Das Verschwinden des Erzählers: Erzähltheoretische Analysen von Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902-1908. Dissertationsschrift 3039106678, 9783035103526, 9783039106677

Erzähltheorie als Untersuchungsmethode ist in der Japanologie noch weitgehend unbeachtet. Die Autorin untersucht die Erz

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort 11
Einführung
1 Ziel der Arbeit 13
2 Inhalt der Arbeit 15
2.1 Auswahl 15
2.2 Vorgehen 17
3 Theoretische Hintergründe 19
3.1 Erzähltheoretisches, Definitionen 19
3.2 Besonderheiten des Japanischen 24
3.2.1 Erzähltempus: Tempus oder Aspekt 24
3.2.2 Wiedergabe von Rede 26
3.2.3 Wiedergabe von Innerlichkeit 26
3.2.4 Demonstrativa und Pronomen 28
4 Literaturgeschichtliche Hintergründe 32
4.1 Allgemeines 32
4.2 Biografie 35
4.3 Der japanische Naturalismus 39
4.3.1 Die Methodendiskussion 43
4.3.2 Rokotsu naru byôsha 45
4.3.3 Heimen byôsha 46
4.3.4 Byôsharon 49
4.3.5 Ichigen byôsha 50
Analysen
1 Jûemon no saigo 53
1.1 Entstehung 53
1.2 Inhalt 56
1.3 Aufbau 59
1.4 Zeitstruktur 60
1.5 Analyse 62
1.5.1 Allgemeine Bemerkungen 62
1.5.2 Benennung der Figuren 64
1.5.3 Elemente der Mittelbarkeit 65
1.5.4 Das achte Kapitel 98
1.5.5 Elemente der Unmittelbarkeit 103
1.5.6 Verquickung der Ebenen 111
1.6 Ergebnisse 114
1.6.1 Die Erzählsituation 114
1.6.2 Folgerung für die Interpretation 116
2 Shôjobyô 119
2.1 Entstehung 119
2.2 Inhalt 121
2.3 Aufbau und Zeitstruktur 122
2.4 Analyse 125
2.4.1 Allgemeine Bemerkungen 125
2.4.2 Benennung der Figuren 127
2.4.3 Elemente der Mittelbarkeit 128
2.4.4 Elemente der Unmittelbarkeit 145
2.4.5 Das zweite Kapitel 151
2.4.6 Verquickung der Ebenen 157
2.5 Ergebnisse 158
2.5.1 Die Erzählsituation 158
2.5.2 Folgerung für die Interpretation 159
3 Futon 161
3.1 Entstehung 161
3.2 Inhalt 163
3.3 Aufbau und Zeitstruktur 164
3.4 Analyse 168
3.4.1 Allgemeine Bemerkungen 168
3.4.2 Benennung der Figuren 170
3.4.3 Elemente der Mittelbarkeit 173
3.4.4 Zwischen Bericht und neutraler Erzählfunktion 190
3.4.5 Elemente der Unmittelbarkeit 207
3.4.6 Das erste Kapitel 224
3.5 Ergebnisse 230
3.5.1 Die Erzählsituation 230
3.5.2 Folgerungen für die Interpretation 234
4 Rinshitsu 237
4.1 Entstehung 237
4.2 Inhalt 238
4.3 Aufbau und Zeitstruktur 239
4.4 Analyse 240
4.4.1 Allgemeine Bemerkungen 240
4.4.2 Benennung der Figuren 242
4.4.3 Elemente der Mittelbarkeit 243
4.4.4 Elemente der Unmittelbarkeit 255
4.5 Ergebnisse 260
5. Ippeisotsu 263
5.1 Entstehung 263
5.2 Inhalt 263
5.3 Aufbau 264
5.4 Analyse 265
5.4.1 Allgemeine Bemerkungen 265
5.4.2 Benennung der Figuren 267
5.4.3 Direkte Rede 268
5.4.4 Neutrale Erzählfunktion und Figurenperspektive 269
5.5 Ergebnisse 291
5.5.1 Die Erzählsituation 291
5.5.2 Folgerungen für die Interpretation 292
Die Tayama Katai-Forschung
1 Allgemeine Bemerkungen 293
2 Die japanische Forschung im Überblick 297
2.1 Die zeitgenössische Reaktion: Literatur als Wahrheit 297
2.1.1 Jûemon no saigo 297
2.1.2 Rinshitsu 298
2.1.3 Shôjobyô 299
2.1.4 Futon 299
2.1.5 Ippeisotsu 303
2.1.6 Weitere Abhandlungen zu Tayama Katai 304
2.2 Versuch einer marxistischen Interpretation: Kataoka Ryôichi (1940-1949) 307
2.3 Der Verlust der Glaubwürdigkeit und der Beginn der shishôsetsu–Forschung 309
2.3.1 Masamune Hakuchô (1933) 310
2.3.2 Kobayashi Hideo (1936) 311
2.3.3 Nakamura Mitsuo (1936/1950) 311
2.3.4 Hirano Ken (1958) 313
2.3.5 Itô Sei (1955) 315
2.4 Tayama Katai als Naturalist 316
2.4.1 Yoshida Sei’ichi (1955/1958) 316
2.4.2 Ino Kenji (1966) 319
2.4.3 Kleinere Abhandlungen 321
2.5 Positivismus und die Entdeckung der „Fiktionalität“ 323
2.5.1 Iwanaga Yutaka (1968/1969) 323
2.5.2 Tanaka Ei’ichi (1969) 327
2.6 Sakka sakuhin-ron 328
2.6.1 Kobayahi Ichirô (1967-1984) 328
2.6.2 Ogata Akiko (1999) 333
2.7. Die Tendenz zur werkimmanenten Interpretation 335
2.7.1 Okuno Takeo (1962) 336
2.7.2 HasegawaYoshihiro (1970) 337
2.7.3 Katayama Haruo (1977/1987) 338
2.7.4 Tosa Tôru (1985) 339
2.7.5 Takahashi Toshio (1985) 339
2.7.6 Watanabe Masahiko (1989) 341
2.7.7 Konaka Nobutaka (1990) 342
2.7.8 Hayashi Hirochika (1990) 343
2.7.9 Takezoe Atsuko (1990) 344
2.7.10 Seki Hajime (1996) 346
2.8 Die Beschäftigung mit der Methode der Beschreibung und der Erzählhaltung 348
2.8.1 Sasabuchi Tomoichi (1970) 349
2.8.2 Yamamoto Shôichi (1972) 351
2.8.3 Wada Kingo (1975) 351
2.8.4 Shigematsu Yasuo (1976) 353
2.8.5 Usami Takeshi (1979) 354
2.8.6 Uchida Michio (1982) 354
2.8.7 Gotô Meisei (1983) 355
2.8.8 Kojima Noriko (1991) 356
2.9 Die Notwendigkeit der Rekontextualisierung 358
2.9.1 Ishihara Chiaki (1990) 358
2.9.2 Watanabe Masahiko (1992) 359
2.9.3 Egusa Mitsuko (1992) 361
2.10 „Futon“ und die Postmoderne 362
2.10.1 Karatani Kôjin (1980) 363
2.10.2 Fujimori Kyoshi (1993/1994) 364
3 Die westliche Forschung 369
3.1 Allgemeine Bemerkungen 369
3.2 Die Naturalismusforschung 369
3.2.1 Oscar Benl (1953) 369
3.2.2 William Sibley (1968) 370
3.2.3 Frederick Richter (1978) 372
3.2.4 Kenneth Henshall (1981/1982) 373
3.2.5 Jay Rubin (1984) 377
3.3 Die Versuche, Tayamas Werke einem Genre zuzuordnen 379
3.3.1 Tatsuo Arima (1969) 379
3.3.2 Janet Walker (1979) 381
3.4 Die Untersuchung des Phänomens shishôsetsu 383
3.4.1 Noriko Mizutani Lippit (1980) 383
3.4.2 Irmela Hijiya Kirschnereit (1978/1981) 385
3.4.3 Edward Fowler (1988) 391
3.4.4 Tomi Suzuki (1996) 394
3.4.5 Nagashima Yôichi (1997) 398
4 Abschliessende Bemerkungen 399
Schlussbetrachtungen 401
Anhang
Bibliografie 405
Index 425
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Das Verschwinden des Erzählers: Erzähltheoretische Analysen von Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902-1908. Dissertationsschrift
 3039106678, 9783035103526, 9783039106677

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UG ASI Welten Ostasiens 5.qxd

23.02.2006

16:45

Seite 1

5

Schweizerische Asiengesellschaft Société Suisse-Asie

Erzähltheorie als Untersuchungsmethode ist in der Japanologie noch weitgehend unbeachtet. Die Autorin untersucht die Erzählungen des japanischen Schriftstellers Tayama Katai (1871–1930). Seine wichtigsten Werke entstanden in der Meiji-Zeit (1868–1912) an einer Bruchstelle der literarischen Entwicklung – dem Wechsel von der klassischen Schriftsprache zur modernen Literatursprache. Die Studie durchleuchtet die Erzählstrategie Tayama Katais und seinen Versuch, wahrheitsgetreu zu erzählen, woraus eine Ausschaltung des Erzählers resultierte. Ausserdem gibt sie Aufschluss über die Entstehung von Erzählformen in Japan um 1907–1908, die auch in Europa anfangs des 20. Jahrhunderts neu auftraten.

Verena Werner Das Verschwinden des Erzählers

Verena Werner lebte von 1973 bis 1987 in Japan und studierte drei Jahre an der Universität Kobe. 1987 bis 1993 studierte sie Japanologie, Germanistik und Sinologie an der Universität Zürich, arbeitete 1993 bis 1995 als Übersetzerin und war von 1995 bis 2001 wissenschaftliche Assistentin, seither wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte am Ostasiatischen Seminar der Universität Zürich, wo sie 2003 mit dieser Arbeit promovierte.

DAS VERSCHWINDEN DES ERZÄHLERS 5

Erzähltheoretische Analysen von Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902–1908

WELTEN OSTASIENS WORLDS OF EAST ASIA MONDES DE L’EXTRÊME-ORIENT

VERENA WERNER

ISBN 3-03910-667-8 PETER LANG

23.02.2006

16:45

Seite 1

5

Schweizerische Asiengesellschaft Société Suisse-Asie

Erzähltheorie als Untersuchungsmethode ist in der Japanologie noch weitgehend unbeachtet. Die Autorin untersucht die Erzählungen des japanischen Schriftstellers Tayama Katai (1871–1930). Seine wichtigsten Werke entstanden in der Meiji-Zeit (1868–1912) an einer Bruchstelle der literarischen Entwicklung – dem Wechsel von der klassischen Schriftsprache zur modernen Literatursprache. Die Studie durchleuchtet die Erzählstrategie Tayama Katais und seinen Versuch, wahrheitsgetreu zu erzählen, woraus eine Ausschaltung des Erzählers resultierte. Ausserdem gibt sie Aufschluss über die Entstehung von Erzählformen in Japan um 1907–1908, die auch in Europa anfangs des 20. Jahrhunderts neu auftraten.

Verena Werner lebte von 1973 bis 1987 in Japan und studierte drei Jahre an der Universität Kobe. 1987 bis 1993 studierte sie Japanologie, Germanistik und Sinologie an der Universität Zürich, arbeitete 1993 bis 1995 als Übersetzerin und war von 1995 bis 2001 wissenschaftliche Assistentin, seither wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte am Ostasiatischen Seminar der Universität Zürich, wo sie 2003 mit dieser Arbeit promovierte.

DAS VERSCHWINDEN DES ERZÄHLERS Verena Werner Das Verschwinden des Erzählers

UG ASI Welten Ostasiens 5.qxd

5

Erzähltheoretische Analysen von Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902–1908

WELTEN OSTASIENS WORLDS OF EAST ASIA MONDES DE L’EXTRÊME-ORIENT

VERENA WERNER

PETER LANG

DAS VERSCHWINDEN DES ERZÄHLERS

WELTEN OSTASIENS WORLDS OF EAST ASIA MONDES DE L’EXTRÊME-ORIENT Band / Vol. 5 Herausgegeben von / Edited by / Edité par ROBERT H. GASSMANN ANDREA RIEMENSCHNITTER PIERRE-FRANÇOIS SOUYRI NICOLAS ZUFFEREY

PETER LANG Bern • Berlin • Bruxelles • Frankfurt am Main • New York • Oxford • Wien

DAS VERSCHWINDEN DES ERZÄHLERS Erzähltheoretische Analysen von Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902–1908

VERENA WERNER

PETER LANG Bern • Berlin • Bruxelles • Frankfurt am Main • New York • Oxford • Wien

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.

Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Sommersemester 2003 auf Antrag von Prof. Dr. Eduard Klopfenstein als Dissertation angenommen.

Umschlagabbildung: Fotografie Tayama Katais aus dem Jahre 1915. Aus: Tayama Katai. Gesammelte Werke 2 (1967). [Bd. 21]. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Chikuma shobo. ISSN 1660­9131 (Print Ausgabe) ISBN 3­03910­667­8 E­ISBN 978­3­0351­0352­6

© Peter Lang AG, Internationaler Verlag der Wissenschaften, Bern 2006 Hochfeldstrasse 32, Postfach 746, CH-3000 Bern 9 [email protected], www.peterlang.com, www.peterlang.net Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschliesslich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ausserhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Switzerland

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ..................................................................................................11 Einführung 1 2

3

4

Ziel der Arbeit .................................................................................13 Inhalt der Arbeit...............................................................................15 2.1 Auswahl..................................................................................15 2.2 Vorgehen ................................................................................17 Theoretische Hintergründe ..............................................................19 3.1 Erzähltheoretisches, Definitionen...........................................19 3.2 Besonderheiten des Japanischen.............................................24 3.2.1 Erzähltempus: Tempus oder Aspekt..............................24 3.2.2 Wiedergabe von Rede....................................................26 3.2.3 Wiedergabe von Innerlichkeit .......................................26 3.2.4 Demonstrativa und Pronomen .......................................28 Literaturgeschichtliche Hintergründe ..............................................32 4.1 Allgemeines ...........................................................................32 4.2 Biografie.................................................................................35 4.3 Der japanische Naturalismus..................................................39 4.3.1 Die Methodendiskussion ...............................................43 4.3.2 Rokotsu naru byǀsha .....................................................45 4.3.3 Heimen byǀsha ..............................................................46 4.3.4 Byǀsharon......................................................................49 4.3.5 Ichigen byǀsha...............................................................50

Analysen 1

Jnjemon no saigo ..............................................................................53 1.1 Entstehung ..............................................................................53 1.2 Inhalt.......................................................................................56 1.3 Aufbau....................................................................................59 1.4 Zeitstruktur .............................................................................60

1.5

1.6

Analyse...................................................................................62 1.5.1 Allgemeine Bemerkungen .............................................62 1.5.2 Benennung der Figuren .................................................64 1.5.3 Elemente der Mittelbarkeit ............................................65 1.5.4 Das achte Kapitel...........................................................98 1.5.5 Elemente der Unmittelbarkeit......................................103 1.5.6 Verquickung der Ebenen .............................................111 Ergebnisse ............................................................................114 1.6.1 Die Erzählsituation ......................................................114 1.6.2 Folgerung für die Interpretation ..................................116

2

Shǀjobyǀ ........................................................................................119 2.1 Entstehung ............................................................................119 2.2 Inhalt.....................................................................................121 2.3 Aufbau und Zeitstruktur .......................................................122 2.4 Analyse.................................................................................125 2.4.1 Allgemeine Bemerkungen ...........................................125 2.4.2 Benennung der Figuren ...............................................127 2.4.3 Elemente der Mittelbarkeit ..........................................128 2.4.4 Elemente der Unmittelbarkeit......................................145 2.4.5 Das zweite Kapitel.......................................................151 2.4.6 Verquickung der Ebenen .............................................157 2.5 Ergebnisse ............................................................................158 2.5.1 Die Erzählsituation ......................................................158 2.5.2 Folgerung für die Interpretation ..................................159

3

Futon .............................................................................................161 3.1 Entstehung.............................................................................161 3.2 Inhalt.....................................................................................163 3.3 Aufbau und Zeitstruktur .......................................................164 3.4 Analyse.................................................................................168 3.4.1 Allgemeine Bemerkungen ...........................................168 3.4.2 Benennung der Figuren ...............................................170 3.4.3 Elemente der Mittelbarkeit ..........................................173 3.4.4 Zwischen Bericht und neutraler Erzählfunktion .........190 3.4.5 Elemente der Unmittelbarkeit......................................207 3.4.6 Das erste Kapitel .........................................................224

3.5

Ergebnisse ............................................................................230 3.5.1 Die Erzählsituation ......................................................230 3.5.2 Folgerungen für die Interpretation...............................234

4

Rinshitsu ........................................................................................237 4.1 Entstehung ............................................................................237 4.2 Inhalt.....................................................................................238 4.3 Aufbau und Zeitstruktur .......................................................239 4.4 Analyse.................................................................................240 4.4.1 Allgemeine Bemerkungen ...........................................240 4.4.2 Benennung der Figuren ...............................................242 4.4.3 Elemente der Mittelbarkeit ..........................................243 4.4.4 Elemente der Unmittelbarkeit......................................255 4.5 Ergebnisse ............................................................................260

5.

Ippeisotsu.......................................................................................263 5.1 Entstehung ............................................................................263 5.2 Inhalt.....................................................................................263 5.3 Aufbau ..................................................................................264 5.4 Analyse.................................................................................265 5.4.1 Allgemeine Bemerkungen ...........................................265 5.4.2 Benennung der Figuren ...............................................267 5.4.3 Direkte Rede................................................................268 5.4.4 Neutrale Erzählfunktion und Figurenperspektive........269 5.5 Ergebnisse ............................................................................291 5.5.1 Die Erzählsituation ......................................................291 5.5.2 Folgerungen für die Interpretation...............................292

Die Tayama Katai-Forschung 1

Allgemeine Bemerkungen .............................................................293

2

Die japanische Forschung im Überblick .......................................297 2.1 Die zeitgenössische Reaktion: Literatur als Wahrheit..........297 2.1.1 Jnjemon no saigo..........................................................297 2.1.2 Rinshitsu ......................................................................298

2.1.3 Shǀjobyǀ .....................................................................299 2.1.4 Futon ...........................................................................299 2.1.5 Ippeisotsu.....................................................................303 2.1.6 Weitere Abhandlungen zu Tayama Katai....................304 2.2 Versuch einer marxistischen Interpretation: Kataoka Ryǀichi (1940-1949) ..............................................307 2.3 Der Verlust der Glaubwürdigkeit und der Beginn der shishǀsetsu–Forschung...................................................309 2.3.1 Masamune Hakuchǀ (1933) ........................................310 2.3.2 Kobayashi Hideo (1936)..............................................311 2.3.3 Nakamura Mitsuo (1936/1950) ...................................311 2.3.4 Hirano Ken (1958).......................................................313 2.3.5 Itǀ Sei (1955)...............................................................315 2.4 Tayama Katai als Naturalist .................................................316 2.4.1 Yoshida Sei’ichi (1955/1958)......................................316 2.4.2 Ino Kenji (1966) .........................................................319 2.4.3 Kleinere Abhandlungen...............................................321 2.5 Positivismus und die Entdeckung der „Fiktionalität“...........323 2.5.1 Iwanaga Yutaka (1968/1969) ......................................323 2.5.2 Tanaka Ei’ichi (1969)..................................................327 2.6 Sakka sakuhin-ron ................................................................328 2.6.1 Kobayahi Ichirǀ (1967-1984) ......................................328 2.6.2 Ogata Akiko (1999).....................................................333 2.7. Die Tendenz zur werkimmanenten Interpretation ................335 2.7.1 Okuno Takeo (1962)....................................................336 2.7.2 HasegawaYoshihiro (1970) .........................................337 2.7.3 Katayama Haruo (1977/1987) .....................................338 2.7.4 Tosa Tǀru (1985).........................................................339 2.7.5 Takahashi Toshio (1985).............................................339 2.7.6 Watanabe Masahiko (1989).........................................341 2.7.7 Konaka Nobutaka (1990) ............................................342 2.7.8 Hayashi Hirochika (1990) ...........................................343 2.7.9 Takezoe Atsuko (1990) ...............................................344 2.7.10 Seki Hajime (1996)....................................................346

2.8 Die Beschäftigung mit der Methode der Beschreibung und der Erzählhaltung ..........................................................348 2.8.1 Sasabuchi Tomoichi (1970).........................................349 2.8.2 Yamamoto Shǀichi (1972) ..........................................351 2.8.3 Wada Kingo (1975) .....................................................351 2.8.4 Shigematsu Yasuo (1976)............................................353 2.8.5 Usami Takeshi (1979) .................................................354 2.8.6 Uchida Michio (1982) .................................................354 2.8.7 Gotǀ Meisei (1983) .....................................................355 2.8.8 Kojima Noriko (1991) .................................................356 2.9 Die Notwendigkeit der Rekontextualisierung ......................358 2.9.1 Ishihara Chiaki (1990).................................................358 2.9.2 Watanabe Masahiko (1992).........................................359 2.9.3 Egusa Mitsuko (1992...................................................361 2.10 „Futon“ und die Postmoderne ..............................................362 2.10.1 Karatani Kǀjin (1980)................................................363 2.10.2 Fujimori Kyoshi (1993/1994)....................................364 3

Die westliche Forschung ..............................................................369 3.1 Allgemeine Bemerkungen ....................................................369 3.2 Die Naturalismusforschung ..................................................369 3.2.1 Oscar Benl (1953) .......................................................369 3.2.2 William Sibley (1968) .................................................370 3.2.3 Frederick Richter (1978) .............................................372 3.2.4 Kenneth Henshall (1981/1982)....................................373 3.2.5 Jay Rubin (1984) .........................................................377 3.3 Die Versuche, Tayamas Werke einem Genre zuzuordnen ...379 3.3.1 Tatsuo Arima (1969) ...................................................379 3.3.2 Janet Walker (1979) ....................................................381 3.4 Die Untersuchung des Phänomens shishǀsetsu ....................383 3.4.1 Noriko Mizutani Lippit (1980)....................................383 3.4.2 Irmela Hijiya Kirschnereit (1978/1981) ......................385 3.4.3 Edward Fowler (1988).................................................391 3.4.4 Tomi Suzuki (1996).....................................................394 3.4.5 Nagashima Yǀichi (1997)............................................398

4

Abschliessende Bemerkungen.......................................................399

Schlussbetrachtungen ...........................................................................401 Anhang Bibliografie ...........................................................................................405 Index ...... ..............................................................................................425

Vorwort

Der Anlass zu dieser Arbeit war die Lektüre von Tayama Katais Ippeisotsu (Ein Soldat) vor vielen Jahren, wobei mir klar wurde, dass es sich um eine Erzählung ohne Erzähler handelte. Die Frage, die sich mir stellte war, wie und weshalb ein japanischer Schriftsteller in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts eine derartig moderne Erzählhaltung entwickelte. Diese Arbeit wird, so glaube ich, auf diese Fragen antworten. In einem Einführungskapitel sollen kurz die literaturgeschichtlichen und theoretischen Hintergründe erläutert werden. In den folgenden fünf Kapiteln erzähltheoretischer Analysen soll gezeigt werden, was für erzählerische Mittel Tayama ergriff, um den gewünschten Effekt der Unmittelbarkeit zu erzielen. Der auf die Analysen folgende Forschungsbericht wurde für die gedruckte Ausgabe etwas gekürzt – die zahlreichen Untersuchungen zu Tayama Katai in Japanisch oder westlichen Sprachen, waren für diese Arbeit unergiebig und letztlich irrelevant. Vielen Menschen bin ich zutiefst dankbar: Herrn Professor Dr. Klopfenstein, der viele Bücher nur für diese Arbeit hat anschaffen lassen und der Bibliothekarin Mariko Adachi, die für mich vergriffene Bücher beschafft hat. All jenen, die Teile meiner Arbeit gelesen haben, danke ich: Prof. Dr. Rolf Tarot, Dr. Simone Müller und Dr. Urs Loosli. Meiner Freundin, Maryvonne Okamoto-Nagel und ihrer Familie bin ich für stetes Besuchsrecht verpflichtet, und Herrn Professor Dr. Kamata Michio für seine Hilfe, die Bibliothek der Kwansei Gakuin Daigaku benützen zu können. Mein grösster Dank aber gilt meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Rolf Tarot, der seit Jahren diese Arbeit mit wohlwollendem Interesse begleitet hat, sowie meinem Mann Urs, der unerschütterlich an eine Fertigstellung glaubte und mich in Krisenzeiten unterstützte. Meiner Tochter Barbara danke ich für ihr geduldiges Zuhören, wenn ich meine Ideen ausprobieren wollte. Zürich/Schaffhausen im Frühling/Sommer 2004.

11

Einführung

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Ziel der Arbeit

Tayama Katai (↰ጊ⧎ⴼ, 1872–1930), dessen Werke vom lesenden Publikum als „neu und wahr“ und „epochemachend“ rezipiert wurden, gilt als Bahnbrecher des japanischen Naturalismus. In dieser Arbeit geht es darum, Erzählungen aus den Jahren 1902–1908 zu analysieren, und die erzählerischen Mittel, die Tayama verwendete, um diese Wirkung der Neuheit und Wahrhaftigkeit zu erzielen, erzähltheoretisch zu untersuchen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Vermittlung bzw. Darstellung von Innerlichkeit, den verschiedenen Perspektiven (Erzähleroder Figurenperspektive), der Rolle der Vermittlungsinstanz (des Erzählers1) sowie dem Unterschied zwischen Erzählungen in der ersten Person von Erzählungen in der dritten Person. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen weder thematische Untersuchungen noch die Interpretation der Werke. Diese sollen aber, falls sich aus der Analyse Hinweise ergeben, kurz erwähnt werden. Mögliche Hinweise auf Einflüsse, seien es klassischer japanischer oder moderner europäischer Literatur, werden nicht hervorgehoben, da erfahrungsgemäss jeder Schriftsteller nicht nur auf seine Lebenserfahrung, sondern auch auf seine Lese-Erfahrung zurückgreift und daraus, im Sinne der eigenen Intention, etwas Neues gestaltet. Ebenso soll vermieden werden, Erzählungen als intentionelle Sachverhalte zu benutzen, um soziologische oder psychologische Phänomene zu beleuchten. Der geschichtlich-soziologische Hintergrund soll aber beigezogen werden, um gewisse Elemente der Erzählungen, die dem heutigen Leser nicht mehr selbstverständlich sind, zu erläutern.

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Wenn in der Folge (um der Einfachheit willen) von Erzähler die Rede ist, soll das immer als die Vermittlungsinstanz, eine durch die Erzählung hervorgebrachte Funktion, verstanden werden und nicht als Person oder Stimme.

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In der Zeit, in der Tayama aktiv war, geschah der Paradigmenwechsel von der vormodernen zur modernen Literatur. Texte, die so an Bruchstellen der Geschichte entstanden, sind von besonderem Reiz, da die Autoren, ihrer gestalterischen Mittel noch unsicher, zu Experimenten gezwungen waren. Tayamas ging es darum, nach einer realistischen Erzählhaltung zu streben, sich von der vormodernen Rhetorik und deren Formen des Erzählens zu lösen, wobei er versuchte, Phänomene so zu schildern wie sie sind, das heisst, Inhalte mit Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit darzustellen. Mittelpunkt der Werke Tayamas, die hier besprochen werden, ist nicht Handlung, sondern die Innerlichkeit der Protagonisten. Dies setzte neue erzählerische Mittel voraus, die sich in den zitierten Werken von einer Ich-Erzählsituation (eine Form, die Tayama bis 1902 mit Vorliebe gebrauchte) zu einer neutralen Erzählfunktion entwickelten. Dadurch gelang es ihm, einen Stoff ohne Einmischung einer Vermittlungsinstanz darzustellen. Allerdings war Tayama kein Theoretiker. Seine theoretischen oder autobiografischen Äusserungen sind oft vage oder widersprüchlich, so dass sie auf vielerlei Art interpretiert werden können. Die vorliegende Arbeit wird sich deshalb an die Aussage der Texte halten. Tayamas Helden sind nicht die von der offiziellen Ideologie verklärten Helden, die freudig für Familie und Vaterland leiden. Sie sind im Gegenteil vom Schicksal verfolgte Aussenseiter oder Frustrierte, die ihren Platz in der Gesellschaft nicht gefunden haben, oder glauben, der ihnen gebührende Platz werde ihnen vorenthalten. Sie sind von Ehrgeiz getrieben, es in der Welt zu etwas zu bringen (┙り಴਎, risshin shusse), und ihre Leiden entstehen dadurch, dass sie ihre Gefühle [Instinkte] oder Ambitionen opfern müssen. Tayamas sentimentale Helden (falls die Erzähl- oder Vermittlungsinstanz eine mehr oder weniger neutrale Funktion ist) oder sentimentale Erzähler (falls die Vermittlungsinstanz eine im Werk vorkommende Figur [Ich-Erzähler] ist), ergehen sich gern in Gefühlsausbrüchen oder zerfliessen in Tränen. Dies mag den heutigen Leser befremden, doch muss man bedenken, dass in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts in Japan Innerlichkeit „entdeckt“ wurde und in den zeitgenössischen Werken – oder immerhin in den Werken Tayama Katais – eine Gefühlskultur zum Ausdruck kam, die einer Gewahrwerdung des Ich entsprach, und dem Bedürfnis, sei es des Lesers oder des Autors, entgegen kam.

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Eine Übersicht über die Tayama Katai-Forschung – in der zu zeigen sein wird, wie wenig die Literaturwissenschaftler die Erzählsituation durchschauten, soll die Arbeit abrunden.

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Inhalt der Arbeit

2.1 Auswahl In dieser Arbeit werden fünf Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902–1908 analysiert. Tayama entwickelte in dieser Zeit neue Ausdrucksformen, um seiner erzählerischen Intention nach Objektivität und Wahrhaftigkeit gerecht zu werden: der Übergang von einer personalisierten (Ich-Erzählung) zu einer weniger personalisierten bis neutralen Erzählhaltung (Er-Erzählung), vom Gebrauch diegetisch-fiktionaler Mittel zu Mischtexten und mimetisch-fiktionalen Erzählformen, in denen eine Vermittlungsinstanz nicht mehr auszumachen ist. Diese Erzählungen sind Jnjemon no saigo (㊀ⴡ㐷ߩᦨᓟ, Jnjemons Ende, 1902), Shǀjobyǀ (ዋᅚ∛, Krank nach Mädchen, 1907), Futon (⫱࿅, Das Bettzeug, 1907), Rinshitsu (㓞ቶ, Das Nebenzimmer, 1907) und Ippeisotsu ( ৻ᐔත , 1908, Ein Soldat). Da nicht jede Erzählung in jedem Detail analysiert werden kann, sollen jeweils Schwerpunkte gesetzt werden. Jnjemon no saigo ist eine Erzählung, die, obwohl früheren Datums als die anderen, einbezogen wurde, da sie die erste Erzählung ist, in der Tayama seine neuen Ideen zu verwirklichen suchte. Sie zeigt eine Erzählsituation, in der ein Ich-Erzähler, der nicht Held der Erzählung ist, einerseits als fingierte Redeinstanz oder erzählendes Ich im Text als Vermittlungsinstanz auftritt, andererseits in der Erzählung als Augenund Ohrenzeuge fungiert, wobei über weite Stellen aus der Perspektive des erlebenden Ich erzählt wird. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Redeberichte, die Inhalte ausserhalb des Erfahrungshorizonts des Erzählers vermitteln, sowie die Raffungen in einem Text, dessen Erzählzeit viel weniger beträgt als die erzählte Zeit. Thematisch ist die Erzählung deshalb interessant, weil Tayama hier seine Rezeption des französischen Naturalismus zu verarbeiten versuchte.

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Shǀjobyǀ ist Tayamas erste Er-Erzählung2. Untersucht werden soll die distanzierende Haltung der Vermittlungsinstanz, sowie die Möglichkeit des Perspektivenwechsels, der durch eine Erzählung in der dritten Person zum ersten Mal gegeben war. Diese Besonderheit prägt alle folgenden Texte Tayamas. Futon ist die Erzählung, die Tayama berühmt machte und in der die Erzählerdistanz zugunsten der unmittelbaren Schilderung der Innerlichkeit vor allem des Protagonisten zurückgenommen wurde. Hier sollen vor allem Innerlichkeitsberichte und -Darstellungen sowie die vermehrt auftretende Figurenperspektive näher untersucht werden. Rinshitsu ist eine Ich-Erzählung, in der im Vergleich mit Jnjemon no saigo vor allem die Ebene des erlebenden Ich realisiert wird, d.h., der Ich-Erzähler erzählt fast rein aus der Perspektive des in seinem Wissenshorizont beschränkten erlebenden Ich. Dies ist Tayamas Versuch, eine Ich-Erzählinstanz aufzuheben, doch wird zu zeigen sein, dass gerade in Ich-Erzählungen Kommentare der Vermittlungsinstanz schwer zu vermeiden sind. In dieser Erzählung soll die Funktion des Erzählers als Augen- und Ohrenzeuge sowie der Versuch, die Innerlichkeit der anderen Figuren aus dessen beschränktem Horizont einzubringen, beleuchtet werden. Ippeisotsu, die Erzählung, die heute als ein Meisterwerk Tayamas angesehen wird, schildert wie Rinshitsu den Tod eines Menschen, was einen Vergleich besonders reizvoll macht. Auch in diesem Text wird die Erzählinstanz zurückgenommen, doch da es sich um eine Er-Erzählung handelt und fast ausschliesslich aus der Perspektive der Figuren erzählt wird, verschwindet die Vermittlungsinstanz. Alle Erzählungen finden sich in der Gesamtausgabe Tayama Katais (⧎ⴼో㓸, Katai zenshnj Bd. 1, 14 und 23) und, ausser Rinshitsu, in der Sammlung Gendai bungaku zenshnj ( ⃻ ઍ ᢥ ቇ ో 㓸 , Anthologie der modernen Literatur). Ebenfalls ausser Rinshitsu liegen alle Erzählungen

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Längst nicht alle frühen Erzählungen wurden in die Gesamtausgabe aufgenommen. Es fehlen vor allem die in Jugend- und Frauenzeitschriften publizierten Werke, sowie die als hon’an ( ⠡ ᩺ ) bezeichneten Übertragungen oder Adaptationen westlicher Literatur. Die Erzählung Yamagoya (ጊዊደ, Die Berghütte, 1903), eine Adaptation einer Kurzgeschichte Bjørnsens, bildet eine Ausnahme und ist die einzige in die Gesamtausgabe aufgenommene Er-Erzählung vor 1907.

in Quilt and Other Stories by Tayama Katai in der Übersetzung von Kenneth G. Henshall vor. Deutsche Übersetzungen gibt es von Shǀjobyǀ, (Peter Pörtner) Futon (Oscar Benl) und Ippeisotsu (Edith Rau).

2.2 Vorgehen Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht die Analyse der Erzählsituation, insbesondere die Frage, wie der Autor einen Stoff bewältigt, und welcher Mittel er sich dabei bedient. Das besondere Augenmerk gilt dabei der Funktion der Vermittlungsinstanz bzw. deren Absenz sowie der Wiedergabe von Innerlichkeit. Die ersten vier Erzählungen, die alle mehr oder weniger von einer Vermittlungsinstanz geprägt sind, werden nach dem gleichen strukturellen Raster untersucht, nämlich den Elementen der Mittelbarkeit (von der Vermittlungsinstanz berichtete Textpassagen) und Elementen der Unmittelbarkeit, den Passagen, in denen Figurenperspektive herrscht, Gedanken der Figuren direkt dargestellt werden oder Handlung in einer neutralen Erzählfunktion wiedergegeben wird. Die Analyse von Ippeisotsu wird, da die Vermittlungsinstanz fehlt, chronologisch behandelt. Grundlage der Analysen ist die Erzähltheorie von Rolf Tarot3, die sich, obwohl für deutsche Texte konzipiert, mit den nötigen Änderungen auch für japanische Texte als ausserordentlich fruchtbar erwies. Alle Texte werden nach der Gesamtausgabe Katai zenshnj 4 zitiert und sind mit den entsprechenden Seitenangaben versehen. Die Umschrift in romaji (römische Schriftzeichen) folgt nicht der Gesamtausgabe, die 3 4

Tarot (1995). Bei der Gesamtausgabe (1993–1995) handelt es sich um einen Nachdruck der Ausgabe aus dem Jahre 1936. Die Anordnung der Texte ist arbiträr und nach den Prinzipien Fiktion/Nichtfiktion, Berühmtheit und Chronologie gestaltet, folgt aber der Chronologie der Biografie. So werden zum Beispiel die auf biografischem Material beruhenden Erzählungen Futon (1907) – Sei (↢, Leben, 1908) – Tsuma (ᆄ, Die Gattin, 1909) in der Reihenfolge Sei, Tsuma und Futon an den Anfang des ersten Bandes gesetzt. Die Erzählung Jnjemon no saigo (1902) steht in Band 14, frühe Erzählungen finden sich neben weniger berühmten in Band 23. Angaben über Erscheinungsort und -Datum fehlen in den ersten Bänden, ein Ergänzungsband (Bd. 29) mit einer Inhaltsangabe der Bände 1–16 und einem Register erschien 1995. Hilfreich in dieser Situation ist Tayama Katai shoshi ( ↰ጊ⧎ⴼᦠ⹹), eine von Miyauchi Toshisuke erstellte Bibliografie (1989).

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den klassischen Gebrauch der Silbenschrift (ᱧผ⊛߆ߥ㆜޿, rekishiteki kanazukai) verwendet, sondern dem modernen Sprachgebrauch. Da die Gesamtausgabe im Gegensatz zu den Erstausgaben keine Lesungen der chinesischen Schriftzeichen (࡞ࡆ, rubi oder ᝄࠅ઒ฬ, furigana) anführt, dabei aber weder Schreibung noch Gebrauch der Schriftzeichen modernisiert sind, habe ich für die Lesungen andere Ausgaben5, die sehr viel weniger chinesische Schriftzeichen aufweisen, konsultiert. Für die Lesungen in Shǀjobyǀ ist der mit den ursprünglichen Leseglossen versehene Artikel Shǀjobyǀ o yomu ( ዋᅚ∛ࠍ⺒߻ , Shǀjobyǀ lesen) 6 hilfreich. Stehen furigana in katakana7 im Text, werden diese von Tayama gesetzten englischen Lesungen kursiv wiedergegeben.. Alle zitierten Texte sind mit möglichst wörtlichen Übersetzungen versehen worden, zuungunsten einer stilistisch ansprechenden Übertragung. Obwohl man japanische Strukturen nicht tel quel deutsch wiedergeben kann, habe ich mich bemüht, jene Elemente, die für die erzähltheoretische Analyse wichtig sind, deutlich zu machen. Dazu gehört der Verzicht auf den Konjunktiv der Rede- und Gedankenvermittlung, den es im Japanischen nicht gibt, und die Wiedergabe von Tempus bzw. Aspekt, wie sie im Original auftreten. Alle [Pro]nomen (die eckige Klammer soll deutlich machen, dass es im Japanischen keine echten Pronomen gibt) und deiktischen Anzeiger sind in (runden) Klammern angeführt, um zu zeigen, wann ein [Pro]nomen gesetzt wurde (die japanische Sprache kennt keinen Subjektzwang) oder welche Deiktika gebraucht wurden. Verbalsuffixe und Verbalqualitativa, die für die Analyse wichtige Anzeichen liefern, wurden, wo möglich durch Modalverben übersetzt und in eckigen Klammern angeführt.

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Gendai bungaku zenshnj ( ⃻ ઍ ᢥ ቇ ో 㓸 , Sammlung moderner Literatur) Meiji bungaku zenshnj, ( ᣿ ᴦ ᢥ ቇ ో 㓸 , Sammlung der meiji-zeitlichen Literatur) und Tayama Katai shnj (↰ጊ⧎ⴼ㓸, Sammlung [der Werke] Tayama Katais). Ishihara et al. (1990). Furigana sind Leseglossen, diakritische Zeichen in japanischer Silbenschrift, die die Lesung eines chinesischen Zeichens wiedergeben. Ein besonders reizvoller Gebrauch der furigana besteht darin, Begriffe in chinesischen Zeichen zu schreiben und darüber die Lesung in der Originalsprache (meist Englisch) zu geben.

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Theoretische Hintergründe

3.1 Erzähltheorie, Definitionen Die theoretische Grundlage dieser Arbeit stützt sich ausschliesslich auf die in Rolf Tarots Narratio viva beschriebene Erzähltheorie. Tarot formuliert den Begriff Fiktion als „sämtliche Werke der dichtenden Sprache“ 8 , unabhängig von Inhalt und grammatikalischer Person der Erzählung. Seine Definition lautet: Der Begriff „Fiktion“ fungiert als übergreifender, nicht qualifizierender, sondern neutraler Begriff für alle Formen literarischer Kunstwerke. Er gliedert sich in zwei Erscheinungsformen: in die Form der „fingierten Wirklichkeitsaussage“ (Diegesis) und in die der „Darstellung“ (Mimesis).9

Dabei können in der Fiktion Sachverhalte unabhängig davon, ob sie in der „realen“ Welt vorkommen, als wirklich dargestellt werden – und es ist besonders wichtig für diese Arbeit, dass, obwohl der „Realitätsbezug“ in der Fiktion gekappt ist, leserpsychologisch der Eindruck von „Wirklichkeit“ entsteht, denn „fiktionale Texte, denen eine realistische Darstellung der Wirklichkeit zu Grunde liegt, spielen – rezeptionspsychologisch gesprochen – damit, dass die dargestellte als-Wirklichkeit (die sie ist) als Wirklichkeit (die sie nicht ist) erscheint.“10 In nichtfiktionalen Aussagen („echte Wirklichkeitsaussage“) ist das Aussagesubjekt real und existiert, denn „Aussage ist immer Wirklichkeitsaussage, weil das Aussagesubjekt wirklich ist, weil, mit anderen Worten, Aussage nur durch ein reales, echtes Aussagesubjekt konstituiert wird“. 11 In fiktionalen Texten („fingierte Wirklichkeitsaussage“) aber, die eine Berichtsstruktur aufweisen können (aber nicht müssen), ist das Aussagesubjekt ein vom Autor geschaffenes „fingiertes“ Aussagesubjekt, das nicht mit ihm identisch ist.

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Tarot (1995: 14). Tarot (1995: 17). Kursive im Original. Tarot (1995: 20). Kursive im Original. Tarot (1995: 15).

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Der „Dichtungscharakter“ beispielsweise der literarischen Ich-Erzählung ist demnach nicht durch seinen Aussageinhalt (Aussageobjekt) definiert, sondern die Struktureigentümlichkeit des fingierten Aussagesubjekts. Die Ich-Erzählung – als fingierte Wirklichkeitsaussage – hat die Form der Autobiografie, ohne (echte) Autobiografie zu sein.12

Die Erzählung ist, da sie über kein reales Aussagesubjekt verfügt, auch der „Wahrung der Authentizität der Sachverhalte“ enthoben. Die Fiktionalität besteht nicht darin, dass der Inhalt „erfunden“ ist, sondern darin, dass das Aussagesubjekt fingiert ist. Dies befreit von der Tendenz, den Autor mit der Vermittlungsinstanz (Erzähler) zu identifizieren und eine Untersuchung, ob erzählte Inhalte „wahr“ oder „erlogen“ sind, erübrigt sich.13 Die Vermittlungsinstanz wird als eine von der Erzählung hervorgebrachte Funktion verstanden, im Gegensatz zu Literaturwissenschaftlern, die sich auf die Kommunikationstheorie berufen und von „Rede“ (voice) sprechen, was auf einen allzu personhaften Erzähler deutet. Echte Wirklichkeitsaussagen sind nach Roman Ingarden „autonome Sachverhalte“, da sie „unabhängig von ihrem Berichtetwerden“ ein Teil der Realität sind; Diese Inhalte „können von keiner denkbaren Erzählform in ihrer Fülle eingefangen werden“ 14 . Fiktionale Texte werden von einem Autor um einer Intention willen erzeugt, ihre Erzählinhalte sind „intentionale Sachverhalte“. Sie sind „selbstbezüglich, das heisst, in sich versteh- und deutbar“15. Dabei kann die Intention eines Werkes von der Intention des Autors abweichen, da gewisse Elemente des Erzählinhaltes (Figuren oder deren Innerlichkeit) oft die Tendenz haben, eine Eigendynamik zu entwickeln. Tarot unterscheidet diegetisch-fiktionale Texte und mimetischfiktionale Texte. Diegetisch-fiktionale Texte weisen eine Berichtstruktur auf, sie werden von einem Aussagesubjekt („Erzähler“) vermittelt und haben eine Subjekt-Objekt-Relation (ein Aussagesubjekt berichtet über ein Aussageobjekt). Sie sind durch Mittelbarkeit gekennzeichnet, unterscheiden sich aber von nichtfiktionalen Texten dadurch, dass sie ein

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Tarot (1995: 15–16). Kursive im Original. Dies gilt natürlich auch für Erzählungen in der dritten Person mit biografischem Inhalt. Tarot (1995: 28). Zitiert in Tarot (1995: 64). Tarot (1995: 64).

vom Autor geschaffenes, mit ihm nicht identisches, Aussagesubjekt aufweisen. Folglich kann sowohl ein Er-Roman wie auch ein Ich-Roman dieser Kategorie angehören. In einem Ich-Roman, in dem die Vermittlungsinstanz als Figur der Handlung auftritt, unterscheidet man das erzählende Ich (das Aussagesubjekt, der „Ich-Erzähler“) vom erzählten Ich oder erlebenden Ich (dem Aussageobjekt), während man in Er-Erzählungen von Erzählerebene und Handlungs- oder Figurenebene spricht. Die Vermittlungsinstanz fungiert als Orientierungszentrum der Erzählung; das deiktische System und das Tempussystem werden wie in Wirklichkeitsaussagen gebraucht. 16 Der Nachweis der Existenz einer Vermittlungsinstanz geschieht durch die Untersuchung der Erzählfunktionen. Äusserungen auf der Erzählerebene (Erzählereinmischungen) sind „Tempuswechsel“, das heisst, Abweichungen vom Erzähltempus Präteritum. Dies sind wertende oder deutende Kommentare, Leseranreden (auktoriales Präsens), allgemeine Aussagen (gnomisches Präsens) oder aber der Versuch, durch den Gebrauch des historischen Präsens Unmittelbarkeit zu erzeugen oder ein Ereignis der Vergangenheit wie ein Bild vor dem Erzählenden (nicht der Figur) wiederzugeben (tabularisches Präsens). 17 Auf der erzählten Ebene manifestiert sich die Vermittlungsinstanz durch Kommentare (kommentierende Äusserungen zum Geschehen), Raffungen18, Rückgriffe, Rückwendungen und Vorausdeutungen. Der quantitative Umfang, den die Erzählerebene in einem diegetisch-fiktionalen Text einnimmt, bestimmt das Rezeptionserlebnis des Lesers in beträchtlichem Umfang, bestimmt auch die Sicherheit seines Urteils über Personen und Handlung. In mimetisch-fiktionalen Erzähltexten, in denen dieses Element fehlt, ist der Leser in eine gänzlich andere Rezeptionslage versetzt [...].19

Ereignisse können aber auch aus der Sicht einer oder mehrerer Figuren wahrgenommen werden, wobei das Orientierungszentrum vom Erzähler zu den Figuren wechselt (Perspektivierung), in einer Ich-Erzählung vom erzählenden zum erlebenden Ich, in einer Er-Erzählung zu den Figuren. 16 17 18 19

Tarot (1995: 42). Tarot (1995: 57–67). Dazu gehören die Aussparung, die sukzessive Zeitraffung, die iterativ-durative Zeitraffung und die Zusammenfassung (summary). Vgl. Tarot (1995: 196). Tarot (1995: 62–63).

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Mimetisch-fiktional bezeichnet Texte, die keine Subjekt-Objekt Struktur aufweisen, kein Aussagesubjekt haben, also nicht berichtet oder vermittelt sind. Sie verlieren somit den Berichtscharakter. Inhalte werden unvermittelt dargestellt, sie sind „dargestellte Handlung“ oder „dargestellte Wirklichkeit“. Erzähltheoretisch lässt sich die durch Unmittelbarkeit gekennzeichnete Erzählweise sehr einfach beschreiben: Es ist jene Möglichkeit des Erzählens, in der alle Elemente, die auf das (fingierte) Aussagesubjekt (Erzählerebene) zu beziehen sind (zuerst und vor allem dieses Aussagesubjekt selbst), eliminiert sind. Anders ausgedrückt: Es ist jene Erzählweise, die nicht mehr durch eine Subjekt-ObjektRelation geprägt ist. [...] In der fingierten Wirklichkeitsaussage sind die Figuren Objekte, (Erzählgegenstand) des Erzählers (Aussagesubjekt). Für die Unmittelbarkeit des Erzählens, kommt es darauf an, dass aus den Objekten Subjekte werden.20

Mimesis bedeutet nicht „Nachahmung“, sondern „Darstellung“. In dieser „dargestellten Wirklichkeit“ („epische Fiktion“ bei Käte Hamburger) ist das Erzählen eine „Funktion, durch die das Erzählte erzeugt wird, die Erzählfunktion, die der erzählende Dichter handhabt wie etwa der Maler Farbe und Pinsel“21. In dieser Erzählsituation verliert das Präteritum den Vergangenheitscharakter, Innerlichkeit wird durch Verben der inneren Verfassung (neutrale Erzählfunktion), erlebte Rede (in Er-Erzählungen) oder innere Monologe dargestellt. Durch die Ausschaltung der Erzählerebene verschiebt sich das Orientierungszentrum zu den Figuren der Handlungsebene (von der damals-dort-Deixis zur hier-jetzt-Deixis). Die Perspektivierung erfolgt durch Verben oder Adverbien. Verifizierbar am Text ist aber sowohl das Vorhandensein von Elementen, die zur Handlungsebene gehören, wie das Fehlen von Elementen, die in diegetischfiktionalen Texten auf der Erzählerebene angesiedelt sind. 22

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Tarot (1995: 129). Kursive im Original. Hamburger, zitiert in Tarot (1995: 36), Kursive im Original. Interessant ist, dass Tayama in Byǀsharon (ឬ౮⺰, Abhandlung über die Beschreibung, 1911) diesen Ausdruck benutzte - wie schon vor ihm Tsubouchi Shǀyǀ (ဝౝㅖ㆝ 1859–1935) in Shǀsetsu Shinzui (ዊ⺑␹㜑, Das Wesen des Romans, 1885–6). Tarot (1995: 131).

Fehlen Tempuswechsel und Leseranreden, wird der diegetische Charakter des berichtenden Erzählens stark reduziert. Fehlen weitere Elemente der Erzählerebene wie Rückwendungen oder Rückschritte (indem diese in den Bewusstseinshorizont der Figur eingebaut werden) ist die Erzählerebene nur noch als Rest- oder Schwundstufe auszumachen: Der Text ist nicht mehr diegetisch-fiktional. Das unvermittelte Erzählen geschieht nicht nur durch Figurenperspektive, es kann sich auch für die Darstellung von Wirklichkeit der neutralen Erzählfunktion bedienen, die die dargestellte Wirklichkeit in ihren Aspekten von Zeit, Raum und Person erzeugt.23 In Zeit- und Raumdarstellungen werden alle Formen, die einen Erzähler voraussetzen, eliminiert. Dazu gehören Rückwendungen und Vorausdeutungen. Vergehende Zeit kann nur an den Übergängen von einem Buch zum andern, von einem Kapitel zum andern oder zwischen zwei Abschnitten unthematisch geschehen. Das durch die neutrale Erzählfunktion dargestellte Geschehen hat Gegenwartscharakter, das heisst, Adverbien wie heute, die nicht vergangenheitsbezogen sind, stehen mit dem Präteritum. Das gleiche gilt für Lokaladverbien, die der perspektivischen Wahrnehmung der Figur zugeordnet werden müssen. Werden Figuren dargestellt, stehen so lange Personalpronomen für die Figur, bis diese selbst ihren Namen nennt oder mit ihrem Namen angesprochen wird. Darauf wird die Figur oft im Text mit ihrem Namen genannt. Auch die Wiedergabe von Gedankeninhalten in mimetischfiktionalen Texten ist von Unmittelbarkeit geprägt: Verben der inneren Vorgänge wie denken, fühlen gehören der neutralen Erzählfunktion an, da sie auf den Bewusstseinshorizont der Figuren bezogen sind und gleichzeitig als Belege für die Perspektivierung auf die Figuren dienen. Gedankeninhalte stehen nicht mehr im Konjunktiv, sondern im Indikativ (erlebte Rede), wobei erlebte Rede und innere Monologe umfangreichere Gedankeninhalte wiedergeben. Die Figur oder Figuren, die als Wahrnehmungsinstanz fungieren, werden Reflektor genannt. Der Reflektor kann als wahrnehmender Reflektor auftreten, (Raum- und Zeitwahrnehmung auf eine oder mehrere Figuren hin perspektiviert), als erlebender Reflektor (eingeschränkte Darstellung auf den Wahrnehmungs- und Bewusstseinhorizont einer Figur sowie unmittelbare 23

Für die folgenden Ausführungen vgl. Tarot (1995: 151–167).

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Darstellung seines Erlebens von Innen- und/oder Aussenwelt) und als erinnernder oder meditierender Reflektor (ein Reflektor, der sich erinnernd oder meditierend Gedanken macht).24

3.2 Besonderheiten des Japanischen Die Theorie Rolf Tarots kann ohne Schwierigkeiten in eine andere Sprache übernommen werden, aber die einzelnen grammatikalischen Strukturen müssen in der Praxis der jeweiligen Sprache angepasst werden.25 Die japanische Sprache unterscheidet sich stark von europäischen Sprachen, vor allem im Gebrauch der Tempora, Demonstrativa und Pro[nomen] und der Wiedergabe von Rede und Innerlichkeit. 3.2.1

Erzähltempus: Tempus oder Aspekt

Der wohl wichtigste Unterschied ist der Gebrauch des Tempus- bzw. Aspektsystems. Da sich in europäischen Sprachen das Präteritum als Erzähltempus durchgesetzt hat, können Abweichungen davon, sofern sie nicht in Figurenrede oder in direkter Gedankenwiedergabe stehen, leicht als Erzählereinmischung identifiziert werden. Es ist üblich, in erzähltheoretischen Analysen die Anwesenheit einer Vermittlungsinstanz durch Hinweise auf „Tempuswechsel“ aufzuzeigen. Diese aufzufinden ist in europäischen Sprachen nicht problematisch, da das Präteritum durchgehend gebraucht wird, das Perfekt eine untergeordnete Rolle spielt, und der Infinitiv sich von finiten Verbformen leicht unterscheiden lässt. Im Japanischen aber – obwohl auch hier Vergangenes erzählt wird, ist die temporale Strukturierung des Erzählten in erster Linie nicht durch den Gegensatz Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft (Tempus) geprägt, sondern durch den Aspekt, der den Vollzug einer Handlung (perfektiv oder imperfektiv, durativ, inchoativ) definiert. Diese „Vorliebe des japanischen Verbs“, Aspekt oder Tempus auszudrücken, beschreibt Roy Andrew Miller wie folgt: 24 25

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Tarot (1995: 192–193). Die folgenden Ausführungen beruhen auf praktischen Erkenntnissen aus der Arbeit am Text.

Thus even languages that are related to one another historically, and languages whose sociolinguistic parameters share significant areas of common ground, can and do differ strikingly in their essentially arbitrary segmentation of chronological time. Some appear to have opted for major categories that in certain ways parallel – but are not by any means congruent with – overall divisions of diurnal and nocturnal time („past“, „present“ „future“, as tense). Others place their major structural emphasis on large distinctions established on the basis of the degree or extent of completion of an act, or upon whether or not an act is in some sense or other irreversible („imperfective“, „perfective“, or „perfect“ as an aspect). [...] Thus, it should, on the face of the matter, hardly occasion major surprise when we are told that Japanese does not employ verbal categories that correspond very closely at all to our general ideas of „past“, „present“, and „future“, or when we learn that the Japanese verb is generally far more concerned with whether or not an action or a state is continuous, completed or incomplete, than it is with the particular chronological point in time at which it takes place.26

Eine detaillierte Untersuchung über den Gebrauch der Tempus- und Aspekt-Strukturen japanischer Verbformen macht Teramura Hideo. 27 Ihm zufolge werden Präsensformen (ausser dem historischen und dem gnomischen Präsens) in einem fiktionalen Text für Aufzählungen von Handlungsabläufen und Gewohnheiten in der Vergangenheit gebraucht sowie für Beschreibung von Szenen, besonders wenn diese von einer Figur wahrgenommen werden, also aus Figurenperspektive nicht vollendet sind. Das Verbalsuffix -ta dient meist zur einfachen Angabe eines Zeitstellenwerts in der Vergangenheit, kann aber auch das Perfektum und den perfektiven Aspekt wiedergeben. Diese Formen in attributivuntergeordneter Stellung üben keine oder nur noch eine abgeschwächte temporale Funktion aus und verweisen auf den Aspekt der Handlung, das heisst, die Vollzugsphasen im Zeitablauf. Ein Vergleich der Formen, wie sie in Übersetzungen gebraucht werden, bestätigt diese These. Das überaus häufige Verbalsuffix -te signalisiert eine infinite Verbform und wird in den Übersetzungen durch die Abkürzung IV gekennzeichnet.

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Miller (1986: 149). Teramura (1984).

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3.2.2

Wiedergabe von Rede

Im Japanischen gibt es keinen Konjunktiv der Rede- und Gedankenwiedergabe (das Tempus der Vermittlung), indirekte wie auch direkte Rede stehen im Indikativ und wirken deshalb sehr viel unmittelbarer als in westlichen Sprachen. Es gibt keine formalen Unterschiede zwischen der Wiedergabe von direkter und indirekter Rede, ausser dem Setzen von Anführungsstrichen. In dieser Arbeit werden demnach Reden, die in Anführungsstrichen stehen, als direkte Rede bezeichnet, Reden ohne Anführungsstriche als indirekte. Direkte Rede wie auch indirekte Rede werden durch die nachgestellte Postposition to gekennzeichnet. Indirekte Rede wird oft nur durch lexikalische Elemente gekennzeichnet (to iu koto, -ta tokoro, no yǀ da, sǀ da etc.), wobei die Verben des Sagens oft ausgelassen werden. Die Sätze, die Redeinhalte wiedergeben, haben einen hohen Grad an Unabhängigkeit. Sie sind im Tempus nicht an die Verben des Sagens angepasst und unterscheiden sich in keiner Weise von einem Aussagesatz. Der hohe Grad an Unmittelbarkeit, gerade indirekter Rede, hat zur Folge, dass diese unbemerkt in „direkte Rede“ übergehen kann, was durch den Wechsel der Personenbezeichnungen, der Raum- und Zeitangaben (Wechsel von Erzähler- zu Figurenperspektive) oder durch Figurensprache signalisiert wird. Diese Art der Redewiedergabe ist in Jnjemon no saigo besonders häufig, da diese Erzählung Elemente der oralen Erzähltradition aufweist – sie wird von mehreren in der Erzählung auftretenden Figuren „vermittelt“, die sich um eine möglichst lebhafte Erzählweise bemühen. 3.2.3

Wiedergabe von Innerlichkeit

Analog zur Redewiedergabe ist auch die Gedankenwiedergabe nicht durch grammatikalische Formen (Konjunktiv), sondern durch lexikalische Mittel gekennzeichnet. Normalerweise wird sie nur durch die Postposition to als Signal der Vermittlung, gefolgt von einem Verb des Denkens oder Fühlens kenntlich gemacht. Da die Sätze, welche Gedankeninhalte aufweisen, einen hohen Grad an Unabhängigkeit haben, kann das Verb des Denkens oder Fühlens durch einen Punkt vom Gedankeninhalt getrennt sein, erst am Schluss eines Gedankenganges auftreten oder ganz wegfallen. Die Mittelbarkeit bzw. Unmittelbarkeit der Inhalte wird – wie auch bei der Redewiedergabe – durch lexikalische Mittel gekennzeichnet, durch die Formalität der Kopula oder der Sprache, das

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heisst, durch Erzähler- oder Figurensprache. Gedankenberichte stehen, wie die Redeberichte im Präsens Indikativ und wirken dadurch im Vergleich zur Gedankenwiedergabe in europäischen Sprachen sehr viel unmittelbarer.28 Stellen, an denen intensive Gefühle bzw. Gedanken zum Ausdruck kommen, sind in den frühen Erzählungen Tayama Katais in Anführungsstriche gesetzt, sind also berichtete Monologe oder Selbstgespräche. In späteren Erzählungen überwiegt die erlebte Rede. Diese ist gekennzeichnet durch Fragezeichen oder Ausrufe, Figurensprache und das Fehlen der Verben des Denkens oder Fühlens. Es ist möglich, dass durch den fehlenden Konjunktiv der Übergang von Bericht (Innerlichkeits- und Gedankenbericht) zu Darstellung (erlebte Rede) auf weit weniger Widerstand stiess und einfacher zu vollziehen war als in den europäischen Sprachen und sich so der Versuch unmittelbaren Erzählens schneller durchsetzen konnte.29 Passagen erlebter Rede stehen meist im Präsens, weil Gedankeninhalte vorwiegend im Präsens wiedergegeben werden, und das Präteritum – wie oben gezeigt wurde – sich nicht so vollständig wie in europäischen Sprachen als Erzähltempus durchsetzen konnte. Die grosse Freiheit und Unmittelbarkeit der Gedankenwiedergabe führte dazu, dass Gedanken oft direkt wiedergegeben werden, ohne auf das Verb des Denkens oder Fühlens zu verzichten. Besonders häufig tritt das nachgestellte kǀ omou to (so denkend) auf. Es bestand keine Notwendigkeit, die Verben des Denkens und Fühlens wegzulassen, da die Gedanken ohnehin „direkt“ zitiert wurden.30

28 29

30

Vgl. auch Fowler (1988: 37). Die erlebte Rede in europäischen Sprachen als eine Darstellungsmöglichkeit für die Innerlichkeit der Figuren in mimetisch-fiktionalen Erzähltexten steht meist in der dritten Person Singular und im Präteritum des Indikativs, gelegentlich auch im Präsens des Indikativs. [...] Der dt. Terminus „erlebte Rede“ (frz. „style indirect libre“, engl. „narrated discourse“) ist irreführend, da es sich nicht um Rede, sondern um die Wiedergabe des Gedankeninhalts einer Figur geht. Vgl. Tarot (1995: 182 und 154–159). Im Japanischen nennt man die erlebte Rede in Anlehnung an den französischen Ausdruck jiynj kansetsu wahǀ (⥄↱㑆ធ⹤ᴺ). Der Gebrauch des nachgestellten kǀ omou to ist viel häufiger in Shimazaki Tǀsons Hakai (ፉፒ⮮᧛, ⎕უ, Der Frevel, 1906) als in Tayamas Erzählungen.

27

3.2.4

Demonstrativa und Pronomen

Die japanischen Demonstrativa sind selbständige, unflektierbare Wörter, die ein Subjekt bilden können. Wegen dieser nominalen Eigenschaften gehören sie zu den taigen und werden den Nomina als semantische Sondergruppe zugerechnet.31

Lewin zählt zu den Demonstrativa nicht nur reale, lokale, direktionale und reflexive Demonstrativa, sondern auch personale, da diese Wortgruppe „morphologisch und syntaktisch nicht von den Nomina abgrenzbar ist und nicht mit flektiven, sondern nur mit syntaktischen Mitteln attributiv gebraucht werden kann“.32 In ihrer Bildungsweise zeichnen sich die japanischen Demonstrativa durch die deiktischen Morpheme ko, so, a, do aus, die vom Träger der Aussage her betrachtet den raumzeitlichen Entfernungsgrad bzw. dessen Unbestimmtheit angeben. Wegen der Regelmässigkeit ihres Auftretens, wird das von ihnen gebildete System ko-so-ado genannt.33

Die wichtigsten Demonstrativa für diese Untersuchung sind folgende: – –



Reale Demonstrativa: kore, (dieser hier, er) sore (dieser dort, der da, der Betreffende, Vorgenannte), are (jener dort), dore ( welcher). Lokale Demonstrativa: koko (hier), soko (da, dort, an dem betreffenden Ort [kleine Entfernung], asoko (dort [grosse Entfernung]) und doko (wo).34 Direktionale Demonstrativa: kochi ([dies] hier, hierher, Bezeichnung für die erste Person), sochi ([das] da, dahin, an den betreffenden Ort, Bezeichnung für die zweite Person) achi (jener, dort, dorthin), dochi (irgendwohin) sowie konata, sonata, anata und donata, die höflichere Variante.

Die Morpheme ko, so, a, do bilden auch die Attributiva kono, sono, ano und dono (dieser hier, dieser dort, jener Entfernte, welcher) und die Adverbia kǀ, sǀ, Ɨ und dǀ (so, auf [diese, jene] Art).

31 32 33 34

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Lewin (1975: 52). Kursive im Original. Lewin (1975: 52). Kursive im Original. Lewin (1975: 55). Diese Demonstrativa entsprechen den lateinischen Paradigmen hic, iste und ille. Vgl. Hayashi (1993: 10–11).

Diese Demonstrativa und ihre Derivative sind als Deiktika für die erzähltheoretische Analyse ausserordentlich wichtig, da sie Aufschluss über die Perspektive geben. So bezieht sich die ko-Stufe in einem diegetisch-fiktionalen Text auf die Vermittlungsinstanz, in einem mimetisch-fiktionalen Text auf die Reflektorfigur. Das Paradigma kono (dieser hier) bezeichnet in diegetisch-fiktionalen Texten das dem Aussagesubjekt Nahe und fungiert als distanzierende Bezeichnung (Erzählerebene). In mimetisch-fiktionalen Texten hingegen bezieht es sich auf die Reflektorfigur. Die so-Stufe bezieht sich in diegetischfiktionalen Texten auf das Aussageobjekt, in mimetisch-fiktionalen Texten auf das von der Reflektorfigur wahrgenommene Objekt. Von grösstem Interesse ist die a-Stufe, die in Gesprächen auf etwas nicht Anwesendes, aber den Gesprächspartnern Bekanntes hinweist. In fiktionalen Texten aber – in der keine Sprechsituation herrscht – kommt diese Form (ausser in direkter Rede) nur in Figurenperspektive vor und bezeichnet dort etwas Entferntes, der Figur Bekanntes, vor allem Erinnertes. Dieser Gebrauch der a-Stufe ist in mimetisch-fiktionalen Texten besonders häufig. Viele dieser Demonstrativa – reale, lokale und direktionale – dienen auch, als Personenbezeichnungen (vgl. obige Aufstellung). Die Wortkategorien, die den Personalpronomen anderer Sprachen entsprechen und im Japanischen für die Bezeichnung des Sprechers und der Person, mit der oder über die gesprochen wird, verwendet werden, sind, wie Miller zeigt, Demonstrativa oder Nomen und zeigen keine morphologische Änderung wie zum Beispiel ich/mir.35 Die Formen, die im Japanische gebräuchlich sind, sind sehr zahlreich. Für dieses grosse Repertoire an Formen gibt es zwei wesentliche Ursachen. Die erste klingt paradox: Die japanische Sprache verfügt über dieses enorme Lexikon an „Personalpronomen“, weil sie nie eigentliche „Personalpronomina“ besessen hat. Das bedeutet, dass solche Formen stets entweder Sonderverwendungen von Nomina waren, die „derjenige da drüben“, „derjenige hier“ und dergleichen ausdrückten, oder es handelte sich um Nomina mit Bedeutungen wie „meine Wenigkeit“, „Eure Hoheit“ und so weiter. Wie in anderen Bereichen der Sprache wurde auch hier das rein japanische lexikalische Material durch den reichen Lehnwortschatz aus dem Chinesischen erweitert. Demzufolge erreicht der Gesamtbestand auf jeder einzelnen Stufe der Sprachgeschichte gewaltige, in der diachronen Zusammenschau geradezu überwältigende Ausmasse. 35

Miller (1993: 325 und 352).

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Die andere Ursache liegt in der komplexen und starr hierarchischen abgestuften traditionellen japanischen Gesellschaftsstruktur. Wie bereits beim System der Sprachebenen zu sehen war, sind die Formen der japanischen Sprache so angeordnet, dass sie die gesellschaftliche Ordnung wiederspiegeln.36

Für den Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts, der eine „objektive Erzählprosa“ anstrebte, stellte sich das Problem, wie er die höflichen oder bescheidenen Formen vermeiden und Personen einführen oder bezeichnen sollte. Hier boten sich „neue“ [Pro]nomen an, Formen, die wertneutral waren, nämlich jibun (⥄ಽ, selbst)37, kare (ᓐ, er) und kanojo (ᓐᅚ, sie). Kare diente ursprünglich der Bezeichnung von Frauen und Männern, wurde aber mit verschiedenen Zeichen geschrieben und entwickelte sich zu einem neutralen [Pro]nomen, das nicht von der gesellschaftlichen Hierarchie geprägt war. Diese heute allgemein gebräuchlichen [Pro]nomen waren im 19. Jahrhundert noch nicht geläufig und kamen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Der von Shimazaki Tǀson 1906 geschriebene Roman Hakai kommt ohne kare und kanojo aus. 38 Die Tendenz, jibun, kare oder kanojo als Subjekt zu setzen ist von der Übersetzungsliteratur aus europäischen Sprachen stark beeinflusst. 39 Dies wurde besonders von Yanabu Akira40 verurteilt. Er argumentierte, es sei unnötig, ein [Pro]nomen zu setzen, sofern das Subjekt eines Satzes aus dem Kontext ersichtlich sei. Die Analyse der Texte ergibt, dass kare als Subjekt ein Signal dafür ist, dass der Text keine Ich-Erzählung ist und zu einer neutralen Erzählhaltung tendiert. In Ich-Erzählungen wird kare spärlich gebraucht und zwar meist in den Gedanken des Erzählers oder erlebenden Ich für Personen, die ihm nahe stehen oder ihn interessieren. In Jnjemon no saigo 36 37

38 39

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Miller (1993: 352–353). Jibun ist ein Reflexivpronomen, das sowohl für die erste, zweite und dritte Person als Subjekt stehen kann, und besonders in Gedankenberichten und erlebter Rede verwendet wird. Als zweite Bedeutung gibt Daijirin „ich“, Kǀjien gibt nur diese zweite Bedeutung. Shimazaki bedient sich vor allem der Personennamen und der Deiktika wie kochira/kochi und sochira/sochi für die Bezeichnung der Personen. Noguchi (1996: 92) bemerkt, dass kare erst in neutralen Texten, in denen alle Personen gleichberechtigt waren, möglich wurde. Als Beispiel solcher Texte erwähnt er neben westlicher Literatur Gesetze, Edikte und Zeitungsartikel. Vgl. auch Suzuki zu kare und jibun (1996: 71). Yanabu (1991). Vgl. auch Analysen 3.4.2.

nennt der Ich-Erzähler die Freunde und Jnjemon (in Monologen und Gedankenberichten) kare, in Rinshitsu den Protagonisten (in seinen Gedanken) kare. In Texten mit einer Er-Erzählsituation nimmt der Gebrauch von kare in dem Masse zu, in dem die Vermittlungsinstanz verschwindet und eine neutrale Erzählfunktion oder Figurenperspektive überwiegt. In Shǀjobyǀ wechselt kare mit distanzierenden Benennungen des Protagonisten, in Futon herrscht kare vor, und in Ippeisotsu wird kare zum einzigen [Pro]nomen (ausser dem Gebrauch von jibun in Figurenperspektive). Auch für die Selbstreferenz des Ich-Erzählers bietet das Japanische eine Vielzahl von [Pro]nomen: In Jnjemon no saigo nennt sich der IchErzähler in direkter Rede boku ( ௢ ), im Erzähltext – mit wenigen Ausnahmen – jibun; eine Selbstreferenz, die Nemoto, der Erzähler der eingeschobenen Erzählung nicht verwendet, da er als Vertreter des Dorfes spricht und seine Selbstreferenz ein Plural ist. Die Selbstreferenz des Protagonisten von Shǀjobyǀ in Rede- und Gedankenberichten ist ore (ୋ), in Figurenperspektive jibun oder kono mi 41. Die Selbstreferenz des Protagonisten von Futon ist jibun oder kono mi in Figurenperspektive, Monologen und Gedankenberichten, in direkter Rede watakushi (⑳) oder boku, je nach der Sprechsituation, das heisst, ob der Adressat eine Frau oder ein Mann ist. Nicht nur die Figuren, sondern auch Erzähler sind an den japanischen Sprachgebrauch gebunden, Personen hauptsächlich mit ihren Titeln oder nach ihrer sozialen Funktion zu nennen. Wenn also Frauen, sofern sie nicht Hauptfiguren sind, nicht beim Namen genannt werden, ist das nicht auf Machoismus des Autors 42 zurückzuführen, sondern darauf, dass eine verheiratete Frau in ihrer Rolle als „Gattin“ auftritt, während unverheiratete Frauen beim Vornamen genannt werden. Auch Eltern werden – in Erzähler- oder Figurenperspektive – nie mit ihrem Namen genannt. Nemotos Vater in Jnjemon no saigo (dessen Namen in einem Redebericht erwähnt wird) wird im Text immer als „Vater“ bezeichnet. Der Name des Vaters der Protagonistin Yoshiko in der Erzählung Futon erscheint nur einmal auf einem Brief als Absender, 41

42

Kono mi (ߎߩり, der in dieser Welt lebende Leib), die Selbstreferenz der klassischen Schriftsprache ist in Tayamas Texten noch häufig, verschwindet aber in modernen Texten. Vgl. Hijiya-Kirschnereit (1978: 354).

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wird also in Figurenperspektive wiedergegeben, im Text erscheint er aber immer als „Vater“ oder „Yoshikos Vater“, obwohl nicht aus Yoshikos Perspektive erzählt wird. Perspektivenwechsel von einer Figur zu einer anderen werden auch durch den Wechsel der Figurenbenennung signalisiert: Ein Beispiel dafür ist eine in Figurenperspektive beschriebene Szene in Shǀjobyǀ mit dem Wechsel der Referenz kochi (hier, ich) von einer Person zu einer anderen Person sowie eine Szene in Futon, in der der betrunkene Protagonist aus den Augen seiner Frau gesehen wird.

4

Literaturgeschichtliche Hintergründe

4.1 Allgemeines In den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts bahnte sich in Japan der Paradigmenwechsel von der klassischen zur modernen Literatur an, der nach dem Russisch-Japanischen Krieg (1904–1905) von den Naturalisten vollendet wurde. Tayama Katai spielte dabei eine führende Rolle. 1885-6 erklärte Tsubouchi Shǀyǀ (ဝౝㅖ㆝, 1859-1935) in seiner Abhandlung Shǀsetsu shinzui (ዊ⺑⌀㜑, Das Wesen des Romans) die erzählende Literatur zur unabhängigen Kunstform. Bis anhin hielt man sie für einen unwürdigen Zeitvertreib für Intellektuelle.43 Es galt, sich von der klassischen Rhetorik – die weniger die Darstellung des Individuellen als des Typischen erlaubte – und dem Didaktizismus der vorherrschenden konfuzianischen Philosophie zu lösen, sowie einen psychologischen Realismus (in Fabel und Konzept der Figuren) anzustreben.44 43

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In dieser Arbeit wird für die Übersetzung von shǀsetsu ( ዊ⺑ ) konsequent der Ausdruck „erzählende Literatur“ oder „Erzählung“ gebraucht, da shǀsetsu, unabhängig von Inhalt oder Länge eines Werkes, alle Arten von Prosaliteratur bezeichnet. Vgl. Noguchi (1996: 54). Vgl. Hijiya-Kirschnereit (1981: 10), Ryan (1957: 17–21), Twine (1991: 133–137), und Fujii (1993: 11–21).

It falls to the novelist to plumb the depths of the human nature to reveal it in meticulous detail, omitting nothing in his portrayal of the inner workings of all types of minds, not merely those of the wise, regardless of age, sex and moral character. The true novel is not satisfied with a merely superficial account of human nature. [...] It lays it bare.[...] The novelist, then, should concentrate on psychological realism. Once his characters make their appearance on stage, he should think of them as real people. In thinking of their feelings, he should stand by as an onlooker and describe things as they really are, rather than superimposing his own ideas and emotions, good or bad, upon them. [...] There is, on the whole, no external difference at all between a novel and a true story, but the hero of the novel is entirely a product of the author’s imagination. An author, when he sets out creating characters for a novel, should do the same thing as a painter, working with a model. [...] Imitation for example, is not one of the aims of poetry and drama, whereas it constitutes the basic tenet of the novel, which endeavours to reproduce human nature and social conditions in as realistic a manner as possible. 45

Tsubouchi glaubte, die klassische Schriftsprache eigne sich nicht für eine realistische Darstellung von Innerlichkeit, konnte sich aber nicht dazu durchringen, das Prestige der chinesischen und japanischen Klassik der vulgären Umgangssprache zu opfern und kehrte in seinen Erzählungen zur klassischen Diktion zurück. Er postulierte schliesslich eine Mischung der schriftsprachlichen (Text) und umgangsprachlichen Stile (Dialog).. Er schilderte zwar neue Schauplätze wie das Studentenmilieu, doch blieben die Inhalte traditionell. Miyoshi Masao beschreibt die Werke wie folgt: [...] a rehash of Edo pleasure quarter novels [...]. The intrusive and extravagant narrator depends heavily on stereotypical epithets, puns, and formulas that by this time had become purely extrinsic ornaments, and in moments of excitement falls into a 5-7-5 meter [...]46.

Futabatei Shimei (ੑ⪲੪྾ㅅ, 1864–1909) suchte die Forderungen nach realistischer Beschreibung zu erfüllen und schrieb mit Ukigumo (ᶋ㔕, Ziehende Wolken, 1887–89) die erste moderne Erzählung Japans. Er gebrauchte in dieser Erzählung und in seiner epochemachenden 45

46

Tsubouchi (1981: 24–27) übersetzt von Nanette Twine. Diese Stellen sollen zeigen, wie sehr Tayama von Tsubouchis Ideen beeinflusst war. Die einzige Idee, die er ablehnte, war Fiktionalität. Miyoshi (1996: 20).

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Übersetzung einer Kurzgeschichte aus Turgenevs Aufzeichnungen eines Jägers als erster den genbun itchi-Stil ( ේ ᢥ ৻ ⥌ , Stil der Vereinheitlichung von gesprochener und geschriebener Sprache) und schuf damit die Sprache und die Voraussetzungen für die Entwicklung der modernen Literatur.47 In Bunsho shinron (ᢥᦠᣂ⺰, Neue Abhandlung über Prosa) verteidigte er die Verwendung der Umgangssprache und betonte, diese könne am ehesten Gedanken und Emotionen ausdrücken, da sie sich mehr mit Inhalt als Form beschäftige und auf Clichés, veraltete klassische Ausdrücke und Wortspiele verzichte. In der Folge entwickelte sich eine auf der Umgangssprache des Tǀkyǀ-Dialekts basierende Literatursprache, wobei sich der Gebrauch der höflichkeitsneutralen Kopula de aru/da im Gegensatz zum höflichen de gozaimasu oder der formellen Postposition -masu durchsetzte, eine Voraussetzung „objektiven“ Erzählens. Gleichzeitig kamen europäische Satzzeichen wie Punkt und Komma in Gebrauch, später Gedankenstrich und Anführungszeichen48. Die emphatischen bzw. fragenden Postpositionen (yo, ka) wurden beibehalten, aber oft in Verbindung mit Ausrufeoder Fragezeichen. Ebenfalls abgeschlossen war zu dieser Zeit, wie Maeda Ai ausführt, der Wechsel zur privaten Lektüre, vom „lauten“ zum „stillen“ Lesen, d.h., vom Vorlesen im Familienkreis (Populärliteratur) einerseits und Rezitieren der chinesischen Klassiker und der zu Beginn der Meiji-Zeit florierenden „politischen Romane“ andererseits.49 Dies ist insofern wichtig, als die moderne Literatur um ihres emotionellen Anspruchs willen gelesen wurde. 47

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Vgl. Twine (1991: 137–143), Ryan (1976), Hijiya-Kirschnereit (1981: 12–13) und Miyoshi (1996: 3–37). Neue Inhalte verlangten nach einer neuen Sprache: Die Erzählung Ukigumo von Futabatei Shimei beschreibt den ersten literarischen Antihelden Japans und dessen Innerlichkeit (in Anlehnung an den superfluous man der russischen Literatur), ein der Aufbruchszeit unangepasster introvertierter junger Mann. Auf der Suche nach einer neuen Literatursprache empfahl Tsubouchi Shǀyǀ die Nachahmung der oralen Erzähltradition, was sich im Erzähleingang von Ukigumo niederschlug. Im weiteren Verlauf der Erzählung verlieren sich diese Elemente (d.h., ein markantes Zurücktreten der Vermittlungsinstanz), da die Innerlichkeit des Protagonisten immer mehr in den Mittelpunkt tritt und vergegenwärtigt wird. Yamada Bimyǀ ( ጊ↰⟤ᅱ , 1868–1910) gebrauchte als erster europäische Interpunktion, Auslassungspunkte als Markierung von Introspektion, ein Kreuz für direkte Reden sowie stilistische Eigenheiten westlicher Sprachen. Vgl. Twine (1991: 147) und Suzuki (1996: 43–45). Maeda (1993: 167–185).

Um 1890 setzte eine Reaktion gegen die übertriebene Verwestlichung ein. Das Gefühl, die „nationale Identität“ zu verlieren, einhergehend mit konservativeren Tendenzen in der Politik, kam auf. 50 Die Literatur verwendete nun wieder die klassische Schriftsprache oder einen Mischstil, bibun (⟤ᢥ) genannt. Dabei bediente man sich weniger der in der klassischen Literatur so wichtigen Wortspiele und Allusionen, betonte aber Ästhetik und Rhythmus.51 Bibun wurde von Autoren wie Mori ƿgai (᫪㡑ᄖ , 1862–1922), Kǀda Rohan (ᐘ↰㔺઻ , 1867–1947) und Ozaki Kǀyǀ ( የፒ⚃⪲ , 1867–1903) zur Meisterschaft gebracht, während Futabatei Shimei und Yamada Bimyǀ, die genbun itchi verfochten, sich anderen Tätigkeiten zuwandten. Allerdings schrieb Ozaki Kǀyǀ 1905 in seinem Genbun itchi-ron (Abhandlung über genbun itchi), die neue Literatursprache sei flexibler als die klassische Schriftsprache, wenn auch „flach“, ohne Eleganz und Rhythmus.52 Ab 1900 verwendeten die Schriftsteller wieder vermehrt die Umgangssprache. Die Naturalisten, zu denen auch Tayama Katai gehörte, trugen massgeblich dazu bei, dass sich um 1910 genbun itchi in der erzählenden Literatur durchsetzen konnte.53

4.2 Biografie54 Tayama Rokuya ( ㍳ ᒎ , Katai ist ein Künstlername) wurde 1872 in Tatebayashi (Tochigi Präfektur, ab 1876 zur Gumma-Präfektur gehörend) als zweiter Sohn von fünf Kindern eines niedriggestellten Samurai geboren. Die Familie verlor durch die Meiji-Restauration (1868) ihre soziale Stellung und wirtschaftliche Grundlage. Der Vater wurde darauf Polizist in Tǀkyǀ und fiel als Freiwilliger im Seinan Krieg (1877). Tayama Katai wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und wurde, 50 51 52 53

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Twine (1991: 151–154) und Hijiya-Kirschnereit (1981: 14). Twine (1991: 152). Twine (1991: 153–154). Takahashi Toshio (1985) weist darauf hin, dass um 1905 nur etwa 78% aller Erzählungen in der neuen Literatursprache (genbun itchi) verfasst wurden, um 1907 (das Erscheinungsjahr von Futon) 98% und um 1908 100%. Takahashi (1985: 39). Die folgenden Ausführungen basieren, falls nicht anders vermerkt, auf den Zeittafeln ( ᐕ ⼆ , nenpu). In: Kobayashi (1984: 7–107) und Senuma Shigeki (1967: 422–427).

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im Gegensatz zu seinem älteren Bruder, der noch eine klassische sinojapanische Bildung genossen hatte, in der neuen Volksschule (1877– 1881 und 1883–1886) erzogen, aber privat in den chinesischen Klassikern unterrichtet. Schon früh hegte er den Wunsch, Schriftsteller zu werden und wurde darin, im Gegensatz zu anderen Jünglingen, von seiner Familie, vor allem auch seinem Bruder, unterstützt. 1886 zog die Familie nach Tǀkyǀ, wo Tayama55 erst eine Schule besuchte, die ihn auf die Aufnahmeprüfungen in die Offiziersschule vorbereiten sollte, bestand diese aber 1888 aus gesundheitlichen Gründen nicht. Darauf lernte er an einer Privatschule Englisch und befasste sich intensiv mit westlicher Literatur. Im Jahre 1890 besuchte er die Nihon hǀritsu gakkǀ (Schule der Jurisprudenz Japans), die spätere Nihon daigaku, wo er Matsuoka [Yanagita] Kunio (᧻ጟ [ᩉ↰] ࿖↵ , 1875–1962) kennen lernte, verliess sie aber nach kurzer Zeit wieder. Von 1885–1891 publizierte er chinesische (ṽ⹞, kanshi) und japanische Gedichte im traditionellen Stil (๺᱌, waka)56 in Eisai shinshi (㗧ᚽᣂ⹹, Neues Forum für Talentierte, gegr. 1877), einer Zuschriften-Zeitschrift, die für literaturbegeisterte Jugendliche in der Provinz die wohl wichtigste Plattform für ihre Arbeiten bildete.57 Von 1891 an publizierte er regelmässig Erzählungen, anfänglich als Anhänger Ozaki Kǀyǀs, dem Anführer der Ken’ynjsha ( ⎮ ෹ ␠ , Gesellschaft der Freunde des Tuschsteins) unter der Ägide von Emi Sui’in ( ᳯ⷗᳓⬺ , 1869–1934). Emi wurde später Redakteur bei Hakubunkan (ඳ⡞㙚)58 und verschaffte Tayama dort seine erste Stelle. Nach 1895 publizierte Tayama gleichzeitig in verschiedenen Zeitschriften: Bungei kurabu (ᢥ⧓୾ᭉㇱ, Literarischer Klub, gegr. 1895), dem Organ der Ken’ynjsha, Bungakukai ( ᢥቇ⇇ , Literarische Welt), dem Organ der romantischen Bewegung, sowie in Seinenkai ( 㕍 ᐕ ⇇ , Welt der Jugend) und der Zeitschrift 55 56

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Ich folge hier nicht dem japanischen Brauch, Schriftsteller, die einen Künstlernamen haben, bei diesem, andere bei ihrem Familiennamen zu nennen. Chinesische und japanische Gedichte sowie Reiseberichte zählten nebst historischen Texten (die nicht als „erfunden“ galten) zur hohen Literatur, während die erzählende Literatur als „zum Zeitvertreib verfasste und gelesene“ Literatur gering geachtet wurde. Vgl. auch Hijiya-Kirschnereit (1981: 97–98) und Walker (1979). Vgl. Maeda (1993: 129) und für die Publikationsmöglichkeiten Jugendlicher Kinmoth (1981). Hakubunkan, 1887 gegründet, war wohl der grösste Verlag der Meiji-Zeit, der über achtzig verschiedene Zeitschriften und fast täglich ein Buch publizierte. Die berühmteste Zeitschrift war Taiyǀ (Die Sonne), gegr. 1894. Vgl. Richter (1997).

Kokumin no tomo (࿖᳃ߩ෹), die beide eine demokratische Ausrichtung verfolgten. Gleichzeitig übersetzte er (meist französische) Erzählungen aus dem Englischen, die teils als hon’an (Übertragungen oder Adaptationen), teils als Übersetzungen, wie Tolstojs Kosaken (1893) publiziert wurden. 1894 machte er die Bekanntschaft von Shimazaki Tǀson (1872–1943) und 1896 von Kunikida Doppǀ (࿖ᧁ↰⁛ᱠ, 1871– 1908), begann shintaishi (ᣂ૕⹞, Gedichte in neuer Form) und kikǀbun (♿ⴕᢥ, Reiseberichte) zu verfassen, Genres, die er Zeit seines Lebens weiter pflegte, wobei besonders seine Reisebeschreibungen gern gelesen wurden und einen grossen Platz seines Schaffens einnahmen. Ab 1895 entstanden vermehrt Erzählungen, doch wurden von diesen frühen Erzählungen nur drei der vor 1900 entstandenen (meist in der klassischen Schriftsprache, also bibun geschriebenen) in die Gesamtausgabe aufgenommen.59 Es handelte sich um süsslich-romantische Erzählungen, die sich mit der unglücklichen Liebe „schöner junger Menschen in der schönen Natur“ befasste und stark von der Sehnsucht nach reiner Liebe und Mädchen geprägt waren. 60 Diese Erzählungen beschreibt Kataoka als nostalgisch, sentimental und langweilig, der traditionellen Moral verhaftet und völlig kritiklos.61 Doch hatte Tayama viele Anhänger unter Jugendlichen, denen die Sentimentalität dieser Erzählungen ein Bedürfnis erfüllte. Berühmt war vor allem Furusato (߰ࠆㇹ, Heimat, 1895), eine Erzählung, die von Lesern und Leserinnen62 sogar auswendig gelernt wurde. Bald war Tayama als „Schriftsteller mit Zukunft“ bekannt, seine Erzählungen wurden regelmässig in literarischen Zeitschriften besprochen und später (nach dem Erfolg von Futon) in Sammelbänden heraus-

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Die erste Erzählung in genbun itchi entstand 1892, Rakkason (⪭⧎᧛ , Dorf der fallenden Blüten), zwei weitere 1894, Hatsukagetsu (ੑචᣣ᦬, Zwanzig Monate) und Azumagawa (๋ᆄᎹ, Der Azuma-Fluss, 1894). Diese Versuche wurden aber bis 1901 wieder aufgegeben. Vgl. Yoshida (1970a: 283, 288). Für Tayamas Frühwerk vgl. Kataoka (1993: 304–325), Yoshida (1970a: 277–298) und Iwanaga (1968). Yoshida (1970a: 285) betont, dass Tayamas Frauenverehrung und Idealisierung der „reinen Liebe“ als Reaktion gegen die Erzählungen der Ken’ynjsha zu verstehen sei, in denen die Frauen als „Werkzeuge der Lust“ fungierten. Kataoka (1993: 311). Darunter auch Okada Michiyo, die später Tayamas Schülerin wurde und als Modell der Heldin von Futon traurige Berühmtheit erlangte. Vgl. Nieda (1975: 128).

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gegeben. 63 Er heiratete im Jahre 1899 und wurde 1900 vom Verlag Hakubunkan als Redakteur angestellt – seine erste feste Anstellung. Zuerst arbeitete er für die Wochenzeitschrift Taiheiyǀ (ᄥᐔᵗ, Grosser Ozean), nach deren Auflösung 1902 für Taiyǀ (ᄥ㓁, Die Sonne, gegr. um 1894). Er veröffentlichte darin und in anderen Organen des Verlags während seiner Anstellung bis 1912 fast wöchentlich Reiseberichte oder Erzählungen, vor allem aber auch eine Serie von Artikeln unter dem Titel Seika yokǀ (⷏⧎૛㚅, Westliche Blüten, bleibender Duft, 1901– 1902) über westliche Literatur. 1903 wurde er Mitarbeiter von Dainihon chishi ( ᄢᣣᧄ࿾⹹ , Topografie Grossjapans) und war von März bis September 1904 Mitglied einer Fotoreportagen-Equipe ( ᓥ ァ ౮ ⌀ ⃰ , jnjgun shashinhan) für Taiyǀ im Russisch-Japanischen Krieg (1904– 1905). Obwohl Tayama 1902 mit der vom europäischen Naturalismus inspirierten Erzählung Jnjemon no saigo Aufsehen erregte, durchlitt er während der Jahre 1901–1906 eine Krise, die nicht zuletzt aus der Diskrepanz seiner sentimentalen Erzählungen und der Forderung nach Objektivität entstand. Seine intensive Lektüre Maupassants64 hatte eine Neuorientierung seines Schreibens zur Folge. Seine Werkliste der Jahre 1904–1906 zeigt, dass er bis 1907 (obwohl er 1904–5 hauptsächlich seine Kriegsreportagen und sein Kriegstagebuch herausgab) neben vielen Adaptationen und Übersetzungen westlicher Literatur kaum erzählende Prosa verfasste.65 63

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Die in Zeitschriften erschienenen Erzählungen wurden in Sammelbände gefasst, so Kusakago (⨲☜, Kräuterkorb, 1907), Shǀjo no koi (ዋᅚߩᕜ, Die Liebe zu jungen Mädchen, 1907), Mura no hito (᧛ߩੱ, Dorfmenschen, 1908) und Katai shnj (⧎ⴼ 㓸, Gesammelte Erzählungen [Tayama] Katais, 1908). Vgl. Yoshida (1975a: 303–304). Ikari (1975: 137) zeigt, dass Tayama mit Maupassants „gesunden“ Erzählungen schon seit 1897 vertraut war, aber erst mit der Lektüre von Bel Ami 1901 den schonungslosen Realismus Maupassants kennen lernte, den er als „erschreckende Wahrheit“ empfand, und der seiner Arbeit neue Impulse gab. Von den 1905 und 1906 entstandenen Werken wurden nur die Erzählung Yamagoya (Die Berghütte, eine Adaptation einer Kurzgeschichte Bjørnsens), Ariynjsha (ࠕ࡝ࡘ ࡯ࠪࡖ , Alynjsha) und Nabari shǀjo ( ฬᒛዋᅚ , Das Mädchen von Nabari, eine Adaptation einer Erzählung Maupassants) in die Gesamtausgabe aufgenommen. Ogata weist darauf hin, dass Tayama in diesem Jahr Makoku (㝷࿖, Zauberland), sein einziges Märchen mit einem happy end und die letzte Erzählung im bibun-Stil, in der die Sehnsucht eines jungen Mannes nach einem Mädchen in Erfüllung geht, geschrieben habe (Ogata 1999: 43). Tayama shoshi gibt diese Erzählung (die nicht

Trotz dieser „Krise“ war er 1906 in der Lage, sich ein Haus im Vorort Yoyogi erbauen zu lassen, was angesichts der schlechten Bezahlung von Schriftstellern zu jener Zeit ausserordentlich war. Im gleichen Jahr wurde er Herausgeber der von Bunshǀ sekai (ᢥ┨਎⇇, Welt der Prosa), einer Zeitschrift, die sich intensiv mit den Methoden des Erzählens befasste, sich an junge Literaten wandte und deren Texte sowie Tayamas Kritiken veröffentlichte. Er wurde 1907 (ein Zeichen der Anerkennung) erstmals mit den Grossen der Zeit zum Literaten-Empfang des Fürsten Saionji eingeladen, dem sogenannten Useikai (㔎ჿળ), noch bevor er – 1907 – mit Futon schlagartig berühmt wurde. In den folgenden Jahren schrieb er seine auf biografischem Material beruhende „Trilogie“ Sei (Leben, 1908), Tsuma (Die Gattin, 1909), und En ( ✼ , Bande, 1910), dazwischen immer wieder Reiseberichte und Kurzerzählungen 66 , und schuf 1909 mit Inaka kyǀshi ( ↰ ⥢ ᢎ Ꮷ , Der Landschullehrer) ein Werk, das zu seinen Besten gezählt wird. Um 1907 ging er eine Beziehung zu einer Geisha ein, wobei ihm die Probleme dieser Beziehung, sowie die Lebenswelt dieser relativ unabhängigen Frauen Stoff für seine Erzählungen nach 1911 lieferte. In späten Jahren zeigte er eine Tendenz zum Mystizismus und wandte sich historischen Themen zu. Er starb 1930 hoch verehrt, wenn auch längst nicht mehr im Mittelpunkt des literarischen Lebens stehend, als Erneuerer der Literatur und Mitbegründer des japanischen Naturalismus.

4.3 Der japanische Naturalismus Die Rezeption der französischen Naturalisten, vor allem Zolas, gab den jungen Schriftstellern der Meiji-Zeit ein Werkzeug in die Hand, sich von der traditionellen Literatur abzugrenzen. Hinter der „neuen Literatur“ standen weniger philosophische oder wissenschaftliche Überlegungen als eine Reaktion gegen die etablierte Literatur, deren Ästhetizismus, Didaktizismus und Idealismus, sowie die damit einhergehenden fantastischen Inhalte und stereotypen Helden. Die neue Richtung gipfelte im

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in die Gesamtausgabe aufgenommen wurde) als eine Adaptation aus Arabian Nights, und Wada (1975: 32) schreibt, Makoku sei noch unter der Ägide der Ken’ynjsha um 1895 entstanden und gegen Tayamas willen publiziert worden. Heute werden im Westen – im Gegensatz zu Japan - vor allem die Kurzerzählungen, die nicht auf biografischem Material beruhen, rezipiert und übersetzt.

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Versuch, die Stoffe unbeschönigt zu beschreiben, die Wirklichkeit „so wie sie ist“ wiederzugeben und auf rhetorische Mittel, da diese die Wirklichkeit verfälschten, zu verzichten. Der japanische Naturalismus war, in den Worten Rubins: [...] not a style or a formula and certainly not a prescription for a limited area of subject matter. It was, for those with the intellectual apparatus to avoid taking the pronouncements of [Hasegawa] Tenkei and other theorists as fixed doctrine, an assumption that there were no assumptions. (Actually, despite the simplistic fervor with which [Hasegawa] Tenkei most often wrote on Naturalism as totally devoid of literary embellishment, entirely objective, „scientific“, and concerned only with the „truth“ etc., he was aware of this crucial aspect of naturalism: variety of theory and form is the sine qua non of the school, he insisted; once a fixed form emerges, it will cease to be naturalism.)67

Kosugi Tengais (ዊ᧖ᄤᄖ, 1865–1952) vielzitiertes Vorwort zu seiner Erzählung Hayari uta ( ߪ߿ࠅ᱌ , Der Gassenhauer, 1900) lautet wie folgt: Natur ist Natur. Sie ist weder gut noch böse, weder schön noch hässlich. Gut und Böse, schön und hässlich sind lediglich willkürliche Bezeichnungen eines bestimmten Menschen in einem bestimmten Land und einer bestimmten Epoche für einen Ausschnitt der Natur. [...] ob der Leser gerührt ist oder nicht, ist nicht Sache des Dichters. Der Dichter soll nur das Erdachte (knjsǀ shitaru mono) so wie es ist, wiedergeben, [denn] was würde dabei herauskommen, wenn der Maler beim Portraitieren sagte: „Deine Nase ist zu gross“, und sie abhobelte? Bei der Wiedergabe des Erdachten, darf auch nicht das geringste Persönliche hinzugefügt werden.68

Hier wird nicht nur die Objektivität des „Autors“ gefordert, sondern auch dessen Nichtintervention, Postulate, die zu den Grundpfeilern von Tayamas Schaffen werden sollten. Allerdings wird noch zu zeigen sein, dass Tayama nicht nur auktoriale Interventionen ablehnte, sondern einen Schritt weiter ging und, um der Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit des Erzählens willen, den Begriff knjsǀ ( ⓨ ᗐ , Fantasie, hier mit 67

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Rubin (1984: 76). Hasegawa Tenkei ( 㐳⼱Ꮉᄤᷧ , 1876–1940) war Kritiker und Redakteur von Taiyǀ und Förderer des Naturalismus. Vgl. auch Benl (1953) und Sibley (1968). Zitiert in Inagaki et al. (Hgg.) (1972 II: 418), Übersetzung in: Hijiya-Kirschnereit (1981: 16).

„Erdachtes“ wiedergegeben) ablehnte und stets betonte, die beschriebenen Begebenheiten seien der Wirklichkeit entnommene Wahrheit. 69 Dies war eine Weiterentwicklung der von Tsubouchi Shǀyǀ postulierten These, Literatur müsse die Wahrheit der Gefühle und nicht der Wissenschaft darstellen. Allerdings lehnte Tayama Futabateis Theorie der nachahmenden Beschreibung ( ᠀ ౮ , mosha) als das Entlehnen eines wirklichen Aspekts und dessen Wiedergabe als fiktionaler Aspekt70 ab. In einer anfänglichen Phase des Experimentierens ( ೨ᦼ⥄ὼਥ⟵ , zenki shizenshugi, Frühnaturalismus), zu der auch die hier behandelte Erzählung Jnjemon no saigo gehört, ist der Einfluss Zolas deutlich spürbar. Aber nicht die wissenschaftliche Untersuchung des Menschen stand im Mittelpunkt, sondern die Beschreibung des Menschen als Produkt von Milieu und Vererbung71, wobei das neue Naturverständnis und die „Entdeckung“ der animalischen Natur des Menschen und dessen Sexualität eine wichtige Rolle spielten. Der japanische Naturalismus entwickelte sich nach 1906, wobei nur wenige Autoren des Frühnaturalismus zu den „eigentlichen“ Naturalisten gezählt werden. Nach dem Russisch-Japanischen Krieg ergriff eine Welle der Desillusion die japanischen Intellektuellen, und es schien unmöglich, idealisierende oder romantisierende Literatur zu schreiben. Literatur sollte nicht schön, sondern wahr sein. Im Mittelpunkt stand die Vermittlung von Innerlichkeit in einer Zeit, da der rasante gesellschaftliche Wandel, das Aufbrechen traditioneller Strukturen und die Erfahrung der Diskontinuität ein Bewusstwerden der individuellen Probleme mit sich gebracht hatte, das dringend nach Verarbeitung rief. Mit der Etablierung des Naturalismus entwickelte sich ein neuer Erzählstil, der Objektivität sowie einen kühlen und kühnen Realismus forderte. 72 Die Hinwendung zu wirklichkeitsnaheren Stoffen zeichnete 69

70 71 72

Dies spiegelt die Auffassung, Fiktion sei erfunden und somit erlogen wieder. Tayama hat Zeit seines Lebens Fantasie und Geniewesen abgelehnt und vorhandene Stoffe verarbeitet; möglicherweise aus der Überzeugung, Authentizität beruhe auf persönlicher Beobachtung und Erfahrung. Andererseits mag es sich auch um den Versuch handeln, der erzählenden Literatur den Status der „hohen Literatur“ (nichtfiktionale Texte) zu geben. Vgl. Fowler (1988: 7 und 18–25). ᠀౮ߣ⸒߃ࠆߎߣߪታ⋧ࠍ઒ߡ⯯⋧ࠍ౮ߒ಴ߔ. Zitiert in Ino (1971: 7). Wada (1975: 13–20) und Yoshida (1958 b: 53). Der Begriff byǀsha heisst wörtlich „beschreibend abmalen/spiegeln“ und wird nicht nur in der Literatur, sondern auch in Musik und Malerei verwendet. Tayama selbst gab in Byǀsharon (Abhandlung über die Beschreibung, 1911) die englische

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sich dadurch ab, dass Tayama ab 1902 die Menschen als Individuen auf Grund von Beobachtung zu beschreiben suchte und deren Tragödie nicht dem Schicksal, sondern dem Charakter zuschrieb. Dabei benutzte er die Umgangssprache und setzte in seinen Ich-Erzählungen periphere Erzähler ein, die als Vermittler oder Augenzeugen fungierten. Ab 1907 schrieb er fast ausschliesslich Erzählungen in der dritten Person, wobei ein mehr oder weniger neutrales Aussagesubjekt oft biografisch motivierte Stoffe vermittelte. Der Erfolg von Futon verhalf dem Naturalismus zum Durchbruch, wobei besonders die als Wahrheit erscheinende fiktionale Wirklichkeit den Ausschlag gab. Die darauf beruhende Neudefinition der erzählenden Literatur – der Verzicht auf Kunstfertigkeit, die unverblümte Wiedergabe der Dinge „wie sie sind“ ohne die Einmischung (Subjektivität) des „Autors“ sowie der Anspruch auf Wahrhaftigkeit, wurden zur dominierenden Auffassung von Literatur.73 Diskutiert wurde dabei vor allem die Methode, wie die „reale“ Wirklichkeit darzustellen sei. Dies ging so weit, dass Erzählungen, die auf biografischen Stoffen beruhten, als „reine Literatur“ ( ⚐ᢥቇ , junbungaku) galten, und Kume Masao ( ਭ ☨ ᱜ 㓶 , 1892–1952) die grossen Werke des europäischen Realismus (er zitiert Werke von Tolstoj, Balzac und Flaubert) zum reinen „Lesestoff“ (tada no yomimono) degradierte. Eine nachhaltige Ablehnung dieser Werte erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg. 74 Während der Naturalismus um 1912 an Bedeutung verlor, entwickelten sich die verschiedenen Elemente zu neuen Strömungen. Die Mitglieder der Shirakaba Schule (⊕᮹, Weisse Birke, gegr. um 1910) übernahmen das Postulat der ungeschminkten Beschreibung, besonders Arishima Takeo (᦭ፉᱞ㇢, 1878–1923), nicht aber die Ablehnung von Idealismus und Didaktizismus. Andererseits entstand aus dem Versuch, Glaubwürdigkeit durch die Verarbeitung eigenen Erlebens zu gerieren, das Genre des shishǀsetsu ( ⑳ዊ⺑ , „Ich-Erzählung“), ein Genre, das dadurch gekennzeichnet ist, der Autor mit dem Erzähler und dem Protagonisten gleichgesetzt und als biografische Wahrheit rezipiert wird.

73 74

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Übersetzung painting. Byǀsha hat also ein weiteres Bedeutungsfeld als Beschreibung. Vgl. Tayama (1967: 393). Noguchi (1996: 45). Noguchi (1996: 100).

Der Naturalismus legte „durch die Erschliessung neuer Erlebnisbereiche das eigentliche Fundament der modernen japanischen Literatur. Darüber hinaus verhalf die Ernsthaftigkeit, mit der die Naturalisten sich um eine literarische Verarbeitung ihrer Erfahrungen bemühten, der Literatur in der japanischen Gesellschaft zu einer höheren Wertschätzung. Die erzählende Literatur gewann [...] an Ansehen und mit ihr die Schriftsteller selbst [...].75

4.3.1

Die Methodendiskussion

Die Diskussion, die Anfang des 20. Jahrhunderts geführt wurde, befasste sich weniger mit der Frage, was eine Erzählung (shǀsetsu) sei, sondern wie ein Stoff zu bewältigen sei. Sie wurde seit den Arbeiten von Tsubouchi Shǀyǀ bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs heftig geführt, wobei die Naturalisten den Anspruch erhoben, die einzig richtige Methode zu vertreten. Kritiker und Autoren griffen auf die schon von Tsubouchi Shǀyǀ in Shǀsetsu shinzui postulierten Ideen zurück und diskutierten meist konkrete Werke ohne eine „Theorie“ zu formulieren, bis Iwano Hǀmei ( ጤ ㊁ ᵃ 㡆 , 1872–1920) seine Theorie des Ichigen byǀsha ( ৻ ర ឬ ౮ , Eindimensionale Beschreibung) aufstellte. 76 Bei Tayama zeigte sich die Tendenz, mit seinen theoretischen Abhandlungen im Nachhinein seine Erzählhaltung zu rechtfertigen und sich nicht an seine Theorien zu halten, da die Erzählungen, oft eine Eigendynamik entwickelten, besonders was die Beschreibung oder Darstellung von Innerlichkeit betraf. Die Diskussion drehte sich um die Begriffe objektiv und subjektiv ( ቴ ⷰ ⊛ , kyakkanteki und ਥ ⷰ ⊛ , shukanteki) 77 , Beschreibung und Erklärung [Kommentare].78 Dabei wurde der Autor mit dem Erzähler – und bei biografischen Stoffen – auch mit dem Protagonisten gleichgesetzt.79 75 76 77

78

79

Hijiya-Kirschnereit (1981: 23). Vgl. Nagashima (1997). Tayama selbst unterschied in seiner Abhandlung Bibun sahǀ zwischen shukanteki byǀsha ( ਥ ⷰ ⊛ ឬ ౮ , subjektive Beschreibung), womit er Ich-Erzählungen charakterisierte und kyakkanteki byǀsha (ቴⷰ⊛ឬ౮, objektive Beschreibung), für Erzählungen in der dritten Person. Vgl. Tayama (1995, Katai zenshnj, 26: 144). Häufig vorkommende Ausdrücke sind jokeibun und jojǀbun (ค᥊ᢥ und คᖱᢥ), lyrische und beschreibende Textpassagen (Gefühle und Landschaft) im Gegensatz zu setsumeibun (⺑᣿ᢥ), erklärende oder kommentierende Textpassagen. Käthe Friedemann hat in ihrer Dissertation Die Rolle des Erzählers in der Epik (1910) als Erste darauf hingewiesen, dass Autor und Erzähler nicht identisch sind.

43

Tayamas erster Beitrag zur Diskussion über die Methode der Beschreibung (ឬ౮ߩᣇᴺ, byǀsha no hǀhǀ) war seine Vorrede zu No no hana ( ㊁ ߩ ⧎ , Blumen des Feldes, 1901). Hier postulierte er eine Erzählweise, die weder sentimentalisierte noch idealisierte und negativen Tatsachen nicht auswich, wobei an die Stelle der kleinlichen Subjektivität [Kommentare] des „Autors“ ( ૞ ⠪ ߩ ዊ ਥ ⷰ , sakusha no shǀshukan) die Subjektivität der grossen Natur (ᄢ⥄ὼߩਥⷰ, daishizen no shukan) treten sollte – erzähltheoretisch gesprochen das Zurücktreten des Erzählers und die Unmittelbarkeit des Erzählens.80 In der Erzählung No no hana selbst realisierte Tayama diese Forderungen nicht81, was ihm sarkastische Kritik einbrachte und zu einer Kontroverse mit Masamune Hakuchǀ (ᱜቬ⊕㠽, 1879–1962) führte. Er verwirklichte diese Forderung in Jnjemon no saigo und den folgenden Erzählungen, in denen er danach strebte, von seinen wirklichkeitsfremden romantischen Erzählungen wegzukommen und den Menschen nun nicht mehr als Spielball des Schicksals, sondern als Produkt von Vererbung und Milieu darzustellen. Er begann, nach einer Erzählhaltung zu suchen, die die Wirklichkeit ohne Einmischung des „Autors“ unmittelbar wiedergeben konnte. Der Versuch, die Realität „wie sie ist“ zu schildern, zeigte sich in den Erzählungen nach 1902 in der Tendenz, die Ich-Erzähler nicht mehr in den Mittelpunkt zu stellen, sondern sie als Augen- oder Ohrenzeugen einzusetzen. Inhaltlich griff Tayama vermehrt tabuisierte Themen auf, besonders die ungeschminkte Beschreibung der menschlichen Sexualität

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Diese Unterscheidung wird in der literarischen Forschung Japans selbst heute nur selten gemacht. Noguchi macht darauf aufmerksam, dass die Identifikation von Autor und Protagonist erst ab 1907 erfolgte. (Noguchi 1996: 100). Über diese Begriffe ist viel spekuliert worden, und es gibt ebenso viele Interpretationen wie Literaturwissenschaftler. Ich füge hier meine eigene, auf den Analysen der Texte basierende, hinzu. Dies mag daran liegen, dass zwischen Abfassung (vor 1900) und Publikation (1901) von No no hana geraume Zeit verging, wie Ogata Akiko (1999: 17) vermerkt.

4.3.2

Rokotsu naru byǀsha

Tayama zählte sich zu den Schriftstellern einer jungen Generation, die sich, von der europäischen Literatur inspiriert, neuen Ideen zuwandten und nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchten. Aus Tayamas Aufsatz Rokotsu naru byǀsha ( 㔺 㛽 ߥ ࠆ ឬ ౮ , Unverblümte Beschreibung, 1904) 82 spricht seine Betroffenheit angesichts der Lektüre westlicher Werke – vor allem Maupassants – und er fordert weniger theoretisch als leidenschaftlich die Anerkennung der neuen Literatur. Die jüngere Generation, dürfe, so meinte er, nun da die „Grossen“ (Ozaki Kǀyǀ, Kǀda Rohan, Tsubouchi Shǀyǀ und Mori ƿgai) verstummt seien, deren Stil, bibun, nicht nachäffen, ohne die eigenen Inhalte zu kompromittieren, und diese der Rhetorik, der Ästhetik oder fantastisch-idealistischen Inhalten zu opfern.83 Tayama zog gegen die Auffassung, Literatur müsse ästhetischer Genuss sein zu Felde, verurteilte Kunstfertigkeit und Technik (gikǀ, ᛛᏁ) sowie Vergoldung (mekki, ㎀㊄). Er forderte die unbeschönigte Beschreibung neuer Inhalte, ohne vor negativen oder hässlichen Tatsachen Halt zu machen, denn, fragte er, „wie kann man ǀnǀ hanmon84 im eleganten Stil wiedergeben?“. Sein Anliegen war nicht 82

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84

Rokotsu naru byǀsha erschien am 1. 2. 1904 in Taiyǀ. In: Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 154–159, als Anhang zu Bibun sahǀ, Anleitung zu bibun). Die Übersetzung „unverblümte Beschreibung“ stammt von Hijiya-Kirschnereit. Ozaki Kǀyǀ starb 1903, Kǀda Rohan (ein Exponent des Idealismus mit einer Tendenz zu überlebensgrossen Helden) wandte sich nicht-fiktionalen Stoffen zu, Tsubouchi Shǀyǀ widmete sich dem Theater, Übersetzungen und der Kritik, und Mori ƿgai (᫪㣁ᄖ 1862–1922), der als Militärarzt am Russisch-Japanischen Krieg (1904-1905) teilnahm, schrieb kaum Fiktion von 1899 bis 1909. Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 155). ƿnǀ hanmon (ᙦᖠᾘᖨ, Seelenschmerz und Grübelei), einer der Ausdrücke, die in Tayamas Werken immer wieder vorkommen, war ein Schlagwort der Zeit. Man sprach von hanmon seinen – Jugendlichen, die sich in der neuen Zeit nicht zurecht fanden oder sich den gängigen Werten nicht anpassen wollten. Es gab Bemühungen der Regierung, im Sinne konfuzianischer Exhortationen, wie zum Beispiel die moralische Direktive fnjki kunrei (㘑♿⸠઎) von 1906, die Jugendlichen vor Melancholie, moralischer Dekadenz und Genusssucht einerseits, dem „Gift radikaler Ideen“ und Sozialismus andererseits zu warnen. Zeitschriften wetterten gegen „ungesunde Lektüre“ wie das „fleischliche Aroma naturalistischer Literatur“. Vgl. Gluck (1985: 169–70) und Rubin (1984). Wie sehr dieses Thema die öffentliche Diskussion beherrschte zeigt die Zeitschrift Taiyǀ, die einen grossen Teil der Neujahrsnummer 1908 unter dem Titel „Erziehung und Literatur: Sollen wir unseren jungen Männern und Frauen erlauben, Romane zu lesen?“ dieser Frage widmete. Vgl. Frühstück (1997: 55).

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mehr, schöne Literatur zu produzieren, sondern die Probleme, die Leiden und Grübeleien seiner selbst und seiner Zeitgenossen zu thematisieren, wobei Inhalt und Stil übereinstimmen mussten und die Wirklichkeit „so wie sie ist“ wiedergegeben werden sollte. In den nächsten Jahren experimentierte Tayama mit verschiedenen Erzählhaltungen in der ersten und dritten Person und schrieb vorwiegend kürzere Texte. Die in dieser Arbeit behandelten Erzählungen stammen alle aus dieser Periode (1902–1908) Er wandte sich vor allem Innerlichkeitsbeschreibungen und -Darstellungen zu, die in späteren Erzählungen wieder verschwanden. Die Analysen zeigen, dass sich die von Tayama postulierte „Objektivität“ in einer Zuwendung zu vermehrt mimetisch-fiktionalen Erzählmitteln äusserte und sein Versuch, die Subjektivität des „Autors“/Erzählers auszuschalten im Verschwinden des Erzählers resultierte. Erst nach der Fertigstellung seiner langen Erzählung Sei, die den Abschluss der Experimentierphase signalisierte, beschrieb er im Artikel „Sei“ ni okeru kokoromi ( 㨬↢㨭ߦ߅ߌࠆ⹜ߺ ‫ޔ‬Der Versuch mit Sei, 1908)85 und kurz darauf in der Abhandlung Shǀsetsu sahǀ86 (ዊ⺑૞ᴺ, Anleitung zur Erzählung, 1909), die Art der Erzählhaltung, die ihm vorschwebte. 4.3.3

Heimen byǀsha

In seinem Bestreben die Wirklichkeit wiederzugeben, forderte Tayama eine Erzählerhaltung als Zuschauer oder Danebenstehender (றⷰ⊛ᘒᐲ bǀkanteki taido87). Der „Autor“ sollte sich nicht einmischen und weder seine „Subjektivität“ noch seine „Fantasie“ einbringen, eine Forderung, die sich in den Ich-Erzählungen durch die Konzeption des Erzählers als Augen- und Ohrenzeuge niederschlug. Seine Methode der Beschreibung nannte er heimen byǀsha ( ᐔ㕙ឬ౮ ), ein Begriff, der als „flat“ oder „surface description“, Deutsch als „flache Beschreibung“ wiedergegeben wird. Heimen byǀsha bedeutete in Tayamas Worten „was ich sehe, höre, berühre und denke“ oder „alles, was an der Oberfläche bemerkbar“88 ist 85 86 87 88

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Dieser Artikel findet sich nicht in der Gesamtausgabe, wird aber häufig zitiert. Er ist zitiert in Yoshida (Hg.). (1987: 224–228) und Yoshida (1970a: 171–173). Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 215–363). Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 242–246). Der Ausdruck heimen (Oberfläche) wird oft im Gegensatz zu rittai ( ┙ ૕ , ein Körper mit mehreren Oberflächen, daher mehrdimensional) gebraucht, in dem

– Oberflächenbeschreibung wäre eine passendere Übersetzung. Gleichzeitig postulierte er, in keiner Weise ins Innere der Figuren eindringen zu wollen und versuchte das, was er shinriteki kaibǀ no setsumei (ᔃℂ⊛⸃ ೬ߩ⺑᣿, psychologisch-sezierende Erklärung) nannte, auszumerzen. Es ist nicht ganz klar, was Tayama unter psychologisch-sezierenden Erklärungen verstand – ob nur auktoriale Erklärungen zur Psychologie der Personen oder alle Innerlichkeitsbeschreibungen und -Darstellungen. In seiner langen Abhandlung Shǀsetsu sahǀ erwähnt er die Kurzgeschichte Wara ( ⮝ , Stroh, 1909) als Versuch, heimen byǀsha zu verwirklichen: Letztes Jahr [1908] 89 schrieb ich die Kurzerzählung Wara. Vielleicht genügte meine Geschicklichkeit nicht, dieses Ziel zu erreichen, was ich zu schreiben im Sinne hatte war, heimenteki Augen, Ohren und Herz in ihrer Kompliziertheit zu beschreiben. Dass ich den Klang der Glocke eingebracht habe, ist zu diesem Zweck. Ich wollte die Augen-, Ohren- und Herz-[eindrücke] des Helden aufzeigen. Doch viele Kritiken haben nicht soweit gesehen, haben von vornherein eine Analyse [der Innerlichkeit des Protagonisten] im eigenen Kopf vorgenommen und sagten, [die Erzählung] wirke wie ein modernes Theaterstück 90 . [...] Da in Ippeisotsu der Vorfall interessant war, und ich der psychologischen Analyse Erklärungen beigefügt hatte, war es so wohl für den Leser leicht verständlich. Je länger ich aber darüber nachdenke, scheint es mir ungenügend, erklärende Stellen und Teile mit Fantasie [knjsǀ] gebraucht zu haben, und so versuchte ich in Wara, solche Stellen so gut wie möglich zu vermeiden.91

Ein Blick auf die von Tayama erwähnte Stelle zeigt, was er mit heimenteki meinte. Die Erzählung handelt von einem verlassenen Ehemann, der anlässlich der Wiederverheiratung seiner ehemaligen Frau deren Haus anzündet. Die von Tayama erwähnte Szene findet sich am Ende der

89 90

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Sinne, dass nicht die Wirklichkeit in allen ihren Aspekten geschildert wird, sondern der Aspekt, der sich dem Betrachter bietet, bzw. in der Innerlichkeit des Protagonisten „an die Oberfläche kommt“. Als ein Beispiel für heimen byǀsha zitierte Tayama Hauptmanns kurze Erzählung Der Apostel, die im Gegensatz zu Bahnwärter Thiel „das Innere wie Äusseres beschreibt, wodurch Gesehenes und Gehörtes sich mit den Gedanken vereint“. (In: Tayama, 1995, Katai zenshnj, 26: 264). Wara erschien am 1.1.1909 in der Zeitschrift Chnjǀ Kǀron (ਛᄩ౏⺰). Sǀshi shibai ჽ჻⦼ዬ bezeichnet ein Theaterstück der Meiji-Zeit, in dem die Ideen der demokratischen Bewegung (᳃ᮭㆇേ, minken undǀ) dargestellt wurden. Daraus entwickelte sich das moderne japanische Theater, shinpageki (ᣂᵷ഍). Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 266).

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Erzählung, als der Mann vor dem Haus steht, in dem die Hochzeit gefeiert wird. Glockentöne aus dem Nachbarhaus, in dem ein älteres Ehepaar eine Abendandacht hält, dringen an sein Ohr, diese werden onomatopoetisch wiedergegeben und rahmen lange, in Klammern gesetzte innere Monologe ein. Der Schluss der zwei Seiten langen Stelle lautet: kan kan – dabu dabu dabu dƗ (Suteraretan ga kuchioshikeriya, dekakete itte ada o utte yarei! Onna no kami no ke gurai bukkitte yaru kakugo ga nƝ gurai nara, sonna kechikusai koto wa okubi ni mo dasunai. Bakayarǀ no ikujinashi! To oyakata wa minna no iru mae de itta. – Ore datte kuchioshii.) kan kan – dabu dabu dabu dƗ (ano ama me – waratte kekkaru. Ano waratta no wa tashika ni ama da. Ofukuro mo getageta waratte kekkaru. Konya wa kyatsu to...)92 [...] Kan kan – dabu dabu dabu dƗ (Wenn [du] gekränkt bist, weil [du] verlassen worden bist, dann geh und räche dich! Wenn du dich nicht traust, der Frau die Haare abzuschneiden, [...] Idiot, Feigling! sagte der Vater vor allen. – Mich [ore] ärgert das.) Kan kan – dabu dabu dabu dƗ (Dieses Weib – lacht wohl. Wer jetzt gelacht hat, ist dieses Weib. Auch die Mutter lacht aus vollem Hals. Heute Abend mit dem Kerl...)

Diese Passage ist in reiner Figurenperspektive gehalten, also mimetischfiktional. Allerdings lässt Tayama eine Innerlichkeitsbeschreibung folgen. Spätere Werke, die dem Stil der heimen byǀsha zugeschrieben werden, weisen zwar noch Innerlichkeitsberichte und eher seltene Stellen mit erlebter Rede oder direkt wiedergegebenen Gedanken auf, aber die unmittelbare Darstellung von Innerlichkeit, wie sie in Futon und Ippeisotsu vorkommt, fehlt fast vollständig. Eine Ausnahme ist die Erzählung Wakaruru made (೎߆ࠆࠆ߹ߢ, Bis zur Trennung, 1912), in der ähnliche erzählerische Mittel wie in Futon eingesetzt werden. Die Kriegserzählungen Shikabane (ዱ, Der Leichnam), Kuruma no oto (ゞߩ㖸, Räderrollen) von 1908 und Hǀdan (⎔ᒢ, Kanonendonner) von 1910 versuchten zunächst dieses neue Konzept zu verwirklichen: Ein Ich- oder Er-Erzähler tritt nur noch als Augenzeuge auf und enthält

92

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Tayama (1995, Katai zenshnj 23: 320).

sich (im Gegensatz zu Rinshitsu) jeglicher Kommentare oder Versuche, die Innerlichkeit seiner selbst oder anderer einzubringen. Mit Machi yori yama e (↸ࠃࠅጊ߳, Von der Stadt in die Berge, 1910) und Kami (㜬, Das Haar, 1911) ist diese Neuorientierung auch in längeren ErErzählungen, die in Japan spielen, stilistisch und erzähltheoretisch bestimmbar. Der Erzählduktus ist ruhiger, die Wiedergabe von Innerlichkeit beschränkt sich fast vollständig auf Innerlichkeitsschilderungen. Auch hier wird weitgehend auf Erzählereinmischungen verzichtet und häufig aus Figurenperspektive erzählt. Die Texte werden mit Bildrollen (⛗Ꮞ‛, emakimono) verglichen, sind lose strukturiert und bestehen aus einer Aneinanderreihung von Szenen ohne bestimmten Anfangs- und Schlusspunkt. Sie haben aber nicht mehr die Eindringlichkeit von Futon oder Ippeisotsu. Gewisse Erzählmuster werden beibehalten, zum Beispiel den Erzähleingang auf der erzählten Ebene zu gestalten (Dialog, direkt berichtete Gedanken, eine Szene), um dann den Hintergrund aufzurollen. Der Erzähler beschränkt sich auf eine Zuschauerrolle, beschreibt aber stets die auftretenden Figuren, d. h. Gestalt und Kleidung, lässt jedoch nicht den Erzähler die Namen nennen, sondern bettet diese stets in Rede ein. Tayama formuliert neue Themen, von Frauen verlassene Männer oder die Beziehungen von Männern zu einer Mätresse, die als Geisha arbeitet und die der Mann nicht besitzen kann. Die Protagonisten sind nach wie vor grüblerisch veranlagte, rückgratlose Männer, die unter der Beziehung und dem fehlenden gegenseitige Verständnis (bzw. dem Verständnis der Frau für die Gefühle des Mannes) leiden. Ungestilltes sexuelles Verlangen tritt in den Hintergrund. 4.3.4

Byǀsharon

Tayama definiert seine Ansicht von Beschreibung erneut in seinem Essay Byǀsharon (ឬ౮⺰, Abhandlung über die Beschreibung, 1911)93: Er unterscheidet zwischen byǀsha (painting) und kijutsu (⸥ㅀ, description). 94 Kijutsu umfasst vor allem historische, philosophische und Zeitungstexte, zielt auf Erklärung und wirkt in (fiktionalen) Texten langweilig, wozu Tayama als Beispiel die Kommentare Balzacs zitiert. 93 94

In: Tayama (1995, Katai zenshnj 15: 117–144) und Gendai bungaku zenshnj (20: 393-402). Die englischen Begriffe sind Tayamas.

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Byǀsha hingegen bezweckt Darstellung. Er führt die französischen Impressionisten an, deren Gemälde die ganze Wirklichkeit (also nicht idealisierend) zu erfassen suchen, indem sie die Natur rekonstruieren (ౣ ⃻ , saigen). Auf den ersten Blick erscheinen diese Gemälde als reine Kunstfertigkeit, da die Person des „Autors“ darin nicht vorhanden ist, sind aber, so Tayama, die durch die Augen einer Person gesehene rekonstruierte Auffassung von Wirklichkeit. Dies ist eine eindeutige Beschreibung der mimetisch-fiktionalen Erzählhaltung, die, wie Noguchi Takehiko erwähnt, von kaum einem japanischen Literaturkritiker je bemerkt wurde. Noguchi weist darauf hin, dass Tayamas Erzählungen entpersonalisiert sind, der Autor und der Erzähler verschwinden, „nur noch die Personen vorkommen“ und eine „Annäherung“ an die menschliche Realität stattfindet.95 4.3.5

Ichigen byǀsha

Iwano Hǀmei (1873–1920) formulierte als erster japanischer Schriftsteller eine kohärente Theorie der Beschreibung. Dabei entwickelte er die von Tayama benutzte Erzählsituation weiter und postulierte seine Theorie des ichigen byǀsha (৻రឬ౮, eindimensionale Beschreibung).96 Er stellte die Subjektivität der Figuren in den Mittelpunkt, ohne dabei die Objektivität der Erzählung zu vernachlässigen, da er sich bewusst war, dass der Protagonist, selbst wenn die Erzählung auf biografischen Stoffen beruhte, nicht mit dem Autor identisch war. Iwano unterschied zwischen einer konkretisierenden [mimetisch-fiktionalen] und einer erklärenden [diegetisch-fiktionalen] Erzählhaltung, wobei er Tayamas heimen byǀsha als konkretisierend empfand. Seine Kritik aus dem Jahre 1917 Tayama-shi no „Ippeisotsu“ ni okeru byǀsha-jǀ no ketten (↰ጊ᳁ߩ 㨬৻౓ත㨭ߦ⟎ߌࠆឬ౮਄ߩᰳὐ , Die Schwächen der Beschreibung in

95 96

50

Vgl. Noguchi (1996: 47–52). Vgl. Wada (1975) und Nagashima (1997). Nagashima übersetzt ichigen byǀsha mit „monistic narration“ und weist darauf hin, dass dieser Begriff zum ersten Mal 1918 in Iwanos Abhandlung Gendai shǀrai no shǀsetsuteki hassǀ o isshinsubeki boku no byǀsharon (⃻ઍ዁᧪ߩዊ⺑⊛⊒ᗐࠍ৻ᣂߔߴ߈௢ߩឬ౮⺰, My Theory of Narration which will renew the Idea of the Novel Today and in the Future) vorkommt (Nagashima 1997: 137–42).

Tayama [Katais] Ein Soldat) 97 zeigt, was für eine Erzählhaltung er entwickelt hatte. Er bemängelte an Ippeisotsu no jnjsatsu die fehlende Konkretisierung, den Rückgriff auf „abstrakte Erklärungen“ und die Tendenz, nur die Oberfläche zu beschreiben. Vor allem aber kritisierte er Szenen (auch wenn sie in neutraler Erzählfunktion geschrieben waren), die nicht in den Wahrnehmungshorizont des Protagonisten fallen. Das Zentrum der Darstellung, so meinte er, sei instabil, da nicht nur die Innerlichkeit der Hauptfigur, sondern auch anderer Personen beschrieben werde. Aus diesen Bemerkungen wird deutlich, dass Iwano Hǀmei an Tayama vor allem die wechselnde Perspektive sowie den Gebrauch der neutralen Erzählsituation kritisierte. In seinen Erzählungen beschränkte er sich rigoros auf die Perspektive einer Figur. Die Überarbeitungen der eigenen Werke im Sinne der eindimensionalen Beschreibung, die in Nagashima aufgeführt sind, bestätigen dies.98 Erzähltheoretisch ausgedrückt heisst das, dass Iwano nicht nur eine diegetisch-fiktionale Erzählhaltung ablehnte, sondern auch die multiperspektivische oder neutrale Erzählhaltung. Er vertrat eine mimetischfiktionale Erzählhaltung, in der die Perspektive einer einzigen Reflektorfigur dominierte.

97

98

Iwano Hǀmei (1917). Es handelt sich nicht um die Erzählung Ippeisotsu aus dem Jahre 1908, sondern um Die Erschiessung eines Soldaten von 1917. In: Yoshida Sei’ichi, Maruishi Hisashi, Iwanaga Yutaka (Hgg.) (1978: 281–284). Nagashima (1997: 137–170).

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Analysen

1

Jnjemon no saigo

1.1 Entstehung Die Erzählung Jnjemon no saigo ( ㊀ ⴡ 㐷 ߩ ᦨ ᦼ , Jnjemons Ende) 1 entstand im Jahre 1902 und wurde als Monografie vom Verlag Shinseisha publiziert. Die Erzählung wird Tayamas „frühnaturalistischer Phase“ (೨ᦼ⥄ὼਥ⟵, zenki shizenshugi) zugeschrieben – Spuren von Zolaismus sind unverkennbar, besonders im Versuch, die Eigenarten und Leiden des Helden nicht dem Schicksal zuzuschreiben, sondern mit dem sozialen Hintergrund, seiner Herkunft und Erziehung zu begründen. Diese Erzählung wurde, im Gegensatz zu früheren Stücken, die von romantischer Sehnsucht nach jungen Mädchen geprägt sind, als etwas Neues empfunden. Der Stoff der Erzählung beruht auf einer wahren Begebenheit, doch hat Tayama, wie er sagte, lange gezögert, ihn zu verwerten. Seine früheren Werke, ausnahmslos Ich-Erzählungen, waren pathetisch und sentimental und enthielten ausserordentlich viele Naturbeschreibungen, wobei die Natur als idyllische Kulisse einer heilen Welt oder als Trösterin vom Schicksal gebeutelter Jugendlicher fungierte. Die Begegnung mit der europäischen Literatur trug massgeblich dazu bei, dass Tayama seine Auffassung der menschlichen Natur revidierte, die er nun mit der gefühllosen Schönheit der Natur (als Landschaft) kontrastierte. Bewusst verzichtete er darauf, das Landleben zur Idylle zu stilisieren, wie er es in Furusato (߰ࠆㇹ, Heimat, 1899) und No no hana (㊁ߩ⧎, Blumen des Feldes, 1901) getan hatte. Das heisst, das Leiden der Helden war nun nicht mehr bloss „Schicksal“, dem sie wehrlos ausgeliefert waren, sondern in ihrer „animalischen Natur“ selbst angelegt, und in der Gesellschaft, die diese Natur zu unterdrücken suchte. Dies galt es darzustellen, und zwar, wie er dem naturalistischen Programm der 1

Tayama (1994, Katai zenshnj 14: 307–388).

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europäischen Literatur zu entnehmen glaubte, mit absoluter Unbeteiligtheit und Objektivität. In Jnjemon no saigo drückte sich dies vor allem dadurch aus, dass der Erzähler nicht im Mittelpunkt der Erzählung stand, und dass gewisse Tatsachen nun kühn bei ihrem Namen genannt wurden. Tayama hat sich zu Jnjemon no saigo verschiedentlich geäussert, und es ist reizvoll zu sehen, wie er sich selbst zum Augenzeugen stilisierte, um der Forderung der Zeit nach Glaubwürdigkeit Genüge zu tun, dabei aber gestehen musste, da und dort etwas „erfunden“ zu haben. In einem Interview (⺣⹤╩⸥, danwa hikki) mit dem Titel Jijitsu no jinsei (੐ታߩ ੱ ↢ , Wirkliches Leben) in der Zeitschrift Shinchǀ (Oktober 1906) bemerkte er: Jnjemon no saigo? Diese Begebenheit ist genau so geschehen, ich habe es selbst erlebt. Und genau so, wie ich es erlebt habe, habe ich es, ehrlich und kühn, geschrieben. Auch die drei Freunde, die in diesem Werk vorkommen, die Reise dorthin, auch die Feuersbrunst, auch Jnjemon und dessen Ende waren genau so (sokkuri sono mama). Es gibt nichts, was ich erfunden habe (tsukutta tokoro). Wenn es überhaupt etwas gibt, das ich hinzugefügt habe, dann sind es die Erörterungen über das Naturkind gegen Ende, mehr nicht. Auch das hätte ich besser weggelassen, die Erzählung ist dadurch eher unbedeutender geworden. Damals war ich ein eifriger Leser Turgenevs. Es war für mich ein unwiderstehliches Vergnügen, dem Wesen der russischen Bauern, die in seinem Werk vorkommen, zu begegnen. Und ich dachte mir immer wieder, dass es Bauern mit einem derart interessanten Charakter wohl nicht nur in Russland gebe, ja, dass es, wollte man sich nur umsehen, auch in Japan solche Typen geben müsse. Und wie ich mir dies dachte, sah ich jenes Ereignis in einem neuen Licht. Ja, das ist richtig, es geschah vor dem Russisch-Japanischen Krieg, also vor etwa fünfzehn Jahren. Nun, damals, als ich es erlebte, da dachte ich mir gleich, das kann man schreiben, das gibt eine grossartige Erzählung (shǀsetsu), aber ich wusste einfach nicht, wie ich es angehen (kufnj) sollte. Da ich diese Begebenheit tatsächlich mit eigenen Augen gesehen hatte und davon tief beeindruckt war, wollte ich sie unbedingt verwerten, doch nach allerlei Überlegungen wurde nichts daraus. [...] Später las ich Sudermanns Katzensteg. Am Schluss jenes Romans (shǀsetsu) gibt es eine Stelle, wo der Held sich zum letzten Mal an das Mädchen erinnert, nicht wahr. Als ich diese Stelle las, erkannte ich, auf diese Art kann man das schreiben, muss man das schreiben. Was ich dann darauf geschrieben habe, war Jnjemon no saigo. Deshalb ist dieses Werk Turgenev und Sudermann ausserordentlich verpflichtet, und da auch die Wirklichkeit genau so war (jijitsu mo sokkuri sono mama), so kann man sagen, dass meine Geschicklichkeit (giryǀ) völlig fehlt. Dieses Werk schrieb ich mit ganz anderen Ideen als die vorangehenden. Das heisst, ich verzichtete auf Kunstfertigkeit (gikǀ). Die Ideen bestanden darin, dass ein Text einfach sein und die Natur durchscheinen lassen soll (kiji no mieru yǀ ni

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suboku naru beku), ich wollte versuchen, den Stoff (kotogara) kühn und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, die Angelegenheit ohne Ausschmückung, so wie sie war zu beschreiben. Selbst wenn ich möglicherweise damit etwas zu weit gegangen war, schrieb ich es so wie es war. Da gibt es zum Beispiel die Stelle, wo der Held Jnjemon seine grossen Hoden haltend ins Vergnügungsviertel geht. Da es schien, dass solche Stellen Anlass zu Schwierigkeiten geben könnten, warnte mich mein Freund Yanagita [Kunio], es sei zu unverblümt.2

Aus diesem Text wird deutlich, dass Tayama die damals gängigen Konventionen, die Forderungen nach Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit sowie die Geringschätzung von Fiktion als „Erfundenem“ ( ⓨ⸒, soragoto oder ᜥ߃‛, koshiraemono) teilte, welche die Schriftsteller dazu zwangen, ihre Werke als Wahrheit auszugeben. Tayama betonte, selbst Augenzeuge der beschriebenen Vorgänge gewesen zu sein (was japanische Forscher in akribischer Arbeit als Geflunker blossstellten)3, gestand aber entschuldigend, wie ein späterer Artikel bezeugt, dass er da und dort etwas „erfunden“ habe. Weiterhin zeigt dieser Artikel, dass Tayama unfähig war, seinen Stoff zu bewältigen, bevor er nicht durch die Lektüre Sudermanns angeregt, ein Konzept fand, nämlich Jnjemon und seine Freundin als wilde, ausserhalb der zivilisierten Welt lebende Naturwesen darzustellen und den tatsächlichen Sachverhalt (seinsautonomer Sachverhalt) in Fiktion (intentionaler Sachverhalt) umzuwandeln. Ein zweiter späterer Text, aus dem Jahre 1909 in Shǀsetsu sahǀ (ዊ⺑૞ᴺ, Die Anleitung der Erzählung) lautet wie folgt: Im Jahre [Meiji] 35 [1902] schrieb ich Jnjemon no saigo. Damals schrieb ich auch Shinchiku no ie (Das neuerbaute Haus). „Jnjemons Ende“ ist eine wahre Begebenheit, die ich im Sommer des Jahres [Meiji] 27 [1894] mit eigenen Augen gesehen habe. [...] Warum sich mir dies so sehr eingeprägt hatte, war mir nicht bewusst. Ich versuchte immer wieder, [diese Erzählung] zu schreiben, doch sobald ich den Pinsel ergriff, legte ich ihn wieder zur Seite. Ich verstand nicht, warum die grossen Hoden Grund zur Tragödie waren, warum Jnjemon durch die Verwöhnung des Grossvaters dieses Schicksal auferlegt worden war, und es schien mir zu töricht und zu unbedeutend, eine Erzählung (shǀsetsu) daraus zu machen. So sehr war mein Hirn von Schönheit und Idealen beherrscht. Doch als die Ideale zerbrachen, als ich mit der grossen Natur in Berührung kam, kam mir zuerst die lebendige Wirklichkeit von „Jnjemons Ende“ lebhaft in den Sinn. Die Gründe waren mir klar. So entstand „Jnjemon no saigo“. 2 3

Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 147–148). Kobayashi (1978: 339–351).

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Wenn ich heute zurückdenke, gab es trotzdem sehr viele Stellen, die der Fantasie entsprungen waren (knjsǀ na tokoro). Das Naturkind, das gänzlich der Fantasie entsprungen war, ist allzu plump. Auch die letzte Feuersbrunst ist erfunden (koshiraeta). Und was den Dialog betrifft, ist das Lokale von Shinshnj nicht herausgearbeitet. Doch im wesentlichen war dieses Werk tatsächlich verschieden von den früheren, was die damaligen Kritiker auch erkannten. 4

1.2 Inhalt Eine Anzahl Herren finden sich in einem Gespräch, das sich der russischen Literatur und Turgenev zuwendet, als ein ungenannter Teilnehmer (nanigashi to iu otoko) meint, er habe in einem Dorf auf dem Lande Menschen angetroffen, die auch in Turgenevs Aufzeichnungen eines Jägers hätten vorkommen können, ja, dass es solche auch in Japan, wenn man nur genau beobachte, gebe. Mit diesen Worten beginnt er zu erzählen. Der vorerst noch ungenannte Erzähler (௢, boku)5 schildert Erlebnisse von einem Zeitraum von zehn Jahren, wobei er weniger die eigene Geschichte erzählt, als diejenige der Bewohner eines Dorfes im Norden Japans, in Shinano, der heutige Präfektur Nagano. Nachdem der Erzähler mit sechzehn Jahren nach Tǀkyǀ gekommen war, um an einer Vorbereitungsschule zu studieren, die ihm den Eintritt ins Militär ermöglichen sollte, trifft er zwei neue Schüler (Yamagata und Sugiyama), die eben vom Lande angekommen sind. 6 Er wird mit ihnen bekannt, erfährt ihre Geschichte und befreundet sich mit ihnen beim gemeinsamen Verfassen chinesischer Gedichte. Er besucht sie oft, lässt sich von ihrer Heimat und deren Naturschönheit erzählen, und beginnt, für dieses Dorf zu schwärmen. Der Leser erfährt seinen Namen, als er bei einem Besuch „Ich bin’s, Tomiyama!“, (316) ruft. Er beschreibt andere „Ausreisser“ (⣕⿛⠪, dassǀsha) jenes Dorfes – vor allem die jungen Leute, die nach 4 5 6

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Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 241), ebenfalls zitiert in Kobayashi (1979: 323– 324). Das [Pro]nomen boku als Selbstreferenz wird im Text nur anfänglich gebraucht, um von jibun ersetzt zu werden, bleibt aber Selbstreferenz in direkter Rede. Hier übernimmt der Erzähler, der selbst vom Land gekommen und unterdessen in der Stadt akkulturiert ist, die Dichotomie Stadt-Land und kann so von einem städtischen Standpunkt aus die seltsame Sprechweise (Dialekt) der neu Angekommenen belächeln, aber auch verstehen.

Tǀkyǀ kommen, um zu studieren und Karriere zu machen. Damit illustriert Tayama die Schlagwörter der frühen Meiji-Zeit wie seiun no kokorozashi (㕍㔕ߩᔒ), die Ambitionen der Jugend und risshin shusse (┙り಴਎), den Versuch, sich eine Existenz aufzubauen. Er beschreibt diejenigen, die aus ökonomischen Gründen das Dorf verlassen (಴Ⓙ߉, dekasegi) und schliesslich die Tunichtgute (für die sich der Erzähler besonders interessiert), die als letzte Chance nach Tǀkyǀ kommen und – falls sie es „geschafft“ haben – anderen Menschen aus ihrem Dorf helfen. Ziel ihres Tǀkyǀ-Aufenthaltes ist es, reich zu werden, ins Dorf zurückzukehren und den Namen der Familie zu rehabilitieren. Ein halbes Jahr später trifft ein neuer „Ausreisser“ ein, Nemoto Kǀsuke, der dem Erzähler seine Geschichte und die Geschichte seiner Familie erzählt (Vater Nemoto war als junger Mann nach Edo geflohen, nachdem er beschuldigt worden war, Geld aus der Opferschale eines Tempels gestohlen zu haben, und als reicher Mann heimgekehrt – ein typischer Fall von risshin shusse). Tomiyama verkehrt mit seinen drei Freunden nur während zweier Jahre – Yamagata muss wegen Geldmangels zurückkehren, Nemoto wird von seiner Familie zurückgeholt und Sugiyama scheitert, Tomiyama selbst fällt beim Examen durch. Das vierte Kapitel setzt fünf Jahre später ein. Tomiyama, der Erzähler, ist unterwegs nach dem Norden. Er lebt seit zehn Jahren in Tǀkyǀ, spürt eine gewisse Weltmüdigkeit und möchte sich am Busen der Natur vom Schmutz der Welt erholen. Er hofft, Trost bei seinen Freunden zu finden, im Dorf, mit dem er sich „schicksalhaft verbunden“ fühlt. Er trifft einen alten Mann, der über die Situation im Dorf berichtet und ihm erzählt, dass Nemoto geheiratet hat, Yamagata Dorfschullehrer7 geworden ist, und Sugiyama einberufen wurde (322)8. Das erste, was ihm bei seiner Ankunft ins Auge fällt, ist eine brandneue Feuerwehrspritze, sowie eine Aktion, die er für eine Feuerwehrübung hält. Er trifft Nemoto, wird eingeladen, in seinem Haus zu wohnen, ist enttäuscht von der Einfachheit des Hauses und der Hässlichkeit der Frau 7

8

Die typische Karriere eines jungen Mannes vom Lande, der aus Geldmangel oder fehlendem Durchhaltewillen seine Ambitionen nicht verwirklichen kann, ein Thema, das Tayama in vielen seiner Erzählungen aufnahm, zum Beispiel in Higeki? ( ᖤ഍, Tragödie?, 1904), Akibare ( ⑺᥍ࠇ, Herbstsonne, 1906) und Inaka kyǀshi (↰⥢ᢎᏧ, Der Landlehrer, 1910). Dies zeigt, dass die Handlung zur Zeit des Sino-Japanischen Krieges von 1894– 1895 oder kurz danach spielt.

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und erfährt den Grund der Feuerwehrübung: Brandstifter gehen um – was der Schwärmerei vom „stillen Dorf“ einen Dämpfer aufsetzt. Am Abend erfährt er von Nemoto, dass man die Brandstifter sehr wohl zu kennen glaubt, nämlich Fujita Jnjemon und dessen Geliebte, sie aber nicht zu fassen sind, sei es, weil die Polizei zu feige ist, sei es, weil Jnjemon die Brandstiftungen nicht selbst begeht, sondern seine Freundin, ein Mädchen (sie wird immer mit „animalischen“ Attributen beschrieben), das so flink ist, dass es nie im Akt gefasst werden kann. Nach einem wunderschönen Abend und Mondaufgang bricht erneut ein Feuer aus, wobei der Erzähler Augenzeuge ist. Später entschliesst er sich zu einem Spaziergang durchs Dorf, belauscht die Bewohner bei ihren Gesprächen und, fasziniert von der Gestalt Jnjemons und ein „Schicksal“ witternd, stellt er sich die Frage, wieso die Probleme Jnjemons als Bewohner dieses Dorfes voller „Abenteuergeist“ nicht in eine Flucht mündeten, sondern sich in Frustration gegen das Dorf entluden. Auf dem Nachhauseweg beobachtet er eine „flüchtige Gestalt“ und wird Zeuge eines erneuten Brandes. Tomiyama beginnt sich für Fujita Jnjemon zu interessieren und Nemoto erzählt ihm dessen Geschichte, die das ganze achte Kapitel einnimmt. ***** Jnjemon wurde als einziges Kind eines Adoptivsohnes 9 ( 㙃 ሶ , yǀshi) einer reichen und angesehenen Familie geboren. Die Eltern waren keine „schlechten Menschen“, doch könnte er erblich belastet sein, da ein Onkel seiner Mutter als Mörder hingerichtet wurde. Jnjemon leidet an einem Geburtsfehler, nämlich übergrossen Hoden, was ihn von Kindesbeinen an zum Aussenseiter macht, er wird gehänselt und seine Eltern schämen sich seiner. Nur der Grossvater liebt ihn über alle Massen, verwöhnt ihn (diese Affenliebe ist teilweise der Grund aller späteren Probleme, da Jnjemon nie gelernt hat, sich zu beherrschen). Nemoto erzählt von den Versammlungen in den Jugendhäusern und der sexuellen Initiation junger Männer durch ältere Jünglinge, die sie zu einem Besuch in einem Freudenhaus der benachbarten Stadt begleiten. Jnjemons „erste Nacht“ findet nach anfänglichen Schwierigkeiten 9

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Ein japanischer Adoptivsohn wird gering geachtet: solange jemand noch ein Mass Reis besitzt, wird er sich nicht in eine andere Familie adoptieren lassen, so der Volksmund. In Tayamas Erzählungen ist die Adoption allerdings auch ein Mittel, in der Welt vorwärts zu kommen.

erfolgreich statt. Nun verbringt Jnjemon seine Zeit dort und vertut das Geld seiner verarmenden Familie. Nach dem Tod des Grossvaters kehren Jnjemons Eltern zurück, verlassen diesen aber nach einem Streit. Mit Hilfe der Dorfbewohner will sich Jnjemon bessern. Er wird verheiratet (seine Frau ist unfreundlich und hässlich), aber seine angeborene Behinderung und sein Charakter lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Er kann nicht mit seinen Leidenschaften umgehen, die Ehe geht in Brüche, Jnjemon gibt sich auf (⥄᥸⥄᫈, jibǀjiki), verkommt und gerät wiederholt ins Gefängnis. Ein Versuch eines ehemaligen „Ausreissers“, Jnjemon eine letzte Chance zu geben und ihn nach Tǀkyǀ zu schicken, schlägt fehl. Jnjemon bleibt Aussenseiter, er bedroht die Dorfbewohner, um sich Reis und Alkohol zu erbetteln; er lebt mit einer Frau, einem „Kind der Natur“ zusammen. ***** Am Tag nach dem Brand bricht trotz erhöhter Wachsamkeit wieder ein Feuer aus. Beim traditionellen Saketrinken für die Helfer und Feuerwehrleute ist auch Jnjemon dabei, den der Erzähler nun zum ersten Mal zu Gesicht bekommt. Nach einem Streit wird der betrunkene Jnjemon tot in einem Teich gefunden. Die polizeiliche Untersuchung bleibt Formsache, die Leiche wird dem Mädchen ausgehändigt: In der Nacht bricht ein Feuer aus, das das halbe Dorf vernichtet, wobei das Mädchen umkommt. Am nächsten Tag reist der Erzähler ab. Sieben Jahre später erhält der Erzähler die Nachricht, dass im Dorf Friede herrscht, die Ernten reicher denn je ausfallen und Jnjemon und sein Mädchen ihre letzte Ruhestätte im Tempel gefunden haben.

1.3 Aufbau Die Erzählung enthält weder ein Vorwort noch ein Nachwort, keine Gattungsbezeichnung oder Untertitel. Sie umfasst insgesamt 924 Zeilen oder 85 Seiten und ist in zwölf Kapitel von sehr unterschiedlicher Länge gegliedert. Das erste Kapitel ist ein Rahmenkapitel, in dem ein anonymes Aussagesubjekt (Erzähler), das nachher nicht mehr in Erscheinung tritt, das noch ungenannt bleibende fingierte Aussagesubjekt (Ich-Erzähler) in eine Sprechsituation einbettet (Hörerfiktion). Dieses Rahmenkapitel ist ohne Entsprechung am Ende der Erzählung,

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doch bleibt die Sprechsituation aufrechterhalten, da der Erzähler gegen Ende seine Zuhörer wiederholt anspricht, die sich aber nie zu Wort melden. Die Kapitel unterscheiden sich nicht nur in ihrer Länge, sondern auch in ihrer Erzählhaltung und ihrem Inhalt. Sie tragen keine Überschriften, sondern sind mit Ziffern versehen und in Abschnitte aufgeteilt. Zwei mit Sternchen versehene Zeilen (*****) markieren das Ende der eingeschobenen Erzählung Nemotos (366) und die Zeitspanne von zwanzig Minuten, während der Jnjemon gelyncht wird (378).

1.4 Zeitstruktur Die äusserst komplizierte Zeitstruktur sowie die vielen Rückwendungen und Raffungen – es werden teilweise Jahre übersprungen – ergeben sich aus der Erzählsituation: Der Ich-Erzähler muss sich, da er nicht der Held ist, in immer neuen Rückwendungen in der Form von Erzählungen anderer mit der Geschichte des Helden vertraut machen. Zeitlich gesehen umfasst die Erzählung siebzehn Jahre aus dem Leben des Erzählers, und, die Geschichte der Väter eingerechnet, mehrere Generationen. Die ersten drei Kapitel sind Expositionskapitel, Kapitel vier bis elf schildern die Erlebnisse des Erzählers während seines Besuches auf dem Lande, der vier Tage dauert, Kapitel acht beinhaltet die eingeschobene Erzählung eines Freundes, und Kapitel zwölf führt den Leser wieder in die Erzählgegenwart.

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Kapitel 1

Anzahl Zeilen 7.5

Erzählte Zeit

Inhalt



„Rahmen“

2

83.0

Fünf Jahre

Exposition: Schilderung des Lebens in Tǀkyǀ, Bekanntschaft mit Sugiyama und Yamagata, deren Erzählungen, Geschichte des Bademeisters. Exposition: Bekanntschaft mit Nemoto, dessen Geschichte und Hintergründe der Reise nach Tǀkyǀ; Abbruch der Beziehungen zu Yamagata und Nemoto, die zurückkehren. Der Erzähler Tomiyama und Sugiyama fallen durch ihre Examen, der Verkehr bricht ab. Tomiyama ist unterwegs nach Shioyama. Er erfährt von einem Bauern, was aus seinen Bekannten geworden ist und erblickt eine brandneue Feuerwehrspritze. Tomiyama kommt in Shioyama an. Wiedersehen mit Nemoto und Bekanntschaft mit dessen Vater, dessen Frau. Er erfährt von den „Unruhen“ im Dorf. Nemoto kommt nach Hause, berichtet über die Unruhe im Dorf und den vermutlichen Brandstifter Jnjemon. Yamagata trifft ein, die drei Freunde erinnern sich an alte Zeiten, Yamagata berichtet über die Situation im Dorf. Ein Feuer bricht aus (Yamagatas Haus). Der Erzähler spaziert und wird „Ohrenzeuge“ der Gespräche der Dorfbewohner. Er beginnt sich für Jnjemon zu interessieren. Die Geschichte Jnjemons von Nemoto erzählt, mit eingeschobenen Anekdoten anderer „Erzähler“. Ein Brand bricht aus; der Erzähler ist Augenzeuge.

3

55.5

4

67.5

Eines Tages (erster Tag) einige Stunden

5

104.5

Anschliessend, erster Tag

6

85.5

Anschliessend, erster Tag, Abend

7

77.0

Anschliessend, erster Tag

8

234.0

9

16.0

10

98.5

11

70.5

12

25.0

Keine Zeitangabe Zweiter Tag, Abend Dritter Tag

Erneuter Brand. Jnjemon erscheint in Nemotos Haus, um am Umtrunk für die Helfer teilzunehmen. Er wird gelyncht. Dritter Tag, Kursorische polizeiliche Untersuchung; Gedanken Abend des Erzählers (erlebendes Ich). Dritter Tag, In der Nacht brennt das ganze Dorf, Jnjemons Nacht; Freundin wird tot gefunden. Vierter Tag Am nächsten Morgen reist der Erzähler ab. Sieben Jahre Berichte aus dem Dorf: Friede, Prosperität. später, Erzählzeitpunkt: wie Kapitel 1, fliessender Erzählgegenwar Übergang, gekennzeichnet durch Anreden an die t Hörer.

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1.5 Analyse 1.5.1

Allgemeine Bemerkungen

Jnjemon no saigo wird von einem fingierten Aussagesubjekt (IchErzähler) vermittelt, der selbst nicht Titelheld der Erzählung ist. Dabei ist die Mündlichkeit des Erzählens weniger der (noch lebenden) oralen Erzähltradition Japans10 zuzuschreiben, sondern ist Teil der Erzählstrategie des Werkes, die mit einer bestimmten Intention verbunden ist (in diesem Falle, die Innerlichkeit des Erzählers einzubringen). Tayama vertraute nicht wie Futabatei Shimei in seinem Werk Ukigumo sein Werk einem Er-Erzähler an, sondern schuf einen IchErzähler als Ohren- und Augenzeugen, der somit einerseits seine erlebte Wirklichkeit vermitteln kann, andererseits aber gewisse sprachliche Mittel des Geschichtenerzählers verwenden darf. Ein fingierter Ich-Erzähler ist auf seinen Erfahrungs- und Wissenshorizont beschränkt, er kann seine Innerlichkeit ohne Legitimationszwang erwähnen, kann aber weder Innerlichkeit noch Hintergrund anderer Figuren kennen. In Jnjemon no saigo hat dies zur Folge, dass der Erzähler sich die Hintergründe erzählen lassen, oder aber zum Ohrenzeugen werden muss, was zwar die Unmittelbarkeit erhöht, aber Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit strapaziert. Dabei hat der Erzähler die Tendenz für andere zu denken, da er sich deren Innerlichkeit vorstellen muss. Eine Analyse jeder Ich-Erzählung wird dadurch schwierig, dass der Ich-Erzähler von sich selbst berichten kann. Somit muss das erzählende Ich der Erzählgegenwart (Erzählerebene) vom erzählten/erlebenden Ich (Figurenebene) unterschieden werden, wobei es nicht immer möglich ist, einzelne Aussagen zweifelsfrei zuzuordnen, besonders im Falle von Periphrasen, Ausrufen und rhetorischen Fragen.

10

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Ein Vergleich mit Futabatei Shimeis Erzählung Ukigumo (ᶋ㔕, Ziehende Wolken, 1886–1889), macht diesen Unterschied deutlich. Der Erzähleingang lehnt sich an die Redeweise berühmter Geschichtenerzähler an. Ukigumo ist als die erste realistische Erzählung der Moderne lange unbeachtet geblieben und wurde von den Zeitgenossen Tayamas wiederentdeckt. Es ist das erste Werk, das die Innerlichkeit eines „Antihelden“ und Verlierers thematisiert, eines jungen Mannes, der sich in der Meiji–Zeit nicht durchsetzen kann.

Der Erzähler kann in seiner Funktion als Vermittler in Erscheinung treten, seine Hörer (Leser) ansprechen und das Erzählen sowie das Erzählte kommentieren. Dabei bezeichnen die deiktischen Ausdrücke wie kono (diese/r/s) und ima (jetzt) den Erzählzeitpunkt bzw. die Deixis des Erzählers: Sono surudoi koe ga ima mo nao mimi ni kikoeru. (382) Diese/dessen (sono) durchdringende Stimme klingt [kikoeru, medialer Aspekt] jetzt (ima) noch in [meinen] Ohren.

Der Erzähler kann von der Erzählgegenwart aus die damaligen Ereignisse und sein früheres Ich beschreiben: [...] sore de tǀji kisoku tadashii, rikugunshigan no gakusei ni wa tada hitotsu no ryǀkǀ to iwareta Ichigaya no Seijǀgakkǀ ni mo hairazu ni, wazawaza Sokusei [ㅦᚑ] to iu na ni horete, sono tsumaranu gakkǀ no seito to natta no de atta. (309) [...] und so (sore de) besuchte [IV] [ich] aber nicht die Seijǀ-Schule in Ichigaya, zu jener Zeit als die einzige gute, den Vorschriften genügende Schule für militärische Bewerber geltend, sondern wurde, in den Namen Sokusei vernarrt, Schüler dieser (sono) unbedeutenden Institution. [...] sono mon ni haitte itta to omou to, iu ni iwarenu natsukashii kokochi ga shite, sono jibun no koto ga mura mura to omoidasareru no ga tsune da.[...] (308) [...] wenn [ich] daran denke [IV], wie [ich] durch dieses (sono) Tor gegangen war, überkommt [mich] jedes Mal ein unsägliches Gefühl der Sehnsucht, und Erinnerungen an jene/diese (sono) Zeiten steigen in [mir] auf [omoidasareru, medialer Aspekt]. [...]

Der Erzähler kann aber auch aus der Perspektive des erlebenden Ich erzählen. Dabei handelt es sich um direkt wiedergegebene Reden und Gedanken, vor allem aber um Szenen, die er als Augen- und Ohrenzeuge erlebt, wobei Zeitangaben wie ima und kyǀ (jetzt, heute) oder Ortsangaben wie koko (hier) der Deixis des erlebenden Ich angehören. Soshite kon’ya no dekigoto o kangaeta. (348) Und [ich] überlegte [mir], was heute Abend (kon’ya) geschehen war. Dǀji ni jibun wa oku no isshitsu e to annai sareru. Oku no isshitsu – naru hodo koko wa sukoshi seiton shite iru. (352)

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Gleichzeitig werde ich (jibun) in ein Zimmer im Innern geführt. Das Zimmer im Innern – tatsächlich, hier (koko) herrscht einigermassen Ordnung.

Die Perspektive kann mitten im Satz wechseln, im folgenden Beispiel weist der Gebrauch von hisashiku (lange) auf Erzählerperspektive, ima (jetzt) auf das erlebende Ich. Koto ni, jibun wa yo no chiri no fukaki ni mamire, hisashiku shizen no utsukushisa ni kogareta mi, sore ga ima omou sama sono shizen no bi o osameru koto ga dekiru mi to natta de wa nai ka. (324–325) Vor allem war ich (jibun) jemand, der vom Schmutz der Welt besudelt, sich lange (hisashiku) nach der Schönheit der Natur verzehrt hatte; war [ich] jetzt (ima) nicht in die Lage gekommen, diese Naturschönheit nach Belieben zu geniessen?

1.5.2

Benennung der Figuren

Tayama hat die Gewohnheit, in Ich-Erzählungen die Namen der Figuren nicht von der Vermittlungsinstanz einführen zu lassen, sondern sie in Figurenperspektive, meist direkter Rede, zu nennen. Er hält sich nicht an den Wissens- und Erfahrungshorizont des erzählenden Ich, sondern des erlebenden Ich. Dies bedingt, dass der Erzähler seinen eigenen Namen nicht nennt (was in einer Ich-Erzählung auch unnatürlich wäre) und Personen, die er nicht kennt, umschreiben muss, bis er ihre Namen erfährt. Diese Umschreibungen können auf der Erzählerebene als auktoriale Periphrasen und auf der Handlungsebene in Figurenperspektive vorkommen, doch ist die Einbindung in die Figurenperspektive häufiger: Meist erfährt der Leser die Namen der Personen erst, wenn das erlebende Ich sie vernimmt, den Namen Jnjemons zum Beispiel im sechsten Kapitel (in direkter Rede), obwohl schon lange von dem „Kerl“ (yatsu) die Rede war. In der vorliegenden Erzählung werden nur die Hauptfiguren mit Namen genannt – das heisst, die Freunde des Erzählers und der „Held“. Im Allgemeinen nennt der Erzähler die Freunde bei ihren Nachnamen oder „mein/e Freund/e“, den Titelhelden bei seinem Vornamen, während die Dorfbewohner, sofern Benennungen überhaupt vorkommen (meist in direkter oder indirekter Rede), einander beim Vornamen nennen. Alle anderen vorkommenden Personen werden umschrieben oder mit ihrer Rolle (Grossvater, Vater, Gattin) bezeichnet. Im vorliegenden Text werden keine Frauennamen genannt: Die Frau Nemotos wird Nemoto no

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tsuma ( ᆄ, die Gattin Nemotos) oder saikun ( ⚦ำ, Gattin, Frau, eine durch die Postposition -kun höfliche Form), Jnjemons Frau wird nyǀbǀ ( ᅚᚱ, Gattin, Frau) genannt und auch die Freundin Jnjemons, die die Fantasie des Erzählers so beschäftigt, bleibt namenlos. Nemoto Sannosuke, dessen Name aus einem Redebericht des dritten Kapitels ersichtlich ist, tritt stets als „Nemotos Vater“ auf. Den Nachnamen des Erzählers erfährt der Leser aus Figurenrede, seinen Vornamen erfährt er nicht, denn er wird von seinen Freunden immer beim Nachnamen genannt, sonst mit sensei ( వ ↢ ) 11 , Tǀkyǀ no sensei oder Tǀkyǀ no okyakusama ( ߅ ቴ ᭽ , ehrenwerter Gast aus Tǀkyǀ) angesprochen. [Pro]nominale Anreden sind recht selten, da kein Subjektzwang herrscht und aus dem Kontext meist klar ist, wer angesprochen wird. Als Anrede für die zweite Person brauchen die Dorfbewohner kisama oder omae (ältere Leute), die Freunde untereinander kimi, Nemotos Frau anata (höflich zum Erzähler), während Jnjemon mit den pejorativen yarǀ oder koitsu (kono yatsu) angeredet wird. Selbstreferenz des Erzählers ist boku in direkter Rede, jibun im Text, jene der Dorfbewohner je nach sozialer Stellung washi/watashi oder ore, selten boku. Das [Pro]nomen kare (er) kommt in diesem Text selten vor und wird ausschliesslich für die Freunde oder Jnjemon gebraucht. In Nemotos Erzählung kommt kare nur dann vor, wenn Jnjemons Innerlichkeit thematisiert wird. 1.5.3

Elemente der Mittelbarkeit

Jnjemon no saigo ist nicht nur eine Ich-Erzählung in der ein fingiertes Ich erzählt, es ist auch eine Erzählung, in der eine Sprechsituation fingiert wird (Hörer- oder Leserfiktion), und der Erzähler zu einer Gruppe von Herren spricht. Dies beeinflusst die Erzählung auf zweierlei Art: Einerseits greift der Erzähler kommentierend in die Geschichte ein, macht Aussagen im Erzählerpräsens, Bemerkungen und Kommentare und redet seine Zuhörer an. Andererseits versucht er, möglichst lebhaft zu erzählen und bemüht sich um Vergegenwärtigung, um seine früheren Erlebnisse unmittelbar vor den Augen (Ohren) seiner Zuhörer erstehen zu lassen, indem er sich in sein früheres Ich versetzt, Reden und (eigene) 11

Sensei ist eine höfliche Anrede für einen Akademiker, Arzt oder Lehrer. Die Tatsache, dass Tomiyama mit diesem Honorativ angesprochen wird, lässt darauf schliessen, dass er nicht gescheitert ist, allerdings erfährt der Leser nicht, was aus ihm geworden ist.

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Gedanken direkt wiedergibt oder aus der Perspektive des (damals) erlebenden Ich erzählt. Dabei unterscheidet sich die Erzählersprache ausser in der Wiedergabe von Rede nicht allzu sehr von der Sprache des erlebenden Ich, doch sind Spuren klassischer Grammatik, Zitate chinesischer Klassiker und elaborierte Vergleiche auf der Erzählerebene häufiger als auf der erzählten Ebene. a) Kommentare auf der Erzählerebene Hörer[Leser]anreden und Erwähnungen des Erzählvorganges Wenn ein Erzähler seine Leser (Hörer) anredet, ist dies natürlich die auffallendste Art des Hervortretens der Vermittlungsinstanz, ein rhetorisches Mittel, das in modernen Erzählungen (auch in Tayamas Texten) recht selten vorkommt und dadurch gerechtfertigt wird, dass der Erzähler im Text als Sprecher auftritt. Diese Anreden treten aber erst spät auf, sie beginnen im zehnten Kapitel und häufen sich im letzten Kapitel. Shokun, jibun wa sono yo sara ni odorokubeku wasurubekarazaru kǀkei ni sesshita no de aru. (387)12 Meine Herren, an jenem (sono) Abend stiess ich (jibun) überdies auf eine Szene, die [mich] erschrecken und mir unvergesslich bleiben musste. Dǀ desu, shokun, zenson wa maru de hi!!! (387) Was meinen [Sie], meine Herren, das ganze Dorf in Flammen!!!

Das Paradebeispiel ist die Stelle, an der der Erzähler berichtet, wie er den ermordeten Jnjemon erblickt – er redet seine Hörer mit shokun (⻉ำ, [meine] Herren) an, um sie an den Bewässerungsteich, den er zu Beginn seiner Reise gesehen hatte, zu erinnern, beschreibt Jnjemon mit der auktorialen Periphrase ka no Jnjemon (dieser/jener Jnjemon), und schliesst mit einer rhetorischen Frage (de wa nai ka): Shokun wa gozonji de arǀ. Shokun, sono sanshakushihǀ no dobu no yǀ na taneke no naka ni wa [...] ka no Fujita Jnjemon ga [...] maru de, inu de mo shinda yǀ ni natte oborete iru de wa nai ka. (379)

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Hier bedient sich der Erzähler der Rhetorik der klassischen Schriftsprache sowie der emphatischen Form der Kopula.

Meine Herren, [Sie werden sich] wohl erinnern [de arǀ, Dubitativ]. Meine Herren, in diesem (sono) grabenähnlichen Bewässerungsteich von drei Fuss im Geviert [...] liegt da nicht dieser (ka no) Fujita Jnjemon, ertrunken und gleichsam wie ein toter Hund geworden!

Während eingangs der Erzählung Hinweise auf den Erzählvorgang und Bemerkungen, die sich auf die Erzählgegenwart beziehen, relativ häufig sind (sieben in Kapitel eins, vier in Kapitel zwei), verlieren sich diese im Laufe der Handlungskapitel. (Kapitel acht, der Redebericht des Freundes Nemoto, der die Geschichte Jnjemons rekapituliert, ist eine Ausnahme und soll gesondert abgehandelt werden.) Ein Grund dafür ist, dass das erlebende Ich nun im Mittelpunkt steht, und die Kommentare (in Form von Gedanken) in die Innenwelt des erlebenden Ich verlegt werden, wie zum Beispiel ein langes Selbstgespräch in Kapitel elf, dem der Erzähler (das Ich der Sprechgegenwart) nichts beizufügen hat, das heisst, sich nicht distanziert.13 Gegen Ende der Erzählung tauchen die Kommentare oder Höreranreden erneut auf und stellen die Verbindung zur Erzählgegenwart, von der die Erzählung ausgeht, wieder her. Dies ist um so notwendiger, als das einführende „Rahmenkapitel“ am Ende keine Entsprechung hat. Der Erzähler spricht nicht nur seine Hörer an, er kommentiert auch sein Erzählen: MƗ, zutto hajime kara hanasǀ. (308) Nun, [ich] will ganz von Anfang an erzählen.

Diese Kommentare finden sich besonders am Beginn und am Ende der Erzählung, wenn die Vermittlungsinstanz als erzählendes Ich auftritt, wobei ima (jetzt) sich auf die Erzählgegenwart, das heisst, auf die Deixis des erzählenden Ich bezieht: Ima kara omou to, zuibun oraka na hanashi de wa aru ga [...] (309–310) Wenn [ich] jetzt (ima) daran denke, ist [es] eine ziemlich alberne Geschichte, doch [...]

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Während am Anfang der Erzählung distanzierende Bezeichnungen des Erzählers für sein früheres Ich (Träumer, Fantast, Naturschwärmer) vorkommen, macht der Erzähler-Held eine innere Wandlung durch, und seine Gefühle über Natur ändern sich.

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[...] ima demo yoku Kanda, Hongǀhen no nakadǀri ni miru makoto ni tsumaranai gakkǀ de [...] (308) [...] in einer wahrhaft unbedeutenden Schule, wie [man sie] jetzt (ima) noch in den Strassen in der Gegend von Kanda und Hongǀ sieht, [...] Sono mura no hitobito ni wa jibun wa ima mo nao kǀsai shite iru ga [...] (388) Mit den Leuten dieses (sono) Dorfes [dort] verkehre ich (jibun) jetzt (ima) noch [...] Shokun! Kore de kono hanashi wa owari de aru. (388) Meine Herren! Damit (kore) ist diese (kono) Geschichte zu Ende.

Auch Nemoto als Erzähler erwähnt den Erzählvorgang: [...] sofu no shinda toki (sore wa chǀdo Jnjemon ga nijnjni no toki de atta) ni wa mǀ hatake awasete itchǀ gurai shika nakatta to no hanashi da. Koto ni, kono sofu no shinu toki hitotsu no kanashii hanashi ga aru. (356) [...] als der Grossvater starb (das war genau als Jnjemon zweiundzwanzig war), erzählt [man], waren die Felder nicht mehr als ein chǀ [weniger als eine Hektare]. Es gibt eine besonders traurige Geschichte aus der Zeit, als dieser (kono) Grossvater starb.

Erzählerkommentare im gnomischen Präsens Bemerkungen allgemeiner Natur (im gnomischen Präsens) sind sehr selten, da die Erkenntnisse der Figur nicht dem Erzähler-Ich, sondern einem Monolog des erlebenden Ich anvertraut werden, und Tayama auf diese Art versucht, die Subjektivität des Autors/Erzählers auszuschalten. Ein typisches Beispiel einer Bemerkung im gnomischen Präsens ist die folgende: Nijnjnen mae ni wa mura no naka ni mo sono goshaku no mi o oku koto ga dekinakatta no de aru ga, ningen no un to iu mono wa wakaranu mono de [...] (315) Vor zwanzig Jahren hatte [der Badehausbesitzer] selbst im Dorf keinen Platz für seinen (sono) Körper von fünf Fuss 14 finden können, doch da das sogenannte Schicksal der Menschen etwas ist, das [man] nicht kennt [IV] [...]

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Goshaku no dǀ (੖ዤߩ┬, [Kind] von fünf Fuss) ist ein Ausdruck der chinesischen Klassik und bezeichnet einen noch nicht erwachsenen Menschen.

Auffallend ist die Stelle, in der der Erzähler den Gebrauch von Emotionsausdrücken beim Anblick Jnjemons durch einen Kommentar rechtfertigt: Jibun wa heisei dare de mo kao no naka ni sono hito no shǀgai ga arawarete mieru to shinjite iru hitori de, hisan na rekishi no orikomareta kao o miru hodo, kokoro o ugokasu koto wa nai no de aru ga, jibun wa kono Jnjemon no kao hodo hisan kiwamaru kao o mita koto ga nai to sugu omotta. (374) Ich selbst (jibun) bin [IV] einer, der glaubt, dass das Schicksal jedes Menschen immer sichtbar [mieru, medialer Aspekt] in [seinem] Gesicht erscheint, und nichts bewegt nämlich [mein] Herz so, als ein Antlitz zu sehen, in das eine tragische Geschichte eingeprägt worden ist, doch hatte [ich] noch nie ein Gesicht gesehen wie dasjenige dieses (kono) Jnjemon, dachte [ich mir] gleich.

Kommentare auf der Erzählerebene sind selten in Klammern gesetzt: [...] furui, furui, ynjkǀ okure no kuro no nakatakabǀ o kabutte, (gakusei de nakatakabǀ nado o kabutte iru mono ima de mo sukunai) [...] (309) [...] [sie] trugen furchtbar alte aus der Mode gekommene steife Hüte (dass Schüler steife Hüte und dergleichen tragen, ist auch jetzt [ima] noch selten) [...]

b) Kommentare auf der erzählten Ebene Wie schon bemerkt, sind in dieser Erzählung Kommentare auf der erzählten Ebene selten. Am häufigsten sind auktoriale Periphrasen, gefolgt von Klammerbemerkungen, rhetorischen Fragen und Ausrufen. Die meisten dieser Kommentare finden sich im achten Kapitel, in denen der Erzähler Tomiyama über Jnjemons Tragödie nachdenkt und sich diese zu erklären sucht, oder der Erzähler Nemoto die Geschehnisse kommentiert. Die Kommentare, die nicht in Klammern stehen, werden durch lexikalische Mittel als solche gekennzeichnet, etwa das bekräftigende no de aru (am ehesten durch „nämlich“ oder „denn“ wiedergegeben), adversative Adverbien und Postpositionen wie tonikaku (wie dem auch sei) und keredo (aber) oder das einschränkende sukunakutomo (wenigstens, jedenfalls). Diese sind in diesem Text recht selten, treten aber in Shǀjobyǀ häufig auf. Als Tomiyama die Frau seines Freundes zum ersten Mal erblickt, erklärt er sich sein Staunen über ihr Aussehen mit der Gewohnheit, in der Stadt junge Gattinnen zu sehen.

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Onna wa odoroite kao o ageta. Doko to itte hinan subeki tokoro wa nai ga, iro no kuroi, kankaku no toboshii, kuroguro to ohaguro o tsukete, wariai ni fuketa kao de, kore ga tomo no tsuma to sugu kanzuita jibun wa, tomo no sugata no chiisaku wakawakashii no ni kurabete, ikani kono tsuma ni take takaku, taikaku no ǀkii ka to iu koto ni omoi oyonda. Kore wa ǀkata Tǀkyǀ de amari „oitaru otto to wakai tsuma“ to no ichigyǀ o minareta yue de arǀ. (330) Die Frau blickte erstaunt auf. Es gab nichts, was [man an ihrem Aussehen] verurteilen musste [IV], doch verglich [IV] ich (jibun), der diese (kore) sogleich als die Gattin des Freundes erkannt hatte, [ihre] dunkle Gesichtsfarbe, die Armut an Ausdruck, die schwarzgefärbten Zähne 15 und das verhältnismässig gealterte Gesicht mit der kleingewachsenen jugendlichen Gestalt des Freundes [und] dachte, wie hochgewachsen diese (kono) Gattin, wie gross ihr Körper [ist]. Dies (kore), weil [ich] wohl [de arǀ, Dubitativ] in Tǀkyǀ allzu sehr an den Anblick von „alten Ehemännern mit jungen Gattinnen“ gewohnt war. Saisan mo nisansen mo dekita to iu, mƗ kanshin subeki burui ni irete sashitsukaenai ningen de atta. (315) Nun, da es heisst, [der Badehausbesitzer] hat zwei, dreitausend [Yen] an Reichtum erworben, so war [er] ein Mensch, den [man] ohne Zögern in die Sorte der Bewunderungswürdigen einreihen konnte [IV].

Kapitel sechs, sieben und neun sind als Augen- oder Ohrenzeugenberichte gestaltet und enthalten kaum Kommentare, dafür sind sie im achten Kapitel, in dem Nemoto als Erzähler fungiert, um so häufiger: Tonikaku Jnjemon wa kono koro kara sorosoro hyǀban ga waruku natta no de [...] (358) Weil Jnjemons Ruf zu dieser (kono) Zeit jedenfalls (tonikaku) schon schlecht geworden war [...] Jnjemon no tame ni wa, nyǀbǀ ga dekita no wa amari ii koto de wa nakatta ga, moshi futari no aida ni hayaku kodomo o tsukuru koto ga dekitara, arui wa Jnjemon no kono hara no mushi o mattaku iyashieta kamo shirenu. Keredo fukǀ ni mo [...] (361) Für Jnjemon war es keine besonders gute Sache gewesen, eine Frau zu bekommen, doch wenn [es] zwischen den beiden schnell ein Kind gegeben hätte, wer weiss, hätte es vielleicht diesen (kono) Groll Jnjemons ganz beruhigt. Aber (keredo) unglücklicherweise [...]

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Dass sich verheiratete Frauen die Zähne schwarz färben, war in der Meiji-Zeit veraltet.

Klammerbemerkungen Kommentare in Klammern sind in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts in Japan üblich.16 In Tayamas Texten treten sie immer dann auf, wenn ein Kommentar eine Szene oder direkte Reden unterbricht, also der umgebende Text in Figurenperspektive steht und die Klammer einen Wechsel von Figuren- zu Erzählerperspektive signalisiert. Meist enthalten sie Informationen (Kommentare auf der erzählten Ebene) für den Leser. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um notwendige Informationen, da diese aus anderen Stellen des Textes inferiert werden könnten, dem Leser aber die Arbeit erleichtern. Im ersten Beispiel ist der Perspektivenwechsel besonders deutlich durch den Wechsel der [Pro]nomen von watashira (wir) in direkter Rede zu karera (sie) in der Klammer. „[...] watashira no nigete kita no wa (karera wa oya no yurusanu no ni, seiun no kokorozashi ni taekanete dassǀ shite kita no de aru) [...]“ (313) „[...] als wir (watashira) geflohen kamen, (obwohl die Eltern [es] ihnen (karera) nicht erlaubten [IV], konnten [IV] [sie] ihrer jugendlichen Ambition nicht widerstehen und rissen aus) [...]“

Die meisten Klammerbemerkungen unterbrechen direkte oder indirekte Rede, um Informationen über die vorkommenden Personen zu geben: [...] sono Nemoto (seinen no na wa Nemoto Kǀsuke to iu no de) [...] (317) [...] dieser (sono) Nemoto (der Name des Jünglings ist [IV] Nemoto Kǀsuke) [...] [...] Sannosuke (chichioya no na) wa [...] (317) [...] Sannosuke (der Name des Vaters) [...] „[...] Fujita Jnjemon17 (yǀgisha no na) ga [...]“ (337) „[...] Fujita Jnjemon (der Name des Verdächtigten) [...]“

Andere seltene Klammerkommentare enthalten Informationen über den geschichtlichen Hintergrund. 16 17

Zum Beispiel in Nagai Kafnjs Jigoku no hana (࿾ₐߩ⧎, Blumen der Hölle, 1902) oder Shimazaki Tǀsons Hakai. Dies ist die erste Nennung des Titelhelden.

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„... Sugiyama no musuko,... arya, ima wa chǀshnj sarete ikusa (Nisshinsensǀ) ni itteru da.“ (322) „... Der Sohn von Sugiyama,... der, [der] ist jetzt (ima) eingezogen worden [IV] und in den Krieg (den Chinesisch-Japanischen Krieg) gegangen.“

Das letzte Beispiel markiert die Stelle im achten Kapitel, kurz vor dem Erzählerwechsel, als die von Tomiyama berichtete indirekte Rede in direkte Rede (Nemotos) übergeht, und der Erzähler rechtfertigen muss, woher er seine Information hat: [...] (jibun wa Nemoto Kǀsuke no kuchi kara sono monogatari o kiite iru no de) [...] (354) [...] (ich [jibun] habe diese/dessen [sono] Geschichte nämlich aus Nemoto Kǀsukes Mund erfahren) [...]

Auktoriale Periphrasen Der Gebrauch dieser Funktion, eine Figur mit einer Umschreibung zu benennen, ist in diesem Text überaus häufig (an die achtzig Stellen). Dies beruht darauf, dass der Ich-Erzähler (als erlebendes Ich) in seinem Wissens- und Erfahrungshorizont beschränkt ist, die Namen der auftretenden Personen nicht kennt und diese umschreiben muss. Dies kann, muss aber nicht unbedingt – wie in Er-Erzählungen – distanzierend oder gar ironisch sein. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob es der Erzähler ist, der die Figuren benennt, das heisst, ob die Periphrasen die Unwissenheit des früheren Ich betonen, oder ob die Umschreibungen dem Erlebnishorizont des handelnden Ich zugeschrieben werden müssen, das sein Gegenüber nicht kennt. 18 In diesem Fall handelt es sich nicht um auktoriale Periphrasen, sondern um eine Beschreibung aus der Perspektive des erlebenden Ich, wobei nur jene Belege dem erlebenden Ich zugerechnet

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Diese Art der perspektivierenden Darstellung wird vom Leser natürlich schnell durchschaut (zum Beispiel die Identität Jnjemons, als der Erzähler diesen zum ersten Mal sieht). Besonders reizvoll ist der Gebrauch der Periphrasen in Natsume Sǀsekis Erzählung Sanshirǀ ( ਃ྾㇢ , 1907), in der der etwas schwerfällige Held seine Gegenüber noch lange mit Periphrasen beschreibt, während der Leser längst gemerkt hat, um wen es sich handelt.

werden sollen, die ein eindeutiges Signal der Perspektivierung enthalten, wie zum Beispiel ein Verb der Wahrnehmung oder eine deiktische Ortsangabe. Die beiden Freunde des Erzählers, die vom Land nach Tǀkyǀ kommen, bleiben lange ungenannt. Die erste Erwähnung enthält eine Beschreibung: [...] mada ikuka mo henu koro ni, arata ni nynjgaku shite kita futari no gakusei ga atta. Hitori wa kami no ke no nagai, iro no shiroi, usuabata no aru, se no takai otoko de [...]. Hitori wa sore to wa seihantai ni, se no hikui, iro no asaguroi yasekoketa taikaku de [...] (309) [...] es waren kaum einige Tage vergangen, als zwei neue Schüler in die Schule eintraten. Einer war [IV] ein Mann mit langem Haar, bleich, mit Pockennarben und hochgewachsen [...]. Einer [der andere] das genaue Gegenteil, kleingewachsen, von dunkler Hautfarbe und magerer Statur [...]

In der Folge nennt der Erzähler sie, wenn sie zusammen auftreten, sono inaka no futari (diese/jene beiden vom Lande), sono futari (diese/jene beiden), wenn sie einzeln erwähnt werden se no takai hǀ (der Grossgewachsene) und se no hikui hǀ (der Kleingewachsene) – die Unwissenheit des erlebenden Ich wird demonstriert, bis es zu umständlich wird (und genug Zeit verstrichen ist, dass die Namen genannt werden können) und es se no hikui Yamagata Kǀsaburǀ to iu no wa (der Kleingewachsene, Yamagata Kǀsaburǀ genannte) heisst (313), und in einem Redebericht der Name Sugiyamakun 19 (313) fällt. Danach werden die beiden mit ihren Nachnamen erwähnt, selten auch kare (er) oder tomo (Freund) genannt. Das gleiche Prinzip wird auf Nemoto und den Titelhelden angewendet. Nemoto wird erst als onaji mura no seinen no dassǀsha (ein jugendlicher Ausreisser aus dem gleichen Dorf, 317) erwähnt, um dann sono Nemoto (dieser/jener Nemoto, 317) in indirekter Rede genannt zu werden, worauf die schon zitierte Klammer mit dem vollständigen Namen, Nemoto Kǀsuke, folgt. Beim Wiedersehen auf dem Land werden die Vornamen „repetiert“: Miru to, sore wa natsukashii Yamagata Kǀsaburǀkun de [...] (338) Beim Hinsehen [war] es (sore) der vertraute Yamagata Kǀsaburǀ[kun] [...] 19

Den Vornamen Sugiyamas erfährt der Leser nicht.

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„Oya, kimi ja nai ka“ to jibun wa itta. „YƗ, Tomiyama... san!“ to Nemoto Kǀsuke ga odoroite sakenda.20 (328) „Nanu, du (kimi) bist’s“, sagte ich (jibun). „Oh, Tomiyama... san!“, rief Nemoto Kǀsuke erstaunt.

Im Eingangskapitel ist von einer Person die Rede, die in Aufzeichnungen eines Jägers vorkommen könnte (ni ari sǀ na jinbutsu, 307), doch das erlebende Ich erfährt erst auf seiner Reise ins Dorf seiner Freunde von einem Brandstifter, und schliesslich während eines Gesprächs im sechsten Kapitel dessen Namen, Jnjemon (337). Als er ihn zum ersten Mal sieht – der Erzähler blickt durch einen Türspalt (es ist also die Perspektive des erlebenden Ich) – beschreibt er ihn als [...] jibun no me ni wa mazu [...] ichijǀ no susamajii kǀkei ga maboroshi no gotoku utsutta no de, chnjǀ no hashira no soba ni za o osamete iru hitori no chnjoyaji ni [...] (373) [...] meinen (jibun no) Augen bot sich vorerst [...] das Bild einer gespensterhaft schaurigen Szene, ein Mann mittleren Alters, der in der Nähe des Pfeilers in der Mitte seinen Platz eingenommen hatte [...]

und fährt darauf mit einer distanzierenden Benennung aus der Perspektive des Erzählers fort: Kono chnjoyaji, [...], kore ga sunawachi jibun no hajimete mita Fujita Jnjemon de [...] (373–374) Dieser (kono) Mann mittleren Alters [...], dies (kore) also ist/war [IV] Fujita Jnjemon, den ich (jibun) zum ersten Mal sah [...]

Distanzierende Benennungen, die auf Ironie des Erzählers hinweisen, sind äusserst selten, nur ein Mal wird der Badehausbesitzer mit der Periphrase kono shujinkǀ (dieser [unser] Held) umschrieben: Kono shujinkǀ ga sunawachi futari no yama no naka kara shusshin shita mukashi no buraikan naru mono de [...] (315) Dieser Held war [IV] also der ehemalige Tunichtgut, der aus den Bergen der beiden stammte [...] 20

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Während Tomiyama Nemoto kimi (eine Form der Anrede für Bekannte und Gleichgestellte) nennt, zögert Nemoto, seinen ehemaligen Bekannten mit dem familiären -kun anzureden und entschliesst sich zum höflicheren -san.

Distanzierende Periphrasen finden sich auch an der Stelle, als Nemoto (der wie die Dorfbewohner keine Sympathie für den Aussenseiter hegt), über Jnjemons Charakter spricht und ihn kono otoko (dieser/n Mann) oder kono Jnjemon nennt, wobei kono in die Deixis des Erzählers gehört. Jnjemon to iu otoko ga makegirai, ǀchaku no tsnjznjshii tokoro ga atte [...] (360) Der Mann namens Jnjemon hatte [IV] war von einer starrköpfigen [und] verschlagenen Unverschämtheit [...] Oshii koto ni wa, kono otoko wa kore o okonau chikara ga kakete iru. (360) Doch leider fehlt diesem (kono) Mann die Kraft, dieses (kore) durchzuhalten. Ten wa fukǀ naru kono Jnjemon ni kono wazuka naru megumi o sura oshinde ataenakatta no de [...] (362) Da der Himmel diesem (kono) unglücklichen Jnjemon diese (kono) geringe Gnade nicht gewährt hatte [...]

Herrscht Figurenperspektive, sind Periphrasen aus der Sicht des erlebenden Ich durch deiktische Verben, Ausdrücke des Sehens, mediale Verbformen wie ni mieru (aussehen, den Anschein haben), to oboshiku, (vermutlich), Postpositionen, Verbalsuffixe und -qualitativa, die einen Präsumptiv ausdrücken wie no yǀ da oder -rashii (offensichtlich) markiert, oder in die Gedanken des erlebenden Ich eingebaut (siehe Figurenperspektive). Rhetorische Fragen und Ausrufe Rhetorische Fragen, die in diesem Text eher selten sind, zum Beispiel die oben zitierte Stelle, da der Erzähler über Jnjemons Schicksal nachdenkt, gehören einerseits zu den Kommentaren auf der Erzählerebene, wie die folgende, Jibun wa dǀshite kono kǀkei o wasururu koto ga dekiyǀ. (386) Wie kann [Präsumptiv] ich (jibun) diesen Anblick vergessen?

können aber auch auf der erzählten Ebene vorkommen, wenn sie in die Gedanken der Figur eingebettet oder als Gedankeninhalte gekennzeichnet sind:

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Dare mo kotaeru mono ga nai. Keredo kore wa tazuneru hitsuyǀ ga aru ka. To jibun wa sugu omotta no de [...] (379) Niemand antwortet darauf. Doch ist es notwendig, dies (kore) zu fragen? So dachte ich (jibun) gleich [...]

Im Gegensatz dazu sind Ausrufe häufig, die dem Erzähler zugeschrieben werden müssen, sofern sie nicht explizit als Gedanken gekennzeichnet sind. Die folgenden Ausrufe stehen vor allem in den Eingangskapiteln, im achten Kapitel und gegen den Schluss der Erzählung, also den Kapiteln, die weniger vom erlebenden Ich geprägt sind. Sono monohoshidai! Sono tsuki no akari no teriwaratta monohoshidai no ue de, jibunra wa donna ni sono utsukushii yo o katariatta ka. (316–7) Dieser/jener (sono) Platz zum Wäscheaufhängen21! Wie oft hatten wir (jibunra) auf dieser/jener (sono) Plattform im Mondlicht wohl [de arǀ, Dubitativ] über diese/jene (sono) schönen Nächte gesprochen? Sono shinu toko ni wa, matte iru mono ga hitori mo nai to wa! (357) Dass niemand anwesend an diesem/seinem (sono) [des Grossvaters] Sterbebett ist [imperfektiver Aspekt]! [...] sono shikaku ni toritsuite naita ichijǀ no higeki! (382) [...] das Drama des Anblicks, als [die Freundin Jnjemons] sich an dessen (sono) Leiche klammerte und weinte!

c)

Vorausdeutungen, Rückwendungen und Raffungen

Vorausdeutungen, Rückwendungen, Rückschritte und Raffungen sind Elemente, die die Zeitstruktur eines Textes regieren und ein prägendes Merkmal der Erzählerperspektive sind. Sie können aber auch in den Gedankenhorizont des erlebenden Ich eingebunden sein.

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Monohoshidai (‛ᐓߒบ) sind auf den Dächern angebrachte Plattformen, wo die Wäsche zum Trocknen aufgehängt wird.

Vorausdeutungen Vorausdeutungen gibt es in diesem Text kaum. Obwohl der Erzähler den Überblick über das Geschehen hat, erzählt er die Handlung vorwiegend aus der Sicht des erlebenden Ich, das keinen Einblick in zukünftige Ereignisse hat. Die einzigen Anzeichen von Vorausdeutungen finden sich in Kapitel acht – das Kapitel, in dem Nemoto Jnjemons Geschichte erzählt. Die Beispiele stammen aus diesem Kapitel, das weit mehr als alle anderen von einer diegetisch-fiktionalen Erzählweise geprägt ist. [...] tada ichido... tada ichido tsugi no yǀ na koto ga atta. (364) [...] nur einmal... nur einmal geschah Folgendes. Kore kara ga Jnjemon no zaiakushi de aru [...]. (358) Von nun an ist [es] die Geschichte von Jnjemons Verbrechen [...].

Rückwendungen Während Vorausdeutungen selten sind, sind Rückwendungen ausserordentlich häufig. Da nicht der Erzähler im Mittelpunkt steht, sondern ein Dorf und seine Bewohner, muss die Aufarbeitung der Vergangenheit, die nicht in den Erfahrungs- und Wissenshorizont des Erzählers gehört, besondere Formen annehmen. Dabei ist es dem Autor wichtig, die Vorgeschichte bis in die Generationen der Väter und Grossväter auszuspinnen, so dass nicht nur der Hintergrund Jnjemons, sondern auch die Vorgeschichte von Nemotos Vater und anderer Männer des Dorfes erzählt wird. Redeberichte (die besonders abgehandelt werden) stellen die häufigste Form der Rückwendung dar, wobei einer Person einen Teil der Handlung nachzuholen anvertraut wird. Erst nach diesen Redeberichten ist der Erzähler dann in der Lage, die Situation zu kommentieren oder in einem summary zusammenzufassen. Andere Rückwendungen, vor allem Rückschritte, werden durch Zeitangaben oder plusquamperfektische Verbformen markiert, wobei die letzteren durch die Form -te ite oder -te ita gekennzeichnet sind. Kore wa ichijikan hodo mae, tomo wa sono pompu no keiko kara kaette kite [...] (334) Das (kore) war vor ungefähr einer Stunde, als [mein] Freund, von dieser/jener (sono) Übung mit der Spritze zurückgekommen [...]

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[...] jibun ga kita to iu koto o ima sukoshi mae ni shirasete moratta mono da kara [...] (338) [...] da [Nemoto] vor kurzem die Meldung erhalten hatte, dass ich (jibun) angekommen war [...] Yamagata no ie wa dǀ de mo sono ǀsugi no kage to kiite ita no de [...] (325) Da [ich] gehört hatte, Yamagatas Haus [sei] im Schatten dieser grossen/jener (sono) Sicheltanne [...] Hiruma sakan ni keiko shite ita sono shinchǀ na pompu mo [...] (342) Auch diese/jene (sono) nagelneue Spritze, mit der [sie] am Nachmittag so fleissig geübt hatten [...]

Raffungen Ein diegetisch-fiktionaler Text, in dem die erzählte Zeit so viel mehr beträgt als die Erzählzeit, muss notwendigerweise zusammenfassen oder überspringen. In Jnjemon no saigo sind Raffungen aller Art überaus häufig, vor allem die sukzessive Raffung (und dann... und dann) und die Aussparung22 in den Handlungskapiteln, während Kapitel, die sich über besonders lange Zeiträume erstrecken, eher iterative Raffungen und Zusammenfassungen (summary) aufweisen. Ein Beispiel einer sukzessiv-aussparenden Raffung wird durch die Unterteilung in Abschnitte noch betont, wobei die Präsensformen einerseits die Wiederholung der Handlung andeuten (Aspekt der nicht abgeschlossenen Handlung), andererseits aber auch als vergegenwärtigend (Tempus im Sinne des historischen Präsens) angesehen werden können: Tsugi no hi mo futari mutsumashisǀ ni narande iku. Yahari koe o kakanakatta. Tsugi no hi mo... Mata sono tsugi no hi mo yahari onaji yǀ ni kata o suriawasete onaji yǀ samo mutsumashisǀ ni hanashiatte iku no de [...] (310)

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Das heisst, der Text suggeriert in Analogie zu nicht-fiktionalen Texten, dass es Phasen gegeben habe, in denen sich nichts Erzählenswertes ereignet habe, obwohl es in fiktionalen Texten keine Handlung über das Erzählte heraus gibt. Vgl. Tarot (1995: 87).

Auch am nächsten Tag gehen die beiden einträchtig nebeneinander. Natürlich sprach [ich sie] nicht an. Auch am nächsten Tag... Und da [sie] auch am übernächsten Tag wieder gleich Schulter an Schulter gehen [IV], gleich einträchtig miteinander redend einher gehen [IV] [...]

Ein Beleg für eine sukzessive Raffung, die eine Naturbeschreibung zum Inhalt hat, beginnt mit sude ni (schon), fährt fort mit mazu daiichi ni (zuerst), tadachi (bald), sore kara (dann) und schliesst mit yǀyaku (schliesslich), Tsuki ga sude ni sono utsukushii sugata o Kǀshasan no kuroi idai naru sugata no ue ni arawashite ite, sono nagaruru yǀ na suzushhii hikari wa mazu daiichi ni Mitsumine no itadaki to mo oboshiki atari no kodachi no ue o kasumete, sore kara yama no kage ni katayotte nagaruru Otani no keirynj ni wa oyobazu ni tadachi ni oka no fumoto no mura o terashi, sore kara chinjnj no mori ittan o akiraka ni somete, yǀyaku jibunra no mae no soba no hatake ni oyonde iru. (339) Der Mond hatte schon (sude ni) seine (sono) schöne Form über dem schwarzen Massiv des Kǀshasan[bergs] gezeigt, seine (sono) kühlen und gleichsam fliessenden Strahlen streiften [IV] erst (mazu daiichi ni) über den Wald, vermutlich [to oboshiku, Präsumptiv] des Mitsumine[bergs], dann (sore kara), ohne [dass die Strahlen] den im Schatten des Berges fliessenden Otani[bach] erreichend, beleuchtete [IV] [er] bald (tadachi ni) das Dorf am Fuss des Hügels, dann (sore kara) färbte [IV] [er] den ganzen Tempelwald hell [und] erreichte schliesslich (yǀyaku) das Sobafeld vor uns (jibunra).

und ein Beispiel, in dem Handlung berichtet wird: Jibun wa tachidomatta. Soshite ki no kage ni mi o hisomete, shibashi sono senyǀ o mite ita. Patto matchi o suru oto! Dǀji ni, „dare da!“ to sakende jibun wa hashiriyotta. (349–350) Ich (jibun) blieb stehen. Dann verbarg [ich mich] im Schatten der Bäume und beobachtete eine Weile dieses/ihr (sono) [des Mädchens] Tun. Plötzlich das Anreissen eines Streichholzes! Gleichzeitig, „wer da!“, rufend lief ich (jibun) näher.

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Iterativ-raffende Textstellen sind in diesem Text häufig anzutreffen. Sie illustrieren den Gebrauch präsentischer Verbformen zur Wiedergabe einer Gewohnheit in der Vergangenheit oder sich wiederholender Vorgänge. Im ersten Beispiel werden diese durch die Kopula no de atta in der Vergangenheit situiert, im zweiten steht ein einziges Mal das Verbalsuffix -ta (perfektiver Aspekt oder Vergangenheit), die meisten Verben stehen in einer atemporalen Form, das letzte im Präsens: [...] mata jibun ga tazuneru to, itsumo warainagara teinei ni eshaku suru no ga tsune de atta. (315) [...] und wenn ich (jibun) [die Freunde] wieder besuche [IV], war [es] üblich, dass [der Badehausbesitzer] [mich] stets lachend höflich begrüsst. [IV]. De, jibun wa iyoiyo sono yamanaka no futari no seinen to shitashiku natte, hate wa hotondo mainichi no yǀ ni sono nikai o hǀmon shita. Haru wa yaya sugite, ynj no sanpo no kǀjisetsu ni naru to, jibun wa yoku Yotsuya no ǀdǀri o sanpo shite, kaeri ni wa kanarazu sono yanagi no aru yuya ni yotte miru. (316) Nun, so bin [IV] ich (jibun) allmählich mit diesen (sono) beiden Jünglingen aus den Bergen vertraut geworden, und schliesslich besuchte [ich] dieses (sono) Obergeschoss fast täglich. Als der Frühling fortgeschritten ist [IV], und es die beste Jahreszeit für Abendspaziergänge wird [IV], spaziere [IV] ich (jibun) oft die Hauptstrasse von Yotsuya entlang und besuche im Nachhausegehen unweigerlich jenes/dieses (sono) Badehaus mit den Weiden.

Aussparungen sind nicht allzu häufig, sie finden sich meist an Kapitelanfängen: Gonen wa yume no gotoku sugisatta. (319) Fünf Jahre vergingen wie im Traum. Yamagata no ie no zenshǀ shita akuru hi wa [...] (368) Am Tag, nachdem Yamagatas Haus abgebrannt war [...] Sore kara mǀ shichinen ni naru. (389) Seitdem werden [es] bald sieben Jahre.

Ein Mal wird die vergehende Zeit durch eine Leerzeile mit Sternchen kenntlich gemacht, wird aber in der darauffolgenden Zeile duch eine Zeitangabe verdeutlicht (378).

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Summaries (zusammenfassende Berichte des Erzählers) stehen am ehesten am Schluss eines Kapitels. Ein zusammenfassender Kommentar nach der Wiedergabe von indirekter Rede, gekennzeichnet durch to iu koto da, beschreibt die Psychologie der Dorfbewohner und deren Eigenheiten. Die Gewohnheiten in der Vergangenheit sind präsentisch wiedergegeben, doch wird der Satz durch das abschliessende no de atta in der Vergangenheit situiert. Der Kommentar wird durch zentai (im Allgemeinen) eingeführt und durch die Kopula no de atta (begründend) begleitet, weist eine auktoriale Periphrase sono futari (diese beiden) auf, ein hervorhebendes to iu no wa (was betrifft), einen Vergleich, Formen der klassischen Schriftsprache sowie Ausdrücke, die Anspielungen an die chinesischen Klassiker enthalten. [...] risshin shiyǀ to shite iru ningen mo zuibun aru to iu koto da. Zentai Shinano no sono futari no furusato to iu no wa, Echigo no hǀ ni sono sakai o sesshite iru kara, dekasegi to iu isshu no bǀkenshin ni wa kono ue mo naku tonde iru no de, mata genzai sono bǀken ni seikǀ shite, nishiki o furusato ni kazatta23 tameshi wa ikura mo me no mae ni korogatte iru kara, kokorozashi o furusato ni enu mono ya, hinru no kyǀ ni chinrin shite dǀ ni mo kǀ ni mo naranu mono ya, jibǀjiki ni ochiitta mono ya, naishi wa seiun no kokorozashi no hageshii mono nado wa, atakamo keirynj no daikai ni mukatte nagareizuru ga gotoku, nichiya tǀkai ni mukatte mi o tǀzuru no o chnjcho shinai no de atta. Ɩ kono yamanaka no tami no bǀkenshin. (315–316) [...] auch gibt [es] ziemliche viele Menschen, die die Absicht haben, es zu etwas zu bringen, [meint er]. Was das Dorf dieser beiden (sono futari) in Shinano betrifft, ist es im allgemeinen, da es an Echigo grenzt, überaus reich an der Art von Abenteuergeist der dekasegi 24 , die überdies auch gegenwärtig ihre Abenteuer erfolgreich bestehen, denn vor den Augen breiten sich viele Beispiele von glorreicher Heimkehr aus, derjenigen, die in der Heimat ihre (sono) Ambitionen nicht verwirklichen können [IV], derjenigen, die in Armut versinken [IV] [und] nicht mehr aus noch ein wissen [IV], derjenigen, die sich aus Verzweiflung selbst aufgeben, bis zu jenen, [deren] jugendlicher Ehrgeiz über alles heftig ist [IV] – [sie] alle zögerten nicht Tag und Nacht, wie ein Rinnsal, das zu fliessen beginnt und sich dem Ozean zuwendet, sich selbst in die Grossstadt zu werfen. Ah, der Abenteuergeist dieser Bergbewohner.

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Furusato ni nishiki o kazaru (᡿ㇹߦ㍪ࠍ㘼ࠆ) ist ein chinesischer Ausdruck, der besagt, dass man mit Brokat geschmückt, also triumphierend, in die Heimat zurückkehrt – ein wichtiges Thema der Literatur der frühen Meiji-Zeit. Die Grundbedeutung von dekasegi: Menschen, die ihr Dorf verlassen, um zeitweise an einem anderen Ort ein Auskommen zu finden, oft Saisonarbeiter.

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Auch die Geschichte der drei Freunde wird am Ende des dritten Kapitels in einem Abschnitt zusammenfassend referiert (318) und schliesslich Szenen aus Jnjemons Eheleben und Leidensweg. Keredo fukǀ ni mo ichinen no aida ni ko o tsukeru koto ga dekinakatta futari no naka wa shidai ni satsubatsu ni nari, ranbǀ ni nari, muenryǀ ni natte, soshite, sono ageku ni wa, nakigoe, togarigoe o dashite no ǀtachimawari.25 (361) Doch leider wurde [IV] das Zusammenleben der beiden [Jnjemon und seiner Frau], denen es nicht gelungen war, innerhalb eines Jahres ein Kind zu bekommen, bald roh, gewalttätig, rücksichtslos [und] schliesslich [gab es] Raufereien mit weinenden und scheltenden Stimmen.

Das folgende Beispiel ist besonders reich an Raffungen aller Art – es beginnt mit Aussparungen, fährt fort mit einer sukzessiven und schliesst mit einer iterativen Raffung: Sono yokunen, tobakugenkǀhan de Nagano e hikare, ichinen hodo mata kusai meshi o kuu koto ni natta ga, nidome ni kaette kita toki wa, mǀ mura de mo dǀ suru koto mo dekinai hodo no warumono ni narisumashite, ie mo nai mono dakara ima no doteshita ni kojiki no sumu yǀ na koya o tsukutte, soko ni ki no atta akutǀ bakari yoseatsume, kome ga naku naru to, doko no ie demo okamai nashi ni, isshǀ kome o kashite kure, nisshǀ kome o kashite kure to, heiki na tsura o shite morai ni iku. Soshite, sukoshi de mo iya na soburi o miseru to, sore kara kangae ga aru kara kurenakute mo ii to odosu no ga narai. (367) Im Jahr darauf wurde [IV] [Jnjemon] auf frischer Tat beim Glücksspiel ertappt und nach Nagano geschleppt, wo [er] wieder ein Jahr lang aus dem Blechnapf frass, doch als [er] zum zweiten Mal zurückgekommen war, war [IV] [er] zu einem Bösewicht geworden, mit dem im Dorfe nichts mehr anzufangen war [IV] [und] da [er] kein Haus und auch sonst nichts besass, baute [IV] [er] sich, die jetzige (ima no) für Bettler passende Hütte unten am Damm, versammelte [IV] dort (soko) lauter Spitzbuben, wie es [ihm] passte [und] wenn immer [ihm] der Reis fehlt [IV], geht [er] in irgend ein Haus, [sagt], ohne eine Miene zu verziehen, gebt [mir] ein Mass, zwei Mass Reis. Und zeigt [IV] jemand auch nur im Geringsten ablehnendes Verhalten, bedroht [IV] [er sie mit den Worten] [man] braucht ihm nichts zu geben [er/ich] hat da seine Ideen, [das war] die Regel.

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Interessant ist, dass in diesem Absatz nur atemporale Verbformen vorkommen.

d) Redeberichte und Gedankenberichte Indirekte Redeberichte Redeberichte machen in Jnjemons Ende einen sehr grossen Teil des Textes aus, vor allem in den Kapiteln, in denen die Vorgeschichte im Mittelpunkt steht. Fast alle Rückwendungen sind in diese Form gekleidet – das heisst, sie müssen dem Erzähler, nicht dem erlebenden Ich zugeschrieben werden. (Steht das erlebende Ich des Erzählers im Mittelpunkt, ist die direkte Rede vorherrschend). Diese Redeberichte sind raffend oder ausmalend und durch lexikalische Elemente (Anfang und Ende) als solche gekennzeichnet, durch ein vorangestelltes Verb oder Nomen des Sagens, Sprechens oder Hörens wie ni yoru to, no hanashi ni yoru to (beruhend auf) und die nachgestellten Quotativa to, to iu und to iu hanashi. Redeberichte, die auf Hörensagen beruhen (die Quelle der Information ist unwichtig und wird nicht genannt) sind durch sǀ da (Präsumptiv des Hörensagens), to no koto de atta, to iu koto de aru gekennzeichnet. Verben des Sagens oder Quotativa kommen oft gehäuft vor und sind deshalb notwendig, da das Japanische indirekte Rede nicht durch eine grammatikalische Form wie den Konjunktiv signalisieren kann. Redeberichte können weitere indirekte Redeberichte (oder direkte Redeberichte) enthalten – die dann ihrerseits durch Einführungsverben oder Figurensprache gekennzeichnet sind, wobei es relativ oft vorkommt, dass Reden unversehens direkt (ohne Anführungsstriche aber durch deiktische Wechsel oder Figurensprache kenntlich gemacht) angeführt werden, wenn der Erzähler sich in die Figur versetzt und für sie spricht. Auch Redeberichte können raffend sein. Sie kommen immer dann vor, wenn das Thema der Rede für den Verlauf der Handlung oder die Intention des Werkes relativ unwichtig ist: [...] tagai no shǀrai no shisǀ mo katariaeba, tagai no shǀrai no mokuteki mo katariatte [...] (313) [...] [wir] redeten [IV] zusammen über die Ideen der Zukunft, [wir] redeten [IV] zusammen über die gemeinsamen zukünftigen Absichten [...] [...] yoku sono furusato no yuki no keshiki o setsumei shite jibun ni kikaseta. (313) [...] oft erzählte [kikasu, Faktitiv, wörtlich: liess mich hören] [er] mir (jibun ni), die Schneelandschaft seines Heimatdorfes erläuternd.

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Yamagata ga kita no de, ichiza no hanashi ni hana ga saite, Tǀkyǀ no hanashi, gakkǀ no hanashi, eigo no hanashi, shi no hanashi, bungaku no hanashi, sore kara sore e to sara ni sono kyǀ wa tsukiyǀ to mo senu. Hate wa, jibun wa kyǀ ni taekanete, tsunezune anshǀ shite iru... Chǀkonka26 o kiwamete koe hikuku ginjihajimeta. (339) Da Yamagata gekommen war, blühte das Gespräch der Runde auf, [wir] redeten über Tǀkyǀ, redeten über die Schule, über die englische Sprache, über [chinesische] Gedichte, über Literatur, die Rede kam von einem zum anderen ohne zu erlahmen. Schliesslich, unfähig der Stimmung zu widerstehen, begann ich (jibun) [das Gedicht], welches ich seit jeher auswendig konnte... Chan hen ge, mit ganz leiser Stimme zu rezitieren.

Sachverhalte, die der Erzähler als Gerücht gehört hat, werden mit Verben des Hörens eingeleitet und von jenen Verbalqualitativa gekennzeichnet, die unter anderem Hörensagen oder indirekte Rede wiedergeben (können) wie sǀ da und yǀ da und am Schluss wieder durch ein Verb des Hörens/Sprechens abgeschlossen. Im folgenden raffenden Beispiel (das übrigens die typische Karriere eines Jünglings, der nach Tǀkyǀ zieht und Schiffbruch erleidet, darlegt) sind es yǀsu de atta (den Anschein haben); mimi ni suru (wie [mir] zu Ohren kam); yǀ na hanashi de atta (hiess es); sǀ da ([er] soll...); to iu uwasa o kiita ([ich] hörte das Gerücht, das besagte): Sugiyama wa nao shibaraku Tǀkyǀ ni todomatte ita yǀsu de atta ga, mimi ni suru sono kinjǀ wa izure mo omoshirokaranu koto bakari de, yare Yoshiwaragayoi o hajimeta no, fudeya no musume o dǀ ka shita no, Nipponjnjsankan no yamashi ni damasarete zaisan o hanbun hodo nakushita no to, mattaku jibǀjiki ni ochiitta yǀ na hanashi de atta. Sore kara ichinen hodo hette shippai ni shippai o kasanete, bon’yari inaka ni kaette itta sǀ da ga, ma mo naku chǀhei no kuji ga atatte Takasaki no heiei ni haitta to iu uwasa o kiita. (318) Anscheinend (yǀsu de atta) hatte sich Sugiyama noch längere Zeit in Tǀkyǀ aufgehalten, doch wie [mir] zu Ohren kam (mimi ni suru), war seine Lage alles andere als vorteilhaft, [man] erzählte (yǀ na hanashi de atta), dass [er] begonnen hatte, [das Vergnügungsviertel] Yoshiwara zu besuchen und etwas mit der Tochter eines Pinselhändlers gehabt hatte und von einem Schwindler des japanischen Arbeitsamtes um die Hälfte des Vermögens betrogen wurde, ja [er] sich völlig aufgegeben hatte. Nachdem darauf ein Jahr von Fehlschlägen über Fehlschlägen 26

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Chǀkonka ( 㐳ᕱ᱌ , chin. Chang hen ge, dtsch. Lied vom ewigen Groll), Langgedicht des chinesischen Dichters Bo Juyi (⊕ዬᤃ, jap. Hakkyo’i, 772–846), das sich in Japan seit der Heian-Zeit grösster Popularität erfreute und das erste Kapitel des Genji monogatari (Ḯ᳁‛⺆) inspirierte.

vergangen war und [er] ins Dorf zurückgekehrt sein soll (sǀ da), hörte [ich] das Gerücht (to iu uwasa o kiita), dass das Los der Aushebung [ihn] bald getroffen [IV] [und er] ins Ausbildungslager von Takasaki eingetreten ist. Yamagata no hanashi ni, jibun ga jnjgoroku no itazurazakari ni wa aibǀ no Sugiyama to yoku kono taneke no koi o arashite, hitoya ni nanjnjo to iu kazu o nusunde, hotondo shimatsu ni komatta koto ga atta to no koto o kiite ita ga [...] (329) Yamagatas Erzählung zufolge plünderte [IV] er (jibun) fünfzehn- sechzehnjährig, mitten im Schelmenalter mit seinem Spiessgesellen Sugiyama die Karpfen dieses (kono) Teichs, [sie] stahlen [IV] in einer Nacht so viele, dass [sie] kaum wussten, was [sie] damit anfangen sollten, hatte [ich] gehört, aber [...]

Interessant ist hier, dass innerhalb der indirekt wiedergegebenen Rede das Pronomen jibun für den Sprecher Yamagata steht, dass kono taneke (dieser Teich hier) und nicht sono taneke steht (was auf die Deixis des Erzählers weist, da er ja vor dem erwähnten Teich steht und sich an Yamagatas Worte erinnert), dass die Rede also von grosser Unmittelbarkeit gekennzeichnet ist und nur durch das einführende Yamagata no hanashi ni yoru to (Yamagatas Erzählung zufolge) und das abschliessende to no koto o kiite ita ga (hatte ich gehört) als solche ausgewiesen wird. Redeberichte können, obwohl vom Erzähler vermittelt, aus der Sicht der Figur formuliert sein, wobei der Übergang von indirekter zu direkter Redewiedergabe plötzlich erfolgen kann. Es sind Reden, deren Inhalt für die Erzählung von Wichtigkeit sind, wie zum Beispiel die Beschreibung des Dorfes in den Bergen, und die Erzählungen der Schicksale derjenigen, die ihr Dorf verliessen, um in der Fremde ihr Glück zu suchen. Dabei wechseln Pronomen, Deiktika und Verbalformen zu Formen, die nur ein Sprecher von sich selbst gebrauchen kann, wie zum Beispiel das Verbalsuffix -tai (Optativ der ersten Person) oder die Form te kureru27 (dem Sprecher etwas zuliebe tun). Der Übergang zu Figurenrede kann auch durch Dialektformen gekennzeichnet sein: -nu zum Beispiel ist die klassische Standardform der Verneinung (im Gegensatz zu -nai, der modernen Standardform), das

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Das Verb kureru, sowohl ein Vollverb (bekommen) als auch ein Hilfsverb in der Form -te kureru (etwas getan bekommen, immer als „für ihn/mich etwas tun“ übersetzt), kann neutral auch von anderen Personen gebraucht werden, bezieht sich bei Tayama aber immer auf die Figur.

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in Tayamas Werken meist Personenrede bzw. Figurensprache kennzeichnet und in westjapanischen Dialekten auch in der modernen Sprache gebräuchlich war.28 Im ersten Beispiel wird eine Rede des Bruders (des Erzählers) berichtet, in der das [Pro]nomen jibun (ich, der die Rede hört) zu kisama (du, der Angesprochene) wechselt: De, dǀshite jibun ga sono gakkǀ ni kayou koto ni natta to iu to, jibun no ani wa hijǀ na fuheika no tokoro kara, kisoku tadashii gakkǀ nado ni haitte, ninen mo sannen mo kakatte shugyǀ suru no nara dare ni demo dekiru, kisama wa sukunakutomo sonna ikuji no nai mane o shite wa naranu. Dǀ de mo hayaku benkyǀ shite, rainen ni mo yǀnengakkǀ ni hairu yǀ ni shinakereba, ittai otoko no honbun ga tatanu de wa nai ka. To itta fnj ni abura o kakerareta no de [...] (308) Nun, wie es dazu kam, dass ich (jibun) schliesslich diese/jene (sono) Schule besuchte – das war, weil mein (jibun no) Bruder, ein unverbesserlicher Nörgler, [sagte], in eine anständige Schule eintreten und zwei oder drei Jahre lang studieren, das kann jeder, es geht nicht an, dass du (kisama) [dich] wie eine Memme benimmst. Fang jedenfalls mit dem Lernen an, und wenn [du] nicht in einem Jahr in die Kadettenschule eintrittst, wie willst [du] da [deine] Pflicht als Mann tun. So hatte [der Bruder] gesagt, [und] beflügelte [IV] [mich] [...]

Im nächsten Beispiel wechseln die Deiktika. Während sono und soko aus der Sicht des Erzählers ist, bezieht sich in der wiedergegebenen Rede kore und kono auf den Sprecher (Yamagata). Se no hikui Yamagata wa gakumon no jikan no aida ni, sono furui techǀ o hirogete, soko ni egakaretaru tsutanai ichimai no shaseizu o shimeshi, kore ga watashi no ie, kore ga Sugiyamakun no ie, koko ni [...] (313) Der kleingewachsene Yamagata breitete zwischen den Unterrichtsstunden sein (sono) altes Notizbuch aus, zeigte einen unbeholfenen Sketch darin (soko), das [hier] (kore) ist mein (watashi no) Haus und das [hier] (kore) ist Sugiyama[kun]s Haus und hier (koko) [...]

In die folgende Rede werden Dialektformen eingestreut: Futari wa iu no de aru. Jibun29 no furusato wa Nagano kara gori yama mata yama no ǀku de sono keshiki no utsukushisa wa, totemo tokai no hito no sǀzǀ nado de wa wakarikowanƝ dƗ to. (313)

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Vgl. Miller (1993: 173–175).

Die beiden sagen: Unsere (jibun no) Heimat liegt von Nagano aus fünf Meilen hinter Bergen und Bergen, die Schönheit seiner/dieser (sono) Landschaft kann ein Grossstädter sich überhaupt nicht vorstellen (wakarikowanƝ dƗ).

Eine der wörtlich wiedergegebenen Reden innerhalb einer indirekt wiedergegebenen Rede ist die von Sugiyama erzählte Geschichte von Nemotos Vater (der Ratschlag des väterlichen Freundes an den Tunichtgut, das Glück „in der Fremde“, dass heisst in der damaligen Hauptstadt Edo zu suchen). Sie findet eine Parallele in der von Nemoto erzählten Geschichte, in der ein Freund Jnjemon ermahnt, das Geschick des Hauses und der Familie in die Hände zu nehmen (364). Sugiyama no iu tokoro ni yoru to, sono Nemoto (seinen no na wa Nemoto Kǀsuke to iu no de) no iegara wa mura de wa sahodo omoki o okarete inai no de, ima de koso mura daiichi no kanemochi nado to ibatte iru ga, chichioya no dai made wa hito ga rokuroku kǀsai mo shinai hodo no mazushii mibun de, sono chichioya wa gen ni mura no chinju no saisen o nusunda koto ga atte, sono nijnjshichi hachi no koro ni wa Sannosuke (chichioya no na) wa [...] akkan de atta to iu koto de aru. Sore ga aru toki, sono koro no mura no niwaka bungen no Yamada to iu rǀjin ni, kisama mo yoi toshi o shite, itsu made mura no shu ni yakkai o kakete iru to iu koto wa arumai. [...]. Washi nado o minasare [...]. Sannosuke, kisama wa hontǀ ni hitotsu funpatsu shite miru ki wa nai ka. To konkon setsuyu sare [...] (317–18) Nach Sugiyamas Worten zu schliessen war [IV] die Familie dieses/jenes (sono) Nemoto (der Name des Jünglings ist Nemoto Kǀsuke) im Dorf nicht gerade hochgeachtet, obwohl [sie sich] brüstete, jetzt (ima) im Dorfe die allerreichste zu sein, doch bis zur Generation des Vaters war [IV] sie so arm, dass die Leute des Dorfes kaum mit ihr verkehrten [IV], ja dieser/jener/dessen (sono) Vater stahl einst sogar das Opfergeld aus dem Dorfschrein, und mit sieben- oder achtundzwanzig war Sannosuke (der Name des Vaters) [...] der Bösewicht des Dorfes, hiess es. Nun, eines Tages, [wurde ihm] von einem neureichen Alten namens Yamada [gesagt], du (kisama) bist doch jetzt erwachsen, du (kisama) kannst doch nicht den Dorfleuten endlos zur Last fallen. [...] Sieh mich (washi) an [Yamada erzählt seine Geschichte, wie er sich „zusammenriss“ und nach Edo ging]. Na, Sannosuke, willst du (kisama) [dich] nicht zusammenreissen. So [wurden ihm] ernstlich die Leviten verlesen, und [...]

Die vom Erzähler wiedergegebene Rede ist durch die Sprache Sugiyamas – wie der Gebrauch von „Vater“ (chichioya), der Nennung der Namen Nemoto und Sannosuke (der Erzähler, d.h., dessen 29

Jibun ist hier nicht Selbstreferenz, sondern fungiert als Possessiv[pro]nomen (das Eigene).

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erlebendes Ich, hört diese zum ersten Mal) und der Zeitangabe ima (jetzt – die Deixis der Figur) geprägt. Der plötzliche Umschwung in die „direkt“ wiedergegebene Rede der Person namens Yamada wird einerseits durch die Postposition ni, eine Passivkonstruktion einleitend, die aber erst später durch den unabhängigen Satz to konkon setsuyu sare vollendet wird, sowie die Anrede kisama (eine Anrede an eine sozial tiefer gestellte männliche Person), den Gebrauch von washi (eine Dialektform von watashi, ich) und den Wechsel des Tempus ins Präsens gekennzeichnet. e)

Berichtete Innerlichkeit und Gedanken

Ein Ich-Erzähler als fingiertes Aussagesubjekt unterliegt in seinen Äusserungen über die Innerlichkeit der Figuren den gleichen Beschränkungen wie ein echtes Aussagesubjekt: Er kann beschreiben, was er denkt und fühlt, kann dies aber nicht von anderen Figuren tun, sofern diese ihre Gefühle nicht aussprechen oder in ihrem Gesichtsausdruck oder ihrer Körperhaltung zeigen. In diesem Text werden denn auch hauptsächlich die Gedanken und Gefühle des Erzählers wiedergegeben – wobei zwischen den Gefühlen und Gedanken des erlebenden Ich (den vergangenen und gegenwärtigen) und des erzählenden Ich unterschieden werden muss. Denn in dieser Erzählung wird nicht nur das Schicksal des Titelhelden Jnjemon thematisiert, sondern auch der Gesinnungswandel des zu Hirngespinsten ( ⓨᗐ, knjsǀ) und Naturschwärmerei neigenden jungen Tomiyama und seine Erkenntnis der Natur des Menschen. Um diese Erkenntnis zu verdeutlichen, wird die Innerlichkeit des ehemaligen Ich in auktorialen Innerlichkeitsberichten wiedergegeben, wobei in den Kommentaren des Erzählers eine gewisse distanzierende Haltung zum jugendlichen Ich spürbar wird. Dabei besteht immer die Tendenz, Innerlichkeitsberichte in direkt wiedergegebene Gedanken des erlebenden Ich umschlagen zu lassen, da die Verben des Fühlens und Denkens ins Innere der Figur führen. Dies wird durch Figurensprache, Ausrufe und Fragen kenntlich gemacht, allerdings ist dabei die Unterscheidung, ob das erzählende Ich „für das erlebende Ich denkt“ oder die Gedanken des erlebenden Ich direkt wiedergibt, oft schwierig. Meist aber bemüht sich der Erzähler um Unmittelbarkeit, indem er die Gedanken des erlebenden Ich direkt wiedergibt – seien es (selten) Gedankenberichte, die der europäischen erlebten Rede entsprechen, seien es Selbstgespräche (Monologe) in

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Anführungsstrichen, die fast das ganze elfte Kapitel einnehmen und allerdings sentimental und theatralisch wirken, nicht zuletzt, da Monologe im beginnenden Zwanzigsten Jahrhundert veraltet waren. Innerlichkeitsberichte Auktoriale Innerlichkeitsberichte – die weniger wörtlich zitierte Gedanken als Stimmungen und Gefühle wiedergeben, stehen fast ausschliesslich dort, wo das erzählende Ich die Innerlichkeit seines ehemaligen Ich, aus der Erzählgegenwart gesehen, wiedergibt. Dabei bedient sich der Erzähler gern einer „hohen Stillage“ (Gebrauch klassischer Formen) oder rhetorischer Fragen. Hier ein Beispiel, in dem der Erzähler die Innerlichkeit des jugendlichen Tomiyama durch äussere Wahrnehmung (Emotionsausdrücke) schildert und seine gegenwärtigen Gefühle dazu anführt: Jibun wa Kokura no furuhakama no mijikai no o ki, kata o ikarashite, tokutoku toshite sono mon ni haitte itta to omou to, iu ni iwarenu natsukashii kokochi ga shite, sono jibun no koto ga muramura omoidasareru no ga tsune da. (308) Ich (jibun) trug [IV] eine kurze Hakama aus Kokura-Baumwolle, und wenn [ich] daran denke, wie [ich] mit geschwellter Brust und voller Stolz durch dieses/jenes (sono) Tor [dort] gegangen war, überkommt [IV, omoidasareru medialer Aspekt] [mich] jedes Mal ein unsägliches Gefühl der Sehnsucht und die Erinnerungen an diese/jene (sono) Zeit.

Emotionsausdrücke werden allerdings, abgesehen davon, dass der Erzähler einige Male Tränen erwähnt, nicht für den Erzähler selbst gebraucht, da dieser sich selten von „aussen“ betrachtet. In den Innerlichkeitsberichten werden mit steter Regelmässigkeit die Themenkreise „Fantasie“ „Sehnsucht nach dem Lande“ und „friedliches, stilles Dorf“ aufgerufen, oder aber die Erschütterung des Erzählers über Jnjemons Schicksal ausgedrückt: Jibun no wakai knjsǀ ni tonda kokoro wa donna ni sono futari no furusato no yukigeshiki naru mono o sǀzǀ shita de arǀ ka. (313) Wie sehr stellte sich mein (jibun no) von jugendlichen Fantasien (knjsǀ) erfülltes Herz die Schneelandschaft des Heimatdorfes dieser/jener (sono) beiden wohl [de arǀ, Dubitativ] vor!

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Jibun wa kono chinmoku no ichiza no naka ni akiraka ni osorubeku imubeku kanashimubeki isshu no anchǀ no kiwamete kynjsoku ni hashiritsutsu aru no o kanjita no de aru. (378) Ich (jibun) spürte deutlich wie eine Art Unterströmung, entsetzlich, hassenswert, unheilvoll, sich in der schweigenden Runde blitzschnell ausbreitete [IV]. [...] jibun wa sore to kiite, odoroite, sono soba ni kaketsukete, sono hizan naru kǀkei o mita toki ni wa, hatashite donna kan ni utareta de arǀ ka. Shokun, [...] (378) [...] als ich (jibun) das (sore) hörte, erschrak [IV ich], eilte [IV] herbei, und als [ich] jene/diese (sono) jammervolle Szene [dort] erblickte, von was für Gefühlen wurde [ich] wohl [de arǀ, Dubitativ] überwältigt? Meine Herren, [...] Jissai jibun wa samazama no keiken o shita keredo, kono yoru no kǀkei hodo hisǀ ni, kono yoru no kǀkei hodo sǀgon ni jibun no kokoro o ugokashita koto wa ichido mo nakatta. (387–388) Tatsächlich habe ich (jibun) allerlei Erfahrungen gemacht, doch nie war mein (jibun no) Herz so bewegt wie von der Tragik der Szene dieser (kono) Nacht, von der Erhabenheit der Szene dieser (kono) Nacht.

Die Stelle, in der das erzählende Ich die Gestimmtheit des früheren erlebenden Ich kommentiert, ist eine Schlüsselstelle dieses Textes: [...] to omou to, jibun ga Tǀkyǀ ni ite, yamanaka no mura no heiwa o omoi, yamanaka no kyǀ no shizen o shitatta sono orokasa ga hakkiri jibun no nǀ ni arawarete kite, yama wa izen to shite taiko, mizu wa izen to shite fukynj, sore ni taishite, ningen wa wazuka rokusennen ni mijikaki aida ni ikani sono shizen no omokage o ushinaitsutsu aru ka o tsukuzuku tanzezu ni wa irarenakatta. (381) [...], dachte [ich], ich (jibun) war in Tǀkyǀ gewesen [imperf. Aspekt], hatte [IV] an den Frieden des Dorfes mitten in den Bergen gedacht, [mich] nach der Natur in der Umgebung der Berge gesehnt – jene/diese (sono) Torheit erschien [IV] nun ganz deutlich in meinem (jibun no) Kopf, die Berge uralt wie eh und je, das Wasser unvergänglich wie eh und je, [ich] konnte nicht umhin, zutiefst zu bedauern, dass die Menschen hingegen innerhalb von kaum sechstausend Jahren ihre (sono) Natürlichkeit verloren hatten [IV].

Diese Innerlichkeitsberichte stehen vor allem in den Eingangskapiteln und gegen den Schluss der Erzählung, in jenen Kapiteln, die eher diegetisch-fiktional geprägt sind als die Handlungskapitel.

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Gedankenberichte Gedankenberichte können, genau wie Redeberichte raffend oder ausmalend sein. Raffende Gedankenberichte werden durch die Postposition o gekennzeichnet. Jibun wa futari no kaiwa o kikinagara, yamanaka no heiwa to iu koto to, jinsei no uzumaki to iu koto o toritome mo naku kangaete ita. (341) Während ich (jibun) dem Gespräch der beiden zuhörte, dachte [ich] unaufhörlich an den Frieden in den Bergen, an den Mahlstrom der menschlichen Existenz.

In indirekten Gedankenberichten steht nach dem Gedankeninhalt, analog zu den Redeberichten, der nachgestellte Quotativ to oder die Postposition o, gefolgt von einem Verb des Denkens. Das erste Beispiel stammt aus dem vierten Kapitel, als der Erzähler sich dem Dorf nähert und die Übung mit der Feuerspritze erblickt: Jibun wa nandaka fushigi na yǀ na ki ga shite shikata ga nakatta ga, kore wa tada nan no imi mo nai renshnj ni todomaru no de arǀ to kaishaku shite, sono mama sono mura e to haitte itta. (326) Es kam [mir], da gab es nichts zu machen, irgendwie seltsam vor, doch deutete [IV] ich (jibun) [es mir] als wohl [de arǀ, Dubitativ] nichts weiter als eine simple Übung und betrat so dieses Dorf. Kono ǀi wakamono no uchi ni jibun no tomo ga kawatte i wa senu ka to mo omowanu de wa nakatta ga [...] (327). Es war nicht so, dass [ich] nicht dachte [IV], ob meine (jibun no) Freunde sich nicht auch unter den vielen jungen Männern befinden, doch [...] [...] rokunen mae no tomo ga donna seikatsu o shite iru de arǀ ka to iu koto, sono tsuma wa ika naru hito de, sono ie wa ika naru ie de, sono katei wa donna guai de aru ka to iu koto nado o omou to, iroiro naru kansǀ ga jibun no mune ni ushio no yǀ ni atsumatte kite, sono yamanaka no mura ga nandaka jibun to fukai shukuen o motte iru yǀ na ki ga shita ga, dǀmo naranu. (324) [...] wie [ich mir] überlegte, was für ein Leben der Freund von vor sechs Jahre wohl [de arǀ, Dubitativ] führt, was für ein Mensch seine (sono) Frau sein mag [IV], was sein (sono) Haus wohl für ein Haus ist [IV], wie sein (sono) Haushalt wohl aussehen mag und dergleichen, und sich allerlei Gedanken wie eine Flut in meiner (jibun no) Brust sammelten [IV], schien mir (jibun), dieses Dorf in den Bergen sei mir (jibun to) schicksalhaft tief verbunden.

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Die folgenden Beispiele stammen alle aus dem fünften Kapitel, als Tomiyama mit der Realität des Dorfes konfrontiert wird (sein erster Eindruck der Frau Nemotos ist schon zitiert worden) und seiner Enttäuschung Ausdruck gibt: [...] sono iwayuru taneke ga konna ni chiisana kitanai mono to wa yume ni mo omotte oranakatta. (329) [...] dass dieser besagte Bewässerungsteich ein so kleines und schmutziges Ding [ist], hatte [ich mir] nicht im Traum vorgestellt.

Hier seine Gedanken beim Anblick von Nemotos Vater Kore ga tǀnen no buraikan, tǀnen no knjsǀka, tǀnen no bǀkenka de, ichido wa kono heiwa na mura no hitobito ni moteamasarete, komo ni kakonde, Chikumagawa ni nagekomareyǀ to made sǀdan sareta hito ka to omou to [...] (331) Bedachte [IV] [ich], dass dieser (kore) [Nemotos Vater] der ehemalige Tunichtgut, der ehemalige Tagträumer, der ehemalige Abenteurer war [IV], der Mensch, der einst den Leuten dieses (kono) friedlichen Dorfes über den Kopf gewachsen war, so dass [diese sich] sogar darüber berieten, ob [sie ihn] nicht in eine Strohmatte wickeln und in den Chikumagawa[fluss] werfen sollten [...]

und zu Jnjemon, nachdem er dessen Geschichte gehört hatte: Tomo no kotoba yara, mura no hyǀban yara kara sǀgǀ shite miru to, kono jiken no chnjshinbutsu ni natte iru Jnjemon to iu otoko wa tashika ni jibǀjiki ni ochiitta sǀi nai to jibun wa omotta. (348) Versuchte ich mir ein Gesamtbild zu machen, aus den Worten der Freunde, aus dem Urteil des Dorfes, so glaubte ich (jibun), dass der Mann namens Jnjemon, der im Mittelpunkt dieser Vorfälle stand, sich tatsächlich selbst aufgegeben hatte.30

Während die obigen Fälle Gedanken vermitteln, die das erlebende Ich in seinem Hier und Jetzt (Handlungsgegenwart) denkt, gibt es Gedankenberichte, die deutlicher auf die Vermittlungsinstanz weisen, wenn nämlich geschildert wird, was die Figur nicht denkt bzw. weiss, ein Zeichen dessen, dass der Wissenshorizont des erzählenden Ich grösser ist. Diese Fälle sind aber sehr selten, da sich Tayama im allgemeinen auf den Wissenshorizont des erlebenden Ich beschränkt. 30

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Dieser Passage folgt ein direkter Gedankenbericht, in dem der Erzähler Jnjemon zum ersten Mal kare nennt.

Soshite, sono ǀsawagi wa nani o imi shite iru ka o shirazu ni [...] (523) Und, ohne zu wissen, was diese (sono) grosse Aufregung bedeutet [...]

Die Innerlichkeit dritter Personen Die Beschränkung des Ich-Erzählers auf seinen Wissens- und Wahrnehmungshorizont bringt es mit sich, dass er nur seine eigenen Gedanken und Gefühle kennt, nicht aber jene anderer Personen. Er ist darauf angewiesen, als Ohrenzeuge die Gefühle anderer Figuren aus Gesprächen zu erfahren oder sie als Augenzeuge zu sehen. Die vorherrschende Art in Ich-Erzählungen, die Innerlichkeit anderer Personen wiederzugeben, ist die Wiedergabe von Innerlichkeit begleitet von Präsumptiven – der Versuch des Erzählers, sich die Gedanken und Gefühle vorzustellen und „für die Figuren zu denken“ – und die „Form des berichteten Emotionsausdrucks in Mimik und Gestik von Figuren, die deren Innerlichkeit anschaulich macht, ohne dass diese selbst in der Situation sprechen“31. Eine Studie von Nakamura Akira, in der er den Gebrauch der Emotionsausdrücke in den Werken verschiedener Autoren des frühen 20. Jahrhunderts statistisch erfasst, zeigt, dass Tayama Katai im Vergleich zu Shimazaki Tǀson, Tokuda Shnjsei und Masamune Hakuchǀ (die alle zu den Naturalisten gezählt werden), derjenige Autor ist, der die Emotionsausdrücke am wenigsten verwendet. 32 Im Gegensatz zu Emotionsausdrücken sind Präsumptive häufig. Das Japanische verfügt über einen Reichtum von Formen, die den beschränkten Wissenshorizont des erzählenden oder erlebenden Ich ausdrücken. Diese kommen in Tayamas Texten fast ausschliesslich in Figurenperspektive vor (erlebendes Ich). Viele dieser Präsumptive begleiten Emotionsausdrücke, da sie Bedeutungen wie „aussehen als“ und „den Anschein haben“ wiedergeben. Dazu gehören die Verbalqualitativa yǀ da, sǀ da (scheinen), Verbalsuffixe und Postpositionen wie -rashii

31 32

Tarot (1995: 194). Vgl. Nakamura (1990). ᓼ↰⑺ჿ (1871–1943) und ᱜቬ⊕㠽 (1879–1962).

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und -ge 33 (offensichtlich), Wendungen wie no yǀsu da (den Anschein haben) und no fnj da (aussehen wie, scheinen) sowie mediale Formen und Verben.34. „[...]“ to itta ga, futo omoidashita yǀ ni [...] (323) „[...]“, sagte [er], als [yǀ da, Präsumptiv] erinnerte [er sich] plötzlich [...] Tomo mo yaya yotta yǀsu de, [...], fui ni, kǀ tazunerarete, ware ni kaetta to iu fnj de [...] (334) Auch der Freund sah [IV] ziemlich betrunken aus (yǀsu da), [...], als [er] so (kǀ) angesprochen wurde, schien (fnj de) [er] plötzlich wieder zu sich zu kommen [...] „[...]“ to Yamagata wa shimijimi kanjita yǀ ni itta. (340) „[...]“, sagte Yamagata, anscheinend [yǀ da, Präsumptiv] tief berührt.

Beispiele, in denen Mimik und Gestik beschrieben werden sind weniger häufig: Kare wa kagiri naki yorokobi no iro o sono odayaka na kao ni teishite [...] (328) Er (kare) zeigte unendliche Freude in seinem (sono) liebenswürdigen Gesicht. Futari wa gyotto shita. „Mada yattsuketa!“ to imaimashisǀ ni sakende [...] (342) Die beiden erstarrten. „Wieder losgeschlagen!“, schrieen [IV] [sie], hasserfüllt [aussehend, klingend] (sǀ da) [...]

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Das Verbalsuffix -rashii bezeichnet einen Tatbestand, auf den aus sicht- oder hörbaren Merkmalen geschlossen werden kann, -ge (...aussehend) aus sichtbaren Merkmalen; -rashii kann auch an ein Nomen angeschlossen gebraucht werden und bedeutet dann „so sein, aussehen wie“. Mediale Formen (jihatsu, auch mit„Spontaneität“ übersetzt) bezeichnen die Verbalsuffixe -reru und -rareru sowie Verben wie mieru, kikoeru (hörbar, sichtbar sein) oder omowareru (in den Sinn kommen), die einen Vorgang oder einen Zustand angeben „von dem das Subjekt betroffen wird, jedoch ohne Bewirkung eines Agens und gleichgültig, ob durch eigene Intention oder nicht“. Lewin (1975: 152).

Die Stellen, an denen von Emotionsausdrücken ein etwas übertriebener Gebrauch gemacht wird, stehen im zehnten Kapitel. Der Erzähler wird Ohren- und Augenzeuge des Umtrunks nach dem Feuerlöschen, an dem Jnjemon selbst teilnimmt. Der Erzähler, der erst an der Türe lauscht, beschreibt die Gefühle der Anwesenden aus dem Ton ihrer Stimme, „...“ to iu osorishiku togatta sakebigoe ga, sono tsugi no ǀhiroma kara kikoeru. (371) „...“, liess sich eine entsetzlich scharfe schreiende Stimme vom benachbarten Saal her hören [kikoeru, medialer Aspekt].

Der Erzähler erwähnt sogar Gesten, auf die er aus dem Gehörten schliesst: [...] to ude mo makutta rashii. (372) [...] [sich] offensichtlich (-rashii) die Arme verschränkt habend. „[...]“ to katawara kara fundo ni taenu to iu yǀ na kekki no wakamono no sakebi o kikoeta. (373) „[...]“, liess sich von nebenan der Schrei eines aufgebrachten Jünglings hören [kikoeru, medialer Aspekt], der seinen Zorn nicht mehr auszuhalten schien [yǀ da, Präsumptiv].

und schliesslich, als er durch einen Spalt späht, die Gefühle, die sich in den Gesichtern spiegeln: [...] dono kao o mite mo, fuon na ochitsukanu sugoi iro o obite oranu mono wa hitori mo nakatta. (371) [...] Welches Gesicht [man] auch betrachtete [IV], [es] gab kein Einziges, das nicht den grimmigen Ausdruck drohender Unruhe [Gereiztheit] zeigte.

Eindrücklich ist, was der Erzähler aus Jnjemons Gesicht liest, als er ihn zum ersten Mal erblickt: Kore ga sunawachi jibun no hajimete mita Fujita Jnjemon de, sono me o ikarashita akai kao ni wa, makoto ni susamajii zaiaku to jibǀjiki to no kage ga yadotte, sono heizei no hisan naru rekishi no ato ga ichichi sono inken na shiwa no naka ni orikomarete iru yǀ ni omowareru. [...] jibun wa kono Jnjemon no kao hodo hisan kiwamaru kao o mita koto wa nai to sugu omotta. Yaya oita kao no, niku wa itaku ochite, surudoi me no hikari no naka ni mugen no kanashii kage o yadoshinagara,

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jitto ima uchi ni kakarǀ to shita wakamono no kao o niranda katachi wa, maru de ueta kemono no hito ni tobikakarǀ to kikamaete iru no to sukoshi kawatta tokoro wa nai. (374) Das (kore) also war [IV] Fujita Jnjemon, den ich (jibun) zum ersten Mal sah, in [seinem] roten Gesicht, in dem seine (sono) Augen zornig blitzten, spiegelte [IV] sich wahrhaftig furchtbares Laster und Verzweiflung [und] diesen/seinen (sono) tückischen Falten schienen [yǀ da, Präsumptiv] die Spuren seiner stets jämmerlichen Geschichte in allen Einzelheiten eingewoben. [...] Ich (jibun) wusste gleich, dass [ich] noch nie ein in diesem Ausmass tragisches Gesicht wie dasjenige dieses (kono) Jnjemon gesehen hatte. Ein ziemlich gealtertes Gesicht, mit feist herunter hängendem Fleisch, in den scharf blitzenden Augen spiegelte sich unendliche Traurigkeit, während der Ausdruck, mit dem [er] den Jüngling, der jetzt (ima) im Begriffe war, sich auf [ihn] zu stürzen, lauernd beobachtete, sich nicht unterschied vom Ausdruck einer hungrigen Bestie, die sich auf einen Menschen zu stürzen bereit macht.

Tayama ist ein Autor, der sich stets bemüht, auch die Innerlichkeit der anderen Figuren einzubringen. Die Technik, die er in Ich-Erzählsituationen verwendet, besteht darin, den Erzähler für die Figuren denken zu lassen, wobei diese Gedanken in Figurensprache wiedergegeben werden, wie die Deiktika kono (diese/s/r hier) und ano (diese/s/r/jene/s/r schon von vorher Erwähnte oder Bekannte) zeigt. Ima shi mo, sono ichiza no hito no atama ni wa, iiawanedo, izure mo onaji nen ga ǀrai shite iru no de, ano Jnjemon, ano ranbǀ na Jnjemon sae inakereba, mura wa tokoshie ni, heiwa ni, zaisan, kaya mo anzen de aru no ni, ano Jnjemon ga iru bakari de, kono mura hajimatte nai hodo no kondo no sawagi. Isso... To dare mo mina omotta to oboshiku, ichiza no hitobito wa mina imi arige ni me o miawaseta. (377) Gerade jetzt (ima) fährt vermutlich [to oboshiku, Präsumptiv], ohne dass [sie] miteinander sprechen [IV], der gleiche Gedanke durch den Kopf eines jeden in dieser/jener (sono) Runde - wenn es nur diesen (ano) Jnjemon, diesen (ano) gewalttätigen Jnjemon nicht gäbe, wäre das Dorf ewig in Frieden, Hab und Gut, Haus und Hof in Sicherheit, nur weil dieser (ano) Jnjemon existiert, ist dieser (kono) noch nie da gewesene unerhörte Aufruhr im Dorf. Um so mehr... So dachten [sie] vermutlich [to oboshiku, Präsumptiv] alle, alle der Runde schauten einander bedeutungsvoll (-ge) an.

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In seiner Teilnahme für die Freundin Jnjemons versetzt sich der Erzähler an ihren Standort: Die Deixis seiner Gedanken ist die der Frau, wie die Ausdrücke shita ni wa (unten) und miorosu (hinabblicken) belegen. Jibun no me no mae ni wa, sono kemono no gotoki shizenji ga, namida o furutte, sono nakigara o yaite iru kǀkei ga hakkiri mieru. Shita ni wa mura, [...], ka no musume wa hatashite donna kan o idaite kono mura o mioroshite iru ka. (384–385) Vor meinen (jibun) Augen ist deutlich die Szene sichtbar [mieru, medialer Aspekt], wie dieses einem wilden Tier gleichende Naturkind, Tränen vergiessend, den Leichnam verbrennt. Unten (shita) liegt das Dorf, [...] mit was für Gefühlen mochte dieses (ka no) Mädchen wohl auf das Dorf hinabblicken?

Tayama hält sich, was den Erzähler Tomiyama betrifft, in geradezu vorbildlicher Weise an die Beschränkung des Ich-Erzählers, obwohl dieser „für die Figuren denkt“ oder aus dem, was er hört und sieht auf die Innerlichkeit der Figuren schliesst. Der Erzähler Nemoto ist diesen Beschränkungen weniger unterworfen – er ist das Sprachrohr der Dorfbewohner, das heisst, im Mittelpunkt seiner Erzählung steht das Wissen, das er aus Erfahrung hat und weitergibt. Er ist es, der die Innerlichkeit Jnjemons dem Leser nahe bringt. In der folgenden Passage leitet ein auktorialer Innerlichkeitsbericht (distanzierende Benennung) zu einem direkten Gedankenbericht Jnjemons in Anführungszeichen, wobei das kangaeta (dachte [er]) auf nicht verlautetes Denken weist. Darauf folgt ein langer auktorialer Innerlichkeitsbericht und schliesslich wird Jnjemons Innerlichkeit direkt ohne Anführungszeichen angeführt. Interessant ist dabei, dass die Benennung vom distanzierenden kono otoko (dieser Mann) zum neutralen kare schwenkt, und Jnjemons Selbstreferenz erst jibun (er/ich) und dann ore (ich) ist. Ittai Jnjemon to iu otoko wa makegirai no, ǀchaku no, znjznjshii tokoro ga atte, soshite sono ue ni hageshii hageshii netsujǀ o motte iru. De, kono netsujǀ ga umaku mochiirareru to, nakanaka taishita jigyǀ o mo suru shi, hito no me o odorokasu hodo no ikǀ o mo tateru koto ka dekiru no da keredo, oshii koto ni wa, kono otoko ni wa kore o okonau chikara ga kakete iru. Sententeki ni kakete iru. Kono otoko ni wa „jibun wa katawamono, jibun wa futsnj no ningen to kata o naraberu koto ga dekinu katawamono“ to iu kangae ga, kodomo no uchi kara sono atama ni shimikonde ite, nanika sugureta koto de mo shiyǀ to omou to, sugu sono kanashimubeki kangae ga nǀ o tsuite agatte kuru. Soshite kono katawamono to iu shǀkyokuteki shisǀ ga iubekarazaru fukai no nen o sono netsujǀ no tadanaka ni, chǀdo kǀri de mo aru ka no yǀ ni, kiwamete hageshiku uchikonde iku. Kono fukai

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no nen, kore ga okoru hodo, kare ni wa tsurai koto naku, mata kore ga okoru hodo, kare ni wa imaimashii koto wa nai. Naze jibun wa katawa ni umareta ka, naze jibun wa ta no hito to onaji tenbun o ukeru koto ga dekinakatta ka. Oya ga nikui, ore o katawa ni umitsuketa oya ga nikui. [...] (360–361) Nun, der Mann namens Jnjemon hatte [IV] eine starrköpfige [und] verschlagene Unverschämtheit, und dazu heftigste Leidenschaften. Und, hätte [er] diese (kono) Leidenschaften geschickt benutzen können, hätte [er] durchaus Grosses leisten und Verdienste erwerben können zum Erstaunen der Leute, doch leider fehlt diesem Mann (kono otoko) die Kraft dazu. Fehlt ihm von Geburt an. Dieser Mann (kono otoko) hatte von Kindheit an den Gedanken, „ich (jibun) bin ein Krüppel, ich (jibun) kann nie den normalen Leuten gleichgestellt sein“, im Kopf, und will [er] etwas Hervorragendes leisten, steigt [ihm] dieser bedauernswerte Gedanke auf. Und so sickern diese (kono) negativen Gedanken, ein Krüppel zu sein, wie Eis in seine (sono) leidenschaftlichen Gefühle, unsäglicher Missmut ergreift [ihn]. Nichts ist ihm (kare) bitterer, als dieser (kono) Missmut, wenn dieser (kore) aufkommt, nichts ist ihm (kare) abscheulicher; warum ist er/bin ich (jibun) als Krüppel geboren, warum hat er/habe ich (jibun) nicht das gleiche Schicksal wie andere erhalten können? Die Eltern sind hassenswert, die Eltern, die mich (ore) als Krüppel geboren haben, sind hassenswert.

1.5.4

Das achte Kapitel

Hervorstechend in Jnjemons Ende ist das achte Kapitel, das die Vorgeschichte des Titelhelden aufrollt. Sie wird zuerst von Tomiyama, dem Ich-Erzähler referiert.35 Eingeleitet wird sie durch die Bemerkung Jnjemon to iu no wa (was Jnjemon betrifft, 350–352). Diese Passagen sind geprägt von Ausdrücken, die indirekte Rede signalisieren wie da to iu koto de aru (350–351), da das Erzählte nicht in Tomiyamas Erfahrungshorizont liegt, sondern Ereignisse sind, die er erfahren hat.

35

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Fragt man sich, weshalb erst Tomiyama die Geschichte erzählt, so wird klar, dass hier der Leser in eine zolaistische Deutung der Erzählung gelenkt wird, eine Art der Leserlenkung, die vor allem in häufigen Gedankenberichten des Erzählers vorbereitet wird. Dieser macht sich erst Gedanken über die Gründe des Unglücks, worauf die Herkunft Jnjemons und dann das Milieu geschildert werden, Gedanken, die ausserhalb des Denkhorizonts seines Freundes Nemoto liegen. Die ganze eingeschobene Erzählung als indirekte Redewiedergabe zu gestalten wäre schwerfällig und verunmöglichte die Vergegenwärtigung von Szenen. Eine andere Möglichkeit – nämlich Jnjemon selbst sprechen zu lassen – wird verworfen; der Erzähler (das erlebende Ich) kennt Jnjemon zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und dieser wäre ausserstande, seine Geschichte selbst zu erzählen.

Die Familiengeschichte Jnjemons wird geschildert, gefolgt von den Überlegungen des Erzählers Tomiyama, weshalb das Haus der Fujita vom Unglück verfolgt ist: De aru no ni, wazuka ichidai o hedatete, dǀshite konna fukǀ ga sono Fujita ikke o osotta no de arǀ ka. Dǀshite sono sofusobo no mago ni ima no Jnjemon no yǀ na, ranbǀmuzan no ningen ga deta no de arǀ ka. (351) Und trotzdem, wie konnte [es] sein [no de arǀ, Dubitativ], dass ein derartiges (konna) Unglück in nur einer Generation über das Haus dieser/jener (sono) Fujita herfiel? Wie konnte nur [no de arǀ, Dubitativ] von diesen (sono) Grosseltern ein Enkel kommen, der ein gewalttätiger und miserabler Mensch war, wie der jetzige (ima no) Jnjemon?

Die Reden der Dorfleute (im Präsens, da es sich um eine wiederholte Handlung handelt) werden angeführt: Sono yasashii tadashii sofusobo no aida ni, tatoe onna de mo ii kara, makoto no kettǀ o obita ko to iu mono ga atta nara, kesshite konna koto wa nakattarǀ to wa, mura de mo kokoro aru mono no tsune ni kuchi ni iu tokoro de aru ga [...] (351) Hätten diese/dessen (sono) gütigen und aufrechten Grosseltern einen direkten Abkömmling gehabt, selbst ein Mädchen hätte genügt, so wäre es wohl nie so weit gekommen, pflegen verständige Dorfleute immer zu sagen, aber [...]

Der Erzähler führt aus, dass die kinderlosen Grosseltern Jnjemons einen Sohn adoptierten und ihn mit einem Mädchen des Dorfes verheirateten, das aus einer Familie stammt, die einen Mörder hervorgebracht hat. Diese Passage ist nicht mehr durch Verbalsuffixe, die Hörensagen oder indirekte Rede ausdrücken, sondern durch no de atta (konstatierende Aussage) gekennzeichnet. Die Liebe der Grosseltern, die ihren Enkel über alle Massen verhätscheln, wird wieder durch to iu als Redebericht gekennzeichnet. Darauf kommt Jnjemons Problem zur Sprache, dem auch die Grosseltern machtlos gegenüber stehen: die übergrossen Hoden. Weitere Redeberichte werden zitiert – die Erinnerung der alten Leute, dass sich Jnjemon eigentlich nicht von den anderen Kindern unterschied (ippan no hyǀ de atta – war die allgemeine Ansicht, 352), von Yamagatas Bruder, der als Kind mit Jnjemon spielte, (ima de ichiban kioku ni nokotte iru no wa – was [ihm] jetzt noch am meisten im

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Gedächtnis haftet, 352)36, sowie eine Beschreibung von Jnjemons Innerlichkeit (Emotionsausdrücke), gekennzeichnet durch to iu koto gurai no mono aru sǀ na (so ungefähr soll es gewesen sein, heisst es). Eine etwas übertriebene Floskel, die Tomiyamas Unsicherheit (er zitiert Reden, die er selbst nur gehört hat) signalisiert: Ima hitotsu, yoku ǀkintama o tane ni shite, iroiro azana o tsuketari, waruguchi o ittari suru mono dakara, shimai ni wa sore o iihajimeru to, iya na kao o shite, sekkaku tanoshige ni asonde ita no mo sugu ni yamete kaette shimau yǀ ni natta to iu koto gurai na mono de aru sǀ na. (353) Weil [die Kinder] bald auch die grossen Hoden [Jnjemons] zum Anlass nahmen, [ihm] allerlei Spitznamen zu geben oder [ihn] zu hänseln, sobald [sie] schliesslich diese (sore) zu sagen begannen, verzog [er] das Gesicht, und, obwohl [er] eben noch fröhlich gespielt hatte, hörte [IV] [er] gleich auf und ging nach Hause – so ungefähr soll es gewesen sein, heisst es.

Im darauf folgenden Kommentar versucht der Erzähler Tomiyama, sich Jnjemons Behinderung als einen der Gründe des Schicksals zurechtzulegen. Dabei wird Jnjemon vom Erzähler mit Teilnahme betrachtet und sogar kare genannt. Keredo sono sententeki fugnj ga kare no isshǀ no ue ni, hijǀ ni higeki no zairyǀ to natta no wa jijitsu de, ningen to umarete, kore hodo fushiawase na mono wa arumai. Sore kara aijǀ no kado, kore mo tashika ni kare no kyǀ no kyǀgnj ni ochiitta hitotsu no dai naru gen’in de, ǀkiku naru made, mago ya, mago ya to yasahii sofu ni chiyahoya sarete, ichiji mura no asobinakama no naka ni, Jnjemon to na o yobu mono wa naku, mago ya, mago ya de tǀtta nado mo, kare no higeki o omou hito no ynjryoku naru zairyǀ ni naru ni sǀi nai. (353) Dass aber diese/seine (sono) angeborene Behinderung den Grund zur Tragödie in seinem (kare no) Leben bildete, ist [IV] eine Tatsache; es gibt wohl [Präsumptiv] kein unglücklicheres als Mensch geborenes Wesen als dieses (kore). Dann das Übermass an Liebe, auch dies (kore) ist [IV] gewiss ein wichtiger Grund, dass er (kare) in die heutige (kyǀ) Lage geriet, denn bis [er] gross war [IV], wurde [er] vom liebevollen Grossvater als [mein] Enkel! [mein] Enkel! verhätschelt [IV] [und] zeitweise gab [IV] es im Dorf keinen unter den Spielgefährten, der ihn beim Namen Jnjemon rief [IV], auch dass [er] unter dem Namen [mein] Enkel!, [mein] Enkel! bekannt war, ist bestimmt ein wichtiger Grund für die Leute, die seine (kare) Tragödie bedenken [IV].

36

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Dies ist eine der Stellen, in denen der Erzähler, der die Gedanken einer dritten Person zitiert, an die Grenze der Wahrscheinlichkeit kommt.

Raffend wird die Zeit bis Jnjemons Pubertät überflogen (tsukihi wa nagaruru gotoku sugite – die Zeit verging im Flug, 353), die wirtschaftlich sich verschlechternde Lage der Familie beschrieben, die Tendenz von Jnjemons Vater, die Vergnügungsviertel zu besuchen und die Sorgen des Grossvaters, die in Figurenrede wiedergegeben werden: [...] hito no ii nanajnj chikai sofu ga, hitori de sore o shinpai shite, mago ya, mago ya to shikiri ni Jnjemon bakari to chikara ni shite, dǀ ka, kisama wa, oyaji no yǀ ni ikujinashi ni wa natte kureru na, jƯsan no dai no denchi o dǀka moto no yǀ ni kaifuku shite kureru to, hotondo kuchiguse no yǀ ni itte ita. (354) [...] der gütige, bald siebzigjährige Grossvater sorgte [IV] sich als Einziger darüber (sore), verliess sich ganz auf Jnjemon, [mein] Enkel!, [mein] Enkel!, sieh zu, dass du (kisama) [mir] nicht wie dein Vater eine Memme wirst (-te kureru), versuch die Felder aus Grossvaters (jƯsan) Zeit wieder wie früher zu bestellen (-te kureru), pflegte [er] immer und immer wieder zu sagen.

An dieser Stelle findet der Erzählerwechsel statt. Eingeleitet wird er durch die Wendung gozonji de wa aru mai (wie Sie wissen mögen, eine Anrede Nemotos an Tomiyama, die nicht in Anführungsstrichen steht), eine Klammerbemerkung des Erzählers Tomiyama sowie den Wechsel der Selbstreferenz des Erzählers von jibun (Tomiyama) zu watashi (Nemoto). Diese letztere ist allerdings selten und steht oft im Plural (watashira), da Nemoto sich selbst kaum erwähnt, da er nicht seine eigene Geschichte erzählt und in dieser Erzählung weniger als Individuum denn als Repräsentant des Dorfes fungiert. Gozonji de wa aru mai ka, [...] (jibun wa Nemoto Kǀsuke no kuchi kara kono monogatari o kiite iru no de,) mura ni wa [...] (354) Wie Sie vielleicht wissen, [...] (diese Geschichte hörte ich [jibun] nämlich aus dem Munde von Nemoto Kǀsuke), [hatte es] im Dorf [...]

Die Geschichte Fujita Jnjemons wird in der Folge von Nemoto erzählt, ein Erzählerwechsel, der in der Übersetzung Henshall’s nicht mitvollzogen wird. Nemoto macht sich wenig Gedanken über Jnjemons Geschick und sucht es auch nicht zu interpretieren. Die Funktion seiner Erzählung besteht darin, dem Leser ein Bild Jnjemons zu geben, indem er dessen Geschichte illustriert, Anekdoten und Geschehnisse einstreut, die Jnjemons Charakter und Werdegang sowie die Haltung der Dorfbewohner deutlich machen. Er kommentiert häufig, rafft und zitiert. Im

101

Unterschied zum Erzähler Tomiyama erwähnt er seine eigene Innerlichkeit selten und bringt sein erlebendes Ich kaum ins Spiel. Dieses Kapitel ist viel stärker von diegetisch-fiktionalen Mitteln geprägt und weist die meisten Erzählerkommentare sowie auktorialen Periphrasen auf, die dadurch bedingt sind, dass der Hörer Tomiyama die auftretenden Personen nicht kennt. Trotzdem scheint auch Nemoto seinen Zuhörer zu vergessen – wie schon der erste Erzähler zu vergessen scheint, dass er zu einer Gruppe von Herren spricht; auch er bemüht sich um Unmittelbarkeit, was zu Figurensprache in Redeberichten und vermehrt zu direkt zitierter Rede führt (vgl. Tabelle der Verteilung direkter Rede). Im Gegensatz zu Tomiyama gibt er meist Reden direkt wieder, an denen er nicht als Sprecher beteiligt war. Er scheint weniger als Tomiyama die Beschränkungen des Ich-Erzählers auf seinen Erfahrungshorizont zu beachten und strapaziert die Wahrscheinlichkeit des Erzählens um der Unmittelbarkeit willen. Er ist es, der längst vergangene Geschehnisse und Reden von Personen, einschliesslich Jnjemons, anführt. So werden zum Beispiel der Bericht von Jnjemons „erster Nacht“ wörtlich (in direkter Rede in Anführungszeichen) wiedergegeben (erzählt von einem jugendlichen Anführer, der die Aufgabe hat, andere Jungen des Dorfes in die Sexualität einzuweihen und auch Jnjemon ins Freudenhaus führt), Anekdoten, die Jnjemons Verwahrlosung und Unverantwortlichkeit belegen, Streitereien Jnjemons mit seiner Frau und der Versuch eines älteren Mannes, ihn zu ermahnen, werden berichtet. Es sind Reden, in denen Jnjemon selbst zu Wort kommt, und so ein Mittel gefunden wird, dessen Gedanken und Gefühle zu schildern. Dies bringt natürlich „Legitimationsschwierigkeiten“ mit sich, die der Erzähler Nemoto löst, indem er sagt, dieser oder jener habe ihm diese Geschichte erzählt: [...] sore ga yoku Jnjemon no uijin no yoru no koto o tokui ni natte hito ni hanashita. (355) [...] dieser (sore) [Katsugorǀ] pflegte den Leuten oft voller Stolz die Geschichte von Jnjemons Feuertaufe der [ersten] Nacht zu erzählen. Kore wa Teikichi no ato de no hanashi da ga, jissai sono toki wa ki no doku ni natte [...] to kokoro kara dǀjǀ o hyǀsazu ni wa iranakatta to iu koto da. (367) Das (kore) ist die Geschichte, wie sie Teikichi später erzählte, tatsächlich soll [er] damals Mitleid empfunden haben [...] und konnte, wie [er] sagte, nicht umhin, von Herzen Mitgefühl zu zeigen.

102

Der Abschluss von Nemotos Rede, der auf die oben zitierte Stelle folgt, ist nicht explizit markiert: Nach einem Kommentar steht ein Innerlichkeitsbericht, dessen Selbstreferenz jibun wieder Tomiyama bezeichnet. Jissai, Jnjemon da tote, ningen dakara, ima no yǀ na ranbǀ o hataraite mo, moto wa sono gurai no yasashii tokoro ga atta ka mo shirenai. Keredo sono karada no sententeki fubi ga sono konpon no aku no ikubun o katachi tsukutta to tomo ni, sono seishitsu mo mata sono zaiaku no ue ni dai naru eikyǀ o ataeta ni sǀi nai to, jibun wa tomo no hanashi o kikinagara, tsukuzuku kokoro no naka ni omotta. (367) In der Tat hatte Jnjemon, da [er] ein Mensch ist, auch wenn [er] sich jetzt (ima) so gewalttätig benimmt [IV], ursprünglich vielleicht einen gütigen Zug besessen. Doch zweifellos hatte sein/dieser (sono) angeborene körperliche Mangel in gewissem Masse diese/seine (sono) grundsätzliche Schlechtigkeit geprägt, und überdies beeinflusste sein (sono) Charakter diese/seine (sono) Verbrechen, dachte ich (jibun) zuinnerst während [ich] der Erzählung [meines] Freundes lauschte.

Auf diese Bemerkung folgt eine durch Sternchen markierte Leerzeile und eine stark raffende Zusammenfassung von Jnjemons weiterem Leben, von Tomiyama vermittelt: Kono ato no Jnjemon no rekishi wa tadatada odorokubeki zaiaku bakari [...] (367) Die Geschichte Jnjemons darauf [bestand aus] nichts als verabscheuungswürdigen Verbrechen [...]

Die Dorfbewohner machen keine Versuche mehr, ihn in die Gemeinschaft einzugliedern und Jnjemon seinerseits erpresst die Leute, indem er Feuer androht, wenn sie ihn nicht ernähren. 1.5.5

Elemente der Unmittelbarkeit

Jeder Text versucht immer wieder, Geschehnisse zu vergegenwärtigen. In Jnjemon no saigo geschieht dies einerseits durch direkte Rede- und Gedankenwiedergaben sowie Selbstgespräche, andererseits aber durch das Erzählen aus Figurenperspektive, das heisst, aus der Sicht des erlebenden Ich.

103

a) Direkte Redeberichte Kap

Anzahl Zeilen

DR Zeilen

Erz. Tomiyama

1

7.5 83.0 55.5 67.5 104.0 85.5 77.0 234.0 16.0 98.5 70.5 25.0 924.0

4.0 12.5 1.0 23.5 21.5 49.0 17.5 42.0 0.5 27.5 8.0 2.0 208.5

4.0 5.5 0.5 3.5 2.5 6.5 0.5 — 0.5 0.5 0.5 — 24.5

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Total

Jnjemon

— — — — — — — 6.5 — 12.0 — — 18.5

Nemoto Yamagata

— — — — 2.0 26.0 — — — 2.5 7.0 — 37.5

— 7.0 0.5 — — 15.0 — — — — — — 22.5

Dorfleute

— — — — 17.0 1.5 17.0 35.5 — 12.0 — 2.0 85.0

Andere

— — — 20.0 — — — — — — 0.5 — 20.5

%

53.3 15.0 — 34.8 20.6 57.3 22.7 17.9 3.1 29.4 11.3 8.0 22.7

Zur direkten Rede wurden nur die in Anführungszeichen gesetzten Textteile gezählt, ohne die direkt berichteten Gedanken des Erzählers (Kapitel elf) und die Erzählung Nemotos, wohl aber die Reden, die dieser in seiner Erzählung in Anführungszeichen vermittelt. Jnjemon no saigo enthält nur etwa 22 Prozent direkte Rede, was unter dem Durchschnitt von 30 Prozent liegt. Das ist darauf zurückzuführen, dass dieser Text sehr viel indirekte Rede enthält, die vergegenwärtigt wird, ohne in Anführungsstriche gesetzt zu werden. Während das erlebende Ich in den Eingangskapiteln als Gesprächspartner fungiert, direkte Rede also vergangene Ereignisse vergegenwärtigt (das dritte Kapitel ist eine Ausnahme und enthält kaum direkte Rede, da es ein summary-Kapitel ist), spricht Tomiyama in den späteren Kapiteln kaum, obwohl längere Passagen direkter Rede im vierten Kapitel einsetzen, wobei er zum Ohrenzeugen wird. Dies erklärt den hohen Anteil an Rede von Nemoto und den Dorfbewohnern. Von besonderem Interesse sind Kapitel sieben und zehn, in denen das erlebende Ich Zeuge von Gesprächen wird, an denen es selbst keinen Anteil hat. Diese Kapitel sind gespickt mit Ausdrücken wie -rashii (offensichtlich), koe ga suru (ertönen Stimmen), mieru (sichtbar sein) und kikoeru (hörbar sein). Obwohl die Szenen aus der Sicht des erlebenden Ich (Handlungsebene) geschildert werden und einen relativ

104

hohen Prozentsatz direkter Rede (22 beziehungsweise 27 Prozent) enthalten, gibt es immer wieder Übergänge zur Erzählerebene, in denen das erzählende Ich – kommentierend oder raffend – eingreift. Ausserordentlich ist die Tatsache, dass der Titelheld, Jnjemon, kaum spricht. Die Verteilung seiner Reden fällt auf das achte Kapitel (in dem er nicht anwesend ist) und das zwölfte Kapitel, in dem der Erzähler nur Ohrenzeuge ist und selbst wenig spricht. b) Direkte Gedankenberichte Gedankeninhalte stehen wie Redeberichte im Indikativ Präsens. Die Zeit des Denkens, nicht des Erzählens ist ausschlaggebend. Dies gibt dem Satzteil, der die Gedanken wiedergibt, eine grosse Unabhängigkeit und eine in westlichen Sprachen undenkbare Unmittelbarkeit. Da es grammatikalisch keine Unterscheidung zwischen indirekten und direkten Gedankenberichten gibt, führt dies einerseits zu fliessenden Grenzen zwischen den beiden, andererseits dazu, dass Gedanken, auch wenn sie von einem Verb des Denkens abhängig sind, direkt wiedergegeben werden können. Anzeiger dafür sind Gedankenstriche, Pünktchen oder Figurensprache. Das Verb des Denkens folgt meist am Schluss, und nur dieses nachgestellte Verb oder der Quotativ to weist diese Gedanken als berichtet aus. Der Quotativ to kann nach einer ganzen Reihe von Gedanken stehen, sogar durch einen Punkt abgetrennt sein – in einem Fall ist er durch eine Kapitelüberschrift vom Gedankeninhalt getrennt. Die Gedanken sind mit wenigen Ausnahmen diejenigen des erlebenden Ich. In den folgenden Beispielen sind es die Wendung ka shiran (wer weiss, Figurensprache), die Fragepostposition ka, kyǀ (heute) und kore (dieses [hier]), die in die Deixis der Figur gehören: Mata sono tsugi no hi mo yahari onaji yǀ ni kata o suriawasete, onaji yǀ ni samo mutsumashisǀ ni hanashiatte iku no de karera wa ittai doko ni iku no kashiran, jibunra ni kaeru hǀkaku ni kaette iku no ka shiran to omoinagara, futo [...] (310) Auch am nächsten Tag gingen [sie] gleicherweise Schulter an Schulter, schienen [IV] [sie] [sǀ da, Präsumptiv] gleicherweise vertraulich miteinander zu sprechen, wo gehen sie (karera) nur hin, gehen wir (jibunra) vielleicht (ka shiran) in die gleiche Richtung nach Hause, dachte [ich], als plötzlich [...]

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Zu Beginn der Erzählung werden die Träumereien des jungen Tomiyama direkt wiedergegeben, gefolgt von einem Verb des Denkens sore o sǀzǀ suru to (wenn ich mir dies vorstellte). Ɩ, hontǀ ni sono senkyǀ wa donna tokoro ka. Yama to yama to ga kasanariatte, soko ni kiyoi mizu ga nagarete, bokutotsu na ningen ga suki o ninatte ynjhi no kage ni tekuteku ieji o sashite kaette yuku kǀkei. Sore o sǀzǀ suru to knjsǀ wa knjsǀ ni shiyǀ o soete. Nandaka [dǀdaka] jibun no me no mae ni seiyǀ no rƯdƗ no naka no fƝrƯ no furusato ga chirazuite dǀ mo naranai. (314) Ah, was mochte [de arǀ, Dubitativ] dieses (sono) Feenland wirklich für ein Ort sein? Berge türmen [IV] sich auf Berge, dort (soko) fliesst klares Wasser. Der Anblick schlichter Menschen, den Spaten auf der Schulter, die sich in den Strahlen der untergehenden Sonne auf den Heimweg machen. Wenn [ich mir] dies (sore) vorstellte, trieb meine Fantasie Blüten, nichts half, vor meinen (jibun no) Augen erschien gar im westlichen reader das Land der fairies. Nan to iu yama kashiran... to jibun wa shibaraku sono kǀkei ni mitorete ita. (320) Was mag (ka shiran) das nur für ein Berg sein... so [denkend] war ich (jibun) geraume Zeit in den Anblick versunken.

Von dieser Art des Gedankenberichts ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Gedankenberichten, die nun ohne Verb des Denkens und Quotativ stehen. Diese kommen vor allem dann vor, wenn die Gedanken des erlebenden Ich in emotionell intensiven Situationen wiedergegeben werden. Oft sind es dabei Ausrufe oder Fragen, häufig sind Ausrufezeichen und an einer Stelle sogar ein Fragezeichen (normalerweise werden Fragen durch die Postposition ka signalisiert) gesetzt. Die Deixis ist die der Figur. Fehlt das einführende Verb des Denkens, entspricht dies dem Gebrauch der erlebten Rede in westlichen Sprachen. Die folgenden Beispiele stammen aus Kapiteln, in denen Figurenperspektive herrscht. Iya, sono tomo no ie – mura ichiban no daijin no ie de konna ni hikui chiisai mono to wa? (329) Nun, das Haus dieses (sono) Freundes – als Haus des reichsten Mannes im Dorf, etwas so (konna) Kleines, Niedriges? Naruhodo, ponpu ni sǀi nai. Keredo kono shizuka na yamanaka ni ano yǀ na pompu! Kaji nado wa nanjnjnen arǀ to mo omowarenu kono yamanaka ni, ano yǀ na pompu no renshnj! (326)

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Tatsächlich, ohne Zweifel eine Feuerwehrspritze. Aber in dieser (kono) ruhigen Bergwelt eine derartige (ano yǀ na) Spritze! In dieser (kono) Bergwelt, in der jahrzehntelang kaum der Gedanke an eine Feuersbrunst aufkam [omowareru, medialer Aspekt], eine derartige (ano yǀ na) Feuerwehrübung!

Die Gedankenwiedergabe als Selbstgespräch oder der Monolog 37 , in Anführungsstriche gesetzte, nicht verlautete Gedanken, die in Futabatei Shimeis Ukigumo sehr häufig vorkommen, sind in Jnjemon no saigo recht selten. Ausser den Belegen in Kapitel elf finden sich nur zwei Stellen, eine ist dem Erzähler (erlebendes Ich) zugeschrieben, die andere, schon zitierte, der Figur Jnjemon (360): „Ɩ, kore ga, kono Jnjemon no saigo da!“ to futatabi omotta jibun no mune ni wa [...] (379) „Ah! Das (kore) also ist das Ende dieses (kono) Jnjemon!“, dachte [ich] erneut, und in meiner (jibun no) Brust [...]

Fast das ganze elfte Kapitel besteht aus Innerlichkeitsberichten und direkten Gedankenberichten (32 Zeilen von 70). Diese wirken sentimental und pathetisch, (es ist die Stelle, die Tayama später bereut hat), sind aber deshalb wichtig, weil sie das neue Naturverständnis des erlebenden Ich ausdrücken, wobei nicht klar ist, ob der Erzähler diese Ansichten teilt, doch weisen fehlende Erzählerkommentare oder Distanzierungen darauf hin, dass dem so ist. Die Verben des Denkens signalisieren (vom Erzähler-Ich) berichtete innere Monologe handelt: „[...]“ to jibun wa dokugo shita. (380) „[...]“, sagte ich (jibun) zu mir selbst. „[...]“ to jibun wa fukaku omoihaitta. (386) „[...]“, versank ich (jibun) tief in Gedanken. „[...]“ to kokoro ni sakenda. (386) „[...]“, schrie [ich] in meinem Herzen.

37

Diese Art der Gedankenwiedergabe war zu dieser Zeit (in Europa) anachronistisch, und auch Tayama verwendet sie selten. Die Frage, warum er diesen Gebrauch macht, mag darauf zurückzuführen sein, dass er diese Gedanken explizit dem erlebenden Ich und nicht dem erzählenden Ich zuschreiben will.

107

Die verschiedenen Formen der Innerlichkeitswiedergabe kommen selten isoliert vor. Da die Verben des Denkens und Fühlens in die innere Welt der Figur führen, sind Übergänge von Innerlichkeitsberichten zu Gedankenberichten und weiter zu direkten Gedankenberichten und erlebter Rede vorprogrammiert. [...] jibun no kokoro o ugokashita no de atta. Ɩ kono heiwa na mura! Ɩ kono utsukushii shizen! To omou to suru to, ima itta saikun no kotoba ga yukuri naku mura mura to jibun no mune ni omoidasareta. Kono heiwa na mura ni pompu! Kono utsukushii mura ni hǀka! Toku ni nanjnjnen to sonna tameshi ga nakatta to iu kono mura ni! Kore wa nani ka imi ga nakute wa naranu. Kore wa kanarazu fushizen na koto ga atta ni sǀi nai to jibun wa omotta. Kusǀgachi naru jibun no mune wa ima shi mo kono yamanaka ni mo nao taenai jinsei no uzumaki no hageshiki o sǀzǀ shite, utata isshu no kan ni utareta no de atta. (334) [...] bewegten mein (jibun no) Herz. Ah, dieses (kono) friedliche Dorf! Ah, dieses (kono) ruhige Dorf! Ah, diese (kono) schöne Natur! So denkend, kam [omoidasareru, medialer Aspekt] mir (jibun) in den Sinn, was die Frau [Nemotos] eben jetzt (ima) erzählt hatte. In diesem (kono) friedlichen Dorf eine Feuerwehrspritze! In diesem (kono) schönen Dorf Feuersbrünste! Ausgerechnet in diesem (kono) Dorf, in dem solches jahrzehntelang nicht vorgekommen war! Das (kore) muss eine Bedeutung haben. Da (kore) musste bestimmt etwas Unnatürliches geschehen sein, dachte ich (jibun). Von unzähligen Gefühlen übermannt, stellte [IV] mein (jibun) zu Hirngespinsten neigender Sinn sich jetzt (ima) sogar auch in diesem (kono) Bergdorf den unaufhörlichen heftigen Mahlstrom des menschlichen Lebens vor, mehr und mehr wurde [ich] von Gefühlen übermannt.

Der Erzähler beginnt mit einem Innerlichkeitsbericht (kokoro o ugokashita). Die Betrachtung der Natur bewegt zu Ausrufen, die dem erlebenden Ich zugeschrieben werden müssen, wie ein nachgestelltes to omou to suru to (so denkend) zeigt; dies führt zur Erinnerung dessen, was der Erzähler von der Frau Nemotos gehört hatte. Die folgenden Sätze stehen ohne Quotativ, sind also direkt wiedergegebene Gedanken, die in einen Gedankenbericht (to jibun wa omotta, dachte ich) und darauf in einen auktorialen Innerlichkeitsbericht des Erzählers über sein damaliges erlebendes Ich münden. c)

Figurenperspektive

Diegetisch-fiktionale Texte bestehen aus zwei Ebenen, der Figuren- und der Erzählerebene. Figurenperspektive ist dadurch gekennzeichnet, dass die Wahrnehmung der erzählten Ereignisse aus der Sicht einer oder

108

mehrerer Figuren gestaltet wird; Orientierungspunkt des Erzählten sind die Figur/Figuren, nicht der Erzähler. 38 Erstaunlich ist, wie viel in Jnjemon no saigo aus Figurenperspektive erzählt wird. Im vorliegenden Text, der durch eine diegetisch-fiktionale Erzählsituation geprägt ist, d. h., in dem die personalisierte Erzählfunktion vorherrschend ist, ist es problemlos, aus der Perspektive des erlebenden Ich zu erzählen, da sich das erzählende Ich an vergangene Episoden erinnert, denn Das Erinnerungsvermögen des erzählenden Ich genügt zur Ermöglichung des Perspektivenwechsels von der Erzähler- zur Figurenperspektive.39

Während die Wiedergabe der verschiedenen Reden – inklusive der eingeschobenen Erzählung dieses „Erinnerungsvermögen“ des Erzählers bis an die Grenze treibt, sind die Szenen, die aus der Sicht des erlebenden Ich wiedergegeben werden in keiner Weise unnatürlich, ausser der Tatsache, dass die Figur stets „zur Stelle“ sein muss. Sobald der Held im Dorf ankommt, wird er zum Augen- und Ohrenzeugen; die Raum- und Zeitangaben ändern sich von der damalsdort-Deixis zur jetzt-hier-Deixis der Figur – der Erzähler schildert nicht mehr, als die Figur erfährt oder sieht. Besonders eindrücklich ist die Szene, als Tomiyama die Feuerwehrspritze zum ersten Mal erblickt. Auf Figurenperspektive deuten die Verben der Wahrnehmung und die Präsumptive to oboshiku (vermutlich), -rashii (offensichtlich), -te mieru (sich darbieten, zeigen), die die Eindrücke des erlebenden Ich, das diese Örtlichkeiten zum ersten Mal sieht, wiedergeben: [...] futo jibun no me ni haitta mono ga aru. ƿsugi no kage ni muramura to jukken bakari no jinka ga kuroku tsuranatte ite, sono mukǀ no ichidan takai tokoro ni shǀgakkǀ rashii ǀkina tatemono ga aru ga, sono hiroba to mo oboshiki atari kara, futamichi no shiroi mizu ga, midori naru ǀsora ni mukatte, chǀdo ǀkina funsuiki o shikaketa gotoku, sakan ni massugu ni heishutsu shite iru. Soshite sono sue ga utsukushiku ynjhi no hikari ni kagayaki watatte mieru. (325) [...] plötzlich fällt mir (jibun no me) etwas in die Augen. Im Schatten der Sicheltannen drängen [IV] sich etwa zehn Gebäude dunkel zusammen, dahinter, auf einer Erhöhung steht ein Gebäude, offensichtlich (-rashii) die Volksschule, und von einem Ort, vermutlich [to oboshiku, Präsumptiv] der [Pausen]Platz, schiessen zwei 38 39

Vgl. Tarot (1995: 189). Tarot (1995: 99).

109

weisse Wasserstrahlen gerade gegen den blauen Himmel auf, gleichsam zwei Fontänen eines Springbrunnens. Und deren (sono) Spitzen sind, herrlich blitzend die Strahlen der Abendsonne durchquerend, sichtbar (mieru).

Wird eine Szene aus der Wahrnehmung des erlebenden Ich geschildert, finden sich die Ortsangaben koko (hier) statt soko (dort), die Zeitangaben ima (jetzt), kyǀ (heute) oder koyoi (heute Abend) sowie die Deiktika kono (diese/s/r hier) statt sono (diese/s/r dort, jene/s/r). Itsumo kikoeru to iu mushi no koe sae koyoi dǀ shite ka ne o tatta. (339) Sogar die sonst immer hörbaren [kikoeru, medialer Aspekt] Stimmen der Insekten sind, warum auch immer, heute Abend (kon’ya) verstummt. [...] sate ima kono ichibetsu. (342) [...] und jetzt (ima) dieser Anblick. ƿku no isshitsu – naruhodo koko wa sukoshi seiton shite iru. (332) Das innere Zimmer – tatsächlich, hier (koko) herrscht etwas Ordnung.

Ebenso perspektivierend wirken nachgestellte Verben wie -te kuru, die eine Bewegung zum erlebenden Ich andeuten; diese Stellen sind im Vergleich zu späteren Texten eher selten. Kono toki futo „yƗ!“ to itta niwa kara haitte kita mono ga atta. (338) In diesem (kono) Moment kam jemand vom Garten her herein (-te kuru) und rief „yƗ!“

Elemente, die sonst dem erzählenden Ich zugeschrieben werden wie Periphrasen oder Vergangenes, können in Figurenperspektive eingebaut sein, denn die Figur sieht, erinnert jetzt. In diesem Text kommen vor allem Umschreibungen von Personen häufig in Figurenperspektive vor: Futo shoikago o kabutte chnjoyaji ga mukǀ kara nobotte kita no de [...] (320) Unversehens war ein Mann mittleren Alters mit einer Tragbütte von der anderen Seite her [herauf]gekommen (-te kuru) [...].

110

Futo miru to, [...] shiroi tenugui o kabutta hitori no onna ga [...] (329) Unversehens erblickte [ich] [...] eine Frau mit einem weissen Kopftuch [...]

Umschreibungen kommen auch in den Gedanken des erlebenden Ich vor, wie die schon zitierten Beispiele, als Tomiyama Nemotos Frau und Vater erblickt, die so gar nicht seinen Vorstellungen entsprechen, und in seinem Selbstgespräch über Jnjemon und dessen Mädchen. „Keredo, kono shizenji! Kono awaremubeki shizenji no isshǀ mo [...]“ (386) „Und doch, dieses (kono) Kind der Natur! Auch das Leben dieses (kono) erbarmungswürdigen Kindes der Natur [...]“

Rückblicke sind selten, meist nur angedeutet und führen zu direkten Gedankenberichten: Soshite kon’ya no dekigoto o kangaeta. (348) Und [ich] dachte über die Geschehnisse des heutigen Abends (kon’ya). [...] ima itta saikun no kotoba ga yukuri naku mura mura to jibun no mune ni omoidasareta. Kono heiwa na mura ni pompu! Kono utsukushii mura ni hǀka! Toku ni nanjnjnen to sonna tameshi ga nakatta to iu kono mura ni! Kore wa nani ka imi ga nakute wa naranu. Kore wa kanarazu fushizen na koto ga atta ni sǀi nai to jibun wa omotta. (334) [...] kam mir (jibun) in den Sinn, was die Frau [Nemotos] eben jetzt (ima) erzählt hatte. In diesem (kono) friedlichen Dorf eine Feuerwehrspritze! In diesem (kono) schönen Dorf Feuersbrünste! Ausgerechnet in diesem (kono) Dorf, in dem solches jahrzehntelang nicht vorgekommen war! Das (kore) muss eine Bedeutung haben. Das (kore) muss bestimmt etwas Unnatürliches sein, dachte ich (jibun) mir.

1.5.6

Verquickung der Ebenen

Der Wechsel von Erzählerperspektive zur Figurenperspektive kann mühelos geschehen – besonders bei den Gedankenwiedergaben, wie die oben stehenden Beispiele zeigen. Hier eine Stelle, in der der Erzähler eine Szene aus der Sicht des erlebenden Ich wiedergibt, die Raffungen (vor allem Gleichzeitigkeit und Iteration) und Figurenperspektive (-rashii, to oboshiku, mieru) verbindet. Dabei ist die ganze Passage präsentisch gehalten, was einerseits die Unmittelbarkeit der Szene betont, andererseits darauf deutet, dass es sich um einen jetzt ablaufenden

111

Vorgang handelt, der aus der Sicht des erlebenden Ich noch nicht abgeschlossen ist, also eher den Aspekt der unvollendeten Handlung als das Tempus der Vergegenwärtigung (historisches Präsens) betont. Pompu no mizu o kumiageru mono, zukku no kuda o ninau mono, kuda no saki o motte, shikiri ni doai o hakatte iru mono, yare ima sukoshi chikara ireru no, yare kuda ga sukoshi yoko ni magaru no, yare moru no, yare tsumetai no to, sore wa hitokata naranu ǀsawagi de, sewaninrashii shirushibanten o kita gojnj kakkǀ chnjoyaji ga shikiri ni sore o sashizu shite iru ni mo kakarawazu, ichido wa mada yoku pompu no tsukaikata ni narenu to oboshiku, kuda kara heishutsu suru mizu o omou tokoro ni yarǀ to suru ni wa, mada yohodo konnan rashii arisama ga akiraka ni mieru. (326) Jene, die Wasser für die Spritze schöpfen, jene, die das Segeltuchrohr schultern, jene, die die Spitze des Rohrs halten und unaufhörlich [und eifrig] zu zielen versuchen, bald [rief jemand] „jetzt etwas stärker!“, bald „das Rohr etwas zur Seite!“, bald „es rinnt!“, bald „wie kalt!“, – das (sore) ist [IV] ein Riesenspektakel und, obwohl ein etwa fünfzigjähriger Mann in Arbeitskleidung, wie ein Verantwortlicher aussehend (-rashii), unaufhörlich [und eifrig] Anweisungen gibt, sind [die Leute] es offenbar [to oboshiku, Präsumptiv] nicht gewohnt, eine Feuerspritze zu gebrauchen, und wie [sie] versuchen, das Wasser, das aus dem Rohr schiesst, an den gewünschten Ort zu lenken, ist deutlich zu sehen [mieru, medialer Aspekt], dass sie damit offensichtlich (-rashii) Schwierigkeiten haben.40

Im letzten Beispiel führt ein Verb des Denkens zu einem Gedankenbericht, worauf ein Rückblick folgt, in dem der Erzähler eine direkte Rede ins Gedächtnis ruft und schliesslich die Gedanken der Figur (des erlebenden Ich). Diese sind als direkte Gedankenberichte (erlebte Rede) durch die fehlenden Einführungsverben, die deiktischen Ausdrücke (kon’ya, sakihodo, kono mura) und die häufige Fragepostposition ka gekennzeichnet. Sie werden durch einen auktorialen Innerlichkeitsbericht und eine rhetorische Frage abgeschlossen – das heisst, es herrscht wieder Erzählerperspektive, eingeleitet durch die raffende Zeitangabe tsui ni (schliesslich). Jibun wa gake ni yotte, soshite kon’ya no dekigoto o kangaeta. Tomo no kotoba yara, mura no hyǀban yara kara sǀgǀ shite miru to, kono jiken no chnjshin ni natte iru Jnjemon to iu otoko wa tashika ni jibǀjiki ni ochiitte iru ni sǀi nai to jibun wa omotta. Keredo dǀshite kare wa sono jibǀjiki no kurai kyǀ ni ochiitta no de arǀ ka. Saki hodo no rǀba no iu tokoro ni yoreba, sofusama ga warui no da, amari 40

112

Das Original hat weder Anführungs- noch Ausrufezeichen; zum besseren Verständnis wurden sie in der Übersetzung gesetzt.

kawaigarisugita kara, sore de anna fnj ni natta no da to iu keredo, tan ni aijǀ no katei to iu no mi de, sore de ningen ga onore no furusato no kaya o yaku to iu hodo no hageshii ankoku no kyǀ ni ochiiru de arǀ ka. Toku ni kono mura de wa isshu no bǀken no shisǀ ga michiwatatte ite, moshi tan ni furusato ni irerarenu to iu bakari naraba, Nemoto no chichi no yǀ ni, mata wa Shiochǀ no ynjya no yǀ ni, ikidǀri o hasshite takyǀ ni dete, sore de meiyǀ o kaifuku shita tameshi wa ikura mo aru. De aru no ni, sore o aete shiyǀ to mo sezu, kǀ shite furusato no hito ni hankǀ shite iru to iu no wa, soko ni nani ka riynj ga nakute wa naranu. Sono riynj wa sententeki seishitsu ka, sore to mo mata kyǀgu kara okotta koto ka. Shushu ni knjsǀ o takumashnj shita ga, mada sono hito o sae mita koto no nai mi no, kanzen ni sore o dantei suru koto ga dǀshite dekiyǀ. Tsui ni omoikitte, soshite kitaku subeku ieji ni tsuita. (348–349) Ich (jibun) lehnte [IV] [mich] gegen den Fels und bedachte die Geschehnisse des heutigen Abends. Versuchte [ich mir], aus den Worten des Freundes und aus dem Gerede des Dorfes ein Bild zu machen, so glaubte ich (jibun), dass der Mann namens Jnjemon, der den Mittelpunkt dieser (kono) Geschehnisse bildete, tatsächlich und zweifellos jeden Halt verloren hat. Doch weshalb ist er (kare) wohl [de arǀ, Dubitativ] in diese (sono) düstere Lage, [sich selbst] aufzugeben, geraten? Nach den Worten der alten Frau von vorhin zu schliessen, ist der Grossvater [Honorativ] schuld, es ist so gekommen, weil [er ihn] allzu verhätschelt hat, doch gerät ein Mensch einfach durch den Prozess der Liebe in so eine (anna) wilde, düstere Lage, dass er die Häuser im eigenen (onore no) Dorf abbrennt? Ausgerechnet in diesem (kono) Dorf, das von einer Art Abenteuergeist erfüllt ist, in dem es jede Anzahl von Beispielen gibt, dass [man], wird [man] nicht akzeptiert, in Zorn gerät und, wie Nemotos Vater oder der Badehausbesitzer in Shiochǀ, das Dorf verlässt und an einem anderen Ort den guten Ruf wieder herstellt. Und doch, ohne auch nur diesen Versuch (sore) zu machen [und] so (kǀ shite) den Leuten des Dorfes zu trotzen, muss einen Grund haben. [Ist] dieser (sono) Grund der angeborene Charakter, oder [ist es] etwas, was aus dem Milieu entstanden ist? [Ich] liess allerlei Fantasien freien Lauf, doch wie sollte jemand (mi), der diesen/jenen (sono) Menschen noch gar nie gesehen hat, zu einem endgültigen Schluss gelangen können? Schliesslich gab [ich] es auf, darüber nachzudenken [und] begab [mich] auf den Weg nach Hause.

Dieser letzte Abschnitt zeigt deutlich den Übergang von Erzähler- zu Figurenperspektive, die Art wie ein Verb des Denkens in die Innerlichkeit der Figur führt. Hier bahnt sich die Interpretation der Geschehnisse an, die auf eine „naturalistische Fragestellung“ zielen.

113

1.6 Ergebnisse 1.6.1

Die Erzählsituation

Der Versuch Tayamas, den Stoff glaubwürdig zu vermitteln, führt ihn dazu, die fiktionale Als-Wirklichkeit als die Erfahrung eines IchErzählers zu konzipieren, der selbst als Figur in der Erzählung auftritt, aber nicht die eigene Geschichte erzählt. Dies bedingt einerseits die ausserordentlich vielen indirekt vermittelten Reden, die in den Expositionskapiteln Vergangenes aufrollen, das eingeschobene achte Kapitel, das die Vorgeschichte Jnjemons erzählt, und andererseits die Rolle des Erzählers als Augen- und Ohrenzeuge, besonders in den Handlungskapiteln fünf bis sieben und neun bis elf, in denen der Anteil direkter Rede merklich höher ist als in den anderen, obwohl der Erzähler selbst kaum spricht. Was an dieser Erzählung am meisten in die Augen fällt, ist die Tatsache, dass so viel aus Figurenperspektive erzählt wird. Obwohl Jnjemon no saigo durch eine diegetisch-fiktionale Erzählsituation geprägt ist, sogar durch einen Erzähler, der in eine fingierte Sprechsituation eingebettet ist (eine personalisierte Vermittlungsinstanz hat viel eher als ein Er-Erzähler die Tendenz, sich als solche ins Bild zu bringen, was bei allen frühen Erzählungen Tayamas beobachtet werden kann), sind Erzählereinmischungen erstaunlich selten. Der Erzähler scheint seine Zuhörer zu vergessen, wie auch Nemoto seinen Zuhörer Tomiyama zu vergessen scheint. Die Anreden an die Zuhörer [Leser], die Hinweise auf den Erzählvorgang und die Aussagen im gnomischen Präsens verteilen sich auf die ersten und letzten zwei Kapitel, sowie das achte Kapitel, das von Nemoto berichtet wird. Kommentare auf der erzählten Ebene kommen recht selten vor, da diese in die Gedanken des erlebenden Ich eingebaut sind. Die Handlungskapitel sind durch Unmittelbarkeit gekennzeichnet, da das erlebende Ich zum Augen- und Ohrenzeugen wird, also Figurenperspektive herrscht. Der Leser erfährt von den Geschehnissen durch die Wahrnehmung des unwissenden Helden und nimmt an dessen Fragen und Gedanken teil. Dadurch wird die Sympathie des Lesers gelenkt, auf die vom Autor intendierte Interpretation des Textes hingewiesen und Spannung erzeugt. Die einer Ich-Erzählung inhärente Beschränkung auf den Wissensund Wahrnehmungshorizont des Erzählers bedeutet, dass dieser nur seine eigene Innerlichkeit glaubhaft wiedergeben kann, aber keinen

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Einblick in die Gedanken anderer hat. Da nun aber die Innerlichkeit des Titelhelden ein zentrales Anliegen der Erzählung ist, muss sich Tayama durch eine äusserst komplizierte Verschachtelung wiedergegebener Reden über diese Beschränkung hinwegsetzen (Nemoto erzählt Tomiyama, dass ihm ein alter Mann erzählte, was Jnjemon gesagt und gedacht hatte). Weitere Möglichkeiten, die Innerlichkeit anderer Figuren einzubringen, bestehen darin, sie selbst sprechen zu lassen, eine Möglichkeit, die in dieser Erzählung nicht wahrgenommen wird. Der Erzähler spricht nie mit Jnjemon und dieser wäre vermutlich nicht in der Lage, seine Gefühle differenziert zu formulieren. So werden deren Innerlichkeit in Mimik und Gestik aufgezeigt (Emotionsausdrücke) oder der Erzähler stellt sich die Innerlichkeit der anderen Figuren vor, ein Vorgehen, das besonders im Falle von Jnjemons Innerlichkeit angewandt wird, da es wichtig ist, dass der Leser die Sympathie des Erzählers teilt. Der Leser erfährt kaum etwas über den Erzähler. Er ist Ohren- und Augenzeuge, aber nicht Handlungsträger, er kommt just dann ins Dorf, als die Aufregungen ihren Höhepunkt erreichen und ist Zeuge der Geschehnisse. Er muss sich die Vorgeschichte erzählen lassen oder horchen, was erklärt, weshalb die Verteilung der direkten Rede (siehe Tabelle) so ausserordentlich ist: Weder der Erzähler noch der Held haben den grössten Anteil, sondern andere, besonders unidentifizierte Dorfleute (mura no hito). Der Versuch, die Vorgeschichte in den Wahrnehmungshorizont des erlebenden Ich einzubauen, ist auch der Grund für die eingeschobene Erzählung im achten Kapitel, die sehr wohl von Tomiyama hätte berichtet werden können. Im achten Kapitel wird Nemoto zum Erzähler, auch er spricht zu einem Zuhörer und neigt zu häufigen Kommentaren. Er bemüht sich wie Tomiyama um Unmittelbarkeit, indem er Szenen aus der Vergangenheit lebendig werden lässt, und die Erzählungen und Gespräche anderer Personen (die Jnjemon persönlich kannten) wörtlich zitiert. (Tomiyama als Erzähler zitiert nur Reden, bei denen er anwesend ist, auch wenn er selbst nicht spricht). Nemoto selbst bleibt im Hintergrund und breitet seine Gedanken und Gefühle nicht aus, während der Erzähler Tomiyama zwar seinen eigenen Hintergrund nicht vermittelt, wohl aber seine Gedanken und Gefühle. Dies ist wohl, neben der Geschichte Jnjemons, eine der Intentionen des Werkes, nämlich die Schwärmereien des jugendlichen Ich (meist auktoriale Gedankenberichte), dessen Ernüchterung angesichts der Realität des Dorfes (meist der erlebten Rede

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entsprechende direkte Gedankenberichte, die auf seine Wahrnehmungen, folgen und schliesslich seine Einsichten in die Natur des Menschen, die in direkt zitierten Gedanken (in Anführungszeichen) wiedergegeben werden. Die Erzählung ist im grossen Ganzen chronologisch aufgebaut, der Erzähler beginnt „am Anfang“ und erzählt die Geschichte zu Ende, wobei die eingeschobene Erzählung (eine Rückwendung) sich mit jenen Aspekten befassen, die der Erzähler nicht aus eigener Erfahrung kennt. Im Vergleich zur Einleitung ist der Schluss etwas abrupt, der Erzähler reist überstürzt ab, um dann, wieder an seine Zuhörer gewandt, eine versöhnliche Coda anzubringen. 1.6.2

Folgerung für die Interpretation

Tayama hat hier nicht die Ereignisse „wie sie sind“ (sono mama) berichtet, sondern als intentionalen Sachverhalt, der diese übersteigt. Die Darstellung eines kriminellen Aussenseiters wird vom Erzähler mit Sympathie aus seinem Milieu und Hintergrund zu erklären versucht, und der Gesinnungswandel des Erzählers von einem Schwärmer und Fantasten, der die „Natur“ entdeckt, beschrieben. Jnjemon no saigo ist eine Erzählung, die in Tayamas Karriere einen wichtigen Platz einnimmt. Die Entdeckung der Sexualität des Menschen, seiner animalischen Natur sollte für Tayamas Schaffen bestimmend werden. Die zwiespältige Haltung des Erzählers zur Natur, die zwischen Schwärmerei und Erschrecken über ihre Grausamkeit schwankt, seine ebenso zwiespältige Haltung zur Natur des Menschen zwischen Bewunderung für das „Kind der Natur“, das ausserhalb der dörflichen Gemeinschaft lebt und der Notwendigkeit des Zusammenlebens (Kultur und Zivilisation), ist für dieses Werk bestimmend. Einen auffallenden Kontrast bilden die überschwänglichen Naturbeschreibungen, das Entzücken des erlebenden Ich, seine Erwartung, sich vom „Schmutz“ der Welt erholen zu können und seine Enttäuschung beim Anblick des Hauses und der Frau seines Bekannten - eine Dekonstruktion der Idylle bäuerlichen Lebens, wie sie die Meiji-Regierung gerne aufrief und wie sie Tayama selbst in seinen frühen Werken beschrieben hatte.41 Ebenso kontrastreich zu den Gefühlen der Dorfbewohner ist die Sympathie des Erzählers für Jnjemon, einem in jeder Beziehung asozialen Wesen. 41

116

Vgl. Gluck (1985: 178–204).

Die Frage, die sich der Erzähler stellt, besteht darin, warum Jnjemon geworden ist, wie er ist, warum er zum Untergang (im Gegensatz zu all den anderen Beispielen von „Ausreissern“, die ihre Fehler gutzumachen vermochten) verurteilt ist. Die Antwort, die dieser Text gibt, ist der Einfluss des Milieus und der Vererbung – und damit setzt sich Tayama von der konfuzianischen Auffassung von der guten Natur42 des Menschen ab, in der Sexualität totgeschwiegen und vor allem Askese, Fleiss und Sparsamkeit betont wurde 43 und übernimmt die Auffassung der Naturalisten, die die Natur weder als gut noch böse, schön oder hässlich betrachteten.44 Die Gewahrwerdung der sexuellen Natur des Menschen und der Versuch, sie in einer restriktiven Gesellschaft auszuleben, führt zur Tragödie, in Jnjemon no saigo zum Krieg mit den Dorfbewohnern. Dieser Gegensatz wird durch die fleischgewordene Vorstellung des asozialen „Kindes der Natur“ ( ⥄ὼఽ, shizenji), wenn auch plakativ, deutlich gemacht. Der Widerstreit zwischen der unverfälschten Natur und der entfremdeten (zivilisierten) des Menschen in einer sich nun nicht mehr trostreich darbietenden Natur als Landschaft bildet den Hintergrund für Jnjemon no saigo. Dieser Gegensatz wird als Widerstreit von Sexualität und Konvention Tayamas Hauptthema bleiben, wenn auch seine späteren Erzählungen in der Grossstadt angesiedelt sind, und ein anderer Akzent im Mittelpunkt steht - die ungelebte Sexualität.45

42 43 44 45

Bellah (1985). Jnjemon no saigo wurde denn auch von der konservativen Kritik als unmoralisch verworfen. Maeda (1993: 131–136). Vgl. das in der Einleitung zitierte Vorwort Kosugi Tengais zu Hayari uta. Vgl. Yoshida (1970a: 297), der die Mädchenverehrung in den frühen Werken Tayamas als „Kehrseite der unterdrückten Sexualität“ beschreibt.

117

2

Shǀjobyǀ

2.1 Entstehung Die kurze Erzählung Shǀjobyǀ46 erschien im Mai 1907 in der Zeitschrift Taiyǀ, die dem Verlag Hakubunkan gehörte. Der Titel, wörtlich „Mädchenkrankheit“, bezeichnet „die krankhafte Sehnsucht nach jungen Frauen“ und wird allgemein als erstes Werk der „naturalistischen Phase“ Tayamas bezeichnet. In der Zeit nach Jnjemon no saigo verfasste Tayama weniger Erzählungen als Übersetzungen, Reiseberichte, Kriegsreportagen und -tagebücher. Daneben entstanden Schriften zur Literatur sowie Rezensionen. Tayamas Erzählungen nach Jnjemon no saigo befassten sich zunächst mit jungen Männern, meist Studenten, die in Tǀkyǀ Karriere zu machen versuchen, zwischen zwei Frauen (einer Jugendliebe und einer anderen, oft leidenschaftlichen, reichen oder modernen Frau) stehen, und, da sie sich nicht entschliessen können, beide verlieren. Diese Erzählungen entsprachen einerseits dem Bedürfnis, Innerlichkeit auszudrücken, andererseits dem Bedürfnis nach Identifikationsangeboten für junge Männer, die unter Entsagungen ihre Studien in der Hauptstadt absolvierten und in einen Zwiespalt zwischen Altem und Neuem gerieten, der jeweils durch die Haltung der Protagonisten zu den Frauenfiguren illustriert wird. Um 1903 tritt mit Jokyǀshi (ᅚᢎᏧ, Die Lehrerin)47 zum ersten Mal eine neue Variante dieses Themas auf. Ein Schriftsteller, der mit einer an Literatur völlig desinteressierten Frau verheiratet ist48, sehnt sich nach einer gebildeten, modernen Frau, der „neuen Frau der Meiji-Zeit“, eine dem Gatten ebenbürtige Partnerin, die ihre Rolle nicht nur als „weise Mutter und gute Gattin“ ( ⾫ Უ ⦟ ᆄ , kenbo ryǀsai) versteht, wie die Meiji-Regierung sie definierte. 46 47

48

Tayama (1993, Katai zenshnj 1: 667–687). Der Titel dieser Erzählung wird heute meist mit Onna kyǀshi wiedergegeben, nach Tayama Katai shoshi (Werkbibliografie Tayama Katais) ist Jokyǀshi die ursprüngliche Lesung. Dieses Thema wurde von vielen Schriftstellern der Zeit aufgegriffen und spiegelt die niedrige gesellschaftliche Stellung der Verfasser von erzählender Literatur, die nicht der Erwartung einer Ehefrau an einen gebildeten Mann entsprach.

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Bei der Beschreibung dieser Frauen spielen Kleidung, Aufmachung und Frisuren eine zentrale Rolle, vor allem die damals aufkommende Mode der Studentinnen in rotbraunen Rockhosen, mit Haarschleifen, über der Stirn nach vorn gebauschten aufgesteckten Frisuren ( ᐤ 㜬 , hisashigami) und goldenen Fingerringen. 49 Während in Jokyǀshi der platonische Aspekt der Sehnsucht im Mittelpunkt steht, wird in Nabari shǀjo (ฬᒛዋᅚ, Das Mädchen von Nabari, 1905) eine Adaptation einer Erzählung von Maupassant, die Affäre eines verheirateten Mannes beschrieben, eine der wenigen Erzählungen, in der ein Fehltritt gebeichtet wird. Diese Beichte aber wird von der Gattin (Ich-Erzählung) in gehobener Sprache geschildert, ist dadurch bar jeder Anzüglichkeit und bietet überdies die Möglichkeit, den „Fehltritt“ des Protagonisten zu verzeihen. In anderen Erzählungen wird der sexuelle Aspekt einer Beziehung thematisiert und zwar – im Gegensatz zu Jnjemon – die Sexualität eines gebildeten Menschen, der zwischen Konvention und Tradition (von den Müttern und Ehefrauen vertreten) und neuen Ideen steht und sich nicht freidenken kann. 50 Ein anderer wichtiger Themenstrang, der Tayama beschäftigte, sind Porträts nicht mehr junger Männer, die einst hoffnungsfroh nach Tǀkyǀ fuhren, dort scheitern oder geknickt aufs Land zurückkehren. Dazu gehören die beiden Erzählungen Higeki? (Tragödie?, 1904) und Akibare (Herbstsonne, 1906), in denen ein peripherer Ich-Erzähler vom Schicksal einstiger Freunde berichtet. Aspekte der „neuen Mobilität“, der risshin shusse Ideologie, in Jnjemon no saigo noch positiv bewertet, werden nun schonungslos blossgelegt, vor allem der Aspekt sexueller Entbehrung oder dessen Gegenteil, die

49

50

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Die Kleidung und Frisur einer Figur spielen in den Erzählungen Tayamas eine wichtige Rolle, da sie besonders in dieser Zeit heftiger Veränderungen Bedeutungsträger sind, und die Personen ihrem Alter und ihrer sozialen Stellung entsprechend gekleidet sind. Vgl. auch Pörtner (1990). Eine Variation dieses Themas ist Nagai Kafnjs Jigoku no hana (࿾ₐߩ⧎, Blumen der Hölle, 1902), die Schilderung des Reifeprozesses einer Frau, die sich ihrer selbst gewahr ( ⥄ ⷡ , jikaku) wird, sich von gesellschaftlichen Zwängen, von Streben nach Ruhm und Ehre löst und individuelle Freiheit und Autonomie erlangt (⥄ಽߩ⥄↱⥄ᴦ, jibun no jiynjjichi) – ein Weg, den auch Nagai einschlagen sollte. Diese im gleichen Jahr wie Jnjemon no saigo entstandene Erzählung, deren Nachwort die animalische Natur des Menschen betont und die Konventionen einer veralteten Ideologie anprangert, wird ebenfalls der frühnaturalistischen Phase zugeschrieben. In: Nagai (1993, Kafnj zenshnj 2: 105–121).

Ausschweifung), die Ausbeutung der jungen Idealisten, der Überlebenskampf in der Grossstadt und die Situation jener, die gebrochen als Dorflehrer enden.51 Neu an Shǀjobyǀ und Futon ist, dass der Held, ein verheirateter Literat, als Versager oder Aussenseiter mittleren Alters 52 geschildert wird, als ein Mann, der erfolglos sein Leben mit einer Anstellung in einem Verlag verdienen muss. Ebenso neu ist die Verbindung eines Protagonisten, der mit Zügen Tayamas ausgestattet ist, mit einer („objektiven“) Erzählhaltung in der dritten Person sowie die Verschmelzung der beiden Themen „sexuelle Entbehrung“ und „Erfolglosigkeit“.

2.2 Inhalt Ein nicht mehr junger Schriftsteller namens Sugita Kojǀ arbeitet in einem Verlag im Zentrum Tǀkyǀs als Korrektor. Er ist von uneinnehmendem Äussern, grossgewachsen, schäbig gekleidet und kürzlich in den neu erschlossenen Vorort Sendagaya gezogen, in ein billiges, kleines Mietshaus. Sein Leben ist begleitet von Lärm, dem Donnern und Pfeifen der Züge, dem Schrillen des Telefons (alles noch ungewohnte Geräusche) und geprägt von Monotonie und Überdruss: Jeden Morgen – er fungiert als „Zeitmesser“ für die Menschen, die am Wege wohnen – stapft er zum Bahnhof, pendelt nach Tǀkyǀ, verbringt seinen Tag mit langweiliger Arbeit in einem dunklen Büro, wo er den hintersten Platz neben dem Telefon einnimmt. Seine literarische Karriere ist an einem Tiefpunkt angelangt, und er wird von seinen Kollegen wegen seiner „Mädchenromane“ gehänselt. Seine Frau ist (in seinen Augen) früh gealtert, er sehnt sich nach Liebe und Erneuerung. Seine Einsamkeit und Lebensmüdigkeit werden von zwei Vergnügen erhellt: In freien Minuten schreibt er shintaishi (ᣂ૕⹞, Gedichte in freier Form im Gegensatz zum waka [๺᱌], dem formal bestimmten traditionellen japanischen Gedicht) und während der Fahrt zur Arbeit betrachtet er Mädchen. Dies löst Sehnsüchte (ᙏࠇ, akogare) aus und führt zu Tagträumereien und Fan51 52

Vgl. Maeda (1993: 140–145). Die Helden von Shǀjobyǀ und Futon sind Ende dreissig. Das vierzigste Jahr, fuwaku (ਇᖺ, chin. bu huo) genannt, ist das Alter, in dem ein Mann nach konfuzianischer Auffassung seinen Weg ohne Zögern geht. In: Lun yu (⺰⺆, Gespräche [des Konfuzius], jap. Rongo) 4.2.

121

tasien, die ihn alles vergessen lassen, ihn in Zustände des Entzückens (ᕞ ᗀ, kǀkotsu, uttori glossiert) und Geistesabwesenheit versetzen und ihm schliesslich das Leben kosten, als er in einem überfüllten Zug in den Anblick eines seiner Traumgeschöpfe versunken, von der äusseren Plattform stürzt und von einem entgegenkommenden Zug überfahren wird. In einem eingeschobenen Gespräch, an dem der Protagonist nicht teilnimmt, diskutieren seine Freunde seinen Fall und bringen verschiedene Erklärungen für seine „Krankheit“ (Veranlagung oder Zerstörung der Lebenskraft durch Onanie) vor.

2.3 Aufbau und Zeitstruktur Shǀjobyǀ trägt weder Untertitel noch Gattungsbezeichnung, es hat weder Vorwort noch Nachwort. Die Erzählung umfasst 21 Seiten oder 234.5 Zeilen und ist in fünf mit Ziffern bezeichnete Kapitel gegliedert, deren Länge zwischen drei und sechs Seiten schwankt, wobei das letzte Kapitel das längste ist. Leerzeilen kommen keine vor. Die erzählte Zeit beträgt einen Tag, das heisst, es ist eine Erzählung, die einen Tag aus dem Leben eines Mannes schildert, der wie alle anderen Tage seines Lebens anfängt, aber sein letzter ist. Die Erzählung ist chronologisch aufgebaut und beginnt (nach einer iterativ gerafften Eingangspassage, in der der Mann auf dem Weg zum Bahnhof beschrieben wird) mit der Ankunft am Bahnhof von Yoyogi, folgt ihm auf dem Weg nach Kanda bis zu seinem Arbeitsplatz und schildert schliesslich die Rückfahrt, während der er verunglückt. Allerdings wird die Chronologie weniger durch Zeitangaben als durch die Nennung der Bahnhöfe bzw. Ortsnamen, den täglichen Stationen seines Lebens, gewährleistet und immer wieder unterbrochen – durch Schilderungen, Rückwendungen der Erzählinstanz, Beobachtungen und Fantasien des Helden und durch zwei in der Vergangenheit situierte Szenen, einem Gespräch seiner Freunde und einer (vergegenwärtigten) Begegnung mit einem Mädchen. Es handelt sich also keineswegs um eine lineare, sondern um eine kunstvoll gefügte Erzählung, wobei der Leser, dem Protagonisten folgend, immer mehr über ihn erfährt, unter anderem auch über die Unausweichlichkeit seines Schicksals.

122

Kap. 1

Zeit Morgens 7.20, unterwegs nach Yoyogi

Ankunft am Bahnhof Yoyogi

2

Einfahrt des Zuges Am Bahnhof Yoyogi

3

Am Bahnhof Yoyogi

4

Abfahrt des Zuges von Yoyogi

Erzählerebene (Jeden Morgen) Iterativ raffende Beschreibung des Weges nach Yoyogi Beschreibung des Mannes, seines Aussehens, Ganges und Kleidung

Rückwendung (eines Tages), Beschreibung des Weges nach Sendagaya, des Hauses und Gartens, der Frau Nennung des Namens, des Berufs, der Karriere und seines Problems: Sehnsucht nach Mädchen

(Auch heute) Gedanken und Eindrücke beim Anblick von Frauen, darunter einer Schülerin, die er „kennt“. [Episode mit der „Haarnadel“ und Phantasien des Protagonisten.]

[Gespräch der Freunde]

Beschreibung der Szenerie. Erzähler referiert über „girl watching“.

Fahrt nach Ochanomizu

Beobachtungen von Frauen, Erinnerung (Rückblick) an eine beobachtete Frau

Ankunft in Ochanomizu 5

Handlungsebene

Beschreibung der Firma, des Arbeitsplatzes Anschliessend an 4: Fahrt nach Nishikichǀ Unterwegs

Im Büro Nach drei Uhr Nachhauseweg Kommentar des Erzählers Nishikichǀ (Abfahrt) Ichigaya

Rückblick: (iterativ raffend) Gespräche und Sticheleien der Kollegen (An jenem Tag) Gespräch der Kollegen Gedanken des Protagonisten, Reue und Verzweiflung Gedanken des Protagonisten und Gedanken des Protagonisten Der Protagonist erblickt die Frau, die er zu sehen hoffte und stürzt aus dem Zug.

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Handlungsebene heisst hier nicht unbedingt, dass die Geschehnisse aus Figurenperspektive geschildert werden, sie können auch in einer neutralen, nicht von der Erzählinstanz geprägten Erzählhaltung wiedergegeben sein. Die in eckige Klammern gesetzten Szenen, das in direkter Rede zitierte Gespräch der Freunde sowie die Begegnung mit einem Mädchen gehören zur Figurenebene und sind zurückliegende Ereignisse, die vergegenwärtigt werden. Die Rückkehr in die Handlungsgegenwart wird immer durch sono hi (an jenem/diesem Tag) oder kyǀ (heute), die Ankunft bzw. die Abfahrt eines Zuges oder eine Ortsangabe signalisiert. Auffallend ist die Behandlung der Erzählzeit im Gegensatz zur erzählten Zeit. Das ganze zweite Kapitel ist in der Vergangenheit angesiedelt, es handelt sich um eine von der Erzählinstanz eingeleitete Rückwendung, wobei der Schluss des zweiten Kapitels nicht zur Handlungsgegenwart gehört, sondern eine Vergegenwärtigung einer früheren Handlung auf der Figurenebene darstellt. (Der Gedanke an den Chefredakteur weckt den Protagonisten aus seinen Fantasien, und er beeilt sich, den Bahnhof Yoyogi zu erreichen). Auch das dritte Kapitel „spielt“ am Bahnhof Yoyogi, doch während der wenigen Minuten, die der Protagonist auf den Zug wartet, ist er in Träumereien versunken. Er merkt kaum, dass der Zug (am Ende des zweiten Kapitels) einfährt. Das dritte Kapitel beschreibt den Hintergrund des Helden, und erst am Beginn des vierten Kapitels fährt der Zug von Yoyogi ab (densha ga Yoyogi kara deta). Die Erzählzeit ist sehr viel länger als die erzählte Zeit: acht Seiten für einige Minuten. Diese Technik der Zeitdehnung wendet Tayama auch an, um in den Gedanken des Protagonisten, der unterwegs vom Bahnhof in den Verlag ist, den Arbeitsplatz und das Verhältnis zu den Kollegen zu schildern. Umgekehrt kann die Zeit im Flug vergehen: Yotsuya, Ushigome, Iidamachi to hayaku sugita. [...] Densha wa shinchintaisha shite, masumasu konzatsu o kiwameru. Sore ni mo kakawarazu, kare wa tamashi o ushinatta yǀ ni, mae no utsukushii kao ni no mi akugare watatte iru. Yagate Ochanomizu ni tsuku. (682) Yotsuya, Ushigome und Iidamachi zogen schnell vorüber. [...]. Leute steigen [IV] ein und aus, das Gedränge wird immer grösser. Dessen ungeachtet betrachtet er (kare) sehnsüchtig, wie [jemand], der seine Seele verloren hat [perf. Aspekt], unablässig das schöne Gesicht vor [ihm]. Schon erreicht [der Zug] Ochanomizu.

124

2.4 Analyse 2.4.1

Allgemeine Bemerkungen

Shǀjobyǀ ist ausser Yamagoya (ጊዊደ, Die Berghütte, 1903) Tayamas erste Erzählung in der dritten Person. Sie ist nicht von einem fingierten Aussagesubjekt (Ich-Erzähler) vermittelt, sondern durch ein nicht personalisiertes Aussagesubjekt, das nicht als Figur der Handlung in seinem Erfahrungs- und Wissenshorizont beschränkt ist. Dies ermöglicht aus wechselnder Perspektive zu erzählen und Einblick in die Innerlichkeit aller Figuren zu gewähren, sie sprechen zu lassen, auch wenn der Erzähler/Protagonist nicht anwesend ist, ohne die Notwendigkeit, das „Wissen“ zu rechtfertigen. Die Vermittlungsinstanz kann den Helden oder die Geschehnisse diskursiv auf der Erzählerebene von „aussen“ schildern. Dazu gehört die ausführliche Beschreibung des Protagonisten, seines Aussehens, seiner Kleidung, seines Ganges sowie des Eindrucks, den er auf seine Umgebung macht. Der Erzähler kann eine „Beobachterposition“ als Augenzeuge einnehmen mit beschränktem Wissenshorizont (dies besonders in der Beschreibung des Hauses und der Gattin), die Handlung kann aber auch auf der Figurenebene aus der Perspektive des Helden selbst oder anderer Personen geschildert werden. Die Vermittlungsinstanz markiert sehr viel weniger Präsenz als in den Ich-Erzählungen. Es gibt keine Leseranreden, keine Klammerbemerkungen, eine einzige Anspielungen auf den Erzählvorgang (S. 676), keine tiefsinnigen Erwägungen über den Sinn des Geschehens, über die Liebe oder das Leben, zu denen die Ich-Erzähler in Tayamas Werk immer wieder tendieren. Auf der Erzählerebene gibt es wenig Kommentare, nur einen Ausruf (668) und zwei rhetorische Fragen (676), diese finden sich, wenn überhaupt, auf der Figurenebene. Im Gegensatz zu einer Ich-Erzählung ist es sehr viel einfacher, Erzähler- und Figurenebene auseinander zuhalten, da die Perspektive durch wechselnde Personenbezeichnungen, [Pro]nomen und richtungsweisende Demonstrativa (Deiktika) signalisiert wird. Die Erzählung ist ein Mischtext. Einerseits versieht die ausgesprochen diegetisch-fiktionale Vermittlungsinstanz eine wichtige Funktion, nämlich der Distanzierung, andererseits finden sich mimetisch-fiktionale Elemente, in denen die Innerlichkeit des Protagonisten unvermittelt dargestellt wird, nicht zuletzt, um sie überhaupt durch Distanz kontrastieren zu können.

125

Die Distanzierung ist auch auf der semantischen Ebene erkennbar, die Beschreibung der Frau des Protagonisten und die friedliche Atmosphäre von Haus und Garten stehen im Gegensatz zu den Gedanken des Protagonisten. Ebenso ist sich der Protagonist zwar seines Alters bewusst ist, offenbar aber nicht seines abstossenden Äusserns, das heisst, er ist unfähig, sich objektiv zu sehen. So hält der Protagonist seine Frau für gealtert, während sie von der Erzählinstanz (als Augenzeuge) wie folgt geschildert wird (interessant ist die Beschreibung ihrer Frisur und Kleidung, die ich aber aus Platzgründen ausgelassen werden muss): Saikunrashii nijnjgoroku no onna ga kaigaishiku tasukigake ni natte hataraite iru [...]. Saikun wa naruhodo mǀ iro wa otoroete iru ga, musumezakari ni wa kore de mo jnjninnami ijǀ de attarǀ to omowareru. (675) Eine Frau von fünf, sechsundzwanzig, offenbar (-rashii) die Gattin, arbeitet [imp. Aspekt] fleissig mit aufgebundenen Kimonoärmeln [...]. Tatsächlich, die Frau ist schon verblüht, doch selbst so scheint [omowareru, medialer Aspekt] [sie] in der Blüte ihrer Jugend wohl überdurchschnittlich [gut aussehend] gewesen zu sein.

Die Distanzierung wird auch aus der Haltung der Erzählinstanz deutlich, aus den Kommentaren auf der Handlungsebene und den Benennungen des Protagonisten, der nie bei seinem Vornamen genannt wird, wie es sonst für einen im Mittelpunkt stehenden Helden üblich ist, und nur einige Male bei seinem Namen Sugita (Kojǀ). Er wird in der ersten Nennung mit otoko ga (ein Mann) und darauf otoko wa (der Mann, Erzähler- oder Figurenebene) bezeichnet, was an und für sich keine distanzierende Benennung ist, sondern die neutrale Referenz für eine männliche Figur, deren Name noch nicht bekannt ist. Doch die distanzierende Benennung kono otoko (dieser Mann) ist in Shǀjobyǀ ausserordentlich häufig, und kommt immer dann vor, wenn Hintergrundwissen über den Protagonisten referiert wird oder dessen Gedanken ein distanzierender Kommentar folgt. Oft werden die Kommentare durch Hervorhebungen und den Gebrauch der affirmativen Form der Kopula (no de aru), die kaum in Figurensprache vorkommen, verstärkt. Ein einziges Mal wird der Protagonist auch kono shujinkǀ (ߎߩਥੱ౏, unser [dieser] Held) genannt, als sein Name das erste Mal erwähnt wird:

126

Kono shujinkǀ no na o Sugita Kojǀ to itte, iu made mo naku bungakusha.53 (676) Dieser (kono) Held heisst [IV] mit Namen Sugita Kojǀ, natürlich [unnötig zu sagen] ein Literat.

2.4.2

Benennung der Figuren

Die Benennung des Protagonisten wechselt je nach Situation und Perspektive. In seiner Beziehung zu Frauen wird er otoko genannt, unterwegs – vor allem in der Perspektive anderer – hito (Mensch) oder ano hito (jener, der Mensch) und in der einzigen Begegnung mit einem Mädchen, die in ein kurzes Gespräch mündet, werden die Partner als kotchi (hier) bezeichnet (je nach Perspektive können beide „kotchi“ sein), eine Bezeichnung, die bei Schriftstellern, die kare meiden, häufig vorkommt. Im Büro wird der Mann von seinem Vorgesetzten mit kimi angesprochen, von seinen Kollegen „Sugitakun“. Im Gespräch der Freunde wird der Protagonist sensei genannt, das nicht als höfliche Anrede gebraucht wird, sondern eine ironisch-herabsetzende oder familiäre Bezeichnung für den abwesenden Protagonisten ist. 54 Die Erzählinstanz hat die Tendenz, die in direkter Rede gebrauchten Bezeichnungen im Text zu übernehmen, das heisst, im Büro ist der Mann Sugita, nachdem er als Sugitakun angeredet wurde. Auch die Bezeichnung sensei, die im Gespräch der Freunde vorkam, übernimmt der Erzähler, was ein Hinweis auf Ironie sein mag. Sono hi wa kǀsei ga ǀi no de, sensei hitori sore ni bǀsatsu sareta ga [...] (683) Da es an diesem/jenem (sono) Tag viele Korrekturen gab [IV], [und] sensei allein damit beschäftigt wurde [...]

Die neutrale Benennung kare, bei Tayama immer ein Anzeichen für Figurenebene, tritt das erste Mal in einem Gedankenbericht auf (672) und häuft sich in den Kapiteln, die von Figurenperspektive geprägt sind. 53

54

Der Vermerk, dass er Literat sei, ist aus dem Künstlernamen „Kojǀ“ (ฎၔ, altes Schloss) ersichtlich, ein Künstlername, den übrigens mehrere Protagonisten Tayamas tragen, darunter auch Takenaka Tokio, der Held von Futon. Shinmura (Hrsg.) (Kǀjien, 1999: 1523). Dieser Gebrauch von sensei kommt vor allem in Shunchǀ (ᤐầ, Frühlingsflut, 1903) als Bestandteil der Studentensprache, in Higeki? und Akibare als familiäre Bezeichnung vor. Aufgrund meines Leseeindruckes scheint Tayamas Gebrauch dort nicht herabsetzend, sondern eher eine freundschaftlich-familiäre Bezeichnung zu sein.

127

Die Selbstreferenz des Protagonisten, ore, kono mi oder jibun, kommt nie in direkter Rede vor, nur in direkt zitierten Gedanken in Anführungsstrichen oder direkten Gedankenberichten; jibun, das Tayama sonst als Selbstreferenz eines Ich-Erzählers verwendet, ist selten. Keine der Figuren ausser dem Protagonisten wird mit Namen genannt, sie erscheinen in diesem Text – in Erzähler- und Figurenperspektive – als die „Gattin“ (saikun oder nyǀbǀ), „die/das Mädchen“, der „Redakteur“, „die Kollegen“ oder „die Freunde“. 2.4.3

Elemente der Mittelbarkeit

a) Erzählerkommentare Kommentare auf der Erzählerebene Bei einem unpersönlichen Erzähler ist es sehr viel einfacher, die verschiedenen Kommentare zu unterscheiden, denn die Deixis des Aussagesubjektes (der Zeitpunkt des Erzählens) wird nie durch ein „jetzt“ oder „heute“ aktualisiert. Da es sich überdies um einen distanzierenden Erzähler handelt, dessen Kommentare sich auch inhaltlich von den Gedanken der Figur abheben, ist man nicht versucht, diese der Figur zuzuschreiben. Die Sprache der Erzählerebene unterscheidet sich deutlich von der Figurensprache, vor allem durch den Gebrauch der formellen Kopula (de aru statt da), hervorhebende Wendungen, doppelte Negationen55 und Vergleiche – im grossen Ganzen also ein gehobener Sprachstil, allerdings ohne klassische Formen oder chinesische Anspielungen zu verwenden. Während Kommentare auf der Erzählerebene häufig sind, fehlen rhetorische Fragen, Ausrufe und emotionale Kommentare weitgehend, da die Vermittlungsinstanz nicht personalisiert ist. Kommentare, die allgemeine Wahrheiten (gnomisches Präsens) wiedergeben, sind relativ selten (es sollen hier alle diese Kommentare aufgeführt werden, damit die Häufigkeit mit den folgenden Erzählungen verglichen werden kann).

55

128

Doppelte Negationen bezeichnen im Japanischen eine nachdrückliche Bejahung und gelten als Hervorhebung. Die Form, die Tayama mit Vorliebe gebraucht ist -zu irarenai (konnte nicht umhin, musste) und wird kaum von den Figuren gebraucht.

Nani mo, ningen ga tǀru no ni, hyǀban ni tateru hodo no mono wa nai no da ga [...] (668) Nun, nur weil ein Mensch vorbeigeht, ist das nichts, worüber [man] redet, doch [...] Itsumo au kao ni chigatta tokoro de au to, nan da ka tanin de nai yǀ na ki ga suru mono da ga, otoko mo sǀ omotta to miete56 [...] (672) Begegnet [man] einem Gesicht, dem [man] immer begegnet an einem anderen Ort, hat [man] irgendwie das Gefühl, [jemand] ist kein Fremder, auch der Mann schien [to miete, medialer Aspekt] so gedacht zu haben [...]

Auf den ersten Blick könnte man dies als eine Aussage, die in den Wissenshorizont des Protagonisten gehört, ansehen, doch die Folge otoko mo (auch der Mann) deutet auf einen auktorialen Kommentar. Auch im nächsten Beispiel ist klar, dass der Kommentar zwar in den Gedankenhorizont des Protagonisten gehören könnte, doch die Bemerkung auf der Handlungsebene, die explizite Erwähnung, dass dem Protagonisten diese Weisheit nicht erst beigebracht werden müsse, weist auf einen Erzählerkommentar. Beachtenswert an dieser Passage ist, dass der Kommentar auf der Erzählerebene in einen Kommentar auf der erzählten Ebene mündet, wobei die Sprache recht unbeholfen wirkt, besonders die Wiederholung der formellen Kopula de aru hodo de aru kara. Keredo mugon no shizen o miru yori mo ikita ningen o nagameru no wa konnan na mono de, amari shigeshige mite, satorarete wa to iu ki ga aru no de, waki o mite iru yǀ na kao o shite, soshite inazuma no yǀ ni hayaku surudoku nagashime o tsukau. Dare da ka itta, densha de onna o miru no wa shǀmen de wa amari mabushikutte ikenai, sǀ ka to itte, amari hanarete mo kiwadatte hito ni ayashimareru no osore ga aru, shichibu kurai ni naname ni taishite za o shimeru no ga ichiban benri da to. Otoko wa shǀjo ni akugareru no ga yamai de aru hodo de aru kara, muron, kono kurai no hiketsu wa hito ni osowaru made mo naku, shizen ni sono kokynj o jikaku shite ite, itsudemo sono benri na kikai o tsukamu koto o ayamaranai. (679) Doch ist [es] etwas Schwierigeres, lebende Menschen zu betrachten als die stumme Natur, denn blickt [man] allzu penetrant hin, hat [man] das Gefühl, durchschaut zu werden, [deshalb] macht [IV] [man] ein Gesicht, als ob [man] zur Seite sieht [und] wirft dann blitzschnelle, scharfe Seitenblicke. Irgend jemand sagte, im Zug Frauen geradewegs anzusehen ist [IV] peinlich [und] geht nicht, aber auch aus einer 56

Ein Beispiel des medialen to miete (scheinen). Tayama verwendet dies selten in Erzählerperspektive, da er mediale Formen hauptsächlich in Figurenperspektive einsetzt.

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gewissen Entfernung fällt [es] trotzdem auf [IV], [und] da die Befürchtung besteht, dass [man] von den Leuten verdächtigt wird, ist es am besten, einen Platz einzunehmen, der etwa siebzig Prozent schräg gegenüber ist, [sagte er]. Da nun aber die Sehnsucht dieses Mannes nach Mädchen krankhaft ist, ist es natürlich unnötig, dass [ihm] diese (kono) Weisheit von Leuten beigebracht wird [IV], ganz natürlich ist [IV] [ihm] dieser (sono) Kunstgriff bewusst, [und er] versäumt nicht, diese (sono) praktische Gelegenheit stets zu ergreifen.

Der Erzählvorgang wird nur einmal erwähnt: [...] sono yǀbǀ ga mae ni itta tǀri [...] (676) [...] dieses/sein (sono) Aussehen, wie vorhin gesagt [...]

Diese Kommentare sind für einen diegetisch-fiktionalen Text sehr selten. Kommentare auf der Handlungsebene Ausrufe sind im Gegensatz zu Jnjemon sehr spärlich und eher auf der Figurenebene als auf der Handlungsebene zu finden. Es gibt ein einziges Beispiel: Ashi no kompasu wa omoikitte hiroku, totto to kokizami ni aruku sono hayasa! (668) Der Abstand der Füsse ausserordentlich breit [IV], und diese (sono) Geschwindigkeit der kleinen trippelnden Schritte!

Kommentare zur Handlung und zum Protagonisten hingegen sind häufig. Sie sind meist erklärend, begründend oder distanzierend und kenntlich gemacht durch jissai (tatsächlich), keredo (aber), muron (natürlich), das distanzierende kono otoko, und die begründende Kopula no da oder no de aru. Muron kono koe wa mimi ni haitta no de aru ga [...] (673) Natürlich (muron) [war es so, dass sie] diese (kono) Stimme gehört hatte, doch [...]

Die distanzierenden Kommentare, hier eine rhetorische Frage, folgen meist auf eine Schilderung der Tätigkeit oder der Innerlichkeit des Protagonisten:

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Wakai utsukushii onna o miru to, heisei wa wariai ni surudoi kansatsugan mo sukkari ken’i o ushinatte shimau. Wakai jibun, sakan ni iwayuru shǀjoshǀsetsu o kaite, ichiji wa zuibun seinen o miseshimeta mono da ga, kansatsu mo shisǀ mo nai akugare shǀsetsu ga sǀ itsu made hito ni akirarezu ni iru koto ga dekiyǀ. (676) Sieht [er] eine schöne junge Frau, verliert [sein] sonst recht scharfes Auge für Beobachtung jede Autorität. In [seiner] Jugend schrieb [IV] [er] fleissig/immer wieder sogenannte Mädchenerzählungen, welche zeitweise die Jugendlichen ziemlich entzückten, doch wie sollen Sehnsuchts-Erzählungen ohne Beobachtung und Philosophie57 [den Leuten] über kurz oder lang nicht langweilig werden?

Auf seinen Wunsch, durch Zuwendung aus seiner Einsamkeit gerettet zu werden und neue Lebenskraft zu schöpfen, folgt ein Kommentar, in dem die distanzierende Haltung des Erzählers zum Ausdruck kommt: Kono nigotta chi ga hatarashiku nareru to omou. Keredo kono otoko wa jissai sore ni yotte, atarashii ynjki o kaifuku suru koto ga dekiru ka dǀ ka wa mochiron gimon da. (685–6) Dieses (kono) träge Blut kann [IV] neu werden, denkt [er]. Aber (keredo) ob dieser Mann (kono otoko) tatsächlich (jissai) dadurch neuen Mut schöpfen kann oder nicht, ist natürlich zweifelhaft.

Diese verschiedenen Arten des Aussagesubjekts, sich bemerkbar zu machen, treten oft gehäuft auf. Die folgende Passage beginnt mit sunawachi und der betonenden Wendung to iu no wa (nun, [...] was betrifft) und endet mit mochiron (natürlich). Sunawachi kare no tanoshimi to iu no wa densha no naka no utsukushii sugata to, bibun shintaishi o tsukuru koto de, sha ni iru aida wa, yǀji sae nai to, genkǀshi o nobete, isshǀkenmei ni utsukushii bun o kaite iru. Shǀjo ni kansuru kansǀ no ǀi no wa muron no koto da. (683)

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Kansatsu (ⷰኤ) und shisǀ (ᕁᗐ), zwei wichtige Begriffe Tayamas theoretischer Schriften. Dabei betont kansatsu (Beobachtung) die Notwendigkeit, die Wirklichkeit mit eigenen Augen zu sehen, um sie mit Wahrscheinlichkeit rekonstruieren zu können, shisǀ (der Begriff deckt das Bedeutungsspektrum von Denken, Idee bis Ideologie ab) soll den Hintergrund einer Erzählung bilden, ohne aber explizit erwähnt zu werden. Vgl. Rokotsu naru byǀsha und Byǀsharon.

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Nun, was sein (kare no) Vergnügen betrifft [IV], [sind es] die schönen Gestalten im Zug und das Verfassen von bibun shintaishi [bibun-Gedichte im neuen Stil] 58 , während [er] im Verlag ist [IV], und es nichts zu tun gibt, breitet [er] Manuskriptpapier aus [IV] [und] schreibt [IV] mit Leib und Seele schöne Texte. Es ist natürlich (muron) so, dass Mädchen betreffende Eindrücke zahlreich sind.

Auktoriale Periphrasen Die am häufigsten vorkommende auktoriale Periphrase ist kono otoko, wobei sich kono (dieser hier) auf die Deixis der Vermittlungsinstanz bezieht. Ein Blick auf die Eingangspassage zeigt deutlich die verschiedenen Arten der Benennung – auktoriale Periphrasen, Periphrasen in Figurenperspektive und neutrale Benennungen: Yamanotesen no asa no shichiji nijuppun no nobori kisha ga, Yoyogi no densha teirynjjǀ no gakeshita o jihibiki sasete tǀru koro, Sendagaya no tanbo o tekuteku to aruite iku otoko ga aru. Kono otoko no tǀranu koto wa ikana hi ni mo nai no de [...], endǀ no ieie no hito wa, tǀku kara sono sugata o mishitte, mǀ ano hito ga tǀtta kara, anata oyakusho ga osoku narimasu nado to shunmin igitanaki shujin o yusuriokosu gunjin no saikun mo aru kurai da. (677) Wenn morgens der Siebenuhrzwanzig-Zug der Yamanote-Linie nach Tǀkyǀ die Böschung des Bahnhofs Yoyogi erschütternd vorbeifährt [IV], gibt [es] einen durch die Felder von Setagaya stapfenden Mann (otoko ga). Da [es] keinen Tag gibt, an dem dieser Mann (kono otoko) nicht vorbeigeht [IV], [...] erkennen [IV] die Leute in den Häusern, die den Weg säumen, diese/seine (sono) Gestalt von weitem, ja es kommt vor, dass die Gattin eines Soldaten den Gatten aus dem Frühlingsschlummer hochrüttelt [IV], [mit den Worten] jener/der (ano) Mensch ist schon vorbeigekommen, was dich (anata) betrifft, ist es schon spät für den Dienst.

Der Erzähleingang ist nicht wegen der Benennung otoko, sondern weil der Satz eine Raffung (Gleichzeitigkeit) enthält, der Erzählerebene zuzuschreiben. Die Benennung kono otoko (dieser Mann, auktoriale Periphrase) hingegen ist eindeutig distanzierend, begleitet von einer doppelten Verneinung in einer iterativen Raffung. Darauf wechselt die Perspektive zu den Leuten, die diesen Mann sehen (und kennen), eingeführt durch eine auktoriale Periphrase, endǀ no ieie no hito (die Leute der Häuser am Weg) und die Tatsache, dass es sogar Frauen gibt (mo aru 58

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Bibun (⟤ᢥ) bezeichnet einen literarischer Stil, der um die Jahrhundertwende als Reaktion gegen die extreme Verwestlichung entwickelt wurde und von der klassischen Schriftsprache Gebrauch machte.

kurai da), die ihren Mann wachrütteln, wenn ano hito (jener, der Mensch, Bezeichnung des Mannes in Figurenrede, wobei sich ano auf etwas schon Bekanntes bezieht) vorbeigeht. Die ganze Passage ist in präsentischen Formen gehalten, da die beschriebene Szene täglich die gleiche ist (iterative Raffung), also keine abgeschlossene Handlung schildert. Periphrasen kommen oft an Kapitelanfängen vor, wie die schon zitierte, in der der Held genannt wird, Kono otoko wa doko kara kuru ka to iu to [...] (675) Fragt [IV] [man] sich, woher dieser Mann (kono otoko) kommt [IV] [...]

wenn Informationen über den Mann gegeben werden, Kono otoko wa mukashi kara sǀ da ga, dǀmo wakai onna o akugareru to iu warui kuse ga aru. (676) Dieser Mann (kono otoko) ist seit jeher so (sǀ), nun, [er] hat die schlechte Gewohnheit, sich nach jungen Frauen zu sehnen. Tsui ni wa kono otoko to shǀjo to iu koto ga bundan no waraigusa no tane to natte [...] (676) Schliesslich wurde [IV] die Angelegenheit dieses Mannes (kono otoko) und der Mädchen zum Anlass von Gelächter in der literarischen Welt [...]

oder wenn die Perspektive (von Figuren- zu Erzählerperspektive) wechselt, was in diesem Text einige Male vorkommt: Kono musume wa jibun o wasure wa sumai to kono otoko ga omotta no wa, riynj no aru koto de, sore ni wa omoshiroi episǀdo ga aru no da. (671) Dieses (kono) Mädchen wird ihn (jibun) wohl nicht vergessen, dass dieser Mann (kono otoko) [dies] glaubte, hat [IV] einen Grund, dazu gibt es eine interessante Episode.

Das erste kono gehört in die Perspektive der Figur, da es einen Gedankeninhalt des Protagonisten wiedergibt, das zweite kono aber ist Erzählerperspektive, unterstrichen durch das emphatische no wa (dass er), dem ein Erzählerkommentar folgt. Abrupte Perspektivenwechsel, Kommentare oder distanzierende Bemerkungen, die auf Figurenperspektive oder Gedankenberichte folgen, werden ebenfalls mit kono otoko eingeleitet.

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Im ersten Beispiel beginnt der Kommentar mit kono otoko und endet mit no de aru. Der Wechsel zurück in die Handlungsebene wird mit ima (jetzt) vollzogen. Sono kawari ni, sore wa bukiryǀ na, futame to wa mirarenu yǀ na wakai onna ga notta. Kono otoko wa wakai onna nara, taitei na minikui kao ni mo, [...] nani kashira no bi o hakken shite, sore o mite tanoshimu no de aru ga, ima notta onna wa, sagashite mo, hakken sareyǀ na bi wa ikkasho mo motte inakatta. (680) Stattdessen stieg eine junge, linkische Frau, die [man] kaum zweimal anschaut, ein. Dieser Mann (kono otoko) entdeckt [IV] nämlich, wenn es junge Frauen sind, selbst in hässlichen Gesichtern irgend etwas Schönes, [...] [und es] ist so, dass [er], dies betrachtend, sich erfreut [IV], aber die Frau, die jetzt (ima) eingestiegen ist, hatte, selbst wenn [man/er] suchte [IV], keine einzige Stelle, an der Schönheit zu entdecken sein [könnte].

Schliesslich wird der Mann nach einer Passage, in der er ausschliesslich kare genannt wird und die seine Beobachtungen und Innerlichkeit zum Ausdruck bringt, am Ende der Erzählung im Augenblick seines Unglücks zum Gegenstand:59 Sono ǀki na karada wa migoto ni tonbogaeri o utte, nan no koto wa nai ǀki na mari no yǀ ni, korokoro to senro no ue ni korogariochita. Densha ga [...] sono ǀkii kuroi ikkaibutsu wa [...] san‘yonken zuruzuru to hikizurarete, akai chi ga issen nagaku reiru o someta. (687) Dieser/sein (sono) grosser Körper schlug [IV] einen grossartigen Salto [und] fiel rollend wie ein Ball auf die Geleise. Ein Zug [...] schleifte [IV] diesen (sono) grossen schwarzen Klumpen etwa zehn Meter mit [IV] [und] rotes Blut färbte die Geleise in einer langen Linie.

b) Vorausdeutungen, Rückwendungen und Raffungen Vorausdeutungen Vorausdeutungen kommen, wie in fast allen Texten Tayamas kaum vor, ausser man zählte die Aussage, dass der Protagonist sich (etwas) früher nicht habe denken können, dazu.

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Vgl. Pörtner (1990: 61).

Rückwendungen und Rückgriffe Wie schon aus der Tabelle ersichtlich ist, wird die Handlung immer wieder unterbrochen, um die Hintergründe sowie frühere Begebenheiten zu beleuchten. Dennoch wird dies weniger durch Rückwendungen als durch iterative Raffungen erzielt, da nicht so sehr das vergangene Leben, sondern der sich immer wiederholende Alltag fokussiert wird. Die Rückgriffe sind durch Adverbien oder Zeitangaben kenntlich gemacht, besonders wenn zurückliegende Ereignisse oder die Vergangenheit Sugitas beschrieben wird. Kono otoko no sugata no kono tanbomichi ni arawaredashita no wa, ima kara futatsuki hodo mae [...] (667) Dass die Gestalt dieses Mannes (kono otoko) auf diesem (kono) Weg zwischen den Reisfeldern zu erscheinen begann, [war] jetzt (ima) vor etwa zwei Monaten [...]

(Hier bezieht sich ima auf die Handlungsebene.) Wakai koro ni wa, sǀǀ ni na mo dete, ni san no sakuhin wa zuibun kassai sareta koto mo aru. (676) In jungen Jahren war [IV] [Sugitas] Name recht bekannt, [und] zwei, drei Werke wurden sogar ziemlich gelobt.

In der Regel werden durch eine Rückwendung eingeführte Szenen vergegenwärtigt, eingeleitet durch die Zeitangabe aru hi (eines Tages), um dann in die Handlungsgegenwart einzumünden. Im folgenden Beispiel wird ein (vergangener) Tag aus einer Reihe gleicher Tage herausgehoben, betont durch die Wiederholung von rei no (üblich). [...] aru hi no koto, otoko wa rei no bǀshi, rei no inbanesu, rei no sebiro, rei no kutsu de, rei no michi o rei no gotoku Sendagaya no tanbo ni kakatte kuru to, futo mae kara sono futotta musume ga [...] aruite kita. (672) [...] eines Tages, als der Mann im üblichen Hut, im üblichen Inverness [Mantel], im üblichen Anzug, in den üblichen Schuhen, wie üblich durch die Felder von Sendagaya daher kam, kam [ihm] plötzlich dieses/jenes (sono) dicke Mädchen (von vorn) entgegen [...]

Darauf folgt die Szene mit der Haarnadel, überwiegend in Figurenperspektive, die hier durch mae kara (von vorn) und aruite kita (entgegenkommen) eingeleitet wird. Das gleiche Verfahren wird

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angewendet, um die Diskussion über die „Krankheit“ des Protagonisten einzuführen, auf die eine lange Passage in direkter Rede folgt (Figurenebene), in der die Vermittlungsinstanz nicht mehr auftritt – in 22 Zeilen direkter Rede steht nur eine halbe Zeile „Text“. Aru tokige, ynjjinkan de sono uwasa ga atta toki, hitori wa itta. (676) Als einmal unter den Freunden diese/dessen (sono) Rede aufkam, sagte einer.

Rückwendungen können auch auf der Figurenebene vorkommen, wenn sie in die Erinnerung der Figur eingebunden werden (Rückblick). Dabei wird die Vergangenheit vergegenwärtigt und in den Gedankenhorizont der Figur verlegt, also nicht mehr vermittelt, sondern von der Figur jetzt erinnert, wie die deiktischen Ausdrücke kyǀ (heute) und koko kara (von hier aus) zeigen. Diese sind in Shǀjobyǀ allerdings selten. Shinanomachi no teirynjjǀ wa, wariai ni noru shǀjo no sukunai tokoro de, katsute ichido subarashiku utsukushii, kazoku no reijǀ ka to omowareru yǀ na shǀjo to hiza o narabete Ushigome made notta kioku ga aru bakari [...] (680) An der Haltestelle von Shinanomachi, einem Ort, an dem verhältnismässig wenig Mädchen einsteigen [IV], erinnert [er] sich, ist [er] früher ein einziges Mal neben einem fantastisch schönen Mädchen, das [man] für eine Tochter aus einer adligen Familie halten mochte [omowareru, medialer Aspekt und Präsumptiv yǀ da], sitzend bis Ushigome gefahren [...]

Raffungen Eine Besonderheit Tayamascher Erzähltechnik ist, den Helden im Erzähleingang unterwegs zu schildern und dann in einer Rückwendung oder einem Rückblick die Vorgeschichte zu präsentieren, eine Technik, die sich schon in seiner ersten in die Gesamtausgabe aufgenommenen Erzählung findet60 und alle in diese Studie aufgenommenen Erzählungen prägt, ausser Jnjemon no saigo und Rinshitsu. Raffungen sind die Elemente der Mittelbarkeit, die in den Texten Tayamas am häufigsten auftreten, da er sich bemüht, die Zeitstrukturen und Abläufe genau zu situieren, ein Merkmal, das auch in Futon auffällt.

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Die erste in die Gesamtausgabe aufgenommene Erzählung ist Furusato (Das Heimatdorf, 1899). Sie bringt den Helden (den Ich-Erzähler) in einer Pferdekutsche in sein Dorf, wo er in einer langen Nacht seine Jugend noch einmal durchlebt.

In der vorliegenden Erzählung finden sich neben der Sprung- und sukzessiven Raffung vor allem iterative Raffungen, die das ewig-gleiche Alltagsleben betonen. In Shǀjobyǀ werden Aussparungen selten explizit durch Zeitangaben erwähnt, weil die Handlungsebene durch die „Stationen“ (im doppelten Sinne), die der Protagonist durchläuft, strukturiert ist, die geschilderten Hintergründe aber immer gleich sind (iterativ-inchoativ), und die vergegenwärtigten Szenen irgendwann (aru hi, eines Tages) geschehen. Aussparungen dieser Art, wobei nicht immer explizite Adverbien oder Verben wie sugu, (bald), yagate (gleich/nach einiger Zeit) sugiru (vorbeigehen), stehen – und somit auch einer neutralen Erzählinstanz oder Figurenperspektive zugeschrieben werden können –, sind wie folgt: Yagate Ochanomizu ni tsuku. (682) Kurz darauf kommt [der Zug] in Ochanomizu an. Ichigaya ni kita toki [...] (687) In Ichigaya angekommen [...]

Nur selten wird eine Tages- oder Uhrzeit erwähnt, wie am Ende des Arbeitstages Gogo sanji sugi, taishutsujikoku ga chikaku naru to [...] (684) Nachmittags nach drei Uhr, als der Zeitpunkt, nach Hause zu gehen, näher rückt [IV] [...]

und am Anfang, in der iterativ raffenden Eingangspassage, die den Protagonisten unterwegs von Sendagaya zum Bahnhof Yoyogi beschreibt: Yamanotesen no asa no shichi nijippun no nobori kisha ga, Yoyogi no denshateirynjjǀ no gakeshita o jihibiki sasete tǀru koro, Sendagaya no tanbo o tekuteku to aruite iku otoko ga aru. Kono otoko no tǀranu koto wa ikana hi ni mo nai no de, ame no hi mo deinei no fukai tanbomichi ni furui nagakutsu o hikizutte iku shi, kaze no fuku asa ni wa bǀshi o amida ni kabutte hokori o sakeru yǀ ni shite tǀru shi [...] (667) Wenn morgens der Siebenuhrzwanzig-Zug der Yamanote-Linie nach Tǀkyǀ die Böschung des Bahnhofs Yoyogi erschütternd vorbeifährt [IV], gibt es einen durch die Felder von Setagaya stapfenden Mann. Da es keinen Tag gibt, an dem dieser (kono) Mann nicht vorbeigeht [IV], schleppt [er] auch an Regentagen seine

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abgetragenen Stiefel durch den tiefen Schlamm der Wege zwischen den Reisfeldern und an windigen Morgen geht [er] vorbei mit tief in die Stirn gezogenem Hut zum Schutz vor dem Staub [...]

Die iterativen Raffungen werden einerseits semantisch erwähnt – tǀranu koto wa ikana hi ni mo nai (es gibt keinen Tag, an dem er nicht vorbeigeht), andererseits durch die Syntax, wie die Wiederholung paralleler Sätze wie ame no hi ni mo (auch an Regentagen) und kaze no fuku asa (an Morgen, da der Wind weht) sowie die betonend koordinierende Postposition shi... shi. Andere auf iterative Raffungen deutende Ausdrücke sind mainichi (täglich) rei no (der/die /das Übliche, immer Gleiche) oder rei da (ist die Regel). Enshnj ni asa deru heitai mo kore ni itsumo sansha o sakeru. 61 (668) Auch die Soldaten, die morgens ausrücken, weichen diesem (kore ni) immer aus.

Kore ni (diesem) bezeichnet hier das abstossende Aussehen des Mannes. [...] bǀto denteki no naru oto de mo mimi ni hairu to, otoko wa sono ǀki na karada o saki e nomerasete, mie mo nanimo kamawazu ni, issan ni hashiru no ga rei da. (669) [...] sobald [ihm] das Schrillen der [elektrischen] Pfeife in die Ohren dringt [IV], ist es die Regel, dass der Mann seinen (sono) grossen Körper nach vorn beugt [IV], [und] ohne sich um [sein] Aussehen zu kümmern, losläuft.

Der Weg, der den Protagonisten von seinem Haus zum Bahnhof und zur Arbeit führt, wird iterativ raffend beschrieben: [...] maichǀ kare wa soko kara dete kuru no de [...] (674) [...] da er (kare) jeden Morgen von dorther kommt [IV] [...]

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Sansha o saku (ਃ⥢ࠍㆱߊ) ist eines der wenigen chinesischen Zitate in diesem Text. Es stammt aus dem Zuo Zhuan, (Ꮐવ, Zuos Kommentar [zu den Herbst- und Frühlings Annalen], jap. Sa den).

Iya, sanjnjnana no konnichi, kǀshite tsumaranu zasshisha no shain to natte, mainichi mainichi kayotte itte, tsumaranu zasshi no kǀsei made shite [...] (676) Und so (kǀ), ist [IV] [er] heute (konnichi) mit siebenunddreissig, ein Angestellter eines langweiligen Zeitschriftenverlags geworden, fährt [IV] Tag für Tag hin [und] korrigiert [IV] sogar langweilige Zeitschriften [...]

Iterativ raffende Stellen können aber auch in Figurenperspektive vorkommen oder in die Figurenperspektive überleiten, wie später (Figurenperspektive) gezeigt werden soll. Sobald vergangene Gedanken oder Gefühle geschildert werden, nähert sich die Erzählsituation der Figurenperspektive, und die Frauen, die der Protagonist betrachtet, werden meist aus seiner Sicht beschrieben. c)

Redeberichte und Gedankenberichte

Indirekte Redeberichte Im Gegensatz zu Jnjemon no saigo ist die Vermittlungsinstanz von Shǀjobyǀ nicht darauf angewiesen, Informationen zu belegen oder Ohrenzeuge zu werden. Indirekte Redeberichte sind deshalb sehr selten. Die wenigen angeführten Reden sind Worte Unbeteiligter und kommentieren die Pünktlichkeit des Mannes, seinen Ruf oder das Urteil der Leute über ihn. [...] sono kunugi no namiki no kanata ni, kashiyadate no kaoku ga gorokken narande aru to iu kara, nande mo sokora ni iten shite kita hito darǀ to no moppara no hyǀban. (667) [...] da es hiess [IV], jenseits dieser/jener (sono) Eichenallee stehen fünf oder sechs Mietshäuser nebeneinander, ist die Person (hito) wohl dorthin gezogen, so das allgemeine Urteil.

Eine indirekt zitierte Rede bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen dem Aussehen und den Werken des Protagonisten: [...] ano kao de, dǀ shite Ɨ darǀ, uchimita tokoro wa ikana mǀju to demo tatakau to iu yǀ na fnjsai to taikaku to o motte iru no ni... Kore mo zǀka no tawamure no hitotsu de arǀ to iu hyǀban de atta. (676) [...] mit dem (ano) Gesicht, wie kann [es] so (Ɨ) sein, wo doch [der Mann] auf den ersten Blick die Erscheinung und den Körperbau eines, der mit einem wilden Tier kämpft, besitzt... Auch das ist wohl [de arǀ, Dubitativ] eine Spielerei der Schöpfung, lautete das Urteil.

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Innerlichkeitsberichte Im Gegensatz zu Redeberichten sind Innerlichkeitsberichte häufig. Die beiden Arten von berichteter Innerlichkeit, die am meisten vorkommen, sind der auktoriale Innerlichkeitsbericht einerseits – die Erzählinstanz vermittelt oder kommentiert die Gefühle und Gedanken des Helden – und der indirekte Gedankenbericht bzw. direkte Gedankenbericht (Figurensprache) andererseits, in denen die Gedanken von einem Verb des Denkens oder Fühlens eingeleitet oder gefolgt werden. Direkt berichtete Gedanken ohne Einleitungsverben oder Monologe, in denen die Gedanken in Anführungszeichen stehen, sind seltener. Innerlichkeitsberichte können (müssen aber nicht) ausgeprägt diegetisch sein, zum Beispiel durch Hervorhebungen (to iu mono wa) oder die assertative/begründende Kopula no de aru/atta, Koto ni, onna no kami no nioi to iu mono wa, isshu no hageshii nozomi o otoko ni okosaseru mono de, sore ga nan to mo meijǀ serarenu yukai o kare ni ataeru no de atta. (681) Was den Duft der Haare der Frauen betrifft [IV], war es besonders etwas, was im Mann heftiges Verlangen hervorrief [IV, kausativer Aspekt], dies gewährte ihm nämlich (no de atta) ein unbeschreibliches Vergnügen.

durch Raffungen, Komiatta densha no naka no utsukushii musume, kore hodo kare ni shnjmibukaku ureshiku kanzerareru mono wa nai no de, ima made ni mo sude ni ikutabi to naku sono ureshisa o keiken shita. (681) Schöne Mädchen in überfüllten Zügen, es gab [IV] nichts, was ihn (kare ni) in diesem (kore) Masse interessieren [und] beglücken konnte [IV, medialer Aspekt], bis jetzt erfuhr [er] diese (sono) Freude schon unzählige Male.

oder kommentierende (keredo, aber) Bemerkungen: Keredo densha ni notta to iu koto dake de kokoro ga ochitsuite, kore kara – ie ni kaeru made ga, jibun no paradaisu no yǀ ni, ki ga yuttari to naru. (686) Aber (keredo) nur schon dadurch, dass [er] in den Zug eingestiegen ist [perfektiver Aspekt], beruhigt [IV] sich [sein] Herz, von hier (kore) an – bis nach Hause, wird [sein] Herz gelassen, wie in seinem eigenen (jibun no) paradise.

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Fehlen solche Signale, gehören die Verben der inneren Verfassung eher einer neutralen Erzählfunktion an (die [Pro]nomen sind kare, jibun, die Deixis diejenige der Figur) und leiten oft in direkte Gedankenberichte über oder schliessen diese ab. Die Erzählinstanz schildert die Gefühle oft nicht aus einer „allwissenden“ Position, sondern einer Haltung mit beschränktem Wissenshorizont, wie das Verb mieru (scheinen, aussehen) und die Präsumptive zeigen. [...] sore o miru to, mǀ sono mune wa nan to naku tokimeite, sono kuse dǀ no kǀ no to iu no de mo nai ga, tada ureshiku, sowasowa shite, sono saki e oikosu no ga nan da ka oshii yǀ na ki ga suru yǀsu de aru. (669) [...] als [er] dies (sore) sieht [IV] klopft [IV] sein (sono) Herz schon irgendwie [und], obwohl nichts Erwähnenswertes, ist [IV] [er] einfach erfreut, aufgeregt, [es] sieht aus [yǀsu da, Präsumptiv] als scheint [IV; yǀ da, Präsumptiv] [er] irgendwie zu bereuen, [sie] zu überholen. Kare wa shinchnj no bǀ ni tsukamatte, shikamo me o reijǀ no sugata kara hanasazu, uttori to shite mizukara ware o wasureru to iu fnj de atta ga [...] (687) Er (kare), das Messinggeländer umklammernd, ohne überdies die Augen von der Gestalt der Frau [wörtlich: Honorativ für Tochter] abzuwenden, hatte [er] den Anschein [to iu fnj da, Präsumptiv], in Verzückung sich selbst (ware o) zu vergessen [IV] [...]

Diese Art, Verben der inneren Verfassung mit Präsumptiven zu setzen, ist in Shǀjobyǀ auffallend, in späteren Texten stehen Präsumptive vorwiegend in Figurenperspektive. Gedankenberichte Gedankeninhalte, die nicht ausformuliert werden, sind durch die Vermittlungsinstanz geprägt, enthalten Raffungen, doppelte Negationen und Kommentare. Die folgenden Beispiele sind Bemerkungen, die auf direkt wiedergegebene Gedanken folgen. Tsuma ya kodomo ya heiwa na katei no koto o nentǀ ni okanu de wa nai ga, sonna koto wa mǀ hijǀ ni enko ga tǀi yǀ ni omowareru. (685) [Es] ist nicht so, dass [er] Frau und Kinder und das friedliche Zuhause nicht in Erwägung zieht [IV], doch scheint [yǀ ni omowareru, medialer Aspekt/ medialer Aspekt] [ihm] solches (sonna koto) schon als ferne Beziehung.

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Kono nen wa mǀ kasuka ni natte, hankyǀ ataenu hodo sono kokoro wa shinkeiteki ni rosuto shite shimatta. (685) Dieser (kono) Gedanke wird [IV] bald undeutlich [und] in dem Masse, als [er] kein Echo hervorruft [IV], ist [perf. Aspekt] sein (sono) Herz psychologisch schon lost. Usukurai inki na heya wa dǀ kangaete mite mo wabishisa ni taekanete tabako o suu to, aoi murasaki no kemuri ga snjto nagaku nabiku. Mitsumete iru to, Yoyogi no musume, jogakusei, Yotsuya no utsukushii sugata nado ga, gotcha ni natte, motsureatte, sore ga hitori no sugata no yǀ ni omowareru. Bakabakashii to omowanu de wa nai ga, shikashi yukai de nai koto mo nai yǀsu da. (684) Als [er], wie immer [er] es auch zu überlegen versucht [IV], die Einsamkeit dieses dunkeln, trüben Zimmers nicht mehr auszuhalten vermag [IV] [und] eine Zigarette raucht [IV], zieht blauvioletter Rauch sanft fädig empor. Wie er [ihm] nachschaut [IV], verschmelzen [IV] das Mädchen von Yoyogi, die Studentin, die schöne Gestalt von Yotsuya, vermengen sich [IV], scheinen [omowareru, medialer Aspekt] [ihm] wie eine einzige Gestalt. Nicht, dass [er es] nicht albern findet, doch hat [es] nicht den Anschein [yǀsu da, Präsumptiv], [es] bereitet [IV] kein Vergnügen.

Ein Verfahren, einen Gedankenbericht als indirekt zu signalisieren, ist der Gebrauch des Formalnomens koto (Sache), das den Gedankeninhalt als Objekt des Verbs des Denkens anzeigt. Rensǀ wa rensǀ o unde, sono mi no itazura ni seinenjidai o rǀhi shite shimatta koto ya, koibito de metotta saikun no oite shimatta koto ya, kodomo no ǀi koto ya, jibun no seikatsu no kǀryǀtaru koto ya, jisei ni okurete shǀrai ni hattatsu no mikomi no nai koto ya, iroiro na koto ga midareta ito no yǀ ni, motsureatte, kongarakatte, hotondo saigen ga nai. (674) Eine Assoziation brachte [IV] die nächste hervor, dass [er] seine (sono mi no) Jugendzeit nutzlos verschwendet [perf. Aspekt], und dass die Frau, die [er] aus Liebe62 geheiratet hatte, gealtert [perf. Aspekt], und dass die Kinder zahlreich [IV], und dass sein eigenes (jibun no) Leben öd und einsam, und dass [er] unzeitgemäss und ohne Aussichten für die Zukunft, allerlei [Dinge] verknoteten [IV] sich wie verfilzte Fäden, verwirrten [IV] sich ohne Ende.

Negative Gedankenberichte (ein Anzeichen dafür, dass der Wissenshorizont der Vermittlungsinstanz grösser ist als derjenige der Figuren) kommen kaum vor. In einem Fall bezieht sich die Aussage nicht auf den Protagonisten: 62

142

Koibito (ᕜੱ, geliebte Person) hat nicht die negative Konnotation von Geliebte/r und wird deshalb mit „aus Liebe“ wiedergegeben.

Musume wa mada jukken hodo itta bakari da kara, muron kono koe wa mimi ni haitta no de aru ga, ima surechigatta ǀotoko ni koe o kakerareru to wa omowanu no de, furikaeri mo sezu de, [...] aruite iku. (673) Da das Mädchen kaum zwanzig Meter weit gegangen war, hatte [sie] diese (kono) Stimme zweifellos gehört, aber, da es [ihr] nicht in den Sinn kommt [IV], dass [sie] vom vorbeigegangenen grossen Mann angesprochen wird, geht [sie] weiter [...] ohne sich umzuwenden.

Alle anderen Beispiele werden mit einem Präsumptiv (Dubitativ) abgeschwächt: [...] heibon ni bundan no chiheisen ika ni chinbotsu shite shimaǀ to wa mizukara mo omowanakatta de arǀ shi, hito mo omowanakatta. Keredo kǀ natta no ni wa gen’in ga aru. Kono otoko wa mukashi kara sǀ da ga, dǀmo, wakai onna ni akogareru to iu warui kuse ga aru. (676) [...] dass [er] einst unter den durchschnittlichen Horizont der literarischen Gesellschaft (bundan) gesunken sein werde [perf. Aspekt futuri], hatte [er] wohl [de arǀ, Dubitativ] selbst nicht geglaubt, und auch die Leute hatten [es] nicht geglaubt. Aber dass [es] so (kǀ) kam, hat einen Grund. Dieser Mann (kono otoko) ist seit jeher so (sǀ), nun, [er] hat die schlechte Gewohnheit, sich nach Mädchen zu sehnen. Densha no kuru no mo shiranu to iu fnj ni –. (671) [Er] scheint [fnj ni, Präsumptiv] gar nicht zu merken, dass der Zug kommt [IV] –.

d) Emotionsausdrücke Da ausser dem Protagonisten (und in einem Fall ein junges Mädchen) niemand fokussiert wird, kann das Aussehen des Protagonisten nicht in Figurenperspektive geschildert werden, wie das zum Beispiel durch die Wahrnehmung einer Figur oder in direkter Rede möglich wäre (ausser einigen Aussagen seiner Freunde, die sich aber mehr für seine Psychologie interessieren). Es ist deshalb die Erzählinstanz, die diese Funktion versieht und den Helden, sein Aussehen und seine Kleidung beschreibt. Diese Beschreibungen werden auch benutzt, um – allerdings seltene – Einblicke in die Innerlichkeit durch Emotionsausdrücke zu geben. Toshi no koro sanjnjnanahachi, nekoze de, shishihana de, soppa de, iro ga asagurokutte, hǀhige ga urusasǀ ni kao no hanmen o ǀtte, chotto miru to osoroshii yǀbǀ, wakai onna nado wa hiruma deatte mo kimi waruku omou hodo da ga, sore ni mo niawazu, me ni wa jnjwa na yasashii tokoro ga atte, taezu nanimono o ka mite akogarete iru ka no yǀ ni mieta. (668)

143

Etwa siebenunddreissig oder achtunddreissig Jahre alt, mit gekrümmten Schultern, Stumpfnase, vorstehenden Zähnen, dunkler Gesichtsfarbe, einem Backenbart, ungebärdig das halbe Gesicht bedeckend, auf einen Blick schon eine erschreckende Erscheinung, in dem Masse, dass es jungen Frauen, begegnen [IV] [sie ihm] selbst tagsüber, unheimlich wird, doch unpassend dazu haben [IV] die Augen etwas Sanftes, Freundliches, [es/er] sah aus [yǀ ni mieru, Präsumptiv/medialer Aspekt] als sehnt [imp. Aspekt] [er sich] ununterbrochen nach etwas.

Hier wird der Protagonist das erste Mal beschrieben und auf den Kontrast zwischen seinem Aussehen und seiner Innerlichkeit hingewiesen, ein Kontrast, der auch zwischen seinem Aussehen und seinen literarischen Arbeiten, wie andernorts erwähnt wird, besteht. Kaotsuki ga warui. Me no nigotte iru no wa sono kokoro no kurai koto o shimeshite iru. (685) Die Gesichtsfarbe ist schlecht. Die Trübheit der Augen zeigt [imp. Aspekt], dass sein (sono) Herz düster ist.

Emotionsausdrücke werden auf der Erzählerebene spärlich gebraucht, und beziehen sich auf den Protagonisten. Hier bezeichnet mieta (in die Augen fallen) die Wahrnehmung der Figur, das zweite to miete (scheinen) gehört in die Erzählerebene: [...] futo minareta ribon no iro o mieta to miete, sono kao wa harebareshiku kagayaite mune wa odotta. (681) [...] unversehens schien [IV, to miete, medialer Aspekt] [ihm] die Farbe [ihrer] vertrauten Haarschleife in die Augen gefallen [mieru, medialer Aspekt] zu sein, [und] sein (sono) Gesicht leuchtete heiter, das Herz hüpfte.

e)

Innerlichkeit dritter Personen

Es gibt in diesem Text weder Innerlichkeits- noch Gedankenberichte anderer Personen (ausser in direkter Rede), abgesehen von zwei geringfügigen Beispielen. Dies wäre in einer Er-Erzählung durchaus möglich, doch konzentriert sich Tayama auf die Innerlichkeit des Protagonisten. [...] chotto miru to osoroshii yǀbǀ, wakai onna nado wa hiruma deatte mo kimi waruku omou hodo da ga [...] (668) [...] auf einen Blick schon eine erschreckende Erscheinung, in dem Masse, dass es jungen Frauen, begegnen [IV] [sie ihm, Sugita] selbst tagsüber, unheimlich wird [...]

144

Kono ekichǀ mo sono ta no ekifu mo mina kono ǀotoko ni juku shite iru. Sekkachi de, awatemono de, hayakuchi de aru to iu koto mo shitte iru. (670) Auch diesem (kono) Bahnhofsvorstand und den anderen Bahnbeamten ist [imp. Aspekt] dieser (kono) grosse Mann wohlbekannt. [Sie] wissen [imp. Aspekt] auch, dass [er] hastig [und] nervös ist [und] überstürzt redet.

2.4.4

Elemente der Unmittelbarkeit

a) Direkte Rede Kap. 1 2 3 4 5 Total

Anzahl Zeilen 53.0 33.5 53.5 38.5 56.0 234.5

DR Zeilen 0.25 2.5 22.0 0.5 3.25 28.5

Der Mann (Sugita) — 1.25 — — 0.5 1.75

Freunde

Kollegen

— — 22.0 — — 22.0

— — — — 2.75 2.75

Andere 0.25 1.25 — 0.5 — 2.0

% 0.5 7.5 41.0 1.0 6.0 12.0

Wie die Tabelle zeigt, ist die Verteilung der direkten Rede aussergewöhnlich, besonders wenn man bedenkt, dass 30% etwa dem Standard entspricht, und (normalerweise) der Protagonist am meisten spricht. In dieser Erzählung aber redet der Held kaum, nur einige Worte in der „Episode“ und im Büro, ein Zeichen seiner Isolation und seines Realitätsverlustes. Andererseits zitiert Tayama ein längeres Gespräch über den Protagonisten, in dem dessen Problem zur Sprache kommt, und das mehr als 70% der gesamten direkten Rede ausmacht. Hier wird diskutiert, ob die „Krankheit“ des Helden auf Veranlagung beruht oder ob sie auf seine „schlechte Gewohnheit 63 “, hervorgerufen durch die instinktfeindliche (d.h. sexualitätsfeindliche) Auffassung der Heiligkeit der Liebe (␹⡛ߥ ࠆᕜᗲ , shinsei naru ren’ai 64 ) zurückzuführen sei. Es geht in diesem Gespräch um ren’ai shinseiron (ᕜᗲ␹⡛⺰, Theorie der heiligen Liebe) versus honnǀ mannǀsetsu (ᧄ⢻ḩ⢻⺑, Theorie von der Allmacht des Instinkts). Dieses Gespräch, das die öffentliche Onanie-Diskussion 63 64

Jap. warukuse (ᖡ≻), ein Euphemismus für Onanie. Der Protagonist braucht den Neologismus ren’ai ( ᕜᗲ , geistige oder abstrakte Liebe) nie, er benützt das ältere Wort koi (ᕜ, Liebe, Sehnsucht oder [sexuelles] Verlangen), das handfestere Konnotationen als ren’ai aufweist. Dieses Motiv wird in Futon wieder aufgenommen, allerdings ist es dort die Protagonistin Yoshiko, die ihre Affäre mit einem jungen Studenten mit diesem Begriff „vertuscht“.

145

aufgreift, eine Diskussion, die, wie Sabine Frühstück 65 zeigt, in jenen Jahren geführt wurde, wird in den meisten (der ohnehin seltenen) Artikeln über Shǀjobyǀ übergangen. Eine Ausnahme bildet Kobayashi Ichirǀ (1979) und der Artikel „Shǀjobyǀ o yomu“ (Shǀjobyǀ lesen), in dem die These vertreten wird, Tayama habe den öffentlichen Diskurs ironisch verfremdet. 66 Die Begründung stützt sich auf eine einzige Aussage des Textes, nämlich den Satz, der die lange Diskussion der Freunde abschliesst. [...] to tǀtǀ toshite benjita. (678) [...] trug [er] mit grosser Beredsamkeit vor.

Dieser eine Satz, scheint mir, genügt nicht, um dieses Gespräch – das allerdings ein Fremdkörper im Text darstellt – als „ironisch gemeint“ zu interpretieren. Es ist eher möglich ist, dass Tayama versuchte, die Interpretation des Textes zu lenken, ohne auf auktoriale Erklärungen zurückgreifen zu müssen (was er in Jnjemon no saigo durch lange und ebenso unnatürliche Monologe des Erzählers tat, wobei kein Interpret auf die Idee käme, diese als ironisch anzusehen). Es ist vielmehr ein Versuch, die „kleinliche Subjektivität des Autors“ (der Erzählinstanz) zugunsten der „Subjektivität der grossen Natur“ (des Stoffes bzw. der Figuren) zu eliminieren, ohne auf Hinweise auf die Intention des Autors verzichten zu müssen. b) Direkte Gedankenberichte und -wiedergabe Im vorliegenden Text gibt es nur zwei Stellen, beide in den Anfangskapiteln, in denen die Gedanken als (berichtete innere) Monologe formuliert, also in Anführungszeichen gesetzt sind. Die raffenden Attribute zu den Verben des Denkens wie sude ni, (schon) tsuzuite (darauf), kondo wa (dann) und ni no ya o tsugu (folgt [wie] ein zweiter Pfeil), zeigen sehr schön, dass diese direkten Gedanken berichtet sind. „Mǀ dǀshite mo nijnjnisan, gakkǀ ni kayotte iru no de wa nashi... sore wa maiasa awanu no de mo wakaru ga, sore ni shite mo doko ni iku no darǀ,“ to omotta ga, sǀ omotta no ga sude ni yukai na no de, me no mae ni chiratsuku utsukushii kimono no

65 66

146

Vgl. Frühstück (1997: 52–53). Vgl. Ishihara et al. (1990: 178).

shikisai iishirazu mune o sosoru. „Mǀ yome ni ikun darǀ?“ to tsuzuite omotta ga, kondo wa sore ga nandaka sabishii yǀ na oshii yǀ na ki ga shite, „ore mo ima sukoshi wakakereba...“ to ni no ya o tsuida ga, „nanda, bakabakashii, ore wa ikutsu da, nyǀbǀ67 mo areba kodomo mo aru,“ to omoikaeshita. Omoikaeshita ga, nanto naku kanashii, nanto naku ureshii. (670) „Bestimmt [ist das Mädchen] schon zwei, dreiundzwanzig, [sie] geht nicht zur Schule... das (sore) weiss [ich] auch, weil [ich sie] nicht jeden Morgen treffe, trotzdem, wohin mag [sie] nur gehen“, dachte [der Mann/er], doch dieses Gedachthaben ist [IV] [ihm] schon ein Vergnügen, das Muster des schönen Kimonos, der vor seinen Augen wippt, erregt [ihn] unsäglich. „[Sie] wird wohl bald heiraten?“, dachte [er] darauf, doch diesmal schien [IV] [es ihm] irgendwie einsam und bedauerlich, „wenn ich (ore) auch ein wenig jünger wäre...“, folgte [wie] ein zweiter Pfeil dem ersten, doch, „was denn, Unsinn, wie alt bin ich (ore), [ich] habe nicht nur eine Frau, sondern auch Kinder“, nahm [er] zurück. Überdachte [er], irgendwie traurig, irgendwie froh.

Ein unabsichtlich verlauteter Gedanke muss in Anführungszeichen stehen, um zu zeigen, dass dieser ausgesprochen wird: Otoko wa surechigaizama ni, „kyǀ wa gakkǀ ni ikanu no kashiran? Sǀ ka, shikenyasumi ka, haruyasumi ka“ to ware shirazu kuchi ni dashite itte [...] (672) Im Moment als der Mann vorbeiging, [IV] „geht [sie] wohl heute nicht zur Schule? Ach so, wohl Prüfungsferien oder Frühlingsferien“, sagte [er] unabsichtlich [in seinem Mund] laut [...]

Diese Stellen sind selten. Je ausführlicher die Inhalte wiedergegeben werden, umso mehr zeigt sich die Tendenz, Figurensprache zu gebrauchen, wobei umgangssprachliche Formen der Kopula (-n da, -n darǀ, -n), Ausrufe- und Fragezeichen oder auf Figurendeixis weisende Deiktika und Demonstrativa wie ima (jetzt) kyǀ (heute) oder kono (diese/r/s [hier]) auffallen. Utsukushii me, utsukushii te, utsukushii kami, dǀshite zokuaku na kono yo no naka ni, konna kirei na ko ga iru ka to sugu omotta. Dare no saikun ni naru no darǀ, dare no kaina ni makareru no to omou to, tamaranaku kuchioshiku nasakenaku natte sono kekkon no hi wa itsu da ka shiranu ga, sono hi wa norou beki hi da to omotta. (686) Schöne Augen, schöne Hände, schöne Haare, wie kann es auf dieser (kono) profanen Welt so (konna) ein herrliches Mädchen geben, dachte [er] gleich. Wessen

67

Hier wird die Frau des Protagonisten das einzige Mal mit nyǀbǀ bezeichnet.

147

Frau wird [sie] wohl werden, von wessen Arm wird [sie] wohl [de arǀ, Dubitativ] umschlungen werden, als [er] so denkt [IV], verdriesst und jammert [IV] [es] [ihn] unsäglich, [er] weiss [IV] zwar nicht, wann ihr (sono) Hochzeitstag ist, aber dieser (sono) Tag ist verfluchenswürdig, dachte [er]. Kyǀ wa, ribon ga itsumo no to chigatte shiroi to otoko wa sugu omotta. (671) Die Haarschleife ist [IV] heute (kyǀ) anders als sonst, ist weiss, dachte der Mann gleich.

Die folgende Passage weist kaum Elemente der Vermittlung auf: die Postposition to (als, Gleichzeitigkeit) und das Verb kurikaesu (wiederholen, Raffung). Die Gedanken sind, ausser dem einführenden koto o omou ([er] denkt an), in Figurensprache gehalten. Die Deixis ist jene der Figur, und die ganze Passage, die nur ein einziges [Pro]nomen aufweist, könnte sowohl in der Ich- als auch in der Er-Form stehen. Gogo sanji sugi, taishutsu jikoku ga chikaku naru to, ie no koto o omou. Tsuma no koto o omou. Tsumaran na, toshi o totte shimatta to tsukuzuku gaitan suru. Wakai seinenjidai o kudaranaku sugoshite, ima ni natte, kǀkai shita to te nan no yaku ni tatsu, hontǀ ni tsumaran nƗ to kurikaesu. Wakai toki ni naniyue hageshii koi o shinakatta ka. Naze jnjbun ni niku no kaori o mo kaganakatta. Ima jibun omotta to te, nan no hankyǀ ga aru. Mǀ sanjnjnana da. Kǀ omou to, ki ga iraira shite, kami no ke o mushiritaku naru. (684–5) Nachmittags nach drei Uhr, als der Zeitpunkt, das Büro zu verlassen näher rückt [IV], denkt [er] an die Familie. Denkt an die Frau. Wie trostlos, dass [sie] gealtert ist [perf. Aspekt], seufzt [er] tief. Die Jugend hat [IV] [er] unnütz vertan, was hilft’s, jetzt (ima) bedauert zu haben, ah, wirklich trostlos, wiederholt [er]. Warum hatte [er] nicht heftig geliebt als [er] jung war? Warum nicht genügend den Duft des Fleisches gerochen? Was half es, jetzt (ima jibun [ᤨಽ ]) so gedacht zu haben? Schon siebenunddreissig. So denkend ärgert [er] sich [und] bekommt Lust, sich die Haare zu raufen.

Dies ist eine der Stellen, die als erlebte Rede übersetzt werden müsste: Nachmittags nach drei Uhr, als der Zeitpunkt, das Büro zu verlassen näher rückte, dachte er an die Familie. Dachte an die Frau. Wie trostlos, dass sie gealtert war, seufzte er tief. Die Jugend hatte er unnütz vertan, jetzt zu bedauern brachte nichts, wirklich trostlos, wiederholte er. Warum hatte er nicht heftig geliebt als er jung war? Warum nicht genügend den Duft des Fleisches gerochen? Was half es, jetzt so zu denken? Schon siebenunddreissig. So dachte er erbittert und hätte sich am liebsten die Haare gerauft.

148

c)

Darstellung von Innerlichkeit

Bei der Wiedergabe von Innerlichkeit kann die Präsenz der Vermittlungsinstanz stark schwanken – von eingreifend-kommentierend bis kaum mehr greifbar – die Grenzen sind fliessend. In Momenten höchster emotionaler Intensität tritt die Vermittlungsinstanz zurück, der umgebende Text (Verben der inneren Verfassung) muss einer neutralen Erzählfunktion zugerechnet werden. Raffungen und Personenbezeichnungen fehlen (oder sind in Figurenperspektive eingebettet), es gibt nur noch das [Pro]nomen kare, die Deixis ist heute (kyǀ) und jetzt (ima). Sha no garasuto o akete soto o deru. Shnjjitsu no rǀdǀ de atama wa sukkari tsukarete, nandaka nǀten ga itai yǀ na ki ga suru. Nishikaze ni maiagaru kiiroi hokori, wabishii, wabishii. Naze ka kyǀ wa kotosara wabishiku tsurai. Ikura utsukushii shǀjo no kami no kaori ni akogareta kara tte, mǀ jibunra wa koi o suru jidai de wa nai. Mata koi o shitai tatte, utsukushii tori o izanau hane o mǀ motte oranai. To omou to, mǀ ikite iru kachi ga nai, shinda hǀ ga ii, shinda hǀ ga ii, to kare wa ǀki na karada o hakobinagara kangaeta. (685) [Er] öffnet [IV] die Glastür des Verlags [und] tritt hinaus. Von der Arbeit des Tages ist der Kopf völlig ermüdet [IV], [er] hat das Gefühl, sein Schädel brumme. Der gelbe im Wind aufwirbelnde Staub, einsam, einsam. Warum nur fühlt [er] sich heute besonders einsam und traurig? Wie sehr [er] [sich] auch nach dem Geruch von Mädchenhaaren sehnt, für seinesgleichen (jibunra) ist die Zeit zu lieben vorbei. Noch einmal lieben zu wollen, [er] hat die Flügel nicht mehr, schöne Vögel anzulocken. Als [er] so denkt, hat das Leben keinen Wert mehr, besser tot zu sein, besser tot zu sein, dachte er (kare), während [er] seinen grossen Körper einher schleppte [IV].

Und eine Stelle ohne Einführungsverb und ohne Anführungszeichen, die zeigt, dass Ausrufe auch auf der Figurenebene angesiedelt sein können: Musume no da! (672) [Die Haarnadel] des Mädchens!

Je mehr die Vermittlungsinstanz verschwindet, um so seltener werden die Verben des Denkens, oft sind sie nur noch durch den Quotativ to angedeutet, wobei die spärlich gesetzten [Pro]nomen der Selbstreferenz zwischen ore, jibun und sono mi schwanken.

149

Sugita wa mutto shita ga, kudaran yatsu o aite ni shite mo to omotte, waki o muite shimatta. Jitsu ni shaku ni sawaru, nanajnj no ore o hiyakasu ki ga shirenu to omotta. (684) Sugita ärgerte sich, doch dachte [IV] [er], was soll [ich mich/er sich] mit einem nichtswürdigen Kerl abgeben und wandte [sich] schliesslich ab [perf. Aspekt]. Das geht [mir/ihm] wirklich auf die Nerven, unverständlich, dass [man] mich (ore) Siebenunddreissjährigen hänselt, dachte [er].

Es gibt in diesem Text eine Szene, die unvermittelt steht. Die Figur wird – wenn auch nur kurz – zum Reflektor. Dabei werden erzählerische Mittel, die sonst vom Erzähler wahrgenommen werden, wie Rückwendungen, iterative Raffungen und indirekt wiedergegebene Reden von der Figur reflektiert. Henshnjchǀ ga mata hiniku na otoko de, hito o hiyakasu koto o nan to mo owanu. Honeotta bibun de mo kaku to, Sugitakun, mata onoroke ga demashita ne to tsukkomu. Nanzo to iu to, shǀjo o mochidashite warawareru. De, oriori wa mutto shite, ore wa kodomo ja nai, sanjnjnana da, hito o baka ni suru ni mo hodo ga aru to fungai suru. (682) Überdies ist der Chefredakteur ein ironischer Mensch, dem [es] nichts ausmacht, Leute zu hänseln. Gibt [Sugita] sich Mühe, bibun zu schreiben, kommt [der Chefredakteur] daher [und] sagt, na, Sugitakun, ist wieder ein Liebesabenteuer herausgekommen. Sagt [Sugita], wieso denn, bringt [der Chefredakteur] die Mädchen vor [und] [Sugita] wird ausgelacht. Nun, manchmal wird [Sugita] unmutig, ich (ore) bin doch kein Kind mehr, [bin] siebenunddreissig, es gibt Grenzen dafür, dass [man] Leute lächerlich macht, ärgert [er sich].

Diese Stelle steht nach direkt wiedergegebenen Gedanken (der Protagonist ist unterwegs) und ist durch Figurenperspektive beeinflusst. Die Kopula und Verbalsuffixe sind in umgangssprachlichem Stil (da, omowanu, ja nai), präsentisch, da es sich um eine iterative Passage handelt, die Verben der inneren Verfassung beziehen sich auf den Protagonisten (warawareru, mutto suru, fungai suru), und ausser der Anrede „Sugitakun“ und dem [Pro]nomen ore in einer Redewiedergabe wird ausser henshuchǀ (der Redakteur) kein Subjekt gesetzt. Müsste man hier Pronomen setzen, dann könnte man sowohl die Pronomen der ersten wie der dritten Person setzen: Überdies ist der Chefredakteur ein ironischer Mann, dem es nichts ausmacht, Leute zu hänseln. Wenn ich mir Mühe gebe, bibun zu schreiben, na, Sugitakun, ist wieder ein Liebesabenteuer herausgekommen, kommt er daher. Sage ich, wieso denn,

150

bringt er die Mädchen vor und verlacht mich. Nun, manchmal werde ich unmutig, ich bin doch kein Kind mehr, bin siebenunddreissig, es gibt Grenzen dafür, dass man Leute lächerlich macht, ärgere ich mich.

Diese Passage ist für einen Text, der 1907 geschrieben wurde, erstaunlich modern und müsste im Deutschen in erlebter Rede stehen: Überdies war der Chefredakteur ein ironischer Mann, dem es nichts ausmachte, Leute zu hänseln. Wenn er sich Mühe gab, bibun zu schreiben, na, Sugitakun, ist wieder ein Liebesabenteuer herausgekommen, kam der Chefredaktor daher. Sagte er, wieso denn, brachte dieser die Mädchen vor und verlachte ihn. Nun, manchmal wurde er unmutig, er war doch kein Kind mehr, war siebenunddreissig, es gab Grenzen dafür, dass man Leute lächerlich machte, ärgerte er sich.

Allerdings herrscht im nächsten Abschnitt mit einem Kommentar wieder Erzählerperspektive: Keredo sore wa sugu kiete shimau no de, koriru koto mo naku, tsuyappoi uta o yomi, shintaishi o tsukuru. (682) Aber das geht [perf. Aspekt] gleich vorbei, ohne sich zu bessern, schreibt [er] süssliche Gedichte [im traditionellen Stil], verfasst shintaishi.

2.4.5

Das zweite Kapitel

a) Figurenperspektive In dieser Erzählung ist es von besonderem Reiz, Erzähler- und Figurenperspektive zu unterscheiden. Da die Erzählhaltung distanzierend ist, differieren die beiden Perspektiven markant – wie zum Beispiel die Beschreibung der Gegend vom Zug aus gesehen (679), für die der „Mann“ keine Augen hat, oder die Schilderung der Mädchen, die (fast) alle aus der Sicht des Protagonisten geschildert werden. Die Perspektive kann nicht nur abrupt von Erzähler zu Protagonist wechseln, sondern in einem Beispiel auch zwischen den Figuren. Dabei ist wechselnde Perspektive kein Zeichen von auktorialer Allwissenheit, sondern tendiert zur neutralen Erzählfunktion, da die Geschehnisse von den Figuren wahrgenommen werden. Diese Perspektivenwechsel sind in Shǀjobyǀ noch sehr selten, kommen in Futon einige Mal vor, sind aber in späteren Erzählungen häufig.

151

Die Episode mit wechselnder Perspektive wird im ersten Kapitel vorbereitet und im zweiten Kapitel ausgestaltet. Eine iterativ geraffte Passage ist anfangs vom Erzähler beherrscht und beschreibt ein Mädchen, von dem der Protagonist glaubt, dass es ihn „kennt“ und schwenkt dann in die Perspektive und Innerlichkeit des Protagonisten. Kono musume to wa itsudemo dǀjikoku ni Yoyogi kara densha ni notte, Ushigome made iku no de, izen kara yoku sono sugata o mishitte ita ga, sore to itte aete kuchi o kiita to iu no de wa nai. Tada aitai shite notte iru, yoku futotta musume da nƗ, to omou. Ano hǀ no niku no yutaka na koto, chichi no ǀki na koto, mǀ rippa na musume da nado to tsuzuite omou. Sore ga tabikasanaru to, [...] nani mo kamo yoku shiru yǀ ni natte, doko no musume kashiran? nado to, sono ie sono katei ga shiritaku naru. (671–672) Dieses (kono) Mädchen stieg [IV] stets zur gleichen Zeit in Yoyogi in den Zug, [und] da [sie] bis Ushigome fährt [IV], ist [er] mit dieser/ihrer (sono) Gestalt von früher her vertraut, trotzdem aber ist [IV] es nicht so, dass [er sich] je getraut hat, [sie] anzusprechen, [er] fährt [imp. Aspekt] einfach [mit ihr] zusammen, ein gutgenährtes Mädchen, denkt [er]. Wie die (ano) Backen üppig sind, die Brüste gross, wirklich ein prächtiges Mädchen und dergleichen, denkt [er] darauf. Wie diese [Begegnungen] (sore) sich häufen [IV], [...] ist [sie ihm] irgendwie schon ganz vertraut, woher das Mädchen wohl kommen mag? [Er] möchte [-tai, Optativ der ersten Person] deren (sono) Haus und Familie kennen lernen.

Er trifft sie auch „heute“ (Handlungsebene) und stellt sich vor, dass sie sich an ihn erinnert. Die Selbstreferenz des Protagonisten ist jibun, der Präsumptiv -rashii weist auf eine Erzählinstanz mit beschränktem Wissenshorizont. Kono musume wa jibun o wasure wa sumai, muron shitte iru! to tsuzuite omotta. Soshite musume no hǀ o mita ga, musume wa shiranu kao o shite, atchi o muite iru. Ano kurai no uchi wa hazukashii n darǀ, to omou to tamaranaku kawaiku natta rashii [...] (671) Dieses (kono) Mädchen vergisst mich/ihn (jibun) wohl nicht, sie kennt [mich/ihn] natürlich! dachte [er] darauf. Dann guckte [er] in die Richtung des Mädchens, doch das Mädchen macht [IV] ein unwissendes Gesicht, und guckt auf die andere Seite (atchi). Geniert [sie] sich wohl [-n darǀ, Dubitativ] in dem (ano) Masse, dachte [er] und dabei ist [sie ihm] offensichtlich (-rashii) noch reizvoller geworden [perf. Aspekt].

152

Schliesslich wird der Grund, warum der Protagonist glaubt, das Mädchen kenne ihn, vom Erzähler, der die Gedanken des Protagonisten zitiert, erwähnt, wobei kono einmal in die Figuren-, einmal in die Erzählerperspektive gehört: Kono musume wa jibun o wasure wa sumai to kono otoko ga omotta no wa, riynj no aru koto de, sore ni wa omoshiroi episǀdo ga aru no da. (671) Die Tatsache, dass dieser Mann (kono otoko, distanzierende Benennung) glaubte, dieses (kono, Figurenperspektive) Mädchen vergisst ihn (jibun) wohl nicht, hat [IV] einen Grund, dazu gibt [es] nämlich (no da) eine interessante Episode.

Die Episode selbst, d.h., das ganze zweite Kapitel, ist in der Vergangenheit (eines Tages) situiert: [...] aru hi no koto, otoko wa rei no bǀshi, rei no inbanesu, rei no sebiro, rei no kutsu de, rei no michi o rei no gotoku Sendagaya no tanbo ni kakatte kuru to, futo mae kara sono futotta musume ga haori no ue ni shiroi maegake o darashinaku shimete, nakaba tokikaketa kami o migi no te de osarenagara, tomodachirashii musume to nanigoto o ka katariainagara, aruite kita. (672) Eines Tages, als der Mann im üblichen Hut, im üblichen Inverness [Mantel], im üblichen Anzug, in den üblichen Schuhen wie üblich durch die Felder von Sendagaya gelaufen kam [IV], kam ihm dieses (sono) dicke Mädchen in einer weissen, nachlässig gebundenen Schürze, mit ihrer rechten Hand die halbwegs aufgelösten Haare haltend (nagara), mit einem Mädchen, offenbar (-rashii) einer Freundin, irgend etwas redend (nagara) entgegen (-te kita).

Während der erste Teil der Aussage durch die Wiederholung von rei no (üblich, wie immer) und das Verb kuru (kommen) in die Erzählerperspektive gehört, wechselt die Perspektive durch mae kara (von vorn) und aruite kita (kam auf [ihn] zugegangen) zur Figur; -rashii (offensichtlich) und die Beschreibung des Mädchens gehören in die Perspektive des Mannes. Ein Erzählerkommentar unterbricht dies, um nach einem Gedankenbericht mit to miete (den Anschein haben, aussehen als, beschränkter Wissenshorizont des Erzählers) wieder in Figurenperspektive einzuschwenken: Itsumo au kao ni chigatta tokoro de au to, nan da ka tanin de nai yǀ na ki ga suru mono da ga, otoko mo sǀ omotta to miete, mǀ sukoshi de eshaku o suru yǀ na taido o shite, [...] (672)

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Begegnet [IV] [man] einem Gesicht, das [man] immer trifft [IV], an einem anderen Ort, hat [man] das Gefühl, [die Person] ist kein Fremder, auch der Mann scheint [to miete, medialer Aspekt] so gedacht zu haben, und nimmt [IV] eine Haltung an, als will [yǀ da, Präsumptiv] [er] gleich grüssen. [...]

Darauf stellt sich der Protagonist (kotchi) vor, was das Mädchen denkt, wobei das [Pro]nomen, kore (dieser, diese, dieses) Referenz für das Mädchen ist. Tayama scheut sich offenbar, hier das neuere kanojo (neutrales weibliches Äquivalent zu kare), das in Futon relativ oft vorkommt, zu verwenden. Musume mo chira to kotchi o mite, kore mo „Ɨ, ano hito da na, itsumo densha ni noru hito da na,“ to omotta rashikatta ga, eshaku o suru wake mo nai no de, damatte surechigatte shimatta. (672) Auch das Mädchen guckt [IV] flüchtig hierher (kotchi), auch sie (kore) dachte offenbar (-rashii), „ah, der (ano) Mensch, der Mensch, der immer im Zug fährt“, doch da [es] keinen Grund zu grüssen gibt [IV], ging [sie] schliesslich schweigend vorbei.

Als er ihre Haarnadel findet, denkt er Musume no da! (672) [Die Nadel] des Mädchens!

und ruft sie an. Dabei wechselt die Perspektive zur Erzählerebene mit einem negativen Gedankenbericht, der, um in der Perspektive des Protagonisten situiert zu sein, mit einer dubitativen/präsumptiven Postposition versehen sein müsste. Andererseits ist ima (jetzt, eben) in der Deixis der Figur situiert: Musume wa mada jukken hodo itta bakari da kara, muron kono koe wa mimi ni haitta no de aru ga, ima surechigatta ǀotoko ni koe o kakerareru to wa omowanu no de, furikaeri mo sezu ni [...] aruite iku. (673) Weil das Mädchen kaum zwanzig Meter weit gegangen ist [perf. Aspekt], ist es zweifellos so, dass [sie] diese/meine (kono) Stimme gehört hat, aber, da es [ihr] nicht in den Sinn kommt [IV], dass [sie] vom vorbeigegangenen grossen Mann angesprochen wird, geht [sie] weiter [...], ohne sich umzuwenden.

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Darauf wechselt die Perspektive zum Mädchen, als der Mann sie erneut anruft. Eingeleitet wird es durch miru to (als [sie] hinguckt) und das [Pro]nomen kotchi, das sich jetzt auf das Mädchen bezieht. Miru to sono otoko wa ryǀte o takaku agete, kotchi o muite omoshiroi kakkǀ o shite iru. Futo, ki ga tsuite, atama ni te o yaru to, pin ga nai. Hatto omotte, „ara, watashi, iya yo, pin otoshite yo“ to tomodachi ni iu de mo naku itte, sono mama, batabata to kakedashita. (673) Als [sie] hinguckt [IV], hält [IV] dieser (sono) Mann [dort] beide Hände in die Höhe, hierher (kotchi) gewandt und bietet [imp. Aspekt] einen seltsamen Anblick. Unversehens wird [es ihr] klar, [und] wie [sie] die Hände an den Kopf hält, die Nadel ist weg. Sie erschrickt, „ach, wie dumm, ich (watashi) hab die Nadel verloren“, sagt [IV] [sie] wie zu sich selbst und lief gleich los.

Dann wird wieder aus der Sicht des Mannes erzählt. Otoko wa te o ageta mama, sono aruminiynjmu no pin o motte matte iru. Musume wa ikiseki kakete kuru. Yagate soba ni chikayotta. (673) Mit erhobenen Händen hält [IV] der Mann diese/ihre (sono) Haarnadel aus Aluminium [und] wartet [imp. Aspekt]. Das Mädchen kommt atemlos gelaufen (-te kuru). Schon ist [sie] in die Nähe gekommen [perf. Aspekt].

Der Mann nimmt die Gefühle des Mädchens wahr (Emotionsausdrücke in Figurenperspektive): [...] musume wa hazukashisǀ ni kao o akaku shite, rei o itta. Shikaku no rinkaku o shita ǀki na kao wa, samo ureshisǀ ni nikoniko to waratte, musume no shiroi utsukushii te ni sono pin o watashita. (673) [...] das Mädchen sah geniert aus [sǀ da, Präsumptiv], wurde [IV] rot [und] bedankte sich. Das grosse Gesicht mit dem eckigen Umriss lächelte [IV] frohaussehend [sǀ da, Präsumptiv] [und er] legte diese/ihre (sono) Haarnadel in die weisse, schöne Hand.

Der Dank des Mädchens steht in direkter Rede, der Mann bleibt ausser den Rufen „moshi, moshi, moshi“ (hallo) stumm. Das Ende dieses Kapitels besteht aus direkt wiedergegebenen Gedanken, die zu indirekten Gedankenberichten und einen Innerlichkeitsbericht überleiten:

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Otoko wa ureshikute shikata ga nai. Yukai de tamaranai. Kore de ano musume, ore no kao o mioboeta nƗ... to omou. Kore kara densha de dekkuwashite mo, ano hito ga watashi no pin o hirotte kureta hito da to omou sǀi nai. Moshi ore ga toshi ga wakakutte, musume ga ima sukoshi beppin de, sore de kǀ iu maku o enzuru to, omoshiroi shǀsetsu o dekiru nado to, toritome mo nai koto o iroiro ni kangaeru. Rensǀ wa rensǀ o unde, sono mi no itazura ni seinenjidai o rǀhi shite shimatta koto ya, koibito de metotta saikun no oite shimatta koto ya, kodomo no ǀi koto ya, jibun no seikatsu no kǀryǀtaru koto ya, jisei ni okurete shǀrai ni hattatsu no mikomi no nai koto ya, iroiro na koto ga midarete ito no yǀ ni motsureatte, kongarakatte, hotondo saigen ga nai. Futo, sono tsutomete iru bǀzasshisha no mutsukashii henshnjchǀ no kao ga knjsǀ no uchi ni rekireki to ukanda. To, kynj ni knjsǀ o sutete, michi o isogidashite. (674) Der Mann weiss [IV] vor Freude weder ein noch aus. Ist ausser sich vor Vergnügen. Damit kennt [perf. Aspekt] dieses (ano) Mädchen mein (ore no) Gesicht... denkt er. Wenn [wir] von nun an [uns] im Zug begegnen, denkt [sie] bestimmt, der (ano) Mensch ist der Mensch, der mir (-te kureru) meine Haarnadel aufgelesen hat. Wenn ich (ore) jung wäre [IV], und das Mädchen einigermassen eine Schönheit, [und] [wir] diesen Akt durchspielen, gibt [IV] es eine interessante Erzählung, so und ähnlich denkt [er] allerlei Ungereimtes. Eine Assoziation bringt die nächste hervor, dass er seine (sono mi no) Jugendzeit nutzlos verschwendet hat [perf. Aspekt], und dass die Frau, die [er] aus Liebe geheiratet hat, gealtert ist [perf. Aspekt], und dass die Kinder zahlreich, und dass sein eigenes (jibun no) Leben öd und einsam, dass [er] unzeitgemäss und ohne Aussichten für die Zukunft ist, allerlei [Dinge] verknoten [IV] sich wie verfilzte Fäden, verwirren [IV] sich, [es] hat kein Ende. Plötzlich erschien lebhaft in seinen Tagträumereien das Gesicht des missgelaunten Chefredakteurs des N.N. Zeitschriftenverlags, in dem [er] angestellt ist [imp. Aspekt]. Und, rasch die Fantasien beiseite schiebend, beeilte [er] sich auf [seinem] Weg.

Trotz dieser ausserordentlichen Unmittelbarkeit sind dies Gedankenberichte, ersichtlich aus den Raffungen, die die Verben der inneren Vorgänge begleiten wie sugu kangaeru (denkt [er] gleich) tsuzuite kangaeru (denkt [er] darauf), iroiro ni kangaeru (denkt [er] allerlei), nado to kangaeru, (denkt [er] und dergleichen) oder aus den wertenden Kommentaren wie toritome mo nai koto o iroiro ni kangaeru (denkt [er sich] allerlei Ungereimtes).

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2.4.6

Verquickung der Ebenen

Ein Merkmal dieses Textes ist, Innerlichkeitsberichte durch Verben einzuleiten, die in die innere Welt des Protagonisten führen. Die Gedanken werden direkt vermittelt, meist mit nachfolgenden Verben des Denkens, um wieder in einen Innerlichkeitsbericht überzuleiten und/oder in einen distanzierenden Kommentar zu münden. In der folgenden Passage führen Emotionsausdrücke zu einem durch die doppelte Negation auktorial gefärbten Gedankenbericht, wonach omowareru (schien [ihm], medialer Aspekt) wieder in die Figurenebene überleitet und Gedanken (ohne Verben des Denkens) direkt wiedergegeben werden. Nach einem Kommentar des Erzählers folgt ein weiterer direkter Gedankenbericht in Figurensprache, kenntlich gemacht durch das Verb -te kureru (etwas für den Sprecher tun). Diese Gedanken werden schliesslich durch ein to omou (meint [er]) abgeschlossen und mit einem ausgesprochen distanzierenden Kommentar des Erzählers beendet, markiert durch keredo (aber), die distanzierende Bezeichnung kono otoko und mochiron gimon da (ist natürlich zweifelhaft).68 Kaoiro ga warui. Me no nigotte iru no wa sono kokoro no kuroi koto o shimeshite iru. Tsuma ya kodomo ya heiwa na katei no koto to o nentǀ ni okanu de wa nai nai ga, sonna koto wa mǀ hijǀ ni enko ga tǀi yǀ ni omowareru. Shinda hǀ ga ii? Shindara, tsuma to ko wa dǀ suru? Kono nen wa mǀ kasuka ni natte, hankyǀ ataenu hodo sono kokoro wa shinkeiteki ni rosuto shite shimatta. Sabishisa, sabishisa, kono sabishisa o sukutte kureru mono wa nai ka, utsukushii sugata no tada hitotsu de ii kara, shiroi kaina ni kono mi o maite kureru mono wa nai ka. Sǀ shitara, kitto fukkatsu suru. Kibǀ, funtǀ, benrei, kanarazu soko ni seimei o hakken suru. Kono nigotta chi ga atarashiku nareru to omou. Keredo kono otoko wa jissai sore ni yotte, atarashii ynjki o kaifuku suru koto ga dekiru ka dǀ ka wa mochiron gimon da. (685–686) Die Gesichtsfarbe ist schlecht. Die trüben Augen zeigen [imp. Aspekt], dass sein (sono) Herz düster ist. Es ist nicht so, dass [er] Frau und Kinder und das friedliche Zuhause nicht in Erwägung zieht [IV], doch scheinen [omowareru, medialer Aspekt] [ihm] derlei (sonna) Dinge schon fern. Ist es besser tot zu sein? Wenn [er] stirbt, was wird aus Frau und Kindern? Dieser (kono) Gedanke wird [IV] bald undeutlich und in dem Masse, als [er] keinen Widerhall weckt [IV], ist [perf. Aspekt] sein (sono) Herz psychologisch lost. Einsamkeit, Einsamkeit, gibt [es] niemanden, der ihm (-te kureru) aus dieser (kono) Einsamkeit hilft, eine einzige 68

Interessant an dieser Stelle ist, dass dieser „Wunsch nach Erneuerung“ – vom Protagonisten ausgesprochen und vom Erzähler angezweifelt – zum Hauptpunkt der Interpretation (auch zum Teil von Futon) wurde.

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schöne Gestalt genügt, gibt [es] niemanden, der diesen Körper/ihn (kono mi) mit weissen Armen umgibt [IV, -te kureru]? Dann wird [er] bestimmt wieder aufleben. Hoffnung, Kampf[geist], Eifer, dort (soko) offenbart sich bestimmt das Leben. Dieses (kono) träge Blut kann neu werden, denkt [er]. Aber ob dieser Mann (kono otoko) tatsächlich dadurch neuen Mut schöpfen kann oder nicht, ist natürlich zweifelhaft.

2.5 Ergebnisse Bedenkt man, dass Shǀjobyǀ, abgesehen von Übertragungen und Übersetzungen, die erste Er-Erzählung Tayama Katais ist, so ist sie trotz dem noch ungewohnten Umgang mit den neuen Ausdrucksmitteln selten undeutlich. Im Gegensatz zu den Ich-Erzählungen macht der Erzähler keine langatmigen Überlegungen zu den Personen im Bestreben, ihre Hintergründe und Motive zu analysieren und versucht auch nicht, die Interpretation in bestimmte Bahnen zu lenken. Er ist frei von Sentimentalität und Pathos oder den langatmigen Grübeleien über Leben, Liebe und Schicksal früherer Ich-Erzähler. Das heisst, Tayama hat hier seinen Vorsatz, die kleinliche Subjektivität (des „Autors“) zu vermeiden, ohne auf die „grosse Subjektivität“ (des Stoffes) zu verzichten, realisiert. Trotzdem steht nach wie vor der Ausdruck von Innerlichkeit im Mittelpunkt, aber die Sentimentalität ist in die Figur verlegt, ohne dass sie der Erzähler teilt. Tayama kann nun, mit einer mehr oder weniger objektiven Erzählinstanz, subjektive Sachverhalte beschreiben oder darstellen, und was Shǀjobyǀ an „Hinweisen zur Intention“ liefert, wird nicht mehr vom Erzähler referiert, sondern muss aus dem Text selbst geschöpft werden. 2.5.1

Die Erzählsituation

Die Wahl der Erzählsituation – eine wenig personalisierte aber distanzierende Vermittlungsinstanz – war für diesen Stoff zwingend, da sie erlaubt, die Distanz Erzähler-Protagonist hervorzuheben. Diese Distanzierung kontrastiert nicht wie in Jnjemon no saigo die Innerlichkeit des früheren und späteren erlebenden Ich/Erzählers, sondern die Innen- und Aussenwelt einer Figur, die unfähig ist, sich objektiv zu sehen und keine Entwicklung durchläuft. Dabei werden die Gedanken des Protagonisten

158

unvermittelt wiedergegeben und kommentiert, ein Verfahren, das, wie Dorrit Cohn 69 zeigt, die Distanzierung des Erzählers von der Figur ermöglicht. Shǀjobyǀ ist also ein Mischtext, der einerseits durch diegetischfiktionale Mittel (die ausgeprägt distanzierte Haltung des Erzählers und seine relativ häufigen Kommentare) gekennzeichnet ist. Trotzdem ist dieser Text nicht auf der extremen Skala erzählerischer Eingriffe anzusiedeln, da Aussagen im gnomischen Präsens selten sind, Leseranreden fehlen, und nur eine Erwähnung des Erzählvorganges vorkommt. Schilderungen des Protagonisten, seines Hauses und seines Aussehens stammen vom Erzähler, aber aus einer Haltung mit beschränktem Wissenshorizont. Auch das Verfahren, Handlung aus der Perspektive anderer Personen zu schildern, sowie das Gespräch der Freunde zeigen, dass Tayama Elemente des Erzählens, die üblicherweise von der Vermittlungsinstanz wahrgenommen werden, in die Wahrnehmung der Figuren einbettet. Die Funktion der Vermittlungsinstanz beschränkt sich auf Innerlichkeitsberichte, distanzierende Kommentare und die Zeitregie. Tayama hat dem Leser nur insofern Interpretationshilfen angeboten, als der Erzähler die Gedanken des Protagonisten kritisch kommentiert. Dies erlaubt dem Leser, sich mit dem Erzähler oder dem Protagonisten zu identifizieren. Wie zu zeigen sein wird, fehlen selbst diese in der nächsten Erzählung, Futon Um die Distanzierung zu unterstreichen, sind Figuren- und Erzählerperspektive eindeutig getrennt; die Innerlichkeit des Helden wird vorwiegend in direkten Gedankenberichten wiedergegeben, wobei die Häufigkeit der in Anführungszeichen gesetzten Gedanken innerhalb des Textes deutlich abnimmt. Es herrscht, trotz fehlendem Dialog, eine Tendenz erhöhter Unmittelbarkeit, und gewisse Szenen, besonders die Beschreibungen der beobachteten Frauen sowie Momente höchster emotionaler Intensität sind aus der Figurenperspektive gestaltet, ohne eine vermittelnde Erzählinstanz. 2.5.2

Folgerungen für die Interpretation

Schon die Erzählsituation macht deutlich, dass es unmöglich ist, den Autor mit dem Erzähler oder der Figur zu identifizieren. Hier von einem Selbstporträt, einer Selbstparodie zu sprechen, ist unangebracht. Es ist 69

Vgl. Cohn (1983: 66–67).

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vielmehr die Beschreibung (stellenweise Darstellung) eines Menschen in seiner Zeit, der Zeit nach dem Russisch-Japanischen Krieg, als die Aufbruchstimmung der frühen Meiji-Zeit vorüber war und Ernüchterung Platz machte – in einer Atmosphäre zunehmender Ideologisierung der offiziellen Staatsdoktrin, die zu kritisieren fast unmöglich war. Tayama hat versucht, seine Figur schonungslos zu beschreiben und die Subjektivität des „Autors“ (Erzählers) zurückzunehmen, auch dadurch, dass er den Interpretationsansatz (warum der Mann „krank nach jungen Frauen“ ist) teils in die Figurenperspektive verlegt (die Gedanken des Protagonisten und das Gespräch seiner Freunde). Für heutige Kritiker scheint es peinlich zu sein, dieses Thema aufzugreifen, ja sie neigen zur Annahme, Tayama habe die damalige Diskussion ironisch verfremdet. Nun war aber Tayama in keiner Weise ein Schriftsteller, der zu Ironie neigte. Das Gespräch der Freunde muss als einer bestimmten Absicht untergeordnet gelesen werden, und zwar im Sinne der damaligen Zeit, einer Zeit, in der Begriffe wie „Liebe“, „Sexualität“ und „Instinkt“ intensiv diskutiert wurden. Dabei ging es um die Gewahrwerdung der animalischen Natur des Menschen, um die Auseinandersetzung zwischen der romantischen und der „naturalistischen“ Auffassung von Liebe, um die Diskussion von ren’ai shinseiron (Theorie der heiligen Liebe), die zu Entsagung und, modern gesagt, zu Frustration führt, versus honnǀ mannǀsetsu (Theorie von der Allmacht des Instinkts). Welche der beiden Ansichten im Sinne der Intention des Werkes „richtig“ ist, wird im Text nicht (diskursiv) abgehandelt, doch lassen sich aus Gedanken des Protagonisten, er habe seine Jugend vertan (684) Interpretationsanzeichen finden, die in Richtung einer Kritik der Entsagung und Bejahung der Instinkte geht. Mit Shǀjobyǀ hat Tayama die psychologische Studie eines Mannes geschrieben, der sich in der neuen Zeit nicht zurechtfindet, sich in eine Fantasiewelt flüchtet, den Bezug zur Wirklichkeit verliert und untergeht.

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3

Futon

3.1 Entstehung Futon71 entstand nur vier Monate nach Shǀjobyǀ und erschien im September 1907 als Monografie im Verlag Shinshǀsetsu. Die Erzählung erregte grosses Aufsehen, ja eine Sensation, denn Tayama hatte Geschehnisse aus seinem Privatleben als Stoff verwendet, dabei gewisse Tabuthemen (Sexualität) berührt und die Innerlichkeit des eher negativ überzeichneten Protagonisten schonungslos ausgebreitet. In seinen Memoiren Tǀkyǀ no sanjnjnen ( ᧲੩ߩਃචᐕ , Dreissig Jahre Tǀkyǀ, 1917) 72 betonte Tayama, dass er unter dem Gefühl litt, zurückgeblieben zu sein, und nun, „alles geben werde“, um den ersehnten Durchbruch herbeizuführen. 73 Gleichzeitig erwähnte er, dass er Futon auf Grund seiner Lektüre von Hauptmanns Einsame Menschen verfasst habe, eine Behauptung, die Hijiya-Kirschnereit einer nachträglichen Rechtfertigung angesichts des ungeahnten Erfolges zuschreibt. [...] es ist psychologisch durchaus einleuchtend, dass er [Tayama] zehn Jahre später zurückblickend seinen Erfolg lieber mit einer bewussten Adaptation eines naturalistischen Werkes aus Europa erklären will, als dass er ihn dem glücklichen Zusammentreffen von persönlicher Problematik und Zeitgeschmack zuschreibt.74

Im Aufsatz „Futon“ o kaita koro75 (㨬⫱࿅㨭ࠍᦠ޿ߚߎࠈ, Zur Zeit als ich Futon schrieb) aus dem Jahre 1924 erwähnte Tayama seine Intention, den Dualismus und die Verlogenheit darzustellen, die die restriktive Moral einer Konventionen betonenden Gesellschaft hervorbringen, und den Weg zu einer freieren Gesellschaft blockieren. Es ging ihm auch 71 72 73

74 75

Tayama (1993, Katai zenshnj 1: 521–607). Tayama (1994, Katai zenshnj 15: 600). Man darf sich nicht allzu sehr auf Tayamas Äusserungen verlassen. Er hat seine Protagonisten stets als gescheiterte Literaten dargestellt, weniger ein Zeichen für den tatsächlichen Misserfolg Tayamas, sondern dafür, dass er glaubte, der ihm gebührende Platz als Literat werde ihm vorenthalten – was auch damit zu tun hatte, dass die Generation Tayamas dafür kämpfte, dass Literatur (ungekünstelte) als Kunst und Schriftsteller als Künstler anerkannt werden sollten. Hijiya-Kirschnereit (1978: 360). Tayama (1995, Katai zenshnj 24: 445–449).

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darum, Hässliches zu beschreiben und die Sexualität als Teil der Natur des Menschen einzubringen. Damit bewegte sich Tayama im mainstream der Weltliteratur: Diese wandte sich in Europa von der Vergoldungsund Verklärungstendenz des poetischen Realismus ab und dem Naturalismus zu, eine Tendenz, die die wohlanständige Gesellschaft ablehnte und die Regierungen als schädlich brandmarkten.76 Tayama hatte schon immer persönliche oder literarische Erfahrungen verarbeitet, wobei er, wie auch in Jnjemon saigo, oft das Gebot der Wahrscheinlichkeit oder Glaubwürdigkeit übertrat. Nahm er Erlebnisse seiner Freunde zum Stoff, wurde er von diesen der „Lüge“ bezichtigt, da sie sich in den Protagonisten zu erkennen glaubten, sich aber nicht mit deren Gefühlen identifizieren konnten.77 In Futon aber wählte Tayama eine annähernd neutrale Erzählinstanz, einen Protagonisten, den er mit Attributen seiner selbst ausstattete und stellte die Innerlichkeit des Protagonisten in den Mittelpunkt der Erzählung. Dies erleichterte dem Leser die Gleichsetzung von Autor, Erzähler und Held sowie die Rezeption als Wirklichkeit, als kühne und aufrichtige Beichte des „eigenen“ Innenlebens. Tayama wehrte sich in Shǀsetsu no sahǀ (ዊ⺑ߩ ૞ᴺ, Anleitung der Erzählung, 1909) gegen diese Ansicht, indem er erklärte, „Beichte“ sei ein religiöser Begriff, der ein moralisches Urteil voraussetze, stets von der Absicht des Sprechers gefärbt sei und so die Wirklichkeit nicht objektiv wiedergeben könne.78 Der Stoff von Futon ist dem Leser nicht neu: Das Thema des frustrierten Ehemanns, des erfolglosen Schriftstellers, dessen Einsamkeit und Sehnsucht nach einer Gefährtin (die Protagonistin Yoshiko hat sehr viel gemeinsam mit dem schönen, aristokratisch wirkenden Mädchen in Shǀjobyǀ – die weisse Gesichtsfarbe, die aufgesteckte Frisur, den goldenen Fingerring). Allerdings ist die Heldin weniger intellektuell als die geliebte Frau in Jokyǀshi, es sind ihre jugendlichen Reize, die den Protagonisten anziehen.

76 77 78

162

Vgl. Hobsbawm (1995: 283). Dies ist besonders der Fall in den zwei Erzählungen Arynjsha (Alyusha, Dezember 1906) und Mauka (Januar 1907), die Erlebnisse Yanagita Kunios zum Stoff haben. Vgl. Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 255). Die Ansicht, Futon sei eine „Beichte“, hat trotz Tayamas Protesten heute wieder neuen Aufwind bekommen durch die Arbeiten des stark von Foucault beeinflussten japanischen Philosophen Karatani Kǀjin. Vgl. Karatani (1996: 87–91).

3.2 Inhalt Takenaka Tokio ist ein Schriftsteller, der in jungen Jahren mit Erzählungen (bibun shǀsetsu) bekannt wurde, dessen neuere Werke aber von der Kritik nicht beachtet werden. Er fühlt sich einsam und frustriert, ist unzufrieden in seiner Ehe (seine Frau zeigt kein Interesse an Literatur und kümmert sich nur um die Kinder) und seiner Arbeit als Herausgeber geografischer Schriften. Er erhält den Brief einer Verehrerin vom Land, die seine Schülerin werden möchte. Er weist sie erst ab, nimmt sie dann aber doch auf. Yokoyama Yoshiko erweist sich als hübsche, lebhafte junge Frau, haikara (modern und modisch gekleidet), in einer christlichen Institution79 erzogen und an Literatur interessiert – Tokio badet sich in ihrer Bewunderung. Die beiden verlieben sich, wobei die Verliebtheit Yoshikos, da aus der beschränkten Perspektive Tokios geschildert, nur erahnt werden kann. Yoshiko erkrankt und fährt zurück aufs Land. Als sie wiederkommt, hat sie einen Freund, Tanaka Hideo, mit dem sie, wie sie beteuert, eine platonische Liebe (tamashii no ren’ai oder shinsei na ren’ai bzw. koi)80 verbindet. Tanaka Hideo, der von einem Gönner zum 79

80

Schulen, die von Missionaren gegründet worden waren, hatten den Ruf, liberaler zu sein als andere und wurden vor allem besucht, um Englisch zu lernen. Tayama selbst war nie an einer christlichen Schule und kam auch nie, wie so viele andere seiner Zeitgenossen, unter den Einfluss des Christentums. Eine Analyse der Ausdrücke für ai ( ᗲ ) und koi ( ᕜ ) ergibt, dass der Erzähler ausschliesslich den Begriff koi benützt, Tokio in seinen Gedanken koi und in Reden ren’ai (ᕜᗲ). Den Begriff aijǀ (ᗲᖱ), innige Zuneigung, benutzt Tokio im Bezug auf Yoshikos Gefühle ihm gegenüber, da er nicht sicher ist, ob sie ihn „liebt“ (koi). Der Ausdruck shinsei na ren’ai oder shinsei naru koi (heilige Liebe) – taucht in einem Redebericht Yoshikos zum ersten Mal auf und wird von Tokio benützt, wenn er ihre Worte in Gedanken „zitiert“, diese explizit gegen geschlechtliche Liebe abgrenzend. In den Briefen Yoshikos ist erst von ren’ai die Rede (bezüglich der „gegenwärtigen Beziehungen“), später von koi im Bezug auf die Zukunft. Das Begriffsfeld „Liebe“ ist wie folgt: jǀ (ᖱ), Sympathie; ai oder aijǀ (ᗲᖱ), Zuneigung; koi, Leidenschaft und ren’ai, Neuprägung und Übersetzung für love. Dieser Begriff nimmt besonders unter dem Einfluss der Schriften Kitamura Tǀkokus (ർ᧛ㅘ⼱, 1868–1894) die Nuance „platonische, geistige Liebe“ an. Koi wird in der Meiji-Zeit als „niedrig“ empfunden, aijǀ als „erhaben“, ren’ai als „heilig“. Der traditionelle Begriff für Sinnlichkeit, iro (⦡), wird von Tayama nicht gebraucht, dafür abstrakte Begriffe wie seiyoku und yokubǀ (ᕈ᰼ und ᰼ᦸ, Lust und Verlangen). Vgl. Yanabu (1991: 75–84).

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Prediger ausgebildet werden soll, sein Studium aber aus Gewissensgründen aufgibt, kommt mittellos nach Tǀkyǀ. Diese Figur ist in jeder Hinsicht negativ charakterisiert. Das mag daran liegen, dass der Leser keinen Einblick in seine Innerlichkeit erhält, denn er wird entweder durch die (verliebten) Äusserungen Yoshikos oder die (eifersüchtigen) Blicke und Gedanken Tokios geschildert. Tokio bezwingt seine Eifersucht, und wird, um Yoshiko nicht zu verlieren, zum „Beschützer der Liebe“ der beiden. Er verteidigt sie gegen die „altmodischen“ Frauen, seine Frau und deren Schwester, bei der Yoshiko wohnt. Er predigt Yoshiko, als ihr Verhalten allzu frei scheint, das Bewusstsein einer „neuen Frau der Meiji-Zeit“81 und fordert sie auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen, ruft aber schliesslich, als er an ihrer Aufrichtigkeit zweifelt, ihren Vater herbei. Der Vater hält Tanaka für einen Erbschleicher und verbietet eine Sanktion der Beziehung oder eine Verlobung, möchte aber, um seiner sozialen Stellung willen, die Tochter in Tǀkyǀ lassen. Tokio, der gegen den Willen des Vaters Beweise für Yoshikos Unschuld verlangt, zwingt sie zu einem Geständnis. In einem Brief gesteht sie, mit Tanaka mehr als platonische Beziehungen gehabt zu haben, wonach Tokio nichts anderes bleibt, als Yoshiko nach Hause zu schicken. Sein „trostloses Leben“ beginnt von neuem.

3.3 Aufbau und Zeitstruktur Futon hat weder Untertitel noch Gattungsbezeichnung, ist in elf Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert und weist einige Leerzeilen auf. Die Erzählung (Erzählzeit) umfasst etwas über 80 Seiten oder 1049 Zeilen. Die erzählte Zeit beträgt dreieinhalb Jahre, wobei nach einem Erzähleingang auf der Figurenebene die Vorgeschichte, die sich über drei Kapitel und einen Zeitraum von etwa drei Jahren erstreckt, teils in Figuren-, teils in Erzählerperspektive, geschildert wird. Vom vierten Kapitel an (anschliessend an die Eingangspassage) ist die Erzählung, abgesehen von einigen Rückschritten, chronologisch. 81

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Die „neue Frau“ ist nicht nur eine Frau, die sich den Konventionen entgegenstellt, sondern sich auch neuen Konventionen unterwirft. Dazu gehört der für Japan neue Gedanke, unberührt in die Ehe zu gehen. Dies spiegelt den Einfluss des Konzepts „Liebe“ als aijǀ oder ren’ai und den Versuch, japanische Sitten an europäische Moralvorstellungen anzupassen. Vgl. Frühstück (1997: 11–12).

Der Erzähleingang zeigt den Protagonisten auf dem Weg zur Arbeit in einem Zustand höchster Erregung. Direkte Innerlichkeitsberichte offenbaren, dass es sich um ein Beziehungsproblem handelt zwischen ihm (kare) und einer Frau (kanojo), dass er verheiratet ist und Kinder hat, sie seine Schülerin ist, und dass durch diesen Vorfall (kondo no jiken) eine Änderung in ihrer Beziehung stattgefunden hat – sie ist die Geliebte eines anderen. „Dieser“ Vorfall geschah vor zwei oder drei Tagen, es handelt sich also um einen in Figurenperspektive eingebetteten Rückblick, wie der Gebrauch der Deiktika kono und kore zeigt. Sore de aru no ni, nisannichirai no kono dekigoto, kore kara kangaeru to, onna wa tashika ni sono kanjǀ o utsuwari utta no da. (521–522) Nichtsdestotrotz bedachte (IV) [er] diesen (kono) Vorfall von vor zwei, drei Tagen von jetzt (kore) aus, hatte die Frau gewiss dieses/sein/ihr (sono) Gefühl verraten.

Nach dieser Eingangspassage wechselt die Perspektive zur Erzählerebene, die Kleidung des Protagonisten wird beschrieben, die Jahreszeit, sein Arbeitsort, seine Arbeit und seine Situation als Literat. Darauf herrscht wieder Figurenperspektive, er sitzt an seinem Schreibtisch und erinnert sich an Hauptmanns Einsame Menschen, das Buch, das er vor drei Jahren gelesen hat, an seine Gefühle damals: Wie er, zwar nicht Hauptmann, aber Turgenev mit ihr gelesen hat, sieht die Szene vor Augen und ruft aus, dass „alles vorbei“ ist. Die darauffolgende Rückwendung ist, obwohl von der Erzählinstanz vermittelt, im Wissenshorizont des Protagonisten verankert, „dieser Vorfall“ ist zum Zeitpunkt des Erzähleingangs bereits Vergangenheit. Wenn in den folgenden Kapiteln davon die Rede ist, bedeutet dies keine Vorausdeutung eines „auktorialen Erzählers“, sondern ist explizit in den Erfahrungshorizont des Protagonisten eingebunden. Erst das zweite Kapitel nennt den Namen des Mannes, worauf eine von der Vermittlungsinstanz eingeführte Rückwendung folgt: Kare wa na o Takenaka Tokio to itta. (525) Mit Namen hiess er (kare) Takenaka Tokio. Ima yori sannen mae [...] (525) Jetzt (ima) vor drei Jahren [...]

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In diesem Kapitel wird nun die Einsamkeit des Helden vor dem „Vorfall“, seine Beziehung zu seiner Frau, seine Sehnsucht nach einer modernen Gefährtin (ein direkter Gedankenbericht seiner Fantasien, der sehr viel Widerwillen bei den Lesern erregte) sowie der Anfang der Beziehung zur Protagonistin und deren Ankunft in Tǀkyǀ im folgenden Jahr geschildert. Nun erst wird ihr Name, Yokoyama Yoshiko, ihr Hintergrund und ihre Erziehung erwähnt. Das dritte Kapitel umfasst einen Zeitraum von anderthalb Jahren (bis zu „diesem Vorfall“), in dessen Mittelpunkt Yoshiko steht. Ihre zweimalige Rückkehr in ihr Elternhaus wird erwähnt, um dann in einem Rückschritt den Grund dafür anzugeben: Sommerferien und ein Nervenzusammenbruch (shinkei suijaku ␹⚻⴮ᒙ)82. Aus einem tränenreichen (nicht zitierten, sondern erinnerten) Brief kann erahnt werden, dass sich Yoshiko in Tokio verliebt hat. Da es sich um Tokios Perspektive handelt und die geschilderten Vorgänge Tokios Wissenshorizont nie übersteigen, bleibt der Leser im Ungewissen. Tokio überlegt sich, ob er die Gelegenheiten, mit Yoshiko eine Affäre zu beginnen, hätte wahrnehmen sollen, wobei eine dieser „Chancen“ in Tokios Gedanken erwähnt wird, die andere aus einer Art vergegenwärtigter Verführungsszene besteht (in direkter Rede, die hier zum ersten Mal vorkommt). Yoshiko verlässt Tǀkyǀ im April, um im September zurückzukehren, worauf dann „dieser Vorfall“ stattfindet. Sie hat mit einem Freund einige Tage in Kyǀto verbracht, dessen Name nun genannt wird, Tanaka Hideo. Das vierte Kapitel beginnt folgendermassen: Tokio wa reikoku o tekuteku to Ushigome Yaraimachi no jitaku ni kaette kita. Kare wa mikkakan, sono kumon to tatakatta. (539) Tokio kam zur üblichen Zeit in sein Haus in Ushigome, Yaraimachi, zurück. Drei Tage lang hatte er (kare) mit seiner/dieser (sono) Qual gekämpft.

Die Erwähnung der „drei Tage“ situiert das vierte Kapitel als zeitlich anschliessend an das erste und signalisiert das Ende der Rückwendung. Das Kapitel ist hauptsächlich Tokios Innerlichkeit gewidmet, beschreibt seine Eifersucht, als er aus einem Brief Yoshikos erfährt, dass Tanaka unterwegs nach Tǀkyǀ ist, und dass er zum Beschützer der Liebe der 82

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Es wird nicht explizit ausgeführt, ob ihre Krankheit auf unerfüllte Leidenschaft zurückzuführen ist, der Text suggeriert aber, dass Yoshiko infolge „Entsagung“ krank geworden ist, also wie Sugita Kojǀ ein Opfer unerfüllter Sinnlichkeit ist.

beiden geworden ist. Dies erfährt der Leser aus einem in Figurenperspektive eingebetteten Rückblick, einem Brief Yoshikos, der eine frühere Konversation erwähnt. Tokio entschliesst sich Mitte September, Yoshiko in sein eigenes Haus zurückzuholen, um, wie er sich einredet, seine Verantwortung als „Aufsichtsperson“ wahrzunehmen. Tanaka reist wieder ab. Das fünfte Kapitel schliesst zeitlich an das vierte an und fasst raffend zwei Monate zusammen (summary). Es beinhaltet hauptsächlich die Innerlichkeit der Personen, wobei nun Yoshikos Gefühle und Erinnerungen im Mittelpunkt stehen. Das summary wird durch einen Brief Tanakas (aru hi, eines Tages), seine Ankunft ankündend, beendet. Das sechste Kapitel reiht zeitlich an das vorherige an und umfasst einige Tage, in denen Tanakas Ankunft in Tǀkyǀ, Tokios Besuch bei ihm und Tanakas Aussehen (in Figurenperspektive) wiedergegeben wird. Tokio erfährt von seiner Frau, dass Tanaka Yoshiko besucht (ein in indirekter Rede eingebetteter Rückschritt) und Yoshikos Benehmen auffällig ist. Tokio zwingt Yoshiko, einen Brief nach Hause zu schreiben und stellt sich selbst als „Beschützer der Liebe“ dar, um sie nicht zu verlieren. Das Kapitel endet mit dem Hinweis, dass der Herbst vergeht. Kapitel sieben beginnt im Januar des folgenden Jahres mit einem Rückschritt, der eine Reise Tokios erwähnt, bis mit dem folgenden Vermerk wieder in die Handlungsgegenwart eingeblendet wird: Ima wa itsuka no yo de atta. (576) Jetzt (ima) war der Abend des fünften.

Tokio erhält einen Brief Yoshikos, in dem sie ihren Entschluss, Tanaka zu folgen, mitteilt. Nach langer Überlegung schreibt Tokio einen Brief an Yoshikos Vater und legt ihren Brief bei. Das achte Kapitel ist ein Handlungskapitel, in dem die Handlung vorwiegend auf direkter und indirekter Rede basiert. Es ist den Gesprächen Tokios und des Vaters mit Tanaka, sowie Tokios mit dem Vater gewidmet, das die negative Charakterisierung Tanakas bekräftigt. Das neunte Kapitel ist zeitlich anschliessend und beschreibt die Zweifel Tokios an Yoshikos Ehrlichkeit sowie den Brief Yoshikos vom nächsten Tag, in dem sie gesteht, eine „gefallene Schülerin“ (ၿ⪭ᅚቇ↢, daraku jogakusei) zu sein, worauf Tokio sie zu ihrem Vater zurückbringt. Mittelpunkt des Kapitels ist Tokios Innerlichkeit.

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Auch das zehnte Kapitel ist ein Handlungskapitel und schildert den Tag der Abreise (am nächsten Morgen) mit genauen Zeitangaben. Ein Gespräch mit Tanaka, die Fahrt zum Bahnhof sowie die Abschiedsszene werden teilweise vergegenwärtigt (aus Tokios Perspektive). Am Schluss des Kapitels geschieht der wohl auffälligste Perspektivenwechsel dieser Erzählung: Ein Mann in einem braunen Hut (Tanaka) wohnt unbemerkt von Tokio, wohl aber von Yoshiko erkannt, der Abreise bei.83 Das letzte und elfte Kapitel ist das kürzeste, es ist zeitlich einige Tage nach der Abreise situiert und beschreibt raffend Tokios Gefühle. Ein Brief Yoshikos, im förmlichen sǀrǀbun-Stil 84 geschrieben, ruft Tokios Sehnsucht wach. Er weint, das Gesicht in ihrem Futon vergraben.

3.4 Analyse 3.4.1

Allgemeine Bemerkungen

Tayama hatte mit Shǀjobyǀ eine neue Erzählweise – die Erzählung in der dritten Person – erprobt und entwickelte diese Erzählhaltung in Futon nun weiter. Dabei stellte sich ihm das Problem, wie er einerseits dem Vorwurf der Unwahrscheinlichkeit (Shǀjobyǀ war dafür kritisiert worden 85 ) ausweichen und dem Anspruch auf Wahrhaftigkeit, den er bisher durch den Gebrauch der ersten Person als Erzählinstanz erzeugt hatte, genügen könne. Er löste das Problem, indem er Stoff aus seiner Biografie verarbeitete, einen Protagonisten schuf, der ihm erkennbar ähnlich war und eine Erzählsituation wählte, die durch die fast vollständige Beschränkung auf den Wissens- und Wahrnehmungshorizont des Protagonisten die Er-Erzählsituation an die Ich-Erzählsituation

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Diese Stelle (Bahnhofsszene) wird von den Kritikern häufig als ein Beweis für die Existenz eines „allwissenden“ Erzählers aufgefasst, oder aber als eine „Objektivierung“ des Protagonisten. ୥ᢥ. Ein aus dem Sino-japanischen (kanbun) entwickelter Stil, der von Männern hauptsächlich für Briefe gebraucht wurde. Der Stil zeichnet sich aus durch die Verwendung der Kopula sǀrǀ und eine sich dem Japanischen annähernde Syntax. Ateji (chinesische Zeichen, denen eine nichtchinesische Lesung zugewiesen wurde) stehen für einheimische Wortbedeutungen und Verbalsuffixe, die vor allem japanische Höflichkeitsformen ausdrücken. Vgl. Twine (1991: 48–56). Vgl. Yoshida (1970b: 153).

annäherte. 86 Das will nicht heissen, dass Futon keine diegetischfiktionale Elemente aufweist – eine Vermittlungsinstanz ist stellenweise auszumachen – aber sie tritt in Futon kaum mehr in Erscheinung: Die distanzierende Haltung von Shǀjobyǀ ist aufgehoben. Überdies verzichtet Tayama fast vollständig auf Schilderungen, die nicht in den Wissenshorizont der Figur eingebunden sind. Die Personen werden erst beschrieben, wenn sie in Tokios Blickfeld eintreten, meist aus seiner Perspektive. Tayama hat auf eine Beschreibung des Äusseren Tokios weitgehend verzichtet; Ausnahmen sind die Kleidung (Erzählerperspektive) und seine Trunkenheit, die aus der Perspektive der Frau geschildert wird. Die Innerlichkeits- und Gedankenwiedergaben konzentrieren sich auf Tokio. Abweichungen von dieser Perspektivierung auf den Protagonisten sind von Literaturwissenschaftlern bemerkt worden, zum Beispiel die Schilderung der Innerlichkeit der Heldin oder des Vaters.87 Die Gedanken Yoshikos werden ausser in ihren Briefen nie direkt wiedergegeben, sondern in Innerlichkeits- oder Gedankenberichten. Die häufigste Art, ihre Innerlichkeit deutlich zu machen sind Emotionsausdrücke, das heisst, sichtbar gewordene Innerlichkeit in der Perspektive Tokios. Die Erzählsituation ist jeweils den Inhalten der Kapitel angepasst: die raffenden oder summary-Kapitel zeigen eher diegetisch-fiktionale Elemente wie auktoriale Innerlichkeitsberichte und gelegentliche Kommentare. Wie üblich situiert Tayama den zeitlichen Ablauf seiner Erzählung genau, was sich in häufigen Zeitangaben (oft in Figurenperspektive), Raffungen, Rückwendungen und Rückschritten oder 86

87

Tayama hat in Futon seine Figuren als „literarische“ Personen konzipiert, wie die häufigen Anspielungen an Werke europäischer Literatur, besonders Turgenev, Hauptmann und Maupassant (Tokio) oder japanischer Literatur (Yoshiko) zeigen. Diese Anspielungen und Zitate sind ausschliesslich in Figurenperspektive eingebettet (Gedanken- oder Redeberichte), dienen also der Charakterisierung der Figuren und nicht, wie Hijiya-Kirschnereit betont, als Textlegitimation,. Vgl. Hijiya-Kirschnereit (1978). Die Aufmerksamkeit der Literaturwissenschaftler für dieses Problem konzentriert sich auf zwei Thesen, erstens, dass der „Autor“ (Erzähler) mit dem Helden identisch ist und deshalb keinen Einblick in die Innerlichkeit anderer Figuren haben kann, und zweitens, dass die Schilderung der Innerlichkeit mehrerer Personen einen Bruch der Perspektive darstellt, es sich also um einen auktorialen Erzähler handeln muss.

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Rückblicken zeigt. Handlungskapitel sowie die Kapitel, die der Innerlichkeit Tokios gewidmet sind, weisen mehr Elemente der Unmittelbarkeit auf, hier überwiegt der Rückblick, das heisst, die Zeitregie ist in die Figurenperspektive eingebunden. 3.4.2

Benennung der Figuren

Eine der wohl kühnsten Neuerungen in Futon ist der Erzähleingang, in dem der Protagonist weder bei seinem Namen noch mit einer neutralen Bezeichnung wie otoko (der/ein Mann), sondern kare (er) genannt wird. Tayama hat den Erzähleingang aus der Perspektive der Figur gestaltet und erwähnt – wie schon in Shǀjobyǀ – den Namen des Protagonisten, (wie es in einer Ich-Erzählungen üblich ist) erst später. Kare in Verbindung mit der Postposition wa 88 fungiert als referenzloses [Pro]nomen, das heisst, die Figur, die damit gemeint ist, wird als bekannt vorausgesetzt und muss aus dem Text erschlossen werden. Dies ist in vormodernen Erzählungen ungebräuchlich, in mimetisch-fiktionalen Erzählungen üblich; Tayama wählt einen von mimetisch-fiktionalen Mitteln beeinflussten Erzähleingang, um dann im zweiten Kapitel, das eher von der Vermittlungsinstanz geprägt ist, die Exposition nachzuholen. Wie sehr dieser Erzähleingang die Gemüter beschäftigte, zeigt ein Artikel Yanabu Akiras. Er ist der Meinung, dass kare als Übersetzungswort in die japanische Sprache eindrang, und es überflüssig war, den Protagonisten mit kare zu bezeichnen, da das Japanische keinen Subjektzwang kennt. Er spricht von der „Konstruktion des Ich (watakushi) aus dem Er (kare)“ 89 . Während der Name des Protagonisten, so Yanabu, Takenaka Tokio, zwar ein vom Autor geschaffener fiktiver Name ist, ist dieser in der konkreten Welt verankert und wird wie ein realer Name gebraucht. 90 Kare hingegen existiert nicht in der realen Welt, denn in der

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Die qualifizierende Postposition wa in emphatischer Funktion (Elativ) ist normalerweise an formal bereits bestimmte Satzteile angeschlossen. Vgl. Lewin (1975: 92). Yanabu (1991: 140). Die Gründe, weshalb Tayama kare wählte, sind durch die Erzählhaltung bedingt. Erstens signalisiert er damit, dass es sich nicht um eine IchErzählung handelt, zweitens beginnt die Erzählung auf der Figurenebene und kare bot sich als neutrales Pronomen an. Yanabu meint damit, dass Takenaka Tokio niemand anderen bezeichnet als Tayama Katai, den Erzähler.

lebendigen japanischen Alltagssprache gibt es kein kare. Da aber Tayama das Wort kanojo (sie) benutzt hatte, war er gezwungen, kare zu verwenden. Tayama wollte diese Wörter auf jeden Fall verwenden – nicht um eine Lücke im japanischen Satz zu schliessen. Er ist dem Reiz der Übersetzungswörter erlegen. Tayama war durch diese notwendig erscheinenden, aber in japanischen Sätzen überflüssigen Wörter geblendet, und als Folge davon hat er diesen Wörtern vorher nicht gekannte, wichtige Funktionen zugewiesen.91

Da, Yanabu zufolge, kare weder Bezeichnung der ersten noch der dritten Person ist, spielt der Ausdruck im Kontext der Erzählung eine unbestimmte Rolle, die bald der ersten und bald der dritten Person gleicht.92 Futon gilt in der Literaturgeschichte als erste „Ich“ Erzählung. Aber diese Erzählung, die hier als „Er“-Erzählung behandelt wird, bringt nicht nur das „Ich“ des Erzählers zum Ausdruck. Dem „Er“ (kare) wird die Funktion des „Ich“ (watakushi) gegeben, und das „Ich“ wird als ein problematisiertes und exponiertes Sein konstruiert. In dem Masse, wie kare die Eigenschaften der Bezeichnung der dritten Person hat, erhält das Ich des Autors, das aus kare spricht, auch diesen Charakter und wird objektiviert.93

Aus diesem Artikel wird deutlich, wie sehr es Tayama Katai gelungen ist, durch den Gebrauch des [Pro]nomens kare eine Erzählung zu schaffen, die so unmittelbar wirkte und so stark von Figurenperspektive geprägt war, dass sie über weite Strecken in die erste Person gesetzt werden kann.

91 92 93

Yanabu (1991: 145). Diese Bemerkung gilt in viel höherem Masse für das [Pro]nomen jibun (selbst), das sowohl mit er als auch mit ich übersetzt werden kann. Yanabu (1991: 145–146). „Ich-Erzählung“ bezeichnet hier das Genre shishǀsetsu, eine Erzählung, die abgesehen davon, ob sie in der ersten oder dritten Person erzählt ist, als Autobiografie gelesen, wobei der Autor mit dem Erzähler und dem Protagonisten gleichgesetzt wird. Es gibt allerdings einen prägnanten Unterschied zwischen Ich- und Er-Erzählungen: In Ich-Erzählungen ist es üblich, kein [Pro]nomen zu setzen, da die Verben des Erlebens, Denkens und Fühlens sich auf das Aussagesubjekt beziehen. Wenn nun aber das Aussagesubjekt (in einer ErErzählsituation der Erzähler) zurücktritt und Figurenperspektive herrscht, muss, damit der Leser weiss, dass es sich um keine Ich-Erzählung handelt, ein Name oder [Pro]nomen gesetzt werden.

171

Yanabu liest kare als „ich“, und Oscar Benl (Das Bettzeug, 1947) gibt den ganzen Erzähleingang ausser dem ersten Satz in der ersten Person als direkt zitierten Monolog (in Anführungsstrichen) wieder.94 Kare wird nebst jibun vor allem in den Kapiteln gebraucht, die stark durch Figurenperspektive gekennzeichnet sind, kanojo fast ausschliesslich in den Gedanken des Protagonisten (es ist also nicht der Gebrauch von kanojo, der kare bedingt, sondern die Figurenperspektive). Der Protagonist wird, solange sein Name noch unerwähnt bleibt, kare oder otoko genannt, nachher ausschliesslich Tokio, kare oder sono mi. Otoko erscheint nur noch selten, nämlich dann, wenn die Beziehung zwischen Mann und Frau thematisiert wird, wobei die Protagonistin onna (die Frau) wird. Der Name des Protagonisten wird am Anfang des zweiten Kapitels genannt, ebenso der Name der Protagonistin, Yokoyama Yoshiko. Die Frau Tokios wird durchwegs als saikun oder tsuma/sai (Gattin) bezeichnet, ihren Vornamen erfährt der Leser nicht (während der Name der Protagonistin, Yoshiko, ausserordentlich oft vorkommt). Diese Tatsache wurde von feministischen Interpretinnen als diskriminierend angesehen95, stimmt im Grunde aber mit den Konventionen des japanischen Sprachgebrauchs überein. Der Vater Yoshikos wird stets als otǀsan oder chichioya (Vater) bezeichnet – im Text (Erzähler- und Figurenperspektive) als auch in direkter Rede, wobei die Anrede höfliche Prä- oder Suffixe erhält. Sein Vorname steht als Absender auf einem Brief an Tokio, wird aber nie gebraucht. Der Geliebte Yoshikos, Tanaka Hideo, wird meist Tanaka, selten otoko genannt, kare fast nie. Die Hauptperson, Tokio, wird aus der Perspektive der Frau als otto (Gatte) bezeichnet, aus der Perspektive Yoshikos shi (Ꮷ, Lehrer) oder sensei, je nach dem Grad der Mittelbarkeit/Unmittelbarkeit des Textes. Er selbst bezeichnet Yoshiko in seinen Gedanken als waga ai suru onna oder koi seru onna (geliebte Frau), ihren Geliebten als Yoshiko no koibito (der Geliebte Yoshikos). Auch die Anreden und Selbstreferenzen variieren je nach Perspektive und dem Grad der Vertraulichkeit zwischen den Personen. Angeredet wird Tokio von seiner Frau mit anata, von allen anderen Personen mit sensei. Er spricht seine Frau mit omae an (eine Anrede, die 94 95

172

Vgl. Benl (1942: 187–188). Vgl. Hijiya-Kirschnereit (1978: 354) und Ogata (1999: 81–82). Ogatas Kritik richtet sich gegen die ungerechte Behandlung der Frauenfiguren sowie auch Tanakas, da diese nur durch die Augen einer Figur geschildert werden.

auch Yoshikos Vater für seine Tochter braucht), Yoshiko selten mit ihrem Namen oder anata, Tanaka mit kimi, was herablassend wirkt. Alle Personen ausser Tokio bezeichnen sich als watashi, dieser braucht je nach Gesprächspartner boku oder watashi96, und in einem in formellen Stil (sǀrǀbun) abgefasstem Brief shosei ( ᦠ↢ ). Die Selbstreferenz in Gedankenberichten und Monologen ist durchgehend jibun oder kono mi. Dies trifft vor allem auf Tokio und in sehr geringen Masse auch auf Yoshiko zu. Diese Aufstellung ist nicht ganz vollständig, wichtig ist aber, dass kare und kanojo, kono mi und jibun nur in Figurenperspektive vorkommen. 3.4.3

Elemente der Mittelbarkeit

a) Erzählerkommentare Futon ist ein Text, dessen Vermittlungsinstanz nur noch selten in Erscheinung tritt, ja stellenweise ganz verschwindet. Die distanzierende Haltung des Erzählers von Shǀjobyǀ ist bis auf wenige Spuren (die vielleicht noch die Erzählhaltung von Shǀjobyǀ spiegeln) aufgehoben. Der Erzähler fungiert nicht mehr als Augen- oder Ohrenzeuge (Präsumptive auf der Erzählerebene sind selten), er beschränkt sich in weit höherem Masse auf den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont des Protagonisten. Die Funktion der Vermittlungsinstanz besteht im Wesentlichen auf wenige Kommentare, Raffungen (Zeitregie) und auf Innerlichkeitsberichte, die in Worte fassen, was die Figuren vielleicht nur ahnen aber nicht verlauten. Auch in dieser Erzählung unterscheidet sich die Erzählerperspektive von der Figurenperspektive, durch den Stil und das Vokabular. Diese Differenz ist aber weniger markant als in Shǀjobyǀ – es gibt Stellen, wo nicht mehr zu entscheiden ist, ob eine Aussage nun in die Erzähler- oder Figurenperspektive gehört.

96

Diese Unterscheidung findet sich auch in Shimazaki Tǀsons Hakai – im allgemeinen brauchen Männer Frauen gegenüber die neutrale Selbstreferenz watashi oder watakushi, unter Männern das weniger formelle boku.

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Kommentare auf der Erzählerebene Kommentare im gnomischen Präsens (etwa zwölf Stellen auf achtzig Seiten) sind, verglichen mit Shǀjobyǀ, sehr selten und unterscheiden sich auch inhaltlich: Sie formulieren meist allgemeine Inhalte, die der Protagonist selbst auch denken könnte. Der Zusatz „so dachte er“ könnte fast hinter jeden Satz gestellt werden (und wird in der englischen Übersetzung Henshalls auch gesetzt). Dies zeigt, dass die Kommentare den Bewusstseinshorizont des Protagonisten nicht übersteigen. Ein Beispiel aus Henshalls Übersetzung: Reiniku tomo ni yurushita koibito no narai toshite, ikayǀ ni shite hanaremai to suru no de aru. (599) Als ein Beispiel von Liebenden, die einander Seele und Körper gegeben, ist es so, dass [die Geliebten], geschehe was wolle, [einander] nicht verlieren wollen. [...] – that is, lovers who had given body and soul to each other could just not bear to be parted, Tokio felt to be his [Tanakas] meaning.97

Wie in Shǀjobyǀ gibt es Klammerbemerkungen, rhetorische Fragen und seltene Ausrufe. Diese Einmischungen der Erzählinstanz kommen naturgemäss in den stark raffenden summary-Kapiteln am ehesten vor und fehlen fast vollständig in den Kapiteln sechs bis elf. Der erste eindeutige Erzählerkommentar im gnomischen Präsens ist durch das schon bekannte jissai ni (tatsächlich) und die formelle Kopula de aru gekennzeichnet: Sanjnjyongo, jissai kono koro ni wa dare ni de mo aru hanmon de, kono toshigoro ni iyashii onna ni tawamururu mono no ǀi no mo, hikkyǀ sono sabishisa o iyasu tame de aru. Seken ni tsuma o rien suru mono mo kono toshigoro ni ǀi. (525) Im vier- fünfunddreissigsten Jahr ist [IV] [es] eine Pein, welche jeden um diese (kono) Zeit heimsucht, auch die Tatsache, dass sich viele in diesem (kono) Alter mit zweifelhaften Frauen vergnügen, ist wohl, um diese/ihre (sono) Einsamkeit zu lindern. Auch jene, die sich in diesem (kono) Alter öffentlich von [ihrer] Frau trennen, sind zahlreich.

Auf den nächsten Kommentar folgt explizit der Hinweis Tokio mo [...] omotta (auch Tokio [...] dachte), der verdeutlicht, dass auch die Figur so denkt. Der Text geht darauf in einen Gedankenbericht über. 97

174

Henshall (1981: 90).

Josei ni wa kiryǀ to iu mono ga zehi hitsuyǀ de aru. Kiryǀ no warui onna wa ikura sai ga atte mo otoko ga aite ni shinai. Tokio mo uchiuchi mune no uchi de, dǀse bungaku o yarǀ to iu yǀ na onna da kara, bukiryǀ ni sǀi nai to omotta. (527–8) Was Frauen betrifft, ist gutes Aussehen unbedingt notwendig. Ein Mann nimmt keine schlechtaussehende Frau zur Partnerin, wie begabt sie auch sein mag [IV]. Auch Tokio dachte zuinnerst in seiner Brust, weil [Yoshiko] eine Frau zu sein scheint [yǀ da, Präsumptiv], die unbedingt im Sinn hat, Literatur zu betreiben, ist [sie] bestimmt hässlich.

Im nächsten Fall führt der Kommentar übergangslos in einen Gedankenbericht über. Er kann ebenso den Gedanken des Protagonisten zugeschrieben werden, um so mehr, als auch Gedanken im Indikativ Präsens wiedergegeben sind. Wakai onna no ukaregachi na kokoro, ukareru ka to omoeba sugu shizumu. Sasai na koto ni mo mune o ugokashi, tsumaranu koto ni mo kokoro o itameru. Koi de mo nai, koi de naku mo nai to iu yǀ na yasashii taido, Tokio wa taezu omoi madotta. Dǀgi no chikara, shnjzoku no chikara, kikai hitotabi itareba kore o yaburu no wa haku o saku yori mo yǀi da. Tada, yǀi ni kitaranu wa kore o yaburu ni itaru kikai de aru. (533–4) Das zum Schwelgen neigende Gemüt einer jungen Frau, kaum glaubt [man] [es] in Hochstimmung, wird [es] gleich schwermütig. Um einer Kleinigkeit willen erregt sich die Brust [kausativer Aspekt] [und] das Herz quält sich wegen einer Geringfügigkeit. Die liebenswürdige Haltung, weder Liebe (koi) noch nicht Liebe (koi), verwirrte Tokios [Gedanken] unablässig. Die Macht der Moral, die Macht der Gewohnheit zu brechen, ist einfacher als Seide zu zerreissen, käme nur eine Gelegenheit. Nur ist es so, dass die Gelegenheit, dies (kore) zu zerreissen, sich nicht einfach ergibt.

Die folgende Stelle suggeriert, dass auch Yoshiko darunter leidet, ihre Sexualität unterdrücken zu müssen, zurückhaltend als allgemeine Wahrheit formuliert. Taezaru yokubǀ to seishoku no chikara to wa toshigoro no onna o izanau no ni chnjcho shinai. (535) Unaufhörliches Verlangen und die Macht der Reproduktion zögern nicht, eine junge Frau im heiratsfähigen Alter zu verleiten.

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Ein Kommentar, der in einen Innerlichkeitsbericht eingebettet ist und der die Tiefe von Tokios Trauer beschreibt, trägt Spuren klassischer Diktion und lehnt sich an den Eingang von Kamo no Chǀmeis Hǀjǀki98 an. Yuku mizu no nagare, saku hana no chǀraku, kono shizen no soko ni wadakamareru teiko subekarazaru chikara ni furete wa, ningen hodo hakanai nasakenai mono wa nai. (547–8) Das Fliessen des Wassers, das Welken der Blumen, streift [man] [IV] diese (kono) in der Tiefe der Natur sich verbergende unwiderstehliche Macht, [so] gibt [es] nichts, was so jammervoll [und] vergänglich ist wie der Mensch.

Die folgende Bemerkung passt sehr wohl in Tokios Gedankenhorizont: Ynjryoku na teki ga atte mo, sono koibito o dani senryǀ sureba, sore de kokoro o yasumaru no wa koi suru mono no tsune de aru. (553) Selbst wenn [man] einen mächtigen Feind hat, diese/seine (sono) geliebte Person in Besitz zu nehmen [und] dadurch das Herz zu beruhigen, liegt in der Natur des Liebenden.

Diese wenigen Kommentare zeigen, dass sich in Futon im Vergleich zu Shǀjobyǀ die Vermittlungsinstanz kaum bemerkbar. Kommentare auf der Handlungsebene Die Erzählerkommentare auf der Handlungsebene sind etwas zahlreicher als die Kommentare auf der Erzählerebene und befassen sich mit meist mit der Innerlichkeit der Figuren, ihren Gedanken und Gefühlen. Hervorhebende Wendungen (to ieba hat eine ähnliche Funktion wie to iu no wa, ist aber keine finite Verbkonstruktion) und Floskeln, wie sie in diegetisch-fiktionalen Texten häufig sind, sind selten, und kommen hauptsächlich in den ersten drei Kapiteln vor. Takenaka Kojǀ to ieba, bibunteki shǀsetsu o kaite, tashǀ seken ni kikoete ita no de [...] (526) Was Takenaka Kojǀ [Kojǀ ist der Künstlername] betraf [IV], schrieb [IV] [er] Erzählungen im bibun-Stil [und] war in der Öffentlichkeit [dafür] mehr oder weniger bekannt geworden [...]

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Kamo no Chǀmei, Hǀjǀki (㡞㐳᣿, ᣇਂ⸥, 1212, Aufzeichnungen aus zehn Fuss im Geviert [messender Klause]).

De, kore de henji o yokosumai to omottara, sore dokoro ka, yokkame ni wa sara ni atsui fnjsho ga todoite [...] (527) Nun, glaubte [er], darauf wird [sie] wohl keine Antwort geben, weit gefehlt, am vierten Tag kam [IV] ein noch dickerer Brief [...]

Adverbien wie sukunakutomo (immerhin), muron (natürlich) und keredo (aber), die auf einen Erzählereingriff weisen, sind relativ häufig: Sukunakutomo Tokio no kodoku naru seikatsu wa kore ni yotte yaburareta. (529) Jedenfalls (sukunakutomo) wurde dadurch (kore ni) Tokios einsames Leben durchbrochen. De, sukunakutomo, Yoshiko no Kǀbe shikomi no haikara wa atari no hito no me o sobadatashimeta. (532) Nun, jedenfalls (sukunakutomo) liess [kausativer Aspekt] Yoshikos in Kǀbe übernommenes haikara [-Getue] die umgebenden Leute die Augen aufreissen.

Diese Kommentare sind verglichen mit Shǀjobyǀ nicht distanzierend. Die in Shǀjobyǀ häufigen Hervorhebungen mit to iu no wa fehlen. Es ist also keineswegs gerechtfertigt, diese wenigen Kommentare als Beweis für einen „ironisch distanzierten auktorialen Erzähler“ anzusehen.99 Rhetorische Fragen Es ist wichtig, die rhetorischen Fragen, die der Vermittlungsinstanz zuzuschreiben sind, von Fragen in direkten Gedankenberichten zu unterscheiden. Bemerkungen, die eindeutig von der Vermittlungsinstanz gemacht werden, stehen ohne Subjekt oder mit dem unpersönlichen man, jedermann. Die folgenden Kommentare sind Beispiele, die Yoshiko betreffen:

99

Vgl. Richter (1978: 75) und Suzuki (1996: 70–74). Suzuki geht es allerdings in erster Linie darum, festzustellen, dass eine Vermittlungsinstanz vorhanden ist, die weder Takenaka Tokio noch Tayama Katai ist. Dabei zitiert sie nur die englische Übersetzung von Futon und beruft sich auf Stanzel, der seinerseits die Tendenz hat, die Mittelbarkeit eines Textes zu betonen.

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[...] jogakusei no mure no naka ni haitte ite wa, katei ni yoshinawareta otome no yǀ ni, tanjun ni mono o miru koto ga dǀshite dekiyǀ. (529) [...] indem [Yoshiko] einer Gruppe von Studentinnen beigetreten war, wie hätte [jemand] wie ein Mädchen, das zu Hause erzogen worden ist [perf. Aspekt], die Dinge naiv sehen können? Haikara na shinshiki na utsukushii onnadeshi ga, sensei! sensei! to yo ni erai hito no yǀ ni katsugǀ shite kuru no ni mune o ugokasazu ni dare ga irareyǀ. (529) Wie kann [jemand] wohl ungerührt bleiben, wenn eine Schülerin, schön, haikara [und] im neuen Stil, mit sensei! sensei! [jemanden] wie einen Grossen der Welt bewundernd daherkommt [-te kuru]?

Ausrufe Ausrufe auf der Erzählerebene sind selten und kommen nur in den ersten zwei Kapiteln vor. Hanayaka na koe, adeyaka na sugata, ima made no kodoku na sabishii kare no seikatsu ni nanra no taishǀ! (530) Die lebhafte Stimme, die entzückende Gestalt, was für ein Gegensatz zu seinem (kare no) verlassenen, einsamen Leben!

Klammerbemerkungen Wie schon in Jnjemon no saigo kommentieren in Klammern gesetzte Erklärungen Gegenstände und Personen, die dem Leser nicht bekannt sind. Sie treten hauptsächlich in direkte Rede eingestreut auf. „Tagawa (ane no uchi no sei) ni azukete oite mo fuanshin da kara [...]“ (545) „Weil [es] beunruhigend ist, [Yoshiko] in der Obhut Tagawas (Familienname der älteren Schwester) zu lassen [...]“ „Otsuru (gejo) ga itte ageru to iu no ni [...]“ (572) „Obwohl Otsuru (das Dienstmädchen) gesagt hat, [sie] wird für [Yoshiko] gehen [...]

Eine Klammerbemerkung, die auf der Handlungsebene anzusiedeln ist, soll der Vollständigkeit halber hier erwähnt werden. Es ist ein Stück Text, das wie eine Regieanweisung eine Rede des Vaters unterbricht:

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„[...] moshi mo no koto de mo attara, Yoshi (to kondo musume no hǀ o mite), omae mo kyǀdai ni mǀshiwake nakarǀ to omotte...“ (583–4) „[...] wenn irgend etwas passiert wäre, Yoshi (nun die Tochter anblickend), so glaube [ich], wärst auch du (omae) den Geschwistern gegenüber wohl nicht ohne Schuld...“

Auktoriale Periphrasen Die in Shǀjobyǀ so häufige distanzierende Benennung kono otoko findet sich nur ein Mal im ersten Kapitel (siehe 3.4.9), der Gebrauch von kono ist fast ausschliesslich auf die Figurenebene beschränkt. Eine Ausnahme bildet: Kono futari no yǀsu [...] (533) Der Zustand dieser beiden [...]

Periphrasen kommen vermehrt in der Figurenebene vor, sei es in Gedanken, in Gesprächen oder Briefen. Dabei haben die Demonstrativa kono und sono oft die Funktion von Possessivpronomen, wobei kono (mein/sein) in Figurenperspektive, und sono (sein/ihr) in neutraler oder Erzählerperspektive gebraucht wird. Periphrasen, die nicht zur Personenperspektive gehören, sind schnell aufgezählt. Die Frau des Protagonisten wird oft mit dem Epithet jnjjun naru/ jnjjun na (fügsam, unterwürfig) versehen Jnjjun naru kasai wa [...] (530) Die fügsame Hausfrau [...]

und Yoshiko wird wie folgt umschrieben: Mirai no keishnjsakka wa [...] (531) Die zukünftige Schriftstellerin [...] Keredo kono shinpa no haikara no jikkǀ o mite wa sasuga ni mayu o hisomezu ni wa orarenakatte. (558) Aber angesichts des praktischen Verhaltens dieser (kono) haikara der neuen Schule, konnte sogar [Tokio] nicht umhin, die Brauen hoch zu ziehen.

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Tokio wird immer wieder als „wohlwollender Beschützer der Liebe der beiden“ (futari no ai no onjun naru hogosha) oder als Aufsichtsperson bezeichnet (Bezeichnungen, die er in seinen Gedanken und Reden selbst auch braucht), Kantokusha naru Tokio [...] (579) Tokio, die Aufsichtsperson, [...]

Tanaka seinerseits wird als „Mann im [braunen] Hut“ umschrieben, als er, von Tokio unbemerkt, zum Bahnhof kommt: Nao sono ushiro no komichi no magarikado ni, chairo no bǀshi o kabutte ita otoko ga tatte ita. (602) Nun, in der Ecke der Seitenstrasse dahinter stand [imperf. Aspekt] ein Mann, der einen braunen Hut trug [imperf. Aspekt]. Sono kage ni hashira no soba ni, itsu kita ka, hitotsu no furui nakaorebǀ o kabutta otoko ga tatte ita. (605) In dessen Schatten neben einem Pfeiler stand [imperf. Aspekt] – wann war er gekommen – ein Mann, der einen alten weichen Hut trug.

Diese Umschreibungen sind selten distanzierend und nie ironisch. Sie können auch, wenn sie in Gedankeninhalten oder Figurenperspektive vorkommen, zur Figurenebene gehören. b) Vorausdeutungen, Rückwendungen und Raffungen Vorausdeutungen Auch in diesem Text finden sich keine Vorausdeutungen. Die Hinweise auf kondo no jiken (dieser Vorfall) sind keine Vorausdeutungen, obwohl kondo sowohl „der jetzige“, „dieser“ als auch „der zukünftige, kommende“ heissen kann, da in der Exposition „dieser Vorfall“ schon in der Vergangenheit situiert worden ist. Sore kara kondo no jiken made ichinenhan no toshitsuki ga keika shita. (531) Darauf vergingen anderthalb Jahre bis zu diesem Vorfall.

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Tokio wa ane no kotoba toshite, sai kara tsune ni tsugi no yǀ na koto o kikasareru. (532) Tokio bekommt [Kausativ/Passiv] von der Frau stets Folgendes als Worte der älteren Schwester zu hören.

Dies ist die einzige Stelle, die man als Vorausdeutung ansehen könnte, besteht aus einer Floskel (tsugi no yǀ ni, wie folgt). Rückwendungen und Rückgriffe Tayama Katai hat die Gewohnheit, Erzählungen (auch Ich-Erzählungen) auf der Handlungsebene zu beginnen, um dann in den folgenden Kapiteln die Vorgeschichte aufzurollen. Im Falle eines peripheren IchErzählers erhält dieser eine Nachricht über den Protagonisten, um mit seinen Betrachtungen und Erinnerungen eine aufbauende Rückwendung einzuleiten. Besonders auffällig ist diese Technik in den beiden Erzählungen Higeki? (Tragödie?, 1904) und Akibare (Herbstsonne, 1906). Erzählungen in der dritten Person zeigen den Protagonisten oft unterwegs, wobei die Vorgeschichte, je nach Erzählsituation, vom Erzähler eingebracht oder in die Erinnerung des Protagonisten eingebaut wird. Auch Futon beginnt mit einem Erzähleingang auf der Handlungsebene mit einem Protagonisten auf dem Weg zur Arbeit. Aber da die Eingangspassage in Figurenperspektive gehalten ist, werden vergangene Ereignisse in den Gedanken des Helden formuliert. Die eigentliche Rückwendung wird erst im zweiten Kapitel auf der Erzählerebene eingeleitet. Ima yori sannen mae, sanninme no kodomo ga saikun no hara ni dekite, shinkon no kairaku nado wa tǀ ni sametsukushita koro de atta. (525) Jetzt (ima) vor drei Jahren entstand [IV] das dritte Kind im Bauch der Frau, zu einer Zeit, als die Freuden des Frischverheiratetseins und dergleichen längst der Ernüchterung gewichen waren [perf. Aspekt].

Dies ist die einzige „eigentliche“ Rückwendung (wobei sich ima auf die Deixis der Figur bezieht, also durchaus der Figurenperspektive zugeschrieben werden kann) und erstreckt sich über mehrere Kapitel. Sonst gibt es hauptsächlich Rückschritte, die auf die raffenden Kapitel verteilt sind und in einigen Kapiteln (sechs, neun und elf) ganz fehlen. Ein typischer Rückschritt steht zu Beginn des siebten Kapitels:

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Sono akuru toshi no ichigatsu ni wa, Tokio wa chiri no yǀji de, Jǀbu no sakai naru Tone kahan ni shutchǀ shite ita. Kare wa sakunen no nenmatsu kara kono chi ni kite iru no de, ie no koto – Yoshiko no koto ga toku ni shinpai ni naru. (576) Im Januar des folgenden Jahres befand sich Tokio infolge der Beschäftigung mit Geografie auf einer Geschäftsreise nach Nord-Musashi ans Ufer des Tone-Flusses. Da er (kare) seit Ende des letzten Jahres in dieses (kono) Gebiet gekommen ist, sorgt er sich um seine Familie – besonders um Yoshiko.

Auch der Hintergrund Yoshikos und ihrer Familie wird in einem raffenden Rückschritt erzählt: Yoshiko no ie wa Niimimachi de mo daisan to wa kudaranu gǀke de, chichi mo haha mo genkaku naru kirisuchan [ၮ〈ᢎା⠪], haha wa koto ni sugureta shinsha de, katsute wa Dǀshisha jogakkǀ ni mananda koto mo aru to iu. (528) Yoshikos Familie ist [IV] in der Stadt Niimi eines der ersten Häuser, der Vater als auch die Mutter strenge Christen, vor allem die Mutter, eine ausgezeichnete Christin, heisst es, soll einst an der Dǀshisha Frauenuniversität studiert haben.

Meist werden diese Rückgriffe benützt, um „früher“ (vor drei Jahren) und „heute“ (dieses „heute“ gehört in die Figurenperspektive) zu kontrastieren. Dabei wird vor allem die Sehnsucht des Protagonisten nach einer modernen Frau (atarashii onna) und seine Unzufriedenheit mit seiner Gattin, die er als altmodisch empfindet und die kein Verständnis für seine Arbeit zeigt, ausgedrückt. Auch die folgenden Beispiele übersteigen den Wahrnehmungshorizont Tokios nicht und können der Figurenperspektive (Rückblick) zugeschrieben werden. Mukashi no koibito – ima no saikun. Katsute wa koibito ni wa sǀi nakatta ga, ima wa jisei ga utsuri kawatta. Yongonenrai no joshikyǀiku no bokkǀ, joshidaigaku no setsuritsu, hisashigami, ebichabakama, otoko to narande aruku no o hanikamu yǀ na mono wa hitori mo naku natta. (529) Die ehemalige Geliebte – die jetzige (ima no) Gattin. Gewiss war [sie] einst die Geliebte gewesen, aber jetzt (ima) hatten sich die Zeiten geändert. Seit vier, fünf Jahren das Aufkommen der Frauenerziehung, die Gründung der Frauenuniversitäten, über der Stirn gebauschte Frisuren, rotbraune Rockhosen, keine Einzige gab es mehr, die sich zierte, an der Seite eines Mannes zu gehen. Yongonenmae made no onna wa kanjǀ o arawasu no ni kiwamete tanjun de, okotta katachi to ka waratta katachi to ka, sanshnj, yonshu gurai shika sono kanjǀ o arawasu koto ga dekinakatta ga, ima de wa, jǀ o takumi ni arawasu onna ga ǀku natta. Yoshiko mo sono hitori de aru to Tokio wa tsune ni omotta. (533)

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Bis vor vier, fünf Jahren war [IV] die Art, wie Frauen ihre Gefühle zeigen [IV], höchst simpel, die Form des Lachens oder des Zorns, [sie] konnten kaum mehr als drei, vier dieser/ihrer (sono) Gefühle zeigen, jetzt (ima) aber sind Frauen, die Gefühle geschickt zeigen, zahlreich geworden. Auch Yoshiko ist eine von ihnen, dachte Tokio immer wieder.

Eine andere Art des Rückschritts, den Tayama oft benützt, besteht darin, eine Szene erst raffend zusammenzufassen, um sie dann aufzurollen, wobei das erste Beispiel in einen Redebericht mündet, die Stelle, in der der Ausdruck shinsei naru ren’ai (heilige Liebe) zum ersten Mal fällt. Kondo no jiken to wa ta demo nai. Yoshiko wa koibito o eta. Soshite jǀkyǀ no toji, koibito to aikakaete Kyǀto Saga ni asonda. Sono asonda futsuka no hikazu ga shuppatsu to chakkyǀ to no jijitsu ni fugǀ senu no de, Tǀkyǀ to Bitchnj to no aida ni tegami no ǀfuku ga atte, kitsumon shita kekka wa ren’ai, shinsei naru ren’ai, futari wa kesshite tsumi o okashite wa oranu ga, shǀrai wa ikani ni shite mo kono koi o togetai to no sechi naru negai. (536) Dieser Vorfall ist nichts anderes [als das]. Yoshiko hat einen Geliebten (koibito) gefunden. Und, zur Zeit der Rückreise, traf [IV] [sie sich] mit dem Geliebten [und] amüsierte sich in Saga bei Kyǀto. Da die Anzahl dieser (sono) zwei verbrachten Tage nicht mit den Tatsachen der Abfahrt und Ankunft übereinstimmte [IV], gab [IV] [es] ein Hin und Her von Briefen zwischen Tǀkyǀ und Bitchnj, das Resultat der Befragung war Liebe (ren’ai), heilige Liebe (shinsei naru ren’ai), beide haben bestimmt keine Sünde begangen, [hegen] nur den dringenden Wunsch, diese/ihre (kono) Liebe (koi) in Zukunft irgendwie wahr machen zu wollen [-tai, Optativ der ersten Person].

Diese Technik, wendet Tayama auch für Gespräche an, wie das erste Gespräch zwischen Tokio und Tanaka zeigt. Kǀ iu kaiwa – yoryǀ o enai kaiwa o kurikaeshite nagaku sǀtai shita. Tokio wa shǀrai no kibǀ to iu ten, danshi no gisei to iu ten, jiken no shinkǀ to iu ten kara iroiro samazama ni kikoku o susumeta. (567) Dieses (kǀ iu) Gespräch – ein Gespräch ohne Resultat wiederholend, sassen [sie sich] lange gegenüber. Tokio empfahl auf vielerlei verschiedene Weise die Heimkehr, vom Standpunkt der Zukunftshoffnungen, dem Opfer des Mannes, dem Verlauf des Vorfalls.

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Im Vergleich zu den Raffungen sind Rückwendungen selten. Mehr als die Hälfte sind in die Gedanken des Protagonisten eingebunden, kommen in Briefen und Gesprächen vor und gehören somit zur Figurenebene. Raffungen Eine Erzählung, deren Erzählzeit um die achtzig Seiten beträgt, die erzählte Zeit aber, die Rückwendung eingerechnet, mehr als drei Jahre, muss gezwungenermassen raffen oder aussparen. In den Eingangskapiteln (ausser Kapitel eins) finden sich viele iterativ geraffte Stellen, später meist Aussparungen, implizit oder auch mit einer Zeitangabe. Je nach Kapitelinhalt werden grössere oder kleinere Zeiträume übersprungen. Zusammenfassende Kapitel und Handlungskapitel enthalten mehr, Kapitel, die der Innerlichkeit gewidmet sind, naturgemäss weniger Raffungen. Das erste Kapitel kommt ohne Raffungen aus, die erste Aussparung ist am Ende des zweiten Kapitels. Keredo ikkagetsu narazu shite Tokio wa kono aisubeki onnadeshi o sono ie ni oku koto no fukanǀ na no o satotta. (530) Doch kaum ein Monat verging [IV] [und] Tokio erkannte die Unmöglichkeit, diese (kono) liebenswerte Schülerin in diesem/seinem (sono) Haus zu behalten.

In den nächsten Kapiteln sind die Raffungen häufiger. Im dritten Kapitel werden anderthalb Jahre gerafft erzählt, wie der Kapitelanfang zeigt. Sore kara kondo no jiken made ichinenhan no toshitsuki ga keika shita. (531) Von da an bis zu diesem (kondo no) Vorfall vergingen anderthalb Jahre.

Die Aussparungen betreffen längere Zeiträume: Shigatsu ni haitte kara, Yoshiko wa tabyǀ de aojiroi kao o shite shinkeikabin ni ochiitte ita. (535) Seit Anfang April war Yoshiko oft krank, blass und in [einen Zustand] überreizter Nervosität verfallen. Shigatsu sue ni kikoku, kugatsu ni jǀkyǀ, soshite kondo no jiken ga okotta. (535) Ende April die Rückkehr in die Heimat, im September die Rückreise nach Tǀkyǀ, dann geschah dieser (kondo no) Vorfall.

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Das vierte Kapitel schildert den Verlauf eines Abends, die Zeitangaben sind fast alle in Figurenperspektive eingebunden. Das fünfte Kapitel beginnt mit einer Aussparung, worauf ein Tag stark gerafft beschreiben wird und danach zwei Monate zusammengefasst werden, Akuru asa Tokio wa Yoshiko o jitaku ni tomonatta. (555) Am nächsten Morgen brachte Tokio Yoshiko in sein [eigenes] Haus. Kugatsu wa jnjgatsu ni natta. (559) Aus September wurde Oktober.

um in eine Szene zu münden, die mit aru hi (eines Tages) beginnt. Ikkagetsu wa sugita. Tokoro ga, aru hi [...] (561) Ein Monat verging Doch eines Tages [...]

Kapitel sechs beschreibt den Verlauf einiger Tage. Gegen Ende findet sich die Bemerkung, No wa aki mo kurete kogarashi no kaze ga tatta. (575) [Auf den] Feldern neigte [IV] sich der Herbst [dem Ende zu und] der Herbstwind erhob sich.

worauf einige Monate übersprungen werden, Sono akuru toshi no ichigatsu ni wa [...] (576) Im Januar des folgenden Jahres [...]

um wieder in die Handlungsebene mit einer Vergangenheitsform in Verbindung mit dem Wort kyǀ (heute) überzuleiten, das heisst, der vergangene Zeitpunkt wird vergegenwärtigt: Kyǀ wa itsuka no yo de atta. (576) Heute (kyǀ) war der Abend des fünften.

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Im achten Kapitel, einem Handlungskapitel, stehen erst genaue Zeitangaben (die Rückkehr Tokios und die Ankunft des Vaters). Es gibt, obwohl der Verlauf eines Tages erzählt wird, nur wenige explizite Raffungen, da das Kapitel hauptsächlich aus Redeberichten besteht. Ichijikango ni [...] (587) Nach einer Stunde [...] Shibaraku shite kara [...] (591) Nach einer Weile [...]

Das neunte und zehnte Kapitel zeigen das gleiche Bild, wobei das zehnte Kapitel – der Tag der Abreise – wieder genaue Zeitangaben beinhaltet. Das elfte Kapitel beginnt ohne Zeitangabe nach Yoshikos Abreise und enthält nur eine Aussparung. Sukzessive Raffungen kommen hauptsächlich in den Handlungskapiteln vor, sind aber selten. Die folgende Szene (ein Beispiel möge genügen) steht am Ende des dritten Kapitels, als sich Tokio betrinkt: Sabishisa ni taezu, hiru kara sake o nomu to iidashita. Saikun no shitaku no shiyǀ ga osoi no de, butsubutsu itte ita ga, zen ni noserareta sakana ga mazui no de, tsui ni kanshaku o okoshite, yake ni sake o nonda. Ippon, nihon to tokkuri no kazu wa kasanatte, Tokio wa toki no ma ni doro no gotoku yotta. Saikun ni taisuru fuhei mo mǀ iwanaku natta. Tokkuri ni sake ga naku naru to, tada, sake, sake to iu bakari da. Soshite kore o guigui to aoru. (537–8) Unfähig, die Einsamkeit zu ertragen, begann [er] am Nachmittag nach Sake zu verlangen. Da die Art, wie die Frau (saikun) [die Beilagen] zubereitete, langsam war, hatte [er] sich beklagt, und weil die auf das Tablett gehäuften Beilagen [ihm] nicht schmeckten [IV], wurde [IV] [er] schliesslich zornig und trank verzweifelt Sake. Eins, zwei, häufte [IV] sich die Zahl der Sakefläschchen, [und] Tokio war in kürzester Zeit stockbetrunken. [Er] hatte auch aufgehört, [seiner] Frau (saikun) gegenüber Unzufriedenheit zu äussern. Sobald die Fläschchen leer sind [IV], sagt [er] nur noch Sake, Sake. Und trinkt in grossen Zügen.

Einige dieser Raffungen bezeichnen die Vorzeitigkeit eines Vorganges durch ein adnominales Verb mit dem Verbalsuffix -ta (perfektiver Aspekt):

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Yoshiko wa sono hi ni isha e itte ita. (581) Yoshiko war an jenem (sono) Tag zum Arzt gegangen. Sakihodo kara damatte kiite ita Tokio wa, otoko ga amari ni ganko na no ni, kynj ni koe o hagemashite [...] (588) Tokio, der seit einiger Zeit schweigend zugehört hatte, erhob [IV], da der Mann [Tanaka] allzu verstockt war, plötzlich die Stimme [...]

Raffungen sind, ausser den auktorialen Gedankenberichten, die häufigste Art der Vermittlungsinstanz, sich auf der Handlungsebene bemerkbar zu machen. Allerdings wird die vergehende Zeit oft ausgespart (neutrale Erzählfunktion) oder im Bewusstsein Tokios registriert (Figurenperspektive, Vgl. 3.4.8). Summaries und iterative Raffungen Da in Futon viel grössere Zeiträume geschildert werden als zum Beispiel in Shǀjobyǀ, benutzt Tayama neben der iterativen Raffung summaries. Dies sind zum Teil Rückschritte oder Rückblicke, die nicht vergegenwärtigt oder ausgemalt werden. Beispiele dafür sind der Briefwechsel mit Yoshiko (526–527), Yoshikos Werdegang und Familienhintergründe (528–529) im zweiten Kapitel und in den Kapiteln drei und neun schliesslich überwiegend Innerlichkeitsberichte. Hier sollen nur einige iterative Raffungen und Hintergrundschilderungen aufgezeigt, die Rede- und Innerlichkeitsberichte in den folgenden Kapiteln abgehandelt werden. Abgesehen von der im ersten Kapitel erwähnten iterativen Passage (wie üblich im Präsens), stehen auch in den summary-Passagen die Innerlichkeit des Protagonisten und seine Beziehung zu Yoshiko im Mittelpunkt, wie in der Beschreibung des ersten Monats, da Yoshiko in Tǀkyǀ ist, zum Ausdruck kommt: Saisho no ichigatsu hodo wa Tokio no ie ni kagnj shite ita. Hanayaka na koe, hadeyaka na sugata, ima made no kodoku na sabishii kare no seikatsu ni nanra no taishǀ! Sanjoku kara deta bakari no saikun o tasukete, kutsushita o amu, erimaki o amu, kimono o nuu, kodomo o asobaseru to iu ikiiki shita taido, Tokio wa shinkon tǀza ni futatabi kaetta yǀ na ki ga shite, kamon chikaku kuru to sosoru yǀ ni mune ga ugoita. Mon o akeru to, genkan ni sono utsukushii egao, shikisai ni tonda sugata, yo mo ima made wa kodomo to tomo ni saikun ga igitanaku nemutte shimatte, rokujǀ no heya ni itazura ni akaraka na ranpu mo, kaette wabishisa o masu no tane de atta ga, ima wa ika ni yo fukete kaette kite mo, ranpu no shita ni wa shiroi te ga

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takumi ni amimono no hari o ugokashite, hiza no ue ni iro aru keito no marui tama! Nigiyaka na waraigoe ga Ushigome no oku no koshibagaki no uchi ni michita. (530) Den ersten Monat wohnte [imp. Aspekt] [Yoshiko] in Tokios Haus. Die heitere Stimme, die entzückende Gestalt, was für ein Gegensatz zu seinem (kare no) isolierten, einsamen Leben! [Yoshikos] Gestalt, die der eben vom Wochenbett aufgestandenen Frau hilft [IV], Socken strickt, Schals strickt, Kimonos näht, die Kinder spielen lässt [kausativer Aspekt], Tokio hat [IV] den Endruck, wieder in die Zeit des Frischverheiratetseins zurückgekehrt zu sein, näherte [IV] [er] sich dem Haustor, pochte [seine] Brust. Öffnete [IV] [er/sie] die Tür, ihr/dieses (sono) schöne/s lächelnde/s Gesicht, die lebhafte Gestalt, bis jetzt (ima) war die Frau (saikun) abends schon mit den Kindern friedlich eingeschlafen [und] selbst die im Zimmer von sechs Matten Grösse vergeblich brennende Lampe war Grund gewesen, [seine] Einsamkeit nur noch grösser zu machen, jetzt (ima), wie spät nachts [er] auch nach Hause kommt [IV], bewegen [IV] unter der Lampe weisse Hände geschickt die Stricknadeln, die bunten Wollknäuel auf [ihrem] Schoss! Fröhliches Lachen erfüllte das Innere der Reisighecken mitten in Ushigome.

Diese Stelle wird am Schluss der Erzählung kontrastiert. Sabishii seikatsu, kǀryǀtaru seikatsu wa futatabi Tokio no ie ni otozureta. Kodomo o mote amashite yakamashiku shikaru saikun no koe ga mimi ni tsuite, fuyukai na kan o Tokio ni ataeta. Seikatsu wa sannenmae no mukashi no wadachi ni kaetta no de aru. (605) Das einsame Leben, das trostlose Leben kehrte wieder in Tokios Haus ein. Die laut scheltende Stimme der Frau, die über die Kinder keine Gewalt hatte, drang [IV] in die Ohren, [und] erregte ein Gefühl des Missbehagens in Tokio. Ja [hervorhebende Kopula], das Leben war in die Geleise von vor drei Jahren zurückgekehrt.

Zusammenfassende Raffungen kommen vor allem in der aufbauenden Rückwendung und im summary-Kapitel (fünf) vor, wonach sie verschwinden. Sore kara kondo no jiken made ichinenhan no toshitsuki ga keika shita. Sono aida nido Yoshiko wa furusato o seishita. Tanpenshǀsetsu o goshu, chǀhenshǀsetsu isshu, sono hoka bibun, shintaishi o snjjnjhen tsukutta. Nanigashi jojuku de wa eigo wa ynjtǀ no deki de, Tokio no sentaku de, TsurugenƝfu no zenshnj o Maruzen kara katta. Hajime wa, shǀchnjkynjma ni kisei, nidome wa, shinkeisuijaku de, tokidoki shaku no yǀ na keiren o okosu no de, shibashi kosan no shizuka na tokoro ni kaetta, kynjyǀ suru hǀ ga ii to iu isha no susume ni shitagatta no de aru. (531)

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Darauf vergingen bis zu diesem Vorfall anderthalb Jahre. In dieser Zeit kehrte Yoshiko zweimal in [ihre] Heimat zurück. [Sie] hatte fünf Kurzgeschichten, eine Erzählung mittlerer Länge, daneben bibun und einige Dutzend shintaishi verfasst. [Ihre] Resultate im NN juku100 für Frauen waren [IV] hervorragend, [sie] kaufte nach Tokios Wahl das Gesamtwerk Turgenevs bei Maruzen. Das erste Mal kehrte [sie] in den Sommerferien zurück, das zweite Mal infolge eines Nervenzusammenbruchs, denn da [sie] hin und wieder krampfartige Anfälle hatte [IV], folgte [sie] dem Rat des Arztes, eine Weile an einen ruhigen Ort zurückzukehren [und sich] dort zu erholen.

Ein Beispiel aus einem summary-Kapitel, das nicht zuletzt deshalb zusammengefasst wurde, da keine emotionellen upsets geschehen. Kugatsu wa jnjgatsu ni natta. Sabishii kaze ga ura no mori o narashite, sora no iro wa fukaku aoku, hi no hikari wa sukitǀtta knjki ni sashiwatatte, ynjbe ni hikari ga kǀku atari o kumadoru yǀ ni nattta. Kaki no mushi no koe wa tsuyu ni otoroete, niwa no kiri no ha mo moroku mo ochita. Gozen no uchi ni ichijikan, kuji yori jnjji made o, TsurugenƝfu no shǀsetsu no kaishaku, Yoshiko wa shi no kagayaku me no moto ni, tsukue ni hasu ni suwatte, „On ze Ưbu“ no nagai nagai shǀsetsu ni mimi o katamuketa. (559–6) September wurde November. Ein einsamer Wind machte [IV] den Wald hinter [dem Haus] rauschen, die Farbe des Himmels war [IV] tiefblau, das Licht der Sonne erfüllte [IV] die reine Luft, und die Abendstrahlen färbten die Umgebung bunt. Die Stimmen der Insekten in der Hecke wurden schwach [IV] im Tau, auch die Blätter des Blauglockenbaums fielen schon. Im Laufe des Morgens, von neun bis zehn, die Erläuterung einer Erzählung Turgenevs, Yoshiko sass zu Füssen des Lehrers, dessen Augen leuchteten, schräg am Schreibtisch und neigte [ihre] Ohren der langen, langen Erzählung Am Vorabend zu.

100 Ein juku (Ⴖ, heute eine Prüfungsvorbereitungsschule) war zu jener Zeit eine Privatschule, ein Überbleibsel einer früheren Epoche, als es noch keine staatliche Schulen gab. Dort wurden vor allem die chinesischen Klassiker, später auch Englisch, unterrichtet. Diese Institutionen bestanden noch recht lange in der Meiji-Zeit.

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3.4.4

Zwischen Bericht und neutraler Erzählfunktion

a) Rede- und Innerlichkeitswiedergabe Indirekte Redewiedergabe101 Während die indirekten (und direkten) Redeberichte in Jnjemon no saigo hauptsächlich die Funktion hatten, Sachverhalte ausserhalb des Wahrnehmungshorizonts des Erzählers bekannt zu machen, sind die Redeberichte und indirekt zitierten Briefe hier eher ein Mittel „Zeit“ zu sparen. Das heisst, für die Intention der Erzählung Unwichtiges wird abgekürzt und nur selten wird Vergangenes, das nicht in Tokios Wissenshorizont fällt, nachgeholt. Diese Redeberichte kommen vor allem in den Eingangskapiteln, den summary- oder Handlungskapiteln vor und leiten häufig direkt zitierte Konversationen ein oder runden sie ab. Oft sind die Reden gerafft, und nur das Thema des Gesprächs wird angegeben. Danwa wa majime ni katsu hageshikatta. Chichioya wa sono harenchi o aete shǀmen kara seme wa shinai ga, oriori nigai hiniku o sono kotoba no uchi ni kaeta. Hajime wa Tokio ga kuchi o kitta ga, naka goro kara omo ni chichioya to Tanaka to ga hanashita. [...] Futari no koi no kyoka fukyoka mo mondai ni agatta ga, sore wa ima kenkynj subeki daimoku de nai toshite shirizokerare, tǀmen no Kyǀto kikaimondai ga ronzerareta. (588) Die Unterredung war ernst und heftig. Der Vater griff [IV] diese/dessen (sono) [Tanakas] Unverfrorenheit nicht direkt an, von Zeit zu Zeit aber mischte [er] bittere Ironie in seine (sono) Worte. Zuerst redete Tokio, doch danach sprachen hauptsächlich der Vater und Tanaka. [...] Die Erlaubnis [bzw.] das Verbot der Liebe (koi) der beiden kam auch zur Sprache, wurde [IV] aber als ein Thema, das jetzt (ima) nicht untersucht werden soll, abgewiesen, und die dringende Frage der Rückkehr nach Kyǀto besprochen.

Redeberichte, deren Inhalt (mit dem Formalnomen koto), stichwortartig zitiert werden, sind selten. Ein Beispiel steht nach einer Innerlichkeitschilderung, in dem Tokio über heilige beziehungsweise körperliche

101 Ich wähle hier den Ausdruck „Wiedergabe“, um zu betonen, dass viele dieser Stellen einer neutralen Erzählfunktion zugeschrieben werden können, also nicht „berichtet“ sind.

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Liebe nachdenkt, und zum Schluss kommt, dass vermutlich zwischen Yoshiko und Tanaka – sich an seine eigene Jugend erinnernd – noch „nichts“ passiert sei, und er Yoshiko eine Standpauke hält. De, Tokio wa, wakudeki senu mono naraba, shibaraku kono mama ni shite oite ii to itte, soshite ruru toshite tamashii no ren’ai, niku no ren’ai, ren’ai to jinsei to no kankei, kyǀiku aru atarashii onna no masa ni mamorubeki koto nado ni tsuite, setsujitsu ni katsu shinshi ni kyǀkun shita. Kojin ga joshi no misao o imashimeta no wa shakaidǀtoku no seisai yori wa, mushiro joshi no dokuritsu o hogo suru de aru to iu koto to, hitotabi niku o otoko ni yuruseba joshi no jiynj ga mattaku yabureru to iu koto to, seiyǀ no joshi wa yoku kono aida no shǀsoku o kaishite iru kara, danjokǀsai o shite futsugǀ ga nai to iu koto to, Nihon no atarashii onna mo zehi tomo sǀ naranakerebanaranu to iu koto to nado omo naru kyǀkun no daimoku de atta ga, koto ni shinpa no joshi to iu koto ni tsuite tsnjsetsu ni katatta. (569) Nun, solange [Yoshiko] nicht den Kopf verliert, kann [IV] es eine Weile so bleiben, sagte Tokio und predigte ausführlich und eindringlich und überdies beredt die Liebe der Seelen (ren’ai), die Liebe (ren’ai) des Fleisches, die Beziehung von Leben und Liebe (ren’ai), was die gebildeten Frauen in erster Linie beachten müssen und dergleichen. Dass die Alten die Frauen zur Tugendhaftigkeit ermahnen, geschieht eher aus gesellschaftsmoralischem Zwang als zum Schutz der Unabhängigkeit der Frauen und dass, überlassen [sie] nur einmal [ihr] Fleisch einem Mann, die Frauen die Freiheit vollständig verlieren und dass, wie [er] in letzter Zeit oft die Situation westlicher Frauen erklärt hat, es kein Hindernis ist, mit Männern zu verkehren, und dass die neuen Frauen Japans unbedingt auch so (sǀ) werden müssen und dergleichen, waren die wichtigen Punkte der Predigt, doch besonders eindringlich redete [er] über die Frauen der neuen Schule.

Meist sind es Tokios Reden, die gekürzt wiedergegeben werden, nur ein einziges Beispiel bezieht sich auf eine Rede Tanakas: Otoko wa shnjkyǀteki shikaku o mattaku ushinatta to iu koto, kaerubeku ie o mo kuni o mo motanu to iu koto, nisangatsurai hyǀrei no kekka yǀyaku Tǀkyǀ ni sento no kǀmei o mitome hajimeta no ni, sore o sutete saru ni shinobinu to iu koto nazo o tate to shite, shikiri ni kikoku no fukanǀ o shuchǀ shita. (588) Der Mann [sagte], dass [er] die religiöse Bestimmung vollständig verloren hat [perf. Aspekt], dass [er] weder Familie noch Heimat, in die er zurückkehren kann, besitzt, dass [er] als Resultat des Herumtreibens während zwei, drei Monaten endlich begonnen hat, das Licht der Zukunft zu erblicken, [und] es deshalb nicht über sich bringt, dies (sore) fallen zu lassen; dergleichen zum Vorwand nehmend, betonte [er] unaufhörlich die Unmöglichkeit einer Rückkehr.

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Natürlich werden nicht nur Reden, sondern auch Briefe gerafft wiedergegeben. Der Briefwechsel Tokios mit Yoshiko vor ihrer Ankunft in Tǀkyǀ sowie die Briefe an und von Yoshikos Eltern (ausser einem) werden indirekt zitiert, da es nur darum geht, Hintergründe und Handlungen zu schildern. Ein Beispiel für eine Raffung ist Yoshikos Antwort, als sie nach ihrem heimlichen Treffen mit Tanaka von Tokio zur Rede gestellt wird. Die Stelle erwähnt zurückliegende Ereignisse und gibt auch Briefäusserungen der Eltern wieder. Yoshiko wa shi no mae ni sono koi no shinsei naru o kamikakete chikatta. Furusato no oyatachi wa, gakusei no mi de, hisoka ni otoko to Saga ni asonda no wa, sude ni sono seishin no daraku de aru to itta ga, kesshite sonna yogoreta kǀi wa nai. Tagai ni koi no jikaku shita no wa, mushiro Kyǀto de wakarete kara de, Tǀkyǀ ni kaette kite miru to, otoko kara netsuretsu na tegami ga kite ita. Sore de hajimete shǀrai no yakusoku o shita jidai de, kesshite tsumi o okashita yǀ na koto wa nai to onna wa namida o nagashite itta. (536) Yoshiko beteuerte, Gott anrufend, vor dem Lehrer die Heiligkeit dieser/ihrer Liebe (sono koi). Die Eltern in der Heimat hatten gesagt, sich heimlich als Studentin mit dem/einem Mann in Saga amüsiert zu haben, ist schon geistige Verdorbenheit, aber ein derartig (sonna) schmutziges Verhalten gibt [IV] es keinesfalls. Dass [sie sich] gegenseitig der Liebe (koi) bewusst geworden, geschah nachdem [sie] sich in Kyǀto getrennt, [und] nach Tǀkyǀ zurückgekehrt, ein leidenschaftlicher Brief des Mannes [Tanaka] eingetroffen war. So haben [sie sich] das erste Mal ein Versprechen für die Zukunft gegeben [IV], keinesfalls haben [sie] eine Sünde begangen, sagte die Frau unter Tränen [imperf. Aspekt].

Innerlichkeits- und Gedankenwiedergabe

Tokio Andere Figuren

Innerlichkeitswiedergabe

Gedankenwiedergabe

Emotionsausdrücke

100

Direkte Gedankenwiedergabe 80

160 60

20



100

15

Aus der Tabelle (die Zahlen beziehen sich bei Innerlichkeitsschilderungen und Emotionsausdrücken auf die Verben innerer Vorgänge, bei den Gedankenwiedergaben auf Sätze) ist ersichtlich, dass die Innerlichkeit Tokios im Mittelpunkt dieser Erzählung steht. Die Mehrzahl der Gedanken- und Innerlichkeitsbeschreibungen und alle direkt zitierten

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Gedanken beziehen sich auf Tokio, während die Emotionsausdrücke auf die anderen Figuren, vor allem Yoshiko oder Tanaka verteilt sind und meist aus Tokios Perspektive wiedergegeben werden. Schilderungen oder Darstellungen von Innerlichkeit nehmen in dieser Erzählung wohl den grössten Raum ein, in keinem anderen Werk Tayamas ist eine derartige Häufung zu beobachten. Dabei kann die Innerlichkeit vermittelt, neutral wiedergegeben oder direkt von der Figur reflektiert sein. Am einen Ende der Skala erzählerischer Vermittlung stehen auktoriale Innerlichkeitsberichte, in denen die Vermittlungsinstanz greifbar ist, sei es durch Raffungen, Kommentare auf der Handlungsebene, den Gebrauch von Hervorhebungen, doppelten Negationen und rhetorischen Fragen, sei es durch die Vermittlung von Bewusstseinszuständen, und Gefühlen, die den Figuren selbst nicht klar bewusst sind. Am anderen Ende der Skala befinden sich die Verben innerer Vorgänge, die ohne auktoriale Einmischung einer neutralen Erzählfunktion zuzuschreiben sind. Sie leiten oft in Innerlichkeitsdarstellungen über, in denen Gedanken, Erinnerungen oder Beobachtungen in Figurensprache wiedergegeben werden. Die Übergänge sind fliessend. Innerlichkeitswiedergabe des Protagonisten Negative Innerlichkeitsberichte, die davon zeugen, dass die Vermittlungsinstanz einen weiteren Wissenshorizont als die Figuren hat, sind ausserordentlich selten: Tokio wa imasara ni chi no soko ni kono mi o shizumerareru ka to omotta. [...] Sono hageshita kokoro ni wa, Yoshiko ga kono zange o aete shita riynj – subete o uchiakete sugarǀ to shita taido o kaishaku suru yoynj ga nakatta. (597) Tokio war, als wolle [-rareru, medialer Aspekt] er (kono mi) augenblicks in Grund und Boden versinken. [...] In seinem (sono) aufgewühlten Herzen war kein Platz, den Grund, weshalb Yoshiko diese/ihre (sono) Beichte gewagt hatte, zu verstehen – die Haltung, alles zu gestehen [und] auf seine Hilfe zu hoffen [Intentionalis]. Tokio wa kokoro o azamuite – hisǀ naru gisei to shǀshite, kono koi no „onjǀ naru hogosha“ to natta. (576) Tokio betrog [IV] sein Herz – [es] ein heldenhaftes Opfer nennend, wurde [er] zum „wohlwollenden Beschützer dieser (kono) Liebe (koi)“.

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Ebenso selten sind Stellen, die Gefühle vermitteln, die dem Protagonisten erst später bewusst werden, wie Tanakas Eindruck auf Tokio bei seinem ersten Besuch. Toku ni Tokio ni mottomo ni iya ni kanjita no wa, tenshin rynjryo to iu sotchoku na tokoro ga mijin mo naku, jiko no zaiaku ni mo jakuten ni mo iroiro no riynj o shiite tsukete, kore o benkai shiyǀ to suru keishikiteki taido de atta. To wa ie, jitsu o ieba, Tokio no hageshii atama ni wa, sore ga sugu chokkakuteki ni akiraka ni utsutta to iu de wa naku, zashiki no sumi ni okareta chiisai kaban ya aware ni mo shiotareta shiroji no yukata nado o miru to, seinenknjsǀ no mukashi ga omoidasarete, kǀ shita koi no tame, hanmon mo shi, ǀnǀ mo shite iru ka to omotte, renbin no jǀ mo okoranu de wa nakatta. (567) Was Tokio am unangenehmsten berührte, [war, dass Tanaka] nicht die geringste Offenheit oder Aufrichtigkeit zeigte [IV], die steife Förmlichkeit, [mit der dieser] die eigenen Vergehen als auch Schwächen krampfhaft auf allerlei Weise zu begründen [und] diese (kore) zu erklären versuchte [IV]. Das heisst [IV Hervorhebung], um die Wahrheit zu sagen, ist es nicht so, dass sich dies (sore) in Tokios aufgewühlten Kopf unmittelbar deutlich gespiegelt hat, [denn] als [er] in einer Ecke des Zimmers die [dort] abgestellte Reisetasche und das erbärmliche, weiss-blaue zerknüllte Nachtgewand sah [IV], fielen [IV, -raru, medialer Aspekt] [ihm seine] vergangenen jugendlichen Fantasien (knjsǀ) ein [und er] dachte [IV], dass [Tanaka] um so (kǀ) einer Liebe (koi) willen sich quälte und litt, [und] es ist nicht so, dass kein Mitleid aufkam.

Doppelte Negationen sind in der folgenden Stelle des zweiten Kapitels besonders auffällig: Kono yo no naka ni, kynjshiki no marumage, dorogamo no yǀ na arukiburi, onjun to teisetsu to yori hoka ni nanimono o mo ynjsenu saikun ni amanjite iru koto wa, Tokio ni wa nani yori mo nasakenakatta. [...] mashite sono mi ga hone o otte kaita shǀsetsu o yomǀ de mo naku, otto no kumon hanmon ni wa mattaku fnjbagynj de, kodomo sae mansoku ni sodatereba ii to iu jibun no saikun ni taisuru to, dǀshite ronrƯnesu o sakebazaru o enakatta. „Sabishiki hitobito“ no Yohannesu to tomo ni, kasai to iu mono no muimi o kanzezu ni wa orarenakatta. (529) In dieser Welt vorliebzunehmen mit einer Frau mit einem altmodischen Haarknoten (marumage), dem watschelnden Gang einer Ente, die nichts an sich hatte als Unterwürfigkeit und Tugend, das war für Tokio schlimmer als alles andere. [...] Überdies machte [IV] [seine Frau] keine Anstalten, die Erzählungen, die er (sono mi) mit Mühe geschrieben hatte, zu lesen, [sie] war [IV] für die Leiden und Sorgen des Gatten (otto) völlig taub und blind, wie konnte [er] umhin, seiner eigenen (jibun no) Frau gegenüber, die nichts weiter wollte als die Kinder zufriedenstellend aufzuziehen, loneliness zu rufen. Wie Johannes aus Einsame Menschen, konnte [er] nicht umhin, die Bedeutungslosigkeit von Ehefrauen zu spüren.

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Raffende oder zusammenfassende Innerlichkeitsbeschreibungen, die den Gefühlszustand einer Figur zu einer bestimmten Zeit wiedergeben, sind recht häufig. Sie finden sich vor allem in den ersten drei Kapiteln und in Kapitel fünf, dem summary-Kapitel und stehen oft in Verbindung mit kommentierenden Zusätzen oder sind durch die Kopula de aru/no de aru gekennzeichnet. [...] shinkon no kairaku nado wa tǀ ni sametsukushita koro de atta. Yo no naka no isogashii jigyǀ mo imi ga naku, raifuwƗku ni chikara o tsukusu ynjki mo naku, nichijǀ no seikatsu – asa okite, shukkin shite, gogo yoji ni kaette kite, onaji yǀ ni saikun no kao o mite, meshi o kutte nemuru to iu tanchǀ naru seikatsu ni tsukuzuku akihatete shimatta. (525) [...] es war die Zeit, da die Freuden des Frischverheiratetseins und dergleichen schon längst völlig verblasst waren. Die Betriebsamkeit der Welt bedeutungslos, ohne Mut, die ganze Kraft dem lifework zu widmen, das tägliche Leben – am Morgen aufstehen, zur Arbeit gehen, nachmittags um vier heimkehren, auf gleiche Weise das Gesicht der Frau sehen, essen [und] schlafen, des eintönigen Lebens war [er] zutiefst überdrüssig geworden [perf. Aspekt]. Tokio wa yo nado oriori Yoshiko o jibun no shosai ni yonde, bungaku no hanashi, shǀsetsu no hanashi, sore kara koi no hanashi o suru koto ga aru. Soshite Yoshiko no tame ni sono shǀrai no chnji o ataeta. Sono toki no taido wa kǀhei de, sotchoku de, dǀjǀ ni tonde ite, kesshite deisui shite kawaya ni netari, chijǀ ni yokotawattari shita hito to wa omowarenai. Sareba to itte, Tokio wa waza to sǀ iu taido ni suru no de wa nai, onna ni mukatte iru setsuna – sono aishita onna no kanshin o eru ni wa, ikanaru gisei mo hanahada kǀka ni suginakatta. (559) Es kommt vor, dass Tokio abends Yoshiko in sein eigenes (jibun no) Studierzimmer ruft und über Literatur, über Erzählungen und dann auch über Liebe (koi) spricht. Und Yoshiko gute Ratschläge gab für ihre (sono) Zukunft. [Seine] Haltung dieser/jener (sono) Zeit ist [IV] selbstlos, aufrichtig, voller Mitgefühl, nie erweckt [er] den Eindruck, eines Menschen, der sich betrinkt [IV], in der Toilette einschläft [inchoativer Aspekt] [oder] auf dem Boden liegt [inchoativer Aspekt]. Wie dem auch sei, Tokio nimmt diese Haltung nicht absichtlich ein. Im Moment, da [er] sich der Frau zuwendet – um die Bewunderung dieser/seiner (sono) geliebten Frau zu erringen, war [ihm] kein Opfer zu gross.

Diese auktorial gefärbten Innerlichkeitsberichte dienen weniger dazu, distanzierend Gedanken und Gefühle zu kommentieren, als Gefühlszustände raffend zusammenzufassen, um dann in Gedankenberichte überzuleiten.

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Kare wa mikkakan, sono kumon to tatakatta, kare wa sei to shite wakudeki suru koto ga dekinu aru isshu no chikara ga motte iru. Kono chikara no tame ni shihai sareru no o tsune ni kuchioshiku omotte iru no de wa aru ga, sore de mo itsuka makete shimau. Seifuku sarete shimau. (539) Drei Tage lang kämpfte er (kare) mit dieser bitteren Pein. Von seinem (kare no) Charakter her besitzt er eine Kraft, sich nicht blindlings gehen lassen zu können. Zwar empfand [er es] stets als bedauerlich, von dieser Kraft beherrscht zu werden, trotzdem wird [er] irgendwann unterliegen. Wird überwältigt sein.

Das nächste Beispiel ist typisch für Tayamas Tendenz – in Futon besonders augenfällig –, shinriteki kaibǀ no setsumei (ᔃℂ⊛⸃೬ߩ⺑᣿ psychologisch-sezierende Erklärungen) einzubringen, eine Technik, die er später verwarf, von der er sich aber nie ganz lösen konnte. Kǀfun shita kokoro no jǀtai, honsǀ na jǀ to hiai no kaikan to wa, kyokutan made sono chikara o hatten shite, ippǀ tsnjsetsu ni shitto no nen ni kararenagara, ippǀ reitan ni jiko no jǀtai o kyakkan shita. Hajimete koi suru yǀ na netsuretsu na jǀ wa muron nakatta. Mǀmoku ni sono unmei ni shitagau to iu yori wa, mushiro hiyayaka ni sono unmei o hihan shita. Atsui shukan no jǀ to tsumetai kyakkan no hihan to ga yoriawaseta ito no yǀ ni kataku musubitsukerarete, isshu iyǀ no kokoro no jǀtai o moyoǀshita. Kanashii, jitsu ni kanashii. (547) Der erregte Zustand des Herzens, das Gefühl der Anstrengung und die Lust der Trauer entfalteten ihre (sono) Kraft bis zum Äussersten, während [er] einerseits von schmerzlicher Eifersucht getrieben, andererseits seinen eigenen (jiko no) Zustand nüchtern objektivierte. Natürlich war [es] nicht die Glut einer ersten Liebe (koi). Eher als blindlings seinem/diesem (sono) Schicksal zu folgen, beurteilte [er] sein/dieses (sono) Schicksal kühl. Die Leidenschaft heisser Subjektivität und die Kritik kühler Objektivität verbanden [IV] sich wie fest verfilzte Fäden und brachten eine Art ungewöhnlichen Zustand des Herzens hervor. [Es ist] traurig, wahrhaftig traurig.

Diese Bemerkungen sind weder distanzierend noch ironisch. Eine Ausnahme bildet die folgende Stelle, die einen Redebericht Tokios enthält und von einem distanzierenden Kommentar begleitet ist, der als Ironie gelesen werden könnte. Mochiron, kono jogakuseikatagi o Tokio wa shugi no ue, shnjmi no ue kara yorokonde mite ita no wa jijitsu de aru. Mukashi no yǀ na kyǀiku o ukete wa, tǀtei ima no Meiji no otoko no tsuma to shite wa tatte ikarenu. Joshi mo tatanebanaranu, ishi

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no chikara o jnjbun ni yoshinawanebaranu to wa kare no jiron de aru. Kono jiron o kare wa Yoshiko ni mukatte mo sukunakarazu kosui shita. Keredo kono shinpa na haikara no jikkǀ o mite wa, sasuga ni mayu o hisomezu ni wa orarenaktta. (558) Dass Tokio natürlich dieses (kono) Studentinnnen-Gehabe vom Gesichtspunkt der Ideologie, dem Gesichtspunkt des Geschmacks gern sah, ist Tatsache. Mit einer Erziehung wie früher, kann [eine Frau] jetzt (ima), als Gattin eines Mannes der Meiji-Zeit nicht bestehen. Auch Frauen müssen Karriere machen, die Willenskraft genügend ausbilden, das war seine (kare no) Lieblingsthese. Diese (kono) These verfocht er (kare) auch vor Yoshiko nicht selten. Aber [er] konnte tatsächlich nicht umhin, die Augenbrauen hoch zu ziehen, wenn [er] zusah [IV], wie diese (kono) haikara der neuen Schule dies verwirklichte.

Gedankenwiedergabe des Protagonisten Im Gegensatz zu Innerlichkeitsberichten sind Gedankenwiedergaben selten auktorial gefärbt und tendieren zur neutralen Erzählfunktion. Auktoriale Gedankenberichte umfassen nur jene Beispiele, in denen Spuren einer Vermittlungsinstanz greifbar sind wie negative Gedankenberichte und Raffungen. Fehlen diese Anzeichen, handelt es um Beispiele der neutralen Erzählfunktion. Diese leiten oft in direkte Gedankenwiedergabe oder -darstellungen über, in denen Figurensprache vorherrscht. Negative Gedankenberichte kommen kaum vor, da die Vermittlungsinstanz kaum je den Wissenshorizont des Protagonisten überschreitet. Ein Beispiel findet sich in der oft zitierten „Bahnhofsszene“, als Tokio, in Fantasien versunken, nicht merkt, dass Tanaka anwesend ist. Yoshiko wa kore o mitomete mune o todorokashita. Chichioya wa fukai na kan o idaita. Keredo, kusǀ ni fukette tachitsukushita Tokio wa, sono ushiro ni sono otoko ga iru no o yume ni mo shiranakatta. (605) Yoshiko erkannte [IV] diesen (kore) [und] ihre Brust bebte. Der Vater empfand Missvergnügen. Aber Tokio, in Fantasien versunken dastehend, wusste nicht im Traum, dass dieser/jener (sono) Mann hinter ihm (sono ushiro) war [IV].

Ganz selten sind iterativ geraffte Gedankenberichte, hier gefolgt von einem auktorialen Innerlichkeitsbericht: Tokio wa ǀno shita. Sono kokoro wa hi ni ikuhen to naku kawatta. Aru toki wa mattaku gisei ni natte futari no tame ni tsukusǀ to omotta. Aru toki wa kono ichibushijnj o kuni ni hǀjite ikkyo ni hakai shite shimaǀ ka to omotta. Keredo kono izure o mo aete suru koto no dekinu no ga ima no kokoro no sama de atta. (564)

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Tokio quälte [sich]. Sein Herz schwankte täglich immer wieder. Bald dachte [er daran], sich zu opfern und sich für die Zukunft der beiden zu verwenden. Bald dachte [er], dies (kono) von A bis Z in [Yoshikos] Heimat zu berichten [und] mit einem Schlag zu zerstören [perf. Aspekt futuri]. Doch, keine dieser (kono) beiden [Möglichkeiten] wagen zu können, das war der jetzige (ima) Zustand des Herzens.

Raffende Gedankenberichte, die eine explizite, der Vermittlungsinstanz zuzuschreibende Komponente wie tsune ni (immer), taezu (unaufhörlich) enthalten, sind selten, da in diesem Text die Innerlichkeit vor allem des Protagonisten stets wieder zitierend ausgebreitet wird. Sie finden sich am ehesten in Passagen anschliessend an allgemeine Bemerkungen im gnomischen Präsens: Yoshiko mo sono hitori de atta to Tokio wa tsune ni omotta. (533) Tokio dachte stets, auch Yoshiko war eine dieser (sono) [Frauen, die ihre Gefühle geschickt in ihrem Ausdruck zeigen].

Häufiger sind neutrale Gedankenwiedergaben ohne auktoriale Einmischung, die den Inhalt als Objekt der Verben kangaeru (denken) oder omou (denken, glauben, meinen) wiedergeben und sie so in Figurenperspektive einbetten. Sie fehlen in den von Gedankendarstellung geprägten Kapiteln (zwei, acht und elf) fast gänzlich, finden sich aber gehäuft in Kapitel sieben, als Tokio aus einem Brief Yoshikos erfährt, dass sie sich entschlossen hat, Tanaka zu folgen. Tokio wa mǀ kǀ shite okarenu to omotta. Tokio ga Yoshiko no kanshin o eru tame ni totta „onjǀ no hogosha“ to shite no taido o kangaeta. (578) Tokio dachte, so (kǀ) kann [es] nicht weitergehen. Tokio überdachte die Haltung als „wohlwollender Beschützer“, die [er] eingenommen hatte [perf. Aspekt], um Yoshikos Gunst zu gewinnen. Tokio wa ikutabi ka kangaeta. Mushiro kuni ni hǀkoku shite yarǀ ka, to. Keredo sore o hǀchi suru ni, dǀ iu taido o motte shiyǀ ka to iu no ga daimondai de atta. Futari no koi no kagi o mizukara nigitte iru to shinzuru dake sore dake Tokio wa sekinin o omoku kanjita. Sono mi no futǀ no jitto, fusei no renjǀ no tame ni, sono aisuru onna no netsuretsu naru koi o gisei ni suru ni wa shinobinu to tomo ni, mizukara itta „onjǀ naru hogosha“ to shite, dǀtokuka no gotoku mi o shosuru ni mo taenakatta. Mata ippǀ ni wa kono koto ga kuni ni shirete Yoshiko ga chichihaha no tame ni shitagawarete kikoku suru yǀ ni naru no o osoreta. (568)

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Tokio überlegte immer wieder. Ob er eher [Yoshikos Tun] in [ihrer] Heimat veröffentlichen soll? Aber was für eine Haltung [er] einnehmen sollte, um dies (sore) zu veröffentlichen, das war ein grosses Problem. Nur schon zu wissen, dass [er] den Schlüssel zur Liebe (koi) der beiden selbst in der Hand hielt, [IV], schon dies allein fühlte Tokio als schwere Verantwortung. Seiner (sono mi no) ungebührlichen Eifersucht wegen, seiner ungerechten Leidenschaft wegen, brachte [IV] [er es] nicht übers Herz, die brennende Liebe (koi) dieser/seiner (sono) geliebten Frau zu opfern, und hielt es gleichzeitig nicht aus, als selbst ernannter „wohlwollender Beschützer der Liebe“ wie ein Moralist sich/jemanden (mi o) zu verurteilen. Andererseits fürchtete [er], dass, sobald diese (kono) Angelegenheit in der Heimat bekannt war [IV], Yoshiko von den Eltern nach Hause geführt werden wird. Kare wa majime ni Yoshiko no koi to sono isshǀ o kangaeta. Futari dǀsei shite nochi no kentai, hirǀ, reikoku o jiko no keiken ni terashite mita. Soshite hitotabi otoko ni mi o makasete nochi no joshi no kyǀgnj no awaremubeki o omoiyatta. (580) Er (kare) bedachte ernsthaft Yoshikos Liebe (koi) und ihr (sono) Leben. [Er] versuchte, den Überdruss, die Müdigkeit, die Gefühllosigkeit der beiden nach dem Zusammenwohnen mit der eigenen (jiko) Erfahrung zu vergleichen. Und dachte an die erbarmenswürdige Lage einer Frau, nachdem [sie] sich einmal einem Mann hingegeben.

Diese Gedanken – in denen eine Vermittlungsinstanz nicht mehr greifbar ist, dienen oft als Einleitung zu direkten Gedankenwiedergaben, deren Inhalte in Figurensprache wiedergegeben sind. Tokio wa ima, Yoshiko no tegami ni taishite kangaeta. Futari no jǀtai wa mohaya ikkoku mo yoynj subekarazaru mono to natte iru. Tokio no kantoku o hanarete futari issho ni kurashitai to no daitan na kotoba, sono kotoba no uchi ni wa keikai subeki bunshi no ǀi no o omotta. Iya, sude ni ippo o susumete iru ka mo shirenu to omotta. (579) Jetzt (ima) dachte Tokio über Yoshikos Brief nach. Der Zustand der beiden ist schon [so weit] gediehen, dass [es] keinen Moment mehr zu zögern gibt [IV]. In der kühnen Aussage, dass die beiden ausserhalb Tokios Aufsicht zusammen leben wollen, in dieser Aussage glaubte [er] [IV], gab [IV] [es] zahlreiche warnende Elemente. Nein, vielleicht sind [sie] schon einen Schritt weitergegangen, dachte er.

Wörtlich wiedergegebene Gedankeninhalte sind selten von Interventionen der Vermittlungsinstanz begleitet, wohl aber häufig von auf Figurenebene weisenden deiktischen Anzeigern. Sie leiten oft in direkte Gedankenwiedergaben über, sind also auf der Erzählsituations-skala in

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die „Grauzone“ zwischen Bericht und Darstellung einzuordnen und nur der Kontext entscheidet, ob es sich um Beispiele neutraler Erzählfunktion oder Bericht handelt. Die Formel kǀ omou to (als [er] so dachte, so denkend), leitet oft in einen Innerlichkeitsbericht über, kann aber auch direkte Gedankenwiedergaben oder Rückblicke beginnen oder beenden. Innerlichkeits- und Gedankenwiedergabe anderer Personen Im Gegensatz zu Tokios Innerlichkeit werden die Gefühle und Gedanken der anderen Figuren hauptsächlich in direkten Reden oder, in Yoshikos Fall, in Briefen unvermittelt wiedergegeben. Gedankenberichte sind selten und wenig von Mittelbarkeit geprägt. Die Gefühle Yoshikos werden in den Kapiteln zwei (Rückwendung) und im summary-Kapitel (fünf) berichtet. Gakkǀ ni fuzoku shita kyǀkai, soko de kitǀ no tǀtoi koto, kurisumasu no ban no omoshiroi koto, risǀ o yashinau to iu koto no aji o mo shitte, ningen no iyashii koto o kakushite utsukushii koto o hyǀbǀ suru to iu mure no nakama to natta. Haha no shikka ga koishii to ka, furusato ga natsukashii to ka iu koto wa, kita tǀza koso setsujitsu ni tsuraku kanji mo shita ga, yagate wa mattaku wasurete, jogakusei no kishukuseikatsu o kono ue naku omoshiroku omou yǀ ni natta. (528–529) In der der Schule angeschlossenen Kirche, dort (soko) lernte [IV] [sie] die Ehrwürdigkeit der Gebete, den Reiz des Weihnachtsabends, die Hoheit von Idealen kennen, [sie] geriet in die Gemeinschaft derer, die das Niedrige des Menschen verstecken [und] nach Schönheit streben. Dass sie der Mutter Gegenwart, die Heimat bitterlich vermisste [IV], fühlte [sie] zweifellos zum Zeitpunkt der Ankunft, vergass [IV] [es] aber schnell, und war bald so weit, grösstes Gefallen am Leben einer Pensionärin zu finden. Mochiron, sono mune ni wa isshu no appaku o kanjita ni sǀi nai keredo, Yoshiko no kokoro ni shite wa, zettai ni shinrai shite – kondo no koi no koto ni mo zenshin o agete dǀjǀ shite kureta shi no ie ni itte sumu koto wa betsu ni hanahadashii kutsnj de mo nakatta. (554) Natürlich, gewiss fühlte [sie] eine Art Druck in ihrer (sono) Brust, doch was Yoshikos Herz betraf [IV], so vertraute [sie Tokio] vollkommen – ins Haus des Lehrers wohnen zu gehen, der in der jetzigen (kondo no koi) Liebesangelegenheit sich [ihr] von ganzem Herzen gewidmet [und] [ihr] Teilnahme bezeugt hatte (-te kureru), war für [sie] kein besonderer Schmerz.

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Während in den obigen Beispielen noch Spuren einer Vermittlungsinstanz bemerkbar sind, gehören die folgenden Aussagen hingegen einer neutralen Erzählhaltung an: Yoshiko wa koibito ni wakareru no ga tsurakatta. Narǀ koto nara issho ni Tǀkyǀ ni ite, tokidoki kao o mo mi, kotoba o mo kaetakatta. Keredo ima no sai sore wa dekigatai koto to shitte ita. Ninen, sannen, otoko ga Dǀshisha o sotsugyǀ suru made wa, tamasaka no kari no oto o tayori ni 102 , isshinfuran ni benkyǀ shinakereba naranu to omotta. (559) Für Yoshiko war es bitter, sich vom Geliebten zu trennen. Wenn möglich, wäre [sie] gern [-tai, Optativ der ersten Person] [mit ihm] zusammen in Tǀkyǀ geblieben [IV], hätte gern [sein] Gesicht von Zeit zu Zeit gesehen [IV], mit ihm geredet. Doch war [ihr] bewusst [perf. Aspekt], dass dies (sore) im jetzigen (ima) Zeitpunkt schwierig war [IV]. [Sie] wusste, dass [sie] zwei, drei Jahre, bis der Mann an der Dǀshisha [Universität] seine Studien abschloss [IV], im Vertrauen auf die häufigen Rufe/Berichte der Windgänse, [sich] mit Leib und Seele [ihren] Studien widmen musste [IV]. Yoshiko ni wa kono Tokio no kyǀkun ga nani yori imi ga aru yǀ ni kikoete, katsugǀ no nen ga iyoiyo kuwawatta. Kiristokyǀ no kyǀkun yori jiynj de soshite igen ga aru yǀ ni kangaerareta. (533) Für Yoshiko hörte sich [IV, kikoeru, medialer Aspekt] diese (kono) Belehrung Tokios über alles bedeutungsvoll an, [ihre] Bewunderung wuchs mehr und mehr. [Ihr] schien [-rareru, medialer Aspekt], [diese] freier und überdies respekteinflössender als die christliche Lehre.

Das einzige Beispiel einer direkten Gedankenwiedergabe, kenntlich gemacht durch kono (diese/r/s /mein) und die informelle Kopula da, soll der Vollständigkeit halber hier angeführt werden: De, Yoshiko wa shi o shinrai shita. Jiki ga kite, chichihaha ni kono koi o tsuguru toki, kynjshisǀ to shinshisǀ to shǀtotsu suru koto ga atte mo, kono megumi fukai shi no shǀnin o e sae sureba sore de takusan da to made omotta. (559) Nun, Yoshiko vertraute [ihrem] Lehrer. Die Zeit kommt [IV], wenn [sie] Vater und Mutter diese (kono) Liebe (koi) gesteht [IV] [und], wenn auch alte mit neuen Ideen zusammenprallen [IV], wenn [sie] nur die Zustimmung dieses (kono) gnädig gewogenen Lehrers erhält, ist [schon] viel [gewonnen], dachte [sie] sogar.

102 Yoshiko benutzt hier einen Topos aus der klassischen Poesie (Gänse als Liebesboten). Ihr „Zitatschatz“ umfasst auch klassische Literatur, in ihrem letzen Brief (606) zitiert sie ein Haiku von Issa (Kobayashi Issa, ዊᨋ৻⨥, 1763–1827).

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Eine der wenigen undurchsichtigen Stellen dieses Textes bezieht sich auf Yoshikos Gedanken während der Lektüre von Turgenevs Am Vorabend. Eine Postkarte wird erwähnt aber nicht erläutert, der Leser kann nur spekulieren, dass es sich um eine Postkarte Tanakas handeln könnte. Erene no kanjǀ ni hageshiku ishi no tsuyoi seikaku to, sono kanashii hisǀ naru matsuro to wa ikani kanojo o ugokashita ka. Yoshiko wa Erene no koimonogatari o jibun ni hikikurabete, sono mi o shǀsetsu no uchi ni oita. Koi no unmei, koi subeki hito ni koi suru kikai ga naku, omoi mo kakenu hito ni sono isshǀ o makashita unmei, jissai Yoshiko no tǀji no shinjǀ sono mama de atta. Suma no hama de, yukuri naku uketotta yuri no hana no ichiyo no hagaki, sore ga kǀ shita unmei ni narǀ to wa yume ni mo omoishiranakatta. (560) Wie sehr bewegten sie (kanojo) Elenas heftige Gefühle, [deren] willensstarker Charakter und ihr (sono) tragisch-trauriges Ende. Yoshiko verglich [IV] Elenas Liebesgeschichte mit sich selbst (jibun) und versetzte sich (sono mi) in die Erzählung. Das Schicksal einer Liebe (koi), ohne die Gelegenheit, den geliebten Menschen lieben (koi suru) zu können, das Schicksal, sich unerwartet einem Menschen anvertraut zu haben, das war wahrhaftig genau Yoshikos Gefühl jener (tǀji) Zeit. Am Strand von Suma die unversehens erhaltene Lilien-Postkarte, dass diese (sore) [ihr] so ein (kǀ) Schicksal bescheren sollte, hatte [sie sich] nicht im Traum vorgestellt.

Der Vater Yoshikos drückt seine Gefühle meist in direkter Rede aus. Die Stellen, in denen seine Innerlichkeit von der Vermittlungsinstanz berichtet wird, sind selten. Es sind die Gedanken, die er nicht aussprechen will oder kann, die aber für die Intention von Futon von Bedeutung sind. Chichioya no mune ni wa imasara musume ni tsuite no kaikon no jǀ ga ǀkatta. Inakamono no banitƯ no tame ni Kǀbejogakuin no yǀ na, haikara na gakkǀ ni irete, sono kishukushaseikatsu o okonawaseta koto ya, sono setsu naru nozomi o irete shǀsetsu o manabubeku Tǀkyǀ ni dashita koto ya, tabyǀ no tame ni iu ga mama ni shite amari kensoku o kuwaenakatta koto ya, iroiro na koto ga muramura to mune ni ukanda. [...] Chichioya no me ni eijita Tanaka wa moto yori ki ni haitta jinbutsu de wa nakatta. Sono shirojima no hakama o tsuke, kongasuri no haori no kita shosei sugata wa, keibetsu no nen to zǀǀ no nen to o sono mune ni minagirashimeta. Sono shoynjbutsu o ubatta nikumubeki otoko to iu kanji wa, katsute Tokio ga sono geshuku de kono otoko o mita toki no kanji to hanahada yoku nite ita. (587) In der Brust des Vaters waren nun Reuegefühle bezüglich der Tochter häufig. Um der vanity der Provinzler willen hatte [er sie] in eine moderne (haikara) Schule wie die Kǀbejogakuin geschickt, und jenes/ihr (sono) Leben als Pensionärin

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veranlasst/zugelassen [Kausativ], und überdies ihren (sono) drängenden Wunsch erhört, und [sie], um das Schreiben zu lernen, nach Tǀkyǀ geschickt, [ihr] wegen [ihrer] Kränklichkeit den Willen gelassen [und sie] nicht allzu sehr gezügelt, allerlei Empfindungen bedrängten [seine] Brust. [...] Der in den Augen des Vaters [sich] spiegelnde Tanaka war von Anfang an keine Person, die [dem Vater] sympathisch war. Seine (sono) shosei-Erscheinung als arbeitender Student [ ᦠ↢ shosei] in einer weissgestreiften Rockhose und einem dunkelblauen Überkimono, rief in seiner (sono) Brust gemischte Gefühle von Verachtung und Hass hervor. Dass es ein hassenswerter, sein Besitztum gestohlen habender Mann war, dies glich [imp. Aspekt] ausserordentlich dem Eindruck Tokios, als [Tokio] diesen (kono) Mann einst in seinem/jenem (sono) Zimmer gesehen hatte.

Die Person, über deren Innerlichkeit der Leser am wenigsten erfährt, ist die Frau Tokios. Zwar ist ihr Anteil an direkter Rede recht hoch (s.u.), doch werden ihre Gefühle kaum und ihre Gedanken nie ausführlich erwähnt. Ausnahmen bilden folgende Textstellen: Saikun mo Yoshiko ni koibito ga aru no o shitte kara, kiken no nen, fuan no nen o mattaku satta. (559) Seit auch die Frau wusste [IV], dass Yoshiko einen Geliebten hatte [IV], verschwanden die Gefühle der Gefahr, die Gefühle der Angst gänzlich. Sono me ni wa namida ga afureta. Onnagokoro no yowaku, dǀjǀ no nen wa sono chiisai mune ni minagiriwatatta no de aru. (602) In ihren (sono) Augen sammelten [sich] Tränen. Denn (no de aru) in der Schwäche des fraulichen Herzens war ihre (sono) kleine Brust voller Mitgefühl.

Im vorletzten Kapitel, in der die Abreise Yoshikos geschildert wird, kommen Stellen vor, da alle Figuren dasselbe denken: Sannin wa sono toki to ima to o mune ni hikaku shite, kangaitatan de atta ga, shikamo tagai ni sakete omote ni arawasanakatta. (602) Die drei verglichen [IV] in [ihrer] Brust jene (sono) Zeit und jetzt (ima) [und], obwohl der verschiedensten Gefühle voll, wichen [IV] [sie sich] gegenseitig aus [und] zeigten [es] nicht im Gesicht. Kono gunshnj no naka ni, moshi ya Tanaka no sugata ga mie wa senu ka to sannin mina omotta. (602) Ob nicht vielleicht Tanakas Gestalt in dieser (kono) Menge zu sehen ist [IV], dachten alle drei.

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Es gibt eine einzige Stelle, in der Tanakas Innerlichkeit berichtet wird und er dabei auch ausnahmsweise kare genannt wird, sonst wird seine Gestimmtheit nur durch Emotionsausdrücke wiedergegeben, und zwar aus der Perspektive des beobachtenden Protagonisten. Tanaka no kao wa niwaka ni kaetta. Haji no nen to gekkǀ no jǀ to zetsubǀ no modae to ga sono mune o tsuita. Kare wa iu tokoro o shiranakatta. (599) Tanakas Gesicht änderte sich plötzlich. Gefühle der Scham und des Zorns, die Pein der Verzweiflung durchfuhren seine (sono) Brust. Er (kare) wusste nicht, was [er] sagen sollte.

b) Emotionsausdrücke Die Technik, sichtbar gewordene Innerlichkeit zu schildern, ist in Futon selten. Dabei fällt auf, dass die Emotionsausdrücke (wie auch die Verben der inneren Verfassung) nun nicht wie in Shǀjobyǀ vorwiegend auf der Erzählerebene vorkommen. Ausnahmen sind die Erwähnung von Tränen, verweinten Augen oder Bewegungen des Kopfes, die aber eher einer neutralen Erzählhaltung angehören, vor allem wenn sie in Stellen grosser Unmittelbarkeit wie Dialoge oder Innerlichkeitsdarstellungen eingestreut sind. Auch Präsumptive – ein Anzeichen eines beschränkten Wissenshorizonts – wie -rashii (offenbar), no yǀ da, no yǀsu da, no fnj da (aussehen wie, den Anschein haben), erscheinen eher in Figurenperspektive. Ein Beispiel eines Emotionsausdrucks auf der Erzählerebene findet sich innerhalb einer raffenden Passage: Jnjjun naru kasai wa aete sono koto ni fufuku o mo tonaezu, sore rashii yǀsu mo misenakatta ga, shikamo sono kishoku wa jidai ni waruku natta. (530) Die folgsame Hausfrau wagte [IV] nicht, ihr/dieses (sono) Missvergnügen laut werden zu lassen, zeigte auch kein dies (sore) offenbarendes Verhalten, doch wurde ihr (sono) Aussehen mit der Zeit [immer] schlechter.

Ohne explizite Erzählereingriffe (Raffungen oder Hervorhebungen) kommen Emotionsausdrücke wie Regieanweisungen in Gespräche eingestreut vor und sind einer neutralen Erzählweise zuzuschreiben. Yoshiko ga kyǀ wa sensei sukoshi osoku narimasu kara to kao o akaku shite itta. (565) Sensei, heute (kyǀ) wird es etwas später, [sagte] Yoshiko [und] war rot geworden.

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Yoshiko wa kashira o tarete damatte ita. (584) Yoshiko liess den Kopf hängen und schwieg [imp. Aspekt]. „Sensei –” to, Yoshiko wa nakidashita. (601) „Sensei –”, Yoshiko begann zu weinen.

Die Emotionsausdrücke, die sich auf Tokio beziehen, sind meist Handlungen (weinen, sich die Haare raufen). Sie beginnen oder runden Innerlichkeitsberichte ab und sind selten Wahrnehmungen anderer Figuren. Die Entscheidung, diese der Erzähler- oder Figurenebene zuzuschreiben, ist nur aus dem Kontext ersichtlich. [...] atsui, atsui namida ga kare no hǀ o tsutawatta. (580) [...] heisse, heisse Tränen rannen über seine (kare no) Wangen.

Der Schluss der Erzählung, der dem Werk den Titel gegeben hat, lautet: Tokio wa sono futon o shiki, yogi o kake, tsumetai yogoreta birǀdo no eri ni kao o uzumete naita. Usugurai isshitsu, omote ni wa kaze no oto ga fukiarete ita. (606–7) Tokio breitete [IV] ihren/diesen (sono) Futon aus, legte [IV] die Decke darauf, vergrub [IV] das Gesicht im kalten verschmutzten Samtsaum [und] weinte. Das dunkle Zimmer, draussen stürmte der Wind.103

Das in Futon sehr seltene Präsumptiv -rashii steht in der Szene, wo Tokios Trunkenheit aus der Sicht anderer Figuren beschrieben wird. De, mǀ ippon hanbun gurai nonda. Ei wa yohodo mawattarashii. Kao no iro wa shakudoiro ni somatte me ga sukoshiku suete kita. (545) Nun, [er] trank noch etwa eine halbe [Flasche]. Offensichtlich (-rashii) war [er] ziemlich betrunken. Das Gesicht färbte sich kupferrot, die Augen wurden ein wenig starr.

103 Der letzte Abschnitt ist ein typisches Beispiel für eines der Kompositionsprinzipien Tayamas, das besonders in Futon auffällt – eine knappe oft lyrische Evokation der Umgebung am Ende eines Kapitels.

205

Im Gegensatz zu Shǀjobyǀ dienen Emotionsausdrücke fast ausschliesslich dazu, die Innerlichkeit Yoshikos oder Tanakas in der Perspektive Tokios deutlich zu machen. (Vgl. Figurenperspektive) Es gibt seltene Stellen, an denen Tokio mit den Augen anderer gesehen wird, im ersten Beispiel aus der Perspektive seiner Frau, im zweiten Yoshikos. Saikun wa sore o uketorinagara, otto no kao o jirori to mite, bǀfnj no mae ni kuru kumoyuki no hanahada kynj no o shitta. (543) Indem die Frau diesen [Brief, sore] an sich nahm [IV], guckte [IV] [sie] flüchtig dem Gatten ins Gesicht [und] erkannte die Anzeichen eines drohenden Sturms. Tokio wa damatte kono kyǀtai ni taishite ita. Mune no sawagu no wa muron de aru. Fukai no jǀ wa hishi to oshiyosete kita. Yoshiko wa chira to Tokio no kao o ukagatta ga, sono fukigen na no ga hitome de wakatta. (574) Tokio schwieg [imp. Aspekt] angesichts dieser (kono) Koketterie. Natürlich ist [es so], dass seine Brust bebte [IV]. Missvergnügen bestürmte [ihn]. Yoshiko sah flüchtig in Tokios Gesicht und verstand auf einen Blick diesen/seinen (sono) Ärger.

Es ist die Innerlichkeit Tanakas, der seine Gedanken nicht offen aussprechen kann, die praktisch nur in seiner Haltung und Mimik erkenntlich ist. Er wird nie auf der Erzählerebene („objektiv“) geschildert, so dass der Leseeindruck einzig auf den Beobachtungen seiner „Gegner“ beruht. Die meisten Emotionsausdrücke sind in Gespräche eingestreut, stehen also in einem Kontext grosser Unmittelbarkeit: Tanaka wa utsumuite kao o shikameru to omottara, namida ga harahara sono hǀ o tsuwatatta. (590) Glaubte [man] Tanaka lässt den Kopf hängen [und] verzieht [IV] das Gesicht, rannen Tränen über seine (sono) Wangen.

Die Haltung Tanakas lässt in Tokio Zweifel an der Ehrlichkeit Yoshikos aufkommen, wie der erklärende Kommentar (no de aru) zeigt: Tokio no mune ni, futo futari no kankei ni tsuite no giwaku ga okotta. Otoko no hageshii shuchǀ to Yoshiko o ono ga shoynj to suru kenri ga aru yǀ na taido to wa, Tokio ni kono giwaku o okosashimuru no dǀki to natta no de aru. (593)

206

In Tokios Brust kamen unversehens Zweifel an der Beziehung der beiden auf. Denn (no de aru) der heftige Anspruch des Mannes sowie die Haltung, als scheine [yǀ da, Präsumptiv] [er] das Recht zu haben, Yoshiko als seinen eigenen (ono ga) Besitz zu beanspruchen, veranlasste [Kausativ], dass Tokio diesen (kono) Zweifel zu hegen begann.

3.4.5

Elemente der Unmittelbarkeit

a) Direkte Rede und Briefe Futon enthält 23% direkt wiedergegebenen Reden; dies ist, obwohl mehr als in Shǀjobyǀ, unter dem Durchschnitt von 30%. Rechnet man aber die zitierten Briefe dazu (die Angaben in Klammern sind unter Einbeziehung der Briefzeilen gerechnet), sind es fast 30%. Die direkte Rede ist sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Kapitel verteilt: Kapitel, in denen die Innerlichkeit der Figuren im Mittelpunkt steht (eins, vier, sieben und neun), haben einen geringeren Anteil, während die Handlungskapitel sehr viel mehr Rede aufweisen, besonders die Kapitel, die die Ankunft Tanakas (sechs) und des Vaters (acht) schildern. Kap. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Total

(Briefe)

Anz. Zeilen 55.5 84.0 110.0 185.0 92.0 142.0 66.5 150.5 56.5 81.5 25.5 1049

DR Zeilen — — 16.5 43.0 29.0 48.0 — 89.0 5.5 11.5 — 242.5 23%

Tokio

Yoshiko

Frau

Vater

Tanaka

Andere

%

— — 9.0 16.5 12.0 14.5 — 27.5 4.0 6.0 — 89.5 36%

— — 1.0 2.0 17.0 8.5 — 3.0 1.5 2.0 — 35.0 14%

— — 3.5 10.5 — 20.5 — 3.5 — 1.0 — 39.0 16%

— — — — — — — 48.5 — — — 48.5 20%

— — — — — 4.5 — 6.5 — 2.5 — 13.5 5.5%

— — 2.0 10.5 — — — — — — — 12.5 6.5%

— — 15% 23% 31% 33% — 59% 10% 14% —

— (29%)

(3) (30%)

(62) (31.5%)

— (13%)

— (16%)

— (5%)

— (4.5%)

23%

(29%)

Aus dem Redeanteil der Personen wird sofort deren Wichtigkeit für den Text ersichtlich. Tokio, der (mit einer geringfügigen Ausnahme) an allen Gesprächen zugegen und auch der Empfänger aller direkt zitierten Briefe ist, steht mit 36% im Mittelpunkt. Der Anteil des Vaters ist mit 20% recht hoch, wenn man bedenkt, dass er nur im achten Kapitel als

207

Sprechender auftritt. Auf ihn folgt die Gattin, die, obwohl in diesem Text eher am Rande figurierend, mehr spricht als Yoshiko. Rechnet man aber die zitierten Briefe zu den direkten Reden, sind es Yoshikos Äusserungen, die den grössten Raum einnehmen. In diesem Text gibt es keine Stellen, in denen eine Figur als Ohrenzeuge fungiert. Die wichtigste Funktion der direkten Rede ist Vergegenwärtigung. Die Figuren kommen selbst zu Wort (oder schreiben Briefe) und verlauten ihre Gedanken, vor allem der Vater, der aus seinen Gefühlen für Tanaka keinen Hehl macht. Die direkte Rede dient in geringerem Masse auch dazu, Geschehnisse, die ausserhalb Tokios Wahrnehmungshorizont liegen, das heisst, die in seiner Abwesenheit geschehen sind, einzubringen, eine Methode, vorangegangene Ereignisse in Figurenperspektive eingebettet zu schildern. Eine Funktion der direkten Rede, die in späteren Erzählungen, besonders in Sei (Leben, 1908), meisterhaft gebraucht wird, ist die Charakterisierung der Personen durch ihre Art zu sprechen: Yoshikos kokette, Tanakas gestelzte und des Vaters direkte Ausdrucksweise. Die beiden letzteren brauchen Dialektformen, wobei Tanakas Kansai-Dialekt vom Vater als auch von Tokio als unangenehm empfunden wird.104 Die Briefe Yoshikos haben einerseits die Funktion, ihre Gedanken – auch Gedanken, die sie nicht auszusprechen wagt – zu schildern, andererseits geben sie Gespräche zwischen Yoshiko und Tanaka wieder und bringen so dessen Hoffnungen und Absichten ein. Die Briefe Yoshikos sind im informellen Stil geschrieben (genbun itchi), ein Stil, den Tokio sehr bewundert. Ihr letzter Brief ist im formellen sǀrǀbun-Stil. Die Briefe der Eltern und Tokios werden alle indirekt zitiert, ausser dem letzten, den Tokio an die Eltern schreibt. Dieser wird teilweise zitiert (580). Direkte Rede ohne Anführungszeichen wie in Jnjemon no saigo ist in diesem Text sehr selten, da keine Notwendigkeit einer personalisierten Aussageinstanz besteht, die Reden der Figuren (an denen der Protagonist nicht anwesend ist) zu vergegenwärtigen. Die Unmittelbarkeit dieses Textes wird allerdings weniger durch direkte Rede, sondern vielmehr durch direkte Gedankenwiedergabe und Figurenperspektive – oder eine Mischung dieser Mittel – gewährleistet. 104 Im Gegensatz zu Tokio und Yoshiko, die die neue Standardsprache gebrauchen, spricht Tanaka einen Dialekt, den es Takahashi zufolge, nie gab. Vgl. Takahashi (1985), In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 31–41).

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b) Direkte Gedankenwiedergabe Zitierte Gedanken In Anführungszeichen gesetzte Gedanken sind immer Gedanken Tokios. Diese sind in diesem Text recht selten. In den Kapiteln, in denen Tokios Innerlichkeit fokussiert wird, dienen sie meist als Abschluss und Höhepunkt von Innerlichkeitsdarstellungen, in Gespräche eingeflochten zeigen sie Tokios nicht verlautete Gedanken. Im Gegensatz zu Shǀjobyǀ wirken diese Gedanken unvermittelt, da sie selten von Raffungen begleitet oder durch Kommentare kontrastiert werden. Tayama zeigt eine gewisse Unsicherheit, sie als nicht verlautete Gedanken deutlich zu machen, wie die Ausdrücke to hitori de mune ni hanmon shita (grübelte er allein in seiner Brust) oder hara no uchi ni sekkyǀ shita (schrie er in seinem Bauch) beweisen. Die Stellen, in denen Gedanken in Anführungsstriche gesetzt und mit etwas schwerfälligen Anführungsverben versehen sind, finden sich vor allem am Anfang der Erzählung (siehe auch die Analyse des ersten Kapitels). [...] Tokio wa kynj ni kewashii muzukashii kao ni natta. „Jibun ni... jibun ni, kono koi no sewa ga dekiru darǀ ka,“ to hitori de mune ni hanmon shita. „Wakai tori wa wakai tori de nakute dame da. Jibunra wa mǀ kono wakai tori o hiku utsukushii hane o motte inai.“ Kǀ omou to, iu ni iwarenu sabishisa wa mune o osotta. „Tsuma to ko – katei no kairaku da to hito wa iu ga, sore ni nan no imi ga aru. Kodomo no tame ni seizon shite iru tsuma wa seizon no imi ga arǀ ga, tsuma o ko ni ubaware, ko o tsuma ni ubawareta otto wa dǀshite sekibaku tarazaru o uru ka.“ Tokio wa jitto ranpu o mita. Tsukue no ue ni wa Mǀpassan no „Sei yori tsuyoshi“ ga hirakarete atta. (570) [...] Plötzlich wurde Tokios Antlitz schroff und schwierig. „Kann ich (jibun)... kann ich (jibun) [mich] denn wohl für diese Liebe (kono koi) verwenden?“, grübelte [er] allein in [seiner] Brust. „Für junge Vögel braucht es junge Vögel. Unsereins (jibunra) haben die schönen Flügel, um diese (kono) jungen Vögel anzuziehen, nicht.“ Als [er] so dachte, überfiel unsägliche Einsamkeit [seine] Brust. „Frau und Kinder – das sind die Freuden des Familien[lebens], sagen die Leute, was bedeutet das (sore) schon. Für die Frau, die für die Kinder existiert, hat die Existenz wohl Bedeutung, aber die Kinder werden von der Frau geraubt, die Frau von den Kindern, wie kann ein Gatte umhin, einsam zu sein?“ Tokio starrte in die Lampe. Auf dem Schreibtisch lag Maupassants Stärker als der Tod geöffnet.

209

Direkt zitierte Gedanken wirken weniger pathetisch und fügen sich harmonischer in den umgebenden Text ein, wenn sie in Dialogpartien eingestreute, nicht verlautete Gedanken ausdrücken. „Demo, omae wa anshin shitarǀ,“ to iǀ to shita ga, sore wa yoshite [...] (544) „Nun, du (omae) wirst wohl beruhigt [Dubitativ] sein“, wollte [er] eben sagen, liess [IV] es (sore) aber [...] „Sore de hanashi ga ensetsuchǀ ni naru no da, keishikiteki ni naru no da, ano iya na uwame o tsukau no wa, kitǀ o suru toki no hyǀjǀ da,“ to Tokio wa kokoro no uchi ni gatten shita. Ano iya na hyǀjǀ de wakai onna o damaseru da na to tsuzuite omotte iya na ki ga shita.(586) „Deshalb wirkt [Tanakas] Rede wie ein Vortrag, deshalb wird [er] so förmlich, diese (ano) widerlichen Augenaufschläge zu brauchen, ist der Ausdruck, wenn er betet“, erkannte Tokio in seinem Herzen. Mit diesem (ano) widerlichen Ausdruck führt [er] junge Frauen in die Irre, dachte [Tokio] darauf [und es] widerte [ihn] an.

Diese Art, Gedanken wiederzugeben, ist im Vergleich zu Jnjemon no saigo ausserordentlich selten. Direkte Gedankenwiedergabe in Figurensprache Nicht alle direkten Gedankenwiedergaben sind in Anführungszeichen gesetzt. Trotzdem sind sie durch Figurensprache (familiäre Sprachebene, Umgangssprache), die Auslassung der Kopula, informelle Verbalsuffixe sowie deiktische Anzeiger (ima, kono) und Frage- oder Ausrufezeichen als solche gekennzeichnet, während der umgebende Text neutral gehalten ist. Diese Gedanken sind oft so unmittelbar wiedergegeben, dass die Übersetzung sowohl in der ersten als auch der dritten Person stehen könnte. TsurugenƝfu no superfluous man! da to omotte, sono shujinkǀ no hakanai isshǀ o mune ni kurikaeshita. (537) [Ich bin/ es/er ist] Turgenevs superfluous man! dachte [er] und bedachte das traurige Leben dieses (sono) Helden in der Brust. Geta no oto ga suru tabi ni, kondo koso wa! kondo koso wa! to machiwatatta ga, [...] (552) Jedes Mal, wenn Schritte ertönten [IV], jetzt gleich! jetzt gleich! wartete [er] die ganze Zeit, aber [...]

210

Kore kara wa, shi toshite sono sekinin o tsukushite, waga ai suru onna no kǀfuku no tame o hakaru bakari da. Kore wa tsurai, keredomo tsurai no ga raifu da! to omoinagara kaette kita. (539–40) Von nun (kore) an erfülle [ich] diese (sono) Verantwortung als Lehrer, [und] plane nur das Glück der [von mir] geliebten Frau. Das (kore) ist bitter, aber Bitterkeit ist life! denkend kam [er] nach Hause zurück. Tokio wa ikkoku mo hayaku sono koibito no koto o kikitadashitakatta. Ima, sono otoko wa doko ni iru? Itsu Kyǀto ni kaeru? Kore wa Tokio ni totte wa jitsu ni jnjdai na mondai de atta. Keredo nani mo shiranu ane no mae de, uchiakete tou wake ni mo ikanu no de, kono yo wa tsuyu hodo no koto o kuchi ni dasanakatta. (555) Am liebsten hätte Tokio [Yoshiko] gleich über diesen/ihren (sono) Geliebten ausgefragt [-tai, Optativ der 1. Person]. Wo ist [er] jetzt (ima), dieser (sono) Mann? Wann kehrt [er] nach Kyǀto zurück? Das war für Tokio tatsächlich ein schwerwiegendes Problem, doch da [es] nicht anging [IV], vor der nichts wissenden Schwester zu fragen, liess [er] darüber an diesem (kono) Abend kein Wort laut werden.

c)

Innerlichkeitsdarstellungen

In diesem Text kommen die einzelnen Darstellungsmittel selten isoliert vor. Bei den Innerlichkeitsdarstellungen kann man nicht mehr von einer Vermischung der Ebenen sprechen. Die Erzählinstanz ist kaum noch fassbar, Verben der inneren Verfassung wechseln mit direkt wiedergegebenen Gedanken, zeitweise von Raffungen (die der Figurenperspektive oder der neutralen Erzählfunktion zuzuschreiben sind) begleitet. Diese Gedanken sind nicht mehr vermittelt. Alle diese Stellen können in die Ich-Form übersetzt werden. Kono ittsnj wa unmei no te da to omotta. (580) Dieser (kono) Brief ist die Hand des Schicksal, dachte [er].

Die folgende Stelle wechselt abrupt von der neutralen Erzählhaltung zu Verben der inneren Verfassung und direkt wiedergegebenen Gedanken (erlebte Rede). Diese beinhalten Tokios (sexuelle) Fantasien und werden, im Gegensatz zu Shǀjobyǀ, nicht von der Erzählinstanz kommentiert. Shukkin suru tojǀ ni, maiasa deau utsukushii jokyǀshi ga atta. Kare wa sono koro kono onna ni au no o sono hi sono hi no ynjitsu o tanoshimi to shite, sono onna ni tsuite iroiro na knjsǀ o takumashnj shita. Koi ga naritatte, Kagurazaka no atari no komachiai ni tsurete itte, hitome o shinonde tanoshindara dǀ... Saikun ni shirezu ni, futari kinkǀ o sanpo shitara dǀ... Iya, sore dokoro de wa nai, sono toki, saikun ga

211

ninshin shite ita kara, futo nansan shite shinu, sono ato ni sono onna o ireru to shite dǀ de arǀ... heiki de gosai ni ireru koto ga dekiru darǀ ka dǀ ka nado to kangaete aruita. (525–6) Auf dem Weg zur Arbeit begegnete [ihm] jeden Morgen eine schöne Lehrerin. Dieser (kono) Frau zu begegnen war damals (sono koro) für ihn (kare wa) [sein] einziges tägliches Vergnügen [und] [er] liess der Fantasie (knjsǀ), diese (sono) Frau betreffend, freien Lauf. Wie, wenn die Liebe (koi) zustande käme [IV], [er die Frau] in eine Absteige führte [IV], [sich] sich heimlich vergnügte... Wie, wenn beide ohne das Wissen der [eigenen] Frau, in der Umgebung spazieren gingen... Nein, nicht nur das, denn, da [seine] Frau damals (sono toki) schwanger war, wie, wenn [sie] unversehens an einer schwierigen Geburt stirbt [und] [er] diese/jene (sono) Frau darauf (sono ato) heiratet... ob [er sie] kaltblütig als zweite Frau wohl [de arǀ, Dubitativ] zu sich nehmen kann oder nicht und Ähnliches denkend, ging [er] [einher].

Die nächste Passage beginnt mit Verben der inneren Verfassung im Wechsel mit Verben des Denkens und erlebter Rede und endet mit einem Rückblick. Die Vermittlungsinstanz ist hier nicht mehr vorhanden. Tokio no sono yo no hanmon wa hijǀ de atta. Azamukareta to omou to, gǀ ga niete shikata ga nai. Iya, Yoshiko no rei to niku – sono zenbu o hito shosei ni ubawarenagara, tonikaku sono koi ni tsuite majime ni tsukushita ka to omou to hara ga tatsu. Sono kurai nara – ano otoko ni mi o makasete ita kurai nara, dǀmo sono otome no misao o tǀtobu ni wa ataranakatta. Jibun mo daitan ni te o dashite, seiyoku no mansoku o kaeba yokatta. Kǀ omou to, ima made jǀten no sakai ni oita utsukushii Yoshiko wa, baijo ka nan zo no yǀ ni omowarete, sono karada wa oroka, utsukushii taido mo hyǀjǀ mo iyashimu ki ni natta. De, sono yo wa modae modaete hotondo nemurarenakatta. Samazama no kanjǀ ga kokuun no yǀ ni mune o tǀtta. Sono mune ni te o atete Tokio wa kangaeta. Isso kǀ shite kureyǀ ka to omotta. Dǀse, otoko ni mi o makasete yogorete iru no da. Kono mama kǀ shite, otoko o Kyǀto ni kaeshite, sono jakuten o riyǀ shite, jibun no jiynj ni shiyǀ ka to omotta. To, iroiro na koto ga atama ni ukabu. Yoshiko ga sono nikai ni tomatte nete ita toki, moshi jibun ga kossori sono nikai ni nobotte itte, yarusenaki koi o katattara dǀ de arǀ. Kiza shite jibun o isameru kamo shirenu. Koe o tatete hito o yobu ka mo shirenu. Sore to mo mata setsunai jibun no jǀ o kunde gisei ni natte kureru kamo shirenu. Sate, gisei ni natta toshite, yokuasa wa dǀ de arǀ, akiraka na nikkǀ o mite wa, sasuga ni kao o awaseru ni mo shinobinu ni sǀi nai. Hi takeru made, asameshi o mo kuwazu ni nete iru ni sǀi nai. Sono toki, Mǀpassan no „Chichi“ to iu tanpen o omoidashita. Koto ni shǀjo ga otoko ni mi o makasete ato hageshiku naita koto no kaite aru no o tsnjsetsu ni kanjita ga, sore o mata omoidashita. Ka to omou to, kono kurai sǀzǀ ni teiko suru chikara ga ta no ippǀ kara dete, sakan ni sore to tatakatta. De, hanmon mata hanmon, ǀnǀ mata ǀnǀ, negaeri o ikutabi to naku utte niji, sanji no tokei no oto o kiita. (594–5)

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Tokios Qualen dieser (sono) Nacht waren ausserordentlich. Dachte [IV] [er], dass [er] betrogen worden war, lief [ihm] die Galle über, nichts zu machen. Ja, bedachte [IV] [er], dass Yoshikos Körper und Seele – dieses/ihr (sono) Ganzes [ihm] von einem shosei entrissen, während [er] sich jedenfalls für diese/ihre Liebe (sono koi) redlich eingesetzt hatte, gerät er in Wut. Wenn dem so ist – wenn [sie sich] dem (ano) Mann hingegeben, dann ist es nicht wert gewesen, ihre (sono) jungfräuliche Tugend zu respektieren. Besser, er selbst (jibun) hätte auch dreist die Hand [nach ihr] ausgestreckt, seine Lust befriedigt. So (kǀ) denkend, schien [omowareru, medialer Aspekt], die schöne, in himmlische Gefilde erhobene Yoshiko wie eine Prostituierte, ihr (sono) Körper gemein, es kam ihn an, [ihre] Haltung und [ihren] Ausdruck zu verachten. Nun, in dieser/jener (sono) Nacht quälte [und] plagte [er sich] [und] schlief kaum. Allerlei Gefühle zogen wie schwarze Wolken durch die Brust. Seine (sono) Hand auf seiner (sono) Brust überlegte Tokio, ob [sie] dies (kǀ) auch [für ihn/mich] tut (-te kureru)]. [Sie] hat [sich] ohnehin einem Mann hingegeben, ist beschmutzt. Soll [er] so (kǀ) den Mann nach Kyǀto zurückschicken, diese/ihre (sono) Schwäche nutzen, und [sie] nach eigenem (jibun no) Ermessen brauchen, dachte [er]. Allerlei fährt ihm durch den Kopf. Wie wenn [er] nun, während Yoshiko in diesem (sono) Obergeschoss schläft, heimlich in dieses (sono) Obergeschoss steigt, und von [seiner] trostlosen Liebe (koi) erzählt? Vielleicht fällt [sie] auf die Knie [und] wird ihn (jibun o) anflehen? Erhebt vielleicht die Stimme [und] ruft Leute herbei? Oder aber wird [sie] vielleicht seine (jibun no) trostlose Leidenschaft erahnen und sich [für ihn] (-te kureru) opfern. Nun, wenn [sie sich] opfert, was wird dann wohl [de arǀ, Dubitativ] am nächsten Morgen sein? Bestimmt wird [sie], das helle Sonnenlicht sehend, es nicht über sich bringen, [ihm] in die Augen zu blicken. Bestimmt wird [sie] ohne Frühstück liegen bleiben, bis die Sonne hoch steht. In diesem (sono) Moment fiel ihm Maupassants Kurzgeschichte Der Vater ein. Besonders erinnerte [er sich], wie tief er die Stelle empfunden hatte, als das Mädchen, nachdem [sie] sich dem Mann hingegeben, bitterlich weinte. Dies denkend, erwuchs [ihm] eine Kraft von woanders her, diesen (kono) dunkeln Fantasien zu widerstehen [und] kämpfte tapfer dagegen. Qual über Qual, Seelennot über Seelennot, sich immer wieder wälzend hörte [er] die Uhr zwei, drei schlagen.

Die Passage, in der Tokios Gedanken wiedergegeben werden, während er erbost einen Brief Yoshikos liest und ihn in seinen eigenen Worten zitiert, zeigt eine Mischung der verschiedenen Arten von Darstellungsmitteln: Verben der inneren Verfassung, erlebte Rede, zitierte Gedanken und einen Rückblick. Auffallend ist hier die Figurenrede mit den sehr umgangssprachlichen Formen: Der Dubitativ -rǀ, die Negation -n oder -nu statt -nai und der Nezessativ senkereba naran und senkerya naran statt shinakereba narimasen (müssen).

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Kono ittsnj no tegami o yonde iru uchi, samazama no kanjǀ ga Tokio no mune o hi no yǀ ni moete tǀtta. Sono Tanaka to iu nijnjichi no seinen ga gen ni kono Tǀkyǀ ni kite iru. Yoshiko ga mukae ni itta. Nani o shita ka wakaran. Kono aida itta koto mo maru de uso ka mo shirenu. Kono natsu no yasumi ni Suma de ochiatta toki kara dekite ite, Kyǀto de no kǀi mo sono nozomi o mitasu tame, kondo mo koishisa ni taekanete onna no ato o ǀtte jǀkyǀ shita no kamo shiren. Te o nigittarǀ. Mune to mune to ga aifuretarǀ. Hito ga mite inu hatagoya no nikai, nani o shite iru ka wakaranu. Yogoreru yogorenu no mo setsuna no aida da. Kǀ omou to, Tokio wa tamaranaku natta. „Kantokusha no sekinin ni mo kansuru!“ to hara no uchi de sekkyǀ shita. Kǀ shite wa okarenu, kǀ iu jiynj o seishin no kimaranu onna ni ataete oku koto wa dekin. Kantoku senkereba naran, hogo senkerya naran. Watashidomo wa netsujǀ mo aru ga risei ga aru! Watashidomo to wa nan da! Naze watashi to wa kakanu, naze fukusnj o mochiita? Tokio no mune wa arashii no yǀ ni midareta. Tsuita no wa kinǀ no rokuji, ane no ie ni itte kikitadaseba sakuya nanji goro ni kaetta ka wakaru ga, kyǀ wa dǀ shita, ima wa dǀ shite iru? (542–3) Allerlei Gefühle durchfuhren Tokios Brust wie Feuer, während [er] diesen (kono) Brief las [IV]. Dieser (sono) einundzwanzigjährige Jüngling namens Tanaka ist tatsächlich in dieses (kono) Tǀkyǀ gekommen. Yoshiko hat ihn abgeholt. Weiss nicht, was [sie] gemacht haben. Was [sie] kürzlich gesagt hat, ist vielleicht völlig erlogen. [Diese Beziehung] besteht, seit [sie sich] in diesen (kono) Sommerferien in Suma getroffen haben, auch das Verhalten in Kyǀto [ist], um diese/seine/ihre (sono) Begehren zu erfüllen, wer weiss, vielleicht hat [er] jetzt (kondo) der Sehnsucht nicht widerstehen können und ist der Frau nach Tǀkyǀ gefolgt. Haben sich wohl die Hände gehalten. Brust an Brust gepresst. Wer weiss, was [sie] heimlich im Obergeschoss der Herberge gemacht haben. Beschmutzt oder unbeschmutzt, eine Sache des Augenblicks. So (kǀ) denkend, hielt [es] Tokio nicht mehr aus. „Das geht auch die Aufsichtsperson an!“, schrie [er] in [seinem] Bauch. So (kǀ) kann’s nicht weitergehen, diese Art (kǀ iu) Freiheit kann [er/ich] einer wankelmütigen Frau nicht erlauben. [Ich/er] muss [sie] beaufsichtigen, muss [sie] beschützen. Wir (watashidomo) haben Leidenschaften aber auch Vernunft! Was soll [dieses] wir! Warum schreibt [sie] nicht ich, warum hat [sie] den Plural gebraucht? Tokios Brust geriet in Unordnung wie ein Sturm. Angekommen ist [Tanaka] gestern um sechs, wenn [er/Tokio] ins Haus der Schwester geht und nachfragt, erfährt [er], um wieviel Uhr [sie] zurückgekommen ist, aber was hat/haben [sie] heute gemacht, was macht/machen [sie] jetzt (ima)?

Diese Innerlichkeitsdarstellungen sind oft Reaktionen auf Briefe Yoshikos oder drücken Tokios Fantasien und Wünsche aus, Szenarien, die er sich ausmalt. Die folgende Szene, die auch einen Rückblick enthält, spielt auf dem Bahnhof, als Yoshiko mit ihrem Vater abreist. Tokio wa futari no kono tabi o omoi, Yoshiko no shǀrai no koto o omotta. Sono mi to Yoshiko to wa tsukizaru enishi ga aru yǀ ni omowareru. Tsuma ga nakereba, muron jibun wa Yoshiko o moratta ni sǀi nai. Yoshiko mo mata yorokonde jibun no

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tsuma ni natta de arǀ. Risǀ no seikatsu, bungakuteki no seikatsu, taegataki sǀsaku no hanmon o mo nagusamete kureru koto ga dekiru darǀ. Ima no kǀryǀtaru mune o sukutte kureru darǀ. „Naze, mǀ sukoshi hayaku umarenakatta deshǀ, watashi mo okusama jibun ni umarete oreba omoshirokatta deshǀ ni,...“ to tsuma ni itta Yoshiko no kotoba o omoidashita. Kono Yoshiko o tsuma ni suru yǀ na unmei wa eikynj sono mi ni konu de arǀ ka. Kono chichioya o jibun no shnjto to yobu yǀ na toki wa konu darǀ ka. Jinsei wa nagai, unmei wa kushiki chikara o motte iru. Otome de nai to iu koto ga – hitotabi misao o yabutta to iu koto ga, kaette toshiǀku kodomo aru jibun no tsuma taru koto o yǀi narashimuru jǀken to naru kamo shirenu. Unmei, jinsei – katsute Yoshiko ni oshieta TsurugenƝfu no „Bunin to Baburin“ o Tokio no mune ni agatta. Roshia no sugureta sakka no egaita jinsei no imi ga imasara no yǀ ni mune o utta. (604) Tokio gedachte der Reise dieser (kono) beiden, dachte an Yoshikos Zukunft. [Was] ihn (sono mi) und Yoshiko betraf, schien [omowareru, medialer Aspekt] [ihre] Beziehung105 unauflösbar. Hätte [er] keine Frau, hätte er (jibun) natürlich Yoshiko zur Frau erhalten. Auch Yoshiko wäre wohl [de arǀ, Dubitativ] gerne seine (jibun no) Frau geworden. Das ideale Leben, das literarische Leben, [sie] hätte [für ihn] (-te kureru) wohl die Qual des Schreibens lindern können. Hätte [für ihn] (-te kureru) [sein] jetziges (ima no) einsam-ödes Herz gerettet. „Warum bin ich nicht etwas früher geboren worden, wenn ich auch zur gleichen Zeit wie Sie (okusama) geboren worden wäre, wie interessant...“, erinnerte [er] sich an Yoshikos Worte zu [seiner] Frau. Dass [er] diese (kono) Yoshiko zu [seiner] Frau (tsuma) macht, ein solches Schicksal wird ihm (sono mi) wohl [de arǀ, Dubitativ] ewig nicht zuteil werden. Die Zeit, da er diesen (kono) Vater Schwiegervater nennt, wird wohl nicht kommen. Das Leben ist lang, das Schicksal hat eine geheimnisvolle Kraft. Die Tatsache, dass [Yoshiko] keine Jungfrau ist – dass die einmal verlorene Keuschheit, vielleicht eine Bedingung sein kann, die es im Gegenteil leicht macht [kausativer Aspekt], dass [sie] die Gattin seiner selbst (jibun no tsuma), [obwohl] gealtert und mit vielen Kindern, wird. Schicksal, Leben – Turgenevs Bunin und Baburin, das er einst Yoshiko lehrte, stieg in Tokios Brust auf. Die Bedeutung des menschlichen Lebens, wie sie der grossartige russische Schriftsteller beschrieben hat [perf. Aspekt], wurde ihm nun schlagartig klar.

d) Figurenperspektive Mit dem Zurücktreten des Erzählers steht die Wahrnehmung der Figuren, in Futon hauptsächlich Tokios, im Mittelpunkt. Nicht nur Gedanken, sondern auch Beobachtungen, Beschreibungen und Erinnerungen stehen in Futon vermehrt in Figurenperspektive. Orte werden nur beschrieben, wenn Tokio anwesend ist, Personen und deren Kleidung erst, wenn sie vor Tokio erscheinen. Eine der ganz wenigen Ausnahmen ist die 105 Enishi (✼, auch en gelesen) hat auch die Konnotation „Karma, Schicksal“.

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Beschreibung der Kleidung Tokios selbst im ersten Kapitel, ein Detail, auf das Tayama nicht verzichten mochte. Spätere seltene Beschreibungen von Tokios Aussehen sind aus der Sicht anderer Figuren in direkte Rede gekleidet, wie Bemerkungen der Schwester, die ihren Schwager auf seine schmutzige Kleidung aufmerksam macht (550). Sobald Figurenperspektive herrscht, sind die Demonstrativa wie kore, kono und kǀ immer in der Deixis der Figur verankert, Präsumptive, mediale Verben und Richtungsverben oder -adverbien beziehen sich auf deren Wahrnehmung. Die Zeit ist die Zeit der Figur (ima, kyǀ) und die Postposition -ta verliert die Vergangenheitsbedeutung, wie das folgende Beispiel deutlich macht. Kyǀ wa itsuka no yo de atta. (576) Heute (kyǀ) war der Abend des fünften.

Zeitangaben Vor allem im vierten Kapitel sind die Zeitangaben in den Wahrnehmungshorizont der Figur eingebettet: Tokei no hari no sude ni jnjjihan no tokoro o shimesu o mite [...] (552) [Er] sah [IV] den Zeiger der Uhr schon auf halb elf zeigen [...] Yagate ane no chiisai ibiki ga kikoeta. Tokei wa ichiji o kan to natta. Hachijǀ de wa netsukarenu to oboshiku, oriori takai tameiiki no kisei ga suru. (555) Bald war das leise Schnarchen der Schwester zu hören [kikoeru, medialer Aspekt]. Die Uhr schlug ding! ein Uhr. Im Achtmattenzimmer war von Zeit von Zeit ein lauter Seufzer des offenbar (to oboshiku [Präsumptiv]) nicht einschlafen Könnens zu hören.

Ortsangaben Die Perspektivierung von Futon auf Tokios Wahrnehmungshorizont ist besonders aus den Richtungsverben ersichtlich. Es sind dies die Verben kuru (kommen) und iku (gehen), die Formen -te kuru (her zum Zentrum der Wahrnehmung) und -te iku (hin vom Zentrum der Wahrnehmung) sowie die Adverbien kotchi, koko, die im Vergleich zu Shǀjobyǀ sehr viel häufiger sind. Sachverhalte, auf die die Figuren aus ihrer Wahrnehmung schliessen, sind durch den Präsumptiv to oboshiku

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gekennzeichnet. Bemerkenswert ist dabei, dass die vom Protagonisten wahrgenommenen Handlungen fast immer im Präsens stehen, eine Technik, die besonders auch in Ippeisotsu auffällt. [...] jnjichiji ga utte ma mo naku, kokizami na, karui atoba no oto ga shizuka na yo o tǀku hibiite kita. „Kondo koso Yoshikosan desu yo.“ to ane wa itta. Hatashite sono ashiato ga ie no iriguchi no mae ni tomatte, garagara kǀshi ga aku. „Yoshikosan?“ „Ɯ.“ to adeyaka na koe ga suru. Genkan kara sei no takai hisashigami no utsukushii sugata ga sutto haitte kita ga, „ara mƗ, sensei!“ (552–3) [...] kaum hatte [IV] es elf geschlagen, hallten trippelnde, leichte Schritte von fern näherkommend (-te kuru) durch die stille Nacht. „Dieses Mal ist es Yoshiko!“, sagte die Schwester. Tatsächlich halten [IV] die Schritte vor dem Eingang an, die Schiebetür öffnet sich scheppernd. „Yoshiko?“ „Ja“, ertönt eine lebhafte Stimme. Vom Eingang her kam eine schöne, hochgewachsenen Gestalt mit aufgebauschten Haaren herein (-te kuru), und „Sie, sensei!“ Ynjmeshi o kutte iru to, uraguchi kara Yoshiko ga kaette kita. Isoide hashitte kita to oboshiku, seisei iki o kitte iru. (573) Als [sie/er] das Abendessen einnahmen, betrat Yoshiko vom Hintereingang her das Haus (-te kuru). Offenbar (to oboshiku) war sie rasch gelaufen, war ausser Atem.

Beobachtung aus Figurenperspektive Ein erstes Beispiel zeigt eine Beschreibung Yoshikos aus Tokios Wahrnehmung. Obwohl die Stelle keine lexikalischen Anzeiger wie Präsumptive oder mediale Formen aufweist, ist aus dem Kontext ersichtlich, dass es sich um Tokios Perspektive handelt. [...] muri ni ranpu no akarui mabushii ima no hitosumi ni suwaraseta. Utsukushii sugata, tǀserynj no hisashigami, hade na neru ni olƯbuiro no natsuobi o katachiyoku shimete, sukoshi hasu ni suwatta adeyakasa. (553)

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[...] [Tokio] hiess [Kausativ] [Yoshiko sich] gegen [ihren] Willen im grellen Licht der Lampe in einen Winkel des Zimmers setzen. Die schöne Gestalt, die zeitgemäss aufgebauschte Frisur, der elegant gebundene olivenfarbene Sommerobi zum bunten Flanell[kimono], der Zauber des sich leicht schräg Hinsetzens.

Normalerweise wird aber Figurenperspektive durch den Gebrauch von Präsumptiven und medialen Formen signalisiert – im folgenden Abschnitt sind es die Verben kikoeru (hörbar sein) und mieru (sichtbar sein). Yarai no Sakai no mori ni wa karasu no koe ga kamabisushiku kikoeru. Dono ie de mo ynjmeshi ga sunde, kadoguchi ni wakai musume no shiroi kao mo mieru. Bǀru o nagete iru shǀnen mo iru. Kanrirashii dǀjǀhige no shinshi ga hisashi no wakai saikun o tsurete, Kagurazaka ni sanpo ni dekakeru no ni mo ikugumi ka tekkuwashita. Tokio wa gekkǀ shita kokoro to deisui shita karada to ni hageshiku tadayowasarete, atari ni miyuru mono ga mina betsu no sekai no mono no yǀ ni omowareta. Ryǀgawa no ie mo ugoku yǀ, chi mo ashi no shita ni ochiiru yǀ, ten mo kashira no ue ni ǀikabusaru yǀ ni kanjita. (546) Im Sakai-Hain von Yarai ist das laute Krächzen von Raben zu hören [kikoeru, medialer Aspekt]. In allen Häusern ist [IV] das Abendessen zu Ende, in den Haustüren sind die weissen Gesichter der Mädchen sichtbar [mieru, medialer Aspekt]. Auch ballspielende Knaben sind da. [Tokio] traf mehrere Herren mit Schnurrbärten, offenbar [-rashii] Beamte, die [ihre] jungen Frauen mit vorn gebauschtem Haar auf die Kagura-Anhöhe spazieren führen. Tokio, von seinem aufgewühlten Herzen und stockbetrunkenen Körper getrieben [IV, kausativer Aspekt], erscheint [omowareru, medialer Aspekt] alles, was rundum sichtbar ist [IV, mieru, medialer Aspekt], wie aus einer anderen Welt. [Er] fühlte als [yǀ da, Präsumptiv] bewegten (yǀ da) sich die Häuser beiderseits, als stürze (yǀ da) der Boden unter den Füssen ein, als falle (yǀ da) [ihm] der Himmel auf den Kopf.

Werden Beobachtungen aus der Perspektive des Protagonisten geschildert, führt dies oft zu direkt wiedergegebenen Gedanken: Nozoite mita ga, Yoshiko no heya ni tomoshibi no hikari ga mienu. Mada kaette konu to mieru. Tokio no mune wa mata moeta. Kono yo, kono kurai yo ni koishii otoko to futari! Nani o shite iru ka wakaranu. Kǀ iu jǀshiki o kaita okonai o aete shite, seishin naru koi to wa nanigoto? Yogoretaru okonai no nai benmei suru to wa nanigoto? (549) Er blickte [hin], in Yoshikos Zimmer ist kein Licht zu sehen [mieru, medialer Aspekt]. Offenbar [to mieru, medialer Aspekt] ist [sie] noch nicht nach Hause gekommen. In dieser (kono) Nacht, in dieser (kono) dunklen Nacht, zusammen mit

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dem geliebten Mann! Keine Ahnung was [sie] tut. So (kǀ) ein unvernünftiges Verhalten zu wagen, was [heisst] heilige Liebe? Was soll die Beteuerung, nichts Schmutziges zu tun?

Rückblicke Vergangene Vorfälle werden vermehrt in die Figurenperspektive eingebunden, sei es, dass der Protagonist sich plötzlich an etwas erinnert, sei es, dass eine Sinneswahrnehmung Erinnerungen hervorruft. Anzeiger für diese Technik sind Figurendeixis (kono) und die einführenden Verben der inneren Verfassung. Am Ende der Rückwendung des dritten Kapitels erinnert sich Tokio an die Gelegenheiten, mit Yoshiko eine Affäre zu beginnen. Kono kikai ga kono ichinen no aida ni sukunakutomo nido chikayotta to Tokio wa jibun dake de omotta. Ichido wa Yoshiko ga atsui fnjsho o yosete, [...] ichido wa aru yo Yoshiko ga hitori de rusuban o shite iru tokoro e yukurinaku Tokio ga itte hǀmon shita toki, kono nido da. (534) Diese (kono) Gelegenheiten kamen in diesem (kono) Jahr mindestens zweimal näher, dachte Tokio allein für sich (jibun dake de). Einmal, als Yoshiko [ihm] einen dicken Brief schickte [IV] [...], einmal, als Tokio Yoshiko eines Abends plötzlich besuchen ging, als [sie] allein das Haus hütete [IV], diese zweimal sind [es].

Ein Beispiel für einen durch Assoziationen hervorgerufenen Rückblick findet sich im vierten Kapitel, als sich Tokio beim Anblick dreier Zeichen auf einer Laterne an früher erinnert. Diese Art von Rückblick ist in Futon noch selten, kommt aber in späteren Erzählungen (vor allem in Ippeisotsu und Sei, 1908), in denen die Erinnerungen durch Gerüche oder Geräusche ausgelöst werden, häufiger vor. 106 Futo aru koto ga mune ni agatta. Tokio wa tachiagatte arukidashita. Mǀ mattaku yo ni natta. Kedai no tokorodokoro ni taterareta gasutǀ wa hikari o hanatte, sono hyǀmen no jǀyatǀ to iu sanji ga hakkiri mieru. Kono jǀyatǀ to iu sanji, kore o mite kare wa mune o tsuita. Kono sanji o kare wa katsute fukai ǀnǀ o motte mita koto wa nai darǀ ka. Ima no saikun ga ǀkii momoware ni yutte, kono sugu shita no ie ni musume de ita toki, kare wa sono kasuka na biwa no oto no hǀfutsu o dani etai to omotte yoku kono Hachiman no takadai ni nobotta. Kanojo o enakereba isso nan’yǀ 106 Besonders eindrückliche Beispiele sind die Passagen in Sei, in denen die sterbenskranke Mutter auf ihr Leben zurückblickt, und die Vergangenheit als eine Folge von Bildern an ihr vorbeizieht, oder Szenen, in denen eine Figur (ein Sohn) sich durch Gerüche und Töne an frühere Begebenheiten erinnert.

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no shokuminchi ni hyǀhyaku shiyǀ to iu hodo ni netsuretsu na kokoro o idaite, torii, nagai kizahashi, shaden, haiku no kakeandon, kono jǀyatǀ no sanji ni yoku mihaitte mono o omotta mono da. (548) Plötzlich stieg etwas in [seiner] Brust auf. Tokio stand auf und ging weiter. Es war schon vollständig Nacht geworden [perf. Aspekt]. Die da und dort aufgestellten Gaslaternen im Tempelbezirk gaben Licht, auf deren Oberfläche die drei Zeichen jǀyatǀ [Nachtlicht] deutlich sichtbar [mieru, medialer Aspekt] sind. Diese (kono) drei jǀyatǀ genannten Zeichen, diese (kore) zu sehen, durchbohrte, was ihn betraf (kare wa), die Brust. Hatte er (kare) diese (kono) drei Zeichen nicht früher mit tiefer Seelenpein gesehen? Als die heutige (ima no) Frau, die Haare in einem grossen Knoten aufgebunden, als junges Mädchen in einem Haus gleich darunter (kono shita) wohnte, war er (kare) oft auf die Anhöhe dieses (kono) HachimanTempels gestiegen, hoffend, wenigstens die schwachen Klänge ihrer (sono) Biwa zu hören. Sollte [er] sie (kanojo) nicht bekommen, wollte [er] in die südlichen Kolonien auswandern, mit [seinem] von Leidenschaften erfüllten Herz, hatte [er] oft das Tor, den langen Steinweg, das Tempelgebäude, die mit Haiku versehenen Laternen, diese (kono) drei Zeichen jǀyatǀ grübelnd betrachtet.

Sobald ein vergangener Vorfall von einer Figur erinnert wird, sind Raffungen ebenfalls in ihren Wissenshorizont eingebettet. Auf Figurenperspektive weist hier das Verb knj, ein familiärer Ausdruck für essen, der nur von Tokio gebraucht wird. Ima no nikai ni wa Yoshiko ga ite, yobeba sugu henji o shite orite kuru. Shokuji ni wa sando sando zen o narabete danran shite kuu. Yo wa akarui ranpu o torimaite, nigiwashiku omoshiroku katariau. Kutsushita o ande kureru. Utsukushii egao wa taezu miseru. (558–9) Yoshiko ist [IV] im Obergeschoss über dem Wohnzimmer, antwortet gleich [und] kommt herunter (-te kuru), wenn [man] [sie] ruft. Die Mahlzeiten isst [man] dreimal täglich im Kreis der Familie, die Esstischchen nebeneinander. Abends redet [man] lebhaft und interessant vertraulich miteinander, um die Lampe sitzend. [Sie] strickt Socken für ihn (-te kureru). Zeigt ununterbrochen das schöne lächelnde Gesicht.

Redewiedergaben Auch indirekte Rede kann, wie schon ein Beispiel in Shǀjobyǀ zeigte, in Figurenperspektive eingebettet sein. Im ersten Fall weist die Wiederholung des Verbs kiku (fragen, hören), als Tokio nach seiner Abwesenheit seine Frau über die Situation zu Hause befragt, auf Tokios Perspektive.

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Tsuma ni kiku to, Yoshiko no koi wa sara ni wakudeki no hodo o kuwaeta yǀsu. ƿmisoka no ban ni, Tanaka ga seikatsu no tatsuki o ezu, geshuku ni kaeru koto mo dekizu ni, shnjyaunten no densha ni hitoyo o sugoshita to iu koto, amari hinpan ni futari ga ǀrai suru no de, sore o sore to nashi ni chnji shite Yoshiko to kuchiarasoi o shita to iu koto to, sono ta iroiro no koto o kiita. (576) Als er seine Frau fragte [IV], sah es aus [yǀsu, Präsumptiv] als ob das Mass an blinder Vernarrtheit von Yoshikos Liebe (koi) noch grösser geworden war. Am Silvesterabend, hiess es, habe Tanaka, unfähig seinen Lebensunterhalt zu verdienen, [und] auch unfähig, in sein Mietzimmer zurückzukehren, eine Nacht in einem Zug verbracht, der die ganze Nacht verkehrte. Dass, da die beiden allzu oft kamen und gingen [IV] [die Frau Yoshiko] darauf aufmerksam gemacht hatte [IV] [und] dass [sie] mit Yoshiko gestritten und vieles anderes hörte [Tokio].

Indirekte Rede kommt auch in den direkten Reden oder direkt zitierten Briefen Yoshikos vor, ein Mittel, um die Worte und Gedanken Tanakas (der ja erst im sechsten Kapitel auftritt) einzubringen, hier sein Entschluss, nach Tǀkyǀ zu kommen. Das grammatikalische Kennzeichen dafür ist -tte, eine Abkürzung von to itte (sagt/e er). „Sono hito ni, Tanaka ga shnjkyǀ wa jibun ni wa dekinu kara, shǀrai bungaku de tatǀ to omou. Dǀka Tǀkyǀ ni dashite kure to itte yattan desu no. Suru to taisǀ ikatte, sore kara mǀ kawamanu, katte ni shiro to iwarete, sukkari shitaku o shite shimatta n desu tte, hontǀ ni komatte imasu no.“ (562) „Dieser/jener (sono) Person [Tanakas Wohltäter] sagte Tanaka, dass, da er (jibun) die Religion nicht [ausüben] kann, [er sich] in Zukunft mit Literatur etablieren will, [der Wohltäter] möge [ihn] irgendwie nach Tǀkyǀ schicken. Darauf erzürnte sich [IV] [jener] ausserordentlich, liess [IV] [Tanaka] wissen, dass [er sich] nicht mehr um [Tanaka] kümmert [IV], [Tanaka] soll tun, was [er] will, [und Tanaka] sagt (-tte), [er] hat alle Vorbereitung schon getroffen [perf. Aspekt]. Das ist [imp. Aspekt] [mir] wirklich peinlich.“

In einem anderen Beispiel wird eine Konversation zwischen Tokio und Yoshiko, die nicht im Text angeführt wird, in Tokios Erinnerung wiederholt, die Stelle nämlich, da er sich als „wohlwollender Beschützer“ der beiden anbietet. Nan da ka bakarashii yǀ na ki ga shita. Oroka na okonai o shita yǀ ni kanjirarete, mizukara sono mi o chǀshǀ shita. Kokoro ni mo nai oseji o mo ii, jibun no mune no soko no himitsu o ǀu tame ni wa, futari no onjǀ naru hogosha to narǀ to made itta koto o omoidashita. Yasuhon’yaku no shigoto o shnjse shite morau tame, nanigashi shi ni shǀkai no rǀ o torǀ to itta koto o mo omoidashita. Soshite jibun nagara jibun no ikujinaku kǀjinbutsu na no o nonoshitta. (567–8)

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[Er] kam [sich] albern vor. Das Gefühl, töricht gehandelt zu haben überfiel [IV, kanjirarete, medialer Aspekt] [ihn], er selbst (jibun) verlachte sich (sono mi o). [Er] erinnerte sich, sogar [seinem] Herzen fremde Gefälligkeiten gesagt zu haben, erinnerte sich, um das Geheimnis im Innersten seiner (jibun no) Brust zu verbergen, sogar gesagt zu haben, wohlwollender Beschützer der Liebe der beiden zu werden. [Er] erinnerte sich auch, dass [er] gesagt hatte, um [Tanaka] billige Übersetzungsarbeiten zu verschaffen, die Bürde, [Tanaka] irgendeinem Herrn vorzustellen, auf sich zu nehmen. Und verfluchte bei sich selbst (mizukara) seine eigene (jibun no) rückgratlose Nachgiebigkeit.

Es gibt eine bemerkenswerte Passage, in der eine Rede Yoshikos in Tokios Wahrnehmung wiedergegeben wird. Es geschieht ein abrupter Wechsel von neutraler/Erzähler- (no de aru, yokujitsu) zu Figurenperspektive, von der formellen zur familiären Sprachebene. In Tokios Figurensprache gehören die informelle Negation -nu, das Verb kure (Imperativ von erhalten), das Yoshiko einer Respektsperson gegenüber nicht brauchen dürfte, die Benennung Tanakas als otoko (Mann); in Yoshikos Sprachgebrauch gehören das von Tokio zitierte -tai (Optativ), das nur von der ersten Person gebraucht werden kann und die Nennung des Mannes als Tanaka sowie die Negation -nai. Yoshiko ga Tokio no shosai ni kite, kashira o tare, koe o hiknj shite, sono kibǀ o nobeta no wa sono yokujitsu no yo de atta. Ika ni toite mo otoko wa kaeranu. Saritote kuni e hǀchi sureba, chichihaha no yurusanu no wa shireta koto, jigi ni yoreba tachimachi mukai ni konu to mo kagiranu. Otoko mo sekkaku Ɨ shite dete kita koto de mo ari futari no aida mo yo no naka no danjo no koi no yǀ ni asaku omoi asaku koishita wake de mo nai kara, kesshite yogoreta okonai nado wa naku, wakudeki suru yǀ na koto wa chikatte shinai. Bungaku wa muzukashii michi, shǀsetsu o kaite ikka o nasǀ to suru no wa Tanaka no yǀ na mono ni wa dekinu kamo shirenedo, onajiku shǀrai o susumu nara, tomo ni konomu michi ni tazusawaritai. Dǀka shibaraku kono mama ni shite Tǀkyǀ ni oite kure to no tanomi. (568) Es war am Abend des darauffolgenden Tages, als Yoshiko in Tokios Studierzimmer kam, den Kopf hängen liess [IV], die Stimme senkte [IV] [und] ihre (sono) Hoffnungen aussprach. Wie sehr [sie Tanaka] auch zu überreden sucht, der Mann (otoko) kehrt nicht (nu) zurück. Wenn [jemand] nun eine Nachricht in die Provinz schickt, so [ist] es voraussehbar, dass Vater und Mutter (chichihaha) [das Verhältnis] nicht (-nu) erlauben, möglicherweise je nach Umständen gleich herkommen um [Yoshiko] abzuholen. Nun da der Mann auf diese (Ɨ) Weise extra [nach Tǀkyǀ] hergekommen ist, und da es nicht so ist, dass die Beziehung der beiden, wie die Liebe (koi) in der Welt zwischen Mann und Frau oberflächlich gedacht und oberflächlich geliebt ist,

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wird [es] bestimmt nie (chikatte -nai) ein schmutziges Verhalten geben, kein Sichgehenlassen. Die Literatur [ist] ein schwerer Weg, vielleicht gelingt es einem Wesen wie Tanaka nicht, mit Schreiben einen Haushalt zu gründen, doch wenn [sie] die gleiche Zukunft haben, möchten [-tai, Optativ der 1. Person] [sie sich] dem von beiden erwählten Weg widmen. [Tokio] möge [für sie] [-te kureru, Imperativ] doch irgendwie [Tanaka] eine Zeitlang so in Tǀkyǀ lassen, so [ihr] Wunsch.

Emotionsausdrücke Während in Jnjemon no saigo und Shǀjobyǀ die Emotionsausdrücke den begrenzten Wissenshorizont der Vermittlungsinstanz signalisieren, sind sie in Futon in die Wahrnehmung der Figuren verlegt. Alle Figuren (ausser dem Vater und Tanaka) können die Gefühle der anderen an ihrem Ausdruck ablesen. Am häufigsten sind die Stellen, an denen Tokio Yoshikos Innerlichkeit erahnt – im ersten Beispiel ihre Verliebtheit, im zweiten die Tatsache, dass sie etwas verbirgt, ja lügt. [...] jitto Tokio no kao o miru. Ika ni mo namamekashii. Tokio wa kono chikara aru ichibetsu ikujinaku mune o odorashita. [...] Onna no hyǀjǀ no me wa kagayaki, kotoba wa namameki, taido ga ikani mo yo no tsune de nakatta. [...] „Ara mƗ sensei!“ to itte, waratte karada o hasu ni kyǀtai o teishita. (535) [...] [Yoshiko] sieht Tokios Gesicht unverwandt an. Wie aufreizend. Dieser überwältigende Blick liess [kausativer Aspekt] Tokios kraftlose Brust hüpfen. [...] Die ausdrucksvollen Augen der Frau glänzten [IV], ihre Worte lockten [IV], ihr Verhalten war irgendwie nicht wie sonst. [...] „Nicht doch, Sensei!“ sagte [IV] [sie] lachend, ihren Körper kokett schräg haltend. Kore o kiita Yoshiko no kao wa niwaka ni akaku natta. Samo komatta to iu fnj ga rekireki to shite kao to taido to ni arawareta. „Ano koro no tegami wa kono aida minna yaite shimaimashita kara.“ Sono koe wa hikukatta. „Yaita?“ „Ɯ.“ Yoshiko wa kashira o tareta. „Yaita? Sono koto wa nai deshǀ.“ Yoshiko no kao wa iyoiyo akaku natta. (593–4) Yoshiko, dies (kore) gehört habend [perf. Aspekt], wurde plötzlich rot. Der Anschein, [to iu fnj, Präsumptiv] dass [es ihr] peinlich war, erschien unverkennbar auf [ihrem] Gesicht und in [ihrer] Haltung.

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„Die Briefe aus jener Zeit habe [ich] alle verbrannt.“ Ihre (sono) Stimme war tonlos. „Verbrannt?“ „Ja.“ Yoshiko liess den Kopf hängen „Verbrannt? Das kann doch nicht sein.“ Yoshikos Gesicht wurde immer röter.

Tanakas Innerlichkeit wird kaum erwähnt. Abgesehen von den Äusserungen in Yoshikos Reden und Briefen, werden Anzeichen für seine Stimmungen meist aus Tokios Perspektive gesehen: Fukujnj to iu taido yori mo hanko to iu taido ga rekireki to shite ita. Dǀmo sukoshi kataku narisugite, Yoshiko o jibun no jiynj ni suru kenri o motte iru to iu fnj ni mieta. (587–9) Eine Haltung von Starrköpfigkeit eher als Unterwürfigkeit zeichnete sich deutlich ab. [Tanaka] war [IV] etwas zu unbeugsam, machte den Eindruck [to iu fnj da, Präsumptiv; mieru, medialer Aspekt], als habe [er] ein Recht, frei über Yoshiko zu verfügen. Tanaka wa mokushite shita o muita. Yǀi ni dakushisǀ ni mo nai. (588) Tanaka blickte schweigend nach unten. [Er] schien [-sǀ da, Präsumptiv] nicht einfach zustimmen zu wollen.

Im letzten Treffen Tokios mit Tanaka macht Tokio diesem auf unangenehme Weise klar, dass er über die Beziehung der beiden informiert ist. Die Reaktion Tanakas ist wie folgt: Otoko wa damatte suwatte ita. Aoi sono kao ni wa niku no furue ga ari ari to mieta. Futo, kynj ni, kǀ shite wa orarenu to iu taido de, koko o dete itta. (599) Der Mann sass schweigend [imp. Aspekt] da. Auf seinem (sono) bleichen Gesicht zeigte sich [mieru, medialer Aspekt] deutlich das Beben des Fleisches. Unversehens, plötzlich, in der Haltung, dass [er es] so (kǀ) nicht aushielt, verbeugte [er] sich [und] ging weg von hier (koko).

3.4.6

Das erste Kapitel

Das erste Kapitel soll hier ausführlich behandelt werden, um zu zeigen, wie unmittelbar der Erzähleingang wirkt. Tayama erreicht diese Wirkung einerseits durch den Gebrauch der [Pro]nomen kare, jibun und kanojo (hier wird deutlich, dass kanojo in den Gedanken des Protagonisten zum

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ersten Mal vorkommt), andererseits durch die direkt wiedergegebenen (zitierten) Gedanken, die am Anfang des Kapitels, am Schluss der Eingangspassage – (die Figurenperspektive abschliessend) und am Ende des Kapitels vorkommen. Die Erzählung beginnt mit einem kurzen einführenden Satz (neutrale Erzählperspektive), der gleichzeitig einen Ort nennt, um dann in zitierte Gedanken zu münden: Koishikawa no Kirishitanzaka kara Gokurakusui ni deru michi no daradara saka o oriyǀ to shite kare wa kangaeta. „Kore de jibun to kanojo to kankei wa ichidanraku o tsugeta. Sanjnjroku ni mo natte, kodomo mo sannin atte, anna koto o kangaeta ka to omou to, bakabakashiku naru. Keredo... keredo... hontǀ ni kore ga jijitsu darǀ ka. Are dake no aijǀ o jibun ni sosoida no wa tan ni aijǀ to shite no mi de, koi de wa nakattarǀ ka.“ (521) Eben im Begriff, den sanft hinabführenden Weg von der Kirishitan-Anhöhe in Koishikawa nach Gokurakusui hinabzusteigen, überlegte er (kare). „Damit (kore de) hat die Beziehung zwischen mir (jibun) und ihr (kanojo) einen Abschnitt erreicht. Schon siebenunddreissig geworden [IV], schon drei Kinder habend, fühle [ich mich] albern, wenn [ich] daran denke, das (anna koto) gedacht zu haben. Doch... doch... ob dies (kore) wohl wirklich Tatsache ist? Dass [sie] in diesem Masse mir (jibun ni) Zuwendung (aijǀ) hat zuteil werden lassen [IV], war das einfach nur Zuneigung (aijǀ), nicht Liebe (koi)?“

Direkt wiedergegebene Gedanken ohne Anführungszeichen greifen Vergangenes auf; es handelt sich also um einen in Figurenperspektive eingebetteten Rückblick, der die Problematik der Beziehung beleuchtet: Kazu ǀi kanjǀ zukume no tegami – futari no kankei wa dǀshite mo yo no tsune de wa nakatta. Tsuma ari, ko ari, seken ga ari, shitei no kankei ga areba koso aete hageshii koi ni ochinakatta ga, katariau mune no todoroki, aimiru me no hikari, sono soko ni tashika ni susamajii arashi ga hisonde ita no de aru. Kikai ni dekkuwashi sae sureba, sono soko no soko no arashi wa tachimachi ikioi o ete, tsumako mo dǀtoku mo shitei no kankei mo ikkyo ni shite yaburete shimaǀ de arǀ to omowareta. (521) Die zahlreichen Briefe voller Leidenschaft – die Beziehung der beiden war keinesfalls gewöhnlich gewesen. [Es/er] hat [IV] eine Frau, hat [IV] Kinder, [da] ist die [Meinung der] Öffentlichkeit, [und] gerade weil die Beziehung Lehrer-Schülerin bestand, hatte [er] sich nicht heftig verliebt, doch im vertraulichen Gespräch, im Beben der Herzen und Leuchten der Augen, in deren tiefsten Tiefe hatte ein heftiger Sturm gelauert. Hätte sich nur eine Gelegenheit ergeben, so wären wohl [de arǀ, Dubitativ] nicht nur die Familie, nicht nur die Moral, sondern auch die Beziehung Lehrer-Schülerin gescheitert, schien [es ihm, omowareru, medialer Aspekt].

225

Danach wechselt die Erzählhaltung mit einem Kommentar, in dem der Protagonist otoko genannt wird. Dies könnte auf eine distanzierte Vermittlungsinstanz (die vielleicht anderer Meinung ist) deuten.107 Sukunakutomo otoko ga sǀ shinjite ita. (521) Der Mann jedenfalls dachte so.

Diese Distanzierung wird jedoch nicht weiter ausgeführt. Die Erzählung schwenkt im Gegenteil mit einem Gedankenbericht, der einen Rückblick enthält, wieder in die Innerlichkeit des Protagonisten ein: Nisannichirai no kono dekigoto, kore kara kangaeru to, onna wa tashika ni sono kanjǀ o itsuwari utta no da. Jibun o azamuita no da to otoko wa ikutabi mo omotta. (521) Dieser (kono) Vorfall von vor zwei, drei Tagen, wenn [er es] nun (kore kara) überlegte, hatte die Frau (onna) diese/ihre (sono) Leidenschaft verraten und verkauft. Betrogen hatte [sie] ihn (jibun o), dachte [er] immer wieder.

Darauf folgt das einzige Beispiel eines Kommentars mit der distanzierenden Benennungen kono otoko: Keredo bungakusha dake ni, kono otoko wa mizukara jibun no shinri o kyakkan suru dake no yoynj o motte ita. (522) Aber als Schriftsteller besass dieser Mann (kono otoko) immerhin die Flexibilität, die eigene (jibun no) Psychologie zu objektivieren.

Das bedeutet nicht unbedingt, dass es sich um einen distanzierenden Erzähler handelt, sondern eher, dass Tayama vielleicht ursprünglich eine distanzierende Erzählhaltung wie in Shǀjobyǀ im Sinne hatte, diese aber aufgab. Distanzierende Benennungen kommen nach dem ersten Kapitel in dieser Form nicht mehr vor und nie, wie in Shǀjobyǀ, nach einem Gedankenbericht. In der nächsten Passage wird nun der Inhalt dieser „Objektivierung“ ausgeführt. Dies kann als Erzählerkommentar oder als Gedankeninhalt Tokios interpretiert werden 107 Es sind diese Stellen, aus denen Frederick Richter auf die „Distanz zwischen dem allwissenden Erzähler und dem Protagonisten“ und auf die „Erstellung einer ironischen Beziehung“ schliesst. Vgl. Richter (1978: 75).

226

Toshiwakai onna no shinri wa yǀi ni handan shi eraru mono de wa nai, (522) Die Psychologie einer jungen Frau kann [man] nicht einfach beurteilen,. Die Psychologie einer jungen Frau kann [er] nicht einfach beurteilen,

und leitet in Figurenperspektive und die Gedanken des Protagonisten über, wie die medialen Formen mieta und kanjirareta (erscheinen, das Gefühl erwecken) und die Deiktika kono (dieses hier) und ano (jenes entfernte, schon Gesagte oder Erinnerte) zeigen. Der Erzähleingang schliesst mit einem verlauteten Gedanken. ka no atatakai ureshii aijǀ wa tan ni josei tokuynj no shizen no hatten de, utsukushiku mieta me no hyǀjǀ mo, yasashiku kanjirareta taido mo subete muimi de, shizen no hana ga miru hito ni isshu no nagusami o ataeta yǀ na mono kamo shirenai. Ippo o yuzutte, onna wa jibun o aishite koishite ita to shite mo, jibun wa shi, kanojo wa deshi, jibun wa tsuma ari ko aru mi, kanojo wa myǀrei no utsukushii hana, soko ni tagai ni ishiki no kuwawaru no o ikan to suru koto wa dekimai. Iya, sara ni ippo susumete, ano netsuretsu naru ittsnj no tegami, in ni yǀ ni sono mune no modae o uttaete, chǀdo shizen no chikara ga kono mi o appaku suru ka no yǀ ni, saigo no jǀ o tsutaete kita toki, sono nazo o kono mi ga toite yaranakatta. Josei no tsutsumashiyaka na sei toshite, sono ue ni nao arawa ni sematte kuru koto ga dǀshite dekiyǀ. Sǀ iu shinri kara kanojo wa shitsubǀ shite, kondo no jiken o okoshita no kamo shirenu. „Tonikaku jiki ga sugisatta. Kanojo wa sude ni tanin no mono desu!“ Arukinagara kare wa kǀ sekkyo shite, kami no ke o mushitta. (522) diese/jene (ka no) warme, freudige Zuneigung (aijǀ) war [IV] nur eine den Frauen eigene natürliche Entwicklung gewesen, der Ausdruck der Augen, der [ihm] so schön erschienen [mieru, medialer Aspekt] und auch die Haltung, die [er] für zutraulich gehalten [kanjirareru, medialer Aspekt], alles bedeutungslos, vielleicht etwas, wie eine Blume der Natur, die einem/den Menschen [sie] anblickend, Trost spendet. Einen Schritt nachgebend, selbst wenn die Frau (onna) ihn (jibun o) geliebt (koi shita) und [ihm] zugeneigt (ai shita) gewesen war, war er (jibun) der Lehrer, sie (kanojo) die Schülerin, er war jemand (mi) mit Frau und Kindern, sie (kanojo) eine junge schöne Blume, wohl unmöglich, [sich] gegenseitig [ihrer Gefühle] gewahr zu werden. Ja, noch einen Schritt weitergehend, der (ano) leidenschaftliche Brief, in jeder Beziehung die Leiden ihrer (sono) Brust enthüllend und [ihm] ihre letzte Leidenschaft mitteilend, wie die Macht der Natur diesen Leib (kono mi) bedrängte, hatte er (kono mi) dieses Rätsel nicht entschlüsselt. Wie hätte [sie] als zurückhaltendes frauliches Wesen noch weiter vorstossen können? In dieser psychologischen Situation hatte sie (kanojo) möglicherweise aus Verzweiflung diesen Vorfall (kondo no jiken) heraufbeschworen. „Die Zeit ist jedenfalls vorbei, sie (kanojo) gehört schon einem anderen!“ Während er (kare) einherging, schrie er so (kǀ) [und] raufte sich die Haare.

227

Darauf wechselt die Perspektive zum Erzähler. Auf eine Beschreibung des Protagonisten, der noch immer die Anhöhe hinabgeht, folgt eine Zeitangabe, Toki wa kugatsu no nakaba [...] (523) Es [war] Mitte September [...]

und eine Schilderung des Weges zum Arbeitsort und des Büros. Dies führt zur Erwähnung seiner Arbeit und zu einem Ausruf (der dem Erzähler zugeschrieben werden kann) und einem Kommentar des Erzählers: Bungakusha ni chirisho no hensai! Kare wa jibun ga chiri no shumi o motte iru to shoshite susunde kore ni jnjji shite iru ga, naishin kore ni amanjite oranu to wa iu made mo nai. (523) Ein Literat als Herausgeber geografischer Schriften! Dass er (kare) diese (kore) [Arbeit] freiwillig übernommen hat, indem [er] selbst aussagte [IV], dass [er] sich für Geografie interessiert [und] im Geheimen damit (kore ni) unzufrieden ist [IV], [ist] unnötig zu sagen.

Ein auktorialer Innerlichkeitsbericht beleuchtet seinen psychologischen Hintergrund108 Okuregachi naru bungakujǀ no etsureki, tanpen no mi o tsukutte imada ni zenryoku no kokoromi o suru kikai ni dekkuwasenu modae, seinenzasshi kara tsuki goto ni ukeru bahyǀ no kutsnj, kare mizukara wa sono ta hinasu aru beki o ishiki shite wa iru mono no, chnjshin ni kore o ku ni itamanu wake ni ikanakatta. (523) Die verspätete literarische Laufbahn, die Qual, nur Kurzerzählungen geschrieben zu haben und bis jetzt (imada) nie Gelegenheit hatte, die ganze Kraft zu entfalten, das Leiden über die monatlichen Verrisse in den Jugendzeitschriften, obwohl er (kare) [sich] selbst bewusst war, anderes erreichen zu können, konnte [er] nicht umhin, dies (kore) im Innersten schmerzlich zu bedauern.

Darauf wird ähnlich wie in Shǀjobyǀ der Alltag in einer iterativ gerafften Passage beschrieben. Weiter werden weder der Arbeitsplatz noch das Verhältnis mit den Mitarbeitern geschildert, sondern mit einem Gedankenbericht, der Vergangenes aufrollt (Rückblick), wieder in die Handlungsgegenwart und Figurenperspektive eingeblendet. 108 Dies ist die Stelle, die immer wieder zitiert wird, um Tayamas Intention der Abfassung von Futon zu belegen.

228

Futo dǀ iu rensǀ ka, Hauputoman no „Sabishiki hitobito“ o omoidashita. Kǀ naranu mae ni, kono dorama o kanojo ni nikka toshite oshiete yarǀ ka to omotta koto ga atta. Yohannesu FǀkerƗto no shinji to hiai to o oshiete yaritakatta. Kono dorama o kare ga yonda no wa ima kara sannen mae, mada kanojo no kono yo ni aru koto o mo yume ni mo shiranakatta koro de atta ga, sono koro kara kare wa sabishii hito de atta. Aete Yohannesu ni sono mi o hisǀ to wa shinakatta ga, Anna no yǀ na onna ga moshi atta nara, sǀ iu torajidƯ ni ochiiru to wa tǀzen da to shimijimi dǀjǀ shita. Ima wa sono Yohannesu ni sae narenu mi to omotte tameiki shita. (524) Plötzlich, durch welche Assoziation wohl, erinnerte [er] sich an Hauptmanns Einsame Menschen. Bevor es so (kǀ) gekommen war [IV], hatte [er] daran gedacht, ihr (kanojo) dieses Drama als tägliche Aufgabe beizubringen. [Er] hatte [ihr] Johannes Vockraths Gefühle und Trauer beibringen wollen. Er (kare) hatte dieses Stück vor drei Jahren gelesen, zu einer Zeit, als [er] noch nicht im Traum daran dachte, dass es sie (kanojo) auf dieser Welt gibt, doch seit jener (sono) Zeit war [er] einsam gewesen. Er wagte [IV] nicht, sich [sono mi o] mit Johannes zu vergleichen, doch wenn es eine Frau wie Anna gäbe, so fühlte [er] tief mit, verfällt [man] unweigerlich in eine solche (sǀ iu) tragedy. Der Gedanke, dass [er] jetzt (ima) jemand war (mi), der nicht einmal [wie] Johannes werden kann, seufzte er.

In der nächsten Passage erinnert er sich an die gemeinsame Lektüre, und Yoshiko wird das erste Mal aus Tokios Perspektive beschrieben. Sasuga ni „Sabishiki hitobito“ o kanojo ni oshienakatta ga, TsurugenƝfu no „FƗsuto“ to iu tanpen o oshieta koto ga atta. Ranpu no hikari akaruku naru yonjǀhan no shosai, kanojo no wakawakashii kokoro wa shikisai aru koimonogotari ni akogarewatatte, hyǀjǀ aru me wa sara ni fukai fukai imi o motte kagayakiwatatta. Haikara na hisashigami, kuji, ribon, ranpu no kǀsen ga sono hanshin o terashite, ikkan no shoseki ni kao o chikaku yoseru to, iu ni iwarenu kǀsui no kaori, niku no kaori, onna no kaori – shochnj no shujinkǀ ga mukashi no koibito ni „FƗsuto“ o yonde kikaseru dan o kǀshaku suru toki ni, otoko no koe mo hageshiku furueta. (524) Schliesslich hatte [er] ihr (kanojo) Einsame Menschen nicht beigebracht, [er] hatte ihr eine Kurzgeschichte Turgenevs, Faust, gelehrt. Das viereinhalb Tatami grosse Zimmer, erleuchtet von den Strahlen der Lampe, ihr (kanojo no) jugendliches Herz, sehnsuchtsvoll ergriffen [IV] von einer bewegten Liebesgeschichte, ihre mit abgrundtiefer Bedeutung erfüllten [inchoativer Aspekt], leuchtenden ausdrucksvollen Augen. Das modisch über der Stirn gebauschte Haar, der Kamm, die Haarschleife, die Strahlen der Lampe, ihren Oberkörper beleuchtend, [und], wenn [sie] das Gesicht dem Buch näherte [IV], der unbeschreibliche Duft des Parfums, der Duft des Fleisches, der Duft der Frau (onna) – als [er] die Passage, da der Held des Buches der ehemaligen Geliebten Faust vorliest [IV] erläuterte [IV], zitterte die Stimme des Mannes (otoko) heftig.

229

Das Kapitel schliesst wie es begonnen hat, mit einem direkt zitierten Gedanken. „Keredo, mǀ dame da!“ to, kare wa futatabi kami o mushitta. (525) „Aber [es] ist schon verloren!“ raufte er (kare) sich wieder die Haare.

3.5 Ergebnisse 3.5.1

Die Erzählsituation

Obwohl es nicht ungewöhnlich ist, Erzählungen auf der Figurenebene zu beginnen, ist der Erzähleingang von Futon mit dem Personal[pro]nomen kare109 revolutionär. Der Gebrauch von kare ist eine notwendige Folge, nicht nur von Tayamas Intention, sondern auch der Intention des Textes – die Innerlichkeit eines Mannes unmittelbar zu gestalten und dadurch die Vermittlungsinstanz auszuschalten. Dies bringt eine Perspektivierung des Textes aus der Sicht des Protagonisten mit sich, und, damit einhergehend, den Gebrauch einer neutralen Erzählfunktion und die Notwendigkeit, neutrale [Pro]nomen zu benützen (kein [Pro]nomen im Erzähleingang würde auf eine Ich-Erzählung deuten). Texte nicht mit einem Namen zu beginnen, ist eine der Eigenheiten Tayamas, wohl von der Ich-Erzählhaltung früherer Texte übernommen. Die Annäherung dieses Textes an die Erzählsituation einer Ich-Erzählung verbietet die Nennung eines Namens, das [Pro]nomen für die erste Person kann nur in direkten Rede- und Gedankenzitaten gebraucht werden. Die Lösung des Problems ist der Gebrauch von kare und jibun. Diese Art, den Erzähleingang aus der Figurenebene zu gestalten, um dann in einer Rückwendung (oder auch einem Rückblick) den Hintergrund einzubringen und chronologisch weiterzufahren, findet sich in vielen Werken Tayamas und kann als eines seiner Erzählmuster angesehen werden.

109 Das grosse Japanische Wörterbuch (Nihon daijiten ᣣᧄᄢㄉౖ ), das immer den ersten Gebrauch eines Wortes angibt, zitiert unter dem Eintrag kare den Erzähleingang von Futon.

230

Auch andere Erzählungen aus dieser Zeit beginnen auf der Handlungsebene, wie zum Beispiel Natsume Sǀsekis Sanshirǀ (1908). Natsume Sǀsekis Sanshirǀ wird über weite Strecken aus der Perspektive des Protagonisten erzählt, doch wird diese Perspektivierung mit einer leicht ironisch-distanzierenden Vermittlungsinstanz kontrastiert, um die Naivität des eben in der Hauptstadt angekommenen Studenten aus der Provinz herauszuarbeiten. In Futon fehlt diese Distanzierung, von Ironie kann keine Rede sein. Trotzdem finden sich in Futon Spuren einer Vermittlungsinstanz. Mimetisch-fiktionale Elemente – Stellen, in denen der Protagonist zum Reflektor und seine Innerlichkeit nicht berichtet, sondern dargestellt wird, wechseln sich mit diegetisch-fiktionalen Elementen, aber diese fallen wenig ins Gewicht. Neben sehr seltenen Kommentaren auf der Erzählerebene im gnomischen Präsens (die sich oft in den Bewusstseinshorizont der Figur einfügen lassen), raffenden Passagen und Zeitangaben (auch diese sind vermehrt in den Bewusstseinshorizont der Figur eingebaut), sind es vor allem auktoriale Innerlichkeitsberichte, die die Psychologie des Protagonisten erhellen. Sie stellen in diesem Text die häufigsten diegetisch-fiktionalen Elemente dar. Der Leser hat den Eindruck, dass sich die Vermittlungsinstanz alle Mühe gibt, Tokios Gefühle und Stimmungen erklärend zu kommentieren. Tayama schien sich dieser Tatsache bewusst gewesen zu sein, da er später erwähnte, Futon sei doch zu analytisch. 110 Dennoch überschreiten die Innerlichkeitsberichte den Bewusstseinshorizont der Hauptfigur selten. Einmischungen der Vermittlungsinstanz auf der Erzählerebene, Leseranreden, Vorausdeutungen und Hinweise auf den Erzählvorgang fehlen völlig; distanzierende Bemerkungen wie in Shǀjobyǀ kommen nur im ersten Kapitel vor – es gibt also kaum Indizien, bei dieser Erzählung von einem ironisch distanzierten „auktorialen“ Erzähler zu sprechen. Der Text ist mit wenigen Ausnahmen auf den Protagonisten perspektiviert. Ich habe zu zeigen versucht, wie sehr dieser Text von Unmittelbarkeit geprägt ist: Wie oft aus Figurenperspektive erzählt wird, wie häufig direkte Gedankenberichte oder -darstellungen vorkommen, wie Gespräche immer wieder die Handlung vergegenwärtigen. Kommentare auf der Handlungsebene verschwinden allmählich, und die Tendenz zu direkt wiedergegebenen Gedanken (in Anführungsstrichen) verliert sich 110 Vgl. Henshall (1981: 24) und Einführung (4.3.3).

231

in den späteren Kapiteln. Im Vergleich mit Shǀjobyǀ oder Tayamas IchErzählungen wird hier die Vermittlungsinstanz zurückgenommen, das heisst, Tayama erfüllt die Forderung, die „Subjektivität der grossen Natur“ in den Mittelpunkt zu stellen und die „kleinliche Subjektivität des Autors [Erzählers]“ zurückhaltend zu gestalten. Erzähltheoretisch gesagt, wird mehr dargestellt als berichtet. Obwohl durch die Erzählsituation in der dritten Person die Möglichkeit, die Innerlichkeit anderer Personen zu beleuchten, gegeben ist, macht Tayama wenig Gebrauch davon. Die Innerlichkeit der Gattin, Yoshikos und des Vaters werden, ausser in Reden oder Briefen selten dargestellt, sondern meist berichtet. Dabei zeigen direkte Rede- und Briefzitate nur, was die Figuren den Partner (in unserem Falle Yoshiko Tokio) wissen lassen oder glauben machen möchten, das heisst, der Leser lässt sich mit Tokio täuschen. Erst im letzten Brief erfährt der Leser, gleichzeitig mit Tokio, dass Yoshiko ihn belogen hat, erfährt aber nicht, was sie sich dabei dachte. Die unglaubliche Anzahl von Innerlichkeitsberichten, Gedankenberichten und -darstellungen dürften auf die eigentliche Intention des Werkes weisen. Der Leser hat den Eindruck, besonders bei der Lektüre des vierten Kapitels, dass der Autor sich an der Innerlichkeit des Helden berauscht, ja, dass diese eine Eigendynamik entwickelt, die vielleicht nicht der ursprünglichen Intention Tayamas entsprechend, zur eigentlichen Intention des Textes wurde: Innerlichkeit zu schildern oder darzustellen. Beispielhaft dafür ist eine Stelle des vierten Kapitels: Kǀfun shita kokoro no jǀtai, honsǀ na jǀ to hiai no kaikan to wa, kyokutan made sono chikara o hatten shite, ippǀ tsnjsetsu ni shitto no nen ni kararenagara, ippǀ reitan ni jiko no jǀtai o kyakkan shita. (547) Der erregte Zustand des Herzens, das Gefühl der Anstrengung und die Lust der Trauer entfalteten ihre (sono) Kraft bis zum Äussersten, während [er] einerseits von schmerzlicher Eifersucht getrieben wurde, andererseits [er] seinen eigenen (jiko no) Zustand nüchtern objektivierte.

232

Erkennt man, dass die Intention des Werkes darin besteht, die Innerlichkeit des Protagonisten zu schildern, so versteht man, weshalb andere Personen wie die Gattin schemenhaft bleiben 111 – sie sind für die Intention von Futon unwichtig. Die grosse Unmittelbarkeit des Textes durch direkte Gedankenwiedergaben und -darstellungen, die Tendenz, Hintergrund erst dann zu schildern, wenn der Protagonist „anwesend“ ist und die Einbettung in die Figurenperspektive von Elementen des Erzählens, die in diegetischfiktionalen Werken von der Vermittlungsinstanz wahrgenommen werden, erzeugen eine leserpsychologische Reaktion, die fiktionale Als-Wahrheit als Wahrheit aufzunehmen. Wie unmittelbar dieser Text wirkt, zeigt die Übersetzung Oscar Benls aus dem Jahre 1947, der die ganze Eingangspassage als (in Anführungsstriche gesetzten) Monolog übersetzt hat, wobei Benl das einzige Element, das nicht in die Figurenperspektive passt, nämlich die distanzierende Benennung kono otoko, ausliess. Die Erzählung hatte, gerade durch ihren Wahrscheinlichkeitsanspruch (wobei nicht vergessen werden darf, dass Gedankenwiedergaben und Gespräche die fiktionalisierenden Elemente einer Erzählung sind, die semantisch nicht nachgeprüft werden können), einen ausserordentlichen Einfluss auf die japanische Literatur und wurde auslösendes Moment zu der neuen „Gattung“ shishǀsetsu („IchErzählung“). Diese bezeichnet nicht eine Ich-Erzählung im erzähltheoretischen Sinne, sondern eine Erzählung, in der die Biografie des Autors zum Stoff gewählt, aus der Perspektive des Protagonisten erzählt, und die Forderung nach Wahrscheinlichkeit durch die (scheinbare) biografische Wahrheit der Figur gewährleistet wird. Tayamas Erzählungen werden aber nicht zu den eigentlichen shishǀsetsu gezählt, da er, nicht nur in Futon, sondern auch in den späteren Erzählungen Sei (Leben, 1908), Tsuma (Gattin, 1909) und En (Bande, 1910) eine annähernd neutrale Erzählfunktion benützte und in wechselnder Perspektive auch die Innerlichkeit anderer Figuren als die des Protagonisten mit einbezog.

111 Im Gegensatz dazu ist die lange Erzählung Tsuma (Die Gattin, 1909) überwiegend aus der Perspektive der Frau gestaltet und wirkt trotz der grüblerischen Haltung des in seiner Arbeit frustrierten Ehemannes versöhnlich und fast idyllisch.

233

3.5.2

Folgerungen für die Interpretation

Futon, 1907 zum Werk des Jahres erklärt, gab immer wieder zu Kontroversen Anlass und hat die verschiedensten Reaktionen hervorgerufen, oft bedingt durch die feste Vorstellung, was ein „Kunstwerk112“ sein müsse. Inhaltlich war die Erzählung, was für Leser des späten 20. Jahrhunderts schwer nachvollziehbar ist, schockierend und sensationell, da die Innerlichkeit des Protagonisten rücksichtslos ausgebreitet und nicht durch die Erzählinstanz (distanzierend, ironisierend oder idealisierend) neutralisiert wurde. Besonders schockierend (und neu) war, dass nicht die unglückliche Liebe eines jungen Mannes verherrlicht, sondern die Frustration eines Mannes in mittleren Jahren im Mittelpunkt stand. Dabei werden psychologische Momente besonders fokussiert, die Unzufriedenheit des Protagonisten mit seiner Frau und seine Verliebtheit in seine Schülerin, seine Leiden, als er bemerkt, dass die geliebte Frau „einem anderen gehört“ sowie seine Versuche und Rationalisierungen, sie als Beschützer der Liebe an sich zu binden, seine Eifersucht, als ihr Geliebter in Tǀkyǀ auftaucht und seine Verzweiflung und Rache, als er sie verliert. Die zum Teil langen Zeitabstände zwischen diesen Vorfällen – die immer wieder Anlass zu emotionellen und pathetischen Ausbrüchen geben – werden summarisch abgehandelt oder ausgelassen. Die Wirkung von Futon beruhte nicht nur auf dem Inhalt, sondern auf der Leserreaktion, die durch die neue Erzählsituation hervorgerufen wurde. Eine nicht personalisierte Erzählinstanz ist nicht wie ein IchErzähler gezwungen, sein Wissen zu rechtfertigen, sondern kann das Erzählte unvermittelt dem Leser vor Augen führen. Die Stoffwahl aus dem persönlichen Bereich garantierte die für den japanischen Leser so wichtige Wahrscheinlichkeit des Erzählten und erlaubte die Identifikation von Autor, Erzähler und Protagonist. Die Unmittelbarkeit des Erzählens und Distanzlosigkeit zwingen den Leser, sich mit dem Text auseinanderzusetzen. Die Perspektivierung auf den Protagonisten und die direkt angeführten Gedanken dienen der Steuerung der Lesersympathie, was die heftig schwankenden Leserreaktionen zwischen Identifikation oder Ablehnung erklären mag.

112 Dies bezieht sich hauptsächlich auf die Ablehnung eines ungekünstelten Stils als literarisch wertlos, oder die Tatsache, dass Tayamas Erzählungen nicht als honkakuteki shǀsetsu (ᧄᩰ⊛ዊ⺑, eigentliche/echte Erzählung) angesehen wurden.

234

Während Tokio als ein negatives Spezimen der Gattung Mann und Ehemann gezeichnet wird, der seinen sexuellen Fantasien freien Lauf lässt und zu Selbstmitleid und Sentimentalität neigt, sind die Frauenporträts längst nicht so negativ wie allgemein angenommen: Die Frauen werden in Tokios Perspektive negativ und „ungerecht“ dargestellt: Dies muss nicht mit der Intention des Autors übereinstimmen. Tokios Gattin und deren Schwester durchschauen Yoshikos Oberflächlichkeit mit viel gesundem Menschenverstand. In Futon o kaita koro (Als ich Futon schrieb, 1924)113, formulierte Tayama seine Intention, die restriktiven Konventionen der Meiji-Gesellschaft zu beschreiben, die Unterdrückung der Instinkte und den Zwang zu Dualismus, Selbstverleugnung und Selbstbetrug. Es ist allerdings schwierig, diese Intention aus dem Text zu erschliessen, da diskursive Abhandlungen über die gesellschaftlichen Hintergründe fehlen oder in die Gedanken des Protagonisten verlegt sind.114 Kommen Kommentare überhaupt vor, befassen sie sich mit der Innerlichkeit des Protagonisten und nur selten wird darauf hingewiesen, dass der Protagonist Opfer dieser Konventionen ist. Andererseits zeigen die häufigen Stellen mit Innerlichkeitsberichten und -darstellungen nicht die (mehr oder weniger) objektiven Überlegungen des Protagonisten, welche ihm die Vermittlungsinstanz zuschreibt, sondern dessen Fantasien, was zur Annahme berechtigt, dass, obwohl Tayama einen sich selbst objektiv sehenden Menschen darstellen wollte, doch dessen subjektive Emotionalität im Mittelpunkt steht. Alles, was nicht zu dieser Intention gehört, wird rigoros ausgeklammert – Arbeit, gesellschaftliches Leben, Freunde. Diese Beschränkung auf das Innenleben des Protagonisten wiederum verleiht der Erzählung ihre ausserordentliche Wirkung, wobei zeitgenössische Leser sich mit dem Helden identifizieren konnten, heutige Leser aber die Erzählung als langweilig und sentimental bezeichnen oder aber soweit gehen, Futon als ungewollt komisch oder als Parodie zu lesen.115

113 Tayama (1995, Katai zenshnj 24: 445–449). 114 Die wohl häufigste Kritik an Futon bemerkt dieses Fehlen von gesellschaftskritischen Kommentaren oder objektivierenden Bemerkungen über den Protagonisten – ohne aber zu konstatieren, dass dies in der Erzählsituation begründet ist. 115 Zitiert in: Kobayashi (1987: 54).

235

4

Rinshitsu

4.1 Entstehung Rinshitsu116 (Das Nebenzimmer) entstand noch vor Shǀjobyǀ und wurde am 1.1.1907 in der Zeitschrift Shinko bunrin publiziert. Die Erzählung befasst sich mit dem Tod, einem Thema, das Tayama immer mehr beschäftigte. Dies zeigen Ippeisotsu (Ein Soldat, 1908), die lange Erzählung Sei (Leben, 1908), die die Gefühle und Reaktionen der Mitglieder einer Familie beim Tod der Matriarchin schildert, sowie Inaka kyǀshi (Der Dorfschullehrer, 1909), ein Werk, das die Thematik von Akibare (Herbstsonne) wieder aufnehmend, das Scheitern und den Tod eines jungen, an Literatur interessierten Menschen beschreibt. In Akibare erhält der Ich-Erzähler die Nachricht, dass ein Freund gestorben sei und kommentiert: Sore ni shite mo shi to iu mono wa, hito no kokoro ni isshu no kangeki o atau mono da.117 Trotzdem verleiht der Tod [to iu mono wa, Hervorhebung] dem Herz der Menschen eine Art von heftigem Gefühl.

Dieser Satz findet sich fast identisch auch in Rinshitsu: Fushigi na mono de, shi to iu mono wa hito no kokoro ni isshu no kangeki o ataeru.118 [Es ist] eine seltsame Sache, dass der Tod [to iu mono wa, Hervorhebung] dem Herz der Menschen eine Art von heftigem Gefühl verleiht.

116 Tayama (1995, Katai zenshnj 23: 263–278). Die Tatsache, dass Tayama im Jahre 1907 in zwei Neujahrsnummern verschiedener Zeitschriften seine Erzählungen platzieren konnte, weist darauf hin, dass er um diese Zeit ein gewisses Mass an Ansehen genoss. Die (nicht in die Gesamtausgabe aufgenommene) Erzählung Futatsu no asa (ੑߟߩᦺ, Zwei Morgen) erschien in Bungei kurabu. In der Folge konnte er jährlich zwei Erzählungen zu Neujahr publizieren, 1910 sogar deren drei. 117 Tayama (1995, Katai zenshnj 23: 171). 118 Tayama (1955, Katai zenshnj 23: 266).

237

In Rinshitsu wird der Erzähler Zeuge eines Todes. Tayama versucht, den Ich-Erzähler als Aussenstehenden (bǀkanteki taido) zu gestalten. Im Vergleich zu Jnjemon no saigo, in dem die Vergangenheit eine grosse Rolle spielt, wird die Vorgeschichte oder Herkunft der Figuren und des Erzählers kaum erwähnt. Tayama beschränkt sich streng auf den Wahrnehmungshorizont des Erzählers und konzipiert ihn als Augen- und Ohrenzeugen. Diese Perspektive erlaubt, die Innerlichkeit des erzählenden wie auch des erlebenden Ich einzubringen, nicht aber die Gedanken und Gefühle der anderen Figuren. Dabei entsteht ein gewisser Widerspruch zwischen dem Erzähler, der nicht Protagonist ist und dem im Mittelpunkt der Erzählung stehenden Protagonisten, einem sterbenden Menschen, auf dessen Innerlichkeit Tayama aber nicht verzichten mag.

4.2 Inhalt Eine Person (der fingierte Ich-Erzähler) übernachtet in einer billigen Herberge. Er wird durch Geräusche geweckt und glaubt, im Nebenzimmer finde ein Stelldichein statt. Es ärgert ihn, in diese Herberge gekommen zu sein. Als er die Geräusche belauscht, merkt er, dass im Nebenzimmer ein Kranker liegt. Er blickt auf die Uhr und sieht, dass es fast Mitternacht ist. Das Stöhnen hört nicht auf. Der Erzähler erinnert sich an jemanden, der an Herzschlag infolge Beriberi unter entsetzlichen Leiden gestorben ist und fürchtet, der Nachbar leide an dieser Krankheit. Ergriffen vom (bevorstehenden) Tod eines Menschen vergeht sein Missmut, er weckt die Wirtsleute und verlangt nach einem Arzt. Er erfährt, dass der Kranke, arbeitsunfähig geworden, aus dem Nachbarsdorf stammt und auf der Heimreise ist. Er ist mit dem letzten Zug angekommen und hat keine andere Bleibe gefunden. Nach einer Stunde hört der Erzähler den Arzt kommen, der den Kranken untersucht. Er späht durch den Türspalt und kann so die beiden beobachten. Er legt sich schlafen, doch das Stöhnen beginnt bald wieder – die Behandlung bleibt wirkungslos. Der Arzt erklärt, es bestehe keine Hoffnung mehr. Der Erzähler hört die Schreie des Kranken, und schliesslich erscheint der Wirt mit einer alten Frau, die beim Kranken bleibt, ihm gut zuredet und betet.

238

Der Erzähler schläft ein. Als er erwacht, dämmert der Morgen. Geräusche nebenan wecken seine Neugier, und er erblickt den Wirt durch den Türspalt, der die Reisetasche des Toten durchwühlt. Nach dem Frühstück geht er seiner Arbeit nach und hört, als er gegen Mittag zurückkehrt, das Weinen der Familie und verlässt die Stadt.

4.3 Aufbau und Zeitstruktur Abschnitt 1

2 3

4

5 6

7

8

Zeit/Ort

Handlungsebene

Unbestimmt, nachts im Zimmer 11.55

Der Erzähler erwacht

Erzählerebene

Rückschritt: Ankunft und Beschreibung der Herberge Wahrnehmungen des erlebenden Ich (Ohrenzeuge) Gedanken des erlebenden Ich, dessen Erinnerung an (Rückblick)

Dreissig Minuten später Gedanken und Wahrnehmung des erlebenden Ich Der Erzähler weckt den Wirt. Anschliessend Konversation mit dem Wirt. Wahrnehmungen des Eine Stunde erlebenden Ich (Arztbesuch) später, im und Zimmer Wahrnehmung als OhrenZehn Minuten zeuge, Rückkehr des Arztes später, ca. 1.30 Anschliessend Wahrnehmung des erlebenden Ich (Ohrenzeuge) und Eine Stunde Der Wirt und die Alte später kommen, die Alte bleibt beim Kranken. Anschliessend Gedanken des erlebenden und Morgendämme- Innerlichkeit des erlebenden rung Ich und Wahrnehmungen als Ohrenund Augenzeuge Morgen Gespräch mit der Serviertochter Anschliessend, Rückkehr in die Herberge 11.00 und Abreise

Gedanken des erzählenden Ich

Kommentar des erzählenden Ich

Gedanken des erzählenden Ich.

Kommentare des erzählenden Ich Überlegungen des erzählenden Ich

Beschreibung der Herberge und

239

Rinshitsu zählt 15 Seiten oder 196.5 Zeilen und ist in acht durch Leerzeilen getrennte Abschnitte unterschiedlicher Länge gegliedert, wobei die Leerzeilen jeweils einen Orts-, Zeit- oder Themawechsel bezeichnen. Die erzählte Zeit beträgt eine Nacht und einen Morgen, wobei jeder Abschnitt einer Szene gewidmet ist, deren Zeitpunkt jeweils sorgfältig notiert wird; die dazwischenliegende Zeit wird ausgespart. Die Erzählung ist chronologisch mit einer Ausnahme, einem Rückschritt (oder einer kurzen aufbauenden Rückwendung), der die Vorgeschichte von der Ankunft des Erzählers in der Herberge bis zum Zeitpunkt des Erzähleingangs aufrollt. Dieser Rückschritt beschreibt vor allem die Herberge, den Missmut des Erzählers über den Schmutz, das schäbige Zimmer und das schlechte Essen, sowie seine Abneigung gegen den Wirt. Daneben gibt es kurze Rückblicke (Erinnerungen des erlebenden Ich) wie das Gedenken an den Tod eines an Beriberi Erkrankten. Der Erzähler hält sich ausser in Abschnitt zwei und acht in seinem Zimmer auf und wird so zum Ohren- und Augenzeugen der „Handlung“, die sich im Nebenzimmer abspielt.

4.4 Analyse 4.4.1

Allgemeine Bemerkungen

Was an diesem Text zuerst auffällt, ist die gehobene Sprachebene. Tayama Katai verwendet die Verben nicht in der gebräuchlichen Finalform, sondern mit dem Verbalsuffix -masu119, und streut, wie schon in Jnjemon no saigo, klassische Verbformen ein, vor allem in attributiver Stellung. Daneben finden sich Honorativa, die bescheidenen Formen mairu (gehen) und itasu (tun) in Verbzusammensetzungen, die sowohl für den Erzähler, als auch das erlebende Ich und andere Personen gebraucht werden, sowie die respektvolle Form der Kopula, de gozaimasu 120 . Dieser Gebrauch höflicher Verbformen findet sich in 119 Dieses Verbalsuffix wird als Ausdruck einer höflichen Sprechweise (ৼካ, teinei) eingeordnet und bezieht sich nicht auf den personalen Gegenstand einer Aussage, sondern auf den Gesprächspartner. Lewin (1975: 159). 120 Die respektvolle Form der Kopula de gozaimasu steht nach Lewin an der Spitze der Höflichkeitsskala, ist dem Dialog vorbehalten und wird vor allem von Frauen verwendet. Lewin (1975: 128). Diese Form kommt nur ein einziges Mal im Erzähleingang vor.

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Tayamas Erzählungen im genbun itchi-Stil bis 1910 sonst nur ein einziges Mal, nämlich in Nabari shǀjo (Das Mädchen aus Nabari, 1905), einem Text, in dem die Vermittlungsinstanz ein Frau ist. Ob aber die Vermittlungsinstanz von Rinshitsu als Frau konzipiert ist, ist fraglich. Obwohl die Selbstreferenz des Erzählers watashi/watakushi nicht geschlechtsspezifisch ist, und kein Name genannt wird – er wird stets als okyakusama (ehrenwerter Gast) oder mit dem höflichen [Pro]nomen anata oder anatasama (Sie) angeredet – kann doch aus dem Text erschlossen werden, dass es sich um einen Mann handelt. Tayama signalisiert mit dieser Sprachhaltung fingierte Mündlichkeit. Wenn auch keine explizite Leser/Hörer-Anreden vorkommen, weisen doch an den Leser beziehungsweise Hörer gerichtete Bemerkungen wie rhetorische Fragen oder das honorative Hilfsverb -tamau im Imperativ (-tamae), das eine Aufforderung ausdrückt, darauf hin. Obwohl hier ein Erzähler berichtet, erzählt er nicht von sich, sondern vom Tod eines Menschen. Der Leser erfährt nichts über die Person des Erzählers oder dessen Hintergrund (ausser dass die Kenntnisse der Dramen Maeterlincks ihn als einen Intellektuellen ausweisen). Erwähnt wird nur das für die Handlung Notwendigste, nämlich warum er in dieser Herberge übernachtet. Tayama versucht auch hier, die Vermittlungsinstanz zurückzunehmen, da, wie aus der obigen Tabelle deutlich wird, vor allem die Ebene des erlebenden Ich (signalisiert durch koko und ima sowie Beobachtungen und direkt wiedergegebene Reden) realisiert wird, was ein grosses Mass an Vergegenwärtigung erlaubt. Der Erzähler ist aber nicht Handlungsträger, sondern fungiert (ausser in Abschnitt zwei, sieben und acht) vor allem als Ohren- und Augenzeuge, was die Häufigkeit medialer Formen, der Verben mieru (sichtbar sein) und kikoeru (hörbar sein), Präsumptive, die Verbalqualitativa yǀ da, fnj da (den Anschein haben) und -rashii (offenbar), das Nomen yǀsu/yǀ na yǀsu (den Anschein haben) sowie die dubitativen Formen der Kopula deshǀ und darǀ, erklärt. Diese Erzählhaltung erlaubt die Wiedergabe der eigenen Gedanken und Gefühle zum Zeitpunkt der Handlung (erlebendes Ich) und zum Erzählzeitpunkt (erzählendes Ich), nicht aber die Innerlichkeit der anderen Personen. Dies bedingt, dass der Erzähler die Innerlichkeit der anderen Personen entweder durch direkte Rede oder sichtbar gewordene Innerlichkeit (Emotionsausdrücke, die aber wider Erwarten in diesem Text kaum vorkommen) aufzeigen muss. Da die Vermittlungsinstanz hauptsächlich Ohrenzeuge ist und die Leute hört,

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aber nicht sieht, wählt Tayama die dierekte Rede, um die Gefühllosigkeit des Wirtes und des Arztes, die Qualen des Sterbenden und das Mitleid der Alten zeigen zu können. Andererseits will er aber nicht ganz darauf verzichten, die Innerlichkeit des Kranken zu schildern, so dass der Erzähler aus den Worten des Kranken dessen Gedanken erschliessen und sich vorstellen muss, was dieser denkt, also „für ihn denkt“. Dabei ist der Ausdruck, den Tayama verwendet sǀzǀ (Vorstellung) oder atama ni egaku (sich im Kopf ausmalen) und nicht der negativ konnotierte Begriff knjsǀ (Fantasie), der in Shǀjobyǀ eine zentrale Stellung einnimmt, in diesem Text aber nur einmal vorliegt. 4.4.2

Benennung der Figuren

Keine der auftretenden Figuren wird bei ihrem Namen erwähnt, ausser dem Arzt, dessen Name in einer direkt wiedergegebenen Rede vorkommt. Diese Nennung geschieht in einem Kontext, der die abschätzige Haltung des Wirtes verdeutlicht. [...] to gejo no nemusǀ ni shite tatte iru no o yobikakete, „omae, choito, byǀin ni itte, korekore to ohanashi shite, Sugiyamasama ni demo ii kara tte itte kite kuressai.“ (276) [...] rief [IV] [der Wirt] das verschlafen aussehend [sǀ da, Präsumptiv] dastehende Dienstmädchen herbei, „geh du (omae) schnell ins Krankenhaus, berichte [IV] dies (korekore) [und] richte aus, dass [es] genügt, wenn [es auch nur] Herr Sugiyama ist.“

Die erste Nennung der Figuren geschieht teilweise aus dem Wahrnehmungshorizont des Erzählers (wobei sie auch beschrieben werden), worauf die Benennung dann konstant bleibt. Der Wirt und das Dienstmädchen werden in der Rückwendung erst bezeichnet als [...] sanbyakudaigenrashii hige no koi chnjnen no shujin [...] (263) [...] der nach einem Winkeladvokat aussehende (-rashii) Wirt mittleren Alters mit einem dicken Schnurrbart [...] Mashite kynjshi ni deta onna no hiratai shishippana [...] (263) Dazu noch die breite Stumpfnase der Frau, die gekommen war, zu servieren [...]

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worauf sie dann shujin (teilweise aruji glossiert) und kynjshi no onna oder gejo (Dienstmädchen) genannt werden. Die Alte (yado no bƗsan) ist immer „die Alte“ (rǀba, meist bƗsan glossiert), der Arzt „der Arzt“ (ishi), der Mann im Nebenzimmer, abgesehen von einigen auktorialen Periphrasen, meist „der Kranke“ (byǀnin). Nur wenn sich der Erzähler in den Kranken zu versetzen sucht, wird dieser kare (272, 275) genannt. Andere [Pro]nomen, die nicht Anrede oder Selbstreferenz sind, kommen nicht vor. Die Selbstreferenz des Erzählers ist immer watashi, nur einmal wird in einem Innerlichkeitsbericht jibun und in einem Gedankenbericht jibun de mo (selbst ich) verwendet. Auch das Anredeverhalten ist denkbar einfach: Der Erzähler wird höflich mit okyakusama, (werter Gast) anata oder anatasama angeredet, der Arzt mit sensei; sonst wird ausschliesslich omae verwendet, womit der Gast und der Arzt den Wirt und dieser das Mädchen anreden. 4.4.3

Elemente der Mittelbarkeit

a) Erzählerkommentare Kommentare auf der Erzählerebene Wie schon erwähnt, dürfte die höfliche Sprachebene darauf zurückzuführen sein, dass hier eine Erzählhaltung fingierter Mündlichkeit herrscht. Allerdings gibt es in diesem Text keine explizite Leser- oder Höreranreden wie shokun (meine Herren), wohl aber Hinweise auf den Akt des Erzählens und die Aufforderung an den Leser, sich eine Situation vorzustellen: Watashi wa kore o dǀ hanashitara ii deshǀ. (272) Wie soll ich (watashi) das (kore) erzählen? Kono kyǀkan o kikasareta watashi wa dǀ de atta to sǀzǀ shimasuka. (272) Stellen [Sie sich] vor, wie mir (watashi) war, diese (kono) Schreie anhören zu müssen [kausativ/ passiv]? Yo wa jidai ni fukete, ima ya kusaki mo nemuru ushi manji (ਊḩᤨ), takai kara no otozure no yǀ ni zƗtto furushikiru ame no oto o kikinagara, usugurai andon no moto ni, hishi to shi no kuroi kage no sematta ichijǀ no monosugoi arisama o sǀzǀ shitamae. (273)

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Die Nacht schritt fort [IV], jetzt (ima) [war] die Stunde des Ochsens, [ein Uhr bis drei Uhr] beinahe vorbei, da auch Bäume und Gräser schlafen, stellen [-tamae, höflicher Imperativ] [Sie sich] die schreckliche Situation vor, wie zu Füssen der düsteren Lampe, den wie aus einer anderen Welt unentwegt plätschernden Regen hörend, der dunkle Schatten des Todes unaufhörlich drängte.

Wie schon in Jnjemon no saigo hat der Erzähler die Möglichkeit, das Geschehen zu kommentieren und seine eigenen Gedanken (als Erzähler) einzubringen, wenn auch nicht in dem Masse wie in früheren Ich-Erzählungen. Im Vergleich mit Er-Erzählungen wie zum Beispiel Shǀjobyǀ sind die Kommentare etwas häufiger, besonders in den Abschnitten drei, vier und sechs, die stark von der Vermittlungsinstanz geprägt sind. Es handelt sich vor allem um Feststellungen über Leben und Tod im gnomischen Präsens, Ausrufe und rhetorische Fragen. Osoroshii kakketǀshin, ikana mei’i no chikara mo kuroi shi no kage o fusegu koto no dekinai no wa kono yamai desu. (269) Die schreckliche Herzlähmung durch Beriberi, es ist diese (kono) Krankheit, deren dunkler Schatten des Todes die Macht keines noch so berühmten Arztes abhalten kann.

Eine Bemerkung zur (vorgestellten) Innerlichkeit des Kranken leitet in einen allgemeinen Kommentar über, der wichtige Ideen Tayamas zu dieser Zeit formuliert, dass nämlich die Gewalt der Physis weit stärker ist als Ideen und Ideale. Keredo sonna koto o omottari nageitari suru hima mo naku, isso hayaku shinde, kono genzai no kutsnj o nogaretai to wa! Tamashii da no, seishin da no, risǀ da no to ningen wa heisei mǀshite orimashite mo, kono seiriteki appaku no kutsnj ni taishite wa makoto ni hakanai imi no nai mukachi no mono de wa arimasen ka. (272) Doch dass [der Kranke] weder die Zeit hatte [IV], derartiges (sonna koto) zu denken noch zu beklagen, nur schnell sterben, dieser (kono) gegenwärtigen Qual entfliehen zu wollen [Optativ der ersten Person]! Auch wenn die Leute stets von [Dingen] wie Seele oder Geist oder Idealen sprechen [mǀshite orimasu, Honorativ bescheiden], sind [diese] angesichts der Qual dieser (kono) physischen Gewalt nicht wahrhaftig vergängliche, bedeutungslose und wertlose Dinge?

Im letzten längeren Kommentar stellt sich der Erzähler die Trauer der Angehörigen vor und fügt eine Bemekung im gnomischen Präsens bei:

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Sore wa ningen wa dǀse ichido wa shinu no da. Kanashii koto mo nai to seisha wa iu deshǀ. Mata ikura kanashikutte mo, tsukihi ga tateba sono hiai wa yume no yǀ ni satte shimau no desu. Keredo ningen ga shi sono mono ni sǀtai shite yoku heisei no shizukana mune o tamotsu koto ga dekiru deshǀ ka. (275) Nun, Menschen sterben ohnehin einmal. Weise mögen sagen, [es] ist auch nicht traurig. Überdies, wie traurig [man] auch sein mag, vergeht diese (sono) Trauer mit der Zeit wie ein Traum. Aber wenn die Menschen dem Tod selbst gegenüber stehen, wie können [sie] wie sonst ein ruhiges Herz bewahren [deshǀ, Dubitativ]?

Ein negativer Gedankenbericht im letzten Abschnitt bezieht sich auf das erzählende Ich: Asameshi ga sumu to sugu dekakemashita no de, sono ato no koto wa yoku shirimasen ga [...] (278) Da [ich] gleich nach dem Frühstück ausging, weiss [ich] nicht genau, was darauf folgte [...]

Kommentare auf der Handlungsebene Wider Erwarten ist die Anzahl dieser Kommentare gering, denn ausser wenigen distanzierenden Umschreibungen (auktoriale Periphrasen) finden sich nur einige rhetorische Fragen und Ausrufe. Der Grund dafür besteht darin, dass in dieser Erzählung keine Distanzierung angelegt ist, weder des erzählenden Ich zu einem erlebenden Ich, noch zum Protagonisten. Zudem werden Bemerkungen, die auch von der Vermittlungsinstanz gemacht werde könnten, nicht dem erzählenden, sondern dem erlebenden Ich zugeschrieben und kommen so in Form von Gedankenberichten oder direkt zitierten Gedanken vor. Die einzigen Einmischungen des Erzählers auf der Handlungsebene sind in der Form von sehr seltenen auktorialen Periphrasen für den Kranken: Kono suishi no byǀnin o misutete kaban o kakaete tachiagatta yǀsu. (271) Der Anschein (yǀsu), dass [der Arzt] diesen (kono) dem Tod nahen Kranken (suishi no byǀnin) liegen lassen, die Tasche an sich genommen und aufgestanden war.

Eine andere Periphrase, kono awarenaru tabibito (dieser erbarmungswürdige Wanderer), findet sich in einer rhetorischen Frage, die auf einen Gedankenbericht folgt (der Erzähler denkt für den Arzt) und in einen Gedankenbericht mündet, wobei kono ishi (dieser Arzt) der Figurendeixis zuzurechnen ist.

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Keredo imawa no toko ni shitashiki mono hitori tote naki kono awarenaru tabibito de wa arimasenka. Watashi wa kono ishi no shiuchi ni tsukuzuku hito no jǀ no usui to iu koto o shirimashita. (271) Aber gibt [es] denn nicht diesen (kono) erbarmenswürdigen Wanderer auf dem Sterbebett ohne eine einzige vertraute Person? Ich (watashi) erkannte in der Haltung dieses (kono) Arztes zutiefst die Kaltherzigkeit der Menschen.

b) Vorausdeutungen, Rückwendungen und Raffungen Vorausdeutungen und Rückwendungen Es gibt in diesem Text eine Stelle, die man als Vorausdeutung interpretieren kann, eine Stelle, die das Wissen des Erzählers nach dem Zeitpunkt der Handlung anführt: Sono kikime wa hayai mono de, byǀnin mo sukoshi uchikutsuroida to iu fnj deshita. Watashi wa [...] kon’ya dake wa kore de gussuri nerarereba ii to omoimashita. Keredo kore wa togerarenu nozomi deshita. (269) Deren [der Spritze] (sono) Wirkung war [IV] schnell, auch der Kranke schien [to iu fnj, Präsumptiv] sich etwas beruhigt zu haben. [...] wie gut, dachte ich (watashi), wenn [ich] nur heute Abend (kon’ya) tief schlafen kann. Dies (kore) aber war ein unerfüllbarer Wunsch.

Rückwendungen sind selten, da fast immer aus dem Hier und Jetzt des erlebenden Ich erzählt wird und frühere Erlebnisse in dessen Erinnerung eingefügt werden. Ein Rückschritt folgt gleich nach dem Erzähleingang: Futo me o samasu to, tonari no heya ni hito no koe – warau yǀ na unaru yǀ na sasayaku yǀ na koe ga kikoeru de wa gozaimasen ka. Watashi wa tekkiri inaka no machi no hatagoya nado de yofukete kara yoku dekkuwasu nan’yo no tawamururu koe da to omoimashita. Kǀ to shitta nara tomaru no de wa nakatta. Nagai tabiji ni futokoro ga toboshiku natta no de, kono machi ni kite mo waza to daiichirynj no ryǀkan’ya o sakete, to aru uramachi no, kangokucho ni chikai, sabishii inki na kono ie o eranda no desu ga, ima [...] (263) Plötzlich geweckt, sind nicht vom Nebenzimmer Stimmen – wie lachende, stöhnende, flüsternde Stimmen zu hören [kikoeru de gozaimasu, medialer Aspekt, Honorativ bescheiden]? Ich (watashi) war überzeugt, dass es sich um ein sich amüsierendes Paar, wie man es in Herbergen in Provinzstädten antrifft, handelt. Hätte [ich] das (kǀ) gewusst, [ich] wäre nicht [hier] abgestiegen. Weil nach einer langen Reise [mein] Beutel leer geworden war, hatte [ich], in diese (kono) Stadt

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gekommen, eine erstklassige Herberge bewusst gemieden und dieses (kono) düstere, einsame Haus in einer Hintergasse in der Nähe des Gefängnisses gewählt, doch jetzt (ima) [...]

Darauf wird in sehr geraffter Form die Herberge beschrieben, die beiden nebeneinander liegenden Zimmer (der Erzähler bekommt das schäbigere Einzelzimmer, da sich im Verlauf des Abends noch ein Paar einstellen könnte), das schlechte Essen, das hässliche Mädchen, vor allem aber das Missvergnügen des Erzählers. Der Rückschritt endet zum Zeitpunkt des Erzähleingangs, mit dem Erwachen. Me ga sameru to, tonari no heya ni hito ga ite, sono monooto desu. (264) Wie [ich] erwache [IV], sind [IV] Leute im Nebenzimmer, diese/deren (sono) Stimmen sind [es].

Die Informationen über den Kranken, seine Herkunft und Ankunft, die ebenfalls aus der Sicht des erlebenden Ich in der Vergangenheit situiert sind, werden nicht vom erzählenden Ich berichtet, sondern in direkter Rede wiedergegeben, also in den Wahrnehmungshorizont des erlebenden Ich eingebunden. Raffungen Die Tendenz, Abläufe zeitlich genau zu situieren, ist auch in dieser Erzählung ausgeprägt, wobei die Zeitangaben zum Teil in den Erfahrungshorizont des erlebenden Ich eingebaut werden, wie zum Beispiel in Abschnitt eins, als der Erzähler auf die Uhr blickt oder zu Beginn von Abschnitt sechs, als er erwachend konstatiert, dass der Morgen dämmert. Alle anderen Raffungen, ob aussparend oder explizit die vergehende Zeit erwähnend, müssen der Vermittlungsinstanz zugeschrieben werden und kommen vor allem in der Rückwendung vor, in Abschnitt drei, in dem mehrere Stunden vergehen, sowie in Abschnitt acht, der einen ganzen Morgen zusammenfasst. Allerdings sind die Raffungen weniger häufig als zu erwarten wäre, da immer wieder die Wahrnehmung des erlebenden Ich in seinem Hier und Jetzt fokussiert wird. Als Beispiel dieser Raffungen möge der dritte und vierte Abschnitt dienen:

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Onaji kyǀkan to onaji kumon to no ichijikan o hete, ishi ga yatte kita yǀ na ki ga shita. [...] yagate shinsan ni torikakattarashii. „Kurushii?“ to hitokoto itte, yagate ashi o mite iru yǀsu. (268) Eine Stunde der gleichen Schreie, der gleichen Qualen verging [IV], als [es] schien [yǀ da, Präsumptiv] dass der Arzt gekommen war. [...] [Der Arzt] begann offenbar (-rashii) gleich mit der Untersuchung. „Schmerzen?“ sagte [IV] [er], darauf der Anschein [yǀsu, Präsumptiv], dass [der Arzt] die Beine untersucht [imp. Aspekt]. Desu no ni, jippun hodo tatsu to [...] (271) Wie dem auch sei, etwa zehn Minuten vergehen [IV], als [...]

Die Raffungen im vierten Abschnitt enthalten kürzere Rückschritte (kaette itta, war gegangen), sowie einen gerafften Gedankenbericht. Ishi no kaerimashita no wa, nande mo ichijihan goro deshitarǀ. Nijippun bakari chnjsha no chikara de sǀ hageshiku kurushimi mo shimasen deshita ga, yagate futatabi osoroshii chikara de appaku shite kuru kutsnj no sakebi. (272) Die Rückkehr des Arztes muss wohl [Präsumptiv] um etwa halb zwei gewesen sein. Etwa zwanzig Minuten waren die Schmerzen dank der Spritze nicht so heftig, doch bald wieder die Schmerzensschreie, die sich von neuem mit schrecklichem Druck erheben. Ishi ga mihanashite kaette itta ato wa, hatagoya no shujin mo kaika ni orite shimatta. [...] Watashi no atama wa saki hodo kara no shigeki ni midarete, hotondo jǀki o ushinai, ikutabi ka semeta wa jibun de mo kango shite to omoinagara, shikamo sore o aete suru ni shinobimasen deshita. Yo wa jidai ni fukete, [...] (273) Nachdem der Arzt [den Kranken] liegen lassen und gegangen war, ging schliesslich auch der Wirt der Herberge nach unten. [...] Mein (watashi no) Kopf, durcheinander von der vorherigen Aufregung, verlor [IV] fast ganz das Mass, [und] während [ich] immer wieder dachte, ob ich selbst (jibun de) die Krankenwache übernehmen [soll], brachte [ich] es nicht über mich, dies (sore) auch wirklich zu tun. Die Nacht schritt fort, [...] Sore de mo ichijikan hodo shite, ki ni naru to miete, shujin wa bƗsan to issho ni nikai ni agatte mairimashita ga[...] (273) Trotzdem verging [IV] etwa eine Stunde [als] der Wirt, sich anscheinend [to miete, medialer Aspekt] Sorgen machend, zusammen mit der Alten, [mairu, Honorativ bescheiden] ins Obergeschoss herauf kam, aber [...]

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Auch der letzte Abschnitt ist stark gerafft, ein ganzer Morgen wird in einigen Zeilen zusammengefasst. Diese Aussparungen werden durch Zeitangaben verdeutlicht: Gozen jnjichiji goro kaette mimasu to, mǀ sono izoku no mono ga maitte orimashite, [...] Watashi wa ichiri hodo saki no teishachǀ ni itte, jnjniji no kisha ni noru tsumori deshita kara, isoide shitaku o shite, ame no sabishiku furishikiru naka o kuruma de tatte shimaimashita. (278) Morgens um elf einstweilen zurückkehrend, sind [IV] dessen (sono) Hinterbliebene schon eingetroffen [mairu, Honorativ bescheiden]. [...] Ich (watashi) ging [IV] zum etwa eine Meile entfernten Rikscha-Standplatz, [und], da [ich] den Zwölf-Uhr Zug zu nehmen gedachte, traf [IV] [ich] eiligst die Vorbereitungen [und] fuhr schliesslich [perfektiver Aspekt] im unaufhörlichen Regen per Rikscha ab.

c)

Rede- und Gedankenberichte

Redeberichte Die Bemühungen, das Geschehen zu vergegenwärtigen beeinflusst auch die Vermittlung von Rede: indirekte Redeberichte sind äusserst selten. Sie kommen nur im ohnehin gerafften Rückschritt im Erzähleingang vor und geben die Konversationen des Erzählers mit dem Wirt oder dem Dienstmädchen wieder. Watashi ga kono heya ni shite kure to itta no o, kono ie no shujin ga [...], ohitorisama desu kara dǀ ka kochira e to itte [...] (263) Obwohl ich (watashi) gebeten hatte, gebt mir (-te kure) dieses (kono) Zimmer, sagte [IV] der Wirt dieses (kono) Hauses [...], da [Sie] allein sind, bitte hier [...] Aji no amakaraku nishimeta no mo nodo ni tǀrazu, nanka banshaku no sakana de mo naru yǀ na mono wa nai ka to jnjmon suru to [...] (263-4) Unfähig, die süsslich schmeckende gesottene Makrele zu schlucken, fragte [IV] [ich], ob es nicht etwas gibt, das sich als Beilage zu einem Abendschoppen eignet [...]

Alle anderen spärlich vorkommenden indirekten Redeberichte stehen in direkt wiedergegebenen Reden oder in der Erinnerung des erlebenden Ich, gehören also nicht zur Erzählerebene.

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Gedankenberichte – berichtete Innerlichkeit Innerlichkeit des Erzählers Neben den schon erwähnten Gedanken des Erzählers, die auf der Erzählerebene vorkommen (auktoriale Kommentare), ist es dem Erzähler natürlich auch ohne weiteres möglich, die Innerlichkeit des erlebenden Ich zu erwähnen, seien es als von der Erzählinstanz vermittelte oder als unmittelbar wiedergegebene Gedanken. Diese Innerlichkeits- und Gedankenberichte nehmen in diesem Text sehr viel Raum ein; häufig sind Verben der inneren Verfassung, die die psychologischen Reaktionen des erlebenden Ich belegen, sowie durch das Verb ...to omotta (...dachte [ich]) begleitete Gedanken. Diese stehen aber oft mit ima (jetzt), besonders an den Stellen, da der Erzähler als Ohrenzeuge fungiert und aus dem Gehörten auf die Umstände schliessen muss. Der zweite Abschnitt, zeigt dies besonders deutlich: Ichizu ni nan’nyo no tawamururu kehai121 to omotta no de, taegataku hara ga tatta ga [...] (264). Da [ich] dies blindlings für Anzeichen vom Geplänkel eines Paares hielt (to omotta), kam [mir] die Galle hoch [...] Watashi no saisho no kangae wa machigatte ita. Nan’nyo no tawamururu koe yori mo ima issǀ warui kynjbyǀnin no umekigoe de aru to iu koto ga sugu atama ni kimashita. (265) Mein (watashi no) erster Gedanke war falsch gewesen. Eher als das Geplänkel eines Paares, wurde [mir] nun (ima) gleich deutlich, ist es das Stöhnen eines plötzlich Erkrankten.

Darauf stellt sich das erlebende Ich die Situation des im Nebenzimmer liegenden Kranken vor, ein Beispiel eines gerafften Gedankenberichtes, wobei die Gedankeninhalte in einer hohen Sprachebene wiedergegeben werden. Watashi no atama ni wa iroiro na knjsǀ ga hayaku tǀrimashita. Kǀ iu fnj ni yomosugara unararete tamatta mono de wa nai to mazu daiichi ni meiwaku to

121 Der Ausdruck kehai ( ᳇㈩ ) bezeichnet auf sinnlicher Wahrnehmung beruhende Anzeichen einer Handlung, die nicht unbedingt gesehen wird.

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omoimashita ga, tsuzuite, tabibito no mi de, kǀ shita ryoten ni kǀ shita kynjbyǀ o etara, sazo kanashii darǀ tsurai darǀ to, ikura omoiyari no jǀ mo dete maitte, doko no hito da ka shiranu ga ki no doku na mono da to omoimashita. (265) Allerlei Fantasien (knjsǀ) fuhren schnell durch meinen (watashi no) Kopf. Auf diese (kǀ) Weise mitten in der Nacht durch Stöhnen belästigt zu werden [Leidenspassiv], war nicht auszuhalten, [ich] hielt (to omotta) es zuallererst für eine Zumutung, darauf [empfand ich], als Reisender (tabibito no mi de) in einer solchen (kǀ shita) Herberge eine solche (kǀ shita) plötzliche Krankheit zu bekommen, [es] kam [IV, mairu, Honorativ bescheiden] auch Mitgefühl auf, [es] muss wahrlich traurig und bitter sein [darǀ, Dubitativ], [und] [ich] dachte (to omoimashita), [ich] weiss zwar nicht, woher die Person kommt, [es] ist ein bedauernswerter Mensch.

Nach dieser Stelle schlägt der Gedankenbericht in Figurenperspektive um (Figurensprache) um. Ein Rückblick ruft eine Schilderung (als indirekte Rede erinnert) eines Freundes ins Gedächtnis, worauf dann die Gedanken des erlebenden Ich direkt wiedergegeben werden. Diese Passage wird nicht mehr von der Erzählinstanz vermittelt, sondern vom erlebenden Ich jetzt erinnert, doch soll sie hier zitiert werden, um zu zeigen, wie bei Tayama Innerlichkeitsbeschreibungen oft die Tendenz haben, in Figurenperspektive zu münden. Watashi wa kono toki futo osoroshii kakkeshǀshin no koto o omoidashimashita. Watashi no ynjjin de, sono yamai ni osowarete, hitoyo kurushimi tǀshi ni kurushinde shinda to iu hanashi, sono kumon wa hijǀ na mono de, hata ni miru me mo taerarenai, shinde mo ii kara kono ku o nakushite yaritai to omou hodo de atta to no koto, sore ga tsui watashi no mune ni ukabimashita. Moshi ya kakkeshǀshin de wa...? (265) In diesem (kono) Moment erinnerte ich (watashi) mich an den entsetzlichen Tod durch Herzlähmung infolge von Beriberi. Der Bericht, dass einer meiner (watashi no) Freunde, von dieser (sono) Krankheit überwältigt, eine ganze Nacht Qual über Qual durchleidend an Herzlähmung infolge von Beriberi gestorben war, dass, so sagte/n [er/sie] diese/seine (sono) Leiden ausserordentlich, der Anblick dem/den Dabeistehenden unerträglich, in dem Masse, dass [er/sie] sogar dachte/n [IV], besser zu sterben und dieser/seiner (sono) Qual ein Ende zu bereiten [-tai, Optativ der 1. Person], dies (sore) tauchte in meiner (watashi no) Brust auf. Wenn es nun Herzlähmung infolge von Beriberi ist...?

Diese Stelle hat die Funktion, die Krankheit des Mannes im Nebenzimmer anzudeuten, die sich dann im dritten Abschnitt, wie befürchtet, als Beriberi erweist.

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Der zweite Abschnitt besteht hauptsächlich aus direkter Rede und enthält keine Innerlichkeitsberichte. Der dritte Abschnitt, in dem der Erzähler den Reden des eingetroffenen Arztes lauscht, enthält wieder mehrere, in denen das erlebende Ich über den Tod reflektiert: Watashi kǀ to yoki shite otta koto ga jijitsu to narimashita no de, tabibito no koto o iroiro to atama ni egaite, mǀ nemuru dokoro de wa naku natte shimaimashita. Unarigoe no ikkokugoto ni, osoroshii shi no kage wa nokibata ni chikaku sematte kuru yǀ de, moshi shinigami to iu mono ga ningen no shichǀ igai ni aru naraba, mǀ kono urushi no yǀ na ankoku no yami no naka ni iru no da to omoimashita. To, hijǀ ni bukimi ni inki ni natte, andon no kage ni bǀ to shiroi mono ga aru yǀ na kokochi, zotto hada ga awadatte mairimashita. Sara ni warui koto ni wa, MƝterurinku no gikyoku „Shin’nynjsha“ „Mǀjin“ nado no kioku ga ori kara atama ni egakareta no de, rinshitsu no nokibata no aosudare o tǀshite ranpu no kage, ame ni nuretaru bashǀba no hikari, oto mo senu hodo no ame no otozure, shinto shita yami no yo wa, watashi no shinpi no tamashii o sosoru no ni jnjbun deshita. (270–1) Da nun Wirklichkeit geworden, was ich (watashi) mir vorgestellt hatte, malte [ich] [mir] im Kopf allerlei über den Reisenden aus [IV], an Schlaf war nicht mehr zu denken. Mit jedem Stöhnen schien [yǀ da, Präsumptiv] der schreckliche Schatten des Todes dem Dachrand nähergekommen zu sein, wenn etwas wie ein Gott des Todes ausserhalb des Gehör- und Gesichtssinns des Menschen existierte, ist [dieser] schon in dieser (kono) lackschwarzen Finsternis, dachte [ich] (to omoimashita). Und [mir] wurde [IV] ausserordentlich schauerlich und düster [zu Mute], das Gefühl, im Schatten der Lampe steht undeutlich etwas Weisses, gab [mairu, Honorativ bescheiden] [mir] Gänsehaut. Noch schlimmer, da [ich mir] schon die ganze Zeit die Erinnerung an Maeterlincks Stücke Der Eindringling und Die Blinden im Kopf ausgemalt hatte, genügte der Schein der Lampe des Nebenzimmers durch die Bambusstoren, das Glitzern der regennassen Bananenblätter, der lautlose Regen, die stille Finsternis der Nacht, meine (watashi no) mystische Seele anzuregen.

Der fünfte Abschnitt, der nur neun Zeilen zählt, besteht ausschliesslich aus Innerlichkeitsberichten, wobei die Reflexionen über den Tod nicht als Kommentare formuliert werden, sondern in die Gedanken des erlebenden Ich (kono toki, ima) eingeflochten sind. Ningen to iu mono wa, dǀshite mo seiriteki appaku ni wa tekishienu mono de, soshite mata, tsui ni egǀ no sakai o dassuru koto ga dekinai mono da to iu koto o kono toki tsukuzuku satorimashita. Watashi wa hikkiri nashi ni kono rǀba no nenbutsu to byǀnin no kutsnj to o mimi ni shite orimashita ga, sanjikan ni chikai atama no dǀyǀ, amari hageshiku shinkei o tsukarashita no to nagai aida me o samashite otta no to de, itsuka karada ga hirǀ shita to mie, hate wa sono danmatsuma no kutsnj no koe mo nan da ka kǀ tǀku hedatte shimatta yǀ na ki ni natte, tsuzuite seishinjǀ no dǀjǀ no nen ga jidai ni usuku naru to tomo ni, ima, mǀ

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shinu no da na to omoinagara, shikamo shinu to iu koto ga betsudan taishite kanashii koto de mo nai to iu yǀ na uttori to shita kokoro ni natte, nan no koto wa nai, chǀdo tǀku no nami no oto de mo kiite iru yǀ ni – sari tote fuyukai wa aikawarazu fuyukai de, heisei dǀjǀ no nani no to rippa na koto o itte okinagara, tsukareta kara to itte, sore ni shihai sareru to wa nasakenai koto da nado to mizukara jibun o semete ita ga, sore mo itsuka kasuka ni natte, yagate omokurushii namari no yǀ na suimin ga watashi o osoimashita. (274) Menschen sind Wesen, die keinesfalls dem physischen Druck widerstehen können und überdies Wesen, die schliesslich nicht aus den Grenzen [ihres] Egos ausbrechen können, erkannte [ich] in diesem Moment (kono toki) zutiefst. Ich (watashi) hatte unaufhörlich die Anrufung Buddhas dieser (kono) Alten und die Qualen des Kranken in den Ohren, doch da [ich] infolge der bald drei Stunden dauernden geistigen Aufregung und der allzu heftigen psychologischen Erschöpfung lange wach gelegen hatte, fühlte [to mie, medialer Aspekt] [ich], dass der Körper müde geworden [perf. Aspekt], und auch diese/jene (sono) Stimme der Todesqualen schien [IV] [yǀ da, Präsumptiv] schliesslich fern geworden zu sein [perf. Aspekt] [und] wie darauf das psychologische Mitleid allmählich schwächer wurde [IV], während [ich] mir dachte (to omoinagara), jetzt (ima) stirbt [er], überdies schlaftrunken zu fühlen begann [IV], dass Sterben an sich keine besonders traurige Angelegenheit ist, wirklich nichts, gerade als [yǀ da, Präsumptiv] hört [man] fern das Rauschen der Wellen – wie dem auch sei, [mein] Missmut war [IV] unverändert [und], obwohl doch Mitleid normalerweise eine grossartige Sache ist, nun, weil [ich] müde war [und] mich (jibun o) selbst schalt, was für eine herzlose Sache es ist, davon (sore ni) überwältigt zu werden, wurde [IV] auch das (sore mo) irgendwann vage, und bald überkam mich (watashi o) der Schlaf, schwer wie Blei.

Obwohl dies die Gedanken und Gefühle des erlebenden Ich sind, werden sie vom erzählenden Ich raffend berichtet und – im Nachhinein – analysiert. Sie rechtfertigen die Tatsache, dass der Erzähler trotz seiner Betroffenheit einschläft und bilden die Überleitung zum nächsten Abschnitt, in dem er aufwacht. Innerlichkeit der anderen Personen Der Erzähler von Rinshitsu gebraucht Emotionsausdrücke kaum, weil er meist Ohrenzeuge ist. Den Kranken erblickt er nur einziges Mal durch einen Türspalt; dieser ist zu krank, um andere Emotionen als Leiden ausdrücken zu können. Der Erzähler greift deshalb zu einem anderen Mittel – er stellt sich die Innerlichkeit der Figuren vor, „denkt für sie“.

253

Shitsubǀ shita rashii ishi no koe ga kikoeru. (270) Die Stimme des Arztes, [der] offensichtlich [-rashii, Präsumptiv] die Hoffnung aufgegeben, ist zu hören [kikoeru, medialer Aspekt]. „HƝ...“ to shujin wa itaku odoroita yǀ na yǀsu deshita. (270) „Was...“, der Wirt schien [yǀ na yǀsu, Präsumptiv] ausserordentlich erschrocken.

Die Aufforderung an den Leser/Hörer, sich die Situation vorzustellen, wird vom Erzähler selbst ausgeführt: Er braucht, da nun die Innerlichkeit des Kranken zur Sprache kommt, kare (er). Osorubeki shi o mo osorezaru hodo no hageshii kutsnj, sore o sǀzǀ shite, watashi wa hotondo hada ni zoku suru no o oboemasen deshita. Kare mo hito no ko, arui wa hito no oya, hito no otto de aru ka mo shiremasen. Kare no shi no tame ni kanashii tsurai namida o sosogu hito mo sukunakunai deshǀ. Iya, kare jishin ni totte mo, kǀ shite hatagoya ni, kǀ shita tanin bakari no naka ni, kǀ shita hakanai rinshnj o togeru to iu koto wa ika bakari zannen ni, ika bakari himei ni taenu koto deshǀ. (272) Schmerzen in dem Masse, dass der furchtbare Tod nicht mehr furchtbar ist [IV], [mir] dies (sore) vorstellend (sǀzǀ suru), fühlte ich (watashi) nicht, wie [ich] erschauerte? Auch er (kare) ist jemandes Sohn oder jemandes Vater, jemandes Mann, wer weiss. Um seines (kare no) Todes willen gibt [deshǀ, Dubitativ] es wohl nicht wenige, die traurige, bittere Tränen weinen [werden]. Ja, auch für ihn selbst (kare jishin), so (kǀ shite) in einer Herberge, unter lauter solchen (kǀ shita) Fremden einen solchen (kǀ shita) einsamen Tod zu sterben, wie bedauernswert, wie unerträglich beklagenswert [deshǀ, Dubitativ].

Der Erzähler stellt sich nicht nur die Innerlichkeit der Figur vor, sondern auch jene der Angehörigen. Gori temae made kite, kuni no hito ni mo awazu, hakujǀ naru tanin no te ni shinda no o kare mo kuchioshiku omotta de arǀ. Kuni no hito mo kyǀ tazunete kite, saigo ni aenakatta no o zannen ni omotte naku de arǀ. (275) Bis auf fünf Meilen gekommen zu sein, ohne die Verwanden zu treffen, unter den Händen gefühlloser Fremder gestorben zu sein, hatte er (kare) wohl auch als jammervoll empfunden [de arǀ, Dubitativ]. Auch die heute (kyǀ) eintreffenden Verwandten, [werden es] wohl bedauern [ihn] zuletzt nicht mehr getroffen zu haben und weinen [de arǀ, Dubitativ].

254

Der Erzähler versucht sich den Grund für die Gefühlskälte des Arztes vorzustellen, indem er sich in dessen Situation versetzt und „für ihn denkt“: Ishi no mi ni shite wa, hito no shinu nado no wa nan de mo nai, ashita wa tsune no gotoku okite kansha o minakereba naranai, nani mo rieki ni mo nari mo senu kǀ shita byǀnin ni tetsuya no rǀ o tsukusu ni mo ataranai, to kǀ omotta no mo muri wa nai deshǀ. (271) Für [ihn] als Arzt ist es nichts, wenn ein Mensch stirbt, morgen (ashita) muss [er] wie üblich aufstehen, Patienten untersuchen, für so einen (kǀ shita) Kranken, der nichts einbringt, unter Mühen eine Nacht aufzubleiben, geht nicht an, so (kǀ) gedacht zu haben [perf. Aspekt] war wohl normal [deshǀ, Präsumptiv].

Hier wird nicht ausdrücklich gesagt, ob kǀ omotta no wa (so gedacht zu haben) sich auf den Erzähler oder den Arzt bezieht, im Kontext aber sind dies die Gedanken des Arztes, denn der Erzähler fährt mit seinen eigenen Gedanken – nun ohne Präsumptiv – fort. Keredo imawa no toko ni shitashiki mono hitori to te naki kono aware naru tabibito de wa arimasen ka. Watashi wa kono ishi no shiuchi ni tsukuzuku hito no jǀ no usui to iu koto o shirimashita. (271) Aber gibt [es] denn nicht diesen (kono) erbarmenswürdigen Wanderer (arawe naru tabibito, Periphrase) auf dem Sterbebett ohne eine einzige vertraute Person? Ich (watashi) erkannte in der Haltung dieses (kono) Arztes zutiefst die Kaltherzigkeit der Menschen.

4.4.4

Elemente der Unmittelbarkeit

Im Gegensatz zu Jnjemon no saigo werden in Rinshitsu Gedanken auf der Figurenebene kaum unvermittelt wiedergegeben. Gedanken, die in Anführungsstriche gesetzt sind, kommen nicht vor, unmittelbar wiedergegebene Gedanken (erlebte Rede) sind selten. Ausser der oben zitierten Stelle (265) gibt es nur eine weitere Passage, in der der Erzähler (das erlebende Ich), von Wut übermannt, die herzlosen Worte des Wirtes in Gedanken wiederholt. „Tǀtǀ naku natta ne!“ to iikakeru to, shujin wa jirori to iya na me de watashi o mite, „iie, sǀ iu wake de mo gozaran desu ga“ to itta.

255

Sǀ iu wake de wa gozaran to wa nan no koto da. Shinda no de wa nai to iu no ka. Baka na yatsu da, futodoki no yatsu da, to omotta ga, konna yatsu to kuchi o majieru no mo fuyukai ni natta no de, isoide hashigodan o agatte shimaimashita. (276–7) „Nun ist [der Gast] schliesslich gestorben!“ Als [ich ihn] ansprach, sah [IV] der Wirt mich (watashi o) gehässig an, „nein, nein, so ist es nicht“, sagte [er]. Was heisst das, nein, nein, so ist es nicht. Meint [er] [der Kranke] ist nicht gestorben. Ein idiotischer Kerl, ein unverschämter Kerl, dachte [ich], doch mit so einem (konna) Kerl auch noch zu reden war [mir] unerträglich geworden [perf. Aspekt] [und] so stieg [ich] schliesslich eilends die Treppe hoch.

Diese Art, die Innerlichkeit der Figur direkt wiederzugeben, ist in Rinshitsu selten. Sie tritt in Shǀjobyǀ und Futon vermehrt auf und ist die wichtigste Art der Wiedergabe von Innerlichkeit in Ippeisotsu. Die Unmittelbarkeit von Rinshitsu beruht weniger auf der Vergegenwärtigung von Innerlichkeit, sie wird durch zwei andere Elemente des Erzählens gewährleistet: Direkte Rede und Figurenperspektive. a) Direkte Rede Abschnitt

Zeilen

DR

%

Erz.

Kranke

Wirt

Alte

Mädchen

Arzt

1 2 3 4 5 6 7 8 Total

45.5 20.5 44.5 30.5 9.0 22.0 20.5 4.0 196.5

4.0 14.5 10.0 9.0 — — 11.0 — 49.5

9.0% 70.5% 22.5% 12.5% — — 53.5% — 25.0%

— 4.0 — — — — 1.0 — 5.0 10.0%

3.0 — — 4.0 — — — — 7.0 14.0

— 11.5 1.5 — — — 0.5 — 13.5 27.0%

— — — — 5.0 — — — 5.0 10.0%

1.0 — — — — — 9.5 — 10.5 21.0%

— — 8.5 — — — — — 8.5 17.0%

Direkte Rede (25%) ist in diesem Text sehr ungleichmässig verteilt. Einige Abschnitte enthalten keine oder nur sehr wenig Rede, wie Abschnitt eins, der hauptsächlich aus den Wahrnehmungen des Erzählers besteht, Abschnitt fünf, der ausschliesslich der Innerlichkeit des Erzählers und Abschnitt sechs, der dessen Beobachtungen gewidmet ist. Überdies ist weder der Erzähler noch der Kranke Hauptträger der

256

direkten Rede (10% bzw. 14%). Der Kranke ist unfähig zu einem „Gespräch“, seine Äusserungen sind Schmerzensrufe, und der Erzähler ist meist Ohrenzeuge, ausser in den Abschnitten zwei und sieben, als er sein Zimmer verlässt. Auffallend ist, wie wenig er selbst spricht, obwohl diese Abschnitte zu einem grossen Teil aus direkter Rede bestehen (70.5% beziehungsweise 53%). Das heisst, die direkte Rede wird nicht gebraucht, um die Gedanken des Erzählers zu formulieren (das ist auch nicht nötig, da dies auf der Erzählerebene oder der Figurenebene geschieht) aber auch nicht, die Gedanken anderer Figuren hörbar zu machen. Da es aber unmöglich ist, aus dem beschränkten Wissenshorizont die Innerlichkeit des Wirtes oder des Arztes einzubringen, werden diese Personen durch ihre geäusserten Reden charakterisiert. Dies gilt vor allem für den Wirt und den Arzt, deren Worte deutlich machen, wie gefühllos sie im Gegensatz zum Erzähler auf das Schicksal eines Einzelnen reagieren, sowie für die Alte, die die Einzige ist, die versucht, dem Kranken beizustehen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Redeanteile des Wirtes und des Arztes in diesem Text am höchsten sind. Anders steht es mit dem Mädchen – sie ist für den Erzähler als Person nicht interessant und fungiert nur als Lieferant von Informationen, damit der Hintergrund des Kranken und seine Geschichte, wenn auch skizzenhaft, eingebracht werden können. b) Figurenperspektive Obwohl in diesem Text eine personalisierte Erzählinstanz auftritt, wird die Handlung nicht vollständig aus deren zeitlich späteren Perspektive berichtet, sondern oft durch die Wahrnehmungen des erlebenden Ich. Dadurch wird das Geschehen immer wieder vergegenwärtigt, was sich im Gebrauch des Präsens ausdrückt, welches anzeigt, dass die Vorgänge im Hier und Jetzt des erlebenden Ich noch nicht abgeschlossen sind.122 Da der Erzähler über kein Hintergrundwissen verfügt, ist er darauf angewiesen, seine Wahrnehmungen zu interpretieren. Dies zeigt sich im ausserordentlich häufigen Gebrauch von Dubitativen, Präsumptiven oder Verben der Wahrnehmung und führt zur Tendenz, „für andere zu denken“. Der Erzähleingang macht dies deutlich: 122 Diese Passagen – besonders die Verben der Wahrnehmung reflektieren die Deixis des erlebenden Ich – unvollendete Handlungen stehen im Präsens, vollendete Handlungen (Vorzeitigkeit) werden durch das Verbalsuffix -ta gekennzeichnet.

257

Futo me o samashimasu to, tonari no heya ni hito no koe – warau yǀ na unaru yǀ na sasayaku yǀ na koe ga kikoeru de wa gozaimasen ka. (263) Plötzlich erwachend, sind nicht vom Nebenzimmer Stimmen – wie lachende [yǀ da, Präsumptiv], stöhnende [yǀ da, Präsumptiv], flüsternde [yǀ da Präsumptiv] Stimmen zu hören [kikoeru de gozaimasu, Honorativ bescheiden, medialer Aspekt]?

Der Erzähler lauscht den Schreien des Kranken [...] sono taezaru kumon no koe wa waregane no yǀ ni mimi ni hibiku. (265) [...] seine (sono) unaufhörlichen Schmerzensschreie dröhnen wie eine zerbrochene Glocke in den Ohren.

Daraus „vermutet“ er, dass es sich bei der Krankheit um Beriberi handelt und weckt den Wirt, worauf dieser den Arzt rufen lässt. Es ist besonders diese Szene, die der Erzähler als Ohren- und Augenzeuge erfasst: [...] ishi ga yatte kita yǀ na kisei deshita. (268) [...] Anzeichen deuteten darauf, dass der Arzt gekommen war [yǀ da, Präsumptiv]. Ishi wa kaban o shita ni oite, za ni tsuita yǀsu. Shujin no hanashikakeru no o karuku eshaku shite kiite orimashita ga, byǀnin no tokidoki kokukoku ni kurushimu no o mite, yagate shinsatsu ni torikakattarashii yǀsu. „Kurushi ka?“ to ichigen itte, yagate ashi o mite iru yǀsu. (268) Der Arzt stellte [IV] seine Tasche ab und schien sich gesetzt zu haben [yǀsu, Präsumptiv]. [Ich] hörte, wie [er] die Anrede des Wirtes knapp erwiderte, doch da [er] sah, dass der Kranke unaufhörlich litt, begann [er] offenbar [-rashii yǀsu, Präsumptiv] sogleich mit der Untersuchung. „Ist’s schlimm?“ sagte [IV] [er] kurz, darauf hat es den Anschein [yǀsu, Präsumptiv], dass [er] nun die Beine untersucht.

Darauf fühlt sich der Erzähler bemüssigt, die Tatsache, dass er die Handlung im Nebenzimmer verfolgen kann, zu rechtfertigen, doch bald treibt in die Neugierde durch einen Türspalt zu spähen, worauf er dann eine Szene, die er erblickt, beschreiben kann. Yo wa shin to shite, hito no hanashigoe mo kikoenai no de, byǀnin no ikizukai no arai no ya, ishi no mune o tataku oto nado ga hakkiri to te ni toru yǀ ni kikoeru. [...] Watashi wa otto tachiagatte, karakami no sukima kara, sono zashiki no sama o mimashita. Mazu me ni haitta no wa [...] (268–9)

258

Die Nacht ist [IV] still, und da auch keine Stimmen zu hören [kikoeru, medialer Aspekt] sind, sind der raue Atem des Kranken und der Laut, als der Arzt [dessen] Brust beklopft, deutlich zu hören [kikoeru, medialer Aspekt]. [...] Ich (watashi) erhob [IV] mich sachte [und] sah durch einen Spalt der Papiertüre den Zustand des Zimmers. Was als erstes in meine Augen drang [...]

Er beschreibt den Kranken und den Arzt (der ihm einen unsympathischen Eindruck macht) und fährt fort: Kotchi ni wa, ie no hitobito ga narande iru yǀ deshita ga, mono no kage ni natte sono sugata wa me ni hairimasen deshita. (269) Auf der [mir nahen] Seite (kotchi) schienen die Bewohner des Hauses zu stehen [yǀ da, Präsumptiv], [sie] standen [IV] im Dunkeln [und so] drang [mir] deren (sono) Gestalt nicht in die Augen.

Die zweite Szene, die durch die Wahrnehmungen des Erzählers wiedergegeben ist, findet am folgenden Morgen statt. Seltsame Laute dringen in sein Zimmer, und er muss zum Augenzeugen werden, damit er sich die Laute zurechtlegen kann. Die Stelle ist genau gleich aufgebaut wie die obige, Wahrnehmungen rufen Gedanken und Gefühle hervor: Futo, tonari no heya ni gasagasa to monooto ga shita no de, watashi wa zen’ya mita karakami no sukima kara kossori sono heya o nozokimashita. Sono oto wa hatagoya no aruji de, sono ushirosugata o maruku shite, toko no ma ni aru nimotsu ka o shikiri ni shirabete iru no ga me ni hairimashita. Yoku miru to, sore wa tabibito no kaban de aru no ga wakarimashita. Watashi wa ningen no mottomo kurai tokoro o miserareta yǀ na kokochi ga itashimashite, sakuya no fushinsetsu na kango to ii, kono futoku naru okonai to ii, ningen wa kyǀgnj ni yotte kǀ made hiyayaka ni naru koto ga dekiru ka to hijǀ ni fuyukai ni kanjimashita. (275) Da plötzlich im Nebenzimmer ein Rascheln zu hören war [IV], spähte ich (watashi) heimlich durch den Spalt der Papiertüre, durch den [ich] auch die vorige Nacht geguckt hatte. Was dieses Geräusch betraf, fiel [mir] der gebückte Rücken des Wirtes der Herberge, Gepäck oder ähnliches in der Nische eifrig durchsuchend, zuerst in die Augen. Genauer hinsehend, verstand [ich], dass es (sore) die Tasche des Reisenden ist. Ich (watashi) hatte [IV, itasu, Honorativ bescheiden] das Gefühl, der dunkelste Aspekt der Menschen ist [mir] gezeigt worden, und angesichts der unfreundlichen Behandlung [des Kranken] der letzten Nacht, angesichts dieses (kono) unsittlichen Verhaltens, fühlte [ich] ausserordentlichen Missmut, dass Menschen unter bestimmten Umständen so (kǀ) kaltherzig werden können.

259

Bemerkenswert an diesen Stellen ist der Gebrauch von kono (diese/r/s hier) und sono (diese/r/s dort), die sich auf die Deixis des erlebenden Ich beziehen; kono bedeutet in diesem Fall keine distanzierende Benennung des Erzählers, sondern ist in der Beobachtung des erlebenden Ich verankert.

4.5 Ergebnisse Tayama Katai hat hier versucht, seine (später formulierte) Theorie des bǀkanteki taido (Haltung als Danebenstehender) zu verwirklichen, indem er den Erzähler (genauer dessen erlebendes Ich) zum Fokus der Wahrnehmung werden und berichten lässt, was er hörte, sah und dachte. Dabei tut er der Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit der Handlung genüge, indem er den Wahrnehmungs- und Wissenshorizontes des Erzählers – im Gegensatz zu Jnjemon no saigo – nicht überschreitet. Der Ich-Erzähler fungiert einerseits in seiner Funktion als erzählendes Ich als Vermittlungsinstanz, andererseits als erlebendes Ich als Augen- und Ohrenzeuge und berichtet, wie aus der Verteilung der direkten Rede und der Figurenperspektive ersichtlich ist, hauptsächlich aus dessen Perspektive. Dadurch ist er gezwungen, „zur Stelle zu sein“, ununterbrochen zu lauschen und durch Türspälte zu gucken, um die Handlung beschreiben zu können, wobei der Gebrauch der Verben des Sehens und Hörens sowie medialer und präsumptiver Formen ausserordentliche Ausmasse annimmt. Zudem ist er auf Gespräche mit dem Personal der Herberge angewiesen, um Informationen über den Kranken zu erhalten. Gleichzeitig bemüht sich Tayama, die Erzählerfigur zurückzunehmen, das heisst, diese nicht auszumalen. Der Leser erfährt nichts über dessen Hintergrund und Beruf, nicht einmal seinen Namen, und weiss nicht, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Nichtsdestotrotz mischt sich der Erzähler immer wieder ins Geschehen ein, wenn auch in geringerem Masse als in Jnjemon no saigo, indem er seiner Betroffenheit und Hilflosigkeit Ausdruck gibt oder allgemeine Bemerkungen über Leben und Tod macht und so immer wieder die kleinliche Subjektivität des „Autors“ in die Erzählung einbringt, die Tayama ja auszumerzen bemüht war. Auch in Rinshitsu zeigt sich, dass eine personalisierte Vermittlungsinstanz viel eher die Tendenz hat, allgemeine Bemerkungen im gnomischen Präsens einzustreuen.

260

Der Versuch Tayamas, Wahrscheinlichkeit durch die Beobachtungen eines Ich zu gewährleisten, mündet in eine Erzählung, die gerade durch die Beschränktheit des Horizontes der Erzählinstanz um so gekünstelter wirkt. 123 Die Beschränkung verunmöglicht Perspektivenwechsel oder die Vermittlung der Innerlichkeit anderer Figuren, ausser durch Emotionsausdrücke oder direkte Rede, Mittel von denen Tayama wenig Gebrauch macht, ausser dass er Figuren wie den Wirt oder den Arzt durch ihre Rede charakterisiert. Trotzdem kann oder will Tayama nicht darauf verzichten, die Innerlichkeit der anderen Figuren einzubringen und benutzt dazu die Vorstellungen des Ich-Erzählers. Wichtig ist dabei, dass der Erzähler nicht fantasiert (knjsǀ), sondern sich die Innerlichkeit anderer aus der Erfahrung bzw. Beobachtung vorstellen (sǀzǀ) kann, also nicht „erfindet“. Rinshitsu ist eine der letzten Ich-Erzählungen mit einem peripheren Erzähler nach 1907.124 Tayama muss es klar gewesen sein, dass heimenbyǀsha aus der Perspektive eines peripheren Ich-Erzählers zu Unnatürlichkeit führte. Zwar glaubte er, diese Erzählsituation sei vorteilhaft für die Beschreibung der „eigenen“ Innerlichkeit, war sich aber gleichzeitig bewusst, dass für komplizierte Sachverhalte die Erzählung in der dritten Person, obwohl viel schwieriger, besser geeignet war.125 123 Die damalige Kritik allerdings bevorzugte Rinshitsu im Vergleich zu Shǀjobyǀ, da Rinshitsu als wahrscheinlicher angesehen wurde. Vgl. auch Yoshida (1973: 153), der das Ende von Shǀjobyǀ als „erfunden“ kritisiert. 124 Die Erzählungen mit einem peripheren Ich-Erzähler sind: Kuruma no oto (ゞߩ㖸, Räderrollen, 1908) und Hǀdan (⎔ᒢ, Kanonendonner, 1910), von einem Mitglied einer Gruppe Journalisten skizzenhaft wiedergegebene Kriegseindrücke, in denen die Vermittlungsinstanz fast verschwindet. Ani (ఱ, Der ältere Bruder, 1908) ist eine auf biografischen Gegebenheiten beruhende Ich-Erzählung, in der der Erzähler Protagonist ist und den Tod eines älteren Bruders schildert. Fuan ( ਇ቟ Angst, 1908) und Hakushi (⊕⚕, Weisses Papier, 1909) sind zwei experimentelle Stücke, die die Problematik von Shǀjobyǀ aufnehmen. Fuan schildert den Verfolgungswahn eines Mannes in einer Ich-Erzählsituation, die im letzten Teil in eine Er-Erzählung mündet, wodurch sich die Angst in Gelächter auflöst. Hakushi ist eine Rahmenerzählung, die Tagebuchaufzeichnungen eines dem Wahnsinn nahen Menschen enthält. Interessant ist übrigens, dass Tayama nie eine aus einem inneren Monolog bestehende Erzählung geschrieben hat, die ja die Erzählform in der ersten Person ist, in der der Erzähler ausgeschaltet bleibt. 1909 schrieb Tayama die Ich-Erzählung Wana ( ⟂ , Die Falle), die ausgeprägt diegetisch-fiktional, durch die vielen Kommentare eher einem Essay als einer Erzählung gleicht. 125 Vgl. Tayama (1995, Katai zenshnj 26: 257–258).

261

5

Ippeisotsu

5.1 Entstehung Die Kurzerzählung Ippeisotsu 125 (Der Soldat, wörtlich ein [einzelner] gemeiner Soldat) entstand im Jahre 1907 und erschien 1908 in der Neujahrsnummer der Zeitschrift Waseda bungaku. Wie Rinshitsu thematisiert auch Ippeisotsu den Tod eines Menschen an Beriberi. Obwohl der Stoff der gleiche ist, ist die Erzählhaltung von Ippeisotsu völlig anders gestaltet: Es finden sich keine auktoriale Bemerkungen über die Wirkung des Todes auf einen unbeteiligten Betrachter oder Erzähler, obwohl die Intention des Werkes gerade darin besteht, dieses Gefühl zu schildern – die Wirkung soll sich nun unmittelbar dem Leser mitteilen. In Rinshitsu versuchte Tayama sein Thema aus der Sicht eines fingierten Aussagesubjekts zu berichten, in Ippeisotsu wird in einer neutralen Erzählsituation aus Figurenperspektive dargestellt.

5.2 Inhalt Ein Soldat ist unterwegs. Aus seinen Gedanken ist ersichtlich, dass er auf einer Strasse in der mandschurischen Ebene geht, zwanzig Tage in einem Lazarett gelegen hat, und versucht, seine Einheit wieder zu erreichen. Der Anblick eines Zuges erinnert ihn an seine Abreise von Toyohashi, an den Abschied von Frau und Mutter, Bilder seiner Kindheit steigen in ihm auf. Weitergehend erinnert ihn die Strasse an die Wege seiner Heimat, und assoziativ verknüpft mit regennassen Wegen erinnert er sich an die Schlacht um die Brücke von Daishi und an einen Kameraden, der dort fiel. Proviantwagen kommen gefahren, er steigt auf. Er überlässt sich seinen Schmerzen und merkt schliesslich, dass die Wagen in einem Dorf angekommen sind. Hier wird er von einem Unteroffizier angesprochen, der ihm erklärt, in Liaoyang habe die Schlacht begonnen– Geschützdonner ist zu hören. (Abschnitt eins)

125 Tayama (1993, Katai zenshnj 1: 608–631).

263

Die Fuhrwerke sind fort, und der Soldat entschliesst sich, zum nächsten Etappendepot weiterzugehen, wo er sich ausruhen will. Das Zirpen der Insekten (das auf Sommerende deutet) ruft Heimweh hervor, er erinnert sich seiner Gedanken während seiner Einberufung und wird sich seiner Angst und Verzweiflung bewusst, er weint. Zwei Gefreite überholen ihn, sie ermutigen ihn, bis Xintaizi durchzuhalten, wo es einen Arzt gibt. (Abschnitt zwei) Im Etappendepot von Xintaizi herrscht ein grosses Durcheinander, es ist unmöglich, einen Arzt zu finden. Die beiden Gefreiten schicken den Soldaten zur Kantine, wo er sich ausruhen kann. Dort angelangt, findet er eine offene Tür und ein leeres Zimmer, wo er sich hinlegt. (Abschnitt drei) Der Wirt, von Schreien geweckt, erscheint mit einem Soldaten. Sie finden den Kranken, sehen, dass keine Hoffnung mehr besteht, dass er an Herzlähmung durch Beriberi leidet, wundern sich, wo er herkommt und lesen es im Soldbuch nach: Katǀ Heisaku, Provinz Mikawa, Kreis Atsumi, Dorf Fukue... (Abschnitt vier) Im Morgengrauen kommt der Arzt, der Soldat ist tot. Der Angriff vom ersten September auf Liaoyang hat begonnen. (Abschnitt fünf)

5.3 Aufbau Die Erzählung umfasst 22 Seiten oder 240,5 Zeilen. Sie ist in fünf durch vier Leerzeilen getrennte Abschnitte unterschiedlicher Länge gegliedert, wobei die Leerzeilen immer das Vergehen von Zeit implizieren. Die erzählte Zeit beträgt etwa einen halben Tag und eine Nacht, wobei in den ersten vier Abschnitten Zeit- oder Ortsangaben nie explizit erwähnt, sondern in die Wahrnehmungen des Soldaten oder in direkte Rede eingebaut sind. Der Aufbau der Erzählung ist chronologisch und immer wieder durch Rückblicke unterbrochen, Rückwendungen kommen nicht vor. Jeder Abschnitt ist an einem anderen Ort situiert. Im ersten Abschnitt ist der Soldat unterwegs nach Anshan, wo seine Einheit stationiert ist und kommt in einem Dorf an. Der zweite Abschnitt schildert seinen Weg nach Xintaizi, einem Depot, der dritte die Ankunft daselbst und seine Suche nach einem Zimmer, der vierte Abschnitt spielt nachts, wobei die Zeitangaben wieder in direkte Rede eingebaut sind. Der fünfte und letzte

264

Abschnitt umfasst nur 2,5 Zeilen, und ist, da der Soldat gestorben ist, nicht mehr Figurenperspektive, sondern einer Vermittlungsinstanz zuzuschreiben. In diesem Abschnitt finden sich auch die einzigen expliziten Zeitangaben.

5.4 Analyse 5.4.1

Allgemeine Bemerkungen

Ein Vergleich mit Rinshitsu zeigt sehr schön den Unterschied zwischen einer personalisierten und einer neutralen Erzählsituation bei der Behandlung des gleichen Stoffes. Was in diegetisch-fiktionalen Erzählungen in Erzählerebene und Handlungsebene geschieden wird, ist jetzt im Bewusstsein des Protagonisten vereint, der einerseits als wahrnehmendes und andererseits als sich jetzt erinnerndes Subjekt fungiert. In Ippeisotsu ist die Vermittlungsinstanz ausgeschaltet, und der Protagonist wird zum Reflektor, einem Reflektor, der nicht nur seine Umgebung und jetzige Befindlichkeit, sondern auch seine Vergangenheit spiegelt, also ein erinnernder (oder meditierender) Reflektor ist. Während in diegetisch-fiktionalen Texten die Übergänge von der Erzähler- zur Figurenebene oft durch Zeitangaben explizit gemacht werden, gibt es in Ippeisotsu nur noch Wechsel von der Handlungs- zur Erinnerungsebene. Diese sind durch Assoziationen markiert, und die Rückkehr ins Hier und Jetzt der Handlung werden durch Wahrnehmungen der Umgebung oder der eigenen Körperlichkeit signalisiert. Da dieser Text keine Vermittlungsinstanz mehr hat, fehlen die Elemente, die auf der Erzählerebene vorkommen: Leseranreden, Hinweise auf den Akt des Erzählens, Kommentare im gnomischen Präsens oder auf der Handlungsebene, summaries, sowie Vorausdeutungen und Rückwendungen. Der Protagonist und seine Umgebung werden nie beschrieben, Orts- und Zeitangaben aus dem Wahrnehmungshorizont der Figur dargestellt. Dies ändert sich erst, als der Protagonist das Bewusstsein verliert, nicht mehr als Reflektor dienen kann und eine Vermittlungsinstanz seine Stelle einnehmen muss.126

126 Dies ist eine übliche Erscheinung in mimetisch-fiktionalen Texten. Es gibt nur wenige Erzählungen, die versuchen, den Tod des Protagonisten aus dessen Wahr-

265

Ein Text ohne Aussagesubjekt hat keine Berichtstruktur mehr: was in diegetisch-fiktionalen Texten als Bericht oder Beschreibung bezeichnet wurde (Innerlichkeits-, Gedanken- und Redeberichte) gehört nun zu einer neutralen Erzählfunktion; Rede wird entweder in Rückblicken erinnert oder direkt ohne Einführungsverben angeführt, wobei alle Reden in den Wahrnehmungshorizont des Soldaten eingebaut sind. Die Innerlichkeit des Soldaten wird durch Verben der inneren Verfassung oder als unvermittelt wiedergegebene Gedanken (erlebte Rede) geschildert, wobei zitierte (in Anführungsstriche gesetzte) Gedanken fast ganz fehlen. Ausnahmen von dieser Erzählhaltung, Spuren auktorialer Innerlichkeitsberichte kommen erst vor, wenn das Bewusstsein des Protagonisten getrübt ist, sind aber selten. Mediale Formen finden sich nur in der Perspektive der Figuren. Vergehende Zeit wird, ausser durch die seltenen Ausdrücke shibashi und shibaraku (eine Weile) oder dǀji ni (gleichzeitig), kaum erwähnt. Die Vergangenheit des Protagonisten ist ausnahmslos in dessen Erinnerung eingebettet. Im vierten Abschnitt, als der sterbende Soldat vom Wirt und einem Soldaten gefunden wird, wechselt die Perspektive zu diesen, die Erzählsituation bleibt aber neutral. Die hier-und-jetzt-Deixis des Protagonisten beeinflusst den Gebrauch der Verbformen: Werden Vorgänge oder Beobachtungen aus dem Wahrnehmungshorizont des Protagonisten geschildert, so stehen die Verben im Präsens, sofern die Handlung nicht abgeschlossen ist. Dies gilt auch für die Verben der Wahrnehmung wie mieru (sichtbar sein) und kikoeru (hörbar sein), die in diesem Text ausserordentlich zahlreich sind. Auffallend ist die Häufigkeit von ima (jetzt) und der Gebrauch der Deiktika (des a ko so do -Systems). Dies ist an die Erzählhaltung angeglichen, es werden hauptsächlich die k- und a- Stufe (kore und are, kǀ und Ɨ, kono und ano, koko und asoko) verwendet, also das dem Protagonisten Nahe oder Entfernte, das heisst, jetzt Erlebte oder Erinnerte. Die s- Stufe (sore, sono, soko) ist selten – diese wird einerseits für die vom Protagonisten als „Objekt“ beobachteten Menschen und Dinge gebraucht, andererseits im vierten Abschnitt für den Protagonisten, als die Perspektive zu anderen Figuren wechselt.

nehmungshorizont zu beschreiben. Beispiele sind Arthur Schnitzlers Fräulein Else und Ödön von Horvaths Ein Kind unserer Zeit.

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Ippeisotsu dürfte einer der ersten Versuche der japanischen Literatur sein, einen mimetisch-fiktionalen Text zu schreiben. Alle die Elemente der Vermittlung, die in den Analysen bisher beschrieben worden sind, sind nun in Figurenperspektive eingebaut. Die Erzählhaltung, die Figuren zum Zentrum der Wahrnehmung zu machen, die in geringerem Masse schon in Shǀjobyǀ und vermehrt in Futon zum Ausdruck kam, ist in Ippeisotsu durchgehend beibehalten. Da in diesem Text dargestellt (mimetisch-fiktionale Erzählhaltung) und nicht berichtet (diegetisch-fiktionale Erzählhaltung) wird, ist es sinnlos, „Elemente der Mittelbarkeit“ aufzuzählen. Ebenso unsinnig ist es, die verschiedenen „Elemente der Unmittelbarkeit“, auseinander zu halten, da diese (Handlung, Wahrnehmung, Gefühle, Gedanken und Erinnerungen) ineinander greifen und assoziativ verknüpft sind. Deshalb soll, besonders auch um die Art der Verknüpfung zeigen zu können, diese Erzählung chronologisch abgehandelt werden. Auf die wenigen Spuren einer Vermittlungsinstanz wird an gegebener Stelle hingewiesen. 5.4.2

Benennung der Figuren

Auch Ippeisotsu beginnt wie Futon mit kare 127 , einem referenzlosen [Pro]nomen. Aber da kein Erzähler vorhanden ist, bleibt es bei dieser einzigen Benennung – der Protagonist wird nie otoko genannt und nur ein einziges Mal, wie es in diesem Text als neutrale Benennung möglich wäre, heishi (Soldat, 627). In der Perspektive anderer Figuren erscheint er als byǀhei (kranker Soldat). Trotzdem erfährt der Leser seinen Namen und zwar durch dessen eigene Wahrnehmung, als er eine andere Person in seinem Soldbuch seinen Namen und seine Adresse lesen hört. Keine der anderen Personen wird kare oder bei einem Namen genannt, weil der Soldat diese nicht kennt. Alle auftretenden Personen sind aus seiner Sicht gesehen und benannt, wie zum Beispiel sakki no kashikan (der Unteroffizier von vorhin) oder ima no kashikan (der jetzige Unteroffizier). Militärische Personen werden bei ihrem Rang oder Amt bezeichnet wie gun’i (der Militärarzt), jǀtǀhei (Gefreiter) und heishi (Soldat), das im Titel vorkommende heisotsu (Gemeiner) findet sich im Text nur zweimal (s.u.). Privatpersonen treten kaum auf, ausser dem 127 Yanabu kritisiert auch diese Erzählung, und zwar den Erzähleingang, da kare nur eine bestimmte Person bezeichnen könne und am Anfang „in diesem Sinne natürlich kein Pronomen der dritten Person“ sein könne. (Yanabu 1991: 143).

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Wirt der Kantine, der zuerst als futotta, kuchihige no kǀi, nikoniko shita sanjnjotoko (624, ein feister, lächelnder Mann von dreissig Jahren mit einem dicken Schnurrbart) aus der Wahrnehmung des Soldaten gesehen wird. Später tritt er als hitori no otoko (ein Mann) auf und wird vom Soldaten als futotta kuchihige no aru shuho no kao (das dicke schnauzbärtige Gesicht aus der Kantine) wiedererkannt, worauf diese Person dann shuho no otoko (der Mann aus der Kantine) heisst. Die Referenz für den Soldaten ist fast immer kare, selten jibun oder kono mi, entspricht also wesentlich dem Gebrauch der erlebten Rede und nicht dem inneren oder verlauteten Monolog. Die [Pro]nomen watashi oder boku (ich) werden nicht verwendet. Angesprochen wird der Soldat von Gleichgestellten mit kimi (du) und von Höhergestellten mit dem (pejorativen) kisama. Der Soldat nennt die Personen in seinen Gedanken und Erinnerungen bei ihrer sozialen Stellung (Mutter, Gattin), einen gefallenen Kameraden sono heishi (der Soldat [dort]) oder ano otoko (der Mann oder jener [erinnerte] Mann). Die [Pro]nomen aber, die er in Gedanken für die Unteroffiziere gebraucht, sind pejorativ: Er nennt sie kiyatsu und kiyatsume (609, Kerl). 5.4.3

Direkte Rede

Die direkte Rede in Ippeisotsu umfasst 27.5 von 240 Zeilen, also etwa 11%, wobei der Soldat stets anwesend ist. Abschn.. 1 2 3 4 5 Total %

Anzahl Zeilen 77.0 63.0 61.5 37.0 2.5 241.0 100.0%

DR Zeilen 6.5 11.5 1.0 8.0 — 27.0 11.5%

Soldat 2.0 1.5 0.5 2.0 — 5.5 21.0%

Unteroffizier 4.5 — — — — 4.5 16.5%

Zwei Gefreite — 9.5 — — — 9.5 33.0%

Wirt — — — 6.5 — 6.5 27.5%

Andere — 0.5 0.5 — — 1.0 2.0%

Auffallend an der Verteilung direkter Rede ist, dass der Soldat, obwohl bei allen Konversationen anwesend, kaum spricht. Er redet nie jemanden an, sondern wird angeredet, erst von einem Unteroffizier, um gescholten zu werden, dann von den Gefreiten, die ihm helfen. Sonst ist er passiver Zuhörer, so im dritten Abschnitt, als die Gefreiten sich über den Krieg unterhalten und im vierten Abschnitt, als er die Reden der herbei gekommenen Männer wahrnimmt, aber stumm bleibt (die zwei Zeilen

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„direkte Rede“ im vierten Abschnitt sind seine Schmerz- und Hilferufe, auf die niemand antwortet). Die Funktion der Wiedergabe von direkter Rede besteht meist darin, dem Protagonisten Unbekanntes einzubringen (zum Beispiel den Verlauf der Kampagne). Kommunikation findet kaum statt – auch dieser Protagonist ist wie schon der Held von Rinshitsu und Shǀjobyǀ, ein isoliertes Individuum. 5.4.4

Neutrale Erzählfunktion und Figurenperspektive

a) Der erste Abschnitt Die Erzählung beginnt wie in Futon mit einer einführenden Bemerkung (neutrale Erzählfunktion), die einen kare genannten Menschen unterwegs, dessen Befindlichkeit (Figurenperspektive) und Gefühle (Verben der inneren Verfassung) schildert. Kare wa arukidashita. Tsutsu ga omoi, hainǀ ga omoi, ashi ga omoi. Aruminynjmu sei no kanawan ga koshi no tsurugi ni atatte katakata to naru. Sono oto ga kǀfun shita shinkei o hanahadashiku shigeki suru no de, ikutabi ka sore o naoshite mita ga, dǀshite mǀ naru, katakata to naru. Mǀ iya ni natte shimatta. (608) Er (kare) ging weiter. Das Gewehr ist schwer, der Tornister ist schwer, die Beine sind schwer. Das Kochgeschirr aus Aluminium schlägt scheppernd gegen das Bajonett. Da dieser/dessen (sono) Lärm [seine] aufgeregten Nerven ausserordentlich reizt, hat [er] immer wieder versucht, dieses (sore) abzustellen, doch klappert [es] einfach, klappert. Er war [perf. Aspekt] es leid.

Auf den einführenden Satz im Präteritum folgt ein Präsens, das die Wahrnehmung der Figur in ihrem Hier und Jetzt wiedergibt und weniger temporale Bedeutung hat als der imperfektive Aspekt eines nicht abgeschlossenen Vorganges. Eine Schilderung seines körperlichen Befindens (wieder im Präsens) mündet in erlebte Rede, die einen Rückblick und eine in der Erinnerung enthaltene indirekte Rede wiedergeben. Byǀki wa hontǀ ni naotta no de wa nai kara, iki ga hijǀ ni kireru. Zenshin ni wa onetsuokan ga taezu ǀrai suru. Atama ga hi no yǀ ni nesshite, komekami ga hageshii myaku o utsu. Naze, byǀin o deta? Gun’i ga ato ga taisetsu da to itte are hodo tometa no ni, naze byǀin o deta? (608)

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Da die Krankheit nicht wirklich geheilt ist, ist [er] schrecklich ausser Atem. Durch den ganzen Körper kommen und gehen unaufhörlich Fieber und Schüttelfrost. Der Kopf brennt wie Feuer, die Schläfen schlagen heftig den Puls. Warum hat [perf. Aspekt] [er] das Krankenhaus verlassen? Wo doch der Militärarzt gesagt hatte, wie wichtig die Folge[behandlung] ist [und ihn] in dem (are) Masse zurückgehalten hat, warum hat [er] das Krankenhaus verlassen?

Verben der inneren Verfassung leiten über in die Erinnerung an das Krankenhaus. Das Verb des Denkens kǀ omotta ga (so dachte er), wobei ga weniger adversative Bedeutung als keredo (aber) hat und als parataktische Konjunktion fungiert, wird nun, ohne Spuren einer Vermittlungsinstanz, neutral gebraucht. Kǀ omotta ga, kare wa sore o kui wa shinakatta. Teki no sutete nigeta kitanai yǀkan no itashiki, hachijǀ gurai no heiya ni, byǀhei, fnjshǀhei ga jnjgonin, otoroe to fuketsu to umeki to omogurushii knjki to, sore ni susamajii hae no gunshnj, yoku hatsuka mo shinbǀ shite ita. Mugimeshi no kayu ni sukoshi bakari no shokuen, yoku are de mo ue o shinoida. Kare wa byǀin no ushiro no benjo o omoidashite zotto shita. (608) So (kǀ) dachte [er], doch er (kare) bereute es (sore) nicht. Ein vom Feind verlassenes, schmutziges westliches Gebäude, mit blossem Bretterboden, in einem Zimmer von etwa acht Matten Grösse, fünfzehn Kranke [und] Verwundete, der Verfall und der Schmutz und das Stöhnen und die stickige Luft, dazu die schrecklichen Fliegenschwärme, [er] hat wahrhaftig [Emphase] fünfzehn Tage tapfer durchgehalten. Reis-Gerstengrütze mit nur wenig Salz, damit (are de) hat [er] tapfer das Verhungern ferngehalten. Er (kare) erinnerte [IV] sich an die Latrine hinter dem Krankenhaus [und] schauderte.

Dies ist nicht die Syntax des Berichts (verglichen mit den ausgefeilten Beschreibungen in Rinshitsu), sondern der Figur. In der folgenden Stelle fällt besonders der Gebrauch der Deiktika auf – are und asoko als Demonstrativa, die etwas dem Protagonisten Entferntes, jetzt Erinnertes bezeichnen und kono das Nahe, eben Wahrgenommene. Are yori wa... Asoko ni iru yori wa, kono hirobiro to shita no no hǀ ga yoi. Dore hodo yoi ka shirenu, Manshnj no no wa kǀbaku toshite nani mo nai. Hata ni wa mǀ jukushikaketa kǀryǀ ga tsuranatte iru bakari da. Keredo shinzen na knjki ga aru, hi no hikari ga aru, kumo ga aru, yama ga aru – (609) Besser als das [dort] (are)... Besser als dort (asoko) zu sein, diese (kono) weite Ebene [hier]. Um wie viel besser sogar, die mandschurische Ebene ist [IV] unendlich weit, [es hat] nichts. Nur in den Feldern reiht sich die schon reifende Hirse. Aber es hat frische Luft, hat Sonnenschein, hat Wolken, hat Berge –

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Hier wird aus der Perspektive des Soldaten gezeigt, wo er sich befindet und implizit die Jahreszeit, Ende Sommer oder Anfang Herbst erwähnt. Darauf wechselt die Schilderung, durch einen Gedankenstrich angedeutet, zur Handlungsebene mit einer Wahrnehmung (mimi ni haitta, drang in [sein] Ohr). Asoko bezeichnet das vom Protagonisten entfernte dort, sotchi die Richtung, in die er blickt und sakki (vorhin) bezieht sich auf seine zeitliche Deixis: susamajii koe ga kynj ni mimi ni haitta no de, tachidomatte kare wa sotchi o mita. Sakki no kisha ga mata asoko ni iru. (609) da laute Stimmen plötzlich in [seine] Ohren drangen, blieb [er] stehen. Er (kare) sah dorthin (sotchi). Dort drüben (asoko) ist der Zug von vorhin (sakki no) immer noch.

Das erinnert ihn an eine Konversation mit einem Unteroffizier und seine Bitte, mitgenommen zu werden. Diese Rede, in der die Krankheit, Beriberi, erwähnt wird, ist ohne explizites Signal direkt wiedergegeben (Figurensprache) und nicht in Anführungsstriche gesetzt: Sakki no kashi ga asoko ni notte iru. Ano ichidan takai kome no kamasu no tsumini no ue ni tottate iru no ga kiyatsu da. Kurushikutte totemo aruken kara, Ansanten made nosete itte kure to tanonda. Suru to kiyatsume, hei o noseru kuruma de wa nai. Hohei ga kuruma ni noru to iu hǀ ga aru ka to donatta. Byǀki da, goran no tǀri no byǀki de, kakke o wazuratte iru. Ansanten no saki made ikeba tai ga iru ni sǀi nai. Bushi wa aimitagai to iu koto ga aru, dǀ ka nosete kurette, tatte tanonde mo, iu koto o kiite kurenakatta. Hei, hei to itte, suji ga sukunai to baka ni shiyagaru. (609) Der Unteroffizier von vorhin (sakki) ist dort oben. Der, der auf der/jener (ano) Ladung [dort] hoch aufgeschichteter Reissäcke steht, ist der Kerl. Weil [er] vor Schmerzen nicht mehr gehen kann, hat [er] darum gebeten, [ihn] bis ins Depot von Anshan mitzunehmen (-te kureru). Darauf der Kerl, das ist kein Zug, um Soldaten zu laden. Gibt es eine Regel, dass Infanteristen fahren, brüllte [der Unteroffizier]. [Ich/er] bin/ist krank, [Sie] sehen [Honorativ], [ich/er] bin/ist krank, leide/t an Beriberi. Wenn [ich/er] nach Anshan komme/kommt, ist [dort] bestimmt die Einheit. Samurai helfen einander, heisst es doch, lasst (-te kureru) [mich/ihn] einsteigen, [er] hat inständig gebeten, doch [man] hat nicht auf [mich/ihn] gehört (-te kureru). Soldat, Soldat sagt [IV, der Unteroffizier], verachtet [mich/ihn], weil [ich/er] wenig Streifen habe/hat.

Die Szene wird in der Erinnerung des Soldaten vergegenwärtigt: die Rede, im Präsens ohne Anführungszeichen, wird vom umgebenden Text durch Figurensprache abgegrenzt. [Pro]nomen kommen keine vor. Der Übersetzer muss sich für die erste Person (direkte Redewiedergabe) oder

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die dritte (erlebte Rede) entscheiden, 128 wobei der Gebrauch des Konjunktivs nicht gerechtfertigt ist, da dieser das Tempus der Vermittlung per se ist und diese Rede unvermittelt wiedergegeben wird. In modernen europäischen Texten müsste Präteritum Indikativ (erlebte Rede) gesetzt werden: Der Unteroffizier von vorhin war dort drauf. Der Kerl, der dort auf der Ladung hoch aufgeschichteter Reissäcke stand. Er hatte darum gebeten, bis ins Depot von Anshan mitgenommen zu werden, weil er vor Schmerzen nicht mehr gehen konnte. Darauf der Kerl, das war kein Zug, um Soldaten zu laden. Gab es eine Regel, dass Infanteristen fuhren, brüllte der Unteroffizier. Er war krank, litt an Beriberi, das konnte man doch sehen. Wenn er nach Anshan kam, war [dort] bestimmt seine Einheit. Samurai halfen einander, hiess es doch, man möge ihn einsteigen lassen, hatte inständig gebeten, doch man hatte nicht auf ihn gehört. Soldat, Soldat sagte der Unteroffizier, verachtete ihn, weil er wenig Streifen hatte.

Auf diese Konversation folgen die Reflexionen des Soldaten: Kinshnj de mǀ, Tokuriji de mo, hei no okage de sensǀ ni katta no da. Bakame, akumame! (609) In Jinzhou und auch beim Tempel Deli haben [sie] im Krieg dank der Soldaten gewonnen. Idiot, Teufel!

Der Soldat beobachtet, wie der Zug von chinesischen Arbeitern weitergezogen wird und sieht seine eigene Abreise vor Augen: Ari da, ari da, hontǀ ni ari da. Mada soko ni iyagaru. Kisha mo Ɨ natte oshimai da. Futo kisha – Toyohashi o tatte kita toki no kisha ga me no mae o tǀrisugiru. Teishajo wa kokki de uzumerarete iru. Banzai no koe ga nagaku nagaku tsuzuku. To kotsuzen saiai no tsuma no kao ga me ni ukabu. (609) Ameisen, Ameisen sind’s, wirklich Ameisen. [Der Zug] immer noch dort (asoko). Wenn es mit einem Zug soweit (Ɨ) kommt [IV], ist Schluss. Unversehens fährt ein Zug – der Zug zur Zeit des Aufbruchs von Toyohashi vor seinen Augen vorbei. Der Bahnhof ist über und über mit Staatsflaggen geschmückt. Banzai-Rufe setzen sich lange, lange fort. Und plötzlich schwebt vor [seinen] Augen das Gesicht [seiner] über alles geliebten Frau.

128 Henshall (Tayama 1981: 150) setzt in seiner Übersetzung die Rede in der ersten Person in Anführungszeichen, Rau (Tayama 1992: 47) in die dritte Person, braucht aber dabei den Konjunktiv eins, was die Rede als vermittelt ausweist.

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Er erinnert sich an andere Personen, seine Heimat und seine Kindheit und darauf folgt eine Schilderung seiner Innerlichkeit – die Verben der inneren Gestimmtheit könnten in einem anderen Kontext einer Vermittlungsinstanz zugeschrieben werden, wie die Demonstrativa sore (statt kore) und der Gebrauch von genzai (gegenwärtig) statt ima (jetzt) zeigt – schlagen aber gleich wieder in die direkte Wahrnehmungen der Figur um. Kako no omokage to genzai no kutsnjfuan to ga, hakkiri to kukaku o tatete orinagara, shikamo sore ga suresure ni suriyotta. Tsutsu ga omoi, hainǀ ga omoi, ashi ga omoi. Koshi kara shita wa tanin no yǀ de, jibun de aruite iru no ka inai no ka, sore sura hakkiri to wa wakaranu. (610) Die Schatten der Vergangenheit und die gegenwärtigen Schmerzen und Ängste, diese (sore), obwohl deutlich abgegrenzt, drangen auf [ihn] ein. Das Gewehr ist schwer, der Tornister ist schwer, die Beine sind schwer. Der Unterleib scheint [yǀ da, Präsumptiv] einem Anderen zu gehören, ob [er] selbst (jibun de) geht oder nicht, sogar das (sore) weiss [er] nicht genau.

Er wird sich der schlechten Strasse gewahr, was in ihm Assoziationen mit den Wegen seiner Heimat hervorruft. Die Strassen der Mandschurei sind diese hier (kǀ, kono), die der Heimat die erinnerten jene dort (ano). Kǀ iu Manshnj no dǀro ni wa kare wa hotondo aisǀ o tsukashite shimatta. Doko made ittara, kono michi wa naku naru no ka. Doko made ittara konna michi wa arukanakutte mo yoku naru no ka. Furusato no isagomichi, amaagari no shimetta kaigan na isagomichi, ano nameraka kokochi no yoi michi ga natsukashii. (610) Von solchen (kǀ iu) Strassen der Mandschurei hat er (kare) längst genug [perf. Aspekt]. Wie weit muss [er] gehen, bis dieser (kono) Weg aufhört? Wie weit muss [er] gehen, bis [er] solche (konna) Wege nicht mehr zu gehen braucht? Die Kieswege der Heimat, die nach dem Regen feuchten Kieswege am Strand, jene [bekannten] (ano) sich glatt und bequem anfühlenden Wege vermisst [er].

Die regennassen Wege erinnern ihn an den Regen hier, ein neuer Rückblick schildert seine Erfahrung in der Schlacht. Diese Erinnerungen stehen, da in der Vergangenheit des Soldaten situiert, im Präteritum, sind aber so lebhaft und gegenwärtig, dass die Zeitangabe von morgen/ morgig (ashita no) in Verbindung mit dem Präteritum steht, das heisst, dass das Präteritum den Vergangenheitscharakter verliert. Kore ga ame ga ichinichi furu to, kabetsuchi no yǀ ni yawarakaku natte [...]. Daisekkyǀ no sensǀ no mae no ban, kurai yami no deinei o sanri mo konemawashita. Se no ue kara atama no kami made wa hane ga agatta. Ano toki wa

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hǀsha no engo ga ninmu datta. [...] Daisanrentai no hǀsha ga saki ni dete jinchi o senryǀ shite shimawanakereba ashita no tatakai wa dekinakatta no da. Soshite shnjya hataraite, yokujitsu wa ano sensǀ. (610) Wenn diese [Strassen hier] (kore) einen Tag verregnet werden, werden [IV] [sie] so weich wie Mörtel [...]. Am Vorabend der Schlacht um die Brücke von Daishi war [er] in der Dunkelheit sogar zehn Kilometer durch den Schlamm gewatet. Vom Rücken bis zu den Haaren hatte [der Schlamm] gespritzt. Damals (ano toki) hatte [er] den Befehl, die Geschütze zu decken. [...] Denn hätten die Geschütze des dritten Regiments nicht nach vorn in Stellung gebracht werden können, konnte der Kampf von morgen (ashita no) nicht stattfinden. Und so arbeitete [IV] [er] die ganze Nacht. Und am folgenden Tag jener/der (ano) Kampf.

Die Erinnerung an die Schlacht und an den Tod eines Kameraden wird in seinen Gedanken vergegenwärtigt. Retsu no naka de a tto itta mono ga aru. Hatto omotte miru to, chi ga dara dara to atsui ynjhi ni irodorarete, sono heishi wa gakkuri mae ni nometta. Mune ni tama ga atatta no da. (611) Es gibt einen in der Reihe, der sagte ah! Erstaunt sah [er] hin, das Blut floss langsam, von der heissen Abendsonne gefärbt, dieser (sono) Soldat [dort] plumpste vornüber. Denn eine Kugel hatte die Brust getroffen.

Darauf wechseln die Erinnerungen zu Reflexionen (der erinnernde wird zum meditierenden Reflektor), als er über den gefallenen Kameraden nachdenkt (in seinen Gedanken wird dieser sono heishi oder ano otoko genannt), wobei die Postposition -kke Figurensprache (Dialekt) ist.129 Sono heishi wa yoi otoko datta. Kaikatsu de, shadatsu de, nanigoto ni mo ki ga okenakatta. [...] Jǀriku tǀza wa issho ni yoku chǀhatsu ni ittakke. Buta o ǀimawashitakke. Keredo ano otoko wa mǀ kono yo ni inai no da. Inai to wa dǀshite mo omoen. Omoen ga inai no da. (611) Dieser (sono) Soldat ist ein guter Mann gewesen. Lebhaft, ungezwungen, allem offen. [...] Zur Zeit der Landung sind [sie] oft zusammen requirieren gegangen (-kke). Haben Schweine gejagt (-kke). Aber der/jener (ano) Mann ist schon nicht mehr in dieser (kono) Welt. Nicht mehr da, [er] kann es einfach nicht fassen. Kann es nicht fassen, doch [der Soldat] ist nicht mehr.

129 Nach Kokugodaijiten (783) ist -kke eine Postposition der Erinnerung (ostjapanischer Dialekt), wird nur in Umgangssprache verwendet und hat eine bekräftigende Nuance, nach Daijirin (742/1486) eine Nuance des Bedauerns.

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Eine Wahrnehmung der Umgebung bringt ihn wieder in die Handlungsgegenwart. Er bemerkt einige Wagen, versucht sie einzuholen und ruft; wobei er sich die Innerlichkeit der Fuhrleute vorstellt. Kasshoku no dǀro o, ryǀshǀ o manzai shita kuruma ga zorozoro iku. Rasha, rosha, Shinajin no jiji no uouo uiui ga kikoeru. [...] Zenshin no chikara o shibotte yonda. Kikoeta ni sǀi nai ga furimuite mo minai. Dǀse roku na koto de wa nai to shitte iru no darǀ. (611) Auf der braunen Strasse gehen Maulesel- und Eselgespanne in einer Reihe, die Hüund Hott-Rufe alter Chinesen sind zu hören [kikoeru, medialer Aspekt]. [...] [Er] rief mit aller Kraft. Bestimmt haben [sie ihn] gehört, aber gucken nicht einmal zurück. Wissen vermutlich [darǀ, Dubitativ], dass nichts zu verdienen ist [IV].

Der Soldat holt schliesslich die Wagen ein und steigt auf. Seine Befindlichkeit wird geschildert, wobei die Präsumptive yǀ da und sǀ da (den Anschein haben, scheinen) gebraucht werden, Atama ga guragura shite tenchi ga kaiten suru yǀ da. Mune ga kurushii. Atama ga itai. Ashi no fukurahagi no tokoro ga oshitsukerareru yǀ de fuyukai de fuyukai de shikata ga nai. Yaya to mo suru to mune ga mukatsukisǀ ni naru. (612) Der Kopf geht rundum, Himmel und Erde scheinen [yǀ da, Präsumptiv] sich zu drehen. Die Brust schmerzt. Der Kopf schmerzt. Die Beine scheinen [sǀ da, Präsumptiv] an den Waden zusammengedrückt zu werden, unangenehm, unangenehm, nichts zu machen. Gleich scheint (-sǀ ni naru) [es ihm] übel zu werden.

und seine Innerlichkeit, die wieder in direkte Wahrnehmung (kono, kǀ) umschlägt und nun zum Teil ohne Präsumptive wiedergegeben wird. Fuan no nen ga susamajii chikara de zenshin o osotta. To dǀji ni, osoroshii dǀyǀ ga mata hajimatte, mimi kara mo atama kara mo, iroiro na koe ga sasayaite kuru. Kono mae mo kǀ shita fuan wa atta ga, kore hodo de wa nakatta. Ten ni mo chi ni mo mi no okidokoro ga nai yǀ na ki ga suru. (612) Angstgefühle überfielen den ganzen Körper mit gewaltiger Kraft. Gleichzeitig begann das entsetzliche Schütteln [des Wagens] wieder, aus den Ohren, aus dem Kopf flüsterten allerlei Stimmen daher (-te kuru). Schon das letzte Mal (kono mae) hatte [er] diese (kono) Angst gehabt, aber nicht in diesem (kore) Masse. [Ihm] scheint [yǀ da, Präsumptiv], im Himmel und auf Erden gibt es keinen Ort für ihn (mi).

Die Zeit, die er auf diesem Wagen verbringt, wird nicht thematisiert (da nicht wahrgenommen), die Ankunft in einem Dorf steht in Figurenperspektive:

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No kara mura ni haittarashii.[...] Futo ki ga tsuku to, kuruma wa tomatte ita. (612) Offensichtlich [-rashii, Präsumptiv] waren [sie] von der Ebene in ein Dorf gekommen. [...] Unversehens merkt [IV] [er], dass das Fuhrwerk angehalten hat [perf. Aspekt].

Er wird geschüttelt, es ist Nihonjin da, waga dǀho da, kashi da. (613) Ein Japaner, ein (waga, mein) Landsmann, ein Unteroffizier.

Im folgenden Dialog, in dem keine Einführungsverben stehen, erfährt der Soldat, der wenig spricht, aber hin und wieder nickt (unazuite miseru, [er] zeigt ein Nicken), dass Anshan gefallen ist, und die Schlacht um Liaoyang begonnen hat. Der Soldat hört den Kanonendonner und stellt sich die Schlacht vor (sǀzǀ sareru, sich vorstellen können), sieht sie vor Augen, (ganzen ni ukabu, vor Augen schweben). Isshu no tǀi kasuka naru todoroki, shisai ni kikeba naru hodo hǀsei da. Rei no iya na oto ga zujǀ o tobu no da. Hoheitai ga sono aida o nutte shingeki suru no da. Chishio ga nagareru no da. Kǀ omotta kare wa isshu no kyǀfu to dǀkei to o oboeta. Sen’ynj wa tatakatte iru. Nihonteikoku no tame ni chishio o nagashite iru. Shnjra no chimata ga sǀzǀ sareru. Sakudan no sǀkan mo ganzen ni ukabu. (614) Eine Art fernes schwaches Grollen, hörte [man, er] genau hin, ist es tatsächlich Kanonendonner. Das übliche (rei no) widerwärtige Sausen über den Köpfen. Die Infanterie schlängelt sich durch und stürmt vor. Das Blut fliesst in Strömen. So (kǀ) gedacht habend, spürte er (kare) eine Art Furcht und Sehnsucht. Die Kameraden kämpfen [imp. Aspekt]. Vergiessen Blut für das japanische Kaiserreich. Er kann sich das Blutbad vorstellen. Auch der heroische Anblick krepierender Geschosse schwebt ihm vor Augen.

Dabei ist ganz deutlich, dass kǀ omotta kare wa (so gedacht habend) neutral ist und zu einer Innerlichkeitsdarstellung überleitet. Im chinesischen Dorf ist es ruhig und friedlich. Mit dieser Szene, die vom Soldaten reflektiert wird, endet der erste Abschnitt. Yanagi no mukǀ ni shiroi kabe no shina-minka ga go-rokken tsuzuite, niwa no naka ni enju no ki ga takaku mieru. Ido ga aru. Naya mo aru. Ashi no chiisai toshioita onna ga obotsukanaku aruite iku. Yanagi o sukashite mukǀ ni, hiroi kǀbakutaru no ga mieru. Kasshoku shita kynjryǀ no renzoku ga yubisasareru. Sono mukǀ ni wa murasakigakatta takai yama ga enen to shite iru. Hǀsei wa soko kara kuru. (615)

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Jenseits der Weiden eine Reihe von fünf, sechs chinesischen Häusern mit weissen Mauern, in einem Garten sind hohe Schnurbäume [Sophora] sichtbar [mieru, medialer Aspekt]. Brunnen hat es. Auch Scheunen. Eine alte Frau mit kleinen Füssen geht stolpernd dahin (-te iku). Durch die Weiden ist dahinter die grosse einsame Ebene sichtbar [mieru, medialer Aspekt]. Mit Fingern wird auf eine braune Hügelkette gezeigt. Dahinter ziehen sich schlängelnd violette Berge. Der Kanonendonner kommt von dort (soko).

b) Der zweite Abschnitt Der zweite Abschnitt ist im wesentlichen gleich aufgebaut. Wahrnehmungen wechseln sich mit assoziativ verknüpften Erinnerungen, Verben der inneren Verfassung und Gedanken. (Um Wiederholungen zu vermeiden, sollen hier nur einige besonders interessante Stellen angeführt werden.) Der Abschnitt beginnt mit der Wahrnehmung Goryǀ no kuruma wa itte shimatta. (615) Die fünf Gefährte waren [schon] gegangen [perf. Aspekt].

und dem Entschluss des Soldaten, weiterzugehen. Die Tageszeit wird aus seiner Perspektive geschildert: Ynjhi wa mono no kage o subete nagaku hiku yǀ ni natta. [...] Kǀryǀ no taeta tokoro ni kita. Kotsuzen kare wa sono mae ni odorokubeki chǀdai naru jiko no kage o mita. Kata no tsutsu no kage wa tǀi no no kusa no ue ni atta. Kare wa kynj ni fukai hiai ni utareta. (616) Die Abendsonne zog die Schatten aller Dinge in die Länge. [Er] kam [perf. Aspekt] an einen Ort, wo die Hirse aufhörte. Plötzlich sah er (kare) vor sich (sono mae) seinen eigenen (jiko no), erstaunlich langen Schatten. Der Schatten des Gewehrs auf seiner Schulter lag weit weg auf dem Gras der Ebene. Plötzlich überfiel [-reru, medialer Aspekt] ihn (kare wa) tiefe Traurigkeit.

Das Zirpen der Insekten erinnert ihn an seine Heimat, und in seine Erinnerung werden nun Informationen über seinen Hintergrund und seine Vergangenheit (ano koro, damals) eingeflochten. Haha no kao, wakai tsuma no kao, otǀto no kao, onna no kao ga sǀmatǀ no gotoku senkai suru. Keyaki no ki de kakomareta mura no kynjka, danran seru heiwa na katei, tsuzuite sono mi ga Tǀkyǀ ni shnjgyǀ ni itta ori no wakawakashisa ga omoidasareru. Kagurazaka no yo no nigiwai ga me ni mieru. Uruwashii kusabana,

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zasshiten, shinkan no hon, kado o magaru to nigiyaka na yose, machiai, samisen no oto, adameita onna no koe, ano koro wa tanoshikatta. Koi shita onna ga Nakachǀ ni ite, yoku asobi ni itta. Marugao no kawaii musume de, ima de mo koishii. Kono mi wa inaka no gǀke no wakadanna de, kane ni wa fujiynj o kanjinakatta kara, zuibun omoshiroi koto o shita. Sore ni ano koro no ynjjin wa minna yo ni dete iru. Kono aida mo Gaoihei de dairokushidan no taii ni natte ibatte iru yatsu ni dekkuwashita. (616–617) Das Gesicht der Mutter, das Gesicht [seiner] jungen Frau, das Gesicht des Bruders, Gesichter von Frauen drehen sich wie in einem Kaleidoskop. Das alte, von Zelkoven umgebene Haus, das friedliche Beisammensein der Familie, darauf seine Jugendzeit, als er/ich (kono mi) zur Ausbildung nach Tǀkyǀ gegangen, fielen [omoidasareru, medialer Aspekt] [ihm] ein. Das rege Nachtleben am KagurazakaAbhang steht sichtbar [me ni mieru, medialer Aspekt] vor Augen, die prächtigen Blumen, die Zeitschriftenläden, die neu herausgekommenen Bücher, gleich um die Ecke die lebhaften Kabaretts, Absteigequartiere, Shamisenklänge, kokette Frauenstimmen, damals (ano koro) hat [er sich] amüsiert. Die geliebte Frau lebte [IV] in Nakachǀ, oft hat [er sie] besucht. Ein reizendes Mädchen mit rundem Gesicht, [er] sehnt [sich] jetzt (ima) noch [nach ihr]. Er/ich [kono mi] kannte als junger Herr einer wohlhabenden ländlichen Familie keine Geldnot, und hatte mancherlei Interessantes getrieben. Zudem haben alle Freunde jener (ano) Zeit Karriere gemacht. Erst kürzlich hat er in Gaiping einen Kerl (yatsu) getroffen, der [damit] prahlte, Hauptmann der Sechsten Division geworden zu sein.

Diese Bilder der Jugend werden mit der Realität des Krieges, früheren Reden und Gedanken in einem Rückblick mit den heutigen kontrastiert. Eingeführt wird diese Passage mit einem direkt wiedergegebenen Gedanken, wonach Verben der inneren Verfassung in einen Rückblick überleiten, der seinerseits in erlebte Rede mündet. Guntai seikatsu no sokubaku hodo zankoku na mono wa nai to totsuzen omotta. To, kyǀ wa fushigi ni mo higoro no yǀ ni hankǀ to ka gisei to ka iu nen wa okorazu ni, kyǀfu no nen ga sakan ni moeta. Shuppatsu no toki, kono mi wa kuni ni sasage, kimi ni sasagete ikan ga nai to chikatta. Futatabi wa kaette kuru ki wa nai to, mura no gakkǀ de ooshii ensetsu o shita. Tǀji wa genki ǀsei, karada sǀgen de atta. De, sǀ itte mo mochiron shinu ki wa nakatta. Kokoro no soko ni wa hanahanashii gaisen o yume mite ita. De aru no ni, ima kotsuzen okotta no wa shi ni taisuru fuan de aru. Jibun wa totemo ikite kaeru koto wa obotsukanai to iu ki ga hageshiku mune o tsuita. Kono yamai, kono kakke, tatoe kono yamai wa naotta ni shite mo senjǀ wa dai naru rǀgoku de aru. Ika ni mogaite mo asette mo kono dai naru rǀgoku kara dassuru koto wa dekinu. Tokuriji de senshi shita heishi ga sono izen kare ni mukatte „dǀse nogarerarenu ana da. Omoikiri yoku shinu sa.“ to itta koto o omoidashita. (617)

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Es gibt nichts Grausameres als den Zwang des militärischen Lebens, dachte [er] plötzlich. Seltsamerweise aber stiegen [IV] heute (kyǀ) nicht wie sonst Gefühle wie Trotz oder Opferwille auf, Angst brannte heftig [in ihm]. Zur Zeit der Abreise hatte [er] geschworen, diesen/meinen Leib/mich (kono mi) ohne Reue dem Vaterland, dem Kaiser hinzugeben. Hatte grossartig in der Dorfschule erklärt, nicht die Absicht zu haben, wiederzukehren. Zu der Zeit war [er] gesund [und] blühend gewesen, der Körper kräftig. Und, obwohl so gesagt habend, hatte [er] natürlich nicht daran gedacht zu sterben. Im Grunde seines Herzens hatte [er] von einer glorreichen Rückkehr geträumt. Aber was jetzt (ima) plötzlich aufgestiegen ist, ist die Angst vor dem Tod. Der Gedanke, dass er womöglich nicht mehr lebend zurückkehrt, durchdrang heftig [seine] Brust. Diese (kono) Krankheit, diese (kono) Beriberi, selbst wenn diese (kono) Krankheit heilt [IV], das Schlachtfeld ist ein grosser Kerker. Wie immer [man/er] sich müht und hetzt [IV], es gibt kein Entrinnen aus diesem (kono) grossen Kerker. Der beim Tempel Deli gefallene Soldat hatte früher, „es ist sowieso eine Grube, aus der [man] nicht entkommen kann. Also sterben [wir] entschlossen!“, zu ihm (kare ni) gesagt, erinnerte [er] sich.

Eines der seltenen Beispiele eines Verbs des Denkens in dem die Gedanken als Objekt wiedergeben sind (...o kangaeru), leitet in direkt wiedergegebene Gedanken über: Kare wa hirǀ to byǀki to kyǀfu to ni osowarete, ikani shite kono osoroshii yakkai o nogarubeki ka o kangaeta. Dassǀ? Sore mo ii, keredo toraerareta akatsuki ni wa, kono ue mo nai omei o kabutta ue ni onajiku shi! Sareba tote zenshin sureba sensǀ no chimata no hito to naranakereba naranu. Sensǀ no chimata ni haireba shi o kakugo shinakereba naranu. (617) Er (kare), von Ermattung, Krankheit und Angst befallen, überlegte, wie [er] diesem (kono) schrecklichen Unglück entrinnen kann. Desertieren? Auch das (sore) ist möglich, aber im Moment, da [er] gefangen wird, wird [er] mit der grössten Schande bedeckt und überdies ebenfalls der Tod! Wie dem auch sei, marschiert [er] weiter, muss [er] ins Gemetzel des Krieges geraten. Gerät [er] ins Gemetzel des Krieges, muss [er] auf den Tod gefasst sein.

Diese Überlegungen werden durch eine Bemerkung abgeschlossen, die der neutralen Erzählfunktion zugeschrieben werden können und dann in direkt wiedergegeben Gedanken umschlägt. Kare wa ima hajimete, byǀin o taiin shita koto no orokasa o hishi to mune ni omoiatatta. Byǀin kara kǀsǀ sareru yǀ ni sureba yokatta... to omotta. (617)

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Jetzt (ima) kam ihm (kare wa) zum ersten Mal in den Sinn, was für eine Dummheit es gewesen war, das Krankenhaus zu verlassen. Besser [er] hätte [sich] vom Krankenhaus zurücktransportieren zu lassen... dachte [er].

Die folgenden Passagen, in denen Gedanken und Gefühle wiedergegeben sind, weisen am ehesten Spuren einer Vermittlungsinstanz auf, wie zum Beispiel Raffungen (shikkiri nashi ni, unaufhörlich und ikutabi mo, oft) zeigen. Kare wa oioi koe o agete nakidashita. Mune ga shikkiri nashi ni komiagete kuru. Namida ga kodomo de mo aru yǀ ni hǀ o nagareru. Jibun no karada ga kono yo no naka ni naku naru to iu koto ga tsnjsetsu ni kanashii no da. (618) Er (kare) begann mit lauter Stimme zu weinen. Übelkeit steigt unaufhörlich hoch. Tränen fliessen über die Wangen, als sei [er] ein Kind. Dass sein eigener (jibun no) Körper aus dieser Welt scheiden soll [IV], ist [Emphase] bitter traurig.

Auch die folgende Gedankenwiedergabe ist gerafft, dient aber zur Einführung eines Rückblicks, in dem die Raffungen in die Figurenperspektive gehören: Kare no mune ni wa kore made ikutabi mo sokoku o omou nen ga moeta.[...] Teki no gunkan ga totsuzen dete kite, ippǀdan no tame ni shizumerarete, kaitei no mokuzu to natte mo ikan ga nai to omotta. Kinshnj no senjǀ de wa, kikanjnj no shi no sakebi no tadanaka o chi ni fushitsutsu, isamashiku susunda.(618) In seiner (kare no) Brust war bis jetzt (kore) immer wieder die Vaterlandsliebe aufgeflammt. [...] Wenn plötzlich ein feindliches Schiff auftaucht [IV], [sie] durch ein einziges Geschoss versenkt werden [IV, Passiv] [und sie] zu Staub auf dem Meeresgrund werden, [er] hat kein Bedauern, hat [er] sich vorgestellt. Auch auf dem Schlachtfeld von Jinzhou ist [er] mitten im Todesbrüllen der Maschinengewehre, sich immer wieder zu Boden werfend, mutig vorwärtsgestürmt.

Problematisch ist die doppelte Negation im nächsten Satz – die Frage ist, ob diese Bemerkung nun noch zum Rückblick gehört, und der Soldat sich dessen jetzt bewusst ist, oder ob es sich um einen Gedankenbericht handelt. Das darauffolgende kore mo kuni no tame da (auch das ist fürs [Vater]land) weist darauf hin, dass die Bemerkung dem Bewusstseinshorizont des Soldaten zuzuordnen ist.

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Sen’ynj no chi ni mamireta sugata mune o utta koto mo nai de wa nai ga, kore mo kuni no tame da, meiyǀ da to omotta. (618) Nicht, dass die blutverschmierte Gestalt [eines/der] Kameraden nicht [seine] Brust berührt hat, aber auch das (kore) ist fürs [Vater]land, ist Ruhm, hatte er gedacht.

Die folgende Aussage, eingeleitet mit keredo (aber), das in Shǀjobyǀ und Futon so häufig vorkommt, kann als Kommentar im gnomischen Präsens oder als Gedanke des Protagonisten aufgefasst werden. Keredo hito no chi no nagareta no wa jibun no chi no nagareta no de wa nai. Shi to aimen shite wa, ikanaru ynjsha mo senritsu suru. (618) Aber das vergossene Blut eines anderen ist nicht das eigene (jibun no) vergossene Blut. Angesichts des Todes zittern auch die noch so Mutigen.

Die deutsche Übersetzung setzt diese Bemerkung ins Präteritum (Figurenperspektive): Und es war nicht dasselbe, ob das Blut der anderen floss oder das eigene. Angesichts des Todes zitterten auch die noch so Mutigen.130

Diese Stelle, die man als einzigen Erzählerkommentar in Ippeisotsu ansehen könnte, gehört in die Perspektive des Soldaten. Der zweite Abschnitt schliesst wie der erste mit einer Schilderung der Umgebung (die Sonne geht unter) und einer Passage in direkter Rede, als zwei Gefreite dem Soldaten helfen. Die Konversation ist in Anführungsstriche gesetzt und fast vollständig ohne Einführungsverben, nur einmal unterbrochen durch ein Verb der inneren Verfassung und einen Emotionsausdruck (in diesem Text sehr selten) aus der Perspektive des Soldaten, wie das Verbalsuffix -gatte zeigt, das die Bedeutung „sichtbar Emotion zeigen“ trägt. Sosei shita yǀ na ki ga suru. [...] De, futari ni tsuite aruita. Futari wa ki no dokugatte, tsutsu to hainǀ to o motte kureta. (620) [Er] hat das Gefühl, wiedergeboren zu sein. [...] So ging [er] mit den beiden. Die beiden hatten [IV] offenbar (-gatte) Erbarmen [und] trugen [ihm] (-te kureru) Gewehr und Tornister.

130 Rau (Tayama 1992: 54).

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c)

Der dritte Abschnitt

Der dritte Abschnitt unterscheidet sich von den beiden ersten insofern, als er vor allem Handlung enthält: Es gibt weniger Rückblicke, da die in Rückblicken nachgeholte Exposition (Hintergrund und Geschichte des Protagonisten) abgeschlossen ist. Die Szenen, die sich abspielen, werden aus der Perspektive des Soldaten geschildert, mit einigen Raffungen, die in die Wahrnehmung des Soldaten eingefügt sind. Heishi ga kuroyama no yǀ ni atsumatte, nagai tsurugi o sageta shikan ga ikunin to naku detari haittari shite iru. (622) Die Soldaten stehen [IV] zu schwarzen Haufen geballt zusammen, zahllose Offiziere mit langen Schwertern gehen ein und aus.

Die Verben der Wahrnehmung und inneren Verfassung, die die Szenen explizit in den Wahrnehmungshorizont der Figur einfügen, sind hier häufig,. Die Deixis ist jetzt und hier – Ausdrücke, die in diesem Abschnitt besonders häufig sind. Heishi, yusotsu no mure ga isshǀkenmei ni honsǀ shite iru sama ga usugure no kasuka na hikari ni taedae ni mieru. Hitori no kashi ga kasha no nimotsu no ue ni takaku tatte, shikiri ni sono shiki o shite ita. (622) Der Anblick einer Gruppe von Soldaten und Lastträgern, bis zum Äussersten arbeitend, ist im fahlen Abendlicht zu sehen [mieru, medialer Aspekt]. Ein Unteroffizier, hoch auf der Fracht des Güterwaggons stehend, erteilte pausenlos Kommandos. Shintaishi no heitanbu wa ima zattǀ o kiwamete ita. (621) Im Etappendepot von Xintaizi herrschte jetzt (ima) ein wildes Durcheinander. Kare wa koko ni kite gun’i o motometa. (622) Hier (koko) angekommen, suchte er (kare) nach einem Militärarzt.

In diesem Abschnitt findet sich eine der Stellen, in der der Ausdruck Ippeisotsu vorkommt, dieser bezieht sich jedoch nicht auf den Protagonisten, sondern steht in einer allgemeinen Aussage und ist durch das seltene keredo (aber) eingeleitet; sie kann sowohl dem Bewusstsein des Soldaten wie der Gefreiten, die ihn begleiten, zugeschrieben werden.

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Keredo gun’i dokoro no sawagi de wa nakatta. Ippeisotsu ga shinǀ ga ikiyǀ ga sonna koto o tou baai de wa nakatta. (622) Aber es war nicht der Moment, um eines Militärarztes willens viel Aufhebens zu machen. Es war nicht die Gelegenheit zu fragen, ob ein [einzelner] Gemeiner starb oder lebte [Dubitativ].131

Die darauf folgende Rede der Gefreiten wird unvermittelt ohne Anführungszeichen oder Einleitung zitiert und nur durch to no koto da (heisst es) als Rede gekennzeichnet. Die Deixis ist diejenige des/der Sprecher/s. Kare wa futari no heishi no jinryoku no moto ni wazuka ni ichigǀ no meshi o eta bakari de atta. Shikata ga nai, sukoshi mate. Kono rentai no hei ga zenshin shite shimattara, gun’i o sagashite, tsurete itte yaru kara, mazu ochitsuite ore. Koko kara massugu ni san yon chǀ iku to ittǀ no yǀkan ga aru. Sono yǀkan no iriguchi ni wa, shuho ga kesa kara mise o hiraite iru kara sugu wakaru. Sono ǀku ni haitte, nete ore to no koto da. (623) Dank der Bemühungen der beiden Soldaten war es ihm (kare wa) möglich, wenigstens ein gǀ Reis zu erlangen. Nichts zu machen, warte eine Weile. Wenn die Soldaten dieses (kono) Regiments ausgerückt sind [perf. Aspekt], suchen [IV] [wir/ich für dich] einen Militärarzt [und] bringen ihn her (-te yaru)132, beruhige [dich] erstmals. Geht [man] von hier (koko) aus drei, vierhundert Meter geradeaus, kommt man zu einem westlichen Gebäude. Weil beim Eingang zu diesem Gebäude heute Morgen (kesa) der Kanntinenwirt einen Laden eröffnet hat, findet [man] es gleich. Geh [IV] dort hinein [und] leg [dich] hin, heisst es.

Danach ist der Abschnitt ganz aus Figurenperspektive gestaltet, beginnend mit den körperlichen Wahrnehmungen, direkt wiedergegebenen Gedanken und Wahrnehmungen der Aussenwelt:

131 Die deutsche und englische Übersetzung setzen diese Stelle in Figurenperspektive: „Es war nicht daran zu denken, jetzt den Militärarzt zu finden. In dieser Situation fragte niemand danach, ob ein Soldat starb oder am Leben blieb.“ Rau (Tayama 1992: 56) „The doctor, however, seemed to be the last person he could expect to find there. It wasn’t the time and place for worrying about whether one soldier lived or died.” Henshall (Tayama 1981: 159). 132 -te yaru ist eine familiäre Entsprechung zu -te kureru (für jemanden etwas tun).

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Me ga guragura suru. Mune ga mukatsuku. Ashi ga kedarui. Atama wa hageshii kaiten suru. [...].Keredo koko ni taoreru wake ni wa ikanai. Shinu ni mo kakurega o motomenakereba naranu. Sǀ da... kakurega. Donna tokoro de mo yoi. Shizuka na tokoro ni haitte netai, kynjsoku shitai. (622–3) Die Augen gehen rundum. Übelkeit steigt hoch. Die Beine sind träge. Der Kopf dreht sich wild [...] Aber hier (koko) kann [er] nicht umfallen. Zum Sterben muss [er/man] ein Versteck suchen. Ja... ein Versteck. Wo auch immer. [Er] möchte [-tai, Optativ der 1. Person] in einen ruhigen Ort eintreten und schlafen, möchte [-tai, Optativ der 1. Person] [sich] ausruhen. Michi ga ikani tǀi. Ittemo ittemo yǀkanrashii133 mono ga mienu. [...] Koko wa mǀ shizuka da. Atari no hito mo kage mo mienai. Niwakani kurushiku mune ga sematte kita. Kakurega ga nakereba, koko de shinu no da to omotta. Gakkuri taoreta. (623) Der Weg ist so weit. So weit [er] geht und geht kein westlich aussehendes (-rashii) Gebäude ist in Sicht [mieru, medialer Aspekt]. [...] Hier (koko) ist es schon ruhig. Rundum ist keine menschliche Gestalt zu sehen [mieru, medialer Aspekt]. Plötzlich überfiel ihn ein Schmerz in der Brust. Wenn es kein Versteck gibt, stirbt/sterbe [er/ich] eben hier (koko), dachte [er]. Fiel vornüber.

Die Entdeckung der Kantine ist ganz aus der Figurenperspektive gestaltet, wobei das Verb mieru besonders häufig ist: Sora no hoshi no kirameki ga me ni haitta. Kubi o agete sore to naku atari o mimawashita. Ima made mienakatta ittǀ no yǀkan ga sugu sono mae ni aru no ni odoroita. Ie no naka ni wa tomoshibi ga mieru. Marui akai chǀchin ga mieru. Hito no koe ga mimi ni hairu. [...] Naru hodo, sono ie no iriguchi ni shuhorashii mono ga aru. Kurai kara wakaranu ga, nani ka kamarashii mono ga togai no ichignj ni atte, maki no moesashi ga akaku mieta. (623–4) Das Leuchten der Sterne des Himmels fällt in [seine] Augen (me ni hairu). [Er] hob [IV] den Kopf [und] blickte um sich. [Er] wunderte sich, dass das westliche Gebäude, das [er] bis jetzt (ima made) nicht gesehen [mieru, medialer Aspekt] hat, direkt vor ihm (sono mae) liegt. Im Inneren des Hauses ist Licht zu sehen [mieru, medialer Aspekt]. Eine rote Laterne ist sichtbar [mieru, medialer Aspekt]. Menschenstimmen dringen in seine Ohren. [...] Tatsächlich, beim Eingang dieses (sono) Hauses hat es etwas wie (-rashii) eine Kantine. Wegen der Dunkelheit nicht auszumachen, stand [IV] etwas wie (-rashii) ein Kessel in einem Winkel vor der Türe, das rotglühende Holz war zu sehen [mieru, medialer Aspekt]. 133 -rashii als Nominalsuffix bedeutet aussehen wie/sein wie.

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Ebenso wird die Art, wie der Soldat ein leeres Zimmer findet, aus seiner Sicht geschildert, doch die darauf folgende Innerlichkeitsbeschreibung, die den Abschluss des dritten Abschnitts bildet, weist Spuren einer Vermittlungsinstanz auf, wie doppelte Verneinungen, negierte Verben der inneren Verfassung, das wiederholt gesetzte muishiki ni (unbewusst) und das einzige Beispiel von jissai ni (in Wirklichkeit) und sukunakutomo (immerhin, wenigstens) in diesem Text. Dieser Gebrauch ist dadurch bedingt, dass der Soldat das Bewusstsein verliert, Tayama aber nicht darauf verzichten wollte, die Innerlichkeit zu zeigen, wobei die zweite Stelle sehr an Futon erinnert. Shizen to karada o mogakazu ni wa irarenaku natta. Wata no yǀ ni tsukarehateta mi de mo, kono appaku ni wa kanawanai. Muishiki ni tentenhansoku shita. Furusato no koto o omowanu de wa nai. Haha ya tsuma no koto o kanashimanu de wa nai. Kono mi ga kǀshite shinanakereba naranu ka to nagekanu de wa nai. Keredo hitan ya, tsuioku ya, knjsǀ ya, sonna mono wa dǀ de mo yoi. Itami, itami, sono zetsudai na chikara to tatakawanebanaranu. [...] Keredo jissai wa mata sǀ kurushii to wa kanjite inakatta. Kurushii ni wa chigainai ga, sara ni dainaru kutsnj ni taenakereba naranu to omou doryoku ga sukunakutomo sono kutsnj o karuku shita. (625–6) Wie von selbst konnte [er] nicht umhin, den Körper zu krümmen. Selbst der zu Tode erschöpfte Körper (mi) konnte diesem Druck [der Schmerzen] nicht widerstehen. Unbewusst drehte und wälzte [er sich]. Nicht, dass [er] nicht an die Heimat denkt. Nicht, dass [er] nicht über die Mutter und Frau traurig ist. Nicht, dass [er] nicht beklagt, sterben zu müssen. Aber Kummer und Erinnerungen und Fantasien, solche (sonna) Dinge sind [ihm] egal. Mit den Schmerzen, den Schmerzen, mit deren überwältigender Macht muss [er] kämpfen. [...] Tatsächlich aber fühlte [er] die Schmerzen noch nicht so heftig. Gewiss sind [sie] heftig, doch die Anstrengung zu denken, noch grösseren Qualen standhalten zu müssen, erleichtert immerhin (sukunakutomo) seine Schmerzen. [...] Shinu no wa kanashii to iu nen yori mo kono kutsnj ni uchikatǀ to iu nen no hǀ ga kyǀretsu de atta. Ippǀ ni wa kiwamete shǀkyokuteki na namidamoroi ikujinai zetsubǀ ga minagiru to tomo ni, ippǀ ni wa ningen no seizon ni taisuru kenri to iu yǀ na sekkyokuteki na chikara ga tsuyoku yokotawatta. [...] Jikan no tatte iku no nado wa mǀ kare ni wa wakaranaku natta. Gun’i ga kitte kurereba yoi to omotta ga, sore o tsuzukete kangaeru hima wa nakatta. Hatarashii kutsnj ga mashita. (626)

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Eher als der Gedanke, dass Sterben traurig ist, war der Gedanke heftig, diese Qual zu überwinden. Einerseits erfüllte [ihn] eine ausserordentlich negative, zu Tränen neigende kraftlose Verzweiflung, andererseits verbreitete sich eine positive Kraft, das Recht des Menschen auf Existenz. [...] [Er] hörte auf zu merken, wie die Zeit verging. [Er] dachte, gut, wenn der Militärarzt käme, doch hatte [er] keine Zeit, dies (sore) weiterzuverfolgen. Neue Schmerzen steigerten sich.

Diese Passage, die Spuren einer Vermittlungsinstanz trägt, zählt nicht ganz zwei Seiten, ist also im Verhältnis zum ganzen Text kurz und schliesst mit einer Szene, die wieder ganz in Figurenperspektive gehalten ist. Sie enthält das einzige Beispiel eines in Anführungszeichen stehenden Gedankens. Toko chikaku kǀrogi ga naite ita. Kutsnj ni modaenagara, „a, kǀrogi ga naite iru...“ to kare wa omotta. Sono aisetsu na mushi no shirabe ga nandaka zenshin ni shimihairu yǀ ni oboeta. Tǀtsnj, tǀtsnj, kare wa sara ni tentenhansoku shita. (626) In der Nähe des Fussbodens zirpten Grillen. Von Schmerzen gepeinigt, dachte er (kare): „Ach, die Grillen zirpen...“ [Ihm] war, als durchdringe irgendwie diese (sono) melancholische Melodie [seinen] ganzen Körper. Qualen, Qualen, er (kare) wälzte sich von neuem.

d) Der vierte Abschnitt Auch der Beginn des vierten Abschnitts trägt noch Spuren einer Vermittlungsinstanz, als die Innerlichkeit des nahezu bewusstlosen Soldaten beschrieben wird, während seine einzigen Äusserungen, Schmerzensschreie, ungehört verhallen.. Die neutrale Erzählsituation wird durchbrochen, wie auch die formelle Kopula de aru zeigt. Kyǀretsu naru seizon no chikara mo mǀ yohodo otoroete shimatta. Ishikiteki ni tasuke o motomeru to iu yori wa, ima wa hotondo muchnj de aru. Shizenryoku ni osowareta konoha no soyogi, nami no sakebi, ningen no himei! „Kurushii! Kurushii!“ (627) Die heftige [Über]lebenskraft war schon schwach geworden [perf. Aspekt]. Eher als bewusst Hilfe zu suchen, ist (de aru) [er] jetzt (ima) fast ohne Bewusstsein. Das Rascheln der Bäume, überwältigt von der Macht der Natur, das Brüllen der Wellen, die Schmerzensschreie eines/der Menschen! „Der Schmerz! Der Schmerz!“

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Während die oben zitierten Stellen zwar dem Protagonisten nicht bewusst, aber doch noch Teil seiner Innerlichkeit sind, also ausser dem Ausruf keine ausgeprägten Eingriffe einer Vermittlungsinstanz darstellen, enthält die folgende Passage einen Bruch der Erzählperspektive. Es handelt sich um einen Rückschritt, der nicht in den Wissenshorizont des Soldaten gehören kann. Kono heiya ni wa ikkagetsu mae made Rokoku no tetsudǀ engo no shikan ga kiga shite ita. Nihonhei wa, hajimete haitta toki, kabe ni wa kuroku susuketa kirisuto no zǀ ga kakete atta. Sakunen no fuyu wa Manshnj no no ni furishikiru fnjsetsu o kono garasumado kara nagamete, sono shikan wa wokka o nonda. Kegawa no bǀkanfuku o kite, togai ni heishi ga tatte ita. Nihonhei no nasu no tarazaru o itte, niji no gotoki kien o haita. (627) In diesem (kono) Zimmer hatte bis vor einem Monat ein russischer Offizier zum Schutz der Eisenbahn gewohnt. Als japanische Soldaten das erste Mal eintraten, hatte eine schwarz verrusste Christusfigur an der Wand gehangen. Im Winter des letzten Jahres hatte [er] durch diese (kono) Glasfenster die Schneestürme, die immer wieder über die mandschurische Ebenen fegen [inchoativer Aspekt], betrachtet [IV], dieser (sono) Offizier hatte Wodka getrunken. Ein Soldat, einen Pelzmantel als Schutz gegen die Kälte tragend, hatte vor der Tür gestanden. Das Tun der Japanischen Soldaten ist nicht der Rede wert, sagend, hatte [er] grosse Reden geschwungen.

Die Rückkehr zur Handlungsebene wird durch das Deiktika ima angezeigt, allerdings wird der Soldat nicht mit kare, sondern mit der einzigen in diesem Text vorkommenden auktorialen Umschreibung, suishi no heishi (der sterbende Soldat), bezeichnet. Sono heya ni, ima suishi no heishi no umeki ga hibikiwataru. „Kurushii! Kurushii!“ (627) In diesem (sono) Zimmer, echote jetzt (ima) das Stöhnen des sterbenden Soldaten (suishi no heishi). „Der Schmerz! Der Schmerz!“

Eine Passage neutraler Erzählsituation beschreibt darauf den Soldaten, der nun wieder kare genannt wird. [...] kare wa heya no naka o notauchi mawatta. Gunpuku no botan wa hazure, mune no atari wa kakimushirare, gunbǀ wa agohimo o kaketa mama oshitsubusare, kao kara hǀ ni kakete wa, ǀdo shita obutsu ga ichimen ni fuchaku shita. (628)

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[...] er (kare) wälzte sich windend durch das Zimmer. Die Uniformknöpfe abgerissen, die Brust zerkratzt, der Kinnriemen herabhängend und zerdrückt, das Gesicht über die Wangen hin ganz mit dem Schmutz von Erbrochenem verklebt.

Die Überleitung zur nächsten Szene ist gekonnt. Sie erfolgt erst aus der Wahrnehmung des Protagonisten, der den eintretenden Mann (direkte Gedankenwiedergabe) wieder erkennt, darauf aus der Sicht des Mannes. Totsuzen akiraka na kǀsen ga heya ni sashita to omou to, tobira no tokoro ni, seiyǀrǀsoku o motta hitori no otoko no sugata ga ukibori no yǀ ni arawareta. Sono kao da. Futotta kuchihige no aru shuho no kao da. Keredo sono kao ni wa nikonikoshita sakihodo no aikyǀ wa naku, majime na aoi kuroi iro ga agatte ita. Damatte heya no naka e haitte kita ga, soko ni unatte korogatte iru byǀhei o rǀsoko de terashita. Byǀhei no kao wa aozamete, shijin no yǀ ni mieta. (628) Plötzlich war [IV, ihm], als ob helles Licht ins Zimmer fiel, in der Türe erschien wie ein Schattenriss die Gestalt eines Mannes, eine Kerze haltend. [Es] ist dieses/jenes/sein (sono) Gesicht. [Es] ist das Gesicht aus der Kantine mit dem dichten Schnurrbart. Aber dieses/sein (sono) Gesicht hatte nicht den lächelnden Charme von vorher (sakihodo), [es] zeigte einen ernsthaften, bleich-düsteren Ausdruck. Schweigend kam [er] ins Zimmer herein (haitte kita), und beleuchtete den sich dort (soko) am Boden wälzenden kranken Soldaten mit der Kerze. Das Gesicht des kranken Soldaten war bleich [und er] sah [yǀ ni mieru, medialer Aspekt] wie ein Toter aus.

Während haitte kita (kam herein) sowie die Beschreibung des Gesichtsausdrucks des Mannes noch in die Perspektive des Protagonisten gehören, ist soko (dort), die Bezeichnung byǀhei (kranker Soldat) und das mediale mieru aus der Perspektive des eingetretenen Mannes gesehen. Der Mann aus der Kantine holt schliesslich jemanden (Perspektive des Protagonisten), was von einem etwas ungeschickten Kommentar (no da) begleitet ist. Es ist durchaus möglich, dass Tayama glaubte, ein vom Protagonisten in diesem Zimmer wahrgenommenes Gespräch einleiten oder rechtfertigen zu müssen. Shibaraku shite saki no shuho no otoko wa hitori no heishi o shitagatte haitte kita. Kono mukǀ no ie ni nete ita kǀgunchnj no heishi o okoshite kita no da. (628) Eine Weile darauf kam der Mann aus der Kantine von vorhin (saki no) zusammen mit einem Soldaten herein. [Er] hatte nämlich (no da) einen im Haus gegenüber sich auf dem Marsch befindenden, schlafenden Soldaten geweckt.

288

Das Gespräch der beiden wird vom Protagonisten wahrgenommen, ein Dialog, der ohne Einführungsverben wiedergegeben ist und an dem der Kranke keinen Anteil hat, situiert die Szene zeitlich und nennt den Namen des Protagonisten. Futari no kaiwa wa akiraka ni byǀhei no mimi ni haitta. (629) Das Gespräch der beiden drang deutlich in die Ohren des kranken Soldaten (byǀhei).

Die Nennung des Namens auf der letzten Seite der Erzählung wird aus der Perspektive des Kranken geschildert, nun nicht mehr in direkter Rede, sondern als in dessen Bewusstsein gespiegelte Rede. Dabei wird der Protagonist nicht mehr mit byǀhei (kranker Soldat), sondern mit kare bezeichnet. „Totemo tasukaran desu na.“ [...] „Nanji da.“ Mizukara tokei o dashite mite, „mottomo da“ to iu kao o shite, sono mama poketto ni osameta. „Nanji desu?“ „Niji jnjgofun.“ (629–30) „[Er] ist nicht mehr zu retten.“ [...] „Wie spät ist es?“ [Einer] nahm die Uhr hervor, machte ein Gesicht, das „tatsächlich“ ausdrückte [IV] [und] steckte die Uhr so wieder in die Tasche. „Wie spät ist es?“ „Zwei Uhr fünfzehn.“ Heishi ga kare no poketto o sagutta. Guntaitechǀ o hikidasu no ga wakaru. Kare no me ni wa sono heishi no kuroku takumashii kao to guntaitechǀ o yomu tame ni takujǀ no rǀsoku ni chikaku ayumiyotta sama ga utsutta. Mikawa no Kuni Atsumi Gǀri Fukuemura Katǀ Heisaku... to yomu koe ga tsuzuite kikoeta. (630) Der Soldat wühlte in seiner (kare no) Tasche. [Er] merkt, wie [dieser] das Soldbuch hervorzieht. In seinen (kare no) Augen spiegelte sich das dunkle und kräftige Gesicht dieses (sono) Soldaten und wie [dieser], um das Soldbuch zu lesen, auf die Kerze auf dem Tisch zuging. Land Mikawa, Kreis Atsumi, Dorf Fukue, Katǀ Heisaku... war darauf die lesende Stimme zu hören [kikoeru, medialer Aspekt].

289

Noch einmal sieht der Soldat in Gedanken die Heimat, doch die Erinnerung schwindet angesichts des nahenden Todes – seine innere Gestimmtheit ist wie folgt: Kare wa sude ni shi o akiraka ni jikaku shita. Keredo sore ga betsudan kurushiku mo kanashiku mo kanjinai. Futari no mondai ni shite iru no wa kare jishin no koto de wa nakute, ta ni buttai ga aru yǀ ni omowareru. Tada, kono kutsnj, taenikui kono kutsnj kara nogaretai to omotta. (630) Er (kare) war sich schon ganz deutlich des Todes gewahr. Aber das (sore) fühlte [er] weder als besonders quälend noch traurig. [Ihm] schien, [yǀ ni omowareru, medialer Aspekt], dass nicht er selbst (kare jishin) es war [IV], worüber die beiden sprachen, sondern ein anderer Gegenstand. Einzig, diesen Schmerzen, diesen unerträglichen Schmerzen möchte [er] entrinnen [-tai, Optativ der ersten Person], dachte [er].

Der vierte Abschnitt schliesst, wie so oft auch die Kapitel von Futon, mit einer lyrisch anmutenden Beschreibung: Rǀsoku ga chirachira suru. Kǀrogi ga onajiku sabishiku naite iru. (630) Die Kerze flackert. Die Grillen zirpen nach wie vor traurig.

d) Der fünfte Abschnitt Der fünfte Abschnitt besteht aus drei Zeilen, die, mit präzisen Zeitangaben und Raffungen, nun wieder Spuren einer Vermittlungsinstanz zeigen – notwendigerweise, da der Reflektor tot ist. Akegata ni heitanbu no gun’i ga kita. Keredo sono ichijikan mae ni, kare wa sude ni shinde ita. Ichiban no kisha ga kairo kairo no kakegoe to tomo ni, Ansanten ni mukatte hassha shita koro, sono zangetsu ga usuku shirakete, sabishiku sora ni kakatte ita. Shibaraku shite hǀsei ga sakan ni kikoedashita. Kugatsu tsuitachi no Ryǀyǀ kǀgeki ga hajimatta. (631) Im Morgengrauen kam der Militärarzt des Depots. Aber eine Stunde zuvor war er (kare) schon gestorben. Als der erste Zug, von Hurra-Rufen begleitet, nach dem Depot von Anshan abfuhr, hing dieser (sono) Morgenmond, dünn und fahl, einsam am Himmel. Nach einer Weile war andauernder Kanonendonner zu hören (kikoeru). Der Angriff auf Liaoyang vom ersten September hatte begonnen.

290

5.5 Ergebnisse 5.5.1

Die Erzählsituation

Ippeisotsu ist vermutlich die erste japanische Erzählung mit einer mimetisch-fiktionalen Erzählsituation. Auch wenn stellenweise, diese Erzählhaltung durchbrochen wird, ist doch der Text in seiner Gesamtheit eindeutig dargestellt und nicht berichtet. Es gelang Tayama, ohne die Forderung nach Wahrscheinlichkeit zu verletzen, eine Erzählung ohne Einmischungen des Erzählers zu gestalten . Dies war erst möglich, als er den Stoff von Rinshitsu nicht mehr von einem personalisierten Aussagesubjekt vermitteln liess, sondern das Aussagesubjekt ausschaltete und den Stoff unvermittelt wiedergab. Dabei hat sich sein Erzählmuster inhaltlich nicht geändert: Während ein Mensch unterwegs ist, wird in einer „nachgeholten Exposition“ seine Vergangenheit aufgerollt; diese ist aber vollständig in Figurenperspektive verlegt, das heisst, die Figur fungiert als Reflektor. Rückblicke ersetzen Rückwendungen und Rückschritte, Beschreibungen der Umgebung sind in den Beobachtungshorizont der Figur verlegt, was besonders durch den gezielten Gebrauch der Deiktika kono/sono/ano, koko/soko/asoko und den Gebrauch medialer Formen deutlich gemacht wird. Die verschiedenen zeitlichen Ebenen der Handlungsebene (Gegenwart) und Vergangenheit (in der Gegenwart erinnerte Vergangenheit), die Wechsel vom erlebenden zum erinnernden/reflektierenden Ich sind ausserordentlich geschickt durch Assoziationen verflochten, ohne dass die Übergänge explizit erwähnt werden. Meisterhaft handhabt Tayama den Dialog (zum Teil erinnert) und die unmittelbar dargestellte Innerlichkeit (erlebte Rede). Er kommt nun fast ohne einführende Verben aus, wobei besonders die Seltenheit von omou und kangaeru (denken) auffällt. Ebenso gekonnt ist die wechselnde Perspektive im vierten Abschnitt, die es Tayama erlaubte, ohne die diegetisch-fiktionale Erzählhaltung zu durchbrechen, den Namen des Protagonisten zu nennen und diese Nennung sogar in die Innerlichkeit des Protagonisten einzuflechten.

291

5.5.2

Folgerungen für die Interpretation

Warum wählte Tayama eine erzählerlose Erzählsituation, warum verzichtete er auf Erzählerkommentare? Es ist möglich, dass er den Tod eines Menschen nicht aus der Wahrnehmung eines personalisierten Erzählers darstellen wollte wie in Rinshitsu, trotzdem aber die Wahrhaftigkeit und Wahrscheinlichkeit der Handlung zu gewährleisten suchte. Ebenso möglich ist es, dass Tayama diese Erzählung in kritischer Absicht schrieb: nämlich die Darstellung des unheldischen Todes 134 eines Soldaten, der nicht dem von der Meiji-Regierung entworfenen Bild entsprach, ohne ihn zu idealisieren oder beschönigen. Erzählerkommentare müssten die Vergeblichkeit des Todes im Krieg, die unpatriotische Haltung des Soldaten unterstreichen, was der Zensur zum Opfer gefallen wäre.135 Dies erklärt auch die Notwendigkeit der Namensnennung im letzten Abschnitt. Im Kontrast zum Titel Ein gemeiner Soldat ist dieser Soldat nicht namenlos. Denn für Tayama ist jeder Tod – auch wenn eine Selbstverständlichkeit im Krieg – ein individueller. Tayama Katai stellt diesen Tod dar und lässt den Leser selbst urteilen.

134 Kriegsteilnehmer, die nicht auf dem Schlachtfeld starben, galten nicht als Helden der Nation. Deren Seelen wurden ursprünglich nicht im Yasukuni Schrein verehrt. 135 Tatsächlich durfte Ippeisotsu lange nicht ohne Streichungen gedruckt werden. (Keene 1998: 245).

292

Die Tayama Katai-Forschung

1

Allgemeine Bemerkungen

Die Geschichte der Tayama Katai-Forschung zeugt von einem steten Schwund der Wertschätzung dieses Schriftstellers. Dabei lässt sich verfolgen, wie Tayama von einem hochgelobten und bei seinem Tod als Altmeister verehrten Autor – je nach Einschätzung dessen, was Literatur sein oder bewirken sollte – zu einem der am wenigsten beachteten Schriftsteller des 20. Jh. wurde. In den einschlägigen Literaturgeschichten (Konishi, Katǀ 1 ) findet er kaum Erwähnung, die Erzählung Futon wurde im Laufe der Zeit vom „epochemachenden“ Werk zu einer Erzählung, die kaum noch gelesen wird. Es gibt nur wenige Monografien zu Tayama Katai, da er meist als Exponent oder Vorläufer einer literarischen Richtung betrachtet wird. Dabei nimmt die 1907 entstandene Erzählung Futon eine zentrale Stellung ein, da sie einerseits als eines der wichtigsten Werke des Naturalismus und andererseits als Wegbereiter der als „japanische Sonderform“ bezeichneten shishǀsetsu gilt. Die auf biografischen Stoffen beruhenden Erzählungen (auch Jnjemon no saigo wird dazu gezählt) werden sehr viel häufiger abgehandelt, Shǀjobyǀ meist als Vorstufe zu Futon betrachtet und die beiden Erzählungen Rinshitsu und Ippeisotsu – wenn auch als Meistererzählungen eingestuft – höchstens en passant erwähnt. Jnjemon no saigo gilt als Repräsentant des Frühnaturalismus

1

Konishi Jin’ichi (1985, Bd. 5) erwähnt Tayama gar nicht, Katǀ Shnjichi bemerkt zu Tayamas „unverblümter Beschreibung“: „To adopt [Izumi] Kyǀka’s [elegant] style would in any case have required a considerable knowledge of Edo literature, which [Tayama] Katai did not have, but to write in a colloquial style was possible for anyone. What made good colloquial writing was another matter, and Katai, unable as he was to read French or Russian, could not judge the writing of Tolstoj and Zola. A novel, then, was to consist of the ‘truth’ of ‘human life’ written in an ‘uncomplicated’ style, and from this the young novelists evolved the new idea that the ‘truth’ should be a record of their daily lives. Thus began an age when anybody could be a novelist.“ Katǀ (1983/3: 161).

293

(Zenki shizenshugi) und als das erste Werk Tayama Katais, das eindeutig realistische Tendenzen aufwies und sich von dessen früheren süsslichromantischen Erzählungen unterschied. Die Untersuchungen zu Futon beschränken sich allerdings meist auf den Inhalt sowie dessen Beziehung zum Autor oder versuchen die Neuheit der Erzählung aus einer Verschmelzung zweier Erzählhaltungen zu erklären. Die Tatsache, dass Wissenschaftler und Kritiker Autor und Erzähler nicht auseinander hielten und die Erzählung auf biografischen Stoffen beruhte, führte im Zusammenhang mit der auf Unmittelbarkeit zielenden Erzählsituation dazu, dass Futon nicht als Als-Wirklichkeit sondern als Wirklichkeit rezipiert wurde. Oft bewegten sich die Interpretationen im Feld der sympathischen Einfühlung oder Ablehnung des Protagonisten einerseits, andererseits in akribischen Untersuchungen zur Biografie des Autors und den Personen, die als Modelle identifiziert wurden. Gerade der Versuch, den Erfolg von Futon aus der Biografie und der Haltung des Autors zu erklären, führte zu teilweise absurden Spekulationen über die „Aufrichtigkeit“ Tayamas und seinen Ehrgeiz, mit schockierenden Enthüllungen den Durchbruch bewerkstelligen zu wollen. Als Beleg dafür werden in der Forschungsliteratur immer wieder bestimmte Passagen aus seinen Werken angeführt und Gedanken seiner Protagonisten kritiklos als Überzeugung Tayamas wiedergegeben. Die am häufigsten zitierte Textpassage aus Futon, die die Intention des Autors belegen soll, lautet wie folgt: Seine sich nur schleppend entwickelnde Laufbahn, die Qual, abgesehen von einigen Fragmenten noch keine Gelegenheit gefunden zu haben, seine Fähigkeiten voll einzusetzen, dann das Leiden unter der schlechten Kritik, die er allmonatlich in den Zeitschriften erhielt, dies alles bedrückte ihn, obwohl er überzeugt war, dass er irgendwann, einmal Erfolg haben müsse, insgeheim.2

Für die Entstehungsgeschichte von Futon wird diese Stelle stets mit einer Aussage aus Tayama Katais Autobiografie Tǀkyǀ no sanjnjnen ( ᧲੩ߩਃචᐕ , Dreissig Jahre Tǀkyǀ, 1930), namentlich das Kapitel Watashi no Anna MƗru (⑳ߩࠕࡦ࠽ࡑ̆࡞ Meine Anna Mahr) verglichen, wobei diese Biografie geraume Zeit nach Futon geschrieben wurde.3 2 3

294

Übersetzung aus Hijiya-Kirschnereit (1981: 35). Vgl. Hirano, in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 275).

[...] auch auf der literarischen Bühne [tat sich einiges]: Shimazaki hatte schon Hakai herausgebracht und ausserordentliches Lob geerntet, und Kunikidas Doppǀshnj war allgemein anerkannt worden und hatte schon die dritte Neuauflage erlebt. [...] Ich selber hatte das Gefühl zurückgeblieben zu sein. Ich hatte zwar den Krieg erlebt, auf literarischem Gebiet aber noch nichts geleistet. [...] Ich war verzweifelt und ungeduldig. Da kam ein Auftrag von Shinshǀsetsu4. „Ich werde es versuchen“, sagte ich voller Eifer. Diesmal, dachte ich mir, werde ich alles geben.5

Für Hijiya-Kirschnereit „belegt“ diese Episode „deutlicher noch als alle Übereinstimmungen im Handlungsverlauf die Identifikation und die Identität des Autors mit seinem Protagonisten [...]“6. Dabei müsste man zumindest bedenken, dass der Protagonist eine fiktionale Figur ist, und Tayama in seiner sehr viel später entstandenen Autobiografie, gerade was Futon betraf, alles tat, um die Fiktion, Futon sei keine Fiktion, aufrecht zu erhalten. Ein anderes, sehr oft angeführtes Zitat enthält eine Innerlichkeitsbeschreibung des Protagonisten von Sei (Leben, 1908), einer Erzählung, die biografischen Stoff ab dem Jahr 1902 verarbeitete und die in fast allen Tayama-Studien die Gestimmtheit des Autors zur Zeit, als sich die in Futon beschriebenen Geschehnisse abspielten (1904), illustrieren soll. Eine andere Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass Fiktion als „erfunden“ (oder gar nicht) definiert wird, so dass Abweichungen von der Biografie als „Fiktionalisierung“ oder Verzerrung der Wirklichkeit aufgefasst werden. Infolge dessen kann der Autor nicht vom Protagonisten abgegrenzt werden, obwohl in neueren Forschungen ein Erzähler identifiziert wird. Dies zeigen die Abhandlungen über shishǀsetsu sehr deutlich in ihren Titeln, die häufig Begriffe wie „Selbst“ oder „Bekenntnis“ enthalten.7 Erste Hinweise auf einen Erzähler (in Futon) 4 5

ᣂዊ⺑ eine 1889 gegründete repräsentative Literaturzeitschrift.

Übersetzung aus Hijiya-Kirschnereit (1981: 35). Kunikida Doppo ( ࿖ᧁ↰⁛ᱠ,

1871–1908), Freund Tayama Katais. 6

7

Hijiya-Kirschnereit (1981: 35). In einer späteren Fussnote (1981: 41) schreibt sie: „Natürlich ist auch Takenaka Tokio eine fiktive Figur, doch die Identität des Milieus im literarischen Werk und im Leben des Autors, die offene, ja geradezu demonstrative Verwendung von Selbsterlebtem und seine durchgehende Identifikation mit Tokio bewirken, dass dieser nicht als fiktive Gestalt, sondern allenfalls als Maskierung des Autors, eher noch als dieser selbst wahrgenommen wird.“ Hijiya-Kirschnereit (1981) Selbstentblössungsritale, Fowler (1988) The Rhetoric of Confession, Suzuki (1996) Narrating the Self. Fictions of Japanese Modernity, Nagashima (1997) Objective Description of the Self.

295

finden sich in den siebziger Jahren. Sie beruhen meist auf Stanzels Erzähltheorie 8 mit ihrer Überbetonung der Vermittlung oder auf der Gleichsetzung der Erzählfunktion mit einer „Stimme“ (voice), was die Abwesenheit einer Vermittlungsinstanz zu erkennen verhinderte. Eine weitere Tendenz in der Forschung ist das Aufspüren der Herkunft des Stoffes, sei es von biografischen Elementen oder literarischen Einflüssen, wobei unbeachtet bleibt, dass Schreiben immer auf Erfahrung beruht, ob es sich um Lese- oder Lebenserfahrung handelt, und sich in jedem Werk eine neue fiktionale Wahrheit, unabhängig von der realen Wirklichkeit, entfaltet. Die frühen Artikel zu Tayama sind Untersuchungen zu Schriftsteller und Werk (૞ኅ૞ຠ⺰, sakka sakuhin-ron), wobei das Schwergewicht auf der Biografie des Autors lag. Erst in den siebziger Jahren bahnte sich eine werkimmanente Diskussion (૞ຠ⺰, sakuhin-ron) an. Die neuere Forschung befasst sich mit dem soziokulturellen oder geschichtlichen Hintergrund der Erzählungen, mit Futon als Vorläufer des shishǀsetsu und postmodernen Interpretationen. In den folgenden Ausführungen werde ich mich vor allem auf Fragen der Erzählhaltung konzentrieren und auf die Diskussion, ob Futon ein Vorläufer der shishǀsetsu war, nicht eingehen.9 Ebenso wenig werde ich mich mit den überaus zahlreichen Abhandlungen über die Personen befassen, die für Tayamas Erzählungen Modell standen.

8 9

296

Stanzel, Franz K. (1989 [1979]). Theorie des Erzählens. Dieser Aspekt von Futon wird in Hijiya-Kirschnereit (1981) ausführlich behandelt.

2

Die japanische Forschung im Überblick

2.1 Die zeitgenössische Reaktion: Literatur als Wahrheit 2.1.1

Jnjemon no saigo

Schon bald nach der Publikation von Jnjemon no saigo (Jnjemons Ende) erschienen in den Literaturzeitschriften 1902 meist anonyme Besprechungen, die erste in der Zeitschrift Teikoku bungaku ( Ꮲ ࿖ ᢥ ቇ , Literatur des Kaiserreichs) 10 . Der Erzählung wurde die Neuheit des Konzepts und gelungene Naturschilderung zugestanden, kritisiert wurde die Charakterisierung des Protagonisten als ungenügend, die Sympathie des Autors als unverständlich, vor allem aber die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Begebenheit in Japan. Die Abhandlungen über die Natur wurde als oberflächlich und bedeutungslos beanstandet. Der Kritiker in Shinsei (ᣂჿ, Neue Stimme)11 aus dem Verlag Shinseisha (ᣂჿ␠), der auch Jnjemon no saigo publizierte, sah die Erzählung als Versuch Tayamas, den Naturalismus in Japan einzuführen. Positiv und als fortschrittlich bewertete er die Beschreibung von Jnjemons Vergehen als natürliche Folge der Disharmonie von Leben und Natur und der Unterdrückung der Instinkte. Negativ sah er die Erzählhaltung in der ersten Person, da diese verunmögliche, die Psychologie des Protagonisten zu beschreiben. Weitere Kritiker – Hirao Fudoku (ᐔየਇ⁛) in Bungeikai (ᢥ⧓⇇, Welt der Literatur)12 und Nakauchi Chǀji (ਛౝⲔ࠾) in Bungei kurabu (ᢥ⧓୾ᭉㇱ, Literaturklub)13 – erachten Jnjemon no saigo als eine für Japan ungewohnte Erzählung. Lobend erwähnen sie die Intention (sakui, ૞ᗧ) und Aufrichtigkeit des Autors, eine Figur, die ohne Gesetz und Moral in Laster und Anarchie lebt, tragisch enden zu lassen. Negativ betrachten sie die Ich-Form, die zu viele Erklärungen über die Nöte und

10 11 12 13

Teikoku bungaku war das literarische Organ um den Kreis der Absolventen der damaligen kaiserlichen Universität Tǀkyǀ. In: Inagaki et al. (Hgg.) (1972: 426). Zitiert in: Kobayashi (1978: 329–330). Shinsei war eine aus Zuschriften bestehende Zeitschrift (ᛩᦠ㔀⹹, tǀsho zasshi). Zitiert in: Kobayashi (1978: 331–332). Zitiert in: Kobayashi (1978: 333–334). Bungei kurabu, gegründet 1895 (–1933) wurde von Hakubunkan herausgegeben und publizierte die Werke von etablierten sowie avantgardistischen Schriftstellern.

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Leiden des Autors und zu wenig über Jnjemon zulasse und meinen, Tayamas neue Tendenz zu abstrakt-theoretischen Erörterungen passe nicht zu ihm als Verfasser von Liebeserzählungen. Hasegawa Tenkeis (㐳⼱ᎹᄤḺ) Leseeindruck von Jnjemon no saigo (㊀ⴡ㐷ߩᦨᦼ, 1902)14 ist durchaus positiv, da er, trotz des einfachen Aufbaus eine realistische Erzählung vorfindet, die im Vergleich mit früheren Erzählungen neu wirkt. Er hält sie für geschickt gemacht und lobt den Gebrauch der neuen Literatursprache genbun itchi und die unbeschönigte Sprache der narrativen Teile und Redewiedergaben. Allerdings kritisiert er die langatmigen „Gedanken des Autors“ [die Monologe des erlebenden Ich] und inhaltliche Punkte, wie zum Beispiel die Entwicklung des Protagonisten zum Bösewicht und die Sympathie des Autors für diesen. Hasegawa zufolge missachtet Tayamas Naturalismus den Fortschritt, da er nicht komplexe Charaktere beschreibt, sondern einen Egoisten. Hasegawa sieht Jnjemon nicht als Naturwesen, sondern als unnatürliches Wesen in einer natürlichen Gesellschaft. Auch Masamune Hakuchǀ (ᱜቬ⊕㠽, 1879–1962) selbst ein Schriftsteller, der zu den Naturalisten gezählt wurde und später ein eminenter Kritiker war, schrieb einen Artikel über Mura no hito ( ᧛ߩੱ , Die Dorfleute, Tayamas 3. Erzählband, 1908) 15 in Yomiuri shinbun ( ⺒ᄁ ᣂ ⡞ ). Er hält Jnjemon no saigo für durchaus innovativ nach den Liebesgeschichten. Er sieht den Protagonisten Jnjemon als Repräsentanten der neuen Richtung und zeigt sich beeindruckt von der Ohnmacht des Menschen vor der Macht der Natur, dargestellt am Beispiel eines Behinderten und dessen verzweifelter Auflehnung. Er lobt die Beschreibung der Szenerie, findet aber die Redewiedergaben dürftig. 2.1.2

Rinshitsu

Die ersten Beiträge von Kritikern zu Rinshitsu in den Zeitschriften Bungei jihyǀ (ᢥ⧓ᤨ⹏, Literarische Revue), Waseda bungaku (ᣧⒷ↰ ᢥ ቇ , Waseda Literatur) und Shinchǀ ( ᣂ ầ , Neue Flut) werden in Kobayashis Tayama Katai kenkynj ( ↰ ጊ ⧎ ⴼ ⎇ ⓥ , Tayama Katai Forschung, 1976–1984) zitiert. 16 Diese frühen Kritiken preisen die

14 15 16

298

In: Yoshida et al. (Hgg.) (1978: 183–185). Zitiert in: Kobayashi (1987: 336–337). Kobayashi (1979: 243–245).

Erzählung als Meisterwerk, in dem Vorfall, Umstände und Hintergrund harmonisch auf einander abgestimmt sind. Beanstandet werden die Reden des Kranken, die zwar bewegend aber wenig realistisch schienen, sowie die allzu subjektiven Fantasien des Erzählers. Ṛ↰ᮠ㒶 (Takita Choin) in einem etwas späteren Artikel (1908) erachtet Rinshitsu in Chnjǀ kǀron (ਛᄩ౏⺰, Zentrale Diskussion)17 als Tayamas bisher bestes Werk, realistischer als Futon, obwohl Rinshitsu im Gegensatz zu Futon als aufrichtige Beschreibung etwas „Erfundenes“ an sich habe. 2.1.3

Shǀjobyǀ

Auch die ersten Zeitschriftenkritiken zu Shǀjobyǀ werden von Kobayashi aufgeführt. 18 Shinchǀ lobt die kühne und unbeschönigte Beschreibung der physischen Tatsachen als Fortschritt der modernen Kunst, kritisiert aber den Schluss als konstruiert. Shumi (⿰๧, Interesse) hält die Beschreibung eines Aussenseiters und dessen sexueller Begierden nur deshalb für glaubwürdig, weil die Naturalisten „den Ruf hatten, die Wirklichkeit darzustellen“. Bunko (ᢥᐶ, Bibliothek)19 lobt Tayamas neuen Stil; der Protagonist scheint glaubwürdig, insofern dessen Charakter und Entwicklung dem Leser verständlich gemacht wird, obwohl der Schluss, der dem Ende von Maupassants Erzählung Fort comme la mort (1889) gleicht, erfunden wirkt. 2.1.4

Futon

Das Erscheinen von Futon rief im September 1907 eine Sensation hervor und schon bald erschienen Besprechungen in den Zeitschriften. Die erste in Yomiuri shinbun von einem gewissen Haku’unshi ( ⊕ 㔕 ሶ ) pries Futon als eine der lesenswertesten Erzählungen des Monats.20 Er sieht den Helden als liebestrunken, überwältigt von den Gefühlen einer vergangenen Jugend, wobei der Autor dessen wechselnde Empfindungen

17 18 19 20

Waseda bungaku, gegründet 1991, wurde unter dem Redakteur Shimamura Hǀgetsu zur Stimme der Naturalisten, Shinchǀ war die Nachfolgezeitschrift (gegr. 1904) von Shinsei. Chnjǀ kǀron 1899 gegründet, heute noch bestehende Zeitschrift. Zitiert in: Kobayashi (1979: 278–280). Literarische, von Beiträgen gestützte Zeitschrift mit Erzählungen, Gedichten und Kritiken, 1895–1910. Zitiert in: Kobayashi (1979: 316–317).

299

zwischen innerem Verlangen und äusserem Zwang schonungslos beschreibt. Er bedauert, dass die Nebenfiguren ohne spezielle Betonung blieben, da eine Erzählung dieses Umfangs dies eigentlich erforderte. Die Kritik in Teikoku bungaku von Isui (⴩᳓) unter dem Titel Tayamashi no „Futon“ (↰ጊ᳁ߩ㨬⫱࿅㨭, Tayamas Futon)21 argumentiert, wie schon im Falle von Jnjemon no saigo, aus der Sicht einer didaktischästhetischen Literaturauffassung. Er ist der Ansicht, ein Kunstwerk sollte im Betrachter ästhetischen Genuss hervorrufen. Die Auffassung der Naturalisten, Literatur müsse wahrhaftig sein, stehe im Gegensatz zur eigentlichen Aufgabe der Literatur. Isui empört sich über die Darstellung der Sexualität als das „niedrigste Gefühl im geistigen Bereich“ und meint, Kunst ohne Ästhetik, Ideal oder Moral als Ziel müsse abgelehnt werden. a) „Futon“ gappyǀ Im gleichen Jahr erschien in der Zeitschrift Waseda bungaku „Futon“ gappyǀ ( ⫱ ࿅ ว ⹏ , gemeinsame Futon-Kritik). 22 Die Beiträge stammen von den Schriftstellern Oguri Fnjyǀ, ( ዊᩙ㘑⪲, 1875–1926), Masamune Hakuchǀ, Tokuda [Chikamatsu] Shnjkǀ ( ᓼ↰[ㄭ᧻ ] ⑺ᳯ , 1876–1944), Mizuno Yǀshnj (᳓㊁⪲⥱, 1883–1947) und den Kritikern Katagami Noboru [Tengen] (  ਄ା [ ᄤᒏ ]), 1884–1928), Matsubara Shibun (᧻ේ⥋ᢥ, 1884–1945) Nakamura Seiko (ਛ᧛ᤊḓ, 1884–1947), Sǀma Gyofnj ( ⋧ 㚍 ᓮ 㘑 , 1883–1950) und Seigetsuya [Shimamura Hǀgetsu] (ᤊ᦬ᄛ [ፉ᧛ᛴ᦬], 1871–1918). Diese Kritiken gewähren wertvolle Einblicke in die damaligen Leserreaktionen und illustrieren den überwältigenden Eindruck, den diese Erzählung machte. Die Rezeption als Wirklichkeit wird dem neuen Inhalt zugeschrieben, nicht der Erzählhaltung, obwohl alle Kritiker den Leseeindruck der Neuheit und Frische teilen und gleichzeitig von einer „erdrückenden“ Atmosphäre sprechen. Sie bemerken die grosse Unmittelbarkeit, haben aber Schwierigkeiten, den Erzählstil festzulegen. Sie halten ihn für eine Mischung von Objektivität und Sentimentalität, erzählendem und erklärendem Erzählstil (setsuwatai, ⺑⹤૕ und setsumeibun, ⺑᣿ᢥ).

21 22

300

Zitiert in: Kobayashi (1979: 317–320). In: Yoshida et al. (Hgg.) (1978: 165–205).

Oguri Fnjyǀ sieht Futon nicht nur als Meisterwerk, sondern auch als erste repräsentative Erzählung des Naturalismus, der bisher nur in der Theorie existierte. Er liest Futon als aufrichtiges und unbeschönigtes Bekenntnis. Seine Kritik richtet sich gegen die Darstellung der Frau, sowie gegen die letzte Szene, die ihm übertrieben und komisch erscheint. Auch Masamune Hakuchǀ hält Futon für eine neue Art der Erzählung, die auftretenden Personen „scheinen wirklich zu existieren“. Er bemerkt, dass die Handlung einfach ist, und nur der Protagonist und dessen Psychologie deutlich werden. Kritisch beurteilt er die zu lose Komposition, die den Gesamteindruck verwässere. Katagami Tengen kritisiert den Protagonisten als verantwortungslos und meint, die gefährliche Leidenschaft werde nicht gerechtfertigt, da erklärende Textpassagen (setsumei) fehlen. Katagami bedauert die nur der Form nach „objektive Erzählhaltung“ (Er-Erzählung), da der Protagonist subjektiv bleibe. Katagami gemäss erfolgt die Beschreibung aller Personen durch die Augen des Protagonisten. Diese „objektive Form“ sei zwar zur Zeit vorherrschend, doch fehle die Distanz, der „Autor“ bleibe im Hintergrund und somit seien die Figuren ungenügend charakterisiert. Diese Art, den Stoff durch Gefühle auszudrücken, sei zwar kraftvoll, aber erdrückend, es fehle der Spielraum. Mizuno Yǀshnj seinerseits betont die Entwicklung Tayamas und seinen Verzicht auf Kunstfertigkeit, die eine Annäherung an die „wirkliche Welt“ ermöglicht. Der fehlende Abstand zwischen „Autor“ und Text hinterlasse den Eindruck, Tayama selbst trete im Text auf. Mizuno vermisst eine Beschreibung des Alltagslebens und empfindet die geschilderte Innerlichkeit als zu komplex, obwohl aufrichtig. Die Erzählung hält er für monoton, da die ausschliessliche Schilderung der Gefühle des Protagonisten eine objektive Sicht auf die Nebenfiguren verhindere. Als Fazit meint er, Futon sei weniger gelungen als Rinshitsu und Jnjemon no saigo, aber immerhin besser als die Imitation westlicher Werke. Matsubara Shibun erkennt in Futon eine neue Art der Menschenbeschreibung, die Menschen in ihrer Lebenswelt (der modernen Stadt) und Zeit darstellt. Dabei werde nicht die Oberfläche beschrieben, sondern die Erlebnisse und Gefühle des Protagonisten, Gefühle, deren sich Menschen früherer Zeiten nicht bewusst waren und vom modernen Selbstverständnis zeugen. Matsubara bemerkt die neue Technik der Erzählung in der dritten Person, wobei das innere Leben des Protagonisten die Methode der Beschreibung bestimmt.

301

Sǀma Gyofnj liest Futon im Zusammenhang mit Shǀjobyǀ und Jokyǀshi und beobachtet Übereinstimmungen – das morbide Bewusstsein des fin de siècle. Er ist der Einzige, der sich mit der Erzählhaltung auseinandersetzt und bemerkt, dass Tayama die bisher verwendete Technik jijotai (⥄ᢍ૕, ein Begriff, der für Erzählungen in der Ich-Form gebraucht wurde) nun geschickt als objektive Beschreibung verwendet [das heisst in einer Er-Erzählung]. Er hält dies für eine ganz neuartige Erzählhaltung. Sǀma unterscheidet zwei Möglichkeiten des Erzählens, wobei die Intention des Autors für die Wahl ausschlaggebend ist: Er könne einen Vorfall oder Aspekt des Lebens direkt schildern, oder einen Protagonisten in den Mittelpunkt stellen und dessen inneres oder äusseres Leben, die Berührung mit der Aussenwelt beschreiben. Tayama wählte die zweite Möglichkeit und Sǀma sieht Futon als erfolgreiche Momentaufnahme, die eine ganze Landschaft erahnen lässt. Sǀma betont, dass früher die Silhouette der Einsamkeit beschrieben wurde, in Futon deren Inhalt zur Sprache kommt. Während Sǀmas Artikel wohl die scharfsinnigste Analyse bietet, ist Hasegawa Tenkeis Kritik die am meisten zitierte. Er entdeckt in Futon einen „nackten Menschen von Fleisch und Blut“ und dessen „kühne Beichte“, die durch Rationalität kontrastierte Stimme eines modernen, sich selbst bewussten „wilden Menschen“. Die Tendenz das „hässliche Herz“ unbeschönigt aufzuzeigen, spiegle eine Haltung, die bisher noch nie so eindeutig eingenommen wurde. Die Direktheit dieser „schier unerträglichen“ Beschreibung macht für ihn den Wert von Futon aus. Hasegawa kritisiert die Schilderung der Gattin, die nur gerade ein Instrument der Fabel zu sein scheint, sowie der Familie, die keine Spur im „Herzen des Protagonisten hinterlässt“. b) Myǀjǀ Ebenfalls 1907 erschien Tayama Katai-shi no „Futon“ (↰ጊ⧎ⴼ᳁ߩ 㨬⫱࿅㨭, Tayama Katais Futon) 23, eine gemeinsame Kritik in Myǀjǀ (᣿ᤊ, Venus), dem Organ der Shinshisha ( ᣂ ⹞ ␠ , Gesellschaft der neuen Dichtung)24, die sich für die Erneuerung des nationalen Gedichts in der 23 24

302

In: Katǀ (Hg.) 1998 I: 54–58. Von Yosano Hiroshi [Tekkan] ( ਈ⻢㊁ኡ [㋕ᐙ ], 1873–1935) 1899 gegründet. Diese Gruppierung widmete sich dem Kult der Schönheit und stand den Naturalisten kritisch gegenüber. Vgl. Keene (1984b: 241).

klassischen Tradition einsetzte. Unter den Kontributoren waren ƿta Masao [Kinoshita Mokutarǀ] ( ᄥ↰ᱜ㓶 [ ᧁਅ᧧ᄥ㇢ ], 1885–1945)㧘 Hiraide Osamu (ᐔ಴ୃ, 1878–1914) und Yosano Hiroshi [Tekkan]. ƿta Masao (Kinoshita) begrüsst Futon als ein repräsentatives Werk des Naturalismus, auch er steht im Bann der Unmittelbarkeit der Erzählung. Er bemerkt, dass Sympathie und Beobachtung auf den Protagonisten konzentriert sind, was die Identifikation des Lesers mit der Figur hervorruft, bedauert aber, dass die anderen Figuren vage bleiben. ƿta kritisiert die Betrachtung des Menschen als Teil der Natur , die zwar eine kunstlose Beschreibung ermögliche, aber wie die Abhandlung eines Wissenschaftlers wirke. Andererseits lobt ƿta die überaus geschickte Beschreibung des Alltags. Die anderen Autoren kritisieren vor allem die mangelhafte Schilderung der Nebenfiguren und des Hintergrundes, die allzu abstrakten Erörterungen und das Fehlen von Dialog. Sie alle halten weder Handlung noch Figuren für glaubwürdig. 2.1.5

Ippeisotsu

Auch die frühen Reaktionen zu Ippeisotsu werden von Kobayashi aufgelistet.25 Ippeisotsu wurde als äusserst eindrückliche und kraftvolle Erzählung rezipiert und als Meisterwerk bezeichnet. Die Kritiker bemerken, dass die Innerlichkeitsdarstellung im Mittelpunkt steht, Tayama mit einer neuen Erzählsituation neues Gebiet erschloss und bezeichnen die Erzählung als einen Fortschritt im Vergleich zur herkömmlichen Erzählweise. Sie loben den Verzicht auf Sentimentalität und die neue Erzählhaltung, die im Vergleich zur Malerei ins Innere des Menschen eindringen könne und sie rühmen die Einheit von Innen und Aussen, Stil und Inhalt. Die wenigen negativen Aussagen betonen die unchronologische Erzählweise, wodurch die Erzählung formlos und unkünstlerisch wirke. Ein anderer Kritiker meint, das „Eindringen“ des Autors in den Soldaten sei interessant, wirke aber unnatürlich und übertrieben.

25

Kobayashi (1979: 800–806).

303

2.1.6

Weitere Abhandlungen zu Tayama Katai

a) Katagami Tengen (1908) Im Jahre 1908 erschien Katagami Noborus [Tengen] Abhandlung über Tayama, Tayama Katai no shizenshugi (↰ጊ⧎ⴼߩ⥄ὼਥ⟵, Tayama Katais Naturalismus)26. Sie ist den Bänden Mura no hito und Katai-shnj (⧎ⴼ㓸, [Tayama] Katai-Sammlung, 1908) gewidmet. Er hält Jnjemon no saigo für unreif, und die Erzählhaltung für uneinheitlich, da der „Autor“ die objektiven Beschreibungen immer wieder durch Kommentare und Sentimentalitäten unterbreche, die Darstellung für inkonsequent, da nur die „Oberfläche“ geschildert, aber nicht analysiert werde. Inhaltlich vermisst Katagami eine ausreichende Charakterisierung des Protagonisten, dessen Geschichte auf nur gerade vierundzwanzig Seiten geschildert wird.27 Er meint, Jnjemon werde nur an einer einzigen Stelle beschrieben und trete nicht als die „besondere Persönlichkeit“ auf, als die der „Autor“ ihn bezeichne. Überdies stehe die naturalistische Behandlung der menschlichen Natur im Widerspruch zur sentimentalen Haltung des Autors, der in Schrecken und Larmoyanz verfällt, statt die Hintergründe zu untersuchen und so die „objektive Beschreibung der Wirklichkeit“ nicht erreicht. Katagami rezipiert Rinshitsu positiv, da die Beschreibung der Begleitumstände, Umgebung, Inhalt und Atmosphäre übereinstimmen, kritisiert aber die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Zusammentreffens. Shǀjobyǀ hält er für einen Misserfolg, weil die allzu grosse Betonung der Innerlichkeit des Protagonisten die Beschreibung der Lebenswelt verhindere. Den Tod des Helden erklärt er als reine Effekthascherei. Die Darstellung eines krankhaften Phänomens werde nicht analysiert, nur ein Aspekt (die Oberfläche) werde gezeigt, dadurch fehle die Ein- und Übersicht, und der Versuch, Wirklichkeit aufzuzeigen, schlage fehl. Die gleichen Mängel entdeckt Katagami in Futon. Wie schon in seiner Kritik von 1907 (siehe oben) lobt er die „unverblümte Beschreibung“, kritisiert aber, dass nur Oberflächen-Phänomene geschildert werden. Er sieht in Futon den Höhepunkt der modernen Tendenzen, die 26 27

304

In: Yoshida et al. (Hgg.) 1978. Katagami bemerkt nicht, dass diese „Beschreibung“ eine eingeschobene, an den Ich-Erzähler gerichtet Erzählung ist, obwohl er sieht, dass der „Autor“ keine direkte Beziehung zum Protagonisten hat.

Leiden eines Individuums, das sich seiner selbst bewusst ist, auszudrücken. Katagami zufolge gelingt es Tayama das erste Mal, das Selbst zu objektivieren, selbstkritisch zu sein, eine Beichte des eigenen Lebens abzulegen. Als Schwäche führt Katagami die fehlende Analyse des Hintergrunds an, wodurch die Gefühle des Protagonisten für seine Frau und Yoshiko unbegründet bleiben. Ippeisotsu erklärt er zusammen mit Futon zum Höhepunkt von Tayamas Schaffen. Er erkennt in Ippeisotsu die schon in Futon vorhandene schonungslos von „innen gesehene Innen- und Aussenwelt“. Diese Technik sei in Ippeisotsu durchgehend angewandt, womit der Autor neues Gebiet betrete und sich vom sentimental-lyrisch Erdrückenden entferne. Allerdings beklagt Katagami die mangelhafte Komposition und vermisst die tiefgehende und detaillierte Beschreibung der Person, deren Charakter und Alltagsleben. b) Ikuta Chǀkǀ (1911) Ikuta Chǀkǀ (↢↰㐳ᳯ, 1882–1936) diskutiert Tayama Katai in Tayama Katai shi o ronzu (↰ጊ⧎ⴼ᳁ࠍ⺰ߕ, Abhandlung über Tayama Katai) aus der Sicht der eleganten urbanen Literatur. 28 Er vermisst Witz und Humor und bezeichnet Tayama als provinziell und barbarisch, da er ernsthafte Stoffe vorziehe, auf Kunstfertigkeit verzichte und es ablehne, sich die grossstädtische Literatur anzueignen. Er hält das Lob für Jnjemon no saigo für übertrieben und meint, die Sentimentalität des Autors nehme zu viel Raum ein; die Erzählung sei nichts weiter als eine Kopie von Sudermanns Der Katzensteg. c)

Yanagita Kunio (1930)

Nach dem Tod Tayamas erschien 1930 Yanagita Kunios ( ᩉ↰࿖↵ , 1875–1962) Nachruf Katai-kun no saku to ikikata (⧎ⴼำߩ૞ߣ↢߈ᣇ, Katais Werke und Leben) 29 Yanagita, ein Jugendfreund Tayamas, lobt vor allem Jnjemon no saigo als die Erzählung, die ihn am Tiefsten beeindruckt habe. Yanagita hält Tayamas Ablehnung der Fantasie für naiv, bewundert aber seine „Kunstfertigkeit der Kunstlosigkeit“. Er bedauert die Wahl der Stoffe aus der eigenen Umgebung, doch räumt er

28 29

In: Yoshida et al. (Hgg.) 1978. In: Yoshida et al. (Hgg.) (1978: 301–305).

305

ein, der Versuch, die Phänomene zu beschreiben „wie sie sind“, führe zum Bewusstsein des Menschen und zu einem neuen Menschenbild. Ihm scheint die „naturalistische Beschreibung“ der Wirklichkeit fragwürdig, da Tayama stets die Tendenz habe, seine Gefühle zu schildern. Erzählungen wie Futon stellten so Tayamas Wahrheit dar, nicht diejenige der Modelle, denn es gebe einen Unterschied zwischen den Gedanken einer real existierenden Person und den Gefühlen, die Tayama in seinen Erzählungen ausdrückte.30 d) Yazaki Dan Kobayashi Ichirǀ zitiert in seiner Forschung die Arbeiten von Yazaki Dan (⍫ፒᒢ) und Nishimura Kǀji (⷏᧛ቁᰴ).31 Yazaki argumentiert in seinem Aufsatz Kindaiteki jiga no nihonteki keishiki ( ㄭ ઍ ⊛ ⥄ ᚒ ߩ ᣣ ᧄ ⊛ ᒻ ᑼ , Das moderne Ich in seiner japanischen Ausprägung, 1943) aus dem Standpunkt der nationalistischen „Überwindung der Moderne“32 (ㄭઍߩ⿥స, kindai no chǀkoku). Er sieht Futon als (vergeblichen) Kampf gegen die Religion und die von feudalistischen Kräften beherrschte Politik. Er betrachtet die Enthüllung der Hässlichkeit und Unmoral der Menschen nicht als Nachahmung westlicher Literatur, sondern als das Erwachen des Volksbewusstseins. Er hält das Ich des Protagonisten für unreif, da es zwar die Wichtigkeit des Handelns erkennt, aber eine These des Zufalls verficht, die zu Nichteinmischung und Mystizismus führt. Yazaki zufolge wird der von Tayama proklamierte Kampf in Futon literarisch nicht erfüllt. Futon zeige die Geschichte und Niederlage des japanischen Ich, dessen Realität sich vom europäischen unterscheide und dessen Ohnmacht sich in Tayamas Literatur als Selbstquälerei und Karikatur spiegle.

30

31 32

306

Hier wehrt sich Yanagita dagegen, mit den Protagonisten jener Erzählungen identifiziert zu werden, deren Stoff auf seinen Erfahrungen beruhte (wie No no hana und Shunchǀ). Zitiert in: Kobayashi (1979: 355–362). Das Thema einer Diskussion im Jahre 1942 in der Zeitschrift Bungakukai über die philosophischen Probleme der Modernisierung Japans.

2.2 Versuch einer marxistischen Interpretation: Kataoka Ryǀichi (1940-1949) Kataoka Ryǀichi ( ጟ⦟৻) postuliert Literatur als Klassenkampf, mit dem Ziel, den Menschen als Opfer einer repressiven Gesellschaft zu befreien, wobei die literarischen Werke als Arena dienten, in denen dieser Kampf ausgefochten werde. In seinen 1940–1949 entstandenen Aufsätzen zum Naturalismus (⥄ὼਥ⟵ߩ⎇ⓥ, Naturalismusforschung)33 beschäftigt er sich eingehend mit Tayamas Werk. Kataoka hat die Tendenz, gesellschaftliche Analysen in die Werke zu projizieren. Er begründet dies damit, dass die Schriftsteller der Meiji-Zeit noch nicht über die Einsichten der Nachkriegsintellektuellen verfügten, da in der Zeit, als Shimazaki und Tayama wirkten, eine objektiv-analysierende Haltung unmöglich war, und ihnen die wissenschaftliche Methode und Intellektualität, die Ursache der gesellschaftlichen Bedingungen zu durchschauen, fehlten. Für Kataoka war der damalige Realismus dadurch beschränkt, dass die Autoren Probleme berührten, die sie nicht objektiv beschreiben konnten und so die Tendenz hatten, in Sentimentalität, Entrüstung und Trauer zu verharren. Kataoka begrüsst Tayamas Wendung zum Naturalismus, da dieser die animalischen Instinkte und die Wahrheit des Menschen in den Mittelpunkt stelle. Dadurch entstand die Möglichkeit, soziale Probleme, die in der vormodernen Erzählung nicht aufgegriffen wurden, zu behandeln ohne den Menschen zu idealisieren, ihn als Teil der Natur zu akzeptieren und ihn zum Objekt der Beobachtung zu machen. Die unbeschönigte Beschreibung (rokotsu naru byǀsha) sieht Kataoka als Widerstand gegen eine feudalistisch getarnte Moral und leere Formalität, Ästhetizismus und Verzierung. Er interpretiert die Darstellung der Hässlichkeit des Menschen als Protest gegen politische und soziale Unterdrückung und als Versuch, die Konventionen zu durchbrechen. Obwohl soziale Probleme nicht im Mittelpunkt von Jnjemon no saigo stehen, sind sie für Kataoka unausweichlich damit verknüpft. In Jnjemon no saigo zwinge Ausbeutung und Verarmung die Land-

33

Kataoka (1979). Eine frühere Abhandlung über Tayama in Kindai Nihon no sakka to sakuhin (ㄭઍᣣᧄ䈱૞ኅ䈫૞ຠ, Autoren und Werke des modernen Japan, 1993 [1939]) ist sehr viel vorsichtiger formuliert als die in der Gesamtausgabe publizierten Aufsätze.

307

bevölkerung zur Fremdarbeit34, eine Möglichkeit, die Jnjemon als einem Behindertem nicht gegeben ist, und der daher untergeht. Durch seine Sexualität, die für Kataoka nicht nur amouröse Lust, sondern mit „Befreiung“ verbunden ist, steht Jnjemon in Opposition zu den Dorfbewohnern, die die historisch-sittlichen Regeln vertreten. Allerdings kritisiert Kataoka das unverdaute neue Gedankengut, das abstraktfantastisch zu Pathos tendiere. Kataoka führt aus, dass die Suche nach Freiheit und individuellem Leben in der frühen Phase des japanischen Naturalismus im Mittelpunkt stand und zur Katastrophe führte, Futon aber die Unmöglichkeit, die innere Wahrheit zu leben, zeigte. Futon beschreibt einen handlungsunfähigen, in seiner Lebenswelt frustrierten Menschen, der den Grund für seine Entfremdung nicht kennt und nicht als Herausforderung zum Kampf begreift. In der Welt von Jnjemon wie auch von Futon stehen sich, so Kataoka, die alte und neue Generation als zwei repräsentative Daseinsarten, als traditionelle und individualisierte Menschen, gegenüber. Wie die Protagonistin in Jokyǀshi ist auch Yoshiko eine moderne Frau, ein Individuum, das ihr Ich und ihre Persönlichkeit ausleben will. Kataoka zufolge ist dies ein Problem, das schon oft literarisch verarbeitet wurde, aber nie so „neu“. Doch sei der Protagonist unfähig, dieses Abenteuer zu wagen und fliehe in Fantasiewelten. Kataoka sieht in diesem kritiklosen Akzeptieren der inneren und äusseren Fesseln die schwache Seite des japanischen Naturalismus und wünscht sich Entwicklung und Wiederaufbau. Das Innovative in Futon besteht für ihn in der neuen Frauenfigur, im Respekt der Realität als Kunstwert und in der Konstruktion, die der Wirklichkeit folgend ohne Brüche im inneren Rhythmus eine einheitliche Welt entstehen lässt. Selbst der sentimentale Schluss erweckt in Kataoka den Eindruck eines unvermeidlichen Ausgangs. Kataoka ist einer der wenigen Autoren, der auch auf die Kurzerzählungen eingeht. Er lobt die Anerkennung für den Wert des Individuums gepaart mit Sozialkritik und interpretiert die Kriegserzählungen als Antikriegsliteratur. 35 In Rinshitsu sieht Kataoka eine Problemerzählung, kritisiert jedoch, dass weder der Hintergrund 34 35

308

Die Analyse von Jnjemon no saigo allerdings hat ergeben, dass Tayama die „Ausreisser“ als Abenteurer sah und deren Fortgehen als Chance. Kataoka (1993: 350). Die Kurzgeschichten, die er erwähnt sind Negi hitotaba (⫐৻᧤, Eine Hand voll Zwiebeln, 1907) und Shikabane (ዱ, Die Leiche, 1908).

beschrieben noch grundsätzliche Probleme diskutiert werden. Er liest Rinshitsu mit Rührung und hält die Erzählung für kritischer als andere, bemängelt aber Tayamas Realismus als oberflächliches Experiment: das sich mit formalen Aspekten beschäftigt, so dass nur Rührung oder Ablehnung entstehen kann. Kataoka zufolge lässt die Haltung als Zuschauer keine neuen Ideen zu und führt einerseits zum blossen Abmalen der Phänomene, andererseits zu Entsagung. Shǀjobyǀ betrachtet Kataoka als objektiv, als Kritik und Karikatur des Selbst.

2.3 Der Verlust der Glaubwürdigkeit und der Beginn der shishǀsetsu-Forschung Spätere Literaturwissenschaftler konnten den ursprünglichen Leseeindruck (besonders von Shǀjobyǀ und Futon) nicht mehr nachvollziehen. Sie identifizierten sich nicht mehr mit dem Protagonisten, sondern kritisierten die Erzählung als ungewollt komisch und den Protagonisten als albern. In der Folge entwickelte sich eine Diskussion darüber, was an Futon komisch war. Man ging aber nicht davon aus, die Erzählhaltung zu untersuchen, sondern interpretierte bestimmte Szenen, die, entgegen Tayamas ursprünglicher Intention, lächerlich wirkten. Es waren vor allem Wissenschaftler, Spezialisten westlicher Literatur, deren Auffassung sich am europäischen (diegetisch-fiktionalen) Roman des 19. Jahrhunderts orientierte. Sie sahen Futon als Vorläufer des shishǀsetsu und als Verzerrung (ᱡߺ, yugami) dessen, was Literatur sein sollte. Die Ansicht, Tayamas Literatur sei aus einem Missverständnis entstanden, setzte sich durch: Tayama sei unfähig, europäische Literatur zu verstehen und vertrete deshalb eine „verzerrte Version des Naturalismus“. Die Wissenschaftler wandten sich gegen die Alleinherrschaft des Naturalismus und das Postulat, Literatur müsse Wahrheit beschreiben und nur diese Art der Literatur sei „reine Literatur“ ( ⚐ ᢥ ቇ , junbungaku). Besonders ein Artikel von Kume Masao (ਭ☨ᱜ㓶, 1891-1952) aus dem Jahre 1923 fiel auf, da Kume die grossen Romane des europäischen Realismus als erfunden und deshalb als Populärliteratur ( ㅢ ଶ ዊ ⺑ , tsnjzoku shǀsetsu) und blossen Lesestoff (⺒ߺ‛, yomimono) kritisierte.36 36

Zitiert in: Keene (1999: 511).

309

2.3.1

Masamune Hakuchǀ (1933)

Masamune Hakuchǀ diskutierte in seinem Aufsatz Tayama Katai-ron ( ↰ ጊ ⧎ ⴼ ⺰ , Abhandlung über Tayama Katai) 37 viele Themen, die spätere Wissenschaftler aufgriffen. Für Masamune lag Tayamas Bedeutung in seiner Rolle als Vermittler der westlichen Literatur, trotz „Fehlinterpretationen“ und Missverständnissen sowie als Vertreter des Naturalismus, der ein neues Prinzip der literarischen Gestaltung – Aufrichtigkeit – vertrat. Auch für Masamune ist Futon das bahnbrechende Werk der Meiji-Zeit. Doch bedauert er die neue Tendenz, biografische Stoffe unbeschönigt wiederzugeben. Positiv sieht Masamune Tayamas Versuch, durch die „direkte Beschreibung“ ( ⋥౮ , chokusha) Wahrheit zu erzeugen. Aber das eigene Leben unbeschönigt vor dem Leser auszubreiten, und dies zum einzig richtigen Weg der Literatur (ᧄ㆏, hondǀ) zu erklären, hält er für falsch. Denn Tayamas Methode, seine Gefühle darzulegen und von sich selbst zu erzählen, lasse die Fantasie verdorren, beschränke die Weltsicht und wirke kunstlos und monoton. Masamune zufolge glaubte Tayama im Stil der westlichen Literatur zu schreiben und produzierte Erzählungen, die komisch und lachhaft wirkten. Der ausserordentliche Erfolg von Futon, meint Masamune, habe viele andere Schriftsteller beeinflusst, so dass es Mode wurde, die eigene unbeschönigte Version von Liebe und Leidenschaft zu schreiben und so sei die biografische Bekenntnisliteratur vorherrschend geworden. Masamune Hakuchǀ liest Futon als Aufzeichnung der Wirklichkeit ( ታ ㍳ ), kritisiert aber, dass Tayama diese Aufzeichnungen als „Erzählungen“ publizierte, mit immer neuen Namen der auftretenden Personen, die ja in der „realen“ Wirklichkeit stets die gleichen blieben. Masamune zufolge sollte man aber nicht Tayama dafür kritisieren, dass der Leser den Inhalt der Erzählungen für wahr hielt, denn Tayamas Auffassung von Literatur war auf die Haltung des Lesers angelegt und dessen Neugier auf Klatsch.

37

310

In: Yoshida et al. (Hgg.) (1978: 305–315).

2.3.2

Kobayashi Hideo (1935)

Kobayashi Hideo (ዊᨋ⑲㓶, 1902–1983) verfasste 1935 eine Abhandlung über den shishǀsetsu (⑳ዊ⺑⺰, Watakushish|setsu-ron). 38 Es ging ihm dabei weniger um Tayama und seine Werke, als um Futon als Vorläufer des shishǀsetsu. Seine Argumentation beruht auf dem „sozialisierten“ Ich der europäischen Schriftsteller, die „ausserhalb“ der Gesellschaft lebten und so fähig waren, diese mit dem nötigen wissenschaftlichen und sozial-ideologischen Hintergrund zu beschreiben. Tayama fehlte die philosophisch-wissenschaftliche Grundlage; er habe von Maupassant nur dessen Stil und Technik übernommen. Seine Tendenz, sich des privaten Lebens als Material für Erzählungen zu bedienen, begründete den shishǀsetsu und erhob diesen zur Kunst. 2.3.3

Nakamura Mitsuo (1936/1950)

Nakamura Mitsuo ( ਛ᧛శᄦ, 1911–1988) argumentiert aus der Sicht eines Verfechters der diegetisch-fiktionalen Erzählweise und ist einer der schärfsten Kritiker von Futon. In Tayama Katai-ron ( ↰ ጊ ⧎ ⴼ ⺰ , Abhandlung über Tayama Katai, 1936)39 betrachtet er Jnjemon no saigo als eines der besseren Stücke der Meiji-Literatur. Er lobt die „freie Erzählhaltung“ (⥄↱ߥ⹤ⴚ, jiynj na wajutsu) und die genaue und natürliche Beschreibung des Lebens von Jnjemon, trotz der indirekten Erzählhaltung [Ich-Erzählung] und des etwas losen Aufbaus. Die Geschicklichkeit des Schriftstellers, über einen Anderen als sich selbst zu schreiben, zeigt für Nakamura die Möglichkeit der japanischen Literatur auf, die durch die Hinwendung zum Bekenntnisroman ( ๔ ⊕ ዊ ⺑ , kokuhaku shǀsetsu) im Keime erstickt wurde. Nakamura betrachtet Futon als ein Werk, in dem sich Tayama an der westlichen Literatur orientierte, ohne sie wirklich zu verstehen, was zu einer „Verzerrung“ führte. Nakamura zufolge berauschte Tayama sich an der Idee der westlichen Literatur, so wie der Protagonist Takenaka Tokio sich an der Idee „Liebe“ berauschte. Für Nakamura ist ein liebestrunkener Protagonist mittleren Alters nicht mehr glaubhaft, sondern 38

39

In: Takahashi et al. (Hgg.) (1972: 181–202). Vgl. auch Hijiya-Kirschnereit (1981: 59–63). Lange war man sich uneinig, ob man ⑳ ዊ ⺑ als shishǀsetsu oder watakushi-shǀsetsu lesen solle. Ich halte mich an die von Hijiya-Kirschnereit (1981: 1–2) vorgeschlagene Lesung. In: Yoshida et al. (Hgg.) (1978: 342–357).

311

lächerlich. Tayama, so Nakamura, war sich der Komik der Figur nicht bewusst, da er die Gefühle des Helden teilte, sich also nicht distanzierte. Den Grund für den Widerspruch von unfreiwilliger Komik und „unverblümter Beschreibung“ sieht er in der Persönlichkeit des Autors, in dessen Unbegabtheit und naiver Ehrlichkeit, der sich nur der Methode der westlichen Literatur bediente. In seinem 1950 erschienenen Fnjzoku shǀsetsu-ron ( 㘑 ଶ ዊ⺑⺰ , Abhandlung über den Sittenroman) untersucht er die Entwicklung des japanischen Realismus aus der Sicht westlicher Normen und Vorbilder. Seine Kritik richtet sich gegen das Fehlen jener Strukturmerkmale, die eine diegetisch-fiktionale Erzählung ausmachen – die Distanz des Autors zum Protagonisten, die ihn befähigt, dessen Psychologie und Verhalten zu kritisieren und ihn in einen grösseren sozialen Kontext einzubetten. Nakamura verurteilt Futon als unausgereift und kopflastig, als schicksalhaftes Unglück der japanischen Literatur und bezeichnet den Erfolg als Sieg im Kampf zwischen Shimazaki Tǀsons Hakai und Futon, der die japanische Literatur vom „rechten Weg“ abbrachte. Er illustriert dies durch Tayamas „Missverständnis“ von Hauptmanns Einsame Menschen. Da Hauptmann als Autor über den Figuren stand, behandelte er alle auftretenden Personen gleichwertig als Individuen. Tayama hingegen kopierte weder das Stück in seiner Tiefe noch dessen Aufbau (Mehrdimensionalität), sondern nur die Hauptperson, Johannes (Eindimensionalität). Indem sich Tayama als Johannes inszenierte, ignorierte er den Abstand Autor – Figur und beschrieb den Helden aus dem Standpunkt des Helden. Die Subjektivität des „Autors“ färbte durch die „monologische Ausdrucksform“ die ganze Erzählung sowie die Nebenfiguren. Nakamura zufolge liess die extreme Formel Autor = Figur im Namen des Wahrheitsanspruchs der modernen Literatur die wichtigste Dimension der modernen Literatur ausser Acht. Für Nakamura Mitsuo liegt die Schwäche von Futon in der Erzählhaltung, die die Nebenfiguren (deren Gefühle nie beschrieben werden) zu Werkzeugen des Plots macht. „Biografische Aussagen“, meint er, sollten in Monologen, Tagebüchern oder Briefromanen gemacht werden, Bekenntnisse ein Element von Selbstkritik beinhalten, während die „monologische Ausdrucksform“ von Futon eine objektive Beschreibung verhindere. So gelinge es Tayama nicht, die Situation eines Individuums der neuen Zeit, das sich seines Ichs bewusst sei und unter dem Zwiespalt zwischen sozialem Zwang und Selbstver-

312

wirklichung leide, zu gestalten. Den Grund für dieses Scheitern sieht Nakamura in der Unreife der japanischen Gesellschaft, der Atmosphäre der Zeit, die verhinderte, ein derartiges Thema mit der notwendigen Objektivität zu behandeln. Er glaubt, Futon enthalte den Stoff für eine Komödie, aber die Ernsthaftigkeit des Autors und die fehlende Ironie zur Figur rufe beim Leser ein Lächeln hervor. Nakamura zufolge wurde die literarische Theorie, die Futon zu Grunde lag, zum literarischen Ideal erhoben – die Übernahme einer Figur der westlichen Literatur, deren Performance durch den Autor, der Anspruch auf Wahrheit und die Ablehnung von Fiktion, die Tendenz, die Psychologie des Protagonisten so unvermittelt wie möglich durch eine kunstlose Kunst wiederzugeben. Dies führte dazu, dass die Werke nur noch um ihres Inhalts willen, aus Neugier am Leben des Autors gelesen wurden. Diese Entwicklung zum shishǀsetsu bedeutet für Nakamura die Ablehnung der Romanhaftigkeit der Literatur, die Beschränkung auf eine verzerrte Form des Realismus, die Reduktion auf eigene Erfahrung und Verzicht auf Universalität. In einem späteren Essay, Futon hakkutsu ( ⫱࿅⊒ជ , Ausgrabung von Futon, 1979)40 , versucht Nakamura, die Erzählungen Tayamas in den japanischen literaturhistorischen Kontext einzubetten. Er sieht Jnjemon no saigo nicht nur als Gegensatz zu den vorhergehenden sentimentalen Schriften Tayamas, sondern auch als Fortschritt gegenüber den ersten Werken der „neuen Literatur“, eine Art Gedanken-Erzählung. Er hält Shǀjobyǀ für eine moderne Erzählung mit dem Thema „ereignislose Liebe“, eine gelungene Betrachtung der Psychologie eines Kranken, ohne die Gefühle des „Autors“ einzubringen. Mit Futon kann sich Nakamura nach wie vor nicht anfreunden, er bedauert erneut die Tendenz zum Bekenntnis, vor allem aber, dass die „Aufschreie“ des Protagonisten die ganze Erzählung erfüllen und den Leser zur Identifikation zwingen. 2.3.4

Hirano Ken (1958)

Hirano Ken (ᐔ㊁⻞, 1907–1978) geht in seiner Diskussion von Futon in geijutsu to jisseikatsu ( ⧓ⴚߣታ↢ᵴ , Kunst und Leben, 1958) 41 von seinem Leseeindruck aus. Er diskutiert weder die Erzählhaltung noch 40 41

In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 302–309). Das Kapitel über Futon in: Katǀ (Hg.) (998 I: 267–287).

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den Stil, sondern nur den Inhalt, den er für unglaubwürdig hält. Hirano greift besonders drei Aspekte der Erzählung auf: Zum einen die Tatsache, dass ein Mensch mittleren Alters seine hässlichen Gedanken preisgibt und so sein gesellschaftliches Ansehen zerstört, dann die Haltung Tanaka Hideos, der um einer Frau willen seine Karriere aufs Spiel setzt und schliesslich die letzte Szene mit dem weinenden Takenaka Tokio in Yoshikos Futon. Er hält die Fantasien des Protagonisten; da diese keine Entsprechung in der realen Welt haben, für erfunden. Hirano stützt dabei seine Argumentation auf nicht-fiktionale Quellen und schliesst daraus auf Fiktionalisierung der Realität. Aus der Lektüre des Briefwechsels zwischen Tayama und der Familie seiner Schülerin42 schliesst Hirano, Tayama habe nur im Text die Maske des pflichtbewussten Lehrers zerstört, dass aber die in der realen Welt existierenden Personen sich der Fiktion bewusst waren, da sonst die Beziehungen abgebrochen worden wären. Die Erzählung ist für Hirano nicht fiktional in dem Sinne, als Takenaka Tokio identisch mit Tayama Katai ist, fiktional ist die „Affäre“, die im wirklichen Leben nie stattgefunden habe. Hirano hält es für unmöglich, dass sich ein vernünftiger Mensch wie Takenaka Tokio verhält und schliesst daraus, die Zerstörung des gesellschaftlichen Ansehens habe nur im Text, das Bekenntnis nur auf dem Papier stattgefunden, nicht aber in der Lebenswirklichkeit. Die Aussagen in der Autobiografie Tǀkyǀ no sanjnjnen nennt Hirano einen „Betrug am Leser“43. Die Betonung des Individualismus und die unvorteilhafte Darstellung des Helden hält Hirano nicht für erfunden, sondern entspringe Tayamas Wunsch nach Erneuerung. Schon in Shǀjobyǀ war Tayamas Intention, die frühere sentimentale Literatur auszulöschen und mit der Vergangenheit abzurechnen deutlich, allerdings mit einem Element der Selbstobjektivierung und Selbstverlachung. Futon hingegen greife auf 42

43

314

Schon kurz nach der Publikation von Futon erschienen zum Teil anonyme Artikel (einer unter dem Namen der Protagonistin Yoshiko), die sich gegen die ungerechte Behandlung der Figuren Tanaka und Yoshiko wandten. 1939 schliesslich wurde der Briefwechsel Tayama Katais mit seiner Schülerin (Okada Michiyo) und deren Familie publiziert. Vgl. Nakayama (1907) in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 59–63), Yokoyama (1907) in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 67–68), Nagayo (1915) in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 71–80) [Yokoyama ist der Name der fiktionalen Heldin, Nagayo derjenige der verheirateten Okada Michiyo], anon. in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 83–109) und Fukuchi (1992/93/94) in: Katǀ (Hg.) (1998 III, 261–273, 379–400 und 423–441). Hirano in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 281).

die alte Sentimentalität zurück und sei weder reine Fabrikation noch die Darstellung der „realen“ Wirklichkeit, sondern Erforschung und Suche nach Wahrheit durch Selbstsezierung. Den Grund für den durchschlagenden Erfolg von Futon sieht Hirano weder in der Erzählhaltung noch im Inhalt (zum Beispiel der Beichte oder das Aufgreifen tabuisierter Themen), sondern in der unbarmherzigen Blossstellung der Wahrheit unter Aufopferung des eigenen Rufs – albern aber mutig, in Hiranos Einschätzung – um des literarischen Ruhmes willen. 2.3.5

Itǀ Sei (1955)

Itǀ Sei (દ⮮ᢛ, 1905–1969) begreift das Phänomen Literatur als gesellschaftlich bedingt und klassifiziert die literarische Konzeption ( ⊒ᗐ , hassǀ) nach der Art der Schriftsteller, ihr Leben zu bewältigen.44 Für ihn sind westliche Schriftsteller, die in der Gesellschaft leben, gezwungen, ihre inneren Nöte in Fiktion zu verpacken (als Beispiel nennt er Maupassants Bel ami) und, sofern sie sich mit ihren Figuren identifizieren, als „maskierter Gentleman“ (઒㕙⚩჻, kamen shinshi)45 aufzutreten. Die Naturalisten Japans als Abkömmlinge niedriger Samurai, die ohne formelle Bildung sich eine Existenz aufzubauen versuchten, entflohen der Gesellschaft und ihren Zwängen und lebten in einer ausserhalb der Gesellschaft existierenden Organisation (ᢥს, bundan). Ihre Haltung nennt Itǀ die „Mentalität entlaufener Sklaven“ (ㅏ੢ᅛ㓮, tǀbǀ dorei). Itǀ zufolge erlangten sie unter bestimmten Umständen ein Mass an Freiheit, das ihnen ermöglichte, von ihrem Schreiben leben zu können, ihre eigenen Belange in ihrem eigenen Stil unverhohlen darzustellen und auf „Fiktion“ zu verzichten. Dies sei nur in Übergangszeiten mit geringer Kontrolle möglich, im Falle der japanischen Naturalisten zur Zeit des Zusammenbruchs der Ken’ynjsha, als die feudalistischen Lehrer-Schüler Strukturen mit dem Tod von ƿzaki Kǀyǀ verschwanden, und neue und freie Publikationsmöglichkeiten nach dem Russisch-Japanischen Krieg aufkamen. Itǀ liest Futon als Vorläufer der shishǀsetsu und somit als Wahrheit. Er argumentiert, dass die 44 45

Itǀ (1985). Vgl. auch Powell (1983). Dieser Begriff wird von den japanischen Literaturwissenschaftlern gern auf den Protagonisten von Futon angewendet, während ihn Itǀ Sei nur für westliche Schriftsteller braucht.

315

naturalistischen Schriftsteller, nachdem sie das Hindernis der LehrerSchüler Beziehung überwunden hatten, nun den Kampf mit der Familie, die die neugewonnene Freiheit beeinträchtigte, aufnahmen. Itǀ versucht in Kindai Nihon no sakka no sǀsaku hǀhǀ (ㄭઍᣣᧄߩ ૞ ኅ ߩ ഃ ૞ ᣇ ᴺ , Die Methode der Kreation der Schriftsteller des modernen Japan, 1955)46 die Methode (Kompositionsprinzip) der Naturalisten zu definieren. Er postuliert, deren Leben sei Literatur. Itǀ lehnt die Meinung ab, Futon sei aus Tayamas Missverständnis der westlichen Literatur entstanden und weist darauf hin, dass nach einer Periode strenger Kontrolle das Bedürfnis, die Regungen des eigenen Herzens zu beschreiben, übermächtig wurde. Futon ist Itǀ zufolge das erste Werk, das die Gefühle eines Mannes mittleren Alters für eine junge Frau enthüllt, wobei der Leser den Zerfall des Ansehens begleitet – dies begründete die Wirkung von Futon. Die Familie im Namen der Wahrheitssuche zu opfern wurde zum Erfolgsrezept, zur Methode. Itǀ postuliert, die Schriftsteller besänftigten ihr Gewissen, indem sie ihren Egoismus als Selbstopfer verstanden, und so das Künstlergewissen (auf Kosten des Alltagsgewissen) beruhigten. Diese Tendenz, das Selbst darzustellen, nahm als shishǀsetsu feste Formen an, die von den Lesern, die noch in feudalistischen Zwängen lebten, positiv rezipiert wurde.

2.4 Tayama Katai als Naturalist 2.4.1

Yoshida Sei’ichi (1955/58)

In seinem repräsentativen und monumentalen Werk Shizenshugi no kenkynj (⥄ὼਥ⟵ߩ⎇ⓥ, Naturalismus-Forschung) befasst sich Yoshida Sei’ichi ( ศ ↰ ⺈ ৻ ) mit der Geschichte und den Hintergründen, den Theorien, Schriftstellern und Kritikern des japanischen Naturalismus. Er untersucht die Einflüsse der westlichen Literatur auf die verschiedenen Autoren und diskutiert die bestehende Sekundärliteratur, ohne allerdings neue Interpretationen einzubringen. Er beschreibt Tayama als einen der wichtigsten Vertreter des japanischen Naturalismus, als einen Schriftsteller, der eher fühlte als dachte, am eigenen „Ich“ festhielt, wodurch seine Erzählungen beschränkt und unkritisch blieben.

46

316

In: Itǀ (1985: 103–125).

Yoshida erforscht Tayamas Entwicklung, beschreibt die frühen Werke und findet darin hauptsächlich Schwächen wie ärmliches Vokabular, fehlende Vorstellungskraft, Strukturlosigkeit, dürftige Konstruktion der Figuren, Sentimentalität und Kritiklosigkeit, fehlendes Interesse an gesellschaftlichen Belangen und die Tendenz, den Stoff als eigenes Erlebnis zu beschreiben. Yoshida stellt Tayamas Werdegang von einem Naturschwärmer und Mädchenanbeter dar, für den die Natur als Idylle und Trost fungierte, zu einem Schriftsteller, der zwar für seine Aufrichtigkeit gelobt, aber als Dichter der „verlorenen Liebe“ verlacht wurde. Die Beschäftigung mit der europäischen Literatur führte zu einer neuen Auffassung der menschlichen Natur, einer Hinwendung zum Realismus und der Bemühung um Objektivität. Besonders die Erzählungen des frühen Naturalismus (darunter auch Jnjemon no saigo) sieht Yoshida als Versuch, mittels der Ich-Erzählung die „eigene Subjektivität zu Objektivität zu erheben“, indem Tayama das Ich als Aussenseiter gestaltete, der die auftretenden Personen und deren Charakter kommentierte, um so der fehlenden Charakterisierung der Figuren abzuhelfen. 47 Yoshida hält Jnjemon no saigo für einen Fehlschlag. Er sieht darin eine Mischung verschiedener Quellen, nämlich die Figur der Frau aus Sudermanns Katzensteg, die Beschreibung der jungen Freunde vom Lande aus Flauberts Madame Bovary, Motive aus Turgenevs Erzählungen und Anleihen (die Betonung der Vererbung) an Zola, eine Erzählung von „Turgenbert Zoladermann“48. Trotzdem hält er das Werk für bedeutend in der damaligen Zeit, als ein Versuch, den Werdegang eines Egoisten rational zu erklären. Die Kriegserfahrung schliesslich resultierte in der Vollendung des „Autors“ als Zuschauer, dem Ende des Zolaismus und der Sentimentalität. Yoshida zitiert das Vorwort des Kriegstagebuchs (╙ੑァᓥᓕ ᣣ⸥, Dainigun jusei nikki, 1905), in dem Tayama betonte, er beschreibe nur, was er sah, hörte und fühlte. 49 Die daraus resultierende neue Erzählhaltung erfasste Yoshida zufolge die Wirklichkeit nicht wissenschaftlich (im Sinne des französischen Naturalismus), sondern beglaubigte die Wahrheit durch Beobachtung. Trotz der objektiven Haltung 47

48 49

Yoshida (1970a: 310–314). Yoshida interpretiert die „kleinliche Subjektivität des Autors“ als „romanhaftes Erzählen“, die „grosse Subjektivität der Natur“ als Tayamas Versuch, sich in den Stoff und die Subjektivität der Figuren einzufühlen. Yoshida (1970a: 317). Yoshida (1970a: 324).

317

war die Basis von Tayamas Literatur immer noch subjektiv, d.h., die Analyse der Beobachtung nur deshalb richtig, weil das Ich und dessen Umgebung Objekt derselben waren. Da Tayama die Fantasie fehlte, führte die Beobachtung des eigenen Ich zu dessen Entdeckung, zu Selbstentblössung und Bekenntnis. Yoshida nennt die Inhalte der neuen Erzählungen schonungslos und brutal; sie befassten sich mit der physisch-animalischen Existenz des Menschen – dem Leiden am Tod oder dem tragischen Ende infolge der Sexualität. Er lobt Rinshitsu und Ippeisotsu als Meisterwerke, die er über Shǀjobyǀ stellt, ohne näher auf die Gründe einzugehen, ausser dass er sie als auf eigener Erfahrung basierende Wirklichkeit sieht. 50 Shǀjobyǀ betrachtet er als eine Vorstufe zu Futon, da auch hier das Selbst des Autors Modell stand, die „eigene Wahrheit“ und die Privatsphäre enthüllt wurden, obwohl der Schluss erfunden sei. In seiner Diskussion von Futon, in der er die Thesen von Nakamura (Identifikation von Autor und Protagonist) und Hirano (Fiktionalisierung und negative Überzeichnung des Helden) gegenüberstellt, neigt er zur Auffassung, Futon enthalte „nur wenig Fiktion“. Er lehnt die Ansicht, Tayama habe Einsame Menschen missverstanden ab, da Tayama, wie ein Vergleich mit Jokyǀshi zeige, eine andere Intention als Hauptmann gehabt habe, nämlich die Innerlichkeit eines Mannes mittleren Alters darzustellen.51 Futon ist für Yoshida die erste Erzählung Tayamas, die der realen Wirklichkeit getreu folgte und dadurch epochemachend war, dass der Autor seine wahre Gestalt darstellte und die eigene hässliche und beschämende Innerlichkeit aufzeigte. Die Wirkung auf die Zeitgenossen, die Futon als eindrücklichen und ehrlichen Ausdruck der Menschlichkeit des Autors lasen, beruhte auf dem Respekt für Faktizität und der Ansicht, Wahrhaftigkeit beruhe auf der eigenen Erfahrung. Die Methode von Futon beschreibt Yoshida als eine neue Technik, eine Er-Erzählung zu verwenden, kritisiert aber die fehlende Objektivität des Autors, der nur subjektive Gefühle schilderte und die Beschränkung des Stoffes auf den Umkreis des Autors, was Sozialkritik verhinderte. Abschliessend versucht Yoshida die Stärken und Schwächen des japanischen Naturalismus aufzuzählen. Das grösste Verdienst sieht er darin, den modernen Menschen mittels der Literatur zu erfassen und

50 51

318

Yoshida (1970b: 153). Yoshida (1970b: 160).

Literatur mit dem „wahren Leben“ des Autors zu verbinden. Als Schwächen betrachtet er die Verengung der Literatur auf den privaten Bereich, die unaufhörliche Beschreibung von Leiden, den ungehobelten Stil eines Provinzlers und das Fehlen von Kritik, Humor und Erbauung. Diese Beschränkung auf die Realität des Ich des Autors, verhinderte Yoshida zufolge eine „gesunde“ Entwicklung der Literatur. In seinem einführenden Kapitel zur Japanischen Literaturgeschichte der Moderne (ᣣᧄᢥቇผ㨯ㄭઍ, Nihonbungakushi – kindai)52 betont er eher den sozialen Hintergrund der naturalistischen Schriftsteller, die Enge und Besonderheit der japanischen Gesellschaft, welche auch zu einer Einengung der Literatur führte. Der Versuch der Literaten, sich selbst treu zu sein, resultierte im Verlust der sozialen Suche, in der Beschränkung auf die Lebenswelt des Autors. Er ist der Meinung, dass die Aufnahme der europäischen Literatur sich auf Technik und Komposition (Struktur) beschränkte, inhaltlich beeinflusst von Skandinaviens Ikonoklasmus und der Befreiung des Ich, Frankreichs Studium der inneren Wirklichkeit und Russlands Art, Menschen zu erfassen. Doch die japanischen Erzählungen verharrten in reiner Betrachtung, ohne positiv auf die Menschen einwirken zu wollen. 2.4.2

Ino Kenji (1966)

In seiner Abhandlung Meiji no sakka ( ᣿ᴦߩ૞ኅ , Die Autoren der Meiji-Zeit, 1966) gibt Ino Kenji (ⁿ㊁ஜੑ ) einen Überblick über die Entwicklung der japanischen Literatur. Er betont weniger die westlichen Einflüsse als die gesellschaftlichen Hintergründe. Er zeigt auf, dass Intellektuelle, die Literatur als Instrument der Veränderung sahen, nach der Errichtung des Parlaments Politiker wurden oder aber sich von der Politik ab- und dem Individualismus zuwandten. Literatur wurde nun als eigenständige Kunst, die ihren Zweck in sich trägt, postuliert. Ino zitiert besonders Tsubouchi Shǀyǀs Ruf nach Realismus und psychologischer Darstellung der Stoffe und beschreibt die Gewahrwerdung des inneren Lebens und die Entdeckung der Liebe als konstituierend für die neue Literatur, wobei Kitamura Tǀkokus ( ർ᧛ㅘ⼱ , 1868-1894) Schriften einen ausserordentlichen Einfluss ausübten. 53 Ino zufolge stand im 52 53

In: Hisamatsu (Hg.) (1964: 1–14). Ino (1971: 14–15). Ino führt aus, dass Kitamuras Ideen grossen Einfluss auf den Feminismus hatten, dieser aber bald von einer aufklärerischen zu einer sich

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Mittelpunkt des literarischen Schaffens die Auffassung der Liebe als geistig und rein im Gegensatz zum sich formierenden Familiensystem, die Spaltung in Körper und Geist, Leidenschaft und Instinkt und die Befreiung der Sinne. Die Hinwendung zum Naturalismus versteht Ino als Resignation der Schriftsteller vor dem erstarkenden Nationalismus, die Zeit um 1907 als eine kämpferische Periode, deren wichtigste Werke Kunikida Doppos Erzählsammlung Unmei ( ㆇ ๮ , Schicksal, 1906), Shimazaki Tǀsons Hakai und Tayamas Futon waren. Naturalismus ist für ihn insofern von Bedeutung, als er eine neue Form von Literatur darstellte, die auf romantischer Auflehnung, der Zerstörung der Ideale und der literarischen Muster basierte, und deren Grundströmung das Vordringen zur „nackten Wahrheit“ war.54 Als erste stellten die Naturalisten die Qualen des Fleisches, das Problem der Familie, die rasante Verstädterung und die jammervolle Situation der Landbevölkerung dar. Allerdings bedauert Ino die Dürftigkeit der Beschreibung des Subjekts und dessen Bedingungen, da die Schwäche des Beobachters zu lauwarmer Akzeptanz der herrschenden Zustände führe, zur Beschränkung auf das Bekenntnis der eigenen Erfahrung und die Beschreibung als „betrachtete Objektivität“.55 Für Ino ist Tayama der Erneuerer der Literatur, deren Wirkung vom Charakter des Autors und dessen Ehrlichkeit abhing und darauf beruhte, das eigene Ich im Widerspruch zum gesellschaftlichen Zwang zu betonen. Er führt die Neuheit der realistischen Tendenz Tayamas auf die Verbindung von Prosabeschreibung und der Poetik der waka-Dichtung zurück. Er zitiert Tayamas Ausspruch, sein Naturalismus „bestehe nicht aus einer Sicht des Menschen, sondern nur als Ausdruck“56. Futon erscheint Ino, nach dem Krieg gelesen, inhaltlich als Perversion infolge unterdrückter Sexualität, als altmodische „Mädchenkrankheit“ im Gewand importierter Literaturauffassungen. 57 Shǀjobyǀ unterscheidet sich für ihn, abgesehen von der Ironie und der „Fiktion“ des Schlusses, kaum von Futon. Futon ist für ihn weder

54 55 56 57

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anpassenden Bewegung wurde, im Versuch, westliche Freiheit und japanische Tugend zu vereinen. Ino (1971: 25). Ino (1971: 29). Ino (1971: 310). Das Zitat lautet: „ ௢䈱⥄ὼਥ⟵䈲䇮ੱ↢ⷰ䈱਄䈱䉅䈱䈪䈲䈭䈒䇮 ⴫⃻䈱਄䈣䈔䈱䉅䈱䈪䋬ᐔ㕙ឬ౮䈦䈩੐䈣䈰!“ Ino (1971: 312).

Geständnis noch Beichte, sondern eine von kindlicher Ehrlichkeit geprägte, höchst neue und effektive literarische auf der waka-Theorie gründende Methode, die den Objekten und der Szenerie den Eindruck der Wirklichkeit verlieh. 2.4.3

Kleinere Abhandlungen

Die Arbeiten dieser Zeit zeigen eine Tendenz zum Zitat und zur zusammenfassenden Wiederholung ohne neue Ansätze. Sie berufen sich auf die Abhandlungen von Kobayashi, Nakamura und Yoshida, verurteilen die fehlende „Romanhaftigkeit“ und die Monotonie der unaufhörlichen Beschreibung der negativen Seiten des Lebens.. Diskutiert werden weniger die Erzählungen selbst, als die Haltung des Autors.58 a) Senuma Shigeki (1935, 1956) Senuma Shigeki (ἑᴧ⨃᮸) erörtert in „Futon“ to sono shnj’i (㨬⫱࿅㨭ߣߘ ߩ๟࿐, Futon und dessen Umgebung, 1956)59 Futon vom Standpunkt der Moralität. Er versucht, die Erzählung zu rekontextualisieren und erwähnt, dass Futon um 1907 vom Establishment als unmoralisch angesehen wurde. Während Senuma zufolge vor den Naturalisten Liebe immer beschönigt beschrieben wurde und deren Grund (Instinkt, Sexualität) stets verborgen blieb, schilderte Futon den Menschen als animalisches Wesen, dessen Sexualität im Vordergrund steht. Dieser Ausdruck der Sexualität, der heutigen Lesern komisch erscheint, war zur Zeit der Abfassung völlig neu. Auch das Streben einer Frau nach Selbstverwirklichung musste sich gegen das herrschende konfuzianische Familiensystem richten – die Darstellung des Falles einer Schülerin war damals ein vieldiskutiertes Problem und Stoff der Bestseller. Nicht neu war die Reaktion des Protagonisten, der auf die konfuzianische Moral zurückgriff und erklärte, eine „neue Frau“ müsse, um Autonomie zu erlangen, ihre Freiheit bewahren, das heisst, tugendhaft sein.

58

59

Dazu gehört die Untersuchung von Tateoka Shunnosuke (⥪ጟବਯഥ, 1954), der Artikel von Sakamoto Hiroshi (ဈᧄᶈ, 1964) in: Hisamatsu (Hg.) (1964: 93–116). sowie die Artikel über den Naturalismus von Suzuki Keiji (㋈ᧁᢘม, 1954) und Mizutani Akio (᳓⼱ᤘᄦ, 1959), beide in: Katǀ (Hg.) (1998 I). In: Katǀ (Hg.) (1998 I: 261–266).

321

b) Shizenshugi bungaku (1975) Die im Band Nihon bungaku kenkynj shiryǀ sǀsho, Shizenshugi bungaku (ᣣᧄᢥቇ⾗ᢱฌᦠ, ⥄ὼਥ⟵ᢥቇ, Materialien zur japanischen LiteraturForschung, Naturalismus) gesammelten Aufsätze befassen sich alle mit Teilaspekten von Tayamas Werk. Nieda Tajiro ( ⿂↰ᄥᰴ㇢ ) widmet Tayamas Anfängen einen Artikel („Baisanrǀ shoshnj“ „Furusato“ kǀ, 㨬⾈ጊᭈೋ㓸㨭㨯㨬᡿ㇹ㨭⠨, Überlegungen zur ersten [Gedicht-] Sammlung Baisanrǀ und [der Erzählung] Die Heimat, 1968). 60 Er untersucht die frühen Gedichte in chinesischer Sprache, sowie die Erzählung Furusato ( ߰ࠆㇹ , Heimat, 1899), deren Schauplatz er, nach einem Besuch der Örtlichkeiten schockiert als ein Produkt der Fantasie erklärt. Er erwähnt, dass die in bibun geschriebene Erzählung mit Rührung gelesen und von Bewunderern sogar auswendig gelernt wurde.61 Hashimoto Yoshi (ᯅᧄ૫) beschäftigt sich in „Futon“ ni kansuru memo (㨬⫱࿅㨭ߦ㑐ߔࠆࡔࡕ, Memo zu Futon, 1959)62 mit den Frauenbildern in Jokyǀshi und Futon. Als einer der ersten Wissenschaftler zitiert er Tayamas Erzählungen Werke und Theorien, wobei er die Theorien als widersprüchlich bezeichnet und unberücksichtigt lässt. Hashimoto verweist auf die Ähnlichkeiten in der Thematik und in den Details in Jokyǀshi und Futon, wie die Sehnsucht nach neuer Liebe, die Beschreibung des Aussehens und der Haltung der jungen intellektuellen Frauen und demonstriert, dass beide Erzählungen ähnliche Szenen enthalten und der Protagonist ähnliche Fantasien verfolgt. Die Tatsache, dass eine „erfundene“ Erzählung wie Jokyǀshi und eine „wahrheitsgetreue“ Erzählung wie Futon analoge Themen und Vorfälle behandle, mache es notwendig, Futon neu, als Produkt von Tayamas Fantasie zu lesen. Hashimoto sieht den entscheidenden Unterschied zwischen den Erzählungen weniger im Inhalt, als in der „idée“ 63 und in der Erzählhaltung. Während Hashimoto zufolge in Jokyǀshi eine romantische Stimmung herrschte und die „Lösung“ naiv und unreif war, bezog sich Futon auf die gesellschaftliche Realität der Zeit und blieb ohne Lösung. Die „Kampfstimmung“ von Jokyǀshi wich der Resignation von Futon,

60 61 62 63

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In: Shizenshugi bungaku (1975: 119–128). In: Shizenshugi bungaku (1975: 128). In: Shizenshugi bungaku (1975: 148–155). Französisch im Original. In: Shizenshugi bungaku (1975: 153).

wodurch Futon – nicht ohne gesellschaftskritisch zu sein – in höherem Masse die Wirklichkeit der Welt spiegelte und somit eine wahrhaft realistische Erzählung darstellte.

2.5 Positivismus und die Entdeckung der „Fiktionalität“ Die von Hirano Ken angeregte Sensibilisierung des Problems der „Fiktionalität“ führte zu Vergleichen der erzählten Wirklichkeit mit den Tatsachen, den Protagonisten und deren lebenden Modellen. Diese Abhandlungen, die sogenannten moderu-ron (ࡕ࠺࡞⺰, Abhandlungen über Modelle), befassen sich hauptsächlich mit Jnjemon no saigo, Futon und Inaka kyǀshi, wobei sie sich, sofern der Protagonist mit Tayama identifiziert wird (dessen Übereinstimmung mit der Wirklichkeit selten in Frage gestellt wird), gerne mit den Nebenfiguren abgeben. Andererseits begann die Beschäftigung mit Quellen und Einflüssen, wobei es galt, möglichst viele Spuren ausländischer Werke zu finden und zu belegen. Manche Erzählungen gerade Tayamas wurden als Adaptationen (hon’an) bezeichnet, wenn er Anregungen aus seiner Lektüre verwendete oder europäische Werke in freier Übersetzung paraphrasierte. Auch hier werden Erzählungen, die keine literarischen Vorbilder hatten, kaum erwähnt – dies besonders im Fall von Rinshitsu und Ippeisotsu. Die Meinung, Tayama habe die europäische Literatur (im Falle des Naturalismus) missverstanden oder nicht „verdaut“, also nur deren Technik übernommen und so eine verzerrte Version des Naturalismus in Japan geschaffen, etabliert sich, ebenso die Überzeugung, dass Tayama die Methode (zum Beispiel den Impressionismus der Brüder Goncourt) vergeblich zu imitieren suchte. 2.5.1

Iwanaga Yutaka (1968/1969)

Iwanaga Yutaka ( ጤ ᳗ ⵨ ) ist der wohl prominenteste Vertreter des Biografismus. Er beschäftigt sich weniger mit Form oder Inhalt der Erzählungen Tayamas als mit der Beziehung der realen zur fiktionalen Wirklichkeit. Er stützt sich auf die schon von Hirano Ken benutzten Quellen, geht dabei aber viel weiter und identifiziert die in den Erzählungen vorkommenden Orte und Personen. Er macht keine Unterscheidung zwischen Autor, Erzähler und Protagonist.

323

In der Folge liest er Tayamas Werke als „fiktionalisierte Wirklichkeit“, lehnt jedoch Tayamas Art der Fiktionalisierung ab. Iwanaga betrachtet Fiktionalisierung als eine notwendige Folge literarischen Schaffens, da die Wirklichkeit „wie sie ist“ nicht dargestellt werden könne, meint aber, es brauche eine gewisse persönliche Reife, um „gute“ Fiktion schreiben zu können. In Shizenshugi bungaku ni okeru kyokǀ no kanǀsei (⥄ὼਥ⟵ᢥቇߦ ߅ ߌ ࠆ ⯯ ᭴ ߩ น ⢻ ᕈ , Die Möglichkeiten der Fiktion in der naturalistischen Literatur)64 unterscheidet er zwei Arten von Fiktionalisierung, einerseits eine „objektive“ Methode, die versucht, alle Aspekte des Stoffes zu durchleuchten und den Stoff so in eine höhere Sphäre zu erheben, die das Ich sublimiert und zu Freiheit und individueller Autonomie führt. Andererseits postuliert Iwanaga eine Art der „hässlichen“ Fiktionalisierung, welche die Tatsachen verdreht, um sie einer Idee unterzuordnen und imaginäre Inhalte einzubringen. Iwanaga zufolge stellt Tayama sein Ich über den Stoff, die Literatur bleibt ihrer eigentlichen Bestimmung entfremdet, „eingefroren“ in einer privaten, feudalistischen Welt. 65 Da Tayama sich dem blinden Willen der Natur unterwarf, gelang es ihm nicht, zum Subjekt zu werden, sondern erschöpfte sich im Kampf mit den Konventionen. Iwanaga behauptet, Tayama habe unter dem „schlechten“ Einfluss der westlichen Literatur Verrat an seinen Freunden, Lehrern und Familienmitgliedern verübt, in dem er sie aus literarischem Ehrgeiz und um der Neuheit der Beschreibung willen, negativ, altmodisch und als Versager darstellte. Besonders scharf kritisiert er die Behandlung der Gattin des Protagonisten in Futon, des Bruders in Sei, der Lehrer und Freunde, deren Erfahrungen Stoff für die Erzählung Jnjemon no saigo abgab. Iwanaga zufolge bestand Tayamas Methode darin, den Abstand zwischen Autor und Werk zu verringern. Die Gleichsetzung von Autor und Objektwelt (ห৻రൻ dǀichigenka) führte dazu, dass Tayama nur die eigene Subjektivität darstellte und die Psychologie der anderen Personen damit „übertünchte“. 66 Dabei entstand ein Widerspruch 64 65 66

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Iwanaga (1968). Einzelne Kapitel wurden schon 1957 und 1967 publiziert und sind in: Katǀ (Hg.) (1998 I: 309–326 und II: 25–42) abgedruckt. Iwanaga (1968: 15). Diese Kritik richtet sich vor allem gegen die in neutraler Erzählfunktion geschriebenen Erzählungen, in denen kein Aussagesubjekt greifbar ist, Iwanaga also den Reflektor und den Autor gleichsetzt.

zwischen seinen auf vormodernen Stilmodellen beruhenden Beschreibungen und dem „schädlichen“ Einfluss der westlichen Literatur, zwischen seinem feudalistischen Hintergrund und dem Versuch, „modern“ zu sein. Iwanaga kommt in seiner Abhandlung verschiedentlich auf Jnjemon no saigo und Futon zu sprechen, im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte erwähnt werden. Jnjemon no saigo67 thematisiert ein für Iwanaga an sich modernes Thema, sexuelles Verlangen im Konflikt mit der Gesellschaft, doch hält Iwanaga Tayamas Studium der Wirklichkeit (ein von Shimazaki Tǀson übernommener Begriff) für unvollständig und „vormodern“ und dessen Urteil über die Tatsachen für falsch. Iwanaga diskutiert vor allem Tayamas Naturbegriff, den er als unnatürlich bezeichnet, da die Natur von Pflicht und Leidenschaft (⟵ℂ ੱ ᖱ , giri ninjǀ) dem Menschen zur zweiten Natur geworden sei. Jnjemons Charakter erscheint als eine Konstruktion des Autors, da Iwanaga die Auffassung ablehnt, ein Mensch solle seiner Natur gemäss in unvereinbarem Gegensatz zu den sozialen Gegebenheiten leben. Er kritisiert Tayamas positiv konnotierte „Macht der Natur“, da der Mensch so nicht bewusst, sondern als unabwendbare Folge seiner Bedürfnisse handle. Dennoch lobt Iwanaga Jnjemon no saigo für die ungeschminkte Beschreibung eines Menschen und der sexuellen, gegen Moral und Sitten gerichteten Instinkte sowie die Darstellung der Widersprüche zwischen individuellem Verlangen und der rückständigen Gesellschaft eines Bergdorfs. Er hält das Gelingen von Jnjemon no saigo für blinden Zufall, da es dem Autor gelungen sei, einen Menschen als Subjekt zu erfassen.68 Die Untersuchung der realen Wirklichkeit führt Iwanaga zum Ergebnis, Tayama verdrehe wissentlich oder unwissentlich die Fakten. Iwanaga zufolge verarbeitete Tayama die in Jnjemon no saigo geschilderten Ereignisse erst nach zehn Jahren, brauchte diese Frist aber nicht für Untersuchungen, sondern band den Vorfall sowie die Personen in einen von aussen gebrachten Raster (Zolaismus, Turgenev) ein und stellte so gewöhnliche Personen als ausserordentlich dar. Für Iwanaga ist 67 68

Iwanaga (1968: 58–82 und 204–228). Dieser Eindruck des Gelingens entsteht durch diegetisch-fiktionale Elemente in Jnjemon no saigo: der Ich-Erzähler ist fassbar und gerät somit nicht in den Verdacht, die Figuren mit seinen eigenen Gefühlen auszustatten.

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Jnjemon no saigo halb Wirklichkeit, halb Fantasie, wobei Tayama allerlei falsch verstandene westliche Ideen einbrachte und die Leser durch die Haltung des „Autors“ [als Augenzeuge] täuschte. In Futon verschob sich gemäss Iwanaga der Schwerpunkt der Beschreibung von „hässlichen Tatsachen“ auf die „hässliche Innerlichkeit“ des Protagonisten. Die Beschreibung scheint ihm einseitig und egoistisch, da der „Autor“ keinen Raum für die Innerlichkeit der anderen Personen liess. Tayama glaubte, so Iwanaga, die Wirklichkeit zu beschreiben, benutzte diese aber nur als Stoff. Sein Respekt für Wahrhaftigkeit berücksichtigte nur die Wahrheit des Autors, die er auch für diejenige der anderen Personen hielt. Dies zeigt die Idealisierung der Heldin Yoshiko und die damit einhergehende negative Schilderung Tanakas, die Iwanaga für eine bewusste Verfälschung hält. Eine Untersuchung der biografischen Hintergründe überzeugt Iwanaga, dass die Verachtung des Protagonisten für die Frau und das Alte nur in den Erzählungen stattfand, Tayama im wirklichen Leben jedoch nicht versuchte, die alten Beziehungen abzubrechen. Seine Modernität blieb reine Schau. Durch seinen Mut, über Liebe und Sexualität zu schreiben, machte Tayama Liebe zu Literatur, statt sie zu leben, meint Iwanaga. Tayamas Versuch, sich gegen die traditionellen Verhaltensmuster und die Fesseln der Familie aufzulehnen, endeten in Egoismus und Doppelgesichtigkeit. Tayama konnte dadurch weder Romantik noch Vulgarität überwinden; das Fehlen einer Analyse der Fakten und einer Zukunftsperspektive verunmöglichte die Befreiung des Individuums, eine Entwicklung zu individueller Autonomie. Für Iwanaga wird Tayamas Einsicht in die menschliche Natur in den späteren Erzählungen schwächer. Tayama lieh sich Erlebnisse anderer Personen aus und stellte sie als Wirklichkeit dar – in Iwanagas Augen eine von Fiktion beschädigte Wirklichkeit. Er banalisierte das Aussergewöhnliche und reihte die Phänomene zeitlich als Erinnerung aneinander. Das fühlende Ich [des Autors/Erzählers/Protagonisten] kontrollierte den Erzählfluss und projizierte sich in die Personen. Es fand kein Kampf mehr statt, nichts wurde hinterfragt, der Autor akzeptierte die Phänomene, wie sie waren.69

69

326

Iwanaga (1968: 81). Diese Kritik wendet sich gegen Werke, deren Protagonisten nicht mir dem Autor identifiziert werden können, besonders gegen Inaka kyǀshi.

Im späteren Aufsatz Tayama Katai no sekai (↰ጊ⧎ⴼߩ਎⇇, Die Welt Tayama Katais) 70 behandelt Iwanaga Jnjemon no saigo wohlwollender. Er interpretiert nun sowohl Jnjemons Verderbtheit und seine Bedürfnisse wie auch die Tradition und Sitten der Dorfbewohner als Natur, wobei Tayama den Konflikt auf höherer Ebene löst, indem der Tod des Protagonisten dem Dorf Reichtum bringt. Für ihn ist Jnjemon no saigo eine Ausnahme in Tayamas Werk, da diese Erzählung nicht der Selbstfindung des Autors diente und die Innerlichkeit der Figuren nicht von den Gefühlen des Autors übertüncht wird. Natürlich bemerkt auch Iwanaga die Unmittelbarkeit von Tayamas Erzählhaltung. Im Falle von Jnjemon no saigo erklärt er sie dadurch, dass Tayama erst nach Jahren die Idee fand, wie er den Stoff gestalten wollte. Futon betrachtet er nicht als Wirklichkeit „wie sie ist“, sondern als psychologisches Nachvollziehen. Der Eindruck, Futon sei gleichzeitig während dem Vorfall und dessen Verlauf entstanden und schildere ein gegenwärtiges Geschehen, beruht Iwanaga zufolge auf einem „journalistischem Effekt“, der zeige, dass Tayamas Gefühle für seine Schülerin noch unverdaut und ungenügend abgekühlt waren.71 Motiv für die Abfassung von Futon war demnach der Versuch, die bisher verheimlichten Gefühle zu veröffentlichen und die Welt zu schockieren. 2.5.2

Tanaka Ei’ichi (1969)

Tanaka Ei’ichi ( ↰ ਛ ᩕ ৻ ) hält in Tayama Katai-ron – „Futon“ o chnjshin ni shite (↰ጊ⧎ⴼ⺰ – 㨬⫱࿅㨭ࠍਛᔃߦߒߡ, Abhandlung über Tayama Katai mit Futon im Mittelpunkt)72 die Verbindung von objektiver Beschreibung mit shishǀsetsu-artigem Bekenntnis für unvereinbar. Er geht der Frage nach, weshalb Tayamas Studium der europäischen Literatur, besonders Flauberts, in bekenntnishaften Erzählungen endete und der Ruf nach „unbeschönigter Beschreibung“ sich in der Schilderung innerer Gestimmtheit erschöpfte. Seine Analyse von Futon kommt (in Anlehnung an Iwanaga) zum Ergebnis, dass nicht die „Welt wie sie ist“ beschrieben wurde, sondern durch die Bekenntnisstruktur und das Einbringen von Tayamas subjektiver Wirklichkeit, verzerrt ist. Tayamas Einfühlen in den Protagonisten 70 71 72

In: Sanekata (Hg.) (1969: 133–166). In: Sanekata (Hg.) (1969: 148). In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 57–78).

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und die „direkte Beschreibung“ [Unmittelbarkeit] verunmögliche eine Distanzierung. Dies verursachte die fehlende Erfassung der anderen Personen und somit die Seichtigkeit der Erzählung. Tayamas Schwäche sieht Tanaka in der Unfähigkeit, sich die objektiv-realistische Methode zu eigen zu machen. Tanaka zufolge ist die Larmoyanz des Textes Ausdruck der Erregung Tayamas. Auch Jnjemon no saigo findet Tanaka trotz allem Zolaismus unerwartet sentimental, da Tayama sich in Jnjemon und dessen Unmöglichkeit, als Kind der Natur Erfüllung zu finden, einfühle. Zitate aus Jnjemon no saigo zeigen Ähnlichkeiten mit Futon und weisen auf das Hauptmotiv der Erzählung: Trauer und Mitgefühl über die Unterdrückung der natürlichen Anlagen. Tanaka zufolge beruhte Tayamas Naturalismus nicht auf realistischen Methoden, sondern auf der Beziehung zwischen Selbst und Natur. Diese entsprang einerseits der Subjektivität des Autors, die vom Leser als Realität aufgefasst wurde, andererseits der lyrischen Erzählhaltung, die wie das waka die innere Gestimmtheit des Autors unmittelbar ausdrückte. Daraus resultierte eine beschränkte literarische Welt, deren Anspruch auf Allgemeingültigkeit ohne objektive Grundlage blieb und ohne sich auf die Vorstellungskraft des Autors abstützend, notgedrungen shishǀsetsu hervorbrachte.

2.6 Sakka sakuhin-ron 2.6.1

Kobayashi Ichirǀ (1976–1984)

Kobayashi Ichirǀ (ዊᨋ৻㇢ ) ist der Verfasser der monumentalen und überaus detaillierten zehnbändigen Tayama Katai kenkynj (↰ጊ⧎ⴼ⎇ⓥ, Untersuchungen zu Tayama Katai, 1976–1984). Auch er interessiert sich für Biografie und Einflüsse westlicher Literatur, kritisiert aber Tayama nicht wie Iwanaga um der Verfälschung von Tatsachen willen, sondern ist der Meinung, jedes literarische Erzeugnis enthalte „Fiktion“. Sein Vorgehen besteht darin, Tayamas Biografie und Situation in den verschiedenen Lebensabschnitten darzulegen und darauf jedes einzelne Werk (auch die nichtfiktionalen) zu besprechen. Er zitiert die frühesten Kritiken und die einschlägige Forschung ausführlich, erforscht die westlichen Einflüsse, um dann seine eigene Interpretation hinzuzufügen, wozu er die Erzählungen ausführlich zitiert.

328

In seiner Diskussion der „Wirklichkeitsfrage“ stellt auch Kobayashi Unstimmigkeiten mit der realen Wirklichkeit fest, hält dies aber für eine bewusste Deformation im Sinne von Katais Intention und deutet dies als einen Versuch, in der Wirklichkeit Bedeutung zu finden. Er zitiert dazu einen Ausspruch Tayamas, die Beobachtung der Wirklichkeit bilde nur den Rahmen der Arbeit und erleichtere das Schreiben. 73 Tayamas eigentliches Problem sieht er in dessen fehlender Urteilskraft. In seiner Diskussion zu Jnjemon no saigo74 deutet Kobayashi Tayamas Intention der Darstellung des Bösewichts Jnjemon als Auslöser des Erwachens des „Autors“ [des Ich-Erzählers], der nachzudenken und Zweifel an der „Natur“ zu hegen beginnt. Die vom „Autor“ beobachteten Tatsachen zeigen Natur nicht nur als Landschaft und Gegenstand sentimentaler Betrachtung, sondern als grausam in ihrer Essenz. Die Figur Jnjemons ist Kobayashi zufolge eine Konstruktion, die die allzu abstrakten philosophischen Betrachtungen und Deutungsversuche des unreifen „Autors“ veranlasst. Er zählt alle Stellen in Jnjemon auf, in denen der „Autor“ Natur [in den berichteten Monologen] erwähnt und schliesst, dass Natur im Sinne von Landschaft, als metaphysischphilosophisches Prinzip und als die Macht der animalischen Natur gebraucht wurde. In einem Exkurs über die Einflüsse der westlichen Literatur findet Kobayashi eine turgenevsche Komposition, zolaistische Analyse und Beobachtung, die Methode von Zolas Therèse Raquin und inhaltliche Übernahmen von Sudermanns Katzensteg. Er betont, Tayama habe Katzensteg als Beispiel eines Individualisten gelesen, der untergeht und dadurch eine die Menschenwelt übersteigende Freiheit gewinnt. Kobayashi schliesst daraus, Sasabuchi zitierend, dass Jnjemon no saigo ein Werk ist, das Zolaismus und Mystizismus verbindet und führt als Beleg die Stellen an, die auf eine „andere Welt“ weisen. Der Stil der Reisebeschreibungen, dem Tayamas zu entfliehen bestrebt war (vergeblich, wie Kobayashi meint, da die Seufzer hinsichtlich der Schönheit der Landschaft nicht getilgt wurden) blieb die Haupttonart der Erzählung. Kobayashi zufolge konstituierte die Stellung des Autors als Kritiker und Zuschauer Tayamas Versuch, objektiv zu berichten. Wie die vielen Einschübe von Gedanken des „Autors“ [des

73 74

Kobayashi (1978: 350). Kobayashi (1987: 320–385).

329

Erzählers] zeigen, gab er diese Haltung bald auf, sympathisierte mit dem Protagonisten und den Dorfbewohnern und fiel schliesslich in eine subjektiv-sentimentale Erzählweise zurück. Die Inkonsistenz von Jnjemon no saigo, so Kobayashi, besteht im Schwanken zwischen Subjektivität und Objektivität. Kobayashi entdeckt auch in Rinshitsu eine Mischung von Zolaismus (als Druck der körperlichen Existenz) und Balzacs Methode. Tayama fügte seine eigene Interpretation der Fakten bei und brachte so seine [des Ich-Erzählers] Subjektivität ein. Kobayashi vergleicht darauf Rinshitsu mit Maeterlincks L’Intruse (Der Eindringling, 1890) und kommt zum Schluss, dass Rinshitsu die gleichen Widersprüche wie Jnjemon no saigo aufweist, ein Schwanken zwischen einer zolaistischen Sichtweise des Menschen und der Tendenz zum Mystizismus. In seiner Diskussion von Shǀjobyǀ untersucht Kobayashi den Einfluss von Bourgets Le Disciple, (1889) detailliert.75 Er erklärt, dass Tayama unfähig war, das wissenschaftliche Vorgehen eines Bourget zu imitieren, die genauen Zeitangaben aber in Anlehnung an Bourgets Le Disciple den monotonen Alltag und die Lethargie eines energielosen Mannes spiegeln. Kobayashi sieht die Beschreibung des Protagonisten als selbstquälerisch, dessen Unmöglichkeit zu lieben als autistisch und selbstverneinend und schliesst auf eine Selbstkarikatur Tayamas. Er begründet dies mit den biografischen Umständen, der Unfreiheit eines Angestellten, dem Ärger über die Erfolglosigkeit als Schriftsteller und der sexuellen Frustration. Ihm zufolge war Tayamas Intention nicht die Darstellung jugendlicher Sehnsucht oder weltfremder Träumereien, sondern ein Versuch, ein unlösbares sexuelles Problem darzustellen und eine Lösung zu erzwingen. Kobayashi sieht im Gespräch76 der Freunde des Protagonisten, das dessen Charakter und Privatsphäre erhellt, den Mittelpunkt der Erzählung, die einen in unlösbare Widersprüche verwickelten Mann zwischen der Mädchenverehrung der Vergangenheit und der Unzufriedenheit der gegenwärtigen Existenz schildert. Kobayashis Abhandlung zu Futon 77 erstreckt sich über rund hundertfünfzig Seiten, wobei die Forschungsgeschichte, die Untersuchung der Hintergründe, die Diskussion der literarischen Einflüsse und 75 76 77

330

Kobayashi (1979: 284–285). Kobayashi ist einer der wenigen Literaturwissenschaftler, die diesem Gespräch ihre Aufmerksamkeit schenken. Kobayashi (1979: 316–486).

Auflistung der Originalstellen aller in Futon angeführten Anspielungen ausländischer Werke den grössten Platz einnehmen. Kobayashi sieht in der Abfassung von Futon Tayamas Wunsch nach Selbsterneuerung und, in Anlehnung an Tayamas biografische Schriften, seine leidenschaftliche Auflehnung gegen die traditionelle Gesellschaft und deren dualistische Moral. Er betrachtet Jokyǀshi und Nabari shǀjo als Vorläufer von Futon und postuliert, Hauptmanns Einsame Menschen habe Tayama in seiner Bedeutungsfindung sehr viel weniger beeinflusst als zum Beispiel Ibsens Hedda Gabbler (1890) oder Rosmersholm (1886). In seiner Analyse der Figur Takenaka Tokios beobachtet er die Wechsel von erklärender Beschreibung und Innerlichkeitsdarstellung (vor allem die „Monologe“ des Protagonisten). Er verfolgt dies anhand von Tokios Reaktionen auf Yoshikos Briefe. Im Wechsel der Betrachtung von aussen und der Beschreibung von innen sieht Kobayashi die Verschmelzung von Subjektivität und Objektivität. Tayama versuchte als kühler Beobachter einen Menschen zu beschreiben, der wider Willen zum Beschützer der Liebe gemacht wird, seine Aufgabe zu erfüllen sucht und schliesslich scheitert. Dazu benutzte Tayama die Methode, die er schon in Shǀjobyǀ entwickelt hatte – selbstkritischen Humor, der sowohl tragisch als auch komisch aufgefasst werden konnte. Diese Haltung, das Ich selbstkritisch zu betrachten, wurde, so Kobayashi, zu einer der Grundkomponenten des Naturalismus. Kobayashis Untersuchung der Nebenfiguren zeigt, dass die Psychologie der Gattin und diejenige Yoshikos in Reden oder Briefen zum Ausdruck gebracht wird. Er zitiert die Aussagen der Frau und schliesst daraus auf Eifersucht und Kritik am Protagonisten, in den späteren Stellen auf eine spöttische Haltung gegenüber Yoshiko und Tanaka. Kobayashi hält diese Reden der Frau, die ihre Feindseligkeit gegen Yoshiko unter Geplauder versteckt, für einen Kunstgriff, um die Figuren der jungen Liebenden lebendig werden zu lassen. Er lobt den Realismus der Konzeption dieser Nebenfigur, hält sie aber für eine Konstruktion Tayamas, wobei er sich auf 1958 publizierte Aufzeichnungen von Nagayo (Okada) Michiyo stützt.78 Ein anderes Thema, dem sich Kobayashi zuwendet, ist das Christentum. Er ist überzeugt, Tayama habe die Lehren dieser Religion nicht verstanden. Er weist anhand von textexternem Material nach, dass die in 78

Zitiert in: Kobayashi (1979: 452–453).

331

Futon beschriebenen Beziehungen Yoshikos als auch Tanakas zur Religion nicht der Wirklichkeit entsprachen und auf Tayamas Ablehnung des Christentums und seinem Hass auf den Rivalen beruhten. Abschliessend bemerkt Kobayashi, es wäre einseitig, nur einen Aspekt – sei es Sexualität, Komik oder die Modellfrage – zu behandeln und betont die Notwendigkeit, den Hintergrund der Abfassung von Futon (Tayamas Gedanken und Absichten, die Probleme der Zeit) zusammen mit der Methode, die Tayama wählte, zu sehen. Kobayashi zufolge gelang es Tayama in Futon, da reine Objektivität die Tiefendimension der Innerlichkeitsdarstellung verunmöglichte, mit einem „sentimentalem Realismus“ Objektivität und Subjektivität zu vereinigen und die Liebe und Sexualität eines Mannes mittleren Alters als Problem nach dem Russisch-Japanischen Krieg darzustellen. Kobayashis Abhandlung über Ippeisotsu79 untersucht die Möglichkeiten, das Modell des Protagonisten zu finden sowie Tayamas Beziehungen zu den in Ippeisotsu geschilderten Orten. Er kommt zum Ergebnis, dass die Erzählung Fiktion ist. In seiner weiteren Betrachtung bleibt er seinen Themen, Mystik und „Verschmelzung von Subjektivität und Objektivität“ treu. Obwohl er eine Arbeit Kobayashi Osamus aus dem Jahre 1971 zitiert, die die Erzählsituation als „stream of consciousness“ erkennt und als ein Wechsel von innerem Monolog und Bewusstsein bezeichnet, zeigt sich Kobayashi davon wenig überzeugt. 80 In seiner Analyse unterscheidet Kobayashi die Passagen, die „Wirklichkeit“ und psychologische Beschreibungen enthalten von den Stellen, die Erinnerungen und vergangenen Gefühlen gewidmet sind. Er schliesst auf eine Mischung von Wirklichkeit und Erinnerung, von äusseren und inneren Phänomenen. Er deutet dies als ein Versuch Tayamas, Innen und Aussen eines Menschen gleichwertig zu behandeln, bevor er Innerlichkeit „von Aussen“ zu suggerieren versuchte (Oberflächenbeschreibung) und meint, dass in Ippeisotsu Subjektivität und Objektivität vollkommen vereinigt sind. Die Analyse bestimmter Begriffe und Symbole, die Übereinstimmung der Aussen- und Innenwelt offenbaren, so Kobayashi, den Kern von Ippeisotsu: Nicht die Innerlichkeit steht im Mittelpunkt, sondern die Annäherung an eine andere, mystische Welt.

79 80

332

Kobayashi (1979: 790–819). Kobayashi (1979: 807).

2.6.2

Ogata Akiko (1999)

Ogata Akikos (የᒻ᣿ሶ) 1999 erschienene Monografie Tayama Katai to iu kaosu ( ↰ጊ⧎ⴼߣ޿߁ࠞࠝࠬ, Das Chaos namens Tayama Katai) versammelt Artikel aus den Jahren 1975-1984. Für diese Studie sind besonders die Kapitel „Jokyǀshi“ kara „Shǀjobyǀ“ made (㨬ᅚᢎᏧ㨭߆ࠄ 㨬ዋᅚ∛㨭߹ߢ, Von Jokyǀshi bis Shǀjobyǀ, 1976) und Nihon shizenshugi bungaku no seiritsu ( ᣣ ᧄ⥄ὼਥ ⟵ᢥቇߩᚑ ┙, Die Etablierung des Japanischen Naturalismus, 1976-77) wichtig.81 Ogata zufolge hörten mit Jokyǀshi die banalen Erzählungen über die Liebe zwischen schönen Jünglingen und Mädchen auf. Die Sehnsucht nach Mädchen verharrte nicht mehr in jugendlicher Schwärmerei, sondern beruhte auf der Erfahrung des Autors als verheirateter Mann, die Schilderung der „schönen Liebe“ machte der Sexualität Platz. Von ebenso grosser Wichtigkeit wie die Begegnung mit Maupassant, so Ogata, war Tayamas Teilnahme als Reporter im Russisch-Japanischen Krieg, das Erlebnis extremer Situationen und die Notwendigkeit, als unbeteiligter Zuschauer Abstand wahren zu müssen. Diese Haltung, die Fantasie und Romantizismus ablehnte, wurde bald zu Tayamas Literaturbegriff. Rinshitsu war einer der ersten Versuche, diese neue Theorie zu verwirklichen. Allerdings meint Ogata, sei es Tayama nicht gelungen, seine sentimentale Ader zu unterdrücken und auch sich selbst gegenüber die Haltung des Zuschauers einzunehmen. Sein erster Versuch realistischer Beschreibung brachte ihn dazu, in Shǀjobyǀ einen neuen Helden zu schaffen – einen grossgewachsenen, grobschlächtigen, „müden Mitdreissiger“ – und seine Sehnsüchte als „Mädchenkrankheit“ zu ironisieren. Ogata zufolge war Shǀjobyǀ, obwohl eine Weiterführung der Thematik von Jokyǀshi, eine Selbstkarikatur Tayamas, die Erzählung Selbstentblössung. Ogata untersucht die Themen der Erzählungen Jokyǀshi, Nabari Shǀjo und Futon und konstatiert, dass Tayama stets die gleiche Formel benutzte, und Futon in dieser Hinsicht nicht so neu war. In ihrer Diskussion von Futon zitiert auch Ogata die frühen Kritiken und schliesst, dass Futon das Bedürfnis der Zeit traf – Kritik an der erfolgten Modernisierung und Ablehnung des Establishments – besonders durch die Schilderung eines achtbaren Lehrers und Mitglieds der Gesellschaft in Verbindung mit Sexualität. Durch die Anerkennung 81

Ogata (1999: 27–48 und 51–101).

333

dieser Konstellation als wahre Gestalt des Menschen schuf Tayama nicht nur eine neue literarische Richtung, sondern auch eine Rechtfertigung für Intellektuelle, die Widersprüche des Alltags widerstandslos zu akzeptieren. Futon ist in Ogatas Augen eine Erzählung, die andere, bessere Werke überschattete. Auch Ogata vergleicht Futon und die biografische Wirklichkeit an Hand textexterner Quellen und biografischer Schriften, um den Grad der „Fiktionalisierung“ festzustellen. Für sie ist es zweifelhaft, die Figur Takenaka Tokios mit Tayama Katai zu identifizieren, trotzdem meint sie, könne der Leser nicht umhin, die beiden infolge der Übereinstimmungen der realen mit der fiktionalen Wirklichkeit gleichzusetzen. Inhaltlich sieht sie in Futon die eindringliche Darstellung der Innerlichkeit eines Mannes im Zeitalter der Desillusionierung, der des Alltags überdrüssig, sich nach neuer Liebe sehnt und sich in Fantasien flüchtet. Sie verbindet dies mit Tayamas Lebensumständen, seiner geringen literarischen Produktion der Jahre nach 1902 und seiner Anstellung als Herausgeber von Dainihon chishi (ᄢᣣᧄ࿾⹹, Topografie Grossjapans). Sie bemerkt, Tayama habe seine eigenen Probleme aufgebläht und zur Erzählung entwickelt, indem er dem Protagonisten sein eigenes Gesicht lieh, Hauptmanns Einsame Menschen zur Vorlage nahm und dieses Muster der „romantischen Niederlage“ realistisch gestaltete. Dabei unterschied sich die Methode kaum von den Liebesgeschichten.82 Tayama wandelte seine Wunschträume und deren Illusion der Erfüllung in Literatur um. Der Erfolg von Futon beruhte Ogata zufolge auf der Figur Takenaka Tokios als Identifikationsangebot für jene Intellektuelle, die an den Widersprüchen der Zeit litten, und da Futon sich auf die Wirklichkeit stützte, entstand der Eindruck der Nichtfiktion. Ogata bezichtigt Tayama fehlender Kritikfähigkeit, da er, wie auch sein Protagonist, menschliche Schwächen vorschnell akzeptierte. Mangelnde Analyse führte dazu, dass Tayama Takenaka in der dritten Person als Objektivierung des eigenen Innenlebens schilderte, die anderen Personen aber aus der Sicht des Protagonisten beschrieb. Dadurch wurden einerseits dessen Gefühle gerechtfertigt, andererseits aber die anderen Figuren verzerrt dargestellt; die Frau wurde zum Instrument, um Tokios Sehnsucht zu rechtfertigen.

82

334

Ogata zitiert die Kurzgeschichte Kenjnj (ᜣ㌂, Die Pistole, 1909), die wie Jokyǀshi und Futon den fantasierten Tod der Gattin enthält. Ogata (1999: 71).

Da Tayama die Schönheit einer harmonischen Beziehung von Körper und Geist nicht kannte, so Ogata, beschrieb er entweder jugendliche platonische Liebe oder sexuelle Beziehungen. Takenaka Tokio konzipierte die Ehe als Falle83 und sah auch die Beziehung Yoshikos mit Tanaka unter diesem Aspekt, stellte sich aber eine Ehe mit Yoshiko als Ideal vor. Dieser Widerspruch zeige den Egoismus des Künstlers, dessen sich der Autor nicht bewusst war. In ihrer abschliessenden Einschätzung von Futon bezeichnet Ogata Tayamas „Objektivität“, alles aufzuzeigen, die Phänomene so wie sie sind zu beschreiben und den Alltag in die Literatur zu transferieren als Tayamas irrige Auffassung des Naturalismus. Futon ist für sie ein Fehlschlag, da Tayama nur die Fantasien einer Person beschrieb, dabei aber den Protagonisten zu wenig von sich abgrenzte und nicht nach Verallgemeinerungen oder Universalität strebte. Sie bemängelt die Auffassung, die unbeschönigte Beschreibung seiner selbst als Literatur anzusehen, Kunstfertigkeit und Rhetorik abzulehnen, den Inhalt als unerheblich zu betrachten und die Wirklichkeit als Wert zur theoretischen Grundlage der Literatur zu machen.

2.7 Die Tendenz zur werkimmanenten Interpretation In den sechziger Jahren zeichnete sich die Tendenz ab, sich weniger mit den Personen der realen Welt, als vielmehr mit den Personen der fiktionalen Welt zu befassen und über das „eigentliche Thema“ der Erzählungen nachzudenken. Dies beruhte auf der Einsicht, dass Tayama Katai nicht mit seinen Figuren (vor allem in Shǀjobyǀ und Futon) identisch war. Festgefahrene Urteile wurden in Frage gestallt, Futon neu eingeschätzt, und es setzte eine Welle werkimmanenter Interpretationen (sakuhin-ron, ૞ຠ⺰) ein, die vermehrt die Texte selbst zitierten, um die Interpretationen zu belegen. Häufigstes Objekt dieser Art der Untersuchung ist Futon. Erforscht wurden vor allem die Beziehungen der Personen untereinander, dann auch bestimmte Motive, wie die Begriffe „Duft“ und „Sturm“84. Andere 83 84

Vgl. die Erzählung Wana (⟂, Die Falle, 1909). Tadokoro Hitoshi (↰ᚲ๟, 1975) zeigt in Mienai mono – „Futon“ shiron (⷗䈋䈭䈇 䉅䈱 – 䍀⫱࿅䍁⹜⺰, Das Unsichtbare – Versuch über Futon), dass das Motiv „Sturm“ in den Erinnerungen des Protagonisten zuerst als Metapher für den inneren Impuls

335

Artikel behandelten die Frage, ob die „Komik“ von Futon absichtlich oder unabsichtlich war oder diskutierten sozialkritische Elemente in Futon. Teil dieser Untersuchungen war immer wieder der Versuch, die „letzte Szene“ als ein von der Intention her motiviertes notwendiges Element der Erzählung zu verstehen. Obwohl Tayama immer noch als Erzähler aufgefasst wurde, führte die Analyse einzelner Stellen zur Entdeckung der Distanz zwischen „Autor“ und Protagonist. Szenen, in denen der Protagonist nicht als Reflektor fungiert oder in denen die Perspektive einer anderen Figur herrscht, liessen auf einen „allwissenden Autor [Erzähler]“ schliessen, wechselnde Perspektive und distanzierende Bemerkungen der Vermittlungsinstanz wurden als „Objektivierung des Protagonisten durch den „Erzähler/Autor“ gesehen. 2.7.1

Okuno Takeo (1962)

Okuno Takeo (ᅏ㊁ஜ↵) versucht in „Futon“ no saikentǀ (㨬⫱࿅㨭ߩౣᬌ ⸛, Wiedereinschätzung von Futon)85 die stereotypen Urteile über Futon zu revidieren. Für ihn ist Futon eine gesellschaftskritische Erzählung, deren Realismus ins Innere der Figur verlegt wurde. Okuno beschreibt Tayama als Schriftsteller, der für japanische Verhältnisse eine ausserordentliche Vorstellungskraft besass und deshalb die Wirklichkeit nicht als solche beschrieb. Die Vielfalt seiner Werke zeuge von Gestaltungskraft (᭴ᗐജ, kǀzǀryoku) wie die lyrisch-fantastischen Liebesgeschichten, die Wildheit von Jnjemon no saigo, und der Realismus von Inaka kyǀshi und Ippeisotsu belegten. Okuno ist der Ansicht, Tayama habe mit Futon die (kreative) Fantasie zu zähmen versucht, ein Experiment, das infolge von unzähligen Nachahmungen heute nicht mehr als neu gesehen werde. Epoche-

85

336

auftaucht und in der letzten Szene der Erzählung als äusseres atmosphärisches Phänomen, das die Macht der Natur und des Schicksals symbolisiert, auftritt. Tadokoro ist der erste japanische Forscher, der den Erzähler erwähnt. Er untersucht die Zeitstruktur der Erzählung und bemerkt, dass die ersten drei Kapitel Vergangenes erzählen, wobei das erste Kapitel die Exposition des Themas und die Innerlichkeit des Protagonisten aufzeigt. Tadokoros kurze Abhandlung über Futon – unorganisiert und bruchstückhaft – sollte anderen Literaturwissenschaftlern neue und wichtige Impulse liefern. In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 151–159). In: Katǀ (Hg.) (1998 I: 409–411).

machend war die Verlegung des bisher „nach Aussen“ gerichteten Realismus ins Innere der Figur und die völlig neue Thematik. Okuno zufolge stellt Futon den Kampf eines modernen Ich gegen einen „altmodischen Feind“ dar, wobei das vormoderne Stereotyp, das Subjekt dieses Kampfes immer positiv zu schildern, umgestossen wird. Tayama verneinte so das Elitebewusstsein der Intellektuellen, er gestaltete eine äusserlich korrekte, innerlich aber hässliche Figur, die erste Selbstverneinung in der japanischen Literatur. Okuno bedauert, dass die Innerlichkeitsdarstellung von Futon durch die Hinwendung zum heimen byǀsha wieder aufgegeben wurden, denn dadurch verhindere Tayama die Sicht auf die Psychologie der Protagonisten und stelle die Welt nicht mehr aus der Perspektive des Handelnden, sondern des passiv Leidenden dar. 2.7.2

Hasegawa Yoshihiro (1970)

Hasegawa Yoshihiro ( 㐳 ⼱ Ꮉ ศ ᒄ ) verwirft in seinem Aufsatz „Futon“ ni tsuite (㨬⫱࿅㨭ߦߟ޿ߡ, Über Futon)86 die Wirklichkeit, wie sie ist, beschreiben zu können, da eine objektive Abbildung wie mit einer Kameralinse unmöglich sei und zwischen Ausdruck und Wirklichkeit eine Brechung (kussetsu sayǀ, ዮ᛬૞↪, refractory effect) entstehe. Hasegawa zufolge ist Futon eine durch den „Mechanismus Tayama Katai“ objektivierte Welt als Produkt seiner Subjektivität. Die von der Forschung akzeptierte Formel Autor = Protagonist führt Hasegawa darauf zurück, dass die Welt von Futon Tayamas Wirklichkeit glich. Er hält diese Gleichsetzung für zu einfach, da Werke sich vom Autor verselbständigen und ihre eigene Wirklichkeit in sich tragen. Diese, so Hasegawa, sollte untersucht werden. Das Hauptthema von Futon sieht er im Konflikt eines Mannes mittleren Alters, in seiner Gespaltenheit, im Widerspruch von geistiger und fleischlicher Liebe. Er argumentiert, die letzte Szene sei keineswegs lächerlich, sondern für die Lösung des Konflikts notwendig, ein Freudsches Symbol der Umarmung, das den Sieg des Körpers über die Vernunft signalisiere. Tokios Verhalten sei albern und lächerlich, aber gerade das, so Hasegawa, erhöhe die Wahrhaftigkeit der Erzählung.

86

In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 81–84).

337

Abschliessend bemerkt er, Futon sei romanesuku (ࡠࡑࡀࠬࠢ oder ዊ⺑⊛, romanhaft)87 und nicht ein Bericht, der die Wirklichkeit wiedergebe, sondern eine von Tayamas Vorstellungskraft hervorgebrachte innere Welt. 2.7.3

Katayama Haruo (1977/1978)

In den Aufsätzen Takenaka Tokio-ron ( ┻ਛᤨ㓶⺰, Abhandlung über Takenaka Tokio, 1977) und „Futon“-ron – Yokoyama Yoshiko naru jinbutsu ni tsuite (㨬⫱࿅㨭⺰ – ᮮጊ⧐ሶߥࠆੱ‛ߦߟ޿ߡ, Abhandlung über Futon und die Figur Yokoyama Yoshiko) 88 bemerkt Katayama ( ጊ᥍ᄦ) als erster die distanzierende Benennung Takenaka Tokios als kono otoko (dieser Mann). Er folgert daraus, zusammen mit der inhaltlichen Analyse des Erzähleingangs, dass der Autor diese Figur objektiv beschreibt und nicht mit dem Protagonisten identisch ist. Yoshiko wird durch die Augen Takenaka Tokios gesehen, wird von ihm analysiert und so relativ objektiv geschildert. Auch Katayama interpretiert Takenaka Tokio als einen typischen Intellektuellen der Zeit nach dem RussischJapanischen Krieg, der seiner Arbeit und Familie entfremdet, zwischen den Zeiten steht. Das Hauptthema der Erzählung sieht er im Konflikt zwischen „alt“ und „neu“, wobei beide Figuren, Takenaka und Yoshiko, Elemente altmodischer Gesinnung und moderner Denkart aufweisen. Beispiele sind Yoshikos Häuslichkeit und Tokios Freude darüber, sowie Yoshikos Modernität (haikara) und Tokios Verteidigung und gleichzeitige Verurteilung derselben. Katayama zufolge entstehen Tokios Leiden aus seiner widersprüchlichen Sicht der Frau, sowie der Unmöglichkeit, die Liebe gestehen zu können. Katayama kritisiert die Verantwortungslosigkeit der jungen Menschen, die Takenakas Niederlage infolge von Prinzipien und Pflichtgefühl. Yoshiko legt er als moderne Frau aus, deren Haltung schwanke, da ihr Hintergrund und ihre Familie unzeitgemäss, die liberale Erziehung aber zu einer Gewahrwerdung des Ich führe. Yoshiko nimmt trotz ihrem Entschluss, finanziell selbständig zu werden, ihr eigenes Schicksal nicht in die Hand, sondern verlässt sich auf die Männer. Ihr Brief, in dem sie sich als „gefallene Studentin“ bezeichnet, manifestiert ihre Unterwerfung. 87 88

338

„Romanhaft“ bedeutet hier, dass Futon nicht als shishǀsetsu-hafte Wahrheit rezipiert werden soll, sondern als Fiktion. In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 185–193 und 276–282).

Katayama folgert, dass in Futon die Zeitströmungen, der Konflikt alter und neuer Ideen einbezogen wurden und das Verhalten und die Beschränkung damaliger Studentinnen zum Ausdruck kamen, so dass, obwohl der Stoff aus dem privaten Bereich stamme, die Erzählung diesen übertreffe.89 2.7.4

Tosa Tǀru (1985)

Tosa Tǀru ( ࿯૒੧ ) untersucht in seinem Aufsatz „Futon“ no nioi – hikaku bungakuteki nǀto (㨬⫱࿅㨭ߩ൬޿ – Ყセᢥቇ⊛ࡁ࡯࠻, Der Duft in Futon – Literaturvergleichende Notizen)90 die Beziehung von Fiktionalität und Wirklichkeitsbekenntnis in Futon anhand der letzten Szene. Er durchleuchtet den Gebrauch des Begriffes „Duft“ und betont, diese Art der Verwendung – als „direktes Riechen“ – komme in der klassischen Literatur nicht vor. Er findet als Quelle Zolas Therèse Raquin und schliesst, dass die Stellen nicht auf eigener, sondern Leseerfahrung beruhten, die Tayama den japanischen Lebensumständen anpasste. Er deutet dieses Motiv zusammen mit dem Motiv „Sturm“ als Symbole der sexuellen Not des Protagonisten. Tosa untersucht Tayamas Beziehungen zu Zola und erwähnt Tayamas Ablehnung zolaistischer Beschreibung (⸥ㅀ, kijutsu) zugunsten der Darstellung ( ឬ ౮ , byǀsha). Tayama übernahm nicht Zolas Romanstruktur oder das Interesse für soziale Belange, sondern die Technik, den Eindruck der Wahrheit zu vermitteln, die Schilderung der hässlichen Seite des Menschen sowie die geschickte Beschreibung der Umgebung. Er betrachtet den Autor nicht als identisch mit dem Protagonisten, sondern als eine Objektivierung des Ich, als Darstellung des Ich als Möglichkeit. In diesem Sinne hält er die letzte Szene nicht für „erfunden“, sondern für eine notwendige Schlüsselszene. 2.7.5

Takahashi Toshio (1985)

Takahashi Toshio (㜞ᯅᢅᄦ) untersucht in seiner Arbeit „Futon“ – bǀfnj ni kugirareta monogatari (㨬⫱࿅㨭 – 㨬᥸㘑㨭ߦ඙ಾࠄࠇߚ‛⺆, Futon – eine durch „Sturm“ gegliederte Erzählung) 91 den Begriff „Sturm“ und 89 90 91

Dies als Teil der Diskussion, ob Futon völlig unkritisch nur den privaten Bereich beschreibe oder Anspruch auf Universalität habe. In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 19–30). In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 31–41).

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dessen Bedeutung. Takahashi zufolge kommt dieser Begriff nicht sporadisch oder zufällig vor, sondern zuerst als Vorahnung eines Sturmes, der den Alltag zu zerstören droht und schliesslich als konkreter Sturm in der letzten Szene. Takahashi führt aus, dass die erste Erwähnung von „Sturm“ in den Erinnerungen Tokios geschieht, in denen er sich ein mögliches Verhältnis mit Yoshiko ausmalt, woraus er sich ein bisher unbekanntes literarisches Leben verspricht. Da nun aber das in Futon beschriebene Mann-Frau Verhältnis keineswegs stürmisch ist, stellt sich Takahashi die Frage nach der Bedeutung. Er interpretiert „Sturm“ einerseits als Tokios Wunsch nach Ausbruch aus der Monotonie des Alltags, andererseits als Tokios heftiges Verlangen nach dem „Neuen“. Die Figuren der Gattin und Yoshikos wurden als Paradigmen von „alt“ und „neu“ konzipiert, was die Brutalität der Gegenüberstellung erklären mag. Das literarische Leben als abstraktes Ideal wird so im Katalysator „fleischliche Liebe“ als die Erinnerung an die Vorahnung eines Sturmes konkretisiert, womit die Erzählung beginnt. Allerdings verharrt der Protagonist Takahashi zufolge beim Wunsch, da er sich trotz der Chance auf Erfüllung passiv verhält. Schliesslich bleibt nur noch das Wissen, die „Zeit des Sturms“ versäumt zu haben. Die Abstraktheit des Wunsches nach dem „Neuen“ wird durch Yoshikos tatsächliches Verhalten entlarvt, dem Tokio nicht zu folgen vermag. Takahashi weist darauf hin, dass die Erzählung fast ausschliesslich aus Tokios Perspektive gestaltet ist, dass aber die Gleichsetzung des Protagonisten mit dem Autor eine Kritik aus einer höheren Warte verhindert. Er meint, der Erzähler abstrahiere und kritisiere den Protagonisten, der zwar dem Autor gleiche, aber nicht mit ihm identisch sei. Futon, so folgert er, sei wie Shǀjobyǀ aus dem Wunsch nach Erneuerung entstanden. Dieser Wunsch werde aber in der letzte Szene zerstört – mit dem Wehen eines wirklichen Sturms vor den Fenstern. Takahashi folgert, Tokios „fleischliche Liebe“ werde erst durch die Entfernung des ursprünglichen Objekts (Yoshiko) in einem fetischistischen Akt konkretisiert. Diese Auslöschung der Sehnsucht nach dem „Neuen“ und dem Wunsch nach Literatur in der fiktionalen Welt war paradoxerweise neu in der Literatur. In einem Zusatz kommt Takahashi auf den Sprachgebrauch zu sprechen und weist auf Tayamas Verwendung von genbun itchi in Text und Dialog hin. Takahashi zufolge sprechen die Figuren Standard-

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japanisch, was den Erfolg der Politik der Vereinheitlichung der Sprache und Abschaffung der Dialekte nach dem Russisch-Japanischen Krieg beleuchtet. Eine Ausnahme ist die Figur Tanakas, der als Einziger einen Dialekt spricht, den es, so Takahashi, nicht gab. Diese Art der Darstellung Tanakas als unsympathische Person steht im Gegensatz zu Tokio und Yoshiko, die die neue Standardsprache gebrauchen und wird von Takahashi dahin interpretiert, dass Tokio zwar ein Verlierer in Liebesangelegenheiten ist, sprachlich aber Sieger bleibt. 2.7.6

Watanabe Masahiko (1989)

Watanabe Masahiko ( ᷰ ㆻ ᱜ ᒾ ) untersucht in seiner Arbeit Tayama Katai no „Futon“ to sensǀkan ( ↰ጊ⧎ⴼߩ㨬⫱࿅㨭ߣᚢ੎ⷰ, Tayama Katais Futon und seine Sicht des Krieges) 92 die Widersprüche, die in Futon und den Kriegserzählungen auftreten, zum Beispiel die Tatsache, dass Tayama als Patriot den Russisch-Japanischen Krieg enthusiastisch begrüsste, andererseits aber Erzählungen schrieb, die dem Krieg kritisch gegenüberstanden. Watanabe interpretiert Futon in Hinblick auf die Beziehungen der Personen im Geflecht von Gegensätzen wie Mann-Frau, LehrerSchülerin, alt-neu, Sitte-Macht der Natur (Instinkte), Innen-Aussen, Künstler-Leben und Stadt-Land. Die Entfaltung der Erzählung sieht er in der Problemstellung, ob der Protagonist diese Gegensätze überwinden könne. Er deutet Takenaka Tokio als eine Person mit gespaltenem Bewusstsein, dessen Sehnsucht nach der neuen Zeit sich in den Personen der westlichen Literatur verkörpert. Watanabe zufolge urteilt Takenaka über die Fähigkeiten Yoshikos als Literat, ist aber als Mann von ihr angezogen. Diese doppelte Beziehung möchte er verbinden, um so den Widerspruch alt-neu zu überwinden, um sich die „neue Zeit“, die Yoshiko verkörpert, und die er nur als abstrakten Begriff kennt, zu eigen zu machen. Er hat die Tendenz, seine Ideale in einer Frau zu realisieren, indem er sie, wie Pygmalion, erzieht. Er predigt Liebe, lehnt aber deren Verwirklichung ab, während seine Schülerin die abstrakte Idee wahr macht und so als Frau ihren Lehrer verrät. In der Welt der Erzählung kann Tokio Yoshikos Gefühle nicht einsehen. Während Yoshiko nur die Lehrer-Schülerin Beziehung sieht, spaltet sich Tokios Bewusstsein in Innen (Gefühle und Sexualität) und Aussen (Sitte und Moral). Erst in der 92

In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 163–170).

341

letzten Szene äussert sich Tokios Innerlichkeit und wirkt skandalös, da er ein Tabu verletzt – er benimmt sich als Liebender in der Sphäre des Hauses, der Sphäre der Gattin. Die Erzählung Poketto no shukan (ࡐࠤ࠶࠻ߩᚻ◲, Die Briefe in der Tasche, 1905) 93 weisen den gleichen Widerspruch von Innen und Aussen auf. (In der Tasche eines Gefallenen werden Briefe seiner Frau gefunden, in denen sie ihn bittet, sich nicht in Gefahr zu begeben und gesund zurückzukehren.) Die Frau, so Watanabe, scheint den Krieg als rechtmäßige Aufgabe des Soldaten nicht anzuerkennen, und die Tasche des Soldaten wird so, obwohl Teil der Uniform, zum privaten Bereich. Die Gemeinsamkeit der beiden Erzählungen sieht Watanabe im Widerspruch zwischen privatem und öffentlichem Bereich, ura ( ⵣ , innen) und omote ( ⴫, aussen), honne ( ᧄ㖸 , wirkliche Absicht) und tatemae ( ᑪ ೨ , „Fassade“), Individuum und Gesellschaft. Watanabe schliesst, Tayamas Verurteilung des Krieges beruhe nicht auf dem Einverständnis der Gesellschaft (des öffentlichen Bereichs), sondern auf der Tragödie eines Individuums. 2.7.7

Konaka Nobutaka (1990)

In seiner Diskussion der Problematik von Futon in Bungaku no uragiri – „Futon“ to shizenshugi (ᢥቇߩⵣಾࠅ – 㨬⫱࿅㨭ߣ⥄ὼਥ⟵, Der Verrat der Literatur – Futon und der Naturalismus)94 geht Konaka Nobutaka (ዊ ਛାቁ) davon aus, dass die Komik der letzten Szene an der Oberfläche bleibt (also Situationskomik ist), die eigentliche Komik –oder Tragik – der Erzählung aber in die „Essenz“ (ታ૕, jittai) der Erzählung verankert ist, nämlich als „Literaturglaube als Krankheit“. Konaka zufolge ist der Protagonist ein reiner Literat, der durch die Kenntnisse der westlichen Literatur ausgehöhlt und zerstört wird. Takenaka Tokios Gedanken und Worte sind fast ausschliesslich aus der westlichen Literatur entlehnt, seine Urteile und Entscheidungen (und Fantasien) stützen sich auf Zitate. Tokio als Lehrer will Yoshiko zum Partner eines idealen literarischen Lebens erziehen; sein Leitfaden ist die europäische Literatur als einziges verlässliches Vorbild, ein Vorbild, das ihn verrät und ihm seine Wünsche nicht erfüllt. 93 94

342

Diese Erzählung ist nicht in die Gesamtausgabe aufgenommen und war mir deshalb unzugänglich. In: Katǀ (Hg.) (1989 III: 173–180).

Konaka zufolge liegt der Grund nicht bei Yoshiko – sie erfüllt die Erwartungen in eine „neue Frau“ – sondern bei Tokio, der seine Gefühle nicht zeigt und seine Liebe nur in Fantasien ausleben kann. Sie stellt für ihn die Möglichkeit einer Erneuerung dar, doch lockt ihn sein Vorbild Johannes in eine Falle. Tokio ist unfähig, Literatur als einen das Ich relativierenden Spiegel zu sehen, er verbindet Realität und Literatur kritiklos, funktioniert seine banale Alltagseinsamkeit in literarische Einsamkeit um, überträgt Yoshiko die Rolle der Liebsten. Hilflos in der japanischen Realität, wird ihm die westliche Literatur Zufluchtsort, Grundlage seiner Urteile und die einzige Beziehung zur Wirklichkeit. Konaka findet Gemeinsamkeiten zu Futon in Morita Sǀheis Baien.95 Die Protagonisten beider Werke leben in einer eigenen Welt, verabsolutieren Literatur und verlieren ihre Autorität, da sie ihre Pflicht als Mentor nicht erfüllen. Durch die Begegnung mit einer Frau wird ihr Verlass auf die Literatur geprüft und deren Wirkungslosigkeit gezeigt. Yoshiko folgt Tokio nicht in seine abstrakte Welt, und Tokio bleibt in der letzten Szene nackt, ohne seinen Panzer der Literatur, zurück. 2.7.8

Hayashi Hirochika (1990)

Hayashi Hirochika (ᨋኡⷫ) versucht in Tayama Katai „Futon“ o yomu ( ↰ጊ⧎ⴼ㨬⫱࿅㨭ࠍ⺒߻ , Tayama Katais Futon lesen) 96 , sich von den vorherrschenden Erklärungsmustern zu lösen und die Erzählung unabhängig von literaturgeschichtlichen Auslegungen zu interpretieren. Er meint, die Literaturkritik habe die Interpretation von Futon als Bekenntnis unbefragt übernommen. Hayashi vergleicht Futon mit Hakai und konstatiert, dass in Hakai der Protagonist seine Herkunft verschweigen muss und im Akt der Beichte sich selbst findet. Hayashi zufolge übertritt auch Yoshiko in Futon ein Gebot, indem sie ihre Beziehung zu Tanaka verheimlicht. Allerdings ist dieses Gebot nicht gesellschaftlicher Natur, sondern reine Konvention, das Gebot der „heiligen Liebe“ ist die Bedingung für die Gemeinschaft mit Takenaka Tokio als „Andersgläubige in einer utilitaristischen Gesellschaft“. Sie ist es, die ihre Übertretung gesteht. Für Hayashi aber ist der wirkliche Verräter Tokio, 95

96

Baien (ᾓᾍ, Rauch) ist eine 1910 entstanden Erzählung von Morita Sǀhei (᫪↰ ⨲ᐔ), die dessen Beziehung zu Hiratsuka Raichǀ (ᐔႦ㔗㠽, Frauenrechtlerin und Publizistin, 1886–1971) fiktionalisiert. In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 193–211).

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der seine Schülerin fallen lässt. Dieser Verrat ist in seinem Charakter begründet, seiner Tagträumerei, die, stets nach gleichem Muster als Nachahmung literarischer Figuren abläuft. Auch die Zitate westlicher Literatur folgen immer dem gleichen Muster und zeigen Tokios Verständnis als bruchstückhaft und unfundiert. Die Konstruktion der Figur Takenaka Tokio lässt den Leser die Fragwürdigkeit erahnen, mit abstrakten Ideen westlicher Literatur das Leben bewältigen zu wollen. Hayashi zufolge beruht Tokios Wahl der Schülerin (deren auffallendstes Attribut haikara, modern, ist) auf Yoshikos Wunsch nach Belehrung, ihrem Glauben an die Literatur und ihrem Vertrauen in Tokio als Erzieher. Er unterweist sie in seiner Gewohnheit, sich mit Figuren der westlichen Literatur zu identifizieren, indem er der Schülerin Frauenbilder der westlichen Literatur präsentiert. Die Atmosphäre dieses Unterrichts gleicht religiöser Unterweisung, einem Ritual in einem dem Alltag entrückten Raum, die Gemeinsamkeit wird durch die Referenz zu literarischen Figuren erstellt. Futon ist für Hayashi die Erzählung einer Annäherung zweier Personen, und die Beschreibung ihrer Verbundenheit bis zum Bruch. Die Beziehung scheitert, weil Yoshiko ihren Lehrer überflügelt und seine Ideen verwirklichen will, unabhängig und für sich selbst verantwortliche zu sein . Sie versucht aus der Enge der Beziehung auszubrechen, indem sie noch eine Person, Tanaka, einbringen will. Die negative Darstellung Tanakas beruht auf seiner Konzeption als „Musterschüler“ und seinem Charakter als Eindringling in eine geschlossene Welt. Da Yoshiko die einzige Bedingung der Gemeinschaft, die „heilige Liebe“, übertritt, formuliert sie in ihrem letzten Brief, in dem sie ihre Beziehungen gesteht, den Wunsch, nicht ausgestossen zu werden, was Tokio nicht durchschaut. Am Ende ist Tokio isoliert in einer Traumwelt, er ist vom Gift der Idee „Westen“ befangen. Während Shǀjobyǀ, so Hayashi, einen von Fantasien besessenen Mann zeigt, der beim Versuch seiner Vergangenheit zu entfliehen stirbt, ist Futon die Darstellung der Ideen, die den Protagonisten in seinen Fantasien unterstützen. 2.7.9

Takezoe Atsuko (1990)

Takezoe Atsuko ( ┻ᷝᢕሶ ) diskutiert in ihrer Arbeit Torinokosareta shujinkǀ – „Futon“ „Sabishiki hitobito“ no hikaku kara, (ขࠅᱷߐࠇߚ ਥ ੱ ౏ – 㨬 ⫱ ࿅ 㨭 㨬 ኎ ߒ ߈ ੱ ‫ ޘ‬㨭 ߩ Ყ セ ߆ ࠄ , Der zurückgelassene

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Protagonist – ein Vergleich von Futon und Einsame Menschen) 97 die allgemeine Ansicht, Futon sei nach der Vorlage von Einsame Menschen entstanden. Sie konstatiert, dass diese These einerseits auf Tayamas autobiografischen Aussagen, andererseits auf einem Zitat im ersten Kapitel (Erinnerungen des Protagonisten) beruht, die zur Folgerung veranlassen, die Gemütsstimmung Takenaka Tokios entspreche den Gefühlen des Protagonisten von Einsame Menschen. Obwohl Tayama den Bezug zu Hauptmanns Drama belegt, wird dies Takezoe zufolge nicht durch die Erzählung bestätigt, da sich Tayamas Aussage auf die Gefühle des Autors und nicht des Protagonisten bezieht. Die Formel, Einsame Menschen sei die Vorlage zu Futon, sowie die Annahme, der Autor sei mit dem Protagonisten identisch, erlaubte, Futon als Nachfolger des europäischen Naturalismus zu betrachten. Dies sei eine Falle der Forschung, die eine Zeile Tayamas mehr bewerte als die Aussagen des Textes selbst. In einem Vergleich von Hauptmanns Drama und Tayamas Erzählung zeigt Takezoe, dass die geschichtlichen Hintergründe, die Schauplätze und die Personenkonstellationen völlig verschieden sind. Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Protagonisten sind oberflächlich: das Gefühl, ein Aussenseiter zu sein, der Druck der Familie, der Generationenkonflikt, die Dreiecksbeziehung. Takezoes Untersuchung der einzelnen inhaltlichen Punkte von Einsame Menschen und Futon zeigt kaum Übereinstimmungen. Während Johannes keinen Platz in der Welt hat und in seiner Arbeit unverstanden bleibt, ist Tokio ein wehleidiger Mensch mittleren Alters in einer Ehekrise, der, in seiner Karriere zurückgeblieben, seine Frustration mit Fantasien lindert und sich nach einer neuen Liebe sehnt. Takezoe zufolge stimmt die Annahme eines Dreiecksverhältnisses für Einsame Menschen, nicht aber für Futon. Im Gegensatz zur Rivalität in Einsame Menschen, die von allen Personen bewusst erlebt wird, besteht die Nebenbuhlerschaft in Futon mit der Konstellation Protagonist – Geliebte – deren Geliebter nur in den Gedanken des Protagonisten. In Einsame Menschen besteht der Gegensatz zwischen alt und neu im Zwiespalt der religiösen Auffassung des 19. Jahrhunderts und der profanen Haltung der neuen Generation, während in Futon Tokio zur älteren Generation, Yoshiko und Tanaka zur neuen Generation gehören. 97

In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 181–192).

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Takezoe kommt zum Ergebnis, dass Elemente und Themen, die bisher als Gemeinsamkeiten angesehen wurden, sich nicht als solche erweisen. Ihr zufolge wird der Protagonist von Futon durch seine Innerlichkeit lebendig gemacht. Die Beschreibung der Figuren aus einem emotionellen Standpunkt hält Takezoe für gekonnt, die Handhabung des Dialogs für meisterhaft. Der Widerspruch, so Takezoe, einer zur emotionalen Sphäre gehörenden Figur, die sich zu analysieren versucht, ist von Tayama vorzüglich erfasst. Tayama hat einen Mann dargestellt, der in der Welt der traditionellen Gefühle lebt, sich nach Liebe sehnt und zu wissen glaubt, was „Liebe“ ist, aber die edo-zeitliche Lust ( ⦡ ᅢ ߺ , irogonomi) mit der modernen europäischen Liebe verwechselt – die Bedeutung und Modernität von Futon besteht in der Komik eines hinter der Zeit zurückgebliebenen Mannes. 2.7.10 Seki Hajime (1996) Seki Hajime (㑐⡸) konzentriert sich in seinem Aufsatz Ren’ai shǀsetsu toshite no „Futon“ ( ᕜ ᗲ ዊ ⺑ ߣ ߒ ߡ ߩ 㨬 ⫱ ࿅ 㨭 , Futon als Liebesgeschichte) 98 auf das Dreiecksverhältnis, da die Beziehungen der Personen ihre Gefühle und Handlungen bestimmen. Die Tatsache, dass Takenaka Tokio ein Mann mittleren Alters ist, scheint ihm bedeutend, da der Konflikt viel gravierender ist als im Falle einer jugendlichen Liebe. Seki zufolge war dieses Thema nicht neu, es wurde um die Jahrhundertwende vermehrt aufgenommen und spiegelte die Ideen einer Zeit, in der romantische Liebesgeschichten nicht mehr rezipiert wurden, wohl aber Erzählungen, die Alltags- und Lebensprobleme aufgriffen. Der Protagonist von Futon, so Seki, ist ein Mann, der sich nicht seinem Alter entsprechend verhält, es entsteht eine Mischung von jugendlichen und altersgemäss reiferen Zügen. Dies zeigt der von Tayama ursprünglich gewählte Titel Koi to koi (ᕜߣᕜ )99 , der darauf hinwies, dass zwei verschieden Arten von Liebe beschrieben werden sollten, nämlich die Liebe der jungen Menschen und diejenige des älteren Protagonisten. 98

99

346

Abgedruckt in: Katǀ (Hg.) (1998 III: S. 465–487). Es handelt sich um ein Kapitel von Sekis Monografie Koi no katachi, Nihon bungaku no ren’ai-zǀ (ᕜ䈱䈎䈢䈤. ᣣᧄᢥቇ䈱ᕜᗲ௝, Die Formen der Liebe, das Bild der Liebe in der japanischen Literatur, 1996). Koi to koi ist der Titel einer Erzählung von Kosugi Tengai aus dem Jahre 1901.

Seki zufolge steht der Protagonist zu Beginn der Erzählung an einem Scheideweg – seine Gefühle für Yoshiko ändern sich. Takenaka Tokio, der in ihr eine Projektion von Anna Mahr sieht und nicht einen Menschen aus Fleisch und Blut, versucht sie zur „neuen Frau“ zu erziehen, sich eine Anna Mahr zurechtzuschneidern, ohne sie zu seiner Geliebten machen zu wollen. Erst die Nachricht, dass Yoshiko einen Geliebten habe und einem Anderen gehöre, erweckt den Wunsch, sie zu besitzen. Erst in diesem Moment empfindet Takenaka ein Gefühl der Entfremdung, glaubt er, hinter der Zeit zurückgeblieben zu sein. Er begehrt Yoshiko als eine geschlechtlich Andere. Seki beruft sich auf Mensonge romantique et vérité romanesque (1961) von René Girard und interpretiert die Beziehungen der Figuren entsprechend als Subjekt des Begehrens (Takenaka Tokio), dem Vermittler, der zugleich Vorbild und Rivale ist (Tanaka) und dem Objekt des Begehrens, Yoshiko. Das Verlangen Tokios überlagert sich mit demjenigen des Rivalen und zwingt ihn zu einer dualistischen Haltung zwischen Hass und Imitation, Groll und heimlicher Bewunderung. Tanaka ist in Futon nicht nur Rivale, sondern auch „Vorbild“: Tokio vergleicht ihn mit seinem früheren Ich und bemitleidet ihn. Tanaka wird zum Spiegel dessen, was Tokio hätte sein können, wenn er fähig gewesen wäre, seine Selbstkontrolle aufzugeben. Tanaka seinerseits imitiert Tokio, indem er Schriftsteller werden will. Für Seki ist auch der textuelle Kode von Körper und Geist in diesem Kontext ein Dualismus, der nicht Tokios ursprünglicher Wertvorstellung entspricht, wie die Fantasien der frühen Kapitel beweisen. Tokios Verlangen spaltet sich in seine äusserliche Beschützerrolle und seine sexuelle Lust, und er verfolgt die Strategie des Opfers, um sein Geheimnis zu bewahren und sich Yoshiko verpflichtet zu machen. Als QuasiPatriarch versucht er Tanaka auszubooten, wird aber von den Jungen ausgenützt. Mit Yoshikos Beichte beendet Tokio das Dreiecksverhältnis. Er begreift, dass er nicht über den Spielraum verfügte, Yoshikos Brief als eine Bitte um weitere Unterstützung zu verstehen. Dies sieht Seki als die einzige Stelle der Erzählung, in der sich Tokio (selbst) relativiert. Seki zufolge ist der Text nicht durch die Schwerpunkte des Geschehens strukturiert, sondern durch die Psychologie des Protagonisten, eine Tatsache, die er durch die Zeitstruktur bestätigt sieht: Das Erzähltempo wandelt sich je nach Situation des Protagonisten. Der Erzähler

347

übernimmt die Ausdrucksfunktion des Protagonisten, indem er ihn in den Mittelpunkt stellt, beschreibt aber dessen Handlungen distanziert und objektiv. Je mehr der Protagonist sich verstrickt, umso kritischer wird der Erzähler, der die Ideen des Autors spiegelt. Obwohl Seki Futon als einen monologischen Text sieht, liest er ihn in Verbindung mit der Gestaltung der Innerlichkeit Yoshikos, die ihm mittels fragmentarischer Informationen eine neue Sicht auf Futon eröffnet. Im Gegensatz zu Tokio, der passiv bleibt, ändert sich Yoshikos Situation dramatisch. Sie wird von einer Studentin zu einer neuen Frau und schliesslich zur „gefallenen Studentin“ und überschreitet dadurch immer wieder die Grenzen der Welt, zu der sie gehört. Ihr grösster Fehltritt ist ihre Liebe zu Tanaka, die nicht vom Erzähler, sondern durch ihre Briefe dargestellt wird. Ihr Kampf gegen die Autorität zeigt ihre Bedrohung in einer patriarchalischen Gesellschaft, die Gefahr der Enterbung und ihren Ruf als „gefallene Studentin“. Ihr Streben nach „heftiger Liebe“ wird von Tokio verinnerlicht – in und durch Literatur. Seki interpretiert Yoshikos Liebe als Widerstand gegen die patriarchalische Autorität. In diesem Sinne, meint Seki, sei Futon nicht auf Japans Moderne beschränkt, sondern behandle universelle Probleme, wie den Begriff der Liebe, die Entstehung der modernen Gesellschaft. Seki sieht den Wert der Liebe nicht nur in Europa einer ungeheuren Distanz zwischen Ideal und Realität unterworfen, sondern auch im modernen Japan, postuliert aber eine Verschiebung: die Generierung des Wertes Liebe in Japan durch die Literatur.

2.8 Die Beschäftigung mit der Methode der Beschreibung und der Erzählhaltung Schon die frühesten Kritiker waren sich einig, dass Tayama (mit Futon) nicht nur inhaltlich etwas Neues erschaffen, sondern auch eine neue Erzählhaltung entwickelt hatte. Die „Entdeckung“ des Erzählers (der fast immer mit dem Autor gleichgesetzt wurde) führte in der Folge zu dessen Überbetonung, die wenigen Stellen einer distanzierten Erzählhaltung versperrten die Sicht auf Perspektivierung und neutrale Erzählhaltung. Wechselnde Perspektive wurde als Objektivierung des Protagonisten interpretiert, und Stellen neutraler Erzählfunktion dem Erzähler zugeschrieben.

348

2.8.1

Sasabuchi Tomoichi (1970)

Sasabuchi Tomoichi (╣ᷗ෹৻) führt in seinem Meiji-Taishǀ bungaku no bunseki ( ᣿ ᴦ ᄢ ᱜ ᢥ ቇ ߩ ಽ ᨆ , Analyse der Meiji und Taishǀ Literatur) schon früher formulierte Thesen100 weiter aus. Sasabuchi glaubt, dass Tayamas Naturalismus nicht aus Experiment und Beobachtung der Natur, sondern aus der Sehnsucht nach der Natur entsprang, so dass er der gleichen lyrischen Erzählhaltung wie zuvor verhaftet blieb. Sasabuchi zufolge übernahmen Tayamas erste Erzählungen mit naturalistischer Tendenz einerseits die naturalistische Technik, andererseits Elemente der symbolistischen und mystizistischen Autoren, deren Werke, wie Sasabuchi zeigt, einen bedeutenden Bestandteil von Tayamas Lektüre ausmachten. Die Erzählungen des Frühnaturalismus charakterisiert Sasabuchi als Werke mit inkonsequenter Perspektive, mit dem Wechsel erklärender und subjektiv-sentimentaler Passagen und dem Widerspruch zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und romantischer Sehnsucht.101 Sasabuchi zitiert Iwanaga ausführlich, meint aber, das Kompositionsprinzip führe nicht vom Stoff zu einer Idee, sondern die Idee [Intention] beeinflusse die Darstellung des Stoffes. Sasabuchi hält Jnjemon no saigo für einen Fehlschlag, da das theoretische Gedankengut Balzacs (Milieu und Vererbung) zu einer abstrakten Konstruktion der Hauptfigur als irrationales Naturwesen führte. Dieser Widerspruch, so Sasabuchi, zeige sich auch in der Mädchenfigur, die unglaubwürdig bleibe, da auch sie als irrational-mystisches Wesen geschildert werde. Dies schreibt Sasabuchi nicht Tayamas Unfähigkeit realistischer Beschreibung zu, sondern dessen Versuch, Naturalismus, Symbolismus und Mystizismus zu vereinen, ohne sich der Widersprüche bewusst zu sein. Jnjemon als „Kind der Natur“ ist von der Idee her entworfen, nämlich von der Verabsolutierung des Ich und dessen Mystifizierung, einer Darstellung der Idee des Individualismus, die „ohne Fleisch“ und oberflächlich blieb. Sasabuchi zufolge beginnt mit Futon Tayamas Hinwendung zur Realität. Dies entsprang nicht nur dem westlichen Einfluss, sondern auch Tayamas Kriegserfahrung und der Tendenz, Stoffe aus der eigenen Erfahrung zu gestalten. Obwohl Futon auf Tatsachen beruhe, meint 100 Sasabuchi (1956) in: Katǀ (1998 I: 300–305). 101 Sasabuchi (1970: 601).

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Sasabuchi, werde das Familienleben ungenügend beschrieben und scheine wissentlich fiktionalisiert. Für Tayama beruhe Wahrhaftigkeit auf der subjektiv-romantischen Suche nach dem essentiellen Ich, das nicht naturalistisch, sondern romantisch sei. Dabei unterdrückt Tayamas seine romantische Sehnsucht in einer naturalistischen Welt nicht, sondern schreibt seinen etwas altertümelnden Romantizismus und Lyrizismus in den Realismus ein. Futon zeigt nicht Spuren von Kampf und Auflehnung wie Jnjemon no saigo, sondern aware (Pathos) als Merkmal des Mystizismus.102 Sasabuchi versucht den Erfolg von Futon nicht allein im Bekenntnis zu begründen, sondern in der Erzählhaltung. Diese vereint verschiedene Strömungen, einerseits realistische Tendenzen und andererseits Elemente der waka-Theorie, wie Respekt für Charakter, Wichtigkeit der eigenen Erfahrung und Unmittelbarkeit der Gefühle ( ታ ᗵ , jikkan). Der überwältigende Einfluss von Futon, glaubt Sasabuchi, beruhe auf der monologischen Erzählhaltung mit dem Standpunkt des Protagonisten im Mittelpunkt und der Nähe zur „eindimensionalen Beschreibung“ Iwano Hǀmeis in Verbindung mit einem waka-artigen Lyrizismus, eine Erzählhaltung, die die Grundströmung der japanischen Literatur überhaupt ausmache.103 Sasabuchi zufolge gründete Tayamas Naturalismus im Unterschied zum europäischen Naturalismus auf einem irrationalen Schicksalsbegriff, aufgepfropft auf traditionelle Bildung und konkretisiert durch die Poesie des waka. Diese Erzählhaltung, die zur Entwicklung des shishǀsetsu führte, bedeutete gleichzeitig eine Entfernung von der Moderne. Sasabuchi sieht Tayamas Schwäche vor allem in der fehlenden Kompositionsfähigkeit. Durch die Übernahme der Methode der Oberflächenbeschreibung (heimen byǀsha) entledigte er sich der Notwendigkeit, die Strukturen der europäischen Literatur aufzunehmen, seine Ideen diesen Strukturen anzuvertrauen und die Innerlichkeit der Figuren zu analysieren oder objektiv zu erklären.

102 Sasabuchi (1970: 616). 103 Sasabuchi (1970: 617).

350

2.8.2

Yamamoto Shǀichi (1972)

Yamamoto Shǀichi (ጊᧄ᣽৻) untersucht in seinem „Futon“ nǀto (㨬⫱ ࿅㨭ࡁ࡯࠻ , Notizen zu Futon) 104 die Beziehung des „Autors“ Tayama [des Erzählers] zum Protagonisten Takenaka Tokio. Er geht dabei nicht vom erzählten Inhalt aus, sondern der Erzählperspektive. Er bemerkt Abweichungen von der in Futon vorherrschenden Perspektive Tokios, so in der Bahnhofsszene und der Beschreibung von Tokios Trunkenheit, in denen der „Autor“ Dinge sieht, die der Protagonist nicht bemerkt. Daraus schliesst Yamamoto, dass die Gleichung Autor = Protagonist falsch ist. Yamamoto geht auch auf die Erzählung Shǀjobyǀ ein. Er kommentiert die Diskussion der Freunde über den Protagonisten und bezeichnet besonders die Stelle, in der der Protagonist dekadent genannt wird, als „objektive Sicht“ auf den Protagonisten. Er argumentiert, dass Sugitas Tod zwingend notwendig war, vorbereitet durch den Aufbau der Erzählung, wobei die Intention des Autors darin bestand, einen dekadenten Menschen darzustellen, den es auszulöschen galt. Die Befreiung von Mädchenverehrung machte Tayamas Blick auf das Hässliche frei und erlaubte, einen Mann, der seine Instinkte nicht ausleben kann, mitleidlos zu porträtieren. In der Erzählung Negi hitotaba (Eine Hand voll Zwiebeln, 1907) beschrieb er eine hässliche Frau, die um ihrer Instinkte willen „fällt“ und ein tragisches Ende nimmt. In Futon, so Yamamoto, vereinigen sich die verschiedenen Motive – die Hässlichkeit, die „gefallene Frau“ und das Ausleben der Instinkte. Futon sieht er als „moralische Erzählung“ mit der Dichotomie „gut“ und „schlecht“, wobei Tokio und der Vater als gut, der Liebhaber Tanaka als schlecht und Yoshiko als dazwischen stehend dargestellt werden. 2.8.3

Wada Kingo (1975)

In Byǀsha no jidai ( ឬ ౮ ߩ ᤨ ઍ , Das Zeitalter der Beschreibung) beschäftigt sich Wada Kingo (๺↰⻯๋) mit den verschiedenen Autoren des Naturalismus der Meiji- und Taishǀ-Zeit, wobei Tayama im Mittelpunkt steht. Wada diskutiert die Theorien der Schriftsteller, ohne allerdings auf die Erzählsituation im strikteren Sinne einzugehen. Er beginnt seine Abhandlung mit der Besprechung der vorgängigen 104 In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 111–118).

351

Forschungsliteratur, des Begriffes Naturalismus und den Einflüssen der europäischen Literatur. Auch Wada ist der Meinung, Tayama habe Zolas Theorie missverstanden, sie als realistische, auf das Äussere beschränkte „Methode der Beschreibung“ aufgefasst und nicht den Aspekt der wissenschaftlichen Untersuchung übernommen, sondern nur den Aspekt „Beschreibung der Sitten“. Wada untersucht Tayamas Erzählungen der Jahre nach 1903, stellt eine Hinwendung zur Wirklichkeit fest und bemerkt den Wechsel von der Ich- zur Er-Erzählung um 1906–1907. Wada zufolge verarbeiteten die Ich-Erzählungen zwar eigene Erfahrungen, das Ich des Erzählers wurde aber nicht beschrieben und stand auch nicht im Mittelpunkt der Erzählung – nur dessen Beobachtungen wurden direkt als eine Art „zuschauender Realismus“ wiedergegeben. 105 Als Beispiel führt Wada Rinshitsu an, dessen realistische Tendenz, die Behandlung der physischen Existenz und die sentimentale Betonung der Macht der Natur. In den Er-Erzählungen hingegen sieht Wada das „Selbst“ (⥄Ꮖ, jiko) des Autors als Modell der Protagonisten, die Mädchenverehrung der frühen romantischen Werke weicht der Thematisierung der Sexualität. Diese Erzählungen hält Wada nicht für bekenntnishaft, obwohl Shǀjobyǀ biografische Elemente enthält. Wada untersucht die Entstehung von Futon ausführlich, diskutiert die zeitgenössischen Rezensionen und definiert die Neuheit von Futon in Anlehnung an Sǀma Gyofnj und Katagami Tengen als eine Verschmelzung von Ich-Erzählstil (⥄⒓૕, jishǀtai), subjektiver Narrative (ਥⷰ⊛ ⺑⹤ᑼ, shukanteki setsuwashiki) mit objektiver Beschreibung ( ቴⷰ⊛ ឬ౮, kyakkanteki byǀsha).106 Die Eigenschaften der frühen Werke – die Objektivität der Reisebeschreibungen und die Sentimentalität der „Sehnsuchtserzählungen“ gingen über in eine objektive, ungeschminkte Beschreibung und vereinten die beiden Tendenzen, die Vermittlung eines Vorfalls durch die direkte Beobachtung eines „Ich“ als Zuschauer und die objektive Beschreibung ohne Erklärungen.107 Wada sieht keine Notwendigkeit, den Autor in Futon mit dem Protagonisten gleichzusetzen, er hält die Interpretation als Beichte für eine Leserreaktion. Ihm zufolge war es Tayamas Ziel, Wirklichkeit darzu105 Wada (1975: 37) benützt den Ausdruck shokumokuteki (བྷ⋡⊛), der aus der HaikuTheorie stammt. 106 Wada (1975: 48). 107 Wada (1975: 52).

352

stellen und die Innerlichkeit eines Menschen rückhaltlos auszubreiten. Er vergleicht Futon mit den anderen um 1907 und 1908 entstandenen Erzählungen und findet Ähnlichkeiten mit den sanmen kiji (ਃ㕙⸥੐, „Unglücksfälle und Verbrechen“, auf der dritten Zeitungsseite aufgeführte Ereignisse) und zur Sittenerzählung mit Darstellungen von Einzelgängern und ihren Problemen. Wada kommt zum Schluss, dass Tayama, um Wirklichkeit zu beschreiben, die Methode der Erzählung revolutionierte, wobei Futon, der erste Versuch, als „wahr“ gelesen wurde.108 Die Entwicklung zum shishǀsetsu erklärt Wada zu einem von Tayama unerwarteten „Abkömmling“ von Futon. 2.8.4

Shigematsu Yasuo (1976)

Shigematsu Yasuo (㊀᧻ᵏ㓶) erörtert in „Futon“ kanken (㨬⫱࿅㨭▤⷗, Ein Blick auf Futon)109 den von Nakamura Mitsuo behandelten Aspekt der Komik Takenaka Tokios. Er hält die Existenz des modernen Ich in der vormodernen Gesellschaft an sich für tragisch oder komisch, betrachtet aber die Darstellung des Protagonisten nicht als Parodie oder Karikatur, da die Distanz zwischen Autor und Protagonist fehle. Die widersprüchliche Beschreibung des Protagonisten weist Shigematsu zufolge auf kühle Berechnung des Autors. Shigematsu nennt die neue Erzählhaltung, obwohl in der dritten Person geschrieben, „IchRoman-haft“, eine durch Objektivität angereicherte Ich-Erzählhaltung und gleichzeitig eine mit Subjektivität versehene Erzählung in der dritten Person. Er kritisiert Iwanagas Urteil, Tayama verzerre die Wirklichkeit und ist der Meinung, dass in Futon keineswegs die „Tatsachen wie sie sind“ geschildert werden, da Tatsachen für Tayama nicht äusserliche, sondern innere Wirklichkeit waren, Wirklichkeit, die das Selbst in sich entdeckte und vor dem Leser ausbreitete. Allerdings, meint Shigematsu, verspotte Tayama den Protagonisten, indem er eine in ihm selbst schlummernde Tatsache umgestaltete und wie schon in Jnjemon no saigo und Shǀjobyǀ die Figur eines Sonderlings schuf, wobei die Erzählung in der letzten Szene einen Höhepunkt erreicht, der die „Unnatur der Natur“ aufzeige. 108 Wada (1975: 66–81). Wada ist der einzige Literaturkritiker, der darauf hinweist, dass die Erzählhaltung der biografisch motivierten Erzählungen und anderer Texte identisch ist. 109 In: Katǀ (Hg.) (1998 II, S. 172–184).

353

2.8.5

Usami Takeshi (1979)

In dem kurzen Aufsatz „Futon ni kansuru ikkǀsatsu“ (㨬⫱࿅㨭ߦ㑐ߔࠆ৻ ⠨ኤ, Eine Überlegung zu Futon)110 geht Usami Takeshi (ቝ૒⟤Პ) von der Kohärenz von Inhalt, Erzählhaltung und Erzählerintention aus. Für ihn ist der Erzähler eine vom Autor manipulierte Figur. Er postuliert, dass eine Betrachtung von Futon ohne die Analyse der aus der Erzählung selbst sichtbaren Technik des Ausdrucks ( ⴫⃻ᛛᴺ hyǀgen gihǀ) und Tayamas kreativer Absicht (ഃ૞ᗧ⼂ sǀsaku ishiki) zweifelhaft bleiben muss. Usami zufolge ist die Position des Erzählers gegenüber dem Protagonisten oft ohne Distanz, obwohl Futon in der dritten Person erzählt wird. Als Beleg zitiert Usami in Anführungszeichen gesetzte Gedanken, die er als Identifikation von Erzähler und Figur interpretiert. Diese Identifikation scheint ihm aber nicht vollständig, eine „Trennung“ findet zum Beispiel in der Bahnhofsszene statt, wo der Erzähler nicht Tokios Perspektive übernimmt und die Innerlichkeit anderer Personen schildert. Usami schliesst, dass der vom Autor manipulierte Erzähler die Innerlichkeit der Hauptfigur analysieren, aber auch aus der Vogelperspektive betrachten kann, d.h., es existiert ein greifbarer Abstand, wodurch die Figur des Protagonisten relativiert und objektiviert wird. Usami zufolge beruht der Abstand zwischen dem kreativen Subjekt Tayama und dem Protagonisten Takenaka Tokio auf der intentionalen Gestaltung der Figur. Tayama betrachtete Elemente der eigenen Innerlichkeit „von aussen“, objektivierte diese und erschuf den Protagonisten als Objekt, als alter ego. Dies hält Usami für Tayamas Kompositionsprinzip, woraus sich eine neue Erzählhaltung (heimen byǀsha) entwickelte, kühl beobachtete und beschriebene Inhalte. 2.8.6

Uchida Michio (1982)

Auch Uchida Michio (ౝ↰㆏㓶) ist in seiner Abhandlung Futon (㨬⫱࿅㨭) der Meinung, diese Erzählung folge einer klaren Intention des Autors.111 Er belegt dies durch die Untersuchung der Zeitstruktur und der Darstellung der heftigen Gefühle des Protagonisten, welche die Abfassung von Futon motivierten und die Konzeption beeinflussten. Obwohl Uchida zufolge die Erzählung in der dritten Person von einem

110 In: Katǀ (Hg.) (1998 II: 299–301). 111 In: Katǀ (Hg.) (1989 II: 393–397).

354

Erzähler vermittelt wird, stehen die ersten vier Kapitel fast ausschliesslich in der Perspektive des Protagonisten, dessen Gedanken Yoshiko Realität geben. Uchida bemerkt die Perspektivenwechsel zu Yoshikos Innerlichkeit nach dem vierten Kapitel und meint, das Einbrechen anderer Figuren in die Fantasiewelt des Protagonisten beende dessen Tagträume und lasse die Erzählung realistischer werden. Als Fazit schliesst Uchida, dass die Erzählung bewusster konstruiert ist als bisher angenommen, dass Tayama das eigene Ich in die Figur projizierte, um die Kluft zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu veranschaulichen. Er lässt Tokio in Melancholie verharren, zeigt ihn aber objektiv in Beziehung zu den anderen Figuren und ironisiert ihn dadurch. Futon sollte, so Uchida, unter dem Aspekt der Selbstparodie als Teil des IchBewusstseins gelesen werden. 2.8.7

Gotǀ Meisei (1983)

Gotǀ Meisei (ᓟ⮮᣿ᤊ) versucht in „Jijitsu“ ka fikushon ka – Tayama Katai no „Futon“ ( 㨬੐ታ㨭߆ࡈ࡚ࠖࠢࠪࡦ߆ – ↰ጊ⧎ⴼߩ㨬⫱࿅㨭 , Realität oder Fiktion, Tayama Katais Futon) die Erzählung in ihren geschichtlichen Kontext einzubetten und sie unvoreingenommen zu lesen. 112 Er betont, dass Futon in der Zeit zwischen zwei Kriegen geschrieben wurde, einer Zeit grosser Veränderungen und gesellschaftlicher Umwälzungen. Die drei Hauptthemen von Futon sind Gotǀ zufolge der Gegensatz zwischen alt und neu, wobei ein hinter der Zeit zurückgebliebener Literat mit „Neuem“ konfrontiert wird (ein Zeichen dieser Konfrontation ist Yoshikos Frisur, ein Symbol der Sexualität), der Gegensatz zwischen honne und tatemae, illustriert durch Tokios Zuneigung zu Yoshiko trotz seiner Ablehnung literarischer Frauen und schliesslich der Gegensatz der Standpunkte als Lehrer und Mann. Eine wiederholte Lektüre von Futon überrascht Gotǀ durch dessen Frische und führt zur Überzeugung, dass Futon eine vor dem Hintergrund der Zeit geschickt konzipierte Liebesgeschichte darstellt, die Hauptmanns Einsame Menschen gekonnt in japanische Verhältnisse transponiert. Für ihn ist die Erzählung nicht „monologisch“, da Distanz besteht, ist aber auch nicht die Beschreibung der Realität, da die 112 Es handelt sich um ein Kapitel seines Buches Shǀsetsu - ikani yomi, ikani kaku ka (ዊ⺑ - 䈇䈎䈮⺒䉂, 䈇䈎䈮ᦠ䈒䈎, Erzählungen – wie schreiben, wie lesen, 1983) abgedruckt in: Katǀ (Hg.) (1989 II: 401–443).

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naturalistische Methode Inhalte als eine von der Wirklichkeit unabhängige Möglichkeit wiedergibt. Einen blinden Punkt in dieser Liebesgeschichte sieht er, obwohl als Dreiecksgeschichte konzipiert, in der Vernachlässigung der dritten Person dieser Beziehung, Tanaka. Gotǀ geht im Folgenden auf die damalige Diskussion um Geist und Körper (㔤ߣ⡺, rei to niku, wörtlich „Seele und Fleisch“) ein, ein Thema, das Futon durch die Verbindung mit den Motiven Lehrer-Schülerin und Mann-Frau Neuheit und Spannung verlieh. Ihm zufolge wird der Antagonismus zwischen Tokios Standpunkt als Lehrer, der „Seele“ und „reine Liebe“ betont (tatemae) und als Mann, der die junge Frau begehrt (honne), unbeschönigt beschrieben. Die neue Methode der Beschreibung ist ein Manifest der Moderne und spiegelt einerseits die Auflehnung gegen den klassischen sino-japanischen Stil, die Verneinung der vormodernen Rhetorik und Literatur und deren Tendenz, honne zu vergolden. Gotǀs Analyse des Erzählmusters zeigt, wie die einzelnen Szenen jeweils mit einer narrativen Passage ohne Bezugnahme auf den Protagonisten beginnen, worauf dann oft eine Beschreibung und ein Monolog folgen. Gotǀ zufolge sind die narrativen Teile und Beschreibungen der Umgebung im altmodischen kikǀbun-Stil (dem Stil der Reiseberichte) mit Anklängen an bibun geschrieben, die Monologe scheinen „zusammenhangslos“. Daraus liest Gotǀ den Gegensatz der gefühllosen Natur und der Innerlichkeit des leidenden Individuums. Gotǀ konzentriert sich besonders auf die von anderen Autoren als komisch gelesenen Szenen und sieht dort immer wieder den Gegensatz von Figurenperspektive und derjenigen des relativierenden Autors und meint, diese Szenen wirkten unbewusst komisch, obwohl vom Autor tragisch gemeint. Die Gegenüberstellung von honne-tatemae, Körper und Geist, Mann-Frau und Lehrer-Schülerin, so schliesst er, wurde von den damaligen Lesern als gesellschaftlich relevant gelesen und bleibe, da Tayama das Dreiecksverhältnis als Generationenproblem behandle (Gotǀ argumentiert, dass Tokio durch die junge Generation missbraucht und verraten wurde), heute noch relevant. 2.8.8

Kojima Noriko (1991)

Kojima Noriko ( ዊ ፉ ⷙ ሶ ) analysiert die Figur Takenaka Tokios in ihrem Aufsatz Sakuhin-ron no shinshikaku „Futon“-ron – shujinkǀ no jinbutsuzǀ o megutte ( ૞ຠ⺰ߩᣂⷞⷡ 㨬⫱࿅㨭⺰㧙ਥੱ౏ߩੱ‛௝ࠍ ߼ߋߞߡ㧙 , Eine neue Sicht der Abhandlung über Futon – über das

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Menschenbild des Protagonisten)113. Sie löst sich von den Forschungen der textexternen Wirklichkeit, durchleuchtet den Gebrauch der erzählerischen Mittel, untersucht den Dualismus des Protagonisten und versucht zu bestimmen, wie sich Tayamas kritisches Bewusstsein in der Figur spiegelt. Kojima zufolge ist Takenaka Tokio ein Mann, der sich in Fantasien ergeht, um den monotonen Alltag aufzuheitern. Er romantisiert den Alltag, bleibt aber in seiner abstrakten Auffassung von Liebe befangen. Als die Studentin Yoshiko auftritt, fühlt er sich weniger von ihrem Körper und Geist angezogen, als von ihrer Lebhaftigkeit. Seine Erwartungen an die Liebe sind übertrieben, er wird aber, bis Tanaka auftritt, nicht von Eifersucht gequält. Schon in Jokyǀshi und Shǀjobyǀ findet Kojima den Aspekt des romantischen Träumers, eine ähnliche Konzeption der Figuren und des Schauplatzes. In Futon aber sind die Träume übertrieben, der Protagonist verliert sich in selbstgefälligen Fantasien, welche die Person Yoshikos missachten. Trotzdem bemerkt Kojima auch eine rationale Seite in Takenaka Tokio: Er widersteht seinen Gefühlen, analysiert sie und ist selbst im Zustand der Trunkenheit fähig, sich objektiv zu sehen. Seine Selbstkritik aber ruft noch grössere Verwirrung hervor, durch ein Übermass an Ichbewusstsein spaltet sich sein Bewusstsein je weiter die Beziehung der jungen Leute fortschreitet. Seine Gedanken in der Bahnhofsszene zeigen, dass er, obwohl seine Illusionen zerstört sind, nicht aufhören kann zu fantasieren. Erst in der letzten Szene tritt er als Mann von Fleisch und Blut auf, als ein morbider Mensch des fin de siècle. Kojima setzt die zwei Aspekte Tokios mit den verschiedenen Techniken der Beschreibung in Beziehung. Sie unterscheidet zwischen Innerlichkeitsbeschreibungen, Verallgemeinerungen („Überblick des Erzählers“), direkter Rede und Naturbeschreibungen. Die Innerlichkeit Tokios wird sowohl in „Monologen“ als auch durch den Erzähler geschildert, dazu kommen die Verallgemeinerungen [Kommentare] des Erzählers, die, wenn auch selten, Tokio und seine Zerrissenheit von zeigen und ihn verspotten. Die Naturbeschreibungen signalisieren das Vergehen von Zeit und Änderungen des Schauplatzes, durchsetzen aber auch die Innerlichkeitsschilderungen und drücken dort die von Takenaka Tokio empfundene Gefühllosigkeit der Natur aus. 113 In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 215–226).

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Kojima zufolge schliesst oft eine Narrative in der dritten Person an die „Monologe“ an. Während die „Monologe“ den Darstellungen in IchErzählungen gleichen, beleuchten die Beschreibungen in der dritten Person Tokios Bewusstsein und Rationalität. Kojima betont, dass Erzählungen in der ersten Person die Wirklichkeit verschleiern, da Protagonist und Erzähler identisch sind und der Leser ohne Gesamtbild bleibt. Erzählungen in der dritten Person erlauben Analyse und Erklärungen der Wirklichkeit und relativieren die allzu sentimentalen Aussagen des Protagonisten. Für Kojima ist diese Erzählsituation nicht zufällig, denn sie verbindet die Subjektivität der Ich-Erzählsituation und die Objektivität der ErErzählsituation – die Sentimentalität früherer Erzählungen verschwindet, und die Identifikation (ᗵᖱ⒖౉, kanjǀ i’nynj) des Lesers mit dem Protagonisten wird möglich. Diese Art der Ausdrucksweise war zur Zeit der Abfassung völlig neu, ist heutigen Lesern aber nicht mehr einsichtlich. Im Vergleich zu Futon findet Kojima die Erzählung Sei objektiver, obwohl beide Werke ähnliche Methoden der Darstellung verwenden, da die neue Erzählhaltung (heimen byǀsha) durch wechselnde Perspektiven alle Personen beleuchtet. In ihrer Schlussbemerkung bezeichnet Kojima Futon als den Versuch, die früheren Schwächen und das romantische Ich zu überwinden. Allerdings ist sie der Meinung, Futon stelle keine Auflehnung gegen überkommene Sitten und Moral dar, wie Tayama selbst in einem späteren Aufsatz anführte, da der Protagonist ins alte ereignislose Leben zurückkehre – das Motiv der Auflehnung sei in die Erzählung hinein interpretiert und von Tayama später übernommen worden.

2.9 Die Notwendigkeit der Rekontextualisierung 2.9.1

Ishihara Chiaki (1990)

Ishihara Chiaki (⍹ේජ⑺) und seine Koautoren untersuchen in ihrem Artikel „Shǀjobyǀ“ o yomu ( 㨬ዋᅚ∛㨭ࠍ⺒߻ , Shǀjobyǀ lesen) 114 den gesellschaftlichen und geschichtlichen Kontext dieser Erzählung. Sie zitieren den Text abschnittweise und erläutern vor allem Aspekte der Stadtentwicklung und Bevölkerungszunahme, den Ausbau des Verkehrs114 In: Bungaku 1/3, Juli 1990.

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netzes und die Erschliessung der Vororte. Sie kommentieren einzelne Begriffe und Gegenstände, Kleidung und Frisuren und die sich ändernde Lebenswelt mit ihren neuen Geräuschen. Sie diskutieren die soziokulturellen Hintergründe, wie das Aufkommen der Studentinnen und das Leben des Protagonisten als Angestellter und Pendler. Sie beschreiben den Protagonisten, seinen eintönigen Alltag und seine Fähigkeit oder Unfähigkeit sich anzupassen, seine Tendenz, sich weder zu Hause noch in der Firma wohl zu fühlen und nur unterwegs in den Zügen – in der Betrachtung junger Mädchen – Befriedigung zu finden und so die jugendlichen Schwärmereien ins mittlere Alter zu retten. Dabei sind besonders die Hinweise, dass die Menschen sich sehen und betrachten, aber nicht miteinander kommunizieren, interessant. Der Aufsatz diskutiert die Begriffe Illusion und Tagträumerei als Produkt der Entfremdung eines Menschen, der im Widerspruch zu den vorherrschenden Werten steht, sowie das Problem des Gegensatzes Körper und Seele im Spannungsfeld von Instinkt und „heiliger Liebe“. Die Autoren bezeichnen die Erzählsituation als schwankend, da die Innerlichkeit des Protagonisten als auch der Standpunkt einer Studentin eingenommen wird. Die Betonung der Vermittlungsinstanz sowie die Interpretation des „Gesprächs der Freunde“ als ironisch gemeint, bringt sie dazu, die Erzählung als Parodie zu sehen. 2.9.2

Watanabe Masahiko (1992)

Watanabe Masahiko ( ᷰㆻᱜᒾ ) beleuchtet in seinem Artikel Tayama Katai „Futon“ to „Jogakusei daraku monogatari“ (↰ጊ⧎ⴼ 㨬⫱࿅㨭 ߣ 㨬ᅚቇ↢ၿ⪭‛⺆㨭 , Tayama Katais Futon und Erzählungen gefallener Studentinnen) 115 den geschichtlichen Hintergrund und die soziale Stellung der in der Meiji-Zeit neuen Schicht der Studentinnen. Er hebt hervor, dass für die Leser der damaligen Zeit gewisse textexterne Informationen selbstverständlich waren und Aussagen des Erzählers als auch der Figuren beeinflussten. Er untersucht unter anderem eine Serie von 35 Zeitungsartikeln, die 1905 unter dem Titel Erzählungen gefallener Studentinnen erschienen waren und auf die Probleme hinwiesen, die seit der Gründung der ersten Frauenuniversität 1901 auftraten. Die Zeitung gab Beispiele aus dem Leben als fingierte Interviews, warnte vor allem vor gemeinsamer Untermiete und geldgierigen Studenten und war der 115 In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 247–260).

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Meinung, dass schon ein Fehltritt zum Verhängnis führte. Dabei kritisierte sie die Opfer und deren Charakter und Integrität, nicht die Täter. Liebe und Beziehungen zu männlichen Studenten wurden als Vergehen dargestellt, und galten als „Fall“, eine Schwangerschaft bedeutete eine unrühmliche Rückkehr. Die Artikel wollten vor allem die Eltern davor warnen, ihre Töchter unbeaufsichtigt in der Grossstadt ziehen zu lassen und betonten die Wichtigkeit des Aufsehers. Watanabe zufolge stimmt die Beschreibung Yoshikos in Futon mit dem Bild der Studentinnen überein, wie sie in diesen Artikeln erschienen – sie ist auffallend gekleidet, trägt die neue Frisur (ᐤ㜬, hisashigami, von den Studentinnen 1905 von einer Schauspielerin übernommen), sie spricht von sich und ihrem Freund im Plural (wir) als wären sie verlobt, sie schreibt Briefe, erhält Männerbesuch und erregt Aufsehen in ihrem Wohnquartier. Die Reden und Gedanken der Figuren müssen, so Watanabe, im Kontext dieser Artikel gelesen werden, besonders die Bemerkungen des Vaters, sein Argwohn und seine Verdächtigung gegen Tanaka als Erbschleicher, die Reaktionen der Gattin und Schwägerin und die Gedanken Tokios auf der Fahrt zum Bahnhof. Watanabe betont, diese Artikelserie müsse als „Vortext“ angesehen werden, obwohl sie nicht explizit in Futon erwähnt wird. Watanabe weist nach, dass Tayama diese Artikel kannte und in einem späteren Werk, En (1908), auch erwähnte. Watanabe geht auf die Unterschiede von Jogakusei daraku monogatari und Futon ein. Er bemerkt, dass Takenaka Tokio Yoshiko als „neue Frau“ verteidigt und die „geistige Liebe“ als eine auf Verantwortung beruhende Beziehung zu Männern predigt, während die öffentliche Meinung Liebe als Ausdruck individueller Wahl nicht anerkannte. Yoshiko vergeht sich gegen Tokios Lehre und bezeichnet sich in ihrem Brief als „gefallen“, sie unterwirft sich dem Vater und der öffentlichen Meinung und verzichtet auf das Recht auf Kontrolle über ihren Körper. Watanabe betont, Futon könne somit als eine Art „Erzählung einer gefallenen Studentin“ (die auch lustvolle Einblicke gewähre) gelesen werden, die gemäss der öffentlichen Moral, als Warnung vor den Gefahren für Leib und Leben der Studentinnen und für die Familie diente. Allerdings droht für Watanabe die Gefahr in Futon weniger von einem lasterhaften Studenten, als von Takenaka Tokio, der seiner Rolle als Aufseher Grenzen setzt und zum Denunziant wird. Watanabe interpretiert Tokio als einen Menschen, der hinter der Zeit zurück-

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geblieben und der „gemeinschaftlichen Zeit“ verlustig, unfähig ist, seine eigene Zeit (Synchronisation mit der Weltzeit) in der Metropole zu erschaffen. So bleibt er gespalten und seine Gefühle schwanken zwischen Lust und geistiger Liebe. 2.9.3

Egusa Mitsuko (1992)

Der Artikel Watashi no shintai – watashi no kotoba. „Futon“– „Baien“ no shnjhen (ࠊߚߒߩり૕ – ࠊߚߒߩ⸒⪲. 㨬⫱࿅㨭 – 㨬ᾓᾍ㨭ߩ ๟ㄝ , Mein Körper – meine Worte. Rund um Futon und Rauch) von Egusa Mitsuko (ᳯ⒳ḩሶ)116 untersucht die literarische Darstellung von Studentinnen in der Meiji-Zeit, darunter auch in den Erzählungen wie Makaze koikaze ( 㝷 㘑 ᕜ 㘑 , Teufelswind, Liebeswind, 1902–03) von Kosugi Tengai und Seishun von Oguri Fnjyǀ. Sie beginnt ihre Abhandlung mit einer Beschreibung des Rauchs über dem Stadtteil Koishikawa (damals ein Zentrum der Rüstungsindustrie und der Druckbetriebe) und den verschiedenen Assoziationen in den Augen der Protagonisten von Futon, Baien und Natsume Sǀsekis Sorekara (ߘࠇ߆ࠄ, Und danach, 1909). Sie führt aus, dass der Fabrikrauch zu dieser Zeit noch ein neues Phänomen war, das für die männlichen Protagonisten ein Symbol des Überdrusses, für die Heldin von Baien aber der Vitalität darstellte. Um 1890 wurde von der Regierung die Frauenerziehung gefördert, und neben vielen Institutionen zur Weiterbildung entstand um 1901 in Koishikawa die erste japanische Frauenuniversität – die neue Schicht der Studentinnen trat auf. Zwar verfolgte die Regierung die Politik, „weise Mütter und gute Frauen“ (⾫Უ⦟ᆄ, kenbo ryǀsai) heranzuziehen, doch hatten die jungen Frauen weitergehende, intellektuelle Ziele. Der Held von Futon betrachtet dieses Phänomen mit Neugier – die „neue Frau“ wird für ihn ein Symbol der neuen Zeit, von der er sich Erneuerung erhofft. Egusa zufolge entsprach die erste Darstellung einer Studentin in Makaze koikaze noch ganz dem traditionellen Bild einer Tochter aus reichem Haus, die oft spöttisch, ja karikiert geschildert wurde. Sie ist weniger ein intellektuelles Wesen als ein Objekt für männliche Späherei (Egusa zitiert eine Szene, in der der Erzähler die Stellung eines Voyeurs einnimmt), beschrieben im konventionellen Stil der vormodernen 116 In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 345–376). 

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Literatur. Die Erzählung beschreibt einerseits Eifersucht und Verachtung für gebildete Frauen, ruft aber andererseits die Sympathie des Lesers bei deren Scheitern hervor. Im Gegensatz dazu behandelt Oguri Fnjyǀs Seishun die Studentin mit Sympathie und greift das Thema einer Schwangerschaft und deren illegalem Abbruch auf. Egusa führt an, dass eine Schwangerschaft in der Wirklichkeit wie auch in der Erzählung zu einem Skandal führte, die Gesetzgebung gegen Schwangerschaftsverhütung als auch Abtreibungen aber nach dem Russisch-japanischen Krieg im Zuge der fnjkoku kyǀhei-Ideologie (ን࿖ᒝ౓, reiches Land und starke Armee) noch verschärft wurde und den Körper der Frau zum Gebären bestimmte. Egusa ist beeindruckt von der Darstellung der Innerlichkeit der Heldin in einem Traum, in dem sie sich ihres Körpers als entfremdet bewusst wird, doch meint sie, der im Text zitierte Brief der Heldin spreche nicht von ihren Gefühlen, sondern bleibe im Stil konventionell. Egusa zufolge finden die Protagonistinnen in Futon und Baien ihre Stimme. Männliche Schriftsteller hatten Schwierigkeiten, die Sprache einer sich selbst suchenden Frau wiederzugeben, aber sowohl in Futon als auch Baien stand ihnen ein Modell und dessen Briefe zur Verfügung, die als Vorbild dienen konnten. Takenaka Tokio bewundert Yoshikos schriftlichen Ausdruck, ihren flüssigen Duktus und den Gebrauch des genbun itchi-Stils, reagiert aber eifersüchtig, als Yoshiko in ihren Briefen für ihre Liebe wirbt. In ihrem Geständnis-Brief wird ihr Briefstil unterwürfig, trotzdem löst Takenaka die Lehrer-Schülerin Beziehung. Egusa interpretiert Yoshiko als Frau mit literarischen Ambitionen, die ihren geschlechtlichen Körper verneinen und in einer Beziehung von „Ich“ und „Sie“ auf das „Wir“ verzichten muss. Schliesslich ist sie gezwungen, in ihrem letzten Brief (der im klassischen sǀrǀbun-Stil geschrieben ist) ihren persönlich Ausdruck – die Grundlage des „Ich“ – zurückzunehmen.

2.10 „Futon“ und die Postmoderne Die von der europäischen Postmoderne beeinflussten Abhandlungen zeichnen sich durch ein aus dem französischen übernommenes ausserordentlich abstraktes Vokabular und sehr theoretische Erörterungen aus, wobei oft postmoderne Fragestellungen in Futon hineingelesen

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werden. Arbeiten zu Tayama Katai sind selten, die Wissenschaftler beschäftigen sich mehr mit Futabatei Shimei und dem Beginn der modernen Literatur in Japan. 2.10.1 Karatani Kǀjin (1980) Karatani Kǀjin [Yukito] ( ᨩ ⼱ ⴕ ੱ ) befasst sich in seinem 1980 entstandenen und 1996 deutsch erschienenen Buch Ursprünge der modernen Literatur (ᣣᧄㄭઍᢥቇߩ⿠Ḯ, Nihon no kindai bungaku no kigen) mit den Ideen und Haltungen, die die Modernisierung hervorgebracht hatten – die Entdeckung der Landschaft und des Innen. Er diskutiert die neue Sprache genbun itchi und führt dazu aus: Futabatei Shimei beispielsweise bei der ersten Hälfte von Ziehende Wolken (1888) versucht am kokkeibon-Stil von Shikitei Samba anzuknüpfen, doch gelang ihm dies nicht ohne einen Erzähler. [...] Im zweiten Teil des Buches aber wird dieser Erzähler neutralisiert, und es scheint, man dringe tief ins Innere des Protagonisten ein. Damit wird eine Art „objektive Beschreibung in der dritten Person“ realisiert, weshalb Ziehende Wolken auch als der erste moderne Roman Japans bezeichnet wird. Möglich wurde dies jedoch erst durch die vereinheitlichende Wirkung der Satzendung ta.117 Zwar verschwindet der Erzähler nicht mit der Einführung des ta, aber es hat den Anschein als gäbe es ihn nicht. Erzähler und Protagonist werden subtil miteinander identifiziert. Diese dem Leser moderner Romane so vertraute Form wurde durch das Suffix ta erzeugt. Ta zeigt nicht nur die Vergangenheit an, sondern es neutralisiert den auf der Metaebene der Erzählung befindlichen Erzähler. Das erzeugt den Schein der Wirklichkeit. Darüber hinaus ermöglicht das ta eine Zeitlichkeit, die den Verlauf der Erzählung von einem bestimmten Gesichtspunkt aus bündelt. Mittels der Form der Erinnerung wird das Innen des Erzählers mit dem Protagonisten verschmolzen. Das ta war für die Neutralisierung oder Eliminierung des Erzählers unerlässlich.118

In seiner Diskussion von Futon betont er den Begriff „Geständnis“, meint aber, es sei kein „einfaches Geständnis“, da das zu gestehende Innere erst produziert werden musste. Karatani hebt hervor, dass Katais Geständnis in Futon Belanglosigkeiten galten, hässlichen Gefühlen, 117 Karatani (1996: 199). 118 Karatani (1996: 78). Tarot betont, dass in der mimetisch-fiktionalen Erzählung das Präteritum den Vergangenheitscharakter verliert, da die Deixis der Figur im Mittelpunkt steht.

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„[galt] dem, was in der Wirklichkeit nicht existiert119“. Diese Haltung, nicht Tatsachen, sondern Gefühle zu problematisieren, hatte Karatani zufolge das Christentum hervorgebracht, da es das Ich zu unaufhörlicher Überwachung antrieb und dadurch das Innen produzierte und zur Entdeckung des Körpers und der Sexualität führte. Die Schriftsteller waren schon Teil dieses christlichen Glaubens, wenn sie sich mit der westlichen Literatur „infizierten“. 120 Karatani sieht den Grund, warum Futon eine Sensation hervorrief, in der Verbindung von Sexualität, Geständnis und Wahrheit. Karatani argumentiert, dass die Schriftsteller von einer „dumpfen Mentalität voller Ressentiments“121 besessen waren und beschreibt den psychologischen Mechanismus, durch den Verzicht auf den Status als Herr und die Unterwerfung unter Gott zu Subjekten zu werden. Er sieht das Geständnis in diesem Sinne als umgekehrter Wille zur Macht. 2.10.2 Fujimori Kyoshi (1993/1994) Fujimori Kyoshi ( ⮮᫪ᷡ ) befasst sich in seinem Artikel „Futon“ ni okeru futatsu no kokuhaku – ynjwaku toshite no kokuhaku kǀi (㨬⫱࿅㨭ߦ ߅ߌࠆੑߟߩ๔⊕㧙⺃ᖺߣߒߡߩ๔⊕ⴕὑ, Das zweifache Bekenntnis in Futon – der Akt des Bekennens als Verführung, 1993) 122 in der Nachfolge von Karatani Kǀjin mit dem Begriff Bekenntnis. Er stützt sich dabei weniger auf den Inhalt des Textes als auf den literarischen Kontext, in den diese Erzählung eingebettet ist und der die Lesung als Beichte veranlasst. Er analysiert einerseits Yoshikos Briefe und ihr darin enthaltenes Geständnis, untersucht andererseits die Textstrategie des Diskurses in Futon und folgert, dass Futon im Gesamten die Intention Tayamas übersteigt. Fujimori zufolge bleibt das Bild Yoshikos inkonsistent. Sie wird im Diskurs des in der dritten Person erzählenden und kommentierenden Erzählers impulsiv und unbeständigem Willen dargestellt und wird deshalb von den Männern als reizend empfunden. Schuld an diesem Bild 119 Karatani (1996: 83). 120 Karatani (1996: 88). Tayama Katai ist nie wie Shimazaki eine gewisse Zeit dem christlichen Glauben beigetreten. 121 Karatani (1996: 93). 122 In: Katǀ (Hg.) (1998 III: 409–413).

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sind die Erzählerkommentare, die Yoshiko als „nervös“123 beschreiben. Fujimori untersucht das Phänomen Hysterie und führt aus, dass der Ausdruck in den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gebraucht wurde, um Konflikte, die durch die Auflehnung der Frauen entstanden waren, systematisch abzutun. Er erklärt, Hysterie entstehe nicht, wie der Text betone, aus physisch-körperlichen Gründen, sondern sei eine inszenierte Krankheit, eine Strategie der Abwehr, hervorgerufen durch die sozio-kulturelle Unterdrückung durch das patriarchalische System. Die Kommentare des Erzählers als auch die Aussagen des Vaters sind für Fujimori klassische Beispiele der Ansicht von Hysterie, wie sie in Erzählungen der späteren Meiji-Zeit vorkommen. Fujimori konstruiert aus Yoshikos Handlungen und Briefen sowie aus im Text verstreuten Informationen ein gegensätzliches Bild. Er bezeichnet Futon als einen Text der Übergangszeit, eine Mischung von theoretischen Kommentaren und Erklärungen des Erzählers und der Strategie einer „neuen Frau“. Fujimori ist der Meinung, dass Yoshikos Briefe als Objekt des Begehrens Takenaka Tokios die Besonderheit von Futon ausmachen, dass Yoshiko den Brief als Kommunikationsform wählt, wobei sie sich des materiellen Aspekts (Papier, Tinte) als auch der Wirkung als Kode der „modernen Studentin“ bewusst ist. Sie berechnet die Vorteile der Ausdruckskraft einer Kommunikation, die, an einen Anderen, Abwesenden gerichtet, dem Sender eine gewisse Distanz erlaubt, wie auch die Setzung der Funktion des Lesers nach eigenem Wunsch. Fujimori zufolge ermöglicht der genbun itchi-Stil in drei von vier Briefen, Yoshikos Innerlichkeit zu vermitteln und das Innen als unabhängiges Objekt zu setzen.124 Diese Briefe erwecken Tokios Verlangen und gründen eine „Verführungsbeziehung“, in der Takenaka zum Partner und so der Überredung zugänglich wird. Er spielt damit die Rolle des Ersatzvaters, da der Vater – als halsstarrig und altmodisch beschrieben – nicht beeinflusst werden kann. Die Lehrer-Schülerin-Beziehung, in der Yoshiko eine untergeordnete Stellung einnimmt, wird durch die Briefe umgekehrt. Yoshiko unterwirft sich den Lehrer Takenaka Tokio, dessen Leiden aus seiner 123 Der in Futon verwendete Ausdruck ist shinkei suijaku ( ␹ ⚻ ⴮ ᒙ , Nervenzusammenbruch) und kommt nur selten vor. Auch Egusa (Forschungsbericht 2.9.3) weist auf Hysterie, aber nicht im Zusammenhang mit Futon, sondern Baien. 124 Nach Foucault gehört dies nicht zum Sprecher, sondern zum Empfänger, der das Objekt konstruiert.

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widersprüchlichen Stellung als Über- und Untergeordneter entsteht. Dieses Leiden wird durch Yoshikos Strategie hervorgerufen, ein Spiel mit der Innerlichkeitssprache und der Verführung mittels der Kraft ihres Diskurses. Tokio beendet das Spiel, indem er sich auf die konventionelle Moral beruft. Fujimori zufolge wurde der Akt des Bekennens vom Schriftsteller Tayama im Text erschaffen, da dieser sich bewusst war, dass der Akt des Sprechens vom Empfänger und dessen Kode verändert wird. Dies meint Fujimori, stehe in Beziehung zur Lesung von Futon als Bekenntnis im literarischen Kontext der damaligen Zeit.125 Allerdings gewährleiste das Sprechen vor Menschen (im Gegensatz des Sprechens vor Gott) den Wahrheitsgehalt nicht und mache so die Aussage mehrdeutig für die Interpreten. Fujimori erklärt, die Verbindung eines Tayama gleichenden Protagonisten in Shǀjobyǀ in Zusammenhang mit dem Gerücht der Selbstbefriedigung zeige, wie sehr sich Tayama des thematischen Kodes bewusst war. Fujimori zufolge benutzt Tayama in Futon die Mehrdeutigkeit der Auslegung durch den relativen (nicht absoluten) Anderen, so dass die Wahrhaftigkeit des Bekenntnisses nicht beim Sprecher, sondern beim Hörer liegt – der Sprecher (Tayama) ist sich des Ich als Verführers bewusst. Futon als Text imitiert Yoshikos Haltung der Verführung und deren Akt des Bekennens als Strategie. Die Interpretation von Futon als Beichte beruht für Fujimori auf einem institutionalisierten Lektüre-Kode. In einem weiteren Artikel, Kataru koto to yomu koto no aida – Tayama Katai no „Futon“ no monogatari gensetsu (⺆ࠆߎߣߣ⺒߻ߎߣ ߩ㑆 㧙 ↰ጊ⧎ⴼߩ㨬⫱࿅㨭ߩ‛⺆⸒⺑, Zwischen Erzählen und Lesen – der narrative Diskurs in Tayama Katais Futon)126 geht Fujimori davon aus, dass der Akt des Lesens von Futon in höherem Masse als andere Texte von einem institutionalisierten Lesesystem bestimmt ist, dem Prozess einer Bedeutungsgebung (ᗧ๧૞↪) zwischen narrativem Text und Leser-Rezeption.

125 Hier zitiert Fujimori Foucault, zieht aber als Bekräftigung nur zwei Texte bei, nämlich die Erzählung Zange (ᚁᖎ, Beichte) von Kinoshita Nao’e (ᧁਅዏᳯ) sowie die Kritik von Tobari Chikufnj, ( ᚭᒛ┻㘑 , 1837–1955, Nietzsche-Forscher und Kritiker), der Futons Protagonisten als dekadent und willensschwach kritisiert. 126 In: Kokubungaku kaishaku to kanshǀ. 59/4 April, 1994, S. 84–89.

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Fujimori meint, Futon müsse mit dem Interpretationskode „Erzählung einer gefallenen Studentin“ gelesen werden; nur die Erzählsituation – die Fokussierung der Innerlichkeit des Protagonisten und dessen Psychologie – zu beachten, genüge nicht, das hiesse, die Meinung der Zeitgenossen zu ratifizieren. Im Gegenteil müsse man der Konstruktion des Geschehens und dem Diskurs in der dritten Person als Erzählstrang mehr Aufmerksamkeit schenken. Fujimori sieht Futon als einen Text, in dem Geschehen (erzählen) und Psychologie (sehen, lesen) im Konflikt stehen. Ihm zufolge zielt der narrative Diskurs in der dritten Person auf Grund des damaligen Interpretationskodes auf das Thema „gefallene Studentin“. Die Reden des Vaters, die Takenakas Haltung beeinflussen, tragen zu dieser Interpretation bei. Fujimori schlägt vor, sich gegen diesen Interpretationskode aufzulehnen. Er versucht, Futon gegen die institutionalisierte Lesung nicht als „menschliches Dokument“ (die Innerlichkeit des Protagonisten) und als Erzählung über eine „gefallene Studentin“ zu lesen, sondern als die Geschichte Yoshikos, ihrer Briefe und Strategie.

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3

Die westliche Forschung

3.1 Allgemeine Bemerkungen In der europäischen Forschung gibt es kaum Monografien zu Tayama Katai und nur wenige Untersuchungen zu einzelnen Werken. Tayama wird zuerst als Naturalist diskutiert, später dann im Rahmen abstrakter Begriffe wie Individualismus oder Freiheit. Auch hier steht Futon im Vordergrund. Die neuere Forschung befasst sich ausschliesslich mit Tayama als Exponent oder Wegbereiter der shishǀsetsu und versucht, das Phänomen shishǀsetsu auch erzähltheoretisch zu erfassen. Auch hier zeigt sich, dass die Autoren die überwiegend mimetisch-fiktionalen Elemente in Futon nicht erkannten.127

3.2 Die Naturalismusforschung 3.2.1

Oscar Benl (㪈㪐㪌㪊)

In seinem Essay Naturalism in Japanese Literature 128 behandelt Benl weniger einzelne Werke und Autoren, sondern versucht, den japanischen Naturalismus als literarische Bewegung zu beschreiben, wobei er vor allem auch auf die theoretischen Schriften der Kritiker und Schriftsteller (Oguri, Hasegawa, Shimamura und Tayama) eingeht. But an exact definition of naturalism as such is, as will be seen, impossible, since its meaning varies according to its representatives. The purpose of the present essay is precisely to show how, under the name of naturalism, works of art of the most different sorts were possible and how nevertheless nearly all betray the specific character of Japanese naturalism.129

Die Merkmale des Frühnaturalismus sieht Benl im Versuch, Wirklichkeit mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu erfassen und der Forderung nach 127 Nicht berücksichtigt wurde Donald Keenes Dawn to the West, da Keene eine Einführung für westliche Leser schreibt, die auf der japanischen Forschung beruht sowie der Aufsatz über Shǀjobyǀ von Peter Pörtner, der sich ausschliesslich mit inhaltlichen Aspekten befasst. 128 In: Monumenta Nipponica IX, 1953, 1, S. 1–33. 129 Benl (1953: 10).

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„reiner“ Beschreibung. Dabei bemerkt er die Tendenz der Schriftsteller, sich hinter die Werke zurückzuziehen und nicht wie Zola die Welt verbessern zu wollen. Tayamas Jnjemon no saigo charakterisiert er als lebhafte Beschreibung eines an Leib und Seele verkrüppelten Menschen. Die Erzählung ist Benl zufolge mit Zolas naturalistischem Effekt vergleichbar, da sie zu zeigen versucht, wie der Charakter eines Mannes durch physische Deformiertheit und die soziale Umgebung entstellt wird. Benl betrachtet Futon als Tayamas Meisterwerk und zusammen mit Hakai als die erste und erfolgreichste Verwirklichung des Naturalismus, eine Erzählung, die er erstaunlich objektiv und gelegentlich sentimental nennt. Für Benl ist Tayama im Grunde ein Romantiker, der nach Objektivität strebt und versucht, die Wirklichkeit in der Literatur wiederherzustellen (saigen). Die Bedeutung von Futon für die literarische Entwicklung sieht Benl in der schonungslosen Beschreibung der eigenen Liebeserfahrung, die zur biografischen Erzählung und zum Genre des realistischen Bekenntnisromans führte. Benl zufolge war der Naturalismus im Gegensatz zur Romantik und deren übertriebenem Individualismus der erste Versuch, objektiv zu sehen. Die Ergründung der Wahrheit führte in Japan früher als in Europa zur Evolution von Physiologie zu Psychologie, da die Wahrheitssuche nicht im sozialen Kontext stattfand, sondern sich auf das gnadenlose Aufdecken des Ego beschränkte und damit den autobiografischen Charakter des Naturalismus begründete. 3.2.2

William Sibley (1968)

Auch William Sibley befasst sich in seinem Artikel Naturalism in Japanese Literature130 mit dem Naturalismus als kurzlebiger literarischer Bewegung. Gemäss Sibley werden mit Naturalismus die Werke von wesentlich unterschiedlichen Schriftstellern umrissen, die, ohne Gemeinsamkeiten aufzuweisen, zu einem Zeitpunkt ihrer Karriere als solche bezeichnet wurden. Andere Autoren, die in der Taishǀ-Zeit oder bis zum Zweiten Weltkrieg aktiv waren, etrachtete man nie als Naturalisten, da sie nominell anderen Schulen angehörten – so etwa Nagatsuka Takashi (᳗Ⴆ▵ 1879–1915) und Arishima Takeo.

130 In: Harvard Journal of Asian Studies, 28, 1968, S. 157–169.

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Der japanische Naturalismus beschäftigte sich, so Sibley, in erster Linie mit dem realistischen Porträt des Individuums und seiner Umgebung. Das auffallendste Merkmal – und der Unterschied zum westlichen Naturalismus – sieht er in der Egozentrik der Erzählungen: The narrative point of view in these works is often monopolized by the viewpoint of a single central character, to the exclusion of the viewpoints of other characters and at the sacrifice of the wider perspective of the truly omniscient author. This in turn results in some cases, though by no means all, from the author’s abandoning of novelistic detachment and a rather literal identification with one of his characters.131

Sibley bringt diese Ich-Bezogenheit nicht in Verbindung mit dem romantischen Hintergrund der Autoren, noch schreibt er sie dem falschen Verständnis der westlichen Literatur zu, sondern der Beschäftigung mit Objektivität und Ernsthaftigkeit. Sibley zufolge führte die Beschränkung der Perspektive auf ein alter ego dazu, dass die unmittelbare Wirklichkeit die fiktionale Wahrscheinlichkeit ersetzte und die Literaten auf das Vorrecht des Autors „to recreate his own wider vision of reality“132 verzichteten. Sibley bezeichnet Jnjemon no saigo als einer naturalistischen Fallstudie ähnlicher als spätere Werke, meint aber, Tayamas Beschäftigung mit Wahrhaftigkeit offenbare sich im Versuch, seiner Erzählung durch einen albernen narrativen Kunstgriff (Ich-Erzählung) Authentizität zu verleihen. Die Vorliebe für spezifische Tatsachen auf Grund persönlicher Beobachtung im Gegensatz zu einer allgemeinen hypothetischen Wahrheit schlage sich nieder in Schlagwörtern wie „unverblümte Beschreibung“ (rokotsu naru byǀsha) oder „Oberflächenbeschreibung“ (heimen byǀsha) – wobei die in Sibleys Augen besseren Schriftsteller (Shimazaki Tǀson und Tokuda Shnjsei) ohne solche Begriffe auskamen. Die Ich-Bezogenheit und die impressionistische Technik (die wahllose Aufzeichnung von Details aus der kleinen Welt der Protagonisten) hinderten die Naturalisten jedoch nicht daran, sich mit den Beziehungen des Individuums zu Gesellschaft und Umwelt zu befassen. Zum ersten Mal, so Sibley, gelang es einer Gruppe von 131 Sibley (1968: 160). 132 Sibley (1968: 163). Seine Besprechung einer Erzählung von Masamune Hakuchǀ offenbart, was Sibley für die grundsätzliche Bedingung von Fiktion hält: „[...] well conceived plot-construction and adequate characterization.“ (1968: 164).

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Schriftstellern, Werke ohne unverdaute Einflüsse zu schaffen – weder Nachahmungen westlicher Literatur noch Rückgriffe auf eine vergangene japanische Tradition. 3.2.3

Frederick Richter (1978)

Frederick Richter untersucht vier Erzählungen Tayama Katais in seiner Dissertation A Thematic Analysis of Representative Works of Tayama Katai, darunter Jnjemon no saigo und Futon. Nach einem Überblick über die Entwicklung realistischer Erzählkunst, streift er Tayama Katais literarischen Werdegang. Seine Analyse von Jnjemon no saigo setzt die Schwerpunkte „mystische Struktur“ und Symbolismus. Er identifiziert zwei Erzähler, den Erzähler des Erzähleingangs und den zweiten Erzähler, der Teil der Erzählung ist. Richter konstatiert die ironische Distanz zwischen Autor und Erzähler in den Eingangskapiteln und die Distanz zwischen dem jungen Erzähler [erlebendes Ich] und dem älter und weiser gewordenen Erzähler.133 Der Erzähler ist, so Sibley, effektvoll eingesetzt, er berichtet als passiver Zuschauer, gibt aber auch Einsichten in seine Gedanken. Die Einheit der Struktur der Erzählung sieht Richter im mystischen Element: Er versteht Jnjemon als eine komplexe Gottheit, als Zerstörer und Trickster, der als Sündenbock geopfert, als Symbol der sexuellen Vitalität wieder ins Dorfleben assimiliert wird. Richter zufolge ist auch der Protagonist von Futon ein Rebell. Während in Jnjemon no saigo das Natur-Element vorherrscht, ist Takenaka Tokio ein sozialisiertes Wesen. Beide Protagonisten sind Aussenseiter und leiden an unterdrückter Sexualität. Futon beeindruckte nicht durch den Inhalt, sondern durch die fiktionale Technik der „rhetorischen Nötigung“ (rhetoric persuasion), die Glaubwürdigkeit suggerierte. Obwohl auch Richter der Meinung ist, der Erzählstandpunkt liege meist beim Protagonisten, betont er die Perspektivenwechsel vom Protagonisten zum „allwissenden“ Erzähler. Als Bekräftigung seiner These führt er den Erzähleingang an und zitiert den Satz „at least this man (kono otoko) believed this“, wodurch die ironische Distanz zwischen Erzähler und Protagonist begründet werde.134 133 Richter (1978: 38). 134 Richter (1978: 75). Allerdings bewertet er diese Distanzierung zu hoch, da distanzierende Benennungen in Futon (vgl. Analyse) sehr selten sind.

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Einerseits ist Futon, so Richter, von Wiederholungen geprägt, die Tokios psychologischen Zustand evozieren und der Erzählung Zusammenhalt geben, andererseits durch Gegensätze strukturiert, die Spannung erzeugen – der Zwiespalt der Gefühle, der Zeiten (vormodern und modern) sowie die Auffassung von Natur als Trösterin und dunkle Macht, Spannungen, die in der Erzählung nicht gelöst werden. Die Funktion von Yoshikos Briefen schätzt Richter wie folgt ein: We are not, however, given a glimpse into her mind for the most part, except through her letters, since the focus of narration is Tokio. The epistolary technique, at the same time that it conveys a sense of verisimilitude and adds to the confessional air with its effect of immediacy, also has the added advantage, if such is desired, of effacing the author or omniscient narrator, to an even greater degree than possible with straight-forward narration.135

Nur kurz geht Richter auch auf Ippeisotsu ein. Er sieht in Ippeisotsu eine ausgezeichnete Kriegserzählung, die objektive Beschreibung und psychologische Wahrhaftigkeit verbindet. Er nennt die Erzählhaltung eine „incipient stream-of-consciousness technique“ 136 und betont vor allem die gelungene Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart und die psychologische Glaubwürdigkeit. Die Erzählung, so Richter, lebt trotz der naturalistischen Schmucklosigkeit vom rhythmischen Effekt der poetischen Bildhaftigkeit im Wechsel mit der Narrative. 3.2.4

Kenneth G. Henshall (1981/1982)

Kenneth Henshall befasst sich in seinem 1981 erschienenen Übersetzungsband The Quilt and other Stories by Tayama Katai in seiner Einleitung137 mit Tayamas Werk. [It] transcends the relatively narrow confines of any particular ism, and is a developing continuum reflecting an individual’s unique but changeable attitude towards life. The common theme is his life-long concern with nature, and the changes in his work are largely reflections of the changes in his conceptual model of nature and their effect on his attitude towards life.138

135 136 137 138

Richter (1978: 76). Richter (1978: 87). Henshall (1981: 1–33). Henshall (1981: 1).

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Er betont, dass sich Tayama nach 1890 mit lyrischen Erzählungen „voller Pathos und Schönheit“ als professioneller Schriftsteller etablierte. Henshall charakterisiert Tayamas Literatur nach 1901 durch seine Beschäftigung mit dem Naturbegriff und seiner Tendenz, Zitate einzuflechten. Dies führt Henshall nicht auf das „japanische Minderwertigkeitsgefühl“ zurück, sondern auf „a personalized and poignant search for security by borrowing identity and authority by a figure from Western literature“139. Henshall bezeichnet Shǀjobyǀ als Katharsis, ein Werk, das Tayama nach Jahren der Krise schrieb. Ihm zufolge ist der Protagonist eine Darstellung Tayamas, aber die pseudo-heroische Karikatur führte zu einer Rezeption als humoristische Erzählung und nicht als einen cri de coeur, der den „wirklichen“ Tayama und seinen Wunsch nach Erneuerung zeigte. Futon bezeichnet Henshall als einen im Grunde genommen ehrlichen Bericht von Tayamas unerfülltem Verlangen und der Schuld, die dieses hervorrief. 140 Mit diesem Text wollte sich Tayama offenbaren, doch blieb der Protagonist der „unentschlossene“ Mann der Jahre 1904–5, obwohl der Autor der „neue und kühne“ Tayama von 1907 war. Dies erklärt Henshall zufolge die letzte Szene. Katai hatte, so Henshall, mit Futon ein neues literarisches Genre begründet, die autobiografische Erzählung, die ungeachtet Tayamas theoretischer Bemühungen über die beste narrative Technik, spontan aus persönlicher Frustration entsprang. Futon verkörperte, was in der Literatur als wünschenswert galt, Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, und gestaltete Themen wie den Zusammenstoss individueller Freiheit mit den gesellschaftlichen Pflichten, wobei die sozialkritische Komponente durch Tayamas Auffassung des Individuums als natürlich und der Gesellschaft als unnatürlich gegeben war. Ippeisotsu liest Henshall als einen Protest gegen die Erniedrigung des Individuums, das in Patriotismus, Ehre und militärischer Pflicht gefangen ist, als Illustration der Hilflosigkeit angesichts des Todes.141 Ippeisotsu ist ein Prototyp der „Oberflächenbeschreibung“, wobei der Autor sich in eine rezeptive-passive Stimmung versetzt und seine Impressionen ohne Einmischungen wiedergibt. Henshall kritisiert, die 139 Henshall (1981: 16). 140 Henshall (1981: 17). 141 Henshall (1980: 24).

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Gedanken des Soldaten über die „Macht der Natur“ seien eher diejenigen des Autors, denn nach Tayamas eigener Theorie sollte die „Oberflächenbeschreibung“ die Innerlichkeit der Figuren nicht berühren. Er erwähnt Kuruma no oto (ゞߩ㖸, Räderrollen, 1908) als beste Illustration von Tayamas Theorie. 142 Kenneth Henshall beschäftigt sich in seinem Aufsatz A Call for Reconsideration of the Japanese Concept of Naturalism143 mit der Frage, inwieweit die Auffassung des Naturalismus der Autoren von derjenigen der späteren Literaturwissenschaftler abwich. Er konzentriert sich im besonderen auf die Arbeiten von Nakamura Mitsuo und dessen These, der japanische Naturalismus sei ein Gemisch von romantischen und naturalistischen Elementen und beruhe auf einem Missverständnis. Henshall geht davon aus, dass die japanischen Forscher zu grosses Gewicht auf den französischen Naturalismus Zolas oder Flauberts legten. Er führt Huysmans und Maupassant an, die beide die spirituelle oder mystische Seite des Menschen betonten und den wissenschaftlichen Naturalismus als zu beschränkt ablehnten. Beide glaubten, die Erforschung des Individuums müsse eine Untersuchung der Innerlichkeit sein, dass ein Mensch jedoch nur seine eigene Innerlichkeit verstehe und deshalb stets sich selbst beschreibe. Maupassant suggerierte die Psychologie durch die Beschreibung der Oberfläche, während Huysmans zur Introspektion neigte. Der Naturalismus in Deutschland versuchte objektive Beschreibungen durch passive Subjektivität 144 zu erreichen und wandte sich später sozialen Themen zu, so dass Schriftsteller, die subjektiv (mit leidenschaftlicher Anteilnahme) soziale Probleme behandelten, mit dem Etikett „Naturalist“ versehen wurden – wie Hauptmann und Ibsen. Die Tendenz zum Sozialismus wich bald der Beschäftigung mit dem Individuum in den Fesseln einer repressiven Gesellschaft und der Auffassung

142 Henshall (1980: 25). Diese Erzählung schildert ohne Erklärungen und Analysen einen sterbenden Soldaten in fragmentarischen Bildern. Tayama selbst kritisierte Ippeisotsu als zu wenig heimenteki. 143 In: Davis/Stefanovska (Hgg.) (1982: 401–421). 144 Henshall (1982: 406). “This receptive mood was known as ‘Stimmung’ and was paradoxically a form of subjectivity that most closely approximated to what is commonly termed objectivity (in terms of accuracy and sincerity of depiction).“

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des „natürlichen, in einer unnatürlichen Gesellschaft gefangenen Menschen“.145 Der wichtigste Exponent dieser Richtung war Sudermann, sein repräsentatives Werk Der Katzensteg (1890). Henshall zeigt, dass der zolaistische Naturalismus in Japan mit Kosugi Tengai eine kurze Blüte um 1902 erlebte, dass aber die Führer des japanischen Naturalismus, Shimazaki Tǀson und Tayama Katai, das Konzept des Determinismus nicht übernahmen. Katai war vielmehr von den antisozialen, mit dem Individuum beschäftigten Werken Hauptmanns, Sudermanns, Ibsens und Nietzsches sowie den stilistischen Bemühungen der deutschen Naturalisten angezogen. 1901 begegnete er den Werken Maupassants und erkannte „how blinkered his own view of life had been and how wishy-washy his writing had been as a result of his naivety“ 146 .Tayama befasste sich, so Henshall, mit Maupassants Theorie des Illusionismus, kannte die Schriften der deutschen Naturalisten und übernahm die These des „passiven und aktiven“ Subjektivismus, wobei er dem passiven Subjektivismus den Namen daishizen no shukan (Subjektivität der grossen Natur) gab. Den aktiven Subjektivismus (shǀshukan oder kleinlicher Subjektivismus) empfand er als beschönigende oder kommentierende Eingriffe in den Stoff. Dies schlug sich in Tayamas Ruf nach unbeschönigter Beschreibung und Nichteinmischung des „Autors“ nieder. Die Beschäftigung Tayamas mit der Methode der Beschreibung, so Henshall, führte ihn zur Theorie der „Oberflächenbeschreibung“, eine Weiterentwicklung des Begriffs der „registrierenden natürlichen Subjektivität“. Die Werke Tayamas widersprachen oft seinen Theorien; infolge eines Minderwertigkeitskomplexes schätzte er die europäischen Autoren zu hoch ein und durchschaute die Inkonsistenz ihrer Theorien nicht. 147 Er beschäftigte sich jahrelang damit, Thema und Stil zu harmonisieren (wobei thematische Überlegungen den Vorrang hatten) und war unfähig, literarisch befriedigende Erzählungen zu schreiben. Der deutsche Naturalismus stimulierte Tayama zu Jnjemon no saigo, doch dauerte es Jahre, bis Tayama sich von seinem lyrischen Romantizismus lösen konnte. Sein Erfolg Futon – ein Werk, das Henshall kaum fiktionalisiert nennt – ist ein Protest gegen seine Unfähigkeit, seine eigenen gesellschaftlichen-moralischen Hemmungen zu überwinden. 145 Henshall (1982: 407–408). 146 Henshall (1982: 411). 147 Henshall (1982: 413).

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Futon beschreibt weniger den Zusammenstoss eines Individuums mit der Gesellschaft, sondern weist auf Tayamas Schicksalsbewusstsein hin, das seinen Naturalismus übersteigt.148 Henshall ist der Meinung, Tayama greife zu autobiografischem Material, weil seine Kenntnis der Personen ihm eine genaue Beschreibung ihrer Innerlichkeit erlaube und so den „Ich-Roman“ (shishǀsetsu) für die ihm gemässe literarische Form hielt. Abschliessend definiert Henshall den japanischen Naturalismus als eine literarische Richtung, die Wert auf Faktentreue und die Innerlichkeit der Figuren legte, von deutschen Ideen beeinflusst war und auf einem konzeptuellen Modell der Natur beruhte, das gesellschaftliche Konventionen ausschloss. Henshall hält die Kritik der Wissenschaftler um Nakamura für ungerechtfertigt, da sie nur den Einfluss des französischen Naturalismus untersuchten. Er postuliert, dass die Elemente, die den japanischen Naturalismus charakterisierten und als Mangel angesehen wurden, von den Schriftstellern bewusst entwickelt wurden – Elemente wie Romantik, Individualismus und implizite Sozialkritik 3.2.5

Jay Rubin (1984)

Die Monografie Injurious to Public Morals. Writers and the Meiji State von Jay Rubin behandelt die japanische Zensur angesichts der Entwicklung der realistischen Literatur. Sein Hauptaugenmerk gilt der Zeit nach dem Russisch-Japanischen Krieg bis zum Ende der Meiji-Zeit, einer Periode, in der die literarische Welt ausserordentliche aktiv war und zur Zielscheibe der Zensur wurde. Der Naturalismus galt als subversiv, als eine Literatur, die niedrige Gefühle weckte, liberale und individualistische Ideen hervorrief und eine pessimistische Weltanschauung förderte.149 Literature stood in direct opposition to the state’s orthodoxy whenever it questioned the sanctity of the family, or implied a change in the family structure by portraying liberated women, or suggested that an individual might live for himself and not for his family as part of the family state, or that the fulfillment of his own sexual drives was a legitimate end in itself, quite apart from the maintenance of the family line. 148 Henshall (1982: 416). 149 Rubin (1984: 63). Autoren wie auch Verlage wichen Beschlagnahmungen durch Selbstzensur aus. Rubin (1984: 5).

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It was precisely all the family-centered values that naturalism questioned, and its emergence was taken by the government as another sign of familial and societal breakdown.150

Rubin untersucht die Werke der Autoren und Kritiker dieser Zeit und beschäftigt sich intensiv mit Tayama, vor allem mit seinen theoretischen Äusserungen. Er warnt davor, diese zu wörtlich zu nehmen, wie zum Beispiel die in Sei ni okeru kokoromi (Der Versuch in Sei, 1908) beschriebene Haltung des Zuschauers. Der Erzähler von Sei, so Rubin, [...] is in fact, omniscient. He provides not only a historical panorama of the plot of ground upon which the novel’s action occurs, but he freely reports the thoughts of every character in the book, including some very minor ones.151

Auch in Jnjemon no saigo sieht Rubin im Ich-Erzähler einen allwissenden Erzähler, dessen eigentliches Interesse darin besteht, „die verschiedenen legitimen Wege zu entdecken, wie ein „Ich-Erzähler (dramatized narrator) zu seinen Informationen kommt“152. Rinshitsu und Ippeisotsu erachtet Rubin ebenfalls für Beispiele von Tayamas endlosen Experimenten mit narrativer Technik, wobei Tayama sich kaum bewusst war, dass er (in Rinshitsu) wichtige ethische Fragen aufgriff. Mit Futon, so Rubin, begann eine neue Phase, in der Tayama die ethisch zwiespältige Haltung des Zuschauers untersuchte und Erzählungen schrieb, die gerade dadurch auffielen, dass sie Ikonoklasmus und Konservatismus verbanden und eine Mischung von „piercing selfcriticism and apparent critical blind spots“ darstellten.153 In seiner Diskussion von Futon betont Rubin den Widerspruch zwischen der Haltung des Protagonisten und der Aussage des Erzählers, der Protagonist könne seine Psychologie objektiv studieren.. Es ist der Autor, so Rubin, der objektiv ist, nicht aber der Protagonist, dem jede Objektivität fehlt, der sich selbst täuscht und ersatzweise durch westliche Literatur lebt. 150 Rubin (1984: 110). 151 Rubin (1984: 99). Multiperspektive ist nicht ein Hinweis auf auktoriales, sondern auf mimetisch-fiktionales Erzählen. Rubin vernachlässigt Figurenperspektive und bemerkt so nicht, dass die Innerlichkeit in Sei nicht berichtet, sondern dargestellt ist. 152 Rubin (1984: 99). 153 Rubin (1984: 100).

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Die Sensation, die Futon hervorrief, beruhte Rubin zufolge auf der Entblössung schamvoller und hässlicher Elemente von Tayamas Persönlichkeit, wobei dessen Selbstanalyse einen für Intellektuelle der MeijiZeit erstaunlichen Grad von Unvoreingenommenheit erreichte. Tayama erkannte den Konflikt zwischen seinen konventionellen Überzeugungen und seinen modernen Ideen und objektivierte diese Einsichten in einem literarischen Werk.154

3.3 Die Versuche, Tayamas Werke einem Genre zuzuordnen 3.3.1

Tatsuo Arima (1969)

Arima diskutiert in seinem Buch The Failure of Freedom die dominierenden Ideen Japans der Vorkriegszeit und die Haltung der japanischen Intellektuellen von den Schriftstellern der Meiji-Restauration bis zu denjenigen der proletarischen Literatur. Er versucht zu zeigen, in welchem Masse die Intellektuellen sich „ignorant, if not hostile to, what one might call constitutional politics“ 155 verhielten und so aus Teilnahmslosigkeit, Unwissenheit oder Feigheit ihre intellektuelle Freiheit nicht wahrnahmen. Er widmet den Naturalisten ein Kapitel, worin er von Zola und den europäischen Naturalisten und deren Beschäftigung mit politischen Angelegenheiten ausgeht und postuliert, dass diese die Fähigkeit besassen, Natur zu organisieren und auf die gesellschaftliche Ebene zu transponieren. Arima führt zwei Arten, Natur zu definieren, an – Natur als vernünftig oder als Produkt des Zufalls, wobei die erste Auffassung gegen Fatalismus schützt, die zweite zu Resignation führt. Die japanischen Naturalisten vermischten diese beiden Ansichten, wodurch sich in ihrem sozialen Verhalten und in ihren Werken Widersprüche zwischen innerer Auseinandersetzung und äusserer Zustimmung offenbarten. Arima zufolge ist Futon für heutige Leser nichts weiter als ein aufrichtiges, wenn auch derbes Bekenntnis erotischer Fantasien, wobei Tayamas Ehrlichkeit und respektlose Haltung gegenüber sozialen Institutionen die zeitgenössischen Leser beeindruckte. Arima kritisiert die Behandlung der Gattin, hervorgerufen durch die Beschäftigung mit 154 Rubin (1984: 102). 155 Arima (1969: viii).

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der Emanzipation des Ich, die er auf Egoismus zurückführt,. Er beruft sich auf Iwanaga und findet in Jnjemon no saigo wie auch in Futon ein konsistentes Muster in Tayamas Werken: Die unkontrollierbare Sexualität und das anormale Verhalten der Protagonisten führen zu gesellschaftlichen Sanktionen. Da aber die Gesellschaft mit Normalität assoziiert wurde, konnte der tragische Ausgang weder als Kritik wirksam werden, noch beim Leser Sympathien hervorrufen. Arima kommt zum Schluss, dass Tayamas Art der Fiktionalisierung symptomatisch war für dessen Überzeugung, menschliche Taten seien durch das Milieu determiniert und er so das Schicksal seiner Protagonisten ohne Hintergrundanalyse als triebhaften Determinismus beschrieb. Lobend erwähnt Arima den Mut und die Ehrlichkeit der Naturalisten sowie die Beschäftigung mit Themen, die bis anhin unbeachtet blieben. Dieser Mut aber störte die gesellschaftliche Ordnung nie, und das befreite Individuum kam weder mit der Gesellschaft noch mit seinen Instinkten zu Rande. Die Naturalisten waren unfähig, eine soziale Bewegung anzuregen, sie beschränkten sich auf eine „biologisierte Emanzipation“156 und ihr Widerstand gegen die Gesellschaft endete in Fatalismus. In seiner Schlussbemerkung führt Arima das Scheitern der Naturalisten darauf zurück, dass sie ihre Anliegen nicht in einem weiteren Kontext präsentierten, sondern im Bereich der literarischen Analyse des Ich verharrten, was schliesslich zum shishǀsetsu führte. Dies wiederum erklärt er aus dem persönlichen Hintergrund der Autoren, die alle aus Samurai-Familien stammten, die durch die Restauration ihren Status verloren hatten. Sie verbrachten ihre Jugend abseits der Elite, verfügten über keine politische Erfahrung, fürchteten Autorität und Gesellschaft und verinnerlichten ihre Probleme. Sie beschränkten ihre emanzipatorischen Versuche auf die Kunst und glaubten, das Leben abzubilden sei Kunst. Diese Identifikation von Leben und Kunst brachte sie dazu, ihre Erfahrung als massgeblich zu betrachten. Das Bekenntnis, das auf der Beobachtung des eigenen Erlebens beruhte, war für sie die Essenz des Naturalismus, die sie nie in Frage stellten. Der Mensch wurde dadurch zum Subjekt seiner eigenen Emotionen und Umgebung, war unfähig, sein Schicksal zu meistern und verharrte in einer Welt zwischen dem sozial Zulässigem und Entfremdung, zwischen Ängstlichkeit und Unbehagen. 156 Arima (1969: 78).

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3.3.2

Janet A. Walker (1979)

Janet A. Walker beschreibt in ihrer Monografie The Japanese Novel of the Meiji Period and the Ideal of Individualism die Entdeckung des Individualismus und dessen Darstellung durch die Literaten der MeijiZeit. Sie behandelt die Autoren Futabatei Shimei, Kitamura Tǀkoku, Shimazaki Tǀson und Tayama Katai. Ausgehend vom Begriff des Cultural Hero als Repräsentant der herrschenden Klasse, zeigt sie, dass in der Meiji-Zeit ein Paradigmenwechsel von den Idealen der Tokugawa-Zeit (Loyalität, Gehorsam, Rechtschaffenheit, Fleiss und Enthaltsamkeit) zu individuellen Werten stattfand. Sie betont zwei Aspekte des Individualismus in Japan, das Verlangen nach sozialer Mobilität und Befriedigung der Wünsche (Erfüllung der Liebe), Forderungen, die der konfuzianistischen Moral entgegen standen und einen „unmoralischen kulturellen Helden“ 157 postulierten. Das neue Ideal der frühen Meiji-Zeit entstand im Kontext politischer Freiheit, verschwand aber mit dem aufkommenden Nationalismus und existierte schliesslich nur noch als Wunschvorstellung. Intellektuelle, die sich in öffentlichen Bereichen nicht durchsetzen konnten, wandten sich der Literatur zu. In diesem Sinne liest Walker die Geschichte der modernen japanischen Literatur als ein Versuch der Schriftsteller sich zu behaupten, wobei die Werte, die sie vertraten, nur für die Privatsphäre galten. Mit Kitamura Tǀkoku wurde der frustrierte politische Ehrgeiz in innere Bahnen gelenkt. Die Liebe (nicht die Ehe) als eine erhebende Leidenschaft stimulierte die Selbstdefinition, und die Selbstbestätigung offenbarte sich in der Tendenz zu Eigenliebe und Liebestrunkenheit. Futabatei Shimei seinerseits versuchte mit Ukigumo, konfuzianistische Moral durch logisches Denken zu ersetzen, Figuren zu beobachten und zu analysieren. Er schuf, indem er die alten Werte in seinem Protagonisten verinnerlichte, den neuen kulturellen Helden, einen introvertierten und handlungsunfähigen Versager, den superfluous man. Der Protagonist von Ukigumo war der erste Held der japanischen Literatur, der von Innen gesehen wurde. Tayamas Futon, so Walker, entstand in einem Umfeld von politischem und sozialem Wandel, in dem Nationalismus gegen individuelle Selbständigkeit stand und ehrgeizige Jugendliche zu melancholischen 157 Walker (1979: 15).

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jungen Menschen wurden. Der Naturalismus brach mit dem traditionellen Moralsystem und begründete die Idee der individuellen Moral, wobei Objektivität und Respekt vor dem Menschen (im Gegensatz zu buddhistischen Wertvorstellungen) neu waren. Die frühen, von Zola inspirierten Werke, schilderten ihre Protagonisten und deren sexuelles Erwachen in einem bestimmten Milieu, blieben aber, mit allzu komplizierten Fabeln und sentimentalem Fatalismus, wirkungslos. Nach 1907 stützte sich die naturalistische Erzählung auf die Biografie des Autors, wobei die Einheit der Fabel, obwohl komplexe Stoffe tagebuchartig aufgezeichnet wurden, durch die Einheit der Erfahrung gewährleistet wurde. Die wichtigsten Merkmale dieser Erzählungen sieht Walker inhaltlich in ihrer Subjektivität, formal in der Identität von Autor und Held und zeitlich in „the focus on the eternal present of the experiencing self“.158 Walker liest Futon als Bekenntnis, als Auflehnung gegen die alte Moral und als Erwachen des individuellen Gewissens im Zwiespalt zwischen Befriedigung und Unterdrückung der Lust, als Problem der Freiheit, das Leiden hervorruft. Sie hält Futon nicht für eine gewöhnliche „Ich-Erzählung“ (shishǀsetsu), da drei Figuren als moralische Wesen beschrieben werden. Takenaka Tokio ist Walker zufolge ein Mann, dessen interne Kontrolle stärker ist als sein Begehren, eine Figur, die ihre äussere Respektabilität und moralische Überlegenheit bewahrt. Er ist ein moderner Held, der, unfähig zu handeln, in Selbstmitleid und Heuchelei flieht. Yoshiko ihrerseits ist eine moderne Frau, deren Sexualität ihre eigene Angelegenheit ist. Sie überschätzt ihre Unabhängigkeit und ihre Kraft, neue Ideen zu verwirklichen (im Gegensatz zu ihrem kühnen Selbstausdruck steht ihr Verschweigen und ihre Unterwürfigkeit). Tanaka schliesslich ist ein moderner Jüngling, der die neue Moralität zu seinem Vorteil nutzt, während er sich dem Anschein nach unterwirft. Futon präsentiert im Sinne Tsubouchis moralisch glaubwürdige Figuren und deren Innerlichkeit, eine neue Ethik, die im Konflikt mit der verinnerlichten Moral zu Leiden führt. Die Tradition der Introspektion, die im Konfuzianismus fehlte, die Idee der Selbstverantwortung, die im Buddhismus fehlte – Hindernisse zu einer individualistischen Moral –

158 Walker (1979: 103).

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wurden hier zum ersten Mal seit Futabatei thematisiert. Dabei wurde die Suche des Autors in die Figuren transponiert, ein Verfahren, das die realistische psychologische Erzählung begründete. Walker hält es für möglich, Takenaka als Tayama zu sehen, da dessen Selbstmitleid und Pessimismus, in langen „inneren Monologen“ ausgedrückt, den wichtigsten Teil der Erzählung ausmachen. Dies vereitelt die objektive Beschreibung der anderen Figuren in dem gleichen Masse, wie die Sentimentalität des Autors in den früheren Werken eine objektive Beschreibung verhinderte.159 Abschliessend betont Walker, Futon sei der Ausdruck der unbewussten Rebellion des Autors, die nicht zu einem sinnlichen Erwachen führte, sondern zu Leiden. Dies treibe ihn zu Grausamkeit gegen die Rebellen Yoshiko und Tanaka. Sympathisch werde er allein durch seine Leidensfähigkeit.

3.4 Die Untersuchung des Phänomens shishǀsetsu Diese Untersuchungen beschäftigen sich fast ausschliesslich mit Futon als Vorläufer des shishǀsetsu. Keine dieser Abhandlungen gibt eine Definition von Fiktion, was zur Tendenz führt, Fiktion implizit mit „erfunden“ gleichzusetzen und den Autor nicht vom Protagonisten unterscheiden zu können. Die Unmittelbarkeit des Erzählens wird registriert, aber nicht der Erzählsituation zugeschrieben, sondern der Identifikation von Autor und Protagonist, dem verschmelzen zweier Erzählhaltungen oder der japanischen Sprache. 3.4.1

Noriko Mizutani Lippit (1980)

Noriko Lippit widmet in ihrer Monografie Reality and Fiction in Modern Japanese Literature ein Kapitel der Untersuchung des shishǀsetsu (Ironic perspective and self-dramatization in the confessional I-novel). Der shishǀsetsu ist für sie „the „most distinctive fictional genre“ der japanischen Literatur und zeigt den Versuch der Schriftsteller, ihre Entfremdung von der sozialen Realität in einer utilitaristischen Gesellschaft zu überwinden.160 159 Walker (1979: 119). 160 Lippit (1980: 18).

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In dieser literarischen Form, so Lippit, erscheint der Autor als Protagonist. Die Erzählung vermeidet fiktionalisierende Mittel (nach Lippit strukturelle und vermittelnde Erzählfunktionen wie Entwicklung der Erzählung, dramatische Spannung und Charakterisierung) und stellt die Gefühle und Ideen der Protagonisten „fast unmittelbar“ dar. Der Stoff der Erzählung beschränkt sich auf Leben und Erfahrung des Autors. Inhaltlich besteht der shishǀsetsu im Akt der Enthüllung versteckter Begierden, eine Herausforderung der sozialen Normen und Moral. Lippits Analyse von Futon geht von einer ironisch-distanzierenden Perspektive Tayama Katais aus. Ihr zufolge ist der Protagonist kein treues Abbild, sondern die fiktionale Darstellung eines Intellektuellen seiner Zeit und tritt als ironische Dramatisierung des Autors auf.161 Sie stellt Futon in die Nachfolge von Ukigumo als das Porträt eines Quijotte, eines in westliche Ideen vernarrten Intellektuellen, mit einer Prise auktorialer Selbstparodie. Lippits Interpretation von Futon fokussiert Takenaka Tokios doppelten Konflikt. Einerseits verhindert Tokios soziale Integrität ein freies modernes Individuum zu sein, was zu Tatenlosigkeit führt. Andererseits wird er, obwohl von sexuellen Trieben beherrscht, als konventioneller feudalistischer Moralist dargestellt. Seine Tragik besteht darin, dass die westliche Ideologie des modernen Menschen und der romantisch-humanistischen Ideale oberflächlich bleibt. Als wichtigstes Element in Futon erachtet Lippit die verschiedenen Perspektiven, aus denen Tokio geschildert wird: Tokios subjektive Sicht seiner selbst und die Perspektive der ihn umgebenden Personen 162 – nämlich der Frau, der Schwägerin und des Vaters. Lippit ist der Ansicht, dass sich Tayama im Gegensatz zu Tokio der Lächerlichkeit des Protagonisten bewusst war und ihn aus doppelter Perspektive, tragisch als auch komisch, präsentierte. Es war Tayamas Intention, dem Leser die Selbst-Dramatisierung eines unbedeutenden Menschen vorzuführen. Auch Yoshiko wird Lippit zufolge als oberflächliche moderne Frau entlarvt, die sich zur Literatur wie zu modischen Kleidern hingezogen fühlt und weiss, dass sie die „egoistische Projektion“ von Tokios Ehrgeiz ist, aber mitspielt, um zu gefallen. Die Schwägerin und die Frau durchschauen dies, und der Leser sieht Yoshiko aus deren Perspektive. 161 Lippit begründet ihre Feststellung weder durch Textuntersuchungen noch Hinweise auf andere Abhandlungen. 162 Lippit (1980: 29).

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Lippit greift Jokyǀshi und Shǀjobyǀ auf, um zu zeigen, dass Tayama schon früher ähnliche Themen behandelte. Besonders angesichts der parodistischen Behandlung des Protagonisten von Shǀjobyǀ scheint es ihr unzulässig, Futon als „direkte Dramatisierung der Innerlichkeit des Autors“163 zu sehen. Futon ist weder Selbstparodie noch Selbstporträt, sondern die Darstellung eines Schriftstellers in seiner tragikomischen Dualität. Die Beichte der Innerlichkeit verursachte durch die komplexe psychologische Beziehung zwischen Bekenner und Zuhörer eine ebenso komplexe Leserreaktion zwischen Abscheu und Einfühlung. Die moderne bekenntnishafte Erzählung ist aber, so Lippit, nicht eine religiöse Beichte, sondern, da Kunst Religion ersetzt, der Wunsch eines erfolglosen Künstlers nach Erneuerung. The confessional novel is a form, which enables the author to convert life into art and art into a means of serving the artist. Its raison d’être is its exploitation of the “slender margin” between the real and the unreal, between truth and fiction, and between the authors self-glorification and self-parodization, integrating the artist’s egotistical insistence on his artistic self and his awareness of life’s retaliation against it.164

3.4.2

Irmela-Hijiya Kirschnereit (1978/1981)

In ihrem Aufsatz Innovation als Renovation. Zur literaturhistorischen Bedeutung von Tayama Katais Erzählung „Futon“ und ihrem Werk Selbstentblössungsrituale. Zur Theorie und Geschichte der autobiographischen Gattung „shishǀsetsu“ in der modernen japanischen Literatur unternimmt Irmela Hijiya-Kirschnereit den Versuch, das Genre shishǀsetsu zu beschreiben und zu definieren. In Innovation und Renovation widmet sie sich ausschliesslich Futon. Sie untersucht die historische Entstehungsbedingung, den europäischen Einfluss und die Rezeption, und stellt sich die Frage: [...] was war denn an diesem Werk so aufsehenerregend und neu, dass es die Zeitgenossen und die nachfolgende Generation von Schriftstellern derart fesseln konnte?165

163 Lippit (1980: 33). 164 Lippit (1980: 38). 165 Hijiya-Kirschnereit (1978: 350).

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Sie prüft als erstes die Behauptung, das Innovatorische von Futon beruhe auf dem Einfluss des europäischen Naturalismus, besonders Hauptmanns Einsame Menschen. Ihre Untersuchung zeigt, dass die parallele Personenkonstellation oberflächlich bleibt und der in Einsame Menschen thematisierte weltanschauliche Konflikt – die Befreiung eines Intellektuellen aus der pietistischen Enge – bei Tayama fehlt. In Futon werden keine allgemeinen Fragen aufgeworfen, wird im Protagonisten nichts Exemplarisches dargestellt. Bei Katai begegnen wir nur der einen Gestalt des unzufriedenen Künstlers – alle anderen Figuren bleiben blass im Hintergrund – und werden Zeugen seiner privaten, kaum verallgemeinerbaren Leiden.166

Für Hijiya-Kirschnereit ist Futon in erster Linie eine Schilderung des Innenlebens eines Mannes, der nur sehr begrenzten Einblick in die Ursache seiner seelischen Nöte hat und vorwiegend im Stadium wirklichkeitsferner pubertärer Wunschträume verweilt. 167 Die Anspielung auf Einsame Menschen spiegelt demnach die Absicht des Autors, Tokio als japanischen Johannes zu präsentieren und dies mit zahlreichen, nicht wirklich motivierten Anspielungen auf europäische Literatur zu legitimieren. Dabei blieb die Auseinandersetzung mit dem Westen oberflächlich, Ansätze zu einer überindividuellen Betrachtungsweise, Feststellungen allgemeiner Art kommen selten vor, Konflikte werden nur wie zufällig berührt. Hijiya-Kirschnereits Untersuchung der Entstehung von Futon zeigt, dass Tayama die private Motivation der Abfassung im Nachhinein durch eine „literarische“ zu überspielen suchte, das heisst, dass er [...] zehn Jahre später rückblickend seinen Erfolg lieber mit der bewussten Adaptation eines naturalistischen Werkes aus Europa erklären will, als dass er ihn dem glücklichen Zusammentreffen von persönlicher Problematik und Zeitgeschmack zuschreibt.168

Viel mehr noch als in Futon findet Hijiya-Kirschnereit Bezüge zu Einsame Menschen in Jokyǀshi (Handlungsführung, Charakterisierung der Personen und der Thematik), einer Erzählung, die zur Werkreihe 166 Hijiya-Kirschnereit (1978: 352). 167 Hijiya-Kirschnereit (1978: 355). 168 Hijiya-Kirschnereit (1978: 360).

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„Sehnsucht nach schönen Mädchen“ gehörte, welche auf immer weniger Interesse beim Publikum stiess.169 Darauf bahnte sich Tayamas Wandel von romantisierender zu sachlich gehaltener Literatur an und schlug sich in der Auffassung vom Künstler als unbeteiligtem Beobachter nieder. Die daraus entstandene „bemüht emotionsarme Literatur“ 170 steht für Hijiya-Kirschnereit in seltsamem Kontrast zu den romantischen Erzählungen. Allerdings verneint Hijiya-Kirschnereit, dass Shǀjobyǀ als Vorläufer von Futon der romantischen Phase ein Ende setzte, sondern sieht eine Verlagerung der Betrachtungsweise: Bei gleichbleibender Personenkonstellation und Grundthematik rückt in Futon das Innenleben des Protagonisten in den Mittelpunkt, während das Geschehen selbst im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Werken an den Rand gedrängt wird.171

Den innovatorischen Impuls und die ausserordentliche Wirkung von Futon beruhte auf dieser Intention, eine möglichst genaue, direkte Beschreibung von Seelenzuständen eines Individuums zu geben, indem Tayama verinnerlichte Muster (ursprünglich durch Einsame Menschen angeregt) auf eine als neuartig empfundene Weise einsetzte. 172 „Die Beschränkung auf den Lebensabschnitt eines Individuums, das aus der Sicht desselben geschildert wird, die Identifikation Autor-Protagonist und die lyrisch sentimentale Einfärbung“, als erstes Beispiel des Genres shishǀsetsu, erzeugte eine neue Rezeptionsart. Die lyrisch sentimentale Komponente weist auf traditionelle Elemente, die in Futon eine wichtige Rolle spielen. In dem Masse, nämlich, in dem das reflektierende, vor allem aber das fühlende Subjekt ins Zentrum des Werks rückt, greift auch eine betont subjektiv-lyrische Schilderung Raum, die sich der Muster bedient, wie sie sich in Jahrhunderten japanischer Tagebuch- und Miszellenliteratur ausprägten.

Auch die Tendenz zu einem mystischen Fatalismus, die nichts mehr mit naturalistischem Determinismus zu tun hat, interpretiert Hijiya-Kirschnereit als Rückgriff auf die vormoderne Literatur.173 169 170 171 172 173

Hijiya-Kirschnereit (1978: 363). Hijiya-Kirschnereit (1978: 363). Hijiya-Kirschnereit (1978: 364). Die folgenden Ausführungen und Zitate nach Hijiya-Kirschnereit (1978: 365). Vgl. auch Hijiya-Kirschnereit (1981: 233–237).

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Zusammen mit [...] einem weitgehend unbewussten Rückgriff auf vormoderne literarische Konventionen und Auffassungen, [...] erzielte Katai die Wirkung, die dem Werk das Etikett „epochemachend“ eintrug. Die Zeitgenossen wiederum, die auf diesen traditionsreichen Aspekt ansprachen, waren sich dessen natürlich ebenso wenig bewusst.174

In ihrem grossangelegten Selbstentblössungsrituale. Zur Theorie und Geschichte der autobiographischen Gattung „shishǀsetsu“ in der modernen japanischen Literatur untersucht Hijiya-Kirschnereit die Entstehung des shishǀsetsu. Hijiya-Kirschnereit zufolge machte die Wendung des Naturalismus zu privaten Stoffen die Aufrichtigkeit zum ästhetischen Massstab. Hijiya-Kirschnereits Forschung zu Tayama als typischem Vertreter des Naturalismus konzentriert sich auf Futon und dessen literarische Genealogie, auf die Verbindungen mit der Literatur der Zeit und den europäischen Einfluss, sowie auf die frühen Reaktionen und die von Futon beeinflussten Werke. Weiter untersucht sie die japanische shishǀsetsu-Forschung, und definiert das Genre, analysiert Werke anderer shishǀsetsu-Schriftsteller und beschreibt schliesslich die Funktion des shishǀsetsu im sozio-kulturellen Kontext. Hijiya-Kirschnereit schreibt über die Erzählsituation von Futon: Berichtet wird in der dritten Person, über weite Strecken aus der Perspektive „Erzähler = Person“ (Perspektive „mit“). Stellenweise springt der Erzähler auch in andere Figuren, aber insgesamt ergibt sich der Eindruck einer monoperspektivischen Sichtweise. 175

Hijiay-Kirschnereit betont, dass die Entwicklung der narrativen Technik zeigt, wie sich in Futon die wichtigsten Entwicklungslinien trafen. Von der Annäherung von Autor und Protagonist in Shimazakis Hakai, und dessen „Anempfinden, [...] Sich-Hineinversetzen in seine Figuren“, war es „bis zur weitgehenden Ausschaltung der fiktiven Person in Futon nur noch ein Schritt“.176 [...] die Verknüpfung der „Sehnsucht-nach-jungen-Mädchen“-Thematik mit einem von Hauptmanns Drama Einsame Menschen inspirierten Stoff, der im Prozess wiederholter Verarbeitung bei gleichbleibendem Grundmuster durch auto174 Hijiya-Kirschnereit (1978: 366). 175 Hijiya-Kirschnereit (1981: 33–34). 176 Hijiya-Kirschnereit (1981: 41).

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biographische Elemente ersetzt wird, wobei gleichzeitig der Erzählfokus vom äusseren Geschehen auf das innere Erleben des Protagonisten rückt. Die Konzentration der Erzählperspektive auf die Sicht des Helden bedeutet für Katai den ersten gelungenen Versuch einer von ihm schon Jahre zuvor geforderten „unverblümten“ und „flachen“ Beschreibung. D.h., die Aufgabe der ihm unnatürlich und veraltet erscheinenden auktorialen Erzählerrolle.177

Schon in Tayamas theoretischen Schriften, liess sich „seine Gedankenassoziation von Faktenschilderung und Selbstoffenbarung, ein Übereinanderschieben und Verschmelzen von Protagonist, Erzählfunktion und der Person des Autors“ belegen „wobei Tayama weder die Erzählfunktion noch den Protagonisten [...] als Fiktion begreift“.178 Die Gründe für die Nachfolge von Futon lagen in der Überzeugungskraft und Imitierbarkeit der von Tayama in der „flachen Beschreibung“ realisierten Darstellungsweise ohne „Erklärung und Analyse“, eine Schreibweise, „die sich wesentlich leichter nachahmen [liess] als etwa [Natsume] Sǀsekis intellektualistischer Stil“179. In ihrer Besprechung der Zeitstruktur des shishǀsetsu180 geht HijiyaKirschnereit davon aus, dass das handelnde und erzählende Ich nie identisch sein können, dass aber die „Zweizeitigkeit des doppelten Ich“ im shishǀsetsu so weit wie möglich verschleiert wird. Der Autor, so Hijiya-Kirschnereit, versuchte den zeitlichen Abstand zwischen Erinnerungshorizont und Erlebnishorizont zu überspielen, indem er sich im Schreiben in die Erlebnisgegenwart zurückversetzte und so Unmittelbarkeit vortäuschte. Dabei griffen japanische Autoren auf die Termini der Haiku-Theorie zurück– „die naturgetreue Wiedergabe“ (౮↢, shasei) als Momentaufnahme des „seelischen Zustands“ ( ᔃ Ⴚ , shinkyǀ). Deren „Subjektivismus“ und der emotionale Zugang zur Realität der spezifisch japanische Sentimentalismus fanden den ihnen gemässen Ausdruck in

177 178 179 180

Hijiya-Kirschnereit (1981: 42). Hijiya-Kirschnereit (1981: 43). Hijiya-Kirschnereit (1981: 50). Hijiya-Kirschnereit (1981: 134–136). Handelndes und erzählendes Ich bezeichnet bei Hijiya-Kirschnereit Protagonist und Erzähler nicht nur der Ich-, sondern auch der Er- Erzählung.

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einer affektiven Sprachform, deren Grundhaltung und Aussageintention der des lyrischen Ich am nächsten kamen, das eine Affinität zu mujǀkan und mono no aware aufwies.181 Paradox empfindet Hijiya-Kirschnereit, dass die „Subjektivität“ einer Erzählhaltung, die auf der Personalunion von Ich-Erzähler, Held und Autor beruht, die Erzählperspektive „mit“ und der zeitlich mitgehende Standpunkt (der das Bewusstsein für die Differenz von erzählter und Erzählgegenwart aufhebt) vom japanischen Publikum nicht wahrgenommen wurde. Sie erklärt das mit Juri Lotmanns Postulat, wonach eine durchgehaltene subjektive Perspektive das Gefühl, mit einem „subjektiven Blickwinkel konfrontiert zu werden, zum Verschwinden bringt“182. Die Vertrautheit des Lesers mit vielen Einzelheiten im Werk verstärkt den objektiven Eindruck und der geringe zeitliche Abstand zwischen der Gegenwart des Lesers und der des literarischen Werks ruft das Gefühl hervor, einer aktuellen, wahrheitsgetreuen Abbildung der Wirklichkeit gegenüberzustehen.183 Aus ihrer zusammenfassenden Beschreibung des shishǀsetsu (die sich nicht auf Tayama beschränkt) wird deutlich, dass Hijiya-Kirschnereit eine Vermittlungsinstanz voraussetzt. Der Shishǀsetsu lässt sich durch zwei Elemente charakterisieren, die wir Faktizität 184 und Fokusfigur nannten. Faktizität bezeichnet das supponierte Verhältnis von Werk und Wirklichkeit, und Fokusfigur kennzeichnet die Organisationsweise des Textes. Wichtige Merkmale der Fokusfigur sind die Perspektive „mit“, ein „mitgehender“ Erzählerstandort und die zentrale Stellung, die der IchErzähler und Protagonist in der Welt des „Romans“ einnimmt. Er bildet nicht nur die Längsachse, an der die Handlung sich entwickelt, sondern er verfügt auch die impliziten Wertungen. Seine Erlebnisweise ist affektiv; kognitives Erfassen wird als Störfaktor empfunden, denn es zerbricht den Eindruck der Unmittelbarkeit, der für die „Echtheit“ und damit die Qualität des Shishǀsetsu von entscheidender Bedeutung ist. Dem emotionalen Verhältnis zur Welt entspricht eine sentimentale

181 Hijiya-Kirschnereit (1981: 138–142). Hijiya-Kirschnereit definiert mono no aware („Pathos“) als sich in einer gesteigerten affektiven Rezeptivität äussernd, mujǀkan (ήᏱⷰ, Vergänglichkeit) als säkularisierte Melancholie buddhistischen Ursprungs. 182 Hijiya-Kirschnereit (1981: 216). 183 Nach Tarots Theorie wird diese Wirkung der Unmittelbarkeit durch die mimetischfiktionale Erzählhaltung, in der kein Erzähler mehr existiert, erzeugt. 184 Faktizität, so Hijiya-Kirschnereit wird durch aussertextuelle Bezüge erreicht, „die Wirkung von Faktizität wird in Japan nämlich überwiegend mit nichtmimetischen Mitteln erreicht“. (1981: 129).

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Grundstimmung, die in einer lyrisch-impressionistischen Darstellungsweise ihren Ausdruck findet. In der sentimentalen Erkennung der Welt erkannten wir die Konzepte mujǀ und mono-no aware aus der klassischen Tradition wieder, die wir als ein affektives Schema deuteten, über dessen Umsetzung in Literatur als kulturelles Handlungsmuster der Shishǀsetsu mit verschiedenen Gattungen der vormodernen Zeit in Beziehung tritt. 185

Hijiya-Kirschnereits Ansicht, Unmittelbarkeit sei unmöglich und ihre Überbetonung des Erzählers, bzw. des erzählenden Ich verwehren ihr den Blick auf die erzählerlose Erzählung und bringt sie dazu, die Neuheit von Futon beziehungsweise die Besonderheit der shishǀsetsu in einem Rückgriff auf vormoderne Erzählmuster zu suchen. 3.4.3

Edward Fowler (1988)

Fowler untersucht in seinem Buch The Rhetoric of Confession das Phänomen shishǀsetsu innerhalb der chinesischen und japanischen literarischen Tradition. Für ihn unterscheidet sich die japanische Erzählung (shǀsetsu) radikal von westlichen Narrativen, shǀsetsu und shishǀsetsu nur durch ihren Inhalt. Seine Diskussion verschiedener Autoren des Naturalismus berührt weniger die Biografie als den modus operandi von Aufrichtigkeit und Authentizität als Diskurs. Die Besonderheit der Form liegt Fowler zufolge nicht in der sogenannten „Aufrichtigkeit des Bekenntnisses“, sondern in der Rhetorik als verbaler Artefakt. Er bezeichnet die shishǀsetsu als formal unbefriedigende Fiktion, da sie die westlichen Konventionen (Allwissenheit, kreative Freiheit, „autonome Stimme“ 186 ) missachtet und sich nicht der Vermittlung, sondern der Unmittelbarkeit (unmediated fact) bedient. Dabei verschmilzt die narrative Stimme mit dem erzählten Subjekt, eine Tatsache, die Fowler in der japanischen Sprache begründet sieht: [...] the narrating voice merges most easily with that of the narrated subject – a feature of the Japanese language generally. We shall see that the first-person or third-person shishǀsetsu almost by definition, works most effectively, when it has but one center of consciousness, which is at once the narrator’s and the hero’s.187

185 Hijiya-Kirschnereit (1981: 142–143). 186 Fowler (1988: xi). Das heisst, die diegetisch-fiktionale Erzählweise. 187 Fowler (1988: x). Kursive im Original.

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Während Fowler zufolge europäische Schriftsteller Repräsentation (als Illusion) für möglich halten, verwenden japanische Schriftsteller nichtfiktionale Techniken, um ihre Erfahrung wahrheitsgetreu wiederzugeben.188 Dies führt Fowler auf die Verschiedenheit der japanischen und westlichen Persönlichkeit zurück. Fowler definiert shishǀsetsu als „single consciousness narration“189, die versucht, ohne Handlungsführung (emplotted narrative), Ende und Pointe auszukommen. Dieses Verfahren, in dem das erzählende Subjekt nicht vom erzähltem Subjekt unterschieden wird, soll die Erzählkunst legitimieren und aufwerten. Fowler zufolge ist die Voraussetzung zu dieser Vorliebe für nicht-vermittelte Realität die japanische Sprache, die Reden und Gedanken ohne Pronomen und im Präsens wiedergeben kann und so eine ausserordentliche Unmittelbarkeit aufweist, eine narrative Praxis, die der Sprecher-Hörer Situation nahe kommt. The use of the past tense in English (even if it loses its “pastness”, as Banfield argues) has the effect of creating a much sharper distinction between utterance and narration, between character consciousness and reader awareness, than exists in Japanese. Without a tense that insists on its own fictional autonomy or a pronoun usage that insists on the otherness, the externality, of the character(s) in the narrative, the Japanese narrative presents the speech and thought of a character in a way that not only posits an audience but also invites the reader’s identification – indeed assimilation with the character’s train of thought. [...] Because of its special language such a style – let us call it here the written reportive style – [...] with its restricted point of view, is the overwhelming preference of authors writing in a language that favors the transcription (in as literal a way as possible in writing), over the representation, of speech and thought.190

In seiner Besprechung von Tayamas Erzählungen (vor allem Futon)191 bezeichnet Fowler die Weigerung der japanischen Naturalisten, die persönliche Erfahrung zu übersteigen, zu verallgemeinern und auf 188 Fowler (1988: xxii). 189 Fowler (1988: 19–20 und 28). 190 Fowler (1988: 38). Unmittelbarkeit wird nicht durch eine bestimmte Sprache, sondern durch eine bestimmte Erzählsituation erzeugt, wobei das Präteritum nicht das Tempus der Vermittlung, sondern der Erzählung ist. Es verliert in mimetischfiktionalen Erzählungen den Vergangenheitscharakter. Gedanken- und Redewiedergaben wirken im Japanischen infolge des fehlenden Konjunktivs tatsächlich unmittelbarer, doch können europäische Sprachen diese Wirkung durch den Gebrauch des inneren Monologs oder der erlebten Rede erzeugen. 191 Fowler (1988: 104–127).

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universelle Wahrheiten hinzuweisen, als den grössten Unterschied zu europäischen Schriftstellern. Er weist darauf hin, dass Futon die erste Erzählung (shǀsetsu) war, die auf Grund ihrer Unmittelbarkeit als shishǀsetsu gelesen wurde. Fowler betont, dass Futon keineswegs das Leben mit absoluter Treue wiedergibt, dass aber die meisten Literaturwissenschaftler – ob sie die Fiktionalität von Futon zu beweisen oder zu widerlegen suchten – auf textexterne Quellen zurückgriffen. Nach Fowler kann die Biografie Tayamas die Frage, weshalb er über eine bestimmte Erfahrung schrieb, nicht erhellen: Nicht die autobiografischen Elemente sind wichtig, sondern Tayamas Tendenz zu grüblerischen, sentimentalen und narzisstischen Helden, und die Übereinstimmung der Themen (verbotene Liebe, die ideale Frau). Er untersucht Tayamas literarische Anspielungen und hält die Rückgriffe auf Hauptmann, Sudermann und Turgenev für reine Mache, wobei Tayama aber den Einfluss von Therèse Raquin verschwieg, um die letzte Szene als eigene Erfahrung ausgeben zu können. Fowler erachtet die Übereinstimmung von Szenen und Beschreibungen mit früheren Werken Tayamas als aufschlussreich, vor allem mit Jokyǀshi. Shǀjobyǀ bezeichnet Fowler als Selbstparodie, womit Tayama seine Fähigkeit bewies, sich über seinen Helden und sich selbst lustig zu machen. Für Fowler ist die Parodie in Futon weniger offensichtlich, doch bewahren die melodramatischen Szenen den „komischen Ton“. Die Heftigkeit von Futon erinnert Fowler an die edo-zeitliche Literatur Chikamatsus192, aber da der Protagonist der Pflicht und nicht dem Gefühl folgt, ist Tayamas Farce eine Inversion. Futon ist Fowler zufolge kein Porträt individuellen Bewusstseins, sondern eine Erzählung, in der ein nachsichtiger Erzähler seinen Helden eher zur Unterdrückung als zur Bejahung des Ich führt. Für Fowler liegt die Bedeutung von Futon in der Rolle eines Katalysators und Prototyps des shishǀsetsu: [...] not because of any truly distinguishing characteristics but because readers attuned to the new literature, insisting on the referentiality of literary art, made the author’s personal experience the supreme standard in their evaluation.193

192 ㄭ᧻㐷Ꮐⴡ㐷 (Chikamatsu Monzaemon, 1653–1724), Dramatiker, dessen Stücke den Konflikt von Pflicht und Leidenschaft (⟵ℂੱᖱ, giri ninjǀ) thematisierten. 193 Fowler (1988: 123).

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Futon unterscheidet sich von shishǀsetsu dadurch, dass der Erzähler die Innerlichkeit verschiedener Personen präsentiert. Tayama strebte, so Fowler, keine einheitliche Perspektive an, sondern versuchte im Gegenteil überhaupt keinen Standpunkt einzunehmen – dies ist Fowler zufolge der Grundgedanke der „Oberflächenbeschreibung“, in der ein Erzähler abseits bleibt. Die Vollendung des „written reportive style“ sieht Fowler in Iwano Hǀmeis Konzept der „eindimensionalen Beschreibung“, die in der Taishǀ-Zeit als reine Literatur (junbungaku) triumphierte, den shishǀsetsu legitimierte und schliesslich als „natürlich“ empfunden wurde.194 3.4.4

Tomi Suzuki (1996)

Tomi Suzuki befasst sich in ihrer Abhandlung Narrating the Self. Fiction of Japanese Modernity mit dem shishǀsetsu als auffallendster und einzigartiger Form der japanischen Literatur Nach einer Diskussion der westlichen Forschung beschäftigt sie sich mit der Behauptung, shishǀsetsu habe „a single voice“. 195 Sie weist darauf hin, dass in dieser Gattung meist in der dritten Person erzählt wird, und der Autor weder mit dem Erzähler noch mit dem Protagonisten identisch ist. Stellen, die als direkte Hinweise auf die textexterne Realität aufgefasst wurden, sind ein Teil eines grösseren Netz verbaler Zeichen. Für Suzuki entsteht shishǀsetsu aus der Erwartung des Lesers:

194 Fowlers Analyse der Erzählsituation ist insofern interessant als er die Unmittelbarkeit, Gedankendarstellungen und den Gebrauch der Pronomen untersucht, diese aber weniger der Erzählhaltung als der japanischen Sprache zuschreibt. Er gibt keine Definition von Fiktion und geht in seiner Analyse von der Kommunikationstheorie aus, die ein Aussagesubjekt als Vermittler postuliert, sodass er Erzählen nicht als Funktion, sondern als Rede deutet. Sein Ausdruck „written reportive style“ ist denkbar ungeeignet für Tayamas und Iwano Hǀmeis Erzählhaltung, da gerade diese Schriftsteller eine mimetisch-fiktionale (also nicht vermittelte) Erzählhaltung vertraten, wobei Tayama zur multiperspektivischen und Hǀmei zur monoperspektivischen Erzählfunktion tendierte. 195 Suzuki (1988: 5).

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[...] the reader’s expectation concerning, and belief in, the single identity of protagonist, the narrator and the author of a given text ultimately make a text an Inovel.196

Diese Lesart beeinflusste, so Suzuki, sowohl die Produktion als auch die Rezeption und nachträglich die Interpretation bestehender Texte. Sie beschreibt die Entstehung der neuen literarischen Sprache, genbun itchi um 1900, und die Auffassung, diese könne die Wirklichkeit unmittelbar darstellen, wie in der westlichen Literatur üblich zu sein schien. During this period the so-called naturalist writers – Shimazaki Tǀson, Kunikida Doppo, Tayama Katai, Iwano Hǀmei, Tokuda Shnjsei and the like, many of whom were later to be regarded as I-novelists – began to write shǀsetsu in the belief that it was the ultimate medium for directly representing „true reality“ and out of a desire to realize a new language free from traditional rhetoric that could describe this true reality. As we shall see, the aspiration for an immediate and transparent written language was inextricably related to the ideology of genbun itchi, which stood in an intimate relationship to the new notion of the shǀsetsu, realism, representation, truth and the self, a key concern from the 1890‘s in almost all fields.197

In einem zweiten Teil beschäftigt sich Suzuki mit der Analyse von Erzählungen, die als shishǀsetsu gelten, darunter auch Tayamas Futon. Sie geht von einer ironischen Perspektive aus und zitiert die zeitgenössischen Kritiken, um zu zeigen, dass Futon nicht monoperspektivisch oder als Monolog gelesen wurde, sondern als selbstkritische Erzählung, die zwischen objektivierendem Autor und objektiviertem Selbst unterschied. Suzuki erörtert die stilistischen Neuerungen, die konsequente Setzung des grammatikalischen Subjekts und den Gebrauch der Pronomens kare und jibun: In fact, as the presentation of Tokio turns inward, the grammatical person often shifts, before one notices, from the third-person kare to the quasi first-person jibun (one’s self, I), creating the impression that the protagonist’s feelings are articulated directly through his own voice. But although Futons narrative voice often creates the effect of a first person personal monologue, Futon is not a confessional monologue. Instead it resembles what Roland Barthes has called the „personal narrational system“. [...] 196 Suzuki (1996: 6). 197 Suzuki (1996: 32).

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In Futon „he“ can frequently be replaced with „I“ without a significant change. A number of passages, which can only be translated into English in the free indirect style [...] have an even greater sense of directness in the original Japanese and resemble an interior monologue in the first person, thus intensifying what Barthes calls the „personal narrational system“. And yet the narrative voice of Futon, which often appears to speak for the protagonist’s, and occasionally to merge completely with the protagonist’s own voice, discreetly provides, either through the dialogue among characters or through the omniscient narration, perspectives not shared by or not accessible to the protagonist. 198

Als Beispiele der ironischen Erzählhaltung zitiert Suzuki die Sprache der Tempelszene, die zeitliche Struktur von Futon (hier besonders das zweite und dritte Kapital als Rückwende des Erzählers), die auktorialen Aussagen nach „inneren Monologen“ sowie die Ironie, die durch die Gegenüberstellung von Gedanken und Reden, der Haltung Tokios und anderer Figuren erzeugt wird: Futon in fact ironically juxtaposes Tokio’s inner world with the perspective of the „old-fashioned“ people [...] who do not share his “literary vision”.199

Suzuki zufolge beweist auch die Figur Yoshikos, dass der ErzählerStandpunkt denjenigen der Figuren übersteigt, denn sie wird nicht nur durch die Augen Tokios gesehen, sondern auch vom allwissenden Erzähler, der ihre Geschichte vermittelt. Er zeigt Yoshikos noch kindliche Leichtfertigkeit, für die Tokio blind ist und beschreibt das Leben in einer Missionsschule „with considerable detachment and humor”200. Aus seinem weiteren Wissenshorizont weist der Erzähler auf die Ideologie von „Liebe“ und „Literatur“ und entblösst die Kluft zwischen Tokios Reden und wahren Motiven. 201

198 Suzuki (1996: 71–72). Diese Ausführungen sind einleuchtend und gleichzeitig verwirrend, da Suzuki eine personale Erzählhaltung [erzählerlose Erzählung] beschreibt und gleichzeitig den Erzähler für allwissend hält. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sie die Erzählfunktion als voice begreift, welche ein Aussagesubjekt voraussetzt. Die Beispiele für Ironie, die sie anführt, beruhen eher auf Situationskomik als auf einer ironischen Erzählhaltung. 199 Suzuki (1996: 73). 200 Suzuki (1996: 74). 201 Suzuki zitiert Tokios „inneren Monolog“, den sie als vom allwissenden Erzähler vermittelt auffasst.

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Suzuki zufolge spiegelt Jnjemon no saigo die Auffassung der Naturalisten, dass europäische Schriftsteller Sexualität und Instinkt als Kritik gesellschaftlicher und moralischer Zwänge brauchten. Ein Beispiel für diese Ansicht ist die Haltung des Erzählers von Jnjemon no saigo, der in zolaistischen Begriffen über Jnjemons Leben spekuliert und offen ein naturalistisches Manifest ausspricht. Für Suzuki tendieren ErErzählung zu Figurenperspektive und ermöglichen eine literarische Autobiografie, die sowohl die Innerlichkeit des Protagonisten als auch die Kommentare des allwissenden Erzählers zulassen. Futon ist kein offensichtliches naturalistisches Manifest, trotzdem leidet auch der Protagonist von Futon unter seiner sexuellen Begierde, die, ihm selbst unbewusst, mit seiner Faszination der westlichen Literatur in Verbindung steht. Dies offenbart sich im häufigen Gebrauch von sino-japanischen Ausdrücken wie seiyoku, yokubǀ und seiyoku no chikara (Lust, Begierde und Macht der Begierde). Tokio ist narzisstisch in seine Leiden vernarrt und setzt sie mit denjenigen seiner literarischen Vorbilder gleich – eine irreführende Identifikation. Indeed, this almost exaggerated emphasis on base and ugly carnal desire sharply separates Futon from earlier Meiji literary works, which although dramatizing the incompatibility of love and marriage, do not deny the ideal of romantic love so much as reinforce the longing for this ideal as something unattainable in Japanese society.202

Während Jokyǀshi den Konflikt von romantischer Liebe und Konventionen darstellt, thematisiert Futon den Zusammenprall von sexueller Begierde und geistiger Anziehung sowie die Diskrepanz zwischen literarischen Idealen und der Realität. Dabei schmälert Futon die Idee der romantischen Liebe zugunsten der unkontrollierbaren Macht der Natur. Jnjemon verkörpert die Macht der Natur durch seine Sexualität, die dunkle Macht in Tokio hingegen ist keine emanzipatorische Kraft, sondern ein narzisstischer Trugschluss der Meiji-Intellektuellen als Rebellen gegen die Traditionen der Gesellschaft. Suzuki beschliesst die Untersuchung von Futon mit der Frage, weshalb Futon so erfolgreich war. Sie zitiert Wahrheit als Schlüssel zum Geheimnis des inneren Menschen und die Aura der Hässlichkeit, die mit den geheimen und dunklen sexuellen Begierden assoziiert wurde. 202 Suzuki (1996: 86).

397

3.4.5

Nagashima Yǀichi (1997)

Nagashima Yǀichi untersucht in seinem Objective Description of the Self. The Literary Theory of Iwano Hǀmei auch die Entwicklung der Erzählhaltung Tayama Katais. Er ist einer der ganz wenigen Autoren, der die erzähltheoretischen Hypothesen diskutiert und die Texte analysiert. Er beschreibt Iwano Hǀmeis Theorie und verfolgt die Änderungen, die dieser nach Abschluss seiner Theorie vornahm – die Reduktion auf die Perspektive einer Person. Er untersucht die grammatikalischen Besonderheiten der Perspektivierung, Deiktika und Pronomen. Zur Entstehung der „eindimensionalen Beschreibung“ (ichigen byǀsha, monistic narration bei Nagashima) weist er auf den Einfluss von Tayamas heimen byǀsha hin: Iwano’s theory of ‘monistic narration’ was formulated in opposition to ‘flat narration’, the ‘objective’ narrative technique in which an omniscient narrator may enter all the characters in the work. According to Iwano’s ‘subjective’ method of narration, the author has a single ‘mediator’ in his work.203

In seiner Diskussion der theoretischen Schriften Tayama Katais konzentriert sich Nagashima auf heimen byǀsha als eine Erzählhaltung, die keinen bestimmten Standpunkt (Perspektive) vertritt, in der der „Autor“ alle Personen aus der gleichen Distanz beschreibt und auch kommentiert. Er nennt Tayama Katais Erzählhaltung „sentimentale Subjektivität“, die „flach“, aus „Vogelperspektive“, „zuschauend“ und distanziert ist und nie rein objektiv sein könne. Während Nagashima Tayamas Erzählhaltung als auktorial ansieht (durch den Gebrauch verschiedener Perspektiven), ist er der Einzige, der darauf hinweist, dass die von Iwano entwickelte Theorie des ichigen byǀsha eine erzählerlose Erzählsituation darstellt, obwohl er diesen Ausdruck nur ein einziges Mal erwähnt. Allerdings ist er der Ansicht, Iwanos Theorie sei zwar revolutionär, aber unvollkommen ohne ein auktoriales „Ich“ („because ‘narration’ always presupposes a necessary distance between the author and the protagonist“ 204 ). Iwano aber, so Nagashima, habe die Beschränkung seiner Theorie nicht erkannt.

203 Nagashima (1997: 41). 204 Nagashima (1997: 163).

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4

Abschliessende Bemerkungen

Die gesamte Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass die mimetischfiktionale Erzählsituation nicht als eigenständige Form des Erzählens anerkannt wird. Die Abhandlungen spiegeln oft die Meinung, ein „echter Roman“ müsse einen kritisch-distanzierten Erzähler (also eine Vermittlungsinstanz) aufweisen. 205 Dies führte dazu, dass neben inhaltlichen Elementen auch durch die Erzählsituation bedingte Strukturmerkmale kritisiert wurden: Einseitigkeit der Perspektive, ungenügende Distanz zu den Protagonisten und fehlende (explizite) Analyse der Situation, mangelnde Sozialkritik, unordentliche Komposition206 und, besonders in Futon, die „ungerechte Behandlung“ der Nebenfiguren. Die fehlende Definition von Fiktion oder deren Auffassung als „erfunden“, verunmöglichen, den Autor vom Protagonisten zu unterscheiden. Gerade die autobiografischen Erzählungen, in denen der Protagonist Züge des Autors trägt, machen eine Abgrenzung zwischen Fiktion und Wirklichkeit schwierig. Dies ist umso erstaunlicher, als Innerlichkeitsberichte und -Darstellungen (die die Rezeption massgeblich steuern) ein Merkmal von Fiktion sind – in seinsautonomen Sachverhalten (also nicht-fiktionalen Texten) müssten diese durch Quellen belegt werden. Nichts aber (abgesehen von einigen Äusserungen Tayamas zur Entstehung von Futon) beweist, dass die Gedanken seiner Protagonisten auch seine eigenen sind. Je mehr der Erzähler aus einer Erzählung verschwindet, umso weniger Anhaltspunkte gibt es für den Interpreten. Dies zeigt sich sehr deutlich, wenn man die Besprechungen der verschiedenen Erzählungen vergleicht. Die Rezeption von Jnjemon no saigo wird durch die Bemerkungen des erzählenden und die Gedanken des erlebenden Ich gesteuert, 205 „[...] das Aussagesubjekt (Erzähler) gerade des Er-Romans galt und gilt für viele Theoretiker als Wesensmerkmal des Erzählens (der Epik) überhaupt, d.h., erst die Existenz eines Aussagesubjekt verbürgt die als charakteristisch betrachtete sog. ‚Mittelbarkeit des Erzählens‘.“ Tarot (1995: 30). Diese auch in Japan weitverbreitete Haltung prägte und prägt heute noch die Würdigung von Tayama Katais Werken. 206 Sobald die Vermittlungsinstanz ausfällt, folgt die Struktur der Erzählung nicht dem chronologischen Verlauf der Handlung (die auch nicht im Mittelpunkt steht), sondern den inneren Regungen des Protagonisten.

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obwohl selten zwischen Autor, erzählendem und erlebendem Ich unterschieden wird. Die Diskussion befasst sich meist mit inhaltlichen Aspekten, vor allem dem Naturverständnis des Autors/Erzählers und der „unkritischen“ Darstellung der Figur Jnjemon. Das kritisch-distanzierende Aussagesubjekt von Shǀjobyǀ hingegen liefert wichtige Hinweise zur Interpretation und verhindert eine Identifikation des Lesers mit dem Helden – der Leser nimmt die distanzierende Haltung der Vermittlungsinstanz ein. Da in Futon der Erzähler weitgehend verschwindet, wird der Leser mit der Figur Takenaka Tokio und dessen begrenztem Wissenshorizont konfrontiert, ohne Hinweise zur Interpretation zu erhalten. Die verschiedenen Interpretationen von Futon und den darin vorkommenden Figuren zeugen davon, wie schwierig es ist, eine „erzählerlose Erzählung“ zu erkennen und zu besprechen. Der quantitative Umfang, den die Erzählerebene in einem diegetisch-fiktionalen Text einnimmt, bestimmt das Rezeptionserlebnis des Lesers in beträchtlichem Umfang, bestimmt auch die Sicherheit seines Urteils über Personen und Handlung. In mimetisch-fiktionalen Erzähltexten, in denen dieses Element fehlt, ist der Leser in eine gänzlich andere Rezeptionslage versetzt [...].207

Die Forschung kreist immer wieder um die Frage, was an Futon so neu war, weshalb Futon einen so durchschlagenden Erfolg hatte und die japanische Literatur dearart nachhaltig beeinflusste. Futon wird zwar als „monologisch“208 „direkte (unmittelbare) Schilderung“ oder als perspektivische Erzählung erkannt, doch infolge der Überzeugung, ein Erzähler vermittle das Erzählte, kritisiert man die Strukturelemente, die aus dieser Erzählhaltung resultierten. Einerseits führte die Unmittelbarkeit des Textes zu der psychologischen Leserreaktion, den Text als Wahrheit zu lesen und in den biografischen Texten den Autor mit dem Protagonisten gleichzusetzen. Heute herrscht die Meinung vor, Futon sei eine Parodie, da gewisse Elemente nicht mehr nachvollzogen werden können. Dabei wird die „Komik“, die nicht in der Erzählhaltung begründet liegt, sondern in der Rezeption des dargestellten Inhalts, in den Vordergrund gerückt. 207 Tarot (1995: 62– 63). 208 Dies beruht nicht zuletzt darauf, dass Textpassagen, die in dieser Arbeit als erlebte Rede identifiziert wurden, ohne Subjekt [Pronomen] oder mit dem Pronomen jibun stehen, also sowohl in der ersten als in der zweiten Person gelesen werden können. Vgl. Kojima (1991), in: Katǀ (Hg.) (1998 III: 215–226).

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Schlussbetrachtungen

Tayamas Verdienst besteht darin, die mimetisch-fiktionale Erzählsituation in Japan als erster entdeckt und entwickelt zu haben. In seinem Bestreben, die Wirklichkeit „so wie sie ist“ wiederzugeben, lehnte er die rhetorischen Mittel der klassischen Schriftsprache ab und verwarf Ästhetik, Didaktizismus und Kunstfertigkeit. Die Forderung nach Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit führte ihn zu seiner These der ungeschminkten Beschreibung (rokotsu naru byǀsha, auch unverblümte Beschreibung). Tayama betonte immer wieder die Notwendigkeit von Beobachtung und Erfahrung, den Gebrauch der Umgangssprache (genbun itchi), die Wichtigkeit des Lokalkolorits (Tayama benützt den englischen Ausdruck (local colour) und der Dialekte sowie die Charakterisierung der Personen durch ihre Sprechweise. Dies wiederum, einhergehend mit dem Bedürfnis der Zeit, Innerlichkeit darzustellen, und der Notwendigkeit, Als-Wirklichkeit als Wirklichkeit zu konstruieren, führte notgedrungen zur Entwicklung einer neuen Erzählhaltung, Der Versuch, die Stoffe möglichst unmittelbar darzustellen, brachte Tayama dazu – der sich als Autor und Erzähler verstand – auf Einmischung des „Autors“ [des Erzählers] zu verzichten und die Vermittlungsinstanz zurückzunehmen. Dies äusserte sich in IchErzählungen durch die periphere Erzählerhaltung als Augenzeuge und Zuschauer, vereitelte aber durch den beschränkten Wissens- und Erfahrungshorizont des Erzählers, die „ganze Wirklichkeit“ beschreiben zu können. Wie aus den Analysen von Jnjemon no saigo und Rinshitsu deutlich wird, versuchte Tayama immer wieder, diese Beschränkung aufzuheben, um die Innerlichkeit der Protagonisten einzubringen und war so gezwungen, Emotionsausdrücke zu verwenden, diese zu „interpretieren“ und „für die Figuren zu denken“, was zu Unwahrscheinlichkeit führte. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich Tayama vermehrt der Er-Erzählung zuwandte, die eine neutrale Vermittlungsinstanz erlaubte oder den Erzähler ganz eliminierte. Die Entdeckung der Möglichkeiten einer Erzählung in der dritten Person gewährte das Zurücktreten des Aussagesubjekts, erlaubte die Perspektivierung auf die Figuren und machte diese zum Subjekt der

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Erzählung. Die Entwicklung von Shǀjobyǀ zu Futon und Ippeisotsu zeigt, dass Erzählereinmischungen, Erklärungen und distanzierende Kommentare, die besonders in Ich-Erzählungen häufig sind, allmählich verschwinden. Dies hat zur Folge, dass die diskursiven Textteile, die auf die Intention des Autors hinweisen und die dem Leser eine Interpretation des Textes anbieten, seltener werden. Ebenso machen berichtete Gedanken – vor allem in Anführungszeichen gesetzte unausgesprochene Monologe – direkt wiedergegebenen Gedanken und Innerlichkeitsdarstellungen Platz. Mit dem konsequenten Gebrauch der Perspektivierung stellte Tayama die Figuren in den Mittelpunkt der Erzählung. Er entwickelte, ohne sich dessen bewusst zu sein, als Erster in Japan die neutrale Erzählfunktion und damit die Möglichkeit der mimetisch-fiktionalen Erzählhaltung. Während Tayama in Shǀjobyǀ, seiner ersten Erzählung in der dritten Person, noch von einer distanzierenden Vermittlungsinstanz ausging, beschränkte er sich in Futon vermehrt auf den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont des Protagonisten. Natürlich sind in Futon stellenweise diegetisch-fiktionale Elemente zu finden, doch fehlen gerade jene Elemente des Erzählens, die auf die Präsenz einer personalen Vermittlungsinstanz deuten, die sich durch Leseranreden und ErzählerEinmischungen im Präsens bemerkbar machen. Obwohl nebst recht häufigen Raffungen noch gelegentlich Kommentare auftreten, übersteigen diese in Futon den Wissens- und Erfahrungshorizont des Protagonisten kaum. Mimetisch-fiktionale Elemente überwiegen, wie die Einbindung von Vergangenem in den Gedankenhorizont der Figur, perspektivierte Szenen und Innerlichkeitsdarstellungen (in erlebte Rede gekleidet), sodass der Text eine in Japan zuvor nie erreichte Unmittelbarkeit aufwies. Dies ist meiner Meinung der Grund, warum Futon die grosse Wirkung zeitigte und als „epochemachend“ galt. In Ippeisotsu ist die mimetisch-fiktionale Erzählhaltung vollkommen. Hier macht sich kein Aussagesubjekt mehr bemerkbar und die Figur wird zum Reflektor, bis zu dem Punkt, an dem der Protagonist das Bewusstsein verliert und stirbt, das Orientierungszentrum der Erzählung ausfällt und durch ein anderes ersetzt werden muss. Der Versuch Tayamas, Wahrheit zu generieren – nicht die reale Wirklichkeit, „wie sie ist“, wie er meinte – sondern fiktionale Wahrheit, die dadurch entstand, dass er mit realistischen Mitteln Als-Wirklichkeit

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als Wirklichkeit darstellte, führte in Futon und Ippeisotsu zur Vollendung einer erzählerlosen Erzählhaltung, deren Neuheit und Modernität bis heute nicht gewürdigt wurde. Tayama selbst hielt sich als Autor für den Erzähler und war sich, wie schon bemerkt, nicht bewusst, dass er eine neue Erzählhaltung geschaffen hatte. Er verfolgte die mimetisch-fiktionale Form des Erzählens wie in Ippeisotsu nicht weiter. Im Gegenteil verwarf er gerade die Innerlichkeitsdarstellungen als „sezierende psychologische Erklärungen“ und versuchte, auch Er-Erzählungen aus der Haltung eines Beobachters zu gestalten und diese so zu einer neutralen Erzählfunktion zu reduzieren. Inwieweit er dies realisiert hat, müssten weitere Untersuchungen von Texten nach 1908, die der „Oberflächenbeschreibung“ (heimen byǀsha, auch „flache Beschreibung“) zugeschrieben werden, aufzeigen. Es war Iwano Hǀmei, der die Einzigartigkeit dieser Erzählhaltung erkannte und sie weiter entwickelte. Während sich Tayama nicht auf eine strikte Reduktion der Perspektive beschränkte, entwickelte Iwano Hǀmei seine Theorie der eindimensionalen Erzählung (ichigen byǀsha), einer Form des Erzählens in der ein einziger Reflektor zum Orientierungszentrum wird. Shishǀsetsu-Schriftsteller bedienten sich gern dieser Erzählhaltung (insofern es sich um eine Er-Erzählung handelte), da sie Glaubwürdigkeit und die Unmittelbarkeit des Erzählens gewährleistete. Auch hier müssten weitere Untersuchungen verfolgen, ob und in welchem Masse shishǀsetsu von einer mimetisch-fiktionalen Erzählhaltung gekennzeichnet sind.

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Bibliografie

1

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2

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Index

Arima, Tatsuo 379–308 Arishima Takeo ᦭ፉᱞ㇢ 42, 370 Balzac, Honoré de 422, 49 Barthes, Roland 395, 396 Bellah, Robert N. 117 Benl, Oscar 17, 40, 172, 233, 369–370 Bibun ⟤ᢥ 35, 37, 38, 43, 45, 131, 132, 150, 151, 163, 176, 188, 189, 322, 356 Bjørnsen, Bjørnstjerne 16, 39 Bo Juyi ⊕ዬᤃ (jap. Hakkyo’i) 84 Chang hen ge 㐳 ᕱ ᱌ (jap. Chǀkonka, Lied vom ewigen Groll) 84 Bourget, Paul 330 Le Disciple 330 Bungakukai ᢥቇ⇇ 306 (Literarische Welt) Bungei jihyǀ ᢥ⧓ᤨ⹏ (Literarische Revue) 298 Bungeikai ᢥ⧓⇇ (Welt der Literatur) 297 Bungei kurabu ᢥ⧓୾ᭉㇱ (Literaturklub) 36, 237, 297 Bunko ᢥᐶ ( Bibliothek) 293 Bunshǀ sekai ᢥ┨਎⇇ (Welt der Prosa) 39 Chikamatsu Monzaemon ㄭ᧻ 㐷Ꮐⴡ㐷 393

Chnjǀ Kǀron ਛᄩ౏⺰ 47, 299 Cohn, Dorrit 159 Egusa Mitsuko ᳯ⒳ḩሶ 361– 362 Emi Sui’in ᳯ⷗᳓⬺ 36 Eisai shinshi 㗧ᚽᣂ⹹ (Neues Forum für Talentierte) 36 Flaubert, Gustave 42, 293, 317, 327, 375 Madame Bovary 317 Foucault, Michel 162, 365, 366 Fowler, Edward 27, 41, 295, 375, 391–395 Fujii, James A. 32 Fujimori Kyoshi ⮮᫪ᷡ 364– 366 Futabatei Shimei ੑ⪲੪྾ㅅ 33, 34, 35, 41, 62, 107, 363, 381, 383 Ukigumo ᶋ㔕 (Ziehende Wolken) 33, 34, 62, 107, 363, 381, 384 Bunsho shinron ᢥᦠᣂ⺰ (Neue Abh. über Prosa) 34 „Futon“ gappyǀ 㨬⫱࿅㨭 ว⹏ (gemeinsame Futon-Kritik) 293 Friedemann, Käthe 43 Frühstück, Sabine 45, 146, 164 Genbun itchi ⸒ᢥ৻⥌ 34, 35, 37, 208, 241, 298, 340, 362, 363, 365, 395

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Genji monogatari Ḯ᳁‛⺆ (Die Geschichte vom Prinzen Genji) 84 Girard, René 374 Gluck, Carol 45, 116 Goncourt, Edmond-Luis Antoine Huot de 323 Gotǀ Meisei ᓟ⮮᣿ᤊ 355–356 Haiku େฏ 201, 220, 352, 389 Hakubunkan ඳ⡞㙚 36, 38, 119, 297 Haku’unshi ⊕㔕ሶ 299 Hamburger, Käte 22 Hasegawa Tenkei 㐳⼱ᎹᄤḺ 40, 298, 302, 369 Hasegawa Yoshihiro 㐳⼱Ꮉ ศᒄ 337–338 Hashimoto Yoshi ᯅᧄ૫ 322– 323 Hauptmann, Gerhard 47, 161, 165, 229, 312, 318, 331, 334, 345, 355, 375, 386, 388, 393 Bahnwärter Thiel 47 Der Apostel 47 Einsame Menschen 161, 165, 229, 312, 318, 331, 334, 345, 355, 386, 387, 388 Hayashi, Akiko 28 Hayashi Hirochika ᨋኡⷫ 343– 344 Heimen byǀsha ᐔ㕙ឬ౮ (Oberflächenbeschreibung) 46–49, 50, 261, 293, 337, 350, 354, 358, 371, 374, 375, 376, 394, 398 Henshall, Kenneth G. 17, 101, 174, 231, 272, 283, 373–377

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Quilt and other Stories by Tayama Katai 17, 373 Huysmans, Joris-Karl 375 Hiraide Osamu ᐔ಴ୃ 303 Hirano Ken ᐔ㊁⻞ 294, 313– 315, 318, 323 Hirao Fudoku ᐔየਇ⁛ 297 Hiratsuka Raichǀ ᐔႦ㔗㠽 343 Hijiya-Kirschnereit, Irmela 31, 32, 34, 35, 36, 40, 43, 45, 161, 169, 172, 294, 295, 296, 311, 385–391 Hisamatsu Sen’ichi ਭ᧻ẜ৻ 319, 321 Hobsbawm, Eric J. 162 Horvath, Ödön, von 266 Ein Kind unserer Zeit 266 Ibsen, Henrik 331, 375, 376 Hedda Gabler 331 Rosmersholm 331 Ichigen byǀsha ৻రឬ౮ (eindimensionale Beschreibung) 43, 50–51, 398 Ikari Akira દ⁚┨ 38 Ikuta Chǀkǀ ↢↰㐳ᳯ 305 Ingarden, Roman 20 Inagaki Tajirǀ Ⓑ၂㆐㇢ 40, 297 Ino Kenji ⁿ㊁⻞ੑ 41, 319–321 Ishihara Chiaki ⍹ේජ⑺ 18, 146, 358–359 Isui ⴩᳓ 300 Itǀ Sei દ⮮ᢛ 315–316 Iwanaga Yutaka ጤ᳗⵨ 37, 50, 323–327, 328, 349, 353, 380 Iwano Hǀmei ጤ㊁ᵃ㡆 43, 50– 51, 350, 394, 395, 398

Ichigen byǀsha ৻రឬ౮ (eindimensionale Beschreibung) 43, 50–51, 398 Tayama-shi no „Ippeisotsu“ ni okeru byǀsha-jǀ no ketten ↰ጊ᳁ߩ㨬৻౓ත㨭ߦ⟎ ߌࠆឬ౮਄ߩᰳὐ (Die Schwächen der Beschreibung in Tayamas Die Erschiessung eines Soldaten) 50 Izumi Kyǀka ᴰ㏜⧎ 293 Kamo no Chǀmei 㡞㐳᣿ 167 Hǀjǀki ᣇਂ⸥ (Aufzeichnungen aus zehn Fuss im Geviert [messender Klause]) 167 Karatani Kǀjin [Yukito] ᨩ⼱ ⴕੱ 162, 363–364 Katagami Noboru [Tengen]  ਄ା [ᄤᒏ] 300, 301, 304– 305, 325 Kataoka Ryǀichi  ጟ⦟৻ 37, 307–309 Katayama Haruo  ጊ᥍ᄦ 338– 339 Katǀ Shnjichi 293 Katǀ Shnjji ട⮮⑲Ὼ 208, 294, 302, 313, 314, 321, 324, 327, 336, 337, 338, 339, 341, 342, 343, 345, 346, 349, 351, 353, 354, 355, 357, 359, 361, 364, 400 Keene, Donald 292, 302, 309, 369 Ken’ynjsha ⎮෹␠ (Gesellschaft der Freunde des Tuschsteins) 36, 37, 39, 315 kikǀbun ♿ⴕᢥ (Reiseberichte) 37, 356

Kinoshita Nao’e ᧁਅዏᳯ 366 Zange ᚁᖎ (Beichte) 366 Kitamura Tǀkoku ർ᧛ㅘ⼱ 163, 319, 381 Kobayashi Hideo ዊᨋ⑲㓶 291, 311 Kobayashi Ichirǀ ዊᨋ৻㇢ 35, 55, 56, 146, 235, 291, 297, 298, 299, 300, 303, 306, 328– 332 Kobayashi Issa ዊᨋ৻⨥ 201 Kǀda Rohan ᐘ↰㔺઻ 35, 45 Kojima Noriko ዊፉⷙሶ 356– 358, 400 Kokumin no tomo ࿖᳃ߩ෹ 37 Konaka Nobutaka ዊਛାቁ 342–343 Konishi Jin’ichi ዊ⷏↟৻ 293 Konfuzius ሹሶ 121 Lun yu ⺰⺆ (jap. Rongo, Gespräche des Konfuzius 121 Kosugi Tengai ዊ᧖ᄤᄖ 40, 117, 346, 361, 376 Hayari uta ߪ߿ࠅ᱌ (Der Gassenhauer) 40, 117 Makaze koikaze 㝷㘑ᕜ㘑 (Teufelswind, Liebeswind) 361 Koi to koi ᕜߣᕜ (Liebe und Liebe) 346 Kume Masao ਭ☨ᱜ㓶 42, 309 Kunikida Doppǀ ࿖ᧁ↰⁛ᱠ 37, 295, 320, 395 Doppǀshnj ⁛ᱠ㓸 295 Unmei ㆇ๮ (Schicksal) 320 Lewin, Bruno 28, 94, 170, 240, 241 Lippit, Noriko Mizuta 383–385

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Maeda Ai ೨↰ᗲ 34, 36, 117, 121 Maeterlinck, Maurice Polydore Marie Bernard 241, 252, 330 Die Blinden 252 Der Eindringling 252, 330 Masamune Hakuchǀ ᱜቬ⊕㠽 44, 93, 298, 300, 301, 310, 371 Matsuoka Kunio ÆYanagita Kunio ᩉ↰ ࿖↵ Matsubara Shibun ᧻ේ⥋ᢥ 300, 301 Maupassant, Guy de 38, 45, 120, 169, 209, 213, 299, 311, 315, 333, 375, 376 Bel Ami 315 Stärker als der Tod 209, 299 Der Vater 213 Miller, Roy Andrew 24, 25, 29, 30, 86 Miyauchi Toshisuke ችౝବ੺ 17 Miyoshi, Masao 33, 34 Mizuno Yǀshnj ᳓㊁⪲⥱ 300, 301 Mizutani Akio ᳓⼱ᤘᄦ 321 Mori ƿgai ᫪㣁ᄖ 35, 45 Morita Sǀhei ᫪↰⨲ᐔ 343 Baien ᾓᾍ (Rauch) 343, 361, 362, 365 Myǀjǀ ᣿ᤊ (Venus) 302 Nagai Kafnj ᳗੗⩄㘑 71, 120 Jigoku no hana ࿾ₐߩ⧎ (Blumen der Hölle) 71, 120 Nagashima, Yǀichi 43, 50, 51, 295, 398

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Nagayo [Okada] Michiyo ᳗ઍ [ጟ↰] ⟤⍮ઍ 37, 293, 314, 313 Nagatsuka Takashi ᳗Ⴆ▵ 370 Nakamura Akira ਛ᧛᣿ 93 Nakamura Mitsuo ਛ ᧛ శ ᄦ 311–313, 318, 321, 353, 375, 377 Nakamura Seiko ਛ᧛ᤊḓ 300 Nakauchi Chǀji ਛౝⲔ࠾ 297 Natsume Sǀseki ᄐ⋡ẇ⍹ 231, 361, 389 Sanshirǀ ਃ྾㇢ 72, 231 Sore kara ߘࠇ߆ࠄ (Und danach) 361 Nieda Tajirǀ ⿂↰ᄥᰴ㇢ 37, 322 Nietzsche, Friedrich 366, 376 Nishimura Kǀji ⷏᧛ቁᰴ 306 Noguchi Takehiko ㊁ญᱞᒾ 30, 32, 42, 44, 50 Ogata Akiko የᒻ᣿ሶ 38, 44, 172, 333–335 Oguri Fnjyǀ ዊᩙ㘑⪲ 300, 301, 361, 362, 369 Seishun 㕍ᤐ (Jugend) 361, 362 Okuno Takeo ᅏ㊁ஜ↵ 336– 337 ƿta Masao [Kinoshita Mokutarǀ] ᄥ↰ᱜ㓶 [ᧁਅ᧧ᄥ㇢] 303 Ozaki Kǀyǀ የፒ⚃⪲ 35, 36, 45 Genbun itchi ron ⸒ᢥ৻⥌⺰ 35 Pörtner, Peter 17, 120, 134, 369 Rau, Edith 17, 272, 281, 283

Richter, Frederick 177, 226, 372–373 Richter, Giles 36 Rokotsu naru byǀsha 㔺㛽ߥࠆ ឬ౮ (Unbeschönigte/unverblümte Beschreibung) 45–46, 131, 293, 299, 304, 307, 327, 335, 371, 389 Rubin, Jay 40, 45, 377–379 Ryan, Marleigh Grayer 32, 34 Sakamoto Hiroshi ဈᧄᶈ 321 Sanekata Kyoshi ታᣇᷡ 327 Sasabuchi Tomoichi ╣ᷗ෹৻ 329, 349–350 Schnitzler, Arthur 266 Fräulein Else 266 Seki Hajime 㑐⡸ 346–348 Seinenkai 㕍ᐕ⇇ (Welt der Jugend) 37 Senuma Shigeki ἑᴧ⨃᮸ 35, 321 Shigematsu Yasuo ㊀᧻ᵏ㓶 353 Shikitei Samba ᑼ੪ਃ㚍 363 Shimamura Hǀgetsu [Seigetsuya] ፉ᧛ᛴ [᦬ᤊ᦬ᄛ] 299, 300, 369 Shimazaki Tǀson ፉፒ⮮᧛ 27, 30, 37, 71, 93, 173, 295, 307, 312, 320, 325, 364, 371, 376, 381, 388, 395 Hakai ⎕უ (Der Frevel) 27, 30, 71, 173, 295, 312, 320, 343, 370, 388 Shinchǀ ᣂầ 54 Shinchǀsha ᣂầ␠ 293, 298, 299 Shinko bunrin ᣂฎᢥᨋ 237

Shinsei ᣂჿ (Neue Stimme) 297, 299 Shinseisha ᣂჿ␠ (Neue Stimme) 53, 297 Shinshisha ᣂ⹞␠ (Gesellschaft der neuen Dichtung) 302 Shinshǀsetsu ᣂዊ⺑ 295 Shintaishi ᣂ૕⹞ 37, 121, 131, 132, 151 Shishǀsetsu ⑳ዊ⺑ 42, 161, 171, 233, 293, 296, 309, 311, 313, 316, 327, 328, 338, 350, 353, 369, 377, 380, 382, 383–395 Shumi ⿰๧ (Interesse) 299 Sibley, William F. 40, 370–372 Sǀma Gyofnj ⋧㚍ᓮ㘑 300, 302, 352 Sǀrǀbun ୥ᢥ 168, 173, 208, 362 Stanzel, Franz K. 177, 296 Sudermann, Hermann 54, 55, 305, 317, 329, 376, 393 Der Katzensteg 54, 305, 317, 329, 376 Suzuki Keiji ㋈ᧁᢘม 321 Suzuki, Tomi 30, 34, 177, 295, 394–397 Tadokoro Hitoshi ↰ᚲ๟ 335, 336 Taiheiyǀ ᄥᐔᵗ (Grosser Ozean) 38 Taiyǀ ᄥ㓁 (Die Sonne) 36, 38, 40, 45, 119 Takahashi Toshio 㜞ᯅᢅᄦ 35, 208, 339–341 Takezoe Atsuko ┻ᷝᢕሶ 344– 346 Takita Choin Ṛ↰ᮠ㒶 299

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Tanaka Ei’ichi ↰ਛᩕ৻ 327– 328 Tarot, Rolf 17, 19–24, 27, 78, 93, 109, 363, 390, 399, 400 Tateoka Shunnosuke ⥪ጟ ବਯഥ 321 Tayama Katai [Rokuya] ↰ጊ ⧎ⴼ [㍳ᒎ] 13, 14, 15, 16, 17 Biografie 36–39 und der j.Naturalismus 40–51 Analysen 53–292 Katai-Forschung 369–398 Akibare ⑺᥍ (Herbstsonne) 57, 120, 127, 161, 181, 237 Arynjsha ࠕ࡝ࡘ࡯ࠪࡖ (Alyusha) 162 Ani ఱ (Der Bruder) 261 Azumagawa ๋ᆄᎹ (Der Azuma-Fluss) 37 Baisanrǀ shoshnj ⾈ጊᭈೋ㓸 (Erste [Gedicht-] Sammlung Baisanrǀ) 322 Bibun sahǀ ⟤ᢥ૞ᴺ (Anleitung zum bibun[-Stil]) 43, 45 Byǀsharon ឬ౮⺰ 22, 41, 49– 50, 131 Dainigun jusei nikki ╙ੑァ ᓥᓕᣣ⸥ (Kriegstagebuch) 38, 317 Dainihon chishi ᄢᣣᧄ࿾ผ 38, 334 En ✼ (Bande) 39, 162, 233, 334 Fuan ਇ቟ (Angst) 261 Furusato ߰ࠆㇹ (Heimat) 37, 53, 136, 322 Futatsu no asa ੑߟߩᦺ 237

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Futon ⫱࿅ (Das Bettzeug) 15, 16, 17, 31, 32, 35, 37, 39, 42, 48, 49, 121, 127, 136, 145, 151, 154, 157, 159, Analyse 161–235, 256, 267, 269, 281, 285, 290, 293, 294, 295, 296, 299–303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311–313, 313– 315, 315–316, 318–319, 320, 321, 322–322, 323, 326–327, 327–328, 330–332, 333–335, 336, 336–337, 337–338, 338– 339, 339, 339–341, 341–342, 342–343, 343–344, 344–346, 346–348, 349–351, 351, 351– 353, 353, 354, 354–355, 355– 356, 356–358, 359–361, 361– 362, 363–364, 364–366, 369, 370, 372–373, 374, 376, 377, 378–379, 380, 381–383, 383– 397, 399–400 “Futon” o kaita koro 㨬⫱࿅㨭 ࠍᦠ޿ߚ㗃 (Zur Zeit als ich Futon schrieb) 161, 253 Hakushi ⊕⚕ (Weisses Papier) 261 Hatsukagetsu ੑචᣣ᦬ (Zwanzig Monate) 37 Higeki? ᖤ഍㧫 (Tragödie?) 57, 120, 127, 181 Hǀdan ⎔ᒢ (Kanonendonner) 48, 261 Inaka kyǀshi ↰⥢ᢎᏧ (Der Landschullehrer) 39, 57, 237, 293, 323, 326, 336 Ippeisotsu ৻ᐔත (Ein Soldat) 15, 16, 17, 31, 47, 48, 49 50 217, 219, 237, 256,

Analyse 263–292, 293, 302, 308, 318, 322, 331, 333, 334, 336, 357, 373, 374, 375, 378 Jokyǀshi ᅚᢎᏧ (Die Lehrerin) 119, 120, 162, 302, 308, 318, 322, 385, 386, 393, 397 Jnjemon no saigo ㊀ⴡ㐷ߩ ᦨᓟ (Jnjemons Ende) 15, 16, 17, 26, 30, 31, 38, 41, 44, Analyse 53–117, 119, 120, 130, 136, 139, 146, 158, 162, 178, 190, 208, 210, 233, 238, 240, 244, 255, 260, 293, 297– 298, 300, 301, 304, 305, 307, 308, 311, 313, 317, 323, 324, 325–326, 327, 328, 329–330, 336, 349, 350, 353, 370, 371, 372, 376, 378, 380, 397, 399, 400 Kami 㜬 (Das Haar) 49 Katai shnj ⧎ⴼ㓸 (Erzählungen [Tayama] Katais) 18, 38, 304 Kenjnj ᜣ㌂ (Die Pistole) 334 Kuruma no oto ゞߩ㖸 (Räderrollen) 48, 261, 372 Kusakago ⨲☜ (Kräuterkorb) 38 Machi yori yama e ↸ࠃࠅጊ ߳ (Von der Stadt in die Berge) 49 Makoku 㝷࿖ (Zauberland) 38, 39 Mauka ࡑ࠙ࠞ 162 Mura no hito ᧛ߩੱ (Dorfmenschen) 38, 289, 304

Nabari shǀjo ฬᒛዋᅚ (Das Mädchen von Nabari) 38, 120, 241, 331, 333 Negi hitotaba ⫐৻᧤ (Eine Hand voll Zwiebeln) 293, 308, 309, 351 No no hana ㊁ߩ⧎ (Blumen des Feldes) 44, 53, 306 „No no hana” jo 㨬㊁ߩ⧎㨭ᐨ (Vorwort zu Blumen des Feldes) 44 Poketto no shukan ࡐࠤ࠶࠻ ߩᚻ◲ (Die Briefe in der Tasche) 234 Rakkason ⪭⧎᧛ (Dorf der fallenden Blüten) 37 Rinshitsu 㓞ቶ (Das Nebenzimmer) 15, 16, 31, 49, 136, Analyse 237– 261, 263, 265, 269, 270, 291, 292, 293, 298– 299, 301, 304, 308–309, 318, 323, 330, 333, 352, 378 Rokotsu naru byǀsha 㔺㛽 ߥࠆឬ౮ (Unverblümte Beschreibung) 45–46, 131, 293, 299, 304, 307, 327, 335, 371, 389 Sei ↢ (Leben) 17, 39, 46, 208, 219, 233, 237, 295, 324, 358, 378 „Sei“ ni okeru kokoromi 㨬↢㨭 ߦ߅ߌࠆ⹜ߺ (Der Versuch mit Sei) 46, 378 Seika yokǀ ⷏⧎૛㚅 (Westliche Blüten, bleibender Duft, 38

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Shikabane ዱ (Die Leiche) 48, 308 Shǀjobyǀ ዋᅚ∛ (Krank nach Mädchen) 15, 16, 17, 18, 31, 32, 69, Analyse 119–160, 161, 162, 168, 169, 170, 173, 174, 176, 177, 179, 187, 204, 206, 207, 209, 211, 216, 220, 223, 226, 228, 231, 232, 237, 242, 244, 256, 261, 267, 269, 281, 293, 299, 302, 304, 309, 313, 314, 318, 320, 330, 331, 333, 335, 340, 344, 351, 352, 353, 357, 358, 366, 374, 385, 387, 393, 400 Shǀjo no koi ዋᅚߩᕜ (Die Liebe zu jungen Mädchen) 38 Shǀsetsu sahǀ ዊ⺑૞ᴺ (Anleitung zur Erzählung) 46, 47, 55, 162 Shunchǀ ᤐầ (Frühlingsflut) 127, 306 Tǀkyǀ no sanjnjnen ᧲੩ߩਃ චᐕ (Dreissig Jahre in Tǀkyǀ) 161, 293, 294, 297 Tsuma ᆄ (Die Gattin) 17, 39, 233 Wakaruru made ೎߆ࠆࠆ ߹ߢ (Bis zur Trennung) 48 Wana ⟂ (Die Falle) 261, 334 Wara ⮝ (Stroh) 47–48 Yamagoya ጊዊደ (Die Berghütte) 16, 38, 125 Teikoku bungaku Ꮲ࿖ᢥቇ (Literatur des Kaiserreichs) 297, 300 Teramura Hideo ኹ᧛⑲㓶 25

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Tobari Chikufnj ᚭᒛ┻㘑 366 Tokuda [Chikamatsu] Shnjkǀ ᓼ↰[ㄭ᧻] ⑺ᳯ 300 Tokuda Shnjsei ᓼ↰⑺ჿ 93, 371, 395 Tolstoj, Lev Nokolaeviþ 36, 42, 293 Tosa Tǀru ࿯૒੧ 339 Tsubouchi Shǀyǀ ဝౝㅖ㆝ 22, 32, 33, 34, 41, 43, 45, 319, 382 Shǀsetsu shinzui ዊ⺑⌀㜑 (Das Wesen des Romans) 22, 32, 43 Turgenev, Ivan Sergeeviþ 34, 54, 56, 165, 189, 202, 210, 215, 229, 315, 317, 325, 329, 393 Aufzeichnungen eines Jägers 34, 56, 74 Am Vorabend 189, 202 Bunin und Baburin 215 Faust 229 Twine, Nanette 32, 33, 34, 35, 168 Yamada Bimyǀ ጊ↰⟤ᅱ 34, 35 Uchida Michio ౝ↰㆏㓶 354– 355 Usami Takeshi ቝ૒⟤Პ 354 Wada Kingo ๺↰⻯๋ 39, 41, 50, 351–353 Waka ๺᱌ 36, 121, 320, 321, 328, 350 Walker, Janet A. 36, 381–383 Waseda bungaku ᣧⒷ↰ᢥቇ (Waseda Literatur) 263, 298, 299, 300 Watanabe Masahiko ᷰㆻᱜᒾ 341–342, 359–360

Yamamoto Shǀichi ጊᧄ᣽৻ 351 Yanagita Kunio ᩉ↰[᧻ጟ]࿖↵ 36, 55, 162, 305–306 Yanabu Akira 30, 163, 170, 171, 267 Yazaki Dan ⍫ፒᒢ 306 Yokoyama Yoshiko ᮮጊ⧐ሶ Æ Nagayo Yomiuri shinbun ⺒ᄁᣂ⡞ 298, 299 Yosano Tekkan [Hiroshi] ਈ⻢ ㋕ᐙ [㊁ኡ] 302, 303

Yoshida Seiichi ศ↰♖৻ 37, 38, 41, 46, 50, 117, 168, 261, 298, 300, 304, 305, 310, 311, 316– 319, 321 Zola, Émile 39, 41, 292, 293, 317, 325, 328, 329, 330, 339, 352, 370, 375, 376, 379, 382, 397 Therèse Raquin 329, 339, 393 Zuo Zhuan Ꮐવ (jap. Saden, Zuos Kommentar [zu den Herbst- und Frühlings Annalen] 138

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WELTEN OSTASIENS WORLDS OF EAST ASIA MONDES DE L’EXTRÊME-ORIENT Herausgegeben von / Edited by / Edité par ROBERT H. GASSMANN, ANDREA RIEMENSCHNITTER, PIERRE-FRANÇOIS SOUYRI & NICOLAS ZUFFEREY

Die Reihe „Welten Ostasiens“ der Schweizerischen Asiengesellschaft stellt repräsentative Arbeiten aus der facettenreichen akademischen Forschung vor. Sie nimmt Studien zu den ostasiatischen Kulturen und Gesellschaften in Gegenwart und Vergangenheit in den Bereichen Kunst, Literatur und Denken sowie Übersetzungen und Interpretationen von Quellentexten auf. Sie will aber auch Arbeiten anbieten, die in allgemein verständlicher Weise kompetentes Wissen zu relevanten und aktuellen Fragen vermitteln und neben dem wissenschaftlichen Zielpublikum auch einer breiter interessierten Leserschaft zugänglich sind. In erster Linie ist sie ein Forum für geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeiten aus der Schweiz, daneben werden aber auch Beiträge aus der internationalen Forschung aufgenommen. Die Hauptpublikationssprachen für die Studien, Sammelbände und Übersichtswerke sind Deutsch, Französisch und Englisch. Die Reihe wird von einem Herausgebergremium geleitet, das von führenden Fachvertretern aus den jeweiligen akademischen Disziplinen beraten wird.

Bd. 1

Martin Lehnert Partitur des Lebens. Die Liaofan si xun von Yuan Huang (1533-1606). 2004, 299 S. ISBN 3-03910-408-X

Bd. 2

Simone Müller Sehnsucht nach Illusion? Klassische japanische Traumlyrik aus literaturhistorischer und geschlechtsspezifischer Perspektive. 2005, 306 S. ISBN 3-03910-478-0

Bd. 3

Matthias Richter Guan ren. Texte der altchinesischen Literatur zur Charakterkunde und Beamtenrekrutierung. 2005, 504 S. ISBN 3-03910-634-1

Bd. 4

Harald Meyer Die „Taisho-Demokratie“. Begriffsgeschichtliche Studien zur Demokratierezeption in Japan von 1900 bis 1920. 2005, 471 S. ISBN 3-03910-642-2

Bd. 5

Verena Werner Das Verschwinden des Erzählers. Erzähltheoretische Analysen von Erzählungen Tayama Katais aus den Jahren 1902-1908. 2006, 433 S. ISBN 3-03910-667-8

Bd. 6

Ildegarda Scheidegger Bokutotsusô. Studies on the Calligraphy of the Zen Master Musô Soseki (1275–1351). 2005, 207 S. ISBN 3-03910-692-9 / US-ISBN 0-8204-7563-7

Bd. 7

Samuel Guex Entre nonchalance et désespoir. Les intellectuels japonais sinologues face à la guerre (1930-1950). 2006, 300 S. ISBN 3-03910-829-8

Bd. 8

Satomi Ishikawa Seeking the Self. Individualism and Popular Culture in Japan. In Vorbereitung. ISBN 3-03910-874-3

Bd. 9

Helmut Brinker Laozi flankt, Konfuzius dribbelt. China scheinbar abseits: Vom Fussball und seiner heimlichen Wiege. In Vorbereitung. ISBN 3-03910-890-5