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German Pages 333 Year 1997
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 724
Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland
Von Georg Trapp
Duncker & Humblot · Berlin
GEORG TRAPP
Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 724
Das Veranlassungsprìiizip in der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland
Von
Georg Trapp
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Trapp, Georg: Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland / von Georg Trapp. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 724) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08995-2
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08995-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der RuhrUniversität Bochum im Sommersemester 1996 als Dissertation angenommen worden. Sie berücksichtigt Rechtsprechung und Literatur, die bis zum 31. Dezember 1995 erschienen ist. Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Rolf Grawert, der das Thema vorgeschlagen hat. Die Bearbeitung war wegen der großen Anzahl der juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Veröffentlichungen in der Zeit nach der Vereinigung Deutschlands nicht immer einfach, dafür aber wegen der Aktualität auch auf der politischen Ebene stets spannend. Die derzeitige Diskussion um die Lastenverteilung beweist die Weitsicht bei dem Vorschlag des Themas. Ferner hat Herr Professor Dr. Dr. h.c. Rolf Grawert durch kritische Anmerkungen und postwendende Bearbeitung meines Entwurfs die Fertigstellung der Arbeit gefordert. Mein aufrichtiger Dank gilt ebenso Herrn Professor Dr. Friedrich E. Schnapp für die Übernahme des Zweitgutachtens. Verschiedenen anderen wissenschaftlichen und politischen Institutionen, die bei der Stoffsammlung behilflich und zur Diskussion bereit waren, sei an dieser Stelle ebenfalls gedankt. Stellvertretend seien Herr Dr. Hans-Günter Henneke vom Deutschen Landkreistag und Herr Diplom-Volkswirt Clemens Esser vom Institut „Finanzen und Steuern" e.V. genannt.
Essen, im Juli 1996
Georg Trapp
Inhaltsverzeichnis Einleitung
19
Α. Neuverteilung der Finanzverantwortung
19
B. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
23
L Teil Die Finanzverfassung
36
A. Bedeutung der Finanzverfassung im Bundesstaat
36
B. Finanzverfassung - Begriffsverwendung und Inhalt
38
2. Teil Darstellung der Lastenverteilung A. Lastenverteilung nach Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG I. Begriffliche Klärung Π. Unproblematische Fälle nach Art. 104 a Abs. 1 GG ΙΠ. Ergänzungen des Art. 104 a Abs. 1 GG in Art. 104 a Abs. 2, 5 GG
41 41 41 41 45
1. Verwaltungskosten
45
2. Zweckausgaben bei Bundesauftragsverwaltung
45
3. Zweckausgaben bei Vollzug als eigene Angelegenheit
46
B. Andere Lastenverteilungsnormen I. Art. 120 Abs. 1 GG: Verteilung der Kriegsfolgelasten
46 47
Π. Art. 91a Abs. 4, 91 b S. 2 GG: Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben....47 ΙΠ. Art. 104 a Abs. 3 GG: Finanzierung des Vollzugs der Geldleistungsgesetze .48 IV. Art. 106 Abs. 8 GG: Sonderbelastungsausgleich
49
V. Art. 104 a Abs. 4 GG: Investitionshilfekompetenz
50
VI. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG: Bundesergänzungszuweisungen
51
C. Interpretation von Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG
52
Inhaltsverzeichnis
10
3. Teil Überblick über die Einnahmenverteilung
56
4. Teil Der Lastenverteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
60
A. Konnexität
60
B. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
67
I. Wortlautauslegung
67
Π. Systematische Auslegung
68
ΙΠ. Teleologische Auslegung
70
1. Grundsätzliche Probleme der Anknüpfungsmodelle 2. Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit a) Konkretisierung der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit
70 72 72
aa) Anknüpfung an Verwaltungstypen
72
bb) Anknüpfung an unmittelbar kostenverursachende Funktion
77
b) Diskussion der fxlr eine Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit vorgetragenen Argumente
78
aa) Entstehungsgeschichte
78
(1) Gesetzesbegründung
78
(2) Vorgängernormen
79
bb) Ausschließliche Lastentragung
80
cc) Einheitlicher Aufgabenbegriff.
84
dd) Verwaltungsökonomie
85
ee) Sicherung des Föderalismus
87
ff) Kostenverursachung
88
gg) Umkehrschluß aus Art. 120 Abs. 1 GG und Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 hh) Art. 29 Abs, 1 S. 1 GG 1976 (Art. 29 Abs. 1 S. 2 GG 1969) und Art. 109 Abs. 1 GG ii) Haushaltskontrollmöglichkeit j j ) Zwischenergebnis c) Übereinstimmende Argumente gegen die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit
91 92 93 93 93
aa) Bedeutungswandel des Staates
94
bb) Unitarisierung
94
Inhaltsverzeichnis
11
cc) Legislative Initialzündung
95
dd) Vollzugsbeeinflussung durch den Gesetzgeber
96
ee) Verwaltungsverzahnung
97
ff)
98
Schutzlosigkeit
gg) Rolle der Länder beim Gesetzesvollzug
99
hh) Politikfähigkeit der Länder
100
ii) Anerkannte Bereiche
102
( 1 ) Vollzug von Geldleistungsgesetzen
102
(2) Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes
103
(3 ) Bundesaufiragsverwaltung
107
(4) Entzug von Einnahmen
108
3. Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz
108
4. Aufgeteilte Finanzverantwortung
110
5. Anknüpfung an Sachverantwortung und Veranlassungsprinzip a) Ziele dieser Anknüpfungsmodelle
111 111
b) Unterschiede zwischen der Anknüpfung an die Sachverantwortung und dem Veranlassungsprinzip
114
c) Veranlassungsprinzip in wirtschaftswissenschaftlicher Diskussion
116
d) Kritik am Veranlassungsprinzip und an der Anknüpfung an die Sachverantwortung
121
aa) Überwiegend pauschale Kritik
121
bb) Unpraktikabilität
123
cc) Art. 104 a GG als Gesamtsystem
125
6. Qualität der Aufgaben als Maßstab fìir die Lastenverteilung
126
7. Ergebnis nach Darstellung der verschiedenen Ansichten
129
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969
129
I. Gesetzespositivistische Argumentation
130
Π. Welche Ansichten werden heute noch vertreten?
132
ΙΠ. Gegenwärtiger Rückgriff auf die Thesen der Diskussion um die Finanzreform 1969 D. Auswirkungen der Ansichten auf die Einnahmenverteilung I. Vom geltenden Recht vorgesehene Konsequenzen
134 139 139
Π. Von der Praxis gezogene Konsequenzen
141
Ή. Konsequenzen nach den anderen Ansichten
144
IV. Vergleich der Konsequenzen
146
12
Inhaltsverzeichnis
5. Teil Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG A. Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung
147 148
I. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG
148
Π. Art. 106 Abs. 8 GG
148
ΙΠ. Art. 120 Abs. 1 GG
148
IV. Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG V. Art. 104 a Abs. 4 GG
149 150
VI. Art. 104 a Abs. 2 GG
152
1. Ergänzungsfunktion
152
2. Bestätigung
153
3. Durchbrechung
155
4. Abwägung und Ergebnis
156
VE. Art. 104 a Abs. 3 GG
157
VHI Art. 104 a Abs. 5 GG
158
B. Konzessionen an die Länder
158
C. Anknüpfungsprinzipien der Durchbrechungen
160
I. Tendenzen zum Veranlassungsprinzip
160
1. Art. 104 a Abs. 2 GG
160
2. Art. 104 a Abs. 3 GG
162
3. Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG 4. Art. 106 Abs. 8 GG Π. Tendenz zur Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz
163 163 163
1. Art. 104 a Abs. 2 GG
163
2. Art. 104 a Abs. 3 GG
164
3. Art. 120 Abs. 1 GG D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
164 164
I. Verhältnis von Art. 104 a Abs. 3 GG zu Art. 104 a Abs. 2 GG
165
Π. Unstimmigkeiten bei Art. 104 a Abs. 3 GG
166
1. Entstehungsgeschichte
166
a) Vorschlag der Troeger-Kommission und der Bundesregierung
166
b) Kritik an diesem Vorschlag
168
c) Reaktionen auf diese Kritik
169
2. Folgen der jetzigen Regelung
169
3. Änderungsüberlegungen
172
Inhaltsverzeichnis
13
ΠΙ. Verhältnis von Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG zu Art. 120 GG
175
IV. Kennt Art. 104 a Abs. 5 GG seinerseits Ausnahmen?
175
1. Verhältnis von Art. 104 a Abs. 2 GG zu Art. 104 a Abs. 5 GG
176
2. Verhältnis von Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG zu Art. 104 a Abs. 5 GG. 178 E. Folgerungen
178
6. Teil Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder A. Aufgaben der Kommunen B. Grundsätzliches zum kommunalen Finanzierungssystem I. Quantitativfiskalischer Ansatz
182 182 184 184
Π. Qualitativ-(unmittelbar-)aufgabenbezogener Ansatz
185
Et. Zwischenergebnis
187
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung I. Folgen die landesverfassungsrechtlichen Normen für das Verhältnis Land - Kommunen dem Veranlassungsprinzip oder der Verwaltungsanknüpfung?
188
188
1. Für welche von den Gemeinden wahrzunehmenden Aufgaben gelten die landesverfassungsrechtlichen Normen?
192
2. Ist der Landesgesetzgeber verpflichtet, eine Kostentragungsregelung zutreffen?
195
3. Was bedeutet es, daß die Kostentragungsregelung gleichzeitig zu erfolgen hat?
197
4. Welchen Inhalt muß die Kostentragungsregelung haben?
199
a) Vergleich der Formulierungen
200
b) Gruppenuntersuchung
202
aa) Regelung in Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen bb) Regelung in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen
202 203
( 1 ) Finanzpolitische Richtlinie
203
(2) Deckungspflicht
205
(3) Deckungspflicht nur fur Ausnahmefälle
208
cc) Regelung in Bayern, Saarland, Schleswig-Holstein 5. Ergebnis
210 210
14
Inhaltsverzeichnis
Π. Sollten die landesverfassungsrechtlichen Normen für das Verhältnis Land-Kommunen durch Art. 104 a Abs. 1,2, 5 GG interpretiert werden? ...211 1. Contra
211
2. Pro
213
3. Ergebnis
215
ΠΙ. Handhabung der landesverfassungsrechtlichen Normen durch den Landesgesetzgeber 215 IV. Sind die landesverfassungsrechtlichen Normen bei Einschaltung der Kommunen in die Wahrnehmung von Bundesaufgaben (kommunaler Vollzug der Bundesgesetze) anwendbar?
216
1. Finanzverantwortung bei Weiterleitung der Vollzugsaufgabe durch das Land an die Kommunen 216 2. Finanzverantwortung bei bundesgesetzlichem Aufgabenübertragungsakt an die Kommunen 217 a) Kein Fall der an die Aufgabenübertragung gebundenen landesverfassungsrechtlichen Normen
218
b) Anwendbarkeit der landesverfassungsrechtlichen Normen
219
c) Ergebnis
221
7. Teil Veranlassung A. Kausalitätstheorien I. Äquivalenztheorie
222 222 222
Π. Adäquanztheorie
223
ΙΠ. Theorie der unmittelbaren Verursachung
224
IV. Übertragung der Kausalitätstheorien auf die Kostenentstehung beim Gesetzesvollzug
225
V. Folgerungen B. Veranlassung - Definitionsansätze I. Grundgesetzliche, dem Veranlassungsprinzip folgende Normen
226 226 226
1. Art. 106 Abs. 8 GG (Sonderbelastungsausgleich)
227
a) Interpretation Veranlassen einer Einrichtung
227
aa) Rechtsform der Veranlassung
227
bb) Kausalität oder Finalität
229
b) Verallgemeinerungsfähigkeit
230
Inhaltsverzeichnis
15
2. Art. 104 a Abs. 2 GG (Lastenverteilungsnorm für Vollzug der Bundesgesetze in Auftragsverwaltung) 232 3. Art. 104 a Abs. 3 GG (Lastenverteilungsnorm für Vollzug der Bundesgeldleistungsgesetze) 233 4. Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG (Revisionsklausel)
233
5. Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG (Mehrbelastungsausgleich)
234
6. Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 (Sicherungsklausel)
236
Π. Einfachgesetzliche, dem Veranlassungsprinzip folgende Normen
238
1. §§5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Landbeschaffungsgesetz
238
2. § 14 Abs. 3 FStrG
239
3. Kostenverteilung bei der Herstellung von Kreuzungsanlagen
240
4. Ergebnis
241
C. Folgerungen
242
8. Teil Gemengelage bezüglich kosten relevanter Veranlassungsmomente A. Auf Bundesebene I. Bundesgesetzgeber
244 245 245
1. Ausfuhrungsbedürftigkeit
245
2. Handlungsformen rechtsnormativer Einflußnahme
245
3. Inhaltliche Ausgestaltung der Einflußnahme
246
Π. Ingerenzrechte der Bundesexekutive B. Auf Landesebene
247 248
I. Unmittelbare Landesverwaltung
248
Π. Mittelbare Landesverwaltung
249
1. Schlichte Aufgabenüberweisung
249
2. Aufgabenübertragung durch ein Ausführungsgesetz
250
3. Aufgabenübertragung durch die ein Bundesrahmengesetz konkretisierende landesrechtliche Normierung
250
C. Auf kommunaler Ebene (= Vollzugsebene)
251
D. Verwaltungsexterne Einflußfaktoren
252
E. Ergebnis
252
Inhaltsverzeichnis
16
9. Teil Kosten der Gesetze
254
A. Definition „Kosten der Gesetze"
254
I. Kosten und Ausgaben
254
Π. Differenzierung hinsichtlich entstehender Kosten
256
B. Berechnung der Kosten der Gesetze
259
I. Forschungsansätze und Schwierigkeiten
259
Π. Unzureichende Statistiken
262
ΙΠ. Allgemeine Ansätze für eine empirische Erhebung
263
1. Gesetzestypen
263
2. Normenkategorien
266
IV. Ermittlungshilfen für die Bestimmung der Kosten der Gesetze
267
1. Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern bei Mischfinanzierungstatbeständen 268 2. Kostenprognoseverpflichtung im Gesetzgebungsverfahren C. Verteilung der berechneten Kosten der Gesetze
269 274
10. Teil Auswirkungen des Veranlassungsprinzips und Alternativen A. Auswirkungen des Veranlassungsprinzips B. Alternative Finanzierungs- und Sachkompetenzverteilung
276 276 278
I. Abbau der Mischfinanzierungstatbestände
278
Π. Größere Steuerautonomie
279
ΠΙ. Erteilung von Verursachungskompetenzen an den Kostentragungspflichtigen
279
1. Verlagerung der Entscheidung über den Anfall von Ausgaben
280
2. Re-Föderalisierung der Gesetzgebung
280
C. Anderweitige Alternativen I. Privatisierung von bisher öffentlichen Aufgaben
282 282
Π. Bundesratszustimmungserfordernis erweitern
282
DI. Neugliederung des Bundesgebietes
283
Inhaltsverzeichnis
17
IL Teil Neuinterpretation oder Verfassungsänderung A. Grundgesetz: Verhältnis Bund - Länder I. Streichung von Art. 104 a Abs. 2 GG Π. Beibehaltung von Art. 104 a Abs. 1 GG ΠΙ. Streichung Art. 104 a Abs. 3, 5 GG B. Länderverfassungen: Verhältnis gegenüber den Kommunen
285 287 287 287 288 288
I. Landesaufgaben beziehungsweise Aufgabenübertragung durch das Land ...288 Π. Bundesaufgaben beziehungsweise Aufgabenübertragung durch den Bund..289 Schlußbemerkung
290
Literaturverzeichnis
292
Stichwortverzeichnis
329
2 Trapp
Einleitung Α. Neuverteilung der Finanzverantwortung Nach der in Art. 104 a Abs. 1 GG normierten - als Konnexitätsgrundsatz bezeichneten - Lastenverteilungsregelung tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Verteilung der Finanzverantwortung ist abhängig von der grundgesetzlichen Verteilung der Sachkompetenzen. Bund und Ländern werden für die Umsetzung eines Sachanliegens unterschiedliche Funktionen zugeordnet (funktionaler Föderalismus) 1. In Art. 70 ff. GG werden die Gesetzgebungsbefugnisse verteilt. Zwar stellt Art. 70 Abs. 1 GG eine Vermutung für die Länderzuständigkeit auf 2 . Die Verfassungswirklichkeit wird jedoch von einem entgegengesetzten Bild geprägt: Die Mehrzahl der Sachgebiete ist bundesgesetzlich geregelt 3. Die Länder fuhren die Bundesgesetze nach Art. 83 ff. GG aus. Im Bereich der Verwaltung finden die Länder das Schwergewicht ihres staatlichen Wirkens 4. Da die Ausführung der Bundesgesetze zu den Aufgaben der Länder gehört 5, haben sie nach Art. 104 a Abs. 1 GG die Vollzugskosten zu tragen, es sei denn, es handelt sich um einen Fall der Bundesauftragsverwaltung, für den Art. 104 a Abs. 2 GG eine Bundesfinanzverantwortung vorsieht. Folglich
1 Hesse/Renzsch, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 29, 29; Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1232; Schoch/Wi eland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 54, 93. 2
BVerfGE 10, 89, 101; 12, 205, 228; 26, 246, 254; 42, 20, 28.
3
Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 70, Rn. 1; Stem, Staatsrecht, Band I, 1984, S. 677; v. Münch, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 70, Rn. 6 m.w.N.; Hendler, ZG 1987, 210, 211 f.; Herzog, BayVBl. 1991, 513, 514 („faktisches Gesetzgebungsprimat des Bundes"). 4 Lerche, in: MDHS, Art. 83 (1983), Rn. 4; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 12. 5 BVerfGE 55, 274, 318; 37, 363, 385.
20
Einleitung
kann der Bund, sofern die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, durch Ausübung von Gesetzgebungszuständigkeiten bei den Ländern Kostenlasten veranlassen6. Dieser Zustand der Lastenverteilung wird beklagt7, weil die Einnahmen zur Deckung der durch die Verwaltungstätigkeit bedingten Ausgaben nicht ausreichen. Es wird kritisiert, daß die Länder zu „Kostgängern" des Bundes geworden sind8. Trotzdem werden Verschiebungen bei der Lastenverteilung kaum erörtert 9. Bisherige Vorschläge und Forderungen an den Bund zu der Frage, welche Änderungen notwendig sind, um dem Bund sein kostenverursachendes Verhalten zu verdeutlichen, betreffen zumeist die Einnahmenseite10. Es wird gefordert, die Länder mit einer dem Kostenumfang des Vollzugs der Bundesgesetze entsprechenden Finanzmasse auszustatten. Im Rahmen der Verteilung der Steuerquellen und der Steuereinnahmen wird über eine Rückführung von Steuern unter die Hoheit der Länder 11 sowie über Hebesatzrechte und Ergän-
6 Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, BandlH, 1983, Art. 104 a, Rn. 6; Lerche, in: MDHS, Art. 83 (1983), Rn. 54, Art. 85 (1987), Rn. 8; Sannwald, ZRP 1993, 103, 103; Schoch, ZRP 1995, 387, 387; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 18, 170; Studienkommission der Finanzministerkonferenz, BT/DS 2/480 (1954), S. 213; Friauf in: Starck, BVerfG und GG, Bandii, 1976, S. 300, 324; Schneider, H.-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3, 6, 7; Birk, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 85, 85; Wieland, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 110, 111; Wieland, in: Senator fur Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 218 f.; zu Art. 107, S. 3 GG 1949, bereits Fischer-Menshausen, DÖV 1952, 673, 675. 7
Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 b ff.
8
Schneider, H.-P., in: Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 239, 242; Schneider, H.-P., NJW 1994, 2448, 2450. 9
Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 57; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 5, 23 f. 10
Eine Ausnahme bildet der Bereich der Geldleistungsgesetze (Art. 104 a Abs. 3 GG); siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 c ii (1); Dönges, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 68; Badura, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 3, 5, 17. 11
Dafür: Hühnerfeld, der städtetag 1974, 302, 303; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 5 f., 28 ff.; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 104, Rn. 43; Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 3; Konferenz der Präsident (inn) en der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991, Nds/LT/DS 12/2797 (1991), S. 23; Peffekoven, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, 485, 505 f.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1990/91, Tz. 432 ff., 438 ff.; 1991/92, Tz. 324 ff.;
Α. Neuverteilung der Finanzverantwortung
21
zungsabgaben der Länder an Bundessteuern 12 nachgedacht13. Beim Finanzausgleich sei eine Neuverteilung der Gemeinschaflssteuern zugunsten der Länder möglich, um eine bessere Finanzausstattung herzustellen 14. Auf diese Hendler, DÖV 1993, 292 ff.; Wendt, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 56, 71 ff ; Lensch, in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 114; dagegen: Birk, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 85, 87; Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2455; Benz, DÖV 1991, 586, 597. 12
Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1187; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1990/91, Tz. 432 ff, 437, 454; 1991/92, Tz. 325; Wagener, DVB1. 1991, 152, 153; Peffekoven, FA n.F., Band 45 (1987), S. 181, 223; Lhotta, ZParl 1991, 253, 279; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen OrdnungBericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 52 ff; Littmann, Staats Wissenschaften und Staatspraxis 1991, 31, 40 ff; Littmann, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 53, 60; Bundesministerium für Finanzen, wissenschaftlicher Beirat, Gutachten zum Länderfinanzausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 47 (1992), S. 92 ff 13
Vergleiche auch: Kilian, JZ 1991, 425, 426 und 429 f.; Blasius, DÖV 1992, 18, 23 f.; Barbarino, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 81, 87 f.; Band 55 (1975), S. 103, 103; Sachverständigenkommission „Umsatzsteuerverteilung", Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Band 30 (1981), Tz. 9. 14
Mit dieser Forderung haben sich die Länder zuletzt zweimal durchsetzen können: Erhöhung des Länderanteils an der Umsatzsteuer - um 2 % auf 37 % für 1993/94 (vergleiche Art. 3 Nr. 1 Gesetz zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheit" vom 16.03.1992, BGBl. I, S. 674), was einen Einnahmengewinn beziehungsweise Einnahmenverlust von fast 8 Mrd. DM ausmacht (vergleiche Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1191); - um 7 % auf 44% ab 1995 (vergleiche Art. 33 § 1 Abs. 1 Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.06.1993, BGBl. I, S. 944, 977), was einen Einnahmengewinn beziehungsweise Einnahmen Verlust von etwa 14 Mrd. DM (vergleiche Häde, JA 1994, 33, 42) beziehungsweise 17,5 Mrd. DM ausmacht (vergleiche Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1993/94, Tz. 166; Renzsch, ZParl. 1994, 116, 124; Hüther, Wirtschaftsdienst 1993, 43, 47); im Gesetzgebungsverfahren forderte der Bundesrat wegen der Einbeziehung der fünf neuen Länder in den bundesstaatlichen Finanzausgleich ab 1995 sogar eine 8 %-ige Erhöhung, was Mindereinnahmen des Bundes für 1995 in Höhe von 20 Mrd. DM (vergleiche Renzsch, ZPral 1994, 116, 124) beziehungsweise 26,7 Mrd. DM ausgemacht hätte (vergleiche BT/DS 12/4748 (1993), S. 123, 127, 128; 12/4750 (1993), S. 5, 9, 10); demgegenüber wollte die Bundesregierung wegen der einigungsbedingten Sonderlasten den Anteil des Bundes für 1995 auf 67,5 % und für 1996 auf 68 % erhöht sehen (vergleiche BT/DS 12/4401 (1993), S. 34 f., 106); zum Abstimmungsprozeß insgesamt Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 336; es liegt ein weiterer Gesetzesentwurf vor, wonach der Länderanteil wegen der Folgen des Familienlastenausgleichs für die Länderhaushalte nochmals um 5,5 % auf dann 49,5 % angehoben werden soll, was nach aktuellen Berechnungen Einnahmeverluste des Bundes in Höhe von 13,8 Mrd. DM für 1996 und 14,5 Mrd. DM für 1997 ausmachen würde (vergleiche BT/DS 13/2246 (1995), S. 1; 13/2368 (1995), S. 2).
22
Einleitung
Aspekte wird in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen, weil bereits auf der vorrangigen Stufe der Lastenverteilung angesetzt werden soll. Es wird untersucht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Veranlassungsprinzip eine Alternative zur jetzt praktizierten Lastenverteilung sein kann, in welche Normen es Eingang gefunden hat und welche Rückschlüsse daraus für eine generelle Neuregelung der Ausgabenverteilung gezogen werden können. Die im Zusammenhang mit der Finanzsituation der Länder stehenden Überlegungen zur Neugliederung des Bundesgebietes15 werden nicht angesprochen. Ausgeklammert sind ferner Überlegungen, die Aufgabenkompetenzen sei es die Qualifizierung der Sozialhilfe als Bundesaufgabe oder die Übernahme der Gemeinschaftsaufgaben durch die Länder - zu verschieben 16. Die derzeitige Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern wird als festes Datum dieser Arbeit zugrunde gelegt, obwohl zu berücksichtigen ist, daß Defizite im materiellen Gehalt der föderativen Struktur unmittelbar auf die Finanzordnung durchschlagen 17. Empfehlungen im Hinblick auf notwendige Einsparungsmaßnahmen und Haushaltskonsolidierung ergeben sich nur als Reflex 18, sind aber nicht primär Gegenstand der Untersuchung. Unberücksichtigt bleiben letztlich Zuschüsse, die der Bund gemäß Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe trägt 19 . Zwar handelt es sich bei den sozialrechtlichen Parafisci um öffentliche Haushalte mit beträchtlichen Finanzmassen, die jedoch nicht in den allgemeinen staatlichen Haushalt eingestellt werden und deshalb hier auszuscheiden sind.
15
Siehe Nachweise im 10. Teil C m.
16
Vergleiche dazu: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Finanzierung der Deutschen Einheit, 1992, S. 20 f.; Benz, DÖV 1991, 586, 595 f.; siehe 10. Teil Β I und ΠΙ. 17
Wendt, Staats Wissenschaften und Staatspraxis 1993, 56, 59.
18
Vergleiche: Boss, in: Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 79, 95 f.; Gesetzgebungs- und Beratungsdienst beim niedersächsischen Landtag, Gutachten zur Zulässigkeit der vorgesehenen Kreditaufnahme des Landes Niedersachsen sowie zur Frage, wie die Staatsverschuldung begrenzt werden kann vom 12.07.1995, S. 58 f., 69 f. 19 Vergleiche insoweit: Gößl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992; Kirchhof, F., in: Isensee/Kirchhof HStR, Band IV (1990), § 93.
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
23
B. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands Seit 1969 sind - abgesehen von der Ergänzung durch Art. 106 a GG betreffend Bundeszuschüsse für öffentlichen Personennahverkehr der Länder 20 keine Verfassungsänderungen im Zehnten Abschnitt vorgenommen worden 21. Die wissenschaftliche Diskussion über Änderungen im Finanzwesen war zurückgegangen. Nach der Finanzreform 1969 erschienene Beiträge beschränken sich auf deskriptive Analysen der Finanzverfassung 22, während konzeptionelle Überlegungen fehlen 23. Eine Ausnahme bildet der Bereich der Einnahmenverteilung im Hinblick auf die Finanzbeziehungen sowohl im Bund-Länder-Verhältnis als auch der Länder untereinander. Einige Länder beklagten jeweils für sie ungünstige Regelungen im Finanzausgleichsgesetz24 und im Zerlegungsgesetz 25. Zur Entscheidung über die Vereinbarkeit kritisierter Normen mit Art. 107 GG ist das Bundesverfassungsgericht zweimal angerufen worden 26.
20
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993, BGBl. I, S. 2089.
21
Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 261; Henneke, der gemeindehaushalt 1994, 107, 107; Geske, DÖV 1985, 421, 421; Schneider, Harald, GS für Geck, 1989, S. 701, 10\, Maunz, BayVBl. 1993,449,449. 22 Vergleiche z.B.: Häde, JA 1994, 1 ff., 33 ff.; Birk, SteuerStud, 1987, 290 ff.; und die Kommentierungen zum Grundgesetz. 23 Heun, Der Staat, 1992, 205, 206 f.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1991/92, Tz. 324; 1992/93, Tz. 364; Singer, Blätter, 1993, 200, 204; Sannwald, ZRP 1993, 103, 104, 109; Hüther, Wirtschaftsdienst 1993,43,43. 24
Durch das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 28.08.1969 (BGBl. I, S. 1432) in der Fassung vom 28.01.1988 (BGBl. I, S. 94), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.06.1993 (BGBl. I, S. 944, 976), wird der Verfassungsauftrag aus Art. 106 Abs. 3, 4 GG (Festsetzung beziehungsweise Neufestsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer), aus Art. 106 Abs. 6 S. 5 GG (Verteilung des Länderanteils an der Gewerbesteuerumlage unter den Ländern), aus Art. 107 Abs. 1 S. 4 GG (Festsetzung von Ergänzungsanteilen aus dem Länderanteil an der Umsatzsteuer für finanzschwache Länder) und aus Art. 107 Abs. 2 GG (Finanzausgleich unter den Ländern und Gewährung von Ergänzungszuweisungen durch den Bund) erfüllt. 25
Das Gesetz über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommenund Körperschaftssteuer vom 25.02.1971 (BGBl. I, S. 145), zuletzt geändert durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14.12.1984 (BGBl. I, S. 1493, 1504), enthält für die Körperschafts- und Lohnsteuer nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Aufkommens (Art. 107 Abs. 1 S. 2 GG). 26 BVerfG, Urteil vom 24.06.1986; BVerfGE 72, 330 ff. (=NJW 1986, 2629 ff); vergleiche hierzu die Gutachten von: Kirchhof, P., Verfassungsauftrag zum Länderfi-
24
Einleitung
Zum einen stellte sich die Frage, inwieweit Sonderlasten (ζ. B. die Hafenlasten der Hansestädte), die bergrechtliche Förderabgabe, die Grunderwerbsteuer, die Feuerschutzsteuer, die Spielbankenabgabe, die gemeindlichen Einnahmen und die Theorie der mit der Zunahme der Einwohner steigenden Belastung (veredelte Einwohnerzahlen 27) bei der Bestimmung der Finanzlage eines Landes zu berücksichtigen sind. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß der Begriff der Finanzkraft umfassend zu verstehen sei und nicht allein auf die Steuerkraft reduziert werden dürfe. Die Einbeziehung von Sonderlasten sei grundsätzlich unzulässig; eine Ausnahme sei für die Sonderbelastungen aus der Unterhaltung und Erneuerung der Seehäfen zu machen. Zum anderen war der für Bundesergänzungszuweisungen in Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG enthaltene Begriff der „Leistungsschwäche" zu definieren. Sie ergäbe sich aus der Relation des die Ergebnisse des horizontalen Länderfinanzausgleichs einbeziehenden Finanzaufkommens eines Landes zu seinen allgemeinen und besonderen Ausgabenlasten. Desweiteren hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, daß die vertikalen Finanzbeziehungen nach Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG im Verhältnis zum horizontalen Finanzausgleich lediglich Ergänzungs-, keinesfalls Ersatzfunktion haben. Es wurde der Vergabemodus für die Bundesergänzungszuweisungen geklärt. Letztlich wurde festgelegt, in welchem Umfang der Bund beziehungsweise die finanzstarken Länder aufgrund des Prinzips des bündischen Einstehens füreinander 28 - auch unter dem Aspekt der Haushaltsnotlage eines Bundeslandes - verpflichtet sind, Leistungen an finanzschwache Länder zu erbringen. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht auf das dem Bundesstaat
nanzausgleich, 1982; Kisker, Bergrechtlicher Förderzins, 1983; Lerche/ Ρestalozza, Bergrechtliche Förderabgabe, 1984; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, 1984; Schuppert/Dahrendorf Aspekte des Länderfinanzausgleichs, 1984; Selmerl Brodersen, Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen, 1984; vergleiche auch die Stellungnahmen von: Peffekoven, FA η.F., Band 45 (1987), S. 181 ff.; Wieland, Jura 1988, 410 ff.; Donner, ZRP 1985, 327 ff.; Grawert, Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989; BVerfG, Urteil vom 27.05.1992; BVerfGE 86, 148 ff. (= DVB1. 1992, 965 ff.); dazu: Peffekoven, Wirtschaftsdienst 1992, 349 ff.; Bundesministerium für Finanzen, wissenschaftlicher Beirat, Gutachten zum Länderfinanzausgleich, Schriftenreihe, Heft 47 (1992); Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1992/93, Tz. 363 ff.; Geske, Wirtschaftsdienst 1993, 71 ff. 27 Sogenanntes Brecht'sches Gesetz; vergleiche: Peffekoven, in: Albers, HdWW, Band Π, 1980, S. 608, 631 f.; Wittmann, Einführung in die Finanzwissenschaft, Band I, 1975, S. 17. 28
Vergleiche Fischer-Menshausen, DÖV 1948, 57, 58.
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
25
des Grundgesetzes zugehörige Nivellierungsverbot 29 verwiesen. Danach dürfen Zahlungen im Rahmen des Finanzausgleichs wegen der Finanzautonomie der Länder im allgemeinen und der jeweiligen politisch autonomen Gestaltung der Landesfinanzen im besonderen nicht zu einer vollständigen Egalisierung der finanziellen Situation der Länder, sondern nur zu einem angemessenen Ausgleich führen. Ferner sei das sich aus dem Bundesstaatsprinzip und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ergebende föderative Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Danach ist der Bund zur Gleichbehandlung der leistungsschwachen Länder verpflichtet, wenn die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen das Ziel hat, deren Finanzkraft allgemein anzuheben. Zahlungen wegen Sonderlasten sind allen Ländern zu gewähren, bei denen sie vorliegen. Zu Umfang und Bemessung der Ausgleichszuweisungen im Länderfinanzausgleich (§§ 6 Abs. 1, 10 Abs. 2, 3 FAG) hatte das Land Baden-Württemberg ein weiteres Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht30. Der Antrag wurde aber nach Abschluß des Föderalen Konsolidierungsprogramms 31, dem auch Baden-Württemberg zugestimmt hat, zurückgezogen 32. Die dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten und von ihm entschiedenen Fragen sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit, weil sie primär die Einnahmenverteilung und Detailprobleme der Beziehungen der Länder untereinander betreffen. Die Vereinigung Deutschlands am 03.10.1990 hat Bewegung in die Diskussion um Lastenverteilung und Finanzausstattung gebracht 33. Die Einbeziehung der neuen Bundesländer wurde als der maßgebliche Reformanlaß angesehen, obwohl der Reformbedarf seine Ursachen auch außerhalb des Ereignisses der Vereinigung Deutschlands hat 34 . Es wurde vorgeschlagen, die Gele29 Vergleiche: BVerfGE 1, 117, 131; 72, 330, 398, 404; Vogel, K., in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, §87, Rn. 36; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 104, Rn. 88. 30
Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1182 (Fn. 2) und 1189 (Fn. 63) (es handelt sich um das durch Rücknahme des Antrags beendete Verfahren 2 BvF 2/92). 31
Gesetz zur Umsetzung 23.06.1993, BGBl. I, S. 944 ff. 32
Peffekoven,
des Föderalen
Konsolidierungsprogramms
vom
FA n.F., Band 51 (1994), S. 281, 289 f.
33
Busse, DÖV 1991, 345, 352; Tiemann, S., in: Schemmel/Borell, Verfassungsgrenzen, 1992, S. 5. 34
Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 67; Rubel, JA 1992, 265, 265-267; Ossenbühl, DVB1. 1992, 468, 472; Heilmann, in: Wegner, Finanzausgleich, 1992, S. 45, 78 f.; Peffekoven, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 11; Hesse, H., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993,43,43.
26
Einleitung
genheit zu einer generellen Reform der Finanzverfassung zu nutzen. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer sollten nicht nur „kosmetische" Operationen am derzeitigen System vorgenommen werden 35. Trotzdem beschränkte sich ein Großteil der Veröffentlichungen auf die Gestaltung der vorläufigen Finanzierung der Aufgaben in den neuen Bundesländern. Die Regelungen im Gefolge der deutschen Einheit fur den Übergangszeitraum von 1990 bis 1994 wurden dargestellt und kommentiert 36 . Auf sie wird hier nicht eingegangen, weil Fragen im Zusammenhang mit der Integration der fünf neuen Bundesländer in den Finanzausgleich nach dem Auslaufen der Übergangsregelungen zum 31.12.1994 durch das Föderale Konsolidierungsprogramm 37 abgeschlossen worden sind. Der Vorschlag, den Zeitraum der gesonderten Einnahmezuweisungen an die fünf neuen Länder zu verlän-
35
Weber, Wolf, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 75, 77; Hardt, in: Hardt/ Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VÏÏ, 1992, S. 17, 18 f., 51 f.; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1183; Peffekoven, Wirtschaftsdienst 1990, 346, 351; Peffekoven, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, 485, 487, 501; Korioth, DVB1. 1991, 1048, 1057; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform ", Zwischenbericht, 1992, S. 2; Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 311 (1992), S. 99; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1991/92, Tz. 324 ff.; Henke, Finanzbeziehungen Sept. 1992, S. 28; Henke! Schuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 16; anderer Ansicht: Bundesministerium für Finanzen, Thesenpapier zur Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen vom 08.09.1992, Punkt 3.5.1; Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms BT/DS 12/4401 (1993) (=BR/DS 121/93); das Bundesministerium für Finanzen wird von Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 188 f. als zu kurzatmig kritisiert, da der Blick in die zukünftige Gestaltung des Bundesstaates fehle. 36
Geske/Milbradt/Krupp/Freiherr von Waldenfels/Schmidt, jeweils in Wirtschaftsdienst 1991, 33 ff., 59 ff., 63 ff., 67 f., 343 ff.; Schmidt-B leibtreu /Engel/Selmer/Wendt, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Bandi, 1991, S. 161 ff., 169 ff., 189 ff., 213 ff.; Patzig, DÖV 1991, 578 ff; Henneke, Jura 1991, 230, 234 ff; Peffekoven, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, 485, 488 ff.; Peffekoven, Wirtschaftsdienst 1990, 346 ff; Eckertz, DÖV 1993, 281, 285 ff; Klein, Franz, ThürVBl. 1992, 49, 49 ff.; Franke, StuW 1991, 311, 311 ff.; Franke, VerwArchiv 1991, 526, 526 ff.; Franke, DVP 1992, 277, 277 ff. Fuest/Lichtblau, Finanzausgleich, 1991; Fuest, Finanzierung der Deutschen Einheit, 1991; Klatt, ZBR 1992, 225, 225 ff; Korioth, DVB1. 1991, 1048 ff; Lensch, in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 107 ff.; Milbradt, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1991, 304 ff.; Badura, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 3, 6 ff. 37 Gesetz zur Umsetzung 23.06.1993, BGBl. I, S. 944 ff.
des Föderalen
Konsolidierungsprogramms
vom
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
27
gern 38 , ist nicht aufgegriffen worden. Obwohl das Modell der korrekturlosen Übertragung des Finanzausgleichsmechanismus auf alle Länder als wenig erfolgversprechend galt 39 und sich verschiedene Stimmen fanden, das bislang praktizierte System nicht weiterzufuhren 40, sind die Finanzierungsfragen mit den marginal modifizierten geltenden Regeln angegangen worden 41. Im übrigen ist die finanzielle Bewältigung der Vereinigung Deutschlands von der Schaffung eines leistungsfähigen Finanzausgleichssystems zu trennen, weil die vereinigungsbedingten Kosten zeitlich begrenzt sind 42 . Die Kommission Verfassungsreform des Bundesrates hat zu Fragen der Verteilung der Finanzverantwortung keine Stellung genommen, sondern den Bereich „Fortentwicklung der Finanzverfassung" der Finanzministerkonferenz zugewiesen43. Daraufhin setzte die Konferenz der Finanzminister und Finanzsenatoren am 12.09.1991 die Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995" ein und beschloß am
38
Kisker, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 117, 137; BW-Kommission „FinanzverfassungsreformZwischenbericht, 1992, S. 84, 85; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 58 f.; Stern, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 171; Inhester, NVwZ 1993, 137, 141; Geske, Wirtschaftsdienst 1992, 250, 259; warnend Eickel, WSI-Mitteilungen, 1992, 563, 570 ff; dagegen: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1992/93, Tz. 364; Bundesministerium für Finanzen, wissenschaftlicher Beirat, Gutachten zum Länderfinanzausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 47 (1992), S. 41; Henke, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 10, 22; Eckertz, DÖV 1993, 281, 284 und ZRP 1993, 297, 298 mit dem Hinweis darauf, daß es zu einer Verlängerung der Geltungsdauer des Art. 7 Einigungsvertrag einer Verfassungsänderung bedurft hätte; kritisch auch Kilian, JZ 1991, 425, 430 (Fonds „Deutsche Einheit" und „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" können nur vorübergehenden Charakter haben); vergleiche aber Selmer, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 231,237. 39
Weber, Wolf, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut fiir Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 75, 77. 40
Wieland, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 110, 110.
41
Peffekoven, FA n.F., Band 51 (1994), S. 281, 290; Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331,336. 42
Kirchhof F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71, 75; Vogel, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 132 f.; Starck, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 139; Schneider, H.-P., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 173; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut fiir Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 56; Rennert, Der Staat, 1993, 269, 277; Schneider, H-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3, 8; Voscherau, in: Stem, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 29, 36; Geske, Wirtschaftsdienst 1992, 250, 250. 43
Kommission „ Verfassungsreform " des Bundesrates, Einsetzungsbeschluß vom 01.03.1991, BR/DS 103/91; Bericht vom 14.05.1992, BR/DS 360/92, Tz. 1.
28
Einleitung
05.12.1991 ein umfangreiches Arbeitsprogramm 44. Im Kontrast zu dem weitreichenden reformerischen Ansatz war das mehrheitliche Ergebnis, daß von einer Änderung des Grundgesetzes abgesehen werden sollte45. Art. 104 a Abs. 1, 2 GG und die grundgesetzlichen Mischfinanzierungstatbestände (Art, 91 a, b, 104 a Abs. 4 GG) hätten sich bewährt. Nur für die Finanzierung des Vollzugs der Geldleistungsgesetze (Art. 104 a Abs. 3 GG) wurde eine stärkere Bundesbeteiligung überlegt 46. Letztlich blieben diese wie andere Bereiche zugunsten der Entwicklung einer einheitlichen Länderposition für den Finanzaùsgleich unter Einbeziehung der neuen Bundesländer ab Ende 1992 unberücksichtigt 47. Nachdem die Vorschläge der Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995" bei den Solidarpaktverhandlungen im März 1993 Eingang gefunden haben in das Föderale Konsolidierungsprogramm 48, sieht sie ihre Arbeit als beendet an 49 . Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat 50 hat zunächst bezweifelt, ob und in welchem Umfang sie beauftragt ist, zur Reform der Finanzverfassung Stellung zu nehmen51. Sie hat den Bereich Fi-
44
Renzsch, ZParl. 1994, 116, 122.
45
Stauch/Klusewitz/Gurgsdies, in: Senator fiir Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 13. 46
Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995", Beratungsergebnisse Erste Lesung Themenbereich 12 (November 1992): Lastenverteilungsgrundsätze; Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995", Beratungsergebnisse Erste Lesung Themenbereich 13 (Mai 1992): Mischfinanzierungen (= GVK-Arbeitsunterlage Nr. 43). 47
Stauch/Klusewitz/Gurgsdies, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 14. 48
Gesetz zur Umsetzung 23.06.1993, BGBl. I, S. 944 ff.
des Föderalen
Konsolidierungsprogramms
vom
49 Vergleiche: Stauch/Klusewitz/Gurgsdies, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 13; Carl, BundLänder-Finanzausgleich, 1995, S. 151 ff. 50
Ihre Einsetzung erfolgte durch die Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat vom 28./29.11.1991; vergleiche Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte, 12. Wahlperiode, 61. Sitzung, 28.11.1991, S. 5250 ff., 5260; Bundesrat, BR/DS 741/91; zu den Beschlußempfehlungen vergleiche BT/DS 12/415 (1991); 12/563 (1991); 12/567 (1991); 12/787 (1991); 12/1590 (1991); 12/1670 (1991) sowie BR/DS 740/91; am 01.07.1993 Schloß sie ihre Beratungen ab, die Beschlußfassung über den Bericht (= BT/DS 12/6000 (1993)) erfolgte in der 26. Sitzung am 28.10.1993; vergleiche zur Diskussion im Vorfeld die Nachweise bei: Schemmel/Borell, Verfassungsgrenzen, 1992, S. 44 ff. Fn. 19-29; Klatt, ZBR 1992, 225, 233 Fn. 49; GVK, Bericht, BT/DS 12/6000(1993), S. 6. 51
Scholz, GVK, Stenographischer Bericht, 9. Anhörung, 06.05.1993, S. 1.
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
29
nanzwesen mehrfach verschoben 52, dann hintangestellt53 und zuletzt beschlossen, sich mit diesem Themenkreis nicht mehr zu befassen 54. Dieses Verhalten ist zu kritisieren, da von der Gemeinsamen Verfassungskommission erwartet wurde, Weichen für die zukünftige finanzielle Gestaltung des Bundesstaates zu stellen55. Zumindest hätte sie Zielempfehlungen für die nach ihrem Vorschlag56 zu konstituierende Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiten müssen57. Zwar nennt Art. 5 Einigungsvertrag als Beratungsthema nur allgemein das Bund-Länder-Verhältnis. Auch sind die genannten Bereiche nicht zwingend
52 Scholz, GVK, Stenographischer Bericht, 9. Anhörung, 06.05.1993, S. 1; Voscherau, GVK, Stenographischer Bericht, 22. Sitzung, 13.05.1993, S. 1; Scholz, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 5, 9, 14, 15 mit Verweis auf die zeitliche Komponente („Bis zum 31.03.1993 sei ein Gesamtentwurf für die Finanzverfassung nicht erstellbar gewesen"); Voscherau, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 29, 35 ff. hält die GVK für nicht in der Lage, einen Verfassungstext zu erarbeiten, der Art. 104 a GG ersetzen könnte; vergleiche GVK, Bericht, BT/DS 12/6000(1993), S. 114 f. 53
Scholz, GVK, Stenographischer Bericht, 4. Sitzung, 02.04.1992, S. 21; 5. Sitzung, 07.05.1992, S. 10. 54 Einstimmiger Beschluß der GVK, Stenographischer Bericht, 23. Sitzung, 27.05.1993, S. 3; Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 114; unter Verweis darauf, daß weder die Länderfinanzminister noch die Bundesregierung Diskussionsbedarf gesehen hätten; in den Beratungen zur Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen und zur kommunalen Selbstverwaltung ist die GVK noch davon ausgegangen, finanzielle Aspekte separat zu behandeln; vergleiche: Jahn, GVK, Stenographischer Bericht, 7. Sitzung, 04.06.1992, S. 18; Benz, DÖV 1993, 881, 887; Stetten, FS für Heimlich, 1994, S. 303, 303,311. 55
Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 189; Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 352; Selmer, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 231, 240, 248 f.; Selmer und Wendt, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 14, 25 f.; Schoch, ZRP 1995, 387, 387; Peffekoven, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 66; Peffekoven, FA n.F., Band 51 (1994), S. 281, 309; Klatt, in: Greß, Die Rolle der Bundesländer, 1992, S. 95, 114 f.; Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 26; Incesu, Kritische Justiz, 1993, 475, 482 ff., 484; Schneider, H.-P., NJW 1994, 558, 559; Rubel, JA 1993, 296, 303; Wegner, GVK, Stenographischer Bericht, 23. Sitzung, 29.05.1993, S. 3; Voscherau/Hartwig/Recker/ Renzsch, jeweils in: Das Parlament 2/1994, S. 3, 13, 14, 14; ihr Bedauern äußern Scholz und Voscherau, jeweils in: Aus Politik und Zeitgeschichte Β 52-53/1993, S. 3, 4 und, S. 5, 5; zu den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände vergleiche Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 71 ff. 56
GVK, Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 115.
57
Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61,
121.
30
Einleitung
zu bearbeiten 58. Aber im Gemeinsamen Beschluß der Ministerpräsidenten vom 05.07.1990 (sogenanntes Eckpunktepapier) kam das Anliegen deutlich zum Ausdruck, die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern zu überprüfen 59. Auch Art. 31 § 2 Abs. 2 Gesetz zum Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion dokumentiert den übereinstimmenden Willen, mit Wirkung ab 01.01.1995 die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen 60. Vorschläge für eine Reform der Finanzverfassung enthält der Beschluß der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Deutschen Länderparlamente vom 24.09.199161. Danach sollen Bund und Länder die Ausgaben, die sie durch ihre politischen Entscheidungen veranlassen, jeweils selbst tragen 62. Die Vereinigung der Staatsrechtslehrer hat sich auf der Tagung 1992 mit Hilfe der Referate von Peter Selmer 63 und Ferdinand Kirchhof 6 4 mit der Finanzverfassung befaßt 65. Dabei thematisierte Selmer primär die horizontalen Probleme des Finanzwesens. Er ging der Frage nach, was aus dem Grundsatz der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" auch im Hinblick auf die Entwicklung in den neuen Bundesländern zu folgern sei. Desweiteren beschäftigte er sich mit dem im Rahmen des Länderfinanzausgleichs bestehenden Spannungsverhältnis zwischen Eigenstaatlichkeit der Länder und bündischer Solidarpflicht. Kirchhof unterschied zunächst zwischen einer vereinigungsbedingten Übergangsverfassung und der Finanzverfassung der Normallage. Parallel zur Be58
Busse, DÖV 1991, 345, 352; Rubel, JA 1992, 265, 266; vergleiche zum sogenanntes „Selbstbefassungsrecht": Jahn, F.-A., DVB1. 1994, 177, 177; GVK, Bericht, BT/DS 12/6000(1993), S. 10. 59 Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 3; Sannwald, ZRP 1993, 103, 104; Wendt, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 26. 60
Bundesregierung, BT/DS 11/7350 (1990), S. 50.
61
Konferenz der Präsident (inn) en der deutschen Länderparlamente, 24.09.1991, Nds/LT/DS 12/2797 (1991), S. 22 ff. (25, 28). 62
Beschluß vom
Vergleiche auch: BW-Kommission „Finanzverfassungsreform Zwischenbericht, 1992, S. 5 („Koppelung von Regelungskompetenz und Finanzierungsverantwortung"); Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 4 („Konkordanz zwischen Gesetzgebungszuständigkeit und finanzieller Lastentragung"); Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 23. 63
Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10 ff.
64
Kirchhof
65
Zusammenfassung der Referate bei Morlok, NJW 1993, 906 ff.
F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71 ff
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
31
wältigung der Folgen aus der Vereinigung Deutschlands sei die Finanzverantwortung stärker am Verursacherprinzip auszurichten und das Einnahmesystem insbesondere im Hinblick auf Bundesergänzungszuweisungen, Sonderlasten und die Maßstäbe für die Umsatzsteuerverteilung zu reformieren. Der 61. Deutsche Juristentag im September 1996 in Karlsruhe wird sich mit dem Thema befassen: „Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?" Die Gründe für die anfangliche Zurückhaltung sind - auch angesichts der Tatsache, daß es sich bei der Finanzverfassung um einen tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung handelt66 - nicht erkennbar. Es mag daran gelegen haben, daß die Diskussion um andere Verfassungsänderungen weiter fortgeschritten war 67 . Für einige Reformthemen zum Beispiel Einbau plebiszitärer Elemente68, Selbstauflösungsrecht des Bundestages, Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen, Privatisierung von Bahn, Post, Flugsicherung, Staatshaftung - waren bereits Vorschläge verschiedener Institutionen erarbeitet und in die Beratungen auch der Gemeinsamen Verfassungskommission eingebracht worden 69. Die Diskussion um die Einfügung neuer Staatszielbestimmungen (Umwelt- und Tierschutz, Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, Friedensstaatlichkeit, Schutz der Minderheiten, Recht auf Arbeit, Gesundheit, Wohnung) ist ausgeschrieben70.
66
BVerfGE 55, 274, 300; 72, 330, 388; 78, 249, 266.
67
Busse, DÖV 1991, 345, 353; einen Überblick über die Themen und den Stand ihrer Behandlung gibt Vogel, H.-J., DVB1. 1994, 497, 498 ff. 68
Zu Rechtslage und Praxis: Jung, ZParl 1993, 5, 5 ff.; HooßKempf ZParl 1993, 14, 14 ff.; zurückhaltend die Kommission „Verfassungsreform " des Bundesrates, Bericht, BR/DS 360/92, Tz. 177 ff.; dagegen die Enquete-Kommission „Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 9 ff.; zum Diskussionsstand: Karpen, JA 1993, 110, 110 ff.; Danwitz, DÖV 1992, 601, 601 ff.; Degenhart, Der Staat, 1992, 77, 77 ff. 69
Kuratorium für einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder, Denkschrift und Verfassungsentwurf „Vom Grundgesetz zur deutschen Verfassung", 1991; Busse, DÖV 1991, 345, 353 m.w.N. 70 Ossenbühl, DVB1. 1992, 468, 475; Bundesministerium des Inneren/Bundesministerium der Justiz, Kommission „Staatszielbestimmungen - Gesetzgebungsaufträge", Bericht, 1983; vergleiche zu den Sozialen Grundrechten und Staatszielbestimmungen (z.B. in den Verfassungen der Neuen Bundesländer): Β orgmann/ Η ermann, JA 1992, 337, 337 ff., Merten, DÖV 1993, 368, 368 ff.
32
Einleitung
Auch die Frage nach der Neugliederung des Bundesgebietes ist hinreichend beantwortet 71. Demgegenüber handelt es sich bei den Regelungen der Finanzverfassung um ein kompliziertes Geflecht einzelner aufeinander abgestimmter Normen, die nur in ihrer komplexen Gesamtheit angesichts der vielfaltigen Abhängigkeiten einer Lösung zugeführt werden können 72 . Entscheidend für die Ausklammerung der Neuregelung der Finanzverfassung dürfte jedoch gewesen sein, daß es bei diesen Problemen unmittelbar um finanzielle Fragen geht. Bei Verschiebungen im Finanzwesen haben entweder Bund oder Länder mit Einnahmeverlusten zu rechnen, die ihre Handlungsfähigkeit einschränken. Die Diskussion leidet unter quantitativen Zielvorstellungen 73 . Daß es sich nicht um ein rein fiskalisches, sondern um ein strukturelles Problem handelt, wird verdrängt 74. Stattdessen wird versucht, der jeweils anderen Körperschaft eine Beteiligung an der Aufgabenwahrnehmung nachzuweisen, die zu einer Mitfinanzierungsverantwortung führen soll (negative Kompetenzkonflikte). Diese Debatte wird der Dimension der Thematik nicht gerecht und behindert systematische Lösungsansätze75. Fragen der Finanzverfassung sind nicht ausschließlich Rechtsfragen. Die Ergebnisse hängen ab von den politischen Konstellationen und der Bereitschaft zu einer „bündischen Einigung" in Form eines „bundesstaatlichen Verfassungsvertrages" 76. Geringe Realisierungschancen lähmen die Bereitschaft,
71
Siehe 10. Teil C ΙΠ.
72
Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 55; Bundesministerium für Finanzen, wissenschaftlicher Beirat, Gutachten zum Länderfinanzausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 47 (1992), S. 1. 73
Geske, DÖV 1985, 421, 423; Scholz, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 5, 14; Peffekoven und Littmann, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 12 und, S. 53, 54; Stauch!KlusewitzIGurgsdies, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 12 und 14; Hüther, Wirtschaftsdienst 1993, 43, 44, 46 ff. spricht davon, daß die Strategieanfalligkeit die Reformierbarkeit des Finanzausgleichs hemmt. 74
Schoch, der landkreis 1994, 253, 254; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 20, 49 ff. (51), 145 je m.w.N.; Schoch nach Henneke, DVB1. 1994, 1229, 1231; Kirchhof F. in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 53, 53. 75
Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 17 f.; Hansmeyer, in: Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 165, 166, Hansmeyer/Kops, BldtLG 1989, 63, 64 f. 76
Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 13; Siedentopf StGB 1979, 12, 16; Henke, WiSt 1993, 1; Isensee, NJW 1993, 2583, 2586; Rubel, JA 1993, 296, 301; Herzog, BayVBl. 1991, 513, 516; Selmer, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 231,
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
33
das Thema anzugehen, denn für grundsätzliche Änderungen der Finanzverfassung fehlte bislang der Gesamtkonsens. Auch wurde nicht mit der Möglichkeit gerechnet, Einvernehmen kurzfristig herzustellen 77, obwohl zunehmende Verteilungskonflikte um eine angemessene Finanzausstattung bereits zu einer angespannten Situation geführt haben78. Selbst in der alten Bundesrepublik konnte das geltende Ausgleichssystem kaum noch eine allgemein akzeptierte Verteilung der Lasten und Einnahmen herbeiführen 79. Nur ein partieller Kompromiß ist beispielsweise das Strukturhilfegesetz 80. Sein Zustandekommen ist politisch zweifelhaft, weil Entscheidungen über das Strukturhilfegesetz mit der Zustimmung zur Steuerreform gekoppelt wurden 81 . 238 ff.; Gerhardt, in: Hessischer Landtag/Hessische Landesregierung, Vorschläge des Hessischen Verfassungsbeirats, 1991, S. 144 f.; Scholz, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 5, 14 f. 77 Boldt, in: Boldt, NRW und der Bund, 1989, S. 78, 88; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 274; Sarrazin, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 11, 23; Heun, Der Staat, 1992, 205, 211; Rennert, Der Staat, 1993, 269, 276 („Die Neuordnung der föderativen Finanzverfassung ist das schwierigste Thema, das der Verfassungsreformdiskussion gestellt ist."); Schoch, ZRP 1995, 387, 387, 391; allgemein im Hinblick Änderungen des Grundgesetzes nach der Vereinigung Benz, DÖV 1993, 881, 883; Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 69; Benz und Henneke kritisieren: „ A u f g r u n d der Zusammensetzung der GVK und den Verfahrensregelungen stand die Durchsetzbarkeit im späteren parlamentarischen Verfahren und nicht die offene kreative Verfassungsdiskussion im Vordergrund. Parteipolitische und institutionelle Interessen des Bundes und der Länderregierungen prägten den Prozeß der Verfassungsänderung in jedem Verfahrensstadium." 78
Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1182; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 161; Heun, Der Staat, 1992, 205, 205; Lenschy in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 95; Eckertz, DÖV 1993, 281, 283; Wendt, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 56, 57 f.; Inhester, NVwZ 1993, 137, 137; Schneider, Harald, GS für Geck, 1989, S. 701, 701 mit Nachweisen aus den Plenarprotokollen von Bundestag und Bundesrat. 79 Hardt, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 17, 18, 49; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform ", Zwischenbericht, 1992, S. 2; Bundesministerium für Finanzen, wissenschaftlicher Beirat, Gutachten zum Länderfinanzausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums fiir Finanzen, Heft 47 (1992), S. 16; Ossenbühl, DVB1. 1992, 468, 473; Kisker, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 117, 137; Singer, Blätter, 1993, 200, 203; allgemein zu Problemen der Umsetzung „großer Lösungen" Kisker, Der Staat, 1975, 169, 169 ff. 80 Art. 1 Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern vom 20.12.1988, BGBl. I, S. 2358 ff.; vergleiche dazu BR/DS 468/88. 81 Thiel, in: Niedersächsisches Institut fiir Wirtschaftsforschung, Kommunale Finanzen, 1989, S. 115, 126; Vogel, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 135; Klanberg/Prinz, Wirtschaftsdienst 1988, 291, 294 sprechen von „Drohpotential der Länder aufgrund 3 Trapp
34
Einleitung
Die Verabschiedung des Gesetzes beruhte in erster Linie darauf, daß der Bund als gemeinsamer Gegner die (finanzschwachen) Bundesländer geeinigt hat 82 . Denn durch das Strukturhilfegesetz wurde der Bund verpflichtet, Ländervorhaben finanziell zu unterstützen. Hinzu kommt, daß die Finanzbeziehungen abhängig sind von Vorfragen i m Bereich der Aufgabenverteilung. Reformüberlegungen i m Bereich Finanzwesen treffen also den Kernbereich des Verfassungsgefüges 83. M i t h i n standen einer umfassenden Reform der Finanzverfassung die Interessenvielfalt sowie die Tatsache entgegen, daß weder Bund noch Länder und Kommunen angesichts der überall angespannten Haushaltslage Mittel abgeben beziehungsweise auf Zuwendungen verzichten konnten. Jede grundlegende Änderung hätte sowohl Gewinner als auch Verlierer. Deshalb wurde von keiner Seite eine umfassende Neuordnung der Finanzbeziehungen angestrebt 84. Von einer Reform des Finanzausgleichs, wenn man darunter mehr als eine begrenzte Anpassung versteht, kann daher auch nach dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms 85 nicht die Rede sein 86 .
des Mitwirkungrechts des Bundesrates bei der Bundesgesetzgebung", „Kopplungsgeschäften" und „Gelegenheiten zu einem Junktim". 82
Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 269 ff; Klanberg/Prinz, Wirtschaftsdienst 1988, 291, 294 („rechnerisch würden zunächst beim Albrecht-Vorschlag alle Länder gewinnen"); vergleiche zum Problem der Entscheidungsfindung im Verbundföderalismus: H esset Renzsch, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 29, 31 f., 35, 39; Henke, WiSt 1993, 1 (mit dem Hinweis auf die Bildung wechselnder Koalition bei parlamentarischen Abstimmungen); Voigt, in: Gunlicks/Voigt, Föderalismus, 1991, S. 119, 135 ff; Benz, DÖV 1993, 881, 881 ff; Klatt, in: Greß, Die Rolle der Bundesländer, 1992, S. 95, 103; Klatt, Die politische Meinung Nr. 256 (1991), S. 21, 24; Wegner, in: Wegner, Finanzausgleich, 1992, S. 7, 9 ff ; Grimm, in: Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 336, 349 ff. (=PVS Sonderheft 9/1978, S. 272, 278 ff); Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 26, 40; zur unterschiedlichen Interessenhomogenität in der GVK und in der Kommission „Verfassungsreform" des Bundesrates vergleiche Voscherau, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 5253/1993, S. 5, 5 f.; zu Koalitionsabsichten und Koalitionen in der Diskussion um die Einbeziehung der fünf neuen Länder in den bundesstaatlichen Finanzausgleich vergleiche Renzsch, ZParl. 1994, 116, 121 ff; zum Zustandekommen des sogenannten Solidarpaktes im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms auch Peffekoven, FA n.F., Band 51 (1994), S. 281, 290; im Hinblick auf das Steueränderungsgesetz 1992 vergleiche Singer, Blätter, 1993, 200, 207. 83
Henle, DÖV 1968, 396,191\Lensch, in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 106 f. 84
85
Renzsch, Finanz Verfassung, 1991, S. 274.
Vergleiche dazu: Eckertz, ZRP 1993, 297, 297 ff; Esser, Wirtschaftsdienst 1994, 358, 358 ff; Färber, Wirtschaftsdienst 1993, 305, 305 ff; Häde, JZ 1994, 76, 76 ff;
Β. Veränderte Situation nach der Vereinigung Deutschlands
35
Abstimmungsprozesse und Koalitionsbildungen in Fragen der Finanzausstattung sind durch die Vereinigung Deutschlands noch komplizierter geworden87. Umso notwendiger erscheint es, den Teilbereich der Lastenverteilung aufzugreifen und den Versuch zu machen, angemessene und konsensfähige Lösungen aufzuzeigen.
Peffekoven, FA n.F., Band 51 (1994), S. 281, 281 ff; Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 331 ff ; Renzsch, ZParl. 1994, 116, 116 ff ; zu den einzelnen Verhandlungsschritten Stauch/Klusewitz/Gurgsdies, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 17 ff (dort auch Dokumentation einzelnen Vorschläge und Beschlüsse). 86 Renzsch, ZParl. 1994, 116, 117, 129; Peffekoven, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 12. 87
Benz, DÖV 1991, 586, 597; Hesse/Renzsch, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 29, 34; Voigt, in: Gunlicks/Voigt, Föderalismus, 1991, S. 119, 133 ff, 139; Klatt, Die politische Meinung Nr. 256 (1991), S. 21, 24; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 16, 39; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1183; Wieland, in: Senator fiir Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 161 f.; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 274; Klatt, in: Greß, Die Rolle der Bundesländer, 1992, S. 95, 103 ff, 110.
1. Teil
Die Finanzverfassung A. Bedeutung der Finanzverfassung im Bundesstaat Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderatives Staatsgebilde. Sowohl der Bund als auch die Länder besitzen Staatsqualität. Soll ein bündisches Prinzip funktionieren, ist ein leistungsfähiges Finanzsystem erforderlich 1. Eine bundesstaatliche Finanzverfassung bildet den Eckstein des gesamten föderalen Systems2. Ob ein bundesstaatlicher Aufbau ernst gemeint ist, zeigt sich nicht zuletzt an seiner Finanzverfassung. Durch sie wird deutlich, ob die Bundesstaatlichkeit ein Rückgrat besitzt oder leere Deklaration ist3. In ihr wird die Realisierbarkeit wesentlicher Teile des übrigen Verfassungswerkes auf die Probe gestellt4. Nur wenn sowohl der Zentralstaat als auch die Gliedstaaten über hinreichende Geldmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen, ist die Staatlichkeit des Bundes und der Länder sichergestellt, die Art. 20 Abs. 2 GG voraussetzt und die nach Art. 79 Abs. 3 GG unantastbar ist5.
1
Fischer, H. J., Parlamentarischer Rat und Finanzverfassung, 1970, S. 7.
2
Das BVerfGE 55, 274, 301 spricht insofern von der „Regelung eines Kernbereichs der bundesstaatlichen Struktur"; vergleiche auch: Inhester, NVwZ 1993, 137, 137; Friauf FS für Haubrichs, 1977, S. 103, 106 f.; Friauf, JA 1984, 618, 618; Sannwald, ZRP 1993, 103, 104; Enquete-Kommission „VerfassungsreformSchlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 195; Klein, Franz, in: Benda/MaihoferAVogel, HVerfR 1994, §23, Rn. 1; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 20; Friauf in: Kewenig, DeutschAmerikanisches Verfassungssymposium, 1978, S. 177, 177 ff. 3
Starch , StuW 1974, 271, 272; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 11 f.; Franke, VerwArchiv 1991, 526, 526; Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 6, 32; 4 BVerfGE 32, 333, 338; 39, 96, 107 f.; 55, 274, 300 f.; 72, 330, 383, 388; 78, 249, 266; Henneke, Jura 1991, 230, 230; Siedentopf StGB 1979, 12, 13. 5
Blasius, DÖV 1992, 18, 20,Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 4; Kirchhof F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71, 81; Inhester, NVwZ 1993, 137, 142 f.; Studienkommission der Finanzministerkonferenz, BT/DS 2/480 (1954), S. 209; Bundesregie-
Α. Bedeutung der Finanzverfassung im Bundesstaat
37
Darüber hinaus schafft die Finanzverfassung die Voraussetzungen dafür, daß Bund, Länder und Gemeinden in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie sichert die grundgesetzliche Aufgabenverteilung finanziell ab6. Nach Aufteilung der (Verwaltungs-)Zuständigkeiten muß die Finanzverfassung festlegen, mit welchen finanziellen Mitteln gehandelt werden kann7. Die konkreten politischen Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich - im Rahmen der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung - erst aus der Finanzausstattung8. Klare und rationale Regelungen über die Verteilung des Finanzaufkommens auf den Bund einerseits sowie auf die Bundesländer und auf die Gemeinden (Gemeindeverbände) andererseits sind unverzichtbar 9. Die Aufteilung der Finanzhoheit durch die Finanzverfassung bestimmt das Kräfteverhältnis zwischen Bund Ländern und Gemeinden10. Ein angemessener Anteil am Gesamtsteueraufkommen gehört zu ihrem unentziehbaren Hausgut11. Die Ausgestaltung der Finanzverfassung und das Bundesstaatsprinzip stehen somit in engem Zusammenhang. Die Finanzverfassung, insbesondere die Verteilung der zur selbständigen Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben erforderlichen Kompetenzen und Finanzmittel auf Bund, Länder und Gemeinden, entscheidet über die Funktionsfähigkeit und damit über die Essenz des bundesstaatlichen Systems, während andererseits die föderative Struktur eines Staates in der Gestaltung seiner Finanzverfassung einen besonders deutlichen Ausdruck findet 12 . Die Finanzverfassung ist damit Schwerpunkt des gesamten Verfassungswerkes, was Rechtsstaat, Gewaltenteilung und die bundesstaatliche Struktur angeht13.
rung , BT/DS 2/480 (1954), Tz. 35; Kilian, JZ 1991, 425, 426; Renfert Rechtsprobleme des Finanz- und Lastenausgleichs, 1960, S. 2. 6
Enquete-Kommission „ Verfassungsreform ", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 195; BW-Kommission „FinanzverfassungsreformZwischenbericht, 1992, S. 14; Klein, Friedrich, FS für Giese, 1953, S. 61,61. 7
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 104 a, Rn. 1, Art. 106, Rn. 1 ff., 4 ff, 13. 8
Donner, ZRP 1985, 327, 328; Sannwald, ZRP 1993, 103, 104.
9
Blasius, DÖV 1992, 18, 20.
10
Sannwald, ZRP 1993, 103, 104; Korioth, DVB1. 1991, 1048, 1048,Henneke, Jura 1991, 230, 230; Schemmel/Borell, Verfassungsgrenzen, 1992, S. 50. 11
BVerfGE 34, 9, 20; Wendt, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band I, 1991, S. 213, 214. 12
Fischer-Menshausen, FA n.F., Band 49 (1991/92), S. 237, 238; Heier, Gemeinschaft saufgaben, 1970, S. 8. 13
HeUlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 6.
38
1. Teil: Die Finanzverfassung
Die Bedeutung der Finanzverfassung fur das Funktionieren einer bundesstaatlichen Verfassungsordnung hat auch das Bundesverfassungsgericht 14 wiederholt betont: „Die in Art. 104 a bis 108 GG enthaltenen finanzverfassungsrechtlichen Normen sind einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. Sie sollen eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfugbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, daß sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben leisten können (...). Bei den Art. 104 äff. GG handelt es sich um die Regelung eines Kernbereichs bundesstaatlicher Struktur wie auch der politischen Machtverteilung in der Bundesrepublik Deutschland"13.
B. Finanzverfassung - Begriffsverwendung und Inhalt Zwar fehlt der Begriff „Finanzverfassung" im Grundgesetz. Es kennt nur den mit „Finanzwesen" überschriebenen Zehnten Abschnitt 16 . Der Begriff „Finanzverfassung" hat durch das Gesetz zur Änderung der Finanzverfassung vom 23.12.1955 Eingang in die deutsche Rechtssprache gefunden. Trotzdem fehlt eine einheitliche Definition bis heute17. Die Kommentare zum Grundgesetz vermeiden zumeist eine saubere Inhaltsbestimmung, obwohl der Begriff verwendet und darauf verwiesen wird, daß es sich um eine Kernfrage bundesstaatlichen Aufbaus handelt18. In der übrigen Literatur sieht man sich einer Vielzahl von Definitionsansätzen gegenüber 19. Deshalb soll zunächst von einer extensiven Begriffsbestimmung ausgegangen werden: Zur Finanzverfassung zählen diejenigen Vorschriften der Verfas14
BVerfGE 32, 333, 338 (Ergänzungsabgabe); 39, 96, 107 f. (Städtebauförderung); 55, 274, 300 f. (Ausbildungsplatzförderung); 72, 330, 383, 388 (Länderfinanzausgleich); 78, 249, 266 (Fehlbelegungsabgabe). 15 BVerfGE 55, 274, 300 f. 16
Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR 1994, § 23, Rn. 1.
17
Ulsenheimer, Untersuchungen zum Begriff „Finanzverfassung", 1969, S. 1; Jiirgens/Piduch/Cohrs, Finanzverfassung, 1981, Rn. 9. 18
Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Vorb. v. Art. 104 a, Rn. 1; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 1 und 8; Vogel, in: BK, Vorbem. z. Art. 104 a-115 (1971), Rn. 1; Vogel!Kirchhof, in: BK, Vorbem. z. Art. 104 a-115 (1971), Rn. 52. 19
Ulsenheimer, Untersuchungen zum Begriff „Finanzverfassung", 1969, S. 50 f.
Β. Finanzverfassung - Begriffsverwendung und Inhalt
39
sung, die sich auf die öffentlichen Finanzen beziehen20, das heißt der Inbegriff der Normen der rechtlichen Grundordnung für ein Staatswesen, die die staatliche Finanzhoheit einschließlich ihrer bundesstaatlichen Aufteilung, das staatliche Haushaltswesen und die Grundordnung des Steuerwesens zum Gegenstand haben21. Hiermit sind sämtliche im Zehnten Abschnitt des Grundgesetzes geregelten Themenbereiche angesprochen. Deshalb ist es sinnvoll, den Bereich des Finanzwesens in die Haushaltsverfassung (Art. 109 bis 115 GG) und in die Finanzverfassung im engeren Sinn (Art. 104 a bis 108 GG) zu gliedern. Die Haushaltsverfassung umfaßt die Grundordnung der Haushalte einschließlich der Vermögens- und Schuldenwirtschaft sowie seiner Kontrolle unter Einbeziehung des Haushaltsgebarens in das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht22. Die Finanzverfassung im engeren Sinn umfaßt die staatliche Finanzhoheit ausgeübt durch Legislative, Exekutive und Judikative - , ihre bundesstaatliche Aufteilung und ihre kommunale Gewährleistung sowie das Steuerwesen23. Die Verteilung der zur Finanzhoheit gehörenden Kompetenzen steht dabei im Mittelpunkt. Art. 104 a GG enthält die Regelungen für die Lastenverteilung. Art. 106, 107 GG bestimmen die Verteilung der Steuereinnahmen. Darüber hinaus sind Gesetzgebungskompetenz (in Art. 105 GG) und Organisation der Finanzverwaltung (in Art. 108 GG) normiert 24 . Festgehalten werden soll hier: Das Primärziel der Finanzverfassung im engeren Sinn ist die Regelung der Mittelbeschaflung für die Erfüllung öffentli-
20
Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, §87, Rn. 3; Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 3; Zimmermann, F., System kommunaler Einnahmen, 1988, S. 4. 21
Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR 1994, § 23, Rn. 2; Stem, Staatsrecht, Bandn, 1980, S. 1060; Henneke, Jura 1991, 230, 230; Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 3; Loschelder, Grundgedanken der Finanzreform, 1966, S. 8 f.; Zimmermann, F. , in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Feb. 1991, S. 4. 22
Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR 1994, § 23, Rn. 2; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1051 f., 1061. 23
Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR 1994, § 23, Rn. 2; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1051 f., 1061; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 38 ff. 24
Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1052; Kloepfer, in: Herzog/Kunst/Schlaich/ Schneemelcher, Evangelisches Staatslexikon, 1987, Spalte 878; Henneke, Jura 1991, 230, 230.
40
1. Teil: Die Finanzverfassung
eher Aufgaben im Rahmen der staatlichen Gesamtordnung 25. Die Finanzverfassung regelt als unselbständiger Teil der Staatsverfassung 26 beziehungsweise als deren integrierender Bestandteil27, wie Bund Länder und Gemeinden eine ihren Aufgaben angemessene Finanzausstattung erhalten 28.
25 26
Jürgens! Ρiduch/Cohrs, Finanzverfassung, 1981, Rn. 2.
Jürgens/Piduch/Cohrs, Finanzverfassung, 1981, Rn. 13; Vogel, see/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 3.
K., in: Isen-
27 Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1055; Strickrodt, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 6 (1951), S. 8. 28 Jürgens/Piduch/Cohrs, Finanzverfassung, 1981, Rn. 48; Klein, in: Schmidt-B leibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Vorb. v. Art. 104 a, Rn. 1.
2. Teil
Darstellung der Lastenverteilung A. Lastenverteilung nach Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG I. Begriffliche Klärung Die Ausgaben- oder Lastenverteilung regelt die Frage, welche Bundesstaatsebene für die Finanzierung einer Tätigkeit zuständig ist. Dabei kann es zum einen darum gehen, ob eine Körperschaft verpflichtet, zum anderen, ob sie berechtigt ist, eine Aufgabe zu finanzieren. Muß eine Ebene die Kosten tragen, spricht man von „Ausgabenlast" oder „Finanzierungslast" beziehungsweise „Kostentragungspflicht". Dagegen hat der Begriff „Finanzierungsbefugnis" die Frage zum Thema, ob finanzielle Mittel bereitgestellt werden dürfen. Die Regeln über die Lastenverteilung begründen Rechte und Pflichten in finanzieller Hinsicht. Die Begriffe „Finanzverantwortung" und „Finanzierungskompetenz" umfassen beide Teilfragen, ebenso die Termini „Ausgabenverantwortung" beziehungsweise „Ausgabenkompetenz"1.
II. Unproblematische Fälle nach Art. 104 a Abs. 1 G G Mit der Frage nach der Finanzierungskompetenz begibt man sich in ein Hochspannungsfeld bundesstaatlichen Seins2. Trotzdem war der finanziellen Lastenverteilung zunächst wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern ist in Art. 70 ff., 83 ff, 92 ff. GG ausführlich und durch die Generalklausel des Art. 30 GG lückenlos gere-
1
V. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 10; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 11 f.; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 82 Fn. 1. 2
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 12.
42
2. Teil: Darstellung der Lastenerteilung
gelt. Die Einnahmenverteilung hat in Art. 106, 107 GG eine detaillierte Regelung gefunden. Für die Lastenverteilung deuteten Art. 107 S. 3 GG 1949 und Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG eine Regelung eher an, als daß sie eine klare Feststellung trafen 3. Erst seit Einführung von Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 konnte jene allgemeine Lastenverteilungsregelung als gesicherte Rechtsauffassung gelten, nach der Bund und Länder gesondert die Ausgaben zu tragen haben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. In der Finanzreform 1969 wurde diese - als Konnexitätsgrundsatz bezeichnete - Regelung an den Anfang des Zehnten Abschnitts des Grundgesetzes über das Finanzwesen gestellt (Art. 104 a Abs. 1 GG). M i t diesem Grundsatz lassen sich einige Lastentragungspflichten eindeutig bestimmen. Unproblematisch ist es, wenn Gesetzgebung und Verwaltung auf der gleichen Ebene vorgenommen werden, so bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch Bundesbehörden oder bei der Ausführung von Landesgesetzen durch Landesbehörden4. Es handelt sich also einmal um die Fälle, in denen der Bund allein zuständig ist (bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau 5), sodann um die Fälle, in denen der Bund keine Gesetzgebungszuständigkeit hat oder von seiner (konkurrierenden) Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat und demgemäß die Kompetenzen uneingeschränkt bei den Ländern liegen6. Im ersten Fall kann nur der Bund, im zweiten Fall können nur die Länder Träger der Aufgaben und damit auch der Ausgaben sein, weil die Aufgabenwahrnehmung von der Planung bis zum Schlußstadium ebenso wie Verwaltungszuständigkeit und Verwaltungsverantwortung jeweils in einer Hand liegen7.
3
Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1136.
4
Röttgen, DÖV 1953, 358, 360; Röttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 245; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 100 f.; Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 90; Henle, Finanzpolitik und Finanzverfassung, 1980, S. 259; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 27; Heun, Der Staat, 1992, 205,209. 5 Art. 87 GG (Auswärtiger Dienst, Bundesfinanzverwaltung), Art. 87 a (Streitkräfte), Art. 87 b GG (Bundeswehrverwaltung), Art. 87 d GG (Luftverkehrsverwaltung), Art. 87, 89 GG (Bundeswasserstraßen und Schiffahrt). 6 7
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 11.
Makswit, DVB1. 1984, 1044, 1045; Schmidt-Jortzig/Makswit, HdkFH 1991, Rn. 24 ff ; Henle, Ordnung der Finanzen, 1964, S. 129; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 27; Röttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 245; Röttgen, DÖV 1953, 358, 360; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 151.
Α. Lastenverteilung nach Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG
43
Die Frage, wer die Kosten zu tragen hat, läßt sich ebenfalls klar beantworten bei gesetzesfreier, das heißt nicht durch Gesetz gesteuerter Verwaltung. Dabei geht es nicht um die Ausführung von Gesetzen, sondern Bund oder Länder werden außerhalb normierter Verwaltungsbereiche leistend, lenkend oder organisatorisch tätig 8 . Da nichts durch Gesetz veranlaßt ist und nicht Vorgegebenes ausgeführt wird, kann sich die Pflicht zur Kostentragung nur nach der ausgeübten Verwaltungsinitiative richten 9. Letztlich bereitet die Zuordnung der unmittelbaren Ausgaben der Verfassungsorgane und der Gerichte, also die Kosten insbesondere des Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsapparates, zu dem jeweils zuständigen Träger keine Schwierigkeiten. Bund und Länder haben aufgrund des Konnexitätsgrundsatzes die jeweils eigenen Legislativ- und Judikativorgane zu finanzieren 10. Die Zuordnung ist durch das Staatsorganisationsrecht und den Instanzenzug (Art. 92 ff. GG) vorgegeben 11. M i t der aus Art. 104 a Abs. 1 GG folgenden Erkenntnis, daß die Ausgabenverantwortung der Aufgabenverantwortung folgt, ist noch nicht alles gewonnen. Schwierigkeiten bereitet die Konkretisierung des in der Lastenverteilungsnorm verwandten Begriffs „Aufgabe", wenn die Umsetzung einer Materie nicht ausschließlich einer Ebene zugeordnet ist 12 . Dieses aber ist der Regelfall in der Bundesrepublik Deutschland, wo das Schwergewicht der Gesetzgebung beim Bund und das Schwergewicht der Verwaltung bei den Ländern liegt. Hierbei handelt es sich um eine für das bundesdeutsche föderalistische Prinzip typische Aufgabenteilung. Es werden nicht einzelne Materien aus8 Maunz, in: MDHS, Art. 30 (1982), Rn. 7; Broß, in: v.Münch, GrundgesetzKommentar, Bandm, 1983, Art. 83, Rn. 2; Vogel, H.-J., in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR 1994, § 22, Rn. 81; vergleiche die Beispiele: Bundesbeauftragter für Ausländerfragen, Technisches Sicherheitsrecht, Recht der raumbezogenen Planung und städtebaulichen Ordnung (zum Beispiel im Straßenbau oder bei zusätzlichen kommunalen Einrichtungen), Recht der Wirtschaftsverwaltung, Auswärtiger Dienst (Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG) bei: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1994, § 1, Rn. 25; Badura, Staatsrecht, 1986, Teil D, Rn. 53 und Teil G, Rn. 8; vergleiche auch BVerfGE 12, 205, 247; 14, 197, 214; 21, 312, 320 ff.; 22, 180, 217; 39, 96, 109;. 9
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 13, 18.
10
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 18; Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 104 a, Rn. 8. 11
Vogel/Kirchhof,
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 54, 56; Kotigen, DÖV 1953, 358,
359. 12
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 10; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 12; Hansmeyer/Kops, FS für Ehrlicher, 1985, S. 3, 12; Hansmeyer/Kops, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1984, 127, 132; Schäfer, F., Recht und Politik, 1967, 31, 32; Schönherr, Föderativer Finanzausgleich, 1984, S. 84 f.
44
2. Teil: Darstellung der Lasten Verteilung
schließlich einer Ebene zugewiesen, sondern die Erledigung wird auf verschiedene Bundesstaatsebenen verteilt 13 . Zweifel ergeben sich daher, wenn Bundesgesetze durch Landesbehörden ausgeführt werden, sei es als eigene Angelegenheit nach Art. 83, 84 GG, sei es im Auftrag des Bundes nach Art. 85 GG 14 . Eine eindeutige Antwort gibt Art. 104 a Abs. 1 GG nicht. Er läßt offen, ob abzustellen ist auf Aufgaben im materiellen Sinn - also auf die Bundes- oder Landesqualität des wahrgenommenen Sachanliegens - oder auf Aufgaben im formalen Sinn - also auf die von Bund und Ländern ausgeübten Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeiten 15. Die herrschende Meinung 16 fragt nicht danach, ob das Sachanliegen dem Bund oder den Ländern zuzuordnen ist. Sie stellt auch nicht darauf ab, wer die kostenverursachende Regelung getroffen oder sonst die Ausgaben veranlaßt hat. Ihr zufolge sind vielmehr entscheidend die verfassungsrechtlich zugewiesenen unmittelbar kostenverursachenden Funktionen. Da Ausgaben, abgesehen von den Kosten der Gesetzgebung und des Gesetzgebungsapparates, erst auf der Verwaltungsebene entstünden, sei in Art. 104 a Abs. 1 GG in der Regel auf Verwaltungstätigkeit abzustellen. Auf die Wahrnehmung von Gesetzgebungskompetenzen komme es nicht an 17 , da diese nur mittelbar über die Kosten entscheide18. Hätte der Gesetzgeber es bei Art. 104 a Abs. 1 GG belassen, müßten die Länder nach dieser Interpretation sämtliche Kosten der Ausführung der Bundesgesetze tragen, da der Vollzug sowohl als eigene Angelegenheit als auch in Auftragsverwaltung 19 Verwaltungsaufgabe des Landes ist. In Art. 104 a GG ist jedoch eine differenzierte Regelung vorgenommen worden.
13
Siehe die Nachweise in Fn. 1-4 der Einleitung.
14
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 12, 28; Heun, Der Staat, 1992, 205, 209; Pagenkopf, Finanzausgleich, 1981, S. 204. 15
Füchsel, Gemeinschaftsaufgaben, 1985, S. 69.
16
Vergleiche nur: BVerfGE 26, 338, 390; BVerwGE 44, 351, 365; zusammenfassend Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band DI, 1983, Art. 104 a, Rn. 4 f.; da es sich hier nur um einen Problemaufriß und um eine Darstellung der durchgeführten Finanzierungspraxis handelt, soll auf Argumente des Meinungsstreits und weitere Nachweise verzichtet werden; ausführlich 4. Teil Β IH. 17
Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 4. 18 19
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983,
Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1.
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 29; Schäfer, H., DÖV 1960, 641,645.
Α. Lastenverteilung nach Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG
45
Π Ι . Ergänzungen des Art. 104 a Abs. 1 G G in Art. 104 a Abs. 2,5 G G L Verwaltungskosten Zunächst wird zwischen Verwaltungs- und Zweckkosten unterschieden. Verwaltungskosten sind die Aufwendungen, die für das Handeln der Verwaltung anfallen, während Zweckkosten durch das Verwaltungshandeln entstehen20. Die Finanzierungspflicht für die Verwaltungskosten regelt Art. 104 a Abs. 5 GG. Danach trägt jeder Verband die in seinem Verantwortungsbereich anfallenden Verwaltungskosten selbst21. Art. 104 a Abs. 1 bis 4 GG betreffen nur die Zweckkosten, da Art. 104 a Abs. 5 GG als lex specialis Vorrang hat22.
2. Zweckausgaben bei Bundesauftragsverwaltung Für die Bundesauftragsverwaltung enthält Art. 104 a Abs. 2 GG eine ausdrückliche Regelung: Danach trägt der Bund die Zweckausgaben23. Diese Finanzierungspflicht wird damit begründet, daß der Bund, unabhängig von der Verwaltungszuständigkeit der Länder, aufgrund der ihm in Art. 85 Abs. 2 bis 4 GG eingeräumten Ingerenzrechte die „letzte Verwaltungsverantwortung" trage (Fremdverwaltung) 24. Die Verwaltungskosten verbleiben nach Art. 104 a Abs. 5 GG bei den Ländern, weil sie als Träger der Verwaltungskompetenz für den zur Durchführung der Auftragsaufgaben bereitzustellenden Personal- und Sachapparat allein verantwortlich sind 23 . Die Ausführungsbehörden bleiben
20
Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 27. 21
Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 39.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band Π , 1983,
22
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 19.
23
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 11.
24
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 116; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 29. 25
Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 6, 12.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band Π , 1983,
46
2. Teil: Darstellung der Lasten Verteilung
Einrichtungen der Länder, die Beamten, Angestellten und Arbeiter Dienstkräfte des Landes, in dem die Aufgabe durchgeführt wird 26 .
3. Zweckausgaben bei Vollzug als eigene Angelegenheit Für den Vollzug der Bundesgesetze nach Art. 83, 84 GG enthält Art. 104 a GG keine ausdrückliche Regelung. Ein schlüssiges System der Lastenverteilung für die Kosten des Vollzugs der Bundesgesetze ergibt sich aber aus dem Zusammenspiel von Art. 104 a Abs. 1 GG und Art. 104 a Abs. 2 GG. Meist mit Hilfe eines Umkehrschlusses aus Art. 104 a Abs. 2 GG 27 beziehungsweise gesamtsystematischer Interpretation 28 wird für die Verwaltung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit auf die alleinige Kostentragungspflicht der Länder geschlossen. Diese folgt aus Art. 104 a Abs. 1 GG, weil bei der Eigenverwaltung Verwaltungszuständigkeit und Verwaltungskompetenz bei den Ländern liegen. Die Ingerenzrechte des Bundes sind beim Vollzug nach Art. 83, 84 GG im Gegensatz zur Bundesauftragsverwaltung beschränkt, was die Kostentragungspflicht der Länder hinsichtlich der Zweckausgaben rechtfertigt. Zusammen mit Art. 104 a Abs. 5 GG haben die Länder daher sämtliche Kosten zu tragen.
B. Andere Lastenverteilungsnormen Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2, 104 a Abs. 3, 4, 106 Abs. 8, 107 Abs. 2 S. 3 , 120 Abs. 1 GG sind Teil der Finanzverfassung im engeren Sinn, auch wenn sie außerhalb des Zehnten Abschnittes im Grundgesetz normiert sind. Ob die zitierten Normen der Lasten- oder Einnahmenverteilung zuzuordnen sind, ist umstritten. Für ersteres könnte sprechen, daß sie teilweise eine Finanzverantwortung begründen, die sich nur auf konkrete Aufgaben bezieht. Letzteres lie-
26
Sturm, DÖV 1968,466,470.
27
Nach Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 78 ist ein Umkehrschluß nicht nötig; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 11; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 30; Friauf, in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 324 Fn. 191; Brockmeyer, FS für Klein, 1994, S. 633, 636; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 131. 28
Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 88.
Β. Andere Lastenerteilungsnormen
47
ße sich annehmen, wenn die Normen die allgemeine Finanzkraft verbessern sollen29.
L Art. 120 Abs. 1 GG: Verteilung der Kriegsfolgelasten Art. 120 Abs. 1 GG gehört thematisch in den Zusammenhang der bundesstaatlichen Lastenverteilung und muß als systematisch fehlgestellte Ergänzung zu Art. 106 GG 1955 bezeichnet werden 30. Eine aufgabenunabhängige Verteilung der Kostentragungspflicht wird nicht getroffen. Als Spezialvorschrift begründet Art. 120 Abs. 1 GG die Finanzverantwortung nur für einen begrenzten Aufgabenbereich: Es handelt sich um eine Sonderregelung ausschließlich für die Kriegsfolgelasten 31. Sinn der Vorschrift ist es, die Kriegsfolgelasten von der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes gleichmäßig tragen zu lassen, ohne Rücksicht darauf, wie sie sich auf die einzelnen Teile des Bundesgebietes verteilen 32. Deshalb weist Art. 120 Abs. 1 GG dem Bund zwar nicht die ausschließliche, wohl aber die überwiegende Ausgabenverantwortung zu.
II. Art. 91 a Abs. 4,91 b S. 2 GG: Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabcn Art. 91a, 91 b GG normieren Aufgabenbereiche, in denen Bund und Länder zusammenwirken. In der Finanzreform 1969 wurden einzelne Themenkomplexe zu Gemeinschaftsaufgaben erklärt, die zuvor in die alleinige Länderkompetenz fielen, bei denen es aber contra constitutionem in der Staatspraxis bereits zu Koordinationen zwischen Bund und Ländern gekommen war. Der Grund für die Verlagerung in eine gemeinschaftliche Verantwortung liegt in der überregionalen Bedeutung der Aufgaben. Insbesondere am Ausbau der Hochschulen und an der Wahrnehmung von Sachgebieten, die für die wirtschaftliche und räumliche Zukunftsentwicklung der Bundesrepublik bedeutsam sind, besteht ein gesamtstaatliches Interesse.
29
Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1163 f.; Vogel/Walter, (1972), Rn. 22.
in: BK, Art. 106
30
Maunz, in: MDHS, Art. 120 (1970), Rn. 1 (unter Berücksichtigung der Finanzreform 1969 müßte es dort Art. 104 a GG heißen). 31
Schäfer, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 120, Rn. 27; Maunz, in: MDHS, Art. 120 (1970), Rn. 1. 32 Schäfer, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 120, Rn. 2; Heckt, DÖV 1966, 10, 10.
48
2. Teil: Darstellung der Lasten Verteilung
Hinsichtlich der Finanzierung sind die Anordnungen in beziehungsweise die Vereinbarungen aufgrund von Art. 91a Abs. 4, 91 b S. 2 GG leges speciales im Verhältnis zu Art. 104 a Abs. 1 GG. Der Bund hat sich an den Kosten bei Aufgaben nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 1, 2 GG zwingend zur Hälfte zu beteiligen. Im übrigen richtet sich die Bundesbeteiligung nach der einfachgesetzlich zu normierenden Vereinbarung.
I I I . Art. 104 a Abs. 3 GG: Finanzierung des Vollzugs der Geldleistungsgesetze Während Art. 120 Abs. 1, 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG spezielle Regelungen für die Kostentragung nur für einzelne Materien anordnen, trifft Art. 104 a Abs. 3 GG eine abstrakte Regelung, die losgelöst ist von der zu finanzierenden Aufgabe. Art. 104 a Abs. 3 GG gilt für die Finanzierung von Geldleistungsgesetzen des Bundes, die von den Ländern ausgeführt werden. Dabei werden unter Geldleistungsgesetzen solche Normen verstanden, die geldliche, einmalige oder laufende Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln an Dritte gewähren. Entscheidend ist, daß das Gesetz selbst, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Rechtsverordnung des Bundes, die Geldleistung festlegt. Es muß geregelt sein, welche Zahlungen nach Voraussetzung und Höhe an welchen festumrissenen Empfangerkreis zu gewähren sind. Streitig ist, ob dem Begünstigten darüber hinaus ein Rechtsanspruch auf die Geldleistung eingeräumt sein muß33. Als ausreichend wird man ansehen können, wenn das Gesetz selbst die Geldleistung anordnet, das heißt, die Gewährung der Zahlung darf nicht nach freiem Ermessen vorgesehen sein34. Für die bei Auszahlung entstehenden Kosten trifft Art. 104 a Abs. 3 GG keine feststehende Beteiligungsregel für Bund und Länder. Die Kostentragungspflicht hängt von der in dem Geldleistungsgesetz vorgesehenen Quote, letztlich also von dem Verhandlungsergebnis im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses, ab.
33
Vergleiche: Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 85; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 35; Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 104 a, Rn. 14 f.; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 36; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1142; Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 504; FischerMenshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 104 a, Rn. 17; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 10. 34
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 35.
Β. Andere Lasten Verteilungsnormen
49
IV. Art. 106 Abs. 8 GG: Sonderbelastungsausgleich Art. 106 Abs. 8 GG betrifft zwar Ausgaben, die in den verschiedensten Gebieten anfallen können. Sein Anwendungsbereich wird aber dadurch eingeschränkt, daß über den Sonderbelastungsausgleich dem Land oder der Gemeinde nur Mehrbelastungen erstattet werden, die durch vom Bund veranlaßte besondere Einrichtungen entstehen. In Betracht kommen Ausgaben für infrastrukturelle Anlagen oder Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung von Bundesbehörden, Bundeswehranlagen, Institutionen des Bundesgrenzschutzes, Bundesforschungseinrichtungen und dergleichen stehen, von den örtlich betroffenen Gebietskörperschaften durchgeführt werden müssen und für sie eine ungewöhnliche Belastung bedeuten35. Insofern normiert Art. 106 Abs. 8 GG eine unmittelbare Entschädigungspflicht 36. Sein Anwendungsbereich ist auf Einzelfälle beschränkt 37. Ausgleichsberechtigt ist nur die einzelne Körperschaft, bei der die Mehrbelastungen durch den Bund hervorgerufen wurden. Ausgleichspflichtig ist der Bund. Übereinstimmend werden ihm die Sonderbelastungen aufgebürdet, so daß die Ausgleichszahlungen im Ergebnis zu Lasten seines Etats gehen. Ob Art. 106 Abs. 8 GG als Lastenverteilungsvorschrift oder als Regelung der Einnahmenverteilung einzuordnen ist, ist fraglich. Einerseits bemißt sich die Verpflichtung des Bundes, Ausgleichsleistungen zu gewähren, nach den Belastungen, die den Ländern und Gemeinden durch die besonderen Einrichtungen entstehen. Der Bund hat demnach die Lasten zu tragen, die durch den von ihm verursachten gesteigerten Aufgabenumfang 35 Beispiele für gewährten Sonderbelastungsausgleich sind: Ersatz der Kosten für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen, Umsiedlungen und Grundsteuerausfalle (§3 Abs. 1 Nr. 1 Grundsteuergesetz) aufgrund militärischer Einrichtungen, Bauvorhaben und Wohnsiedlungen (Garnisionsstadt, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, ausländische Streitkräfte), Folgekosten von Behördenansiedlungen und Forschungseinrichtungen (Bundesfinanzverwaltung, Zollämter, Bundesverteidigunsverwaltung), Ausgleichsleistungen an die Stadt und den Raum Bonn wegen der wahrgenommenen Hauptstadtfunktion beziehungsweise wegen des Regierungssitzes; vergleiche zu den Haushaltsansätzen für 1987 die Angaben bei Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 145 Fn. 102 und für 1987-1993 bei Cholewa/Dyong/v. d. Heide!Arenz, Finanzhilfen, Loseblattsammlung, Stand Juni 1993, Bund A 7; vergleiche allgemein: Stem, Staatsrecht, Band Π, 1984, S. 1163; Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 95; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 144; Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 913\Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 106 Fn. 182. 36
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 106, Rn. 40; Heckt, DÖV 1957, 164, 167. 37
Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1146 und 1162 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 127. 4 Trapp
50
2. Teil: Darstellung der Lastenerteilung
entstehen. Diese enge Beziehung zu den Ausgaben legt es nahe, daß es sich bei Art. 106 Abs. 8 GG um eine Lastenverteilungsvorschrift handelt38. Andererseits erfolgt der Ausgleich nicht wegen einzelner Aufgaben, sondern weil die Finanzkraft des Ausgleichsberechtigten durch die Sonderbelastung verschlechtert wird. Dieser Schaden soll durch die zusätzlichen Einnahmen kompensiert werden. Insofern handelt es sich um einen individuellen vertikalen Finanzausgleich39 beziehungsweise um eine notwendige Ergänzung zu den Regeln über den Finanzausgleich40, was für die Einordnung von Art. 106 Abs. 8 GG als Sonderregelung der Einnahmenverteilung spricht 41 . Vogel/Walter 42 gehen davon aus, daß es sich um einen nicht eindeutig zuordnungsfähigen Grenzfall handelt43. Die Schwierigkeiten der Zuordnung sind bei der Frage nach verallgemeinerungsfähigem Inhalt für eine generelle Lastenverteilung zu berücksichtigen.
V. Art. 104 a Abs. 4 GG: Investitionshilfekompetenz Zur Erreichung der in Art. 104 a Abs. 4 GG genannten drei Förderungsziele kann der Bund Ländern und Gemeinden Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen gewähren. Diese sogenannte Investitionshilfekompetenz ist dem Bund als dem Träger der Verantwortung für die gesamtstaatliche Konjunktur· und Steuerpolitik im Zuge der Finanzreform 1969 eingeräumt worden. Ihr liegen die gleichen Erwägungen zugrunde, auf denen auch die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben beruht 44. Allerdings steht ein Tätigwerden im Ermessen des Bundes. Insofern handelt es sich um ein Recht, nicht um eine
38
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 915.
39
Maunz, in: MD, Art. 106 (1970), Rn. 49.
40
Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 98; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 107; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 98, Rn. 137; siehe 5. Teil Α Π. 41
BVerfGE 39, 96, 112; Meyer, Finanzverfassung, 1969, S. 176; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1146; Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 108; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 127. 42 Vogel!Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 22; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 85 f. m.w.N. 43 Im Rundschreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 31.12.1991 (GMB1. 1992, S. 85) wird von einem subsidiären Sondertatbestand gesprochen. 44 Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 23.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983,
Β. Andere Lastenerteilungsnormen
51
Verpflichtung zur Unterstützung von Länderaufgaben. Nur ausnahmsweise verdichtet sich diese Kompetenz zu einer Handlungspflicht. Art. 104 a Abs. 4 GG ist restriktiv auszulegen. Vorrangig ist eine richtige Finanzausstattung, gegenüber der Art. 104 a Abs. 4 GG nur subsidiäre Bedeutung hat 45 . Somit handelt es sich primär um eine fakultative Ergänzung der Normen über die Einnahmenverteilung 46, die eine Zuständigkeit sui generis begründet 47. Nimmt der Bund diese Kompetenz wahr, entsteht für ihn notwendigerweise die Verpflichtung, die gewährten Beträge selbst aufzubringen 48. Insofern kann von einer Ermächtigung, Zuschüsse an die Länder zu gewähren beziehungsweise von einer Finanzierungsunterstützungskompetenz gesprochen werden 49.
VI. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG: Bundesergänzungszuweisungen Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG gestattet dem Bund, leistungsschwachen Ländern Ergänzungszuweisungen zu gewähren. Die Mittel, die hier zur Verfügung gestellt werden, dienen der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Länder. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG ist in ein abgestuftes System der Einnahmenverteilung eingebunden. Die Bundesergänzungszuweisungen sind nur zulässig, um nach dem horizontalen Finanzausgleich verbliebene Finanzlücken zu schließen. Insofern haben sie lediglich subsidiäre Bedeutung50. Desweiteren steht ihre Gewährung im Ermessen des Bundesgesetzgebers. Insofern handelt es sich nicht um eine zwingend vorgeschriebene Kostentragungspflicht, sondern 45 BVerfGE 39, 96, 107 f.; Friauf in: Starck, BVerfG und GG, Bandii, 1976, S. 300, 325;Enquete-Kommission „Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 173, 200; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 27; Henneke, Jura 1991, 230, 232. 46
BVerfGE 39, 96, 107 f. und 111 f.; Fischer-Menshausen, in: Albers, HdWW, Band Π, 1980, S. 651; Friauf in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 327; Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 11 („Finanzhilfekompetenz"); Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 98, 147 („Ermächtigung zu Zuschußgewährung"); Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 48 f., 59 („Ausnahmevorschrift"
beziehungsweise
„Finanzierungsunterstützungskompetenz");
Starck, JZ 1975, 363, 364 („Notkompetenz"). 47
Schmitz, Finanzierungskompetenz, 1991, S. 103, 104; Müller-Volbehr, und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 48. 48 49
Vogel/Kirchhof
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 147.
Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 97; Müller-Volbehr, Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 49. 50
Fonds-
Fonds- und
BVerfGE 72, 330, 402; 86, 148, 261; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 107, Rn. 19; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 78 f.
52
2. Teil: Darstellung der Lasten Verteilung
um eine Zuweisungsermächtigung im Rahmen der Einnahmenverteilungsnormen, die von Fall zu Fall durch Einzelregelungen auszufüllen ist 51 . Warum Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG als Ausnahme des Konnexitätsgrundsatzes und Lastenverteilungsnorm zitiert wird, ist daher unverständlich.
C. Interpretation von Art· 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG Über die grundgesetzlich normierten Ausnahmetatbestände hinaus ist fraglich, ob es ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten gibt beziehungsweise, ob die grundgesetzlich vorgesehene Lastenverteilung disponibel ist. Zu klären ist, ob Bund und Länder einvernehmlich von der Anknüpfung an die Verwaltungszuständigkeit abweichen oder die Finanzierung von Aufgaben der anderen Bundesstaatsebene ganz oder zum Teil - mit der Folge der Mischfinanzierung - übernehmen können. Diese Fragestellung darf nicht mit der nach ungeschriebenen Verwaltungskompetenzen verwechselt werden. Ist kraft Natur der Sache oder im Rahmen einer Annexkompetenz kraft Sachzusammenhangs ein Anliegen einem Aufgabenträger zugewiesen, ergibt sich dessen Verpflichtung zur Finanzierung zwingend aus Art. 104 a Abs. 1 Hs. 1 GG. Wenngleich bei diesem Fragenkreis die finanzielle Seite oft im Vordergrund steht, wird nicht über die Finanzierungspflicht, sondern über die Aufgabenverteilung disponiert, so daß Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG nicht betroffen ist. Die Abweichungen vom geschriebenen Verfassungsrecht liegt allein im Rahmen der Art. 83 ff. GG 52 . Zu beachten ist, daß in Art. 30 GG („... trifft oder zuläßt") und Art. 83 GG („... bestimmt oder zuläßt") im Gegensatz zu Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG ein Aufhänger für ungeschriebene Sachkompetenzen vorhanden ist. Demnach muß eine Kompetenzregelung nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt sein. Vielmehr reicht es, wenn das Grundgesetz sie zuläßt, wenn also die Kompetenzregelung dem Grundgesetz nicht zuwiderläuft. In Art. 104 a Abs. 1 GG ist eine derartige, die festgelegten Kompetenzen von Bund und Ländern erweiternde Interpretation nicht vorgesehen. Trotzdem wird in Art. 104 a
51
BVerfGE 39, 96, 112 ff.; VogeUKirchhof, in: BK, Art. 107 (1971), Rn. 175, 178; Maunz, in: MDHS, Art. 107 (1983), Rn. 73; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1146 52
Pruns, DÖV 1976, 217, 225; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 15; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 47; Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 502; Brockmeyer, FS für Klein, 1994, S. 633, 636 f.
C. Interpretation von Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG
53
Abs. 1 Hs. 2 GG teilweise eine Ermächtigungsgrundlage für gewillkürte Finanzierungsvereinbarungen gesehen53. Soweit die Stellungnahmen Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 betreffen, sind sie nachzuvollziehen. Das Grundgesetz kannte nur Art. 120 Abs. 1 GG als anderweitige Lastentragungsnorm, auf dessen Anordnungen in Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 ausdrücklich verwiesen wurde. Eine Sonderregelung für die Kostentragung bei Bundesauftragsverwaltung existierte nicht. Insofern war die Interpretationsrichtung des Lastenverteilungsgrundsatzes nicht, wie durch die spätere Regelung des Art. 104 a Abs. 2 GG, vorgegeben. Deshalb ließ es sich vertreten, daß bei funktionaler Gewaltenteilung eine Lastenverteilung verfassungsrechtlich nicht abschließend geregelt ist. Folglich konnte die Finanzverantwortung im gegenseitigen Einvernehmen abgegrenzt werden 54, so daß die Staatspraxis, die unsystematische Regelungen in einzelnen Bundesgesetzen und Verwaltungsvereinbarungen kannte55 , gedeckt war 56 . Im Zuge der Finanzreform 1969 sind die bereits dargestellten Ergänzungen des Lastenverteilungsgrundsatzes zusätzlich ins Grundgesetz aufgenommen worden. Grund für die Normierung der besonderen Lastentragungsvorschriften war, die unter dem Schlagwort „Fondswirtschaft" beziehungsweise „Fiskalverwaltung" 57 geübte Finanzierungspraxis einerseits zu sanktionieren und ande-
53 Sachverständigenkommission „Umsatzsteuerverteilung \ Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 104; Luther, Lasten Verteilung, 1974, S. 80 f.; Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 125 ff.; vergleiche auch: Antrag einiger Mitglieder des Bundestages zur Berichterstattung über die Kulturförderung des Bundes ab 1995, BT/DS 12/7231 (1994); Jakob, Der Staat, 1985, 527, 550 ff. (Förderung aufgrund „ungeschriebener Bundeskompetenzen auf dem Forschungssektor"). 54
Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 90 f., 125, 127.
55
Siehe Fn. 67 des 2. Teils; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 103 ff.; Henle, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 11 (1961), S. 63, 66 f., 75; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 106 f.; Pruns, DÖV 1976, 217, 226; Brockmeyer, FS für Klein, 1994, S. 633, 633 f.; Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 244, 246 ff.; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 266, 275 ff.; Henle, DÖV 1966, 608, 613; Henle, Ordnung der Finanzen, 1964, S. 130; Schäfer, H., DÖV 1960, 641, 646; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 41 ff.; Hettlage, FA n.F., Band 14 (1953/54), S. 405, 444 ff., insb. 446; Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 21 ff. 56 57
Götz, JZ 1969, 89, 93.
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 53 ff.; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 306 ff.; Köttgen, Fondsverwaltung, 1965; Blasius, DÖV 1992, 18, 20 f. (Fn. 23-29); Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 44 ff.; Patzig, DVB1. 1966, 389, 392; Henle, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 11 (1961), S. 63, 66; Pruns,
54
2. Teil: Darstellung der Lasten Verteilung
rerseits zu beschränken, um klare Verantwortungsbereiche zu schaffen 38. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, daß durch Art. 91a, 91b, 104 a Abs. 4 GG die unbefriedigende Entwicklung der Bezuschußung von Landesaufgaben durch den Bund verfassungsrechtlich institutionalisiert und damit in klare Bahnen gelenkt und begrenzt werden sollte59. Durch die Fassung des Art. 104 a Abs. 1 GG sollten Zweifel über den zwingenden Charakter des Lastenverteilungsgrundsatzes beseitigt werden 60. Insofern erklärt sich auch die in Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG 1955 noch nicht enthaltene Einschränkung des Art. 104 a Abs. 1 GG durch den zweiten Halbsatz. Nicht verfassungsrechtlich normiertes Kostentragen ist nach 1969 unzulässig. Aus dem bundespolitischen Interesse, der Überregionalität einer Aufgabe oder aus der gesamtstaatlichen Bedeutung läßt sich eine Finanzierungskompetenz des Bundes nicht ableiten61. Auch aufgrund der beschriebenen Sicherungsfunktion der Finanzverfassung für die Bundesstaatlichkeit62 muß die Finanzverfassung als abschließende Regelung verstanden werden, welche Kompetenzverschiebungen selbst mit Zustimmung der Betroffenen nicht zuläßt63. Eine Ermächtigungsgrundlage für Kostentragungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern kann jedenfalls nach der Normierung im Zuge der Finanzreform 1969 in Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG nicht gesehen werden 64. Das Grundgesetz will den Konnexitätsgrundsatz mit Ausnahme der von ihm selbst vorgesehenen Fälle konsequent angewendet wissen. Auch die nach der Finanzreform 1969 vorgesehene Verwaltungsvereinbarung (sogenanntes Flurbereinigungsabkommen) 65 hätte keine Finanzierungszuständigkeiten schaffen,
DÖV 1976, 217, 226; Seeger, DÖV 1968, 781, 781 ff; Schönherr, Föderativer Finanzausgleich, 1984, S. 86, Henneke, Jura 1991, 230, 231. 58
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 66; Stern, Staatsrecht, Bandì, 1984, S. 673, 684 f., 751; Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 113. 59
BVerfGE 39, 96, 110.
60
Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. ll,Erichsen, Konnexität, 1966, S. 18.
61
Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 126; vergleiche aber: Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 83 (entgegen Tz. 93); zur „gesetzesfreien" Erfüllung staatlicher Aufgaben nach Art. 30 GG: BVerfGE 22, 180, 217. 62
Siehe 1. Teil A.
63
Henneke, Jura 1991, 230, 230; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 56; Pauker, DÖV 1988, 64, 67; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 59 f. 64 Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161,231. 65 vergleiche: Bundesministerium für Finanzen, Finanzbeziehungen, 1982, S. 75 ff ; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 16.
C. Interpretation von Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG
55
sondern nur die Abgrenzung bestehender Finanzierungszuständigkeiten klären können66. Die in der Verfassungswirklichkeit nach wie vor bestehenden Kooperationsvorhaben und Mitwirkungsabsprachen mit ihren Finanzierungsvereinbarungen sind daher unzulässig67.
66 Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 15 f.; a. Α.: Sachverständigenkommission „ UmsatzsteuerverteilungSchriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 104. 67
Siehe Fn. 55 des 2. Teils; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VU, 1992, S. 55, 57; Pauker, DÖV 1988, 64, 67; Hüde, JA 1994, 1, 4; Vogel, K. JA 1980, 577, 579; Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 3; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1186; Wieland, in: Makswit/Schoch, Aktuelle Fragen der Finanzordnung, 1986, S. 129, 130 ff. mit diversen Beispielen und 144; kritisch auch Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 18.
3. Teil
Überblick über die Einnahmenverteilung Im zentralistisch gelenkten Einheitsstaat ist der Finanzausgleich lediglich ein verwaltungstechnisches Problem der besten Finanzverteilung an die Kostenstellen. Demgegenüber muß im föderativ gegliederten Bundesstaat eine Regelung gefunden werden, die die Entfaltung des politischen Eigenlebens der Bundesstaatsebenen durch eine eigene finanzielle Bewegungsfreiheit und Selbstverantwortung ermöglicht 1. Ausgangspunkt für die Verteilung der staatlichen Einnahmen auf die einzelnen Ebenen im Bundesstaat muß die Aufgabenverteilung sein (Priorität der Aufgabenverteilung oder Primat des passiven Finanzausgleichs)2. Denn die Aufgabenwahrnehmung durch den zuständigen Kompetenzträger verursacht Ausgaben3. Es kann von Staatsausgaben als dem monetären Reflex der Staatsaufgaben gesprochen werden 4. Es gibt keine hoheitliche Aufgabe, welche nicht schon bei ihrem Aufgriff, spätestens aber bei der Planung ihrer Realisierung und auf jeden Fall bei der Durchführung Geld kostet5. Wenn diese Ausgaben einer Bundesstaatsebene zugewiesen sind, werden von ihr ausgabendeckende Einnahmen benötigt. Daraus läßt sich ein Anspruch auf eine den Aufgaben angemessene Finanzausstattung ableiten. Die Aufgabenträger müssen bei der
1
Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 57; Klein, Friedrich, FS für Giese, 1953, S. 61, 61; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 11 f. 2 Klein, Friedrich, FS für Giese, 1953, S. 61, 66; Popitz, in: Gerloff/Meisel, HdFW, Bandïï, 1927, S. 338, 346; Pagenkopf Finanzausgleich, 1981, S. 248; Hansmeyer/Kops, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1984, 127, 128. 3 Grube, Grundsätze, 1966, S. 34; Isensee, AÖR, Band 115 (1990), S. 248, 273; Fu est/Lichtblau, Finanzausgleich im vereinten Deutschland, 1991, S. 8; Henle, DÖV 1962, 201,203. 4 Münch, Kollektive Güter, 1976, S. 42. 5 Schmidt-Jortzig, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Probleme kommunaler Selbstverwaltung, 1980, S. 9, 37.
3. Teil: Überblick über die Einnahmenverteilung
57
Verteilung der Gesamteinnahmen so berücksichtigt werden, daß sie in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen 6. Während sich die Aufgabenverantwortung aus den über das Grundgesetz verteilten Zuständigkeitsnormen ergibt, sind Ausgaben- und Einnahmenverteilung bis auf wenige Ausnahmen in Art. 104 a ff. GG geregelt. Diese systematische Zuordnung ist richtig. Denn die Verteilung von Sachgegenständen soll losgelöst von der Frage der Finanzierung danach entschieden werden, wer die Aufgaben besser erfüllen kann. Demgegenüber weisen sowohl Lastenverteilung als auch Einnahmenverteilung nahezu rein finanzielle Bezüge auf 7 . Zur aufgabengerechten Finanzausstattung sieht die Finanzverfassung in Art. 106, 107 GG eine differenzierte, abgestufte Einnahmenverteilung vor 8 . Art. 106 GG bestimmt, welcher Aufgabenträger welche Steuereinnahmen erhält (Ertragshoheit) 9. Die Aufteilung findet statt zwischen dem Bund, der Ländergesamtheit und den Gemeinden (Gemeindeverbänden), weshalb diese Stufe als vertikaler Finanzausgleich bezeichnet wird 10 . Art. 106 Abs. 1, 2 GG sieht ein Trennsystem vor 11 . Bund und Länder erhalten jeweils Einnahmen bestimmter Steuerarten zur eigenen Verfügung. Art. 106 Abs. 3, 4 GG legt die Einkommen-, Körperschafts- und Umsatzsteuer als Gemeinschaftssteuern fest, an denen Bund und Länder anteilig partizipieren. Wären sämtliche Steuern auf diese Weise verteilt, würde man von einem Verbundsystem sprechen12. Da in der Bundesrepublik beide Verteilungsarten vorgesehen sind, handelt es sich um ein Mischsystem13.
6
BVerfGE 72, 300, 383; Bundesministerium für Finanzen, Studienkommission, BT/DS 2/480 (1954), S. 150; BW-Kommission „FinanzverfassungsreformZwischenbericht, 1992, S. 14. 7 Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1130. 8 BVerfGE 72, 300, 383; Wieland, Jura 1988, 410, 411; Peffekoven, FA n.F., Band 45 (1987), S. 181, 182; Henneke, Jura 1991, 230, 232 IT.; Vogel, K., in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, §87, Rn. 27, 29, 35; Katz, in: Püttner, HdkWP, Band VI, 1985, S. 304; Zimmerviann, F., System kommunaler Einnahmen, 1988, S. 10 ff., 29 ff.; Carl, SteuerStud, 1990, 165, 165 ff; Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, 1995, S. 25 ff; Birk, SteuerStud, 1987, 290, 293 faßt nur diese Regelungen unter dem Begriff „Finanzausgleich" zusammen. 9 Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 8. 10 BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 32; Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 28. 11 Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 16. 12 Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 16. 13 Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 17 f.; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 12.
58
3. Teil: Überblick über die Einnahmenverteilung
Die Gemeindefinanzen werden in Art. 106 Abs. 5 GG (Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer), Art. 106 Abs. 6 GG (Beteiligung am Aufkommen der Realsteuern) und Art. 106 Abs. 7 GG (Beteiligung am Länderaufkommen der Gemeinschaftssteuern) berücksichtigt. Die Gemeinden erhalten Anteilsberechtigungen an Steuern des Bundes beziehungsweise der Länder 14 . Darüber hinaus ist die Finanzausstattung der Gemeinden Sache der Landesgesetzgebung 13 . Hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben ist die kommunale Ebene in die Länder inkorporiert (Art. 106 Abs. 9 GG) 16 . Grundgesetzlich ist ferner die Aufteilung der der Ländergesamtheit zustehenden Steuereinnahmen geregelt. Art. 107 Abs. 1 GG sieht vor, nach welchem Schlüssel die Steuermittel auf die einzelnen Länder zu verteilen sind. Hierbei handelt es sich um den horizontalen Finanzausgleich17. Danach ist das gesamte Steueraufkommen des Staates auf die verschiedenen Ebenen verteilt, so daß von originärer Einnahmenverteilung 18 beziehungsweise von primärem 19 oder ertragszuweisendem 20 Finanzausgleich gesprochen wird. Erst hiernach erfolgt auf einer zweiten Stufe (Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG) eine angleichende Umverteilung. Im sogenannten sekundären 21 oder berichtigendem22 beziehungsweise ergänzendem23 Finanzausgleich wird die originäre
14 13
Starck, StuW 1974, 271, 272. Auf den landesinternen und kommunalen Finanzausgleich wird nicht eingegan-
gen. 16
BVerwGE 44, 351, 364; VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 686; Fischer-Menshausen, DÖV 1948, 10, 14. 17 Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 33; Maunz, in: MDHS, Art. 107 (1983), Rn. 1 und 3. 18 BVerfGE 72, 330, 385; Kops, WISU 1984, 289, 289; Hansmeyer/Kops, in: Hoppe, Reform des kommunalen Finanzausgleichs, 1985, S. 31, 34; Hansmeyer, in: Benda, Probleme des Föderalismus, 1985, S. 107, 108 ff. 19 Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1149; Inhester, NVwZ 1993, 137, 138; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 55, 58. 20 Vogel!Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 27; Starck, StuW 1974, 271, 278; v. Mutius!Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 85; Birk, SteuerStud, 1987, 290, 293. 21 Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 58; Inhester, NVwZ 1993, 137, 138; Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 35; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1150. 22 Vogel!Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 27; Stem, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1161; Starck, StuW 1974, 271, 278; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstat-
3. Teil: Überblick über die Einnahmenverteilung
59
Einnahmenverteilung durch Ausgleichszuweisungen korrigiert 24 . Dieser Finanzausgleich im engeren Sinn 23 umfaßt die Überweisung bereits einzelnen Aufgabenträgern zugeflossenen Einnahmen an andere Aufgabenträger 26. Ziel ist es, die Differenz zu verringern, die nach Zuteilung originärer Einnahmequellen zwischen der Finanzkraft und dem Finanzbedarf der einzelnen öffentlichen Aufgabenträger besteht. Solche Differenzen ergeben sich, wenn es im aktiven Finanzausgleich nicht gelungen ist, mit dem Finanzbedarf der Aufgabenträger vollständig korrespondierende Einnahmequellen zuzuweisen27. Auf einer weiteren Stufe läßt das Grundgesetz nochmals vertikale Ausgleichszahlungen zu 28 . Nach Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG kann der Bund leistungsschwachen Ländern Ergänzungszuweisungen gewähren. Spätestens danach soll jeder Aufgabenträger die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Finanzmittel erhalten haben29. Entsprechen die erlangten Einnahmen nicht der Summe der Finanzmittel, die ein Aufgabenträger bei wirtschaftlichen Gebaren benötigt, um die ihm zugewiesene Aufgabenerfüllung sicherzustellen, entspricht die Finanzkraft also nicht dem Finanzbedarf, sieht Art. 106 Abs. 4 GG eine Neuverteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern vor 30 . Darüber hinaus kann die Einnahmenverteilung nur durch eine Verfassungsänderung korrigiert werden.
tung, 1985, S. 85; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremd Verwaltung, 1984, S. 155; nach Birk, SteuerStud, 1987, 290, 293 „umverteilender Finanzausgleich". 23 Fick, KStZ 1977, 5, 6; Kops, WISU 1984, 289, 289. 24 Hansmeyer, in: Benda, Probleme des Föderalismus, 1985, S. 107, 113; Kloepfer, in: Herzog/Kunst/Schlaich/Schneemelcher, Evangelisches Staatslexikon, 1987, Spalte 887 ff. 25 Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 104, Rn. 49 will den Begriff des Finanzausgleichs auf diese Umverteilung beschränken, da erst hier zur Vermeidung von Härten berichtigend ein Ausgleich beziehungsweise eine Milderung des bei der primären Einnahmeverteilung entstandenen Finanzgefalles stattfindet; ebenso Katz, in: Püttner, HdkWP, Band VI, 1985, S. 304. 26 Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1161. 27 BVerfGE 72, 330, 386; Henneke, Jura 1991, 230, 233; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 27; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 107, Rn. 1 und 14; Kops, WISU 1984, 239, 343. 28 Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, §87, Rn. 36; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1150. 29 Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 106, Rn. 1. 30 BVerfGE 72, 330, 402; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GrundgesetzKommentar, Band m, 1983, Art. 106, Rn. 6.
4. Teil
Der Lastenverteilungsgrundsatz in Art, 104 a Abs. 1 GG A . Konnexität Der in Art. 104 a Abs. 1 GG niedergelegte Lastenverteilungsgrundsatz wird als Konnexitätsprinzip bezeichnet. Von Konnexität kann gesprochen werden, wenn zwei Gegenstände in einem besonderen Zusammenhang stehen, so daß ihre Verknüpfung gerechtfertigt ist. In Art. 104 a Abs. 1 GG wird die Ausgabenlast mit der Aufgabenwahrnehmung verknüpft, wobei die Ausgabenzuständigkeit der zuständigkeitsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben folgt 1 . Art. 104 a Abs 1 GG setzt eine Aufgabenverteilung voraus und beinhaltet als Rechtsfolge eine entsprechende Finanzverantwortung 2. Das Konnexitätsprinzip macht keine Aussage darüber, welche Ausgaben konkret Bund und Ländern zukommen3. Eine Finanzierungskompetenz setzt stets den Nachweis einer entsprechenden sachlichen Aufgabenzuweisung voraus 4. Die Aufgabenkompetenz begründet die Finanzierungspflicht und begrenzt die Finanzierungsbefugnis'.
1
Siehe 3. Teil.
2
Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 149; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 84; v. Mutilisi Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 73. 3 Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 25; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 21. 4 Friauf, 581,581.
in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 326; Carl, DÖV 1986,
5 Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 58, 153; 5/2861 (1968), Tz. 12; Bundesministerium für Finanzen, Studienkommission, BT/DS 2/480 (1954), S. 150; Bundesministerium für Finanzen, Wissenschaftlicher Beirat, BT/DS 2/480 (1954), S. 172; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 21 f., 198, 556; Vogel!Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 11, 19\Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 3.
Α. Konnexität
61
Das Konnexitätsprinzip knüpft einen plausiblen, allerdings auch selbstverständlichen und nicht neuen Zusammenhang6. Die sich aus der Aufgabenverantwortung ergebende Ausgabenverantwortung wird als ein dem Grundgesetz immanentes System7 und als Ausdruck eines dem Bundesstaatsprinzip immanenten Grundsatzes8 bezeichnet. Eine derartige Kostentragungsregelung war schon vor der Finanzreform 1969 im Grundgesetz enthalten9. Bereits Art. 107 S. 3 GG 194910 verband Ausgaben mit Aufgaben 11. Überwiegend war anerkannt, daß der Regelung in Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 195512 die Bedeutung einer allgemeinen, das Bund-Länder-Verhältnis im ganzen bestimmenden Lastenverteilungsregel zu-
6 Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 1, 2; Hensel, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, Band ΙΠ, 1929, S. 1, 6 f.; Ρopitz, Der künftige Finanzausgleich, 1932, S. 12 ff., 332; Kirchhof, P., in: Hoppe, Reform des kommunalen Finanzausgleichs, 1985, S. 1, 9. 7
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59, 156; Sturm, DÖV 1968, 466, 467; Wolst, Bundesauftrags Verwaltung, 1974, S. 49. 8
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 16 m.w.N. in Fn. 22; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 18; siehe die Nachweise zum 4. Teil A. 9
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 13 f. m.w.N. in Fn. 15; Bundesregierung, BT/DS 2/480, Tz. 1 ff, 41; bereits der Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10.-23.08.1948, Darstellender Teil, S. 33, 66 ging davon aus, daß „die Höhe der Ausgaben durch den Umfang der Aufgaben bestimmt wird"; Strickrodt, JZ 1955, 469,477; Lensch, in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 103; zu den entsprechenden Überlegungen im Haupt- und Finanzausschuß vergleiche die Darstellung bei: Füßlein, JÖR n.F., Band 1 (1951), S. 748, 762 ff; Klein, Friedrich, FS für Giese, 1953, S. 61, 65 f.; Viaion und Müller-Volbehr, verweisen darauf, daß § 17 RHO bereits eine dem Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 entsprechende Regelung enthalten habe, weil „in den Haushaltsplan dürfen nur solche Ausgaben aufgenommen werden, die (...) zur Erfüllung der Aufgaben (...) des Reichs notwendig sind"; Viaion, Haushaltsrecht, 1959, § 17 RHO Anm. 8 (S. 456); Müller-Volbehr, Fond- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 25. 10 Art. 107, S. 3 GG 1949 lautet: „Hierbei (= bei der Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder) ist jedem Teil ein gesetzlicher Anspruch auf bestimmte Steuern oder Steueranteile entsprechend seinen Aufgaben einzuräumen." 11
Bundesregierung, Art. 104 a (1971), Rn. 3. 12
BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59; Vogel!Kirchhof
in: BK,
Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 lautet: „Im Rahmen der ordentlichen Einnahmen haben Bund und Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben."
62
4. Teil: Der Lastenverteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
kommt 13 , obwohl die Bestimmung nur als Richtlinie für die Anwendung der Revisionsklausel im vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern formuliert war 14 . Das Bundesverfassungsgericht behandelte den Grundsatz bereits vor der Normierung in Art. 104 a Abs. 1 GG durch die Finanzreform 1969 als geltendes Verfassungsrecht 15. Im Gesetzgebungsverfahren zur Finanzreform 1969 wurde er entsprechend den Vorschlägen der TroegerKommission und der Bundesregierung vom Parlament verabschiedet 16. Es wurde allerdings auch vertreten, daß ein allgemeiner Lastenverteilungsgrundsatz im Sinne der Konnexitätsthese nie Verfassungswirklichkeit geworden ist 17 . Die Ermächtigungsgrundlage in Art. 107 S. 3 GG 1949 habe nicht die Einführung eines allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes gerechtfertigt 18 . Die Regelung habe Eingang nur in die Revisionsklausel gefunden. Sie
13
Siehe aus der Rechtsprechung die Nachweise in Fn. 15 des 4. Teils; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 15; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 113, 289. 14
Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 200; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 1, 41, 59, 156; 5/2861 (1968), Tz. 60, 113, 289; Müller-Volbehr, Fondsund Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 25 m.w.N. in Fn. 112; Sturm, DÖV 1966, 256, 261; 1968, 466, 466 und 467; Fischer-Menshausen, DÖV 1956, 161, 167; Pagenkopf, Finanzausgleich, 1981, S. 248; Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 7; Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10.-23.08.1948, Darstellender Teil, S. 53; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 130 f.; Grube, Grundsätze, 1966, S. 19 ff.; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 9, 17; Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 49. 15
BVerfGE 9, 305, 328 f.; 14, 221, 233 f.; 26, 338, 389 f.; diese Rechtsprechung wird in BVerfGE 39, 96, 107 f. bestätigt; das Bundesverwaltungsgericht folgt ihr: BVerwGE 44, 351, 364; vergleiche auch die zusammenfassenden Rechtsprechungsübersichten bei: Selmer, AÖR, Band 101 (1976), S. 238, 242 f.; Friauf in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 323 ff. 16
Troeger-Kommission, Art. 104 a (1971), Rn. 9.
Gutachten, 1966, Tz. 198 ff.; Vogel!Kirchhof
in: BK,
17
Hamann/Lenz, Grundgesetz, 1970, Art. 106/107 Anm. Β 3 (ohne Begründung und trotz Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit); Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 259 ff., 261 ff., 312; Patzig, DVB1. 1966, 389, 390; vergleiche allerdings Patzig, DVB1. 1969, 429, 432; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 103; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 46 ff.; Anders: Bereits Art. 107, S. 3 GG 1949 und Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 gingen vom Konnexitätsgrundsatz aus: Erichsen, Konnexität, 1968, S. 13 f. m.w.N. in Fn. 15; Schmidt-Bleibtreu, DGemStZ 1966, 129, 131. 18
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 48 ff.; Bundesrat, BT/DS 2/480 (1954), S. 198; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 103 f.; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 265; anders: Bundesregierung, BT/DS 2/480
Α. Konnexität
63
sei ausschließlich Maßstab zur Bestimmung der Beteiligungsquoten an den Gemeinschaflssteuern. Auch der Wortlaut lasse eine Verallgemeinerung nicht zu 19 . Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und 3 GG 1969, die dann ebenfalls über die Neuverteilung der Steuereinnahmen hinaus Bedeutung haben müßten, führten bei einer Verallgemeinerung zu sinnwidrigen Ergebnissen 20. Letztlich seien einfachgesetzliche Kostentragungen angeordnet worden, die dem behaupteten Grundsatz widersprächen. Sie müßten demnach unwirksam sein21. Die Frage, ob Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 tatsächlich als Sitz der verfassungsrechtlichen Lastenverteilungsregel akzeptiert werden kann, darf offen bleiben, nachdem die Finanzreform 1969 eine entsprechende Regel in Gestalt des Art. 104 a Abs. 1 GG ausdrücklich eingeführt hat 22 . Die Umstellung an den Beginn des Zehnten Abschnitts des Grundgesetzes über das Finanzwesen hat die umfassende Geltung des Konnexitätsprinzips klargestellt, die ihm vorher schon beigemessen wurde. Spätestens seitdem gilt es als beherrschender finanzverfassungsrechtlicher Grundsatz 23. Hervorgehoben wird seine Bedeutung für das Funktionieren einer föderativen Bundesstaatsstruktur, da über die Finanzverfassung die Aufgabenverteilung bestätigt und abgesichert wird 24 . Der Konnexitätsgrundsatz erfüllt die Forderung nach klar gegeneinander abgegrenzten Finanzverantwortungsbereichen dadurch, daß er die Ausgaben jeweils demjenigen zuweist, der für die (1954), Tz. 40 ff., 60, 156 und, S. 224; vergleiche Görg, in: Hochschule Speyer, Staatsund Verwaltungswissenschaftliche Beiträge, 1957, S. 215. 19
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 46; Patzig, DVB1. 1969, 429, 432 akzeptiert den allgemeinen Lasten Verteilungsgrundsatz nach dem „Stellungswechsel" durch die Finanzreform 1969. 20 Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 47 f.; Görg, in: Hochschule Speyer, Staats- und Verwaltungswissenschaftliche Beiträge, 1957, S. 215; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 103; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 263. 21
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 266.
22
Friauf ; in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 324.
23
BVerfGE 26, 338, 390; Selmer, AÖR, Band 101 (1976), S. 238, 242; Friauf in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 324; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 113, 116; Studienkommission der Finanzministerkonferenz, BT/DS 2/480 (1954), S. 210; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 13 f., 16 f.; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 17; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 74; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GrundgesetzKommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 3; Kirchhof P., DVB1. 1980, 711, 712 f.; Schmitz, Finanzierungskompetenz, 1991, S. 100; Lensch, in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 103 f. 24 Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 104 a, Rn. 1; siehe 1. Teil A.
6
4
4
.
Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Aufgaben zuständig ist. Damit werden das Fondswesen und die Finanzierung durch schlichte haushaltsmäßige Bewilligung unterbunden 25. Der Anziehungskraft des zentralen Etats (Popitz'sches Gesetz)26 wird entgegengewirkt: Eine Aufweichung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung über das Prinzip „Wer zahlt, schafft an" (das heißt: Aufgaben- folgt Finanzierungskompetenz) 27 wird durch Art. 104 a Abs. 1 GG unterbunden. Die Verknüpfung von Aufgaben und Ausgaben stärkt die finanzwirtschaftliche Eigenverantwortung von Bund und Ländern, weil sie beide daran hindert, die Kosten für die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben auf die jeweils andere staatliche Ebene abzuwälzen. Die bundesstaatliche Struktur wird gesichert 28. Aufgrund dieser Vorteile ist Art. 104 a Abs. 1 GG nicht umstritten 29 . Der Konnexitätsgrundsatz hat sich bewährt und bewirkt sachgerechte Ergebnisse 30. Er wird als das Kernstück einer stabilen Finanzverfassung bezeichnet31. Da aus der Aufgabenverteilung Finanzverantwortung und Lastenzuteilung folgen, kommt alles darauf an, wie der in Art. 104 a Abs. 1 GG verwandte Be25 BVerfGE 39, 96, 110; Birk, in: AK, Bandii, 1989, Art. 104 a, Rn. 5; FischerMenshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 104 a, Rn. 1; Friauf, in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 325 f.; vergleiche aber auch Selmer, AÖR, Band 101 (1976), S. 238, 246. 26
Popitz, in: Gerloff/Meisel, HdFW, Band Π, 1927, S. 338, 346 ff.
27
Letztlich untersucht und bestätigt von Edling, DÖV 1987, 579 ff.
28
Sogenannte Garantiefunktion: Schwalber, Parlamentarischer Rat Stenographischer Bericht, 3. Sitzung, 09.09.1948, S. 39; Fischer-Menshausen, DÖV 1953, 229, 230; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 39; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 16 und 26 f.; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 38, 54 ff., 56; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 217; Kirchhof, F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71, 81; vergleiche zur Begründung der Aufgaben-Ausgaben-Verknüpfung auch: Kirchhof P., in: Püttner, HdkWP, Band VI, 1985, S. 14; Kirchhof, P., in: Hoppe, Reform des kommunalen Finanzausgleichs, 1985, S. 1, 10. 29 Dem kann so pauschal nicht zugestimmt werden; vergleicheRenzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 172. 30 Pagenkopf, Finanzausgleich, 1981, S. 249; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 201; Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995", Beratungsergebnisse Erste Lesung Themenbereich 12 (November 1992): Lastenverteilungsgrundsätze, S. 10, 12 f.; Sturm, DÖV 1968, 466, 473; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 67; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 113. 31
Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 61; vergleiche zusammenfassend: Karstendiek, ZRP 1995, 49, 49 f.; Kirchhof P., DVB1. 1980, 711, 713.
Α. Konnexität
65
griff „Aufgabe" dem Konnexitätsprinzip entsprechend umzusetzen ist 32 . Hierzu hatte sich vor der Finanzreform 1969 ein Meinungsstreit entwickelt. Beim Bemühen, allgemeine Grundsätze zur Erfassung des Anknüpfungspunktes für den Aufgabenbegriff im Sinne von Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 herauszuarbeiten, wurden folgende Ansichten vertreten 33: Nach der von Fischer-Menshausen - dem damaligen Ministerialdirigenten im Bundesministerium der Finanzen - vertretenen These soll sich die Finanzverantwortung nach der Verwaltungstätigkeit - also Art. 83 ff. GG - richten. Diese Verwaltungsanknüpfung entspricht seit dem Finanzverfassungsgesetz 34, in dessen Begründung seine Thesen eingegangen sind, der in der Praxis überwiegend vorgenommenen Lastenverteilung. Sie ist seit der Bestätigung durch das Finanzreformgesetz 35 als herrschende Ansicht zu bezeichnen. Ein anderer Ansatz, der insbesondere von Henle 36 vertreten wird, zielt auf eine Belastung des Gesetzgebers mit den Kosten für den Vollzug seiner Gesetz ab. Danach kommt es für die Finanzierungsverantwortung auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen an. In eine vergleichbare Richtung gehen auch Rietdorf, Ludwig und von der Heide, wenngleich sie (zusätzlich) zwischen Aufbringungs- und Bewirtschaftungsverantwortung unterscheiden. Das Veranlassungsprinzip wurde von Maunz aufgrund der Überlegungen von Köttgen, der an die Sachverantwortung anknüpfen wollte, entwickelt. Danach entscheidet für die Verteilung der Finanzverantwortung die kostenrelevante Einflußnahme der Beteiligten bei der Umsetzung eines Anliegens. Patzig und Kölble stellen materielle Gesichtspunkte in den Vordergrund, indem sie nach der Bundes- oder Landesqualität der Aufgabe beziehungsweise nach dem Interesse an ihrer Wahrnehmung fragen 37.
32
Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 86 f.; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 130; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 117 f. 33
Zum aktuellen Meinungsstand siehe 7. Teil C.
34
Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung vom 23.12.1955, BGBl. I, S. 817 f. 35
21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12.05.1969, BGBl. I, S. 359 ff.
36
Ausführlich Henle, DÖV 1966, 608, 608 ff.
37
vergleiche die Zusammenfassungen der verschiedenen Ansichten von: Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 27-35; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 177-182; Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 24-31; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 23-39; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1136 f.; ausführlich: Grube, Grundsätze, 1966; Luther, Lastenverteilung, 1974. 5 Trapp
6
6
4
.
Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Die Unsicherheit bei der Interpretation des Aufgabenbegriffs ist im Verfahren zur Finanzreform 1969 nicht beseitigt worden. Das Gutachten der Troeger-Kommission 38 weist bei der Bestimmung des Aufgabenbegriffs Mängel auf. Auch das Institut „Finanzen und Steuern" 39 bemühte sich in seiner die Finanzreform 1969 vorbereitenden Stellungnahme insoweit nicht um eine seinen Standpunkt begründende Diskussion40. Der Gesetzgeber hat eine ausdrückliche Klarstellung des für die Zuordnung der Ausgabenkompetenz maßgeblichen Aufgabenbegriffs vermieden 41. Ein Anknüpfungsziel ist in Art. 104 a Abs. 1 GG nicht genannt ist. Der Begriff der Aufgabe ist aus sich heraus nicht bestimmt 42 . Zumeist begnügte man sich ohne Begründung mit der Feststellung, daß an die Verwaltungskompetenz anzuknüpfen sei43. Es ist festzuhalten, daß jede vorgeschlagene Anknüpfung bereits eine Interpretation des Konnexitätsgrundsatzes darstellt 44. Das Anknüpfungsergebnis ist jedenfalls de constitutione ferenda keineswegs klar 45 . Es wird zu Recht darauf verwiesen, daß die gesamte Intensität des Bund-LänderSpannungsverhältnisses in die Definition des Aufgabenbegriffes umgesetzt wurde. Bereits die Diskussion um Art. 107 S. 3 GG 1949 enthielt eine gewichtige verfassungspolitische Dimension 46 . Unstreitig ist lediglich die Verknüpfung von Aufgaben und Ausgaben47. Nur sie wird deshalb im folgenden unter Konnexitäts(-grundsatz) verstanden. Insofern ist es nach der herrschenden Meinung 48 richtig, wenn gesagt wird, Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 beruhe auf dem Gedanken der Konnexität zwischen Ausgaben- und Verwaltungszuständigkeit, Verwaltungskompetenz beziehungsweise Verwaltungsver-
38
Troeger-Kommission,
39
Institut „Finanzen und Steuern", Schriftenreihe, Heft 80 (1966).
40
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 29 Fn. 69.
41
Erichsen, S. 50.
Gutachten, 1966.
Konnexität, 1968, S. 37; Wolst,
Bundesauftragsverwaltung, 1974,
42
Heun, Der Staat, 1992, 205, 209; Köttgen nach Nederkorn, DÖV 1953, 551, 552; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 151, 152. 43
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 29 (Fn. 69); vergleiche bereits Kaufmann, in: Bund zur Erneuerung des Reiches, Die Reichsreform, Band I, 1933, S. 324. 44
Vogel/Kirchhof,
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 36, 46.
45
Fischer-Menshausen, in: Albers, HdWW, Bandii, 1980, S. 636, 643; ν. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 30. 46 47
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 19.
Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 49; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 18, 21; Schneider, H.-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3, 7. 48 Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
67
antwortung 49 , oder Art. 104 a Abs. 1 GG 1969 entscheide den Streit um die Anknüpfung 50 . Als Konnexitätsprinzip kann nicht der Grundsatz mit der Verwaltungskompetenz korrespondierender Finanzverantwortung bezeichnet werden51. Denn Art. 104 a Abs. 1 GG bestimmt nicht, ob die Ausgabenverantwortung an die Gesetzgebungskompetenz, an die Verwaltungskompetenz oder an beide Kompetenzen zugleich anknüpft 52 . Es bedarf einer Interpretation dessen, was der Ausgangsbegriff des Konnexitätsgrundsatzes „Aufgabe" bedeutet53. Anknüpfungsergebnisse lassen sich erst nach Auslegung beziehungsweise Interpretation erzielen 54. Dem Grundgesetz ist eine Antwort nicht mit der Eindeutigkeit zu entnehmen, die in Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 (Art. 104 a Abs. 1 GG) unterstellt wird 55 . Angesichts der Mehrdeutigkeit wird gefordert, der Gesetzgeber solle klarstellen, auf welche Aufgabenkategorie Bezug genommen wird.
B. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
I. Wortlautauslegung Der Wortlaut des Lastenverteilungsgrundsatzes selbst gibt keine Anhaltspunkte56. Ihm läßt sich nur eine extensive Richtung entnehmen: Jede staatliche Betätigung egal welcher Art wäre zur Bestimmung der Finanzverantwortlichkeit relevant, unabhängig davon, mit welchen Mitteln gehandelt wird 57 . Daneben wäre die sachliche Zuordnung des Staatszweckes für die Frage, wessen Aufgabe im Sinne des Lastenverteilungsgrundsatzes wahrgenommen wird, 49
Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 177; Birk, in: AK, Bandii, 1989, Art. 104 a, Rn. 3; Häde, JA 1994, 1, 2; Birk, SteuerStud, 1987, 290, 328. 50 Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 3. 51 so aber: Pagenkopf nanzsystem, 1980, S. 37. 52
Finanzausgleich, 1981, S. 249; Rosenschon, Gemeindefi-
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 12, 26.
53
Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VU, 1992, S. 55, 61. 54
Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 36, 46; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1131, Erichsen, Konnexität, 1968, S. 19, 20 Fn. 28. 55
Köttgen, DÖV 1953, 358, 359; Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 246.
56
Schoch/Wieland,
57
Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 104 a, Rn. 8.
FinanzierungsVerantwortung, 1995, S. 151, 152.
6
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4
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
von Bedeutung. Über die Kostentragungspflicht würden demnach in materieller Hinsicht die grundgesetzliche Aufgabenverteilung und in formeller Hinsicht die allgemeinen Zuständigkeitsnormen entscheiden58.
Π . Systematische Auslegung Durch einen Vergleich der Interpretationen des Begriffs „Aufgabe" in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes soll versucht werden, zu ermitteln, ob „Aufgabe" in formalem oder auch beziehungsweise nur in materiellem Sinne zu begreifen ist 59 . Der Begriff „Aufgaben" wird in Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG 1976 (Art. 29 Abs. 1 S. 2 GG 1969, Art. 29 Abs. 2 GG 1949) und in Art. 30 GG weitreichend verstanden. Wenn in Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG angeordnet ist, daß eine Neugliederung Länder schaffen soll (kann), die „nach Größe und Leistung die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können", ist die Gesamtheit der von einem Land nach dem Grundgesetz wahrzunehmenden Kompetenzen, die Gesamtheit der ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Rechte und Pflichten zu verstehen 60. Nach der Formulierung in Art. 30 GG umfaßt der Aufgabenbegriff nicht die „Ausübung staatlicher Befugnisse", da dieser Bereich ausdrücklich neben dem Begriff „Erfüllung staatlicher Aufgaben" gebraucht wird. Man wird jedoch in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht in der Formulierung des Art. 30 GG eine sinnlose Tautologie sehen müssen61. Die Begriffe „Ausübung staatlicher Befugnisse" und „Erfüllung staatlicher Aufgaben" schließen sich inhaltlich nicht aus. Vielmehr sollte durch die gewählte Terminologie alle staatliche Tätigkeit erfaßt werden 62. Versucht man den an anderen Stellen verwandten Aufgabenbegriff näher zu bestimmen, so bieten sich zwei Möglichkeiten an. Die staatlichen Aufgaben können einerseits vom Gestaltungsobjekt her beschrieben, andererseits durch die staatlichen Funktionen bezeichnet werden, die zu seiner Verwirklichung eingesetzt werden. Im ersten Fall ist die Aufgabe der einzelne Sachbereich, zu dessen Gestaltung der Staat tätig wird. Zugleich kann die Bezeichnung der Zwecke und Ziele enthalten sein, die mit der Gestaltung angestrebt werden. Daher kann dieser Aufgabenbegriff als materiell-finaler benannt werden. An58
Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 44 f.
59
Vergleiche zu diesem Ansatz Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 263.
60
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 20.
61
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 20 f. unter Verweis auf BVerfGE 12, 205, 244,
246. 62
Müller-Volbehr,
Fonds-und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 87.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
69
dererseits können die staatlichen Aufgaben durch die verschiedenen Funktionen beschrieben werden, die der Staat zur Erfüllung eines Anliegens einsetzt. Dieser Aufgabenbegriff kann als formal-modaler bezeichnet werden. Aufgaben in diesem Sinne sind ζ. B. der Erlaß von Gesetzen, die Errichtung von Behörden, der Erlaß von Verwaltungsakten. Eine Aufgabe im materiell-finalen Sinn wird dadurch erfüllt, daß eine oder mehrere Aufgaben im formal-modalen Sinn wahrgenommen werden. Jene bezeichnet das Ziel, diese die Art und Weise der staatlichen Tätigkeit 63 . Unabhängig von der Frage, ob das Grundgesetz den Aufgabenbegriff eindeutig in dem einen oder anderen Sinn verwendet, ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Zum einen geben die grundgesetzlichen Kompetenzverteilungsnormen nicht für alle Gestaltungsobjekte und Tätigkeitsformen sichere Antworten. Zuordnungen müssen nicht ausdrücklich vom Grundgesetz getroffen sein. Es reicht, wenn das Grundgesetz die Aufgabenwahrnehmung zuläßt. Das hat zur Ausbildung von Kompetenzen kraft Sachzusammenhang (Annexkompetenzen) und aus der Natur der Sache geführt. Dadurch wird eine eindeutige Abgrenzung erschwert 64. Zum anderen verursacht die bloße Existenz eines durch den Staat zu erfüllenden Sachanliegens keine Kosten. Ausgaben entstehen erst, wenn der Staat tätig wird, das heißt, das Sachanliegen durch staatliche Funktionsausübung aufgreift 65. Demnach sind materiell-finaler und formal-modaler Aufgabenbegriff aufeinander bezogen66. Sieht man die Verfassung im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs „Aufgabe" durch, so zeigt sich, daß das Grundgesetz den Aufgabenbegriff einmal formal-modal versteht, ihn aber auch vom Gestaltungsobjekt her bestimmt 67 . In Art. 87 a Abs. 3, 87 b Abs. 1 S. 2 und 3, 87 d Abs. 2, 89 Abs. 2 S. 2 GG werden ausdrücklich Tätigkeitsbereiche angesprochen. Demgegenüber werden in Art. 33 Abs. 4, 35 Abs. 2, 115 g, 134 Abs. 2, 3, 135 Abs. 2, 135 a Nr. 3 GG Tätigkeitsmodalitäten erwähnt 68. Der Aufgabenbegriff des Grundgesetzes ist in seinem Bedeutungsgehalt nicht gleich. Das Grundgesetz sondert die Sphären von Bund und Ländern nur in wenigen Fällen allein nach dem Gestaltungsobjekt und überträgt - wie etwa im Falle der militärischen Verteidigung - dem Bund oder - so im Schul-, Ordnungs-, Kommunal- und 63
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 21 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 6; Füchsel, Gemeinschaftsaufgaben, 1985, S. 197; Schmitz, Finanzierungskompetenz, 1991, S. 107. 64
Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 70, Rn. 5-9; Sturm, DÖV 1968,466,472.
65
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 49 f.
66
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 6.
67
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 21.
68
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 20 ff; Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621,
631.
7
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4
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Teil: Der Lastenerteilungsgndsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Kultuswesen - den Ländern eine Angelegenheit zur ausschließlichen Erledigung 69 . Ganz überwiegend weist das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz in den einzelnen durch das Gestaltungsobjekt bezeichneten Bereichen dem Bund und die Vollzugszuständigkeit den Ländern zu, verteilt also die Aufgaben auch unter formal-modalen Gesichtspunkten70. Damit erweist sich die Definition des im Konnexitätsgrundsatz enthaltenen Aufgabenbegriffs durch das Gestaltungsobjekt als unmöglich 71 . Insofern kann auch die systematische Interpretation den Aufgabenbegriff nicht klären 72 . Auch die Bundesregierung nimmt in der Begründung des Gesetzesentwurfs einmal auf den umfassenden Aufgabenbegriff des Art. 30 GG 73 , dann wieder auf den formal-modalen Bereich der Art. 83 ff. GG 74 Bezug.
I I I . Teleologische Auslegung 7. Grundsätzliche Probleme der Anknüpfungsmodelle Diejenigen, welche die Finanzverantwortung ausschließlich nach Staatsfunktionen zuordnen, sei es dem Träger der Gesetzgebungs- oder der Verwaltungskompetenz, können zwar für sich anführen, eine generell eindeutige, 69 Henle, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 11 (1961), S. 63, 74; Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621, 632; Herzog, BayVBl. 1991, 513, 515; Herzog,, Die politische Meinung, Heft 256 (1991), S. 4, 9; Wieland, in: Senator fur Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 217 f. 70
Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 54, 93; Schoch!Wieland, JZ 1995, 982, 985; Friauf, in: Kewenig, Deutsch-Amerikanisches Verfassungsrechtssymposium, 1978, S. 177, 191; Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1232. 71 Nur bei einem ausschließlich materiell-finalen Aufgabenbegriff wäre die Gleichsetzung von Aufgaben- und Ausgaben Verantwortung richtig; vergleiche: Füchsel, Gemeinschaftsaufgaben, 1985, S. 213; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 93. 72
Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 47 f.; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 19 ff.; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 118; Maier; Κ., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 42 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 41 ff. (44). 73
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 156; ihr dortiger Vorschlag einer Lastenverteilungsnorm ist der Aufgabenverteilungsgrundnorm nachgebildet; Art. 106 Abs. 2 des Entwurfs lautet: „Der Bund trägt die zur Ausübung der staatlichen Befugnisse und zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben erforderlichen Ausgaben, soweit die Wahrnehmung dieser Befugnisse und Aufgaben Sache des Bundes ist (...)·" 74
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 52 f., 64; 5/2861 (1968), Tz. 114.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
71
einzelfallunabhängige Abgrenzung der Kostentragung zu ermöglichen 75. Sie stoßen jedoch auf Schwierigkeiten, weil das deutsche Bundesstaatssystem die Umsetzung eines Anliegens und damit die Aufgabenverantwortung aufteilt: Die Gesetzgebung ist beim Bund zentralisiert, während der Gesetzesvollzug dezentral von den Ländern und Kommunen geleistet wird. Die mit dieser Kompetenzaufteilung verbundene Möglichkeit, kostenrelevante Entscheidungen zu treffen, kann nicht berücksichtigt werden, so daß optimale Ergebnisse nur bei Konkordanz von Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit erzielt werden 76. Ausschließliche Finanzverantwortungsbereiche lassen sich nur dadurch erreichen, daß entweder die eine oder die andere Tätigkeitsmodalität bei der Bestimmung der Kostenverantwortung unterschlagen wird 77 . Die Forderung, die Finanzverantwortung an die kostenverursachenden Einflußnahmemöglichkeiten, die aufgrund der grundgesetzlichen Zuständigkeitsordnung bestehen, anzupassen, kann nicht erfüllt werden 78. Bei Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit führt das dazu, daß der Bundesgesetzgeber durch Erlaß von kostenverursachenden Gesetzen einseitig die vollzugszuständige Körperschaft belasten kann, so daß man davon sprechen kann, die Anknüpfung sei zwar praktikabel, aber ungerecht 79. Diejenigen, die sowohl den Gesetzgeber als auch den Träger der Vollzugskompetenz mit den Kosten belasten, haben Schwierigkeiten, die Höhe der jeweils zu tragenden Kosten zu bestimmen, weil der Beeinflussungsumfang nicht immer meßbar ist. Das Abstellen auf Veranlassung beziehungsweise Sachverantwortung schafft Mischfinanzierung und widerspricht somit dem Hauptanliegen der Finanzreform 1969, ausschließliche Finanzverantwortungsbereiche zu schaffen. Die Kostenbeteiligung entsprechend der Sachverantwortung oder der Veranlassung ist zwar gerechter; es stellt sich aber die Frage nach der Praktikabilität 80 . Letztlich stoßen auch diejenigen, welche die (Bundes- oder Landes-) Qualität einer Aufgabe als relevant ansehen, auf Probleme der Zuordnung, da die Sachgebiete grundgesetzlich nicht unter Ausschließlichkeitsgesichtspunkten verteilt sind und der Bundes- oder Landescharakter einer Aufgabe nicht immer
75
Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621, 632.
76
Heun, Der Staat, 1992, 205, 209 f.
77
Schmitz, Finanzierungskompetenz, 1991, S. 107; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 50 f. 78 79
Grube, Grundsätze, 1966, S. 48.
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 12; Weiler, ben, 1966, S. 31. 80 Siehe 7. Teil Β ΠΙ 5 d bb.
Getrennte Tragung der Ausga-
7
2
4
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
eindeutig ist 81 . Art. 30 GG nimmt keine unstreitige Zuständigkeitsverteilung vor. Föderalistische Kooperationsformen können bei dieser Anknüpfung nicht berücksichtigt werden 82. Es soll hier festgehalten werden, daß keine der vertretenen Ansichten unangreifbar ist. Im folgenden sind die wesentlichen Argumente zusammengetragen, die für und gegen die Anknüpfungspunkte sprechen. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Argumentation gelegentlich daran krankt, daß die Begründung des Konnexitätsgrundsatzes und die Definition des Aufgabenbegriffs nicht auseinandergehalten werden 83. Insbesondere die Argumente, die für eine Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit vorgebracht werden, sprechen teilweise nur für die Konnexität von Aufgaben und Ausgaben. Einige Autoren beziehen sich auch nicht auf die Verwaltungsanknüpfung, werden aber trotzdem als Vertreter dieses Anknüpfungspunktes zitiert.
2. Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit a) Konkretisierung der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit aa) Anknüpfung an Verwaltungstypen In der Begründung des Finanzverfassungsgesetzes und des Finanzreformgesetzes führt die Bundesregierung aus: „Aufgabe im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG ist Verwaltungsaufgabe" 84 beziehungsweise: „Der Ausgabenverantwortungsbereich deckt sich mit dem Verwaltungshoheitsbereich" 85. In der Literatur 86 wird konkretisierend formuliert: „Aufgaben im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG sind unmittelbar kostenverursachende Funktionen, in der Regel also Verwaltungsaufgaben." Demnach muß eine Verwaltungszuordnung vollzogen werden. Erst wenn entweder der Bund oder die Länder als Träger der Verwaltungsaufgabe fest-
81
Grube, Grundsätze, 1966, S. 39 ff.
82
Patzig, DVB1. 1966, 389, 390.
83
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 20 Fn. 28.
84
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59, 62; 5/2861 (1968), Tz. 114.
85
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 64.
86
Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 54, 56; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 3-5; FischerMenshausen y DÖV 1952, 673, 675; kritisch//ewn, Der Staat, 1992, 205, 209.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
73
stehen, kann eindeutig eine Körperschaft mit den Kosten belastet werden 87. Es ist festzustellen, ob auf die Verwaltungszuständigkeit, die Verwaltungsbefugnis, die Verwaltungskompetenz oder die Verwaltungsverantwortung Bezug zu nehmen ist. Dazu bedarf es einer Klärung der Begriffe. Vielfach wird der Begriff der Zuständigkeit gleichbedeutend gebraucht mit dem der Kompetenz. Wenngleich Zuständigkeit und Kompetenz zumeist als zusammenfassende Begriffe für die Aufgaben und Befugnisse eines Verwaltungsorgans verstanden werden, dürfen sie nicht mit der Staatsaufgabe identifiziert werden. Denn sie setzen die Existenz einer Staatsaufgabe voraus und betreffen allein das für den Staat handelnde Subjekt88. Durch die Zuständigkeitsverteilung beziehungsweise Kompetenzeinräumung wird die Ausführung einer Staatsaufgabe einer Organisationseinheit innerhalb des vertikal und horizontal gegliederten staatlichen Organisationsgefüges zugewiesen. Gleichzeitig werden der Einheit entsprechende Handlungsvollmachten eingeräumt. Damit kann die Gestattung zur Unterhaltung eines eigenen Verwaltungsunterbaus und zu einem nach außen gerichteten Verwaltungshandeln verbunden sein89. Es wird bestimmt, ob und welche Organe des Staates beziehungsweise welche anderen Verwaltungsträger sich mit einer Tätigkeit in einem Sachgebiet zu befassen haben. Kompetenz und Zuständigkeit sind demnach im staatsorganisationsrechtlichen Sinne zu verstehen, weil sie den rechtlichen Handlungsrahmen einer Organisationseinheit gegenüber einer anderen begrenzen 90. Demgegenüber wird mit Befugnis das Verhältnis der Bürger zum Staat angesprochen. Mit Befugnis wird - insbesondere im Polizei und Ordnungsrecht - die gesetzliche Vorschrift bezeichnet, welche die Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben zum Eingriff in die Rechte anderer ermächtigt 91. Verwaltungsverantwortung ist im Gegensatz zu den anderen Begriffen von der materiellen Seite her zu verstehen. Sie ist die unbeeinflußte und eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung einschließlich des Erlasses der erforderlichen
87
Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 104.
88
Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band ΙΠ, 1988, § 57, Rn. 140 f.
89
Kölble, DÖV 1964, 592, 593.
90
Stem, Staatsrecht, Bandi, 1984, S. 118; Püttner/Kr etschmer, Staatsorganisation, 1993, S. 8, 16; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band ΠΙ, 1988, § 57, Rn. 141 91
Maunz, in: MDHS, Art. 30 (1982), Rn. 5; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bandii, 1995, Art. 30, Rn. 6; Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 30, Rn. 3; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band ΙΠ, 1988, § 57, Rn. 142.
7
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4
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Verwaltungsvorschriften und der Regelung des Verwaltungsverfahrens 92. Sie umfaßt die Zurechnung und das Einstehen müssen für ein Verhalten und dessen Folgen 93 . Die Verwendung dieser Termini ist uneinheitlich und wird auch von den Vertretern der Verwaltungsanknüpfüng nicht immer nach dem dargestellten Inhalt durchgeführt. Teilweise wird von einer Kombination von Finanzierungslast und Verwaltungszuständigkeit gesprochen94. Andere Autoren stellen ab auf die Verwaltungskompetenz oder auf die Verwaltungsverantwortung 95. Fischer-Menshausen spricht unter der Überschrift „Verwaltungsverantwortung" sowohl von Verwaltungsaufgaben, als auch von Verwaltungskompetenz und Verwaltungszuständigkeit 96. Uneinheitlich sind auch die Äußerungen der Bundesregierung 97. Deshalb wird teilweise ausdrücklich darauf verwiesen oder es ist den Darstellungen zu entnehmen, daß die Begriffe gleichbedeutend verwendet werden. Erichsen 98 stellt klar, daß Zuständigkeit und Kompetenz gleichbedeutend als Ermächtigung zu potentiellem Handeln gebraucht werden und von der Ausübung und Wahrnehmung zu unterscheiden sind. Mithin bestehe Konnexität zwischen Aufgabe und Finanzierungs- beziehungsweise Ausgabenkompetenz 99 . Ähnlich formuliert Stern 100: Zwar sei die Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz nicht ausdrücklich in den Verfassungstext aufgenommen, doch dürfte diese Auslegung allein der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Regelung gerecht werden. Da Ausgaben regelmäßig erst durch die vollziehende Tätigkeit entstünden, spräche vieles dafür, daß die Verwaltungskompe-
92 Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 104 Fn. 4; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 68; Maus, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 33, 33. 93
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 51, 53, 54; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 5. 94
Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 3; Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 24; Friauf,; in: Starck, BVerfG und GG, Band Π, 1976, S. 300, 326. 95
Friauf in: Starck, BVerfG und GG, Bandii, 1976, S. 300, 324; Stern, Staatsrecht, Bandïï, 1980, S. 1137; Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 76; FischerMenshausen, DÖV 1952, 673, 678. 96
Fischer-Menshausen, Art. 104, Rn. 4,5.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983,
97
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59, 62; 5/2861 (1968), Tz. 114.
98
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 11.
99
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 13, 15, 16, 18, 19, 26.
100
Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1138.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
75
tenz die Finanzverantwortung auslöse. Die Lastenverteilung hänge demnach von der administrativen Wahrnehmungszuständigkeit ab 101 . Schmidt-Jortzig setzt die Begriffe Aufgabe und Kompetenz gleich 102 . Schmitz vertritt die Ansicht, die Begriffe „Verantwortung", „Kompetenz" und „Zuständigkeit" würden synonym verwandt 103 . Dem kann nicht gefolgt werden. Denn damit würden die auf formelle Aspekte abstellenden Begriffe „Kompetenz", „Zuständigkeit" und „Befugnis" mit dem inhaltliche Überlegungen berücksichtigenden Begriff „Verantwortung" gleichgesetzt. Verantwortung geht über die drei anderen Begriffe hinaus, da Verantwortung haftungsrelevante Bedeutung im Sinne von „einzustehen hat fur" beziehungsweise „inhaltliche Zurechenbarkeit" hat. Der Begriff der Verwaltungsverantwortung deckt sich nicht mit der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung in Art. 83 ff. GG 104 . Bei der Verwaltungszuordnung kann daher entweder auf die formalen grundgesetzlichen Zuständigkeitsregeln (formelles Konnexitätsprinzip) oder auf die selbstzuverantwortende, ausgeübte Einflußnahme (materielles Konnexitätsprinzip) Bezug genommen werden 105. Stellt man auf ersteres ab, also auf die nach außen gerichtete Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, wären sowohl im Fall des Vollzugs der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit nach Art. 84 GG als auch im Fall der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG die Länder finanzierungspflichtig. Denn auch die Bundesauftragsverwaltung ist Länderverwaltung. Organisationsrechtlich leisten die Länder den Vollzug 106 . Entsprechend wären die Länder zur Tragung der Zweckkosten verpflichtet. Stellt man ab auf die Verantwortung dafür, daß eine Aufgabe gerade in einem bestimmten Sinne oder in einer besonderen Art und Weise gelöst wird, kommt es zur Bestimmung des Kostentragungspflichtigen auf die Verwaltungsvorgaben an. Jede (ausgeübte) bundesseitige Einflußnahme auf den Gesetzesvollzug durch die Länder ist dann für die Kostenverteilung relevant. Wenn der Bund von seinen Ingerenzrechten Gebrauch macht, ist er an der Fi-
101
Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1137.
102
Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 55, 59. 103
Schmitz, Finanzierungskompetenz, 1991, S. 108.
104
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 55.
105
Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 104; zu den Termini vergleiche Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 134. 106
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 45; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178; Sturm, DÖV 1966, 256, 265 ff.; 1968,466,469.
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Teil: Der Lastenerteilungsgndsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
nanzierung zu beteiligen. Einflußnahmemöglichkeiten existieren beim Vollzug der Bundesgesetze sowohl nach Art. 84 GG als auch nach Art. 85 GG. Ihre Ausübung müßte daher zur Mischfinanzierung führen 107 . Die Verwaltungsanknüpfung folgt keinem der beiden Ansätze. Dem ersten Ansatz folgt sie nicht, weil es angesichts der Bundesingerenzrechte nach Art. 85 GG ungerecht sei, die Länder auch im Fall der Bundesauftragsverwaltung mit den Zweckausgaben zu belasten108. Dem zweiten Ansatz folgt sie nicht, weil er nicht in Einklang zu bringen sei mit der Forderung nach ausschließlichen Finanzierungsbereichen von Bund und Ländern, wie sie durch die Finanzreform 1969 geschaffen werden sollten 109 . Stattdessen wird die Finanzierungsverantwortung nach dem Prinzip der (potentiellen) überwiegenden Einflußnahmemöglichkeit auf die Verwaltungstätigkeit ausschließlich Bund oder Ländern zugewiesen. Beim Vollzug als eigene Angelegenheit der Länder würden die Länder eigenverantwortlich handeln, so daß ausschließlich sie die Kostenlast treffe. Interne Mitwirkungsbefugnisse des Bundes könnten die Lastentragungspflicht der Länder nicht beeinflussen. Die Ingerenzmöglichkeiten seien nicht als partieller Gesetzesvollzug durch den Bund zu qualifizieren 110 . Beim Vollzug der Bundesgesetze in Bundesauftragsverwaltung trage der Bund wegen seines Weisungsrechts die „letzte Verwaltungsverantwortung", so daß ausschließlich er kostenpflichtig sei . Unter diesem Aspekt gewinnt Art. 104 a Abs. 2 GG auch die besondere Bedeutung, die ihm vielfach zugemessen wird 112 . Da nach Art. 104 a Abs. 2 GG die Kosten für die Bundesauftragsverwaltung eindeutig dem Bund zugeordnet sind, wird die Argumentation für eine Belastung der Länder mit den Vollzugskosten der Gesetze, die sie als eigene Angelegenheit vollziehen, erleichtert. Art. 104 a Abs. 2 GG gibt insoweit die Möglichkeit zu einem Umkehr-
107
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 35, 36.
108
Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 105; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 45; vergleiche auch Bundesministerium för Finanzen, Studienkommission, BT/DS 2/480 (1954), S. 151. 109
Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 81; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 12. 110 Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 45 f., 52; Sturm, DÖV 1966, 256, 265 ff; 1968,466,469; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1966/67, S. 33 f., 82 ff. 111
Troeger-Kommission,
112
Siehe 5. Teil A VI.
Gutachten, 1966, Tz. 204 f.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
77
schluß, der notwendig ist, um den Aufgabenbegriff des Art. 104 a Abs. 1 GG primär auf Verwaltungstätigkeit zu reduzieren 113. Erst durch den geschilderten Verteilungsmodus wird die Begründung der Bundesregierung für die Regelung in Art. 104 a Abs. 2 GG nachvollziehbar: Die Körperschaft, die für die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe verantwortlich ist, solle auch für die finanzielle Sicherstellung des Aufgabenvollzugs einstehen. Bei Art. 85 GG sei dem Bund eine Verwaltungskompetenz in Form des Weisungsrechts eingeräumt, was seine finanzielle Beteiligung rechtfertige 114. Gleichzeitig erklärt sich die Kritik, die zu dieser Begründung vorgebracht wird. Wenn gesagt wird, die Berücksichtigung der „letzten Verwaltungsverantwortung" zur Rechtfertigung des Art. 104 a Abs. 2 GG sei bedenklich, so richtet sich das gegen die Systematik der Begründung bei der Anknüpfung innerhalb des Art. 104 a GG, nicht gegen das Ergebnis, das durchaus begrüßt wird 115 . Entscheidend ist, daß sich die Lastenverteilung nach der Verwaltungsanknüpfung nicht durch einfache Anknüpfung an die formelle Zuständigkeit oder die materielle Verantwortung ergibt. Vielmehr wird von einer Anknüpfung an die grundgesetzlichen Verwaltungstypen ausgegangen.
bb) Anknüpfung an unmittelbar kostenverursachende Funktion Einige Autoren modifizieren die Verwaltungsanknüpfung 116. Der Grund hierfür läge darin, daß mit den Verwaltungsaufgaben, an die die Lastentragungspflicht im Regelfall anknüpfe, nur der Schwerpunkt der kostenverursachenden Staatstätigkeit umschrieben sei 117 . Eine Ergänzung sei erforderlich, weil nicht allein die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben kostenverursachend 113
Siehe 2. Teil Α ΠΙ 3.
114
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 53; 5/2861 (1968), Tz. 116, FischerMenshausen, DÖV 1952, 673, 678. 115
Vergleiche Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Mehrstufige Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 62 ff.; siehe 5. Teil A VI 2. 116
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983, Art. 104 a, Rn. 4; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 56; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1138; ν. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 75; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 205; Schmitz, Finanzierungskompetenz, 1991, S. 109 f.; kritisch diesbezüglich: Heun, Der Staat, 1992, 205, 209. 117
Vogel/Kirchhof,
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 56.
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
sei, sondern darüber hinaus durch Legislative und Judikative unmittelbar Kosten verursacht würden 118 . Zweck der Modifikation sei, die Kosten der Parlaments· und Justizverwaltung sowie der Rechtsprechung und der Gesetzgebung - also des Gesetzgebungs- und Justizapparates und des Gesetzgebungsverfahrens - ebenfalls über Art. 104 a Abs. 1 GG verteilen zu können 119 . Es sei deshalb die unmittelbar kostenverursachende Funktionswahrnehmung entscheidend, die nur zumeist auf der Verwaltungsebene liege. Demnach trage der Bund die Kosten für seine Gesetzgebung; das Land für seine Legislative. Gleiches gelte für die Bundes- und Landesgerichte 120. Durch das Abstellen auf die unmittelbar kostenverursachende Funktion soll keine Annäherung zum Veranlassungsprinzip erfolgen. Von den Vertretern der Verwaltungsanknüpfung wird die Gesetzgebung nicht als kostenverursachende Tätigkeit begriffen. Auf der Verwaltungsebene sei, was den Gesetzesvollzug anbelangt, nach wie vor die kostenrelevante Funktionswahrnehmung festzumachen. Die Ausübung von Gesetzgebungskompetenzen sei lediglich mittelbare Kostenverursachung 121. Damit wird immerhin anerkannt, daß die Gesetzgebung Einfluß auf den Kostenumfang hat, der am Ende des Verwaltungsprozesses steht.
b) Diskussion der für eine Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit vorgetragenen Argumente aa) Entstehungsgeschichte (1) Gesetzesbegründung Von den Vertretern einer Verknüpfung des Art. 104 a Abs. 1 GG mit den Art. 83 ff. GG wird auf die Entstehung des Lastenverteilungsgrundsatzes verwiesen. Der Gesetzgeber habe den Aufgabenbegriff durch die Verwaltungstätigkeit bestimmt 122 . In der Begründung zum Finanzverfassungsgesetz und
118 Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 205; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 75; Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 56. 119
Vogel/Kirchhof
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 56.
120
Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1138.
121
Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1.
122 Erichsen, Konnexität, 1968, S. 23 Fn. 42 und, S. 37; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 118; Müller-Volbehr, Fonds- und Investiti-
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
79
zum Finanzreformgesetz 123 werde der Bezug des Lastenverteilungsgrundsatzes zur Verwaltungstätigkeit hergestellt. Auch die die Finanzreform 1969 vorbereitende Troeger-Kommission sei davon ausgegangen124. Der Aufgabenverantwortungsbereich decke sich mit dem Verwaltungshoheitsbereich 125. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Bundesregierung gleichzeitig eine gesetzestechnische Verbindung zu Art. 30 GG herstellen wollte, der jede Staatstätigkeit erfaßt 126. Der Gesetzgeber hat 1955 gar nicht auf den Streit Bezug genommen und 1969 es dabei belassen, die anderen Ansichten zu erwähnen, sie aber ablehnt, ohne sich inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen.
(2) Vorgängernormen In der Begründung zum Finanzreformgesetz wird auf Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 und Art. 107 S. 3 GG 1949 Bezug genommen mit dem Argument, daß in diesen Normen die Verbindung zur Verwaltungstätigkeit hergestellt worden sei. Dem jeweiligen Wortlaut läßt sich ein entsprechender Hinweis nicht entnehmen. Bei Art. 107 S. 3 GG 1949 handelt es sich vielmehr um einen Hinweis auf die Beziehung von Deckungsmitteln und Finanzbedarf 127 . Im übrigen vertrat die Bundesregierung in der Begründung des Finanzreformgesetzes keine einheitliche Linie. In ihrem Entwurf wurde mehrfach bundesseitige Finanzierung in Bereichen zugelassen, deren Ausgaben bei Verwaltungsanknüpfung die Länder zu tragen gehabt hätten128. Lediglich innerhalb des 1969 eingefügten Art. 104 a GG wird eine Verbindung mit dem Gesetzesvollzug nach Art. 83 ff. GG erkennbar, da Art. 104 a Abs. 2 GG ausdrücklich die Kostentragung für die in Bundesauftragsverwaltung ausgeführten Gesetze regelt.
onshilfekompetenz, 1975, S. 99, Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 179; 123 BT/DS 2/480 (1954); BT/DS 5/2861 (1968). 124
Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 130, 152 unter Verweis auf Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 204 f. 125
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 53, 64; 5/2861 (1968), Tz. 114; Bundesrat, BT/DS 5/2861 (1968), S. 85 (allerdings nur inzident). 126
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 266 f. unter Verweis auf Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 156. 127 Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 103; Weiler, Tragung der Ausgaben, 1966, S. 40 f.
Getrennte
128 Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 91 f. unter Verweis auf Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 62, 64.
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Teil: Der Lastenerteilungsgndsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Nach der Finanzreform 1969 kann zur Interpretation des Art. 104 a Abs. 1 GG der Art. 104 a Abs. 2 GG herangezogen werden mit der Überlegung, Art. 104 a Abs. 2 GG regele die Kostentragung bei Bundesauftragsverwaltung, also müsse Art. 104 a Abs. 1 GG eine Kostenregelung für den Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit zu entnehmen sein 129 . Für sich genommen stellt Art. 104 a Abs. 1 GG eine solche Verbindung nicht her. In ihm wird nicht zwischen administrativen und anderen Aufgaben unterschieden 130. Eine dem Art. 104 a Abs. 2 GG 1969 entsprechende Regelung war in den Vorgängernormen zur Verteilung der Finanzverantwortung nicht enthalten. Wenn Art. 107 S. 3 GG 1949 zur Begründung der Verknüpfung mit der Verwaltungstätigkeit herangezogen wird, müßte dem Grundgesetz innere Widersprüchlichkeit vorgeworfen werden, weil Art. 106 Abs. 3 GG 1949 für bestimmte von den Ländern vollzogene Aufgaben ausdrücklich Bundeszuschüsse vorsah 131.
bb) Ausschließliche Lastentragung Für die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit soll sprechen, daß Art. 104 a Abs. 1 GG gemeinsame Finanzierungen von Bund und Ländern bei einer materiellen Angelegenheit ausschließt (Postulat getrennter Tragung der Ausgaben). Die von der Finanzreform 1969 geschaffenen Mischfinanzierungstatbestände ließen abschließend gemeinschaftliche Kostentragungsmöglichkeiten zu. Ihr Ausnahmecharakter ergebe sich aus Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG. Anliegen der Finanzreform 1969 sei eine Flurbereinigung gewesen. Es sollten klare Finanzverantwortungsverhältnisse als Voraussetzung für die Bestimmung des Finanzbedarfs im Finanzausgleich geschaffen werden 132 . Dazu sei es zweckmäßig, alle Ausgaben aus der Wahrnehmung einer Aufgabe entweder dem Bund oder den Ländern aufzuerlegen.
129
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 30; Vogel/ Kirchhof,; in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 55; siehe 2. Teil Α ΠΙ 3. 130
Köttgen, DÖV 1953, 358, 359; Hettlage, DVB1. 1953, 713, 716; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 104; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 40 f. 131
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 37 ff; Köttgen, der städtetag 1952, 3, 5; kritisch zu Art. 106 Abs. 3 GG 1949 auch Fischer-Menshausen, DÖV 1949, 401,401 f. 132
13.
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 50 f.; Fischer-Menshausen, DÖV 1948, 10,
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
81
Die Finanzverantwortung für ein Sachanliegen unter Bund und Ländern aufzuteilen, wird durchgängig abgelehnt133. Diese Haltung wird damit begründet, daß - Transparenz und Verständlichkeit bei Finanzierungsverflechtung geringer seien, - Beteiligung und Kontrolle des Parlaments abnehme, - Kontrolle der Rechnungslegung und Effizienz der Aufgabenerfüllung wegen der Verwischung von Verantwortlichkeiten schwieriger werde, - Finanzierungsillusionen zunähmen, - die Anreize zu sparsamer und bedarfsgerechter Mittelverwendung geringer würden, - Bürokratisierung anstiege, -sachgerechte Problemlösungen durch gegenseitige Blockade verhindert würden, - Auseinandersetzungen um die Beteiligungshöhe entstünden, - Ausgabenstrukturen verzerrt würden, - Kosten der Planung und Entscheidungsfindung stiegen, - die durch die gemeinsam finanzierten Projekte verursachten Folgekosten zu wenig berücksichtigt würden, - vertikale Fachbrüderschaften und damit verstärkte Konkurrenzen der einzelnen Ressorts entstünden, - d i e Eigenstaatlichkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder gefährdet sei, - Aufgabenprioritäten nicht beachtet würden. Bei dieser berechtigten Kritik an der Mischfinanzierung werden die Tatbestände des Grundgesetzes, die dem Bund erlauben, Aufgaben der Länder (mit)
133
Boreil, Mischfinanzierungen, 1981, insb., S. 21 ff.; Pruns, DÖV 1976, 217, 217 ff. (221); Frey, in: Bundesministerium fur Finanzen, Finanzbeziehungen, 1982, S. 14,40 ff.; Fischer, H., Finanzzuweisungen, 1988, S. 295 ff.; Henke, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1983, S. 11; Henke, Finanzbeziehungen Dez. 1992, S. 18 ff.; Boss, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 79, 92; Kisker, DÖV 1977, 689, 694; Vogel, B., der landkreis 1980, 688, 690; mit positiven Aspekten nur Patzig, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 203 (1981), S. 48 ff., 85 ff.; Korioth, DVB1. 1993, 356, 363. 6 Trapp
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
zu finanzieren (Art. 91 a, b, 104 a Abs. 4 GG), sowie die Problematik „Kooperativer Föderalismus" und „Politikverflechtung" angesprochen werden. Davon zu unterscheiden wäre die gemeinsame Finanzierung, die sich durch eine Bundesbeteiligung an den Kosten des Gesetzesvollzugs ergeben würde. Denn bei dem Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder wird nicht zwischen Bund und Ländern bei der Erledigung eines Anliegens kooperiert, sondern durch den Bund diktiert: Er gibt die Vollzugsaufgaben mit seiner Gesetzgebung vor. Die Länder handeln quasi als Beauftragte. Die Kostenbeteiligung des Bundes wäre daher nur als Aufwendungsersatz für die Inanspruchnahme der Vollzugskompetenz der Länder zu qualifizieren. Durch die (Mit-) Finanzierung des Bundes würde die Erfüllung von sachlichen Angelegenheiten der Länder - also ihre Aufgabenkompetenz - nicht manipuliert. Die bei der Misch- und Fremdfinanzierung bestehende Gefahr des verschwenderischen Umgangs mit den Mitteln ließe sich durch eine Normativierung des Finanzbedarfs einschränken, damit die Länder nicht Beträge ausgeben, die sie aufwenden möchten (Bedürfnis oder Ist-Kosten), sondern die sie aufwenden müssen (Bedarf oder Soll-Kosten)134. Der Formulierung in Art. 104 a Abs. 1 GG („gesondert") ist nicht zu entnehmen, daß gemeinsame Finanzierung eines Sachanliegens ausgeschlossen ist. „Gesondert" verbietet nur die Finanzierung von Bundesaufgaben durch die Länder und die Finanzierung von Länderaufgaben durch den Bund. Nach der Aufgabenzuweisung an Bund oder Länder findet ein Kostenausgleich nicht statt 135 . Solange sich jede Aufgabe eindeutig Bund oder Ländern zuordnen läßt und keine gemeinsamen Aufgabenzuständigkeiten existieren, führt das dazu, daß entweder Bund oder Länder die wahrgenommene Aufgabe allein finanzieren. Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen sich Bundes- und Landesaufgaben verschränken oder überschneiden beziehungsweise in denen sich Bund und Länder die Aufgabenwahrnehmung teilen. Art. 104 a Abs. 1 GG verbietet nicht, daß Bund und Länder in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten 136. In 134
Hacker, in: Peters, HdkWP, Bandm, 1959, S. 401 ff., 415 f.; Junkernheinrich, Sonderbedarfe, 1992, S. 40, 144; Arbeitsgemeinschaft Finanzen im Kommunalverband Ruhrgebiet, Gemeindefinanzen, 1991, S. 28. 135 BVerfGE 26, 338, 390 f.; BVeiwGE 44, 351, 364; BGHZ 98, 244,254 (= BGHNJW 1987, 1625, 1627); Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 64 f.; Maunz, in: MDHS, Art. 104a (1977), Rn. 25; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 3; Wendt,, in: Isensee/Kirchhof, HStR, BandIV § 103, Rn. 8, 17; Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV § 87, Rn. 22. 136 Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 8.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
83
diesen Fällen kommt es zur Mischfinanzierung, da jeder Beteiligte die Kosten zu tragen hat, die sich aus seiner Teilwahrnehmung der Aufgabe ergeben 137. Insofern kennt das Konnexitätsprinzip durchaus Mischfinanzierung. „Gesondert" kann nicht gleichgesetzt werden mit „getrennter (ausschließlicher) Finanzierung" beziehungsweise „Verbot der Mischfinanzierung" 138 . Betätigen sich Bund und Länder im Rahmen abgrenzbarer Teilzuständigkeiten nebeneinander, ist damit die Ausgabenverteilung geregelt 139. Zur Mischfinanzierung kann es mithin auch außerhalb der Sonderfinanzierungstatbestände in Art. 91a Abs. 4, 91b S. 2, 104 a Abs. 4 GG kommen 140 . Sie ist durch Art. 104 a Abs. 1 GG nicht ausgeschlossen141. Auch stellen diese Fälle keine Ausnahme vom Lastentragungsgrundsatz dar, sondern ergeben sich unmittelbar aus ihm 142 . Eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 104 a Abs. 1 GG verbietet, „gesondert" dahingehend zu interpretieren, daß eine gemeinschaftliche Finanzierung einer Aufgabe stets ausgeschlossen ist. Denn die Lastenverteilung muß sich nach der grundgesetzlichen Zuständigkeit richten. Angesichts der Zuständigkeitsüberschneidungen ist eine Lastenverteilungsnorm, die nur die generelle Zuordnung der Lasten einer Aufgabe entweder an den Bund oder an die Länder unter Ausschluß jeder gegenseitigen Beteiligung kennt, unadäquat143. Würde die funktionale Gewaltenteilung zwischen dem gesetzgebenden Bund und den die Gesetze vollziehenden Ländern als gemeinsame Erledigung eines Sachanliegens begriffen, was nach dem Veranlassungsprinzip und der Anknüpfung an die Sachverantwortung vorgesehen ist, käme es zu der geschilderten finanzverfassungsrechtlich zugelassenen Mischfinanzierung 144 .
137
BVerwGE 81, 312, 314; Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 3.
138
so aber Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 50, 55 f.
139
Selmer/Brodersen, WissR 1977, 137, 140 f. (Fn. 12) sprechen insoweit von „unechten Gemeinschaftsaufgaben". 140 Anderer Ansicht: Carl, DÖV 1986, 581, 582; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 50, 55 f. 141 Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandiii, 1983, Art. 104 a, Rn. 5 a (mit Beispielen); Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 3; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 8; Selmerl Brodersen, WissR 1977, 137, 141. 142
BVerwGE 81, 312, 313 f.; vergleiche bei: Gielen, JR 1989, 273, 274; BVerwG JZ 1992, 460, 462; dazu: Lorenz, JZ 1992, 462, 464; Selmer, JUS 1992, 889; Aulehner, JA 1990, 244,245. 143
Grube, Grundsätze, 1966, S. 47 f.
144
Siehe 4. Teil Β ΠΙ 5.
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
cc) Einheitlicher Aufgabenbegriff Durch die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit soll ermöglicht werden, den Aufgabenbegriff in Art. 104 a Abs. 1 GG einheitlich auszulegen. Es könne nicht auf verschiedene Staatsfunktionen eingegangen werden. Das sei im Interesse von Klarheit und Rechtssicherheit der Lastenverteilungsnorm nötig und verhindere Auseinandersetzungen mehrerer beteiligter Aufgabenträger 145. Indes würde sich die Verknüpfung von Aufgaben und Ausgaben in Art. 104 a Abs. 1 GG erübrigen, wenn die Finanzierungsverantwortung ein Teil der Verwaltungszuständigkeit wäre. Die Art. 83 ff. GG schließen aber nicht die Verpflichtung ein, die Ausführung von Bundesgesetzen zu finanzie146
ren Staatliche Aufgaben können nicht auf die Verwaltungstätigkeit reduziert werden 147. Auch die Wahrnehmung von legislativen und judikativen Funktionen gehört zu den staatlichen Aufgaben, die neben der Gesetzesausführung Kosten verursachen, die einem Kompetenzträger zuzuweisen sind. Eine Zuordnung der Finanzierungslast kann deshalb nicht die Kompetenzverteilung innerhalb eines der drei Bereiche staatlicher Gewalt zum Maßstab beziehungsweise Ausgangspunkt nehmen148. Kosten können - wenn auch nur in Ausnahmefällen - unmittelbar durch das Gesetz, also ohne administrativen Umsetzungsakt, entstehen149. Damit Art. 104 a Abs. 1 GG auch auf diese Fälle eine Antwort geben kann, ist insgesamt auf unmittelbar kostenverursachende Funktionen abzustellen150. Demnach kann der Begriff der Aufgabe nicht durchgängig als verwaltende Tätigkeit definiert werden.
145 146
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 49.
Müller-Volbehr, Konnexität, 1968, S. 25.
Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 101; Erichsen,
147
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 51.
148
So aber: Vogel!Kirchhof,
149
in: BK (1971), Art. 104 a, Rn. 53.
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59; Sturm, DÖV 1968, 466, 468 (Fn. 36). 150 Es soll dahinstehen, ob es berechtigt ist, in dieser notwendigen Ergänzung eine verbliebene Unsicherheit des grundsätzlichen Abstellens auf die Verwaltungsaufgaben zu sehen; so: Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Mehrstufige Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 61; gegen ihn: Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 205; v. MutiusfHenneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 75.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
85
dd) Verwaltungsökonomie Für die Parallelität von Verwaltungstätigkeit und Finanzierungsverantwortung soll eine wirtschaftliche Überlegung sprechen. Die Verwaltung verfuge über eigene Mittel sparsamer als bei Erstattung der verausgabten Beträge durch Fremdfinanzzuweisungen. Das Verantwortungsgefühl bei der Finanzierung durch andere Körperschaften lasse sich nur durch Interessenquoten stärken. Diese würden jedoch durch Verknüpfung von Verwaltungstätigkeit und Finanzierungszuständigkeit vermieden. In dieser Parallelität sei die Erfüllung einer verwaltungsökonomischen Forderung beziehungsweise eines verwaltungsökonomischen Prinzips zu sehen151. Dieses sich auf Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte stützende Argument ist in mehrfacher Hinsicht angreifbar. Die Einbeziehung des Gesetzgebers in die Finanzverantwortung würde sich ebenfalls sparsam auswirken. Wegen der Finanzierungspflicht würde sich der Gesetzgeber beim Erlaß neuer kostenverursachender Gesetze beschränken. Je mehr der Gesetzgeber an den Kosten von auf ihn zurückgehender Maßnahmen beteiligt wäre, desto stärker würde er sich zurückhalten. Im zentralen Gesetzgebungs- und dezentralen Verwaltungsstaat hat die an die Verwaltung anknüpfende Interpretation des Konnexitätsgrundsatzes zur Folge, daß der Bund sich auf Kosten der Länder allzu ausgabefreudig erweist, weil er in seinem Haushalt die finanziellen Folgen seiner Entscheidungen nicht spürt 152 . Nur der Zwang, auch für die finanziellen Folgen getroffener Entscheidungen einstehen zu müssen, vermag langfristig darauf hinzuwirken, daß das politisch Wünschbare mit dem finanziell Machbaren in Einklang gebracht wird. Bei der Sanierung der Haushaltslage ist ein kostenorientiertes Denken des Gesetzge151
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 53, 55; 5/2861 (1968), Tz. 113; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 199, 201; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 26; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 119; FischerMenshausen, DÖV 1952, 673, 678; 1955, 261, 264; Huchting, DÖV 1954, 289, 290; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 38, 54; Grawert, Der Staat, 1968, 63, 77; Magiera, FS für Menzel, 1975, S. 621, 632; Pagenkopf,\ Finanzausgleich, 1981, S. 51, 249; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 33; Müller-Volbehr, Fondsund Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 100; Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 50; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 15; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 206; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 135; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 59 ff., 136; Sturm, DÖV 1966, 256, 261; 1968,466,473. 152
Henle, DÖV 1966, 608, 613; Rietdorf DÖV 1953, 225, 228; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 30; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 122; Henke/Schuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 61; Schoch, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 126.
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4
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
bers erforderlich 153. Das Bewußtsein, daß Bundesgesetze zu einer Kostenbeteiligung des Bundes an den dadurch verursachten Ausgaben der Länder führen, läge im Sinne der Bestrebungen nach Verwaltungsvereinfachung und wäre geeignet, auf eine weniger kasuistische Gestaltung der Gesetzgebung hinzuwirken 154 . Der Hinweis darauf, daß die Gesamtfinanzverantwortung des Bundes ihn verpflichtet, die Länder im Finanzausgleich so zu stellen, daß sie ihre Aufgaben erfüllen und ihre finanziellen Lasten tragen können, ist „wenig tröstlich" 1 5 5 . Das Argument, der Bund spüre die finanziellen Folgen seiner Gesetzgebung (mittelbar) durch Änderung der Beteiligungsquote156, kann nicht überzeugen. Bisher ist noch kein Fall bekannt geworden, bei dem eine Belastung der Länder mit den Vollzugskosten eines neu erlassenen Bundesgesetzes zu einer Zuweisung von Finanzierungsmitteln in Form einer Revision des Anteils an der Umsatzsteuer geführt hat 157 . Sofern der Verwaltungsspielraum der das Gesetz vollziehenden Instanz gegen Null tendiert, greift das dargestellte verwaltungsökonomische Prinzip nicht, da keine Einflußnahmemöglichkeiten auf den Kostenumfang beherrscht werden 158. Die generell bestehende Tendenz, mit nicht selbst aufzubringenden Mitteln großzügiger zu verfahren, könnte begrenzt werden, wenn bundesseitig der Verwaltung nur ein Regelsatz beziehungsweise ein durchschnittlicher Sockelbetrag zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinausgehende, auf nicht externen Entscheidungen beruhende Ausgaben wären von der vollziehenden Körperschaft selbst zu tragen. Das jetzige System hat zu einer Vielzahl von Zuweisungstöpfen geführt. Dadurch wird zusätzlicher Verwaltungsaufwand verursacht, weil Verwaltungsstellen damit beschäftigt sind, zweckgebundene Zuweisungen zu beantragen, zu bearbeiten, nachzuweisen, zu prüfen etc.159.
153
Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 194.
154
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 313.
155
Henle, DÖV 1966, 608, 613.
156
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 30; Erichsen, richtsbarkeit Π, 1979, S. 122. 157
Henle, DÖV 1966, 608, 613;
158
Henke/Schuppert, S. 62 f. 159
Staatsrecht und Verfassungsge-
Junkernheinrich,
Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, Staatliche Finanzzuweisungen, 1985, S. 20.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
87
Eine inkongruente Verteilung von Entscheidungs- und Durchfuhrungskompetenz führt nicht zu einer Reduzierung der Vollzugskosten, weil innerstaatliche Abstimmungsprozesse erforderlich werden 160.
ee) Sicherung des Föderalismus Es wird behauptet, die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit sichere die bundesstaatliche Struktur. In dem Maße, in dem Ausgabeverpflichtungen von den Ländern auf den Bund übergingen, verstärke sich der funktionelle Einflußbereich des Bundes auf administrativem Gebiet. Eine Belastung des Bundesgesetzgebers mit den Ausgaben des Gesetzesvollzugs würde angesichts der Fülle der dem Zentralstaat zugewiesenen legislativen Kompetenzen bedeuten, daß sich das Schwergewicht des gesamtstaatlichen Finanzvolumens zunehmend im Zentralhaushalt konzentriere, mit der Folge einer übermäßigen Ausweitung der zentralstaatlichen Ingerenzen und Kontrollbefugnisse gegenüber den Vollzugsbehörden 161. Die Finanzverfassung müsse aber die grundgesetzliche Aufgabenverteilung stabilisieren. Vorsorge gegen die „Anziehungskraft des zentralen Etats" (Popitz'sches Gesetz) und gegen die auch in der Staatspraxis der Bundesrepublik gültigen These „Wer zahlt, schafft an" (das heißt: Aufgabenkompetenz folgt Finanzierungskompetenz) 162 lasse sich treffen, wenn der Träger der Verwaltungskompetenz die Ausgaben selbst übernehme und mit den erforderlichen eigenen Finanzmitteln ausgestattet werde 163. Notwendig sei die Abschaffung der Bund-Länder-Zuweisungen und der Fondswirtschaft, um die finanzwirtschaftliche Eigenverantwortung von Bund und Ländern zu stärken 164. Dann würden weder die Länder Kostenübernahme durch den Bund fordern, noch würde der Bund Finanzzuweisungen leisten, 160
Junkernheinrich, Gemeindefinanzen, 1990, S. 40; Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten, 1993, S. 63; Hansmeyer/Kops, FS für Ehrlicher, 1985, S. 3, 11. 161
Fischer-Menshausen, in: Albers, HdWW, Bandii, 1980, S. 636, 643; mit dem Verweis darauf, daß „die Macht hat, wer das Geld hat": Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/ Vogel, HVerfR 1994, § 23, Rn. 9; Seeger, DÖV 1968, 781, 781; Staak, der gemeindehaushalt 1988, 169, 170; Boldt, in: Boldt, NRW und der Bund, 1989, S. 78, 78. 162
Siehe zu beidem 4. Teil A.
163
BVerfGE 39, 96, 107 f.; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 54; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 201; Magiera, FS für Menzel, 1975, S. 621, 632 und 643; Fischer-Menshausen, DÖV 1953, 229, 230; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 16 und 26 f.; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 121 (die Hinweise in den Fn. 40,42, 44 beziehen sich jedoch auf die allgemeine Bedeutung der Finanzverfassung für den Bundesstaat). 164
Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 22.
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Teil: Der Lasten Verteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
nur um sich einen im Grundgesetz nicht vorgesehenen Einfluß auf die Länderverwaltungen zu sichern. Ingerenz könne erfolgreich verhindert werden 165 . Man könne nicht den förderativen Staatsaufbau als solchen bejahen und die Verlagerung von Verwaltungskompetenzen nach unten wünschen (sogenanntes Subsidiaritätsprinzip), für die daraus resultierende Ausgabenlast aber die Verlagerung nach oben anstreben 166. Die Gefahr der Kompetenzverschiebung ist nur gegeben, wenn der Bund mit den Finanzmitteln tatsächlich regieren könnte. Die Mittel, die der Bund zusätzlich in seinen Haushalt bekommen würde, sofern nicht an die Verwaltungstätigkeit angeknüpft wird, wären aber nur durchlaufende Posten, weil sie für die von ihm verabschiedeten Gesetze verausgabt werden müßten. Folglich könnte es zu einer auf finanzieller Übermacht beruhenden sogenannten „Angebotsdiktatur", also dem Anbieten von Geld für die Wahrnehmung im Interesse des Anbietenden liegender Aufgaben, nicht kommen. Einmischung seitens des Bundes und Anziehungskraft des größeren Haushalts können vermieden werden, wenn die originäre Einnahmenverteilung und der korrigierende Finanzausgleich den Ländern entsprechende Deckungsmittel zuweisen würden. Daß ausreichende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, wird von den Ländern und Gemeinden bestritten 167.
ff) Kostenverursachung Im gesetzesgebundenen Raum entstehen Ausgaben regelmäßig erst durch den Vollzug der Gesetze. Daraus wird geschlossen, die Zuständigkeitsverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung (Art. 73 ff. GG) sei für die Ausgabenverteilung ohne Belang, auch wenn Gesetzesänderungen Verschiebungen der
165 Fischer-Menshausen, S. 136 f.
DÖV 1952, 673, 675; Luther, Lastenverteilung, 1974,
166 Fischer-Menshausen, DÖV 1953, 229, 230; vergleiche auch Sannwald, ZRP 1993, 103,104. 167 Klagen finden sich insbesondere wegen der hohen Sozialhilfeausgaben; vergleiche: Stadler, BayVBl. 1969, 297, 297; Barhanno, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 55 (1975), S. 103, 108 f.; Blasius, DÖV 1992, 18, 23 f.; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 104, Rn. 59, 103; Hühnerfeld, der städtetag 1974, 302, 303; Kommission „Kompetenzen der Landtage", Entschließung vom 09.01.1985, Nds/LT/DS 10/3810 (1985), S. 8; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung", Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 57 f.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
89
finanziellen Lasten verursachten 168. Wer anerkenne, daß die Leistung von Ausgaben zur Verwirklichung von Staatszwecken als ein Vorgang der Verwaltung zu charakterisieren sei, müsse mindestens die Folgerichtigkeit der These anerkennen, daß der Träger der Verwaltungskompetenz die aus der Wahrnehmung dieser Kompetenz sich ergebende finanzielle Last zu tragen habe169. Der Gesetzgeber sei nur in die Finanzverantwortung einzubinden, wenn ausnahmsweise Ausgaben unmittelbar durch das Gesetz selbst entstehen170. Der These, daß erst der Aufgabenvollzug Kosten verursacht, ist zuzustimmen. Die die Gesetze ausfuhrende Stelle setzt das Verwaltungsverfahren in Gang, begründet ein Rechtsverhältnis nach außen, tätigt Ausgaben und verbraucht kostenwirksam Produktionsfaktoren. Jedoch wird damit lediglich ein Zustand beschrieben. Erst wenn die vollzugsbedürftigen Aufgaben umgesetzt, durchgeführt, realisiert werden, entstehen Kosten für das erfüllte Anliegen. Die finanziellen Mittel werden ihrem Verwendungszweck dadurch zugeführt, daß sie durch die Verwaltung verbraucht oder ausgegeben werden 171. Insofern ist zwangsläufig die Verwaltungsebene als Kostenstelle auszumachen. Die Verwaltung wird aber nicht aufgrund freier Entscheidung tätig, sieht man von den nichtgesetzesakzessorischen Aktivitäten ab. Wenn Gesetze vollzogen werden, ist der Anstoß, tätig zu werden, ein externer. Die „Initialzündung" für die Aufgabenwahrnehmung liegt beim Gesetzgeber. Er bestimmt die durchzuführenden Angelegenheiten. Die dem Vollzug vorgeschaltete gesetzgeberische Beschäftigung mit der Materie bereitet deren Durchführung vor. Die gesetzlichen Vorgaben stecken den Rahmen ab, in dem die Verwaltung tätig wird. Mitunter ist die Tätigkeit des Gesetzgebers nötig, um die Umsetzung eines vollzugsbedürftigen Anliegens sicherzustellen. Insofern reicht es nicht, festzustellen, daß erst die Verwaltungstätigkeit Ausgaben mit sich bringt. Entscheidend ist, daß beim Verwaltungsapparat die Kosten anfallen, die die Gesetzgebung durch Aufgreifen der Aufgabe und Bestim-
168
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59; 5/2861 (1968), Tz. 114; FischerMenshausen, DÖV 1956, 161, 167; 1953, 229, 230; Sturm, DÖV 1968, 466, 468; Stoltenberg, FS für Filbinger, 1983, S. 136, 137; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 57; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 179; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 75; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 15; Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 502; Huchting, DÖV 1954, 289, 290. 169
Fischer-Menshausen, DÖV 1953, 229, 230.
170
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 59; Sturm, DÖV 1968, 466, 468 Fn. 36; vergleiche auch Grube, Grundsätze, 1966, S. 41. 171
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 28 f., 49 f.
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Teil: Der Lastenerteilungsgndsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
mung des Vollzugsumfangs veranlaßt hat 172 . Die Gesetzgebung wird dementsprechend als „mittelbare Veranlassung von Aufgaben oder finanziell folgenreiche Zweckbestimmung eines Gesetzes"173 anerkannt 174. Unstreitig ist, daß die Tätigkeit des Gesetzgebers ein Grund für die Entstehung von Ausgaben auf der Vollzugsebene ist. Die Verantwortung für die Aufgaben beginnt mit ihrem Aufgreifen durch den Gesetzgeber und endet mit ihrer Verwirklichung durch die Exekutive 175 . Darüber hinaus wird zugegeben, daß lediglich der Schwerpunkt der kostenverursachenden Tätigkeit bei der Verwaltung liegt 176 oder genauer gesagt, daß der Verwaltung bloß ein gewisser Einfluß auf die eigene Ausgabenpolitik zukommt 177 . Die Verwaltung hat es nur in der Hand, ob sie durch maßvolle Entscheidungen die Kosten eines Gesetzes in Grenzen hält oder durch großzügige Entscheidungen die Kosten ausweitet178. Den vom Parlament erlassenen Gesetzen kommt in erheblich größerem Umfang als den Maßnahmen der Exekutive kostenverursachende Wirkung zu 179 . Nicht überzeugend ist es deshalb, wenn einerseits Verursachungsaspekte anerkannt werden, andererseits eine (Mit-)Finanzverantwortung des Gesetzgebers abgelehnt wird, weil durch die Gesetzge-
172
Fuest/Lichtblau, Finanzausgleich im vereinten Deutschland, 1991, S. 8; Henle, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Bandii (1961), S. 63, 75; EnqueteKommission „Verfassungsreform Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 210. 173
So die Terminologie bei Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1
174
Vergleiche: Erichsen, Konnexität, 1968, S. 31; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 104a, Rn. 6; Lerche, in: MDHS, Art. 83 (1983), Rn. 54; Art. 85 (1987), Rn. 8; Sannwald, ZRP 1993, 103, 103; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 18, 170; Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 22, 23; Sander, Aufgaben und Einnahmen, 1987, S. 21. 175
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 51; Grube, Grundsätze, 1966, S. 42 und 34; Schmidt-Jortzig, in: Niedersächsische Landeszentrale fur politische Bildung, Probleme kommunaler Selbstverwaltung, 1980, S. 9, 37. 176
Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 2.
177
Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 179.
178
Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 14 f.; mit dem dortigen Hinweis darauf, daß die Kosten tatsächlich erst auf der Verwaltungsebene entstehen, kann man das Problem nicht lösen. 179
Gross, NJW 1967, 1001, 1005; Gross, DÖV 1967, 163; Gross, DVB1. 1969, 125, 127; Köttgen, DÖV 1953, 358, 362; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 102; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 133; Hacker, in: Peters, HdKWP, Band ΙΠ, 1959, S. 410 f.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
91
bung selbst keine Mittel verausgabt würden, es sich also nicht um eine unmittelbar kostenverursachende Funktion handele180. Abgestellt werden sollte nicht auf unmittelbare Kostenverursachung. Zu unterscheiden sind die Fragen, wer eine Ausgabe leistet und wer sie zu tragen hat. Ersteres richtet sich nach der Verwaltungszuständigkeit, letzteres nach den Regeln der Lastentragung 181. Die Tatsache, daß es stets die Verwaltung ist, welche die Ausgaben bewirkt, sollte deshalb nicht zur Beantwortung der Frage nach der Lastenverteilung herangezogen werden.
gg) Umkehrschluß aus Art. 120 Abs. 1 GG und Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 Zur Begründung der Verwaltungsanknüpfung wird auf die Regelung über die Tragung der Kriegsfolgelasten verwiesen. Art. 120 GG verknüpfe Gesetzgebungskompetenz und Finanzierungspflicht. Gleichzeitig werde Art. 120 Abs. 1 GG im Rahmen der generellen Regelung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 als besondere Vorschrift herausgestellt („bleibt unberührt"). Dieser Zusatz sei überflüssig, wenn dort keine abweichende Lastenverteilung gemeint sei. Im Regelfall sei daher nicht von einer Koppelung von Gesetzgebungs- und Ausgabenzuständigkeit auszugehen182. Aus dieser Überlegung kann nicht gefolgert werden, daß das Grundgesetz nur die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit zuläßt 183 . Ebensowenig ist eine nur teilweise Verknüpfung von Gesetzgebungs- und Finanzierungsverantwortung ausgeschlossen184. Aus Art. 120 Abs. 1 GG kann wegen seines speziellen Anwendungsbereichs ein Argument weder für noch gegen die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit entnommen werden 185.
180 Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 56; Fischer-Menshausen, v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983, Art. 104 a, Rn. 4 f.; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1138; Miiller-Volbehr, Fonds- und Investionshilfekompetenz, 1985, S. 100, 87. 181
in:
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 28 f.
182
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 23 f.; Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 50; Studienkommission der Finanzministerkonferenz, BT/DS 2/480 (1954), S. 213. 183 Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 14; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1970), Rn. 12; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 102 f. 184
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 24.
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Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 39 f.
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Auch die Bezugnahme auf Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 ist nicht so eindeutig, wie von den Vertretern der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit behauptet wird. Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG scheint bei Konnexität von Gesetzgebungs- und Finanzierungszuständigkeit verfassungswidrig zu sein, weil er gestattet, den Ländern durch Bundesgesetze Ausgaben aufzuerlegen, ohne daß ein direkter Lastenausgleich normiert ist. Dem Grundgesetz müßte ein innerer Widerspruch vorgeworfen werden 186. Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 gibt nicht vor, daß die Länder die durch Bundesgesetze verursachten Ausgaben in jedem Fall und in vollem Umfang zu tragen haben. Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 knüpft an die Lastenverteilung an, ohne deren Voraussetzung zu bestimmen187.
hh) Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG 1976 (Art. 29 Abs. 1 S. 2 GG 1969) und Art. 109 Abs. 1 GG Um die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit zu begründen, werden Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 109 Abs. 1 GG angeführt. Die Norm zur Neugliederung des Bundesgebietes verlangt Länder, die „nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können". Nach der Grundnorm der Haushaltsverfassung sind „Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig". Es werden leistungsfähige Gebietskörperschaften und eine Trennung der beiderseitigen Haushalte gefordert. Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 109 Abs. 1 GG bestimmen aber weder, woher das zu bewirtschaftende Geld kommen soll, noch, daß die Gebietskörperschaften alle ihre Aufgaben selbst zu finanzieren haben188. Die Leistungsfähigkeit der Länder und die unabhängige Bewirtschaftung der Mittel können auch nach kostenerstattenden Bundesfinanzzuweisungen ansetzen beziehungsweise festgemacht werden. Genausogut könnte man in umgekehrter Richtung argumentieren, daß Art. 109 Abs. 1 GG nur einen Sinn hat, wenn der Bund nicht im Wege der Gesetzgebung die Länder finanziell belasten kann. Die Forderung des Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG nach einem Ausgleich der Ausgaben und Einnahmen führt nur
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Erichsen,
Konnexität, 1968, S. 24; Wolst,
Bundesauftragsverwaltung, 1974,
S. 50. 187
Grube, Grundsätze, 1966, S. 44.
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Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 36 ff.
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zu dem gewünschten Erfolg, den Bund an der Beschlußfassung über Aufgaben ohne Deckung zu hindern, wenn die beschlossenen Gesetze vom Bund finanziell verantwortet werden müssen189. Wenn den Ländern die Kosten der Ausführung der Bundesgesetze nicht erstattet werden, kann der Bund (indirekt) darüber befinden, ob und in welchem Umfang die Länder auf ihren eigensten Gebieten Aufgaben wahrnehmen. Denn der Umfang der Wahrnehmung eigener Aufgaben wird reduziert, sofern die Länder ihre Einnahmen für fremde Aufgaben verwenden müssen190. Unmittelbare Kostenerstattung für fremdveranlaßte Ausgaben begünstigt somit ein eigenverantwortliches Verhalten.
ii) Haushaltskontrollmöglichkeit Die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit soll nötig sein für eine effektive Haushaltskontrolle, wie sie Art. 110 Abs. 2 S. 1, 114 GG vorsehen. Sie sei gewährleistet, wenn die Träger von Verwaltungskompetenz und Finanzierungszuständigkeit der Kontrolle desselben Organs unterliegen 191.
jj) Zwischenergebnis Dieser Überblick hat gezeigt, daß die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit keineswegs derart überzeugend begründet werden kann, wie behauptet wird.
c) Übereinstimmende Argumente gegen die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit Gemeinsames Ziel der anderen Ansichten, die sich gegen eine Verknüpfung des Lastenverteilungsgrundsatzes mit Art. 83 ff. GG wenden, ist es, den Bund stärker an den finanziellen Folgen des Vollzugs der Bundesgesetze zu beteiligen. Die Argumente der anderen Anknüpfüngsmodelle stimmen zu einem großen Teil überein.
189
Ludwig, der städtetag 1953, 141, 142.
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Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185.
191
Grube, Grundsätze, 1966, S. 42 f.
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
aa) Bedeutungswandel des Staates Zu berücksichtigen ist der Wandel in der Bedeutung und der Funktion des Staates. Das Schwergewicht staatlicher Tätigkeit hat sich von der Eingriffszur Leistungsverwaltung verschoben. Aus einem überwiegend Ordnungs- und Kontrollfunktionen wahrnehmenden Staat wurde ein Verteilungsstaat. Entsprechende Veränderungen sind bei Art und Umfang der entstehenden Kosten feststellbar. Entscheidend sind die durch Geld- und Sachleistungen (Subventionen) entstehenden Zweck- und Investitionskosten, wenngleich auch die Verwaltungskosten angestiegen sind. Im Rahmen der Eingriffsverwaltung entstehen ausschließlich Verwaltungskosten, während die zunehmende Staatstätigkeit im Leistungssektor den Block der Zweckausgaben zusätzlich verursacht. Dementsprechend sind die von der Verwaltung verausgabten Mittel gestiegen. Bei der Lastenverteilung ist es hingegen geblieben, so daß der Mehraufwand von den Trägern der Verwaltungskompetenz zusätzlich zu erbringen ist 192 .
bb) Unitarisierung Den modernen Bundesstaat kennzeichnet das Spannungsverhältnis zwischen dem Streben nach Verwaltungseinheit in Verfolgung sozialstaatlicher Zielsetzungen - insbesondere dem Gebot einheitlicher Lebensverhältnisse einerseits und dem Gedanken der Dezentralisation und rationalen Organisation andererseits 193. In ständig zunehmenden Maß werden Aufgaben im modernen (sozialen) Verwaltungsstaat einheitlich geregelt, da das Wirtschafts- und Sozialgefuge keine allzu großen Differenzen duldet 194 . Auch wenn es sich bei der Bund-Länder-Zusammenarbeit nur um informelle Abstimmungsprozesse handelt, wird der Entscheidungsspielraum der Länder zum Beispiel durch die Übernahme von Mustergesetzentwürfen stark eingeschränkt. Hinzu kommen die unter den Stichwörtern „Selbstkoordinierung der Länder", „Institutionalisierung einer dritten Bundesstaatsebene" bekannten horizontalen Verflechtungen durch Staatsverträge, Verwaltungsabkommen und Beschlüsse der Konfe-
192
Köttgen, DÖV 1953, 358, 361 und 362; Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 220; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 30 f.; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178; Millnger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 102. 193 194
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 268 if., 280 f.
Hettlage, VVDStRL, Band k4 (1956), S. 2, 34; Littmann, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 53, 55; Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1233.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
95
renzen der Länderfachminister 195. Zur gleichheitlichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben und zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse setzen sich Unitarisierungstendenzen durch 196 . In der Vereinigung Deutschlands steckte weiterer „Zentralisierungsschub" 197, weil die Heranführung der fünf neuen Bundesländer an die durchschnittliche Finanzkraft der Alt-Bundesländer überwiegend dem Bund zugewiesen wurde. Um diesen Tendenzen zu begegnen, ist die Eigenstaatlichkeit der Länder durch größere Entscheidungsfreiheit bei den Ausgaben zu stärken.
cc) Legislative Initialzündung Eine Sachaufgabe liegt in ihrer Gesamtheit vom Anfangsstadium planender Initiative bis zur abschließenden Verwirklichung nur selten in einer Hand. Die Aufgabenstellung erfolgt in einer Vielzahl der Fälle durch den gesetzgebenden Bund, während die Länder die Angelegenheit durchführen. Die Freiheit der Verwaltung, selbst darüber zu entscheiden, ob sie tätig wird, ist begrenzt, weil sie zum Gesetzesvollzug verpflichtet ist. Die starke Ausrichtung der Thematik der Staatsausgaben am Verwaltungsrecht unterschätzt die Rolle der (Leistungs-)Verwaltung, die zwar nicht auf dem Gebiet der Investitionsausgaben, wohl aber bei allen Sozialleistungen und Subventionierungen wesentlich auf eine Ausführung der Leitentscheidungen über den Mitteleinsatz beschränkt ist, welche vom Parlament getroffen werden 198. Entscheidungen, die über Ausgaben getroffen werden, liegen sowohl bei der Legislative als auch bei der Exekutive 199 .
195
Püttner/Kretschmer, Staatsorganisation, 1993, S. 255 f., 256 ff; Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1236; Erbguth, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 549, 559 ff. 196
Pagenkopf Finanzausgleich, 1991, S. 197 f. Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 19 ff. (21 )\ Hesse, K., Unitarischer Bundesstaat, 1962. 197
Starck und Heun in der Aussprache der Staatsrechtslehrertagung VVDStRL, Band 52 (1993), S. 140 und 175; Thiel, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 99, 101; Singer, Blätter, 1993, 200, 207 f.; Klatt, Die politische Meinung Nr. 256 (1991), S. 21, 24; Rubel, JA 1993, 12, 14; Scharpf, der landkreis 1991,493,493 ff. (495 f.). 198
Götz, JZ 1969, 89, 89; Köttgen, DÖV 1953, 358, 360 und 362; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 102; Stumpp, Entwicklung des Finanzausgleichs, 1964, S. 74; Schneider, H.-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3, 3 spricht in diesem Zusammenhang vom „dezentralisierten Einheitsstaat", in dem „die Länder zu Verwaltungseinheiten denaturiert" seien. 199
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 12.
9
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4
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Die gesetzliche Veranlassung einer Aufgabe begründet eine Aufgabenmitverantwortung und sollte entsprechend die Pflicht zur Kostentragung nach sich ziehen 200 . Denn durch die bundesgesetzliche Aufgabenstellung wird das Maß der Aufgabenerfullung umrissen und damit bis zu einem gewissen Grade die Leistungshöhe festgelegt. M i t zunehmender Intensität bundesgesetzlicher Regelungen sind die Kosten des Vollzugs immer weitgehender fremdbestimmt 201 .
dd) Vollzugsbeeinflussung durch den Gesetzgeber Der Gesetzgeber legt nicht nur das „Ob", sondern auch das „Wie" der Aufgabenwahrnehmung fest. Das heißt, daß auch das Verfahren nach Form und Inhalt gesetzlich reglementiert ist. Was der Verwaltung im Zeichen einer perfektionistischen Gesetzgebung noch zu gestalten bleibt, ist entsprechend gering. Die Normierungstiefe beläßt der Verwaltung keine Spielräume. Der Entscheidungsgehalt ist durch die Bestimmung der Modalitäten des Vollzugs vorgegeben202. Mit der Ausweitung der Bundesaufgaben und den zahlreichen Bundesgesetzen, deren Perfektionismus und deren häufige Novellierung einen aufwendigen Vollzug erfordern, ist der Umfang der Verwaltungstätigkeit sowohl quantitativ als auch qualitativ gewachsen203. Damit stimmt die dem Verständnis von Art. 104 a Abs. 1 GG zugrundeliegende Prämisse, daß die Ausgaben größtenteils verursacht werden durch das Ermessen, das im Zuge der Verwaltungstätigkeit ausgeübt wird, nicht mehr 204 . Die trotzdem beibehaltene
200 Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 127 (Mit der AufgabenzuWeisung nehme der Bund ein „Geschäft zu Lasten Dritter" vor.); ähnlich Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, u.a. S. 149; Schoch!Wieland, JZ 1995, 982, 989; Voscherau, in: Bundesrat, Reden von Dr. Henning Voscherau, 1991, S. 17, 22; Voscherau, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 29, 36 spricht davon, die Poenalisierung von Gesetzgebung zu Lasten Dritter in das Grundgesetz aufzunehmen. 201
Grube, Grundsätze, 1966, S. 41, 45; Weiler, 1966, S. 67.
Getrennte Tragung der Ausgaben,
202
Köttgen, DÖV 1953, 358, 362; Schoch, ZRP 1995, 387, 389; Maus, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 33, 34, 35. 203 204
Barbarino, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 81, 85.
Sturm, DÖV 1966, 256, 263 ff. Henle, DÖV 1966, 608, 613; Schoch, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 145; Schoch nach Henneke, DVB1. 1994, 1229, 1231; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 71, 128 f., 140; Schoch, ZRP 1995, 387, 388; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 63 f.; Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat,
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
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Trennung von Finanzierungsverantwortung und Gesetzgebungskompetenz bewirkt, was der Konnexitätsgrundsatz von seiner Zwecksetzung zu vermeiden versucht: Das Treffen von Entscheidungen einer Ebene auf Kosten einer anderen 205 . Die gesetzliche Regelungsdichte kann als funktionelles Äquivalent zur exekutiven Weisungsbefugnis bei der Bundesauftragsverwaltung gesehen werden 206 .
ee) Verwaltungsverzahnung Auch innerhalb des Vollzugsbereichs sind die Länder Einflüssen des Bundes ausgesetzt. Weder bei der landeseigenen Verwaltung, noch bei der Bundesauftragsverwaltung sind bundesseitige Ingerenzen ausgeschlossen. Für den Bereich der modernen Verwaltung in Deutschland ist eine funktionelle Verzahnung aller Ebenen charakteristisch. Im Bereich des landeseigenen Vollzugs existiert kein hermetisch geschlossener Raum ausschließlicher Zuständigkeit der Länder. Der Bund hat aus Art. 84 Abs. 1 GG organisationsrechtliche Vollmachten. Er hat das Recht zu Verwaltungsvorschriften (Art. 84 Abs. 2 GG) und Einzelweisungen (Art. 84 Abs. 5 GG). Wegen dieser Einflußmöglichkeiten kann nur mit Einschränkungen von einem „Hausrecht" der Länder für den Bereich des Art. 84 GG gesprochen werden 207. Dasselbe gilt erst recht für den Vollzug der Bundesgesetze nach Art. 85 GG 208 . Deshalb ist der These, Gesetzesvollzug sei Gemeinschaftsaufgabe 209, zuzustimmen. Die natürliche Verflechtung des Gesamtbereichs staatlicher Verwal-
1994, S. 61, 131; Henneke, der landkreis 1995, 127, 129; Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 81, 96 f. 205
Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 93; Stumpp, Entwicklung des Finanzausgleichs, 1964, S. 74; Rennert, Der Staat, 1993, 269, 277; Birk, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 85, 87; Henneke, in: Henneke/Maurer/ Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 109, 121, 127; Henneke kritisiert im Hinblick auf die kommunale Finanzausstattung für übertragene Angelegenheiten, daß die Gemeinsame Verfassungskommission das Spannungsfeld zwar gesehen, aber keine Abhilfe habe schaffen wollen (vergleiche GVK, Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 46 ff). 206 Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfullung, 1995, S. 61, 96 f.; Schoch, ZRP 1995, 387, 389; Schoch, der landkreis 1994, 253, 256. 207
Köttgen, der städtetag 1952, 3, 5; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178; Sturm, DÖV 1966, 256, 263. 208
Köttgen, DÖV 1953, 358, 360, 362 und 363.
209
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Bandii (1961), S. 17, 18 ff; Schäfer, H., DÖV 1960, 641, 646; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 7 Trapp
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4
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Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
tungstätigkeit läßt eine scharfe Grenzziehung nicht zu 210 . Aufgrund der funktionellen Überschneidungen kann von einem Dualismus der Verwaltungsverantwortung ausgegangen werden 211. Finanzielle Konsequenzen können aus Art. 83 ff. GG deshalb nicht ohne weiteres gezogen werden 212. Die Begründung zur Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit weist erhebliche Defizite auf. Die internen Bundesingerenzrechte im Bereich der Exekutive, die seine Aufgabenmitverantwortung entstehen lassen, können nicht berücksichtigt werden, wenn zur Bestimmung des Kostentragungspflichtigen auf die formelle Wahrnehmungszuständigkeit nach außen abgestellt wird. Denn organisationsrechtlich werden sowohl bei Art. 84 GG als auch bei Art. 85 GG die Aufgaben eigenverantwortlich von den Ländern verwaltet 213 . Um die Finanzverantwortung des Bundes beim Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder in Bundesauftragsverwaltung (Art. 104 a Abs. 2 GG) zu rechtfertigen, müssen deshalb Gesichtspunkte der Verantwortlichkeit herangezogen werden. Wird hierbei auf die „letzte Verwaltungsverantwortung" des Bundes214 abgestellt, weshalb er „die sich daraus ergebenden Kosten" zu tragen hat, werden Einflußnahmemöglichkeiten der Länder nicht eingebunden215.
ff) Schutzlosigkeit Die unzureichende Sicherung der Länder und Kommunen gegen finanzielle Überlastungen durch die Bundesgesetzgebung wird beklagt 216 . Ein großer Teil 1967, S. 179 f.; Huchting, DÖV 1954, 289, 290; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 64; den Begriff „unechte Gemeinschaftsaufgaben" zur Abgrenzung von Art. 91 a, b GG verwenden Selmer/Brodersen, WissR 1977, 137, 141. 210
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 30 f.; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. \07, Fischer-Menshausen, DÖV 1948, 10, 13. 211
Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 133; Köttgen, DÖV 1953, 358, 360 und 362. 212
Köttgen, der städtetag 1952, 3, 5.
213
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 45.
214
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 116; Troeger-Kommission, ten, 1966, Tz. 205; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 90. 215 216
Gutach-
Zu diesen Schwierigkeiten vergleiche 4. Teil Β ΠΙ 2 a.
Enquete-Kommission „ Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 209 f.; Huchting, DÖV 1954, 287, 289; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 6; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 37, 57; Studienkommission der Finanzministerkonferenz, BT/DS 2/480 (1954), S. 213; Korioth, DVB1. 1993, 356, 358.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
99
der Ausgabelasten ruht auf den Schultern der Länder, weil sie nach Art. 83 GG grundsätzlich für den Vollzug der Bundesgesetze zuständig und dementsprechend zur Kostentragung berufen sind 217 . Im Gesetzgebungsverfahren zum Finanzverfassungsgesetz wurde von der Studienkommission des Bundesministeriums der Finanzen eine Ergänzung des Art. 83 GG vorgeschlagen. Aus ihr sollte hervorgehen, daß die Länder grundsätzlich keine Zweckausgaben bei der Ausführung der Bundesgesetze tragen, es sei denn, Bundesgesetze bestimmen mit Bundesratszustimmung etwas anderes 218. Auch die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" diskutierte diesen Vorschlag 219 . Damit wäre für die Zweckkosten von einer Gesetzgebungsanknüpfung und für die Verwaltungskosten von einer Verwaltungsanknüpfung auszugehen gewesen. In der aktuellen Diskussion wird eine Normierung der Zustimmungspflichtigkeit zu kostenverursachenden Gesetzen ebenfalls angeregt 220. Damit würde allerdings keine Neuverteilung der Lasten vorgenommen, sondern nur der Schutz vor Ausgabenüberwälzungen erhöht werden.
gg) Rolle der Länder beim Gesetzesvollzug Soweit im vorangegangenen geltend gemacht wurde, die moderne perfektionistische Gesetzgebung nehme der Verwaltung jene Gestaltungsfreiheit, die allein die Auferlegung der Kostenlast rechtfertigen könne, soll nicht die vollziehende Gewalt als eigenständige Staatsgewalt geleugnet werden 221. Es soll lediglich davor gewarnt werden, die Rolle der Verwaltung bei der Möglichkeit, die Kosten zu beeinflussen, zu überschätzen. Die Leistungsfähigkeit der mit der Durchführung beauftragten Ebene muß ausreichend berücksichtigt werden 222. Die klassischen Vorstellungen von der in sich geschlossenen Verwaltungshoheit der Länder sind revisionsbedürftig 223.
217
Pruns, DÖV 1976, 217, 218; Fischer-Menshausen, DÖV 1948, 10, 12; Hühnerfeld,, der städtetag 1974, 302, 303. 218
Bundesministerium
für Finanzen, Studienkommission, BT/DS 2/480 (1954),
S. 151. 219
Enquete-Kommission (1976), S. 210. 220 Siehe 10. Teil C Π. 221
„Verfassungsreform",
Schlußbericht, BT/DS 7/5924
So der Vorwurf von Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 50.
222
Götz, JZ 1969, 89, 89; Albers, W., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 1,3. 223
Köttgen, DÖV 1953, 358, 362.
100
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
hh) Politikfahigkeit der Länder Die Landesgesetzgebung hat ihre traditionellen Bereiche (Landesverfassungsrecht, Kommunalrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, Kulturrecht, Schulrecht) ausgeschöpft. Für die Länder verbleibt der Vollzug bundesgesetzlicher Regelungen224. Zudem ist eine Intensivierung der Tätigkeit des Bundesgesetzgebers festzustellen. Nahezu alle bedeutenden politischen Entscheidungen fallen auf der Bundesebene. Die Länder sind damit praktisch politisch enteignet . Darüber hinaus haben die Vorgaben und Einflußnahmen des Bundes Auswirkungen auf die Wahrnehmung der landeseigenen Aufgaben. Es stellt sich die Frage, wie die grundsätzlich zum Vollzug der Bundesgesetze und damit zur Kostentragung verpflichteten Länder eine längerfristige Finanzplanung vornehmen sollen, wenn sie Inhalt und Belastung einzelner Bundesgesetze sowie den Umfang der Bundesgesetzgebung im ganzen nicht ahnen226. Der Bund kann durch eine weitreichende Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenzen die finanziellen Handlungsmöglichkeiten der Länder erheblich einengen227. Die Kostenübernahmeverpflichtungen beschränken die Politikfahigkeit der Länder. In den Landeshaushalten liegen große Ausgabenblöcke fest, zementiert in bundesgesetzlichen Regelungen und politischem Verharren. Den Ländern fehlen entscheidende Möglichkeiten zur Ausgabenbeschränkung. Landesspezifische Politikgestaltung ist deshalb jedenfalls in den finanzschwachen Ländern aufgrund der fehlenden Manövriermasse zum
224 Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2453; Rennert, Der Staat, 1993, 269, 275 f. spricht von einem „exekutiven Übergewicht in der Gewaltenteilung"; Loschelder, Grundgedanken der Finanzreform, 1966, S. 12; vergleiche aber Benz, DÖV 1991, 586, 587 ff. 223
Grimm, GVK, Stenographischer Bericht, 5. Sitzung, 07.05.1992, S. 6; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 138; Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 187, 245; Rubel, JA 1993, 12, 14; Thieme, DÖV 1989, 499, 507; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 54 ff.; Herzog, BayVBl. 1991, 513, 514; Schneider, H.-P., in: Huhn/ Witt, Föderalismus, 1992, S. 239, 252 f.; Henke, und Herzog äußern Bedenken, ob der heutige Zustand noch mit Art. 79 Abs. 3 GG in Einklang steht, der den Ländern die grundsätzliche Mitwirkung bei der Gesetzgebung gewährt; vergleiche: Herzog, Die politische Meinung, Heft 256 (1991), S. 4, 7; Henke, Finanzbeziehungen Sept. 1992, S. 2 f. („Exekutivföderalismus"). 226
Henle, DÖV 1966, 608, 613;
227
Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
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Schattendasein verurteilt 228 . Insbesondere für investive Maßnahmen ist kein Finanzierungsspielraum vorhanden 229. Die Belastung der Länder erfolgt in formell rechtmäßiger Weise. Trotzdem besteht die Gefahr, daß das Bundesstaatsprinzip verletzt wird, denn die finanzielle Autonomie der Länder ist wegen der Asymmetrie in den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen über die Ausgaben- und Einnahmenverantwortung beeinträchtigt. Jedenfalls gilt es, die Eigenverantwortlichkeit der Länder zu stärken und deren Staatlichkeit abzusichern 230. Schon bei der Neuordnung der Finanzverfassung 1955 war es Ziel, Bund und Ländern eine hinreichend dauerhafte Grundlage für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu bieten und ihnen innerhalb ihres Verantwortungsbereiches eine selbständige und konstruktive Finanzpolitik zu ermöglichen 231. Die Freistellung des Bundes von den Kosten des Gesetzesvollzugs kann die Prioritätsfrage der insgesamt vom Staat zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben verschieben. Ist der Bund wegen der Kostentragungspflicht der Länder die weniger stark belastete Ebene, folgt, daß er Aufgaben mit geringer Priorität in Angriff nimmt, während die finanzschwache Ebene ihre Aufgaben mit höherer Priorität nicht wahrnehmen kann 232 . Das Mehr an vorhandener Finanzkraft ermöglicht dem Bund, sich beispielsweise über Art. 104 a Abs. 4 GG in Landesangelegenheiten einzumischen, indem er die Wahrnehmung von in seinem Interesse liegenden Aufgaben mit dem Angebot der Finanzierungsunterstützung schmackhaft macht. Die Länder sind in der Regel gezwungen, auch diese Aufgaben zu erfüllen, um die angebotenen Mittel zu erhalten (sogenannte Angebotsdiktatur). Muß der Bund selbst anteilig für die Finanzierung des Vollzugs der Bundesgesetze aufkommen, wird die Wahrscheinlichkeit der Einmischung in originäre Länderangelegenheiten reduziert. Der Bund kann dann nicht mit Hilfe des freien Etats indirekt darüber befinden, ob und in welchem Umfang die Länder auf ihren eigensten Gebieten Aufgaben wahrnehmen. Somit besteht bei der An228 Schneider, Harald, GS für Geck, 1989, S. 701, 703 f. und 718 ff; Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Finanzierung der deutschen Einheit, 1992, S. 21; Benz, DÖV 1991, 586, 590; Mußgnug, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 179; Rubel, JA 1993, 12, 14. 229
Thomalla, in: Gemper, Finanzierung der Zukunftsaufgaben, 1991, S. 106, 111; Hesse/Renzsch, in: Hesse/Renzsch, Förderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 29, 30. 230
Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Finanzierung der deutschen Einheit, 1992, S. 21; Kilian, JZ 1991, 425, 427; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10,40; Henke, WiST 1993, 67, 67. 231 232
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 35.
Henke, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 10, 11; Wendt, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 56, 65.
102
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
knüpfung an die Verwaltungstätigkeit die Gefahr, daß die kostentragungspflichtigen Länder in einem Umfang Aufgaben zugewiesen erhalten, der ihre eigenen Initiativen finanziell austrocknen läßt und der sie in die Abhängigkeit vom Bund bringt 233 .
ii) Anerkannte Bereiche Es ist anerkannt, daß die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit nicht in jeder Hinsicht befriedigt. Das fallt bei den Formulierungen der Vertreter dieser Anknüpfung fallt auf. Wenn zum Beispiel von der Troeger-Kommission 234 ausgeführt wird, daß die Gebietskörperschaft, der die Ausführung einer Aufgabe zugewiesen ist, auch die Verantwortung für die Finanzierung tragen muß, weil die Art des Aufgabenvollzugs die Höhe der dafür aufzuwendenden Mittel mitbestimmt, wird zugegeben, daß Kosten nicht allein durch die Verwaltungsinstanz bestimmt werden. An anderer Stelle235 heißt es, die Kostentragungspflicht des Bundes für in Bundesauftragsverwaltung ausgeführte Geldleistungsgesetze sei Folge des Lastenverteilungssystems, wonach die Inanspruchnahme von Zuständigkeiten die Übernahme der Finanzierungslast nach sich ziehe. Luther 236 vertritt die Auffassung, daß die Verursachung von Ausgaben durch den Gesetzgeber ein sachgerechter Gesichtspunkt für die Regelung der Lastenverteilung ist.
(1) Vollzug von Geldleistungsgesetzen Die Forderung, den Bund stärker als bisher die Ausgabenlast, die mit dem Vollzug seiner Gesetze verbunden ist, spüren zu lassen, wird für den Bereich der Geldleistungsgesetze anerkannt 237. Die der Verwaltungsanknüpfüng zu-
233
Grube, Grundsätze, 1966, S. 43; Kilian, JZ 1991, 425,427.
234
Troeger-Kommission,
Gutachten, 1966, Tz. 199.
235
Troeger-Kommission,
Gutachten, 1966, Tz. 127.
236
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 89.
237
Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 124 ff; Enquete-Kommission „ Verfassungsreform ", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 196, 211 (fordert immerhin eine 80 %-ige Bundesbeteiligung); Heinsen, FS für Schäfer, 1980, S. 233, 241; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung", Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 58 f.; Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2455; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185; Lhotta, ZParl. 1991, 253, 280; Konferenz der Präsident (inn) en der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991,
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
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grundeliegende Erwägung, wonach die Höhe der Vollzugskosten durch Entscheidungsspielräume der Verwaltung flexibel sei, greife für den Vollzug der Geldleistungsgesetze nicht. Außerdem seien die Kosten dieser Gesetze oft sehr hoch, so daß ein besonderes Schutzbedürfnis der Länder bestehe238. Dagegen ist zwar einzuwenden, daß die entstehenden Kosten für die Verteilung der sichtigt bleiben muß. Das andere - richtige weiteres übertragbar wäre, auf den Vollzug nur vereinzelt ausgedehnt.
Höhe der beim Gesetzesvollzug Kostentragungspflicht unberückArgumente wird, obwohl es ohne von Nicht-Geldleistungsgesetzen
(2) Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes Umstritten ist, ob eine Finanzverantwortung des Bundes für die Vollzugskosten des Bundessozialhilfegesetzes mit den derzeit geltenden finanzverfassungsrechtlichen Normen vereinbar ist. Der sogenannte Albrecht-Vorschlag 239 , der zuletzt durch eine Gesetzesinitiative der Freien und Hansestadt Hamburg 240 Nds/LT/DS 12/2797 (1991), S. 23, 25, 28; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 5, 23 f., 26 f.; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 41; in der Aussprache auch Schoch, S. 145 f. und Wendt, S. 162; Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 74; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1990/91, Tz. 447; Rubel, JA 1993, 296, 301; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 146 ff; Henke, Finanzbeziehungen Sept. 1992, S. 33; Henke/Schuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 63 ff ; Schuppert und Jochimsen, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 26, 40 und 118, 130; Häde, JA 1994, 1, 2 f.; Friauf in: Kewenig, Deutsch-Amerikanisches Verfassungsrechtssymposium, 1978, S. 177, 191; Schneider, H.-P., in: Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 239, 256; Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 24; Freie und Hansestadt Hamburg, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 104 a Abs. 3 GG BR/DS 240/93; Land Baden-Württemberg, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes BR/DS 364/90, S. 4, 11. 238
Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 33; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 221; Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621, 633 f.; Boreil, Mischfinanzierungen, 1981, S. 79 f; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 134 f. 239 Albrecht-Initiative BR/DS 124/88 (= BT/DS 11/2685 (1988)): Beabsichtigt war eine 50 %-ige Bundesbeteiligung an den Sozialhilfeausgaben durch Ergänzung in § 127 BSHG; gleichzeitig sollten die Länder bei der Umsatzsteuerverteilung auf 4 %Punkte verzichten. 240 Freie und Hansestadt Hamburg, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 104 a Abs. 3 GG BR/DS 240/93: Der Vorschlag betrifft: Art. 104 a Abs. 3 GG insgesamt, ist jedoch auch im Hinblick auf das Bundessozialhilfegesetz formuliert; vorge-
104
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
wiederbelebt wurde 241 , und ihm folgend weitere Initiativen des Bundesrates 242 gehen davon aus, daß eine Beteiligung des Bundes aufgrund von Art. 104 a Abs. 3 GG verfassungskonform möglich sei. Eine entsprechende Kostentragungsregelung könne im Bundessozialhilfegesetz normiert werden 243. Demgegenüber lehnt die Bundesregierung die Heranziehung der Lastenverteilungsnorm für Geldleistungsgesetze ab, unter anderem weil ein großer Teil der gewährten Sozialhilfeleistungen aus Sachleistungen bestehe244. Unabhängig von diesem Streit hat sich für die Forderung nach einer Bundesbeteiligung an den Sozialhilfeausgaben eine breite Koalition gebildet. Nachdem in den 80iger Jahren die jährliche Zuwachsrate bei den Sozialhilfeausgaben bei durchschnittlich fast 10 % lag, wird häufig eine Neuverteilung der sozialhilfebedingten Ausgaben zwischen Bund und Ländern angeregt 245.
sehen ist eine 50 %-ige Ausgabenbeteiligung des Bundes an den Vollzugskosten bei Geld- und Sachleistungsgesetzen. 241 Peffekoven, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 16. 242 Bundesrat, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend das Gesetz zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheit" (BT/DS 12/1227 (1991)) BT/DS 12/1374 (1991), S. 2, 3 f. sowie Gesetzentwurf BT/DS 11/2685 (1988): Die Vorschläge entsprechen jeweils der Albrecht-Initiative. 243
Dem schließen sich grundsätzlich an: Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 506; Schoch, ZRP 1995, 387, 390; Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 86; Wendt, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 162; Landesregierung Niedersachsen, NST-N 1995, 204, 205 f.; Landesregierung Saarland, BR/DS 625/95, S. 2 f.; vergleiche auch Die Grünen Gesetzentwurf BT/DS 11/1038 (1987), S. 3: Art. 1 Nr. 5 des eingebrachten Änderungsgesetzes betrifft § 8 Abs. 5 FAG; demnach sollen die Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes um den Betrag der Sozialhilfelasten eines Landes und seiner Gemeinden gekürzt werden, wodurch die Steuerkraft sinkt und der Finanzbedarf im bundesstaatlichen Finanzausgleich entsprechend erhöht wird. 244 Bundesregierung, BT/DS 12/1374 (1991), S. 8; vergleiche Korioth 356, 361. 245
y
DVB1. 1993,
Vergleiche über die bereits genannten Initiativen und Stellungnahmen hinaus: ausfuhrlich: Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)verfassungsrechtliche Problematik, 1992; Korioth, DVB1. 1993, 356, 356 ff.; ferner: Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 40 f. und 155; in der Aussprache auch Thieme (S. 138) und Wendt (S. 162); Albers, W., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 1, 3 f.; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 131 ï.\Milbradt, in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 153, 155 ff.; Henke, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 10, 11; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185; Klanberg/Prinz, Wirtschaftsdienst 1988, 291, 296 f.; Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 73 ff.; Junkernheinrich, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 167, 181; Arbeitskreis Fi-
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
105
Unter bundesstaatlichen Aspekten sei es sinnvoll, stark streuende Ausgaben in die Finanzierungspflicht des Bundes zu überfuhren. Eine Ausgabenverlagerung bei der Sozialhilfe habe einen horizontalen Angleichungseffekt zugunsten der strukturschwachen, überdurchschnittlich stark mit Arbeitslosigkeit belasteten (neuen) Bundesländer und entlaste somit den Länderfinanzausgleich 246 . Sofern man politisch argumentiert, wird darauf verwiesen, daß die Sozialhilfeausgaben durch Defizite in vom Bundesgesetzgeber zu regelnden Bereichen verursacht seien. Mängel im allgemeinen sozialen Sicherungssystem führten zu einer „Lückenbüßerfunktion der Sozialhilfegewährung" 247. Zu kritisieren seien die fehlende Absicherung des Pflegekostenrisikos, eine unzureichende Arbeitslosenunterstützung (insbesondere die Lastenverschiebung zur Sozialhilfe durch Kürzung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe) sowie Mängel in der Rentenversicherung und beim Kinderlastenausgleich. Die steigenden Sozialhilfeausgaben seien eine Folge der unterlassenen, dem Bund zukommenden Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der Umfang der Ausgaben hänge in starkem Maße von der allgemeinen Wirtschaftspolitik ab. Für diese bundesseitig zu vertretenden Fehler und Konstruktionsdefizite solle der Bund durch Kostenübernahme haften 248.
nanzen im Kommunalverband Ruhrgebiet, Gemeindefinanzen, 1991, S. 34 ff; so auch die Ansicht der Referenten auf dem Symposium des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung: Hardt, S. 17, 49 f., Weber, S. 75, 78, Postlep, S. 1, 5, Albers, H., S. 87, 95, Eveslage, S. 69, 72, jeweils in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992; Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 26, 40; Heun, der landkreis 1994, 7, 7 f. Peffekoven, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 16; Henke/Schuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 61, 66 f.; kritisch zur Forderung nach einer Bundesbeteiligung an den Kosten des Vollzugs des Bundessozialhilfegesetzes: Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 505 ff.; zur Ist-Situation mit diversem statistischem Material Prinz, FA n.F., Band 41 (1983), S. 431 ff. und Klanberg/Prinz, FA n.F., Band 41 (1983), S. 281, 300 ff. 246
Peffekoven, FA n.F., Band 45 (1987), S. 181, 224; Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 132; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 40 f.; Bundesrat, BT/DS 12/1374 (1991), S. 3; Bundesrat, BR/DS 124/88, S. 4; vergleiche aber auch Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 83; kritisch wegen der „überproportionalen Umschichtungseffekte" und den Konsequenzen für den Finanzausgleich: Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 506 f. 247
Arbeitskreis Finanzen im Kommunalverband 1991, S. 38; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 210. 248
Ruhrgebiet,
Gemeindefinanzen,
Die Grünen, BT/DS 11/1038 (1987), S. 6; Albers, W., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 1, 4, 40; Klanberg/Prinz, Wirtschaftsdienst 1988, 291, 296; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 144 f.; anderer Ansicht:
106
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Die Sozialhilfegewährung könne nicht mehr als lokale Aufgabe der örtlichen Solidargemeinschaft in den Gemeinden qualifiziert werden 249. Die finanzielle Verantwortung des Bundes müsse wegen der derzeitigen Risiken (Integration der neuen Länder, Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung, Langzeitarbeitslosigkeit, Zuzug von Ausländern und Anzahl der Asylbewerber) wachsen230. Hinzu komme der Funktionswandel der Sozialhilfe, die nicht mehr einer subsidiären Grundsicherung durch punktuelle und übergangsweise Hilfe entspreche, sondern inzwischen vielfach Dauerleistungen mit Einkommensfunktion bedeute231. Letztlich wird die Kostentragungspflicht der Länder und Kommunen im Hinblick auf den hohen Pflichtigkeitsgrad der Sozialhilfeausgaben kritisiert 232 . Die Höhe der Ausgaben sei wegen der Ausgestaltung des Leistungskatalogs durch den Bundesgesetzgeber weitgehend fremdbestimmt 233. Eine Beeinflussung durch die den Vollzug leistenden Instanzen sei nur eingeschränkt möglich 234 . Unterschiede in der Bewilligungspraxis im Bundesgebiet seien dementBundesregierung, (1986), S. 15. 249
BT/DS 11/2822 (1988), S. 26; 10/6055 (1986), S. 19; 10/6623
Kirchhof \ F., in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 53, 65.
230
Bundesrat, BT/DS 12/1374 (1991), S. 3; Bundesrat, BR/DS 124/88, S. 3; Thiene, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 138. 231
Korioth, DVB1. 1993, 356, 356; Bundesrat, BR/DS 625/95, S. 4.
232
Zum Anteil der Gebietskörperschaften an den gesamten Sozialhilfeaufwendungen vergleiche die Tabelle bei Henke/Schuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 61; Schoch!Wieland, JZ 1995, 982, 983; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 47, 102, 124; Schoch, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 125. 233
Milhradt, in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 153, 154; StGH BW DVB1. 1994, 206, 206 f., wonach das Bundessozialhilfegesetz der Verursacher der finanziellen Mehrbelastung der Städte und Landkreise durch die Sozialhilfe ist; Korioth, DVB1. 1993, 356, 361, 362; PRINZ FA n.F., Band 41 (1983), S. 431, 435; Arbeitskreis Finanzen im Kommunalverband Ruhrgebiet, Gemeindermanzen, 1991, S. 12; Albers, W., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 1, 3 und 10 ist deshalb der Ansicht, es sei Auftragsverwaltung geboten; zum Vergleichbarkeit mit Auftragsverwaltung und dem Heranziehen des Art. 104 a Abs. 2 GG auch: HofmannHoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 98 ff; Henneke, ZG 1994, 212, 217 f.; Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 163; dagegen Löwer, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band Π, 1995, Art. 28, Rn. 93 („es fehlt das Aufsichtsinstrumentarium"). 234 Anderer Ansicht: Patzig, DÖV 1989, 330, 332; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 133 f.; Wendt, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 162; vergleiche zum verpflichtenden beziehungsweise Ermessen belassenden Umfang der Normen des Bundessozialhilfegesetzes: Kemmer, Leistungsnormen, 1982, S. 27 ff., 64 ff.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
107
sprechend gering. Das zeige sich auch daran, daß die Fallkosten in den Ländern nur in begrenztem Umfang differieren 255. Der Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes sei daher auch nur als formelle Selbstverwaltungsaufgabe zu qualifizieren. Bei materieller Betrachtung bleibe für Selbstverwaltung angesichts des Pflichtigkeitsgrades kein Raum 256 . Angeregt wird deshalb, den Sozialhilfevollzug als Testfall für die spätere Stärkung des Veranlassungsprinzips im Bereich der Geldleistungsgesetze zu benutzen257. Jedenfalls sei die Übernahme der „Grundkosten" durch den Bund zu überlegen. Nur die Finanzverantwortung für die „Zusatzkosten" sollte bei den Ländern verbleiben 258.
(3) Bundesauftragsverwaltung Zur Begründung der Kostentragungspflicht des Bundes beim Vollzug der Bundesgesetze nach Art. 85 GG (Art. 104 a Abs. 2 GG) werden die Möglichkeiten der Einflußnahme des Bundes herangezogen. Die Abwälzung der Ausgabenlast von den verwaltungs- und damit an sich ausgabenzuständigen Ländern auf den Bund lasse sich rechtfertigen, weil der Bund den überwiegenden Einfluß auf den Verwaltungsvollzug ausübe. Der Bund nehme die Zweckmäßigkeitskontrolle wahr (Art. 85 Abs. 4 GG). Die Landesbehörden unterständen wegen der Möglichkeit konkreter Einzelweisungen der Bundesexekutive (Art. 85 Abs. 3 GG). Dem Bund sei mithin eine echte Verwaltungskompetenz eingeräumt. Folglich trage er eine Mitverantwortung für die Ausgaben, die er durch seine Ingerenz verursacht 259. Unter diesem Aspekt kann auch die Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit der Länder angesprochen werden. An eine Kostenbeteiligung des Bundes ist bei Weisungen nach Art. 84 Abs. 5 GG zu denken260. Darüber hinaus läßt sich unmittelbar durch gesetzliche Vorgaben Einfluß 255
Bundesrat, BT/DS 12/1374 (1991), S. 3; Bundesrat, BR/DS 124/88, S. 3 und 6.
256
Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 103 f., Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 139, 160 ff ; HofmannHoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 86 ff. 257
Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 155.
258
Differenzierung bei: Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 132; zum Stichwort „Grundkosten" vergleiche Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 20, 150. 259 Magiera, FS für Menzel, 1975, S. 621, 633 f.; Heim, DÖV 1958, 566, 568; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 53, 61; Friauf, in: Kewenig, DeutschAmerikanisches Verfassungsrechtssymposium, 1978, S. 177, 191. 260
S. 199.
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, 673, 676; Pagenkopf, Finanzausgleich, 1981,
108
4. Teil: Der Lasten Verteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
nehmen, so daß beim Vollzug der Bundesgesetze nach Art. 84 GG eine der Bundesauftragsverwaltung vergleichbare Situation gegeben ist. In die bisherige Lastenverteilungspraxis sind diese Einflußnahmemöglichkeiten nicht integriert. Die Überlegungen zur Berücksichtigung der bundesseitigen Kompetenzausübung im Verwaltungsbereich haben Maunz 261 dazu veranlaßt, als Lastenverteilungsregel folgende Norm vorzuschlagen: „Für die Ausführung von Bundesgesetzen, bei der den Landesbehörden kein Ermessen zusteht, trägt der Bund die Kosten."
(4) Entzug von Einnahmen Die Bedeutung der Bundesgesetzgebung für die Haushaltssituation der Länder und der Kommunen ist für Maßnahmen auf der Einnahmenseite anerkannt. Wenn der Bund zum Nachteil der Länder und der Kommunen Steuern abschafft oder Ertragszuständigkeiten ändert, wird er in die Pflicht genommen. Es sei notwendig, für die verursachten Einnahmenausfalle der Länder und kommunalen Gebietskörperschaften einen finanziellen Ausgleich zu schaffen 262.
5. Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz An der Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz wird kritisiert, daß dem als Gesetzgeber finanziell in Anspruch genommenen Bund die Möglichkeit fehle, Einfluß auf die zweckmäßige Mittelverwendung zu nehmen. Räume man dem Zahlenden aber Einflußnahmekompetenzen ein, werde die Eigenstaatlichkeit der Länder geschmälert 263. Dem kann nicht gefolgt werden. Über die gesetzlichen Vorgaben und ermessenssteuernden Ingerenzrechte des Bundes (Weisungs- und Aufsichtszuständigkeit) ist sein Interesse, Einfluß nehmen zu können, hinreichend gesichert 264 . Gleichzeitig ermöglicht die Einflußnahme eine bundesseitige Kontrolle über die Mittelverwendung.
261
Maunz, NJW 1968,2033, 2035.
262
v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 49. 263
Hüchting, DÖV 1954, 289, 290; Sannwald, ZRP 1993, 103, 104.
264
Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 23.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
109
Die Struktur der bundesdeutschen Verfassung spreche gegen eine Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz. Die Lastentragung der Länder für den Vollzug der Bundesgesetze sei die grundgesetzlich vorgesehene Konsequenz aus dem Staatsaufbau mit zentralen Gesetzgebungs- und dezentralen Verwaltungskompetenzen265. Das Argument, in der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit sei ein Verstoß gegen die Haushaltsautonomie der Länder zu sehen, weil der Bund die Länder in grundgesetzwidriger Weise zur Übernahme der finanziellen Lasten aus dem Vollzug seiner Gesetze zwinge, greife nicht. Das Einwirken des Bundes auf die Länderhaushalte sei in diesen Fällen vom Grundgesetz selbst vorgesehen, wodurch Art. 109 GG verfassungsimmanent eingeschränkt werde 266. Ob an dieser Argumentation festgehalten werden kann, ist fraglich, da der (gesetzliche) Einfluß des Bundes bei der Normierung des Grundgesetzes wohl unterschätzt wurde. Von Bedeutung ist aber der Einwand, daß der Bereich der gesetzesfreien Verwaltung bei der Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz außer acht bleibt 267 . Bei der nicht gesetzesakzessorischen Tätigkeit müßte entweder an die Verwaltungskompetenz angeknüpft werden, was einen unterschiedlichen Aufgabenbegriff in Art. 104 a Abs. 1 GG bedeutete je nach dem, ob gesetzesabhängige oder gesetzesfreie Verwaltungstätigkeit vorliegt. Oder der Träger der Gesetzgebungskompetenz der gesetzesfrei wahrgenommenen Materie müßte abstrakt für die Kosten einstehen. Das hätte zur Folge, daß entstandene Ausgaben zu tragen wären, obwohl eine entsprechende Kompetenz nicht ausgeübt wurde, sondern nur vorhanden ist 268 . Beide Ansätze können nicht befriedigen, so daß bei Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz die Kostenfrage für gesetzesunabhängige Verwaltungstätigkeit unklar bleibt. Ferner läßt eine ausschließliche Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz die Beeinflussungsfaktoren der Exekutive unberücksichtigt. Nicht alle Verwaltungsbereiche sind abschließend durch gesetzliche Regelungen vorgegeben. Den Vollzugsebenen verbleibt unter Umständen ein Ermessensspielraum, dessen Handhabung Auswirkungen auf den Kostenumfang hat 269 . Der 265
Troeger-Kommission,
266
Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 36 f.
Gutachten, 1966, Tz. 204.
267
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 12; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 36; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 313. 268
Luther, Lasten Verteilung, 1974, S. 51.; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 133 f. 269
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 12; Sachverständigenrat, 1990/91, Tz. 452.
Jahresgutachten,
110
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Bund wehrt sich deshalb zu Recht gegen jede pauschale Beteiligung an den Kosten für die Gesetzesdurchführung, wenn den Ländern autonome Entscheidungsspielräume verbleiben 270. Die Anknüpfung an die Tätigkeit des Gesetzgebers ist somit genauso abzulehnen, wie die ausschließliche Belastung des Trägers der Verwaltungskompetenz.
4. Aufgeteilte Finanzverantwortung Im engen Zusammenhang mit der Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz stehen die Thesen von Rietdorf 271 , Ludwig 272 und von der Heide 273 . Danach teilt sich die Finanzierungszuständigkeit in zwei Bereiche. Einerseits folge aus der Befugnis zur Aufgabenbestimmung die Pflicht zur Mittelüberlassung. Andererseits sei die Vollzugsebene verantwortlich dafür, mit den zugewiesenen Mitteln zum Haushaltsausgleich zu gelangen. Die Bezeichnung dieser Verpflichtungen ist, obwohl inhaltlich Übereinstimmendes gemeint ist, unterschiedlich 274: Folgende Verantwortlichkeiten werden genannt: Rietdorf
Deckungs-/Bereitstellungsverantwortung
Ausgaben-/Bewirtschaftungsverantwortung
Ludwig
Finanzverantwortung
Deckungsverantwortung
v. d. Heide
Bereitstellungs-/Aufbringungsverantwortung
Bewirtschaflungs-/Ausgabenverantwortung
Die Finanzverantwortung sei demnach keineswegs ausschließlich oder primär eine Angelegenheit der mit dem Vollzug einer Aufgabe betrauten Verwaltungseinheit, sondern in erster Linie Pflicht derjenigen Stelle, welche die Aufgaben schaffe. Da dieses zumeist durch die Gesetzgebung geschehe, treffe den
270
Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 133.
271
Rietdorf,
272
Ludwig, der städtetag 1953, 141, 141 ff.
273
v.d. Heide, DÖV 1953, 289, 290.
274
DÖV 1953, 225, 226.
Vergleiche auch: Anonym, Die Selbstverwaltung, 1953, 111, 111 f.; Hacker, in: Peters, HdkWP, Band ΙΠ, 1959, S. 404.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
111
Gesetzgeber die Kostenlast. Wer ein Gesetz erlasse, übernehme die Verantwortung für seine Durchführbarkeit. Die Verantwortung der Vollzugsebene schließe sich hieran nur an 275 . Die Frage nach sachgerechter Mittelbewirtschaftung stellt sich bei allen Anknüpfungsmodellen, wenn die Deckungsfrage gelöst ist, das heißt der Kostentragungspflichtige feststeht. Für den hier diskutierten Meinungsstreit ist nur der erste Teil der „getrennten Finanzverantwortung" relevant. Diesbezüglich wird von den zitierten Autoren die Kostenverursachung durch die Gesetze genannt276. Insofern kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden 277.
5. Anknüpfung an Sachverantwortung
und Veranlassungsprinzip
a) Ziele dieser Anknüpfüngsmodelle Nach den Vertretern der Anknüpfung an die Sachverantwortung und des Veranlassungsprinzips soll der Begriff der Aufgabe im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG die gesamte Staatstätigkeit, die der Erfüllung eines öffentlichen Sachanliegens dient (Art. 30 GG) und von einer der drei Staatsgewalten ausgeübt wird (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG), umfassen 278. Es sei unverständlich, daß man von Art. 30 GG, der Grundnorm der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, die in Art. 70 GG für die Gesetzgebung und in Art. 83 GG für die vollziehende Gewalt konkretisiert werde, annehme, daß er alle staatlichen Aufgaben erfasse, während man die Lastenverteilungsnorm restriktiv auslege und nur auf Verwaltungsaufgaben beziehe279. Nicht nachzuvollziehen sei die Behauptung, eine eindeutige Zuordnung der Finanzierungslast müsse die Verteilung innerhalb eines der drei Bereiche (formelle Gewalten) zum Maß-
275
Rietdorf
DÖV 1953, 225, 226; v.d. Heide, DÖV 1953, 289, 290 und 293.
276
Rietdorf
DÖV 1953, 225, 226; v.d. Heide, DÖV 1953, 289, 292.
277 Vergleiche insgesamt zu diesem Abschnitt die Auseinandersetzung mit den Vertretern getrennter Finanzverantwortung von Klein, Friedrich, FS fur Giese, 1953, S. 61, 104 ff. 278 Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 87, 100 f.; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 40 f., 51 ff; Gross, DVB1. 1969, 125, 127; Gross, NJW 1967, 1001, 1005. 279 Gross, NJW 1967, 1001, 1005; Gross, DVB1. 1969, 125, 128; Gross, DÖV 1967, 163; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 134; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 44 ff.
112
4. Teil: Der Lastenerteilungsgndsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
stab und Ausgangspunkt nehmen280. In Art. 104 a GG werde kein unter finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geprägter besonderer Aufgabenbegriff verwandt, sondern an die in den Kompetenzverteilungsbestimmungen bindend vorgenommene Aufgabenverteilung angeknüpft 281. Im zentralen Gesetzgebungs· und dezentralen Verwaltungsstaat läge die Verantwortung für die Gestaltung eines Sachanliegens bei Bund und Ländern gemeinsam. Gesetzgebungsverantwortung sowie vollzugsmäßige Ingerenzrechte des Bundes einerseits und Verwaltungsverantwortung der Länder andererseits machten zusammen die Aufgabenverantwortung aus282. Wo eine Körperschaft von Gesetzgebungszuständigkeiten Gebrauch mache, nähme sie eine eigene Aufgabe wahr und sei dementsprechend Aufgabenträger 283. Ein Teil der Verantwortung verbleibe mithin bei der gesetzgebenden Körperschaft 284. Ob und in welcher Höhe Ausgaben entstehen, ergäbe sich aus dem Gesetz und den Verwaltungsmaßnahmen der zuständigen Stellen. Entsprechend habe jeder Beteiligte für sein Verhalten und die aus der Kompetenzwahrnehmung resultierenden Folgen einzustehen. Mithin könne die Finanzverantwortung weder einseitig die Länder, noch ausschließlich den Träger der Verwaltungskompetenz treffen. Der Begriff der Aufgabe in Art. 104 a Abs. 1 GG lasse sich nicht derartig reduzieren. Vielmehr sei die finanzverfassungsrechtliche Achse zwischen Verwaltungsverantwortung und Finanzierungslast nach vornehin zur Ausgabenverursachung zu verlängern 285. Das Konnexitätsprinzip müsse unterscheidend und abgestuft in solchen Fällen reagieren, in denen bestimmte, Verantwortung vermittelnde Steuerungsgehalte nicht beim Verwaltungszuständigen liegen 286 . Stehe fest, daß jede zur Erfüllung einer Aufgabe ergriffene Maßnahme kostenverursachend sein könne, müsse auch die Finanzverfassung entsprechende Konsequenzen ziehen. Die Vorgaben lägen durch Staatsorganisation und Verwaltungsverzahnung fest 287. Das Abstellen auf die verwaltungsmäßige Durchführung entspreche nicht dem föderativen Wechselspiel von Autonomie
280
So aber Vogel!Kirchhof,
281
Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 4 f.
282
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 11, 50 f.
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 53.
283
Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 35; Henle, DÖV 1966, 608, 613; Köttgen, DÖV 1953, 358, 363. 284
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 67.
283
Schoch, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 9, 16; Schoch, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 126. 286
Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Probleme mehrstufiger Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 63. 287
Köttgen, DÖV 1953, 358, 362; Grube, Grundsätze, 1966, S. 34,45,47.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
113
und Verwaltungsverantwortung, weil Sachverantwortung und gestaltende Einwirkung der Gesetzgebung unberücksichtigt blieben 288 . Deshalb müsse - eine selbständige Deckungsverantwortung des Bundes dergestalt bestehen, daß ihm verfassungsrechtlich die Verantwortung für die Deckung aller Kosten auferlegt werde, die seine Gesetzgebung verursache 289 beziehungsweise von einer derartigen Verantwortung ausgegangen werden 290 , - d e m Aufgabenerfindungs- und Reglementierungsrecht des Bundes ein „spezifischer Kostenausgleich" in Form einer Junktimklausel zugunsten der mit der Durchführung belasteten Stellen gegenüber stehen291, - anstelle der Vollzugszuständigkeit die Regelungskompetenz beziehungsweise „politische Urheberschaft" über die Kostentragungspflicht entscheiden292. M i t dem Veranlassungsprinzip könnten Kriterien zur Erfassung des Problems der Ausgabenverantwortung im modernen Bundesstaat gebildet werden 293 . Sowohl die Anknüpfung an die Sachverantwortung, als auch die Bestimmung des Kostentragungspflichtigen nach dem Veranlassungsprinzip können einerseits - im Gegensatz zur Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz - die kostenverursachenden Entscheidungen der Verwaltungsebene, andererseits - im Gegensatz zur Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz die ausgabenrelevanten Vorgaben durch den Gesetzgeber einbeziehen. Ihr Vorteil ist, daß sie nicht einseitig und ausschließlich an die Gesetzgebung oder die Verwaltung anknüpfen, sondern die Verursachungsbeiträge beider Staatsgewalten berücksichtigen. Sie begreifen Gesetzgebung und Vollzugstätigkeit als Ursachen der Lastenentstehung. Auch wenn Ausgaben auf der Verwal288
Kirchhof;
F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71, 94.
289
Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 17; Ludwig, der städtetag 1953, 141, 142; Rietdorf, DÖV 1953, 225, 228 fordert eine den Bund belastende „negative Interessenquote" als Vorleistung auf die endgültige Abgrenzung der Deckungsverantwortung. 290
Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 81, 95 ff., 98 spricht insoweit von einem „pauschalierten Sonderbedarfsausgleich", Böhme, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfullung, 1995, S. 25, 27; Schneider, H.-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3, 7; dagegen: Stoltenberg, FS für Filbinger, 1983, S. 136, 147. 291
Rietdorf, DÖV 1953, 225, 228; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 211; Kirchhof , F., in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 53, 65. 291
BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 23; Kirchhof, F., in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 53, 58. 293
Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 134; Grube, Grundsätze, 1966, S. 41 f. 8 Trapp
114
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
tungsebene geleistet werden, sind die Lasten durch den Gesetzgeber bedingt. Die nicht bei allen Gesetzen identischen Abhängigkeiten der Kostenentstehung werden bei der Bestimmung des Kostentragungspflichtigen einbezogen. Damit wird der Forderung nach einer an die grundgesetzliche Zuständigkeitsordnung angepaßten Verteilung der Finanzverantwortung entsprochen 294. Mit diesen Modellen können sachgerechte Konsequenzen daraus gezogen werden, daß getrennte Aufgabenbereiche nicht existieren. Auch lassen sich die Ingerenzrechte bei der Aufgabenwahrnehmung durch Ausübung von Gesetzgebungskompetenzen berücksichtigen. M i t Anerkennung der ausgabenverursachenden Wirkung der Gesetzgebung werden die Länder vor finanzieller Überlastung geschützt und ihre Politikfahigkeit gefestigt 295. Zugleich wird allerdings darauf verzichtet, Lastenverteilungsfragen durch die Aufstellung eines lückenlosen Systems zu lösen. Stattdessen werden Richtlinien entwickelt, denen Hinweise darauf entnommen werden können, ob die Kostentragungspflicht dem Bund anzulasten, von den Ländern zu erfüllen oder auf beide aufzuteilen ist 296 .
b) Unterschiede zwischen der Anknüpfung an die Sachverantwortung und dem Veranlassungsprinzip Maunz 297 hat die von Köttgen 298 angestellten Überlegungen zur Verteilung der Kostenlast im Bundesstaat entsprechend der Sachverantwortung zum Veranlassungsprinzip fortentwickelt. Bereits in der Forderung von Köttgen, darauf abzustellen, wessen Verantwortungsbereich das Anfallen der Kosten zuzurechnen ist, kam das Veranlassungsprinzip zum Ausdruck 299 . Bei Verbindung von Finanzierungs- und Sachverantwortung steht die abstrakt bestehende Kompetenz im Hinblick auf ein Anliegen, bei dem Kosten entstehen, im Vordergrund. Die Kostentragungspflicht beruht auf der Ermächtigung, zu handeln, denn „die stets auf ein konkretes Anliegen bezogene Verantwortung besteht unabhängig von dem Stadium und den juristischen Formen ihrer Verwirklichung" 300 . Der Grad der Verantwortung bemißt sich
294 295 296 297 298 299 300
Grube, Grundsätze, 1966, S. 48. Zu den Vorteilen siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 c. Vergleiche Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 313 f. Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 12 f. Köttgen, DÖV 1953, 358 ff.; Köttgen, der städtetag 1952, 3 ff. Vergleiche Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 133. Köttgen, DÖV 1953, 358, 362.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
115
nach dem Verhältnis der potentiellen Einwirkungsmöglichkeiten. Deshalb ist zum Beispiel zwischen Voll-, Grundsätze- und Rahmengesetzgebung zu unterscheiden. Darüber hinaus kommt es auf die Ausgestaltung der exekutiven Befugnisse an. Entscheidend ist, welche einzelnen Vollzugszuständigkeiten den Ländern in ihrer durch das auszuführende Bundesgesetz konkretisierten Ausprägung verbleiben. Der Umfang des von den Ländern aufzubringenden Kostenanteils bemißt sich nicht nach der formalen Aufteilung in Art. 84, 85 GG. Vollzug in eigener Angelegenheit kann nicht vorbehaltlos als Landesaufgabe, Bundesauftragsverwaltung nicht als Bundesaufgabe aufgefaßt werden 301. Die Finanzverantwortung reicht soweit wie die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Sache selbst302. Das Veranlassungsprinzip fragt nach einer konkret mit Kostenfolgen ausgeübten Kompetenz. Entscheidend sind die wahrgenommenen Zuständigkeiten, die Ausgaben mit sich gebracht haben. Im Mittelpunkt stehen die dadurch entstandenen Kosten. Der bei dem Veranlassungsprinzip zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke303 wird wie folgt umschrieben: - „Derjenige, der die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen." 304 , - „(Nur) Wer anschafft, zahlt." 305 , - „Wer anordnet, muß auch zahlen." 306 .
301
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 47 ff; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 133; Köttgen, DÖV 1953, 358, 360 und 362; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 54 f.; Patzig, DVB1. 1966, 389, 391 unter Verweis auf den sogenannten „kooperativen Föderalismus"; vergleiche auch Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 62. 302 Köttgen, DÖV 1953, 358, 363; vergleiche zur Anknüpfung an die Sachverantwortung die Zusammenfassungen der Thesen von Köttgen bei: Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 253 f.; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 101 f.; Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 29 f.; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 33; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 30 f. 303 Muthesius, Kostenträger, 1968, S. 49 f.; zurückhaltend die Rechtsprechung: BVerwG, DÖV 1980, 97, 98; BVerwGE 13, 75, 79 f.; daß auch das Grundgesetz die Anerkennung des Veranlassungsprinzips enthält (Art. 104 a Abs. 2, 3, 106 Abs. 8 GG), wird noch zu zeigen sein; vergleiche: Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 89; Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1, 4; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band DI, 1983, Art. 104 a, Rn. 13,Muthesius, Kostenträger, 1968, S. 48; siehe 7. Teil C. 304 Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 104 a, Rn. 3. 305 Vogel, K., JA 1980, 577, 578 (in Umkehrung der Beschreibung der Gefahr bei Fremdfinanzierung: „Wer zahlt, schafft an"); ebenso: Herzog, Die politische Meinung, Heft 256 (1991), S. 4, 10; Maus, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfullung, 1995, S. 33,44.
116
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Übertragen auf Art. 104 a Abs. 1 GG folgt daraus, daß „Wahrnehmung einer Aufgabe" im Sinne des Lastenverteilungsgrundsatzes gleichzusetzen ist mit der Ausübung von Zuständigkeiten, die die Höhe der Ausgaben festlegt. Es kommt an auf das Maß der Lastenbestimmung, unabhängig von der Art der Kompetenz, mit der die Lastenhöhe festgelegt wird 307 . Beim Vollzug der Bundesgesetze ist der Bundesgesetzgeber deshalb nicht allein der Veranlasser. Ein gewisses Maß an Veranlassung trifft auch den Träger der Verwaltungskompetenz. Umgekehrt ist die Verwaltungsebene nicht allein kostentragungspflichtig 308 .
c) Veranlassungsprinzip in wirtschaftswissenschaftlicher Diskussion Bevor im einzelnen darauf eingegangen wird, nach welchen Kriterien die Wirtschaftswissenschaftler den Kostentragungspflichtigen bestimmen, ist die teilweise von der juristischen Terminologie abweichende Begriffsverwendung zu klären 309 . Unter der sogenannten Entscheidungszuständigkeit wird das Recht beziehungsweise die Pflicht verstanden, Art und Intensität der Aufgabenerfullung zu planen, durch Gesetze und Verordnungen zu konkretisieren, für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgabe Sorge zu tragen, zu kontrollieren und gegebenenfalls auftretende Verstöße zu sanktionieren. Von den im juristischen Schrifttum unterschiedenen Teilkompetenzen der Aufgabenerfüllung wären mithin die Planungs-, Gesetzgebungs- und Kontrollkompetenz der Entscheidungskompetenz zuzurechnen. Der Entscheidungszuständigkeit wird die Durchfuhrungszuständigkeit gegenübergestellt. Damit ist das Recht oder die Pflicht angesprochen, eine öf306 Vergleiche bei Patzig, DÖV 1991, 578, 585 die entsprechende Forderung der (fünf neuen) Bundesländer, die die vom Bund angeordnete Weiterzahlung von Subventionen im Wohnungs-, Verkehrs- und Energiebereich betrifft. 307
Im einzelnen siehe 7. Teil C.
308
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 15 f.; nach Erichsen, Konnexität, 1968, S. 25 Fn. 50 ist den Ausführungen von Maunz dieses Ergebnis nicht eindeutig zu entnehmen; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, 1990/91, Tz. 452; vergleiche zur Abgrenzung von Anknüpfung an Sachverantwortung und Bestimmung des Kostentragungspflichtigen durch das Veranlassungsprinzip: Erichsen, Konnexität, 1968, S. 24 f. 309 Vergleiche: Junkernheinrich, Gemeindefinanzen, 1990, S. 34; Kops, WISU 1984, 239, 241; Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 69; Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten, 1993, S. 60 f. (Fn. 96); Hansmeyer/ Kops, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1984, S. 127, 128 f.; Hansmeyer/Kops, FS für Ehrlicher, 1985, S. 3, 7.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
117
fentliche Aufgabe unter Beachtung der vom entscheidungsbefugten Aufgabenträger erlassenen Richtlinien durchzuführen, ohne selbst Art und Intensität der Aufgabenerfüllung nennenswert zu beeinflussen. Diese Teilkompetenz entspricht der juristischen Verwaltungskompetenz, wenn die Art der Aufgabendurchführung vom Gesetzgeber derart genau präzisiert ist, daß bei der Durchführung keine nennenswerten Gestaltungsspielräume bestehen. Für eine effiziente staatliche Aufgabenerfüllung nennen die Wirtschaftswissenschaftler drei notwendige Bedingungen310: - Prinzip der Autonomie 311 , - Prinzip der fiskalischen Äquivalenz 312 , - Prinzip der Konnexität 313 . Während bei den Prinzipien der Autonomie und der fiskalischen Äquivalenz Besteuerungsfragen und Staatsfinanzierung im Vordergrund stehen, also die Einnahmenseite betroffen ist, handelt es sich bei dem Konnexitätsgrundsatz um ein staatsinternes Prinzip. Es bestimmt die Parallelität von Gestaltungskompetenz und Lastentragung zur Bestimmung der finanzverantwortlichen Ebene. Es müsse garantiert sein, daß Aufgaben- und Ausgabenkompetenz bei der gleichen Körperschaft liegen. Derjenige, der bestimmt beziehungsweise über die Erfüllung einer Aufgabe entscheide, solle auch die Finanzierungsbelastung verantworten und tragen 314. Es führe leicht zu Maßlo-
310
Peffekoven, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, 485, 503; Peffekoven, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 14. 311
Danach müssen den Gebietskörperschaften eigene, selbstbestimmbare Einnahmequellen und Einnahmen zur Verfügung stehen, um sie einerseits in die Lage zu versetzen, die Ausgaben der notwendigen Aufgabenwahrnehmung decken zu können und andererseits den Umfang der Aufgaben(-erfüllung) durch die Frage der Finanzierbarkeit zu beschränken. 312
Danach sollen Nutznießer und Kostenträger öffentlicher Leistungen der gleichen Körperschaft angehören; Olson, in: Kirsch Föderalismus, 1977, S. 66, 71; Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 331 (1992), S. 7; Hardt, in: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Kommunale Finanzen, 1989, S. 75, 75 f.; Hardt, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 17, 20 ff; Schmidt in: Neumark, HdFW, Bandii, 1980, S. 137 ff; Zimmermann, H., in: Neumark, HdFW, BandIV, 1983, S. 16, 35; Schneider, D., in: Neumark, HdFW, Bandii, 1980, S. 529 ff.; vergleiche insoweit auch Fischer-Menshausen, in: Albers, HdWW, Bandii, 1980, S. 640. 313 314
Danach muß die Ausgabenkompetenz der Aufgabenverantwortung folgen.
Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 311 (1992), S. 7; Postlep, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut fur
118
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
sigkeit auf Kosten anderer, wenn eine Gebietskörperschaft kostenverursachende Entscheidungen trifft, deren Lasten im Etat einer anderen Gebietskörperschaft anfallen. Eine wirtschaftliche und verantwortungsbewußte Aufgabengestaltung sei nicht gewährleistet 315. Unter diesem Aspekt wird Art. 104 a Abs. 1 GG in der Interpretation der im juristischen Bereich herrschenden Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit von den Wirtschaftswissenschaftlern - jedenfalls unter Allokationsaspekten kritisiert 316 . Der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz bleibe hinter dem ökonomischen Ideal zurück, weil ausgabenträchtige Gesetze vom Bund beschlossen und von den Ländern ausgeführt und finanziert werden müssen317. Im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum wird zugegeben, daß die dem deutschen Bundesstaat eigene fünktionelle Gewaltenteilung eine wirtschaftlich effiziente Zuordnung der Finanzzuständigkeit erschwert. Trotzdem könne der Konnexitätsgrundsatz ökonomischer ausgelegt werden, als es derzeit der Fall sei. Anzuerkennen sei, daß sich der Aufgabenbegriff des Konnexitätsgrundsatzes zusammensetze aus Entscheidungs- und Durchführungskompetenz, also nicht reduziert sei auf gesetzgeberische oder administrative Tätigkeit. Denn sowohl der Gesetzgeber als auch die Verwaltung könnten die Höhe der Ausgaben beeinflussen 318.
Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 1, 14; Fischer-Menshausen, in: Albers, HdWW, Band Π, 1980, S. 640 und 643. 315
Hansmeyer, in: Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 165, 169; Hansmeyer/Kops BldtLG, 1989, 63,68. 316
Kritisch gegenüber der zu einseitig auf Allokationsaspekte abstellende und die bundesstaatliche Spannungslage zwischen Vielfalt und Einheit zu wenig beachtende Beurteilung der Wirtschaftswissenschaftler Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 340 ff. 317
Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 311 (1992), S. 11 f.; Peffekoven und Littmann, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 15 f. und 53, 56; Bundesministerium für Finanzen, wissenschaftlicher Beirat, Gutachten zum Länderfinanzausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 47 (1992), S. 47; Henke, Finanzbeziehungen Sept. 1992, S. 2, 10; vergleiche auch Füchsel, Gemeinschaftsaufgaben, 1985, S. 215 ff.; anders: Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten, 1993, S. 155 unter der Prämisse, daß den Ländern bei den meisten durch Bundesgesetz geregelten Aufgaben ein erheblicher Entscheidungsspielraum verbleibe. 318
Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 72 f.; Hansmeyer/Kops BldtLG 1989, 63, 68; Kops, WISU 1984, 239, 241 f.; Arbeitskreis Finanzen im Kommunalverband Ruhrgebiet, Gemeindefinanzen, 1991, S. 36 ff.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
119
Unproblematisch seien allerdings nur zwei Fallkonstellationen 319 : Wenn Entscheidungs- und Durchfuhrungskompetenz zusammenfallen würden, könne die Ausgabenverantwortung der Aufgabenverantwortung folgen. Dadurch käme es zu der finanz- und verwaltungswirtschaftlich erwünschten Rückkopplung zwischen „Veranlassung" und Deckung der öffentlichen Ausgaben320. Im zweiten Fall lägen Entscheidungs- und Durchführungskompetenz bei verschiedenen Aufgabenträgern. Der durchführende Aufgabenträger habe aber auf die Aufgabengestaltung keinen Einfluß. Die Finanzierung obliege dann ausschließlich demjenigen Aufgabenträger, der die Entscheidungskompetenz besitze. In diesem Fall habe der vollziehende Aufgabenträger vom für die Finanzierung zuständigen Aufgabenträger Anrecht auf Erstattung der mit der Durchführung verbundenen Aufwendungen 321. Die Belastung des Trägers der Durchführungskompetenz würde eine Verletzung des Konnexitätsgrundsatzes darstellen 322. Schwierigkeiten bereite nur die Variante, in der Entscheidungskompetenzen auf mehrere Aufgabenträger verteilt seien. Dieser Fall trete auch ein, wenn der Träger der Durchführungskompetenz nicht strikt an abschließende Vorgaben gebunden sei, sondern selbst noch im gewissen Umfang Entscheidungskompetenzen habe323. Zur Lösung dieses Problems werden verschiedene Vorschläge gemacht: Zwar sei es sinnvoll, um innerstaatliche Abstimmungsprozesse zu verhindern, Entscheidungs- und Durchführungskompetenz für ein Sachanliegen jeweils nur in eine Hand zu legen324. In dem - dem Prinzip der funktionellen
319
Kops, WISU 1984, 239, 242; Hansmeyer/Kops, FS für Ehrlicher, 1985, S. 3, 12 ff; Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten, 1993, S. 64; umstritten ist aber, ob zu dieser Fallgruppe der Bereich der Sozialhilfe gehört. 320
Hansmeyer/Kops, Hamburger Jahrbuch fur Wirtschafts- und Gesellschaflspolitik, 1984, S. 127, 133; Kops, WISU 1984, 239, 242; Hansmeyer/Kops, FS für Ehrlicher, 1985, S. 3, 12 ff; Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten, 1993, S. 64; Füchsel, Gemeinschaftsaufgaben, 1985, S. 213. 321 Junkernheinrich, Sonderbedarfe, 1992, S. 31, 148. 322
Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 75; Arbeitskreis Finanzen im Kommunalverband Ruhrgebiet, Gemeindefinanzen, 1991, S. 38, 39; unter diesem Aspekt wird die Verteilung von Entscheidungs-, Durchführungs- und Finanzierungskompetenz bei der Sozialhilfegewährung kritisiert; vergleiche Klanberg/Prinz, Wirtschaftsdienst 1988, 291, 295 f. 323 Instruktiv zu den möglichen Kombinationen aufgrund (in-)kongruenter Verteilung (un-)geteilter Entscheidungs-/Durchfuhrungskompetenzen: Hansmeyer/Kops, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafls- und Gesellschaftspolitik, 1984, S. 127, 134 f. 324
Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 69 ff., 86 f.; so das Bundesstaatsmodell der USA; vergleiche Herzog, Die politische Meinung,
120
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Gewaltenteilung folgenden - Bundesstaat der Bundesrepublik Deutschland sei dieser Vorschlag allerdings nicht durchfuhrbar. Ein dezentraler Vollzug bundeseinheitlich geregelter Sachgebiete sei darüber hinaus in vielen Fällen ökonomisch sinnvoll und problemadäquat 325. Deshalb sei zu überlegen, ob die Ausgaben entsprechend des maßgeblichen Einflusses zu tragen seien. Die Finanzierungskompetenz sei im Verhältnis der Entscheidungskompetenz aufzuteilen, wenn der Träger der Durchfuhrungskompetenz einen monetär relevanten Entscheidungsspielraum habe326. Wegen der sich ergebenden Notwendigkeit, den Beeinflussungsfaktor für die konkrete Ausgabenhöhe zu bestimmen, wird darauf verwiesen, die volle Finanzierungslast jener Ebene zuzuweisen, deren Entscheidungsanteil dominiert 327 . Damit könnten Finanzierungsstreitigkeiten und die Ausweitung innerstaatlicher Verrechnungen und Finanzzuweisungen mit erhöhtem Verwaltungsaufwand vermieden werden 328. Bei dieser Lösung hätte die Ebene, deren Einfluß dominiert, auch jene Kosten zu tragen, die durch interne Gründe der anderen Ebene verursacht würden. Insofern bestehen Bedenken wegen des Prinzips der Autonomie 329 . In beiden Lösungsvorschlägen wird anerkannt, daß für die Vollzugsebene ein Bedürfnis nach Kostenerstattung besteht, wenn der Bund dirigierend tätig geworden ist. Die wirtschaftswissenschaftliche Methode zur Verteilung der Finanzverantwortung ist mithin auch am Veranlassungsprinzip ausgerichtet. Sofern nicht Änderungen im Bereich der Verteilung der Finanzverantwortung vorgeschlagen werden, wird gefordert, die Vollzugsebene adäquat des Um· fangs der Aufgabenwahrnehmung nach dem Prinzip der Autonomie mit Finanzmitteln auszustatten330.
Heft 256 (1991), S. 4, 9; Hansmeyer/Kops, Gesellschaftspolitik, 1984, S. 127, 131. 325
Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und
Kops, WISU 1984, 239, 242.
326
Junkernheinrich, Gemeindefinanzen, 1990, S. 45 f.; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 133; Zimmermann/Henke, Finanzwissenschaft, 1994, S. 180 f., für Art. 91 a, b GG: Füchsel, Gemeinschaftsaufgaben, 1985, S. 214; Pagenkopf,\ Finanzausgleich, 1981, S. 51. 327
Kops, WISU 1984, 239, 243; Hansmeyer/Kops, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1984, S. 127, 134; Hansmeyer/Kops, FS für Ehrlicher, 1985, S. 3, 14 f. 328 Junkernheinrich, Gemeindefinanzen, 1990, S. 45; Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten, 1993, S. 64. 329
Junkernheinrich, Sonderbedarfe, 1992, S. 125 ff.; Peffekoven, 1990, S.323,332 und 334. 330
FS für Pohmer,
Junkernheinrich, Gemeindefinanzen, 1990, S. 48; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, 1990/91, Tz. 453 ff; Fuest/Lichtblau, Finanzausgleich im vereinten Deutschland, 1991, S. 57 f.; Klanberg/Prinz, Wirtschaftsdienst 1988, 291, 293 f.; Boss,
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
121
d) Kritik am Veranlassungsprinzip und an der Anknüpfung an die Sachverantwortung aa) Überwiegend pauschale Kritik Das Veranlassungsprinzip und die Anknüpfung an die Sachverantwortung werden als Maßstab für die Lastenverteilung überwiegend nicht akzeptiert. Die Ablehnung erfolgt oft ohne Argumente beziehungsweise ohne angemessene Auseinandersetzung: - Es findet sich wiederholt der Satz, daß „es unerheblich ist, ob die Ausgaben einer Körperschaft durch Maßnahmen verursacht sind, die eine andere Ebene veranlaßt hat" 331 . Damit wird eine Begründung weder für die Konnexität von Finanz- und Vollzugskompetenz noch gegen das Veranlassungsprinzip geliefert. Der umschriebene Zustand ist Folge aus der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit und der Vorbestimmung der Verwaltung durch die gesetzgebende Ebene. - Es sei zweckmäßiger, die Kostenlast einseitig einem Aufgabenträger zuzuordnen 332. - Die Kostenveranlassung hänge häufig von Zufällen des politischen Lebens ab 333 . - M i t dem Maßstab der Veranlassung könne nahezu jedes politisch erwünschte und einigermaßen billig erscheinende Ergebnis begründet werden 334. - Mit Aufgabe könne nur ein im Grundgesetz vorgegebener übersichtlicher Kompetenzbereich gemeint sein. Eine Lastenzuteilung nach dem Maßstab der Veranlassung oder Sachverantwortung im Einzelfall würde eine derartige Klarstellung nicht gestatten, weil dieser Maßstab keine generelle Abgrenzung ex ante ermögliche, sondern von der kostenveranlassenden Ausnutzung bestimmter Kompetenzen abhänge335.
in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 79, 95. 331
Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 83, 211; Geske, in: Püttner, HdKWP, Band VI, 1985, S. 29, 33; so auch die Rechtsprechung: BVerfGE 26, 338, 390; BVerwGE 44, 351, 364 f.; BGHZ 98, 244, 254 f. 332
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 90.
333
Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 90.
334
Maier, K., Aufgaben Verteilung, 1967/68, S. 38.
335
Vogel/Kirchhof
y
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 51.
122
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Die auf die einzelnen Ebenen zukommenden Belastungen sind jedoch nicht nur ex post berechenbar. Da die Beeinflussungsfaktoren von Bund und Ländern (grund-)gesetzlich feststehen, läßt sich zumindest abschätzen, welche Kosten durch sie verursacht werden (können) und dementsprechend zu tragen sind. Die nachträgliche Kostenabrechnung hat nur noch die Vorhersage bestätigende beziehungsweise kontrollierende und gegebenenfalls korrigierende Funktion. - D u r c h das Veranlassungsprinzip werde eine Mischfinanzierung ermöglicht, die nicht der beabsichtigten, stabilisierenden Flurbereinigung durch gesonderte Kostentragung entspreche, sondern im Gegenteil die Unsicherheit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung verstärke 336. In diesem Zusammenhang wird die Stärkung der Eigenstaatlichkeit der Länder durch das Veranlassungsprinzip unterdrückt. Das Veranlassungsprinzip ermöglicht den Ländern, für eigene Aufgaben und für die Ausübung eigener Kompetenzen Mittel nach freier Entscheidung einzusetzen, wodurch sie ihre Stellung gegenüber dem Bund behaupten können. Bundesbeeinflussung durch finanzielle Übermacht kann verhindert werden. - Die aus dem Veranlassungsprinzip folgende Mit- beziehungsweise Fremdfinanzierung verhindere die Beeinflussung des Zahlenden auf die zweckmäßige Mittelverwendung 337 . Dabei wird übersehen, daß die Ausgaben durch gesetzliche Vorgaben sowie durch Ausübung bundesseitiger Ingerenzrechte festgelegt werden und gegebenenfalls aufsichtsrechtliche Schritte eingeleitet werden können, um eine sachgerechte Verausgabung sicherzustellen 338. - Das Problem (mittelbar) ausgabenverursachender Gesetze wird auch von der Bundesregierung erkannt 339 . Die Bundesregierung will sich deshalb bemühen, neue Gesetze und Maßnahmen mit Kostenauswirkungen nur nach Ermittlung der finanziellen Belastungen den parlamentarischen Gremien vorzulegen 340 beziehungsweise darauf verzichten, kostenwirksame Gesetze zu erlassen341. Verwiesen wird von der Bundesregierung allerdings darauf, daß die Ausgabenentstehung durch bundesgesetzliche Verursachung bei der allgemei-
336
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 33.
337
Hüchting, DÖV 1954, 289, 290; Sannwald, ZRP 1993, 103, 104.
338
Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 b ii.
339
Bundesregierung, (1984), S. 31.
BT/DS 7/2409 (1974), S. 7; 8/906 (1977), S. 24; 10/1506
340
Bundesregierung, BT/DS 8/906 (1977), S. 3 f.
341
Bundesregierung, BT/DS 10/1506 (1984), S. 2; 8/906 (1977), S. 4.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
123
nen Finanzausstattung in Betracht gezogen werden müsse342. Die Belastungen seien im Rahmen der Steuereinnahmenverteilung und des Finanzausgleichs bei einer Gesamtbetrachtung aller Gebietskörperschaften zu berücksichtigen. Daraus könne sich eine Korrektur der Finanzbeziehungen - insbesondere eine Neufestsetzung der Beteiligungsverhältnisse an den Gemeinschaftssteuern ergeben. Der Weg, Aufgabenbelastungen in den allgemeinen Bund-LänderFinanzausgleich einzubeziehen, sei systemgerechter, da Erstattungsleistungen nur in Ausnahmefällen vorgesehen seien, ansonsten aber nicht den Grundsätzen unserer Finanzverfassung entsprächen 343. Der allgemeinen Lastenverteilungsregel läge der Idee nach ein Ausschluß eines internen Lastenausgleichs zugrunde 344. Sofern dem Veranlassungsprinzip systematische Überlegungen entgegengehalten werden, wird verkannt, daß das Veranlassungsprinzip eine Alternative zum praktizierten Lastenverteilungssystem darstellt. Ein Argument gegen das Veranlassungsprinzip läßt sich demnach daraus nicht herleiten.
bb) Unpraktikabilität Ernster zu nehmen sind die Stellungnahmen, die die Praktikabilität des Veranlassungsprinzips in Frage stellen. Behauptet wird, die Bestimmung des von einem Beteiligten zu übernehmenden Kostenanteils sei unmöglich. Das Veranlassungsprinzip leide an einer doppelten Unsicherheit: Einmal bestehe die Schwierigkeit, das Ausmaß des Einflusses oder der Veranlassung festzustellen. Zum anderen existiere das Problem, den Einfluß oder Veranlassungsgrad in eine finanzielle Quotelung umzusetzen345. Art und Umfang der politischen Beteiligung, die zu einer entsprechenden finanziellen Beteiligung führen soll, seien zu unbestimmt beziehungsweise unbestimmbar. Angesichts der Verschiedenartigkeit der Mitwirkungsformen ließen sich brauchbare Grundsätze für die Verteilung der Finanzverantwortung nicht entwickeln. Es sei nur selten feststellbar, welche Mitwirkung welche Kosten verursacht habe, so daß die Frage, welche Körperschaft welche Ausgaben zu vertreten habe, offen
342
Bundesregierung, BT/DS 7/2409 (1974), S. 7.
343
Bundesregierung, BT/DS 8/906 (1977), S. 4 und 5; 7/2409 (1974), S. 7; Grawert, VVDStRL, Band 36 (1978), S. 277, 302 im Hinblick auf Deckungsvorschriften in Bundesgesetzen, die den Gemeinden Aufgaben übertragen. 344 345
Selmerl Brodersen, WissR 1977, 137, 142.
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 33; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 35, 38.
124
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
bleibe 346 . Ermittelt werden müsse, welche Kosten jeweils auf den Vollzug bestimmter Gesetze entfallen. Das sei schwierig und aufwendig und dennoch kaum zuverlässig möglich 347 . Es bedürfe zusätzlicher Kriterien, um festzustellen, wann eine Aufgabe als veranlaßt gelte348. Angesichts dieser Auslegungsund Abgrenzungsschwierigkeiten erscheine es einfacher, die Kosten durch pauschale Übernahmequoten aufzuteilen 349 oder bei der Abgeltung der der Verwaltungsebene anzulastenden Kosten im Wege des Finanzausgleichs zu verbleiben. Die Schwierigkeit bei der Berechnung der Anteile - insbesondere aufgrund der Verwaltungsbefugnisse nach Art. 84 Abs. 2, 5 GG und Art. 85 Abs. 2, 3 GG - werden von Maunz zugegeben350. Soweit ersichtlich, ist der Versuch, einzelne Veranlassungsfaktoren monetär zu bewerten, nie unternommen worden, so daß fur die Unmöglichkeitsbehauptung der Beweis fehlt. Im übrigen kann es kein Argument gegen die Richtigkeit und Vernünftigkeit eines Gedankens sein, daß er sich nicht hundertprozentig durchführen oder auch nur durchhalten läßt 351 . Kostenerstattungen und Kostenbeteiligungen werden beim Vollzug von Bundesgesetzen in Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104 a Abs. 2 GG und bei Durchführung von Geldleistungsgesetzen nach Art. 104 a Abs. 3 GG praktiziert. Notwendig hierfür ist die Kenntnis der entstehenden Kosten, da nur auf dieser Basis eine Abrechnung möglich ist. Bei der Verwaltung der anderen Gesetze und beim Vollzug nach Art. 83 f. GG ist eine vergleichbare Kostenaufstellung möglich. Auch bei den Gemeinschaftsaufgaben wird eine Bestimmung der Finanzierungsquoten praktiziert. Gefragt wird dabei, wo eigenverantwortlich gestaltete Bereiche vorliegen und wo die materielle Koordination einsetzt. Erfahrungen hieraus können auf das Veranlassungsprinzip übertragen werden 352. Darüber hinaus könnte bei der Bestimmung des Veran-
346
Stumpp, Entwicklung des Finanzausgleichs, 1964, S. 73; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 133; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 105; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 56; Heier, Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 209-216, insb., S. 212 ff. 347
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 21.
348
Biehl, in: Neumark, HdFW, Band IV, 1983, S. 81.
349
Fischer, H., Finanzzuweisungen, 1988, S. 276.
350 Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 13; vergleiche auch Hansmeyer, Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 165, 169. 351
Herzog, BayVBl. 1991,513,516.
352
Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 135.
in:
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
125
lassungsgrades mit Schätzungen, Durchschnittswerten oder Pauschalbeträgen gearbeitet werden 353.
cc) Art. 104 a GG als Gesamtsystem Gegen die Forderung, das Veranlassungsprinzip als generellen Maßstab für die Lastenverteilung einzuführen, wird auf Art. 104 a Abs. 2, 3, 5 GG verwiesen. Art. 104 a Abs. 1 GG dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Art. 104 a GG sei als Gesamtsystem für die Verteilung der Finanzverantwortung zu begreifen, indem die Konsequenzen aus der Aufspaltung von Gesetzgebungskompetenz und Verwaltungszuständigkeit bereits gezogen seien. Die Abstufung für die Zweckausgaben in Art. 104 a Abs. 1 bis 3 GG und die Regelung für die Verwaltungskosten in Art. 104 a Abs. 5 GG berücksichtige Veranlassungsgesichtspunkte hinreichend 354 . Dieser Einwand ist insoweit richtig, als Art. 104 a Abs. 2, 3 GG zum Veranlassungsprinzip tendiert 355 . Auch für die Regelung in Art. 104 a Abs. 5 GG gilt, daß die Höhe der Verwaltungskosten eher durch die Verwaltungsebene beeinflußbar ist. Die Kostentragungspflicht des Bundes nach Art. 104 a Abs. 2 GG für Bundesgesetze, die in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt werden, entspricht den - im Vergleich zur Ausführung als eigene Angelegenheit der Länder stärkeren Bundesingerenzrechten. Aber zum einen belastet Art. 104 a Abs. 2 GG den Bund pauschal mit den gesamten Zweckausgaben, also unabhängig von einem Länderanteil der Verursachung. Zum anderen trifft den Bund die Finanzverantwortung abstrakt, also unabhängig von der Ausübung der ihm nach Art. 85 GG zugestandenen Einflußnahmemöglichkeiten. Auch beim Vollzug nach Art. 83, 84 GG hat der Bund Ingerenzrechte, die nach der derzeitigen Regelung unter Kostentragungsgesichtspunkten irrelevant bleiben. Die Regelung des Art. 104 a Abs. 3 GG läßt eine Vielzahl von Beteiligungsverhältnissen des Bundes an den Vollzugskosten der Geldleistungsgesetze zu. Der Bundesgesetzgeber kann beschließen, sich an den Ausführungskosten für einzelne Geldleistungsgesetze nicht zu beteiligen. Die Belastung des jeweiligen Verwaltungsträgers in Art. 104 a Abs. 5 GG mit den Verwaltungskosten ist adäquat. Die Regelung über die Tragung der 353 Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 13; Sander, Aufgaben und Einnahmen, 1987, S. 233. 354
Heun, Der Staat, 1992, 205, 210.
355
Im einzelnen siehe 5. Teil A VII.
126
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Verwaltungskosten entspricht aber nur eingeschränkt dem Ergebnis bei Anwendung des Veranlassungsprinzips. Danach sind die Verwaltungskosten in dem Umfang, in welchem die Verwaltung eine eigenverantwortlich und selbständig wahrgenommene Aufgabe der Länder ist, von diesen Ländern zu tragen. Sofern die Verwaltungskosten aber zwingend durch das Gesetz vorgegeben sind, fallen sie dem Bund zur Last. Das Veranlassungsprinzip ermöglicht somit von Art. 104 a Abs. 5 GG nicht vorgesehene Differenzierungen, da es bundesseitige Vorgaben berücksichtigen kann. Damit wird gleichzeitig die Kritik, der Bund müsse, würde das Veranlassungsprinzip konsequent angewendet, die den Ländern durch die Ausführung der Bundesgesetze entstandenen Verwaltungskosten tragen, zurückgewiesen 356. Es ist allerdings richtig, daß mit dem Veranlassungsprinzip die Trennung von Zweck- und Verwaltungskosten aufgehoben wird. Das ist nicht nachteilig, weil die Abgrenzung in einigen Bereichen ohnehin Schwierigkeiten bereitet und zu entsprechenden Streitigkeiten bei der Bestimmung des Finanzierungspflichtigen führt. Das Veranlassungsprinzip würde die im Ansatz in Art. 104 a GG bereits vorhandenen Veranlassungspunkte konsequent fortführen.
6. Qualität der Aufgaben als Maßstab für die Lastenverteilung Kölble und Patzig beschreiten, um die Finanzverantwortung zu verteilen, einen sich von den bisher dargestellten Ansichten unterscheidenden Weg. Nach ihrer Ansicht ist der Begriff der Aufgabe im Lastenverteilungsgrundsatz nicht Ausdruck einer Zuständigkeit oder Verantwortung. Stattdessen sei zur Bestimmung des Finanzverantwortlichen eine auf materiellen Aspekten beruhende Wertung vorzunehmen. Wen die Ausgabenlast treffe, hänge davon ab, ob substantiell dieser Aufgabe ganz oder teilweise die Qualität einer Bundesoder Landesaufgabe zuerkannt werden könne 357 . Nach Kölble sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Bundesaufgabe jedenfalls erfüllt, wenn der Bund eine Verwaltungskompetenz besitzt. Eine Bundesaufgabe läge auch vor, wenn der Bund keine Verwaltungskompetenz besitze, es sich aber der Sache nach um eine Bundesangelegenheit handele (z.B. bei Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG) 358 .
356
Sturm, DÖV 1968,466,468; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 134.
357
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 314; Kölble, DÖV 1963, 660 ff; 1964, 592 ff.; 1965, 76 ff.; Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 41 ff. 358
Kölble, DÖV 1963, 660, 662; 1964, 592, 593; 1965, 76, 78.
Β. Auslegung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben"
127
Für den Bereich des Gesetzesvollzugs gelte, daß bei Bundeseigenverwaltung und auch bei Bundesauftragsverwaltung - selbst wenn die Befugnis zum Verwaltungshandeln nach außen bei den Ländern liege - eine Bundesaufgabe gegeben sei. Demgegenüber läge bei Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit eine Länderaufgabe vor 339 . Der entscheidende Unterschied zwischen Art. 84 GG und Art. 85 GG sei darin zu sehen, daß bei Art. 84 GG nicht nur die förmliche Verwaltungstätigkeit als solche, sondern auch der mit der Tätigkeit bezweckte Erfolg als eine „eigene Angelegenheit" der Länder anzusehen sei, während bei Art. 85 GG dies nur für die förmliche Verwaltungszuständigkeit zutreffe, der mit ihr bezweckte Erfolg sich aber als eine Aufgabe des Bundes darstelle 360. Die Mitwirkung des Bundes an einer Aufgabe, die zur Verwaltungskompetenz der Länder gehöre, insbesondere die Ausübung der exekutiven Befugnisse bei Art. 84 GG, führe nicht dazu, daß die Angelegenheit auch Aufgabe des Bundes werde 361. Begründet wird diese Differenzierung mit der ausdrücklichen grundgesetzlichen Aufteilung der Verwaltungsbefügnisse für einzelne Aufgaben (Art. 84 GG eigene Angelegenheiten und Art. 85 GG Auftragsangelegenheiten) sowie den unterschiedlichen Ingerenz- und Aufsichtsbefügnissen des Bundes362. Zur Bestätigung dieses Ergebnisses wird Art. 104 a Abs. 2 GG zitiert. Da dieser den Bund belaste, sei die in Bundesauftragsverwaltung vollzogene Materie Aufgabe des Bundes363. Fraglich ist aber, ob Art. 83 ff. GG überhaupt eine Aufgabenzuordnung in materieller Hinsicht entnommen werden kann, da nur von der „Ausführung der Bundesgesetze" - also der verwaltungsmäßigen Umsetzung des im Gesetz geregelten Sachanliegens - gesprochen wird. Die Behauptung, mit der Verteilung der Verwaltungskompetenz sei zugleich auch die Materie an sich ausschließlich dem Bund oder den Ländern zugewiesen, ist nicht zwingend 364 . Gegen die Heranziehung von Art. 104 a Abs. 2 GG spricht, daß aus den Lastenverteilungsregeln keine Rückschlüsse auf die Aufgabenzuordnung gezogen werden können. Wegen der Aufgabenpriorität sind die Anordnungen in Art. 104 a GG nur die Folge einer an anderer Stelle getroffenen Entscheidung. Die Begründung von Kölble dafür, wann eine Aufgabe Bundes- oder Landesqualität hat, kann mithin nicht überzeugen. Die Ergebnisse entsprechen im 359
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 43 ff.
360
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 11 (1961), S. 17, 20.
361
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 44 f.
362
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 44 f.
363
Anders Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41,
45. 364
Skeptisch auch Lerche, in: MDHS, Art. 85 (1987), Rn. 8.
128
4. Teil: Der Lastenerteilungsgndsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
wesentlichen denen bei Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit. Insofern wäre wiederum die Finanzverantwortung ausschließlich einer Ebene zugewiesen. An die Ausübung von kostenverursachenden Bundesingerenzen könnten keine finanziellen Konsequenzen geknüpft werden, was auch ausdrücklich abgelehnt wird, weil sich keine hinreichend klaren Grenzen gewinnen ließen 365 . Während Kölble zur Bestimmung der Qualität einer Aufgabe damit wiederum Bezug nimmt auf die verwaltungsmäßigen Befugnisse von Bund und Ländern, fragt Patzig nach der Wichtigkeit beziehungsweise dem Interesse an der Wahrnehmung des Sachanliegens für Bund und Länder 366 . Patzig nennt aber nicht, wie die „Qualität" einer Aufgabe zu bestimmen ist. Die Wertungsgrundlagen bleiben im dunkeln 367 . Ein Interesse an der Wahrnehmung der Sache muß bei jeder Ausübung der legislativen Zuständigkeit des Bundes vorhanden sein. Es gibt kaum einen Bereich, in dem nicht ein Interesse mindestens an einer Koordination bei der Aufgabenerfüllung besteht. Die Anerkennung dieses Interesses als Grund für eine Kostenbeteiligung des Bundes würde dazu führen, daß der Bund die Kosten der Durchführung sämtlicher Bundesgesetze zumindest teilweise übernehmen müßte368. Außerdem steht mit Bejahung eines Bundesinteresses nicht fest, daß die Aufgaben nicht regional radizierbar sind und infolgedessen von den Ländern mit gleichem Wirkungsgrad wahrgenommen werden könnten 369 . Auch ist es mit der staatsrechtlichen Stellung der Länder unvereinbar, den Vollzug bundeswichtiger Maßnahmen, für den die Länder die Kompetenz beanspruchen, nach dem über- oder regionalen Nutzwert zu differenzieren und ihre Durchführung davon abhängig zu machen, daß sich der Bund in einer dem überregionalen Interesse entsprechenden Höhe an den Vollzugskosten beteiligt. Denn die Länder sind nicht nur Vertreter ihrer regional begrenzten Belange, sondern für ihren Bereich auch die Mandatare der öffentlichen Gesamtinteres370
sen . Auch Patzig räumt ein, daß der Ausdruck „Interesse" nicht glücklich gewählt sei, glaubt aber, eine flexible Richtschnur gefunden zu haben371.
365
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 11 (1961), S. 17, 43.
366
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 314 ff.
367
Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 38 f.; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 81. 368
Bundesregierung, BT/DS 3/687 (1958), S. 10; Albers, W., AfK 1962, 65, 74; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 180. 369
Troeger-Kommission,
Gutachten, 1966, Tz. 83.
370
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, 673, 676; 1953, 229, 230.
371
Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 315, 314.
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969
129
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei Anknüpfung an die Bundes- oder Landesqualität einer Aufgabe, weil das Grundgesetz Anliegen nur selten separat einer Ebene, allenfalls in Verbindung mit einer Staatsfunktion, zuweist. Auf typische Bundes- oder Landesaufgaben wird nicht abgestellt372. Die Aufgaben sind zudem nicht abschließend verteilt. Nach Art. 30 GG sind ungeschriebene Bundeszuständigkeiten denkbar, die Verschiebungen der Bundesoder Landesqualität der Aufgabe zur Folge haben können. Ähnliches gilt im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, wo die Länder nur solange befugt sind, wie der Bund das entsprechende Gebiet nicht seinerseits regelt. Damit ist der Begriff der Qualität der Aufgabe in der Praxis nicht brauchbar 373.
7. Ergebnis nach Darstellung der verschiedenen Ansichten Allen Anknüpfungsmodellen sind auf unterschiedlichen Ebenen Probleme immanent. Der Hinweis auf die Schwächen der Konkurrenz bei gleichzeitiger Unterdrückung der eigenen Schwierigkeiten führt nicht zum Ziel einer gerechten Lastenverteilung.
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969 Der Streit, was Aufgabe im Sinne des Konnexitätsgrundsatzes ist, ist nach der Finanzreform 1969 im juristischen Bereich zur Ruhe gekommen374, wenngleich die Diskussion über die Finanzverfassung und etwa erforderliche Änderungen nie ganz verstummte 375. Forderungen, den Bund als den verantwortlichen Gesetzgeber für die Kostenfolgen in Anspruch zu nehmen, bestanden immer. Erfolgreich waren sie nicht. Zwar wurden den Ländern teilweise Ausgaben erstattet. Von einer Anwendung des Veranlassungsprinzips kann in die-
372
Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 180 f.; Grube, Grundsätze, 1966, S. 39 f. 373
Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 90; FischerMenshausen, DÖV 1953, 229, 230; 1955, 261, 263 Fn. 13. 374
Geske, DÖV 1985, 421,421; Schneider, Harald, GS für Geck, 1989, S. 701, 701; Renzsch, Finanzverfassung, 1991, S. 261; siehe Einleitung B. m.w.N. in Fn. 21-23. 375
Klein, Franz, FS für Döllerer, 1988, S. 285, 286; vergleiche nur EnqueteKommission „ Verfassungsreform Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 194 ff. 9 Trapp
130
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
sen Fällen aber nicht gesprochen werden, weil keine Grundsatzregelungen getroffen, sondern in Einzelfallen Kompromisse gefunden wurden 376 .
I. Gesetzespositivistische Argumentation Der Gesetzgeber hat mit der Finanzreform 1969 eine Klarstellung der Lastenverteilung beabsichtigt377. Die Einfügung beziehungsweise Umstellung des Konnexitätsgrundsatzes habe den Meinungsstreit entschieden378. Die Verfassungsänderung habe der Zweckausgaben- und Veranlassungstheorie eine klare Absage erteilt und das historisch ältere trennschärfere Prinzip der Verwaltungsverantwortung bekräftigt 379 . Die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit könne heute als im wesentlichen unbestrittener Inhalt des Art. 104 a Abs. 1 GG gelten380. Beim Zustandekommen und in der Begründung des Finanzreformgesetzes seien keine Zweifel daran verblieben, daß im Rahmen des Lastenverteilungsgrundsatzes an die Verwaltungsaufgaben von Bund und Ländern anzuknüpfen sei 381 . Zwar sei die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit nicht ausdrücklich in den Verfassungstext aufgenommen worden. Doch dürfte diese Auslegung allein der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Regelung gerecht werden 382. Die anderen zuvor vertretenen Ansichten seien entweder ausdrücklich verworfen worden oder könnten heute nicht mehr vertreten werden 383. Es könne bezweifelt werden, ob das Grundgesetz durch die Finanzreform 1969 die bestmögliche Lösung gefunden hat. Jedenfalls seien für viele vorher verfassungsrechtlich umstrittene Fälle eindeutige Lösungen getroffen wor-
376 Vergleiche H esse!Renzsch, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 29, 29 ff. 377 BVerfGE 26, 338, 390; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 5; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 60, 113; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 200. 378
Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 3, Jürgens/Piduch/Cohrs, Finanzverfassung, 1981, Rn. 59. 379
Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1.
380
Selmer/Brodersen, WissR 1977, 137, 139; Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, 1994, § 23, Rn. 11, 13; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 12; Klein, Franz, FS für Döllerer, 1988, S. 285, 288; Brockmeyer, FS für Klein, 1994, S. 633, 636. 381
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 115.
382
Stern, Staatsrecht, Bandit, 1980, S. 1138.
383
Müller-Volbehr,
Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 101 f.
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969
131
den 384 . Die Kritiker der Verknüpfung von Verwaltungs- und Finanzverantwortung hätten mit der Einführung von Revisions- und Sicherungsklausel sowie Sonderlastenausgleichsnorm durch das Finanzverfassungsgesetz und das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Art. 106 GG 383 und den Ergänzungen des Finanzreformgesetzes (Art. 104 a Abs. 2 bis 5, 91 a, b GG) ihre Ziele erreicht 386 . Mit dieser Argumentation wird den Versuchen entgegengetreten, einen anderen Anknüpfungspunkt für die Verteilung der Finanzverantwortung in die Diskussion zu bringen. Der Meinungsstreit wurde durch die Normierung der Ausnahmetatbestände abgeschwächt. Die Abweichungen berücksichtigen Überlegungen der Ansichten, die gegen eine Verbindung von Finanzierungs- und Verwaltungskompetenz eintreten. Allerdings ist der grundsätzliche Streit um die Anknüpfung durch die Durchbrechungen des Art. 104 a Abs. 1 GG, die ihrerseits lediglich Kompromißlösungen darstellen, nicht erledigt. Das Anknüpfungsergebnis der herrschenden Meinung ist nicht so selbstverständlich wie behauptet wird. Das ergibt sich bereits daraus, daß zur Zeit der Finanzreformen 1955 und 1969 abweichende Auffassungen vertreten wurden 387 . Der Streit hatte jedoch keinen Einfluß auf die Änderungen des Grundgesetzes durch das Finanzverfassungsgesetz und das Finanzreformgesetz. Plausible Argumente, warum sich der Gesetzgeber nicht mit den anderen Ansichten auseinandergesetzt hat, sind nicht ersichtlich. In der Entwurfsbegründung werden nur kurz und unvollständig die Argumente genannt, die für eine Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit sprechen 388. Die Tradition aus Art. 107 S. 3 GG 1949 und Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 mag zu dieser einseitigen Betrachtung geführt haben. Darüber hinaus wird mit der Anknüpfung der herrschenden Meinung am ehesten die Forderung nach getrennten Finanzverantwortungsbereichen erfüllt, während die anderen Ansichten überwiegend zu Mischfinanzierungen führen. Es ist festzuhalten , daß allein dem Art. 104 a Abs. 1 GG das von der herrschenden Meinung favorisierte Anknüpfüngsmodell keinesfalls sicher zu entnehmen ist, weshalb meist auf einen Umkehrschluß aus Art. 104 a Abs. 2 GG zurückgegriffen wird. Wie bereits gezeigt wurde, läßt der Konnexitätsgrundsatz durchaus eine andere Interpretation zu 389 . Entgegen einigen anderslauten384
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 28, 30. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Artikels 106 des Grundgesetzes vom 24.12.1956 BGBl. I, S. 1077. 385
386
Götz, Recht der Wirtschaflssubventionen, 1966, S. 318 f.
387
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 30.
388
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 113 ff. (114).
389
Siehe 4. Teil B.
132
4. Teil: Der Lasten Verteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
den Äußerungen bestehen noch heute Meinungsverschiedenheiten über Inhalt und Bedeutung des Konnexitätsgrundsatzes 390. Bedenklich ist deshalb zum einen, wenn pauschal auf die Absicht des Gesetzgebers verwiesen wird. M i t Art. 104 a GG ist der Streit noch nicht ausgeräumt, da zweifelhaft geblieben ist, ob die Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze eigene Aufgaben im Sinne der Verfassungsnorm wahrnehmen 391. Zum anderen sind Erwägungen de constitutione ferenda und de constitutione lata auseinanderzuhalten 392. Es geht nicht an, Reformüberlegungen die geübte Praxis vorzuhalten 393 .
I L Welche Ansichten werden heute noch vertreten? Einige Autoren, die vor der Finanzreform 1969 gegen eine Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit plädierten, haben ihren Standpunkt aufgegeben. 1. In der Kommentierung zu Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG hat Maunz noch ausgeführt, daß die Entscheidungen über das Anfallen von Kosten sowohl bei der Legislative als auch bei der Exekutive liegen. Deshalb treffe die Ausgabenverantwortung denjenigen, der die Ausgaben veranlaßt 394. In der späteren Bearbeitung von Art. 104 a GG und Art. 106 GG gibt Maunz das Veranlassungsprinzip ausdrücklich auf 393 . Art. 104 a GG habe sich gegen das Veranlassungsprinzip entschieden. Wenn Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 bereits ein Vorläufer von Art. 104 a Abs. 1 GG war und Art. 104 a Abs. 1 GG insofern nur eine Klarstellung ist, fragt sich, warum vor Einfügung des Art. 104 a Abs. 1 GG von Maunz das Veranlassungsprinzip entwickelt wurde beziehungsweise warum Maunz die Frage „Was ist Aufgabe im Sinne des Lastenverteilungsgrundsatzes?" unter Geltung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 anders als nach Einfügung des Art. 104 a Abs. 1 GG beurteilt. Daran, daß Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 nur die Revisionsklausel betraf, also lediglich ein Auslegungskriterium im Verfahren der prozentualen Neufestlegung der Quote an den Gemeinschaftssteuern war, kann es nicht liegen, da Maunz Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 durchaus als allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz be390
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 2, 20,40.
391
Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 79; Pagenkopf \ Finanzausgleich, 1981, S. 204. 392 v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 28. 393
Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 28.
394
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 12.
393
Maunz, in: MD, Art. 104 a (1970), Rn. 9; Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1970),
Rn. 3.
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969
133
griffen hatte396. Da Art. 104 a Abs. 1 Hs. 1 GG wörtlich mit dem entsprechenden Satzteil in Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 übereinstimmt, kann Maunz diese Erkenntnis nur aus dem Verhältnis zu den übrigen Bestimmungen des Art. 104 a GG gewonnen haben397. In Betracht kommt insbesondere Art. 104 a Abs. 2 GG, der eine ausdrückliche Regelung für die Lastenverteilung bei der Bundesauftragsverwaltung trifft, so daß innerhalb der Lastenverteilungsnorm auf die Art. 83 ff. GG Bezug genommen wird. Maunz weist darauf hin, daß damit ein wichtiger Fragenkreis geregelt ist 398 . 2. Während Hettlage mit Köttgen an die Sachverantwortung angeknüpft hat 399 , geht er inzwischen wie selbstverständlich davon aus, daß die Verwaltungszuständigkeit der Maßstab für die Finanzierungsverpflichtung ist 400 . 3. Henle, der für eine Koppelung von Finanzierungs- und Gesetzgebungskompetenz eingetreten war 401 , nimmt in neueren Veröffentlichungen - ohne Erwähnung anderer Ansichten - Bezug auf die Verwaltungszuständigkeit 402. 4. Darüber hinaus finden sich Hinweise und Behauptungen dafür, daß verschiedene Ansichten nicht mehr vertreten werden und nach der Finanzreform 1969 auch nicht mehr vertreten werden können 403 . So wird von der TroegerKommission sachlich unrichtig behauptet: Die These, daß aus der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes dessen Verpflichtung herzuleiten wäre, die Sachaufwendungen des Gesetzesvollzuges auf seinen Haushalt zu übernehmen, werde nicht mehr vertreten 404. Nach Müller-Volbehr können die Thesen von Henle (Gesetzgebungskompetenz), von Rietdorf (Trennung in Durchführungsverantwortung und Entscheidungsverantwortung), von Köttgen (Sachverantwortung), von Maunz (Veranlassungsprinzip) und von Kölble und von Patzig (Qualität der Aufgabe) nicht mehr vertreten werden 405. Selbst die Verwendung dieser Ansichten zur Interpretation des Lastenverteilungsgrundsatzes wird in Frage gestellt: Die älteren Versuche des Schrifttums, den Konnexitätsgrundsatz zu aktualisieren, können für die Auslegung des Art. 104 a
396
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 7.
397
Vergleiche insoweit: Heun, Der Staat, 1992, 205, 210; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 53 ff. 398
Maunz, in: MD, Art. 104 a (1970), Rn. 9.
399
Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 20.
400
Hettlage, FS für Carstens, Band Π, 1984, S. 613, 623 f.
401
Henle, DÖV 1966, 608, 613.
402
Henle, Finanzpolitik und Finanzverfassung, 1980, S. 253, 259.
403
Miiller-Volbehr,
Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 101 f.
404
Troeger-Kommission,
403
Miiller-Volbehr,
Gutachten, 1966, Tz. 204; Carl, DÖV 1986, 581, 582.
Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 101 f.
134
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
GG nur noch beschränkt herangezogen werden 406. Die verfassungspolitische Argumentation zu Art. 104 a GG 1969 dürfe nur noch bei der historischen Interpretation der durch das Finanzreformgesetz in das Grundgesetz eingefügten Regelung berücksichtigt werden 407.
HL Gegenwärtiger Rückgriff auf die Thesen der Diskussion um die Finanzreform 1969 Die Beschaffenheit der Finanzverfassung ist für das übrige Verfassungsgefüge des Bundesstaates von höchster Bedeutung. Da der Föderalismus ein der bundesdeutschen Verfassung immanenter Teil ist, bleibt auch der Konflikt über Finanzierungszuständigkeiten und der Versuch, ihn zu bewältigen, ein dem Grundgesetz immanenter Zustand. Die angemessene Finanzausstattung der Körperschaften stellt ein „politisches Hochspannungsfeld" dar 408 . Die Regeln des Finanzwesens sind nie für alle Zeit festgelegt. Die Finanzverfassung kann sich mit den politischen Anschauungen wandeln. Die Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen in einem Bundesstaat ist ein „ i n vielfältiger Hinsicht gestaltbares Regelwerk" 409. Für die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit existiert keine Ewigkeitsgarantie. Bereits 1953 hat Köttgen wegen des Wandels zum modernen Verteilungsstaat und der damit verbundenen steigenden Ausgabenträchtigkeit für eine Finanzverantwortung des Aufgabenstellers plädiert 410 . Die Verrechtlichung hat seit dem nicht abgenommen. Unter dem Stichwort „Normenflut" wird kritisiert, daß durch gesetzliche Vorgaben, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie Ministerialerlasse eine ungebundene Verwaltungstätigkeit nicht mehr existiere 411. Das Ermessen sei durch die Vorgaben auf Null geschrumpft. Die Verwaltungen seien rein schematische Vollzugsstellen gewor-
406
Müller-Volbehr,
Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 86.
407
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 20.
408
Pruns, DÖV 1976, 217, 227; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 9.
409 Korioth, DVB1. 1991, 1048, 1048; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 61; Zimmermann, F., in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Feb. 1991, S. 6; Friauf\ in: Kewenig, Deutsch-Amerikanisches Verfassungsrechtssymposium, 1978, S. 177, 177, 181, 184 („Reform der Finanzreform"). 410 411
Köttgen, DÖV 1953, 358, 361.
v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 58 ff. m.w.N.
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969
135
den 412 . Insofern hat der von Köttgen genannte Vorschlag an Aktualität nicht verloren. Hinzu kommt ein weiteres: Die den Körperschaften zur Verfugung stehenden Finanzmittel werden immer knapper. Vielfaltige Aufgaben, insbesondere bei der sozialen Sicherung, binden große Summen. Gleichzeitig sind Ausweitungen der Einnahmen undurchführbar. Die Zumutbarkeitsgrenze für Steuererhöhungen dürfte erreicht sein. Weitere Kreditfinanzierung verbietet sich wegen der sich potenzierenden Schuldenlast. Auf Bund, Länder und Gemeinden ist nur die eine vorhandene Finanzmasse verteilbar 413 . Die Verteilungskämpfe sind bereits härter geworden. Jeder Aufgabenträger hält seine Ausgaben für notwendig und den Umfang der Aufgabenwahrnehmung für zwingend. Das wurde zuletzt bei den Auseinandersetzungen um das Föderale Konsolidierungsprogramm deutlich 414 . Auch unter diesem Aspekt ist das gültige System der Lasten- und Einnahmenverteilung zu überprüfen. Es ist zu fragen, ob die Verteilungskriterien richtig gewählt wurden, wobei es nicht nur darum gehen kann, Lasten und Einnahmen zu verschieben, sondern nach Wegen zu suchen ist, die zu sparsamem Haushalten beitragen 415. Im Rahmen dieser Reformüberlegungen ist durchaus auf Ideen zurückzugreifen, die schon zur Finanzreform 1969 vorgetragen wurden. Der Streit um eine angemessene Finanzausstattung ist deshalb keineswegs obsolet. Im Gegenteil: Die Frage nach einer gerechten Lastenverteilung fallt nach der Vereinigung Deutschlands auf einen fruchtbaren Boden, weil mit ihr das gesamte Finanzwesen zur Disposition gestellt ist. Jedenfalls ist es keineswegs zwingend, das gültige Verteilungssystem nur in Randbereichen an die Probleme, die durch die Vereinigung Deutschlands hinzugekommen sind, anzupassen. Im Hinblick auf die zukünftige Gestaltung unseres Bundesstaates ist dieser Standpunkt, den die Bundesregierung vertritt 416 , als zu kurzatmig zu kritisieren 417 .
412
Vergleiche die Angaben in den Fn. im 4. Teil Β ΙΠ 2 c insbesondere unter dd und hh; anderer Ansicht: Benz, DÖV 1991, 586, 587-589. 413
Thomalla, in: Gemper, Finanzierung der Zukunftsaufgaben, 1991, S. 106, 106; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 2, 5; Henneke, ZG 1994, 212, 214; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 17. 414
Bundesregierung, BT/DS 12/4401 (1993); trotz der diesbezüglichen Einigung wird die Diskussion um eine neuerliche Finanzverfassungsreform in den nächsten Jahren nicht verstummen; vergleiche Renzsch, Das Parlament Nr. 2/1994, S. 14. 415
Sarrazin, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 126.
416
Bundesministerium für Finanzen, Thesenpapier zur Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen vom 08.09.1992 Punkt 3.5.1. 417
Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 188 f.
136
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Nachgedacht werden sollte über eine Abweichung von der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit. Entsprechende Forderungen finden sich bereits. Die Vereinigung Deutschlands hat die Diskussion um das Veranlassungsprinzip im politischen Bereich vorangetrieben 418. Nach dem Beitritt der fünf neuen Länder sind sowohl Stellungnahmen einzelner Autoren 419 , als auch Berichte von Kommissionen und (politischen) Zusammenschlüssen420 erschienen. Sie gehen einerseits speziellen Fragen der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern beziehungsweise den Ländern untereinander - insbesondere des Länderfinanzausgleichs - nach. Andererseits enthalten sie generelle Reformüberlegungen und Forderungen. Von Seiten der Länder wird im Bereich der Lastenverteilung eine „Konkordanz von Gesetzgebungs- und Finanzierungskompetenz" verlangt 421 . Eine Verlagerung der Kostentragung zum Bund wird auch mit der Forderung verfolgt, den Bund an den Kosten für den Vollzug der Geldleistungsgesetze, 418
Schoch, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 9, 15 ist der Ansicht, daß die Forderungen, weil augenblicklich politisch nichts zu bewegen sei, zu juristischen Postulaten erhoben werden müssen. 419
Schäfer, H.-J., der städtetag 1992, 7, 9; Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2455; Thomalla, in: Gemper, Finanzierung der Zukunftsaufgaben, 1991, S. 106, 112 ff\\Klatt, VerwArchiv 1991,430,453; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185.
420 Konferenz der Präsident (inn) en der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991, Nds/LT/DS 12/2797 (1991); Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990); Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen OrdnungBericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990); BW-Kommission „FinanzverfassungsreformZwischenbericht, 1992 (der angekündigte Schlußbericht ist - wegen des Abschlusses der Verhandlungen über das Föderale Konsolidierungsprogramm - nicht mehr veröffentlicht worden; vergleiche Peffekoven, FA n.F., Band 51 (1994), S. 281, 290 Fn. 28); Kuratorium für einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder, Denkschrift und Verfassungsentwurf, „Vom Grundgesetz zur deutschen Verfassung", 1991; Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 22 ff; PDS, Entschließungsantrag BT/DS 12/7415 (1994), S. 6; GVK-Kommissionsdrucksache Nr 66, BT/DS 12/6000 (1993), S. 154 (zu Art. 28 Abs. 2 GG); dazu Heuer, GVK, Stenographischer Bericht, 25. Sitzung, 01.07.1993, S. 2. 421
Klatt, VerwArchiv 1991, 430, 453; Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 4; Clement, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 15, 17; Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 23; die Städte unterstützen diese Forderung; vergleiche: Deutscher Städtetag, der städtetag 1993, 385, 386; 1994, 709, 709 f. Städtetag Nordrhein-Westfalen, Eildienst 1995, 425, 426, und 440 ff; Gesetzgebungs- und Beratungsdienst beim niedersächsischen Landtag, Gutachten zur Zulässigkeit der vorgesehenen Kreditaufnahme des Landes Niedersachsen sowie zur Frage, wie die Staatsverschuldung begrenzt werden kann vom 12.07.1995, S. 58 f., 69 f.
C. Entwicklung des Meinungsstreits nach der Finanzreform 1969
137
stärker und zwingender als bisher in Art. 104 a Abs. 3 GG vorgesehen, zu beteiligen 422 . Beide Ansätze entsprechen dem Veranlassungsprinzip, dessen Einführung vereinzelt alle Gesetze umfassend - zumindest aber für Geld- und Sachleistungsgesetze - gefordert wird 423 . Gegenüber der Gemeinsamen Verfassungskommission machten die kommunalen Spitzenverbände 424 Vorschläge zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und zu Fragen der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) 425. Gefordert wurde unter anderem in Art. 28 Abs. 2 GG vorzusehen, daß die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung die dazu erforderliche Finanzausstattung umfasse. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag schlugen vor, die Finanzverantwortung des Bundes gegenüber den Kommunen für gesetzgeberisch veranlaßte Ausgaben in Art. 28 GG wie folgt zu normieren: „Führen gesetzlich übertragene Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, Kreise und Gemeindeverbände, sind ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen." Zur Begründung wurde ausgeführt 426: „Die Übertragung von immer mehr Aufgaben und Verpflichtungen seitens des Staates ohne gleichzeitige Bereitstellung der entsprechenden Finanzmittel hat zwingend zur Folge, daß die Kommunen bei den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben 422
Konferenz der Präsident (inn) en der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991 Nds/LT/DS 12/2797 (1991), S. 28; Hessischer Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, der städtetag 93, S. 24; Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2455; Enquete-Kommission „ Verfassungsreform ", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 196, 210; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185; vergleiche: Lhotta, ZParl. 1991, 253, 280. 423
Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 58 f.; Konferenz der Präsident(inn)en der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991, Nds/LT/DS 12/2797 (1991), S. 23, 25, 28; SPD Presseservice lìim vom 03.11.1992; BWKommission „FinanzverfassungsreformZwischenbericht, 1992, S. 5, 23 f., 26 f. siehe 5. Teil D Π 3. 424 Die in verschiedenen Beiträgen genannten Vorlagen für die GVK (Deutscher Städte- und Gemeindebund vom 22.06.1992, Deutscher Städtetag vom 13.07.1992 und Deutscher Landkreistag vom 13.07.1992) sind nicht veröffentlicht worden. 425
Vergleiche die Zusammenfassung bei: Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, der städtetag 94, S. 61, 71 ff.; zu den Positionen des Deutschen Städtetages: Dieckmann, und Witte, der städtetag 1992, 621 f. und 623 ff.; der Deutsche Landkreistag hat auch zu anderen Themenbereichen seine Vorstellungen unterbreitet; vergleiche: v. Hausen, der landkreisl992, 609 ff.; v. Hausen, Zeitschrift zur politischen Bildung 4/1992, S. 44 ff.; ausführlich zu Fragen der Städte in der bundesstaatlichen Finanzverfassung: Schäfer, H.-J., der städtetag 1992, 7, 7 ff.; zu einzelnen Vorschlägen auch Fromme, ZRP 1992,431 ff. 426
Witte, der städtetag 1992, 623, 624.
138
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Abstriche machen müssen. (...) Damit bleiben für die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung keine Finanzmittel mehr übrig, der Kernbereich wird tangiert." Der nahezu wortgleiche vom Abgeordneten Heuer der PDS als Art. 28 a Abs. 2 S. 1 GG in der Gemeinsamen Verfassungskommission eingebrachte Vorschlag 427 fand keine Mehrheit 428 . Gleichwohl fordern der Deutsche Städtetag und der Städtetag Nordrhein-Westfalen 429 eine Novellierung des Art. 104 a GG in Richtung eines Verursacherprinzips: „Derjenige Gesetzgeber, der den Städten kostenträchtige Aufgaben überträgt, muß auch für deren Finanzierung geradestehen." Das so verstandene Konnexitätsprinzip müsse auch im Verhältnis Bund-Gemeinden im Grundgesetz verankert werden. Die Ausnahmeregelung des Art. 106 Abs. 8 GG müsse durch eine entsprechende Änderung der Finanzverfassung generelle Bedeutung erhalten. Umgekehrt werden jedoch auch die anderen Thesen von 1969 wiederholt 430 : Aufgabenkonforme Finanzausstattung nach durchgeführter Flurbereinigung und Abschaffung der Mischfinanzierungen 431. Insofern verwundert es nicht, wenn Patzig sich „an den dank Art. 104 a GG überwunden geglaubten Finanzverantwortungsstreit der frühen 50-iger Jahre erinnert" fühlt 432 . Die Anknüpfungsproblematik erlebt ihre Wiedergeburt. Als überholt müssen deshalb die Feststellungen von Klein 433 gelten: „Niemand fordert mehr die Änderung der Verfassung zwecks Abkehr von der Konnexität zwischen Ausgabenverantwortung und Verwaltungszuständigkeit" beziehungsweise: „ M i t 427
GVK-Kommissionsdrucksache
Nr. 66, BT/DS 12/6000 (1993), S. 154.
428
Heuer und Scholz, GVK, Stenographischer Bericht, 25. Sitzung, 01.07.1993, S. 2; GVK, Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 48. 429
Deutscher Städtetag, der städtetag 1993, 385, 386; 1994, 709, 709 f.; Städtetag Nordrhein-Westfalen, Eildienst 1995, 425, 426, und 440 ff. 430
Kommission „Kompetenzen der Landtage", Entschließung vom 09.01.1985 Nds/LT/DS 10/3810 (1985), S. 8; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung", Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 59; Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990 RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 3 f.; Konferenz der Präsident (inn) en der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991, Nds/LT/DS 12/2797 (1991), S. 27 ff.; Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995", Beratungsergebnisse Erste Lesung Themenbereich 12 (November 1992): Lasten Verteilungsgrundsätze, S. 10 ff; Sachverständigenrat, Jahresgutachten, 1990/91, Tz. 432 ff. 431
Zu anderen - nicht mit der Lasten Verteilung unmittelbar in Zusammenhang stehenden - Vorschlägen siehe 10. Teil Β und C. 432 433
Patzig, DÖV 1991, 578, 585.
Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, 1994, §23, Rn. 13; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 15.
D. Auswirkungen der Ansichten auf die Einnahmenverteilung
139
Art. 104 a GG ist der Anknüpfungsstreit nicht nur rechtlich, sondern auch verfassungspolitisch entschieden."
D. Auswirkungen der Ansichten auf die Einnahmenverteilung Die dargestellten Ansichten haben auf die finanzielle Belastung von Bund und Ländern unterschiedliche Auswirkungen. Der Anteil, den der Bund nach der jetzt praktizierten Verwaltungsanknüpfung zu tragen hat, ist gering, weil er nur mit den Zweckausgaben des Vollzugs der Bundesgesetze in Bundesauftragsverwaltung belastet ist. Eine Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz hätte eine weitgehende Freistellung der Länder und Kommunen von den Vollzugskosten zur Folge, da die Gesetzgebung überwiegend Sache des Bundes ist. Das Veranlassungsprinzip und die Anknüpfung an die Sachverantwortung weisen die Kosten der Gesetzesausfuhrung sowohl dem Gesetzgeber als auch der Verwaltungsebene zu. Im Vergleich zur derzeitigen Praxis würde der Bund stärker belastet, weil sein gesetzgeberischer und administrativer Einfluß berücksichtigt würden. Mithin käme es zu einer Lastenverschiebung zugunsten der Länder. Entsprechende Konsequenzen müßten bei der Einnahmenverteilung gezogen werden, da sie aus der Kostentragungspflicht von Bund und Ländern folgt.
I. Vom geltenden Recht vorgesehene Konsequenzen Das Grundgesetz geht davon aus, daß die Ländergesamtheit in der vertikalen Steuerertragsaufteilung einen solchen Anteil an den verfugbaren Finanzmitteln erhalten hat, daß die Länder ihre Aufgaben erfüllen können 434 . Verschiebungen bei der Lastentragung sowie die Pflicht, nach Aufgabenzuweisung deren Ausgaben zusätzlich zu tragen, erhöhen den Deckungsbedarf der belasteten Körperschaft im Finanzausgleich435. Sie sollen nach geltendem Recht über Art. 106 Abs. 4 GG korrigiert werden. Sogleich im Anschluß an die einen Mehraufwand ausschließlich des Bundes oder der Länder verursachende Maßnahme ist ein Revisionsgrund gegeben. Bei der Neufestlegung der Beteiligungsquoten ist davon auszugehen, daß die Mehrkosten in vollem Umfang berücksichtigt werden. Ziel ist - im Rahmen der gesamtstaatlichen Fi434
BVerfGE 72, 330,402.
435
Hettlage, FS für Carstens, Band Π, 1984, S. 613, 624 f.
140
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
nanzierungsmöglichkeiten - ein Ausgleich der zusätzlichen Belastung und die Herstellung gleicher Deckungsverhältnisse 436. Die Lastenzuweisung an die eine Ebene soll sich unmittelbar auch für die andere auswirken, indem letztere sofortige Einnahmekürzungen hinnehmen muß. Nach den Neufestsetzungsrichtlinien für die Umsatzsteuerverteilung in Art. 106 Abs. 3 S. 3 Nr. 1, 2 GG hat unter anderem ein „billiger Ausgleich" stattzufinden 437. Übertragen auf die Finanzierung des Vollzugs der Bundesgesetze, folgt daraus: Verursacht ein Bundesgesetz Kosten, die aufgrund von Art. 104 a Abs. 1 GG in Verbindung mit einem Umkehrschluß aus Art. 104 a Abs. 2 GG von den Ländern zu tragen sind, müßten Neuverhandlungen über die Verteilung der Umsatzsteuer stattfinden. Ihr Ergebnis müßte eine Änderung der Quote zu Lasten des Bundes sein. Mithin müßte der Bund die Vollzugskosten zwar nicht unmittelbar durch Finanzzuweisungen an die Länder tragen, würde aber sehr wohl und schnell - wenn auch nur indirekt - die Folgen seiner Gesetzgebung spüren 438. Aspekte, die für eine Anknüpfung an die Gesetzgebungs- beziehungsweise Sachverantwortung und das Veranlassungsprinzip sprechen, sind mithin in die Verfassungsnormen zur Einnahmenverteilung - insbesondere Art. 106 Abs. 4 GG - eingegangen439.
436 Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 39-68; Fischer-Menshausen, v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 106, Rn. 28 f. 437
in:
Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 180, 186 f.; zu den Schwierigkeiten bei der Anwendung der Revisionsklausel aufgrund der Interpretationsbedürftigkeit der Neuverteilungsmaßstäbe vergleiche: Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 43 ff.; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 106, Rn. 26 ff.; ausführlich Sachverständigenkommission „Umsatzsteuerverteilung Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 60 ff ; zu der sich daraus ergebenden Problematik der Kompromißnotwendigkeit auf politischer Ebene vergleiche: Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 69; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, BandlH, 1983, Art. 106, Rn. 25; Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 39; Seeger, Wirtschaftsdienst 1969, 23, 23 ff., insb. 26; Fischer, H., Finanzzuweisungen, 1988, S. 214 und 221; Sachverständigenkommission „ Umsatzsteuerverteilung Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 30 ff; nach Ansicht der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" (Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 203) kann die politische Kompromißfindung in Kauf genommen werden. 438
Eine monetäre Bewertung der Folgen aus der Änderung der Finanzverantwortung hat ausschnitthaft Boreil, Mischfinanzierung, 1981, S. 85 f. versucht: Stellt der Bund die Zuschüsse zu den Gemeinschaftsaufgaben ein und übernimmt gleichzeitig die Finanzierung des Vollzugs seiner Geldleistungsgesetze, würde eine relativ geringe Anpassung der Umsatzsteuerverteilungsquote zugunsten der Länder notwendig. 439
Siehe 7. Teil Β I.
D. Auswirkungen der Ansichten auf die Einnahmenverteilung
141
II. Von der Praxis gezogene Konsequenzen Die derzeitige Praxis weicht von dem geltenden Recht ab. Zunächst werden die Beteiligungsquoten für einen ausgehandelten Zeitraum festgeschrieben. Das mag politisch sinnvoll sein, um Verhandlungen für einen Zeitabschnitt auszuschließen. Unter den folgenden Gesichtspunkten ist dieses Verfahren bedenklich 440 . Zum einen verhindert diese Praxis unmittelbare Reaktionen auf kostenbelastende Maßnahmen. Zum anderen zwingt sie in den periodisch stattfindenden Verhandlungen zur Verrechnung von Belastungen und zu Kompromissen. Folglich werden nicht einzelne Maßnahmen als Revisionsgrund behandelt. Stattdessen wird in den Revisionsverhandlungen ein finanzielles Gesamtpaket geschnürt, in das einzelne Mehrbelastungen nur als Rechnungsposten Eingang finden 441 . Darüber hinaus wird behauptet, der Bund übernähme bewußt Ausgaben, mit denen die Länder belastet sind, um den Eintritt der Voraussetzungen für eine Änderung der Verteilung der Gemeinschaftssteuern zu verhindern 442 . Letztlich wird Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG herangezogen, um finanzielle Belastungen bis zur nächstfälligen Neuverteilung der Umsatzsteuer abzufe-
440 Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 40 f.; Birk, in: AK, Bandii, 1989, Art. 106, Rn. 30; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 106, Rn. 13; auf eine Befristung der Festsetzung wurde erstmals durch Art. 33 § 1 Abs. 1 Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.06.1993 BGBl. I, S. 944, 977 verzichtet. 441 Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 104, Rn. 60 versucht, die Kritik abzuwehren; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 103 sieht hierin einen Vorteil; vergleiche jedoch auch: Vogel, K., in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 87, Rn. 9; Littmann, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1991, 31, 40; Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 41; Wolf \ in: Bundesministerium für Finanzen, Finanzbeziehungen, 1982, S. 251, 273 ff., 277 ff., 295 ff; Sachverständigenkommission „UmsatzsteuerverteilungSchriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 168 ff ; Fischer-Menshausen, in: Dreißig, Probleme des Finanzausgleichs, Bandi, 1978, S. 135, 142; Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1231 f.; Sarrazin, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 11, 12; unter dem Aspekt der Kontinuität (Regelungslücke nach Ablauf befristeter Quotenfestlegung) auch: Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 59 f.; Sachverständigenkommission „ Umsatzsteuerverteilung", Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 154 ff, 161; die Neuverteilung der Umsatzsteuer im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms wurde mit der Frage des Länderfinanzausgleichs verklammert; vergleiche: Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 337, 344; Isensee, NJW 1993, 2583, 2586 spricht von der Notwendigkeit bündischer Einigung und einem bundesstaatlichen Verfassungsvertrag. 442
Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 322.
142
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
dem. Der Ausgleich der Zwischenfinanzierungslast wird nötig, weil jede Neuverteilung der Umsatzsteuer nur für die Zukunft, also nicht ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Mehrbelastung wirkt. Der in Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG vorgesehene Mehrbelastungsgleich gilt jedoch nicht für die kurzfristige Abgeltung von Dauerbelastungen, sondern stellt eine Spezialregelung für die Finanzierung kurzfristiger Mehrbelastungen dar, um eine zweimalige Änderung der Umsatzsteuerbeteiligungsquote zu verhindern 443 . Die derzeitige Praxis widerspricht also den - hier nur ausschnitthaft skizzierten - grundgesetzlichen Regelungen über den vertikalen Finanzausgleich und die Einnahmenverteilung. Konsequenterweise müßten die Folgen bei Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit wie folgt aussehen: Ein von den Ländern zu vollziehendes und zu finanzierendes kostenverursachendes Bundesgesetz müßte einen Revisionsgrund für die Umsatzsteuerverteilung darstellen. Die Mehrbelastung müßte sich sofern sie für die Länder wesentlich ist und die Einnahmen-Ausgaben-Quote des Bundes konstant geblieben ist - auf den Bund durch eine Änderung der prozentualen Beteiligung zu seinem Nachteil auswirken. Das würde seine Einnahmensituation verschlechtern, gleichzeitig aber einer angemessenen Finanzausstattung der Länder entsprechen. Da diese Konsequenzen aus der praktizierten Lastenverteilung nicht gezogen werden, sind die Forderungen der Länder 444 nach zusätzlichen Finanzmitteln berechtigt. Die Forderungen nach einer grundsätzlichen Änderung der Lastenverteilung beruhen ebenfalls auf der praktizierten Handhabung der Revisionsklausel. Die Lastenübernahme durch den Bund, die durch Bezugnahme auf das Veranlassungsprinzip oder die Anknüpfung entsprechend Gesetzgebungs· oder Sachverantwortung gefordert wird, stellt eine Alternative zur Korrektur der Einnahmenverteilung dar. Somit werden auch die Äußerungen nachvollziehbar, die darauf verweisen, daß anstelle einer Reform der Finanzverfassung die sachgerechte Anwendung der grundgesetzlichen Regelungen über die Einnahmenverteilung zur Problemlösung ausreichen würde 445 :
443
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Banditi, 1983, Art. 106, Rn. 31; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 63 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 73; Hettlage, FS für Carstens, Bandii, 1984, S. 613, 625; insofern falsch: Enquete-Kommission „ VerfassungsreformSchlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 204 ; siehe 7. Teil Β I 5. 444
Vergleiche die Zusammenfassungen bei: Henke, Finanzbeziehungen Sept. 1992, S. 1 ff.; Henke, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 10, 10 ff. 445
Pauker, DÖV 1988, 64, 70 f. mit dem Hinweis, daß die Länder ihre Probleme mit verfassungsrechtlichen Mitteln lösen könnten, die sie gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht klageweise geltend machen müßten; Starck, JZ 1975, 363,
D. Auswirkungen der Ansichten auf die Einnahmenverteilung
143
- Die Erhöhung der Finanzausstattung der Länder mache eine Reform der Finanzverfassung überflüssig 446. - Die Verfassungwirklichkeit kranke daran, daß der Bund Landesaufgaben finanziert und damit gegen den allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz verstößt, anstatt die Länder über den vertikalen Finanzausgleich mit den notwendigen Mitteln auszustatten447. - Die Finanzierungskapazitäten des Bundes und die Tatsache, daß in der Bundesrepublik Deutschland vor der Vereinigung neun Länder existierten, die als unterstützungsbedürftig im Sinne des Strukturhilfegesetzes galten, seien ein Indiz dafür, daß das Gesamtsteueraufkommen nicht verfassungsgemäß verteilt sei. Der Bund bezahle mit dem Geld der Länder. Sein Finanzbedarf sei ohne diese Zahlungen nicht so hoch, daß eine Revision der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder ausgeschlossen wäre 448 . Unter Berücksichtigung dieser Umstände klärt sich auch die Behauptung, das Konnexitätsprinzip verlange bei Aufgabenübertragung die Bereitstellung entsprechender Finanzmittel. Wenn darauf verwiesen wird, daß der Bund den Ländern neue Aufgaben und Lasten nicht aufbürden kann, ohne die Länder zu befähigen, die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen, wird nicht für das Veranlassungsprinzip gesprochen. Diese Äußerungen beruhen auf dem Zusammenhang von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen 449 . Eine Abgeltung der 364; Henle, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 11 (1961), S. 63, 64, 72-76, insb. 75 f.; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 134 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 72 ff., 81; Barhanno, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 55 (1975), S. 103, 108 f., 113; Boreil, Mischfinanzierungen, 1981, S. 22, 85 f. 446
Stadler, BayVBl. 1969, 297, 297; Friauf in: Kewenig, Deutsch-Amerikanisches Verfassungsrechtssymposium, 1978, S. 177, 183, 192 f.; Enquete-Kommission „Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 201; Blasius, DÖV 1992, 18, 23 f. 447 Pauker, DÖV 1988, 64, 70; Seeger, DÖV 1968, 781, 781; Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 131, 134, 135; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 72, 75, 81, 137 f.; Püttner/Kretschmer, Staatsorganisation, 1993, S. 250; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 105; Kisker, Der Staat, 1975, 169, 199; Starck, JZ 1975, 363, 363 ff; Maier, K., Aufgabenverteilung, 1967/68, S. 90 f. 448 Barhanno, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 81, 91; Band 55 (1975), S. 103, 113; Seeger, DÖV 1968, 781, 781; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 104, Rn. 59; Thiel, in: Niedersächsisches Institut fur Wirtschaftsforschung, Kommunale Finanzen, 1989, S. 115, 126; Henle und Wendt, Staats Wissenschaften und Staatspraxis 1993, 10, 11 und 56, 72. 449 Vergleiche zu diesem Zusammenhang: Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut fur Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 55, 59, 61; Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Proble-
144
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
Kosten für eine einzelne Maßnahme - wie sie nach dem Veranlassungsprinzip vorgesehen ist - wird nicht erwogen. Das Korrektiv für die belastende Wirkung von Bundesgesetzen seien Zuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs. Revisions- und Sicherungsklausel würden den Lastenausgleich regeln 450 . Allerdings ist der Hinweis auf die Ausstattungspflicht der Länder im Rahmen des Finanzausgleichs wenig tröstlich, da bisher keine Konnexität zwischen kostenverursachenden Bundesgesetzen und Revision des Beteiligungsverhältnisses an der Umsatzsteuer praktiziert wird 451 .
I I I . Konsequenzen nach den anderen Ansichten Die Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz oder an die Sachverantwortung und das Veranlassungsprinzip haben eine unmittelbare Schadlosstellung der Länder für vom Bund verursachte Ausgaben zum Ziel. Der Bund hätte den Großteil der Kosten für den Vollzug seiner Gesetze zu tragen und aufzubringen. Bei Berücksichtigung der Kostenrelevanz der Gesetze müßten me mehrstufiger Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 60, 61; Henle, DÖV 1966, 608, 610; 1968, 396, 400; Henle, Ordnung der Finanzen, 1964, S. 108; Henle, Finanzpolitik, 1980, S. 254; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 195; Henneke, Jura 1991, 230, 231; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 45; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 15 f., Neukamm, Vertikaler bundesstaatlicher Finanzausgleich, 1966, S. 89; Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621, 630 f.; Sturm, DÖV 1968, 466, 467; Grube, Grundsätze, 1966, S. 17; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 130 f.; Pauker, DÖV 1988, 64, 64; Seeger, DÖV 19968, 781, 781; Grawert, FS für v. Unruh, 1983, S. 587, 589; Klein, Friedrich, FS für Giese, 1953, S. 61,90; Schuppert/Dahrendorf, Aspekte des Länderfinanzausgleichs, 1985, S. 30 ff.; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1129. 450
Fischer-Menshausen, DÖV 1948, 10, 13 f.; Sturm, DÖV 1968, 466, 469; Sachverständigenkommission „Umsatzsteuerverteilung", Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 95; Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 319; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 30; Enquete-Kommission „Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 196; Magiera, FS für Menzel, 1975, S. 621, 639 f.; Institut „Finanzen und Steuern", Schriftenreihe, Heft 80 (1966), S. 15; Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 57, 116; Hettlage, FA n.F., Band 14 (1953/54), S. 405, 450; Jellinek, Aus Politik und Zeitgeschichte Beilage 32 (1975), S. 13, 26 mit dem Hinweis, daß dieses Ergebnis die Folge der Nichtanerkennung des Veranlassungsprinzips ist; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 14; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 74, 78, 82. 451
Henle, DÖV 1966, 608, 613; Wolf, in: Bundesministerium für Finanzen, Finanzbeziehungen, 1982, S. 251, 290 ff.; Barbarino, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 55 (1975), S. 103, 107.
D. Auswirkungen der Ansichten auf die Einnahmenverteilung
145
dem Bund folglich zusätzliche Einnahmen zugewiesen werden, damit er die auf ihn zukommenden Mehrbelastungen erfüllen kann. Deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß die Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz beziehungsweise die Sachverantwortung und das Veranlassungsprinzip nicht zwingend zur Freisetzung von Finanzmitteln für die Länder beziehungsweise zur nachhaltigen Entlastung der Länderhaushalte führen. Der Bund müßte einen Teil der von ihm zu übernehmenden Lasten aus Mitteln aufbringen, die er den Ländern bereits jetzt zuweist, die jedoch bei konsequenter Anwendung des geltenden Rechts den Ländern originär gebühren. In dem darüber hinausgehenden Umfang der Belastung des Bundes wäre eine Neuverteilung der Steuereinnahmen nötig. In dieser Höhe läge ein Revisionsgrund (Art. 106 Abs. 4 GG) zugunsten des Bundes vor, so daß sich die Einnahmensituation der Länder insoweit verschlechtern würde. Voraussichtlich hätten die Länder dieselben Schwierigkeiten bei der Deckung ihrer Ausgaben und Bewältigung ihrer Aufgaben. Der Hinweis, daß eine Kostenübernahmezusicherung ihren Wert verliert, wenn der Zusichernde sich die Mittel durch eine Kürzung der Finanzausgleichsanteile des Zusicherungsempfangers beschafft, ist nicht unberechtigt 452. Diese Zusammenhänge sind in jüngster Zeit unter dem Stichwort „ReFinanzierung(-sproblem)" 453 - im Rahmen (des Albrecht-Vorschlages zu) der Finanzierung der Sozialhilfekosten 454, - bei einer stärkeren Bundesbeteiligung an den Ausgaben des Vollzugs der Geldleistungsgesetze (Art. 104 a Abs. 3 GG) 455 und - i m Zusammenhang mit der Tragung der Kostender Deutschlands456
452
Berkenhoff,
Vereinigung
DVB1. 1955, 347, 349; Schoch, ZRP 1995, 387, 391.
453
Vergleiche allgemein: Hettlage, FS für Carstens, Bandii, 1984, S. 613, 625 f.; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 150; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1186 und 1193; Heun, Der Staat, 1992, 205, 211; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 15 f., 52; nach Schneider, H.-P., in: Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 239, 256 ist die Albrecht-Initiative nach wie vor aktuell. 454
Erhöhung von Verbrauchssteuern und 4 %-ige Erhöhung des Umsatzsteueranteils des Bundes für 50 %-ige Beteiligung an den Sozialhilfelasten: siehe 4. Teil Β ΙΠ2 c ii (2); Fischer, H., in: Kitterer, Sozialhilfe, 1990, S. 131, 131 ff; Peffekoven, FS für Pohmer, 1990, S. 323, 334; Peffekoven, FA n.F., Band 45 (1987), S. 181, 224; Voss, Wirtschaftsdienst 1988, 237, 239. 455
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 100 ff., 103.
10 Trapp
146
4. Teil: Der Lastenerteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG
auch hinsichtlich der horizontalen Auswirkungen (Entlastung der finanzschwachen auf Kosten der finanzstarken Länder) diskutiert worden. Von Seiten der Länder wurde dabei teilweise übersehen, daß eine Neuverteilung der Lasten die gesamtstaatliche Finanzierungsmasse nicht vergrößert, die Länder demzufolge mit Einnahmenkürzungen im Finanzausgleich rechnen müssen457.
IV. Vergleich der Konsequenzen Vergleicht man die Ergebnisse, so reduzieren sich die Unterschiede der verschiedenen Ansichten. Die Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit müßte eine Einnahmenkürzung des Bundes zur Folge haben. Die anderen Ansichten würden zu einer Mehrbelastung des Bundes führen, würden mithin eine Einnahmensteigerung des Bundes nötig machen. Beide Konsequenzen könnten im Finanzausgleich berücksichtigt werden. Die Länder bekämen die Kosten für die Ausführung der Bundesgesetze nach der Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit über den Finanzausgleich durch allgemeine Finanzzuweisungen, nach den anderen Ansichten durch direkte aufgabenbezogene Zuteilungen erstattet. Bei Anknüpfung an die Verwaltungstätigkeit sind die kostenbelasteten Verwaltungsstellen auf eine Quotenverschiebung im Rahmen der Revisionsklausel angewiesen. Über Art. 106 Abs. 4 GG würden die Kosten der durch Bundesgesetz vorgegebenen Aufgabenwahrnehmung mittelbar berücksichtigt. Demgegenüber würde nach den anderen Ansichten ein unmittelbarer Belastungsausgleich stattfinden 458. Die Diskussion der Pro- und Contra-Argumente hinsichtlich der verschiedenen Anknüpfüngsmodelle hat gezeigt, daß die Einnahmequellen und die Finanzmittelverteilung zwischen Bund und Ländern - nicht zuletzt unter Bundesstaatsgesichtspunkten - von entscheidender Bedeutung sind, so daß sich der Streit um die Lastenverteilung nicht erledigt, auch wenn manche Folgen der verschiedenen Ansichten hinsichtlich der Einnahmenverteilung parallel laufen.
456
Vogel, VVDStRL, Band 52 (1993) Aussprache, S. 133; ebenso: Starck (S. 140) und Heun (S. 176); Korioth, DVB1. 1991, 1048, 1058; Forschungsinstitut der Friedrich -Ebert-Stiftung, Finanzierung der deutschen Einheit, 1992, S. 16 f. 457
Grünewald, in: Gemper, Finanzierung der Zukunftsaufgaben, 1991, S. 71, 83.
458
Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 122.
5. Teil
Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG Wie oben dargestellt 1, enthält das Grundgesetz Tatbestände, die Spezialregelungen für die Kostenverteilung treffen 2 und wegen ihrer Modifikationen dem allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104 a Abs. 1 GG vorgehen 3: Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2, 104 a Abs. 2 bis 5, 106 Abs. 8, 107 Abs. 2 S. 3, 120 Abs. 1 GG. Folgt man der herrschenden Meinung, nach der in Art. 104 a Abs. 1 GG für die Frage der Finanzverantwortung an die Verwaltungstätigkeit anzuknüpfen ist, sind von besonderem Interesse diejenigen Normierungen, die eine Durchbrechung des Prinzips „Ausgaben- folgt Verwaltungsverantwortung" zulassen. Ob es sich bei allen verfassungsrechtlich fixierten Kostentragungsregelungen um Tatbestände handelt, die diese Anknüpfung durchbrechen, ist umstritten. Es wird vertreten, daß es sich weniger um Abweichungen als vielmehr um Klarstellungen handele4. Der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz habe nach 1969 mehr von der Verfassung legitimierte Durchbrechungen erfahren als zuvor unter Geltung des Grundgesetzes von 1955. Diese Normen sind deshalb in Beziehung zu setzen zum Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104 a Abs. 1 GG. Zu fragen ist, inwieweit sie mit ihm vereinbar sind und ob sie eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Sofern sie konträre Kostentragungspflichten festlegen, ist zu prüfen, welche Überlegungen entstehungsgeschichtlich hinter der Normierung stehen - insbesondere, ob es sich um Konzessionen an die Länder handelt. Zu prüfen ist ferner, ob Gemeinsamkeiten bei den Ausnahme1
Siehe 2. Teil B.
2
Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 12; Fischer-Menshausen, v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104a, Rn. 3; Sturm, DÖV 1968,466, 474 f.; Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 104 a, Rn. 7.
in:
3
Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 91 a, Rn. 1; Jarass, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 120, Rn. 2; Maunz, in: MDHS, Art. 91 a (1980), Rn. 14; Art. 91 b (1980), Rn. 17 f.; Art. 120 (1970), Rn. 1. 4 Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1139; Vogel!Kirchhof\ (1971), Rn. 12.
in: BK, Art. 104 a
148
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
tatbeständen feststellbar sind - insbesondere, ob Elemente des Veranlassungsprinzips erkennbar werden.
A . Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung I Art. 107 Abs. 2 S. 3 G G Zwar wird Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG als andere Bestimmung im Sinne des Art. 104 a Abs. 1 GG zitiert. Jedoch handelt es sich bei den nach ihm gewährten Bundesergänzungszuweisungen um ergänzende Einnahmenverteilung 5, so daß Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG hier nicht weiter interessiert.
Π . Art. 106 Abs. 8 G G Da die vom Bund aufgrund des Sonderlastenausgleichs zu ersetzenden Kosten nach Art. 104 a Abs. 1 GG von der Körperschaft zu tragen wären, in der sich die Einrichtung befindet, handelt es sich bei Art. 106 Abs. 8 GG zwar um eine Durchbrechung des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes. Gleichzeitig ist Art. 106 Abs. 8 GG jedoch eine Ergänzung zum Finanzausgleich6. Deshalb soll oflfenbleiben, ob es sich bei diesem Ausnahmetatbestand um eine Durchbrechung oder eine Bestätigung der Verwaltungsanknüpfung handelt.
ΙΠ. Art. 120 Abs. 1 GG Art. 120 Abs. 1 GG bestimmt als kriegsbedingte Sonderregelung den Bund als Träger der Kriegsfolgelasten. Diese Regelung gilt unabhängig von der Verwaltungsart, denn hinsichtlich der Verwaltungszuordnung bleibt es bei den Art. 83 ff. GG. Obwohl die Gesetze von den Ländern als eigene Angelegenheit vollzogen werden und sie daher nach Art. 104 a Abs. 1 GG die Lasten tragen müßten, greift Art. 120 Abs. 1 GG ein, ohne daß über Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG die Rechtsfolge der Bundesauftragsverwaltung eintritt 7 . Insoweit enthält
5 6
Siehe 2. Teil Β V.
Vergleiche nur Vogel!Walter, 2. Teil ΒIV. J
in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 22; siehe im übrigen
BVerfGE 14, 221, 234; Jarass, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 120, Rn. 2; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 7, 13
Α. Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung
149
Art. 120 Abs. 1 GG eine von der Verfassung vorgegebene Abweichung von der Verwaltungsanknüpfung 8. Es handelt sich um eine Ausnahmebestimmung, was zudem dadurch deutlich wird, daß in Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955 bestimmt wurde, Art. 120 GG bleibe von der angeordneten Finanzverantwortungsregel unberührt 9.
IV. Art. 91 a Abs. 4,91 b S. 2 G G Die Kostentragungsregelungen für die Gemeinschaftsaufgaben in oder aufgrund von Art. 91a Abs. 4, 91 b S. 2 GG lassen sich nur bedingt in Einklang bringen mit der Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz. Nach dem Wortlaut von Art. 9 1 a Abs. 1 GG handelt es sich um originäre Aufgaben der Länder 10 , deren Durchführung ebenfalls in ihre alleinige Zuständigkeit fallt 11 , so daß sie finanzierungspflichtig wären. Bei den in Art. 91 a, b GG normierten Aufgabenbereichen findet eine gemeinsame Planung von Bund und Ländern statt. Spricht man deshalb von gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung oder von Mischverwaltung, müßten die Kosten auch ohne einen Sondertatbestand aufgeteilt werden. Insofern sei keine Änderung des materiellen Inhalts des gegenwärtigen Lastenverteilungssystems festgelegt, sondern nur eine sachgerechte Konkretisierung für einen bestimmten Anwendungsbereich getroffen worden 12. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Exekutivaufgabe des Bundes auf die Mitwirkung an der Rahmenplanung beschränkt. Eine Bundesfinanzkompetenz müßte sich daher auf die Rahmenplanung als solche und deren Vorbereitung erstrecken 13. Auch muß bei vereinbarter Beteiligungsquote der Grad der Mitfinanzierung nicht dem Grad
(mit der Ansicht, daß der Bund trotzdem Weisungsmöglichkeiten habe); Art. 120, Rn. 8; Schäfer, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 120, Rn. 1, 7, 26; Schönherr, Föderativer Finanzausgleich, 1984, S. 85. 8
BVerfGE 9, 305, 329; Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 18; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1145; Grube, Grundsätze, 1966, S. 24 ff.; 9
BVerfGE 9, 305, 329; Maunz, in: MDHS, Art. 120 (1970), Rn. 2.
10
4 Kölble, DÖV 1967, 1, 5; BW-Kommission „ Finanzverfassungsreform \ Zwischenbericht, 1992, S. 26; Maunz, NJW 1968, 2033, 2033; Püttner/Kretschmer, Staatsorganisation, 1993, S. 258. 11
Vogel!Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 71 m.w.N; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 161. 12
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 43 f.; Sturm, DÖV 1968, 466, 474; Sokolisch, DVB1. 1977, 848, 850. 13
Maunz, in: MDHS, Art. 91 a (1980), Rn. 14.
150
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
der Mitwirkung entsprechen 14. Insofern ist der Ausnahmecharakter von Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG im Verhältnis zu Art. 104 a Abs. 1 GG zu bejahen. Die von Art. 91a Abs. 4, 91b S. 2 GG zugelassenen Finanzierungsmöglichkeiten sind darüber hinaus unter einem anderen Aspekt als Ausnahmen von den Grundsätzen der Lastenverteilung von Bedeutung. Während ansonsten festgelegt ist, daß entweder Bund oder Länder alle Kosten der Erledigung eines Sachanliegens zu tragen haben, lassen Art. 91a Abs. 4, 91b S. 2 GG ausdrücklich Mischfinanzierung zu. Insofern liegt eine Abweichung vom Grundsatz ausschließlicher Finanzverantwortungsbereiche vor 15 .
V. Art. 104 a Abs. 4 G G Ob Art. 104 a Abs. 4 GG, sofern man ihn als Regelung der Lastenverteilung auffaßt 16, eine Bestätigung oder eine Durchbrechung des Konnexitätsgrundsatzes ist, hängt davon ab, welche Überlegungen der Interpretation zugrunde gelegt werden. Sofern man formell argumentiert, wird darauf abgestellt, daß das geförderte Vorhaben durch die Länder allein durchgeführt wird. Da trotzdem der Bund an den Investionskosten beteiligt werde, finde eine Verknüpfung von Verwaltungsaufgaben und Finanzierungsverantwortung nicht statt17. Art. 104 a Abs. 4 GG sei deshalb eine Durchbrechung des Konnexitätsgrundsatzes und der Verwaltungsanknüpfung. Sofern auf materielle Aspekte abgestellt wird, sind verschiedene Ansichten zu unterscheiden. Als zu fördernde Maßnahmen kommen ausschließlich Investitionen der Länder und der Gemeinden in Betracht. Die Finanzhilfen beträfen mithin kei-
14 15
Maunz, in: MDHS, Art. 91 b (1980), Rn. 18.
Stadler, BayVBl. 1969, 297, 299; BW-Kommission Zwischenbericht, 1992, S. 26 f. 16 Zu Bedenken siehe 2. Teil Β Π.
„Finanzverfassungsreform",
17 BVerfGE 39, 96, 108 und 127; 41, 291, 311; Vogel!Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 98; Selmer, AÖR, Band 101 (1976), S. 238, 243; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 120; Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1978, S. 49, 85; v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 53.
Α. Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung
151
ne Bundesaufgaben 18. Eine Bundesverantwortlichkeit könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt seiner Mitwirkung begründet werden. Im Gegensatz zu der Beteiligung bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a, b GG habe der Bund bei der Gewährung von Finanzhilfe keine Einflußnahmebefugnisse, an die eine Kostentragungspflicht anknüpfen könne. Der Bund dürfe keine Investionspläne in eigener Regie aufstellen und bei der Auswahl der Einzelprojekte nicht mitwirken 19 . Eine Einschränkung ergebe sich nur dadurch, daß die Finanzhilfen zur Erreichung eines der Förderungsziele erforderlich sein müßten und der Bund bei programmwidriger Inanspruchnahme einzelne Projekte ausschließen könne20. Unter beiden Aspekten wäre Art. 104 a Abs. 4 GG als Durchbrechung der Verwaltungsanknüpfung zu begreifen. Demgegenüber wird vertreten, Art. 104 a Abs. 4 GG lasse sich in Einklang bringen mit der Verwaltungsanknüpfung. Als Aufgabe sei die Gewährung von Finanzhilfe als solche anzunehmen. Diese käme dem Bund zu. Mit der Gewährung von Finanzhilfen nähme er eigene Aufgaben wahr 21 . Bei Berücksichtigung dieses Aspektes müßte im Rahmen des Art. 104 a Abs. 1 GG an die Finanzierungszuständigkeit und nicht an eine in den anderen Abschnitten des Grundgesetzes vorgegebene Zuständigkeit angeknüpft werden 22. Diese Uneinheitlichkeit ergibt sich, weil versucht wird, Art. 104 a Abs. 4 GG primär als Lastenverteilungsnorm aufzufassen. Dabei wird der Zusammenhang zur Einnahmenverteilung verkannt. Art. 104 a Abs. 4 GG begründet eine Kompetenz des Bundes, Mittel zur Verfügung zu stellen23. Nur sofern der Bund davon Gebrauch macht, hat er die Mittel für die Finanzhilfen aufzubringen, was von Art. 104 a Abs. 4 GG als selbstverständlich vorausgesetzt wird 24 . Deshalb kann Art. 104 a Abs. 4 GG hier vernachlässigt werden.
18
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 104 a, Rn. 23; Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 11; BWKommission „Finanzverfassungsreform Zwischenbericht, 1992, S. 26; Pruns, DÖV 1976, 217, 223; Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 49. 19
BVerfGE 39, 96, 117 ff; 41, 291, 310 ff; Stadler, BayVBl. 1969,297, 301.
20
BVerfGE 39, 96, 118; 41, 291, 313; Pieroth, Art. 104 a, Rn. 11. 21
Müller-Volbehr,
22
Vergleiche insgesamt Vogel!Kirchhof Siehe 2. Teil Β Π.
23 24
Vogel/Kirchhof
in: JP, Grundgesetz, 1995,
Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 49. in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 147.
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 147.
152
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
VI. Art. 104 a Abs. 2 GG Ob Art. 104 a Abs. 2 GG eine Durchbrechung der die Verwaltungstätigkeit berücksichtigenden Kostentragungsregelung bedeutet, ist umstritten.
1. Ergänzungsfunktion Eine Untersuchung hierzu erfolgt zumeist nur am Rande. Es wird versucht, der Klärung des Verhältnisses von Art. 104 a Abs. 1 GG zu Art. 104 a Abs. 2 GG aus dem Wege zu gehen25. Immer wieder findet sich der Hinweis darauf, daß die Finanzreform 1969 für bis dahin strittige Fragen der Kostenverteilung bei der Ausführung der Bundesgesetze ausdrückliche Regelungen gebracht habe. Durch diese Klarstellungen sei die bislang geübte Praxis sanktioniert worden26. Es könne zwar bezweifelt werden, ob das Grundgesetz dadurch die bestmögliche Lösung gefunden habe. Für viele vorher umstrittene Fälle seien in Verbindung mit Art. 104 a Abs. 5 GG eindeutige Entscheidungen getroffen worden 27. Es wird behauptet, daß Art. 104 a Abs. 1 und 2 GG zusammen die allgemeine Grundlage für die Lastenverteilung bilden würden. Beide Absätze seien als Einheit zu begreifen 28. Dem ist zuzugeben, daß Art. 104 a Abs. 2 GG die Interpretation von Art. 104 a Abs. 1 GG erleichtert 29. Art. 104 a Abs. 2 GG legt den Bund als den Kostenpflichtigen für die Bundesauftragsverwaltung fest, regelt mithin den Bereich der Fremdverwaltung. Demgegenüber läßt sich Art. 104 a Abs. 1 GG als die Kostenregelung für die Eigenverwaltung abgrenzen. Art. 104 a Abs. 1 GG bestimmt die Verantwortung für die landes- und bundeseigene Verwaltung sowie für den Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit nach Art. 84 GG.
25 Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 104 ff. stellt die Frage jedoch ausdrücklich. 26
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 28 Fn. 47; Boldt, in: Boldt, NRW und der Bund, 1989, S. 78, 85; Stadler, BayVBl. 1969, 297, 300. 27 v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 28, 29; Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1140. 28 Baumann, Finanzreform, 1980, S. 75 f.; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 17; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 133; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 253. 29
Siehe 2. Teil A m 3.
Α. Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung
153
Art. 104 a Abs. 1 GG und Art. 104 a Abs. 2 GG haben insoweit Ergänzungsfunktion, als sie den Finanzverantwortlichen für die vom Grundgesetz zugelassenen Verwaltungstypen bestimmen. Damit ist de lege lata die Finanzverantwortung umfassend festgelegt. Insofern ist einzuräumen, daß die Frage, ob Art. 104 a Abs. 2 GG Durchbrechung oder Bestätigung ist, nur theoretische Bedeutung hat 30 . Vorliegend wird jedoch eine alternative Lastenverteilungsmöglichkeit untersucht. Insofern ist die Einordnung von Art. 104 a Abs. 2 GG durchaus von Bedeutung31. Stellt sich heraus, daß es sich um eine Durchbrechung handelt, ist nach den Motiven zu fragen. Zunächst ist festzuhalten, daß aus den Gründen, die zur Normierung des Art. 104 a Abs. 2 GG im Rahmen der Finanzreform 1969 führten, für das Verhältnis von Art. 104 a Abs. 1 GG zu Art. 104 a Abs. 2 GG keine Rückschlüsse gezogen werden können32. Auch kann Art. 104 a Abs. 2 GG nicht mit der Begründung, der Bund habe die Ausgaben bei Bundesauftragsverwaltung zu tragen, also handele es sich um Bundesaufgaben, als Konkretisierung des Art. 104 a Abs. 1 GG beschrieben werden 33. Hierbei handelt es sich um einen Zirkelschluß, da die Kostentragungspflicht der Aufgabenzuordnung folgt, nicht umgekehrt. Aus der Tatsache, daß die Ausgabenbestreitung zu Lasten eines bestimmten Haushalts geht, ist im Umkehrschluß nicht zu schließen, daß eine Bundes- oder Landesaufgabe vorliegt 34 .
2. Bestätigung Um Art. 104 a Abs. 2 GG als Bestätigung des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes aufzufassen, werden folgende, auf materiellrechtlichen Aspekten beruhende Überlegungen angestellt: Beim Vollzug nach Art. 83, 84 GG nähmen die Länder eine eigene Angelegenheit wahr. Demgegenüber würden bei Bundesauftragsverwaltung Bundesaufgaben durchgeführt. Daß der Vollzug von den Ländern geleistet werde, sie 30
Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 17.
31
Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 132.
32
Vergleiche: Bundesregierung, sion, Gutachten, 1966, Tz. 205. 33 34
BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 116; Troeger-Kommis-
So aber Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 49.
Viaion, Haushaltsrecht, 1959, Art. 106 GG, Rn. 19 (S. 163); Hettlage, FA n.F., Band 14 (1953/54), S. 405,413.
154
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
also eine eigene Verwaltungszuständigkeit wahrnähmen, ändere nichts an der Bundesqualität der durchgeführten Angelegenheit. Das Sachanliegen bleibe im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG Bundesaufgabe. Bundesauftragsverwaltung habe den Vollzug von Bundesaufgaben zum Gegenstand35. Die Regelung in Art. 104 a Abs. 2 GG ergebe sich demnach schon aus Art. 104 a Abs. 1 GG 36 . Ausgehend von der Verwaltungszuständigkeit als dem maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Lastenverteilung ist die Argumentation, es handele sich „eigentlich" um Bundesaufgaben, nicht unproblematisch, weil auch die Bundesauftragsverwaltung eine Form der Landesverwaltung ist 37 . Deshalb wird in einem zweiten Ansatz, der auch in der Begründung zum Finanzreformgesetz enthalten ist, auf die „letzte Verwaltungsverantwortung" des Bundes abgestellt38. Der Bund habe bei der Bundesauftragsverwaltung weitgehende Ingerenzrechte und könne darüber die Wahrnehmung der Aufgaben massiv beeinflussen. Der Ermessens- und Gestaltungsspielraum der Länder werde durch die Befugnisse des Bundes gemäß Art. 85 Abs. 2 bis 4 GG erheblich beschränkt. Die eigentliche Sachverantwortung für den Aufgabenvollzug liege nicht bei den Ländern. Die Aufgabenverantwortung trage vielmehr der Bund. Denn er habe dafür einzustehen, daß das Sachanliegen aufgegriffen, „auf den Weg gebracht" wurde und in der gewünschten Weise zur Geltung gelangt. Die obersten Bundesbehörden hätten anders als bei Art. 84 GG die Möglichkeit, auf jeden Verwaltungsfall Einfluß zu nehmen und würden aufgrund dieser Befugnis bedeutsame Zweifelsfalle entscheiden. Dieses seien die maßgeblichen Aspekte für die Kostentragungspflicht des Bundes. Verantwortungsgesichtspunkte, nicht vordergründige Zuständigkeitsverteilungen, seien Grundlage des Konnexitätsprinzips. Deshalb werde der allgemeine
35
Bartlsperger, in: BK, Art. 90 (1969), Rn. 50, 52 a.E. für das Fernstraßenwesen; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9 Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178; Klein, Franz, FS für Geiger, 1989, S. 501, 504; Vogel/Kirchhof,\ in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 72; Sturm, DÖV 1966, 256, 266; 1968, 466, 470 und 475; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 290; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 217; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 205. 36
Schäfer, F., Recht und Politik, 1967, 31, 36; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 106. 37 So die inzwischen wohl herrschende Meinung; vergleiche: BVerfGE 81, 310, 331 f.; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 282 ff. Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1140; Broß, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983, Art. 85, Rn. 1. 38
Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 120; TroegerKommission, Gutachten, 1966, Tz. 205; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 116; Schoch/Wieland, Finanzeriungsverantwortung, 1995, S. 132.
Α. Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung
155
Lastenverteilungsgrundsatz durch die Kostenregelung für die Bundesauftragsverwaltung bestätigt39.
3. Durchbrechung Die Gegenansicht, die in Art. 104 a Abs. 2 GG eine Durchbrechung des Art. 104 a Abs. 1 GG sieht, stellt auf formelle Kriterien ab. Ob die Gegenstände der Bundesauftragsverwaltung Bundesangelegenheiten seien, sei unmaßgeblich, weil die Länder eine ihnen grundgesetzlich zugewiesene Verwaltungsaufgabe wahrnähmen 40. Bei der Bundesauftragsverwaltung handelten die Länder nicht als Vertreter des Bundes, sondern würden im eigenen Namen tätig. Die Vollzugszuständigkeit liege ausschließlich bei den Ländern. Die Durchführung unterliege zwar besonderen Bestimmungsrechten des Bundes. Die Einflußnahmemöglichkeiten des Bundes würden aber den Aufgabenvollzug nur mittelbar steuern. Im übrigen könne das abstrakte Vorhandensein von Ingerenzrechten unabhängig davon, ob der Bund von ihnen Gebrauch mache, eine Verwaltungskompetenz nicht begründen. Die in Art. 85 GG dem Bund eingeräumten Ingerenzrechte beschränkten sich zudem auf das Innenverhältnis zwischen Bundes- und Landesbehörden. Ungeachtet dieser Befugnisse werde die Verwaltung nach außen allein von den Landesbehörden erledigt. Nach Art. 104 a Abs. 1 GG fielen die Ausgaben der Ebene zur Last, die die Verwaltung nach außen führe. Interne Mitwirkungsakte blieben außer Betracht. Die Lasten des Gesetzesvollzugs in Bundesauftragsverwaltung müßten, sofern nur Art. 104 a Abs. 1 GG beachtet würde, von den Ländern getragen werden 41. Nach Art. 104 a Abs. 2 GG seien die Kosten jedoch vom Bund zu
39 Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 50 ff ; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 218; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 75 ff ; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 201, 205; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 116, 253, 290; Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/SchmidtJortzig, Probleme mehrstufiger Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 64 f.; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 55, 62. 40
Vergleiche die Darstellung bei: Sturm, DÖV 1968, 466, 470; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 85,Lerche, in: MDHS, Art. 85 (1987), Rn. 8. 41
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 45.
156
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
übernehmen. Deshalb stelle Art. 104 a Abs. 2 GG eine Ausnahme des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes dar 42 . Zu berücksichtigen sei ferner, daß der Bund auch beim Vollzug der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit der Länder nach Art. 84 GG die Möglichkeit habe, durch detaillierte gesetzliche Regelungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften weitgehenden Einfluß auf die Gesetzesdurchführung zu nehmen43. Die Einwirkungsrechte seien nicht prinzipiell, sondern nur graduell anders als bei der Bundesauftragsverwaltung. Folglich müßte auch beim Vollzug der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit von einer kostenrelevanten Mitverantwortung des Bundes ausgegangen werden. Diesbezüglich werde die Regelung in Art. 104 a Abs. 1 GG, die den Ländern die volle Kostenlast auferlege, aber nicht in Frage gestellt.
4. Abwägung und Ergebnis Unabhängig von den soeben geschilderten Einwänden überzeugt das Argument, der Bund habe bei der Bundesauftragsverwaltung die „letzte Verwaltungsverantwortung", nicht, um in Art. 104 a Abs. 2 GG eine die Verwaltungsanknüpfung bestätigende Normierung zu sehen. Wenn es eine „letzte Verwaltungsverantwortung" gibt, muß auch eine „vorangehende" oder „erste" Verantwortung existieren. Diese kommt den Ländern zu. Denn auch bei Art. 85 GG sind ihnen Verwaltungskompetenzen eingeräumt. Bei konsequenter Durchführung der Konnexität von Verwaltungsverantwortung und Finanzierungskompetenz müßte man bei der Bundesauftragsverwaltung zur Zulässigkeit der Mischfinanzierung kommen44. Wenn Art. 104 a Abs. 2 GG dem Bund trotzdem die volle Kostentragungspflicht auferlegt, wird eine völlige Verknüpfung von Finanzierungs- und Verwaltungszuständigkeit nicht normiert 45 . Insofern handelt es sich bei Art. 104 a Abs. 2 GG um eine Durchbrechung der Verwaltungsanknüpfüng.
42
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 86 f.; Vogel!Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 72; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 104 a, Rn. 13; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 217; BWKommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 25; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 31. 43 44
Vogel/Kirchhof
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 72.
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 39; vergleiche auch Bundesregierung, 2/480(1954), Tz. 53.
BT/DS
45 Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 120; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 90; Köttgen, DÖV 1953, 358, 360, 362, 363.
Α. Durchbrechungen der Verwaltungsanknüpfung
157
V I L Art. 104 a Abs. 3 G G Das Verhältnis von Art. 104 a Abs. 3 GG zu Art. 104 a Abs. 1 GG kann als unstreitig bezeichnet werden. Übereinstimmend wird Art. 104 a Abs. 3 GG als Ausnahme vom allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz bezeichnet46. Art. 104 a Abs. 3 GG weicht in zweierlei Hinsicht von Art. 104 a Abs. 1 GG ab. Die erste Durchbrechung ist in der Zulassung einer gemeinschaftlichen Finanzierung des Vollzugs der Geldleistungsgesetze von Bund und Ländern zu sehen. Während Art. 104 a Abs. 1 GG die Kosten ausschließlich den Ländern und Art. 104 a Abs. 2 GG die Kosten ausschließlich dem Bund zuweist - gemeint sind jeweils die Zweckausgaben47 - , sind nach Art. 104 a Abs. 3 GG Mischfinanzierungen möglich. Eine ausschließliche Kostentragung findet nicht statt, es sei denn, der Bundesanteil beläuft sich, was rechtlich zulässig ist, auf 0 % oder 100 % 4 8 . Die zweite Durchbrechung ist darin zu sehen, daß Art. 104 a Abs. 3 GG eine Lastenzuteilung abweichend von der Verwaltungszuständigkeit gestattet, obwohl die Kostenlast unmittelbar beim Verwaltenden entsteht49. Würde Art. 104 a Abs. 3 GG nicht existieren, bliebe es bei den Regelungen in Art. 104 a Abs. 1, 2 GG. Wäre zudem Bundesauftragsverwaltung nicht grundgesetzlich vorgeschrieben, käme es auf die Anknüpfung im Rahmen des Art. 104 a Abs. 1 GG an 50 . Entsprechend der Verwaltungsverantwortung hätten die Länder die Kosten zu tragen. Demgegenüber läßt Art. 104 a Abs. 3 GG eine Kostentragungsregelung zu, die den Bund als Nichtinhaber von Verwaltungskompetenzen mit in die finanzielle Verantwortung nimmt 51 .
46
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 28; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104a, Rn. 15; Stadler, BayVBl. 1969, 297, 300; Boldt, in: Boldt, NRW und der Bund, 1989, S. 78, 85. 47
Troeger-Kommission,
48
Vogel/Kirchhof, S. 229, 239 f.
Gutachten, 1966, Tz. 123.
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 87; Selmer, GS für Sasse, 1981,
49 Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 87; Schoch/Wieland, rungsverantwortung, 1995, S. 134. 50
Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 134.
51
Vogel/Kirchhof,
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 87.
Finanzie-
158
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
V I I L Art. 104 a Abs. 5 G G Art. 104 a Abs. 5 GG befindet sich mit Art. 104 a Abs. 1 GG im Einklang. Denn Art. 104 a Abs. 5 GG bestimmt für den Bereich der Verwaltungskosten, daß diese von deijenigen Körperschaft zu tragen sind, deren Behörde tätig wird. Insofern wird die Verbindung von Ausgaben und Verwaltungsverantwortung als klarstellende Modifikation wiederholt 52.
B. Konzessionen an die Länder Fragt man nach dem Grund für die Normierung der Ausnahmetatbestände, so liegt es nahe, daß durch sie die Länder vor übergroßer finanzieller Belastung geschützt werden sollten. Die Verfassungsänderung im Rahmen der Finanzreform 1969 hat durch die zwei Ausnahmen in Art. 104 a Abs. 2, 3 GG den wichtigsten Anliegen der Länder Rechnung getragen 53. Das kommt in den Verhandlungen um die Finanzierungsregelung für Geldleistungsgesetze zum Ausdruck 54 . Die in Art. 90 a Entwurf der Troeger-Kommission und in Art. 87 e Entwurf der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung, wonach die Möglichkeit bestehen sollte, für Geldleistungsgesetze Bundesauftragsverwaltung zu beschließen, genügte den Ländern nicht. Sie haben eine Regelung bevorzugt, die dem Bund eine Beteiligungsmöglichkeit an den Vollzugskosten abweichend von Art. 104 a Abs. 1, 2 GG einräumt 55 . Zwar haben sich die Länder nicht mit der Forderung durchsetzen können, daß alle Geldleistungsgesetze zustimmungspflichtig sein sollen. Durch die Einführung des Zustimmungserfordernisses ab einer 25 %-igen Kostenbeteiligung der Länder in Art. 104 a Abs. 3 S. 3 GG wurde ihren finanzwirtschaftlichen Interessen allerdings entgegengekommen56. Art. 104 a Abs. 3 S. 3 GG dient dem Schutz der Länder vor übermäßiger Kostenbelastung durch den Vollzug von Geldleistungsgesetzen des Bun-
52
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 59; Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 155; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band Π1, 1983, Art. 104 a, Rn. 39; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 26; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 301; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 212; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 130; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 130. 53 34
Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1. Siehe 5. Teil DIL
55
Selmer, GS für Sasse, 1981, S. 229, 236.
56
Selmer, GS für Sasse, 1981, S. 229, 237.
Β. Konzessionen an die Länder
159
des, die genau bestimmte Zahlungen an Dritte vorschreiben 57. Allerdings kann der Schutzzweck verfassungskonform umgangen werden 58, so daß Art. 104 a Abs. 3 GG rechtliche Absicherung letztlich nicht vermitteln kann 59 . Ähnlich wie bei den Geldleistungsgesetzen ist die Begründung für die Entlastung der verwaltungszuständigen und damit an sich ausgabezuständigen Länder im Fall der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104 a Abs. 2 GG. Hintergrund hierbei ist der überwiegende Einfluß des Bundes auf den Verwaltungsvollzug der Länder 60 . Die Normierung der Gemeinschaftaufgaben in Art. 91 a, b GG geht unter anderem darauf zurück, daß die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben die Finanzierungsfahigkeiten der Länder überstrapazieren würde. Trotzdem sollten die Gemeinschaftsaufgaben aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung erfüllt werden. Möglich erschien dies nur durch eine die Länder entlastende Kostenbeteiligung des Bundes61. Art. 120 Abs. 1 GG berücksichtigt die Interessen der einzelnen Länder, die ohne diese Regelung besonders stark mit Kriegsfolgeausgaben belastet wären, und begünstigt alle Länder, da aufgrund der Kostenübernahme durch den Bund zugleich der horizontale Länderfinanzausgleich entlastet wird. Auch Art. 104 a Abs. 4 GG und Art. 106 Abs. 8 GG, die Finanzierungen durch den Bund für Investitionen beziehungsweise besondere Einrichtungen der Länder und Gemeinden zulassen, berücksichtigen Länderinteressen 62. Dem Länderinteresse nach stärkerer und dem Einfluß des Bundes entsprechender Beteiligung an den Kosten ist mithin in den Ausnahmetatbeständen Rechnung getragen worden. Die Regelungen knüpfen erkennbar an die der
57
V. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, §103, Rn. 34; Vogel/Kirchhof,; in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 92; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 17; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 22; Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621, 634; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 134. 58 59
Siehe 5. Teil D Π 2.
Schoch/Wieland, 387, 389.
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 136; Schoch, ZRP 1995,
60 Klein, in: Schmidt-B leibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 9, Magiern, FS für Menzel, 1975, S. 621, 633, 640. 61 62
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 78-82. BVerfGE 72, 330, 387 zu Art. 91 a, b und Art. 104 a Abs. 4 GG.
160
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
Finanzreform 1969 vorangegangenen Versuche des Schrifttums an, eine angemessene Lastenverteilung herauszuarbeiten 63.
C. Anknüpfungsprinzipien der Durchbrechungen Hinter Art. 104 a Abs. 4 GG steht kein grundsätzliches Lastenverteilungsprinzip, da mit ihm lediglich die bundesseitige Subventionierung kanalisiert und verrechtlicht wird. Demgegenüber tendieren die anderen Ausnahmetatbestände zu Anknüpfungsmodellen, die von der herrschenden Meinung abweichen.
I. Tendenzen zum Veranlassungsprinzip I.Art.
104 a Abs. 2 GG
Es wird vertreten, Art. 104 a Abs. 2 GG komme dem Veranlassungsprinzip nahe, da auf der Verwaltungsebene stattfindende Mitwirkung des Bundes am Kostenumfang berücksichtigt werde. Wieland 64 , Birk 6 5 und Luther 66 sprechen davon, daß „Art. 104 a Abs. 2 GG dem Veranlassungsgrundsatz Rechnung trägt". Fischer-Menshausen 67 verweist darauf, daß „der Bund als Veranlasser in Anspruch genommen wird". Maunz 68 sieht in Art. 104 a Abs. 2 GG die „Kostentragungspflicht des Bundes für veranlaßte Zweckausgaben". Faber 69
63
Vogel/Kirchhof, 5/2861 (1968), Tz. 114.
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 36; Bundesregierung,
64
Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185.
65
Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 104 a, Rn. 11.
BT/DS
66
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 85 ist darüber hinaus der Ansicht, daß der Passus „die sich daraus ergebenden Kosten" überflüssig ist. 67
Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 13.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΠΙ, 1983,
68
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9; Thiele, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung A 2 Bearbeitung Mai 1995, S. 63. 69
Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1,4.
C. Anknüpfungsprinzipien der Durchbrechungen
161
beschreibt die Regelung der Finanzverantwortung bei Bundesauftragsverwaltung als „eine Ausnahme im Sinne der Zweckausgabentheorie" 70. Diese Aussagen sind nicht vereinbar mit der Interpretation der Worte „die sich daraus ergebenden Ausgaben". Obwohl Art. 104 a Abs. 2 GG suggeriert, der Bund trage alle Kosten, die bei der Durchführung von Bundesgesetzen in Bundesauftragverwaltung entstehen, gelangt die einhellige Auslegung zu einem anderen Ergebnis. Unter Verweis auf Art. 104 a Abs. 5 GG wird die Kostentragungspflicht des Bundes auf die Zweckausgaben reduziert. M i t „sich daraus ergebenden Ausgaben" könnten nur die Kosten bei der Durchführung der Bundesauftragsverwaltung gemeint sein, die sich nach Abzug der Verwaltungsausgaben ergäben 71. Insofern sei Art. 104 a Abs. 2 GG mißverständlich formuliert 72 . Diese Interpretation ist die einzige Möglichkeit, um einen Widerspruch zwischen Art. 104 a Abs. 2 GG und Art. 104 a Abs. 5 GG zu vermeiden 73. Sie führt allerdings auch dazu, daß der Passus „die sich daraus ergebenden Ausgaben" eher verwirrend als aufklärend wirkt 74 . Der Zweck des Zusatzes ist nicht ersichtlich 73 . Unabhängig von der Problematik in Verbindung mit Art. 104 a Abs. 5 GG sprechen zwei andere Aspekte gegen die Annahme einer Verankerung des Veranlassungsprinzips in Art. 104 a Abs. 2 GG. Zum einen wird bei der Kostenverteilung nicht nach dem tatsächlichen Einfluß auf die Entstehung der Zweckkosten gefragt. Dem Bund wird die Finanzverantwortung umfassend zugeschrieben, auch wenn die Vollzugsinstanzen der Länder kostenrelevant Einfluß auf die Erfüllung des Anliegens genommen haben sollten. Zum anderen begründet Art. 104 a Abs. 2 die Kostentragungspflicht des Bundes, ohne danach zu fragen, ob sich seine Einflußnahmerechte effektiv ausgabenverursachend aktualisiert haben76. Es wird abstrakt berücksichtigt, daß der Bund Veranlassungsmomente inne hat, unabhängig davon, ob sie sich konkretisiert haben. 70
Der Begriff der Zweckausgabentheorie wurde in Zusammenhang mit dem Veranlassungsprinzip von Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 16 und in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9 geformt. 71
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9; siehe 2. Teil A m 1.
72
JürgensiPiduch/Cohrs,
Finanzverfassung, 1981, Rn. 61.
73
Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 49.
74
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9.
75
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 85.
76
Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 51.
11 Trapp
162
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
. Art. 104 a Abs. GG Es wird vertreten, Art. 104 a Abs. 3 GG könne als zweiter Anwendungsfall der Zweckausgabentheorie gelten, da die Geldleistungen als vom Bund veranlaßte Zweckausgaben anzusehen seien77. In der Regel bleibe für ein Verwaltungsermessen kein Raum. Habe die Verwaltung ausnahmsweise Ermessensspielräume, so daß die finanzielle Belastung des Bundes letzten Endes auch von den Entscheidungen der das Gesetz ausführenden Behörden abhinge, könne trotzdem vom Veranlassungsprinzip ausgegangen werden 78. Denn ein Geldleistungsgesetz sei definiert als eine Norm, die Tatbestandsvoraussetzungen und (Merkmale für die) Höhe der Zuwendungen für den einzelnen Begünstigten festlegen muß79. Die Gesetzesausführung beschränke sich auf den wortgetreuen Vollzug der angeordneten Maßnahmen80. Nur wenn der Bund die Leistungen weitgehend fixiere, liege ein Gewähren von Geldleistungen durch das Gesetz vor 81 . Selbst wenn die Höhe der Zuwendung nicht betragsmäßig festgelegt sei, könne gesagt werden, daß die ausgezahlte Summe jedenfalls dann vom Bund veranlaßt sei, wenn die durchführende Stelle ermessensfehlerfrei gehandelt habe, da der Zahlungsrahmen vom Bund vorgegeben gewesen sei. Dem ist insoweit zuzustimmen. Allerdings erlaubt Art. 104 a Abs. 3 GG dem Bund, sich an den Vollzugskosten der Geldleistungsgesetze nicht zu beteiligen. Die Bundesbeteiligung an sich ist dispositiv, da Art. 104 a Abs. 3 GG nicht zwingend vorschreibt, daß das Geldleistungsgesetz eine den Bund in die Verantwortung nehmende Kostentragungsregelung enthalten muß. Zum anderen steht, wenn der Bundesgesetzgeber sich generell für eine Beteiligung entschieden hat, die Höhe der Kostenquote in seinem Ermessen. Es ist aber festzuhalten, daß durch die Möglichkeit einer Lastenbeteiligung des Bundes an den Kosten des Vollzugs der Geldleistungsgesetze dem Veranlassungsprinzip Rechnung getragen werden kann 82 . Die intendierte Belastung
77 Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 4; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 124; Henle, Finanzpolitik und Finanzverfassung, 1980, S. 261 f.; Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 26, 40; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, 1990 HStR, Band IV § 103, Rn. 36. 78
Vogel/Kirchhof,
79
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 33 ff., 36.
80
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 124.
81
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, 1990, Band IV § 103, Rn. 36.
82
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 93; Starck, StuW 1974, 271, 273.
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 102; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 220.
C. Anknüpfungsprinzipien der Durchbrechungen
163
des Bundes beruht auf der Wahrnehmung von Veranlassungsfaktoren durch seine Gesetzgebung.
3. Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG Die Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Gemeinschaftsaufgaben geht über seine Exekutivbefugnisse hinaus. Seine Finanzverantwortung ergibt sich aus seinen kostenveranlassenden Mitwirkungsrechten im Rahmen der gemeinsamen Planung83. Allerdings beruht die Bundesbeteiligung an den Ausgaben nicht ausschließlich auf seiner kostenrelevanten Planungskompetenz. Im Vordergrund stehen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte. Die Kostenquote des Bundes bei den Gemeinschaftsaufgaben soll die Finanzierungsfähigkeit der Länder hinsichtlich ihrer übrigen Aufgaben erhalten. Deshalb folgen die Kostentragungsregelungen durch oder aufgrund von Art. 91 a Abs. 4, 91b S. 2 GG dem Veranlassungsprinzip nur eingeschränkt.
4. Art. 106Abs. 8 GG Die Normierung des Sonderbelastungsausgleichs enthält eine Anerkennung des Veranlassungsprinzips 84.
II. Tendenz zur Anknüpfung an die Gesetzgebungskompetenz 1. Art. 104 a Abs. 2 GG Die Belastung des Bundesgesetzgebers mit den Zweckkosten des Gesetzesvollzugs bei Bundesauftragsverwaltung ist die Folge, nicht aber der Grund für die in Art. 104 a Abs. 2 GG normierte Kostentragungsregelung. Denn zur Begründung der Kostenlast des Bundes wurde auf dessen „letzte Verwaltungs-
83 84
Vogel!Kirchhof
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 71
Muthesius, Kostenträger, 1968, S. 48; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 84; Zezschewitz und Waechter sprechen auch insoweit von AufgabenAusgaben-Konnexität; vergleiche: Zezschwitz, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137 (Nov. 1984) Erl. m 3 b; Waechter, Kommunalrecht, 1993, Rn. 238.
164
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
Verantwortung" abgestellt85, also auf einen Aspekt der mit dem Gesetzesvollzug, nicht aber mit der Gesetzesentstehung zu tun hat.
2. Art. 104 a Abs. 3 GG Der Vollzug der Geldleistungsgesetze ist Ländersache. Die Gesetzgebung ist nur mittelbare Veranlassung. Trotzdem zieht Art. 104 a Abs. 3 GG den Bund als den die Ausgaben veranlassenden Gesetzgeber mit in die finanzielle Verantwortung, wenn das Gesetz bestimmt, daß die Geldleistungen ganz oder teilweise vom Bund zu tragen sind. Von einer eindeutigen Verknüpfung von Finanzierungs- und Gesetzgebungsverantwortung kann allerdings aus den oben86 genannten Gründen nicht gesprochen werden 87. Nach Art. 104 a Abs. 3 GG besteht nur die Möglichkeit, Gesetzgebungs- und Finanzierungskompetenzen miteinander zu verbinden 88.
3. Art. 120 Abs. 1 GG Eindeutig werden Finanzierungsverantwortung und Gesetzgebungskompetenz nur in der Sondernorm über die Kriegsfolgelasten verbunden 89.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände Insgesamt gesehen enthält die grundgesetzliche Verteilung der Finanzverantwortung einige Unstimmigkeiten, die fur die Interpretation des Konnexitätsgrundsatzes von Bedeutung sind und daher herausgearbeitet werden sollen.
85
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 116.
86
Siehe 5. Teil C I 2 .
87
Vergleiche Sokolisch, DVB1. 1977, 848, 850; zu pauschal Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 120. 88
Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 120 f.; Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 26,40. 89
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 23.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
165
I. Verhältnis von Art. 104 a Abs. 3 G G zu Art. 104 a Abs. 2 G G Ist ein Geldleistungsgesetz nicht wegen Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG in Bundesauftragsverwaltung zu vollziehen, sondern ordnet das Grundgesetz an anderer Stelle Bundesauftragsverwaltung an, geht Art. 104 a Abs. 2 GG als speziellere Regelung vor. Art. 104 Abs. 3 GG kommt nur zum Zuge, wenn das Grundgesetz nicht anderweitig Bundesauftragsverwaltung vorgeschrieben hat 90 . Art. 104 a Abs. 3 GG ist nur anwendbar, wenn die Ausführung des Gesetzes den Ländern an sich als eigene Angelegenheit nach Art. 83, 84 GG obliegt 91 . In diesen Fällen ermöglicht Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG, zur Bundesauftragsverwaltung zu gelangen. Dabei handelt es sich insoweit um eine Durchbrechung von Art. 104 a Abs. 2 GG, als nach Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG aus der Kostenbeteiligung des Bundes von mindestens 50 % Bundesauftragsverwaltung folgt, hieran aber nicht die 100 %-ige Kostentragungspflicht des Bundes geknüpft ist, wie sie Art. 104 a Abs. 2 GG für die übrigen Fälle der Bundesauftragsverwaltung vorsieht. Bei Art. 104 a Abs. 3 GG folgt die Auftragsverwaltung der Verteilung der Kostenlast. Bei Art. 104 a Abs. 2 GG folgt der Bestimmung über die Bundesauftragsverwaltung die Finanzierungsverantwortung 92 . Der Vollzug der Geldleistungsgesetze kann also, auch wenn sie wegen Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG in Bundesauftragsverwaltung vollzogen werden, mischfinanziert werden. Der Grundsatz getrennter Ausgabenverantwortung wird durchbrochen. Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG läßt zu, daß der Bund trotz Bundesauftragsverwaltung die Kosten nicht allein zu tragen hat. Gleichzeitig ermöglicht Art. 104 a Abs. 3 GG eine Bundesbeteiligung an den Kosten, obwohl das Gesetz von den Ländern nach Art. 83, 84 GG ausgeführt wird.
90
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983, Art. 104 a, Rn. 21; Vogel!Kirchhof,\ in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 73, 91. 91
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 36; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 94. 92
Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 91; Erichsen, Konnexität, 1968, S. 42; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 120 f.; Boich, DÖV 1970, 841, 844; Stadler, BayVBl. 1969, 297, 300 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 100, 97 ff; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 34.
166
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
II. Unstimmigkeiten bei Art. 104 a Abs. 3 G G Art. 104 a Abs. 3 GG ist rechtspolitisch und rechtsdogmatisch ohne Einschränkungen abzulehnen93. Die Finanzierungsvorschrift für die Kosten der Durchführung von Geldleistungsgesetzen des Bundes weist neben dem soeben beschriebenen Umstand bereits in sich Ungereimtheiten auf. Diese beruhen darauf, daß im Gesetzgebungsverfahren zwei Intentionen miteinander vermischt wurden. Folglich ist der Grundgedanke in der Ausgestaltung des Verfassungstextes „gänzlich verwässert worden" 94 .
1. Entstehungsgeschichte Die jetzige Regelung war weder im Gutachten über die Finanzreform der Troeger-Kommission noch im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen 95. Sie beruht auf einem Kompromiß, der im Vermittlungsausschuß zustande gekommen ist, weil die Länder der Ansicht waren, die vorgeschlagene Regelung hätte ihre Interessen nicht hinreichend berücksichtigt 96.
a) Vorschlag der Troeger-Kommission und der Bundesregierung Die von der Troeger-Kommission vorgeschlagene97 und von der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren an anderer Stelle wörtlich übernommene 98 Regelung ließ Bundesauftragsverwaltung für Geldleistungsgesetze zu:
93
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 91 ff., 94 ff., 100 ff., 105; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 222 und in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 49 („inkonsequente gesetzgeberische Fehlleistung"); Schoch, ZRP 1995, 387, 389 („partiell funktionsuntauglich"); Freie und Hansestadt Hamburg, Gesetzesantrag BR/DS 240/93, S. 2 („verfassungspolitisch problematisch"); Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 133 („rechtssystematisch als gesetzgeberische Fehlleistung zu bewerten"). 94
Faber, in: AK, Bandii, 1984, Art. 104 a, Rn. 5; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 99; Heinsen, FS für Schäfer, 1980, S. 233, 240 f.; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 104 a, Rn. 15. 95
Troeger-Kommission, 5/2861 (1968), S. 6.
Gutachten, 1966, Tz. 202; Bundesregierung,
96
Vergleiche die Nachweise bei Erichsen, Konnexität, 1968, S. 40,41.
97
Art. 90 a Entwurf Troeger-Kommission
98
Art. 87 e Entwurf Bundesregierung,
BT/DS
(Gutachten, 1966, Tz. 126).
BT/DS 5/2861 (1968), S. 6 und Tz. 124 ff.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
167
„Bundesgesetze über die Gewährung von Geldleistungen, deren Empfanger, Voraussetzungen und Höhe eindeutig festgelegt sind, können mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden." Für diese Gesetze biete sich die Auftragsverwaltung als die geeignete Form der Gesetzesdurchführung an. Den Geldleistungsgesetzen sei eigen, daß sie nach ihrem Inhalt für ein Verwaltungsermessen der Länder keinen wesentlichen Raum ließen. Sie würden die Einzelheiten der Gesetzesdurchführung so genau festlegen, daß die Entscheidung im Grunde bereits durch das Gesetz getroffen sei. Die Ausführungshandlungen würden sich auf den wortgetreuen und gebundenen Vollzug beschränken". In diesen Fällen seien die typischen Merkmale der Wahrnehmung einer landeseigenen Aufgabe durch die gesetzliche Regelung weitgehend ausgeschaltet. Trotzdem wären die vom Bundesgesetzgeber veranlaßten beim Vollzug dieser Gesetze entstehenden Zweckausgaben nach dem allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz von den Ländern zu tragen, da die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht die Verfassung etwas anderes bestimme oder zulasse100. Die Anwendung von Art. 104 a Abs. 1 GG führe in diesen Fällen zu Folgen, die nicht gerechtfertigt seien. Zweckausgaben durfte der Bund nach der Verfassungsrechtslage vor der Finanzreform 1969 nur übernehmen, wenn Gesetze in Bundesauftragsverwaltung oder in bundeseigener Verwaltung ausgeführt wurden. Da von dem Gegenstand her für die Durchführung von Geldleistungsgesetzen in Auftragsverwaltung keine verfassungsrechtliche Möglichkeit bestand, wurde eine Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung für erforderlich gehalten. Sie sollte die Möglichkeit schaffen, die Kosten dem Bund zuzuweisen101. Die aufgrund der vorgeschlagenen Regelung erlassenen Gesetze wären von den Kostenbestimmungen der Art. 104 a Abs. 1, 2 GG erfaßt worden, so daß sich nach den Entwürfen der Troeger-Kommission und der Bundesregierung eine Regelung, wie sie später in Art. 104 a Abs. 3 GG eingegangen ist, erübrigt hätte. Aus der Begründung der intendierten Regelung ist zu entnehmen, daß tendenziell der Bund für die Geldleistungsgesetze die Finanzierungspflicht tragen
99 Troeger-Kommission, 5/2861 (1968), Tz. 124. 100 Troeger-Kommission, 5/2861 (1968), Tz. 124.
Gutachten, 1966, Tz. 124; Bundesregierung,
BT/DS
Gutachten, 1966, Tz. 125; Bundesregierung,
BT/DS
101 Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 125 f.; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 125 f.; Sturm, DÖV 1968, 466, 475; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 91 ff.
168
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
soll. Die bestehenden Gesetze seien daraufhin zu überprüfen, ob sie künftig in Bundesauftragsverwaltung mit der Kostenfolge des Art. 104 a Abs. 2 GG durchgeführt werden sollen. Bei neu zu erlassenden Gesetzen solle die Kostenübernahme durch den Bund im Gesetzgebungsverfahren bedacht werden 102 . Es ist festzuhalten: Nur damit die Kostentragung durch den Bund zulässig ist, sieht die entworfene Norm vor, für Geldleistungsgesetze Bundesauftragsverwaltung zuzulassen103.
b) Kritik an diesem Vorschlag Die Unflexibilität dieses Vorschlags wurde kritisiert, weil entweder nur der Bund oder nur die Länder belastet werden können 104 . Die Länder sahen zudem durch die vorgeschlagene Regelung ihre finanzwirtschaftlichen Interessen nicht genügend berücksichtigt. In der Stellungnahme des Bundesrates zur Regierungsvorlage wurde darauf verwiesen, daß der Bund die Länder mit 100 % der Vollzugskosten der Geldleistungsgesetze belasten könne. Mache der Bund von der Möglichkeit, ein Geldleistungsgesetz in Bundesauftragsverwaltung ausführen zu lassen, keinen Gebrauch, bliebe es bei der Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit nach Art. 83 f. GG. Für die Verteilung der Finanzverantwortung sei auf Art. 104 a Abs. 1 GG zurückzugreifen. Den Interessen der Länder sei nur Rechnung getragen, wenn alle Geldleistungsgesetze zustimmungspflichtig seien, unabhängig von der Frage, ob mit ihnen Bundesauftragsverwaltung verbunden sei oder nicht 105 .
102
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 126.
103
Maunz, NJW 1968, 2033, 2035.
104
Rechtsausschuß des Bundestages, BT/DS 5/3605 (1968), S. 7 zu BT/DS 5/3605 (1968), S. 6. 105
Bundesrat, BT/DS 5/2861 (1968), S. 85; 5/3826 (1969), S. 4; BW-Kommission „Finanzverfassungsreform Zwischenbericht, 1992, S. 27; die Forderung, daß alle Bundesgesetze, die von den Ländern ausgeführt (und finanziert) werden, der Zustimmung des Bundesrates unterliegen sollen, findet sich auch neuerdings wieder; vergleiche: Peffekoven, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, 485, 504.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
169
c) Reaktionen auf diese Kritik Die Bundesregierung hat den Änderungsvorschlag des Bundesrates zurückgewiesen. Es sei systemwidrig, die Notwendigkeit einer Bundesratszustimmung abhängig zu machen von den finanziellen Folgen eines Bundesgesetze für die Länder 106 . Im Verlauf der parlamentarischen Beratungen wurde trotzdem das Zustimmungserfordernis an eine mindestens 25 %-ige Landesbeteiligung an den Gesamtkosten geknüpft und in Art. 104 a Abs. 3 S. 3 GG verabschiedet.
2. Folgen der jetzigen Regelung Bei der Suche nach einem Kompromiß 107 ist eine Regelung entstanden, die eine klare, an die Verwaltungsformen anknüpfende Lastenverteilung in Art. 104 a Abs. 1, 2 GG umstößt108. Mischfinanzierungen sind zulässig. Art. 104 a Abs. 3 GG gibt keinen Anspruch auf Bundesfinanzierung, sondern ermöglicht sie nur 109 . Eine Kostenbeteiligung des Bundes ist im gesamten Bereich von 0 % bis 100 % möglich. Art. 104 a Abs. 3 GG kann flexibel gehandhabt werden und läßt unterschiedliche Beteiligungsquoten für jedes einzelne Geldleistungsgesetz zu. Die Lastenverteilung steht im Ermessen des Gesetzgebers. Richtlinien für die Handhabung des Ermessens fehlen 110 . Entstanden ist eine in keine Richtung zwingende Kostentragungsregelung.
106
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), S. 92 f.
107
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968); Rechtsausschuß des Bundestages, BT/DS 5/3605 (1968); Bundesrat, BT/DS 5/3826 (1969); Vermittlungsausschuß, BT/DS 5/3896 (1969); vergleiche auch Patzig, DVB1. 1969, 429,432. 108 Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 98, 100 f.; Wendt, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 56, 68 f. 109 Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 93, 97, 100 f.; Vogel!Kirchhof, in: BK, Art. 104a (1971), Rn. 89; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, GrundgesetzKommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 104 a, Rn. 19; Waechter, VerwArchiv 1984, 208, 214; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 141. 110
Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 135 f. m.w.N. in Fn. 534.
170
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
Konsequenzen aus den Kostenverteilungsmöglichkeiten nach Art. 104 a Abs. 1 bis 3 GG Art. 104 a Abs. 1 GG
Art. 104 a Abs. 3 GG
Art. 104 a Abs. 2 GG
Kostenlast des Bundes
0%
0-50 %
50-75 %
75-100 %
100 %
Kostenlast der Länder
100 %
100-50 %
50-25 %
25-0 %
0%
ja
ja
nein
eigene Angelegenheit
Auftragsverwaltung
Zustimmungsbedürftigkeit Verwaltungstyp
eigene Angelegenheit
AuftragsAuftragsverwaltung verwaltung
Möglich ist sowohl Bundesaufiragsverwaltung ohne eine 100 %-ige Kostenbeteiligung des Bundes 111 , als auch eine Kostenbeteiligung des Bundes unter 100 %, obwohl die Geldleistungsgesetze die Ausgaben genau fixieren 112. Art. 104 a Abs. 3 GG sieht bei einer Bundesbeteiligung an den Vollzugskosten von über 75 % vor, daß Geldleistungsgesetze in Bundesauftragsverwaltung vollzogen werden, ohne daß es hierfür der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Grund für das Zustimmungserfordernis in Art. 104 a Abs. 3 S. 3 GG ist demnach letztlich nicht die Einführung der Bundesauftragsverwaltung für ein Geldleistungsgesetz mit den Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Landesverwaltung nach Art. 85 GG 113 , sondern der Anteil der von den Ländern zu tragenden Vollzugskosten114. Ebenfalls von der Beteiligungsquote der Länder hängt der Verwaltungstyp ab. Erst ab einer Bundesbeteiligung von 50 % tritt - dann allerdings automatisch, das heißt, ohne daß es eines aus111
Dazu 5. Teil DI.
112
Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 91; Stadler, BayVBl. 1969, 297, 300 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 100, 94; Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 34, 33; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 133; Häde, JA 1994, 1, 3; Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 130; Enquete-Kommission „ Verfassungsreform Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 210. 113 114
Vergleiche Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), S. 92 f.
Heinsen, FS für Schäfer, 1980, S. 233, 241; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 93 f., 98; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandiii, 1983, Art. 104 a, Rn. 19.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
171
drücklichen Gesetzesbefehls bedarf - Bundesauftragsverwaltung ein 115 . Während ansonsten Bundesauftragsverwaltung nur in den grundgesetzlich vorgesehenen Fällen möglich ist (numerus clausus), ermöglicht Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG, daß der Bund sich die Bundesauftragsverwaltung erkauft 116 . Insofern verträgt sich Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG nicht mit den Strukturprinzipien der bundesstaatlichen Organisation, da die Entscheidung über den Verwaltungstyp vom Grad der Bundesbeteiligung an den Ausgaben, mithin allein von finanziellen Kriterien, abhängig ist 117 . Der Grund für die Bundesauftragsverwaltung ist allein in der Lastenbeteiligung des Bundes zu sehen, der über die Mittelverwendung wachen will 1 1 8 . Denkt man an die Variationsmöglichkeiten des Art. 104 a Abs. 3 GG, müßte das Landesinteresse entweder auf volle Kostenübernahme durch den Bund oder auf Beteiligung des Bundes von knapp unter 50 % gerichtet sein, weil es dann bei der Gesetzesausführung nach Art. 83 f. GG bleibt. Demgegenüber müßte der Bund darauf drängen, sich aus der Finanzierung völlig herauszuhalten oder eine Bundesbeteiligung von knapp über 50 % zu erreichen, weil das Geldleistungsgesetz dann in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt würde. Die Gefahr von Auseinandersetzungen im politisch-parlamentarischen Raum bei der Regelung der Finanzierung ist erheblich 119 , obwohl es Ziel der Finanzreform 1969 war, solche Konflikte zu vermeiden 120. Es ist zu kritisieren, daß eine Kostenverteilung nicht verfassungsrechtlich festgelegt, sondern dem Ergebnis von Bund-Länder-Verhandlungen überlassen wurde 121 . M i t den vorangegangenen Ausführungen soll keineswegs behauptet werden, daß Art. 90 a Entwurf Troeger-Kommission beziehungsweise Art. 87 e Entwurf Bundesregierung eine stringentere Lösung dargestellt hätte.
113
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 19, 21 ,Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 98, 104 f. 116
Faber, in: AK, Bandii, 1984, Art. 104 a, Rn. 2; vergleiche Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 34; Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 74. 117
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 21; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), S. 92 f. 118
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 105.
119
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 102.
120
Troeger-Kommission, 5/2861 (1968), Tz. 114. 121
Gutachten, 1966, Tz. 198; Bundesregierung,
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 37.
BT/DS
172
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
An den vorgeschlagenen Normen ist zu kritisieren, daß bei Geldleistungsgesetzen kein Bedürfnis für Bundesauftragsverwaltung besteht. Geldleistungsgesetze enthalten bereits per definitionem Detailbestimmungen, so daß sich der Einzelfall durch unmittelbare Gesetzesanwendung regelt 122 . Erkennt man diese Tatsache an, ist die intendierte volle Kostenübernahme durch den Bund konsequent. In dem Gesamtsystem des vorgesehenen Art. 104 a GG ließ sie sich nur über die Bundesauftragsverwaltung erreichen, da Veranlassungsgesichtspunkte unberücksichtigt blieben und an Verwaltungstypen für die Kostentragung angeknüpft wurde. Es ist auch zu kritisieren, daß der Vorschlag lediglich die Möglichkeit der Erweiterung der Bundesauftragsverwaltung vorsah, nicht aber die Kostentragung des Bundes für Geldleistungsgesetze zwingend vorschrieb. Insofern hätten auch sie keine problemadäquate Lösung dargestellt. Die vorgeschlagene Norm hätte sich jedoch systematisch besser in das Gesamtsystem der Verteilung der Finanzverantwortung eingepaßt als die Regelungen in Art. 104 a Abs. 3 GG 123 . Sie wäre mit Art. 104 a Abs. 1, 2 GG insofern konform gegangen, als der Grundsatz ausschließlicher an die Verwaltungstypen anknüpfender Finanzverantwortungsbereiche eingehalten worden wäre.
3. Änderungsüberlegungen Sowohl nach den Entwürfen der Troeger-Kommission und der Bundesregierung, als auch nach dem gültigen Art. 104 a Abs. 3 GG es ist denkbar, daß ein Geldleistungsgesetz keine interne Kostentragungsregelung enthält. Dann verbleibt es bei der Finanzverantwortung der Länder nach Art. 104 a Abs. 1 GG. Daraus folgt eine 100 %-ige Lastenübernahmepflicht der Länder ohne Zustimmungserfordernis des Bundesrates. Geldleistungsgesetze ohne Finanzierungsregelung wären einfache Einspruchsgesetze. Art. 104 a Abs. 3 S. 3 GG bietet hier keinen Schutz, da die Zustimmung des Bundesrates nur notwendig ist, wenn das Gesetz bestimmt, daß die Länder 1/4 der Ausgaben oder mehr tragen 124.
122 123
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 105.
Fischer-Menshausen, Art. 104 a,Rn. 21. 124
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983,
BVerfGE 86, 148, 248; Enquete-Kommission „Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 210 f.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 99 f., 104 f.; Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983,
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
173
Um dieses Ergebnis zu verhindern, wird gefordert, Art. 104 a Abs. 3 GG so auszulegen, daß unter die Zustimmungspflicht auch die Geldleistungsgesetze fallen, die keine Kostentragungsregelung enthalten125. Einen anderen Ansatz weist Erichsen auf 1 2 6 : Danach wäre der Gesetzgeber bei allen Geldleistungsgesetzen verpflichtet, eine ausdrückliche Regelung über die Kostentragung zu treffen. Folglich wäre in jedem Fall Art. 104 a Abs. 3 GG und nie Art. 104 a Abs. 1 GG anwendbar. Für diese Ansichten spricht die auch in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommende gesetzgeberische ratio der Vorschrift 127 . Der Zweck des Art. 104 a Abs. 3 GG - nämlich der Schutz der Länder vor übermäßiger, von der Zustimmung des Bundesrates unabhängiger Kostenbelastung - würde zunichte gemacht128. Es ist jedoch auf den Wortlaut der Kostentragungsnorm für Geldleistungsgesetze zu verweisen 129. Art. 104 a Abs. 3 S. 3 GG knüpft Rechtsfolgen nur an eine ausdrückliche Kostenregelung im Geldleistungsgesetz selbst . Fehlt eine entsprechende Verteilung der Finanzverantwortung, verbleibt es auch für Geldleistungsgesetze bei dem allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104 a Abs. 1 GG, weil der Bundesgesetzgeber nicht verpflichtet ist, sie zu treffen. Diesem „zugegebener Maßen unbefriedigenden" 130 beziehungsweise „widersprüchlichen" 131 Ergebnis ist nur durch eine Verfassungskorrektur zu begegnen, da das Grundgesetz nach dem Enumerationsprinzip die Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, ausdrücklich und abschließend Art. 104 a, Rn. 19, 22; Schoch!Wieland, 141; Schoch, ZRP 1995, 387, 389.
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 136,
125
Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 95; vergleiche Barbarino, Sondervotum in: Enquete-Kommission „Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 212 ff; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 34; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 17; Selmer, GS für Sasse, 1981, S. 229, 238; Faber, in: AK, Bandii, 1984, Art. 104 a, Rn. 5; mit Hilfe eines erst-recht-Schlusses Häde, JA 1994, 1, 3. 126 Erichsen, Konnexität, 1968, S. 41 f.; ihm folgend HenkeiSchuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 68. 127
Selmer, GS für Sasse, 1981, S. 229, 238.
128
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 34.
129
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandiii, 1983, Art. 104 a, Rn. 19; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 99 f.; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 220 f. 130
Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 19. 131
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandin, 1983,
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 99.
174
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
geregelt hat. Der Umstand, daß ein Bundesgesetze die Länder mit Kosten belasten, genügt nicht, seine Zustimmungsbedürftigkeit zu begründen 132. Aus Gründen der Vereinfachung ist ohnehin einer grundlegenden Änderung der Lastenverteilung für Geldleistungsgesetze der Vorzug gegenüber einer den dargestellten Vorschlägen entsprechenden Sanierung des Art. 104 a Abs. 3 GG zu geben. Dabei bieten sich zwei Modelle an: Ersteres berücksichtigt den Einfluß des Gesetzgebers auf den Vollzug der Geldleistungsgesetze angemessen. Die detaillierten gesetzlichen Regelungen reduzieren das Verwaltungsermessen und fixieren damit die Kosten. In diese Richtung gehen auch Überlegungen von Schoch/Wieland133: Die Argumentation zur Kostentragung bei der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104 a Abs. 2 GG könne auf den Vollzug von Geldleistungsgesetzen übertragen werden, weil die Verwaltungsebene bei Zahlungen aufgrund von Geldleistungsgesetzen genausowenig Ermessensspielräume und damit Verwaltungsverantwortung habe, wie bei der durch die Exekutivbefugnisse des Bundes geprägten Auftragsverwaltung. Dieser Umstand kann eine 100 %-ige Kostentragungspflicht des Bundes für alle Geldleistungsgesetze rechtfertigen 134. Bei entsprechenden Reformüberlegungen sollte erwogen werden, neben Geldleistungsgesetzen auch Sachleistungsgesetze des Bundes einzubeziehen, weil ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Geld- und Sachleistungen - etwa nach dem Bundessozialhilfegesetz - nicht ersichtlich ist 135 .
132
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), S. 93 mit dem Hinweis, daß auch Nicht-Geldleistungsgesetze den Ländern Kosten auferlegen können; vergleiche auch Vogel/Kirchhof\ in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 92; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 141 f. 133 Schoch, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 125 f.; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 150; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161,222. 134
Bereits die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" „ hatte eine pauschale 80 %-Beteiligung des Bundes in die Diskussion gebracht (Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 196, 211); Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185 hält es für gerechtfertigt, dem Bund die gesamten Kosten zuzuweisen. 135
Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1185; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 221 f.; Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 86; Wendt, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 162; Schoch, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 145 f.; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 143; Schoch, ZRP 1995, 387, 389; gegen eine ausdehnende Auslegung „geldwerter Leistungsgesetze" oder eine analoge Anwendung auf Sachleistungsgesetze: Waechter y VerwArchiv 1994, 208, 214; Korioth, DVB1.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
175
Das zweite Modell schafft die Spezialregelungen des Art. 104 a Abs. 3 GG insgesamt ab, so daß es bei den Regelungen in Art. 104 a Abs. 1, 2 GG auch für die Vollzugskosten der Geldleistungsgesetze verbliebe. Zusätzliche Finanzmittel müßten den Ländern dann im Wege der Einnahmenneuverteilung zugewiesen werden. Der erste Vorschlag stellt auf das Veranlassungsprinzip ab. Auf ihn wird verstärkt Bezug genommen. Auch die Länder unterstützen ihn, da er die einfachste Möglichkeit zu sein scheint, Mehreinnahmen zu erzielen 136. Der zweite Vorschlag berücksichtigt, daß Ausgabensteigerungen nicht zu einer Lastenverschiebung, sondern zu einer Revision der Einnahmenverteilung führen sollten 137 .
I I L Verhältnis von Art. 104 a Abs. 3 S. 2 G G zu Art. 120 G G Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG bestimmt zwar für Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, daß sie i m Auftrag des Bundes durchgeführt werden, wenn der Bund mindestens die Hälfte der Kosten trägt. Doch läßt diese Vorschrift den durch Art. 120 GG geregelten Kriegsfolgebereich unberührt. Kriegsfolgegesetze werden daher auch dann in landeseigener Verwaltung durchgeführt, wenn der Bund mehr als 50 % der Kosten übernimmt 138 . Dieses zeigt wiederum, daß sich Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG nicht in das grundgesetzliche Gefüge der Verteilung der Lasten und Verwaltungskompetenzen einpaßt.
IV. Kennt Art. 104 a Abs. 5 GG seinerseits Ausnahmen? Fraglich ist, in welchem Verhältnis Art. 104 a Abs. 5 GG zu den anderen Regelungen über die Finanzverantwortung steht. Es wird überwiegend behauptet, die Durchbrechungen des Konnexitätsgrundsatzes würden nur für die Zweck-, nicht aber für die Verwaltungsausga1993, 356, 361; vergleiche auch: Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 10; Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 40. 136
Siehe 4. Teil B m 2 c ii (1).
137
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 103 f.
138 Schaefer, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 120, Rn. 7; Holch, DÖV 1970, 841, 844; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 13.
176
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
ben gelten. Art. 104 a Abs. 5 GG ordne die Verwaltungsaufgaben zwingend allein dem Verwaltungsträger zu, während die Zweckausgaben eine differenzierte Regelung erführen 139. In dieser Pauschalität ist die Aussage jedoch bedenklich. Es ist einzuwenden, daß Art. 104 a Abs. 5 GG nur einen Sinn ergibt, wenn Tätigkeiten existieren, die bei feststehender Verwaltungskompetenz der Länder trotzdem Bundesaufgaben darstellen. Anderenfalls wären die Verwaltungskosten bereits nach Art. 104 a Abs. 1 GG auf Bund und Länder verteilt 140 .
1. Verhältnis von Art. 104aAbs. 2 GG zu Art. 104 a Abs. 5 GG Eine Differenzierung in Zweck- und Art. 104 a Abs. 2 GG nicht zum Ausdruck. tung" des Bundes kann sich auch auf den auswirken, was seine Kostenbeteiligung in rechtfertigen könnte 141 .
Verwaltungsausgaben kommt in Die „letzte VerwaltungsverantworUmfang der Verwaltungsausgaben der Höhe seiner Mitverantwortung
Oben 142 wurde bereits darauf hingewiesen, daß Art. 104 a Abs. 5 GG als lex specialis aufzufassen ist. Die Verwaltungsanknüpfung gelte für die Pflicht zur Übernahme der Verwaltungskosten ausnahmslos143. Für diese Auslegung spricht die Entstehungsgeschichte der Lastenverteilungsnorm. Es sollte allgemein bestimmt werden, daß Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben tragen 144. Im allgemeinen bedeutet Beauftragung jedoch volle Kostenübernahme durch den Auftraggeber für erforderliche Aufwendungen. Für die Frage der Verwaltungskostentragung könnte auf diesen zivilrechtlichen, in § 670 BGB
139 Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 61; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band m, 1983, Art. 104 a, Rn. 39; Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 12; Heun, Der Staat, 1992, 205, 210; VGH München, NVwZ 1993, 794, 795. 140
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41,46 f.
141
Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 248; Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 53; vergleiche auch Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 61, 64. 142
Siehe 5. T e i l C I l .
143
Vogel/Kirchhof,
144
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 122.
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 155.
D. Ungereimtheiten der Ausnahmetatbestände
177
verankerten Grundsatz zurückgegriffen werden 145. Es wird aber zu Recht eingewendet, daß die Länder beim Gesetzesvollzug einen ihnen allgemein durch das Grundgesetz auferlegten, durch das konkrete Bundesgesetz nur ausgelösten Auftrag erfüllen. Es handelt sich nicht um Organleihe oder ein bundesstaatliches Mandat, sondern um einen Fall echter Länderzuständigkeit. Demenstprechend erledigen die Länder die übertragenen Aufgaben selbständig. Von der Besorgung fremder Geschäfte kann keine Rede sein 146 . Der Grund für die Differenzierung liegt in der Aufteilung der Verantwortlichkeiten beim Gesetzesvollzug nach Art. 85 GG. Zwar ist die Bundesauftragsverwaltung eine Form der Landesverwaltung 147. Allerdings ist die Verwaltungskompetenz der Länder eingeschränkt. Unentziehbar steht den Ländern nur die sogenannte Wahrnehmungskompetenz zu: Das Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, im Verhältnis zu Dritten, bleibt stets Landesangelegenheit. Die Organisationsverantwortung für den Gesetzesvollzug liegt bei dem Ausführenden 148. Auch im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung sind Vollzug und Einrichtung der Behörden Sache der Länder. Für die Sachbeurteilung und Sachentscheidung gilt das hingegen nicht. Der Bund kann sie an sich ziehen. Sie steht dem Land nur unter dem Vorbehalt ihrer Inanspruchnahme durch den Bund zu 149 . Für die Belastung des Bundes mit den Zweckausgaben spricht, daß seine Behörden auf Inhalt und Intensität der Aufgabenprogramme entscheidend einwirken. Daher können sie die Höhe des Sachaufwandes wesentlich mitbestimmen150. Die Verwaltungskompetenz stellt in einem föderalistischen Staat eine Aufgabe im Sinne des Lastenverteilungsgrundsatzes dar, so daß die Länder die Verwaltungskosten zu tragen haben151. Die Kostentragungspflicht der Länder 145 Dafür soweit ersichtlich nur: Hettlage, DVB1. 1953, 713, 717; Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 17; abweichend allerdings Hettlage, FA n.F., Band 14(1953/54), S. 405,411. 146
Maunz, in: MD, Art. 106 (1964), Rn. 15.
147
BVerfGE 81, 310, 331; Schäfer, „gemeinsamer Verwaltung".
H., DÖV 1960, 641, 646 spricht von
148
Makswit, DVB1. 1984, 1044, 1045 f.; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178; Sturm, DÖV 1968, 466, 470, 475; Schäfer, F., Recht und Politik, 1967, 31, 37; Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 219 f. 149
BVerfGE 81, 310, 332; Wolst, Bundesauftragsverwaltung, 1974, S. 52 f.
150
Fischer-Menshausen, Art. 104 a, Rn. 13.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band HI, 1983,
151 Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 26; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 39; Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, 12 Trapp
178
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
fiir die Verwaltungskosten ergibt sich bereits aus Art. 104 a Abs. 1 GG 152 . Art. 104 a Abs. 2 GG erfaßt somit nur die Zweckausgaben und wird von Art. 104 a Abs. 5 GG für die Verwaltungsausgaben bei Bundesauftragsverwaltung durchbrochen.
2. Verhältnis von Art. 91 a Abs. 4, 91 b S. 2 GG zu Art 104 a Abs. 5 GG Auch bei den Gemeinschaftsaufgaben wird in Frage gestellt, ob sich die Sonderregelungen nur auf die Zweckausgaben beziehen. Die Ausgabenverteilung bei Art. 91 a, b GG geht nach dem Verfassungswortlaut nicht von der Unterscheidung in Zweck- und Verwaltungskosten aus. Insofern könnten Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 5 GG zulässig sein153. Es kann nur eingewendet werden, daß der Gesetzgeber mit Abs. 5 GG eine für alle Kostenverteilungsnormen klarstellende treffen wollte, die als lex specialis vorgeht. Dafür spricht, daß bei Abs. 5 GG eine dem Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG entsprechende fehlt 154 .
Art. 104 a Regelung Art. 104 a Wendung
E. Folgerungen Nach der Untersuchung der die Landesinteressen und unterschiedliche Anknüpfungsprinzipien berücksichtigenden Durchbrechungen des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes ist festzuhalten:
Mehrstufige Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 63 f.; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 76; Henneke, in: Henneke/Maurer/ Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 130. 152 Diese Differenzierung entsprach bereits der Auslegung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG 1955. Zu der Lösung gelangt man also ohne die Klarstellung des Art. 104 a Abs. 2 GG 1969. vergleiche Bartlsperger, in: BK, Art. 90 (1969), Rn. 71. 153
BVerwG BayVBl. 1980, 473, 475; Vogel/Kirchhof, Rn. 155, Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 1139. 154
in: BK, Art. 104 a (1971),
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 122, 301; Troeger-Kommission, Gutachten, 1966, Tz. 211 f., 214; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 131; Liesegang, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 91 b, Rn. 18; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 22 („allgemeines Verbot der Erstattung von Verwaltungskosten"); Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GrundgesetzKommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 104 a, Rn. 39; vergleiche ausführlich und m.w.N. Erichsen, Zur Haftung im Bund-Länder-Verhältnis, 1986, S. 44 ff.
E. Folgerungen
179
Unter Berücksichtigung der gesamtstaatlichen Relevanz der über Art. 9 1 a Abs. 4, 91 S. 2, 104 a Abs. 4 GG vom Bund mitfinanzierten Aufgaben mögen diese Ausnahmetafbestände angemessen sein. Das selbe gilt für Art. 120 Abs. 1 GG im Hinblick darauf, daß der Gesamtstaat für die kriegsbedingten Folgen einzustehen hat. Die Finanzierungspflicht des Bundes über Art. 106 Abs. 8 GG ist ebenfalls wegen der von ihm ausgehenden und eine einzelne Körperschaft treffende Belastung adäquat. Allgemeingültige Erwägungen für die generelle Lastenverteilung sind diesen Normen nicht zu entnehmen, da ihr Anwendungsbereich jeweils zu beschränkt ist 135 . Verallgemeinerungsfähige Aspekte enthalten die die Finanzverantwortung für den Gesetzesvollzug regelnden Modifikationen in Art. 104 a Abs. 2, 3, 5 GG. Das Gesamtsystem des Art. 104 a GG ist als Konsequenz aus der Aufspaltung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz zu verstehen 136. Es wurde versucht, auf finanziellem Gebiet die Folgerungen aus dem Bundesstaatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen. Insbesondere Art. 104 a Abs. 2 GG berücksichtigt angemessen den geringen oder nicht bestehenden Einfluß der Länder auf den Kostenumfang beim Vollzug der Bundesgesetze in Bundesauftragsverwaltung. Der Vollzug ist bundesgesetzlich determiniert und der Bund hat weitgehende Ingerenzrechte. Insofern ist ein wichtiger Fragenkreis, bei dem die Zweckausgabe und die Ausgabenveranlassung umstritten waren, durch Art. 104 a Abs. 2 GG klargestellt worden 137 . Bedenklich stimmt allerdings die Tatsache, daß in der Begründung zu Art. 104 a Abs. 2 GG für die Finanzverantwortung des Bundes bei Auftragsverwaltung auf dessen „letzte Verwaltungsverantwortung" abgestellt wird. Auch beim Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit hat der Bund eine Mitverantwortung. Trotzdem ist seine Kostenbeteiligung für diesen Fall nicht vorgesehen. Das Grundgesetz beläßt es vielmehr bei der Regelung in Art. 104 a Abs. 1 GG, wonach ausschließlich die Länder finanzverantwortlich sind. Die Regelung für die Verwaltungskostentragung in Art. 104 a Abs. 5 GG ist nachvollziehbar, wenngleich zu fragen ist, warum den veranlassenden Auftraggeber beziehungsweise eine die Verwaltungsverantwortung übernehmende Körperschaft keine Mitverantwortung trifft 138 . Die Vorschrift zur Finanzierung der Geldleistungsgesetze ist mißlungen. Ihr eigentliches Ziel, die Länder von der Übernahme gesetzlich fixierter Kosten zu 133
Kirchhof,; F., in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 53, 54.
136
Heun, Der Staat, 1992, 205, 210.
137
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 9.
138 Sander, Aufgaben und Einnahmen, 1987, S. 360 f.; Weiler, der Ausgaben, 1966, S. 94 f.
Getrennte Tragung
180
5. Teil: Die Ausnahmen von Art. 104 a Abs. 1 GG
befreien, erreicht sie nur durch moderate Handhabung des Gesetzgebers, wenn dieser sein uneingeschränktes Ermessen im Sinne des beabsichtigten Zieles ausübt. Im übrigen wäre Art. 104 a Abs. 3 GG nicht nötig gewesen. Man hätte einen Ausgleich der Belastung der Länder auch über die Einnahmenverteilung schaffen können 139 . Für die Lastenverteilung bei der Bundesauftragsverwaltung sowie bei den Verwaltungsausgaben hat Art. 104 a Abs. 1 GG wegen der umfassenden Sonderregelungen in Art. 104 a Abs. 2, 5 GG keine unmittelbare Bedeutung mehr 160 . Insofern sind Einzelfragen, die vor der Finanzreform 1969 Schwierigkeiten bereitet haben, ausdrücklich normiert worden. Die Auslegung der Grundregel des Art. 104 a Abs. 1 GG wird durch die Ausnahmen und Klarstellungen der folgenden Absätze entlastet161. Das erleichtert es, diese Regel als solche zu präzisieren 162. Trotzdem darf die Bedeutung der Ausnahmetatbestände nicht unterschätzt werden. Theoretisch hat die Verfassungsänderung der Zweckausgaben- oder Veranlassungstheorie zwar eine Absage erteilt und das historisch ältere, trennschärfere Prinzip der Verwaltungsverantwortung bekräftigt. Zugleich hat sie jedoch durch zwei Ausnahmen das Prinzip der Verwaltungsverantwortung durchbrochen. Im Hinblick auf die Finanzierung der Bundesgesetze, die in Bundesauftragsverwaltung durchgeführt werden, wurde eine Ausnahme gemacht. Den zweiten Fall bildet die Regelung über die Finanzierung der Geldleistungsgesetze163. Damit ist anerkannt worden, daß die allgemeine Lastenverteilungsregelung ihre innere Rechtfertigung für die Fälle verliert, in denen der Bund durch seine Gesetzgebung und Einflußnahme die Länderverwaltung zu eher mechanischen Dienstleistungen in Anspruch nimmt 164 . Die kostenverursachende Problematik der Bundesgesetze und Bundesingerenzen mit der ohne die Sonderregelungen bestehenden Pflicht der Kostentragung fur die Länder ist für die Finanzierung der Geldleistungsgesetze berücksichtigt worden. Im Ergebnis wird man die Frage, ob Art. 104 a Abs. 1 GG von einer Verknüpfung von Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz ausgeht, bejahen müssen. Zum einen läßt sich den Regelungen im Sinne des Art. 104 a Abs. 1 Hs. 2 GG kein einheitliches, gegen die Verknüpfung von Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz sprechendes Prinzip entnehmen. Diese Ausnahme159
Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 253 ff., 256.
160
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 40.
161
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 28 f.; MüllerVolhehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1966, S. 86. 162
Vogel/Kirchhof
163
Faber, in: AK, Band Π, 1984, Art. 104 a, Rn. 1, 4.
164
Stern, Staatsrecht, Band Π, 1980, S. 1140.
in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 36
E. Folgeningen
181
tatbestände folgen vielmehr unterschiedlichen Grundsätzen. Zum anderen sind sie in sich nicht konsequent (Art. 104 a Abs. 3 GG) und widersprechen sich gegenseitig (Art. 104 a Abs. 3 S. 2 GG, Art. 104 a Abs. 2 GG) 165 . Deshalb muß der herrschenden Meinung hinsichtlich der Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz in Art. 104 a Abs. 1 GG recht gegeben werden - jedenfalls de lege lata. Allerdings hat die bisherige Untersuchung auch gezeigt, daß der Grundsatz „Aufgaben im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG sind Verwaltungstätigkeiten" keineswegs so sicher ist wie bisweilen behauptet wird. Deshalb ist mit der Feststellung, daß die Reform einige verfassungsrechtlich umstrittene Fälle eindeutig entschieden hat, der Streit de lege ferenda nicht entschieden. Ob das Grundgesetz durch die Reform die bestmögliche Lösung gefunden hat, kann bezweifelt werden 166.
165
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 41, 42 f.; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit Π, 1979, S. 121; Sokolisch, DVB1. 1977, 848, 850. 166
v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 28.
6. Teil
Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder A . Aufgaben der Kommunen Die Kommunen bilden im zweistufigen bundesrepublikanischen Staatsaufbau neben Bund und Ländern eine dritte Verwaltungsebene. Über die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus sind die Kommunen in die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch den Vollzug von Bundes- und Landesgesetzen eingeschaltet. Die Länder erledigen zum einen bundesgesetzlich vorgeschriebene Aufgaben nicht sämtlich selbst, sondern delegieren sie durch Einschalt- oder Ausführungsgesetze an die Kommunen1.
1
Siedentopf \ in: Institut für Kommunalwissenschaften, Reform kommunaler Aufgaben, 1978, S. 140, 148; Enquete-Kommission „VerfassungsreformSchlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 221; Huber, Die Ausführung von Bundesgesetzen, 1965, S. 29 ff; der von den Kommunen zu administrierende Anteil der Bundesgesetze wird unterschiedlich hoch eingeschätzt: Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 28 (70-85 %); Fromme, ZRP 1992,431,431 (80 %); Scheffler,, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 55 (1975), S. 41, 51 (70 %); Schmidt-Jortzig, DÖV 1981, 393, 397 (75 %); Stern, Staatsrecht, Bandi, 1980, S. 31 I f . (75%); Roters, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band Π, 1983, Art. 28, Rn. 8 (80 %); Rehn, AfK 1991, 213, 224 (75-80 %); Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 43 (70-90 % unter Einbeziehung der Landesgesetze); Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 146 (75-90 %) offengelassen von der Bundesregierung, BT/DS 12/6223 (1993), S. 7; auch der Anteil der gesetzlich, vertraglich oder anderweitig fixierten Aufgaben der Kommunen sei hoch: v. Hausen, der landkreis 1992, 609, 610 (90 %); Lensch, in: Evers, Chancen des Föderalismus, 1994, S. 95, 105 f. (90 %); Fromme, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 47 (80 %); ferner sei ein hoher Prozentsatz der kommunalen Aufgaben aus dem übertragenen Wirkungskreis: Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 544 (80-90%); Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 43 (75 %) Blümel, VVDStRL,
Α. Aufgaben der Kommunen
183
Ausnahmsweise kann der Bund die Kommunen unmittelbar durch Bundesgesetz als Ausführungssubjekt bestimmen, wenn dies für eine ordnungsgemäße, wirksame und bundeseinheitliche Durchführung seiner Gesetze unerläßlich ist2. Zum anderen übertragen die Länder ihrerseits den Kommunen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, Auftragsangelegenheiten, Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises beziehungsweise Weisungsaufgaben. Die auf kommunaler Ebene durchgeführten Aufgaben werden daher üblicherweise in folgende Kategorien zusammengefaßt 3:
Band 36 (1978), S. 171, 207 f. (80-90 %); Makswit, DVB1. 1984, 1044, 1044 (75 %); Makswit, DVB1. 1981, 225, 226 (80-90%); Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973, 978 (66 %); allgemein zum Autonomie-/Fremdbestimmtheitsgrad kommunaler Aufgaben: Hardt, in: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Kommunale Finanzen, 1989, S. 75 ffHardt, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 17, 20 ff.; demzufolge seien Ausgaben weitgehend unausweichlich: Deutscher Städtetag, Starke Städte - Lebendige Demokratie, 1979, S. 224 (90 %); Schäfer, H.-J., der städtetag 1973, 532, 533 (75 %); Hühnerfeld, der städtetag 1974, 302, 303 (87 %); Barbari no, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 55 (1975), S. 103, 104 (90 %),Rehn, AfK 1991, 213, 224 (90 %); die Prozentangaben schwanken auch wegen der Abhängigkeit vom unterschiedlichen Grad der Kommunalisierung der Aufgabenerfüllung in den Bundesländern; vergleiche insgesamt Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 62 ff. 2
BVerfGE 22, 180, 209 f.; 77, 288, 299; StGH BW DVB1. 1994, 206, 207; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 42 f.; Blümmel in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 101, Rn. 31; restriktiv zur Kompetenz des Bundes, Aufgaben an die Kommunen zu übertragen (Art. 84 Abs. 1 GG): Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 66 ff; Schoch!Wieland, JZ 1995, 982, 986; Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 141 ff; Henneke, der landkreis 1995, 127, 128 f.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 543; Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 36 ff; HofmannHoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 146. 3 Auch die Länder, die dem Weinheimer Entwurf für eine Gemeindeordnung und damit dem monistischen kommunalen Aufgabenmodell gefolgt sind (Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein), kommen ohne eine Differenzierung nicht aus; vergleiche: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1994, §23, Rn. 12 ff. (17); Maurer, in: Maurer/Hendler, BadenWürttembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 195 ff. (197); Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995 § 2 Anm. 4, 5, 6; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, 1993, Rn. 88 ff ; Sander, Aufgaben und Einnahmen, 1987, S. 82 ff.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973, 973 ff.; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 96 ff; Zimmermann, F., System kommunaler Einnahmen, 1988, S. 42 ff.
184
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
Aufgabeneinteilung auf kommunaler Ebene eigener Wirkungskreis
übertragener Wirkungskreis
Selbstverwaltungsangelegenheiten
Fremdverwaltungsangelegenheiten
freiwillige
Pflichtige
(= freie Aufgaben)
(= weisungsfreie Pflichtaufgaben)
Auftragsangelegenheiten des Bundes oder des Landes
Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (= Weisungsaufgaben)
B. Grundsätzliches zum kommunalen Finanzierungssystem Das kommunale Finanzicrungssystem 4 ruht nach den landesverfassungsrechtlichen Regeln auf zwei Säulen3:
I. Quantitativ fiskalischer Ansatz Danach ist den Kommunen das Recht eingeräumt, eigene Steuern und andere Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben. Außerdem werden die Kommunen an den Steuereinnahmen des Landes durch einen übergemeindlichen Finanzausgleich beteiligt. Ziel dieser Regelungen ist es, über eine Gesamtrechnung unter Anknüpfung an verschiedene Einnahmequellen eine für die Aufgabenerfüllung insgesamt ausreichende Finanzausstattung zu gewährleisten. Es wird aufgabenunspezifisch ein quantitativer Ansatz verfolgt 6, dem eine in gewissen Zeiträumen zu
4
In Hamburg und Berlin findet eine Trennung von staatlicher und gemeindlicher Tätigkeit nicht statt (vergleiche Art. 4 Abs. 1 VerfHH und Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 VerfBerlin in Verbindung mit § 1 AZG Berlin), so daß entsprechende Regelungen nicht existieren; das Land Bremen, wo zwar mit der Stadt Bremen und Bremerhaven zwei Gemeinden existieren, soll unberücksichtigt bleiben. 3
Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 154 ff., Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 146 ff. 6
Schoch/Wieland,
Finanzicrungsvcrantwortung, 1995, S. 155 f.
Β. Grundsätzliches zum kommunalen Finanzieningssystem
185
überprüfende statische Funktion zukommt7. Die entsprechenden Regelungen sind normiert in: Art. 73 Abs. 2, 3 VerfBW, Art. 83 Abs. 2 S. 2 VerfBay 8, Art. 99 S. 1 und S. 2, 3 Verffibg, Art. 137 Abs. 5 S. 2, 1 VerfHess, Art. 73 Abs. 1, 2 VerfMV, Art. 58 VerfNds, Art. 79 S. 1, 2 VerfNW, Art. 49 Abs. 5 S. 2, 1 VerfRhPf, Art. 119 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VerfSaar, Art. 87 Abs. 2, 3 VerfSächs, Art. 88 Abs. 3, 2 VerfLSA, Art. 48 , 49 Abs. 1 VerfSH, Art. 93 Abs. 2, 3 VerfThür.
I L Qualitativ-(unmittelbar-)aufgabenbezogener Ansatz Da der quantitativ fiskalische Ansatz infolge seiner rechtlichen Anlage notwendigerweise „blind" ist gegenüber ad-hoc-Eingriffen in das austarierte System, das Aufgabenbestand und vorhandene Finanzmasse in der Balance hält, sehen die meisten Länderverfassungen zusätzlich ein variables Systemelement vor: Den Kommunen dürfen neue Aufgaben übertragen werden, jedoch nicht „schlankweg" zu Lasten der freien Spitze, sondern nur bei einer entsprechenden Kostendeckung9. Es ist eine unmittelbar aufgabenbezogene Einzelkostenabrechnung vorzunehmen. Die Regelungen lauten: Art. 71 Abs. 3 VerfBW: „Den Gemeinden und Gemeindeverbänden kann durch Gesetz die Erledigung bestimmter öffentlicher Aufgaben übertragen 7
Schoch/Wieland,
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 157.
8
In der bayerischen Verfassung ist ein kommunaler Finanzausgleich nicht ausdrücklich vorgesehen. Er wird aber auch dort praktiziert, zumal die Länder bundesverfassungsrechtlich (Art. 106 Abs. 7 GG) dazu verpflichtet sind. 9
Schoch/Wieland,
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 157.
186
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
werden. Dabei sind Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen." Art. 10 Abs. 3 S. 1 VerfBay. „Den Gemeindeverbänden können durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden, die sie namens des Staates zu erfüllen haben." Art. 10 Abs. 3 VerfBay: „Durch Gesetz können den Gemeinden Aufgaben übertragen werden, die sie namens des Staates zu erfüllen haben." Art. 83 Abs. 3 VerfBay: „Bei Übertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden sind gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen." Art. 97 Abs. 3 S. 1 VerfBbg: „Das Land kann die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Gesetz verpflichten, Angelegenheiten des Landes wahrzunehmen, wenn gleichzeitig Festlegungen über die Deckung der Kosten getroffen werden." Art. 72 Abs. 3 VerfMV: „Den Gemeinden und Kreisen können durch Gesetz Aufgaben der Landesverwaltung übertragen werden, wenn gleichzeitig über die Deckung der Kosten entschieden wird." Art. 57 Abs. 4 VerfNds: „Den Gebietskörperschaften und den sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften können durch Gesetz staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Anweisung übertragen werden, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden." Art. 78 Abs. 3 VerfNW: „Das Land kann die Gemeinden und die Gemeindeverbände durch gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden." Art. 120 VerfSaar: „Staatliche Aufgaben können durch förmliches Gesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Durchführung übertragen werden. Das Land sichert den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel." Art. 85 Abs. 1 S. 1, 3, Abs. 2 VerfSächs: „Den kommunalen Trägern der Selbstverwaltung kann durch Gesetz die Erledigung bestimmter Aufgaben übertragen werden. Dabei sind Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führt die Übertragung der Aufgaben zu einer Mehrbelastung der kommunalen Träger der Selbstverwaltung, so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen." Art. 87 Abs. 3 VerfLSA: „Den Kommunen können durch Gesetz Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zugewiesen und staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden. Dabei ist gleichzeitig
Β. Grundsätzliches zum kommunalen Finanzierungssystem
187
die Deckung der Kosten zu regeln. Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelastung der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen." Art. 46 Abs. 4 VerfSH: „Durch Gesetz können den Gemeinden und Gemeindeverbänden Landesaufgaben übertragen werden." Art. 49 Abs. 2 VerfSH: „Soweit den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben übertragen werden, aus denen Ausgaben erwachsen, ist die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zu regeln." Art. 91 Abs. 3 VerfThür: „Den Gemeinden und Gemeindeverbänden können auf Grund eines Gesetzes staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden." Art. 93 Abs. 1 S. 2 VerfThür: „Führt die Übertragung von Aufgaben nach Art. 91 Nr. 3 zu einer Mehrbelastung der Gemeinden und Gemeindeverbände, so ist ein angemessener finanzieller Ausgleich zu schaffen." Die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz kennen derart ausgeprägte Normen nicht. Dort wird nur allgemein gesagt, daß der Staat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Deckung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Finanz- und Lastenausgleichs zu sichern hat 10 . Art. 137 Abs. 5 VerfHess und Art. 49 Abs. 5 VerfRhPf legen nicht fest, daß die Einnahmen aus Finanzzuweisungen den Aufwand aus den vom Staat auferlegten Aufgaben decken müssen11.
I I I . Zwischenergebnis 1. In den meisten Verfassungen der Flächenländer der Bundesrepublik Deutschland ist ein dualistisches Finanzierungsmodell für die Kommunen festgelegt. 10 Da insofern nur der quantitativ fiskalische Ansatz praktiziert wird, sprechen Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 155 f., 159 von einem monistischen Finanzierungsmodell; Meyer, in: Meyer/Stolleis, Staats- und Verwaltungsrecht für Hessen, 1994, S. 149, 225 ff ; vergleiche auch NdsStGH NdsVBl. 1995,225,227. 11 VerfGH RhPf, DÖV 1992, 706, 707 (= DVB1. 1992, 981); VerfGH RhPf, NVwZ 1993, 159, 160; VerfGH RhPf, DVB1. 1978, 802, 803; OVG RhPf, DVB1. 1993, 894, 899 (mit Anmerkung Henneke); vergleiche zu den Urteilen VerfGH RhPf DVB1. 1992, 981 ff. und 986 ff. die Anmerkung von Schwarting/Schönberg der gemeindehaushalt 1992, 265, 265 ff. vergleiche außerdem: Henneke, der landkreisl995, 127, 130; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 90; v. Arnim, der landkreisl985, 519, 521; Glauben, DÖV 1994, 821, 823; Borchmann, der städtetag 1980, 467, 470; differenzierend: v. Zezschwitz, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137 (Nov. 1984) Erl. IX 3 a.
188
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
2. Es finden sich für den Fall der Aufgabenübertragung an die Kommunen spezielle Kostentragungsregelungen. 3. Nur die hessische und rheinland-pfälzische Landesverfassung sehen eine monistische Finanzierung der kommunalen Aufgabenerledigung vor und kennen keine gesonderte Finanzierungsregelung bei Aufgabenübertragung 12.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung L Folgen die landesverfassungsrechtlichen Normen für das Verhältnis Land - Kommunen dem Veranlassungsprinzip oder der Verwaltungsanknüpfung? Auf die Normen der oben unter Β II. skizzierten zweiten Säule wird von kommunaler Seite verwiesen, wenn die Belastung mit neuen Aufgaben ohne entsprechende Finanzausstattung beklagt wird 13 . Wenn die Vorschriften so eingehalten würden, wie ihr teilweise eindeutiger Wortlaut vorgibt 14 , dürfe die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen, jedenfalls wenn sie durch das Land erfolge, keine negativen finanziellen Auswirkungen haben13. Man könne vom Veranlassungsprinzip auf Landesebene sprechen16. Es wird aber auch behauptet, die Regelungen nähmen auf die grundgesetzliche Lastenverteilungsregelung in Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG Bezug, so daß
12
Terminologie S. 154 ff.
nach
Schoch!Wieland,
Finanzierungsverantwortung,
1995,
13
Vergleiche die Nachweise bei Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 16 Fn. 8; Beispiele zur Belastungswirkung einzelner Aufgabenbereiche bringen: Eveslage, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 69, 70; Schoch, der landkreisl994, 253, 253 f. beachte ferner die Antworten der Bundesregierung auf die Anfragen „Zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise", „Lage der Kommunen" und „Finanzsituation des Städte, Gemeinden und Kreise" im Bundestag: BT/DS 7/2409 (1974); 7/4373 (1975); 8/906 (1977); 10/1506 (1984); 11/2822 (1988); 11/3247 (1988); 12/ 6223 (1993); 12/6815 (1994). 14 Die Einhaltung wird angemahnt von Schmidt-Jortzig, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Probleme kommunaler Selbstverwaltung, 1980, S. 9,47 f. und DÖV 1981, 393,400. 13 16
Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 90.
So Körte, VerwArch, Band 61 (1970), S. 3, 33; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 67; Schuler, BWVP 1981, 37, 39.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
189
von einem kommunalverfassungsrechtlichen 17 - genauer - von einem landesverfassungsrechtlichen 18 Konnexitätsprinzip gesprochen werden könne. Sofern die Finanzierungsvorschriften dem Veranlassungsprinzip entsprächen, müßten die Länder für alle den Kommunen übertragenen beziehungsweise zur Pflicht gemachten Aufgaben die Lasten in voller Höhe inklusive der Verwaltungskosten tragen. Lediglich die freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten verblieben in der Finanzverantwortung der Kommunen. Ihre Kosten wären bei den landesverfassungsrechtlichen Normen zu berücksichtigen, die eine insgesamt angemessene Finanzausstattung für Gemeinden und Gemeindeverbände vorsehen 19. Im Fall der Verwaltungsanknüpfüng entsprechend den bundesverfassungsrechtlichen Lastenverteilungsnormen (Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG) müßten sich folgende Finanzverantwortlichkeiten ergeben 20: Weisungsfreie Pflichtaufgaben (Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten) wären von den Kommunen ohne Erstattungszahlungen zu erbringen. Wie bei den freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten hätten sie die Zweck-
17 Kirchhof, P., DVB1. 1980, 711, 713; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 771, 737; Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 125; Henneke, DÖV 1994, 1, 6; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 111, 60 f., 62; v. Mutius, in: Erichsen, Kommunalverfassung, 1989, S. 61, 65. 18 Patzig, DÖV 1985, 645, 648 („Art. 104 a Abs. 1 GG gilt mit der Folge, daß finanzielle Lasten für Verwaltungsaufgaben des Bundes den Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht durch den Bund überbürdet werden dürfen."); Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 19, 90 („Als Teil der Länder werden die Kommunen im Verhältnis zum Bund vom Konnexitätsprinzip des Art. 104 a Abs. 1 GG erfaßt; seine Geltung im Verhältnis zwischen Land und Kommunen wird durch Spezialvorschriften der Landesverfassungen ausdrücklich angeordnet, so daß von einem landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip gesprochen werden kann."; Schoch/Wieland, JZ 1995, 982, 989 f. 19 20
Siehe 6. Teil Β I.
Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 742 ff.; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 102 ff.; Makswit, DVB1. 1981,225, 226; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 276 ff. und DVB1. 1985, 689, 690; Henneke, StGR, 1984, 254, 256; Makswit, DVB1. 1984, 1044, 1045 ff., 1048; Schmidt-Jortzig/Makswit, HdkFH, 1991, Rn. 24 ff; Schmidt-Jortzig/Makswit, JUS 1980, 641, 642 f.; Sander, Aufgaben und Einnahmen, 1987, S. 247 f., 361; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 62 f.; Junkernheinrich, Gemeindefinanzen, 1990, S. 173.
190
6. Teil: Finanziengserantwortung nach den Verfassungen der Länder
und Verwaltungskosten zu tragen 21. Dem Land würde bei der Übertragung lediglich eine allgemeine Prüfungspflicht obliegen22. Bei der Ausführung selbstgeschöpfter Landesaufgaben durch die weisungsgebundenen Kommunen kommt dem Land wegen seines Weisungsrechts eine „letzte Verwaltungsverantwortung" zu, auf die sich entsprechend Art. 104 a Abs. 2 GG die Tragung der Zweckausgaben gründen müßte23. Für eine Vergleichbarkeit von Aufgaben, die in Bundesauftragsverwaltung erledigt werden und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung spricht, daß die Ausführung der Bundesgesetze nach Art. 85 GG aus der kommunalen Aufgabenebene heraus entwickelt worden ist. Die Struktur der kommunalen Fremdverwaltungsangelegenheiten ist Art. 85 GG zugrundegelegt worden. Es wurde abgestellt auf das Verhältnis „Selbstverwaltung - Fremdverwaltung" 24. Diese These wird untermauert, wenn man den Einflußgehalt der Körperschaften auf die Aufgabenwahrnehmung, also die Weisungsgebundenheit der Aufgabenerfüllung, in den Vordergrund stellt. Dabei wird deutlich, daß die Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 85 GG mit dem Weisungsrecht der Länder parallel laufen. Auf den umstrittenen 25 Rechtscharakter der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach 21
Wegen des ständigen wachsenden Umfangs der Verwaltungsausgaben wird teilweise gefordert, das Land müsse sich eine „gewisse Mitfinanzierung" auferlegen: v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 278. 22
Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 149; Waechter, VerwArchiv 1994, 208,224. 23
Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973, 977 f.; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 115 ff., 149; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 151; v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 690; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 739; Görg, DÖV 1955, 273, 277 spricht von staatlichen Einflußrechten; Kirchhof, R., VR 1977, 369, 371 spricht von der Normverantwortung des Staates, der durch die Gesetzgebung den Aufgabenbereich bestimmt und der Durchfuhrungsverantwortung der Kommunen; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 98; vergleiche auch die Abstimmung auf dem 53. Deutschen Juristentag, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band Π (Sitzungsberichte) Teil N, 1980, S. Ν 231: „Die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften ist zu stärken, insbesondere durch (...) volle Erstattung der Zweckkosten für die Wahrnehmung von Fremdverwaltungsaufgaben."; vergleiche bei Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1993, 543, 544 zum Ergebnis der Expertentagung der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 22.23.10.1992 in Potsdam; kritisch allerdings: Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995 § 3 Anm. 3.1. 24
BGHZ 16, 95, 99 f.; Broß, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 85, Rn. 1; Görg, DÖV 1961, 41, 41; 1955, 273, 276; kritisch Patzig, DÖV 1985,645,649. 25 Vergleiche jeweils mit weiteren Nachweisen die Überblicke bei: Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung, Juli 1995 § 3 Anm. 5; Rau-
C. Landes verfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
191
Weisung kommt es daher nicht an. Für die Verwaltungskosten müßte das oben Gesagte gelten26. Leiten die Länder den Vollzug von Bundesgesetzen, der ihnen nach Art. 83, 84 GG als eigene Angelegenheit obliegt, auf die Kommunen über, müßte es für die Kostentragungspflicht darauf ankommen, welcher Aufgabenkategorie der Vollzug zuzuordnen ist. Für die Verteilung der Finanzierungspflicht bei der Bundesauftragsverwaltung müßte folgendes gelten: Zwischen der Bundesebene und den Kommunen bestehen finanzverfassungsrechtlich keine regelmäßigen direkten Beziehungen. Die grundgesetzlich statuierte Finanzverantwortung des Bundes gegenüber den Ländern bleibt unabhängig davon bestehen, ob die Durchführung von den Ländern selbst oder für diese durch entsprechende Einschaltnormen von den Kommunen erfolgt. Werden die Aufgaben von den kommunalen Gebietskörperschaften vollzogen, so hätte, unabhängig davon, ob die Kommunen bereits bundesgesetzlich oder erst durch das Land als Vollzugsebene bestimmt wurden, ein interner finanzieller Ausgleich zwischen Land und Kommunen zu erfolgen. Das ist zwar nicht ausdrücklich positiviert, jedoch der Zweckbestimmung der den Ländern überlassenen Mittel abzuleiten27. Für die Verwaltungskosten müßte es bei der Regelung in Art. 104 a Abs. 5 GG verbleiben. Folglich müßten die kommunalen Körperschaften die entstehenden Verwaltungsausgaben selbst tragen 28. Die Länder wären diesbezüglich zur allgemeinen Prüfüng der Finanzausstattung ihrer Kommunen verpflichtet 29 . Bei der Zuordnung der übertragenen Aufgaben kommt es auf deren materiellen Gehalt und nicht auf die formelle Handhabung an. Das Land kann sich der verfassungsrechtlich festgelegten Kostendeckungspflicht nicht dadurch
ball, in: Rauball/Pappermann/Roters, Gemeindeordnung, 1981 § 3, Rn. 3; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. IV. 26
Die Kostentragungspflicht der Kommunen für die bei der Fremdverwaltung entstehenden Verwaltungskosten im Sinne von Art. 104 a Abs. 5 GG ist in verschiedenen Kommunalgesetzen der Länder positiviert. 27
Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 35; Vogel!Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 75; Schmidt-Jortzig/Makswit, JUS 1980, 641, 643; Makswit, DVB1. 1981, 225, 226; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 109; Makswit, DVB1. 1984, 1044, 1046; insoweit zustimmend Patzig, DÖV 1985, 645, 649, der allerdings kritisiert, daß Makswit die Geltung des Art. 104 a Abs. 2 GG für das Verhältnis Land-Kommunen als herrschende Meinung bezeichnet. 28 29
OVGNW, DÖV 1992, 1066, 1067.
Sturm, DÖV 1966, 256, 268; Schmidt-Jortzig/Makswit, JUS 1980, 641, 642; Makswit, DVB1. 1981, 225, 226; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 109.
192
6. Teil: Finanzierungsverantwortg nach den Verfassungen der Länder
entziehen, daß es den Kommunen eine staatliche Angelegenheit als Selbstverwaltungsangelegenheit zuweist30. Wegen der Zweistufigkeit der Finanzverfassung kann es in keinem Fall zu unmittelbaren Zahlungen des Bundes an die Kommunen für deren Erfüllung kostenträchtiger Verwaltungsaufgaben kommen31. Sind den Kommunen Zweckausgaben durch das Land zu erstatten, ist eine volle Kostenübernahme durch entsprechende Zuweisungen zwingend. Es ist ein separater Ausgleichsansatz erforderlich. Unzulässig wäre es, die Mittel nur pauschal zur Verfügung zu stellen32. Die landesverfassungsrechtlichen Normen der Einzelkostenabrechnung sollen im folgenden auf die Richtigkeit der beiden dargestellten Thesen untersucht werden.
1. Für welche von den Gemeinden wahrzunehmenden Aufgaben gelten die landesverfassungsrechtlichen Normen? Die Terminologie in den Bundesländern ist unterschiedlich. Zu berücksichtigen ist, daß Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen dem dualistischen kommunalen Aufgabenmodell folgen, während die Regelungen in Baden-Württemberg 33, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein auf dem monistischen
30
Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 150 f.; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 100 f.; Schoch, der landkreis1994,253, 256, Maurer, DVB1. 1995, 1037, 1046. 31 Kühn, BWVB1. 1956, 180, 183; Grawert, VVDStRL, Band 36 (1978), S. 277, 302; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 105 ff., 126 f., die allerdings zu dem Ergebnis kommen, daß sich die Kommunen gegen die Aufgabenzuweisung durch den Bund wegen Verstosses gegen Art. 84 Abs. 1 GG häufiger (erfolgreich) wehren müßten, so daß es zu der Frage einer Liquidation nicht mehr käme; vergleiche Henneke, der landkreis 1995, 127, 129. 32
Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 173 ff.; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 104; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 277; anders noch: v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 56. 33 Während die VerfBW noch vom Aufgabendualismus ausgeht, ist nach der GO BW nur ein einheitlicher kommunaler Aufgabenbereich vorgesehen; vergleiche: Maurer, in: Maurer/Hendler, Baden-Württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 195 ff; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 71, Rn. 48.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
193
Aufgabenmodell des Weinheimer-Entwurfs einer Gemeindeordnung 34 beruhen35. In den Normierungen der erstgenannten Länder wird von „staatlichen Aufgaben (zur Erfüllung nach (An-)Weisung)" oder „Aufgaben der Landesverwaltung" gesprochen. Insofern betrifft die Deckungspflicht nur die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises (Fremdverwaltungsaufgaben) 36. Die Regelung in Thüringen ist wegen der Bezugnahme auf Art. 91 Abs. 3 VerfThür auf staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung beschränkt 37. Lediglich die Regelung in Sachsen-Anhalt bezieht die Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung mit ein 38 . In den Ländern mit monistischer Aufgabenstruktur wird nicht unterschieden zwischen staatlichen und gemeindlichen Aufgaben. Insofern wird durchgängig nur von „(bestimmten) (öffentlichen) Aufgaben" gesprochen. Eindeutig ist die Normierung in Brandenburg, weil dort von „Angelegenheiten des Lan-
34 Hierbei handelt es sich um den Entwurf einer neuen Gemeindeordnung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland, der von den Landesinnenministern und den kommunalen Spitzenverbänden am 02./03.07.1948 in Weinheim erarbeitet wurde; abgedruckt bei Markull, Gemeindeordnung, 1950, S. 163 ff. 35
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1994, § 23, Rn. 16.
36
In der niedersächsischen Verfassung ist ausdrücklich die Rede von „staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach Anweisung"; insofern ist es unzutreffend, wenn Neumann, Die vorläufige Niedersächsische Verfassung, 1987, Art. 44, Rn. 14 undifferenziert von „Pflichtaufgaben" spricht; Henneke, NdsVBl. 1994, 49, 51 („Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises"); vergleiche auch Ipsen, in: Niedersächsischer Städtetag, Schriftenreihe, Heft 24 (1994), S. 9; für Bayern: Sattler, in: Peters, HdKWP, Bandm, 1959, S. 1, 29; Petz, BayVBl. 1989, 353, 353, 358; Papier, BayVBl. 1994, 737, 740; Schweiger, in: Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Loseblattsammlung, Stand Mai 1992, Art. 83, Rn. 7; Nürnberger/Schmitz, BayVBl. 1993, 295, 298; BayVerfGHE 12, 48, 56; Paptistella, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung A 3 Bay, Bearbeitung, Feb. 1995, S. 110; für Mecklenburg-Vorpommern: Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72, Rn. 8; vergleiche allgemein: Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 149 ff. 37
Schoch/Wieland,
38
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 164.
Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 1994, Art. 87, Rn. 3,Mahnke, Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 1993, Art. 87, Rn. 9, 10. 13 Trapp
194
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
des" die Rede ist 39 . Für Schleswig-Holstein ergibt sich die Reduzierung auf „Landesaufgaben" aus Art. 46 Abs. 4 VerfSH 40 . Für die anderen Länder wird die Anwendung der Kostentragungsnormen für Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten verschiedentlich ausgeschlossen41. Bei den Auftragsangelegenheiten übernähmen die Gemeinden als Durchführende auftragsweise eine Verwaltungsaufgabe, die der Gesetzgeber der staatlichen Exekutive gestellt habe. Eine solche Übernahme von einem Dritten fände bei den Pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht statt42. Im übrigen könnten den Gemeinden keine Aufgaben übertragen werden, die ihnen schon anderweitig zukämen43. Letztlich würden die Länderverfassungen durchaus differenzieren zwischen eigenen und übertragenen Angelegenheiten der Gemeinden44. Zu berücksichtigen ist aber, daß die kommunale Aufgabenstruktur monistisch angelegt ist 43 . Sowohl Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten als auch Auftragsangelegenheiten gehen auf staatliche Gesetze zurück 46 . Deshalb begründe es keinen Unterschied, ob die übertragenen Aufgaben solche der Selbstverwaltung oder der staatlichen Auftragsverwaltung (Fremdverwaltung) sind 47 . Der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen 48 hat darüber hinaus darauf abgestellt, daß es vom Ergebnis her keinen Unterschied mache, ob die zusätzlich von der Gemeinde wahrzunehmenden Aufgaben unmittelbar vom Ge39 Jahn, U., in: Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, 1994, § 16, Rn. 41; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 172 f. 40
Barschel/Gehel, Landessatzung für Schleswig-Holstein, 1976, Art. 42 Anm. Π 1 a unter Verweis auf Art. 39 Abs. 4 Landessatzung SH. 41
Kunzmann/Haas/Baumann-Hasske/Bartlitz, Verfassung des Freistaates Sachsen, 1993, Art. 85, Rn. 1; Sattler, in: Peters, HdkWP, Bandm, 1959, S. 29 (für BadenWürttemberg). 42
Berkenhoff,
Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 30, 31.
43
Göbel, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1953, S. 82 im Hinblick auf die Zuweisung nach Art. 71 Abs. 2 VerfBW. 44 Maurer, in: Maurer/Hendler, Baden-Württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 195 zu Art. 71 Abs. 1, 2 VerfBW einerseits und Art. 71 Abs. 3 VerfBW andererseits. 43
Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 129; Schuler, BWVP 1981, 37, 40. 46
Berkenhoff,
47
Vogels, Verfassung, 1951, Art. 78 Anm. 4.
48
VerfGH NW, DVB1. 1985,685,686.
Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 30.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
195
setzgeber zugewiesen werden oder von der staatlichen Exekutive übertragen werden. Auch wenn den Kommunen weisungsfreie Pflichtaufgaben auferlegt würden, könne sich eine Gefahrdung der kommunalen Selbstverwaltung dadurch ergeben, daß gemeindliche Mittel gebunden würden, die für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden nicht mehr zur Verfügung stünden. Insofern spreche der Zweck des Art. 78 Abs. 3 VerfNW für eine Einbeziehung der weisungsfreien Pflichtaufgaben. Auch die Gesetzessystematik lege diese Interpretation nahe, weil die Aufspaltung in weisungsfreie und weisungsgebundene Aufgaben erst in Art. 78 Abs. 4 VerfNW erfolge, der Landesverfassungsgeber in Art. 78 Abs. 3 VerfNW also bewußt nicht differenziert habe. Dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen wird in der Literatur gefolgt 49. Auch v. Mutius/Henneke50 stimmen ihm in ihrer Urteilsanmerkung insoweit zu, als Art. 78 Abs. 3 VerfNW vom Wortlaut her nicht unterscheidet. In der Übertragung von Pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten liege das gleiche Gefahrdungspotential für die kommunale Selbstverwaltung wie bei der Auferlegung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung beziehungsweise Aufiragsangelegenheiten.
2. Ist der Landesgesetzgeber verpflichtet, Kostentragungsregelung zu treffen?
eine
Fraglich ist, ob den Landesgesetzgeber aus den zitierten Normen die Pflicht trifft, die Kostenfrage irgendwie zu regeln oder ob er die Finanzierungsseite bei der Aufgabenübertragung gänzlich unberücksichtigt lassen kann. Es geht
49
Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 3 Anm. 3.1; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 162, 166; Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 152; Spreng/BirniFeuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Kommentar, 1954, Art. 71 Anm. 4 (S. 250); Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes BadenWürttemberg, 1984, Art. 71, Rn. A%\Ade, BWVP 1987, 175, 176 unter Verweis auf die baden-württembergische Gemeindeordnung; Kühn, BWVB1. 1956, 180, 181 mit dem Hinweis darauf, daß der Verfassungsgeber die ursprüngliche Fassung („staatliche Aufgaben") bewußt durch die jetzige Formulierung („öffentliche Aufgaben") ersetzt habe. 30
v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 689; wenn v. Mutius/Henneke, verschiedentlich als Vertreter der Ansicht zitiert werden, nach der Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht vom Tatbestand der landesverfassungsrechtlichen Normen erfaßt werden, wird verkannt, daß sie erst auf der Rechtsfolgenseite unter Heranziehung des Konnexitätsprinzips aus Art. 104 a GG für die beiden Aufgabengruppen zu unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Verpflichtung des Landes zur Kostendeckung kommen.
196
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
also um die Frage nach dem „Ob" einer Kostenregelung. Diese ist nicht zu verwechseln mit der Frage nach dem Inhalt der (zwingend zu treffenden) Kostenregelung. Auch der Verweis auf die kommunale Selbstfinanzierungspflicht wäre eine Kostenregelung 51. Die Frage nach der inhaltlichen Zulässigkeit, wird erst später geklärt. Zunächst geht es darum, ob der Gesetzgeber die Finanzierungsseite unberücksichtigt lassen kann. Letzteres wird teilweise mit der Begründung bejaht, daß auch die entsprechenden Normen des Reichsfinanzausgleichsgesetzes nur eine Prüfungspflicht durch den Gesetzgeber vorsahen, ihn aber nicht verpflichteten, eine konkrete Regelung zu treffen. Sinn der Vorschriften sei, die Pflicht aufzuerlegen, zu prüfen, ob die Körperschaft die neuen Aufgaben aus ihren bisherigen Einnahmequellen abdecken könne oder ob ihr neue Deckungsmittel zuzuführen seien. Da die Normen der Länderverfassungen nicht über die Bestimmungen des Reichsfinanzausgleichsgesetzes hinausgingen, sondern nur deren Regelungsgehalt aufgenommen hätten, bestehe nur die Notwendigkeit, die finanziellen Folgen einer gesetzgeberischen Maßnahme zu berücksichtigen 52. Gegen diese Interpretation spricht der Schutzzweck der Kostenerstattungsnormen. Müßte der Landesgesetzgeber die entstehenden Kosten nur bedenken, nicht aber konkret benennen, woher die Finanzierungsmittel kommen sollen, wäre die Gefahr einer Überbeanspruchung der Kommunen und ein Unterschätzen der Kosten durch den Gesetzgeber zu groß. Zu fordern ist deshalb eine konkrete Kostenregelung. Den Landesgesetzgeber trifft nicht eine bloße Prüfungsverpflichtung, sondern die Pflicht zur Sachregelung. Die Aufgabenübertragung setzt eine Kostentragungsregelung zwingend voraus 53.
51
Anders: Rehn/Crortauge,
Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V 1.
52
So für die nordrhein-westfälische Regelung: OVG NW, DVB1. 1980, 763, 764; Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1964, S. 33 f.; v. Muti us, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 56 (vergleiche aber auch, S. E 124); Augustin, DÖV 1949, 94 (Pflicht zur Lastenregelung und Lastenerstattung entsteht erst, wenn „das Faß zum Überlaufen kommt"), Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 216; der vom OVG NW zitierte VerfGH RhPf (DVB1. 1978, 802, 803) äußert sich allerdings nicht in diese Richtung, würde im übrigen aber auch keine Rückschlüsse auf die anders gelagerte Regelung in NordrheinWestfalen zulassen. 53
Wiederum in erster Linie für die nordrhein-westfälische Regelung: VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 685 f.; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V 1; VG Düsseldorf, NVwZ 1985, 859, 860; VG Köln, DÖV 1986, 346, 346; v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 689; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 273; Henneke, StGR 1984, 254, 255; Körner, Gemeindeordnung, 1990, § 3 Erl. 2; Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 3 Anm. 3.1.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
197
Daß eine irgendwie geartete Kostenregelung zu treffen ist, kann daher nicht in Abrede gestellt werden 54. Diese Verpflichtung besteht unabhängig vom Umfang der durch die Aufgabenübertragung ausgelösten Kosten55.
3. Was bedeutet es, daß die Kostentragungsregelung gleichzeitig zu erfolgen hat? Einige Länderverfassungen verknüpfen die Aufgabenübertragung durch ein zeitliches Element mit der Kostentragungsregelung 56. Bei der Frage nach der Bedeutung einer „gleichzeitigen" Kostentragungsregelung besteht weitgehend Einigkeit, daß diese nicht in einem Akt mit dem die Aufgaben übertragenden Gesetz erfolgen muß. Lediglich vereinzelt wird gefordert, die Mittel dergestalt bereitzustellen, daß die Gemeinden ab Inkrafttreten des aufgabenübertragenden Gesetzes darüber verfugen können57. Die Berücksichtigung bei der Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes führe in den seltensten Fällen zur vollen Kostendeckung bei der einzelnen Gemeinde, weil der Ausgleich in der Regel pauschal durch Erhöhung der Ausgleichsmasse erfolge 58. Da aber weder Form, Methode oder Modalität noch Höhe der Kostenregelung vorgeschrieben sind, wird der Verweis auf das dem aufgabenübertragenden Gesetz folgenden Finanzausgleichsgesetz beziehungsweise Gemeindefinanzierungsgesetz überwiegend für zulässig erachtet 59. Die Zwischenfinanzie-
54
v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 98; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 170. 55
VG Düsseldorf, NVwZ 1985, 859, 861; Anonym, DÖV 1949, 38.
56
Das Wort „gleichzeitig" wird verwandt in: Art. 83 Abs. 3 VerfBay, Art. 97 Abs. 3 S. 1 VerfBbg, Art. 72 Abs. 3 VerfMV, Art. 57 Abs. 4 VerfNds, Art. 78 Abs. 3 VerfNW, Art. 87 Abs. 3 VerfLSA; wohl gleichbedeutend wird die Formulierung „dabei" benutzt in: Art. 71 Abs. 3 VerfBW und Art. 85 Abs. 1 S. 3 VerfSächs; eine zeitliche Verknüpfung fehlt in den Verfassungen der Länder Saarland, SchleswigHolstein und Thüringen. 57
Vogels, Verfassung, 1951, Art. 78 Anm. 4; streng auch: Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 1994, Art. 87, Rn. 4. 58
Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Kommentar, 1987, Art. 71, Rn. 13; vergleiche auch Ade, BWVP 1987, 175, 179 f.; die separate Abrechnung in Form eines Fremdverwaltungs-Finanzausgleichs sei für den Zahlungsempfänger quantitativ günstiger; vergleiche Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973, 978. 59
Für die nordrhein-westfälische Regelung: VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 686; VG Köln, DÖV 1986, 346, 346; Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung
198
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
rungslast der Kommunen für den Zeitraum vom aufgabenübertragenden Gesetz bis zum nächsten Finanzausgleichsgesetz sei unbedenklich60. Keine Einigung besteht hinsichtlich des Berücksichtigungsumfanges der einzelnen aufgabenübertragenden Gesetze im Finanzausgleichsgesetz. Das VG Düsseldorf 61 forderte den Gesetzgeber auf, bei einer Pauschalregelung im Finanzausgleichsgesetz bewußt die Frage der Finanzierung neu übertragener Aufgaben einzubeziehen. Nur dann sei der Mindestanforderung genüge getan, in jedem Falle einer Mehrbelastung zu prüfen, ob die Selbstverwaltungkörperschaft die neuen Aufgaben aus ihren bisherigen Einnahmequellen abdecken könne oder ob ihr aus diesem Anlaß neue Deckungsmittel zuzuführen seien. Den Materialien zum Finanzausgleichsgesetz müsse zu entnehmen sein, daß im Gesetzgebungsverfahren die übertragene Aufgabe bezüglich ihrer Finanzierung Berücksichtigung gefunden habe. Der pauschale Verweis, die Kosten für Auftragsangelegenheiten seien bei der Zuweisung allgemeiner Finanzmittel berücksichtigt, bilde keine den landesverfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werdende Kostenregelung. Demgegenüber reicht nach dem VG Köln 6 2 die generelle Bezugnahme aus, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, da auch die Kosten für neu übertragene Aufgaben erfaßt würden. Im übrigen könne davon ausgegangen werden, daß im Rahmen der umfangreichen Analysen der Finanzlage im Vorfeld der Gemeindefinanzierungsgesetze berücksichtigt werde, ob durch größere Aufgabenverlagerungen oder durch eine Vielzahl kleinerer Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995 § 3 Anm. 3.1; Fleck, in: Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78 Anm. 9; Berkenhoff\ Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 32; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 121; Henneke, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Nov. 1994, S. 62; für Mecklenburg-Vorpommern: Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72, Rn. 13; für Niedersachsen: NdsStGH NdsVBl. 1995, 225, 227; Neumann, Die vorläufige Niedersächsische Verfassung, 1987, Art. 44, Rn. 14; Ipsen, in: Niedersächsischer Städtetag, Schriftenreihe, Heft 24 (1994), S. 12; für Sachsen: SächsVerfGH, SächsVBl. 1994, 280, 284; für Baden-Württemberg: Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 61; Ade, BWVP 1987, 175, 177; Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 158. 60
VG Köln, DÖV 1986, 346, 347.
61
VG Düsseldorf, NVwZ 1985, 859, 860; vergleiche auch Erlenkämper, NVwZ 1985, 795, 796; dem VG Düsseldorf haben sich angeschlossen: v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 273 f.; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 98 f.; Henneke, StGR 1984, 254, 255; Schoch!Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 163 f.; ähnlich NdsStGH, NdsVBl. 1995, 225, 228. 62
VG Köln, DÖV 1986, 346, 347.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
199
Aufgabenverlagerungen das Finanzgeftige zwischen dem Land und den kommunalen Körperschaften entscheidend verschoben worden sei. Darauf dürften auch die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie ihre Interessenvertreter im Gesetzgebungsverfahren hinweisen. I m Rahmen des Finanzausgleichs sei eine gesonderte Erfassung der Kosten eines einzelnen, neue Aufgaben übertragenden Gesetzes nicht erforderlich 63. Das OVG NW hat sich der Ansicht des VG Köln angeschlossen: Der Finanzausgleichsgesetzgeber müsse sich die Aufgabenübertragungen und ihre Kosten nicht einzeln vergegenwärtigen. Er müsse nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur darauf achten, daß den Kommunen auch in Anbetracht ihrer Pflichtaufgaben insgesamt noch hinreichende Mittel zur eigenverantwortlichen Verwendung verbleiben. Eine pauschale Regelung sei zulässig64. Das Merkmal der Gleichzeitigkeit ist daher nicht so zu verstehen, daß die Kostenregelung in der aufgabenübertragenden Norm selbst enthalten sein muß. Vielmehr reicht es aus, wenn zwischen der Aufgabenübertragung und der die Kostentragung regelnden Norm ein zeitlicher Zusammenhang besteht, wenn sie also im folgenden Gemeindefinanzierungsgesetz vorgenommen wird. Um dem Schutzzweck des Art. 78 Abs. 3 VerfNW gerecht zu werden, wird man allerdings fordern müssen, daß der Normgeber dies bei Aufgabenübertragung erklärt 65 .
4. Welchen Inhalt muß die Kostentragungsregelung
haben?
Umstritten ist, ob die landesverfassungsrechtlichen Kostentragungsregelungen eine Deckungspflicht hinsichtlich der durch die übertragenen Aufgaben verursachten Kosten begründen oder lediglich eine Prüfung der angemessenen kommunalen Finanzausstattung verlangen.
63 Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V I ; VG Köln, DÖV 1986, 346, 346. 64 OVG NW, DÖV 1987, 826, 827 f.; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V 1; vergleiche auch VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 686. 65
v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 98 f.; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 273; Korte/Rebe p Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 1986, S. 476 i.\Kuhn, BWVB1. 1956, 180, 182.
200
6. Teil: Finanzieningsverantwortung nach den Verfassungen der Länder a) Vergleich der Formulierungen
Auf der Rechtsfolgenseite der Normen werden unterschiedlich strenge Formulierungen verwandt 66. Bereits durch die unterschiedliche Wortwahl wird klar, daß die Bestimmungen nicht einheitlich interpretiert werden können. Man könnte annehmen, die Länder mit monistischem Aufgabenmodell überlassen auch die Finanzierung von Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises grundsätzlich den Kommunen. Der Einheitlichkeit der von den Kommunen wahrzunehmenden Aufgaben würde eine einheitliche Finanzierungsregelung folgen. Bei den Ländern mit dualistischem Aufgabenmodell sollte man dagegen ein stärkeres Landesengagement bei der Finanzierung der von den Kommunen wahrgenommenen staatlichen Aufgaben erwarten 67. Die Finanzierungsregelungen in den Ländern mit monistischer und in denen mit dualistischer Aufgabenstruktur unterscheiden sich aber nur unwesentlich. Von den dualistisch organisierten Ländern hat lediglich Sachsen-Anhalt eindeutig eine Ausgleichsverpflichtung normiert. Aber auch die Regelungen in den monistisch strukturierten Ländern Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen sehen nicht nur eine Bestimmung über die Deckung der Kosten, sondern die Schaffung eines finanziellen Ausgleichs vor, wenn die Übertragung der Aufgaben zu einer Mehrbelastung auf kommunaler Seite führt 68 . Der Ausgleich sei unabhängig von der Leistungsfähigkeit einer Gemeinde und gehe daher weiter als die allgemeinen Bestimmungen über die Garantie der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden69. Es sei ein Junktim begründet zwischen Aufgabenübertragung und finanziellem Ausgleich 70 . Die Regelungen
66
Weber, Werner, Staats- und Selbstverwaltung, 1967, S. 43.
67
Ähnliche Überlegung bei Henneke, NdsVBl. 1994, 49, 51 und in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfullung, 1995, S. 81, 94 beim Vergleich der nordrhein-westfalischen Regelung unter monistischer Aufgabenstruktur und der niedersächsischen Regelung unter dualistischer Aufgabenstruktur. 68
Von Schoch/Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 161 ff. als „Striktes Konnexitätsprinzip" bezeichnet. 69 Göbel, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1953, Anm. zu Art. 71 Abs. 3 (S. 82). 70 Schuler, BWVP 1981, 37, 39; abgeschwächt und mit dem - richtigen - Hinweis darauf, daß die Verletzung der Pflicht nicht zur Nichtigkeit der Aufgabenübertragung fuhrt, da die Kostendeckung nicht zwingend im die Aufgaben übertragenden Gesetz erfolgen muß: Ade, BWVP 1987, 175, 177; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 71, Rn. 63; VG Schleswig, in: Kottenberg/Steffens, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht §§ 3, 39 Abs. 2 GO NW, Nr. 15, S. 80; Barschel/Gebel, Landessatzung für Schleswig-Holstein, 1976,
C. Landes verfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
201
entsprächen damit dem Grundsatz, daß die Kostentragungspflicht den trifft, der Ausgaben veranlaßt hat. Das Land werde als Ausgabenveranlasser in Anspruch genommen71. Der finanzielle Ausgleich richte sich nach entstehenden Mehrbelastungen, erfordere volle Kostendeckung. Er umfasse sowohl die Sach- als auch die Verwaltungskosten 72. Sowohl die bayerische, die saarländische als auch die schleswigholsteinische Regelung deuten auf eine Pflicht des Landes zur Kostenbeteiligung beziehungsweise Kostenübernahme. Da aber insgesamt von einer aufgabengerechten Finanzausstattung gesprochen wird, kann nur der Verweis auf die allgemeine Garantenstellung des Landes gesehen werden 73. Neutral formuliert sind die Regelungen in den Verfassungen der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NordrheinWestfalen 74. Dieser Vergleich zeigt, daß keine einheitlichen Anforderungen an die Kostentragung durch das Land bei Aufgabenübertragungen gestellt werden können. Aufgrund der Unterschiede ist auf die drei skizzierten Gruppen separat einzugehen75.
Art. 42, Anm. Π 2 a; ähnlich: Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 158 („kein striktes Junktim"). 71
Schuler, BWVP 1981, 37, 39; Körte, VerwArch, Band 61 (1970), S. 3, 33; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 67; Ade, BWVP 1987, 175, 176. 72
Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 65; Schuler, BWVP 1981, 37, 40; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 163. 73
Henneke, der landkreisl995, 127, 131; Restriktiv zu Art. 42 Abs. 2 Landessatzung SH a.F. VG Schleswig, in: Kottenberg/Steffens, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht §§ 3, 39 Abs. 2 GO NW Nr. 15, S. 75 ff ; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 174 f. 74
Deshalb von Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 165 ff. als „Relatives Konnexitätsprinzip" bezeichnet. 75
Ebenso Schoch/Wieland,
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 160 f.
202
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
b) Gruppenuntersuchung aa) Regelung in Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Die Kommentierungen zu den Normen in Sachsen76, Sachsen-Anhalt77 und Thüringen 78 sind noch wenig ausführlich. Die Verfassungsinterpretation in den neuen Bundesländern ist vor dem Hintergrund des Streits um die Auslegung der entsprechenden Verfassungsnormen der Altbundesländer vorzunehmen. Die Verfassungsgeber in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben es nicht bei dem Satz belassen, es sei eine Regelung über die Deckung der Kosten zu treffen, sondern ausdrücklich in einem ergänzenden Satz die Verpflichtung zu einem finanziellen beziehungsweise angemessenen Ausgleich normiert 79 . Damit haben sie sich bewußt über die Regelungen in den meisten Altbundesländern hinweggesetzt. Die Auslegung zu diesen Normen kann deshalb nicht auf die neuen Verfassungen übertragen werden 80. Ergänzend kann nur auf die baden-württembergische Regelung zurückgegriffen werden. Die Verfassung von Baden-Württemberg sieht als einzige der Altbundesländer eine Ausgleichspflicht für Mehrbelastungen aufgrund von Aufgabenübertragungen vor. Nahezu übereinstimmend wird sie als Kostendeckungsgarantie interpretiert 81. Lediglich Zimmermann 82 ist der Ansicht,
76 Kunzmann/Haas/Baumann-Hasske/Bartlitz, Verfassung des Freistaates Sachsen, 1993, Art. 85, Rn. 4; Müller, Verfassung des Freistaats Sachsen, 1993, Anm. zu Art. 85; zu den Ungereimtheiten der Entscheidung des SächsVerfGH, SächsVBl. 1994, 280,284 vergleiche Schoch/Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 164 f. 77
Mahnke, Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 1993, Art. 87, Rn. 9 ff; Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 1994, Art. 87, Rn. 3 ff. 78
L in ck/Ju tzi /Hoppe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 1994, Art. 93,
Rn. 5. 79
Nach Danwitz, SächsVBl. 1994, 150, 155 trotzdem nur eine „gestaltungsbedürftige Direktive an den Gesetzgeber", der allerdings bei der Interpretation auf Entscheidungen von Verfassungsgerichtshöfen solcher Länder zurückgreift, die eine gesonderte Ausgleichspflicht nicht normiert haben. 80 81
Ähnlich Henneke, LKV 1993, 365, 367 zu Art. 87 Abs. 3 VerfLSA.
Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Kommentar, 1954, Anm. 4 (S. 250); Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg Kommentar, 1987, Art. 71, Rn. 13; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 56; Göbel, Die Verfassung des Landes BadenWürttemberg, 1953, Anm. zu Art. 71 Abs. 3 (S. 82); Maurer, in: Henneke/Maurer/ Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 157 ff; Schuler, BWVP 1981, 37,
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
203
auch bei Art. 71 Abs. 3 S. 3 VerfBW sei wegen des Kontexts von bundesstaatlichem und kommunalem Finanzausgleich ein Verweis auf die allgemeinen Deckungsmittel aus dem Finanzausgleich zulässig.
bb) Regelung in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen (1) Finanzpolitische Richtlinie Es wird vertreten, die entsprechenden Normen seien eine Verfassungsdirektive zugunsten der kommunalen Selbstverwaltung 83, würden zwar eine Vergegenwärtigungspflicht hinsichtlich der Kosten begründen 84, letztlich aber nur eine finanzpolitische Richtlinie darstellen 85. Entsprechend sei der Gesetzgeber nur verpflichtet, die entstehenden Mehrkosten zu berücksichtigen. Berücksichtigen bedeute nicht die Pflicht zur Erstattung der Mehrkosten durch das Land. Seien die Gemeinden finanziell leistungsfähig genug, könne die gesetzliche Regelung zur Aufbringung der erforderlichen Mittel durch die Gemeinden selbst fuhren. Die Länder könnten bei der Überlegung, ob die Finanzkraft der Gemeinden für die Erledigung der neuen Aufgaben ausreiche, zur Ansicht gelangen, bisherige Einnahmen der Gemeinden seien nicht aufzustocken 86. Ein 38 ff; Ade, BWVP 1987, 175, 176 ff.; Kühn, BWVB1. 1956, 180, 181, 182; Schoch! Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 164. 82
Zimmermann, F., in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung Feb. 1991, S. 19. 83 VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 685; VerfGH NW, DVB1. 1993, 197, 199; Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 3, Anm. 3.1; Neumann, Die vorläufige Niedersächsische Verfassung, 1987, Art. 44, Rn. 14. 84
Faber, in: Faber/Schneider, Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 243 („Erinnerungs- und Warnfunktion"); vergleiche die Darstellung bei: v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 99; v. Mutius/Henneke, AfK 1985,261,274. 83 OVG NW, DVB1. 1980, 763, 764; ähnlich: VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 686; VG Köln, DÖV 1986, 346, 346; vergleiche auch: Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1964, S. 33 f.; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3, Anm. V 1; Brinkmeier, Kommunale Finanzwirtschaft, 1990, S. 100 f. 86 Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 3, Anm. 3.1; Oerter, StGR 1983, 179, 181 (= VR 1983, 197, 199) (dort als h. M. in Rechtsprechung und Literatur aufgeführt); Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72, Rn. 14, wonach trotzdem nicht nur von einer finanzpolitischen Richtlinie auszugehen sei; Zimmermann,
204
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
Junktim im Sinne einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung der gesonderten und vollen Kostendeckung sei in den Länderverfassungen nicht enthalten 87 . Aus dem Wortlaut könne nicht hergeleitet werden, daß jede Mehrbelastung vom Land in einem besonderen Fremdverwaltungs-Finanzausgleich zu erstatten sei88. Auch sei dem Wortlaut nicht zu entnehmen, daß zum Ausgleich von Mehrbelastungen neue Finanzmittel zu erschließen seien. Im Gegenteil: Wegen der zurückhaltenden Formulierung seien die Normen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eher als die Kostenregelungen in anderen Länderverfassungen als finanzpolitische Richtlinie zu verstehen. Ein die Verpflichtung des Landes konkretisierender Satz, wie ζ. B. Satz 3 in Baden-Württemberg, dessen Art. 71 Abs. 3 VerfBW in Satz 1 und 2 nahezu wortgleich mit Art. 78 Abs. 3 VerfNW sei, fehle. Deshalb könne zur Abgeltung auf den allgemeinen Finanzausgleich verwiesen werden 89. Die Kommunen seien daher rechtlich nicht vor der Übertragung kostenträchtige Aufgaben geschützt90. Auch die vergleichbaren Normen des Reichsfinanzausgleichsgesetzes 91 hätten nur eine Prüflings- und keine Ausgleichspflicht vorgesehen. Über sie haF., System kommunaler Einnahmen, 1988, S. 47; Zimmermann, F., in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, E 1, Bearbeitung 1991, S. 18 f.; KirchhoflKehler, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 2 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 2, Anm. 11.1; vergleiche aber auch Anm. 11.2. 87
OVG NW, DVB1. 1980, 763, 764; Körner, Gemeindeordnung, 1990, § 3 Erl. 2; v. Zezschwitz, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137 Nov. 1984 Erl. Π 2. 88 Birk/Inhester, DVB1. 1993, 1281, 1282; anderer Ansicht: Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 81, 98 („pauschalierter Sonderbedarfsausgleich"). 89
Korte/Rebe, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 1986, S. 475 f. unter Verweis auf NdsStGH NdsMBl. 1980, 1025, 1032 und NdsStGH NdsMBl. 1985, 376, 378; Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1964, S. 33 f.; Jahn, U., in: Simon/Frank/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, 1994, § 16, Rn. 41; Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-^Vorpommern, 1995, Art. 72, Rn. 14. 90
BVerfG, NVwZ 1987, 123, 123 (= BayVBl. 1987, 556, 557); NdsOVG, NdsVBl. 1994, 18, 19; Schoch!Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 18, 19, weitere Nachweise auf S. 92 in Fn. 310. 91 §52 LSteuerG i.d.F. v. 30.03.1920, RGBl. I, S. 413 ff; §59 RFAG i.d.F. v. 23.06.1923, RGBl. I, S. 494 ff; § 54 RFAG i.d.F. v. 27.04.1926, RGBl. I, S. 203 ff.: „Das Reich darf den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) neue Aufgaben nur zuweisen, wenn es gleichzeitig für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel Sorge trägt." § 54 RFAG 1938 (vgl. Art. 1 § 1 Ziff. 10 des 3. Gesetzes zur Änderung des RFAG v. 31.07.1939): „Werden den Ländern und den Gemeinden (und Gemeindeverbänden) neue Pflichten auferlegt oder bestehende Pflichten erweitert, durch die ih-
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
205
ben die Verfassungsgeber nicht hinausgehen wollen 92 . Dagegen ist einzuwenden, daß die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen rechtlich und historisch in einem anderen Kontext stehen. Ferner sind für die historische Interpretation die Beweggründe des Verfassungsgesetzgebers vorrangig. Im übrigen entspricht es dem auf Normativität angelegten Charakter der Länderverfassungen, keine Programmsätze, sondern verbindliche Rechtssätze festzulegen . Auch der Verweis darauf, daß die Normen gerade offen ließen, wie die Kostenregelung zu treffen sei94, überzeugt nicht. Es sind verschiedene Varianten denkbar, um die Aufgabenübertragung für die Kommunen kostenneutral zu gestalten95. Daß sie nicht aufgezählt wurden, kann den Verfassungen nicht vorgeworfen werden.
(2) Deckungspflicht Die Gegenansicht sieht in Art. 97 Abs. 3 S. 1 VerfBbg, Art. 72 Abs. 3 VerfMV, Art. 57 Abs. 4 VerfNds und Art. 78 Abs. 3 VerfNW eine staatliche Finanzierungspflicht 96 begründet. Normiert sei ein Deckungszwang97. Das nen neue Lasten entstehen, so ist gleichzeitig für die Bereitstellung der Mittel Sorge zu tragen." vergleiche zu dieser Argumentation Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 122. 92
Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1964, S. 33 f.; OVG NW, DVB1. 1980, 763, 764; Augustin, DÖV 1949, 94; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 216. 93
Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 148 f.; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 62 trotz Rn. 57; Schuler, BWVP 1981, 37, 39 mit Hinweis auf die Motive der Mitglieder des Verfassungsausschusses; vergleiche insoweit Gönnenwein, in: Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Quellen zur Verfassung, 3. Teil, 1989, S. 357 ff. 94 Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1990, § 3 Anm. V 1; VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 686; VG Köln, DÖV 1986, 346, 346. 95 Kühn, BWVB1. 1956, 180, 182; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 64; Schuler, BWVP 1981, 37, 40; Ade, BWVP 1987, 175, 179 f. 96
Stuer, StGR 1985, 276, 277; es bleibt unklar, was gemeint ist, wenn v. Mutius von einer „gewissen Mitfinanzierungspflicht" spricht; vergleiche: v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten), Teil E, 1980, S. E 56; ν. Mutius, StGR 1981, 161, 163. 97 Fleck, in: Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes NordrheinWestfalen, 1963, Art. 78 Anm. 9; Weber, Werner, Staats- und Selbstverwaltung, 1967, S. 46; sehr weitgehend für Brandenburg: Nierhaus, LKV 1995, 5, 6.
206
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
Land habe die erforderlichen Mittel bereitzustellen 98. Die Einhaltung dieser Garantie wird wiederholt angemahnt99. Soweit die Gemeindehaushalte mit Auftragsangelegenheiten beziehungsweise Pflichtaufgaben betraut seien, könnten sie vom Staat spezielle Deckungsvorsorge fordern 100 . Teilweise wird ausdrücklich darauf hingewiesen, die Normen stellten ein Junktim her zwischen Aufgabenübertragung und Kostenerstattung beziehungsweise folgten dem verfassungsrechtlichen Prinzip, daß die Ausgabenverantwortung den treffe, der die Ausgaben veranlasse 101. Der Regelungsgehalt erschöpfe sich nicht darin, daß sich der Gesetzgeber über Mehrbelastungen durch Aufgabenübertragungen zwar Gedanken machen müsse, daraus aber im Regelfall keine Konsequenzen zu ziehen gehalten sei102. Es sei falsch, daß die Judikatur selektiv nur danach frage, ob nach Auferlegung beziehungsweise Ausweitung einer Pflichtaufgabe, die zu einer Bindung bislang frei verfügbarer Mittel führe, das Gesamtvolumen der Finanzausstattung für eine generelle Erfüllung der kommunalen Aufgaben noch ausreiche. Die Summe staatlicher Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung gerate dabei niemals in den Blick 103 . Die Artikel der Länderverfassungen normierten ein den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum einschränkendes, subjektivöffentliches Recht im Sinne eines Anspruchs der einzelnen Kommune gegen das Land auf Kostenerstattung und würden nicht abstellen auf die angemessene Finanzausstattung der Kommunen insgesamt104. Die Rechtsprechung habe zu einer interpretatorischen Aushebelung der Verfassung geführt 105.
98 Vogels, Verfassung, 1951, Art. 78 Anm. 4; Kleinrahm, in: Loschelder/Salzwedel, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 1964, S. 49, 87. 99 Schmidt-Jortzig, 1982, Rn. 563. 100
DÖV 1978, 705, 712, 713; Schmidt-Jortzig,
Kommunalrecht,
Grawert, VVDStRL, Band 36 (1978), S. 277, 296.
101
Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 102 Fn. 104; Makswit, DVB1. 1981, 225, 226; Makswit, DVB1. 1984, 1044, 1048; Pagenkopf, Finanzausgleich, 1981, S. 53 Fn. 35; Schoch/Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 90; Ipsen, in: Niedersächsischer Städtetag, Schriftenreihe, Heft 24 (1994), S. 12. 102 v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 101; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 275. 103 104
Schoch!Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 44 f.
v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 690; v. Mutius/Henneke, nanzausstattung, 1985, S. 101; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 275. 105
Kommunale Fi-
Schoch/Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 165 ff., 168, 170; Henneke, DÖV 1994, 1, 3 f.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973, 978 („indolente höchstrichterliche Rechtsprechung"); Schoch, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, 9, 15 („sinnwidrige Entleerung der landes verfassungsrechtlichen kom-
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
207
Begründen läßt sich diese Ansicht nicht mit dem Wortlaut 106 . Für die dargestellte Interpretation können nur Sinn und Zweck der Norm sprechen. Dem Schutzcharakter der Norm für die Gemeinden und ihre Selbstverwaltung inklusive der Finanzhoheit widerspricht eine Regelung, die den Gemeinden die Tragung der Kosten aufbürdet 107. Die Finanzhoheit im Sinne einer Ausgabenhoheit auf der Grundlage einer angemessenen Finanzausstattung muß dem Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts zugeordnet und gerecht werden 108. Da die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen ohne Erstattung der zusätzlichen Kosten zwangsläufig zu Lasten der Selbstverwaltungsaufgaben geht, weil sie die finanziellen Mittel mindert, kann sich in Folge der Übertragung eine Aushöhlung der bundesverfassungsrechtlich garantierten finanziellen Basis der Selbstverwaltung ergeben 109. Es muß ausgeschlossen werden, die gemeindlichen Eigenmittel durch Pflichtaufgaben derart in Anspruch zu nehmen, daß für die Finanzierung freiwillig zu erfüllender Aufgaben nicht mehr genug übrig bleibt 110 . Darüber hinaus wird die eigenständige Bedeutung von Art. 97 Abs. 3 S. 1 VerfBbg, Art. 72 Abs. 3 VerfMV, Art. 57 Abs. 4 VerfNds und Art. 78 Abs. 3
munalen Finanzgarantien"); Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 147 f. Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 123, 124 („verhängnisvoller Irrweg der Rechtsprechung"); Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfullung, 1995, S. 81, 92 ff.; Kirchhof.\ F., in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 137 („merkwürdig verwässert"). 106
So aber: v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 99; v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 274; ähnlich Hofmann-Hoeppel, (Finanz-Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 121. 107
v. Mutius/Henneke, AfK 1985, 261, 275; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 101 Sattler, in: Peters, HdKWP, Bandm, 1959, S. 29 f.; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 122 f.; Fleck, in: Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78 Anm. 9; Zuhorn/Hoppe, Gemeindeverfassung, 1962, S. 58 f. 108
Zur Finanzhoheit der Gemeinden vergleiche: BVerfGE 26, 172, 180 ff.; 26, 226, 244; 52, 95, 117; 71, 25, 36 m.w.N; VerfGH RhPf, DVB1. 1978, 802, 802. 109
VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 685; VerfGH NW, DVB1. 1993, 197, m, Henneke, ZG 1994, 212, 235 f.; Witte, der städtetag 1992, 623, 624; Schoch/Wieland, nanzierungsverantwortung, 1995, S. 44 f.
Fi-
110 Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 3 Anm. 3.1; Kleinrahm, in: Loschelder/Salzwedel, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 1964, S. 49, 87; Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 31; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V 1; Ipsen, in: Niedersächsischer Städtetag, Schriftenreihe, Heft 24 (1994), S. 12.
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6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
VerfNW geleugnet, wenn darauf verwiesen wird, die allgemeine Ausstattungsgarantie regele den Finanzausgleich abschließend111. Schmidt-Jortzig formuliert daher 112: Der Staat muß Aufgabenüberbürdungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände kostendeckender und vor allem gesetzestreu abgelten. Der kostenmäßige Ersatz ist deutlicher und ehrlicher zu betreiben. Soweit echte Fremdverwaltungsaufgaben in Rede stehen, ist es inakzeptabel, die verfassungsgesetzliche Deckungsgarantie allgemein in die Richtung einer bloß abwägenden, pauschalierenden Abdeckung zu verstehen, ja teils gar nur als unverbindliche Empfehlung aufzufassen, welcher der Staat bereits dadurch genüge, daß er die betreffende kommunale Mehrbelastung bei seinen finanzpolitischen Erwägungen „berücksichtigt", das heißt lediglich prüft, ob die Selbstverwaltungskörperschaften die neuen Aufgaben noch aus ihren vorhandenen Mitteln abdecken können oder ob ihnen aus diesem Anlaß neue Deckungsmittel zuzuführen seien. Ein Ernstnehmen der Verfassung fordert, daß die reinen Sachkosten voll dem Staate zufallen, das heißt zu erstatten sind. Wo die Verfassung solcher Art eine bestimmte Vollabdeckung verlangt, darf nicht auf Pauschalierungen oder allgemeine Erwägungsdirektiven ausgewichen werden. Gefordert ist ein haushaltsmäßiger separater, rechnerisch genau ermittelter Ausgleich der Zweckkosten.
(3) Deckungspflicht nur fur Ausnahmefälle Zwischen den beiden dargestellten Ansichten wird eine dritte Meinung vertreten. Danach besteht grundsätzlich keine Ausgleichsnotwendigkeit für durch Aufgabenübertragung verursachte Mehrbelastung. Erst wenn „durch die Belastung das Faß zum Überlaufen kommt" 113 , es sich um „aufwendige Maßnahmen" 114 oder um „ins Gewicht fallende Mehrbelastungen" 115 handele, beziehungsweise „wenn das Selbstverwaltungsrecht bereits ausgehöhlt wird" 1 1 6 , er1.1
Ipsen, in: Niedersächsischer Städtetag, Schriftenreihe, Heft 24 (1994), S. 12; Schoch, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 170; beide entgegen Faber, in: Faber/ Schneider, Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 243; vergleiche auch NdsStGH, NdsVBl. 1995, 225, 227, 228, 229. 1.2
Schmidt-Jortzig, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Probleme kommunaler Selbstverwaltung, 1980, S. 9, 47 f.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1981,393,400. 113
Augustin, DÖV 1949, 94.
1.4
Rauball, in: Rauball/Pappermann/Roters, Gemeindeordnung, 1981 § 3, Rn. 2.
1.5
Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995, § 3 Anm. 3.1; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V 2. 116
VerfGH NW, DVB1. 1993, 1205, 1205.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
209
gebe sich unabhängig von der Größe der konkreten Belastung ausnahmsweise eine Deckungspflicht 117 . Auch durch eine Vielzahl minderkostenträchtiger Aufgabenzuweisungen entstehe eine finanzielle Belastung der kommunalen Gebietskörperschaften, und der Selbstverwaltungsspielraum werde gemindert 118 . Bei aufwendigen Maßnahmen sei ein Verweis auf den jährlichen Finanzausgleich unzulässig119. Begründet wird dies damit, daß die Landesnormen wegen der verfassungsrechtlichen Pflicht des gemeindefreundlichen Verhaltens den Interessen der Kommunen gerecht werden müßten120. Der partnerschaftliche Geist verbiete eine die Auslegbarkeit ausnutzende Landesgesetzgebung121. Einen Mißbrauch der staatlichen Gestaltungsfreiheit würde es darstellen, den Kommunen per Gesetz neue, kostenintensive Pflichtaufgaben aufzuerlegen, ohne gleichzeitig für eine proportionale Erhöhung der den Kommunen zur Verfügung stehenden Finanzmasse zu sorgen. Gegen diese Ansicht spricht, daß sie die untersuchten Normen nicht einheitlich interpretieren kann. Wann im einzelnen eine Deckungspflicht des Landes entstehen soll, bleibt fraglich, was zu Rechtsunsicherheit führt. Auch das OVG NW 1 2 2 führt aus: Die Nichterstattung der Kosten führe weder zu einer verfassungswidrigen Aushöhlung der finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung noch bedeute sie für die betroffenen Gemeinden und Gemeindeverbände eine übermäßige oder unzumutbare Belastung. Das ergebe sich schon aus der Größenordnung der Kosten. Es liege auf der Hand, daß durch die Aufbringung eines geringen Betrages die finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung nicht in verfassungswidriger Weise geschwächt würden. Im übrigen ist in Fällen, in denen die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr hinreichend erfüllen können, der allgemeine kommunale Finanzausgleich das adäquate Ausgleichsinstrument für finanzielle Belastungen.
117
Unklar formulieren auch Kottenberg/Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung, Aug. 1992, § 3 Anm. V 1 („Eine gesetzliche Regelung dahingehend, daß die Gemeinden selbst die erforderlichen Mittel aufzubringen haben, dürfte nicht als eine Regelung im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 2 GO NW angesehen werden können."). 118
VG Düsseldorf, NVwZ 1985, 859, 861; Anonym, DÖV 1949, 38.
119
Rauball, in: Rauball/Pappermann/Roters, Gemeindeordnung, 1981 § 3, Rn. 2.
120
Körner, Gemeindeordnung, 1980 § 3 Erl. 2.
121
Berkenhoff, Kommunal verfassungsrecht, 1965, S. 32. OVG NW, DÖV 1987, 826, 828.
122
14 Trapp
210
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder cc) Regelung in Bayern, Saarland, Schleswig-Holstein
Verschiedene Autoren 123 kommen zu dem Ergebnis, die bayrische, saarländische und schleswig-holsteinische Regelung seien entsprechend der nach ihrer Ansicht in anderen Ländern zwingend vorgeschriebenen Deckungsgarantie auszulegen. Einzelne Untersuchungen zu den drei Verfassungsbestimmungen 124 stimmen dem - zu Unrecht 125 - zu. Richtigerweise kann man in den Bestimmungen nur die Normierung einer allgemeinen Garantenstellung des Landes für die Erschließung von notwendigen, den Kommunen zur Verfugung zu stellenden Mittel sehen126.
5. Ergebnis Die landesverfassungsrechtlichen Normen kennen für das Verhältnis LandKommunen keine Lastenverteilung entsprechend dem Konnexitätsprinzip, wie es das Grundgesetz für das Bund-Länder-Verhältnis in Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG enthält. Lediglich für Thüringen läßt sich ansatzweise ein landesverfassungsrechtliches Konnexitätsprinzip bejahen. Nur Art. 104 a Abs. 5 GG wird nicht beachtet, weil den Kommunen bei Erfüllung der staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung auch die Verwaltungskosten zu ersetzen sind. Die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen kämen mit gleicher Einschränkung hinzu, wenn man in dem oben127 geschilderten Streit der Ansicht folgt, die in den entsprechenden Normen nicht bloß eine finanzpolitische Richtlinie sondern eine Deckungspflicht sieht. Ansonsten sind
123 Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 159; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 123 unter Verweis auf die Regelung in Nordrhein-Westfalen. 124
für Bayern: Petz, BayVBl. 1989, 353, 358; Petz, DÖV 1991, 320, 323; Schweiger, in: Nawiasky u.a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, Loseblattsammlung, Stand Mai 1992, Art. 83, Rn. 8 („sofort greifbar zuzuteilen"); für Schleswig-Holstein: v. Mutius/Rentsch, Kommunalverfassungsrecht in Schleswig-Holstein, 1994, § 3 a GO, Rn. 2. 125
für Bayern: BayVerfGHE 28, 43, 56; Paptistella, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung A 3 Bay, Bearbeitung Feb. 1995, S. 110; für Schleswig-Holstein: VG Schleswig, in: Kottenberg/Steffens, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht, §§ 3, 39 Abs. 2 GO NW Nr. 15, S. 80; Barschel/Gebel, Landessatzung fur Schleswig-Holstein, 1976, Anm. Π 2 a. 126
Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 174 f.; zur Verletzung dieser Garantenstellung vergleiche Papier, BayVBl. 1994, 737, 745 f. 127 Siehe 6. Teil C 14 bbb.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
211
die Regelungen entweder auf der Tatbestandsseite zu weit gefaßt, weil auch Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung beziehungsweise Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten - mithin kommunale Aufgaben einbezogen werden, so in den Ländern Baden-Württemberg, NordrheinWestfalen und Sachsen. Oder es fehlt an den Voraussetzungen, die der Konnexitätsgrundsatz auf der Rechtsfolgenseite festlegt, weil landesverfassungsrechtlich keine zwingende Kostenübernahme normiert ist, so in den Ländern Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein. Auch kann man nicht sagen, landesverfassungsrechtlich gelte das Veranlassungsprinzip. Nur Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt erfüllen dessen Anforderungen. Nordrhein-Westfalen wäre als viertes Bundesland hinzuzuzählen, wenn man in dem bereits angesprochenen Streit wiederum der Ansicht folgt, welche volle Kostenübernahme durch das Land verlangt. In allen anderen Ländern fehlt es bereits auf der Tatbestandsseite an der Einbeziehung der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben. Darüber hinaus ist in Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und im Saarland keine strikte Kostendeckungspflicht vorgesehen.
II. Sollten die landesverfassungsrechtlichen Normen für das Verhältnis Land-Kommunen durch Art. 104 a Abs. 1, 2,5 G G interpretiert werden? Soeben wurde festgestellt, daß die Länderverfassungen nicht dem Konnexitätsprinzip des Grundgesetzes folgen, wenn man sie ohne Berücksichtigung der Aussagen in Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG auslegt. Ob die grundgesetzlichen Festlegungen zur Lastenverteilung auf die Verteilung der Finanzverantwortung zwischen den Ländern und ihren Kommunen Anwendung finden können, ist umstritten.
7. Contra Der VerfGH NW 1 2 8 lehnt das ab: Gemeinden und Kreise seien Gebietskörperschaften ohne Staatsqualität; sie seien in die Länder inkorporiert. Dieser Einbeziehung würde eine Heranziehung des Konnexitätsprinzips nicht ge-
128
VerfGH NW, DVB1. 1985, 685 ff. = DÖV 1985, 620 ff.; vergleiche Zusammenfassung bei: Erlenkämper, NVwZ 1985, 795, 796; Bayer, DVB1. 1993, 1287, 1290 f.; vergleiche Bestätigung: VerfGH NW, DVB1. 1989, 151, 152 f.; ebenso StGH BW, DVB1. 1994,206,207.
212
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
recht 129 . Zwar sei der Status der Kommunen verfassungsrechtlich abgesichert, diese Absicherung habe jedoch nicht die gleiche normative Intensität wie die Absicherung des Status der Länder (Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 GG). Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern sei verfassungsrechtlich von ganz anderer Qualität als das zwischen Ländern und Gemeinden beziehungsweise Gemeindeverbänden. Das Grundgesetz gehe eindeutig vom zweistufigen Aufbau der Bundesrepublik aus130. Art. 104 a GG lege nur die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern fest. Die Regelung im Innenverhältnis zwischen dem jeweiligen Bundesland und den ihm angehörenden Gebietskörperschaften sei dagegen dem Landesrecht überlassen. Deshalb seien die Länder nicht kraft Bundesverfassungsrecht verpflichtet, Ausgaben im Bereich der kommunalen Fremdverwaltung zu tragen 131 . Das BVerfG 132 werde von der Gegenansicht falsch oder verkürzt zitiert beziehungsweise mißverstanden. Es habe zwar gesagt, daß es sich bei Art. 104 a GG um eine allgemeine Lastenverteilungsregelung handele. Dieser Ausspruch beziehe sich jedoch nur auf das Bund-Länder-Verhältnis („eine das Bund-Länder-Verhältnis bestimmende Verteilungsnorm") 133 . Der Sache nach sei gemeint, daß infolge des zweistufigen grundgesetzlichen Staatsaufbaus Art. 104 a GG das Verhältnis des Bundes zu den Kommunen insofern notwendigerweise mitbestimme, als die Kommunen nach der finanzwirtschaftlichen Zweistufigkeit des Staates als Glieder der Länder (mit-) behandelt werden müßten134. Vertikale Finanzzuweisungen in Form von Erstattungen für übernommene Aufgaben würden die horizontale Ausgleichskomponente des Finanzausgleichs unberücksichtigt lassen. Eine Pflicht des Landes, die Kosten übertragener Angelegenheiten gesondert abzugelten, erscheine problematisch, weil derartige Zahlungen steuerstarke und steuerschwache Gemeinden in gleicher Weise erhielten. Bei knapper werdenden Mitteln könne es nötig werden, die Finanzausgleichsleistungen solchen Kommunen zukommen zu lassen, die sie am notwendigsten brauchen. Sonderabgeltungen für die Kosten von übertra129
VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 686; Brinkmeier, Kommunale Finanzwirtschaft, 1990, S. 100 f BirkUnhester, DVB1. 1993, 1281, 1282, Maier, W., BWVP 1994, 106, 109. 130 BVerfGE 86, 148, 215 f.; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 32,Maus, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 33,40; Patzig, DÖV 1985, 645, 649; Zimmermann, F., System kommunaler Einnahmen, 1988, S. 46, 131
VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 687; Heun, der landkreis 1994, 7, 7 f.
132
BVerfGE 26, 338, 389 f.
133
Patzig, DÖV 1985, 645, 648, 650.
134 Schoch! W ì e land, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 138 unter Verweis auf BVerwGE 44, 351, 364; vergleiche auch BVerwG, DVB1. 1995, 808, 808.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
213
genen Aufgaben würden dem im Wege stehen, weil sie unabhängig von der Finanzkraft der sie empfangenden Gemeinde gewährt werden müßten135.
2. Pro Gegen die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes haben sich unter anderem in einer Urteilsanmerkung v. Mutius/Henneke gewandt136. Art. 104 a Abs. 1 GG setze keine Staatsqualität voraus. Das Konnexitätsprinzip stelle nicht auf die jeweilige verfassungsrechtliche Qualität des Verwaltungsträgers ab 137 . Es ziele vielmehr darauf, die mit eigener Finanzhoheit ausgestatteten Verwaltungsebenen nicht zusätzlich mit Ausgaben aus der Wahrnehmungszuständigkeit anderer Ebenen zu belasten, ohne dafür einen Kostenausgleich zu erhalten 138. Das Konnexitätsprinzip solle durch verbindliche Finanzierungsmaßstäbe die Aufgabenverteilung stabilisieren 139. Der Grundsatz getrennter Finanzverantwortung sei für die Gewaltenbalance im föderalistischen Staatswesen mit seinen abgegrenzten Kompetenzblöcken fünktionsnotwendig. Richtig sei zwar, daß der Gesamtstaat in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht nur zweistufig aufgebaut sei. Insofern könnten die Regelungen in Art. 104 a GG nicht unmittelbar für das Verhältnis Land-Kommunen gelten. Die Grundgedanken des Konnexitätsprinzips 140 würden jedoch in vergleichbarer Weise innerhalb eines Landes und damit für die kommunale Ebene beziehungsweise für die Selbstverwaltung als Subsystem der Länderexekutive gelten 141 . Eine eigenverantwortliche Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sei ohne Deckungsverantwortung nicht denkbar 142. Die in Art. 28 Abs. 2 GG garantierte kommunale Selbstverwaltung sei gefährdet, da 135
VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 688; v. Arnim, der landkreisl985, 519, 521; vergleiche auch VerfGH RhPf, DÖV 1978, 763, 766 (= DVB1. 1978, 802, 804). 136
v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 689 ff. v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 689; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, 1990, Rn. 738. 137
138
Hoppe, DVB1. 1992, 117, 123.
139
Erichsen, Kommunalrecht, 1988, S. 138; v. Mutius/Henneke, nanzausstattung, 1985, S. 80; Hoppe, DVB1. 1992, 117, 122 f. 140
Kommunale Fi-
Siehe 4. Teil A.
141
Kirchhof, P., DVB1. 1980, 711, 713; Kirchhof P., in: Püttner, HdKWP, Band VI, 1985, S. 13; Kirchhof, P., in: Hoppe, Reform des kommunalen Finanzausgleichs, 1985, S. 1, 9; Waechter, Kommunalrecht, 1993, Rn. 229. 142
Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 37 f.
214
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
der grundgesetzlich durch Art. 104 a GG vorgegegebene Mindeststandard von der landesrechtlichen Finanzierungsseite her ausgehöhlt werden könne 143 . Aufgrund dieser allgemeinen Funktion 144 sei dem Gesamtinhalt des Art. 104 a GG eine indizielle Bedeutung beizumessen143. Art. 104 a GG sei nur die Positivierung einer traditionellen, allgemeinen Lastenverteilungsregel des Verfassungsrechts und deshalb mittelbar auf das Land-Gemeinde-Verhältnis - also hinsichtlich und innerhalb der Kommunalebene - anwendbar 146. Die Kommunen hätten nach dem Verfassungsgefüge des Grundgesetzes eine herausgehobene verfassungsrechtliche Stellung. Sie seien institutionell garantiert. Zu dieser Garantie gehöre als wesentlicher Aspekt der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung die Finanzautonomie. Deshalb hätten die allgemeinen Finanzierungsregeln des Grundgesetzes zentrale Bedeutung für die kommunale Finanzverfassung 147. Das Konnexitätsprinzip sei - als der Selbstverwaltung immanentes Prinzip 148 - als oberstes Gebot für die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen zu beachten149. Gesprochen werden könne von einem landes- beziehungsweise kommunalverfassungsrechtlichen Konnexitätsgrundsatz 130, der für die kommunalen Aufgaben die gleiche Relation zwischen Aufgabenverantwortung und Ausgabenverantwortung herstelle, wie sie Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern regelt 131. Damit gehe auch die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der horizontalen Ausgleichsfunktion fehl. Sie beträfe nur den allge143
v. Mutius/Henneke,
144
Hoppe, DVB1. 1992, 117, 122.
Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 79 f.
143
v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 79; Schoch!Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 39. 146
Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 749, 563; Schmidt-Jortzig, DÖV 1981, 393, 396; Kirchhof, P., in: Hoppe, Reform des kommunalen Finanzausgleichs, 1985, S. 1, 9; Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Probleme mehrstufiger Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 60 f.; Schmidt-Jortzig/Makswit, HdKFH 1991, Rn. 23, 30; Schmidt-Jortzig/Makswit, JUS 1980, 641, 643; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 108 ff. v. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 689; Schmidt-Jortzig, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 163 f.; Ade, BWVP 1987, 175, 177; größtenteils unter Berufung auf: BVerwGE 44, 351, 364; 81, 312, 313; BVerfGE 26, 338, 390; 86, 148, 220 („Das Prinzip des Art. 104 a Abs. 1 GG schließt auch die gemeindlichen Einnahmen und Ausgaben in sich."). 147
Erichsen, Kommunalrecht, 1988, S. 138; Hoppe, DVB1. 1992, 117, 118 f., 123.
148
Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 37 f.
149
Schmidt-Jortzig/Makswit,
130
Vergleiche die Nachweise in Fn. 17.
131
Kirchhof,
HdKFH 1991, Rn. 30.
P., DVB1. 1980, 711, 713.
C. Landes verfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
215
meinen Finanzausgleich nach Art. 79 S. 2 VerfNW, dessen Ziel sich von den in Art. 78 Abs. 3 VerfNW vorgesehenen Kostenerstattungen unterscheide 152.
3. Ergebnis Die zuletzt dargestellten Argumente sind durchaus plausibel. Wie oben (I.) untersucht, folgen die landesverfassungsrechtlichen Normen jedoch nicht dem Konnexitätsprinzip des Grundgesetzes, so daß die Überlegungen zur Übertragung der Art. 104 a Abs. 1, 2, 5 GG in die Verfassungen der Länder nur de lege ferenda gelten können.
I I I . Handhabung der landesverfassungsrechtlichen Normen durch den Landesgesetzgeber Abschließend soll die Handhabung des Art. 78 Abs. 3 VerfNW durch den Landesgesetzgeber betrachtet werden 153. Er erläßt bei der Übertragung neuer Aufgaben an die Kommunen teilweise Kostenregelungen, die ihn selbst unmittelbar belasten, beziehungsweise ihm die Möglichkeit einräumen, sich durch Erstattungen oder Zuschüsse an den Ausgaben zu beteiligen 154 . Es finden sich aber auch Gesetze, in denen pauschal auf die Abgeltung durch das Gemeindefinanzierungsgesetz und darauf verwiesen wird, daß die jeweiligen Aufgabenträger die Mittel selbst aufzubringen haben155. Danach findet eine gesonderte Kostenbeteiligung nicht statt. Die Mehrkosten werden lediglich bei den allgemeinen Finanzmittelzuweisungen an die Kommunen berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß die Landesregierung zur Rechtfertigung
152 V. Mutius/Henneke, DVB1. 1985, 689, 690; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 155 if., 158; Henneke, der landkreis 1995, 127, 131. 153 Vergleiche insgesamt: Große Anfrage NW/LT/DS 8/3095 (1978), S. 5 Frage V.; Antwort der Landesregierung NW/LT/DS 8/3709 (1978), S. 50. 154 § 40 LWahlG; § 15 Abs. 3 RettG (vergleiche Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 187 ff.); §13 Abs. 3 GTK; §11 DGKoFSchwbG; §§3 Abs. 1, 35 Abs. 2-4 FSHG (vergleiche Grafe/Steegmann/Schürmann, Feuerschutzrecht, Loseblattsammlung, Stand Mai 1995 § 35, Rn. 10); § 4 SchEG; § 20, 26 WbG; § 35 DSchG, § 6 FlüAG (vergleiche VerfGH NW, DVB1. 1993, 197, 199 und 201, 202); § 9 Abs. 2, 3 LAufnG (vergleiche Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 185 ff); §§ 17 ff KHG. 155
§ 15 Abs. 1 RettG; §24 Abs. 1, 2 KatSG (vergleiche Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 189 f.); § 5 Abs. 1 AG BSHG; § 13 Abs. 2 GTK; § 5 DGKoFSchwbG; § 35 Abs. 1 FSHG; § 9 LAufnG.
216
6. Teil: Finanziengsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
dieser Praxis auf die Abgeltung der Kosten der übertragenen Aufgaben auf die Auftragskostenpauschale verwiesen hat 156 , einer Norm, die später 157 - unter Billigung des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalens 158 - gestrichen wurde. Somit nutzt der Landesgesetzgeber den ihm - nach der oben dargestellten, allerdings abgelehnten Ansicht 159 - zustehenden Gestaltungsspielraum in der gesamten, Bandbreite aus160. Daß diese Praxis nicht befriedigen kann, wurde bereits erörtert 161. Die Wendung in manchen Landesgesetzen: „Die entstehenden Kosten gelten als durch den Finanzausgleich abgegolten" ist zwar ehrlicher als die bundesübliche Lüge in den Gesetzesentwürfen: „Kosten: keine" 162 , vermag daran aber nichts zu ändern.
IV. Sind die landesverfassungsrechtlichen Normen bei Einschaltung der Kommunen in die Wahrnehmung von Bundesaufgaben (kommunaler Vollzug der Bundesgesetze) anwendbar? 1. Finanzverantwortung bei Weiterleitung der Vollzugsaufgabe durch das Land an die Kommunen Erfolgt die Begründung kommunaler Aufgabenzuständigkeit durch das jeweilige Land, stellt sich die Frage nach einer entsprechenden Kostendeckung im Verhältnis zwischen Land und Kommune. Die Antwort ist dem Landesrecht zu entnehmen163. Insofern werden auch für den Vollzug von Bundesge-
156
Landesregierung NW/LT/DS 8/3709 (1978), S. 50; (damals § 15 FAG 1978 vom 21.02.1978 GVB1., S. 71, 74 f.). 157
ab GFG 1983; letztmalig in § 17 GFG 1982 vom 02.02.1982 GVB1., S. 42,45.
158
VerfGH NW, DVB1. 1985, 685, 685 ff. (= DÖV 1985, 620, 620 ff.). Siehe 6. Teil C 14 b bb.
159
160 Kritisch deswegen Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 185 ff. 161 Siehe 6. Teil C I 4. 162
Berkenhoff,
163
Schoch/Wieland,
StGB 1976, 177, 178 f. Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 126.
C. Landes verfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
217
setzen durch Kommunen die landesverfassungsrechtlichen Garantien relevant 164 . Es besteht eine Deckungspflicht des Landes für Aufgaben im Zusammenhang mit der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen (Art. 83, 84 GG), deren Übernahme das Land den Gemeinden oder Gemeindeverbänden zur Pflicht macht 165 . Etwas anders ist es bei der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG. Hier ist zwar unmittelbarer „Auftraggeber" im Verhältnis zu den Gemeinden in der Regel ebenfalls das Land. Die Kosten fallen jedoch nach dem allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz dem Bund zur Last 166 . Auftraggeber und Geldgeber fallen deshalb - jedenfalls was die Zweckkostentragung anbelangt auseinander 167. Mittel, die die Länder aufgrund von Art. 104 a Abs. 2, 3 GG erhalten, obwohl sie die Aufgabenwahrnehmung pflichtig an die Kommunen delegiert haben, sind entsprechend an die Kommunen weiterzuleiten 168. Nur wegen der Mehrbelastungen an sächlichen und persönlichen Verwaltungskosten hat der Landesgesetzgeber gegebenenfalls nach Art. 78 Abs. 3 VerfNW eine Regelung zu treffen 169.
2. Finanzverantwortung bei bundesgesetzlichem Aufgabenübertragungsakt an die Kommunen Umstritten ist, ob die landesverfassungsrechtlichen Normen bei bundesgesetzlicher Aufgabenübertragung zur Anwendung kommen. Der Streit geht vornehmlich um die baden-württembergische Regelung, ist aber auf die anderen Bundesländer übertragbar.
164 OVG NW, DVB1. 1980, 763, 764; zustimmend Schoch/Wieland, verantwortung, 1995, S. 166.
Finanzierungs-
165 Fleck, in: Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes NordrheinWestfalen, 1963, Art. 78 Anm. 9. 166
Fleck, in: Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes NordrheinWestfalen, 1963, Art. 78 Anm. 9 unter Verweis auf Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1, Abs. 7 GG (heute Art. 104 a Abs. 2 GG und Art. 106 Abs. 8 GG). 167
Berkenhoff,
168
Zimmermann, F., System kommunaler Einnahmen, 1988, S. 49.
169
Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 32 f.
Fleck, in: Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78 Anm. 9, Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 32 f.
218
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
a) Kein Fall der an die Aufgabenübertragung gebundenen landesverfassungsrechtlichen Normen Eine Deckungsgarantie bestehe nicht, soweit durch oder aufgrund Bundesgesetzes Aufgaben auf Gemeinden und Kreise übertragen würden. Die Landesverfassungen regelten diesen Fall nicht 170 . Die landesverfassungsrechtlichen Normen meinten nur Landesgesetze171. Veranlasser in ihrem Sinne könne nur der Landesgesetzgeber sein 172 . Werde die Zuständigkeit der Gemeinden durch Bundesgesetz unmittelbar begründet, oder ermächtige das Bundesgesetz die Länder durch Rechtsverordnung, eine Aufgabe auf die Gemeinden zu übertragen, seien die Normen der Länderverfassungen weder unmittelbar noch analog anwendbar 173. Eine analoge Anwendung scheide aus, weil keine Regelungslükke vorhanden sei. Die Verfassungen der Länder sähen vielmehr die Abgeltung der entstehenden Kosten über die zur angemessenen kommunalen Finanzausstattung verpflichtenden Normen vor 174 . Darüber hinaus verdeutliche der Gesamtzusammenhang des Art. 71 VerfBW, daß die landesverfassungsrechtliche Kostentragungsnorm für Aufgabenübertragungen das Land nicht zum „Ausfallbürgen" des Bundes mache, sondern die „Haftung" des Landes an sein vorangegangenes ursächliches Tun (Aufgabenübertragung) binde 175 . Für die nordrhein-westfalische Regelung ergebe sich dieses Ergebnis bereits aus dem Wortlaut. Der ausdrückliche Bezug auf einen landesrechtlichen Übertragungsakt lasse weder Interpretationsspielräume noch eine Analogie zu 176 .
170
Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern, 1995, Art. 72, Rn. 14; Wansleben, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 1 NW, Bearbeitung Juli 1995 § 3 Anm. 3.2. 171
Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984,
Rn. 50. 172
Ade, BWVP 1987, 175, 176. StGH BW, DVB1. 1994, 206, 206 f. zur Übertragung der Sozialhilfe; die in den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen enthaltene Bestätigung der Aufgabenzuordnung in § 96 BSHG habe nur deklaratorischen Charakter. 173
174
Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Rn. 50; StGH BW, DVB1. 1994, 206, 207 unter Verweis auf Art. 73 Abs. 1, 3 VerfBW. 175 Schoch/Wieland, 1994,206,206.
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 162; StGH BW, DVB1.
176 Schoch/Wieland, kreisl994, 253,258.
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 166; Schoch, der land-
C. Landes verfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
219
b) Anwendbarkeit der landesverfassungsrechtlichen Normen Der Ansicht, die einen landesrechtlichen Übertragungsakt fordert, ist für die nordrhein-westfälische und brandenburgische Regelung de lege lata zuzustimmen. Der Wortlaut („Das Land kann ... übertragen ...") schließt die Einbeziehung von Übertragungsakten des Bundes aus. In den anderen Verfassungen wird jedoch weder ein Landesgesetz verlangt („durch (förmliches) Gesetz", „durch gesetzliche Vorschriften", „aufgrund eines Gesetzes"), noch ein Handlungssubjekt bestimmt. Eine Einschränkung ergibt sich für Niedersachsen und Thüringen. Die Kostenübernahmeverpflichtung knüpft dort an die Übertragung von staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach (An-)Weisung. Diese Aufgabenkategorie kann der Bund nicht bestimmen, da Weisungsaufgaben immer originäre Landesangelegenheiten sind. Für die anderen Bundesländer könnte der von den landesverfassungsrechtlichen Kostendeckungsgarantie geforderte Übertragungsakt auch in einem Bundesgesetz liegen. Maurer 177 verweist insofern darauf, daß primärer Adressat der landesverfassungrechtlichen Normen nicht der Landesgesetzgeber, der zu einer entsprechenden Regelung ermächtigt werde, sondern die Kommunen seien, die für weitere Aufgaben in die Pflicht genommen werden könnten. Auch könne nicht gesagt werden, der Gesetzesbegriff in Art. 71 VerfBW sei auf Landesgesetze beschränkt. Wenn Art. 71 Abs. 1 VerfBW die Selbstverwaltung „ i m Rahmen der Gesetze" gewährleiste, seien damit auch Bundesgesetze angesprochen. Die Normen der Kostenübernahmeverpflichtung seien auf Rechtsfolgenseite anwendbar, weil eine bundesgesetzliche Zuweisungsnorm lediglich eine entsprechende landesgesetzliche Zuweisungsnorm, nicht aber die folgende Kostendeckungsregelung ausschließe178. Jedenfalls komme sowohl nach Sinn und Zweck als auch aufgrund des Umstandes, daß der Verfassunggeber stets das Verhältnis Kommunen-Staat und nicht nur die Beziehung Kommunen-Land vor Augen hatte, eine analoge Anwendung in Betracht 179. Für sie spreche auch, daß der Vollzug der Bundesgesetze gemäß Art. 83 bis 85 GG eine Landesaufgabe sei. Das gelte auf jeden
177
Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139,
153. 178
Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139,
154. 179
154 f.
Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139,
220
6. Teil: Finanzierungsverantwortung nach den Verfassungen der Länder
Fall, wenn ein Bundesgesetz von den Ländern „als eigene Angelegenheit" vollzogen werde, aber auch, wenn ein Bundesgesetz kraft besonderer Regelung „ i m Auftrag des Bundes" durchgeführt würden, da auch diese Auftragsverwaltung Landesverwaltung sei 180 . Die direkte bundesgesetzliche Zuweisung von Aufgaben an die Gemeinden oder Landkreise ändere daran nichts 181 . Art. 104 a Abs. 1 GG, wonach die Länder die Kosten der Ausführung der Bundesgesetze zu tragen hätten, gelte bei kommunaler Gesetzesdurchführung genauso wie bei landesunmittelbarer Verwaltung 182 . Im übrigen fragt sich, ob der landesrechtliche Übertragungsakt bei bundesgesetzlicher Bestimmung der Kommunen als Vollzugsebene nicht in der dann in jedem Fall nach Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG notwendigen Bundesratszustimmung gesehen werden kann 183 . Gegenüber den Kommunen müßte sich das Land die Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz wie eine landesgesetzliche Regelung zurechnen lassen, weil anderenfalls Art. 78 Abs. 3 VerfNW umgangen werden könnte 184 . Immerhin wird darauf verwiesen, daß ein Tätigwerden der Länder aufgrund ihrer finanzverfassungsrechtlichen Garantenstellung für eine angemessene kommunale Finanzausstattung der Kommunen im Bundesrat gefordert sei, wenn der Bund sich anschicke, den Kommunen ausgabewirksame Aufgaben zu übertragen. Machten die Länder von ihren verfassungsrechtlichen Möglichkeiten keinen Gebrauch, sei es nur folgerichtig, wenn sie über das Landesverfassungsrecht für die Konsequenzen einstehen müßten185. Problematisch ist diesbezüglich zweierlei: Zum einen setzt sich der Bundesrat aus Vertretern der Landesregierung zusammen. Nach den landesverfassungsrechtlichen Kostenübernahmenormen ist aber ein Gesetz - also ein Akt der Landtage - gefordert. Zum anderen ist durch das Erfordernis einer Bundes180 181
BVerfGE 81, 310, 331.
vergleiche: BVerfGE 39, 96, 109; Schoch/Wieland, 1995, S. 117, 137; Schoch/Wieland, JZ 1995, 982, 986.
Finanzierungsverantwortung,
182 Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139, 155; unter Verweis auf den dort so benannten „Systemzusammenhang des Grundgesetzes": KirchhoflKehler, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 2 NW, Bearbeitung Juli 1995 § 2 Anm. 11.4; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 129 f.; Maurer, DVB1. 1995, 1037, 1040. 183
Vergleiche: Maus, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 33, 40; in der Diskussion auch Gertler und Meyer, S. 49 und 136. 184
Kirchhofl Kehler, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung Β 2 NW, Bearbeitung Juli 1995 §2 Anm. 11.4. 185
Schoch nach Henneke, DVB1. 1994, 1229, 1232; Schoch, der landkreisl994, 253, 258; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 130.
C. Landesverfassungsrechtliche Normen zur Einzelkostenabrechnung
221
ratszustimmung eine Mehrheit der Länder, nicht ein einzelnes Land, betroffen 186 . Das hätte - jedenfalls bei der derzeitigen Praxis zu Art. 104 a Abs. 1 GG - zur Folge, daß ein Land, das im Bundesrat gegen das Bundesgesetz gestimmt hat, den Kommunen die Vollzugskosten zu ersetzen hätte, wenn eine Bundesratsmehrheit dem Gesetz zustimmt. Anders wäre es nur, wenn bundesverfassungsrechtlich das Veranlassungsprinzip zum Tragen käme. Denn dann würden die Länder jene Mittel, die sie ihren Kommunen zur Verfügung stellen müssen, vom Bund erstattet bekommen.
c) Ergebnis Da den zuletzt skizzierten Bedenken nicht in ausreichendem Umfang widersprochen werden kann, ist der Ansicht zu folgen, die einen bundesrechtlichen Übertragungsakt für die Anwendung der landesverfassungsrechtlichen Normen über die Kostenübernahme bei Aufgabenübertragung ablehnt. Zuzugeben ist aber, daß auch in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht.
186
Inwieweit die Pflicht, sich länderübergreifend zu solidarisieren, die Position des Bundesrates stärken könnte, weil dort nicht selten zu stark bundespolitische Interessen wahrgenommen werden und entsprechend der „Kanzlermehrheit" im Bundestag abgestimmt wird, soll hier nicht diskutiert werden.
7. Teil
Veranlassung Α. Kausalitätstheorien Da es bei der Verteilung der Finanzverantwortung nach dem Veranlassungsprinzip um die Zurechnung eines Erfolges (Entstehung von Kosten) zu einem Verhalten (Gesetzgebung und verwaltungsmäßige Durchführung) geht, soll geprüft werden, ob aus den in den verschiedenen Rechtsbereichen vertretenen Kausalitätstheorien 1 Ansätze zur Konkretisierung des Begriffs „Veranlassung" gefunden werden können. Die Kausalitätstheorien beantworten die Frage, ob zwischen einer Ursache (Bedingung) und einer Wirkung (Erfolg) eine Beziehung besteht, der rechtliche Erheblichkeit zukommt2. Die Kausalitätstheorien unterscheiden sich durch die Anforderungen, nach denen die Auswahl der jeweils erheblichen Bedingung vorgenommen wird. Dabei sind sie von dem Zweck jenes Rechtsgebietes geprägt, für das sie jeweils gelten3.
I. Äquivalcnzthcoric Die vorwiegend im Strafrecht herangezogene Äquivalenztheorie lehnt sich weitgehend an den naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff an. Nach der conditio-sine-qua-non-Formel ist ein Verhalten kausal, wenn es nicht hinweg-
1 Vergleiche aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum nur die Übersichten bei: Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 1988 Abschnitt Π, Rn. 88 ff; Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995, 2. Abschnitt, Rn. 72 ff; Drews! WackelVogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 310 ff.). 2
Schudt, Kausalitätsprobleme, 1971, S. 3.
3
Schudt, Kausalitätsprobleme, 1971, S. 4.
Α. Kausalitätstheorien
223
gedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfallt 4. Da alle Bedingungen als gleichwertig angesehen werden, ist der Umfang des kausalen Verhaltens sehr weit, was jedoch von geringer Bedeutung ist, weil die erforderliche Korrektur im Rahmen der Schuldfrage bei der Prüfung der Verantwortlichkeit erfolgt.
I L Adäquanztheorie Im Zivilrecht wird überwiegend die Adäquanztheorie befürwortet. Danach sind nur solche Folgen einer Handlung als verursacht anzusehen, mit deren Eintritt nach allgemein menschlicher Lebenserfahrung vom Standpunkt eines kundigen, nachträglich urteilenden Beobachters gerechnet werden kann (sog. objektiv-nachträgliche Prognose). Es kommt auf die generelle Eignung einer Bedingung an, den Erfolg herbeizuführen. Außergewöhnliche Entwicklungen gelten nicht als kausal3. Diese Einschränkung beruht darauf, daß es im Zivilrecht anders als im Strafrecht an einer Korrekturmöglichkeit fehlen kann, weil Fälle von Verantwortung ohne Verschulden existieren. Ferner weist das Zivilrecht einen objektiven Fahrlässigkeitsbegriff auf und hat die Besonderheit, daß sich Verschulden nur auf den haftungsbegründenden Tatbestand zu beziehen braucht, nicht dagegen auf den weiter daraus entstehenden Schaden. Im Strafrecht werden ähnliche Einschränkungen durch die Relevanztheorie vorgenommen, wonach neben der naturwissenschaftlichen Verursachung eine gesonderte Haftungsfrage zu stellen ist. Demzufolge ist ein Kausalzusammenhang im Sinne von conditio-sine-qua-non rechtlich nur erheblich, wenn der eingetretene Erfolg von dem zu prüfenden Tatbestand vorhergesehen ist. Adäquanzaspekte spielen demnach fiir die Tatbestandsmäßigkeit eine Rolle6.
4
Schudt, Kausalitätsprobleme, 1971, S. 6; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 1988 Abschnitt Π, Rn. 88; Friauf in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995, 2. Abschnitt, Rn. 75. 5
Schudt, Kausalitätsprobleme, 1971, S. 6 ff ; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 1988 Abschnitt Π, Rn. 88; Friauf in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995, 2. Abschnitt, Rn. 74. 6 Blei, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1975, S. 78 f.; Mezger, Strafrecht, 1949, S. 122 ff.
224
7. Teil: Veranlassung
I I L Theorie der unmittelbaren Verursachung Für das Polizei- und Ordnungsrecht werden die bislang genannten Theorien abgelehnt. Die Äquivalenztheorie - mitunter auch die Adäquanztheorie - bestimmt den Kreis der für eine Gefahr Verantwortlichen zu weit. Im übrigen fehlt das die Verantwortlichkeit begrenzende Korrektiv der Schuld, weil bei der Inanspruchnahme eines Polizeipflichtigen Verschuldensmomente keine Rolle spielen. Die Adäquanztheorie ist mitunter zu eng, da nicht selten Ausnahmesituationen bewältigt und atypische, in ihrem Kausalverlauf nicht vorhersehbare Gefahren abgewehrt werden müssen7. Deshalb wird im Polizei- und Ordnungsrecht zwar grundsätzlich von der Äquivalenztheorie ausgegangen8, ihre Konsequenzen werden aber durch ein normatives Korrektiv begrenzt, um entfernte, lediglich mittelbare Bedingungen des eingetretenen oder drohenden Erfolges als irrelevant auszuscheiden: Ein Verhalten ist nur ursächlich, wenn es bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls die Gefahrengrenze überschreitet und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr setzt9. Um aus der Fülle der notwendigen Erfolgsbedingungen die richtige auszuwählen, werden einerseits das öffentliche Interesse an einer schnellen und wirksamen Gefahrenabwehr und andererseits das individuelle Freiheitsinteresse der Person, in deren Rechtskreis eingegriflfen wird, angemessen berücksichtigt 10 . Dabei ist bei der Entstehung einer Gefahr oder Störung durch mehrere zeitlich gestaffelte Verhaltensbeiträge verschiedener Personen nicht notwendigerweise allein derjenige Störer, der die zeitlich letzte Bedingung gesetzt hat 11 . Einerseits werden mit dem Erfordernis der unmittelbaren Verursachung entfernte, lediglich mittelbare Bedingungen des eingetretenen oder drohenden Erfolges als polizeirechtlich irrelevant ausgeschieden. Der Urheber solcher mittelbarer Ursachen wird als Veranlasser bezeichnet, weil er den Erfolg nicht
7
Drews/ Wacke!Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 312); Friauf, Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995, 2. Abschnitt, Rn. 74; Derminger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992 Abschnitt E, Rn. 61. 8
Drews! Wacke!Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 311); Friauf, Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995, 2. Abschnitt, Rn. 76; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992 Abschnitt E, Rn. 60. 9 Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, 1993, Rn. 223; OVG, NVwZ 1985, 355, 356; jeweils mit weiteren Nachweisen. 10
Drews! Wacke!Vogel/Martens,
Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 311).
11
Drews! Wacke!Vogel/Martens,
Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 314 f.);
in:
in:
Α. Kausalitätstheorien
225
selbst unmittelbar verursacht, sondern nur den Anlaß für seine Verursachung durch andere bildet 12 . Andererseits werden über das Institut des sogenannten Zweckveranlassers Bedingungen als polizeirechtlich relevant herangezogen, die für sich gesehen neutral sind. Voraussetzung hierfür ist, daß zwischen der Veranlassung und dem die Gefahr herbeiführenden Verhalten ein durch objektive Umstände vermittelter, derart enger innerer Zusammenhang besteht, daß sich der Veranlasser die Gefahr selbst zurechnen lassen muß. Demnach handelt kausal derjenige, der zwar nicht selbst stört, aber durch sein Verhalten eine Störung durch andere nachträglich Hinzutretende gezielt bezweckt13.
IV. Übertragung der Kausalitätstheorien auf die Kostenentstehung beim Gesetzesvollzug Vollzugskosten sind im Sinne von conditio-sine-qua-non durch den Gesetzgeber bedingt, da ohne ein Gesetz nichts Auszuführendes vorhanden wäre. Kausalität ist daher nach der Äquivalenztheorie gegeben. Solange der Gesetzesvollzug von den dafür zuständigen Organen ordnungsgemäß geleistet wird, gibt es keine „unwahrscheinlichen" beziehungsweise „atypischen" Kostenfolgen, so daß der Kausalitätsbegriff nicht durch die Adäquanztheorie begrenzt werden muß, vielmehr Kausalität auch nach ihr zu bejahen ist. Auch nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung ist rechtlich relevantes Verhalten des Gesetzgebers für die Kostenentstehung gegeben. Zwar kommt es dem Gesetzgeber in erster Linie darauf an, daß das gesetzlich geregelte sachliche Anliegen umgesetzt wird. Auch ist es richtig, daß die Ausgaben erst durch den Vollzug entstehen14. Da aber die Umsetzung eines gesetzlich geregelten Gegenstandes bei vollzugsbedürftigen Gesetzen in den meisten Fällen ohne Kosten nicht zu verwirklichen ist, gehört die Entstehung von Ausgaben zwangsläufig zum Erfolg des gesetzgeberischen Verhaltens, auf den
12
Drews! WackelVogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 313 f.); Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 1988 Abschnitt Π, Rn. 90. 13 Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 1988 Abschnitt Π, Rn. 91; Drews! WackelVogellMartens, Gefahrenabwehr, 1986, § 20 3. (S. 315 f.); Friauf in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995, 2. Abschnitt, Rn. 80; kritisch Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992 Abschnitt E, Rn. 65, 66. 14
Darauf müßten die Vertreter der Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz im Rahmen des Art. 104 a Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang abstellen. 15 Trapp
226
7. Teil: Veranlassung
es dem Gesetzgeber daher in gleichem Maße ankommen muß wie auf die Verwirklichung der Aufgabe selbst. Der Gesetzgebungsakt ist daher als Überschreitung der Gefahrengrenze im Sinne der Theorie der unmittelbaren Verursachung auszumachen. Die Tätigkeit des Gesetzgebers ist im Sinne dieser Theorie mehr als „Veranlassung", das heißt mehr als die Setzung einer nur mittelbaren Ursache. Der Gesetzgeber ist als „Zweckveranlasser" zu qualifizieren, so daß auch nach dieser Theorie von einer relevanten Verursachung auszugehen ist.
V. Folgerungen Insgesamt lassen sich aus den Kausalitätstheorien nur begrenzt Anhaltspunkte zur Definition des Begriffs „Veranlassen" gewinnen. Zu berücksichtigen ist folgendes: - Jedes Gesetz - zumindest seine Durchführung - verursacht Kosten. Kausalität des Verhaltens des Gesetzgebers ist nach allen Kausalitätstheorien gegeben. Der Gesetzgeber ist auf Grund seiner ausgeübten Gesetzgebungskompetenz (Mit-) Verursacher. - Veranlassung setzt Kausalität voraus. Wo ein Verhalten nicht einmal kausal geworden ist, kann es nicht einen Erfolg veranlaßt haben15. Veranlassung geht daher über Kausalität hinaus.
B. Veranlassung - Definitionsansätze Im folgenden soll geprüft werden, ob aus verschiedenen Normen Anhaltspunkte für eine Definition von „Veranlassung" gewonnen werden können.
I. Grundgesetzliche, dem Veranlassungsprinzip folgende Normen Aspekte des Veranlassungsprinzips finden sich nicht nur im Rahmen der Lastenverteilungsnormen, sondern auch bei Normen über die Verteilung der Einnahmen.
15 Friauf.\ Gemeindliche Ausgleichsansprüche, 1972, S. 27; v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 72 m.w.N. in Fn. 269-271.
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
227
1. Art. 106 Abs. 8 GG (Sonderbelastungsausgleich) a) Interpretation Veranlassen einer Einrichtung Bei der Interpretation des Veranlassungsbegriffs des Art. 106 Abs. 8 GG sind mit Friauf 16 zwei Fragen zu unterscheiden. Zum einen ist zu klären, ob der Bund in einer bestimmten Rechtsform zu handeln hat, zum anderen, ob der Begriff „Veranlassung" eine subjektive Komponente enthält.
aa) Rechtsform der Veranlassung Für einen numerus clausus der Rechtsformen, durch die eine Einrichtung veranlaßt wird, könnten die entsprechenden Paragraphen des Reichsfinanzausgleichsgesetzes17 sprechen 18, auf die Art. 106 Abs. 8 GG zurückgeht 19. Sie lauten übereinstimmend: „Wenn einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) durch Verträge, Gesetze oder Verwaltungsmaßnahmen des Reichs besondere Kosten erwachsen, so wird das Reich entweder die Kosten übernehmen oder angemessene Zuschüsse leisten." Allerdings wurden in Art. 106 Abs. 8 GG die Handlungsformen nicht übernommen. Eine Beschränkung auf bestimmte, enumerativ feststehende Rechtsformen kommt daher nicht in Betracht 20. Es genügen (auch rein faktische) Handlungen irgendwelcher Art 21 , alle denkbaren Formen staatlichen Handelns22 beziehungsweise jedes dem Bund zurechenbare Verhalten 23 . Es 16
Friauf Gemeindliche Ausgleichsansprüche, 1972, S. 27; ebenso Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 116. 17
§ 53 Landessteuergesetz vom 30.03.1920, RGBl., S. 402, 413; § 62 Finanzausgleichsgesetz vom 23.06.1923, RGBl. I, S. 494, 505; § 55 Finanzausgleichsgesetz vom 27.04.1926, RGBl. I, S. 203, 210. 18
Viaion, Haushaltsrecht, 1959, Art. 106 GG Anm. 26 (S. 172) verweist ausdrücklich auf das Finanzausgleichsrecht des Reiches. 19
Friauf
Gemeindliche Ausgleichsansprüche, 1972, S. 16\ Heckt, DÖV 1957, 164,
167. 20
Friauf Gemeindliche Ausgleichsansprüche, 1972, S. 27 f.
21
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 918 f.
22
Muthesius, Kostenträger, 1968, S. 51; Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 117; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 135. 23
Meyer, Finanzverfassung, 1969, S. 169.
228
7. Teil: Veranlassung
kommt allein auf den Belastungseffekt, nicht auf die Wahl einer spezifischen Belastungsform an 24 . Ob das Verhalten des Bundes darüber hinaus rechtmäßig, das heißt unter Wahrnehmung verfassungsgemäßer Zuständigkeit, sein muß oder ob es ausreicht, wenn der Bund eine Bundeszuständigkeit für sich in Anspruch nimmt, ist umstritten. Die Vertreter einer extensiven Auslegung bundesseitiger Veranlassung weisen darauf hin, daß man auf Schwierigkeiten im Bereich der ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten stoßen würde, wenn man fordere, daß der Bund nur im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeiten veranlassen könne. Im übrigen sei unter Veranlassung auch ein rein tatsächliches Verhalten zu subsumieren 25. Demgegenüber wird eingewendet, es gelte, die Gefahr der Kompetenzerweiterung durch Finanzierungsmaßnahmen des Bundes zu vereiteln. Jedenfalls dürfe das Angebot des Ausgleichs als solches keine verfassungsmäßige Veranlassung darstellen 26. Auch wenn Annexkompetenz und Kompetenz kraft Natur der Sache schwierig zu bestimmen seien, handele es sich nicht um justitiable Begriffe 27. Insofern spricht einiges dafür, von Veranlassung nur bei rechtmäßigem Bundesverhalten auszugehen. Die betroffene Körperschaft kann gerichtliche Schritte einschlagen, wenn sie der Überzeugung ist, der Bund veranlasse unter Überschreitung seiner Kompetenzen eine Einrichtung. Ein Bedürfnis für einen Ausgleich der Belastung besteht in diesen Situationen nicht. Die Nichtanfechtung der Veranlassung bei Bedenken, ob eine Bundeskompetenz besteht, muß zu Lasten der einzelnen Körperschaft gehen28. Umstritten ist ferner, ob die veranlassende Handlungsform auch im Abschluß von Rechtsgeschäften liegen kann, inwieweit also das freiwillige Eingehen von Pflichten unter Art. 106 Abs. 8 GG fällt 29 . Eine Entscheidung hierüber ist vorliegend nicht notwendig, da für die Frage der Tragung der Vollzugskosten eines Gesetzes immer ein Gesetz als Veranlassungsmoment vorhanden ist.
24
Friauf
25
Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 103; Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 918.
26
Vogel/Walter,
VerwArchiv, Band 66 (1975), S. 99, 102. in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 137.
27
Das zeigen die diversen Verfahren vor dem BVerfG; vergleiche die Nachweise bei Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 70, Rn. 6, 9. 28 29
Vogel/Walter,
in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 138.
Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 101; Vogel/Walter, (1972), Rn. 137.
in: BK, Art. 106
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
229
bb) Kausalität oder Finalität Einige Autoren begnügen sich mit dem Kausalitätserfordernis. Unter Veranlassung habe man bloße Verursachung im Sinne der conditio-sine-qua-nonFormel zu verstehen 30. Gegen diese Ansicht spricht, daß der Verfassungsgeber in Art. 106 Abs. 8 GG sowohl den Begriff des Veranlassene wie den des Verursachens verwandt hat. Wären beide Begriffe synonym zu verstehen, hätte er den Tatbestand einfacher formulieren können31. Auch können die Argumente, die von jenen Autoren, die eine Verursachung einer Einrichtung ausreichen lassen, vorgebracht werden, nicht überzeugen. Der Verweis auf das Reichsfinanzausgleichsgesetz greift nicht 32 . Zwar war dort gefordert, daß „Kosten erwachsen" müssen. Allerdings waren diese Kosten nur zu berücksichtigen, wenn sie „durch Verträge, Gesetze oder Verwaltungsmaßnahmen" entstanden. Die Verursachung setzte also ein gewolltes und gezieltes Handeln voraus 33. Auch die Überlegung, der Bund könne sich dadurch seiner Ausgleichspflicht entziehen, daß er vorgebe, er wolle keine Ursache für die Einrichtung setzen, überzeugt nicht 34 . Sobald der Bund die Folgen seines Verhaltens erkennt, ist ein entsprechender Wille zu unterstellen beziehungsweise davon auszugehen, daß der Bund die Folgen billigend in Kauf genommen hat (dolus eventualis). Somit kann sich der Bund nicht die Pflicht der Länder und Gemeinden zur Finanzierung zunutze machen, um zu der in seinen Interesse liegenden Einrichtung zu kommen. Die Mehrzahl der Autoren nimmt daher an, Veranlassung enthalte neben der Kausalität eine subjektive Komponente im Sinne eines finalen Elements35. Es sei ein inhaltliches, die Verantwortlichkeit des Bundes begründendes Element als Grundlage seiner Lastentragungspflicht zu fordern. Das Verhalten des Bundes müsse nicht nur notwendige Ursache, sondern zugleich darauf an-
30 Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 134; Wimmer, DVB1. 1970, 921, 922; auch Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 118 f. zweifelt an der Notwendigkeit einesfinalen Elements. 31
Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 101; Friauf Gemeindliche Ausgleichsansprüche, 1972, S. 29; Friauf VerwArchiv, Band 66 (1975), S. 99, 103. 32
Auf § 62 RFAG verweist Wimmer, DVB1. 1970, 921, 922.
33
Friauf, Gemeindliche Ausgleichsansprüche, 1972, S. 30.
34
So aber Mei s, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 118 f.
35
Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 33; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 88.
230
7. Teil: Veranlassung
gelegt sein, als diese Ursache zu wirken 36 . Es müsse ein Verhalten vorliegen, das dem Bund zurechenbar ist 37 . Ob dabei allerdings soweit zu gehen ist, daß der Bund selbst ein objektives Interesse an der Einrichtung haben muß, erscheint fraglich 38 . Auch die Forderung, der Bund müsse den „entscheidenden Anstoß" gegeben haben39, beziehungsweise dem Bund müsse „eine überragende oder dominierende Rolle" 40 im Sinne von „Tatherrschaft", „Errichtungsherrschaft" oder „mittelbarer Trägerschaft" zufallen 41 , ist sehr hoch. Es sollte ausreichen, daß der Bund, gegebenenfalls auch nur als Mitveranlasser, mit Wissen und Wollen die Errichtung der Einrichtung final gesteuert hat.
b) Verallgemeinerungsfähigkeit Bei der Verallgemeinerung dieses Ergebnisses sind einige Besonderheiten des Sonderbelastungsausgleichs zu berücksichtigen: Bei dem Sonderbelastungsausgleich wird nicht unmittelbar ein Verhalten mit den sich daraus ergebenden Kosten verknüpft. Art. 106 Abs. 8 GG ist ein zweistufiger Tatbestand. Zunächst muß durch ein bundesseitiges Verhalten eine Einrichtung veranlaßt sein. Sodann muß diese Einrichtung Sonderbelastungen unmittelbar verursachen. Zu einer Ausgleichspflicht kommt es erst, wenn dieser zweifach gestufte Kausalnexus erfüllt ist 42 . Art. 106 Abs. 8 GG ist eine Ausnahmevorschrift. Inwieweit sie dem Finanzausgleich beziehungsweise der Lastenverteilung zuzuordnen ist, ist un-
36
Friauf, VerwArchiv, Band 66 (1975), S. 99, 103.
37
Meyer, Finanzverfassung, 1969, S. 169.
38
So aber Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 9\%,Muthesius, Kostenträger, 1968, S. 51.
39
Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 106, Rn. 21; Meyer, Finanzverfassung, 1969, S. 169; Friauf, VerwArchiv, Band 66 (1975), S. 99, 103; Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 101; Siedentopf, StGB 1979, 12, 16; v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Bandì (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 52; ν. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 72. 40
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 919; Ruhe, in: Seifert/Hömig, Grundgesetz, 1991, Art. 106, Rn. 22. 41 42
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 919.
Friauf; VerwArchiv, Band 66 (1975), S. 99, 103; Friauf, gleichsansprüche, 1972, S. 36; Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 918.
Gemeindliche Aus-
Β. Veranlassung - Definitionsarisätze
231
klar 43 . Jedenfalls behandelt sie nur Sonderbelastungen, also solche, die über das normale Maß hinausgehen. Die Anwendung des Art. 106 Abs. 8 GG scheidet aus, wenn Gesetze oder Gesetzesänderungen zu zusätzlichen Ausgaben oder Mindereinnahmen der Länder führen, weil es hier Sache des Finanzausgleichs ist, den erforderlichen Ausgleich zu schaffen 44. Art. 106 Abs. 8 GG ist keine speziell das Bund-Länder-Verhältnis betreffende Norm. Eine Ausgleichspflicht des Bundes gegenüber einem einzelnen Land wird nur in Ausnahmefällen in Frage kommen, weil eine unzumutbare Belastung eines Landes durch bestimmte Einzelmaßnahmen des Bundes kaum eintreten kann. Regelmäßig wird Art. 106 Abs. 8 GG nur im Verhältnis vom Bund zu einer einzelnen Gemeinde relevant werden 43. Trotzdem kann hier auf den Sonderbelastungsausgleich zurückgegriffen werden, weil nur ausschnitthaft gefragt wird, was unter Veranlassung verstanden wird und nicht Art. 106 Abs. 8 GG analog auf all jene Bundesgesetze angewendet werden soll, die finanzielle Landes- oder Kommunalinteressen berühren 46. Die Besonderheiten des Sonderbelastungsausgleichs werden daher nicht relevant 47.
43
Siehe 5. Teil Α Π und 2. Teil Β IV.
44
Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. Ml, Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 107; Birk, in: AK, Band Π, 1989, Art. 106, Rn. 46. 45 46
Vogel/Walter,
in: BK, Art. 106 (1972), Rn. \30, Heckt, DÖV 1957, 164, 167.
Gegen eine derartige Analogie zu Recht Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 106, Rn. 40. 47 Unberücksichtigt bleibt, - wann von einer besonderen Einrichtung ausgegangen werden kann; die Zweifel, ob Maunz fordert, es müsse sich um Einrichtungen des Landes oder der Gemeinde handeln, sind durch die Neukommentierung ausgeräumt; ausreichend ist, daß es sich um Einrichtungen in einem Land oder in einer Gemeinde handelt; auf die Trägerschaft kommt es nicht an; vergleiche: Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 100 (dort auch Fn. 4); Vogel!Kirchhof, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 139; Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 917; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 215; - ob Art. 106 Abs. 8 GG einen Rechtsanspruch gewährt; das wird nach einhelliger Auffassung bejaht; vergleiche: Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 913 ff. mit dem Verweis auf Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesamtsystematik des Grundgesetzes; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 128; v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Bandi (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 51; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 211; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 85; Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 108, 113 verweist auf Leistungsklage und Verwaltungsrechtsweg; - inwieweit eine Parallele zum Recht der Enteignungsentschädigung gezogen werden kann; strittig; vergleiche: Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 97; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 133; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 98, Rn. 137 (mit dem Verweis auf § 75 Einl. zum preußischen ALR); Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 915; Rosenschon,
232
7. Teil: Veranlassung
2. Art. 104 a Abs. 2 GG (Lastenverteilungsnorm fiir Vollzug der Bundesgesetze in Auftragsverwaltung) Art. 104 a Abs. 2 GG enthält die Formel „die sich daraus ergebenden Kosten". Diese Worte deuten auf das Veranlassungsprinzip. Oben48 wurde jedoch bereits ausgeführt, daß diese Aussage nur für die Zweckkostentragung nachvollziehbar ist. Die Verwaltungskosten muß der Bund nicht übernehmen, weil es bei der Regelung in Art. 104 a Abs. 5 GG bleibt. Die Aufteilung der Kostenträgerschaft geht von der Übernahme der Finanzierung durch die jeweils primär verantwortliche Ebene aus. Der Bund kann weniger als die Länder Einfluß nehmen auf die Form der Durchführung. Die Kosten der Verwaltung sind tendenziell von dem Land als dem Träger der Verwaltungskompetenz veranlaßt. Umgekehrt sind die Zweckausgaben stärker den Manipulationen und Vorgaben des Bundes unterworfen. Die Verteilung der Finanzverantwortung entspricht somit den Einflußnahmemöglichkeiten. Allerdings werden die Kosten pauschaliert verteilt. Eine Beteiligung der Länder an den Zweckausgaben sowie des Bundes an den Verwaltungskosten ist nicht vorgesehen. Zweckausgabenrelevante Handlungen der Länder werden nicht in Ansatz gebracht. Ebenso bleibt unberücksichtigt, daß ein Teil der Verwaltungsausgaben vom Bund veranlaßt ist. Würde er die Materie nicht zur auftragsweisen Erfüllung an die Länder geben, entstünden ihnen auch keine Verwaltungskosten. Bei der Kostenverteilung für den Vollzug von Gesetzen in Bundesauftragsverwaltung wird mithin vom vorhandenen, pauschalierten Kostensteuerungspotential der Beteiligten ausgegangen. Dieser verallgemeinerungsfahige Ansatz wird dadurch relativiert, daß Art. 104 a Abs. 2 GG die Finanzverantwortung für die Zweckausgaben dem Bund unabhängig von aktuellen Anweisungen zuweist. Die Kostentragungspflicht trifft den Bund unabhängig davon, ob er von seinen Ingerenzrechten nach Art. 85 GG Gebrauch macht und damit effektiv Aufwendungen verursacht oder Einflußnahmen nicht vornimmt 49 . Dieser Umstand muß bei einer Verteilung der Finanzverantwortung nach dem Veranlassungsprinzip außen vor bleiben.
Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 86, 87; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 215 spricht vom Aufopferungsgedanken im Staatsinnenbereich. 48 49
Siehe 5. Teil D i l . Siehe 5. Teil D i l .
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
3. Art. 104 a Abs. 3 GG (Lastenverteilungsnorm der Bundesgeldleistungsgesetze)
233
fìir Vollzug
Der Verfassungsgeber hat durch Art. 104 a Abs. 3 GG dem Umstand, daß es bei der Ausführung von Geldleistungsgesetzen insbesondere auf die umfangreichen Zweckausgaben ankommt, für deren Tragung die Länder als Vollzugsinstanzen aufgerufen wären, Rechnung zu tragen versucht 50. Grund für die Normierung war, daß der Bund die Länderverwaltung in diesen Fällen in unzumutbarer Weise als Leistungsträger bestimmen könnte51. In jüngster Zeit finden sich wieder Reformüberlegungen, die eine stärkere Ausrichtung am Veranlassungsprinzip - konkret: eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes als verantwortlichem Gesetzgeber an den Vollzugskosten - vorschlagen. Damit soll erreicht werden, daß der Bund stärker jene Ausgabenlast spürt, die mit Geldleistungsgesetzen verbunden ist 52 . Damit wird angeknüpft an die Fremdbestimmtheit und Unausweichlichkeit der finanziellen Belastung der Länder, die durch die bundesgesetzlich vorgegebene Vollzugsaufgabe hervorgerufen wird.
4. Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG (Revisionsklausel) Würde ein neu erlassenes, kostenverursachendes Bundesgesetz wird von den Ländern in eigener Verantwortung nach Art. 84 GG vollzogen, ergäbe sich nach derzeitiger Regelung die Finanzverantwortung der Länder aus Art. 104 a Abs. 1 GG in Verbindung mit einem Umkehrschluß aus Art. 104 a Abs. 2 GG. Bleiben ferner die Ausgabentragungsverpflichtungen von Bund und Ländern bleiben ansonsten unverändert, würde sich das Ausgaben-EinnahmenVerhältnis für die Länder nachteilig entwickeln. Ein Revisionsgrund läge vor, wenn diese Entwicklung wesentlich ist. Das Beteiligungsverhältnis an der Umsatzsteuer müßte zugunsten der Länder verbessert werden. Die Folge wäre eine Benachteiligung des Bundes.
50
Zu den Ungereimtheiten der Normierung siehe 5. Teil D Π.
51
Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 78; Bundesregierung, BT/DS 5/2861 (1968), Tz. 124; Enquete-Kommission „ Verfassungsreform", Schlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 210 f.; siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 c ii (1). 52
Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 c ii (1) und 5. Teil D Π.
234
7. Teil: Veranlassung
Insofern führt der Weg über Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG 53 im Ergebnis genauso zu einer Belastung des Bundes, wie es bei der Anwendung des Veranlassungsprinzips der Fall wäre. Die Folgen treten ein, wenn der Bundesgesetzgeber den Verfassungsappell zur Neufestlegung der Beteiligungsquoten für die Umsatzsteuer befolgt 54. Es handelt sich bei Anwendung der Revisionsklausel um den mittelbaren Weg, den Bund in die Finanzverantwortung für die Kosten der Ausführung seiner Gesetze durch die Länder einzubeziehen. Deshalb kann man sagen, daß bei Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG Veranlassungsgesichtspunkte berücksichtigt werden. Angeknüpft wird an die vom Bundesgesetzgeber zu verantwortende Veränderung bei den notwendigen Ausgaben.
5. Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG (Mehrbelastungsausgleich) In Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG 55 wird ausdrücklich die die Länder als Vollzugsinstanzen belastende Wirkung der Bundesgesetze angesprochen und an sie eine Ausgleichsmöglichkeit geknüpft. Allerdings muß es sich bei der Mehrbelastung der Länder um eine solche handeln, die „auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist" 56 , da dauerhafte Mehrbelastungen nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG zu beurteilen wären 57. Die Finanzzuweisungen nach Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG bezwecken keine Überbrückung bis zur nächstfälligen Änderung des Verteilungsschlüssels der Umsatzsteuer 58. Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG ist kein Instrument, eine dauerhafte Mehrbelastung
53 Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG lautet: „Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt."; ähnlich bereits Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG 1955. 54
Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 30.
55
Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG lautet: „Werden den Ländern durch Bundesgesetze zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen."; vergleiche bereits Art. 106 Abs. 5 S. 2 GG 1955. 56
Fischer-Menshausen, in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandiii, 1983, Art. 106, Rn. 31; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 116; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR 1990, Band IV § 103, Rn. 6. 57 58
Vogel/Walter,
in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 109.
So aber Enquete-Kommission „ VerfassungsreformSchlußbericht, 7/5924 (1976), S. 204; Heun, Der Staat 1992, 205, 218.
BT/DS
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
235
für einen kurzen, vorübergehenden Zeitraum abzugleichen 59 . Es ist nicht zulässig, die nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG fallige Änderung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses unter Berufung auf eine sich aus Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG ergebende Zwischenfinanzierungsbefügnis aufzuschieben 60. Denn Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG soll verhindern, daß die Quote in kurzem Abstand zweimal geändert werden muß: Zum einen mit Einsetzen der Mehrbelastung; ein zweites Mal bei Beendigung der vorübergehenden Ausgabensteigerung beziehungsweise Einnahmenverringerung. Handelt es sich um eine dauerhafte Mehrbelastung, ist das Beteiligungsverhältnis sofort zu ändern. Eine Wahlmöglichkeit zwischen Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG besteht nicht 61 . Nach dem Wortlaut ist als Rechtsfolge keine Ausgleichspflicht vorgesehen, sondern nur angeordnet, daß „die Mehrbelastung mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden kann". Schon deshalb kann die Ansicht von Maunz 62 , der Bund sei bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zum Ausgleich verpflichtet, nicht überzeugen. Es handelt sich um eine KannVorschrift 63 . Insofern besteht ein Ermessen sowohl hinsichtlich der Frage, ob ein Ausgleich stattfindet, als auch bei der Wahl des Mittels 64 . Vermittelnd wird man allerdings sagen können, daß der Bundesgesetzgeber aufgrund seines allgemeinen Auftrags, auf einen billigen Ausgleich der Finanzinteressen hinzuwirken (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG), gehalten ist, die vorgesehene Entlastungsregelung zu treffen, wenn die Mehrbelastung der Länder so deutlich ins Gewicht fallt, daß sie die finanzielle Zumutbarkeitsgrenze erheblich überschreitet 65. Ferner kann sich das in Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG eingeräumte
59 Die Gefahr, daß Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG dazu mißbraucht wird, ist allerdings dann groß, wenn die Quote für die Umsatzsteuerbeteiligung nicht unbefristet, sondern nur - wie üblich - für einen bestimmten Zeitraum festgelegt wird. Zur Kritik hieran siehe 7. Teil F. Π.; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 73; Hettlage, FS für Carstens, Bandïï, 1984, S. 613, 625. 60
Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 69.
61
Vogel/Walter,
62
Maunz, in: MDHS, Art. 106 (1978), Rn. 71.
in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 109.
63
Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 106, Rn. 15. 64
VogellWalter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 111, 118; allerdings mit dem Hinweis darauf, daß Finanzzuweisungen über das Zustimmungserfordernis des Bundesrates erpressbar sind (Rn. 119). 65 Fischer-Menshausen, Art. 106, Rn. 31.
in: v.Münch, Grundgesetz-Kommentar, BandHI, 1983,
236
7. Teil: Veranlassung
Ermessen aufgrund des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens zu einer Handlungspflicht verdichten 66. Auch wenn danach ein Ausgleich nicht für alle Fälle einer bundesgesetzlichen Mehrbelastung der Länder stattfinden muß, ist anzuerkennen, daß Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG wegen der Befugnis des Bundes, durch Bundesgesetze die Länder mit zusätzlichen Verwaltungsaufgaben und damit in der Regel zusätzlichen Ausgaben zu belasten oder ihnen Einnahmen zu entziehen, darauf angelegt ist, eine Kostenneutraliserung herbeizuführen 67. Es wird also insoweit nicht an die Gesetzesausführung, sondern an die Gesetzgebung angeknüpft 68 . Mithin handelt es sich bei Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG um einen dem Veranlassungsprinzip folgenden „Lastenausgleich"69. Faßt man Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG zusammen, zeigt sich, daß bereits der jetzigen Verfassung das Veranlassungsprinzip für die Verteilung der Kosten des Gesetzesvollzugs nicht fremd ist: Kurzfristige Mehrbelastungen können unmittelbar ausgeglichen werden, langfristige Kostenübernahmeverpflichtungen werden bei der Steuereinnahmenverteilung berücksichtigt.
6. Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 (Sicherungsklausel) Noch deutlicher als die Revisionsklausel formulierte die Sicherungsklausel des Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 195570 den Zusammenhang zwischen der die vollzugszuständigen Länder belastenden Wirkung der Bundesgesetze und der Einnahmenverteilung. Damit war - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 4 GG - für den praktisch wichtigsten Fall einer Ände-
66
Pieroth, in: JP, Grundgesetz, 1995, Art. 106, Rn. 10.
67
Heun, Der Staat 1992, 205, 211 ist der Ansicht, Art. 106 Abs. 4 S. 2, 3 GG ziehe aus dieser Befugnis unmittelbar die richtigen Konsequenzen. 68
Schoch!Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 75.
69
Vogel/Kirchhof,
70
in: BK, Art. 107 (1971), Rn. 67.
Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 lautet: „Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Aufgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, ist das Beteiligungsverhältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zu ändern, wenn der Tatbestand des Absatzes 4 gegeben ist."; vergleiche Art. 106 e Abs. 2 S. 1, Entwurf der Bundesregierung für das Finanzverfassungsgesetz, BT/DS 2/480 (1954), S. 3: „Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Aufgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, ist das Beteiligungsverhältnis am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zugunsten der Länder zu ändern, wenn der Tatbestand des Absatzes 1 gegeben ist."
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
237
rung i m Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis ein zwingender Revisionsgrund normiert 71 . Im Gesetzgebungsverfahren fanden sich sogar darüber hinausgehende Überlegungen. Auf der Rechtsfolgenseite der Sicherungsklausel war ausdrücklich eine Ausgleichspflicht vorgeschlagen worden 72 : „Den Ländern sind gleichzeitig die zur Deckung erforderlichen Mittel durch Zuweisung neuer Steuern oder erhöhter Anteile zu erschließen, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates festgestellt wird, daß den Ländern die Tragung der zusätzlichen Lasten ohne Erschließung neuer Einnahmequellen zumutbar ist." Dieser Vorschlag stützte sich auf die schon im Reichsfinanzausgleichsgesetz vorgesehenen Finanzierungspflichten des Bundes bei kostenrelevanter Aufgabenübertragung. Dort hieß es zunächst: „Das Reich darf den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) neue Aufgaben nur zuweisen, wenn es gleichzeitig für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel Sorge trägt" 73 . Nach einer Änderung lautete § 54 RFAG: „Werden den Ländern oder den Gemeinden (und Gemeindeverbänden) neue Pflichten auferlegt oder bestehende Pflichten erweitert, durch die ihnen neue Lasten entstehen, so ist gleichzeitig für die Bereitstellung der Mittel Sorge zu tragen" 74 . Der Unterschied zwischen den Regelungen im Reichsfinanzausgleichsgesetz und der Sicherungsklausel besteht darin, daß § 54 RFAG eine unmittelbare Bundesfinanzverantwortung begründet, während Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG 1955 lediglich auf die Revisionsmöglichkeit verweist 75.
71
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 116; Schönherr, Föderativer Finanzausgleich, 1984, S. 246 spricht von einem „einklagbaren Anspruch der Länder". 72
Art. 107 Abs. 3 Entwurf der Bundesministerium für Finanzen, Studienkommission, BT/DS 2/480 (1954), S. 155; Art. 106 Abs. 4 S. 1 Gegenvorschlag des Bundesrates, BT/DS 2/480 (1954), S. 200 und 197. 73
§ 52 Landessteuergesetz vom 30.03.1920 RGBl., S. 402, 413; § 59 Finanzausgleichsgesetz vom 23.06.1923, RGBl. I, S. 494, 504; § 54 Finanzausgleichsgesetz vom 27.04.1926, RGBl. I, S. 203, 210. 74 Art. 1 § 1 Nr. 10 Drittes Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichs vom 31.07.1938, RGBl. I, S. 966, 967. 75
Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 115, 171; Sattler, in: Peters, HdKWP, Band ΙΠ, 1959, S. 23 f., 29.
238
7. Teil: Veranlassung
Der zitierte Vorschlag hat keinen Eingang in die Verfassung gefunden. In der Finanzreform 1969 ist die Sicherungsklausel des Art. 106 Abs. 5 GG 1955 weggefallen. In die neue Revisionsklausel (Art. 106 Abs. 4 GG 1969) wurde lediglich die Möglichkeit eingebaut, kurzfristige Mehrbelastungen abzugleichen (Art. 106 Abs. 5 S. 2, 3 GG 1955). Trotzdem hat das Grundgesetz die Forderung der Länder und Gemeinden nach Schutz vor finanzieller Belastung durch die Bundesgesetzgebung und nach entsprechenden Deckungsmitteln für die Ausführung von Bundesgesetzen mit der Sicherungsklausel anerkannt 76. Damit sind Veranlassungsgesichtspunkte für die Frage der Kostenverantwortlichkeit akzeptiert.
II. Einfachgesetzliche, dem Veranlassungsprinzip folgende Normen 7. §§5Abs. 1, 6Abs. 1 Landbeschaffungsgesetz § 5 Abs. 1 Landbeschaffüngsgesetz 77 sieht die Erstattung notwendiger Kosten in der Regel durch den Bund als dem Erwerber eines Grundstücks vor, welche anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen entstehen, weil infolge des Landerwerbs Kosten für Ersatz oder Verlegung von Einrichtungen oder Anlagen auftreten. Berechtigter ist der Träger der beeinträchtigten Aufgabe, der wegen der Landbeschaffung die Verlegung oder Neuanlage der Einrichtung durchzuführen hat 78 . Dabei stehen jedoch Billigkeitsüberlegungen und Aufopferungsaspekte im Vordergrund, so daß eher eine Parallele zur Enteignungs-
76 Bundesregierung, BT/DS 2/480 (1954), Tz. 63, 116, 171; Görg, in: Kunst/Grundmann, Evangelisches Staatslexikon, 1966 Spalte 517 f.; Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 86 und Keßler, DVB1. 1953, 1, 6 sprechen von einem dem Grundgesetz beziehungsweise jedem Bundesstaat inhärenten Grundsatz; Huchting, DÖV 1954, 289, 291 f.; Hettlage, VVDStRL, Band 14 (1956), S. 2, 29 f.; Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 318 f. 77
Landbeschaffungsgesetz vom 23.02.1957 BGBl. I, S. 134 ff; § 5 Abs. 1 lautet: „Stehen Verkehrs-, Fernmelde-, Versorgungseinrichtungen und -anlagen sowie Einrichtungen und Anlagen der Abwasserwirtschaft infolge der Landbeschaffung nicht mehr zur Verfugung und ist ihr Ersatz oder ihre Verlegung erforderlich, so hat der Erwerber dem Träger der Aufgabe die Kosten des Ersatzes oder der Verlegung zu erstatten. Vorteile und Nachteile, die dem Träger der Aufgabe im Zusammenhang mit dem Ersatz oder der Verlegung entstehen, sind angemessen auszugleichen. (...)". 78
v. Hausen, Landbeschaffungsgesetz § 5 Anm. 3, 5.
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
239
entschädigung als zum Finanzwesen zu ziehen ist 79 . Für eine allgemeine Regelung der Kostenverteilung lassen sich daher keine Rückschlüsse ziehen. Durch § 6 Abs. 1 Landbeschaffungsgesetz 80 wird ein Ausgleichsanspruch für durch die Landbeschaffung adäquat verursachte Nachteile geschaffen 81. Es wird dasselbe Ziel verfolgt wie durch Art. 106 Abs. 8 GG 82 . Daher lassen sich aus dieser Norm keine neuen Gedanken für die Lastenverteilung ableiten.
2. § 14 Abs. 3 FStrG Der Träger der Straßenbaulast einer Umleitungsstrecke soll nicht jene Kosten tragen, die dadurch entstehen, daß zusätzlicher Verkehr die Straße beansprucht und verkehrssicher geleitet werden muß. Für diese besondere Kostenbelastung schafft § 14 Abs. 3 FStrG 83 einen Ausgleich. Der Bund hat wegen einer von ihm herbeigeführten Umleitung die Mehraufwendungen zu ersetzen. In der Normierung dieser Ausgleichspflicht findet der Veranlassungsgrundsatz seinen Ausdruck 84. Gleichzeitig handelt es sich jedoch um die einfachgesetzliche Normierung des in Art. 106 Abs. 8 GG verankerten Sonderbelastungsausgleichs85, so daß auch diesbezüglich auf die obigen Ausführungen zu verweisen ist.
79
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 915.
80
§ 6 Abs. 1 lautet: „Werden infolge Landbeschaffungen, Änderungen oder Neuordnungen von Gemeinde-, Schul-, oder Kirchenverhältnissen oder von Anlagen im öffentlichen Interesse erforderlich, so trägt der Erwerber insoweit die Kosten, als die den öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen entstehenden Lasten und Nachteile nicht durch Vorteile ausgeglichen werden. (...)". 81
v. Hausen, Landbeschaffungsgesetz § 6 Anm. 1,3.
82
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 915.
83
Bundesfernstraßengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.04.1994, BGBl. I, S. 854, 861. 84
Mar schal l/Schroeter/Kastner, Rn. 5.1.
Bundesfernstraßengesetz, 1977 § 14, Rn. 4.1, § 12,
85 BVerwG, JZ 1992, 460, 462 (=NVwZ 1992, 264, 266); Kodal/Krämer, recht, 1995 Kapitel 23, Rn. 11.
Straßen-
240
7. Teil: Veranlassung
3. Kostenverteilung
bei der Herstellung von Kreuzungsanlagen
Das Veranlassungsprinzip ist einfachgesetzlich im Rahmen der Kostenverteilung bei Herstellung oder Veränderung von Kreuzungen verschiedener Verkehrswege in zahlreichen Gesetzen verankert und anerkannt 86: §§ 5, 6 TelwegG 87 , § 23 FAG 88 , § 39 Reichsbahngesetz89, § 11 Abs. 1 EKreuzG 90 , § 12 Abs. 1, 3 FStrG 91 , § 34 Abs. 1, 3 StrWG 92 , § 41 Abs. 1, 2, 5 WaStrG 93 . Dort wird ihm folgende Bedeutung beigemessen: Der Träger der Baulast des neu hinzukommenden Verkehrsweges beziehungsweise, auf dessen Tätigwerden die Veränderung bestehender Verkehrswege zurückgeht, hat die Kosten der Kreuzung einschließlich der notwendigen Änderungen des vorhandenen Verkehrsweges zu tragen. Es ist entscheidend, auf wen die vorgenommenen Veränderungen zurückgehen. Es wird darauf abgestellt, wer, ausgehend vom status quo vor den Veränderungen, die kostenträchtigen Maßnahmen hat notwendig werden lassen. Irrelevant sind Grund und Notwendigkeit der die Ver-
86
Nedden, Kreuzungsrecht, 1968, S. 3. Telgraphenwegegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.04.1991, BGBl. I, S. 1053, 1054 f. 87
88 Gesetz über Fernmeldeanlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.07.1989, BGBl. I, S. 1455, 1461. 89 90
Vom 30.08.1924, RGBl. Π, S. 272,278.
Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.03.1971, BGBl. I, S. 337, 339 (vergleiche bereits § 5 des Gesetzes vom 04.07.1939, RGBl. I, S. 1211). 91 Bundesfernstraßengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.04.1994, BGBl. I, S. 854, 860. 92 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.08.1983, GVB1. NW, S. 306, 313 f. 93 Bundeswasserstraßengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.08.1990, BGBl. I, S. 1818, 1827.
Β. Veranlassung - Definitionsasätze
241
änderungen erforderlich machenden Maßnahme, die zum Beispiel in gestiegenem Verkehrsaufkommen oder neuer Streckenplanung liegen können 94 . Zwar kann auch hier eingewendet werden, daß bei den genannten Normen nicht Lastenverteilungsaspekte, sondern Ersatzpflichten im Vordergrund stehen. Denn es werden nicht abstrakt, mit Kosten verbundene, Aufgaben verteilt. Stattdessen erfolgt ein Ausgleich für konkrete Eingriffe. Die neu errichtete oder veränderte Einrichtung des Veranlassers bringt dem Träger der Baulast der bereits vorhandenen Anlage nur kostenmäßige Nachteile, weil dessen Anlage ohne Anpassungen unbrauchbar wird. Insofern hat jede der beteiligten Personen öffentlichen Rechts nur Interesse am Zustand der eigenen Anlage 95 . Auch wird zu Recht reklamiert, daß das Veranlassungsprinzip nicht durchgängig für alle Kreuzungsverhältnisse Anwendung findet. Es könne daher nicht von einem herrschenden Prinzip gesprochen werden, das allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann 96 . Da hier nur Definitionshilfen gewonnen werden sollen, können diese Einwände außer Betracht bleiben. Verallgemeinernd läßt sich das Veranlassungsprinzip im Bereich des Verkehrswegekreuzungsrechts wie folgt umschreiben: Entstehende Kosten sind demjenigen aufzuerlegen, auf dessen Verlangen und in dessen Interesse eine Veränderung vorgenommen wird 97 .
4. Ergebnis Übertragen auf die Frage nach der Finanzverantwortung beim Gesetzesvollzug ist den untersuchten Normen folgendes zu entnehmen: Der bisherige Vollzugsumfang mit den damit verbundenen Kosten ist als Ausgangslage zu verstehen. Für Änderungen an diesem Zustand durch zu94
Vergleiche: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 1977, § 12, Rn. 5.1; Walprecht/Neutzer/Wichary, Straßen- und Wegegesetz NW, 1986, Rn. 294 (zu §34 StrWG); Finger, Eisenbahngesetze, 1962, §5 EKreuzG, Anm. 9 a; Lütkes/Meier/Wagner/Emmerich, Straßenverkehr Teil Π Leitzahl 16 Erläuterung zu § 11 EKreuzG (73. Ergänzungslieferung zur 1. Auflage); Schweinsberg, Eisenbahnkreuzungsgesetz, 1990, § 11 Anm. 2; Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 1981 §41, Rn. 2; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 1985 18. Kapitel, Rn. 20; 1995 18. Kapitel, Rn. 55. 95
Vergleiche zum Rechtscharakter der genannten Normen: Bleckmann, DVB1. 1970,913,915. 96
BGH NJW 1969, 1066, 1068; Nedden, Kreuzungsrecht, 1968, S. 3; Schweinsberg, Eisenbahnkreuzungsgesetz, 1990, S. 20. 97
Bleckmann, DVB1. 1970, 913, 915.
16 Trapp
242
7. Teil: Veranlassung
sätzlich auferlegte, ausgabenverursachende Vollzugsaufgaben hat derjenige die Kosten zu tragen, der ein Tätigwerden erforderlich macht, also der Gesetzgeber.
C. Folgerungen Aufgrund der Ausführungen zu den Kausalitätstheorien und zu den Normen, die kostenrelevantes Verhalten in Ansatz bringen, läßt sich „Veranlassen" beziehungsweise „Kostentragung nach dem Veranlassungsprinzip" und dementsprechend „Aufgabenwahrnehmung im Sinne des Art. 104 a Abs. 1 GG" definieren als: Zurechenbare und zu verantwortende Einflußnahme auf das „Ob" oder „Wie" einer ausgabenrelevanten Staatstätigkeit. Dabei ist Einflußnahme zurechenbar und zu verantworten, wenn eine Körperschaft aufgrund und im Rahmen ihrer materiellen Regelungskompetenz bewußt und zielgerichtet den mit Kostenfolgen verbundenen Ablauf in Gang setzt oder aufrechterhält, um ein Sachanliegen zu realisieren. Das Veranlassungsprinzip koppelt die Finanzierungskompetenz an die Ausübung (jeder) anderen Zuständigkeit98. „Wahrnehung einer Aufgabe" im Sinne des Konnexitätsgrundsatzes in Art. 104 a Abs. 1 GG ist die Ausübung von Zuständigkeiten zur Erreichung eines konkreten Zwecks, welche die Höhe der entstehenden Lasten ganz oder doch zum Teil festlegt 99. Abzustellen ist auf die realen Steuerungspotentiale 100. Es trägt diejenige Körperschaft die Ausgaben, die im Sinne von Urheberschaft durch Aufgabenerfindung und Aufgabenzuordnung die Entscheidung über das Anfallen der Ausgaben getroffen hat. Die sachliche Entscheidungskompetenz ruft nach der Übernahme der Finanzverantwortung. Wer aktiv wird, muß auch die Mittel dafür aufbringen; wer passiv bleibt, läßt keine Kosten entstehen101.
98
Erichsen, Konnexität, 1968, S. 24 f.; Hansmeyer/Kops Hansmeyer, in: Huhn/Witt, Föderalismus, 1992, S. 165, 169. 99
BldtLG 1989, 63, 68;
Grube, Grundsätze, 1966, S. 42, 49.
100
BW-Kommission „Finanzverfassungsreform ", Zwischenbericht, 1992, S. 23; auch der Hessische Verfassungsbeirat, in: Ministerium der Justiz Hessen, Die Reform des Grundgesetzes, 1993, S. 22 ff. (24) stellt auf die „politische Verantwortung für das vollzogene Gesetz" ab; Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 129; Viaion, Haushaltsrecht, 1959, Art. 106 GG Anm. 19 (S. 163). 101
v. Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 75; Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 34; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 133 f.; Friauf in: Kewenig, Deutsch-Amerikanisches Verfassungsrechtssymposium,
C. Folgerungen
243
Es kommt nicht darauf, wer die Leistung erbringt, also am Ende der Kette des Verwaltungsprozesses die Ausgaben tätigt. Entscheidend ist der effektive Einfluß, den die Hoheitsträger auf den Gesetzesvollzug nehmen102. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um diktatorische Lenkung oder kooperative Mitwirkung handelt. Die tatsächliche Einflußnahme reicht aus, um ein Einstehen-müssen zu begründen. Denn bereits durch die Einflußnahme wird ein anderer zu etwas bewegt, beziehungsweise es werden kostenträchtige Handlungspflichten ausgelöst103. Aus denselben Gründen ist es unerheblich, ob die Einflußnahme bereits Außenwirkung hat. Veranlassung geht somit über Kausalität hinaus, wie sie das Verursachungsprinzip impliziert. Anstelle von Ursache und Wirkung sind die Begriffe Mittel und Zweck zu gebrauchen (Final- oder Kosteneinwirkungsprinzip) 104 . Es kann sich haftungseinschränkend für den Veranlasser auswirken, daß sein Verhalten nicht rechtmäßig war, weil sich der Veranlaßte gegen rechtswidrige Veranlassung zur Wehr setzen muß 105 .
1978, S. 177, 191; Boss, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Problematik des Finanzausgleichs, 1993, S. 79, 92; Sander, Aufgaben und Einnahmen, 1987, S. 233, 246; Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 146; Sachverständigenkommission „Umsatzsteuerverteilung Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 95; Hoppe, DVB1. 1992, 117, 122 f.; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut fur Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VE, 1992, S. 55, 62; Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Probleme mehrstufiger Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 63; Henke/Seh upper t, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 60; Schoch, der landkreisl994, 253, 254; Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973, 977 versteht unter Aufgabe das, was „das betreffende Gliedsubjekt bei einer Kompetenzverwirklichung jeweils an konstitutiver Verantwortung in den Händen hält." 102
Köttgen, DÖV 1953, 358, 362.
103
Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen, 1988, S. 113; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 98, Rn. 137. 104
Görnas, Grundzüge der Verwaltungskostenrechnung, 1976, S. 101; Ehrt, Zurechenbarkeit, 1967, S. 29 ff. 105 Siehe 7. Teil Β 11 a aa; vergleiche Art. 104 a Abs. 5 S. 2 GG.
4
',
8. Teil
Gemengelage bezüglich kostenrelevanter Veranlassungsmomente Da der Gesetzgeber für die mit seinen Gesetzen verbundenen Kosten mitverantwortlich ist 1 , fragt sich, wie hoch sein Haftungsanteil ist. Das Gesetz, das am Anfang eines Verwaltungsprozesses steht, ist wegen der funktionellen Gemengelage im Verhältnis von Bund und Ländern, die in der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes begründet ist 2 , nur ein Faktor unter mehreren, durch den die Leistung am Ende und damit auch die Gesamtausgaben determiniert werden (sogenannte multikausale Kostenverursachung) 3. Einzugehen ist deshalb insgesamt auf kostenverursachende Umstände (Kostendeterminanten, Kostenfaktoren). Als Veranlasser beziehungsweise Veranlassungsmomente für die Kosten des Vollzugs von Bundesgesetzen, auf den sich die folgende Auflistung beschränkt 4, kommen in Betracht 5:
1
Siehe 7. Teil A.
2
Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 199, 245; Hohrmann, F., Bundesgesetzliche Organisation, 1967, S. 178. 3 Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 31, 110, 111; Schmidt-Eichstaedt, ZG 1986, 131, 136 f., 139. 4 Entsprechende Ausführungen wären für den Vollzug von Landesgesetzen zu machen, der hier ausgeklammert wird. 5 Vergleiche bei Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981; fur den bis zur Verabschiedung eines Gesetzes entstehenden Verwaltungsaufwand vergleiche die von der Bundesregierung, BT/DS 8/212 (1977), S. 6 genannten kostenwirksamen Faktoren.
245
Α. A u f Bundesebene
Α. Auf Bundesebene L Bundesgesetzgeber 1. Ausfuhrungsbedürftigkeit Durch einige Gesetze können aufgrund ihres Regelungsgegenstandes keine Kosten auf der Verwaltungsebene verursacht werden, weil sie nicht vollzugsbedürftig sind. Dabei handelt es sich um Gesetze, welche die Vollzugsorgane zwar wie jedermann beachten und befolgen müssen, die aber nicht ausgeführt werden müssen6.
2. Handlungsformen
rechtsnormativer
Einflußnahme
Der Gesetzgeber kann durch verschiedene Maßnahmen Aufgabenumfang und Finanzsituation der Vollzugsorgane beeinflussen 7: Bei der direkten gesetzlichen Aufgabenzuweisung werden neu kreierte Sachanliegen zur Erledigung den Vollzugsorganen vorgegeben. Aufzuführen sind unter anderem Aufgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder im Bereich der Regionalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs 8. Mittelbar erfolgt eine Aufgabenzuweisung durch die Normierung individueller Rechtsansprüche, die sich gegen Länder oder Kommunen richten. Die zur Anspruchserfüllung verpflichtete Körperschaft wird gezwungen, die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Als Beispiel läßt sich der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz anführen 9. Selbst wenn Zweckkosten ersetzt würden, verbleibt eine Belastung durch die entstehenden Verwaltungskosten, weil ein Ersatz wegen Art. 104 a Abs. 5 GG ausgeschlossen ist. Daneben ergeben sich durch Anspruchsmodifikationen Lastenverschiebungen. Knüpft der Bund das soziale Netz weitmaschiger, verstärkt das die Inânspruchnahme von Sozialhilfe, mit der wegen der subsidiären Aufgabenzu6 Vergleiche die Übersicht bei Schmidt-Eichstaedt, 1981, S. 24 ff.
Bundesgesetze und Gemeinden,
7 Vergleiche Schoch, der landkreis 1994, 253, 254; Schmidt-Eichstaedt, 131, 136. 8
Schoch, der landkreis 1994, 253, 253 f.
9
Schoch, der landkreis 1994, 253, 253; Henneke, ZG 1994,212, 237.
ZG 1986,
246
8. Teil: Gemengelage bezüglich kostenrelevanter Veranlassungsmomente
ständigkeit der Bund nicht befaßt ist. Beschließt der Bund zum Beispiel eine Senkung des Arbeitslosengeldes, oder begrenzt er die Arbeitslosenhilfe in zeitlicher Hinsicht, so entlastet das den Bundeshaushalt, ohne daß die damit ansteigenden Sozialhilfekosten ihn belasten10. Die Finanzsituation von Ländern und Gemeinden kann durch den Bundesgesetzgeber aber auch auf der Einnahmenseite verändert werden. Gewährt der Bund im Wohnungsbauförderungsgesetz grundsteuerliche Erleichterungen für den sozialen Wohnungsbau, fuhrt das bei den Gemeinden zu Steuerausfallen 11. Gleiches gilt im Fall der Abschaffung beziehungsweise Senkung der Gewerbesteuer, für die bislang die Gemeinden nach Art. 106 Abs. 6 GG die Ertragszuständigkeit haben12. Umgekehrt hat der Bund es in der Hand, durch eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer positiv beziehungsweise kompensierend auf deren Einnahmensituation einzuwirken 13 .
3. Inhaltliche Ausgestaltung der Einflußnahme Während der Umfang der Normsetzung darüber Auskunft gibt, wieviele Materien bundesgesetzlich beeinflußt sind, läßt sich der Qualität der Gesetzgebung entnehmen, wie konkret der Gesetzesvollzug vorbestimmt ist. Die zunehmende Verrechtlichung auf der Bundesebene betrifft die Verteilung von sachlichen Anliegen unter den Aufgabenträgern (Bund, Ländern und Gemein-
10 Milbradt, in: Kitterer, Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 153, 160; Schoch, der landkreisl994, 253, 254; Schoch!Wieland, JZ 1995, 982, 983; Thieme, DÖV 1989, 499, 504 f.; aufgrund der im Entwurf des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vorgesehenen Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes würden durch die Senkung der Lohnersatzleistungen und sonstigen Veränderungen bei den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit Mehrbelastungen der Gemeinden über die Sozialhilfe in Höhe von 4 Mrd. DM in 1994 entstanden sein; vergleiche Bundesregierung, BT/DS 12/5502 (1993), S. 21; auf die Befristung der Arbeitslosenhilfe wurde im Ersten Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993 BGBl. I, S. 2353 ff. verzichtet; die Befristung der Arbeitslosenhilfe auf 36 Monate hätte 3,7 Mrd. DM, auf 24 Monate 5,1 Mrd. Entlastung bedeutet; vergleiche Bundesregierung, BT/DS 13/1712 (1995), S. 3; vergleiche zur Reform Arbeitslosenhilferechts BT/DS 13/2898 (1995). 11 12
Zimmermann!Henke, Finanzwissenschaft, 1994, S. 181.
Auf eine entsprechende Änderung des Gewerbesteuergesetzes (vergleiche BT/DS 13/1173 und 13/901, S. 79 ff., 124 f., 146 f.) wurde im Jahressteuer-Ergänzungsgesetz, 1996 verzichtet (vergleiche BGBl. I, S. 1959, 1964). 13 Vergleiche unter anderem BT/DS 13/900 (1995); 13/1685 (1995).
Α. A u f Bundesebene
247
den) und zwischen Legislative und Exekutive 14 . Die finanziellen Folgen interessieren in diesem Zusammenhang nicht, weil aus der Zahl der Gesetze nicht auf die Kostenträchtigkeit zu schließen ist 13 . Unter Veranlassungsaspekten ist die gesetzlich vorgeschriebene Ausgestaltung des Vollzugs entscheidend, weil die bei den Vollzugsorganen anfallenden Kosten davon abhängen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch Organisationsnormen Kosten zur Folge haben16. Bundesrechtliche Normen weisen unterschiedliche Regelungsdichten auf. So ist der Bundesgesetzgeber schon vom Grundgesetz verpflichtet, für die in Art. 75 GG bestimmten Materien nur einen Rahmen zu normieren, der von den Ländern auszufüllen ist. Dabei muß den Ländern Raum für eigenständige Entscheidungen in Bereichen von substantiellem Gewicht bleiben. Aber auch ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung kann der Bund auf verschiedene Weise nutzen, indem er entweder nur generalisierende Regelungen erläßt und die Einzelheiten einer Rechtsverordnung oder dem pflichtgemäßen Ausführungsermessen der Verwaltung überläßt, oder indem er eine einzelfallorientierte Totalregelung formuliert, die der Verwaltung nur noch einen exakten Gesetzesvollzug überläßt 17. Je stärker der bundesgesetzliche Detailierungsgrad ist, desto höher ist der Veranlassungsanteil des Gesetzgebers an den Vollzugskosten, da der Verwaltungsebene weniger Spielraum für eigenzuverantwortende Entscheidungen bleibt. Deshalb ist zwischen Vollgesetzgebung einerseits und Grundsatzgesetzgebung beziehungsweise Rahmengesetzgebung andererseits zu unterscheiden18.
IL Ingerenzrechte der Bundesexekutive Der Umfang der bundesseitig veranlaßten Vollzugskosten hängt neben den Entscheidungen des Gesetzgebers von dem Ob und Wie des Tätigwerdens der Bundesexekutive ab. Bei der politischen Mitwirkung im Entscheidungs- und Umsetzungsprozeß spielen die dem Bund nach Art. 84 Abs. 2, 3, 5 GG und Art. 85 Abs. 2, 3, 4 GG eingeräumten internen Mitwirkungsakte, Weisungsrechte und aufsichts-
14
Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 c gg und hh.
13
Bundesregierung, BT/DS 8/212 (1977), S. 3; anders Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 34 f. 16
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 94.
17
Schmidt-Eichstaedt,
18
Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 12 f.
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 31.
248
8. Teil: Gemengelage bezüglich kostenrelevanter Veranlassungsmomente
rechtlichen Befugnisse sowie vom Bund erlassene Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Ausführungsverordnungen eine Rolle. Dabei sind die Art (generell/einzelfallbezogen), die Häufigkeit und die Intensität (anweisend bestimmend - kontrollierend - rahmensetzend - ermächtigend - empfehlend) der Vorbehalte sowie das Verfahren des Eingriffs entscheidend19.
B. Auf Landesebene Sofern ein Bundesgesetz im Rahmen der Regelung des Verwaltungsverfahrens mit Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG anordnet, daß der Vollzug von den Kommunen zu leisten ist, liegt auf der Landesebene kein Veranlassungsfaktor für die Kostenentstehung. Verbleibt es bei der Regelung in Art. 83 GG, wonach die Länder zum Vollzug der Bundesgesetze in eigener Angelegenheit berechtigt und verpflichtet sind 20 , ist die Organisation des Vollzugs autonome Entscheidung der Länder. In Betracht kommen unmittelbare und mittelbare Landesverwaltung 21.
I. Unmittelbare Landesverwaltung Bei der unmittelbaren Landesverwaltung wi rd die Verwaltungstätigkeit dem Land als Rechtsperson unmittelbar zugerechnet. Die entsprechenden Behörden sind dem Land zugeordnet 22. In diesen Fällen gilt für die Frage der Kostenveranlassung das unter C. Ausgeführte.
19
Laux, DÖV 1979,729,733.
20
BVerfGE 37, 363, 385; 55, 274, 318.
21
Vergleiche allgemein: Lerche, in: MDHS, Art. 83 (1983), Rn. 14; Stern, Staatsrecht, Bandii, 1980, S. 797; Rietdorf,\ in: Loschelder/Salzwedel, Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1964, S. 93, 97 ff 22 Achterberg, in: Grimm/Papier, Nordrhein-westfalisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1986, S. 63, 82; in unmittelbarer Landeseigenverwaltung werden beispielsweise nach Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG die Steuergesetze vollzogen, bei denen die Steuererträge ausschließlich den Ländern zufließen (Art. 106 Abs. 2 GG). Für Aufgaben aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz (insb. Überwachung- und Genehmigungsaufgaben im Zusammenhang mit Anlagen und Gewerbebetrieben) sind überwiegend staatliche Umweltämter der Länder, teilweise auch die Gewerbeaufsichtsämter, zuständig.
. Auf
ndesebene
249
I L Mittelbare Landesverwaltung Die Länder können aufgrund ihrer Gestaltungskompetenz durch ein Einschaltgesetz juristische Personen des öffentlichen Rechts, die von dem Land getragen werden, für den Vollzug bestimmen. Dann wird diesen Personen der Vollzug zugerechnet. Dazu zählt auch die von den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften für den Staat erbrachte Verwaltungstätigkeit 23. Die kommunale Inanspruchnahme erfolgt also nicht durch den Bund, sondern indirekt durch Weitergabe der Durchführung seitens der zunächst verpflichteten Länder durch eine landesrechtliche Normierung. Für die Frage, ob diese Aufgabenweitergabe an die Kommunen ein Umstand ist, der eine Kostenbeteiligungspflicht des Landes begründet, ist danach zu unterscheiden, ob es sich um schlichte oder konkretisierende Weitergabe handelt.
7. Schlichte Aufgabenüberweisung Unter schlichter Aufgabenübertragung wird in diesem Zusammenhang verstanden, daß die Länder, ohne in das bundesgesetzlich geregelte Sachanliegen einzugreifen, die Ausführung der kommunalen Ebene übertragen. In diesem Fall ist ein kostenrelevanter Faktor auf Landesebene zu verneinen. Bestimmt der Bundesgesetzgeber nicht selbst, wer auf Landesebene das Gesetz auszuführen hat, ist es autonome Entscheidung der Länder, wie sie den Vollzug organisieren. Die Einschaltung der Kommunen durch das Land verursacht zwar die Kostenentstehung auf der Kommunalebene. Durch das Einschaltgesetz sind aber keine zusätzlichen Kosten bedingt. Deshalb kann es keinen Unterschied machen, ob die Kommunen erst durch landesrechtliche Weiterleitung in den Vollzug eingebunden werden oder unmittelbar im Bundesgesetz als für den Vollzug zuständige Ebene bestimmt werden. In beiden Fällen ist der Bund alleiniger Veranlasser. Im Rahmen der landesinternen Finanzausstattung der kommunalen Ebene hat das Land allerdings die Mittel, die es vom Bund für den Vollzug erhält, an die Kommunen weiterzuleiten. Insoweit zeigt sich, daß die Länder mit ihren
23
Als Beispiele sind bundesgesetzliche geregelte Aufgaben im Bereich des Ordnungsrechts zu nennen: Vollzug der verschiedenen Sperrzeiten nach dem Gaststättengesetz (§ 1 Abs. 1 GastV), Aufgaben auf dem Gebiet des Jagdwesens (§ 46 Abs. 3 LJG); in § 1 Abs. 2 2. HS AG-BSHG in Verbindung mit § 96 Abs. 2 S. 1 BSHG hat das Land NRW die Landschafts verbände als überörtliche Träger der Sozialhilfe bestimmt.
250
8. Teil: Gemengelage bezüglich kostenrelevanter Veranlassungsmomente
Kommunen zusammen (Art. 106 Abs. 9 GG).
finanzverfassungsrechtlich
2. Aufgabenübertragung
eine
Einheit
bilden
durch ein Ausjuhrungsgesetz
M i t Ausführungsgesetzen tragen die Länder landesspezifischen Gegebenheiten Rechnung. Aufgrund dieser die bundesgesetzliche Normierung modifizierenden landesrechtlichen Bestimmungen kann das Land neben dem Bund für die Kostenentstehung verantwortlich sein, sofern sich die Normierung des Landes kostenrelevant auswirkt 24 . Je indirekter eine ausführungsbedürftige bundesrechtliche Norm auf die Kommunen einwirkt, weil sie wegen der Sperre des Art. 83 GG zunächst nur an die Bundesländer gerichtet ist, desto mehr kann der bundesrechtliche Einfluß auf die Art und Weise der Ausführung der Norm vom Land beeinflußt, also vermehrt oder zurückgedrängt werden 25. Insoweit kommt es auf den Einzelfall an. Beispielsweise sind im Rahmen des Vollzugs des Bundessozialhilfegesetzes Veranlassungsfaktoren der Landesebene zu bejahen, weil in den Ausführungsgesetzen der Länder unter anderem Bestimmungen zur Trägerfrage enthalten und Anpassungen der Regelsätze an die örtlichen Lebenshaltungskosten festgelegt sind 26 .
3. Aufgabenübertragung durch die ein Bundesrahmengesetz konkretisierende landesrechtliche Normierung Da hierbei per definitionem die Länder die bundesgesetzliche Regelung modifizieren und konkretisieren, ist es sehr wahrscheinlich, daß kostenrelevante Entscheidungen getroffen werden. In welchem Umfang Veranlassungsfaktoren auf Landesebene liegen, ist wiederum vom Einzelfall abhängig.
24
Sachverständigenrat,
Jahresgutachten, 1990/91, Tz. 452.
25
Schmidt-Eichstaedty Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 30; SchmidtEichstaedty ZG 1986, 131, 137. 26
Junkernheinrich,
Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 23, 64.
C. A u f kommunaler Ebene (= Vollzugsebene)
251
C. Auf kommunaler Ebene (= Vollzugsebene) Nicht alle bei dem Vollzug der Gesetze entstehenden Kosten sind vom Gesetzgeber veranlaßt. Die Vollzugsorgane können Ausgaben tätigen, die dem Gesetzgeber nicht mehr zugerechnet werden können, weil sie über den Gesetzeszweck hinausgehen beziehungsweise ihre unmittelbare Grundlage nicht mehr in dem auszuführenden Gesetz haben. So wird zum Beispiel die Höhe der Sozialhilfeleistungen in gewissem Ausmaß von der Ausgestaltung konkreter Regelungen in den einzelnen Ländern und Gemeinden beeinflußt 27. Zu denken ist etwa an die Gestaltungsspielräume bei Höhe und Häufigkeit der Leistungen und bei Festsetzung der Regelsätze (zum Beispiel die Festlegung der Quadratmeterzahl für Sozialwohnungen)28. Auch kann es sich kostenrelevant auswirken, inwieweit Sach- oder Geldleistungen gewährt werden. Daneben spielt die Praxis der Sozialämter bei der Heranziehung Unterhaltspflichtiger eine Rolle für die Finanzbilanz im Bereich der Sozialhilfe 29. Entscheidend ist die Größe des Restbereichs an Eigenverantwortung, in dem die Kommunen durch Ermessensausübung, die gegebenenfalls über Selbstbindung durch Ortssatzung oder ständig geübte Verwaltungspraxis vorgegeben ist, selbst noch gestaltend tätig werden. Je größer die kommunale Entschließungsfreiheit, desto stärker ist ihre Kostenmitverursachung. Zu den verwaltungsinternen Faktoren zählen neben den das Sachanliegen selbst betreffenden Einflüssen auch Organisationsentscheidungen über die Art und Weise der Durchführung, also insbesondere Qualität der Verwaltungsführung, Personalführung, Organisationsstruktur, Produktionsbedingungen und Mitarbeiter sowie Technisierungs- und Rationalisierungsgrad 30.
27
Sachverständigenrat,
Jahresgutachten, 1988/89, Tz. 135.
28
Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 58; Junkernheinrich, Sonderbedarfe, 1992, S. 125 ff; Peffekoven, in: FS für Pohmer, 1990, S. 323, 335. 29 30
Junkernheinrich,
Neuverteilung der Sozialhilfelasten, 1990, S. 46.
Laux, DÖV 1979, 729, 733 mit zusätzlicher Untergliederung; Schmidt-Eichstaedt, ZG 1986, 131, 137; Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 37.
252
8. Teil: Gemengelage bezüglich kostenrelevanter Veranlassungsmomente
D. Verwaltungsexterne Einflußfaktoren Daneben gibt es zahlreiche Faktoren, die zwar die entstehende Ausgabenhöhe beeinflussen, nicht aber zu den Veranlassungsmomenten zu zählen sind, weil sie nur die Folge anderweitig ausgeübter Kompetenzen sind, die bereits in Ansatz gebracht wurden. Dazu zählen in erster Linie gesellschaftlich und wirtschaftlich relevante Aspekte: Natürliche Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Bevölkerungsbewegung, Wirtschaftsprosperität, Bedürfnisentwicklung, technischer Fortschritt, Arbeitsmarkt, Investitionsverhalten, soziales Verhalten der Betroffenen etc.31. Auch kann Ungewißheit bestehen über die Anzahl der Fälle, die die tatbestandliche Rechtsfolge auslösen könnten, zum Beispiel wegen der unsicheren Zahl deijenigen, die - unter den Tatbestand einer Norm fallen (=Ungewißheit über die Zahl der potentiellen Anwendungsfalle) oder - e i n e gesetzliche Anspruchsgrundlage durch Stellung von Anträgen auf Leistung ausnutzen (=Ungewißheit über die Zahl der tatsächlichen Anwendungsfälle) 32.
E. Ergebnis Die Existenz von Veranlassungsfaktoren besagt noch nichts über den Finanzierungsanteil, den die jeweilige Ebene letztlich zu tragen hat. Da auf den verschiedenen Ebenen kostenverursachende Einflußnahmemöglichkeiten liegen, muß jede Ebene entsprechend ihrem Mitverschulden (ähnlich § 254 BGB) beziehungsweise ihrer Mitverursachung (ähnlich § 17 StVG) an den Kosten beteiligt werden. Zur Ermittlung einer Kostentragungsquote ist eine monetäre Bewertung der einzelnen aktuell gewordenen Veranlassungsmomente nötig. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich jeder der genannten Beeinflussungsfaktoren auch ko-
31
Weitere Beispiele bei: Schmidt-Eichstaedt, S. 114; Laux, DÖV 1979, 729, 733.
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981,
32 Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 29, 39 f.; SchmidtEichstaedt, ZG 1986, 131,137.
E. Ergebnis
253
stenmindernd auswirken kann 33 . Die Summe der gleichzeitig mit der Mehrkostenbelastung veranlaßten (Möglichkeiten zu) Mehreinnahmen oder Kostenverringerungen ist zugunsten des Veranlassers zu berücksichtigen. Vom Gesetzgeber vorgesehene, aber von der Vollzugsebene nicht ausgeübte Möglichkeiten zu Mehreinnahmen oder Kostenverringerungen belasten die Exekutive.
33 Sachverständigenrat, Jahresgutachten, 1988/89, Tz. 135; Luther, Lastenverteilung, 1974, S. 56; Bundesregierung, BT/DS 8/906 (1977), S. 4 f.
9. Teil
Kosten der Gesetze Untersucht werden soll, welche Kosten durch Gesetze entstehen und ob ihre Berechnung möglich ist, um die Kosten entsprechend dem Veranlassungsprinzip beziehungsweise den kostenrelevanten Einflußfaktoren auf die mitverantwortlichen Ebenen zu verteilen. Es ist notwendig, ein System zu entwickeln, welches geeignet ist, die aus den einzelnen Aufgabenkomplexen resultierenden Belastungen annähernd exakt zu erfassen und damit auszuweisen, welche Mittel durch den jeweiligen Veranlasser bereitgestellt oder erstattet werden müssen1.
A. Definition „Kosten der Gesetze" Zunächst sind die Begriffe „Kosten" und „Ausgaben" zu klären. Sodann sind abstrakt die denkbaren, durch die Gesetze entstehenden, Kosten zu benennen.
I. Kosten und Ausgaben In der Gesetzgebungs- und Verwaltungspraxis unterscheidet man gewöhnlich nicht zwischen Kosten und Ausgaben2. Auch in dieser Arbeit werden die
1
Mortz, der gemeindehaushalt 1973, 101, 102 und 128, 134 f. fordert dies im Hinblick auf die von den Kommunen wahrzunehmenden Auftragsangelegenheiten, Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben. 2
Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 28, 30, 59; Hugger , Gesetze, 1983, S. 245; Böhret! Hugger, Test und Prüfung, 1980, S. 185.
A. Definition „Kosten der Gesetze"
255
Begriffe synonym verwandt. Das ist nicht immer richtig, weil es Kosten gibt, denen keine Ausgaben gegenüberstehen und Ausgaben, die keine Kosten sind3. Unter Kosten sind jene in Geld bewerteten Mengen an Arbeitsleistungen, Betriebsmitteln und Werkstoffen (Produktionsfaktoren), an Dienstleistungen Dritter und öffentliche Abgaben, die bei der Leistungserstellung (Herstellung von Gütern oder Dienstleistungen) verbraucht werden, zu verstehen 4. Dabei ist unbedeutend, ob Geld ausgegeben wird 3 . Demgegenüber ist der Begriff „Ausgabe" enger, weil er haushaltsorientiert ist. Ausgaben sind alle von einem Betrieb geleisteten Zahlungen und Verrechnungen, die sich rechnungslegungsrelevant auswirken 6. Der Unterschied zeigt sich beispielsweise, wenn es aufgrund einer Gesetzesänderung zu Mehrarbeit von Vollzugsbeamten kommt, ohne daß zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden oder angemietete Räume, die bislang nicht genutzt waren, nunmehr eingesetzt werden. Der durch die Gesetzesänderung verursachte Verzehr von Produktionsfaktoren steigt, das heißt, Kosten entstehen, während die Haushaltsausgaben konstant bleiben. Es fragt sich, ob Ausgaben oder Kosten unter den Inhabern der Veranlassungsfaktoren zu verteilen sind. Aufgrund einer Gesetzesänderung würden Haushaltsmehrausgaben entstehen, wenn Stellen geschaffen und besetzt oder Räumlichkeiten angemietet werden müßten, weil sie nicht bereits vorhanden sind. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob Produktionsfaktoren erst geschaffen werden oder umorganisiert werden müssen. Auch wenn sie bislang brachgelegen haben, werden sie nach der Gesetzesänderung für das gesetzlich geregelte Anliegen eingesetzt. Deshalb kommt es nicht abstrakt auf die vorhandene Ausstattung mit Produktionsfaktoren an7. Vielmehr ist darauf abzustellen, weshalb und wofür die Produktionsfaktoren konkret eingesetzt werden. Ansonsten würde ein Teil des tatsächlichen Werteverzehrs unerfaßt bleiben. Die Konstanz der Ausgaben im Haushaltsabschluß spielt daher keine Rolle 8 . Sofern Produktionsfaktoren
3
Herbold, in: Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, Praxis der Gesetzgebung, 1984, S. 163, 170; Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 28; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 91 ff. 4
Herbold, in: Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, Praxis der Gesetzgebung, 1984, S. 163, 170; Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 25; Hugger, Gesetze, 1983, S. 245. 3
Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 94.
6
Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 93.
7
So aber Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 99.
8
Bundesministerium des Inneren, Bericht vom 30.10.1980, S. 7.
256
9. Teil: Kosten der Gesetze
einsatzbereit vorhanden sind, liegt eine Änderung in den kostenverursachenden Faktoren bei Konstanz der Haushaltsausgaben vor 9 . Der Verzehr von Produktionsfaktoren ist nunmehr einem anderen Träger eines Veranlassungsmomentes zuzuordnen. Mithin sind Kosten im oben genannten Sinn den Trägern der Veranlassungsmomente zuzuordnen. Es besteht aber Einigkeit darüber, daß die tatsächlich entstandenen Kosten nicht unmittelbar dem wirklichen Bedarf gleichzusetzen sind. Vielmehr sind die Kosten einer Aufgabenerfüllung zu normativieren 10.
IL Differenzierung hinsichtlich entstehender Kosten Nicht alle auf der folgenden Tabelle verzeichneten Kosten sind für die Verteilung der Finanzverantwortung von Interesse. Kosten der Gesetze Indirekte Kosten (= Wohlfahrts-/ Wachstumsverluste durch gesetzliche Einschränkungen der privaten Flexibilität)
Direkte Kosten die privaten Haushalte belastend
die öffentlichen Haushalte belastend
Kosten der Gesetzgebung
Kosten der Verwaltung der Gesetze
(= Kosten der Vor- Zweckkosten Verwaltungskobereitung und Ersten arbeitung eines Gesetzes bis zu seiner Verabschiedung)
9 10
Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 30 f.
Hacker, in: Peters, HdkWP, Band ΠΙ, 1959, S. 401 f., 416; Arbeitskreis Finanzen im Kommunalverband Ruhrgebiet, Gemeindefinanzen, 1991, S. 28; Junkernheinrich, Sonderbedarfe, 1992, S. 40, 144; Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 81, 98 f.
Α. Definition „Kosten der Gesetze"
257
Die Untersuchung beschränkt sich auf die direkten 11 , die öffentlichen Haushalte belastenden Kosten. Die Kosten der Gesetzgebung sind diejenigen Aufwendungen für Vorbereitung und Erarbeitung eines Gesetzes bis zu seiner Verabschiedung 12. Die Kosten der Verwaltung der Gesetze sind bislang und werden auch im folgenden als Vollzugskosten bezeichnet13. Sie umfassen den Wertverzehr, der bei Verwaltungsleistungen anfallt 14 und sind daher zu definieren 15 als die Summe der Kosten, die - durch die Ausführung oder den Vollzug der einzelnen ausführungs- oder vollzugsbedürfligen Bestimmungen des Gesetzes, - innerhalb aller Ebenen der öffentlichen Verwaltung, - binnen eines bestimmten Zeitraums verursacht werden, - abzüglich der Summe der Minderkosten, die durch die Ausführung oder den Vollzug anderer Bestimmungen des gleichen Gesetzes innerhalb aller Ebenen der öffentlichen Verwaltung binnen des gleichen Zeitraums verursacht werden. Sie fallen bei den Rechtsanwendern und Rechtsvermittlern von Anfrage, Einschreiten oder Antragsentgegennahme bis zum Abschluß der Rechtsfolgenverwirklichung an 16 . Sie lassen sich - was im Rahmen des Art. 104 a Abs. 5 GG schon angesprochen wurde 17 - in Zweck- und Verwaltungskosten gliedern. M i t der Ausführung eines jeden Gesetzes sind Verwaltungskosten verbunden18. Sofern es sich nur um staatliche Aufsichtsmaßnahmen handelt, sind sie
11
Zu den indirekten, externen oder sekundären (gesamtwirtschaftlichen) Kosten von Rechtsvorschriften vergleiche: Kroker ZG 1988, 338, 342 ff; Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 32; Bundesministerium des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom 30.10.1980, S. 34 f.; Altfelder, ZfB 1979, 830 ff. 12 Zu ihrer Verteilung auf die Gesetzgebungskörperschaft siehe 2. Teil Α Π. 13
Vergleiche zu diesem Begriff: Dicke/Hartung, Externe Kosten, 1986, S. 109; Hansmeyer/Kops, Hamburger Jahrbuch fur Wirtschafls- und Gesellschaftspolitik, 1984, S. 127, 130. 14
Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 25, 32.
15
Nach Schmidt-Eichstaedt,
16
Hugger , Gesetze, 1983, S. 247. Siehe 2. Teil ΑΙΠ.
17 18
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 109.
Weiler, Getrennte Tragung der Ausgaben, 1966, S. 94.
17 Trapp
258
9. Teil: Kosten der Gesetze
die einzigen anfallenden Kosten19. M i t einer steigenden Zahl von Gesetzen sind darüber hinaus Sachkosten, die sich aus der Gewährung von Leistungen oder aus dem Schaffen und Vorhalten von Einrichtungen ergeben, verbunden20. M i t dem Vordringen der sogenannten Leistungsverwaltung entstehen nicht nur Verwaltungs- und Personalkosten, sondern auch sogenannte Zweckkosten, die zur Erreichung eines außerhalb der Verwaltung liegenden Zweckes aufgebracht werden müssen21. Eine Definition dieser Zweckkosten wird im Rahmen von Art. 104 a Abs. 2 GG versucht, weil sie dort als Bezugsgröße für die Kostenerstattung durch den Bund dient. Entscheidend ist, daß es sich um materielle Ausgaben handelt, die aus der Erfüllung gesetzlich gesetzter Zwecke erwachsen und die in ihrer Höhe nicht durch den behördeninternen Verwaltungsablauf bedingt sind. Dabei handelt es sich um Mehrausgaben für finanzielle oder sachliche Leistungen sowie um Mindereinnahmen für Vergünstigungen. Demgegenüber sind Verwaltungsausgaben diejenigen persönlichen und sächlichen Ausgaben, welche die Tätigkeit des Verwaltungsapparates ermöglichen (also unter anderem Personalausgaben, Ausgaben für Dienstgebäude, Dienstfahrzeuge, Büromaterial, Informationsmittel) 22 . Die Abgrenzung ist mitunter schwierig 23.
19
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1979), Rn. 64.
20
Nach Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 64 sind die unmittelbar bei den Einrichtungen anfallenden Personalkosten Zweckausgaben, während die Ausgaben für die notwendigen Behörden zur Schaffung, Beaufsichtigung und Leistung dieser Einrichtungen Verwaltungskosten darstellen; Strickrodt, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 6 (1951), S. 15. 21 Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 21, 78; Köttgen, JÖR n.F., Band 11 (1962), S. 173, 246; Beispiele für im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetze, die zu finanziellen Belastungen der Gemeinden (Gemeindeverbände) fuhren werden, hat die Bundesregierung (BT/DS 7/4373 (1975), S. 4) benannt. 22
Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 137 f.; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 118 ff., 123 ff; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band in, 1983, Art. 104 a, Rn. 40; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104 a (1971), Rn. 154; Klein, in: SchmidtBleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1995, Art. 104 a, Rn. 26, 27; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV (1990), § 103, Rn. 20; Hugger, Gesetze, 1983, S. 247, 254; vergleiche auch § 33 Abs. 1 Nr. 4, 5 FAG SH vom 18.04.1994, GVB1. SH, S. 220,229. 23 Zu den problematischen Fällen (Kosten der Bauaufsicht und Entwurfbearbeitung im Straßenbau, Kosten für Erstattung von Verdienstausfall und Auslagen der Wehrpflichtigen bei der Wehrerfassung) vergleiche: Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bandm, 1983, Art. 104 a, Rn. 40; Patzig, AÖR, Band 86 (1961), S. 245, 281; im Finanzanpassungsgesetz vom 30.08.1971 BGBl. I, S. 1426 ff.
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259
Eine weitere denkbare Unterscheidung in investive und konsumtive, in sächliche und persönliche Verwaltungskosten oder dem Vermögenshaushalt und dem Verwaltungshaushalt zuzuordnende Kosten sind für diese Untersuchung ebenso entbehrlich wie eine Gliederung nach Ausgabearten und Aufgabenbereichen.
B. Berechnung der Kosten der Gesetze I. Forschungsansätze und Schwierigkeiten Die Zahl der Forschungsansätze ist - soweit ersichtlich - gering 24 . Vor allem fehlen empirische Belege25. Die erstellten Untersuchungen gehen zu wenig in die Tiefe. Daß die von der Verwaltung auszuführenden Aufgaben wesentlichen Einfluß auf die Kosten haben und die Kosten um so höher sind, je umfangreicher und schwieriger die Aufgaben ausfallen 26, liegt auf der Hand. Auch der Umstand, daß mit einer Flut von Vorschriften in der Regel die Verwaltungsarbeit wächst und komplizierter wird, man mehr Personal benötigt und die Kosten steigen27, bedarf keiner besonderen Recherchen. Nicht selten wird lediglich auf die oben28 aufgeführten Veranlassungsfaktoren verwiesen 29. Die Zurückhaltung der wissenschaftlichen Bearbeitung überrascht, weil auf politischer Ebene immer wieder parlamentarische Anfragen hinsichtlich der Entwicklung der Vollzugskosten durch die Gesetzgebung gestellt wurden 30 . wurde wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten auf eine allgemeine gesetzliche Begriffsabgrenzung verzichtet (vergleiche Bundesregierung, BT/DS 6/1771 (1971), S. 15). 24
Zu diesem Thema nur: Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten,
1979. 25
Grüske, Wirtschaftsdienst 1987, 528 ff, der die Erhebungs- und Folgekosten der Besteuerung untersucht und zahlenmäßig erfaßt hat. 26
Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 34.
27
Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 35.
28
Siehe 8. Teil.
29
So zum Beispiel Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979,
S. 37. 30 Vergleiche die genannten Bundes- und Landtagsdrucksachen bei: Schmidt-Eichstaedt, Bund und Gemeinden, 1981, S. 104 ff; Schmidt-Eichstaedt, ZG 1986, 131, 136 Fn. 11; Hugger , Gesetze, 1983, S. 249 f.; Bundesministerium des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom 30.10.1980, S. 8, 10 f.; Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 64 f.; insbesondere: BT/DS 7/1011
260
9. Teil: Kosten der Gesetze
Die Bundesregierung lehnte die ersuchten Zusammenstellungen zumeist ab. Sofern sie finanzielle Auswirkungen quantifiziert hat 31 , sind die Angaben unter Berücksichtigung der Änderungen im Rechtssetzungsverfahren - den Begründungen der Gesetzesentwürfe entnommen, beruhen also nicht auf separaten Erhebungen. Ihre Richtigkeit ist daher anzuzweifeln. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, daß Aufstellungen nicht sinnvoll seien, weil die Finanzverfassung daran keine Folgen knüpfe. Ein isolierter Ausgleich von finanziellen Belastungen aufgrund einzelgesetzlicher Regelungen entspreche nicht den finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen 32. Dem ist zwar der Sache nach zuzustimmen, eine generelle Verweigerung kann damit aber nicht gerechtfertigt werden. Ferner stellt sich die Bundesregierung auf den Standpunkt, daß sich wegen der indirekten Auswirkungen der finanzwirksamen Gesetze, zum Beispiel auf das Wirtschaftswachstum und damit auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden, fiskalische Auswirkungen einzelner gesetzgeberischer Maßnahmen nicht feststellen lassen33.
(1973), S. 17 Frage 22: „Wieviel und welche Gesetze, Verordnungen usw., die die Finanzen der Landkreise, Städte und Gemeinden betroffen haben, wurden durch den Bund (Regierung, Bundestag usw.) in den Jahren, 1969 bis 1972 erlassen, und welche Kosten verursachten sie im einzelnen?'; BT/DS 7/5886 (1976), S. 14 Frage 19: „Welche zusätzlichen Verwaltungskosten sind den Gemeinden, Städten und Landkreisen seit 1970 dadurch entstanden, daß sie neue bundesgesetzliche Regelungen im übertragenen Wirkungskreis durchführen müssen?"; BT/DS 8/212 (1977), S. 1 Frage 4: „Wieviel Bundesgesetze und Rechtsverordnungen mit finanziellen Auswirkungen für die Länder und Gemeinden wurden seit 1949 verabschiedet?" - Frage 5: „Wie groß ist die Zahl der seit 1969 in Kraft gesetzten Gesetze und Rechtsverordnungen des Bundes einschließlich der Novellierungen, und wieviel davon waren mit finanziellen Lasten für Länder und Gemeinden verbunden?" - Frage 6: „In welcher Höhe sind Ländern und Gemeinden durch seit 1969 verabschiedete Bundesgesetze und Rechtsverordnungen mittelbare und unmittelbare Kosten entstanden?"; BT/DS 8/906 (1977), S. 5 Frage 4: „Welche seit 1970 ergangenen Gesetze, Verordnungen und Pläne des Bundes haben finanzielle Belastungen für die Gemeinden (Gemeindeverbände) mit sich gebracht und in welcher Höher 4; darüber hinaus: BT/DS 11/2822 (1988), S. 7 Frage 11: „Welche kommunalwirksamen Gesetze und Rechtsverordnungen sind seit Beginn der 10. Wahlperiode des Deutschen Bundestages beschlossen worden, und welche finanziellen Auswirkungen hatten bzw. haben diese Gesetze und Verordnungen auf die Kommunen?"; BT/DS 12/1176 (1991), S. 15 Frage 25: „Welche einzelnen gesetzgeberischen Maßnahmen, die die Bundesregierung seit 1982 ergriffen hat, haben in welchem Umfang direkte oder indirekte fiskalische Auswirkungen auf die Länder- und Kommunalhaushalte zur Folge gehabt?" 31
Bundesregierung, BT/DS 11/2822 (1988), S. 36 ff. (= Anhang 1).
32
Bundesregierung, BT/DS 8/212 (1977), S. 4; 8/906 (1977), S. 5.
33
Bundesregierung, BT/DS 12/1176 (1991), S. 16.
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261
Im übrigen werden entsprechende Forderungen und Vorstöße unter Verweis auf Verwaltungsaufwand, Berechnungsschwierigkeiten und Unzuverlässigkeit erzielbarer Ergebnisse zurückgewiesen. Die Einführung einer betriebswirtschaftlichen Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung wird für nicht realisierbar gehalten34. Es ist richtig, daß Haushaltspläne und Statistiken nur nach Aufgabenbereichen und Einzelpositionen geordnet sind, so daß (Mehr-)Ausgaben nicht einfach einem bestimmten Gesetz zugeordnet werden können35. Insbesondere im Hinblick auf die Aufgabenerledigung durch die kommunale Ebene kommen folgende Aspekte hinzu: - D e r Anteil staatlich verursachter Mittelbindung läßt sich nicht immer eindeutig festlegen, weil keine Zusammenstellung staatlich geregelter Aufgaben existiert. - D i e kommunale Haushaltsrechnung ist keine Kostenstellenrechnung, weshalb eine Aufgaben-Ausgaben-Zuordnung schwierig ist. - Die Festlegung von Autonomie- und Fremdbestimmtheitsgrad (selbstzuverantwortende Mehrleistungen contra unabweisbare Ausgabenanteile) ist problematisch. - Die statistische Aufarbeitung der kommunalen Haushaltsdaten faßt Ausgaben und Einnahmen bereits zusammen36. - In der kommunalen Praxis hat eine organisatorische Einheit in der Regel mehrere Aufgaben mit unterschiedlichem Arbeitsaufwand durchzuführen 37. - Staatliche Auftragsangelegenheiten und Selbstverwaltungsaufgaben werden häufig ungetrennt erledigt. Die Zuordnung einer Aufgabe zu dem einen oder dem anderen kommunalen Wirkungsbereich ist daher gelegentlich unklar 38 .
34 VerfGH RhPf, DVB1. 1978, 802, 804; Bundesregierung, BT/DS 7/1011 (1973), S. 17; 7/2409 (1974), S. 11; 7/5886 (1976), S. 14; 8/212 (1977), S. 2-4; 8/906 (1977), S. 5; 11/2822 (1988), S. 7; v. Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV, 1990, § 103, Rn. 21; Lenz, der gemeindehaushalt 1975, 4, 4; Bundesministerium des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten'4, Bericht vom 30.10.1980, S. 30. 35
Schmidt-Eichstaedt,
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 38 f.
36
Diese Aspekte benennt Hardt, in: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Kommunale Finanzen, 1989, S. 75, 78 f. 37
Bundesministerium des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom 30.10.1980, S. 30. 38 VerfGH RhPf, DVB1. 1978, 802, 804.
262
9. Teil: Kosten der Gesetze
Das Argument, eine Aufstellung der Kosten sei wegen der Berechnungsschwierigkeiten unmöglich, überzeugt nicht. Angesichts der kameralistischen Sachbuchführung bei der kommunalen Finanzwirtschaft ist es zudem in der Substanz nicht schlüssig39, zumal in einzelnen Bereichen Kostenerstattungen vorgesehen sind 40 und für verschiedene Gesetze Kostenprognosen existieren 41.
II. Unzureichende Statistiken Die üblichen Statistiken zum Vollzug der Bundesgesetze beschäftigen sich nicht damit, aus welchen Gründen Beträge ausgezahlt, Vergünstigungen gewährt und Produktionsfaktoren verbraucht wurden. Es sind jeweils Endsummen angegeben. Die Kosten für „Muß-/Kann-Maßnahmen" werden nicht ausgewiesen. So haben zum Beispiel die Sozialhilfestatistiken die Sozialhilfeausgaben insgesamt, beziehungsweise in ihrer Verteilung auf die örtlichen und überörtlichen Träger, die in den einzelnen Hilfearten (Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe in besonderen Lebenslagen) anfallenden Leistungen oder die Zahlungen pro Sozialhilfeempfanger zum Gegenstand42. Um die Kosten des Vollzugs eines Bundesgesetzes einzelnen an ihrer Entstehung beteiligten Institutionen zuzuordnen, muß aufgelistet werden, ob die verbrauchten Produktionsmittel auf unmittelbaren bundes- oder landesgesetzlichen Vorgaben oder auf Ermessensentscheidungen der Verwaltung beruhen. Es wären der jeweilige Pflichtigkeitsteil der Kosten und der zugehörige Pflichtigkeitsgrund separat auszuweisen. Zu berücksichtigen wäre, daß nicht nur das „Ob", sondern auch Form und Maß - also das „Wie" - der Aufgabenerfüllung vorbestimmt sein können43. Darüber hinaus wären die mit der
39 Schmidt-Jortzig, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Probleme kommunaler Selbstverwaltung, 1980, S. 9, 48 unter Verweis auf die nach seiner Ansicht aus Art. 78 Abs. 3 VerfNW abzuleitende Verfassungspflicht zur gesonderten Kostendeckung; Schmidt-Jortzig/Makswit, JUS 1980, 641, 643; SchmidtJortzig, DÖV 1981, 393, 396. 40
Siehe 9. Teil Β I V I .
41
Siehe 9. Teil Β IV 2.
42
Vergleiche: Bundesregierung, BT/DS 11/2822 (1988), S. 20; Deutsche Bundesbank, Monatsberichte April 1989, S. 34,42; Lensing/Micosatt, Räumliche Disparitäten der Sozialhilfebelastung, 1992. 43
Vergleiche zum Pflichtigkeitsgrad der Sozialhilfegewährung: Hofmann-Hoeppel, (Finanz-)Verfassungsrechtliche Problematik, 1992, S. 97 ff.; Kemmer, Leistungsnormen, 1982, S. 27 ff., 64 ff.
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Kostenentstehung verbundenen Einnahmen der Aufgabenerfüllung gegenzurechnen 44. Entsprechende Statistiken sind bisher nicht aufgestellt worden.
ΙΠ. Allgemeine Ansätze für eine empirische Erhebung Da im Rahmen dieser Untersuchung eine empirische Erhebung und Zahlenauswertung nicht geleistet werden kann, sollen allgemein - ohne Bezug auf ein konkretes Gesetz - einige Überlegungen angestellt werden, die bei einer entsprechenden Analyse zu beachten wären.
1. Gesetzestypen Bei der Frage nach den Kosten der Gesetze sind wegen ihrer unterschiedlichen Kostenfolgen verschiedene Gesetzestypen zu berücksichtigen. Entbehrlich ist allerdings die Unterscheidung in materielle und nur formelle 45 Gesetze. Denn für die Frage, welche Kosten aufgrund eines Gesetzes entstehen, kommt es nicht darauf an, an wen sich die Normierung richtet. Es macht keinen Unterschied, ob durch ein Gesetz die Verwaltung verpflichtet wird, einen Verwaltungsvorgang aufzunehmen, oder ob der Bürger berechtigt wird, ein Verwaltungshandeln zu fordern. In der Regel sind Rechtssätze an jedermann gerichtet und auf unbestimmte Dauer angelegt. Sie zielen auf die Lösung unbestimmt vieler Einzelfalle ab. Diese Gesetze, die alle abstrakt erfaßten Sachverhalte regeln, werden als Normgesetze bezeichnet46. Da diese Normgesetze - sofern sie überhaupt ausführungsbedürftigen Inhalt haben47 - vollzogen werden müssen, ehe sie ihre Wirkung entfalten, fallen Kosten erst auf der Ebene der Exekutive an.
44 Vergleiche zu den „Einnahmen der Sozialhilfe" die Obersichten bei: Bundesregierung, BT/DS 8/906 (1977), S. 7; Klanberg/Prinz, FA n.F., Band 41 (1983), S. 281, 300. 45 Von Stern, Staatsrecht, Bandi, 1984, S. 826 Organgesetze genannt; dort auch Beispiele. 46
Maunz, in: MDHS, Art. 70 (1982), Rn. 7; Herzog, in: MDHS, Art. 20 VU (1980), Rn. 45 ff. 47 Siehe 9. Teil Β ΠΙ 2.
264
9. Teil: Kosten der Gesetze
Der Gesetzesbegriff hat sich von der Vorstellung der reinen, gewissermaßen zielfreien Normierung zunehmend entfernt und gewichtige Elemente der Problembewältigung und der Steuerung gesellschaftlicher Geschehensabläufe in sich aufgenommen 48. Die Anzahl der sogenannten Maßnahmegesetze, bei denen sich die Rechtssätze nur an bestimmte Personen oder Personengruppen richten oder die der Behebung konkreter Mängel in vorübergehenden Situationen dienen, hat zugenommen49. Der Begriff des Maßnahmegesetzes läßt sich durch drei Elemente konkretisieren 50: Zu den Maßnahmegesetzen gehören solche Gesetze, die - aus einer bestimmten Situation erwachsen und zu ihr in einem überschaubaren und logisch vollziehbarem Verhältnis stehen (Situationsgebundenheit), - einen konkreten Zweck verfolgen Aktion),
(rein zweckorientierte
begrenzte
- zur Erreichung dieses Zwecks fur angemessen gehaltene Mittel und Wege zur Verfugung stellen (Relation zwischen Zweck und Mittel). Das Maßnahmegesetz stellt also nicht in auf dauerhafte Geltung angelegter Weise der Exekutive Ermächtigungen zum „Vollzug" im Einzelfall zur Verfügung, sondern greift als situationsbezogene normative Aktion selbst intervenierend und gestaltend in einen Sozialbereich ein, um in ihm einen gewünschten Zustand herzustellen oder zu erhalten 51. M i t einem Maßnahmegesetz sind unmittelbar Kosten verbunden, weil die Sachregelung keiner verwaltungsmäßigen Umsetzung bedarf. Daneben hat sich, weil insbesondere die Maßnahmegesetze nur reagierenden Charakter haben, ein dritter Gesetzestyp herausgebildet, der des Pla48
Herzog, in: MDHS, Art. 20 VII (1980), Rn. 45 ff.
49
Maunz, in: MDHS, Art. 70 (1982), Rn. 7; Herzog, in: MDHS, Art. 20 VD (1980), Rn. 46 f.; auch wenn das Maßnahmegesetz nicht für alle Rechtsunterworfenen gilt, wird es nicht zum Individualgesetz (Einzelfall-, Einzelperson- oder Zeitgesetz), das vielmehr als Unterfall des Maßnahmegesetzes zu gelten hat. Zu dieser Problematik vergleiche: Herzog, in: MDHS, Art. 20 VII (1980), Rn. 46; Schneider, Hans, Gesetzgebung, 1991, Rn. m, Meessen, DÖV 1970, 314, 316 f. 50 Forsthoff, GS für Jellinek, 1955, S. 221, 226; Schneider, Hans, Gesetzgebung, 1991, Rn. 195 f.; Meessen, DÖV 1970, 314, 315; Stern, Staatsrecht, Bandi, 1984, S. 827. 51
Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995 3. Abschnitt, Rn. 29; Deshalb bezeichnet Meessen, DÖV 1970, 314, 317 f. Gesetze, bei denen der geschaffene Rechtszustand auch durch Verwaltungshandeln aufgrund bestehender oder zu erlassender Gesetze herbeigeführt hätte werden können, als Vollziehungsgesetze; teilweise läuft die Thematik auch unter dem Schlagwort „Verwaltungsakt in Gesetzesform".
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nungs-, Richtlinien- oder Programmgesetzes. Dabei handelt es sich um Rechtssätze, die staatliche Vorhaben verbindlich festlegen, demokratisch legitimieren und öffentlichkeitswirksam machen52. Dieser Gesetzestyp beschränkt sich im Gegensatz zum Maßnahmegesetz nicht auf die Reaktion auf eingetretene Entwicklungen. Seine Aufgabe und sein Ziel ist es vielmehr, selbständig Impulse für die künftige Entwicklung zu geben53. Beim Richtliniengesetz werden Abwägungsgrundsätze für ein bestimmtes Programm durch gesetzesformigen Parlamentsakt normiert, um sie für die Exekutive, aber auch für die künftige Gesetzgebung verbindlich zu machen54. Beim Programmgesetz werden programmatische Vorstellungen normiert 55 . Da es sich somit nicht um „positives Recht" handelt, die Rechtssätze vielmehr erst für zukünftige staatliche Aktionen gelten und zur Zeit ihres Inkrafttretens dem Bürger gegenüber unverbindlich sind, kann von Verfassungs-/Gesetzgebungsaufträgen beziehungsweise legislativer Selbstbindung gesprochen werden 56. Gebote oder Verbote für den Einzelnen oder die Allgemeinheit werden ebensowenig begründet wie Rechtsansprüche verkürzt oder ausgeschlossen werden 57. Deshalb sind mit Gesetzen dieses Typs auch keine unmittelbaren Kosten verbunden. Ihre Relevanz zeigt sich vielmehr erst, wenn konkrete Vorhaben unter den gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden sollen (zum Beispiel: Berücksichtigung von Raumordnungsrecht im Bauplanungsrecht und Baugenehmigungsverfahren). M i t Herzog 58 ist darauf hinzuweisen, daß die Grenzen zwischen den drei Gesetzestypen in praxi fließend sind und darauf, daß sich in ein und demselben formlichen Gesetz Bestimmungen aller drei Typen finden können.
52
Schneider, Hans, Gesetzgebung, 1991, Rn. 202, 203, 205; Thiele, DVB1. 1978, 901,902. 53
Herzog, in: MDHS, Art. 20 VII (1980), Rn. 48; Thiele, DVB1. 1978, 901, 902; Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995 3. Abschnitt, Rn. 29; Schneider, Hans, Gesetzgebung, 1991, Rn. 206. 54
Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1995 3. Abschnitt, Rn. 29. 55 Thiele, DVB1. 1978, 901, 902. 56
Schneider, Hans, Gesetzgebung, 1991, Rn. 632.
57
Schneider, Hans, Gesetzgebung, 1991, Rn. 70.
58
Herzog, in: MDHS, Art. 20 ΥΠ (1980), Rn. 48.
9. Teil: Kosten der Gesetze
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2. Normenkategorien Innerhalb der genannten Gesetzestypen ist weiter zu unterscheiden zwischen verschiedenen Normenkategorien, weil nur einige von ihnen zur Auslösung von Kosten geeignet sind 59 : - Aufträge an die öffentliche Verwaltung, - Eingriffsgrundlagen für die öffentliche Verwaltung, - Ansprüche (z.B. [Sach-/Dienst-60] Leistungs-, Subventions-, Investitionsnormen, insbesondere Normen im Rahmen der Geldleistungsgesetze), - Abwehrrechte zugunsten der Bürger, - Verhaltensnormen der Bürger untereinander, - Organisationsnormen, - Sanktionsnormen, - Rechtsschutzregeln, - Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen, - Legaldefinitionen, - Zweckbestimmungen, - Überleitungsrecht, - Konkurrenzregeln. M i t der Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten"61 lassen sich nach der Funktion der Gesetze drei Gruppen bilden. Es sind zu unterscheiden: - Organisationsgesetze, wobei die Verfahrensgesetze als Sonderart der Organisationsgesetze behandelt werden, - Leistungsgesetze, - Verpflichtungsgesetze (= Gesetze, durch die Dritten Pflichten auferlegt werden).
59
Vergleiche Schmidt-Eichstaedt,
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 108.
60
Zu dieser Unterscheidung Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 129 f. 61 Bundesministerium 30.10.1980, S. 15.
des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom
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e r e n g der Kosten der Gesetze
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Bei einigen dieser Normen ergibt sich aus ihrem Inhalt, daß sie nicht ausführungsbedürftig sind 62 , weil ein zielgerichtetes Tun oder Unterlassen der öffentlichen Verwaltung nicht hinzutreten muß, damit die Norm ihren Regelungsgehalt nach außen auf die tatbestandsmäßigen Lebenssachverhalte entfalten kann. Dazu zählen zum Beispiel alle Normen des materiellen Strafrechts und das materielle Recht der Ordnungswidrigkeiten, weil hier erst die Sanktionsnorm im Fall einer Verletzung der Gebot oder Verbote ausführungsbedürftig ist. Soweit ein Gesetz nur das interne Verwaltungsverfahren regelt, liegt keine Gesetzesausführung vor, weil durch ein gesetzeskonformes Verhalten noch keine Außenwirkungen erzeugt werden. Mithin sind alle Gesetze, die den Status und das Verhalten von Körperschaften und Dienststellen der öffentlichen Verwaltung untereinander regeln, also im wesentlichen das öffentliche Organisationsrecht und auch das Verwaltungsverfahrensrecht, soweit es nur eine Verwaltungsebene betrifft, nicht ausführungsbedürftig. Insofern können diese Normen auch keine Vollzugskosten verursachen. Mittelbar zeigt sich die Kostenrelevanz der Organisationsnormen aber beim Vollzug anderer Gesetze, bei dem die normierten Verfahrensgrundsätze zu beachten sind. Auch das Gerichtsverfassungsrecht und das Gerichtsverfahrensrecht wirken sich unmittelbar durch Befolgung ohne Umsetzungsakt aus. Ausführungsbedürftig sind demgegenüber insbesondere das Recht der ordnenden Verwaltung, also das materielle Polizeirecht (zum Beispiel Ausländerrecht, Baurecht, Gewerberecht, Lebensmittelrecht, Gesundheitsrecht, Verkehrsrecht usw.) sowie weite Teile des Wirtschaftsverwaltungsrechts und das Recht der leistenden Verwaltung (vor allem das Sozial- und Sozialhilferecht).
IV. Ermittlungshilfen für die Bestimmung der Kosten der Gesetze Um das Argument zu widerlegen, eine Zuordnung der Vollzugskosten zu einzelnen Gesetzen sei undurchführbar, soll auf Institute und Verfahren verwiesen werden, bei denen es auf Kostenbestimmungen ankommt.
62
Schmidt-Eichstaedt,
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 24 ff.
268
9. Teil: Kosten der Gesetze
1. Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern bei Mischfinanzierungstatbeständen Die Kosten einiger Gesetze müssen zumindest dann bekannt sein, wenn (ein Teil der) Ausgaben zwischen Bund und Ländern erstattet wird beziehungsweise, wenn sich Bund und Länder die entstandenen Kosten teilen 63 . Auf Verfassungsnormen, die dazu verpflichten, soll deshalb im folgenden eingegangen werden. Der Bund beteiligt sich an den Kosten der Geldleistungsgesetze nach Art. 104 a Abs. 3 GG 64 . Da Zustimmungsbedürftigkeit und Verwaltungsart von der Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten abhängen, muß der Anteil der Kosten, die der Bund übernimmt, bereits im Gesetzgebungsverfahren festgelegt werden. Dabei kann in der Regel zwar nicht von absoluten Beträgen ausgegangen werden. Die Bestimmung einer betragsmäßig feststehenden Summe würde angesichts der nur schätzbaren Gesamtkosten zu Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtsfolgen des Art. 104 a Abs. 3 GG führen. Deshalb wird die Finanzverantwortung von Bund und Ländern durch eine prozentuale Quote festgelegt 65. Eine Aussage über die Kosten des Gesetzes muß daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen werden. Exakte Angaben sind allerdings ex post, also nach Ablauf des Haushaltsjahres, notwendig, um die quotenmäßige Beteiligung in eine Summe umzurechnen 66. Darüber hinaus erstattet der Bund den Ländern Zweckkosten bei Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104 a Abs. 2 GG. Ferner zahlt er einen Teil der bei der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben entstehenden Kosten nach Art. 91 a, b GG 67 .
63
Eichhorn, FS für Ule, 1977, S. 33, 43 f.
64
Die sich bei Einführung eines Art. 90 a GG aufgrund der Übernahme der Zweckausgaben durch den Bund bei Geldleistungsgesetzen, die von den Ländern in Bundesauftragsverwaltung vollzogen werden, ergebende Lastenverschiebung hat die TroegerKommission, Gutachten 1966, Tz. 531 nach den Ansätzen der Haushaltspläne für das Jahr 1965 auf 373 Mill. DM geschätzt. 65
Maunz, in: MDHS, Art. 104 a (1977), Rn. 39; Vogel!Kirchhof, (1971), Rn. 90.
in: BK, Art. 104 a
66
Zu entsprechenden Erstattungsbeträgen vergleiche Bundesministerium filr Finanzen, Finanzbeziehungen, 1982, S. 611; Tabelle auch bei Boreil, Mischfinanzierungen, 1981, S. 98 f. und Fischer, H., Finanzzuweisungen, 1988, S. 288 f. 67
Zu entsprechenden Erstattungsbeträgen vergleiche Bundesministerium fitr Finanzen, Finanzbeziehungen, 1982, S. 611; vergleiche auch die statistischen Nachweise bei Schneider, Harald, GS für Geck, 1989, S. 701, 705 (Fn. 19), 713 (Fn. 49).
.
e r e n g der Kosten der Gesetze
269
Letztlich gewährt der Bund Ausgleichszahlungen für kurzfristige Mehrbelastung durch Bundesgesetze nach Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang auf die Kostenbeteiligung für die Durchführung der Volks-/Wohnungszählungsgesetze verwiesen 68. Allerdings wurden dabei die tatsächlich entstehenden Kosten nie ersetzt. Stattdessen gewährte der Bund Pauschalbeträge für jeden zu befragenden Landeseinwohner. Die Abrechnung erfolgt über die im einzelnen zuständigen Ressorts. Dort müssen entsprechende Summen betragsmäßig bekannt sein, weil sich ansonsten eine Erstattung nicht durchführen läßt. Da insofern Vollzugskosten der Gesetze als Rechnungsposten zugrunde gelegt werden, ist das Argument, sie seien nicht berechenbar, widerlegt.
2. Kostenprognoseverpflichtung
im Gesetzgebungsverfahren
Für Gesetzesentwürfe und Gesetzesvorlagen sehen verschiedene Normen die Anfertigung eines Überblicks über die finanziellen Auswirkungen des Vorhabens vor 69 : § 48 Abs. 4 Buchstabe a GGOI 7 0 , § 40 Abs. 2 Ziffer 1 GGO II 7 1 , § 16 Abs. 3 S. 1 GOBReg72.
68 Vergleiche Vogel!Walter, in: BK, Art. 106 (1972), Rn. 117 unter Angabe der entsprechenden Haushaltsplannummern; Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band ΙΠ, 1983, Art. 106, Rn. 31. 69
Ein spezifisches (verfassungsrechtliches) Verfahren um den finanziellen Aspekt jeder einzelnen gesetzgeberischen Maßnahme förmlich auszuweisen und in einem fortlaufenden Verzeichnis festzuhalten, hatte bereits Strickrodt, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 6 (1951), S. 16, 34 gefordert. 70 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil, in der Fassung der letzten Änderung vom 21.06.1995, GMB1., S. 590 ff.; § 48 Abs. 4 Buchstabe a GGO I lautet: ,3ei Vorlagen an das Bundeskabinett, deren Ausführung sich finanziell auf öffentliche Haushalte auswirkt, hat das federführende Ministerium die voraussichtlichen Kosten der Ausführung unter Hervorhebung der daraus zu erwartenden Mehrausgaben oder Mindereinnahmen vorher zu errechnen oder nach Möglichkeit zu schätzen und dem Bundesminister der Finanzen mitzuteilen. (...) Kosten der Ausfuhrung sind die bei Vollzug der Vorlage entstehenden allgemeinen Haushaltsausgaben des Bundes (...) sowie die Personal- und Sachausgaben im Bereich der Bundesverwaltung. (...) Auswirkungen auf die Haushalte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sind gesondert aufzuführen. Für Gesetzesvorlagen gilt § 37 Abs. 2 (später § 40 Abs. 2) GGO Π."
270
9. Teil: Kosten der Gesetze
Diese zunächst nur existierende Selbstbindung der Bundesregierung für Kabinettsvorlagen wurde später in § 10 Abs. 1 BHO 73 für ins Parlament einzubringende Gesetzesentwürfe als gesetzliche Informationspflicht normiert 74 . Die Regelungen über die Darstellung der Kostenauswirkungen von Gesetzesvorlagen haben bisher in der Geschäftsordnung des Bundestages75 keinen 71
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil, in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.10.1976, GMBL, S. 550 ff., zuletzt geändert durch Beschluß des Bundeskabinetts vom 21.06.1995, GMBL, S. 590 ff; § 40 Abs. 2 Ziffer 1 GGO Π lautet: ,Jn der Begründung sind die Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben (brutto) der öffentlichen Haushalte, besonders die voraussichtlichen Kosten der Ausführung des Gesetzes unter Hervorhebung der zu erwartenden Mehrausgaben oder Mindereinnahmen, darzustellen. (...) Kosten der Ausführung sind die bei Vollzug der Vorlage entstehenden Haushaltsausgaben einschließlich der Personalausgaben und der sächlichen Verwaltungsausgeben. (...) Auswirkungen auf die Haushalte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sind gesondert aufzufuhren."; vergleiche §§ 66, S. 2, 78 Abs. 2 GGO Π für Rechtsverordnungs- und Verwaltungsvorschriftenentwürfe. 72
Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11.05.1951 GMB1., S. 137 ff., zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 17.07.1987, GMBL, S. 382; § 16 Abs. 3 S. 1 GOBReg lautet: ,3ei der Vorlage von Gesetzesentwürfen ist mitzuteilen, daß die Ausführung des Gesetzes Bund, Länder und Gemeinden nicht mit Kosten belastet oder, wenn dies der Fall ist, ob der Bundesminister der Finanzen nach Kenntnis von dem Plane des Gesetzes Widerspruch erhoben hat." 73 Bundeshaushaltsordnung vom 19.08.1969, BGBl. I, S. 1284, zuletzt geändert durch das Fünfte Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung vom 22.09.1994, BGBl. I, S. 2605 f.; § 10 Abs. 1 BHO lautet: „Die Bundesregierung fugt ihren Gesetzesvorlagen einschließlich der nach Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes vorzulegenden Verträge sowie den Verordnungs- und Richtlinienentwürfen der Europäischen Gemeinschaften einen Überblick über die Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände) bei. Außerdem soll angegeben werden, auf welche Weise für die vorgesehenen Mehrausgaben des Bundes ein Ausgleich gefunden werden kann. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Vorlagen des Bundesrates."; entsprechende Normen existieren auch im Landesrecht: Landeshaushaltsordnung NW vom 14.12.1971, GVB1. NW, S. 397 ff., zuletzt geändert durch das Verfassungsschutzgesetz vom 20.12.1994, GVB1. NW 1995, S. 28, 33; § 10 Abs. 1 S. 2 LHO NW lautet: „Die Landesregierung fügt ihren Gesetzesvorlagen und Staatsverträgen einen Überblick über die Auswirkungen auf Haushalts- und Finanzwirtschaft des Landes, der Gemeinden (Gemeindeverbände) und des Bundes bei. Außerdem soll angegeben werden, auf welche Weise für die vorgesehenen Mehrausgaben des Landes ein Ausgleich gefunden werden kann."; zu Maßnahmen in Hamburg und Bayern vergleiche die Erläuterungen und Nachweise bei Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 62. 74
Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand März ,1983 § 10 BHO Anm. 1, wo im übrigen darauf verwiesen wird, daß die Gemeinsame Geschäftsordnung - Besonderer Teil - § 10 Abs. 1 BHO näher ausgestaltet (Anm. 4).
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e r e n g der Kosten der Gesetze
271
Niederschlag gefunden 76. § 96 Abs. 3 S. 1 GOBT 77 betrifft lediglich Finanzvorlagen. Es ist zu untersuchen, ob diese Normen beachtet und wie sie gehandhabt werden. Die Bundesregierung 78 ist der Ansicht, daß sie die Verpflichtungen aus den Bestimmungen bislang befolgt habe. Allerdings wird auch bei der Verpflichtung zur Kostenprognose - wie bei dem Verlangen nach Angabe der Kosten der Gesetze - auf die Schwierigkeiten und den Aufwand einer exakten Angabe hingewiesen79. Zu berücksichtigen sei insbesondere, daß - Bundesgesetze einzelne Kommunen unterschiedlich belasten würden, - der Bundesgesetzgeber keinen Einfluß darauf habe, von welcher Fachverwaltung das Gesetz durchgeführt werde, - u n k l a r sei, von welchen binnenorganisatorischen, ausstattungsmäßigen, personellen und innerbehördlichen Gegebenheiten auszugehen sei, - dem Ausführenden Ermessensspielräume überlassen blieben,
75 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.07.1980, BGBl. I, S. 1237 ff., zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 16.12.1994, BGBl. I, 1995, S. 11 f. 76
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, BT/DS 12/6326 (1993), S. 4; Ritzel/Bücker, Handbuch für die Parlamentarische Praxis (Juni 1993), Anhang zu § 66 GOBT; allerdings beruht die Pflicht zur Anfertigung von Vorblättern zu Gesetzesentwürfen, auf denen auch die Kosten zu erwähnen sind, auf administrativer Anordnung. 77
§ 96 Abs. 3 S. 1 GOBT lautet:„Finanzvorlagen von Mitgliedern des Bundestages müssen in der Begründung die finanziellen Auswirkungen darlegen."; zur Verbindung mit § 10 Abs. 3 BHO (,,Die Bundesregierung leistet den Mitgliedern des Bundestages, die einen einnahmemindernden oder ausgabeerhöhenden Antrag zu stellen beabsichtigen, Hilfe bei der Ermittlung der finanziellen Auswirkungen.") und § 13 GGO Π (,ßei einem einnahmemindernden oder ausgabeerhöhenden Antrag einen Mitgliedes des Bundestages leistet das Ministerium, in dessen Geschäftsbereich der Antrag fallt, im Benehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen, Hilfe bei der Ermittlung der finanziellen Auswirkungen [§10 Abs. 3 BHO].") vergleiche: Ritzel/Bücker, Handbuch für die Parlamentarische Praxis (Juni 1993), § 96 Anm. ΠΙ 1 b; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand März 1983, § 10 BHO Anm. 8; Köckritz/Ermisch/Maatz, BHOKommentar, Loseblattsammlung, Stand 1977, § 10 BHO, Rn. 5. 78 79
BT/DS 7/2409 (1974), S. 7.
Bundesregierung, BT/DS 8/906 (1977), S. 4; Hugger , Gesetze, 1983, S. 251 f.; Bundesministerium des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom 30.10.1980, S. 12.
272
9. Teil: Kosten der Gesetze
- der Kostenumfang bei der Bundesrahmengesetzgebung von der Ausgestaltung durch die Länder abhinge, und - der zeitliche Beaibeitungsaufwand von der Vielfalt und Sachverhalts- wie personenbedingter Vielgestaltigkeit der Kontaktsituationen zwischen Betroffenem und Behörde beeinflußt werde. Daher sei es mitunter praktisch nicht möglich, anzugeben, wie sich eine Gesetzesvorlage im einzelnen auswirke 80. Grobe Typisierungen seien unvermeidlich, Unschärfen seien hinzunehmen81. Ungenauigkeiten der Kostenschätzungen seien nicht nur fehlendem Willen, bloßem Unvermögen, sondern auch unzureichenden Daten zuzuschreiben. Es lasse sich ein erhebliches Defizit an Datenerschließungsmethoden und Datenauswertungsmethoden nachweisen. Zu diesem Mangel würden ungenügende Zeit und zu geringe Personalkapazität hinzutreten 82. Wegen dieser Probleme scheiterte auch ein von einigen Parlamentariern in den Bundestag eingebrachter Antrag, demzufolge auf den Vorblättern zu Gesetzesvorlagen die geschätzten Kosten getrennt für den Bundeshaushalt, die Bundesländer und den kommunalen Bereich aufgeführt werden sollten83. Die Angabe genauer Summen sei von den genannten Normen aber auch nicht gemeint. Den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes komme es allein auf die Unterrichtung an, ob und in welchem Umfang sich eine Gesetzesvorlage auf die Bund-, Länder- und Gemeindefinanzen im laufenden Haushaltsjahr und in künftigen Haushaltsjahren auswirke 84. Diesen entschuldigenden Hinweisen kann nur eingeschränkt zugestimmt werden. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Kosten, die mit der Durchführung der Gesetze auf die Exekutive zukommen, können von der Verpflichtung zur Kostenprognose nicht entbinden85. Auch die Forderung, neben den Kosten der unmittelbaren Sachaufgabenerledigung die Folgekosten
80
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, (1993), S. 5. 81 Vergleiche Hugger, Gesetze, 1983, S. 251. 82
BT/DS 12/6326
Hugger , Gesetze, 1983, S. 248.
83
Mitglieder des Bundestages, Antrag BT/DS 12/4350 (1993); Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, BT/DS 12/6326 (1993); zur Abstimmung im Bundestag vergleiche Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte, 12. Legislaturperiode, 208. Sitzung, 03.02.1994, S. 18030 f. 84 85
Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand März 1983, § 10 BHO Anm. 4.
Siedentopf in: Institut für Kommunalwissenschaften, Reform kommunaler Aufgaben, 1978, S. 140, 159.
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e r e n g der Kosten der Gesetze
273
und den erhöhten Organisationsaufwand anzugeben86, erscheint berechtigt angesichts der Aufgabe der zur Kostenprognose verpflichtenden Normen, die Parlamentarier detailliert über die Auswirkungen der Vorlage zu informieren . Das Argument, es würden keine Anhaltspunkte für die Vorausschätzung von Kosten bestehen, kann nicht überzeugen. Bei den Rechnungshöfen sind aufgrund von Prüfüngserfahrungen Kostenfolgen bekannt. § 88 Abs. 2 BHO sieht dementsprechend eine Beratung der gesetzgebenden Körperschaften durch den Bundesrechnungshof vor 88 . Darüber hinaus existieren verschiedene Untersuchungen 89, die abstrakt Kriterien benennen, aus denen die voraussichtlichen Kosten der Gesetze errechenbar sind. M i t Hilfe dieser Angaben läßt sich die Kostenprognose präzisieren. Vermutlich deshalb sind die Abweichungen bei konkreten Kostenschätzungen für einzelne Gesetze auch heute nicht mehr so groß wie früher 90. Zu kritisieren ist, daß die verfügbaren Instrumente zur Kostenprognose wenig bekannt, Kostenbewußtsein und Wirtschaftlichkeitsdenken in der öffentlichen Verwaltung schwach ausgeprägt sind, und daß Untersuchungsanstrengungen während der
86
v. Mutius, in: Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten) Teil E, 1980, S. E 177; Mitglieder des Bundestages, Antrag BT/DS 12/4350(1993), S. 3. 87 Berkenhoff, StGB 1976, 177, 179 („Es gibt keine größere öffentliche Lüge als in Gesetzesentwürfen die Zeile: „Kosten: Keine." Da sei die Wendung mancher Landesgesetze: „Die entstandenen Kosten gelten als durch den Finanzausgleich abgegolten." zwar gemein, aber ehrlich."); sehr kritisch auch Hugger, Gesetze, 1983, S. 248. 88
Vergleiche Bundesministerium Bericht vom 30.10.1980, S. 7.
des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten",
89
Bundesministerium des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom 30.10.1980, S. 17 ff.; Hugger, Gesetze, 1983; Eichhorn, FS für Ule, 1977, S. 33, 38 ff.; Böhret/Hugger, Test und Prüfung, 1980, S. 185 ff.; Laubinger, Gesetzesvollzug und Personalaufwand, 1976; Laubinger/Krause, Schwerbehindertengesetz und Personalaufwand, 1977. 90
Während Fickert, DVB1. 1979, 645, 647 f. noch von einem „babylonischen Zahlengewirr" aufgrund der Kostenschätzungen verschiedener Institutionen zum Verkehrslärmschutzgesetz sprach, besteht bei den voraussichtlichen Kosten der Kindergartenplatzgarantie ab 1996 soweit ersichtlich weitgehend Einigkeit; vergleiche: Bundesregierung, BT/DS 12/6223 (1993), S. 25; Bundesregierung, BT/DS 13/722 (1995), S. 3 f.; Stellungnahme der Bundesregierung der kommunalen Spitzenverbände, 02.06.1992 zum Gesetzesentwurf „Schutz des ungeborenen Lebens", BT/DS 12/2875 (1992), S. 129 f.; Isensee, DVB1. 1995, 1, 7; Karrenberg, Wirtschaftsdienst 1993, 571, 576; Schoch, der landkreisl994, 253, 253; Waechter, VerwArchiv 1994, 208, 209 f. 18 Trapp
vom
274
9. Teil: Kosten der Gesetze
Entwurfsvorbereitung als lästig und unbequem empfunden, mitunter auch politisch als unerwünscht angesehen werden 91. Da Fragen der Kostenprognose nicht Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung sind 92 , kann auf die genannten Ansätze im einzelnen nicht eingegangen werden. Für eine ex-post-Berechnung der Kosten der Gesetze kann auf sie jedoch zurückgegriffen werden, weil die gleichen Parameter für die Zusammensetzung der Vollzugskosten gelten93. Es sind die selben Fragen zu stellen94 und Erhebungsmethoden anzuwenden95. Die Ermittlungen werden zudem dadurch erleichtert, daß der Verbrauch an Produktionsfaktoren an Hand der stattgefündenen Vorgänge nur nachzuzeichnen ist und über Fragen die außerhalb der rechtlich-normativen Erwägungen liegen, wie zum Beispiel Fallzahlen, nicht spekuliert werden muß.
C. Verteilung der berechneten Kosten der Gesetze Stehen die mit Hilfe der angegebenen Kriterien ermittelten Gesamt-(Vollzugs-)Kosten der Gesetze fest, so sind sie den oben96 genannten Veranlassungsfaktoren zuzuordnen. Dabei ist hinsichtlich der Veranlassung durch den Bundesgesetzgeber auf Aspekte der oben97 angesprochenen Relevanztheorie zurückzugreifen:
91
Hugger , Gesetze, 1983, S. 254 f.
92
Vergleiche die Angaben zu einzelnen Gesetzen bei: Dicke/Hartung, Externe Kosten, 1986, S. 109 f.; Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 21 Fn. 44; Vogel, B., der landkreis 1980, 688, 691; Städte- und Gemeindebund, StGB 1978, 354, 355; Schoch, der landkreis 1994, 253, 253 ff; Klein/Münstermann, der städtetag 1979, 56, 62; Deutscher Städtetag, Starke Städte - Lebendige Demokratie, Neue Schriften, Heft 38 (1979), S. 214; der dort (S. 213) und von Klein/Gleitze, der städtetag 1975, 2, 4 geforderte „Kostenatlas" wurde nicht erstellt. 93
Die entsprechenden Faktoren, aus denen sich die materiellen Gesetzeskosten oder Zweckausgaben und Verwaltungskosten ergeben, benennt Hugger , Gesetze, 1983, S. 252 f., 254. 94 Bundesministerium 30.10.1980, S. 17 f., 21 f. 95 96 97
des Inneren, Arbeitsgruppe „Gesetzeskosten", Bericht vom
Vergleiche für die Verwaltungskosten Eichhorn, FS für Ule, 1977, S. 33,46 f. Siehe 8. Teil. Siehe 7. Teil Α Π.
C. Verteilung der berechneten Kosten der Gesetze
275
Kosten können einer speziellen gesetzlichen Bestimmung nur insoweit zugerechnet werden, als es der gewichtigen Bedeutung dieser Vorschrift im Verhältnis zu anderen mitwirkenden Ursachen entspricht 98. Zuzugeben ist, daß die Relevanz eines Gesetzes als Ursachenfaktor für Vollzugskosten auch mit diesen Überlegungen nicht immer eindeutig bestimmt werden kann 99 . Eine jüngst erstellte empirische Analyse 100 kommt zu dem Ergebnis, daß wegen des Pflichtigkeitsgrades allenfalls 10 % der Sozialhilfeausgaben materiell auf kommunalen Entscheidungen basieren und 90 % der Leistungen durch entsprechende gesetzliche Reglementierung veranlaßt sind. In diesem Rahmen sind Pauschalierungen zuzulassen. Steht die Konkurrenzlosigkeit eines Kausalfaktors oder die Eindeutigkeit einer Kausalbeziehung mehr oder weniger eindeutig fest, so ist die diesen Verursachungsbeitrag setzende Ebene mit 100 % der entstandenen Kosten zu belasten101.
98
Schmidt-Eichstaedt,
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 112.
99
Schmidt-Eichstaedt,
Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 113.
100
Hardt! Hoffmann/ Postlep, Die Bedeutung von Bundes- und Landesgesetzgebung für kommunale Haushaltsstrukturen und Selbstverwaltungsspielräume - Studie im Auftrag des Niedersächsischen Städtetages, 1994, noch unveröffentlicht, zitiert nach Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 47, 102. 101 Vergleiche Zeh, in: Schreckenberger/König/Zeh, Gesetzgebungslehre, 1986, S. 57, 67 f.; die dort genannten Einflußfaktoren für die Wirksamkeit von Gesetzen können auf die Frage nach der Gewichtung einzelner Veranlassungsmomente übertragen werden.
10. Teil
Auswirkungen des Veranlassungsprinzips und Alternativen Abschließend ist auf Folgen des Veranlassungsprinzips einzugehen. Dargestellt werden sollen automatisch sich ergebende beziehungsweise parallel zu unterstützende Kompetenzverschiebungen mit den damit verbundenen Vorund Nachteilen. In diesem Zusammenhang ist auf andere Wege zur Stärkung dezentraler Kräfte aufmerksam zu machen, nämlich die Ausweitung und Stärkung der Länderkompetenzen. Für den Fall der Beibehaltung des jetzigen Systems soll auf Modifikationen verwiesen werden.
A. Auswirkungen des Veranlassungsprinzips Die finanziellen Folgen der Verteilung der Kostentragungspflichten sind oben1 bereits dargestellt worden: Bei Anwendung des Veranlassungsprinzips braucht der dadurch belastete Bund einen Einnahmenausgleich. Notwendig würde eine Neuregelung der Finanzausgleichsbeziehungen (sogenannte ReFinanzierung über die Steuerverteilung) 2. Damit verbunden würden die Steuereinnahmen der Länder sinken. Entsprechend geringer wäre das Volumen für Umverteilungen im kommunalen Finanzausgleich. Dadurch könnten die finanzstärkeren Kommunen begünstigt werden, denn sie würden neben ihren ohnehin hohen Steuereinnahmen zusätzlich Finanzzuweisungen aufgrund des Veranlassungsprinzips erhalten. Um die so mitunter verstärkten Einnahmenunterschiede der Kommunen zu relativieren, müßten im landesinternen Finanzausgleich Gemeinden ab einer bestimmten Finanzkraft ähnlich den finanzstarken Ländern im derzeitigen Länderfinanzausgleich zur Leistung von Umverteilungsbeiträgen verpflichtet werden. Insgesamt dürfte die Notwendigkeit zu Einnahmeumverteilungen aber 1
Siehe 4. Teil A.
2
Siehe 4. Teil DΙΠ.
. Auswirkungen des Veranlassungsprinzips
zurückgehen, weil stark streuende und hoch belastende Ausgaben bereits durch Zuweisungen aufgrund des Veranlassungsprinzips abgedeckt wären. I m Bereich der Sachkompetenzen wird die steigende Finanzierungspflicht des Bundes dessen Gesetzgebungsbereitschaft und damit die Kostenverursachung lähmen, zumindest aber einen Rückzug aus der Vollgesetzgebung bewirken. Durch die Finanzierungspflicht wird der Bund wirksamer gebremst, den Katalog der Gesetzgebungskompetenzen bis zur Neige auszuschöpfen als über die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG3. Folglich entstehen wieder mehr Gesetzgebungskompetenzen bei den Ländern. Das Veranlassungsprinzip führt damit zur Wiederherstellung der Politikfähigkeit der Länder 4. Es kann den Trend - Gesetzgebung ist überwiegend Bundessache - kaum mehr Regelungen mit substantiellem Gewicht durch die Länder - umkehren. Darüber hinaus ermöglicht es den bislang zum Vollzug der Bundesgesetze und der damit zur Kostentragung verpflichteten Länder, wieder eine längerfristige Finanzplanung vorzunehmen, die nach geltendem Recht und Praxis zumindest unbestimmt ausfallen mußte, weil Inhalt und Belastung einzelner Bundesgesetze sowie Umfang der Bundesgesetzgebung im ganzen unkalkulierbar waren 3. Allerdings entstehen den Ländern bei Ausübung dieser Zuständigkeiten auch neue Finanzierungsverpflichtungen. Weniger Bundesgesetze bei konstant bleibender Notwendigkeit der Regelungsdichte bedeuten verstärkten Druck auf ein Tätigwerden des Landesgesetzgebers, mithin auch eine steigende Ausnutzung von Kostenfaktoren durch die Länder. Ferner wächst der Länder- und Gemeindeanteil an der Verursachung der Kosten, wenn sich der Bund auf Rahmengesetzgebung beziehungsweise generalisierende Regelungen zurückzieht, weil ein ausfüllendes Landesgesetz nötig wird beziehungsweise den Vollzugsorganen ein gestiegenes kostenrelevantes Ausführungsermessen zukommt 6 . Diese Rückkopplungen sind bei Einführung des Veranlassungsprinzips zu bedenken. Probleme für den Föderalismus im Hinblick darauf, daß die Länder in die finanzielle Abhängigkeit des Bundes gelangen könnten (Überweisungssystem beziehungsweise Popitz'sches Gesetz „Wer zahlt, schafft an."), sind aus den oben7 genannten Gründen nicht zu erwarten.
3
Schneider, H.-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3, 7.
4
Siehe 4. Teil ΒΙΠ 2 c hh. Siehe auch hierzu 4. Teil Β ΠΙ 2 c hh.
5 6 7
Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 31. Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 bee.
278
10. Teil: Auswirkungen des Veranlassungsprinzips und Alternativen
B. Alternative Finanzierungs- und Sachkompetenzverteilung L Abbau der Mischfinanzierungstatbestände Zwar hat die Kompetenz- und Finanzmittelverteilung auch distributive Ziele zu verfolgen. Sie sind im Grundgesetz mit dem Maßstab der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" angesprochen. In einem Gesamtstaat muß es bestimmte Gemeinsamkeiten für alle Bürger geben. Nach Quantität und Qualität muß ein einheitliches Mindestmaß für die Versorgung mit öffentlichen Gütern gewährleistet sein8. Dieser Maßstab lag auch der Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 a, b GG) und der Bundesfinanzhilfekompetenz (Art. 104 a Abs. 4 GG) im Rahmen der Finanzreform 1969 zu gründe 9. Trotzdem ist zu überlegen, ob Mischfinanzierungstatbestände abgebaut beziehungsweise entsprechende Vorhaben gestrichen, reduziert oder den Ländern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung mit entsprechender Zuweisung der beim Bund freiwerdenden Finanzmittel überlassen werden können 10 . Dafür spricht, daß fremde Mitfinanzierung ineffiziente Mittelverwendung fördert 11, der Finanzausgleich dann stärker am Bedarf orientiert werden könnte 12 , die Haushaltsautonomie der Länder gestärkt würde 13 , eine klare Zuordnung von Entscheidungs-, Finanzierungs- und Ausgabekompetenzen möglich würde 14 und die Mittel, die der Bund benötigt hat, den Ländern überlassen werden könnten, um sich der Angebotsdiktatur des Bundes zu entziehen13.
8
Sachverständigenrat,
9
Troeger-Kommission, 5/2861 (1968), Tz. 78 ff.
Jahresgutachten, 1990/91, Tz. 434. Gutachten, 1966, Tz. 129 ff; Bundesregierung,
BT/DS
10
Kommission „Kompetenzen der Landtage", Entschließung vom 09.01.1985 Nds/LT/DS 10/3810 (1985), S. 8; Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 3; Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2455; anderer Ansicht: Enquete-Kommission „ VerfassungsreformSchlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 200 f.; Stauch/Klusewitz/Gurgsdies, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 11, 15. 11
Sachverständigenrat,
12
Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Band IV (1990), § 104, Rn. 103.
Jahresgutachten, 1990/91, Tz. 457.
13 BW-Kommission „Finanzverfassungsreform", Zwischenbericht, 1992, S. 26 ff; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen OrdnungBericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 57 ff. 14 15
Donner/Berlit,
ZParl 1992, 316, 335 f.
Vogel, B., der landkreis 1980, 688, 690 und 691; Stoltenberg, FS für Filbinger, 1983, S. 136, 146 f.
Β. Alternative Finanzierungs- und Sachkompetenzverteilung
279
EL Größere Steuerautonomie Ob darüber hinaus Ländern und Kommunen stärkere Autonomie bei der Einnahmengestaltung zu übertragen ist, indem ihnen zusätzlich eigene Steuerquellen oder das Recht, Hebesätze auf eine oder mehrere Gemeinschaftssteuern festzusetzen, eingeräumt werden sollte, ist umstritten 16 , soll hier aber nicht vertieft werden 17.
HL Erteilung von Verursachungskompetenzen an den Kostentragungspflichtigen Unter dem Stichwort der Neuverteilung von Verursachungskompetenzen zugunsten der Länder sind Änderungen der Aufgabenverteilung, insbesondere der Gesetzgebungsbefugnisse, und des Umfangs der Ausnutzung der Kompetenzen angesprochen18. Zu fordern sei nicht eine „funktionale Gewaltenteilung", die die Länder zu bloßen Verwaltungseinheiten degradiere, sondern ein „Substanzfoderalismus" durch Stärkung der Länderkompetenzen 19. Die Dezentralisierung von Staatsaufgaben sei nicht nur ein Gebot des Grundgesetzes, sondern zugleich auch ein Anliegen der ökonomischen Theorie des Föderalismus 20.
16
Dagegen wegen der damit verbundenen Vergrößerung der wirtschaftlichen Disparitäten unter den Ländern und der zunehmenden Länderkonkurrenz anstelle der zu fordernden bundesstaatlichen Solidarität: Benz, DÖV 1991, 586, 597; Schneider, H.-P., NJW 1991, 2448, 2455; dafür: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1990/91, Tz. 438 ff.; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung", Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 52 ff.; Konferenz der Präsidentfinnjen der deutschen Länderparlamente, Beschluß vom 24.09.1991, Nds/LT/DS 12/2797(1991), S. 30 ff. 17 18
Siehe die Nachweise in Fn. 10-14 der Einleitung.
Ausführlich Kommission „Kompetenzen 09.01.1985 Nds/LT/DS 10/3810 (1985), S. 2 ff.
der Landtage", Entschließung vom
19 Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 311, S. 98 f.; ob sich das Föderalismussystem der USA, wo für Gesetzgebung und Verwaltung einer Materie jeweils der gleiche Hoheitsträger verantwortlich ist (bundesstaatliche Aufgabenverteilung nach Sachgebieten nicht nach Staatsfunktionen), als Alternative anbietet, kann hier nicht diskutiert werden; vergleich insoweit Herzog, BayVBl. 1991,513,516. 20
Schneider, H.-P., Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 3,4.
280
10. Teil: Auswirkungen des Veranlassungsprinzips und Alternativen 1. Verlagerung der Entscheidung über den Anfall von Ausgaben
Anstatt den Bereich der Sozialhilfe wegen der Beanspruchung aufgrund der Langzeitarbeitslosigkeit, die vom Bund zu verantworten und zu bekämpfen sei, als Bundesaufgabe zu qualifizieren 21, mit der Folge, daß der Bund sie finanzieren muß, kann es auch darum gehen, daß die Gemeinden als Sozialhilfeträger über ihre eigenen Ausgaben entscheiden können 22 . Allgemein gesprochen heißt das, den Verwaltungsverantwortlichen Entscheidungsmöglichkeiten über das „Ob" der Kostenentstehung und den Umfang der Ausgaben zu verschaffen.
2. Re-Föderalisierung
der Gesetzgebung
Eine Dezentralisierung der Gesetzgebung ließe sich durch Veränderungen in den Gesetzgebungskatalogen der Art. 73 bis 75 GG oder eine Reduzierung der Bundeskompetenz auf Rahmengesetzgebung23 erreichen. Auch durch restriktivere Handhabung des Art. 72 Abs. 2 GG im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, der in der derzeitigen Praxis keine Bedeutung hat 24 , entstehen Ländergesetzgebungskompetenzen sowohl im Bereich der Sachmaterien als auch - über Art. 105 Abs. 2 GG - bei der Steuergesetzgebung25. Daneben wäre die verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit im Hinblick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Bedürfnisklausel wiederherzustellen 26.
21
Forschungsinstitut Einheit, 1992, S. 20 f.
der Friedrich-Ebert-Stiftung,
Finanzierung der deutschen
22
Boss, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 79, 95. 23
Der Vorschlag von Kisker, Der Staat, 1975, 169, 169 ff. geht dahin, daß der Bund das Pflichtprogramm festlegt und die Länder über die Kür beschließen (zu den finanziellen Auswirkungen, S. 198 f.); zu dem Vorschlag der GVK: GVK, Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 35 f.; Art. 75 Abs. 2 GG wurde daraufhin geändert durch Art. 1 Nr. 7 Lit. b des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGBl. I, S. 3146,3147. 24 25
Klatt, VerwArchiv 1991, 430, 452.
Zu letzterem die BW-Kommission „Finanzverfassungsreform 1992, S. 28 ff. 26
Zwischenbericht,
Kritisch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht: Klatt, VerwArchiv 1991, 430, 452 („Die Rechtsprechung hat diese Praxis sanktioniert und einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung entzogen."); Henke/Schuppert, Rechtliche
Β. Alternative Finanzierungs- und Sachkompetenzverteilung
281
Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen war auch Gegenstand der Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission 27. Dabei ging es weniger um die geforderte Konkordanz zwischen Gesetzgebung und finanzieller Lastentragung. Ziel war vielmehr die tatsächliche Beschränkung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die Wiederherstellung der verfassungsrechtlichen Überprüfbarkeit der Kompetenzausübung durch den Bund. Die beschlossene Änderung der Bedürfnisklausel 28 wird aber auch einen Beitrag zur Herstellung dieser Konkordanz leisten, da nunmehr die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung generell gestärkt wird 29 . Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die diskutierte Rückverlagerung von Kompetenzen auf die Länder einen Wechsel der Ausgabenlast mit sich bringen würde 30.
und finanzwissenschaftliche Probleme, 1993, S. 57 sprechen von einer „unitarischen Rechtsprechung"; Scholz, in: Starck, BVerfG und GG, Bandii, 1976, S. 252, 258 ff. stellt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 Abs. 2 GG zusammen; zu dem Vorschlag der GVK: GVK, Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 33 f.; Art. 72 Abs. 2 GG wurde daraufhin geändert durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGBl. I, S. 3146. 27
GVK, Stenographischer Bericht, 11. Sitzung, 15.10.1992, S. 11 ff.; GVK, Bericht, BT/DS 12/6000(1993), S. 33. 28
Art. 72 Abs. 2 GG lautete: ,,Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil 1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder 3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert."; nunmehr: „Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebens Verhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht."; zum Vorschlag der Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 4; zu weiteren Änderungen der Bedürfnisklausel (Rückhol- und Durchbrechungsbefugnis der Länder) vergleiche Rubel, JA 1993, 12, 15; vergleiche bereits die eingrenzenden Vorschläge der EnqueteKommission „ VerfassungsreformSchlußbericht, BT/DS 7/5924 (1976), S. 123, 131 ff. 29
Sannwald, ZRP 1993, 103, 105.
30
Kirchhof,
F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71, 80.
282
10. Teil: Auswirkungen des Veranlassungsprinzips und Alternativen
C. Anderweitige Alternativen I. Privatisierung von bisher öffentlichen Aufgaben In der Literatur 31 wird eine Vielzahl von Aufgaben genannt, die nicht staatlicherseits angeboten werden müßten: Öffentlicher Personennahverkehr, Aufgaben aus dem Bildungswesen (z.B. Universitäten), Kultur- und Freizeiteinrichtungen (z.B.: Schwimmbäder, Bibliotheken, Museen, Theater), Müllabfuhr etc. Eine entsprechende Privatisierung würde die öffentlichen Haushalte entlasten. Neben der reinen Privatisierung können Kosten auf Private übertragen werden, indem staatlicherseits Pflichten begründet werden, die die Bevölkerung kostentragend zu erfüllen hat, zum Beispiel: Rückführungsverordnung, Abfallvermeidungsgesetz, Pflegeversicherung, Karenztage, Streichung von Feiertagen etc. Auch die Übertragung von Prüfungen im Baugenehmigungsverfahren auf vom Bauherrn zu beauftragende, staatlich anerkannte Sachverständige - wie sie in § 67 Abs. 7 Entwurf BauONW vorgesehen ist - entlastet die Bauaufsichtsbehörden und verschiebt Kosten in den privaten Bereich.
I L Bundesratszustimmungserfordernis erweitern Es wird gefordert, daß künftig alle Bundesgesetze, die von den Ländern ausgeführt werden sollen, wegen der mit ihnen verbundenen Finanzierungslast der Zustimmung des Bundesrates bedürfen sollten32. Derzeit sind Bundesgesetze wegen des Eingriffs in die Verwaltungs- und Organisationshoheit der Länder zustimmungspflichtig. Daraus ergibt sich zwar de facto auch ein gewisser Schutz gegen die Kostenbelastung der Län-
31
Kölble, in: Hochschule Speyer, Schriftenreihe, Band 47 (1971), S. 41, 67 f.; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem, 1980, S. 194; Deutscher Städtetag, Möglichkeiten und Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1986; Wittmann, Die Bundesfinanzen, 1979, S. 23 ff ; Kilian, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 177 spricht dieses Thema in der Aussprache mit einer Frage: „Wie sind die Chancen einer Staatsaufgabenreduzierung durch Teil- oder Vollprivatiseirung?" an. 32
Klatt, VerwArchiv 1991, 430, 452; Konferenz der Ministerpräsidenten, Beschluß vom 05.07.1990, RhPf/LT/DS 11/4466 (1990), S. 4; Kommission „ Verfassungsreform " des Bundesrates, Bericht, BR/DS 360/92, Tz. 50 f.; Peschel-Gutzeit, GVK, Stenographischer Bericht, 4. Sitzung, 02.04.92, S. 10; Kriele, in: Gerhardt/Ottmann/Thompson, Politisches Denken, Jahrbuch, 1991, S. 68, 75; Klatt, in: Greß, Die Rolle der Bundesländer, 1992, S. 95, 113 f.; ablehnend Rennert, Der Staat, 1993, 269, 278.
C. Anderweitige Alternativen
283
der 33. Insoweit ist richtig, daß der Bundesrat nicht nur ein Organ ist, das bundespolitische Interessen wahrnimmt, sondern auch landespolitische Interessen gegenüber dem Gesamtstaat zur Geltung bringt 34 . Zu berücksichtigen ist jedoch, daß man mit dem Argument, in der Praxis seien die meisten Gesetze mit Eingriffen verbunden, die sie zu Zustimmungsgesetzen machen, keine Schutzwirkung gegen eine zu hohe Kostenbelastung der Länder begründen kann. Denn damit würde eine grundsätzliche Rechtsfrage durch eine Verfassungspraxis beantwortet, deren Ausübung auf ganz anderen Überlegungen beruht. Das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrats ist daher derzeit kein Korrektiv der Länder gegen eine finanziell nicht verkraftbare Übertragung neuer Verwaltungsaufgaben durch Bundesgesetz35. Im übrigen ist zu beachten, daß eine Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat als Kompensation für den Kompetenzverlust der Länder nicht nur mit einer quantitativen Änderung des Ländereinflusses verbunden ist, weil das Mitwirkungsrecht den Ländern nur zusammen zusteht, sondern auch einen qualitativen Sprung mit sich bringt, denn der Kompetenzverlust geht zu Lasten der Länderparlamente, während der Kompetenzgewinn wegen Art. 51 GG den Landesregierungen zufallt 36 . Der Vorschlag, wonach zur Feststellung des Bedürfnisses für eine bundesgesetzliche Regelung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG eine Bundesratszustimmung erforderlich wäre, hat sich bereits in der Gemeinsamen Verfassungskommission nicht durchsetzen können37.
I I I . Neugliederung des Bundesgebietes Auf die seit langem geführte Diskussion um die Zusammenlegung von Bundesländern zur Schaffung von Zusammenschlüssen, die wirtschaftlich operie-
33 Klein, Franz, in: Klein, Öffentliches Finanzrecht, 1993, Rn. 14, 34; Klein, Franz, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdVerfR 1994, § 23, Rn. 12. 34
Vogel, B., der landkreisl980, 688, 688.
35
So aber Stoltenberg, FS für Filbinger, 1983, S. 136, 141.
36
Rubel, JA 1993, 12, 14 f.; Grimm, GVK, Stenographischer Bericht, 5. Sitzung, 07.05.1992, S. 6; Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 311, S. 13 f., 98 f. 37
GVK, Bericht, 12/6000 (1993), S. 33 f.
2 8 4 1 0 . Teil: Auswirkungen des Veranlassungsprinzips und Alternativen
ren können, weil unnötige „Kosten der Kleinheit" vermieden werden, soll hier nur hingewiesen werden 38.
38
Bundesministerium des Inneren, Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenausschusses, „Die Neugliederung des Bundesgebietes", 1955; Bundesministerium des Inneren, Sachverständigenkommission för die Neugliederung des Bundesgebiets, Vorschläge, 1973; Kommission „Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung", Bericht, Teil 2, NW/LT/Vorlage 11/182 (1990), S. 62; Schäfer, H., DVB1. 1973, 732, 732 ff.; Scharpf/Benz, Kooperation als Alternative zur Neugliederung?, 1991, S. 17 ff; Ή esse!Renzsch, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 29,41 f.; Kisker, in: Hesse/Renzsch, Föderalstaatliche Entwicklung, 1991, S. 117, 132 ff ; Benz, DÖV 1991, 586, 596; Hohrmann, H., DÖV 1991, 191, 193; Ernst, DVB1. 1991, 1024, 1024 ff; Wieland, DVB1. 1992, 1181, 1183 ff ; Herdegen, in: Bohr, Föderalismus, 1992, S. 123 ff; Kisker, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 146; Thiel, in: AG Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Probleme des Finanzausgleichs, 1993, S. 99 ff ; vergleiche auch den Hinweis im Rahmen der Konsolidierung der Haushaltsnotlagen in Bremen und im Saarland des BVerfGE 86, 148, 270; zu den aktuellen finanziellen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Zusammenschluß von Berlin und Brandenburg vergleiche BT/DS 12/7818(1994).
IL Teil
Neuinterpretation oder Verfassungsänderung Besteht inzwischen in der Sache weitgehend Einigkeit, daß eine Änderung der Praxis unausweichlich ist 1 , gehen die Ansichten, ob und inwieweit eine Verfassungsänderung nötig ist, auseinander. Vom Text her erscheine eine neue Interpretation des Art. 104 a GG als möglich, weil mit der veränderten Aufgabenstruktur Verschiebungen in den Grundvorstellungen des Art. 104 a GG eingetreten seien2. Für die neue Sicht brauche man keine Verfassungsänderung, sondern nur eine gewandelte, problembewußte Interpretation bei Art. 104 a Abs. 1 GG3. Das Veranlassungsprinzip müsse die Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung nicht durchbrechen, weil das Grundgesetz entsprechend der Finanzreform 1969 die Identität von Entscheidungsverantwortlichem und Finanzierungspflichtigem fordere 4. Das Konnexitätsprinzip ziele darauf, die mit eigener Finanzhoheit ausgestatteten Verwaltungsebenen nicht mit Aufgaben aus der Wahrnehmungszuständigkeit anderer Ebenen zu belasten, ohne dafür ei-
1
Vergleiche die Wiedergaben bei Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 81, 97 ff. 2
Schmidt-Aßmann, nach Henneke, DVB1. 1994, 1229, 1234 allerdings mit dem Hinweis, daß der sichere Weg eine Verfassungsänderung sei. 3
Schmidt-Jortzig, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 164; zustimmend: Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 127 ff., 129; Henneke, der landkreisl993,447,448; skeptisch: Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 353 („Die rechtliche Umsetzung wird voraussichtlich Verfassungsänderungen erforderlich machen."); Schoch nach Henneke, DVB1. 1994, 1229, 1231; Schoch, ZRP 1995, 387, 388; Schoch/Wieland, JZ 1995, 982, 985, 990; Schoch, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 146. 4
Sachverständigenkommission „Umsatzsteuerverteilung", Schriftenreihe des Bundesministeriums für Finanzen, Heft 30 (1981), Tz. 95; Tiemann, B., Gemeinschaftsaufgaben, 1970, S. 134; Schmidt-Jortzig, in: v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Probleme mehrstufiger Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, 1982, S. 59, 64 f. zu Art. 104 a Abs. 3 GG.
286
11. Teil: Neuinterpretation oder Verfassungsänderung
nen Kostenausgleich zu erhalten 3. Art. 104 a Abs. 1 GG lasse nicht nur Raum für eine Ausrichtung am Verantwortungsprinzip beziehungsweise Veranlassungsprinzip, sondern gehe von einer entsprechenden Verknüpfung aus. Es sei allerdings die Forderung nach getrennten Finanzverantwortungsbereichen für das einzelne Sachgebiet aufzugeben, an der seit der Finanzreform 1969 festgehalten werde 6. Mitunter wird es aus Legitimations- und Rechtssicherheitsgründen und wegen der grundlegend anderen Anknüpfung für besser gehalten, die Verteilung der Ausgabekompetenzen im Wege der Novellierung neu zu regeln 7. Es wird auch vertreten, die erhoffte „Umdeutung" verbiete sich, weil keine Zweifel daran aufkommen könnten, daß in Art. 104 a Abs. 1 GG die Verwaltungszuständigkeit gemeint sei8. Letzterem kann nur begrenzt zugestimmt werden. Nach den hier herausgearbeiteten Überlegungen zur Behebung der strukturellen Defizite der derzeitigen Praxis, die nicht darauf abzielen, Art. 104 a Abs. 2, 3 GG erweiternd auszulegen9, sondern bei Art. 104 a Abs. 1 GG ansetzen, ist wie folgt zu differenzieren:
3
Hoppe, DVB1. 1992, 117, 123; Schmidt-Jortzig, in: Hardt/Ertel, Länderfinanzausgleich, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Vortragsreihe, Band VII, 1992, S. 55,61 f. 6
Esser, in: Institut „Finanzen und Steuern", Reihe „Grüne Briefe" Nr. 311 (1992), S. 11 f., 100; Heun, Der Staat, 1992, 205, 209, 211; Kirchhof,\ F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 71, 94 und 158; in der Aussprache ebenfalls: Schmidt-Jortzig (S. 164), Schoch (S. 145 f.) und Selmer (S. 154). 7
Kirchhof F., VVDStRL, Band 52 (1993), S. 158; Schoch/Wieland, ningsverantwortung, 1995, S. 145.
Finanzie-
8
Schoch/Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 152; unter Verweis auf Art. 104 a Abs. 2, 3 GG auch Wieland, in: Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Neuordnung des Finanzausgleichs, 1993, S. 161, 217. 9
Zu Möglichkeiten der Neuinterpretation und den Bedenken gegen eine Verallgemeinerung dieser Normen: Schoch!Wieland, Finanzieningsverantwortung, 1995, S. 151 ff ; Kirchhof, F., in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 127.
Α. Grundgesetz: Verhältnis Bund-Länder
287
Α. Grundgesetz: Verhältnis Bund-Länder L Streichung von A r t 104 a Abs. 2 G G Art. 104 a Abs. 2 GG muß gestrichen werden. Ansonsten ist es nicht möglich, das Veranlassungsprinzip als Maßstab für die Lastenverteilung i m Grundgesetz umfassend zu etablieren. Denn Art. 104 a Abs. 2 GG stellt auch für Art. 104 a Abs. 1 GG indizierend die Verbindung zu Art. 83 ff. GG her. Ohne Streichung der Kostentragungsregelung für die Bundesauftragsverwaltung wären die Grenzen der Verfassungsinterpretation im Hinblick auf Art. 104 a Abs. 1 GG überschritten 10.
Π. Beibehaltung von Art. 104 a Abs. 1 G G Die Grundsatznorm der Lastenverteilung kann unverändert belassen werden. Die notwendige Neuinterpretation führt zurück zu den Wurzeln des Konnexitätsgrundsatzes beziehungsweise zu seiner konsequenten Anwendung 11 : Anstelle der Anknüpfung an formelle Kompetenzen wird die Verantwortung für Ausgaben wieder in den Vordergrund gestellt. Diesem Verständnis steht nichts im Wege. Es wurde gezeigt, daß die Anknüpfüng der derzeitigen Praxis sich nicht ohne weiteres aus Art. 104 a Abs. 1 GG ergibt, vielmehr - genauso wie eine Lastenverteilung nach dem Veranlassungsprinzip - erst durch Auslegung gewonnen werden kann 12 . Nach Streichung von Art. 104 a Abs. 2 GG fehlt ein wesentliches Indiz dafür, daß in Art. 104 a Abs. 1 GG an Verwaltungsaufgaben anzuknüpfen ist, so daß gesetzessystematische Bedenken gegen eine Neuinterpretation ausgeschlossen sind. Die Entstehungsgeschichte ist - wie dargelegt wurde 13 - nicht so eindeutig, wie nach wie vor behauptet wird 14 .
10 Löwer, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bandii, 1995, Art. 28, Rn. 93. 11
Henneke, in: Ipsen, Kommunale Aufgabenerfüllung, 1995, S. 81, 97.
12
Siehe 4. Teil B. Siehe 4. Teil Β ΠΙ 2 b aa.
13 14
So aber zuletzt Schoch/Wieland,
Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 152.
288
11. Teil: Neuinterpretation oder Verfassungsänderung
HL Streichung Art. 104 a Abs. 3 , 5 G G Art. 104 a Abs. 3 GG nähert sich ohnehin dem Veranlassungsprinzip an. Art. 104 a Abs. 5 GG wird bereits von Art. 104 a Abs. 1 GG erfaßt. Beide Normen werden überflüssig und sind zu streichen.
B. Länderverfassungen: Verhältnis gegenüber den Kommunen L Landesaufgaben beziehungsweise Aufgabenübertragung durch das Land 1. Die Gerichte müssen von ihrer Interpretation der landesverfassungsrechtlichen Kostenübernahmegarantien als „bloße finanzpolitische Richtlinie" abkehren. Das allein würde für die nordrhein-westfälische Regelung bereits die Geltung des Veranlassungsprinzips bedeuten. Für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen wäre ein erster Schritt in diese Richtung getan. 2. In den anderen Ländern müssen die Normen den Festlegungen in BadenWürttemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo das Veranlassungsprinzip schon heute gilt, angepaßt werden. a) Das betrifft in Bayern, Saarland und Schleswig-Holstein sowohl Tatbestand wie Rechtsfolge. b) In Thüringen würde eine Änderung auf der Tatbestandsseite ausreichen. c) Für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gilt sofern sich die Rechtsprechung wie dargestellt ändert - dasselbe wie für Thüringen. Ansonsten wäre dort - wie dann auch in Nordrhein-Westfalen - eine klarstellende Ergänzung auf der Rechtsfolgenseite nötig 15 . d) In Hessen und Rheinland-Pfalz ist ein dualistisches Finanzierungsmodell für die kommunale Aufgabenwahrnehmung erst noch zu schaffen, weil eine 15
Die Arbeitsgruppe der Hauptverwaltungsbeamten der großen Städte in Nordrhein-Westfalen hat im Januar 1996 als Diskussionsgrundlage für die Änderung von Art. 78 Abs. 3 VerfNW folgenden Text vorgeschlagen: „Das Land kann die Gemeinden und Gemeindeverbände durch gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten. Mit einer solchen Verpflichtung ist ausdrücklich die Zuweisung aller Mittel zur Deckung der mit der Erfüllung verbundenen Kosten oder, soweit zulässig, die Ermächtigung zu verbinden, diese Kosten durch die Erhebung von Abgaben der von der Durchführung der Aufgabe Betroffenen abzugleichen."
Β. Länderverfassungen: Verhältnis gegenüber den Kommunen
289
Kostenübernahmeverpflichtung bei Aufgabenübertragung bisher in den Verfassungen dieser Länder nicht vorgesehen ist.
I L Bundesaufgaben beziehungsweise Aufgabenübertragung durch den Bund Für die durch den Bund übertragenen Aufgaben sind die Normen der Länderverfassungen zu ergänzen, so daß auch dabei den Kommunen ein Anspruch gegen das Land auf Kostenneutralität eingeräumt ist. Es ist darauf hinzuweisen, daß sich die kommunalen Forderungen primär nicht gegen den Bund, sondern gegen die Länder richten müssen. Denn im zweistufigen finanzverfassungsrechtlichen System des Grundgesetzes sind unmittelbare Finanzbeziehungen im Verhältnis Bund-Kommunen nur in Ausnahmefallen zulässig16. Die Abwicklung von Abgeltungsleistungen für die Ausführung bundesgesetzlich veranlaßter Aufgaben der Kommunen hat über die Länder zu erfolgen 17. Forderungen gegen den Bund müssen sich darauf beschränken, daß er aufgrund seiner Gewährleistungsfünktion beziehungsweise Garantenstellung aus Art. 28 Abs. 3 GG auf die Länder einwirkt, die landesverfassungrechtlichen Bedingungen, wie geschildert, herzustellen. Grundgesetzlich könnte neben der schon bestehenden Verpflichtung zum landesinternen Finanzausgleich lediglich die Verpflichtung der Länder zur gesonderten Abgeltung von Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises - jedenfalls für vom Bund zugewiesene Aufgaben - normiert werden.
16
Nicht systemkonform waren daher die an die GVK seitens der kommunalen Spitzenverbände gestellten Forderungen; vergleiche: Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61, 118, 129; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 126 f. 17
Henneke, in: Henneke/Maurer/Schoch, Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 61,
130. 19 Trapp
Schlußbemerkung Art. 143 Abs. 2 GG ließ Abweichungen unter anderem vom Zehnten Teil des Grundgesetzes längstens bis zum 31.12.1995 zu. Art. 31 § 2 Abs. 2 Gesetz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion 1 und Art. 7 Einigungsvertrag 2 hatten den 31.12.1994 als Reformtermin für den Bereich Finanzwesen festgelegt. In dem kurzen Zeitraum von der Vereinigung Deutschlands am 03.10.1990 bis zum 31.12.1994 ließ sich eine Umstrukturierung der Finanzverfassung, die an die Grundlagen des Systems greift, nicht bewältigen3. Vorschläge verschiedener Kommissionen weisen aber zur Beseitigung der Defizite der Ländereigenständigkeit eine große Schnittmenge auf 4 . Es besteht Einigkeit darüber, daß die Finanzverfassung neben der Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen einen Schwerpunkt der Reformanstrengungen bilden muß5. Wegen der strukturellen Mängel in den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) sollte das derzeitige System nur als „Übergangsfinanzverfassung" für eine Dauer von ca. 10-15 Jahren verstanden werden 6. In dieser „Zwischenphase", die durch die Festlegungen des Föderalen Konsolidierungsprogramms bestimmt ist, könnte sich die Finanzkraft der fünf neuen Bundesländer an die Westländer angeglichen
1
Vom 25.06.1990 BGBl. n,S. 518,533.
2
Vom 31.08.1990 BGBl. Π, S. 966, 889, 891 f.
3
Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 58 f.; Sachverständigenrat, achten, 1992/93, Tz. 364\Hickel y WSI-Mitteilungen, 1992, 563, 563 f.
Jahresgut-
4
Ebsen, in: Hessischer Landtag/Hessische Landesregierung, Vorschläge des hessischen Verfassungsbeirates, 1991, S. 125. 5
Siebert, in: Hessischer Landtag/Hessische Landesregierung, Vorschläge des hessischen Verfassungsbeirates, 1991, S. 122. 6
Starck, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 114, 116; Wieland, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, 110, 113; Voscherau, in: Stern, Deutsche Wiedervereinigung, Band IV, 1993, S. 29, 36; Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 40, 58; Selmer, FA n.F., Band 51 (1994), S. 331, 332 f. Selmer, FS für Carl Heymanns Verlags KG, 1995, S. 231, 235, 248 ff
Schlußbemerkung
291
haben. Gleichzeitig könnten die Haushaltsnotlagen (Bremen und Saarland) bekämpft sein7. Die unerläßliche wissenschaftliche Vorbereitung eines umfassenden Reformwerkes ist bislang durch die verschiedenen spezifischen Länder- und Kommunalinteressen verpflichteten Gutachten und Stellungnahmen nicht geleistet worden 8. Deshalb wird vorgeschlagen, in einer neu zu bildenden Kommission mit wirtschaftlichem Sachverstand, Rechenstiften der Finanzpolitiker und verfassungsgeschulten Juristen über eine neue „föderative Finanzverfassung der absehbaren Zukunft" 9 nachzudenken10. Sie erscheint um so notwendiger, als die Gemeinsame Verfassungskommission Fragen des Finanzwesens nicht behandelt hat 11 . Auch 1969 ist es nur geglückt, eine Reform der Finanzverfassung durchzufuhren, weil zuvor die Troeger-Kommission gewirkt hat 12 . Die vorliegende Untersuchung trägt dazu bei, das Veranlassungsprinzip in der Diskussion um die Verteilung der Finanzverantwortung angemessen zu berücksichtigen.
7 Selmer, VVDStRL, Band 52 (1993), S. 10, 40; Eickel WSI-Mitteilungen, 1992, 563, 570; Peffekoven, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990,485,487. 8
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9
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Die Bildung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird - allerdings wegen der sich aus der fortschreitenden Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften ergebenden Probleme - von der Gemeinsamen Verfassungskommission selbst angeregt; vergleiche GVK, Bericht, BT/DS 12/6000 (1993), S. 115. 12
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