothacker, der als Gast bei den II. Davoser Hochschulkursen teilgenommen hatte,44 an Cassirer geschrieben: Wie Sie vermutlich wissen, werden Heideggers Davoser Vorträge als ein kleines Buch bei Cohen in Bonn erscheinen. Wären Sie nicht geneigt, mir Ihre Vorträge oder eine Zusammenfassung derselben auf ca. 32 Seiten a 720 Silben für meine Deutsche Vierteljahrschrift zu überlassen? Sie würden damit vielen Leuten und ganz besonders mir eine ausserordentliche Freude bereiten.45 Cassirer antwortete am 20.6.1929 ablehnend: Ich bin lange mit mir zu Rate gegangen, ob ich dieser Aufforderung Folge leisten könnte und hätte es an sich sehr gern getan, zumal ich Ihnen schon seit langer Zeit einen Beitrag für die Vierteljahrsschrift schulde. Schliesslich bin ich aber doch zu einer negativen Entscheidung gelangt. Denn die Vorträge sind in der Form, in der ich sie gehalten habe, für mein Gefühl doch noch zu unfertig, und ich möchte sie erweitern und vertiefen, ehe ich sie publiziere. Dazu aber wird mir in den nächsten Monaten, die mit Arbeit stark belastet sind, und in denen ich vor allem mit der Drucklegung des 3. Bandes der „Philosophie der symbolischen Formen“ beschäftigt sein werde, leider keine Zeit bleiben. Vielleicht darf ich mich später einmal, wenn ich in einem grösseren Zusammenhang auf das Thema meiner Davoser Vorträge wieder zurückkomme, wieder einmal bei Ihnen melden.46 Ein größerer Zusammenhang, in dem Cassirer auf das Thema seiner Davoser Vorträge zurückkam, sind die hier edierten Notizen bzw. die daraus hervorgegangene Rezension über Heideggers Kant-Buch sowie Cassirers Aufsatz „Geist“ und „Leben“ in der Philosophie der Gegenwart.47 In: Die Neue Rundschau. 41. Jahrgang der freien Bühne (1930), S. 244 – 264 (abgedruckt in ECW 17). Über das Thema Der Gegensatz von Geist und Leben in Schelers Philosophie hat Cassirer am 27.3.1929 in Davos gesprochen (siehe Hrsg.-Anm. 339), wozu er auf das 1928 entstandene Ms.-Konvolut Der Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen philosophischen Anthropologie/Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28 in Box 40, folder 783 zurückgriff. Die Schlußpassage dieses Ms. ist bemerkenswerterweise innerhalb des Ms. der im vorliegenden Band edierten Heidegger-Vorles[ung] (Davos) März 1929 in Box 42, folder 839, auf Bl. 24r überliefert. In der von Rothacker herausgegebenen Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte hat Cassirer nichts aus 44
Vgl. das Programm der II. Davoser Hochschulkurse. In: Davoser Revue 4 (1929), Nr. 5 vom 15.2.1929, S. 123 – 126, hier S. 125. 45 Rothacker an Cassirer vom 29.5.1929, DVD zu ECN 18. 46 Cassirer an Rothacker vom 20.6.1929, DVD zu ECN 18. 47 So lautet der redaktionelle Titel des Beitrags. Cassirers Ms. ist betitelt: Die Polarität von „Geist“ und „Leben“ in Max Schelers philosophischer Anthropologie (Ernst Cassirer Papers, Gen Mss 98, Box 40, folder 784, Bl. 1r, dort auch die redaktionellen Änderungen).
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seinen Davoser Vorträgen veröffentlicht.48 Er erwähnt das Zusammentreffen mit Heidegger noch einmal brieflich gegenüber Georg Misch49 und ein letztes Mal öffentlich am Schluß der Rezension über Heideggers Kant-Buch: Ich habe schon in meinen Gesprächen mit Heidegger in Davos betont, daß ich nicht den Wunsch und die Hoffnung hege, ihn zu meinem „Standpunkt“ zu bekehren und ihn auf ihn herüberzuziehen. Aber was in aller philosophischen Auseinandersetzung erstrebt werden sollte und was in irgendeinem Sinne erreichbar sein muß, ist dies, daß auch die Gegensätze sich richtig s e h e n lernen und daß sie sich in eben dieser Gegensätzlichkeit selbst zu v e r s t e h e n suchen.50 c) Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung am 12. April 1931 (Konvolut 207, Box 38, folder 731) Die Franz-Rosenzweig-Gedächtnisstiftung war im Juni 1930 in Hamburg auf Initiative des Tuchgroßhändlers Hermann Philipp († 1938) gegründet worden. Ihr Zweck war neben der Ehrung Rosenzweigs die Weiterführung der jüdischen Bildungsarbeit in dessen Sinne, d. h. wissenschaftlich u.
48
Statt dessen erschien die ausführliche Auseinandersetzung mit Heidegger von Eberhard Grisebach: Interpretation oder Destruktion? Zum kritischen Verständnis von Martin Heideggers ‚Kant und das Problem der Metaphysik‘. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 8 (1930), S. 199–232. Dazu merkt Grisebach an: Diese Arbeit verdankt ihre Anregung den Davoser Hochschulkursen im Frühjahr 1929 und der anschließenden Diskussion zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger. Sie möchte zeigen, weshalb es in Davos im letzten Grunde weder zu einem Sieg noch zu einer Einigung kommen konnte. Cassirers Vorträge spielen in Grisebachs Aufsatz, der eine eingehende Besprechung von Heideggers Kant-Buch bietet, jedoch keine Rolle. – Eberhard Grisebach (1880–1945, 1913–1930 Philosophieprofessor in Jena, ab 1931 in Zürich; NDB) hatte wie Rothacker als Gast an den Davoser Hochschulkursen teilgenommen (vgl. das Programm der II. Davoser Hochschulkurse. In: Davoser Revue 4 (1929), Nr. 5 vom 15.2.1929, S. 125). 49 Cassirer an Georg Misch vom 12.6.1929, DVD zu ECN 18. 50 Cassirer: Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 26; vgl. ECW 17, S. 250.
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überparteilich.51 Cassirer war Mitglied des Ehrenpräsidiums der Stiftung, die 1935 184 Mitglieder zählte. Im Juni 1938 wurde die Franz-Rosenzweig-Gedächtnisstiftung verboten und aufgelöst.52 Der Vortrag Cassirers wurde angekündigt im Gemeindeblatt der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg 7 (1931), Nr. 4 vom 1.4.1931, S. 3: Die Franz Rosenzweig Gedächtnis Stiftung veranstaltet S o n n t a g , den 12. April, vormittags 11 Uhr, im großen Vortragssaale der Kunsthalle die erste ihrer alljährlichen Vorlesungen./Herr Universitätsprofessor Dr. E r n s t C a s s i r e r hat sich freundlichst bereiterklärt, über das Thema H e r m a n n C o h e n s P h i l o s o p h i e i n i h r e r S t e l l u n g z u m J u d e n t u m zu sprechen. Am 8.5.1931 erschien ein Bericht im Gemeindeblatt der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg 7 (1931), Nr. 5 vom 8.5.1931, S. 2: Die Franz Rosenzweig-Gedächtnis-Stiftung trat am 12. v. M. mit einer Vortragsveranstaltung zum ersten Male vor die Öffentlichkeit. Das Mitglied des Ehrenpräsidiums, Herr Universitätsprofessor D r. E r n s t C a s s i r e r, sprach im überfüllten Vortragssaale der Kunsthalle über Hermann Cohens Philosophie in ihrer Stellung zum Judentum. Es war eine Veranstaltung, die allen Beteiligten zur Ehre gereichte. Herr Professor C a s s i r e r verstand es, in einer meisterlichen und trotz des nicht leichten Gegenstandes auch dem nicht fachlich vorgebildeten Hörer faßlichen Weise sein Thema zu entwickeln und die Fäden aufzuweisen, die von Cohens Philosophie des reinen Denkens zu den religiös-sittlichen Forderungen des Judentums führen. In der Einleitung und zum Schluß des 51
Vgl. Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt, Nr. 6 vom Febr. 1932, S. 135: Franz-Rosenzweig-Gedächtnisstiftung: Einem von Gemeindevorsteher Philipp erstatteten Bericht über die Tätigkeit der innerhalb der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in H a m b u r g errichteten Stiftung ist zu entnehmen, daß sie mit Erfolg bestrebt ist, im Sinne Franz Rosenzweigs einen Damm gegen geistigen Verfall in der deutschen Judenheit aufzurichten. Bisher wurden zu diesem Zweck jungen Ehepaaren und Barmizwo-Knaben Exemplare der Buber-Rosenzweigschen Bibelübersetzung zugewendet, auch bei anderen Anlässen wurde dieses Werk überreicht, so z. B. Dr. Carl Melchior zu seinem 60. Geburtstag. Martin Buber wird demnächst öffentlich über das Thema „Der Glaube und das öffentliche Leben“ sprechen, ferner soll eine von dem Philosophen Prof. Ernst Cassirer gehaltene Vorlesung [damit ist der im vorliegenden Band edierte Vortrag gemeint] veröffentlicht werden. Auch die Errichtung von Arbeitsgemeinschaften auf neutraler Grundlage zur Erfassung jüdisch-kulturellen Gutes wird in die Wege geleitet, wofür u. a. auch die in der Warburg-Bibliothek tätigen Dozenten herangezogen werden sollen. Schließlich ist auch an die Veranstaltung von Bibelvorlesungen gedacht. 52 Björn Biester: Die Hamburger Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung 1930 – 1938. In: Andreas Brämer, Stefanie Schüler-Springorum u. Michael Studemund-Halévy (Hrsg.): Aus den Quellen. Beiträge zur deutsch-jüdischen Geschichte. Festschrift für Ina Lorenz zum 65. Geburtstag. München u. Hamburg 2005, S. 97 – 104.
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auch künstlerisch und ästhetisch vollendeten Vortrages beschäftigte der Redner sich mit den Persönlichkeiten, denen die Veranstaltung galt: mit F r a n z R o s e n z w e i g und H e r m a n n C o h e n . Während er in der Einleitung die persönlichen Beziehungen der beiden zueinander, die sich als Schüler und Lehrer gegenüberstanden, schilderte, charakterisierte er in den Schlußausführungen die Verschiedenheit ihrer Wesensart, ihrer philosophischen und ihrer Anschauungen vom Judentum. Die FranzRosenzweig-Gedächtnisstiftung gedenkt den Vortrag mit Zustimmung Professor C a s s i r e r s zur Veröffentlichung zu bringen./Über der ganzen Veranstaltung lag von Anbeginn an eine gewisse Weihe, welche durch die Persönlichkeit und die Ausführungen des Redners noch gehoben wurde. Sie machte auf alle Anwesenden, unter denen auch eine große Anzahl nichtjüdischer im öffentlichen Leben Groß-Hamburgs stehender Persönlichkeiten zu sehen waren, einen sichtbaren und bleibenden Eindruck./Die Stiftung versendet jetzt einen Aufruf zum Beitritt: der Beitrag beläuft sich auf 3 RM für Erwachsene und 1 RM für Jugendliche. Anmeldungen sind zu richten an Herrn Landrichter Dr. F e i n e r, Isestraße 53. Mehrere Besonderheiten des Vortragsms. legen nahe, daß der in Titel nahezu gleichlautende und in Argumentationsweise, Formulierung (hier teilweise wörtliche Übereinstimmung) und Zitierung sehr ähnliche Vortrag Cassirers vom 22. Januar 1933 Hermann Cohens Philosophie der Religion und ihr Verhältnis zum Judentum eine überarbeitete Wiederholung des im vorliegenden Band edierten Vortrags von 1931 darstellt. Auf der Rückseite des Bogens, der das gesamte Ms. von 1931 umfaßt, findet sich eine eingefügte Vorbemerkung, zu der ihrerseits noch ein weiterer Entwurf gehört, der auf die Vorderseite des umfassenden Bogens geschrieben wurde.53 Die Vorbemerkung lautet: Gestatten Sie mir, ehe ich in die sachl[iche] Erört[erung] eintrete, eine kurze pers[önliche] Vorbemerkung, die sich auf das T h e m a bezieht, über das ich heute zu Ihnen sprechen möchte. Gegen meinen Wunsch 〈 u[nd] gegen meine wiederholte dringende Berichtigung〉 ist bei den Einladungen zu dem heutigen Vortrag eine Fassung des Themas gewählt worden, die ich notwendigerweise berichtigen muss: denn sie ist geeignet, falsche Vorstellungen zu erwecken und falsche Erwartungen zu erregen. Nicht über das Problem: Philosophie u[nd] Judentum will ich heute zu Ihnen sprechen. Sie werden es selbst fühlen, wie vermessen es von meiner Seite wäre, ein Problem von solcher Bedeutung und Tragweite, ein in extensiver wie in 53
Dieser Entwurf lautet: ein Missverst[ändnis] zu berichtig[en], das durch die Ank[ündigung] des Themas m[eines] Vortrages bei Ihnen erweckt werden konnte – gegen meinen Wunsch u[nd] gegen meine Absicht –/pers[önliche] Bem[erkung] zu beginnen –/schärfere Umgrenzung des T h e m a s – Philosophie u[nd] Judentum [–]/Ich hätte nicht gewagt, über ein so schwieriges, so verwickeltes und so umfassendes Thema / – H[ermann] C[ohen]’s Phil[osophie] –/ Und auch hier auch eine Einschränk[ung] bricht ab
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intensiver Hinsicht gleich schwieriges u[nd] schier unerschöpfliches Problem in der kurzen Stunde behandeln zu wollen, die mir hier zur Verfügung steht. Diese dem Ms.-Befund nach zu urteilende nachträglich eingefügte Vorbemerkung bezieht sich nicht auf die Ankündigungen von 1931 (s. o.), sondern auf die Ankündigungen der Wiederholung des überarbeiteten Vortrags am 22.1.1933 im Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Nr. 1 vom Jan. 1933, S. 16: Religiöser Vortrag/Sonntag, 22. Januar 1933, vorm. 11.30 Uhr, Synagoge Prinzregentenstr. 69/70/Prof. Dr. Ernst Cassirer:/Philosophie und Judentum/Chor – Gesang – Orgel/ Eintritt frei! Vorstand der Jüdischen Gemeinde und in der CV-Zeitung, Nr. 3 vom 19.1.1933, S. 23: Religiöser Vortrag/Sonntag, 22. Januar 1933, vormittags/11½ Uhr, Synagoge Prinz-Regenten-Str. 69/70/Professor Dr. Ernst Cassierer [!]/Philosophie/und Judentum/Chor-, Sologesang, Orgel/Eintritt frei/Vorstand der Jüdischen Gemeinde. Über diesen Vortrag wurde im Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Nr. 3 vom März 1933, auf S. 75 mit veränderter Themenangabe kurz berichtet: Religiöser Vortrag. Am 22. Januar sprach in der Synagoge Prinzregentenstraße Prof. Ernst Cassirer über Hermann Cohens Religionsphilosophie und Judentum. Wir werden über den Inhalt des Vortrages in der nächsten Ausgabe unseres Gemeindeblattes einen Aufsatz aus der Feder des Vortragenden selbst bringen. Veröffentlicht wurde der Vortrag u. d. T. Hermann Cohens Philosophie der Religion und ihr Verhältnis zum Judentum. Von Prof. Dr. Ernst C a s s i e r e r [!], Hamburg. In: Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Nr. 4 vom April 1933, S. 91 – 94 (abgedruckt in ECW 18, S. 255 – 264). Zu den Besonderheiten des Ms. von 1931 gehört neben der erwähnten gleichlaufenden Titulatur und Argumentation zu dem Vortrag von 1933, der in beiden Texten verwendeten Zitate und der nicht in den situativen Kontext von 1931 passenden Vorbemerkung zuletzt noch die Tatsache, daß im Ms. Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung am 12. April 1931 fast alle Passagen über Franz Rosenzweig nachträglich mit Bleistift gestrichen worden sind. Das paßt weder zur Themenstellung noch zum Ort des Vortrags von 1931 und scheint deswegen auch wenig wahrscheinlich als Eingriff zur Vorbereitung auf den avisierten Druck des Vortrags durch die Franz-Rosenzweig-Gedächtnisstiftung, s. o. Auch in einem kurzen Tätigkeitsbericht der Franz-Rosenszweig-Gedächtnisstiftung im Frankfurter Israelitischen Gemeindeblatt, Nr. 6 vom Februar 1932, S. 135 wird angedeutet, daß Cassirers Vortrag von 1931 gedruckt werden solle. Von dem Vortrag von 1931 ist kein Druck nachgewiesen. Erst als nachträgliche Eingriffe für die veränderte Wiederholung des Vortrags am 22.1.1933 werden die Streichungen plausibel. Im gedruckten Vortrag von 1933 kommt Rosenzweig jedenfalls nicht vor. Im Interesse der Rekonstruktion des Vortrages von 1931 werden die Streichungen
Editorische Hinweise
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zurückgenommen, worüber jeweils eine editorisch-philologische Anm. unterrichtet. d) [The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion] (Konvolut 207, Box 37, folder 732) Cassirer hat diesen Vortrag am 15.6.1935 vor der Oxford University Jewish Society gehalten. Er hatte bereits im März 1933 Deutschland verlassen u. lehrte von Okt. 1933 bis Juli 1935 in Oxford als Chichele-Lecturer am All Soul’s College, einer Einrichtung für Postgraduierte. Unter seinen Kollegen u. Hörern befand sich auch Isaiah Berlin (1909 – 1997), Fellow am All Soul’s College.54 Die bis heute bestehende Oxford University Jewish Society ist im Okt. 1932 gegründet worden, und zwar als Vereinigung aus der 1904 zunächst als universitärer Zweig der jüdischen Gemeinde Oxford gegründeten Adler Society, die bald über die engeren Gemeindeangelegenheiten hinaus ein Diskussionsforum für allgemein jüdische Belange bot, und der 1906 gegründeten University Zionist Society, die sich dem Programm der Adler Society allmählich angenähert hatte. Die neu entstandene Gesellschaft widmete sich überparteilich der Vertretung der Interessen der jüdischen Studentenschaft und organisierte u. a. Vorträge für ihre Mitglieder.55 Am 15.3.1935 meldete The Jewish Chronicle, daß Ernst Cassirer u. Isaiah Berlin gemeinsam am 9.3.1935 von den Mitgliedern des Study Circle der Jewish Society zu Hon[orary] Vice-Presidents für den kommenden Trinity term (Mitte April bis Ende Juni) gewählt worden seien.56 Zu den näheren Umständen der Entstehung von Cassirers Vortrag vor der Oxford University Jewish Society gibt ein Schreiben Cassirers an Friedrich Saxl vom 4.6.1935 Auskunft: Ich bereite einen Vortrag über Cohen für die Oxford Jewish Society vor und hätte zu diesem Zweck gern einen Blick in die Ausgabe seiner „Jüdischen Schriften“ getan, die in 3 Bänden von Bruno Strauss u[nd] and[eren] veröffentlicht worden ist (Berlin, Schriften der Akademie des Judentums)[.] H a b e n Sie diese Ausgabe und könnte ich sie ev[entuell] nächste Woche in der B[ibliothek] W[arburg] einsehen? Oder können Sie wenigstens den genauen T i t e l , Erscheinungsjahr etc[.] feststellen, damit ich meine Hörer darauf verweisen kann?57
54
Vgl. ECN 18, S. XXXV. David M. Lewis: The Jews of Oxford. Oxford 1992, S. 46 – 62. 56 The Jewish Chronicle 94 (1935), Nr. 3440 vom 15. März 1935, S. 44. 57 Postkarte Cassirers vom 4.6.1935 an Prof. Friedrich Saxl/The Warburg Institute, 3 Thames House,/Millbank/L o n d o n [ S ] . W. 1 ; mit Poststempeln [OXFOR]D 3 [?] -PM 4 JUN 1935; Archives of the Warburg Institute, London. 55
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Am 21.6.1935 erschien schließlich in The Jewish Chronicle innerhalb eines kurzen Überblicks über die neuesten Veranstaltungen der Oxford University Jewish Society folgende Notiz: On Saturday last, in Mr. Solomon’s Rooms (Magdalen), Professor Ernst Cassirer addressed the Society on “The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion.” Messrs. E. J. Lowbury and Kursbatt, in expressing the Society’s thanks to Dr. Cassirer, expressed the regret of the Oxford Jewish students that he was leaving Oxford and their hope for his happiness in Sweden, where he had been offered a Chair of Philosophy.58 e) Hermann Cohen (Malmö, 23.3.41) (Konvolut 207, Box 38, folder 724) Der Anlaß dieser Vortragsentwürfe ist nicht ermittelt. Seit März 1941 bereitete Cassirer, der seit 1935 in Schweden lebte und arbeitete, seine Übersiedlung nach den USA vor. Die Abreise war zunächst für den 26.4.1941 geplant, konnte aber erst am 20.5.1941 stattfinden. Für den März 1941 sind vier Vortragstermine im nur 20 km nördlich von Malmö liegenden Lund durch Zeitungsberichte dokumentiert: Über Goethes geistige Leistung am 19., 21. u. 24.3. (siehe ECN 11) und Zur Erkenntnistheorie der Kulturwissenschaften am 20.3.1941 (wiederholt am 4.3.1941 in Göteborg; siehe ECN 5). Für Malmö ist lediglich die Existenz einer jüdischen Gemeinde belegt, die Cassirer eingeladen haben könnte.59 f) Briefe Hermann und Martha Cohens an Ernst und Toni Cassirer (Ernst Cassirer Papers – Addition, Gen Mss 355, Series II: Correspondence)
Die Entstehungszusammenhänge der Schreiben sind in den jeweiligen Annotationen rekonstruiert.
58
The Jewish Chronicle 94 (1935), Nr. 3454 vom 21.6.1935, S. 36. Angaben nach: Jonas Hansson u. Svante Nordin: Ernst Cassirer: The Swedish Years. Bern 2006, S. 103, S. 241 u. 244. 59
Editorische Hinweise
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5. Zusammenhang mit anderen Nachlaßtexten a) Heidegger-Vorles[ung] (Davos) März 1929 (Konvolut 94, Box 42, folder 839) Im Ms. sind drei längere Passagen nicht ausgeführt worden, statt dessen hat Cassirer in zwei Fällen auf sein Ms. zum 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen: Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie in Box 31, folder 609, Bl. 13r16r (abgedruckt in ECN 1, S. 75 – 76) sowie Bl. 52r-56r (abgedruckt in ECN 1, S. 90 – 92) verwiesen. Generell läßt sich eine enge thematische Überschneidung des Ms. der Heidegger-Vorles[ung] und des Ms. Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie feststellen. An einer dritten Stelle innerhalb der Heidegger-Vorles[ung] verweist Cassirer zur Fortsetzung auf sein Ms. zu Der Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen philosophischen Anthropologie/Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28 in Box 40, folder 783, Bl. 50r-51r sowie in Box 40, folder 784, Bl. 64r-68r (innerhalb des Ms. der Heidegger-Vorles[ung] ist auf Bl. 24r außerdem die Schlußpassage dieses Ms. überliefert). Eine nahezu gleichlautende Auseinandersetzung mit dem Todesproblem (siehe im vorliegenden Bd. S. 55 – 59) findet sich in Box 31, folder 602, Bl. 5v, 6v, 5v, 6r, 7r, abgedruckt in ECN 1, S. 222 – 224. Die mitlaufenden Notizen von Weiss u. Mörchen bestätigen jeweils die Identifikation der von Cassirer gemeinten Passagen. In den weiteren Zusammenhang gehören außerdem die Mss. aus Box 31, folder 599 – 602 zu ‘Geist’ und ‘Leben’ (Heidegger), abgedruckt in ECN 1, S. 219 – 222 sowie Zeit [bei Bergson und Heidegger], abgedruckt in ECN 1, S. 225 – 226; ferner, da sie auf den im vorliegenden Bd. abgedruckten Mss. aufbauen, die in ECN 6 versammelten Vorlesungen und Studien zur philosophischen Anthropologie aus den Jahren 1939 – 1943. b) Heidegger-Aufs[atz. Notizen zu Heideggers „Kant und das Problem der Metaphysik“] (Konvolut 100, Box 42, folder 837) Das Ms.-Konvolut gehört in dieselben weiteren Zusammenhänge wie die Davoser Mss. Cassirers. Mehr noch: Da Heideggers Kantbuch als Ausarbeitung seiner Davoser Vorträge gelten kann, stehen Cassirers diesbezügliche Notizen unweigerlich in einem besonders engen Verweisungsverhältnis zu seinen eigenen Davoser Vorträgen. Das reicht bis zur Wiederholung von systematisch zentralen Zitationen von Spinoza, Schiller u. a. An einer Stelle der Notizen weist Cassirer sogar ausdrücklich auf die Frage eines Teilnehmers während der Diskussion mit Heidegger hin (siehe im vorliegenden Bd. S. 101).
342
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Die Notizen bereiten die spätere Rezension von Heideggers Kantbuch nicht nur inhaltlich vor, indem sie die wesentlichen Kritikpunkte aufführen und aus Heideggers Buch und den Werken anderer Autoren zitieren, sondern entwerfen bereits die Gliederung der schließlich veröffentlichten Rezension. c) Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung am 12. April 1931 (Konvolut 207, Box 38, folder 731) d) [The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion] (Konvolut 207, Box 37, folder 732) e) Hermann Cohen (Malmö, 23.3.41) (Konvolut 207, Box 38, folder 724) Cassirers nachgelassene Vorträge über Cohen hängen miteinander und mit den gedruckten Vorträgen und Aufsätzen über Cohen eng zusammen. Außerdem geht Cassirer in seinen Notizen zu Heideggers Kant und das Problem der Metaphysik wiederholt auf Cohens Schriften ein. Cassirer hat zwischen 1918 und 1941 zu nachweislich mindestens 8 Gelegenheiten Vorträge über Hermann Cohen gehalten und zwischen 1912 und 1943 5 Aufsätze über Cohen verfaßt. 3 Vorträge sind gedruckt worden, während 3 Ms. ungedruckt geblieben sind und im vorliegenden Bd. erstmals veröffentlicht werden. Von einer Geburtstagsrede Cassirers zum 70. Geburtstag Cohens am 4.7.1912 ist kein Ms. überliefert.60 Einzelne Ms. dienten mehrfach als Vortragsgrundlage, so ging Cassirers Gedächtnisrede am Grabe Cohens auf dem Gemeindefriedhof
60
Vgl. den Bericht über Die Feier von H. Cohens 70. Geburtstag. In: AZJ, Nr. 29 vom 19.7.1912, S. 340. Der Bericht enthält kein Referat der Worte Cassirers.
Editorische Hinweise
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Berlin-Weißensee vom 6.7.191961 in den Vortrag vom 17.5.1920 ein.62 Cassirers Vortrag über Cohen und Rosenzweig vom 12.4.1931 wurde in veränderter Form am 22.1.1933 wiederholt. Deswegen sind weniger Manuskripte überliefert, als Vortragstermine ermittelt sind. Im Einzelnen sind die folgenden Mss. und Texte Cassirers über Cohen überliefert: 1912 Aufsatz: Hermann Cohen und die Erneuerung der Kantischen Philosophie. In: Kant-Studien 17 (1912), S. 252 – 273. Abgedruckt in ECW 9, S. 119 – 138.
61
Vgl. die Ankündigung in Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ, Nr. 27 vom 4.7.1919, S. 4. Darüber ist kein Bericht ermittelt. 62 Dieser ist abgedruckt in ECW 9, 498 – 509. Vgl. den Bericht in Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ, Nr. 22 vom 28.5.1920, S. 246–247, E. M.: Die erste Generalversammlung des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Mit Inhaltsreferat über Cassirers Vortrag über Cohen: Der Verein zur Gründung und Erhaltung einer A k a d e m i e f ü r d i e Wi s s e n s c h a f t d e s J u d e n t u m s hielt am 17. d[es] M[onats] im Logenhaus in der Kleiststraße seine erste öffentliche Mitgliederversammlung ab, die von zahlreichen namhaften jüdischen Gelehrten und führenden Persönlichkeiten des geistigen jüdischen Berlins besucht war. Ein Vortrag über Hermann C o h e n , den eifrigen Förderer des Akademiegedankens, den der berühmte Schüler des Verstorbenen Professor Dr. Ernst C a s s i r e r (Hamburg) hielt, bildete den Höhepunkt der Veranstaltung. […] Professor Dr. Ernst C a s s i r e r (Hamburg) würdigte die Persönlichkeit und das Schaffen Hermann C o h e n s in begeisterten Ausführungen. Er hob Cohens Verdienste um die Begründung der Akademie für die Wissenschaft des Judentums, die sich der Tote zur philosophischen Aufgabe gestellt hatte, hervor. Hermann C o h e n erwartete von der Akademie eine Vertiefung und Erneuerung des Judentums, dem er mit ganzer Seele verbunden war. Der Drang nach Wahrheit und Klarheit war der Quell des gesamten Schaffens des großen Toten. In seinem Suchen nach der Wahrheit wurde der große Philosoph zum religiösen Seher, zum Propheten. Auf drei Grundpfeilern ruht Cohens Lehrgebäude: auf P l a t o , K a n t und den P r o p h e t e n . P l a t o s Ideenlehre verband er harmonisch mit K a n t s transzendentaler Methode. Der Monotheismus ist der schärfste Protest gegen jede Vermischung des Geistig-Sittlichen mit dem Sinnlichen. Wurzel und Schwerpunkt der Religion sind durch den Monotheismus von den Naturkräften zum Sittlichen übergegangen. Diese geistige Urkraft des Monotheismus ist in den Propheten am klarsten für C o h e n in die Erscheinung getreten. Hier fand seine rein geistige Auffassung der Religion immer wieder neue Kraftquellen. Mit der höchsten Schärfe des Denkens verband der Verewigte die tiefe Glut sittlichen Empfindens. Religion und Wissenschaft wurden ihm zu einer neuen, wahrhaft philosophischen Einheit. Die tiefsten Wurzeln seiner Kraft lagen in seiner eigenen Brust. Ein durch Namen nicht zu bezeichnender besonderer Geist bildete den Urgrund der lauteren Persönlichkeit des großen Philosophen.
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1918 Aufsatz: Zur Lehre Hermann Cohens † 4. April 1918. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Nr. 184 vom 11.4.1918, Abendausgabe, S. 2. Abgedruckt in ECW 9, S. 494 – 497. Trauerrede: Hermann Cohen. Worte gesprochen an seinem Grabe am 7. April 1918. In: Neue Jüdische Monatshefte 2 (1918), Heft 15 vom 10.5.1918, S. 347 – 352.63 Abgedruckt in ECW 9, S. 487 – 493. 1919 Gedächtnisrede: Ms. in Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 37, folder 722: CohenVortrag, das lediglich eine andere, etwas umfangreichere Fassung des Vortrags vom 17.5.1920 darstellt. Wahrscheinlich ist dies das Ms. der Gedächtnisrede (6.7.1919). Ungedruckt. 1920 Druck des Vortrags vom 17.5.1920: Hermann Cohen. Vortrag von Prof. Ernst Cassirer, Hamburg, auf der Mitgliederversammlung des Vereins am 17.5.1920. In: Korrespondenzblatt des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums 1 (1920), S. 1 – 10. Abgedruckt in ECW 9, S. 498 – 509.
63
Wieder abgedruckt in Hermann Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte. Hrsg. v. Albert Görland u. Ernst Cassirer. Bd. 1, Berlin 1928 (Veröffentlichungen der Hermann Cohen-Stiftung bei der Akademie der Wissenschaft des Judentums), S. IX – XVI. – Über die Beisetzung Cohens, u. a. mit Inhaltsreferat über Cassirers Trauerrede, existiert ein längerer Bericht, vgl. Der Gemeindebote. Beilage zur AZJ, Nr. 15 vom 12.4.1918, S. 1, E. M.: Berlin, 9. April. A u f d e m F r i e d h o f i n We i ß e n s e e w u r d e a m S o n n t a g n a c h m i t t a g Geheimer Regierungsrat Prof. Dr. H e r m a n n C o h e n zur letzten Ruhe bestattet. Um den Sarg des großen Philosophen hatte sich eine Trauergemeinde geschart, die an Zahl wie an Bedeutung der erschienenen Persönlichkeiten gleich hervorragend war. […] Als Freund und Schüler rief Prof. Dr. E r n s t C a s s i r e r von der B e r l i n e r U n i v e r s i t ä t dem Heimgegangenen warmempfundene Gedächtnisworte nach. Das Urteil über die Leistungen des toten Forschers und Denkers wird einst die Geschichte fällen, heute soll nur die große Persönlichkeit gewürdigt werden, die geradezu als Verkörperung der Sachlichkeit in der philosophischen Welt anzusprechen ist. Sein philosophisches System war ebensosehr Idealismus in der Theorie wie in der Tat: es ließ keine Unterscheidung zwischen Handeln und Denken zu. Er fühlte sich als Glied in einer großen Kette, die von Platon zu Kant führt. Er war von unbeugsamer Willensstärke, wo es sich um die Vertretung seiner Sache handelte, aber von rührender Bescheidenheit für seine Person. Sein Wesen war eingestellt auf den Kampf gegen die geistige Unfreiheit, den er bis zum letzten Atemzuge führte. Seine Schüler verlieren in ihm den großen Lehrer und den fürsorglichen Freund.
Editorische Hinweise
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1924 Aufsatz: Hermann Cohen und die Renaissance der Kantischen Philosophie. In: Jüdisch-liberale Zeitung, Nr. 11 vom 25.4.1924, 1. Beilage [unpaginiert = S. 5 – 6]. Abgedruckt in ECW 24, S. 645 – 649. 1926 Aufsatz: Von Hermann Cohens geistigem Erbe. In: Almanach des Verlages Bruno Cassirer. Berlin 1926, S. 53 – 63. Abgedruckt in ECW 16, S. 480 – 486. 1931 Vortrag: Ms. in Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 38, folder 731: Hermann Cohens Philosophie in ihrem Verhältnis zum Judentum. Vortrag der Franz Rosenzweig-Gedächtnisstiftung am 12. April 1931. Abgedruckt im vorliegenden Bd. S. 125 – 140. 1933 Druck des Vortrags vom 22.1.1933: Hermann Cohens Philosophie der Religion und ihr Verhältnis zum Judentum. Von Prof. Dr. Ernst C a s s i e r e r [!], Hamburg. In: Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Nr. 4 vom April 1933, S. 91 – 94. Abgedruckt in ECW 18, S. 255 – 264. 1935 Vortrag: Ms. in Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 37, folder 723: [The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion]. Vortrag, gehalten am 15.6.1935 vor der Oxford University Jewish Society. Abgedruckt im vorliegenden Bd. S. 141 – 157. 1941 Vortragsnotizen: Ms. in Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 38, folder 724: Hermann Cohen (Malmö, 23.3.41). Abgedruckt im vorliegenden Bd. S. 161 – 163. 1943 Aufsatz: Hermann Cohen, 1842 – 1918. In: Social Research 10 (1943), Heft 2, S. 219 – 232. Abgedruckt in ECW 24, S. 161 – 173.
ANMERKUNGEN DER HERAUSGEBER
1
Daten der Vorträge Cassirers nach den Stundenplänen in [Gottfried Salomon/Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929. Davos: Heintz, Neu & Zahn [1929], S. 90 – 95. 2 Kosmologie: Empedokles … Gleiches durch Gleiches erkennen.] Vgl. Empedokles B 109. In: Diels, Fragmente, 1903, S. 213: Denn mit u n s e r e m Erdstoff erblicken wir die Erde, mit u n s e r e m Wasser das Wasser, mit u n s e r e r Luft die göttliche Luft, mit u n s e r e m Feuer endlich das vernichtende Feuer; mit unsrer Liebe ferner die Liebe ( d e r We l t ) und i h r e n Hass mit u n s e r e m traurigen Hasse. 3 Sokrates … hat die Philosophie nach dem bekannten Worte des Cicero „vom Himmel auf die Erde zurückgeführt“] Vgl. Cicero: Tusculanarum Disputationum, Liber V, IV, 10: Socrates autem primus philosophiam devocavit e caelo, et in urbibus collocavit, et in domus etiam introduxit, et coëgit de vita et moribus, rebusque bonis et malis quaerere. Vgl. die Parallelstelle in Cicero: Academicorum Posteriorum liber primus ad M. Terentium Varronem, IV, 15. 4 Vgl. Platon: Phaidros 230 D. 5 Heraklit … Der ȜંȖȠȢist das ȝIJȡȠȞ, der Rhythmus, das ewige Gesetz dieses Werdens: ਸ਼ȜȚȠȢȠȤਫ਼ʌİȡȕıİIJĮȚȝIJȡĮ.] Vgl. Heraklit B 94. In: Diels, Fragmente, 1903, S. 79: ਸ਼ȜȚȠȢȖȡȠȤਫ਼ʌİȡȕıİIJĮȚȝIJȡĮ […]; in Diels’ Übersetzung: Denn die Sonne wird ihre Maasse nicht überschreiten […]. 6 Aber daneben steht das Wort: ਥįȚȗȘıȝȘȞਥȝİȦȣIJંȞ.] Vgl. Heraklit B 101. In: Diels, Fragmente, 1903, S. 80: Ich habe mich selbst erforscht. 7 Der Seele Grenzen kannst Du nicht ausfinden – Ƞਫ਼IJȦȕĮșઃȞȜંȖȠȞȤİȚ – Der tiefste Logos ist der der S e e l e . ] Vgl. Heraklit B 45. In: Diels, Fragmente, 1903, S. 73. 8 Vgl. Platon: Theaitetos 174 B. 9 Augustin … „Noli foras ire in te ipsum redi in interiore homine habitat veritas.“] Vgl. Aurelius Augustinus: De vera religione, Kap. 39. In: Opera omnia, Sp. 154 f. (Gehe nicht nach außen, kehre in dich selbst zurück. Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit). 10 für Petrarca ist Augustin der ihm „unter Tausenden Teuerste“. (De secreto conflictu curarum suarum).] Vgl. Petrarca: De secreto conflictu curarum suarum, Liber primus incipit feliciter, Prohemium incipit: Care michi ex milibus Augustine […]. 11 Besteigung des Mont Ventoux … sich selbst aber bleiben sie fremd.“] Vgl. Petrarca: De rebus familiaribus liber quartus, Epistola I: Francicus Petrarca Francisci Dionysio a Burgo Sancti Sepulchri S. P. D. De Suo in Montem Ventosum ascensu. In ders.: Epistolæ de rebus familiaribus et variæ, Studio et cura Iosephio Fracassetti, Vol. Primum, 1859, S. 193 – 202, auf S. 200 das
348
Anhang
Augustinus-Zitat aus den Confessiones 10, 8, 15. Übersetzung nicht ermittelt. Vgl. die Darstellung von Jacob Burckhardt: Die Cultur der Renaissance in Italien, 8., durchgearbeitete Aufl. v. Ludwig Geiger, Bd. 2, 1901, S. 18 f. 12 Alexander Pope: An Essay on Man. Epistle II. In: The Select Poetical Works, 1848, S. 188. 13 In der Ethik will er „die Methode deutlich machen … mehr oder weniger abweicht.“] Vgl. Kant: Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765 – 1766. In: Werke Bd. 2, S. 326 (vgl. AA Bd. 2, S. 311 f.). 14 ʌȞIJȦȞȤȡȘȝIJȦȞȝIJȡȠȞਙȞșȡȦʌȠȢ] Vgl. Protagoras B 1. In: Diels, Fragmente, 1903, S. 518: Aller Dinge Maß ist der Mensch. 15 ਨȞįȚĮijİȡંȝİȞȠȞਦĮȣIJ.] Vgl. Heraklit B 51. In: Diels, Fragmente, 1903, S. 74: Sie verstehen nicht, wie das auseinander Strebende ineinandergeht [ਨȞįȚĮijİȡંȝİȞȠȞਦĮȣIJ]: gegenstrebige Vereinigung wie beim Bogen und der Leier. 16 Sondern Raum konstituiert sich … ›Sorgens‹ und ›Besorgens‹.] Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 22 – 24, S. 101 – 113. 17 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 22, S. 102 f. 18 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 24, S. 111. 19 Der „pragmatische“ Raum, wie ihn Heidegger schildert … Begegnen des Zuhandenen“ umschreibt,] Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 24, S. 111. 20 Uexküll … „Umwelt und Innenwelt der Tiere“] Vgl. Jakob von Uexküll: Umwelt und Innenwelt der Tiere, 1909; dass., 2., verm. u. verb. Aufl., 1921. 21 Vgl. Uexküll: Umwelt und Innenwelt der Tiere, 2. Aufl., 1921, S. 5. 22 Vgl. Uexküll: Umwelt und Innenwelt der Tiere, 2. Aufl., 1921, S. 45. 23 Vgl. Uexküll: Umwelt und Innenwelt der Tiere, 2. Aufl., 1921, S. 41. 24 Vgl. Uexküll: Umwelt und Innenwelt der Tiere, 2. Aufl., 1921, S. 182. 25 Denn um die Grenze zu w i s s e n , muss man nach Hegels Wort schon über sie hinaus sein.] Vgl. Hegel: Wissenschaft der Logik, 1. Teil. In: Sämtliche Werke Bd. 4, 1928, S. 153: Es pflegt zuerst v i e l auf die Schranken des Denkens, der Vernunft u. s. f. gehalten zu werden, und es wird behauptet, es k ö n n e über die Schranke n i c h t hinausgegangen werden. In dieser Behauptung liegt die Bewußtlosigkeit, daß darin selbst, daß etwas als Schranke bestimmt ist, darüber bereits hinausgegangen ist. Denn eine Bestimmtheit, Grenze, ist als Schranke nur bestimmt, im Gegensatz gegen sein Anderes überhaupt, als gegen sein U n b e s c h r ä n k t e s ; das Andere einer Schranke ist eben das H i n a u s über dieselbe. 26 Die mythischen Richtungs g ö t t e r … in ihm e i n g e b e t t e t . ] Vgl. Cassirer: Die Begriffsform im mythischen Denken, 1922, abgedruckt in ECW 16, S. 3 – 73 sowie ders.: Begriffs- und Klassenbildung im mythischen und religiösen Denken. In: ECN 7, S. 3 – 91. In diesen Texten geht Cassirer auf die Zuñis ein. 27 IJંįİ IJȚ] dies da; ein Dieses, i. S. v. ein bestimmtes Seiendes; zur terminologischen Funktion im Zusammenhang mit den Begriffen von ȠıĮ (Wesen) u. dem in der Philosophiegeschichte umstrittenen Passus IJȠ IJȚ Ȟ İੇȞĮȚ siehe Aristoteles: Metaphysik V, 1017b 21 – 25. Die Literaturangaben beziehen
Anmerkungen der Herausgeber
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sich auf Émile Durkheim, Marcel Mauss: De Quelques Formes Primitives de Classification. In: L’Année Sociologique 1901–1902, 1903, S. 1–72 sowie Frank Hamilton Cushing: Outlines of Zuñi Creation Myths. In: Thirteenth Annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of the Smithsonian Institution 1891-’92, 1896, S. 321 – 462. Cushing äußert sich besonders zum in sieben Teile gegliederten Weltbild der Zuñis, das eng mit der sozialen Gliederung, wie sie sich z. B. beim Bezug eines Lagers zeige, zusammenhänge. 28 cf. S. 68.] Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 15, S. 68. 29 Heideggers Charakteristik … „Sich-Verhalten zur Welt“.] Als HeideggerZitat nicht nachgewiesen; interpretativer Vorverweis auf das im Folgenden zitierte. 30 Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 15, S. 68 f. 31 ȝİIJȕĮıȚȢ İੁȢ ਙȜȜȠ ȖȞȠȢ] Der Übergang in eine andere Gattung, eigentlich das Abschweifen in nicht zur Argumentation gehörende Themen, wodurch die Argumentation insgesamt unplausibel wird, vgl. Aristoteles: Zweite Analytiken, 75b 38–40. Cassirer verwendet hier jedoch den Topos von der metabasis eis allo genos abweichend im Sinne einer bloßen Problemverschiebung. 32 ›Wendung zur Idee‹, wie Simmel sie genannt hat,] Vgl. Simmel: Lebensanschauung, 1918, S. 28 – 98, 2. Kap.: Die Wendung zur Idee. 33 So hat es Goethe gesehen … recht lebendig und nützlich werden soll.“] Vgl. Goethe: Zur Farbenlehre. Didaktischer Theil. WA Abt. II Bd. 1, S. XII. 34 Besonders wo Störungen eintreten, lassen sich sprachliche Erscheinungen am besten erfassen (vgl. Pos).] Vgl. die Aufzeichnungen von Weiss. Diese Referenz auf die Vorträge von Hendrik Josephus Pos entstammt dem situativen Kontext von Cassirers Vortrag und findet sich daher nicht im Ms. Cassirers. Pos’ erster Vortragstermin war der 18. März 1929, also einen Tag eher, bevor Cassirer seinen ersten Vortrag hielt. Siehe die Zusammenfassung der Vorträge von Hendrik Josephus Pos, in [Jules Ferdmann (Redaktion) u. a.]: Bericht über die II. Davoser Hochschulkurse 17. März – 6. April. Davoser Revue 4 (1929), Nr. 7 vom 15.4.1929, S. 202 f.: Prof. H. J. Pos aus Amsterdam sprach über Grundfragen der Theorie der Auslegung als Spezialproblem einer philosophischen Grundlegung der Philologie. Die philologische Textauslegung ist von ihrem Ursprung im Gespräch her zu betrachten. Dabei sind zwei Grundfunktionen zu unterscheiden./I. Die S e l b s t a u s l e g u n g , in der der Sprechende selbst die Störung des Verstehens im Hörenden durch sprachliche Mittel zu verhüten sucht. Es ist die Eigenart dieser Mittel, vor Mißverständnis zu schützen, ohne unbedingt dasselbe auszuschließen (Labilität der Selbstauslegung). Neben der Gebärde sind es Wiederholung und Substitution, die das nicht Verstandene durch ihm Identisches ersetzend, sich zur Aufhebung der Störung eignen. Wo diese Mittel versagen, tritt das Bild auf, das sich selbst als nur ähnlich dem Gesagten, nicht ihm identisch, gibt. Die Mittel der Selbstauslegung spalten den Strom der Rede in Sachliches und Auslegendes. Tiefer umgestaltend auf das eigene Gesagte wirkt die Selbstkorrektion. Sie führt zu einer nachträglichen Scheidung zwischen der Ordnung, in der die Sprache, als der Zeit unterstehend, jedes Gesagte
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darstellt und dessen sachlicher Ordnung./II. Die Auslegung der Rede eines A n d e r e n . Auch diese stellt sich nur im Störungsfall ein. Dem Verständnis nicht gleich erreichenden Leser ist der Text ein Mannigfaltiges, das er durch stufenweises Zusammennehmen von je zwei Elementen in eine Einheit umzuwandeln sucht. Die allen anderen grammatischen Bestimmungen vorangehenden Zwei sind Subjekt und Prädikat. Dieselben haben keine einzige sich in jedem Falle ihrer Auffindung durchhaltende Bestimmtheit der inneren Bedeutung. Sie sind nur Ausdruck dafür, daß die Auslegung versucht, einem Etwas ein Anderes in der Weise zuzuordnen, daß Einheit des Verständlichen erreicht wird. Die Eigenart der grammatischen Begriffe, Frageworte zu sein, wird durch den Dogmatismus der hergebrachten grammatischen Theorie verkannt. Auch der Begriff des Sinnes hat fragende Funktion; stellt sich die Antwort ein, so verschwindet er./Die methodische Grundlage des Obigen gibt das Bestreben ab, die Theorie der sprachlichen Verstehensphänomene nicht von innen her, sondern durch jeweilige Beziehung von Innerem auf Aeußeres zu begründen. Ist dabei die Einheit-im-Ursprung von Innerem und Aeußerem Grundlage, so ist das Ziel die Ueberwindung des Gegensatzes von Innerem und Aeußerem bis in die höchsten Komplikationen geistigen Meinens und Verstehens hinein. 35 Cassirer verweist auf die Autoren der Werke zum Thema, die er in PSF III zitiert hat: Leendert Bouman u. Anton Abraham Grünbaum: Experimentellpsychologische Untersuchungen zur Aphasie und Paraphasie. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 96 (1925), S. 481–538; Adhémar Gelb u. Kurt Goldstein: Über Farbennamenamnesie nebst Bemerkungen über das Wesen der amnestischen Aphasie überhaupt und die Beziehung zwischen Sprache und dem Verhalten zur Umwelt. In: Psychologische Forschung. Zeitschrift für Psychologie und ihre Grenzwissenschaften 6 (1925), S. 127–186; Henry Head: Aphasia and Kindred Disorders of Speech, 2 Bde., 1926; ders.: Aphasia and Kindred Disorders of Speech. In: Brain. A Journal of Neurology 43 (1920), S. 87–165; ders.: Hughlings Jackson on Aphasia and Kindred Affections of Speech. In: Brain 38 (1915), S. 1–27; John Hughlings Jackson: On Affections of Speech from Disease of the Brain. In: Brain 38 (1915), S. 107–129; ders.: On Affections of Speech from Disease of the Brain. In: Brain 38 (1915), S. 147 – 174; Pierre Marie: Revision de la question de l’aphasie: que faut-il penser des aphasies sous-corticales (aphasies pures)? In: La semaine médicale 26 (1906), S. 493 –500; François Moutier: L’aphasie de Broca, Paris 1908. – Willem van Woerkom: Sur la notion de l’espace (le sens géométrique), sur la notion du temps et du nombre. Une démonstration de l’influence du trouble de l’acte psychique de l’évocation sur la vie intellectuelle. In: Revue neurologique 26 (1919), S. 113 – 119. 36 Messer und Gabel … mit ihnen nichts anzufangen.] Vgl. PSF III, S. 315, mit Verweis auf Karl Heilbronner: Ueber Asymbolie, 1897, S. 16. 37 R e k o g n i t i o n i m B e g r i f f ] Vgl. KrV A 103–110: Von der Synthesis der Rekognition im Begriffe. 38 Vgl. Henry Head: Aphasia and Kindred Disorders of Speech, 2 Bde., 1926; Adhémar Gelb u. Kurt Goldstein: Über Farbennamenamnesie nebst
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Bemerkungen über das Wesen der amnestischen Aphasie überhaupt und die Beziehung zwischen Sprache und dem Verhalten zur Umwelt. In: Psychologische Forschung. Zeitschrift für Psychologie und ihre Grenzwissenschaften 6 (1925), S. 127 – 186 sowie Hans Volkelt: Über die Vorstellungen der Tiere, 1914, S. 15 – 18. Zu Cassirers persönlichen Erfahrungen mit dem Patienten Schaf in Frankfurt siehe Cassirer an Kurt Goldstein vom 24.3.1925 in ECN 18, S. 79–83; zum Zusammenhang mit Volkelts Untersuchungen siehe Cassirer an Goldstein vom 26.3.1925 in ECN 18, S. 83 f.; ferner PSF III, S. 281 u. 311. 39 Vgl. Wilhelm von Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1830–1835). In: Gesammelte Schriften 1. Abt. Bd. 7, 1907, S. 53. 40 Vgl. Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1830 – 1835). In: Gesammelte Schriften 1. Abt. Bd. 7, 1907, S. 55. 41 Heads Kranke … aufzuzeichnen vermögen.] Vgl. die Parallelstelle in PSF III, S. 178: Die Berichte über Naturvölker lassen erkennen, wie sehr ihre räumliche »Orientierung«, so sehr sie an Genauigkeit und Schärfe der des Kulturmenschen überlegen zu sein pflegt, sich nichtsdestoweniger durchaus in den Bahnen eines »konkreten« Raumgefühls bewegt. Jeder Punkt ihrer Umgebung, jede einzelne Stelle und jede Windung eines Flußlaufes z. B. kann ihnen aufs genaueste vertraut sein, ohne daß sie imstande wären, eine Karte des Flußlaufes zu zeichnen, ihn also in einem räumlichen S c h e m a festzuhalten. – Sowie in PSF III, S. 284: H e a d berichtet über viele seiner Patienten, daß sie einen bestimmten ihnen bekannten Weg, z. B. den Weg vom Krankenhaus zu ihrer Wohnung, zwar richtig finden, nicht aber die einzelnen Straßen, durch die sie zu gehen hatten, bezeichnen, noch überhaupt eine zusammenhängende Darstellung des Gesamtverlaufs des Weges geben konnten. [Fußnotenzeichen und -text: Vgl. Heads Krankengeschichte Nr. 2; [Aphasia and Kindred Disorders of Speech,] Bd. II, S. 31; zum Früheren s[iehe] H e a d [ , Aphasia and Kindred Disorders of Speech, Bd.] I, [S.] 264, 339, 393, 415 f. u. ö.] Das erinnert durchaus an jene »primitivere«, mit symbolischen Elementen noch nicht gesättigte Form der Raumanschauung, wie wir sie z. B. bei Naturvölkern finden, die zwar jede Stelle eines Flußlaufs kennen, nicht aber eine K a r t e des Flußlaufs zeichnen können. 42 saper vedere.] zu sehen verstehen bzw. verstehen, um zu sehen – sehen, um zu verstehen. Diese Leonardo da Vinci zugeschriebene Formel ist in dessen Schriften nicht nachgewiesen. In Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, 1927, S. 167 schreibt Cassirer: So ist es freilich zutreffend, daß auch Leonardos Wissenschaftsideal auf nichts anderes als auf die Vollendung des Sehens, auf das „ s a p e r v e d e r e “ gerichtet ist, daß das darstellend bildnerische Material auch in seinen mechanischen, optischen und geometrischen Aufzeichnungen überwiegt, daß „Abstraktion“ und „Vision“ in ihm untrennbar zusammenwirken. Cassirer verweist dafür auf Leonardo Olschki: Die Literatur der Technik und der angewandten Wissenschaften vom Mittelalter bis zur Renaissance, 1919, S. 342 u. 379.
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ȕ 2) die K u n s t / cf. Ms. S . 1 9 5 f f . ] Vgl. das Ms. Cassirers zum 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen: Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie. In: Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 31, folder 607–610, hier folder 609, Bl. 13r-16r, paginiert als 195–198 (abgedruckt in ECN 1, S. 75 f.): Aber in dieser ihrer Grundfunktion steht die Sprache nicht allein; sondern hier ist sie von Anfang an mit einer anderen Potenz des Geistes aufs nächste verbündet. Denn die Erhebung zur Gegenständlichkeit vollzieht sich nicht lediglich durch die Kraft der Benennung, sondern nicht minder durch die der bildnerischen Gestaltung. Hier liegt die zweite starke und triebkräftige Wurzel für alle gegenständliche Anschauung überhaupt. Der Zugang zur Welt der ›Vorstellung‹ ist stets nur durch die Pforte der ›Darstellung‹ zu gewinnen – diese selbst aber weist hierbei zwei verschiedene aufeinander nicht zurückführbare Urformen auf. Derselbe Prozess der Objektivation, der ›Gewärtigung‹, der uns zuvor an der Sprache entgegentrat, stellt sich uns, gleichsam in einer neuen Dimension, in aller bildenden Kunst dar. Wie die geistige Leistung der Sprache, so wird die der bildenden Kunst völlig unzulänglich beschrieben, wenn man in ihr nichts anderes als die ›Wiedergabe‹ einer schon vorhandenen Formwelt sieht. Hier wie dort liegt vielmehr der Wiedergabe ein echtes, ein originäres ›Geben‹ zu Grunde. Der Mensch gelangt zur Anschauung der Form der Dinge nicht dadurch, daß er sie von diesen, als eine ihnen anhaftende Bestimmung, einfach abliest, sondern dadurch, daß er ihr Bild in sich entwirft und daß er diesen Entwurf bildend aus sich herausstellt. In diesem Akt der bildenden Verkörperung gewinnt die Welt für ihn erst Gestalt und Körperlichkeit, gewinnt sie erst Grenze und Bestimmung. Der Grundakt dieser Determination ist daher ebensowohl an die Funktion der Sprache, wie an die der Kunst gebunden. Auch sie hat die gleiche Aufgabe zu bewältigen, wie die Sprache: sie kann das Bild der Wirklichkeit nicht einfach nach einem vorhandenen Muster, nach einem gegebenen „Modell“, nachzeichnen, sondern sie muss es als solches hervorbringen. Sie zieht nicht die Kontur der Dinge, die sie als solche passiv empfängt, bloss nach; sondern ihre Kraft besteht in der Erschaffung dieser Kontur, in ihrer ideellen Vorzeichnung. Die aesthetische Gestaltung schafft, gemeinsam mit der sprachlichen Gestaltung, erst einen klaren und bestimmten Umriss der Gegenstandswelt. 〈 Und sie bedient sich hierbei desselben Mittels wie diese: des Grundmittels der „Verdichtung“. Wie die sprachliche Benennung kraft der Auswahl, die sie vollzog, den unbestimmten Fluss der sinnlichen Erlebnisse in sich abteilte, wie sie in ihm feste Zentren der Bedeutung schuf, wie sie dem, was hier gleichsam flächenhaft neben einander lag, eine verschiedene Tiefe, einen Vordergrund und Hintergrund gab – so geschieht das Gleiche auch in jedem künstlerischen Bild-Entwurf und in jeder künstlerischen Bild-Gestaltung.〉 Hier liegt der Kern jener mehr als b l o s s - „aesthetischen“, jener echt „theoretischen“ Leistung, die das echte Kunstwerk vollbringt. Die Darstellung der Welt, die es in sich schliesst, ist eine wahrhafte Welt-Entdeckung. Goethe sagt vom künstlerischen Stil, daß er auf den tiefsten Grundfesten der E r k e n n t n i s ruhe: „auf dem Wesen 43
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der Dinge, in so fern es uns erlaubt ist, es in sichtbaren und greiflichen Gestalten zu erkennen“ [Goethe: Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil. In: WA Abt. I Bd. 47, S. 80]. Und so ist ihm allgemein das Schöne eine „Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben“ [Goethe: Maximen und Reflexionen, hrsg. v. Max Hecker, 1907, S. 32, Nr. 183]. Daneben nach einem Querstrich auf den Rand geschrieben: Raum –/Renaissance –/Leonardo – guter Maler/saper vedere! Schluß des von Cassirer gemeinten Abschnitts Konjektur, vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen und Weiss. 44 ȕ 3) der Bedeutungsraum –/der mathematisch-physikalische Symbolraum als F u n k t i o n s r a u m ! / cf. M s . S . 2 3 3 f f . ] Vgl. das Ms. Cassirers zum 2. Kapitel von Zur Metaphysik der symbolischen Formen: Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie. In: Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 31, folder 607– 610, hier folder 609, Bl. 52r-56r, paginiert als 233 – 237 (abgedruckt in ECN 1, S. 90 – 92): Und doch stehen wir auch hier, wo der Kreis der Gestaltung sich endgültig zu schliessen scheint, wo die ›innere‹ und die ›äussere‹ Wirklichkeit in einander eingreifen und sich zu Einem Kosmos zusammenfassen, noch nicht am Ende des Weges der geistigen Entwicklung. Denn eben dies bezeichnet diese Entwicklung[,] daß sie, ebenso wie sie die „Grenzen der Menschheit“ erst s e t z t , so auch schon mitten in dieser Setzung, über sie h i n a u s d r ä n g t . Alle objektive und alle subjektive Wahrheit, alle Gewissheit der Aussenwelt, wie alle Gewissheit von sich selbst, die der Mensch zu erringen vermag, scheint an die Funktion der D a r s t e l l u n g geknüpft zu sein. Der Mensch kennt die Welt und er kennt sich selbst nur in dem Bilde, das er von beiden entwirft. Aber zugleich erweist sich, daß er in diesem Kreise der anschaulichen Wahrheit und der anschaulichen Wirklichkeit nicht stehen bleiben, daß das Streben nach reiner E r k e n n t n i s sich in ihm nicht begnügen und befriedigen kann. Die Erkenntnis wagt es, diesen Boden, kaum daß er gegründet ist, wieder zu verlassen – sie geht den Weg „ins Unbetretene, nicht zu Betretende“ [Goethe: Faust II, Z. 6222 – 6223. In: WA Bd. 15.1, S. 70]. Ihr geistiger Horizont fällt mit dem Horizont der Anschauung nicht zusammen: der ideelle S i n n der Welt erscheint ihr nicht als in den Grenzen der D a r s t e l l b a r k e i t beschlossen. Über der Dimension der Darstellung baut sich jetzt eine neue Dimension: die Dimension der reinen „Bedeutung“ auf. 〈 Wir haben den Weg, der von der einen zur andern hinführt, im einzelnen zu verfolgen gesucht.〉 Im Aufbau der Naturerkenntnis zeigte es sich, wie sie, je schärfer sie sich auf die eigentliche Aufgabe der Objektivierung besinnt, um so mehr darauf verzichten muss, diese Aufgabe mit rein anschaulichen Mitteln zu erfüllen. Immer mehr werden die Bilder und Modelle, in denen der Gedanke die Wirklichkeit zu erfassen und in welche er sie zusammenzufassen versuchte, zurückgedrängt und an ihre Stelle treten reine Gedankensymbole. In ihnen wird nicht mehr eine wirkliche oder mögliche Anschauung, wird kein anschauliches › D a t u m ‹ und kein anschauliches [›] D a b i l e [‹] mehr beschrieben – sondern es wird eine reine O r d n u n g s b e z i e h u n g erfasst;
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es wird ein Gesetz der Reihung und Verknüpfung aufgestellt und aus ihm, als konstruktivem Prinzip, die ›Einheit eines Mannigfaltigen‹ rein gedanklich aufgebaut. Am klarsten trat uns dies in der Umbildung entgegen, die die Grund- und Urform der ›reinen Anschauung‹, die der R a u m selbst allmählich erfährt. 〈 Wenn wir uns noch einmal, in einem kurzen Überblick und Rückblick, die mannigfachen Vermittlungen vergegenwärtigen, die vom ersten primitiven „Raumgefühl“ bis zum „Raumbegriff“ der Wissenschaft, der exakten theoretischen Erkenntnis, hinführen – so zeigt sich, daß das Ganze dieser Entwicklung im Zeichen einer eigentümlichen Dialektik steht. Hier findet kein einfacher und geradliniger ›Fortschritt‹ statt: sondern an einem bestimmten Punkte scheint die Entwicklung sich zurückzubiegen, scheint sie eine Art von geistiger Peripetie zu erfahren. Es ist als kehrte, vermöge dieser Rückwendung, das Ende wieder in den Anfang zurück – als würde ein bestimmtes Resultat der Formung, kaum erreicht, wieder preisgegeben und aufgegeben. In der geistigen M i t t e dieser Entwicklung tritt uns der Raum in seiner reinen Gegenständlichkeit, gewissermassen in seiner substantiellen Gediegenheit, entgegen. Er ist die Aufnahmestätte, das ʌȡIJȠȞ įİțIJȚțંȞ der Gegenstandswelt überhaupt – er giebt jedem Sein seinen festen Platz und damit seinen festen Halt. Aber wenn in den Anfangsstadien diese Art der ›Verfestigung‹ des Raumes – oder besser gesagt diese Art der Verfestigung z u m objektiven Anschauungsraum – noch nicht erreicht ist, so ist sie in den Endstadien bereits wieder verlassen und überwunden. In ihnen ist an Stelle der s u b s t a n t i e l l e n Raumauffassung wieder eine rein f u n k t i o n a l e Auffassung getreten: der Raum ist kein Dingraum mehr, sondern ein reiner System-Raum. So scheinen sich Ausgangspunkt und Resultat in einem gemeinsamen Zuge zu begegnen, sofern in beiden ein ganz bestimmter Gegensatz zur Struktur der „Dingwelt“[,] zur Welt der empirischen Gegenständlichkeit, sich bekundet. Aber dieser Gegensatz hat freilich für beide nicht denselben Sinn und nicht die gleiche Richtung. Man könnte sagen, daß die „primitive“ Raumauffassung der Form der Dingwelt noch v o r a u s , daß die begrifflich-exakte Auffassung ü b e r s i e h i n a u s liegt: daß jene gleichsam unter-dinglich, diese gleichsam über-dinglich ist. Der Raum der tierischen ›Wahrnehmung‹ und ›Vorstellung‹, und im gewissen Sinne auch der mythische Raum, ist n o c h n i c h t der feste Gegenstandsraum, der für die Welt der empirischen Anschauung bestimmend und charakteristisch ist – der mathematisch-physikalische Ordnungsraum ist es n i c h t m e h r. Der erstere ist nicht sowohl eine Gesamtheit von Dingen, als ein Ganzes von Aktionen und Aktionsrichtungen; der letztere ist nicht sowohl ein Komplex gegenständlicher Elemente, als vielmehr ein System von Relationen. Schluß des von Cassirer gemeinten Abschnitts Konjektur, vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen und Weiss. 45 Am deutlichsten an der Sprache: Wilhelm von Humboldt … spinnt er sich zugleich immer tiefer in sie h i n e i n . ] Vgl. Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1830 – 1835). In: Gesammelte Schriften 1. Abt. Bd. 7, 1907, S. 60.
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ȝİIJȕĮıȚȢ] Vgl. Hrsg.-Anm. 31. Non ridere, non lugere, sed intelligere!] Vgl. Spinoza: Tractatus politicus, Kap. 1, § 4. In: Opera quae supersunt omnia Bd. 2, 1844, S. 52. Bei Spinoza heißt es: non ridere, non lugere, neque detestari, sed intelligere (nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen). 48 Vgl. Goethe: Die Wahlverwandtschaften. In: WA Abt. I Bd. 20, S. 262. 49 Gorgias: es redet der Redende, aber nicht Farbe und Ton.] Vgl. [PseudoAristoteles]: De Melisso, Xenophane et Gorgia, Cap. 6, 980a 20 – 980b 3. 50 Platon: die Philosophie wird zur Dialektik … dem bleibt die Sprache immer inadäquat.] Vgl. die Aufzeichnungen von Weiss. Vgl. Platon an die Verwandten und Freunde Dions. VII. In: Die Briefe Platons, hrsg. v. Ernst Howald, 1923, S. 92 f., Stephanus-Zählung 343a. 51 Berkeley … dessen Frucht vortrefflich und unserer Hand erreichbar ist.“] Vgl. Berkeley: A Treatise concerning the Principles of Human Knowledge, Introduction, § 24. In: The Works Bd. 1, 1897, S. 176 f.: In vain do we extend our view into the heavens […], in vain do we consult the writings of learned men and trace the dark footsteps of antiquity – we need only draw the curtain of words, to behold the fairest tree of knowledge, whose fruit is excellent, and within the reach of our hand. Übersetzung nicht ermittelt. 52 Kern der Mauthnerschen S p r a c h k r i t i k … schlechthin individuell ist, heran.] Grundtenor der Sprachkritik Fritz Mauthners, der seine Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3 Bde., 3., verm. Aufl. 1923, mit den Worten beginnt: „Im Anfang war das Wort.“ Mit dem Worte stehen die Menschen am Anfang der Welterkenntnis und sie bleiben stehen, wenn sie beim Worte bleiben. Wer weiter schreiten will, auch nur um den kleinwinzigen Schritt, um welchen die Denkarbeit eines ganzen Lebens weiter bringen kann, der muß sich vom Worte befreien und vom Wortaberglauben, der muß seine Welt von der Tyrannei der Sprache zu erlösen versuchen (Bd. 1, S. 1); alles andere hieße mit Wortschällen Fangball spielen (Bd. 2, S. 716). 53 Alles Sprechen ist keineswegs, wie Humboldt will, S t e i g e r u n g der Subjektivität] Vgl. Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. In: Gesammelte Schriften 1. Abt. Bd. 7, 1. Hälfte, 1907, S. 59 f.: In die Bildung und in den Gebrauch der Sprache geht aber nothwendig die ganze Art der subjectiven Wahrnehmung der Gegenstände über. Denn das Wort entsteht eben aus dieser Wahrnehmung, ist nicht ein Abdruck des Gegenstandes an sich, sondern des von diesem in der Seele erzeugten Bildes. Da aller objectiven Wahrnehmung unvermeidlich Subjectivität beigemischt ist, so kann man, schon unabhängig von der Sprache, jede menschliche Individualität als einen eignen Standpunkt der Weltansicht betrachten. Sie wird aber noch viel mehr dazu durch die Sprache, da das Wort sich der Seele gegenüber auch wieder, wie wir weiter unten sehen werden, mit einem Zusatz von Selbstbedeutung zum Object macht, und eine neue Eigenthümlichkeit hinzubringt. In dieser, als der eines Sprachlauts, herrscht nothwendig in derselben Sprache eine durchgehende Analogie; und da auch auf die Sprache 46 47
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in derselben Nation eine gleichartige Subjectivität einwirkt, so liegt in jeder Sprache eine eigenthümliche Weltansicht. Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand und den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn und die innerlich und äusserlich auf ihn einwirkende Natur. Er umgiebt sich mit einer Welt von Lauten, um die Welt von Gegenständen in sich aufzunehmen und zu bearbeiten. 54 Schiller: Sprache. In: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 149. 55 In diesem Sinne fasst auch Heidegger … zu verdecken.“] Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 35, S. 167 u. 169 f. 56 Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 38, S. 175. 57 So auch Goethe … Nur in dynamischen, nicht in statischen Gleichnissen läßt sich all dies erörtern.] Vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen u. Weiss mit Hrsg.-Anm. 58. 58 Platon – Vossler – dagegen unsere e i g e n e Grundansicht der Sprache S. 75 ff. des Vo r t r a g s ] Vgl. die letzten Absätze des Ms. von Cassirer: D e r Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen p h i l o s o p h i s c h e n A n t h r o p o l o g i e / Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28; Textbeginn nach Markierung mit zwei senkrechten Strichen: Ich versuche zum Schluss dieses Grundverhältnis nun noch an der Betrachtung einer einzigen symbolischen Form: an der Betrachtung der Sprache aufzuweisen. Man kann sagen daß, solange es eine Sprachphilosophie giebt, es auch eine Sprach k r i t i k gegeben hat – daß der Einsicht in das, was die Sprache ist und will die Skepsis an der Sprache stets wie ein Schatten gefolgt ist. Schon in der griechischen Sophistik tritt dieser Zusammenhang hervor. Der erste bewusste Gebrauch der Sprache als Kunstmittel, die Erkenntnis dessen, was sie als unentbehrliches Rüstzeug des Geistes bedeutet, ruft zugleich die ersten Zweifel gegen ihre Möglichkeit wach. Wie vermöchte sie die gegenständliche Wirklichkeit zu bezeichnen und zu erreichen, da sie von ihr doch durch eine unübersteigliche Kluft getrennt ist, da schon das Material des Lautes, in dem sie sich bewegt, sie dauernd von dieser Wirklichkeit scheidet. [„]Es redet der Redende[“] – so heisst es schon bei Gorgias, einem der ersten „Sprachkritiker“ – [„]aber nicht Farbe oder Ton“ [vgl. Hrsg.-Anm. 49]. Ein wesentlich anderes und ein wesentlich tieferes Verhältnis zur Sprache stellt sich sodann in der klassischen griechischen Philosophie her. Für Platon ist die Philosophie selbst zur Dialektik geworden, ist sie in der Funktion des įȚĮȜȖİıșĮȚ gegründet, die Sprechen und Denken in einem befasst. Auch das einsame Denken ist noch Dialog – ist ein Gespräch, das die Seele mit sich selbst führt. Aber trotz dieses Bekenntnisses zur Kraft des gesprochenen Logos ist der Zweifel an der Sprache, an dem was sie ist und vermag, auch für Platon keineswegs beschwichtigt. Wenn er – im siebenten Brief – eine Stufenfolge der Erkenntnis aufstellt, so beginnt er zwar mit ihr; so hebt er mit ȞȠȝĮ und ȜંȖȠȢ an, um auf beide die Stufe der wissenschaftlichen Einsicht, die Stufe der ਥʌȚıIJȝȘ erst folgen zu lassen. Das höchste Wissen aber greift nach Platon auch über diese ganze, durch das Wort und durch den sprachlich definierten Begriff bezeichnete Sphaere hinaus. Der höchsten Form der Ideenschau, insbesondere der Schau der Idee des Guten als ȝȖȚıIJȠȞ
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ȝșȘȝĮ, muss die Sprache immer und notwendig inadaequat bleiben. „Daher wird kein Vernünftiger es jemals wagen, das von ihm mit dem Geiste Erfasste diesen unzulänglichen sprachlichen Mitteln anzuvertrauen, und noch dazu, wenn dieselben ein für alle Mal festgelegt sind, wie es bei dem im Buchstaben Niedergeschriebenen der Fall ist“ [vgl. Hrsg.-Anm. 50]. Aus dieser Einsicht in das innerlich-Ungenügende und Unangemessene der Sprachform für die höchsten philosophischen Einsichten, flüchtet sich die Platon freilich nicht in die entgegengesetzte Behauptung. Er sucht nicht Ruhe und Genügen in der Negation dieser Form, in dem mystischen Nein-Nein, sondern er lehrt ausdrücklich, daß alle Vernunfterkenntnis, so wenig sie in der Sprache aufgehen und sich in ihr vollkommen erfüllen kann, nichtsdestoweniger durch sie vermittelt sein muss. Aber die Versuche, dieser Vermittlung los und ledig zu werden, brechen freilich in der künftigen Entwicklung der Philosophie nicht ab. Immer wieder hofft man, die Wirklichkeit selbst ergreifen, ihr gewissermassen Auge in Auge gegenübertreten zu können, wenn es nur gelingt, den Schleier zu heben, den die Sprache um sie gewoben hat. „Vergeblich erweitern wir unseren Blick in die himmlischen Räume“ – so heisst es in der Einleitung zu Berkeleys [›]Prinzipien der menschlichen Erkenntnis[‹] – [„]vergeblich ziehen wir die Schriften gelehrter Männer zu Rate und verfolgen die dunklen Spuren des Altertums; wir brauchen nur den Vorhang von Worten wegzuziehen, um klar und rein den Baum der Erkenntnis zu erblicken, dessen Frucht vortrefflich und unserer Hand erreichbar ist“ (Einl[eitung] XXIV) [vgl. Hrsg-Anm. 51]. Und dieser Zweifel an der Sprache, ja diese Verzweiflung an ihr bleibt keineswegs auf die Philosophie beschränkt; er ist auch den großen Poeten, er ist auch den größten Sprachschöpfern im Bereich der Dichtung nicht fremd. So hat Goethe, in jenem bekannten venezianischen Epigramm darüber geklagt, daß er, an das Mittel der deutschen Sprache gebunden, in dem „schlechtesten Stoff“ leider nun Leben und Kunst verderben müsse [vgl. Goethe: Epigramme. Venedig 1790. [Vieles hab’ ich versucht, gezeichnet, in Kupfer gestochen]. In: WA Abt. I Bd. 1, S. 314]. Aber in seinen Werken findet sich auch ein anderes, ›Sprache‹ überschriebenes Gedicht, das verglichen mit diesem venezianischen Epigramm, wie dessen Gegenpol und wie seine Palinodie erscheint: „Was reich und arm! Was stark und schwach! Ist reich vergrabner Urne Bauch? Ist stark das Schwert im Arsenal? Greif milde drein, und freundlich Glück – Fliesst, Gottheit, von Dir aus – Fass an zum Siege, Macht, das Schwert, Und über Nachbarn Ruhm“ [Goethe: Sprache. In: WA Abt. I Bd. 2, S. 256]. Hier bricht wieder das Gefühl des echten Sprach s c h ö p f e r s durch: das Gefühl[,] daß die Sprache im Grunde nur das i s t , was der jeweilige Impuls, was der belebende und beseelende Augenblick aus ihr macht. Ihr Sinn und ihr Wert hängt nicht davon ab, was sie „an sich“, ihrem metaphysischen Wesen nach, sein mag, sondern von der Art ihres Gebrauchs, ihrer geistigen Handhabung. Denn es ist nicht die starre S u b s t a n z der Sprache, sondern ihre lebendige dynamische F u n k t i o n , die über diesen Sinn und Wert entscheidet. Man verkennt die Sprache, wenn man sie in irgendeiner Weise als ein selbst Dinghaftes, als ein substantielles Medium nimmt, das sich zwischen den Menschen
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und die ihn umgebende Wirklichkeit schiebt. Wie immer man dieses Mittlere näher bestimmen mag: Es erscheint, indem es das B i n d e g l i e d zwischen zwei Welten sein will, doch zugleich immer als die S c h r a n k e , die beide voneinander scheidet. Mag man die Sprache als noch so klares und als noch so reines Medium ansehen: Es bleibt doch stets dabei, daß dieses krystallhelle Medium auch krystallhart bleibt, daß es für den Gedanken wie immer durchsichtig, so doch niemals völlig durchdringlich ist. Seine Transparenz hebt seine Impenetrabilität nicht auf. Aber dieses Bedenken schwindet, sobald man sich daran erinnert, daß es sich hier im Grunde um eine selbstgeschaffene Schwierigkeit handelt, – daß die Antinomie nicht sowohl der Sprache selber zur Last fällt, als sie vielmehr in einer unzulänglichen metaphorischen Beschreibung ihres Wesens gegründet ist. Fasst man sie, statt sie einem substantiellen Ding zu vergleichen, vielmehr in ihrem reinen Vollzug, nimmt man sie, gemäß der Forderung Humboldts, nicht als Ergon, sondern als Energeia, so gewinnt das Problem alsbald eine andere Gestalt [vgl. Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1830 – 1835). In: Gesammelte Schriften 1. Abt. Bd. 7, 1907, S. 46: Sie selbst [die Sprache] ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia)]. Sie ist dann keine bestehende starre Form mehr; sondern sie wird zu einem Formzeugenden, das freilich zugleich ein Formzerstörendes, Formzerbrechendes sein muß. Auch die Welt der grammatischen, der syntaktischen Formen ist nicht [danach gestrichen: wie sie z. B. in Vosslers Sprachphilosophie dargestellt wird –] nur eine Art fester Deich und Damm, an dem sich die bildenden, die eigentlich schöpferischen Kräfte der Sprache brechen [vgl. Karl Voßler: Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft, 1904; ders.: Sprache als Schöpfung und Entwicklung, 1905; ders.: Geist und Kultur in der Sprache, 1925]. Vielmehr sind es eben diese Kräfte, die auch diese Welt ständig durchfluten und dieser immer neue Bewegungsimpulse zuführen. In diesem Prozess wird auch das Festgewordene immer wieder umgeschmolzen, so daß es sich nicht „zum Starren waffnen“ kann [vgl. Goethe: Eins und Alles. In: WA Abt. I Bd. 3, S. 81]; aber andererseits erhält in ihm auch der momentane Antrieb, auch die Schöpfung des Augenblicks erst ihre Stetigkeit und Ständigkeit. Diese Schöpfung müßte als Spiel vor jedem Hauch der Luft zergehen, wenn sie nicht, mitten in ihrem Entstehen und Werden, auf frühere Gebilde, auf schon Entstandenes und Gewordenes träfe, an dem sie sich anhalten und festigen kann. So ist auch dieses Entstandene für sie nicht lediglich Stoff, dem sich immer fremd und fremder Stoff andrängt [vgl. Goethe: Faust I. In: WA Abt I. Bd. 14, S. 37, Z. 635], sondern es ist Erzeugnis und Bezeugnis der gleichen bildenden Kräfte, denen auch sie selbst ihr Dasein verdankt. Jeder einzelne Sprach a k t fließt wieder in das große Strombett der Sprache ein, ohne doch schlechthin in ihm auf- und unterzugehen. Je stärker vielmehr seine eigene, von der Individualität seines Schöpfers entlehnte Individualität war, um so mehr bleibt sie erhalten und um so kräftiger pflanzt sie sich fort – derart, daß durch den neuen momentanen Impuls die Strömung als Ganzes in ihrer Richtung und Intensität, in ihrer Dynamik
Anmerkungen der Herausgeber
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und Rhythmik sich ändern kann. Auch all diese Wendungen können freilich nicht mehr sein wollen, als Gleichnisse; aber, wenn überhaupt, so läßt sich nur in solchen dynamischen Gleichnissen, nicht in irgendwelchen Bildern, die der statischen Welt, der Welt der Dinge und Dingverhältnisse entlehnt sind der Zusammenhang des Besonderen mit dem Allgemeinen in der Sprache, das Verhältnis von Leben und Geist in ihr beschreiben./Lassen Sie mich damit m[eine] D[amen] u[nd] H[erren] diese Betrachtungen abschliessen. Daß sie das Thema, das ich mir gestellt habe, in keiner Weise erschöpft haben – dessen bin ich mir natürlich bewusst. Aber nicht auf eine in irgend einem Sinne „vollständige“ Behandlung dieses an sich unerschöpflichen Themas kam es mir an. Keineswegs konnte ich daran denken den gesamten Problemkreis, hier in irgend einer Weise zu umschreiten; worauf es mir ankam, war lediglich eine bestimmte R i c h t l i n i e zu fixieren, in der, wie mir scheint die künftige Untersuchung, sich wird bewegen müssen. Der Verlauf dieses Abschnitts ist rekonstruiert aus den Mss. Der Gegensatz von „Geist“ und „Leben“ in der modernen philosophischen Anthropologie/ Vortrag: Frankfurt a/M.; 3.X.28. In: Ernst Cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 98, Box 40, folder 783, Bl. 50r-51r, paginiert als 74 – 75; fortgesetzt durch Scheler-Aufsatz. Die Polarität von „Geist“ und „Leben“ in Max Schelers philosophischer Anthropologie. In: Box 40, folder 784, Bl. 64r-68r (ursprünglich paginiert als 76– 78, später neu als 78 – 80; die während der Umarbeitung zu einem Aufsatz gemachten umfangreichen Streichungen, durch andere Tinte gut unterscheidbar, sind für die vorliegende Edition zurückgenommen); fortgesetzt durch die Schlußpassage, die innerhalb des Ms. der im vorliegenden edierten HeideggerVorles[ung] (Davos) März 1929 in Box 42, folder 839, auf Bl. 24r, paginiert als 81, überliefert ist. Diese Passagen gingen nur zu einem kleinen Teil in die spätere Veröffentlichung ein, vgl. Cassirer: „Geist“ und „Leben“ in der Philosophie der Gegenwart. In: Die Neue Rundschau. 41. Jahrgang der freien Bühne (1930), S. 244 – 264 (abgedruckt in ECW 17). 59 Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, S. 235 – 267: Erstes Kapitel. Das mögliche Ganzsein des Daseins und das Sein zum Tode, § 46 – 53. 60 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 49, S. 247 u. S. 248. 61 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 50, S. 251. 62 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 47, S. 239. 63 Vgl. Luther: Predigten des Jahres 1522. 1 –8. Acht Sermon D. M. Luthers von jm geprediget zu Wittemberg in der Fasten/Sieben Predigten D. Martini Luthers. Die erste Predigt, am Sonntage Invocavit. In: Werke Abt. 3 Bd. 10, 1905, S. 1 f.: Wir sind alle zum tode gefoddert und wird keiner fur den andern sterben, sondern ein jglicher in eigner Person mus geharnischt und geruestet sein fur sich selbs mit dem Teufel und Tode zu kempffen. In die ohren koennen wir wol einer dem andern schreien, jn troesten und vermanen zu gedult, zum streit und kampf, aber fur jn koennen wir nicht kempffen noch streiten, es mus ein jglicher alda auff seine schantz selbs sehen und sich mit den feinden, mit dem Teufel und Tode selbs einlegen und allein mit jnen im kampff liegen: ich werde denn nicht bey dir sein noch du bey mir.
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Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 44 c), S. 226. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 43 c) u. § 63, S. 212 u. S. 314. 66 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 44 c), S. 227. 67 Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 44, S. 229. 68 Blaise Pascal: Pensées, Publiées … par Ernst Havet, 5. éd., Bd. 1, 1897, S. 10. 69 Vgl. Schiller: Die Künstler. In: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 186: Mit dem Geschick in hoher Einigkeit,/Gelassen hingestützt auf Grazien und Musen,/ Empfängt er das Geschoß, das ihn bedräut,/Mit freundlich dargebot’nem Busen/Vom sanften Bogen der Nothwendigkeit. 70 jenen U r p h a e n o m e n e n , von denen Goethe sagt … in ihrer unerforschlichen Grösse stehen lassen solle.] Goethe bezeichnet mit Urphänomenen das Leben, das Erlebte und dasjenige, was wir als Handlung und That, als Wort und Schrift gegen die Außenwelt richten, vgl. Goethe: Maximen und Reflexionen, S. 76 f., Nr. 391 – 393 sowie ders.: Maximen und Reflexionen, hrsg. v. Max Hecker, 1907, S. 82: Vor den Urphänomenen, wenn sie unseren Sinnen enthüllt erscheinen, fühlen wir eine Art von Scheu, bis zur Angst. Die sinnlichen Menschen retten sich in’s Erstaunen; geschwind aber kommt der thätige Kuppler Verstand und will auf seine Weise das Edelste mit dem Gemeinsten vermitteln. Vgl. auch ECN 1, S. 111 – 195. 71 Besonders Simmel hat diesen Bann gebrochen,] Vgl. Simmel: Zur Metaphysik des Todes. In: Logos 1 (1910), S. 57–70 sowie ders.: Lebensanschauung, 1918, S. 99 – 153, Drittes Kap.: Tod und Unsterblichkeit. 72 Vgl. Hrsg.-Anm. 63. 73 in Heideggers Sprache auszudrücken … Welt des Man und der Alltäglichkeit.] Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, 1. Teil, 1. Abschnitt, 4. Kap.: Das In-der-Welt-sein als Mit- und Selbstsein. Das „Man“. 74 Auch Moses Mendelssohns Phaedon … durch bündige Vernunftschlüsse erweise.] Vgl. Moses Mendelssohn: Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele in drey Gesprächen, zuerst 1767. 75 Platon … Philosophie ist sterben lernen] Vgl. Platon: Phaidon, 63b-84c, bes. 67e 4 – 6: In der That also, o Simmias, trachten die richtig philosophierenden danach zu sterben und todt zu sein ist ihnen unter allen Menschen am wenigsten furchtbar. 76 in der Teilhabe an der Idee, in der ȝșİȟȚȢ an ihr,] Vgl. Platon: Sophistes, 256a 1 u. 259a. 77 Spinoza (Dilthey!) scientia intuitiva] Vgl. Wilhelm Dilthey über Spinoza und die stoische Tradition. In: Dilthey: Die Autonomie des Denkens, der konstruktive Rationalismus und der pantheistische Monismus nach ihrem Zusammenhang im 17. Jahrhundert. Gesammelte Schriften Bd. 2, 1914, S. 283 – 296. 78 Spinoza … Homo liber] Vgl. Spinoza: Ethica IV, Lehrsatz 67. In: Opera Bd. 1, S. 232: Homo liber de nulla re minus quam de morte cogitat, et ejus sapientia non mortis, sed vitae meditatio est (Spinoza: Die Ethik, 1905, S. 229: Der freie Mensch denkt an nichts weniger, als an den Tod; und seine Weisheit 65
Anmerkungen der Herausgeber
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ist nicht ein Nachsinnen über den Tod, sondern ein Nachsinnen über das Leben). 79 Schiller … als unbegreiflicher Zufall erschien.] Cassirer bezieht sich auf Schiller: Die Künstler. In: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 176 – 191, vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen u. Weiss. 80 Pascal … il faut donc f a i r e , comme si on était seul“] Blaise Pascal: Pensées, Publiées … par Ernst Havet, 5. éd., Bd. 1, 1897, S. 197. 81 Vgl. Hrsg.-Anm. 61. 82 Kant-Vorträge] Weiss verweist auf Heideggers Vorträge anläßlich der II. Davoser Hochschulkurse, die dieser unter dem Titel Kants Kritik der reinen Vernunft und die Aufgabe einer Grundlegung der Metaphysik am 18., 19. u. 20. März 1929, jeweils von 5 – 6 Uhr nachmittags u. am 20. März zusätzlich von 6 – 7 Uhr nachmittags gehalten hat (vgl. die Stundenpläne in [Gottfried Salomon, Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929, [1929], S. 90–95). Zum Inhalt dieser Vorträge siehe [Martin Heidegger]: Vorträge von Prof. M. Heidegger über Kants Kritik der reinen Vernunft und die Aufgabe einer Grundlegung der Metaphysik. In: [Jules Ferdmann (Redaktion) u. a.]: Bericht über die II. Davoser Hochschulkurse 17. März – 6. April. Davoser Revue 4 (1929), Nr. 7 vom 15.4.1929, S. 194–196 (abgedruckt in HGA 3, S. 271 – 273). 83 seinem Buche] Heidegger: Sein und Zeit, 1927. 84 Dank an die Herren des Komitees der Davoser Hochschulkurse] Vgl. die Bildunterschrift unter der Fotografie des Organisationskomitees der Davoser Hochschulkurse in [Jules Ferdmann (Redaktion) u. a.]: Bericht über die II. Davoser Hochschulkurse 17. März – 6. April. Davoser Revue 4 (1929), Nr. 7 vom 15.4.1929, S. 187: Prof. G o t t f r i e d S a l o m o n , der wissenschaftliche Leiter der Kurse; Landammann Dr. E [ r h a r d ] B r a n g e r, Präsident des Kommitees; Dr. P a u l M ü l l e r, der Leiter der technischen und finanziellen Organisation. Cassirer hielt anläßlich des Eröffnungsbanketts eine Dankesrede, siehe den Bericht über die II. Davoser Hochschulkurse 17. März-6. April. Der Eröffnungsakt. In: Davoser Revue 4 (1929), Nr. 7 vom 15.4.1929, S. 181 – 189, hier S. 188: Professor Dr. C a s s i r e r, Hamburg, dankte im Namen der Dozenten für die freundliche Aufnahme. Er führte aus, wenn es ihn und andere immer wieder nach Graubünden locke, so sei es u. a., weil ein Aufenthalt in diesen Bergen heilsam sei gegen akademische Selbstüberschätzung. Die Schaffung der Davoser Hochschulkurse war nur möglich durch die Arbeit, die in Davos selbst geleistet worden ist. Der Redner dankt dafür. 85 Gelegenheit … durch eine persönliche Aussprache zu ergänzen und wie ich hoffe zu vertiefen.] Vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen und Weiss über die Arbeitsgemeinschaft E . C a s s i r e r u n d M . H e i d e g g e r, angekündigt für Dienstag, 26. März 1929, vormittags 10 – 12 Uhr, im vorliegenden Bd. S. 108 – 119. 86 Riehl – cf. meinen Artikel ‚Neukantianismus‘] Zu Alois Riehl vgl. Cassirer: Neo-Kantianism. In: The Encyclopædia Britannica, 14. Aufl.
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1929, Vol. 16, Mushroom to Ozonides, S. 216 (abgedruckt in ECW 17, S. 308 – 315). 87 die Fundamental-Ontologie als Ontologie des Menschen – siehe …] Vgl. KPM, S. 1 (HGA 3, S. 1): Fundamentalontologie heißt diejenige ontologische Analytik des endlichen Menschenwesens, die das Fundament für die zur „Natur des Menschen gehörige“ Metaphysik bereiten soll. Die Fundamentalontologie ist die zur Ermöglichung der Metaphysik notwendig geforderte M e t a p h y s i k d e s m e n s c h l i c h e n D a s e i n s . Sie bleibt von aller Anthropologie, auch der philosophischen, grundsätzlich unterschieden. Die Idee einer Fundamentalontologie auseinanderlegen bedeutet: die gekennzeichnete ontologische Analytik des Daseins als notwendiges Erfordernis aufzeigen und dadurch deutlich machen, in welcher Absicht und Weise, in welcher Begrenzung und unter welchen Voraussetzungen sie die konkrete Frage stellt: was ist d e r M e n s c h ? 88 nähere B e s t i m m u n g der Endlichkeit – nicht als Ausdruck irgendwelcher „Unvollkommenheiten“] Vgl. KPM, S. 210 –212 (HGA 3, S. 219–222), § 39: Das Problem einer möglichen Bestimmung der Endlichkeit im Menschen, hier S. 210 (HGA 3, S. 219): Selbst wenn es gelingen könnte, die Summe aller menschlichen Unvollkommenheiten zusammenzurechnen und das Gemeinschaftliche derselben zu „abstrahieren“, wäre nichts vom Wesen der Endlichkeit erfaßt, weil im vorhinein fraglich bleibt, ob die Unvollkommenheiten des Menschen überhaupt seine Endlichkeit unmittelbar sehen lassen, ob sie nicht vielmehr entfernte faktische Folgen des Wesens seiner Endlichkeit sind und daher nur aus diesem verständlich werden. 89 cf. letztes Capitel] Vgl. den letzten Paragraph von KPM, S. 233 – 236 (HGA 3, S. 243 – 246), § 45: Die Idee der Fundamentalontologie und die Kritik der reinen Vernunft. 90 intuitus originarius und derivativus] ursprüngliche und abgeleitete Anschauungsart, vgl. KrV B 72. 91 Gegenstände als Gegenüberstehen] Vgl. KPM, S. 67 – 69 (HGA 3, S. 73 – 75). 92 ›Dienststellung‹ des Verstandes] Vgl. KPM, S. 69 (HGA 3, S. 75) u. passim. 93 P r o b l e m d e r R e p r a e s e n t a t i o n cf. Philosophie der symbolischen Formen Bd. III] Vgl. PSF III, S. 125 – 323: 2. Teil. Das Problem der Repräsentation und der Aufbau der anschaulichen Welt. 94 Heideggers Philosophie will uns das Dunkel spenden – uns den ›Abgrund‹ erkennen lassen] Vgl. KPM, S. 204– 209: § 38. Die Frage nach dem Wesen des Menschen und das eigentliche Ergebnis der Kantischen Grundlegung (HGA 3, S. 214 – 218). 95 cf. seine Definition der Metaphysik:/Kant Metaphysik – die Lehre von den ersten Prinzipien der menschlichen Erkenntnis; Heidegger Lehre vom – Nichts – von der Nichtigkeit.] Vgl. KrV B 871 sowie Heidegger: Was ist Metaphysik? 1929. 96 ਕİ Ȟ] Zum stets Seienden siehe Platon: Symposion 211 B. 97 Ist Kant vor der „Endlichkeit der Vernunft“ z u r ü c k g e w i c h e n ? ] Vgl. KPM, S. 153 u. 205 (HGA 3, S. 150 u. 214).
Anmerkungen der Herausgeber
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Homo liber … etc. 〈 Todesproblem!〉 ] Zu Spinozas Satz homo liber de nihilo minus quam de morte cogitat siehe Hrsg.-Anm. 78. Zum systematischen Zusammenhang mit dem Todesproblem vgl. S. 68 f. im vorliegenden Bd. 99 cf.] Verweis nicht aufgelöst. An der entsprechenden Stelle der auf die vorliegenden Notizen zurückgehenden Rezension zitiert Cassirer aus Schillers Gedicht Das Ideal und das Leben, vgl. Cassirer: Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 24 (ECW 17, S. 248). 100 im fruchtbaren B a t h o s der Erfahrung.] Vgl. Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. In: Werke Bd. 4, S. 129, Anm. 1 (vgl. AA Bd. 4, S. 373). 101 h e l l e s Zimmer] Vgl. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung Bd. 2. In: Werke Bd. 2, [1892], S. 167: G o e t h e sagte mir ein Mal, daß wenn er eine Seite im K a n t lese, ihm zu Muthe würde, als träte er in ein helles Zimmer. 102 HGA 3, S. 214. 103 HGA 3, S. 228. 104 HGA 3, S. 229. 105 HGA 3, S. 236 f. 106 die G i g a n t o m a c h i e um das Sein, cf. 230!] Vgl. KPM, S. 229 f. (HGA 3, S. 239 f.) 107 HGA 3, S. 217. 108 HGA 3, S. 218. 109 HGA 3, S. 221 f. 110 HGA 3, S. 232. 111 keinerlei „Erkenntnistheorie“ (221)] Vgl. KPM, S. 220 f.: Er [Kant] schreibt im Jahre 1781 über dieses Werk [ KrV ] an seinen Freund und Schüler Markus H e r z : „Schwer wird diese Art von Nachforschung immer bleiben, Denn sie enthält die M e t a p h y s i k v o n d e r M e t a p h y s i k …“. Dieses Wort schlägt jeden Versuch, in der Kritik der reinen Vernunft auch nur teilweise eine „Erkenntnistheorie“ zu suchen, endgültig nieder (HGA 3, S. 230). Heidegger zitiert Kants Brief an Markus Herz vom 11.5.1781 in Werke Bd. 9, Teil 1, 1918, S. 198 (vgl. AA Bd. 10, S. 269). 112 HGA 3, S. 148. 113 die Kategorien … „der Anschauung auf keine Weise“ cf. Kritik der reinen Vernunft.] Vgl. KrV B 123. 114 wenn Heidegger den „Einbildungscharakter“ auch auf die reine Ve rn u n f t ausdehnen will (144)] Vgl. KPM, S. 144 (HGA 3, S. 151): Der Einbildungscharakter des reinen Denkens wird noch deutlicher, wenn wir versuchen, von der jetzt erreichten Wesensbestimmung des Verstandes aus, dem reinen Selbstbewußtsein, seinem Wesen noch näher zu kommen, um ihn als Ve r n u n f t zu fassen. 115 Behauptung, daß a l l e m Verstand eine reine Rezeptivität beigemischt sei (146)] Vgl. KPM, S. 146 (HGA 3, S. 154): Ob jetzt nicht auch e b e n s o u n w i d e r s t e h l i c h in der transzendentalen Interpretation des r e i n e n 98
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Denkens bei aller Spontaneität sich gerade e i n e r e i n e R e z e p t i v i t ä t herausstellen muß? Offenbar. 116 I d e e geht über die Erfahrung hinaus – cf. Bleistift-Bemerkung auf S. 146] In Cassirers Exemplar von KPM (University of Illinois, Chicago, Daley Library, Special Collections, Library of Ernst Cassirer, Call Number: B2799. M5 H4) findet sich auf S. 146 unten folgende Bleistift-Notiz von Cassirers Hd.: Die ›Idee‹ blickt aber gerade über die „Mögl[ichkeit] der Erfahrung“ hinaus – ihr kann in der Erfahrung (‚Erscheinung‘) nichts ‚ k o n g r u i e r e n ‘ . Der nebenstehende Text Heideggers lautet: Um den wesenhaften Anschauungscharakter des reinen Denkens zu sehen, muß nur das echte Wesen des e n d l i c h e n Anschauens als eines Hinnehmens von Sichgebendem begriffen und festgehalten werden. Nun ergab sich aber als Grundcharakter der „Einheit“ der transzendentalen Apperzeption, daß sie, im vorhinein ständig einigend, w i d e r alles Geratewohl ist. Im vorstellenden Sich-Zuwendenzu … wird daher d i e s e s D a w i d e r und n i c h t s a n d e r e s e n t g e g e n g e n o m m e n . Das frei bildende Entwerfen der Affinität ist in sich ein vorstellend h i n n e h m e n d e s Sich-unterwerfen unter sie. Die Regeln, die im Verstand als dem Vermögen der Regeln vorgestellt werden, sind nicht als etwas „im Bewußtsein“ Vorhandenes erfaßt, sondern die Regeln des Verbindens (Synthesis) werden gerade a l s b i n d e n d e i n i h r e r Ve rb i n d l i c h k e i t vorgestellt. Wenn dergleichen wie eine regelnde Regel nur da ist im hinnehmenden Sich-regeln-lassen, dann kann die „Idee“ als Vorstellung der Regeln n u r vorstellen i n d e r We i s e e i n e s H i n n e h m e n s (HGA 3, S. 154). 117 weil er den empirisch-phaenomenalen Gegenstand t r a n s c e n d e n t a l nennt.] Cassirer bezieht sich womöglich auf KPM, § 25: Die Transzendenz und die Grundlegung der Metaphysica generalis, wo Heidegger Kants Begriff des transzendentalen Gegenstandes referiert und interpretiert. In KPM, S. 111 heißt es außerdem (HGA 3, S. 117): Möglichkeit der Erfahrung ist demnach gleichbedeutend mit Transzendenz. 118 Vgl. KPM, S. 57 (HGA 3, S. 62 f.). Heidegger zitiert KrV A 78. 119 HGA 3, S. 63. 120 HGA 3, S. 62. 121 HGA 3, S. 66. 122 Das hat auch Cohen … (Einheit der Grundsätze als Grundbedingung der m a t h e m a t i s c h e n N a t u r- W i s s e n s c h a f t ).] Vgl. Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, 3. Aufl., 1918, S. 753: Vor allem galt und galt es ihm [Kant], die Einheit der Erfahrung als die Einheit der mathematischen Naturwissenschaft zu konstitutieren […]. Die Einheit des Bewusstseins, als Einheit der Grundsätze, gipfelt in dem Satze: „Die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung sind zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung.“ 123 HGA 3, S. 66 f. 124 Vgl. KPM, S. 79–82: § 18. Die äußere Form der transzendentalen Deduktion (HGA 3, S. 85–88), mit Bezug auf KrV A 669 (B 697), A 703 (B 703), A 85 (B 117). Vgl. KPM, S. 79 f. (HGA 3, S. 85): Kant gebraucht „Deduktion“
Anmerkungen der Herausgeber
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nicht in der philosophischen Bedeutung von deductio im Unterschied von intuitus, sondern so wie die „Rechtslehrer“ den Ausdruck verstehen. Bei einem Rechtshandel werden „Befugnisse“ geltend gemacht, bzw. „Anmaßungen“ zurückgewiesen. Hierzu ist ein Doppeltes notwendig: einmal die Feststellung des Tatbestandes und des Streitobjektes (quid facti), sodann aber die Aufweisung dessen, was als begründete Befugnis zu Recht besteht (quid juris). Die Aufweisung der rechtlichen Möglichkeit einer Befugnis nennen die Juristen „Deduktion“./Warum bringt nun Kant das Problem der Möglichkeit einer Metaphysik in die Form der Aufgabe einer solchen juristischen Deduktion? Liegt dem Problem der inneren Möglichkeit der Ontologie ein „ R e c h t s h a n d e l “ zugrunde? 125 HGA 3, S. 68. 126 HGA 3, S. 80. 127 HGA 3, S. 81. 128 HGA 3, S. 82. 129 HGA 3, S. 84. 130 HGA 3, S. 84. 131 HGA 3, S. 91. 132 HGA 3, S. 117. 133 HGA 3, S. 111. 134 HGA 3, S. 113. 135 HGA 3, S. 128. 136 HGA 3, S. 129. 137 Die Spontaneität behält doch den A n s c h a u u n g s c harakter … nicht so schöpferisch wie der intuitus originarius.] Vgl. KPM, S. 122 f. (HGA 3, S. 130). 138 HGA 3, S. 130. 139 HGA 3, S. 133. 140 die transzendentale Einbildungskraft ist die Wu r z e l d e r b e i d e n S t ä m m e … auf die transzendentale Einbildungskraft z u r ü c k z u f ü h r e n . (131)] Vgl. KPM, S. 131 f. unter dem Titel Die transzendentale Einbildungskraft als Wurzel der beiden Stämme (HGA 3, S. 138 f.): Allein, wenn der Ursprung von reiner Anschauung und reinem Denken als transzendentaler Vermögen aus der transzendentalen Einbildungskraft a l s Ve r m ö g e n gezeigt werden soll, dann heißt das doch nicht, den Nachweis geben wollen, reine Anschauung und reines Denken seien ein Produkt der Einbildung und als solche nur etwas Eingebildetes. Die gekennzeichnete Ursprungsenthüllung bedeutet vielmehr: die S t r u k t u r dieser Vermögen ist in der S t r u k t u r der transzendentalen Einbildungskraft gewurzelt, so zwar, daß diese erst in der strukturalen Einheit mit jenen beiden etwas „einbilden“ kann. […] Niemals jedoch werden reine Anschauung und reines Denken dadurch für etwas Eingebildetes erklärt, daß ihre Wesensmöglichkeit eine Rückführung auf die Wesensstruktur der transzendentalen Einbildungskraft erfährt. Die transzendentale Einbildungskraft bildet sich dergleichen wie reine Anschauung nicht ein, sondern ermöglicht sie gerade in dem, was sie „wirklich“ sein kann.
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Aber Problem … in einen Schein auflöst?] Vgl. KPM, S. 131 (HGA 3, S. 139). 142 HGA 3, S. 139. 143 HGA 3, S. 141 ff. 144 HGA 3, S. 145. 145 HGA 3, S. 151. 146 HGA 3, S. 151. 147 HGA 3, S. 160. 148 HGA 3, S. 161. 149 HGA 3, S. 166. 150 HGA 3, S. 168. 151 er war i m m e r ›Newtonianer‹ und i m m e r ›objektiver‹ Ethiker!] Vgl. Hermann Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, 2., neubearb. Aufl. 1885, S. 406. 152 HGA 3, S. 170. 153 HGA 3, S. 132 ff. 154 siehe auch Philosophie der symbolischen Formen III] Zur transzendentalen produktiven Einbildungskraft vgl. PSF III, S. 155 f. u. 185 f. 155 doch bewegt sich seine Interpretation freilich gleichsam in entgegengesetzter Richtung wie die des deutschen Idealismus, cf. 130 Anmerkung] Vgl. KPM, S. 130 (HGA 3, S. 137), Anm. 1: Die folgende Interpretation ist aus einer anderen Fragestellung erwachsen und bewegt sich gleichsam in entgegengesetzter Richtung wie die des deutschen Idealismus. 156 HGA 3, S. 137. 157 HGA 3, S. 145. 158 gegen die Marburger 137 f.] Vgl. KPM, S. 137 f. (HGA 3, S. 145 f.): So unhaltbar der Versuch der Marburger Kantinterpretation ist, Raum und Zeit als „ K a t e g o r i e n “ im logischen Sinne zu fassen und die transzendentale Ästhetik in die Logik aufzulösen, so e c h t ist doch e i n Motiv, das diesen Versuch nahegelegt hat: die, freilich nicht geklärte, Einsicht, daß die transzendentale Ästhetik f ü r s i c h g e n o m m e n nicht das Ganze selbst sein kann, das i n i h r der Möglichkeit nach beschlossen liegt. Aber aus dem eigentümlichen „Syn“-Charakter der reinen Anschauung folgt nicht die Zugehörigkeit der reinen Anschauung zur Synthesis des Ve r s t a n d e s , sondern die Auslegung dieses „Syn“-Charakters führt auf den U r s p r u n g der reinen Anschauung aus der transzendentalen E i n b i l d u n g s k r a f t . Die Auflösung der transzendentalen Ästhetik in die Logik wird aber noch f r a g w ü r d i g e r, wenn sich zeigt, daß auch der spezifische Gegenstand der transzendentalen Logik, das reine Denken, in der transzendentalen Einbildungskraft verwurzelt ist. 159 HGA 3, S. 148. 160 denn nur der empirische Mensch (Mensch als ›Phaenomenon‹) stirbt – der noumenale Mensch, der Mensch der Freiheit ist ›unsterblich‹.] Zur prinzipiellen Unterscheidung vgl. Kant: KrV, A 235 – 260/B 294 – 315: Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena; bes. A 248 f.: Erscheinungen, so fern sie als Gegenstände
Anmerkungen der Herausgeber
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nach der Einheit der Kategorien gedacht werden, heißen Phaenomena. Wenn ich aber Dinge annehme, die bloß Gegenstände des Verstandes sind, und gleichwohl, als solche, einer Anschauung, obgleich nicht der sinnlichen (als coram intuitu intellectuali), gegeben werden können; so würden dergleichen Dinge Noumena (intelligibilia) heißen. 161 Platon – Philosophieren ist sterben lernen] Vgl. Hrsg.-Anm. 75. 162 Spinoza: homo liber de nihilo minus quam de morte cogitat] Vgl. Hrsg.Anm. 78. 163 HGA 3, S. 147. 164 cf. 139: Sinnlichkeit hiesse soviel wie „endliche Anschauung“ vgl. S. 23 f.] Vgl. KPM, S. 139 (HGA 3, S. 147) sowie KPM S. 23 f. (HGA 3, S. 26): Weil menschliche Anschauung als endliche hinnimmt, die Möglichkeit des hinnehmenden „Bekommens“ aber Affektion verlangt, deshalb sind tatsächlich Werkzeuge der Affektion, die „Sinne“, notwendig. Die menschliche Anschauung ist nicht deshalb „sinnlich“, weil ihre Affektion durch „Sinnes“Werkzeuge geschieht, sondern umgekehrt: weil unser Dasein ein endliches ist – inmitten des schon Seienden existierend, an dieses ausgeliefert – deshalb muß es notwendig das schon Seiende hinnehmen, d. h. dem Seienden die Möglichkeit bieten, sich zu melden. Das Wesen der Sinnlichkeit besteht in der Endlichkeit der Anschauung. 165 Transzendenz als solche a priori sinnlich ist (Heidegger 164)] Vgl. KPM, S. 164 (HGA 3, S. 172): Vielmehr kann umgekehrt der Mensch als endliches Vernunftwesen nur deshalb in einem transzendentalen, d. h. metaphysischen Sinne seinen Leib „haben“, weil die Transzendenz als solche a priori sinnlich ist. 166 das e c h t e › S e l b s t ‹ ist n o u m e n a l e s Selbst.] Vgl. Hrsg.-Anm. 160. 167 HGA 3, S. 21. 168 „Erkennen ist primär Anschauen.“ … Dienststellung zur Anschauung] Vgl. KPM, S. 20 (HGA 3, S. 22): E r k e n n e n i s t p r i m ä r A n s c h a u e n . Hieraus wird schon klar, daß die Umdeutung der Erkenntnis in das Urteilen (Denken) w i d e r den entscheidenden Sinn des kantischen Problems verstößt. Denn alles Denken hat l e d i g l i c h eine D i e n s t s t e l l u n g zur Anschauung. 169 HGA 3, S. 23. 170 Durch die Bindung an die A n s c h a u u n g … oder einem andern höheren Geiste).] Vgl. KPM, S. 21 (HGA 3, S. 24): Dem gegenüber muß aber festgehalten werden, daß die A n s c h a u u n g das e i g e n t l i c h e Wesen der Erkenntnis ausmacht […]. […] n u r b e i d i e s e r I n t e r p r e t a t i o n d e r E r k e n n t n i s ist es auch möglich, das We s e n t l i c h e in dieser Definition zu begreifen, nämlich die E n d l i c h k e i t der Erkenntnis. […] „Was dagegen (im Unterschied von „Gott oder einem anderen höheren Geiste“) den Menschen betrifft, so besteht ein jedes Erkenntnis desselben aus Begriff und Anschauung“. Heidegger zitiert Kant: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff. In: Werke Bd. 8, 1922, S. 312: Die obige Aufgabe läßt sich nicht anders auflösen, als so: daß wir sie vorher in Beziehung auf die Vermögen des Menschen, dadurch er der Erweiterung
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seiner Erkenntnis a priori fähig ist, betrachten, und welche dasselbe in ihm ausmachen, was man spezifisch s e i n e reine Vernunft nennen kann. Denn, wenn unter einer reinen Vernunft eines Wesens überhaupt das Vermögen, unabhängig von Erfahrung, mithin von Sinnesvorstellungen Dinge zu erkennen, verstanden wird, so wird dadurch gar nicht bestimmt, auf welche Art überhaupt in ihm (z. B. in Gott oder einem andern höhern Geiste) dergleichen Erkenntnis möglich sei, und die Aufgabe ist alsdenn unbestimmt. Was dagegen den Menschen betrifft, so besteht ein jedes Erkenntnis desselben aus Begriff und Anschauung. 171 Abhebung gegen ›intuitus originarius‹ 21] Vgl. KPM, S. 21 (HGA 3, S. 24): Das Wesen der endlichen menschlichen Erkenntnis wird durch eine Abhebung derselben gegen die Idee der unendlichen göttlichen Erkenntnis, des „intuitus originarius“ erläutert. Heidegger verweist auf KrV B 72. Vgl. Hrsg.-Anm. 90. 172 HGA 3, S. 24. 173 Endliche Erkenntnis als nicht-schöpferische, sondern hinnehmende Erkenntnis (23)] Vgl. KPM, S. 23 (HGA 3, S. 25): die endliche Erkenntnis ist n i c h t - s c h ö p f e r i s c h e Anschauung. […] N i c h t j e d e A n s c h a u ung als solche, sondern nur die endliche ist hinnehmend. 174 intuitus derivativus] Vgl. Hrsg.-Anm. 90. 175 „Charakter der Endlichkeit … ›uns Menschen wenigstens‹ (23).] Siehe KPM, S. 23 (HGA 3, S. 25 f.). Heidegger zitiert KrV A 19/B 33. 176 Vgl. KPM, S. 24 (HGA 3, S. 27). 177 HGA 3, S. 30. 178 Vgl. HGA 3, S. 31 – 34. 179 HGA 3, S. 38 f. 180 cf. Brief an Herz! 1772] Vgl. den Beginn der Rezension Cassirers: Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 1 (ECW 17, S. 221): Im Februar 1772 berichtet Kant in einem Brief an M a r k u s H e r z , daß seine Untersuchungen über die Form und die Prinzipien der sinnlichen und der intelligiblen Welt eine neue entscheidende Wendung genommen hätten – eine Wendung, durch die er nunmehr, nach langem Suchen und Schwanken, erst „den Schlüssel zu dem ganzen Geheimnisse der bis dahin sich selbst noch verborgenen Metaphysik“ in Händen zu haben glaube. Als das Kernstück der Metaphysik hat er jetzt das Problem des „transzendentalen Gegenstandes“ erfaßt. Die Frage: „auf welchem Grunde beruhet die Beziehung desienigen, was man in uns Vorstellung nennt, auf den Gegenstand?“ wird zum Angelpunkt der Philosophie: sie schafft die neue gedankliche O r i e n t i e r u n g , aus der heraus der Plan der »Kritik der reinen Vernunft« erwächst und im Hinblick auf die er durchgeführt wird. Vgl. Kants Brief an Markus Herz vom 21.2.1772 in Werke Bd. 9, Teil 1, 1918, S. 103 (vgl. AA Bd. 10, S. 130). 181 HGA 3, S. 42. 182 HGA 3, S. 42. 183 Vgl. KPM, S. 39 (HGA 3, S. 42).
Anmerkungen der Herausgeber 184
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Raum als „gebendes Anschauen“ S. 40] Paraphrase von KPM, S. 40 (HGA 3, S. 47). 185 HGA 3, S. 47. 186 HGA 3, S. 52. 187 HGA 3, S. 54. 188 HGA 3, S. 58. 189 Vgl. KPM, S. 65 (HGA 3, S. 71). 190 HGA 3, S. 73. 191 HGA 3, S. 75. 192 HGA 3, S. 75. 193 HGA 3, S. 116. 194 m e i n Feld ist das fruchtbare Bathos der Erfahrung] Vgl. Hrsg.Anm. 100. 195 blosse Grille: das Innere der Dinge; ganz unvernünftig etc.] Vgl. KrV B 333: Allein, das schlechthin, dem reinen Verstande nach, Innerliche der Materie ist auch eine bloße Grille; denn diese ist überall kein Gegenstand für den reinen Verstand, das transzendentale Objekt aber, welches der Grund dieser Erscheinung sein mag, die wir Materie nennen, ist ein bloßes Etwas, wovon wir nicht einmal verstehen würden, was es sei, wenn es uns auch jemand sagen könnte. Denn wir können nichts verstehen, als was ein unsern Worten Korrespondierendes in der Anschauung mit sich führet. Wenn die Klagen: Wi r s e h e n d a s I n n e r e d e r D i n g e g a r n i c h t e i n , so viel bedeuten sollen, als, wir begreifen nicht durch den reinen Verstand, was die Dinge, die uns erscheinen, an sich sein mögen; so sind sie ganz unbillig und unvernünftig; denn sie wollen, daß man ohne S i n n e doch Dinge erkennen, mithin anschauen könne, folglich daß wir ein von dem menschlichen nicht bloß dem Grade, sondern sogar der Anschauung und Art nach, gänzlich unterschiedenes Erkenntnisvermögen haben, also nicht Menschen, sondern Wesen sein sollen, von denen wir selbst nicht angeben können, ob sie einmal möglich, vielweniger, wie sie beschaffen seien. 196 HGA 3, S. 117. 197 ›intuitus originarius‹] Vgl. Hrsg.-Anm. 90. 198 HGA 3, S. 120 ff. 199 HGA 3, S. 124. Heidegger verweist auf KrV A 247/B 303. 200 HGA 3, S. 216 f. 201 HGA 3, S. 217. 202 HGA 3, S. 221 f. 203 We s e n s b e z i e h u n g zur Endlichkeit im Menschen. (215)] Vgl. KPM, S. 215 (HGA 3; S. 225): Wie soll jedoch die S e i n s f r a g e , und gar noch in ihrer jetzt entwickelten Gestalt als Frage nach der Möglichkeit des Begreifens von Sein überhaupt, eine Wesensbeziehung zur Endlichkeit im Menschen haben? 204 HGA 3, S. 226. 205 HGA 3, S. 229. 206 HGA 3, S. 160.
370 207
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die p h i l o l o g i s c h e Erklärung 153 (Unterschied der ersten und zweiten Auflage!)] Vgl. KPM, S. 153 (HGA 3, S. 161): In der zweiten Auflage der Kritik d. r. V. wird die transzendentale Einbildungskraft, so wie sie im leidenschaftlichen Zuge des e r s t e n Entwurfs ans Licht kam, abgedrängt und umgedeutet – z u G u n s t e n d e s Ve r s t a n d e s . Dabei mußte freilich all das erhalten beiben, was nach der ersten Auflage ihre transzendentale Begründungs l e i s t u n g war, wenn nicht die ganze Grundlegung in sich zusammenbrechen sollte. […] Zunächst hat Kant in der zweiten Auflage die b e i d e n Hauptstellen g e s t r i c h e n , an denen er früher a u s d r ü c k l i c h die Einbildungskraft als ein d r i t t e s G r u n d v e r m ö g e n neben Sittlichkeit und Verstand aufführte. Die erste Stelle wird durch eine kritische Erörterung über Locke’s und Hume’s Analyse des Verstandes ersetzt, gleich als sähe Kant sein eigenes Verfahren in der ersten Auflage – obzwar zu Unrecht – noch in der Nähe des Empirismus. Die zweite Stelle aber fällt weg durch die Umarbeitung der transzendentalen Deduktion im ganzen. Heidegger bezieht sich auf KrV A 94 u. 115. 208 cf. 1 5 4 Heidegger selbst] Vgl. KPM, S. 154 (HGA 3, S. 162): Die reine Einbildungskraft ist als eigenes Vermögen e n t b e h r l i c h geworden und so die Möglichkeit scheinbar abgeschnitten, daß gerade s i e der Wesensgrund der ontologischen Erkenntnis sein könnte, was doch das Schematismuskapitel, das auch in der z w e i t e n Auflage u n v e r ä n d e r t geblieben ist, deutlich genug zeigt. 209 HGA 3, S. 161 ff. 210 HGA 3, S. 167 ff. 211 es handelte sich für Kant nicht darum, den Primat der ›ratio‹, den Primat der Logik aufrechtzuerhalten.] Vgl. KPM, S. 159 (HGA 3, S. 167): Und wie soll auch das n i e d e r e Vermögen der Sinnlichkeit das Wesen der Ve r n u n f t ausmachen können? Gerät nicht alles in Verwirrung, wenn das unterste zu oberst gestellt wird? Was soll mit der ehrwürdigen Tradition geschehen, nach der die R a t i o und der L o g o s in der Geschichte der Metaphysik die zentrale Funktion beanspruchen? Kann der Primat der Logik fallen? 212 Denn das schlechthin Innere ist eine „blosse Grille“.] Vgl. Hrsg.Anm. 195. 213 In der p r a k t i s c h e n Sphaere aber sieht er die Vernunft = Freiheitsidee über die Endlichkeit e r h o b e n … also eine ‚Verlegenheits-Lösung‘] Paraphrase von KPM, S. 160 (HGA 3, S. 168). 214 HGA 3, S. 170. 215 HGA 3, S. 171. 216 HGA 3, S. 214. 217 HGA 3, S. 214. 218 HGA 3, S. 205. 219 Die m e t a p h y s i s c h e Frage … n i c h t mit seiner i n t e l l i g i b l e n Natur zu thun.] Vgl. Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (AA Bd. 7, S. 117 – 332). 220 „übersinnlichen Substrat der Menschheit“] Vgl. KU § 57, B 237. 221 HGA 3, S. 1.
Anmerkungen der Herausgeber 222
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HGA 3, S. 205. HGA 3, S. 206. Zu den vier kantischen Fragen vgl. Immanuel Kant’s Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen, AA Bd. 9, S. 25: Das Feld der Philosophie in dieser weltbürgerlichen Bedeutung läßt sich auf folgende Fragen bringen: 1) Was kann ich wissen?/2) Was soll ich thun?/3) Was darf ich hoffen?/4) Was ist der Mensch?/Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen. 224 HGA 3, S. 209. 225 HGA 3, S. 212. 226 HGA 3, S. 215. 227 HGA 3, S. 231. 228 HGA 3, S. 232. 229 Wieder-Erinnerung cf. 224.] Vgl. KPM, S. 223 f. (HGA 3, S. 233): Die fundamentalontologische Konstruktion hat ihr Auszeichnendes darin, daß sie die innere Möglichkeit von etwas freilegen soll, was gerade als das Bekannteste alles Dasein durchherrscht, aber gleichwohl unbestimmt, ja sogar allzu selbstverständlich ist. […] Die Endlichkeit des Daseins – das Seinsverständnis – l i e g t i n d e r Ve r g e s s e n h e i t . […] Der fundamentalontologische Grundakt der Metaphysik des Daseins als der Grundlegung der Metaphysik ist daher eine „Wiedererinnerung“. 230 HGA 3, S. 234. 231 Riehls Freiburger Antrittsrede „über wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Philosophie“] Vgl. Alois Riehl: Ueber wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Philosophie. Eine akademische Antrittsrede, 1883. 232 Heute wird ein ähnlicher Standpunkt z. B. von Schlick und der „Wiener Schule“ vertreten, die dem ›Positivismus‹ noch ganz nahe steht.] Anspielung auf den später sogenannten Wiener Kreis um Moritz Schlick. 233 Vgl. KPM, S. 11 (HGA 3, S. 12) sowie S. 16: Die Absicht der Kritik d. r. V. bleibt demnach grundsätzlich verkannt, wenn dieses Werk als „Theorie der Erfahrung“ oder gar als Theorie der positiven Wissenschaften ausgelegt wird (HGA 3, S. 17). 234 Cohen – „Nur ein Newtonianer konnte als Kant aufstehen“] Vgl. Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, 2., neubearb. Aufl. 1885, S. 406. 235 „Wissenschaft, die in gedruckten Büchern vorliegt“,] Im Ausgang von Kant ist für Cohen alle Philosophie auf das Faktum von Wissenschaften angewiesen (Cohen: Ethik des reinen Willens, 1904, S. 62). Bei Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, 2., neubearb. Aufl. 1885, S. 476 heißt es: indessen die Möglichkeit der Erfahrung ist nicht ein Specialfall der Möglichkeit, denn die Möglichkeit ist nicht eine analytische, sondern die synthetische, mithin auf die Erfahrung, welche in gedruckten Büchern vorliegt, bezogene. Vgl. auch Cohen: Kants Begründung der Ethik, 2., verb. u. erw. Aufl. 1910, S. 35: Jene etwaigen letzten Formelemente unseres Denkens sucht die transzendentale 223
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Methode nicht; dafür aber die „obersten Grundsätze“ einer in gedruckten Büchern gegebenen und in einer Geschichte wirklich gewordenen Erfahrung. 236 Einleitung zu Lange!] Vgl. Cohen: Einleitung mit kritischem Nachtrag zur neunten Auflage der Geschichte des Materialismus von Friedrich Albert Lange, 3., erw. Aufl. 1914, dort zum Begriff der Wissenschaft in seiner Verbindung mit dem Begriff der Grundlegung v. a. S. 15 – 18. 237 U n t e r s c h i e d von Schulbegriff und Weltbegriff] Vgl. KrV B 866 f. 238 „the proper study of mankind is man“] Vgl. Hrsg.-Anm. 12. 239 Ich lerne den Menschen kennen (Rousseau)] Vgl. Rousseau: Émile, ou de l’éducation, Tome second, 1762, S. 62: Rapproche ces contrastes, aime la Nature, méprise l’opinion, & connois l’homme. 240 Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen: „… rohen und weisen Einfalt …“] Vgl. Kant: Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765 – 1766. In: Werke Bd. 2, S. 326: indem ich in der Tugendlehre jederzeit dasjenige historisch und philosophisch erwäge, was geschieht, ehe ich anzeige, was geschehen soll, so werde ich die Methode deutlich machen, nach welcher man den Menschen studiren muß, nicht allein denjenigen, der durch die veränderliche Gestalt, welche ihm sein zufälliger Zustand eindrückt, entstellt und als ein solcher selbst von Philosophen fast jederzeit verkannt worden; sondern die Natur des Menschen, die immer bleibt, und deren eigenthümliche Stelle in der Schöpfung, damit man wisse, welche Vollkommenheit ihm im Stande der rohen und welche im Stande der weisen Einfalt angemessen sei, was dagegen die Vorschrift seines Verhaltens sei, wenn er, indem er aus beiderlei Grenzen herausgeht, die höchste Stufe der physischen oder moralischen Vortrefflichkeit zu berühren trachtet, aber von beiden mehr oder weniger abweicht. Diese Methode der sittlichen Untersuchung ist eine schöne Entdeckung unserer Zeiten und ist, wenn man sie in ihrem völligen Plane erwägt, den Alten gänzlich unbekannt gewesen (vgl. AA Bd. 2, S. 311 f.). 241 ‚nur ein Newtonianer konnte als Kant aufstehen‘ (Cohen).] Vgl. Hrsg.Anm. 234. 242 Vgl. Kant: Reflexionen zur Metaphysik, AA Bd. 17, S. 447, Nr. 4182. 243 Heautonomie, Kritik der Urteilskraft] Gesetzgebung für sich selbst, Prinzip der reflektierenden Urteilskraft, vgl. KU Einleitung B XXXVII. 244 capere formae] Über den Begriff der Idee als Form dessen, was unmittelbar vom Geist erfaßt wird, vgl. Descartes: Objectiones tertiæ. Cum responsionibus authoris. In: Oeuvres Bd. 7: Meditationes de Prima Philosophia, 1904, S. 181 (Objectio V, Responsio): Hîc nomine ideæ vult tantùm intelligi imagines rerum materialium in phantasiâ corporeâ depictas; quo posito facile illi est probare, nullam Angeli nec Dei propriam ideam esse posse. Atqui ego passim ubique, ac præcipue hoc ipso in loco, ostendo me nomen ideæ sumere pro omni eo quod immediate a mente percipitur, adeo ut, cùm volo & timeo, quia simul percipio me velle & timere, ipsa volitio & timor inter ideas a me numerentur. Ususque sum hoc nomine, quia jam tritum erat a Philosophis ad formas perceptionum mentis divinæ significandas, quamvis nullam in Deo phantasiam agnoscamus; & nullum aptius habebam. In der Übersetzung von
Anmerkungen der Herausgeber
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Artur Buchenau: Unter dem Namen „Idee“ möchte Hobbes nur die Bilder der in der körperlichen Einbildungskraft sich abmalenden materiellen Dinge verstehen; dies vorausgesetzt, ist es ihm dann ein Leichtes nachzuweisen, daß es keine endliche Idee weder eines Engels noch von Gott geben kann. Nun habe ich aber meinerseits wirklich überall und vor allem an eben dem Orte gezeigt, daß ich unter dem Namen „Idee“ all das zusammenfasse, was unmittelbar vom Geist erfaßt wird, so daß, wenn ich z. B. will oder etwas fürchte, dieses Wollen und Fürchten, da ich ja zugleich das Wollen und Fürchten vorstelle, zu den Ideen zu zählen sind. Bedient aber habe ich mich dieses Namens, weil das Wort ja allgemein gebräulich war bei den Philosophen, um die Formen der Vorstellungen (perceptiones) des göttlichen Geistes zu bezeichnen, wenngleich wir in Gott keine (körperliche) Einbildungskraft gelten lassen; jedenfalls war mir kein Geeigneteres bekannt. (Descartes: Dritte Einwände und Erwiderungen. In ders.: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie mit den sämtlichen Einwänden und Erwiderungen. Zum erstenmal vollständig übers. u. hrsg. v. Artur Buchenau, 4. Aufl., 1915, S. 164 (Fünfter Einwand, Antwort).) 245 „der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir …“] Vgl. KpV, II. Teil, Beschluß: Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. 246 „Wissenschaft … die enge Pforte“] Vgl. KpV, II Teil, Beschluß: Wissenschaft (kritisch gesucht und methodisch eingeleitet) ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre führt […]. 247 Diese beiden Pole darf man nicht von einander trennen, ohne damit die Einheit des Kantischen Systems und die der Kantischen P e r s ö n l i c h k e i t zu sprengen!] Vgl. die programmatischen Äußerungen Cassirers in ders: Kants Leben und Lehre, 1918 (Werke Bd. 11, Ergänzungsband), S. V – VII: Der Wert der Detailarbeit, die von der „Kantphilologie“ der letzten Jahrzehnte geleistet worden ist, soll nicht unterschätzt werden: und die Ergebnisse, zu denen sie im geschichtlichen und systematischen Sinne geführt hat, mußten natürlich auch in der hier vorliegenden Darstellung genaue Berücksichtigung finden. Dennoch scheint mir, als habe diese Richtung der Detailforschung die lebendige Anschauung von dem, was Kants Philosophie als Einheit und als Ganzes bedeutet, häufig eher gehemmt als gefördert. Wir müssen und dürfen einer Forschungs- und Arbeitsrichtung gegenüber, die sich vor allem in der Aufdeckung der »Widersprüche« Kants zu gefallen scheint und die zuletzt das gesamte kritische System zu einem Aggregat solcher Widersprüche zu machen droht, wieder zu einer Gesamtansicht von Kant und seiner Lehre zurückstreben, wie S c h i l l e r oder W i l h e l m v o n H u m b o l d t sie besessen haben. In dieser Absicht bemüht sich die folgende Betrachtung überall, von der Vielheit und der fast unübersehbaren Verwicklung der besonderen Fragen zu der Schlichtheit und Geschlossenheit, zu der erhabenen Einfachheit und Allgemeinheit des Kantischen Systems zurückzugehen. Dieses Ziel konnte – bei den äußeren Grenzen, die der Darstellung durch
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den Gesamtplan der Ausgabe gezogen waren – freilich nur dann erreicht werden, wenn darauf verzichtet wurde, den bloßen U m f a n g der Kantischen Gedankenarbeit vollständig darzulegen und im Einzelnen vor dem Leser zu entfalten. Und die gleiche Beschränkung wie für den systematischen Teil der Schrift mußte ich mir auch für den biographischen Teil auferlegen. Auch hier habe ich von der Fülle der Einzelzüge und des anekdotischen Beiwerks, das von den ersten Biographen Kants überliefert worden ist, und das seitdem in alle Lebensbeschreibungen übergegangen ist, im Bewußtsein abgesehen. Nur die großen und durchgehenden Züge der Kantischen Lebensführung und das, was als der einheitliche »Sinn« dieser Lebensführung im Laufe der menschlichen und philosophischen Entwicklung Kants immer bestimmter heraustritt, habe ich aufzuzeigen gesucht. Die Erkenntnis der Individualität Kants hat dadurch, wie ich hoffe, nichts verloren. Denn die eigentliche und wahrhafte Individualität Kants kann nur in jenen Grundzügen seiner Geistesart und seines Charakters gesucht werden, auf denen auch seine sachliche, seine philosophisch schöpferische Originalität beruht. Sie besteht nicht in irgendwelchen Besonderheiten und Absonderlichkeiten seines persönlichen Wesens und seiner äußeren Lebenshaltung, sondern in der Richtung und Tendenz zum A l l g e m e i n e n , die in gleicher Weise in der Gestaltung des Lebens wie in der der Lehre hervortritt. Wie beide Momente sich wechselseitig bedingen und ergänzen, wie sie auf denselben Ursprung zurückweisen und sich zuletzt zu einem einheitlichen Resultat zusammenschließen und wie somit die Persönlichkeit und das Werk Kants in der Tat aus e i n e m Gusse sind, habe ich zu zeigen versucht; – was dagegen den äußeren Umriß von Kants Leben betrifft, so sollte er hier nur insoweit zur Darstellung kommen, als in ihm der eigentlich entscheidende Gehalt des Kantischen Daseins: das Wesen und Wachstum der Kantischen Grundgedanken sich offenbart und äußert. In den Folgeauflagen ist dieser Passus stark gekürzt. 248 (Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff (Cassirer: Kantausgabe Bd. 8), S. 238) = Heidegger S. 8] Vgl. KPM, S. 8 (HGA 3, S. 9). Heidegger zitiert Kant: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff. In: Werke Bd. 8, 1922, S. 238 (vgl. AA Bd. 20, S. 260). 249 HGA 3, S. 10. 250 Heidegger beruft sich auf Kants Wort … e n d g ü l t i g n i e d e r s c h l a g e . ] Vgl. Hrsg.-Anm. 111 sowie HGA 3, S. 320. Heidegger zitiert KrV nach Cassirers Ausgabe. 251 HGA 3, S. 231. 252 192 f. Interpretation darf nicht lediglich … G e w a l t brauchen 192] Vgl. KPM, S. 192 f. (HGA 3, S. 201 f.): Gibt nun eine Interpretation lediglich das wieder, was Kant ausdrücklich g e s a g t hat, dann ist sie von vornherein keine Auslegung, sofern einer solchen die Aufgabe gestellt bleibt, dasjenige eigens sichtbar zu machen, was Kant über die ausdrückliche Formulierung hinaus in seiner Grundlegung ans Licht gebracht hat. Dieses aber vermochte Kant selbst nicht mehr zu s a g e n , wie denn überhaupt in jeder philosophischen Erkenntnis nicht das entscheidend werden muß, was sie in den ausgesprochenen Sätzen sagt, sondern was sie als noch Ungesagtes durch das Gesagte vor
Anmerkungen der Herausgeber
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Augen legt./Und so war es die Grundabsicht der vorliegenden Interpretation der Kritik d. r. V., den entscheidenden Gehalt dieses Werkes dadurch sichtbar zu machen, daß dasjenige herauszustellen versucht wurde, was Kant „hat sagen wollen“. Bei diesem Verfahren macht sich die Auslegung eine Maxime zu eigen, die Kant selbst auf die Interpretation philosophischer Untersuchungen angewandt wissen wollte und die er am Schluß seiner Entgegnung auf die Kritik des Leibnizianers E b e r h a r d in folgenden Worten festgelegt hat:/„So möchte denn wohl die Kritik d. r. V. die eigentliche Apologie für Leibniz, selbst wider seine, ihn mit nicht ehrenden Lobsprüchen erhebende, Anhänger sein; wie sie es denn auch für verschiedene ältere Philosophen sein kann, die mancher Geschichtsschreiber der Philosophie, bei allem ihnen erteilten Lobe, doch lauter Unsinn reden läßt, dessen Absicht er nicht errät, indem er den Schlüssel aller Auslegungen reiner Vernunftprodukte aus bloßen Begriffen, die Kritik der Vernunft selbst, (als die gemeinschaftliche Quelle für alle,) vernachlässigt und, über dem Wo r t f o r s c h e n dessen, was jene gesagt haben, dasjenige nicht sehen kann, w a s s i e h a b e n s a g e n w o l l e n “ ./Um freilich dem, was die Worte sagen, dasjenige abzubringen, was sie sagen w o l l e n , muß jede Interpretation notwendig G e w a l t brauchen. Heidegger zitiert Kant: Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll. In: Werke Bd. 6, 1914, S. 71 (vgl. AA Bd. 8, S. 250). 253 HGA 3, S. 204 ff. 254 HGA 3, S. 214. 255 Siehe KPM, S. 20 (HGA 3, S. 22). Heidegger verweist auf KrV A 320/B 376 f. 256 HGA 3, S. 22. 257 Vgl. KPM, S. 190 (HGA 3, S. 198). 258 Ja gerade d i e s e Verweisung … (von Heidegger selbst citiert 191)] Vgl. KrV B 291: Noch merkwürdiger aber ist, daß wir, um die Möglichkeit der Dinge, zu Folge der Kategorien, zu verstehen, und also die o b j e k t i v e R e a l i t ä t der letzteren darzutun, nicht bloß Anschauungen, sondern sogar immer ä u ß e r e A n s c h a u u n g e n bedürfen. Heidegger zitiert diese Passage in KPM, S. 191 (HGA 3, S. 199). 259 hier enthüllt sich das Über-Zeitliche des Begriffs – der Begriff der Idee im Platonischen Sinne als ਕİ Ȟ … ›nunc stans‹] Zum stets Seienden (ਕİ Ȟ) vgl. Platon: Symposion 211 B. Cassirer setzt sich mit KPM, S. 230 f. (HGA 3, S. 240) auseinander: Was liegt darin, daß die antike Metaphysik das [Ƞ]IJȦȢ Ȟ – das Seinde, das so seiend ist, wie Seiendes nur seiend sein kann – als ਕİ Ȟ bestimmt? Das Sein des Seienden wird hier offenbar a l s B e s t ä n d i g k e i t und S t ä n d i g k e i t verstanden. Welcher Entwurf liegt in diesem Seinsverständnis? Der E n t w u r f a u f d i e Z e i t ; denn auch die „Ewigkeit“, etwa als das „nunc stans“ genommen, ist als das „ständige“ „Jetzt“ d u r c h u n d d u r c h n u r a u s d e r Z e i t begreiflich. 260 Aus d i e s e m Grunde sagt schon Galilei … I n t e l l e k t b e s t e h t ; ] Vgl. Galileo Galilei: Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, übers. v. Emil Strauss, 1891, S. 108: so behaupte ich, daß der menschliche Intellekt
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einige Wahrheiten so vollkommen begreift und ihrer so unbedingt gewiß ist, wie es nur die Natur selbst sein kann. Dahin gehören die rein mathematischen Erkenntnisse, nämlich die Geometrie und die Arithmetik. Freilich erkennt der göttliche Geist unendlich viel mehr mathematische Wahrheiten, denn er erkennt sie alle. Die Erkenntnis der wenigen aber, welche der menschliche Geist begriffen, kommt meiner Meinung an objektiver Gewißheit der göttlichen Erkenntnis gleich; denn sie gelangt bis zur Einsicht ihrer Notwendigkeit, und eine hörere Stufe der Gewißheit kann es wohl nicht geben. 261 der Anthropologismus hat hier seine S c h r a n k e (Husserl!!).] Vgl. gegen jeden Versuch, den unteilbaren Begriff der Wahrheit relativistisch auf den Sinn einer bloßen Wahrheit für den Menschen (oder einer anderen Spezies) zu verkürzen, Husserl: Logische Untersuchungen, 1. Theil, 1900, § 36: Kritik des specifischen Relativismus und im Besonderen des Anthropologismus, S. 116 f., bes. S. 117: Was wahr ist, ist absolut, ist „an sich“ wahr; die Wahrheit ist identisch Eine, ob sie Menschen oder Unmenschen, Engel oder Götter urtheilend erfassen. 262 Vgl. HGA 3, S. 184 ff. 263 Kant: „das Wort B e g r i f f konnte uns schon hierauf führen.“] Vgl. KrV A 103. 264 „la même raison subsiste toujours“] Vgl. Leibniz: Nouveaux essais sur l’entendement. In: Die philosophischen Schriften Bd. 5, 1882, 2. Abt., Buch 2, Kap. 14, § 27, S. 141. 265 Vgl. HGA 3, S. 182. 266 Zeit aus dem Satz des Widerspruchs ausgeschlossen, cf. 175.] Vgl. KPM, S. 175 f. (HGA 3, S. 184): Und zeigt Kant nicht unmittelbar im Anschluß an das Schematismuskapitel zur Einleitung der Bestimmung des obersten Grundsatzes aller synthetischen Urteile, daß aus dem „obersten Grundsatze alle analytischen Urteile“, dem Satz vom Widerspruch, der das Wesen des b l o ß e n D e n k e n s umgrenzt, der Z e i t c harakter a u s g e s c h l o s s e n bleiben müsse? 267 Hegel „wesentlich itzt“] Vgl. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. In: Sämtliche Werke Bd. 11, 1928, S. 120: die Idee ist präsent, der Geist unsterblich d. h. er ist nicht vorbei und ist nicht noch nicht, sondern ist wesentlich itzt. 268 dies die Parusie der Idee (Platon)] Zur Gegenwart bzw. Anwesenheit der Ideen in den Dingen, welche dadurch an den Ideen teilhaben, vgl. Platon: Phaidon 100c-d. 269 In dieser ganz „zeitabgewandten“ Analyse Kants … primär aus der Zukunft zeitigt?] Vgl. KPM, S. 178 (HGA 3, S. 187): Wenn in dieser scheinbar g a n z z e i t a b g e w a n d t e n Kantischen Analyse der reinen Synthesis im Begriffe gerade das u r s p r ü n g l i c h s t e Wesen der Zeit zum Vorschein käme: daß sie sich p r i m ä r aus der Z u k u n f t zeitigt? 270 „la même raison subsiste toujours.“] Vgl. Hrsg.-Anm. 264. 271 HGA 3, S. 187 u. 197. 272 U r t e i l s k r a f t / von Heidegger a u s g e s c h a l t e t (cf. S. 153!)] Vgl. KPM, S. 153 (HGA 3, S. 161): In welchem Sinne die reine Einbildungskraft
Anmerkungen der Herausgeber
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in der Kritik der U r t e i l s k r a f t wiederkehrt, ob vor allem noch in der aufgezeigten a u s d r ü c k l i c h e n Bezogenheit auf die G r u n d l e g u n g der Metaphysik als solche, kann hier nicht erörtert werden. 273 I n t e l l e c t u s a r c h e t y p u s ] Zum urbildlichen Verstand vgl. KrV B 723. 274 M e n s c h l i c h e r Verstand … cf. Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff; Heidegger 163] Vgl. KPM, S. 163 (HGA 3, S. 172). Heidegger zitiert Kant: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff. In: Werke Bd. 8, 1922, S. 312 (vgl. AA Bd. 20, S. 324). Vgl. Hrsg.Anm. 170. 275 Daran ändert auch Kants Lehre von der Achtung als „Gefühl“ nichts (cf. S. 148 ff.).] Vgl. KPM, S. 148 ff. (HGA 3, S. 156 ff.), mit Bezug auf KpV, I. Teil, 1. Buch, 3. Hauptstück. 276 cf. Cohen – Achtung als P r o b l e m der „Anwendung“ – von Heidegger selbst 150 betont.] Vgl. Cohen: Kants Begründung der Ethik, 2., verb. u. erw. Aufl., 1910, S. 324 u. 332: In dem subjektiven Gefühle der Achtung wurzelt das subjektive Bewusstsein der P f l i c h t . Die Pflicht ist entweder die einzelne Handlung, oder sie bezeichnet unser menschliches Verhältnis zum Sittengesetze. Das Verhältnis der Pflicht zu der Achtung ist somit das des subjektiven Gefühls zu einem bald als Sache, bald als Vorgang gedachten Objektiven. […] P f l i c h t i s t d a s G e f ü h l d e r A c h t u n g d e s E r h a b e n e n u n s e r e r m o r a l i s c h e n B e s t i m m u n g . – Sowie KPM, S. 150 (HGA 3, S. 158): Die Achtung ist als solche Achtung für … das moralische Gesetz. Sie dient nicht zur Beurteilung der Handlungen und stellt sich nicht erst nach der sittlichen Tat ein, etwa als die Art und Weise, in der wir zur vollzogenen Handlung Stellung nehmen. Die Achtung für das Gesetz konstituiert vielmehr erst die M ö g l i c h k e i t der Handlung. 277 zum Gefühl der Achtung cf. 151 (Bleistift-Notiz!)] In Cassirers Exemplar von KPM (University of Illinois, Chicago, Daley Library, Special Collections, Library of Ernst Cassirer, Call Number: B2799.M5 H4) findet sich auf S. 151 unten folgende Bleistift-Notiz von Cassirers Hd.: Das Gefühl der A[chtung] k o n s t i t u i e r t nicht die prakt[ische] Vern[unft], sondern ist die Weise der psycholog[ischen] R e p r a e s e n t a t i o n des sittl[ichen] Gesetzes. Der nebenstehende Text Heideggers lautet: Die vorstehende Interpretation des Gefühls der Achtung zeigt nicht nur, inwiefern diese die praktische Vernunft konstituiert, sondern macht zugleich deutlich, daß der B e g r i f f d e s G e f ü h l s im Sinne eines empirisch gemeinten Seelenvermögens v e rs c h w u n d e n und an seine Stelle eine t r a n s z e n d e n t a l e G r u n d s t r u k t u r d e r Tr a n s z e n d e n z des moralischen Selbst getreten ist (HGA 3, S. 159). Auf S. 152 Mitte findet sich außerdem die Notiz Cassirers: N[ota] b[ene]: Das Sittengesetz als solches lässt sich nicht ‚schematisieren‘, sondern nur noch ‚symbolisieren‘[.] ‚Typik‘ der r[einen] pr[aktischen] Vern[unft]. Der nebenstehende Text Heideggers lautet: Es bedarf jetzt gar keines weiteren Schrittes mehr, um zu sehen, daß diese We s e n s s t r u k t u r der A c h t u n g in sich die u r s p r ü n g l i c h e Verfassung der t r a n s z e n d e n t a l e n E i n b i l d u n g s k r a f t hervortreten läßt. Die sich unterwerfende unmittelbare
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Hingabe an … ist die r e i n e Rezeptivität, das freie sich Vorgeben des Gesetzes aber ist die reine Spontaneität; beide sind in sich u r s p r ü n g l i c h e i n i g . Und wiederum läßt nur dieser Ursprung der praktischen Vernunft aus der transzendentalen Einbildungskraft verstehen, warum in der Achtung das Gesetz sowohl wie das handelnde Selbst nicht g e g e n s t ä n d l i c h erfaßt, aber gerade in einer ursprünglicheren, u n g e g e n s t ä n d l i c h e n und u n t h e m a t i s c h e n Weise als Sollen und Handeln offenbar sind und das unreflektierte, handelnde Selbst- s e i n bilden (HGA 3, S. 159). 278 Heidegger behauptet, daß die Ewigkeit als nunc stans … IJȠ IJȚ Ȟ İੇȞĮȚ heißt a u c h nicht: was immer schon w a r im Sinne des – ›Imperfectums‹ sondern im Sinn der (Form) Vo l l - Endung!] Cassirer setzt sich mit KPM, S. 230 f. (HGA 3, S. 240) auseinander: Das Sein des Seienden wird hier offenbar a l s B e s t ä n d i g k e i t und S t ä n d i g k e i t verstanden. Welcher Entwurf liegt in diesem Seinsverständnis? Der E n t w u r f a u f d i e Z e i t ; denn auch die „Ewigkeit“, etwa als das „nunc stans“ genommen, ist als das „ständige“ „Jetzt“ d u r c h u n d d u r c h n u r a u s d e r Z e i t begreiflich. […] Ist es dann zu verwundern, wenn die ontologische Auslegung des Wasseins des Seienden sich im IJȠ IJȚ Ȟ İੇȞĮȚ ausspricht? Liegt in diesem „was immer schon war“ nicht das Moment der s t ä n d i g e n A n w e s e n h e i t , und zwar jetzt sogar im Charakter der Vo r g ä n g i g k e i t , beschlossen? Vgl. Hrsg.-Anm. 27. 279 Vgl. KrV A 551/B 579, zitiert in KPM, S. 175 (HGA 3, S. 184). 280 Ebenso aus der Form des Denkens (Satz vom Widerspruch) Zeitcharakter zu tilgen. (cf. 175)] Vgl. Hrsg.-Anm. 266. 281 Vgl. KrV B 430 f. 282 Schiller: „Wollt Ihr frei auf ihren Flügeln schweben“] Vgl. Schiller: Das Ideal und das Leben. In: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 192: Nur der Körper eignet jenen Mächten,/Die das dunkle Schicksal flechten;/Aber frei von jeder Zeitgewalt,/Die Gespielin seliger Naturen,/Wandelt oben in des Lichtes Fluren/Göttlich unter Göttern die G e s t a l t . /Wollt Ihr hoch auf ihren Flügeln schweben,/Werft die Angst des Irdischen von euch,/Fliehet aus dem engen dumpfen Leben/In des Ideales Reich! 283 Frage des Schülers in Davos] Die Fragen eines stud. phil. S. (nicht ermittelt) an Cassirer lauteten anläßlich des Gesprächs zwischen Cassirer und Heidegger am 26. März 1929: 1. Welchen Weg hat der Mensch zur Unendlichkeit? Wie ist die Art, in der der Mensch an der Unendlichkeit teilhaben kann? 2. Ist die Unendlichkeit als private Bestimmung der Endlichkeit zu gewinnen, oder ist sie ein eigener Bereich? 3. Wieweit hat die Philosophie die Aufgabe, frei werden zu lassen von der Angst? Oder hat sie die Aufgabe, den Menschen gerade radikal der Angst auszuliefern? Die Autorschaft dieser Fragen ist nur in der an die Teilnehmer verteilten Fassung des Diskussionsprotokolls im Umfang von 8. Bl. über die Arbeitsgemeinschaft CassirerHeidegger überliefert (abgedruckt in Guido Schneeberger: Ergänzungen zu einer Heidegger-Bibliographie. Mit vier Beilagen u. einer Bildtafel. Bern 1960, S. 17 – 27, hier S. 21). Die Fassung von Bollnow und Ritter (21 Bl.) enthält lediglich die im Wortlaut leicht abweichenden Fragen. Vgl. Davoser
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Disputation zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger. In: Martin Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt a. M. 1991 (Martin Heidegger Gesamtausgabe. Abt. I Bd. 3), S. 274 – 296, hier S. 285 f. Weiss u. Mörchen überliefern in ihren Aufzeichnungen (siehe S. 108 –119 im vorliegenden Bd.) keine näheren Anhaltspunkte. 284 „helles Zimmer“] Vgl. Hrsg.-Anm. 101. 285 „gegen die Dunkelheit“ des Heidegger-Stils – c i t i e r e n ! S. 112 und S. 6 7 ! ] Folgende Textpassagen könnten gemeint sein KPM, S. 112 (HGA 3, S. 118 f.): Welche abschließende Formulierung gibt Kant diesem „obersten Grundsatz alle synthetischen Urteile“? Er lautet: „Die Bedingungen der M ö g l i c h k e i t d e r E r f a h r u n g überhaupt sind zugleich die Bedingungen der M ö g l i c h k e i t d e r G e g e n s t ä n d e der Erfahrung“. Der entscheidende Gehalt dieses Satzes liegt nicht so sehr in dem, was Kant im Druck gesperrt hat, sondern in dem „ s i n d z u g l e i c h “ . Denn was heißt dieses „zugleich sein“? Es bringt die We s e n s e i n h e i t der vollen Transzendenz s t r u k t u r zum Ausdruck. Diese liegt darin, daß das sichzuwendende Gegenstehenlassen a l s s o l c h e s den Horizont der Gegenständlichkeit überhaupt b i l d e t . Das im endlichen Erkennen vorgängig und j e d e r z e i t notwendige Hinausgehen zu … ist demnach ein s t ä n d i g e s H i n a u s s t e h e n zu … (Ekstasis). Aber dieser wesenhafte Hinausstand zu … b i l d e t gerade im S t e h e n und hält sich d a r i n vor: einen Horizont. D i e Tr a n szendenz ist in sich ekstatisch-horizontal. Diese Glieder u n g der in sich e i n i g e n Transzendenz bringt der oberste Grundsatz zum Ausdruck. – Sowie KPM, S. 67 (HGA 3, S. 72): A l l e i n in einem Vermögen des Gegenstehenlassens von .., in der eine reine Korrespondenz allererst bildenden Zuwendung zu .., kann sich ein hinnehmendes Anschauen vollziehen. Und was ist es, was wir da von uns aus entgegenstehen lassen? Seiendes kann es nicht sein. Wenn aber nicht Seiendes, dann eben ein N i c h t s . Nur wenn das Gegenstehenlassen von … ein S i c h h i n e i n h a l t e n i n d a s N i c h t s ist, kann das Vorstellen a n s t a t t d e s N i c h t s und i n n e r h a l b seiner ein n i c h t Nichts, d. h. so etwas wie Seiendes begegnen lassen, f a l l s solches sich gerade empirisch zeigt. Allerdings ist dieses N i c h t s nicht das nihil absolutum. Welche Bewandtnis es mit diesem Gegenstehenlassen von … hat, gilt es erörtern. An der entsprechenden Stelle seiner späteren Rezension zitiert Cassirer diese Textpassagen Heideggers jedoch nicht, vgl. Cassirer: Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 24 (ECW 17, S. 247). 286 die Platonische Höhle … an Hals und Schenkeln gefesselt – die Schatten] Vgl. die Beschreibung der Lage der Gefangenen in Platons Höhlengleichnis (Politeia 514a-521b). 287 zum fruchtbaren B a t h o s der Erfahrung] Vgl. Hrsg.-Anm. 100. 288 die ‚noumenale‘ Welt] Vgl. Hrsg.-Anm. 160. 289 schweben wir frei auf den Flügeln der Idee] Vgl. Hrsg.-Anm. 282. 290 ›capere infinite‹] Über das Problem für einen endlichen Verstand, das Unendliche zu erfassen, siehe Descartes: Responsio Authoris ad primas Objectiones. In: Oeuvres Bd. 7: Meditationes de Prima Philosophia, 1904,
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S. 106 f. im Zusammenhang des Beweises vom Daseins Gottes: Primo itaque, non desumpsi meum argumentum ex eo quòd viderem in sensibilius esse ordinem sive sucessionem quandam causarum efficientium; tum qiua Deum existere multo evidentius esse putavi, quàm ullas res sensibiles; tum etiam quia per istam causarum successionem non videbar aliò posse devenire, quàm ad imperfectionem mei intellectûs agnoscendam, quòd nempe non possim comprehendere quomodo infinitæ tales causæ sibi mutuò ab æterno ita successerint, ut nulla fuerit prima. Nam certe, ex eo quòd istud non possim comprehendere, non sequitur aliquam primam esse debere, ut neque ex eo quòd non possim etiam comprehendere infinitas divitiones in quantitate finità, sequitur aliquam dari ultimam, ita ut ulterius dividi non possit; sed tantûm sequitur intellectum meum, qui est finitus, non capere infinitum. Itaque malui uti pro fundamento meæ rationis existentiâ meiipsius, quæ a nullâ causarum serie dependet, mihique tam nota est ut nihil notius esse possit; & de me non tam quæsivi a quâ causâ olim essem productus, quàm a quâ tempore præsenti conserver, ut ita me ab omni causarum successione liberarem. In der Übersetzung von Artur Buchenau: Erstens habe ich nicht meinen Beweis aus der sichtbaren Ordnung der Sinnenwelt oder aus einer Aufeinanderfolge von wirkenden Ursachen geführt, und zwar einmal, weil ich das Dasein Gottes für viel evidenter hielt als das von irgendwelchen sinnlichen Dingen, und dann auch, weil es mir schien, daß ich durch jene Aufeinanderfolge von Ursachen höchstens zu der Erkenntnis von der Unvollkommenheit meines Verstandes gelangen könnte, denn ich könnte ja nicht begreifen, wie unendlich viele solcher Ursachen einander von Ewigkeit her in der Weise gefolgt sind, daß keine die erste gewesen ist. Denn daraus, daß ich das nicht begreifen kann, folgt ganz gewiß nicht, daß irgendeine die erste sein muß, ebensowenig wie daraus, daß ich die unendlichen Teilungen in der endlichen Quantität nicht begreifen kann, folgt, daß es irgendeine letzte Teilung gibt derart, daß man nicht weiter teilen könnte; sondern es folgt nur, daß mein Verstand, der endlich ist, das Unendliche nicht faßt. Daher wollte ich zum Ausgangspunkt meines Beweisgangs lieber das Dasein meiner selbst machen, das von keiner Kette von Ursachen abhängt und mir so bekannt ist, daß nichts bekannter sein könnte; und an mir habe ich weniger untersucht, aus welcher Ursache ich ehemals hervorgegangen war, als vielmehr, aus welcher Ursache ich im gegenwärtigen Zeitpunkt erhalten werde, um mich so von jeglicher Aufeinanderfolge von Ursachen zu befreien. (Descartes: Antwort des Verfassers auf die ersten Einwände. In ders.: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie mit den sämtlichen Einwänden und Erwiderungen. Zum erstenmal vollständig übers. u. hrsg. v. Artur Buchenau, 4. Aufl., 1915, S. 96.) 291 Vgl. HGA 3, S. 140. 292 wir begreifen zwar nicht, aber doch … Beide brauchen wir nicht – etc.] Vgl. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (2. Aufl. 1786). In: Werke Bd. 4, 1913, S. 323 f.: Es ist also kein Tadel für unsere Deduktion des obersten Prinzips der Moralität, sondern ein Vorwurf, den man der menschlichen Vernunft überhaupt machen müßte, daß sie ein unbedingtes praktisches
Anmerkungen der Herausgeber
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Gesetz, (dergleichen der kategorische Imperativ sein muß), seiner absoluten Nothwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann; denn, daß sie dieses nicht durch eine Bedingung, nämlich vermittelst irgendeines zum Grunde gelegten Interesse, tun will, kann ihr nicht verdacht werden, weil es alsdann kein moralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freiheit sein würde. Und so begreifen wir zwar nicht die praktische unbedingte Notwendigkeit des moralischen Imperativs, wir begreifen aber doch seine U n b e g r e i f l i c h k e i t , welches alles ist, was billigermaßen von einer Philosophie, die bis zur Grenze der menschlichen Vernunft in Prinzipien strebt, gefodert werden kann (vgl. AA Bd. 4, S. 463). 293 HGA 3, S. 155. 294 (phaenomenale) Dingwelt … Welt des reinen Noumenon] Vgl. Hrsg.Anm. 160. 295 HGA 3, S. 154. 296 HGA 3, S. 155. 297 Der ›Idee‹ entspricht kein Schema … Idee als ›focus imaginarius‹.] Vgl. KrV B 672. 298 Du sollst Dir kein Bildnis machen.] Vgl. 2. Mose 20, 4. 299 noch mehr gilt dies von der praktischen Vernunft … cf. Kants Leben und Lehre] Vgl. Cassirer: Kants Leben und Lehre, 1918 (Werke Bd. 11, Ergänzungsband), S. 277 f.: So ist es erlaubt, die Natur der Sinnenwelt als Typus einer intelligiblen Natur zu brauchen, »solange ich nur nicht die Anschauungen, und was davon abhängig ist, auf diese übertrage, sondern bloß die F o r m d e r G e s e t z m ä ß i g k e i t ü b e r h a u p t darauf beziehe« [Kritik der praktischen Vernunft, Von der Typik der reinen praktischen Vernunft ([Werke Bd.] V, [S.] 78)]. Geschieht aber diese Übertragung, lassen wir die Grenzen des Sinnlichen und des Übersinnlichen unmerklich ineinander überfließen – so ergibt sich mit innerer Notwendigkeit wieder jene Form der Mystik, die Kant seit den »Träumen eines Geistersehers« unablässig bekämpft hatte. Indem das Sollen in ein Bild verwandelt wird, verliert es seine produktive, seine »regulative« Kraft. Wir gelangen auf diesem Wege zum »Mystizism der praktischen Vernunft«, welcher das, was nur zum S y m b o l diente, zum S c h e m a m a c h t , d. i. wirkliche und doch nicht sinnliche Anschauungen (eines unsichtbaren Reiches Gottes) der Anwendung der moralischen Begriffe unterlegt und ins Überschwengliche hinausschweift. Und es ist hierbei wichtig und methodisch bezeichnend, daß zu solcher mystischen Schwärmerei nicht etwa die reine Aprioritätslehre, sondern umgekehrt die rein empiristische Begründung der Ethik, die Auffassung der Moral als Glückseligkeitslehre, am ehesten verführt. Weil diese Ansicht keine andern als sinnliche M o t i v e kennt, darum kann sie auch in allem scheinbaren Überschwang über die Erfahrung und in aller Ausmalung eines »Jenseits« der Sinne über sinnliche Beschreibungen niemals wahrhaft hinauskommen. Sofern praktische Vernunft als pathologisch bedingt, d. i. das Interesse der Neigungen unter dem sinnlichen Prinzip der Glückseligkeit bloß verwaltend, zum Grunde gelegt würde, so würden Mahomets Paradies oder der Theosophen und Mystiker schmelzende Vereinigung mit
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der Gottheit, so wie jedem sein Sinn steht, der Vernunft ihre Ungeheuer aufdrängen; und es wäre alsdann ebenso gut, gar keine zu haben, als sie auf solche Weise allen Träumereien preiszugeben [Kritik der praktischen Vernunft, Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft, [Werke Bd.] V, [S.] 131]. Und man befürchte nicht etwa, daß, wenn wir auf solche sinnliche Stützen und Hülfen verzichten, der reine ethische Imperativ abstrakt und formell und somit unwirksam bleiben könnte. »Es ist eine ganz irrige Besorgnis,« so betont die »Kritik der Urteilskraft« – und in Worten dieser Art besitzt man den ganzen Kant – »daß, wenn man sie [die Moralität] alles dessen beraubt, was sie den Sinnen empfehlen kann, sie alsdann keine andere als kalte leblose Billigung und keine bewegende Kraft oder Rührung bei sich führen würde. Es ist gerade umgekehrt, denn da, wo nun die Sinne nichts mehr vor sich sehen, und die unverkennliche und unauslöschliche Idee der Sittlichkeit dennoch übrig bleibt, würde es eher nötig sein, den Schwung einer unbegrenzten Einbildungskraft zu mäßigen, um ihn nicht bis zum Enthusiasm steigen zu lassen, als, aus Furcht vor Kraftlosigkeit dieser Ideen, für sie in Bildern und kindischem Apparat Hilfe zu suchen … Die reine, seelenerhebende, bloß negative Darstellung der Sittlichkeit bringt … keine Gefahr der Schwärmerei, welche ein Wahn ist, ü b e r a l l e G r e n z e d e r S i n n l i c h k e i t h i n a u s e t w a s s e h e n , d. i. nach Grundsätzen träumen (mit Vernunft rasen) z u w o l l e n ; eben darum, weil die Darstellung bei jener bloß negativ ist. Denn d i e U n e r f o r s c h l i c h k e i t d e r I d e e d e r F r e i h e i t schneidet aller positiven Darstellung gänzlich den Weg ab: das moralische Gesetz aber ist an sich selbst in uns hinreichend und ursprünglich bestimmend, so daß es nicht einmal erlaubt, uns nach einem Bestimmungsgrunde außer demselben umzusehen« [Kritik der Urteilskraft, Analytik des Erhabenen, § 29, [Werke Bd.] V, [S.] 347]./So endet auch hier die Lehre Kants in einem »Unerforschlichen«; aber es ist dennoch ein ganz anderes Verhältnis als dasjenige, das uns innerhalb der Kritik der bloßen theoretischen Vernunft entgegentrat. 300 ‚uns Menschen wenigstens‘] Vgl. KrV B 33. 301 siehe das Wort aus den Fortschritten der Metaphysik 163,] Vgl. KPM, S. 163 (HGA 3, S. 172). Heidegger zitiert Kant: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff. In: Werke Bd. 8, 1922, S. 312: Die obige Aufgabe läßt sich nicht anders auflösen, als so: daß wir sie vorher in Beziehung auf die Vermögen des Menschen, dadurch er der Erweiterung seiner Erkenntnis a priori fähig ist, betrachten, und welche dasselbe in ihm ausmachen, was man spezifisch s e i n e reine Vernunft nennen kann. Denn, wenn unter einer reinen Vernunft eines Wesens überhaupt das Vermögen, unabhängig von Erfahrung, mithin von Sinnesvorstellungen Dinge zu erkennen, verstanden wird, so wird dadurch gar nicht bestimmt, auf welche Art überhaupt in ihm (z. B. in Gott oder einem andern höhern Geiste) dergleichen Erkenntnis möglich sei, und die Aufgabe ist alsdenn unbestimmt. Was dagegen den Menschen betrifft, so besteht ein jedes Erkenntnis desselben aus Begriff und Anschauung (vgl. AA Bd. 20, S. 324).
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allen Freiheit, für alle Vernunftwesen überhaupt (cf. Cohen, Kants Begründung der Ethik).] Vgl. Cohen: Kants Begründung der Ethik, 2., verb. u. erw. Aufl. 1910, S. 160 f.: A n d e r s e i t s aber soll die Aufstellung der besonderen Art einer ethischen Realität gerade zur Anwendung auf die Menschheit, und damit zu einer E r h ö h u n g d e s M e n s c h e n b e g r i f f s führen. Denn wenn die r e g u l a t i v e Bedeutung des Noumenon für den Menschen in Kraft tritt; wenn die noumenale Erweiterung der Kausalität, welche in der F r e i h e i t s i d e e eine ethische Realität gründet, sich bewähren kann in Beziehung auf den praktischen Vernunftgebrauch, in Beziehung auf ein Wollen, welches, ohne abstrahiert zu sein vom empirischen Wollen, anwendbar wird und werden muss auf das Wollen des Menschen, als eines vernünftigen Wesens, – so ist damit eben der Begriff des Menschen zu dem des vernünftigen Wesens erhöht; die Tierheit in ihm ist eliminiert: die Freiheit ist zu seinem Gattungscharakter geworden. 303 HGA 3, S. 148 ff. Vgl. Hrsg.-Anm. 275 – 277. 304 cf. hierzu Cohen, Kants Begründung der Ethik.] Vgl. Cohen: Kants Begründung der Ethik, 2., verb. u. erw. Aufl. 1910, S. 323 f. 305 HGA 3, S. 49. 306 HGA 3, S. 77. 307 HGA 3, S. 81. 308 „Das reine Bild aller Gegenstände der Sinne überhaupt ist die Z e i t . “ (97)] Vgl. KrV A 142, zitiert in KPM, S. 97 (HGA 3, S. 103). 309 HGA 3, S. 106 ff. 310 HGA 3, S. 172. 311 HGA 3, S. 173 ff. 312 HGA 3, S. 175. 313 innerer Zeitcharakter der transzendentalen Einbildungskraft 167] Vgl. KPM, S. 167 (HGA 3, S. 175 f.): Die transzendentale Einbildungskraft vielmehr läßt die Zeit als Jetztfolge e n t s p r i n g e n und ist deshalb – a l s d i e s e e n t s p r i n g e n l a s s e n d e – die u r s p r ü n g l i c h e Zeit. 314 KPM, S. 169 (HGA 3, S. 178). 315 HGA 3, S. 180. 316 Rekognition = Zukunft (175)] Vgl. KPM, S. 175 (HGA 3, S. 183 f.): Wenn nun aber die Zeit das d r e i f a c h - einige Ganze von Gegenwart, Gewesenheit u n d Z u k u n f t ist, Kant aber den beiden jetzt als zeitbildend nachgewiesenen Modi der Synthesis einen d r i t t e n Modus anfügt, wenn überdies a l l e s Vorstellen, somit auch das Denken, der Z e i t unterworfen sein soll, dann muß dieser dritte Modus der Synthesis die Zukunft „bilden“. […] Die Synthesis der reinen Rekongnition soll das dritte Element der reinen Erkenntnis, das reine Denken konstituieren. Was hat aber R e k o g n i t i o n mit der Z u k u n f t zu schaffen? 317 das ਕİ Ȟ ist nicht = in alle Z u k u n f t Seiendes!] Zum stets Seienden siehe Platon: Symposion 211 B; zum sachlichen Zusammenhang vgl. Hrsg.Anm. 259, 278 u. 337. 318 HGA 3, S. 186. 319 HGA 3, S. 187.
384 320
Anhang
HGA 3, S. 189 f. HGA 3, S. 189. 322 HGA 3, S. 191. 323 HGA 3, S. 107. 324 HGA 3, S. 196. 325 Daten nach den Stundenplänen in [Gottfried Salomon/Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929. Davos: Heintz, Neu & Zahn [1929], S. 90 – 95. 326 Arbeitsgemeinschaft/Cassirer – Heidegger] Vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen und Weiss mit der ausführlicheren Fassung, die auf eine überarbeitete Nachschrift von Otto Friedrich Bollnow und Joachim Ritter zurückgeht: Davoser Disputation zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger. In: HGA 3, S. 274 – 296. Diese bzw. eine leicht gekürzte Fassung wurde an die Teilnehmer der Davoser Hochschulkurse verteilt (abgedruckt bei Schneeberger, vgl. Hrsg.-Anm. 283). 327 Stein] In den Aufzeichnungen von Weiss Dr. Stein; nicht ermittelt. In der Bollnow/Ritterschen oder der bei Schneeberger abgedruckten Fassung der hektographisch verbreiteten Nachschrift (siehe Hrsg.-Anm. 283) sind die Fragen Steins und die Antworten Heideggers nicht überliefert. 328 Kant als Metaphysiker Gemeinplatz. Aber selbst Heimsoeth und Max Wundt (rein historisch gearbeitet) sehen nur metaphysische Einflüsse Kants als „daneben“.] Womöglich ein Verweis auf das Kapitel über Kant in Heinz Heimsoeth: Metaphysik der Neuzeit. In: Handbuch der Philosophie. Hrsg. v. Alfred Baeumler u. Manfred Schröter. Abt. 1. Die Grunddisziplinen. F. München u. Berlin 1927 [1929 auch separat erschienen] sowie auf Max Wundt: Kant als Metaphysiker. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Philosophie im 18. Jahrhundert. Stuttgart 1924. 329 Vorrede zur 1. Auflage: „Ich kenne keine Untersuchungen, …“] Vgl. die Aufzeichnungen von Weiss. Verwiesen wird auf KrV A XVI: Ich kenne keine Untersuchungen, die zu Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zu Bestimmung der Regeln und Grenzen seines Gebrauchs, wichtiger wären, als die, welche ich in dem zweiten Hauptstücke der transzendentalen Analytik, unter dem Titel der D e d u k t i o n d e r r e i n e n Ve r s t a n d e s b e g r i f f e , angestellt habe; auch haben sie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe gekostet. Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwei Seiten. Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes, und soll die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken gehörig. 330 Synthesis speciosa.] Figürliche bzw. produktive Synthesis der Einbildungskraft, vgl. KrV B 151 f. Vgl. die Aufzeichnungen von Weiss. 331 „Wie ist Freiheit möglich?“ „Wir können sie nicht begreifen, begreifen nur ihre Unbegreiflichkeit.“] Vgl. Hrsg.-Anm. 292. 332 Vgl. Heidegger: Sein und Zeit, 1927, § 44 c), S. 227. 321
Anmerkungen der Herausgeber 333
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Vgl. KrV B 873: Alle reine Erkenntnis a priori macht also vermöge des besonderen Erkenntnisvermögens, darin es allein seinen Sitz haben kann, eine besondere Einheit aus, und Metaphysik ist diejenige Philosophie, welche jene Erkenntnis in dieser systematischen Einheit darstellen soll. Der spekulative Teil derselben, der sich diesen Namen vorzüglich zugeeignet hat, nämlich die, welche wir Metaphysik der Natur nennen, und alles, so fern es ist (nicht das, was sein soll), aus Begriffen a priori erwägt, wird nun auf folgende Art eingeteilt. 334 Vgl. Kant: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff. In: Werke Bd. 8, 1922, S. 238 f. bezüglich der Ontologie: In ihr ist seit A r i s t o t e l e s ’ Zeiten nicht viel Fortschreitens gewesen. Denn sie ist, so wie eine Grammatik die Auflösung einer Sprachform in ihre Elementarregeln, oder die Logik eine solche von der Denkform ist, eine Auflösung der Erkenntnis in die Begriffe, die a priori im Verstand liegen, und in der Erfahrung ihren Gebrauch haben; – ein System, dessen mühsamer Bearbeitung man gar wohl überhoben sein kann, wenn man nur die Regeln des richtigen Gebrauchs dieser Begriffe und Grundsätze zum Behuf der Erfahrungserkenntnis beabsichtigt, weil die Erfahrung ihn immer bestätigt oder berichtigt, welches nicht geschieht, wenn man vom Sinnlichen zum Übersinnlichen fortzuschreiten vorhabens ist, zu welcher Absicht dann freilich die Ausmessung des Verstandesvermögens und seiner Prinzipien mit Ausführlichkeit und Sorgfalt geschehen muß, um zu wissen, von wo an die Vernunft, und mit welchem Stecken und Stabe sie von den Erfahrungsgegenständen zu denen, die es nicht sind, ihren Überschritt wagen könne (vgl. AA Bd. 20, S. 260). 335 Kant bezeichnet in der Anthropologie … Gottes intuitus originarius.] Vgl. Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. In: Werke Bd. 8, 1922, S. 54 (§ 28): Die Einbildungskraft ( f a c u l t a s i m a g i n a n d i ) , als ein Vermögen der Anschauungen auch ohne Gegenwart des Gegenstandes, ist entweder produktiv, d. i. ein Vermögen der ursprünglichen Darstellung des letzteren ( e x h i b i t i o o r i g i n a r i a ) , welche also vor der Erfahrung vorhergeht; oder reproduktiv, der abgeleiteten ( e x h i b i t i o d e r i v a t i v a ) , welche eine vorher gehabte empirische Anschauung ins Gemüt zurückbringt (vgl. AA Bd. 7, S. 167). Zur ursprünglichen Anschauungsart (intuitus originarius) vgl. KrV B 72. 336 Vernunft des Menschen „Selbsthalterin“] Als Kant-Zitat nicht nachgewiesen. Kant äußert sich in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten zum mißlichen Standpunkt der Philosophie als Selbsthalterin ihrer Gesetze, vgl. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (2. Aufl. 1786). In: Werke Bd. 4, 1913, S. 184 (vgl. AA Bd. 4, S. 425). 337 ਕİ Ȟ, IJȠ IJȚ Ȟ İੇȞĮȚ, ȠıĮ] Zum stets Seienden (ਕİ Ȟ) vgl. Platon: Symposion 211 B. Zu ȠıĮ (Wesen) und dem in der Philosophiegeschichte umstrittenen Passus IJȠ IJȚ Ȟ İੇȞĮȚ vgl. Aristoteles: Metaphysik V, 1017b 21 – 25. Vgl. Cohen: Logik der reinen Erkenntnis, 2. Aufl., 1914, S. 30 f.: Vielleicht läßt sich nun von hier aus das Rätselwort einigermaßen klären, mit dem A r i s t o t e l e s den Grund des Seins bezeichnet. Das unübersetzbare Wort IJȠ IJȚ Ȟ İੇȞĮȚ bezieht sich vielleicht auf das Fragewort des
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Sokratischen Begriffs; nur wird aus dem „Was ist“ bei ihm „Was war“; u n d a u f d i e s e s F r a g e w o r t „ Wa s w a r ? “ w i r d d a s S e i n n u n m e h r b e g r ü n d e t . […] Was war? Die Frage bedeutet: der Grund des Seins muß jenseits seiner Gegenwart gelegt werden. Es genügt nicht, das Sein durch das wahrhafte Sein, das seiend Seiende zu bestimmen; ein Vo r- S e i n wird gesucht, und in ihm das Sein gegründet und gesichert. Vgl. die Aufzeichnungen von Mörchen. 338 A b e n d s : ] Vgl. die zeitgenössischen Berichte über den zeitlichen Ablauf der Veranstaltung: Hermann Herrigel: Denken dieser Zeit. Fakultäten und Nationen treffen sich in Davos [Teil 1]. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 297 vom 22.4.1929, Abendblatt, Beilage: Für Hochschule und Jugend, S. 4: Das wichtigste wissenschaftliche Ereignis der Davoser Hochschulkurse war die Auseinandersetzung von C a s s i r e r und H e i d e g g e r. […] Nach Abschluß der Vorträge wurde die Auseinandersetzung in einem großen ö f f e n t l i c h e n Z w i e g e s p r ä c h fortgesetzt, das zuerst zwei Vormittagsstunden dauerte und am Abend zu Ende geführt wurde. Mit etwas zeitlichem Abstand berichtet ähnlich, aber unter irrtümlichem Datum Eduard Wechssler: Die Davoser Hochschulvorträge (vom 17. März bis 6. April 1929) und das Problem der Generation in der Geistesgeschichte. In: Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht 28 (1929), S. 436 von den Höhepunkten: Das war einmal am 25. [!] März, vormittags und abends, die Auseinandersetzung zwischen Ernst C a s s i r e r (Hamburg) und Martin H e i d e g g e r (Freiburg) […]. 339 Vgl. das Programm der II. Davoser Hochschulkurse in [Gottfried Salomon/Célestin Bouglé (Hrsg.):] Davoser Hochschulkurse. 17. März bis 6. April. Les IImes Cours Universitaires de Davos du 17 Mars au 6 Avril 1929, [1929], S. 93: Mittwoch, 27. März 1929, Vormittag: 1015 –11/E . C a s s i r e r / Der Gegensatz von Geist und Leben in Schelers Philosophie. 340 Für den hier wiedergegebenen wesentlichen Gehalt von Cassirers zuerst am 3.10.1928 in Frankfurt a. M. gehaltenen und in Davos wiederholten Vortrag vgl. Cassirers späteren Aufsatz „Geist“ und „Leben“ in der Philosophie der Gegenwart. In: Die Neue Rundschau. 41. Jahrgang der freien Bühne (1930), S. 244 – 264 (abgedruckt in ECW 17); so aber erst der redaktionelle Titel des Beitrags, der ursprünglich lautete: D i e P o l a r i t ä t v o n „ G e i s t “ und „Leben“ in Max Schelers philosophischer Anthrop o l o g i e (Ernst Cassirer Papers, Gen Mss 98, Box 40, folder 784, Bl. 1r, dort auch die redaktionellen Änderungen). 341 erste Begegnung mit Franz Rosenzweig im Jahre 1917 … Franz Rosenzweig hatte im Winter 1913/14 bei Cohen gehört. –] In seinen Erinnerungen an Hermann Cohen berichtet Franz Rosenzweig, daß er im November 1913 die erste Vorlesung bei Cohen an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin gehört habe, vgl. Rosenzweig: Der Dozent. Eine persönliche Erinnerung. In: Neue jüdische Monatshefte 2 (1918), Heft 15/16 (Sonderheft Hermann Cohen) vom 10./25.5.1918, S. 376 – 378. 342 Vom Felde aus … veröffentlichte.] Vgl. Franz Rosenzweig: Zeit ists … Ps. 119, 126. Gedanken über das jüdische Bildungsproblem des Augenblicks.
Anmerkungen der Herausgeber
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An Hermann Cohen. Von Franz Rosenzweig, im Felde. In: Neue Jüdische Monatshefte 2 (1917), Heft 6, 25. 12.1917, S. 133 – 135; dass. separat: Zeit ists … [!] Ps. 119, 126. Gedanken über das jüdische Bildungsproblem des Augenblicks. An Hermann Cohen, 1918. Vgl. den Nachruf auf Franz Rosenzweig von Martin Buber in Kant-Studien 35 (1930), S. 517 – 522, hier S. 522: Vom Felde aus richtete er an Cohen einen unter dem Titel „Zeit ists. Gedanken über das jüdische Bildungsproblem des Augenblicks“ 1917 veröffentlichten Brief, der die Anregung zur späteren Gründung der „Akademie für die Wissenschaft des Judentums“ gab. 343 Die Logik als Logik der reinen Erkenntnis und demgemäß als L o g i k d e s U r s p r u n g s ] Vgl. Cohen: Logik der reinen Erkenntnis, 2., verb. Aufl., 1914, S. 36. 344 Kantische C o p e r n i k a n i s c h e We n d u n g ] Vgl. KrV B XVI. 345 „Alle reinen Erkenntnisse … reinen Wert.“] Cohen: Logik der reinen Erkenntnis. 2., verb. Aufl., 1914, S. 36. 346 der Verstand ist der „Urheber der Natur“] Vgl. KpV, I. Teil, 2. Buch, 2. Hauptstück, V: Also ist die oberste Ursache der Natur, so fern sie zum höchsten Gute vorausgesetzt werden muß, ein Wesen, das durch Ve r s t a n d und W i l l e n die Ursache (folglich der Urheber) der Natur ist, d. i. G o t t . 347 in seinen Grundlegungen, in seiner ȣʌȠșıİȚȢ,] Zur Hypothesis, verstanden im Anschluß an Platon als Grundlegung und in diesem Sinne ein Begriff der Philosophie Cohens, vgl. ausführlich Cohen: Einleitung mit kritischem Nachtrag zur neunten Auflage der Geschichte des Materialismus von Friedrich Albert Lange, 3., erw. Aufl. 1914, S. 17 f.: Der Grundsatz ist vielmehr nur dadurch Grundlage, daß er in einer Grundlegung und kraft derselben vollzogen wird. […] S o w i r d d a s r e i n e D e n k e n d a s l e g i t i m e Mittel zur Erzeugung der Idee. Die Idee selbst ist daher in ihrem tiefsten Grunde nichts Anderes als Grundlegung. Vgl. dort auch S. 25 f. sowie ders.: Logik der reinen Erkenntnis, 2., verb. Aufl., 1914, S. 94. Für weitere Belege siehe Hrsg.-Anm. 352. 348 ›Natur‹ aber ist nach Kant … bestimmt ist.] Vgl. Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. In: Werke Bd. 4, § 14, S. 44 (vgl. AA Bd. 4, S. 294). 349 E t h i k d e s r e i n e n W i l l e n s . ] Vgl. Cohen: Ethik des reinen Willens, 1904. 350 Schiller … das Kantische „Bestimme Dich aus Dir selbst.“] Vgl. Schiller an Christian Gottfried Körner, 18. Februar 1793. In: Schillers Briefwechsel mit Körner, hrsg. v. Karl Goedeke, 2. Theil, 2., verm. Aufl. 1878, S. 19: Es ist gewiß von einem sterblichen Menschen kein größeres Wort noch gesprochen worden, als dieses Kantsche, was zugleich der Inhalt seiner ganzen Philosophie ist: Bestimme Dich aus Dir selbst […]. 351 Schiller: Die Worte des Wahns. In: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 165. 352 Auch das Sittliche ist Grundlegung, H y p o t h e s i s … IJઁ ਕıijĮȜȢ IJોȢ ਫ਼ʌȠșıİȦȢ (Platon)] Bei Platon: Phaidon 101d heißt es: IJȠ૨ ਕıijĮȜȠ૨Ȣ IJોȢ ਫ਼ʌȠșıİȦȢ (sichere Vorraussetzung, gesicherte Grundlage). Hier jedoch zitiert nach Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, 3. Aufl., 1918, S. 22 f.:
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Mit einem der von ihm [Platon] für die Geometrie erfundenen analytischen Methode entlehnten Namen hat er die Idee selbst als Grundlage, vielmehr als G r u n d l e g u n g (ਫ਼ʌંșİıȚȢ) bezeichnet. […] Der Grieche mochte nach seiner Art fragen: In welchen „ungeschriebenen Gesetzen“ werden diese Ideen verbürgt? Auf solche Frage, welche schon die Alten ärgerte – den Menschen sehe ich, die Menschheit nicht – verantwortet sich die Idee, als Hypothesis: als die „Sicherheit der Hypothesis“ (ਕıijĮȜȢ IJોȢ ਫ਼ʌȠșıİȦȢ). Nicht eine etwaige Vermutung ist die Idee, sondern solche Grundlage, welche als Grundlegung eine methodische Basis sichert, und wie in der Geometrie, zu Ergebnissen führt, die von der Voraussetzung geprüft worden, die daher nichtsdestoweniger in der Hypothesis allein gesichert sind. 353 ȜંȖȠȞ įȚįંȞĮȚ] Rechenschaft ablegen, als logische Rechtfertigung der Argumente bzw. der Voraussetzungen, von denen das Denken ausgeht, vgl. Platon: Politeia, 510c 8 f. 354 der Protestantismus, in dem Hegel das reine Freiheitsprinzip verkörpert fand,] Vgl. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Sämtliche Werke Bd. 11, S. 524: Dies ist der wesentliche Inhalt der Reformation; der Mensch ist durch sich selbst bestimmt frei zu seyn. Sowie ders.: Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, hrsg. v. Georg Lasson, 1905, S. 473: So wird zuletzt das Prinzip des religiösen und des sittlichen Gewissens ein und dasselbe in dem p r o t e s t a n t i s c h e n G e w i s s e n , – der freie Geist in seiner Vernünftigkeit und Wahrheit sich wissend. 355 Schleiermacher … erklärt die Religion aus dem Gefühl der „ s c h l e c h t h i n i g e n A b h ä n g i g k e i t “ .] Vgl. Schleiermacher: Der christliche Glaube nach den Grundsäzen [!] der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, Bd. 1, 1821, S. 33: Das gemeinsame aller frommen Erregungen, also das Wesen der Frömmigkeit ist dieses, daß wir uns unsrer selbst als schlechthin abhängig bewußt sind, das heißt, daß wir uns abhängig fühlen von Gott. 356 einzelne Führer der protestantischen Theologie gehörten zu seinen nächsten Freunden, insbesondere Wilhelm Herrmann in Marburg.] Wilhelm Herrmann (1846–1922), war von 1879–1917 ordentlicher Professor für systematische Theologie in Marburg (WBIS; PersMarburg). Herrmann war einer der hauptsächlichsten Diskussionspartner Cohens, was sich bei beiden auch literarisch niederschlug, vgl. z. B. Cohen in seiner Vorrede zur 2. Aufl. der Ethik des reinen Willens, 1907, S. XIII: Herzlichen Dank möchte ich auch Wi l h e l m H e r r m a n n aussprechen dürfen, der, in philosophischer Gesinnung beharrend, für den ethischen Lebensgrund des Protestantismus eintritt. Bei aller Schärfe der Differenz, die er nicht verschweigt, noch abstumpft, hat er es doch für seine Aufgabe gehalten, in der „Christlichen Welt“ (Nr. 3. vom 17. Januar 1907 und Nr. 10 vom 7. März 1907) dieser Ethik eingehende Würdigung zu widmen. 357 Auf dem Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt … bedeutsamsten Kundgebungen.] Vgl. Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt. In: Fünfter Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt. Berlin 5. bis 10. August 1910. Protokoll der Verhandlungen, 1910, S. 563–577. Auch separat erschienen u. d. T.
Anmerkungen der Herausgeber
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Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit, 1910; unter diesem Titel auch in Jüdische Schriften I, S. 18 – 35. 358 In seiner „Charakteristik der Ethik Maimunis“ hat er Maimonides ein schönes Denkmal gesetzt.] Vgl. Cohen: Charakteristik der Ethik Maimunis. In: Moses ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluss Bd. 1, 1908, S. 63–134. 1908 auch separat erschienen; außerdem in Jüdische Schriften III, S. 221 – 289. 359 Bachja ibn Pakudas Buch … daß man der Pflege der Vernunft nicht bedürfe.“] Vgl. Cohen: Innere Beziehungen der Kantischen Philosophie zum Judentum. In: Jüdische Schriften I, S. 289. Cohen paraphrasiert Bachja ibn Pakuda laut eigenen Angaben nach dem hebräischen Text in „Choboth ha-l’baboth.“ Lehrbuch der Herzenspflichten. Zur Veredlung der religiösen und sittlichen Denk- und Handlungsweise. Von Rabbi Bechaiji Ben Josef. Mit einer, nach Jehuda Ebn Tibbons ebräischer Uebertragung des arabischen Originals, wortgetreuen neuen deutschen Uebersetzung, nebst exegetischen Anmerkungen über schwierige Bibel-Citata und einer metrisch-gereimten Uebersetzung der „Mahnrede“ von M. E. Stern. 2., verb. Aufl. Wien 1856, S. 389 f. 360 „Religion der Ve r n u n f t aus den Quellen des Judentums“ … Hauptwerk genannt] Vgl. Cohen: Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 2. Aufl., neu durchgearbeitet v. Bruno Strauß, 1929. Die 1. Aufl. erschien 1919 noch unter dem Titel Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums. Über die Gründe dieser Änderung u. die Editionsgeschichte siehe Bruno Strauß: Nachwort des Herausgebers. In: Cohen: Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 2. Aufl., 1929, S. 625. 361 Goethe: Noten und Abhandlungen zu besserem Verständniß des Westöstlichen Divans. Mahmud von Gasna. In: WA Abt. I Bd. 7, S. 42. 362 Aus der Idee des Einzigen Gottes … die Einheit der M e n s c h h e i t entdeckt.] Vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 126 u. 139 f. 363 „Ich werde sein, der ich bin; sage etwa der „Ich bin“ hat mich zu Euch gesandt.“] Vgl. 2. Mose 3, 14. Bei Cohen: Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 2. Aufl., 1929, S. 49 f. heißt es: Mose fragt nach dem Namen des Gottes, den er den Israeliten nennen soll, und Gott antwortet: ich bin der Seiende. Ich bin der, der nicht anders benannt werden kann als durch „ich bin“. Darin ist schon ausgedrückt, daß kein anderes Sein diese Verbindung des Seins mit sich behaupten darf. Fahren wir fort in dem Texte, der unmittelbar weiter lautet: und Gott sagte: „So sollst du den Israeliten sagen, der ‚ich bin‘ hat mich zu euch gesandt.“ 364 So begründet alle Religion eine reine We c h s e l b e z i e h u n g , eine ›Korrelation‹, wie Cohen sagt, zwischen Gott und dem Individuum, der sittlichen „Persönlichkeit“.] Korrelation zwischen Gott und Mensch ist ein Begriff der Religionsphilosophie Cohens. Neben dem mehrfachen Vorkommen in Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919/Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1929 vgl. Cohen: Der Begriff der Religion im System der Philosophie, 1915, S. 32: Gehen wir nunmehr auf den
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Z u s a m m e n h a n g d e r R e l i g i o n m i t d e r E t h i k über, um von ihr aus den Anteil der systematischen Philosophie an der Religion zu erweisen, so besteht hierin der B e g r i f f d e s M o n o t h e i s m u s und sein sachlicher Unterschied vom Polytheismus: daß in ihm nicht sowohl G o t t d e n H a u p t i n h a l t b i l d e t a l s v i e l m e h r d e r M e n s c h , oder genauer ausgedrückt: n i c h t G o t t a l l e i n u n d a n s i c h , s o n d e r n i m m e r n u r i n K o r r e l a t i o n z u m M e n s c h e n , wie freilich daher auch gemäß der Korrelation: n i c h t d e r M e n s c h a l l e i n , s o n d e r n immer zugleich in Korrelation mit Gott. 365 Die Beziehung des Einzelnen auf › G o t t ‹ … w e l t g e s c h i c h t l i c h e n r e l i g i ö s e n M i s s i o n . ] Vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 143 – 145 u. 150. 366 Denn es ist … als Nationalgott gedacht hätten.] Vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 126: Das sind Folgerungen, die sich Jedermann unmittelbar ergeben: daß so aus der Einheit Gottes erstlich die E i n h e i t i m We s e n d e s M e n s c h e n u n d s o d a n n d i e E i n h e i t d e s M e n s c h e n g e s c h l e c h t s sich herausgebildet hat. Besonders was den letztern Punkt betrifft, so ist es der B i b e l k r i t i k d e r e v a n g e l i s c h e n K a t h e d e r t h e o l o g i e nicht innig genug zu danken, daß sie diesen Zusammenhang zwischen der Einheit Gottes und der Einheit des Menschengeschlechts von neuem nachgewiesen und anerkannt, und somit das blöde Vorurteil von dem Partikularismus des Judentums und von seinem Nationalgotte zurückgewiesen hat. 367 Urmotiv des mythischen Denkens … ist mythische Heroengeschichte.] Vgl. die Parallelstelle in PSF II, S. 150 – 152, dort mit Zitat aus Hermann Cohen: Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919, S. 293 ff. u. S. 308. Siehe ferner den Text des Bogens, der dem Vortrag [The Philosophy of Hermann Cohen and his Conception of Jewish Religion] beigelegt ist, im vorliegenden Bd. S. 154, editorisch-philologische Anm. A. 368 Einer der grössten k a t h o l i s c h e n K a n z e l r e d n e r … implizit mitgegeben sei.] Diese generelle Position Bossuets, eingenommen unter dem Aspekt der Einheit der Kirche, vertreten gegen die Protestanten, ist am ehesten greifbar in Jacques-Bénigne Bossuet: Exposition de la doctrine de l’Église catholique sur les matières de controverse, 1671. 369 in der „Ethik des reinen Willens“… wird die Treue als eine der sittlichen Kerntugenden ausgezeichnet.] Vgl. Cohen: Ethik des reinen Willens, 1904, 14. Kap., S. 538 – 558: Die Treue. 370 Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. In: Jüdische Schriften I, S. 35. 371 Hermann Cohens Jüdische Schriften … Die Religion d e r Ve r n u n f t a u s d e n Q u e l l e n d e s J u d e n t u m s . ] Vgl. Hermann Cohens Jüdische Schriften. Mit einer Einleitung v. Franz Rosenzweig hrsg. v. Bruno Strauß, 3 Bde., 1924 sowie Cohen: Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919 (2. Aufl. 1929 unter dem Titel Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums).
Anmerkungen der Herausgeber 372
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Nikolaus von Kues … echten „Gottesschau“ zu beschreiben gesucht.] Vgl. Nikolaus von Kues: De Visione Dei. In: Nicolai Cusae Cardinalis Opera Bd. 1, fol. 99r-114r. 373 „Jegliches Gesicht, das in das Deine blickt … und dem Begriff des Gesichts.“] Vgl. Nikolaus von Kues: De visione Dei. In: Nicolai Cusae Cardinalis Opera Bd. 1, Cap. VI, fol. 101r/v: Omnis igitur facies, quae in tuam potest intueri faciem, nihil videt aliud aut diversum a se, quia videt veritatem suam. […] Qui igitur amorosa facie te intuetur, non reperiet nisi faciem tuam se amorose intuentem, et quanto studebit te amorosius inspicere, tanto reperiet similiter faciem tuam amorosiorem; qui te indignanter inspicit, reperiet similiter faciem tuam talem. Qui te laete intuetur, sic reperiet laetam tuam faciem, quemadmodum est ipsius te videntis. […] O Domine, quam admirabilis est facies tua, quam si iuvenis concipere vellet, iuvenilem fingeret et vir virilem et senex senilem. […] In omnibus faciebus videtur facies facierum velate et in aenigmate. Revelate autem non videtur, quamdiu super omnes facies, non intratur in quoddam secretum et occultum silentium, ubi nihil est de scientia et conceptu faciei. Übersetzung nicht ermittelt. 374 Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. In: Jüdische Schriften I, S. 33. 375 (Prof. Falckenberg of Erlangen) … Kant’s Critique of pure reason.] Paraphrase nach Richard Falckenberg: Gedächtnisrede auf Kant zur Feier der hundertjährigen Wiederkehr des Todestages des Philosophen, 1904, S. 11 f.: Nach dem französischen Kriege trat Hermann Cohen mit seinem Buche „Kants Theorie der Erfahrung“ hervor. War das Kantische Hauptwerk nicht leicht zu lesen, so war Cohens Erläuterung noch schwerer geschrieben, so daß man damals scherzte: ein Glück, daß wir zu dem Cohenschen Werke einen guten Kommentar – von Kant besitzen: die Kritik der reinen Vernunft. 376 a lecture of Georg Simmel,] Für das SS 1892 nicht testiert. Im Abgangszeugnis Cassirers (immatrikuliert seit dem 19.10.1893) über das WS 1893/94, SS 1894 u. WS 1894/95 sind lediglich Simmels Lehrveranstaltungen Die Philosophie Kant’s u. Sociologie vom SS 1894 testiert. Abgangszeugnisse testieren jedoch generell nur solche Veranstaltungen, für die Gebühren zu entrichten waren, d. h. ausschließlich Privatvorlesungen. Über den Besuch öffentlicher Vorlesungen kann nichts ausgesagt werden. (Vgl. die Zeugnisse in Ernst Cassirer Papers – Addition, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 355, Box 6, folder 138, Bl. 1 – 2 u. 3 – 4.) 377 the șĮȣȝȗİȚȞ is to be reckoned among the first and principal sources of philosophy.] Zum Staunen als Anfang aller Philosophie vgl. Platon: Theaitetos 155 D. 378 It was in this connection that I first heard the name of Hermann Cohen and of his philosophical writings. … I went to Marburg where he held the chair of philosophy.] Vgl. die parallelen Darstellungen seines Wegs zu Cohen in Cassirer: Hermann Cohen und die Renaissance der Kantischen Philosophie. In: Jüdisch-liberale Zeitung, Nr. 11, 25.4.1924, 1. Beilage, S.
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[5 – 6] (abgedruckt in ECW 24, S. 646 – 647) sowie ders.: Hermann Cohen, 1842 – 1918. In: Social Research 10 (1943), S. 222 – 223 (abgedruckt in ECW 24, S. 163 – 164). 379 Vgl. Hrsg.-Anm. 360. 380 This interpretation is given in three works the first of which was published in the year 1871, the last of which was published in the year 1889.] Vgl. Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, 1871; ders.: Kants Begründung der Ethik, 1877; ders.: Kants Begründung der Aesthetik, 1889. 381 „Mein Feld … ›Prolegomena to any Future Metaphysic‹.] Vgl. Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. In: Werke Bd. 4, S. 129, Anm. 1 (vgl. AA Bd. 4, S. 373). Übersetzung nicht ermittelt. Eine verbreitete Übersetzung lautet: My place is the fruitful b a t h o s , the bottom-land, of experience […]. (Kant’s Prolegomena to any future Metaphysics, ed. in English by Paul Carus, 1902, S. 150, Anm. 1.) 382 Immanuel Kant’s Critique of Pure Reason, First Part, transl. by Friedrich Max Müller, 1881, Supplement XVII, S. 467. Vgl. KrV B 218. 383 Immanuel Kant’s Critique of Pure Reason, Second Part, transl. by Friedrich Max Müller, 1881, S. 276. Vgl. KrV B 375. 384 Vgl. Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, 1799. 385 Schleiermacher defines religion to be „das Gefühl der schlechthinigen Abhängigkeit“] Vgl. Hrsg.-Anm. 355. 386 ›Logic of pure knowledge‹] Vgl. Cohen: Logik der reinen Erkenntniss [!], 1902; ders.: Logik der reinen Erkenntnis, 2., verb. Aufl., 1914. 387 it is, what he calls, an idealization of the essential contents of Jewish religion.] Vgl. Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. In: Jüdische Schriften I, S. 18 – 35. 388 ›Idealisierung‹ – says Cohen … Idealization is a fundamental condition.‹] Vgl. Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. In: Jüdische Schriften I, S. 18. Übersetzung nicht ermittelt. Die offizielle Übersetzung von Cohens Beitrag ins Englische als The Significance of Judaism for the Progress of Religion. In: Fifth International Congress of Free Christianity and Religious Progress. Proceedings and Papers, 1911, lautet auf S. 385: With respect to the work of art which we term religion, idealisation is as necessarily as elsewhere the primary condition for each of its adherents, but no less so for the outside student [im Separatdruck: foreign student]. Cohen nennt in einem Brief an Cassirer vom 24.8.1910 Henry Slonimsky als Übersetzer (siehe im vorliegenden Bd. S. 270). In der Publikation wird Slonimsky nicht genannt. 389 die Lehre vom „Primat der praktischen Vernunft“] Vgl. KpV, 1. Teil, 2. Buch, 2. Hauptstück, III: Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der spekulativen. 390 in the treatise „Die Ethik des Maimuni“, contained in the third volume of his ›Jewish writings‹] Der Titel dieses Textes lautet: Die Charakteristik der Ethik Maimunis. In: Jüdische Schriften III, S. 221 – 289.
Anmerkungen der Herausgeber 391
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›Those attributes only … of the Idea of God.‹] Dieses Zitat stammt nicht aus der Abhandlung Cohens über Die Charakteristik der Ethik Maimunis, sondern aus Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 133 u. 135: Nur diejenigen Attribute Gottes sollen Gegenstand der menschlichen, der religiösen Erkenntnis sein dürfen, welche das Wesen Gottes als das U r b i l d d e r S i t t l i c h k e i t bestimmen. A u ß e r h a l b d i e s e s I n t e r e s s e s a n d e r S i t t l i c h k e i t i s t d a s We s e n G o t t e s u n e rforschlich, d. h. nicht Gegenstand des philosophischen I n t e r e s s e s u n d e b e n s o w e n i g d e s r e l i g i ö s e n G l a u b e n s . […] So erschöpft sich der jüdische Gottesbegriff in der ethis c h e n B e d e u t u n g d e r G o t t e s i d e e . Übersetzung nicht ermittelt. 392 in the language of Kantian philosophy God is not a phenomenon, he is a Noumenon.] Vgl. Hrsg.-Anm. 160. 393 postulate of practical reason] Postulat der praktischen Vernunft, ein Terminus Kants, vgl. Die Metaphysik der Sitten, AA Bd. 6. 394 das Postulat der Allheit] Zum Begriff der Allheit (im Gegensatz zur Allgemeinheit) in der Logik, Ethik und Religionsphilosophie Cohens vgl. neben Cohen: Logik der reinen Erkenntnis, 2., verb. Aufl., 1914, S. 174–209: Drittes Urteil: Das Urteil der Allheit v. a. die das Stichwort Allheit betreffenden Abschnitte in ders.: Ethik des reinen Willens, 1904 (2., revidierte Aufl. 1907) sowie in ders.: Der Begriff der Religion im System der Philosophie, 1915 u. in ders.: Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919/Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1929. Vgl. im vorliegenden Bd. S. 131 u. 269. 395 ›All civilization … from mythical elements.‹] Vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 119: Aus dem Mythos ist alle Kultur herausgewachsen; die Wissenschaft, die Sittlichkeit, die Poesie und alle Kunst. Die Kultur hat sich in allen ihren Urrichtungen aus dem Mythos heraus entwickelt […]. Übersetzung nicht ermittelt. 396 ›Myth … that highest thought of morality.‹] Vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 139 f.: M i t d e r M e n s c h h e i t h a t d e r M y t h o s n i c h t s g e m e i n . Ihn interessiert höchstens das Geschlecht, der Stamm, die Nation; auf die Menscheit hat kein heidnischer Mythos jemals den Blick gerichtet. […] D i e I d e e d e r M e n s c h h e i t i s t d i e F r u c h t d e r E i n h e i t G o t t e s . Und nur weil die Propheten vermocht haben, der mythischen Korrelation zwischen Mensch und Gott zu trotzen, und dagegen die Korrelation zwischen Mensch und Mensch einwurzelten in den Mutterboden der prophetischen Religion, nur durch die E i n h e i t G o t t e s , welche sie dadurch zur Wahrheit machten, vermochten sie die E i n h e i t d e s M e n s c h e n g e s c h l e c h t s , den höchsten, den letzten Gedanken der Sittlichkeit, zu entdecken. Übersetzung nicht ermittelt. 397 ›The providence of the divine … the Idea of a Messiah.‹] Vgl. Cohen: Die Messiasidee. In: Jüdische Schriften I, S. 106: Göttlich aber ist die Vorsehung, wenn sie nicht zunächst und nicht zumeist auf das Individuum sich bezieht, und ebenso auch nicht allein auf das eigne Volk, sondern auf die ganze Menschheit, als die Kinder Gottes. […] Dieser Höhepunkt der
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israelitischen Prophetie, die Hoffnung auf die Zukunft der Menschheit, das ist der Inhalt der Messiasidee […]. Übersetzung nicht ermittelt. 398 his book ›Religion und Sittlichkeit‹] Bezieht sich auf den 1907 in Berlin erschienenen Separatdruck von Cohens Aufsatz mit gleichem Titel. 399 „Man is not at liberty … really universal historical motives.“] Vgl. Cohen: Religion und Sittlichkeit. In: Jüdische Schriften III, S. 165: Der Mensch darf nicht sein höchstes Heil schlechthin in seiner Nationalität, geschweige, wie man heute zu sagen sich erdreistet, in seiner angeblichen Rasse erkennen, sondern er muß allgemeineren geschichtlichen Motiven sein Herz öffnen […]. Übersetzung nicht ermittelt. 400 In his ›Ethics of pure will‹ Cohen develops a special ›Tugendlehre‹] Vgl. Hrsg.-Anm. 369. 401 ›We recognize, at present … essence of our religion.‹] Vgl. Cohen: Innere Beziehungen der Kantischen Philosophie zum Judentum. In: Jüdische Schriften I, S. 304: Wir erkennen heute […] den Wert des Judentums […] in seinem Prophetismus, also in seiner Sittenlehre, in seinem Universalismus, in seinem Humanismus. Und der ganze Ritualismus gehört für unser Bewusstsein der geschichtlichen Entwicklung, der Abwehr und dem Selbstschutz an; den Imponderabilien der religiösen Pietät […]; klar und lebendig aber, […] unterscheiden wir ihn von dem ewigen Wesen unserer Religion selbst.“ Übersetzung nicht ermittelt. 402 ›Among all persecutions … resist these misfortunes.‹] Vgl. Cohen: Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt der Menschheit. In: Jüdische Schriften I, S. 33: Unter allen Verfolgungen und Bedrückungen äußerer und, was am seltensten beachtet wird, innerster seelischer Art, behauptet der Jude seine Religiosität kraft seines messianischen Grundaffekts der Hoffnung. Seine messianische Hoffnung ist sein Trost und seine Zuversicht. Die Leiden aber, so traurig sie immer, und nicht allein für den, der sie zu erleiden hat, sind, so haben sie doch niemals weder den Untergang eines Menschen, noch den eines Volkes herbeiführen können, wenn nur geistige und sittliche Kraft vorhanden waren, den Leiden Widerstand zu leisten. Übersetzung nicht ermittelt. Die offizielle Übersetzung von Cohens Beitrag durch Henry Slonimsky ins Englische (vgl. Hrsg.-Anm. 388) als The Significance of Judaism for the Progress of Religion. In: Fifth International Congress of Free Christianity and Religious Progress. Proceedings and Papers, 1911, lautet auf S. 399: Under all manner of persecution and oppression, from without and (what is more rarely thought of) internally within the soul, the Jew maintains his religiousness by force of the Messianic emotion of hope. His Messianic hope is his comfort and his assurance. And as for sufferings, terrible as they are and not merely for him who undergoes them, they have never yet been able to bring about the fall either of an individual or of a nation, if only the requisite spiritual and moral forces were present to resist the influence of suffering. 403 1892 – Simmels Vorlesung] Vgl. Hrsg.-Anm. 376. 404 1892 … Paulsen] Vgl. Cassirer: Hermann Cohen und die Renaissance der Kantischen Philosophie. In: Jüdisch-liberale Zeitung, Nr. 11, 25.4.1924,
Anmerkungen der Herausgeber
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1. Beilage, S. [5]: Ich selbst erinnere mich deutlich der ersten Eindrücke, die ich empfing, als ich, als junger Studierender der Philosophie, in Universitätsvorlesungen die erste Belehrung über Kant suchte. In Friedrich Paulsens Vorlesung über die Geschichte der neueren Philosophie, die damals – es sind nun fast dreißig Jahre her – zu den am stärksten besuchten philosophischen Vorlesungen der Berliner Universität gehörte, erhielt ich den ersten umfassenden Ueberblick über das Kantische System. Hier sprach ein Mann, der als Lehrer und Forscher einen geachteten Namen hatte und der auch literarisch mit eingehenden Untersuchungen über Spezialfragen der Kantischen Lehre, insbesondere über ihre Entstehungsgeschichte, hervorgetreten war. Aber es war doch ein seltsames Bild, das man in seinen Vorlesungen von dieser Lehre erhielt. Denn bei aller traditionellen Hochschätzung Kants klang doch in allem, was Paulsen vortrug, immer wieder der Grundton durch, daß wir, daß die empiristische Philosophie in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, es nun so herrlich weit über Kant hinausgebracht hätte. Alle Probleme, die Kant bedrängt hatten, die er in angestrengtester Arbeit, in dunklen und schwierigen, oft abstrusen Deduktionen zu lösen versucht hatte: sie schienen nun mit einem Schlage völlig geklärt und kraft dieser Klärung überwunden. Kants Grundfrage, die Frage „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?“ war durch die Fortschritte der modernen Entwicklungslehre ein für allemal beantwortet. Denn was Kant für apriorische Grundbegriffe des Verstandes hielt und was er vom Standpunkt der i n d i v i d u e l l e n Erfahrung mit Recht so bezeichnen durfte, das war, durch die Psychologie und Biologie des neunzehnten Jahrhunderts, insbesondere durch Herbert Spencer nunmehr als das erkannt, was es eigentlich ist: als Produkt der G a t t u n g s e r f a h r u n g . Die reinen Anschauungen und die reinen Verstandesbegriffe Kants, die Begriffe von Raum und Zeit, von Substanz und Kausalität, bedeuteten nach Paulsen in Wahrheit nichts anderes als aufgespeicherte und gewissermaßen kondensierte Gattungserfahrungen (abgedruckt in ECW 24, S. 645 – 646). – Sowie ders.: Hermann Cohen, 1842 – 1918. In: Social Research 10 (1943), S. 221 – 222: I remember very well the day on which I left the lectures on Kant given by Friedrich Paulsen with the definite impression that what Paulsen had taught here was not a true description but a polemical caricature, a travesty of the thought of Kant. As a young student, however, I felt entirely unable to prove my point and to contradict the famous professor, who at that time was one of the best known and most influential teachers of philosophy at the University of Berlin. Paulsen’s own philosophy was a strange eclecticism that strove to combine various and even incompatible elements of thought. In his ontology he maintained a universal idealism that came very near to being a system of panpsychism in the sense of Gustav Theodor Fechner. But this metaphysical attitude did not prevent him from upholding a strictly empiristic, even skeptical view in his theory of knowledge. In this field he was from first to last an admirer and disciple of Hume. He was convinced that Kant had failed in his principal task, that he had never succeeded in solving the Humian problem. A few months ago I found by chance a striking example of this attitude in
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a preface written by Wickham Steed. Professor Steed went to Berlin as a student of philosophy in the autumn of 1892 – at the same time that I was attending the lectures of Paulsen. But Paulsen could scarcely understand his interest in German philosophy. “I can’t imagine,” he told him, “why you English people come here to study German philosophy. You have it all at home, and much more clearly, in David Hume.” A man who thought in that way could be a very good academic teacher, but could scarcely introduce a student to Kant (abgedruckt in ECW 24, S. 163). Abgangszeugnisse testieren generell nur solche Veranstaltungen, für die Gebühren zu entrichten waren, d. h. ausschließlich Privatvorlesungen. Daß für das SS 1892, in dem Cassirer mit juristischen und literaturwissenschaftlichen Studien in Berlin begonnen hatte (immatrikuliert vom 20.4.1892 bis 26.10.1892), keine philosophischen Lehrveranstaltungen beurkundet sind, sagt folglich nichts über die tatsächlich besuchten Vorlesungen aus. Für das SS 1894 sind testiert: Geschichte der neueren Philosophie u. Philosophische Uebungen bei Friedrich Paulsen an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (immatrikuliert seit 19.10.1893; vgl. Ernst Cassirer Papers – Addition, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Gen Mss 355, Box 6, folder 138, Bl. 1 – 2 u. 3 – 4. 405 der Vater – Coswig] Ein Lebensbild von Cohens Vater Gerson Cohen (1797 – 1879), Lehrer u. Synagogenvorsänger in Coswig, bietet Salomon Steinthal: Aus Hermann Cohens Heimat. In: AZJ, Nr. 19 vom 10.5.1918, S. 222–224: Der Vater war von Fraustadt nach Anhalt gekommen, hatte eine Jeschiwah besucht und war in profanen Wissenschaften ein Autodidakt. Er hatte diese aber so gründlich betrieben, daß er französischen Unterricht ebensogut erteilte wie hebräischen und deutschen […]. […] Als Vorbeter wirkte der alte Cohen ergreifend auf die Gemüter seiner Gemeinde […]. Hermann Cohens Vater war inzwischen ins Greisenalter eingetreten, hatte einige sehr schwere Krankheiten überstanden und bedurfte der Schonung. Da trat der Sohn zu seiner Unterstützung ein; zuerst übernahm er nur das Mussaf-Gebet, zuletzt auch das Neilah-Gebet. […] Es wird wohl in der ganzen Welt keine jüdische Gemeinde geben, die sich rühmen kann, diese herrlichsten aller Gebete von einem ordentlichen Professor der Philosophie haben vortragen zu hören. […] Als ordentlicher Professor hat er freilich nur einmal dieses heilige Amt verrichtet. Denn bald, nachdem er sein höchstes Ziel erreicht hatte, ließ er den Vater zu sich nach Marburg übersiedeln [1876]. 406 bis zum 16. Jahre neben dem Gymnasialbesuch … Breslauer Rabinerseminar] Vgl. Franz Rosenzweig: Einleitung. In: Cohen: Jüdische Schriften I, S. XXI: Cohen hat am Breslauer Rabbinerseminar, nachdem er bis zum sechzehnten Lebensjahr neben dem Gymnasialbesuch die Grundlagen einer talmudischen Bildung erworben hatte, die doch auch auf Maimonides’ und Bachjas philosophische Werke sich erstreckte, noch führende Geister jener lebendigen Epoche zu Lehrern gehabt; er hat ihnen in dem Aufsatz zur Fünfzigjahrfeier des Seminars ein schönes Denkmal errichtet. 407 Frankel] Zacharias Frankel (1801–1875), 1854–1875 Direktor des Jüdischtheologischen Seminars „Fraenckel’scher Stiftung“ in Breslau (WBIS).
Anmerkungen der Herausgeber 408
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Kant – Berliner Habilitation/Trendelenburg] Cohens Versuch, sich 1871 mit seiner – in Teilen gegen Friedrich Adolf Trendelenburg (1802 –1872), den einflußreichsten Ordinarius an der philosophischen Fakultät der FriedrichWilhems-Universität Berlin gerichteten – Schrift Kants Theorie der Erfahrung in Berlin zu habilitieren, scheiterte. Zuvor hatte Cohen mit dem Hinweis auf die geplante Arbeit in die Auseinandersetzung zwischen Trendelenburg und Kuno Fischer über die richtige Auffassung der transzendentalen Ästhetik Kants eingegriffen, siehe Cohen: Zur Controverse zwischen Trendelenburg und Kuno Fischer. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 7 (1871), S. 249 – 296. – Ein zweiter Habilitationsversuch 1873 in Berlin (nach Trendelenburgs Tod) scheiterte ebenfalls (Sieg, S. 113; WBIS). 409 Friedrich Albert Lange – Langes Nachfolger] Cohen konnte sich mit wesentlicher Unterstützung durch Friedrich Albert Lange (1828 – 1875) im Oktober 1873 mit seiner Schrift Die systematischen Begriffe in Kants vorkritischen Schriften nach ihrem Verhältnis zum kritischen Idealismus an der Königlich-Preußischen Universität Marburg habilitieren und wurde 1876 nach Langes Tod (21.11.1875) als dessen Nachfolger berufen. Vgl. Cohen rückblickend in der Vorrede zur 3. Aufl. von Kants Theorie der Erfahrung, datiert März 1918, S. XX: Wiederum widme ich dieses Buch dem Andenken des Mannes, ohne dessen Beistand ich nicht zur Wirksamkeit des Universitätslehrers gekommen sein würde. Denn zweimal schlugen meine Versuche, zur Habilitation zu gelangen, fehl, und in dieser ganzen langen Zeit hat keine Fakultät nach meiner Lehrhilfe verlangt. 410 Vgl. Cohen: Ein Bekenntniß [!] in der Judenfrage, 1880. 411 Ende der 70er Jahre: neue antisemitische Bewegung/Treitschke] Der später so benannte Berliner Antisemitismustreit (1879 – 1881) entzündete sich an Heinrich von Treitschkes Artikelserie zur sogenannten Judenfrage. Treitschke machte darin unter dem Schlagwort Die Juden sind unser Unglück! den Antisemitismus salonfähig. Vgl. Treitschke: Unsere Aussichten. In: PJ 44 (1879), S. 559–576; ders.: Herr Graetz und sein Judentum. In: PJ 44 ( 1879), S. 660–670; ders.: Noch einige Bemerkungen zur Judenfrage. In: PJ 45 (1880), S. 85 – 95 sowie ders.: Notizen. Zur Judenfrage. In: PJ 45 (1880), S. 224 – 225. 412 K o n f l i k t mit seinen jüdischen Freunden und Lehrern/Steinthal – zu starke Annäherung] Über einen Bruch Steinthals mit Cohen infolge dessen Bekenntniß in der Judenfrage konnten bisher nur Auskünfte dritter ermittelt werden, zu denen auch die vorliegende Cassirers zählt. Cohen rief 1880 mit seiner Reaktion auf Treitschkes Artikel Unsere Aussichten unter dem Titel Ein Bekenntniß in der Judenfrage starken Protest unter seinen jüdischen Freunden und Lehrern hervor; nicht zuletzt, weil Treitschke selbst die scheinbare Nähe der Auffassungen Cohens zu den seinigen hervorhob, siehe Treitschke: Notizen. Zur Judenfrage. In: PJ 45 (1880), S. 225: Im Begriff dies Heft abzuschließen erhalte ich noch die Schrift von Prof. H. Cohen […] – soweit ich urtheilen kann, die am Tiefsten durchdachte und am Wärmsten empfundene unter den Erwiderungen meiner Gegner. Es widerstrebt mir, mit dem Herrn Verfasser über Einzelheiten zu rechten, zumal da er mehrmals den Sinn meiner Worte mißverstanden hat. In vielem Wesentlichen bin ich mit
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ihm einig; denn er verlangt, daß unser Judentum auf eine nationale Sonderstellung innerhalb der deutschen Nation verzichte, und er giebt unbefangen zu, daß die Verschmelzung sich noch keineswegs vollständig vollzogen hat. Ich kann nur wünschen, daß diese warmen und eindringlichen Mahnungen eines einsichtigen Glaubensgenossen von dem deutschen Judentum beherzigt werden. Die Zumutungen Cohens für die jüdische Seite der Auseinandersetzung bestanden außerdem darin, daß er auf den konkreten Vorwurf der mangelnden Assimilationsbreitschaft der deutschen Juden mit prinzipiellen Erwägungen antwortete, die den Intentionen Treitschkes parallel zu laufen schienen, indem sie unter dem wissenschaftlichen Begriff der Religion die prinzipielle Übereinstimmung von israelitischem Monotheismus und deutschem Protestantismus postulierten. Damit schien die Aufforderung zu totaler Assimilation verbunden zu sein, die das Projekt der Emanzipation mindestens für gescheitert, wenn nicht gar für die Einheit der Nation schädlich erklärte. Cohen opponierte außerdem ausdrücklich gegen Moritz Lazarus’ Schrift Was heißt national? Berlin 1880 sowie gegen Heinrich Graetz, Cohens Lehrer am Breslauer Jüdisch-theologischen Seminar „Fraenckel’scher Stiftung“. Auf diesen radikalen Schritt Cohens replizierte u. a. Ludwig Philippson mit einer Besprechung in AZJ (Nr. 10 u. 11 vom 9. u. 16. März 1880, S. 148 –149 u. 161 – 164) sowie insbesondere eine Gegenschrift von Adolf Moses: Prof. Dr. Hermann Cohen in Marburg und sein Bekenntniß in der Judenfrage. Eine Reminiszenz und Kritik. Von Rabbiner Adolf Moses, Mobile, Alabama. Milwaukee, Wisconsin: Druck u. Verlag des „Zeitgeist“ 1880. 13 S. Adolf Moses war Mitschüler Cohens am Breslauer Jüdisch-theologischen Seminar „Fraenckel’scher Stiftung“ gewesen und bezeichnet Cohen als seinen Jugendfreund (S. 3). Auf die Schrift von Adolf Moses reagierte Cohen nochmals ausführlich: Zur Verteidigung. In: Der Zeitgeist, 5.8.1880, S. 256–257, abgedruckt in Jüdische Schriften II, S. 95–100. Vgl. zum Ganzen auch den Kommentar in Jüdische Schriften II, S. 470 – 472 sowie Franz Rosenzweig: Einleitung. In: Jüdische Schriften I, 1924, S. XXVI–XXXI. Dort findet sich auf S. XXX die Erwähnung eines Hagelwetters von Absagebriefen alter Freunde, das auf Cohen niedergegangen sei, so daß auch die Freundschaft mit Steinthal über dem „Bekenntnis“ in die Brüche ging (dass., S. 332). – Der Sprachwissenschaftler Heymann Steinthal, der seit 1864 (dem Jahr der Überwechslung Cohens von Breslau nach Berlin) Cohens Lehrer in Sprachpsychologie und vergleichender Mythologie war und sich auch für die ersten Schritte meiner akademischen Bewerbungen in eifriger Teilnahme interessiert hatte (Cohen: August Stadler geb. am 24. August 1859; gest. am 16. Mai 1910. Ein Nachruf. In: Kant-Studien 15 (1910), S. 403 –420, hier S. 404), war enger Freund (und Schwager) von Moritz Lazarus, dem Begründer der Völkerpsychologie, eines Projekts, an dem auch Cohen in jungen Jahren teilgenommen hatte. Steinthal bezeichnete Cohen damals als unsern jungen Freund (Steinthal: Poesie und Prosa. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und allgemeine Sprachwissenschaft, S. 285 – 352, hier S. 301). 413 Cohen: Der Begriff der Religion im System der Philosophie, 1915.
Anmerkungen der Herausgeber 414
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erster Lehrer der R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin] Vgl. den Einunddreissigsten Bericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judenthums in Berlin. Berlin 1913, S. 5 f.: Im Herbste 1912 siedelte Herr Geheimrat Cohen nach Berlin über und erklärte sich bereit, die Bitte, die das Komitee für die Moses Mendelssohn-Stiftung ihm in einer Adresse vorgetragen hatte, zu erfüllen und an unserer Anstalt religionsphilosophische Vorlesungen zu halten. Seit Anfang Januar 1913 hielt er auch zu unserer grossen Freude an unserer Lehranstalt jeden Sonnabend Abend ein Seminar mit Uebungen über Spinozas theologisch-politischen Traktat und jeden Dienstag Abend eine öffentliche Vorlesung über den „Begriff der Religion“, mit anschliessenden, für unsere Hörer berechneten Übungen. Der Erfolg der Seminarübung ebenso wie der Vorlesung entsprach ihrer Bedeutung. Die Aula der Lehranstalt und ihr Nebensaal konnten kaum die Zahl der Zuhörer fassen, die sich aus allen Gesellschaftskreisen und Lebensaltern zusammensetzte. Für Uns aber ist es ein erhebendes Bewusstsein, dass die Frucht der Lebensarbeit dieses grossen Philosophen, dieser markigen Persönlichkeit, jetzt unserer Anstalt, ihren Jüngern und ihren Gästen zu gute kommt. 415 Vgl. Hrsg.-Anm. 360. 416 Maimonides – Attributenlehre] Vgl. Hrsg.-Anm. 391 sowie S. 131 im vorliegenden Bd. 417 3 Perioden: Jugendzeit – Vater – Breslauer Rabbinerseminar] Vgl. Hrsg.Anm. 405 u. 406. 418 Preisaufgabe über Platon – Braniss – „Ihre Schrift wird Partei machen“] Vgl. zum Ganzen die Parallelstelle in einem weiteren Vortragsms. Cassirers über Cohen (dessen endgültige Fassung abgedruckt ist in ECN 9, S. 498–509) in Ernst Cassirer Papers, Gen Mss 98, Box 37, folder 722, Bl. 10v – 11r (an den Rand geschrieben): Ein zufälliger Anlass, Seminarist – Braniss – Partei – Dies Wort hat sich bewährt! Viel umstritten! – Zwiespalt der Philosophie – Unser D e n k e n fordert ein N o t w e n d i g e s , ein Bleibendes – ein Prinzip – Aber es sieht sich in dieser Ford[erung] mehr u[nd] mehr von der Wirkl[ichkeit] entfernt – Es muss, um die Wirklichkeit zu verstehen, ü b e r d i e Wirkl[ichkeit] hinaus. Zwar scheint es zunächst –/Wa s s e r –/ A t o m , Z a h l / Plato b e g r e i f t den notwendigen Schritt! Vgl. den Bericht der Facultäten über die an der Königlichen Universität zu Breslau gestellten Preis-Aufgaben. Breslau, den 3. August 1863. Druck der UniversitätsBuchdruckerei von Grass, Barth und Comp. (W. Friedrich). 11 S., hier S. 5 f.: Die philosophische Facultät hatte zwei im vorigen Jahre ungelöst gebliebene Aufgaben, eine philosophische und eine historische, wiederholt, zwei andere, eine philologische und eine chemische, neu gestellt. Es gereicht der Facultät zur Genugthuung, dass keine dieser Aufgaben ganz unbearbeitet geblieben ist, wenngleich auch sie eine noch lebhaftere Betheiligung bei der Lösung der Mehrzahl der Aufgaben gewünscht hätte./1) Die bei der vorigen Preisbewerbung nicht genügend gelöste und diesmal wiederholte p h i l o s o p h i s c h e Aufgabe lautete: Platons Lehre von dem Wesen und der Natur der menschlichen Seele aus den Dialogen Phädon, Philebos, Politeia und Timäos entwickelt, und die Psychologie des Aristoteles, wie sie in den
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Büchern von der Seele dargelegt und durch Stellen der Nikomachischen Ethik und des Buches Lambda der Metaphysik ergänzt wird, sollen einander gegenübergestellt, in Bezug auf Uebereinstimmung und Abweichung verglichen und hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Werthes beurtheilt werden./ Diese in d e u t s c h e r Sprache zu behandelnde Aufgabe hat zwei Bearbeitungen gefunden, beide bekunden das gründliche Quellenstudium und die philosophische Begabung ihrer Verfasser in gleich anerkennenswerther Weise; doch stehen sie rücksichtlich der Tendenz, die sie verfolgen, einander fast entgegengesetzt gegenüber. Die eine, umfangreichere, mit hebräischem Motto aus H i o b : A c h e n r u a c h h i e b e e n o s c h w e n i s c h m a t h s c h a d a i t h e b i n e m fasst die Aristotelische Psychologie als Correction und Widerlegung der Platonischen auf, lässt daher das Uebereinstimmende beider Lehren hinter ihre Differenz zurücktreten. Die andere, mit dem Motto: ਠ ȝȞ ıȣȞોțĮ ȖİȞȞĮĮ, ȠੇȝĮȚ į țĮ ਘ ȝ ıȣȞોțĮ findet dagegen den wahren Werth der Aristotelischen Psychologie in der specialisirenden Fortführung des Platonischen Gedankens, sucht daher, aller erscheinenden Lehrverschiedenheit unerachtet, die tiefere speculative Uebereinstimmung beider Philosophen hervorzuheben. Da beide Stellungen zur Aufgabe gleich zulässig sind, und die Bearbeiter derselben, ihren Gesichtspunkten gemäss, den gegebenen Stoff richtig behandelt haben, so muss in beiden Arbeiten eine gleich sehr zufriedenstellende Lösung der Aufgabe anerkannt werden. Die Facultät hat daher beschlossen, den Preis [über 50 Taler] unter beide Bewerber gleichmässig zu theilen, zugleich aber, in Betracht der mühevollen und gediegenen Leistungen beider Verfasser, an das k. hohe Ministerium den Antrag gerichtet, ihr die Mittel zu Gebote zu stellen, um jedem der beiden Verfasser den Betrag des vollen Preises einhändigen zu können. Als Verfasser der zuerst genannten Arbeit ergab sich: D r. S . W. K r a u s , stud. phil., als Verfasser der zweiten Abhandlung: H e r m a n n C o h e n , stud. phil. – Cohens Vita zur Dissertation von 1865, die in Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte, hrsg. v. Albert Görland u. Ernst Cassirer, 1928 auf S. 28 wiederabgedruckt ist, erwähnt die Prämierung: Die III. m. Augusti a. h. s. LXIII libellus de Platonis et Aristotelis psychologia, Philosophorum ordini a me traditus, praemio ornatus est. In Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte wird die Preisschrift weder abgedruckt noch aufgeführt. Karl Vorländer meint in seiner Rezension über Cohens Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte in Kant-Studien 34 (1929), S. 192 – 197, hier S. 192: Von dem Druck seiner Erstlingsarbeit, einer von der Breslauer Philosophischen Fakultät 1863 gekrönten Preisschrift „Über die Philosophie des Plato und Aristoteles“, ist abgesehen worden. Wahrscheinlicher scheint, daß Cohens Arbeit nicht in seinen Besitz zurückkehrte. – Christlieb Julius Braniß (1792–1873) war seit 4.7.1833 ordentlicher Professor der Philosophie an der 1811 gegründeten Universität Breslau sowie deren Rektor in den akademischen Jahren 1854/55 und 1860/61 (siehe Bernhard Nadbyl: Chronik und Statistik der Königlichen Universität zu Breslau. Bei Gelegenheit ihrer fünfzigjährigen Jubelfeier am 3. August 1861 im Auftrag des akademischen Senats verfaßt und herausgegeben. Breslau: Druck der
Anmerkungen der Herausgeber
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Königlichen Universitäts- und Stadt-Buchdruckerei W. Friedrich [1861]. 89 S., hier S. 48). 419 ein Versuch der Habilitation in B e r l i n scheitert an dem Widerspruch Trendelenburgs] Vgl. Hrsg.-Anm. 408. 420 Friedrich Albert Lange beruft ihn nach Marburg – Nachfolger Langes] Vgl. Hrsg.-Anm. 409. 421 1880 „Bekenntnis in der Judenfrage“/schwer verdacht – nicht nur im Kreise der jüdischen Orthodoxie, sondern auch Steinthal] Vgl. Hrsg.Anm. 410 – 412. 422 Vgl. Hrsg.-Anm. 413. 423 erster Lehrer der R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums] Vgl. Hrsg.-Anm. 414. 424 Es existiert zusätzlich zu den beiden vorliegenden eine weitere ganz ähnliche Disposition, die zwar zusammen mit dem Ms. des Vortrags über Cohen anläßlich der Mitgliederversammlung des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums vom 17.5.1920 (vgl. den daraus entstandenen Aufsatz, abgedruckt in ECN 9, S. 498– 509) überliefert ist, der der Vortragstext jedoch nicht folgt. Siehe Ernst Cassirer Papers, Gen Mss 98, Box 37, folder 722, Bl. 3r: a) pers[önliches ] Verh[ältnis] C[ohen]’s zur Religion u[nd] zum relig[iösen] Problem/Jugendzeit – Vater/ Breslauer Seminar – Platon – von hier der philos[ophische] Weg – Kants Theorie der Erfahr[ung] 1871/b) es folgt die Zeit der eigentl[ichen] systemat[isch]philos[ophischen] Arbeit –/in ihr scheint das Interesse der Religion mehr u[nd] mehr zurückgedrängt zu werden – „Bekenntnis in der Judenfrage“ (18[80])/diese Schrift ist ihm nicht nur von religiösen Eiferern, sondern auch von Männern der Wissenschaft, wie Steinthal, schwer verdacht worden – zwar eine Abwendung vom Judent[um] findet auch hier nicht statt – Aber das eigentl[iche] r e l i g i ö s e Moment tritt doch hier stark zurück – die Idee der Religion fordert, daß sich die Religion i n E t h i k a u f l ö s t [ .]/c) Dritte Periode/Der B e g r i f f der Religion im System der Philos[ophie]/ Die Religion der Vern[unft] aus den Quellen des Judentums/der erste Lehrer der Religionsphilos[ophie] an der Lehranstalt für die Wiss[enschaft] des Judent[ums.]
LITERATURVERZEICHNIS
Im Manuskript Cassirers nachgewiesene Literaturangaben und Zitate wurden in den entsprechenden Ausgaben ermittelt. Auch die von den Herausgebern hinzugefügten Zitat- und Belegstellenangaben folgen nach Möglichkeit den von Cassirer (hier oder in anderen Schriften) zitierten oder in seiner Privatbibliothek befindlichen Ausgaben. Das Zeichen ¢ weist auf Werke hin, von denen bekannt ist, daß Cassirer sie besessen hat. Übersetzungen originalsprachlicher Zitationen und Belegstellen sind anhand verläßlicher zweisprachiger oder deutscher Ausgaben hinzugefügt, bzw. nachgewiesen und zitiert. Auch hier wurden nach Möglichkeit Cassirer zugängliche Ausgaben herangezogen. Die nur von den Herausgebern in Anmerkungen u. Briefkommentaren erwähnten Schriften sind nicht verzeichnet. Aristoteles: ¢ Aristoteles graece ex recensione Immanuelis Bekkeri. Edidit academia regia Borussica. 2 Bde. Berlin 1831. – [Pseudo-Aristoteles:] De Melisso, Xenophane et Gorgia. – Metaphysik. – Zweite Analytiken. Augustinus, Aurelius: De vera religione liber unus. In: Opera omnia, post lovaniensium theologorum recensionem castigata denuo ad manuscriptos codices gallicos, vaticanos, belgicos, etc., necnon ad editiones antiquiores et castigatiores. Hrsg. v. Jacques-Paul Migne. Bd. 3/1. Paris 1861 (Patrologiae cursus completus. Series latina Bd. 34), Sp. 121 – 172. Berkeley, George: ¢ A Treatise concerning the Principles of Human Knowledge. In: The Works of George Berkeley. Ed. by George Sampson. With a Biographical Introduction by Arthur James Balfour. Bd. 1. London 1897, S. 153 – 252. Bossuet, Jacques-Bénigne: Exposition de la doctrine de l’Église catholique sur les matières de controverse. Paris 1671. Bouman, Leendert/Grünbaum, Anton Abraham: Experimentell-psychologische Untersuchungen zur Aphasie und Paraphasie. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 96 (1925), S. 481 – 538. Burckhardt, Jacob: ¢ Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. 8., durchgearb. Aufl. v. Ludwig Geiger. 2 Bde. Leipzig 1901. Cassirer, Ernst: Die Begriffsform im mythischen Denken. Leipzig u. Berlin 1922 (Studien der Bibliothek Warburg. Hrsg. v. F. Saxl. Bd. 1).
404
Anhang
– Hermann Cohen und die Renaissance der Kantischen Philosophie. In: Jüdisch-liberale Zeitung, Nr. 11 vom 25.4.1924, 1. Beilage [unpaginiert = S. 5 – 6]. – „Geist“ und „Leben“ in der Philosophie der Gegenwart. In: Die Neue Rundschau. 41. Jahrgang der freien Bühne (1930), S. 244 – 264. – Hermann Cohen, 1842 – 1918. In: Social Research 10 (1943), S. 219– 232. – Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance. Mit folgendem Anhang: Nicolai Cusani liber de mente. Hrsg. v. Joachim Ritter. Übers. v. Heinz Cassirer. Caroli Bovili liber de sapiente. Hrsg. v. Raymond Klibansky. Leipzig u. Berlin 1927 (Studien der Bibliothek Warburg. Hrsg. v. F. Saxl. Bd. 10). – Kants Leben und Lehre. Berlin 1918 (Immanuel Kants Werke. In Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann, O. Schöndörfer hrsg. v. Ernst Cassirer. Bd. 11. Ergänzungsband). – Kant und das Problem der Metaphysik. Bemerkungen zu Martin Heideggers Kant-Interpretation. In: Kant-Studien 36 (1931), S. 1 – 26. – Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. Marburg 1902. – Neo-Kantianism. In: The Encyclopædia Britannica. A New Survey of Universal Knowledge. Vol. 16. Mushroom to Ozonides. 14. Aufl. London/ New York 1929, S. 215 – 216. Cicero, Marcus Tullius: ¢ Opera quae supersunt omnia ac deperditorum fragmenta recognovit et singulis libris ad optimam quamque recensionem castigatis cum varietate Lambiniana MDLXVI, Graevio-Garatoniana, Ernestiana, Beckiana, Schuetziana, ac praestantissimarum cuiusque libri editionum integra, reliquae vero accurato delectu brevique adnotatione critica. Ed. Io. Casp. Orellius. Vol. IV, Pars I. Turici [Zürich] 1828 (Opera IV). – Academicorum Posteriorum liber primus ad M. Terentium Varronem. In: Opera IV, S. 61 – 75. – Tusculanarum Disputationum libri quinque. In: Opera IV, S. 222 – 391. Cohen, Hermann: ¢ Hermann Cohens Jüdische Schriften. Mit einer Einleitung v. Franz Rosenzweig hrsg. v. Bruno Strauß. 3 Bde. Berlin 1924 (Veröffentlichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums). – Charakteristik der Ethik Maimunis. In: Moses ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluss. Zur Erinnerung an den siebenhundertsten Todestag des Maimonides. Hrsg. v. d. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums durch Wilhelm Bacher, Marcus Brann, David Simonsen unter Mitwirkung v. Jakob Guttmann. Bd. 1. Leipzig 1908, S. 63 – 134. Dass. separat Leipzig 1908. – Charakteristik der Ethik Maimunis. In: Jüdische Schriften III, S. 221–289. – ¢ Der Begriff der Religion im System der Philosophie. Gießen 1915 (Philosophische Arbeiten. Hrsg. v. Hermann Cohen u. Paul Natorp. Bd. 10, Heft 1). – Die Bedeutung des Judentums für den religiösen Fortschritt. In: Fünfter Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt. Berlin 5.
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Pascal, Blaise: ¢ Pensées de Pascal. Publiées dans leur texte authentique avec une introduction, des notes et des remarques par Ernst Havet. 5. éd. revue et corrigée. 2 Bde. Paris 1897. Pope, Alexander: An Essay on Man, in Four Epistles to H. St. John, Lord Bolingbroke. In: The Select Poetical Works of Alexander Pope. With the life and portrait of the author. Leipzig 1848 (Collection of British Authors, Vol. CLII), S. 177 – 218. Riehl, Alois: ¢ Die Grundlagen der Erkenntnis. In: Zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart. Acht Vorträge. Leipzig 1903, S. 86 –127. – Ueber wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Philosophie. Eine akademische Antrittsrede, Freiburg i.Br./Tübingen 1883. Rousseau, Jean-Jacques: Émile, ou de l’éducation. Tome second. Den Haag 1762. Rosenzweig, Franz: Einleitung. In: ¢ Hermann Cohens Jüdische Schriften Bd. 1. Berlin 1924, S. XIII – LXIV. – Zeit ists … Ps. 119, 126. Gedanken über das jüdische Bildungsproblem des Augenblicks. An Hermann Cohen. Von Franz Rosenzweig, im Felde. In: Neue Jüdische Monatshefte 2 (1927), Heft 6 vom 25.12.1917, S. 133–135. – Zeit ists ..... [!] Ps. 119, 126. Gedanken über das jüdische Bildungsproblem des Augenblicks. An Hermann Cohen. Berlin/München 1918. Schiller, Friedrich: ¢ Sämtliche Werke. Säkular-Ausgabe. In Verbindung mit R. Fester, G. Kettner, A. Köster, J. Minor, J. Petersen, E. Schmidt, O. Walzel, R. Weißenfels hrsg. v. Eduard von der Hellen. 16 Bde. Stuttgart/ Berlin [1904/1905]. – Die Künstler. In: Sämtliche Werke Bd. 1. Gedichte I. Mit einer Einleitung u. Anm. v. Eduard von der Hellen. Stuttgart/Berlin [1904], S. 176 – 191. – Die Worte des Wahns. In: Sämtliche Werke Bd. 1. Gedichte I. Mit einer Einleitung u. Anm. v. Eduard von der Hellen. Stuttgart/Berlin [1904], S. 164 – 165. – ¢ Schillers Briefwechsel mit Körner. Von 1784 bis zum Tode Schillers. Hrsg. v. Karl Goedeke. 2. Theil: 1793–1805. 2., verm. Aufl. Leipzig 1878. – Sprache. In: Sämtliche Werke Bd. 1. Gedichte I. Mit einer Einleitung u. Anm. v. Eduard von der Hellen. Stuttgart/Berlin [1904], S. 149. Schleiermacher, Friedrich: ¢ Der christliche Glaube nach den Grundsäzen [!] der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Bd 1. Berlin 1821. – ¢ Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Zum Hundertjahr-Gedächtnis ihres ersten Erscheinens in ihrer ursprünglichen Gestalt neu hrsg. u. mit Übersichten u. Vor- u. Nachwort versehen v. Rudolf Otto. Göttingen 1899. Schopenhauer, Arthur: ¢ Arthur Schopenhauer’s sämtliche Werke in sechs Bänden. Hrsg. v. Eduard Grisebach (Werke).
Literaturverzeichnis
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– Die Welt als Wille und Vorstellung. 2. Band, welcher die Ergänzungen zu den vier Büchern des ersten Bandes enthält. In: Werke Bd. 2. 2., mehrfach berichtigter Abdr. Leipzig [1892]. – Preisschrift über die Grundlage der Moral, nicht gekrönt von der Königlich Dänischen Societät der Wissenschaften, zu Kopenhagen, am 30. Januar 1840. In: Werke Bd. 3. Ueber den Satz vom Grunde. Ueber den Willen in der Natur. Die Grundprobleme der Ethik. 3., hie u. da berichtigter Abdr. Leipzig [1892], S. 483 – 655. Simmel, Georg: Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel. München/ Leipzig 1918. – ¢ Zur Metaphysik des Todes. In: Logos 1 (1910), S. 57 – 70. Spinoza, Benedictus de: ¢ Opera quae supersunt omnia. Hrsg. v. Karl Hermann Bruder. 3 Bde. Leipzig 1843 –1846 (Opera quae supersunt omnia). – ¢ Opera quotquot reperta sunt. Recognoverunt J. van Vloten et J. P. N. Land. Editio Tertia. 4 Bde. Den Haag 1914 (Opera). – Ethica ordine geometrico demonstrata. In: Opera Bd. 1, S. 35 – 273. – Ethik. Übersetzt u. mit einer Einleitung u. einem Register versehen v. Otto Baensch. Leipzig 1905. – Tractatus politicus, in quo demonstratur, quomodo societas ubi imperium monarchium locum habet, sicut et ea ubi optimi imperant, debet institui, ne in tyrannidem labatur et ut pax libertasque civium inviolata maneat. In: Opera quae supersunt omnia Bd. 2 1844, S. 43 – 136. Treitschke, Heinrich von: Herr Graetz und sein Judentum. In: Preußische Jahrbücher 44 (1879), S. 660 – 670. – Noch einige Bemerkungen zur Judenfrage. In: Preußische Jahrbücher 45 (1880), S. 85 – 95. – Notizen. Zur Judenfrage. In: Preußische Jahrbücher 45 (1880), S. 224–225. – Unsere Aussichten. In: Preußische Jahrbücher 44 (1879), S. 559 – 576. Uexküll, Jakob von: ¢ Umwelt und Innenwelt der Tiere. 2., verm. u. verb. Aufl. Berlin 1921. Volkelt, Hans: Über die Vorstellungen der Tiere. Ein Beitrag zur Entwicklungspsychologie. Leipzig u. Berlin 1914 (Arbeiten zur Entwicklungspsychologie. Hrsg. v. F. Krueger. Bd. 1, Heft 2). Voßler, Karl: Geist und Kultur in der Sprache. Heidelberg 1925. – Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft. Eine sprachphilosophische Untersuchung. Heidelberg 1904. – Sprache als Schöpfung und Entwicklung. Eine theoretische Untersuchung mit praktischen Beispielen. Heidelberg 1905. Woerkom, Willem van: Sur la notion de l’espace (le sens géométrique), sur la notion du temps et du nombre. Une démonstration de l’influence du trouble de l’acte psychique de l’évocation sur la vie intellectuelle. In: Revue neurologique 26 (1919), S. 113 – 119.
PERSONENREGISTER
Das Register berücksichtigt nur ausdrückliche Erwähnungen von Personen. Formen wie Kantisch usw. sind unter dem jeweiligen Namen mitvermerkt. Nicht berücksichtigt sind Herausgeber und Übersetzer sowie Namen, die nur in den Titeln der zitierten Literatur enthalten sind.
Ach, Narziß 188 f., 209, 211, 226, 228, 261 – 263, 281 Adickes, Erich 274 – 276, 294 Althoff, Friedrich Theodor 181, 183, 207 Aristoteles 7, 63, 111, 122, 198 f., 217, 385, 399 f. Augustinus, Aurelius 8 f., 63, 119, 261, 263, 347 f. Bachja ibn Pakuda 129, 161, 389, 396 Baeck, Leo 227 Barlach, Ernst 296 Bauch, Bruno 219 f., 231, 239, 241, 274, 277, 279 – 282, 327 Baumann, Julius 172, 175 f., 211, 263 Baumeister, Karl August 258 Beattie, James 211 Becher, Erich 263 Beethoven, Ludwig van 177, 229, 232 Bergson, Henri 265, 341 Berkeley, George 48 f., 355, 357 Berlin, Isaiah 339 Boeckh, August 168 Bollnow, Otto Friedrich 333, 384 Bondy, Julie, geb. Cassirer 178, 203, 244, 273 Bondy, Otto 178, 201, 203, 244, 292
Bondy, Toni s. Cassirer, Toni, geb. Bondy Bondy, Walter 261 Bonitz, Hermann 217 Bossuet, Jacques-Bénigne 134, 390 Bradt, Gustav 293, 295 Brahms, Johannes 229, 232 Branger, Erhard 328, 361 Braniß, Christlieb Julius 163, 399 f. Brann, Marcus 208, 235 Braun, Wilhelm 187 Brunbacher, Fritz 250 Brünn, Siegfried 262, 264, 288 Bruno, Giordano 220 f., 225, 227 Buber, Martin 336, 387 Buchenau, Artur 191 f., 195, 231, 245, 267, 275, 373, 380 Buek, Otto 181 – 185, 195, 221 f., 239, 241, 249 – 251, 256 f., 273, 275 Burg, Johanna 202 Burg, Mathilde 201 f., 208, 229 f., 287 f. Byron, George Gordon Noel 121 Calonder, J. 205 Cantor, Georg 256 f. Cassirer, Anna Elisabeth 260, 267 f., 283 f., 293, 295
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Anhang
Cassirer, Bruno 190, 194, 196, 203, 212, 215, 218 – 220, 230, 232, 252, 267, 275, 284, 289 Cassirer, Clara 172, 224 Cassirer, Eduard 167, 192, 198, 203 Cassirer, Erich 203, 210, 214, 221, 223, 234 f., 238, 240, 246 f., 249, 251, 254, 256 f., 258 – 260, 266 f., 286 Cassirer, Erich Eduard 289 Cassirer, Friedrich Wilhelm (Fritz) 210, 214 Cassirer, Georg Eugen 204, 232 f., 239, 241, 244, 284 Cassirer, Hedwig 172, 179, 197, 200 Cassirer, Heinrich Walter 200 f., 232 f., 244, 284 Cassirer, Isidor 203, 214 Cassirer, Jenny (Eugenie), geb. Cassirer 167, 201 Cassirer, Louis 198 Cassirer, Margarete 172 Cassirer, Martin 289 Cassirer, Paul 232, 292 Cassirer, Paula s. Gotthelf, Paula, geb. Cassirer Cassirer, Richard 197 f., 283 f. Cassirer, Suzanne Aimée (Suse) 290 – 292 Cassirer, Toni 172, 224 Cassirer, Toni, geb. Bondy IX, 167, 170, 172 – 174, 176, 178 f., 183, 186, 241, 256, 261, 268, 273, 289, 292, 313, 315 Chamberlain, Houston Steward 174, 197, 199, 225, 227 Cicero, Marcus Tullius 5, 347 Cohen, Eduard 260 f.
Cohen, Gerson 396 Cohen, Hermann IX, 83, 96, 100, 104, 108 – 111, 113, 125 f., 128 – 157, 161 – 163, 165 – 301, 313 – 315, 326 – 328, 336 – 340, 342 – 344, 364, 371 f., 377, 386 – 389, 391 – 394, 396 – 401 Cohen, Martha IX, 183, 186, 207 f., 288, 291, 293, 296, 298, 300 f., 313, 315, 326 – 328 Cohn, Ferdinand Julius 197, 199 Cohn, Heinrich Meyer 174 Cohn, Jonas 186, 191, 194 Cohn, Pauline, geb. Reichenbach 197, 199 Collin, Paul Heinrich 186 Comte, Auguste 281 Copernicus s. Kopernikus, Nikolaus Couturat, Louis 229 – 231 Cusanus (Cusa, Cusaner) s. Nikolaus von Kues Cushing, Frank Hamilton 349 Deißmann, Gustav Adolf 298 – 300 Delbrück, Hans 226 – 228 Descartes, René 59, 70 f., 187, 195, 199, 205, 225, 243, 255, 257 Dilthey, Wilhelm 68 f., 108 f., 168 – 170, 191, 195, 234 f., 276, 360 Donatello 198, 200 Driesch, Hans 294 Durkheim, Emile 24 Dürr, Alphons Emil Friedrich 196 Dürr, Johannes Friedrich 196, 238, 240, 242, 244 f. Duschka, Johannes IX Dyroff, Adolf 187
Personenregister
Eberhard, Johann August 375 Eisner, Elisabeth 186 Eisner, Kurt 186, 250 Elbogen, Ismar 177, 255 Elster, Ernst 252, 278, 283 Empedokles 4 f., 347 Enneccerus, Ludwig 175, 177 Erdmann, Benno 108 f. Falckenberg, Richard 141, 238, 391 Falter, Gustav 210 f., 224 Faraday, Michael 221 f. Fechner, Gustav Theodor 395 Fichte, Johann Gottlieb 135, 144 Fink, Eugen 333 Fischer, Kuno 144, 184, 397 Foerster, Wilhelm 193 Fränkel, Fritz 191, 195, 221, 223, 234 f. Frankel, Zacharias 161, 396 Freytag, Willy 261, 263 Friedeberg, Raphael 250 Fries, Jakob Friedrich 211, 213, 228 Frischeisen-Köhler, Max 276 Fritzsche, Robert Arnold 194, 203, 288 Fromer, Jakob 245 Galilei, Galileo 99, 185 f., 225, 375 Gawronsky, Dimitry 186, 205, 212, 266, 268 – 272, 274, 278 – 280, 326 Gawronsky, Maria 267 f., 280 Gelb, Adhémar 34 f. Geldner, Karl Friedrich 282 Gernsheim, Friedrich 248, 250 Gernsheim, Henriette, geb. Hernsheim (!) 250 Gideon, Abram 167, 185 f., 191, 195 Gideon, Henry 167
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Gideon, Samuel Edward 167 Gizycki, Georg von 193 Gizycki, Hugo von 193 Glogau, Gustav 193 Goedeckemeyer, Albert 261, 263 Goethe, Johann Wolfgang von 29 – 31, 42, 46, 52, 60 f., 122, 130, 137, 349, 352, 356 f., 360, 363 Goldschmidt, Clara, geb. Schottlaender 252 Goldschmidt, Hugo 252 Goldschmidt, Victor Hermann Franz 249, 252 Goldstein, Kurt 34 f., 351 Görland, Albert 169, 173, 179, 182 f., 190, 192 f., 195, 197, 202 f., 205 f., 208 – 212, 214 – 220, 233 – 235, 238, 245, 260 – 262, 270, 272 f., 275 f., 282, 290 f., 293 – 296, 298 Gotthelf, Paula, geb. Cassirer 254, 257 Graetz, Heinrich 398 Grelling, Kurt 231 Grisebach, Eberhard 335 Gross, Otto 250 Grünbaum, Anton Abraham 35 Gründer, Karlfried IX, 322, 333 Harnack, Adolf von 210 f. Harris, Valerie IX Hartmann, Eduard von 231 Hartmann, Nicolai 249, 251 f., 260 – 262, 266 – 268, 277, 296 Head, Henry 34 f., 38 f., 351 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 20 f., 99, 121, 128, 144, 193, 281, 348, 376, 388 Heidegger, Martin IX, 2, 11 – 17, 26 f., 29, 51, 55, 57, 60 – 62, 65, 70 – 73, 77 – 106, 108 – 110, 112 f., 116, 118, 313 f., 319,
416
Anhang
322 f., 329, 332 – 335, 341 f., 348 f., 356, 360 – 364, 367 – 370, 374 – 379, 382, 384, 386 Heilbronner, Karl 34 Heimsoeth, Heinz 109, 249, 252, 262, 267 f., 277, 296, 384 Heine, Heinrich 198 f. Heinemann, Fritz 275, 279 Hellinger, Ernst David 274, 278 f. Hensel, Kurt 231 Hensel, Paul 182, 184, 229, 230 f., 238 Hensel, Wilhelm 228 Herakleitos 5, 347 Herbart, Johann Friedrich 197 f. Herder, Johann Gottfried 189 Herrigel, Hermann 331 f. Herrmann, Max 252 Herrmann, Wilhelm 129, 192, 239, 242, 249, 252 f., 274, 276 f., 299, 388 Herz, Markus 90, 363, 368 Hess, Carl von 285 f. Hessenberg, Gerhard 231, 246 Heyne, Moritz 189, 252 Hilbert, David 189, 263, 278 Hobbes, Thomas 373 Hoffmann, Ernst 196 Hoffmann, Heinrich 183 Holzhey, Helmut IX Holzmann, Johannes (Senna Hoy) 250 Horovitz, Jakob 253 Horovitz, Josef 250, 253 Horst, Anna 174 Horst, Carl 197 – 199, 202 f. Humboldt, Wilhelm von 33, 36 f., 44 f., 51 f., 276, 354 f., 358, 373 Hume, David 144 f., 370, 395 f.
Humperdinck, Engelbert 248, 250 Humperdinck, Hedwig, geb. Taxer 250 Husserl, Edmund 2, 99, 108 f., 178 f., 189, 209, 218, 226, 228, 262 f., 276, 278, 376 Jackson, John Hughlings 34 f. Jacobsohn, Hermann 275, 279 Jaensch, Erich Rudolf 277, 281 f. Jaspers, Karl 319 Jerusalem, Wilhelm 216, 218 Jodl, Friedrich 185 f., 193 f., 249, 253 Joel, Karl 204 f., 250, 266, 268 Kabitz, Willy 186 Kaegi, Dominik 315 Kaim, Franz 177 Kant, Immanuel 10 f., 34, 66 f., 72, 77 – 106, 108 – 113, 115 – 117, 119, 122, 126 f., 130, 135, 141 f., 144 f., 150 f., 153, 161, 163, 169, 178, 186, 193 f., 197, 199, 211, 213, 216, 218, 222, 226, 231, 234, 238, 240 – 243, 250, 253 – 257, 259, 266, 268, 273, 275 f., 281, 293 – 295, 297, 314, 319, 330, 334 f., 341 – 344, 361 – 368, 370 – 377, 379, 381 – 385, 387, 391, 393, 395 – 397, 401 Karpeles, Gustav 239 f., 242, 244 f. Keins, Paul 251, 278 Kellermann, Benzion 223, 226 – 228, 238, 240, 275, 286, 293 Kellermann, Thekla 293 Kepler, Johannes 225 Kiefer, Friedrich 259 Kiefer, Marie 258 f. Kierkegaard, Sören 119
Personenregister
Kinkel, Walter 184, 194, 211, 224, 229, 231, 293 f., 296, 299 Klages, Ludwig 121, 331 Klebs, Elimar 282 Klein, Felix 189, 230, 278 f. Kleist, Heinrich von 121 Klemm, Otto 277, 281 Knittermeyer, Hinrich 291 Köhnke, Klaus Christian IX Königsberger, David 224 Kopernikus, Nikolaus 126, 387 Koschwitz, Eduard 195 Kowalewski, Arnold 274, 277, 279, 281 f., 294 Krois, John Michael IX Krueger, Felix 261, 263 Kuenen, Abraham 299 Kühnemann, Eugen 181, 183, 188 f., 293 – 295 Külpe, Oswald 262 f. Laas, Ernst 259 Laisant, Charles-Ange 230 Lampe, Emil 229 Lange, Friedrich Albert 96, 161, 163, 170 f., 175, 178, 180, 182, 193, 372, 397, 401 Lassalle, Ferdinand 212 Lazarus, Moritz 398 Leder, Hermann 191, 194, 209, 211 Leibniz, Gottfried Wilhelm 99, 168 f., 180 f., 186 – 189, 192, 194 – 196, 206, 208, 217, 220 f., 226, 231, 234 f., 243, 257, 259, 375 Lejeune Dirichlet, Peter Gustav 228 Lenz, Max 168 – 170 Leo, Friedrich 228 Leonardo da Vinci 40, 351, 353 Levy, Heinrich 297
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Lewandowski, Abraham 208, 238 Lewandowski, Alfred 186, 208, 244 Lewandowski, Georg 294 Lewandowski, Max 237 f. Lewandowsky, Hermann 200 Lewandowsky, Max 198, 200, 270, 272 Leyen, Friedrich von der 252 Liebermann, Max 219 f., 229, 232, 239, 242, 284 Liebert, Arthur 294 f. Lipps, Gottlob Friedrich 261, 263 – 265, 277, 280 – 282 Locke, John 99, 144, 370 Loewi, Otto 247 – 250 Lotze, Rudolf Hermann 278 Löwenstamm, Arthur L. 299 Lucas, Leopold 208 Luther, Martin 55, 57, 64 f., 183, 263, 293 f., 331 Maass, Ernst 282 Maier, Heinrich 179, 262 f., 274, 276 Maimonides, Moses 129, 131, 149 – 151, 155, 161 f., 206, 208, 234 f., 253 f., 389, 396, 399 Malebranche, Nicolas 225 Marchand, Eckart IX Marie, Pierre 34 f. Marx, Karl 212 Mason, Mortimer Phillips 292 Mauthner, Fritz 49, 355 Meiner, Felix 196 Meinong, Alexius 280 Melchior, Carl 336 Mendelssohn, Moses 66 f., 230 f., 360, 399 Mendelssohn-Bartholdy, Fanny 228, 230
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Anhang
Mendelssohn-Bartholdy, Rebecca 228 Menzer, Paul 261 – 263, 265, 294 Meunier, Constantin 229, 232 Meyer, Richard M. 252 Meyer-Benfey, Heinrich 188 f. Meyerhof, Otto 231, 246 Meyerson, Émile 270 Michels, Robert 250 Minkowski, Hermann 189 Misch, Georg 263, 274, 276 – 282, 335 Möckel, Christian IX Mörchen, Hermann IX, 314, 322 f., 333, 341 Moses, Adolf 398 Moutier, François 35 Mozart, Wolfgang Amadeus 219 f., 284 Mühsam, Erich 250 Müller, Friedrich von 297 Müller, Georg Elias 188 f., 226, 228 Müller, Paul 328, 361 Münsterberg, Hermann 224 Natorp, Annemarie 252 Natorp, Gertrud Helene 252, 290, 292 Natorp, Grete 233, 252 Natorp, Hans 290, 292 Natorp, Helene 198 f., 252, 284, 286, 290 – 293 Natorp, Paul 108, 111, 165 f., 168 – 173, 176, 178, 179 – 183, 188 – 193, 195 – 199, 202 f., 205, 208 – 214, 216, 219 – 223, 226 – 231, 233, 237 – 241, 243, 246, 248 – 253, 255 – 260, 262 – 265, 267 f., 270 – 274, 276 – 279, 282, 285 f., 290 – 294, 299, 315
Nelson, Leonard 210 f., 213 – 220, 226, 228 – 231, 246, 264 f. Neumann, Ernst 278, 281 Newton, Isaac 57, 86, 96 f., 366, 371 f. Nikolaus von Kues 138, 192, 196 – 202, 225, 227, 248, 250, 261, 263, 391 Nobel, Nehemia Anton 287 f. Nöldeke, Theodor 244 f. Odebrecht, Rudolf 237 f., 248, 250 Ortega y Gasset, José 249, 251, 274, 278 Ortega y Gasset, Miguel Germán 278 Pascal, Blaise 57, 59, 70 f., 225, 361 Pasch, Gertrud 197, 199 Pasch, Moritz 199 Paulsen, Friedrich 161, 168 f., 226 f., 256 f., 394 – 396 Paulsen, Johannes 234 f., 249, 251 Peters, Robert 252 Petersen, Julius 252 Petrarca, Francesco 8 f., 347 Pfleiderer, Edmund von 178 f., 276 Philipp, Hermann 335 f. Philippson, Ludwig 280, 283, 398 Pines, Boris 295 f., 298 – 300 Pines-Wisser, Annemarie 296 Platon 7, 48, 53, 59, 63, 66 f., 69, 71, 87, 99, 102, 127, 130, 142, 154, 161, 163, 203, 213, 222, 241, 249, 251, 267 f., 331, 343 f., 355 – 357, 360, 367, 375 f., 379, 387 f., 399 – 401
Personenregister
Pollak, Annemarie 289 Pollak, Martha Maria, geb. Bondy 289 Pope, Alexander 9 Portu, Enrico de 165 f., 171, 174, 185 f., 191, 195, 198 f., 248 – 250 Pos, Hendrik Josephus 34, 314, 323, 349 Rade, Martin 181, 183, 192 Rathke, Frida 206, 208, 290 – 294 Rathke, Heinrich Bernhard 208, 254 f., 290 f. Reid, Thomas 211 Renner, Hugo 231, 239, 241 Reuter, Fritz 256 Richard, Jules 230 Rickert, Heinrich 108 f., 111, 220 Riehl, Alois 77, 96, 108, 193, 234 f., 256 f., 361, 371 Ríos y Urruti, Fernando de los 274, 278 Ritter, Joachim 329, 384 Roethe, Gustav 189, 266 f., 276 Rogers, A. K. 187 Ropp, Goswin Freiherr von der 282 Rosenzweig, Adele 288 Rosenzweig, Edith, geb. Hahn 294 Rosenzweig, Franz 125, 136 – 138, 140, 288, 293 f., 299, 315, 332, 335 – 338, 343, 386 f. Rothacker, Erich 334 f. Rousseau, Jean-Jacques 96, 372 Russell, Bertrand 186, 229 – 231 Saenger, Jakob 247 Salomon(-Delatour), Gottfried 328, 361 Sauerbruch, Ferdinand 297 Saxl, Friedrich 325, 339 Scheier, Laura 253
419
Scheler, Max 2 f., 13, 27, 117, 121 f., 331 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 144, 281 Schemann, Elisabeth 230 Schiele, Friedrich Michael 192, 196 Schiller, Friedrich 59, 68 f., 71, 101, 122, 127, 341, 361, 363, 373, 378, 387 Schilpp, Paul Arthur 315 Schleiermacher, Friedrich 102, 128, 146 f., 388, 392 Schlick, Moritz 96, 371 Schmalenbach, Hermann 323 Scholz, Heinrich 294 Schöndörffer, Otto 275, 294 Schopenhauer, Arthur 86, 94, 274, 277 Schröder, Edward 188 f., 252, 276 Schwarz, Hermann 262, 264 f., 282 Sigwart, Christoph von 274, 276 Simmel, Georg 29, 60, 141 f., 161, 349, 360, 391, 394 Simon, Max 229 f., 233 f., 249, 251 f., 258 f. Singer, Paul 212 Slonimsky, Henry 270, 272, 392, 394 Spahn, Martin 174 Spencer, Herbert 395 Spinoza, Benedictus (Baruch) de 46, 59, 68 f., 87, 153, 185, 239, 242, 298 f., 341, 355, 360, 363, 399 Spottorno Topete, Rosa 251 Spranger, Eduard 276 Stadthagen, Arthur 212 Stammler, Rudolf 190, 239, 242
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Anhang
Staudinger, Franz 191 – 193, 216, 218 Steed, Wickham 396 Stein, Ludwig 191, 195, 210, 213, 229, 231 Steinthal, Heymann 163, 193, 397 f., 401 Stern, Paul 210, 213, 231 Stern, William 291 Sternberger, Dolf 319 Stoltenberg, Hans Lorenz 284 f. Strauß, Abraham 267 Strauß, Albrecht 301 Strauß, Bruno 161, 172, 208, 266 f., 288, 295 f., 301, 339 Strauss, Richard 232 Stumpf, Carl 168 – 170, 191, 195, 226 f. Sybel, Heinrich von 181, 183 Sybel, Ludwig von 182, 205, 239, 242 Tobler, Max 250 Tolstoj, Lev N. 250 Tönnies, Ferdinand 193 Töpelmann, Alfred 211 f., 214 f., 218 – 221, 239, 241, 245, 249, 251 Treitschke, Heinrich von 161, 397, 401 Trendelenburg, Friedrich Adolf 161, 163, 397, 401 Troeltsch, Ernst 181 – 183, 289 Tröltsch, Walter 252 Turgenjew, Iwan 195 Uexküll, Johann Jakob von 16 – 19, 330, 348
Vaihinger, Hans 185 f., 218, 229 f., 238, 277, 294 f. Vailati, Giovanni 248, 250 Varrentrapp, Conrad 181 f., 249, 252 Volkelt, Hans 35, 351 Vorländer, Karl 197, 199, 274, 278, 400 Vossler, Karl 52 f., 356, 358 Walter, Ferdinand 263 Walter, Julius 261, 263 Wedepohl, Claudia IX Weingartner, Felix 175, 177 Weiss, Helene IX, 314, 316, 323, 333, 341 Weller, Ann C. IX Wellhausen, Julius 175, 177, 192, 250, 253, 299 Wellhausen, Marie, geb. Limpricht 253 Wildhagen, Kurt 191, 195 f., 198, 200, 248, 250, 258 f. Wilke, Marie IX Willstätter, Richard 296 f. Windelband, Wilhelm 108 f., 111, 172 – 174 Witasek, Stephan 280 – 282 Woerkom, Willem van 35 Woldt, Antje IX Wundt, Max 109, 268, 296 f., 384 Wundt, Wilhelm 263 Zeller, Eduard 144 Ziegler, Theobald 173