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German Pages 417 Year 1997
WALTER FRENZ
Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 737
Das Verursacherprinzip ·· im Öffentlichen Recht Zur Verteilung von individueller und staatlicher Verantwortung
Von Walter Frenz
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Frenz, Walter: Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht : zur Verteilung von individueller und staatlicher Verantwortung / von Walter Frenz. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 737) ISBN 3-428-09144-2
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09144-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Für Edelgard
Vorwort Das Verarsacherprinzip ist als rechtspolitisches Prinzip des Umweltrechts allgemein anerkannt. Das ihm zugrunde liegende Problem durchzieht indes - zumal angesichts leerer öffentlicher Kassen - das gesamte Öffentliche Recht: die Lastenverteilung zwischen dem einzelnen und der Allgemeinheit bzw. dem Staat. Wer soll etwa für die Polizeikosten bei gewaltanfalligen Veranstaltungen aufkommen, wer für die höheren Gesundheitskosten für Raucher im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung? Wer zahlt bei unvorhergesehenen Kosten und Altlasten, wer bei (unverschuldeten) Sachgefahren? Ziel der Untersuchung ist daher die Entwicklung einer neuen Konzeption zur Verteilung von individueller und staatlicher Verantwortung. Ausgehend von dem Stand der Entwicklung im Umweltrecht wird versucht, das Verursacherprinzip als allgemeinen Grundsatz für das gesamte öffentliche Recht fruchtbar zu machen. Entscheidende Basis dafür ist seine verfassungs- und auch gemeinschaftsrechtliche Fundierung. Aus dieser ergibt sich zudem sein näherer Gehalt. Sie gibt Anhaltspunkte dafür, wen der Staat durch Gesetz bzw. im Einzelfall als Verursacher heranziehen muß oder kann, welchen Grenzen eine solche Inanspruchnahme unterliegt (insbesondere bei einer unsicheren Beurteilungsgrundlage), ob sie rückwirkend, bei Bestehen einer Genehmigung sowie bei widersprechendem staatlichem Vorverhalten möglich ist und ob dem Belasteten der Regreß gegen andere Verursacher offen steht. Diese 1993 begonnene Studie stellt also eine Querschnittsuntersuchung dar. Auf vertretbarem Raum sollen die Grundlagen des Verursacherprinzips und sich daraus ergebende Anwendungsfolgen dargestellt werden. Ein detailliertes Eindringen in alle angeschnittenen Probleme war daher nicht möglich. Vertieft wurden sie im wesentlichen entsprechend ihrer Bedeutung für die Ableitung und Anwendung des Verursacherprinzips. Herrn Professor Norbert Simon danke ich für die großzügige Aufnahme der Arbeit in die Schriften zum Öffentlichen Recht. Bonn, im März 1997 Walter Frenz
Inhaltsübersicht Teil I Das Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht §1
21
Die dem Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht beigemessene spezifische Bedeutung
21
§2
Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung
31
§3
Sozialethische Betrachtung des Verursacherprinzips
42
§4
Die Verwirklichung des Verursacherprinzips im geltenden Umweltrecht
§5
Juristische Folgerungen aus der Umsetzung des Verursacherprinzips im Umweltrecht
43 75
Teil II Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im Öffentlichen Recht
79
§1
Relevanz
79
§2
Herleitung aus den Grundrechten als Abwehrrechten?
89
§3
Herleitung aus den Grundrechten als Leistungsrechten?
93
§4
Die Herleitung aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
§5
Herleitung aus den Grundpflichten
123
93
§6
Aus den Grenzen der Staatsausgaben
150
§7
Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
153
§8
Anlage des Verursacherprinzips im Menschenbild des Grundgesetzes
195
§9
Aus dem Subsidiaritätsprinzip
§ 10
Ergebnis praktischer Konkordanz zwischen freiheitlicher WirtschaftsVerfassung, Sozial- und Umweltstaat 208
200
§11
Aus Staatszielbestimmungen
§ 12
Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot
217
§13
Art. 3 lit. g) EGV
230
§ 14
Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im deutschen Öffentlichen Recht
212
232
Inhaltsübersicht
10
Teil III Die Ausgestaltung des Verursacherprinzips
241
§1
Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
241
§2
Die wichtigsten Verwirklichungsformen
258
§3
Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Anwendung des Verursacherprinzips
271
§4
Die mögliche Reichweite des Verursacherprinzips im Hinblick auf das Problem einer unsicheren Beurteilungsgrundlage
§5
Rückwirkungsverbot
324
§6
Legalisierungswirkung von Genehmigungen
330
§7
Grenzen durch widersprechendes staatliches Verhalten?
§8
Mehrheit von Verursachern
281
334 337
Hauptthesen
343
Literaturverzeichnis
365
Sachregister
408
Inhaltsverzeichnis Teil I Das Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht § 1 Die dem Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht beigemessene spezifische Bedeutung
21
A. Verursacher 21 I. Verursacher und Kausalität 21 1. Bedeutung der Kausalität für die Rechtswissenschaft 21 2. Natürliche Kausalität 22 3. Durch Wertung gewonnene Kausalität 23 4. Besondere Bedeutung wertender Betrachtung im Öffentlichen Recht und im Umweltrecht 23 Π. Verursacher und Verantwortung 26 1. Mögliche Verbindung 26 2. Verantwortung als Folge 26 3. Verantwortung als Grund 27 B. Prinzip 28 I. Charakter 28 Π. Verbindung zu anderen umweltrechtlichen Prinzipien 29 § 2 Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung A. Die Notwendigkeit einer Anreizwirkung zum Schutz der Umwelt I. Die Beschränkung auf die Selbstheilungskräfte des Marktes Π. Allenfalls begrenzte Wirkung staatlicher Leistungsinstrumente DI. Folgerung B. Entwicklung I. Herausbildung einer instrumentalistischen Konzeption Π. Folgen für die einzubeziehenden Instrumente und ihren Einsatz C. Übernahme in die Rechtswissenschaft I. Entwicklung Π. Formtypik 1. Anlastung der Vermeidungskosten 2. Theorie der sozialen Zusatzkosten 3. Theorie der Umweltnutzung gegen Entgelt 4. Kritik
31 31 32 33 35 35 35 36 39 39 40 40 41 41 41
12
Inhaltsverzeichnis
§ 3 Sozialethische Betrachtung des Verursacherprinzips
42
δ 4 Die Verwirklichung des Verursacherprinzips im geltenden Umweltrecht..
43
A. Untersuchungsgegenstand 43 B. Zugrundezulegende Typologie 45 I. Sachgebietsbezogen 45 Π. Nach der Wahrscheinlichkeit der bekämpften Ursache 45 ΙΠ. Parallel zu den theoretischen Ansätzen 46 IV. Die Maßgeblichkeit der rechtstechnischen Umsetzung 47 C. Systematisierung 48 I. Verhaltenspflichten 49 1. Bundes-Immissionsschutzgesetz 49 a) Pflichtenregime 49 b) Anknüpfungspunkt 50 2. Atomgesetz 53 3. Gentechnikgesetz 54 4. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und Verpackungsverordnung... 54 5. Wasserhaushaltsgesetz 56 6. Bundesnaturschutzgesetz 58 Π. Zahlungspflichten Privaten gegenüber 58 1. Haftungsverpflichtungen gegenüber dem Geschädigten 59 a) § 22 WHG 59 b) Produkthaftungsgesetz 60 c) Umwelthaftungsgesetz 61 aa) Haftungstatbestand 61 bb) Versicherungspflicht 61 d) Gentechnikgesetz 63 e) Atomgesetz 63 2. Aufwendungsersatz 64 ΙΠ. Zahlungspflichten dem Staat gegenüber 64 1. Kostenersatz, Gebühren und Beiträge als rein kostenmäßige Anlastung der Vermeidungskosten 64 a) Isolierte Zahlungspflichten 64 b) Als Ergänzung zu Verhaltenspflichten und Vermeidungsgeboten 65 2. Sonderabgaben 68 a) Als Anlastung der Vermeidungskosten 68 b) Als Anlastung der sozialen Zusatzkosten: Abwasserabgaben 68 c) Als Umweltnutzung gegen Entgelt 69 aa) Wasserpfennig 69 bb) Lizenzentgelte 73 3. Umweltsteuern 74 IV. Zertifikatlösungen 74
Inhaltsverzeichnis δ 5 Juristische Folgerungen aus der Umsetzung des Verursacherprinzips im Umweltrecht 75 A. Rückschlüsse auf die Verbindlichkeit des Verursacherprinzips B. Rückschlüsse auf die Ausgestaltung des Verursacherprinzips L Inhaltlich Π. Das Verhältnis von Handlungs- und Vermeidungsgeboten zu bloßen Zahlungspflichten C. Offene Fragen
75 76 76 77 77
Teil II
Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im öffentlichen Recht §1 Relevanz A. Grundrechtliche Schutzlosigkeit umweltschädigenden Verhaltens? I. Ansätze Π. Folgen für die Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlicher Maßnahmen ΙΠ. Kritik B. Rechtfertigungsbedürftigkeit einer Inanspruchnahme des Verursachers C. Rechtfertigungsbedürftigkeit einer Einschränkung des Rechtsschutzes § 2 Herleitung aus den Grundrechten als Abwehrrechten?
79 79 79 80 81 83 86 89
§ 3 Herleitung aus den Grundrechten als Leistungsrechten?
93
§ 4 Die Herleitung aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
93
A. Die Schutzpflichten als Element der durch die Grundrechte aufgerichteten objektiven Ordnung 94 I. Die Schutzpflichten als Rechtsgüterschutz 94 1. Auf einige Elementargüter begrenzte Reichweite? 95 a) Gegenstände der bisherigen Schutzpflichtjudikatur 95 b) Die Grundrechte als geschlossenes, einheitlich und ausschüeßlich auf die Menschenwürde bezogenes Wertsystem? 96 c) Grund der Schutzpflichten in Art. 1 Abs. 1 GG, Bestimmung der gegenständlichen Reichweite nach dem einschlägigen Grundrecht?. 98 2. Rechtsgutbezogene Konzeption und ihre Folgen für die Ableitung des Verursacherprinzips 99 II. Die grundsätzliche Unbestimmtheit der unmittelbaren Zielrichtung einer Schutzmaßnahme 100
14
Inhaltsverzeichnis Β. Subjektiv-rechtliche Herleitung 102 I. Vorrang der abwehrrechtlichen Freiheit auf der Basis einer objektiv-rechtlichen Ableitung der grundrechtlichen Schutzpflichten 103 1. Ausrichtung auf die Grundrechte als Abwehrrechte und Prinzipiencharakter der Schutzpflichten 103 2. Folgen einer Untätigkeit des Gesetzgebers 104 3. Bestimmung der Grenzen von Gesetzgebungsmaßnahmen ausschließlich nach abwehrrechtlicher Dogmatik 107 Π. Umweltbelastungen ohne grundrechtlichen Schutz? 108 ΙΠ. Die ansatzweise Gleichgewichtigkeit der Schutzkomponente 108 1. Geschichtliche Entwicklung 109 2. Der Grundrechtsvoraussetzungsschutz als notwendige Bedingung abwehrrechtlicher Grundrechts Verwirklichung 111 3. Grenzen des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes aus den Grundrechten 113 a) Erfordernis eines individuellen Keims 113 b) Grundsätzliche Akzeptanz der Beeinträchtigung der Freiheitssphäre anderer 114 aa) Aussagen im Grundgesetz 114 bb) Folgen für den Grundrechtsvoraussetzungsschutz 116 cc) Anwendung auf einzelne Grundrechte 116 4. Folgen einer subjektiv-rechtlichen Ableitung für die Schutzpflichtdogmatik 119 5. Achtung der Gestaltungsprärogative der Legislative 120 IV. Folgen für die Ableitung des Verursacherprinzips 123
§ 5 Herleitung aus den Grundpflichten
123
A. Der Zusammenhang zwischen Grundpflichten und Verursacherprinzip 123 B. Die Pflicht zur Achtung der Rechte anderer 127 I. Die Entwicklung der Pflicht gegenseitiger Achtung zur Schranke der Freiheitsrechte 127 Π. Umdeutung der Schrankenklausel der „Rechte anderer" in Art. 2 Abs. 1 GG in einen Pflichtenvorbehalt? 128 ΙΠ. „Du-bezogenes" Menschenbild 130 IV. Art. 6 Abs. 2 GG 132 C. Die Grundpflichten gegenüber der Gemeinschaft 134 I. Fehlende umfassende Geltung 134 Π. Die Pflicht zum Gesetzesgehorsam auf der Basis der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte 135 m. Grundpflicht zur Tragung von Lasten zugunsten des Gemeinwesens 138 1. Das Prinzip der gleichen Freiheit aller (Art. 3 Abs. 1 GG) 139 2. Aus dem Sozialstaatsprinzip? 139 3. Aus dem gemeinschaftsbezogenen Menschenbild des Grundgesetzes? 141 4. Ungeschriebene Grundpflichten? 143 IV. Art. 12 a GG 143 V. Art. 14 Abs. 2 GG 144
Inhaltsverzeichnis 1. Grundpflicht 144 2. Unmittelbare Pflichtenwirkung 145 3. Notwendige Koppelung des Verursacherprinzips mit dem Gemeinlastprinzip wegen Gemeinwohlnützigkeit? 147 D.Ergebnis 149 § 6 Aus den Grenzen der Staatsausgaben A. Art. 109 Abs. 2 GG B. Art. 110 Abs. 1S.2GG C. Art. 115 Abs. IS. 2 GG D. Ergebnis δ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
150 150 150 153 153 153
A. Verhältnismäßigkeit 154 I. Problematik 154 1. Ausgangspunkt 154 2. Erweiterter Bestandsschutz 155 3. Grundrechtsabgeleitete Steuerhöchstquote als Ausweg? 157 4. Ausgabenbezogene Verhältnismäßigkeitskontrolle als Alternative... 159 5. Meinungsstand 161 Π. Vergleichbare Schwere der Gnindrechtsbeeinträchtigungen durch Steuern und Verhaltensgebote 161 ΙΠ. Keine Abkoppelung von Besteuerung und zufinanzierenden Staatsaufgaben aus dem Erhebungszweck der Steuer 163 IV. Finanzverfassungsrechtlicher Zusammenhang von Einnahmen und Ausgaben 166 1. Art. 110 Abs. 1 GG 166 2. Art. 115 Abs. IS. 2 GG 168 3. Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG 169 4. Art. 107 Abs. 2 GG 170 5. Berücksichtigungsfähigkeit der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verhältnismäßigkeitsprüfüng 171 a) Allgemein 171 b) Art. 110 Abs. 1 GG 172 c) Art 115 Abs. IS. 2 GG 173 d) Art. 106 Abs. 3 S. 4,107 Abs. 2 GG 173 e) Fazit 174 V. Folgen für die Verhältnismäßigkeitsprüfüng 174 1. Grundsätzliche Einbeziehung der Steuerverwendung 174 2. Ausgestaltung 176 a) Rügemöglichkeiten des Steuerzahlers 176 b) Prozessuale Ausgestaltung 178 VI. Verortung des Verursacherprinzips 182 1. Offensichtlich fehlende Gemeinwohlnützigkeit der Verwendung von Steuergeldern 183
Inhaltsverzeichnis
16
2. Offensichtlich fehlende Geeignetheit 184 3. Offensichtlich fehlende Erforderlichkeit 185 4. Offensichtlich fehlende Angemessenheit 186 5. Staatlicher Beurteilungsspielraum wegen tatsächlicher Ungewißheiten. 187 B. Gleichheit der Besteuerung 188 I. Bezugspunkt 188 Π. Teilgehalte 190 ΙΠ. Einbeziehung der Steuerverwendung 190 IV. Herleitung des Verursacherprinzips 193 C. Folgen für das Verursacherprinzip 194 δ 8 Anlage des Verursacherprinzips im Menschenbild des Grundgesetzes
§9
195
A. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Menschen I. Verantwortung auch für die Folgen des eigenen Tuns Π. Ermöglichung eigenverantwortlichen Handelns durch Folgenanlastung über das Verursacherprinzip m. Grenzen B. Die Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums I. Die Erhaltung der Entfaltungsbedingungen für die anderen als Grundlage eigener Entfaltung II. Die Bedeutung des Verursachelprinzips
197 197 198 198 199
Aus dem Subsidiaritätsprinzip
200
A. Die Verbindung von Subsidiaritäts- und Verursacherprinzip B. Verfassungsrechtliche Fundierung des Subsidiaritätsprinzips I. Die Bedeutung der Subsidiaritätsklausel des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG Π. Die Grundrechte C. Folgen für das Verursacherprinzip
200 203 203 205 207
199 200
δ 10 Ergebnis praktischer Konkordanz zwischen freiheitlicher Wirtschaftsverfassung, Sozial- und Umweltstaat 208 A. Aus gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben B. Aus grundgesetzlichen Determinanten
208 210
δ 11 Aus Staatszielbestimmungen
212
A. Sozialstaatsprinzip B. Umweltschutzprinzip
212 213
δ 12 Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot A. Der maßgebliche rechtliche Rahmen des Art. 92 Abs. 1 EGV B. Nichtheranziehung zu Verhaltensgeboten und Abgaben als Beihilfe C. Staatlich oder aus staatlichen Mitteln
217 217 219 221
Inhaltsverzeichnis I. Verzicht auf das Kriterium derfinanziellen Zuwendung? 222 1. Aus dem System der Wettbewerbsvorschriften 222 2. Aufgrund von Art. 130 r Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 3 EGV? 223 3. Notwendige Abgrenzung zu dem weit zu verstehenden Art 30 EGV.. 224 II. Folgen für die Vorgabe des Verursachelprinzips 227 ΙΠ. Freistellung von Verbrauchern als Beihilfe für Unternehmen 228 D. Nichtheranziehung als Beihilfengewährung 229 E. Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung 230 F. Ergebnis 230 §13 Art 3 Ut g) EGV
230
§ 14 Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes Juristisches Prinzip im deutschen öffentlichen Recht 232 A. Systematik der rechtlichen Fundierung B. Ausdehnung des Verursacherprinzips über das Umweltrecht hinaus I. Polizeikosten II. Soziales Versicherungsrecht 1. Gesetzliche Krankenversicherung 2. Gesetzliche Rentenversicherung 3. Resümee
232 233 233 236 236 237 240
Teil III
Die Ausgestaltung des Verursacherprinzips § 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
241
A. Die Bestimmung des Verursachers 241 I. Durch den Gesetzgeber 241 Π. Durch die Verwaltung 246 B. Solidarverantwortung am Beispiel unvorhergesehener Kosten und Altlasten. 249 C. Venirsacher kraft Rechtsnachfolge? 252 D. Der Zustandsstörer als Verursacher 253 E. Hoheitsträger als Verursacher 256 § 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen A. Ordnungsrechtliche und Abgabenlösungen I. Effektivität und Effizienz II. Marktkonformität ΙΠ. Sonstige Aspekte IV. Daraus folgende Anwendungsfelder
2 Frenz
258 259 259 262 263 264
18
Inhaltsverzeichnis Β. Zertifikatmodell 264 I. Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten 264 Π. Rechtliche Zulässigkeit 267 1. Qualifikation als eigenständige Rechtsform 267 2. Rechtliche Bedenken 268 a) Aushöhlung der ausschließlichen Finanzierungsfunktion von Steuern 268 b) Handel mit staatlich verliehenen Rechten 269 c) Qualifizierung als Teilprivatisierung 269
δ 3 Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Anwendung des Verursacherprinzips 271 A. Hauptsächlich angetastete Grundrechte I. Der Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr Π. Von Einzelpersonen im privaten Bereich B. Arten von Grundrechtsbeeinträchtigungen I. Unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen Π. Mittelbare Grandrechtsbeeinträchtigungen m. Folgen
271 271 274 276 276 276 279
δ 4 Die mögliche Reichweite des Verursacherprinzips Im Hinblick auf das Problem einer unsicheren Beurteilungsgrundlage 281 A. Das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit staatlichen Handelns und der Freiheitsgewährleistung zugunsten des Bürgers.... 281 I. Auftauchende Schwierigkeiten 281 Π. „In dubio pro liberiate" und Grundrechtsoptimierung als Lösungsansätze?.. 285 ΙΠ. Notwendiger Ausgleich aufeinanderprallender Schutz- und Abwehrbelange 286 1. Einheitlicher Vorrang von Schutzbelangen oder Abwehrrechten? 286 2. Notwendigkeit staatlicher Handlungsmöglichkeiten als Ausfluß grundgesetzlicher Vorgaben 287 3. Die Bedeutung der Rechtsschutzgewährleistung 288 4. Die dienende Rolle der Gewaltenteilung 290 5. Die maßgeblichen Eckpunkte 291 B. Auf Gesetzgebungsebene 292 I. Legislativer Beurteilungsspielraum 292 Π. Gefahren- und RisikoVorsorge 294 ΙΠ. Parallele Rücknahmerichterlicher Priifiingsbefügnis 297 IV. Eigene Kategorie der Experimentiergesetze? 299 V. Lösungsmöglichkeiten durch die Gesetzestechnik 301 C. Auf Verwaltungsebene 303 I. Bei gesetzlicher Grundlage 303 1. Grundsätzliche Abgrenzung der gesetzlichen Vorgaben und des Handlungsspielraumes der Verwaltung 303 2. Gefahrerforschungseingriffe 305 3. Die Offenheit des Gefahrbegriffs und die Determinierung durch eine vertretbare Rechtsgüterabwägung 308
Inhaltsverzeichnis 4. Erstreckung des Gefahrbegriffs auch auf Maßnahmen der Gefahrenund Risikovorsorge 309 5. Maßnahmerichtung 311 Π. Ohne gesetzliche Grundlage 313 1. Primärer Ansatzpunkt der Problemlösung 313 2. Folgerungen aus dem prinzipiellen Gleichgewicht von Abwehr- und Schutzbelangen 315 3. Rechtsschutzgewährleistung 316 4. Vereinbarkeit mit der Gewaltenteilung 317 a) Zwischen Exekutive und Legislative 317 b) Zwischen Exekutive und Judikative 322 5. Zwischenergebnis 322 D.Fazit 323 § 5 Rückwirkungsverbot
§6
324
A. Qualifizierung als unechte Rückwirkung I. Problematik Π. Grundsatz ΙΠ. Behandlung der in der ehemaligen DDR begründeten Sachverhalte B. Folgen für die Gesetzgebung C. Folgen für die Inanspruchnahme als Störer
324 324 324 325 327 329
Legalisierungswirkung von Genehmigungen
330
A. Problematik und Meinungsstand 330 B. Oberflächliche Wirkung von Genehmigungen 331 C. Schutzpflichten 331 D. Weitere Folgen der Drittwirkung einer,»Legalisierungswirkung" 333 E. Vertrauensschutz als bloße zusätzliche Grenze nachträglicher staatlicher Eingriffe 333 § 7 Grenzen durch widersprechendes staatliches Verhalten? A. Duldung B. Verwirkung C. Vernachlässigung der staatlichen Überwachung § 8 Mehrheit von Verursachern A. Konstellationen B. Lösung auf Gesetzgebungsebene C. Lösung auf Verwaltungsebene D. Regreß unter den Verursachern Hauptthesen
334 334 336 337 337 337 338 338 340 343
Literaturverzeichnis
365
Sachregister
408
Abkürzungen CDE
Cahiers de Droit Européen
DStJG
Veröffentlichungen der Deutschen Steueijuristischen Gesellschaft
DV
Die Verwaltung
EGV
Veitrag über die Europäische Gemeinschaft
EUV
Vertrag über die Europäische Union
KrW-/AbfG
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
StGR
Städte- und Gemeinderat
Die übrigen Abkürzungen richten sich nach Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. 1993, bzw. sind die üblichen.
Teil I
Das Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht § 1 Die dem Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht beigemessene spezifische Bedeutung A. Verursacher I. Verursacher und Kausalität Vom allgemeinen Wortsinn her ist Verursacher deijenige, der eine Ursache für etwas gesetzt hat, dessen Handeln oder Unterlassen mithin ursächlich und damit kausal ist. Dieser Begriff ist daher untrennbar verbunden mit dem der Kausalität. L Bedeutung der Kausalität für die Rechtswissenschaft Die Kausalität ist von zentraler Bedeutung in verschiedenen Gebieten der Rechtswissenschaft: Im Strafrecht ist die Kausalität regelmäßig die Voraussetzung dafür, daß jemand einen Straftatbestand verwirklichen kann, und damit Bedingung der Strafbarkeit 1. Im Zivilrecht haftet gem. § 823 Abs. 1 BGB nur deijenige auf Ersatz, dessen Verhalten kausal für einen Schaden ist 2 . Diese Abgrenzungsfunktion hat die Kausalität auch im Recht der öffentlichen Ersatzleistungen. Für die Frage der Kostenerstattung durch den Bürger wird das Veranlasserprinzip zugrunde gelegt3. Die Polizeigesetze stellen für die Bestimmung der Handlungsrichtung darauf ab, ob eine Person eine Gefahr bzw. eine
1 Ausführlich etwa Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teü, Teübd. 1 § 18 I; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 11 Rn. 1: Kausalität als Fundament jeder Zurechnung. 2 Zu den umweltspezifischen Problemen Diederichsen/Scholz, WiVerw. 1984,23 (28 ff.). 3 Siehe nur § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG; § 4 Abs. 1 Nr. 1 LGebG BW; Art 3 Abs. 1 Nr. 10 BayKG; § 1 Abs. 1 S. 1 NVwKostG; § 13 Abs. 1 Nr. 1 GebG NW; § 2 Abs. 1 S. 1 SächsVwKG; aus der Lit. Schenke, NJW 1983, 1882 (1884). Zu Defiziten im Umweltbereich Lübbe-Wolff, NWVB1. 1994, 211 (214 Fn. 21).
22
Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
Bedrohung oder Störung verursacht 4. Bereits dieser textuelle Befund deutet zumindest auf Parallelen zum Verursacherprinzip. Vermag dieses als allgemeiner Grundsatz des öffentlichen Rechts etabliert zu werden, ergeben sich möglicherweise auch Rückwirkungen auf die polizeirechtliche Inanspruchnahme 5. Wegen der rechtsgebietsübergreifenden Bedeutung der Kausalität ist indes, wenn dies auch im Rahmen dieser Abhandlung nicht umfassend möglich ist, zunächst die Beziehung von Verursacher und Kausalität im Rechtssystem anzusprechen, bevor die Besonderheiten im Öffentlichen Recht - insbesondere im Polizeirecht - und schließlich im Umweltrecht dargelegt werden können. 2. Natürliche Kausalität Vordergründig setzt die Eigenschaft des Verursachers selbstverständlich und ausschließlich voraus, daß sein Tun oder Unterlassen die natürliche Ursache für eine bestimmte Folge ist. Indes können mehrere Ursachen in Betracht kommen, so daß sich die Frage stellt, welche von ihnen relevant ist. Tiefergehend ist stets problematisch, wie weit zurückzugehen ist, bis man an der relevanten Ursache angelangt ist 6 : etwa bis zum Vorgang des Abfallanfalls oder bis zum Vertrieb des Produkts, aus dem der Abfall entsteht, oder bis zur Herstellung dieses Erzeugnisses. Woran man anknüpft, ist keine Frage der natürlichen Kausalität, sondern ein Wertungsproblem. Schon von daher kann die natürliche Kausalität nicht ausreichend sein für die Festlegung des Verursachers. Oder aber eine Ursache ist zwar wahrscheinlich, jedoch nicht sicher. Dann ist zu klären, ab welchem Maß an Wahrscheinlichkeit eine Ursache relevant ist 7 . Da die natürliche Ursache nicht feststeht, kann dies nur durch Wertung erfolgen. Zudem kann Verursacher nur ein Mensch sein, nicht aber ein tatsächlicher Vorgang (z.B. Emission), der die natürliche Ursache für eine bestimmte Folge (etwa Luftverschmutzung) bzw. nach der Differenzierung der tradierten Imputationslehre im Anschluß an Kant die causa naturalis ist. Damit geht es um die Zurechnung bestimmter Folgen an eine bestimmte Person, die nach der Unter-
4 Etwa § 6 Abs. 1 PolG BW; Art. 7 Abs. 1 BayPAG; § 6 Abs. 1 HSOG; § 6 Abs. 1 NGefAG; § 4 Abs. 1 PolG NW; § 4 Abs. 1 SPolG; § 4 Abs. 1 SächsPolG; § 7 Abs. 1 ThürPolG; aus der Lit. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 242; ausdrücklich vom Verursacherprinzip ausgehend Majer, VerwArch. 73 (1982), 167 (182). 5 Näher Teil m §§ 1,4C. 6 Dieses Problem beschäftigte schon die scholastische Philosophie (Thomas von Aquin, Summa Theologiae, Prima Secundae, Quaestio 79, Art. 1, obj. 3). Zur Entwicklung und zum heutigen Stand der Diskussion Joerden, Strukturen des strafrechtlichen Verantwortungsbegriffs: Relationen und ihre Verkettungen, S. 22 ff. m.w.N. 7 Dazu aus hiesiger Sicht näher Teil ΠΙ § 4.
§ 1 Beigemessene Bedeutung im Öffentlichen Recht
23
Scheidung der Imputationslehre als causa moralis fungiert 8. Gilt es die natürlichen Zusammenhänge zuzuordnen, tritt das Problem der Wertung auf. 3. Durch Wertung gewonnene Kausalität Ist die natürliche Kausalität unzulänglich, um einen Zustand auf eine bestimmte Person zurückzuführen, bedarf es somit der Wertung. Diese ist letztlich entscheidend, ob das Handeln bzw. Unterlassen einer Person kausal für eine bestimmte Folge ist. Das gilt zumal für die rechtliche Zurechnung, die auf der moralischen Zurechnung aufbaut. Diese Zurechnung ist nach Kant „das Urteil, wodurch jemand als Urheber (causa libra) einer Handlung, die alsdann Tat (factum) heißt und unter Gesetzen steht, angesehen wird.' 49 Die natürliche Kausalität wird daher weitgehend durch rechtliche Regelungen überlagert 10, die allenfalls an sie anknüpfen, aber ihre Behandlung in ein künstliches Regelsystem stellen 11 . Diese durch Wertung gewonnene Kausalität als Zurechnung eines Zustandes an eine bestimmte Person beruht daher auf der Geltung von bereits etablierten Grundsätzen und Regeln 12 . Im Strafrecht etwa wird die natürliche Kausalität weitgehend durch wertende Betrachtungen modifiziert 13 , so etwa in der Ausscheidung der Strafbarkeit für die Fälle des erlaubten Risikos, das nicht allein durch Berücksichtigung eines technischen Standards gewonnen werden kann, sondern auf Wertung beruht 14 . 4. Besondere Bedeutung wertender Betrachtung im Öffentlichen Recht und im Umweltrecht Im Öffentlichen Recht geht es zwar auch um die Zurechnung bestimmter Ereignisse und Zustände an eine bestimmte Person, jedoch aber in erster Linie um die Wahrung des Allgemeinwohls, das der Staat dem Bürger gegenüber zu verwirklichen und ggf. durchzusetzen hat. Das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen bleibt insoweit ausgenommen, als die staatlichen Maßnahmen umgekehrt durch die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens begrenzt, hingegen durch
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Siehe Kant, Metaphysik der Sitten, Gesammelte Schriften Bd. 6, S. 227. Kant, Metaphysik der Sitten, Gesammelte Schriften Bd. 6, S. 227. 10 Jtlptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, S. 143. 11 Krawietz, in: Festschrift für Wessels und Stree, S. 11 (29) gegen Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 24 ff., 28 f. 12 Krawietz, Das positive Recht und seine Funktion, S. 46 f., 78 ff., 172 ff. 13 Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilbd. 1, § 18 Rn. 36 m.w.N.: Unterscheidung zwischen empirischer Erfolgsverursachung und normativer Erfolgszurechnung. 14 Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 200. 9
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Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
Rechte Privater begründet werden 15 . Aus der Perspektive des Allgemeininteresses aber ist für die Inanspruchnahme des einzelnen in erster Linie entscheidend, inwieweit dieser zu der Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens beitragen kann bzw. muß. Bezogen auf das Polizeirecht ist maßgebend, ob der einzelne diese Funktionsfähigkeit stört, mithin die Schwelle einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" überschreitet. Bezeichnenderweise werden die gefährdeten privaten Belange als Rechtsgüter unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit subsumiert 16. Die Frage, wer polizeirechtlicher Verursacher ist, hängt von einer wertenden Beurteilung ab 17 . Diese ist von den polizeirechtlichen Eigenheiten bestimmt und macht daher die im Zivilrecht gebräuchliche und vielfach auch im Strafrecht herangezogene Adäquanzlehre 18 unanwendbar 19 . Im Umweltrecht wird dem Begriff des Verursachers eine zentrale Bedeutung zugemessen. Im Hinblick auf die entscheidende Rolle von Kausalitätsketten und des staatlichen Eingreifens gerade an der „Störungsquelle" für die Bekämpfung von Umweltgefährdungen 20 ist das Verursacherprinzip als eines der maßgeblichen Prinzipien im Umweltrecht anerkannt 21. Das Umweltrecht wird indes wie das Polizeirecht, aus dem es sich entwickelt hat 22 , von der Wahrung des Allgemeinwohls bestimmt. Das gilt zumal mit der Statuierung der Staatszielbestimmung für den Umweltschutz in Art. 20 a GG. Zudem ist gerade in diesem Rechtsgebiet aufgrund der bestehenden tatsächlichen Unsicherheiten und Forschungslücken, welche Umweltschäden auf wen zurückgehen, in besonderem Maße eine wertende Betrachtung notwendig. Die Kausalität ist allenfalls als Mindestvoraussetzung von Bedeutung23: Inwieweit müssen tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verursachungsbeitrag vorliegen, damit jemand als Verursacher angesehen und in Anspruch genommen werden kann? Das aber ist,
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Vgl. stellvertretend zum Folgenbeseitigungsanspruch BVerwG, DVB1. 1970, 858 (859); BVerwGE, 80, 178 (179); 90, 100 (114); Schoch, VerwArch. 79 (1988), 1 (34 ff.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 252; Schneider, Folgenbeseitigung im Verwaltungsrecht, S. 64 ff. 16 Siehe etwa Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 235 f. 17 Das gilt unabhängig von dem verfolgten Ansatz; siehe Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 315; Pietzcker, DVB1.1984,457 (461). 18 Abi. aber Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 196 ff., der auf den Zweck der Strafrechtsnormen abstellt (S. 200). 19 Siehe Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 312; a.A. Brandner, Gefahrenerkennbarkeit, S. 75 ff. m.w.N. 20 Näher unten Teil I § 2. 21 Siehe z.B. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 5 Rn. 24; Umweltbericht der Bundesregierung von 1990, BT-Drucks. 11/7168, S. 26; § 5 Abs. 1 des Entwurfs zu einem Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 40; näher und m.w.N. sogleich § 2 C. 22 Etwa Umweltgutachten 1994, BT-Drucks. 12/6995, Tz. 298 (S. 139). 23 Für das Polizeirecht Pietzcker, DVB1. 1984,457 (464).
§ 1 Beigemessene Bedeutung im Öffentlichen Recht
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bezogen auf das öffentliche Recht, ein Ausschnitt des Problems des Staatshandelns auf ungesicherter Tatsachengrundlage, das in den dafür maßgeblichen Kategorien noch näher zu erörtern sein wird 2 4 . Aufgrund der starken Rolle des Gemeinwohls im Öffentlichen Recht und der dadurch bedingten besonderen Bedeutung wertender Betrachtung ist vom Ansatz her eine eigenständige Beurteilung von Kausalitäts- und Haftungsfragen erforderlich. So wenig ein pauschales Abstellen auf die Aussage, das öffentliche Recht verhelfe dem Allgemeinintereresse zum Durchbruch, das Privatrecht forderere dagegen nur Individualinteresse, weiterhilft 25 , so ist doch im Einzelfall diese Dichotomie bei der Übernahme von Wertungen beachtlich. Sie ist freilich durch die Anliegen der in der konkreten Situation in Frage stehenden Normen und sonstigen Vorgaben zu konkretisieren, und darauf aufbauend ist zu fragen, ob und in welchem Maße in Einzelfragen eine Beeinflussung bzw. (modifizierte) Übernahme von rechtlichen Gehalten möglich ist 26 . Deshalb können zivilrechtliche Wertungsvorgaben nur soweit übernommen werden, als sie keine spezifische zivilrechtliche Prägung aufweisen, d.h. nach Telos und Funktion nicht auf zivilrechtliche Sachverhalte gemünzt, sondern vielmehr verallgemeinerungsfähig sind und daher mit öffentlich-rechtlichen Wertungen nicht in Konflikt geraten 27. Das kann für die Prüfung des Vorhandenseins einer natürlichen Kausalität noch in Frage kommen, kaum hingegen für eine diese regelmäßig überlagernde, durch Wertung gewonnene Kausalität, die maßgeblich von den Anliegen der zur Anwendung stehenden öffentlich-rechtlichen Normen bestimmt wird. Der Maßstab für die Prüfung der Kausalität ergibt sich somit aus den Eigenarten des jeweiligen Rechtsgebietes28. Eine Verdrängung etwa des repressiven Ordnungsrechts durch das private Haftungsrecht 29 oder eine privatrechtsorientierte Interpretation öffentlich-rechtlicher Vorschriften 30 scheiden daher grundsätzlich aus 31 , es sei denn, die Bedeutung des Gemeinwohls tritt zurück bzw. es geht um die Übernahme verallgemeinerungsfähiger Grundsätze.
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Unten Teil ΙΠ §4. Jarass, WDStRL 50 (1991), 238 (241). 26 Für das Verwaltungsvertragsrecht Krebs, WDStRL 52 (1993), 248 (257); verneinend für behördliches Informationshandeln Heintzen, NuR 1991,301 (302 ff., bes. 305). 27 Ossenbühl, DVB1.1990,963 (966). 28 Schudt, Kausalitätsprobleme im Verwaltungsrecht, S. 4. 29 Diederichsen, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder, Altlasten und Umweltrecht, S. 117 (137 f.).; auch ders., BB 1988,917 ff. für Altlasten. 30 So der Ansatz von Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 287 ff.; auch Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 13 ff. 31 Abi. auch Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung. S. 32 f. 25
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
II. Verursacher und Verantwortung
1. Mögliche Verbindung Verantwortung heißt dem Wortsinne nach, Antwort geben zu müssen auf Fragen, die einem vorgehalten werden; als erfaßt angesehen werden dabei Fragen, die sich auf die Korrektheit des Handelns, genauer auf ein Versagen vor einer Sollensanforderung beziehen32. Wegen objektiver Tatsachen allein hingegen kann man zwar benachteiligt, aber nicht im herkömmlichen Sprachsinn zur Verantwortung gezogen werden 33 . Bereits daraus ergibt sich: Verantwortung ist kein natürlicher Zustand, sondern kommt durch Wertung zustande. Verantwortlich im moralischen Sinn kann jemand nur für etwas sein, was er vermeiden konnte. Darüber reicht die Verantwortlichkeit im Rechtssinne vielfach weit hinaus. Man kann etwa im Schadensersatzrecht für einen Schaden oder eine sonstige Situation einzustehen haben, auch wenn man (selbst) nicht (schuldhaft) von einer Norm und damit einer Sollensanforderung abgewichen ist 34 . Die rechtliche Verantwortung ist somit wie die rechtliche Zurechnung der Kausalität nicht kongruent mit der moralischen. Sie ist vielmehr funktionsbezogen zu sehen und gestaltet sich daher von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich 35. Da auch die Bestimmung des Verursachers wie vorstehend herausgearbeitet 36 weitgehend von der natürlichen Kausalität losgelöst ist und in starkem Ausmaße auf Wertung beruht, ergibt sich von daher eine mögliche Verbindung zu dem Begriff der Verantwortung. Das Verhältnis zwischen Verursacher und Verantwortung kann allerdings in verschiedenen Richtungen verlaufen. Ist die Verantwortung die Folge der Verursachereigenschaft, oder wird man Verursacher dadurch, daß man Verantwortung trägt? 2. Verantwortung
als Folge
Die herrschende Vorstellung vom Verursacherprinzip geht davon aus, daß die Verantwortung die Folge der Verursachereigenschaft ist. Besonders deutlich tritt dies in § 5 Abs. 1 des Entwurfs für ein Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil - hervor: „Wer eine Umweltbeeinträchtigung, eine Umweltgefahr oder
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Larenz, Richtiges Recht, S. 93. Zippelius, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 14 (1989), 257 (257). Ein Beispiel sind umweltrechtliche Haftungsnormen, näher unten Teü I § 4 C.II. Näher Zippelius, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 14 (1989), 247 ff. A.I.2. - 4.
§ 1 Beigemessene Bedeutung im Öffentlichen Recht
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ein Umweltrisiko verursacht, ist dafür verantwortlich." 37 Nur wenn „ein Verursacher oder ein sonstiger Verantwortlicher nicht vorhanden, nicht oder nicht rechtzeitig feststellbar oder seine Inanspruchnahme unbillig" ist, so ist gem. § 5 Abs. 2 dieses Entwurfs „die Allgemeinheit verantwortlich". Von daher dient das Verursacherprinzip der Abgrenzung zwischen Individual- und Allgemeinund damit Staatsverantwortung. Ist ein Verursacher heranziehbar, besteht Individualverantwortung, in den übrigen Fällen Staatsverantwortung, es sei denn, ein sonstiger Verantwortlicher kann in Anspruch genommen werden. Verursachung als Grund und Verantwortung als Folge ist die gängige Struktur von Rechtssätzen. So trägt gem. § 823 Abs. 1 BGB deijenige die haftungsrechtliche Verantwortung, der ein darin genanntes Rechtsgut verletzt. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist regelmäßig an die Verursachung eines bestimmten tatbestandlichen Erfolges geknüpft. 3. Verantwortung
als Grund
Der Begriff der Verantwortung ist indes mehrdeutig und vielschichtig 38 . Aus der Verantwortung können sich auch Folgen ergeben 39. Die Verantwortung kommt somit auch als Grund dafür in Betracht, daß jemand als Verursacher angesehen werden kann. Im Strafrecht beruht die Garantenstellung, die erst die Täter- und damit Verursacherstellung für bestimmte Delikte begründet, auf einer vorgelagerten Verantwortung etwa durch vorangegangenes gefährdendes Tun 40 . Als Ansatzpunkt für die Inanspruchnahme des Verursachers von (potentiellen) Umweltbeeinträchtigungen wird die in einfachgesetzlichen Vorschriften festgelegte „materielle Verantwortlichkeit" gesehen41. Daraus wird gefolgert, daß das Verursacherprinzip als solches eine rechtliche Verantwortlichkeit nicht zu begründen vermag, sondern dazu nur die konkretisierenden Normen in der Lage sind 42 . Von daher stellt der vorstehend erwähnte § 5 Abs. 1 des Entwurfs für ein Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil eine solche Konkretisierung dar,
37
Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teü, S. 40. Siehe auch Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 5 Rn. 24: „Zurechnungsmodell für die materielle Verantwortlichkeit"; Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 433 (442). 38 Vgl. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 26; auch Pestalozzi JuS 1975,366 (371). 39 Etwa Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I, S. 255; ders., Gesammelte politische Schriften, S. 505 (552); Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen, S. 200 f.; Sachs, DVB1.1995, 873 (880). 40 BGH, NStZ 1992,31; Wessels, Strafrecht - Allgemeiner Teil, Rn. 725. 41 Kloepfer, in: ders ./Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teü, S. 146. 42 Kloepfer, in: dersTRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 146.
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
die die Verantwortung als Folge der Verursachung festschreibt 43. Daß das Verursacherprinzip selbst die Verantwortlichkeit nicht zu begründen vermag, wird aber auf seine Konkretisierungsbedürftigkeit 44 und damit seinen Prinzipiencharakter 45 gestützt. Das schließt nicht aus, daß außerhalb der das Verursacherprinzip umsetzenden Normen eine materielle Verantwortlichkeit besteht, die eine Inanspruchnahme einer Person(engruppe) als Verursacher verlangt, und sei es auch durch gesetzliche Festschreibung. Ansatzpunkt einer Verantwortung im Öffentlichen Recht können insbesondere verfassungsrechtliche Zuweisungen sein 46 . Als Zuweisung von Individualverantwortung kommt etwa Art. 6 Abs. 2 GG in Frage, für den die Elternverantwortung als wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechts angesehen wird 4 7 . Allerdings läßt sich diese Verantwortung auch als Folge einer bestimmten Stellung, hier eben der als Eltern, begreifen 48. Als geeignete Festlegung im Verfassungstext erscheint die Koppelung des Rechts mit einer Pflicht 49 . Von daher weist die Verantwortung zugleich auf eine bestimmte Pflichtenstellung. Resultiert aus dieser die Verantwortung für einen bestimmten Bereich und aus dieser dann die Verursachereigenschaft für bestimmte Folgen - etwa Erziehungsmängel, die die Reaktion der staatlichen Gemeinschaft entsprechend Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG hervorrufen -, so ist aber dennoch die Verantwortung der Verursachereigenschaft vorgelagert. Dieses Beispiel zeigt: Inwieweit die Verursachereigenschaft auf einer vorgelagerten Verantwortung beruhen kann, hängt davon ab, inwieweit eine unabhängig von konkretem Tun zumindest latent vorhandene Individualverantwortung rechtlich festgeschrieben ist.
B. Prinzip I. Charakter Ausgehend davon, daß eine ausdrückliche normative Entscheidung fehlt, die den Staat zu einer Inanspruchnahme des Verursachers zwingt, ist der Staat nach ganz herrschendem Verständnis nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise zur
43 Vgl. Kloepfer, in: ders./Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teü, S. 153. 44 Kloepfer, in: dersTRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teü, S. 146. 45 Siehe sogleich § 1 B. 46 Dazu näher Sachs, DVB1.1995, 873 (874 ff.). 47 BVerfGE 84,168 (179 ff.); 57,361 (382 f.). 48 So die Sicht in BVerfGE 84,168 (179 f.). 49 Näher unten Teil Π § 5 Β.IV.
§ 1 Beigemessene Bedeutung im Öffentlichen Recht
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Bekämpfung von Umweltgefahren festgelegt. Im Verursacherprinzip wird kein rechtlich verbindlicher Leitsatz gesehen, sondern lediglich ein rechtspolitisches Prinzip 30 . Es soll in gesetzlichen Regelungen festgeschrieben werden, auf deren Basis dann gegen den Verursacher vorgegangen werden kann. Danach handelt es sich lediglich um eine Leitlinie für den Gesetzgeber, dem auch andere Möglichkeiten offenstehen, insbesondere auf das Gemeinlastprinzip gestützte Maßnahmen etwa in Gestalt von Subventionen. Die Ursache für diesen bloßen Zielcharakter ist darin zu sehen, daß das im Umweltrecht herangezogene Verursacherprinzip im wesentlichen wirtschaftswissenschaftlich begründet wird 5 1 . Ökonomische Grundsätze aber begründen noch keine rechtlich zwingenden Regeln. Indes können diese wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhänge den Hintergrund für eine juristische Fundierung des Verursacherprinzips bilden. Erweisen die ökonomischen Überlegungen etwa seine anderen gangbaren Wegen überlegene Wirkungskraft, kann der Staat möglicherweise im Rahmen der grundrechtlichen Schutzpflichten gehalten sein, es einzusetzen52. Zeigt die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung, daß es die privatautonomen Abläufe des Wirtschaftsgeschehens am wenigsten belastet, kann sich seine Fundierung aus Vorgaben des Grundgesetzes für die Wirtschaftsverfassung ergeben 53.
Π. Verbindung zu anderen umweltrechtlichen Prinzipien Das Verursacherprinzip ist allerdings nur eines der im Umweltrecht als maßgeblich angesehenen Prinzipien. Das Vorsorgeprinzip zielt auf eine Vorverlagerung des staatlichen Handelns in das Vorfeld der Gefahrenabwehr, die Gefahrenvorsorge 54. Das Kooperationsprinzip betrifft die Formen staatlichen Handelns und soll diese für eine Zusammenarbeit mit betroffenen gesellschaftlichen Kräften öffnen 55 . Das Verursacherprinzip gibt die personale Richtung dieses Handelns vor. Es soll deijenige für die Vermeidung oder Beseitigung einer Umweltbelastung in Anspruch genommen werden, der ihre Entstehung hervorgerufen hat. Daraus ergibt sich ein mögliches Ineinandergreifen dieser Prinzipien; diese schließen sich nicht etwa gegenseitig aus. Dem Zweck, im Vorfeld Gefahren erst gar nicht entstehen zu lassen, dient ein Vorgehen gegen 50 So deutlich etwa Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, S. 84; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 55; Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 124. 51 Siehe sogleich § 2. 52 Näher Teil Π §4. 53 Dazu Teü Π §10. 54 Bes. deutlich § 5 Abs. 1 Nr. 2/ Nr. 1 BImSchG. 55 Etwa Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 44; Umweltbericht der Bundesregierung von 1976, BT-Drucks. 7/5684, S. 9.
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
die Verursacher potentieller Gefahren - so im Atomrecht. Hier sind das Verursacher- und das Vorsorgeprinzip verbunden 56. Eine Inanspruchnahme der Verursacher kann nicht nur in der Form einseitiger Verhaltensgebote bestehen, sondern auch in der Gestalt einer Zusammenarbeit, etwa durch die Anhörung beteiligter Kreise vor dem Erlaß von Regelungen57 oder die Bestellung von Betriebsbeauftragten 58 oder durch Selbstverpflichtungen der Wirtschaft 59 , die staatliche Regelungen entbehrlich machen. In diesen Fällen greifen das Verursacher- und das Kooperationsprinzip ineinander. Das dient der Beteiligung der herangezogenen Personen, führt zu deren stärkerer Eigenverantwortung, stimuliert die Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft und bringt damit die Chance einer nicht auf Zwang, sondern auf Überzeugung gebauten langfristigen Verhaltensänderung mit sich, die sich in der Umweltpolitik als besonders vorteilhaft erwies 60 . Wird den mit Pflichten belasteten Personen wie im Rahmen von Selbstverpflichtungen die Wahl der Mittel selbst überlassen, resultiert daraus eine Zurücknahme staatlicher Tätigkeit. Das Verursacherprinzip, angelegt auf die Inanspruchnahme Privater durch staatliche Vorgaben, führt dann in Verbindung mit dem Kooperationsprinzip zugleich zur Begrenzung der Staatstätigkeit 61 . Diese müßte sich zudem möglicherweise ohne eine (frühzeitige) Heranziehung Privater zur Reparierung von (weiteren) Schäden wesentlich breiter und intensiver entfalten. Von der Warte der staatlichen Handlungsmöglichkeiten fungiert als Gegenprinzip das Gemeinlastprinzip, nach dem die Allgemeinheit und damit der Staat die Kosten zur Beseitigung bzw. Vermeidung von Umweltschäden übernehmen sollen 62 . Eine Kombination beider Prinzipien ist denkbar 63, indem etwa die Betreiber von Chemiewerken eine Kläranlage zur Vermeidung von Gewässerbelastungen auf eigene Kosten zu bauen haben, kleine Betriebe aber staatliche Subventionen erhalten oder ganz von der Errichtungspflicht ausgenommen
56 Ebenso Purps, Umweltpolitik und Verursacherprinzip, S. 21 f.; auch Schottelius, in: Festschrift für Weitnauer, S. 397 (401); a.A. Poppe, Verursachungsprinzip und Umweltschutz,^. 3 ff. m.w.N. 57 Siehe etwa § 60 Krw-/AbfG. 58 Siehe § 54 f. Krw-/AbfG. Allgemein Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 5 Rn. 29 mit weiteren Beispielen. 59 Siehe § 25 Abs. 2 Krw-/AbfG. Dazu Frenz, Krw-/AbfG, § 25 Rn. 9 ff. 60 Siehe Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (349) und bereits Hoppe, WDStRL 38 (1980), 211 (309). 61 Zur rechtlichen Fundierung auf der Basis des Subsidiaritätsprinzips als eine verfassungsrechtliche Wurzel des Verursacherprinzips unten Teil Π § 9 Β.Π., C. 62 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 40 ff. 63 Kloepfer, in: dersTRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 147. Da von beiden Prinzipien Elemente enthalten sind, handelt es sich um eine Mischung, nicht um einen „dritten Weg zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip" (so Breuer, NVwZ 1987,751 (757)).
§ 2 Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung
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sind; in diesem Umfang zahlt der Staat die anfallenden Kosten für die Gewässerreinigungsanlagen. Die dritte Möglichkeit ist, daß die betroffenen Privaten selbst für die Behebung bzw. Verhinderung der bei ihnen eingetretenen bzw. drohenden Schäden aufkommen 64. Sie kann man als Geschädigtenprinzip 65 oder - deutlicher die Lastentragung betonend - als Geschädigtenlastprinzip bezeichnen.
§ 2 Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung In seinen Ursprüngen geht das Verursacherprinzip zwar bis auf Piaton zurück 66 . In unserer Zeit wurde und wird es indes in erster Linie wirtschaftswissenschaftlich fundiert 67 . Damit bildet das Verursacherprinzip eine Verbindungsbrücke zwischen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, die die Ferne der Staatsrechtslehre gegenüber ökonomischen Zusammenhängen, ihre Finanzblindheit 68 , aufweicht und über die man zu interdisziplinärer Betrachtung vor dem Hintergrund vergleichbarer Fragestellungen vorstoßen kann 69 . So weist die Frage der sachlichen Angemessenheit wirtschaftspolitischer Instrumente für den angestrebten Zweck als klassischer Gegenstand ökonomischer Analyse Parallelen auf zur juristischen Verhältnismäßigkeitsprüfüng, die im Rahmen der Erforderlichkeits- und Zumutbarkeitskontrolle ebenfalls die Auswirkungen einer Maßnahme und darauf aufbauend deren Angemessenheit untersucht 70.
A. Die Notwendigkeit einer Anreizwirkung zum Schutz der Umwelt In einer freien Marktwirtschaft wird regelmäßig nur das berücksichtigt, was Kosten verursacht 71. Sollen daher Umweltauswirkungen von den Wirtschaftseinheiten beachtet werden, dürfen Umweltbelastungen nicht ohne kostenmäßi64
Siehe näher Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 42 ff. Schulz, ebda., S. 42 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 42. 66 Siehe von Weizsäcker, Erdpolitik, S. 149. 67 Siehe nur Anlage ΧΠ zur BT-Drucks. VI/2710, in der die Bundesregierung sich 1971 erstmals zum Verursacherprinzip bekannte; Umweltbericht der Bundesregierung von 1990, BTDrucks. 11/7168, S. 27; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 1 Rn. 51; Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 32; Bullinger, in: ders. /Rincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprinzip, S. 69 m.w.N. in Fn. 3 sowie die folgenden Ausführungen. 68 Dazu von Arnim, in: Böhret/Siedentopf, Verwaltung und Verwaltungspolitik, S. 109; auch Isensee, in: Festschrift für Ipsen, S. 409 (412). 69 Dafür von Arnim, in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, S. 721 (726). 70 Dazu etwa Lerche, in: HStR V, § 122 Rn. 16,18 f. 71 Luhmann, Zeitschrift für Soziologie 13 (1984), 308 ff.; auch ders., ökologische Kommunikation, S. 101 ff.; P.M. Huber, ZRP 1994, 396 (396). 65
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Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
ge Auswirkungen hervorgerufen werden können 72 . Die zu ihrer Verhinderung und Beseitigung entstehenden Kosten dürfen nicht am Preissystem vorbeilaufen, sondern müssen in die betriebswirtschaftliche Einzelrechnung der beteiligten Wirtschaftssubjekte eingestellt werden. Daher soll jede Wirtschaftseinheit die Kosten tragen, die ihr für eine volkswirtschaftlich sinnvolle und schonende Nutzung der Umwelt zuzurechnen sind 73 . Es gilt, die tatsächliche Umweltbelastung einzelwirtschaftlich kostenpflichtig zu machen und aus Gründen der Vorsorge entsprechend der jeweils gegebenen Knappheit und den anspruchsvolleren Programmzielen sukzessiv zu verteuern, um die insgesamt für erforderlich erachteten Wiedergutmachungs- und Vermeidungsleistungen mit relativ geringen gesamtwirtschaftlichen Kosten zu erbringen 74. Das Verursacherprinzip besteht daher darin, „die Kosten zur Vermeidung, Beseitigung oder zum Ausgleich von Umweltbelastungen dem Verursacher" zuzurechnen 75. Demnach gehören zu den Kosten einer Wirtschaftseinheit nicht nur die zu eigenem Nutzen oder zur Begleichung der Summen, die der Staat für seine Aufwendungen im Hinblick auf diese Wirtschaftseinheit fordert, ausgegebenen Mittel, sondern auch die Kosten für die Schäden, die diese Einheit Dritten oder der Allgemeinheit durch umweltgefährdende Maßnahmen verursacht, mithin die sozialen Zusatzkosten76. Das Verursacherprinzip bildet allerdings nicht den einzigen Ansatz, um der zunehmenden Umweltbelastung gegenzusteuern.
I· Die Beschränkung auf die Selbstheilungskräfte des Marktes Nach dem Coase-Theorem 77 sind von außen in den Marktmechanismus eingreifende Steuerungsversuche schädlich. Aus der Sicht dieses Ansatzes sorgen die Beteiligten selbst für die Vermeidung von Schäden, sofern nur der Wettbewerb in vollem Umfang erhalten bleibt und keine Transaktionskosten, also den
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Etwa Leipert, in: Donner/Magoulas/Simon/Wolf, Umweltschutz zwischen Staat und Markt, S. 103 (113); Paefgen, NuR 1994,424 (427) m.w.N. 73 Umweltbericht der Bundesregierung von 1976, BT-Drucks. 7/5684, Tz. 6 (S. 8). 74 Hansmeyer/Schneider, Umweltpolitik, S. 49. 75 BMI, Umweltbrief Nr. 1, S. 2; ähnlich bereits Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, BT-Drucks. VI/2710, S. 6 (These 2), 10: Jeder, der die Umwelt belastet oder sie schädigt, soll für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufkommen." Ähnlich auch Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1692; aus der Lit. etwa Βaßeler/Heinrich/Koch, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, S. 685 ff. 76 Grundlegend Kapp, Volkswirtschaftliche Kosten der Privatwirtschaft; Michalski, Grundlegung eines operationalen Konzepts der Social Costs sowie Lauschmann, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 4/10 (1959), S. 193 ff.; Buchanan/Stubblebine, in: Economica 29 (1962), S. 371 ff. 77 Grundlegend Coase, The Journal of Law and Economics 3 (1960), 1 ff., übersetzt bei Assmann/Kirchner/Schanze (Hrsg.), ökonomische Analyse des Rechts, S. 146 ff.
§ 2 Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung
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üblichen Geschäftsablauf übersteigende Kosten, anfallen. Da sowohl Schädiger als auch Geschädigter im Sinne logischer Kausalität Verursacher sind, können beide etwas für die Vermeidung tun. Über den Markt als den Koordinationsmechanismus, der die billigste Kombination zwischen Produktion und Restverschmutzung zustandebringen wird, legen sie mittels Verhandlungen fest, wer für die Schäden verantwortlich ist. Dadurch werden eine effiziente Ressourcennutzung bzw. eine optimale Faktorallokation erreicht und volkswirtschaftliche Verluste minimiert. Umwelteinwirkungen wie das Artensterben sind auch auf der Geschädigtenseite oft nicht Einzelpersonen zurechenbar. Zudem steht gerade im Umweltbereich meist ein starker Verursacher vielen schwachen Verletzten gegenüber, die nicht über die Informationen, den Organisationsgrad und die finanziellen Mittel verfügen, um ohne (unerschwingliche) Transaktionskosten in Verhandlungen eintreten, geschweige denn die Sache in einer streitigen Auseinandersetzung vor Gericht bringen zu können 78 . Auch Modifikationen durch die Einräumung von Eigentumsrechten zugunsten der Verletzten, indem etwa ein Teil der Verhandlungskosten dem Schädiger auferlegt wird 79 , können dieses Ungleichgewicht nicht in einer Weise beeinflussen, daß ohne zusätzliche staatliche Steuerung eine volkswirtschaftlich optimale Vermeidung erzielt wird 80 . Vor diesem Hintergrund versprechen die Selbstregulierungskräfte des Marktes nur dann Erfolg, wenn durch staatliche Steuerung eine angemessene Berücksichtigung der Kosten zur Vermeidung und Behebung von Umweltschäden auch in der Kalkulation der einzelnen Wirtschaftseinheiten sichergestellt wird. Das Coase-Theorem, das eine solche Steuerung ausschließt, ist hingegen ungeeignet81.
Π. Allenfalls begrenzte Wirkung staatlicher Leistungsinstrumente Kontrastmodell zum gänzlichen Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes ist die Übernahme des Umweltschutzes in die staatliche Leistungsver78
Näher Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 25 f.; Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995,341 (353) m.w.N. aus der neueren wirtschaftswissenschaftlichen Literatur in Fn. 32. 79 Siehe v.a. Mishan, Costs of Economic Growth, S. 60 ff. 80 Siehe insbes. auch zu trotzdem geeignet erscheinenden Ansätzen auf der Basis des Coase-Theorems z.B. in Form von Haftungsverschärfungen, die die Position der Geschädigten (wenngleich nicht hinreichend zur Praktikabilität des Gesamtansatzes) verbessern, Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1974, Tz. 572 ff. (S. 157 f.). Die Privatisierung von Umweltgütern oder die Schaffung von individuellen Verfügungsrechten an ihnen als einzige Maßnahmen bewertet das private Interesse an der Erhaltung bzw. der schonenden Nutzung von Eigentum(srechten) wohl über, da dann in besonderem Maße auch kurzfristige und kurzsichtige Beweggründe eine Rolle spielen dürften. Zudem werden Bedenken im Hinblick auf die Verantwortung des Staates für die Verteilung knapper Gemeinschaftsgüter gesehen (Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 29 f.). 81 Krit etwa auch Weimann, Umweltökonomik, S. 42 ff. 3 Frenz
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Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
waltung. Als Mittel bieten sich die Eigenvornahme oder die Finanzierung des privaten Handelns durch Subventionszahlungen und Steuervergünstigungen zugunsten von Unternehmen und Konsumenten auf der Basis genau festgelegter Bedingungen an. Dies erfordert jedoch angesichts leerer öffentlicher Kassen kaum aufzubringende bzw. zu entbehrende Finanzmittel. Diese fielen auch relativ, nämlich im Vergleich zur Ausnutzung der Hebelwirkung von Anreizinstrumenten zur Stimulierung von Marktmechanismen, zu hoch aus. Die Adressaten von Transferleistungen werden ihr Verhalten nur bei einem vollen Ausgleich der ihnen selbst entstehenden Belastungen ändern 82, und bereits eine geringe Abweichung von diesem meist nur nach aufwendiger Informationsbeschaffung ermittelbaren Maß stellt den Erfolg der Maßnahme in Frage. Zudem besteht die Gefahr von Mitnahmeeffekten, daß also der Empfänger die Subventionen kassiert, obwohl er auch ohne sie sein Verhalten geändert hätte 83 . Weitergehend birgt eine Einwirkung lediglich von außen die Gefahr, daß der Marktmechanismus selbst als stärkste Kraft, die zugleich bei einer Fehlsteuerung am meisten Potential für Umweltverschmutzungen besitzt, im wesentlichen unangetastet bleibt, weil lediglich punktuell einige Anstöße erfolgen. Steuervergünstigungen als bloße Ermunterung zur Vornahme selbst finanzierter Investitionen ist demgemäß gegenüber anderen Leistungsinstrumenten die größere Wirkung beizumessen84. Sucht der Staat selbst und allein durch Eigenvornahme die Umweltschäden zu beseitigen und zu vermeiden, fehlt die Rückkoppelung zum Verursacher gänzlich 85 . Insgesamt sind daher staatliche Leistungsinstrumente zur Bekämpfung negativer Entwicklungen kaum geeignet86. Durch sie ist allenfalls eine zeitlich begrenzte Wirkung zu erzielen, außer man setzt solche dem Gemeinlastprinzip zuzuordnenden Mittel lediglich als Beimischung ein. So können Subventionen eine Stimulierung des Marktes mittels einer Anlastung von Kosten verstärken, indem kleinere Unternehmen erst in die Lage versetzt werden, hohe Vermeidungskosten in einem umweltpolitisch für erforderlich gehaltenen Zeitraum aufzubringen 87. Zudem kann das Gemeinlastprinzip unerwünschte Zieleinbußen an anderer Stelle verhindern oder doch zumindest abmildern 88 .
82
Umweltgutachten 1987, Tz. 169 (S. 71). Z.B. Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (352). 84 Näher Soell, Subvention oder Sonderabschreibung?, S. 18 ff. 85 Zum ganzen näher Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1770,1780 ff. (S. 539 f., 542 f.) sowie Meade, The Theory of Economic Externalities, 1973. 86 Näher etwa Cansier, Umweltökonomie, S. 140 ff. 87 Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 95; vgl. Ewringmann/Hoffmann, Möglichkeiten und Grenzen einer wassergütewirtschaftlich orientierten Schwerpunktförderung von Abwasserbehandlungsanlagen zur Sanierung des Rheins. 88 Soell, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 635 (649 f.). 83
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ΙΠ. Folgerung Einerseits erweisen sich die Selbststeuerungskräfte des Marktes allein nicht in der Lage, Umweltschäden zu vermeiden oder zu beseitigen. Andererseits versprechen staatliche Leistungsinstrumente allenfalls übermäßig teuer erkaufte Teilerfolge. Den Mittelweg bilden staatliche Anreize zur Stimulierung des Marktverhaltens aufgrund ihrer Hebelwirkung und der Möglichkeit einer tiefgreifenden und dauerhaften Veränderung individuellen Verhaltens. Solche Anreize werden geschaffen durch eine Kostenzurechnung an den Verursacher.
B. Entwicklung I. Herausbildung einer instrumentalistischen Konzeption Zunächst versuchte man, die Inanspruchnahme von Umweltgütern entsprechend ihrem durch die Gesellschaft beigemessenen Wert steuerlich umzulegen. Das war das Grundkonzept der im Jahre 1920 entwickelten Pigou-Steuer 89. Indes erwies sich die Zurechnung von Verursachungsbeiträgen an Einzelpersonen aufgrund bestehender Forschungslücken als äußerst schwierig. Man erkannte, daß eine exakte Bemessung entsprechend den Schädigungen, die einzelne Umweltgütern zufügen, nicht möglich ist. Auch sah man, daß die exakte Ermittlung eines Optimalpunktes, bei dem die Grenzkosten der Vermeidung dem Grenznutzen solcher Vermeidung, berechnet nach dem Wert der zusätzlichen Vermeidung der Umweltbelastung pro Einheit, entsprechen, praktisch undurchführbar ist 90 . Auf dieser Grundlage wurde 1971 durch Baumol und Oates der Standard-Preis-Ansatz vorgestellt 91: Zunächst wird ein bestimmter Umweltstandard bestimmt, der durch die Erhebung einer Abgabe erreicht werden soll; deren Höhe wird vorläufig festgelegt und dann nach dem trial-and-error-Verfahren angepaßt, bis der eine Verhaltensänderung herbeiführende Preis erreicht ist. An die Stelle einer solchen auf einem hohen Informationsstand beruhenden, mühevollen Ermittlung der richtigen Abgabenhöhe ist eine stark politisch geprägte, wertende Festsetzung bestimmter Abgabensätze getreten. Nur der
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Pigou, The Economics of Welfare, bes. S. 172 ff.; z.T. übersetzt bei Siebert, Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung, S. 23 ff. 90 Siehe etwa Wenders, Natural Resources Journal 12 (1972), 76 (77). Neuerdings Gelbhaar, Monetäre Sanktionen als Instrumente staatlichen Handelns, S. 246 f. 91 Baumol/Oates, in: The Swedish Journal of Economics 73 (1971), 42 ff., übersetzt bei Siebert, Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung, S. 169 ff.; auch dies., The Theory of Environmental Policy.
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
Kerngedanke, durch finanzielle Belastungen den einzelnen zu einem veränderten Verhalten anzuregen, ist geblieben92. Unterstützt wird das dadurch, daß keine einheitlichen, allgemein akzeptierten Forschungsraster und zu erreichende Zielvorgaben existieren. Das erfordert eine Abwägung und Bewertung auf unsicherer Tatsachengrundlage. Daher ist die Umweltpolitik auf einen subjektiven Weitmaßstab und damit auf die politische Fixierung von Umweltqualitätszielen und diese konkretisierende Standards angewiesen93. An die Stelle einer strikten, aber praktisch undurchführbaren Internalisierung sämtlicher durch Umweltbelastungen entstehender Kosten tritt eine instrumentalistische Konzeption 94 . Das Verursacherprinzip ist Mittel zum Zweck. Maßgeblich ist seine Geeignetheit im Einzelfall 95 . Die theoretischen Ansätze sind zweitrangig, werden flexibilisiert 96.
Π. Folgen für die einzubeziehenden Instrumente und ihren Einsatz Auf dieser instrumentalistischen Basis rückt die Wirksamkeit der in der Praxis eingesetzten Mittel in den Vordergrund. Entscheidend ist ihre Geeignetheit für die zu erreichenden Umweltziele 97 . Damit lassen sich ohne weiteres auch die zumindest für eine rasche und sichere Zielerreichung jedenfalls in einem Mindestmaß durchaus sehr geeigneten98 klassischen Instrumente staatlicher Ordnungspolitik namentlich in Gestalt von Geboten und Verboten 99 einschließ-
92
Dickertmann, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 33 (39 f.). Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1778 (S. 541 f.); ausdrücklich bestätigend Umweltgutachten 1987, Tz. 88 (S. 56), näher Tz. 75 ff. (S. 54 ff.); Umweltgutachten 1994, BTDrucks. 12/6995, Tz. 303 (S. 141); bereits Fritsch, Kyklos 15 (1962), 240 ff. 94 Umweltbericht der Bundesregierung von 1976, BT-Drucks. 7/5684, Tz. 6 (S. 8); Rehbinder, in: Festschrift für Böhm, S. 499 (507 ff., 511 ff.); R. Schmidt/H. Müller, Einführung in das Umweltrecht, § 1 Rn. 11. 95 Siehe nur Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 68 ff.; Wicke, Umweltökonomie, S. 129 ff., 165 ff. 96 Etwa Köck, DVB1. 1994, 27 (29); Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 84 ff. 97 Wicke, Umweltökonomie, S. 565 f. 98 Sie für die Abwehr ernster, irreversibler Schäden für unabdingbar haltend Umweltgutachten 1994, BT-Drucks. 12/6995, S. 140 (Tz. 300); Bericht der Enquete-Kommission „Schutz der Menschen und der Umwelt - Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft", BT-Drucks. 6954, S. 300 f.; Cansier, NVwZ 1994, 642 (643 ff.). Näher unten Teil ΙΠ § 2 A. 99 Davon geht die umweltökonomische Literatur selbstverständlich aus (etwa Weimann, Umweltökonomik, S. 185 ff.; Wicke, Umweltökonomie, S. 129). Ebenso Umweltgutachten 1994, BTDrucks. 12/6995, Tz. 297 ff. (S. 139 ff.) sowie bereits Umweltgutachten 1976, BT-Drucks. 7/5684, Tz. 6 (S. 8). 93
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lieh von (flankierenden 100) Geldstrafen und Bußgeldern 101 ebenso einbeziehen wie die staatliche Eigenvornahme, sofern nur die Kosten dafür letztlich der Verursacher trägt 102 . Wenn durch die ausschließliche Vorgabe von Normen über die Allokation im Einzelfall durch die Zuweisung von zulässigen Nutzungspotentialen politisch-administrativ und nicht marktwirtschaftlich entschieden wird, ist zwar der sich daraus ergebende Kostenrahmen vorgeprägt 103 . Eine Verhaltensänderung erfolgt auch ohne eine Berücksichtigung der entsprechenden Kosten in der betriebswirtschaftlichen Einzelrechnung allein aufgrund des gesetzlichen Befehls und damit durch Zwang, also unabhängig von einer Internalisierung externer Kosten, wie es dem theoretischen wirtschaftswissenschaftlichen Konzept des Verursacherprinzips entspricht 104 . Allein durch die Befolgung normativer Vorgaben und staatlicher Anordnungen entstehen den Betroffenen indes Kosten, die sie in ihrer betriebswirtschaftlichen Einzelrechnung und damit im Preis berücksichtigen werden. Auch wenn sich bei einem Reagieren auf Zwang die Kostenbelastung erst als Folge und nicht als Grund einer Verhaltensanpassung darstellt, so erfolgt doch faktisch eine Kostenzurechnung. Zumindest wirkt also das Ordnungsrecht internalisierend 105. Jedenfalls vom Effekt der Kostenzurechnung an den Verursacher und einer Freihaltung der Allgemeinheit von diesen Kosten entspricht damit auch das Ordnungsrecht dem Muster des Verursacherprinzips in seinem wirtschaftswissenschaftlichen Ursprung. Zudem ist es möglich, daß nicht nur der staatliche Zwang, sondern auch die bei seiner Befolgung zu erwartende Kostenbelastung als solche bereits dazu beiträgt, ein Verhalten zu vermeiden oder Umweltbelastungen z.B. in Form von Abwassereinleitungen zu reduzieren. - Der Normbefehl bewirkt vielfach wenig, wenn kein wirksames Sanktionssystem hinzutritt. Bei der Existenz monetärer Sanktionen ist es aber weitgehend eine Frage der Kostenrechnung, ob die Gefahr, wegen einer Nichtbefolgung staatlicher Anordnungen entdeckt und mit Bußen oder Strafen belegt zu werden, in Kauf genommen wird 1 0 6 . Eine dauerhafte und durchgehende Verhaltensänderung wird zudem regelmäßig nur dann eintreten, wenn sie sich die Betroffenen verinnerlicht haben, so daß sie aus Überzeugung handeln, bzw. wenn das gewollte Verhalten 100 Geldstrafen können auch Abgaben- und Zertifikatlösungen begleiten, Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (344). 101 Dazu umfassend Gelbhaar, Monetäre Sanktionen als Instrumente staatlichen Handelns, passim; Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995,341 ff. 102 Siehe bereits den Umweltbericht der Bundesregierung von 1976, BT-Drucks. 7/5684, Tz. 6 (S. 8), aber auch Teil I § 4 A. 103 Daher die Einordnung unter das Verursacherprinzip als ökonomisches Steuerungsprinzip bezweifelnd Hansmeyer/Schneider, Umweltpolitik, S. 48. 104 Näher Gawel, ZfU 1996,521 (526 ff.). 105 Gawel, ZfU 1996,521 (537), der daher aus pragmatischen Erwägungen zur Internalisierung durch ordnungsrechtliche Lösungen gelangt (im einzelnen S. 531 ff.). 106 Näher Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (344 ff.).
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zum allgemeinen Verhaltenskodex gehört, so daß ein Abweichen mit sozialer Mißachtung bestraft wird 1 0 7 . Daraus folgt auch die Bedeutung einer Gewöhnung daran, daß die Kosten für bestimmte Maßnahmen der Verursacher tragen muß, auch wenn diese Belastung eine Folge staatlichen Zwangs ist. Schließlich kommen auch die unumstritten vom Verursacherprinzip umfaßten Abgaben jedenfalls so lange, wie ihre Zahlung nicht selbstverständlich ist, ohne Kontrolle und ggf. Zwang nicht aus. Zwang als solcher schließt also eine Zurechnung zum Anwendungsbereich des Verursacherprinzips nicht aus. Daneben ist es eine Frage der Regelungstechnik, inwieweit den Betroffenen Freiheit zu wirtschaftlicher Gestaltung bleibt. Bei lediglich rahmensetzenden, sog. weichen Eingriffsnormen besteht etwa ein erheblicher Raum für eine Ausfüllung durch Marktmechnismen 108 . Neben ordnungsrechtlichen oder Auflagenlösungen werden in den Wirtschaftswissenschaften als weitere Verwirklichungstypen vor allem Abgaben und Zertifikate unterschieden 109. Die Palette ist aber offen für weitere Modelle, so etwa die Statuierung von Haftungstatbeständen Privaten gegenüber 110. Bei den Abgaben belastet der Staat bestimmte Vorgänge wie den Kauf oder Verbrauch eines Produkts oder die Hervorrufung von Emissionen finanziell, damit die Adressaten diesen Vorgang infolge der Verteuerung vermindern. Beim Zertifikatmodell 111 setzt der Staat eine Höchstmenge für Emissionen einer bestimmten Art fest, die er dann in registrierte Kontingente aufteilt und in Form von Zertifikaten vergibt, woraus dann die Erlaubnis zum Schadstoffausstoß in Höhe der in dem Zertifikat verbrieften Menge folgt. Diese Zertifikate sind handelbar. Dadurch bildet sich ein Marktpreis, der eine Verringerung der lizenzierten umweltschädlichen Aktivitäten bewirken soll. Ist für den Einsatz des Verursacherprinzips seine Geeignetheit im Einzelfall maßgeblich 112 , bestimmt diese auch, in welcher Verwirklichungsform es eingesetzt wird 1 1 3 . Daher bedarf es bei der Auswahl des für eine konkrete Situation adäquaten Instruments eines Wirksamkeitsvergleichs, der dann die zu ergrei-
107
Im einzelnen Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (355 f.) m.w.N. Siehe vorerst Gawel, DV 28 (1995), 201 (207, 210 ff.). Näher unten Teil ΠΙ § 2 A. 109 Z.B. Kemper, Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft, S. 33 ff.; Weimann, Umweltökonomik, S. 104, 109 ff.; im Ausgangspunkt auch Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 26 ff. 110 Dazu Teil I § 4 CH. 111 Siehe etwa Cansier, in: HdUR Bd. Π, Sp. 943 ff.; Wasmeier, NuR 1992,219 ff. Näher unten Teil ΠΙ § 2 B. 112 Oben B.I. 113 Siehe Umweltgutachten 1994, BT-Drucks. 12/6995, Tz. 354 (S. 154); Buttgereit, ökologische und ökonomische Funktionsbedingungen umweltökonomischer Instrumente, S. 120 f. 108
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fende Maßnahme determiniert. Ohne weiteres denkbar und vielfach effektiver ist auch die Koppelung mehrerer Verwirklichungsformen 114 .
C. Übernahme in die Rechtswissenschaft I. Entwicklung Das Verursacherprinzip wurde insbesondere mit den Arbeiten von Bullinger 115 und Rehbinder 116 in die Rechtswissenschaft übernommen und ist mittlerweile als rechtspolitisches Prinzip des Umweltrechts fest anerkannt 117. Im Entwurf für ein Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil 1 1 8 ist es als Grundsatz des Umweltschutzes in § 5 Abs. 1 aufgenommen: „Wer eine Umweltbeeinträchtigung, eine Umweltgefahr oder ein Umweltrisiko verursacht, ist dafür verantwortlich." Nur wenn „ein Verursacher oder ein sonstiger Verantwortlicher nicht vorhanden, nicht oder nicht rechtzeitig feststellbar oder seine Inanspruchnahme unbillig" ist, „so ist die Allgemeinheit verantwortlich" (§ 5 Abs. 2). Zu Beginn seiner Übernahme in die Rechtswissenschaft wurde das Verursacherprinzip entsprechend seiner internationalen Fassung als polluter-paysprinciple und principe pollueur-payeur auf eine Kostenzurechnungsfunktion beschränkt 119. Dagegen erstreckt es sich nach heute herrschender Auffassung 120 auf die materielle Verantwortlichkeit. Auch in dem Entwurf eines Allgemeinen
114
Näher unten Teil ΙΠ § 2 A. sowie vorerst insbes. Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, passim. 115 In: Bullinger/Rincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprizip, S. 69 ff. 116 Probleme des Verursacherprinzips. 117 Etwa Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 433 (443); Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, S. 83 f.; R. Schmidt/H. Müller, Einführung in das Umweltrecht, § 1 Rn. 10; zur Entwicklung im einzelnen Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 86 ff.; krit Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1703; Schottelius, in: Festschrift für Weitnauer, S. 397, bes. 406 ff.; Ladeur, ZfU 1987, 1 (21); Adams, JZ 1989, 787 ff.; dagegen Kirchgässner, JZ 1990,1042 ff. 118 Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teü, S. 40 mit Erläuterungen S. 145 ff. 119 Bullinger, in: dersVRincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprinzip, S. 71 f.; ebenso Gässler, Umwelt (VDI) 2/1972, 6 (6); von Lersner, Umwelt (VDI) 1/1971, 10 (11); ders., KA 19 (1972), 268 (268). 120 Etwa Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 433 (443); R. Schmidt/ H. Müller. Einführung in das Umweltrecht, § 1 Rn. 10; siehe bereits Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 36, 121; ders., in: Salzwedel, Umweltrecht, S. 96; Kloepfer, DÖV 1975, 593 (595); J. Schmidt, AcP 175 (1975), 222 (224 f.); Barde, in: Durchsetzung des Verursacherprinzips im Gewässerschutz, S. 91 und Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1974, S. 157; anders noch Sendler, JuS 1983, 255 (257); Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, S. 84.
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Teils des Umweltgesetzbuches ist das Verursacherprinzip festgelegt, ohne auf eine bloße Kostenzurechnungsfunktion beschränkt zu sein.
II. Formtypik Das Verursacherprinzip wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur weiterhin in drei Formen unterschieden 121. 1. Anlastung der Vermeidungskosten Die erste Form des Verursacherprinzips ist die, daß der Verursacher für die Vermeidungskosten aufzukommen hat, d.h. für die Kosten, die durch eine Begrenzung der Umweltbelastung auf ein bestimmtes Maß bedingt sind. Diese Belastung kann sich auf die „Ist-Vermeidungskosten" beschränken, also auf die effektiv entstehenden Vermeidungs-, Verminderungs- und Beseitigungskosten. Sie kann sich aber auch auf die „Soll-Vermeidungskosten" erstrecken, die zur pflichtgemäßen Begrenzung einer Umweltbelastung hätten aufgewendet werden müssen. In beiden Varianten soll für den Verursacher ein Anreiz bewirkt werden, eine Umweltbelastung erst gar nicht entstehen zu lassen. Über einen solchen Anreiz hinaus geht eine Forcierung der Kostenlast für den Verursacher, die durch eine zwangsgeldähnliche Belastung zu einer Vermeidung von Umweltbelastungen zwingt 122 . Damit sind allerdings Zwangsgelder von diesem Ansatz nicht a priori ausgeschlossen. Das richtet sich nach ihrer Bemessung. Ein Ansatz ist, daß sich monetäre Sanktionen an den vom Täter für ein korrektes Verhalten aufzubringenden Kosten und damit an den „Soll-Vermeidungskosten" orientieren 123 . Soweit die Bemessung tatorientiert vorgenommen wird und sich nach den durch das normverletzende Verhalten verursachten Schäden und Kosten richtet, erfolgt zwar auch eine (Quasi-) Internalisierung externer Kosten 124 , aber nur bezogen auf die Wiedergutmachungskosten in Gestalt substituierter „Ist-Vermeidungskosten", im übrigen indes in Form einer Bemessung nach den sozialen Zusatzkosten.
121 Diese Einteilung wird für die Rechtswissenschaft erstmals gebraucht von Bullinger, in: dersTRincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprinzip, S. 70 f. Näher Oberhauser, ebda, S. 44 ff. Aus neuerer Zeit Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 433 (443); Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, S. 95; Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 93; Kloepfer, in: dersVRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 146, unter Betonung der Flexibilität der Handhabung. 122 Bullinger, in: dersTRincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprinzip, S. 71, bezeichnet sie als,Abart". 123 Siehe Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995,341 (351). 124 Gelbhaar, Monetäre Sanktionen als Instrumente staatlichen Handelns, S. 46.
§ 2 Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung
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2. Theorie der sozialen Zusatzkosten Bei der zweiten Form des Verursacherprinzips muß der Auslöser nicht nur die Kosten zur Vermeidung von Umweltbelastungen tragen, sondern auch die aus solchen Belastungen resultierenden Schäden finanziell ausgleichen. Das gilt auch dann, wenn diese Belastungen von Seiten des Staates hingenommen wurden. Indem so dem Verursacher nicht nur die Vermeidungskosten angelastet werden, sondern auch die Kosten für Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Allgemeinheit, trägt er auch die sozialen Zusatzkosten125. 5. Theorie der Umweltnutzung gegen Entgelt Eine andere Form einer gesamtwirtschaftlich orientierten Kostenbelastung der einzelnen Wirtschaftseinheiten beeinhaltet der dritte Ansatz, die „Theorie der Umweltnutzung gegen Entgelt" oder vereinfacht die „Theorie des Nutzungsentgelts"126. Für die Nutzung der Umwelt wird deshalb ein Entgelt erhoben, weil sie als öffentliches Gut angesehen werden muß, dessen Überbeanspruchung entgegenwirkt werden soll. Demgemäß bemißt sich die Höhe des Nutzungsentgelts entsprechend der Knappheit des betroffenen Umweltgutes danach, daß für den Benutzer im Durchschnitt ein genügender Anreiz besteht, den Gebrauch in dem Umfang zu beschränken, in dem gesamtwirtschaftlich die Kosten der Vermeidung einer Umweltbelastung den Gewinn für die Umweltqualität nicht übersteigen (volkswirtschaftliches Optimum).
4. Kritik Die Unterscheidung nach den theoretischen Ansätze hinkt indes der wirtschaftswissenschaftlichen Entwicklung und den praktischen Gegebenheiten hinterher. Das Verursacherprinzip ist mittlerweile 127 instrumentalistisch konzipiert. Daher werden die Mittel weniger nach dem theoretischen Ansatz als nach der Wirksamkeit beurteilt. Zudem sind die drei genannten Ansätze bei praktischen Verwirklichungen bzw. Vorschlägen nicht mehr voneinander getrennt 128 .
125
Zu diesen oben § 2 A. Insbes. Bullinger, in: dersTRincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprinzip, S. 70; ders., in: Festschrift für W. Weber, S. 663 (666 ff.) m.w.N. in Fn. 13. 127 Zur Entwicklung oben § 2 B. 128 Siehe etwa den Entwurf der Grünen in der von Steenblock/Fischer/Heyne/Hustedt/Scheel/ Schmidt aufgestellten Fassung für den Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform vom 18.5.1995, A. (1) und (2). Ausführlich Gawel, Umweltpolitik durch gemischen Instrumenteneinsatz, bes. S. 84 ff.; auch Wicke, Umweltökonomie, S. 191 ff. Siehe auch Teil I § 4 B.IV. 126
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Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
§ 3 Sozialethische Betrachtung des Verursacherprinzips Aus sozialethischer Warte kann das Verursacherprinzip auf den Gerechtigkeitsgedanken zurückgeführt werden 129 : Daß dem Verursacher die Kosten von Umweltbelastungen angelastet werden, erscheint als Ausfluß der Lasten- und Verteilungsgerechtigkeit. Dieser Gesichtspunkt kann indes in Übereinstimmung mit dem Sozialstaatsgedanken auch im Sinne einer sozialverträglichen Inanspruchnahme verstanden werden. Die Leistungsfähigkeit erwüchse dann zum maßgeblichen Kriterium 130 . Eine möglichst weitgehende Kostenanlastung läßt unter diesem Blickwinkel das Bedenken entstehen, daß die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Verursacher vernachlässigt wird 1 3 1 . Zumindest die Wirtschaftsschwachen könnten dann nicht in vollem Umfang mit den durch sie hervorgerufenen Kosten belastet werden. Dieses Ergebnis deckt sich mit der auf wirtschaftswissenschaftlicher Grundlage entwickelten Überlegung, Subventionen zugunsten finanziell schwacher Verursacher als Beimischung zur Kosteninternalisierung einzusetzen, um diese Gruppe zu einer Verhaltensänderung zu befähigen 132 . Aber auch wenn man mit dieser Abschwächung die Anlastung von Umweltkosten an den Verursacher auf den Gerechtigkeitsgedanken zurückführt, bleibt das Bedenken, daß Sonderlasten für eine bestimmte verursachende Gruppe auch solche Mitglieder dieses Personenkreises treffen, die selbst nicht schädigend in Erscheinung treten 133 . Das ist aber eine Frage der Umsetzung des Verursacherprinzips, die auch durch individualbezogene Gebote erfolgen kann, und seiner Ausgestaltung etwa durch Befreiungen oder niedrigere Belastungen für umweltschonend Handelnde. Wirkt sich eine Sonderlast auch auf NichtSchädiger aus, kann das auch auf die schwierige Ermittelbarkeit von Verursachungsbeiträgen zurückzuführen sein. Dann aber stellt sich aus Sicht des Gerechtigkeitsgedankens die Frage, ob die Belastung einiger NichtSchädiger aus einer potentiell verursachenden Gruppe nicht doch der Lastentragung durch die Gesamtheit der Steuerzahler vorzuziehen ist. Eine nähere Klärung dieser Fragen wird auf juristischer Basis durch eine Einkleidung der für sich selbst gesehen eher vagen Gerechtig-
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Kloepfer, in: dersTRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil,
S. 150. 130 Dazu aus steuerrechtlicher Sicht BVerfGE 66, 214 (222 f.); Birk, Leistungsfilhigkeitsprinzip; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, S. 42 ff. sowie spezifisch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip BVerfGE 61,319 (343); 36,66 (72) m.w.N. 131 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 33; im Hinblick auf Umweltsteuern Birk, in: Rose, Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351 (369); Lang, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 (158 f.). 132 Siehe oben §2 Α.Π. a.E. 133 Von Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (320) m.N.
§ 4 Verwirklichung
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keitsvorstellungen in die diese konkretisierenden verfassungsmäßigen Vorgaben namentlich aus Art. 3 Abs. I 1 3 4 und 20 Abs. 1 GG 1 3 5 versucht. Zwingt eine Sonderlast ihr nicht gewachsene Unternehmen zur Aufgabe, bleiben die insoweit widerstandsfähigsten und damit zu Anpassungen im Sinne des mit der Sonderlast verfolgten Zieles fähigsten Betriebe erhalten. Überleben damit die produktivsten Betriebe, entspricht dieses Ergebnis als Belohnung für den im Interesse aller liegenden wirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt dem Gerechtigkeitsgedanken 136.
§ 4 Die Verwirklichung des Verursacherprinzips im geltenden Umweltrecht A. Untersuchungsgegenstand Ausgangspunkt der Umsetzung des Verursacherprinzips in das geltende Recht waren politische Erklärungen. Im Umweltprogramm von 1971 bekannte sich die Bundesregierung erstmals zur Durchsetzung des Venirsacherprinzips:, Jeder, der die Umwelt belastet oder sie schädigt, soll für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufkommen" 137 . Als reines Kostenzurechnungsprinzip interpretiert138, kam jedenfalls in anderen offiziellen Erklärungen aus dieser Zeit zum Ausdruck, daß auch andere Maßnahmen umfaßt sein sollten 139 . Indes hat sich in den weiteren Umweltprogrammen der Bundesregierung das Verständnis als bloßes Kostenzurechnungsprinzip noch deutlicher herauskristallisiert 140. Dies steht allerdings im Gegensatz zu den ausdrücklich auf das Verursacherprinzip gestützten Normwerken, die Handlungs- und Vermeidungsgebote enthalten141.
134
BVerfGE 33,303 (334 f.). Dazu Teil Π § 7 B. Siehe Teü Π § 5 C.IH.2. 136 Von Arnim, in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, S. 725 (739). 137 BT-Drucks. VI/2710, S. 6 (These 2), 10. 138 Siehe BMI, Vorbemerkungen zu den „Verbindlichen Erläuterungen" des Verursacherprinzips, in: Umweltbrief 1, S. 2. 139 Insbes. in der „Empfehlung des Rates vom 3. März 1975 über die Kostenzurechnung und die Intervention der öffentlichen Hand bei Umweltschutzmaßnahmen" (ABl. 1975 Nr. L 194, S. 1, sog. Verursacherprinzip-Empfehlung) und im Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz von 1973 (ABl. 1973 Nr. C 112, S 6) und für die Jahre 1977 bis 1981 (ABl. 1977 Nr. C 139, S. 7, 38); vgl. Behrens, EuR 1977, 240 (244 ff.) m.w.N., aber auch das Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1982-1986) (ABl. 1983 Nr. C 46, S. 3 ff.), in dem das Verursacherprinzip nicht mehr ausdrücklich erwähnt wird. 140 Umweltbericht der Bundesregierung von 1976, BT-Drucks. 7/5684, Tz. 6 (S. 8); Umweltbericht 1990, BT-Drucks. 11/7168, S. 127. 141 Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz; siehe BTDrucks. 12/5672, S. 1. 135
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Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
Eine solche Verengung widerspräche auch der aufgezeigten 142 instrumentalistisch-pragmatischen Konzeption des Verursacherprinzips. Eine Kostenpflicht dem Staat gegenüber dient höchstens als Mittel zum Zweck und ist daher nicht der alleinige Maßstab. Ziel auch der Handlungs- und Vermeidungsgebote zu Lasten der Verursacher von Umweltbelastungen ist die Erhaltung und Verbesserung der Umweltqualität. Eine Trennung dieser auf dasselbe Ziel gerichteten Handlungsformen erscheint künstlich und inkonsequent143. Vermeidungsgebote und Vermeidungseffekte über die Anreizwirkung von Abgaben sind auf diese Weise lediglich Alternativen im Rahmen des Verursacherprinzips zur Durchsetzung umweltpolitischer Vermeidungsziele. Eine Separierung widerspräche auch dem System des Polizei- und Ordnungsrechts. Dieses sieht ebenfalls staatliche Maßnahmen gegen denjenigen vor, der eine Gefahr bzw. Störung verursacht 144, mithin gegen den „Verursacher" 145 . Das Umweltrecht, in dem das Verursacherprinzip bislang angesiedelt ist, entstammt als Recht zur Gefahrenabwehr und -Vermeidung dem Polizei- und Ordnungsrecht. Daraus folgen verschiedene Verbindungslinien. In diesem Zusammenhang besonders bedeutsam ist das Heranziehen der polizeirechtlichen Regelung der Verantwortlichkeit, wenn diese in Umweltgesetzen nicht eigens bestimmt ist 1 4 6 . Von daher 147 erscheint eine parallele Betrachtung der Inanspruchnahme dessen, der eine Gefährdung verursacht, angezeigt. Das Polizeiund Ordnungsrecht aber ist beherrscht von der Verantwortlichkeit des Störers. Vermag er selbst nicht eine Gefahr zu beseitigen und müssen an seiner Stelle staatliche Beamte oder nicht verantwortliche Dritte tätig werden, kann er zum Ersatz der dafür erforderlichen Kosten herangezogen werden 148 . Vor dem aufgezeigten Hintergrund sollen im folgenden auch und gerade die Regelungen erörtert werden, die Handlungs- oder Vermeidungspflichten enthalten. Einzubeziehen sind aufgrund ihrer Präventionswirkung auch Haftungsvorschriften 149 . Weitergehend ist das Verursacherprinzip, wie bereits dargelegt 1 5 0 , als eines der drei bestimmenden Prinzipien des Umweltrechts anerkannt. 142
Oben § 2 B. Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 433 (443); Kloepfer, in: dersVRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 146. 144 Siehe § 6 Abs. 1 PolG BW; § 4 Abs. 1 PolG NW. 145 So ausdrücklich die Überschrift im Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg, § 6 Abs. 1 PolG BW sowie Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 242. 146 Kloepfer, in: dersTRehbindei/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 151. 147 Ygj a u c h Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 35, der auf die Rezeption des Verursacherprinzips abstellt. 148 Etwa § 57 PolG BW; Art. 72 BayPAG; § 69 HSOG; § 85 NGefAG; § 57 SächsPolG. 149 Vitzthum/Geddert-Steinacher, Standortgefährdung, S. 119 sowie aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht bereits oben § 2 B. Näher unten Teil I § 4 C .Π. 150 Oben §§ lB.I., 2.C.I. 143
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Das spricht dafür, auch die gesetzlichen Vorschriften in die Untersuchung einzubeziehen, die nicht explizit auf das Verursacherprinzip gestützt sind, jedoch in der Sache den Verursacher in Anspruch nehmen. Insoweit ist zumindest im Ergebnis das Verursacherprinzip verwirklicht, wenn es nicht schon vom Normgeber selbstverständlich zugrundegelegt und nur nicht eigens in der Gesetzesbegründung erwähnt wurde.
B. Zugrundezulegende Typologie I. Sachgebietsbezogen Eine materienorientierte Untergliederung 151 zeigt zwar die gesamte Palette der Bereiche deutlich auf, in denen das Verursacherprinzip bereits verwirklicht ist. Sie vermag aber schwerlich ein von den Besonderheiten der jeweiligen Materie losgelöstes System des Verursacherprinzips zu formen. Sie kann kaum gebietsübergreifende Grundstrukturen des Verursacherprinzips herausschälen und hat im wesentlichen deskriptiven Charakter.
Π. Nach der Wahrscheinlichkeit der bekämpften Ursache Eine Einteilung der verschiedenen dem Verursacherprinzip unterliegenden gesetzlichen Regelungen je nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit der zu bekämpfenden Ursache nähme zum maßgeblichen Kriterium das Hauptproblem der Umsetzung des Verursacherprinzips 152. Sie wäre dann auch von juristischer Relevanz, wenn die Begründungslast des Gesetzgebers bei wegen der schweren Durchdringbarkeit der Materie anzustellenden komplizierten Prognosen vermindert wäre, ihm mithin ein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zustünde153. Die Bestimmung der Grenze, ab wann Unsicherheiten im tatsächlichen Bereich ein bestimmendes Gewicht erlangen, gestaltet sich indes schwierig und fließend. So können Unsicherheiten auch einzelfallbezogen sein und bereichsweise auftreten. Beispielsweise läßt sich die Herkunft von Abfällen bei einer geordneten Einsammlung in Behältern relativ leicht bestimmen, außer Stoffe werden wild abgelagert. Demgegenüber ist es generell problematisch, die Umweltverträglichkeit bestimmter Entsorgungsverfahren einzuschätzen. Insbesondere bereitet Schwierigkeiten, den Vorteil hinsichtlich der Umweltverträglich-
151 Kloepfer/Meßerschmidt, Harmonisierung, S. 75 ff.; für das Kooperationsprinzip Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 15 ff. 152 Siehe oben § 2 B. sowie näher unten Teü ΙΠ § 4. 153 So BVerwGE 70, 318 (332, 335); dazu näher unten Teü Π § 1 C.
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
keit in Beziehung zu den Mehrkosten und damit etwa zur stärkeren Belastung der Erzeuger bzw. Besitzer von Abfällen zu setzen, mithin die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme zu ermitteln. Wegen dieser unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgrade auch innerhalb einzelner Sachgebiete verspricht eine Einteilung nach dem Maß des Auftretens tatsächlicher Unsicherheiten wenig Ertrag. Zudem ist eine pauschale Reduzierung der Begründungslast des Verordnungsgebers und der rechtsanwendenden Verwaltung allein aufgrund von Unwägbarkeiten im tatsächlichen Bereich zumindest in grundrechtsrelevanten Feldern vom Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung abgelehnt worden 154 . Nach dieser genügt jedenfalls bei grundrechtsrelevanten Eingriffen auch eine normative Eröffnung allein nicht, sondern eine besondere Rechtfertigung ist erforderlich 155 . Dann könnte sich indes nach deren Vorhandensein eine Klassifizierung der verschiedenen Umsetzungen des Verursacherprinzips richten. Das Bestehen einer solchen Rechtfertigung muß aber regelmäßig erst näher erschlossen werden. Diese Untersuchung kann nicht losgelöst von den im konkreten Fall gefährdeten Rechtsgütern erfolgen. Von daher ist wiederum die Gefahr einer schwankenden und fließenden Beurteilung gegeben, so daß eine sichere Abgrenzung nicht möglich ist.
ΙΠ. Parallel zu den theoretischen Ansätzen Das Verursacherprinzip wird in der Rechtswissenschaft, wie dargelegt 156 , bislang unterteilt in die Anlastung der Vermeidungskosten, die Theorie der sozialen Zusatzkosten und der Umweltnutzung gegen Entgelt. Juristische Konsequenzen ergeben sich zwar nicht unmittelbar aus den den verschiedenen Varianten zugrundeliegenden Motivationen, aber aus der daraus fließenden unterschiedlichen Wirkungsweise. Bei der Überwälzung der sozialen Zusatzkosten muß der Verursacher die vom Staat hingenommenen Umweltbelastungen finanziell ausgleichen, so daß aus diesem Typ nur Zahlungspflichten resultieren können. Diese können dem Staat gegenüber bestehen, aber auch zugunsten Privater statuiert werden, die Schäden an ihren Rechtsgütern durch Umweltbelastungen erlitten haben. Auch die Umweltnutzung gegen Entgelt führt nur zu Zahlungspflichten. Wird die Umwelt als öffentliches Gut angesehen, steht für ihre Nutzung der Allgemeinheit ein Ausgleich zu. Eine Steuerung kann aber auch dadurch erfol154 BVerfGE 85, 36 (59 ff.); 84, 34 (50); ihm folgend BVerwGE 91, 211 (215, 217); 91, 262 (265 ff.). 155 BVerfGE 84, 34 (49 ff.); 84, 59 (77 ff.); zum ganzen Schulze-Fielitz, JZ 1993,772 ff.; krit. Sendler, DVB1.1994,1089 ff. 156 Oben § 2 C.n.
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gen, daß der Staat Nutzungsrechte vergibt und im Gefolge davon ein Zertifikathandel unter Privaten entsteht. Die Anlastung der Vermeidungskosten kann zwar auch durch Zahlungspflichten dem Staat gegenüber erfolgen, indem dieser Geld einzieht, um für eigene bereits getätigte Schadensbeseitigungs- oder -vermeidungsaufwendungen Ersatz zu erlangen - Ist-Vermeidungskosten - oder aber für künftige Maßnahmen die finanzielle Basis zu schaffen - Soll-Vermeidungskosten. Zugleich aber können die Vermeidungskosten durch die Statuierung von Verhaltenspflichten und Vermeidungsgeboten, deren Kostenlast die Adressaten der normativen Anordnung zu tragen haben, dem Verursacher auferlegt werden. Er kann sie auch durch Schadensersatzpflichten Privaten gegenüber zu tragen haben. Von daher ergeben sich bei einer Einteilung parallel zur in der Rechtswissenschaft vorherrschenden Typologie Überschneidungen in der rechtlich relevanten Wirkungsweise von staatlichen Maßnahmen, die auf die aufgezeigten verschiedenen Ansätze des Verursacherprinzips gestützt sind. Zudem entspricht sie nicht mehr der tatsächlichen Entwicklung 157 .
IV. Die Maßgeblichkeit der rechtstechnischen Umsetzung Eine Unterscheidung nach der gewählten Handlungsform bietet aus rechtswissenschaftlicher Perspektive den Vorteil, daß sich daraus je nach Wirkungsweise dieses Instruments Unterschiede in der Beurteilung der Auswirkungen auf die Grundrechte ergeben. Verhaltensbeeinflussung durch direkte Gebote oder durch „weichere" Abgabenlösungen beeinträchtigt die Grundrechte in unterschiedlicher Weise und bedarf daher auch jeweils besonderer rechtlicher Beurteilung. Deshalb gilt es, bei der Systematisierung der Verwirklichungsformen des Verursacherprinzips auf dessen rechtstechnische Umsetzung abzustellen, mithin auf die Statuierung von Vermeidungs- und Verhaltensgeboten bzw. die Anordnung von Zahlungspflichten Privaten oder dem Staat gegenüber bzw. die Einführung eines Zertifikatmodells. Vermeidungs- und Verhaltensgebote lassen sich in einer Gruppe zusammenfassen, da in beiden Fällen Verhaltenspflichten auferlegt werden. Vermeidungsgebote enthalten die Verpflichtung, etwas nicht zu tun, ordnen also ebenfalls ein bestimmtes Verhalten an. Durch diese Einteilung gelangt zugleich die bei Bejahung eines Eingriffs für die rechtliche Zulässigkeit maßgebliche Sicht des Betroffenen zu entscheidender Bedeutung. Indes wird in der folgenden Erörterung auch noch eine Einordnung in die gebräuchliche rechtswissenschaftliche Klassifikation vorgenommen. Dadurch
157
Siehe oben § 2 C.n.4.
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
wird einmal der Bezug zur herkömmlichen Unterscheidung hergestellt. Vor allem aber folgt aus den unterschiedlichen Motivationen auch eine unterschiedliche finanzielle Belastung der Inanspruchgenommenen. Aus der Anlastung der Vermeidungskosten folgt die Überwälzung konkreter, einzelfallbezogener, tatsächlich entstandener oder voraussichtlich entstehender Kosten. Das erfolgt durch die Notwendigkeit, die Erfüllung von Verhaltenspflichten zu finanzieren, aber auch durch die Pflicht, anderen entstandene Schäden i m Wege zivilrechtlicher Haftung abzugleichen. Unter diese Gruppe fallen als Zahlungspflichten dem Staat gegenüber Gebühren und Beiträge. Die Theorie der sozialen Zusatzkosten zielt auf eine Anlastung aller Kosten, die aus Schäden durch Umweltbelastungen erwachsen, also auch der mittelbar entstehenden und nicht auf einen konkreten Fall bezogenen Kosten 158 . Das ist i m Rahmen von Steuern und insbesondere von Sonderabgaben denkbar. Die Umweltnutzung gegen Entgelt schließlich führt zu einer knappheitsbezogenen Bemessung einer zu zahlenden Summe. Für sie stellt sich, wenn die Zahlung dem Staat gegenüber erfolgt, die Frage der rechtlichen Zulässigkeit und Einordnung in die Kategorie der Gebühr oder der Sonderabgabe oder der Steuer 159 . Zertifikatlösungen führen über den Markt j e nach der Menge der vom Staat in Umlauf gebrachten Zertifikate zu einem Knappheitspreis. Sie bedürfen der näheren Qualifikation und Einfügung in die bundesdeutsche Rechtsordnung 160 . Während die angelasteten Vermeidungskosten betragsmäßig leicht ermittelbar sind und sich vom wirtschaftswissenschaftlichen Ansatz her nach festen Größen richten, besteht nach der ökonomischen Betrachtung für die Bemessung der Kosten, die nach der Theorie der sozialen Zusatzkosten und der Umweltnutzung gegen Entgelt auferlegt werden, ein großer Spielraum. Bei einer instrumentalistischen Verwirklichung der Theorie der sozialen Zusatzkosten obliegt dem Staat die Entscheidung darüber, welche Kostenpunkte er überwälzt. Bei der Umweltnutzung gegen Entgelt richten sich die Kosten nach der von ihnen ausgehenden Anreizwirkung für die Vermeidung der Nutzung des entsprechenden Umweltgutes. Gerade für diese beiden Ansätze stellt sich daher die Frage, inwieweit rechtliche Grenzen für eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bestehen. Diese richten sich aber in erster Linie nach der gewählten Handlungs- bzw. Abgabenform.
C. Systematisierung Vor dem vorgenannten Hintergrund ist Ziel in erster Linie eine Systematisierung danach, ob eine Verhaltenspflicht statuiert wird, die auch in einem Ver158
159 160
Siehe oben § 2 CIL Näher sogleich § 4 Cm.2.c). Näher Teil ΠΙ § 2 B.
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meidungsgebot bestehen kann, ob Haftungspflichten Privaten gegenüber bestehen oder ob Zahlungspflichten dem Staat gegenüber auferlegt werden. Hinzu kommt das Zertifikatmodell. Allerdings lassen sich Überschneidungen aus sachlichen Zusammenhängen heraus nicht immer vermeiden. Angesichts der Vielzahl der gesetzlichen Ausprägungen kann nur eine Auswahl kurz dargestellt werden.
I. Verhaltenspflichten Die Verwirklichung des Verursacherprinzips durch Verhaltenspflichten kann man in jedem Umweltgesetz wiederfinden, das sich mit Pflichten an denjenigen wendet, der (möglicherweise) Umweltbelastungen hervorruft, und ihm mangels Kostenübernahme durch den Staat letztlich die Aufwendungen für die Erfüllung dieser gesetzlichen Pflichten auferlegt. L Bundes-Immissionsschutzgesetz a) Pflichtenregime Ein in der Praxis außerordentlich wichtiges Beispiel für die Umsetzung des Vemrsacheiprinzips durch Verhaltenspflichten ist der für Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen eingreifende § 5 Abs. 1 BImSchG. Die Genehmigung dieser in § 4 BImSchG i.V.m. der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen 161 bestimmten Anlagen ist gem. § 6 Nr. 1 BImSchG an die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 BImSchG statuierten Schutz- und Vorsorgepflicht im Hinblick auf schädliche Umwelteinwirkungen, der Abfallvermeidungs- und -entsorgungspflicht sowie der Abwärmenutzungspflicht 162 geknüpft. Ein Betreiber ist mit der Genehmigung seiner Anlage von vornherein „grundpflichtenbelastet" 163, so daß er mit durch Rechtsverordnung gem. § 7 BImSchG veränderbaren Anforderungen belegt werden kann 164 . Somit können die für ihn maßgeblichen technischen Standards der laufenden Entwicklung angepaßt werden. Flankiert werden diese Pflichten durch die Möglichkeit nachträglicher Anordnungen gem. § 17 BImSchG, von Untersagungs-, Stillegungs- und Beseitigungsverfügungen nach § 20 BImSchG, des Widerrufs der Genehmigung nach § 21 BImSchG und die Ver161
Dieser kommt konsütuüve Bedeutung zu, siehe etwa Ule, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 4
Rn. 6.
162
Im einzelnen etwa Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 175 ff. 163 Seilner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 21. 164 Zu Fragen des Bestandsschutzes Feldhaus, WiVerw. 1986, 67 (71, 77 ff.); Jarass, Die Anwendung neuen Umweltrechts auf bestehende Anlagen, S. 81 ff.; ders., BImSchG, § 7 Rn. 8. 4 Frenz
50
Teil 1: Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
pflichtung nach Maßgabe von § S3 BImSchG, einen oder mehrere Betriebsbeauftragte zu bestellen. Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen unterliegen den gleichfalls dynamischen Pflichten des § 22 BImSchG sowie aus Rechtsverordnungen aufgrund von § 23 BImSchG sowie Anordnungen nach § 24 BImSchG, deren Nichterfüllung eine Untersagung nach § 25 BImSchG nach sich ziehen kann. Nur in Ausnahmefällen haben sie auf behördliche Anordnung nach § 53 Abs. 2 BImSchG Immissionsschutzbeauftragte zu bestellen. Hinzu kommen für beide Gruppen Pflichten im Rahmen der Ermittlung von Emissionen und Immissionen sowie sicherheitstechnischer Prüfungen nach §§ 26 ff. BImSchG sowie im Hinblick auf die Beschaffenheit von Anlagen, Stoffen, Erzeugnissen, Brennstoffen, Treibstoffen und Schmierstoffen durch Rechtsverordnungen aufgrund von §§ 32 ff. BImSchG. Die Beschaffenheit und der Betrieb von Fahrzeugen unterliegt nach § 38 Abs. 1 S. 1 BImSchG insbesondere Schadstoffgrenzwerten, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb nicht überschritten werden dürfen. § 40 BImSchG ermächtigt die Landesregierungen zu Verkehrsbeschränkungen. Beim Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisen- und Straßenbahnen ist gem. § 41 BImSchG sicherzustellen, daß durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Werden diese Geräusche auch durch den Fahrzeugbetrieb hervorgerufen, ermöglicht sie doch an einer bestimmten Stelle der Bauträger und ist von daher (Mit-)Verursacher 165. Hinzu treten die Pflichten im Rahmen der Überwachung gem. § 52 BImSchG und Bußgeldandrohungen gem. § 62 BImSchG. Diese haben zwar Geldbußen zum Inhalt, aber stehen in untrennbarem Zusammenhang mit der Einhaltung von Verhaltensgeboten, die sie sichern sollen 166 , ohne auf eine darüber hinausgehende Verhaltensänderung zu zielen. Als solchermaßen akzessorische Regelungen sind sie daher Bestandteil von Verhaltenspflichten. b) Anknüpfungspunkt Anknüpfungspunkt für den Immissionsschutz ist gem. § 4 Abs. 1 S. 1, 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, ganz dem Verursacherprinzip entsprechend, die Hervorrufung von Umwelteinwirkungen. Immissionen gehen allerdings auf Emissionen zurück. Angesetzt wird daher, wie besonders § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG deutlich 165 Zur Verursachereigenschaft der öffentlichen Hand unten Teil ΠΙ § 1 E. Hoheitsträger unterstehen hinsichtlich der Umsetzung der ihnen obliegenden Pflichten nur in Ausnahmefällen der Überwachung eines Hoheitsträgers aus einem anderen Zuständigkeitsbereich, ohne daß dieser die Aufsichtskörperschaft bildet; auch dazu im einzelnen Teil ΠΙ § 1 a.E. Vorliegend bleibt festzuhalten, daß die sogleich aufgeführten Pflichten im Rahmen der Überwachung insoweit also grundsätzlich nicht eingreifen. 166 Siehe bereits oben § 2 B., C.n.l.
§ 4 Verwirklichung
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macht („Emissionsbegrenzung"), bereits bei den Emissionen, mithin gem. § 3 Abs. 3 BImSchG den von einer Anlage ausgehenden Belastungen, und nicht erst bei den Immissionen als deren Resultat, wenngleich diese durch die angegangenen Emissionen mitverursacht werden können müssen167. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen wird dieser Ansatz in § 23 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG deutlich, wonach durch Rechtsverordnung vorgeschrieben werden kann, daß die von Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen. Für Fahrzeuge formuliert § 38 Abs. 1 S. 1 BImSchG, daß sie so beschaffen sein müssen, „daß ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen... die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten." Diese Vorschrift zeigt augenfällig: Nur bei der Bekämpfung der Emissionen können - zumal vorsorgend - Umwelteinwirkungen wirksam verhindert werden. Von dieser Überlegung ging auch der Gesetzgeber aus 168 . Emissionen gehen - im Gegensatz zu Immissionen - von einer bestimmten Person aus, mithin dem Verursacher 169. Allerdings läßt sich die Schädlichkeit der Umweltbelastung wegen der dann erst gegebenen Wirkung und infolge der Vermischung verschiedener Emissionen erst mit dem Auftreten als Immissionen ermitteln. Konkrete Schädlichkeits- bzw. Gefährdungsbeurteilungen können daher unmittelbar nur bei den Immissionen ansetzen. Läßt man sie außer acht, besteht die Gefahr von Schutzdefiziten 170. Vom Ergebnis her stellt somit das Bundes-Immissionsschutzgesetz notwendig auf die Immissionen ab 171 . Das wird in §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dadurch deutlich, daß sie auf die Hervorrufung von Umwelteinwirkungen abstellen. Durch den Begriff „hervorrufen" bleibt aber die Rückbindung an den Verursacher gewahrt. So werden durch externe Ereignisse ausgelöste Immissionen höchstens insoweit erfaßt, als die Gefahr äußerer Einwirkungen im Hinblick auf das Gewicht der drohenden Schäden hinreichend wahrscheinlich ist 1 7 2 . Das gilt auch für Eingriffe Unbefugter, wenn eine Anlage mit besonders hohem Gefährdungspotential eine latente inadäquate Gefahrenquelle ist, solange sie nicht in zuverlässiger Weise gegen eine mißbräuchliche Einwirkung oder Ausnutzung
167
Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 10 f. BT-Drucks. 7/179, S. 32. 169 Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rn. 25. 170 Daher ein nur auf Emissionen abstellendes Modell für evident unzureichend und damit entsprechend der Schutzpflichtjudikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 77, 170 (215); 92, 26 (46)) für verfassungswidrig haltend Bothe, NVwZ 1995, 937 (938); Koenig, DÖV 1996, 943 (948). Siehe auch unten Teü III § 2 B.IL2.C). 171 Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rn. 25. 172 OVG Lüneburg, GewArch. 1975, 303 (305); 1977, 126 (131); Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 8 m.w.N. Abi. Martens, in: Festschrift für Ipsen, S. 449 (460 ff.). 168
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
von dritter Seite abgeschirmt wird 1 7 3 . Die Verursachereigenschaft folgt demgemäß ausschließlich aus dem diese Gefahren auslösenden Betrieb der Anlage. Durch den Ausschluß der Vorgänge, die der Beeinflussung durch den Verursacher gänzlich entzogen sind, wird allerdings dem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund einer Anreizwirkung durch Kostenanlastung174 nur insoweit entsprochen, als eine umweltschonendere Ausstattung der Anlage das Ziel ist. Hingegen besteht weitergehend insofern die Möglichkeit einer Anreizwirkung, als es um die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen an sich geht. Eine solche geht dann auch von einer Anlastung der durch äußere Ereignisse hervorgerufenen Gefahren aus, die insofern auf den Anlagenbetreiber rückführbar sind, als sie sich erst durch die Existenz und den Betrieb einer Anlage auswirken 175 . Die vorstehend beschriebene, in §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG begrifflich zum Ausdruck kommende Rückbindung der durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz begrenzten Immissionen an den Verursacher besteht auch der Sache nach, wie insbesondere § 38 Abs. 1 und auch § 48 BImSchG deutlich machen. Die zur Vermeidung von Schäden und damit zum Schutz der genannten Güter einzuhaltenden Grenzwerte bestimmen sich nach den Immissionen, die auf diese Güter einwirken. Dementsprechend bezieht § 48 BImSchG nur die Immissionswerte ausdrücklich auf den „in § 1 genannten Zweck" (Nr. 1). Die Immissionen rühren aber von Emissionen, die im Hinblick auf die auftretenden Immissionen reduziert werden müssen, so daß sich auch letztere zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen verringern. § 48 BImSchG sieht dementsprechend in Nr. 2 auch die Festsetzung von Emissionsgrenzwerten vor. Die Emissionen aber werden von den Betreibern der Schadstoffquelle verursacht, wie § 38 Abs. 1 S. 1 BImSchG formuliert, stammen also von diesen Verursachern. Indem die Immissionen die Folge von Emissionen sind, können auch sie auf deren Verursacher rückgeführt werden. Auch ein Abstellen auf die Immissionen ändert also nichts daran, daß das Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Ausprägung des Verursacherprinzips ist. Daß regelmäßig eine Rückführung von Immissionen auf einen bestimmten Verursacher nicht möglich ist, erfordert ein Reagieren auf der Ebene der Verwirklichung des Verarsacherprinzips, die, wie im Bundes-Immissions-
173 Breuer, WiVerw. 1981, 219 (237 f.). Bei besonderen Provokationslagen ist an einen Vergleich mit der polizeirechtlichen Figur des Zweckveranlassers zu denken (dazu allgemein unten Teiim§ 1 Α.Π.). 174 Oben § 2 A. 175 Siehe allgemein gegen eine Lastentragung durch die Nachbarschaft und die Allgemeinheit bereits OVG Lüneburg, GewArch. 1975,126 (131). Dieser Gedanke kann rechtlich näher in den grundrechtlichen Rahmen von Steuern eingebettet weden, der eine Überwälzung von Schäden aus Gefahren und Risiken privatnütziger Tätigkeiten auf die Allgemeinheit der Steuerzahler nicht rechtfertigt (siehe Teil Π § 7 A.V., VI., Β.ΙΠ., IV.). Möglicher Ansatzpunkt ist auch die oft gegebene Eigentümerstellung des Anlagenbetreibers und damit Art 14 Abs. 2 GG (siehe Teil Π § 5 C.V.).
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Schutzgesetz erfolgt, durch das Anknüpfen an Personengruppen oder eine möglichst weitgehende Erfassung von sämtlichen Schadstoffquellen erfolgen kann 176 . 2. Atomgesetz Wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz legt auch das Atomgesetz dem Anlagenbetreiber bestimmte Verhaltenspflichten auf, die aufgrund der höheren Gefährlichkeit von Kernkraftwerken stärker ausgeprägt sind 177 . Insbesondere muß gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen sein, die eine gefahrunabhängige Risikovorsorge beinhaltet 178 . Deren Intensität richtet sich im einzelnen inbesondere nach den Grenzwerten zum Schutz vor radioaktiven Strahlen und Stoffen, die der Verordnungsgeber aufgrund des § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AtG zu entnehmenden Auftrags entsprechend dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt zu konkretisieren hat 179 . Gem. § 9 a Abs. 1 AtG haben die Anlagenbetreiber die grundsätzliche Verantwortung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle; regelmäßig haben sie diese indes gem. § 9 a Abs. 2 AtG an staatliche Anlagen abzuliefern. Eingebunden sind diese Pflichten in ein staatliches Genehmigungs- und Überwachungssystem 180. Dieses erstreckt sich auch auf die Einfuhr und Ausfuhr (§ 3), die Beförderung (§ 4), die außerhalb der nach § 5 AtG grundsätzlich staatlichen Verwahrung erfolgende Aufbewahrung (§ 6) sowie die außerhalb von genehmigungspflichtigen kerntechnischen Anlagen nach § 7 AtG durchgefhrte Bearbeitung, Verarbeitung und sonstige Verwendung von Kernbrennstoffen (§ 9). Indem die Genehmigung dieser Vorgänge an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, die in der Gewährleistung der Beachtung geltender Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen 181 , der Vorsorge vor Schäden182 bzw. dem Schutz gegen Störmaßnahmen183 bestehen, setzt sie das Ergreifen bestimmter Maßnahmen voraus und bringt dadurch Verhaltenspflichten mit sich.
176
Näher unten Teü ΠΙ § 4 B.V. Siehe §7 Abs. 2 AtG. 178 BVerwGE 72, 300 (315 ff.); bestätigend BVerwGE 78, 177 (180 f,); aus der Ut. Breuer, NVwZ 1988,104 (108 ff.); NVwZ 1990,211 (222) m.w.N. 179 BVerwG, JZ 1997,203 (207). 180 Dazu näher etwa Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 29 Rn. 17-75. 181 Siehe §§ 3 Abs. 3 Nr. 2,4 Abs. 2 Nr. 3 AtG. 182 Siehe §§ 4 Abs. 2 Nr. 3,6 Abs. 2 Nr. 2,9 Abs. 2 Nr. 3 AtG. 183 §§ 4 Abs. 2 Nr. 5,6 Abs. 2 Nr. 4,9 Abs. 2 Nr. 5 AtG. 177
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht 3. Gentechnikgesetz
Das Gentechnikgesetz erlegt denen, die gentechnische Methoden benutzen oder gentechnisch veränderte Organismen freisetzen, in § 6 die Verpflichtung zu eigenverantwortlicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge auf. Abgesichert wird diese durch die Vorgabe einer Anmeldung bzw. Genehmigung nach Maßgabe von §§ 11 ff. GenTG 184 , eine nachgehende Überwachung gem. §§25 ff. GenTG, Haftungsregelungen 185 sowie generalpräventive Straf- und Bußgeldsanktionen 186 gem. §§ 38 f. GenTG. 4. Kreislauf wirtschafts-
und Abfallgesetz und Verpackungsverordnung
Eine Entwicklung zu einer immer größeren Verantwortung des Verursachers läßt sich im Abfallrecht feststellen. Das Abfallgesetz von 1986 statuierte in § 3 Abs. 1 die Pflicht zur Überlassung anfallender Abfälle an den Entsorgungspflichtigen. Diese an die Erzeugung von Abfällen anknüpfende Pflicht bildet ein Verhaltensgebot und stellt eine Ausprägung des Verursacherprinzips dar 187 . Eine Kostentragung für die sich an die Überlassung anschließende Entsorgung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften war und ist auch im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hinsichtlich der in diesem Regelungswerk fortbestehenden, wenngleich stark eingeschränkten Überlassungspflichten und -möglichkeiten nach §§ 13, 15 nicht geregelt. Insoweit wahrt freilich die regelmäßige Erhebung von Gebühren für die Abfuhr und Entsorgung auf kommunalabgabenrechtlicher Grundlage das Verursacherprinzip 188. Da die Gebührenbemessung dem Kostendeckungsprinzip unterliegt 189 und damit die Abfallgebühren nur die zur Erfüllung der gebührenpflichtigen Aufgabe notwendigen Ausgaben abdecken, also die tatsächlichen Entsorgungskosten nicht übersteigen 190 und daher auch die volkswirtschaftlichen Kosten in Gestalt der sozialen Zusatzkosten nicht einschließen dürfen 191 , ist ihre Erhebung als Anlastung der Ist-Vermeidungskosten anzusehen. Eine Verwirklichung des Verursacherprinzips in Form einer Entsorgungs- und nicht nur einer Gebührenzahlungspflicht existier-
184
Im einzelnen Gerlach, Das Genehmigungsverfahren zum Gentechnikgesetz, S. 78 ff. Siehe § 4 C.n.l.d). 186 Siehe BT-Drucks. 11/5612, S. 2. 187 Hösel/von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, § 3 AbfG Rn. 2. 188 Kunig, in: dersVSchwermer/Versteyl, AbfG, § 3 Rn. 2; Bälder, Recht der AbfaUwirtschaft, S. 209; vgl. dagegen Petersen/Rid, NJW 1995,7 (13). 189 Siehe BVerwGE 12,162 (167 ff.); 13,214 (222). 190 Näher und m.w.N. Dahmen, KStZ 1988,132 ff.; ders., KStZ 1992, 121 ff.; Tiemann, StGR 1991, 279 ff.; Frenz, Verwirklichung, S. 126 ff. auch zu lenkungsbedingten Modifikationen. 191 Dies beklagend Faber/Michaelis, in: Nutzinger/Zahrnt, Öko-Steuern, S. 103 (114); auch Bals/Nölke, KStZ 1990, 201 (220 ff.); grundsätzlich abl. Mohl/Backes, ZKF 1991,50 (52). 185
§ 4 Verwirklichung
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te in § 3 Abs. 4 AbfG, wonach der Verursacher von Abfallen diese unter bestimmten Voraussetzungen selbst zu entsorgen hatte 192 . Diesen Ansatz erheblich erweitert hat die auf § 14 AbfG gestützte193 Verpakkungsverordnung, indem sie, ausdrücklich auf das Verursacherprinzip bezogen 194 , den Herstellern und Vertreibern die Entsorgung von Verpackungen selbst aufgibt und ihnen nicht nur die Möglichkeit einer Beauftragung Dritter zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten einräumt 195 , sondern von vornherein ein Entfallen dieser Pflichten vorsieht, wenn eine Beteiligung an einem flächendeckenden Ersatzsystem erfolgt 196 . Das enge Korsett des im Abfallgesetz aufgerichteten Entsorgungsregimes 197 wurde ausgetauscht durch konkrete Zielvorgaben 198 , auf deren Einhaltung sich die staatliche Kontrolle beschränkt 199. Somit sind im wesentlichen lediglich die Ziele staatlich festgelegt, einen praktikablen Weg dorthin zu finden obliegt hingegen weitgehend der Wirtschaft. Vor dem Hintergrund der auftauchenden Schwierigkeiten kann in diesem Regelungswerk ein Testfall gesehen werden, inwieweit die Wirtschaft in der Lage ist, umweltpolitische Ziele eigenständig und unter geringstmöglichem Einsatz von staatlichem Zwang umzusetzen200. Diese Konzeption der Verpackungsverordnung verwirklicht das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das gem. Art. 13 GVVB-AbfG 2 0 1 am 7.10.1996 vollständig 202 in Kraft getreten ist, stoffübergreifend. Es verpflichtet insbeson192
Vgl. Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 39. An deren Tragfähigkeit insoweit zweifelnd Fluck, DB 1993, 211 ff.; Scholz/Aulehner, BB 1993, 2250 (2258); Thomé-Kozmiensky, Die Verpackungsverordnung, S. 29 ff.; siehe aber Frenz, Verwirklichung, S. 38 f. 194 Siehe amtliche Begründung der Bundesreg., BR-Drucks. 817/90, S. 27,32 f. 195 § 11 VerpackV, der vergleichbar ist mit § 3 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 AbfG. 196 § 6 Abs. 3 S. 1 VerpackV. 197 Siehe insbes. §§ 3,4,11,12 AbfG. 198 Siehe den Anhang zu § 6 Abs. 3 VerpackV. Dabei liegt insoweit bereits eine Verschärfung gegenüber den vorher geltenden Vorgaben in Form der Zielfestlegungen zur Vermeidung, Verringerung oder Verwertung Getränken vom 26.4.1989 (BAnz. vom 6.5.1989, S. 2237, 2733) sowie der Zielfestlegung zur Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen von Verkaufsverpackungen aus Kunststoff für Nahrungs- und Genußmittel sowie Konsumgüter vom 17.1.1990 (BAnz. vom 30.1.1990, S. 513) vor, als durch die Statuierung konkreter und sanktionsbewehrter (§12 VerpackV) Rücknahme-, Wiederverwendungs- und Verwertungspflichten ein ordnungsrechtlicher Rahmen gezogen wurde. 199 Siehe § 6 Abs. 4 VerpackV. 200 Zu den auftauchenden Schwierigkeiten und möglichen Auswegen Frenz, GewArch. 1994, 145 (155 ff.). 201 (Artikel-)Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27.9.1994, BGBl. 12705. 202 Die Rechtsverordnungsermächtigungen sind nach Art. 13 S. 1 schon seit 7.10.1994 in Kraft. Pflichten aus darauf gestützten Verordnungen konnten aber erst ab 7.10.1996 erwachsen. Im einzelnen Beckmann, DVB1. 1995, 313 (315). 193
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
dere gem. §§5 Abs. 2,11 Abs. 1 Erzeuger bzw. Besitzer von Abfällen zu deren Verwertung bzw. Beseitigung. Die Pflicht zur Überlassung von Abfällen an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ist gem. § 13 Abs. 1 subsidiär, wie sich aus dem Vorrang der Eigenentsorgung 203 und den Ausnahmen in Abs. 2 und 3 ergibt 204 . Dadurch wird der aufgrund begrenzter Kapazitäten bestehende „Entsorgungsdruck" auf Hersteller und Vertreiber übertragen, um diese zu vermehrter Vermeidung und die Bildung von Stoffströmen anzuhalten205. § 22 statuiert die Produktverantwortung zu Lasten deqenigen, die Erzeugnisse entwickeln, herstellen, be- und verarbeiten oder vertreiben. Indem diese zwei tragenden Säulen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes den ganzen Weg eines Produkts von der Erzeugung bis zur Entsorgung, mithin „von der Wiege bis zur Bahre" erfassen, sollte das Verursacherprinzip möglichst weitgehend umgesetzt werden 206 . 5. Wasserhaushaltsgesetz Gem. § 4 WHG kann die Genehmigung einer Wasserbenutzung an Benutzungsbedingungen207 und Auflagen geknüpft werden, aus denen sich Verhaltenspflichten für den Verursacher ergeben 208. Auf der Grundlage von § 5 WHG können nachträglich Anforderungen aufgestellt werden. Duldungspflichten, nicht aber Kostentragungspflichten für staatliche Maßnahmen zur Sachverhaltserforschung und Überwachung ergeben sich aus § 21 WHG. Daneben bestehen im einzelnen in § 21 Abs. 1 S. 3 WHG aufgeführte Mitwirkungspflichten. Mehr als 750 Kubikmeter Abwasser in Gewässer einleitende Betriebe haben gem. § 21 a Abs. 1 WHG stets einen oder mehrere Gewässerschutzbeauftragte zu bestellen, die übrigen Einleiter nach § 21 a Abs. 2 WHG auf behördliche Anordnung. Wie das Bundes-Immissionsschutz- und das Atomgesetz koppelt das Wasserhaushaltsgesetz in § 7 a bereits die Genehmigungsfähigkeit des Einleitens 203 Sie bezieht sich bei privaten Haushaltungen gem. § 13 Abs. 1 S. 1 Krw-/AbfG allerdings nur auf Abfälle zur Verwertung. Diese werden bei Gewerbetreibenden von der Überlassungspflicht an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger überhaupt nicht eifaßt, wie aus § 13 Abs. 1 S. 2 Krw-/AbfG folgt. 204 Näher Frenz, Verwirklichung, S. 73 ff. 205 Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen, BT-Drucks. 12/5672, S. 31,35 f. 206 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/5672, S. 2 f., 31 f.; näher zu diesem Grundgedanken sowie zu den einzelnen Ausprägungen des Verursacherprinzips in diesem Gesetz Frenz, Verwirklichung, §§ 2 D., 5. 207 Dazu etwa Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 4 Rn. 4 ff.; Breuer, öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 242. 208 Dazu und zur Genehmigungspflichtigkeit nach dem WHG allgemein näher Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 21 Rn. 25 ff. m.w.N.
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von Abwassern an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die zu gewährleisten der Verursacher verpflichtet ist. Diese sind rein emissionsbezogen209, wie auch § 7 a Abs. 5 WHG zeigt. Der Einleiter muß gem. § 7 a Abs. 1 S. 1 WHG die Schadstofffracht des Abwassers so gering halten, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren möglich ist. § 7 a Abs. 1 WHG enthält also das Gebort, bei der Erlaubnis von Abwassereinleitungen eine an bestimmten technischen Möglichkeiten orientierte Untergrenze zu wahren 210 . Indem § 7 a Abs. 5 WHG den Stand der Technik als Entwicklungsstand technisch und wirtschaftlich durchführbarer fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, die als beste verfügbare Techniken zur Begrenzung von Emissionen praktisch geeignet sind, definiert, legt er den zu wahrenden Standard näher fest 211 . Die Ausgestaltung der diesem entsprechenden Anforderungen erfolgt nach § 7 Abs. 1 S. 3 WHG nunmehr durch Rechtsverordnung 212 . Dies gewährleistet die notwendige Flexibilität. Für Wasserschutzgebiete können gem. § 19 Abs. 2 WHG besondere Verhaltens· und Duldungspflichten festgelegt werden. Bei dadurch hervorgerufenen Enteignungen ist gem. § 19 Abs. 3 WHG entsprechend Art. 14 Abs. 3 GG eine Entschädigung zu leisten. Aber auch, wenn diese Beeinträchtigungsintensität nicht erreicht wird, ist gem. § 19 Abs. 4 WHG bei land- und forstwirtschaftlicher Nutzung eine Entschädigung zu gewähren, die in landesrechtlichen Regelungen festzusetzen ist 2 1 3 . Damit wird eine Gruppe, die Wasserverunreinigungen verursacht, finanziell unterstützt, wenn sie staatlich angeordnete Pflichten zu deren Verringerung befolgt. Insoweit wird das Verursacherprinzip durchbrochen 214 . Rohrleitungsanlagen zum Befördern wassergefährdender Stoffe werden gem. § 19 a WHG dem Erfordernis einer Genehmigung unterworfen, die entsprechend dem Verursacherprinzip gem. § 19 b Abs. 2 WHG an die Bedingung der Vermeidung von Verunreinigungen oder sonstigen nachteiligen Veränderungen
209
Siehe etwa Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 145. Vgl. dagegen zum BImSchG oben C.I.l. Das WHG enthält demgegenüber immissionsbezogene Instrumente lediglich zur Gewässerbewirtschaftung, nämlich Planungen nach §§ 36, 36 b WHG und Reinhalteordnungen nach § 27 Abs. 1 WHG, Breuer, ebda., Rn. 149 ff. 210 Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 203, 331; Gieseke/Wiedemann/ Czychowski, WHG, § 7 a Rn. 1. 211 Zur Abfassung dieser Vorschrift in der 6. Novelle des WHG (BGBl. I 1996, S. 1690) und zur Änderung gegenüber der Vorgängerbestimmung Knopp, NJW 1997,417 (418 f.). 212 Verwaltungsvorschriften sah EuGH, Slg. 1991,1-825 (867 f.) nicht als ausreichende Umsetzung einer EG-Richtlinie an. Krit Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts - Ziele, Wege und Irrwege, S. 80 ff.; von Danwitz, VerwArch. 84 (1992), 73 ff.; Reinhardt, DÖV 1992, 102 (108). 213 Zum dafür erhobenen Wasserpfennig unten C.m.2.c)aa). 214 Nacke, NVwZ 1987,185 (188); Nies, NVwZ 1987,189 (190).
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von Gewässern gekoppelt ist. Durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 19 d WHG können besondere Pflichten statuiert werden. §§ 19 g ff. WHG unterwerfen Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen verschiedenen Anforderungen betreffend den Einbau, die Aufstellung, die Unterhaltung und den Betrieb. Gem. § 19 k S. 1 WHG sind Anlagen zum Lagern wassergefährdender Stoffe beim Befüllen und Entleeren zu überwachen und vor Beginn dieser Arbeiten auf den ordnungsgemäßen Zustand der dafür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zu überprüfen. 6. Bundesnaturschutzgesetz § 8 Abs. 2 BNatSchG als Ausprägung des Verursacherprinzips 215 verbindet ein Vermeidungsgebot mit einer Pflicht zu aktivem Tun: Danach ist der Verursacher von Eingriffen in Natur und Landschaft verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen. Sind Beeinträchtigungen unvermeidbar, hat er sie durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege abzugleichen, soweit sie zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich sind 216 . In Gestalt dieser Ziele tritt eine staatlich bestimmte Größe zur Bemessung der Ausgleichspflichten des Verursachers in Erscheinung. Π . Zahlungspflichten Privaten gegenüber Die ordnungsrechtlichen Verwirklichungen des Verursacherprinzips legen Verhaltenspflichten des Verursachers fest, die unmittelbar dem Staat gegenüber bestehen und Privaten nur mittelbar zugute kommen. Dabei bleiben oft Lücken - etwa wenn Schäden aus einem ordnungsrechtlich nicht verbotenen Verhalten entstehen. Ordnungsrechtlich unerfaßt sind auch die Rechtsfolgen, die sich bei einer Verletzung von Ordnungstatbeständen im Verhältnis zu Privaten ergeben. Indes beruhen auch diese Rechtsfolgen auf einem Verhalten des Verursachers. Die Statuierung von Zahlungspflichten Privaten gegenüber vermag diese Lücke ordnungsrechtlicher Lösungen zu schließen. Namentlich der Gesundheits- und Umweltschutz als Querschnittsgebiete verlangen daher ein „Zusammenspiel" der verschiedenen Rechtsgebiete. Nur auf diese Weise kann auch der Rechts(güter)schutz der Betroffenen so effektiv wie möglich verwirklicht werden 217 . Umgekehrt betrachtet können nur auf diese Weise auch diese Kosten zu Lasten 215
Siehe BT-Drucks. 7/886, S. 26; 7/3879, S. 17; 7/5251, S. 4; Breuer, NuR 1980,89 (90 f.). Dazu Gassner, in: dersVBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 8 Rn. 30 ff.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 18 Rn. 58 f. m.w.N. 217 Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 383 und passim mit verschiedenen Ausprägungen und Beispielen, bes. S. 160 ff. 216
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des Verursachers internalisiert werden 218 . Aufgrund ihrer durch die (drohende) finanzielle Belastung hervorgerufenen Präventionswirkung können Zahlungspflichten Privaten gegenüber indes auch isoliert und ohne ordnungs- oder abgabenrechtliche Flankierung eine wirksame Verwirklichung des Verursacherprinzips bilden. i. Haftungsverpflichtungen
gegenüber dem Geschädigten
Entscheidendes Merkmal des Verursacherprinzips in seiner vorherrschenden, wirtschaftswissenschaftlich geprägten Betrachtungsweise ist die Anlastung der durch das Verhalten des Verursachers entstehenden Kosten. Diese ist unabhängig von einem Verschuldensbeitrag. An diesen knüpfen indes die meisten zivilrechtlichen Haftungsvorschriften an; das gilt namentlich für § 823 Abs. 1 BGB 2 1 9 . Sie haben auch regelmäßig einen anderen Hintergrund als die Internalisierung externer Kosten bzw. eine Anreizfiinktion zur Vermeidung eines bestimmten Verhaltens. Daher sind Haftungsverpflichtungen dem Geschädigten gegenüber nicht stets Ausprägungen des Verursacherprinzips. Insoweit unschädlich ist allerdings, wenn Haftungsverpflichtungen nur eingetretene Individualschäden erfassen. Darin liegt ggf. nur eine beschränkte Umsetzung des vom Ansatz her auch und gerade Gemeinwohlschäden erfassenden Verursacherprinzips 220. a) § 22 WHG Ein Beispiel für eine Haftungsverpflichtung gegenüber dem Geschädigten ist § 22 WHG 2 2 1 . Abs. 1 verpflichtet denjenigen, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder wer auf ein Gewässer derart einwirkt, daß die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens. Diese Verpflichtung trifft nach § 22 Abs. 2 WHG auch den Inhaber einer zur Herstellung, Verarbeitung, Lagerung, Ablagerung, Beförderung oder Wegleitung von Stoffen bestimmten Anlage, aus der derartige Stoffe in ein Gewässer gelangen. Beide Tatbestände statuieren eine Gefährdungshaftung 222. Diese beruht letztlich auf dem Gedanken der sozialen Verantwortung für eigene Wagnisse, und es geht ihr um eine sozial gerechte Verteilung erlaubter Risiken 223 . Diese Sicht korrespondiert mit der sozialethischen Betrachtung des Verursacherprinzips im
218 219 220 221 222 223
Ritter, NVwZ 1987,929 (935). Siehe bereits oben § 2 A. Siehe Ritter, NVwZ 1987,929 (935). Vgl. dagegen Ritter, NVwZ 1987,929 (935). Zu dessen Voraussetzung im einzelnen Baiensiefen, Umwelthaftung, S. 195 ff. BGHZ 98, 235 (237). Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 22 Rn. 4.
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Teil 1: Versacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
Sinne einer Lasten- und Verteilungsgerechtigkeit 224. Durch diese strenge Haftung werden die Einleiter und Einbringer von Stoffen in Gewässer und damit vor allem die Inhaber entsprechender Anlagen zu besonderer Sorgfalt veranlaßt 225 - dem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund des Verursacherprinzip gemäß 226 . Von der Ersatzpflicht ausgeklammert werden gem. § 22 Abs. 2 S. 2 WHG Schäden, die durch höhere Gewalt verursacht sind. Soweit es um Schäden geht, die zwar auf externen Ereignissen beruhen, indes erst durch eine Reaktion mit den genannten gefährlichen Stoffen Zustandekommen, würde das Verursacherprinzip auch ihre Einbeziehung rechtfertigen, um etwa generell die Verwendung solcher Stoffe zu verhindern 227 . Aus der Sicht dieses Prinzips mutet es als Fremdkörper an, daß gem. § 11 WHG die Haftung nicht eingreift, wenn eine staatliche Bewilligung vorliegt. Diese ändert an dem Verursachungsbeitrag nichts 228 . Die Bedeutung dieser Bestimmung läuft jedoch aus, da die bestehenden Bewilligungen befristet sind und die nach geltender Rechtslage unbefristeten Bewilligungen für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in ein Gewässer gem. § 8 Abs. 2 S. 2 WHG nicht erteilt werden dürfen 229 . Im übrigen sieht § 22 Abs. 3 WHG durch die Bestimmung einer Entschädigung nach § 10 Abs. 2 WHG eine teilweise Kompensation in Form einer Verpflichtung zu angemessenem Ausgleich vor 2 3 0 . b) Produkthaftungsgesetz Ein weiteres Beispiel für eine Haftung zwischen Privaten ist auch das Produkthaftungsgesetz. Es erlegt in seinem § 1 dem Hersteller eines Wirtschaftsprodukts 231 die Ersatzpflicht für Schäden durch Tod, Verletzung von Körper oder Gesundheit und durch Sachbeschädigung auf. Daß diese Haftung dann entfällt, wenn in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, das Produkt zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat (§ 1 Abs. 2 Nr. 4) oder der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte (§ 1 Abs. 2 Nr. 5), stellt eine Modifikation des Verursacherprinzips dar. Weitere Einschränkungen finden sich in der Festschreibung
224
Siehe oben Teill§ 3. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 22 Rn. 4. 226 Siehe oben Teill§ 2 A. 227 Ygj Ql.l.b) zum Immissionsschutz. 228 Zum Problem der Wirkung von Genehmigungen näher unten Teil ΠΙ § 6. 229 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 22 Rn. 59. 230 Zu den gewichtigen Unterschieden eines solchen Ausgleichsanspruchs zu einem Schadensersatzanspruch BGHZ 57, 359 (368); 59, 250 (258), aber auch BGHZ 91, 243 (257). Vgl. zum Hintergrund der Zuordnung des Entschädigungsanspruchs des § 10 Abs. 2 S. 2 WHG zum Regelungsbereich des Art. 14 GG BVerwGE 84,257 (269). 231 Siehe § 1 Abs. 2 Nr. 3 ProdHaftG. 225
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einer Haftungshöchstgrenze in § 10, einer Selbstbeteiligung in § 11 und der Herausnahme der Arzneimittel in § 15 Abs. 1 ProdHaftG. c) Umwelthaftungsgesetz aa) Haftungstatbestand Gem. § 1 UmweltHG ist der Inhaber einer im Anhang 1 zu diesem Gesetz näher bezeichneten Anlage zum Schadensersatz verpflichtet, wenn durch eine von einer solchen Anlage ausgehende Umwelteinwirkung jemand getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird 2 3 2 . Durch diese an das Schaffen oder Unterhalten einer Gefahrenquelle anknüpfende verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung 233 sind die Unternehmen gezwungen, mögliche Ersatzleistungen für umweltbedingte Schäden in ihre Kostenrechnung einzustellen234 und damit zu internalisieren 235, wie es dem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund des Verursacherprinzips 236 entspricht. Dadurch entsteht ein Anreiz, umweltgefährdende Produktionsprozesse zurückzufahren 237 bzw. sorgsamer zu betreiben. Zudem erfolgt ein gerechter Schadensausgleich bei individuellen Rechtsgutverletzungen238. Die Einschränkungen dieser Haftung und damit die Durchbrechungen des Verursacherprinzips liegen weitgehend parallel zu denen der Produkthaftung, bleiben allerdings hinter diesen zurück 239 . bb) Versicherungspflicht Diese Haftungsregelung ist gekoppelt mit der Vorgabe einer Deckungsvorsorge gem. § 19 UmweltHG. Von den in Abs. 2 genannten Möglichkeiten wird aber voraussichtlich nur eine solche durch eine Haftpflichtversicherung größere praktische Bedeutung erlangen, da Bund und Länder Freistellungs- und Gewährleistungspflichten nur für staatliche Einrichtungen übernehmen und Kreditinstitute ein solches Geschäft kaum zeichnen werden. Von daher handelt es sich um eine faktische Pflichtversicherung 240, die aber der Ausgestaltung durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 20 UmweltHG bedarf 241 . 232
Zu den Tatbestandsmerkmalen im einzelnen Baiensiefen, Umwelthaftung, S. 221 ff. Vitzthum/Geddert-Steinacher, Standortgefährdung, S. 120. 234 Begründung zum Entwurf eines Umwelthaftungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucks. 11/6454, S. 13. 235 Lehmann, in: Schulz, Ökologie und Recht, S. 81 (83); Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (148). 236 Oben § 2 A. 237 Siehe BT-Drucks. 11/6454, S. 13. 238 BT-Drucks. 11/6454, S. 13. 239 Siehe §§ 5,6 Abs. 2-4,15 UmweltHG gegenüber der unter § 4 C.ü.l.b). dargelegten Regelung des ProdHaftG. 240 Peter, in: Salje, UmweltHG, § 19 Rn. 11. 241 Zum Stand der Konkretisierung Baiensiefen, Umwelthaftung, S. 251 f. 233
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Haben aber Versicherungen die Ersatzpflichten des Verursachers zu tragen, wird eine Anreizwirkung für die Versicherten bezweifelt 242 , und es stellt sich die Frage, ob dann noch das Verursacherprinzip verwirklicht ist. Die Bundesregierung ging davon in ihren Vorüberlegungen aus: „Eine obligatorische Umwelthaftpflichtversicherung stärkt das Verursacherprinzip und soll das wirtschaftliche Eigeninteresse mobilisieren" 243 . Allein die Notwendigkeit, Versicherungsbeiträge bezahlen zu müssen, bewirkt eine finanzielle Belastung, die sich nach dem durchschnittlichen Schadensausmaß bemißt und damit indirekt eine Internalisierung externer Kosten bewirkt. Sie macht den Adressaten die potentielle Gefährlichkeit der betroffenen Tätigkeit deutlich und hält sie infolge der deshalb notwendigen Aufwendungen möglicherweise von ihrer Aufnahme ab. Zugleich ist den Versicherten klar, daß eine hohe Zahl von Schadensfällen die Versicherungsprämie ansteigen läßt. Von daher werden sie sich so verhalten, daß möglichst wenige Schadensfälle auftreten. Entsprechend der mit dem Umwelthaftungsgesetz verfolgten Zielsetzung werden sie zu einem vorsichtigen, schadensvermeidenden Verhalten veranlaßt 244. Das gilt insbesondere dann, wenn die Versicherungsprämien sich nach der individuellen Schadenshäufigkeit richten245. Eine solche Wirkung kann aber auch dann angenommen werden, wenn unabhängig von der individuellen Zurechnung mit zunehmender Schadenshäufigkeit die Prämien steigen. Die Wirtschaftsunternehmen sind sich dieser alle Versicherten erfassenden Entwicklung bewußt. Sie können zudem aufgrund ansonsten drohender Imageverluste kein Interesse daran haben, Schäden durch Umwelteinwirkungen zu verursachen 246, so daß Versicherungsmitnahmeeffekte nicht zu befürchten sind und ein Eigeninteresse an der Schadensvermeidung besteht. Somit werden auch bei Bestehen einer Pflichtversicherung Anreize geschaffen, Schäden durch Umwelteinwirkungen - etwa mittels verstärkter Filter- bzw.
242
Mosthaf, VersR 1967,197 ff. Bulletin der Bundesregierung, 1987, Nr. 27, S. 213. 244 Siehe BT-Drucks. 11/6454, S. 13; allgemein zur Prävention als Haftungszweck Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung für Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, S. 34 (41 ff.). 245 Nach den Vertragsbedingungen der Versicherer für die Umwelthaftpflichtversicherung (Rundschreiben H 33/92 M des HUK-Verbands vom 21.12.1992) besteht für Schäden aufgrund des Normalbetriebs einer Anlage Versicherungsschutz nur unter der Voraussetzung, daß „der Versicherungsnehmer den Nachweis erbringt, daß er nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadensrechtlichen Umwelteinwirkungen unter den Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeit derartiger Schäden nicht erkennen mußte". Dazu Bohne, DVB1. 1994, 195 (197); allgemein Endres/Schwarze, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung für Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, S. 58 (71 ff.). Daher auf die Ausgestaltung des Versicherungsvertrages abhebend Purps, Umweltpolitik und Verursacherprinzip, S. 39. 246 Bohne, DVB1. 1994, 195 (198). 243
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Rückhaltevorkehrungen - zu verhindern bzw. zu verringern 247 . Zudem stellt die Pflichtversicherung sicher, daß bei Rechtsgutverletzungen tatsächlich, wie vom Gesetz angestrebt 248, ein gerechter Schadensausgleich erfolgt 249 . Das Umwelthaftungsgesetz ist daher, obwohl es eine Pflichtversicherung vorsieht, Ausfluß des Verursacherprinzips 250. d) Gentechnikgesetz Parallel zu § 1 UmweltHG statuiert § 32 Abs. 1 GenTG eine Gefährdungshaftung, wenn jemand infolge von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird 2 5 1 . Damit wird eine sozialgerechte Verteilung der aus dem erlaubten Restrisiko der Gentechnik folgenden Schäden erzielt 2 5 2 sowie ein Anreiz zur Vermeidung solcher Schäden geschaffen. Diese Haftung unterliegt gem. § 33 GenTG der Einschränkung durch einen Haftungshöchstbetrag. Insoweit ist das Verursacherprinzip nur eingeschränkt verwirklicht. Die Vorgabe einer Deckungsvorsorge in § 36 GenTG, die zu der durch §§ 19 f. UmweltHG vorgesehenen weitgehend parallel ist, tangiert die Umsetzung des Verursacherprinzips hingegen nicht 253 . e) Atomgesetz Abgerundet wird die Anlastung der Vermeidungskosten im Atomgesetz 254 durch die Schadensersatzpflicht gem. §§ 25 ff. AtG 2 5 5 . Diese haftungsrechtliche Verantwortung ist losgelöst von der befreienden Kraft eines staatlichen Genehmigungsaktes oder der Einhaltung von Rechtsvorschriften und wird ergänzt durch eine Deckungsvorsorge gem. § 13 AtG, die bereits bei der Genehmigung des Umgangs mit radioaktiven Stoffen oder des Anlagenbaus sichergestellt sein muß 256 . Gleichzeitig aber wird die Verantwortlichkeit wiederum durchbrochen
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Vgl. Salje, UmweltHG, Einl. Rn. 1. Oben § 4 C.n.l.c)aa). 249 Zu diesem Haftpflichtzweck Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung für Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, S. 34 (38 ff.). 250 Zu seiner RückfUhrbarkeit auf den Gerechtigkeitsgedanken oben Teil I § 3. 251 Näher etwa Deutsch, VersR 1990,1041 ff.; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, GenTG, § 32. 252 Hirsch/Schmidt-Didczuhn, VersR 1990,1193 (1193); siehe auch BT-Drucks. 11/5622, S. 33. 253 Näher oben § 4 C.II.l.c)bb). 254 Siehe oben § 4 B.I.2. 255 Zur atomrechtlichen Haftung näher Pelzer, DVB1. 1986, 875 (876 ff.); Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 29 Rn. 89 ff. 256 Siehe §§ 4 Abs. 2 Nr. 4 (i.V.m. § 4 a für die grenzüberschreitende Beförderung), 4 b, 6 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 2 Nr. 4 und § 9 Abs. 2 Nr. 4 AtG. 248
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
durch allerdings nur sehr eingeschränkt zum Zuge kommende Haftungshöchstgrenzen in § 31 sowie durch Ausprägungen des Gemeinlastprinzips in der Freistellungsverpflichtung des § 34 und der staatlichen Ausgleichsverpflichtung des § 38. 2. Aufwendungsersatz Die ordnungsrechtliche Umsetzung des Verursacherprinzips im BundesImmissionsschutzgesetz durch Vermeidungsgebote zu Lasten des Anlagenbetreibers wird zum Teil ergänzt durch die betragsmäßige Anlastung von anderweitigen Ist-Vermeidungskosten. Speziell bezogen auf den Verkehrswegebau erfolgt dies gem. § 42 BImSchG zu Lasten des Trägers der Baulast für Kosten, die der Träger der betroffenen baulichen Anlage für Schallschutzmaßnahmen aufwenden mußte 257 .
ΠΙ. Zahlungspflichten dem Staat gegenüber Legen ordnungsrechtliche Lösungen Grenzwerte fest, bleibt von ihnen das sich unterhalb dieser Grenzwerte bewegende Verhalten unerfaßt 258 . Generell spart diese Verwirklichungsform des Verursacherprinzips die Frage aus, wer die Kosten von Maßnahmen trägt, die nicht dem Verursacher durch eigene Maßnahmen von vornherein selbst obliegen, sondern die bei Maßnahmen des Staates anfallen. Daher kommt Zahlungspflichten der Verursacher dem Staat gegenüber ebenso wie solchen im Verhältnis zu Privaten 259 eine wichtige Ergänzungsfünktion zu. Aufgrund der von ihnen durch die finanzielle Belastung ausgehenden Anreizwirkung zu Verhaltensänderungen können sie auch isoliert stehen260 . 1. Kostenersatz, Gebühren und Beiträge als rein kostenmäßige Anlastung der Vermeidungskosten a) Isolierte Zahlungspflichten Eine lediglich kostenmäßige Anlastung der Vermeidungskosten findet sich selten. Eine Ausprägung ist das Fluglärmgesetz. Gem. § 12 Abs. 1 FluglärmG hat der Flugplatzhalter für die Kosten aufzukommen, die aus Entschädigungen für Bauverbote im Lärmschutzbereich (§ 8 FluglärmG) und aus Erstattungen von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen (§ 9 FluglärmG) erwach257 258 259 260
Die öffentliche Hand als Verursacher. Dazu näher unten Teil ΙΠ § 1 E. Etwa Schachel, NuR 1982,206 (210); Gawel, ZfU 1996,521 (527). Siehe oben § 4 C.n. Eine umfassende Bewertung erfolgt in Teil ΠΙ § 2 Α.
§ 4 Verwirklichung
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sen. Dies ist eine Verwirklichung der rein kostenmäßigen Anlastung der Ist-Vermeidungskosten auch im Hinblick auf die Entschädigung für Bauverbote. Diese Verbote sollen Gefährdungen vermeiden, und die Entschädigung ist nur die Kompensation für aus diesem Grund entstandene Beeinträchtigungen privater Nutzungsmöglichkeiten. Durchbrochen wird das Vemrsacherprinzip allerdings durch § 12 Abs. 2 FluglärmG mit seiner Exemtion von Flugplätzen stationierter Streitkräfte, an deren Stelle die Bundesrepublik Deutschland zahlungspflichtig ist b) Als Ergänzung zu Verhaltenspflichten und Vermeidungsgeboten Vielfach findet sich eine parallele Verwirklichung oder eine bloße Ergänzung von Vermeidungsgeboten durch gewisse Kostentragungspflichten. Ergänzend zur Pflicht, radioaktive Abfälle an dafür bestimmte staatliche Stellen gem. § 9 a Abs. 3 AtG abzuliefern 261 , schreibt § 21 a AtG - im Gegensatz zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 262 - ausdrücklich eine Kostenpflicht fest. Die Gebühren sind gem. § 21 a Abs. 2 S. 2 AtG grundsätzlich nach den Ist-Vermeidungskosten zu bemessen. Jedoch wird das dadurch verwirklichte Verursacherprinzip durchbrochen, soweit gem. § 21 Abs. 2 Satz 7 AtG zur Deckung des Investitionsaufwandes für die Lagerstätten lediglich eine Grundgebühr erhoben werden kann 263 . Führen staatliche Stellen nach dem Wasserhaushaltsgesetz Maßnahmen durch, um eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu verhüten oder a b zugleichen, greift die rein kostenmäßige Verwirklichung des Verursacherprinzips. Dem Urheber „können" gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 WHG „angemessene Beiträge" zur Kostendeckung auferlegt werden. Insofern als dies nicht zwingend ist und nicht notwendigerweise eine volle Kostenüberwälzung erfolgt, liegt allerdings eine Durchbrechung des Verursacherprinzips vor. Praktische Bedeutung hat diese Bestimmung freilich kaum erlangt 264 . Zudem wird eine Anwendbarkeit neben den Bestimmungen des Abwasserabgabengesetzes in Zweifel gezogen 265 . Dabei ist jedoch zu beachten, daß die nach Maßgabe des Wasserhaushaltsgesetzes erhobenen Abgaben eine Anlastung zumindest eines Teils der effektiv entstehenden Vermeidungskosten darstellen, während die Abgaben nach dem Abwasserabgabengesetz eine Umsetzung der Theorie von den sozia-
261
Siehe oben § 4 C.I.2. Abfallgebühren haben gleichwohl eine wichtige Funktion für die Verwirklichung des Verursacherprinzips, werden aber auf der Grundlage landesrechtlicher Bestimmungen erhoben. Siehe oben § 4 C.I.4. 263 Kloepfer/Meßerschmidt, Harmonisierung, S. 79. 264 Vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 4 Rn. 93. 265 Abi. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 4 Rn. 93. 262
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len Zusatzkosten bilden 2 6 6 . Die beiden Abgaben haben mithin unterschiedliche Ansatzpunkte und können von daher parallel angewandt werden. Zahlungspflichten dem Staat gegenüber können subsidiär zu Handlungspflichten des Verursachers sein. Nach § 8 Abs. 2 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft in erster Linie zu unterlassen und bei Unvermeidbarkeit Ausgleichsmaßnahmen zu treffen 267 . Diese subsidiäre Ausgleichspflicht durch den Verursacher kann auf der Grundlage von § 8 Abs. 9 BNatSchG durch landesrechtliche Regelung unter Beachtung der Vorgaben des § 8 Abs. 2, 3 BNatSchG in eine Zahlungspflicht einmünden. So können nach § 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf. 268 die zuständigen Behörden den Verursacher verpflichten, anstelle von eigenen Ersatzmaßnahmen den erforderlichen Geldbetrag einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Verfügung zu stellen, damit diese Ersatzmaßnahmen durchführt. Gem. § 12 Abs. 2 Nds. NatSchG und § 13 Abs. 2 NatSchG LS A läßt das Land, wenn der Verursacher nicht selbst für Ersatzmaßnahmen sorgt, solche auf dessen Kosten durchführen. Hier steht die Zahlungspflicht dem Staat gegenüber neben der (nicht möglichen) Vermeidung von Eingriffen in Natur und Landschaft unter der zusätzlichen Subsidiaritätsbedingung, daß der Verursacher nicht selbst für Ausgleich sorgt. In beiden Fällen handelt es sich um die Anlastung der Kosten für eine Ersatzvornahme von an sich dem Verursacher obliegenden Maßnahmen. Deren Höhe bemißt sich nach dem tatsächlich für die Ersatzmaßnahmen aufgewendeten Betrag und damit nach den Ist-Vermeidungsksoten. Auf dieser Basis ist indes kein Ausgleich möglich, wenn die Durchführung von Ersatzmaßnahmen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist 2 6 9 . Das ist indes durch eine nach den Soll-Vermeidungskosten bemessene Sonderabgabe möglich, die daher insoweit das Verursacherprinzip umsetzt 270 . Eine Ergänzung von Vermeidungsgeboten durch Zahlungspflichten erfolgt insbesondere auch im Bereich der Sachverhaltsaufklärung. Damit belegt werden können Eigentümer, Hersteller, Erbauer bzw. Betreiber von Rohrleitungsanlagen zum Befördern wassergefährdender Stoffe durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 19 d Nr. 3 WHG. Gem. §§ 30, 52 Abs. 4 BImSchG hat der Anlagenbetreiber für die Kosten zur Sachverhaltsaufklärung aufzukommen 271 , gege-
266 Siehe auch Kloepfer, VerwArch. 74 (1983), 201 (209 ff.). Näher zu den Abwasserabgaben sogleich § 4 C.m.2.b). 267 Siehe oben § 4 C.I.6. 268 Diese Regelung fügt sich in den durch § 8 Abs. 2, 3 BNatSchG vorgegebenen Rahmen, BVerwGE 85,348 (358 f.). 269 Zum ganzen Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 87. 270 Siehe sogleich § 4 C.m.2.a). 271 Näher Feldhaus, in: ders., Bundes-Immissionsschutzrecht, Bd. 1 A, § 30 Rn. 5; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, BImSchG § 30 Rn. 12 f.; § 52 Rn. 85 ff.
§ 4 Verwirklichung
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benenfalls nur bei Vorliegen eines Pflichtenverstoßes 272. § 21 Abs. 1 AtG (i.V.m. AtKostV) 2 7 3 ermöglicht die Auferlegung von Kosten zur Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf Anlagengenehmigung und -aufsieht. 274 Eine Kostenpflicht für Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung sieht auch das Chemikaliengesetz, das im übrigen ebenfalls Genehmigungspflichten und die Einhaltung bestimmter Standards vorschreibt, in § 25 a ChemG i.V.m. der ChemKostV 275 vor. Allerdings ist diese Kostenpflicht bei staatlichen Überwachungs- und Aufklärungsmaßnahmen nicht gebietsübergreifend verwirklicht. So enthalten das Pflanzenschutz- und das Düngemittelgesetz, die auch in gewissem Umfang Genehmigungserfordernisse 276 sowie parallel zum Chemikaliengesetz Kosten hervorrufende Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten vorsehen 277 , keine Regelung, wer die Kosten staatlicher Überwachung trägt. Auch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz legt eine Kostenpflicht für staatliche Überwachungsmaßnahmen nicht fest. Lediglich die Kosten selbst vorzunehmender Untersuchungshandlungen müssen gem. § 40 Abs. 3 KrW-/AbfG die Betreiber von Anlagen, in denen Abfälle entsorgt oder jedenfalls mitentsorgt werden, aufbringen. Diese Kostentragungspflicht ist indes Ausfluß einer Handlungspflicht und damit Teil der ordnungsrechtlichen Umsetzung des Verursacherprinzips 278 , die ja auch mit einer Kostenanlastung verbunden ist 2 7 9 . Diese Klassifizierung trifft dementsprechend und erst recht auch für die Kostenlast unerwähnt lassende Mitwirkungspflichten im Rahmen der staatlichen Überwachung wie z.B. die Pflicht zur Beischaffüng von Unterlagen nach § 6 UVPG zu 2 8 0 , auch wenn damit finanzielle Lasten verbunden sind.
272 Dies betrifft die Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, die für sich nicht bereits eine hinreichende Gefahr darstellen (vgl. § 4 Abs. 1 BImSchG), so daß von daher keine Rechtfertigung für eine Kostenanlastung vorhanden ist. Vgl. aber grundsätzlich zur Heranziehung des Verursachers im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung sowie bei einer bloßen Wahrscheinlichkeitsbeurteilung unten TeÜ ΠΙ § 4 C.I.2.- 5. Siehe zum ganzen auch Kloepfer/Meßerschmidt, Harmonisierung, S. 78, die bei einer trotzdem erfolgenden Kostenbelastung von einem Sanktionscharakter ausgehen. Jedenfalls liegt aber keine zwangsgeldähnliche Belastung vor, die durch eine bewußte Erhöhung zu einer Vermeidung von Umweltbelastungen zwingen soll. 273 Atomrechtliche Kostenverordnung vom 17.12.1981, BGBl. I S. 1457, geändert durch VO vom 18.12.1992, BGBl. IS. 2078. 274 Zu § 21 Abs. 1 Nr. 5 AtG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 5 AtKostV VG Karlsruhe, NVwZ 1996, 616; Schirp, NVwZ 1996,560 ff. 275 Verordnung über die Kosten für Amtshandlungen der Bundesbehörden nach dem Chemikaliengesetz. 276 Insbes. § 11 PflSchG. 277 Vor allem § 20 PflSchG, § 3 DMG. 278 Frenz, Verwirklichung, S. 117. 279 Siehe oben § 2 Β.Π. 280 Für diese Pflicht Erbguth/Schink, UVPG, § 5 Rn. 2.
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht 2. Sonderabgaben a) Als Anlastung der Vermeidungskosten
Eine weitere ergänzende Ausprägung des Verui^herprinzips durch Abgabenlösungen zur Anlastung der Vermeidungskosten findet sich in § 8 BNatSchG 281 . Für den Fall, daß Eingriffe in Natur und Landschaft nicht ausgeglichen werden können, ermöglicht § 8 Abs. 9 BNatSchG auch die Festlegung einer Ausgleichsabgabe durch die Länder 282 . Diese stellt eine Kompensation für einen i m Einzelfall fehlenden Ausgleich dar. Als solche richtet sich ihre Bemessung nach den Kosten, die der Verursacher eines Eingriffs zum Ausgleich des Eingriffs in Natur und Landschaft hätte aufwenden müssen 283 . Sie ist daher eine Ausprägung der Anlastung der Vermeidungskosten und bemißt sich entsprechend der jeweiligen landesrechtlichen Regelung nach den Soll-Vermeidungskosten 284 . b) Als Anlastung der sozialen Zusatzkosten: Abwasserabgaben Gem. § § 1 , 9 Abs. 1 Abwasserabgabengesetz haben die Länder denjenigen mit einer Abgabe zu belegen, der Abwasser in ein Gewässer einleitet. Bewertungsgrundlage ist gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Abwasserabgabengesetz die Schädlichkeit des Abwassers, die unter Zugrundelegung bestimmter Schadstoffe und ihrer Verbindungen sowie der Giftigkeit des Abwassers gegenüber Fischen nach einer zum Gesetz gehörenden Anlage in Schadeinheiten bestimmt wird. Eine Ermäßigung tritt gem. § 9 Abs. 5 Abwasserabgabengesetz für den sog. Restschmutz ein, d.h. für die trotz Erfüllung der in den Durchführungsbestimmungen zu § 7 a Abs. 1 W H G festgelegten Mindestanforderungen 283 nicht vermiedenen Schadeinheiten. Das ist ein Beispiel für die Durchbrechung des Verursacherprinzips i m Gefolge staatlicher Gestattungen286. Insgesamt handelt es sich um eine umweltpolitische Lenkungsabgabe, die als Sonderabgabe qualifiziert wird 2 8 7 . Sie zielt auf
281
Zu Verhaltenspflichten oben § 4 C.I.6. Zur Statuierung einer Kostenersatzpflicht aufgrund von § 8 Abs. 9 BNatSchG siehe vorstehend § 4 c.m.i. 283 Vgl. v.a. § 1 Abs. 3 Erstes NatSchG M.-V.: „Geldbetrag, der für die Ersatzmaßnahmen erforderlich gewesen wäre." 284 Im einzelnen Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 88 ff. 285 Dazu oben § 4 C.I.5. 286 Dazu allgemein Teil m § 6. 287 Jetzt h.M., insbes. P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Beurteilung der Abwasserabgabe des Bundes, S. 9 ff.; Henseler, Das Recht der Abwasserbeseitigung, S. 169 ff.; ders., Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, S. 191 ff.; Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 191 ff*; jeweils m.w.N. 282
§ 4 Verwirklichung
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eine Internalisierung der verschmutzungsbedingten Kosten, um den Wettbewerbsvorteil des Gewässerverschmutzers abzubauen288. Auch wenn sich die ordnungsrechtliche Hilfsfunktion der Abwasserabgabe 289 gegenüber der eigenständigen Lenkungsfunktion verstärkt hat, ist sie immer noch als Ausprägung der Anlastung der sozialen Zusatzkosten anzusehen290. Ergänzt und zugleich aufgeweicht wird die Umsetzung des Verursacherprinzips durch die Möglichkeit des § 10 Abs. 3 Abwasserabgabengesetz, unter bestimmten Voraussetzungen die Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung einer Abwasserbehandlungsanlage mit der Abgabe zu verrechnen. Hierin liegt eine Subvention zur Verstärkung der stimulierenden Wirkung der Kostenanlastung, so daß insbesondere auch kleinere Unternehmen zur Aufbringung der Kosten ermutigt werden, die für eine Abwasserbehandlungsanlage notwendig sind 291 . c) Als Umweltnutzung gegen Entgelt Als Umweltnutzung gegen Entgelt werden der Wasserpfennig und das Lizenzentgelt angeordnet. aa) Wasserpfennig Der sog. Wasserpfennig belastet in Baden-Württemberg 292 und den meisten anderen Bundesländern 293 die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser zur Wasserversorgung mit einem Entgelt. Das Abgabeaufkommen dient entsprechend den politischen Absichtserklärungen der baden-württembergischen Landesregierung der Finanzierung der Ausgleichsleistungen, die Land- und Forstwirte in festgesetzten Wasserschutzgebieten dafür erhalten, daß eine Beschränkung einer ordnungsgemäßen Grundstücksnutzung eintritt, ohne bereits den Grad einer entschädigungspflichtigen Enteignung zu erreichen, so daß ein Fall des § 19 Abs. 4 WHG vorliegt 294 . Damit handelt es sich um einen Fall der Ausgleichung von Nachteilen, die ein Eigentümer dadurch erleidet, daß der Staat die Nutzung eines Umweltgutes einer anderen Person gestattet. Aus dem Maß der Beeinträchtigung ergibt sich aber nicht die Höhe des Entgelts, sondern diese richtet sich gem. § 17 a Abs. 2 S. 1 WG BW nach Herkunft, Menge und
288
BT-Drucks. 7/2272, S. 1 f., S. 21 ff.; 7/5183, S. 1 ff.; 11/4942, S. 1 ff. Siehe BT-Drucks. 11/4942, S. 6. 290 Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 94 m.w.N. 291 Siehe oben §2 Α.Π. a.E. 292 §§ 17 a - 17 f WG BW i.d.F. v. 1.7.1988, GBl. S. 269. 293 Etwa Hessen, § 1 Abs. 1 Hess. Grundwasserabgabengesetz - HGruwG - vom 17.6.1992, GVB1.1S. 209. Überblick über alle Bundesländer bei Sanden, UPR 1994,424 (424 f. mit Fn. 1). 294 Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 95; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 9 Rn. 22. 289
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
Verwendungszweck des Wassers. Das erweist die Ausrichtung des Wasserpfennigs auf den Verbrauch dieses Umweltgutes, der finanziell belastet werden soll 2 9 5 , und damit seine Einfügung in das Verursacherprinzip. Es wird allerdings darauf verwiesen, die das Wasser belastenden Landwirte seien die Verursacher, so daß durch die Zuwendung des Wasserpfennigs an sie eine Durchbrechung des Verursacherprinzips vorliege 296 . Das gilt aber nur im Hinblick auf diese Verwendung 297 , nicht für die Belastung der Wasserentnahme. Die eine solche Vornehmenden sind gleichfalls Verursacher, nämlich insofern, als sie Wasser dem Verbraucher zufuhren und dadurch den Vorrat an natürlichem Wasser mindern bzw. seine Verschmutzung etwa in WC-Anlagen ermöglichen, mithin eine Umweltressource verbrauchen bzw. die Vorarbeit dazu leisten. Der Wasserpfennig wird als Verbrauchsteuer klassifiziert, für die der Bund zuständig wäre 298 . Ist aber Ziel des Gesetzes die finanzielle Belastung der Nutzung von Umweltressourcen, wird eine solche von der nach ihrem herkömmlichen Erscheinungsbild 299 an den Übergang vertretbarer Waren aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr 300 und nicht an die Nutzung von Umweltressourcen anknüpfenden Verbrauchsteuer nicht erfaßt 301 . Umweltsteuern über die in Art. 106 GG genannten Steuertypen hinaus sind nach herrschender, allerdings spätestens mit dem alle Formen staatlichen Handelns einschließenden Art. 20 a GG abzulehnender 302 Dogmatik ausgeschlossen303.
295
LT-Drucks. 9/4237, S. 13; siehe auch BVerfGE 93,319 (339). Habel, VB1BW 1986,10 (14); F. Kirchhof, NVwZ 1987,1031 (1033). 297 Siehe oben C.I.5. 298 F. Kirchhof, NVwZ 1987, 1031 (1035 f.); Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (780 f.); R. Hofmann, VB1BW 1988, 426 (428 f.); Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 9 Rn. 22; von Mutius/Lünenbürger, DVB1.1995,1205 (1214). 299 Die Steuertypen bestimmen sich nach dem „traditionellen deutschen Steuerrecht", auf das die Finanzverfassung mit der Verwendung herkömmlicher Begriffe verweist (BVerfGE 3, 407 (438); 31,34 (331 f.); siehe auch Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 55,57). 300 BVerfGE 16, 64 (74); BVerwGE 96, 272 (281); BFHE 57,473 (489). 301 Osterloh, NVwZ 1991, 823 (827 f.); vgl. aber Frenz, Verwirklichung, S. 161 im Hinblick auf Art. 20 a GG. 302 Frenz, Verwirklichung, S. 156 ff.; siehe auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung Π, S. 529, der zu Recht auf den nur die Berechtigung aus eingenommenen und nicht die Erhebung von Steuern erfassenden Regelungsgehalt des Art. 106 GG verweist. 303 Grundlegend Vogel/Walter, in: BK, Art. 105 Rn. 63 ff.; Vogel, Finanzverfassung und politisches Ermessen, S. 9 ff. Ebenso etwa Arndt, Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen - Zur ,Abgabenerfindungskompetenz" des Bundesgesetzgebers, S. 59 f.; Birk, in: AK-GG, Art. 105 Rn. 22; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 31 ff.; Friauf, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2, S. 300 (300); Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, S. 31 f.; Ossenbtlhl/Di Fabio, StuW 1988, 349 (352); Stern, Staatsrecht Π, S. 1119 m.w.N. Bezogen auf Umweltsteuern Höfling, StuW 1992, 242 (243); P. Kirchhof, in: Kimminich/von Lersner/Storm, Handwörterbuch des Umweltrechts Bd. 1 Sp. 34 f.; Rodi, Umweltsteuern, S. 72; Zitzelsberger, BB 1995, 1769 (1773 f.). Dieser Ansatz wurde auch vom BVerfG in der „Wasser296
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Eine Verleihungsgebühr, die auf die hoheitliche Gewährung eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts erhoben wird 3 0 4 , kann im Wasserpfennig, der an die Benutzung des Wassers und nicht an die Übertragung des Rechts hierzu anknüpft, nicht gesehen werden 305 . Sie scheidet vor allem im Hinblick darauf aus grundsätzlichen Erwägungen als Gebührentyp aus, daß der Wert von Rechten schwerlich konkret faßbar und damit als Vergleichsgrundlage zur Überprüfung der Höhe der Gebühr am Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip kaum geeignet ist 3 0 6 sowie Rechte nach gesetzlichen Maßstäben, nicht aber der Finanzkraft der Anwärter vergeben werden 307 . Eine Umweltnutzungsgebühr für die Nutzung von Wasser scheitert daran, daß der Staat nicht Eigentümer des Oberflächen- und Grundwassers ist, dieses also nicht leisten kann 308 , die Unterhaltungs- und Reinigungsleistungen aber nicht in individualisierter Weise den Wasserentnehmern erbracht werden und somit keine gebührenbelastungsfähige Gegenleistung bilden 309 . Somit bleibt auf der Basis herkömmlicher Dogmatik als geeigneter Abgabentyp lediglich die Sonderabgabe. Die Befürwortung weiterer oder nicht näher spezifizierter Abgaben 310 führt zu einem Zerfließen der Grenzen zur Steuer 311. Das zeigt sich in besonderer Schärfe dann, wenn die Notwendigkeit eines abgegrenzten Personenkreises und einer zweckgebundenen Verwendung aufgegeben wird 3 1 2 . Die besonderen Merkmale der Steuer sind entsprechend dem den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff deklarierenden § 3 Abs. 1 A O 3 1 3 gerade die gegenleistungsunhängige Erhebung von einem nicht durch natürliche Merkmale
pfennig"-Entscheidung, die sich auf nichtsteuerliche Abgaben bezog, nicht in Frage gestellt; anders Sanden, UPR 1996,181 (184). 304 Siehe Hendler, AöR 115 (1990), 577 (692); näher F. Kirchhof, DVB1.1987,554 ff. 305 F. Kirchhof, NVwZ 1987,1031 (1035). 306 Pietzcker, DVB1.1987,774 (777); Jarass, DÖV 1989,1013 (1016); Weyreuther, UPR 1988, 161 (164). 307 P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, S. 79 ff.; zum ganzen Friauf, in: Festschrift der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 679 (681 ff.); a.A. Arndt, WiVerw. 1990,1 (25 ff.); F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 29 f.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 41; Meßerschmidt, DVB1. 1987, 925 (932); siehe auch Vogel, in: Festschrift für Willi Geiger, S. 518 (533 ff.); dazu abl. Sander, DVB1.1990,18 (22 f.). 308 F. Kirchhof, NVwZ 1987,1031 (1034); a.A. Hendler, NuR 1989,22 (25 f.). 309 Pietzcker, DVB1.1987,774 (777); im einzelnen Sander, DVB1.1990,18 (20 ff.). 310 Siehe BVerfGE 93, 319 (345): Wasserpfennig als nichtsteuerliche Abgabe, die weitere Einordnung bleibt offen. 311 Krit auch Sanden, UPR 1996, 181 (182 f.); Raber, NVwZ 1997, 219 (222); siehe auch Zitzelsberger, BB 1995,1769 (1777) sowie von Mutius/Lünenbürger, DVB1.1995,1205 (1209). 312 Siehe BVerfGE 93,319 (345). 313 BVerfGE 67, 256 (282) m.w.N. Näher Vogel/Walter, in: BK, Art. 105 Rn. 25; Frenz, Verwirklichung, S. 165 f.
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Teil 1 : Versacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
näher vorgegebenen Personenkreis 314 und eine grundsätzlich nicht zweckgebundene Verwendung 315 . Die Abgrenzung nach diesen Eckpfeilern wird verlassen, wenn sich die Legitimation einer nichtsteuerlichen Abgabe gegenüber dem Steuerstaat bereits aus der Abschöpfung eines Sondervorteils durch die Wassernutzung ergeben soll 316 . Deren wirtschaftlicher Wert ist nicht eindeutig bestimmbar, so daß eine Relation Leistung-Gegenleistung nicht hergestellt werden kann 317 . Eine Rechtfertigung könnte sich aus Art. 20 a GG ergeben. Zieht man jedoch die Bindung bestimmter Güter als entscheidendes Kriterium für eine Sonderbelastung heran, so könnte man über dieses Einfallstor auf der Basis der Gemeinwohlnützigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG sämtliche dem Schutz von Art. 14 GG unterfallenden Werte 318 mit einer „nichtsteuerlichen Abgabe" belasten. Daraus ließe sich etwa eine Abgabe auf große Vermögen ableiten, ohne daß ein bestimmter Zweck verfolgt werden müßte. Die in Art. 105 ff. GG vorausgesetzte Exklusivität der Steuer als staatliches Finanzierungsinstrument 319 ginge damit indes verloren. Bejaht man daher nur die Möglichkeit einer Sonderabgabe und nicht einer davon losgelösten „nichtsteuerlichen Abgabe", müßte der Wasserpfennig an eine homogene Gruppe anknüpfen und das Aufkommen zu deren Nutzen verwenden, um zulässig zu sein 320 . An beiden Merkmalen fehlt es hier 321 .
314
Der Staat muB nicht notwendig die Allgemeinheit der Steuerzahler, sondern er kann auch bestimmte Gruppen mit einer Steuerpflicht belegen, Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 225 f. Entscheidend ist damit nur, daß diejenigen, von denen Steuern erhoben werden, von der Definition her nicht näher eingegrenzt sind. 315 Siehe BVerfGE 49, 343 (353 f.); 55, 274 (298 f.); 65, 325 (344); BVerwGE 96, 272 (277); im einzelnen mit Diskussion der verschiedenen Strömungen Frenz, Verwirklichung, S. 186 ff. Ein rechtlicher Zusammenhang besteht indes zwischen Steuern und den Ausgaben insgesamt; näher unten Teil Π § 7 A.IV. 316 So BVerfGE 93,319 (345); krit. auch von Mutius/Lünenbürger, NVwZ 1996,1061 (1063). 317 Daraus ergeben sich die mit einer Umweltnutzungsgebühr zusammenhängenden Schwierigkeiten (siehe von Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1205 (1209 f.); Frenz, Verwirklichung, S. 144), deren Ansatz BVerfGE 93, 319 (345 f.) im Ergebnis durch das Abstellen auf den tatsächlichen und nicht den rechtlichen Vorteil (dann Verleihungsgebühr, von deren Annahme von Mutius/Lünenbürger, NVwZ 1996, 1061 (1062) ausgehen) zugrunde legt; ebenso Sanden, UPR 1996, 181 (182); vgl. Murswiek, NuR 1994,170 (175), auf den sich BVerfGE 93, 319 (345), ohne aUerdings eine über die bewirtschaftete Ressource Wasser hinausgehende Aussage zu treffen (für eine Erweiterungsfähigkeit aber Murswiek, NVwZ 1996, 417 (421); wie hier Sanden, UPR 1996, 181 (184); von Mutius/Lünenbürger, NVwZ 1996,1061 (1064 f.)), stützt: Ressourcennutzungsgebühr. 318 Zur Einschlägigkeit von Art. 14 Abs. 1 GG im Hinbück auf Steuern BVerfGE 93,121 (137) sowie für Abgaben allgemein näher unten Teil Π § 1 Β. 319 Siehe BVerfGE 78,249 (266 f.); 82,159 (178); 91,186 (201); 92,91 (113); auch BVerfGE 93,319 (342). 320 Siehe BVerfGE 55,274 (305 f.); 67, 256 (276); 82,159 (180); 92,91 (113). 321 Pietzcker, DVB1. 1987,774 (780); Murswiek, NuR 1994,170 (173).
§ 4 Verwirklichung
73
bb) Lizenzentgelte Die Qualifizierung als Nutzungsentgelt steht auch bei einer anderen landesrechtlichen Regelung in Frage 322 : Gem. § 10 Abs. 1 LAbfG N W 3 2 3 benötigt deijenige, der von entsorgungspflichten Körperschaften der privaten Entsorgung überantwortete Abfalle im Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen behandelt oder ablagert, eine Lizenz. Für die Nutzung dieser Lizenz muß der Begünstigte ein Lizenzentgelt entrichten (§11 LAbfG NW). Dessen Bemessung richtet sich gem. der Lizenzentgelt-VO vom 24.6.1992 324 nach der anfallenden Abfallmenge, der abgelieferten Abfallart, der gewählten Entworgungsart sowie danach, ob der Belastete selbst oder durch andere entsorgt; es wird jährlich abgerechnet. Somit wird das Entgelt auf konkrete Entsorgungsvorgänge und damit Umweltnutzungsmengen bezogen, nicht hingegen auf die Verleihung eines Rechts hierzu, worauf eine Abgabenerhebung entsprechend dem zu diesem Zeitpunkt vorhersehbaren Wert des Rechts schließen ließe 325 . Es ist daher kein Anwendungsfall der Verleihungsgebühr 326. Luft, Boden und Wasser, die durch Abfallentsorgung in Mitleidenschaft gezogen werden können, befinden sich nicht in staatlichem Eigentum, so daß auf deren Verbrauch eine Umweltnutzungsgebühr nicht erhoben werden kann 327 . Die Staffelung des Entgelts nach der Abfall- und Entsorgungsart sowie nach dem Vorliegen einer Eigen- oder Fremdentsorgung weist auf die Anknüpfung an eine bestimmte Nutzungsform. Es wird also nicht die Nutzung eines bestimmten Gutes etwa durch Verbrauch belastet, sondern seine Belastung durch eine bestimmte Nutzungsform. Diese Belastung ist aber schwerlich wirtschaftlich meßbar, so daß die Erhebung einer Umweltnutzungsgebühr ausscheidet. Somit bleibt nur eine Qualifikation als Sonderabgabe, es sei denn, man befürwortet die Zulässigkeit von nicht durch die in Art. 106 GG aufgeführten Typen erfaßten Umweltsteuern 328 . Als Sonderabgabe ist sie aber schon wegen der Belastung eines nicht abgegrenzten Personenkreises verfassungswidrig 329. Ein Lizenzentgelt auf die Entsorgung von Abfällen kommt damit ebenso wie der Wasserpfennig nur als Umweltsteuer in Betracht 330 .
322
Dazu Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 97 (S. 489). Vom 21.6.1988, GVB1. S. 250. 324 GVB1. S. 254. 325 F. Kirchhof, DVB1.1987,554 (556). 326 Siehe aber Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573 (581); Trzaskalik, StuW 1992, 135 (144) m.w.N. 327 Vgl. dazu § 4 C.m.2.c)aa). 328 Osterloh, NVwZ 1991,823 (826 ff.). 329 Im einzelnen Stallknecht, Lizenz und Lizenzentgelt, S. 206 ff. 330 Siehe auch Sander, DVB1. 1990,18 (23). 323
74
Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht 5. Umweltsteuern
Umweltsteuern sind nach bislang herrschender, aber vor allem i m Hinblick auf den alle staatlichen Tätigkeitsbereich erfassenden Art. 20 a GG abzulehnender Dogmatik nur auf der Basis der in Art. 106 GG aufgeführten Steuertypen möglich 3 3 1 . A u f dieser Grundlage scheiden spezifisch an die Verursachung externer Kosten anknüpfende Steuern aus 332 . Verursacher können höchstens mittelbar belastet werden, etwa durch eine emissionsbezogene Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer 333 . Eine verursachergerechte Steuer auf lokaler Ebene ist die kommunale Verpackungssteuer 334 .
IV. Zertifikatlösungen Das Zertifikatmodell hat - i m Gegensatz zu den U S A 3 3 5 - in der Bundesrepublik Deutschland noch keine beachtliche praktische Bedeutung erlangt 336 . Der mögliche Einstieg durch §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3 a BImSchG i.V.m. Nr. 4.2.10 der T A Luft wurde faktisch wegen der zu komplizierten Regelung nicht genutzt 337 . Zudem weist diese Regelung die Besonderheit auf, daß die Menge der verminderten Emissionen durch ein Angebot des ansonsten von hoheitlichen Maßnahmen betroffenen Betreibers bzw. - vorgeschaltet und damit indirekt - durch einen zur Emissionsminderung zugunsten dieses Betreibers bereiten Dritten festgelegt wird und in diesem privat vorgegebenen, wenn auch behördlich gebilligten Rahmen ein Zertifikathandel in Betracht kommt 3 3 8 .
331
Siehe oben § 4 C.m.2.c)aa). Trzaskalik, StuW 1992,135 (141). 333 Einen Überblick über bereits verwirklichte Steuern mit ökologischer Anreizwirkung geben Dickertmann, in: K. Schmidt, öffentliche Finanzen und Umweltpolitik I, S. 91 (100 ff.); von Lersner, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 103 (103 ff.); zu weiteren Möglichkeiten Rodi, Umweltsteuern. 334 Zu ihr BVerwGE 96,272. Ihre rechtliche Zulässigkeit ist allerdings umstr. Bejahend Queitsch, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 883 ff. m.w.N. Abi. Frenz, Verwirklichung, S. 173 ff. 333 Zu den dortigen Ansätzen und Erfahrungen Wasmeier, NuR 1992, 219 (229 f., 224 ff.); Weimann, Umweltökonomik, S. 175 ff. 336 Daher zur Bewertung und möglichen Funktion bei der Verwirklichung des Verursacherprinzips ausschließlich Teil ΙΠ § 2 B.I. 337 Wicke, Umweltökonomie, S. 204. Zu dem ModeUversucht im „Kannenbäckerland" Gawel/Ewringmann, NuR 1994, 120 ff.; Erfahrungsbericht von Ewringmann/Gawel, Kompensationen im Immissionsschutzrecht, passim. Zu den bestehenden Möglichkeiten Enders, Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht. Zur gesetzlichen Begründung von Emissionsrechten und ihrer Übertragung nach den Kompensationsregelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich der Luftreinhaltung. 338 Ygi zum üblicherweise angenommenen Ansatz unten Teil ΠΙ § 2 B.I. m.N. 332
§ 5 Juristische Folgerungen
75
§ 5 Juristische Folgerungen aus der Umsetzung des Verursacherprinzips im Umweltrecht A. Rückschlüsse auf die Verbindlichkeit des Verursacherprinzips Weil das Verursacherprinzip in einer Vielzahl von Vorschriften aus zahlreichen Feldern des Umweltrechts festgeschrieben 339 und allgemein als eines der Grundprinzipien dieses Rechtsgebiets anerkannt ist 3 4 0 , könnte es jedenfalls in diesem Bereich als Gewohnheitsrecht gelten. Das setzt voraus, daß eine lange allgemeine Übung vorliegt, die durch eine Rechtsüberzeugung getragen ist 3 4 1 . Nicht Entstehungs-, aber Gültigkeitsvoraussetzung ist, daß der gewohnheitsrechtliche Rechtssatz hinreichend bestimmt ist 3 4 2 . Nur dann ist eine Befolgung als Recht möglich. Daß zahlreiche das Verursacherprinzip umsetzende Regelungen im Umweltrecht existieren, ist Ausdruck dafür, daß dem Staat nach herkömmlicher Konzeption als - wenn auch zum Teil für nachrangig gehaltene343 - Handlungsalternative das Gemeinlastprinzip zur Verfügung steht, nach dem der Staat und damit die Allgemeinheit der Steuerzahler die zur Umweltwahrung notwendigen Aufwendungen und Anreize namentlich in Gestalt von Subventionen trägt. Außerdem kann der Staat die betroffenen Privaten die zur Behebung bzw. Verhinderung von Schäden notwendigen Kosten selbst tragen lassen 344 . Danach muß der Staat eine Entscheidung für eine Option treffen, die auch nicht durch eine allgemeine Überzeugung vorgezeichnet ist 3 4 5 . Beispiel ist die umstrittene Entsorgungsverantwortung für Private nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 346 . Auch systemwidrige Durchbrechungen des Verursacherprinzips wie im Falle von Ausgleichszahlungen auf der Grundlage von § 19 Abs. 4 W H G 3 4 7 werden als rechtmäßig angesehen348. In den das Ver339
Siehe oben § 4 C. Siehe oben §§ 1 A.I.4.; 2 C.I. 341 BVerfGE 28,21 (28 ff.); BVerwGE 8,317 (321); 19,243 (245); BVerwG, DVB1.1979,116 (117); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 146; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 57. Zur Problematik der Herausbildung eines allgemeinen Rechtsempfindens in einer pluralistischen Gesellschaft mit komplexer, sich rasch wandelnden Verhältnissen anpassender Normstruktur Ossenbühl, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 75 f.; vgl. auch Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 55 m.w.N. 342 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 19. 343 Kloepfer, in: dersTRehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 148 sowie dementsprechend § 5 dieses Professorenentwurfs (S. 40). 344 Siehe oben § 1 Β.Π. 345 Vgl. auch die Diskussion um das Subsidiaritätsprinzip, unten Teil Π § 9. 346 Siehe die Begründung zum Regierungsentwurf vom 15.9.1993, BT-Drucks. 12/5672, S. 43 ff. einerseits und die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/5672, S. 68 andererseits. 347 Siehe oben § 4 C.I.5. 340
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Teil 1 : Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
ursacherprinzip umsetzenden Vorschriften hat der Gesetzgeber dieses mithin konstitutiv festgelegt und nicht nur deklaratorisch wiedergegeben. Zudem ist das Verarsacherprinzip, jedenfalls verstanden als rechtspolitischer Grundsatz 349 , nicht konkret genug, um bestimmte rechtliche Vorgaben zu machen.
B. Rückschlüsse auf die Ausgestaltung des Verursacherprinzips I. Inhaltlich Das Verursacherprinzip ist in den es befolgenden gesetzlichen Regelungen in zahlreichen verschiedenen Formen verwirklicht. Daher läßt sich aus ihnen kein einheitlicher Gehalt herausschälen. Das ergibt sich auch daraus, daß vielfach in einem Bereich versucht wird, durch das Anknüpfen an verschiedene mögliche Ansatzpunkte mittels kumulativer Regelungen für einen Verursacherkreis die Verursacherverantwortung zu verdichten oder auf mehrere Gruppen zu verteilen. So trifft private Haushalte grundsätzlich gem. § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG eine Überlassungspflicht für Abfälle, die sie nicht selbst verwerten können oder wollen, sowie eine Gebührenpflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungskörperschaften aufgrund kommunalabgabenrechtlicher Regelungen 350 . Die Verpackungsverordnung erlegt in §§ 4 ff. Herstellern und Vertreibern von Verpackungen Rücknahme- und Verwertungspflichten auf. § 22 ff. KrW/AbfG schaffen die Grundlage dafür, bereits die Produktzusammensetzung zu steuern. Eine solche umfassende Ausgestaltung 351 ist aber auf die Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen, ohne darüber hinausgehende allgemeine Schlüsse für eine davon unabhängige Wirkung des Verursacherprinzips zuzulassen. Von daher weist dieses selbst keinen vorgegebenen Gehalt auf, der über die Beanspruchung des Verursachers als solche hinausreicht. In welcher Ausgestaltung die auf ihm beruhenden Regelungen dem Bürger gegenüber wirken, wer also Verursacher ist und in welchem Umfang er in Anspruch genommen wird, hängt vielmehr von der Prägung ab, die das Verursacherprinzip in dem jeweiligen Sachgebiet durch den Gesetzgeber erfahren hat 352 .
348 349 350 351 352
Nacke, NVwZ 1987,185 (188). Siehe oben § I B . Näher Frenz, Verwirklichung, S. 73 ff., 119 ff. Siehe oben § 4 C.I.4. Dazu näher auf der Basis einer verfassungsrechtlichen Fundierung Teil ΙΠ § 1.
§ 5 Juristische Folgerungen
77
Π. Das Verhältnis von Handlungs- und Vermeidungsgeboten zu bloßen Zahlungspflichten Bezieht man die ordnungsrechtlichen Gebote in das Verursacherprinzip mit ein 3 3 3 , bilden diese die meisten Fälle der Ausprägung des Verursacherprinzips. Die Anordnung von Zahlungspflichten dem Staat gegenüber, zum Teil auch zugunsten Privater erfolgt vielfach nur ergänzend. Indes werden diese beiden Gruppen von Vorschriften regelmäßig nicht in Beziehung zueinander gesetzt, so daß kein Stufenverhältnis angeordnet wird. Aus der zahlenmäßigen Verbreitung kann allenfalls auf eine tatsächliche Präferenz des Gesetzgebers geschlossen, nicht aber ein rechtlicher Vorrang von Verhaltenspflichten abgeleitet werden. Ein subsidiäres Eingreifen einer bloßen Kostenanlastung ordnet allerdings § 8 BNatSchG an. Diese Vorschrift sieht in Abs. 2 in erster Linie die Unterlassung von Naturbeeinträchtigungen vor und statuiert bei deren Unvermeidbarkeit Ausgleichsmaßnahmen. Erst wenn auch diese nicht möglich sind, also Eingriffe in die Natur und die Landschaft überhaupt nicht ausgeglichen werden können, vermögen gem. § 8 Abs. 9 BNatSchG in landesrechtlichen Regelungen Ausgleichszahlung vorgeschrieben zu werden 354 . Diese Rangfolge deutet einen Vorrang von Verhaltenspflichten vor der Umlegung der Vermeidungskosten durch bloße Zahlungspflichten an. Allerdings bewegt sich § 8 BNatSchG ausschließlich im Anwendungsbereich der ersten der in der Rechtswissenschaft bislang unterschiedenen Systemvarianten des Verursacherprinzips 355, nämlich der Anlastung der Vermeidungskosten. Daher kann aus dieser Regelung kein genereller Vorrang der ordnungsrechtlichen Umsetzung des Verursacherprinzips vor abgabenrechtlichen Lösungen 356 abgeleitet werden. Zudem besteht das Bedenken der Singularität der Regelung des § 8 BNatSchG. Einen weiteren Anwendungsbereich hat das polizeirechtliche Regelungssystem, das ebenfalls einen Vorrang der Verhaltenspflichten vorsieht. Indes ist dieses nicht spezifisch auf das Verursacherprinzip des Umweltrechts bezogen, so daß sich von daher eine Übertragung verbietet.
C. Offene Fragen Trotz der aufgezeigten weiten Verbreitung des Verursacherprinzips im Umweltrecht fehlt eine tiefere juristische Fundierung. Diese setzt voraus, daß eine
353 354 355 356
Zu den Gründen oben § 4 A. Siehe auch oben § 4 C.I.6., m.l.b), 2.a). Siehe oben § 2 GEL So Kloepfer/Meßerschmidt, Harmonisierung, S. 76.
78
Teil 1 : Versacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht
genauere rechtsdogmatische Einordnung des Verursacherprinzips erfolgt 357 . Insbesondere gilt es die Frage zu untersuchen, ob dieses bisher lediglich als rechtspolitischer Grundsatz eingeordnete Prinzip 358 auch aus der Verfassung ableitbar ist 3 5 9 . Auch darüber, was im einzelnen unter dem Verursacherprinzip zu verstehen ist, besteht noch weitgehende Unklarheit 360 . Dies sind freilich keine umweltbereichsspezifischen Problemstellungen. Bei einer verfassungsrechtlichen Fundierung außerhalb von auf den Umweltschutz bezogenen Vorschriften drängt sich im Gegenteil die Frage auf, ob es sich nicht um einen umfassenden, für alle Rechtsgebiete relevanten Grundsatz handelt. Daher soll dieser Problemkreis unabhängig von der Frage des Einsatzes für den Umweltschutz behandelt werden. Gleichwohl werden sich daraus Rückwirkungen auch für den Einsatz des Verursacherprinzips für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ergeben. Solche Konsequenzen stellen sich aber von der Anlage her für alle Rechtsgebiete ein, in denen das Verursacherprinzip angewandt werden kann, wenngleich bereichsspezifische und damit umweltspezifische Besonderheiten auftreten können. Dabei handelt es sich aber lediglich um Abstufungen und Feinabstimmungen von Rechtsfolgen, die auf einen anderen Kern zurückzuführen sind und daher im Zusammenhang mit diesem zu erörtern sind.
357
Deren Fehlen bemängelnd Reinhardt, AöR 118 (1993), 617 (648). Siehe oben § I B . 359 Die Frage anreißend Wegmann, NuR 1988, 361 (367 f.): Pflicht des Staates, verantwortete Freiheit einzurichten; vgl. Teil Π §§ 5 B., C., 8.; auch Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 539 f. Kloepfer, in: ders./Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 150 sieht die Grundlage in der Aufgabe des Staates zum Schutz der Umwelt (vgl. zu den Auswirkungen einer Festschreibung im Grundgesetz S. 9; zu Art. 20 a GG in dieser Arbeit Teil Π § 11 Β.), hält das Verursacherprinzip aber nicht für verfassungsrechtlich ableitbar; dafür jedoch auf der Grundlage von Art. 20 a GG Murswiek, in: Sachs, GGK, Art. 20 a Rn. 35; dies zum Teil bejahend Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 127 ff. 358
360
Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 89; Kloepfer, in: ders ./Rehbinder/Schmidt-Aßmann/ Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 149; Schottelius, in: Festschrift für Weitnauer, S. 397 (401); Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 32.
Teil II
Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im Öffentlichen Recht § 1 Relevanz Als praktische Hauptschwierigkeit für die Umsetzung des Verursacherprinzips im Umweltrecht kristallisierte sich das Problem heraus, daß Kausalketten vielfach im Dunkeln liegen, mithin der Verursacher einer Umweltschädigung nicht sicher ermittelt werden kann1. Die Auferlegung von Geboten und Abgaben ist indes sowohl auf der Stufe der gesetzlichen Festschreibung wie auch auf der Ebene des Verwaltungshandelns als freiheitsbeschränkende Belastung rechtfertigungspflichtig.
A. Grundrechtliche Schutzlosigkeit umweltschädigenden Verhaltens? Für den Umweltbereich bestünde diese Rechtfertigungspflicht allerdings dann nicht, wenn umweltschädigendes Verhalten grundrechtlich nicht geschützt wäre.
I. Ansätze Eine solche Schutzlosigkeit wäre dann gegeben, wenn sich das Verhalten eines (potentiellen) Schadensverursachers überhaupt nicht mehr im Rahmen der Grundrechte bewegen würde. Nimmt man an, daß sich der Verursacher über eine ihm obliegende Grundpflicht zu solidarischem 2, umweltgerechtem Verhalten hinwegsetzt, könnte darin eine in den Grundrechten steckende Grenze der Freiheitsbetätigung zu sehen sein, jenseits der ihr Schutz aufhört. Eine Schutzlosigkeit umweltschädigenden Verhaltens läßt sich zumal aus der Perspektive
1
Siehe oben Teil I § 2 B. Bachof, WDStRL 41 (1983), 98 ff., 126 (Diskussionsbeitrag); Häberle, Menschenbild, S. 84 f. Dazu näher Teil Π § 5 C.m.2. 2
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
80
herleiten, daß durch die Aufstellung von Grenzen zur Erhaltung der Umwelt erst der „Naturzustand im staatsphilosophischen Sinn, in dem die Freiheit gesetzlich noch ungebunden war, in einen Rechtszustand überführt", also die von vornherein angelegten und - „als denknotwendige Voraussetzung für rechtlich garantierte Freiheit... im Verhältnis zwischen Privatleuten" - begrenzten Freiheitsräume erst konkretisiert werden 3. Von daher würde von dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheitsraum des Bürgers nichts genommen. Daraus folgert Murswiek, daß es zur Festschreibung dieser Grenzen keiner Begründung und damit auch keiner Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf 4. Indem er die Nutzung von Umweltgütern nicht wie die herrschende Meinung lediglich als Freiheitsausübung 5, sondern als Teilhabe versteht 6, die verfassungsrechtlich nur insoweit gewährleistet ist, als sich aus dem Grundgesetz ein diesbezüglicher Teilhabeanspruch ableiten läßt 7 , tritt insoweit an die Stelle der freiheitsrechtlichen Abwägung bzw. Zumutbarkeitskontrolle „die Prüfung, ob ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Teilhabe besteht." Wenn nicht, „bildet das Willkürverbot als Verteilungskriterium den materiellen Entscheidungsmaßstab."8 Hinzu tritt das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes 9.
Π. Folgen für die Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlicher Maßnahmen Obläge dem Staat keine Darlegungspflicht dafür, daß Umweltbelastungen vorliegen und er sich somit außerhalb des grundrechtlich geschützten Bereichs bewegt, stünde ihm mit dieser Begründung der Zugriff auf den bürgerlichen Freiheitsraum in weiten Teilen offen. Somit birgt auch die Ausgestaltung immanenter Grenzen der Grundrechte Gefahren für den verfassungsrechtlich (materiell) garantierten Freiheitsraum. Daher bedarf es wenigstens einer näheren Begründungspflicht des Staates dafür, daß er sich außerhalb des grundrechtlich geschützten Bereichs bewegt. Auch hier stößt der Staat also auf die Ungewißheiten über umweltrelevante Kausalzusammenhänge. Allerdings müßte er nur belegen, daß es sich um ein in irgendeiner Weise (potentiell) umweltschädliches Verhalten handelt. Hingegen brauchte er die Personen, von denen dieses Verhalten ausgeht, und dessen Ausmaß und Schädlichkeit nicht derart genau ausfindig zu machen, um die Verhältnismäßigkeit der Auswirkungen staatlicher Maßnahmen zu prüfen. Daher müßte er auch nicht das Ausmaß der
3 4 5 6 7 8 9
Murswiek, DVB1.1994,77 (80). Murswiek, DVB1.1994,77 (80). Siehe etwa Preu, JZ 1991,265 ff.; Kloepfer, in: Festschrift für Lerche, S. 755 ff. m.w.N. So bereits Murswiek, JZ 1988,985 (992 f.); ders., in: HStR V, § 112 Rn. 83. Murswiek, DVB1.1994,77 (81). Murswiek, DVB1.1994,77 (83). Murswiek, DVB1. 1994, 77 (83).
§ 1 Relevanz
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Gefährdung darlegen. Dadurch würde das Problem ungewisser Kausalzusammenhänge infolge einer geringeren Darlegungslast des Gesetzgebers in weitem Umfang entschärft.
ΙΠ. Kritik Der Preis ist allerdings eine Aushebelung der differenzierten grundrechtlichen Schutzmechanismen Gesetzesvorbehalt, Schranken und Übermaßverbot 10. Tieferliegend folgt aus der aufgezeigten Konzeption Murswieks, daß der Schutz sämtlicher Nutzungen von Umweltgütern von dem Bestehen eines Teilhabeanspruchs abhängt und somit die Garantie der darauf beruhenden Freiheitsausübung nicht die Regel, sondern die Ausnahme bildet. Selbst die Nutzung der Luft als Atemluft fällt darunter 11. Daß aber auch derart selbstverständliche Freiheitsbetätigungen nur deshalb, weil sie mit der Nutzung von Umweltgütern zusammenhängen, als Ausnahme erscheinen und aus dieser Perspektive auch begründungspflichtig sind, widerspricht der Anlage und Konzeption der Grundrechte als umfassende Gewährleistung der bürgerlichen Freiheit, wie dies zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG materiell festgeschrieben ist 12 . Vor allem aber ist damit die Rücknahme dieser Garantie lediglich auf eine formale Position 13 - wenn auch nur für den Fall der Nutzung von Umweltgütern - außerhalb von Teilhabeansprüchen unvereinbar. Die verfassungsmäßige Ordnung bildete namentlich entgegen dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG „soweit ... nicht ... verstößt" nicht die Grenze der Freiheitsausübung 14, sondern hätte für ihre Absicherung konstitutive Bedeutung. Nur, was abgesehen von einem unbedingt benötigten Minimum an Umweltnutzung gesetzlich erlaubt ist, genösse Schutz. Dadurch würde auch das Spannungsverhältnis zwischen der Erhaltung der bürgerlichen Freiheitssphäre durch staatliche Enthaltsamkeit einerseits und durch staatliches Handeln zum Schutze der für die Freiheitsentfaltung notwen-
10 Daher zu Recht krit. Kloepfer/Vierhaus, in: Gethmann/Kloepfer, Freiheit und Umweltschutz im Umweltstaat, S. 15 ff., 31 ff: Kloepfer, DVB1. 1994, 12 (15); auch bereits Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 (53); unter dem Blickwinkel des Grundrechtsschutzes des Anlagenbetreibers Sandner, Investitionserleichterung und kommunale Planungshoheit, S. 67 ff., bes. S. 79 ff. insbesondere unter Beleuchtung einer Ausdehnung immanenter Grundrechtsbegrenzungen etwa auf die Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums; dazu aus hiesiger Sicht unten Teil Π § 5 C.IQ.3., bezogen auf Grundpflichten. 11 Murswiek, DVB1.1994, 77 (82 re. Sp.). 12 BVerfGE 90, 145 (171). Das ergibt sich aus dem weiten Wortlaut, der (Reserve-)Funktion und der Entstehungsgeschichte, BVerfGE 6, 32 (36); 74,129 (151); 75 108 (154 f.); 80, 137 (152 f.); Pieroth, AöR 115 (1990), 33 ff.; abl. Sondervotum Grimm, BVerfGE 80,166 ff.; auch Hoppe, in: Erichsen/Kollhosser/Welp, Recht der Persönlichkeit, S. 73 (82 f.). 13 Murswiek, DVB1.1994,77 (82 mit Fn. 26). 14 Dazu näher Teü Π § 5 Β.Π.
6 Frenz
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
digen Umwelt andererseits infolge der Ausblendung der abwehrrechtlichen Freiheitskomponente einseitig verkürzt 15 . Bildet die Grenze des (materiell) freiheitsrechtlich geschützten Bereichs das Bestehen eines Teilhabeanspruchs und ist dieser auf das beschränkt, „was der Mensch in einer freiheitlichen Gesellschaft an Umweltbenutzungen unbedingt benötigt" 16 , so handelt es sich um einen sehr unscharfen Maßstab, der sich im Laufe der Zeit sehr stark verändern kann. Die Heizung von Wohnraum, um ein Beispiel Murswieks 17 aufzugreifen, läßt sich mit dem Fortschritt der Technik immer umweltschonender bewerkstelligen. Damit aber stellt sie jedenfalls von ihrer Umweltschädlichkeit bzw. der Verbrauchshöhe her keine bei Erlaß des Grundgesetzes selbstverständlich vorhandene und jetzt immer noch notwendige Voraussetzung der Freiheitsausübung dar, also eine feste Größe, die mit dem Begriff der denknotwendigen und daher statischen Freiheitsbegrenzung als nicht mehr grundrechtlich geschütztem Bereich korreliert. Konzediert man diese Wandelbarkeit je nach der Technikentwicklung und auch den Lebensumständen, müßte der Verfassung etwa die Aussage entnommen werden können, welcher Heizungsverbrauch noch eine unbedingt notwendige Umweltnutzung darstellt. Dies widerspricht der Beschränkung des Grundgesetzes auf grundsätzliche Aussagen und schränkt in dieser Hinsicht die von der Verfassung gewollte starke, ausgestaltende Rolle des Gesetzgebers unzulässig ein 18 . Soll die private Heizung aber absolut geschützt sein, wäre sie in vollem Umfang unabdingbar und damit nicht einschränkbar. Ein flexibler Schutz, der etwa die gesamte private Heiztätigkeit umfaßt, aber je nach den Umständen und damit der zeitbedingten Zumutbarkeit durch eine abwägende Betrachtung eingeschränkt werden kann, verspricht größeren Nutzen für die Umwelt. Durch die Möglichkeit abgestufter Beschränkungen kann der Bereich grundrechtlich geschützter Freiheit größer sein. Er kann aber umgekehrt, abgesehen von einem sehr engen Kernbereich, in seiner Gänze den jeweiligen aktuellen Gegebenheiten angepaßt eingeengt werden. Anerkennt man wegen der teilweise schwierigen Bestimmbarkeit umweltgefährdender Verhaltensweisen, daß die Kontur einer bereits aus den Freiheitsrechten selbst gewonnenen Begrenzung sowohl im Sinne einer Solidarpflicht als auch durch einen Ausschluß denknotwendiger Freiheitsbegrenzungen aus dem Schutzbereich der Grundrechte unscharf ist, bedarf es schon zur Gewährleistung von Rechtssicherheit konkretisierender Gesetze. Diese aber gilt es auch auf etwaige Überschreitungen zulässiger, wenn auch verfassungsrechtlich vorgegebener Freiheitsbeschränkungen und vor allem auf Übergriffe in andere als
15 16 17 18
Zur Notwendigkeit einer Ausgeglichenheit unten Teil Π § 4 Β. Murswiek, DVB1.1994,77 (82). DVB1.1994,77 (82). Vgl. näher Teil Π § 4 Β.ΠΙ.5.
§ 1 Relevanz
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den mit Pflichten behafteten bzw. natürlichen Begrenzungen unterliegenden Rechtsbezirken 19 zu prüfen 20 , soll nicht die Festlegung der Grenze zwischen grundrechtseinschränkenden und daher rechtfertigungsbedürftigen Maßnahmen und außerhalb des Grundrechtsschutzes befindlicher Gestaltung in die Hand des Staates gelegt sein. Dies gilt, wie bereits festgestellt 21, gerade vor dem Hintergrund der Unsicherheiten in der Erforschung von Wirkungszusammenhängen im Umweltbereich. Eine solche aufwendige Abgrenzung erübrigt sich, wenn auch umweltschädigende Verhaltensweisen grundrechtsgeschützt sind.
B. Rechtfertigungsbedürftigkeit einer Inanspruchnahme des Verursachers Ist nach alledem insgesamt eine Schutzlosigkeit umweltschädigenden Verhaltens abzulehnen, bleibt es auch insoweit bei der Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlicher Maßnahmen. Die Statuierung von Verhaltensgeboten, aber auch die unmittelbare Auferlegung der zu ihrer Erfüllung notwendigen Kosten engt den Handlungsspielraum des Bürgers ein und setzt daher als Eingriff 22 in die individuelle Freiheitssphäre eine Rechtfertigung voraus, daß die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist 23 . Steuern entziehen dem Bürger einen gegenständlich nicht näher bestimmten Geldbetrag und damit einen Teil seines Vermögens, über den er sonst frei verfügen könnte. Damit berühren sie Art. 14 Abs. 1 GG 2 4 , der sich als Garantie aller Vermögenswerten Einzelrechte auch auf deren Gesamtheit, das Vermögen, erstreckt 25; zudem wird durch den Entzug von Geldmitteln das Recht der freien Verwendung eines jeden Vermögensrechtes als Ausfluß des Eigentumsrechts beeinträchtigt 26. Jedenfalls aber ist Art. 2
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Vgl. Lerche, in: HStR V, § 121 Rn. 51. Siehe Hofmann, WDStRL 41 (1983), 42 (77); spezifisch zum Umweltrecht Klopfer, Systematisierung des Umweltrechts, S. 125. 21 Siehe oben Teil I § 2 B.; Teil Π § 1 Α.Π. 22 Krit. zur Eingriffsvorstellung bes. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht; siehe aber Lerche, in: HStR V, § 121 Rn. 52 m.w.N. 23 Im einzelnen auch zu den betroffenen Grundrechten Murswiek, Verantwortung, S. 233 ff. Grundlegend zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht; zum aktuellen Stand ders., in: HStR V, § 122 Rn. 16 ff. 24 BVerfGE 93, 121 (137) für die Vermögensteuer; zustimmend ohne diese Beschränkung Arndt/Schumacher, NJW 1995, 2603 (2604); Leisner, NJW 1995, 2591 (2594); abl. BVerfGE 78, 249 (277); 89,48 (61); Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (153 f.). 25 Erichsen, Jura 1995, 47 (47); näher ders., Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 2. Aufl. 1979, S. 134 ff.; vgl. auch Ρ. Kirchhof, Jura 1983, 505 (509); Bryde, in: von Münch/Kunig, GGKI, Art. 14 Rn. 23 m.w.N. Abi. BVerfGE 4,7 (17); 75,108 (154). 26 In den Worten von BVerfGE 93, 121 (137) zur Vermögensteuer: „Sie greift in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im Vermögens20
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Teil 2: Fundieng des Verursacherprinzips
Abs. 1 G G berührt 2 7 . Handelt es sich u m eine lenkende Abgabe, erstreckt sich aufgrund ihres Doppelcharakters als Lenkungsinstrument und finanzielle Belastung die Rechtfertigungspflicht sowohl auf den Lenkungszweck als auch auf die finanzielle Inanspruchnahme 28 . Jedenfalls für Sonderabgaben, die wegen ihrer Anknüpfung an eine spezifische Gruppenverantwortung 2 9 als Instrument der Gelderhebung zur Verhaltenslenkung besonders geeignet erscheinen 30 , ist eine herausgehobene Beziehung der so i n die Pflicht genommenen Gruppe zu dem m i t der Abgabenerhebung verfolgten Z w e c k verlangt 3 1 . D i e Notwendigkeit einer rechtlichen Fundierung des Verursacherprinzips als Grundlage für die Begründung solcher Eingriffe scheint allerdings deshalb entbehrlich, w e i l die Einschränkung von Grundrechten m i t Gesetzesvorbehalt keiner i n der Verfassung konstituierten, sondern nur einer m i t dieser vereinbaren Rechtfertigung bedarf. D i e Begründung, eine solche Beschränkung sei für die Wahrung v o n Rechtsgütern von öffentlicher Bedeutung notwendig u n d überwiege die grundrechtlichen Belange der Beeinträchtigten, trägt den Erlaß eines Gesetzes, auf dessen Basis dann Einzelakte ergehen können. B e i Belarechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG)." Dieser Gedanke läßt sich auf anderer Steuerarten übertragen, da auch diese, selbst wenn sie nicht an das Vermögen anknüpfen, im Eigentum des Pflichtigen stehendes Geld entziehen und insoweit die Verfügungsbefugnis über das Erworbene und damit die speziell durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (näher Teil m § 3 A.) schmälern. - Vgl. aber BVerfGE 93, 319 (338), wo der „Wasserpfennig" (oben Teil Π § 4 C.m.2.c)aa)) am Maßstab von Art. 2 Abs. 1 GG geprüft wird und nur im Hinblick auf besondere Härten Art 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG herangezogen werden (S. 351 f.; vgl. unten Teil Π § 7 A.I.I.). Zwar wird der „Wasserpfennig" als nichtsteuerliche Abgabe qualifiziert Jedoch entzieht auch er den Zahlungspflichtigen Geld. 27
So BVerfGE 4,7 (16); 75,108 (154). Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 86; näher Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 232 ff. Siehe P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 16 f.; Kloepfer, NJW 1971, 1585 (1588); Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 275, 336 f., 342 sowie bereits BVerfGE 6, 55 (81); Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 39 ff.; von Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (329 ff.); Vogel, BayVBl. 1980, 523 (525); eine Differenzierung der Ordnungs- und Finanzsteuern abl., dafür aber eine generell stärkere Prüfung an den Freiheitsgrundrechten fordernd Papier, DVB1. 1980, 787 (789 ff.); siehe bereits dens., Der Staat 11 (1972), 483 (492 ff.); vgl. auch P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 62. Dazu näher unten Teil Π § 7 A. 29 BVerfGE 55, 274 (306); 67, 256 (276); auch BVerfGE 74, 182 (200); Jarass, DÖV 1989, 1013 (1021). 30 Siehe zur Abwasserabgabe Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 235 ff. 31 BVerfGE 55, 274 (298, 305 ff.); 67, 256 (276). Auch für eine Verhaltenslenkung durch Steuern oder andere Abgaben, die nicht Sonderabgaben sind, wird eine besondere Rechtfertigung des durch die Steuer bzw. Abgabe definierten Adressatenkreises verlangt (P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (308)), was aber im Hinblick auf eine zu vermeidende Vermengung von Steuern und Sonderabgaben letztlich mit einer näheren Begründung für den Lenkungszweck im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zusammenfallen dürfte (siehe Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 129 f.). Vgl. zu nichtsteuerlichen Abgaben BVerfGE 93, 319 (345). Krit. dazu oben Teil I § 4 C.m.2.c)aa). 28
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stungen von wirklichen oder potentiellen Verursachern werden insbesondere Grundrechte, deren Beschränkung durch Gesetz möglich ist, nämlich Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, berührt 32 . Indes könnte bei einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Verursacherprinzips stets auch auf die seine Grundlage bildenden Verfassungsgüter eine Begründung für den Erlaß eines diesen Grundsatz umsetzenden Gesetzes gestützt werden. Auf ihrer Basis kann ein Gesetz auch als konkretisierender (und zugleich konstitutiver) 33 Ausgleich zwischen kollidierenden Verfassungsgütern ergehen 34. Gesetzgebung ist dann davon unabhängig, ob nicht im Einzelfall mit der Verfassung im Einklang befindliche, zu schützende Gemeinschaftsgüter von ausreichendem Gewicht existieren, auf deren Basis durch den Gebrauch des Gesetzesvorbehaltes eine Grundrechtseinschränkung gerechtfertigt werden könnte. Bestehen solche Gemeinschaftsgüter, geben doch möglicherweise verfassungsrechtlich geschützte Güter bei der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, mithin der Zumutbarkeit 35 bzw. der Angemessenheit36, den Ausschlag, daß das Gewicht und das Schutzbedürfnis der durch die Grundrechtsbeschränkung geschützten Rechtsgüter die Schwere des Eingriffs in individuelle Freiheitspositionen überwiegen, so daß die Proportionalität gewahrt ist 37 . Für objektive Berufszulassungsbeschränkungen etwa folgt aus ihnen dann gegebenenfalls das überragend wichtige Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz sie nur erlassen werden dürfen 38 .
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Im einzelnen Teil m § 3 A. BVerfGE 52,283 (298); 59,231 (261 f.) 34 Diese Möglichkeit auch bei Vorhandensein eines Gesetzesvorbehalts bejahend BVerfGE 66, 116 (136); 72, 122 (137); Lerche, in: HStR V, § 122, Rn. 14, 23; abl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 360; bei dieser Position ist aber zu erwägen, diese Verfassungsgüter als Gemeinschaftsgüter heranzuziehen, um den Zweck eines Gesetzes zu rechtfertigen, sie mithin in die Begründung des Gesetzesvorbehaltes einzubeziehen, statt in ihnen eine daneben bestehende, eigene Begründungskategorie zu sehen. Im Ergebnis ändert sich dann insoweit nichts, als auch bei einer Heranziehung kollidierender Verfassungsgüter für die Einschränkung eines oder beider Grundrechte regelmäßig ein Gesetz erforderlich ist, welches die notwendige Konkretisierung und einen verhältnismäßigen Ausgleich schafft (siehe BVerfGE 52, 283 (298); 59, 231 (261 f.); auch BVerfGE 83,130(142)). 33
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BVerfGE 90,145 (173); 83,1 (19); 79,29 (40 f.); 78,77 (85); 71,183 (197). Siehe Lerche, in: HStR V, § 122 Rn. 16. 37 Siehe BVerfGE 59, 213 (264 ff.); 83, 1 (19); Stern, Staatsrecht ΙΠ/2, S. 782; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19; Erichsen, Jura 1988,387 (387). 38 BVerfGE 7, 377 (408 f.); 63, 266 (286). Die Möglichkeit der Rechtfertigung von Einschränkungen von Art. 12 Abs. 1 GG durch kollidierendes Verfassungsrecht bejaht BVerfGE 73, 301 (315) m.w.N. 36
Teil 2: Fundierung des Verursacheprinzips
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C. Rechtfertigungsbedürftigkeit einer Einschränkung des Rechtsschutzes Eine weitergehende Bedeutung für die Rechtfertigung einer Freiheitsbeschränkung erlangt eine verfassungsrechtliche Fundierung des Verursacherprinzips in jedem Fall auch bei unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechten dann, wenn durch ein staatliches Handeln bei ungewisser Tatsachengrundlage die Rechtsschutzmöglichkeiten und damit Art. 19 Abs. 4 GG 3 9 beeinträchtigt werden. Gesteht man dem Staat ein Eingreifen in Grundrechte auch für den Fall zu, daß die Kausalketten nicht eindeutig geklärt sind, würde diese Möglichkeit dann zunichte gemacht, wenn die Nachweisbarkeit eines Verursachungsbeitrages in vollem Umfange gerichtlich kontrolliert werden könnte 40 . Sind aber die Gerichte insoweit in der Nachprüfbarkeit beschränkt, kann der Kläger die Unbewiesenheit einer Kausalkette auch nur begrenzt rügen. Er wird dadurch in seinem bereits 41 aus der Rechtsschutzgewährleistung folgenden Anspruch auf vollständige Überprüfung staatlichen Verhaltens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht 42 beeinträchtigt, sofern ihm ein subjektives Recht zusteht43. Das aber ist im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz einer Inanspruchnahme des Verursachers und damit für den in dieser Arbeit untersuchten Bereich regelmäßig zu bejahen. Art. 19 Abs. 4 GG enthält keinen Gesetzesvorbehalt. Die normative Ermächtigungslehre 44 setzt sich darüber hinweg, indem sie die gerichtliche Kontrolldichte bereits aufgrund einer gesetzlichen Anordnung zurückgenommen sieht. Zwar anerkennt sie damit im Gegensatz zu der heute kaum noch befürworteten Vertretbarkeitslehre 43 den für die tatsächliche Wirksamkeit von Art. 19 Abs. 4
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Ebenfalls ein Grundrecht, etwa Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art 19IV Rn. 7. BVerwGE 72, 300 (317) m.w.N. Näher unten Teil m § 4. 41 Zusätzlich kommt eine Ableitung aus den materiellen Grundrechten in Betracht (BVerfGE 49, 252 (256 f.); im einzelnen Lorenz, AöR 105 (1980), 623 ff.), zu deren Bestandteilen ihre Durchsetzbarkeit gehört (BVerfGE 39, 276 (294)). Ihr kann aber im Interesse einer Einheitlichkeit einer den Standards des Art. 19 Abs. 4 GG entsprechenden Ausgestaltung der (allgemeinen) Rechtsschutzmöglichkeiten und des gerichtlichen Verfahrens höchstens ergänzende Bedeutung zukommen (Papier, in: HStR VI, § 154 Rn. 14,17; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19IV Rn. 23 m.w.N.). Näher zu ihrer Bedeutung bei der Abwägung, inwieweit dem Staat ein Beurteilungsspielraum bei ungewisser Tatsachengrundlage zugebilligt werden kann, unten Teil m § 4 A. 42 BVerfGE 15, 274 (282); 18, 203 (212); 31, 113 (117); 35, 263 (274); 51, 304 (312); 56, 216 (240); 61, 82 (111); 73, 339 (373); st. Rspr.; aus der Lit. Papier, in: HStR VI, § 154 Rn. 59,75. 43 BVerfGE 78,214 (226); 83,182 (194 f.); 84, 34 (49). 44 BVerfGE 61, 82 (111); auch BVerfGE 88, 40 (56); BVerwGE 72, 300 (317); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 IV Rn. 184; ders., in: Festschrift für Menger, S. 107 (112 f., 115); auch noch ders., DVB1. 1997, 281 (283); Wahl, NVwZ 1991,409 (410 ff.). 45 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 53 II, ΠΙ ( S. 385 f., 389); Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 213 (S. 8 ff.); grundlegend ders., in: Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 309 ff. 40
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GG erforderlichen Ausnahmecharakter von Beurteilungsspielräumen 46. Jedoch bleiben allein auf die Komplexität einer bestimmten Entscheidung47 oder die besondere Sachkunde der Verwaltung 48 gestützte Begründungen im dunkeln und ohne materiellgrundrechtlichen Bezug, in dem Art. 19 Abs. 4 GG als Durchsetzungsgarantie der ohne eine solche zahnlosen Grundrechte 49 steht 50 . Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht einen solchen allein auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden kontrollreduzierten Beurteilungsspielraum jedenfalls für grundrechtsrelevante Bereiche verneint 51 . Da ein Gesetzesvorbehalt fehlt, ist zur Einschränkung der Rechtsschutzgewährleistung bei Vorhandensein eines subjektiven Rechts, über das der Gesetzgeber bei Grundrechtscharakter oder seiner Rückführbarkeit auf ein Grundrecht nur begrenzt verfügen kann 52 , ein gegenläufiges Verfassungsgut erforderlich 53 . Dieses könnte einmal aus der in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verorteten 54 Gewaltenteilung, mithin den besonderen Funktionen der verschiedenen Staatsorgane entnommen werden 55 . Damit wird aber nicht dem Umstand Rechnung getragen, daß die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle wie die Beeinträchtigung eines Grundrechtes durch einen bestimmten Anlaß und damit den Schutz eines bestimmten Belangs motiviert ist. Das gilt zumal, wenn es um die Verwirklichung eines Verfassungsauftrages oder um den Schutz eines grundrechtlich 46
Ausdrücklich BVerfGE 31, 149 (152 f.); 64, 261 (279); Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993,617 (620). 47 Vor allem Hoppe, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichts, S. 295 (310); auch Nierhaus, DVB1.1977,19 (23); Ossenbühl, in: Festschrift für Menger, S. 731 (743) und zunächst auch Schmidt-Aßmann, WDStRL 34 (1976), 221 (254 ff.). 48 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 50. 49 Siehe BVerfGE 85,36 (60). 50 Siehe BVerfGE 88,40 (62). 51 BVerfGE 84, 34 (49 ff.); 84, 59 (77 ff.); 85, 36 (59 ff.). Siehe nunmehr auch BVerwGE 91, 211 (215,217); 91, 262 (265 ff.). Scherzberg, NVwZ 1992, 31 (32 f.) folgert aus der neuen Rechtsprechung des BVerfG die Abkehr von der normativen Ermächtigungslehre; auch Geis, NVwZ 1992, 25 (29); ders., DÖV 1993, 22 (24 f.); Koenig, VerwArch. 83 (1992), 351 (367); siehe aber BVerfGE 88, 40 (56) - „Normativ eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume" bleiben zulässig. - sowie die Analyse von Fehling, Die Konkurrentenklage bei der Zulassung privater Rundfunkveranstalter, S. 211 ff. 52 Siehe Schulze-Fielitz, JZ 1993, 772 (778); Herzog, NJW 1992, 2601 (2601 f.); C. Hofmann, NVwZ 1995,740 (744). 53 BVerfGE 84, 34 (52 f.); BVerwGE 91, 211 (217: Optimierung der Kunstfreiheit); Scherzberg, NVwZ 1992, 31 (33). 54 BVerfGE 30,1 (24); Stern, Staatsrecht Π, S. 531 f; vgl. aber Hesse, Grundzüge, Rn. 476 ff. 55 Dahin gehend BVerfGE 61, 82 (110 f.); 88,40 (61); BVerwGE 72, 300 (317); siehe auch im Bezug auf Prüfungsentscheidungen BVerwGE 92, 132 (137) und bereits BVerfGE 84, 34 (50): „Funktionsgrenzen der Rechtsprechung"; aus der Lit. etwa Schmidt-Aßmann, WDStRL 34 (1976), 221 (253); ausführlich Krebs, Kontrolle, S. 92 ff., Fehling, Die Konkurrentenklage bei der Zulassung privater Rundfünkveranstalter, S. 194 ff., 219 m.w.N.; vgl. aber auch Scherzberg, Grundrechtsschutz und Eingriffsintensität, S. 98 ff., 224 ff.
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
gewährleisteten Rechtsgutes geht. Aus dieser Zielrichtung können sich Abstufungen für das Maß der notwendigen Einschränkung ergeben. Es hängt ab von dem Grad der Gefährdung und der Bedeutung des den Anlaß staatlichen Handelns gebenden Belangs. Die Besonderheiten der jeweiligen Situation würden beim (ausschließlichen) Zurückgreifen auf die Gewaltenteilung lediglich hinsichtlich der Fähigkeiten eines bestimmten Organs berücksichtigt, nicht aber bezogen auf den Anlaß der Freiheitsbeschränkung, um die es letztlich geht. Das widerspricht dem dienenden, gerade auf die Freiheitssicherung gerichteten 56 Zweck der Gewaltenteilung, die normativ in der erstmaligen Benennung der drei Gewalten in Art. 1 Abs. 3 GG angedeutet wird. Aus dieser Erwähnung der drei Gewalten im Grundrechtsteil ergibt sich allerdings umgekehrt, daß auch die Grundrechtssicherung die Gewaltenteilung voraussetzt 57. Spielt sie damit auch insoweit eine Rolle, so aber doch bezogen auf diesen besonderen Zweck und unter strikter Wahrung der Grundrechtsbindung 58. Das gilt auch im Rahmen der Rechtsschutzgewährleistung, die wie erwähnt ebenfalls ein Grundrecht darstellt. Daher kann sie aber auch selbst Einschränkungen der gerichtlichen Kontrolle rechtfertigen, etwa zur Vermeidung einer Überlastung der Gerichte eine Beschränkung der Kontrollintensität z.B. durch einen Anschluß an Sachverständigengutachten ohne unabhängiges Urteil 59 . Rechtlicher Ansatz 60 dafür ist die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes, der auch einen solchen innerhalb angemessener Zeit einschließt61. Würde eine Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG ausschließlich auf die grundgesetzliche Funktionsverteilung gestützt, liefe zudem die Untersuchung der Beschränkung eines (materiellen) Grundrechts und des formellen Hauptgrundrechts in verschiedene Richtungen, obgleich beide zumindest teilweise durch die fehlende tatsächliche Nachweisbarkeit von Kausalketten geprägt sind. Ein Gleichklang scheint indes ohnehin dann ausgeschlossen, wenn das beeinträchtigte Grundrecht im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 4 GG einen Gesetzesvorbehalt besitzt. Darüber hilft indes hinweg, daß der Gesetzgeber der damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeit bei ungewisser Tatsachengrundlage nur dann nachkommen kann, wenn er unter denselben Voraussetzungen auch die Rechtsschutzgewährleistung einzuschränken vermag. Insoweit kann dann die aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG folgende und in den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten näher ausgestaltete Gestaltungsmacht des Gesetzgebers Art. 19 Abs. 4 GG 56 BVerfGE 9, 268 (279); siehe bereits Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, hrsg. v. Forsthoff, 1951, S. 215 (original: Oeuvres Complètes Π, hrsg. v. Caillois, 1951, S. 397). 57 Frenz, ZG 1993,248 (253 f.). 58 Frenz, DÖV 1993,847 (851 ff.). 59 Sieckmann, DVB1.1997,101 (105). 60 Insoweit nur ein rechtspolitisches Element sehend Geis, JZ 1993,792 (794). 61 BVerfGE 54, 39 (41); 55, 349 (369); Papier, in: HStR VI, § 154 Rn. 77.
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einschränken und damit den fehlenden Gesetzesvorbehalt überspielen. Durch den fallgegebenen Bezug zu den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten ist das Maß der Einschränkung zugleich nicht pauschal, sondern auf die konkrete Situation abgestimmt. Bedarf es für die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 19 Abs. 4 GG zumindest neben der Stütze der Gewaltenteilung im konkreten Fall eines legitimierenden Verfassungssatzes, erlangt die verfassungsrechtliche Herleitung des Verursacherprinzips konstitutive Bedeutung. Die rechtfertigende Kraft eines grundgesetzlich fundierten Verursacherprinzips besteht vor allem dann, wenn aus der Verfassung eine Pflicht des Staates zu einem Vorgehen gegen den Verursacher folgt.
§ 2 Herleitung aus den Grundrechten als Abwehrrechten? Das Verursacherprinzip könnte allenfalls dann aus den Grundrechten als Abwehrrechten hergeleitet werden, wenn die Nichtheranziehung Schäden verursachender Personen dem Staat derart als Grundrechtseingriff zugerechnet werden könnte, daß die Grundrechte als Abwehrrechte aktiviert würden. Das wäre der Fall, wenn der Staat allein dadurch, daß er gegen ein (potentiell) schädigendes Verhalten privater Personen nichts unternimt, die Grundrechte als Abwehrrechte verletzen würde 62 . Ein möglicher Ansatz hierfür ist, daß der Staat den schädigenden Privaten eine Genehmigung erteilt hat 63 . Weitergehend kommt in Betracht, daß der Staat dadurch, daß er ein bestimmtes Verhalten nicht verbietet, die davon Betroffenen mangels rechtlicher Abwehrmöglichkeiten zur Hinnahme zwingt und es von daher duldet 64 . Könnte das Verursacherprinzip solchermaßen aus den Grundrechten als Abwehrrechten hergeleitet werden, würde also der Staat durch das Unterlassen einer Inanspruchnahme der Verursacher in die Grundrechte der von Schäden Betroffenen als Abwehrrechte eingreifen, gälte vom Ansatz her sowohl für eine Antastung der Belange der als Verursacher Belasteten als auch für ein Eingreifen in die rechtlich geschützten Interessen der durch das Verhalten der Verursacher Beeinträchtigten der Gesetzesvorbehalt. Danach könnte so lange, wie diese Konfliktsituation nicht durch ein Gesetz in einen verhältnismäßigen Aus-
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Dafür Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213 ff. Dazu bereits Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, S. 65 f.; siehe auch Murswiek, Verantwortung, S. 91 f. unter Verweis auf BVerfGE 49, 89 (141); gegen eine Zurechnung Rauschning, WDStRL 38 (1980), 167 (184 f.); Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (215). 64 Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213; offen für die Möglichkeit einer Zurechnung vom Ansatz her auch Enders, AöR 115 (1990), 610 (629 f.), aber im folgenden aufgrund der Wesentlichkeitstheorie dem Gesetzgeber die Entscheidung zuweisend. 63
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
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gleich gebracht wäre, der Staat das Verhalten des (potentiellen) Verursachers nicht genehmigen. Durch diese Genehmigung würde er das schädigende Verhalten des Verursachers ermöglichen und, soweit dieser sich im Rahmen der Erlaubnis hält, damit selbst in die Grundrechte der Geschädigten eingreifen. Der Staat könnte weiter ein Verhalten des Verursachers unterbinden oder diesen zumindest für die Folgen heranziehen, weil ihm auch ein Unterlassen als Eingriff zugerechnet werden könnte. Eine Grenze erwüchse ihm höchstens aus der dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratiegebot entspringenden Verpflichtung, daß die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im wesentlichen der Gesetzgeber trifft und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überläßt 65. Dann aber stellt sich die Frage, zu Lasten welcher abwehrrechtlicher Belange eine fehlende gesetzliche Regelung gehen soll, ob auf Kosten der andere private Güter beeinträchtigenden des Verursachers oder der beeinträchtigten der dadurch Geschädigten66. Das Verursacherprinzip zielt allerdings, wie seine Entwicklung und seine Umsetzung in Gesetzen deutlich machen, auf die Heranziehung von Privatpersonen für die Folgen ihres Tuns 67 . Erfolgt dies nicht, ist es möglich, daß andere Privatpersonen in ihren grundrechtlich geschützten Gütern beeinträchtigt werden. Durch eine hohe Luftverschmutzung etwa können gesundheitliche Schäden entstehen. Insoweit Art. 2 Abs. 2 GG als Abwehrrecht anzuwenden setzt eine Zurechnung dieser Luftverschmutzung an den Staat voraus. Der Staat würde selbst zum Verursacher, indem er dieses Verhalten ermöglicht oder zumindest nicht unterbindet. Der Staat, der das Verhalten der Verursacher ändern soll, würde an ihre Stelle gesetzt. Ihm würde eine Verantwortung als Verursacher auferlegt. Das Verursacherprinzip setzt jedoch an der Verantwortung Privater an; diese soll der Staat durch Anreize aktivieren, so daß sie sich in ein die Folgen berücksichtigendes Verhalten umsetzt68. Es soll gleichsam die individuelle Unzulänglichkeit, ohne Anreize außerhalb der eigenen Sphäre liegende Belange zu wahren, korrigieren 69 . Damit geht es um eine Beeinflussung des Verhaltens Privater, nicht um eine Stimulierung des Staates. Der einzelne soll mit den Folgen seines Tuns belastet werden. Diese sollen gerade nicht der Allgemeinheit und damit dem Staat zur Last fallen. Der Staat greift zu
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BVerfGE 83,130 (142) m.w.N. Vgl. zu diesem Problem Teil ΠΙ § 4, wo aber nicht von einem Schutz des durch privates Verhalten Geschädigten durch Abwehrgrundrechte ausgegangen wird. Bei dessen Annahme müßten die Handlungsbefugnisse der Exekutive ohne gesetzliche Grundlage tendenziell stärker sein als in dieser Arbeit befürwortet (unten Teil ΠΙ § 4 C.H.). 67 Siehe oben Teill§§ 2,4C. 68 Siehe oben Teil I § 2 A. 69 Vgl. unten Teil Π § 8. 66
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diesem Zweck auf das Verursacherprinzip zurück, ist aber grundsätzlich nicht selbst Verursacher 70. Eine solche Sichtweise könnte sich indes entgegen der bisherigen Konzeption des Verursacherprinzips daraus ergeben, daß in die Betrachtung die durch die privaten Verursacher Geschädigten und der Staat als auf die Wahrung ihrer Abwehrrechte Verpflichteter einbezogen werden. Insoweit geht es indes um einen Ausgleich gegenläufiger privater Belange. Im Hinblick auf die Luftverschmutzung stehen etwa die Berufsausübungs- und Eigentumsfreiheit der Anlagenbetreiber und die Gesundheit der von den Immissionen Betroffenen gegeneinander. Damit handelt es sich um einen Konflikt zwischen Interessen Privater, den der Staat schlichtet. Er greift nicht selbst in grundrechtlich geschützte Belange Privater ein, sondern verhindert ihre Antastung durch andere Private. Das geschieht, weil z.B. die Marktmechanismen versagen, weil mithin die Geschädigten nicht selbst ihre Rechtsgüter verteidigen können 71 . Diese vermögen also nicht selbst ihre freiheitliche Sphäre gegenüber anderen Privaten zu wahren. Sie bedürfen des Handelns durch den Staat, mithin seines Schutzes. Der Staat muß nachhelfen, damit Freiheit weiterhin verwirklicht werden kann, damit ihre Ausübung nicht etwa durch den Tod oder Krankheit infolge überhöhter Luftverschmutzung unmöglich oder über Gebühr erschwert wird. Sichert somit der Staat Freiheitsverwirklichung, ist das etwas wesensmäßig anderes, als wenn der Staat die vom einzelnen aus eigener Kraft ausfüllbare Freiheitssphäre beschneidet. Muß der Staat handeln, weil der einzelne nicht handeln kann, beurteilt sich dies nach anderen Regeln 72 , als wenn der Staat agiert, obwohl der einzelne handeln kann, ja womöglich gerade in dem so beschnittenen Freiraum handeln will, es mithin darum geht, daß der Staat gerade nicht handeln soll. Der staatliche Schutz liegt daher außerhalb des abwehrrechtlichen Gehalts der Grundrechte 73. Hat der Staat eine Genehmigung für privates Tun erteilt, das sich schädigend auf andere auswirkt, hat der Staat freilich gehandelt74. Werden die Schäden unmittelbar auch durch Private verursacht, hat der Staat doch zu ihrer Entstehung beigetragen, wenn sie als Folge der Genehmigung auftreten, wenn sie mithin vom Umfang der Erlaubnis gedeckt sind. Um trotz verwickelter Verflechtungen und Auswirkungen staatlichen Verhaltens die Freiheitssphäre des 70 Es sei denn, er befindet sich in einer mit Privaten vergleichbaren Situation als Fahrzeugbesitzer, Grundstückseigentümer etc., Teil ΠΙ § 1 E. 71 Vgl. oben Teil I § 2 A. 72 Näher Hermes, Schutz, S. 220 f. 73 Ebenso Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 415 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht ID/1, S. 686 f., 730 ff. m.w.N. Vgl. auch Murswiek, Verantwortung, S. 109: Die Abwehrfünktion allein kann die Pflicht zum Verbot privater Eingriffe nicht begründen. Näher Teil Π § 4 Β.ΠΙ.2. a.E. 74 Darin einen Eingriff auch für das Folgeverhalten sehend Murswiek, Verantwortung, S. 91; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 297 ff.; siehe auch BVerfGE 49, 89 (141).
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Bürgers wirksam zu schützen, verleihen die Grundrechte auch gegen solche mittelbaren Beeinträchtigungen Abwehrrechte 75. In dieser Eigenschaft wollen die Grundrechte indes vor staatlichem Zugriff schützen, nicht aber das Leben zwischen Privaten ordnen. Daher vermögen bereits nicht sämtliche Verschiebungen in den Rechtsbeziehungen Privater durch staatliche Verhaltenssteuerung die abwehrrechtliche Seite der Grundrechte zu aktivieren. Das wird nur für schwere und unerträgliche Beeinträchtigungen bejaht, die in ihrer Intensität einer direkten Verhaltenssteuerung gleichkommen 76 . Gerade im Umweltbereich werden allerdings solche schweren und unerträglichen Beeinträchtigungen häufig auftreten, wenn es etwa um Gesundheitsschäden durch Immissionen geht. Aber auch in solchen Konstellationen ist näher zu beleuchten, wo das Schwergewicht der Grundrechtsrelevanz liegt. Besteht es wie etwa bei der Erteilung einer Anlagenbetriebsgenehmigung an den Nachbarn in der Abwehr staatlichen Verhaltens oder gerade in dessen Notwendigkeit? Eine Genehmigung zugunsten des Verursachers beruht regelmäßig auf einem Gesetz, das wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz oder das Atomgesetz die Belange (potentieller) Verursacher und die der möglicherweise Geschädigten ausgleicht. Dann bewegen sich auch eine Rücknahme dieser Genehmigung oder zusätzliche Auflagen auf der Ebene der Verwirklichung dieses Gesetzes. Sind die Vorgaben des Gesetzes für die Wahrung der Belange der Geschädigten nicht ausreichend, ist Ansatzpunkt für eine Korrektur des staatlichen Verhaltens eine Änderung dieses Gesetzes, auf deren Grundlage schärfer gegen den Verursacher vorgegangen werden kann. Es handelt sich dann um eine neue Ausgleichung des Konflikts der grundrechtlich geschützten Interessen verschiedener Privater unter stärkerer Berücksichtigung der Belange der Geschädigten. Auch insoweit geht es dann um verstärktes staatliches Handeln, nicht um eine Beschneidung des grundrechtlichen Freiraumes auf Seiten der durch die Immissionen Betroffenen. Das aber betrifft nicht die Abwehrseite der Grundrechte, sondern deren leistungs- und schutzrechtlichen Gehalt. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich die Genehmigung außerhalb eines grundrechtsausgleichenden Gesetzes bewegt. Dann verläßt sie die gewollte Austarierung der verschiedenen Grundrechtsbelange und verschiebt die ange75 BVerwGE 75,109 (115); 71,183 (191); Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 45 f.; Brohm, DVB1. 1994,133 (134). Daher greift die Ausscheidung des abwehrrechtlichen Gehalts und die Bejahung von Schutzpflichten aufgrund lediglich faktischer Beeinträchtigungen durch die Ausnutzung der Genehmigung (Jarass, AöR 110 (1985), 363 (381 ff.)) zu kurz. 76 Erichsen, in: HStR VI, § 152 Rn. 80; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 34 unter Verweis auf die Vielzahl und Unübersehbarkeit von Folge- und Nebenwirkungen; Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 114, 291 ff.; zu Art. 14 Abs. 1 GG BVerwGE 32,173 (178 f.); 44,244 (246 ff.); 50, 282 (287 f.); 66, 307 (309); zu Art. 12 Abs. 1 GG BVerwGE 71,183 (193 f.); zu Art. 2 Abs. 1 GG BVerwGE 54, 211 (221 ff.); 71,183 (191 f.) m.w.N. Näher dazu unten Teil ΠΙ § 3 Β.Π.
§ 4 Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
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strebte Harmonisierung zu Lasten einer Seite. Beruhen darauf die Schäden an grundrechtlichen Schutzgütern, handelt es sich um einen Eingriff. Dann aber ist Grundlage der von Privaten ausgehenden Schädigungen die sich außerhalb staatlicher Schutzvorgaben bewegende behördliche Genehmigung. Somit liegt eine Abwehr eingreifenden Staatshandelns vor, nicht aber ein Anwendungsfall des Verursacherprinzips.
§ 3 Herleitung aus den Grundrechten als Leistungsrechten? Das Verursacherprinzip auf die Grundrechte als Leistungsrechte zu stützen liegt insofern nahe77, als der etwa durch Umweltbelastungen Geschädigte selbst nicht in der Lage ist, diese zu unterbinden, und der Hilfe des Staates und von daher seiner Leistung bedarf. Die Grundrechte als Leistungsrechte sind indes dadurch gekennzeichnet, daß die individuelle Position verbessert werden soll, während die Schutzpflichten nur die Integrität des einzelnen wahren sollen 78 . Die Grundrechte als Leistungsrechte kommen also etwa dann in Betracht, wenn der Staat Folgen des Verhaltens anderer Privater durch Subventionen abzugleichen sucht, wenn er mithin zugunsten der Opfer nach dem Gemeinlastprinzip handelt. Zieht der Staat jedoch den Verursacher heran, erbringt er keine Leistung, sondern er sucht durch eine Verhaltensanforderung an den Schädiger die Integrität der Opfer zu bewahren, also durch einen Eingriff beim Verursacher die durch dessen Handeln Betroffenen zu schützen. Das aber ist die typische Konstellation staatlicher Schutzpflichten 79.
§ 4 Die Herleitung aus den grundrechtlichen Schutzpflichten Schutzpflichten gebieten dem Staat ein bestimmtes Handeln. Werden sie durch ein Verhalten Privater ausgelöst, handelt der Staat, um dieses Verhalten Privater dergestalt zu neutralisieren, daß die zu schützenden Güter gewahrt bleiben. Insoweit besitzt das Handeln des Staates eine bestimmte Zielrichtung, die determiniert ist durch das gefährdende Verhalten Privater. Die staatlichen Maßnahmen richten sich von daher gegen den Verursacher der bekämpften Gefahr.
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Siehe Bullinger, in: dersVRincke/Oberhauser/Schmidt, Verursacherprinzip, S. 78, der eine grundrechtliche Pflicht des Staates zur Anwendung des Verursacherprinzips auf den Charakter der Grundrechte auch als Rechte auf staatliche Gewährleistungen stützt und dabei in Fn. 22 auf leistungsrechtliche Ansätze Bezug nimmt, insbesondere auf BVerfGE 33, 303 (329 f.). 78 Murswiek, in: HStR V, § 112 Rn. 21; Sachs, in: Stern, Staatsrecht m/1, S. 745; Hermes, Schutz, S. 119 f. 79 Siehe insbes. Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 89; Sachs, in: Stern, Staatsrecht ΙΠ/1, S. 732 ff.
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Teil 2: Fundieng des Verursacherprinzips
Die Ableitung des Verursacherprinzips aus dieser Funktionsweise der grundrechtlichen Schutzpflichten erscheint allerdings problematisch im Hinblick auf deren Herleitung und Ausfüllung. Ist auch ein privates Verhalten ihr Anlaß, finden sie ihre Rechtfertigung nicht darin und muß sich das staatliche Handeln nicht unbedingt direkt gegen den Auslöser wenden. Müssen sich freilich die staatlichen Maßnahmen gegen eine bestimmte Person richten, weil nur so die in Frage stehende Schutzpflicht erfüllt werden kann, läßt sich das Verursacherprinzip insoweit möglicherweise als zwingende Vorgabe für staatliches Verhalten ableiten. Können sich staatliche Maßnahmen aufgrund von Schutzpflichten gegen ihre Auslöser richten, ist insoweit die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Verursacherprinzips denkbar. Da diese Fragen mit der Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten verknüpft sind, insoweit aber immer noch Unsicherheiten 80 und Brüche 81 bestehen und ein „deutliches Defizit" für die Begründung diagnostiziert wird 8 2 , erfolgt eine nähere Untersuchung der verfassungsrechtlichen Fundierung und ihrer Folgen 83 .
A. Die Schutzpflichten als Element der durch die Grundrechte aufgerichteten objektiven Ordnung I. Die Schutzpflichten als Rechtsgüterschutz Die Schutzpflichten werden vom Bundesverfassungsgericht 84 meist abgeleitet aus den Grundrechten als objektiver Wertordnung 85 bzw. mittlerweile als Elemente objektiver Ordnung 86 . Als ihr Grund wird die Gefährdung eines in einem Grundrecht verkörperten Rechtsgutes gesehen87.
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Das betrifft etwa die Reichweite; dazu sogleich A.1.1. Vor allem im Hinblick auf die Subjekti vierung, vorerst etwa Dietlein, Schutzpflichten, S. 57, 61; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 44; näher unten § 4 Α.Π., Β.ΠΙ.4. 82 Stern, Staatsrecht m/1, S. 945; ders., in: HStR V, § 109 Rn. 60 a.E. Auch Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 108. 83 Aus ihr resultieren auch entscheidende Determinanten für die Bestimmung der staatlichen Handlungsmöglichkeiten auf unsicherer Tatsachengrundlage; dazu unten Teil ΙΠ § 4. 84 Zu weiteren Begründungsansätzen in der - dem BVerfG weitgehend folgenden (etwa Bökkenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (12); Erichsen, Jura 1997, 85 (86); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (378); Stern, Staatsrecht m/1, S. 931) - Literatur im einzelnen Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 37 ff. Zum abwehrrechtlichen Ansatz bereits oben Teil Π § 2 sowie unten § 4 Β.ΙΠ.2. 85 BVerfGE 39, 1 (41) unter Verweis namentlich auf BVerfGE 7, 198 (205); später explizit BVerfGE 53, 30 (57); 56, 54 (73); i.V.m. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG auch BVerfGE 49, 89 (141 f.); zu der Verbindung mit der Menschenwürde unten 1.1.c). 86 BVerfGE 73, 261 (269); auch BVerfGE 77, 170 (214); 92, 26 (46). Damit reagierte das Gericht wohl auf die Kritik am Begriff der Wertordnung. Zur Entwicklung Stern, Staatsrecht m/1, 81
§ 4 Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
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L Auf einige Elementargüter begrenzte Reichweite? Sind die Schutzpflichten auf einige Elementargüter beschränkt, eignen sie sich allerdings von vornherein nicht als umfassende Basis für das Verursacherprinzip. a) Gegenstände der bisherigen Schutzpflichtjudikatur Beziehen sich die bisherigen ausdrücklich mit Schutzpflichten operierenden Urteile auch nahezu sämtliche auf Art. 2 Abs. 2 GG 8 8 , erfolgt doch keine explizite Beschränkung der Schutzpflichten auf dieses Grundrecht 89. Die erste Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch 90 und vor allem die erste auf den Umweltschutz bezogene91 sprechen die Schutzpflichten als solche allgemein im Zusammenhang mit den Grundrechten als Grundentscheidungen der Verfassung an. Dagegen beziehen andere Judikate92 diese Rechtsprechung ausdrücklich lediglich auf die in Art. 2 Abs. 2 GG genannten Rechtsgüter, ohne aber näher und insbesondere modifizierend auf ihre Grundlagen einzugehen. Die zweite Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch 93 gibt keine näheren allgemeinen Anhaltspunkte, da sie sich nur mit der Pflicht, menschliches Leben zu schützen, befaßt und deren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG ansiedelt, Art. 2 Abs. 2 GG hingegen nur für ihre Reichweite heranzieht 94. Zumindest der Gedanke der Sicherung des Grundrechtsschutzes wird in der Handelsvertreterentscheidung auch auf Art. 12 Abs. 1 GG bezogen95. Explizit erfolgt für dieses Grundrecht der Bezug auf grundrechtliche Schutzpflichten in der Zweitregisterentscheidung96. In seinem Judikat zu § 611 a BGB spricht das Bundesverfassungs-
S. 901 f. sowie Dreier, Dimensionen der Grundrechte. Von der Wertordnungsjudikatur zu den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten. 87 Näher Dietlein, Schutzpflichten, S. 60 ff.; Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 93 ff. 88 Siehe BVerfGE 77, 381 (402 f.) m.w.N. sowie BVerfGE 85, 191 (212); 88, 203; 90, 145 (195); BVerfG, NJW 1995, 2343; NJW 1996, 651. Ausnahmen werden sogleich im Haupttext genannt. 89 Stern, Staatsrecht m/1, S. 944. Siehe BVerfGE 77, 381 (402 f.): jedenfalls für durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Rechtsgüter. 90 BVerfGE 39,1(41 f.). 91 BVerfGE 49, 89(142). 92 BVerfGE 46, 160 (164); 53, 30 (57); 56, 54 (73); 77, 170 (214) und auch BVerfG, NJW 1989, 3269. 93 BVerfGE 88,203 (251). 94 Dazu näher sogleich sub c). 95 BVerfGE 81, 242 (255 f.). Ob diese Entscheidung in die Schutzpflichtjudikatur des BVerfG einzureihen ist, wird unterschiedlich beantwortet: bejahend Hermes, NJW 1990, 1764 (1766 f.); verneinend Isensee, in: HStR V § 111 Rn. 130. 96 BVerfGE 92, 26(46).
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
gericht im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2 GG yon einer grundrechtlichen Schutzpflicht 97 . Entscheidungen zu anderen Grundrechten beschäftigen sich mit Ansprüchen auf solche Maßnahmen, die zum Schutz eines grundrechtlich gesicherten Freiraumes unerläßlich sind 98 . b) Die Grundrechte als geschlossenes, einheitlich und ausschließlich auf die Menschenwürde bezogenes Wertsystem? Eine Ableitung der Schutzpflichten aus den Grundrechten als objektiver Ordnung kann dann eine Beschränkung auf Elementargüter 99 mit sich bringen, wenn diese Ordnung aus den Grundrechten in ihrer Gesamtheit folgt 1 0 0 und aus ihr nur die fundamentalen Bestandteile von staatlichen Schutzpflichten erfaßt werden sollen. Das könnte erfolgen unter Rückbezug auf das grundgesetzliche Menschenbild, das durch die Menschenwürde entscheidend geprägt wird, die zu schützen gem. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG Verpflichtung aller staatlicher Gewalt ist 1 0 1 . Oder man hebt ab auf den Charakter der Menschenwürde entsprechend ihrer systematischen Stellung an der Spitze als oberster Wert der Verfassung 102 , auf den alle Grundrechte bezogen sind, und folgert daraus ein in sich geschlossenes, ausschließlich auf Art. 1 Abs. 1 GG ausgerichtetes Weitsystem, dessen Teil alle Grundrechte sind und „in dem sich der Hauptwert zu den Teilwerten wie der rechtliche Obersatz zu den Teilrechtssätzen verhält" 103 . Betrachtet man so die Grundrechte als Teil einer einheitlichen, an Art. 1 Abs. 1 GG anknüpfenden Wertordnung, kann allerdings Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG auch als die einzelnen Bestandteile dieser Wertordnung prägender und sich somit auf
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BVerfGE 89,276 (1. Leitsatz, 286, dort aber auch: „Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG"). BVerfGE 93, 1 (16) für Art. 4 Abs. 1 GG; BVerfGE 35, 79 (116) zu Art. 5 Abs. 3 GG; BVerwGE 91,135 (139) zu Art. 8 Abs. 1 GG. W.N. bei Stern, Staatsrecht m/1, S. 938 f. 99 In diesem Sinne Isensee, in: Festschrift für Sendler, S. 39 (63); ders., in: HStR V, § 111 Rn. 131. 100 In diese Richtung deutet BVerfGE 7,198 (205): „in seinem Grundrechtsabschnitt... objektive Wertordnung". Ähnlich BVerfGE 39, 1 (41) als eine Leitentscheidung fllr die grundrechtlichen Schutzpflichten: „Die Grundrechtsnormen ... verkörpern zugleich eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung ... gilt." Vgl. aber BVerfGE 7, 198 (205): „Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektiver Normen...", jedoch auch S. 208: Die Meinungsfreiheit als „die Grundlage jeder Freiheit überhaupt." 101 Darauf verweist Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Rn. 199 für die Drittwirkung der Grundrechte. 102 BVerfGE 6,32 (36,41); 27,1 (6); 30,173 (193); 72,105 (115); 72,155 (170). 103 So die Konzeption Dürigs, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Rn. 5 ff.; bereits ders., AöR 81 (1956), 117 ff. Sie wird vom BVerfG nicht als Grundlage der Schutzpflichtdogmatik herangezogen, wie die Fundierung nur der Schutzpflicht spezifisch für das ungeborene Leben in Art 1 Abs. 1 GG in BVerfGE 88, 203 (251) zeigt Siehe aber die Basisentscheidung zur grundrechtliche Wertordnung BVerfGE 7,198 (205): Menschenwürde als Mittelpunkt. Ebenso BVerfGE 21, 362 (372); 45, 227. Vgl. auch BVerfGE 30,173 (193); 84, 90 (121). 98
§ 4 Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten alle grundrechtlich geschützten Werte und nicht nur auf Elementargüter streckender Rechtssatz angesehen werden 104 . Diese Sicht liegt aufgrund Art. 1 Abs. 3 GG, der sich auf alle Grundrechte bezieht, sogar näher. Eine dere Frage ist dann die einer Reduzierung der Schutzpflichten auf den von Menschenwürde umfaßten Kern jedes einzelnen Grundrechts 105.
97 ervon ander
Indes stellt jedes Grundrecht neben seiner Eigenschaft als Abwehrrecht zugleich eine Weitentscheidung hinsichtlich eines bestimmten Rechtsgutes dar 106 . Diese Rechtsgüter bilden vielfach Gegensätze und können auch mit in enger Verbindung zur Menschenwürde stehenden Belangen oder mit dieser selbst in Konflikt geraten. Aktuelle Beispiele sind die Pressefreiheit, deren Schranke gem. Art. 5 Abs. 2 GG das Recht der persönlichen Ehre bildet, und die Entfaltungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich sowie die Eigentumsfreiheit, die ihre Grenzen an einem Minimum an Gestaltungsspielraum auch für den Vertragspartner und Forderungsschuldner finden 107 . Zwar sind diese Rechtsgüter alle im Lichte der an der Spitze des Grundrechtsteils stehenden und dessen Fundament bildenden Menschenwürde 108 auszulegen109. Indes formen sie aufgrund ihrer teilweisen Gegensätzlichkeit und ihrer unterschiedlichen Bezugsintensität110 kein geschlossenes, einheitlich auf Art. 1 Abs. 1 GG bezogenes Wertsystem. Die Grundrechte alle auf die notwendig enge, da absolut geschützte Menschenwürde 111 zurückzuführen erscheint zudem im Hinblick auf die teilweise
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Vgl. BVerfGE 49, 89 (142). Vgl. E. Klein, NJW 1989,1683 (1635). 106 Deutlich die auf Schutzpflichten bezogene Entscheidung BVerfGE 49, 89 (141 f.): „Die grundrechtlichen Verbürgerungen" enthalten „nicht lediglich subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt, sondern stellen zugleich objektiv-rechtliche Wertentscheidungen der Verfassung dar." Auf den objektiv-rechtlichen Gehalt des Einzelgrundrechts bezogen auch BVerfGE 53, 30 (57); 56, 54 (73); 77, 170 (214). - Eine Ausnahme wird für die aUgemeine Handlungsfreiheit gemacht, verstanden als Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will (Jarass, DÖV 1995, 674 (675); zur Reichweite von Art. 2 Abs. 1 GG BVerfGE 80, 137 (152 f.); Pieroth, AöR 115 (1990), 33 f. einerseits, Sondervotum Grimm, BVerfGE 80, 166 ff. andererseits). Indes stellt diese umfassende Reichweite der Entfaltungsfreiheit gleichfalls eine Wertentscheidung dar, die etwa bei der Auslegung von Normen, die aus allgemeiner Sicht geringwertig erscheinende, für den einzelnen hingegen möglicherweise höchst bedeutsame Freiheitsbetätigungen wie das Reiten im Walde einschränken, heranzuziehen ist 105
107
Siehe BVerfGE 89,214 (230 ff.); Frenz, JR 1994,92 (94 ff.). BVerfGE 5, 85 (20 ff.); näher Stern, Staatsrecht m/1, S. 26 f. 109 Siehe etwa für Art. 2 Abs. 2 GG BVerfGE 56,54 (73 f.) sowie z.B. Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. lu. 2 Rn. 114. 110 Häberle, in: HStR I, § 20 Rn. 57. 111 Siehe Lerche, in: Lukes/Scholz, Rechtsfragen der Gentechnologie, S. 88 (100 f., 103, 110 f.) sowie unten Teil Π § 9 Β.Π. 108
7 Frenz
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
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weit darüber hinausreichenden Gehalte problematisch 112 . Dann werden die Randbezirke persönlicher Entfaltung von diesem Wertsystem kaum mehr erfaßt, obgleich Art. 2 Abs. 1 GG gerade die umfassende Reichweite des Grundrechtsschutzes betont. Schließlich haben Grundrechte noch andere, zusätzliche Wurzeln 113 . So weist die Informationsfreiheit auch einen Bezug zur Demokratie auf 114 . Daraus kann sich je nach Betrachtung für einen Grundrechtsgehalt eine unterschiedliche Bedeutung für eine Wertordnung ergeben. Sollen diese insoweit zu anderen Ergebnissen führenden anderen Wurzeln nicht außer acht gelassen werden, kann nicht von einem ausschließlich auf Art. 1 Abs. 1 GG bezogenen Wertsystem ausgegangen werden. Vielmehr ist danach zu fragen, was für jedes Grundrecht entsprechend seinen Wurzeln als Wert geschützt werden muß. W i l l man eine Begrenzung auf essentielle Rechtsgüter erreichen, ist dafür geeigneter Ansatzpunkt der auf das jeweilige Grundrecht bezogene und daher nicht mit dem Menschenwürdegehalt identische 115 Art. 19 Abs. 2 GG. Daher sind die Schutzpflichten grundsätzlich aus jedem Grundrecht ableitbar 116 , wenn sich auch nicht stets eine eigene textuelle Basis ausmachen läßt 117 . c) Grund der Schutzpflichten in Art. 1 Abs. 1 GG, Bestimmung der gegenständlichen Reichweite nach dem einschlägigen Grundrecht? Sowohl der Charakter der Menschenwürde als oberster Wert und Fundament der Grundrechte als auch die Verkörperung einer Wertentscheidung durch jedes Grundrecht erscheint berücksichtigt, wenn man dem Spagat des Bundesverfassungsgerichts in seinem zweiten Urteil zum Schwangerschaftsabbruch, Grund einer Schutzpflicht sei Art. 1 Abs. 1 GG und nur ihr Gegenstand und - von ihm her - ihr Maß würden durch das sachlich einschlägige Grundrecht näher bestimmt 118 , über Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG hinaus folgt und ihn für alle Grundrechte verallgemeinert. W i l l man sich von ihrem Grund nicht entfernen, muß indes auch die nähere Bestimmung der Reichweite der Schutzpflicht für das jeweilige Grundrecht auf deren Fundierung in Art. 1 Abs. 1 GG bezogen bleiben. 112
Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 413; Erichsen, Jura 1997, 85 (86). Dieses Problem ansprechend auch Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 71.Vgl. auch Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 149. 113 Darauf verweist auch Stern, Staatsrecht m/1, S. 36. 114 BVerfGE 27,71 (81). 115 Starck, in: von Mangoldt/Starck, Art. 1 Abs. 2 Rn. 84; Zippelius, in: BK, Art 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 114; a.A. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. I Rn. 81. 116 Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 89, 93; Jarass, AöR 110 (1985), 363 (380 f.); Stern, Staatsrecht ΠΙ/1, S. 944. 117 Dazu im einzelnen Dietlein, Schutzpflichten, S. 28 ff. 118 BVerfGE 88,203 (251) für das ungeborene Leben. Siehe bereits BVerfGE 46,160 (164) für das Leben allgemein. Allgemein für Art. 2 Abs. 2 S.1GG BVerfG, NJW 1996, 651; siehe auch BVerfGE 90,145 (195); BVerfG, NJW 1995, 2343.
§ 4 Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
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Dem Einzelgrundrecht käme dann lediglich eine Konkretisierungsfunktion zu, nämlich hinsichtlich des jeweils erfaßten Ausschnitts des Menschenwürdegehalts. Schutzpflichten können sich bei dieser Konzeption nur auf die Konkretisierungen der Menschenwürde darstellenden und damit zugleich von dieser umfaßten Kerngehalte der Grundrechte erstrecken 119. Diese prägte somit maßgeblich auch die Reichweite der Schutzpflichten und drängte auch insoweit die zum Teil von anderen Wurzeln determinierte Eigenart des Einzelgrundrechts zurück. Dieses könnte nur in Abstimmung mit dem Gehalt des Art. 1 Abs. 1 GG und nicht als eine darüber hinausgehende, auch von anderen Wurzeln gespeiste Wertentscheidung die Reichweite der jeweiligen Schutzpflicht determinieren, wollte man nicht deren Grund verlassen. Das erweist die Widersprüchlichkeit einer unterschiedlichen Fundierung von Grund und Reichweite 120 . Der Grund bestimmt die Rechtsfolge und damit auch die Reichweite eines Rechtsinstituts. Daher ist bei einer objektiv-rechtlichen Fundierung an die in jedem Grundrecht enthaltene eigene Wertentscheidung anzuknüpfen. Diese bestimmt dann allein die Reichweite der Schutzpflicht entsprechend der Eigenart des jeweiligen Grundrechts. Die grundrechtlichen Schutzpflichten, verstanden als Ausprägung der Grundrechte als Element objektiver Ordnung, erstrecken sich somit nicht lediglich auf einige im Grundrechtsteil gewährleistete Elementargüter, sondern jedenfalls potentiell auf jedes grundrechtlich geschützte Rechtsgut, und vermögen von daher eine breite Basis des Verursacherprinzips zu bilden. 2. Rechtsgutbezogene Konzeption und ihre Folgen für die Ableitung des Verursacherprinzips Bei einer Konzeption der Schutzpflichten als Rechtsgüterschutz 121 ist die Gefährdung des jeweils einschlägigen Rechtsgutes, wozu auch die Sicherheit gerechnet wird 1 2 2 , entscheidend, nicht aber der konkrete Auslöser in Form des Verhaltens eines bestimmten Personenkreises oder einer einzelnen Person, mithin der Verursacher. Zwar wird vertreten, Schutzpflichten bestünden nur bei einer Grundrechtsgefährdung durch Privatpersonen und nicht aufgrund von
119
Dafür Classen, JöR 36 n.F. (1987), 29 (38 f.). Krit. auch H.H. Klein, DVB1. 1994,489 (492); Dreier, DÖV 1995, 1036 ff. 121 Insbes. BVerfGE 53, 30 (57); Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 93 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1636); H.H. Klein, DVB1. 1994, 489 (490); Murswiek, Verantwortung, S. 96 ff.; Stern, Staatsrecht m/1, S. 734; etwa auch Hermes, Schutz, S. 197; Dietlein, Schutzpflichten, S. 64 f. 122 Aus dem Verbot privater Gewaltanwendung habe der Staat die Friedensordnung zu sichern, Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 8, 24, 184; Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 57 f.; ders., Der Staat 29 (1991), 1 (23); vgl. Stern, Staatsrecht ΠΙ/1, S. 932, 946. 120
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Naturgefahren und dem Verhalten ausländischer Staaten123. Diese Einschränkung beruht aber auf der grundsätzlichen Erwägung, es ginge um einen Ausgleich der Belange Privater in besonderen Fällen 124 , soll also den grundsätzlichen Anwendungsbereich dieser Rechtsfigur limitieren, ist aber nicht bezogen auf eine Zielrichtung gegen bestimmte Personen. Allerdings bezog das Bundesverfassungsgericht in der zweiten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ,»nicht nur auf menschliches Leben allgemein", sondern „auf das einzelne Leben" 1 2 5 . Damit läßt sich auch in einer konkreten Situation eine bestimmte Ursache ausmachen, die in der Regel von bestimmten Personen kommt - hier von der Schwangeren selbst und von Personen aus deren sozialem Umfeld 1 2 6 sowie von einem eingreifenden Arzt. So führt das Bundesverfassungsgericht denn auch aus: „Die Schutzpflicht bezieht sich zumal auf Gefahren, die von anderen Menschen ausgehen."127 Bei einer derartigen Ausrichtung der Schutzpflicht auf eine bestimmte Situation - hier den Schwangerschaftsabbruch - und auf bestimmte Personen sowohl auf der Opfer- wie auf der Täterseite richtet sie sich notwendigerweise gegen die (potentiellen) Störer, die von einer Gefährdung der geschützten Personen abgehalten werden müssen. Von daher ergibt sich eine bestimmte Zielrichtung des staatlichen Handelns gegen einen feststehenden Personenkreis, bei einer konkreten Gefährdung gegen im einzelnen bestimmte Personen, nämlich die potentiellen oder aktuellen Verursacher.
Π. Die grundsätzliche Unbestimmtheit der unmittelbaren Zielrichtung einer Schutzmaßnahme Die Grundrechte als objektive Elemente geben freilich von ihrer Anlage her nur Richtlinien und Impulse für das staatliche Handeln 128 . Es handelt sich eher um Direktiven und Maximen denn um konkrete Handlungsgebote, so daß in dieser Hinsicht manche Gemeinsamkeiten mit den Staatsstruktur- und Staats-
123 Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 112,120 ff. Anders die h.M., etwa Dietlein, Schutzpflichten, S. 124; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 124. 124 Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 116. 125 BVerfGE 88, 203 (252). Siehe bereits BVerfGE 49, 24 (53): „Pflicht des Staates, jedes menschliche Leben zu schützen", die freilich „grundsätzlich auch im Interesse der Allgemeinheit" liegt. Aufgrund der grundrechtlichen Basis „selbstverständlich" (Breuer, in: Festschrift zum 180jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, S. 25 (41)) ist dies nicht bei der rechtsgutbezogenen objektiv-rechtlichen Herleitung, jedoch bei einer individualbezogenen subjektivrechtlichen (sub B.m., IV.). 126 BVerfGE 88,203 (253). 127 BVerfGE 88,203 (252). 128 BVerfGE 7,198 (205); für Schutzpflichten BVerfGE 39,1 (41).
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Zielbestimmungen bestehen129. Daher sind Schutzpflichten aus sich selbst heraus an sich unbestimmt. Nur bei höchstwertigen Rechtsgütern werden bereits aus der Verfassung im einzelnen ableitbare Pflichten bejaht 130 , aber auch insoweit ergeben sich Bedenken im Hinblick auf die bei einer objektiv-rechtlichen Ableitung gegebene Unbestimmtheit der Schutzpflichten 131 . Bezogen auf die Umsetzung der grundrechtlichen Schutzpflichten und damit auch für die Maßnahmerichtung bedeutet ihre Ableitung aus den Grundrechten als Elemente objektiver Ordnung im einzelnen: Sie gebieten dem Staat, vor einer bestimmten Gefährdung der Grundrechte zu schützen, überlassen ihm jedoch prinzipiell die Wahl der Mittel 1 3 2 und auch deren unmittelbare Zielrichtung. Von daher steht es dem Staat frei, etwa bei gesundheitsgefährdenden Lärmemissionen von Flughäfen Schutzwälle zu errichten und dafür Nachbargrundstücke zu enteignen, statt den Flughafenbetreiber zu zwingen, die Geräusche zu reduzieren 133. Ergreift er Mittel gegen den Störer - etwa den Flughafenbetreiber - , beruhen sie von der Konzeption der Schutzpflichten nicht darauf, daß diese Person die Gefährdung verursacht hat, sondern auf der Gefährdung selbst. Nur deshalb, weil die Gefährdung von einer Person ausgeht, hat die ergriffene Maßnahme diese Person im Visier. Der Anlaß der staatlichen Schutzmaßnahme ist aber ausschließlich die Gefährdung eines Grundrechts, unabhängig davon, von wem sie stammt. Dementsprechend ist auch ihre Schutzrichtung nur auf die Gefährdung bezogen. Eine verursachende Person trifft sie nur als Reflex. Gleichwohl enthält dann die Schutzpflicht die Rechtfertigung dafür, daß gegen den Verursacher vorgegangen wird, und trägt von daher in einer bestimmten Konstellation ein Vorgehen nach dem Verursacherprinzip. Lediglich dann, wenn eine Gefährdung nur auf eine bestimmte Weise abwendbar erscheint, sind nähere verfassungsrechtliche Determinanten für die zu ergreifenden Mittel und auch für deren unmittelbare Zielrichtung denkbar. So verlangte das Bundesverfassungsgericht für den Schutz des ungeborenen Lebens die Statuierung von rechtlichen Verhaltensgeboten, mit Verbindlichkeit und Rechtsfolgen versehen 134, die sich gegen die das ungeborene Leben ge-
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Stern, Staatsrecht ΙΠ/1, S. 921. BVerfGE 39,1 (42 f.); 88, 203 (254 f.). 131 Die Ableitung konkreter Pflichten abl. Rupp-von Brünneck/Simon, BVerfGE 39, 68 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGKI, Art. 2 Π Rn. 54; auch Mahrenholz/Sommer, BVerfGE 88, 338 (346 f., 355); krit. etwa auch Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, S. 102; Hermes/Walther, NJW 1993,2337 (2339 f.). 132 Bes. deutlich BVerfGE 77,170 (214 f.); 92,26 (46). 133 Dies ist die Konstellation von BVerfGE 56, 54. 134 BVerfGE 88, 203 (253); anders aber das Sondervotum Mahrenholz/Sommer, BVerfGE 88, 338 ff. Noch stärker BVerfGE 39,1; dagegen Sondervotum Rupp-von Brünneck/Simon, BVerfGE 39,68. 130
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fährdenden Personen richten. Läßt sich anders als durch Maßnahmen gegen die (potentiellen) Verursacher eine Gefahr nicht beseitigen und ist bei einem Fehlen dieser Maßnahmen der Schutz nicht ausreichend, gebieten danach die grundrechtlichen Schutzpflichten, daß der Staat diese Maßnahmen ergreift. Muß sich also der Staat zwingend gegen die (personellen) Verursacher einer Gefährdung richten, folgt aus der entsprechenden Schutzpflicht das Verursacherprinzip als zwingende Vorgabe. Allerdings schrieb das Bundesverfassungsgericht in einer anderen, auch auf den Lebensschutz bezogenen Entscheidungen dem Staat gerade keine bestimmte Zielrichtung vor 1 3 5 . Auch in anderen Judikaten zu Art. 2 Abs. 2 GG betonte es die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, wie er die grundrechtliche Schutzpflicht erfüllt 136 . Von daher erscheint diese Ableitung des Verursacherprinzips sehr begrenzt. Weiter bleiben grundsätzliche Bedenken gegen eine solche Herleitung des Verursacherprinzips insoweit, als auch bei der Bejahung einer bestimmten Maßnahmerichtung die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an das staatliche Verhalten in erster Linie auf die Gefährdung bezogen bleiben und nur aus sachlicher Notwendigkeit und in einem eher tatsächlichen Sinne konkrete Personen einbeziehen. So führte das Bundesverfassungsgericht im zweiten Schwangerschaftsurteil aus: „Nicht weniger ist Schutz gegenüber Einwirkungen gefordert, die von Dritten ... ausgehen."137 Auf diese Einwirkungen beziehen sich die ergriffenen Maßnahme und nur mittelbar auf die sie verursachende Person.
B. Subjektiv-rechtliche Herleitung Wurde somit vorstehend eine unsichere und in ihrer Reichweite umstrittene dogmatische Basis des Verursacherprinzips in den grundrechtlichen Schutzpflichten, verstanden als Ausfluß der objektiv-rechtlichen Seite der Grundrechte, gefunden, läßt sich dieses Fundament womöglich absichern und klarer auf alle Grundrechte bezogen abstützen, wenn diese Schutzpflichten wie die Abwehrrechte subjektiv-rechtlich abgeleitet werden. Dann wiche vom Ansatz her die grundsätzliche Bezogenheit auf Rechtsgüter und die prinzipielle Unbestimmtheit von Schutzpflichten auf der Rechtsfolgenseite, die die Gewin-
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Fall Schleyer, BVerfGE 46,160 (165). Näher BerfVGE 56, 54 (73 ff.). Aus jüngerer Zeit BVerfGE 90, 145 (195); BVerfG, NJW 1995, 2343; NJW 1996, 651; NJW 651 (652). Bei Maßnahmen gegen Unfallgefahren wegen Alkohol (BVerfG, NJW 1995, 2343) und zu hoher Geschwindigkeit (BVerfG, NJW 1996, 651 (652)) liegt freilich ein Vorgehen gegen die Autofahrer auf der Hand. Im Hinblick auf Gesundheitsgefahren durch Ozon bestehen dagegen verschiedene Vorgehensmöglichkeiten, und auch insoweit betonte das BVerfG die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfG, NJW 1996,651). 137 BVerfGE 88, 203 (253), Hervorhebung durch den Verfasser. 136
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nung einer - zumal zwingenden - Zielrichtung des staatlichen Handelns gegen den Verursacher einer Gefährdung kaum erlaubten.
I. Vorrang der abwehrrechtlichen Freiheit auf der Basis einer objektiv-rechtlichen Ableitung der grundrechtlichen Schutzpflichten 1. Ausrichtung auf die Grundrechte als Abwehrrechte und Prinzipiencharakter der Schutzpflichten Nach dem für die Sicht der Grundrechte als Wertentscheidungen grundlegenden Lüth-Urteil, auf das auch das für die Schutzpflichtrechtsprechung grundlegende 138 erste Urteil zum Schwangerschaftsabbruch maßgeblich Bezug nimmt 1 3 9 , dienen die objektiv-rechtlichen Ausprägungen der Grundrechte der Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte in ihrem über die objektiv-rechtliche Komponente hinausgehenden, also subjektiv-rechtlichen und damit letztlich nach herkömmlichem Verständnis in ihrem abwehrrechtlichen Gehalt 140 . Auf ihn bleiben somit auch die Schutzpflichten bezogen, und ihm sind sie, wenn sie lediglich seiner Verstärkung dienen, von der Anlage in Konfliktfällen auch nachrangig 141. Diese bereits aus der dogmatischen Ausrichtung auf die abwehrrechtliche Seite der Grundrechte resultierende Nachrangigkeit der Schutzpflichten wird dadurch verstärkt, daß die Schutzpflichten als Ausfluß der Grundrechte als Wertentscheidung vom Ansatz her lediglich „Richtlinien und Impulse" 142 aussenden. Nimmt man für den Fall, daß Grundrechte sonst faktisch leerzulaufen drohen, (an Stelle von Schutzpflichten 143 ) aufgrund des Charakters der Grundrechte als Freiheitsrechte bloße Förderungspflichten an, gelangt man zu einer bloßen Pflicht, diese für die Grundrechtsrealisierung relevanten Belange „mit zu berücksichtigen" 144 .
138 Zu vorherigen Tendenzen in der Rechtsprechung des BVerfG Stern, Staatsrecht ΓΠ/1, S. 738 ff. 139 BVerfGE 39,1 (41). 140 Siehe BVerfGE 7,198 (205); ebenso BVerfGE 35,79 (114) m.w.N. 141 H.H. Klein, DVB1.1994,489 (494); Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art 1 Rn. 126 ff. 142 BVerfGE 39,1 (41); grundlegend BVerfGE 7,198 (205). 143 Deren Reichweite umstritten ist, oben § 4 A.1.1. 144 Kopp, NJW 1994, 1753 (1756); im Ergebnis ebenso BVerwGE 91, 135 (140); zurückhaltender OVG NW, NWVB1. 1992, 243 (245 f.); auch insoweit einen unmittelbaren Rückgriff auf ein Grundrecht (hier Art. 8 Abs. 1 GG) abl. Burgi, DÖV 1992, 633 (641 f.).
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Dieser Prinzipiencharakter bedingt a priori einen „Kern- oder Minimalschutz" 145 . Er hat weiter zur Folge, daß Schutzpflichten abstrakt und konkretisierungsbedürftig sind und im Gegensatz zu den abwehrrechtlichen Gehalten erst dadurch zur Geltung kommen, daß sie durch den Gesetzgeber in Normen umgesetzt werden 146 . Wirken Schutzpflichten aber nicht bereits von selbst, vermögen sie aus sich heraus und damit ohne gesetzliche Ausgestaltung keine Grenze der abwehrrechtlich gesicherten Freiheit zu bilden 147 . Die Abwehrrechte als unabgeleitete, ursprünglich vorhandene Freiheiten, die nicht vom positiven Recht zugeordnet und inhaltlich bemessen und begrenzt sind 148 , kommen demgegenüber bei fehlender gesetzlicher Regelung wegen der aus ihnen unmittelbar folgenden individuellen Handlungsrechte zum Zuge. Eine potentiell gefährliche Anlage kann danach ungeachtet möglicher Auswirkungen auf Nachbarn betrieben werden, sofern eine gesetzliche Zulassungsregelung nicht existiert 149 . Dann bleiben bis zum Ergehen eines solchen Normwerkes die Schutzbelange des Bürgers unberücksichtigt. Weil umgekehrt die abwehrrechtliche Freiheit als Regel nicht unter generellem Vorbehalt stehen soll 1 5 0 , ist sie somit letztlich gegenüber der erst auf Vollendung angewiesenen Schutzpflicht vorrangig 151 . 2. Folgen einer Untätigkeit des Gesetzgebers Wird der Gesetzgeber nicht tätig, können auf der Basis des aufgezeigten Mechanismus durch eine bloße Betätigung der abwehrrechtlichen Freiheit Schutzbelange ausgehebelt werden. Ist auch der Gesetzesvorbehalt von der Eingriffsvorstellung gelöst 152 und erstreckt er sich damit auch auf den Schutzpflichtbereich, so doch nur bezogen auf den den Schutzpflichten eigenen Gehalt. Der Gesetzesvorbehalt auch zugunsten der Schutzpflichten ändert daher nichts daran, daß diese bei objektiv-rechtlicher Ableitung erst der Verwirklichung durch den Gesetzgeber bedürfen. Treffen Abwehrrechte auf Schutzpflichten 145 Jarass, AöR 110 (1985), 363 (395). Vgl. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität", S. 196, 208 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (216); Stern, Staatsrecht m/1, S. 921. 146 Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 42,44. 147 Wahl/Masing, JZ 1990,553 (558 f.). 148 BVerfGE 61,82 (101). 149 Preu, JZ 1991, 265 ff.; Kloepfer, in: Festschrift für Lerche, S. 755 ff. gegen VGH Kassel, NJW 1990, 336. In dem zugrundeliegenden Fall einer Gentechnikanlage dürfte jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt das Erfordernis einer Genehmigung nach §§ 4 ff. BImSchG gedeckt gewesen sein (dazu Preu, JZ 1991, 265 (269 mitFn. 46)). Mittlerweile griffe das GenTG ein. Zu diesem oben Teil I § 4 C.I.3. Näher zu dem grundsätzlichen Problem aus hiesiger Sicht Teil m § 4 C.IL 150 Preu, JZ 1991,265 (269). 151 Im einzelnen Wahl/Masing, JZ 1990,553 (557 ff.). 152 BVerfGE 47,46 (79); 49, 89 (126 f.); Bleckmann, DVB1.1988,938 (941)).
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und existiert kein Gesetz, wird ein Gesetzesvorbehalt zugunsten der grundrechtlichen Schutzpflichten bei objektiv-rechtlicher Ableitung durch den Gesetzesvorbehalt zugunsten grundrechtlicher Abwehrrechte verdrängt, die aus sich heraus durchsetzungsfähig sind. Bei dieser Sicht zwingt der Gesetzesvorbehalt zugunsten der grundrechtlichen Schutzpflichten nur den Gesetzgeber zum Tätigwerden; tut er das nicht, wirkt er zu ihren Lasten. Den aus ihnen Begünstigten bleibt nur, dieses Tätigwerden einzuklagen. Indes erweitert der Gesetzesvorbehalt nicht die aus den Schutzpflichten gewinnbare Regelungsdichte 153 . W i l l der Bürger also die Realisierung des bei der Annahme eines bloßen Grundsatzcharakters nur begrenzten Gewährleistungsumfanges der grundrechtlichen Schutzpflichten gerichtlich einfordern, ist dies lediglich dahingehend möglich, ob „ die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben" 154 . Demgegenüber sind die Grundrechte als Abwehrrechte inhaltlich in vollem Umfang beschwerdefähig. Weiter wird eine gerichtliche Durchsetzung von grundrechtlichen Schutzbelangen dadurch erschwert, daß bis zu einem verfassungsrichterlichen Urteil und vor allem bis zu dessen Umsetzung eine lange Zeit vergehen kann, zumal das Bundesverfassungsgericht oftmals einen großzügig bemessenen zeitlichen Gestaltungsspielraum zugesteht155. Für diese Periode besteht jedoch die Gefahr einer Verfestigung einer durch die Betätigung der abwehrrechtlichen Freiheit eingeleiteten Entwicklung. Das gilt insbesondere im Umweltbereich: Die Fortsetzung von Umweltschädigungen kann zu einem Ausmaß führen, das irreparable Folgewirkungen hat. Daraus resultierende Gesundheitsschädigungen lassen sich häufig nicht mehr rückgängig machen, verseuchte (Privat-)Grundstücke nicht mehr vollständig reinigen. Mithin sind irreparable Beeinträchtigungen
153
BVerfGE 77,381 (403). BVerfGE 92, 26 (46); siehe auch BVerfGE 77, 170 (215); 56, 54 (80 f.); 79, 174 (201 f.); 85, 191 (212); BVerfG, NJW 1996, 651; NJW 1996, 651 (652); ebenso Kopp, NJW 1994, 1753 (1756) für grundrechtliche Förderungspflichten. Dem BVerfG zustimmend Hesse, in: Festschrift für Mahrenholz, S. 541 (555 ff.), eine engere Kontrolle entsprechend der § 218-Rechtsprechung fordernd Steinberg, NJW 1996, 1985 (1988); aber auch BVerfGE 88, 203 (253 f.) betont grundsätzlich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; zudem handelt es sich insoweit um eine besondere Entscheidung, die gerade wegen der durch einen schärferen Prüfungsmaßstab mitbedingten Ableitung konkreter Rechtsfolgen Kritik erfuhr, siehe oben Α.Π. 155 Dies kann dazu führen, daß aufgrund der immer gestreckteren Gesetzgebungsdauer ein materiell grundgesetzwidriger Zustand mehr als ein Jahrzehnt anhält (siehe BVerfGE 85, 80 (93); krit. Frenz, NJW 1993,1103 (1107 f.)) und damit in ihren Grundrechten Verletzte überhaupt nicht mehr in den Genuß einer verfassungsgemäßen Behandlung kommen (Berkemann, JR 1992, 450 (452) zu BVerfGE 86,369, das in Bezug zu BVerfGE 54,11 steht, in dem das Gericht bereits 1980 den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert hatte). 154
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grundrechtlich geschützter Rechtsgüter die Folge 156 . Hier nützt auch der Erlaß einer verfassungsgemäßen Regelung für die Vergangenheit nichts 157 . Die Möglichkeit eines Moratoriumsgesetzes 158 zur vorläufigen Unterbindung Schutzgüter gefährdender Aktivitäten schafft keine Abhilfe, da ein solches ebenfalls ein Tätigwerden des Gesetzgebers erfordert. Ohne gesetzliche Grundlage aber ist bei der hier untersuchten Sichtweise eine faktische Untersagung solcher Aktivitäten durch eine Aufschiebung der Entscheidung nicht möglich. Von daher wäre an eine Notkompetenz der Verwaltung oder der Gerichte zur Unterbindung Schutzgüter gefährdender Handlungen zu denken 159 . Aus kompetentiellen Erwägungen heraus kann aber nicht das grundsätzliche Verhältnis zwischen Abwehr- und Schutzbelangen überspielt und damit die materielle Rechtslage umgestaltet werden. Nur dann, wenn bereits aus dem Grundgesetz eine konkrete Rechtsfolge ableitbar ist, die jedenfalls dem inhaltlichen Rahmen nach verfassungsrechtlich determiniert ist, gleichwohl aber noch Spielraum im Detail lassen kann, vermag eine Verschiebung der Zuständigkeit weiterzuhelfen. Dann besitzt die Legislative keinen prägenden Gestaltungsraum mehr, und die gesetzliche Umsetzung der grundrechtlichen Schutzpflichten erscheint jedenfalls im Ergebnis nur noch als deklaratorischer Vollzug der verfassungsrechtlich vorgeprägten Gehalte. Ist auf diese Weise die Umsetzung einer Schutzpflicht bereits grundgesetzlich determiniert, kommt eine Notzuständigkeit der Exekutive als ohnehin mit vollziehenden Maßnahmen befaßte Gewalt und bei deren Untätigkeit der Gerichte in Betracht. Eine solche grundgesetzliche Determinierung ist zumindest dann gegeben, wenn der betreffenden Schutzpflicht nur durch eine bestimmte Maßnahme Genüge getan werden kann; dafür müssen allerdings ganz besondere Umstände vorliegen 160 . Jedoch auch in diesem Fall besteht bei einer objektiv-rechtlichen Herleitung das Bedenken, daß damit letztlich doch eine unmittelbar beschränkende Wirkung der Schutzpflichten bejaht und damit die abwehrrechtliche Grundrechtsdogmatik, zu der als tragendes Element der Gesetzesvorbehalt bei Grundrechtseingriffen ge-
156 Vgl. allgemein Maurer, in: Festschrift für W. Weber, S. 345 (365 f.). Zu den Folgen der einzelnen Rechtsfolgeanordnungen des BVerfG, insbesondere auch der bloßen Unvereinbarerklärungen, und von diskutierten Alternativen unter diesem Blickwinkel Frenz, DÖV 1993, 847 ff. 157 Dazu ist der Gesetzgeber bei den vom BVerfG vielfach gebrauchten Appellentscheidungen oder der Anordnung der weiteren Anwendbarkeit einer materiell verfassungswidrigen Norm noch nicht einmal verpflichtet. Die verschiedenen Entscheidungsformen abgrenzend etwa Hein, Die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Gesetze durch das BVerfG, 1988, S. 15 ff. 158 Wahl/Masing, JZ 1990,553 (561) m.w.N. 159 In diesem Sinne, allerdings sehr zurückhaltend Sendler, NVwZ 1990, 231 (235 f.). Aügemein unter dem Gesichtspunkt der Verwaltung als „Komplementärorgan" Ossenbühl, in: HStR ΙΠ, § 62 Rn. 60 f. m.w.N. Für das BVerfG Lerche, in: Festschrift für Gitter, S. 509 ff. - Auf der Basis einer subjektiv-rechtlichen Ableitung der Schutzpflichten unten Teil m § 4 C.II. 160 BVerfGE 77,170 (215).
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hört 161 , durchlöchert und der Prinzipiencharakter der objektiv-rechtlichen Grundrechtswirkung überspielt wird. 5. Bestimmung der Grenzen von Gesetzgebungsmaßnahmen ausschließlich nach abwehrrechtlicher Dogmatik Wird der Gesetzgeber tätig, um grundrechtlich gewährleistete Güter zu schützen, ist dieses Handeln zwar durch die Schutzpflichtseite veranlaßt. Führt es aber wie regelmäßig zu einer Freiheitseinschränkung von Bürgern, unterliegt es im Verhältnis zu den beeinträchtigten Grundrechtsträgern den Anforderungen, die an Grundrechtseingriffe zu stellen sind, und damit den Prinzipien der abwehrrechtlichen Freiheit, die zugleich die des klassischen Rechtsstaates sind. Bestimmt allein diese abwehrrechtliche und nicht eine (auch) von den Schutzpflichten gespeiste Grundrechtsdogmatik, nach welchen Kriterien die Grenzen eines aus den Schutzpflichten folgenden Handelns des Staates zu bestimmen sind, bedarf ein dem Schutz grundrechtlich gewährleisteter Rechtsgüter dienendes staatliches Handeln der spezifischen Rechtfertigung 162 , nicht aber das auf diese Weise eingeschränkte, Schutzgüter anderer Bürger gefährdende abwehrrechtliche private Verhalten. Damit steht der Gesetzgeber in Begründungsund Nachweiszwang, nicht aber etwa der eine gefährliche Anlage betreibende Unternehmer. Ein non licet wirkt dann zugunsten des Inhabers der abwehrrechtlichen Freiheit und zu Lasten des gefährdeten Schutzgutinhabers. Vermag der Gesetzgeber also seiner Darlegungslast nicht zu genügen, ist ein Schutz grundrechtlich gewährleisteter Güter nicht möglich. Diese ungleichgewichtige Begründungsverteilung führt im Effekt ebenfalls zu einem Vorrang der abwehrrechtlichen Freiheit. Eine „Symmetrie zwischen Störer und Opfer" 163 , das an sich Ziel der Schutzpflichten ist 1 6 4 , kann nach alldem bei der derzeitigen Dogmatik nicht hergestellt werden 165 . Vielmehr erfährt der Grundrechtsschutz bzw. die -forderung als Ausfluß der objektiv-rechtlichen Seite eines Grundrechts grundsätzlich einen geringeren Schutz als die Abwehrseite. Beide Elemente stehen aufgrund ihrer unterschiedlichen Ableitung in einer Asymmetrie 166 .
161 Dieser Kern bleibt von allen Weiterungen der Vorbehaltslehre vor allem durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung unberührt (siehe Ossenbühl, in: HStR ΠΙ § 62 Rn. 43 a.E.). 162 Jarass, AöR 110 (1985), 363 (397). 163 Hermes, Schutz, S. 204. 164 Siehe Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33. 165 Ebenso Suhr, JZ 1980,166 (167) zum Beispiel Raucher contra Nichtraucher. 166 Jarass, AöR 110 (1985), 363 (384).
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Π. Umweltbelastungen ohne grundrechtlichen Schutz? Dieses ungleichgewichtige Verhältnis von Schutzbelangen gegenüber Abwehrrechten will Murswiek 167 dadurch umkehren, daß er bei Umweltbelastungen praktisch den Nachrang der abwehrrechtlichen Freiheit durch das Angewiesensein auf eine materielle Absicherung durch Teilhabeansprüche und ihr Entfallen im übrigen annimmt. Eine solche gebietsbezogene Ausblendung der abwehrrechtlichen Freiheit, die gegen den umfassenden Freiheitsschutz des Grundgesetzes verstößt und daher abzulehnen ist 1 6 8 , kann vermieden werden durch die Beibehaltung eines abwägenden Ausgleichs, der aber durch eine Aufwertung der grundrechtlichen Schutzkomponente eine andere Gestalt gewinnt und dadurch jedenfalls den grundrechtlich absicherbaren Umweltschutzbelangen 169 zu verstärkter Bedeutung verhilft 170 . Damit wird eine bei unsicherer Tatsachengrundlage unaufhaltsame Zurückdrängung des Umweltschutzes durch die abwehrrechtliche Freiheit verhindert, ohne daß ein gleitender Maßstab und damit ein den Umständen angepaßter, größtmöglicher Schutz jeder Freiheitsbetätigung aufgegeben werden müssen. Da bei fehlendem materiellem Schutz der umweltbelastenden abwehrrechtlichen Freiheit wenigstens der formelle namentlich in Form des Gesetzesvorbehalts in vollem Umfang erhalten bleiben muß 1 7 1 , scheidet auf der Basis Murswieks auch eine sowohl der Störer- als auch der Opferposition Rechnung tragende Lösung des Problems aus, daß ein Handeln auch ohne normative Grundlage geboten sein kann 172 .
III. Die ansatzweise Gleichgewichtigkeit der Schutzkomponente Ob das von der dogmatischen Anlage her schwächere Gewicht der Schutzseite der Grundrechte gegenüber der abwehrrechtlichen Komponente aufrechtzuerhalten ist, wurde freilich noch kaum tiefer hinterfragt. Ansätze jedenfalls zu einer Annäherung des Gewährleistungsstandards finden sich aber bereits mehrfach, etwa hinsichtlich der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 173, und sei es auch in Gestalt des Untermaßverbots 174, der subjektiven Einforder-
167
DVBl. 1994,77 ff. Siehe oben Teil Π § 1 Α. 169 Diese werden durch Art. 20 a GG nicht ausgeschlossen; unten Teil Π § I I B . 170 Zu den praktischen Folgen einer solchen Dogmatik bei einem Staatshandeln auf ungewisser Tatsachengrundlage unten Teil m § 4. 171 Siehe Murswiek, DVBl. 1994, 77 (83). 172 Dazu Teil ΠΙ § 4 CH. 173 Bleckmann, Staatsrecht Π, S. 347; Hermes, Schutz, S. 253 ff.; ders., NJW 1990, 1764 (1768); abl. insbes. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (20). 174 BVerfGE 88, 203 (254); BVerfG, NJW 1996, 651;Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 165 f.; bereits Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (383); näher Dietlein, ZG 168
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barkeit 175 , der Heranziehung von Art. 19 Abs. 4 GG und der Parallelität der Schutzbereiche sowie des Eingriffsbegriffs 176 , zum Teil auch bezüglich einer Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts 177. Diese Untersuchungen näherten zwar die objektiv-rechtlichen Gehalte in ihrer rechtlichen Behandlung der abwehrrechtlichen Seite der Grundrechte an, ohne aber für Konfliktfälle zwischen beiden Komponenten eine Antwort zu haben. Daher bedarf es einer tiefergehenden Untersuchung des Verhältnisses der Schutz- zur Abwehrseite der Grundrechte. L Geschichtliche Entwicklung A m Beginn der geschichtlichen Entwicklung der modernen Freiheitsrechte stand deren Funktion als Abwehrrechte gegen staatliche Übergriffe ihrer Ausprägung als Schutz vor äußeren und inneren Gefahren gleichgewichtig gegenüber. Dies kommt namentlich in den Verfassungen der amerikanischen Gliedstaaten zum Ausdruck. So findet sich in der Verfassung von New Hampshire vom 27.6.1786 in dem Abschnitt, der die Freiheitsgewährleistungen enthält, die Garantie: „Every member of the community has a right to be protected by it, in the enjoyment of his life, liberty and property." 178 Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die Eingang fand in die französische Verfassung vom 3.9.1791, nennt die Sicherheit als eines der „natürlichen und unabdingbaren Menschenrechte", deren Erhaltung „der Endzweck aller politischen Vereinigung ist." 1 7 9 Zwar war die Sicherheit maßgeblich bezogen auf den Schutz vor staatlicher Willkür, na1995, 131 ff. Es für überflüssig haltend Hain, DVB1. 1993, 982 (983); Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 87; krit. auch Dreier, in: ders., GGKI, Vorbem. Rn. 64. 175 Scherzberg, DVB1. 1989, 1128 (1135 f.) durch eine Erweiterung des Grundrechtsverletzungsbegriffs auf jedes „verfassungswidrige Betroffensein im personalen Status" einschließlich der Vorgaben des objektiven Verfassungsrechts; Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (60 ff.) über die Argumente des Grundrechtsindividualismus und der Grundrechtsoptimierung. 176 Bleckmann, DVB1.1988,938 (943 ff.) mit weiteren Aspekten. Dagegen Preu, JZ 1991,265 (267 f.). 177 Roßnagel, UPR 1990, 86 (90); Hermes, Schutz, S. 258 m.w.N.; Bedenken dagegen von Bleckmann, DVB1.1988,938 (944); abl. Jarass, AöR 120 (1995), 346 (374 f.); auch Hillgruber, JZ 1996,118(123). 178 Part I, Bill of Rights, Art. I No ΧΠ. Ähnlich etwa die Verfassung von Massachusetts vom 25.10.1780, Part I Art. X, allerdings mit dem Zusatz „according to Standing laws/4 Dies ändert aber nichts an einer in der Stellung zum Ausdruck kommenden prinzipiellen Gleichgewichtigkeit, woraus sich auch Rückwirkungen für ein Aufeinanderprallen ohne gesetzliche Regelung ergeben können. W.N. bei Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 25 Fn. 52. 179 Art. 2, zit. nach der Übersetzung von Hartung/Commichau, Die Entwicklung der Menschen· und Bürgerrechte von 1776 bis zur Gegenwart, S. 55. Ähnlich Art. 1 und 2 sowie zudem Art. 8 der Verfassung vom 24.6.1793, im Wortlaut abgewandelt in Art. 4 der Rechte in der Verfassung vom 22.8.1795.
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mentlich in Gestalt einer Sicherheit im Gesetz. Jedoch tritt auch der heutige Gehalt der grundrechtlichen Schutzpflichten jedenfalls in der Form hervor, daß der Staat ein wohleingerichtetes Gemeinwesen sicherzustellen verpflichtet ist, in dem auch die willkürlich übergreifende Macht von Privatpersonen gebändigt ist 1 8 0 1 8 1 . In Deutschland etablierte zwar vor allem Christian Wolff das Recht auf Sicherheit einschließlich des Schutzes gegen Übergriffe Privater 182 , und in § 76 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht nahm dieser Gedanke normative Gestalt an 183 . Dieser Ansatz verblaßte jedoch in seiner umfassenden Gestalt im Zuge des Vormärz parallel mit der Reduzierung des einzelnen zum Untertanen zum bloßen Staatszweck und behielt konkrete und verbindliche Kraft allenfalls noch als Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Enteignung und damit vor dem Staat 184 . Die Überhöhung des Staates ließ freilich auch die Grundrechte als Abwehrrechte zu bloßen Untertanenrechten mit lediglich begrenzter rechtlicher Wirkungskraft herabsinken 185. Erst mit der Weimarer Reichsverfassung verschob sich das Gleichgewicht zu Lasten der weiterhin objektiviert gesehenen186, zum Teil aus der Schutzgewährleistung der Grundrechte ausgeklammerten 187 Sicherheitskomponente und zugunsten der Grundrechte als Abwehrrechte. Dies ist aber auch vor dem Hintergrund zu sehen, daß zu diesem Zeitpunkt in Deutschland erstmals die Funktion der Grundrechte als
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Dieser Gedanke tauchte in den Beratungen der Nationalversammlung über die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte bei Mournier auf (Archives Parlementaires de 1787 à 1860, Bd. Vm, S. 409), auf dessen Vorschlag die ersten drei Artikel ihre endgültige Fassung fanden. Weitergehend Sieyès in seiner am 20. und 21.7.1789 vor dem Verfassungsausschuß verlesenen „Einleitung zur Verfassung" (S. 247 f.): „Schutz der Individualfreiheit vor übelwollenden Bürgern, vor Amtsträgern, die die Rechte der Bürger nicht achten, und vor auswärtigen Feinden." Zum ganzen einschließlich der geistesgeschichtlichen Grundlagen und der weiteren Entwicklung Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 53 ff. 181 In der heutigen Begrifflichkeit findet dieser Gedanke Ausdruck in der vom Staat sicherzustellenden Friedenspflicht (Isensee, DÖV 1982, 609 (616 f.) sowie vor allem Murswiek, Verantwortung, S. 102 ff.). 182 Siehe Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 85. 183 Jedenfalls nach der gleichsam authentischen Interpretation von Carl Gottlieb Svarez, Vortrage über Recht und Staat, S. 243 f. 184 Näher Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 97 ff. Symptomatisch für das herrschende und die Staatswirklichkeit bestimmende Verständnis ist Teil IV § 8 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26.5.1818 (BayGBl. 1818, S. 101, abgedr. bei E.R. Huber, Dokumente Bd. 1, S. 155). 185 Im einzelnen Stern, Staatsrecht ΠΙ/1, S. 106 ff. m.w.N. auch zu abweichenden Ansätzen in der Literatur. Vgl. auch Teil Π § 5 C.I. zu den Grundpflichten. 186 Siehe Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 116 ff. 187 C. Schmitt, Der Begriff des Politischen, S. 35.
§ 4 Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
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justitiabler Maßstab für die Kontrolle der öffentlichen Gewalt durch unabhängige Gerichte ins Zentrum der Diskussion rückte 188 . In den Beratungen zum Grundgesetz wurde die Aufnahme eines allgemeinen Grundrechts »jeder hat das Recht auf... Sicherheit" 189 verworfen 190 . Gleichwohl finden sich Schutzelemente auch im Grundrechtsabschnitt vor allem in Art. 1 Abs. 1 S. 2 und Art. 6 GG 1 9 1 . Die Ausrichtung der Grundrechte auf den einzelnen, wie sie vor allem in Art. 1 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, verhindert nicht, sondern bestätigt gerade die Notwendigkeit des Schutzaspektes192. Die Sphäre der bürgerlichen Freiheit als Bereich der freien und autonomen Entfaltung kann nur erhalten bleiben, wenn sie nicht durch den Zugriff Dritter a priori unmöglich gemacht wird 1 9 3 . Im übrigen sei auf die Status-Lehre verwiesen 194 . Die Anlage des Grundgesetzes bietet damit Öffnungen für eine Fortführung des historischen Ausgangspunktes der modernen Freiheitsrechte, in dem sich Abwehr- und Schutzaspekt gleichgewichtig gegenüberstanden. Jene ist zudem von neuer Aktualität. Während der Schutz des Bürgers vor dem Staat das große Thema der siebziger und achtziger Jahre war, werden die neunziger Jahre zumindest auch „von dem neuen großen Thema beherrscht werden: dem Schutz der Bürger vor Gewalt und Verbrechen." 195 2. Der Grundrechtsvoraussetzungsschutz als notwendige Bedingung abwehrrechtlicher Grundrechtsverwirklichung Die Offenheit des Grundgesetzes für eine ansatzweise Gleichgewichtigkeit von Abwehr- und Schutzbelangen verdichtet sich zur Notwendigkeit, wenn man die Struktur der Grundrechtsverwirklichung mit einbezieht. Vielfach sind Voraussetzungen dafür erforderlich, daß Grundrechte ausgeübt werden können, als Abwehrrechte wahrnehmbar sind. Wird jemandem etwa ein Gegenstand gestohlen, kann er ihn nicht mehr als sein Eigentum nutzen. Das grundrechtlich garantierte „Dürfen" - hier die Ausübung des Eigentumsrechts - setzt ein „Können" voraus, nämlich die für dieses Dürfen notwendigen Grundlagen als Grundrechtsvoraussetzungen zu schaffen und - etwa vor Dieben - zu erhalten. 188
Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (940). Art. 2 Abs. 1 i.d.F. des Ausschusses für Grundsatzfragen, Pari. Rat-Grundsatzausschuß (32. Sitzung vom 11.1.1949), S. 16 ff. 190 Zusammenfassung der Diskussion in JöR n.F. 1 (1951), S. 59 ff.: Vor allem wurde das Recht auf Sicherheit als Ausfluß der persönlichen Freiheit und außerhalb der staatlichen Ordnung befindlich angesehen. 191 Dietlein, Schutzpflichten, S. 28 ff.; Stern, Staatsrecht ΠΙ/1, S. 933 ff. 192 Wenngleich sie ihm Grenzen setzt. Siehe Teil Π § 4 B.HL3.a) und b). 193 Siehe Murswiek, Verantwortung, S. 106. 194 Zu ihr Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität", S. 205 ff. 195 Wassermann, NJW 1994, 833 (837). 189
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Ohne diese Grundlage entfällt auch die abwehrrechtliche Entfaltung gegen den Staat: gestohlene Gegenstände können nicht mehr gegen eine Entziehung verteidigt werden. Die Grundrechtsvoraussetzungen bilden die Substanz, den Unterbau, ohne den der Überbau der Entfaltungsfreiheit in sich zusammenfällt, zur „leeren Formel" 196 wird 1 9 7 . Daraus ergibt sich eine „grundrechtliche Sinneinheit" 1 9 8 von Grundrechten und den für ihre Ausübung notwendigen Voraussetzungen 199 , und der grundrechtliche Schutz ist von daher auf beide Elemente gleichermaßen zu erstrecken. Daraus ergibt sich eine einheitliche subjektiv-rechtliche Ableitung. Wie bereits das Beispiel Eigentum andeutete, ist es für den Grundrechtsträger gleichgültig, ob die Voraussetzungen seiner Grundrechtsentfaltung vom Fehlverhalten Privater oder des Staates vereitelt werden. Unabhängig davon, ob etwa eine Privatperson oder ein staatlicher Beamter das Verhalten eines Bürgers einer bestimmten Zeitung publik macht, hilft in beiden Fällen zur Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts repressiv ein Veröffentlichungsverbot 2 0 0 und präventiv eine Strafandrohung gem. § 201 StGB. Der grundrechtliche Grundrechtsvoraussetzungsschutz umfaßt vor diesem Hintergrund jedenfalls vom Ansatz her auch die Gefährdung von Grundlagen der Freiheitsausübung durch Private. Gleichwohl werden die Schutzpflichten dadurch nicht Teil der Abwehrkomponente 201 . Dagegen sprechen ihre unterschiedliche Bedeutung und der daraus folgende andersartige Anspruchsgehalt: staatliches Handeln statt Unterlassen. Die damit verbundenen Besonderheiten können auf der Basis der abwehrrechtlichen Dogamtik nicht begründet werden 202 , ohne die festen Konturen der Abwehr staatlichen Handelns zu verwässern. Schutzpflichten bilden daher einen eigenen konstruktiven Ansatzpunkt 203 . Schließlich waren auch historisch Abwehr- und Schutzgehalte regelmäßig deutlich zu unterscheiden 204. Dogmatische Gemeinsamkeiten ergeben sich eher zu den grundrechtlichen Teilhabe- und Leistungsansprüchen, die ebenfalls auf ein positives staatliches Tun und die
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Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 77. Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 460 f. 198 Kloepfer, Entstehenssicherung, S. 30 für die Entstehenssicherung. 199 Für die Leistungsseite siehe BVerfGE 33,303 (329 f.). 200 Ein solches lag BVerfGE 66,116 zugrunde. 201 Dafür aber etwa Schlink, EuGRZ 1984, 457 (464 ff.); Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, S. 56 ; ders., Probleme der Grundrechtsdogmatik S. 219 ff.; vgl. auch Murswiek, Verantwortung, S. 91 ff., aber auch S. 109; ders., WiVerw. 1986, 179 (182); ders., in: Konrad, Grundrechtsschutz und Verwaltungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Asylrechts - Internationaler Menschenrechtsschutz, S. 214 (224 ff.). 202 Siehe Jarass, AöR 110 (1985), 363 (381, 397). 203 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 417. 204 Siehe oben § 4 B.m.l. 197
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Sicherung der Grundlagen der Ausübung abwehrrechtlicher Freiheit gerichtet sind 205 . Sie können zusammen mit den Schutzpflichten die Kategorie des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes bilden, die nicht abwehrrechtlich gewährleistet ist und unterschieden werden muß von dem aus den Grundrechten als nicht subjektiv einforderbare Leitlinien folgenden Auftrag, aktiv zum Schutz grundrechtlicher Rechtsgüter zu handeln 206 . Werden auch dadurch die Rahmenbedingungen für die Grundrechtsausübung geschaffen, sind von diesem Auftrag zudem die nicht von den Schutzpflichten, Teilhabe- und Leistungsansprüchen abgedeckten Elemente umfaßt 207 . 3. Grenzen des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes
aus den Grundrechten
Allerdings sollen die Grundrechte die menschliche Freiheit in ihrem vorgegebenen und ursprünglich vorhandenen Maße schützen. Art. 1 Abs. 1 GG als auf alle Grundrechte einwirkende zentrale Vorschrift 208 geht von der Würde des Menschen aus, die aus seiner Autonomie und Selbstbestimmung folgt 2 0 9 . Schon kraft seines Menschseins kommt ihm Würde zu 2 1 0 . Das Grundgesetz nimmt den Menschen daher so, wie er ist. a) Erfordernis eines individuellen Keims Staatliches Handeln darf somit nicht menschliche Eigenschaften ersetzen, sondern kann sie nur unterstützen. Stellte der Staat Grundrechtsvoraussetzungen erst her, ohne daß ein privater Keim schon vorhanden ist, würden Freiheitsrechte auf einer vom Staat geschaffenen Plattform ohne individuelle Substanz ausgeübt. Die Möglichkeit der Grundrechtsausübung wäre das Produkt staatlicher Gewährung. Dies aber ist dem Wesen der Grundrechte fremd. Als allgemeine Grenze für das Eingreifen eines Grundrechtsvoraussetzungsschutzes ist daher in Anlehnung an den abwehrrechtlichen Schutz gegen den Staat gem. Art. 14 GG zu fordern, daß die betroffene Grundrechtsvoraussetzung nicht überwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen darf, sondern (auch) eigener Leistung entspringen 211 oder prinzipiell ursprünglich vorhanden sein muß.
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Vgl. näher Jarass, AöR 110 (1985), 363 (394 ff.) auf der Basis einer objektiv-rechtlichen Herleitung. 206 Näher Stern, Staatsrecht ΙΠ/1, S. 931 ff. 207 Näher dazu Isensee, in: HStR V, § 115. 208 Näher oben § 4 A.I.l.b). 209 Siehe Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 6 f.; näher unten Teil Π § 8. 210 BVerfGE 39,1 (41), 88, 203 (252). 211 Vgl. zu Art. 14 GG BVerfGE 72, 175 (193); 88, 384 (401); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 445 mit Fn. 97 m.w.N.. 8 Frenz
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Ursprünglich vorhanden sind etwa Gesundheit, aber auch äußere Sicherheit, also vor allem anerkannte Elemente aus dem Schutzpflichtbereich. Dagegen ist der vertragliche Sektor gerade durch die private Gestaltungsfreiheit und damit auch durch die Unzulänglichkeiten des Menschen geprägt, die nur in Extremfällen korrigiert werden dürfen 212 , nämlich dann, wenn eine privatautonome Entschließung fehlt und eine über die Gegenstände des unabdingbaren Bedarfs hinausgehende Teilnahme am Rechtsverkehr für immer ausgeschlossen ist 2 1 3 . Finanzielle Leistungsansprüche scheiden demgegenüber prinzipiell aus, außer das der Menschenwürde inhärente ökonomische Existenzminimum 214 ist bedroht. Bei Versammlungen beruhen deren Organisation und auch die Wahl des Ortes 215 auf eigener Leistung, so daß sich die Verschaffung der entsprechenden Fläche durch den Staat als notwendige Bedingung der Realisierung des Ortswunsches lediglich als Zusatzleistung darstellen könnte. Indes gehört auch die Beschaffung eines für Versammlungen nach ihrer Zweckbindung geeigneten Demonstrationsplatzes zu der Logistik, die eine Versammlung erst zu einer eigener Initiative entspringenden Veranstaltung macht. Aus Art. 8 Abs. 1 GG folgt daher kein entsprechender Verschaffiingsanspruch gegen den Staat, es sei denn, nur ein einziger geeigneter Ort steht zur Verfügung 216 . Demgegenüber muß der Staat eine an einem bestimmten Ort abgehaltene Versammlung als bereits aus eigener Kraft geschaffene Grundrechtsausübung jedenfalls primär vor Störern schützen217. b) Grundsätzliche Akzeptanz der Beeinträchtigung der Freiheitssphäre anderer aa) Aussagen im Grundgesetz Nimmt das Grundgesetz den Menschen so, wie er ist, also mit seinen Unzulänglichkeiten, schließt dies auch ein, daß es davon ausgeht, daß der eine den anderen in seiner Freiheitssphäre beeinträchtigt. Zum Ausdruck kommt dies in
212 Vgl. Medicus, AcP 192 (1992), 35 (61 f.); Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 25, 34 ff., 40. 213 Siehe BVerfGE 89, 214 (230 f.); Frenz, JR 1994, 92 (95 f.). 214 Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 102; siehe auch BVerfGE 46, 346 (361) und Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Abs. 1 Rn. 24 m.w.N. 215 Diese ist ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt, BVerfGE 69, 315 (343). 216 Ebenso BVerwGE 91,135 (138 f.). 217 Etwa VGH Mannheim, DÖV 1987, 254; NJW 1987, 2697 (2697); Drews/Wacke/VogeV Martens, Gefahrenabwehr, S. 334; bereits PrOVGE 78, 267 (271); siehe auch HessVGH, DÖV 1993, 579; NJW 1986, 2660 (2661); Zundel, JuS 1991, 472 (474); Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (297).
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Art. 2 Abs. 1 GG, in dem die Rechte anderer als Schranke formuliert sind. Das setzt voraus, daß die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung besteht 218 . Daß die Rechte anderer in Art. 2 Abs. 1 GG als Grenze individuellen Handelns festgelegt sind, verwehrt dem einzelnen an sich solche Übergriffe. Indes binden die Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG nicht den einzelnen unmittelbar, sondern die staatliche Gewalt. Diese aber handelt durch Regelungen, die bei Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sind 219 . Die Formulierung „Rechte anderer" ist daher keine Ermächtigung zu staatlichem Handeln. Ansonsten würde zudem bereits von der Anlage her diese Schranke durch die Grenze der verfassungsmäßigen Ordnung aufgesogen 220 : Auch die Regelungen zum Schutz der Rechte anderer gehören zu dieser. Damit kann die Antastung der Rechte anderer durch individuelle Freiheitsentfaltung nicht stets den Erlaß staatlicher (Schutz-)Gesetze erfordern. Insoweit wird die Möglichkeit zur Beeinträchtigung der Rechte anderer hingenommen. Die Nebeneinanderstellung von Rechten anderer und der verfassungsmäßigen Ordnung oder einer vergleichbaren Formulierung findet sich indes nur in Art. 2 Abs. 1 GG. Ein Gegenschluß käme zu dem Ergebnis, daß lediglich im Rahmen dieses Grundrechts eine entsprechende Separierung erfolgt, mithin ein umfassender normativer Schutz der beeinträchtigten individuellen Rechte nicht vorgesehen ist. Das korrespondierte mit dem Charakter von Art. 2 Abs. 1 GG als entsprechend seiner Formulierung und seiner Reservefunktion jede individuelle Freiheitsentfaltung umspannendes Grundrecht 221 . Müßte der Staat jeder auch nur geringfügigen Beeinträchtigung einer noch so unbedeutenden Grundrechtsverwirklichung wehren, wäre der individuelle Freiraum weitestgehend staatlich geprägt. Könnte er dies, bestünde diese Gefahr. Solche umfassenden Befugnisse des Staates widersprechen indes nicht nur dem System des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern der im Grundrechtsabschnitt zum Ausdruck kommenden Gesamtkonzeption der Grundrechte 222. Aufgrund ihrer Entwicklung formen die Grundrechte einen individuellen Freiraum, der vor staatlichem Handeln geschützt sein soll. Dementsprechend sind die grundrechtlichen Gewährleistungen fast ausnahmslos als personenbezogene Rechte 223
218 Vgl. Lerche, WDStRL 54 (1995), 112 f. (Diskussionsbeitrag): Art. 2 Abs. 1 GG primär als „eine Bekräftigung und Bestätigung der Freiheit des Privaten zur Willkür". 219 BVerfGE 6, 32 (38). 220 Vgl. zu dieser Entwicklung in der Praxis unten Teil Π § 5 Β.Π. 221 BVerfGE 6, 32 (36); 74, 129 (151); 75, 108 (154 f.); 80, 137 (152 f.); Pieroth, AöR 115 (1990), 33 ff. A.A. Sondervotum Grimm, BVerfGE 80,166 ff. 222 Vgl. Rupp-von Brünneck/Simon, BVerfGE 39, 68 (73); Jarass, AöR 110 (1995), 363 (395). 223 Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, 5 Abs. 1, 6 Abs. 2, 7 Abs. 2, Abs. 4, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, Abs. 3, 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1,12 Abs. 1,16 a Abs. 1 GG.
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oder unverletzliche Freiheiten 224 ausgebildet. Sie garantieren damit einen bestimmten Bereich als freien Entfaltungsraum des Bürgers 225 . Der Staatseingriffe abwehrende Charakter der Grundrechte ergibt sich vollends durch die Anordnung der staatlichen Handlungsmöglichkeiten. Diese stehen meist in Abs. 2 nach der Freiheitsgewährleistung; das zeigt ihre Nachrangigkeit. Ihre Kennzeichnung als Schranken 226, Beschränkungen 227, Einschränkungen 228 bzw. Eingriffe 229 erweist den grundsätzlich Grundrechte einengenden Charakter staatlicher Maßnahmen. Das deutet auf ihr vom Ansatz her gegensätzliches Wesen. Daher haben sie die Ausnahme zu bleiben. Stehen Grundrechte nicht unter Gesetzesvorbehalt, ist ihre umfassende Gewährleistung relevant, die den Berechtigten einen bestimmten Bereich als Entfaltungsraum zuweist und vom Ansatz her staatliche Eingriffe nicht vorsieht 230 . Diese können dann nur durch konkurrierende Verfassungsgüter gerechtfertigt werden 231 . bb) Folgen für den Grundrechtsvoraussetzungsschutz Aufgrund dieses Grundrechtssystems sind staatliche Maßnahmen im Grundrechtsbereich nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Mangels Differenzierung gilt dies auch dann, wenn private Belange durch Privatpersonen beeinträchtigt werden. Eine staatliche Reaktion kann somit nicht bei allen Antastungen der Verwirklichungsmöglichkeiten privater Grundrechte erfolgen. Vielmehr ist nur bei einer gravierenden Beeinträchtigung der Grundrechtsvoraussetzungen durch privates Handeln eine Schutzpflicht des Staates gegeben. cc) Anwendung auf einzelne Grundrechte Wann das der Fall ist, gilt es für jedes Grundrecht einzeln zu ermitteln 232 . Teilweise finden sich Aussagen in den Grundrechten selbst. Art. 5 Abs. 1 S. 2 224
Art. 4 Abs. 1,10 Abs. 1,13 Abs. 1 GG. Ohne den Zusatz „unverletzlich" Art 5 Abs. 3 GG. Schon aus Gründen der Strukturgleichheit sowie unter historischen Gesichtspunkten ist auch Art 14 Abs. 1 GG trotz der neutralen Formulierung „werden gewährleistet" und der Regelungsbefugnis auch hinsichtlich des Inhalts entsprechend einzuordnen; darauf weist auch der Gesetzesvorbehalt in Art. 14 Abs. 3 sowie in Art. 15 GG. Dies gilt auch für Art. 3 Abs. 1 GG; vgl. dazu BVerfGE 55, 72 (88); 70, 230 (239 f.); 71,146 (154 f.); 82, 126 (146); 88, 87 (96 f.); 89, 69 (89); 90, 46 (56); 91, 346 (362 f.); 91, 389 (401 f.); Herzog, in: Maunz/Dürig, Anhang zu Art 3 Rn. 10 sowie Frenz, Verwirklichung, S. 137. 226 Art 5 Abs. 2 GG. 227 Art. 8 Abs. 2,10 Abs. 2,13 Abs. 3 GG. 228 Art. 11 Abs. 2,17 a Abs. 1,2,19 Abs. 1 GG. 229 Art 13 Abs. 3 GG. 230 Vgl. BVerfGE 19,342 (348 f.); 28,243 (259 ff.). 231 BVerfGE 30,173 (193); 32,98 (107 f.); 57,70 (98 f.); 67,213 (228). 232 Für eine abgestufte staatliche Verantwortung auch Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, S. 267. 225
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GG benennt neben der Pressefreiheit die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. Trotz des textuellen Bezugs zu anderen Medien wird dadurch deutlich, daß auch für die Presse alle mit der Freiheit der Berichterstattung zusammenhängenden Tätigkeiten „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung" erfaßt sind 233 . So sind etwa der Zutritt zu und die Informationsbeschaffung bei allgemein zugänglichen Veranstaltungen, die der Gewinnung von Wissen als Grundlage der Berichterstattung dienen, vor Behinderungen zu schützen234. Der Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft gem. Art. 6 Abs. 4 GG sind Grundlage dafür, daß die Eltern ihr Erziehungsrecht gem. Art. 6 Abs. 2 GG ausüben können. Fehlen solche Aussagen, sind die Elemente des durch Schutzpflichten zu erfüllenden Grundrechtsvoraussetzungsschutzes durch Auslegung zu ermitteln. Darunter fällt jedenfalls das, was für die Verwirklichung des jeweiligen Grundrechts unentbehrlich ist. Die Verteidigung von Eigentum gegen den Staat hat als Voraussetzung den Schutz der dieses formenden Gegenstände vor Dieben. Glaubensfreiheit erfordert den Schutz religiöser Veranstaltungen vor Gewalttätern. Entsprechendes gilt für die Demonstrationsfreiheit 233. Die Pressefreiheit basiert ebenso wie die Rundfunkfreiheit auf einer Vielfalt von Presse- 236 bzw. Rundfunkorganen 237. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des Schutzes von kleineren Unternehmen vor Konzentrationsprozessen jedenfalls durch wettbewerbsschützende Vorschriften 238 . Eine Begrenzung der Schutzpflichten aus dem Gesichtspunkt, daß das Zusammenleben Privater die Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Güter und ihrer Voraussetzungen beinhaltet, wird etwa für den Gesundheitsschutz relevant. So bringen Mannschaftssportarten regelmäßig gegenseitige Verletzungen mit sich. Müßte der Staat hier regelnd eingreifen, wäre er zur Ordnung eines von den Teilnehmern freiwillig gewählten, an sich individueller Gestaltung unterliegenden Freizeitsektors etwa durch staatliche Fußballregeln verpflichtet. Eine Schutzpflicht für die körperliche Integrität ist vor diesem Hintergrund um so mehr zu verneinen, je stärker das gefährdende Verhalten auf eigenem Entschluß beruht und ihm Verletzungen typischerweise immanent sind. Bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die wie Unfälle auf unfreiwilligem Verhalten beruhen, ist die Schwelle von Gesundheitsbeeinträchtigungen, vor denen der Staat zu schützen verpflichtet ist, niedriger anzusetzen. Aber auch 233
BVerfGE 10,118 (121); 66,116 (133); 77, 346 (354). Siehe Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 314. 235 Siehe dazu bereits § 4 B.HI.3.a) a.E. m.N. 236 BVerfGE 20, 162 (175 f.); 52, 283 (296); 57, 295 (322 f.); Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 27 f. 237 BVerfGE 74,297 (325); 73,118 (175 ff.) auch im Hinbück auf eine Kombination. 238 Dazu näher Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn.379 f. m.w.N.; siehe auch BVerfGE 20,162 (174 f.); BGHZ 51,236 (244); dazu krit. Wendt, in: von Münch/Kunig, GGKI, Art 5 Rn. 35. 234
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insoweit ist zu berücksichtigen, daß kleinere Unfälle, die wie Fußgängerzusammenstöße im allgemeinen lediglich zu Schürfwunden und Blutergüssen führen können, zu den Risiken des Alltags und damit zu der dem Menschen typischerweise immanenten Fehlerhaftigkeit gehören, ohne den einzelnen schwerwiegend zu berühren. Als Ausprägung persönlichen Empfindens sind auch Ängste und das soziale Wohlbefinden Teil des menschlichen Lebens. Sie gehören zur Gefühlswelt des einzelnen, die als innerer Ausdruck der Persönlichkeit von staatlicher Intervention gerade frei sein muß. Daher sind das psychische und das soziale Wohlbefinden oder die Gewährleistung einer Freiheit vor Angst etwa vor unbekannten oder unerprobten Technologien 239 jedenfalls vom Grundrechtsvoraussetzungsschutz im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 GG auszunehmen240. Dafür spricht auch die aufgrund weitgehend subjektiver Determinanten schwere Eingrenzbarkeit dieser Begriffe 241 . Wenn sich diese Zustände körperlich niederschlagen, so daß sie unmittelbaren körperlichen Einwirkungen gleichkommen, sind sie allerdings beachtlich 242 . Es gelten insoweit aber die für jene vorstehend entwickelten, staatliche Schutzpflichten deutlich eingrenzenden Maßstäbe. Zudem ist insoweit zu berücksichtigen, daß mit der zunehmenden Technisierung und Zersiedelung der Landschaft das Wohlbefinden störende und auch körperlichen Einwirkungen gleichkommende Phänomene wie etwa Lärm zu einem immer stärkeren regelmäßigen Bestandteil menschlichen Daseins wurden bzw. werden und damit als aufgrund der allgemeinen Entwicklung zu diesem gehörig anzusehen sind. Die psychische Seite allein kann nur insoweit beachtlich sein, als sie dem einzelnen seine Selbstbestimmung als Ausdruck der Menschenwürde zu rauben droht, indem jemand in völlige Hoffnungslosigkeit verfällt 243 . Die Verwirklichung aller Grundrechte setzt voraus, daß das Leben des Menschen geschützt ist 2 4 4 . Gesundheit ist ebenfalls Grundbedingung, allerdings nur in dem Maß, in dem sie so stark betroffen werden kann, daß dadurch die Grundrechtsverwirklichung deutlich eingeschränkt ist. Zudem ist zu beachten, daß die Unmöglichkeit einer Grundrechtswahrnehmung auf der Ausübung eines anderen Grundrechts beruhen kann, so wenn ein Knochenbruch aus einem Fußballspiel (Art. 2 Abs. 1 GG) die Teilnahme an einer Demonstration
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Im Ergebnis ebenso Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 41 f. Siehe dagegen Roßnagel, Grundrechte und Kernkraftwerke, S. 44 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 223 ff. 240 Generell Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (209 f.); Jarass, in: dersVPieroth, Art 2 Rn. 45; offen gelassen in BVerfGE 56, 54 (74 ff.). 241 Die Freiheit vor Angst als unbegrenzt manipulationsfähig ansehend Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 26. 242 Siehe BVerfGE 56,54 (73 ff.). 243 Zur Hoffnung als Bestandteil der Menschenwürde Frenz, JR 1994, 92 (94); vgl. BVerfGE 45,187 (228, 245). 244 Ebenso Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, S. 267.
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hindert. Diese Unmöglichkeit ist Ausdruck individueller Selbstbestimmung und muß daher hingenommen werden. Für die körperliche Integrität 245 ergeben sich daher die im vorstehenden Absatz bereits aufgezeigten Grenzen, ebenso für das psychische und soziale Wohlbefinden als Voraussetzung für die Grundrechtsausübung. Der für die Einbeziehung dieses zweiten Elements in den Grundrechtsvoraussetzungsschtz erforderliche Bezug zur Menschenwürde gilt auch bei materieller Not 2 4 6 , ist doch der finanzielle Bereich in unserem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem ebenfalls Ausdruck individueller Entfaltung. Nur bei existenzbedrohender Armut kann von einer staatlichen Schutzpflicht ausgegangen werden. Als Rahmenbedingung aller Grundrechtsverwirklichungen erforderlich ist, daß die Umwelt in einem Zustand bleibt, in dem der Mensch überleben und sich nach eigenen Vorstellungen entfalten kann. Daß die Ozonwerte für manche Personen bereits anstrengende körperliche Bewegung zum Risiko machen, zeigt, daß solche Auswirkungen bereits Realität sind 247 . Insoweit bedarf auch Art. 2 Abs. 1 GG des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes und kann daher in den Anwendungsbereich der Schutzpflichten fallen 248 . 4. Folgen einer subjektiv-rechtlichen
Ableitung für die Schutzpflichtdogmatik
In diesem von der Figur des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes umfaßten Bereich entspricht die subjektiv-rechtliche Ableitung dem insoweit geltenden Erfordernis eines gleichgewichtigen grundrechtlichen Schutzes der Freiheitsausübung mit ihren Voraussetzungen. Sie stellt die Schutzpflichten mit den Abwehrrechten gleich, ohne sie zum Teil der Abwehrkomponente zu machen 249 . Die Grundrechte schließen dann von ihrer Anlage her gleichermaßen den Schutz desjenigen ein, der durch die Freiheitsbetätigung anderer in seinen Grundrechtsvoraussetzungen beeinträchtigt wird. Sie wirken damit nicht mehr „als Privileg des Rechtsbrechers" 250 und decken eine bisher weiterhin „offene Flanke des Grundrechtsschutzes" 251 ab.
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Sie allgemein einbeziehend Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, ebda. Siehe BVerfGE 40,121 (133); Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 102; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art 1 Abs. 1 Rn. 24. 247 Die Festlegung von Ozongrenzwerten nicht als durch den - insoweit vorrangigen - Art. 2 Abs. 2 GG geboten ansehend BVerfG, NJW 1996, 651; siehe aber Steinberg, NJW 1996, 1985 (1989). 248 A.A. Jarass, DÖV 1995, 674 (675). Dazu aus der Perspektive einer objektiv-rechtlichen Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten oben § 4 A.I.l.b). 249 Siehe oben § 4 Β.ΠΙ.2. a.E. 250 Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 85. 251 Isensee, ebda. 246
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Die Schutzpflichtdogmatik ist dann auch in sich schlüssig. Das Problem der Resubjektivierung des aus der objektiven Seite der Grundrechte gewonnenen, mit dem Individualrecht nicht mehr identischen, sondern auf eine andere Ebene gehobenen Gehalts 252 entfiele 253 . Die Reichweite könnte auch bei der Annahme einer ausschließlich auf Art. 1 Abs. 1 GG bezogenen Wertordnung nicht mehr vom System her lediglich auf einige Elementargüter oder Kernbereiche 254 beschränkt werden, sondern erfaßte von vornherein alle Grundrechte. Zwar können nur für die Grundrechtsverwirklichung entscheidende Elemente erfaßt sein. Diese bestimmen sich aber nicht nach abstrakten Wertvorstellungen oder nur danach, was vom Menschenwürdegehalt umfaßt ist, sondern eindeutig nach den konkreten Gegebenheiten und Voraussetzungen der Entfaltung des jeweiligen Grundrechts. J. Achtung der Gestaltungsprärogative
der Legislative
Könnten die Gerichte und namentlich das Bundesverfassungsgericht sowie die Verwaltung selbst Detailfragen auf der Basis subjektiv-rechtlich abgeleiteter Schutzpflichten ohne Zutun des Gesetzgebers beantworten, berührte dies auch das Gleichgewicht der Gewalten. Das erfolgte in einem Ausmaß, das nicht mehr vor dem Hintergrund des die Gewaltenteilung selbst prägenden Zwecks, nämlich der Sicherung der Freiheit, gerechtfertigt werden könnte. Auch die Grundrechte setzen die Gewaltenteilung und die gestaltende Kraft des Staates voraus, wie Art. 1 Abs. 3 GG und die zahlreichen Gesetzesvorbehalte deutlich machen 255 . Durch die Herausnahme der nicht ursprünglich vorhandenen oder
252
Siehe Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 48 ff., insbes. Fn. 106; Hermes, Schutz, S. 109 ff., 209 ff.; Scherzberg, DVBl. 1989, 1128 (1133); Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 73; vgl. Schenke, in: Festschrift für Lorenz, S. 473 (497 f.). Anschaulich wird diese Problematik auch bei Isensee deutlich: Er geht von der Staatsaufgabe Sicherheit aus, bezieht diese zum Zweck der Subjektivierung gegenständlich auf die Rechtsgüter der Individuen und billigt darauf aufbauend dem konkret gefährdeten einzelnen Grundrechtsträger einen subjektiven Anspruch auf Schutz zu. 253 Das Problem als ungeklärt ansehend Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 108. Insoweit die Ableitung der Schutzpflichten aus den Grundrechten als objektiver Weitordnung nicht für ausreichend haltend Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 46. Dieser sieht als Basis der Subjektivierung den Staatszweck Sicherheit, der „Grundlage der abwehrenden Freiheitsrechte gegen den Staat ist" (S. 49). Damit hält er gleichfalls die Grundlagenfunktion für die Grundrechte als Abwehrrechte für entscheidend, verengt diese aber ausschließlich auf die Sicherheit, womit Gefährdungen anderer grundrechtlicher Grundlagenelemente unerfaßt bleiben, und wählt den Umweg über einen Staatszweck, der als solcher - ebenso wie die Grundrechte als objektive Elemente - kein subjektives Recht verleiht. Dieser Umweg ist somit verzichtbar. Allein maßgeblich ist daher die Grundlagenfunktion für die Grundrechte als Abwehrrechte. 254 Siehe oben § 4 A.I.l. 255 Zum grundsätzlichen Verhältnis von Gewaltenteilung und Freiheitssicherung Frenz, ZG 1993, 248 (253 ff., 258).
§ 4 Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten
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zumindest auch auf der Leistung des einzelnen beruhenden Belange aus dem Grundrechtsvoraussetzungsschutz und durch seine Beschränkung auf für die Grundrechtsverwirklichung entscheidende Elemente werden indes in starkem Maße Bedenken zerstreut, daß durch seine subjektiv-rechtliche Ableitung die Gestaltung durch den Gesetzgeber weitestgehend verfassungsrechtlich determiniert ist 2 5 6 . Insbesondere die Ausscheidung finanzieller Leistungsansprüche verhindert, daß die öffentlichen Haushalte im wesentlichen bereits durch grundrechtlich vorgegebene Ausgaben ausgeschöpft sind 257 . Vom Grundsätzlichen her gibt auch bei einer subjektiv-rechtlichen Ableitung der Grundrechtsvoraussetzungsschutz nur den Rahmen vor, eben das „Ob" und das Ausmaß der Gewährleistung, wenngleich in stärkerem Maße als bei einer objektiv-rechtlichen Fundierung und im Verhältnis zu den abwehrrechtlichen Belangen gleichermaßen abgesichert. Er erfaßt zwar vom Ansatz her eindeutig alle Grundrechte, was auf objektiv-rechtlicher Basis umstritten ist 2 5 8 . Aber der näheren Ausgestaltung und des Ausgleichs insbesondere mit abwehrrechtlichen Grundrechtsbelangen bedarf es weiterhin. Dies kann im Detail die Verfassung nicht leisten. Geht es somit um die Bewältigung von Interessengegensätzen und die Abmessung des bürgerlichen Freiheitsraumes, ist nach den Kriterien der im Hinblick auf die Verschränkung der Gewalten und den dienenden Charakter der Gewaltenteilung 259 angezeigten funktionell-rechtlichen, auf die Effektivität der Freiheitssicherung ausgerichteten Betrachtungsweise zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Exekutive und Legislative 260 , aber auch zur Judikative 2 6 1 , die Volksvertretung die geeignetste Instanz. Sie verfügt vor allem über eine breite Spannbreite an Entscheidungsträgern, und der Willensbildungsprozeß verläuft gestuft und öffentlich 262 . Das verspricht eine umfassende Abwägung der verschiedenen Belange und damit auch eine möglichst ausgewogene, gerechte Lösung. Das korreliert damit, daß die Beschränkung vieler Grund-
256
Siehe oben §4 Α.Π. Siehe Murswiek, in: HStR V, § 112 Rn. 57 ff. 258 Siehe oben § 4 A.I.l. 259 Für die Gewährleistung der Freiheit, angezeigt durch Art 1 Abs. 3 GG, sowie zur Sicherung des Vorrangs des Rechts vor der Macht nach den Erfahrungen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates, Stern, Staatsrecht Π, S. 532 m.w.N. in Fn. 103. 257
260 Siehe BVerfGE 68, 1 (86). Aus der Lit. maßgeblich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 475 ff., bes. Rn. 482 f. m.w.N. in Fn. 9. 261 Siehe Ossenbühl, in: HStR ΙΠ, § 62 Rn. 48. 262 BVerfGE 40, 237 (249 f.) sowie zum ganzen von Arnim, DVB1.1987, 1241 (1243 f.) und Kisker, NJW 1977, 1313 (1314 f.), der freilich nur auf die Öffentlichkeit des Verfahrens abhebt. Daß die Grenzlinie mittlerweile in erster Linie zwischen Regierung(-skoalition) und Opposition verläuft, ändert aber nichts daran, daß auch durch die Vielfalt der Abgeordneten innerhalb einer Fraktion der Gefahr einseitiger Interessenberücksichtigung vorgebeugt wird.
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Teil 2: Fundierung des Verursacheprinzips
rechte 263 nur durch oder aufgrund eines Gesetzes möglich ist. Die entsprechenden Vorschriften enthalten eine Entscheidung darüber, welche Gewalt Einschränkungen vornehmen darf. Wenn indes das Parlament dieser Aufgabe nicht nachkommt, ist diese Übergangszeit durch Lösungen zu bewältigen, die nicht eine einseitige Bevorzugung der Abwehrseite der Grundrechte zur Folge haben, sondern die Schutzseite gleichermaßen wahren 264 . Praktisch umgesetzt werden kann diese Entscheidungsprärogative des Parlaments im Rahmen der Schranken, denen auch die Schutzgewährleistung unterliegen muß, um sie nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung wie auch die anderen Grundrechtskomponenten in das Gesamtgefüge einzubinden. Insoweit ist - nicht nur beschränkt auf die Schutzpflichten - zu fragen, was der auch in den Grundrechten vorausgesetzten staatlichen Gestaltung möglich ist aufgrund ihrer generellen Kapazitäten 265 und im Hinblick auf andere Verfassungsgüter. Eine stärkere Berücksichtigung der Funktionsfähigkeit des Staatsganzen 266 und damit auch der finanziellen Handlungsmöglichkeiten 267 sowie der übrigen im Grundgesetz genannten Ziele 268 bis hin zu einem Vorbehalt des Möglichen 269 verhindern eine zu starke Prägung des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes und eine damit einhergehende Einengung des staatlichen Gestaltungsspielraums durch die Verfassung. Eine Zurücknahme der (verfassungs-) richterlichen Prüfungsintensität im Hinblick auf gestaltende Entscheidungen wahrt die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Dagegen erweckt eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes erst im Rechtsfolgenbereich durch die Beschränkung auf Appellentscheidungen, die Anordnung weiterer Anwendung einer für verfassungswidrig gehaltenen Norm und bloße Unvereinbarerklärungen den Einwand der Duldung eines jedenfalls vom sachlichen Gehalt her gegen die Verfassung verstoßenden und damit weitere Grundrechtsverletzungen hervorrufenden Rechtszustandes Bedenken 270 . Einer zu großen Ausdehnung auch auf den privaten und vom Staat gerade abgeschirmten Gestaltungsbereich etwa durch eine Einbeziehung des der Handelsvertreterentscheidung 271 zugrundeliegenden Sachverhaltes könnte vorgebeugt werden durch eine 263
Art. 8 Abs. 2,10 Abs. 2,11 Abs. 2,12 Abs. 1 S. 2,14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3,15 GG. Näher § 4 B.I.2. sowie unten Teil m § 4 C.n. 265 Bezogen auf Schutzpflichten BVerfGE 92, 26 (47): Verpflichtung des Staates nur im Rahmen seiner Verantwortung für den Staatshaushalt als Ganzes. 266 Siehe Kriele, in: HStR V, § 110 Rn. 65 ff. 267 Siehe BVerfG, NJW 1992,3153 (3156). 268 Etwa die Verteidigung wie in BVerfGE 77,170 (221, 226 f., 230); vgl. Sondervotum Mahrenholz, BVerfGE 77,170 (239 f.). 269 Siehe insbes. BVerfGE 33, 303 (333). 270 Näher Frenz, DÖV 1993, 847 (847 f.). 271 BVerfGE 81, 242. Vgl. oben § 4 A.I.l.a). 264
§ 5 Aus den Grundpflichten
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Beschränkung der Kontrolle auf eine Mißbrauchswehr mit der Begründung, daß die Unzulänglichkeit des Menschen grundsätzlich hinzunehmen ist 2 7 2 .
IV. Folgen für die Ableitung des Verursacherprinzips Bei einer subjektiv-rechtlichen Herleitung sind die Schutzpflichten wie die Abwehrrechte schon von der Anlage her auf das Individuum bezogen. Ihr Eingreifen ist nicht gekoppelt an eine Rechtsgutgefährdung im allgemeinen, sondern an das Vorhandensein einer Gefahr für den einzelnen. Ist er nicht in der Lage, ein ihm grundrechtlich verbürgtes Rechtsgut namentlich gegen Übergriffe Privater zu verteidigen, bedarf er des Schutzes durch den Staat. Wird dessen Handlungspflicht auch ausgelöst durch eine solche Ohnmacht von Individuen oder einer Gruppe von Bürgern, ist sie doch auf eine konkrete, personalisierte Situation bezogen, die auf einer bestimmten Ursache beruht. Besteht diese Ursache im Verhalten Privater, läßt sie sich auf bestimmte Personen zurückführen, die daher Ziel einer staatlichen Reaktion sein müssen. Gegen diese Personen hat sich staatliches Handeln grundsätzlich zu wenden. Dieses ist daher von seiner Richtung her bestimmt und unterliegt solchermaßen dem Verursacherprinzip, bei zwingendem Vorgehen gegen einen bestimmten Personenkreis weitergehend dem Gebot, gegenüber den Verursachern Maßnahmen zu ergreifen. Zugleich ist der Anwendungsbereich eines aus den Schutzpflichten ableitbaren Verursacherprinzips wegen deren verwirklichungsbezogener Erstreckung auf in jedem Fall sämtliche Grundrechte bei einer subjektiv-rechtlichen Ableitung eindeutig nicht auf einzelne Elementargüter beschränkt. Gleichwohl werden auch bei ihr insbesondere wegen der grundsätzlichen Akzeptanz der Fehlsamkeit des Menschen nur für die Grundrechtsverwirklichung fundamentale Elemente erfaßt.
§ 5 Herleitung aus den Grundpflichten A. Der Zusammenhang zwischen Grundpflichten und Verursacherprinzip Die Grundpflichten verpflichten nicht wie die Schutzpflichten, ja die Grundrechte generell, unmittelbar den Staat, sondern den Bürger und berechtigen dementsprechend - gleichsam seitenverkehrt - den Staat. Sie verleihen diesem die Macht, vom Bürger ein bestimmtes Verhalten zu fordern. Berechtigen Grundrechte zu einem bestimmten Verhalten, verpflichten die Grundpflichten
272
Siehe oben § 4 B. m.3.b).
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
dazu 273 . Diese zielen demzufolge, auch wenn sie noch der Konkretisierung durch Gesetze bedürfen, von ihrer Anlage her direkt auf den verpflichteten Bürger. Demgegenüber wird nach der Konzeption der Schutzpflichten nur der Staat unmittelbar verpflichtet, nicht aber der Bürger. Der einzelne wird lediglich indirekt durch das aus der Schutzpflicht rührende Verhalten des Staates in Anspruch genommen 274 . Auf der Passivseite der Grundpflichten steht mithin eindeutig das Individuum, das verfassungsrechtlich zu bestimmten Beiträgen und Verhaltensweisen verpflichtet ist 2 7 5 , auf der Aktivseite der in die Pflicht nehmende Staat. Die Grundpflichten erlegen dem Staat höchstens auf, sie einzufordern. Das ist auch die Ausgangslage des Verursacherprinzips. Die Maßnahmerichtung gegen den Verursacher ergibt sich bei den Grundpflichten daraus, daß durch sie ein bestimmter Personenkreis in die Pflicht genommen wird. Bedarf es zur Ausfüllung einer Grundpflicht konkretisierender Gesetze, steht von Verfassungs wegen fest, daß sie sich gegen den mit dieser Pflicht belasteten Adressatenkreis zu richten haben. Diese Gruppe ist im Grundgesetz für einen bestimmten Bereich in eine besondere Verantwortung genommen. In Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, der schon wegen der Formulierung ,»Pflicht" als Grundpflicht angesehen werden kann 276 , sind das die Eltern für die Erziehung und Pflege der Kinder. Daß gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG der staatlichen Gemeinschaft obliegt, über die Betätigung dieser Elternpflicht zu wachen, bedeutet einmal, daß der Staat den gesetzlichen Rahmen schaffen muß, mit dem er die Wahrnehmung und Einhaltung dieser Pflicht durch die Eltern gewährleisten kann 277 . Die Eltern sind somit durch den Rückbezug des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG auf die ihnen nach Satz 1 GG obliegende Grundpflicht 278 als Adressaten entsprechender Vorschriften grundgesetzlich bestimmt. Der in dieser Grundpflicht benannte Personenkreis wird damit als Urheber und Adressat staatlichen Handelns verfassungsmäßig festgelegt. Er braucht nicht erst durch ein eigenes gefährdendes Verhalten eine staatliche Legislativtätigkeit auszulösen, um als Verursacher festgelegt werden zu können. Erfüllt eine so bezeichnete Person die verfassungsmäßig grundsätzlich festgelegte und inhaltlich regelmäßig gesetzlich konkretisierte Pflicht nicht, ruft sie ein staatliches Verhalten hervor, das sich wegen ihrer verfassungsrechtlich festgeschriebenen materiellen Verantwortlichkeit gegen sie richtet. Von daher legen die Grundpflichten dann, wenn sie in ihrer gesetzlich konkretisierten 273
Merten, BayVBl. 1978, 554 (555). Im einzelnen oben Teü Π § 4 A.I.2., Π., B.IV. 275 Götz, WDStRL 41 (1983), 7 (12), der allerdings nur Beiträge für das Gemeinwohl nennt, wodurch die den Mitmenschen gegenüber bestehenden, mithin die , ,Du-bezogenen" Grundpflichten nicht ins Blickfeld gelangen. 276 Dafür etwa Isensee, DÖV 1982,609 (614); Bethge, JA 1985,249 (258); näher unten § 5 B.IV. 277 Dazu im einzelnen Jeand'Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, S. 95 ff. 278 Jeand'Heur, ebda. S. 101 f. 274
§ 5 Aus den Grundpflichten
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Form nicht eingehalten werden, auch die Richtung staatlichen Verwaltungshandelns fest. Dadurch erstreckt sich das Verursacherprinzip auch auf die Verwaltungsebene. Damit auf dieser jemand im Einzelfall als Verursacher in Anspruch genommen werden kann, bedarf es allerdings eines konkreten Anlasses. Die Reichweite des insoweit konstruktiv angelegten Verursacherprinzips richtet sich nach der Reichweite der Grundpflichten. Das Verursacherprinzip ließe sich möglicherweise als den gesamten Lebensraum des Bürgers umfassender Grundsatz aus den Grundpflichten ableiten, wenn diese sich ihrerseits auf den gesamten Freiraum des Bürgers erstreckten und diesen unter einen allgemeinen, rechtlich verbindlichen Pflichtenvorbehalt stellten. Dann oblägen indes allen diese Pflichten. W i l l man das Verursacherprinzip gegen das Gemeinlastprinzip abgrenzen 279, muß ersteres gerade einzelne Personen von der Allgemeinheit (der Steuerzahler) absondern. Zum einen ist es jedoch denkbar, daß diese Unterscheidung hinfällig ist, indem jeder kraft seiner Inanspruchnahme und Hervorrufiing staatlicher Leistungen Verursacher ist und als solcher auch in seiner Eigenschaft als Steuerzahler fungiert. Wäre auf diese Weise die Steuerpflicht Pendant dessen, was der Staat zugunsten oder auf Veranlassung des einzelnen an Leistungen erbringt, bestimmten insbesondere auch die Schäden, die der einzelne an der Umwelt verursacht und die der Staat zu beheben hat, die persönliche Steuerlast. Dann wäre diese über eine ökologische Steuerreform hinaus Ausdruck des Verursacherprinzips. Besteht auch die Notwendigkeit, daß der einzelne seinen Beitrag leisten muß, um den Staat, der ihm gegenüber Leistungen erbringt, zu organisieren und zu erhalten 280 , ist doch im Grundgesetz jedenfalls die umfassende Ausrichtung der Steuerlast nach Verursachungsbeiträgen nicht vorgegeben. Im Gegenteil: Art. 106 GG benennt zahlreiche Steuern, die unabhängig von Verursachungsbeiträgen an die Leistungsfähigkeit des einzelnen anknüpfen 281 , so insbesondere die Vermögen-, die Einkommen-, die Körperschaft- und die Umsatzsteuer. Die Straßengüterverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer beispielsweise können zwar mit Verursachungsbeiträgen in Verbindung gebracht und auch nach diesen bemessen werden; das ist aber vom Wortlaut des Art. 106 GG nicht zwingend. Von daher stellt sich nur die Frage, inwieweit die Möglichkeit einer Ausrichtung des Steuersystems nach Verursacherbeiträgen besteht - etwa in
279
Vgl. oben Teil I § 1 Β.Π. BVerfGE 38, 154 (167); 48, 127 (161); aus der Lit. insbes. Isensee, DÖV 1982, 609 (612); ders., Freiheit ohne Pflichten?, S. 24 ff.; Hofmann, in: HStR V, § 114 Rn. 36; Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, S. 21 f.; auch Luchterhandt, Grundpflichten, S. 443; vgl. Gusy, JZ 1982,657 (657 f.). 281 Siehe Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 92. Zum Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht, das in erster Linie in Art. 3 Abs. 1 GG fundiert wird, Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, S. 42 ff. sowie unten § 7 B. m.w.N. 280
126
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Gestalt von Umweltsteuern 282 . Das aber ist dann höchstens die Folge des Verursacherprinzips, dient aber nicht zu dessen Begründung. Abgesehen davon steht der Charakter der Steuer als Grundpflicht keineswegs fest. Er wird freilich unter Hinweis auf die bereits erwähnte Notwendigkeit bejaht, daß der einzelne finanziell zur Organisation und Erhaltung des Staates beitragen muß 283 . Im Grundgesetz fehlt indes eine ausdrückliche Festschreibung. Art. 14 Abs. 2 GG gibt nur vor, daß Eigentum verpflichtet, und spezifiziert dies dahin, daß sein Gebrauch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, besagt aber jedenfalls nichts Spezielles über Geldleistungspflichten dem Staat gegenüber, enthält mithin keine Pflicht zur Steuerzahlung 284. Demgegenüber sind jedenfalls in Art. 6 Abs. 2 und 12 a GG 2 8 5 Grundpflichten ausdrücklich genannt. Daraus wäre allerdings dann nicht e contrario auf das Nichtbestehen einer Steuer-Grundpflicht zu schließen, wenn die genannten Vorschriften lediglich Ausprägungen einer umfassenden Grundpflicht wären 286 oder aber eine Steuer-Grundpflicht aus der Finanzverfassung folgte. Eine Verteilung von Steuern gem. Art. 106 ff. GG setzt zwar ihre Erhebung voraus. Möglich ist indes auch, daß mangels Festschreibung einer Steuerpflicht die Art. 106 ff. GG nur die Möglichkeit voraussetzen, Gesetze zur Statuierung einer Steuerpflicht zu erlassen. Das aber ist, unabhängig davon, welches Grundrecht man durch die Auferlegung von Steuern berührt sieht 287 , auf der Basis der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte möglich. Für diesen Ansatzpunkt spricht, daß die Finanzverfassung die Rechtsstellung des einzelnen nicht regelt 288 . Bei der Annahme von den gesamten Lebenskreis des Bürgers umspannenden Grundpflichten läßt sich das Verursacherprinzip zum anderen als herausgehobene Inanspruchnahme einzelner dadurch gewinnen, daß nur die von ihm erfaßt werden, die die ihnen obliegenden Pflichten nicht erfüllen. Latent erstreckt sich dann zwar das Verursacherprinzip als Folge der alle erfassenden Grundpflichten auf sämtliche Bürger, es wird aber nur durch ein Fehlverhalten aktualisiert, das ein staatliches Verhalten auslöst. Das wäre als Folge sowohl von den Mitbürgern als auch der Gemeinschaft gegenüber bestehenden Grundpflichten denkbar, deren Einhaltung ein staatliches Verhalten durchsetzen muß.
282 Dazu näher Rodi, Umweltsteuern; Osterloh, NVwZ 1991, 823 (827 f.); Frenz, Verwirklichung, S. 147 ff.; siehe auch oben Teil I § 4 C.IH.3. 283 Insbes. Isensee, DÖV 1983,609 (612). 284 Ebenso Rodi, Rechtfertigung, S. 160 f.; vgl. zu Art. 14 Abs. 1 GG Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93, 149 (156); a.A. P. Kirchhof, JZ 1982, 305 (307); Luchterhandt, Grundpflichten, S. 517; Pieroth, AöR 114 (1989), 422 (431). 285 Für Art. 14 Abs. 2 GG ist die Bedeutung als Gmndpflicht umstr. Näher § 5 C.V. 286 Dazu § 5 B., C.I. 287 Näher oben Teil Π § I.B. 288 Zu mittelbaren Auswirkungen siehe aber insbes. Teil II § 7 A.IV.
§ 5 Aus den Grundpflichten
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I m Grundgesetz erscheint allerdings der Pflichtenaspekt bis auf punktuelle Ausnahmen verschüttet. Jedoch waren Grundrechte und Grundpflichten in der Geschichte der modernen Freiheitsrechte 289 häufig eng verwoben. Könnte man vor diesem Hintergrund Grundpflichten als notwendigen Bestandteil der Grundrechte ansehen, erschienen die inselhaften Festschreibungen im Verfassungstext als Anhaltspunkte für das Vorliegen von an die Grundrechtsträgerschaft gekoppelten umfassenden Grundpflichten entsprechend der Gegenüberstellung von Rechten und Pflichten in Art. 33 Abs. 2 GG. Gelangt man nicht dazu, daß die Grundpflichten den gesamten Entfaltungsraum des Bürgers umfassen, sondern nur punktuell ausgeprägt sind, kann aus ihnen insoweit das Verursacherprinzip gefolgert werden.
B. Die Pflicht zur Achtung der Rechte anderer Die enge Verbindung zu den Grundrechten bestand in ihrer Entwicklung zum einen für die Seite der Grundpflichten, die dem einzelnen die Verletzung der Rechte, die er selbst in Anspruch nimmt, beim anderen verbietet, damit sich auch jener in seiner Freiheit entfalten kann. Bezieht man in dieses Gegenseitigkeitsprinzip den Staat kraft seines Gewaltmonopols und somit als einzig möglichen Durchsetzungsgaranten individueller Pflichten ein, der zumindest bei einer Antastung elementarer Rechte einzugreifen verpflichtet ist, und sieht man in dem, der diese negative Seite der „Goldenen Regel" 290 überschreitet, den Verursacher dieses Eingreifens, ist ein Fundament für das Verursacherprinzip gewonnen, das in der Verpflichtung, die Rechte anderer nicht zu verletzen, ruht. Diese Erzwingungsmöglichkeit nur durch den Staat ändert aber nichts an der Bezogenheit dieser Grundpflicht 291 , sondern daraus folgt höchstens das Bestehen einer davon zu unterscheidenden gemeinschaftsbezogenen Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam, die die Wahrung auch der „Du-bezogenen" Grundpflichten sicherstellt 292 .
L Die Entwicklung der Pflicht gegenseitiger Achtung zur Schranke der Freiheitsrechte In einer Zeit, als das die Rechte betonende Denken von Hobbes, Locke und der Physiokraten dominierte, stellte Johann Georg Heinrich Feder 1769 den „Grundrechten" die „Grundpflichten" gegenüber, die selbst in Anspruch ge-
289 290 291 292
Zu früheren Epochen Stober, in: Festschrift für Scupin, S. 645 ff. Näher Spendel, in: Festschrift für von Hippel, S. 491 ff. Vgl. aber Stern, Staatsrecht ΠΙ/2, S. 1000. Dazu näher § 5 CH.
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
nommenen Grundrechte bei den anderen nicht zu verletzen 293 . Er befand sich damit in einer auf Christian Wolff, Hugo Grotius und vor allem Samuel Pufendorf zurückreichenden vernunftrechtlichen Tradition. Diese ging über Carl Gottlieb Svarez dann in der Weise ins Preußische Allgemeine Landrecht ein, daß die „natuerliche Freiheit, sein eigenes Wohl, ohne Kraenkung der Rechte eines Anderen" zu verfolgen ist 2 9 4 . Vom Effekt her bedeutet dies das gleiche wie Feders Grundpflichten, nämlich das Erfordernis der Gemeinverträglichkeit jeder Rechtsausübung, nur formuliert als Schranke. Wegen dieser Identität lehnte die französische Nationalversammlung im August 1789 für den Bereich der Individualrechtsbeziehungen die Statuierung ausdrücklicher Pflichten ab: in einem freiheitlichen Gemeinwesen seien die (ursprünglichen) Pflichten mit den Grenzen der Rechte identisch 295 . Diese Überlegung findet ihre Fortsetzung in der Auffassung während der Beratungen zum Grundgesetz, es gebe keine „echten" Grundpflichten 296 .
Π. Umdeutung der Schrankenklausel der „Rechte anderer" in Art 2 Abs. 1 GG in einen Pflichtenvorbehalt? Eine Umsetzung des Verbots, die Rechte anderer zu verletzen, findet sich denn in Art. 2 Abs. 1 GG als Grenze der Freiheitsbetätigung 297. In Art. 5 Abs. 2 GG ist gerade auch das Recht der persönlichen Ehre ausdrücklich als Schranke benannt. Allerdings hat die Grenze der Rechte anderer in Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber der der allgemeinen Gesetze in ihrer herrschenden, als Korrelat des weiten Schutzbereichs 298 entwickelten extensiven Auslegung 299 praktisch keine eigenständige Funktion mehr 300 . Das Recht der persönlichen Ehre ist ebenfalls 293
Feder, Lehrbuch der praktischen Philosophie, 1. Teil, S. 199 ff.; 2. Teil S. 14 ff. Dazu und zum folgenden näher Hofmann, WDStRL 41 (1983), 42 (59 ff.) m.w.N. 294 § 83 der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts. 295 Schickhardt, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789-91 in den Debatten der Nationalversammlung. Siehe hingegen Art. 2 der französischen Direktorialverfassung vom 22.8.1795:... „Ne faites pas à autrui ce, que vous ne voudiez pas, qu'on vous fit. Faites constamment aux autres le bien, que vous voudriez recevoir." Siehe bereits Art. 6 Satz 2 der Verfassung vom 24.6.1793. 296 Siehe Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 33; vgl. von Mangoldt, Pari. Rat, Grundsatzausschuß, Sten. Ber. 4. Sitzung vom 23.9.1948, S. 67: „Die Grundpflichten liegen schon begründet... in der SteUung des einzelnen in der Gemeinschaft, innerhalb deren er nur seine allgemeinen Rechte geltend machen darf." 297 BVerfGE 6,32. 298 BVerfGE 6,32 (36); 74,129 (151); 75,108 (154 f.). Dazu krit. BVerfGE 80,137 (166 ff.) Sondervotum Grimm; bestätigend hingegen BVerfGE 80, 137 (152 f.); Pieroth, AöR 115 (1990), 33 ff. 299 Grundlegend BVerfGE 6, 32 (37 ff.). 300 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 15 m.w.N.
§ 5 Aus den Grundpflichten
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durch einfachgesetzliche Vorschriften abgesichert: bei vorsätzlicher Verletzung durch die Strafvorschriften der §§185 ff. StGB und auch für die fahrlässige Antastung durch zivilrechtliche Widerrufs- bzw. Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB analog 301 . Die Ummünzung der benannten Rechte anderer in einen Pflichtenvorbehalt risse daher keine Lücke im Schrankensystem. Für Art. 2 Abs. 1 GG käme den Rechten anderer erst wieder eine selbständige Bedeutung zu. Konträr zu der nach der gegenwärtigen Konzeption faktischen Bedeutungslosigkeit im Grundgesetz gewinnt die Respektierung der Rechte anderer etwa vor dem Hintergrund zunehmender Kriminalität vermehrtes praktisches Gewicht. Gleichwohl verbietet sich eine Umdeutung in eine rechtlich verbindliche Pflicht für das Zusammenleben zwischen den Bürgern schon wegen des klaren Wortlauts „Schranken" in Art. 5 Abs. 1 GG und „soweit er nicht" in Art. 2 Abs. 1 GG. Verbleibende Zweifel für die Rechte anderer in Art. 2 Abs. 1 GG werden durch die Stellung neben den eindeutig nicht als „Du-bezogene" Grundpflichten ausgestalteten Elementen der verfassungsmäßigen Ordnung 302 und des Sittengesetzes beseitigt. Nach den Beratungen zum Grundgesetz sollte durch die Grundrechte „das Verhältnis des Einzelnen zum Staat geregelt..., der Allmacht des Staates Grenzen gesetzt werden." 303 Diese nehmen daher, von ausdrücklich festgeschriebenen und damit die Regel bestätigenden Ausnahmen abgesehen, nicht den einzelnen, sondern den Staat in die Pflicht 304 . So wurde auch der Relativsatz in Art. 2 Abs. 1 GG ausschließlich unter dem Schrankenaspekt erörtert, freilich ohne nähere Diskussion der Schranke der „Rechte anderer" 305 . Diese Sicht herrscht weiterhin vor: In den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission zur Änderung des Grundgesetzes erfolgte der Vorschlag einer ökologischen Inpflichtnahme des einzelnen nicht im Gewand von Grundpflichten, sondern in Gestalt einer Schranke: »Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die natürlichen Lebensgrundlagen beschädigt, ..." 306 . Daher kann aus Art. 2 Abs. 1 GG auch kein eine selbständige Grundpflicht begründendes Gegenseitigkeitsprinzip abgeleitet werden, wie es Hofmann 307 annimmt. Vielmehr erweist Art. 2 Abs. 1 GG, daß das Gegenseitigkeitsprinzip jedenfalls insoweit, als bei der freien Entfaltung der Persönlichkeit auf die 301
BGHZ 66,182; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004 Rn. 2,27. Zur Bedeutung dieser Komponente für die Ableitung einer gemeinschaftsbezogenen Grundpflicht sogleich unten § 5 C.II. 303 Von Mangoldt, Pari. Rat, Schriftl. Bericht, Drucks. Nrn. 850, 854, S. 6. 304 Isensee, DÖV 1982, 609 (612). 305 Siehe JöR 1 n.F., S. 54 ff. 306 So lautete der Vorschlag Bremens zur Änderung von Art. 2 Abs. 1 GG, der freilich nicht zum offiziellen Antrag erhoben wurde, da er sich schon unter den Berichterstattern als nicht mehrheitsfähig erwies (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, S. 134 f.). 307 WDStRL 41,42 (74, 86, Leitsatz 16). 302
9 Frenz
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Teil 2: Fundierung des Verursacheprinzips
Rechte anderer Rücksicht zu nehmen ist, im Grundgesetz nicht durch unmittelbare Grundpflichten des Bürgers seinen Mitbürgern gegenüber umgesetzt ist, sondern daher notwendig mediatisiert durch staatliche Gesetze verwirklicht wird. Dafür spricht auch die grundsätzlich bloß mittelbare Wirkung der Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten 308 . Der einzelne hat insoweit nur die Funktion, diese Gesetze zu befolgen. Eine Pflicht zum Gesetzesgehorsam aber besteht der Gemeinschaft gegenüber 309 und wird daher unter den gemeinschaftsbezogenen Grundpflichten erörtert 310 .
ΠΙ. „Du-bezogenes" Menschenbild Die freiheitliche Entfaltung des einzelnen hängt allerdings heute mehr denn je davon ab, daß andere die Grundlagen der Freiheitsausübung unangetastet lassen: daß Diebe im Eigentum anderer stehende Gegenstände nicht stehlen, daß das Grundwasser nicht in gesundheitsgefährdender Weise verschmutzt wird etc 311 . Daß die Menschen derart aufeinander angewiesen sind, ist prägendes Element des Daseins. Jedenfalls insoweit ist - in Abwandlung der Thesen Suhrs - die „Entfaltung der Menschen" nur noch „durch die Menschen" 312 möglich, als keiner dem anderen die Basis der Entfaltung entzieht. Daher erscheint das Menschenbild spezifisch „Du-bezogen". Dogmatisch fundieren läßt sich dies durch die Unantastbarkeit der Würde des Menschen in Art. 1 Abs. 1 GG vor der einschränkenden Bindungsklausel des Art. 1 Abs. 3 GG, die die Anerkennung der „gleichen Menschenwürde des Anderen" 313 durch jeden Bürger einschließt 314 . So wie die anerkannte 315, im Grundgesetz durch die Gewährleistung mit der Staatsgesamtheit verbundener Rechte wie dem Wahlrecht in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG sichtbare Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen 316 als Grund für die Statuierung der Wehrpflicht herangezogen wird 3 1 7 , könnte 308
Stern, Staatsrecht ΙΠ/2, S. 1028. Vgl. zu dieser Drittwirkung unten Teil ΠΙ § 8 D. Stern, Staatsrecht ΙΠ/2, S. 1029 stellt auch bei (von ihm skeptisch beurteilter) Annahme einer gesetzesunabhängigen Grundpflicht zur Wahrung der Rechte anderer deren Bezug zur Gemeinschaft her. 310 Sub § 5 C.n. 311 Zu den daraus folgenden Konsequenzen für die grundrechtlichen Schutzpflichten oben Teil 309
Π § 4 B.m.2., 3.b) a.E. 312
Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen, bes. S. 87 ff. Häberle, in: HStR I, § 20 Rn. 54. Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund Stern, Staatsrecht m/1, § 581 (S. 6 ff.) mit zahlr. Nachw. 314 Siehe unter Einbeziehung von Art. 1 Abs. 2 GG bereits Wertenbruch, Grundgesetz und Menschenwürde, S. 65,143 ff. 315 Grundlegend BVerfGE 4,7 (15 f.), st. Rspr. 316 Siehe Frenz, Rechtstheorie 24 (1993), 513 (522 ff.). 317 Bes. BVerfGE 12, 45 (51); nur noch Anklänge in BVerfGE 48, 127 (161). Vgl. aber BVerfGE 38,154 (167), auf die auch BVerfGE 48,127 (161) verweist, sowie unten § 5 C.IV. 313
§ 5 Aus den Grundpflichten
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man aus dieser „Du-Bezogenheit" als eine in der Menschenwürde begründete Grundpflicht ableiten, dem anderen die Grundlagen der Freiheitsentfaltung nicht zu entziehen bzw. zu deren Förderung beizutragen, mithin eine Pflicht zur Solidarität fundieren 318 . Bei einer Begründung aus Art. 1 Abs. 1 GG könnte eine solche Pflicht sich aber nur auf die die Würde ausmachenden und damit die unabdingbaren Grundlagen des menschlichen Daseins beziehen; für den Umweltbereich folgte daraus die Achtung des ökologischen Existenzminimums 319 . Und auch insoweit besteht folgendes Bedenken: Die Menschenwürde entfaltet ihre Kraft aufgrund der Übereinstimmung über ihre Unantastbarkeit. Das aber beruht darauf, daß über den durch sie geschützten Gehalt Einigkeit besteht 320 . Die Ableitung von Grundpflichten aus ihr ist indes nicht allgemein anerkannt 321. Im Gegenteil sieht das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG den Schutz der Menschenwürde durch die staatliche Gewalt vor. Fehlen normative Verhaltensvorgaben, wirkt die Menschenwürde als solche für den einzelnen rechtsbegrenzend 322 und damit als Schranke seiner Freiheitsbetätigung, nicht aber als selbständige Pflicht. Griffe man über den durch Art. 1 Abs. 1 GG abgesicherten Standard hinaus und auf das allgemein im Grundgesetz sich zeigende „Du-bezogene" Menschenbild zurück, ergäben sich methodische Bedenken. Dem Menschenbild kommt eine Leitfunktion zu, die die Auslegung von Verfassungsvorschriften dirigiert 323 , ohne aus sich heraus normative Folgerungen zuzulassen; höchstens gewisse Grundprinzipien mögen sich auf es stützen lassen 324 , schwerlich aber Grundpflichten 325 . Im Grundrechtsteil finden sich weitere Ausprägungen des „Du-Bezugs" etwa in Art. 6 GG 3 2 6 . Indes erweist die Gestaltung der Generalklausel des Art. 2 Abs. 1 GG, daß allenfalls punktuell aus einzelnen Grundrechten erschließbare Grundpflichten dem Mitmenschen gegenüber bestehen. Das wird bestätigt durch den bereits aufgezeigten Hintergrund der Grundrechte: Sie sollen den einzelnen vor dem Zugriff des Staates schützen327. Wäre das Zusammenleben der Bürger bis in Einzelheiten durch in den Grundrechten festgelegte Grundpflichten vorherbestimmt, deren Erfüllung der Staat einfordern könnte, ginge 318
Siehe Häberle, Menschenbild, S. 84 f.; auch dens. Rechtstheorie 11 (1980), 389 (412 f.). Zum Begriff Kloepfer, Umweltrecht, S. 43 m.w.N. 320 Lerche, in: Lukes/Scholz, Rechtsfragen der Gentechnologie, S. 88 (100 f., 103,110 f.). 321 Siehe lediglich Luchterhandt, Grundpflichten, S. 447 ff. 322 Dazu BVerfGE 24,119 (144). 323 Vgl. oben Teil Π § 4 A.I.l.b). 324 Zum Verursacherprinzip unten Teil Π § 8. 325 Kategorisch abl. Stern, Staatsrecht ΠΙ/2, S. 1024. 326 Häberle, in: HStR I, § 20 Rn. 54; näher, ders., Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 376 ff. 327 Bes. deutlich BVerfGE 61, 82 (100 ff.) sowie oben Teil Π § 4 B.m.3.b). 319
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
hingegen die private Gestaltungsfreiheit in starkem Maße verloren 328 . Der grundrechtliche Schutz vor dem Staat verwandelte sich in eine umfassende Reglementierungsmacht zugunsten der öffentlichen Gewalt. Grundsätzlich besteht daher lediglich eine moralische Pflicht, eine sittliche Obliegenheit zu individueller Rücksichtnahme.
IV. Art 6 Abs. 2 GG Fehlt es somit an einer umfassenden „Du-bezogenen" Grundpflicht, bleibt die Möglichkeit verfassungsrechtlich festgelegter Einzelausprägungen. Grenzen sie als solche einen bestimmten Personenkreis ab, kann dieser insgesamt vom Verursacherprinzip ergriffen werden und nicht nur einzelne aus ihm, die die Grundpflicht übertreten 329. Das Pflege- und Erziehungsrecht der Eltern ist wegen des ausschließlichen Bezugs von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf die Kinder zugleich eine jenen gegenüber bestehende Pflicht 330 . Daß gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die staatliche Gemeinschaft über die Betätigung dieser Pflicht wacht, bedeutet, daß der Staat die Erfüllung sicherstellt, ist also Ausdruck dafür, daß der Staat als Gewährleistungsgarant in die „Du-bezogenen" Grundpflichten einbezogen ist 3 3 1 . Daraus folgt indes wegen dieser bloßen Sicherungsfunktion staatlichen Eingreifens keine Ausrichtung der Pflege- und Erziehungspflicht auf die Gemeinschaft, mithin keine Staatsbezogenheit332 dieser Grundpflicht. Das würde auch dem historischen Hintergrund widersprechen, daß die Grundrechte und auch speziell Art. 6 Abs. 2 GG 3 3 3 eine Reaktion auf die nationalsozialistische Herrschaft darstellen: In der NS-Ideologie wurde die Erzeugung und die Erziehung von Kindern in den Dienst der Gemeinschaft gestellt. Der Bezug der Erziehungspflicht auf die Kinder wird bestätigt durch Art. 6 Abs. 3 GG, wonach Kinder dann von der Familie getrennt werden dürfen, wenn sie zu verwahrlosen drohen. Kraft dieser verfassungsrechtlichen Pflichtenbindung sind die Eltern als Adressaten staatlichen Handelns festgelegt, wie Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG bestätigt 3 3 4 . Das gilt allgemein für die gesetzgeberische Tätigkeit. Vernachlässigen 328
Vgl. dazu oben Teil Π § 4 Β.ΠΙ.3. Siehe oben § 5 A. 330 Zur unlösbaren Verbundenheit beider Elemente BVerfGE 24,119 (143 f.); 59, 360 (376). 331 Jeand'Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote, S. 101 f. Den Gehalt von Art 6 Abs. 2 S. 2 GG darauf beschränkend Erichsen, Elternrecht-Kindeswohl-Staatsgewalt, S. 55 ff.; ihn weiter als umfassende Garantienorm begreifend Jeand'Heur aaO., bes. S. 111 ff. 332 Schlüter, Elterliches Sorgerecht, S. 28 f.; siehe auch Stern, Staatsrecht Π1/2, S. 1041 m.N. Fn. 303. 333 Schlüter, Elterliches Sorgerecht, S. 28. 334 Siehe oben § 5 A. 329
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die Eltern ihre Erziehungspflicht den Kindern gegenüber und muß deshalb der Staat handeln, bleiben die Eltern als die gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG in erster Linie Verpflichteten in der Verantwortung, die einzufordern und - bei gegebener Verhältnismäßigkeit 335 - zu ersetzen der Staat berechtigt ist. Daß damit die Eltern die Verantwortung tragen und der Staat ihnen gegenüber zur Einforderung eines Verhaltens berechtigt ist, sie mithin bei eigenem Versagen staatliche Einzelmaßnahmen zu ihren Lasten verursachen, ist eine Form des Verursacherprinzips auf Verwaltungsebene. Unterstützt der Staat die Eltern bei der Erfüllung ihrer Pflicht oder handelt er an ihrer Stelle 336 , sind sie zu den Kosten heranzuziehen. Daß sie § 91 SGB V m 3 3 7 dazu verpflichtet, zu den dabei entstehenden Kosten beizutragen, ist somit Ausdruck des Verursacherprinzips. Dieses ist allerdings wegen der bloßen Beitragspflicht, also der nicht notwendig vollständigen Überleitung, nicht durchgehend verwirklicht. Das entspricht aber dem sich aus dem Familienbezug des Art. 6 Abs. 2 GG ergebenden Fürsorgeeffekt und dem Sozialstaatsprinzip. Auch wenn ein Elternteil deshalb, weil er das Sorgerecht infolge eines Weggangs von der Familie nicht mehr auszuüben vermag, seinen Beitrag zur Pflege und zur Erziehung von Kindern nicht mehr leistet, verursacht er, wenn auch nicht notwendigerweise staatliche Maßnahmen, so doch die stärkere Beanspruchung des anderen, zur Ausübung der Sorge berechtigten und fähigen Elternteils. Von daher ist auch die Auferlegung von Unterhaltslasten zugunsten dieses erziehenden Elternteils sowie des Kindes Ausdruck des Verursacherprinzips. Dieses Anwendungsfeld reicht so weit, wie sich der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 GG erstreckt. Er umfaßt schon aufgrund des nicht einschränkenden Wortlauts auch die Pflege und Erziehung durch nichtverheiratete Eltern 338 . Daraus folgen dann auch Unterhaltslasten für das Kind und den (weiter) erziehenden Elternteil zu Lasten dessen, der durch das partnerschaftliche Zusammenleben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Verantwortung auch für das Kind übernommen hat. Einfachrechtliche Grundlage ist eine analoge Anwendung von § 1570 BGB 3 3 9 .
335
Siehe § 1666 a BGB. Vgl. BVerfG, FamRZ 1982,567. Bei Art. 6 Abs. 2 GG steht aufgrund des sich aus der Stellung nach Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Familienbezugs die staatliche Fürsorge im Vordergrund, so daß die Unterstützung vor der Ersetzung steht. Dazu allgemein Teil Π § 9. 337 1.d.F. der Bek. vom 3.5.1993 (BGBl. IS. 637). 338 Zur rechtlichen Absicherung der gemeinsamen Sorge BVerfGE 84,168. 339 Näher Frenz, NJW 1992, 1597 (1601). 336
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C. Die Grundpflichten gegenüber der Gemeinschaft Die zweite Seite der Grundpflichten, die Pflicht des einzelnen zu bestimmten Beiträgen gegenüber der Gemeinschaft und damit letztlich gegenüber dem Staat, führt ohne Umwege zu der dem Verursacherprinzip zugrundeliegenden Konstellation, daß der Staat berechtigt ist, etwas zu fordern, und der so in Anspruch genommene Bürger das Geforderte aufgrund seiner Verantwortlichkeit zu erfüllen verpflichtet ist.
I. Fehlende umfassende Geltung A m Beginn der modernen Freiheitsrechte war auch die gemeinschaftsbezogene Dimension der Grundpflichten umfassend ausgeprägt. Sowohl in den Verfassungen der amerikanischen Staaten als auch im Frankreich der Revolution jedenfalls in der Direktorialverfassung vom 22.8.1795 340 waren Pflichten zusammen mit den Grundrechten in einem systematischen Katalog zusammengefaßt. Im preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 trat der Charakter der Grundpflichten als Staatsbürgerpflichten hervor. Sie waren der eine Teil eines von Svarez entworfenen Systems wechselseitiger Pflichten des Untertanen und des Regenten341. Im 19. Jahrhundert wurden hingegen die Pflichten, ebenso wie die Rechte, lediglich als staatlich statuiert und nicht mehr als grundlegend für einen vom Volk getragenen Staat angesehen342. Von daher handelte es sich nicht mehr um „Grundpflichten", sondern um bloße Untertanenpflichten. In der Frankfurter Paulskirchenverfassung führten die Grundpflichten ein Schattendasein 343 . Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16.4.1867 und die Reichsverfassung vom 16.4.1871 schließlich besaßen - wenn auch vor allem
340 Dazu Luchterhandt, Grundpflichten, S. 82 f., 84; Aulard, Politische Geschichte der Französischen Revolution, Bd. Π, S. 470; Voigt, Geschichte der Grundrechte, S. 37. In der Direktorialverfassung kam die Pflichtenbindung deutlich hervor, die in der Anfangszeit der Revolution wegen der Fortexistenz der Monarchie in den Hintergrund getreten war, Badura, DVB1. 1982, 861; Hofmann, in: HStR V, § 114 Rn. 5. 341 Näher Isensee, DÖV 1982,609 (609). 342 Wahl, Der Staat 18 (1979), 321 (323,347); Scheuner, in: Staatstheorie und Staatsrecht, S. 633 (641 ff.); Brandt, in: Birtsch, Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, S. 460 (462 ff.). Symptomatisch ist die Aufnahme eines Untertaneneides in manchen Verfassungen, etwa Titel X § 3 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26.5.1818, abgedr. bei E.R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 155; w.N. bei Lucherhandt, Grundpflichten, S. 111, der ausführlich auf die Entwicklung im Deutschland des 19. Jahrhunderts eingeht (S. 95 - 283). 343 Scholler, Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskriche, S. 51 f. So enthält diese Verfassung nur einen Abschnitt „Die Grundrechte des deutschen Volkes", in dem in Art. 137 Abs. 7 die Wehrpflicht und in Art. 173 - im Rahmen eines Artikels über die Eigentumsrechte - die Steuerpflicht festgeschrieben wurde.
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aus Rücksicht auf die Kompetenzen der Länder 344 - keinen Abschnitt über die Rechte und Pflichten des einzelnen, enthielten jedoch als einen „die Nation zusammenkitten(den)"345 Kern 3 4 6 die allgemeine Wehrpflicht 347 . Der Gedanke des Zusammenhalts und der Belastung aller kam in den Grundpflichten der Weimarer Reichsverfassung im Gewand demokratisch-nationaler Solidarität 348 und sozialer Verantwortung 349 zum Tragen. Indes war die rechtliche Verbindlichkeit zum Teil bereits vom textuellen Befund her nur bedingt gewollt und zudem in der Staatsrechtslehre wie für die Grundrechte auch vom Grundsätzlichen her umstritten 350 . Das in Weimar angelegte Gleichgewicht zwischen Grundrechten und Grundpflichten 351 wurde im „Dritten Reich" durch eine grenzenlose Ausdehnung letzterer und eine Ersetzung der gegen den Staat schützenden Grundrechte durch eine pflichtgebundene, gliedhafte Einordnung des einzelnen in die Gemeinschaft 352 zerstört. Weniger dieser historische Hintergrund, wie die Aufnahme von Grundpflichten nach dem Weimarer Vorbild in verschiedenen Landesverfassungen nach 1945 erweist, sondern vor allem das Bestreben, unmittelbar verbindliche Grundrechte zu schaffen, führte zur bereits erwähnten ausdrücklichen Aufnahme lediglich punktueller Grundpflichten in das Bonner Grundgesetz 353. Somit bleibt nur die Einzelanalyse, um die gemeinschaftsbezogenen Grundpflichten herauszufinden, die sich als Ansatzpunkt für das Verursacherprinzip eigenen.
II. Die Pflicht zum Gesetzesgehorsam auf der Basis der grundrechtlichen Gesetzes vorbehalte Die Pflicht zum Gesetzesgehorsam wird als Grundbedingung des durch Gesetze herrschenden demokratischen Rechtsstaates angesehen und daher als 344
Remmele, in: Dilcher u.a., Grundrechte im 19. Jahrhundert, S. 189 ff. Abg. Braun, Verhandlungen des Reichstages, Norddeutscher Bund, Bd. 1/2, S. 131 (1. Sp.). 346 Vgl. Abg. von Lasker, ebda., S. 126. 347 Art. 57 der Verfassung des Norddeutschen Bundes, Art. 57 der Reichsverfassung von 1871, abgedr. bei E.R. Huber, Dokumente Bd. 2, S. 272/384. Näher zu den Zusammenhängen Luchterhandt, Grundpflichten, S. 155 ff. m.w.N. 348 Vgl. Art. 133 Abs. 1: „Alle Staatsbürger sind verpflichtet, nach Maßgabe der Gesetze Dienste für den Staat und die Gemeinde zu leisten." 349 Namentlich durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 153 Abs. 3) und insbesondere des Grundeigentums (Art. 155 Abs. 3). 350 Zum ganzen Badura, DVBl. 1982, 861 (864 ff.); Götz, WDStRL 41 (1983), 7 (10 f.); Luchterhandt, Grundpflichten, S. 284 ff. 351 Siehe die Überschrift: „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen." 352 Repräsentativ E.R. Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 359 ff. 353 Siehe oben § 5 B.I. sowie von Mangoldt, Pari. Rat, Schriftl. Bericht, Drucks. Nrn. 850, 854, S. 6; dens., Ausschuß für Gmndsatzfiragen, Stenograph. Bericht, 26. Sitzung vom 30.11.1948, S. 67, 75 und dann Das Bonner Grundgesetz, S. 39. 345
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Grundpflicht anerkannt 354. Als andere Grundlage wird Art. 1 Abs. 1 GG angesehen, da für die Sicherung der Menschenwürde der Gehorsam gegenüber den zu ihrem Schutz aufgestellten staatlichen Gesetzen und die Funktionsfähigkeit des Staates als ihr Garant erforderlich sind 355 . Jedoch bleibt diese Notwendigkeit nicht auf diesen engen Bereich beschränkt, wie die folgenden Überlegungen zeigen werden 356 . Besteht Art. 2 Abs. 1 GG aus einem Freiheitsrecht und aus dieses begrenzenden Schranken, läßt sich zwar keine „Du-bezogene" Grundpflicht gewinnen 357 , möglicherweise aber doch aus diesem zweiten Element eine gemeinschaftsbezogene. Die in Art. 2 Abs. 1 GG aufgestellte Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung ist wirkungslos, wenn nicht der einzelne verpflichtet ist, die diese Schranke ausgestaltenden, mit dem Grundgesetz vereinbaren Gesetze zu befolgen. Die große Reichweite der Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG ist gekoppelt an das Gegenstück der starken Einschränkbarkeit durch eine weite Auslegung des Begriffs der verfassungsmäßigen Ordnung 358 . Seine Wirksamkeit erlangt dieses Gegenstück aber erst dadurch, daß der Staat davon ausgehen kann, daß die die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzenden Vorschriften auch eingehalten werden. Das setzt voraus, daß der Bürger zur Befolgung dieser Vorschriften verpflichtet ist. Nur wenn eine solche Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam besteht, kann also die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung zu effektiver Geltung gelangen. Nur in diesem Fall können die privaten Rechte gegenüber der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit abgesichert werden. Darin liegt die Parallele zu der Entwicklung, daß die Schranke der Rechte anderer durch die der verfassungsmäßigen Gesetze aufgesogen wurde 359 . Die Notwendigkeit, eine Pflicht zum Gesetzesgehorsam anzunehmen, gilt aus den vorgenannten Erwägungen für alle anderen im Grundrechtsteil enthaltenen Gesetzesvorbehalte. Eine solche Pflicht ist auch Voraussetzung dafür, daß der Staat die ihm obliegenden Schutzpflichten erfüllen kann. Seine gesetzgeberische Tätigkeit vermag nur dann die Opfer zu schützen, wenn die so zustandegekommenen Vorschriften auch befolgt werden. Nur unter dieser Voraussetzung vermag der Staat die insoweit aufeinanderprallenden privaten Belange auszugleichen. Die Pflicht zum Gesetzesgehorsam ist somit nicht nur die Grundbedingung des durch Gesetze herrschenden demokratischen Rechtsstaates. Sie stellt wei-
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Isensee, DÖV 1982, 609 (612). Luchterhandt, Gmndpflichten, S. 458 f. 356 Vgl. auch oben § 5 Β.ΙΠ. zu grundsätzlichen Bedenken gegen eine Herleitung der Grundpflichten aus Art. 1 Abs. 1 GG. 357 Siehe oben § 5 Β.Π. 358 Grundlegend BVerfGE 6,32. 359 Näher § 5 Β.Π. 355
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tergehend die Basis dafür dar, daß der Staat zusammenstoßende private Belange miteinander zu versöhnen vermag. Zugleich bildet sie die Grundlage dafür, daß der Staat auf Kosten individueller Freiheit verfassungsmäßig festgelegte Gemeinschaftsbelange wahren und durchsetzen kann. Das zeigt sich etwa dann, wenn der Staat die geordnete Entsorgung von Abfällen zur Erhaltung einer menschenwürdigen Umwelt und zur Seuchenabwehr 360 vorgibt. Aus Sicht der Grundrechte vermag der Staat damit das Fundament des weiteren Zusammenbzw. Überlebens der Bürger und über dieses Mindestmaß hinaus die Rahmenbedingungen für die Ausübbarkeit der Grundrechte zu schaffen 361. Auf diese Weise bildet die Pflicht zum Gesetzesgehorsam die Grundlage dafür, daß der Staat Maßnahmen treffen kann, um das gedeihliche Zusammenleben der Menschen zu gewährleisten. Er kann dadurch sicherstellen, daß die Bürger jedenfalls in einem Mindestmaß aufeinander Rücksicht nehmen und die verfassungsmäßig im Interesse aller festgelegten Gemeinschaftsbelange verwirklicht werden. In diesen Maßnahmen liegt die moderne Form der Verwirklichung des Gegenseitigkeitsprinzips. Der einzelne ist darin durch Rechtspflichten nur insoweit eingebunden, als er die erlassenen Gesetze zu erfüllen hat. Für den einzelnen hat somit das Gegenseitigkeitsprinzip die Bedeutung der Pflicht zum Gesetzesgehorsam362. Diese Pflicht ist die praktische Verwirklichung dieses Prinzips im freiheitlichen Rechtsstaat. Sie besteht unabhängig von einer Aufladung der Grundrechte durch eine jeder „Freiheit immanente gesellschaftliche Pflicht", die gute Ordnung des Gemeinwesens nicht zu stören 363 und damit die traditionellen Polizeigüter öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung, öffentliche Sittlichkeit, Volksgesundheit zu wahren 364 . Sie kann unmittelbar aus dem Grundgesetz gewonnen werden und reicht über die elementaren Grundlagen gefahren- und schadenfreien Zusammenlebens365 hinaus. Sie ermöglicht bereichsübergreifend und anlaßunabhängig bei Wahrung der verfassungsrechtlichen Grenzen, daß der Staat durch Gesetze seine ordnende Kraft entfalten kann. Auch seine insbesondere finanziellen Grundlagen ordnet er auf gesetzlichem Wege. So ist grundsätzlich nicht der einzelne direkt gegenüber der Gemeinschaft seiner Mitbürger zu Unterlassungspflichten, Diensten und Geldzahlungen verpflichtet, sondern mediatisiert über den Staat, dessen Mittel das Gesetz ist. Dadurch bleibt ihm zugleich jenseits dieses staatlich geregelten und damit in rechtssicherer Weise abgegrenzten Bereichs seine grundrechtliche 360
Siehe BVerwGE 62, 224 (230); vgl. BVerfGE 79,127 (156). Vgl. Isensee, in: HStR V, § 113. 362 Vgl. auch Stern, Staatsrecht ΠΙ/2, S. 1028 f., der der Annahme einer Nichtstörungspflicht ohne gesetzliche Grundlage sehr zurückhaltend gegenübersteht. 363 So Dürig, AöR 79 (1953/54), 57 (78 f.) im Anschluß an polizeirechtliche Überlegungen Otto Mayers. 364 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 22. 365 Dürig ebda. 361
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Freiheit erhalten. Der materielle Grund für den Erlaß der Gesetze ist indes nicht in einer allgemeinen gemeinschaftsbezogenen Grundpflicht zu suchen. Verletzt der einzelne seine Pflicht zum Gesetzesgehorsam, muß der Staat eingreifen, will er die Einhaltung der zum Schutz allgemeiner oder privater Interessen aufgestellten Vorschriften gewährleisten. Wendet sich das verletzte Gesetz an einen bestimmten Personenkreis, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Beanspruchung gerade dieses bezeichneten Personenkreises für notwendig erachtete, um die Erreichung bzw. Einhaltung der verfolgten öffentlichen oder privaten Belange sicherzustellen. Daraus ergibt sich die Maßnahmerichtung des Staates gegen diesen legislativ bestimmten Adressatenkreis. Übertritt jemand ein solches Gesetz, verletzt er seine Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam und fordert damit das staatliche Verhalten heraus. Daher kann er vom Staat als Verursacher in Anspruch genommen werden 366 . Wenn die Heranziehung der gesetzlich als Verursacher festgelegten Person(en) keinen Erfolg verspricht, kommen Ersatzmaßnahmen gegen andere oder durch den Staat selbst in Betracht. Aufgrund der gesetzlichen Anordnung, die die Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam aktualisiert, trägt indes der Normübertreter weiterhin die Verantwortung für das von ihm geforderte Verhalten. Diese kann sich bei der Heranziehung anderer Personen oder einem Eigenhandeln des Staates in Zahlungsansprüchen ausdrücken 367. In diesen beiden möglichen Rechtsfolgen von Gesetzesübertretungen, die Auferlegung von Verhaltenspflichten und von Zahlungspflichten zu Lasten des Normbrechers, liegt zugleich eine Anreizwirkung, sich zukünftig gesetzestreu und damit wie vom Normgeber erstrebt zu verhalten, wie es dem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund des Verursacherprinzips entspricht 368 . Damit erstreckt sich das Verursacherprinzip auch in dem Maße auf die Verwaltungsebene, in dem es durch Verhaltensanordnungen treffende Einzelnormen konkretisiert wurde.
I I I . Grundpflicht zur Tragung von Lasten zugunsten des Gemeinwesens Der Strang der gemeinschaftsbezogenen Grundpflichten trat vom Beginn der modernen Freiheitsrechte an vor allem als Ausdruck einer mehr oder weniger gleichen Verpflichtung aller, zum Erhalt des Staates beizutragen, an die Seite
366 Ebenso, aber ohne Rückgriff auf die Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam, Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 128, der indes nach der Art der Gemeinwohlbeeinträchtigung differenziert, ob diese nämlich gesetzlich verboten oder gestattet wurde (S. 129), und damit ebenfalls an zu befolgende gesetzliche Regelungen anknüpft (S. 128,130). 367 Ebenso Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 128. 368 Siehe oben Teill§ 2 A.
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der Grundrechte. Diese Verpflichtung wurde ursprünglich als Folge gesehen, daß der einzelne dem Staat gegenüber auch das Recht auf Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum hat 369 . L Das Prìnzip der gleichen Freiheit aller (Art. 3 Abs. 1 GG) Die allgemeine Pflicht zum Gesetzesgehorsam ist zugleich der Schlüssel zur gleichen Freiheit aller. Nur wenn alle dem Recht unterworfen sind und auf diese Weise der Starke dem Schwachen gleichgestellt wird, ist gleiche Freiheit möglich. Dies setzt wiederum voraus, daß ein Staat vorhanden ist, der durch sein Gewaltmonopol diese Gleichheit vor dem Recht durchsetzen kann 370 . Bedingung dafür ist, daß der Staat vom Bürger muß verlangen können, was er zur Aufrechterhaltung dieser Machtstellung benötigt: insbesondere Steuern, aber auch Wehrdienst zur Aufrechterhaltung etwa der äußeren Sicherheit, so daß zugleich die innere Ordnung als für die gleiche Freiheit aller notwendiges Element erhalten bleibt. Diese Elemente aber sind erforderlich zur Aufrechterhaltung aller Ausgangsvoraussetzungen der Grundrechte sowie jeder staatlichen Ordnung und daher nicht spezifisch aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitbar. Zudem spielt diese Vorschrift eine Rolle als Maßstab staatlichen Handelns 371 , isoliert angewandt aber nicht als Grund. 2. Aus dem Sozialstaatsprinzip? Der einzelne ist auf die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie Wasser und Luft sowie erst zu schaffende staatliche Einrichtungen wie Schulen angewiesen, deren Aufbau und Erhaltung der Staat finanziert. Weil der einzelne auf diese Weise von der Gemeinschaft profitiert, könnte dem einzelnen ihr gegenüber eine Grundpflicht zur Tragung von Lasten obliegen. So nimmt Bachof eine Rechtspflicht zur Solidarität an 372 , die er am Sozialstaatsprinzip festmacht 373 . Art. 20 Abs. 1 GG (i.V.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) gibt indes nicht dem Individuum, sondern dem Staat eine Vorgabe für sein Handeln durch eine
369
Besonders deutlich Art. 10 der Verfassung von Massachusetts von 1780: „ E a c h individual of the society has a right to be protected by it in the enjoyment of his life, liberty and property, according to standing laws. He is obliged, consequently, to contribute his share to the expense of his protection; to give his personal service, or an equivalent, when necessary." - Vgl. im Zusammenhang mit den staatlichen Schutzpflichten oben Teil Π § 4 Β ΙΠ.1. 370 P. Kirchhof, in: HStR V, § 124 Rn. 81,105 m.w.N. 371 Dazu unten Teil Π § 7 B. 372 Zur Frage des Bestehens einer „Du-bezogenen" Solidaritätspflicht siehe oben § 5 Β.ΙΠ. 373 Bachof, WDStRL 41 (1983), 98 ff., 126 (Diskussionsbeitrag). Zu internen Widersprüchen Luchterhandt, Grundpflichten, S. 440 f.
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
an ihn gerichtete Pflicht 374 , wie die Stellung im 2. Abschnitt des Grundgesetzes unterstreicht. Inhaltlich dient das Sozialstaatsprinzip der Korrektur des Liberalismus zur Verhinderung einer sozialen Schieflage 375. Nicht die für die individuelle Freiheitsausübung aller notwendigen Rechtsgüter werden abgesichert 376, sondern zugunsten der wirtschaftlich schwachen Bürger werden die Bedingungen für die Grundrechtsrealisierung sichergestellt bzw. geschaffen 377. Aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Lastentragungspflichten beruhen auf dem Gedanken, daß das Schicksal einiger mehr oder weniger zufällig Betroffener 378 von der staatlichen Gemeinschaft mitgetragen werden soll 379 . Es geht also um die Behebung sozialer Ungleichheit durch den Staat 380 und nicht um die Ableitung einer allgemeinen Grundpflicht. Art. 20 Abs. 1 GG zielt eher auf eine Entlastung bzw. Förderung der (sozial schwachen) Bürger denn auf eine Belastung 381 . Ansonsten böte er durch die Hintertür die Möglichkeit einer Umverteilung nach Einkommensklassen. Demgegenüber macht Art. 14 GG deutlich, daß eine Behebung sozialer Mißstände über eine Heranziehung des Privateigentums nur gegen Entschädigung oder lediglich durch eine Beschränkung möglich ist 3 8 2 ; im übrigen bleibt nur der Weg über die Steuer- und Abgabenbelastung383 auf der einen Seite und eine gezielte staatliche Förderung auf der anderen Seite 3 8 4 . Damit bleibt nur noch zu überlegen, ob sich für den Teilbereich des Sozialstaates aus Art. 20 Abs. 1 GG eine Grundpflicht ableiten läßt. Vor dem Hintergrund des Wachsens des Sozialstaates und knapper Kassen in den öffentlichen Haushalten liegt eine Rechtspflicht nahe, sich so verantwortungsbewußt zu verhalten, daß der Staat nicht unnötig in Anspruch genommen wird 3 8 5 . Aus Art. 374
Stern, Staatsrecht ΙΠ/2, S. 1033. H.H. Klein, Der Staat 14 (1975), 153 (158); siehe auch Stein, Staatsrecht, § 211., Π. 376 Daher war eine eigenständige Vorschrift für den Schutz der Umwelt notwendig; Heinz, NuR 1994,1 (7). 377 Bes. deutlich Kittner, in: AK-GGI, Art. 20 IV Rn. 34, 42; Benda, in: HdbVerfR, § 17 Rn. 157 f. 378 Etwa auch durch Kriegsereignisse, die bei der Entstehung des Grundgesetzes einen besonderen Grund für die Festschreibung des Sozialstaatsprinzips darstellten (Herzog, in: Maunz/Dürig, Art20VmRn. 11). 379 Deutlich BVerfGE 27,253 (283). 380 So auch für den Bereich der Pflichtversicherungen BVerfGE 18, 257 (267); 44, 70 (89 ff.): sozialer Ausgleich innerhalb einer Gruppe. 381 Vgl. oben Teil I § 3. 382 Wobei sich aus Art. 20 Abs. 1 GG selbst keine unmittelbaren Schranken ergeben (BVerfGE 59, 231 (263)): Art. 14 Abs. 2 GG ist insoweit lex specialis. Zu Grundrechtseinschränkungen durch sozialstaatlich motivierte Gesetze allgemein Stern, Staatsrecht I, S. 925 ff. 383 Mit all ihren grundgesetzlichen Grenzen v.a. im Hinblick auf die Wahrung des Privateigentums (BVerfGE 14, 263 (277 f.); 93,121 (138); näher Kimminich, in: BK, Art. 14 Rn. 17 ff.). 384 Dies ist auch der Weg von BVerfGE 27, 253 (283). 385 Eine solche Pflicht abl. Götz, WDStRL 41 (1983), 7 (17); vgl. auch Starck, ZRP 1981,97 ff. 375
§ 5 Aus den Grundpflichten
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20 Abs. 1 GG selbst ergibt sich der Einwand, daß die situative Betroffenheit des Bürgers Grund für die Reaktion des (Sozial-)Staates ist und nicht für eine Pflicht des Bürgers außer in Gestalt einer bloßen Obliegenheit in Form von Anspruchsvoraussetzungen und Eigenleistungsanteilen386. Zudem legen der Prinzipiencharakter dieser Bestimmung und die Erhaltung der legislativen Gestaltungsfreiheit generell eine eher restriktive Auslegung nahe 387 . Eine andere Frage ist ein mögliches Vorenthalten von Leistungen oder eine vorherige stärkere Heranziehung zu ihrer Finanzierung namentlich bei einem bewußt risikohaften Verhalten 388 . Das ist aber ein Problem der Lastengleichheit 389 . 3. Aus dem gemeinschaftsbezogenen Menschenbild des Grundgesetzes? Das Menschenbild des Grundgesetzes ist das eines gemeinschaftsbezogenen Individuums 390 . Daraus, daß der einzelne auf die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie Wasser und Luft angewiesen ist, die Erhaltung dieser Güter aber auf Investitionen des Staates beruht, ergibt sich möglicherweise für den Bürger die Pflicht zur Übernahme hierfür notwendiger Lasten und zur Beachtung von Verhaltensregeln, weil er eine in der Gemeinschaft stehende Persönlichkeit ist 3 9 1 sowie Gefährdungen namentlich im Umweltbereich für das Ganze drohen 392 . Die Gemeinschaftsbezogenheit der Persönlichkeit bindet den einzelnen in die Gemeinschaft ein und verpflichtet ihn auf sie in vielfältiger Weise 393 . Namentlich vor dem Hintergrund der zunehmenden Umweltgefahren kann die Gemeinschaft als ganzes nur dann fortbestehen, wenn das Individuum Lasten übernimmt, sich bestimmten Verhaltensregeln unterwirft und sich auf diese Weise in die Gemeinschaft einfügt 394 . Die Gemeinschaftsbezogenheit wurde indes in der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes als Schranke angesehen395. Vom 386
Ebenfalls darüber hinaus keine Rechtspflichten, sondern nur eine „Verpflichtungskomponente des Sozialstaatsprinzips" annehmend Kittner, AK-GG I, Art. 20 Abs. 1-3 IV Rn. 74. Eine Pflicht besonderer Art ist die, einen Verlust, dessen Ersatz die Gemeinschaft zu tragen hat, selbst zu mildern, soweit das zumutbar ist (BVerfGE 17, 38 (56)): Sie wirkt begrenzend für einen Anspruch gegen den Sozialstaat, ist also keine selbständige Handlungspflicht. 387 Näher Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VIII Rn. 18 ff. 388 Z.B. höherer Krankenversicherungsbeitrag für Raucher. Näher unten Teil Π § 14 Β.Π.Ι. 389 Siehe unten Teil Π § 7 B. 390 BVerfGE 4,7 (15 f.); 33, 303 (334); 50,166 (175); Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Rn. 46. 391 BVerfGE 12,45 (51); siehe aber Fn. 397. Den Bezug zur Menschenwürde betonend Häberle, Rechtstheorie 11 (1980), 389 (413). 392 Siehe Häberle, Menschenbild, S. 85; näher ders., in: Möhler, Die Zeit, S. 330 ff. 393 BVerfGE 12,45 (51). 394 Siehe Häberle, Menschenbild, S. 85. 395 Von Mangoldt, Grundsatzausschuß, 3. Sitzung vom 21.9.1948, Sten. Ber. S. 44: „Es besteht bezüglich der Auslegung kein Zweifel, daß die Grundrechte, die dem einzelnen zustehen, nur im Rahmen der Gemeinschaft zulässig sind."
142
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Bundesverfassungsgericht wurde sie teilweise ebenso eingeordnet 396 , während in einer früheren Entscheidung die Zulässigkeit der Wehrpflicht darauf gestützt wurde 397 . Das Menschenbild als nicht exakt festgelegte, sondern sich aus der Gesamtschau der Verfassung ergebende und damit auch an deren Veränderungen auch durch Bedeutungswandel398 partizipierende Leitlinie ist entwicklungsoffen 399 . Diese Entwicklungsoffenheit findet aber ihre Grenze am davon unberührten Gehalt der Verfassung. Das Grundgesetz bezieht die gemeinschaftsbezogene Seite ebenso wie die „du-bezogene" auf das Individuum, das auch in dieser Eigenschaft in seiner unverwechselbaren Eigenart zur Entfaltung kommt und kommen muß. Das Wahlrecht etwa als wesentliche Ausprägung der gemeinschaftsbezogenen Entfaltung 400 steht dem Bürger aufgrund seiner Vernunft zu, ist Ausfluß seiner Würde 401 . Dem aber widerspricht die Folgerung von Pflichten 402 . Bestätigt wird dies dadurch, daß im Grundgesetz die gemeinschaftsbezogene Seite wie die ausschließlich individuell ausgerichtete in Form von Rechten, nicht aber von Pflichten zum Tragen kommt. Trotz der fundamentalen Bedeutung für das staatliche Ganze, als „Faktor der Staatshervorbringung" 403, ist die Wahl in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG lediglich als Recht, nicht aber als Pflicht festgeschrieben. Die Erhaltung lebensnotwendiger Güter wie Luft und Wasser wird im Grundgesetz in Art. 20 a GG nur als Staatszielbestimmung zur Bewahrung der Umwelt 396
BVerfGE 33, 303 (335). BVerfGE 12,45 (51); nur noch Anklänge in BVerfGE 48,127 (161). Der Schwerpunkt der Argumentation in der zweitgenannten Entscheidung liegt aber - wie bereits in BVerfGE 38, 154 (167) ausschließlich - darauf, daß der Staat seine Schutzverpflichtung gegenüber seinen Bürgern nur mit ihrer Hilfe erfüllen kann. Die „gemeinschaftsbezogene Pflicht" sieht das Gericht als Korrelat des individuellen grundrechtlichen Schutzanspruchs. Dies ist der Gedanke, der bereits in der Verfassungsurkunde von Massachusetts von 1780 zum Ausdruck kam, und zwar im Hinblick auf die dadurch entstehenden staatlichen Kosten zur Erfüllung dieses Schutzanspruchs, also nicht unter dem Blickwinkel der Gemeinschaftsbezogenheit der Persönlichkeit, sondern zur Erhaltung des Staates. 398 Siehe BVerfGE 74, 297 (350); 73, 118 (154 f.); 2, 380 (401) sowie Böckenförde, in: Festschrift für Lerche, S. 3 (9 ff.), aber auch Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 82 f. 399 Häberle, Menschenbild, S. 20 f. 400 Siehe Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 1 GG. 401 Dazu näher Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 9,19. 402 Gegen eine Wahlbeteiligungspflicht daher Frenz, ZRP 1994, 91 (92 f.); ebenso im Ergebnis Erichsen, Jura 1983, 635 (641); E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 3,S. 865 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 38 Rn. 7, 13; von Münch, in: von Münch/Kunig, GGK Π, Art. 38 Rn. 29 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 323 f.; Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, S. 63 ff.; in diese Richtung auch Doehring, Staatsrecht, S. 144 f.; siehe dagegen von Mangoldt/Klein, Art. 38 Anm. ΙΠ 2 e (S. 881); Maunz, in: Maunz/Diirig, Art. 38 Rn. 14; Merten, in: Festschrift für Broermann, S. 315; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 38 Rn. 18; Schneider, in: AK-GG II, Art. 38 Rn. 48. 403 Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 866. 397
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gewährleistet 404. Andere Gemeinschaftsrechtsgüter werden in Schranken gefaßt, wie Art. 13 Abs. 3 GG zeigt, nicht aber durch Pflichten zu Lasten des Bürgers gesichert. Dem einzelnen wird vielmehr jedenfalls durch die umfassende Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG auch insoweit die Freiheit freier Entfaltung garantiert, solange er nicht die staatlich gesetzten normativen Grenzen überschreitet. Die Wahrung der durch die Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen angezeigten Grenzen der individuellen Entfaltungsfreiheit erfolgt somit von der Anlage des Grundgesetzes her nicht durch Grundpflichten, sondern durch Einschränkungen. Aus der Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen können daher keine Grundpflichten etwa im Sinne einer allgemeinen Umweltpflichtigkeit 405 abgeleitet werden. 4. Ungeschriebene Grundpflichten? Bestimmte Beiträge des Bürgers sind für das Gemeinwesen unentbehrlich. Diese unabdingbaren Beiträge - namentlich die Zahlung von Steuern - als ungeschriebene Grundpflichten zu begreifen 406 widerspricht der lediglich punktuellen Aufnahme von Grundpflichten in den Grundrechtsteil, der grundsätzlich eingreifenden Freiheitsfunktion der Grundrechte und deren im Grundgesetz vorgesehenen prinzipiellen Begrenzung durch (ausfüllungsbedürftige) Schranken in Gestalt von Gesetzesvorbehalten 407.
IV. Art 12aGG Vergegenwärtigt man sich, daß der Staat zur Erhaltung des Friedens nach außen als Voraussetzung des friedlichen Zusammenlebens aller in einem Staatsverband des Wehrdienstes seiner Bürger bedarf, so stellt Art. 12 a GG die Festschreibung dieses Gedankens dar. Bedenkt man jedoch, daß sowohl Männer als auch Frauen dieser äußeren Sicherheit bedürfen und von ihr profitieren, von daher also beide Verursacher dieser Staatsaufgabe sind, nimmt Art. 12 a GG nur eine teilweise, nämlich nur auf die Männer bezogene verpflichtende Festschreibung vor 4 0 8 . Sie besitzt zwar als verfassungskräftige Bestimmung der in
404
Zu möglichen zusätzlichen grundrechtlichen Absicherungen, die aber auch nicht mit der Auferlegung von Pflichten verbunden sind, unten Teil II § I I B . 405 Eine solche auch abl. Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 (53). 406 Isensee, DÖV 1982, 609 (617); VVDStRL 41 (1983), 130 f. (Diskussionsbeitrag). 407 Merten, BayVBl. 1978, 554 (556); Rodi, Rechtfertigung, S. 158 ff. Zur Steuerpflicht vgl. oben § 5 A. 408 BVerfGE 69, 1 (23 f.). - Daraus folgt kein Verbot desfreiwilligen Waffendienstes von Frauen. Ein solches wird allerdings aus Art. 12 a Abs. 4 S. 2 GG hergeleitet, BVerwG, NJW 1996, 2173; siehe bereits BVerwGE 72, 241 (246); auch etwa Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 a Rn.
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Teil 2: Fundierung des Verursacheprinzips
Anspruch zu nehmenden Personen Verbindlichkeit. Sollten der Bundeswehr personelle Engpässe drohen, könnten daher nach derzeitiger Verfassungslage etwa die Tauglichkeitsgrade derart verändert werden, daß sich die Wehrpflicht für einen größeren Kreis von volljährigen Männern aktualisiert, nicht aber Frauen verpflichtet werden. Vor dem Hintergrund der Grundpflicht des Art. 12 a GG ist indes eine Erweiterung dieser Vorschrift auf Frauen durch Verfassungsänderung nicht ausgeschlossen409.
V. Art 14 Abs. 2 GG 1. Grundpflicht Zum Teil wird angenommen, Art. 14 Abs. 2 GG enthalte lediglich eine Maßgabe für den Gesetzgeber zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums 410 . Diese Vorschrift verweist jedoch nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG und nennt im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht die Notwendigkeit von Gesetzen. Die Stellung in einem eigenen Absatz deutet vielmehr auf eine über eine Einbindung in Art. 14 Abs. 1 GG hinausgehende, nicht nur den Inhalt des Eigentumsrechts mitprägende 411 , eigenständige Bedeutung, ebenso die Entstehung. Bei ihr wurde von der Existenz einer Grundpflicht selbstverständlich ausgegangen412. Der Wortlaut ist entsprechend deutlich als Pflicht formuliert. Daß in anderen Grundrechten der zweite Absatz vielfach 413 der Schrankenbestimmung dient, besagt für Art. 14 GG deshalb nichts, weil die Schranken bereits in Abs. 1 erwähnt sind. Allerdings fand in die Beratungen zu Änderungen des Grundgesetzes nach der Wiedervereinigung der Vorschlag auf eine Erweiterung von Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG um eine nähere Bestimmung des Wohles der Allgemeinheit, „das den Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens umfaßt", unter dem Stichwort
201; a.A. Kokott, in: Sachs, GGK, Art. 12 a Rn. 4; Repkewitz, NJW 1997, 506 (507 f.) m.w.N. pro et contra. 409 Vgl. zu einer allgemeinen Dienstleistungspflicht Steinlechner, ZRP 1995,321 ff. m.w.N. 410 Ehlers, WDStRL 51 (1992), 211 (227); Gassner, NVwZ 1982,165 (167); Papier, in: Maunz/ Dürig, Art. 14 Rn. 250; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 295 ff. m.w.N.; a.A. Badura, in: HdbVerfR, § 10 Rn. 24; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 42; von Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 393; Bryde, in: von Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 69; Kimminich, in: BK, Art. 14 Rn. 165 f. Zur Ableitung einer Pflicht zur Steuerzahlung oben § 5 A. 411 Dazu unten Teil Π § 7 A.I.2., 3. hinsichtlich der aus Art. 14 GG folgenden Grenzen der Besteuerung. 412 413
Siehe JöR 1 n.F., 147. Es sind Art. 5, 8,10,11,13 GG.
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„ökologische Schranke" Eingang 414 . Dieser Vorschlag wurde jedoch wegen von vornherein fehlender Mehrheitsfähigkeit nicht zu den offiziellen Anträgen erhoben 415 . Er wollte erkennbar die vorhandene Struktur des Art. 14 GG nicht antasten, sondern nur systemimmanent fortbilden, so daß sich daraus keine geänderte Beurteilung der bestehenden Normstruktur ergibt. Art. 14 Abs. 2 GG bezieht sich in seinem Satz 2 ausdrücklich auf das Wohl der Allgemeinheit, das die Gemeinschaft als Ganzes betrifft und nicht auf die zwischenmenschliche Ebene beschränkt ist. Von daher handelt es sich nicht um eine Ausprägung mitbürgerlicher Solidarität 416 . Mögen auch Einzelbürger etwa vom sozialen Mietrecht Nutzen ziehen, liegt die Sozialpflichtigkeit des Eigentums doch im Interesse des Wohls der Allgemeinheit, nicht einzelner, ist also nicht subjektivierbar 417 . Daraus können daher auch nicht verfassungsmäßige Rechte für die von der Sozialpflichtigkeit Profitierenden etwa in Form eines Eigentumsrechts des Mieters abgeleitet werden 418 . Stellt somit Art. 14 Abs. 2 GG eine gemeinschaftsbezogene Grundpflicht dar, bedarf sie wegen ihrer auch durch die Präzisierung in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht überwundenen inhaltlichen Unbestimmtheit grundsätzlich einer Ausgestaltung durch Gesetze. Aus diesem Charakter als lex imperfecta 419 wird geschlossen, dem einzelnen erwüchsen keine erzwingbaren Pflichten 420 . Daraus wird weitergehend entnommen, auch bei Bestehen einer Grundpflicht erschöpfe sich die Bedeutung von Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG in einer, wenn auch verbindlichen, Direktive für den Gesetzgeber 421. Aber auch dann hat das Verursacherprinzip insoweit seinen Platz, als durch die Grundpflicht des Art. 14 Abs. 2 GG zugleich die personelle Richtung der legislativen Tätigkeit festgelegt ist. 2. Unmittelbare Pflichtenwirkung Bei einer solchen inhaltlichen Beschränkung des Art. 14 Abs. 2 GG oblägen dem Eigentümer ohne gesetzliche Bestimmung keine erzwingbaren Grundpflichten. Für Allgemeinwohlbelange, die durch eine solche Grundpflicht ausweislich Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG gewährleistet werden sollen, könnte bis zu 414
So der Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, S. 134. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, S. 135. 416 So aber Häberle, Menschenbild, S. 70, der gleichwohl von einem individualrechtsbegrenzenden Gegenprinzip ausgeht, auf dem „zu bestehen der Verfassungsstaat Kompetenz gewonnen hat" 417 BVerfGE 80,137 (150); 89,1 (59); Roellecke, NJW 1992,1649 (1652). 418 BVerfGE 89, 1 (5 ff.) leitet das Eigentumsrecht des Mieters denn auch davon unabhängig ab; dennoch krit. Depenheuer, NJW 1993, 2561 ff.; zur vorherigen Rspr. Sonnenschein, NJW 1993,161 (162). 419 Näher Hofmann, WDStRL 41 (1983), 42 (77). 420 Götz, WDStRL 41 (1983), 7 (32); auch Rittner, JZ 1980,113 (115). 421 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 303 ff. 415
10 Frenz
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
einem Tätigwerden des Gesetzgebers kein bestimmtes Verhalten des Eigentümers eingefordert werden. Diese Übergangszeit kann im Hinblick auf die oft Jahre dauernde Gesetzgebungsdauer, die vom Bundesverfassungsgericht nur unzureichend beanstandet wird, sehr lange währen 422 . Erhebliche Schutzlücken tauchen dann insbesondere im Umweltbereich auf, weil immer mehr Gefährdungen durch den Fortschritt der Forschung erkannt werden und sich damit Normierungen als veraltet erweisen. Das aber widerspricht der Gemeinwohlbindung des Eigentums, die sicherzustellen eine in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG festgeschriebene wesentliche Funktion der Grundpflicht aus Art. 14 Abs. 2 GG ist. Die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG löst dieses Problem für den Umweltbereich nicht, da sie gerade auf eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber angewiesen ist. Aufgrund ihrer Zielrichtung, den Umweltschutz aufzuwerten, verdrängt sie aber umgekehrt darauf bezogene Regelungsgehalte aus anderen Verfassungsbestimmungen nicht 423 . Zudem steht eine solche für sich selbst leerlaufende Grundpflicht in Widerspruch dazu, daß auch Eigentumsrechte trotz ihrer Ausgestaltungsbedürftigkeit durch Gesetze gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG insoweit unmittelbar aus der Verfassung gefolgert werden, als der Normgeber den elementaren Bestand der grundrechtlich geschützten Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich der Privatrechtsordnung nicht entziehen darf 424 , dieses Feld mithin zum unabdingbaren Kern des Eigentumsrechts gehört. Das Korrelat dazu ist ein Mindestbestand an Grundpflichten. Dieser gesetzesunabhängige Grundstandard ergibt sich erst recht daraus, daß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG das Ergehen von Gesetzen ausdrücklich vorsieht, hingegen Abs. 2 diese Notwendigkeit nicht erwähnt. Zu diesem Minimalbestand sind jedenfalls die Pflichten zu zählen, die für die Ausübung des Eigentumsrechts unabdingbar sind. Dazu gehört insbesondere die Pflicht zur Erhaltung der Umwelt zumindest insoweit, als sie für den Fortbestand von Eigentum notwendig ist. Waldeigentum etwa ist nur dann weiterhin denkbar, wenn die Luftverschmutzung nicht einen sämtliche Bäume zerstörenden Grad erreicht. Somit ist über die Grundpflicht des Art. 14 Abs. 2 GG zugleich ein Grundrechtsvoraussetzungsschutz gewährleistet, zu dessen Wahrung der Eigentümer bei der Rechtsausübung verpflichtet ist, an dem mithin sein Recht seine Grenze findet. Sein Eigentumsrecht verpflichtet ihn jedenfalls insoweit zu verantwortlichem Verhalten 425 .
422
Siehe oben Teil Π § 4 B.I.2. Näher unten Teil Π § I I B . 424 BVerfGE 24, 367 (389); weitergehend Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 49 ff.; ders., in: HStR VI, § 149 Rn. 54 ff. 423 Zum Zusammenhang zwischen Grundpflichten und Verantwortung Erichsen, WDStRL 41 (1983), 132 (Diskussionsbeitrag). 423
§ 5 Aus den Grundpflichten
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Löst der so verpflichtete Eigentümer durch sein gefährdendes Verhalten eine staatliche Reaktion aus, öffnet eine solche unmittelbare Grundpflicht die grundrechtliche Sphäre des Adressaten auch ohne gesetzliche Grundlage. Sie berechtigt in dem beschriebenen Mindestumfang verfassungsunmittelbar zur Aufziehung von Grenzen der Freiheitsbetätigung, und zwar - im Gegensatz zu grundrechtlichen Schutzpflichten bei subjektiv-rechtlicher Herleitetung 426 - unabhängig von einem störenden Verhalten. Insoweit ermächtigt sie weiter zur Verpflichtung zu eigenem, aktivem und erzwingbarem Tun, mithin zu Geboten an den Eigentümer als Verursacher, konkrete Handlungen vorzunehmen. 3. Notwendige Koppelung des Verursacherprinzips mit dem Gemeinlastprinzip wegen Gemeinwohlnützigkeit? Entsprechend der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG soll der Gebrauch des Eigentums nicht nur dem Eigentümer, sondern zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Aus dieser Interessenparallelität folgert Leisner, der Eigentümer dürfe nicht einseitig als Verursacher belastet werden, sondern der Staat, der zudem mangels Eingreifen ebenfalls gefehlt habe, müsse gleichfalls einen Teil der aus der Sozialbindung des Eigentums erwachsenden Lasten tragen. Zum Verursacherprinzip müsse das Gemeinlastprinzip treten 427 . Damit begrenzte das Wörtchen „zugleich" nicht nur den in das Eigentumsrecht eingreifenden Zugriff des Staates428, sondern auch die Reichweite der Eigentümerverantwortung und damit der Grundpflicht aus Art. 14 Abs. 2 GG. Darauf abzuheben, daß der Staat gleichfalls gefehlt habe, geht darüber hinweg, daß eine frühere Reaktion des Staates regelmäßig durch das Verhalten Privater bedingt gewesen wäre, mithin diese auch insoweit die eigentlichen Verursacher sind 429 . Daß der Staat sie vorher nicht als solche in Anspruch genommen hat, war höchstens eine Abweichung vom Verursacherprinzip, verpflichtet aber nicht für späteres Staatshandeln auf das Gemeinlastprinzip, sofern dieses nicht unabhängig von einer Präjudizierung durch staatliches Verhalten aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG aus der Verpflichtung des Eigentums auch auf das Wohl der Allgemeinheit folgt. Ergreift der Eigentümer Maßnahmen zugunsten des Umweltschutzes, etwa durch eine Pflege des Waldes oder die Verringerung von Schadstoffausbringungen durch Gülle auf seinen Feldern, und sichert er dadurch einen erholsa-
426 Bei objektiv-rechtlicher Herleitung ist eine solche Pflicht ohnehin grundsätzlich stets mediatisiert, näher oben Teil II § 4 Α.Π.; Β. I.I., 2. 427 Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 52 ff. 428 Zur Steuer, die aus hiesiger Sicht keine aus Art. 14 Abs. 2 GG ableitbare Grundpflicht darstellt (siehe § 5 Α.), BVerfGE 93,121 (138); dazu unten Teü Π § 7 A.I.3. 429 Näher Teil Π §2.
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Teil 2: Fundierung des Verursacheprinzips
men Naturgenuß bzw. verhindert er eine Belastung des Grundwassers, sichert er dadurch auch Belange der Allgemeinheit. Art. 14 Abs. 2 GG weist indes die Pflicht zur Wahrung dieser Belange dem Eigentümer zu. Diese Vorschrift nimmt ihn in Satz 1 in die Pflicht und fordert im Nachsatz, daß der Gebrauch des Eigentums auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Dieser Satz 2 dient aufgrund seines Bezugs auf das Eigentum und seiner Stellung nach der Pflichtenfestschreibung deren Konkretisierung. Dadurch ist dem Eigentümer die Last zugewiesen, auch das Wohl der Allgemeinheit zu wahren. Diese Sozialbindung ist der durch Art. 14 Abs. 2 GG begründeten Eigentümerverantwortung inhärent, nicht ihr gegenüber subsidiär 430 . Beachtet der Eigentümer das Wohl der Allgemeinheit nicht in dem unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG folgenden oder gesetzlich konkretisierten Maße, ist er als Verursacher in Anspruch zu nehmen, nicht aber die Allgemeinheit (der Steuerzahler). Das Gemeinlastprinzip kann daher gerade nicht an die Seite des Verursacherprinzips treten. Allerdings soll der Gebrauch des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nur zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Dadurch ist die aus der Grundpflicht des Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG erwachsende Eigentümerverantwortung beschränkt. Diese Restriktion betrifft aber nicht das Bestehen, das „Ob", der in Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG ohne Einschränkung festgeschriebenen Eigentümerpflicht, sondern deren Ausgestaltung, das „Wie". Diese Pflicht darf zwar durch staatliche Vorgaben konkretisiert und selbst bis in alle Details geregelt werden, ohne daß dadurch die sich aus der Grundpflicht des Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG ergebende Eigentümerverantwortung verloren geht: der Eigentümer handelt auch als Verpflichteter eigenverantwortlich und trägt daher auch weiterhin Verantwortung 431 . Indes darf diese Pflicht dem Eigentum nicht gänzlich die Privatnützigkeit nehmen. Sie ist daher so auszugestalten, daß auch die privaten Interessen gewahrt bleiben, ohne daß sich dadurch als Höchstgrenze eine hälftige Teilung von privatem und allgemeinem Nutzen ergibt 432 . Das hängt ab von den in Frage stehenden Gemeinwohlbelangen. Die Privatnützigkeit bleibt mithin dadurch gewahrt, daß die inhaltliche Bestimmung der Verpflichtung aus dem Eigentum auch die Belange des Eigentümers wahrt. Es bedarf also keiner ansatzmäßigen Begrenzung dieser Pflicht selbst. Die Wahrung der Privatnützigkeit erfolgt bereits dadurch, daß etwa der in der Gülleverbringung beschränkte Landwirt nicht nur das Grundwasser vor Verunreinigung schützt, sondern zugleich die Fruchtbarkeit des Feldes wahrt, das er bebaut. Diesem Erfordernis ist aber auch dann genügt, wenn der Landwirt in der Düngung begrenzt wird, um das Grundwasser unbeeinträchtigt zu lassen,
430 431 432
Vgl. dagegen Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 75 ff. Anders Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 80 ff. Siehe näher Teü Π § 7 A.I.3.
§ 5 Aus den Grundpflichten
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und dadurch der Feldertrag sinkt, wenn also öffentliche und private Belange aufeinanderprallen und derart ausgeglichen werden müssen, daß die Privatnützigkeit nicht entfällt. Die Berücksichtigung privater Belange im Rahmen der Eigentümerpflicht hängt somit nicht von der weitgehend subjektiven, vielfach schwer feststellbaren und oft schwerlich herstellbaren tatsächlichen Parallelität mit dem Gemeinwohl 433 ab, sondern sie ergibt sich aus der normativen Ausgestaltung dieser Pflicht in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG. Daher bedarf es keines Abriickens vom Verursacherprinzip durch eine Hinzunahme des Gemeinlastprinzips. Vielmehr erfordert Art. 14 Abs. 2 GG im Rahmen der bestehenden Pflichten eine ausschließliche Eigentümerverantwortung. Diese erstreckt sich sowohl auf die privaten als auch auf die zu wahrenden, ggf. widerstreitenden öffentlichen Belange. Dieser erweiterte Bezug eröffnet den verschiedentlich geforderten „Umweltschutz durch Eigentümer" 434 , ja überhaupt der Eigentümerverantwortung und damit dem Verursacherprinzip zu einem großen Anwendungbereich.
D. Ergebnis Das Verursacherprinzip folgt aus dem Grundansatz der Grundpflichten, die den Staat berechtigen und den Bürger verpflichten. Sein Anwendungsbereich hängt ab von der Reichweite der Grundpflichten unter dem Grundgesetz. Gebietsübergreifend ist die Pflicht zum Gesetzesgehorsam; der Gesetzesübertreter ist Verursacher staatlicher Gegenmaßnahmen in Gestalt von Verhaltensgeboten an ihn oder staatlichen Eigenhandelns, für das er in Regreß genommen werden kann. Grundpflichten aus Einzelgrundrechten liegen in Art. 6 Abs. 2, 12 a und 14 Abs. 2 GG begründet. Sie nehmen einen bestimmten Personenkreis für einen bestimmten Bereich in eine besondere Verantwortung und legen diesen als Adressaten staatlicher Maßnahmen fest. Er ist durch diese Grundpflichten konkretisierende Gesetze zu belasten. Weicht er von der grundgesetzlich festgelegten und ggf. gesetzlich konkretisierten Pflichtenbindung ab, ist er durch die Verwaltung als Verursacher in Anspruch zu nehmen. Die Verursachereigenschaft ist insoweit Folge einer besonderen Verantwortung 435 .
433
Siehe auch Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3 (18 f.). Neben Leisner Murswiek, JZ 1988, 985 (988 ff.); Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3 (18 f.). 435 Vgl. oben Teil I § 1 Β.Π. Zu den Folgen für die Zustandsverantwoitlichkeit unten Teil ΠΙ § 1D. 434
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
§ 6 Aus den Grenzen der Staatsausgaben Gelangt der Staat mit seinen Ausgaben an verfassungsrechtliche Grenzen, gebietet die Verfassung aber aufgrund bestimmter Vorgaben die Ergreifung von Maßnahmen, bleibt ihm nur die Inanspruchnahme des Verursachers.
A. Art· 109 Abs. 2 GG Die Ausgaben des Staates sind durch Art. 109 Abs. 2 GG insoweit begrenzt, als Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben. Das bedeutet, daß diese Körperschaften bei ihren Ausgabenentscheidungen diese nach derzeitigem Erkenntnisstand in § 1 StabG durch das „magische Viereck" konkretisierten, aber dadurch nicht im einzelnen unabänderlichen 436 Erfordernisse zu berücksichtigen haben 437 , diese mithin nicht außer acht lassen können. Insbesondere die Erfordernisse der Stabilität des Preisniveaus und des außerwirtschaftlichen Gleichgewichts, aber auch des hohen Beschäftigungsstandes und des stetigen und angemessenen Wirtschaftswachtstums können bei einer ausgabenintensiven Haushaltswirtschaft und damit verbundenen hohen Kreditaufnahmen gefährdet werden. Indes schließt das entsprechend der Grundregel des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG Kreditaufnahmen auch für ausgabenintensive Zwecke nicht aus 438 . Art. 109 Abs. 2 GG läßt vielmehr durch seine Formulierung „Rechnung tragen" dem Gesetzgeber einen breiten Spielraum 439 und eröffnet eine Abwägung mit anderen Verfassungsgütern 440. Daher ist diese Vorschrift für sich selbst nicht konkret genug, um eine bestimmte staatliche Ausgabenpolitik und damit auch die Abstandnahme von gewissen Staatsausgaben sowie eine Inanspruchnahme der Verursacher vorzugeben. Es handelt sich vielmehr um eine inhaltlich offene Zielvorgabe der Verfassung 441.
B. Art. 110 Abs. I S . 2 G G Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG verlangt einen Ausgleich von Einnahme und Ausgabe, aber bezogen auf den Haushaltsplan als Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben des Bundes. Dieses Ausgleichsgebot hat von daher formalen
436 437 438 439 440 441
BVerfGE 79,311 (338 f.); im einzelnen Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 16 f. Jarass, in: dersTPieroth, Art 109 Rn. 4; im einzelnen Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 224 ff. BVerfGE 79,311 (334). Bleckmann, JuS 1991,536 (541). Jarass, in: ders ./Pieroth, Art. 109 Rn. 4. Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 242.
§ 6 Aus den Grenzen der Staatsausgaben
151
Charakter 442 . Das macht auch der schriftliche Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zur Haushaltsreform deutlich 443 . Daß diese Vorschrift lediglich den rechnerischen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben beinhaltet und sich damit in einer dem Begriff des Haushaltsplans immanenten, haushaltsrechtlichen Selbstverständlichkeit erschöpft, widerspricht allerdings ihrer Placierung in der Verfassung als Grundordnung des Staates444. Im Gegenteil sollte Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG auch in seiner durch die Haushaltsreform geänderten Fassung keine bloße Formalität darstellen 445 , sondern als unentbehrliche Grundlage geordneter Haushaltwirtschaft fungieren 446 und durch die Gegenüberstellung aller Einnahmen und Ausgaben eine politische Ordnungsfunktion für die Begrenzung öffentlicher Ausgaben übernehmen 447. Das kann Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG aber auch dann, wenn er selbst keine materiellen Vorgaben macht. Durch den Zwang, Einnahmen und Ausgaben zum Ausgleich zu bringen und das Ergebnis öffentlich zu präsentieren, geht bereits ein Anreiz zur Ausgabeneinsparung aus, um nicht die Steuern oder die Kreditaufnahme erhöhen zu müssen. Die Bedeutung des Haushaltsplans liegt somit darin, daß er durch die formelle Zusammenfassung von Einnahmen und Ausgaben, wenn auch ziffernmäßig auf Geldeinheiten reduziert, „dem Inhalt nach das Bedingtsein aller Ausgaben durch die Einnahmen" aufzeigt 448 . Materiell verstärkt wird diese Bedingtheit dadurch, daß wegen der Einheit der Finanz- und speziell der Haushaltsverfassung 449 Art. 110 GG und Art. 109 Abs. 2,115 Abs. 1 GG nicht getrennt gesehen werden können 450 . Es kann daher schwerlich angenommen werden, daß Art. 110 Abs. 1 GG zu einem von materiellen Vorgaben gänzlich losgelösten Haushaltsplan ermächtigt. Diese sind bei 442
So die h.M.; etwa Fischer-Menshausen, in: von Münch, GGK m, Art 110 Rn. 14 f., 18; Heuer, in: ders., Haushaltsrecht I, Art. 110 GG Rn. 11; Kisker, in: HStR IV, § 89 Rn. 75 f.; Patzig, Haushaltsrecht II, Art. 110 GG Rn. 23; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art 110 Rn. 18; Wiebel, in: BK, Art. 115 Rn. 20 f.; a.A. Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 97 ff.; Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 10; siehe auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 110 Rn. 50. 443 Zu BT-Drucks. V/3605, S. 10. 444 Nonnenmacher, Das Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG, S. 131. 445 Begründung zum Regierungsentwurf der Haushaltsreform, BT-Drucks. V/3040, Tz. 65 (S. 40). 446 BT-Drucks. V/3040, Tz. 107 (S. 44 f.).; siehe auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 110 Rn. 38,48,50: Der Haushaltsplan muß vollzugsfähig sein. 447 BT-Drucks. V/3040, Tz. 66 (S. 40). 448 So bereits Lorenz von Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Erster Teil, S. 200 f.; Hervorhebung im Original. Jetzt BVerfGE 79, 311 (329). Praktische Auswirkungen hat dies für die Einbeziehung der Staatsausgaben in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Steuern, sub § 7 A.IV. 449 BVerfGE 79,311(328). 450 Ebenso Stern, Staatsrecht Π, S. 1250, der daraus eine Mißbrauchsschranke ableitet Auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 110 Rn. 2.
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
der Aufstellung des Haushaltsplans und seiner Feststellung durch Haushaltsgesetz gem. Art. 110 Abs. 2 GG zu wahren 451 . Somit schlagen sich die Grenzen für die Aufnahme von Krediten, die entsprechend der Formulierung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG und der Entstehungsgeschichte von Art. 110 GG 4 5 2 ebenfalls als Einnahmen herangezogen werden dürfen 453 , und vor allem der Steuererhebung auf die Ausgaben nieder, die im Haushaltsplan veranschlagt werden können. Diese Grenzen werden aber von anderen Normen an den Haushaltsplan herangetragen und folgen nicht aus Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG. Diese Vorschrift trifft selbst keine Aussage zu den Grenzen der Steuereinnahmen oder der Staatsverschuldung 454 , aus denen sich dann die Notwendigkeit einer Heranziehung der Verursacher ergeben könnte. Eine solche Aussage widerspräche auch dem Charakter ihres Regelungsgegenstandes. Der Haushaltsplan wird zwar über die Feststellung im Haushaltsgesetz gem. Art. 110 Abs. 2 GG verbindlich gemacht 455 , enthält aber, wie Art. 110 Abs. 4 GG zeigt 456 , keine abstraktallgemeinen Regeln, sondern lediglich ein System von Ermächtigungen zu kostenintensiven Einzelmaßnahmen457 sowie eine Auflistung der dafür zur Verfügung stehenden Einnahmen. Die Einnahmenerzielung mit den ihr zugrundeliegenden Maßstäben und Höchstgrenzen wird hingegen in anderen Vorschriften geregelt, und auch die Staatsausgaben, zu denen der gem. Art. 110 Abs. 2 GG festgestellte Haushaltsplan ermächtigt 458 , sind weitgehend durch anderweitige Rechtsakte determiniert.
451
Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 110 Rn. 51; Art 115 Rn. 42. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, zu BT-Drucks. V/3605, S. 11; auch Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. V/3040, Tz. 66 (S. 40). 453 Das entspricht dem formalen Charakter des Haushaltsplanes, wird aber auch von den Vertretern der materiellen Sicht nicht bestritten, Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 12. - Ausgenommen sind die (kurzfristigen) Kredite zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Kassenwirtschaft nach §§ 10 Abs. 3 Nr. 1 HGrG, 13 Abs. 3 Nr. 1 BHO; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 110 Rn. 41. 454 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 314; Nonnenmacher, Das Ausgleichsgebot des Art 110 Abs. 1 S. 2 GG, S. 42, der allerdings im Ausgleichsgebot selbst eine Grenze für den kreditfinanzierten Konsum sehen will (S. 131 ff.). 455 BVerfGE 20, 56 (90 f.); 45, 1 (31 f.); anders die lange akzeptierte Labandsche Budgettheorie, Laband, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der Preußischen Verfassungs-Urkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, S. 6 ff.; dazu ausführlich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 251 ff. 456 Stern, Staatsrecht Π, S. 1204 f. 457 Kisker, in: HStR IV, § 89 Rn. 25; vgl. § 3 HGrG. 458 BVerfGE 20, 56 (91); Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 310; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 260. 452
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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C. A r t 115 Abs. I S . 2 G G Über die Vorgabe einer Ausrichtung der gesamten Haushaltswirtschaft und damit auch der Kreditaufnahme auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Art. 109 Abs. 2 GG 4 5 9 hinaus formt Art. 115 Abs. 1 S. 2 HS. 1 GG eine zusätzliche Kreditbegrenzungsregel 460. Danach dürfen die Einnahmen aus Krediten die investiven Ausgaben nicht überschreiten, es sei denn, sie dienen der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 461 . Insoweit wird zwar ein (materieller) Zusammenhang der Kreditaufnahme mit Ausgaben hergestellt 462 . Indes erwächst aus Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG keine Vorgabe, was der Staat tun soll, wenn er nicht in Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG bezeichnete Ausgaben tätigen will und daher keine Kredite aufzunehmen vermag, ob er also etwa gegen den Verursacher vorzugehen hat. Vielmehr begrenzt diese Vorschrift Ausgaben für Investitionen etwa für den Umweltbereich bzw. dessen Förderung durch Zuschüsse entsprechend dem den Investitionsbegriff konkretisierenden § 13 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 BHO 4 6 3 gerade nicht und leistet von daher der Anwendung des Gemeinlastprinzips Vorschub.
D. Ergebnis Aus Art. 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 S. 2 GG, nicht aber aus Art. 110 Abs. 1 GG ergeben sich zwar Eckpunkte für die staatliche Ausgabentätigkeit und insbesondere für die Staatsschuldenpolitik, jedoch keine Vorgaben für die Mittel zu ihrer Begrenzung und damit für die Ableitung des Verursacherprinzips.
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern Die Notwendigkeit, daß Bürger zum Erhalt des Staates durch Steuern beitragen, vermag für sich nicht die Inanspruchnahme einzelner zu rechtfertigen: sie stellt keine Grundpflicht dar 464 und erfaßt alle Bürger gleichermaßen und nicht gestuft nach der Auslösung staatlichen Handelns durch den einzelnen oder 459
Siehe oben § 6 A. Friauf, in: HStR IV, § 91 Rn. 40; näher zum Verhältnis zwischen Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 150 ff. - Diese Grenze ist nicht durch § 13 Abs. 2 S. 1 HGrG modifizierbar und gilt daher nicht nur für den Haushaltsplan, sondern auch für den Haushaltsvollzug, Wolffgang, DVB1.1984,1049 ff.; Isensee, DVB1.1996,173 ff. 461 Näher BVerfGE 79,311 (334 ff.). 462 Im einzelnen unten § 7 A.IV.2. 463 BVerfGE 79,311 (337). 464 Siehe oben Teil II § 5 A, C. ffl. 460
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
partiell, wie es kennzeichnend für das Verursacherprinzip ist 4 6 5 . Auf Steuern bezogener Ansatzpunkt für die Rechtfertigung des Verursacherprinzips kann daher nur der die Besteuerung begrenzende verfassungsrechtliche Rahmen sein. Bei einer Verwendung von Steuergeldern für durch Private verursachte Schäden bzw. für deren Vorbeugung könnte die Steuererhebung unverhältnismäßig sein und gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Das sind die Maßstäbe für die steuerrechtliche Beurteilung der aus Gerechtigkeitsvorstellungen aufgeworfenen Fragestellung, ob dann, wenn der Verursacher die durch sein Verhalten bedingten Vermeidungs- und Beseitigungskosten nicht selbst tragen muß, eine gerechte Lastenverteilung vorliegt 466 . Voraussetzung für eine rechtliche Unvereinbarkeit wäre, daß die Verwendung von Steuergeldern in die Prüfung der genannten Grenzen der Besteuerung einbezogen werden könnte.
A. Verhältnismäßigkeit I. Problematik 1. Ausgangspunkt Steuern beeinträchtigen, indem sie Geld und damit einen Teil des Vermögens entziehen sowie die freie Verwendung aller Vermögenswerten Rechte beschränken, Art. 14 Abs. 1 GG, jedenfalls aber Art. 2 Abs. 1 GG, und sind daher rechtfertigungsbedürftig 467. Ihre Erhebung könnte schon deshalb ausreichend legitimiert sein, weil der Staat auf sie angewiesen ist, um seinen allgemeinen Finanzbedarf zu decken. Indem das Grundgesetz in Art. 105 ff. GG die Existenz einer staatlichen Steuerhoheit voraussetzt, könnte die steuerliche Belastung von den staatlichen Ausgaben losgelöst sein 468 . Ihre konkrete Verwendung und damit auch die Erforderlichkeit für bestimmte Aufgaben, ja selbst ihre Verfassungswidrigkeit 469, könnte von daher unbeachtlich sein. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung wäre dann ihre gleichmäßige Verteilung. Eine Verhältnismäßigkeitskontrolle, bezogen auf die Relation der Steuererhebung und der Steuerverwendung, fände dann nicht statt 470 . Es wären
465
Siehe oben Teil II § 5 A. Vgl. von Arnim, in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, S. 725 (737) sowie oben Teil I § 3. 467 Siehe oben Teil Π § 1 B. 468 So Breuer, WDStRL 39 (1981), 383 (384) (Diskussionsbeitrag). 469 So grundsätzlich Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 102, es sei denn, dadurch wird die Höhe der Gesamtlast zum Nachteil des einzelnen Pflichtigen für diesen merklich erhöht. 470 Kategorisch abl. Isensee, in: Festschrift für Ipsen, S. 409 (434); auch etwa F. Kirchhof, WDStRL 52 (1993), 71 (88); Rodi, Rechtfertigung, S. 49 ff, 190 f. m.w.N. 466
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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aus freiheitsrechtlicher Perspektive lediglich äußerste Grenzen in Form des Erdrosselungsverbots zu prüfen 471 , sofern man dieses nicht bereits aufgrund des Zwecks der Steuer, dem Staat eine Einnahmequelle zu verschaffen, zu ihren Merkmalen zählt 472 . Dabei handelt es sich aber um eine bislang, soweit ersichtlich, noch nicht praktisch relevant gewordene, mithin nur „theoretische Schranke" 473 . Von daher lief der grundrechtliche Schutz vor zu hohen Steuersätzen bisher leer 474 . Das Erfordernis, das Existenzminimum zu wahren 475 , stellt gleichfalls nur einen Minimalschutz sicher, der die Steuererhebung jenseits des notwendigen Lebensbedarfs unberührt läßt 476 . Daß darüber hinaus die Rechnungshöfe die Steuerhöhe durch eine Disziplinierung der Ausgaben auf einem bestimmten Niveau begrenzen, scheitert schon daran, daß sie keine selbständigen Eingriffs- und Kassationsbefugnisse 477 und von daher keinen unmittelbaren rechtlichen Einfluß auf die geprüften Einrichtungen haben 478 . Ihre Rolle beschränkt sich auf eine erzieherische Funktion 479 . Sie betrifft zudem nicht die Einnahmenseite. 2. Erweiterter
Bestandsschutz
Insoweit ergibt sich die Möglichkeit einer begrenzten Erweiterung aus einem Bestandsschutz, der die Substanz des vorhandenen Eigentums, des konsolidierten Vermögens, der Besteuerung entzieht und von daher der Steuerhöhe Grenzen setzt, mithin über einen bloßen Minimalschutz für die Finanzschwachen hinausgeht 480 . Indes entspricht es dem Wesen der Steuer, dem Bürger etwas 471
BVerfGE 87, 153 (169); 82, 150 (190); 78, 232 (243, 245); 70, 219 (230); 63, 312 (327); 38, 61 (85 f.); 38, 8 (23); 16, 147 (161); auch OVG Lüneburg, NVwZ 1989, 591 (592) sowie wiederum BVerfGE 93, 319 (352), bezogen auf nichtsteuerliche Abgaben, die sich aber insofern, als sie Geld entziehen und daraus möglicherweise existenzgefährdende Wirkungen erwachsen, von Steuern nicht unterscheiden. 472 Siehe BVerfGE 16,147 (161); BVerwGE 96,272 (277 f.). 473 Leisner, NJW 1995,2591 (2592); Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (584 ff.). 474 Leisner, NJW 1995,2591 (2591). 475 BVerfGE 87,153 (169 f.); vgl. auch BVerfGE 82,60 (85). 476 Die Notwendigkeit einer gleitenden Steigerung der Steuersätze folgt aus dem Gleichheitssatz, BVerfGE 87,153. 477 Degenhart, WDStRL 55 (1996), 190 (Leitsatz 27). 478 Stackmann, DVB1.1996,414 (416); vgl. zur staatlichen Rechnungsprüfung Brenner, NVwZ 1995,454 ff.; Wieland, DVB1.1995, 894 ff. 479 Schulze-Fielitz, WDStRL 55 (1996), 231 (Leitsatz 9). 480 BVerfGE 93,121 (137). Dieses Element ist in dieser Entscheidung erstmalig enthalten und führt das Kriterium der Erhaltung des Kernbestandes des Erfolgs eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich fort, aus dem noch in BVerfGE 87, 153 (169) nur das Erdrosselungsverbot gefolgert wurde, das einen solchen spezifischen Bestandsschutz jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung nicht enthielt. Unter das mit diesem Verbot in Verbindung stehende Gebot, die Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen nicht grundlegend zu beeinträchtigen (siehe BVerfGE 82,
156
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
bereits Gehöriges zu entziehen. Das gilt etwa auch bei der Besteuerung von Lohn und Gehalt, die als Forderungen durch Art. 14 GG geschützt sind 481 . Zudem braucht die Steuerschuld etwa bei der Vermögensteuer selbst dann, wenn sie aus dem Vermögensertrag nicht finanziert werden kann, nicht aus dem konsoldierten Vermögen bezahlt, sondern sie kann auch durch anderes Einkommen z.B. aus Arbeit beglichen werden. An dieser Wahlmöglichkeit ändert auch nichts, daß das zur Erfüllung der Vermögensteuerschuld verwendete Einkommen weder auf die Einkommensteuer angerechnet noch von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen wird 4 8 2 . Entscheidend ist daher, bezogen auf das konsolidierte Vermögen, für einen wirksamen Bestandsschutz, daß die Gesamtsteuerlast nicht so bemessen ist, daß sie das Besitzen von Eigentum zur Bürde werden läßt und damit faktisch zum Abstoßen zwingt bzw. von einem dauerhaften Behalten abhält. Diese Situation ist aber nicht auf das Vorliegen einer schrittweisen Konfiskation und einer in diesem Sinne erdrosselnden Wirkung beschränkt, sondern auch gegeben, wenn eine inflationsbereinigte Rendite ausgeschlossen ist, selbst wenn die Steuer aus dem Ertrag bezahlt werden kann. Entscheidend ist daher der Schutz der Grundlagen der Freiheitsentfaltung und höchstens als Folge der Substanzschutz. Eine vergleichbare Wirkung kann nicht nur von der Vermögensteuer im Verbund mit anderen das Vermögen bzw. dessen Ertrag belastenden Steuern ausgehen, sondern etwa auch von einer (isolierten) Lohnsteuer oder einer Einkommensteuer, die aufgrund ihrer Höhe bzw. Staffelung jeden Anreiz zu (vermehrter oder qualifizierterer) Arbeit nimmt und damit eine berufsprohibitive Wirkung entfaltet, also den Kernbestand der Berufsfreiheit beeinträchtigt. Einen solchen Effekt hat auch eine Besteuerung von Unternehmensgewinnen, die im Zusammenwirken insbesondere mit der Gewerbesteuer eine geordnete Entfaltung durch Fortentwicklung des Betriebs unmöglich macht oder die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Firmen völlig untergräbt und damit unabhängig von ihrer Verortung in Art. 12 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG 4 8 3 die Grundlage wirtschaflicher Selbstverwirklichung entzieht 484 . Dies ist
159 (190), st. Rspr.), wird allerdings in der Entscheidung zum Einheitswert auch der Bestandsschutz für das Vermögen gefaßt. In seiner Absolutheit für das Vermögen, die unabhängig von einer „Erdrosselung" in ihrem dem allgemeinen Sprechgebrauch entsprechenden drastischen Sinne gilt, ist er gleichwohl ein Novum und eine Erweiterung (Leisner, NJW 1995, 2591 (2594); vgl. auch Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93, 149 (154, 157)). Der Begriff „Erdrosselungsverbot" wird daher in diesem Zusammenhang auch nicht mehr gebraucht. 481 Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (155). 482 Siehe BVerfGE 93,121 (137 f.). 483 Siehe etwa Breuer, in: HStR VI, § 147 Rn. 97 einerseits, BVerwG, NJW 1978, 1539 andererseits. 484 Vgl. BVerfGE 78,232 (245); Arndt/Schumacher, NJW 1995,2603 (2605).
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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nicht nur bei einem drohenden Ruin der Fall 4 8 5 , sondern bezieht sich auch auf die Grundlagen der weiteren Entfaltung 486 . Dieser Grundlagenschutz ist nicht nur statisch 487 , sondern dynamisch und damit unabhängig von der Erdrosselung von etwas Vorhandenem. Eine Mindestbegrenzung der Besteuerung besteht mithin dann, wenn sie den Kerngehalt von Grundrechten angreift, nicht notwendig bereits dann, wenn etwas Vorhandenem Substanz, und sei es auch in geringerem Ausmaße, entzogen wird. Eine Ausnahmestellung für das konsolidierte Vermögen besteht wegen der fehlenden Differenzierung des Art. 14 Abs. 1 GG nach verschiedenen Eigentumsgruppen nicht 488 . Von daher besteht zwar ein umfassender grundrechtlicher Schutz, aber auf die Grundlagen beschränkt. 3. Grundrechtsabgeleitete
Steuerhöchstquote als Ausweg?
Daß über das bislang praktisch nicht relevant gewordene Verbot der erdrosselnden Wirkung von Steuern bzw. über die vorstehend aufgezeigte Unantastbarkeit der grundrechtlichen Kerngehalte hinaus eine Grenze der steuerlichen Belastung in der Nähe einer hälftigen Teilung des Ertrags zwischen privater und öffentlicher Hand verläuft, wurde vom Bundesverfassungsgericht nur in bezug auf das bereits mehrfach vorbelastete konsolidierte Vermögen auf der Grundlage von Art. 14 GG bejaht 489 . Daraus folgt nur eine partielle Begrenzung des steuerlichen Zugriffs. Zudem ist noch nicht im einzelnen geklärt, wo die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Belastungsobergrenze genau liegen soll und vor allem, bei welcher Bemessungsgrundlage sie eingreifen soll 4 9 0 . Diese zweite Frage wirkt auf die nach der genauen Belastungsgrenze unweigerlich zurück 491 und bestimmt daher wesentlich die Wirksamkeit des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Halbteilungsgrundsatzes. Grundsätzliche Zweifel erweckt die Ableitung einer solchen absoluten Obergrenze aus Art. 14 GG für einen Steuergegenstand. Zwar hebt sich das ruhende Vermögen von anderen Steuergegenständen dadurch ab, daß es in der Regel 485
Darauf hebt etwa BVerwGE 96, 272 (288) ab. Siehe Erichsen, Jura 1995,47 (49). 487 Siehe bezogen auf Art. 6 Abs. 1 GG BVerfGE 93,121 (142). 488 Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93, 149 (155); vgl. aber Kirchhof, insbes. JZ 1979, 153 (156); WDStRL 39 (1981), 213 (226 ff.); krit. zu diesem Tipke, Die Steuerrechtsordnung Π, S. 530 ff. 489 BVerfGE 93,121 (3. Leitsatz, 138); zustimmend Leisner, NJW 1995,2591 (2594); insoweit Art. 14 GG nicht als tragfähig ansehend Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (157); krit. auch Arndt/Schumacher, NJW 1995, 2603 (2604). W. N. bei Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 101 Fn. 73. 490 Brutto-Einnahmen oder Netto-Größe? Für letztere bei Annahme einer steuerbegrenzenden Wirkung von Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG etwa Tipke, MDR 1995, 1177 (1179), der den Ansatz des BVerfG allerdings ablehnt. Zum Diskussionsstand Felix, NJW 1997, 304 (305) m.w.N. 491 Siehe die Beispielsrechnungen von Wagner/Hör, DB 1996, 585 (588). 486
158
Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
aus bereits versteuertem Einkommen gebildet wurde 492 . Dieser Umstand mag rechtspolitisch eine geringere Belastung dieses Zugriffsgegenstandes auch hinsichtlich des aus ihm fließenden Ertrags angezeigt erscheinen lassen, um den vielfach zur Altersversorgung oder sonstigen persönlichen Absicherung aufgebauten Vermögensstamm vor einer inflationären Entwertung zu schützen. Er ändert aber nichts daran, daß das Eigentum durch Art. 14 GG ohne Differenzierung nach der Herkunft durch einheitliche Maßstäbe geschützt ist 4 9 3 . Betrachtet man daher das Eigentum unabhängig von der Herkunftsart als einheitlich vor Steuern geschützt, so fragt sich, ob generell die steuerliche Belastung 50 v.H. nicht wesentlich überschreiten darf 494 . In das Art. 14 GG zugrundeliegende System eingebettet bedeutete dies, daß die in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG grundsätzlich gewährleistete Privatnützigkeit und eigene Verfügungsgewalt nicht durch die in Art. 14 Abs. 2 GG vorgegebene Gemeinwohlbindung überlagert werden dürfte. Aus dem Wörtchen „zugleich" in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG könnte man schließen, das Maß der Gemeinwohlbindung dürfe die verbliebene Privatnützigkeit nicht übersteigen 495. Das Wort „zugleich" im Sinne von „zu gleichen Teilen" auszulegen erforderte indes grundsätzlich stets eine hälftige Teilung, ließe also prinzipiell auch eine geringere Partizipation des Staates nicht zu 4 9 6 , machte mithin auch ein Abweichen nach unten rechtfertigungspflichtig. Eine solche Interpretation widerspricht überdies dem allgemeinen Sprachgebrauch, der „zugleich" eher mit „auch" gleichsetzt. Daraus folgt nur, daß der Gebrauch des Eigentums nicht ausschließlich dem Wohle der Allgemeinheit dienen darf. Zudem bezeichnen Art. 14 Abs. 1 und 2 GG nur die beiden das Eigentumsrecht charakerisierenden Komponenten, ohne das ihnen im Einzelfall zukommende Gewicht näher zu bestimmen. Diese Festlegung obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers. Er muß nur den Kernbestand des Eigentumsrechts, aber auch seine Pflichtigkeit 497 wahren und beide Elemente verhältnismäßig zuordnen. Das richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und kann sich je nach dem belasteten Steuergegenstand und dem Grund der Inanspruchnahme unterschiedlich darstellen 498. Daher ergibt sich eine über das Erdrosselungsverbot 492
BVerfGE 93,121 (137). Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (155). 494 Kirchhof, StuW 1996, 3 (6) bezieht das „zugleich" auf jede Steuer. Auch Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 223: Halbteilungsgrundsatz hat alle Steuern im Blickfeld. Für einheitliche Grenzen auch Arndt/Schumacher, NJW 1995,2603 (2605). 495 Andeutungsweise BVerfGE 93, 121 (138); deutlich Leisner, NJW 1995, 2591 (2594); Kirchhof, StuW 1996,3 (6): „zugleich" als Wertbegriff. 496 Ebenso Tipke, MDR 1995,1177 (1179 Fn. 11). 497 Dazu oben Teil Π § 5 C.V. 498 Auch BVerfGE 93,121 (138), aber beschränkt auf besondere Voraussetzungen, etwa staatliche Ausnahmelagen. 493
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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bzw. den Kernbereichsschutz hinausgehende Obergrenze der Besteuerung nicht aus Art. 14 GG unmittelbar 499 , sondern höchstens durch eine Gegenüberstellung der Belange der Steuerpflichtigen mit den die Steuererhebung rechtfertigenden Gemeinwohlzwecken, mithin durch eine die Ausgabenseite einbeziehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Steuererhebung. Eine Begrenzung der Steuererhebung auf die Nähe von SO v.H. begegnet Bedenken vor allem im Hinblick auf die Wahrung der gerade im Bereich der Steuern als maßgebliche Einfallstore zur Beeinflussung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung 500 erforderlichen legislativen Gestaltungsfreiheit 501. Dem Gesetzgeber wäre es dann genommen, in einem bestimmten umweltsensiblen Bereich 502 , wie ihn die Herstellung asbesthaltiger Produkte darstellt, oder in einem sozial unerwünschten Sektor wie der Pornographie in Kenntnis möglicher Auswirkungen oder auch zu Lenkungszwecken503 einen 50 v.H. deutlich übersteigenden Steuersatz zu wählen. 4. Ausgabenbezogene Verhältnismäßigkeitskontrolle
als Alternative
Alternativ in Betracht kommt eine Verhältnismäßigkeitskontrolle, der ein konturenstarker und damit über den Finanzierungszweck hinausgehender Bezugspunkt zugrundeliegt. Eine dadurch gewonnene Begrenzung der Besteuerung setzt nicht lediglich an dem Symptom steigender Steuerlasten an, sondern an deren Wurzel, nämlich den staatlichen Ausgaben, ohne eine verbindliche Höhe vorzugeben und insoweit die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu limitieren. Aufgrund ihres tieferliegenden Ansatzpunktes und einer faßbaren Verortung führt eine solche Konzeption schon von der Anlage her zu einer schärferen Begrenzung der Besteuerung. Das eröffnet umgekehrt die Möglichkeit einer der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Tribut zollenden Flexibilität im Detail, ohne daß eine tatsächliche, nicht lediglich gleichheitsbezogene und
499
Ebenso Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (157). Siehe BVerfGE 67,256 (282); BVerwGE 96,272 (278). 501 Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93, 149 (157, 162 ff.); auch BuU, NJW 1996, 281 (282); dagegen Vogel, NJW 1996,1257 (1258); JZ 1997,161 (167) m.w.N. 502 Darauf abhebend auch Bull, NJW 1996,281 (284). 503 Ob Lenkungssteuern von den Beschlüssen des BVerfG vom 22.6.1995 zum Einheitswert für Grundstücke erfaßt werden, geht aus ihnen nicht eindeutig hevor. Die beurteilten Steuern steUen keine interventionistischen Abgaben dar (für die Vermögensteuer BVerfGE 93,121 (148)). Allerdings gilt der als Grundlage der Grenzen der steuerlichen Belastung nahe 50 v.H. herangezogene Art. 14 Abs. 2 GG als Ausgleichsgebot zwischen privatem Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit (BVerfGE 93,121 (138)) unabhängig davon, ob eine Steuer Lenkungszwecken dient. Im Gegensatz zur Untersuchung zu Art. 3 Abs. 1 GG (siehe BVerfGE 93, 121 (148)) differenziert dementsprechend das BVerfG im Hinblick auf Art. 14 GG nicht nach dem Vorliegen eines Lenkungszwecks. 500
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
über ein Mindestmaß in Gestalt des Erdrosselungsverbots 504 bzw. der Wahrung der grundrechtlichen Kemgehalte hinausgehende Steuerbegrenzung verloren geht. Damit ist dem Staat einerseits eine sozialgestaltende Politik entsprechend Art. 20 Abs. 1 GG möglich. Jedoch wird er andererseits durch eine gesteigerte Rechtfertigungspflicht für durch Steuergelder finanzierte Ausgaben in Zügel gelegt. Diese machen ein kaum kontrollierbares Greifen nach privatem Eigentum zwecks sozialer Umverteilung bzw. unter dem Leitmotiv, eine „sich aus der Akkumulation von Vermögenswerten" ergebende „Eigendynamik" z u verhindern 505 , und damit eine Aushöhlung der in Art. 14, 15 GG aufgerichteten Eigentumsordnung 506 eben in Gestalt einer ,»Eigentümererwerbsgesellschaft" 507 unmöglich. Konzentrationsprozesse zu verhindern ist nicht Sache des Steuer-, sondern des Wettbewerbsrechts, dessen Eckpfeiler die grundrechtlich und gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Wettbewerbsfreiheit bildet. Die Problematik kann nicht etwa einseitig dahin verkürzt werden, daß „angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit und den großen Belastungen infolge der deutschen Vereinigung ... ein Ausgleichsbedarf 4 besteht 508 . Zumindest gleichgewichtig ist die Entwicklung hin zu einer immer größeren Steuer- und Abgabenlast des Bürgers aufgrund wachsender Staatsausgaben und Soziallasten 509 , die den grundrechtlich gewährleisteten Entfaltungsraum empfindlich schmälern, selbst wenn man ihn durch Steuern nur in Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sieht 510 . Von daher stellt sich ebenso dringend die Frage nach einer Begrenzung dieser Posten, die zugleich die Abgabenlast des Bürgers senkte und möglicherweise die in ihm steckenden Selbsthilfekräfte mobilisierte 511 . W i l l man trotzdem die Erreichung bestimmter als notwendig erachteter Ziele gewährleisten, bietet sich dann an Stelle einer staatlichen Umverteilung über Steuererhebung und Hilfegewährung 512 bzw. Staatshandeln mit dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand die Belegung des Verursachers mit entsprechenden Pflichten an. Aufgrund dieser Verbindung fragt sich, ob nicht aus den Grenzen der Besteuerung das Verursacherprinzip folgt: Der Bürger würde durch die Begrenzung staatlicher Aufgabenwahrnehmung und der Finanzierung von 504
Sich darauf beschränkend Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (157). Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (164). 506 Näher unten Teil Π § 10. 507 Krit Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93,149 (164). 508 Böckenförde, ebda.; auch Bull, NJW 1996,281 (284). 509 Leisner, NJW 1996,1511 ff. zu den daraus folgenden Unternehmensbelastungen. 510 Siehe Sondervotum Böckenföide, BVerfGE 93,149 (153 f.) m.w.N. Vgl. aber oben Teü Π § 1 Β. 511 Siehe vorerst Fink, in: Heinze, Neue Subsidiarität - Leitidee für eine zukünftige Sozialpolitik?, S. 157 (158 ff.) sowie näher zum Subsidiaritätsprinzip Teil Π § 9. 512 Dazu krit. Isensee, Verhandlungen 59. DJT Bd. Π, Q 35 (46). 505
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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staatlichen Abgaben entlastet, ohne daß Lücken in der staatlich gewollten Infrastruktur die Folge wären. 5. Meinungsstand Die den Sondercharakter des Steuerrechts betonende Sicht der ganz herrschenden Meinung 513 erfuhr zwar Aufweichungen durch eine stärkere Betonung der grundrechtsrelevanten Wirkungen der Steuern und der damit korrespondierenden Begrenzungen 514 sowie durch die daraus abgeleitete Forderung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung auch der einzelnen Steuerarten 515. Immer noch wird aber die Ausgabenseite für die Rechtfertigung von Steuern für unbeachtlich gehalten 516 . Dieser Ausschnitt der Frage, welche Folgen sich aus der Grundrechtsrelevanz der Besteuerung ergeben, ist - in Anknüpfung zu einem Diskussionsbeitrag von Arnims bei der 39. Staatsrechtslehrertagung immer noch weitgehend „Neuland, bei dessen" Beackern mit neuen Ansätzen „zunächst einmal mit beträchtlichem Widerstand gerechnet werden muß" 5 1 7 .
Π. Vergleichbare Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Steuern und Verhaltensgebote Eine derartige Sonderbehandlung von Steuern wäre dann gerechtfertigt, wenn diese sich in ihrer freiheitsbeeinträchtigenden Wirkung von anderen staatlichen Eingriffen unterscheiden würden. Maßgeblich ist wegen der Funktion der Grundrechte als Schutzinstrument der bürgerlichen Freiheit und ihres
513
Zu den verschiedenen Nuancen Rodi, Rechtfertigung, S. 49 ff. Insbes. P. Kirchhof, JZ 1982, 305 (307); StuW 1985, 319 (322 f.); Verhandlungen 57. DJT Bd. I, F 9; in: HStR IV, § 88 Rn. 84,95; Ossenbühl, in: Rüthers/Stern, Freiheit und Verantwortung im Verfassungsstaat, S. 321 ff.; auch etwa bereits BVerfGE 6, 55 (77 ff.); 13, 181 (187 ff.); 31, 8 (26 ff.); 47,1 (21 ff.); 50,57 (77 ff.) und nunmehr BVerfGE 93,121 (137 f.). 515 Rodi, Rechtfertigung, S. 155,161 ff. vgl. auch BVerfGE 93,121 (134 f.). 516 P. Kirchhof, JZ 1982, 305 (309); ders., StuW 1985, 319 (322); Ossenbühl, in: Rüthers/ Stern, Freiheit und Verantwortung im Verfassungsstaat?, S. 322; Rodi, Rechtfertigung, S. 190 f.; anders aber von Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (311); auch Schmidt-Jortzig, WDStRL 39 (1981), 413 - Diskussionsbeitrag. Vgl. BVerfGE 67, 26 (37), aber wegen eines unmittelbaren Unterlassungsbegehrens hinsichtlich der Verwendung, nicht der Abgabenzahlung. Mit anderem Ansatz (Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG) einen Durchgriff auf die Steuerverwendung bejahend Tiedemann, DStR 1986, 823 f.; ders., DStZ 1986, 457 (457); ders, StuW 1988, 69 ff. m.N. zur insoweit ablehnenden ganz h.M.; dies abl. auch BVerfG, Beschluß vom 9.10.1986 - 1 BvR 1013/86 - unveröffentlicht; BFH, BStBl. Π 1992, 303 (304) und etwa FG Baden-Württemberg, BB 1985,1425. 517 von Arnim, WDStRL 39 (1981), 417. 514
11 Frenz
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entsprechenden Bezugs auf den einzelnen 518 die Sicht des Bürgers als Berechtigtem. Dem Bürger wird Geld entzogen, unabhängig davon, ob er dieses zur Befolgung eines Verhaltensgebotes, etwa einen Katalysator einzubauen, aufwenden oder als Steuer z.B. auf Kraftfahrzeuge an den Staat entrichten muß. Allerdings obliegt ihm im ersten Fall eine Verhaltenspflicht, während er sich im zweiten Fall mit einer bloßen Geldleistung von einer staatlichen Forderung befreien kann. Indes läßt sich auch der Einbau eines Katalysators in einen Geldwert umrechnen. Aufgrund der Höhe der Belastung und der ohnehin damit regelmäßig verbundenen Werkstattbesuche, mithin der Ausführung durch andere, liegt im Entzug von Geld auch der Schwerpunkt eines solchen Verhaltensgebotes. Die Steuer beschränkt sich zwar von der geforderten Leistung her auf den Entzug von Geld. Dieser Einschnitt kann aber für den einzelnen dann, wenn er über wenig Geld verfügt, wesentlich gravierendere Folgen haben als die Auferlegung von Verhaltenspflichten. Weitergehend können Steuern einen gezielt lenkenden Charakter besitzen 519 . Das gilt etwa für eine emissionsbezogen berechnete Kraftfahrzeugsteuer 520. Sie bildet einen Anreiz für den Kauf schadstoffarmer Autos und den Einbau von Katalysatoren, hat also insoweit denselben, wenn auch indirekt erzielten Effekt wie ein entsprechendes Verhaltensgebot. Für diesen Fall wird daher zu Recht eine Verhältnismäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die lenkenden Wirkungen bejaht 521 . Diese Lenkungswirkungen beruhen aber auf Geldleistungen. Somit ist insoweit die (verhaltensändernde) Höhe der Geldleistung im Verhältnis zu dem angestrebten Lenkungszweck auf ihre Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zu überprüfen. Die verhaltensbeeinflussenden Wirkungen von Steuern bleiben aber nicht auf den Fall beschränkt, daß der Steuergesetzgeber solche beabsichtigt. Vielmehr haben Steuern regelmäßig Auswirkungen auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Gegebenheiten und somit auf das Verhalten der Steuerzahler 522. Wie sehr diese ihr Verhalten nach Steuergesichtspunkten unabhängig von beabsichtigten Lenkungswirkungen ausrichten, zeigen Phänomene wie die Kapitalflucht nach Luxemburg 523 und die Entwicklung des Wohnungsbaus auch entsprechend der
518 Deutlich BVerfGE 61, 82 (100 f.). Dieser Bezug muß auch bei einer Ausdehnung der Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts erhalten bleiben, Frenz, VerwArch. 85 (1995), 22 (35 f.). 519 Die Zulässigkeit von Lenkungssteuern ist mittlerweile anerkannt, BVerfGE 67, 256 (282); BVerwGE 96,272 (278) m.w.N. 520 Dazu Rodi, Umweltsteuern, S. 104 ff. 521 Siehe oben Teil Π § I B . 522 BVerfGE 67,256 (282); BVerwGE 96,272 (278). 523 Die als solche nicht gegen geltendes Recht verstößt.
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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Besteuerung der Mieteinnahmen sowie der Substanz524 deutlich. Insoweit haben Steuern wie Verhaltensgebote verhaltensändernde Wirkungen. Das Steuerrecht darf daher auch außerhalb des (gezielt) lenkenden Bereichs „nicht zu einer Sphäre geminderten" individuellen „Schutzes (gewissermaßen 'zum Ozonloch des Rechtsstaates') verkommen" 525 . Kann durch Steuern die Freiheitssphäre des Bürgers ebenso intensiv wie durch Verhaltensgebote beeinträchtigt werden, muß der Schutz ihnen gegenüber ebenso intensiv sein. Verhaltensgebote werden aber nicht nur in Relation zu der gegebenen Verhaltenssteuerung als solcher gesetzt, sondern auf ihre Vereinbarkeit im Hinblick auf einen konkreten Zweck geprüft. Selbst eine geringe Verhaltensprägung kann unverhältnismäßig sein, wenn der konkret verfolgte Zweck als noch geringfügiger einzustufen ist. Daher sind auch Steuern nicht bereits dann verhältnismäßig, wenn sie lediglich zu Finanzierungszwecken erhoben werden. Dann wäre die Verhältnismäßigkeitsprüfung als das effektivste Schutzinstrumentarium der Freiheitssicherung ohne praktischen Schutzwert 526 . Bei anderen Abgabentypen findet demgegenüber eine Überprüfung im Hinblick auf einen konkreten Zweck statt. Gebühren müssen - entsprechend dem aus dem Übermaßverbot ableitbaren Äquivalenzprinzip und damit auch ohne gesetzliche Festlegung527 - in einem angemessen Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen528. Die finanzielle Belastung des Bürgers aber kann gleich sein, wenn er Autobahnbenutzungsgebühren bezahlen oder eine höhere Kraftfahrzeugsteuer entrichten muß. Daher ist ein gleichwertiger Schutz geboten.
ΠΙ. Keine Abkoppelung von Besteuerung und zu finanzierenden Staatsaufgaben aus dem Erhebungszweck der Steuer Allerdings werden Gebühren für eine individuell zurechenbare Staatsleistung erhoben 529 , Steuern hingegen für den allgemeinen Finanzierungsbedarf des 524
Der jetztfreilich BVerfGE 93,121 (137) einen Riegel vorgeschoben hat Vgl. aber oben § 7 A.L2. Vogel, in: HStR IV § 87 Rn. 88. 526 Von Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (312); auch Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 76 ff.; F. Kirchhof, WDStRL 52 (1993), 71 (88). 527 Erichsen, Kommunalrecht NW, S. 154; ders., Jura 1995, 47 (49); Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 119 ff.; Frenz, Verwirklichung, S. 126; Dahmen, in: Driehaus, KAG, § 4 Rn. 48 m.w.N. Unentschlossen BVerfGE 50, 217 (227); abl. BVerfGE 12, 162 (164 ff.); F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 100 f.; ders., DVBl. 1987,554 (559); Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (252 f., 255). 528 BVerwGE 2,246 (249); 70,90 (91); st. Rspr. 529 Etwa BVerfGE 50, 217 (226); BVerfGE 91, 207 (223); insoweit übereinstimmend auch Vogel, in: Festschrift für Geiger zum 80. Geburtstag, S. 518 ff., bes. S. 533, 536 m.w.N. 525
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Staates. Deshalb existiert möglicherweise kein konkreter Zweck, der in einer Verhältnismäßigkeitsprüfüng der Belastung des einzelnen durch Steuern gegenübergestellt werden könnte. Indes wird vielfach auch das Aufkommen von Steuern zulässigerweise 530 für konkrete Zwecke eingesetzt. Es fragt sich aber, inwieweit aus der Erhebung für den allgemeinen Finanzbedarf eine Abkoppelung der Besteuerung und der zu finanzierenden Staatsaufgaben folgt. Selbstverständlich ist eine solche Durchtrennung nicht. So kam in den Verfassungen der Teilstaaten der Vereinigten Staaten der Zusammenhang zwischen der Besteuerung und den zu finanzierenden Staatsaufgaben deutlich zum Ausdruck. So heißt es in der Constitution of Pennsylvania vom 28.9.1776 531 : „No public tax, custom or contribution shall be imposed upon or paid by the people of this state, except by a law for that purpose: And before any tax be made for raising it, the purpose for which any tax is to be raised ought to appear clearly to the legislature to be of more service to the community than the money would be i f not collected; which being well observed, taxes can never be burthens." Das ist indes nur der Ausgangspunkt einer längeren Entwicklung, die daher, wenn auch in der gebotenen Knappheit, weiterzuverfolgen ist 5 3 2 . Demgegenüber kam in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26.8.1789, die den Bruch mit dem Privilegiensystem des Ancien Régime vollzog, nur der Aspekt der gleichmäßigen Belastung aller zum Vorschein 533 : ,,Für die Unterhaltung der öffentlichen Macht und für die Kosten der Verwaltung ist ein gemeinsamer Beitrag unerläßlich; dieser soll unter alle Bürger des Staates im Verhältnis ihres Vermögens verteilt werden." 534 Die Steuerpflicht war dann in der Direktorialverfassung vom 22.8.1795 Teil des bereits genannten systematischen Katalogs von Rechten und Pflichten 535 . I m preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 war die Pflicht zur Steuerzahlung ebenfalls Teil des von Svarez entworfenen Systems wechselseitiger Pflichten des Untertanen und des Regenten536. Im 19. Jahrhundert wich die Funktion der Grundpflichten als Element zur Erhaltung des Staates einer Überbetonung der Untertaneneigenschaft, auf die sie gegründet wurden. Bei ihnen stand aber wiederum die Verpflichtung aller und insoweit die Gleichheit im
530 BVerfGE 49, 343 (353); 65, 325 (344), sofern der Zweck nicht auf bestimmte Personen bezogen ist, so daß eine Gegenleistung vorliegt; vgl. auch BVerfGE 93,319 (348). 531 Sect 41. 532 Von Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (288 Fn. 7) verweist dagegen nur auf die genannte Verfassung von Pennsylvania. 533 Vgl. de Tocqueville, L'Ancien Régime et la Révolution, S. 114. 534 Art. 13, zit. nach der Übersetzung bei Hartung/Commichau, Die Entwicklung der Menschen· und Bürgerrechte von 1776 bis zur Gegenwart, S. 55 (59). 535 Siehe oben Teil Π § 5 C.I. 536 Näher Isensee, DÖV 1982, 609 (609).
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Vordergrund 537 . Diese war allerdings, durchbrochen „von besonderen Rechten und Vorzügen" 538 , nur formal verwirklicht 539 . Diese Privilegien zu beseitigen war denn auch Anliegen der Frankfurter Paulskirchenverfassung, die freilich die Idee der Grundpflichten zurücktreten ließ 540 . Die Gleichheit stand auch in Art. 134 WRV im Vordergrund 541 , ohne daß die Finanzierung von Staatsaufgaben zum Ausdruck kam: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei." Das Grundgesetz beschränkt sich bezüglich Steuern auf die Regelungen der Finanzverfassung 542. Dieser kurze historische Aufriß zeigt, daß die gegenseitige Bedingtheit von Steuern der Bürger und staatlichen Aufgaben im Laufe der Entwicklung verlorenging. Das bedeutet aber nicht, daß unter der Ordnung des Grundgesetzes der Staat seine Aufgaben nicht auch auf den Bürger auszurichten hätte. Vielmehr zeigt die Stellung der Grundrechte an der Spitze des Grundgesetzes die primäre Ausrichtung des Staatshandelns auch in seiner Zielrichtung auf die Wahrung und Sicherung der darin gewährleisteten Güter 543 . Art. 1 Abs. 1 GG macht den Menschen zum Ausgangspunkt des Grundgesetzes. Ist daraus aufgrund des spezifischen Gehalts der einzelnen Grundrechte auch keine geschlossene, einheitlich auf Art. 1 GG bezogene Weitordnung abzuleiten 544 , so zeigt dies doch, daß alles staatliche Handeln auf den Menschen bezogen sein muß. Die Verfassungsbindung aller Staatgewalt ist umfassend und bezieht sich daher ebenfalls auf im Grundrechtsteil zum Ausdruck kommende Zielvorgaben. Ist auch das Staatshandeln dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet, muß es daher letztlich dem einzelnen zugute kommen, auch wenn sich das auf die Gesamtheit der einzelnen als Würdeträger und Grundrechtssubjekte bezieht und für manche Bürger Freiheitseinschränkungen mit sich bringt. Das Handeln zum Wohl der Allgemeinheit schafft die Rahmenbedingungen wie äußere und innere Sicherheit, in denen Freiheitsentfaltung erst möglich ist 5 4 5 . Somit ist letztlich alles Staatshandeln auf den Bürger bezogen. Nur der 537
Badura, DVBl. 1982, 861 (864). So die Überschrift zu Titel V der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26.5.1818, abgedr. bei E.R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 155. 539 Von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, S. 119 ff., bes. S. 124 ff.; siehe auch Scheuner, in: Birtsch, Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, S. 376 (395 f.). 540 Siehe oben Teil Π § 5 C.I. 541 Anschütz, WRV, Art. 134 Erl. 2; Bühler, in: Nipperdey, die Grundrechte und Grundpflichten der Weimarer Reichsverfassung, Bd. 2, S. 313 ff.; Hensel, VJSchrStFR 4 (1930), 441 ff. 542 Siehe oben Teil Π §5 Α. 543 Bethge, DVBl. 1989, 842 (843); Brugger, NJW 1989, 2425 (2433); Link, WDStRL 48 (1990), 7 (46); vgl. auch Ress, WDStRL 48 (1990), 56 (110 f.). 544 Siehe oben Teil Π § 4 A.I.1 b). 545 Dazu Isensee, in: HStR V, § 116. 538
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Grund liegt nicht mehr in der Konnexität der Leistungen des Bürgers und der des Staates, sondern in der Verfassungsbindung aller staatlichen Gewalt und ihrer Bezogenheit auf den Bürger. Dieser Ansatz steht daher nicht in der Tradition des Äquivalenzprinzips 546 oder in Verbindung zu ihm. Ist somit das Handeln des Staates in der aufgezeigten Richtung vorgegeben, bestimmt diese Ausrichtung auch die Verwendung der eingenommenen Steuergelder. Diese haben daher im weiteren Sinne immer noch dem Bürger zugute zu kommen. Somit hat die Steuererhebung einen über die Erhebung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs hinausgehenden Zweck, der jedenfalls mittelbar dem einzelnen nützt. Dieser Zweck läßt sich aufspalten in zahlreiche verschiedene Aufgaben.
IV. Finanzverfassungsrechtlicher Zusammenhang von Einnahmen und Ausgaben Allerdings sind Steuern jedenfalls rechtlich nicht einem besonderen Zweck zugeordnet 547. Dieses Non-Affektationsprinzip ist in § 7 S. 1 HGrG, § 8 S. 1 BHO sowie den entsprechenden Vorschriften der Haushaltsordnungen der Länder ausdrücklich festgeschrieben 548. Indes ist der allgemeine Finanzbedarf nicht ein unbestimmtes Etwas, sondern er setzt sich zusammen aus einer Vielzahl von einzelnen Ausgaben, für die die Steuern verwendet werden. 1. Art 110 Abs. 1 GG Diese Ausgaben sind ermittelbar aus dem Haushaltsplan. Dieser ist gem. Art. 110 Abs. 1 GG für alle Einnahmen und Ausgaben aufzustellen und muß ausgeglichen sein. Ist dieses Ausgleichsgebot auch formalisiert, so kann sich der Haushaltsgesetzgeber doch nicht über die materiellen Bindungen des Finanzverfassungsrechts insbesondere in Gestalt von Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG hinwegsetzen, um dieses Ausgleichsgebot zu wahren 549 . Wenn auch der Haushaltsplan bzw. das diesen gem. Art. 110 Abs. 2 GG feststellende Haushaltsgesetz die Einnahmen und Ausgaben des Staates nur formell zusammenfaßt und gegenüberstellt, sind sie doch Ausdruck der Bedingtheit aller Ausgaben durch die Einnahmen 550 . Da der Haushaltsplan die Ermächtigung zur
546 Zu dieser Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, S. 21 f.; Rodi, Rechtfertigung, S. 13 ff., 22 ff. m.N. Siehe noch BVerfGE 19,101 (112); 21 160 (168); 26,1 (11) für die Gewerbesteuer. 547 Insbesondere darauf verweist die herrschende Meinung, etwa Vogel, in: HStR IV § 87 Rn. 102. 548 Näher Kisker, in: HStR IV, § 89 Rn. 77. 549 Siehe oben Teil Π §6 Β. 550 Siehe oben Teil Π § 6 Β.
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Tätigung von Staatsausgaben darstellt 551 , begrenzen somit die Einnahmen den Spielraum für die Erfüllung ausgabenwirksamer Staatsaufgaben. Umgekehrt stellen sich die Staatsaufgaben als Ausgaben dar, die durch Einnahmen gedeckt werden müssen552. Ausgaben außerhalb des Haushaltsplans etwa auf der Basis von Sonderabgaben sind nur sehr begrenzt möglich, um unter anderem eine Umgehung der parlamentarischen Haushaltsgesetzgebung zu vermeiden 553 . Aufgrund des Ausgleichsgebots des Art. 110 Abs. 1 GG sind daher die Einnahmen die Voraussetzung für staatliche Ausgaben. Je höher die staatlichen Ausgaben ausfallen, um so höher müssen auch die Einnahmen und damit die Steuern sein, da Kredite als Ausgleichsposten gem. Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG nur sehr begrenzt zulässig sind 554 . Von daher sind Ausgaben für Staatausgaben und Steuern untrennbar miteinander verquickt. Allerdings stellt der Haushaltsplan ein differenziertes Gefüge von Einnahmen- und Ausgabenposten als Ergebnis einer politischen Gesamtentscheidung dar 555 . Das bedeutet einerseits, daß der einzelne Ausgabenposten in diese Gesamtentscheidung eingebunden und damit in Zusammenhang mit anderen Ausgaben zu sehen ist 5 5 6 . Daraus folgt aber andererseits, daß auch alle Einnahmen in diese Gesamtentscheidung einbezogen werden. Alle Einnahmen dienen als Deckungsmittel für alle Ausgaben 557 . Jede Einnahme kann mithin für jede Ausgabe verwendet werden. Von daher steht jede Einnahme jedenfalls potentiell im Zusammenhang mit jeder Ausgabe. Somit kann jede Steuerquelle ins Verhältnis gesetzt werden zu jeder einzelnen wahrgenommenen ausgabenträchtigen Staatsaufgabe. Steuergesetzgebungs- und Ausgabengewalt sind freilich im Grundgesetz getrennt geregelt. Es weist erstere in Art. 105 GG vor allem dem Bund und letztere gem. Art. 70 ff. GG jedenfalls vom Ansatz her 558 in erster Linie den Ländern zu 5 5 9 und unterscheidet auch zwischen Steuer- und Haushaltsgesetzgebung560. Indes treffen im Haushaltsplan die Einnahmen und Ausgaben zusammen, und zwar nicht zwingend daran gekoppelt, auf welcher Ebene sie anfallen. Die den Ländern grundgesetzlich zugewiesenen Steuern bilden bei diesen Einnahme-
551
Siehe oben Teil Π § 6 B. a.E. BVerfGE 79,311 (329). 553 BVerfGE 91,186 (202); 92,91 (113). 554 Siehe oben Teil Π § 6 C. 555 BVerfGE 79,311 (340). 556 Siehe BVerfGE 79,311 (340). 557 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 110 Rn. 21. 558 Zur tatsächlichen Entwicklung Brenner, DÖV 1992,903 (906 ff.). 559 Darauf verweisen P. Kirchhof, WDStRL 39 (1981), 401; Wilke, WDStRL 39 (1981), 404 - Diskussionsbeiträge. 560 P. Kirchhof, ebda. 552
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posten, auch wenn sie bundesrechtlich geregelt werden, und tragen zur Dekkung von Ausgaben bei. Der Haushaltsplan ist Hilfsmittel zur finanziellen Umsetzung der getroffenen politischen Leitentscheidungen und damit Ausfluß der in Art. 20 Abs. 2 GG den politischen Repräsentationsorganen zugewiesenen Gestaltungsfreiheit. Dieser setzt die Verfassung an sich nur einen Rahmen, soweit nicht Rechtsoder Freiheitsbereiche angetastet werden 561 . Jedoch auch wenn Staatshandeln nicht in individuelle Rechts- oder Freiheitsbereiche eingreift, aber Ausgaben mit sich bringt, so beeinträchtigen die dafür notwendigen Einnahmen den Freiheitsbereich der Steuerpflichtigen. Und an diesem endet die lediglich rahmensetzende Funktion der Verfassung. Ursache dieser Beeinträchtigung sind die Staatsausgaben. Allerdings wirken sich diese Ausgaben nur mittelbar auf die Freiheitssphäre der Steuerpflichtigen aus. Dazwischengeschaltet ist die legislative Entscheidung, wie die für die Deckung der Ausgaben notwendigen Einnahmen verteilt werden, welche Personen also wie hoch belastet werden. Gleichwohl bedeutet es eine Entlastung für den Staatshaushalt und damit für die Steuerpflichtigen, wenn ein bestimmter Ausgabenposten wegfällt und damit nicht mehr aufgrund des haushaltsrechtlichen Ausgleichsgebots des Art. 110 GG durch Einnahmen gedeckt werden muß. Bereits auf diesen Ansatz im Haushaltsplan sind die Einnahmen bezogen, so daß nicht erst abgewartet werden muß, bis die Ausgaben tatsächlich getätigt werden. Als Ursache der Steuererhebung sind die (geplanten) Staatsausgaben daher bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Belastung einzubeziehen. Eine andere Frage ist eine Herabsetzung der Prüfungsdichte aufgrund der nur vorgelagerten und indirekten Bedeutung der Staatsausgaben für die Steuerbelastung des Bürgers 562 . 2. Art. 115 Abs. IS. 2 GG Die Einnahmen aus Krediten stehen gem. Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG im Zusammenhang mit Ausgaben. Sie sind gem. Art. 115 Abs. 1 S. 2 HS. 1 GG bei einer gesamtwirtschaftlichen Normallage insoweit zulässig, als sie der Höhe der investiven Ausgaben, also solchen mit zukunftsbegünstigendem Charakter 5 6 3 , entsprechen. Ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört, dürfen Kredite gem. Art. 115 Abs. 1 S. 2 HS. 2 GG zur Abwehr einer solchen Störung aufgenommen werden, mithin für Ausgaben, die auf die Abwehr dieser Störung final bezogen sind 564 . 561 562 563 564
BVerfGE 79, 311 (342); vgl. auch BVerfGE 72, 330 (388 ff.). Siehe § 7 A.V. BVerfGE 79,311(334). BVerfGE 79,311 (339).
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Art. 115 GG bezieht sich auf den Fall der Einnahmen durch Kredite, nicht durch Steuern. Daraus e contrario für die Verwendung von Steuern mangels einer Regelung in der Finanzverfassung keine Grenzen anzunehmen verbietet sich aufgrund der in den parlamentarischen Beratungen 565 wie auch im Normtext selbst deutlich werdenden besonderen Bezogenheit des A r t 115 GG auf A r t 109 GG. Trotz seines besonderen Bezugs ist aber A r t 115 GG neben anderen ein Beispiel für die gegenseitige Bezogenheit von Einnahmen und Ausgaben in der Finanzverfassung und läßt es daher jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, sondern legt es im Gegenteil wegen der Behandlung der Einnahmeerhebung nahe, daß in die Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit die Ausgabenseite einbezogen wird. 3. Art,. 106 Abs. 3 S. 4 GG Im Grundgesetz finden sich noch weitere Hinweise, die Einnahmen und Ausgaben in einen untrennbaren Zusammenhang stellen. In Art. 106 GG, der die Verteilung des Steueraufkommens regelt, fließt die Ausgabenseite in Abs. 3 S. 4 Nr. 1 als Verteilungsgrundsatz mit ein. Nach der folgenden Nr. 2 sind „die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder ... so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden ... wird." In dieser Nebeneinander- und Gleichstellung des untereinander auszugleichenden Finanzierungsbedarfs von Bund und Ländern und der Belastung der Steuerpflichtigen drückt sich die untrennbare Verquikkung und gleichgewichtige Bedeutung beider Komponenten aus 566 . Ist Regelungsgegenstand von Art. 106 Abs. 3 GG auch die Verteilung des Steueraufkommens, so zeigt die Vorgabe einer Abstimmung der Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder in Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 und auch Nr. 1 GG den Bezug zur Ausgabenseite auf 567 . Die Deckungsbedürfnisse aufeinander abzustimmen bedeutet, die Finanzierungsspielräume der einzelnen Hoheitsebenen entsprechend der relativen Bedeutung und Dringlichkeit 568 der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben auszutarieren 569. Die sich aus der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesamtentwicklung ergebenden Rahmenbedingungen für die öffentliche Haushaltsführung sollen unter gleichmäßiger Verteilung der sich daraus ergebenden Chancen und Zwänge derart in die Verteilung Eingang finden, daß keine der beiden bundesstaatlichen Ebenen gezwungen sein soll, ihre Ausgaben zu einem 565
Siehe BT-Drucks. V/3605, S. 13 f. Vgl. auch Spannowsky, DVBl. 1994,560 (565). 567 BVerfGE 72,330 (384). 568 Näher Birk, in: AK-GG, Art. 106 Rn. 31. Zur weitgehenden Offenheit dieser Kriterien Wendt, in: HStR IV, § 104 Rn. 58 ff.; siehe auch BMF, Maßstäbe und Verfahren zur Verteilung der Umsatzsteuer nach Art. 106 Abs. 4 S. 1, Leitsätze 3,10-28, S. 64 ff. 569 Haller, FinArch. 27 (1968), 249 (252). 566
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wesentlich höheren Teil mit Krediten oder Einnahmeanhebungen als der andere Teil zu finanzieren. Die Relation zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen soll annähernd gleich sein. Dadurch wird auch eine Überlastung der Steuerpflichtigen auf einer Hoheitsebene vermieden 570 . Letztlich ist die Steuerverteilung in Art. 106 Abs. 3 GG somit ein Balanceakt zwischen vorhandenen und erschließbaren Einnahmen einerseits und den bestehenden Ausgabenbedürfnissen andererseits. Sie erweist damit den untrennbaren Zusammenhang zwischen Steuereinnahmen und Ausgaben. Daß gem. Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG eine Überlastung der Steuerpflichtigen vermieden werden soll, bildet zwar im Hinblick darauf, daß auch aus Kompetenzvorschriften materielle Grundsätze gewonnen werden können 571 , eine allgemeine Richtschnur und einen Verfassungsauftrag 572. Dieser ist aber nicht spezifisch auf die Freiheitssicherung bezogen und daher nicht individualrechtlich aktivierbar 573 . Er ist zudem nicht so ausdifferenziert wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der damit nicht entbehrlich wird 5 7 4 . Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG vermag selbst die Steuerlast nicht unmittelbar zu begrenzen und auch keine staatlichen Alternativen etwa in Gestalt einer Inanspruchnahme der Verursacher vorzugeben. Er kann aber die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Steuerlast durch ihre Verbindung mit Deckungsbedürfnissen und damit mit Ausgaben inhaltlich prägen. 4. Art. 107 Abs. 2 GG Vergleichbar zu Art. 106 GG betrifft auch Art. 107 GG die Verteilung der staatlichen Einnahmen. Durch die gem. Art. 107 Abs. 2 S. 1 HS. 2 GG notwendige Einbeziehung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden wird der Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben angedeutet. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG sieht die Möglichkeit von Ergänzungszuweisungen aus Bundesmitteln zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs schwacher Länder vor. Insoweit werden vorhandene Steuereinnahmen und Ausgabenbedürfnisse in Bezug zueinander gesetzt. Unmittelbare rechtliche Folge daraus ist, daß die Finanzzuweisungen durch die vorhandenen Mittel begrenzt sind. Durch sie darf nicht die Fähigkeit des Bundes und auch der anderen Länder zur Erfüllung der ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben in Frage gestellt werden. Wenn das vorhandene Finanzvolumen nicht für Ergänzungszuweisungen und
570
Fischer-Menshausen, in: von Münch, GGK m, Art. 106 Rn. 6,25. Herzog, WDStRL 39 (1981), 390 - Diskussionsbeitrag. 572 Kloepfer, WDStRL 39 (1981), 407- Diskussionsbeitrag. 573 P. Kirchhof, WDStRL 39 (1981), 402 - Diskussionsbeitrag, auch unter Verweis auf die Entstehungsheschichte; anders Klopefer, WDStRL 39 (1981), 407 - Diskussionsbeitrag. 574 Anders Erdmann, DVB1. 1986,659 (665). 571
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damit für die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs leistungsschwacher Länder ausreicht, bleiben nur eine größere Sparsamkeit oder eine Erhöhung der Einnahmen 575 . J. Berücksichtigungsfähigkeit der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für die VerMltnismäßigkeitsprüfung a) Allgemein Dieser im Grundgesetz deutlich werdende untrennbare Zusammenhang zwischen Steuereinnahmen und deren Verwendung entspricht der praktischen Entwicklung, daß die finanziellen Spielräume in den Haushalten des Bundes und der Länder so eng sind, daß Mehrausgaben, die nicht durch Einsparungen finanziert werden können, durch die Neuerschließung oder Erhöhung einer bestimmten Einnahmequelle abgedeckt werden müssen. So werden die hohen Aufwendungen im Rahmen der Wiedervereinigung durch den Solidaritätszuschlag finanziert. Bei finanzpolitischen Überlegungen werden regelmäßig Einnahmen- und Ausgabenseite zusammen betrachtet. Daraus ergibt sich indes nicht notwendig die Berücksichtigungsfähigkeit der analysierten Anhaltspunkte aus der Finanzverfassung für die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese könnte daran scheitern, daß Aspekte nur auf die staatliche Haushaltswirtschaft bezogen und ohne Verbindung zur Sicherung der Grundrechte wären. Was die Finanzverfassung allgemein anbelangt, hat diese eine bundesstaatliche und eine die Rechte des Parlaments sichernde Bedeutung576. Weiter ist anerkannt: „Indem die Kompetenzzuweisungen der Gestaltungsmöglichkeit des Gesetzgebers Schranken ziehen, schützen sie zugleich die Regelungsunterworfenen vor weitergehenden bzw. andersartigen Eingriffen. ... Verfassungsrechtliche Zuständigkeitsordnung und grundrechtlich gesicherte Freiheit bilden - auch unter dem übergreifenden Prinzip der Einheit der Verfassung - ein untrennbares Ganzes."577 Gerade diese letzte Funktion kann nicht auf die Begrenzung von Sonderabgaben beschränkt werden, zu welchem Zweck ihr bislang maßgebliche Bedeutung zugemessen wurde 578 . Eine finanzielle Belastung geht nicht nur von Sonderabgaben aus, sondern auch und gerade von den den Regelfall staatlicher Einnahmenerzielung bildenden Steuern, auf die sich die Finanzverfassung in erster Linie und ausdrücklich bezieht. 575
BVerfGE 86,148 (269 f.). BVerfGE 92,91 (113); 91,186 (202); 55, 274 (300 ff.). 577 Friauf, in: Festschrift für Haubrichs, S. 103 (107 f.) m.w.N. 578 Gerade von Friauf, wie zuvor. Vgl. die in der vorletzten Fn. angeführten BVerfG-Entscheidungen. 576
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Art. 110 Abs. 1, 115 Abs. 1, 106 Abs. 3 S. 4 und 107 Abs. 2 GG stellen allerdings keine Zuständigkeitsregelungen dar, sondern betreffen die staatliche Haushaltswirtschaft. Deren Vorgaben vermögen jedoch zumindest aus dem Prinzip der Einheit der Verfassung heraus auch Anhaltspunkte für die Grundrechtsprüfung zu liefern. Das ist in der vorliegenden Untersuchung für die Frage des Zusammenhangs zwischen Einnahmen und Ausgaben und damit der Berücksichtigung letzterer im Rahmen der Verhältnismäßigkeitskontrolle aktuell. Ob darüber hinaus die Möglichkeit der Heranziehung der herausgearbeiteten Anhaltspunkte zusätzlich dadurch abgestützt werden kann, daß ein spezifischer Zusammenhang der untersuchten Vorschriften aus dem Recht der staatlichen Haushaltswirtschaft zur Sicherung der Grundrechte besteht, muß eine Analyse der jeweiligen Einzelbestimmung erweisen. b) Art. 110 Abs. 1 GG Daß in den Haushaltsplan gem. Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG alle Einnahmen und Ausgaben einzustellen sind, also nicht bestimmte Einnahmen für Ausgaben für bestimmte Gruppen aus der Gesamtverteilungsmasse ausgenommen werden dürfen, begründet seine Bedeutung als Grundlage gleichheitsgerechter Belastung 579 und Verteilung, mithin der Erhebung der Einnahmen von der Gesamtheit der Steuerzahler sowie des Rückflusses an diese 580 . Dadurch daß öffentliche Ausgaben gem. Art. 110 Abs. 1 GG vollständig in den Haushaltsplan aufgenommen und damit aus dem durch Steuermittel gespeisten Haushalt finanziert werden müssen, wird zudem sichergestellt, daß alle Bürger als Financiers dieser Steuermittel die öffentlichen Bedürfnisse nach demselben Gleichheitsmaßstab mittragen 581 . Die Konzentrationswirkung des Haushaltsplans gewährleistet damit eine den Anforderungen staatsbürgerlicher Gleichheit entsprechende Verteilung der öffentlichen Lasten 582 . Sie verhindert weitergehend grundsätzlich, daß Gelder für nicht im Haushaltsplan enthaltene Ausgaben verwendet werden 583 . Diese hätte in dem sich wirtschaftlicher Betätigung grundsätzlich enthaltenden und damit auf einen Anteil an der Wirtschaftskraft seiner Einwohner angewiesenen Steuerstaat des Grundgesetzes letztlich ebenfalls der Bürger zu tragen 584 . Daher hat die Konzentrationswirkung des Haushaltsplanes auch eine die Steuererhebung begrenzende freiheitssichernde Funktion 585 : Steuern können nur für im 579
BVerfGE 91,186(202). P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88 Rn. 14; siehe bereits Forsthoff, BB 1965, 381 (388); Friauf, in: Festschrift für Jahrreiß, S. 45 (48 f., 54 f.). 581 Friauf, in: Festschrift für Jahrreiß, S. 45 (48 f.). 582 Friauf, in: Festschrift für Jahrreiß, S. 45 (49) unter Verweis auf Forsthoff, BB 1965, 381 ff. 583 Zu den Sonderabgaben etwa BVerfGE 91,186; 92,91. 584 Näher Isensee, in: Festschrift für Ipsen, S. 409 ff. 585 Siehe bereits Mußgnug, in: Festschrift für Forsthoff, S. 259 (276 ff.). 580
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Haushaltsplan eingestellte Ausgaben gefordert werden. Indem die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben den Rahmen für den zu deckenden staatlichen Finanzbedarf und infolge des Ausgleichsgebots des Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG zugleich für die zu erzielenden Steuern liefert, fallt mit der den Haushaltsplan feststellenden Entscheidung über die Ausgaben auch die politische Entscheidung über die notwendigen Staatseinnahmen und damit die zu erhebenden Steuern. Das Parlament entscheidet zusammen mit den Ausgaben, zu denen es die Exekutive ermächtigt, zugleich „über die Kontribution, die die Repräsentierten des Staates zu leisten haben." 586 Somit bindet der Haushaltsplan wegen seiner Konzentrationswirkung und aufgrund des Ausgleichsgebots mittelbar auch die Einnahmenseite587. Daraus folgt die freiheitssichernde Funktion nicht nur der Konzentrationswirkung des Haushaltsplanes, sondern auch des Ausgleichsgebotes, das einen Hinweis für eine Berücksichtigung der Ausgabenseite im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Steuererhebung liefert 588 . c) Art. 115 Abs. I S . 2 GG Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG stellt durch den grundsätzlichen Zwang zu Ausgaben mit zukunftsbegünstigendem Charakter in der Höhe der aufgenommenen Kredite sicher, daß zukünftige Steuerzahler nur in dem Maße mit der Bedienung heute aufgewandter Mittel belastet werden, in dem ihnen die daraus finanzierten Aufwendungen zugute kommen 589 . Zugleich verhindert er weitergehende Kreditaufnahmen, die verzinst und getilgt werden müssen, ohne daß durch Investitionen auf einen höheren Steuerertrag gehofft werden kann, also solche Kreditaufnahmen, die in besonderem Maße die Anlage zu späteren Steuererhöhungen in sich tragen. Zudem entziehen Kredite dem Geldmarkt Kapital und führen daher zu höheren Zinsen, was die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit einschränkt 590 und ggf. die wirtschaftliche Existenz verschuldeter Unternehmen bedroht 591 . d) Art. 106 Abs. 3 S. 4,107 Abs. 2 GG Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG zeigt den Bezug zur Höhe der Belastung der Steuerpflichtigen bereits im Wortlaut. Zwar bezieht sich diese Regelung ebenso wie Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG auf die Verteilung des Steueraufkommens. 586
Mahrenholz, in: AK-GG Π, Art. 110 Rn. 13. Mahrenholz, in: AK-GG Π, Art 110 Rn. 14; vgl. oben Teil Π § 6 B. 588 Siehe oben § 7 A.IV.l. 589 P. Kirchhof, in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33 (55); Friauf, in: HStR IV, § 91 Rn. 20. 590 Vgl. Spannowsky, DVBl. 1994,560 (565). 591 Mangels hinreichender Konkretheit der Betroffenen sind indes die Grundrechte nicht verletzt; siehe Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 320 f. 587
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
Ein Ungleichgewicht bedeutet indes für die begünstigte Seite freie Mittel für weniger dringliche Zwecke, während der benachteiligte Partner zu unbilligen Einschränkungen gezwungen oder veranlaßt wird, die Deckung seines Bedarfs durch eine Erhöhung der Einnahmen oder durch eine zusätzliche, den künftigen Steuerzahler belastende Verschuldung sicherzustellen. Daher darf es Steuererhöhungen erst dann geben, wenn der Fehlbedarf nicht durch eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse ausgeglichen werden kann 592 . Somit ist eine bedarfsgerechte Verteilungslösung auch von erheblicher Bedeutung für den Staatsbürger als Steuerzahler 593. Das gilt auch für den Länderfinanzausgleich und eine Begrenzung von Ergänzungszuweisungen an einzelne leistungsschwache Bundesländer gem. Art. 107 Abs. 2 GG, die Mittel binden und damit den Gesamtsteuerbedarf erhöhen. e) Fazit Somit können die analysierten Vorgaben der Finanzverfassung 594 für die Grundrechtsanwendung herangezogen werden, zumal es um die Entkräftung des steuerrechtlichen Dogmas einer Abkoppelung steuerlicher Belastung und staatlicher Ausgaben geht.
V. Folgen für die Verhältnismäßigkeitsprüfüng 7. Grundsätzliche Einbeziehung der Steuerverwendung Daß Steuern für den allgemeinen Finanzbedarf benötigt werden, vermag daher nicht zu verhindern, daß die Rechtfertigung der Steuererhebung auf die Steuerverwendung durchzugreifen hat. Bei der Verwendung für konkrete Aufgaben ist allerdings einmal zu berücksichtigen, daß nicht stets bestimmte Einnahmen bestimmten Ausgaben zugeordnet werden, sondern gem. Art. 110 Abs. 1 GG eine Gesamtsaldierung erfolgt. Weiter sind Staatsausgaben ebensowenig wie Einnahmen genau prognostizierbar. Schon von daher bedarf es eines gewissen Spielraums der Mittelverwendung und -erhebung. Nur ein solcher Spielraum wird auch dem Charakter des Haushaltsplans als Gesamtentscheidung gerecht, die im Wege des politischen Kompromisses bzw. der politischen Gestaltung zustandekommt595. Sie wäre durch eine strikte Verhältnismäßigkeitskontrolle weitgehend genommen. Erst dieser Spielraum befähigt die
592 593 594 595
Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 60. Fischer-Menshausen, in: von Münch, GGK m, Art. 106 Rn. 6, 26 d. Oben § 7 A.IV.1.-4. Siehe BVerfGE 79, 311 (340) sowie oben § 7 A.IV.l.
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Staatsorgane zu Flexibilität in der Finanzpolitik als Instrument der ihnen durch Art. 20 Abs. 2 S. 2 2. HS GG zugewiesenen Staatslenkung und damit zu einer dieser Zuweisung entsprechenden politischen Gestaltung in Reaktion auf wechselnde Anforderungen im Interesse der Allgemeinheit und damit letztlich aller Bürger. Würden hingegen die staatlichen Ausgaben wegen ihrer indirekten freiheitsrelevanten Wirkung der strikten Verhältnismäßigkeitskontrolle unterliegen, würde auch das für sich selbst nicht freiheitsbeeinträchtigende Staatshandeln durch die Hintertür in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Um den politischen Gestaltungsspielraum der leitenden Staatsorgane nicht auf die Ermessensausübung einer Behörde zu beschränken, lehnte das Bundesverfassungsgericht für die Überprüfung der Kreditaufnahme gem. Art. 115 Abs. 1 S. 2 HS. 2 die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ab 596 . Es beschränkte sich auf eine Kontrolle der Geeignetheit und sparte die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ausdrücklich aus 397 . Das Erfordernis der Eignung scheidet allerdings nur grobmaschig Ausgaben für bestimmte Aufgaben aus und erfaßt überhaupt nicht den Aspekt einer ausgabenschonenden Erledigung bestimmter Aufgaben etwa durch den Erlaß von Verhaltensgeboten statt staatlicher Finanzierungsanreize zur Verhaltensänderung. Indes ging es bei der Verfassungsgerichtsentscheidung zur Staatsverschuldung um die haushaltsverfassungsrechtlichen Grenzen, um die Kollision von Gemeinwohlbelangen untereinander 598, nicht um die Wahrung der Freiheitsrechte. Für diese aber sind hinsichtlich der Steuererhöhung die Frage der Erforderlichkeit und der Angemessenheit essentiell und daher nicht verzichtbar. Im Hinblick auf die freiheitsrelevanten Wirkungen zusätzlicher Kredite 599 ist auch insoweit die Ausklammerung einer Erforderlichkeitskontrolle fragwürdig. Eine andere Frage ist die einer Auflockerung der Prüfungsdichte im Hinblick auf die Notwendigkeit politischer Gestaltungsfreiheit. Diese führt zu einer Vertretbarkeitskontrolle, wie der Gesetzgeber die ihm zustehende Einschätzungsfreiheit ausgefüllt hat 600 . Dieser Spielraum muß sich, damit politische Gestaltung erst möglich wird, auch auf die Einschätzung der Bedürfnisse des Gemeinwohls erstrecken. Gleichwohl kann der Bürger somit jedenfalls vom Ansatz her die Verhältnismäßigkeit der erhobenen Steuern im Bezug auf die verfassungsmäßige Ver-
596
BVerfGE 79,311 (4. Leitsatz, 342); ebenso Heun, DV 18 (1985), 1 (21). BVerfGE 79, 311 (342 f.); zust. Höfling, Der Staat 29 (1990), 255 (264 f.); für eine Erforderlichkeitskontrolle dagegen Henseler, AöR 108 (1983), 489 (536 ff.); für eine Abwägung nach dem Übermaßverbot Birk, DVBl. 1984,745 (746, 748 f.). 598 Henseler, AöR 108 (1983), 489 (535 f.). 599 Siehe oben § 7 A.IV.5.C). 600 Vgl. BVerfGE 79, 311 (343); zust. Höfling, Der Staat 29 (1990), 255 (268 f.). 597
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wendung für Staatsaufgaben überprüfen lassen. Wegen der fehlenden Zuordnung einzelner Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan gem. Art. 110 Abs. 1 GG hat dies indes nicht im Sinne einer festen Einzelzuordnung einer persönlich geleisteten Steuer zu einem konkreten Ausgabenposten etwa für einen bestimmten (für unnötig gehaltenen) Beamten zu erfolgen. Auch die feste Zuordnung zu einem bestimmten Ausgabenbereich besteht nicht, außer eine Steuer wird für einen konkreten Zweck erhoben. Vielmehr folgt aus der Einbeziehung aller Einnahmen und Ausgaben in die politische Entscheidung der Verabschiedung des Haushaltsplanes, daß alle nicht zweckgebundenen Steuern zu jedem Ausgabenposten in Beziehung gesetzt werden können 601 . Dadurch ist auch unbeachtlich, ob die eingenommenen Steuergelder auf Bundes- oder Landesebene oder in den Kommunen verwendet werden. Ein Auseinanderfallen von Steuergesetzgebungs- und Ausgabengewalt 602 steht daher einer Einbeziehung der Ausgabenseite in die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Steuererhebung nicht entgegen. 2. Ausgestaltung a) Rügemöglichkeiten des Steuerzahlers Steuern als von der Gesamtheit der Steuerzahler erhobene Abgaben sind nur gedeckt, „weil und soweit der Staat durch ihre Verwendung zum Wohle der Allgemeinheit beiträgt" 603 . Daher muß der Bürger die fehlende Gemeinnützigkeit jedes nicht aus zweckgebundenen Mitteln finanzierten Ausgabepostens rügen können. Auch muß die Verwendung von Steuergeldern für die Finanzierung einer Aufgabe geeignet und erforderlich sowie angemessen sein 604 . Die Geeignetheit fehlt, wenn die Verwendung von staatlichen Geldern aus dem Steuertopf zweckuntauglich ist, weil dadurch etwa vorhandene und erfolgversprechende private Initiative erstickt wird. Die Erforderlichkeit ist nicht gegeben, wenn der Einsatz staatlicher Gelder nicht notwendig ist, weil ausreichende private Mittel zur Verfügung stehen. Die Angemesseheit ist zu verneinen, wenn der Nutzen der Verwendung von Steuergeldern hinter dem Maß der daraus folgenden Beeinträchtigung der Steuerpflichtigen zurückbleibt. Im Hinblick auf die Einschätzungsprärogative des Staates zu beurteilen, was gemeinnützig ist und wie - genauer durch welche Finanzierung in welcher Höhe - er Gemeinwohlzwecke verfolgt, kann der einzelne allerdings nur eine 601
Siehe oben § 7 A.IV.l. Siehe oben § 7 A.IV.1. 603 Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 102. Siehe bereits Mußgnug, in: Festschrift für Forsthoff, S. 259 (277 f.). 604 Zu Grenzen aus dem Subsidiaritätsprinzip unten Teil Π § 9. 602
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offensichtlich gemeinwohlwidrige bzw. unverhältnismäßige Verwendung geltend machen. Das gilt indes nicht nur für den Fall, daß eine Aufgabe zu einer merklich höheren Besteuerung führt 605 . Vielmehr kann auch eine Vielzahl unnötiger Verwendungen zu einer offenbar unverhältnismäßigen Erhöhung der Steuerlast führen. Dieses Rügerecht geht weit darüber hinaus, lediglich auf den eher theoretischen Fall 6 0 6 verweisen zu können, daß „Staatsfunktionäre vorwiegend in die eigene Tasche wirtschaften, bürokratische Apparate nur noch sich selber verwalten, ohne einen Nutzen für die Gemeinschaft zu erbringen." Vogel verlangt nur eine Rechtfertigung von Steuern dem Grund nach, nicht dagegen hinsichtlich ihrer Bemessung607. Etwas anderes muß aber jedenfalls bei einer rechtlichen oder faktischen Zweckbindung 608 gelten. Dann werden Steuern auch in ihrem konkreten Umfang für einen bestimmten Zweck erhoben. Geht man weitergehend auch ohne eine solche Zweckbindung von dem dargelegten Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben aus, darf stets das Gesamtaufkommen an Steuern nicht höher sein als für die Aufgabenbewältigung einschließlich einer etwaigen Schuldentilgung notwendig. Aufgrund der schwierigen Prognostizierbarkeit der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung steht dem Staat allerdings auch ein Ermessensspielraum dafür zu, in welchem Umfang er für bestimmte Zwecke Steuern verwendet und damit auch erhebt. Der Bürger kann aber immer noch rügen, die Steuerverwendung und damit auch -erhebung sei für einen gemeinwohlmäßigen Zweck evident höher als erforderlich und von daher offensichtlich unverhältnismäßig. Freilich ergibt sich die Schwierigkeit, daß dann jeder steuerpflichtige Bürger im Rahmen eines Angriffs gegen die auf ihn bezogene Steuererhebung die Verwendung von Staatsausgaben rügen kann. Von Arnim schlägt daher ein Rügerecht der Rechnungshöfe vor 6 0 9 . Indes ist damit nicht die Überprüfung spezifisch grundrechtlicher Belange sichergestellt. Daher muß ein grundsätzliches Rügerecht des Bürgers auch bezüglich der einzelnen Staatsausgaben bestehen, wenn er die Rechtmäßigkeit der auf ihn bezogenen Steuerlast überprüfen läßt. Dieses Rügerecht kann aber, wie vorstehend dargelegt, nur dahin gehen, daß eine offensichtlich gemeinwohlwidrige Verwendung von Steuergeldern vorliegt oder Steuern insgesamt offensichtlich unverhältnismäßig hoch festgesetzt worden sind. Dadurch wird bereits die Möglichkeit, eine verfas-
605
Nicht eindeutig Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 102. Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 102: „wie gelegentlich in sehr fernen Staaten". 607 Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 89. 608 Siehe oben § 7 A.m., IV.5.a). 609 Von Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (317). Zu den bestehenden Befugnissen der Rechnungshöfe oben § 7 A.I.l. 606
12 Frenz
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sungswidrige Verwendung von Steuergeldern zu rügen und dadurch die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung anzugreifen, erheblich eingeschränkt 610. b) Prozessuale Ausgestaltung Rechtsfolge bei einer offensichtlich gemeinwohlwidrigen oder evident unverhältnismäßigen Verwendung von Steuergeldern ist, daß in diesem Umfang die Steuererhebung gegen das Übermaßverbot verstößt und daher verfassungswidrig ist. Grundlage einer solchen Folgerung ist aber, daß das Gesetz, aus dem sich die gerügte Verwendung von Steuergeldern ergibt bzw. bei fehlender anderweitiger Festschreibung das Haushaltsgesetz insoweit gegen das Grundgesetz verstößt. Zudem ist die Verfassungsmäßigkeit der Steuergesetze zu prüfen, auf denen die angegriffene Steuererhebung basiert. Der Bürger kann allerdings mangels unmittelbarer Betroffenheit das Ausgabengesetz nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifen. Auch das Steuergesetz, das nicht self-executing ist, sondern nur die Grundlage für Steuerbescheide bildet, kann ihn grundsätzlich nicht unmittelbar in seinen Grundrechten verletzen 611 . Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Abwarten des Steuerbescheids einen effektiven Grundrechtsschutz vereitelt. Das ist dann der Fall, wenn das Gesetz die Normadressaten bereits gegenwärtig zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder schon jetzt zu Dispositionen veranlaßt, die sie nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen können 612 . Zu solchen können Steuergesetze regelmäßig nur bei einer solchen Belastungshöhe führen, die etwa zu Geschäftsaufgaben oder jedenfalls zu gewichtigen unternehmerischen 613 oder privaten Entscheidungen wie Einstellung eines Hausbaus zwingt. Das dürfte aber nicht den Regelfall ausmachen. So wurde etwa das Erdrosselungsverbot bislang, soweit ersichtlich, nicht relevant 614 . Auch unmittelbar gegen Steuergesetze ist daher eine Verfassungsbeschwerde des Bürgers grundsätzlich unzulässig. Eine Verfassungsbeschwerde kann sich dann nur gegen ein Urteil der Finanzgerichte wenden, sofern der Rechtsweg in zumutbarer Weise ausgeschöpft wurde. Deshalb bleibt dem Bürger regelmäßig zunächst nur eine Klage gegen den Steuerbescheid vor dem zuständigen Finanzgericht. Dieses muß freilich Gesetze, die es für ungültig hält, nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungs-
610
Vgl. BVeiGE 77,170 (214 f.). Siehe allgemein BVerfGE 72,39 (43); 70, 35 (50 f.) m.w.N. 612 BVerfGE 43, 291 (386); 58, 81 (107); 65,1 (37); 68, 287 (300); 74, 69 (76); 75, 246 (263); 77, 84 (100); 79,1 (20). 613 Siehe BVerfGE 77, 84 (100 f.); auch BVerfGE 68, 287 (300 f.). 614 Siehe oben § 7 A.I.l. m.N. 611
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gericht vorlegen. Von daher kommt dessen Befassung vor Erschöpfung des Rechtsweges in Betracht. Ein Gericht kann nach Art. 100 Abs. 1 GG nur ein Gesetz dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Das setzt voraus, daß die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von der Gültigkeit dieser Norm abhängt, mithin deren Ergebnis bei einer Ungültigkeit der Vorschrift anders ausfallen würde als im Falle ihrer Gültigkeit 615 . Die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Steuerbescheids wird von der Gültigkeit der ihm zugrundeliegenden Steuererhebungsnorm berührt. Wird aber die Verfassungswidrigkeit dieses Steuergesetzes und damit die Unrechtmäßigkeit des Steuerbescheides darauf gestützt, die Verwendung der eingenommenen Gelder sei offensichtlich unverhältnismäßig, kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit der Steuerverwendung an. Diese hängt bei gesetzlicher Grundlage von der Verfassungsmäßigkeit des dazu ermächtigenden Gesetzes ab. Somit müßte dieses Ausgabengesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Art. 100 Abs. 1 GG verlangt nur, daß es auf die Gültigkeit bei der Entscheidung ankommt. Das erfordert nicht notwendig eine unmittelbare Entscheidungserheblichkeit. Auch auf die Gültigkeit eines nur mittelbar anzuwendenden Gesetzes kommt es an 616 . Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht eine mittelbare Entscheidungserheblichkeit dann genügen lassen, wenn eine Norm zwar nicht selbst unmittelbar Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ist, ihre verfassungsrechtliche Bewertung aber zugleich über die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbar maßgeblichen entscheidet 617 . Das Bundesverfassungsgericht hat das für den Fall bejaht, daß das unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsrecht auf einer zur Nachprüfung gestellten gesetzlichen Ermächtigung beruht 618 oder das unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsrecht nur den wesentlichen Inhalt der zur Nachprüfung gestellten Gesetzesnorm wiederholt 619 . Im vorliegenden Fall geht es indes um einen materiellen Zusammenhang zwischen dem die unmittelbare Entscheidungsgrundlage bildenden Gesetz zur Steuererhebung und dem Steuerausgabengesetz. Ist letzteres evident unverhältnismäßig, berührt das die Verfassungsmäßigkeit der Steuererhebung und damit auch des unmittelbar entscheidungserheblichen Steuergesetzes. Auf die Gültigkeit einer mittelbar entscheidungserheblichen Norm kommt es dann an,
615 616 617 618 619
BVerfGE 58,300 (317 f.); 63,1 (24); 68, 311 (316); 72,51 (60). BVerfGE 2, 341 (345). BVerfGE 75,166 (175) m.w.N. BVerfGE 20, 296 (303); 32, 346 (358). BVerfGE 30,227 (240 f.); 32, 260 (266 f.).
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
wenn ihre Ungültigkeit automatisch zur Ungültigkeit der unmittelbar entscheidungserheblichen Vorschrift führt. Bei einer Abhängigkeit der Verfassungsmäßigkeit hat denn auch das das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidungserheblichkeit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG befürwortet 620 . Die Ungültigkeit einer zu Staatsausgaben ermächtigenden Norm führt aber nicht automatisch zur Ungültigkeit der in Frage stehenden Steuererhebungsnorm. Die durch die Bezogenheit aller Ausgaben auf alle Einnahmen an sich angelegte Ungültigkeit jeder Steuererhebungsnorm führte zur Manövrierunfähigkeit des Staates aus finanziellen Gründen, zum „Steuerchaos" 621, und machte eine verläßliche Finanz- und Haushaltsplanung unmöglich 622 . Dies widerspräche Art. 20 Abs. 2 GG, der die Handlungsfähigkeit der Staatsorgane voraussetzt. Daher kommt eine Ungültigerklärung einer Steuererhebungsnorm, die nicht in spezfischem Kontext zu einer bestimmten Ausgabe steht, nicht in Betracht. Nur bei einer solchen besonderen Verbindung können beide Gesetze für ungültig erklärt werden. Ansonsten scheidet auch eine Teilnichtigerklärung in Höhe der festgestellten evident unverhältnismäßigen Staatsausgaben schon deshalb aus, weil der damit korrespondierende Steuereinnahmebetrag nicht exakt ermittelbar ist. Als Rechtsfolgeausspruch in Betracht kommt daher nur die Feststellung der Unvereinbarkeit der Steuererhebung mit dem Grundgesetz in Höhe der evident unverhältnismäßigen Staatsausgaben oder - bei Anbahnung der evidenten UnVerhältnismäßigkeit etwa wegen Kostenexplosion - eine Appellentscheidung. Diese nicht unproblematischen 623 Entscheidungsformen sind auch im Rahmen des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG möglich, da § 82 Abs. 1 BVerfGG auf §§ 77 bis 79 BVerfGG verweist. Die Unvereinbarkeitserklärung ist in § 79 Abs. 1 BVerfGG angedeutet. Die Appellentscheidung wird zwar als gesetzlich nicht festgelegte Spruchform gebraucht; der Komplettverweis in § 82 Abs. 1 BVerfGG zeigt aber, daß die gebräuchlichen Rechtsfolgeaussprüche auch für diese Form der Normenkontrolle anwendbar sein sollen. Diese Rechtsfolgenregelungen gewährleisten neben der fortbestehenden (finanziellen) Handlungsfähigkeit des Staates auch, daß die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gewahrt bleibt. Ihm ist es überlassen, wie er die als evident unverhältnismäßig befundenen Staatsausgaben drosselt und, sofern sich daraus Anlaß ergibt, an welcher Stelle er Steuern senkt 624 . Damit bleibt auch das vom
620
BVerfGE 2,341 (345); 20,312 (316 f.). Vgl. BVerfGE 16,130 (141 ff.); 21,12 (39 f.). 622 Vgl. BVerfGE 93,121 (148); 93,165 (178). 623 Siehe Frenz, DÖV 1993, 847 ff. m.w.N. 624 Dies fordernd P. Kirchhof, WDStRL 39 (1981), 403 - Diskussionsbeitrag. Dementsprechend bezieht sich die in BVerfGE 93, 121 festgelegte Höchstquote der Besteuerung auf einen Steuergegenstand und nicht auf Einzelsteuern. Ebenso BVerfGE 93,165 (175 f.). 621
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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Bundesverfassungsgericht 625 so deutlich hervorgehobene, aus Art. 110 GG folgende Budgetrecht des Parlaments weitestgehend gewahrt. Indes wird durch diese Unvereinbarerklärung das Steuergesetz selbst, das die Grundlage des vor dem Finanzgericht angegriffenen Steuerbescheides bildet, nicht angetastet. Auf die Gültigkeit der unmittelbar entscheidungserheblichen Norm wirkt sie sich nicht aus. Für den Kläger im Ausgangsverfahren mißliche Konsequenz ist, daß durch die Unvereinbarerklärung bzw. Appellentscheidung das Steuergesetz nicht aufgehoben und damit sein Steuerbescheid nicht geändert wird. Zwar hat die Unvereinbarerklärung eines Gesetzes mit dem Grundgesetz zur Konsequenz, daß anhängige Verfahren auszusetzen sind 626 , bis der Gesetzgeber, wie es seiner Pflicht entspricht, auch für die Vergangenheit eine verfassungsgemäße Regelung erläßt 627 . Indes wird hier das unmittelbar entscheidungserhebliche Steuergesetz gerade nicht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, sondern nur die Steuererhebung in Höhe der festgestellten evident unverhältnismäßigen Staatsausgaben als solche. Von daher ergeben sich keine Konsequenzen für das zur Vorlage Anlaß gebende Ausgangsverfahren. Andererseits bleibt das Anliegen des Klägers im ursprünglichen gerichtlichen Verfahren gewahrt, die UnVerhältnismäßigkeit von Staatsausgaben überprüfen zu lassen. Zu dieser Entscheidung ist das Finanzgericht nicht befugt. Von daher ist die Zulassung einer Vorlage auch zu diesem Zweck Ausfluß der durch Art. 100 Abs. 1 GG angestrebten Befriedungsfunktion 628 und der Konzentration der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit nachkonstitutioneller Gesetze beim Bundesverfassungsgericht zum Schutz des parlamentarischen Gesetzgebers und vor divergierenden, Rechtsunsicherheit erzeugenden Entscheidungen der Untergerichte 629 . Auf dieser Grundlage kann das Bundesverfassungsgericht die Vorlagefrage zur Gültigkeit der Steuererhebungsnorm zur Erreichung einer sachgerechten Entscheidung in ergänzender Auslegung des Vorlagebeschlusses 630 auf die Prüfung der im Ausgangsverfahren gerügten und damit auch vom Finanzgericht aufzugreifenden evidenten UnVerhältnismäßigkeit bestimmter Staatsausgaben erstrecken. Voraussetzung ist allerdings, daß das vorlegende Gericht, wie von § 80 Abs. 2 BVerfGG gefordert, den Grund der angenommenen Ver-
625
Siehe nur BVerfGE 92, 91 (113); 91,186 (202). BVerfGE 22, 349 (363); 41, 269 (278); 47, 1 (33); 82, 126 (155); Pestalozzi Verfassungsprozeßrecht, S. 563 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 627 BVerfGE 55,100, wobei es dem Gesetzgeber allerdings freisteht, die Wirkungen der Norm bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts rückwirkend zu beseitigen, Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 351 f., str. 628 BVerfGE 62,354 (364); 75,166 (177). 629 Siehe allgemein BVerfGE 10,124 (127 f.); 51,161 (164). 630 Siehe BVerfGE 69, 272 (295 f.); 78, 232 (242 f.). 626
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
fassungswidrigkeit des Steuergesetzes wegen evidenter UnVerhältnismäßigkeit bestimmter Ausgabeposten näher ausführt 631 . Entsprechend dem Zweck des Vorlageverfahrens ist die Prüfungsmöglichkeit auf gesetzlich festgelegte Ausgaben beschränkt; der faktische Haushaltsvollzug bleibt unerfaßt. Wird eine Verfassungsbeschwerde erhoben, sei es gegen die gerichtliche Entscheidung des Finanzgerichts, sei es - ausnahmsweise - gegen das Steuergesetz selbst, stellt sich ebenfalls das Problem, daß das Steuererhebungsgesetz aus den vorgenannten Gründen grundsätzlich nicht für ungültig erklärt wird. Damit kann weder ein mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenes Steuererhebungsgesetz noch eine mit ihr attackierte, auf einem solchen Gesetz beruhende Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben werden. Das Ausgabengesetz ist zwar nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, liegt aber deren Prüfung zugrunde, weil es mit dem Steuererhebungsgesetz in dem vorstehend beschriebenen Zusammenhang steht. Wie im Rahmen des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG wird daher das Bundesverfassungsgericht die Steuererhebung in Höhe der evident unverhältnismäßigen Staatsausgaben für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklären. Bei Anbahnung einer solchen Verfassungswidrigkeit wird das Gericht an den Gesetzgeber appellieren, die Staatsausgaben entsprechend zu senken, um ein grundgesetzwidriges Anwachsen der Steuerlast zu vermeiden. Lediglich dann, wenn die Steuererhebung infolge der Höhe der Belastung zu schweren und irreparablen Grundrechtsverstößen führt, ist das Steuergesetz zu deren Vermeidung insoweit für nichtig zu erklären 632 . Im Falle einer zweckgebundenen Steuer ist wegen eines konkreten Bezugspunktes der Verwendung die Regelung über die überschießende Steuerhöhe für nichtig zu erklären. Eine Rückzahlung des verfassungswidrig erhobenen Betrages an alle Steuerzahler kommt allerdings schon aus praktischen Erwägungen nicht in Betracht. Daher wird die entsprechende Regelung für unvereinbar erklärt, das eingesparte Geld aber an anderer Stelle eingesetzt. Es entlastet somit für die Zukunft die öffentlichen Mittel und damit die Steuerzahler.
VI. Verortung des Verursacherprinzips Stellt die Verwendung von Steuergeldern für die Neutralisierung von Verursachungsbeiträgen einzelner eine ungerechtfertigte Lastenverschiebung zuungunsten der Gesamtheit der Steuerzahler dar, wahrt eine trotzdem erfolgende Steuerbelastung nicht das Übermaßverbot. Ist gleichwohl eine Behebung bzw. Verhinderung von Schäden notwendig, folgt daraus die Pflicht für den Staat, die dafür erforderlichen Kosten dem Verursacher aufzuerlegen, und damit das Verursacherprinzip in seiner strikten Form. Ist ein Handeln des Staates zwar 631 632
Siehe allgemein BVerfGE 66,265 (269 f.); 65,308 (316); 77, 340 (343); 80,59 (65). Dazu aUgemein näher Frenz, DÖV 1993, 847 (855).
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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nicht verpflichtend, aber doch verfassungsmäßig und ist eine Verwendung von Steuergeldern offenbar unverhältnismäßig, kommt ein Handeln des Staates nur bei einer Inanspruchnahme der Verursacher in Betracht. Die Frage ist aber, ob eine Nichtheranziehung der Verursacher die Verhältnismäßigkeit der Verwendung von Steuergeldern in ihrem zu prüfenden Umfang ausschließt, mithin diese Verwendung offensichtlich nicht von Gründen des Gemeinwohls gedeckt oder evident nicht geeignet, erforderlich bzw. angemessen ist. 1. Offensichtlich fehlende Gemeinwohlnützigkeit der Verwendung von Steuergeldern Steuern werden von der Allgemeinheit der Steuerbürger erhoben. Dementsprechend müssen sie auch im Interesse aller und nicht nur einzelner verwendet werden 633 . Das gilt verstärkt unter dem vorstehend herausgearbeiteten Gesichtspunkt, daß die Verwendung der Steuern in die Rechtfertigung ihrer Erhebung einbezogen werden muß. Steuern können aber nur dann zum allgemeinen Wohl eingesetzt werden, wenn sie nicht durch eine Verwendung zugunsten einzelner Gruppen gänzlich aufgebraucht werden. In diesem Fall ist der Gebrauch der Steuern gruppennützig. Gelder für eine nicht einzelnen Gruppen zugute kommende, dem allgemeinen Wohl dienende Verwendung sind dann nicht mehr vorhanden. Somit ist es ausgeschlossen, daß sich die Steuerverwendung in der Zuwendung an einzelne Gruppen erschöpft. Finanziert der Staat durch bestimmte Personen oder -gruppen verursachte Kosten, verwendet er Steuergelder zur Freistellung aus der Allgemeinheit der Steuerzahler herausgehobener einzelner oder Gruppen. Zwar kann die Übernahme dieser Kosten durch den Staat auch zum Wohle der Allgemeinheit beitragen, indem etwa alle Einwohner gefährdende Umweltschäden behoben bzw. verhindert werden. Zugleich aber dienen sie dann der Behebung von durch einzelne hervorgerufenen oder drohenden Schäden. Sind die Verursacher nicht in der Lage, die Behebung oder Vermeidung dieser Schäden zu bezahlen, ist allerdings ohne staatliche Finanzierung die Wahrung des Gemeinwohls nicht möglich. In diesem Fall dient die Verwendung von Steuergeldern ohne Abstriche dem Wohl der Allgemeinheit. Regelmäßig aber scheitert die Heranziehung der Verursacher nicht an deren finanzieller Schwäche. Sie erfolgt meist deshalb nicht, weil die Schädigung Allgemeingüter betrifft, meist aus der Menge der potentiellen Verursacher schwerlich einzelne Personen ermittelt werden können 634 und zudem vielfach 633
P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88 Rn. 14; bereits Mußgnug, in: Festschrift für Forsthoff, S. 259
(277 f.). 634
Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3 (12); Schottelius, in: Festschrift für Weitnauer, S. 397 (405).
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Teil 2: Fundierung des Verursacherprinzips
abzuwehrende Gefährdungen, nicht aber konkrete Schäden gegeben sind. Lükkenbüßer ist dann der Staat, der, wenn er schon nicht aus öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüchen herangezogen werden kann 635 , aus Steuermitteln für die Erhaltung etwa einer sauberen Umwelt aufkommen muß. Unter der Tarnkappe des Allgemeinwohls werden somit Private von der Finanzierung von Maßnahmen freigestellt, die auf ihr Verhalten zurückgehen. Diese Freistellung erhöht bei wirtschaftlicher Betätigung den Gewinn. Aus dieser Sicht dient die Steuerverwendung zumindest auch einem privatnützigen Zweck. Allerdings ist sie bei Gefahren für die Allgemeinheit regelmäßig auf deren Beseitigung gerichtet und daher gemeinwohlnützig. Die private Gewinnsteigerung ist nur Nebeneffekt und schließt somit die Gemeinwohlnützigkeit nicht offensichtlich aus. Je nach dem, in wie vielen Bereichen der Staat für durch Private verursachte Schäden aufkommt, können die dafür notwendigen Aufwendungen aufgrund der zahlreichen Schädigungen von Allgemeingütern durch Private allerdings leicht die Steuermittel weitgehend aufzehren. Jedenfalls dann, wenn eine umfassende Verschiebung der Aufwendungen für die Verhinderung oder Behebung von durch bestimmte finanziell leistungsfähige Personengruppen verursachte Schäden auf die Staatskasse stattfindet, liegt somit offensichtlich keine Verwendung von Steuermitteln im allgemeinen Interesse vor, sondern zugunsten einzelner Gruppen. Daraus ergibt sich aber nur eine äußerste Grenze, die einen ausschließlichen Einsatz des Gemeinlastprinzips verbietet, nicht aber eine bereichsübergreifende Anwendung des Verursacherprinzips fordert. 2. Offensichtlich
fehlende Geeignetheit
Die Verwendung von Steuergeldern ist zweckuntauglich, wenn sie vorhandene und gegenüber staatlichem Handeln erfolgversprechendere private Initiative lähmt. In diesem Fall ist ein staatliches Handeln und damit auch eine Finanzierung durch Steuermittel nur insoweit geeignet, als diese private Initiative gestärkt wird. Daher sind Anregungen dieser Initiative durch Subventionen und damit den Einsatz von Steuermitteln dann nicht ausgeschlossen, wenn sie die private Initiative (zusätzlich) anstoßen636. Ausgeschlossen sind aber staatliche Zuschüsse in einem Ausmaße, die Verhaltensänderungen zunichte macht, die darauf beruhen, daß Private selbst für die Vermeidung und Beseitigung von Schäden aufkommen müssen. Dann hat sich der Staat auf Maßnahmen zu beschränken, die diese Verantwortung ausgestalten, nicht aber Steuergelder einzusetzen.
635
Vgl. zur Haftung für Waldschäden BGH, NJW 1988, 478; OLG München, NVwZ 1986, 691; Ladeur, DÖV 1986,445 ff.; aber auch Leisner, Waldsterben - Öffentlich-rechtliche Ersatzansprüche; Murswiek, NVwZ 1986,611 ff.; R. Schmidt, ZRP 1987, 345 (348 f.). 636 Vgl. unten Teil Π § 9 unter dem Blickwinkel des Subsidiaritätsprinzips.
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern 5. Offensichtlich
185
fehlende Erforderlichkeit
Jedenfalls bei tatsächlichen Anhaltspunkten für die Verursachungsbeiträge bestimmter Personengruppen scheitert es nicht, staatliches Handeln durch Verhaltensgebote zu Lasten dieses Personenkreises zu vermeiden 637 oder durch die Auferlegung von Abgaben zu finanzieren. Außer die Veranlasser staatlichen Handelns bleiben wie etwa bei der Sozialhilfe aufgrund des Sozialstaatsprinzips von finanziellen Lasten verschont oder sie scheiden wegen zu geringer Finanzkraft im konkreten Fall aus, bleibt dem Staat die Wahl zwischen der Heranziehung Privater und der Finanzierung durch Steuergelder. Es stellt sich dann die Frage des mildesten Mittels, dessen Wahl aber wegen der legislativen Einschätzungsprärogative nur auf offensichtliche Fehler überprüft werden kann. Nach dem Gebot der Erforderlichkeit darf der Gesetzgeber eine stärker Grundrechte beeinträchtigende Maßnahme nur dann ergreifen, wenn sie das angestrebte Ziel effektiver erreichen kann 638 . Bei vergleichbarer Zielwirksamkeit ist die das betreffende Grundrecht nicht oder weniger einschränkende Maßnahme zu wählen 639 . Der Einsatz öffentlicher Gelder und die daraus folgende Belastung der Allgemeinheit der Steuerzahler sind demnach dann das mildeste Mittel, wenn sie effektiver sind oder bei gegebener gleicher Wirksamkeit die Grundrechte weniger stark beeinträchtigen. Ein Ansetzen am Verhalten der Verursacher und damit an der Quelle verspricht regelmäßig eine Vermeidung schädlicher Auswirkungen, während sich ein staatliches Kurieren an Symptomen oder eine staatliche Förderung durch Subventionen vielfach als ineffektiv erwies 640 . Liegen keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Entwicklungsprognose vor und sind die verursachenden Privaten zur Finanzierung einer Vermeidung und Beseitigung von Schäden in der Lage, stellt schon deshalb die Überbürdung der dazu notwendigen Mittel auf die Allgemeinheit der Steuerzahler offensichtlich nicht das mildeste Mittel dar und ist damit evident nicht erforderlich. Auch bei unterstellter vergleichbarer Wirksamkeit ist wegen der Erhöhung der alle tangierenden Steuerlast durch den Einsatz von öffentlichen Geldern nicht automatisch der Griff in die staatlichen Kassen das mildeste Mittel. Weil die durch einzelne Personengruppen verursachten Schäden erheblich sind, kann 637
Näher unten Teil ΠΙ § 4. Etwa BVerfGE 81, 70 (91 f.). 639 BVerfGE 90,145 (147); 68,193 (219); 67,157 (177); 53,135 (145 f.). 640 Siehe für den Umweltbereich oben Teil I § 2 A. Bereits bei einer Finanzierung über Steuergelder von einer Förderung von Umweltbeeinträchtigungen durch indirekte Subventionierung ausgehend und darauf im Rahmen einer Herleitung des Verursacherrpinzips aus Art. 20 a GG abhebend Murswiek, in: Sachs, GGK, Art. 20 a Rn. 34; insoweit ergeben sich allerdings wegen der Vagheit von Art. 20 a GG Bedenken; siehe unten § 11 B. Diese dem marktwirtschaftlichen System inhärenten Mechanismen lassen sich auf andere Bereiche übertragen. 638
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Teil 2: Fundieng des Verursacherprinzips
ihre Überbürdung auf die Allgemeinheit jedenfalls in ihrer Gesamtheit die Steuerzahler erheblich belasten. Die Heranziehung der Verursacher beeinträchtigt nicht alle in ihren Grundrechten, dafür einzelne stärker. Sie kann allerdings anknüpfen an bestimmte schädigende oder gefährdende Verhaltensweisen, aus denen die Betroffenen regelmäßig Nutzen ziehen. Daher ist ihre finanzielle Belastung der Preis einer Freiheitsbetätigung, was für die Steuerzahler im Hinblick auf diese Phänomene nicht bejaht werden kann. Nimmt man diesen freiheitsbezogenen Hintergrund hinzu, ist bei unterstellter gleicher Wirksamkeit je nach der Höhe der Belastung und dem aus der belasteten Aktivität gezogenen Vorteil die Heranziehung der Verursacher weniger grundrechtsbeeinträchtigend als die der Steuerzahler. Eine offensichtlich fehlende Erforderlichkeit der Steuererhebung wird man daraus allerdings regelmäßig nicht gewinnen können, es sei denn, der private Nutzen schädigenden Verhaltens ist enorm groß und die Belastung, um diese schädigende Wirkung abzustellen, recht gering. Eine Kombination der Regulierung über Steuern und der Inanspruchnahme der Verursacher ist denkbar durch die verstärkte Erhebung von Steuern, die auf das Maß etwa der Umweltverschmutzung bezogen sind. Dann ist die Belastung deijenigen, die sich gemeinwohlschädlich verhalten, bereits der Steuer immanent. Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit erscheint sie daher als das mildeste Mittel 6 4 1 , sofern nicht eine rasche Verhaltensänderung zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich ist 6 4 2 ; dann kann dieses Mittel aber immer noch flankierend hinzutreten. 4. Offensichtlich
fehlende Angemessenheit
Daß die Bekämpfung schädlicher Entwicklungen durch staatliche Gelder regelmäßig weitaus weniger wirksam ist als die Heranziehung der Verursacher, gewinnt Bedeutung auch auf der Ebene der Angemessenheit. Bei ihr sind die Vorteile einer Maßnahme zu den Nachteilen für die beeinträchtigten Grundrechte zu setzen643. Staatliche Leistungsinstrumente entfalten regelmäßig nur eine begrenzte Wirksamkeit. Zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung führen sie nur selten 644 . Bei einer weitgehenden staatlichen Finanzierung privat hervorgerufener Schäden kann die Steuerlast erheblich steigen. Das Bedürfnis, daß die Allgemeinheit der Steuerzahler die zur Verhinderung bzw. Beseitigung 641
Zur insbesondere finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit Frenz, Verwirklichung, S. 150 ff. Insoweit erscheinen vor allem aufgrund der mit ihnen verbundenen Erzwingungsmöglichkeiten und des durch ihre direkte Wirkungsweise sofort möglichen Effekts im wesentlichen nur ordnungsrechtliche Lösungen erfolgversprechend; näher unten Teil m § 2 Α., bes. IV. 643 BVerfGE 76,1(51). 644 Siehe oben Teil I Α.Π., bezogen auf den Umweltbereich, aber wegen der nahezu durchgängigen Verwirklichung der Marktwirtschaft nicht auf diesen beschränkt. 642
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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privat verursachter und bewältigbarer Schäden notwendigen Lasten trägt, überwiegt daher regelmäßig offensichtlich nicht eine weitere Beeinträchtigung des grundrechtlich geschützten Bereichs der Steuerpflichtigen durch eine entsprechende Anhebung der Abgabenlast. Somit fehlt es offenbar an der Angemessenheit einer Steuererhöhung. Eine Verschiebung der durch privates Verhalten verursachten Kosten auf die Allgemeinheit ist nach alledem mithin regelmäßig unverhältnismäßig und verstößt dann gegen Art. 14 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG 6 4 5 . 5. Staatlicher Beurteilungsspielraum
wegen tatsächlicher Ungewißheiten
Der Nachweis der Verursachungsbeiträge kann allerdings derart schwierig sein, daß eine Heranziehung der vermuteten Verursacher als deren Freiheitssphäre beeinträchtigende Maßnahmen nicht hinreichend begründet werden kann und damit unzulässig ist 6 4 6 . Auch ist es möglich, daß die privaten Verursacher zu einer Kostentragung nicht imstande sind. Dann können das Wohl der Allgemeinheit bedrohende Schäden, die wie etwa im Umweltbereich dringender Neutralisierung bedürfen, nur durch öffentliche Steuermittel abgewendet oder beseitigt werden. Vielfach ist es nicht genau absehbar, ob die für die Verursachung durch eine bestimmte Gruppe sprechenden Indizien ausreichen, um ihre (spezifische) finanzielle Heranziehung zu rechtfertigen. Müßte auch dann der Staat davon absehen, Steuergelder für die Vermeidung bzw. Behebung von Schäden zu verwenden, hätte er das Risiko zu tragen, daß er den vermeintlichen Verursachern trotz möglicher Begründungsmängel die Kostenlast auferlegen müßte, obwohl sich dies hinterher als nicht tragfähig erweisen kann. Er selbst aber dürfte die ergriffenen Maßnahmen nicht finanzieren, da das Tragen von Kosten, die privater Verursachung entstammen, nicht rechtfertigungsfahig ist. Bis zur unter Umständen langwierigen gerichtlichen Klärung, ob die Verursacher herangezogen werden können, wäre die Schadensbehebung und -Vermeidung damit ungewiß, obwohl möglicherweise drohende Gefahren ein Reagieren des Gesetzgebers dringend erfordern. Daher ist dem Staat bei Unsicherheiten in der Begründungsfähigkeit einer Heranziehung des Verursachers ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen, ob er selbst die erforderlichen Maßnahmen ergreift und aus Steuergeldern finanziert.
645 646
Zum einschlägigen Schutzbereich oben Teil Π § 1 B. Im einzelnen unten Teil ΠΙ § 4.
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
B. Gleichheit der Besteuerung Sollen durch Steuern alle zur Bestreitung staatlicher Ausgaben beitragen, erlangt die gerechte Verteilung dieser Last zentrale Bedeutung. Dieses Gebot der Steuergerechtigkeit ist grundgesetzlich weitgehend 647 durch Art. 3 Abs. 1 GG als Maßstab allen staatlichen Handelns konkretisiert 648 . Daraus resultiert das Erfordernis der gleichmäßig erfolgenden Inanspruchnahme aller, mithin der Grundsatz der Gleichheit der Belastung 649 . Die Gleichheit der Besteuerung könnte dadurch verletzt sein, daß Steuergelder zu einem großen Teil zugunsten der Verursacher von Schäden und Gefährdungen verwendet werden und diese damit durch die Freistellung von eigenen Aufwendungen trotz eigener Leistungsfähigkeit im Ergebnis die an den Staat gezahlten Steuergelder wieder zurückbekommen.
I. Bezugspunkt Im Hinblick darauf, daß die Steuer der gleichmäßigen Heranziehung aller zur Bestreitung der Staatsausgaben dient 650 , wird der Grundsatz der Lastengleichheit in erster Linie auf die Finanzkraft bezogen: die Höhe der Besteuerung müsse sich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Pflichtigen richten651. Das korreliert mit der Annahme, daß im Hinblick auf die Aufzählung in Art. 106 GG zulässiger Anknüpfungspunkt für Steuern nur die wirtschaftliche Lei647
Vgl. BVerfGE 66, 214 (223). Die Steuergerechtigkeit ist nicht etwa Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmen (so BVerfGE 67,290 (297)), sondern liegt dieser Vorschrift voraus, wie Art. 3 Abs. 1 GG als ganzes eine Ableitung aus der Gerechtigkeitsidee ist (Rüthers, in: Festschrift für Zeidler I, S. 20; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 50 m.w.N.). 649 BVerfGE 93, 121 (134 f.); BVerfGE 84, 239 (269); 35, 324 (335) m.w.N. Vgl. auch Isensee, in: Festschrift für Ipsen, S. 409 (418) und von Arnim, WDStRL 39 (1981), 283 (323 f.); Vogel, BayVBl. 1980, 523 (527), die diesen Grundsatz aus Art. 14 Abs. 1 GG gewinnen wollen: Jede ungleiche Steuer sei nicht erforderlich. Die Ungleichheit ist aber eine Frage der Verteilung der insgesamt notwendigen Steuerlast unter die Pflichtigen. Die Frage kann indes mit der Überprüfung einer Beeinträchtigung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr nur am Willkürveibot, sondern auf ihre Verhältnismäßigkeit jedenfalls bei Gruppenungleichbehandlungen (BVerfGE 55, 72 (88); 70, 230 (239 f.); 71, 146 (154 f.); 74, 9 (20); 82, 126 (146); 88, 87 (96 f.)) sowie bei Auswirkungen einer Regelung auf andere Grundrechtspositionen (BVerfGE 89,69 (89); 90,46 (56); 91, 346 (362 f.); 91, 389 (401 f.); wohl auch BVerfGE 92, 53 (69); im einzelnen Sachs, JuS 1997, 124 ff.); weiter Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Anhang zu Art. 3, Rn. 10; anders Huster, Rechte und Ziele, bes. S. 430 ff.), wie sie bei Steuergesetzen typischerweise auftreten, dahinstehen (vgl. Höfling, StuW 1992, 242 (248)). 650 Siehe oben Teil Π § 5 A. 651 BVerfGE 61, 319 (343 f.); 66, 214 (223); 67, 290 (297); 74, 182 (199 f.); 82, 60 (86); 93, 121 (135). Eingehend Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, passim; siehe auch Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, S. 42 ff. 648
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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stungsfähigkeit sei 652 , und mit dem Hintergrund der Steuer, eine gewisse Umverteilung von den wirtschaftlich Starken an die wirtschaftlich Schwachen herbeizuführen 653. Diese Position erscheint mit der Aufnahme von Art. 20 a GG und der damit verbundenen Wandlung vom Sozial- auch zum Umweltstaat 654 zweifelhaft 655 . Bereits dann, wenn man - durchaus noch auf dem Boden eines aus Art. 106 GG hergeleiteten numerus-clausus der Steuerarten - die in dieser Vorschrift genannten Steuern einer ökologischen Umgestaltung für zugänglich hält, indem etwa an die Stelle des Hubraums bzw. des Gesamtgewichts eines Kraftfahrzeugs gem. § 9 KraftStG als Indiz für den Preis und damit für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen der Emissionsausstoß tritt 6 5 6 , so knüpft die Steuer an einen umweltrelevanten Vorgang an, der dann zum Maßstab der Gleichheitsprüfung werden muß. Es ist dann zu prüfen, ob die Steuer gleichermaßen an den Schadstoffausstoß anknüpft. In weit stärkerem Umfang kann eine solche Änderung des Bezugsmaßstabes der Steuer hin zur Umweltschädlichkeit des besteuerten Vorgangs erfolgen, wenn man keine Beschränkung der Steuerarten auf die in Art. 106 GG genannten Typen annimmt und auch außerhalb der dadurch eröffneten Möglichkeiten entsprechend dem Funktionswandel vom Sozial- auch zum Umweltstaat eine Anknüpfung an umweltschädliche Vorgänge für möglich hält 657 . Indes dienen auch ökologisch bemessenene Steuern der Finanzierung des Staatshaushaltes, und sie entziehen dem Bürger Geld. Daher bleibt eine im Hinblick auf die Finanzkraft ausgewogene Verteilung weiterhin relevant, aber nur als Rahmen für die einzelnen Steuern in ihrer Gesamtheit. Wird insoweit der Gleichheitssatz beeinträchtigt, bedarf es dafür einer Rechtfertigung durch Lenkungsziele von verfassungsrechtlicher Relevanz 658 , die aus ökologischen Zielen aufgrund von Art. 20 a GG erfolgen kann.
652
Vogel, in: HStR IV, § 87 Rn. 32,60. P. Kirchhof, WDStRL 39 (1981), 213 (233 ff., 269 ff.) stützt diese Begrenzung des Steuerzugriffs auch auf Art. 14 Abs. 1 GG. Ausdrücklich mit diesem Bezug für das Einkommensteuerrecht BVerfGE 61, 319 (348) m.w.N. Abi. Tipke, Die Steuerrechtsordnung Π, S. 529. 653 Siehe Birk, Leistungsföhigkeitsprinzip, S. 14 ff. 654 Begriff bei Kloepfer, DVB1.1994,12; ders., in: ders., Umweltstaat, S. 39 (43). 655 Ausführlich Frenz, Verwirklichung, S. 158 ff. 656 Dazu Rodi, Umweltsteuem, S. 89 ff. 657 Dafür auch Lang, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 (150); Osterloh, NVwZ 1991, 823 (828 f.). 658 Im einzelnen Birk, Leistungsföhigkeitsprinzip, S. 240 ff.
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
Π. Teilgehalte Um diese Grenze der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Staates im Bereich der Steuergesetzgebung 659 näher zu fassen, wurden verschiedene Grundsätze entwickelt 660 . Diese sind im wesentlichen die Allgemeinheit der Besteuerung, d.h. die Heranziehung sämtlicher in Frage kommender Bürgel* 61 , ihre Gleichmäßigkeit, also die gleichmäßige Belastung gleichartiger steuerlicher Lebenssachverhalte 662, und die Angemessenheit, mithin die relativ gleiche Belastung des einzelnen 663 . Bezogen auf Steuern, die an ökologische Vorgänge anknüpfen, bedeutet das: Sieht man sie nicht nur als Beimischung, wofür allerdings die Unsicherheit ihres auf Verminderung angelegten Ertrags spricht 664 , muß insgesamt an ökologische Vorgänge angeknüpft werden, die alle betreffen. Besonders geeignet ist die Abfallerzeugung. Ökologisch gleich schädliche Vorgänge sind gleichermaßen zu belasten. Um Anreizüberflutungen zu vermeiden, ist aber an eine stufenweise Verwirklichung zu denken 665 . Die relativ gleiche Belastung des einzelnen richtet sich nach dem steuerimmanenten Maßstab - etwa der Höhe der Emissionen. Sich aus einem solchen in sich schlüssigen, zu einer gleichmäßigen Belastung gleichartiger Sachverhalte führenden System ergebende Unterschiede berühren den Gleichheitssatz nicht. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich Belastungsunterschiede nicht (nur) aus bereits in der Grundlage der Steuerbemessung enthaltenen Differenzierungen ergeben, sondern infolge hinzutretender Lenkungsziele 666 , die dann etwa zu einer progessiven Steigerung führen.
ΠΙ. Einbeziehung der Steuerverwendung Bezieht man diese Grundsätze wie die bisherige Praxis nur auf die Erhebung von Steuern, werden sie durch die Verwendung von Steuern auch zur Bezahlung von durch Einzelpersonen verursachte Schäden nicht verletzt. Von der bloß formalen Anknüpfung von Steuern an die Leistungsfähigkeit unabhängig 659
Siehe BVerfGE 13,181 (203); 74,182 (200); 81,108 (117). Ausführlich F. Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, S. 208 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, § 5 Π 2 c; Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 74 ff., 342 ff. 661 BVerfGE 84,239 (269). 662 BVerfGE 6,273 (280); 19,101 (116); 19,129 (134). 663 BVerfGE 8,51 (68); 37,38 (52); 61,319 (343 f.). 664 Dazu etwa F. Kirchhof, DVBl. 1994,1101 (1103). 665 Vgl. BVerfGE 54,173 (202); 56,54 (81 f.); 62,256 (286); 85, 80 (87). Siehe auch Lang, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 (140 f.). 666 Näher Huster, Rechte und Ziele, S. 164 ff., bes. 225 f. 660
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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vom Verhalten der Steuerpflichtigen rückte das Bundesverfassungsgericht allerdings in der Entscheidung zur faktischen Nichtbesteuerung von Kapitaleinkünften deutlich ab: Danach hat „die Besteuerungsgleichheit ... als ihre Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung", mithin den tatsächlichen Erfolg in der Umsetzung der Belastungsgleichheit667. Sollen damit nicht einzelne durch die Nichtangabe von Einkünften begünstigt werden, ist kein weiter Schritt mehr zu einer Einbeziehung des Verhaltens von einzelnen, das zur Aufzehrung von vereinnahmten Steuern führt. Geben einige ihre (Kapital-)Einkünfte nicht (voll) in der Steuererklärung an, ohne mangels hinreichender Kontrollen Sanktionen befürchten zu müssen, führt dies zu Einnahmeausfallen, für die letztlich die anderen Steuerzahler aufzukommen haben, sollen nicht Deckungslücken im Staatshaushalt die Folge sein. Die „Steuerflucht" einzelner führt zur faktischen Ungleichheit der Belastung. Verursachen bestimmte Personen durch ihr Verhalten hohe, auf sie bezogene Ausgaben des Staates, ohne daß sie dafür herangezogen werden, trägt die Last der zur Finanzierung dieser Ausgaben erforderlichen Steuermehreinnahmen gleichfalls die Allgemeinheit der Steuerzahler. Die faktische Ungleichheit rührt daher, daß an einzelne die gezahlten Steuern durch die staatliche Finanzierung der von ihnen verursachten Schäden zurückfließen, weil sie diese nicht selbst beheben (müssen) bzw. im Hinblick darauf nicht kontrolliert werden. Dieses Phänomen sei erläutert am Beispiel eines Unfalls in einem Chemiebetrieb. Treten aus einem Fertigungsgebäude giftige Stoffe aus, die zum Schutze der Bevölkerung Reinigungsmaßnahmen durch die Verwaltung erforderlich machen, zahlt letztlich die Allgemeinheit dafür, wenn der Staat die aufgewendeten Kosten nicht auf das Chemiewerk abwälzt. Sie wird für das Verhalten einzelner mitverantwortlich gemacht 668 . Bezogen auf die Anwohner bedeutet dies: Über die Steuern bezahlen letztlich auch sie den Schutz ihrer eigenen Gesundheit, deren Gefährdung sie nicht verursacht haben, und springen damit für die durch den gefährdenden Industriebetrieb hervorgerufenen Kosten ein. In diesem Falle wird zugleich die Chemiefirma begünstigt: Obgleich sie eine Gefahrenlage geschaffen hat, muß sie nicht für die Kosten der Beseitigung aufkommen. Genauer: Sie muß nicht in Höhe des vollen Betrages dafür geradestehen, sondern lediglich im Rahmen der allgemeinen und keine Risikoprämie darstellenden 669 Steuerpflicht zur Kostendeckung beitragen. Indem in solchen Fällen die Verursacher vom Staat von der Zahlung für die Folgen ihres Verhaltens freigestellt werden, kommt ihnen insoweit die Verwendung der Steuergelder zugute. In diesem Ausmaß werden sie im Ergebnis 667 668 669
BVerfGE 84,239 (271); siehe bereits Rodi, NJW 1990, 3246 ff. Brandner, Gefahrenerkennbarkeit, S. 92 allgemein für risikobehaftete Verhaltensweisen. Kloepfer, NuR 1987,7 (12).
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
durch die Steuererhebung nicht belastet. Von daher ergibt sich für sie eine im Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit geringere Inanspruchnahme und damit für die anderen Steuerzahler eine relativ ungleiche Belastung. Durch diese Steuerverwendung zu ihren Gunsten werden sie gegenüber den anderen Steuerzahlern begünstigt, was dem Gleichheitssatz zuwiderläuft 670 . Der Unterschied zur gleichen Durchsetzung der Steuererhebung besteht lediglich darin, daß das Ausgreifen in das Feld der tatsächlichen Besteuerung noch den Bereich der Steuervereinnahmung betrifft, während in den genannten Konstellationen die Verwendung der eingenommenen Steuergelder einbezogen wird. Staatseinnahmen und -ausgaben stehen aber, wie bereits deutlich wurde 671 , in einem untrennbaren Zusammenhang, so daß auch die Steuerverwendung in die Untersuchung einzubeziehen ist. Dafür spricht speziell i m Zusammenhang mit der Überprüfung der Wahrung von Art. 3 Abs. 1 GG der Charakter der Steuer als Zugriff des Staates auf das Vermögen des einzelnen ohne individuelle Gegenleistung 672 , der insoweit die bereichsspezifische Anwendung des Gleichheitssatzes673 bestimmt 674 . Das Korrelat dazu, daß die Steuer alle erfaßt, ist daher die Verwendung zugunsten der Allgemeinheit der Steuerzahler 675. Demgemäß steht dem Staat in teilweiser Abweichung vom Grundsatz der gleichen Lastenverteilung bei zweckgebundenen Steuern das Recht zu, diejenigen stärker zu belasten, denen das Steueraufkommen haushaltsrechtlich zweckgebunden zugute kommt 6 7 6 . Der Effekt ist indes im Hinblick auf den gleichheitswidrigen Einsatz derselbe, ob eine Verwendung zugunsten einzelner haushaltsrechtlich abgesichert ist oder faktisch erfolgt. Daher ist die Einbeziehung der Steuerverwendung für die Beurteilung, ob der Gleichheitssatz gewahrt ist, nicht an eine zweckgebundene haushaltsrechtliche Festschreibung gebunden. Das ergibt sich auch aus dem geänderten Hintergrund der Besteuerung. Insoweit die Steuern der Umverteilung von Reich zu Arm dienen 677 , stellt eine Anknüpfung an die finanzielle Leistungsfähigkeit bei der Steuererhebung bereits die Lastengleichheit her. Heute aber werden Steuern für zahlreiche andere Zwecke verwendet, namentlich auch für den Umweltschutz. Dann aber ist es
670
Vgl. BVerfGE 33,303 (335). Oben § 7 A.IV. 672 Siehe § 3 Abs. 1 AO sowie BVerfGE 3, 407 (435); 55, 274 (299); Vogel/Walter, in: BK, Art 105 Rn. 25. 673 BVerfGE 75,108 (157); 76,256 (329); 78,249 (287); 93,121 (135). 674 BVerfGE 84,239 (269). 675 P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88 Rn. 14, allerdings unter der Annahme einer Trennung von Einnahmen- und Ausgabenseite. Siehe bereits Mußgnug, in: Festschrift für Forsthoff, S. 259 (277 f.). 676 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 170. 677 Dazu Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 14 ff. 671
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern
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nur konsequent, auch diese geänderte Verwendung in die Frage der gerechten und somit insbesondere gleichen Besteuerung einzubeziehen678. Eine Verwendung von Steuern zugunsten einzelner liegt indes auch bei der Gewährung von Sozialhilfe oder von Subventionen vor. Die Zuteilung dieser Mittel beruht aber nicht nur auf der gemeinwohlnützigen Verwendung, sondern jedenfalls bei der Sozialhilfe auf der finanziellen Schwäche der Empfänger. Aus Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG: Diese besitzen nicht die Leistungsfähigkeit, um Steuern zu zahlen. Sie können daher auch nicht durch Staatsleistungen von dieser Pflicht entlastet werden. Insoweit liegt daher auch keine Ungleichbehandlung vor. Subventionen beruhen vielfach ebenfalls auf einer finanziellen Schwäche der Empfänger. Der Kohlebergbau etwa wird deshalb staatlich unterstützt, weil er aus eigener Kraft sich im internationalen Wettbewerb finanziell nicht behaupten könnte. Auch in diesem Fall gibt der Staat Mittel, die der einzelne nicht aufbringen könnte, so daß ein Rückfluß gezahlter Steuergelder und daher auch eine Ungleichbehandlung nicht vorliegt. Subventionen für Einzelprojekte werden deshalb gewährt, weil ihre Verwirklichung - etwa der Einbau einer umweltfreundlichen Heizungsanlage - ein besonderes finanzielles Opfer darstellt, auch wenn der Subventionsempfänger es selbst aufbringen könnte. Damit liegt zwar eine Ungleichbehandlung vor, die aber je nach Fallgestaltung durch die Gemeinwohlnützigkeit der bezuschußten Maßnahme gerechtfertigt sein kann. Insoweit ist allerdings sorgfältig zu prüfen, ob hier nicht eine verschleierte staatliche Finanzierung der Vermeidung von Schäden durch Verursachungsbeiträge vorliegt, die einzelne zu verantworten haben und selbst tragen könnten, so daß eine Rechtfertigung der Verschiebung der Lastentragung auf die Allgemeinheit fragwürdig erscheint.
IV. Herleitung des Verursacherprinzips Daß für die Korrektur einer individuell verursachten Entwicklung Steuergelder verwendet und dadurch die Verursacher entlastet werden, widerspricht zwar formal nicht der Allgemeinheit der Besteuerung, da trotzdem im Rahmen der allgemeinen Steuerpflicht sämtliche in Frage kommenden Personen herangezogen werden. Bezieht man indes den Rückfluß in Gestalt von staatlichen Aufwendungen für verursachte Schäden mit ein, ist die Allgemeinheit der Besteuerung im Ergebnis in dem Umfang nicht mehr gegeben, als diese Rückflüsse die abgeführte Steuersumme erreichen 679.
678
Näher Frenz, Verwirklichung, S. 157 ff. Im Hinblick auf diejenigen, die infolge geringen Einkommens keine Steuern bezahlen, bleibt die Allgemeinheit der Besteuerung dadurch gewahrt, daß diese potentiell der Steuer unterfallen und nur wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht herangezogen werden können. 679
13 Frenz
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
Daß die Verursacher staatlich finanzierter Schadensbeseitigung bzw. -vorsorge von eigenen Kosten freigestellt werden und ihnen damit verauslagte Steuern ohne wirtschaftlichen Grund wieder zugute kommen, stellt sie gegenüber anderen Steuerpflichtigen besser. Trotz gleichartiger wirtschaftlicher Situation werden sie im Ergebnis geringer belastet. Daher wird die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewahrt. Zudem wird der Grundsatz der relativ gleichen Belastung des einzelnen und damit der Angemessenheit der Besteuerung mißachtet 680 . Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung existiert insoweit nicht, es sei denn, die Kosten für die Verhinderung von Schäden stellen ein besonderes Opfer der Betroffenen dar, das nicht in der eigenen Gefahrenverursachung seinen Grund hat. Dann kann die öffentliche Hand einspringen, um etwa ihren Auftrag aus Art. 20 a GG zu erfüllen oder den ihr obliegenden Schutzpflichten nachzukommen. Den dargelegten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Belastung vermeidet das Verursacherprinzip: Indem der Verursacher einer Gefahrenlage oder einer staatlich mißbilligten Entwicklung durch Verhaltensgebote oder Finanzlasten herangezogen wird, entfällt die Kostenlast für die Allgemeinheit (der Steuerzahler). Von daher bildet das Verursacherprinzip ein Lastenverteilungsprinzip zur Herstellung der Lastengleichheit im Steuerrecht, ein Ausgleichsprinzip nach Verursachungsbeiträgen.
C. Folgen für das Verursacherprinzip Die Fundierung des Verursacherprinzips aus dem grundrechtlichen Rahmen der Besteuerung in Gestalt des Übermaßverbots und der Lastengleichheit führt diesen Grundsatz über den Bereich der Verhaltenssteuerung hinaus und erstreckt ihn auf die Lastenverteilung zwischen einzelnen und Allgemeinheit. Aus ihm ergibt sich, über das am Anfang dieser Untersuchung erwähnte Gebührenrecht 681 hinausgehend, ein umfassendes Veranlasserprinzip. Damit kann das Verursacherprinzip auch herangezogen werden als Grenze des Einstehens der öffentlichen Hand und zur Begründung einer Kostenabwälzung an den Verursacher, auch wenn diese keine Verhaltensanreize bewirken soll 6 8 2 . Rechtfertigen damit die grundrechtlichen Grenzen der Steuererhebung die Inanspruchnahme des Verursachers auch in diesem Umfang, so ist eine solche doch nur dann zwingend, wenn gehandelt werden muß. Bereits ein bloßes
680
Zu diesen Teilgehalten § 7 Β.Π. Siehe Teil I § 1 A.1.1. 682 Gegenteilig Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 32; siehe auch Deutsch, NJW 1992, 73 (73). 681
§ 8 Menschenbild des Grundgesetzes
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Nichthandeln des Staates führt dazu, daß keine öffentlichen Ausgaben anfallen und damit auch die Steuerlast nicht ansteigt. Daß der Staaat nicht tätig wird, kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn einer Entwicklung etwa im Hinblick auf die Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten begegnet werden muß 683 . Dann aber beruht das „Ob" staatlichen Handelns auf diesem rechtlichen Fundament. Die Maßnahmerichtung wird allerdings durch die grundrechtlichen Grenzen der Steuererhebung namentlich in Gestalt des Erforderlichkeitsgebots gegen den Verursacher vorgegeben. Sie kann sich zusätzlich aus den grundrechtlichen Schutzpflichten ergeben, die das Verursacherprinzip zumindest rechtfertigen 684 .
§ 8 Anlage des Verursacherprinzips im Menschenbild des Grundgesetzes Aus dem Menschenbild des Grundgesetzes lassen sich keine Pflichten begründen 685 . Als verfassungsrechtliches Leitbild vermag es keine konkreten Rechtsfolgen zu setzen. Das schließt aber nicht aus, daß es als die Verfassung beherrschendes Leitbild jedenfalls die Ableitung eines anderweitig verfassungsrechtlich fundierten Prinzips zusätzlich und bekräftigend zu stützen vermag. Das Grundgesetz nimmt den Menschen gem. Art. 1 Abs. 1 GG in der ihm eigenen Würde. Deren Grund und zugleich Ausdruck ist die nur dem Menschen gegebene Fähigkeit, sein Leben vernunftgeleitet und ethisch verantwortungsvoll zu gestalten686. Dies setzt voraus, daß dem einzelnen die Möglichkeit verbleibt, diese Fähigkeit zu entfalten. Das kann er in dem Maße, wie er frei bleibt von fremdem Einfluß. Er bestimmt daher grundsätzlich auch das Ausmaß und die Intensität seiner Würde 687 . Er ist mithin grundsätzlich so hinzunehmen, wie
683 Zu den von den Schutzpflichten geforderten Maßnahmestandards nach herrschender Dogmatik oben Teil Π § 4 B.I.2., aus hiesiger Sicht § 4 Β.ΙΠ.3., 5. 684 Oben Teil Π § 4 am Anfang und B.IV. 685 Siehe oben Teü Π § 5 Β.ΙΠ.; C.II.3. 686 BVerfGE 49,286 (298); Zippelius, in: BK, Art 1 Abs. ί u. 2 Rn. 6 f. Dies dürfte sowohl einem christlichen Ansatz, der betont, der Mensch sei Ebenbild Gottes, als auch einer philosophischen, vor allem auf Kant gestützten Begründung entsprechen. Jedenfalls von der Rechtsfolge her gilt das auch bei einer Ableitung aus dem, was sich die Menschen einander zusprechen und daher in einem Staatsgründungsakt wechselseitig versprechen (Hofmann, AöR 118 (1993), 353 (369 ff.) m.N. zu den beiden anderen Ansätzen S. 357 f.). Freilich bedeutet dies nicht, daß der einzelne zu einem vernunftgeleiteten Verhalten auch tatsächlich fähig sein muß. Schon kraft seines Menschseins kommt ihm Würde zu (BVerfGE 39,1 (41); 88, 203 (252); auch Hofmann, AöR 118 (1993), 353 (376)). Nur beim Menschen kann aber die Vernunft zur Geltung kommen. 687 Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfasungsbegriff, S. 86 f., 89 f. m.w.N. in Fn. 319; Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 39 f., 90,120 ff.
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er ist. Der Verfassungsstaat w i l l ihn somit nicht instrumentalisieren oder verbessern. Er akzeptiert ihn als unvollkommenes Wesen 688 . Das wird auch in Art. 2 Abs. 1 GG deutlich, der voraussetzt, daß der einzelne durch seinen Freiheitsgebrauch die Rechte anderer verletzen kann 689 . Demgegenüber w i l l das Verursacherprinzip die Folgen dieser Unvollkommenheit - namentlich Umweltbeeinträchtigungen - durch eine Einflußnahme auf das menschliche Verhalten mindern. Durch das Verursacherprinzip soll der Mensch indes nicht zum Instrument, zum Mittel staatlicher Ziele werden 690 , so daß die Dürigsche Objektformel 691 als Meßlatte auf den Plan gerufen würde. Seine Anreizfunktion soll dem einzelnen vielmehr die negativen Folgen seines Tuns vor Augen halten und ihn zu verantwortungsbewußtem Handeln veranlassen, um damit namentlich die letztlich ihn selbst bedrohende Umweltbelastung herabzusenken. Das menschliche Streben nach Eigennutz wird kanalisiert, ohne in seinem Wesen verändert zu werden. Es gilt dem einzelnen die Folgen seines Tuns zuzurechnen, um eine autonome Verhaltensveränderung zu erzielen 692 . Deijenige, der andere Rechtsgüter schädigt, soll nicht die negativen Folgen ausblenden können. Daher zielt das Verursacherprinzip zwar auf einen Anstoß von außen. Dieser erfolgt aber durch die Gewährleistung eines Rahmens, in dem der einzelne auch die für andere und die Gemeinschaft schädlichen Folgen seines Handelns berücksichtigt und auch insoweit verantwortungsbewußt handelt. Das Verursacherprinzip w i l l nicht das menschliche Verhalten fremd bestimmen, sondern die Verantwortung des einzelnen für das Umfeld, in das er eingebettet ist, und damit die Selbstbestimmung mobilisieren. Von daher stellt sich die Frage, ob sich nicht aus dem der Verfassung zugrundeliegenden Menschenbild jedenfalls die Anlage eines Verursacherprinzips i m Sinne eines Einstehenmüssens für die Folgen eigenverantwortlichen Handelns ableiten läßt. Trotz der Kritik jedenfalls an einer konkreteren grundgesetzlichen Menschenbildvorstellung 693 kann doch aus Art. 1 Abs. 1 GG und der Gesamtheit der geschützten Grundrechte 694 gefolgert werden, daß es sich
688 Siehe etwa Kopp, in: Festschrift für Obermayer, S. 53 (62 f.); W. Geiger, in: Festschrift für FaUer, S. 3 (13). 689 Siehe oben Teil Π $ 4 B.m.3.b). 690 Vgl. BVerfGE 27,6. 691 Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127). Dazu z.T. krit. BVerfGE 30, 1 (25); Hofmann, AöR 118 (1993), 353 (360); Höfling, JuS 1995, 857 (860) m.w.N. 692 Vgl. Isensee, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3(18): „grundrechtsautonomer Grundrechtsschutz". 693 Etwa Lerche, Werbung und Verfassung, S. 139 ff. 694 Siehe oben Teü Π § 5 B.III.; C.H.3.
§ 8 Menschenbild des Grundgesetzes
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um ein selbstbestimmtes Individuum handelt, das gleichwohl in die Gemeinschaft eingebettet ist und sich erst in ihr und ihr gegenüber verwirklicht 695 .
A. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Menschen I. Verantwortung auch für die Folgen des eigenen Tuns Auch wenn der einzelne selbstbestimmt handelt, können ihm Irrtümer unterlaufen. Diese sind aufgrund der akzeptierten Unvollkommenheit des Menschen grundsätzlich hinzunehmen. Die Konsequenz daraus ist, daß der Staat auch die Folgen dieser Irrtümer nicht behebt. So wie er die Fehlentscheidungen des einzelnen akzeptiert, überläßt er ihm auch, die sich daraus ergebenden positiven wie negativen Folgen zu tragen. Das Einstehen für die Folgen eigenen Tuns ist daher Bestandteil der Selbstbestimmung. Zu ihr gehört somit die Eigenverantwortung für die Folgen eigenen Tuns. Die Grenze besteht nur dort, wo die Folgen eigenen Tuns die Selbstbestimmung des Menschen in Frage stellen - etwa bei lebenslänglichen Zahlungspflichten aufgrund selbstverantworteter Bürgschaften 696 - oder das Gemeinwohl gefährden. Aber auch insoweit wird der Selbstbestimmung des einzelnen am ehesten dadurch Rechnung getragen, daß der Staat den einzelnen lediglich zur Folgenbeseitigung anhält etwa durch ein Agieren vor Gericht zur Abwendung einer Zahlungsforderung und nicht die Folgenverantwortung des einzelnen z.B. durch eine Schuldübernahme ersetzt. Tauscht der Staat die Folgenverantwortung des einzelnen durch seine eigene aus, beeinträchtigt er somit die individuelle Selbstbestimmung697. Muß der einzelne nicht für die negativen Folgen seines Handelns einstehen, berücksichtigt er diese zudem auch nicht für sein Verhalten. Insoweit blendet er einen Teil des Rahmens, in dem sein Handeln steht, bei seiner Entscheidungsfindung aus. Zwar ist es auch Ausdruck der Selbstbestimmung, über deren Reichweite und Intensität zu befinden und damit auch darüber zu entscheiden, auf welcher Informationsbasis man handeln will. Indes geht es weniger um aus der Unzulänglichkeit des Menschen resultierende bzw. auf eigener Entscheidung beruhende Defizite in der Beschaffung von Informationen. Vielmehr verschiebt der Staat durch sein Einspringen für die negativen Folgen privaten Tuns die Rahmenbedingungen derart, daß der einzelne diese regelmäßig nicht mehr in seiner
695
BVerfGE 4, 7 (15 f.); 33, 303 (334); 50, 166 (175); Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Rn. 46; in diesem Sinne auch Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 14 sowie Lerche, Werbung und Verfassung, S. 141. 696 Siehe BVerfGE 89,214 (230 f., 235); Frenz, JR 1994,92 (93 ff.). 697 Vgl. Isensee, Verhandlungen 59 DJT Bd. Π, Q 35 (44) zur staatlichen Übernahme des Unterhalts durch Sozialhilfe.
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Entscheidung berücksichtigt und insoweit nicht eigenverantwortlich und damit nicht selbstbestimmt handelt. Besonders deutlich wird das in der freien Marktwirtschaft. In ihr bildet das Wirtschaftsgeschehen ein zentrales Betätigungsfeld des eigenverantwortlichen Menschen 698 . Für dieses orientieren sich die beteiligten Subjekte an ihrem zu erwartenden Profit. Damit ein Wirtschaftssubjekt in Abschätzung der möglichen positiven und negativen Folgen eigenverantwortlich handelt, ist Voraussetzung, daß sich diese Chancen und Risiken in Einnahmen oder Ausgaben niederschlagen, also einen Geldwert haben. Werden ihm die negativen Folgen nicht angelastet, sondern trägt diese der Staat, wird es diese in seiner Kalkulation nicht berücksichtigen und insofern keine eigene Verantwortung tragen 699 .
Π. Ermöglichung eigenverantwortlichen Handelns durch Folgenanlastung über das Verursacherprinzip Das Verursacherprinzip lastet dem einzelnen die Verantwortung für die negativen Folgen seines Tuns an. Dadurch zielt es darauf ab, daß der einzelne für die Folgen seines Tuns einstehen muß, also Folgenverantwortung trägt. Durch die Monetarisierung gemeinwohlschädlicher Auswirkungen verhindert das Verursacherprinzip zugleich, daß diese als Faktor in der Kalkulation der Wirtschaftseinheiten unberücksichtigt bleiben. Dadurch wird vermieden, daß der einzelne die möglichen Konsequenzen seines Verhaltens als Grundlage einer selbstbestimmten Entscheidung ausblenden kann. Daher sichert das Verursacherprinzip das selbstbestimmte Handeln des Menschen im Sinne von verantwortetem Handeln. Das Verursacherprinzip ist von daher Ausdruck der sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Selbstbestimmung des einzelnen.
III. Grenzen Durch eine staatliche Einflußnahme auf die Faktoren, die bei einem verantwortungsbewußten Handeln Berücksichtigung finden müssen, besteht freilich die Gefahr, daß dem einzelnen staatlich gewollte Ziele aufoktroyiert werden und insoweit seine Selbstbestimmung einer Fremdbestimmung weicht. Daher ist eine Begrenzung notwendig. Die individuelle Selbstbestimmung bleibt gewahrt, wenn der Staat nur die Berücksichtigung solcher Faktoren steuern darf, die im Menschen selbst angelegt sind, die er kraft seiner selbst an sich berücksichtigen muß, die aber nicht in ausreichendem Maße ins Blickfeld treten, damit er sie tatsächlich berücksichtigt. Ein derartiger Faktor ist die Erhaltung
698 699
Näher Häberle, Menschenbild, S. 67 ff. Siehe oben Teil I § 2 A.
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der Lebensgrundlagen für sich selbst, das heißt die Bewahrung einer Umwelt, in der eigenverantwortliche Entfaltung noch möglich ist.
B. Die Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums I. Die Erhaltung der Entfaltungsbedingungen für die anderen als Grundlage eigener Entfaltung Ist der einzelne in die Gemeinschaft eingebunden, gehört der Rückbezug auf sie zum menschlichen Wesen, bedeutet die Erhaltung dieser Gemeinschaft eine Voraussetzung für die individuelle Entfaltung. Durch die Einbindung in die Gemeinschaft aber ist das Individuum auch um seiner selbst willen jedenfalls insoweit in seinem Freiheitsdrang beschränkt, als es den Bestand dieser Gemeinschaft als Voraussetzung auch seiner Entfaltung nicht gefährden darf. Daraus folgt, daß der einzelne bei seiner eigenen Entfaltung die Grundlagen wahren muß, die die Gemeinschaft für ihre Fortentwicklung benötigt. Dazu gehören namentlich die natürlichen Lebensgrundlagen zumindest auf dem Niveau des ökologischen Existenzminimums 700 . Auch dieser Faktor kann durch die Anlastung von Verantwortung über das Verursacherprinzip beim individuellen Entscheidungsprozeß nicht ausgeblendet werden. Diese Verantwortung zur Erhaltung der Grundbedingungen einer selbstverantwortlichen Entfaltung dürfte sich auch auf die nachfolgenden Generationen erstrecken. Ergeben sich für diese noch nicht individualisierten Personen auch hinsichtlich einer Einbeziehung in den Menschenwürdeschutz wegen der Formulierung in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG „des Menschen" Zweifel 701 , geht es hier um die weitere Entwicklung der Menschheit. Daß gegenwärtige Generationen die Grundlagen der Selbstentfaltung künftiger Generationen zerstören und damit diesen die Möglichkeit des Weiterlebens als Mensch entziehen, ja überhaupt den Fortbestand der Gattung „Mensch" aufs Spiel setzen können, kommt einer Selbstverleugnung gleich, die ohne den Verlust der Selbstachtung, mithin der Würde nicht erfolgen kann 702 . A m Recht, die eigene Art auszulöschen, findet
700
Zu diesem Begriff Kloepfer, Umweltrecht, S. 43 m.w.N. Näher insbes. Enders, EuGRZ 1986, 241 (251 f.); vgl. Bergsträsser, 4. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates vom 23.9.1948, Sten.Ber., S. 16: „Es ist der einzelne Mensch, dessen Würde geschützt werden soll." - Bejahend hingegen etwa Balz, Heterologe künstliche Samenübertragung beim Menschen, S. 39; Vitzthum, JZ 1985, 201 (209); zurückhaltender ders., ZRP 1987,33 (36). 702 Hofmann, JZ 1986, 253 (260) für Eingriffe in die individuellen Anlagen durch eine Gentechnik, die eine bewußte Entfaltung als körperlicher Mensch mit einem entsprechenden Bewußtsein und Empfinden unmöglich macht. Dem gleichzustellen ist die Erhaltung einer menschengerechten Umgebung, die ebenfalls die Voraussetzung für eine Entfaltung als vernunftbegabter Mensch ist. 701
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jede Freiheit ihre unverrückbare Grenze. Dadurch wird die Würde des heute lebenden Menschen berührt, der sich damit als nicht fähig zeigen würde, sich selbst und seine Art zu erhalten, so daß seine Vernunft in Frage stünde. Auch würde durch die Annahme, eine Zerstörung der Lebensbedingungen künftiger Generationen und damit letztlich auch der von Menschen, wenn auch nicht individualisierbar, verstieße nicht gegen die Menschenwürde, die - wie im vorhergehenden Absatz ausgeführt - aus dem Rückbezug des einzelnen auf die Gemeinschaft folgende Unantastbarkeit dieses Elements in Frage gestellt. Jedenfalls würde die uneingeschränkte Achtungspflicht in der objektiv-rechtlichen Seite der Menschenwürde, die sich ebenfalls nicht auf konkret individualisierte Personen bezieht 703 , anzweifelbar.
II. Die Bedeutung des Verursacherprinzips Das Verursacherprinzip ermöglicht, daß die aufgezeigte, für die eigene Selbstentfaltung notwendige Verantwortung für die Grundbedingungen der Entfaltung der menschlichen Gemeinschaft einschließlich zukünftiger Generationen nicht unberücksichtigt bleibt. Dadurch wird diese Verantwortung zum Bestandteil der selbstbestimmten Verhaltensfestlegung des einzelnen. Die Selbstverantwortung kommt erst dadurch in ihrer vollen Tragweite zur Geltung, daß dem einzelnen auch die negativen Folgen seines Handelns für die Gemeinschaft bewußt sind. Es schafft mithin die Grundlagen für eine auch insoweit vernunftgeleitete und ethisch verantwortete Entscheidungsfindung und korreliert daher mit dem Menschenbild des Grundgesetzes.
§ 9 Aus dem Subsidiaritätsprinzip A. Die Verbindung von Subsidiaritäts- und Verursacherprinzip Daß das grundgesetzliche Menschenbild insbesondere aufgrund von Art. 1 Abs. 1 GG das eines eigenverantwortlichen Individuums ist 7 0 4 , schafft nicht nur die Basis, daß der Staat diese Eigenverantwortung durch die Zurechnung der Verantwortung auch für die negativen Folgen eigenen Tuns sichert 705 . Die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen steht vielmehr in einem Gegensatz zu fremder Verantwortung und bildet daher eher eine Grenze als eine Rechtfertigung staatlichen Handelns. Trägt der einzelne Eigenverantwortung, ist ihm
703 Zu den verschiedenen Rechtswirkungen der Menschenwürde Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 22 ff. 704 Näher oben Teil Π §8. 705 Siehe oben Teil Π § 8 Α.Π.
§ 9 Aus dem Subsidiaritätsprinzip
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diese grundsätzlich zu belassen706, außer sie erweist sich als defizitär und gefährdet das Gemeinwohl oder die individuelle Selbstbestimmung bzw. ihre Grundlagen. Der Staat kann von daher nur dann und insoweit Verantwortung übernehmen, als die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen nicht ausreicht. Daraus lassen sich zwei Elemente ableiten. Der Staat soll nur tätig werden, wenn der einzelne eine Aufgabe nicht zu bewältigen vermag, und die getroffenen Maßnahmen sind determiniert und begrenzt durch das Ausmaß der individuellen Unzulänglichkeit. Für die Handlungsrichtung folgt daraus: Adressaten staatlicher Maßnahmen sollen diejenigen sein, die einen zu bekämpfenden Zustand ausgelöst haben, mithin die Verursacher, nicht etwa die Gesamtheit der Bürger, die bei staatlicher Schadenbekämpfung oder -Verhinderung zu höheren Abgabenlasten herangezogen werden müßte. Sieht man vor diesem Hintergrund die Verursacher als sachnäheren Personenkreis, entspricht dies dem modernen Verständnis des teilweise nur als Zugangssperre für staatliches Handeln gesehenen707 Subsidiaritätsprinzips auch als „Vorrang der Aufgabenerfüllung durch den personennäheren Lebenskreis der Betroffenen" 708 . Bei einem so verstandenen Subsidiaritätsprinzip liegt das Schwergewicht jedenfalls nicht nur in einer institutionellen, sondern vielmehr in der inhaltlichen Komponente 709 , daß der Staat die individuelle Sphäre nicht weiter ordnen darf, als für die Veränderung einer Entwicklung notwendig ist. Ist etwa lediglich ein Anstoßen privaten Eigenhandelns durch bestimmte Zielvorgaben erforderlich, hat sich der Staat auf diese zu beschränken, statt selbst die angezeigten Maßnahmen vorzunehmen. Sind individuelle Handlungsansätze vorhanden, hat der Staat diese zu stabilisieren, statt sich an ihre Stelle zu setzen. Damit kann das Subsidiaritätsprinzip auch für Mischformen staatlichen und privaten Handelns fruchtbar gemacht werden 710 . Darin liegt weiter eine zweifache Grenze staatlichen Engagements: Trifft der Verursacher selbst die zur Verhinderung oder Beseitigung eines Schadens notwendigen Maßnahmen, wird insoweit der Staat nicht tätig. Hinzu kommt, und das ist neu, betrifft aber auch das „Wie" der Aufgabenerledigung: Handelt der Staat, kann aber dieses Handeln von den
706
Pieper, Subsidiarität, S. 104; vgl. auch BVerfGE 34,54 (72). Siehe Sachße, in: Münder/Kreft, Subsidiarität heute, S. 32 (34 f.); Bellermann, in: Heinze, Neue Subsidiarität: Leitidee für eine zukünftige Sozialpolitik?, S. 92 (103 ff.) jeweils m.w.N.; insoweit krit. Rendtorff, Der Staat 1 (1962), 405 ff.; zur Entwicklung der jüngeren Subsidiaritätsdiskussion Pieper, Subsidiarität, S. 78 ff. 708 So Mann, in: Münder/Kreft, Subsidiarität heute, S. 87; siehe auch Fink, in: Heinze, Neue Subsidiarität: Leitidee für eine zukünftige Sozialpolitik?, S. 157 (163 ff.); Schneider, Subsidiäre Gesellschaft, S. 26 f. m.w.N. 709 Siehe Münder, in: dersTKreft, Subsidiarität heute, S. 72 (74 f., 79) auch zum folgenden; Dettling, ebda., S. 62 (63); auch Bittscheidt-Peters, ebda., S. 82 (85 f.). 710 Abi. hingegen Benz, DV 28 (1995), 337 (357). 707
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Teil : u n g
des Verursacherprinzips
Verursachern finanziert werden, haben öffentliche Haushalte dafür nicht aufzukommen 711 , da dann durch ausreichende finanzielle Mittel angelegte individuelle Handlungsmöglichkeiten bestehen. Auch insoweit liegt eine Zugangssperre für ein Engagement des Staates vor. Allerdings wurde der Staat doch insoweit tätig, als er das private Handeln angestoßen hat; aus dieser Sicht hat er nur das „Wie" seines Engagements beschränkt. Jedenfalls aber bleibt insofern, als der Staat die Last der Verhinderung oder Beseitigung von Schäden Privaten überläßt, die individuelle Verantwortung erhalten 712 : das Verursacherprinzip als Mittel zur Begrenzung des staatlichen Verantwortungsbereichs. Das entspricht dem klassischen Ansatz des Subsidiaritätsprinzips 713. Das gilt aber insbesondere auf dem Fundament, auf dem dieser Ansatz in der modernen Diskussion erscheint: daß die Staatsaufgaben und -ausgaben an die Grenzen des finanziell und organisatorisch Machbaren stoßen und die individuelle Eigenverantwortung zugleich zu ersticken drohen 714 . Macht man aus dieser Unzulänglichkeit des Staates eine Tugend, indem man durch die Inpflichtnahme der Verursacher deren Eigenverantwortung mobilisiert und eine Verhaltensänderung zu erreichen sucht, gelangt man zum Verursacherprinzip. Auch wenn man das Subsidiaritätsprinzip nur als richtungweisenden Ordnungsgrundsatz begreift 715 , läßt sich das Verursacherprinzip zwar nicht als Verfassungsgebot, aber als das Subsidiaritätsprinzip konkretisierender 716 , gleichfalls konkretisierungsbedürftiger Grundsatz folgern. Es dient als Mittel zur Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips und zugleich zur möglichst weitgehenden Realisierung dessen, was als geistiger Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips gesehen werden kann: die Eigenverantwortung des Individuums als Kennzeichen des grundgesetzlichen Menschenbildes. 711
Die umgekehrte Relation - gesellschaftliche Gruppen beschließen Ausgaben, der Staat muß finanzieren - ist hingegen nicht Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips, Herzog, Der Staat 2 (1963), 399 (411). Dadurch würden nur die zu verwaltenden Staatsausgaben festgeschrieben und von daher nicht staatliche Engagements begrenzt. Etwas anderes gilt im Falle der Förderung gesellschaftlicher Selbsthilfe, die Finanzierungen durch Bürger anstößt und nicht ersetzt (siehe § 9 B. a.E.). 712 Vgl. oben Teü Π §8. 713 Siehe insbes. die Enzyklika „Quadragesimo Anno" von Papst Pius XI. vom 15.5.1931, AAE XL Nr. 79. 714 Böhret/Jann/Kronenwett, Innenpolitik und politische Theorie, S. 117; Fink, in: Heinze, Neue Subsidiarität: Leitidee für eine zukünftige Sozialpolitik?, S. 157 (158 f.); Heinze, in: ders., Neue Subsidiarität: Leitidee für eine zukünftige Sozialpolitik?, S. 13 (19, 22); Deimer/Jaufmann, ebda., S. 178 (178 f., 186 f.) m.w.N.; krit. Brunn, ebda., S. 170 ff.; Gretschmann, ebda., S. 249; Olk, ebda., S. 283 (292 ff.). 715 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 313,318. 716 (Verfassungs-)Prinzipien bedürfen, um operabler zu werden, der Präszisierung durch vermittelnde Prinzipien, Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 57; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 474 f.; Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, S. 154 f.; vgl. auch Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 166.
§ 9 Aus dem Subsidiaritätsprinzip
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B. Verfassungsrechtliche Fundierung des Subsidiaritätsprinzips Die Ableitung des Subsidiaritätsprinzips und als dessen Ausfluß auch des Verursacherprinzips aus dem grundgesetzlichen Menschenbild steht indes auf unsicherem Grund. Das Menschenbild kann Leitmotiv und vielleicht auch Interpretationshilfe sein, angesichts des detaillierten Verfassungstextes aber doch nicht eine Fundierung im Grundgesetz selbst ersetzen. Aus diesem das Subsidiaritätsprinzip zu gewinnen wird allerdings zumeist 717 abgelehnt 718 bzw. für nicht überzeugend gehalten 719 .
I. Die Bedeutung der Subsidiaritätsklausel des Art 23 Abs. 1 S. 1 GG In Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG ist der Grundsatz der Subsidiarität nunmehr ausdrücklich erwähnt. Er wurde in diesem Zusammenhang aber bislang lediglich auf das Verhältnis staatlicher Einheiten zueinander bezogen. Das trat in den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission insofern deutlich hervor, als lediglich die Erfassung auch der kommunalen Ebene näher problematisiert wurde 720 . Fundament des Verursacherprinzips kann das Subsidiaritätsprinzip indes nur sein in seiner in der geschichtlichen Entwicklung ausgebildeten 721 und in der modernen Staatstheorie dominierenden 722 Gestalt als Regulativ zur Trennung von Staat und Gesellschaft, die weiterhin als Grundbedingung für die Erhaltung individueller Freiheit anerkannt ist 7 2 3 . Daß durch die Festschreibung in Art. 23 Abs. 1 GG das Subsidiaritätsprinzip auch inhaltlich auf das Verhältnis von Verwaltungseinheiten fixiert wurde, ist indes zweifelhaft. Die fehlende Beschränkung im Wortlaut spricht vielmehr für die Aufnahme des historisch ausgebildeten, weiten Verständnisses. Dann wäre der Grundsatz der Subsidiarität der Übergang von den vor ihm in Art. 23 Abs. 717
Siehe hingegen aus der Rspr. VerfGH Rh.-Pf., DVBl. 1958,359 (360). BVerwGE 23,304 (306 f.); auch BVerfGE 22,180 (204); siehe aber auch BVerfGE 10, 59 (84 f.); 58, 233 (253); BVerwGE 20, 113 (114 f.); abl. auch Bauer, WDStRL 54 (1995), 243 (256); Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 196 ff.; Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 96 ff.; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 167 ff., 178 ff. m.w.N. 719 Erichsen, Kommunalrecht NW, S. 44; Herzog, Der Staat 2 (1963), 399 (412 f.); auch ders., in: HStR ΙΠ, § 58 Rn. 36; Benz, DV 28 (1995), 332 (357). 720 Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, S. 40. 721 Näher Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsiecht, S. 18 ff. 722 Bes. deutlich von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, V Π 2 und 3, G VII 5, D VI; Pieper, Subsidiarität, S. 70 f. Dieser auch zu weiteren Ansichten (S. 62 ff.). 723 Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft als Bedingung individueller Freiheit, m.w.N. auch zur Gegenansicht S. 7; Karpen, JA 1986,299 ff. So ist denn auch das Subsidiaritätsprinzip im 19. Jahrhundert mit der Absicherung der GeseUschaft gegenüber dem Staat verknüpft (Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 44 ff.). 718
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
1 GG genannten eher staatsbezogenen Grundsätzen zu der Gewährleistung der individualbezogenen Grundrechtsstandards. Die Orientierung an Art. 3 b EGV in den Beratungen zu seiner Entstehung 724 legt auf den ersten Blick zwar einen Bezug ausschließlich auf das Verhältnis verschiedener öffentlicher Gewalten nahe. Diese Vorschrift ist aber nur in ihrem Abs. 2 ausschließlich auf das Verhältnis kompetenzausübender Organe bezogen. Wenn auch nur dieser Absatz ausdrücklich eine Regelung über die Subsidiarität von Gemeinschaftshandeln enthält, reicht der bei der Entstehung von Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG in den Blick genommene Grundsatz der Subsidiarität entsprechend der im in Bezug genommenen Maastricht-Vertrag enthaltenen umfassenden Vorschrift des Art. Β Abs. 2 EUV weiter und ergreift den gesamten Art. 3 b EGV 7 2 5 . Das in dessen Abs. 1 festgeschriebene Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sowie die gem. Abs. 3 vorgesehene Erforderlichkeit europäischer Maßnahmen vermögen aufgrund des nicht limitierenden Wortlauts auch auf die Abgrenzung zwischen gemeinschaftsrechtlich geregeltem und individuellem Bereich bezogen zu werden 726 . Art. 23 GG schließt somit nicht die Existenz eines für die Abgrenzung zwischen dem Bereich der öffentlichen Gewalt und der gesellschaftlichen Sphäre gültigen Subsidiaritätsprinzips aus. Die Frage, ob sich eine solche Verengung auch auf ein für die innerstaatliche Rechtsordnung eingreifendes Subsidiaritätsprinzip auswirken würde, kann damit dahinstehen. Für die Abgrenzung des staatlichen Tätigkeitsbereiches zum gesellschaftlichen können allerdings Schlüsse aus der Erwähnung des Subsidiaritätsprinzips als solcher gezogen werden. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG hat zum Ziel, die grundlegenden Verfassungsprinzipien auch im Rahmen der europäischen Integration abzusichern. Deren Bestehen auf nationalverfassungsrechtlicher Grundlage wird also vorausgesetzt. Sämtliche genannten Werte bis auf das Subsidiaritätsprinzip sind denn auch im Grundgesetz ausdrücklich abgesichert. Aus 724
Siehe Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, S. 40. So auch der Verweis im Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, S. 40. Im einzelnen Frenz, in: Hoffmann/Kromberg/Roth/Wiegand, Die kommunale Selbstverwaltung im Spiegel von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, S. 9 (20). 726 BVerfGE 88,155 (212) sieht in Art. 3 b Abs. 3 EGV ein grundrechtliches Übermaßverbot; ebenso Calliess, Subsidiarität- und Solidaritätsprinzip in der EU, S. 103 ff.; ders, AöR 121 (1996), 509 (531); Schön, ZHR 160 (1996), 221 (230 f.); auch Lenaerts/Ypersele, CDE 1994, 1 (52 ff., bes. 61 ff., 69 f.). Siehe aber Europäischer Rat, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bulletin 1992, S. 1282. Offen lassend Jarass, EuGRZ 1994, 209 (214). Abi. MüllerGraff, ZHR 159 (1995), 34 (38) - Bei der Annahme eines ausschließlichen Bezugs auf das Verhältnis zwischen Europäischer Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ist an eine Ausfüllung aus dem gewollten bürgernahen Europa heraus (siehe 11. Erwägung der Präambel zum EUV und Art. A Abs. 2 EUV; dazu Blanke, in: Hrbek, Das Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union Bedeutung und Wirkung für ausgewählte Politikbereiche, S. 95 (96 f.); Frenz, Nationalstaatlicher Umweltschutz und EG-Wettbewerbsfreiheit, S. 83 ff.; Gutknecht, in: Festschrift für Schambeck, S. 921 (931); Jarass, AöR 121 (1996), 173 (193)) und von daher an einen (auch) individualbezogenen Hintergrund zu denken. 725
§ 9 Aus dem Subsidiaritätsprinzip
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Gründen der Strukturgleichheit müßte dann auch der Grundsatz der Subsidiarität in der bundesdeutschen Verfassung verankert sein. Gleichwohl ist dieser Schluß wegen der besonderen, europabezogenen Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG nicht zwingend. Jedenfalls steht aber diese Bestimmung als auf die Verwirklichung eines vereinten Europas bezogene Vorschrift nicht der Ableitung eines für die Binnenstruktur der Bundesrepublik Deutschland maßgeblichen Subsidiaritätsprinzips entgegen. Für seine Fundierung im Bezug auf die Abgrenzung von Staat und Gesellschaft kommen in erster Linie die Grundrechte als Schutzrahmen des individuellen Entfaltungsraumes in Betracht.
Π. Die Grundrechte Als Bestandteil der Menschenwürde, die im Hinblick auf ihre Unverbrüchlichkeit eng auf das zu konzentrieren ist, worüber Einigkeit herrscht 727 , kann das Subsidiaritätsprinzip nicht angesehen werden. Hierfür fehlt auch ein unmittelbarer personaler Bezug. Daß ausweislich Art. 1 Abs. 1 GG Ausgangspunkt des Grundgesetzes der Mensch ist und die ihm gewährten Freiheiten im ersten Abschnitt gewährleistet sind, macht allerdings deutlich, daß der Staatszweck der Freiheitssicherung an erster Stelle steht 728 . Das kann allerdings auch bedeuten, daß der Staat sich durch seine Aktivitäten der Freiheit annehmen muß, kann also gerade staatliches Engagement begründen. So wurde die Notwendigkeit staatlichen Handelns zum Schutz privater Freiheit dargelegt 729 . Dabei erwies sich aber zugleich, daß die Grundrechte regelmäßig einen grundsätzlich vor staatlichem Handeln geschützten individuellen oder gruppenbezogenen Entfaltungsraum formen 730 . Umfassend erfolgt dies jedenfalls nach herrschendem Verständnis 731 durch Art. 2 Abs. 1 GG. Daraus folgt die grundsätzliche Rechtfertigungsbedürftigkeit von Grundrechtseinschränkungen 732. Diese Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlichen Handelns gilt auch dann, wenn es dem Schutz individueller Freiheit dient. Die subjektiv-rechtliche Ableitung grundrechtlicher Schutzpflichten bedingt nur zusätzlich die Rechtfertigungsbedürftigkeit auch des Unterlassens von Schutzmaßnahmen bei einer Gefährdungslage, die staatliches Handeln aufgrund individueller Unzulänglichkeit erfordert. Somit unterliegen auch diese im Verhältnis zur eingeschränkten abwehrrechtlichen Freiheit der
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Lerche, in: Lukes/Scholz, Rechtsfragen der Gentechnologie, S. 88 (100 f., 103, 110 f.; zu den allgemein anerkannten Inhaltsbereichen S. 102 m.w.N.). 728 Siehe oben Teil Π § 7 Α.Π.; speziell in diesem Zusammenhang Pieper, Subsidiarität, S. 97 ff. 729 Oben Teil Π §4. 730 Siehe oben Teil II § 4 B.m.3.b). 731 Näher oben Teil Π § 1 A. 732 Näher Pieper, Subsidiarität, S. 103 ff.
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Begründungspflicht. Darin liegt ein entscheidender Schutzpfeiler, daß nicht der Staat auf der Basis grundrechtlicher Schutzmaßnahmen den gesamten individuellen Freiheitsbereich zu regeln vermag 733 . Aus welchen Gründen eine Einschränkung individueller Freiheit erfolgen darf, benennen manche Grundrechte ausdrücklich 734 . Aufgrund der Verfassungsbindung des Art. 20 Abs. 3 GG besteht darüber hinaus eine Beschränkung auf vom Grundgesetz legitimierte Staatszwecke735. Ist aber jede Antastung individueller Freiheit rechtfertigungsbedürftig, ist staatliches Handeln durch die Rechtfertigungsfähigkeit begrenzt. Es hat dem freien Spiel privatautonomer Kräfte dann und insoweit den Vorrang zu lassen, als es nicht durch einen legitimen Zweck gedeckt und sachlich notwendig, also - und zwar sowohl im Hinblick auf privates Eigenhandeln als auch im Verhältnis zu anderen möglichen staatlichen Mitteln - gerade noch erforderlich ist 7 3 6 . Zudem muß sein Nutzen die Schwere der Freiheitsbeeinträchtigung überwiegen. Staatliches Handeln ist also nur insoweit möglich, als es der privaten Freiheit gegenüber vorgehend begründet zu werden vermag. Es ist von daher subsidiär 737 . Das bezieht sich sowohl auf das „Ob" des Handelns als auch auf das „Wie": Die Verhältnismäßigkeitskontrolle bestimmt insbesondere durch das Kriterium der Erforderlichkeit auch das Maß der Freiheitseinschränkung. Somit ist das Subsidiaritätsprinzip in seiner doppelten Stoßrichtung durch das Übermaßverbot verfassungsrechtlich getragen. Es greift von daher so weit, wie die Rechtfertigungsnotwendigkeit das staatliche Handeln begrenzt. Es ist so konkret, wie daraus dem Staat Grenzen aufgestellt sind und ihm ein Gestaltungsspielraum nicht mehr verbleibt. Staatliche Schutzhandlungen stellen - von ihrer positiven, schützenden Seite her betrachtet - die Voraussetzungen individueller Freiheitsverwirklichung wieder her bzw. sichern diese ab, soweit sie der einzelne nicht mehr zu gewährleisten vermag. Sie leisten ,»Hilfe zur Selbsthilfe", ermöglichen die Fortführung eigenverantwortlicher Freiheitsverwirklichung. Sie realisieren damit das Sub733
Vgl. zu solchen Bedenken gegen eine subjektiv-rechtliche Ableitung der grundrechtlichen Schutzpflichten oben Teil Π § 4 Β.ΙΠ.3. 734 Siehe insbes. Art 6 Abs. 3,11 Abs. 2,14 Abs. 3; nur zum Teil Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 2 GG; dazu oben Teil Π § 5 Β.Π. 735 Näher Pieper, Subsidiarität, S. 114 ff. 736 BVerfGE 67, 157 (176 ff.); 77, 84 (109 ff.); Lerche, in: HStR V, § 122 Rn. 16; auch Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 59 ff. m.w.N. 737 Ausführlich Pieper, Subsidiarität, S. 106 ff.; auch Oppermann, JuS 1996, 569 (570 f.); nur auf den Grundsatz der Erforderlichkeit abhebend Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluß- und Benutzungszwang, S. 36; siehe auch Merten, in: ders., Die Subsidiarität Europas, S. 77 (90). Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 270 ff. geht vom Rechtsstaat, aber auch den Grundrechten aus und zeigt noch andere denkbare Ableitungen auf (S. 220 ff.). Offen auch Rupp, in: HStR I, § 28 Rn. 51 f.
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sidiaritätsprinzip in seiner „positiven Seite", die Individuen bzw. die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben selbst und autonom wahrzunehmen 738 , damit der Staat nicht (gänzlich) an ihre Stelle treten muß. Diese Seite schafft somit erst die Voraussetzungen für eine möglichst weitgehende Zurückhaltung des Staates, mithin die Basis für einen breiten Anwendungsraum des Subsidiaritätsprinzips in seiner „negativen", die Staatstätigkeit begrenzenden Seite. Durch jene Seite wird das Subsidiaritätsprinzip in seiner „positiven" Ausprägung zugleich dahingehend begrenzt, nur insoweit zu stützen, bis die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Verhalten wiederhergestellt ist Das ergibt sich auch, wenn sich solche Maßnahmen aus den grundrechtlichen Schutzpflichten herleiten lassen739.
C. Folgen für das Verursacherprinzip Erweist sich das Subsidiaritätsprinzip aufgrund der Vorgaben des Verfassungsrechts als Grenze für das „Ob" als auch das „Wie" staatlichen Handelns, bildet es auf der Basis des eingangs aufgezeigten Zusammenhangs zugleich ein Fundament für das Verursacherprinzip: Bei einem gefährdenden bzw. gemeinwohlschädlichen Verhaltens der Verursacher nimmt der Staat als weniger den freiheitlichen Entfaltungsraum tangierendes Mittel diesen Personenkreis in Anspruch und nicht die Gesamtheit der Bürger, denen bei einem Einspringen des Staates höhere Steuerlasten erwachsen. Das gilt unabhängig davon, ob man das Vorgehen gegen den Verursacher als Begrenzung des staatlichen Agierens als solchem oder aber unter dem Gesichtspunkt der Festlegung der Maßnahmerichtung als Bestimmung seiner Ausführung begreift. Da das Verursacherprinzip auch Mittel zur Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips ist, kann es von dessen verfassungsrechtlicher Herleitung nicht unbeeinflußt bleiben. Ergibt sich seine Anwendung aus dem Subsidiaritätsprinzip, kann seine Ausgestaltung durch diesen Grundsatz beschränkt werden. Die auf seiner Basis ergehenden Maßnahmen dürfen nur so weit reichen, wie dies zur Wiederherstellung privatautonomen Handelns erforderlich ist. Bedarf es nur eines Anstoßes zu privatem Engagement, darf der Staat nicht privates Handeln durch sein eigenes ersetzen. Führen etwa informale Absprachen mit der Wirtschaft zum Erfolg, dürfen ordnungsrechtliche Mittel nicht eingesetzt werden 740 . Damit erweist sich das Subsidiaritätsprinzip nicht nur als Grund, sondern auch als Schranke des Verursacherprinzips. 738
Nell-Breuning, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 27 (1976), 6 ff.; Bittscheidt-Peters, in: Münder/Kreft, Subsidiarität heute, S. 82 (85 f.); Münder, ebda., S. 72 (75); Tschoepe, ebda., S. 67 (68); B. Schulte, ebda. S. 44 (47); Deimer/Jaufmann, in: Heinze, Neue Subsidiarität: Leitidee für eine zukünftige Sozialpolitik?, S. 178 (181 f.); Fink, ebda., S. 157 (163). 739 Oben Teil II § 4 Β.ΙΠ.2. 740 Ausdruck dafür war § 14 Abs. 2 AbfG.
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§ 10 Ergebnis praktischer Konkordanz zwischen freiheitlicher Wirtschaftsverfassung, Sozial- und Umweltstaat Die wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen erwiesen 741 : Das Verursacherprinzip ist das Mittel, das im Vergleich zu anderen Methoden regelmäßig die höchste Effektivität verspricht und sich zugleich die marktwirtschaftlichen Abläufe zunutze macht, mithin in die privatautonomen Transaktionen des Wirtschaftslebens nur in geringem Maße eingreift, sich vielmehr in das durch sie gebildete System einfügt. Indem es damit die Wirtschaftsstruktur als solche nicht verändert, diese aber insbesondere durch die Vermeidung von Umweltschäden und einer übermäßigen Belastung der Allgemeinheit sozial verträglich macht, erscheint es als Ausprägung der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden sozialen Marktwirtschaft. Diese wurde durch Art. 20 a GG um eine ökologische Komponente jedenfalls insoweit angereichert, als der Staat der Wirtschaft dort eine Grenze setzen muß, wo sie die natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet 742. Ist somit auch die Unversehrtheit der Umwelt Aufgabe des Staates und Maßstab sowie Ziel seiner Entscheidungen, wurde der Sozialstaat um den Umweltstaat ergänzt 743 . Ist eine Situation gegeben, in der der Staat aufgrund der daraus folgenden Vorgaben die weitere Entwicklung nicht mehr dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen kann, erscheint von daher die Anwendung des Verursacherprinzips angezeigt. Aus diesem Geflecht eine verfassungsrechtliche Fundierung gewinnen zu wollen setzt allerdings voraus, daß nicht nur die soziale und die Umweltkomponente, sondern auch che Marktwirtschaft rechtlich vorgegeben ist. Nach ganz herrschender Meinung ist das Grundgesetz indes „wirtschaftspolitisch neutral" 744 .
A. Aus gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben Eine Änderung dieser Neutralität wird auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage zu begründen versucht. Indem der EGV eine marktwirtschaftliche Ordnung vorgebe, sei kraft seines Vorrangs auch für die Bundesrepublik Deutschland ein solches Wirtschaftssystem zwingend 745 . Auch wenn der EGV nunmehr in Art. 3 a
741
Siehe oben Teil I § 2 A. Näher zur Umweltstaatszielbestimmung Teil Π § 11 B. 743 Siehe Kloepfer, in: ders., Umweltstaat, S. 39 (43 f.); auch Hofmann, ebda., S. 1 (36 f.). 744 BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 14, 19 (23); 30, 292 (315); 50, 290 (337)) und h.L. (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 77 mit zahlr. Nachw.). 745 Pieper, Subsidiarität, S. 136 ff. 742
§ 10 Wirtschaftsverfassung, Sozial- und Umweltstaat
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Abs. 1, 102 a eine Festlegung auf eine offene Marktwirtschaft enthält 746 , ergeben sich Bedenken aus einer solch weiten Sichtweise der Reichweite des Gemeinschaftsrechts. Dieses ist als Korrelat dazu, daß die Gemeinschaft gem. Art. 3 b Abs. 1 EGV innerhalb der vertraglich zugewiesenen Befugnisse und der darin festgelegten Ziele tätig wird, nur insoweit vorrangig, als Bereiche betroffen sind, in denen die Gemeinschaft die Regelungskompetenz besitzt und diese auch ausgeübt hat 747 . Das Gemeinschaftsrecht erstreckt sich zwar namentlich durch die Grundfreiheiten und das auf ihnen beruhende Sekundärrecht auf weite Teile des Wirtschaftslebens. Die Wirtschaftspolitik selbst ist dagegen den Mitgliedstaaten überlassen. Diese haben gem. Art. 102 a S. 2 EGV lediglich im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb vorzugehen. Dadurch ist gemeinschaftsrechtlich den Mitgliedstaaten keine bestimmte Wirtschaftsordnung vorgegeben 748. Sie darf nur nicht einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb widersprechen, muß aber jedenfalls nicht in allen Bereichen und inhaltlichen Elementen eine solche darstellen. Wie der Verweis auf die gem. Art. 103 Abs. 2 EGV noch festzulegenden Ziele und die nach Art. 2 EGV bereits bestehenden in Art. 102 a S. 1 EGV belegt, erfolgt eine Präszisierung nur im Hinblick auf die bloße Rahmenleitlinie des Art. 2 EGV oder auf durch spätere Festlegung gemeinschaftsrechtlich geregelte Bereiche. Bestätigt wird die jedenfalls bislang begrenzte Geltungskraft des Gemeinschaftsrechts in wirtschaftlichen Fragen durch den Verweis von Art. 102 a Abs. 1 S. 2 a.E. EGV auf die Zielnorm des Art. 3 a Abs. 1 EGV, der die Einführung einer dort näher genannten Grundsätzen verpflichteten Wirtschaftspolitik vorsieht. Daneben muß die nationale Wirtschaftsordnung nur insoweit auf Gemeinschaftsrecht ausgerichtet sein, als sie nicht engegen Art. 5 EGV dessen Verwirklichung blockieren darf. Eine Niederlassungsfreiheit in Gestalt der Gründung von Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten gem. Art. 52 EGV etwa ist nur bei der möglichen Existenz freier Unternehmer denkbar. Es ist aber auch vorstellbar, daß ein solches freies Wirtschaftsleben nur in Teilbereichen existiert. Daher obliegt es den Mitgliedstaaten, ihre Wirtschaftsordnung im einzelnen festzulegen. Die umfassende Garantie einer marktwirtschaftlichen Ordnung kann somit nur auf nationalverfassungsrechtlicher Grundlage gewonnen werden.
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Zum vorherigen Streitstand Zuleeg, in: Dürr, Wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungsprobleme der Europäischen Gemeinschaften, S. 73 ff. und auch Teil Π § 12 C.I.3. 747 Für die Grundrechte EuGH, Slg. 1986, 3477 (3503) - Klensch; Slg. 1986, 3231 (3242) Cognet; Slg. 1986, 3359 (3384) - Edah; Slg. 1985,2605 (2627) - Cinéthèque. 748 Ebenso Seidel, in: Festschrift für Everling Π, S. 1393 (1404 f.). 14 Frenz
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B. Aus grundgesetzlichen Determinanten Das Grundgesetz läßt bereits in der Finanzverfassung und in den Kompetenzvorschriften eine Affinität zu einer marktwirtschaftlich geprägten Wirtschaftsordnung erkennen. Die Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Art. 109 Abs. 2 GG korrespondiert mit einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung 749, nicht notwendig allerdings der Steuerstaat 750 , können Steuern doch auch auf staatlich bezahlte Einkommen erhoben werden, wie die Beamtenbezüge belegen. Art. 74 Nr. 11 GG setzt ein Mindestmaß privatrechtlich organisierter Wirtschaftseinheiten wenigstens im Versicherungswesen voraus, Art. 74 Nr. 18 GG die Existenz eines Grundstücksverkehrs sowie eines Pachtwesens, das herkömmlicherweise bürgerlich-rechtlich geprägt ist. Auch der gewerbliche Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht (Art. 73 Nr. 9 GG) verlören in einer ausschließlich staatlich gelenkten Ordnung ihren Sinn. Deutlichere Anhaltspunkte ergeben sich aus den Grundrechten. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Privateigentum, das das Rückgrat einer marktwirtschaftlichen Ordnung bildet. Dieses kann nur unter besonderen Voraussetzungen gem. Art. 14 Abs. 3 GG enteignet und gem. Art. 15 GG sozialisiert und damit aus der privatnützigen Beliebigkeit in die gänzliche Lenkung des Staates überführt werden 751 . Den Regelfall soll eine solche Lenkung daher nicht darstellen 7 5 2 . Die stets zu gewährende Entschädigung geht vielmehr von der regelmäßigen Privatnützigkeit des Eigentums aus. Neben Art. 14 Abs. 1 GG treten Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, die umfassend auch den Gebrauch der in ihrem Bestand geschützten Güter sowie weitergehend die Freiheit des Verhaltens im Wirtschaftsverkehr garantieren 753. Die durch die genannten Grundrechte gewährleisteten Freiräume könnten in weiten Teilen nicht mehr ausgefüllt werden 754 , wenn der Staat die Wirtschafts-
749
Papier, in: HdbVerfR, § 18 Rn. 20 f. Siehe dagegen Zitzelsberger, BB 1995,1769 (1773). 751 Vgl. auch Scholz, in: Duwendag, Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, S. 113 (121). 752 Ρ. Kirchhof, in: HStR IV, § 88 Rn. 91. 753 Umstr. ist höchstens, ob die Art und Weise des wirtschaftlichen Verhaltens durch Art. 12 Abs. 1 GG (so BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); 86, 28 (37 f.); Breuer, in: HStR VI, § 147 Rn. 97; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 114 f. m.w.N.) oder durch Art. 2 Abs. 1 GG (dafür BVerwGE 17, 306 (309); 30, 191 (198); BVerfGE 29, 260 (266 f.) m.w.N.) geschützt wird. Zur möglichen Ableitung aus Art. 14 Abs. 1 GG unten Teil ΙΠ § 3. 754 Vgl. näher Leisner, BB 1975,1 ff.; Rupp, Grundgesetz und „Wirtschaftsverfassung M, S. 35 f.; Papier, WDStRL 35 (1977), 55 (76 ff., 101 ff.). - Es geht also insoweit nicht um einen auf verselbständigte, den individualrechtlichen Gehalt der Grundrechte überhöhende Objektivierungen gebauten „institutionellen Zusammenhang der Wirtschaftsverfassung" bzw. einen „Schutz- und Ordnungszusammenhang der Grundrechte", den BVerfGE 50, 290 (337 f.) als nicht gegeben 750
§ 10 Wirtschaftsverfassung, Sozial- und Umweltstaat
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gestaltung etwa im Sinne einer Zentralverwaltungswirtschaft an sich risse755. Der eigenverantwortliche Gebrauch von Eigentum, die Wahl und Ausübung eines nicht von staatlicher Lenkung überlagerten Berufes 756 und insbesondere einer freiberuflichen Tätigkeit sowie die freie Teilnahme am Wirtschaftsverkehr wären dann kaum mehr möglich. Von daher stellt das Bestehen einer freien Wirtschaftsordnung eine Voraussetzung der Ausübbarkeit von wirtschaftsrelevanten Grundrechten dar und damit eine Form des Schutzes von Grundrechtsvoraussetzungen 757. Freilich können andere Gesichtspunkte der Grundrechtsverwirklichung und des Allgemeinwohls Beschränkungen der freien Marktwirtschaft erfordern: Gesundheitsgefahren, das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, aber auch - besonders aktuell - Art. 20 a GG. Sind damit staatliche Eingriffe nicht ausgeschlossen, so dürfen sie nicht ein Ausmaß erreichen, das zu einer weitgehend durch staatlichen Dirigismus beherrschten Wirtschaftsstruktur führt. Sie sind zudem durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei ihrem Schutz vor solchen Eingriffen können die Einzelgrundrechte nicht die Aspekte einschließen, die sich erst aus der Zusammenschau der einzelgrundrechtlich gewährleisteten Elemente ergeben. So bleiben Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaftsordnung z.B. in Gestalt des insgesamt noch den Wirtschaftssubjekten verbleibenden Entfaltungsraums hinsichtlich Produktgestaltung und Preisfestsetzung sowie Kaufsouveränität angesichts von Umweltschutzmaßnahmen in Form von Produktvorschriften oder Ökosteuern bei einer isolierten und einzelfallbezogenen Betrachtung von Art. 14 Abs. 1,12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG außer Betracht. Hieran zeigt sich, daß die Bedeutung der marktwirtschaftlichen Ordnung über den sich aus der Summe seiner (grundrechtlichen) Einzelteile ergebenden Gehalt hinausgeht. Wie vor diesem Hintergrund eine Unternehmensgesamtheit als tatsächliche Zusammenfassung von vermögens-
ansah, sondern um wirtschaftsrelevante Ausprägungen einzelner Grundrechte (Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 262). 755 Aus in erster Linie institutioneller Sicht insbes. Papier, WDStRL 35 (1977), 55 (82 ff.); ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 34; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art 12 Rn. 79 m.w.N. 756 Für einen staatlich gebundenen Beruf wird der Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG nach den Maßstäben von Art. 33 GG gewährt, BVerfGE 11,30 (39). 757 Dazu grundlegend Kloepfer, Entstehenssicherung, S. 15 ff. Weil hier die Chance einer freien wirtschaftsrelevanten Betätigung in Frage steht, geht es - der Einteilung Kloepfers Entstehenssicherung, S. 15 ff. folgend - um eine Form des chancensichernden Grundrechtsvoraussetzungsschutzes. Soweit eine Erschwerung oder eine Beschränkung der Erlangung grundrechtlich geschützter Positionen (z.B. Eigentum) anliegt, wird der entstehenssichernde Grundrechtsvoraussetzungsschutz auf den Plan gerufen (zu diesen beiden Formen Kloepfer aaO., S. 21). Da ein bestehender freiheitlicher Zustand vor staatlichem Zugriff durch Änderung der Wirtschaftsordnung bewahrt werden soll, wird die abwehrrechtliche Seite der Grundrechte berührt (näher zu der Figur des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes aus der Warte der Schutzpflichten oben Teil Π § 4 B.m.2.).
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
werten Einzelrechten auch als Ganzes als durch Art. 14 Abs. 1 GG abgesichert zu sehen ist 7 5 8 , trifft dies für die marktwirtschaftliche Ordnung auf der Basis einer Gesamtschau von Art. 12 Abs. 1,14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG zu. Dadurch ist ein adäquates Gegengewicht zu der Staatszielbestimmung zugunsten des Umweltschutzes in Art. 20 a GG gefunden, das insbesondere bei der Ermessensausübung der Behörden relevant wird 7 5 9 und einer einseitigen Ausrichtung auf den Umweltschutz entgegen der Einbindung in die verfassungsmäßige Ordnung gegensteuert. Es ist eine praktische Konkordanz dieser aufeinanderprallenden Verfassungsgüter sicherzustellen 760. Die grundgesetzliche Neutralität hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur bezieht sich daher allenfalls auf die Offenheit des Ausgleichs gegenläufiger (verfassungsrelevanter) Belange 7 6 1 , verlangt aber stets die Wahrung der Grundrechte, und zwar in ihrem jeweiligen Gehalt 762 namentlich hinsichtlich der bürgerlichen Entfaltungsfreiheit im wirtschaftlichen Sektor sowie in dem darauf bezogenen, sich aus ihnen in ihrer Gesamtheit ergebenden Gehalt. Diese Belange bleiben regelmäßig gewahrt bei der Anwendung des Verursacherprinzips. Dieses sucht Fehlsteuerungen des freien Spiels der Kräfte möglichst marktkonform zu korrigieren. Daher ist es im allgemeinen das Ergebnis einer praktischen Konkordanz zwischen marktwirtschaftlicher Ordnung und Umweltschutz. Das gilt auch für eine Versöhnung zwischen Markt und Sozialstaat - etwa durch Maßnahmen zu Lasten derjenigen, die keine Schwerbehinderten einstellen. Von daher ist das Verursacherprinzip der Garant für die Umsetzung einer öko-sozialen Marktwirtschaft.
§ 11 Aus Staatszielbestimmungen A. Sozialstaatsprinzip Die Überlegungen zu den Grundpflichten 763 erwiesen bereits, daß das Sozialstaatsprinzip nicht konkret genug ist, um dem Staat eine detaillierte Handlungsrichtung vorzugeben 764 . Zudem hat das Verursacherprinzip keine unmit758
Befürwortend z.B. Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (28); Engel, AöR 118 (1993), 169 ff. m.w.N.; auch noch BVerfGE 50, 290 (351 f.); siehe dagegen BVerfGE 51, 193 (221 f.); 58, 300 (353); 66,116 (145); 68, 193 (222 f.); 77,84 (118); 81,208 (227 f.). 759 Zur diesbezüglichen Bedeutung von Art. 20 a GG Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 a Rn. 8. 760 Allgemein Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 71 f. m.w.N. 761 Vgl. namentlich Scholz, in: Duwendag, Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, S. 113 (117 f.). 762 So auch BVerfGE 50, 290 (338). 763 Oben Teil Π § 5 C ΓΠ.2. 764 Siehe auch BVerfGE 22, 180 (204); 50, 57 (108); 59, 231 (263); allgemein Merten, DÖV 1993, 368 (370).
§ 11 Aus Staatszielbestimmungen
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telbare soziale Komponente im Sinne einer Förderung schwacher Bevölkerungsgruppen. Das Verursacherprinzip kann im Gegenteil wegen der finanziellen Belastung einzelner Personen oder bestimmter Personengruppen zum Sozialstaatsprinzip in Widerspruch treten, wenn es zu sozial unausgewogenen Belastungen führt 765 . Allerdings erwachsen daraus wegen der vagen Gestalt des Sozialstaatsprinzips Grenzen für die Anwendung und Gestaltung des Verursacherprinzips vor allem insoweit, als eine soziale Unausgewogenheit eindeutig hervortritt und Personen über das soziale Existenzminimum hinaus belastet werden. Diese Grenzen dürften aber durch Art. 3 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG 7 6 6 bereits im wesentlichen markiert sein.
B. Umweltschutzprinzip Speziell für den Schutz der Umwelt wurde in Art. 20 a GG eine Staatszielbestimmung geschaffen, die trotz ihrer relativierenden Zusätze eine bindende verfassungsrechtliche Zielsetzung 767 und damit unmittelbar geltendes Recht darstellt, wenn auch in Gestalt eines verbindlichen Programms 768. Als „Umweltschutzprinzip" 769 bedarf sie wie das Sozialstaatsprinzip der Konkretisierung durch Gesetz. In Art. 20 a GG kommt dies durch die abgesetzte und nachrangige Nennung von vollziehender Gewalt und Rechtsprechung und deren Beschränkung auf ein Handeln „nach Maßgabe von Gesetz und Recht" deutlich zum Ausdruck. Hat der letzte Punkt von seinem Gehalt her im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG auch lediglich eine deklaratorische Bedeutung 770 , so macht doch die Hervorhebung an dieser Stelle deutlich, daß nach der Entstehungsgeschichte die Ausformung des Staatszieles Umweltschutz „durch politische Entscheidung des Gesetzgebers, nicht von Fall zu Fall durch Verwaltung und Gerichte, erfolgen" sollte 771 . Indem Art. 20 a GG nur vorgibt, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, besitzt er - für Staatszielbestimmungen typisch - einen weit gefaßten Zielgehalt 772 und trifft keine Festlegung, welche Mittel 765
Siehe oben Teil I § 3. Siehe BVerfGE 40,121 (133); 48, 346 (361); Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs.l u. 2, Rn. 102; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Abs. 1 Rn. 24 m.w.N. 767 Siehe Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000, S. 67. 768 Allgemein Merten, DÖV 1993, 368 (370). Es handelt sich also um keinen bloßen Programmsatz, Kloepfer, in: BK, Art. 20 a Rn. 10; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 20 a Rn. 18. 769 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 a Rn. 1. 770 Uhle, DÖV 1993,947 (952). 771 Bericht Gemeinsame Verfassungskommission, S. 130,133. Dieses Anliegen der CDU/CSU wurde zwar durch die Aufnahme des Begriffes „Recht" in der Formulierung etwas verändert, aber jedenfalls nicht von der Zielrichtung her: Der Begriff „Recht" stellt entgegen den Befürchtungen der CDU/CSU (S. 134) ebensowenig wie im Rahmen von Art. 20 Abs. 3 GG eine Interpretationsermächtigung an die Rechtsprechung dar, sondern betont deren Bindung. 772 Siehe Sommermann, DVBl. 1991, 34 (35); Hoffmann-Riem, DV 28 (1995), 425 (426). 766
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
einzusetzen sind. Er fällt daher auch keine Entscheidung über eine Heranziehung die Umwelt schädigender Privater oder eine staatliche Subventionierung und gibt daher nicht zwingend eine Verwirklichung des Verursacherprinzips vor 7 7 3 . Das gilt selbst dann, wenn man in Art. 20 a GG - im Hinblick auf seinen entwicklungsoffenen Gehalt und bloßen Zielcharakter aber sehr fraglich einen Schutz des Konzentrats des bestehenden Rechts in Gestalt der umweltrechtlichen Kerngehalte als ökologischen Minimalstandard einschließlich des Verursacherprinzips als eines der drei grundlegenden Prinzipien im Umweltbereich 774 sieht, von dem nur zugunsten des Umweltschutzes abgewichen werden darf 7 5 : Gerade das Verursacherprinzip wurde nicht flächendeckend realisiert 776 , und ein Abweichen zugunsten des Umweltschutzes dürfte schon aufgrund der Vagheit dieses Zieles vielfach rechtfertigungsfähig sein, zumal aus Sicht des Art. 20 a GG eine Verhältnismäßigkeitsprüfüng für ein Abweichen nicht erforderlich ist 7 7 7 . Soweit der Staat Private nicht für Umweltschäden heranzieht, aber auch keine gegensteuernden Leistungsinstrumente in Gestalt von Zuschüssen für umweltfreundliches Verhalten bemüht, kann darin keine indirekte Subventionierung gesehen werden 778 , sondern ein bloßes Nichtstun, es sei denn, der Staat nimmt etwa einen Wirtschaftszweig gezielt von einer Gesamtregelung aus. Insoweit ist aber zu bedenken, daß das Staatsziel Umweltschutz auf Verwirklichung angelegt ist und damit dem Gesetzgeber ein Auswahlermessen zugebilligt werden muß, in welchen Bereichen er (zuerst) tätig wird. Die Anwendung des Verursacherprinzips ist allerdings in Art. 130 r Abs. 2 EGV als Grundsatz vorgegeben. Gemeinschaftsrecht kann indes gem. Art. 3 b Abs. 1 EGV nur für den von ihm erfaßten Kompetenzbereich Festlegungen treffen, und Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV bezieht sich lediglich auf die Umweltpolitik der Gemeinschaft 779. Einwirkungen auf die mitgliedstaatliche Rechtsordnung kommen daher nur insoweit in Betracht, als europäisches Sekundärrecht Vorgaben für die nationale Umweltpolitik enthält. Ist über diese das Ver773
Ebenso Kloepfer, DVB1. 1996, 73 (77); Scholz, in: Maunz/Dürig, Art 20 a Rn. 35; a.A. Murswiek, in: Sachs, GGK, Art. 20 a Rn. 35, außer sie ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich oder nicht praktikabel. 774 Siehe oben Teill§ I B . 775 So Kloepfer, in: BK, Art 20 a Rn. 35 - 37. 776 Kloepfer, in: BK, Art. 20 a Rn. 36. 777 Eine stärkere Begründungspflicht ergibt sich daher bei Grundrechtseinschränkungen und der dabei erforderlichen Rechtfertigung des ergriffenen Mittels. Insoweit schlägt dann die deutliche Wirkungsüberlegenheit des Verursacherprinzips gegenüber staatlichen Leistungsinstrumenten durch (oben Teil I § 2 A). Sie führte zu einer Herleitung des Verursacherprinzips aus den grundrechtlichen Grenzen der Steuerbelastung (siehe oben Teil Π § 7 Α.VI.). Zur Frage der Inanspruchnahme welches Verursachers unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten unten Teil m § 1 Α., Β. 778 Auch eine damit verbundene Aufbürdung an die Betroffenen statt an die Verursacher als Subventionierung qualifizierend Murswiek, Art. 20 a Rn. 34. 779 Näher sogleich § 12 A.
§11 Aus Staatszielbestimmungen
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ursacherprinzip vorgegeben oder dieses vor dem Hintergrund des Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV in sie hineinzuinterpretieren, sind sie die Rechtsgrundlage für seine Anwendung, nicht aber Art. 20 a GG. Diese Vorschrift bleibt von daher vom Gemeinschaftsrecht unbeeinflußt. Wird Art. 20 a GG nicht derart ausgelegt, daß er das Verursacherprinzip enthält, so ist es freilich denkbar, daß sich die nationalen Vorgaben für die Umweltpolitik von denen des Gemeinschaftsrechts unterscheiden. Dadurch können sich Zielkonflikte ergeben. Gem. Art. 5 Abs. 2 EGV unterlassen die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen, welche die Ziele des EG-Vertrages gefährden können. Diese Vorschrift verpflichtet im Hinblick darauf, daß Recht regelmäßig von den Mitgliedstaaten selbst vollzogen wird, alle Mitgliedstaatlichen Organe einschließlich der Gerichte 780 . Vermag sie indes für Gemeinschaftspolitiken geltende Vorschriften hinsichtlich der Mitgliedstaaten zu aktivieren, würden solche Beschränkungen hinfällig. Art. 5 Abs. 2 EGV kann daher diesen Effekt nicht haben. Die „Querschnittsklausel" 781 des Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV verlangt die Einbeziehung, nicht aber eine Ausrichtung anderer Politiken hinsichtlich ihrer Ziele auf die Erfordernisse des Umweltschutzes782 . Auch von daher besteht keine Verpflichtung der deutschen staatlichen Stellen, Art. 20 a GG als Vorgabe für das Verursacherprinzip auszulegen. Wegen seines positiven Effekts für den Schutz der Umwelt 7 8 3 läßt sich das Verursacherprinzip aber auf der Basis von Art. 20 a GG rechtfertigen 784 , insbesondere im Hinblick auf Einschränkungen von Freiheitsrechten. Diese Rechtfertigung ist unabhängig davon möglich, ob eine Maßnahme dem Schutz grundrechtlich gewährleisteter Güter dient, aus denen sich der Schutz der Umwelt lediglich partiell ableiten läßt: Allgemein anerkannt ist nur die Garantie eines ökologischen Existenzminimums aus Art. 2 Abs. 2 GG 7 8 5 . Art. 20 a GG schafft somit die Basis für Umweltmaßnahmen auf allen Gebieten. Aufgrund seiner Funktion, den Umweltschutz zu verbessern, stellt Art. 20 a GG damit allerdings nicht die alleinige Regelung für diesen Bereich dar. Ansonsten hätten zudem entgegen seiner Lückenschließungsfunktion 786 alle anderen umweltbezogenen Grundgesetzgehalte einschließlich der elementaren Gewährleistung des ökologischen Existenzminimums an den Relativierungen des 780 EuGH, Slg. 1976,2043 (2053) - Comet; Slg. 1980,501 (522 f.) - Just; Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 8 f. m.w.N. 781 Begriffsprägend Scheuing, EuR 1989,152 (176 f.). 782 Näher unten Teü Π § 12 Α., C.I.2. 783 Siehe oben Teil I § 2 A. 784 Vgl. vor der Aufnahme von Art. 20 a in das GG bereits Kloepfer, in: ders ./Rehbinder/ Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 150. 785 Kloepfer, Umweltrecht, S. 43; niig, Das Vorsorgeprinzip im Abfallrecht, S. 16 ff. Der Begriff stammt von Scholz, JuS 1976,232 (234). 786 Siehe Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000, S. 65.
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
Art. 20 a GG teil. Insoweit zeigen sich wiederum die Parallelen zum Sozialstaatsprinzip, das etwa auch nicht eine grundrechtliche Gewährleistung des ökonomischen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG 7 8 7 ausschließt. Das Umweltschutzprinzip tritt also, ohne selbst Grundrecht zu sein 788 , neben die bereits aus den Grundrechten ableitbaren Gehalte zur Verwirklichung des Umweltschutzes insbesondere in Gestalt der grundrechtlichen Schutzpflichten 789 und - allgemeiner 790 - des Grundrechtsvoraussetzungsschutzes: Die Grundrechtsverwirklichung ist vielfach - auch über das ökologische Existenzminimum hinaus - ohne bestimmte Umweltvoraussetzungen nicht möglich. So ist die Verwirklichung des Eigentumsrechts in Hochwassergebieten ohne staatliche Dammbauten illusorisch. Waldeigentümer sind darauf angewiesen, daß Anlagenbetreiber nicht so viele Emissionen freisetzen, daß ihre Bäume erkranken 7 9 1 . Diese grundrechtliche Absicherung staatlicher Umweltschutzmaßnahmen macht umgekehrt die Umweltschutzbestimmung nicht entbehrlich. Das gilt einmal im Hinblick auf die umfassende und nicht notwendig grundrechtsfunktionsspezifische Verankerung der natürlichen Lebensgrundlagen. Das betrifft weiter die Möglichkeiten des vorsorgenden Umweltschutzes: Auch wenn der Grundrechtsvoraussetzungsschutz anerkanntermaßen bereits in den Vorsorgebereich ausgedehnt wurde 792 und sein Eingreifen auch bei einem fehlenden Betroffensein des einzelnen bejaht wird 7 9 3 , verleiht erst Art. 20 a GG der Bedeutung des präventiven Umweltschutzes durch seinen umfassenden Schutzauftrag und spezifisch durch die Aufnahme der „Verantwortung für künftige Generationen" einen eigenständigen, von einer Gefährdung losgelösten Gehalt 7 9 4 . Zwar wird der Schutz nachwachsender Generationen durch Umweltschutz insbesondere auch aus der Wertedimension der Grundrechte abgeleitet 795 . Jedoch ist diese zukunftsgerichtete Dimension des Umweltschutzes in 787
Zippelius, in: BK, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 102; auch BVerfGE 40, 121 (133) sowie Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Abs. 1 Rn. 24 m.w.N. 788 Kloepfer, in: BK, Art. 20 a Rn. 12. Das folgt aus seiner systematischen Stellung und der Entstehungsgeschichte, BT-Drucks. 12/6000, S. 67. 789 Murswiek, in: Sachs, GGK, Art 20 a Rn. 21. 790 Zu dieser Ableitung der Schutzpflichten oben Teil II § 4 B.ffl.2., 3. 791 Zu sich daraus ergebenden Grundpflichten aus Art. 14 Abs. 2 GG oben Teil Π § 5 C.V.2. 792 BVerfGE 49, 89 (140 ff.); 53, 30 (55 ff.); 56,54 (73 ff.); Breuer, DVBl. 1978, 829 (836 f.); Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz: Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge, Bericht Sachverständigenkommission, S. 85. 793 Murswiek, ZRP 1988, 14 (15); siehe auch BVerfGE 77, 170 (214 f.): dann nur keine subjektiv einforderbare Schutzpflicht. 794 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 a Rn. 3; Schröder, DVBl. 1994, 835 (836); siehe bereits Kloepfer, DVBl. 1988,305 (313). 795 Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation unter besonderer Berücksichtigung der Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz, S. 265.
§ 12 Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot
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Art. 20 a GG ausdrücklich festgehalten und besonders hervorgehoben. Das verleiht ihr besonderes Gewicht und bewirkt somit eine wesentliche Aufwertung dieser Bedeutungsvariante. Daraus folgt auch eine tendenzielle Verbreiterung der Möglichkeiten präventiven Umweltschutzes - etwa durch das Verursacherprinzip. Sein potentieller Anwendungsbereich wird dadurch erheblich ausgedehnt. Zugleich beeinflußt Art. 20 a GG auch die Auslegung der Grundrechte hin zu einer stärkeren Aufnahme von Umweltschutzgesichtspunkten796. Allerdings ist zu beachten, daß Art. 20 a GG über die grundrechtliche Basis hinausragt und damit sein Gehalt nicht umfassend in die Grundrechte hineingelesen werden kann. Ansonsten verlöre Art. 20 a GG seine Funktion und gingen die in ihm enthaltenen Restriktionen namentlich in Gestalt des Angewiesenseins auf Legislativmaßnahmen über Bord. Zudem fehlt eine Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV vergleichbare „Querschnittsklausel" 797 . Jedoch kann Art. 20 a GG nicht nur als grundsätzlich gleichrangiger Verfassungssatz seinerseits eine Güterabwägung mit den Grundrechten erfordern 798 , sondern auch eine grundrechtliche Güterabwägung beeinflussen und z.B. bei einem Aufeinanderprallen der Eigentümerbelange der Betreiber emittierender Anlagen einerseits und der Waldbesitzer andererseits letzteren verstärktes Gewicht verleihen. Der Gehalt eines Grundrechts kann durch Art. 20 a GG angereichert werden 799 . So ist Art. 20 a GG eine Bestätigung dafür, daß umweltbezogene Belange zum Grundrechtsvoraussetzungsschutz gehören. Auf diese Weise wird der darauf bezogene Anwendungsbereich der grundrechtlichen Schutzpflichten und damit zugleich diese Basis des Verursacherprinzips 800 abgesichert und erweitert.
§ 12 Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot A. Der maßgebliche rechtliche Rahmen des Art 92 Abs. 1 EGV Ausdrücklich vorgegeben ist das Verursacherprinzip im Gemeinschaftsrecht in Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV für die Umweltpolitik auf Gemeinschaftsebe796
Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 a Rn. 6. Art. 20 a GG dennoch eine solche Funktion zumessend Kloepfer, in: BK, Art 20 a Rn. 65. Das kann aber nur fUr den Zielgehalt des Art. 20 a GG gelten, der in der Tat bei jeder staatlichen Tätigkeit zu beachten ist. Insoweit ausgeschlossen müssen jedoch - im Gegensatz zu Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV - einzelne materielle Gehalte und Erfordernisse sein (insoweit nicht differenzierend Kloepfer, ebda), da diese in dem gegenüber den Umweltbestimmungen des EGV wesentlich vageren und offeneren Art. 20 a GG nicht aufgeführt sind. 798 Kloepfer, in: BK, Art. 20 a Rn. 16; bezogen auf Art 5 Abs. 3 GG BVerwG, NJW 1995, 2648. 799 Dazu Uhle, JuS 1996,96 (99 f.). 800 Siehe oben Teil Π § 4. 797
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
ne 8 0 1 . Von daher kann es auch nicht über Art. 1301S. 2 EGV, sondern nur über Art. 5 Abs. 2 EGV für die Mitgliedstaaten wirksam werden 802 . Indes würde bei einer solchen Erstreckung die Beschränkung der Geltungskraft des Art. 130 r Abs. 2 EGV auf die Umweltpolitik der Gemeinschaft durch die Hintertür umgangen; Art. 130 r Abs. 2 EGV ist daher insoweit lex specialis 803 . Zudem kann Art. S Abs. 2 EGV nur dazu führen, daß die Mitgliedstaaten nicht eine Zielerreichung durch die Gemeinschaft gefährden dürfen. Die Ziele der Umweltpolitik sind indes in Art. 130 r Abs. 1 EGV festgelegt; auch Art. 130 r Abs. 2 S. 1 EGV enthält den Begriff „zielt", nicht aber Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV, in dem das Verursacherprinzip vorgegeben ist. Die partielle Festschreibung des Verursacherprinzips in Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV schließt aber eine Verortung in anderen Vorschriften nicht aus. Art. 92 Abs. 1 EGV bezieht sich auf die Gewährung von Beihilfen in den Mitgliedstaaten und könnte daher das Verursacherprinzip für die Mitgliedstaaten vorgeben. Eine solche Vorgabe kann sich allerdings nur auf die Heranziehung der von Art. 92 Abs. 1 EGV genannten bestimmten Unternehmen und Produktionszweigen, nicht aber auf sämtliche Bürger beziehen 804 . Art. 92 Abs. 1 EGV ist somit nicht geeignet, das Verursacherprinzip umfassend zu fundieren. Weiter eingeschränkt wird die Möglichkeit einer Herleitung des Verursacherprinzips auf mitgliedstaatlicher Ebene aus Art. 92 Abs. 1 EGV dadurch, daß diese Vorschrift zwar die näher bezeichneten Beihilfen für grundsätzlich unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt, aber die Mitgliedstaaten selbst unmittelbar nicht in die Pflicht nimmt. Vielmehr haben gem. Art. 93 Abs. 2, 3 EGV die Kommission und der Rat über die Vereinbarkeit von Beihilfen zu entscheiden. Lediglich bis zu einer abschließenden Entscheidung dieser Organe dürfen gem. Art. 93 Abs. 3 S. 3 EGV die Mitgliedstaaten keine Beihilfen gewähren, womit aber noch nicht über deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt befunden ist. Indem so die Gemeinschaftsorgane das Beihilfeverbot im Einzelfall in den Mitgliedstaten durchzusetzen haben, könnte allerdings über deren Bindung an die für Gemeinschaftsorgane geltenden Rechtssätze und damit auch an Art. 130 r Abs. 2 S. 3 i.V.m. S. 2 EGV das Verursacherprinzip auch für die Mitgliedstaaten verpflichtend sein. Die Kommission müßte dann möglicherweise alle Umweltschutzbeihilfen, die gegen das Verursacherprinzip verstoßen, mit dem
801 Dazu ausführlich Purps, Umweltpolitik und Verursacherprinzip, bes. S. 19 ff.; Krämer, EuGRZ 1989,353 ff. 802 Vgl. Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 2 Rn. 4: das Verursacherprinzip als Vertragsziel. 803 Bleckmann/Koch, in: Festschrift für Everling I, S. 113 (118). 804 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1478; Hoischen, Die Beihilferegelung in Art 92 EWGV, S. 56.
§ 12 Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot
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Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklären 805 , ohne daß ihr auch nur die Ausnahmemöglichkeiten nach Art. 92 Abs. 3 EGV zur Verfügung stehen 806 . Eine materielle Bindung der Mitgliedstaaten allein über Kompetenzvorschriften und damit über die Zuständigkeit von Gemeinschaftsorganen im Beihilfebereich scheidet indes aus. Die Gemeinschaftsorgane überwachen gem. Art. 93 Abs. 1 EGV lediglich die Beihilferegelungen der Mitgliedstaaten, und zwar in Zusammenarbeit mit diesen. Nur das insoweit einschlägige und damit auch die Mitgliedstaaten bindende Recht kann daher maßgeblich sein. Art. 130 r Abs. 2 S. 3 i.V.m. S. 2 EGV allein vermag somit - unabhängig von seiner Wirkungsintensität 807 - in diesem Zusammenhang von vornherein die Geltung des Verursacherprinzips nicht zu begründen 808. Die Gemeinschaftsorgane können deshalb lediglich insoweit auch die Anwendung des Verursacherprinzips vorgeben, als es aus dem an die Mitgliedstaaten gerichteten Beihilfeverbot des Art. 92 Abs. 1 EGV folgt. Die Frage einer Spezialität von Art. 92 EGV zu Art. 130 r Abs. 2 E G V 8 0 9 stellt sich daher nicht. Entscheidend ist, inwieweit das Beihilfeverbot des Art. 92 Abs. 1 EGV selbst das Verursacherprinzip enthält. In diesem Umfang sind dann sowohl die Gemeinschaftsorgane im Rahmen der Beihilfeaufsicht als auch die Mitgliedstaten gebunden. Da der Bereich der Beihilfen eine Gemeinschaftspolitik darstellt, der sowohl die Gemeinschaftsorgane als auch die Mitgliedstaaten unterliegen, kann allerdings Art. 130 r Abs. 2 EGV nach dessen S. 3 für ihre Festlegung und Durchführung herangezogen werden 810 .
B. Nichtheranziehung zu Verhaltensgeboten und Abgaben als Beihilfe Das Verursacherprinzip kann in dem vorstehend genannten Umfang dann aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot folgen, wenn die fehlende Heranziehung von bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen für Schäden, die sie verursacht haben, eine ,3eihilfe" im Sinne von Art. 92 Abs. 1 EGV darstellt. Entsprechend dem Wortlaut „Beihilfe gleich welcher Art" ist der
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Grabitz, RIW 1989,623 (632). Zils, Wertigkeit, S. 129; einschränkend im Hinblick auf das Gebot eines hohen Umweltschutzniveaus nach Art. 130 r Abs. 2 S. 1 EGV Bleckmann/Koch, in: Festschrift für Everling I, S. 113 (121 f.). 807 Dazu unten C.I.2. 808 Siehe dagegen Grabitz/Zacker, NVwZ 1989, 297 (300); vgl. auch EuGH, Slg. 1990,1-1527 (1550); 1991,1-2867 (2901) sowie bereits Behrens, EuR 1977,240 (256). 809 Bejahend etwa Grabitz, RIW 1989,623 (632); Schelling, EuR 1989,152 (174); Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Art. 92 Rn. 81; abl. Bleckmann/Koch, in: Festschrift für Everling I, S. 113 (123 f.) m.w.N. 810 Siehe unten C.I.2. 806
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
Beihilfebegriff weit zu verstehen 811. Im Hinblick auf den systematischen Kontext und das seinem Wortlaut und der Vorgabe des Art. 3 lit. g) EGV entnehmbare Ziel der Vorschrift, vor einer Verfälschung des Wettbewerbs zu schützen 812 , sind Beihilfen alle Begünstigungen, soweit sie nicht durch eine marktgerechte Gegenleistung des Begünstigten kompensiert werden 813 . Darunter fallen nicht nur direkte finanzielle Zuwendungen, sondern alle Entlastungen von Kosten, die ein Unternehmen bei unverfälschtem wirtschaftlichen Ablauf zu tragen hat, ohne daß es notwendig ist, daß sie - vergleichbar dem Aufbau von Art. 30 Abs. 1 EGV - in ihren Wirkungen solchen direkten finanziellen Zuwendungen gleichstehen814. Wegen dieser wortlautmäßigen Offenheit kann auch nicht an den seinerseits nicht feststehenden 815, gemeinschaftsrechtlich nicht definierten Begriff der Subventionen angeknüpft werden 816 . Die weite Formulierung und der Zweck, eine Wettbewerbsverfälschung zu verhindern, lassen für das Eingreifen von Art. 92 Abs. 1 EGV die Wirkung einer Maßnahme entscheidend sein 817 , unabhängig von ihrem Ziel 8 1 8 . Von daher ist es unschädlich, wenn der deutsche Gesetzgeber sich nicht bewußt ist, daß er mit einer unterlassenen Heranziehung der Verursacher eines Schadens bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige durch Kostenentlastung begünstigt. Daß das Verursacherprinzip regelmäßig der Konkretisierung durch Gesetze bedarf und damit die Ergreifung von Legislativmaßnahmen in Frage steht, ist für sich genommen unbeachtlich, können doch auch Rechtsetzungsakte wie deren Unterlassung mit Begünstigungen verbunden sein 819 . Entsprechend dem Wortlaut „Beihilfen gleich welcher Art" ist somit a priori die Rechtsform eines Aktes unschädlich. Gegen die Annahme einer Beihilfe bei einer Ausnahme von gesetzlichen (Umwelt-)Bestimmungen und einer daraus folgenden Nichtheranziehung wird 811
Etwa Lefèvre, Ausfuhrförderung und das Verbot Wettbewerbs verfälschender Beihilfen im EWG-Vertrag, S. 113; von Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, Art. 92 Rn. 5, jeweils m.w.N. 812 Siehe EuGH, Slg. 1974,709 (718); GA. Lenz, EuGH, Slg. 1986,2263 (2269). 813 EuGH, Slg. 1961,1 (43) - Bergmannsprämie. 814 EuGH, Slg. 1985,439 (450); Magiera, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller^Graff, Art. 92 Rn. 16; siehe dagegen EuGH, Slg. 1961,1 (42 f.). 815 Näher mit ausführlichem Nachweis Bleckmann, Subventionsrecht, S. 9 ff.; auch ders., Ordnungsrahmen für das Recht der Subventionen, S. 8 ff. 816 Siehe hingegen etwa Bleckmann, RabelsZ 48 (1984), 419 (442); Börner sowie Grabitz, in: Magiera, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, S. 83 (84) bzw. S. 95 (105); Hoischen, Die Beihilferegelung in Artikel 92 EWGV, S. 7 ff.; Rengeling, JZ 1984, 795 (798); Oppermann, Europarecht, Rn. 984. 817 EuGH, Slg. 1975, 709 (718); Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (416); Schröder, ZHR 152 (1988), 391 (401). 818 Anders Lenz, EuGH Slg. 1986, 2263 (2269): ,jede Art von Unterstützung ..., um ein anderes als ein betriebswirtschaftliches Ziel zu erreichen." 819 Vgl. EuGH, Slg. 1974, 709.
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geltend gemacht, dann obliege der Kommission nicht nur die ihr nach Art. 93 EGV zugewiesene Kontrolle der Beihilfen, sondern auch der Durchsetzung nationalen Rechts - ein domaine reservé der Mitgliedstaaten - , was in Widerspruch zum Kompetenzgefüge zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten stehe820. Die Wahrung der gemeinschaftlichen Kompetenzordnung hat auch der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung zum Beitritt der Gemeinschaft zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten angemahnt821. Indes sind die Mitgliedstaaten in den vom Gemeinschaftsrecht erfaßten Bereichen stets an dieses gebunden und damit auch bei der Durchsetzung nationaler Gesetze, soweit davon seine Einhaltung abhängt. Diese kann daher nicht - auch nicht partiell - kategorisch ausgenommen werden. Gerade die Gewährung von Beihilfen erfolgt vielfach versteckt und verschachtelt. Ihre Verhinderung setzt daher voraus, daß eine Loslösung von den nationalen Gesetzestechniken und Verwaltungspraktiken erfolgt. Bezogen auf den Begünstigungserfolg macht es keinen Unterschied, ob staatliche Gesetze bestimmte Unternehmen(sbereiche) aussparen oder dies erst beim Vollzug geschieht. Die Frage der Durchsetzung nationaler Normen kann insoweit keinen domaine reservé darstellen. Vielmehr verlangt der effet utile des Art. 92 Abs. 1 EGV die Einbeziehung staatlicher Vollzugsdefizite in den Beihilfebegriff, sofern daraus eine finanzielle Begünstigung von Unternehmen resultiert.
C. Staatlich oder aus staatlichen Mitteln Würden durch die Wahl des Begriffs „aus staatlichen Mitteln gewährte" und durch eine von ihm ausgehende Beeinflussung des gleichgestellten Ausdrucks „staatliche" von Art. 92 Abs. 1 EGV nur finanzielle Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln erfaßt 822 , erschiene die Erfassung eines Verzichts auf Verhaltensgebote und damit der ordnungsrechtlichen Umsetzung des Verursacherprinzips fraglich. Daraus ergibt sich zwar für die nicht Inanspruchgenommenen der Vorteil, daß sie keine finanziellen Aufwendungen zur Erfüllung solcher Gebote haben. Jedoch geht diese Ersparnis nur dann mit einem Abfluß öffentlicher Mittel einher, wenn der Staat stattdessen Aufwendungen hat und nicht etwa die Geschädigten selbst mit den Folgen des Verursacherverhaltens fertig werden läßt. Ist das der Fall, stellt sich weiter die Frage einer hinreichenden Verknüpfung, die die Annahme einer Beihilfe aus öffentlichen Mitteln rechtfertigt.
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Bleckmann/Koch, in: Festschrift zum 180jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, S. 305 (309 f.). 821 EuGH, Slg. 1996,1-1759 (1788 f.). 822 Etwa Oppermann, Europarecht, Rn. 985.
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
Die Nichterhebung von Abgaben und damit der Verzicht auf eine kostenmäßige Umsetzung des Verursacherprinzips führt zwar zu Mindereinnahmen der öffentlichen Hand. Staatliche Mittel werden aber nur dann angegriffen, wenn diese tatsächlich eingesetzt werden müssen und nicht etwa auf die Wahrnehmung einer Aufgabe ganz verzichtet wird, die durch eine Sonderabgabe finanziert werden soll. Diese Probleme stellten sich möglicherweise nicht, wenn staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen unabhängig vom Vorliegen einer finanziellen Zuwendung aus öffentlichen Mitteln alle Vergünstigungen an bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige wären.
I. Verzicht auf das Kriterium der finanziellen Zuwendung? L Aus dem System der Wettbewerbsvorschriften Art. 3 lit. g) EGV sieht ein System vor, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt, ohne daß irgendein Bereich ausgenommen wird. Eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe im Sinne von Art. 92 Abs. 1 EGV könnte daher jede staatliche Maßnahme sein, die - und sei es auch nur durch die Anregung oder Gewährung von (auch nicht finanziellen) Mitteln für das Handeln Privater - zur Wirkung hat, daß infolge einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Produktmarkt der Einsatz der Produktionsfaktoren verändert wird 8 2 3 . W i l l man indes die Beihilfe nicht über die Wettbewerbsverfälschung definieren, bedarf es auch bei diesem Ansatz einer eigenständigen Bedeutung der anderen Voraussetzung des Art. 92 Abs. 1 EGV jedenfalls in Gestalt einer Belastung der öffentlichen Hand, so daß die Kosteneinsparung bei einem Privaten allein nicht ausreichen könnte 824 . Allerdings ist Art. 92 Abs. 1 EGV Teil der Wettbewerbsregeln. Von daher wäre es denkbar, daß Art. 85 f. EGV umfassend vor Wettbewerbsverfalschungen durch am Wirtschaftsverkehr beteiligte Unternehmen und Art. 92 f. EGV vor allen möglichen Wettbewerbsverfälschungen durch den Staat oder auf seine Veranlassung hin schützen. Diese Auslegung wird durch die kaum faßbare, breite Palette staatlicher Instrumente zur Beeinflussung des Wirtschaftsgeschehens 825 nahegelegt.
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So Bleckmann, WiVerw. 1989, 75 (83); zur näheren Ableitung ders., in: Festschrift für Lukes, S. 271 (273 ff.) - dazu Teil Π § 13. 824 Bleckmann/Koch, in: Festschrift zum 180jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, S. 305 (308, 312) und bereits Bleckmann, WiVerw. 1989,75 (82). 825 Siehe Schwarze, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 819 (833), der daher auf eine Bestimmung des Beihilfebegriffs verzichtet.
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2. Aufgrund von Art. 130 r Abs. 2 5. 2 i. V.m. S. 3 EGV? Für das Vorliegen von staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen unabhängig von der Existenz einer finanziellen Zuwendung aus öffentlichen Mitteln spricht vordergründig auch Art. 130 r Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 3 EGV. Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV zeigt die Präferenz des EG-Vertrages für das Verursacherprinzip, ohne es auf finanzielle Inanspruchnahme zu beschränken. Die sich anschließende „Querschnittsklausel" 826 verlangt eine Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken. Die Erfordernisse des Umweltschutzes erstrecken sich aufgrund der systematischen Stellung dieser Einbeziehungsklausel am Ende des Art. 130 r Abs. 2 EGV nicht nur auf die in Abs. 1 formulierten Ziele 8 2 7 , wie es der Begriff „Erfordernisse" nahelegt, sondern auch auf die Gehalte des Abs. 2 8 2 8 . Ohne das in Art. 130 r Abs. 2 S. 1 EGV vorgegebene Schutzniveau könnten die Umweltziele des Abs. 1 ausgehöhlt werden, und dessen Erreichung wiederum beruht maßgeblich auf der Befolgung der Grundsätze des Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EGV 8 2 9 . Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV auf diese Grundsätze als Aussagen zur Art und Weise des Umweltschutzes zu erstrecken ist zudem dadurch angezeigt, daß dessen Erfordernisse nach dieser Vorschrift nicht nur bei der Festlegung, sondern auch bei der Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken einbezogen werden müssen. Indes enthält Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV für die Frage einer Erstreckung des Verursacherprinzips auf andere Gemeinschaftspolitiken eine erhebliche Relativierung. Einbeziehung bedeutet nicht die Zubilligung einer ausschlaggebenden Kraft, sondern erfordert nur eine Berücksichtigung 830 . Die Erfordernisse 826
Begriffsprägend Scheuing, EuR 1989,152 (176 f.). So Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, Rn. 26; Krämer, EuGRZ 1989, 353 (356); Pernice, NVwZ 1990,201 (203); bereits ders., Die Verwaltung 22 (1989), 1 (3). 828 Ebenso Führ, DVB1. 1991, 559 (562); Grabitz/Zacker, NVwZ 1989, 297 (300); Grabitz, in: Festschrift für Sendler, S. 443 (446). - Aus dieser Stellung ergeben sich umgekehrt Bedenken gegen eine Einbeziehung auch der Gehalte der nachfolgenden Absätze des Art. 130 r EGV (dafür Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 223 f.; Epiney, JZ 1992, 564 (568 Fn. 50)). Insoweit handelt es sich, wie insbesondere die Formulierung „berücksichtigen" in Abs. 3 zeigt, auch nicht um für den Umweltschutz notwendige Elemente, mithin um Erfordernisse, wie von Art 130 r Abs. 2 S. 3 EGV verlangt (vgl. Breier, NuR 1992, 174 (180): „alle Notwendigkeiten des Umweltschutzes"). 829 Siehe zur Überlegenheit des Verursacherprinzips gegenüber dem Gemeinlastprinzip ausführlich Teil I § 2 Α., zur Notwendigkeit einer vorsorgeorientierten Umweltpolitik näher unten Teil ΠΙ § 4. Das Kooperationsprinzip regt die Umweltverschmutzer zur Mitarbeit an und überbrückt Schwierigkeiten einer zwangsweisen Inanspruchnahme, die insbesondere darin liegen, daß sie bei nicht hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten ausscheidet. 830 Weiter Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art 130 r Rn. 59 f. zu der Vorgängerbestimmung des Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EWGV: „Die Erfordernisse des Umweltschutzes sind Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft" (dazu wie hier dagegen Grabitz, in: Festschrift für Send827
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Teil : u e u n g des Verursacheprinzips
des Umweltschutzes müssen mithin mit den Erfordernissen der anderen Gemeinschaftspolitiken abgewogen werden. Diese Politiken werden aber als solche durch Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV nicht relativiert. Daher können die Erfordernisse des Umweltschutzes und als deren Bestandteil das Verursacherprinzip nicht bereits die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen anderer Gemeinschaftsrechtsnormen bestimmen, sondern nur die bei deren Anwendung im Einzelfall zu berücksichtigenden Belange. Für diese Sicht spricht auch die Formulierung „bei der Festlegung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken". Das Beihilfeverbot des Art. 92 Abs. 1 EGV muß von daher nicht extensiv ausgelegt, sondern umweltgerecht gehandhabt werden, indem etwa (finanzielle) Beihilfen für umweltschädliche Aktivitäten an umweltgefährdende Unternehmen, mithin an die Verursacher, verboten werden. Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV eröffnet also keine Umweltpolitik auf der Basis von Art. 92 EGV, sondern verbietet eine den Umweltzielen des Art. 130 r EGV zuwiderlaufende Anwendung. Von daher beeinflußt das von Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV umfaßte Verursacherprinzip die Zielrichtung von Art. 92 Abs. 1 EGV, ohne notwendig seinen Anwendungsbereich über finanzielle Beihilfen hinaus zu erstrecken. 5. Notwendige Abgrenzung zu dem weit zu verstehenden Art. 30 EGV Bei einer extensiven Auslegung über finanzielle Beihilfen hinaus würden sich insbesondere die Anwendungsbereiche von Art. 92 Abs. 1 EGV und Art. 30 EGV weitgehend überschneiden. Alle Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sind entsprechend dieser weiten Begrifflichkeit des Art. 30 EGV alle innerstaatlichen Maßnahmen 831 , die unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern geeignet sind 832 . Darunter fallen auch Hilfsmaßnahmen der Mitgliedstaaten an die eigenen Unternehmen, die Exporte von Betrieben aus anderen Mitgliedstaaten erschweren, wie etwa die Reservierung einer Gattungsbezeichnung833 oder Verpackungsform 834 nur für inländische Waren.
1er, S. 443 (447)). Zwar verstärkt entsprechend der Zielsetzung der Verfasser (siehe Kommission, SEK (91) 500 vom 15.5.1991, S. 113; im einzelnen Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 59) Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV die Bindung des Adressaten durch die Formulierung „müssen ... einbezogen werden" statt des ambivalenten „sind Bestandteil". Er relativiert aber das Maß dieser Bindung durch die bloße Vorgabe der Einbeziehung, woraus sich dann erst ergeben muß, inwieweit die Erfordernisse des Umweltschutzes Bestandteil anderer Gemeinschaftspolitiken werden. 831 Näher EuGH, Slg. 1974,1123 (1134); 1975,46 (62); 1975,843 (858). 832 EuGH, Slg. 1974, 837 (852) - sog. Dassonville-Formel. 833 Z.B. „Sekt" nur für inländischen Schaumwein, EuGH, Slg. 1975,181. 834 Z.B. „Bocksbeutel" nur für deutsche Weine, EuGH, Slg. 1984,1299.
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Allerdings klammerte der EuGH vertriebsbezogene Regelungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 30 EGV aus, soweit sie unterschiedslos für einheimische und Waren aus anderen Mitgliedstaaten gelten und bestimmte Verkaufsmodalitäten, also etwa, wer ein Erzeugnis wie verkaufen kann, beschränken oder verbieten 835 . Damit wird dem entsprechend seiner Stellung im Titel I des Dritten Teils des EGV auf die Ware und damit das gehandelte Produkt und nicht auf den Vertrieb nach Grenzübertritt bezogenen Art. 30 EGV Rechnung getragen 836. Allerdings besteht die Gefahr einer Umgehung durch formal vertriebsbezogene, im Effekt aber den Warenverkehr treffende Regelungen. Um die Gefahr einer Aushöhlung von Art. 30 EGV zu bannen, die die ursprünglich weite Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu verhindern suchte 837 , sind daher auch solche Vertriebsvorschriften einzubeziehen, die den Warenverkehr tatsächlich und nicht nur potentiell ebenso stark wie produktbezogenene Vorschriften beeinträchtigen. Somit bleibt auch für nicht diskriminierende Maßnahmen Art. 30 EGV jedenfalls von der Anlage her die umfassend einschlägige Vorschrift. Art. 30 EGV bietet gegenüber Art. 92 Abs. 1 EGV insofern stärkeren Schutz, als er durch seine Formulierung „verboten" bereits als solcher hinreichend konkret ist, daß sich der einzelne auf ihn berufen kann 838 . Dagegen legt Art. 92 Abs. 1 EGV nur die Unvereinbarkeit von näher bestimmten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt fest. Diese muß aber gem. Art. 93 Abs. 2 EGV erst von der Kommission positiv festgestellt werden, bevor die Beihilfen von den Mitgliedstaaten aufzuheben oder umzugestalten sind. Erst dann sowie im Falle einer Konkretisierung des der Kommission und dem nach Maßgabe von Art. 93 Abs. 2 EGV beteiligten Rat in Art. 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 EGV zugebilligten weiten Entscheidungsspielraums in einer Durchführungsverordnung gem. Art. 94 EGV und bei einem Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 93 Abs. 3 EGV, die eine Beihilfe nicht der Entscheidung der Kommission unterwirft, entfaltet das gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot unmittelbare Wirkung 839 .
835 EuGH, Slg. 1993,1 - 6097 (6130 f.); ebenso schon EuGH, Slg. 1989, 2851 ff. - Torfaen; Slg. 1990,1-583 ff. - Krantz; Slg. 1990,1-3059 ff. - Quietlynn; Slg. 1991,1-997 ff. - Conforama; Slg. 1991, 1-1027 ff. - Marchandise; Slg. 1992, 1-6457 ff. - Rochdale Bourough Council; Slg. 1992,1-6635 ff. - City of Stoke-on-Trent; siehe bereits EuGH, Slg. 1982,1211 ff. - Blesgen; siehe aber EuGH, NJW 1995,3243 - Mars. 836 Zustimmend etwa Dubach, DVB1.1995,595 (620 f.); Petschke, EuZW 1994,107 (111). 837 Daher krit zur Rspr. des EuGH Ress, EuZW 1993,745. 838 EuGH, Slg. 1977,557 (576) - Iannelli. 839 EuGH, Slg. 1973,1471 ff. - Lorenz; Slg. 1977, 595 (609) - Steimke & Weinlig; Schwarze, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 819 (839 ff.); auch P.M. Huber, EuR 1991, 31 (49 f.); Erichsen, Jura 1994, 385 (387).
15 Frenz
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Im Hinblick auf diese unterschiedliche Struktur ist eine parallele Anwendung beider Vorschriften ausgeschlossen840. Der Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen und davon ausgehenden Beeinträchtigungen des Handels zwischen Mitgliedstaaten ist nach dem vorstehend Ausgeführten entsprechend der Zielsetzung des Art. 3 lit. c), g) EGV um so intensiver, je mehr Maßnahmen unter Art. 30 EGV fallen. Wenn durch ihn vor staatlichen Wettbewerbsverzerrungen geschützt wird, entspricht dies zumindest ebenso stark der Vorgabe des Art. 3 g) EGV und bleibt auch die Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes gewahrt, wie es Ziel des Art. 2 EGV bei der nunmehr gegebenen Verankerung der Marktwirtschaft in Art. 3 a Abs. 1,102 EGV ist 8 4 1 . Aufgrund der stärkeren, den Vorgaben des EG-Vertrages entsprechenden Schutzwirkung des Art. 30 EGV gegenüber Wettbewerbsverfälschungen ist Art. 92 EGV somit eng auszulegen. Für das Erfordernis einer finanziellen Komponente spricht zudem die Formulierung „aus staatlichen Mitteln gewährte" mit ihrer möglichen Ausstrahlungswirkung auf den davor stehenden Begriff „staatlich". Die Einbeziehung anderer als finanzieller staatlicher Mittel wäre demgegenüber etwa aufgrund der Wendung „durch staatliche Mittel gewährte" bzw. „ermöglichte" angezeigt worden, während das Wörtchen „aus" den Griff in die öffentlichen Finanzkassen andeutet. Zudem kann die Stellung des Beihilfeverbots vor den steuerlichen Vorschriften der Art. 95 ff. EGV angeführt werden. Umgekehrt wird eine besondere Bedeutung von Art. 92 Abs. 1 EGV dadurch nahegelegt, daß Art. 30 EGV entsprechend seinem Wortlaut einen Zusammenhang mit der Einfuhr von Waren voraussetzt 842. Unternehmensbezogene Beihilfen sind von diesem Vorgang losgelöst. Ergeben sich daraus Lücken im Schutzbereich von Art. 30 EGV 8 4 3 , werden diese durch Art. 92 EGV geschlossen. Die Formulierung „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte" Beihilfen besagt somit (nur), daß es sich nicht um eine Mittelvergabe unmittelbar durch den Staat handeln muß, sondern daß diese auch von öffentlichen oder
840
Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 Rn. 73. Eine Ausnahme besteht nur bei voneinander unterscheidbaren Modalitäten, die eine separate Überprüfung an der jeweils auf sie anwendbaren Vorschrift ermöglichen (Rn. 159). 841 Zur vorherigen Rechtslage Bleckmann, RabelsZ 48 (1984), 419 (427 ff.), der indes eine weite Auslegung des Art. 92 EGV für angezeigt sieht. Eine auf die Existenz von verschiedenen, dirigistischen Maßnahmen unterliegenden Bereichen gestützte, nach dem Maastrichter Vertrag aber wohl nicht mehr haltbare interventionistische Sicht müßte immerhin akzeptieren, daß bestimmte Bereiche, die zumindest auch den Gemeinsamen Markt formen, schon aufgrund der Prinzipienbestimmungen von Art. 3 lit. a), c), g) EGV dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen bleiben. 842 Hailbronner, in: dersTKlein/Magiera/Müller-Graff, Art. 30 Rn. 7; auch Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 Rn. 21. 843 Eine grundsätzliche Eignung zur Einfuhrbehinderung haftet Beihilfen gleichwohl an (Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 Rn. 73).
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privaten Einrichtungen vorgenommen werden kann, die vom Staat zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder damit beauftragt worden sind 844 .
II. Folgen für die Vorgabe des Verursacherprinzips Das Erfordernis einer finanziellen Komponente schließt allerdings entsprechend dem umfassenden Begriff „Beihilfen gleich welcher Art" nicht deren weite Konzeption aus, die zur Vermeidung von Umgehungstatbeständen angezeigt ist. Daher fallen unter das Verbot staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewährter Beihilfen auch Sachzuwendungen wie die Überlassung von Gebäuden oder die Erschließung von Grundstücken 845. Werden Verursacher für Maßnahmen zur Schadensvermeidung und -beseitigung nicht herangezogen, liegt insofern eine finanzielle Vergünstigung vor, als diese keine finanziellen Aufwendungen haben. Die Kommission nimmt eine Beihilfe an, weil die Verursacher an sich nach dem Verursacherprinzip selbst für durch ihre Tätigkeit verursachte Schäden aufkommen müssen 846 . Hier geht es indes um die Begründung des Verursacherprinzips aus dem Beihilfebegriff. Eine Beihilfe i.S.v. Art. 92 Abs. 1 EGV kann nur dann vorliegen, wenn die Kosten dieser Maßnahmen entweder aus öffentlichen Mitteln oder aus vom Staat gelenkten privaten Mitteln finanziert werden 847 . Die Anwendung des Gemeinlastprinzips ist daher bei Verursachungsbeiträgen von bestimmten Unternehmen und Produktionszweigen aus Art. 92 Abs. 1 EGV vorbehaltlich der Ausnahmebestimmungen der Art. 92 Abs. 2, 93 Abs. 2 Unterabs. 3 EGV mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar 848. Daraus folgt aber noch nicht zwingend positiv das Verursacherprinzip. Dieses beinhaltet nicht nur die Aussparung öffentlicher Mittel, sondern die Heranziehung der Verursacher. Ist die Verwendung öffentlicher Mittel für eine Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, die sich auf bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige bezieht, so kann der Staat diese Maßnahme auch unterlassen, es sei denn, ihre Vornahme ist aus anderen Gründen geboten. Die Heranziehung der Verursacher kann sich bei einem Verbot der Verwendung öffentlicher Mittel also notwendig nur dann ergeben, wenn die Aufgabe, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden sollte, zwingend erledigt werden 844
EuGH, Slg. 1977,595 (612 f.); 1985,439 (449); 1988,2855 (2872) - Steimke & Weinlig. Kommission, ABl. L 1963, S. 2235; siehe auch EuGH, Slg. 1984, 3809 (3831 f.) - Intermills sowie die umfassende Aufstellung bei Thiesing, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art 92 Rn. 1 ff. 846 Kommission, 10. Bericht, 1980, Ziff. 222. 847 EuGH, Slg. 1985,439 (449); 1988,219 (272) - van der Kooy; 1988,2855 (2872). 848 Bezogen auf Zuschüsse für die Beseitigung von Umweltschäden Classen, in: Oppermann/Moersch, Europa 2000, S. 183 (184). 845
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muß. Aber auch dann kann eine Heranziehung anderer Personen als der Verursacher in Betracht kommen. Nur wenn auch diese Möglichkeit ausscheidet, sind die Verursacher zu belasten. Das beruht aber regelmäßig auf anderen rechtlichen Vorgaben, so den grundrechtlichen Schutz- oder Grundpflichten 849 . Von daher hat Art. 92 EGV nur den negativen Gehalt eines Verbots der Verwendung öffentlicher Gelder. Eine positive Aussage im Hinblick auf das Verursacherprinzip ergäbe sich aus Art. 92 Abs. 1 EGV aber dann, wenn bereits die Nichtheranziehung von Verursachern eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe darstellte. Ist eine Umsetzung des Verursacherprinzips in seiner rein kostenmäßigen Form möglich, so bedeutet eine Nichtheranziehung von Verursachern, daß darauf verzichtet wird, Geld in die öffentlichen Kassen einzuspülen. Werden die Verursacher von Verhaltenspflichten verschont, bleiben diesen finanzielle Aufwendungen erspart. Werden durch diese Unterlassungen die öffentlichen Haushalte belastet, werden sie zugleich, wie für das Vorliegen einer Beihilfe i.S.v. Art. 92 Abs. 1 EGV erforderlich, durch staatliche Mittel finanziert. In diesem Fall ist eine Beihilfe gegeben850.
ΠΙ. Freistellung von Verbrauchern als Beihilfe für Unternehmen Werden Endverbraucher etwa von Zahlungen für schädliche Auswirkungen des Verbrauchs von bestimmten Gütern freigestellt, kommt dies mittelbar auch dem diese Güter erzeugenden Unternehmen insofern zugute, als die Verbraucher durch Zusatzkosten nicht vom Kauf dieser Ware abgeschreckt werden. Von daher liegt ein mittelbarer Vorteil an ein Unternehmen insofern vor, als die von einem Produkt ausgehenden Schäden nicht zu Umsatzeinbußen führen, sondern ausschließlich die öffentlichen Haushalte belasten. Eine solche mittelbare Zuwendung ist indes an den Verkehr von Waren geknüpft, weist also einen Bezug auf deren Einfuhr auf und fällt daher aufgrund der Beschränkung des Art. 92 EGV auf finanzielle Vergünstigungen im Hinblick auf die stärkere Schutzwirkung des unmittelbar wirkenden Art. 30 E G V 8 5 1 unter diesen. Anders verhält es sich hingegen bei fehlendem Einfuhrbezug. Dann fällt ein solcher mittelbarer Zuschuß zur Vermeidung von Umgehungen unter den Beihilfebegriff des Art. 92 EGV 8 5 2 .
849
Siehe oben Teil Π §§4,5. Im Ergebnis auch Bleckmann/Koch, in: Festschrift zum 180jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, S. 305 (312). 851 Siehe oben § 12 C.I.3. 852 Insoweit zu Recht Rengeling, in: Börner/Neundörfer, Recht und Praxis der Beihilfen im Gemeinsamen Markt, S. 23 (27) m.w.N. 850
§ 12 Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot
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D. Nichtheranziehung als Beihilfengewährung Art. 92 Abs. 1 EGV erfaßt staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen. Das Adjektiv „gewährte" bezieht sich zwar auf „aus staatlichen Mitteln" bezahlte Beihilfen. Indes sichert diese zweite Fallgruppe nur, daß Beihilfen auch dann erfaßt werden, wenn sie zwar letztlich aus staatlichen Mitteln finanziert, aber durch öffentliche oder private Einrichtungen verteilt werden 853 . Sie erfaßt mithin eine besondere Konstellation, schafft aber keinen zweiten Beihilfetatbestand. Somit verdeutlicht sie den von Art. 92 Abs. 1 EGV erfaßten einheitlichen Beihilfetatbestand durch das zusätzliche „gewährte" und vermag daher auch auf die rein staatliche Beihilfenvergabe zurückzuwirken. Dafür spricht auch die aus dem System des EG-Vertrages abgeleitete Notwendigkeit einer finanziellen Einbuße auf Seiten des Staats, die sich zugunsten des Begünstigten auswirken, dem mithin ein finanzieller Vorteil „gewährt" werden muß. „Gewähren" setzt die Verschaffung eines finanziellen Vorteils voraus. Es bedeutet, etwas bereits Vorhandenes darzureichen. Ein Unterlassen kann dem nur dann gleichgestellt werden und als negative Kehrseite ein „Gewähren" sein, wenn ein gegebener Anspruch nicht durchgesetzt wird, mithin auf etwas Vorhandenes verzichtet wird. Das ist dann der Fall, wenn eine gesetzlich bereits festgelegte Forderung nicht realisiert wird 8 5 4 . Das wird man auch dann noch bejahen können, wenn ein gesetzlich festgelegter Anspruch so gestaltet oder verändert wird, daß eine Gruppe entgegen dem inneren Aufbau eines (bereits bestehenden) Anspruchssystems spezifisch ausgenommen wird 8 5 5 . Zahlungspflichten und Verhaltensgebote sind nur rechtlich verbindlich, wenn sie einfachgesetzlich festgelegt sind oder unmittelbar aus der Verfassung folgen. Daher liegt ein „Gewähren" nur dann vor, wenn die Verwaltung auf die Inanspruchnahme von Personen verzichtet, die nach gesetzlichen Vorschriften oder unmittelbar kraft Verfassungsrechts Verhaltensgeboten oder Abgabepflichten unterliegen, oder wenn der Gesetzgeber trotz zwingenden verfassungsrechtlichen Gebots keine entsprechenden normativen Vorschriften erläßt. Ein „Gewähren" ist dagegen nicht gegeben, wenn für den Gesetzgeber nur die Möglichkeit besteht, Verhaltensgebote oder Zahlungspflichten zu Lasten bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige festzulegen. Dann existiert kein bereits mit normativer Kraft festgelegtes System, auf dessen konsequente Realisierung verzichtet werden könnte. Unabhängig von einem Bezug des Ausdrucks „gewährte" auch auf rein „staatliche Beihilfen" folgt dieses Ergebnis zudem aus der Konzeption und der Kompetenzordnung des EG-Vertrages. Bei einer anderen Sicht wäre die Gestal853 854 855
Siehe oben C.I.3. Zur Erfassung auch von Vollzugsdefiziten oben § 12 B. Siehe EuGH, Slg. 1974,709 (719).
Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
230
tung der Rechtsstellung der Unternehmen durch Art. 92 EGV hin zu einer möglichst starken Belastung vorgegeben. Das würde im Ergebnis dazu führen, daß die Unternehmen in allen Mitgliedstaaten durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in hohem Maße mit staatlichen Forderungen belegt werden müßten. Das aber widerspricht der auf freien Handel gerichteten Konzeption des EG-Vertrages. Zudem wäre damit das Recht der Ersatzleistungen trotz fehlender ausdrücklicher Ermächtigung im EG-Vertrag durch die Hintertür weitgehend vorgezeichnet. Daher kann ein gänzliches, ohne verfassungsrechtliche Vorgabe erfolgendes Untätigbleiben des Gesetzgebers unabhängig davon nicht unter das Beihilfeverbot des Art. 92 Abs. 1 EGV fallen, ob es sich um eine lediglich aus staatlichen Mitteln gewährte oder aber eine staatliche Beihilfe handelt.
E. Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung Eine Entlastung von bestimmten Unternehmen und Produktionszweigen von Zahlungs- und Verhaltenspflichten verbessert deren Wettbewerbssituation gegenüber anderen Wettbewerbern im innerstaatlichen Handel und beeinträchtigt daher den Handel zwischen Mitgliedstaaten 856 .
F. Ergebnis Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot folgt das Verursacherprinzip insoweit, als es um die Heranziehung bestimmter Unternehmen und Produktionszweige zur Vermeidung und Beseitigung für von ihnen verursachte Schäden aufgrund einfachgesetzlicher Bestimmungen sowie zwingender verfassungsrechtlicher Gebote geht. Auch die Ergänzung normativer Regelungen, die eine Gruppe systemwidrig von Lastentragungen ausgenommen haben, kann geboten sein, nicht hingegen der Erlaß völlig neuer Gesetze, es sei denn, er sei verfassungsrechtlich zwingend. Damit das Verursacherprinzip aus Art. 92 Abs. 1 EGV folgt, muß hinzu kommen, daß durch die fehlende Heranziehung der Verursacher die öffentlichen Kassen belastet werden.
§13 Art. 3 lit g) EGV Gem. Art. 3 lit. g) EGV umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt. Indem sich diese Vorschrift an die Gemeinschaft und nicht an die Mitgliedstaa856
Kooy.
Vgl. etwa EuGH, Slg. 1980, 2671 (2688 f.) - Philip Morris; Slg. 1988,219 (276) - van der
§ 13 Art. 3 lit. g) EGV
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ten wendet, kann sie nicht in der Bundesrepublik Deutschland das Verursacherprinzip zwingend vorgeben. Sie vermag höchstens die Gemeinschaft zu verpflichten, das Verursacherprinzip in den ihr zustehenden Kompetenzfeldern und damit im Einzelfall auf mitgliedstaatlicher Ebene durchzusetzen. Aber auch dies setzt voraus, daß Art. 3 lit g) EGV einen aus sich heraus hinreichend verbindlichen und in diesem Sinne konkreten Rechtssatz und nicht lediglich ein Prinzip enthält, das zwar zur Interpretation der folgenden Einzelbestimmungen des EG-Vertrags herangezogen werden kann, aber entsprechend der Eingangsformulierung des Art. 3 EGV „nach Maßgabe dieses Vertrages" selbst der Ausfüllung bedarf. Dann könnte Art. 3 lit. g) EGV keine bestimmte Handlungsrichtung vorgeben, wie sie aus dem Verursacherprinzip folgt, auch wenn die Anwendung dieses Prinzips durch die Internalisierung externer Kosten einem System entspricht, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt. Bleckmann will die konkrete Rechtssatzqualität des Art. 3 lit. g) EGV daraus herleiten, daß diese im Gegensatz zu den anderen Buchstaben dieser Vorschrift, für die der bloße Zielcharakter allgemein anerkannt ist 8 5 7 , aus einer Rechtsanalogie aus zahlreichen Einzelbestimmungen, die den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen verlangen, zu gewinnen sei. Daraus folge der umfassende Charakter des Gedankens eines Verbots von Wettbewerbsverzerrungen 858. Indes läßt sich dieses Ergebnis methodisch auch durch eine entsprechend extensive Auslegung der vor Wettbewerbsverfälschungen innerhalb des Binnenmarktes schützenden Einzelvorschriften im Lichte von Art. 3 lit. g) EGV erreichen. Soweit eine entsprechende Auslegung aufgrund des Wortlauts oder des Normgefüges ausscheidet, ist an eine Analogie zu diesen Vorschriften zu denken. Bleiben trotzdem unüberwindbare Lücken, ist davon auszugehen, daß diese dem (objektiven) Willen der Vertragsstaaten entsprechen, die auch ein umfassendes Verbot statt vieler Einzelbestimmungen hätten statuieren können. Für dieses Vorgehen spricht die Formulierung „nach Maßgabe dieses Vertrages", die sich auch auf Art. 3 lit. g) EGV bezieht, und zudem die Struktur dieser Teilregelung, die nur von einem „System" spricht, ohne es näher zu definieren, und keine konkrete Verhaltensanweisung enthält. In seiner Unschärfe unterscheidet sich somit Art. 3 lit. g) EGV nicht von den anderen Buchstaben des Art. 3 EGV. Von seiner funktionellen Bedeutung her übertrifft er zumindest nicht Art. 3 lit. a) und c) als den Grundfreiheiten zugrundeliegende Prinzipienregelungen. Daher enthält auch Art. 3 lit. g) EGV keinen für sich hinreichend konkreten pflichtenbegründenden Rechtssatz, sondern lediglich ein, wenn auch
857
Siehe EuGH, Slg. 1985 1513 (1596); Grabitz, in: Grabitz/Hilf, EU, Art. 3 Rn. 1; Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, Art 3 Rn. 2. 858 Bleckmann, in: Festschrift für Lukes, S. 271 (273 f.) noch für den wortgleichen Art. 3 lit. f) EGV.
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
als solches verbindliches, konkretisierungsbedürftiges Ziel 8 5 9 , und kann daher nicht die auch nur partielle Durchsetzung des Verursacherprinzips in den Mitgliedstaaten durch die Gemeinschaft vorgeben.
§ 14 Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im deutschen Öffentlichen Recht A. Systematik der rechtlichen Fundierung Das Verursacherprinzip ergibt sich zwar nicht aus den grundrechtlichen Abwehr· und Leistungsrechten, aber aus den Schutzpflichten jedenfalls bei einer subjektiv-rechtlichen Herleitung insoweit, als der Staat für die Grundrechtsverwirklichung unabdingbare und im einzelnen angelegte oder natürlich vorhandene Elemente durch ein Handeln gegen bestimmte Störer wahrt; es ist zwingend, wenn ihm als einziges Mittel ein Agieren gegen diese Störer verbleibt. Das Verursacherprinzip ergibt sich weiter aus den Grundpflichten, partiell aus Art. 6 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 2 sowie auch Art. 12 a GG, nahezu umfassend aus der Pflicht zum Gesetzesgehorsam. Es folgt zwar nicht aus den haushaltsverfassungsrechtlichen Vorschriften zur Begrenzung staatlicher Ausgabentätigkeit, aber aus dem grundrechtlichen Rahmen der Steuererhebung: Die Steuerbelastung ist offensichtlich unverhältnismäßig, wenn durch eine staatliche Regulierung von Verursachungsbeiträgen trotz privater Finanzierungsmöglichkeit und -fähigkeit eine Lastenverschiebung zuungunsten der Allgemeinheit der Steuerzahler stattfindet. Sie ist ungleichmäßig, wenn die von den Verursachern vereinnahmten Steuergelder an diese zurückfließen, um die durch sie verursachten Schäden zu beheben. Das Verursacherprinzip ist zudem im Menschenbild des Grundgesetzes angelegt. Es kann als Unterprinzip des - verfassungsrechtlich ableitbaren - Subsidiaritätsprinzips angesehen werden, das umgekehrt auf die Verwirklichung des Verursacherprinzips einwirkt. Es ist das Resultat praktischer Konkordanz zwischen grundgesetzlich verankerter freiheitlicher Wirtschaftsverfassung, Sozialund Umweltstaat. Das Verursacherprinzip ist durch die Umweltstaatszielbestimmung gerechtfertigt, die zugleich die Reichweite des durch Schutzpflichten abgesicherten Grundrechtsvoraussetzungsschutzes erweitert. Es folgt schließlich aus Art. 92 EGV für dessen speziellen Regelungsbereich, indes nicht für Gesetzgebungsmaßnahmen, es sei denn, sie sind verfassungsrechtlich zu Lasten des in Art. 92 Abs. 1 EGV genannten Personenkreis zwingend vorgegeben.
859
EuGH, Slg. 1973, 215 (244 f.) - Continental Can noch für Art. 3 lit. 0 EWGV.
§ 14 Gebietsübergreifendes juristisches Prinzip
233
Insgesamt ist somit das Verursacherprinzip, bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland, umfassend verfassungsrechtlich sowie partiell aus Gemeinschaftsrecht ableitbar, aber nicht durchgehend verpflichtend. Obligatorisch ist es im Rahmen der grundrechtlichen Schutzpflichten, wenn diese personal auf einen bestimmten Auslöser bezogen sind, der Grundpflichten und damit in dem weiten Bereich der Gesetzesübertretungen, sofern es um die Durchsetzung von Verhaltenspflichten geht, bei einer ansonsten offensichtlich unverhältnismäßigen bzw. gleichheitswidrigen Steuerlastverschiebung, sofern ein Vorgehen zur Abwendung bzw. Beseitigung von Schäden geboten ist 8 6 0 , sowie in dem allerdings begrenzten - Anwendungsbereich von Art. 92 EGV.
B. Ausdehnung des Verursacherprinzips über das Umweltrecht hinaus Auf dieser Basis wird das Verursacherprinzip vom umweltrechtlichen Prinzip zum gebietsübergreifenden juristischen Grundsatz im deutschen öffentlichen Recht. Der Umweltbereich bleibt dennoch der klassische Anwendungsfall. Um aber die sich aus der verfassungsrechtlichen Herleitung ergebenden Konsequenzen für den Inhalt des über dieses einzelne Rechtsgebiet hinausgreifenden Verursacherprinzips konkretisieren zu können, soll die Bandbreite möglicher Anwendungsfelder mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen an einigen Beispielen aufgezeigt werden.
I. Polizeikosten Gem. §§ 465 Abs. 1 StPO, 105 Abs. 1 OWiG hat eine Person, die Straftatbestände bzw. Ordnungswidrigkeiten verwirklicht hat, zwar die Verfahrenskosten zu bezahlen. Eine Rechtsgrundlage für die Aufbürdung der Kosten für die Ermittlung existiert indes nicht. Diese Kosten entstehen gleichfalls deshalb, weil eine Person eine strafbewehrte gesetzliche Vorschrift übertreten und damit ihre Pflicht zum Gesetzesgehorsam mißachtet hat. Sobald sie aus den Ermittlungen gegen eine bestimmte Person erwachsen, können sie dieser aufgrund des auf die Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam zurückführenden Strangs des Verursacherprinzips 861 angelastet werden, sofern der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung trifft. Hohe Kosten entstehen dadurch, daß bei Großveranstaltungen Polizeischutz aufgeboten werden muß, um Übergriffe auf die Gesundheit einzelner Teilnehmer bzw. Außenstehender oder das Eigentum anderer zu verhindern. Dieses
860 861
Siehe oben Teil Π § 7 C. Siehe Teil Π § 5 CH.
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
Bedürfnis kann unabhängig davon bestehen, ob tatsächlich Störungen auftreten. Allein das Zusammenkommen vieler Menschen bedarf der Organisation und Regulierung. Bei zahlreichen Anlässen wie etwa Fußballspielen oder Hardrockkonzerten mit Skinheads als Publikum ist eine Gewaltbereitschaft gegeben, die aus der Art der Veranstaltung resultiert und somit dieser immanent ist. Dann erwächst aus der Veranstaltung als solcher ein spezifisches Risiko und damit die Notwendigkeit des Polizeischutzes862 zur Verhinderung insbesondere von Lebens- und Gesundheitsschäden. Der Veranstalter verursacht sie durch die Abhaltung eines solchen Ereignisses und ist damit Richtungspunkt staatlicher Schutzmaßnahmen863. Zudem ist eine Bezahlung solcher Polizeieinsätze aus Steuermitteln einmal deshalb offensichtlich nicht erforderlich, weil die Inanspruchnahme des Veranstalters eine solche Gefahr wirksamer verhindern würde: Er würde in stärkerem Maße gewaltbereit erscheindende Personen nicht zur Veranstaltung gelangen lassen; trotzdem nicht vermeidbare Polizeikosten würde er auf die Veranstaltungsteilnehmer umlegen, wodurch auch für diese ein Anreiz entstünde, sich selbst friedlich zu verhalten bzw. auf die Gewaltlosigkeit anderer Teilnehmer hinzuwirken. Zudem erscheint es weniger grundrechtsbeeinträchtigend, daß der Veranstalter einen Teil seiner Einnahmen für die Finanzierung der im Rahmen der Veranstaltungsdurchführung entstehenden Kosten verwendet, statt daß die Steuerzahler durch ein staatliches Aufkommen für sämtliche gewaltanfälligen Veranstaltungen stärker belastet werden 864 . Vor diesem Hintergrund sind die Veranstalter der sachnähere Personenkreis, so daß ihre Heranziehung auch Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips ist 8 6 5 . Alle diese verfassungsrechtlichen Wurzeln des Verursacherprinzips rechtfertigen, die grundrechtlichen Grenzen der Steuerbelastung erfordern bei Notwendigkeit staatlichen Handelns, daß der Veranstalter für Polizeimaßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Teilnehmer sowie des geordneten Verlaufs einer Veranstaltung 866 finanziell herangezogen wird 8 6 7 .
862
Schenke, NJW 1983, 1882 (1883) qualifiziert daher den Veranstalter als Störer. Zur Frage des Zweckveranlassers näher unten Teil ΠΙ § 1 Α.Π. a.E. 863 Zur Ableitung des Verursacherprinzips aus den grundrechtlichen Schutzpflichten oben TeÜ Π § 4 B.IV. 864 Zu dieser Herleitung des Verurssacherprinzips oben Teil Π § 7 A.VI.3. 865 Siehe oben Teü Π § 9. 866 Mithin nicht für Strafverfolgungsmaßnahmen, siehe etwa Kühling, DVB1. 1981, 315 (316 f.). Die sich daraus ergebenden Kosten sind, wie eingangs erwähnt, den Normübeitretern anzulasten. 867 Ebenso im Ergebnis Röper, DVB1. 1981, 780 (781 f.). Aber selbst in diesem FaU bedarf es infolge des staatlichen Gewaltmonopols, das die Annahme einer zum Kostenersatz verpflichtenden Ersatzvornahme ausschließt, und wegen einer nicht gegebenen unmittelbaren Ausführung einer eigenen gesetzlichen Regelung (Schenke, NJW 1983, 1882 (1883 f.)) nach dem Vorbild des § 81 Abs. 2 PolG BW (dazu näher Majer, VerwArch. 73 (1982), 167; dies., VB1BW 1982, 78 ff.). Zur Kostentragung beim Polizeischutz für kerntechnische Anlagen durch die Betreiber Roßnagel, ZRP 1983,59 (63 f.) m.w.N. Vgl. zu einer Großveranstaltungsabgabe Wilms, Enüastung ΠΙ, S. 103 ff.
§ 14 Gebietsübergreifendes juristisches Prinzip
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Reagiert die Polizei auf konkrete Vorfalle, neutralisiert sie mithin im Einzelfall Gewalttäter, sind diese aufgrund der Mißachtung der Pflicht zum Gesetzesgehorsam Verursacher. Ihre Heranziehung liegt deshalb näher als die des Veranstalters, weil dieser auf das konkrete Verhalten keinen Einfluß hat. Indes hat er die Aura zur Verfügung gestellt, in der sich Gewaltbereite gesammelt haben, und von daher gleichfalls einen Verursachungsbeitrag geleistet. Daher liegt es in der staatlichen Gestaltungsmacht, in solchen Fällen gleichfalls den Veranstalter als Kostenpflichtigen gesetzlich festzulegen, auch um ein Einspringen der Allgemeinheit wegen der Zahlungsunfähigkeit von Gewaltbereiten zu verhindern. Eine Ausnahme besteht dann, wenn es um die Kosten geht, die aufgewendet werden, um eine Störung einer Veranstaltung von außen zu verhindern 868 . Diese Aktivitäten sind außer im Provokationsfalle nicht veranstaltungsimmanent. Die zu ihrer Bekämpfung aufgewendeten Gelder sind daher auch nicht dem Veranstalter anlastbar. Allerdings bedarf es der Vorhaltung von Polizeikräften aus Steuergeldern. Von daher wird die Frage einer Doppelbesteuerung aufgeworfen 869. Tiefergehend wird darauf verwiesen, die staatliche Gefahrenabwehr als Aufgabe der inneren Sicherheit sei grundsätzlich und ausschließlich aus Steuermitteln zu finanzieren 870 . Indes werden durch gefahrträchtige Vorgehensweisen einzelner der erforderliche Polizeibedarf erhöht sowie die vorhandenen Polizeikräfte verstärkt und über den gewöhnlichen Rahmen hinaus eingesetzt, etwa an Wochenenden bzw. mit Schlagstöcken und Tränengas. Somit handelt es sich nicht um durch allgemeine Bedürfnisse, sondern durch bestimmte Personen hervorgerufene Kosten, so daß bei deren Inanspruchnahme auch eine Doppelbesteuerung nicht vorliegt 871 , sondern eine stärkere Belastung der Nichtverursacher zur Wahrung der gleichen Belastung aller vermieden wird 8 7 2 . Daß Kriminelle nichts für die Fahndung nach ihnen bezahlen müssen, woraus sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergeben könnte 873 , entfällt deshalb, weil diese Freistellung ihrerseits dem Verursacherprinzip zuwiderläuft, eine Gleichheit im Unrecht aber ausscheidet874. Drohen Veranstaltungen aufgrund der Überwälzung hoher Polizeikosten verhindert zu werden, ist an eine Beeinträchtigung von Art. 12 Abs. 1 bzw. - jedenfalls bei drohendem finanziellem Ruin des Veranstalters
868 869 870
Vgl. oben Teil Π § 4 Β.ΠΙ.3 a) m.w.N. Albrecht, in: Festschrift für Samper, S. 165 (176 ff.). Selmer, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 483 (503 f.); Wtlrtenberger, NVwZ 1983,192
(193). 871
Ebenso Krekel, Kostenpflichtigkeit, S. 17 ff. m.w.N. Siehe allgemein Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 324 f.; vgl. in diesem speziellen Zusammenhang Broß, DVBl. 1983,377 (380 f.). 873 Kühling, DVBl. 1981, 315 (317); Krekel, Kostenpflichtigkeit, S. 28 ff. Zu anderen möglichen VergleichskonsteUationen Majer, VerwArch. 73 (1982), 167 (180 ff.). 874 BVerfGE 50,142(166). 872
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
- von Art. 14 Abs. 1 GG zu denken 875 . Indes ist dies eine Frage des Preises für entsprechende Veranstaltungen. Wirkt dieser aufgrund der Einbeziehung der Polizeikosten prohibitiv, so ist zu bedenken, daß andernfalls vor dem Hintergrund der aufgezeigten Verursachungszusammenhänge die Allgemeinheit bestimmte gewaltanfällige Veranstaltungen subventionieren würde 876 . Darauf aber haben weder der Veranstalter noch die Besucher einen Anspruch. Ein prohibitiver Charakter wird allerdings dann beachtlich, wenn eine Veranstaltung unter besonderem verfassungsrechtlichem Schutz steht. Das trifft im Hinblick auf Art. 21 GG für Parteiveranstaltungen zu. Weiter sind Demonstrationen gem. Art. 8 GG besonders geschützt. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn Demonstrationen nicht friedlich und ohne Waffen sind. Die Grenze der Kostenpflichtigkeit verläuft dementsprechend an der Scheidemarke zwischen friedlichen und unfriedlichen Demonstrationen 877. Ist eine Demonstration nur teilweise unfriedlich, dürfen lediglich die unfriedlichen Demonstranten herangezogen werden 878 . Ansonsten ginge ein Abschreckungseffekt für Versammlungen trotz ihrer unentbehrlichen Bedeutung für die demokratische Willensbildung aus. Trotz dieser Ausnahme dient damit das Verursacherprinzip einer erheblichen Stärkung des klassischen Weges, die Polizeikosten den Verantwortlichen anzulasten, während neue Ansätze über Gebührenpflichten oder Kostenzurechnungen zum Gegenstand haben, auch (potentiell) Begünstigte an dem für sie erbrachten Aufwand zu beteiligen 879 .
Π. Soziales Versicherungsrecht L Gesetzliche Krankenversicherung Im sozialen Versicherungsrecht bezahlen die Beitragspflichtigen regelmäßig unabhängig davon ein, in welchem Umfang sie Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen, und erhalten bei geringer Inanspruchnahme keine Beiträge zurück 880 . Das gilt etwa für die allgemeinen Krankenversicherungen. Das erfolgt, obgleich bestimmte Gruppen durch ihr Verhalten regelmäßig vermehrt Leistun875
Krekel, Kostenpflichtigkeit, S. 31 ff. Daher eine Heranziehung abl. Schoch, JuS 1994,932 (934). Vgl. Krekel, Kostenpflichtigkeit, S. 13 ff. 877 Dazu BVerfGE 73, 206 (248 ff.); vgl auch BVerfGE 92, 1 (14 ff.) und Sondervotum Seidel/Söllner/Haas, BVerfGE 92,20 (22 ff.); Roellecke, NJW 1995,1525 (1526 f.). 878 Krekel, Kostenpflichtigkeit, S. 41. 879 Zu den Voraussetzungen und Grenzen solcher „Schutzgebühren" Gusy, Privatisierung von Polizeikosten, passim. 880 Im Gegensatz zu den privaten Krankenversicherungen. Zu den sich daraus im Hinblick auf den Gleichheitssatz ergebenden Problemen BVerfGE 89, 365 (377 ff.). 876
§ 14 Gebietsübergreifendes juristisches Prinzip
237
gen erhalten. So verursachen Raucher meist höhere Kosten als Nichtraucher, ohne dafür einen entsprechend höheren Beitrag zu entrichten. Diese Kosten werden somit teilweise von den sich nicht derart gefährdend verhaltenden Versicherten finanziert. Dadurch entstehen Lastenungleichgewichte881. Verursachergerechte Beiträge würden dagegen Raucher entsprechend dem höheren Krankheitsrisiko stärker belasten und von daher die Lastengleichheit wiederherstellen. Dann ginge von den Krankenversicherungsträgern auch ein Anreiz zu gesundheitsbewußterem Verhalten aus. Die Verhaltensweisen, auf denen erhöhte Krankheitskosten beruhen, sind allerdings nicht stets so deutlich und einfach herauszuschälen wie das Rauchen. So ist höchst ungewiß, ob etwa das Krebsrisiko durch eine bestimmte Ernährung steigt und inwieweit mangelnde Bewegung das Herzinfaktrisiko erhöht; beide Faktoren sind zudem schwerlich meßbar. Ihre Berücksichtigung ist somit eine Frage zulässiger Pauschalierung und der staatlichen Handlungsmöglichkeiten bei unsicherer Tatsachengrundlage 882. Jedenfalls aber lassen sich herausragende Gesundheitsrisiken wie auch gefährliche Sportarten über das Verursacherprinzip in höhere Beitragssätze ummünzen. 2. Gesetzliche Rentenversicherung Im Rentenbeitragsrecht ist folgender Ansatzpunkt für das Verursacherprinzip denkbar 883 : Vor Einführung des staatlichen Rentenversicherungssystems deckte ein Ehepaar seine Altersversorgung durch Kinder ab. Diese Notwendigkeit entfällt nunmehr durch die Rentenzahlung aus staatlichen Kassen 884 . Allerdings sorgen nur die Ehepaare, die Kinder haben, dafür, daß auch künftige Rentenbeitragszahler vorhanden sind, die die Auszahlung der Renten im Rahmen des „Generationenvertrags" sicherstellen, der darauf basiert, daß die nachwachsenden arbeitenden Generationen die Rentenzahlungen finanzieren 885 . Damit ist die Entscheidung von Ehepaaren gegen Kinder die Ursache dafür, daß in Zukunft weniger Beitragszahler vorhanden sind, die die Finanzierung der Renten sicherstellen. Diese Lücke kann unter anderem durch eine erhöhte Belastung der dann nachwachsenden Generationen oder durch eine Senkung der Renten geschlossen werden. Weder die dann vermehrt herangezogenen Beitragszahler 886 noch 881
Siehe oben Teil Π § 7 B. Siehe unten Teil m § 4. 883 Ebenfalls diesen Grundsatz heranziehend Wegmann, Transferverfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherung, S. 331 ff.; zurückhaltend dagegen Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 359 ff., aber auch S. 369. 884 Zur Entwicklung Suhr, Der Staat 29 (1990), 69 (72 f.). 885 BVerfGE 87,1 (37); auch BVerfGE 94, 241 (263 f.). 886 Wegmann, Transferverfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherung, S. 331 ff. 882
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Teil : u e u n g d e s Verursacherprinzips
die in ihren Renten Beschnittenen außer den kinderlosen Ehepaaren haben indes eine Ursache für das Entstehen der Rentenlücke gesetzt. Die Ehepaare mit Kindern erleiden im Gegenteil bereits dadurch, daß sie regelmäßig Berufsund damit auch Rentenausfallzeiten 887 haben, Nachteile bei einer ausschließlich verdienstorientierten Rentenbemessung888. Ihre Aufwendungen für Kinder als diejenigen, die das Rentensystem in späteren Zeiten finanzieren, blieben lange Zeit unberücksichtigt 889 . Das hat der Gesetzgeber teilweise durch das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung 890 und durch Art. 6 Nr. 24, 83 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 7 i.V.m. Art. 85 Abs. 1 des Rentenreformgesetzes 1992 891 korrigiert 892 . Es bleiben aber immer noch Defizite zurück. Eines war Gegenstand einer Verfassungsgerichtsentscheidung: Wählt der Gesetzgeber aufgrund der Garantiefunktion für die Rentenversicherung auch Kindererziehungszeiten als Anknüpfungspunkt für die Rentenberechnung 893, müssen diese als solche und damit entgegen der getroffenen gesetzlichen Regelung unabhängig von einer begleitenden Berufstätigkeit berücksichtigt werden, bilden sie doch ein davon zu trennendes eigenständiges Standbein der gleichermaßen auf Beitragszahlungen angewiesenen Rentenversicherung 894. Wird die Rente von Erziehenden deshalb gekürzt, weil zu wenige Beitragszahler vorhanden sind, erwachsen ihnen aus der von ihnen nicht hervorgerufenen, sondern im Gegenteil partiell vermiedenen Rentenlücke (ggf. zusätzliche) Nachteile. Dadurch entstehen jedenfalls bei seiner Ausfüllung auch durch Art. 6 Abs. 1 GG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende, da nicht gerechtfertigte Belastungsungleichheiten895, die der eigentlichen Ursache der Rentenlücke widersprechen 896. Diese Ursache haben die Ehepaare ohne Kinder gesetzt. Dem 887
Bedingt nicht nur durch gänzliche zeitliche Ausfallzeiten, sondern auch durch infolge dieser Unterbrechnungen bedingten beruflichen Nachteile (bereits BVerfGE 39,169 (190)), die einen geringeren Verdienst und damit auch geringere Rentenbeiträge zur Folge haben. 888 BVerfGE 87,1 (37). 889 BVerfGE 87,1 (37 f.); zum ganzen Suhr, Der Staat 29 (1990), 69 (74 ff.). 890 Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG) vom 11.7.1985, BGBl. I S. 1450. 891 Vom 18.12.1989, BGBl. IS. 2261. 892 Den Gehalt der einschlägigen Vorschriften faßt BVerfGE 94,241 (243 ff.) zusammen. 893 Dieser Weg ist als solcher verfassungsrechtlich zulässig, BVerfGE 87,1 (40). 894 BVerfGE 94,241 (263 f.). 895 BVerfGE 87,1 (36, ff.); 94,241 (262 ff.). 896 Vgl. oben Teil Π § 7 B. Anders Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 357 f. wegen der Ausrichtung des Rentensystems auf die Erwerbstätigkeit. Damit werden indes seine aus dem Generationsvertrag folgenden Grundlagen ausgeblendet, was der Materialisierung des ursprünglich als bloßes Willkürverbot verstandenen Art. 3 Abs. 1 GG (siehe BVerfGE 55,72 (88); 70,230 (239 f.); 71,146 (154 f.); 74,9 (24); 82,126 (146); 88, 87 (96 f.); 89,69 (89); 90,46 (56); 91, 346 (362 f.); 91,389 (401 f.); Sachs, JuS 1997,124 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, Anhang zu Art. 3 GG Rn. 10) widerspricht.
§ 14 Gebietsübergreifendes juristisches Prinzip
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Subsidiaritätsprinzip, bezogen auch auf die Inanspruchnahme der sachnäheren Einheit 897 , sowie der aus dem Bild des eigenverantwortlichen Menschen resultierenden Folgenverantwortung 898 entspricht es, sie mit den Konsequenzen zu belegen. Daraus ergibt sich eine stärkere Belastung der Ehepaare ohne Kinder, sei es durch eine erhöhte Heranziehung zu Rentenbeiträgen in Erwerbszeiten 899 , um voraussichtlich durch die Kinderlosigkeit bedingte Rentenlücken abzugleichen, sei es durch Kürzungen von Rentenzahlungen900. Durch eine solche stärkere Belastung von Ehepaaren ohne Kinder werden nur die Belastungsungleichheiten gegenüber Ehepaaren mit Kindern ausgeglichen. Daher liegt keine Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten eigenverantwortlichen Lebensführung der Ehegatten vor, die auch die Entscheidung über Kinder umfaßt 901 . Vielmehr werden prohibitive Wirkungen für die Realisierung eines Kinderwunsches, die von einer Belastungsungleichheit zu Lasten von Ehepaaren mit Kindern ausgehen, verhindert. Von daher wird ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG im Hinblick darauf, daß auch die Familie und damit auch deren Gründung unter besonderem staatlichen Schutz steht, vermieden 902 . Zudem wird das spätere Familienleben nicht dadurch beeinträchtigt, daß im Hinblick auf wegen der Kindererziehung geringere Rentenansprüche eigene Altersvorsorge getroffen werden muß. Zwar gebietet Art. 6 Abs. 1 GG nicht, jede die Familie bzw. den Entschluß zur Familiengründung als Ausfluß der selbstverantwortlichen Lebensführung der Ehegatten903 treffende Belastung abzugleichen 904 . Indes können Maßnahmen mit wirtschaftlichen Auswirkungen in einem Gesellschaftssystem, in dem fast allem ein Geldwert zugemessen wird 9 0 5 und zudem auch darüber hinaus finanziellen Faktoren eine hohe Bedeutung zukommt, den ehelichen und fami-
897
Siehe oben Teil Π § 9 A. Siehe oben Teil Π § 8 Α.Π. 899 Faktisch erfolgt dies bereits nach dem derzeitigen verdienstorientierten Rentenbeitragssystem regelmäßig dadurch, daß Doppelverdiener entsprechend höhere Beiträge aufbringen müssen. Das trifft aber auch auf Doppelverdiener zu, die Kinder haben. 900 So im Ergebnis Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 369 ff.; Wegmann, Transferverfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherung, S. 332 f. 901 BVerfGE 66,84(94). 902 Vgl. Pirson, in: BK, Art. 6 Rn. 41; Suhr, Der Staat 29 (1990), 69 (81); vgl. auch Lecheler, DVBl. 1986, 905 (911); von Campenhausen, WDStRL 45 (1987), 8 (36). Einen Verstoß gegen Art 6 Abs. 1 GG als solchen verneinend allerdings BVerfGE 87, 1 (35 f.), wo aber nur eine Verletzung der Pflicht zur Förderung der Familie näher geprüft wird. Vgl. dagegen den Ansatz in BVerfGE 82,60 (80 f.) sowie Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 366 ff., der einen Verstoß gegen Art 6 Abs. 1 GG als Gebot zur Schaffung familiengerechter Rahmenbedingungen (Pechstein, ebda, S. 167 ff.) annimmt. 903 Daher ist sowohl der Ehe- als auch der Familienschutz aus Art. 6 Abs. 1 GG einschlägig. 904 Siehe BVerfGE 43,108 (121); 75,348 (360); 82,60 (81). 905 Siehe oben Teill§ 2 A. 898
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Teil : u e u n g des Verursacherprinzips
liären Bereich beeinträchtigen. Daher muß der Gesetzgeber Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten auch über Kinder und damit über die Familiengründung einzugreifen 906 bzw. das Familienleben zu beeinträchtigen. Einen solchen Effekt haben Regelungen, die nicht verursachergerecht die Rentenlücke aufgrund zu geringer Kinderzahlen schließen, sondern daraus Ehepaare mit Kindern benachteiligen. Aufgrund der Intensität dieser Wirkung verstoßen solche Regelungen auch als mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen gegen Art. 6 Abs. 1 GG 9 0 7 . 5. Resümee Aus diesen beiden Konstellationen deutet sich für das öffentlich-rechtliche Sozialversicherungswesen folgender Anwendungsbereich des Verursacherprinzips an: Die Beiträge werden danach bemessen, inwieweit jemand Ursachen für eine verstärkte Inanspruchnahme der Versicherungsleistung oder - allgemein für Beitragserhöhungen setzt, mithin nach dem Veranlassungsbeitrag, soweit dabei insbesondere das Soziatstaatsprinzip gewahrt bleibt.
906 907
BVerfGE 66,84 (94). Vgl. BVerfGE 15, 328 (335).
Teil III
Die Ausgestaltung des Verursacherprinzips § 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt A. Die Bestimmung des Verursachers I· Durch den Gesetzgeber Die aufgezeigten grundgesetzlichen und gemeinschaftsrechtlichen Gehalte, aus denen das Verursacherprinzip ableitbar ist, geben zwar ein Vorgehen gegen den Verursacher vor. Wer dies konkret ist, steht aber lediglich in den Konstellationen fest, in denen aus diesen Determinanten zugleich das Vorgehen gegen einen bestimmten Personenkreis folgt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn anders eine staatliche Schutzpflicht nicht erfüllt werden kann 1 . So kann ungeborenes Leben nur durch Maßnahmen (auch) gegenüber der Schwangeren geschützt werden. Regelmäßig ist in diesen Situationen die Anwendung des Verursacherprinzips zwingend geboten. Beruht die Anwendung des Verursacherprinzips auf den Grundpflichten, sind diejenigen Anspruchsverpflichtete, denen solche Grundpflichten obliegen. Art. 92 Abs. 1 EGV gibt eine Heranziehung der einseitig begünstigten Unternehmen vor. Die grundrechtlichen Grenzen der Steuererhebung gebieten nur eine Freistellung des Steuerzahlers und erfordern eine Inanspruchnahme der Verursacher lediglich dann, wenn Maßnahmen zur Abwendung von Schäden geboten sind2. Wenn das Verursacherprinzip zwar aus Verfassungsrechtssätzen ableitbar ist, aber aus ihnen seine konkrete Zielrichtung nicht zwingend folgt, können sich gleichwohl Anhaltspunkte dafür ergeben, wer bei seiner Heranziehung als Verursacher in Anspruch zu nehmen ist. In den meisten Fällen kommen allerdings mehrere Verursacher in Betracht. Im Hinblick auf die Entsorgung von Abfallen ist eine Heranziehung der Endbesitzer denkbar, aber auch derer, die abfallträchtige Produkte herstellen, sowie derer, die sie vertreiben und damit in Verkehr bringen. Die Konsumenten könnten freilich von vornherein deshalb als
1 2
Siehe oben Teil Π § 4 A.I.2. a.E., Π. Siehe oben Teil Π § 7 C.
16 Frenz
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Verursacher ausscheiden, weil durch Werbung ihr Kaufverhalten gelenkt wird 3 . Indes verliert der einzelne durch die Beeinflussung durch andere nicht seine Souveränität über sein eigenes Verhalten. Paßt er es aus freien Stücken dieser Beeinflussung an, ist auch dies seine eigene Entscheidung. Verstößt es gegen das Gemeinwohl, ist dieses Verhalten trotzdem als Ausfluß der selbstbestimmten Persönlichkeit des Menschen, die in ihrer ihr eigenen Würde gem. Art. 1 Abs. 1 GG und damit auch in ihrer Fehlerhaftigkeit zu akzeptieren ist, hinzunehmen. Das schließt aber nicht aus, dem einzelnen die Folgen dieses Handelns zuzurechnen und damit seine eigenverantwortliche Entscheidung zu sichern durch die Anwendung des Verursacherprinzips 4. Die Konsumentensouveränität kann aber umgekehrt nicht verdrängen, daß die Hersteller und Vertreiber durch das Inverkehrbringen bestimmter Produkte gleichfalls einen Beitrag zu aus diesen erwachsenden Gefährdungen leisten. Von daher kommen auch sie als Verursacher in Betracht 5. Wer in Anspruch genommen wird, hängt von legislativer Festlegung ab. Verfassungsrechtliche Anhaltspunkte für den nicht zwingend vorgegebenen Anwendungsbereich des Verursacherprinzips können einmal aus seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen ableitbar sein, auch wenn diese keine bestimmte Personengruppe vorgeben. Die Schutzpflichten lassen dann, wenn die Erfassung aller vorhandenen Störer etwa wegen ihrer unübersehbaren Zahl und unterschiedlich gravierender Beiträge wie im Bereich der Luftverschmutzung nicht zwingend vorgegeben ist, die Inanspruchnahme jedenfalls der am stärksten ins Gewicht fallenden Schadensquellen angezeigt erscheinen6. Das Subsidiaritätsprinzip, angewandt über die Abgrenzung zwischen staatlichen Einheiten und von Staat und Gesellschaft hinaus7, indiziert eine Heranziehung einzelner Personen anstelle von diese zusammenfassenden Verbänden. Die grundrechtlichen Grenzen der Steuererhebung führen zur Heranziehung deijenigen, die durch eine sonst gegebene Finanzierung durch die Allgemeinheit ungerechtfertigt begünstigt werden 8, sofern die angegangenen Phänomene auf sie zurückzuführen sind. So erzielt der Hersteller Gewinn auch durch den Verkauf (umwelt-)schädigender Produkte, den er bei einer Heranziehung der Allgemeinheit zur Schadensverhinderung und -behebung ohne Abstriche behielte9; auf diese Weise erhielte er einen Teil der von ihm bezahlten Steuern gleichsam 3
Purps, Umweltpolitik und Verursachelprinzip, S. 79. Zum ganzen oben Teil Π § 8. 5 Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 31 ff.; näher sogleich. 6 Ein Vorgehen gegen die, die das als Voraussetzung für die Grundrechtsausübung notwendige Gewährleitungsniveau (siehe oben Teil Π § 4 B.m.3.b)cc)) übersteigen. 7 Siehe oben Teil Π § 9. 8 Näher oben Teil Π § 7 Α.VI., B.IV.; bereits Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 30 f. unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Lastengleichheit. 9 Beispiel von Rehbinder, ebda. 4
§ 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
243
wieder zurück, was dem Gebot gleichmäßiger Steuerbelastung widerspräche 10. Aber auch der Konsument hat durch den Verbrauch solcher Produkte einen ausschließlich privaten Nutzen, der bei aus diesen Erzeugnissen herrührenden Schäden für Gemeingüter und einer fehlenden Heranziehung Privater auf Kosten der Allgemeinheit ginge, so daß auch an ihn Steuergelder zurückflössen. Nur diese beiden Personengruppen entscheiden auch unmittelbar darüber, ob sie ihr schädigendes Verhalten fortsetzen oder nicht, so daß entsprechend dem Gebot, Steuergelder nicht für offensichtlich nicht erforderliche Zwecke zu verwenden, aus Effektivitätsgründen grundsätzlich sie als Verursacher heranzuziehen sind und staatliche Leistungsinstrumente nicht in Frage kommen 11 . Ob dann der Konsument oder der Erzeuger herangezogen werden, ist gleichfalls eine Frage der Effektivitätsabschätzung, aber innerhalb der Anwendung des Verursacherprinzips. Für die größere Wirksamkeit der Inanspruchnahme des Herstellers spricht nur vordergründig, daß er höhere Kosten an den Verbraucher weitergeben kann 12 . Macht er davon Gebrauch, wird letzterer immerhin indirekt mit den Kosten für den Ausgleich von Schäden an Gemeinwohlgütern belastet und von daher letztlich aufgrund seines durch den Konsum ebenfalls vorhandenen Schadensbeitrags belastet. Die Heranziehung des Herstellers beeinflußt freilich bereits die Erzeugung und das Inverkehrbringen von Produkten, setzt also eine Stufe früher an als eine Belastung des Konsumenten und ist von daher vielfach effektiver. Umgekehrt reagiert die Produktion auf die Nachfrage des Verbrauchers. Aus dieser Perspektive ist dessen Inanspruchnahme wirksamer 13 . Das aber sind Effektivitätsüberlegungen, die zur Frage der Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Anwendung des Verursacherprinzips überleiten. Die Geeignetheit ist regelmäßig bei der Heranziehung jeder Verursachergruppe gegeben. Das Übermaßverbot verlangt auf der Prüfungsstufe der Erforderlichkeit den Einsatz des mildesten Mittels. Danach ist eine das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar einschränkende Maßnahme zu wählen, wenn diese den verfolgten Zweck mindestens ebenso wirksam erreichen kann 14 . Somit darf also eine einschneidendere Maßnahme dann ergriffen werden, wenn sie das angestrebte Ziel effektiver zu verwirklichen vermag 15 . Daraus folgt die Inanspruchnahme des Personenkreises, durch die ein Ziel im Verhältnis zur Heranziehung anderer Gruppen wirkungsvoller bzw. zumindest gleich wirksam erreicht werden kann. Die Blickrichtung ist von daher wirkungsorientiert. Nur 10
Siehe oben Teü Π § 7 Β.ΠΙ., IV. Siehe oben Teü Π § 7 A.VI.3. 12 Siehe dagegen Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 30 f. 13 Daher für eine intensive Bildungs-, Ausklärungs- und Überzeugungsarbeit des Staates Paefgen, NuR 1994,424(432). 14 BVerfGE 53,135 (145 f.); 67,157 (177); 68,193 (219); 90,145 (172). 15 Siehe BVerfGE 81,70 (91 f.) auch im Hinblick auf den erforderlichen Aufwand. 11
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
bei einer gleichwertigen Wirkungskraft für den angestrebten Zweck ist auch die Schwere der Freiheitsbeeinträchtigung in Blick zu nehmen16. Wegen des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers in der Beurteilung, was erforderlich ist 17 , wird sich die größere Effektivität einer gewählten Maßnahme allerdings meist darlegen lassen. Eine wirkungsorientierte Betrachtung bezieht die Art und das Ausmaß der Verursacherbeiträge einzelner Gruppen lediglich insoweit mit ein, als durch sie ein wirkungsvoller Ansatz zur Bekämpfung eines Schadens geformt wird. So ist die Heranziehung der Verbraucher als Letztbesitzer von Abfall unverzichtbar, um sämtliche Abfälle erfassen zu können 18 , obgleich die Konsumenten für die Erzeugung und Zusammensetzung der Produkte nicht verantwortlich sind. Dasselbe gilt im Hinblick darauf, daß gem. § 6 Abs. 1, 2 VerpackV in die Rücknahme und Entsorgung von Verkaufsverpackungen die Vertreiber, die gegenüber den Verbrauchern als Letztbesitzer im Verhältnis zu den Herstellern den sachnäheren Personenkreis bilden, einbezogen werden. Demgegenüber setzen Regelungen, die die Zusammensetzung abfallträchtiger Produkte betreffen, naturgemäß bei den Erzeugern an 19 . Ein gegebener Verursacherbeitrag gewinnt seine Bedeutung für ein Gesetz mithin erst aufgrund des damit verfolgten Zwecks. Dieser bestimmt damit das Gewicht der einzelnen Verursacherbeiträge. Ihre Bedeutung richtet sich danach, inwieweit ein Anknüpfen an sie den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck verwirklichen kann. Wer Verursacher ist, richtet sich daher nach der Zielrichtung der staatlichen Maßnahmen20. Ob die Heranziehung der so gewonnenen Personengruppen deren Grundrechte zu stark einschränkt, ist an sich keine Frage des Vergleichs der verschiedenen heranziehbaren Verursacherguppen, sondern der Angemessenheit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gruppe. Gleichwohl müssen sich daraus insoweit Rückwirkungen auf die Prüfung der Erforderlichkeit durch die gestaltenden staatlichen Organe ergeben, als Maßnahmen, die zwar aufgrund ihrer Wirkungsweise effektiver, im Verhältnis dazu aber wegen scharfer Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht proportional und damit unangemessen sind, infolge fehlender Durchsetzbarkeit nicht ergriffen 21 und damit im Ergebnis auch nicht anderen, wenn auch weniger wirkungsvollen, aber die Grundrechte nicht so stark beeinträchtigenden Vorgehensweisen vorgezogen werden können. Insoweit strahlen die Auswirkungen der Maßnahmen für die Betroffenen 16
Siehe BVerfGE 53,135 (145 f.); 68,193 (219). BVerfGE 53,135 (145); 90,145 (173); näher unten Teü ΙΠ § 4 Β. 18 Vgl. § 3 Abs. 1 AbfG von 1986 und immer noch § 13 Abs. 1 Krw-/AbfG sowie zur Zielsetzung etwa BayVGH, BayVB11988, 627 (628); HessVGH, KStZ 1987, 190 (194); OVG Koblenz, KStZ 1990,97;OVG Lüneburg, NVwZ 1985,441. 19 Siehe § 22 Krw-/AbfG. 20 Ebenso Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 32. 21 Siehe BVerfGE 90,145 (185). 17
§ 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
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auf die Wirkungsmöglichkeiten durch die Maßnahme selbst zurück. Aber auch in dieser Beziehung spielen die Art und das Ausmaß des Verursacherbeitrags einer bestimmten Gruppe mit herein: Sie prägen die Vorteile einer Maßnahme für den angestrebten Zweck, die ins Verhältnis zu den Nachteilen für die beeinträchtigten Grundrechte zu setzen sind 22 . Je effektiver die Anknüpfung an den Verursacherbeitrag einer Gruppe ist, desto intensiver können regelmäßig ihre Grundrechte beeinträchtigt werden 23 . Damit der Gesetzgeber handlungsfähig bleiben und auch im Hinblick auf die politische Durchsetzbarkeit zwischen mehreren Alternativen wählen kann, die nicht offensichtlich in ihrer Tauglichkeit und dem Ausmaß ihrer Beeinträchtigung voneinander abweichen, ist ihm ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Dieser kommt dann zum Tragen, wenn die Auswirkungen einer Maßnahme schwer abschätzbar sind 24 . Das betrifft gerade den Umweltbereich 25 . In diesen Fällen ist entscheidend, daß der Gesetzgeber unter Abwägung der aufeinanderprallenden Belange eine Gruppe vertretbar als Verursacher bestimmt hat. Dann beruht die Bestimmung des Verursachers auf einer vertretbaren Festlegung des Gesetzgebers. In diesen Konstellationen, die den Großteil der Fälle ausmachen, in denen das Verursacherprinzip zum Tragen kommt, bestimmt somit der Gesetzgeber nach Zweckmäßigkeitskriterien 26, wer als Verursacher in Anspruch genommen wird. Es handelt sich daher nicht um einen festen Begriff, sondern um einen Akt rechtlicher Bewertung 27 , in die im Rahmen des legislativen Einschätzungsspielraums Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen 28. Der Kreis der potentiell als Verursacher in Betracht kommenden Personen ist daher a piori weit. Er schließt alle Personen ein, gegen die abstrakt gesehen staatliche Maßnahmen gerichtet werden können 29 . Grundvoraussetzung ist ein ausreichender tatsächlicher Ursachenzusammenhang30 zu dem Phänomen, das durch staatliches Handeln gesteuert werden soll. Wer in einer bestimmten Konstellation als Verursacher herangezogen wird, ist also meist nicht vorgegeben, sondern das Ergebnis legislativer Abwägung und Entscheidung. Aus dieser Sicht ist das Verursacherprinzip nicht dem poli-
22 23 24 25 26
BVerfGE 76,1(51). Siehe etwa BVerfGE 68,193 (221). Näher dazu Teil m §4. Siehe oben Teil I § 2 B. Dies allgemein annehmend Ewringmann, in: Kimminich/von Lersner/Storm, HdUR Π Sp.
2679. 27
Ebenso Köck, Sonderabgabe, S. 161. Siehe bereits oben Teil I § 1. Etwa möglichst geringe Kosten und ein minimaler Verwaltungs- und KontroUaufwand. Näher Knüppel, Umweltpolitische Instrumente, S. 20. 29 Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 33. 30 Vgl. bereits Teil I § 1 A. sowie ausführlich Teü ΙΠ § 4. 28
246
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
zeilichen Störerbegriff entnommen31, der das Ergebnis einer solchen legislativen Festlegung darstellt. Vielmehr ist umgekehrt der polizeiliche Störerbegriff ein Anwendungsfall des Verursacherprinzips.
II. Durch die Verwaltung Die normativen Vorgaben determinieren vielfach, gegen wen die Verwaltung im Einzelfall vorgehen soll. Die Problematik, wer in Anspruch genommen werden soll, reduziert sich meist auf die Frage, ob eine Person die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Eingriffsnorm erfüllt, gerade auch im Umweltrecht 32 : Im Atom- und Immissionsschutzrecht etwa ist Adressat von Pflichten und diese durchsetzenden Maßnahmen regelmäßig der Betreiber einer Anlage. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Norm können allerdings so gefaßt sein, daß der Verwaltung Ermessens- und Beurteilungsspielräume verbleiben. Läßt sich aus diesen Bestimmungen und dem Normzweck die Maßnahmerichtung nicht eindeutig ermitteln, haben die handelnden Beamten selbst abzuwägen, wer in Anspruch zu nehmen ist. Subsidiär ist dann im Bereich der Gefahrenbekämpfung und -Verhinderung auf die allgemeine Maßnahmerichtung des Polizeirechts als Ausprägung des Verursacherprinzips zurückzugreifen. Auch die hier vorherrschende Theorie der unmittelbaren Verursachung 33 kommt jedenfalls dann, wenn es um die Überschreitung der polizeirechtlichen Gefahrenschwelle als Ausgrenzungskriterium für das der unmittelbaren Gefahrenentstehung vorgelagerte Verhalten geht, ohne eine wertende Betrachtung nicht aus 34 : „Wo diese nur schwer zu bestimmende polizeirechtliche Gefahrengrenze beginnt, ist fallorientiert und mit Blick auf die natürliche Einheit von Handlung und Gefahr sowie auf die jeweiligen Rechtsgewährleistungen, rechtlich normierten Pflichten und Risikozuweisungen zu entscheiden."33 Das Unmittelbarkeitskriterium verliert dadurch aber seinen ihm eigenen Gehalt und wird - aufgrund der vielfachen Komplexität und Unsicherheit von Zurech-
31
Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 32; a.A. Rupp, JZ 1971,401 (401). Näher Spießhofer, Der Störer im allgemeinen und im Sonderpolizeirecht, S. 120 ff. 33 PrOVGE 31, 409; 103, 139; OVG NW, NVwZ 1985, 355 (356); HessVGH, NJW 1986, 1829; OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 (639); aus der Lit. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 313 m.w.N. in Fn. 34 ff. 34 Die Unmittelbarkeit auf eine wertende Beurteilung des zugrundeliegenden Vorgangs reduzierend etwa Papier, NVwZ 1986, 256 (257); siehe auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 198. Die Notwendigkeit einer wertenden Betrachtung für manche Fälle konzedierend Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 315 f. Übersicht zum aktuellen Problemund Meinungsstand bei Selmer, JuS 1992,97 ff. 35 Würtenberger, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht Π, Kap. 7 Rn. 167 (S. 399). 32
§ 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
247
nungsfragen zu Recht - von wertenden Betrachtungen überlagert 36, was seinen Sinn in Frage stellt 37 . Eine solche wertende Betrachtung wird durch eine „polizeirechtliche Störerbestimmung nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre" 3 8 nicht in die Kausalitätsprüfung eingebunden, sondern als umfassende Bewertung der zugrundeliegenden Sach- und (auch außerpolizeirechtlichen) Rechtslage zum eigenen Prüfungspunkt erhoben. Insoweit ist somit die Verantwortlichkeit auch auf Verwaltungsebene nicht vorgegeben, sondern beruht auf einer umfassenden sachlichen und rechtlichen Abwägung, die entweder zumindest in ihren groben Umrissen bereits normativ vorgezeichnet oder aber in vollem Umfange von den handelnden Beamten zu bewältigen ist. Im Polizeirecht ist Hintergrund die Auflösung „der Antinomie zwischen Polizeigut und gegenläufigem Einzelinteresse" 39. Bei einem Konflikt zwischen Abwehr- und Schutzbelangen, wie er gerade im Umweltbereich häufig auftritt, geht es um die Abwägung zwischen konkretisiertem Schutzgut und individualisiertem Abwehrrecht bzw. bei mehreren in Betracht kommenden Personen zwischen den einzelnen konkret zuzuordnenden Abwehrbelangen. Mit der Qualifikation als polizeirechtlich Verantwortlicher „wird also im Entscheidungsprozeß die Güterabwägung im Hinblick auf den Einzelfall weitergeführt" und schließlich vollendet durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 40. Eine solche wertende Bestimmung des polizeilichen Störers fügt sich in die zielorientierte Konzeption des Verursacherprinzips, durch Kostenanlastung eine Verhaltensänderung zum Schutz bestimmter Belange herbeizuführen, mithin den Verursacher zweckorientiert festzulegen. Nur sie entspricht der Offenheit des verfassungsrechtlich vorgezeichneten Verursacherbegriffs, der der Verwaltung nicht ihre Handlungsfreiheit nehmen, sondern gerade gewähren will, damit sie eine verursachende Einzelperson heranziehen kann und nicht selbst auf Kosten der Allgemeinheit der Steuerzahler handeln muß. Bei dieser Sicht steht der polizeirechtliche Störerbegriff dem Verursacherprinzip nicht entgegen41, sondern fügt sich in dieses ein. Auf diesen Maßstab ist die polizeirechtliche Störerbestimmung nach Pflichtwidrigkeit und Risikospähre auszurichten. So folgt die Störereigenschaft aus Pflichtwidrigkeit aus der Verletzung von Grundpflichten, namentlich der zum Gesetzesgehorsam42. Die
36 Symptopmatisch ist die Entscheidung OVG Hamburg, DÖV 1983,1016. Näher und m.w.N. Schink, VerwArch. 82 (1991), 357 (367 ff.). 37 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E 66. 38 Pietzcker, DVBl. 1984,457 ff. m.w.N. zu ähnlichen Ansätzen in Fn. 3; ausführlich Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 123 ff. 39 Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (203). Näher unten Teü m § 4 C.I.6. 40 Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (203 f.). 41 Siehe dagegen Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 31 f. gegen Rupp, JZ 1971, 401 (401); Schäfer, Umwelt 2/1972,3 (6). 42 Siehe oben Teü Π § 5 C.n.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Bestimmung der individuellen Risikosphäre wird entscheidend bestimmt von dem grundrechtlichen Rahmen der Steuererhebung und daraus folgend der Staatsausgaben und damit der Lastentragung durch die Allgemeinheit 43 . Diese Überlegungen sind auch anwendbar bei der Auswahl zwischen mehreren Personen. Das ist etwa der Fall, wenn einige Personen durch ihr Verhalten zwar die Gefahr auslösen, aber die eigentliche Ursache von einem anderen gesetzt wird und damit tiefer liegt. Das betrifft insbesondere Konstellationen aus dem Wirtschaftsverwaltungsrecht. Klassisches Beispiel ist eine provozierende Schaufensterauslage, vor der sich den Verkehr störende Menschentrauben bilden 44 . Diese Fallage wird herkömmlich unter dem Begriff des Zweckveranlassers erfaßt 45. Auch und gerade dieser ist Quell der Störung. Er ruft das Verhalten anderer hervor und ist daher der eigentliche Verursacher. Einschlägige Wurzel des Vemreacherprinzips für seine Inanspruchnahme ist, daß er seinen geschäftlichen Erwerb nicht auf Kosten des etwa zum Polizeieinsatz veranlaßten Staates und damit der Allgemeinheit soll steigern können, mithin die verfassungsrechtlichen Grenzen der Belastung der Steuerzahler 46. Unter diesem Gesichtspunkt sind grundsätzlich auch Ausrichter gefahrträchtiger Veranstaltungen heranziehbai 47, nicht jedoch Veranstalter von durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungen wegen deren besonderen grundrechtlichen Schutzes48. Bei einer Gesundheitsgefährdung etwa der Schaufensterbeschauer decken auch die grundrechtlichen Schutzpflichten ein staatliches Eingreifen, das sich dann, wenn sich die Schaufensterbeschauer an die Verkehrsvorschriften halten und damit gesetzestreu verhalten, zwingend gegen den Aussteller zu richten hat 49 . In den anderen Fällen liegt ein Vorgehen gerade gegen diesen deshalb nahe, weil dann der Quell der Störung ausgehoben und diese damit dauerhaft und am wirkungsvollsten beseitigt wird, so daß der Staat nicht immer wieder neu in Aktion treten und unterschiedliche Personen in Anspruch nehmen muß, von denen er möglicherweise die ihm entstandenen Kosten nicht eintreiben kann 50 . Bei einem exzessiven Verhalten der vordergründig Störenden 43
Siehe oben Teil η § 7. "PrOVG 85,270. 45 Etwa Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 203 mit weiteren Beispielsfällen (Rn. 204 ff.); VGH Mannheim, DVB1. 1996, 564 unter der Voraussetzung, daß er die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung subjektiv bezweckt oder sich diese als Folge seines Handelns zwangsläufig einstellt; die Figur abl. Erbel, JuS 1985, 257 (261 ff.); auch Rühl, NVwZ 1988, 577 (578). - Bei der Bestimmung des Störers entsprechend den Vorgaben des Verursacherprinzips braucht auf die Figur des Zweckveranlassers nicht zurückgegriffen zu werden. 46 Vgl. insoweit spezifisch oben Teil Π § 7 Β.ΙΠ. 47 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 207; abl. Schoch, JuS 1994, 932 (934); näher und m.w.N. oben Teü Π § 14 A.I. 48 Rühl, NVwZ 1988,577 (578). Siehe oben Teil Π § 14 A.I. a.E. 49 Näher oben Teil Π 8 4, Teil ΠΙ § 1 A.I. am Anfang. 50 Dazu näher Teü m § 8 C.
§ 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
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ist allerdings der Verursachungsbeitrag der Hintergrundperson gering. Seine Inanspruchnahme hängt daher auch davon ab, inwieweit die vordergründig Handelnden etwa gegen gesetzliche (Verkehrs-)Vorschriften verstoßen und in welchem Maße die Hintergrundperson eine Ursache für das störende Verhalten etwa der Schaufensterbeschauer gesetzt hat und ob sich diese im normalen Rahmen des grundrechtlich geschützten Geschäftsbetriebs hält 51 . Die Ausstellung interessanter Kleider ist für sich nicht ausreichend; etwas anderes gilt, wenn diese von einer aufreizenden Schönen präsentiert werden. Der Wille, über die Maßen Aufsehen zu erregen und damit Menschenansammlungen hervorzurufen 52 , ist wegen der Verschuldensunabhängigkeit des Verursacherprinzips hingegen unbeachtlich53. Diese Abwägung kann der Gesetzgeber durch seine Normierung entsprechend dem Verursacherprinzip steuern, indem er etwa bei mehreren in Betracht kommenden Verursachern die Verantwortlichkeit einer bestimmten Personengruppe festlegt, etwa wie in der Verpackungsverordnung die der Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen und nicht die der Verbraucher, denen nur Rechte aus der Verpackungsverordnung erwachsen und keine Pflichten auferlegt sind 54 . Darüber hinaus bildet das Verursacherprinzip eine umfassende Richtschnur allen verwaltungsmäßigen Handelns, da es als übergreifendes Rechtsprinzip aus der Verfassung ableitbar ist 55 .
B. Solidarverantwortung am Beispiel unvorhergesehener Kosten und Altlasten Das Verursacherprinzip will externe Kosten internalisieren. Die Verursachung ist gegeben, wenn ein gegenwärtiges Verhalten zu gegenwärtig sichtbaren Kosten führt, um einen Schaden zu beheben oder zu vermeiden. Eine Verursachung ist auch dann gegeben, wenn ein gegenwärtiges Verhalten zukünftig zu Kosten führt. Für den Umweltbereich ist durch Art. 20 a GG klargestellt, daß auch insoweit eine staatliche Reaktion möglich ist, wenngleich
51
Vgl. Jarass, NJW 1981, 721 (725, 729); auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 315 f. 52 Siehe PrOVG 40, 216 (217); Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 251; Würtenberger, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht Π, Kap. 7/1 Rn. 169; auch Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschnitt Rn. 80, aber auch Rn. 80 b. 53 Im Ergebnis ebenso OVG Hamburg, GewArch. 1992, 76 (78); OVG Lünbeburg, NVwZ 1988, 638 (639); Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 206; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Π Rn. 91. 54 Näher Arndt/Köhler, NJW 1993,1945 (1946 ff.). 55 Dazu Teil Π.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
diese nicht zwingend in der Heranziehung des Verursachers bestehen muß 56 . Dann stellt sich allerdings bei einer rein kostenmäßigen Umsetzung des Verursacherprinzips das Problem, die Höhe dieses Schadens zu berechnen. Zudem ist es möglich, daß später unvorhergesehene Erscheinungen auftauchen. Das ist etwa dann der Fall, wenn durch neue Meßmethoden zusätzliche Schadensverläufe diagnostiziert werden, die zu verhindern sind. Ein Beispiel ist die Entdekkung der Schädlichkeit bestimmter Substanzen von in einer Deponie abgelagerten Stoffen, die zu neutralisieren sind. Auch dann sind die dadurch entstehenden, anfangs nicht vorhergesehenen Kosten den ursprünglichen Verursachern zurechenbar und daher nach dem Verursacherprinzip von ihnen zu tragen. Allerdings können sich dann praktische Schwierigkeiten ergeben, die tatsächlichen Verursacher herauszufinden 57. So sind die in einer Deponie abgelagerten Stoffe nicht mehr einzelnen Personen zurechenbar 58. Dann stellt sich die Frage, ob dafür eine ganze Gruppe in die Pflicht genommen werden kann. Das ist dann zu bejahen, wenn sämtliche Einzelprodukte einer bestimmten Produktgruppe mit einer Substanz hergestellt wurden, die sich im nachhinein als gefährdend erweist. Wenn allerdings nur die Erzeugnisse bestimmter Hersteller mit der gefährdenden Substanz versehen sind, würden bei einer Heranziehung der gesamten Gruppe auch Hersteller belastet, die ohne die gefährdende Substanz produziert haben. Sie würden dann zweimal mit Zusatzkosten konfrontiert, wenn bereits die Vermeidung dieser gefährdenden Substanz im Verhältnis zur mit dem gefährdenden Stoff arbeitenden Konkurrenz zu höheren Kosten führte. Dabei haben sie diese nachträglichen staatlichen Maßnahmen nicht verursacht. Diese Konstellation unvorhergesehener Kosten liegt parallel zu der, daß von einer Altablagerung oder einem Altstandort Gefährdungen ausgehen oder zu erwarten sind, also zum Problem der Altlasten 59 . Auch hier liegt die Ursache in dem Verhalten einer bestimmten Gruppe, aber solcher Mitglieder, die in der 56
Siehe oben Teüü§ I I B . Trzaskalik, StuW 1992,135 (143). 58 Pohl, NJW 1995,1645. 59 Ebenso definierend Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Sondergutachten ,Altlasten", BT-Drucks. 11/6191, Tz. 58; auch Breuer, DVB1. 1994, 890 (890 f.); Brandt/Schwarzer, Rechtsfragen der Bodensanierung, S. 17 f.; Henkel, Altlasten als Rechtsproblem, S. 3 ff.; Brandt, Altlastenrecht, S. 15 mit Darstellung anderer Ansätze S. 9 ff. Eine Beschränkung auf Ablagerungen vor dem Inkrafttreten des AbfG und des WHG (Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 1 f.; Kloepfer, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder, Altlasten und Umweltrecht, S. 17 (19); Koch, in: Brandt, Altlasten, S. 21 (22 f.)) knüpft an die besondere Regelung bestimmter Phänomene an, nicht aber an die im Begriff »Altlasten" zum Ausdruck kommende umfassende Einbeziehung von Entstehungstatbeständen in der Vergangenheit. - Zur aktuellen Dimension des Problems Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 26 ff. Zu Überlegungen zu einer einheitlichen gesetzlichen Regelung die Gutachten und Referate zum 60. DJT, Β 1-141 und L 9-87. 57
§ 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt
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Vergangenheit handelten. Diese sind Verursacher. Die Frage stellt sich, ob dann, wenn diese Personen nicht mehr herangezogen werden können, sei es, weil die Produkte nicht mehr zugeordnet werden können, sei es, weil die Firmeninhaber mittlerweile gewechselt haben, etc., oder aber, weil rechtlich^ Hindernisse entgegenstehen60, die gegenwärtigen Mitglieder dieser Gruppe herangezogen werden können. Voraussetzung wäre, daß der staatliche Spielf räum so weit reicht, auch diese Personen als Verursacher zu qualifizieren. Vor dem Hintergrund der Herleitung des Verursacherprinzips aus dem grundj rechtlichen Rahmen von Steuern 61 bedarf es zur Entlastung der Allgemeinheit der Steuerzahler der Belastung der Gruppe, aus der die Verursacher stammen62. Zieht man die Ableitung des Verursacherprinzips aus den Grundpflichten 6* heran, gelangt man höchstens dann zu einer Zurechnung, wenn eine Grund* pflicht des einzelnen besteht und diese tatsächlich aktualisiert werden kann. In Betracht kommt die Heranziehung des Unternehmers, der von seinem Eigentum Gebrauch gemacht hat. Indes hat der einzelne Unternehmer dann, wenn er zur Zeit der Entstehung der Altlasten noch nicht tätig war oder ein bestimmtes, jetzt als gefährlich erkanntes Produkt nicht verwendete, selbst keine Ursache gesetzt. Eine handlungsbezogene Heranziehung nach dem Verursacherprinzip scheidet daher aus64. Dafür ist Voraussetzung, daß eine individuelle Verantwortlichkeit besteht. Diese kann zwar auch aus der Mitgliedschaft in einer Gruppe herrühren 65. Indes muß es zumindest aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte möglich sein, daß der Belastete selbst einen Verursachungsbeitrag gesetzt hat. Ist dies ausgeschlossen, scheidet seine Heranziehung aus. Für die beiden genannten Problemkonstellationen bedeutet dies: Für unvorhergesehene Kosten kann eine Person - abgesehen von einer etwaigen Eigenschaft als Zustandsstörer - nur dann in Anspruch genommen werden, wenn auch sie möglicherweise zu ihrer Entstehung beigetragen hat. Für auf Abfalldeponien gelagerte Produkte folgt daraus, daß eine Person nur dann herangezogen werden kann, wenn auch die von ihr stammenden Produkte zu unvorhergesehenen Kosten geführt haben können, weil sie etwa mit einem bestimmten Grundstoff hergestellt waren. Dann gehört diese Person zur Gruppe derer, die durch die Erzeugung oder Verwendung gefährlicher Produkte unvorhergesehene Kosten verursacht haben. Sie kann daher auch mit für Kosten herangezogen werden, die etwa für die Neutralisierung bereits vor der eigenen Tätigkeit an-
60
Siehe Teil m §§ 5,6. Oben Teil Π § 7. 62 Vgl. Schräder, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 93. 63 Oben Teü Π §5. 64 Zur Einbeziehung der Zustandsstörung in den Anwendungsbereich des Verursacherprinzips und einer daraus folgenden Verantwortlichkeit sub § 1 D. 65 Deutlich Schräder, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 93. 61
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
gelieferter Produkte notwendig sind, sofern eine Differenzierung nach einzelnen Verursachungsbeiträgen nicht möglich ist. Insoweit kann man von einer „intertemporalen Solidargemeinschaft" sprechen 66. Altlasten hingegen haben keinen Bezug mehr zu gegenwärtig entstehenden Gefahrenquellen. Ist es ausgeschlossen, daß gegenwärtig Handelnde noch einen zusätzlichen Beitrag zu bestimmten Kosten leisten können, können sie auch nicht Teil der verursachenden Gruppe sein. Ihre Heranziehung scheidet daher aus. Übernimmt jemand ein Unternehmen oder ein Grundstück, könnte er allerdings aus dem Gesichtspunkt dieses Übergangs herangezogen werden können. Er könnte zum einen in die Grundpflicht des Vorgängers aus Art. 14 Abs. 2 GG eingetreten sein (C.). Er könnte zum anderen selbst insofern Verantwortung tragen, als er das Unternehmen bzw. Grundstück übernommen hat und damit auch im Hinblick auf die bereits angelegten Gefährdungen eine Grundpflicht zu ihrer Vermeidung - ggf. rückwirkend - trägt (D.). Auf diese Weise können möglicherweise Lücken in der Inanspruchnahme von Verursachern kraft Solidarverantwortung bei Altlasten geschlossen werden.
C. Verursacher kraft Rechtsnachfolge? Der Rechtsnachfolger hat für ein Verhalten seines Vorgängers prinzipiell keinen Beitrag geleistet. Indes wird dann, wenn infolge einer Rechtsnachfolge private Verantwortung verloren geht, die Allgemeinheit der Steuerzahler trotz eines individuellen Verursacherbeitrages in Anspruch genommen. Der Fall wird in Abweichung vom Subsidiaritätsprinzip staatlich reguliert. Demgegenüber hat der Rechtsnachfolger andere private Schutzgüter nicht gefährdet. Er hat seine Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam nicht verletzt. Daher kann nur in Mißbrauchsfällen der Rechtsnachfolger eines Verhaltensverantwortlichen als Verursacher herangezogen werden 67 . Bei der Zustandsverantwortlichkeit ist hingegen im Hinblick auf ihre Sachbezogenheit ein weiterer Anwendungsbereich denkbar. 66
Trzaskalik, StuW 1992,135 (143) für alle Fälle unvorhergesehener Kosten. Davon unberührt bleibt ein Übergang vertretbarer Handlungspflichten und von Zahlungspflichten kraft Gesamtrechtnachfolge, also ohne Verursachereigenschaft des Rechtsnachfolgers. Dazu etwa Papier, NVwZ 1986, 256 (262), der das Vorliegen einer konkretisierenden Verfügung verlangt (ebenso Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (297 Fn. 218)); Würtenberger, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht Π, Kap. 7 Rn. 174 ff.; Schlabach/Simon, NVwZ 1992, 143 (145), die eine solche für entbehrlich halten, und Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Π Rn. 103 (S. 249 f.); ders., GewArch. 1976, 1 ff. der eine Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolges völlig ablehnt. Ebenso jetzt wegen fehlender Nähe zur Gefahr Papier, DVBl. 1996, 125 (128) im Anschluß an Ossenbühl, Zur Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers für Altlasten, S. 67 f. Grundsätzlich bejahend hingegen Rumpf, VerwArch. 78 (1987), 269 (276 ff.). 67
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D. Der Zustandsstörer als Verursacher Die Zustandsverantwortung beruht nicht auf einem Verhalten, das beeinflußt werden könnte, sondern auf dem Zustand einer Sache bzw. dem Verhalten eines Tieres 68 , so daß eine Heranziehung als Verursacher fraglich ist 69 . Sieht man den tieferen Grund der Zustandsverantwortlichkeit entsprechend den Formulierungen der Polizeigesetze70 in der Möglichkeit, auf die Sache bzw. das Tier, von dem die Gefahr ausgeht, einzuwirken 71 , regen kostenintensive Verhaltens- und Zahlungspflichten auch den Zustandsverantwortlichen zu verstärkter Aufsicht und insoweit zu einer Verhaltensänderung an, wie es dem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund des Verursacherprinzips entspricht 72. Vor allem aber entspricht seine Ausdehnung seinen rechtlichen Grundlagen; Störende Faktoren, die staatliches Handeln aufgrund von Schutzpflichten her* vorrufen 73 , können auch von Grundstücken und Häusern etc. ausgehen. Die Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam74 besteht unabhängig von einer vorherig gen Handlung. Die Pflicht aus Art. 14 Abs. 2 GG 7 5 folgt aus dem Eigentum* nicht aus einem bestimmten Verhalten, und ist somit sach- bzw. tierbezogen, Ausdruck einer darauf aufbauenden gesetzlichen Konkretisierung ist § 571 BGB. Individuell zurechenbare Entwicklungen, die eine Belastung der Allgemeinheit der Steuerzahler als offensichtlich unverhältnismäßig oder ungleich erscheinen lassen76, können nicht nur durch Einzelverhalten, sondern auch durch Privatbesitz ausgelöst werden - etwa bei Baufälligkeit eines Gebäudes durch Alterung. Privateigentum formt einen Teil der individuellen Sphäre, deren Einhaltung entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip grundsätzlich vor-
68 Siehe § 7 PolG BW; Art. 8 BayPAG; § 17 bbg.OBG; § 14 beri. ASOG; § 6 brem. PolG; § 9 hamb. SOG; § 7 HSOG; § 70 SOG M.-V.; § 7 nds. SOG; § 18 OBG NW; § 5 PolG NW; § 5 POG Rh.-Pf.; § 5 saarl. POG; § 8 SOG Sachs.-Anh.; § 5 sächs. PolG; § 186 LVwG S.-H.; § 11 thtlr. OBG; § 9 thür. PAG. 69 Sie abl. Kloepfer, in: Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch Allgemeiner Teil, S. 46. Er befürwortet aber eine vergleichbare Inanspruchnahme. 70 Etwa § 5 Abs. 1 S. 1 PolG NW: „Geht von einer Sache oder einem Tier eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten." 71 BVerwG, DVB1.1986, 360 (361); Götz, NVwZ 1984, 211 (215); Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 55; Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 86 m.w.N. 72 Siehe oben Teül§ 2 A. 73 Siehe oben Teü Π § 4. 74 Siehe oben Teil Π § 5 C.I. 75 Näher oben Teil Π § 5 C.V. 76 Siehe oben Teü Π § 7 Α.VI., B.IV.; in diesem Zusammenhang Friauf, in: Festschrift für Wacke, S. 293 (295): Zustandsstörerschaft ist Frage der „Risikoverteilung zwischen dem einzelnen Eigentümer und der Gesamtheit der Steuerzahler".
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rangig gegenüber staatlichem Ausgreifen ist 77 . Es ist auch Teil des freiheitlichen Wirtschaftssystems, das von der privaten Initiative lebt 78 . Die gem. Art. 20 a GG zu schützenden natürlichen Lebensgrundlagen bestehen gerade auch in privatem Eigentum, das daher als solches auch belastet werden können muß. Mithin können auch Zustandsverantwortliche als Verursacher in Anspruch genommen werden 79 . Wegen der insoweit bestehenden Anknüpfung des Verursacherprinzips an die Pflichtenbindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG kann es dafür nicht auf den Besitz und damit die Sachherrschaft 80 ankommen 81 . Entscheidend ist allein das Eigentum und damit die Sache bzw. das Tier selbst. Da die Zustandsverantwortlichkeit aus der Grundpflicht des Art. 14 Abs. 2 GG folgt und nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG, kommt es auch nicht darauf an, in welchen Zustand gerade der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigte durch die Wahrnehmung seines Rechts die Sache bzw. das Tier gebracht hat 82 . Allein maßgeblich ist der jeweilige Zustand einer Sache bzw. eines Tieres. Auch wenn der Eigentümer diesen nicht zu verantworten hat, besitzt er doch aufgrund seines Eigentumsrecht die Einwirkungsbefügnis auf den betroffenen Gegenstand bzw. auf das Lebewesen. Um Gemeinwohlgefahren abwenden zu können, kann er daher jedenfalls insoweit in Anspruch genommen werden, als er das Betreten seines Grundstücks gestattet. Die Sach- bzw. Tierherrschaft ist damit nicht Verantwortungsgrund, sondern Anknüpfungspunkt für die Pflicht jedenfalls zur Mitwirkung bei der Gefahrenbeseitigung. Auslöser ist die Gefahren hervorrufende Sache bzw. das Tier, die dem Eigentümer zugeordnet sind. Dadurch wird er kraft seiner in Art. 14 Abs. 2 GG festgelegten Pflichtenstellung belastet und ist daher Verursacher 83. Insoweit nimmt Art. 14 Abs. 2 GG zugleich eine Zuordnung der mit dem Eigentum verbundenen Lasten an den einzelnen vor und schließt daher die Inanspruchnahme der Allgemeinheit der Steuerzahler wegen offensichtlich Individuen zugeordneter und damit evident nicht im allgemeinen Interesse liegender Belange aus84. Allerdings ist es möglich, daß eine Sache durch fremdverschuldete Vorgänge wie einen Tanklasterunfall oder durch spezifisch dem Staat und damit der Allgemeinheit zurechenbare Vorgänge mit den daraus folgenden Gefahren wie Emissionen aus Forschungsreaktoren zur Gefahr für die Allgemeinheit wird. 77
Siehe oben Teil Π § 9 Β.Π. Vgl. oben Teil Π § 10 Β. 79 Siehe auch BayVGH, BayVBl. 1986,590 (592). 80 So grundlegend Friauf, in: Festschrift für Wacke, S. 293 (301). 81 Ebenso Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefòhrdungshaftungstatbestand, S. 27 ff. 82 So die Konzeption Binders, ebda., S. 29 ff., 83 f., die gekoppelt wird mit der Theorie der unmittelbaren Verursachung (S. 78 f.); zu dieser aus hiesiger Sicht Teil m § 1 Α.Π. 83 Näher oben Teil Π § 5 Α., C.V., D. 84 Näher oben Teil Π § 7 A.VI., B.IV, Speziell in diesem Zusammenhang auch BayVGH, BayVBl. 1986, 590(592). 78
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Von einem Tier kann eine solche Gefahr z.B. wegen einer Ansteckung durch ein Tier in fremdem Eigentum ausgehen. Aber auch dann geht von dieser privaten Sache bzw. von diesem privaten Tier eine Gefahr aus, und diese Sache bzw. das Tier ist gem. Art. 14 Abs. 1 GG einem Eigentümer zugeordnet, der gem. Art. 14 Abs. 2 GG mit Pflichten unabhängig von der Herkunft der Gemeinwohlgefahr belegt ist. Bei einer Differenzierung danach wäre seine Inanspruchnahme unterschiedlich schwer, und ihm stünden bei einer Inanspruchnahme als Nichtstörer Ersatzansprüche zu 85 . Dadurch verdrängte die Rechtsstellung insoweit gänzlich die eigenen Gehalt besitzende und daher mit dem Eigentumsrecht in Einklang zu bringende Pflichtenseite 86. Daher ist der Eigentümer auch bei Fremdverschulden Verursacher bzw. polizeirechtlicher Zustandsstörer 87. Damit bleibt zugleich auch insoweit entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip die Verantwortung des privaten Eigentümers gewahrt. Im Hinblick auf die Lastenverteilung zwischen Zustands- und Verhaltensverantwortlichem bzw. zwischen dem Gemeinwesen sich ergebende unbillige Ergebnisse sind auf der Rechtsfolgenseite namentlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfüng etwa durch eine vorrangige Heranziehung des Verhaltensverantwortlichen zu korrigieren 88 . Da die Verantwortlichkeit der Eigentümer sach- bzw. tierbezogen ist, sind sie auch dann Verursacher, wenn es um Gefahren geht, die vor ihrer Eigentumsübernahme bereits angelegt oder auch aufgetreten waren: Die Sache bzw. das Tier ist zum Zeitpunkt ihrer Eigentümerstellung (noch) gefährlich 89 . Die Zustandshaftung trifft mithin den aktuellen Eigentümer, nicht den früheren 90. Auch die Vollstreckung bereits gegen den Rechtsvorgänger erlassener behördlicher Verfügungen richtet sich gegen diese von einer Sache bzw. einem Tier ausgehende Gefahr, so daß dem Eigentümer bereits aus seiner Verursachereigenschaft als Zustandsverantwortlicher und nicht erst kraft Rechtsnachfolge 91 Befolgungs- und Duldungspflichten entstehen müßten. Indes ist auch im Hin-
85
Hohmann, DVB1.1984,997 (998); Schink, DVB1.1986,161 (170). Oben Teil Π § 5 C.V.l. 87 BayVGH, BayVBl. 1986, 590 (592); VGH BW, NVwZ 1986, 325 (326); HessVGH, UPR 1986, 437 (438); Baumann, Der Störer im Umweltbereich, S. 155 f.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 232 f.; a.A. Friauf, in: Festschrift für Wacke, S. 293 (301 f.); Sparwasser/Geißler, DVB1. 1995, 1317 (1324); restriktiv auch Selmer, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 483 (502). 88 Schräder, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 137; Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 210 ff.; dafür auch Schwerdtner, NVwZ 1992, 141 (142 f.); gegen einen grundsätzlichen Vorrang allerdings etwa VGH BW, NVwZ-RR, 1991, 27 ff.; BWVP 1995, 212. Näher unten Teü ΙΠ § 8. 89 Insoweit handelt es sich nicht um ein Problem der Rechtsnachfolge, Papier, NVwZ 1986, 256 (262). Siehe dagegen etwa OVG NW, NVwZ 1987,427 m.w.N. 90 BayVGH, BayVBl. 1986,590 (594). 91 Dazu etwa Schlabach/Simon, NVwZ 1992, 143 (144); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 88 m.w.N. in Fn. 190. 86
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blick auf diesen neuen Eigentümer zu prüfen, ob die bereits auf der Störerebene vorzunehmende Rechtsgüterabwägung 92 im Hinblick auf seine rechtlich geschützten Belange etwa als Betreiber eines Unternehmens auch zu seiner Heranziehung führt. Ist dies zu bejahen, kann er zwar als Verursacher in Anspruch genommen werden, aber nur auf der Basis eines neuen Grundverwaltungsakts 93 . Soll der Eigentümer für Abgabenschulden oder Zahlungspflichten zur Begleichung von Aufwendungen der Ordnungsbehörden im Hinblick auf den Rechtsvorgänger aufkommen, ist entscheidend, daß deren Grund die Eigentümerstellung aus einer früheren Zeit war. Daher kommt keine Inanspruchnahme als Verursacher, sondern nur als Rechtsnachfolger in Betracht 94 .
E. Hoheitsträger als Verursacher Die Erteilung einer Genehmigung begründet, wie bereits festgestellt, nicht die Verursachereigenschaft staatlicher Einheiten 95 . Indes betreiben diese vielfach selbst Anlagen, die Schadstoffe emittieren. Solche gehen von jedem Dienstauto aus. Handelt es sich auch um öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch 96, so schädigen sie die Umwelt ebenso wie private Anlagen und Gegenstände. Jedenfalls im Umweltbereich ist daher die öffentliche Hand privaten Verursachern grundsätzlich gleichzustellen97. Art. 20 a GG verpflichtet allerdings alle Träger staatlicher Gewalt auf den Umweltschutz, so daß ihre Beeinflussung durch das Verursacherprinzip entbehrlich sein könnte. Indes handelt es sich nur um eine Zielfestlegung, nicht um eine ins Detail gehende Regelung, die einzelnen staatlichen Einheiten in bestimmten Situationen eine genaue Verhaltensanordnung gibt 98 . Hierzu bedarf es der legislativen Ausgestaltung, durch die auch für Hoheitsträger erst detaillierte Verhaltenspflichten festgelegt werden. Das Verursacherprinzip bedarf mithin gegenüber staatlichen Einheiten auch im Umweltbereich der gesetzlichen Konkretisierung. Soll nicht ein weiter Sektor von Umweltschutzbemühungen durch die Auferlegung konkreter Pflichten ausgenommen sein, deckt Art. 20 a GG daher die Realisierung des Verursacherprinzips auch im staatlichen Bereich.
92
Siehe oben Teil m § 1 Α.Π. und unten Teil m § 4 C.I.5. Vgl. Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (207 Fn. 218). 94 Bejahend die h.M., etwa Stadie, DVBl. 1990, 501 (505); Wtlrtenberger, in: Achteiberg/ Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht Π, Kap. 7 Rn. 176 m.w.N. pro et contra in Fn. 349. 95 Teü Π § 2. 96 Näher Erichsen, Kommunalrecht NW, S. 217. 97 Für diesen Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 119. 98 Oben Teü Π § I I B . 93
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Ungeachtet Art. 20 a GG und damit auch jenseits des Umweltbereichs ergeben sich allerdings Zweifel an der Anwendung des Verursacherprinzips gegen^ über Hoheitsträgern. Diese sind jedenfalls grundsätzlich nicht Träger von Grundrechten" und damit auch nicht von Grundpflichten; die Pflicht zum Gesetzesgehorsam 100 ergibt sich für sie allerdings aus Art. 20 Abs. 3 GG. Sie zahlen die Aufwendungen zur Erfüllung von als Verursacher auferlegten Pflichten letztlich aus Steuergeldern. Von daher entlastet ihre Heranziehung die Allgemeinheit der Steuerzahler nicht 101 . Indes sind auch einzelne staatliche Einheiten in den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln beschränkt und können durch entsprechende Aufwendungen und Zahlungspflichten zu sparsamer Wirtschaftsweise veranlaßt und dadurch in ihrem Verhalten beeinflußt werden. Damit sind sie konsequenterweise in Regelungen einzubeziehen, die zur Erfüllung staatlicher Schutzpflichten erlassen werden, um etwa Fußgänger durch entsprechende Verkehrsregeln vor (privaten und staatlichen) Kraftfahrzeugen zu schützen. Das Subsidiaritätsprinzip, aus dem das Verursacherprinzip ebenfalls ableitbar ist 1 0 2 , schließt einen grundsätzlichen Vorrang kleinerer staatlicher Einheiten ein; er ist der in Art. 23 Abs. 1 GG im Verhältnis zur europäischen Ebene kodifizierte Bestandteil dieses Prinzips. Daher sind in erster Linie die sachnächsten Einheiten heranzuziehen. Somit können auch Hoheitsträger als Verursacher angesehen werden. Sie sind als Adressaten verursacherbezogener Regelungen geeignet. Indes finden diese eine Grenze an der Funktionsfähigkeit staatlicher Einheiten als Grundlage der in Art. 20 Abs. 2 GG vorausgesetzten Ausübung der Staatsgewalt103. Jedoch ist diese nicht absolut geschützt, sondern als ein Element der Verfassung ins Verhältnis zu setzen zu den Verfassungsgütern, aufgrund derer staatliches Handeln die Funktionsfähigkeit anderer staatlicher Einheiten beeinträchtigt 104 . Können somit staatliche Einheiten Adressaten von das Verursacherprinzip umsetzenden Regelungen sein, obliegt es ihnen indes als für einen zugewiesenen Bereich zuständige Hoheitsträger an sich selbst, die darin enthaltenen Gebote und Pflichten umzusetzen. Diese Zuständigkeit würde verletzt, wenn sie von anderen Verwaltungsträgern mit Einzelanordnungen belegt werden könnten 105 . Durch die Wahrung der Kompetenzordnung darf indes die Abwehr und 99
Deutlich BVerfGE 61, 82 (100 ff.); teilweise abweichend etwa Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 104 ff.; Rüfner, in: HStR V, § 116 Rn. 76; Frenz, VerwArch. 85 (1994), 22 ff. 100 Siehe zu einer solchen Grundpflicht Teil Π § 5 C.H. 101 Zu dieser Wurzel des Verursacherprinzips Teü Π § 7 Α.VI., B.IV. 102 Siehe oben Teü Π §9. 103 Näher Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 26 ff.; Scholz, DVB1.1968,732 (738). 104 Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Π Rn. 83 a.E.; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, § 19,4 b; von Mutius, Jura 1983,298 (301). 105 BVerwGE 29,52 (59); Schenke, aaO., Π Rn. 84.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Vermeidung von Gefahren nicht leiden; das gilt zumal bei der Bedrohung grundrechtlich geschützter Rechtsgüter des Bürgers, auf die die Verwaltungstätigkeit bezogen ist und für die die Kompetenzordnung nur dienenden Charakter hat 1 0 6 . Bei Gefahr im Verzug 107 bzw. allgemein bei anders nicht abwendbaren Gefahren können daher andere Verwaltungseinheiten auch i m Zuständigkeitsbereich anderer Hoheitsträger Einzelanordnungen treffen sowie selbst tätig werden und dafür Kostenersatz verlangen 108 .
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen Die verschiedenen Handlungsformen, durch die der Staat das Verursacherprinzip verwirklichen kann 1 0 9 , werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur regelmäßig nach Auflagen-, Abgaben- und Zertifikatlösungen unterschieden 110 . Das weicht zwar von der Klassifikation in der rechtswissenschaftlichen Literatur ab, entspricht aber der in dieser Arbeit entsprechend der instrumentalistischen Konzeption des Verursacherprinzips gewählten Typologie der bestehenden Verwirklichungsformen 111 . Die Untersuchung der Verwirklichung des Verursacherprinzips im geltenden Umweltrecht 112 , auf das es bislang beschränkt blieb, erwies, daß Auflagen- und Abgabenlösungen dominieren, während sich Zertifikatlösungen nicht etabliert haben. Für die bereits gängigen Verwirklichungsformen sollen kurz die Vorund Nachteile und die sich daraus ergebende Anwendungsfelder aufgezeigt werden. Entsprechend dem Forschungsstand wird exemplarisch insbesondere auf den Umweltbereich verwiesen. Die Ergebnisse sind aber auf andere Gebiete übertragbar. Für Zertifikatlösungen stellt sich dagegen die Frage, wie sie in die deutsche Rechtsordnung Eingang finden können. Grundfragen der Beeinträchtigung von Grundrechten werden für alle drei Lösungen im folgenden Paragraphen behandelt 113 .
106
Siehe oben Teü Π § 7 A.m.; § 4 B.m.5. BVerwGE 29,52(59). 108 Oldiges, JuS 1989, 616 (617 ff.); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 104, der von einer (noch) weiteren Handlungskompetenz der Polizei und Ordnungsbehörden ausgeht; dazu BGHZ 54,21 (24 ff.); vgl. dagegen OVG NW, NJW 1986,2625. 109 Eine breite Palette zeigt Wicke, Umweltökonomie, S. 152 ff. auf. 110 Z.B. Kemper, Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft, S. 33 ff.; Weimann, Umweltökonomik, S. 104 (109 ff.); im Ausgangspunkt auch Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 26 ff. 111 Siehe oben Teil I § 4 B., C. mit einer Zuordnung auch zu der in der rechtswissenschaftlichen Literatur vorherrschenden Einteilung. 112 Teü I§ 4. 113 Teü m §3. 107
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen
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A. Ordnungsrechtliche und Abgabenlösungen Auflagenlösungen - oder um Verwechslungen mit § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG zu vermeiden - besser ordnungsrechtliche Lösungen verwirklichen das Verursacherprinzip dadurch, daß an den, der die Umwelt schädigt oder belastet, Verhaltens· bzw. Vermeidungsgebote ergehen. Bei Abgabenlösungen belastet der Staat bestimmte Vorgänge wie den Kauf oder Verbrauch eines Produkts oder die Hervorrufung von Emissionen unmittelbar finanziell. Über die Vorzüge einer ordnungsrechtlichen oder einer abgabenmäßigen Umsetzung des Verursacherprinzips wird im Umweltbereich heftig diskutiert. Vielfach wird eine Abgabenlösung als überlegen angesehen114. Das soll - gebietsübergreifend - insbesondere aufgrund der sachgebietsbezogenen Wirksamkeit und der ökonomischen Effizienz, mithin der Wirtschaftlichkeit, bezogen auf die einzusetzenden Kosten und das Maß der dadurch zu erreichenden Zielkonformität, untersucht werden. Damit in Zusammenhang steht die Marktkonformität, die durch die Fundierung des Verursacherprinzips unter anderem in der marktwirtschaftlichen Ordnung des Grundgesetzes sowie im Subsidiaritätsprinzip 115 auch eine theoriebezogene Komponente hat. Angesprochen werden weiter die Kriterien der Praktikabilität, Akzeptanz sowie der politischen Durchsetzbarkeit 116.
I. Effektivität und Effizienz Abgaben ermöglichen - im Gegensatz zu dem ausschließlich subjektsbezogenen Vollzug ordnungsrechtlicher Normen durch dezentrale Verwaltungsstellen - eine regionalbezogene, vom Einzelfall gelöste Steuerung 117. Ist eine Abgabe allerdings nicht hoch genug, werden die Adressaten ihr Verhalten nicht ändern. Daher muß die Abgabenhöhe im Hinblick auf die erstrebte Anreizwirkung zur Verringerung eines bestimmten Vorhabens oder zur Erreichung etwa eines bestimmten Emissionsniveaus oder einer bestimmten Abfallmenge so bemessen sein, daß die Adressaten darauf reagieren 118. Eine solche exakte Bemes-
114
Etwa Hendler, AöR 1990, 577 (587 ff.); Übersicht bei Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 58 ff. mit zahlr. Nachw. An ordnungsrechtlichen Lösungen hält zumeist noch das aus Juristen bestehende personelle Rückgrat der Gesetzgebung und Bürokratie fest, siehe Paefgen, NuR 1994, 424 (428 m.w.N.). Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht aber jetzt Gawel, ZfU 1996,521 ff. 115 Siehe oben Teil Π §9,10 Β. 116 Zu den Kriterien im einzelnen Umweltgutachten 1974, Tz. 592 ff. (S. 161 f); Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 19 ff.; Kemper, Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft, S. 65 ff.; Knüppel, Umweltpolitische Instrumente, S. 74 ff. 117 Gawel, DV 28 (1995), 201 (221 f.). 118 Etwa Förster, Ökosteuern als Instrument der Umweltpolitik?, S. 36. Das räumt auch Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 62 im Anschluß an Buck, Lenkungsstrategien für die optimale Allokation von Umweltgütern, S. 279, ein.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
sung ist indes kaum möglich 119 . Man kann sich dann nur in einem mühsamen trial-and-error-Verfahren an den richtigen Wert herantasten 120. Bis dahin können aber die angestrebten Ziele nicht erreicht werden. Die zeitlich verzögerte Wirksamkeit von Abgaben rührt auch daher, daß sie auf eine indirekte Wirkung zielen 121 . Ihre Effektivität wird dadurch gänzlich in Frage gestellt, daß sie die Möglichkeit bieten, durch ein Bezahlen der geforderten Summe der gewünschten Verhaltensänderung auszuweichen122. Zudem können die Produzenten von abgabenbelasteten Erzeugnissen die zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weitergeben, und zwar nicht notwendigerweise durch eine Preiserhöhung bei den betroffenen Produkten, sondern auch durch eine Anhebung der Preise für Substitute oder eine Mischkalkulation 123 . Gebote vermögen dagegen durch verbindliche, erzwingbare Festlegung ein Verhalten unmittelbar und sofort zu ändern. Ihre Präzision ist durch die Bestimmung exakter Werte vom Ansatz her größer und läßt sich weiter steigern durch eine typischen Einzelsituationen angepaßte Differenzierung im Normgefüge bzw. den parallelen Einsatz bestimmter Vorschriftstypen und die damit verbundene Möglichkeit der Mehrfachsteuerung etwa durch Verbote als Grundlage und zusätzlicher verfahrensbezogener Regulierung 124 . Ihre Wirksamkeit wird freilich vielfach durch Vollzugsdefizite geschmälert 125. Allerdings hält vor allem im Umweltbereich die dafür sensibilisierte Öffentlichkeit die Verwaltung vielfach zu Sorgfalt und Gründlichkeit an 1 2 6 ; daher verspricht eine
119 Siehe nur Benkert, in: dersVBunde/Hansjürgens, Umweltpolitik mit Öko-Steuern?, S. 86; Findley/Faber, Environmental Law, S. 120 f.; Schachel, NuR 1982, 206 (208); Dickertmann, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 33 ff. m.w.N. 120 Siehe etwa Sprenger u.a., Das deutsche Steuer- und Abgabensystem aus umweltpolitischer Sicht, S. 31 (32 ff.). 121 Von Arnim, in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, S. 731. 122 P. Kirchhof, in: ders., Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 3 (6); auch F. Kirchhof, DÖV 1992,233 (234). 123 Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 81. 124 Gawel, DV 28 (1995), 201 (217). 125 Davon geht etwa auch der BFH, BStBl. Π 1993, 891 (893) im Zusammenhang mit der Anerkennung von Rückstellungen für ungewisse öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten aus. Siehe auch Achatz, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 161 (173 ff.); Pezzer, in: Herzig, BUanzierung von Umweltlasten und Umweltschutzverpflichtungen, S. 21 (34); grundsätzlich Gawel, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1993, S. 597 ff. Instrumente zum Abbau von Durchsetzungsdefiziten zeigt Weikard, ZfU 1995, 365 ff., näher auf. Soweit er allerdings eine Entschädigung für regelkonformes Verhalten befürwortet, stehen dem neben rechtsethischen und moralischen Bedenken die generell gegen Subventionen sprechenden Argumente (siehe oben Teü I § 2 Α.Π.) entgegen (Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (352)). Damit wird überdies das von seinem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund her gerade auf monetäre Anreizwirkung beruhende Verursacherprinzip (siehe oben Teü I § 2 A.) durchbrochen. 126 Frenz, DStZ 1997, 37 (38). Siehe für Altlasten Eüers, Rückstellungen für Altlasten und Umweltschutzverpflichtungen, S. 37.
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen
261
flankierende Information und Überzeugung der Öffentlichkeit besonderen Erfolg 127 . Das Problem der Durchsetzung stellt sich im übrigen auch für Abgabenpflichten 128 . Welcher Verwirklichungsform des Verursacherprinzips man vor diesem Hintergrund die größere (potentielle) Durchschlagskraft zumißt, ist letztlich eine Frage der Beurteilung im Einzelfall. Bei Unsicherheiten über Kausal- und Wirkungszusammenhänge, die namentlich im Umweltbereich auftreten 129 , haben Ge- und Verbote durch ihre verbindlichen Festlegungen den Vorteil, daß sie auch dann wirken, wenn die festgelegten Grenzwerte nicht optimal ermittelt wurden. Daraus folgt weiter, daß ordnungsrechtliche Lösungen auch dann fortwirken, wenn sich wissenschaftliche Erkenntnisse geändert haben. Eine flexible Anpassung an diese ist dadurch möglich, daß Verhaltensgebote normativ auf den gegenwärtigen Erkenntnisstand durch einen Verweis auf den „Stand von Wissenschaft und Techn i k " 1 3 0 ausgerichtet und ggf. ihre Konkretisierung durch Verwaltungsvorschriften 131 oder - in durch gemeinschaftsrechtliche Richtlinien determinierten Feldern 132 - Rechtsverordnungen 133 vorgesehen wird. Dadurch wird auch die Schwierigkeit teilweise entschärft, daß einmal zugelassene Verursacher nur unter außergewöhnlichen Umständen gänzlich von einer Nutzung ausgeschlossen werden können 134 . Freilich vermögen einen solchen scharfen Schnitt, der mit modernerer Technik ausgerüsteten Betreibern wesentlich rascher den Marktzugang ermöglichte 135 , auch Abgaben aufgrund des Erdrosselungsverbots 136 nicht zu machen. Bei einer Anpassung ordnungsrechtlicher Vorschriften stellt sich allerdings das Problem, daß die technische Machbarkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit von schärferen Anforderungen regelmäßig bestritten
127
Zu deren Bedeutung siehe auch Paefgen, NuR 1994,424 (432). Siehe Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (344). Zu den mit kommunalen Verpakkungssteuern verbundenen Problemen Frenz, Verwirklichung, S. 174. 129 Siehe oben Teil I § 2 B. und allgemein näher unten Teil ΠΙ § 4. 130 § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ; vgl. BVerfGE 49, 89 (133 f., 137). Auf den „Stand der Technik" verweisen auch § 7 a Abs. 1 WHG, §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 6 BImSchG, womit aber wegen der Begrenzung auf das technisch Machbare eine geringere Dynamik verbunden ist (Asbeck-Schröder, Grundfragen zur TA Sonderfall - Zum „Stand der Technik" als Rechtsbegriff im Sinne des Abfallgesetzes und im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, S. 87 f., S. 75 ff. näher zur Abgrenzung der verschiedenen technischen Standards). 131 Siehe § 48 Nr. 2 BImSchG. - Zu den verschiedenen Regelungstechniken Maiburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, der selbst für eine Kombination aus Gesetz und Rechtsverordnung unter normativer Einbeziehung technischer Regelwerke eintritt (bes. S. 226 ff.). 132 Siehe etwa EuGH, Slg. 1991,1-825 (867 f.) zum WHG; dazu oben Teü I § 4 C.I.5. 133 Siehe nunmehr § 7 a WHG. 134 Darauf verweisend Gawel, DV 28 (1995), 201 (223). 135 Die aus ordnungsrechtlichen Lösungen resultierenden Marktzutrittsschranken beklagend etwa Kloepfer, UPR 1981,41 (43); Paefgen, NuR 1994,424 (429). 136 Etwa BVerfGE 93, 319 (352); 87,153 (169); BVerwGE 96,272 (277 f.). 128
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
werden, um zusätzliche Kosten zu verhindern 137 . Dasselbe Phänomen taucht aber auch auf, wenn die Abgabenhöhe ermittelt werden soll, bei der eine Verhaltensänderung eintritt 138 . Ordnungsrechtliche Lösungen weisen allerdings gegenüber Abgabenlösungen den Nachteil auf, daß sie bis zum Erreichen einer festgelegten Grenze ein Verhalten hinnehmen 139 . Mangels Kostenverursachung eines Verhaltens in diesem Bereich werden weitere Reduzierungsmöglichkeiten durch den Verursacher regelmäßig nicht mehr geprüft 140 . Demgegenüber wirken an ein bestimmtes Verhalten und nicht an eine bestimmte Obergrenze anknüpfende Abgabenlösungen auch unterhalb solcher Grenzwerte stimulierend. Zudem zwingen ordnungsrechtliche Lösungen außer bei möglichen Abstimmungen auf Einzelfälle jeden Betrieb zu Verhaltensänderungen, auch wenn diese für kleinere Wirtschaftseinheiten pro verminderter Recheneinheit wesentlich teurer sind, und verursachen daher gesamtwirtschaftlich gesehen höhere Kosten als Abgabenlösungen141, bei denen sich solche kleinen Unternehmen „freikaufen" können. Demgegenüber können Großbetriebe zu geringeren Kosten in ungleich größerem Umfang eine Verhaltensänderung bewirken. Indes treffen auch einheitlich erhobene Abgaben alle Unternehmen je vermiedener Einheit gleichermaßen 142 . Aufgrund des Grundsatzes der Belastungsgleichheit143 müssen sie dies prinzipiell auch; demgegenüber können Verhaltensgebote eher einzelne Personen herausgreifen.
Π. Marktkonformität Zugunsten von Abgabenlösungen wird ihre größere Marktkonformität angeführt 144 . Wäre dem so, würden sie eher der marktwirtschaftlichen Wurzel eines verfassungsrechtlich fundierten Verursacherprinzips 145 entsprechen. Ließen sie den Betroffenen mehr Entfaltungsraum, korrelierte ihre Bevorzugung mit ei-
137
Bonus, Umwelt und soziale Marktwirtschaft, S. 36 spricht von „SchweigekarteU der Oberingenieure". 138 Vgl. Kemper, Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft, S. 124 f. 139 Endres, ZRP 1985,197 (199); Schachel, NuR 1982,206 (210). 140 Etwa Gawel, DV 28 (1995), 201 (223); siehe auch Endres, in: Donner/Magoulas/ Simon/Wolf, Umweltschute zwischen Staat und Markt, S. 269 (275); Paefgen, NuR 1994,424 (428). 141 Etwa Umweltgutachen 1978, BT-Drucks, 8/1938, Tz. 1796 (S. 545) unter Verweis auf das 2. Sondergutachten, Die Abwasserabgabe; Umweltgutachten 1987, Tz. 149 (S. 67); Weimann, Umweltökonomik, S. 187 ff. 142 Wicke, Umweltökonomie, S. 369. 143 Siehe oben Teil Π § 7 B.I., Π. 144 Pauschal davon ausgehend Wicke, Umweltökonomie, S. 177; Hendler, AöR 1990, 577 (589). 145 Siehe oben Teü Π § 10.
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen
263
nem auch auf die Art und Weise staatlichen Handelns bezogenen Subsidiaritätsprinzip 146 . Auch Abgaben führen allerdings, sollen sie die beabsichtigte Wirksamkeit entfalten, zu einer durch staatliche Intervention veranlaßten Verhaltensänderung. Daß den Wirtschaftssubjekten überlassen bleibt, wie sie diese Verhaltensänderung bewirken 147 , kann auch bei ordnungsrechtlichen Lösungen etwa durch bloße Zielvorgaben oder die Stellung von Alternativen wie in § 6 Abs. 3 VerpackV i.V.m. dem Anhang zu dieser Vorschrift verwirklicht werden. Dann wirken Rechtsnormen lediglich rahmensetzend, so daß den Verursachern Raum bleibt für eine Umsetzung nach effizienten Marktverfahren 148 . Der imperative Zwang tritt auch zurück durch symbolische Normen wie die Vorgabe einer hochwertigen Verwertung nach § 5 Abs. 2 S. 3 Krw-/AbfG 1 4 9 , offene unbestimmte Rechtsbegriffe und flexible Fristen 150 1 5 1 . Diese sog. weichen Eingriffsnormen gehören zwar zum ordnungsrechtlichen Instrumentarium, sind aber allenfalls eingeschränkt erzwingbar und ermöglichen private Eigenentfaltung nach marktgesetzlichen Regeln. Daher sind allerdings die Resultate nicht exakt vorhersehbar, sondern nur Erwartungsgrößen 152. Ihre größere Marktkonformität wird dann erkauft durch eine geringere Wirkungssicherheit. In ihrer Funktionsweise gleichen sie somit stark den pretialen Instrumenten. Letztlich fügen sich Abgabenlösungen daher weder zwingend besser in den Wirtschaftsablauf ein noch lassen sie unbedingt den Betroffenen mehr Entfaltungsraum; sie weisen mithin nicht stets eine größere Marktkonformität auf, sondern dies hängt von der Ausgestaltung des eingesetzten Verwirklichungstyp des Verursacherprinzips im Einzelfall ab.
ΠΙ. Sonstige Aspekte Verwaltungen sind bislang auf ordnungsrechtliche Vorgaben ausgerichtet 153. Auch in den gesellschaftlichen Gruppen weist der hoheitlich dekretierte Umweltschutz eine hohe Akzeptanz auf 154 . Bei der Bevölkerung werden im Hinblick auf die bereits erreichte hohe Abgabenlast gerade zusätzliche Abgaben
146
Siehe oben Teü Π § 9 Α., Β.Π. Dazu für Abgabenlösungen von Lersner, in: P. Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steurrecht, S. 103 (114); Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 103 ff., 110 m.w.N. 147
148
Siehe Gawel, DV 28 (1995), 201 (207). Fluck, NuR 1995,233 (240); ders., in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Krw-/ AbfG, Rn. 116: „bloßer Strebsamkeitsappell"; Frenz, Krw-/AbfG, § 5 Rn. 16. Anders Weidemann, NVwZ 1995,631 (636 f.). 150 Zu § 6 Abs.3 VerpackV mit dem dazugehörigen Anhang Frenz, GewArch. 1994,145 (145). 151 Gawel, DV 28 (1995), 201 (210 ff.). 152 Gawel, DV 28 (1995), 201 (213). 153 Wicke, Umweltökonomie, S. 174 ff., 370. 154 Paefgen, NuR 1994,424 (428). 149
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacheprinzips
zur Verhaltenslenkung auf Akzeptanzprobleme stoßen. Insbesondere dann, wenn angesichts leerer Kassen in den öffentlichen Haushalten der Verdacht aufkommt, sie dienten der allgemeinen Refinanzierung 155 , sinkt der Anreiz zur Verhaltensänderung erheblich 156 . Dieser wird weiter dadurch abgeschwächt, daß sich Abgaben vielfach erst an die richtige Abgabenhöhe herantasten müssen und deren Ermittlung wenig durchsichtig ist 1 5 7 . Durch daraus folgende Rückwirkungen auf die um Wiederwahl bemühten Entscheidungsträger wird auch die politische Durchsetzbarkeit in Frage gestellt.
IV. Daraus folgende Anwendungsfelder Insgesamt sind ordnungsrechtliche Mittel jedenfalls dann vorzuziehen, wenn die rasche Bekämpfung von Gefahren ohne zeitliche Verzögerung das Ziel ist 1 5 8 . Im übrigen ist eine grundsätzliche Gleichwertigkeit festzustellen. Je nach Situation ist das wirksamere Mittel einzusetzen. Dann ist es eine Frage der Verhältnismäßigkeit und über diesen rein rechtlichen Rahmen hinausgehend der Einschätzung des Gesetzgebers, ob eine ordnungsrechtliche oder eine Abgabenlösung zum Zuge kommt. Vor dem Hintergrund, daß eine dauernde Anreizwirkung auch unterhalb von festgelegten Grenzwerten nicht von Geboten, aber von Abgaben ausgeht, das sichere Erreichen von Grenzwerten aber (eher) durch ordnungsrechtliche Lösungen gewährleistet werden kann, ist an eine Kombination beider Möglichkeiten zu denken 159 . Ordnungsrechtliche Maßnahmen sind jedenfalls nicht durch pretiale Instrumente überflüssig 160 .
B. Zertifikatmodell I. Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten Beim Zertifikatmodell 161 legt der Staat durch politische Entscheidung fest, inwieweit ein Umweltmedium (ggf. in einer bestimmten Region) belastet wer-
155 Das zeigen etwa die Reaktionen zu den geplanten kommunalen Verpackungssteuern; siehe F.A.Z. vom 1.7.1995, S. 13. 156 Vgl. Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1800 (S. 546). 157 Umweltgutachten 1987, Tz. 159 (S. 69). 158 Cansier, NVwZ 1994, 642 (643 ff.); Weimann, Umweltökonomik, S. 187 f.; Wicke, Umweltökonomie, S. 173. 159 Hansmeyer/Schneider, Umweltpolitik, S. 49; Hansjürgens, Umweltabgaben im Steuersystem. S. 65 ff.; Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 84 ff. 160 Groß, VerwArch. 88 (1997), 89 (91); siehe auch Wagner, NVwZ 1995,1046 ff. 161 Grundlegend Crocker, in: Wolozin, The Economics of Air Pollution, S. 61 ff.; Dales, in: Canadian Journal of Economics 1 (1986), Vol. 1, 791 ff.; ders., Pollution, Property and Prices
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen
265
den darf. In Höhe dieser Gesamtbelastungsmenge schafft er Zertifikate bzw. Lizenzen, die er kostenlos oder kostenpflichtig an interessierte Emittenten von Umweltbelastungen abgibt. Diese Verschmutzungsrechte verleihen den Inhabern das Recht, in der dadurch zugewiesenen Höhe die Umwelt zu belasten. Zugleich können diese Zertifikate verkaufen. Dadurch entsteht ein Anreiz, Belastungen zu vermindern. Hingegen werden diejenigen, für die die Kosten der Verminderung über dem Handelspreis für die Zertifikate liegen, solche Lizenzen kaufen. Damit soll erreicht werden, daß die Umweltbelastungen dort reduziert werden, wo es am kostengünstigsten ist 1 6 2 . Daher wird dem Zertifikatmodell die höchste Effizienz zugesprochen 163. Indem das Zertifikatmodell an die bestehenden Marktmechanismen anknüpft und diesen nicht allenfalls partiell Raum läßt wie (sog. weiche) ordnungsrechtliche Lösungen oder lediglich als Kostenfaktor auf sie einwirkt wie Abgabenlösungen, ist es auch am ehesten geeignet, die für einen dauerhaften Zielerfolg besonders wichtigen nachhaltigen Verhaltensänderungen zu erzielen, die nicht mehr von außen aufoktroyiert werden müssen, sondern verinnerlicht werden und daher von selbst kommen. Gleichwohl stellt sich bei Zertifikaten das allerdings auch bei den anderen Verwirklichungsformen auftretende 164 - Problem der Durchsetzbarkeit, weil sich manche Marktteilnehmer auch ohne bzw. über den Erwerb von Lizenzen hinaus schädigend verhalten 165 . Bei erfolgreicher Übernahme der vom Staat intendierten Verhaltensänderung in den normalen Verhaltenskodex, die beim Zertifikatmodell immer noch am wahrscheinlichsten ist, besteht indes am ehesten die Aussicht, daß die Verursacher entsprechend handeln. Flankiert wird das dadurch, daß ihnen andernfalls soziale Wertschätzungsverluste drohen, soziale Anerkennung indes eine zentrale Antriebsfeder menschlichen Handelns bildet 166 . Zertifikate weisen vor allem den Nachteil auf, daß durch die Kräfte des Marktes bei hoher Nachfrage Preise entstehen, die einzelne Wirtschaftsteilnehmer nicht mehr bezahlen können 167 . So ist Abfall zwar zu vermeiden, wozu der Zwang, Zertifikate zu erwerben, einen Anreiz bietet. Der trotzdem entste-
passim; auch Mishan, Technology and Growth: The Price We Pay, S. 36 ff.; Bonus, Umwelt 7 (1977), 252 ff.; bereits ders., Jahrbuch für Sozialwissenschaften 23 (1972), 342 ff. 162 Näher Kemper, Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft, S. 42. 163 Bes. deutlich Weimann, Umweltökonomik, S. 169 ff.; für die Abfallwirtschaft Knüppel, Umweltpolitische Instrumente, S. 153 ff., allerdings ausgehend von einem ordnungsrechtlichen Rahmen; krit aber Feldhaus, DVBl. 1984,552 (554 f.). 164 Siehe oben Teil m § 2 A.I. 165 Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995,341 (344), die daher für eine Koppelung mit Geldstrafen eintreten. 166 Dazu HoUänder, American Economic Review 80 (1990), 1157 ff.; Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995,341 (355 f.) m.w.N. 167 Im einzelnen Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 45.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
hende muß aber zur Verhinderung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren geordnet entsorgt und darf insbesondere nicht wild abgelagert werden 168 . Daher ist es notwendig, daß jeder, bei dem Abfall anfällt, für die entsprechende Menge Entsorgungsmöglichkeiten vorfindet. Damit muß sich nahezu jeder um Zertifikate bemühen. Davon drohten bei einem Zertifikathandel mit der Gefahr exorbitanter Preise insbesondere private Haushalte und kleinere Betriebe ausgeschlossen zu sein, die die geringsten Möglichkeiten zur Reduzierung der Abfallmenge haben 169 . Wegen der Gefahr illegaler Entsorgung scheidet daher das Zertifikatmodell für den Abfallbereich aus 170 . Was die Praktikabilität anbelangt, ergibt sich das Problem, daß bislang das Zertifikatmodell - im Gegensatz zu den USA - in der Bundesrepublik Deutschland noch keine praktische Bedeutung erlangt hat 171 . Die Gewöhnung der Behörden an dieses Instrument sollte daher in einem Bereich erfolgen, der zu keinen so schwerwiegenden Störungen führen kann wie etwa der Abfallbereich. Gleichwohl kann sich ein Zertifikathandel als Beimischung zu ordnungsrechtlichen Lösungen mit ihren aufgezeigten Mängeln insbesondere in Gestalt einer defizitären permanenten, über die Zielvorgaben hinausgehenden Anreizwirkung eignen. Aus umweltökonomischer Sicht wird eine Verbindung mit den Umweltabgaben günstig beurteilt 172 . Es kommt auch als Grundmodell für eine Verwirklichung des Verursacherprinzips in einem Bereich in Frage, in dem keine dringende Verhaltensänderung aufgrund drohender irreversibler Schäden an hochrangigen Rechtsgütern in Frage steht 173 . Stets stellt sich allerdings die Frage seiner rechtlichen Zulässigkeit.
168 OVG Koblenz, KStZ 1990,97; BayVGH, BayVBl. 1988,627 (628); HessVGH, KStZ 1987, 190 (194); OVG Lüneburg, NVwZ 1985,441. 169 Private Haushalte wurden denn auch von der 1991 geplanten Abfallabgabe des Bundes (BMU-Referat WA Π 2, Entwurf eines Abfallabgabengesetzes (AbfAG) vom 11.9.1991, inhaltlich dargestellt bei Sprenger u.a., Das deutsche Steuer- und Abgabensystem aus umweltpolitischer Sicht, S. 159 ff.) ausgenommen. Sie werden von der Abfallabgabe des Landes Schleswig-Holstein nach dem Landesabfallabgabengesetz vom 22.7.1994 (GVB1. S. 395) nicht erfaßt 170 Näher Frenz, Verwirklichung, S. 22 ff.; vgl. hingegen Wicke/Huckestein, Umwelt Europa der Ausbau zur ökologischen Marktwirtschaft, S. 136 f.; auch Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate, S. 216 (243 ff.). 171 Siehe oben Teü I § 4 C.IV. 172 Dickertmann/Gelbhaar, ZfU 1995, 341 (358) unter Hinzufügung von Geldstrafen. Umfassend vergleichend Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz. 173 Becker-Neetz, Rechtliche Probleme der Umweltzertifikatmodelle in der Luftreinhaltepolitik, S. 62 ff., 82, 86 ff.; Heister/Michaelis, Umweltpolitik mit handelbaren Emmissionsrechten, S. 203 (207), Wasmeier, NuR 1992, 219 (222); vgl. auch Rehbinder/Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit neuerer Konzepte der amerikanischen Lufreinhaltepolitik in die deutsche Umweltpolitik, S. 353,386.
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen
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Π. Rechtliche Zulässigkeit L Qualifikation
als eigenständige Rechtsform
Wären Zertifikate, die zunächst vom Staat versteigert werden, als Umweltnutzungs- oder Verleihungsgebühren zu qualifizieren 174 , ergäben sich die gegen deren rechtliche Zulässigkeit vorzubringenden Bedenken 175 . Zwar verbriefen Zertifikate einen wirtschaftlichen Wert in Gestalt eines verkäuflichen Nutzungsrechts. Indes ergibt sich der Preis für sie nicht nach einem objektiv bezifferbaren wirtschaftlichen Nutzen für die Erwerber, sondern nach dem unter Versteigerungsbedingungen zustandegekommenen Bieterpreis, der sich nach der subjektiven Einschätzung des Ersteigerers und nicht notwendig nach einem feststehenden Wert bemißt. Eine Qualifizierung als Gebühr scheidet daher unabhängig von der Frage der Einordnung der Umweltnutzungs- und Verleihungsgebühr als eigener Gebührentyp 176 aus. Vielmehr handelt es sich um ein marktwirtschaftliche Mechanismen eröffnendes Instrument eigener Art und kann daher weitergehend nicht den öffentlichen Abgaben zugeordnet werden. Die beim Verkauf von Zertifikaten erzielten Einnahmen sind Bestandteil der Zertifikatlösung und daher in diesem Zusammenhang zu würdigen. Sie können bezeichnet werden als Erlös aus dem Verkauf von Zertifikaten oder kurz Zertifikaterlös. Der Verkauf von Zertifikaten führt insoweit, als er durch staatliche Stellen durchgeführt wird, zu einem Kontakt zwischen Privaten und Staat. Kommt dabei, wie es § 156 BGB für Versteigerungen mit Erfolgen des Zuschlags vorsieht, ein Vertrag zustande, ist an eine Qualifikation als Verwaltungsvertrag zu denken. Da Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsvertrages auch bei seiner Ausdehnung auf zivilrechtliche Verwaltungsverträge ein Handeln i m staatlichen Aufgabenbereich 177 und eine Kompetenz auf Seiten des Verwaltungsträgers ist 1 7 8 , kommt er nur insoweit in Betracht, als der Staat Zertifikate vergibt und dadurch einen bislang zu seinen Aufgaben gehörigen Bereich privater Gestaltung überantwortet. Indem er sich auf diese Weise einer staatlichen Aufgabe begibt, entläßt er sie durch Vertrag und verfügt daher bei seinem Abschluß noch über sie. Daher kann auch die Privatisierung durch Vertrag vom Rechtsinstitut des Verwaltungsvertrages erfaßt sein 179 . Aber auch wenn man
174
So Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (119). Siehe oben Teü I § 4 C.m.4. 176 Siehe oben Teü I § 4 C.m.2.c)aa) sowie Frenz, Verwirklichung, S. 140 ff. m.N. pro et contra. 177 Siehe Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248 (257 f.). 178 Krebs ebda., S. 256. 179 Ebenso Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248 (258) unter Verweis auf die Privatisierungsgeschäfte der Treuhandanstalt (S. 251 m.w.N. in Fn. 9). 175
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
insoweit das Zustandekommen eines Verwaltungsvertrages annimmt, ist doch zu bedenken, daß der Schwerpunkt der staatlichen Vergabe von Zertifikaten weniger im Abschluß eines Vertrages liegt als vielmehr darin, daß der Staat bestimmte Rechte an Private vergibt. Das kann auch außerhalb einer Versteigerung erfolgen bzw. ohne Entgelt durch Private. Der Abschluß eines Vertrages ist nicht zwingend, sondern nur eine mögliche Form. Das Neue an der Zertifikatlösung ist, daß der Staat ein bestimmtes Ziel über die Kräfte des Marktes erreichen will. Ein etwaiger Verwaltungsvertrag dient nur der Übergabe des von ihm erfaßten Feldes an den Markt. Die rechtlichen Regeln ergeben sich daher auch bei Einsatz eines Verwaltungsvertrages aus den damit zusammenhängenden Besonderheiten und deshalb aus den Eigenheiten des Zertifikatmodells als solchem. Es ist deshalb unabhängig von seiner Verwirklichungsform als eigenständiges Rechtsinstitut zusammenzufassen. Aus dieser Sicht kann es außerhalb der herkömmlichen Handlungsformen der Verwaltung angesiedelt und damit dem sog. informalen Verwaltungshandeln 180 zugeordnet werden 181 . Der mit ihm jedenfalls bei einer Vergabe gegen Entgelt, aber auch durch die bloße Koppelung der Vergabe an die faktisch herbeigeführte Einhaltung bestimmter im Zertifikat verbriefter Höchstmengen verbundene Austausch 182 ist nur in manchen Fällen in einem Verwaltungsvertrag manifestiert. 2. Rechtliche Bedenken Damit sind aber die sachlichen Bedenken gegen Zertifikatlösungen und speziell gegen Zertifikaterlöse nicht beseitigt. a) Aushöhlung der ausschließlichen Finanzierungsfunktion von Steuern Das Bedenken, daß Zertifikaterlöse die grundsätzlich den Steuern vorbehaltene Funktion, den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf zu decken 183 , übernehmen, wird dadurch weitgehend entkräftet, daß diese Erlöse im Rahmen eines Gesamtmodells anfallen, das eine staatliche Überwachung der Erfolge in einem entsprechenden Gebiet einschließt, und daher zu dessen Finanzierung einzusetzen sind. Bleiben Überschüsse, so ist dennoch die Stellung der Steuer als grundsätzliche Quelle zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs gewahrt,
180 Ygi (lie Definition bei Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1. 181 So auch Enders, Kompensationslösungen im Immissionsschutzrecht, S. 246 in der Überschrift. Sein Zusatz Normalisierung" rührt aus der gesetzlichen Ausgestaltung des von ihm untersuchten Modells in §§ 7 Abs. 3,17 Abs. 3 a BImSchG i.V.m. Nr. 4.2.10 TA Luft 182 Siehe für die Kompensationslösung des BImSchG Enders, Kompensationslösungen im Immissionsschutzrecht, S. 250; Schröder, UPR 1986,127 (129). 183 Siehe BVerfGE 91,186 (201); 92,91 (113).
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen
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wenn die Heranziehung von Zertifikaterlösen die seltene Ausnahme bleibt 184 . Zudem ist die den Steuern durch Art. 105 ff. GG zugewiesene prinzipielle Ausschließlichkeitsfunktion in Ausgleich zu bringen mit Art. 20 a GG, wenn Zertifikatlösungen nach der vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers die Umwelt wirksam schützen185. b) Handel mit staatlich verliehenen Rechten Der Staat hat Rechte nach gesetzlichen Maßstäben zu verleihen und nicht nach der Zahlungsfähigkeit von Anwärtern 186 . Indes erfolgt auch die Versteigerung von Zertifikaten in einem rechtlichen Rahmen 187 und damit nach rechtlichen Maßstäben. Nur ist die rechtliche Regelung auf den Verkauf gerichtet. Dieser ist erforderlich, um die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele in der von diesem gewählten Weise zu erreichen. Zudem geht es nicht um einen bloßen Verkauf von Rechten, sondern um eine Überleitung in den privaten Bereich. Der staatliche Verkauf ist nur dem privaten Handel vorgeschaltet. Ein solcher Handel erfolgt auch nach einer behördlichen Vergabe von Zertifikaten ohne Entgelt. Hier tritt der Handel mit Zertifikaten nur eine Stufe später auf. Entscheidendes Moment ist in beiden Fällen die Eröffnung eines Handels mit Zertifikaten und damit mit staatlich verliehenen Rechten durch die öffentliche Gewalt. c) Qualifizierung als Teilprivatisierung Führt der Staat in einem bislang privater Gestaltung überlassenen Bereich das Zertifikatmodell ein und begrenzt er nur die zulässigen Mengen, indem er eine limitierte Anzahl von Zertifikaten ausgibt, so zieht er lediglich eine zusätzliche Grenze privater Gestaltung auf, die den im nachfolgenden Abschnitt 188 aufzuzeigenden grundrechtlichen Grenzen unterliegt. Wählt der Staat hingegen einen bisher von ihm wahrgenommenen Bereich, stellt sich zusätzlich die Frage der Zulässigkeit einer Aufgabe staatlicher Regie. Die Eröffnung eines solchen Handels mit Zertifikaten übergibt dann einen Bereich privater Gestaltung. Diese erfolgt allerdings in einem staatlichen Rahmen namentlich in Gestalt einer festgesetzten Obergrenze handelbarer Zertifikate, die nach Maßgabe des grundrechtlich Zulässigen189 reduziert werden kann. Insoweit sind die privaten Akteure des 184
Vgl. zu Sonderabgaben BVerfGE 82,159 (181); 91,186 (203); 92,91,113). Vgl. zu Umweltsteuern Frenz, Verwirklichung, S. 159 f. 186 P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88 Rn. 187 und bereits ders.. Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, S. 79 ff. 187 Rehbinder, in Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (116 ff.). 188 Teü m §3. 189 Dazu Teil Μ § 3 A.I. 185
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Zertifikathandeis indes nicht Adressaten staatlicher Gebote, sondern sie werden von den durch Mengenvorgaben zwar staatlich beeinflußten, aber nicht in ihrer Funktionsweise veränderten Gesetzen des Markts gelenkt. Insoweit gibt der Staat bislang bestehende lenkende Befugnisse auf und überläßt die Steuerung dem Markt. In diesem Umfang verzichtet er auf die Wahrnehmung einer Aufgabe als staatliche und transferiert sie auf private Rechtssubjekte, nämlich die Inhaber und Nachfrager von Zertifikaten. Daher ist eine Privatisierung gegeben, verstanden als Übertragung bisher vom Staat wahrgenommener Aufgaben auf private Träger 190 , wie es dem eine Grundlage des Verursacherprinzips bildenden Subsidiaritätsprinzip entspricht 191. Gleichwohl handelt es sich insoweit, als der Staat den Zertifikathandel überwacht und durch eine Reduktion des Zertifikatwertes oder der Zertifikatmenge beeinflußt, mithin nur die Vergabe als solche in private Hände legt, lediglich um eine Teilprivatisierung 192 . Diese überführt aber immerhin auch einen Teil des staatlich wahrgenommenen Aufgabenbereichs in private Regie und unterliegt daher denselben Grenzen. Ausgehend davon, daß der Aufgabenbereich des Staates nicht durch materiell-rechtliche Kriterien bestimmbar ist, sondern auf staatlicher Festlegung im Rahmen verfassungsrechtlicher Grenzen beruht 193 , vermag der Staat Aufgaben auch wieder privater Regie zu überlassen, sofern insbesondere grundgesetzliche Vorgaben nicht entgegenstehen194. Eine solche Grenze besteht etwa dann, wenn nur ein Verbleiben im staatlichen Bereich die Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht sicherstellt 195 . Das kann aber insbesondere angesichts des staatlichen 190
Ronellenfitsch, in: HStR ΙΠ, § 84 Rn. 43; zu den verschiedenen Privatisierungsformen Schoch, DVB1. 1994, 962 (962 f.); Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 41. ff. 191 Siehe oben Teü Π § 9C. 192 Vgl. Schoch, DVB1.1994,962 (963,974 f.). 193 BVerfGE 12,205 (243); 30,292 (311 f.); Krautzberger, Die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 51 ff.; Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; Steiner, öffentliche Verwaltung durch Private, S. 92 ff.; siehe auch Burmeister, WDStRL 52 (1993), 190 (216 f.). 194 Zu den daraus folgenden Grenzen im einzelnen Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 50 ff.; Knemeyer, WiVerw. 1978,65 (71 f.); R. Schmidt, in: Biernat/Hendler/Schoch/Wasilewski, Grundfragen des Verwaltungsrechts und der Privatisierung, S. 210 (219 ff.); auch Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluß- und Benutzungszwang, S. 41 ff.; Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben - untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, S. 151 ff.; aus insbes. österreichischer Sicht Hengstschläger, WDStRL 54 (1995), 165 (174 ff.). Mittlerweile herrscht weitgehend Einigkeit, daß rechtliche Grenzen kaum bestehen, Bauer, WDStRL 54 (1995), 243 (263 ff.); Krölls, GewArch. 1995, 129 (135 ff.); Schoch, DVB1.1994,962 (969 ff.). 195 Bothe, NVwZ 1995, 937 (938); Koenig, DÖV 1996, 943 (948) im Hinbück auf ein rein emissionsbezogenes Modell, soweit es keine angemessene immissionsbezogene Korrektur zum Schutz von Grundrechtsgütern sowie der natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen vornimmt. Vgl. zur jedenfalls bislang notwendig auch immissionsbezogenen Komponente des Immissionsschutzrechts oben Teil I § 4 C.I.l.
§ 3 Grundrechtsbeeinträchtigungen
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Gestaltungsspielraums zur Erfüllung solcher Pflichten 196 nur in seltenen Fällen bejaht werden 197 . Bilden diese Grenzen der Privatisierung auch diejenigen von Zertifikatlösungen, stehen diesen somit regelmäßig keine rechtlichen Hindernisse entgegen198. Gegebenenfalls dürfen sie nur als Beimischung eingesetzt werden und sind durch ordnungsrechtliche Maßnahmen zu flankieren. Im Umweltbereich etwa dürfte im Bereich des ökologischen Existenzminimums nicht ausschließlich eine Zertifikatlösung gewählt werden.
§ 3 Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Anwendung des Verursacherprinzips Die Umsetzung des Verursacherprinzips ist in vielfältiger Weise geeignet, die Freiheitsrechte des Bürgers zu beeinträchtigen.
A. Hauptsächlich angetastete Grundrechte I. Der Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr Ein Hauptanwendungsfeld des Verursacherprinzips ist der Bereich der Wirtschaft. Durch eine Änderung ihrer Herstellungs- und Vertriebsgewohnheiten sollen schädliche Auswirkungen reduziert werden. Das trifft insbesondere für das derzeit anerkannte Anwendungsfeld des Verursacherprinzips, den Umweltschutz, zu 1 9 9 . Aktuelles Beispiel ist das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das die Erzeuger und Besitzer von Abfallen nach §§ 5, 11 grundsätzlich mit Entsorgungspflichten belegt sowie in §§ 23, 24 die Grundlage für eine umfassende, am Produzenten ansetzende Steuerung schafft und dadurch über § 26 den Herstellern und Vertreibern weitestgehend die Verantwortung für die Entsorgung der von ihnen in Verkehr gebrachten Produkte aufzuerlegen vermag 200 . Werden die Erwerbsmöglichkeiten von Unternehmen etwa durch Anforderungen an die Produktion oder den Vertrieb beeinträchtigt, ist die Berufsausübungsfreiheit tangiert. Das gilt auch dann, wenn für mit der Industrieproduktion verbundene Verschmutzungen Zertifikate erworben werden müssen bzw. die einmal erworbenen oder zugeteilten Lizenzen abgewertet werden, also die durch sie verkörperten Verschmutzungsrechte sinken, so daß Zertifikatzukäufe oder Produktionsveränderungen erforderlich werden? 01. Im Hinblick auf die 196 197 198 199 200 201
Siehe oben Teü Π § 4 Α.Π., Β.ΙΠ.5. Vgl. Rüther, in: HStR m, § 80 Rn. 49; Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 123 ff. Ebenso im Ergebnis Wasmeier, NuR 1992,219 (223 f.). Der wirtschaftswissenschaftliche Ursprung ist kein Zufall. Vgl. oben Teü I § 2 A. Im einzelnen Beckmann, DVBl. 1995,313 (314 ff.); Frenz, Verwirklichung, S. 70 ff. Im einzelnen Rehbinder, in: Endies/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (119,126 ff.).
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
aufgezeigten verhaltensprägenden Auswirkungen von Abgaben einschließlich Steuern 202 berühren auch diese die Berufsausübungsfreiheit 203. Wird durch die genannten staatlichen Maßnahmen die weitere Ausübung oder namentlich infolge der Notwendigkeit von Zertifikatkäufen die Aufnahme eines Gewerbes unmöglich, beeinträchtigen sie die Berufswahlfreiheit 204 . Für diesen Fall ist auch anerkannt, daß wegen einer Entwertung aufgebauter Unternehmenspositionen in die Eigentumsfreiheit eingegriffen wird 2 0 5 . Bei einer bloßen Beeinträchtigung der Gewinnchancen und Verdienstmöglichkeiten soll Art. 14 Abs. 1 GG hingegen nicht beeinträchtigt sein 206 . Aber bereits dann, wenn ein Unternehmer nicht mehr so produzieren kann wie er will, vermag er angeschaffte Maschinen und sonstige Produktionsmittel nicht mehr frei zu nutzen. Er ist mithin in der Freiheit beschränkt, sein Eigentum nach seinen Vorstellungen zu gebrauchen 207. Zu seinem Eigentum gehören auch Zertifikate, die er auf dem Markt erworben hat. Werden sie vom Staat zugeteilt, sind sie gleichfalls auf Veräußerung gerichtet 208 und damit als Weitgegenstand ausgestaltet209. Sie beruhen insofern auf eigener und, wie für den Eigentümerschutz erforderlich 210 , nicht überwiegend auf staatlicher Leistung, als sie an den Betrieb einer bestimmten Produktion gekoppelt sind. Der Gebrauch des Eigentums ist in unserer auf Produktion ausgerichteten Wirtschaftsordnung der statischen Zuordnung einer Sache gleichzustellen und damit gleichermaßen geschützt 211 . Von daher ist die Formel „Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb" 212 überholt. Sie kann, 202
Oben Teü Π § 7 Α.Π. Vgl. BVerfGE 93,121 (142). 204 Siehe BVerfGE 11, 30; für Zertifikate Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, S. 92 (119 f.); für Steuern BVerfGE 87,153 (169); siehe auch BVerfGE 93,121 (142). 205 BVerfGE 78, 232 (243); 82, 159 (190); 87, 153 (169); Badura, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 1 (21); siehe auch Scholz/ Aulehner, BB 1993, 2250 (2260); Frers, Die Klagebefugnis des Dritten im Gewerberecht, S. 247 ff.; ders., DÖV 1988,670 (676 ff.). 206 BVerfGE 28,119 (142); 30, 292 (335); 68,193 (222); 74,129 (148); 78, 205 (211). 207 Vgl. BVerfGE 88, 366 (377), aber mit der Besonderheit, daß es nur um die Nutzungsmöglichkeiten eines Hengstes ging, ohne daß Anhaltspunkte ftlr eine erwerbswirtschaftliche Betätigung vorlagen. 208 Becker-Neetz, Rechtliche Probleme der Umweltzertifikatmodelle in der Luftreinhaltepolitik, S. 158 ff.; Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (126). 209 Vgl. BVerfGE 58,300 (336). 210 BVerfGE 72,175 (193); w.N. bei Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 445 mit Fn. 97. 211 Im Hinblick auf die Baufreiheit Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn. 58. 212 BVerfGE 30, 292 (335); 84, 133 (157); 85, 360 (383); 88, 366 (377); siehe auch Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 137 ff.: kein Entstehens- oder Erwerbsschutz durch Art 14 Abs. 1 GG; krit. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 139 ff. m.w.N. Speziell zur Zulässigkeit einer Abwertung von Zertifikaten Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (126). 203
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aber für beide Grundrechte bezogen auf den Erwerb, höchstens insoweit Bestand haben, als Art. 14 Abs. 1 GG den Erwerb durch den in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ausdrücklich erwähnten 213 Gebrauch von Eigentum, also von Erworbenem, mithin den Erwerb durch Erworbenes und Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb durch den Gebrauch der eigenen Arbeitskraft schützt. Aus einer solchen Sicht folgt ein Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs 214 als Verbindung des angehäuften Unternehmereigentums und der Arbeitsleistung des Unternehmers auk beiden Grundrechten 215. Der Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG erstreckt sich nicht nur auf die einzelnen Bestandteile, sondern auf die über die Summe dieser Bestandteile hinausreichende Unternehmensgesamtheit 216 als Resultat des Einsatzes des vorhandenen Kapitals. Damit nähern sich die Schutzbereiche von Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in starkem Maße an. Das entspricht aber nur einer bereits vielfach erfolgten Entwicklung - allerdings eher im ausgeschlossenen Bereich. So ist anerkannt, daß weder Art. 12 Abs. 1 GG 2 1 7 noch Art. 14 Abs. 1 GG vor privater Konkurrenz schützen218. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn der Staat die Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Tätigkeit in einer bestimmte Unternehmen benachteiligenden Art und Weise verschiebt. Dann wird die Wettbewerbsfreiheit tangiert. Diese wird wegen der an sie gekoppelten Wahrung der Erwerbschancen zu Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitet 219 . Auf freiem Wettbewerb beruht aber auch die selbstbestimmte Nutzung des in einem Unternehmen eingesetzten Kapitals. Daher ist die Wettbewerbsfreiheit auch Ausfluß von Art. 14 Abs. 1 GG. Aus diesem Grundrecht erwächst somit bei Wettbewerbsbeeinträchtigungen nicht nur dann Schutz, wenn die Unternehmensexistenz gefähr-
213
Zu den gegenseitigen Beeinflussungen von Art 14 Abs. 1 und Abs. 2 oben Teü Π § S
C.V.2. 214
Einen solchen auf der Grundlage von Art. 14 GG abl. BVerfGE 81, 208 (227 f.); in dieser Tendenz, wenngleich die Frage ausdrücklich offenlassend, BVerfGE 51, 193 (221 f.); 58, 300 (353); 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); 77, 84 (118). Krit. zu dieser Rspr. etwa Engel, AöR 118 (1993), 169 ff. m.w.N. Siehe dagegen BVerwGE 81,49 (54); VGH Kassel, DÖV 1995,77; Sächs. OVG, DÖV 1996, 609 (610); Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht S. 68 ff. 215 Für eine parallele Prüfung auch BVerfGE 21, 150 (154 f.); 50, 290 (361 f.); Breuer, in: HStR VI, § 147 Rn. 100; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 141. 216 Auch noch BVerfGE 50, 290 (351 f.) sowie etwa Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 187; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (28). 217 BVerfGE 24,236 (251); BVerwGE 39,329 (336 f.); BVerwG, NJW 1978,1539 (1540). 218 BVerfGE 11, 192 (202 f.); 34, 252 (257); 55, 261 (273); 68, 193 (223); 77, 84 (118), 81, 208 (228); aus der Lit. Badura, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 1 (20 f.). 219 BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); Breuer, in: HStR VI, 147 Rn. 97 m.w.N.; sie auf Art 2 Abs. 1 GG stützend hingegen BVerwGE 17,306 (309); 30,191 (198); BVerwG, NJW 1978, 1539; NVwZ 1984, 306 (307). 18 Frenz
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
det wird 2 2 0 . Diese weitgehende Annäherung der Schutzbereiche von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf den Schutz von Unternehmenspositionen erfordert, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, insoweit eine Harmonisierung der zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen beider Freiheiten 221 .
Π. Von Einzelpersonen im privaten Bereich Wird das Verursacherprinzip zur Verhaltenslenkung der Wirtschaft eingesetzt, ist dadurch der private Verbraucher insofern berührt, als er etwa bei einem Produktverbot bestimmte Erzeugnisse nicht mehr zu kaufen vermag oder bei geänderten Anforderungen an die Produktion Waren in anderer Zusammensetzung oder unter anderen Herstellungsbedingungen erhält, was möglicherweise eine Produktverteuerung nach sich zieht. Insoweit kann er in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beeinträchtigt sein. Ob das der Fall ist, stellt sich als Frage der Relevanz mittelbarer Grundrechtsbeeinträchtigungen dar, die sogleich im Zusammenhang zu erörtern ist 2 2 2 . Durch den Einsatz des Verursacherprinzips können Private auch unmittelbar und unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in ihren Grundrechten beeinträchtigt werden. Wird das Privateigentum etwa durch die Auferlegung von Duldungspflichten 223 oder Nutzungsbeschränkungen angetastet, ist Art. 14 Abs. 1 GG einschlägig, so daß sich ein mit der Beeinträchtigung von eigentumsrechtlich geschützten Unternehmenspositionen vergleichbares Schutzniveau ergibt. Bei einer Einschränkung des privaten Verhaltens, das unabhängig von einer Berufsausübung ist, ergibt sich demgegenüber aus Art. 2 Abs. 1 GG, der infolge seines umfassenden Schutzbereichs eine gegenüber anderen Grundrechten sehr schwache Schutzintensität aufweist 224 , ein deutlich geringerer Schutzstandard. Somit ist im Ergebnis das private Konsumenten- und Freizeitverhalten, das nicht durch ein eigenes Grundrecht besonders herausgehoben ist, trotz seiner fundamentalen Bedeutung in einer immer stärker zur Privatheit neigenden Gesellschaft schwächer geschützt als die wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit. Der nicht durch ein spezielles Grundrecht geschützte Privatbereich kann verstärkten Schutz durch eine Anbindung an Art. 1 Abs. 1 GG erlangen, wie das
220
So aber etwa Badura, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Beriin, S. 1 (21); Erichsen, Jura 1994, 385 (386). 221 Dafür auch Breuer, in: HStR VI, § 147 Rn. 100 a.E.; für einen Einzelfall Frenz, GewArch. 1994,145 (151). 222 Unten § 3 Β.Π. 223 Vgl. oben Teü m § 1 D. und unten § 8 C. 224 Siehe oben Teil Π § I B .
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etwa für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erfolgt ist 2 2 5 . Wegen der zunehmenden Bedeutung der Privatsphäre für den einzelnen im Zuge der sich steigernden Privatisierung der Gesellschaft wird das für einen weiteren Bereich erforderlich sein 226 . Begünstigt könnten all diejenigen Entfaltungsbereiche des einzelnen sein, die einen besonders engen Bezug zu dem haben, was den Menschen heute charakterisiert und damit in seinem unveräußerlichen Wesen ausmacht. Dazu wird man mittlerweile auch die Möglichkeit zur Selbstbestimmung spezifisch im Freizeitbereich rechnen müssen. Allerdings liegt darin ein nicht an hergebrachte Elemente anknüpfender Bestandteil dessen, was die Persönlichkeit des Menschen ausmacht. Jedoch ist bereits die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde trotz ihrer Beschränkung auf den allgemein anerkannten Gehalt 227 für Wandlungen aufgrund der historischen Entwicklung offen 228 , und zwar zumal dann, wenn es um Bestandteile geht, deren Ausgestaltung besonders stark vom erreichten zivilisatorischen Standard abhängt. Die Wandlungsfähigkeit gilt dann erst recht bezüglich der Elemente, die in Verbindung mit dem als Auffanggrundrecht ohnehin starker Veränderung unterworfenen Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet sind und die im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen einhergehenden neuen Gefährdungen der menschlichen Persönlichkeit abgesichert werden sollen 2 2 9 . Im Hinblick auf das Verursacherprinzip wird diese verstärkte Absicherung zumindest dann relevant, wenn es um staatliche Informationsrechte geht, um sich über das Ausmaß einer Gefährdung sachkundig zu machen 230 . An einen solchen gesteigerten Schutz ist aber etwa auch zu denken, wenn das private Fahrverhalten als Voraussetzung zahlreicher Freizeitaktivitäten eingeschränkt werden soll 2 3 1 . Daraus folgt keine schrankenlose Gewährleistung 232. Die Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG erfordert aber ein verstärktes Gewicht der eine Einschränkung rechtfertigenden Gründe. Der gänzliche Ausschluß des Auto225
BVerfGE 65,1. Vgl. Frenz, JR 1994,92 (94). 227 Siehe oben Teil Π § 5 Β.ΠΙ. 228 BVerfGE 45,187 (245 ff.). 229 Siehe BVerfGE 65,1 (41). 230 Vgl. zu den abfallrechtlichen Auskunftspflichten gem. § 40 Krw-/AbfG Frenz, Verwirklichung, S. 97 f. 231 Vgl. über den Freizeitbereich hinaus Ronellenfitsch, DAR 1994,7 (10); dens., Verfassungsund verwaltungsrechtliche Betrachtungen zur Mobilität mit dem Auto, S. 35; bereits dens., DAR 1992, 321 (322); für den beruflichen Bereich ist indes Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig (vgl. für den Datenschutz BVerfGE 67,100 (142 f.); 65,1 (42 f.); Breuer, NVwZ 1986,171 ff.), so daß es einer Schutzverstärkung des Art. 2 Abs. 1 GG insoweit nicht bedarf. Einen Schutz der Mobilität lediglich aus Art. 2 Abs. 1 GG annehmend P. Kirchhof, DRiZ 1995, 253 (253); Ossenbühl, NuR 1996, 53 (54); vgl. auch BVerfGE 59, 275 (278). 232 Vgl. BVerfGE 65, 1 (43). 226
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fahrens zu Freizeitzwecken dürfte sogar den Kern des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Freizeitverhaltens beeinträchtigen und daher nicht in Betracht kommen.
B. Arten von Grundrechtsbeeinträchtigungen I. Unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen Unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen erfolgen zu Lasten der Adressaten der auf dem Verursacherprinzip beruhenden Regelungen, also zu Lasten der mit Pflichten belegten Verursacher. Solche unmittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen sind in vielfältiger Weise denkbar. Die Palette reicht von Herstellungsverboten für Produkte, Abgaben bis hin zu Auskunftspflichten und der Veröffentlichung der dadurch gewonnenen persönlichen Daten bzw. Betriebsund Geschäftsgeheimnisse 233. Werden Selbstverpflichtungen und informale Absprachen getroffen, um staatliche Verhaltensgebote zu vermeiden, beruhen sie auf staatlichem Druck 2 3 4 und sind insoweit Grundrechtsbeeinträchtigungen, als sie durch diesen Druck bedingt sind und nicht aus freien Stücken zustande kommen.
Π. Mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen Die Umsetzung des Verursacherprinzips kann auch mittelbar Grundrechte des Bürgers berühren 235 . Das gilt zumal dann, wenn es im Hinblick auf den Subsidiaritätsgedanken und die bestehende marktwirtschaftliche Ordnung verwirklicht wird 2 3 6 und damit möglichst wenig in die Freiheitssphäre der Betroffenen eingreift. In diesem Falle versuchen die staatlichen Regelungen, das Verhalten der anvisierten Wirtschaftssubjekte durch das Ansetzen an einer bestimmten Stelle aufgrund eines Vervielfältigungseffektes zu steuern. Augenscheinlich ist das bei einem durch staatliche Mengenbegrenzungen veranlaßten Handel mit Zertifikaten, der die betroffenen Unternehmer zwingt, ihre Produktionsweise zu ändern 237 . Dieser Mechanismus tritt aber auch bei Abgaben auf.
233 Allgemein zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Umweltrecht BVerfGE 67, 100 (142 f.); 65, 1 (42 f.); Breuer, NVwZ 1986, 171 (171 f., 174 f.); Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, S. 119 ff. 234 Buttgereit, ökologische und ökonomische Funktionsbedingungen umweltökonomischer Instrumente, S. 92. 235 Zum Umweltbereich allgemein Di Fabio, NVwZ 1995,1 ff. 236 Vgl. oben Teil Π §§ 9,10. 237 Zu den damit verbundenen Rechtsschutzproblemen Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/ Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (128 ff.).
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Indem etwa die Vertreiber einer bestimmten Ware mit Abgaben belastet werden, die gewöhnlich an den Endverbraucher weitergegeben werden, soll dieser zu einem anderen Verhalten veranlaßt werden. Das ist der beabsichtigte Funktionsmechanismus bei den örtlichen Verpackungssteuern 238. Der Verbraucher wird aber nicht unmittelbar durch die gesetzliche Regelung betroffen, sondern lediglich mittelbar - etwa über die weitergegebenen höheren Steuerlasten. Trotzdem wird seine Freiheitssphäre beeinträchtigt. Umgekehrt richten sich Warnungen und Empfehlungen zwar an den Verbraucher. Indem sie seine Gewohnheiten beeinflussen, führen sie zu Umsatzeinbußen bei Unternehmen, deren Produkte negativ betroffen sind, und schränken diese insoweit jedenfalls faktisch in ihrer Entfaltung ein 2 3 9 . Daher bedarf es anerkanntermaßen auch des grundrechtlichen Schutzes gegen mittelbare Beeinträchtigungen 240. Das gilt trotz ihres informalen Charakters auch für Warnungen und Empfehlungen 241 . Folge- und Nebenwirkungen hoheitlichen Handelns sind allerdings unübersehbar. Das beruht insbesondere darauf, daß der einzelne in der bestehenden arbeitsteiligen Gesellschaft in ein Beziehungsgeflecht eingebunden ist, aus dem sich leicht aus Steuerungen an anderer Stelle auch Auswirkungen für ihn ergeben. Um trotzdem noch eine wirksame Verwaltungstätigkeit sicherzustellen und den Gerichten, wie durch Art. 19 Abs. 4 GG gefordert 242 , eine Kontrolle mit vertretbarem Zeitaufwand zu ermöglichen, zugleich aber den Grundrechtsschutz durch das vermehrte indirekte Verwaltungshandeln nicht zu schmälern, liegt eine Beschränkung auf die mittelbaren Einwirkungen nahe, die in ihrer Intensität einer direkten Verhaltenssteuerung gleichkommen 243 . Eine solche
238 Ihre rechtliche Zulässigkeit bejahend BVerwGE 96, 272; Queitsch, Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, S. 883 ff. m.w.N., sie abl. Frenz, Verwirklichung, S. 173 ff. 239 Näher Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (541 ff.); Schulte, DVB1.1988,512 (515). 240 Etwa BVerwGE 75, 109 (115); 71, 183 (191); Brohm, DVB1. 1994, 133 (134); Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares" Einwirken, S. 189 ff.; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 208 ff., 277 f.; Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 45 f.; ders., Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 58 f. m.w.N. 241 BVerwGE 71, 183 (191 f.); 82, 76 (79); 87, 37 (42); zum ganzen Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 29 ff.; Philipp, Staatliche Verbraucherinformation im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 17 ff., 148 ff.; enger Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2710 ff.). Der informale Charakter einer Maßnahme steht etwa auch einer Einordnung in das schlichte Verwaltungshandeln nicht entgegen, etwa Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rn. 1; näher Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 27 ff. m.w.N. 242 BVerfGE 35, 382 (405); 40, 237 (257); 55, 349 (369); 63,45 (68 f.); aus der Ut. SchmidtAßmann, in: Maunz/Dtlrig, Art. 19IV Rn. 262 m.w.N. 243 Erichsen, in: HStR VI, § 152 Rn. 80; ders., in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 33; Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 114, 291 ff.; siehe auch Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität", S. 152 ff.; generell auf die Eingriffsintensität abstellend Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 252 ff. Abl. W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 267 ff.
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gleiche Wirkung wird bei einer schweren und unerträglichen Beeinträchtigung angenommen244. Indes sind auch direkte Verhaltenseinwirkungen mittlerweile subtiler geworden, etwa durch die Schaffung faktischer, gleichwohl aber letztlich beabsichtigter oder zumindest in Kauf genommener Zwänge aufgrund einer höheren Kostenbelastung. Darauf baut gerade die Anwendung des Verursacherprinzips aufgrund seines wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrundes 245 . Daher ist auch das Abheben auf die Finalität staatlichen Handelns als Kriterium 246 problematisch. Dieses ist ebenso wenig wie das der Eingriffsintensität grundgesetzlich verankert 247 . Auch für verschlungene staatliche Einwirkungen bedarf es des Schutzes durch Grundrechte, sollen diese nicht schleichend ausgehöhlt werden können. Daher ist die Schwelle auch bei grundrechtsrelevanten mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen abzusenken. Dann ist die Lösung über die Rechtfertigung zu suchen, die um so leichter fällt, je geringfügiger der Eingriff sich darstellt 248 . Ein anderer Ansatzpunkt, um unübersehbare Beeinträchtigungsketten zu vermeiden, ist der, die Beeinträchtigungen auszuscheiden, die erst durch das Hinzutreten bestimmter wirtschaftlicher Abläufe vermittelt werden. Dann hat der Staat zwar einen bestimmten Rahmen geschaffen, dessen Determinanten auch weiterhin auf ihre Grundrechtsvereinbarkeit zu überprüfen sind. Dieser Rahmen ist aber von vornherein darauf angelegt, durch die Wirtschaft selbständig ausgefüllt zu werden. Insoweit ist der Wirtschaft ein eigener Handlungsspielraum eröffnet. Staatliches Handeln weist wieder in die grundrechtliche Freiheit zurück, setzt deren Gebrauch voraus und knüpft an deren Gegebenheiten an. Es entspricht somit dem Leitbild grundgesetzlich verbürgter Freiheit und gewährleistet es auch vor dem Hintergrund notwendiger Steuerungen, von deren Erforderlichkeit auch die Grundrechte durch ihre Gesetzesvorbehalte ausgehen. Daher erscheint dann, wenn der Staat durch sein Handeln der grundrechtlichen Freiheit ein Betätigungsfeld sichert bzw. verschafft, eine Grundrechtsprüfung insoweit entbehrlich, als die Privaten sich auf diesem Feld
244
Zu Art. 14 Abs. 1 GG BVerwGE 32, 173 (178 f.); 44, 244 (246 ff.); 50, 282 (287 f.); 66, 307 (309); vgl. auch BVerwGE 89,69 (78 f.) sowie Bönker, DVBl. 1994,506 ff.; zu Art 12 Abs. 1 GG BVerwGE 71, 183 (193 f.); zu Art. 2 Abs. 1 GG BVerwGE 54, 211 (221 ff.); 71, 183 (191 f.) m.w.N. 245 Näher oben Teil I § 2 A. 246 Vor allem A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, S. 186 ff., 232,276 ff., aber auch etwa Di Fabio, JZ 1993, 689 (696); ders., Risikoentscheidungen, S. 430; Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für Redeker, S. 225 (238). 247 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 94. 248 Ohne daß ein allgemeiner Bagatellvorbehalt als Rechtfertigungsgrund anerkannt werden könnte, fehlt doch dafür eine grundgesetzliche Stütze, W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 270 ff.
§ 3 Grundrechtsbeeinträchtigungen
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so entfalten wie in anderen, nicht staatlich aufbereiteten Feldern, mithin nach den Regeln individueller Entfaltung. Auch diese schließt die Einschränkung und Verdrängung anderer mit ein 2 4 9 , also eine Beeinträchtigung von Freiheit. Die Ursache liegt aber in privatem, nicht in staatlichem Verhalten. Werden durch die Ausfüllung eines solchen staatlich eröffneten Handlungsrahmens Private beeinträchtigt, ist diese Einschränkung zwar letztlich auf eine staatliche Maßnahme zurückzuführen, aber verursacht durch eine bestimmte, gleichwohl nicht i m einzelnen vorgegebene Reaktion der wirtschaftlichen Kräfte auf diese staatlichen Determinanten hin. Ein solcher Fall ist etwa dann gegeben, wenn dem Unternehmer freigestellt ist, ob er selbst bestimmte Pflichten erfüllt oder aber deren Erfüllung auf ein Ersatzsystem delegiert, das allerdings ebenfalls Geld kostet und daher die Produktionskosten verteuert 250 . Wenn durch die Entscheidung für ein einziges leistungsfähiges Ersatzsystem andere in dieser Branche tätigen Unternehmen in ihren Wettbewerbschancen beeinträchtigt werden, so ist dies nicht grundrechtserheblich. Bei einer Ausscheidung von solchen Beeinträchtigungen aus dem Grundrechtsschutz braucht insoweit nicht mehr auf die Konstruktion zurückgegriffen zu werden, es bestehe kein Anspruch auf die Beibehaltung einer bestimmten Rechtslage bzw. eine unternehmerische Tätigkeit sei durch eine starken Änderungen unterworfenen Gesetzessituation stark geprägt 251 . Diese Lösung führt einmal angesichts der starken Normprägung zahlreicher Bereiche gerade i m sich rasch wandelnden und daher auch gesetzliche Anpassungen herausfordernden Umweltsektor zu einer weitergehenden Schutzlosigkeit. V o m Dogmatischen her stößt sie auf das Bedenken, daß dann nicht die Intensität der staatlichen Lenkung und damit der grundrechtlichen Betroffenheit den Schutzumfang bestimmt, sondern die Tätigkeit in einem bestimmten Gebiet, verbunden mit der Häufigkeit staatlicher Gesetzgebung. m . Folgen Stellen vom Staat veranlaßte Selbstverpflichtungen oder Absprachen mit den Verursachern sowie Warnungen und Empfehlungen ebenfalls Grundrechtseingriffe dar, so entscheidet sich der Einsatz eines bestimmten Mittels regelmäßig danach, welches effektiver ist bzw. den geringeren Eingriff bei gleicher Wirksamkeit darstellt, mithin auf der Ebene der Erforderlichkeit, aber auch der der Angemessenheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfüng 252 . Das Instrument zu wählen, das den Gestaltungsraum des einzelnen möglichst unangetastet 249 250 251 252
Siehe oben Teil Π § 4 B.m.3.b). Zum Ersatzsystem gem. § 6 Abs. 3 VerpackV Frenz, Verwirklichung, S. 62 ff. Siehe BVerfGE 45,142 (172 f.); BVerwGE 62,224 (228 f.). Vgl. Teil ΠΙ § 1 A.I.
280
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
läßt, ist auch durch das Subsidiaritätsprinzip 253 geboten und von der Vorgabe einer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung 254 getragen. „Weiche" Mittel wie Aufklärung, Selbstverpflichtungen und informelle Absprachen setzen auf möglichst weitgehende Freiwilligkeit und auf Verhaltensänderung (auch) aus Überzeugung 255. Das gilt auch für Zertifikatlösungen 256 Daher sind sie vielfach wirksamer als „klassische" ordnungsrechtliche Anordnungen oder auch Abgabenlösungen. Das Verhalten der Beteiligten geben sie nicht im einzelnen vor. Somit sind sie regelmäßig das mildere Mittel 2 5 7 . Das gilt allerdings nicht stets: So kann eine Warnung, das Produkt eines bestimmten Unternehmens nicht zu kaufen, für dieses weitaus gravierendere Beeinträchtigungen zur Folge haben als ordnungsrechtliche Anforderungen an seine Herstellung oder als die allgemeine Besteuerung des Verbrauchs dieser Ware, ohne jedenfalls für ein langfristig angestrebtes Ziel das wirksamere Mittel zu sein. Die Effektivität dieser „weichen" Mittel leidet generell daran, daß der Erfolgseintritt nicht erzwingbar ist. Das gilt auch für Abgabenlösungen 258. Daher sind sie nicht gleich wirksam wie klassische ordnungsrechtliche Maßnahmen, wenn die sichere Erreichung eines angestrebten Ziels im Vordergrund steht. Im Bereich der Gefahrenabwehr scheiden sie daher regelmäßig aus 259 . Allerdings ist zu bedenken, daß im Zuge der zunehmenden Bedrohung der Menschheit durch Umweltgefahren immer mehr Umweltstandards als unverzichtbar erscheinen, so daß an sich nur die erzwingbaren ordnungsrechtlichen Lösungen in Betracht kämen. Die Ursachen dieser Gefahren sind indes vielfältig. Gegen sämtliche ordnungsrechtlich in einem Maße vorzugehen, daß sie ausgeschlossen sind, scheidet aus, soll nicht nahezu jede menschliche Verhaltensweise reglementiert sein. Ein Verbot des gesamten Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs etwa zur unverzichtbaren Eindämmung des das Überleben der Menschheit bedrohenden Ozonlochs kommt im Hinblick auf die daraus resultierende Antastung des Kernbereichs des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 253
Oben Teü Π §9. Oben Teil Π § 10. 255 Siehe oben Teü I § 1 Β.Π. für Kooperationslösungen. 256 Siehe oben Teil ΠΙ § 2 B.I. 257 Kloepfer, in: Wagner, Unternehmung und ökonomische Umwelt, S. 241 (248 ff.); vgl. Enders, Kompensationslösungen im Immissionsschutzrecht, S. 253 f. für die Kompensationsmöglichkeiten nach §§ 7 Abs. 3,17 Abs. 3 a BImSchG: Kompensation als Möglichkeit der Abwehr des nach aügemeinen Bestimmungen zulässigen Eingriffs in Form hoheitlicher Zwangsmaßnahmen. Führt freilich erst deren Drohen zur Bereitschaft zu Kompensationen, ist wiederum ein Vergleich zwischen den Auswirkungen der angebotenen Kompensation und der ansonsten ergriffenen Hoheitsmaßnahme möglich. 258 Siehe P. Kirchhof, in: ders., Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 3 (6); auch F. Kirchhof, DÖV 1992, 233 (234). 259 Rehbinder, in: Rengeling, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 109 (112) für Selbstverpflichtungen. 254
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
281
1 GG geschützten Freizeitverhaltens 260, zumindest aber aufgrund der dann weitgehenden Ausschaltung der Fortbewegungsfreiheit jedenfalls wegen Unverhältnismäßigkeit nicht in Betracht. Von daher können auch ordnungsrechtliche Maßnahmen nur Teilerfolge erzielen. Zudem werden ordnungsrechtliche Verhaltensgebote regelmäßig nur dann befolgt, wenn sie mit Sanktionen behaftet sind. Bestehen diese in Geldzahlungspflichten, richtet sich das Ausmaß der Befolgung letztlich nach der Höhe dieser Sanktionen, während bei Abgaben deren Höhe entscheidend ist. In beiden Fällen entscheidet damit die Höhe des geforderten Geldbetrages über den Anreiz, eine Handlung nicht vorzunehmen. Daher kommen trotz ihrer Wirkungsdefizite vor allem im Hinblick auf ihre Ungenauigkeit261 Abgaben auch zur Bekämpfung unverzichtbarer verfassungsrechtlicher Schutzstandards in Betracht. Sie können weitergehend verfassungsrechtlich geboten sein, wenn Maßnahmen etwa aufgrund von grundrechtlichen Schutzpflichten zwingend vorgegeben sind, eine ordnungsrechtliche Lösung indes wegen der von ihr ausgehenden Grundrechtsverletzung ausscheidet. Regelmäßig aber - so auch im Falle des Ozonlochs kann nicht aus der Verfassung die eine oder die andere Lösung zwingend abgeleitet werden. Für diesen Fall ergibt sich aus dem vorstehend Ausgeführten, daß eine Abgabenlösung nicht von vornherein wegen Untauglichkeit nicht rechtfertigungsfahig ist.
§ 4 Die mögliche Reichweite des Verursacherprinzips im Hinblick auf das Problem einer unsicheren Beurteilungsgrundlage A. Das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit staatlichen Handelns und der Freiheitsgewährleistung zugunsten des Bürgers I. Auftauchende Schwierigkeiten Sind eine (drohende) Schädigung und deren Verursacher bekannt, kann der Staat gegen diese legislative oder - jedenfalls bei einer entsprechenden Ermächtigung - exekutive Maßnahmen ergreifen, sofern diese verhältnismäßig sind. Ist eine negative Auswirkung ungewiß, so stellt sich die Frage, ob der Staat überhaupt handeln darf. Dafür tritt im Hinblick auf einen tatsächlich wirksamen Grundrechtsschutz Böhm 2 6 2 ein. Dagegen verlangt D i Fabio 263 die exakte Be260 261 262
Oben §3 Α.Π. a.E. Etwa P. Kirchhof, in: ders., Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 3 (8). Der Normmensch, S. 115.
282
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Stimmung von Risikoschwellen. Die Risikoschwelle für grundrechtliche Schutzpflichten dürfe „keinesfalls dort verlaufen, wo der risikomindernde Staat den konkreten Schadensmöglichkeiten vorgelagert, im Bereich des Ungewissen agiert." Ein Handeln des Staates setzt sowohl auf Gesetzgebungs- als auch auf Verwaltungsebene voraus, daß eine Maßnahme dem öffentlichen Interesse dient. Das aber ist einmal dann in Frage gestellt, wenn eine befürchtete negative Auswirkung auf öffentliche oder durch den Staat zu schützende264 private Belange nicht sicher ist und von daher eine Förderung des öffentlichen Interesses möglicherweise überhaupt nicht zu erfolgen braucht. Zwar wurde mittlerweile das staatliche Handeln in erheblichem Maße aus dem Bereich der Gefahr in die Vorsorge vorverlagert, wie insbesondere die Regelungen von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG 265 belegen. Der Sachverständigenentwurf zu einem Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 2 6 0 will ein Handeln bereits bei einem Umweltrisiko ermöglichen 267 . Das Verhältnis dieser Begriffe untereinander und die Reichweite staatlicher Handlungsmöglichkeiten sind indes noch erheblich im Fluß 268 . Daß eine Maßnahme dem öffentlichen Interesse dient, ist weiter dann zweifelhaft, wenn ihr Effekt nicht vorhersehbar ist. Kann sie die abzuwehrende Entwicklung nicht beeinflussen, dürfte die seltene Konstellation vorliegen, daß eine Maßnahme bereits ungeeignet ist 2 6 9 . Das ist etwa dann der Fall, wenn die Erhebung einer Abgabe eine umweltschädliche Verhaltensweise verringern soll, aber absehbar ist, daß eine solche Maßnahme diesen Erfolg nicht haben kann 270 . Vielfach steht zwar eine drohende Schädigung hinreichend fest, nicht aber, durch welchen Personenkreis sie verursacht wird 2 7 1 . Verursachungszusammenhänge zwischen Emissionen und Umweltbeeinträchtigungen sind immer noch in weiten Teilen nicht genügend geklärt, ja wegen der Komplexität der Wirkungsketten im Umweltbereich oft überhaupt nicht aufhellbar 272 . Vielfach las263
Risikoentscheidungen, S. 226; siehe auch dens., DÖV 1995,1 (8). Dazu oben Teü Π § 4. 265 Dazu ausführlich Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im Bundesimmissionsschutzgesetz, passim. 266 Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teü. 267 Insbes. gem. § 63 sowie durch die Generaleingriffsklausel des § 72. 268 Siehe vorerst Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 100 ff. 269 Siehe BVerfGE 69,1 (53). 270 Zu den gerade mit Abgaben verbundenen Wirkungsunsicherheiten siehe oben Teü I § 2 B. 271 Siehe bereits oben Teü I § 2 B. 272 Ackermann/Geschka/Karsten, Anlage zur BT-Drucks. VI/2710, S. 603; Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1987, Tz. 216 (S. 80), Abschnitt 3.1.3.2. (S. 458 ff.) zu den Schwierigkeiten der Ermittlung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen in komplexen Ökosystemen, im Hinblick auf Gesundheitsbelastungen Eimeren/Faus-Kessler/König/Lasser/Redicke/ ScherbATritschler/Weigelt/Welzl, Statisch-Methodische Aspekte von epidemologischen Studien über die Wirkung von Umweltfaktoren auf die menschliche Gesundheit. 264
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
283
sen sie sich nicht auf einen konkreten Verursacher beziehen 273 . Dies hat sich in der Ursachenforschung im Bereich der Waldschäden deutlich gezeigt 274 . Wendet sich eine staatliche Maßnahme gegen die falschen Personen, ist sie ungeeignet, zumindest aber nicht erforderlich, um eine (drohende) Schädigung abzuwenden. Es fragt sich, ab welchem Maß an Anhaltspunkten gegen eine Person oder Personengruppe vorgegangen werden kann. Gelangt man trotz dieser Schwierigkeiten zu einer auf bestimmte Emissionen zurückreichenden Ursache, stellt sich die Frage, welches Mittel anzuwenden ist. Um seine Überlegenheit gegenüber anderen Maßnahmen und damit seine Erforderlichkeit sowie seine Angemessenheit abschätzen zu können 273 , ist eine Kosten-Nutzen-Analyse erforderlich. Es sind die durch ein Mittel zu vermeidenden Schäden und der Vermeidungsaufwand bzw. die Beeinträchtigungen bei den Betroffenen zu quantifizieren, die Grundlage für eine kostenmäßige Berücksichtigung und damit auch für eine Belastung von einzelnen Wirtschaftseinheiten sind. Hat auch die monetäre Bewertung etwa der Auswirkungen der Luftverschmutzung erhebliche Fortschritte gemacht, klaffen doch noch erhebliche Forschungslücken, zum Beispiel betreffend die volkswirtschaftlichen Verluste durch Artenschwund oder andere außerökonomische Faktoren wie die Erhaltung der Natur oder von Baudenkmälern 276. Es bleibt die Abhängigkeit von vereinfachenden Annahmen, Schätzungen277 und subjektiven Wertungen 278 . Dies gilt namentlich auch im Hinblick auf zu tolerierende, in einer technisch-industriellen Gesellschaft als unvermeidbar einzustufende Belastungen 279 .
273
Wenn überhaupt, ergeben sich vielfach lediglich grobe Anhaltspunkte aus der Emittentenstruktur (dazu Umweltgutachten 1987, Abschnitt 1.5. (S. 91 ff.)). 274 Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Waldschäden und Luftverunreinigungen (Sondergutachten); Forschungsbeirat Waldschäden/Luftverunreinigungen: 2. Bericht Mai 1986. 275 Siehe oben Teü m § 1A. 276 Näher Umweltgutachten 1987, Tz. 226 ff. (S. 83 ff.) m.w.N. Siehe auch den Umweltbericht der Bundesregierung von 1990, BT-Drucks. 11/7168, S. 34 v.a. zu stärkeren Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet. 277 Siehe Schulz/Wicke, ZfU 1987, S. 109 ff. 278 Umweltgutachten 1987, Tz. 218 (S. 81). 279 Dem wirtschaftswissenschaftlichen Ansatz des Verursacherprinzips war eine solche Toleranzgrenze ursprünglich fremd, strebte man doch ein Einstehen des Verursachers für jede belastende Inanspruchnahme der Umwelt an (siehe Bullinger, in: Festschrift für W. Weber, S. 663 (674)). Inzwischen wird dies aber anerkannt unter Verweis auf die Koppelung jeder Ausgestaltung individueUer Lebensräume mit belastenden Immissionen und die notwendige Akzeptanz eines Mindestmaßes als Basis des sozialen Zusammenlebens (Umweltgutachten 1987, Tz. 84 (S. 55)), dessen Funktionsfähigkeit man ebenfalls als eine volkswirtschaftliche Zielkomponente begreifen kann. Dieses Mindestmaß ist aber nicht natürlich vorgegeben, sondern bedarf der Ermittlung durch Wertung (Umweltgutachten 1987, Tz. 85 und aus juristischer Sicht etwa Sendler, UPR 1981, 1 (12) m.w.N.).
284
Teil 3: Ausgestaltung des Versacherprinzips
Dieses Problem der monetären Bemessung von Umweltkosten macht auch die Quantifizierung der Vorteile, die aus der Vermeidung oder Behebung von Umweltbelastungen erwachsen, sehr schwierig. Das Problem der Ermittlung und Quantifizierung trifft in noch stärkerem Ausmaß als für die Bemessung der vermiedenen Schädigungen und Beseitigungskosten für das Aufzeigen der darüber hinausgehenden positiven Wirkungen eines umweltgerechteren Produktions- und Verbraucherverhaltens zu. Durch Umweltschutzmaßnahmen eröffnet sich möglicherweise die Chance, neue Produkte zu entwickeln. Auf der makroökonomischen Ebene kann sich dies in langfristigen Kapazitäts-, Arbeitsplatz- und Einkommenssteigerungen niederschlagen 280, deren Höhe aber nur schwer vorhersehbar ist 2 8 1 . Der Nutzen etwa eines verbesserten Freizeitgenusses durch gesunde Wälder läßt sich nicht in Geldwert ausdrücken. Als Ausweg erscheint daher höchstens eine Gegenüberstellung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und einer umweltbezogenen Gesamtrechnung, die freilich hochgradig von subjektiven Wertungen abhängt, vor allem wenn es um Fragen der Lebensqualität geht 282 . Vielfach lassen sich auch die nachteiligen Wirkungen von Umweltschutzmaßnahmen auf die anderen gesamtwirtschaftlichen Zielfaktoren nicht zweifelsfrei erfassen, etwa der Abbau von Arbeitsplätzen in stark umweltverschmutzenden und sich bei Belastungen ins Ausland verlagernden Branchen. Deshalb läßt sich kaum der Optimalpunkt ermitteln, bei dem Umweltschutz verwirklicht werden kann, ohne die anderen Zielfaktoren derart zu belasten, daß auch unter Berücksichtigung der Vorteile sich negative volkswirtschaftliche Folgen einstellen 283 . Auch die Auswirkungen auf diejenigen, die durch auf das Verursacherprinzip gestützte Maßnahmen betroffen sind, lassen sich nur schwer abschätzen. So kann ungewiß sein, in welchem Ausmaß etwa Produktvorschriften bestimmten Wirtschaftszweigen Wettbewerbsnachteile bringen oder sich vielleicht auch positiv auswirken, indem diese etwa geringere Abwassergebühren bezahlen müssen und die laufenden Betriebs- und Instandhaltungskosten zur Wasserreinhaltung gesenkt werden können. Heftig umstritten ist, ob ordnungsrechtliche, Abgaben- oder Zertifikatlösungen vorzuziehen sind 284 . Regelmäßig bedarf es einer Analyse im Einzelfall,
280 Namentlich die Beschäftigungswirkungen werden auch im Saldo eher positiv beurteüt: Umweltbericht 1990, BT-Drucks. 11/7168, S. 34 f.; Umweltgutachten 1987, Tz. 214 ff. (S. 89 f.) m.w.N. 281 Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1726 ff. (S. 528 ff.). 282 Dazu sowie zu anderen möglichen Auswegen Umweltgutachten 1987, Tz. 211 (S. 79). Auch im Umweltbericht des Bundesumweltministers von 1990, BT-Drucks. 11/7168, S. 34 wird die Einführung einer eigenständigen ökologischen Gesamtrechnung erwogen. 283 Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Tz. 1771 (S. 540). 284 Siehe oben Teü m §2.
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
285
welcher Weg das angestrebte Ziel am ehesten und effektivsten erreicht 285 , die aber aufgrund der umstrittenen Bewertung keine Sicherheit bringen wird und damit eine eindeutige Erforderlichkeitsbeurteilung nicht ermöglicht.
Π. „In dubio pro liberiate" und Grundrechtsoptimierung als Lösungsansätze? Wird die Maxime „in dubio pro liberiate" dahingehend konkretisiert, daß bei nicht belegbarer tatsächlicher Basis Eingriffe oder beschränkende Regelungen nicht vorgenommen werden können 286 , führt sie dazu, daß im Bereich der Empirie, dem Zweifel gerade immanent sind und in dem jeder Einzelfall von einer empirisch belegten Regel abweichen kann, ja überhaupt auf der Grundlage bloßer Wahrscheinlichkeitsurteile staatliches Handeln vielfach nicht mehr möglich ist 2 8 7 . Diese Schwierigkeit ergibt sich auch bei einem Zurückgreifen auf die Figur der Grundrechtsoptimierung 288, wenn man sie so versteht, daß bei einer zweifelhaften Rechtfertigungsgrundlage Eingriffe nicht erfolgen dürfen, um einen größtmöglichen Freiraum des Bürgers zu erreichen. Indes bezog Alexy diese Rechtsfigur auch auf die Schutzpflichtseite der Grundrechte 289, die im Gegensatz zur abwehrrechtlichen Komponente optimal nur bei staatlichem Handeln gesichert werden kann 290 . Dieses Gegenüber entstünde auch bei einer Einbeziehung der grundrechtlichen Schutzbelange in die Maxime „in dubio pro liberiate" Dieses Gegenüber zeigt: Durch die Lösung der Grundrechte vom rein zweiseitigen Staat-Bürger-Verhältnis und die Einbeziehung von Grundrechtsgefahrdungen auch durch Private in die Grundrechtsdogmatik müßte die Vermutung für die Freiheit dessen gelten, der von der Freiheit des anderen rechtlich betroffen ist 2 9 1 . Dann aber stellt sich die Frage, zugunsten welches Freiheitsaspektes die Vermutung für die Freiheit bzw. der Gedanke der Grundrechtsoptimierung eingreifen soll. Verwehrt man dem Staat, bei ungesicherter Beurteilung überhaupt tätig zu werden, zieht man jedenfalls im Ergebnis die abwehrrechtliche 285 Umweltgutachten 1994, BT-Drucks. 12/6995, Tz. 297 ff. (S. 139 ff.); Gawel, Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz, S. 19 ff.; Kemper, Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft, S. 65 ff.; Wicke, Umweltökonomie, S. 129 ff. 286 Ossenbühl, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1, S. 458 (486). 287 Siehe Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, S. 277. 288 Zu ihr näher Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f., 78 ff.; spezieü zur Prognosekompetenz S. 426 ff. 289 Der Staat 29 (1990), 49 (54,57,61 ff.). 290 Zu den notwendigen Grenzen allerdings Teü Π § 4 Β.ΙΠ.3. 291 Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 94 f. auf der Basis von Rechtsverhältnisüberlegungen.
286
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Seite vor 2 9 2 . Das ist höchstens dann möglich, wenn diese tatsächlich den Vorzug vor der Schutzkomponente verdient. Die Funktionsfähigkeit der aufgezeigten Prinzipien basiert also auf der Lösung des Verhältnisses der Grundrechtsbelange, die in Konflikt miteinander stehen, bewältigt diese Frage hingegen nicht selbst. Dies gilt auch für den Ansatz von Nierhaus 293 , der auf die jeweilige Beweissituation abstellt 294 . Vom Grundsätzlichen her ist jedenfalls auf der Basis einer prinzipiellen Gleichgewichtigkeit von abwehrrechtlicher Freiheit und der grundrechtlichen Schutzkomponente295 eine Fortentwicklung von der Vermutung für die (abwehrrechtliche) Freiheit zu einer Vermutung für die Gesamtfreiheit notwendig, die einen abwägenden Ausgleich der unterschiedlichen Freiheitskomponenten voraussetzt und nur noch gegenüber anderen Verfassungsprinzipien wirkt 2 9 6 .
ΙΠ. Notwendiger Ausgleich aufeinanderprallender Schutz- und Abwehrbelange L Einheitlicher
Vorrang von Schutzbelangen oder Abwehrrechten?
Den Konflikt zwischen aufeinanderprallenden Abwehr- und Schutzbelangen will Murswiek 297 dadurch lösen, daß er bei Umweltbelastungen im Ergebnis den Nachrang der abwehrrechtlichen Freiheit durch das Angewiesensein auf eine materielle Absicherung durch Teilhabeansprüche und ihr Entfallen im übrigen annimmt. Daß dadurch ein Ausgleich sowie eine möglichst weitgehende Verwirklichung beider Komponenten unmöglich gemacht und auf diese Weise das dadurch entstehende Spannungsverhältnis einseitig verkürzt wird, wurde bereits dargelegt 298 . Es hätte nur Bestand, wenn die abwehrrechtliche Seite der Grundrechte dem Schutz, der für die Erhaltung ihrer Voraussetzungen erforderlich ist, nachrangig wäre. Das aber ist eine Frage des Einzelfalles. Grundsätzlich sind, soweit sie subjektiv-rechtlich fundiert werden können, Abwehr- und Schutzbelange wie dargelegt 299 gleichgewichtig. 292
Näher oben Teil Π § 4 B.1.1. Dies ausdrücklich bejahend Preu, JZ 1991, 265. Siehe dagegen Kokott, Beweislastverteilung und Prognoseentscheidungen bei der Inanspruchnahme von Grundund Menschenrechten, S. 84 f. 293 Beweismaß und Beweislast, bes. S. 430 ff., 462 ff. 294 Siehe Kokott, aaO., S. 88. 295 Siehe oben Teü Π § 4 B.m. 296 Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 105 auf der Basis der Rechtsverhältnistheorie und ohne subjektiv-rechtliche Ableitung der grundrechtlichen Schutzpflichten, die ihre grundsätzliche Gleichgewichtigkeit erst sicherstellt, siehe oben Teil Π § 4 Β. 297 DVBl. 1994,77 ff. 298 Oben Teü Π § 4 Β.Π. 299 Oben Teü Π § 4 B.m.
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage 2. Notwendigkeit staatlicher Handlungsmöglichkeiten als Ausfluß grundgesetzlicher
287
Vorgaben
Gem. Art. 20 a GG sind alle drei Gewalten auch in Verantwortung für die künftigen Generationen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet. Verstanden als umfassender Schutzauftrag unabhängig von konkreten Gefährdungen 300 kann dieser Umweltstaatszielbestimmung nur entsprochen werden, wenn der Staat auch bei Unwägbarkeiten in der Ermittlung von umweltschädigenden Zusammenhängen zu handeln vermag. Das gilt zumal im Hinblick auf die Vorgabe einer Verantwortung für die künftigen Generationen: Die langfristigen Auswirkungen von menschlichen Verhaltensweisen und staatliche (Gegen-) Maßnahmen im Gefüge sich wandelnder ökologischer Bedingungen sind nur schwer absehbar. Schlösse eine Ungewißheit über die Auswirkungen einer Maßnahme oder den Quell einer Störung die Befugnis des Staates zur eingreifenden Normsetzung oder zur Vornahme belastender Einzelakte zugunsten von Gütern aus, deren besonderer Schutz ihm grundgesetzlich vorgegeben ist, bliebe er bis zu einer Verifizierung handlungsunfähig. Das gälte selbst bei einer Bedrohung elementarer, grundrechtlich geschützter Rechtsgüter 301. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Ursache und ihre Auswirkungen hinreichend nachweisbar sind und aufgrund derer der Staat schließlich eine tragfähige Rechtsgrundlage zum Handeln geschaffen hat, können indes bereits Schäden eingetreten sein, die nicht mehr reparabel sind. Damit liefe eine Verpflichtung des Staates zum Schutz bestimmter Güter insoweit gänzlich leer, zumal wenn dieser Schutz zukunftsorientiert zu erfolgen hat. Das Waldsterben etwa nimmt sichtbar zu, obwohl der genaue Grund nicht feststeht. Der Staat könnte, wenn er sich über Herkunft und Ausmaß einer Störung und die Auswirkungen der von ihm ins Auge gefaßten Maßnahme sicher sein müßte, nicht in vorausschauender Planung agieren. Er vermöchte nicht auf aktuelle, freilich nicht stets sicher nachweisbare Entwicklungen flexibel zu reagieren 302. Damit drohte er den ständigen Wettlauf mit der vorauseilenden technischen Entwicklung zu verlieren 303 , womit eine behutsame Steuerung nahezu unmöglich würde. Dem Staat einerseits die besondere Verpflichtung zum Schutz bestimmter Rechtsgüter, die vor allem durch nicht genau erforschte bzw. erforschbare Ursachen gefährdet werden, aufzugeben und ihn andererseits bei ungewisser Sachlage, die aber gleichwohl zu Schäden an diesen Schutzgütern führen kann, handlungsunfähig zu machen, ist daher ein Widerspruch in sich. Somit sind insbesondere durch Art. 20 a GG, aber auch durch die Grundrechte 300
Siehe oben Teil Π § 10. Böhm, Der Normmensch, S. 114 f. im Hinblick auf Leben und körperliche Unversehrtheit 302 Siehe BVerfGE 49, 89 (139 f.). 303 Näher Pitschas, DÖV 1989, 785 (787); Ronellenfitsch, DVB1. 1989, 851 (856 f.); siehe bereits H. Huber, in: ders., Rechtstheorie, Verfassungsrecht, Völkerrecht, S. 69 f. 301
288
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Handlungsmöglichkeiten des Staates bei Unsicherheiten im tatsächlichen Bereich grundsätzlich eröffnet, wenn anders eine wirksame Gewährleistung grundgesetzlich als schützensweit vorgegebener Rechtsgüter nicht möglich ist 3 0 4 . Den Staatsorganen obliegt auch über die spezifischen grundgesetzlichen Vorgaben hinaus gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG die Gestaltung des Gemeinwesens. Auch insoweit treten tatsächliche Unsicherheiten auf, die staatliche Gestaltung nicht außer Kraft setzen können, sollen die staatlichen Organe nicht entgegen ihrer von der Verfassung zugewiesenen Aufgabe in vielen Bereichen handlungsunfähig sein. 3. Die Bedeutung der Rechtsschutzgewährleistung Umgekehrt würde eine gänzliche Entbindung staatlicher Gewalt von einer gerichtlich überprüfbaren Darlegung der tatsächlichen Grundlagen oder Annahmen für das Ergreifen einer Maßnahme die Einschätzung darüber in ein nicht mehr kontrollierbares Belieben des Staates stellen und damit die Gefahr nicht abwehrbarer, ja mißbräuchlicher Freiheitsbeschränkungen schaffen. Der in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete wirksame Rechtsschutz305 gebietet eine richterliche Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des vorgebrachten Rechtsschutzbegehrens. Das setzt objektiv nachprüfbare legislative und verwaltungsmäßige Entscheidungen voraus 306 , damit eine umfassende Prüfung eines Rechtsschutzbegehrens und damit eine Abhilfe erfolgter oder drohender Rechtsverletzungen möglich ist 3 0 7 . Die Ermittlung eines „vorgegebenen Problems", einer „vorgegebenen Wirklichkeit" einschließlich ihrer Projizierung in die Zukunft 308 gehört zum Wesen auch der verfassungsrichterlichen Tätigkeit einschließlich der Normenkontrolle 309 . Da vor diesem Hinter304 Dafür auf der Basis grundrechtlicher Schutzpflichten auch Böhm, Der Normmensch, S. 115, aUerdings ohne nähere Differenzierung. Diese erfolgt hier unter B. und C. 305 BVerfGE 40,272 (275), st Rspr. 306 Siehe spezieU in diesem Zusammenhang BVerfGE 61,82 (110 f.). 307 Siehe BVerfGE 54,277 (291). 308 F. Klein, Bundesverfassungsgericht und richterliche Beurteüung politischer Fragen, S. 25. Insoweit kann dahinstehen, ob man im Umweltbereich den Schwerpunkt darauf legt, daß die auf das gegenwärtige Vorhandensein zu überprüfende Kausalität nicht feststeübar ist, oder ob man auf die ungewissen Auswirkungen einer Maßnahme verweist, die auch an die offene Frage der Kausalität geknüpft sind. Richtig dürfte folgende Differenzierung sein: Die Kausalität selbst ist eine gegenwärtige Tatsachenfeststellung. Geht es hingegen um die Beurteüung von Auswirkungen einer Maßnahme auf eine als gegeben erkannte Kausalkette, steUt sich das Problem der Projizierung in die Zukunft. 309 Ossenbühl, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1, S. 468, 503 mw.N. Dazu ist das Bundesverfassungsgericht selbst bei komplexen Sachverhalten etwa des Wirtschaftsrechts grundsätzlich auch fähig (dazu ausgiebig Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts, bes. S. 165 ff.; allgemein auch Breuer, NVwZ 1988, 104 (105)).
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
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grund eine Bindung an staatliche Feststellungen prinzipiell ausscheidet310, obliegt dem Staat grundsätzlich die Last der Darlegung 311 eines vollständigen Bildes 312 , bestehend aus einem Aufzeigen der Ursachen und deren Wirkungszusammenhängen im Hinblick auf den Zweck, der eine Freiheitseinengung rechtfertigen soll. Indes ist die Rechtsschutzgarantie - und das trat vor allem in der früheren Rechtsprechung vielfach nicht hervor 313 - als Gegenpol zu den zu wahrenden Schutzbelangen vordergründig. Als formelles Hauptgrundrecht schützt sie nur vorhandene Rechte, vermag diese aber nicht selbst zu schaffen 314. Zugleich haben Einschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten Auswirkungen auf den Schutz des beeinträchtigten Grundrechts 315. Wird die Darlegungslast des Staates abgemildert, indem ihm die Möglichkeit der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen auch auf ungewisser Tatsachengrundlage zugebilligt wird, fallt ihm die Einschränkung von Grundrechten leichter. Damit nimmt aber deren Schutzintensität vor staatlichen Eingriffen ab. Liegt somit auch eine Freiheitsbeschränkung vor, die spezifisch an Art. 19 Abs. 4 GG zu messen ist 3 1 6 , bleibt materielle Basis das zu verteidigende subjektive Recht. Dieses bestimmt von daher, inwieweit eine Kontrolle erforderlich ist 3 1 7 . Das bedeutet, daß zwar hinsichtlich der zu wahrenden Rechtsschutzstandards Art. 19 Abs. 4 GG als spezifisch darauf bezogene Gewährleistung der Bezugspunkt bleibt 318 . Insoweit ist hier die systematisch richtige Stellung der Frage der notwendigen Kontrolldichte 319 und dem entsprechend, aber vorgelagert, der staatlichen Darlegungslast. Geht es aber um die Einschränkung des Rechtsschutzes, kann das Gewicht der diese rechtfertigenden Gründe nicht allein an der Bedeutung der Rechtsschutzgewährleistung als solcher gemessen werden. Die Rechtsschutzgewährleistung ist nur das Feld, auf dem der Konflikt divergierender Grundrechts- und Gemeinwohlbelange ausgetragen wird. Sie ist abgesehen von unmittelbar mit der Rechtsschutzgarantie zusammenhängenden
310
BVerfGE 61,82 (111). Grundlegend BVerfGE 7,377; auch BVerfGE 39,210 (226); 54, 173 (197); 66,155 (179 f.); 85,36 (57). 312 Die dargelegten Tatsachen haben zwar die Vermutung der Richtigkeit für sich (BVerfGE 7, 377; 18, 315 (335 ff.)), nicht aber die der Vollständigkeit (Ossenbühl, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1, S. 481 Fn. 117,483 f. m.w.N.). 313 Siehe BVerfGE 61,82 (111), 54,277 (291), aber auch noch BVerfGE 84,59 (77,78,80,82). 314 BVerfGE 78,214 (226); Herzog, NJW 1992,2601 (2601 f.). 315 So deutlich nunmehr BVerfGE 85,36 (69,68); auch BVerfGE 84,34 (53). 316 Vgl. oben Teü Π § I C . 317 BVerfGE 88,40 (45). 318 Auch BVerfGE 88,40 (45). 319 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1997,281 (283) - ohne Relativierung. 311
19 Frenz
290
Teil 3: Ausgestaltung des Versacheprinzips
Fragen wie, bezogen auf alle Verfahren, Rechtsschutz in angemessener Zeit 3 2 0 - im wesentlichen nur formal der systematisch richtige Ort für die Frage der staatlichen Darlegungslast und damit zusammenhängend der notwendigen Kontrolldichte. Ist aber der Konflikt auf der Ebene der Rechtsschutzgewährleistung ein Stellvertreterkrieg, durch den die Verwirklichung bzw. Beeinträchtigung der betroffenen Rechte mitbestimmt wird, ist deren Gewicht miteinzubeziehen. Für die Frage, ob ein Grundrechte einschränkendes Staatshandeln auf ungewisser Tatsachengrundlage möglich ist, bedarf es daher des Rückgriffs auf die in Frage stehenden Belange, wie das auch für Art. 3 Abs. 1 GG erfolgt 321 . Die betroffenen Abwehrrechte sind somit der tiefere Gegenpol 322 zu den Belangen, die das staatliche Handeln auch bei einer unsicheren Beurteilungsgrundlage tragen. Weiter ist zu bedenken: Die Rechtsschutzgewährleistung greift nicht nur zugunsten von Abwehrrechten ein. Können Schutzbelange subjektiv eingefordert werden, wie das für die Schutzpflichten jedenfalls beim Unterschreiten eines unabdingbaren Mindeststandards anerkannt 323 ist, formen auch sie subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG. Deren Durchsetzbarkeit wird wesentlich erschwert, wenn die daraus Berechtigten nachzuweisen haben, daß die befürchteten Schadensverläufe einen hinreichenden Wahrscheinlichkeitsgrad aufweisen. In diesem Fall könnte diesen Klägern der Staat unter Verweis auf die zu wahrenden Abwehrrechte diese tatsächliche Unsicherheit entgegenhalten. Diese würde mithin einseitig zu Lasten der sich auf Schutzbelange Berufenden den Ausschlag geben. Das aber widerspricht der herausgearbeiteten grundsätzlichen Gleichrangigkeit von grundrechtlichen Abwehr- und Schutzbelangen324. Eine pauschale Bemühung der Rechtsschutzgarantie zur Verhinderung staatlichen Handelns bei ungewisser Tatsachengrundlage scheidet daher aus. Entscheidend ist das Verhältnis von subjektiv einforderbaren Abwehr- und Schutzbelangen im Einzelfall. 4. Die dienende Rolle der Gewaltenteilung Der Gewaltenteilung kommt insofern eine Bedeutung zu, als das Gewicht der Judikative um so stärker zurückgedrängt wird, desto weniger eine Darlegungslast der Legislative und der Exekutive besteht. Insoweit vermögen die Richter den Sachverhalt nicht aufzuklären und die Einschätzungen des Gesetzgebers
320
Siehe oben Teil Π § 1 C a.E. Etwa BVerfGE 87,1 (36); BVerfGE 93,121 (135). 322 Siehe BVerfGE 85,36 (68): Verkürzung des Rechtsschutzes in einer Weise, die mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist 323 BVerfGE 77,177 (215); näher oben Teil Π § 4 Β.ΙΠ.3. 324 Siehe oben Teil Π § 4 B.m. 321
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
291
bzw. der Verwaltung nicht in Frage zu stellen. Hintergrund für eine solche Zurückdrängung der Gerichte ist der, daß der Staat handlungsfähig bleiben soll 325 . Indes ist die Gewaltenteilung in erster Linie auf die im Zentrum der Verfassung stehende Grundrechtssicherung bezogen 326 und hat von daher lediglich dienenden Charakter 327 . Die näheren Konturen der Gewaltenteilung, begriffen als sachgerechte Verantwortungsverteilung entsprechend den den verschiedenen Gewalten zukommenden Fähigkeiten und Kompetenzen 328 , bestimmen sich daher danach, wie am besten die im Grundgesetz vorgegebene Freiheitssicherung erfüllt werden kann. Bedarf es dafür des Handelns staatlicher Organe auch bei tatsächlicher Ungewißheit, kann insoweit die Verantwortungsverteilung im Verhältnis zur Judikative nach den sich aus der Sicherung von Schutzbelangen wie aus der Wahrung grundrechtlicher Abwehrrechte ergebenden Erfordernissen geprägt werden. J. Die maßgeblichen Eckpunkte Somit kristallisieren sich als auch im Rahmen des Rechtsschutzes und der Gewaltenteilung letztlich entscheidende Eckpunkte für das Handeln des Staates bei unsicherer Tatsachengrundlage die kraft grundgesetzlicher Anordnung bzw. diese konkretisierender gesetzlicher Ausformung zu schützenden Belange auf der einen Seite und die bei diesem Schutz beeinträchtigten Rechte auf der anderen Seite heraus. Diese müssen miteinander in einen Ausgleich gebracht werden. Zu den zu schützenden Belangen gesellen sich die staatliche Handlungsfähigkeit, zu den beeinträchtigten Rechten die Notwendigkeit der Überprüfbarkeit von Einschränkungen, mithin die für einen effektiven Rechtsschutz notwendige staatliche Darlegungslast. Der Gesetzgeber sieht sich dabei ausschließlich mit den grundgesetzlich vorgegebenen Determinanten konfrontiert. Die Verwaltung dagegen hat neben diesen Belangen auch und bei entsprechenden Festlegungen in erster Linie die Konkretisierungen des Gesetzgebers namentlich in Gestalt näher bestimmter Schutzbelange und des festgelegten Gefährdungspotentials, ab dem sie zu handeln berechtigt ist, zu beachten.
325
Vgl. BVerfGE 21,12 (39 f.); BVerfGE 93,121 (148); 93,165 (178). Die öffentlichen Interessen, denen das Gewaltenteüungsprinzip ebenfalls dienen soü, wie die richtige Entscheidungsfindung oder die Transparenz der politischen Willensbildung, sind im Hinblick darauf, daß alle Staatsgewalt auf die Freiheitssicherung ausgelegt ist, letztlich im Dienste der Freiheit. Von daher ist die Gewaltenteilung auch insoweit letztlich doch wiederum auf den Schutz der Freiheit bezogen, selbst wenn man ihren Nebenzweck im Schutz der Staatsorgane vor Eingriffen in ihren Kompetenzbereich sieht (Bleckmann, JöR n.F. 36 (1987), 1 (25 f.) m.w.N.). 327 Siehe oben Teil Π § 1 C. 328 Siehe BVerfGE 68, 1 (86 f.); näher Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 482 f. m.w.N. in Fn. 9 auch zu abw. Ansichten. 326
292
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
B. Auf Gesetzgebungsebene I. Legislativer Beurteilungsspielraum Die für die Verwaltung maßgeblichen groben Linien der Schutzguterhaltung werden im Rahmen des verfassungsmäßig Vorbestimmten durch die Gesetzgebung festgelegt. Das setzt voraus, daß sie diese Gestaltungsaufgabe auch wahrnehmen kann. Deshalb bedarf sie eines tendenziell größeren Gestaltungsspielraumes als die Verwaltung. Kann sie etwa Gesetzgebungsaufträge aus Art. 20 a GG, die Konkretisierung von Grundpflichten aus Art. 14 Abs. 2 GG 3 2 9 oder die Gestaltung und Sicherung der Grundrechtsvoraussetzungen nur durch Maßnahmen sicherstellen, die sie nicht auf ein hinreichend sicheres Urteil zu stützen vermag, bedarf es daher eines Einschätzungsspielraumes zugunsten der Legislative, wie die gewinnbaren Erkenntnisse zu gewichten und einzuordnen sind bzw. welche Folgerungen sich daraus ergeben. Bei komplexen, schwer übersehbaren Zusammenhängen, die gerade für das als besonders gelagert angesehene330 Umweltrecht typisch sind, kann keine objektiv gegebene, überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Eintreten der angestrebten Auswirkungen eines Gesetzes verlangt werden, soll die staatliche Handlungsfähigkeit als Voraussetzung zur Erfüllung grundgesetzlicher Aufträge erhalten bleiben. Daraus folgt, daß sich der Gesetzgeber mit seinen Darlegungen nicht nur auf bewiesene Tatsachen stützen kann, sondern auch empirisch fundierte oder auf Erfahrungswissen gebaute Hypothesen genügen331. Parallel dazu .besitzt die Legislative namentlich dann einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, wenn unterschiedliche Beurteüungen und Folgerungen an Tatsachen oder tatsächliche Anhaltspunkte geknüpft werden können 332 . An die Stelle der Pflicht zur vollständigen Darlegung sämtlicher eingriffsrelevanter Umstände tritt die Pflicht zur Ermittlung des erreichbaren Materials, das sachgerecht und vertretbar beurteilt sein muß, und eine darauf gestützte Wahrscheinlichkeitsprognose 333.
329
Siehe oben Teü Π § 5 C.V. Siehe BVerfGE 78, 214 (227), allerdings beschränkt auf das Atomrecht, sowie BVerfGE 80,257 (266). 331 Näher dazu allgemein Murswiek, Verantwortung, S. 388 f. insbes. gegen Hanning/ Schmieder, DB 1977 (Beilage 14), 1 (5); Schattke, DVB1. 1979, 652 (657); BVerwGE 61, 256 (267) - Stade; vgl. hingegen VGH Mannheim, ESVGH 32, 161 (190 ff.) - Wyhl; Hansen-Dix, Gefahr, S. 73 ff. (bes. S. 75 f.). 332 So genügt es, daß eine theoretisch nicht widerlegbare Gegenmeinung zu der zugrundegelegten Auffassung „praktisch auszuschließen ist" (BVerwG, DVB1.1990,58 (59)). 333 BVerfGE 50,290 (333 f.). Dies güt zumal bei ohnehin mit Unsicherheiten befrachteten Beurteüungen von künftigen Auswirkungen (näher Ossenbühl, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1, S. 458 (bes. S. 504 ff.)). 330
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
293
Der gebräuchliche Ansatzpunkt ist: Je größer der zu befürchtende Schaden ist, desto geringer ist die erforderliche Eintrittswahrscheinlichkeit 334 . Dementsprechend sinken auch die Anforderungen an die Darlegungslast des Gesetzgebers. Das betrifft insbesondere den Umweltbereich, in dem Rechtsgüter von hoher Bedeutung wie Gesundheit und Leben auf dem Spiele stehen333. Umgekehrt steigen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, je höherwertig das Rechtsgut ist, in das zur Schadensabwehr eingegriffen werden muß 3 3 6 . Eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit kann aber auch auf Seiten der beeinträchtigten Rechte auftreten. Das ist dann der Fall, wenn nicht sicher ist, ob eine Maßnahme etwa die Wettbewerbschancen der Unternehmer 337 beeinträchtigt. Es kann auch unsicher sein, zu wessen Lasten sich eine Maßnahme auswirkt. Verteuern sich durch Verwertungsgebote die Kosten für die Entsorgung bestimmter Materialien, ist nicht von vornherein sicher, wer letztlich mit den Kosten konfrontiert ist, ob der Verbraucher, an den vielfach Mehrkosten weitergegeben werden, es sei denn, die Marktlage schließt das aus, oder aber die Hersteller oder die Händler. Sieht man Art. 14 Abs. 1 GG nur bei einer Existenzgefährdung von Unternehmern als beeinträchtigt an 338 , so kann unsicher sein, ob eine staatliche Maßnahme eine solche Auswirkungsintensität erreicht. Nimmt man das nicht an, sowie in anderen Fällen kann zwar eine Grundrechtsbeeinträchtigung sicher sein, aber über deren Ausmaß Unklarheit bestehen.
334 Siehe insbes. BVerfGE 50, 290 (333 f.) sowie BVerwG, DÖV 1970, 713 (715); DÖV 1974,207 (209); BVerwGE 45, 51 (61); 47, 31 (40); zum ganzen Hansen-Dix, Gefahr, S. 39 ff. m.w.N. sowie insbes. zur Frage der Bewertung des Schadenspotentials Murswiek, Verantwortung, S. 149 ff.; auch Böhm, Der Normmensch, S. 117; MöUers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 59, 81 stellt dagegen die Wahrscheinlichkeit als Variable isoliert und bezieht sie damit auch auf das Schadensausmaß, präzisiert freilich den Wahrscheinlichkeitsgrad nur im Bezug auf den Eintritt von Schadensereignissen (S. 58). 335 Eine generelle Stufung der Grundrechte im Sinne einer Höherwertigkeit bestimmter Rechtsgüter ist zwar mangels näherer Anhaltspunkte in der Verfassung und im Hinblick auf den legislativen Gestaltungsspielraum für problematisch anzusehen (vgl. auch oben Teü Π § 4 A.I.l.b)), wird jedoch in engen Grenzen - etwa für das menschliche Leben als Voraussetzung jeder Grundrechtsausübung - bejaht (Dietlein, Schutzpflichten, S. 86 f.; Murswiek, Verantwortung, S. 168ff.; weitergehend hingegen namentlich Berg, Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, S. 91, 97). Grundsätzlich ist es aber eine Frage fies Einzelfalls, welcher Grundrechtsbelang Vorrang haben soü; dabei spielt die konkrete Situation wie das Maß der Gefährdung eine entscheidende Rolle, und selbst als Höchstwerte angesehen Rechtsgütern wie dem Leben (BVerfGE 39, 1 (42)) kommt kein absoluter Vorrang zu (BVerfGE 88, 203 (254 f.)). Auch insoweit besteht eine Wertungskompetenz des Gesetzgebers (Murswiek, Verantwortung, S. 179 f.). 336 BVerwGE 57,61 (65 f.). 337 Zu deren grundrechtlicher Absicherung aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, nach a.A. aus Art 2 Abs. 1 GG oben Teü m § 3 A.I. 338 Nachw. und Kritik oben Teü m § 3 A.I.
294
Teil 3: Ausgestaltung des Verursachelprinzips
Steht eine Beeinträchtigung nicht fest, liegt auf der abwehrrechtlichen Seite der Grundrechte ein Unsicherheitsfaktor vor, der einen Grundrechtseingriff in den Bereich der bloßen Wahrscheinlichkeit rückt. Insoweit besteht kein Unterschied zu der bloßen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, der das staatliche Handeln zu rechtfertigen vermag. Auf beiden Seiten vergleichbar ist auch eine Unsicherheit über das Ausmaß des eintretenden Schadens bzw. der Beeinträchtigung. In die Frage, inwieweit dem Staat ein Prognosespielraum zusteht, ist daher neben der umgekehrten Proportionalität zwischen der Schadensgröße an den gefährdeten Rechtsgütern und der Eintrittswahrscheinlichkeit auch die Relation zwischen dem Schadensausmaß an den beeinträchtigten Rechtsgütern und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit einzubeziehen339. Drohen Abwehrrechte eingeschränkt zu werden, ist die Möglichkeit dieser Beeinträchtigung aber gering, so können auf Seiten der geschützten Rechtsgüter das befürchtete Schadensausmaß bzw. die Eintrittswahrscheinlichkeit geringer liegen, als wenn die Einengung von Abwehrrechten sicher wäre. Eine geringere Wahrscheinlichkeit einer (starken) Beeinträchtigung von Abwehrrechten vermindert also auch die an die Wahrscheinlichkeit der Schädigung von Schutzbelangen zu stellenden Anforderungen. Soll etwa ein Ersatzstoff vorgeschrieben werden, bei dem nur geringe Anhaltspunkte für eine gegenüber dem bisher verwendeten größere Umweltverträglichkeit vorliegen, ist dies möglich, sofern auch eine nachteilhafte Beeinträchtigung der Berufsausübung in Form von höheren Kosten und einer geringeren Leistungskraft wenig wahrscheinlich ist. Das gilt auch, wenn die durch Tatsachen untermauerte Aussicht auf eine größere Umweltverträglichkeit zwar nicht hoch ist, die Beeinträchtigung von Art. 12 Abs. 1 GG jedoch höchstens sehr geringfügig ausfällt. Sind auf beiden Seiten die Anforderungen an die notwendige Wahrscheinlichkeit geringer, vergrößert sich dementsprechend der legislative Beurteilungsspielraum. Besonders ausgeprägt gestaltet sich dieser damit bei der Schadensvorsorge, die vielfach und tendenziell eher als die Gefahrenabwehr durchgeführt wird, indem die Belange der dadurch Beeinträchtigten nur geringfügig angetastet werden.
Π. Gefahren- und Risikovorsorge Namentlich im Umweltbereich treten Schäden durch das Nachwirken von Beeinträchtigungen auf. Entwicklungen können erst im Laufe der Zeit in Gefahren umschlagen. Oft führt auch erst ein Zusammenwirken von für sich selbst ungefährlichen Phänomenen zum Schadenseintritt. Daher kann der Schutz von Rechtsgütern zum Teil nur, zum Teil wirksamer durch eine Gefahrenvorsorge
339
Wohl auch Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 59.
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
295
sichergestellt werden. Sie ist verbunden mit rechtlichen Befugnissen auch zur Bekämpfung von zeitlich und räumlich entfernten Gefahren oder von Situationen, die aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte den Verdacht erwecken, in eine schadensträchtige Lage umzuschlagen, sowie von lediglich im Verbund mit anderen schädlichen Abläufen 340 . Sie ermöglicht mithin ein Handeln auch ohne konkrete Gefahr für ein Rechtsgut bzw. unterhalb der Schadensschwelle341. Ob und wann eine Gefahrenvorsorge möglich ist, gestaltet sich allerdings von Sachgebiet zu Sachgebiet unterschiedlich. Für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen schließt Art. 20 a GG eine vorsorgende Tätigkeit ein 342 . Im Atomrecht konnte die Vorsorge bereits wegen des - wenn auch geringen - Risikopotentials für Rechtsgüter von höchster Bedeutung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG schon für die Genehmigung einer Anlage zur Nutzung der Kernenergie festgelegt werden 343 . Im Entwurf des Umweltgesetzbuches - Allgemeiner Teil 3 4 4 - wird allgemein staatliches Handeln bereits beim Bestehen eines Umweltrisikos eröffnet. Das Umweltrisiko wird in § 2 Abs. 6 definiert als „die Möglichkeit des Eintritts einer Umweltbeeinträchtigung, soweit sie nicht aufgrund praktischer Vernunft ausgeschlossen erscheint". Dieser Begriff wird in § 5 Abs. 1 auch der Verursacherverantwortung zugrundegelegt. Dieser Entwurf liegt parallel zu Entwicklungen in der Literatur 345 . So sieht Breuer ein Risiko im Falle der Möglichkeit eines Schadenseintritts gegeben, für die nach den gefahrdogmatisch vorgegebenen Kriterien die Eintrittswahrscheinlichkeit ungewiß ist 3 4 6 . Ähnlich formuliert Möllers: „Wenn eine Kausalbeziehung zwischen Sachlage und möglicher Rechtsgutsverletzung besteht, der Eintritt der Rechtsgutsverletzung aber nicht wahrscheinlich, sondern nur möglich oder vielleicht unwahrscheinlich ist, spricht man nur noch von einem Risiko." 3 4 7 Reich bezieht auch derartige Ungewißheiten über den Kausalverlauf und den Sachverhalt ein 3 4 8 . D i Fabio faßt unter den Begriff des Risikos Situationen, die insbesondere durch eine Absenkung der Wahrscheinlichkeitsschwelle unter 340
Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 5 ff. m.w.N. BVerwGE 72,300 (315); Lukes, in: ders., Gefahren und Gefahrenbeteiligung im Recht Bd. 1, S. 17 (34). 342 Siehe oben Teil Π § I I B . 343 Grundlegend BVerfGE 49, 89 (140 ff., 146 f.). 344 Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil. 345 Den Begriff der Risikovorsorge allerdings abl. Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 74. 346 Breuer, NVwZ 1990,211 (213). 347 Möllers, Rechtgüterschutz im Umwelt- und Haftungsiecht, S. 63. 348 Reich, Gefahr, Risiko, Restrisiko, S. 82 ff. Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftugnsrecht, faßt diese Konstellation unter den Gefährlichkeitsverdacht (S. 65; näher dazu unten C.I.2.), den er von den Reaktionsmöglichkeiten her der Risikovorsorge zuordnet (S. 84). 341
296
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacheprinzips
Erfahrungswerte und Regelwissen gekennzeichnet sind, so daß staatliche Entscheidungen nur unter Zuhilfenahme wissenschaftlichen Sachverstandes und von Wertungen oder Vergleichen möglich sind 349 . Für Scherzberg ist Risiko die Gefahr einer Fehleinschätzung der Gefahr 350 . Aber auch eine solche Gefahr muß erst einmal eingefangen werden und deutet darauf hin, daß ein Schadenseintritt zumindest möglich ist. Unabhängig von dieser teilweise unterschiedlichen Begrifflichkeit handelt es sich stets um Maßnahmen, die der Abwehr von - gegebenenfalls weit entfernten - Gefährdungen bestimmter Schutzgüter dienen. Auch bei der Risikovorsorge nimmt jedenfalls die h.M. die Möglichkeit eines Schadenseintritts an. Lediglich seine Nachweisbarkeit ist herabgesetzt. Damit befindet man sich nicht lediglich im Bereich der schutzunabhängigen Sozialgestaltung351, sondern es liegen Maßnahmen zur Erhaltung von Schutzgütern vor 3 5 2 . Im Einzelfall muß eine Abwägung mit den (potentiell) beeinträchtigten Belangen ergeben, ob ein solch weites Ausgreifen in den Vorsorge- bzw. Risikobereich verfassungsrechtlich zulässig ist 3 5 3 ; durch den zukunftsbezogenen Art. 20 a GG wurden die insoweit bestehenden Möglichkeiten deutlich erweitert. Je nach dem Gewicht der zu schützenden Güter kann eine Abwägung auch ein legislatives Ausgreifen in den Bereich des sog. Restrisikos zulässig machen 354 . Verstanden als Risiko, das nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, aber jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft doch besteht 355 , müssen doch immerhin Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Schadenseintritts vorliegen, mag dieses Potential auch äußerst gering sein. Jedenfalls darf nicht durch den Begriff des Restrisikos die Abwägung der in Frage stehenden Belange umgangen werden 356 . Allein diese bestimmt, ob der Staat in einem konkreten Fall handeln darf oder nicht. Kann er wegen ihrer schweren Faßbarkeit auch nicht zur Verhinderung aller denkbaren Risiken verpflichtet sein und daher auch ein Restrisiko in Kauf nehmen 357 , vermag er doch bei entsprechendem Ergebnis der Güterabwägung auch eine
349
Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 113 f. Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 484 (498); ebenso Köck, AöR 121 (1996), 1 (19). 351 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 160. 352 Siehe Breuer, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Bd. 3, S. 155 (168). Vgl. auch schon dens., DVB1. 1978, 829 (837). 353 So auch Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 484 (510 f.). 354 Siehe für den Schutz vor der Kernenergie BVerfGE 49, 89 (141 ff.); für die grundrechtlichen Schutzpflichten Hermes, Schutz, S. 239; Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 108; abl. Degenhart, Kernenergierecht, S. 147 f.; Marburger, WiVerw. 1981, 241 (243 ff.); allgemein MöUers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 77 f., 83 f. 355 BVerfGE 49, 89(143). 356 Lorenz, in: HStR V, § 128 Rn. 34. 357 BVerfGE 49, 89 (143); Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 90. 350
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
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umfassende Vorsorge vor Restrisiken zu treffen. Im Hinblick auf das hohe Gewicht der durch die Kernenergie potentiell gefährdeten Rechtsgüter Leben und Gesundheit wäre er damit zur Vermeidung von Restrisiken befugt, die Nutzung dieser Energie zu verbieten. Die Begrifflichkeit tritt aufgrund des letztlich entscheidenden Gewichts der Güterabwägung auf Gesetzgebungsebene zurück. Sie wird erst für die Verwaltung relevant, die beurteilen muß, ob sie aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im konkreten Fall z.B. auch zum Zwecke der Gefahren- oder Risikovorsorge handeln darf bzw. muß 358 .
ΠΙ. Parallele Rücknahme richterlicher Prüfungsbefugnis Entsprechend der Reichweite des legislativen Beurteilungsspielraumes wird die richterliche Prüfungsbefugnis zurückgenommen 359. So vermag ein Gericht dann, wenn aus tatsächlichen Anhaltspunkten verschiedene Folgerungen gezogen werden können, nicht mehr die Wahl einer konkreten Handlungsform im Vergleich zu möglichen anderen inhaltlich zu prüfen und damit keine vollständige Kontrolle mehr vorzunehmen 360. Um so bedeutsamer wird damit allerdings die Kontrolle, ob der staatliche Entscheidungsprozeß vom Verfahren her ordnungsgemäß abgelaufen ist, ob sämtliche Anhaltspunkte berücksichtigt wurden und ob das Entscheidungsergebnis wenigstens einer Prüfung auf evidente Unrichtigkeit standhält 361 . Aber auch für diese Prüfung bedarf es der Einbeziehung der Grundlage dieses Verfahrens und damit ebenfalls tatsächlicher Anhaltspunkte. Man könnte allerdings argumentieren, bei fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, die über bloße Vermutungen und denkbare Wahrscheinlichkeiten ohne tatsächliche Anhaltspunkte hinausreichen, bestehe die „vorgegebene" Wirklichkeit in dieser völligen Unsicherheit. Dann aber können die Einschätzungen des Gesetzgebers nicht mehr nachvollzogen werden. Die Freiheit wäre insoweit einem unbeschränkbaren, da nicht kontrollierbaren, Zugriff des Gesetzgebers ausgeliefert Dies vermögen aber selbst höchstrangige Rechtsgüter nicht zu rechtfertigen, werden doch auch sie mit den angetasteten Rechtspositionen abgewogen, wenn auch gegebenenfalls nicht in einen beiderseitigen Ausgleich gebracht 362 . 358
Daher zur Begriffsunterscheidung unten § 4 C.I.4. BVerfGE 61, 82 (111, 115); kategorisierend BVerfGE 50, 290 (332); BVerwGE 72 (300, 316 f.) - Wyhl; 78,177 (180 f.) - Brokdorf; 81,185 (190 f.); siehe demgegenüber noch BVerwGE 55,250 (253 f.) und aus der Lit etwa Tettinger, DVBl. 1982,421 (494 ff.) m.w.N. auch zu gegenläufigen Strömungen. Zur Entwicklung der Rspr. Kloepfer, Umweltiecht, § 5 Rn. 40 ff. (S. 277 ff.). 360 Näher Krebs, Kontrolle, S. 97. 361 Grundlegend BVerwGE 34,301 (308 f.); 45,309 (312 ff.) 362 Siehe BVerfGE 39,1 (43), aber auch BVerfGE 88,203 (253 f.) für den Schutz des ungeborenen Lebens. 359
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Ein solcher Ausgleich könnte freilich später erfolgen, nämlich durch die Möglichkeit einer Nachbesserung durch den Gesetzgeber bei einer Fehlprognose 363 . Eine solche Legislativkompetenz zu Einengungen der bürgerlichen Freiheitssphäre auf der Basis bloßer Vermutungen beinhaltet indes die Befugnis zur Schaffung materiell gegen die Verfassung verstoßender Normlagen, falls eine ausreichende Rechtfertigung nicht besteht. Demgegenüber stößt bereits die gestreckte Behebung verfassungswidriger Normlagen jedenfalls dann auf Bedenken 364 , wenn eine ausreichende materielle Rechtfertigung nicht besteht 365 und nicht absehbar ist, wann ein solcher Zustand aufgrund verbesserter Erkenntnisse gerechtfertigt und damit auch materiell wieder in Einklang mit dem Grundgesetz gebracht werden kann und auch wird. Dadurch drohen die klaren Grenzen zu zerfließen, die den Freiheitsraum des Bürgers vor dem Zugriff staatlicher Gewalt schützen. Daher bildet die Existenz eines Tatsachenkerns oder wenigstens wissenschaftlich abgesicherter Wahrscheinlichkeitsuiteile die Grundlage einer richterlichen Überprüfbarkeit. Ein solches , »Mindestmaß an Realität" bildet auch die absolute Grenze für den Bereich zulässiger Gefahrenvorsorge 366. Das muß auch für die Risikovorsorge gelten. Somit kann man bloße Vermutungen, und sei es auch nur entweder bezogen auf die Ursache oder die Wirkung 3 6 7 , schwerlich als ausreichend ansehen, um eine beide Komponenten voraussetzende, den bürgerlichen Freiheitsraum einengende Maßnahme zu rechtfertigen 368 . Eingreifendes Handeln des Staates ist demgemäß nicht statthaft bei einer „Vorsorge ins Blaue" 3 6 9 , die etwa auf Umweltschädlichkeiten gestützt ist, die 363
Siehe BVerfGE 65, 1 (55 f.); 68, 287 (309); 73, 118 (169, 180, 182) m.w.N. sowie Badura, in: Festschrift fUr Eichenberger, S. 481 ff. 364 Siehe oben Teü Π § 4 B.I.2. 365 Diese Unterscheidung zwischen formeUer Verfassungskonformität und materieUem Verstoß gegen das GG tritt deutlich bei den Appellentscheidungen (grundlegend Rupp-von Brünneck, in: Festschrift für G. Müller, S. 355 ff.) hervor, die ebenfaUs in der Entwicklung auf einen grundgesetzkonformen Zustand hin begriffen sind: Liegt hier auch „verfassungsrechtlich zu beanstandendes Recht vor" (Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 93 Rn. 37; vgl. z.B. BVerfGE 85, 80 (89)), so erklärt es das Bundesverfassungsgericht deshalb für noch mit dem Grundgesetz vereinbar, weü es dem Gesetzgeber einen zeitlichen Anpassungsspielraum zubilligt (siehe BVerfGE 85, 80 (87, 90 ff.) m.w.N.), der zum Zeitpunkt der Entscheidung „noch nicht abgelaufen" ist (BVerfGE 86,369). 366 Ossenbühl, NVwZ 1986,161 (166). 367 Eine Vermutung der Vollständigkeit von Darlegungen scheidet daher aus (ebenso Ossenbühl, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1, S. 458 (481 Fn. 117; 483 f.)). 368 An diesem Befund wird sich auch durch ein Herabsetzen der Anforderungen an die legislative Darlegungslast und eine Zurücknahme der verfassungsrichterlichen Kontrolldichte nichts ändern, da auch dann immer noch überhaupt ein Tatsachenmaterial vorhanden sein muß (vgl. Lerche, in: HStR V, § 122 Rn. 19). 369 Ossenbühl, NVwZ 1986,161 (166): Es fehlt ebenfaUs ein .Mindestmaß an Realität".
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
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sich lediglich als „denkbar" 370 darstellen. Irrelevant sind imaginäre Gefahren und Ängste 371 . Eine bloße Eingrenzung des Anwendungsbereichs einer solchen nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützten Gefahrenvorsorge durch eine Akzeptanz von Restrisiken 372 klammert nur das ohnehin erlaubte Risiko aus 373 . Sie geht in ihrer Betrachtungsweise von der Perspektive aus, daß bestimmte Schadensrisiken nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können und der einzelne in einer technisch-industriellen Gesellschaft auch ein bestimmtes Risiko hinzunehmen hat 374 . Geht es bei dieser Blickrichtung um die Festlegung der absoluten Grenze, ab wann der Individualbereich derer, die Risikosituationen schaffen, als nicht weiter einschränkbar hingenommen werden m u ß , steht hier in Frage, aufgrund welcher Basis der Staat überhaupt in den Individualbereich vordringen darf: Die Fragestellung ist weiter vorverlagert. Der Begriff des Restrisikos führt zudem auch insoweit aus grundsätzlichen Erwägungen nicht weiter: Hält man in seinem begrifflichen Anwendungsfeld staatliche Handlungsmöglichkeiten für gänzlich ausgeschlossen, unterläuft man damit Abwägungsergebnisse, die zum Schutz hochwertiger Rechtsgüter durchaus ein derart weites staatliches Ausgreifen rechtfertigen können 375 . Von daher ist es auch problematisch, Geschehensabläufe deshalb als nicht hinreichend abgestützt anzusehen, weil sie lediglich „nicht unwahrscheinlich" 376 sind. Hieran zeigt sich die determinierende Kraft des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter auch hinsichtlich der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, damit der Staat handeln kann 377 .
IV. Eigene Kategorie der Experimentiergesetze? Hat der Gesetzgeber die Pflicht, tatsächliche Anhaltspunkte für die Rechtmäßigkeit einer Normgebung zu präsentieren, muß er diese Pflicht auch erfüllen können. Um auch bei ungewissen Sachverhalten derartige Anhaltspunkte gewin370
Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 15 (S. 78), der zur Vorsicht jedenfaUs bei Eingriffen in Individualrechte mahnt (S. 79). Da gerade im Umweltbereich Maßnahmen der Leistungsverwaltung namentlich in Form von Subventionen meist entweder durch Verhaltensanforderungen an die Begünstigten oder wettbewerbsverzerrende Auswirkungen zu Lasten von Konkurrenten zugleich zu Grundrechtseingriffen oder jedenfalls Grundrechtsgefährdungen führen (zu diesem Problemkreis Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaates, S. 6 f. m.w.N.), stellt sich das Problem der Rechtfertigungsbedürftigkeit in gleicher Weise. 371 Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 146; Di Fabio, DÖV 1995,1 (8). 372 Siehe Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 15. 373 Siehe Murswiek, Art Restrisiko, in: Kimminich/von Lersner/Storm, Handwörterbuch des Umweltrechts Bd. 2, Sp. 1719. 374 Dies ist die Perspektive namentlich der Kalkar-Entscheidung (BVerfGE 49,89 (137 f., 143)). 375 Siehe vorstehend Π. a.E. 376 Sendler, JuS 1983,255 (256). 377 Dazu grundsätzlich oben Teü m § 4 Α.ΙΠ, B.I.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursachelprinzips
nen zu können, wird die Zulässigkeit von Experimentiergesetzen bejaht 378 . Auf ihrer Basis kann der Gesetzgeber ungewisse Sachverhalte erforschen. Allerdings liegen dann, wenn ein Experimentieren für notwendig gehalten wird, immerhin für dieses Bedürfnis Anhaltspunkte vor. Unterhalb dieser Schwelle können auch auf der Basis eines Experimentiergesetzes schwerlich Eingriffsbefugnisse statuiert werden. Schließlich, treten Freiheitsbeeinträchtigungen für den Bürger unabhängig davon ein, ob es sich um ein endgültig regelndes oder ein bloßes Experimentiergesetz handelt. Werden nach der Zielrichtung des letzteren Untersuchungsbefugnisse festgeschrieben, so ist ein Grundrechtseingriff nach Vornahme einer Untersuchungshandlung abgeschlossen. Sollen Probezustände geschaffen werden, können auch daraus nicht mehr korrigierbare Folgewirkungen erwachsen 379. Setzt man aber auch für ein experimentierendes Handeln des Gesetzgebers tatsächliche Anhaltspunkte voraus, verlangt man also auch hierfür einen rechtfertigenden Anlaß, liegt der Unterschied zur sonstigen Gesetzgebung höchstens darin, daß diese Anhaltspunkte einen geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen einer rechtfertigenden Situation aufweisen können 380 . Dies aber knüpft Verbindungen zur Gefahrenvorsorge, die man jedenfalls begrifflich vielfach auch bei Experimenten wird annehmen können, und läuft im Kern auf die Frage hinaus, ob trotz der dann gegebenen Ungewißheiten ein Handeln des Gesetzgebers möglich ist. Das Tätigkeitsfeld wird um so breiter, je weiter man den legislativen Beurteilungsspielraum faßt. Das aber ist keine spezifische Frage der Experimentiergesetzgebung. Was die für die Experimentiergesetze als speziell angesehenen Handlungsformen und -grenzen 381 anbetrifft, so ist es eine Frage der Verhältnismäßigkeit, lediglich erforschende Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie das mildeste Mittel sind, wie dies ja auch im Polizeirecht auf Verwaltungsebene im Falle eines Gefahrenverdachts angenommen wird 3 8 2 . Der bejahte größere Gestaltungsspiel-
378 BVerfGE 57, 295 (325); auch BVerfGE 16, 147 (188); 33, 171 (189); 43, 291 (321); 68, 155 (174); 70, 1 (34); 75, 108 (162); BayVerfGHE 39, 79 (142); Kloepfer, WDStRL 40 (1982), 63 (93); Ossenbühl, in: Festschrift aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 1, S. 458 (511); Stettner, NVwZ 1989, 806 (809); Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche KontroUe im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 300; vgl. aber BVerfGE 74, 297 (339, 355); abl. auch etwa H. Schneider, WDStRL 40 (1982), 101; Denninger, ebda. 107 - Diskussionsbeiträge. 379 Beispiele bei Kloepfer, WDStRL 40 (1982), 138; siehe aber BVerfGE 74, 297 (379); dagegen Stettner, NVwZ 1989,806 (810 f.). 380 Stettner, NVwZ 1989,806 (812). 381 Dazu BVerfGE 57, 295 (324 ff.); Kloepfer, WDStRL 40 (1982), 63 (91 ff., 137 f.); Stettner, NVwZ 1989,806 (809 ff.); krit. Lerche, WDStRL 40 (1982), 116 f. - Diskussionsbeitrag. 382 Dazu unten § 4 C.I.2.
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
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räum des Gesetzgebers 383 und die daraus folgende geringere Intensität der Verfassungsbindung sind die Folge einer regelmäßig geringeren Eingriffsintensität von Experimentiergesetzen. Sofern experimentierende Maßnahmen indes bereits zu endgültigen Prägungen führen wie etwa häufig im Schulbereich, ist eine unbegrenzt eingeführte Regulierung gleichgewichtig. In diesem Fall sind auch tendenziell verstärkte Anhaltspunkte für ein Eintreten des angestrebten Erfolges zu fordern. Eine Vergleichbarkeit von Experimentiergesetzen mit endgültigen Regelungen ergibt sich auch daraus, daß dem Gesetzgeber generell die Pflicht zu ständiger Beobachtung und gegebenenfalls Nachbesserung einer Regelung obliegt 3 8 4 . Erkennt der experimentierende Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit einer Regelung, muß er sie ebenfalls verändern oder aufheben.
V. Lösungsmöglichkeiten durch die Gesetzestechnik Neben diesem breiten Instrumentarium, das dem Staat auch bei ungewissen Sachverhalten die Möglichkeit verschafft, zugunsten von Schutzgütern Gesetze zu erlassen, dürfen Auswege durch die Gesetzgebungstechnik nicht übersehen werden. Diese können zwar nicht die mangelnde Erforschung oder auch Aufklärbarkeit überdecken, aber namentlich durch ein Herausgreifen der sich zumindest als wahrscheinlich darstellenden Eckpunkte eines Gesamtsachverhalts eine juristische Regelung erlauben, die eine Freiheitsbeschneidung trägt. Ist auch das ganze Ausmaß der anfallenden Belastungen nicht auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen, deren Schädlichkeit in einer Beziehung aber feststeht, genügt diese Basis in einem Teilausschnitt, um diese Ursache zu bekämpfen. So ist es für die Statuierung von Verkehrsbeschränkungen 385 unerheblich, wenn etwa die Auswirkungen von Abgasen auf die Gebäudesubstanz nicht im einzelnen geklärt werden können. Es genügt etwa der Nachweis, daß Autoabgase bei austauscharmen Wetterlagen die Luftverschmutzung derart ansteigen lassen, daß als gesundheitsschädlich erkannte Grenzwerte überschritten werden. Die Festsetzung von bestimmten Anforderungen an die Beschaffenheit und den Betrieb von Fahrzeugen 386 kann bereits auf der Grundlage erfolgen, daß die von ihnen ausgehenden Emissionen die Luftqualität über ein hinzunehmendes, in einer technisch-industriellen Gesellschaft übliches Niveau 383
BVerfGE 57,295 (325); 75,108 (162); siehe bereits BVerfGE 16,147 (188); 33, 171 (189); BayVerfGHE 39, 79 (142); nur bezogen auf die Zweck-Geeignetheit Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), 63 (96); demgegenüber bis an die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG gehend Häberle, in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 86 f. 384 Siehe oben § 4 B.m. 385 Näher zu dieser Art von Maßnahmen Schenke, WiVerw. 1993,145 ff. 386 Siehe § 38 BImSchG.
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Teil 3: Ausgestaltung des Versacherprinzips
hinaus belasten, auch wenn eine Kausalität namentlich für Waldschäden nicht aufklärbar ist. Genügt auf diese Weise oft auch der Nachweis eines Teilaspekts, um eine Maßnahme zu rechtfertigen, bedarf es vielfach nur der richtigen, präzise gestellten Fragen an die Naturwissenschaft, um über die bestehenden Forschungslücken hinwegzukommen 387 . Weitergehend ist es möglich, daß Normen so gefaßt werden, daß sie sich gleichsam an den richten, den es angeht. Es ist deijenige, der die Umwelt in einer bestimmten, i m Gesetz bezeichneten Weise belastet. Das Umwelthaftungsgesetz 388 verpflichtet etwa denjenigen zum Ersatz, der als Inhaber einer Anlage einen bestimmten Schaden der in § 1 bezeichneten Art verursacht hat 3 8 9 . Eine Abgabenpflicht gem. § 1 A b w A G 3 9 0 gilt für alle, die Abwasser einleiten. Auch die Belastung mit Abgaben für die Benutzung eines Umweltgutes entspricht diesem Muster 3 9 1 . Bei dieser Regelungstechnik werden freilich gegebenenfalls die Kausalitätsprobleme nur auf die Einzelaktsebene verlagert, etwa für die Frage, ob eine Einleitung von Abwasser vorliegt 3 9 2 . Sind Einzelpersonen nicht zu ermitteln oder Schäden auf sie nicht in spezifischer Weise zuordenbar, kommt eine Heranziehung von mehreren Gruppen etwa über Verhaltensgebote in Betracht. Ein Beispiel ist, daß Höchstwerte für den Schadstoffausstoß sowohl für Kraftfahrzeuge 393 als auch für Industriebetriebe 394 wie für Heizungsanlagen auch in Haushaltungen 395 etc. 3 9 6 festgesetzt werden, um ein weiteres Ansteigen der Luftverschmutzung zu verhindern und damit auch das Waldsterben zumindest zu bremsen. Schließlich kann das Verursacherprinzip auch dann, wenn zunächst noch keine konkreten Personen oder zumindest Personengruppen feststehen, die in die Verantwortung zu nehmen sind, in der Weise wirken, daß sich eine staatliche Maßnahme gegen die Verursacher richten soll. Bei mehreren in Betracht 387
Leisner, WDStRL 48 (1990), 268 (270) - Diskussionsbeitrag. Vgl. oben Teil I § 4 CII.l.c). 389 Abgeschwächt wird der Kausalitätsnachweis freilich durch eine Ursachenvermutung gem. § 6 UmweltHG, die sich allerdings auf konkrete, feststehende Tatsachen stützt 390 Vgl. oben Teü I § 4 C.m.2.b). 391 Siehe etwa §§ 17 a - 17 f WG BW: der Wasserpfennig fällt bei der Entnahme von Grundund Oberflächenwasser zur Wasserversorgung an. Seine rechtliche Einordnung und Zulässigkeit ist allerdings str.; siehe oben Teü I § 4 C.m.2.c)aa). 392 Vgl. dazu OVG Münster, DÖV 1985,685 (686); 1988,518. 393 Siehe § 38 BImSchG. 394 Siehe insbes. § 4 BImSchG i.V.m. der Vierten VO zur Durchführung des BImSchG (VO über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV) vom 24.7.1985 (BGBl. IS. 1586). 395 Siehe VO über Kleinfeuerungsanlagen - 1. BImSchV - vom 15.7.1988 (BGBl. IS. 1059). 396 Siehe die VO zur Emissionsbegrenzung von leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen (2. BImSchV) vom 10.12.1990 (BGBl. I S. 2964, geänd. durch VO vom 5.6.1991, BGBl. I S. 1218) und die Verordnung zur Auswurfbegrenzung von Holzstaub (7. BImSchV) vom 18.12.1975 (BGBl. I S. 3133). 388
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kommenden Personen oder Gruppen mag man ein Auswahlermessen zubilligen, wie es auch im Polizeirecht eingeräumt wird 3 9 7 . Maßstab ist dann das angestrebte Umweltqualitätsziel und die wirtschaftliche sowie verwaltungstechnische Eignung eines Vorgehens gegen eine bestimmte Person oder Personengruppe. Praktisch relevant wird dies etwa beim Herausgreifen eines Personenkreises aus einer Verursacherkette 398. Im Vorfeld kann das Verursacherprinzip vorgeben, daß durch Sachverhaltserforschungsmaßnahmen der Verursacher zu ermitteln ist. Insoweit hat das Verursacherprinzip lediglich die Funktion, daß es die Maßnahmerichtung prinzipiell vorgibt, aber dem Staat die nähere Präzisierung überläßt. Praktisch lassen sich diese Schwierigkeiten insoweit abmildern, als eine Kooperation mit den Verursachern zustande kommt, die dann in gemeinsam erarbeitete Regelungswerke einmündet oder durch freiwillige Selbstverpflichtungen eine staatliche Regulierung entbehrlich macht. Grundrechtsbeeinträchtigungen und eine daraus folgende Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlichen Handelns liegen aber immer noch insoweit vor, als die getroffenen Maßnahmen auf staatlichem Druck beruhen 399 . Haben jedoch die Betroffenen zugestimmt oder eine Maßnahme selbst ergriffen, werden sie davon ausgehen, daß sie zumindest durchführbar und ihnen wirtschaftlich zumutbar ist. Es ist auch kaum anzunehmen, daß sie dann von ihrer Ineffektivität im Hinblick auf das zu erreichende Ziel ausgehen. Daher ist an eine Vermutung für die Verhältnismäßigkeit, insbesondere für die Angemessenheit der in Frage stehenden Beeinträchtigung zu denken 400 .
C. Auf Verwaltungsebene I. Bei gesetzlicher Grundlage L Grundsätzliche Abgrenzung der gesetzlichen Vorgaben und des Handlungsspielraumes der Verwaltung Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung besteht, wenn er in verfassungsgemäßer Weise 401 normativ eröffnet wurde 402 , was auch konkludent erfolgen
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Dazu ausführlich Teil ΠΙ § 8 C. Zum ganzen Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 81 (96 f.); vgl. bereits oben Teil ffl § 1 A. 399 Siehe oben Teü m § 3 B.I. 400 Für Selbstverpflichtungen nach § 25 Abs. 2 Krw-/AbfG Frenz, Krw-/AbfG, § 25 Rn. 10. 401 Näher oben Teil Π § I C . 402 BVerfGE 61, 82 (111); BVerwGE 72, 300 (317). 398
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kann 403 : Als bedeutsam werden insoweit die sich aus der Art der gesetzlichen Regelung und der Dichte der Normierung ergebende objektive Ausfüllungsbedürftigkeit, die Verfahrensgestaltung mit Vorkehrungen für eine exekutivistische Abschätzung und die Eigenart des geregelten Sachbereichs angesehen404. Für den letzten Aspekt wird man aber wohl verlangen müssen, daß er sich im Gesetz niedergeschlagen hat, indem es gerade auf die Bekämpfung ungewisser Situationen zielt 4 0 5 . Zwar ist bei der Regelung eines unerforschten oder unerforschbaren Sachverhalts ein Normwerk praktisch ohne einen Beurteilungsspielraum der Verwaltung kaum durchführbar, setzt man die Begründungspflicht des Staates bei Freiheitseinengungen voraus 406 . Jedoch kann eine Entscheidung des Gesetzgebers als subjektive Willensbekundung nicht allein am objektiven Regelungsgegenstand festgemacht werden, sondern muß sich zumindest in dem Produkt dieser Willensbekundung, also dem Gesetz, irgendwo niedergeschlagen haben. Die Koordinaten dieses Beurteilungsspielraumes der Verwaltung liegen parallel zu denen, die sich für die Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers ergaben, nur beziehen sie sich auf die konkrete Situation und sind in den Rahmen der normativen Vorgaben eingebunden. Nach diesen Vorgaben richtet sich also insbesondere, wie groß die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens sein muß, damit die Behörde handeln kann. Die Feinabstimmung obliegt freilich weiterhin der Verwaltung, namentlich danach, wie groß in der konkreten Situation das drohende Schadensausmaß ist und welche Rechtsgüter wie stark gefährdet sind. In dem Maße, wie eine exekutive Beurteilungskompetenz besteht, ist zugleich die richterliche Kontrollkompetenz zurückgedrängt. Werden Freiheitsrechte eingeschränkt, ist erforderlich, daß eine Rechtfertigung durch ein gegenläufiges Verfassungsgut besteht 407 . Als äußerste Grenze wurde bereits festgelegt, daß tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen. Partiell etwas anderes gilt freilich dann, wenn es gelingt, eine Gefahrensituation aufzuspalten 408. Dann ist es möglich, ausschließlich gegen den durch tatsächliche Anhaltspunkte belegten Ausschnitt vorzugehen, etwa bei einer anonymen Bombendrohung lediglich gegen den gefahrerregenden Sachverhalt, nicht aber gegen eine bestimmte Person, da insoweit keine Verdachtsmomente vorliegen.
403 404 405 406 407 408
Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 49. Wahl, NVwZ 1991,409 (411); dazu bereits ders., VB1BW 1988,391. Etwa das BImSchG mit seiner auch vorsorgenden Komponente. Siehe oben § 4 A.m.2. und 3. Siehe oben Teü Π § IC. Dazu im einzelnen Kickartz, Ermittlungsmaßnahmen, S. 79 ff.
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2. Gefahrerforschungseingriffe Eine Weiterung der behördlichen Handlungsmöglichkeiten wird dadurch gewonnen, daß über die ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungen 409 hinaus zur weiteren Aufklärung eines zu regelnden Sachverhalts die Befugnis zu Gefahrerforschungsmaßnahmen wie Bodenproben bei Verdacht von Bodenverunreinigungen 410 oder Probeschlachtungen bei Seuchenverdacht 411 bejaht wird. Das versetzt die Verwaltung ähnlich wie die Legislative im Falle von Experimentiergesetzen in die Lage, endgültige Maßnahmen besser zu rechtfertigen und fehlerhafte Maßnahmen eher zu vermeiden. Daher ist dem Staat auch auf Verwaltungsebene die Möglichkeit eines experimentellen Vorgehens zuzubilligen 412 . Die Besonderheit einer zu Gefahrerforschungsmaßnahmen berechtigenden Situation des Gefahrenverdachts wird darin gesehen, daß noch keine (ausreichenden) Anhaltspunkte für die Annahme einer Gefahrensituation vorhanden sind, also noch eine große Unsicherheit im tatsächlichen Bereich herrscht, die verschiedene Schlüsse zuläßt. Vom Gefahrverdacht zum Teil unterschieden 413 wird der Gefahrlichkeitsverdacht 414 . Dieser wird dadurch charakterisiert, daß er im Gegensatz zum Gefahrverdacht auf die Ursächlichkeit zwischen der Sachlage und der Rechtsgutsverletzung bzw. dem Schaden verzichtet 415 . Der wissenschaftlich begründete Verdacht soll sich nur darauf beziehen, inwieweit die Gefahr für die Umwelt oder die Tiere besteht, nicht aber auf eine Rechtsgutsverletzung bzw. einen Schaden beim Menschen 416 . Es muß also immerhin eine Gefahr für die Umwelt oder die Tiere möglich sein. Stehen Tiere im Eigentum des Menschen, werden sie von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Befinden sie sich in ihren natürlichen Lebensräumen, gehören sie zur Umwelt. Die Umwelt ist einschließlich der Tiere, sofern sie natürlich leben 417 , durch Art. 20 a GG geschützt und daher ein aus-
409
Siehe namentlich die polizeirechtlichen Vorschriften über die Personenfeststellung an einer KontrollsteUe und beim Aufenthalt an bereits als solchen als gefährlich angesehenen Orten sowie über die Vorladung oder etwa § 52 Abs. 3 S. 2 BImSchG, der die Duldung der Entnahme von Stichproben auferlegt. 410 Siehe VGH Mannheim, DÖV 1991,167. 411 Siehe BGHZ 117,303. 412 Vgl. oben § 4 B.IV. zur Gesetzgebungsebene. 413 Die h.M. separiert allerdings insoweit nicht, etwa Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 226; Huber, AöR 114 (1989), 252 (291); Ossenbühl, NVwZ 1986,161 (163). 414 Der Begriff stammt von Kloepfer, Chemikaliengesetz, S. 54. 415 Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 65. 416 Möllers ebda., S. 67. 417 Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000, S. 69 f.; Jarass, in: dersTPieroth, Art 20 a Rn. 2. 20 Frenz
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drücklich benanntes, zu wahrendes Verfassungsgut. Zudem tragen Umweltgefährdungen häufig zumindest die Möglichkeit in sich, negativ auf den Menschen zurückzuwirken. Dann weisen auch Verdachtsmomente auf einen Schaden am Menschen, wenn die Möglichkeit seines Eintretens auch nicht durch einen eindeutigen Erfahrungsschatz oder einen nach dem Stand der Wissenschaft begründeten Verdacht belegt werden kann. Daraus kann aber gerade die Notwendigkeit der Erforschung erwachsen. Zudem handelt es sich nur um einen graduellen Unterschied hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, hier bezogen auf die Möglichkeit des Schadenseintritts. Jedenfalls aber genügt die Möglichkeit etwa einer Schädigung der Umwelt, um eine dem Gefahrverdacht entsprechende Ausgangssituation anzunehmen. Eine begriffliche Unterscheidung zum Gefahrverdacht ist daher entbehrlich. Das gilt zumal dann, wenn man den Gefahrbegriff durch eine vertretbare Rechtsgüterabwägung definiert sieht und nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts verlangt 418 . Faßt man unter den Begriff des Gefahrverdachts auch eine Lage, in der bereits tatsächliche, wenn auch nur geringe Anhaltspunkte für eine Gefahr vorhanden sind 419 , und bejaht, damit korrelierend und für den hinzugenommenen Fall zu Recht, neben erforschenden auch abwehrende Maßnahmen 420 , zerfließen bereits vom Ansatz her die Grenzen zum Gefahrenbegriff. Lehnt man einen solchen weiten Begriff des Gefahrverdachts ab und beschränkt ihn auf die Situationen, in denen noch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr gegeben sind 421 , erscheint dies insofern zweifelhaft, als bei einem Gefahrenverdacht das Vorliegen einer Gefahr erst (vollends) festgestellt werden soll 4 2 2 . Ein staatliches Handeln ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte kommt nicht in Betracht, da sich dann die betroffenen Bürger nicht verteidigen können. Daher bedarf es tatsächlicher Anhaltspunkte, die einen Gefahrenverdacht begründen, also einer Situation, in der zwar nach traditionellem Verständnis noch keine Gefahr gegeben ist, aber doch deren Verdacht besteht 423 . Müssen jedoch Anhaltspunkte für das Bestehen eines Gefahrenverdachts vorliegen, die
418
Siehe sogleich 3. und 4. Darnstedt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 94 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 226; Schink, DVBl. 1989, 1182 (1186 f.); Hansen-Dix, Gefahr, S. 66: bei hinreichend begründetem Verdacht. 420 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 227; Hansen-Dix, Gefahr. S. 66; Kokott, DVBl. 1992,749 (750). 421 Di Fabio, DÖV 1991,629 (632 mit Fn. 24). 422 Siehe Kickartz, Ermittlungsmaßnahmen, S. 91. Daher kann auch nicht vom Vorliegen einer Anscheinsgefahr ausgegangen werden, da wegen des Fehlens ausreichender Anhaltspunkte eine Gefahrenlage auch nicht irrig angenommen werden kann (abgrenzend etwa Knemeyer, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 70; siehe dagegen VGH Mannheim, DÖV 1991,167). 423 VGH Mannheim, DÖV 1991,167. 419
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das nähere Erkunden eines Sachverhalts notwendig erscheinen lassen, weisen diese zugleich jedenfalls auf die Möglichkeit des Bestehens einer Gefahr hin und lassen eine Situation entstehen, die sich von der allgemein anerkannten Gefahrensituation nur durch den Grad der Wahrscheinlichkeit unterscheidet 424. Der Gefahrenverdacht läuft daher auf eine Erweiterung des behördlichen Beurteilungsspielraumes hinaus. Für die Nutzung dieses theoretisch fundierten erweiterten Beurteilungsspielraumes ist relevant, daß die polizeirechtlichen Normierungen auf dem Vorliegen einer Gefahrensituation aufbauen 425. Darüber hinausgehende Spezialgesetze aber decken viele Bereiche nicht oder nur unzureichend ab 426 . Somit besteht nur bei der Annahme einer Gefahr in jedem Fall der Sachverhaltserforschung eine eindeutige gesetzliche Grundlage 427 . Erforschungsmaßnahmen stellen dann eine besondere Handlungsmöglichkeit zur Gefahrenabwehr dar, gegebenenfalls zur Gefahrenvorsorge, wenn diese gesetzlich vorgesehen ist. Als Vorstufe zur Bekämpfung einer (vermuteten) Gefahr und von daher als erster Schritt zur Gefahrenabwehr 428 kann die Behörde vom Anlaß dazu gebenden Bürger auch Gefahrerforschungsmaßnahmen verlangen 429 . Der Bürger muß daher unabhängig davon, ob eine Maßnahme lediglich der Gefahrermittlung oder aber bei Feststehen einer Gefahr der Erforschung ihres Umfangs dient, nicht nur dul-
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Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, Sondergutachten „Altlasten", BT-Drucks. 11/6191, Tz. 841 (S. 210); Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 96; Schneider, DVB1. 1980, 406 (408); Brandt, Altlastenrecht, S. 93 f.; Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225 (230); siehe auch Gusy, Polizeirecht, Rn. 186; Petri, DÖV 1996, 443 (445); vgl. oben § 4 B.IV. zum Experimentiergesetz. A.A. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 155; Losch, DVB1. 1994,781 (782); Schenke, in: Festschrift für Friauf, S. 455 (459 ff.) m.w.N. pro et contra in Fn. 13. 425 Dies für unschädlich ansehend die h.M., etwa Breuer, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 317 (345); Götz, AUgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 155; abl. Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Π Rn. 57; Petri, DÖV 1996, 443 (447 ff.), der für eine Heranziehung von § 24 VwVfG als Befugnisnorm eintritt. Diese Vorschrift ist aber nicht spezifisch auf das Recht der Gefahrenabwehr bezogen, läßt demgemäß das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte außer acht sowie ermöglicht nur eine Sachverhaltsaufklärung durch die Behörde (OVG Lüneburg, NuR 1991, 242 (243); Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24 Rn. 4; auch Classen, JA 1995,608 (609)). 426 Siehe Götz, AUgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 159. 427 Aus Gründen eines effektiven Rechtsgüterschutzes Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 52 a. Wegen deren Fehlens hält Schwabe, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 419 ff. (436 ff.) Sachverhaltserforschungsmaßnahmen grundsätzlich für unzulässig. 428 In der Gefahrenerforschung einen Teil der Gefahrenabwehr sehend Schenke/Ruthig, VerwArch. 87 (1996), 329 (340). 429 VGH Mannheim, VB1BW 1995, 64 (66); tendenziell ebenso OVG Münster, DÖV 1996, 1049 (1050); zurückhaltend OVG Koblenz, NVwZ 1987, 240 (241); abl. VGH Kassel, DB 1991, 90 (91); Breuer, NVwZ 1987, 751 (754); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 52 a; Schink, DVB1. 1989,1182 (1186); Papier, DVB1.1985, 873 (875).
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den 430 . Erforschungsmaßnahmen kommen gegenüber bereits endgültige Verhältnisse schaffenden Aktionen tendenziell nur deshalb eher zum Einsatz, weil sie meist das mildere Mittel darstellen 431 . Hinsichtlich der Auswirkungen sind aber Gefahrerforschungseingriffe nur dann das mildere Mittel, wenn sie keine bleibenden Nachwirkungen haben. Was ihre Wirksamkeit anbelangt, können sie nur dann mit endgültigen Maßnahmen gleichziehen, wenn tatsächliche Unsicherheiten bestehen und die Verwaltung zuwarten kann, ohne daß stärkere Schäden entstehen, als wenn sofort, aber mit ungenauerer Aufklärung endgültige Maßnahmen ergriffen werden. Es muß also auch bei Unwägbarkeiten der Sachverhalt nicht stets vor dem Ergreifen endgültiger Maßnahmen vollständig ausgelotet werden - zumal im Polizeirecht, das rasches Handeln verlangt 432 . Dennoch erweitern sie den Handlungsrahmen der Verwaltung erheblich und damit auch die Möglichkeiten zur Umsetzung des Verursacherprinzips. 5. Die Offenheit des Gefahrbegriffs und die Determinierung durch eine vertretbare Rechtsgüterabwägung Stehen sich grundrechtlich geschützte Rechtsgüter gleichgewichtig gegenüber, die zu einem Ausgleich gebracht werden müssen, kann den Interessen beider am besten dadurch Genüge getan werden, daß sie bereits auf der Ebene des rechtfertigenden Anlasses gegeneinander abgewogen werden und nicht erst auf einer davon zu trennenden Ebene der Grenzen für ein Handeln auf der Basis eines solchen Grundes. Dadurch entsteht ein gleitender Maßstab, der eine optimale Verwirklichung sämtlicher Belange sicherstellt. Diese ist nach der herkömmlichen polizeirechtlichen Dogmatik gefährdet. Danach werden der Gefahrenbegriff und damit das rechtfertigende Moment für staatliches Eingreifen durch den drohenden Schaden für die zu schützenden Rechtsgüter bestimmt, während die Grundrechte der durch die Maßnahmen Betroffenen nur begrenzend wirken bzw. das Ermessen beeinflussen 433. Wird das Vorliegen einer Gefahr aber ausschließlich nach der Nähe und dem Ausmaß des drohenden Schadens beurteilt, unterbleiben in der Konsequenz Maß430 In der Tendenz auch OVG Münster, DÖV 1996, 1049 (1050); vgl. hingegen noch OVG Münster, NWVB1.1990,159; BayVGH, DVBl. 1986,1283 (1284). 431 Aus der Rspr. OVG NW, NWVB1. 1990, 159, aus der Lit Schneider, DVBl. 1980, 406 (408); Kokott, DVBl. 1992,749(751) sowie näher Schink, DVBl. 1989, 1102 (1107); Möüers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 84. 432 Schink, DVBl. 1989,1181 (1187). 433 Bes. deutlich Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 221 ff. Vgl. zur Gesetzgebung oben § 4 B.I. Dort auch zu dem flexiblen System Möüers, Rechtsgüterschutz im Umweltund Haftungsrecht, S. 59, der ansatzweise auch die durch den staatlichen Eingriff beeinträchtigten Rechtsgüter einbezieht.
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nahmen zur Verhinderung eines Schadens, dessen Ausmaß gering ist und der noch weiter entfernt scheint, selbst wenn die dafür erforderlichen Maßnahmen Rechtsgüter der Adressaten nur in geringem Maße antasten. Werden hingegen die einzuschränkenden Freiheitsrechte des Bürgers bereits bei der Bestimmung des Gefahrbegriffs einbezogen, kann der Rechtsgüterschutz und parallel dazu der Beurteilungsspielraum der Verwaltung dergestalt ausgedehnt werden, daß bei geringfügigen Beeinträchtigungen der Freiheitssphäre der Betroffenen auch bei weiter entfernten und gering erscheinenden Schäden gehandelt werden kann. Damit würde auch die Entwicklung auf eine eindeutige dogmatische Grundlage gestellt, die erhebliche Belästigungen für das Vorliegen einer Gefahrensituation ebenfalls ausreichen läßt 434 . Dies hängt ab von einer Gegenüberstellung mit den durch die zu schützenden Maßnahmen berührten Belangen. Ist die Gefährdung der bedrohten Rechtsgüter weniger wahrscheinlich, so muß nicht notwendigerweise die Schwere des möglicherweise eintretenden Schadens größer sein. Vielmehr ist diese geringere Wahrscheinlichkeit in Beziehung zu setzen zu dem Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem Beeinträchtigungen an Rechtsgütern eintreten, die möglicherweise durch einen Schutz für die bedrohten Rechtsgüter tangiert werden. Ist auch diese Wahrscheinlichkeit gering, besteht ein größerer Handlungsspielraum des Staates. Beispiel ist etwa, wenn einem Unternehmer die Lagerung eines, wenn auch ohne überwiegende Wahrscheinlichkeit das Grundwasser gefährdenden Stoffes in einer betonierten Halle statt im Freien aufgegeben wird, ohne daß sicher ist, daß diesem dadurch Lagerfläche entzogen und er dadurch in seiner Berufsfireiheit nennenswert behindert wird. 4. Erstreckung des Gefahrbegriffs auch auf Maßnahmen der Gefahren- und Risikovorsorge Gefahrerforschungseingriffe erwiesen sich als Unterfall der Gefahrenabwehr, der ihm zugrundegelegte Gefahrenverdacht stellte sich als Unterfall der Gefahr dar 435 . Ermächtigt der Gesetzgeber die Verwaltung zu Maßnahmen der Gefahrenvorsorge oder der Risikovorsorge, erfolgt dies wie die Statuierung von Befugnissen zur Gefahrenabwehr wegen der Möglichkeit eines Schadenseintritts. Nur deren Wahrscheinlichkeit ist geringer 436 . Diese Ermächtigungen zielen darauf ab, die Verwaltung auch zur Bekämpfung von weniger wahrscheinlichen Schadenssituationen zu befähigen.
434 435 436
Siehe Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 220. Oben § 4 C.I.2. Siehe oben § 4 Β.Π.
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Handeln die Behörden auf der Grundlage von Normen, die zur Gefahrenvorsorge ermächtigen, haben sie wie bei der Gefahrenabwehr zur Überprüfbarkeit und zur Vermeidung mißbräuchlicher Eingriffe eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung anzustellen437. Diese unterscheidet sich freilich dadurch, daß eine Gefahr auch räumlich und zeitlich weiter entfernt liegen und eine geringere Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen kann. Dadurch werden fließende Übergänge möglich 438 . Die Zielrichtung aber ist die gleiche 439 . Verschiedene Grade der Wahrscheinlichkeit sowohl bei der Frage, ob ein bestimmtes Rechtsgut gefährdet wird, als auch im Hinblick darauf, ob durch dieses Rechtsgut schützende Maßnahmen ein Rechtsgut beeinträchtigt wird, schlagen sich in der Abwägung nieder. Bei der Gefahrenvorsorge kommen die Rechtsgüter der beeinträchtigten Personen höchstens deshalb stärker zur Geltung, weil die Gefahr noch entfernter und daher die Wahrscheinlichkeit eines Schadens nicht so groß ist, mithin das Gewicht der die einschränkenden Maßnahmen rechtfertigenden Gründe geringer ist. Daher kann auf vorsorgendem Wege die Freiheit des Bürgers tendenziell weniger stark eingeschränkt werden als bei gefahrabwehrendem Handeln. Dies ist aber eine Frage der Güterabwägung, sofern nur tatsächliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt vorliegen. Wegen deren Erforderlichkeit ist auch die Gefahrenvorsorge in den Gefahrbegriff einzuschließen440. Das vollzieht die Entwicklung nach, daß die staatliche Tätigkeit im Sicherheitsbereich inzwischen in starkem Maße auf Wahrscheinlichkeitsurteilen fußt. Vor diesem Hintergrund kann auch die Risikovorsorge in den Gefahrbegriff einbezogen werden, zumal diese zum Teil von der Definition her mit der Gefahrenvorsorge gleichgesetzt wird 4 4 1 . Auch wenn man das Risiko als den Bereich definiert, der nicht mehr mit der herkömmlich für die Bestimmung einer Gefahr als erforderlich angesehenen Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann 442 , so liegen doch immerhin Anhaltspunkte vor, die einen Schaden möglich 4 4 3 oder - in den Worten des Entwurfs zu einem Umweltgesetzbuch Allgemeiner Teil 4 4 4 - „nicht aufgrund praktischer Vernunft ausgeschlossen" erschei437
Vgl. Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, S. 158 f. Siehe P.M. Huber, AöR 114 (1989), 252 (293 ff.). Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß der Begriff des Gefahrenverdachts sowohl mit dem Vorsorgegrundsatz verbunden (inbes. BVerwGE 61,251 (267); 69,37 (43); 72,300 (315)) als auch dem (klassischen) Gefahrbegriff zugeordnet wird (vor aüem Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 94 ff.; differenzierend Hansen-Dix, Gefahr, S. 66 f.). 439 Papier, DVBl. 1979,162; siehe auch BVerfGE 49, 89 (138). 440 Siehe bereits Erichsen, VVDStRL 39 (1977), 171 (185 f.). Für einen einheitlichen Eingriffstatbestand Böhm, Der Normmensch, S. 117. 441 Die Definition des Risikos bei Breuer, NVwZ 1990, 211 (213) stimmt im wesentlichen mit dem Begriff der Schadensvorsorge in BVerfGE 49, 89 (137 f.) überein. 442 Vgl. oben § 4 Β.Π. 443 Breuer, NVwZ 1990,211 (213). 444 Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-ABmann/Kunig, Umweltgesetzbuch, Allgemeiner Teil, S. 38. 438
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nen lassen. Damit handelt es sich lediglich um einen Bereich besonders schwacher Wahrscheinlichkeit. Das ist entsprechend in der Abwägung zu berücksichtigen, schließt aber die Einbeziehung in den Gefahrbegriff nicht aus. Risiko ist damit nur quantitativ von der Gefahr unterscheidbar 445, nicht aber qualitativ. Ein gleichwohl begriffslogischer Anwendungsbereich des Risikos 446 ergibt sich nur dann, wenn man den Gefahrbereich an che gewisse Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts koppelt, nicht aber, wenn man ihn wie hier auch jenseits dieser Grenze allein beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte durch Güterabwägung bestimmt. Eine etwaige umgangssprachliche Unterscheidung 447 schließt eine juristische Verkettung gleichfalls nicht aus. Im übrigen ist der Begriff „Risiko" im Fremdwörterduden auch mit „Gefahr" umschrieben 448 . Der auf dieser Basis gewonnene (potentielle) Gefahrenbereich bildet den Handlungsrahmen für die staatlichen Exekutivorgane, die diesen nach den legislativen Vorgaben auszufüllen haben: Danach bestimmt sich, nach welchen Kriterien im konkreten Fall ein Eingreifen befürwortet werden kann oder muß, ob auch eine vorsorgende Tätigkeit möglich ist, ob ein Beurteilungsspielraum besteht etc. J. Maßnahmerichtung Teilweise wird im Gegensatz zu den personenunabhängigen Handlungsvoraussetzungen die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums für die Einstufung als störender Verursacher abgelehnt. Vielmehr wird die Behandlung des Verursachers als Nichtstörer bis zum Nachweis seines Beitrages gefordert 449 . Dies macht bei nicht völlig aufklärbaren Kausalzusammenhängen eine Inanspruchnahme als Verantwortlicher nahezu unmöglich mit allen Konsequenzen für die Entschädigung und Kostentragung 450, zumal wenn man mit Hoffmann-Riem 451 auch die prima-facie-Technik ausschließen will. Zieht man sie heran 452 , liegt
445
So auch Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 63. MöUers ebda. 447 Auch darauf abhebend MöUers ebda. 448 Duden „Das Fremdwörterbuch" unter „Risiko". 449 So Classen, JA 1995,608 (613); Hoffmann-Riem, in: Festschrift für Wacke, S. 327 (336 f.), obgleich dies in gewissem Widerspruch zu seiner sonstigen Gedankenführung steht; siehe Schwabe, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 419 (436 f. Fn. 73) sowie insbes. Hoffmann-Riem, S. 330 f.: Zum Wesen des heutigen Sicherheitsrechts gehört auch die materieU-rechtliche Zurechnung nicht voll aufgeklärter Sachverhalte. 450 Allerdings wird auch im Hinblick auf den Anscheinstörer eine Entschädigungspflicht befürwortet: zum Problemkreis etwa Kokott, DVB1. 1992, 749 (751 ff.); Erichsen/Wernsmann, Jura 1995,219 (221 f.); für den FaU des Gefahrenverdachts BGHZ 117,303 (308) - Kälbermast 451 In: Festschrift für Wacke, S. 327 (337). 452 Schwabe, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 419 (423). 446
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ein Fall des Anscheinstörers dann nicht vor, wenn von vornherein feststeht, daß kein ausreichendes Tatsachenmaterial vorliegt, es sich also um keinen Irrtum handelt. Scheidet die Heranziehung als Störer aus, wird weiter die Inanspruchnahme als solche in Frage gestellt, selbst wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, daß eine Gefahr gerade von dieser Person ausgeht. Die Heranziehung des Nichtstörers ist jedenfalls im allgemeinen Polizeirecht stark eingeschränkt 453. Die Tendenz neuerer Polizeigesetze, jedermann namentlich zur Mitwirkung bei Auskünften und zur Duldung von Kontrollen polizeipflichtig zu machen 454 , muß dort ihre Grenze finden, wo keine materiell-rechtliche Verantwortlichkeit gewonnen werden kann. Die Polizeigesetze als Schutzmethoden festlegende Verfahrensnormwerke setzen vorgegebene rechtliche Bindungen voraus, schaffen aber solche tieferliegenden Beziehungen zu einer Gefahrenquelle nicht selbst 455 . Daran erweist sich die starke Abhängigkeit der Gefahrenbekämpfung von der Heranziehung von Personen, der enge Zusammenhang von gefährdendem Sachverhalt und dahinterstehender Person, selbst wenn über beide Faktoren Unsicherheit herrscht. Die Verhinderung eines Schadens ist vielfach nur bei einem Vorgehen gegen beide Komponenten möglich. In der Konsequenz der Eröffnung eines Beurteilungsspielraumes der Exekutive für die Sachverhaltseinschätzung liegt demgemäß seine Ausdehnung auf die Bestimmung der heranzuziehenden Person selbst. Auch insoweit kann eine Anscheins- oder Verdachtslage ausreichen 456 . Bei einer Ausfüllung dieses Spielraums sind entsprechend den für die Bestimmung des Vorliegens einer Gefahr genannten Gründen 457 bereits die bei einer Heranziehung beeinträchtigten Rechtsgüter einzubeziehen458. Von deren Abwägung hängt dann die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Anscheinstörers ab, nicht davon, ob er durch sein Verhalten oder den Zustand einer ihm zuzuordnenden Sache unmittelbar eine Gefahr verursacht hat 459 . Gegen das Abstellen auf eine unmittelbare Verursachung spricht bei inhärenter Betrachtung, daß 453
Die Polizeigesetze verlangen eine „unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit" oder ähnliches. 454 Siehe etwa §§ 12,16 ff., 24 f. PolG NW von 1990; §§ 20 ff., 37 ff. PolG BW von 1992. 455 Lisken/Denninger, in: dies., Handbuch des Polizeirechts, D 9 mit Einzelbeispielen. 456 BGHZ 126, 279 (283); VGH Mannheim, DÖV 1985, 687 (688); DVBl. 1990,1047 (1048); OVG Münster, NWVB1. 1993, 351 (352); OVG Saarlouis, DÖV 1984, 471 (472 f.); Erichsen/Wernsmann, Jura 1995, 219 (221); Martensen, DVBl. 1996, 286 (290); Kokott, DVBl. 1992, 749 (751); Losch, DVBl. 1994,781 (785); Seibert, DVBl. 1992,664 (668); siehe auch BGHZ 117, 303 (307); a.A. Hoffmann-Riem, in: Festschrift für Wacke, S. 327 (336 f.); Classen, JA 1996, 608 (613); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 52 a; Nierhaus, UTR 27 (1994), 369 (389 ff.); Schwabe, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 419 (423). 457 Teü m § 4 C.I.3. 458 Bereits Erichsen, VVDStRL 39 (1977), 171 (206 f.). 459 Dafür Schenke, in: Festschrift für Friauf, S. 455 (474 ff.); Schenke/Ruthig, VerwArch. 87 (1996), 329 (336 ff.).
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auch ihre Feststellung ohne eine wertende Betrachtung nicht auskommt 460 und bei den gerade schwierigen Fällen ungewisser Sachverhalte die Abwägung zwischen geschütztem und beeinträchtigtem Rechtsgut einschließlich der jeweiligen Wahrscheinlichkeit über eine Inanspruchnahme entscheiden muß 461 . Daß in einschlägigen Polizeigesetzen die Verursachung einer Gefahr verlangt wird, verschließt sie nicht gegen eine solche wertende Betrachtung, wenn die Verursachung nicht genau feststeht. Da auch bei ungewissem Sachverhalt der Schutz verfassungsrechtlich gewährleisteter Güter ein Handeln des Staates über die Heranziehung von Personen als Nichtstörer hinaus verlangen kann 462 , ist eine Öffnung des Begriffs „verursachen" für Wertungen, die ihm ohnehin immanent sind 463 , jedenfalls verfassungsrechtlich geboten. Demgegenüber kann die Klärung der Kostenfrage nach dem polizeilichen Handeln erfolgen, ohne daß dadurch Rechtsgüter geschädigt werden. Daher ist eine Kostentragungspflicht des Anscheinstörers oder des Erregers einer Verdachtslage nur möglich, wenn er selbst eine ihm zurechenbare Ursache hierfür gesetzt464 oder die ihm zugeordnete Sache einen solchen Anschein bzw. Verdacht erweckt hat 465 . I I . Ohne gesetzliche Grundlage Was aber ist, wenn die Legislative der ihr zustehenden Entscheidungsprärogative nicht nachkommt und somit ein Konflikt zwischen Abwehr- und Schutzbelangen gesetzlich unentschieden bleibt? 1. Primärer Ansatzpunkt der Problemlösung Trifft dann die Verwaltung Entscheidungen ohne gesetzliche Grundlage, erscheint dies vordergründig als Problem der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative sowie der Judikative. Vermag die Verwaltung ohne gesetzliche Basis zu handeln, trifft sie und nicht der Gesetzgeber auch die abstrakten 460
Diese befürworten auch Schenke, in: Festschrift für Friauf, S. 455 (476) und Schenke/ Ruthig, VerwArch. 87 (1996), 329 (338 f.). 461 Näher oben Teil m § 1 Α.Π. 462 Vgl. allgemein zur Notwendigkeit staatlicher Handlungsmöglichkeiten oben Teü m § 4 Α.ΙΠ.2. 463 Siehe oben Teü I § 1 A.I.3. 464 OVG Münster, DÖV 1996, 1049; Kokott, DVB1. 1992, 749 (755); Breuer, in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 317 (340 ff.): bei Provokation des Verdachts; vgl. BGHZ 117, 303 (308); 126, 279 (283 ff.): Entschädigungsansprüche; solche nur teilweise bejahend Kokott, DVB1. 1992 749 (752 ff.); grundsätzlich zum Auseinanderfallen von Handlungs- und Zahlungsebene Griesbeck, Polizeipflicht, S. 104 ff., zu dem des Störerbegriffs auf primärer und sekundärer Ebene Martensen, DVB1.1996,286 (289 ff.). 465 Vgl. zum Hintergrund oben Teü ΠΙ § 1 D.
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Vorgaben für die Behandlung eines konkreten Falls und haben die Gerichte die Rechtmäßigkeit dieser Tätigkeit zu beurteilen, ohne auf normative Vorgaben zurückgreifen zu können. Besteht insoweit zugleich ein behördlicher Beurteilungsspielraum 466 , ist in diesem Umfang die gerichtliche Kontrolle zurückgedrängt. Existiert ein solcher Spielraum nicht, bleiben nur die verfassungsrechtlichen Direktiven als Maßstäbe. Determinieren diese aber ein Tätigkeitsfeld, stellt sich die Frage, ob dann nicht auch das Handeln des Gesetzgebers weitgehend vorherbestimmt und damit sein Gestaltungsspielraum entgegen der ihm vom Grundgesetz in den Gesetzesvorbehalten und in Art. 20 Abs. 2 S. 2, 3 GG zugewiesenen Entscheidungsmacht weitgehend eingeengt ist. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß vielfach die Frage eines Beurteilungsspielraumes der Verwaltung in erster Linie unter dem Blickwinkel der Gewaltenteilung gesehen wird. „Tragend sind dabei funktionell-rechtliche Gesichtspunkte und damit ein Vorgehen, das sich auch im parallelen Feld der Abgrenzung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung findet" 4 6 7 . Aspekte der Gewaltenteilung namentlich in Gestalt der Permanenz, Ubiquität und Präsenz der Verwaltung bilden auch die Basis für vorsichtige Vorstöße hin zu einem exekutiven Beurteilungsspielraum ohne gesetzliche Basis, der aber lediglich subsidiär, als Ergänzung zur grundsätzlichen Entscheidungsgewalt der Legislative in wesentlichen Fragen, zum Zuge kommen soll 4 6 8 . Auch frühere Entscheidungen des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts, die die grundsätzlich befürwortete vollständige richterliche Kontrollmacht nur auf der Basis einer normativen Grundlage zurücktreten lassen wollten 469 , legten den Schwerpunkt der Argumentation darauf, daß ansonsten die gewaltenmäßige Funktionenverteilung berührt wird 4 7 0 . Nur oberflächlich funktionsbedingt 471, im Kern aber auf der Basis grundrechtlicher Schutzverpflichtungen, die erst den Eingriff in ein Grundrecht rechtfertigen 472 , befürworteten das Bundesverwaltungs- und das Bundesverfassungsgericht die Kompetenz der Exekutive zu Warnungen und Empfehlungen 473. Die 466
Siehe oben Teü Π § 1 C; Teil m § 4 Α.ΠΙ.3. Wahl, NVwZ 1991,409 (410 f.). 468 Ossenbühl, in: HStR ΠΙ § 62 Rn. 60 f. m.w.N. 469 BVerfGE 61, 82 (110 f.); BVerwGE 72, 300 (317) unter Verweis auf die Kalkar-Entscheidung BVerfGE 49, 89. 470 Siehe BVerfGE 61, 82 (111, 115); BVerwGE 72, 300 (317). Zur grundrechtsbezogenen Ausrichtung der neueren Rechtsprechung oben Teü Π § 1 C. Vgl. aber noch BVerfGE 85,36 (58). 471 BVerwGE 82, 76 (80). Eine „unausgesprochene, aber funktionsbedingte Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit" wird aus der Aufgabensteüung der Bundesregierung abgeleitet, womit ein unzulässiger Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis vorliegt (näher Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (551 ff.) m.w.N.). 472 BVerwGE 82, 76 (82 f.); BVerfG, NJW 1989, 3269 (3270). Näher die Analyse von Wahl/ Masing, JZ 1990,553 (554). 473 Zu deren Qualifikation als Eingriffe oben Teü m § 3 Β. 467
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weiterführende Brücke dieser Argumentationslinie zum Technikverbot bei ungewisser Tatsachengrundlage schlug der VGH Kassel in seinem Beschluß vom 6.11.1989 474 . Er folgerte unmittelbar aus den grundrechtlichen Schutzpflichten die Befugnis der Verwaltung, den Betrieb einer Anlage auch ohne gesetzliche Grundlage nicht zuzulassen, also durch die Unterbindung einer möglichen Freiheitsentfaltung eingreifend tätig zu werden. Während das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 15.8.1989 betonte, die grundrechtlichen Schutzpflichten stellten „noch keine hinreichende Rechtsgrundlage für die im Einzelfall ergriffenen konkreten Maßnahmen des Staates dar" 4 7 5 , sah der V G H Kassel das Verhältnis von prinzipieller (abwehrrechtlicher) Entfaltungsfreiheit „und damit einhergehender besonders begründungsbedürftiger Beschränkung angesichts der überragenden Bedeutung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit" als umgekehrt an. Er folgerte aus den grundrechtlichen Schutzpflichten die Notwendigkeit einer gesetzlichen Zulassung einer mit möglichen weitreichenden Auswirkungen behafteten Nutzung einer Technologie 476 . Dieser Beschluß des V G H Kassel wurde nahezu einhellig abgelehnt 477 , wie auch schon zuvor die Entscheidungen des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts zu Warnungen und Empfehlungen auf Kritik stießen478. Im Vordergrund steht dabei die Einschränkung der grundsätzlichen Handlungsfreiheit des Bürgers bereits aus der Verfassung heraus, also ohne gesetzliche Grundlage. Wäre dies möglich, hinge insoweit die Handlungsfreiheit des Bürgers von einer normativen Eröffnung ab. Die Wesentlichkeitstheorie wäre nicht mehr auf die Beziehung Bürger-Staat beschränkt und würde insoweit auf das Verhältnis Bürger-Bürger ausgedehnt479. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Freiheit und Freiheitsbeschränkung 480 würde teilweise umgekehrt. Dies unterstreicht deutlich: Die Problematik läuft in ihrem Kern zu auf die Beziehung zwischen grundrechtlichen Abwehr- und Schutzbelangen sowie deren Versöhnung bei einem gesetzlich noch nicht geordneten Aufeinanderprallen. 2. Folgerungen aus dem prinzipiellen Gleichgewicht von Abwehr- und Schutzbelangen M i t einem Gleichgewicht von Abwehr- und Schutzbelangen verträgt sich nicht, daß bei einer Gefährdung von Schutzgütern bis zu einem Zustandekom474
JZ 1990, 88 = NJW 1990,336. Siehe aber VGH Kassel, DÖV 1995,77 (78). BVerfG, NJW 1989,3269 (3270). 476 VGH Kassel, JZ 1990, 88 (89). 477 Zusammenfassend Kloepfer, in: Festschrift für Lerche, S. 755 ff. m.w.N. in Fn. 1. 478 Siehe vor allem Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 ff. 479 Vgl. oben Teü Π § 4 B.I.I., ΙΠ.3. 480 Insbes. Preu, JZ 1991, 265 (268 f.) sowie Gersdorf, DÖV 1990,514 ff. und Rupp, JZ 1990, 91 (92). 475
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men einer normativen Regelung bei fehlenden Handlungsbefiignissen der Exekutive auf ungesicherter Tatsachengrundlage generell den Abwehrrechten der Vorzug gegeben wird, also unabhängig von der Gewichtigkeit der berührten Rechtsgüter i m Einzelfall. Dies ist ein wesentlicher Unterschied einer subjektiv-rechtlichen zur herkömmlichen objektiv-rechtlichen Ableitung 4 8 1 . Daß diese prinzipielle Gleichwertigkeit der Abwehr- und der Schutzkomponente daraus folgt, daß es für die Verwirklichung der Grundrechte als Abwehrrechte der Erhaltung bestimmter Voraussetzungen bedarf, und insoweit die Schutzkomponente auf die Abwehrseite bezogen bleibt, ändert nichts an ihrer grundsätzlichen Gleichrangigkeit auch bei einem Aufeinanderprallen. Die Schutzseite ist vielmehr als Basis der abwehrrechtlichen Betätigung dieser vorgelagert und aus dieser Sicht als deren Voraussetzung sogar vorrangig. Letztlich handelt es sich um die in der historischen Entwicklung 4 8 2 immer wieder deutlich werdenden zwei Seiten der Grundrechtsgewährleistung: die Verteidigung der Individualsphäre gegen den Staat und ihre Sicherung durch den Staat. Für die Verteidigung ist staatliche Zurückhaltung, für die Sicherung hingegen staatliches Handeln verlangt. Dementsprechend wird das Individuum auch jeweils in unterschiedlicher Weise von staatlichem Handeln oder Nichthandeln betroffen. Wegen dieser grundlegenden Strukturverschiedenheit scheidet auch eine abwehrrechtliche Herleitung der Schutzkomponente aus 483 . Vor allem aber bedeutet ein Nichtstun des Staates i m Ergebnis die Vernachlässigung der Schutzkomponente. 3. Rechtsschutzgewährleistung Handelt es sich um ungewisse Sachverhalte, die noch nicht gesetzlich geregelt sind, so bedeutete ein auch gerichtsfester Beurteilungsspielraum der Verwaltung eine Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG ohne normative Grundlage. Eine Zurücknahme des richterlichen Überprüfungsrechts und damit zugleich der Verteidigungsmöglichkeiten des Bürgers müßte durch ein gegenläufiges Verfassungsgut gerechtfertigt werden 484 . Bedarf es des Freiheitsschutzes auch auf unsicherer Tatsachengrundlage wegen prognostizierter schädlicher Folgen, kann Art. 19 Abs. 4 GG als Teil der Gesamtverfassung 485 und als verfahrensmäßige Sicherungsnorm Teil gerade auch des grundrechtlichen Schutzgefüges dem schwerlich absolute Grenzen setzen. Vielmehr bedarf es auch hier
481
Siehe oben Teü Π § 4 B.I., ΙΠ.2., 4. Siehe oben Teü Π § 4 B.m.l. 483 Ebenso namentlich Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 415 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht m/1, S. 686 f., 730 ff. m.w.N. sowie bereits oben Teil Π § 4 Β.ΙΠ.2. 484 Siehe oben Teün§ IC. 485 Siehe BVerfGE 60,253 (267). 482
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des Ausgleichs zwischen den Belangen dessen, dessen Freiheit durch die eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten erhöht gefährdet ist, und den Interessen dessen, dem durch einen diese Gefahrdung hervorrufenden Schutz geholfen werden soll. Das gilt bereits auf der Ebene des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes, wenn auch die Schutzbelange subjektiv einforderbar sind. Sind die Schutzbelange vorrangig, stellen sie eine Rechtfertigung für eine Einschränkung des Art. 19 Abs. 4 GG zu Lasten der in ihren Abwehrrechten Betroffenen dar 4 8 6 . 4. Vereinbarkeit
mit der Gewaltenteilung
Die Freiheitssicherung setzt die Gewaltenteilung voraus, wie Art. 1 Abs. 3 GG und die zahlreichen Gesetzesvorbehalte im Grundrechtsteil deutlich machen 487 . a) Zwischen Exekutive und Legislative Umfassende Beurteilungsmöglichkeiten der Exekutive bei fehlender gesetzlicher Regelung drohen den Parlamentsvorbehalt 488 für die Entscheidung von Kollisionen zwischen Abwehr- und Schutzbelangen, der einer möglichst gerechten und umfassenden Abwägung der in Frage stehenden Belange 489 und damit gerade auch der Freiheitssicherung dient, auszuhöhlen. Vor allem i m Bereich der Technik und des Umweltschutzes, die einen breiten Raum der die Schutzpflichten des Staates herausfordernden Gefährdungsbereiche einnehmen, treten Änderungen auf, die ein rasches Reagieren des Gesetzgebers notwendig machen und bei Verzögerung eine Gestaltungslücke für die Exekutive eröffnen würden. In diesen zahlreichen Situationen eine allgemeine Notkompetenz der Exekutive anzunehmen, und sei es auch nur „auf der Grundlage vorausschauender Gesetze" 490 , erscheint daher bedenklich. Zudem kann eine der späteren 486
Ausführlich § 4 A.m.3. Näher Frenz, ZG 1993,248 (258). 488 Zum Verhältnis von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt Ossenbühl, in: HStR m $ 62 Rn. 40 m.w.N. Bei Konflikten zwischen grundrechtlichen Abwehr- und Schutzbelangen handelt es sich jedoch regelmäßig um bedeutende Fragen, so daß jedenfaUs nach den Kriterien der Wesentlichkeitstheorie die Grenze von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt identisch ist 489 Siehe oben Teü Π § 4 B.m.3. 490 Kloepfer, WDStRL 40 (1982), 63 (74); im Anschluß an ihn Ossenbühl, in: HStR m § 62 Rn. 61; vorsichtiger Schröder, DVB1. 1984, 814 (819) sowie auch Kloepfer in der Diskussion WDStRL 40, (1982) 135: Notwendigkeit einer „vorher erteüten allgemeinen gesetzlichen Ermächtigung". Vielfach besteht jedoch das Problem einer völligen Regelungslosigkeit oder zumindest einer nicht auf den aktueüen Forschungsstand abgestimmten und damit an aktueüen Entwicklungen vorbeigehenden Normierung. - Dazu im Gegensatz steht die BVerfG-Rspr., die eine Norm 487
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Grundentscheidung des Gesetzgebers zuwiderlaufende Bevorzugung der einen Seite nicht ausgeschlossen werden. Schließlich besteht die Gefahr einer sich widersprechenden Verwaltungspraxis 491 . Umgekehrt aber kann wegen der oft langen Gesetzgebungsdauer und der Gefahr der Verfestigung von Grundrechtsbeeinträchtigungen 492 schwerlich auf ein Zuwarten bis zu einer legislativen Entscheidung verwiesen werden, auch wenn diese Altfälle einbezieht 493 . Diese Konfliktlage erinnert an die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Legislative und dem Bundesverfassungsgericht, wenn ein grundgesetzwidriger Rechtszustand besteht und die rechtliche Lage für die Übergangszeit bis zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung einer Lösung bedarf. Auch in dieser Situation geht es darum, einerseits die Einhaltung der Verfassung sicherzustellen und andererseits die Gestaltungsprärogative des Gesetzgebers zu wahren. Während das Bundesverfassungsgericht meist vor einer eigenen Interimsregelung unter Hinweis auf die Wahrung der legislativen Gestaltungsfreiheit zurückschreckt 494 , hat es sich über die außergewöhnlichen Fälle hinaus, in denen es Maßnahmen auf der Grundlage von § 35 BVerfGG traf 495 , in der Entscheidung zum Ehegattennamensrecht für den Erlaß einer Übergangsregelung kompetent erklärt, um schwere und irreparable Grundrechtsverstöße zu verhindern 496 . Dies entspricht auch einer funktionell-rechtlichen Betrachtungsweise. Da das Bundesverfassungsgericht die einzige Instanz ist, die sofort und ohne den Eintritt weiterer Verfassungsverstöße wieder einen grundgesetzgemäßen Zustand herstellen kann, läßt ihm der tiefere Sinn der Gewaltenverteilung, die Sicherung der Freiheit 497 , die Kompetenz für Übergangsregelungen zuwachsen. Um gleichwohl eine Überlastung zu vermeiden und in Anbetracht der besseren Ausstattung der Legislative für die Gesetzgebung bedarf es einer Beschränkung auf das erforderliche Maß, eben auf die Verhinderung irreparabler Folgen eines
deshalb nicht für nichtig erklärt, damit weiterhin eine gesetzliche Grundlage besteht: Sie sucht gerade eine „Notkompetenz" der Verwaltung ohne gesetzliche Grundlage zu verhindern (BVerfGE 33,303 (347)). 491 BVerfGE 33,303 (347). 492 Siehe oben Teü Π § 4 B.I.2. 493 BVerfGE 55,100; näher Pestalozzi Verfassungsprozeßiecht, S. 351 f. m.w.N. 494 Grundlegend BVerfGE 8, 28 (37); 22, 349 (361 f.); zur Entwicklung Pestalozza, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG Bd. 1, S. 519 (533 ff.); aus neuerer Zeit etwa BVerfGE 85, 80 (90); 85,191 (211 f.). 495 BVerfGE 39, 1 (2 f., 68); 48, 127 (130 f., 184); 88, 203 (209 ff., 336 f.); dazu Lerche, in: Festschrift für Gitter, S. 509 ff. 496 BVerfGE 84,9 (22). Zwar zieht das Gericht in dieser Entscheidung auch den Gedanken der Rechtsklarheit heran (S. 20), hält diese jedoch auch durch eine bloße Weiteranwendung der alten, verfassungswidrigen Vorschrift für erreichbar (S. 22). 497 Siehe oben Teil m § 4 Α.ΙΠ.4.
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
319
Verfassungsverstoßes, und der Ausklammerung lediglich leichtgewichtiger Grundrechtseinbußen498. Dieser Maßstab kann auch für die Kompetenzabgrenzung zwischen Exekutive und Legislative herangezogen werden, die ebenfalls funktionell zu erfolgen hat 499 . Das Parlament ist aufgrund seiner Zusammensetzung aus verschiedenen Gruppen sowie der gestuften und öffentlichen Beratung und Abstimmung für richtungweisende, vielfältige Interessen berücksichtigende Entscheidungen, die von der Bevölkerung möglichst weitgehend akzeptiert werden, besonders geeignet 500 . Die Verwaltung ist als neutrale und von Einzelinteressen unbeeinflußte Instanz in erster Linie für die Umsetzung dieser Entscheidungen in Einzelfällen befähigt. Vermag mangels gesetzlicher Vorgaben die Verwaltung in einer Einzelsituation als einzige Instanz eine schwere irreparable Verletzung von Grundrechten zu verhindern, geht es um einen Einzelfall. Daher ist ihr aufgrund der grundsätzlichen Befähigung zu seiner Regelung im Falle einer Gefährdung von Schutzbelangen auch ein Eingriffsrecht ohne gesetzliche Grundlage zuzubilligen. Die Reduktion auf schwerwiegende Folgewirkungen stellt bei einem Übergreifen in das Rechtsverhältnis zwischen Privaten sicher, daß diese Ebene der Gleichordnung grundsätzlich staatlichem Einfluß entzogen und individueller Selbstbestimmung überlassen bleibt 501 , außer es ergibt sich ein grobes Ungleichgewicht, das die Freiheitsverwirklichung einzelner in Frage stellt. Eine solche Situation ist vor allem auch im Umweltrecht denkbar, wenn etwa durch den Betrieb einer Anlage Gefahren für Leben und Gesundheit hervorgerufen werden. Eine Normsetzungsbefugnis ist damit indes auch als Notkompetenz nicht verbunden, obgleich die Legislative trotzdem jederzeit durch den Erlaß eines Gesetzes die Rechtslage wieder nach eigenen Vorstellungen prägen könnte 502 . Daß dem Bundesverfassungsgericht ein solches Recht zukommt, beruht auf seiner besonderen Stellung, die es ihm unmöglich macht, durch Einzelfallregelungen Verfassungsverstöße zu verhindern 503 . Würde eine Normsetzungsbefugnis in der Hand der Exekutive auch zu einer Vereinheitlichung von Einzelfallentscheidungen führen, bedarf es ihrer nicht zur Lösung von unaufschiebbaren Grundrechtskollisionen. Vor allem aber wäre damit eine stärkere Vorprägung der parlamentarischen Tätigkeit verbunden. Außerdem ergäbe sich man498
Näher Frenz, ZG 1993,248 (255 ff.) mit Beispielen. BVerfGE 68,1 (86 f.); näher oben Teil Π § 4 Β.ΠΙ.5. 500 Siehe oben Teü Π § 4 Β.ΠΙ.5. 501 Vgl. oben Teü Π § 4 Β.ΠΙ.3. 502 Vgl. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 327. 503 Das BVerfGG sieht den Erlaß einer Einzelmaßnahme durch das BVerfG nicht vor. Vor allem widerspräche eine solche Möglichkeit der Beschränkung der Befugnisse des BVerfG auf Verfassungsfragen, während eine Einzelmaßnahme auch die Prüfung von - hier noch näher festzulegenden - einfachgesetzlichen Voraussetzungen einschlösse. 499
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
gels gesetzlicher Zuweisung die Schwierigkeit, die zuständige Ebene zu bestimmen. Greift man auf die ausführende Ebene zurück, wären womöglich verschiedene parallele Normierungen die Folge, obgleich eine einheitliche Regelung geboten ist. Diese Schwierigkeiten vermeidet scheinbar weitgehend eine Beschränkung der Normierungskompetenz auf die Bereiche, die keine wesentliche Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung haben. Für diese Felder wird ohnehin eine originäre Rechtssetzungsbefugnis der Exekutive angenommen504. Sie stünden ihr danach auch nach einer Regelung durch ein Parlament zu. Das aber ist entsprechend dem Zugriffsrecht des Parlaments abhängig von einer normativen, nicht in Einzelheiten feststehenden Bestimmung 505 , die auch erst das für den Erlaß zuständige Exekutivorgan bestimmt. Damit würde sich die Exekutive in Bereichen entfalten, die ihr nach dem Willen des Gesetzgebers womöglich gar nicht zustehen sollen, und auf diese Weise auch in stärkerem Maße Vorwirkungen für die vom Parlament beanspruchte Regelungsebene entwickeln, als dies zur Vermeidung irreparabler und schwerer Grundrechtsverletzungen notwendig ist. Diese Beeinträchtigungen würden im Gegenteil bei einer Ausklammerung von Bereichen mit wesentlicher Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung gar nicht erfaßt. Gerade für sie erwies sich aber eine Handlungskompetenz der Verwaltung auch ohne gesetzliche Grundlage als besonders bedeutsam. Vorprägungen der späteren Gesetzgebungstätigkeit sind indes wegen der grundsätzlichen Aufgabenverteilung zwischen den Gewalten möglichst weitgehend zu verhindern. Um den legislativen Gestaltungsspielraum in größtmöglichem Umfange zu wahren, sind entsprechend der aufgezeigten vergleichbaren Situation mit Rechtsfolgeanordnungen des Bundesverfassungsgerichts bei einem Gesetzgebungsdefizit die Begrenzungen heranzuziehen, die das Bundesverfassungsgericht für seine eigene Ersatzzuständigkeit bei einer auftretenden Gesetzeslücke entwickelt hat 506 . Die Exekutive muß sich auf die Entscheidungen beschränken, die bis zu einer umfassenden Interessenabwägung durch den Gesetzgeber nicht aufgeschoben werden können. Zugleich hat sie sich nach Möglichkeit auf Regelungen zu konzentrieren, die nur die Situation bis zum Erlaß eines Gesetzes ordnen, ohne daß auch darüber hinaus Nachwirkungen verbleiben. Das ist etwa meist dann möglich, wenn der Bau einer Anlage nicht genehmigt wird, es sei denn, die wirtschaftliche Situation ändert sich durch eine Baukostenexplosion derart, daß diese Anlage nicht mehr finanzierbar ist, oder die rasche Entwicklung in anderen Ländern macht 504
Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 391 f.; Ossenbühl, in: HStR m § 62 Rn. 60. Maurer, VVDStRL 43 (1985), 135 (162); Schröder, DVBl. 1984, 814 (821 f.); anders Bökkenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 391 f.; Kisker, NJW 1977,1313 (1318 Fn. 36). 506 Siehe BVerfGE 84,9 (23 f.). 505
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
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einen Bau später wirtschaftlich uninteressant. Demgegenüber beinhaltet die Freigabe zur Nutzung technischer Möglichkeiten oft nicht mehr korrigierbare Weichenstellungen. Dies gilt namentlich im Bereich der Gentechnik, wenn eine sog. verbrauchende Embryonenforschung zur Tötung von Frühembryonen führt, die nicht nur gegen Art. 2 Abs. 2 GG verstößt 507 , sondern im Hinblick darauf, daß menschliches Leben zum Objekt vorzeitiger heteronomer Verfügung wird, auch gegen Art. 1 Abs. 1 GG 5 0 8 . Oder wenn ein qualitativer Sprung in den Möglichkeiten der Erbgutveränderung eingetreten ist, der jedenfalls infolge des Maßes seines „optimierenden" Zugriffs auf die Gattung Mensch bereits die Menschenwürde antastet509. Die Zulassung des Betriebs einer Anlage kann auch nicht mehr rückgängig zu machende Folgen für die Umwelt in sich bergen. Tendenziell ist mit der Erteilung von Genehmigungen eine stärkere Vorprägung verbunden. Dieser Gesichtspunkt darf freilich nicht zu einer Zurückdrängung der abwehrrechtlichen Freiheit führen, wenn sie im Einzelfall Vorrang verdient. Ob dem so ist, muß durch eine Abwägung mit den a priori gleichgewichtig zu behandelnden Schutzbelangen510 festgestellt werden. Anhaltspunkte für den Inhalt der Entscheidung sind - auch im Hinblick auf die generelle Gesetzesbindung der Verwaltung gem. Art. 20 Abs. 3 GG - bei Vorhandensein aus parallelen oder verwandten legislativen Regelungen zu ziehen. So war vor Erlaß des Gentechnikgesetzes jedenfalls eine Orientierung an den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes denkbar, wenn man es schon nicht als direkt anwendbar ansah 511 . Ist eine den genannten Grundsätzen entsprechende Übergangsregelung durch die Verwaltung gefunden, könnte gleichwohl durch die Gesamtzahl der vorgenommenen Entscheidungen die Gefahr einer Verfestigung der Rechtslage eintreten. Indes werden Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes eine Änderung der Rechtslage auch im Einzelfall häufig deshalb nicht hindern, weil oftmals den Adressaten deutlich sein wird, daß es sich um einen Zustand des Übergangs handelt und mit einer baldigen und gegebenenfalls im Verhältnis zur ergangenen Einzelentscheidung gegenteiligen Normierung zu rechnen ist 5 1 2 . Die Ver-
507
Vgl. BVerfGE 39,1 (36 ff.); 88,203 (251). Vitzthum, in: Festschrift für Dtlrig, S. 185 (197); vgl. auch Fechner, JZ 1986,653 (661 f.). 509 Vgl. Vitzthum, ZRP 1987,33 (37). 510 Siehe oben Teil m § 4 C.H.2. 511 Dies bejahend etwa Sendler, NVwZ 1990, 231 (233); w.N. bei Kloepfer, in: Festschrift für Lerche, S. 755 (765 Fn. 34), der selbst freilich auf die fehlende Entscheidung über die Zulässigkeit gerade gentechnischer Anlagen im BImSchG verweist, was der auch das Erfordernis einer hinreichenden Regelungsdichte umfassenden Wesentlichkeitstheorie zuwiderläuft (Kloepfer aaO., S. 768); siehe auch Pohlmann, Neuere Entwicklung im Gentechnikrecht, S. 103 f. 512 Vgl. BVerfGE 72,200 (258); 13,261 (272); 30, 367 (387 ff.) m.w.N. und Fallgruppen; krit zur Rspr. Stern, Staatsrecht I, § 20IV 4, S. 654. 508
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
waltung kann dies sicherstellen, indem sie bei einer Genehmigung ausdrücklich auf die unsichere Rechtslage verweist. b) Zwischen Exekutive und Judikative Bleibt noch das Verhältnis zwischen exekutiven Entscheidungsträgern und den Gerichten zu beleuchten. Eine generelle Ersetzung legislativer Defizite durch die Judikative scheidet insbesondere deshalb aus, weil die Gerichte von ihrer Anlage her auf eine überprüfende Tätigkeit ausgerichtet sind und dementsprechend ihre Ausstattung und insbesondere ihre Abhilfemöglichkeiten unzureichend sind. Sie besitzen keine Gestaltungskompetenz und können erst auf eine Anrufung hin reagieren. Die Verwaltungsgerichte vermögen insbesondere nicht selbst auch nur Übergangsrecht zu setzen513. Die staatlichen Gestaltungsorgane - hier die Exekutive - sind als die Lebenswirklichkeit prägende und nicht wie die Gerichte vorrangig überprüfende Instanzen wegen ihrer Sachnähe und ihren flexiblen Reaktionsmöglichkeiten für die Überbrückung von Gesetzgebungsdefiziten besser geeignet. Gerade die ungesicherte Tatsachengrundlage verlangt eine rasche Anpassung und ein schnelles Reagieren, und zwar auch bei ungewissen Sachverhalten. Sind diese beiden Faktoren erforderlich, um ein Verfassungsgut zu schützen, rechtfertigt dieses einen gerichtsfesten behördlichen Beurteilungsspielraum, sofern tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind, und die damit verbundene Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG. 5. Zwischenergebnis Bei einer subjektiv-rechtlichen Ableitung der grundrechtlichen Schutzpflichten ist die Exekutive auch ohne eine normative Ermächtigung bei einer drohenden schweren und irreparablen Beeinträchtigung von grundrechtlich geschützten Gütern 514 zu Eingriffen befügt und dadurch handlungsfähig, und zwar auch bei einer ungewissen Tatsachenlage. Es gibt keine Vermutung für die abwehrrechtliche Freiheit, sondern es bedarf einer Abwägung im einzelnen. Erst die staatliche Gesetzgebung entscheidet den Konflikt und legt damit unter Umstän513 113 VwGO sieht im wesentlichen nur die Möglichkeit einer Aufhebung einer Maßnahme bzw. der Verpflichtung der Exekutive zur Vornahme einer Regelung vor und weist den Gerichten lediglich in sehr engen Grenzen und im einzelnen aufgeführt (Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2) gestaltende Elemente zu. § 47 VwGO beinhaltet nur die Überprüfung der Gültigkeit und kennt als Rechtsfolge die Nichtigerklärung. 514 Ob man die Reichweite der grundrechtlichen Schutzpflichten dogmatisch auf Obergriffe durch Private beschränkt (Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 112,120 ff.) oder etwa auch Naturgefahren einbezieht (etwa Dieüein, Schutzpflichten S. 124), spielt bei Umweltgefährdungen regelmäßig keine Roüe, da hinter schädigenden Einwirkungen meist Private stehen. Relevant wird dies höchstens dann, wenn die Emissionen aus dem Ausland kommen. Gegen das Ausland jedoch vermag die Bundesrepublik nicht durch Gesetze oder behördliche Einzelakte vorzugehen.
§ 4 Reichweite bei unsicherer Beurteilungslage
323
den mit Bindungswirkung für die Verwaltung und auch für die Gerichte, sofern die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht überschritten werden, einen Vorrang der Schutzseite oder der Abwehrkomponente fest.
D. Fazit Vermag der Staat beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte das Bestehen einer Gefahrensituation gesetzlich festzulegen, selbst wenn unterschiedliche Folgerungen aus einer solchen Tatsachenlage gezogen werden können und er lediglich Vorsorgen will, ist er auch im Umweltbereich trotz der dort bestehenden Unsicherheiten in der Sachverhaltsermittlung handlungsfähig. Mit dieser Befugnis zur Bestimmung einer Gefahrenlage geht die Kompetenz und bei der Rechtfertigung durch ein überwiegendes Verfassungsgut ein auch gerichtsfester Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers einher, Eingriffsmöglichkeiten gegen eine bestimmte Person oder Personengruppe vorzusehen, die sich ebenfalls aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte als Verursacher der ermittelten oder der noch zu ermittelnden Gefahrenquelle erweist. Die Exekutivorgane können dadurch auch zur Gefahren- und Risikovorsorge ermächtigt werden. Generell flankiert wird dies durch die Ausfüllungsbedürftigkeit des Gefahr- und des Störerbegriffs durch eine Rechtsgüterabwägung im Einzelfall mit Beurteilungsspielraum der Verwaltung, so daß auch Anscheins- und Verdachtslagen erfaßt werden können, und die daraus folgende Möglichkeit von Gefahrerforschungseingriffen. Hinzu treten Handlungsmöglichkeiten der Exekutive auch ohne gesetzliche Grundlage, um die drohende schwere und irreparable Beeinträchtigung von Grundrechten zu verhindern. Für das Verursacherprinzip ergibt sich damit auch bei Ungewißheiten über Kausalabläufe und Auswirkungen von Störfaktoren und staatlichen Maßnahmen ein breites Handlungsfeld. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß es auch dann, wenn man die Erleichterungen für die Rechtfertigung von Freiheitsbeschränkungen bei ungesicherter und nicht völlig aufklärbarer Tatsachengrundlage außer Betracht läßt, immer noch Bereiche auch im Umweltsektor gibt, in denen Ursachenketten feststehen; und diese Bereiche dürften durch ein Fortschreiten der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten eher zunehmen.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
§ 5 Rückwirkungsverbot A. Qualifizierung als unechte Rückwirkung I. Problematik Zieht der Staat Personen zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Gefahren durch Altlasten 515 heran, knüpft er an Sachverhalte mit Vergangenheitsbezug an. Das gilt etwa auch dann, wenn er für den Betrieb bereits bestehender Anlagen strengere Anforderungen festschreibt oder Verkaufsverbote erläßt und dadurch bereits produzierte, aber noch nicht in Verkehr gebrachte Produkte erfaßt 516 . In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Heranziehung des Verursachers mit dem aus dem Gebot der Rechtssicherheit als Element des Rechtsstaatsprinzips abgeleiteten517 Rückwirkungsverbot vereinbar ist. Während Änderungen in der Vergangenheit begründeter und abgeschlossener Sachverhalte regelmäßig unzulässig sind 518 , können in der Vergangenheit zwar begründete, aber noch bestehende Rechtsverhältnisse für die Zukunft angepaßt werden 519 , wenn die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, das Vertrauen des einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwiegen 520 .
Π. Grundsatz Werden für bestehende Anlagen strengere Anforderungen etwa im Hinblick auf zulässige Emissionen festgelegt, so ist zwar die Erstellung der Anlage beendet, der Betrieb geht aber weiter, so daß eine unechte Rückwirkung vor-
515
Zum Begriff oben Teü m § 1 Β. Etwa auf der Grundlage von § 23 Nr. 2 Krw-/AbfG. 517 BVerfGE 88, 384 (403); siehe aber auch BVerfGE 45,142 (168): auch Art. 14 GG; weitergehend BVerfGE 72, 200 (242 f.); 76, 256 (347): vorrangige Prüfung der Grundrechte bei tatbestandlicher Rückanknüpfung unter Einfließen rechtsstaatlicher Prinzipien; genereü auf die Grundrechte zurückgreifend insbes. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 95 ff., 279 ff.; ihm folgend Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 418 ff. m.w.N. Dem Streit wird hier aus Raumgründen nicht weiter nachgegangen. Gefolgt wird der Rspr. des 1. Senats des BVerfG. 518 BVerfGE 13, 261 (271); 45, 142 (168); siehe auch BVerfGE 72, 200 (257 f.): Notwendigkeit besonderer Rechtfertigung. 519 Vgl. zur Unterscheidung mit den Kategorien der echten und unechten Rückwirkung BVerfGE 72, 175 (196); 79, 29 (45 f.), aber auch BVerfGE 63, 343 (353); 72, 200 (241 ff.); 72, 302 (321 f.): Rückwirkung von Rechtsfolgen / tatbestandliche Rückanknüpfung; krit. etwa Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 79 ff. 520 BVerfGE 88, 384 (406 f.). Zur Notwendigkeit einer Übergangsregelung BVerfGE 67, 1 (15); 76, 256 (359). 516
§ 5 Rückwirkungsverbot
325
liegt 5 2 1 . Das gilt auch für verschärfte Vorgaben für zwar hergestellte, aber noch nicht in Verkehr gebrachte, wenngleich dafür bestimmte Produkte. In diesem Fall ist allerdings; zu bedenken, daß eine Entwertung der diesen Vorgaben nicht entsprechenden Erzeugnisse eintritt. Das aber ist im Rahmen der Abwägung mit den eine Rückwirkung erfordernden Allgemeininteressen zu berücksichtigen 522 . Wollte sich jemand eines Stoffes endgültig entledigen und lagerte er diesen daher in den Boden oder stellte ihn einfach ab, so ist der Sachverhalt nach dem Willen dieses letzten Besitzes abgeschlossen. Daher scheint ein Fall der echten Rückwirkung vorzuliegen 523 - im Gegensatz zu den Konstellationen, in denen Stoffe etwa durch Auslaufen aus einer Leitung und Versickern im Boden zu Altlasten wurden 524 . Mißt man dem Willen des Letztbesitzers eine solche Bedeutung zu, so ist maßgeblich, ob dieser den Sachverhalt als abgeschlossen betrachtet. Dann aber wird deijenige begünstigt, der sich beim Entledigen keine Gedanken um die Gefährlichkeit der mitgeführten Stoffe macht und damit keine Spätfolgen erwartet, so daß für ihn der Vorgang mit der Entledigung beendet ist, mithin eine echte Rückwirkung vorliegt, wenn später Vorschriften an diesen Sachverhalt anknüpfen. Demgegenüber muß bei demjenigen, der sich der Gefahren bewußt ist, die von den abgestoßenen Stoffen auch in Zukunft ausgehen können, eine unechte Rückwirkung angenommen werden. Entscheidend muß daher die objektive Sachlage sein. Von abgestoßenen Stoffen können aber dann, wenn sie nicht vernichtet, sondern abgelagert werden, regelmäßig auch nach der Entledigung Gefahren ausgehen. Daher handelt es sich um keinen beendeten Sachverhalt, solange noch Gefahren auftreten können. Es ist mithin regelmäßig ein Fall der unechten Rückwirkung gegeben.
ΙΠ. Behandlung der in der ehemaligen DDR begründeten Sachverhalte Eine besondere Situation besteht allerdings für die neuen Bundesländer hinsichtlich der - je nach Sachgebiet - vor der Wiedervereinigung am 3.10.1990 bzw. der bereits vorher erfolgten Überleitung bundesdeutschen Rechts zum 1.7.1990 525 gelegten Ursachen. Diese unterlagen zu diesem Zeitpunkt einem gänzlich anders gearteten Rechts- und Gesellschaftssystem. Dieses ging nicht von der Verantwortung des einzelnen aus. Der Staat bzw. die ihn beherrschende Partei umspannte, kontrollierte und lenkte die gesamte Gesellschaft in einem 521
Jarass, Die Anwendung neuen Umweltrechts auf bestehende Anlagen, S. 88 f. Dazu unten § 5 B. a.E. 523 Siehe BayVGH, BayVBl. 1986, 590 (591); Papier, Altiasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 3; Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 36. 524 So die Unterscheidung von Schräder, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 97 f. 525 Insbes. durch das Umweltrahmengesetz vom 29.6.1990, GBl. I DDR S. 649. 522
326
Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
umfassenden Sinne 326 . Es ging nicht um eine Lastenverteilung zwischen dem Bürger und dem Staat, sondern letzterem unterstand alles. Das Verursacherprinzip als Ausdruck individueller Verantwortung und Zurücknahme des Staates hatte darin keinen Platz. Wirken die Ursachen nach, ist indes der in dieser Zeit gelegte Sachverhalt nicht abgeschlossen. Wird an eine nach dem Untergang der DDR aufgetretene Schadensentwicklung und damit ein im nachhinein aufgetretenes Phänomen angeknüpft, liegt dieses in der Gegenwart. Es geht also nicht um eine infolge der fehlenden rückwirkenden Kraft ausgeschlossene327 Rückerstreckung des Grundgesetzes, sondern um seinen Bezug auf gegenwärtige Tatsachenlagen, wenngleich diese aus früheren Ursachen erwachsen. Insoweit findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich Anwendung 328 . Von daher gelten auch das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte. Somit kann für die Frage einer Rückwirkung an die im bundesdeutschen Recht geltenden Kategorien angeknüpft werden. Wegen des Nachwirkens der in der ehemaligen DDR gesetzten Ursachen ist an das Vorliegen einer unechten Rückwirkung zu denken. Jede Handlung erfolgt jedoch in einem bestimmten Umfeld, aus dem sich die an sie anknüpfenden auch zukünftigen Folgen ergeben. Von diesem Umfeld können freilich nicht sämtliche Umstände und Regelungen erfaßt sein, soll nicht nahezu jede in die Vergangenheit hineinreichende Rechtsgestaltung infolge der nur ausnahmsweisen Rechtfertigungsfähigkeit einer echten Rückwirkung nahezu unmöglich sein. Zu diesem Umfeld gehört indes der grundlegende Rahmen, in den der einzelne gestellt ist, mithin das politische und gesellschaftliche System. Ist ein Sachverhalt mit diesem untrennbar verknüpft, wäre er also ohne dieses Umfeld nicht entstanden, ist er mit dem Untergang dieses Umfeldes selbst als abgeschlossen anzusehen, so daß ein Fall der echten Rückwirkung vorläge. Allerdings ist Rechtsgrund des Rückwirkungsverbots jedenfalls nach der hier zugrundegelegten 329 Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts der Vertrauensgrundsatz, der seinerseits in dem Gedanken der Rechtssicherheit und damit dem Rechtsstaatsprinzip wurzelt. Es bezieht sich auf die grundsätzliche Wahrung der rechtlichen Grundlagen und Bedingungen der Le-
326
Siehe BVerfGE 84,290 (300); auch BVerfGE 88, 384 (402) sowie näher Brunner, in: HStR I § 10 Rn. 19 ff., 34 ff., 77 ff.; Luchterhandt, Der verstaatlichte Mensch, passim; für die Wirtschaft etwa Rehbinder, DVBl. 1991,421 (423); Müggenborg, NVwZ 1992,845 (849). 327 BVerfGE 2,237 (246); 17,38 (50 f.); 29,166 (175); 29,423 (437); 84,90 (122 f.); Isensee, VVDStRL 49 (1990), 39 (60 f.); Pieroth, VVDStRL 51 (1992), 91 (101); siehe auch BVerfGE 84, 290 (300). 328 Vgl. BVerfGE 29, 166 (175): Messung nach Inkrafttreten des GG eingetretener Rechtsfolgen früher geschlossener Ehen an Art. 6 Abs. 1 GG. 329 Siehe oben A.
§ 5 Rückwirkungsverbot
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bensgestaltung ,4m Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung." 530 Eine rechtsstaatliche Rechtssicherheit versprechende Ordnung war aber in der ehemaligen DDR gerade nicht gegeben531. Dasselbe gilt für die Grundrechte grundgesetzlicher Prägung 532 , die ebenfalls als Rechtsgrund des Rückwirkungsverbots angesehen werden 533 . Auch das Fehlen dieser Elemente war Bestandteil des in der ehemaligen DDR existierenden politischen und gesellschaftlichen Systems. Daher ist die Annahme eines darauf gestützten Vertrauenstatbestandes ausgeschlossen534. Eine Zementierung der aus diesem System erwachsenden Folgen scheidet deshalb aus und damit auch die Annahme einer echten Rückwirkung wegen des Untergangs des politischen und gesellschaftlichen Systems, auch wenn in ihm gelegte Ursachen bis heute weiterwirken. Bei einem Fortwirken von in der ehemaligen DDR gesetzten Ursachen ist somit eine unechte Rückwirkung gegeben. Bei der unechten Rückwirkung ist relevant, daß das Grundgesetz und damit auch das den Vertrauensschutz tragende Rechtsstaatsprinzip keine rückwirkende Kraft entfaltet. Es gibt daher für die frühere DDR grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Vertrauenstatbestand. Die in dieser Zeit aufgebauten Erwartungen müssen somit unberücksichtigt bleiben 535 . Relevant sind allein die zur Zeit der Wiedervereinigung bestehenden Erwartungshaltungen. Von daher kann auch das Vertrauen in den Fortbestand des Rechts der ehemaligen DDR fortwirken, aber nur insoweit, als besonderer Anlaß für die Erwartung bestand, daß Recht der DDR ausnahmsweise weiterhin in Kraft bleiben würde 536 . Vom Recht abweichende Praktiken der DDR, etwa Umweltverschmutzungen in hohem Maße auch jenseits staatlich gesetzter Grenzen hinzunehmen, sind deshalb nicht schutzwürdig. So wurden bzw. werden DDR-Altanlagen, bei denen die Anforderungen in Genehmigungen nicht eingehalten wurden, insoweit nicht von § 9 a AbfG bzw. nunmehr § 35 Krw-/AbfG geschützt 537 .
B. Folgen für die Gesetzgebung Im allgemeinen liegt somit dann, wenn Verursacher von Belastungen auch für bereits bestehende Anlagen und Ablagerungen (verschärft) in Anspruch 530
BVerfGE 45,142 (174). Dolzer, in: HStR VII, § 195 Rn. 10 ff.: Rechtsstaatsfeindlichkeit; siehe auch BVerfGE 84, 290 (300). 532 Brunner, in: HStR I, § 10 Rn. 77 ff.; Luchterhandt, Der verstaatlichte Mensch, S. 245 ff. 533 Siehe oben A. 534 Konsequenterweise untersucht BVerfGE 88, 384 nicht, inwieweit sich aus dem AbschluB zinsgünstiger Kredite in der ehemaligen DDR ein Vertrauensschutz gegen höhere Zinsen nach der Wiedervereinigung ergibt 535 Pieroth, WDStRL 51 (1992), 91 (101). 536 BVerfGE 88,384 (404 f.). 537 Enders, DVB1. 1993, 82 (83,90), a.A. Oebbecke, UPR 1995,161 (163). 531
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
genommen werden, eine unechte Rückwirkung vor. Die Interessen der Allgemeinheit bestehen regelmäßig in den das Verursacherprinzip tragenden Verfassungselementen insbesondere in Gestalt der Erfüllung staatlicher Schutzpflichten 5 3 8 und der Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG 5 3 9 , der Aktualisierung von gemeinwohlbezogenen Eigentümerpflichten 540 und der Verhinderung einer offensichtlich übermäßigen oder gleichheitswidrigen Belastung der Steuerzahler, die ein Einspringen der öffentlichen Hand verbietet 541 . Aufgrund der Schwere der Gefahren und der zu ihrer Verhinderung bzw. Beseitigung zu erwartenden Höhe der Kosten namentlich für die Neutralisierung von Altlasten, aber auch für die Nachbesserung bereits bestehender Anlagen sind diese Belange sehr gewichtig. Der Vertrauensschutz dessen, der Gegenstände ablagert, wird demgegenüber deshalb nicht hoch sein, weil er mit davon ausgehenden Wirkungen rechnen mußte und zumindest allgemeinpolizeirechtliche Eingriffsbefugnisse bei einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seit langem bestanden542. Jedenfalls wird er durch Belange der Allgemeinheit insbesondere in Gestalt einer Lastenverschiebung zu Lasten der Steuerzahler und des Umweltschutzes regelmäßig überwogen. Durch das Rückwirkungsverbot ist daher eine Heranziehung des Verursachers von Altlasten durch nach ihrer Entstehung erlassene Vorschriften nicht ausgeschlossen. Die Betreiber von Anlagen konnten regelmäßig beobachten, wie sich die staatlich geforderten Standards an den Stand der technischen Entwicklung anpaßten. Sie unterliegen der dynamischen, an dem neuesten Stand der Technik ausgerichteten Gefahrenabwehr- und Vorsorgepflicht des § 4 BImSchG 543 . Daher vermögen sie auch kein Vertrauen zu entfalten, daß die gesetzlichen Anforderungen unverändert bleiben 544 . Bringt eine Verschärfung allerdings eine gänzliche Entwertung bestehender Eigentumspositionen mit sich, übersteigt sie das aufgrund vorheriger Änderungen zu erwartende Maß. Sie trifft daher auf eine relevante Vertrauensschutzposition. Daß diese völlig zerstört wird, kann nur durch überragend wichtige Gemeinschaftsinteressen gerechtfertigt werden 545 . Ein Beispiel ist, wenn das Inverkehrbringen auch von bereits hergestellten Waren aufgrund von 538
Oben Teü Π §4. Oben Teü Π § 11 B. 540 Oben Teü Π § 5 C.V. 541 Oben Teil Π § 7 A.VI., B.IV., C. 542 Die polizeiliche Generalklausel war bereits in § 10 Π 17 des preußischen Allgemeinen Landesrechts von 1794 enthalten. 543 Jarass, Die Anwendung neuen Umweltrechts auf bestehende Anlagen, S. 170, 171 ff. mit weiteren Möglichkeiten einer künftige Änderungen erleichternden Dynamisierung (siehe S. 169). 544 Vgl. BVerfGE 62, 224 (228 f.); Badura, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Fakultät zu Berlin, S. 15. 545 Vgl. Jarass, Die Anwendung neuen Umweltrechts auf bestehende Anlagen, S. 89. 539
§ 5 Rückwirkungsverbot
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§ 23 Krw-/AbfG verboten wird, die bei der Entsorgung höchstgefahrliche Stoffe freisetzen, die nicht unschädlich gemacht werden können 546 .
C. Folgen für die Inanspruchnahme als Störer Die Ausgangslage ist parallel für das Polizeirecht, wenn jemand Stoffe früher ordnungsgemäß endgültig abgelagert hat und diese Stoffe aufgrund neuer Erkenntnisse bzw. eines geschärften Bewußtseins nunmehr Gefahren verursachen, die ein staatliches Eingreifen erfordern. In diesem Fall liegt das ursächliche Verhalten ebenfalls in der Vergangenheit, die darauf zurückzuführende Gefahr tritt dagegen erst später auf. Weil sich aber durch die auftretende Gefahr erst die bereits angelegten Folgen des damaligen Verhaltens aktualisieren 547 , kann nicht von einem mit der Ablagerung beendeten Sachverhalt und damit von einem Fall der echten Rückwirkung ausgegangen werden 548 . Es handelt sich schon nicht um eine Rechtsänderung, sondern um eine geänderte Subsumtion auf neuer Erkenntnisbasis 549. Abgesehen davon ist der Sachverhalt noch nicht abgeschlossen, so daß der Zeitpunkt der (aktuellen) behördlichen Entscheidung für die Beurteilung der Verhaltensverantwortlichkeit und damit für die Qualifikation als Störer maßgeblich ist 5 5 0 . Das Vertrauen des Ablagerers von Stoffen verlegt mithin den maßgeblichen Zeitpunkt für diese Beurteilung nicht in die Vergangenheit zurück 551 , sondern ist als Abwägungsposten den durch die Gefahrenlage bedrohten Allgemeinbelangen gegenüberzustellen und gerät regelmäßig ins Hintertreffen 552 . Das gilt nicht nur hinsichtlich ursprünglich erkennbarer Gefahren 553 oder bei erkennbar mit einem erhöhten Risiko behafteten Tätigkeiten 554 . Gerade auch in Ausnahmelagen, die nicht vorhersehbar sind, muß die Polizei effektiv reagieren können 555 . Die Gefährlichkeit eines Verhaltens bzw. einer Sache ist unabhängig von subjektiven Elementen. Eine Lastenverschiebung zuungunsten der Allgemeinheit beruht darauf gleichfalls nicht. Wegen der darauf bezogenen steuerrechtlichen Wurzel des Verursacherprinzips ist dieses nicht etwa auf erkennba-
546
Frenz, Verwirklichung, S. 104. Näher oben Teil m § 5 Α.Π. 548 So aber Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 38. 549 Kloepfer, NuR 1987,7 (9). 550 Ebenso Vollmuth, VerwArch. 68 (1977), 45 (56 ff.). 551 So Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 37 f. 552 Siehe oben Teü m § 5 B. 553 Darauf beschränkend Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 53 f.; siehe auch Medicus, JZ 1986,778 (783). 554 Brandner, Gefahrenerkennbarkeit, S. 62 ff. 555 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 312. 547
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
re Beeinträchtigungen beschränkt 556. Daß der Staat und nicht der einzelne die Folgen eines vermehrten Erkennens von Gefahren durch staatliche Organe bzw. „durch die vom Staat finanzierten und damit zugleich gelenkten Forschungen" trägt 557 , lähmt privaten und möglicherweise auch staatlichen Forscherdrang 558, ist also hinsichtlich der Anreizwirkung entgegen dem Verursacherprinzip kontraproduktiv. Die Gefahren individuellen Tuns werden staatlicher Verantwortung überbürdet, obgleich der Staat insoweit auch aus grundrechtlicher Sicht grundsätzlich gerade keine Verantwortung übernommen hat 559 . Dies widerspricht tieferliegend der aus der Menschenwürde folgenden Verantwortung für die Folgen eigenen Tuns und der Verantwortung auch des Verursachers als Teil der Gemeinschaft, als der er selbst für die Erhaltung ihrer Grundlagen zu sorgen hat 560 . Diese Verantwortung besteht unabhängig von der Erkennbarkeit von Folgen, ist doch auch diese Ungewißheit Bestandteil des menschlichen Daseins.
§ 6 Legalisierungswirkung von Genehmigungen A. Problematik und Meinungsstand Hat der Staat den Betrieb einer Anlage, die Abhaltung einer Veranstaltung etc. genehmigt, wird er dadurch nicht selbst zum Verursacher 561. Indes könnte er durch die Erteilung der Genehmigung gehindert sein, die Begünstigten als Verursacher in Anspruch zu nehmen. Die Genehmigung stellte sich dann, wenn schon nicht als Grund, so doch als Grenze der Anwendung des Verursacherprinzips dar. Von der Lösung dieser Frage hängt insbesondere die Bewältigung der Altlastenfälle ab 562 . Die ganz h.M. befürwortet eine solche Legalisierungswirkung 563 von Genehmigungen, wenngleich zumeist nicht pauschal, sondern entsprechend dem Inhalt der Genehmigungen und der erkennbaren Auswirkungen zum Zeitpunkt ihrer Erteilung 564 .
556
So Brandner, Gefahrenerkennbarkeit, S. 69. Medicus, JZ 1986,778 (783). 558 Brandner, Gefahrenerkennbarkeit, S. 93 f. 559 Siehe oben Teü Π §2. 560 Siehe oben Teü Π §8. 561 Siehe oben Teil Π § 2. 562 Demententsprechend wählt Fluck, VerwArch. 79 (1988), 406 als Titel für seine Abhandlung: Die „Legalisierungswirkung" von Genehmigungen als ein Zentralproblem öffentlich-rechtlicher Haftung für Altlasten. 563 Begriffsprägend BVerwGE 55,118 (121). 564 BVerwGE 55,118 (120 f., 123); VGH BW, BB 1990, 237 (238), wenngleich zurückhaltender: „allenfalls"; Breuer, JuS 1986,359 (362); ders., NVwZ 1987,571 (755); Fluck, VerwArch. 79 (1988), 406 (420 ff.); Hermes, in: Becker/Schwarze/Köck/Kupka/von Schwanenflügel, Wandel der 557
§ 6 Legalisierungswirkung von Genehmigungen
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B. Oberflächliche Wirkung von Genehmigungen Durch die Erteilung von Genehmigungen haben sich indes die Auswirkungen und damit auch die Schädlichkeit bzw. Gefährlichkeit der entsprechenden Sachverhalte nicht verändert. Die Genehmigung gestattet nur die Ausübung der erlaubten Tätigkeit trotz ihrer Gefährlichkeit. Sie nimmt daher dieser Tätigkeit weder ihre Gefährlichkeit noch leitet sie die Verantwortlichkeit für sie von den Privaten auf den Staat über 565 . Ansonsten würden auch Inhaber weniger gefährlicher und daher nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen trotz der von ihrem Betrieb ausgehenden regelmäßig geringeren schädlichen Auswirkungen schlechter gestellt 566 . Die Verursachungsbeiträge und damit auch die Verursacherverantwortung bleiben mithin von Genehmigungen unberührt.
C. Schutzpflichten Erweist sich, daß trotz Genehmigung einer Maßnahme Gefahren für private Schutzgüter ausgehen, die das grundgesetzlich tolerierte Maß überschreiten, besteht ein Bedarf nach Schutz. Diesem vermag der Staat bei der Annahme einer spätere staatliche Eingriffe ausschließenden Legalisierungswirkung von Genehmigungen trotz der ihm obliegenden Schutzpflichten nicht mehr nachzukommen. Das gilt selbst dann, wenn entsprechende gesetzliche Befugnisse in Gestalt der polizeilichen Generalklausel vorhanden sind, diese aber wegen einer angenommenen Spezialität besonderer gesetzlicher Genehmigungsvorschriften 567 bzw. einer entsprechend weit gesehenen Bindungs- und Aus-
Handlungsformen im öffentlichen Recht, S. 187 (204 ff.); Kloepfer, NuR 1987, 7 (14); Peine, JZ 1990, 201 (211); Schneider, Alüastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 79 ff.; Schräder, Alüastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 177 ff.; Selmer, JuS 1992, 97 (100); Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 26 ff., 55 ff.; Seibert, DVB1. 1992, 664 (671); ders., Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, S. 450 ff. m.w.N. S. 449 f.; auch Schink, VerwArch. 82 (1991), 357 (382 f.); für ein BefristungsmodeU und einen innerhalb der Befristung verstärkten Bestandsschutz Wickel, Bestandsschutz im Umweltrecht, S. 274 ff.; ohne Einschränkung Martens, DVB1. 1981, 597 (605); Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 24 ff.; ders., DVB1. 1985, 873 (875 f.); ders., NVwZ 1986, 256 (257 ff.); auch Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 79; eine Legalisierungswirkung vöüig abl. Feldhaus/Schmitt, WiVerw. 1984,1 (11 f.); Brandt/Unge, UPR 1987,11 (15); Kokott, DVB1.1992,749 (753); siehe auch OVG NW, UPR 1984, 279 f.; NVwZ 1985, 355 (356); Reinhardt, Die Eingriffsbefugnisse der Wasserbehörden bei der Sanierung von Alüasten, S. 140 ff. 565
OVG NW, UPR 1984, 279; NVwZ 1985, 355 (356); Kokott, DVB1. 1992, 749 (753); Scharnhoop, DVB1.1975,157 (158 Fn. 12). 566 Hermes, in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/von Schwanenflügel, Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, S. 187 (205); Kokott, DVB1.1992,749 (753). 567 BVerwGE 55,118 (120 f.); Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 25 ff.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
schlußwirkung der Genehmigung 568 als verdrängt angesehen werden. Der Verfassungsrang grundrechtlicher Schutzpflichten gebietet jedoch unabhängig von einer objektiv- oder einer subjektiv-rechtlichen Ableitung 569 eine Handhabung des einfachen Rechts, die ihre Einhaltung sicherstellt. Jedenfalls dann, wenn grundrechtliche Schutzpflichten anders nicht zu erfüllen sind, muß sich der Staat auch bei Vorhandensein einer Genehmigung auf die polizeiliche Generalklausel stützen können. Allerdings ist durch die Schutzpflichten nur ein unabdingbares Mindestmaß individueller Entfaltungsbedingungen geschützt. Zudem hat der Staat einen breiten Einschätzungsspielraum, wie er sie erfüllt 570 . Von daher ist es denkbar, daß allein die Statuierung eines Genehmigungserfordernisses und damit verbundener Prüfungsmaßnahmen genügen. Indes ist dadurch von vornherein ein Eingreifen nach Genehmigungserteilung ausgeschlossen. Im Hinblick auf die diffizile Vorhersehbarkeit von Gefahren 571 kann dies kaum die Einhaltung grundrechtlicher Schutzpflichten sicherstellen. Aber auch die Eröffnung von Eingreifmöglichkeiten lediglich für bei Genehmigungserteilung nicht erkennbare Gefahren läßt außer acht, daß Gefährdungen als solche zwar vorhersehbar sein mögen, ihre Intensität - ggf. in Verbindung mit anderen auftretenden Phänomenen - dagegen schwerlich. Daher erfordern die grundrechtlichen Schutzpflichten regelmäßig einer Genehmigung nachfolgende staatliche Eingreifmöglichkeiten. Solche sind zum Teil spezialgesetzlich festgelegt 572. In diesem Umfang fehlt es bereits aufgrund besonderer Normierung an einer Legalisierungswirkung 573 . Zudem werden damit vielfach lediglich auf die besondere Funktion eines solchen Spezialgesetzes bezogene Gefahren erfaßt. Von daher kann nicht daraus, daß nur einige Gesetze zu Nachbesserungen ermächtigen, geschlossen werden, in anderen Fällen kämen solche nicht in Betracht. Ein solcher Schluß verbietet sich auch aufgrund der bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Diese aber erlegen selbst dem Gesetzgeber Nachbesserungspflichten auf, wenn sich sein bisheriges Verhalten als unzureichend erwies 574 .
568 Fluck, VerwArch. 79 (1988), 406 (410 ff.); Kloepfer, NuR 1987, 7 (12 f.); Schink, VerwArch. 82 (1991), 357 (382). 569 Dazu oben Teü Π § 4. 570 Siehe oben Teü Π § 4 Α.Π. für erne objektiv-, Β.ΠΙ.5. für eine subjektiv-rechtliche Ableitung. 571 Ausführlich oben Teü m § 4. 572 Siehe z.B. § 17 BImSchG mit der Ermächtigung, nachträgliche Anforderungen zu steüen, oder die auf den Stand der Technik verweisenden und daher dynamischen Regelungen der §§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, 7 a Abs. 1 WHG, dazu bereits Teü m § 2 Α. sowie § 5 Β. a.E. zu den Folgen im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot. 573 Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 106. 574 Etwa BVerfGE 65,1 (55 f.); 68, 287 (309); 73,118 (169,180,182).
§ 6 Legalisierungswirkung von Genehmigungen
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D. Weitere Folgen der Drittwirkung einer „LegalisierungsWirkung" Könnte der Staat aufgrund der Genehmigung eines Verhaltens gegen dieses, obgleich es Gefahren für Dritte hervorruft, nicht mehr einschreiten, hätte die Genehmigung auch eine weit in die Zukunft reichende belastende Drittwirkung. Sollen sich dann die davon Betroffenen dagegen wenden können, wie es die ihnen zustehenden rechtlich geschützten Belange jedenfalls in Gestalt von Art. 2 Abs. 2,14 Abs. 1 GG fordern, muß ihnen dies bereits bei der Entscheidung über die Genehmigung möglich sein. Die Legalisierungswirkung wird dann aber zum Bestandteil der Genehmigung und damit Element von deren Rechtmäßigkeit; sie kann aus dieser Sicht nicht mehr im Bereich der weiteren Wirkungen der Genehmigimg angesiedelt werden 575 , wäre mithin als eigene Rechtsfigur obsolet Praktische Folge wäre, daß die Genehmigungsbehörde zumal dann, wenn man die „Legalisierungswirkung" nicht strikt auf zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung erkennbare Gefahren beschränkt 576, die künftigen Auswirkungen der betriebenen Tätigkeit wesentlich stärker in ihre Beurteüung einbeziehen müßte als bei späteren (polizeilichen) Eingreifmöglichkeiten. Dadurch würde sich die Prüfungsdauer für Genehmigungen tendenziell (weiter) verlängern, die Genehmigungspraxis würde eher restiktiv, um künftige Gefahren zu vermeiden. Die durch eine „Legalisierungswirkung" scheinbar Begünstigten erlitten sogar Nachteile, die aufgrund der vielfach ohnehin langen Genehmigungsdauer den Grad einer Art. 12 Abs. 1 GG verletzenden berufsprohibitiven Tendenz erreichen bzw. die Eigentumsfreiheit beeinträchtigen können.
E. Vertrauensschutz als bloße zusätzliche Grenze nachträglicher staatlicher Eingriffe Staatliche Eingriffsbefugnisse finden stets in den Grundrechten ihre Grenzen. Ist eine Genehmigung vorhanden, wird der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Vertrauensschutz 577 aktiviert 578 . Insoweit wird die Rechtslage durch das Bestehen einer Genehmigung verändert. Das ist zugunsten des Genehmigungsinhabers zu berücksichtigen. Eine davon losgelöste579 oder auch darauf gestützte580, aber bei entsprechendem Inhalt der Genehmigung regelmäßig bejahte Legalisierungswir-
575
Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 106. Siehe pauschal Papier, Altiasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 25 f.; differenzierend Schink, VerwArch. 82 (1991), 357 (383); für eine Begrenzung dagegen Kloepfer, NuR 1987, 7 (14); ders., Umweltrecht, § 12 Rn. 142. 577 BVerfGE 30,392 (403); 84,133 (159).; siehe auch Maurer, in: HStR m , § 60 Rn. 79. 578 Siehe BVerfGE 50,244 (249 f.); 63,215 (223 f.); BVerwGE 91,306 (312 f.). 579 Insbes. BVerfGE 55,118 (120 f.); Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 25 ff. 580 Schräder, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 187. 576
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
kung ist angesichts der Nachbesserungspflicht des Staates bei unzureichenden Schutzvorkehrungen abzulehnen581. Eine solche Ablösung veränderte auch die Lastenverteilung zwischen dem einzelnen und der Allgemeinheit der Steuerzahler. Müßte der Staat deshalb, weil er eine Genehmigung erteilt hat, die Aufwendungen für die Beseitigung bzw. Verhütung von Schäden bezahlen, obgleich dies nach den entwickelten Grenzen der Verwendung von Steuergeldern zugunsten einzelner den privaten Anlagenbetreibern etc. obliegt 582 , könnte dieser Behördenakt die verfassungsrechtlich vorgegebene Lastenverteilung durchbrechen. Das kann allerdings durch ein konkurrierendes Verfassungsgut gerechtfertigt sein. Ein solches liegt in Gestalt des auf das Rechtsstaatsprinzip zurückführbaren Vertrauensschutzes vor 5 8 3 . Das im Einzelfall gegebene Maß an Vertrauensschutz ist daher mit der grundsätzlich verfassungsrechtlich vorgegebenen Lastenverteilung abzuwägen. Es gelten somit die für das Rückwirkungsverbot aufgezeigten Grundsätze 584. Regelmäßig ist eine Tätigkeit wegen ihrer Gefährlichkeit genehmigungsbedürftig. Das ist grundsätzlich auch den Begünstigten der Genehmigung bewußt. Daher ist der Vertrauensschutz regelmäßig nachrangig 585.
§ 7 Grenzen durch widersprechendes staatliches Verhalten? Auch wenn keine Genehmigung vorliegt, könnte ein in der Vergangenheit liegendes staatliches Vorverhalten ohne einen solchen formalen Charakter die Inanspruchnahme als Verursacher in der Gegenwart ausschließen oder doch mindern. Diese Frage ist namentlich für die Altlastensanierung 586 bedeutsam.
A. Duldung Schreitet eine Behörde nicht ein, obwohl sie die tatsächlichen Umstände kennt und die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, so liegt eine Duldung vor 5 8 7 . Infolge der Rechtsförmlichkeit der Genehmigung kann in einer Duldung keine konkludente Genehmigung gesehen werden 588 . Aufgrund des Nichthan-
581
Siehe vorstehend C. Siehe oben Teü Π § 7 Α.VI., B.IV. 583 Auf diesen absteUend auch Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (624); siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art, 20 Rn. 55 a.E. 584 Siehe oben Teil m § 5 B., C. 585 Gegenteilig Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Absch. Rn. 79. 586 Zum Begriff Teü m § 1 B. 587 Randelzhofer/Wilke, Die Duldung als Form flexiblen Verwaltungshandelns, S. 54 ff. 588 Reich, Ordnungsverfügungen im Rahmen der Bewältigung des Alüastenproblems, S. 109; Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); Papier, DVB1. 1985, 873 (877); Schräder, Alüastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 151. 582
§ 7 Widersprechendes staatliches Verhalten
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delns der Verwaltung zustandegekommen, ist sie kein Verwaltungs-, sondern ein bloßer Realakt, der keine Bindungs- und schon deshalb keine Legalisierungswirkung zu entfalten vermag 589 . Verneint man eine solche auch für Genehmigungen 590 , liegt der Schluß nahe, daß dann erst recht Duldungen eine private Verantwortung nicht beeinflussen können. Allerdings kann die Duldung rechtswidrig sein, weil der Staat hätte einschreiten müssen. Meist aber verfügt die Verwaltung über ein Opportunitätsermessen, wann sie einschreitet 591. Dann muß der Bürger auch jederzeit mit ihrem Einschreiten rechnen. Selbst wenn die Behörde längere Zeit 5 9 2 oder rechtswidrig geduldet hat, berührt dies den Verursacherbeitrag des Bürgers nicht. Indes kann dann ein Vertrauenstatbestand entstanden sein, auf den sich der einzelne verlassen durfte 593 . Ein solcher ist aber ausgeschlossen, wenn der Bürger um die Gefährlichkeit seines Tuns wußte oder wissen mußte. Andernfalls aber kann bei Überwiegen des Vertrauenstatbestandes gegenüber den bestehenden Gefahren eine Inanspruchnahme unverhältnismäßig sein 594 . Je nach Fallgestaltung liegt es allerdings näher, den Bürger zwar als Störer heranzuziehen, aber die Kosten im Umfang des berechtigt investierten Vertrauens der duldenden Behörde aufzuerlegen und insoweit die individuelle Verantwortung zu mindern 595 . Dann trägt die Behörde die Folgen ihrer Duldung bei Wahrung des Verursacherprinzips und einer möglichen Heranziehung Privater über die Notstandshaftung als Nichtstörer 596 hinaus. Eine Rechtfertigung durch Duldung scheidet dagegen aus 597 . Vielmehr hat der einzelne jedenfalls vom Ansatz her weiterhin die volle Verantwortung zu tragen. Etwas anderes gilt hingegen, wenn die Behörde den Verursacher aktiv zu seinem Verhalten angeregt hat; Rechtsgrund einer Mitverantwortlichkeit der Behörde ist dann aber nicht das Übermaßverbot 598, sondern ein eigener Verursachungsbeitrag in Form eigenen Tuns 599 . Daraus erwächst der Behörde die
589
Seibert, DVB1.1992,664 (671); Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 41. Siehe oben §6. 591 Darauf verweisen Randelzhofer/Wilke, Die Duldung als Form flexiblen Verwaltungshandelns, S. 55 f. 592 Daraufhebt Papier, DVB1.1985,873 (877) ab. 593 Darauf abstellend auch Pietzcker, JZ 1985,209 (215). 594 Vgl. BVerwG, DVB1.1979,67 (70). 595 Für eine Verantwortungsminderung auch Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); vgl. auch Reich, OrdnungsVerfügungen im Rahmen der Bewältigung des Alüastenproblems, S. 108 f. 596 Für diese Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 44. 597 Pietzcker, JZ 1985, 209 (215). Für eine Rechtfertigungswirkung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dagegen Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 43; ders., DVB1. 1985, 873 (877). 598 So Papier, DVB1.1985,873 (877). 599 Zur möglichen Verursachereigenschaft von Hoheitsträgern oben TeÜ ΠΙ § 1 E. 590
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Pflicht zur Folgenbeseitigung, die sie nicht auf einen Mitverursacher abwälzen darf.
B. Verwirkung Ohne daß das staatliche Verhalten den Grad einer Duldung erreichen muß, verwirkt die Verwaltung dann die Befugnis zur Ausübung eines Rechts, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen600. Befürwortet wird dies aber nur für verzichtbare Rechte, also für solche, die der Disposition der Beteiligten nicht entzogen sind 601 . Das wird bei Befugnissen zur Aufrechterhaltung von Belangen der Allgemeinheit und privater Interessen Dritter, denen ein Vorgehen gegen Verursacher regelmäßig dient, verneint 602 . Ist die Verzichtbarkeit als Kriterium derart absolut, ergibt sich das Problem, daß die Wurzel der Verwirkung, der Grundsatz von Treu und Glauben 603 und damit das entwickelte Vertrauen auf ein (hier staatliches) Nichtstun, außer acht gelassen und nicht in einen Ausgleich mit den durch staatliches Handeln zu wahrenden Belagen gebracht wird. Erfolgt dies hingegen, fungiert wiederum der Vertrauensschutz als Grenze für eine Inanspruchnahme 604. Dadurch wird die konkrete Situation des jeweiligen Störers entscheidend605, was auch dem personenbezogenen und nicht die Kompetenz als solche erfassenden Charakter des Verzichts entspricht 606. Zu bedenken ist weiter, daß der eigentlich Betroffene weder die Verwaltung noch der Inanspruchgenommene ist, sondern das durch dessen Verhalten gestörte private Opfer. Hat dieses einen Anspruch auf behördliches Einschreiten, kann es höchstens auf dessen Verzichtsbereitschaft ankommen 607 , es sei denn, indisponible Rechtsgüter wie das Leben 608 stehen in Frage.
600
BVerwGE 44,339 (343). BayVGH, BayVBl. 1974,559; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 37 Rn. 17; Bauer, DV 23 (1990), 211 (214); Brandt, Alüastenrecht, S. 144; Erichsen, in: ders., AUgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 51; auch BVerwGE 76,176. 602 Etwa Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 45; Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); weitergehend Striewe, ZfW 1986,273 (275 ff.). 603 BVerwGE 44, 294 (298 ff.); 48, 247 (251); BVerwG, NVwZ 1988, 730 f.; VGH BW, NVwZ 1989,76 (78). 604 Siehe Ossenbühl, Zur Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers für Altlasten, S. 79 f. 605 Daher den Vertrauensschutz als sachangemessenes Kriterium begreifend Ossenbühl, ebda., S. 54. 606 Näher Ossenbühl, ebda., S. 73 f.; ebenso VG Köln, NVwZ 1994,927 (930 f.). 607 Vgl. Isensee, in: HStR V, § 111 Rn. 113; Hülgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 134 ff. m.w.N. 608 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art 2 Rn. 47. 601
§ 8 Mehrheit von Verursachern
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C. Vernachlässigung der staatlichen Überwachung Überwachen staatliche Behörden privates Verhalten nicht, obwohl sie seine Gefährlichkeit kennen, kommt eine Duldung in Betracht, die indes eine private Verantwortlichkeit bestehen läßt und höchstens in den Modalitäten berührt 609 . Verletzen staatliche Behörden Überwachungspflichten, ist an eine Verminderung der privaten Verantwortlichkeit aus dem Gedanken behördlichen Mitverschuldens wegen Amtshaftung zu denken. Jedoch dienen die Überwachungspflichten dem Interesse der Allgemeinheit, nicht des zu Überwachenden, dem gegenüber sie somit nicht drittbezogen sind 610 . Somit bleibt nur eine Verschiebung der Verantwortlichkeit durch Gerechtigkeitsüberlegungen 611. Die staatliche Überwachung kann indes die Ursachen der privaten Verantwortung nicht verändern, sondern nur abschwächen. Sie dient mithin von vornherein nicht der Reduzierung oder gar Übernahme privater Verantwortung, sondern soll ihre Wahrnehmung sicherstellen. Sie läßt mithin wie die Genehmigung 612 die Verantwortung unberührt 613 . Andernfalls würden zudem diejenigen, die im Hinblick auf die Gefährlichkeit ihrer Tätigkeit staatlich überwacht werden müssen, gegenüber denen bevorzugt, die weniger gefahrlich agieren und daher nicht vom Staat beaufsichtigt zu werden brauchen 614 .
§ 8 Mehrheit von Verursachern A. Konstellationen Haben mehrere Personen eine Ursache für ein bestimmtes Phänomen gesetzt, liegt eine Mehrheit von Verursachern vor. Dann kommt zum einen in Betracht, sämtliche Verursacher in Anspruch zu nehmen. Dieser Weg unterliegt den aufgezeigten rechtlichen Grenzen, deren Einhaltung für jede durch den Gesetzgeber herangezogene Personengruppe bzw. für jede durch die Verwaltung belangte Person einzeln zu prüfen sind. Er hat den Vorteil einer Erfassung aller erkennbaren und ausreichend nachweisbaren Verursacherbeiträge. Keiner wird ausgeklammert und dadurch ungerechtfertigt begünstigt.
609
Siehe oben § 7 A. Kloepfer, NuR 1987,7(17); Reich, Ordnungsverfügungen im Rahmen der Bewältigung des Alüastenproblems, S. 110. 611 Dafür Kloepfer, NuR 1987, 7 (12 f.) in den Fällen unerkennbar gefährlicher Abfälle. Krit dazu Reich, aaO., S. 111 f. 612 Siehe oben Teü m § 6. 613 Das anerkennt grundsätzlich auch Kloepfer, NuR 1987,7 (12). 614 Vgl. zur Legalisierungswirkung von Genehmigungen oben Teü TO. § 6 B. 610
22 Frenz
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
Allerdings verhindern Schwierigkeiten, Verursacherbeiträge nachzuweisen, und politische Widerstände meist eine Inanspruchnahme sämtlicher Verursacher. Auch kann es zweckmäßiger sein, an einer bestimmten Stelle einer Verursacherkette anzusetzen und dadurch die weiteren Glieder zu Verhaltensänderungen zu bringen. Ein Beispiel sind Vorgaben für die Hersteller von Kraftfahrzeugen hinsichtlich des zulässigen Schadstoffausstoßes, die zugleich zu einer größeren Umweltschonung durch die Fahrer führen 615 . Auf diese Weise nimmt der Gesetzgeber vielfach nicht alle als Verursacher in Betracht kommenden Personengruppen in Anspruch, sondern nur einige von ihnen. Die Verwaltung ist an die Festlegungen des Gesetzgebers gebunden. Sie hat die Personen in Anspruch zu nehmen, die ihr normativ vorgegeben sind, soweit ihre Heranziehung insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Insoweit findet nur eine rechtliche Aussonderung von Verursachern statt. Lediglich dann, wenn der Verwaltung normativ ein Ermessen eingeräumt ist, wen sie belangen will, kann auch sie unter einer Mehrheit von Verursachern nach eigenen Vorstellungen auswählen.
B. Lösung auf Gesetzgebungsebene Wählt der Gesetzgeber eine Verursachergruppe aus, unterliegt er insbesondere zwei Grenzen. Zum einen muß die Ausklammerung einer Gruppe mit den Grundlagen des Verursacherprinzips vereinbar sein; mithin müssen etwa staatliche Schutzpflichten auch ohne die Belastung dieser Gruppe erfüllt werden können. Zum anderen muß die Heranziehung einer bestimmten Gruppe verhältnismäßig sein 616 . Sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Schutzpflichten und des insoweit bestehenden Untermaßverbotes 617 als auch bezüglich der Beurteilung des mildesten und des angemessenen Mittels, mithin für die Art und Weise, wie er das Übermaßverbot wahrt, steht dem Gesetzgeber aber ein Einschätzungsspielraum zu 6 1 8 . Die Auswahl unter einer Mehrheit von Verursachern beruht in diesem Umfang auf der Entscheidung des Gesetzgebers.
C. Lösung auf Verwaltungsebene Die Verwaltung kann, wie bereits festgestellt 619, dann eine Entscheidung zwischen mehreren Verursachern treffen, wenn sie gesetzlich dazu ermächtigt ist. 615
Siehe bereits Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 111. Siehe oben Teü m § 1 A.I. 617 BVerfGE 88,203 (254). 618 Näher oben Teü m § 4 Β. sowie zu beiden Elementen BVerfGE 88,203 (254, 261 f.); Sondervotum Mahrenholz/Sommer, BVerfGE 88, 203 (340). 619 Oben Teil ΠΙ § 8 A. 616
§ 8 Mehrheit von Verursachern
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Ein Hauptbeispiel ist das Polizeirecht, wonach die Polizei die Maßnahmen zu treffen hat, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen 620; die Störerauswahl ist daher eine Ermessensfrage 621. Die Ausübung des Ermessens bestimmt sich gem. § 40 VwVfG zunächst nach dem Zweck der Ermessensermächtigung. Handelt es sich um eine das Verursacherprinzip umsetzende Norm, ist dieses auch Leitgrundsatz für die Ermessensausübung. Finden sich im Gesetz selbst nicht nähere Anhaltspunkte, vor welchem Hintergrund das Verursacherprinzip umgesetzt wurde, ist auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen zurückzugreifen. Aus den Polizeigesetzen ergibt sich als Zweck die Gefahrenabwehr, deren Notwendigkeit sich aus den grundrechtlichen Schutzpflichten ergibt. Wie aus dem Vorrang des Polizeihandelns nur bei Unaufschiebbarkeit deutlich wird, wird dieser Zweck erweitert um die Effektivität der Gefahrenabwehr 622. Hinzu tritt, wie die Subsidiarität der Heranziehung des Nichtstörers zeigt, die gerechte Lastenverteilung nach Verursacherbeiträgen. So mag die Inanspruchnahme des Zustandsstörers zwar wegen der Nähe und der Einwirkungsmöglichkeiten auf das Grundstück für die Gefahrenabwehr wirksamer erscheinen. Sie ist aber bei einer die Störereigenschaft nicht ausschließenden623 „Opferposition" 624 des Grundstückseigentümers, der z.B. eine Bodenkontamination weder verursacht noch erkannt oder gebilligt hat, aber auch bei einer bloßen Duldung etwa einer Ablagerung regelmäßig ungerechtfertigt, wenn ein Handlungsstörer vorhanden ist, der den (wesentlichen) Verursacherbeitrag geleistet hat 6 2 5 ; insoweit kommt nur eine Duldungspflicht in Betracht 626 . Wenn allerdings die Heranziehung des Verhaltensstörers etwa wegen ungenügender Leistungsfähigkeit oder nicht ausreichender Nachweisbarkeit seines Handlungsbeitrages ausscheidet, müßte die Allgemeinheit der Steuerzahler einspringen, wenn nicht der Zustandsstörer herangezogen wird. Sofern dieser sich nicht in einer „Opfersituation" befindet, 620 Siehe etwa § 3 PolG BW.; Art. 5 Abs. 1 BayPAG; § 5 Abs. 1 HSOG; § 5 Abs. 1 NGefAG; § 3 Abs. 1 PolG NW; § 3 Abs. 2 SächsPolG. 621 Etwa Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 302; Papier, Alüasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 69; a.A. Knemeyer, VVDStRL 35 (1977), 221 (248 mit Fn. 81): ausschließlich Problem des geringstmöglichen Eingriffs. 622 Ebenso im Ergebnis Knemeyer, VVDStRL 35 (1977), 221 (236 ff.); Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 157. 623 Siehe oben Teil m § I D . 624 Schink, VerwArch. 82 (1991), 357 (387). 625 Ebenso Schwerdtner, NVwZ 1992, 141 (142); Schink, VerwArch. 82 (1991), 357 (378 f.); siehe auch BVerwG, DÖV 1986, 287 f.; BayVGH, DÖV 1986,976 (977 ff.). 626 Herrmann, DÖV 1987,666 (674); für den Fall einer „Opferposition" mit Unterschieden im einzelnen Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 215; Schink, DVBl. 1985, 1149 (1158); ders., DVBl. 1986, 161 (169 f.); ders., BauR 1987, 397 (409); Seibert, DVBl. 1985, 328 (329), dieser aber auf der Basis einer Nichtstörereigenschaft; a.A. Schräder, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 122 f.
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
ist seine Heranziehung auch über eine Duldung hinaus daher nicht ermessensfehlerhaft 627. Das gilt auch, wenn die Inanspruchnahme des Verhaltensstörers mit Risiken etwa wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder schwieriger Beweislage fraglich ist. Um die öffentlichen Kassen und damit die Allgemeinheit der Steuerzahler nicht dem Risiko einer Reservefunktion auszusetzen, wenn nach vergeblicher Heranziehung des Verhaltensstörers womöglich (auch) der Zustandsstörer zahlungsunfähig wird, kann dieser sofort herangezogen werden 628 . Entsprechendes gilt für die Heranziehung des „Zweckveranlassers" 629 . Wie alles grundrechtsrelevante Verhalten des Staates wird auch die Ermessensausübung durch die Grundrechte und die allgemeinen Prinzipien des Verfassungs- und Verwaltungsrechts und dabei namentlich durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelenkt 630 . Die grundrechtlichen Schutzpflichten und Art. 20 a GG geben eine Störerauswahl vor, die Gefahren möglichst wirksam bekämpfen hilft. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip verfolgt dieselbe Zielrichtung auf der Ebene der Erforderlichkeitsprüfung. Die Stufe der Angemessenheit bezieht die Auswirkungen auf die Grundrechte mit ein. Sie wird im Polizeirecht regelmäßig eigens festgeschrieben 631. Daher ist die Ermessensausübung bei der Störerauswahl auch kein bloßes Erforderlichkeitsproblem 632. Bei der Frage der Angemessenheit spielen allerdings auch Aspekte der Effektivität mit herein, die den Nutzen der Maßnahme erhöhen und damit eine Freiheitsbeschränkung eher rechtfertigen 633 .
D. Regreß unter den Verursachern Nimmt die Verwaltung einen Verursacher allein oder über seinen Verursachungsanteil hinaus in Anspruch, stellt sich die Frage, ob dieser von anderen Verursachern Regreß nehmen kann. Das Verursacherprinzip legt das insofern
627 BayVGH, UPR 1986, 442 (444) = DÖV 1986, 976 (978); auch Spannowsky, DVB1. 1994, 560 (562); ohne Einschränkung HessVGH, UPR 1986,437 (439); vgl. auch Kohler-Gehrig, NVwZ 1992,1049 (1049 f.). 628 Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 163 f.; aus der Rspr. BayVGH, DÖV 1986,976 (979); VGH BW, DÖV 1986,249 (250). 629 Siehe bereits oben Teil m § 1 A.ü.a.E. 630 Ossenbühl, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 18. 631 Etwa § 5 Abs. 2 PolG BW; Art. 4 Abs. 2 BayPAG; § 4 Abs. 2 HSOG; § 4 Abs. 2 NGefAG; § 2 Abs. 2 PolG NW; § 3 Abs. 3 SächsPolG. 632 Siehe dagegen Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 72 ff.; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 64; abl. Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 160 ff.; vgl. auch Kormann, UPR 1983,281 (283); Ossenbühl, DÖV 1976,463 (471). 633 Siehe oben Teil m § 1 A.I.
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nahe, als dann eine gerechte Lastenverteilung nicht nur zwischen der Allgemeinheit der Steuerzahler und den Verursachern, sondern auch unter den Verursachern entsprechend ihren jeweiligen Verursachungsbeiträgen hergestellt wird. Die Ausgleichsansprüche zwischen den Verursachern betreffen Rechtsverhältnisse zwischen Privaten und werden durch das Privatrecht bestimmt 634 . Dieses bleibt in seiner Auslegung von der Beanspruchung durch die Verwaltung unbeeinflußt. Beachtlich ist höchstens die alle Bereiche des Rechts ergreifende Ausstrahlungswirkung der Grundrechte 635. Diese stützen in Gestalt der Schutzpflichten, der Grundpflichten und des aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitbaren Grundsatzes der Lastengleichheit das Verursacherprinzip, allerdings bezogen auf das Verhältnis von Allgemeinheit und einzelnen, von Staat und Bürgern. Diese grundrechtlichen Gehalte lenken damit die Inanspruchnahme von Personen durch den Staat, nicht aber einen etwaigen Ausgleich unter den Herangezogenen. Dieser wird vom Grunde her ausschließlich durch die Normen des Privatrechts bestimmt und grundrechtlich nur begrenzt, wenn daraus resultierende Ansprüche dem Verpflichteten die Aussicht auf ein finanziell über das Existenzminimum hinaus selbstbestimmtes Leben nehmen 636 . Indes ist eine solche Inanspruchnahme begründet in einem Verursachungsbeitrag des Verpflichteten und damit in einem durch selbstverantwortetes Verhalten geschaffenen Sachverhalt. Dieser führt, da im Rahmen einer autonomen Bestimmung des eigenen Menschenwürdeschutzes befindlich, nicht zu einem Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG 6 3 7 . Regreßansprüche werden von daher nicht begrenzt. In Betracht kommt noch eine interpretationsleitende Funktion der Grundrechte 638 auch in der Frage des Regresses. Zivilrechtliche Ausgleichsansprüche unter mehreren Schuldnern werden insbesondere aus einer (analogen) Anwendung von § 426 BGB gewonnen 639 . Indes kann der private Gläubiger zwischen dem einen oder anderen Schuldner frei wählen, während die Auswahl zwischen mehreren Verursachern durch die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen 634
Seibert, DÖV 1983, 964 (974); Schwabe, UPR 1984, 7 (10); Rank, BayVBl. 1988, 390
(393). 635
Grundlegend BVerfGE 7,198 (205); auch etwa BVerfGE 39,1 (41). Näher Frenz, JR 1994, 92 (94 f.); allein auf das Vertragsrecht bezogen BVerfGE 89, 214 (230 ff.). 637 Frenz, JR 1994,92 (95 f.). 638 Siehe BVerfGE 7,198 (205). 639 Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 66 (69 f.); Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 (1050 ff.); Kormann, UPR 1983, 281 (285 ff.); Pietzcker, JuS 1986, 719 (722); Rank, BayVBl. 1988, 390 (393 f.); Seibert, DÖV 1983, 764 (774); Schwabe, UPR 1984, 7 (10); Spannowsky, UPR 1988, 376 (380); ausführlich und m.w.N. Petersen, Der gesamtschuldnerische Ausgleich bei einer Mehrheit polizeirechtlich verantwortlicher Personen, S. 19 ff.; abl. BGH, NJW 1981,2457 (2458); UPR 1987,29 (30); Papier, Altlasten und polizeirechüiche Störerhaftung, S. 73 f.; Schwachheim, NVwZ 1988, 225 (227). 636
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Teil 3: Ausgestaltung des Verursacherprinzips
erfolgt und daher rechtlich gebunden zur Heranziehung einer bestimmten und somit aus den anderen rechtlich herausgehobenen Person führt. Diese wird im Einzelfall als lastentragungspflichtiger Verursacher konkretisiert. Eine Gesamtschuld oder eine Analogie zu ihr besteht daher nicht 640 . Die als Verursacher konkretisierte Person kann deshalb nicht von anderen, aber nicht im Einzelfall als solche festgelegten Verursachern Regreß nehmen. In Widerspruch zu den Grundrechten steht dieses Ergebnis unabhängig von der Frage ihrer Wirkungsintensität im zivilrechtlichen Bereich 641 nicht, muß doch das Herausgreifen einer Person als Verursacher nach pflichtgemäßem Ermessen und damit im Einklang mit grundrechtlichen Wertungen erfolgen.
640 641
BGH, NJW 1981,2457 (2458); aus der Lit Baumann, Der Störer im Umweltbereich, S. 160. Dazu z.B. Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht.
Hauptthesen Erster Teil: Das Verursacherprinzip als Leitgrundsatz im Umweltrecht § 1 Die dem Verursacherprinzip im öffentlichen Recht beigemessene spezifische Bedeutung 1. Entsprechend der Unterscheidung in der Imputationslehre zwischen causa naturalis und causa moralis ist die natürliche Zurechnung für sich unzureichend, um einen Zustand auf eine bestimmte Person zurückzuführen. Es bedarf der Zurechnung durch Wertung. 2. Wegen der Ausrichtung des Staatshandelns auf das Gemeinwohl hat die wertende Betrachtung im Öffentlichen Recht besondere Bedeutung. Daher ist für dieses Rechtsgebiet eine eigenständige Beurteilung von Kausalitätsund Haftungsfragen erforderlich. Eine Verdrängung oder Interpretation öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch bzw. in Orientierung an das Privatrecht scheiden grundsätzlich aus, es sei denn, die Bedeutung des Gemeinwohls tritt für die Beurteilung der entsprechenden Frage in den Hintergrund oder ist unbeachtlich. 3. Die Verantwortung wird regelmäßig als Folge der Verursachung angesehen. Sie kann indes auch ihr Grund sein, insbesondere bei verfassungsrechtlichen Zuweisungen der Verantwortung, etwa in Art. 6 Abs. 2 GG. 4. Das Verursacherprinzip ist als rechtspolitisches Prinzip im Umweltrecht anerkannt. Es kann mit dem Vorsorge- bzw. dem Kooperationsprinzip kombiniert werden. Als Alternative staatlichen Handelns fungiert das Gemeinlastprinzip.
§ 2 Wirtschaftswissenschaftlicher Ursprung 1. Das Verursacherprinzip wird in erster Linie ökonomisch fundiert und vermag daher eineVerbindungsbrücke zwischen Wirtschafts- und Rechtswissenschaft zu bilden. 2. Ziel ist die Internalisierung externer Kosten durch eine Zurechnung der Kosten zur Vermeidung, Beseitigung oder zum Ausgleich von Umweltbelastungen an den Verursacher.
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Hauptthesen
3. Die Selbstheilungskräfte des Marktes allein sind insbesondere mangels eindeutiger Zurechenbarkeit und für die Geschädigten zu hoher Transaktionskosten nicht in der Lage, Umweltschäden zu vermeiden. Staatliche Leistungsinstrumente haben gleichfalls keine langfristige Verhaltensänderung zur Folge; am wirksamsten sind noch Steuervergünstigungen als bloße Ermunterung zur Vornahme selbst finanzierter Investitionen. Daher bedarf es staatlicher Anreize zur Stimulierung des Marktgeschehens durch eine Kostenzurechnung an den Verursacher. 4. Da sich aufgrund der weitgehenden Unsicherheit in der Feststellung von Kausalitäten und weiteren Entwicklungen das volle Schadensausmaß nicht genau berechnen läßt, rückte man von dem Ziel einer umfassenden Kostenanlastung (z.B. Pigou-Steuer) ab. Man gelangte über den Standard-PreisAnsatz zu einer umweltzielorientierten, instrumentalistischen Konzeption. 5. Damit lassen sich neben Abgabenlösungen auch ordnungsrechtliche Maßnahmen und das Zertifikatmodell als Ausprägungen des Verursacherprinzips begreifen. 6. Die Rechtswissenschaft hält bislang im Widerspruch zu dieser Entwicklung weiterhin an einer ansatzorientierten Unterscheidung fest, nämlich nach einer Anlastung der Vermeidungskosten, der Theorie der sozialen Zusatzkosten und der Theorie der Umweltnutzung gegen Entgelt. Diese Kategorien lassen sich in der Praxis nicht mehr klar unterscheiden.
§ 3 Sozialethische Betrachtung des Verursacherprinzips Aus sozialethischer Warte kann das Verursacherprinzip auf den Gerechtigkeitsgedanke zurückgeführt werden. Es bleibt aber das Problem einer sozialverträglichen Inanspruchnahme.
§ 4 Die Verwirklichung des Verursacherprinzips im geltenden Umweltrecht 1. Bei der Übernahme in das Umweltrecht wurde das Verursacherprinzip zunächst als reines Kostenzurechnungsprinzip begriffen. Mittlerweile wird es auch auf Verhaltensgebote erstreckt. 2. Die Verwirklichungsformen des Verursacherprinzips sind im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz und die unterschiedliche Wirkungsweise nach Handlungsformen zu typisieren. 3. Die ordnungsrechtliche Umsetzung des Verursacherprinzips überwiegt. Zu dieser Variante sind auch Bußgeldvorschriften zu zählen.
Hauptthesen 4. Die Verwirklichung des Verursacherprinzips durch eine Haftung Privaten gegenüber ist auch bei einer Koppelung mit einer Versicherungspflicht wie im UmweltHG und im GenTG gegeben. Das gilt auch dann, wenn sich die Versicherungsprämie nicht nach dem individuellen Schadensverlauf richtet. Haftungshöchstbeträge, die Herausnahme bestimmter Schadensfälle etc. sind indes Durchbrechungen des Verursacherprinzips. 5. I m Wasserrecht kann die Abwasserabgabe neben der Abgabe nach dem WHG erhoben werden. Ihre Ermäßigung im Hinblick auf den Restschmutz stellt eine Durchbrechung des Verursacherprinzips dar. 6. Der Wasserpfennig und das Lizenzentgelt sind nicht als Verleihungs- oder Umweltnutzungsgebühren oder als Verbrauchsteuer i.S.v. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG zu qualifizieren oder als nichtsteuerliche Abgabe ohne nähere Zuordnung einzugruppieren, als Sonderabgabe indes unzulässig. 7. Solange Umweltsteuern nicht außerhalb der in Art. 106 GG genannten Steuertypen für zulässig angesehen werden, bleibt ihr Anwendungsbereich sehr begrenzt. 8. Zertifikatlösungen sind in der Bundesrepublik Deutschland bislang ungebräuchlich.
§ 5 Juristische Folgerungen aus der Umsetzung des Verursacherprinzips im Umweltrecht 1. Das Verursacherprinzip stellt kein Gewohnheitsrecht dar. Die Existenz zahlreicher dieses Prinzip umsetzender Regelungen ist nach bisheriger Rechtsüberzeugung vielmehr Ausdruck dafür, daß sich der Staat zwischen dem Verursacher- und dem Gemeinlastprinzip sowie der Lastentragung durch den Geschädigten entscheiden kann. 2. Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Umsetzungen läßt sich aus ihnen kein einheitlicher Gehalt des Veruracherprinzips herausschälen. Aus dem Überwiegen der Verhaltensgebote gegenüber den Abgabenlösungen folgt kein rechtlicher Vorrang. 3. Bislang fehlen eine rechtsdogmatische Einordnung und insbesondere eine verfassungsrechtliche Fundierung des Verursacherprinzips. Sein Gehalt ist weitgehend ungeklärt.
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Hauptthesen
Zweiter Teil: Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im Öffentlichen Recht § 1 Relevanz 1. Wäre umweltschädigendes Verhalten nicht grundrechtlich geschützt, müßte der Staat nur darlegen, daß er sich in diesem Bereich bewegt, um auch bei ungesicherter Tatsachengrundlage handlungsfähig zu sein. Dadurch wird aber das freiheitssichernde Schutzinstrumentarium weitgehend ausgehebelt und die abwehrrechtliche Freiheit entgegen der umfassenden Schutzvorgabe des Art. 2 Abs. 1 GG einseitig verkürzt. Daher ist eine grundrechtliche Schutzlosigkeit umweltschädigenden Verhaltens abzulehnen. 2. Die Inanspruchnahme des Verursachers ist somit in jedem Fall als Grundrechtseingriff rechtfertigungsbedürftig. 3. Steuern stellen einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG dar, da das Recht der freien Verwendung eines jeden Vermögensrechtes beeinträchtigt wird. 4. Eine verfassungsrechtliche Fundierung des Verursacherprinzips schafft in weiterem Umfang als eine Heranziehung von im Einzelfall zu schützenden, möglicherweise nicht eigens grundrechtlich geschützten Gemeinschaftsgütern eine Rechtfertigung für Grundrechtseingriffe. Das gilt nicht nur bei Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt, sondern auch bei solchen mit dieser Schranke: Ein verfassungsrechtlich herleitbares Verursacherprinzip gibt dann möglicherweise bei der Angemessenheit den Ausschlag. 5. Eine Einschränkung des Rechtsschutzes etwa bei Handeln auf ungesicherter Tatsachengrundlage und einer daraus folgenden Reduzierung gerichtlicher Nachprüfbarkeit ist eigens rechtfertigungsbedürftig. 6. Da Art. 19 Abs. 4 GG nicht unter Gesetzesvorbehalt steht, ist zu seiner Einschränkung bei Grundrechtsrelevanz ein gegenläufiges Verfassungsgut erforderlich; die normative Ermächtigungslehre ist daher abzulehnen. Ein Zurückgreifen auf die in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verortete Gewaltenteilung trägt nicht dem Umstand Rechnung, daß die Beeinträchtigung der gerichtlichen Kontrolle in einer bestimmten Situation durch ein konkretes Verfassungsgut motiviert ist, woraus sich Abstufungen ergeben. Dieses Verfassungsgut ist daher für die Rechtfertigung entscheidend. Ergibt sich allerdings daraus eine Dissonanz, daß das beeinträchtigte materielle Grundrecht einen Gesetzesvorbehalt enthält, kann der fehlende Gesetzesvorbehalt des Art. 19 Abs. 4 GG durch die aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG grundsätzlich folgende und in den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten näher konkretisierte Gestaltungsmacht des Gesetzgebers überspielt werden.
Hauptthesen
§ 2 Herleitung aus den Grundrechten als Abwehrrechten? 1. Das Verursacherprinzip wäre allenfalls dann aus den Grundrechten als Abwehrrechten ableitbar, wenn dem Staat das schädigende Verhalten Privater dadurch, daß er eine Genehmigung erteilt hat oder nichts unternimmt, als Eingriff zurechenbar wäre. Das Verursacherprinzip setzt indes an der Verantwortung Privater an und soll gerade Lasten von der Allgemeinheit fernhalten. Der Staat greift zu diesem Zweck auf das Verursacherprinzip zurück, ist aber grundsätzlich nicht selbst Verursacher. 2. Bei einem schädigenden Verhalten Privater geht es um einen Ausgleich gegenläufiger privater Belange, so daß nicht die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat, sondern als Schutzpflichten für den Staat einschlägig sind. Eine Ausnahme besteht dann, wenn sich das staatliche Verhalten außerhalb eines grundrechtsausgleichenden Gesetzes bewegt.
δ 3 Herleitung aus den Grundrechten als Leistungsrechten? Die Grundrechte als Leistungsrechte suchen die Position des Adressaten staatlichen Handelns zu verbessern und decken daher die Anwendung des Gemeinlastprinzips, nicht des Versacherprinzips.
§ 4 Die Herleitung aus den grundrechtlichen Schutzpflichten - als Elemente objektiver Ordnung 1. Begreift man die grundrechtlichen Schutzpflichten entsprechend der ganz h.M. als Elemente objektiver Ordnung, eignen sie sich gleichwohl insofern als umfassende Basis für das Verursacherprinzip, als sie nicht auf einige Elementargüter beschränkt sind: Sie folgen nicht aus einer alle Grundrechte umfassenden, einheitlich strukturierten Wertordnung, da die Grundrechte kein geschlossenes, einheitlich und ausschließlich auf die Menschenwürde bezogenes Wertsystem bilden, sondern jeweils selbst eine eigene Wertentscheidung mit ggf. zusätzlichen Wurzeln darstellen. Den Grund der Schutzpflichten in Art. 1 Abs. 1 GG zu sehen und das einschlägige Grundrecht nur zur Bestimmung ihrer gegenständlichen Reichweite heranzuziehen ist ein Widerspruch in sich. 2. Bei einer objektiv-rechtlichen Ableitung sind die Schutzpflichten indes vom Ansatz her rechtsgut- bzw. gefahren- und nicht personenbezogen; ihre Zielrichtung ist nicht konkret vorgegeben. Daraus ergeben sich Bedenken gegen eine Ableitung des gegen bestimmte Personen gerichteten Verursacher-
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Hauptthesen prinzips. Läßt sich aber anders als durch Maßnahmen gegen bestimmte Störer eine Schutzpflicht nicht erfüllen, folgt daraus das Verursacherprinzip als zwingende Vorgabe.
- bei subjektiv-rechtlicher Herleitung 3. Die Schutzpflichten sind subjektiv-rechtlich herzuleiten: a) Die aus sich selbst wirkende abwehrrechtliche Freiheit ist bei einer objektiv-rechtlichen Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten grundsätzlich vorrangig. Diese können aufgrund ihres bloßen Prinzipiencharakters außer in besonderen Fällen bei staatlichem Nichthandeln ausgehöhlt werden. Wird der Gesetzgeber tätig, wirken wegen der Bestimmung der Grenzen von Gesetzgebungsmaßnahmen ausschließlich nach abwehrrechtlicher Dogmatik tatsächliche Ungewißheiten zu Lasten der gefährdeten Schutzgüter. Dogmatische Ungereimtheiten ergeben sich daraus, daß objektiv-rechtlich gewonnene Schutzpflichten bei offenbarer Nichterfüllung subjektiv eingefordert werden können. b) In der Geschichte der modernen Freiheitsrechte standen Abwehrrechte und Schutzpflichten häufig gleichgewichtig gegenüber. c) Im Grundgesetz finden sich zwar nur einzelne textuelle Schutzelemente. Die Ausrichtung der Grundrechte auf den einzelnen verbietet es aber, daß der Staat zusieht, wie die autonome Freiheitsentfaltung durch den Zugriff Dritter unmöglich gemacht wird, und schließt einen vom Ansatz her gleichgewichtigen Schutz nicht aus. d) Der Schutz von Grundrechtsvoraussetzungen (z.B. des Erhalts von Eigentum vor Dieben) ist vielfach notwendige Bedingung abwehrrechtlicher Grundrechtsverwirklichung und als deren Unterbau gleichermaßen gewährleistungsbedürftig. e) Dadurch werden aber Schutzpflichten wegen ihres andersartigen Anspruchsgehalts nicht Teil der Abwehrkomponente. f) Damit die Grundrechte nur in ihrem vorgegebenen und ursprünglich vorhandenen Maß geschützt und nicht Gegenstand staatlicher Leistungsgewährung werden, erstreckt sich der Grundrechtsvoraussetzungsschutz lediglich auf solche Voraussetzungen, die (auch) eigener Leistung entspringen oder die stets vorhanden waren. Daß Menschen gegenseitig ihre Freiheitssphären beeinträchtigen, wird in Art. 2 Abs. 1 GG vorausgesetzt und ist daher grundsätzlich hinzunehmen. Die prinzipielle Staatsfreiheit des Grundrechtsbereichs wird auch durch das in den Grundrechten deutlich werdende Schrankensystem offenbar. Der Umfang der Schutzpflichten ist auf grundlegende Elemente beschränkt und bestimmt sich nach dem jeweiligen Grundrecht.
Hauptthesen g) Die auch in den Grundrechten in Art. 1 Abs. 3 GG vorausgesetzte Gestaltungsfreiheit der Legislative wird dadurch gewahrt, daß nur die für die Grundrechtsverwirklichung entscheidenden und individuell angelegten Elemente von den Schutzpflichten umfaßt sind und lediglich der Rahmen vorgegeben ist. Eine generell stärkere Betonung dieses Spielraumes ergibt sich durch eine vermehrte Berücksichtigung des Staatsganzen und damit auch der finanziellen Handlungsmöglichkeiten. 4. Bei einer subjektiv-rechtlichen Ableitung sind die grundrechtlichen Schutzpflichten von der Anlage her auf den einzelnen bzw. auf die für diesen bestehenden Gefahren und die dahinterstehenden Personen bezogen. Der Anwendungsbereich erstreckt sich eindeutig auf sämtliche Grundrechte, wenngleich nur für die individuelle Grundrechtsverwirklichung essentielle Voraussetzungen. In diesem Rahmen aber eignen sich die Schutzpflichten als Basis für eine umfassende Ableitung des Verursacherprinzips. § 5 Herleitung aus den Grundpflichten 1. Ausgangspunkt der Grundpflichten ist die das Verursacherprinzip charakterisierende Konstellation, daß auf der Passivseite der Bürger und auf der Aktivseite der in die Pflicht nehmende Staat steht. Das gilt auch für die „Du-bezogenen" Grundpflichten, da aufgrund des Gewaltmonopols des Staates nur dieser sie durchzusetzen vermag. 2. Eine alle Bürger erfassende Grundpflicht zur Steuerzahlung nach Verursacherbeiträgen besteht nicht: Art. 14 Abs. 2 GG trifft insoweit keine Aussage; Art. 106 ff. GG setzen lediglich die Möglichkeit der Steuererhebung voraus, die aber auf der Grundlage der grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalte realisiert werden kann. - „Du-Bezogene" Grundpflichten 3. Die zu Beginn der Entwicklung der modernen Freiheitsrechte ausgeprägte Pflicht zur Achtung der Rechte anderer mutierte zur Schranke der Grundrechtsausübung. 4. Die Umdeutung der Klausel der „Rechte anderer" in Art. 2 Abs. 1 GG in einen Pflichtenvorbehalt vor dem Hintergrund zunehmender Übergriffe unter Privaten scheidet aufgrund der im Wortlaut eindeutig hervortretenden Konzeption als Schranke, die sich in den Beratungen zur Änderung der Grundgesetzes bestätigte, aus, ebenso die Ableitung eines Gegenseitigkeitsprinzips.
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Hauptthesen
5. Eine umfassende „Du-bezogene" Grundpflicht wegen des Angewiesenseins des einen auf den anderen kann aus dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht abgeleitet werden, weil dieses nicht hinreichend bestimmt ist. 6. Die Gestaltung der Generalklausel des Art. 2 Abs. 1 GG und der Hintergrund der Grundrechte erweisen, daß Grundpflichten dem Mitmenschen gegenüber nur punktuell bestehen. 7. Partiell festgeschrieben ist eine „Du-bezogene" Grundpflicht in Art. 6 Abs. 2 GG. Durch diese Vorschrift sind die Eltern als Adressaten gesetzgeberischer Maßnahmen festlegt. Kommen die Eltern ihrer Verantwortung nicht nach, sind sie Verursacher staatlichen Handelns. Das gilt auch, wenn ein Elternteil weggeht und ihm deshalb der Staat Unterhaltslasten dem anderen Elternteil gegenüber auferlegt.
- Grundpflichten gegenüber der Gemeinschaft 8. Die am Beginn der Entwicklung der modernen Freiheitsrechte vorherrschende Wechselseitigkeit von Grundrechten gegen und Grundpflichten gegenüber dem Staat ging im 19. Jahrhundert verloren; im Grundgesetz finden sich lediglich Einzelausprägungen, die ungeschriebene Grundpflichten ausschließen. 9. Die Pflicht zum Gesetzesgehorsam ergibt sich auf der Basis der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, die ansonsten leerliefen; sie ist die moderne Form der Verwirklichung des Gegenseitigkeitsprinzips. Verletzt der einzelne diese Pflicht, fordert er staatliche Maßnahmen heraus und ist deren Verursacher. 10. Eine Grundpflicht zur Tragung von Lasten zugunsten des Gemeinwesens läßt sich weder aus dem einen Maßstab und isoliert keinen Rechtsgrund bildenden Art. 3 Abs. 1 GG noch aus dem auf Förderung sozial Schwacher ausgerichteten Sozialstaatsprinzip noch aus dem gemeinschaftsbezogenen Menschenbild des Grundgesetzes herleiten. 11. Art. 12 a GG stellt im Hinblick darauf, daß sowohl Männer als auch Frauen der äußeren Sicherheit bedürfen, nur eine teilweise Festschreibung einer Grundpflicht dar. 12. Art. 14 Abs. 2 GG enthält nicht lediglich eine Maßgabe für den Gesetzgeber zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, sondern aufgrund seines Wortlauts und seiner Stellung eine eigenständige Grundpflicht. Diese bedarf grundsätzlich der Konkretisierung durch Gesetze und gibt insoweit die personale Handlungsrichtung vor. Sie entfaltet als Korrelat zur teilweisen unmittelbaren Wirkung des Eigentumsrechts hinsichtlich des für den Eigentumsgebrauch unabdingbaren Standards unmittelbare Pflichtenwirkung. Daß die Allgemeinheit von der Pflichtenbindung des Eigentums
Hauptthesen profitiert, erfordert nicht eine Koppelung des Verursacherprinzips mit dem Gemeinlastprinzip; jenes ist vielmehr insoweit aufgrund der umfassenden Verantwortungszuweisung an den Eigentümer grundsätzlich ausgeschlossen. 13. In dem sich aus den Grundpflichten ergebenden Umfang ist die Verursachereigenschaft Folge einer grundgesetzlich zugewiesenen besonderen Verantwortung.
§ 6 Aus den Grenzen der Staatsausgaben Art. 110 Abs. 1 GG legt selbst keine Grenzen für die Staatsausgaben fest. Art. 109 Abs. 2 GG ist eine inhaltlich offene Zielvorgabe der Verfassung. Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG enthält keine Vorgabe, wie Kredite zu vermeiden sind, und begrenzt Ausgaben für Investitionen etwa auch in Form von Zuschüssen nach dem Gemeinlastprinzip gerade nicht.
§ 7 Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern 1. Aus dem grundrechtlichen Rahmen von Steuern kann sich das Verursacherprinzip nur ergeben, wenn in die Verhältnismäßigkeitskontrolle und die Gleichheitsprüfung deren Verwendung einbezogen wird. 2. Für eine Einbeziehung der Staatsausgaben in die Verhältnismäßigkeitskontrolle spricht, daß dadurch bereits vom Ansatz her ein über den bloßen Finanzierungszweck hinausgehender konturenscharfer Maßstab gefunden wird. Dieser Ansatz geht über das Mindestmaß eines - wenn auch nicht auf das konsolidierte Vermögen beschränkten, sondern auf die vorhandenen Grundlagen der Entfaltung zu erweiternden - Bestandsschutzes hinaus. Er greift nicht entgegen der Struktur des Art. 14 Abs. 2 GG ein Element besonders heraus. Umgekehrt läßt er einer Flexibilität des Gesetzgebers im Detail einschließlich einer lenkenden Besteuerung mit einem Satz von über 50 v.H. Raum. 3. Die Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Steuern und Verhaltensgebote ist vergleichbar. 4. Der Erhebungszweck der Steuer gebietet keine Abkoppelung von Besteuerung und zu finanzierenden Staatsaufgaben: a) In den Verfassungen zu Beginn der Entwicklung der modernen Freiheitsrechte kam der Bezug beider Elemente deutlich zum Ausdruck. I m Grundgesetz beruht diese Verbindung allerdings nicht mehr auf der Konnexität der Leistungen des Bürgers und des Staates, sondern auf der Verfassungsbindung aller staatlichen Gewalt. Daß der Mensch und seine
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Hauptthesen Freiheit Ausgangspunkt des Grundgesetzes sind, belegt den notwendigen Bezug der Staatsaufgaben auf den Bürger.
b) Der Zusammenhang von Einnahmen und Ausgaben zeigt sich in der Finanzverfassung in Art. 110 Abs. 1 S. 2,115 Abs. 1 S. 2, Art. 106 Abs. 3 S. 4 und Art. 107 Abs. 2 GG, die aufgrund ihrer Verbindung zur Steuerbelastung als Hinweise für deren Begrenzung herangezogen werden können. c) Allerdings sind die im Haushaltsplan aufgenommenen Staatseinnahmen und -ausgaben Ausfluß einer politischen Gesamtentscheidung. Sie sind zugleich Grundlage politischer Gestaltung. Daher ist den Staatsorganen aufgrund der ihnen gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 HS. 2 GG zugewiesenen Staatslenkung ein entsprechender Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Staatsausgaben unterliegen daher nur einer Vertretbarkeitskontrolle. 5. Die Erhebung von Steuern ist im Hinblick auf die aus ihnen finanzierten Staatsausgaben nur dann verfassungswidrig, wenn ihre Verwendung evident nicht gemeinwohlnützig bzw. offensichtlich unverhältnismäßig ist. Insoweit kann der Bürger den von ihm geforderten Steuerbetrag angreifen. Die Finanzgerichte haben aber gem. Art. 100 Abs. 1 GG zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der zu Ausgaben ermächtigenden Gesetze bzw. der Steuergesetze die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Um eine verläßliche Haushalts- und Finanzplanung nicht zu gefährden und eine Rückabwicklung zu vermeiden, die gleichfalls aus Steuergeldern finanziert werden müßte, sind entsprechende Regelungen regelmäßig lediglich für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. 6. Das Verursacherprinzip ergibt sich einmal dann, wenn eine weitreichende Übernahme individuell verursachter Schäden durch den Staat die vorhandenen Steuereinnahmen in einem Maß aufzehrt, daß für eine Verwendung zugunsten aller als Korrelat zur Erhebung von der Gesamtheit der Steuerbürger kaum mehr Gelder übrig bleiben. Weiter ist ein solcher Einsatz öffentlicher Gelder bei vorhandenen privaten Mitteln im Hinblick auf die Wirkungsdefizite staatlicher Leistungsinstrumente häufig offensichtlich nicht das mildeste Mittel und damit evident nicht erforderlich und im Hinblick auf die (zunehmende) Eingriffsintensität der Steuerbelastung offenbar auch nicht angemessen. Bestehen allerdings tatsächliche Ungewißheiten über die Verursachungsbeiträge bestimmter Privater, hat der Staat einen Beurteilungsspielraum, ob er Steuergelder einsetzt. 7. Die durch Art. 3 Abs. 1 GG abgesicherte Gleichheit der steuerlichen Belastung ist faktisch nicht gewahrt, wenn einzelne Personen die verauslagten Steuern trotz vorhandener Leistungsfähigkeit über die Finanzierung der von ihnen verursachten Schäden durch den Staat im Ergebnis wieder zurückerhalten. Daher sind grundsätzlich die Vçrursacher heranzuziehen.
Hauptthesen 8. Durch diese Herleitung des Verursacherprinzips aus dem grundrechtlichen Rahmen der Steuererhebung bleibt sein Wirkungskreis nicht auf eine Anreizfunktion beschränkt. Es dient weitergehend der Abgrenzung zwischen staatlicher und individueller Finanzierung, zwischen öffentlicher und privater Verantwortung. Eine zwingende Heranziehung der Verursacher kann sich aus diesem Ansatz dann ergeben, wenn zur Abwendung bestimmter Entwicklungen der Staat eingreifen muß und nur die Wahl hat, ob er öffentliche Gelder verwendet oder die privaten Verursacher in Anspruch nimmt.
§ 8 Anlage des Verursacherprinzips im Menschenbild des Grundgesetzes 1. Das Grundgesetz geht von einem eigenverantwortlichen Individuum aus. Zur Eigenverantwortung gehört das Einstehen für die Folgen eigenen Tuns. Dieses stellt das Verursacherprinzip sicher. Der Staat darf für ein solches Einstehen aber nur im Hinblick auf solche Faktoren Sorge tragen, die im Menschen selbst angelegt sind. 2. Aus der Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen folgt die Verantwortung des einzelnen für den Erhalt der Gemeinschaft und damit für die Wahrung der Grundlagen des Weiterlebens aller. Die Einbeziehung dieser Verantwortung in das individuelle Verhalten gewährleistet das Verursacherprinzip.
δ 9 Aus dem Subsidiaritätsprinzip 1. Aus dem Subsidiaritätsprinzip folgt zweierlei: Der Staat soll nur tätig werden, wenn der einzelne eine Aufgabe nicht zu bewältigen vermag. Er kann lediglich insoweit die bürgerliche Sphäre reglementieren, als dies zur Erreichung des erstrebten Ziels erforderlich ist; dazu gehört auch die Subsidiarität der staatlichen Finanzierung. Entsprechend dieser zweiten Komponente begrenzt das Verursacherprinzip das „Wie" der staatlichen Tätigkeit. Es wird aufgrund dieser Wurzel in seiner Umsetzung zugleich vom Subsidiaritätsprinzip geprägt. 2. Das Subsidiaritätsprinzip ergibt sich aus der durch die Verhältnismäßigkeit konkretisierten Rechtfertigungsbedürftigkeit von Grundrechtseinschränkungen als solchen und hinsichtlich ihres Ausmaßes. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG enthält keine verfassungsrechtlich festgeschriebene Verengung dieses Prinzips; seine Erwähnung in dieser Vorschrift deutet vielmehr auf seine anderweitige verfassungsrechtliche Absicherung entsprechend den anderen genannten Grundsätzen.
23 Frenz
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§ 10 Ergebnis praktischer Konkordanz zwischen freiheitlicher Wirtschaftsverfassung, Sozial- und Umweltstaat 1. Eine freiheitliche Wirtschaftsverfassung in der Bundesrepublik Deutschland ist zwar nicht durch Art. 3 a Abs. 1, 102 a EGV vorgegeben, die näherer Konkretisierung bedürfen. Sie wird indes in Art. 73 Nr. 9, 74 Nr. 11, 18 und Art. 109 Abs. 2 GG vorausgesetzt, bildet insbesondere die Grundlage für die Wahrnehmung von Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG im wirtschaftlichen Bereich und ist daher grundgesetzlich garantiert. 2. Die marktwirtschaftliche Ordnung in ihrer Gesamtheit bildet ein adäquates Gegenwicht zu Art. 20 Abs. 1,20 a GG. Umweltschutz- und Wirtschaftsbelange sind miteinander in Einklang zu bringen. Indem das Verursacherprinzip Fehlsteuerungen im Umwelt- und Sozialbereich marktkonform korrigiert, bringt es regelmäßig die in Frage stehenden Verfassungsgüter in einen verhältnismäßigen Ausgleich.
§ 11 Aus Staatszielbestimmungen 1. Das Sozialstaatsprinzip ist nicht konkret genug, um aus ihm das Verursacherprinzip abzuleiten. 2. Das Umweltschutzprinzip gibt das Verursacherprinzip wegen seiner Konkretisierungsbedürftigkeit durch Gesetz nicht zwingend vor. Einer Beeinflussung durch den lediglich auf die Umweltpolitik der Gemeinschaft bezogenen und eine bloße Einbeziehung des Verursacherprinzips vorgebenden Art. 130 r Abs. 2 S. 2, 3 EGV ist Art. 20 a GG nicht zugänglich. 3. Das Verursacherprinzip läßt sich wegen seines positiven Effekts für den Schutz der Umwelt aus Art. 20 a GG rechtfertigen. 4. Das Umweltschutzprinzip verdrängt die umweltrelevanten Absicherungen der Grundrechte nicht, sondern verstärkt diese und erweitert dadurch insbesondere im Hinblick auf die Einbeziehung von Umweltbelangen in den Grundrechtsvoraussetzungsschutz den grundrechtsabgeleiteten Anwendungsbereich des Verursacherprinzips.
§ 12 Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot 1. Art. 92 Abs. 1 EGV kommt nur als bereichsbezogene Fundierung des Verursacherprinzips in Betracht und wirkt selbst regelmäßig nicht unmittelbar. 2. Der Begriff der Beihilfe ist entsprechend seiner weiten Formulierung weit und wirkungsorientiert zu verstehen und umfaßt daher auch eine unterlassene Heranziehung, auch in Form von Vollzugsdefiziten.
Hauptthesen 3. Zwar gehört das Verursacherprinzip zu den Erfordernissen des Umweltschutzes. Die „Querschnittsklausel" des Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV bestimmt aber nicht die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen anderer Gemeinschaftsrechtsnormen, sondern nur die bei deren Anwendung im Einzelfall zu berücksichtigenden Belange. Das Beihilfeverbot des Art. 92 Abs. 1 EGV muß daher nicht extensiv ausgelegt, sondern nur umweltgerecht gehandhabt werden. 4. Entsprechend dem Wortlaut „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte" Beihilfen müssen diese mit einer finanziellen Zuwendung verbunden sein. Dadurch wird auch eine Abgrenzung zu dem weit zu verstehenden Art. 30 EGV erreicht. Wegen des Wortlautes „gewährte" und der aufgrund der freiheitlichen Gesamtkonzeption des EG-Vertrages fällt staatliches Unternlassen nur dann unter das Beihilfeverbot, wenn sie bestehendem innerstaatlichem Recht zuwiderläuft, sei es, daß dieses nicht vollzogen wird, sei es, daß eine Gruppe sachwidrig von einer normativen Regelung ausgenommen wird, sei es, daß ihre Heranziehung verfassungsrechtlich geboten ist. 5. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbot folgt das Verursacherprinzip insoweit, als eine vorgegebene Heranziehung bestimmter Unternehmen und Produktionszweige unterlassen wird. Damit eine finanzielle Zuwendung gegeben ist, müssen zudem die öffentlichen Kassen belastet werden.
§ 13 Art 3 lit g) EGV Art. 3 lit. g) EGV bedarf näherer Ausfüllung und vermag daher für sich das Verursacherprinzip nicht zu begründen.
§ 14 Die Fundierung des Verursacherprinzips als gebietsübergreifendes juristisches Prinzip im deutschen öffentlichen Recht 1. Das Verursacherprinzip kann aufgrund seiner gebietsübergreifenden verfassungsrechtlichen Fundierung über das Umweltrecht hinaus auf das gesamte öffentliche Recht ausgedehnt werden. 2. Es kann Anwendung finden im Polizeikostenrecht: Ein Straftäter kann wegen der Verletzung der Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam zur Bezahlung der auf ihn bezogenen Ermittlungskosten verpflichtet werden. Abhalter typischerweise gewaltanfälliger Veranstaltungen können zu den Kosten herangezogen werden, die notwendig sind, um Übergriffe zu verhindern, es sei denn, es besteht ein grundgesetzlicher Schutz - vor allem durch Art. 8 Abs. 1 GG.
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3. I m sozialen Versicherungsrecht ermöglicht das Verursacherprinzip eine Belastung der Versicherungsnehmer danach, in welchem Maße sie insbesondere durch eine verstärkte Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen zu Beitragserhöhungen zwingen. In der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht dem etwa eine stärkere Belastung von Rauchern. 4. Deckungslücken in der gesetzlichen Rentenversicherung werden in Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip sowie dem Schutz der Familiengründung und des Familienlebens durch Art. 6 Abs. 1 GG nur durch eine stärkere Belastung von Ehepaaren ohne Kinder ausgeglichen, nicht hingegen durch eine generelle Rentenkürzung zu Lasten aller oder durch eine pauschale Beitragserhöhung.
Dritter Teil: Die Ausgestaltung des Verursacherprinzips § 1 Verfassungsrechtlich vorgegebener Gehalt 1. Unmittelbar aus dem Verursacherprinzip ergibt sich nur dann, wen der Gesetzgeber als Verpflichteten festzulegen hat, wenn aus den verfassungsrechtlichen Determinanten zugleich ein Vorgehen gegen einen bestimmten Personenkreis folgt. Das trifft generell auf die Grundpflichten, Art. 92 Abs. 1 EGV und zum Teil auf die grundrechtlichen Schutzpflichten zu. 2. Regelmäßig kommen mehrere Personengruppen als Verursacher in Betracht. Die Konsumenten sind davon nicht deshalb ausgenommen, weil sie durch Werbung beeinflußt werden; dadurch verlieren sie nicht ihre Souveränität über ihr eigenes Verhalten. Die Konsumentensouveränität kann aber umgekehrt nicht verdrängen, daß die Hersteller und Vertreiber gleichfalls einen Verursachungsbeitrag zu aus den gekauften Produkten erwachsenden Gefährdungen leisten. 3. Ergibt sich aus dem Verursacherprinzip unmittelbar nicht das Vorgehen gegen einen bestimmten Personenkreis, können sich gleichwohl aus seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen Anhaltspunkte dafür ergeben, wer als Verursacher in Anspruch zu nehmen ist. Einen Maßstab dafür setzt zudem das Übermaßverbot. Über die Stufe der Erforderlichkeit, teilweise auch der Angemessenheit wirkt es insoweit als Effektivitätsgebot. Dem Gesetzgeber steht ein Einschätzungsspielraum zu. 4. Der Begriff des Verursachers ist daher kein fester Begriff. Wer als Verursacher herangezogen wird, ist das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung, in die im Rahmen des legislativen Einschätzungsspielraums Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen. 5. Der Kreis der potentiell als Verursacher in Betracht kommenden Personen ist weit. Voraussetzung ist ein ausreichender tatsächlicher Ursachenzusam-
Hauptthesen menhang zu dem Phänomen, das durch staatliches Handeln gesteuert werden soll. 6. Das Verursacherprinzip ist nicht dem polizeilichen Störerbegriff entnommen, der das Ergebnis legislativer Festlegung darstellt. Vielmehr ist umgekehrt der polizeiliche Störerbegriff ein Anwendungsfall des Verursacherprinzips. 7. Die durch legislative Entscheidung entstandenen normativen Vorgaben bestimmen, wen die Verwaltung als Verursacher heranzuziehen hat. Belassen ihr diese einen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum und geben sie dessen Ausfüllung nicht näher vor, ist im Bereich der Gefahrenbekämpfung und -Verhinderung auf die allgemeine Maßnahmerichtung des Polizeirechts zurückzugreifen. 8. Die Theorie der unmittelbaren Verursachung stimmt mit der notwendigen Dominanz der wertenden Betrachtung nicht überein. Vorzugswürdig ist daher eine polizeirechtliche Störerbestimmung nach Wertungsgesichtspunkten, wie sie durch die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Verursacherprinzips vorgegeben sind. Dahin ist die polizeirechtliche Störerbestimmung nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre fortzuentwickeln. 9. Eine Solidarverantwortung für das Verhalten anderer Verursacher kann nur dann und insoweit bejaht werden, als auch aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte von den herangezogenen Verursachern ein Beitrag stammen kann. Bei unvorhergesehenen Kosten ist das der Fall, wenn wie vielfach in einer Abfalldeponie eine Differenzierung nach Verursachungsbeiträgen undurchführbar ist. Altlasten hingegen haben keinen Bezug mehr zu gegenwärtig entstehenden Gefahrenquellen; die für ihre Beseitigung notwendigen Kosten können nicht gegenwärtigen Verursachern auferlegt werden, es sei denn, diese haben aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte möglicherweise einen zusätzlichen (verschlimmernden) Beitrag geleistet. 10. Ein Rechtsnachfolger kann nur in Mißbrauchsfällen als Verursacher herangezogen werden; ansonsten fehlt ein ihm zurechenbarer Verursachungsbeitrag. 11. Die Zustandsverantwortung folgt aus der Pflichtenbelastung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG, die zugleich eine Zuordnung der mit dem Eigentum verbundenen Lasten enthält. Insoweit ist eine Belastung der Allgemeinheit der Steuerzahler ausgeschlossen. Daher kann der Zustandsstörer als Verursacher herangezogen werden. 12. Die Inanspruchnahme des Zustandsstörers beruht nicht auf einem Verhalten, sondern ist durch ihre Grundlage in Art. 14 Abs. 2 GG sach- bzw. tierbezogen. Daher kommt es nur auf den Zustand der Sache bzw. des Tieres zum Zeitpunkt der Heranziehung an, unabhängig davon, woher dieser rührt. Im Hinblick auf die Lastenverteilung zwischen Zustands- und Verhaltens-
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Hauptthesen verantwortlichem sowie dem Gemeinwesen unbillige Ergebnisse sind auf der Rechtsfolgenseite namentlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu korrigieren.
13. Die Zustandshaftung trifft aufgrund ihrer ausschließlichen Sach- bzw. Tierbezogenheit den aktuellen und nicht den früheren Eigentümer. Im Hinblick auf den aktuellen Eigentümer ist aber eine neue Rechtsgüterabwägung vorzunehmen und daher ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen. Das Problem der Rechtsnachfolge stellt sich nur dann, wenn aus einem gegen den Rechtsvorgänger erlassenen Verwaltungsakt vollstreckt werden soll oder grundstücksbezogene Geldforderungen etwa wegen einer Ersatzvornahme geltend gemacht werden. 14. Hoheitsträger können im Hinblick auf Art. 20 a GG und das Subsidiaritätsprinzip als Verursacher in Anspruch genommen werden. Grenze ist die Funktionsfähigkeit staatlicher Einheiten, die aber nicht absolut geschützt ist. Insoweit obliegt es ihnen selbst, die gesetzlich festgeschriebenen Verhaltenspflichten umzusetzen. Andere Verwaltungsträger dürfen sie nur dann mit Einzelanordnungen belegen, wenn Gefahren anders nicht abwendbar sind.
§ 2 Die wichtigsten Verwirklichungsformen 1. Die Hauptverwirklichungsformen des Verursacherprinzips sind ordnungsrechtliche, Abgaben- und Zertifikatlösungen. 2. Ordnungsrechtliche und Abgabenlösungen sind grundsätzlich gleichwertig. Nach den Umständen des Einzelfalls kann der Staat im Rahmen der Verhältnismäßigkeit das wirksamere Mittel wählen. Ordnungsrechtliche Mittel sind dann vorzuziehen, wenn die rasche Bekämpfung von Gefahren ohne zeitliche Verzögerung das Ziel ist. Weil eine dauernde Anreizwirkung auch unterhalb von festgelegten Grenzwerten nicht von Geboten, aber von Abgaben ausgeht, ist an eine Kombination beider Möglichkeiten zu denken. 3. Das Zertifikatmodell schafft einen unmittelbar in den Markt eingebundenen Anreiz, Belastungen zu vermindern. Seine Gefahr liegt insbesondere darin, daß einzelne Marktteilnehmer aufgrund des sich herausbildenden hohen Marktpreises keine Nutzungsrechte mehr erwerben können. Es scheidet daher jedenfalls als alleiniges Mittel gegen schwerwiegende Störungen aus. 4. Der Preis für den Kauf von Zertifikaten kommt unter Versteigerungsbedingungen zustande und kann daher nicht als Gebühr qualifiziert werden. Die daraus folgenden Einnahmen sind Bestandteil der Zertifikatlösung und können als Zertifikaterlös bezeichnet werden. Sie sind zur Finanzierung dieser Lösung heranzuziehen und dürfen nur als seltene Ausnahme, deren
Hauptthesen Reichweite aber unter Berücksichtigung von Art. 20 a GG zu ermitteln ist, zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs herangezogen werden. 5. Übergibt die Eröffnung eines Zertifikathandels einen Bereich erst privater Gestaltung, stellt sie eine - wenn auch im Hinblick auf den fortdauernden staatlichen Zugriff auf die Zahl der zirkulierenden Zertifikate nur teilweise - Privatisierung dar. 6. Aufgrund der grundsätzlichen Offenheit des Grundgesetzes für Privatisierungen ist die Einführung eines Zertifikatmodells prinzipiell möglich. Eine Ausnahme besteht etwa dann, wenn eine staatliche Schutzpflicht nur durch ein Verbleiben des entsprechenden Bereichs in staatlicher Regie sichergestellt werden kann.
§ 3 Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Anwendung des Verursacherprinzips 1. Die Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr werden durch die Umsetzung des Verursacherprinzips insbesondere in Art. 12 Abs. 1 GG und regelmäßig auch in Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt, der entsprechend der Erwähnung des Eigentumsgebrauchs in Art. 14 Abs. 2 GG auch den Erwerb durch Erworbenes schützt; Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet demgegenüber den Erwerb durch die eigene Arbeitskraft. 2. Zertifikate stellen Eigentum i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG dar, auch wenn sie vom Staat zugeteilt werden: Auch dann sind sie als Wertgegenstand ausgestaltet und beruhen deshalb überwiegend auf eigener Leistung, weil sie an den Betrieb einer bestimmten Produktion gekoppelt sind. 3. Einzelpersonen im privaten Bereich werden regelmäßig in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Daraus ergibt sich ein gegenüber dem wirtschaftlichen und beruflichen Sektor geringerer Schutzstandard, der in Widerspruch steht zu der wachsenden Bedeutung des privaten (Freizeit-) Bereichs. Daraus ergibt sich Notwendigkeit einer Anbindung aller durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Felder, die einen engen Bezug zu dem haben, was den Menschen heute typischerweise charakterisiert, an Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Beispiel ist das private Autofahren. 4. Zu (unmittelbaren) Grundrechtsbeeinträchtigungen führen auch Selbstverpflichtungen und informale Absprachen, insoweit sie die Vermeidung staatlicher Verhaltensgebote bezwecken und daher auf staatlichem Druck beruhen. 5. Daß das Verursacherprinzip durch indirekte Steuerung umgesetzt wird und damit lediglich mittelbar Grundrechte beeinträchtigt werden, entspricht seiner Rückführung auf den Subsidiaritätsgrundsatz und der Vorgabe einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Mittel sind Warnungen und Empfehlun-
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Hauptthesen gen, Zertifikatlösungen und Abgaben, die wie die Verpackungssteuern bei den Vertreibern ansetzen, aber regelmäßig an den Konsumenten weitergegeben werden.
6. Bieten die Grundrechte auch vor mittelbaren Beeinträchtigungen Schutz, so ist aufgrund ihrer Unübersehbarkeit eine Begrenzung notwendig. Das Erfordernis einer mit direkten Verhaltenssteuerungen vergleichbaren Intensität verliert dadurch an begrenzender Kraft, daß auch direkte Verhaltenseinwirkungen subtiler geworden sind. Sondert man die Beeinträchtigungen aus, die erst durch eine Reaktion der wirtschaftlichen Kräfte auf staatliche Rahmensetzungen eintreten, vermeidet man zugleich insoweit ein Zurückgreifen auf die Konstruktion, eine bestimmte Tätigkeit sei durch eine starken Änderungen unterworfenen Gesetzessituation geprägt und es bestehe kein Anspruch auf die Beibehaltung einer bestimmten Normlage. Diese erweckt das Bedenken, daß damit der Staat durch häufige Änderungen einen wirksamen Grundrechtsschutz zunichte machen kann. 7. „Weiche" Mittel wie Aufklärung, Selbstverpflichtungen und informelle Absprachen setzen auf möglichst weitgehende Freiwilligkeit sowie Verhaltensänderung (auch) aus Überzeugung und sind daher vielfach wirksamer als „klassische" Lösungen. Das mildere Mittel sind sie allerdings nicht stets, wie insbesondere Warnungen zeigen. Ihr Hauptproblem ist die fehlende Erzwingbarkeit, das sich auch für Abgaben stellt. Sie können gleichwohl auch zur Erreichung eines unabdingbaren Zieles eingesetzt werden, wenn dieses auch durch ordnungsrechtliche Mittel nicht (sicher) erreicht werden kann.
§ 4 Die mögliche Reichweite des Verursacherprinzips im Hinblick auf das Problem einer unsicheren Beurteilungsgrundlage - Grundsätzliches 1. Die Hauptschwierigkeit der Umsetzung des Verursacherprinzips vor allem im Umweltsektor sind Ungewißheiten im tatsächlichen Bereich insbesondere hinsichtlich des Schadenseintritts, der schadensverursachenden Personen), des Schadensausmaßes und der Wirksamkeit von Gegenmitteln als Grundlage für einen Vergleich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung. 2. Die Maxime „in dubio pro liberiate" und die Figur der Grundrechtsoptimierung lassen offen, ob die Grundrechte als Abwehrrechte oder als Schutzpflichten Vorrang haben sollen. 3. Da ein einheitlicher Vorrang von Abwehr- oder Schutzbelangen nicht besteht, bedarf es einer Abstimmung im Einzelfall. Der Gesetzgeber muß sowohl die Abwehrrechte wahren als auch die ihm vorgegebenen Schutzauf-
Hauptthesen träge erfüllen. Art. 20 a GG setzt durch seine Zukunftsbezogenheit Ungewißheiten voraus und ist damit für den Umweltbereich Beleg, daß der Staat auch bei Unsicherheiten im Tatsächlichen handeln können muß. Anders können auch grundrechtliche Schutzpflichten vielfach nicht erfüllt werden, und vermögen die Staatsorgane nicht der ihnen in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zugewiesenen Gestaltungsaufgabe nachzukommen. 4. Handlungsmöglichkeiten des Staates bei unsicherer Tatsachengrundlage beeinträchtigen die Verteidigung von Grundrechten. Die Rechtsschutzgewährleistung ist indes als formelles Hauptgrundrecht als Gegenpol zu den vom Staat zu wahrenden Schutzbelangen vordergründig. Zwar bleibt Art. 19 Abs. 4 GG der Bezugspunkt; das Gewicht der Grundrechte, deren Abwehr erschwert wird, ist aber bei der Abwägung einzubeziehen, ebenso das der subjektiv einforderbaren Schutzbelange, zu deren Gunsten Art. 19 Abs. 4 GG gleichfalls eingreift. Die Gewaltenteilung, die durch die Zurückdrängung der Judikative bei der Eröffnung staatlicher Gestaltungsspielräume bei unsicherer Tatsachengrundlage berührt wird, hat dienenden Charakter und wird daher von den Erfordernissen der Freiheitssicherung geprägt. - A u f Gesetzgebungsebene 5. Das Ausmaß des für die Erfüllung grundgesetzlicher Aufträge erforderlichen legislativen Beurteilungsspielraums richtet sich aus Gründen des Gleichgewichts sowohl nach der Größe und der Eintrittswahrscheinlichkeit des zu befürchtenden Schadens als auch nach dem Grad und der Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung abwehrrechtlicher Belange. 6. Auch im Falle der Gefahren- und Risikovorsorge ist ein Schadenseintritt möglich, so daß ihre Zulässigkeit von einer Abwägung der in Frage stehenden Belange abhängt. Durch Art. 20 a GG wurden die insoweit bestehenden Möglichkeiten deutlich erweitert. 7. Die Existenz eines Tatsachenkerns bzw. eines wissenschaftlich abgesicherten Wahrscheinlichkeitsurteils bilden die Grundlage einer richterlichen Überprüfbarkeit staatlichen Handelns und sind daher unverzichtbar. 8. Experimentiergesetze ermöglichen die Erforschung ungewisser Sachverhalte und greifen daher regelmäßig weniger stark in Grundrechte ein. Sie sind dann bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit der vorliegenden Anhaltspunkte für das Bestehen einer Gefahr zulässig, bilden aber deshalb keine eigene Kategorie. 9. Bestehen trotz der Auflockerungen der legislativen Darlegungslast unüberwindliche Unklarheiten im tatsächlichen Bereich, kann der Gesetzgeber diese vielfach durch das Herausgreifen eines feststehenden Umstandes oder
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Hauptthesen die Anknüpfung an eine hinreichend ermittelbare Verursachergruppe oder eine Adressierung der Normen an den, den es angeht, überspielen.
- Auf Verwaltungsebene 10. Beurteilungsspielräume der Verwaltung bedürfen der normativen Eröffnung und in grundrechtsrelevanten Bereichen der Rechtfertigung durch ein gegenläufiges Verfassungsgut. Ihre Koordinaten verlaufen parallel zu denen der Legislative, nur beziehen sie sich auf eine konkrete Situation und sind in den Rahmen der normativen Vorgaben eingebunden. 11. Gefahrerforschungseingriffe ermächtigen die Verwaltung zur Aufklärung eines Sachverhaltes. Sie sind aber nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten, die auf die Möglichkeit einer Gefahr deuten, zulässig, mithin beim Bestehen einer Gefahrensituation, wenngleich von geringer Wahrscheinlichkeit. In Betracht kommen sie lediglich dann, wenn ein Zuwarten möglich ist. 12. Der Gefahrbegriff ist offen und wird determiniert durch eine Abwägung der Rechtsgüter, denen eine Gefahr droht, und die durch staatliches Handeln beeinträchtigten Rechtsgüter unter Einbeziehung der Wahrscheinlichkeit beider Elemente. 13. Gefahren- und Risiko Vorsorge bezeichnen Bereiche geringerer Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens und können in den Gefahrbegriff einbezogen werden. 14. Aufgrund der starken Abhängigkeit der Gefahrenbekämpfung von der Heranziehung von Personen besteht ein Beurteilungsspielraum auch hinsichtlich der Einstufung einer Person als Störer und damit als Verursacher. 15. Fehlt eine gesetzliche Handlungsermächtigung zur Entscheidung eines Konfliktes zwischen Abwehr- und Schutzbelangen, ist die Exekutive gleichwohl zu Eingriffen in Abwehrrechte berechtigt, wenn anders schwere und irreparable Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Güter drohen. Das ist die Konsequenz der grundsätzlichen Gleichgewichtigkeit der grundrechtlichen Abwehr- und Schutzkomponente. Die Gewaltenteilung ist demgegenüber von sekundärer Bedeutung. Um aber die grundsätzliche Prärogative der Legislative zu wahren, hat sich die Verwaltung auf unaufschiebbare Übergangsregelungen zu beschränken und deren Inhalt möglichst auf vorhandene parallele oder verwandte Normen auszurichten. Zur Interimsgesetzgebung ist nur das Bundesverfassungsgericht berechtigt.
Hauptthesen
§ 5 Rückwirkungsverbot 1. Eine nachträgliche Heranziehung von Altlastenverursachern und die Verschärfung von Anforderungen an den Betrieb bestehender Anlagen stellt wegen der fortbestehenden Gefahrenlage regelmäßig eine unechte Rückwirkung dar; für in der ehemaligen DDR begründete Sachverhalte besteht keine Ausnahme. 2. Diese ist im Hinblick auf die bedeutenden öffentlichen Interessen und angesichts des regelmäßig geringen Vertrauensschutzes der ständig neuen Anforderungen unterliegenden Anlagenbetreiber grundsätzlich zulässig, es sei denn, sie führt zu einer gänzlichen Entwertung bestehender Eigentumspositionen. 3. Die Bestimmung des polizeilichen Störers richtet sich nach der gegenwärtigen Gefahrenlage, nicht nach deren früherer Erkennbarkeit oder nach dem Zeitpunkt der Ursachenlegung.
§ 6 Legalisierungswirkung von Genehmigungen 1. Genehmigungen gestatten nur die Ausübung einer erlaubten Tätigkeit trotz ihrer Gefährlichkeit, verändern aber nicht die Verursacherverantwortung und schließen daher künftige staatliche Eingriffe nicht aus. Ansonsten könnten auch die staatlichen Schutzpflichten regelmäßig nicht hinreichend gewahrt werden; die Genehmigungsverfahren zögen sich wegen der notwendigen Einbeziehung sämtlicher künftiger Auswirkungen erheblich in die Länge. 2. Durch die Erteilung einer Genehmigung wird der Vertrauensschutz als zusätzliche Schranke für staatliche Eingriffe aktiviert. Dieser ist aber im Hinblick auf die Genehmigungsbedürftigkeit und die daraus ableitbare Gefährlichkeit des betroffenen Sachverhalts regelmäßig nachrangig.
§ 7 Grenzen durch widersprechendes staatliches Verhalten? 1. Eine Rechtfertigung privaten schädigenden Verhaltens durch behördliche Duldung scheidet aus. Eine Duldung bewirkt aber insoweit einen Übergang der Verantwortung, als der Staat einen eigenen Verursachungsbeitrag durch aktive Anregung zu einem schädigenden privaten Verhalten geleistet hat. 2. Eine behördliche Duldung aktiviert den Vertrauensschutz als zusätzliche Grenze staatlichen Eingreifens, der aber regelmäßig nachrangig ist. 3. Eine Verwirkung ist infolge unverzichtbarer Rechtsgüter regelmäßig nicht gegeben. Als Grenze ist zudem der Vertrauensschutz relevant.
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Hauptthesen
4. Die behördliche Überwachung soll die private Verantwortung sicherstellen und kann diese daher nicht verändern.
§ 8 Mehrheit von Verursachern 1. Die Auswahl unter mehreren Verursachern unterliegt i m Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen zur Umsetzung des Verursacherprinzips der Entscheidung des Gesetzgebers. 2. Die Verwaltung kann im Rahmen einer gesetzlichen Ermächtigung eine Auswahl zwischen mehreren Verursachern treffen. Leitlinie für die Ermessensausübung ist der Gesetzeszweck und damit das einer Norm zugrundeliegende Verursacherprinzip. Aus dem Hintergrund der gerechten Lastenverteilung folgt, daß bei einer „Opferposition" des Zustandsstörers vorrangig der Handlungsstörer heranzuziehen ist. Das Übermaßverbot als zusätzliche Ermessensleitlinie ist kein bloßes Erforderlichkeitsproblem. 3. Ein Regreß unter den Verursachern durch eine Heranziehung von § 426 BGB ist wegen der rechtlichen Gebundenheit der Auswahl unter mehreren Störern ausgeschlossen.
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Diskussionsbeiträge sind in den Fußnoten als solche gekennzeichnet und nicht eigens aufgeführt. Belege aus Parlamentsdrucksachen sind ebenfalls nicht verzeichnet
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Sachregister Abfallgebühren 54 Abfallrecht 54 ff, 67
Beihilfeverbot, ches 217 ff
gemeinschaftsrechtli-
Abgabe, lenkende 84
- Beihilfebegriff 219 ff
Abgabe, nichtsteuerliche 71 f
- FreisteUung von Verbrauchern 228
Abgabenlösungen 38,64 ff, 258 ff
- Nichtheranziehung als Beihilfe 229 f
- Akzeptanz 263 f
- Umweltschutz 223 f
- Anwendungsfelder 264,281
- Verursacherprinzip 227 f, 230
- Effektivität und Effizienz 259 ff
- Warenverkehrsfreiheit 224 ff
- Marktkonformität 262 f
Belastungsgleichheit im Steuerrecht 188 ff
- Verwirklichung im geltenden Recht 64 ff
- Durchsetzung 191 ff
Absprachen, informeüe 276,280
- Verursachelprinzip, Bedeutung 194
Abwassereinleitung 56 f
Berufsfreiheit
Abwasserabgaben 65,68 f
- Berufszulassungsbeschränkungen 85
Äquivalenzprinzip 71
- Erwerbsschutz 272 f
Altlasten
- Marktwirtschaft 211 f
- Definition 250
- Verhältnis zur Eigentumsfreiheit 272 ff
- Inanspruchnahme für 250 ff
- Wettbewerbsfreiheit 273
- Legalisierungswirkung von Genehmigungen 330 ff
Besteuerung: s. Steuererhebung Betriebsbeauftragte 30,50
- Rückwirkungsverbot 324 ff
Beurteilungsspielraum
Anlagen, genehmigungsbedürftige 49 ff
- exekutiver 303 f
Anreizwirkung 31 f
- Gefahrdacht, Bedeutung 307
Anscheinstörer 311 ff
- legislativer 292 ff
Appellentscheidungen 122,180
- Rechtsschutzgarantie 87
Atomrecht 53,63 f, 65,66 f
Bewegungsfreiheit, Schutz 275 f
Auflagenlösungen: s. ordnungsrechtliche Lösungen Aufwendungsersatz 64 Ausgleichsgebot Haushaltsplan 150 ff Autofahren 275 f, 280 f
grundrechtlicher
Bundesnaturschutzgesetz: schutz
s. Natur-
Bundesverfassungsgericht, kompetenz 318 f
Interims-
Bußgelder 37,40,50
Sachregister causa
409
Experimentiergesetze 299 ff
- naturalis 22 - moralis 22 f
Familienschutz (im Rentemecht) 239 ff
Chemikaliengesetz 67
Feder 127
Coase-Theorem 32 f
Finanzausgleich 170 f, 174
Demonstrationsfreiheit: s. Versammlungsfreiheit
Finanzverfassung, Verbindung Grundrechtssicherung 171 ff
zur
Fluglärmgesetz 64 f
Direktorialverfassung 134,164
Förderungspflichten 103
Duldung 334 ff
Französische Revolution 109, 128, 134,164
Eheschutz (im Rentenrecht) 238 f
Freizeitverhalten, Schutz 274 ff
Eigentümererwerbsgesellschaft 160 Eigentum - Zertifikate 272 Eigentumsgrundrecht 83 - Erwerb durch Erworbenes 273 - Gemeinwohlnützigkeit 72, 144 ff, 157 ff - Grundpflicht 126,144 ff
grundrechtlicher
Gefährlichkeitsverdacht 305 f Gefahrbegriff - Gefahrenvorsorge 310 - Gefahrverdacht 306 f - Offenheit 308 f - Risikovorsorge 310 f
- Marktwirtschaft 210
Gefahrenvorsorge
- Privatnützigkeit, Wahrung der 148 f
- allgemein 294 f
- Steuerhöchstquote 157 ff
- durch Experimentiergesetz 300
- Unternehmensgesamtheit 273
- durch Verwaltung 307
- Wettbewerbsfreiheit 273 f
Gefahrerforschungseingriffe 305 ff
- Zustandsverantwortung 253 ff
Gefahrverdacht 305 ff
Eigenvornahme, staatiiche 37
Gegenseitigkeitsprinzip 129 f, 137
Elternpflicht 28,124,132 f
Geldstrafen 37,40
- Kindbezogenheit 132
Gemeinlastprinzip 30 f, 34,147 ff
Emissionen 50 ff, 57
Genehmigung
Empfehlungen 277
- Legalisierungswirkung 330 ff
Erdrosselungsverbot 155
- Zurechnungsgrundlage 89 ff
Ermächtigungslehre, normative 86 f
Generationenvertrag 237
Ermittlungskosten Strafverfolgung 233
Gentechnik 54,63
Ersatzsystem, privates 279
Gerechtigkeitsgedanke 42 f
Erziehungsrecht, Eltern 117
Gesamtschuld 341 f
Existenzminimum, finanzielles 119
Gesetzesgehorsam, Pflicht zum
410
Sachregister
- Begründung 135 ff
- Auskunftspflicht 276
- Ermittlungskosten 233 - Rechtsnachfolge 252
- Eingriffsintensität 278
- Schutzkosten 235
- Freizeitbereich 274 ff
- Störerbestimmung 247
- Genehmigung 89 f, 91 f
Gesetzestechnik 301 ff
- mittelbar 276 ff
Gesundheitsschutz 117 f
- Selbstverpflichtungen 276,280
Gewaltenteilung 87 ff, 290 f, 317 ff
- Steuern 161 ff
Gewohnheitsrecht 75
- unmittelbar 276
Gleichheitssatz
- Unterlassen 89 f
- Besteuerung 188 ff
- Warnungen 277
- Prinzip der gleichen Freiheit aller 139
- Wirtschaftsbereich 271 ff
- Umweltsteuern 189 f
Grundrechtsoptimierung 285 f
Goldene Regel 127
Grundrechtsschutz
Grotius 128
- für umweltschädigendes Verhalten 79 ff, 108
Grundpflicht(en)
(als Kriterium)
- Zertifikatmodell 271 f, 276
- Du-bezogene 127 ff
- Gesetzesvorbehalt 84 f
- Eigentumsverpflichtung 144 ff
- umfassende Reichweite 81
- Elternpflichten 124,132 f
- Vermögen 83
- gemeinschaftsbezogene 134 ff
Grundrechtsvoraussetzungsschutz 111 ff
- Geschichte 127 f, 134 f - Gesetzesgehorsam, Pflicht zum 135 ff
Haftungspflichten 58 ff
- Steuerpflicht 125 f
Halbteilungsgrundsatz (im Steuerrecht) 157 ff
- ungeschriebene 143 - Verursacherprinzip, Zusammenhang mit 123 ff
Handlungsfreiheit, allgemeine - Freizeitverhalten, Schutz 274 ff
- Wehrpflicht 143 f
- Reichweite 81,83 f, 143
- zu solidarischem Verhalten 79,139 ff
- Schrankenklausel 115 f, 128 ff, 136
Grundrechte
Haushaltsplan
- Abwehrrechte 89 ff, 115 f
- Ausgleichsgebot 150 ff, 166 ff, 173
- Grundpflichten 123 ff
- Bedeutung 151 f, 166 ff
- Interpretation durch 341 f
- freiheitssichernde Funktion 172 f
- Leistungsrechte 93
- Konzentrations Wirkung 172 f
- Schutzpflichten 93 ff
Hinterbliebenenrenten- und hungszeiten-Gesetz 238
- Wertsystem 96 ff Grundrechtseingriff
Hobbes 127
Erzie-
er
411
Immissionen 50 ff
Leistungsinstrumente, staatliche 33 f
Immissionsschutzrecht 49 ff, 66
Lizenzentgelte 73 f
Imputationslehre 22 f
Locke 127
"In dubio pro libertate" 285 f Interpretation, privatrechtsorientierte öffentlich-rechtlicher Vorschriften 25
Magisches Viereck 150 Marktwirtschaft
Ist-Vermeidungskosten 40,47,66
- Gemeinschaftsrecht, 208 f
Kant 22
- Grundgesetz 210 ff
Kausalität 21 ff
- Sozialstaatsbestimmung 211 f
- natürliche 22 f, 25
- Umweltstaatszielbestimmung 211 f
- Übernahme zivilrechtlicher Wertungen 25
Menschenbild - Du-bezogenes 130 ff
- Umweltrecht 24 f
- FolgenVerantwortung 196 ff
- Unsicherheiten 281 ff
- gemeinschaftsbezogenes 141 ff, 199 f
- wertende 23,25
- Selbstbestimmung 197 ff
Konkordanz, praktische 212
- Subsidiaritätsprinzip 202
Konsumentensouveränität 242
- Verursacherprinzip 195 ff
Kooperationsprinzip 29 f
Menschenwürde
Vorgabe aus
Kostendeckungsprinzip 54,71
- Dürigsche Objektformel 196
Kosteninternalisierung 31 f
- Freizeitbereich 275 f
- durch Ordnungsrecht 37
- Gehalt 113,195 f
- durch Zwangsgelder 40 Kraftfahrzeugsteuer 125
- gemeinschaftsbezogene Komponente 199 f
Krankenversicherung 236 f
- Leitfunktion 131,195
Kreditaufnahme 150,153,168 f, 173
- Selbstbestimmung 197 ff
Kreislaufwirtschaft 55 f
- Weitsystem Grundrechte 96 ff Mitnahmeeffekte 34
Labandsche Budgettheorie 152 Legalisierungswirkung von Genehmigungen 330 ff
Notkompetenz
- Drittwirkung 333
- Schutzpflichten, Erfuüung 106,313 ff
- Schutzpflichten 331 ff
- Verwaltung (allgemein) 313 ff
Naturschutz 58,66,68
Leistungsfähigkeit, finanzielle 42 Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht 188 f - Ökosteuern 189 - Wirtschaftsbezogenheit 188 f
öffentiiche Ersatzleistungen 21,23 f ordnungsrechtliche Lösungen 36ff, 47, 49 ff, 77,258 ff
412
Sachregister
- Akzeptanz 263
Querschnittsklausel
- Anwendungsfelder, bevorzugte 264
- gemeinschaftsrechtliche 215,223 f
- Effektivität und Effizienz 259 ff
- Umweltstaatszielbestimmung 217
- Flexibilisierung 261 f - Marktkonformität 263
Rechnungshöfe 155,177
- Verwirklichung im geltenden Recht 49 ff
- Verursacher 252
- Vollzugsdefizite 260 f Ozonwerte 119,280 f
Rechtsnachfolge - Zustandsverantwortlichkeit Nachfolger 255 f Rechtsschutzgarantie
Paulskirchenverfassung 134 Parteiveranstaltungen 236
- Bedeutung für staatliche Handlungsmöglichkeiten 288 ff, 316 f
Physiokraten 127
- Einschränkbarkeit 86 ff
Pigou-Steuer 35
- Hauptgrundrecht, formelles 289
Piaton 31
- Kontrolle mit vertretbarem Zeitaufwand 277,290
Polizeikosten - Ermittlung 233 - Veranstaltungen 233 ff Polizeirecht - Anscheinstörer311 ff - Gefahrbegriff: s. dort - Störerauswahl 339 f - Störerbestimmung 246 ff - Theorie der unmittelbaren Verursachung 246,312 f - Zustandsstörer 253 ff Pressefreiheit 116 f
- Rücknahmerichterlicher Prüfungsbefugnis 297ff, 304 Rechtssicherheit 324 Rentenversicherung 237 ff - Generationenvertrag 237 - Grundrechte 238 ff - Kindererziehungszeiten 238 - Reform 238 Restrisiko 296 f Risiko, erlaubtes 23 Risikovorsorge 295 ff Rückwirkungsverbot
Preußisches Allgemeines Landrecht 110,128,134,164
- Altlasten 324 ff
Prinzip der gleichen Freiheit aller 139
- echte 324
Privatisierung 269 ff
- Gesetzgebung 327 ff
- Definition 270
- in der DDR begründete Sachverhalte 325 ff
- Grenzen 270 f Produkthaftung 60 f Produktverantwortung 56 Prognosespielraum 292 Pufendorf 128
- Störerbestimmung 329 f - unechte 324 Sachverhaltsaufklärung 66 f Sanktionen, monetäre 37,40
Sachregister Schaufensterauslage, 248 f
provozierende
Standard-Preis-Ansatz 35 Steuererhebung
Schutzpflichten
- Bestandsschutz 155 ff
- Abwehrrechte, Verhältnis zu 104 ff, 108 ff, 286,315 f
- Erdrosselungsverbot 155
- Elemente objektiver Ordnung 94 ff - Geschichte 109 ff - Gewaltenteilung 120 ff - Herleitung, subjektiv-rechtliche 102 ff - Legalisierungswirkung von Genehmigungen 331 ff - Menschenwürde, Bezug zu 96 ff - Prinzipiencharakter 103 f - Rechtsgüterschutz 94 ff - Reichweite 95 ff, 113 ff - Subjektivierung 120 - Unbestimmtheit 100 ff - Untermaßverbot 108, 338 - Verursacherprinzip 93 f, 123 Selbstverpflichtungen 30,276 Sicherheit und Ordnung 24 Solidargemeinschaft, 252
intertemporale
Solidarverantwortung 249 ff - Alüasten 250 ff - unvorhergesehene Kosten 250 ff SoU-Vermeidungskosten 40,47,66 Sonderabgaben 68 ff, 84 Sozialstaatsprinzip - Lastentragungspflicht 139 ff - Verursacherprinzip 212 f Sozialversicherungen 236 ff Staatsausgaben - Grenzen der 150 ff - Zusammenhang mit Einnahmen 151 f, 166 ff Staatsrechtslehre, Finanzblindheit 31 Stabilitätsgesetz 150
413
- Gestaltung durch 159 ff - Gleichheit 188 ff - Rechtsschutz 178 ff - Rügemöglichkeiten Steuerzahler 176 ff - Verhältnismäßigkeit 154 ff - Wahrung Existenzminimum 155 - Zweck 163 ff Steuerhöchstquote 157 ff Steuerpflicht - Grenzen 154 ff - Grundpflicht 125 f - Leistungsfähigkeitsprinzip 125 Steuervergünstigungen 34 Steuerverwendung - Angemessenheit 186 f - Beurteüungsspielraum, 187
staatlicher
- Erforderlichkeit 185 f - Geeignetheit 184 - Gemeinwohlnützigkeit 183 f Steuerverteüung 169 f, 173 f Störer - Auswahl 339 f - Bestimmung (allgemein) 246 ff - Bestimmung nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre 247 f Straßengüterverkehrsteuer 125 Subsidiaritätsprinzip 200 ff - Gemeinschaftsrecht 204 - Grundrechte 205 ff - Hilfe zur Selbsthilfe 206 - Ordnungsgrundsatz 202
Sachregister
414
- Subsidiaritätsklausel, europabezogene 203 ff
- Querschnittsklausel 217
- Menschenbild, 202
- Verursacherprinzip 213 ff
grundgesetzliches
- Umweltsteuern 70,189 - Vorsorge 216 f
- Verhältnismäßigkeitsprinzip 206
- Zustandsverantwortung 254
- Verursacherprinzip 200 ff, 207 f
Umweltsteuern 70,74,126,189 f
- Zustandsverantwortung 253 f
Umweltverträglichkeitsprüfung 67
Subventionen 34
Unterhaltslasten 133
Svarez 128,134,164
Untermaßverbot 108,338 Unvereinbarerklärungen 122,180
Teilprivatisierung 269 ff Theorie der unmittelbaren sachung 246,312 f
Verur-
Veranlasserprinzip 21 Verantwortung
Transaktionskosten 32 f
- Bedeutung 26
Treu und Glauben 336
- Folge 26 f
Überwachung, Vernachlässigung der 337
- Grund 26 f - moraüsche 26
Umweltbelastungen, grundrechtlicher Schutz 79 ff, 108
- rechtüche 26
Umweltpolitikgrundsätze, schaftsrechtliche 214 f
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, kungsorientiertheit 243 ff
gemein-
Verbrauchsteuer 70 Wir-
Umwelthaftung 61 ff
Verleihungsgebühr 71
Umweltnutzung gegen Entgelt 41,46 f, 48,69 ff
Vermeidungskosten 40,47,64 ff
Umweltnutzungsgebühr 71
Verpackungssteuer, örtüche 277
Umweltstaatsziel
Verpackungsverordnung 55
- Abgabe, Rechtfertigung 72
Versammlungsfreiheit 114,117,236
- Anerkennung Vemrsacherprinzip 24
Verschaffungsanspruch 114
- Bedeutung, eingeschränkte 143 - Gemeinschaftsrecht, 214 f
Einfluß
Vermögen, konsoüdiertes 156
Versicherungspflicht 61 ff von
- Grundrechte, Verhältnis zu 215 ff - Handlungsmöglichkeiten, staatliche 287
Vertrauensschutz - DDR 327 - Duldung 335 - Genehmigungen 333 f
- Hoheitsträger, Verantwortung der 256
- Rückwirkung 324 ff
- Marktwirtschaft, Ausgleich mit 211 f
Vertretbarkeitslehre 86
- Offenheit 213 f
Verursacher
- Verwirkung 336
Sachregister - Auswahl 248 f, 337 ff - Beurteilungsunsicherheiten 281 ff - Ehepaare, kinderlose 237 ff - Einschätzungsspielraum 245 f, 281 ff - Gesetzgeber, Bestimmung durch 241 ff - Gewalttäter 235
- instrumentalistische 35 ff,44
415 Konzeption
- Kombination mit anderen Prinzipien 29 ff - Kostenzurechnungsfunktion, schränkung auf 39 f, 43 f
Be-
- Lastenverteüungsprinzip 194
- Hersteller 242 f
- Ordnungsrecht 36 ff, 43 f, 49 ff
- Hoheitsträger 256 ff - Kausalität, Verbindung zu 21 ff - Konsumenten 241 ff
- Polizeikosten 233 ff - polizeirechtliche Inanspruchnahme 22 - Prinzip 28 ff
- Mehrheit 337 ff
- sozialethische Betrachtung 42 f
- Raucher 237 - Rechtfertigungsbedürftigkeit spruchnahme 83 ff
Inan-
- Rechtsnachfolge 252 - Regreß 340 ff - Solidarverantwortung 249 ff - Veranstalter 233 ff
- Sozialversicherung 236 ff - Störerbegriff 245 f - Typologie 45 ff - Übernahme in die Rechtswissenschaft 39 f - Umweltrecht 24,29 ff, 49 ff
- Verantwortung 26 ff
- Ursprung, wirtschaftswissenschaftlicher 31 ff
- Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 243 ff
- Versicherungspflicht 61 ff
- Vertrauensschutz: s. dort
- Verwirklichung im geltenden Recht 43 ff
- Verwaltung, 246 ff
Bestimmung durch
- Verwirklichungsformen 258 ff
- Wortsinn 21
Verwaltungsvertrag 267 f
- Zustandsstörer 253 ff
Verwirkung 336
- Zweckveranlasser 248 f
Vorbehalt des Möglichen 122
Venirsacherprinzip
Vorlage an das BVerfG 178 ff
- Beurteilungsspielraum 282 ff
- Entscheidungserheblichkeit 179 f
- Ermittlungskosten 233
Strafverfolgung
- Formtypik 40 f - Fundierung, 78 ff
- Rechtsfolgeausspruch 180 Vormärz 110
verfassungsrechtliche
- Gewohnheitsrecht 75 f - Großveranstaltungen 233 ff - Grundrechtsbeeinträchtigungen 271 ff - Haftungsvorschriften 38,44,58 ff - Herleitung 89 ff
„Vorsorge ins Blaue" 298 Vorsorgeprinzip 29 f Wahlrecht 142 f Warenverkehrsfreiheit 224 ff Warnungen 277,280
Gesetz
Sachregister
416
Wasserrecht 56 ff, 59 f, 65 f
- Grundrechtsbeeinträchtigung 271 f, 276
Wasserschutzgebiete 57
- Nachteile 265 f
Wehrpflicht 143 f
- Praktikabilität 266
Weimarer Reichsverfassung
- Qualifikation 267 f
- Schutzgewährleistung 110
- Teilprivatisierung 269 ff
- Grundpflichten 135
- Verwaltungshandeln, informales 268
- Steuererhebung 165
- Verwaltungsvertrag 267 f
Wasseipfennig 69 ff
Wettbewerbsschutzsystem, schaftliches 230 ff
gemein-
- Vorteile 265 - Zulässigkeit 267 ff
Wohlbefinden, psychisches und soziales 118
Zurechnung privaten Verhaltens an den Staat 89 ff
Wolff, Christian 110,128
Zusatzkosten, soziale 32, 40 f, 46, 48, 54,65 f, 68 f
Zahlungspflichten 58ff, 77
Zustandsverantwortung
Zertifikaterlös 267
- Begründung 253 f
Zertifikatmodell 38,47,74,264 ff
- Fremdverschulden 254 f
- Einsatzmöglichkeiten 265 f, 280
- Opferposition 254 f, 339 f
- Erlös 267
- Rechtsnachfolge 255 f
- Finanzierungsfunktion 268 f
Zwangsgelder 37,40
- Funktionsweise 264 f
Zweckveranlasser 248, 340