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German Pages 426 Year 1999
Das Umweltgesetzbuch als Motor oder Bremse der Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung?
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 131
Das Umweltgesetzbuch als Motor oder Bremse der Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung? Der Entwurf eines Umweltgesetzbuches der Unabhängigen Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Vorträge und Diskussionsbeiträge auf der Tagung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 22. bis 24. Oktober 1997 herausgegeben von
Eberhard Bohne
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Das Umweltgesetzbuch als Motor oder Bremse der Innovationsfahigkeit in Wirtschaft und Verwaltung? : der Entwurf eines Umweltgesetzbuches der Unabhängigen Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Vorträge und Diskussionsbeiträge auf der Tagung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 22. bis 24. Oktober 1997 / hrsg. von Eberhard Bohne. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer ; Bd. 131) ISBN 3-428-09828-5
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-09828-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 €9
Vorwort Die Unabhängige Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wurde im Jahr 1992 vom damaligen Bundesumweltminister Professor Dr. Klaus Töpfer mit dem Auftrag eingesetzt, innerhalb von fünf Jahren den Entwurf eines Umwe!tgesetzbuchs mit Begründung zu erarbeiten. Mitglieder der Kommission waren Rechtsanwalt Professor Dr. Man/red Bulling (Regierungspräsident Stuttgart a. D.), Dr. Günter Gaentzsch (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht), Professor Dr. Hubert Peter Johann (Konzernbeauftragter für Umweltschutz, Mannesmann AG), Professor Dr. Michael Kloepfer (Stellvertretender Kommissionsvorsitzender, Humboldt-Universität Berlin), Rechtsanwalt Dr. Rüdiger Schweikl (Umweltreferent der Stadt München a. D.), Rechtsanwalt Dr. Dieter Sellner, Professor Dr. Horst Sendler (Kommissionsvorsitzender, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts a. D.) und Professor Dr. Gerd Winter (Universität Bremen). Die Kommission legte ihren Entwurf im September 1997 vor. Der Kommissionsentwurf ist Ergebnis und zugleich seltenes Beispiel einer langfristig angelegten und planmäßig verfolgten Politikentwicklung. Diese begann im Jahr 1976 mit einem Prüfauftrag der damaligen Bundesregierung, umfaßte mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zur Kodifizierbarkeit des Umweltrechts und führte zur Erarbeitung des Entwurfs eines Umweltgesetzbuchs in den Jahren 1990 und 1994 durch eine Gruppe von Rechtsprofessoren, die mit ihrem Entwurf die Kodifizierbarkeit des Umweltrechts demonstrierte. Im Gegensatz zu der Professorengruppe war die Sachverständigenkommission pluralistisch zusammengesetzt, weil die Schaffung eines Umweltgesetzbuches nicht allein ein juristisches Problem, sondern vor allem ein Problem der gesellschaftlichen Konsensbildung darstellt. Die Kommission sollte daher mit ihrem Entwurf zugleich Möglichkeiten der Konsensfindung aufzeigen. Auf der Tagung der Deutschen Hochschule für Verwaltungs wissenschaften Speyer vom 22. bis 24. Oktober 1997 wurde der Kommissionsentwurf erstmals einer breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt. Die Referenten und Teilnehmer der Tagung kamen aus der Verwaltung und Wirtschaft, den Umweltverbänden, der Wissenschaft und der Politik und spiegelten somit ein breites Spektrum der gesellschaftlichen Kräfte wider, die künftig Einfluß auf die Schaffung eines Umweltgesetzbuches nehmen werden. Die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer war drei Tage lang ein Forum für Auseinandersetzungen von hohem wissenschaftlichen, rechts- und gesellschaftspolitischem Rang. Die in diesem Band veröffentlichten Tagungsergebnisse bilden eine hervorragende Grundlage für
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Vorwort
die weitere fachliche und politische Diskussion zur Fortentwicklung des Umweltrechts. Mein herzlicher Dank gilt allen, die diese Tagung ermöglicht haben, insbesondere denjenigen, die Referate gehalten und Diskussionen moderiert haben, dem Umweltbundesamt für die Förderung der Tagung und meinen Mitarbeitern Michael Reifenberg und Ellen Reimann für die Unterstützung bei der Redaktion und Herstellung der Druckfassung des Tagungsbandes. Speyer, im Januar 1999
Eberhard Bohne
Inhaltsverzeichnis Begrüßung 13
Von Siegfried Magiera Einführung
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Von Eberhard Bohne
Erster Teil Konzeptionelle Grundlagen eines Umweltgesetzbuches Innovation und Beharrung im Kommissionsentwurf Von Horst Sendler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Diskussionsbericht Von Oliver H. Schäfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das Umweltgesetzbuch als Instrument rechtlicher und administrativer Innovation Von Walter Hirche .................................................... . .......... . ..
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Diskussionsbericht Von Olaf Schaefer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kodifikation nationaler Umweltrechte - Innovationsimpulse oder Bedrohung des EGUmweltrechts? Von Ursula Schleicher ..............................................................
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Diskussionsbericht Von Holger Holzwart
85
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Inhaltsverzeichnis
Zweiter Teil
Steuerungsfunktionen von Allgemeinem und Besonderem Teil eines Umweltgesetzbuches sowie Folgerungen für die Ausgestaltung umweltrechtlicher Instrumente Arbeitsgruppe 1: Vorhabengenehmigung Moderation: Franz-Josef Feldmann Konzeption, materiell-rechtliche Voraussetzungen und Verfahren der Vorhabengenehmigung Von Dieter Sellner
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Vorhabengenehmigung - Stellungnahme aus der Sicht der Länder Von Klaus Hansmann ............................................. . ................. 115 Vorhabengenehmigung - Stellungnahme aus der Sicht der Unternehmen Von Jürgen Fluck ................................................................... 125 Vorhabengenehmigung - Stellungnahme aus der Sicht der Umweltverbände Von Christian Schrader ............................................................. 139 Diskussionsbericht Von Daniela von Bubnojf............................................................ ISS
Arbeitsgruppe 2: Recht- und Regelsetzung Moderation: Peter-Christoph Storm Konzeption, Handlungsformen, Organisation und Verfahren der Recht- und Regelsetzung Von Michael Kloepfer ............................................................... 161 Recht- und Regelsetzung - Stellungnahme aus der Sicht der Länder Von Edeltraud Böhm-Amtmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189 Recht- und Regelsetzung - Stellungnahme aus der Sicht der Unternehmen Von Karsten Dienes ............................................... . ................. 195
Inhaltsverzeichnis
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Recht- und Regelsetzung - Stellungnahme aus der Sicht der Umweltverbände Von Michael H. Rieß
207
Diskussionsbericht Von Regine Schunda ................................................................ 215
Arbeitsgruppe 3: Ökonomische Instrumente, betrieblicher Umweltschutz Moderation: Barbara Schuster Konzeption, Instrumententypen und Wirkungsweise indirekter Verhaltenssteuerung Von Rüdiger Schweikl ............................................ . .................. 219 Ökonomische Instrumente, betrieblicher Umweltschutz - Stellungnahme aus der Sicht der Länder Von Stefan Frey ..................................................................... 225 Ökonomische Instrumente, betrieblicher Umweltschutz - Stellungnahme aus der Sicht der Unternehmen Von Gerhard Voss
233
Ökonomische Instrumente, betrieblicher Umweltschutz - Stellungnahme aus der Sicht der Umweltverbände Von Eckhard Bergmann ......... . .......... . .......... . ..................... . ....... 241 Diskussionsbericht Von Uta Neumann . . .. . . ... . . . .. . . ... ... . . . . . . . . . ... . . . .. . . ... . . . . . ..... .. . . . . . . .. . .. 247
Dritter Teil
Konsequenzen eines Umweltgesetzbuches für UmweItplanung und Gesetzesvollzug der Länder, betrieblicher Umweltschutz, Öffentlichkeit und EG-rechtliche Entwicklung Umweltplanung sowie organisatorische Konsequenzen des Kommissionsentwurfs für die Länder Von Man/red Bulling ................................................................ 263 Diskussionsbericht Von Ruth Werhahn .......................................... . ....................... 277
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Inhaltsverzeichnis
Konsequenzen des Kommissionsentwurfs für das betriebliche Umweltmanagement Von Hubert Peter Johann ........................................................... 281 Diskussionsbericht Von Ruth Werhahn ......... . ........................................................ 301 Umweltinformation, Bürger- und Verbandsbeteiligung Von Gerd Winter .................................................................... 305 Diskussionsbericht Von Oliver H. Schäfer............................................................... 321 Der Kommissionsentwurf und die Fortentwicklung umweltrechtlicher Instrumente auf EG-Ebene Von Karl von Kempis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 323 Diskussionsbericht Von Holger Holzwart ........................................................ . ...... 337
Vierter Teil Politische Bewertungen Der Kommissionsentwurf aus der Sicht der Länder Von Klaudia Martini ................................................................ 343 Der Kommissionsentwurf aus der Sicht der Wirtschaft Von Carsten Kreklau ........................................ . ....................... 351 Der Kommissionsentwurf aus der Sicht der Umweltverbände Von Christian Schrader .......................... . ................... . .............. 365 Diskussionsbericht Von Matthias Niedobitek ... . .......... . .......... . .................................. 373
Inhaltsverzeichnis
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Der Kommissionsentwurf - Innovative Gesetzgebung oder Vergeudung knapper politischer und administrativer Ressourcen Von Angela Merkei.. . . ... . . .. .. . . ... .. . . . . . . . ...... . . . . . . ... . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. 379 Podiumsdiskussion Von Rainer Baake, Wemer Buchner, Birgit Homburger, Michael Kloepjer, Angela Merkel Moderation: Eberhard Bohne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 385
Verzeichnis der Referenten, Moderatoren, Teilnehmer der Podiumsdiskussion und der Berichterstatter ........................................................................ 417
Sachverzeichnis ....................................................................... 421
Begrüßung Von Siegfried Magiera Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Tagung, zu der ich Sie im Namen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und auch persönlich sehr herzlich willkommen heiße, kann nach ihrem Thema und Zeitpunkt kaum aktueller sein. Erst vor wenigen Wochen, im Juli dieses Jahres, hat die Unabhängige Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit den Entwurf eines Umweltgesetzbuches vorgelegt. Die Hochschule Speyer schätzt sich deshalb glücklich, daß unmittelbar im Anschluß daran eine Erörterung und Auswertung dieses Entwurfs im Rahmen einer ihrer Veranstaltungen erfolgen kann. Mein Dank gilt Herrn Professor Bohne, daß es ihm gelungen ist, eine so große Zahl hervorragender Kenner der Materie aus Wissenschaft und Praxis, unter ihnen Mitglieder der Unabhängigen Sachverständigenkommission, für die Teilnahme an dieser Tagung zu gewinnen. Als Angehöriger des Umweltministeriums hat Herr Bohne seinerzeit die Entstehung des Entwurfs aus der Sicht der Praxis begleitet. Die Praxisrelevanz kommt in der Formulierung des Tagungsthemas und der einzelnen Referatsthemen zum Ausdruck und verspricht eine gründliche, wohl auch kontroverse Diskussion des Entwurfs mit weiterführenden Ergebnissen. Damit wird dem Anliegen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer entsprochen, das von ihr in Forschung und Lehre verfolgt wird, insbesondere auch im Rahmen ihrer sog. Fortbildungsveranstaltungen für Führungskräfte des öffentlichen Dienstes. Dieses Angebot ist in den vergangenen Jahren umgestaltet und den geänderten Bedürfnissen angepaßt worden. Die sog. Regelfortbildung wurde, nicht zuletzt auf Wunsch der Länder, aufgegeben zugunsten eines breit gefächerten Angebots an Tagungen, Foren und Seminaren mit unterschiedlicher Zielrichtung und Arbeitsweise. Jede Veranstaltung erhält somit ihr eigenes Profil, das durch die Vorgaben der wissenschaftlichen Leitung und zugleich durch den Dialog zwischen Referenten und übrigen Teilnehmern geprägt wird. Das Thema Ihrer Tagung, meine Damen und Herren, ist in mehrfacher Hinsicht kontrovers, spannend und erörterungswürdig. Zum einen geht es um die Frage der Kodifikationsfähigkeit des Rechts im allgemeinen und des Umweltrechts im besonderen. Ob die Zeit dafür geeignet und reif ist, wird bekanntlich - wie auch schon früher - unterschiedlich beantwortet. Dies liegt im wesentlichen an dem unterschiedlichen Kodifikationsbegriff, der jeweils zugrunde gelegt wird. Je voll-
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Siegfried Magiera
kommener und dauerhafter die Kodifikation sein soll, umso weniger erreichbar ist sie. Wird die Kodifikation lediglich als ein möglichst dauerhafter, widerspruchsfreier und übersichtlicher Ordnungsrahmen verstanden, der bei Bedarf an neuere Entwicklungen anzupassen ist, so erscheint sie nicht nur als realisierbar, sondern unter Umständen auch als vorteilhaft und erstrebenswert. Dazu kann auch die Kodifikation des Umweltrechts gerechnet werden. Im einzelnen ist dies überzeugend in der Einleitung der Unabhängigen Sachverständigenkommission zu ihrem Entwurf eines Umweltgesetzbuches und zuvor schon von ihrem Mitglied, Herrn Professor Kloepfer, anläßlich einer Tagung unserer Hochschule zur "Kodifikation gestern und heute" ausgeführt worden. Zum anderen und, wie ich annehme, hauptsächlich werden Sie sich, meine Damen und Herren, während der Tagung mit dem Inhalt des vorgelegten Kodifikationsentwurfs befassen. Insgesamt haben sich die Autoren des Entwurfs zum Ziel gesetzt: "Mehr Umweltschutz durch weniger Normen". Ob dies in genügendem Maße gelungen ist, wird mancher angesichts der 17 Kapitel mit 775 Paragraphen sowie zusätzlichen 1212 eng beschriebenen Druckseiten Begründung vielleicht bezweifeln wollen. Andererseits soll das Umweltgesetzbuch mehr als 20 Einzelgesetze ablösen, die gegenwärtig ein verwirrendes, äußerlich wie innerlich zersplittertes, Geflecht von Rechtsnormen bilden. Selbst wenn die Quantität der Normen durch das Umweltgesetzbuch nicht entscheidend verringert werden sollte, wird wie schon ein erster Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt - eine erheblich verbesserte Transparenz und Rechtsklarheit durch systematische Aufbereitung und Fortentwicklung des bestehenden Normengeflechts erreicht. Auch eine Kodifikation des Umweltrechts wird dessen dynamische Entwicklung in absehbarer Zukunft nicht aufhalten. Dies folgt nicht nur aus der Neuartigkeit der Regelungsmaterie, die in ihrer heutigen Intensität nur wenige Jahrzehnte zurückreicht, sondern auch aus ihrer transnationalen Verflechtung. Wie in anderen Bereichen zeigen sich auch und gerade im Umweltbereich die Grenzen einer isolierten nationalen Regelung. So mußten schon in den siebziger Jahren Regelungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Umweltschutz erlassen werden, obwohl erst die Einheitliche Europäische Akte von 1986 dafür eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage im Vertragsrecht schuf. Zutreffend verweist die Sachverständigenkommission auf das Zusammenspiel globaler, regionaler und nationaler Umweltvorschriften, auf Kodifikationsansätze in anderen Staaten sowie auf völker- und europarechtliche Regelungen, die zu berücksichtigen und zu beachten sind. Insbesondere für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gilt, daß ein wirksames Umweltrecht nur gemeinsam erarbeitet werden kann, indem jeder von jedem lernt und die unterschiedlichen Konzepte aufeinander abgestimmt werden. Dies hat beispielsweise zu einer Vielfalt an Instrumenten des Umweltschutzes auf gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Ebene geführt, die zwar einige Abgrenzungs- und Auswahlschwierigkeiten mit sich bringt, aber auch die Feinsteuerung
Begrüßung
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in den Mitgliedstaaten unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und Verhältnismäßigkeit erleichtert. Während die transnationale, insbesondere die europäische Dimension in die Beratungen der Sachverständigenkommission einbezogen wurde, kam sie in der Zusammensetzung und Verfahrensweise der Kommission nicht gleichermaßen zum Ausdruck. Soweit ersichtlich, gehörten ihr Sachverständige aus anderen Staaten oder den Gemeinschaftsinstitutionen nicht an und wurden von ihr auch nicht in den Anhörungen hinzugezogen. Insoweit bietet jedoch die öffentliche Diskussion, die sich nunmehr an die Vorlage des Entwurfs anschließen soll, Gelegenheit, transnationale Experten einzubeziehen. Den Beginn macht diese Tagung mit Referenten aus den europäischen Institutionen. Mit dieser Tagung, meine Damen und Herren, setzt die Hochschule Speyer erneut einen Schwerpunkt im Bereich des Umweltrechts, das schon bisher unter verschiedenen Aspekten Gegenstand von Veranstaltungen der Hochschule oder des ihr beigeordneten Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung war. Ich freue mich, daß Herr Kollege Bohne diese Tradition aufgegriffen hat, und wünsche Ihnen allen ein gutes Gelingen der Tagung mit anregenden und ertragreichen Gesprächen in und neben den Arbeitssitzungen.
Einführung Von Eberhard Bohne Mit der Vorlage des Kommissionsentwurfs haben eine über 20jährige, überwiegend inner-administrativ geführte Diskussion und die knapp 10 Jahre währenden Entwurfsarbeiten - zunächst einer Professorengruppe, danach der Sachverständigenkommission - ihren Abschluß gefunden. Nunmehr beginnt die öffentliche Diskussion des Kodifikationsvorhabens in Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Die Diskussion wird mit dieser Tagung hier und heute eröffnet. Die Tagung steht unter dem Generalthema "Das Umweltgesetzbuch als Motor oder Bremse der Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung?" Innovation heißt "Erneuerung" und ist ein schillernder Begriff. Er wird vor allem in Wirtschaft und Technik verwendet. Dort bezeichnet der Begriff "Innovationsfahigkeit" die Fähigkeit, neues Wissen innerhalb möglichst kurzer Zeit zur besseren und kostengünstigeren Befriedigung von Marktbedürfnissen oder zur Lösung technischer Probleme hervorzubringen. Innovationsfähigkeit ist verbunden mit der Bereitschaft, das neue Wissen einzusetzen und die Verantwortung für die wirtschaftlichen und technischen Risiken seines Einsatzes zu tragen. Verallgemeinernd läßt sich danach "Innovationsfähigkeit" durch folgende Merkmale beschreiben: (1) Produktion neuen Wissens, (2) Effizienz, (3) Handeln unter Zeitknappheit, (4) Übernahme von Risiken und Verantwortung. Mittlerweile werden Innovationen in allen Bereichen von Gesellschaft und Politik gefordert. Zur Begründung des Innovationsbedarfs wird u. a. verwiesen auf - die im Vergleich zu den USA und Japan weit niedrigere Zahl deutscher Patentanmeldungen im Bereich von Zukunftstechnologien, - die Abwanderung deutscher Spitzenwissenschaftler in die USA, - der Leistungsabfall im Bildungssystem, - der Rückgang der Zahl mittelständischer Unternehmen, - die hohe und weitersteigende Arbeitslosigkeit, 2 Speyer 131
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Eberhard Bohne
- die Finanzierungsschwierigkeiten der sozialen Sicherungssysteme, - die Krise der Staatsfinanzen, - die erhebliche Subventionierung nicht wettbewerbsfähiger Industriezweige und der Landwirtschaft, - die verbreitete Subventions mentalität auch bei wirtschaftsstarken Großunternehmen, - die rechtliche Überregulierung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, die Bürokratisierung der öffentlichen Verwaltung. Die Liste der Bereiche, in denen nach Innovationen gerufen wird, ließe sich unschwer fortsetzen. Bundespräsident Herzog hielt im April dieses Jahres eine Rede mit dem Thema "Aufbruch ins 21. Jahrhundert".l Er stellte die Frage: "Was ist los mit unserem Land?" und fuhr fort: "Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression - das sind die Stichworte der Krise. Sie bilden einen allgegenwärtigen Dreiklang, aber einen Dreiklang in Moll."
Der Historiker und Publizist Arnulf Baring 2 setzt in seinem kürzlich erschienenen Buch zum Innovationsbedarf in Deutschland noch einen drauf und stellt im Buchtitel die provokante Frage: "Scheitert Deutschland?". Angesichts dieser und anderer Krisenzeichen wird sich vielleicht mancher von Ihnen fragen, ob es denn nichts Wichtigeres gibt als sich über Inhalt und Aufbau eines Umweltgesetzbuches Gedanken zu machen. Kann ein Umweltgesetzbuch dazu beitragen, daß in der Gesellschaft - die Produktion neuen Wissens erleichtert oder stimuliert, - die Effizienz von Entscheidungsabläufen und Entscheidungen gesteigert, die praktische Umsetzung neuen Wissens beschleunigt und die Bereitschaft zur Übernahme von Risiken und Verantwortung erhöht wird? "Diese Fragen stellen, heißt sie zu verneinen", so wird mancher von Ihnen denken und fordern: Deregulierung, nicht Kodifikation des Umweltrechts ist das Gebot der Stunde.
In der Tat ist es nicht unmittelbar einsichtig, daß die Schaffung eines Umweltgesetzbuchs die Chance zur gesellschaftlichen, administrativen und politischen Innovation in sich birgt.
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Bulletin, Nr. 33 vom 30. 4. 1997, S. 353. Scheitert Deutschland? Abschied von unseren Wunschwelten, 1997.
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Ich möchte zur Verdeutlichung des Innovationspotentials eines Umweltgesetzbuches noch einmal Bundespräsident Herzog zitieren, der zu den Voraussetzungen von Innovationsfähigkeit folgendes ausgeführt hat: "Was muß geschehen? Ich meine, wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag zugunsten der Zukunft. Alle, wirklich alle Besitzstände müssen auf den Prüfstand. Alle müssen sich bewegen. Wer nur etwas vom anderen fordert - je nach Standort von den Arbeitgebern, den Gewerkschaften, dem Staat, den Parteien, der Regierung, der Opposition -, der bewegt gar nichts .... Wir brauchen wieder eine Vision. Visionen sind nichts anderes als Strategien des Handeins. Das ist es, was sie von Utopien unterscheidet."
Deregulierung im Sinne einer schlichten Aufhebung von Rechtsvorschriften ist keine Vision. Sie ist Kapitulation: Kapitulation vor dem Druck von Interessengruppen, denen diese oder jene Regelung nicht paßt; Kapitulation des Staates vor der Verantwortung, die natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu schützen, wie es Art. 20 a des Grundgesetzes bestimmt. Wohlgemerkt, ich spreche von Deregulierung im Sinne einer bloßen Negation des geltenden Rechts. Hierin sehe ich keine Vision, keine politische Strategie zur Förderung der Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung. Anders ist es dagegen mit einem Verständnis von Deregulierung, das nach neuen Problemlösungen sucht und hierzu die Fülle regulativer Besitzstände auf den Prüfstand stellt, die sich im Genehmigungsrecht, im Planungsrecht oder im Subventionsrecht zur Absicherung partikularer Interessen entwickelt haben oder die einfach historisch mehr oder weniger zufällig entstanden sind. Auf den Prüfstand gehört das Zulassungsrecht für raumbedeutsame Vorhaben. Es gibt keinen Sachzwang, der die Beibehaltung der unterschiedlichen Zulassungsregelungen von Bewirtschaftungsermessen für Gewässerbenutzungen, Planungsermessen für Deponien, Versagungsermessen für Kernkraftwerke, von gebundener Genehmigung mit Beurteilungsermessen im Tatbestand für Industrieanlagen und "quasi-gebundener" Planfeststellung für UVP-pflichtige, bergbauliche Vorhaben rechtfertigt. Ein eindrückliches Beispiel einer Überregelung ist die weitgehend wörtliche Übernahme des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in die Verfahrensvorschriften für die Zulassung von Industrie-, Atom- und bergbaulichen Anlagen. Die Übernahme wurde von den betroffenen Verwaltungen und Industriezweigen - Deregulierung hin oder her - durchgesetzt, um sich die bereichsspezifische Definitionsmacht für die Anwendung des EG-rechtlich begründeten UVP-Verfahrens zu sichern. Ich weiß, daß ich mit diesen Bemerkungen "heilige Kühe" des Umweltrechts zur "Prüfbank" führe. Ob diese und andere Kühe zu schlachten sind, wird in der Arbeitsgruppe 1 diskutiert werden. Auf den Prüfstand gehören auch anreizorientierte Instrumente und ihr Verhältnis zum Ordnungsrecht. 2*
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Eberhard Bohne
Nach meiner Beobachtung bevorzugt die Wirtschaft eindeutig rechtlich unverbindliche und sanktionslose Absprachelösungen gegenüber Verträgen oder ökonomischen Instrumenten, die über den Preismechanismus des Marktes steuern. Die Interessenlage ist eindeutig. Verhandlungslösungen sind berechenbar und bei fehlenden Sanktionen für die Wirtschaft auch völlig risikolos. Demgegenüber wirken Lenkungsabgaben, Versicherungslösungen und Zertifikatslösungen global und schwer kalkulierbar über den Marktpreis. Diesem mißtraut die Wirtschaft im Umweltschutz mindestens ebenso stark wie die Verwaltung. Wer jedoch mehr Freiheit will, muß auch bereit sein, höhere Risiken zu übernehmen und die Verantwortung für die negativen Folgen eigenen Handeins zu tragen. Diese und andere Fragen werden aus unterschiedlicher Perspektive in den Arbeitsgruppen 2 und 3 behandelt. Ein Umweltgesetzbuch, das sich nicht auf Rechtsbereinigung und Kompilation des geltenden Rechts beschränkt, führt zwangsläufig zur Überprüfung aller Besitzstände und eingefahrenen Praktiken im Umweltrecht, von denen ich eben einige skizziert habe. Es erfordert eine bereichsübergreifende Sichtweise und damit Änderungen in unseren Köpfen. Eine Bewußtseinsänderung ist insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung des EG-Rechts in das deutsche Umweltrecht erforderlich. Die defensive Haltung, mit der vielfach EG-rechtliche Regelungen zur Rolle der Öffentlichkeit, zu Verwaltungs verfahren und zu medienübergreifenden Prüfungen umgesetzt werden, treibt uns in Europa in die Isolation. Ferner bedarf ein Umweltgesetzbuch notwendig einer Vision, d. h. einer systembildenden Ordnungsidee. Sonst lassen sich bereichs- und medienübergreifende Handlungsinstrumente nicht entwickeln; Allgemeiner Teil und Besonderer Teil eines Umweltgesetzbuchs können nicht sinnvoll miteinander verzahnt werden. Der Kommissionsentwurf orientiert sich nach eigenem Bekunden am "Leitbild der dauerhaft umweltgerechten Entwicklung", das seit der Rio-Konferenz von 1992 zu einer Art "Weltformel" des Umweltschutzes geworden ist. Persönlich bevorzuge ich für den innerstaatlichen Gebrauch das "Leitbild der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft". Denn ich habe den Begriff des "sustainable development" auf internationalen Konferenzen bisher nur als eine Kompromißformel zur Überbrückung der Interessengegensätze von Industrie- und Entwicklungsländern erlebt. Wie dem auch sei. Fest steht, daß die Schaffung eines Umweltgesetzbuches zu einer öffentlichen Diskussion darüber zwingt, wie wir unsere Zukunft angesichts begrenzter Naturgüter und unbegrenzter gesellschaftlicher Wünsche gestalten wollen. Funktional betrachtet ist ein Umweltgesetzbuch ein neuer Gesellschaftsvertrag für den Bereich des Umweltschutzes.
Einführung
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Ich glaube, man greift den Diskussionen der nächsten Tage nicht vor, wenn man schon jetzt feststellt: Der Kommissionsentwurf beschränkt sich nicht auf Rechtsbereinigung und Kompilation des geltenden Umweltrechts. Er zeigt in vielen Bereichen neue Wege auf. Besonders deutlich wird dies bei dem Konzept der einheitlichen Vorhabengenehmigung, das sich bereits auf den politischen Entscheidungsprozeß auszuwirken beginnt. Ob und welche Chancen der Kommissionsentwurf für die Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung besitzt, soll auf dieser Tagung erörtert werden. Ich erwarte harte Diskussionen und erhoffe konstruktive Kritik. Verwenden Sie Ihren Scharfsinn nicht nur auf den Nachweis, daß vorgeschlagene Regelungen nicht funktionieren. Verwenden Sie bitte ebenso viel Energie und Phantasie auf Lösungsvorschläge. Begreifen Sie die Diskussion über ein Umweltgesetzbuch als Chance, in dieser ideenarmen Übergangszeit unserer Geschichte neue Orientierungen zu finden. Ich möchte die Diskussionen, die ich mir erhoffe, mit einem Bild verdeutlichen, mit dem ein bekannter Rechtswissenschaftler in einem Aufsatz zum Professorenentwurf eines Umweltgesetzbuchs von 1990 und 1994 vor einer Kodifikation des Umweltrechts gewarnt hat? Er kritisiert die - nach seiner Meinung - "amorphe und so nicht justiziable Begrifflichkeit" des Professorenentwurfs und kommt zu dem Schluß: "Dieses Übel ist konzeptionell bedingt, sozusagen ein rechtsbegriffliches Ikaros-Syndrom: Wo die Entwurfsverfasser zu hoch in die abstrakten Normierungslüfte steigen, versagt das Wachs der Sprache. Es zerfließt, was zur Auflösung der kodifikatorischen Schwingen und zum juristischen Absturz führt".
In zehn Jahren gesetzgeberischer Tätigkeit im Umweltschutz habe ich kein einziges Mal erlebt, daß mir das ,juristische Sprachwachs" zerflossen wäre. Ungenaue Formulierungen waren regelmäßig die Folge politischer Kompromisse, die von den Fachverwaltungen und einzelnen wirtschaftlichen Interessengruppen zur Wahrung ihrer Besitzstände erzwungen wurden. Meine Erfahrungen zeigen, daß die Kodifikation des Umweltrechts nicht allein ein sprachliches und schon gar nicht ein rein juristisches Problem ist. Sie ist vor allem ein Problem politischer Interessen, administrativer Strukturen in Staat und Wirtschaft und der Zukunftsperspektiven für die weitere umweltpolitische und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Politisch-rechtlicher Fortschritt ist ohne Visionen unmöglich. Ich möchte daher die Ikaros-Metapher gegen die Grundsatzkritik an einem Umweltgesetzbuch wenden und hervorheben: Wenn die Menschheit nicht die Vision des Fliegens gehabt hätte, würden wir heute noch auf Mauleseln und Pferden durch die Lande reiten. 3 Rüdiger Breuer, Das Umweltgesetzbuch - über das Problem der Kodifikation in der Gegenwart, UPR 1995, S. 365, 367.
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Eberhard Bohne
Ich wünsche mir, daß die folgenden Diskussionen den Kommissionsentwurf nicht aus der "Mauleselperspektive" behandeln. Die Gefahr, daß der Kommissionsentwurf zu intellektuellen Höhenflügen zur Sonne verleitet, schätze ich angesichts der Erdverbundenheit der Kommissionsmitglieder gering ein. Mit diesem Wunsch nach Diskussionen "in mittlerer Flughöhe" eröffne ich die Vorträge.
ERSTER TEIL
Konzeptionelle Grundlagen eines Umweltgesetzbuches
Innovation und Beharrung im Kommissions-Entwurf Von Horst Sendler
A. Einleitung I. Innovation als modernistische Vokabel des Zeitgeistes? Innovation ist in aller Munde und auf den verschiedensten Kongressen en vogue. Auf sich alleingestellt ist die Innovation allerdings selten. Vielmehr wird sie mit dieser oder jener Vokabel unterschiedlich gepaart. So war beim jüngsten Innovationskongreß einer politischen Partei die Innovation auf dem Weg in die Parteikarriere als Wahlkampfschlager angereichert durch eines der hehrsten Worte unseres Rechtsstaats und lautete dementsprechend: Innovation und Gerechtigkeit. Eine Fachkonferenz will das Spannungsfeld von Innovation, Wettbewerb und Regulierung für die Telekommunikation als Siedlungsgebiet bereitstellen. Bei uns wird die Innovation mit ihrem - scheinbaren? - Gegensatz zusammengekoppelt, so daß das Paar lautet: Innovation und Beharrung.
11. Zur Ambivalenz von Innovation Auch das europäische Umweltrecht bleibt von Innovation nicht verschont. So war kürzlich davon die Rede, daß vom europäischen Umweltrecht derzeit ein Innovations- und Modemisierungsschub für die Mitgliedstaaten ausgehe. Allerdings kam diese Feststellung aus gequältem Herzen und wurde mit gemischten Gefühlen ausgesprochen. Jener Befund sei nämlich durchaus ambivalent l . Innovation sei zwar gut und auch notwendig; ein hektischer Aktionismus der Rechtsetzung untergrabe jedoch die Rationalität und Kalkulierbarkeit des Rechts, einen konsequenten und effizienten Normvollzug sowie letztlich das Rechtsstaatsprinzip als solches. So müsse sich erst noch erweisen, ob solche "Innovationsimpulse" konstruktiv oder zersetzend wirken. Kann sich also Innovation auch mit Zersetzung paaren?
I Rüdiger Breuer; Zunehmende Vielgestaltigkeit der Instrumente im deutschen und europäischen Umweltrecht - Probleme der Stimmigkeit und des Zusammenwirkens, NVwZ 1997, 833 (835).
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Horst Sendler
111. Keine übertriebene Skepsis gegenüber dem Kommissions-Entwurfl
Der Stoßseufzer zum europäischen Umweltrecht sollte uns den Blick schärfen dafür, daß Innovation um ihrer selbst willen nicht unbedingt ein Segen sein muß. Hinreichend skeptisch und zudem als Angehöriger der skeptischen Generation will ich den Blick auf unseren wohl nicht ganz unambitionierten Entwurf werfen. Freilich darf man von meiner Skepsis nicht zu viel erwarten; denn jemand, der wie alle übrigen Mitglieder der Sachverständigenkommission jedenfalls im Prinzip von der Zukunftsträchtigkeit des Kommissionsentwurfs überzeugt ist, wird kraft vorangegangenen Tuns naturgemäß hinreichend positiv vorbelastet sein und die Skepsis nicht übertreiben. Zwar will ich nicht verschweigen, daß es auch bei unseren Beratungen gelegentlich etwas hektisch zuging. Aber insgesamt wird man uns angesichts der fünf Jahre, in denen wir an unserem Entwurf herumbosselten, hektischen Aktionismus wohl kaum vorwerfen können. Freilich läßt sich nicht in Abrede stellen, daß es sich um ein großes, durchaus ehrgeiziges Projekt handelt; aber mit Hektik und Aktionismus hat dies nichts zu tun. Dieses Projekt wird - bei manchen Meinungsverschiedenheiten im einzelnen - von der einmütigen Überzeugung aller Kommissionsmitglieder getragen. Aber nicht nur das: Ebenso einhellig sind wir überzeugt, daß es eine dringende Aufgabe unserer Zeit ist, auf der wesentlichen Grundlage des Entwurfs ein Umweltgesetzbuch zu schaffen, also das Umwe1trecht zu kodifizieren.
B. Innovation und Beharrung als Aufgabe einer Kodifikation Es ist einmal davon gesprochen worden, daß jede Gesetzgebung die Balance zwischen Konservieren und Reformieren halten muß. Innovation und Beharrung: Ungefähr mit diesen Worten läßt sich deswegen die Aufgabe einer Kodifikation umschreiben.
I. Innovation und Beharrung oft kaum trennbar verbunden
Zum einen muß eine Kodifikation das geltende Recht, soweit es sich bewährt hat, sammeln, übersichtlich zusammenfassen, dabei in einen Systemzusammenhang bringen und vereinheitlichen 2 . Darin zeigt sich die beharrende, bewahrende 2 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998 (im folgenden als Kommissions-Entwurf bezeichnet), Einleitung S. 74 f.
Innovation und Beharrung im Kommissions-Entwurf
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Tendenz einer Kodifikation, die zugleich geprägt ist von innovativen Elementen; bereits in der systematisierenden Vereinheitlichung kann man eine Innovation sehen, weil auch die erstmalige Einbettung in einen Systemzusammenhang innovativ die durch das System geprägten Vorschriften und deren Auslegung beeinflußt. Ohne große Übertreibung kann man also eine Kodifikation als solche als Innovation bezeichnen. Denn nach den gängigen Definitionen ist Innovation Einführung von etwas Neuern. Insoweit ist der ganze Entwurf unabhängig von seinen mehr oder weniger innovativen oder beharrenden Einzelelementen eine Innovation 3 . Im Umweltrecht kann man sich allerdings mit der gleichsam bescheidenen Methode des bloßen Abschreibens und allenfalls Neuordnens des verstreuten Rechts nicht begnügen. Die zahlreichen Widersprüche, auch Wertungswidersprüche, und Unabgestimmtheiten zwischen den verschiedenen Fachgesetzen des Umweltrechts schließen es aus, sich auf das "abschreibende" Sammeln des Rechtsstoffs zu beschränken. Es bedarf vielmehr einer Wertung und Bewertung, ob sich die bereitstehenden Lösungsmodelle, die in den unterschiedlichen Fachgesetzen verwirklicht sind, wirklich bewährt haben, und, wenn ja, welcher man den Vorzug geben will. Wenn man aber schon beim Bewerten ist, dann drängt sich oft der Gedanke auf, ob es sich nicht lohnt, eine Kombination von mehreren Lösungen anzustreben oder gar einen dritten Weg zu beschreiten. So geht Beharrung und Bewahrung fast unmerklich über in innovatorische Überlegungen und Bestrebungen. Die Übernahme des wirklich oder auch nur vermeintlich Bewährten wird ergänzt oder sogar ersetzt durch Schaffung von Neuern, hoffentlich wirklich und nicht nur scheinbar Besserem.
11. Innovation als Versuch und Wagnis So jedenfalls ist im großen und ganzen die Kommission verfahren, indem sie sich um eine behutsame Erneuerung und Fortentwicklung bemüht hat. Denn Innovation hat auch mit Versuch und Wagnis zu tun. So ist denn auch, als kürzlich der Frage nachgegangen wurde, wie modem Deutschland ist, wohl nicht zu Unrecht behauptet worden, es könnte leistungsfähiger sein, wenn die Politik den Mut aufbrächte, die Gesellschaft auf den Weg der Selbstverantwortung und der Individualität zu führen 4 . Dementsprechend ist der Entwurf bemüht, Selbst- und Eigenverantwortung des Bürgers, insbesondere des Unternehmers, zu stärken. Auf allzu große Wagnisse wollte sich die Kommission allerdings, jedenfalls grundsätzlich 3 Dies gilt erst recht, wenn man - so Brockhaus-Lexikon (19. Auf!. 1989, Bd. 10) - Innovation als die planvolle, zielgerichtete Erneuerung und auch Neugestaltung von Teilbereichen, Funktionselementen oder Verhaltensweisen im Rahmen eines bereits bestehenden Funktionszusammenhanges versteht mit dem Ziel, entweder bereits bestehende Verfahrensweisen zu optimieren oder neu auftretenden und veränderten Funktionsanforderungen besser zu entsprechen. 4 Barbier in FAZ vom 2. 10. 1997 S. 17.
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nicht einlassen. Sensationen sind angesichts der grundsätzlichen Behutsamkeit, mit der die Kommission verfahren ist, nicht zu erwarten, mit Ausnahme vielleicht der Sensation, daß es uns wohl und hoffentlich gelungen ist, ein einigermaßen einheitliches Ganzes und insoweit Großes zu schaffen - immerhin 775 Paragraphen! -, dabei im kleinen Einzelnen aber relativ klein und bescheiden zu bleiben.
IH. Ziele der innovatorischen Überlegungen
Die innovatorischen Überlegungen der Kommission beschränkten sich im wesentlichen darauf, folgende Ziele zu erreichen5 : 1. Vereinfachung durch Hannonisierung und Vereinheitlichung
Das Umweltrecht sollte vereinfacht werden und zugleich eine ökologische Fortentwicklung erfahren, ältere Umweltgesetze dem gegenwärtigen Stand in Aufbau und Begriffsbildung angepaßt werden. Zum Zwecke der Vereinfachung hat die Kommission insbesondere das Mittel der Vereinheitlichung und der Harmonisierung bemüht; sachliche Änderungen bestehender Umweltgesetze haben sich deswegen meist auf das durch Vereinheitlichung und Harmonisierung vorgegebene Maß beschränkt. a) Konzentration im Allgemeinen Teil Wichtiges Mittel dieser Vereinheitlichung ist es, gleiche oder ähnliche Regelungen aus den verschiedenen Umweltfachgesetzen im Allgemeinen Teil des Entwurfs gleichsam vor die Klammer zu ziehen und in den einzelnen Fachkapiteln des Besonderen Teils jedenfalls grundsätzlich entfallen zu lassen, diese also davon zu entlasten. b) Vollzugsfreundliche Formulierung Besonderes Augenmerk beim Streben nach Vereinheitlichung wurde darauf gelegt, die Vorschläge so zu formulieren, daß die Regelungen praktisch handhabbar und vollzugsfreundlich sind, dadurch aber auch Beschleunigungseffekte erzielt werden. Mit der ökologischen Fortentwicklung hängt zusammen, daß das gegenwärtige Umweltschutzniveau verbessert werden, zumindest aber erhalten bleiben 5 Vgl. näher Kommissions-Entwurf (Fn. 2), Einleitung S. 87 f.; §§ ohne Zusatz sind solche des UOß-KomE.
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soll. Dem einzelnen Bürger - d. h. auch den Betreibern von umweltrelevanten Anlagen - sollte der Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen nicht nur erhalten bleiben, sondern erweitert werden ungeachtet dessen, daß die Umweltpflichten dem Handeln des Einzelnen Grenzen setzen und Grenzen setzen müssen, also das Umweltordnungsrecht im Grundsatz unverzichtbar bleibt6 . Es versteht sich von selbst, daß dabei die vom europäischen Recht ausgehenden Innovationsschübe trotz ihrer partiellen Unausgewogenheit und Unabgestimmtheit aufgenommen und umgesetzt werden mußten trotz der daran geübten, ebenfalls partiell berechtigten Kritik. 2. Nur behutsame innovatorische Schritte
Summa summarum hat sich die Kommission von keinem himmelstürmenden und deswegen absturzgefährdeten Streben in feme, noch ungewisse Weiten und Welten leiten lassen. Wir waren uns der Gefahr bewußt, die nach dem eingangs Gesagten manchen Innovationsimpulsen des europäischen Umweltrechts nachgesagt wird, daß sie eher zersetzend als konstruktiv wirken könnten. Mit der Innovation steht es halt ähnlich wie mit dem ihr verwandten Fortschritt, von dem man nicht immer sicher sein kann, ob sich hinter der Draperie des Fortschritts vielleicht gar ein Rückschritt verbirgt. Unser Drang, vorwärts zu neuen Ufern zu gelangen, war also spürbar gebremst durch das Bewußtsein, auf dem Teppich bleiben zu müssen. Wir sind deswegen überwiegend nur kleinere Schritte in Richtung Innovation gegangen, auch wenn es gewiß übertrieben wäre zu behaupten, es seien nur kleine Brötchen gewesen, die wir gebacken hätten. In der Summe jedenfalls ist der Ertrag an Innovation nicht zu verachten. Ich war bei der Durchsicht des Entwurfs unter dem vom Thema verlangten Aspekt selbst überrascht, wieviel an Innovation er bietet, kaum weniger als an Beharrung und Bewahrung, die gut gemischt mit Innovation immer wieder deutlich wird, weil nun einmal der Entwurf Bewährtes und damit Altbekanntes zusammenfaßt, wenn auch fortentwickelt und mit hoffentlich zukunftstauglichen Innovationen verbindet. 3. Innovation als Motor oder Bremse?
Nicht zufällig nennt das Thema das Wort Innovation an erster Stelle. Naturgemäß wendet sich das Interesse hauptsächlich dem zu, was sich gegenüber dem Bestehenden ändert, entsprechend dem, was den Menschen seit den alten Römern auszeichnet: rerum novarum cupidus. Was also soll oder kann - um das Tagungsthema aufzugreifen - als Motor oder Bremse der Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung wirken? Darauf möchte ich mein und Ihr Augenmerk in erster Linie richten. 6 Vgl. etwa Gertrude Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts. Vollziehbarkeit - Deregulierung - Effizienz, 1996, z. B. S. 108 ff.
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C. Der Kommissions-Entwurf unter dem Aspekt von Innovation und Beharrung I. Schwierigkeiten der Darstellung und der Stoffauswahl
Allerdings befinde ich mich, indem ich mich zu einer Art tour d'horizon durch den Entwurf unter den Gesichtspunkten von Innovation und Beharrung aufmache, in einer etwas mißlichen Situation. Ich muß wenigstens kurz auf Dinge eingehen, die meine Kollegen morgen ausführlicher abhandeln, beschreiben und bewerten werden 7 . So wird es unvermeidlich zu gewissen Wiederholungen und Überschneidungen kommen müssen. Das läßt sich auch deswegen nicht vermeiden, weil diese vertiefenden Darbietungen meiner Kollegen teilweise zur selben Zeit in verschiedenen Räumen stattfinden und daher jeweils nur Teile der Hörerschaft erreichen können. Als mißlich empfinde ich es weiter, daß nahezu jeder der 775 Paragraphen des Entwurfs eine Erwähnung verdiente, weil er mehr oder weniger bedeutsam ist sonst hätten wir ihn ja nicht hineingeschrieben. Aber unter uns gesagt: Vieles ist auch weniger bedeutsam. Dennoch bleibt genug von Wichtigem übrig, das ich unter den Tisch fallen lassen muß. Mancher von Ihnen wird deswegen meine Auswahl als nicht frei von einiger Willkür empfinden; erneut unter uns: Ich auch. Mit einigem dadurch verursachten Unbehagen will ich die Betrachtung beginnen.
11. Allgemeiner und Besonderer Teil Als Innovation kann man wohl nicht rühmen, daß der Entwurf - wie jedes bessere Gesetz und erst recht wie jede Kodifikation - aus einem Allgemeinen und einem Besonderen Teil besteht. Oder vielleicht doch? Denn bezeichnend ist es immerhin und verdient Hervorhebung, daß gerade der Allgemeine Teil auch dank seiner vereinheitlichenden Kraft besonders innovationsträchtig und von Innovationen geradezu durchzogen ist; ihm kommt gegenüber dem Besonderen Teil der höhere Rang zu. Überraschen kann das freilich nicht. Denn die großen Linien eines Gesetzes werden meist im Allgemeinen Teil gezeichnet, das Prägende dort gestaltet und die grundsätzlichen Fragen dort beantwortet. Die Qualität eines Gesetzes wird deswegen meist durch seinen Allgemeinen Teil bestimmt. Dort findet nach dem schon Angedeuteten auch die vereinheitlichende harmonisierende Kraft einer Kodifikation ihren hauptsächlichen Niederschlag. In ihm wird das, was sich aus den ver7 Vgl. dazu näher die einzelnen Beiträge der Kommissionsmitglieder in diesem Buch; auf sie wird im folgenden meist nicht mehr besonders hingewiesen, ebensowenig auf Korreferate dazu.
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schiedenen Bereichen des Umweltrechts verallgemeinern läßt, vor die Klammer gezogen und zusammengefaßt. Er bildet das Zentrum, auf das der Besondere Teil mit seinen Besonderheiten bezogen und an dem er ausgerichtet ist. Dort in erster Linie finden sich auch die eben erwähnten behutsamen Fortentwicklungen, obwohl es daran auch im Besonderen Teil nicht fehlt. Allerdings sollte man vom Allgemeinen Teil nicht nur Neuartiges, nicht nur Innovationen erwarten. Wenn er nämlich Bewährtes aus den verschiedenen Fachgesetzen vor die Klammer zieht und insoweit für Einheitlichkeit sorgt, findet sich naturgemäß manch Altbekanntes, obwohl der Vereinheitlichung als solcher nach dem schon Gesagten bereits ein innovatorischer Effekt zukommt.
IH. Grundlagen des Umweltschutzes
Eine behutsame Fortentwicklung bietet bereits der richtungweisende Zweite Abschnitt des die Allgemeinen Vorschriften enthaltenden Ersten Kapitels. Er breitet die Grundlagen des Umweltschutzes aus. J. Umweltverantwortung des Bürgers
An erster Stelle mahnt er die Umweltverantwortung des Bürgers an (§ 3) und spricht aus, daß jeder eine eigene Verantwortung für den Schutz der Umwelt trägt und nur im Rahmen dieser Verantwortung die Umweltgüter nutzen kann. Diese Vorschrift trägt bewußt appellativen Charakter, begründet also eine eigenständige, aus sich vollziehbare rechtliche Verpflichtung nicht, sondern verweist insoweit auf die Rechtsordnung. Den Juristen mag das enttäuschen. Aber muß Innovation - und darum handelt es sich, denn eine vergleichbare Vorschrift gibt es bisher nirgends stets im abstrakten Rechtsgewande daherschreiten? Vielleicht kann die unmittelbare schlichte Ansprache des Bürgers mittelbar mehr für die Umwelt bewirken als verbindliche Befehle, die eher Widerwillen erzeugen und ohnehin selten genug befolgt werden. Man sollte es auf den Versuch ankommen lassen. Wenn ich mir vorstelle, welch reichhaltigen Inhalt die Rechtswissenschaft dem doch eher inhaltsarmen Art. 20a GG entlockt hat, dann ist mir um unseren § 3 und seinen auch juristischen Gehalt nicht sonderlich bange. Dies gilt zumal deswegen, weil in den nächsten Vorschriften das Kooperationsprinzip sowie die Umweltpflichtigkeit des Eigentums hervorgehoben werden; danach berechtigt das Eigentum zur Nutzung von Naturgütern und zu Eingriffen in Natur und Landschaft nur, soweit die in den umweltrechtlichen Vorschriften festgelegten Voraussetzungen für eine dauerhafte Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen erfüllt werden (§ 10).
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2. Leitlinien einer dnuerhaft umweltgerechten Entwicklung
Die Leitlinien einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung umschreibt § 4 insbesondere dahin, daß Naturgüter und sonstige Ressourcen, die sich nicht erneuern, geschont und sparsam genutzt werden und der Verbrauch von sich erneuernden Naturgütern und sonstigen Ressourcen so gesteuert wird, daß sie auf Dauer zur Verfügung stehen, daß die Aufnahmefähigkeit und Belastbarkeit der Umwelt unter Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes gewahrt werden, und daß die Ozonschicht geschützt und die Stabilisierung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, also der Schutz des Klimas, angestrebt wird. Man mag dies für nicht sonderlich neu halten. In einem Entwurf oder Gesetz steht es jedenfalls zum ersten Mal und mag daher ebenfalls als Innovation abgehen. 3. Prinzipientrias und Integrationsprinzip
Die bekannte Prinzipientrias - Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip - wird im Anschluß daran näher entfaltet, und zwar mit diesem Inhalt und in dieser Fonnulierung durchaus neuartig. Das geltende Recht kennt solche Vorschriften nicht. Der Entwurf ist allerdings nüchtern genug, um zu wissen, daß diese Prinzipien der Konkretisierung in den jeweiligen Sachgebieten bedürfen. a) Vorsorgeprinzip Dabei verdient Hervorhebung, daß Vorsorge, die Risiken für die Umwelt und den Menschen insbesondere durch eine vorausschauende Planung und geeignete technische Vorkehrungen möglichst ausschließen oder vennindern soll, auch dem Schutz empfindlicher Gruppen und empfindlicher Bestandteile des Naturhaushalts dient (§ 5). b) Verursacherprinzip Das Verursacherprinzip (§ 6) weist zwar dem, der Gefahren oder Risiken verursacht, im Grundsatz die Verantwortung zu, überläßt es aber auch hier der speziellen Konkretisierung, ob damit eine Beseitigungspflicht oder "nur" eine Kostenzurechnung verbunden ist. Der Entwurf verbindet aber realistisch mit dem Verursacherein Gemeinlastprinzip, für den traurigen Fall nämlich, daß ein Verursachungsverantwortlicher nicht vorhanden oder nicht greifbar ist.
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c) Kooperationsprinzip Beim Kooperationsprinzip (§ 7) ist der Entwurf nicht ganz so fortschrittlich und innovativ wie der Professoren-Entwurf!. Diesem aber war wohl nicht zu Unrecht vorgeworfen worden, er bringe die Gefahr mit sich, daß die öffentliche Hand den Umweltschutz vorrangig dem Bürger überantworte, subsidiär hinter diesen zurücktrete und dadurch Gelegenheit nehmen könnte, der ihr zukommenden Verantwortung auszuweichen und in Untätigkeit zu flüchten 9 • Demgegenüber vertraut der Entwurf den Schutz der Umwelt Bürgern und Staat in Kooperation miteinander gewissermaßen zu gleichen Teilen an. Er läßt es aber nicht zu, daß sich die öffentliche Hand aus der Verantwortung stiehlt und sie gleichsam nur eine Auffangposition einnimmt, wenn der Bürger versagt. Immerhin wird die Eigenverantwortlichkeit des Bürgers sowie die Bürgerbeteiligung in Gestalt der Beteiligung der Öffentlichkeit und des Zugangs des Bürgers zu Umweltinformationen ausdrücklich angesprochen. Die Stichworte Eigenverantwortung und Eigeninitiative des Bürgers sowie Bürgerbeteiligung durchziehen sozusagen leitmotivisch den ganzen Entwurf und verleihen ihm auch dadurch innovatorische Züge. Der Entwurf nutzt also in großem Umfang die Möglichkeit, das legitime Eigeninteresse des Bürgers fruchtbar zu machen, auch für die Interessen des Umweltschutzes. Das widerspricht sich nicht; denn wenn es gelingt, den Bürger davon zu überzeugen, daß der Umweltschutz zu seinen ureigensten Angelegenheiten gehört, dann ist das Eintreten eines Bürgers für den Umweltschutz zumindest auch eine individuelle Verfolgung von Privatinteressen, zugleich aber Erfüllung einer Gemeinwohlaufgabe. Im Interesse des Zusammenwirkens von Staat und Bürger wird den Behörden aufgegeben zu prüfen, ob die Zwecke des Umweltgesetzbuchs durch Vereinbarung mit den Betroffenen erreicht werden können; insoweit besteht also nur, aber immerhin ein Prüfauftrag und nicht etwa ein Prinzip der Subsidiarität staatlichen Handeins gegenüber privater Initiative 10. d) Integrationsprinzip Angereichert wird die bekannte Prinzipientrias durch das, was man ein Integrationsprinzip nennen kann, das nämlich den Schutz der Umwelt in ihrer Gesamtheit im Auge hat und Verlagerungen von Umweltbelastungen von einem Medium in ein anderes verhindern soll (§ 8); auch das bedarf der Konkretisierung, die uns im Laufe der Tagung noch beschäftigen wird. 8 Michael Kloepjer I Eckhard Rehbinder I Eberhard Schmidt-Aßmannl Philip Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil- Berichte des Umweltbundesamtes 7/90, 1990, dort § 6 mit der Begründung S. 157 ff. 9 Vgl. die Nachweise bei Horst Sendler, Brauchen wir ein Umweltgesetzbuch? OVBI. 1992, 1120. IO Vgl. näher Horst Sendler, Selbstregulierung im Konzept des Umweltgesetzbuches, UPR 1997,382.
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IV. Recht- und Regelsetzung
Innovationen zeichnen insbesondere den Abschnitt über Recht- und Regelsetzung aus, der ebenfalls von dem Bestreben getragen ist, die Beteiligung und das Eigeninteresse des Bürgers zu mobilisieren.
1. Rechtsverordnungen und Umweltkommission
Dem dient es, daß bereits die Entwürfe von Rechtsverordnungen, in denen z. B. Grenzwerte für die Umwe1tqualität festgesetzt werden, zu veröffentlichen sind (§ 16): Ein Novum bei der Rechtsetzung. Überdies sind die Entwürfe zu begründen unter Angabe der wissenschaftlichen Annahmen und Methoden sowie der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Das macht die Verordnungsgebung im Umweltbereich transparent und ermöglicht es sachkundigen Bürgern, sich in den herausgehobenen, aber nicht seltenen Fällen, in denen eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor dem Erlaß einer Rechtsverordnung vorgesehen ist, fundiert zu äußern (§ 20). Es versteht sich von selbst, daß dabei auch die interessierten Kreise der Wirtschaft ihre Innovationsfähigkeit beweisen und - je nach Interessenlage - als Motor oder Bremse in Erscheinung treten können. Abgerundet wird dieses Modell durch eine ausgewogen zusammengesetzte Umweltkommission aus qualifizierten, unabhängigen und weisungsungebundenen Mitgliedern mit beratender Funktion gegenüber Bundesregierung und zuständigem Ministerium (§§ 18 f.); sie ist vor dem Erlaß einer Rechtsverordnung anzuhören und hat ihrerseits Vorschlagsrechte, deren Ablehnung der Kommission gegenüber begründet werden muß. Der Erlaß von Rechtsverordnungen kann - das Kooperationsprinzip konkretisierend - also als eine Art kooperativer Normsetzung bezeichnet werden, wobei freilich die Letztverantwortung trotz aller Kooperation beim Verordnungsgeber bleibt.
2. Sonstige Instrumente
Kooperation sowie Bürger- und insbesondere Interessentenbeteiligung, insoweit aber auch Innovation, stehen erst recht im Vordergrund der sonstigen Instrumente, die der Abschnitt über Recht- und Regelsetzung bereithält.
a) Technische Regelwerke Das gilt zumal für die technischen Regelwerke, also für technische Normen privater oder öffentlich-rechtlicher Normungsorganisationen. Diese regelmäßig auf privater Initiative beruhenden Werke entlasten nicht nur die staatliche untergesetzliche Rechtsetzung; vielmehr sind sie, ohne die in diesem Bereich vieles überhaupt
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nicht mehr liefe, schlechterdings unentbehrlich. Der Entwurf macht sie sich in mehrfacher Hinsicht zunutze, ohne sich anzumaßen, die private Normung zu normieren und damit den Deregulierungsbestrebungen entgegenzuhandeln. Zum einen ermöglicht der Entwurf ausdrücklich, in Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften wegen technischer Anforderungen auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen technischer Regelwerke zu verweisen, sie also im Umfang der Verweisung zum Inhalt der verweisenden Norm zu machen und damit in ihren Rang zu erheben (§ 31). Zum anderen ist unter bestimmten Voraussetzungen die amtliche Einführung von technischen Regelwerken vorgesehen; von solchen Regelwerken wird vermutet, daß sie den Stand der Technik oder den Stand von Wissenschaft und Technik zutreffend wiedergeben (§ 33). Aber auch insoweit verfährt der Entwurf flexibel und läßt privater Initiative zusätzlich Raum. Von dem Regelwerk darf nämlich abgewichen werden, wenn ein mindestens gleichwertiger Schutz vor Gefahren und eine mindestens gleichwertige Risikovorsorge auf andere Weise gewährleistet sind.
b) Festlegung von Zielen durch die Bundesregierung Weitere Vorschriften im Abschnitt über Recht- und Regelsetzung bauen auf die Initiative gesellschaftlicher Kräfte. Mehrere Möglichkeiten werden vorgesehen, für die es keine gesetzlichen Vorbilder gibt, obwohl teilweise davon schon Gebrauch gemacht wird. Der rechtliche Rahmen, den der Entwurf dafür gibt, will Anstöße vermitteln, sich ihrer vermehrt zu bedienen. Das gilt für die Festlegung von Zielen durch die Bundesregierung, die innerhalb einer bestimmten Frist erreicht werden sollen (§ 34). c) Selbstverpflichtungen Das gilt weiter für die nicht selten praktizierten Selbstverpflichtungen. Insoweit soll ohne Rechtsverbindlichkeit gegenüber der Bundesregierung erklärt oder mit ihr vereinbart werden können, daß bestimmte Anforderungen zur Risikovorsorge innerhalb einer angemessenen Frist freiwillig erfüllt werden (§ 35). Freilich macht der Entwurf das von ihm zur Verfügung gestellte Muster nicht verbindlich, so daß auch andere Formen der freiwilligen Selbstverpflichtung benutzt werden können und auch insoweit privater Initiative Raum gelassen wird.
d) Normersetzender Vertrag und öffentlich-rechtlicher Umweltschutzvertrag Diesen unverbindlichen Instrumenten stehen solche gegenüber, die Verbindlichkeit sowohl für den betroffenen Bürger als auch für die öffentliche Hand bewirken. Das gilt für den normersetzenden Vertrag (§ 36), für dessen Abschluß bestimmte 3*
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Voraussetzungen erfüllt sein müssen; z. B. dürfen schutzwürdige Interessen Dritter oder der Allgemeinheit nicht verletzt werden. Dieser normersetzende Vertrag wird flankiert durch den weiter vorgeschlagenen öffentlich-rechtlichen Umweltschutzvertrag, der die Ausräumung kleinräumiger Streitpunkte ermöglicht (§ 38). e) Umweltgebietsverbände Innovatorische Züge trägt schließlich die Möglichkeit, zum Schutz der Umwelt und des Menschen in bestimmten Gebieten Umweltgebietsverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts zu errichten mit der Befugnis, z. B. Grenz- und Richtwerte für die Umweltqualität durch Satzung festzulegen (§ 40). Ersichtlich haben hier die Wasser- und Bodenverbände Pate gestanden, deren Möglichkeiten aber erweitert werden sollen. Regionale Sachkunde und auch regionale Interessen sollen hier gebündelt werden, um regionale Standards auf regionaler, also örtlichfachlicher Basis festzulegen.
V. Beteiligung von Verbänden, Rechtsschutz Bei der Beteiligung von Verbänden setzt der Entwurf ebenfalls auf die Initiative gesellschaftlicher Kräfte. In solchen Verbänden wird bekanntlich der Sachverstand von Bürgern, die für den Umweltschutz engagiert sind, gebündelt, um ihn dann Behörden wie Gerichten nahezubringen und um außerdem zu verhindern, daß Behörden gegen umweltrechtliche Vorschriften verstoßen, ohne daß jemand vorhanden ist, der gegen rechtswidrige Maßnahmen vor Gericht vorgehen kann. 1. Altruistische Verbandsklage
Deswegen will der Entwurf die Mitwirkung von behördlich anerkannten Umweltschutzverbänden an Verfahren und behördlichen Maßnahmen ebenso wie die Möglichkeit zur Erhebung von Verbandsklagen über das geltende Recht hinaus erweitern. So ist gemäß § 45 ein anerkannter Verband zur altruistischen Verbandsklage berechtigt, in denen ein klagebefugter Kläger meist fehlt; bisher besteht diese Möglichkeit nur auf landes gesetzlicher Grundlage in mehreren, nicht allen Bundesländern. Freilich sind die Verbände darauf beschränkt, eine Verletzung bestimmter umweltrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, so z. B. von Vorschriften, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind.
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2. Erweiterung des Drittschutzes
Die Möglichkeit, Verbandsklagen zu erheben, wird ergänzt durch Vorschriften, die den sog. Drittschutz erweitern, nämlich in den Bereich der Risikovorsorge hinein. Auch dadurch wird die Rolle der Vorsorge, die bereits in der Vorschrift über das Vorsorgeprinzip gestärkt wird, zusätzlich erweitert. Soweit Europarecht nicht mehr möglich macht oder erzwingt, können derzeit Bürger vor Gericht nur geltend machen, es werde gegen Vorschriften verstoßen, die der Abwehr von Gefahren für die Betroffenen dienen und insoweit den Bürgern Rechte einräumen. Diese Möglichkeit will der Entwurf erweitern, so daß auch der Verstoß gegen Vorschriften, die lediglich der Risikovorsorge dienen, durch betroffene Bürger vor Gericht gerügt werden kann (§ 44). Mit dem Begriff des Betroffenseins nimmt der Entwurf ein Element aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf, die es genügen läßt, daß ein Bürger, der sich auf Gemeinschaftsrechte, z. B. auf nicht rechtzeitig umgesetzte Richtlinien berufen will, "betroffen" ist, ohne daß den "Betroffenen" subjektive Rechte im Sinne der deutschen Schutznormtheorie zur Seite zu stehen brauchen. Mit diesem Mittel werden praktisch die Bürger zur "Hilfstruppe des europäischen Richtlinienvollzuges" gemacht; der Entwurf hält sich freilich im Rahmen der deutschen Schutznormtheorie; nach § 44 "dienen" Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften, die Grenzwerte zur Vorsorge gegen Risiken festlegen, "auch dem Schutz Dritter, die von einer Überschreitung der Grenzwerte betroffen sein können".
3. Öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage
Erweiterte Klagerechte sieht schließlich § 46 vor; danach können Gewerbetreibende über die privatrechtliche Konkurrentenklage nach dem UWG hinaus auch mit verwaltungsgerichtlichen Klagen gegen behördliche Maßnahmen oder Unterlassungen vorgehen, die einen Konkurrenten begünstigen und diesem die Chance geben, seine Produkte unter Verstoß gegen umweltrechtliche Vorschriften umweltunfreundlicher, deswegen aber billiger herzustellen und damit den Wettbewerb zu verzerren. 4. Richterliche Kontrolldichte
Innovatorischer Charakter kommt auch der Vorschrift des § 43 zu, die die sogenannte richterliche Kontrolldichte gegenüber behördlichen Prognosen zurücknimmt und entsprechend dem, was im außerdeutschen Rechtsbereich üblich ist, die umfassende Kontrolldichte einschränkt; danach sind behördliche Prognosen und Bewertungen, die technischen oder naturwissenschaftlichen Sachverstand voraussetzen, im gerichtlichen Verfahren nur darauf zu überprüfen, ob das für die Prognose und Bewertung vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde und die be-
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hördliche Prognose oder Bewertung nachvollziehbar ist. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit der schon erwähnten Erweiterung der Klagebefugnisse in den Vorsorgebereich zu sehen. Wenn es sich - gerade im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH - nicht vermeiden lassen wird, bei der Zuerkennung der Klagebefugnis großzügiger zu sein als nach der deutschen Schutznormtheorie, so wird dies dazu führen müssen, von der im europäischen Vergleich außergewöhnlichen deutschen Kontrolldichte Abstriche zu machen. Alles auf einmal wird man angesichts der ohnehin schon überlasteten Verwaltungsgerichte nicht haben können: Einerseits erweiterte Klagebefugnis, andererseits aber unverändert exorbitante, nicht funktionsadäquate gerichtliche Kontrolldichte; einen Schritt, hier korrigierend zu wirken, geht § 43. Gleiches findet sich wiederholt in Vorschriften, die der Exekutive eine Einschätzungsprärogative einräumen (vgl. §§ 25, 84 Abs. 3, § 96 Abs. I Satz 2, § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 362 Abs. I Nr. 3, § 385 Abs. I Satz 2 Nr. 2).
VI. Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Hand Neuartig sind auch überwiegend die Regelungen über die Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Hand (§§ 50 ff.). So wie der Entwurf an prominenter Stelle die Umweltverantwortung des Bürgers anmahnt, betont er auch die behördliche Umweltpflichtigkeit und gestaltet sie rechtlich verbindlich aus. Die öffentliche Hand jedenfalls die des Bundes - wird u. a. verpflichtet, vorrangig umweltschonende Produkte zu verwenden (§ 51); geeignete Grundstücke sollen der umweltverträglichen Erholung zur Verfügung gestellt werden.
VII. Planung Zum Zweiten Kapitel über die Planung kann ich mich kurz fassen, zumal die Umweltplanung morgen durch Herrn Bulling eine gesonderte Betrachtung im Plenum erfährt. Zudem gibt sich das Planungskapitel bescheidener als das innovationsfreudigere Erste Kapitel über die Allgemeinen Vorschriften, bescheidener und zurückhaltender auch als die anspruchsvolle Regelung, die im Professoren-Entwurf für eine Umweltleitplanung vorgesehen warll; sie war aber im Schrifttum auf nicht unerhebliche Vorbehalte gestoßen, weil sie wegen ihrer komplizierten Überfeinerung als zu störanfällig empfunden wurde l2 .
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Vgl. §§ 19 ff. des Professoren-Entwurfs (Fn. 8) S. 46 ff. mit der Begründung S. 198 ff. V gl. die Nachweise bei Sendler (Fn. 9) S. 1120 f.
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1. Umweltgrundlagenplanung Im wesentlichen beschränkt sich der Entwurf auf eine sog. Umweltgrundlagenplanung (§§ 69 ff.), ohne damit einen neuen selbständigen Planungstyp und ein eigenständiges Verfahren zu entwickeln. Die Umweltgrundlagenplanung wird den vorhandenen Planungstypen der Landes-, der Regional- und der Bauleitplanung gleichsam aufgesattelt und dient als Vorstufe der gesamträumlichen Planung, in die sie integriert ist. Sie schafft für diese die für den Umweltschutz relevanten Grundlagen, indem sie "den für raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen erheblichen Zustand der Umwelt sowie raumbedeutsame Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des Umweltschutzes" zusammenfassend darstellt (§ 69 Abs. 1)13. Die Abwägung zwischen den in der Umweltgrundlagenplanung dargestellten raumbedeutsamen Erfordernissen für den Umweltschutz mit anderen planungserheblichen Belangen wird erst - je nach Planungsstufe - bei der Festsetzung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder der Bauleitplanung vorgenommen (§ 71). Das alles bleibt auf dem Teppich, ist aber doch neu und insoweit innovativ als eine relativ unkomplizierte Ergänzung von Planungen um Aspekte des Umweltschutzes.
2. Bundesumweltprogramm und UmweltverträglichkeitsprüJung bei Plänen und Programmen Neu ist auch das Bundesumweltprogramm, das die mittel- und langfristigen Perspektiven der umweltrelevanten Planungen der Bundesregierung darstellt (§ 73). Neu ist schließlich die vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung bei Plänen und Programmen (§§ 74 ff.). Sie existiert im Bundesrecht bisher nicht, greift aber Überlegungen auf, die im europäischen Bereich bereits angestellt werden. Diese Prüfung trägt der Erkenntnis Rechnung, daß schon bei der Aufstellung von Plänen und Programmen, etwa bei Abwasserbeseitigungs- und bei Abfallwirtschaftsplänen, wesentliche Weichen gestellt werden, dabei aber noch Alternativen, insbesondere zum Standort, erwogen und geprüft werden können. Wie die Projekt-UVP ist die Plan- und Programm-UVP unselbständiger Teil des Verfahrens, dem sie zugeordnet ist (§ 74 Satz 2).
VIII. Vorhaben(genehmigung) Zentrale Bedeutung kommt dem Dritten Kapitel zu, das sich mit Vorhaben und deren Genehmigung befaßt 14. In ihm finden sich zahlreiche Innovationen, die ins13 In ähnliche Richtung gingen die Vorschläge von Breuer in seinem Gutachten zum 59. Deutschen Juristentag 1992; vgl. den Nachweis bei Sendler (Fn. 9) S. 1121 Fn. 65. 14 Vgl. im einzelnen die Ausführungen von Sellner über Konzeption, materiell-rechtliche Voraussetzungen und Verfahren der Vorhabengenehmigung, in diesem Band S. 91.
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besondere darin zum Ausdruck kommen, daß sie die unterschiedlichen Zulassungstypen des geltenden Rechts zusammenführen und vereinheitlichen. 1. Europäische Einflüsse, insbesondere lVU-Richtlinie
Das Kapitel ist wesentlich vom europäischen Recht beeinflußt; es setzt nämlich die IVU-Richtlinie und die UVP-Richtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie um und führt beide gewissermaßen zusammen. In diesem Kapitel zeigt sich besonders deutlich der bereits erwähnte integrative Ansatz, der das europäische Recht maßgeblich prägt. Aber auch andere europäische Einflüsse schlagen sich nieder; das betrifft z. B. den Umfang der Genehmigung durch inhaltliche Konkretisierung etwa mit Hilfe der Festlegung von Emissionsgrenzwerten (§ 91); weiter werden in § 98 die Anforderungen der IVU-Richtlinie an die regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung von Genehmigungen umgesetzt, ebenso die Verpflichtung zur Sanierung bestehender Anlagen. 2. Integrationswirkung
Die einleitende Vorschrift des § 80 umreißt die Integrationswirkung, die der Vorhabengenehmigung innewohnt: Durch sie wird "einheitlich und medienübergreifend über die Zulassung von" - im Entwurf genau bezeichneten - "Vorhaben entschieden, die regelmäßig Auswirkungen auf mehrere Umweltgüter haben können". Integrierende Wirkung ist weiter damit verbunden, daß für die Erteilung der Genehmigung oder deren Ablehnung dem Antragsteller gegenüber nur eine Behörde, die Genehmigungsbehörde, zuständig ist und nur eine, die integrierte einheitliche Genehmigung ergeht, weitere behördliche Entscheidungen mithin nicht erforderlich sind (§ 99). Mit der Vorhabengenehmigung ist also auch eine umfassende Konzentrationswirkung verbunden. 3. Einbeziehung der UmweltverträglichkeitsprüJung; 1ntegrations- und Öjfnungsklausel
Die Umweltverträglichkeitsprüfung, deren verfahrensmäßige Handhabung bisher immer wieder Probleme aufwirft, bleibt nicht mehr als ein gleichsam selbständiges Instrument erhalten, sondern ist vollständig in das Genehmigungsverfahren einbezogen; dieses enthält nämlich die für eine Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblichen Verfahrenselemente. Eine besondere Integrationsklausel konkretisiert das schon erwähnte allgemeine Integrationsprinzip; danach sind die Grundpflichten und die Anforderungen an die Zulässigkeit von Eingriffen in Natur und Landschaft so zu erfüllen, daß unter Berücksichtigung aller Be1astungspfade und der Wechselwirkungen zwischen den Umweltgütern die Maßnahmen getroffen
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werden, die die Umwelt in ihrer Gesamtheit möglichst wenig belasten; Kriterien für die Anwendung dieser Klausel werden durch Rechtsverordnung bestimmt, deren Erlaß aber nicht Voraussetzung für die Beachtung jener Klausel ist (§ 83 Abs. 2). Die Integrationsklausel hat allerdings manche Befürchtungen geweckt, weil damit die Verwaltung überfordert werden könnte; aber das dort Formulierte wird - etwa beim Bau einer Ortsumgehungsstraße, die in Natur und Landschaft eingreift, dafür aber den Ortseinwohnern Lärm und Abgase erspart, - praktisch schon jetzt gehandhabt. Die "Öffnungsklausel" des § 84 Abs. 3 sorgt für eine maßvolle Flexibilisierung und ermöglicht es, von der Einhaltung einzelner Grenzwerte zur Risikovorsorge abzusehen, wenn daraus unter Berücksichtigung des Einsatzes von Ressourcen und Energie eindeutige und erheblich überwiegende Vorteile für die Umwelt in ihrer Gesamtheit erwachsen. 4. Gebundene, planerische und einfache Vorhabengenehmigung
All dies und noch viel mehr gilt für die verschiedenen Ausformungen der Vorhabengenehmigung, also für die gebundene, die planerische und - mit Einschränkungen - für die einfache Vorhabengenehmigung. § 81 bestimmt die genehmigungsbedürftigen Vorhaben. Die gebundene Genehmigung ist z. B. grundsätzlich vorgesehen für die derzeit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterliegenden Anlagen, für kerntechnische und für gentechnische Anlagen, für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, für Waldumwandlungen, für die Ausbeutung von Meeresbodenschätzen. Von der planerischen Genehmigung werden z. B. Endlager für radioaktive Abfälle, bestimmte Leitungsanlagen, Abfalldeponien, der Bau von Verkehrsanlagen und der Ausbau von Gewässern erfaßt. Vorhaben, die lediglich der einfachen Genehmigung unterliegen, werden unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 1 für einige der genannten Vorhaben durch Rechtsverordnung festgelegt. a) Gebundene Vorhabengenehmigung Im Vordergrund des Interesses dürfte die gebundene Vorhabengenehmigung stehen. Sie ist - wie derzeit die immissionsschutzrechtliche Genehmigung - zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen können allerdings Tatbestandsmerkmale gehören, bei deren Auslegung der Behörde eine Einschätzungsprärogative eingeräumt ist, wie sie der Entwurf z. B. anstelle des wasserwirtschaftlichen Ermessens im geltenden Recht treten läßt (§ 362 Abs. 1 Nr. 3); auch sonst können der Genehmigungsbehörde Beurteilungsspielräume zur Verfügung stehen, etwa dann, wenn nach dem schon erwähnten § 43 behördliche Prognosen und Bewertungen nur einer begrenzten gerichtlichen Überprüfung offenstehen; in diesen, aber auch in anderen Bereichen, werden aufgrund
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der Integrationsklausel des § 83 Abs. 2 auch Abwägungen erforderlich sein und der Behörde Beurteilungsspielräume zustehen. Die Genehmigungsvoraussetzungen ergeben sich vor allem aus den Grundpflichten, die im Vorhabenkapitel selbst generell niedergelegt sind (§ 83 Abs. 1), sowie aus den Grundpflichten, die in den Fachkapiteln des Besonderen Teils speziell formuliert sind, und sonstigen Genehmigungsvoraussetzungen, die ebenfalls im Vorhabenkapitel (§ 84) und in den Fachkapiteln enthalten sind. In den Fachkapiteln ist vereinzelt - so im Bereich des Naturschutzes (§ 263) und des Gewässerschutzes (§ 367) - ein Einvernehmen der Naturschutz- und der Wasserbehörde vorgesehen, ohne deren Vorliegen die Vorhabengenehmigung nicht erteilt werden kann. Das Verfahren ist insbesondere durch Einwendungsmöglichkeiten für jedermann, einen Erörterungstermin, der grundsätzlich öffentlich ist, durch eine materielle Präklusion, durch Fristen für die behördliche Entscheidung u. ä. gekennzeichnet (§§ 87 ff.), wie dies im großen und ganzen aus dem geltenden Recht bekannt ist, so daß diese Teile mehr von beharrenden Elementen geprägt sind. Dennoch werden gelegentlich innovative Modifizierungen vorgenommen, etwa durch die Möglichkeit der Einschaltung eines Verfahrensmittlers, der - ebenso wie die Genehmigungsbehörde selbst - auf einen Ausgleich divergierender Interessen hinwirken und - als Ausdruck des Kooperationsprinzips - eine einvernehmliche Lösung anstreben soll (§ 89 Abs. 2); das Letztentscheidungsrecht der Behörde wird dadurch aber nicht in Frage gestellt. Neu ist in Umsetzung europäischen Rechts die schon angedeutete obligatorische Überprüfung von Genehmigungen und Anlagen in näher bestimmten Abständen oder aus besonderem Anlaß (§ 98). b) Planerische Vorhabengenehmigung Die planerische Vorhabengenehmigung, die an die Stelle der Planfeststellung des geltenden Rechts treten soll, ergeht für Vorhaben, die wegen der Vielfalt der berührten Belange planerischer Gestaltung und Abwägung bedürfen, z. B. für den Bau von überregionalen Verkehrsanlagen; ein solches Vorhaben muß wegen der regelmäßig vorgesehenen Inanspruchnahme fremder Grundstücke und großflächiger Eingriffe in Natur und Landschaft im öffentlichen Interesse nicht nur liegen, sondern erforderlich sein; das setzt auch eine Abwägung zwischen naheliegenden Alternativen voraus (§ 102 Abs. 1). Ein Rechtsanspruch auf eine planerische Genehmigung besteht nicht.
5. Umweltverträglichkeitsprüfung bei vorgelagerten Verfahren und sonstigen Vorhaben
Maßgeblich durch europäisches Recht ist schließlich ein Abschnitt geprägt, der die Umweltverträglichkeitsprüfung bei vorgelagerten Verfahren und sonstigen Vorhaben behandelt (§§ 111 f.). Mit ihm werden die gemeinschaftsrechtlich vorgege-
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benen UVP-Pflichten umgesetzt, soweit dies nicht in anderen Vorschriften des Entwurfs geschieht. Im Gegensatz zu der im Planungskapitel behandelten Plan- und Programm UVP handelt es sich hier um eine Projekt-UVP, auch wenn dabei ein vorgelagertes Verfahren in Frage steht, so etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung im Zusammenhang mit Wege- und Gewässerplänen, mit Bebauungsplänen und Vorhaben- und Erschließungsplänen.
IX. Produkte
Innovationen kennzeichnen auch das Kapitel über Produkte. Seine Stellung im Anschluß an das Vorhabenkapitel verdeutlicht, daß Belastungen für die Umwelt und den Menschen nicht nur von Produktionsanlagen ausgehen, sondern auch von den Produkten selbst, ihrer Herstellung, ihrem Gebrauch und ihrer Entsorgung.
1. Produktverantwortung
Deswegen wird im Anschluß an § 22 KrW- / AbfG eine Produktverantwortung von Herstellern, Vertreibern und Verwendern statuiert. Die dafür vorgesehenen Regelungen "verdichten" sich jedoch nicht bis hin zu Produktionszulassungs- oder -genehmigungspflichten; immerhin sehen sie die Möglichkeit vor, durch Rechtsverordnung Anzeigepflichten oder Genehmigungserfordernisse einzuführen (§ 121 Abs. I Nr. 2).
2. Umweltbelastungsanalyse
Für bestimmte Produkte ist eine Umweltbelastungsanalyse vorgesehen, bei der die zu erwartenden Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen, insbesondere der Rohstoff- und Energiebedarf sowie die entstehenden Abfalle, einschließlich der Wechselwirkungen und verfügbaren Alternativen, zu ermitteln sind (§ 119).
3. Vergünstigungen
Das Umweltsiege1 als "Lohn" für besonders umweltschonende Eigenschaften oder für eine besonders umweltschonende Herstellung soll eine gesetzliche Grundlage erhalten (§ 124). Der Entwurf bringt also nicht nur Belastungen mit sich, sondern hält auch Vergünstigungen bereit. Das betrifft nicht nur die durch die Befolgung der Vorschriften z. B. bewirkten Energieeinsparungen, die auch dem Hersteller des Produkts zugute kommen. Dieser wird auch dadurch bevorzugt, daß Behörden des Bundes vorrangig Produkte zu verwenden haben, die eine besonders
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umweltschonende Eigenschaft aufweisen oder auf besonders umweltschonende Weise hergestellt wurden (§ 51 Abs. 1).
x. Eingreifende Maßnahmen und Überwachung 1. Eingreifende Maßnahmen
a) Nachträgliche Anordnungen, Untersagung, Wiedergutmachung von Ökoschäden Das Kapitel über eingreifende Maßnahmen komprimiert das traditionell ordnungsrechtliche Instrumentarium des Umweltrechts und bewegt sich dabei überwiegend auf herkömmlichen Pfaden, so etwa bei den nachträglichen Anordnungen und der Untersagung genehmigungsbedürftiger Tätigkeiten. Ein innovatorischer Gewinn liegt aber darin, daß die vielfältig zersplitterten Regelungen vereinheitlicht und verallgemeinert werden. Neu ist hingegen die Vorschrift über die Wiedergutmachung von sog. Ökoschäden, also von - das Interesse der Allgemeinheit am Schutz der Umwelt offensichtlich verletzenden - Schäden an Naturgütern, die meist keinem privaten Eigentümer zugeordnet sind und oft keinen Marktwert haben (§ 131); Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind danach grundsätzlich durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder Erstattung der Aufwendungen für die insoweit erforderlichen Maßnahmen wiedergutzumachen.
b) Sanierungskonzept Neu ist auch die Möglichkeit, statt eingreifende Maßnahmen zu erlassen, vom Verantwortlichen ein Sanierungskonzept zu verlangen (§ 132). Solches vom Betroffenen selbst erarbeitete Konzept ist gleichsam selbstregulierende Vermeidung von möglicherweise Schlimmerem sowie Ausdruck einer Subsidiarität staatlichen Handeins, freilich und selbstverständlich in Verbindung mit Kontrolle der Einhaltung des Konzepts.
2. Überwachung
Denn die Einhaltung von umweltrechtlichen Pflichten muß nach wie vor überwacht werden. Auf die Blauäugigkeit von Unternehmern allein ist kein Verlaß. Aber Rücksichtnahme ist geboten. Deswegen sollen die Überwachungs behörden ein einvernehmliches Zusammenwirken mit den Betroffenen anstreben (§ 133 Abs. I Satz 3), diesen also die Möglichkeit geben, auf di~ Durchführung der Überwachung verantwortlich Einfluß zu nehmen. Dem dient ebenfalls die Möglichkeit
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der Eigenüberwachung. Auch insofern vertraut der Entwurf auf das Eigeninteresse der Betroffenen, ohne insoweit auf eine Kontrolle zu verzichten.
XI. Betrieblicher Umweltschutz, Umwelthaftung und sonstige ökonomische Instrumente
Die eben erwähnten ordnungsrechtlich orientierten Vorschriften im Rahmen der Eigenüberwachung suchen bereits das Eigeninteresse und die Eigenverantwortung des Betroffenen zu mobilisieren.
1. Betrieblicher Umweltschutz
Mehr noch wollen die Vorschriften über den betrieblichen Umweltschutz, die Umwelthaftung und weitere ökonomische Instrumente die Ziele des Umweltschutzes durch die wirtschaftliche Motivation der Beteiligten und ebenfalls dadurch erreichen, daß die Eigenverantwortung der Unternehmen gestärkt und gefördert wird. Sie sollen dazu führen, daß die Unternehmen den Umweltschutz mehr noch als bisher zu ihrer eigenen Angelegenheit machen und im Eigeninteresse die Umweltpolitik stärker in die Unternehmenspolitik einbeziehen, insbesondere durch die freiwillige Inanspruchnahme des Systems des Umweltaudits.
2. Umwelthaftung
Im Rahmen der - gegenüber dem geltenden Recht etwas verschärften - Umwelthaftung wird eine Haftung für vennutetes Verschulden bei Gesundheits- und Sachschäden eingeführt, die durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs einer Anlage, durch Unfälle beim Umgang mit gefährlichen Stoffen u. ä. oder durch Immissionen hervorgerufen werden; der Verantwortliche hat jedoch die Möglichkeit, sich zu entlasten, wenn er nachweist, daß er die nach den umweltrechtlichen Anforderungen erforderliche Sorgfalt beachtet hat (§ 172 Abs. 1). Das soll den Betreiber veranlassen, in erster Linie natürlich solche Unfälle zu vermeiden, aber auch, um sich den Gegenbeweis zu erleichtern, den betrieblichen Umweltschutz zu dokumentieren. Tatbestände für eine Gefährdungshaftung werden, teilweise modifiziert und erweitert, aus dem Umwelthaftungsgesetz, aus dem Gentechnikgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz übernommen (§§ 173 ff.). Bekümmern muß freilich, daß der Entwurf keinen Vorschlag für den Ausgleich von sogenannten Waldschäden enthält, u. a. deshalb, weil insoweit erhebliche finanzverfassungsrechtliche Probleme bestehen und deswegen die gelegentlich erwogene Fondslösung kaum in Betracht kommt.
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3. Umweltabgaben, -subventionen und Kompensationsregelungen
Umweltabgaben (§§ 190 ff.) sollen als ökonomische Bremse insbesondere helfen, Emissionen zu vermeiden oder zu vermindern und natürliche Ressourcen zu schonen. Das Abgabenaufkommen ist zweckgebunden für besonders spezifizierte Interessen des Umweltschutzes zu verwenden, darf also nicht das Staatssäckel zur Finanzierung anderer Aufgaben füllen (§ 194). Auf der anderen Seite sind Umweltsubventionen vorgesehen, allerdings nur, wenn das öffentliche Interesse daran überwiegt und die im Rahmen des Gesetzeszwecks angestrebten Ziele andernfalls nicht erreicht werden können (§§ 196 ff.). Kompensationsregelungen (§§ 202 f.) sollen dem Vorhabenträger Flexibilität und die Entfaltung von Eigeninitiative ermöglichen, ohne den Umweltschutz zu vernachlässigen.
XII. Umweltinformation
Das Kapitel über Umweltinformation (§§ 207 ff.) will erreichen, daß die - informierte - Öffentlichkeit für die Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften mobilisiert wird. Es befaßt sich mit staatlicher Umweltinformation und deren Voraussetzungen, also der Umweltforschung und -beobachtung, mit den Umweltinformationssystemen des Bundes, einer Umweltstatistik und einer umweltökonomischen Gesamtrechnung sowie mit der Umweltaufklärung. Weiter wird der Zugang zu Umweltinformationen geregelt. Im Anschluß an das Umweltinformationsgesetz und in Umsetzung von Vorgaben der EG-Umweltinformationsrichtlinie wird ein Anspruch auf Umweltinformationen mit Ausnahmen und Beschränkungen entfaltet, werden Verfahrensrege1ungen geschaffen und Register, Kataster und Inventuren vorgesehen, die jeder einsehen darf. Gebremst wird dieser Anspruch freilich durch die nötige Geheimhaltung von personen bezogenen Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§§ 224 ff.).
XIII. Grenzüberschreitender Umweltschutz
Das letzte Kapitel des Allgeineinen Teils widmet sich dem grenzüberschreitenden Umweltschutz, also einem Bereich, der angesichts der vor Grenzen nicht haltmachenden Umweltprobleme immer bedeutsamer wird (§§ 228 ff.). Insoweit betritt der Entwurf zu einem guten Teil juristisches Neuland. Das betrifft etwa die Vorschriften über die internationale Verantwortung, die auch die Verantwortung für die Umwelt und den Menschen außerhalb der Bundesrepublik umfaßt, und über die internationale Zusammenarbeit. Von besonderer praktischer Bedeutung sind die Vorschriften über das Verfahren bei grenzüberschreitenden Umweltauswirkun-
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gen; sie gehen dabei über die Erfordernisse des europäischen Rechts hinaus. So beschränkt sich die Vorschrift über die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung (§ 230) nicht auf die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, sondern gilt für alle betroffenen Staaten. Darüber hinaus wird darauf verzichtet, die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung nur nach dem Grundsatz von Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit im Nachbarstaat zuzubilligen. Ähnliches gilt für die grenzüberschreitende Bürgerbeteiligung (§ 231). Auch dieses Kapitel ist also durch Innovationen in Hülle und Fülle ausgezeichnet.
XIV. Besonderer Teil
Sie werden wahrscheinlich überrascht und wenig entzückt sein, wenn ich nachdem ich Sie schon über Gebühr mit dem Allgemeinen Teil des Entwurfs gequält habe - ein weiteres Mal zu allgemeinen Bemerkungen aushole, um jetzt Allgemeines zum Besonderen Teil zum Besten zu geben. Der Besondere Teil ist unumgänglich schon deswegen, weil der Allgemeine Teil nicht allein auf weiter Flur stehen bleiben kann und diesem sozusagen die nötige Bodenhaftung verliehen werden muß. Vor allem muß er die notwendigen fachrechtlichen Differenzierungen und Modifizierungen bereitstellen, wenn auch zusammengehalten durch die Klammer des Allgemeinen Teils. Der Besondere Teil geht überwiegend mehr vom geltenden Recht aus, spiegelt also eher das Beharren als die Innovation wider, an der es freilich ebenfalls nicht fehlt. Ihnen Innovation und Beharrung im Besonderen Teil vorzustellen, bereitet mir gleichwohl einige Pein. Zu vielgestaltig sind seine neun Kapitel, zu sehr müßte ich in Einzelheiten gehen. Das würde noch mehr Langeweile verbreiten, als ich sie hier ohnehin geboten habe. Glücklicherweise fehlt die Zeit für viele Einzelheiten; aber für Langeweile wird es, wie ich fürchte, dennoch reichen. So kann ich nur wenige Beispiele für Innovation bieten, ohne damit alles andere für Beharren zu erklären. Das "Beharren" muß unter dem Druck der Zeit entfallen und damit im wesentlichen unter den Tisch fallen.
1. Naturschutz
Das Naturschutzkapitel (§§ 245 ff.) sucht dem Naturschutz ein höheres Gewicht zu verleihen und ihn inhaltlich aufzuwerten. Dazu gehören verbesserte Beteiligungsrechte der Naturschutzbehörden; für bestimmte Entscheidungen anderer Behörden ist im Rahmen von Eingriffen in Natur und Landschaft das Einvernehmen der Naturschutzbehörden vorgesehen (§ 263 Abs. 2). In einer drei stufig aufgebauten Abwägungsklausel werden differenzierte, insgesamt deutlich verschärfte Voraussetzungen für die Überwindung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege normiert (§ 247 Abs. 2). Die Einhaltung dieser Voraussetzungen in
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der Verwaltungspraxis soll die bundesrechtlich vorgesehene Verbandsklage nach § 45 Abs. I Nr. I sichern helfen. Ein in dieser Weise gerichtlich durchsetzbarer ausnahmsloser und damit absoluter Vorrang der Belange des Naturschutzes wird jedoch realistischerweise nicht vorgeschlagen.
2. Bodenschutz
Das Bodenschutzkapitel (§§ 326 ff.) strebt in erster Linie an, die natürlichen Funktionen des Bodens zu erhalten und wiederherzustellen, dabei auch seine Nutzungsfunktionen zu berücksichtigen und eine dauerhaft umweltschonende Landund Forstwirtschaft zu fördern (§ 326). a) Bodenertragsnutzung Grundpflichten schreiben vor, die Bodenertragsnutzung umweltschonend zu betreiben und dabei die Regeln guter fachlicher Praxis und die Anwendungsverbote und -beschränkungen für Pflanzenschutz- und Düngemittel zu beachten. Zu den in neun Punkten näher umschriebenen Regeln guter fachlicher Praxis gehört u. a., die biologische Aktivität des Bodens durch entsprechende Fruchtfolge zu erhalten und zu fördern und Emissionen von Treibhausgasen so gering wie möglich zu halten (§ 332). Die Behörden werden verpflichtet, den ökologischen Landbau, dessen Bewirtschaftungsweise im einzelnen erläutert wird, zu fördern (§ 335). Eine Stickstoffabg